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356 P. Erdmann

welche von dem Balkenwerke des Ligamentum pectinatum in das Lumen einwuchsen und gewucherte Endothelzellen darstellten (vgl. Fig. 8, Taf. IX).

Eine gleiche Wucherung der Endothelzellen hatte die auf der Irisober- flache abgesetzte Eisenmasse ausgelost Die Eisenmasse , welche in den Krypten oder in grubigen Vertiefungen der Oberfläche lag, war von ge- wucherten, spindelförmigen Endothelzellen, sowie Rundzellen und grossen eisenbeladenen Phagocyten umgeben bzw. bedeckt Einzelne grössere eisen- haltige Zellen fanden sich im Irisgewebe zerstreut. Das Irisgewebe selbst war, abgesehen von einer unbedeutenden Hyperämie, normal.

Im hinteren Augenabschnitte konnten keine Veränderungen wahrgenommen werden.

Versuch 20. 12. XII. 05. Junger Albino ungefähr 5 Monate alt (G I).

-f- Pol: Stahlnadel durch die Cornea in die vordere Kammer eingeführt. Pol: Platte (7,0 : 3,5 cm) auf dem Rücken des Tieres. Stromstärke 15 MA. Dauer 1 Minute.

Nach dem Eingriff werden eine massige Injektion und beträchtliche Chemosis festgestellt Die Cornea ist abgesehen von dem Stichkanal, wel- cher mit schwarzen Eisenpartikeln gefüllt ist, völlig klar. Auf der hyperämi- schen Iris und auf der Linsenkapsel finden sich Niederschläge von graugelb- licher Eisenmasse; eine grössere Menge der letzteren hat sich auf den Boden der vorderen Kammer gesenkt Pupille, etwas vorgezogen, reagiert träge.

1 3. XII. Zarte, wolkige, parenchymatöse Trübung des Hornhautzentrums. Befund sonst unverändert

14. XII. Spannung palpatorisch deutlich erhöht. Starke pericorneale Injektion und Chemosis. Cornea in ganzer Ausdehnung zart wolkig (cirrhus- artig) parenchymatös getrübt Hyperämie der Iris hat zugenommen. Pupille übermittelweit, nach unten verzogen.

16. XII. Das Auge erscheint etwas vergröesert, die Cornea vorgewölbt Die vordere Kammer ist tief. Die Trübung der Hornhaut hat an Dichte noch <-twas zugenommen, die Iris ist jedoch noch gut erkennbar. Von der Peripherie her schieben sich oberflächliche Gefässe auf die Cornea vor. Unten hat sich ein erbsengrosses Ciharstaphylom entwickelt, welches im Laufe des Tages unter geringem Glaskörperverlust perforiert. Die Eisenmasse am Boden der vorderen Kammer ist in dünner Schicht mit fibrinartiger grauer Masse bedeckt

Die beträchtlich erhöhte Spannung sinkt nach Perforation des Staphy- lorus unter die Norm.

1£. XI L Die Perforationsöfmung des Staphyloms ist durch graue Ex- sudatmasse verschlossen; das Staphylom hat an Umfang etwas zugenommen. Ihr (lefäesring der Cornea ist oben und besonders unten beträchtlich breiter als seitlich. Die Oberfläche der Hornhaut ist fein gestippt, die Sensibilität ist beträchtlich herabgesetzt Die Trübung hat nicht weiter zugenommen. Die Iris ist stark hyperämisch. Die Pupille ist unregelmässig, nach unten ^sogen. Das Auge erscheint wesentlich grösser als das andere. Die mang ist palpatorisch deutlich (50 mm Hg, Fick) erhöht

1£. KU. Exitus.

15,5 (

99

99

11,9 n \

16,7 (

79

99

14,5 ),

16,0 (

99

n

15,0 ),

16,0 (

99

n

15,0 ).

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 357

Makroskopischer Befand. Nach der gleich nach dem Tode vorgenommenen Enncleation der Angen tritt der Grössenunterschied zwischen dem operierten and normalen Auge noch deutlicher hervor.

Die äusseren Masse beider Augen sind folgende:

Vertikaler Hornhautdorchmesser 13,0 mm (normales Auge 10,9 mm),

horizontaler

sagittaler Durchmesser

vertikaler

horizontaler Fixierung in Formollösung.

Beide Augen werden in Serienschnitte parallel dem vertikalen Meri- dian zerlegt.

Eine Betrachtung der Schnitte zeigt , dass die Dehnung vorwiegend die vordere Hälfte und zwar insbesondere die Ciliargegend des Glaukom- auges betroffen hat, die Skleralfurche ist völlig verstrichen. Die Linse ist im ganzen etwas nach rückwärts verlagert, ausserdem ist sie schief gestellt, indem ihr unterer Rand weiter nach hinten liegt als der obere. Infolge der Rück- wärtslagerung der Linse sowohl als auch insbesondere infolge der Vergrös- serung des von den Ciliarfortsätzen gebildeten Ringes findet man die Iris, ebenso wie im Versuch 4 , in einer Ebene ausgespannt; der Ciliarteil der Iris ist überdies nach der hinteren Kammer vorgebuchtet Die Kammer- bucht ist infolgedessen stark erweitert und abgerundet dementsprechend ist auch die Gestalt der abnorm tiefen und umfangreichen vorderen Kammer auf dem Durchschnitt eine wesentlich andere als am normalen Auge. Die direkte Entfernung des Hornhautscheitels von einer durch das äusserste Ende der Kammerbucht gelegten Ebene beträgt am vergrösserten Auge 3,5 mm; am normalen 4,5 mm. Die Entfernung vom Hornhautscheitel bis zum vorderen Linsenpol 3,5 bzw. 2,6 mm. Hieraus folgt, dass ebenso wie beim Kaninchen I (Versuch 4) die abnorme Hefe der vorderen Kammer nicht sowohl, wie es während der Beobachtungszeit den Anschein hatte, auf einer Vorwölbung der Hornhaut als vielmehr auf einer Abflachung des Iriskegels beruht.

Mikroskopischer Befund. Das subepi theliale Bindegewebe der C o n j u n c t i v a ist kleinzellig infiltriert ; die Blutgefässe sind pnül gefüllt ; unten Im Bereich des Ciliarstaphyloms ist diu* epi&klerale Gewebe von roten und mehrkernigen weissen Blutkörperchen durch- setzt Der Obergang des Bindehautepithel& in das der Hornhaut erfolgt in der oberen Üulbnshälfte etwa 0,5 mm nach vorn vom Kammerwin kd, in der unteren dagegen in gleicher Höhe mit dem Kammerwinkel, am Kam- merboden aber, wo die Irisperipherie eine kurze Strecke mit der Corne* verwachsen ist, 0,5 mm hinter dem Kammerwinkel.

Die Epitheldeeke der Cornea ist in den zentralen Partien abnoi dünn; die Basalzellen sind auftauend niedrig und nn regelmässig gestellt; der Peripherie ist die Epithelachich t ungleich missig verdickt; sie besteht aus einer Lage langgestreckter, dicht gedrängt stehender Basalzellen dT einer bis 6 fachen Lage platter Zellen. Die Dicke der Hornhaut #

s

1

university of California san francisco medical center

LIBRARY

UALBRECHT VON GRjEFE'S ARCHIV

FÜR

OPHTHALMOLOGIE,

HERAUSGEGEBEN VON

PROF. TH. LEBER PROF. H. SATTLER

IN HEIDELBERG IN LEIPZIG

UXD

PROF. H. SNELLEN

IN UTRECHT

REDIGIERT VON

PROF. TH. LEBER üro PROF. A. WAGENMANN

IN HEIDELBERG IN JENA

LXVI. BAND

MIT 19 TAFELN, 43 FIGUREN IM TEXT UND I TABELLE

LEIPZIG

VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1907

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Inhalt des sechsundsechzigsten Bandes.

Erstes Heft.

Ausgegeben am 18. Juni 1907.

Seite W. Stock, Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges und seiner Adnexe, besonders der chronischen Uveitis (Mit Taf. I. u. II, Fig. 1—8, und 14 Figuren im Text.) 1

A. Birch- Hirschfeld, Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen

auf das menschliche Auge. (Mit Taf. III, Fig. 1—2.) 104

Jöh. Ohm, Ein Beitrag zur Kenntnis der verschiedenen Arten der absoluten Lokalisation beim konkomitierenden Schielen. (Mit Fig. la— 5b und einer Tabelle.) 120

A. Gullstrand, Zur Maculafrage. (Mit 2 Figuren im Text.) 141

F. Dimmer. Lesen bei vertikaler Stellung der Zeilen. (Mit 2 Figuren im

Text.) 189

Alfred Borschke, Ein experimenteller Beweis der Bedeutung des Spiegel- loches für die skiaskopische Schatten dreh ung 195

Zweites Heft.

Ausgegeben am 16. Juli 1907.

Wilh. Reis, Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen

der Cornea. (Mit Taf. IV— V, Fig. 1—12, und einer Figur im Text.) 201

Bobert Weiss, Wie ist die vermehrte Purpurfärbung in der Sehleiste der

Kaninchen netzhaut zu erklären V (Mit Taf. VI und 2 Figuren im Text.) 263

W. Zimmermann, Über einen Fall von atypischem Iriscolobom. (Mit einer

Figur im Text.) 270

E. Hertel, Experimentelles und Klinisches über die Anwendung lokaler Lichttherapie bei Erkrankungen des Bulbus, insbesondere beim Ulcus serpens. (Mit Taf. VII und 2 Figuren im Text.) 275

PatU Erdmann, Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen am

glaukomatösen Tierauge. (Mit Taf. VIII— IX, Fig. 1—16.) . . . . 325

1265

IV Inhalt des sochsnndsechzigsten Bandes.

Drittes Heft.

Ausgegeben am 17. September 1907.

Seite

Paul Erdmann, Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen am

glaukomatösen Tierauge. (Schluss.) 391

Rudolf Tertsch, Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt

(Mit Taf. X, Fig. 1—3, und einer Figur im Text.) 436

Ch. Oguchiy Experimentelle Studien über die Abhängigkeit der Sehschärfe von der Beleuchtungsintensität und der praktische Wert des Photopto- meters von Hori. (Mit einer Figur im Text.) 455

I. hakouptz, Messende Versuche über Mikropie durch Konkavgläser nebst Bemerkungen zur Theorie der Entfernungs- und Grössenwahrnehmung. (Mit einer Figur, im Text ) 477

W. Koster Gzn., Ein Licht- und Farbensinnmesser. vMit 5 Figuren im Text) 497

A. Contino, Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. (Mit Taf. XI- XIX, Fig. 1—51, und Rekonstruktionen 1—18, sowie einer Figur im Text.) 505

K. K. K. Lundsgaard, Lichtbehandlung von Conjunctival leiden 578

(Aus der Universität» -Augenklinik Freiburg i. B.)

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges und seiner Adnexe, besonders der chronischen

Uveitis.

(Experimentelle, pathologisch-anatomische, klinische und therapeutische Beiträge.)

Von

Dr. W. Stock, Privatdozent.

Mit Taf. I u. II, Fig. 1—8, und 14 Figuren im Text.

Inhalt: Einleitung. Zusammenstellung der in der Literatur niedergelegten Ansich- ten über die Ätiologie der chronischen Uveitis. L Experimenteller Teil.

1. Protokolle der Tierversuche über endogene Augentuberkulose.

2. Zusammenstellung der Resultate: a. Iris und Cornea S. 29. b. Corpus ciliare S 35. c. Chorioidea und Sklera S. 36. d. Conjunctiva S. 45. e. Lider S. 46. II. Klinischer und path.-anat Teil. 1. Versuche, die Ätiologie der chronischen Uveitis beim Menschen festzustellen, a. Verimpfen von Irisstückchen S. 47. b. Verimpfen von Kammerwasser S. 47. c. Untersuchung von pathologisch -anatomischem Material S. 51. d. Alt- Tuberkulin S. 65. e. Das „Knötchen" in der chronisch entzündeten Iris S. 80. 2. Andere Erkran- kungen des Auges, die durch Tuberkulose entstehen können, a. Skle- ritis und sklerosierende Keratitis S. 83. b. Keratitis parenchymatosa S. 89. c. TarsustuberkuloBe iChalazion ähnlich) S. 90. in. Therapie der chronischen Uveitis. Neu - Tuberkulin S. 91. IT. Schlusszusammenfassung S. 97.

Einleitung«

Mit dieser Arbeit lege ich den Fachgenossen die Ergebnisse der vor fünf Jahren begonnenen und nunmehr zu einem gewissen Ab- schluss gebrachten Untersuchungen vor, welche den Zweck verfolgten, in das Gebiet der noch so vielfach dunklen, durch die Schwere des Verlaufe, die Unsicherheit der Therapie so oft verhängnisvollen chro- nischen Entzündungen des Bulbus, besonders des Tractus uvealis, mehr Licht zu bringen.

Die rein klinische Beurteilung allein hatte hier nicht zum Ziele führen können. Obwohl v. Michel schon frühzeitig der Tuberkulose eine grössere Bedeutung auch für diejenigen Fälle zuerkannt hatte, welche nicht auf den ersten Blick das allgemein anerkannte Vollbild

t. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVX. 1. 1

2 W. Stock

der Tuberkulose darboten, hatten sich doch die grosse Mehrzahl der Fachgenossen diesem Standpunkt nicht, oder nur zögernd anschliessen wollen, weil sichere Anhaltspunkte für diese klinische Annahme fehlten. Auch der Tuberkulindiagnostik blieben Schranken gesetzt, weil sicher beweisende lokale Reaktionen nur selten eintraten.

Unter diesen Umständen legte ich mir die Frage vor: Welche Veränderungen lassen sich auf dem Wege der Blutinfektion durch Tuberkelbacillen experimentell erzeugen? Können wir nicht durch Beobachtung von Experimentalentzündungen erfahren, welche Bilder der Tuberkelbacillus hämatogen hervorzubringen vermag?

Nachdem es mir gelungen war, eine sichere Methode zur Er- zeugung hämatogener Augentuberkulose aufzufinden, habe ich die Ent- wicklung und den Verlauf dieser Prozesse durch Jahre hindurch ver- folgt und die verschiedenen Stadien pathologisch -anatomisch unter- sucht. In der Tat ergab sich, dass das Auge, insbesondere der Tractus uvealis für die hämatogene Infektion im höchsten Grade empfänglich ist, und dass eine bunte Vielgestaltigkeit der Bilder je nach dem Sitz und der Disposition sich ausbildet, welche für die chronischen Bulbusentzündungen des Menschen in der Tat die ge- suchten Parallelen liefern.

Von der gewonnenen Basis aus galt es dann, die Pathologie der chronischen Uveitis des Menschen einer erneuten Prüfung zu unter- werfen, um für Diagnose und Therapie sichere Normen zu gewinnen. Ich glaube wohl, dass wir in dieser Hinsicht Fortschritte zu ver- zeichnen haben und in Zukunft noch machen werden.

In der ersten Auflage des Handbuch der gesamten Augenheil- kunde schreibt v. Wecker (83): ,,Die tuberkulöse Dyskrasie hat sehr wenig Neigung sich in der Regenbogenhaut zu lokalisieren." Dass die chronische Iridocyclitis Tuberkulose als Ätiologie haben könnte, daran dachte man damals überhaupt noch kaum, Knies (41) z.B. erwähnt in seiner Arbeit, in welcher er die anatomische Beschreibung zweier Bulbi mit chronischer Iridocyclitis gibt, die Tuberkulose überhaupt nicht.

Erst v. Michel (49) weist in seinem Lehrbuch (I. Aufl. und IL Aufl., S. 318) darauf hin, dass nach seiner Ansicht die tuberku- löse Iritis fast in gleicher Häufigkeit wie die syphilitische zur Be- obachtung käme. Allerdings liege in der geographisch geringeren oder stärkeren Verbreitung der Tuberkulose überhaupt noch ein Pak- tor, der bei der Häufigkeit der tuberkulösen Iritis in Betracht ge- zogen werden müsste. Er betont: 1. dass eine Iritis verschiedenen

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 3

Grades mit mehr oder weniger zahlreichen hinteren Synechien durch eine tuberkulöse Infektion hervorgerufen werden könne; 2. dass eine solche auftreten kann, auch wenn nur vereinzelte, tuberkulöse Knöt- chen im Irisgewebe entstanden sind; 3. dass nicht selten die Knöt- chen wegen ihrer Kleinheit und wegen der Tiefe, in welcher sie sich innerhalb des Irisgewebes befinden, mit blossem Auge überhaupt nicht wahrgenommen werden; 4. am ehesten und frühesten bei einer tuber- kulösen Iritis tuberkulöse Knötchen in dem Ligamentum pectinatum an verschiedenen Stellen desselben sichtbar werden, und endlich 5. vorzugsweise bei den mehr chronischen Formen Beschläge an der Hinterwand der Hornhaut auftreten.

Auch für das Bild der Chorioretinitis disseminata ist nach seiner Ansicht [(49) S. 400] Tuberkulose ebenso häufig die Ätiologie wie die Lues.

Diese seine Ansicht hat v. Michel durch verschiedene Arbeiten, die aus seiner Klinik erschienen sind, zu beweisen versucht.

Wagner (82) stellt vier Fälle von „Tuberkulose des Auges" zu- sammen. Unter diesen Fällen befindet sich eine „Iritis serosa" bei einem 21jährigen Mädchen, die auf Einspritzungen von Tuberkulin (T. v.) sowohl allgemein wie lokal reagierte. Die lokale Reaktion bestand in einer stärkeren Füllung der Gefässe auf den Knötchen in der Gegend des Ligamentum pectinatum, und in einer stärkeren ciliaren Injektion.

Ausserdem eine Skleritis bei einem 16 jährigen Manne, die auch lokal und allgemein reagierte. Die Knötchen wurden grösser und konfluierten.

Nach den früheren Veröffentlichungen über dieses Thema findet sich ein Fall von Königshöfer und Maschke(42), die auch bei einer Iritis serosa mit Knötchen in der Iris lokale Reaktion gesehen haben, indem die Präcipitate sich vermehrten.

Über zwei weitere ähnliche Fälle berichtet Bongartz (12). Einem 19jahrigen Mann wird wegen einer chronischen Iridocyclitis das rechte Auge enucleiert Am linken Auge ist in der Iris ein Knötchen auf- getreten. Die Allgemeinuntersuchung ergibt ausser zahlreichen ge- schwellten Lymphdrüsen keinen Anhaltspunkt für Tuberkulose. Später tritt ein Lungenspitzenkatarrh auf. Bei der path.-anat. Untersuchung fanden sich Knötchen, die zum grössten Teil aus epitheloiden, sehr spärlichen Riesenzellen und wenigen Lymphocyten bestehen, in der Lederhaut, der Iris, im Corpus ciliare, der Ader- und Netzhaut Tuberkelbacillen sind nicht gefärbt worden.

4 W. Stock

Beim zweiten Falle handelt es sich um einen 30 jährigen Zim- mermann, der sich vor drei Jahren sein rechtes Auge verletzt hat Es fand sich rechts ein geschrumpftes schmerzhaftes Auge ohne Zeichen einer Verletzung und links eine Iridocyclitis mit Präcipitaten. Knötchen sind in der Iris nicht zu sehen. Bei der Allgemeinunter- suchung wurde ein linksseitiger Spitzenkatarrh festgestellt Auf drei Injektionen von Tuberkulin je 0,001 g trat keine Reaktion ein. Den- noch wird die Diagnose tuberkulöse Iritis R und L gestellt und das rechte Auge enucleiert.

Bei der anatomischen Untersuchung fanden sich neben einer dif- fusen Infiltration der Iris mit Lymphzellen Knötchen in der Iris, dem Corpus ciliare, der Chorioidea, Retina und dem Sehnerven. Diese Knötchen bestanden aus Leukocyten, epitheloiden und Riesenzellen.

Denselben Fall konnte Bach (8) später wieder untersuchen, es fand sich eine Tuberkulose der Conjunctiva und Sklera neben der Iritis. Es wurde ein Stückchen der Conjunctiva excidiert und einem Kaninchen implantiert Hier entstand eine typische Tuberkulose.

Bach weist in seiner Arbeit auch darauf hin, dass eine typische parenchymatöse Keratitis durch Tuberkulose entstehen könne; aller- dings ist in den von ihm citierten Fällen von Bon gart z zweifellos, wie v. Hippel (38) nachweist, primär eine Tuberkulose der Iris und des Corpus ciliare oder der Sklera vorhanden gewesen.

Es sei hier auch noch die Arbeit von Denig(16) erwähnt Dieser Autor weist an der Hand einer grossen Statistik nach, dass bei einer nach seiner Ansicht klinisch als Augentuberkulose zu diagno- stizierenden Erkrankung relativ häufig nachweisbare Tuberkulose anderer Organe im Körper fehlt, und dass daraus zu schliessen sei, dass im Auge die primäre Ansiedlungsstelle des Infektionsstoffs sei. Da nun sowohl der Impfversuch fehlschlagen kann, da ferner das pathol.-anat Bild des Tuberkels manchmal nicht charakteristisch sei, und da es auch nicht immer gelinge, Bakterien nachzuweisen, müsse man das klinische Bild mehr berücksichtigen.

Es war in der Mich eischen Klinik also bis zu diesem Zeit- punkt die Diagnose „Tuberkulöse Erkrankung des Auges" rein aus dem klinischen Bilde gestellt worden, ja es war sogar dann Tuber- kulose diagnostiziert worden, wenn die Tuberkulinprobe negativ ausfiel.

Gegen diese Art der Diagnosestellung wendet sich v. Hippel [(38) S. 240J, indem er ausführt, dass dann der Satz Geltung haben müsste, dass jede nicht traumatische Iridocyclitis, die nicht auf Lues beruhe, tuberkulös sei.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 5

Ganz ebenso wies Axenfeld[(5) 1894, 8.147] daraufhin, dass, wer den anatomischen resp. bakteriologischen Beweis verlangt, nicht ganz mit v. Michel und seinen Schülern übereinstimmen kann. Die Möglichkeit aber bestehe, dass manche Entzündung auch des Aug- apfels im eigen tlichen Sinn des Wortes tuberkulös ist, welche wir bisher als solche nicht erkennen. Seit seiner Übersiedelung nach Freiburg im Jahre 1901 hat Axenfeld sich mehr und mehr tür die Häufigkeit der tuberkulösen chronischen Bulbusentzündungen aus- gesprochen [(2 und 3), sowie Dissertation von Baum (10)], weil in dem Freiburger Material, welches in dieser Hinsicht wohl dem Würz- burger ähnlich ist, die chronische Uveitis und die Tuberkulose auf- fallend häufig zu finden waren. Eine ähnliche Auffassung vertritt auch Schleich (63).

Während also v. Michel und seine Schüler die chronische Irido- cyclitis überhaupt in einem gewissen Prozentsatz der Fälle für tuber- kulös erklären, sind natürlich sichere Tuberkulosen der Iris und des Ciliarkörpers, die unter dem Bilde der tuberkulösen Granulations- bildung oder des Solitärtuberkels zum Verluste des Auges führen, längst bekannt gewesen. Von diesen klinisch als Tuberkulose anzu- sprechenden Fällen waren nun merkwürdigerweise einzelne ganz un- erwartet günstig verlaufen; dieser gutartige Charakter hat, wie Leber (44) sich ausdrückt, immer noch Zweifel über ihre wahre Natur (d. h. dass sie Tuberkulose als Ätiologie hatten) unterhalten. Solche Fälle sind früher von Barbar (9), Haab(28), Hänsell (31) und Homer (39) [cf. bei Leber (44), S. 45] beschrieben worden.

Vossius(81) erklärt ähnliche Fälle für nicht tuberkulös.

Leber fuhrt aus, dass einmal die spontane Heilbarkeit, dann das Fehlen von tuberkulösen Veränderungen anderer Organe Zweifel au der tuberkulösen Ätiologie hervorrufen könnten. Leber hat nun neun solche Fälle längere Zeit beobachtet und dabei folgendes ge- funden: Nur ein Fall war nach zehn Jahren vollständig gesund, bei den übrigen acht war entweder Tuberkulose nachgewiesen, oder be- stimmt darauf hinweisende Erscheinungen vorhanden. Einen ganz besonderen Verlauf nahm die Erkrankung eines 29 jährigen Mannes. Es traten hier immer wieder Bezidive einer Iritis auf. Bei zwei Iridektomien wurden Kaninchen Irisstückchen in die Vorderkammer implantiert Nach vier Wochen trat eine kurz dauernde Reizung auf, im übrigen blieben die Tiere gesund. Nachdem dann das Auge des Patienten enucleiert war, wurde pathologisch-anatomisch eine Tuber- kulose mit Bacillen in dem Irisstumpf, im Ciliarkörper und in den

6 W. Stock

Iridektomienarben nachgewiesen. Es muss aber auch bei sicher tu- berkulöser Iritis der Impfversuch nicht immer positiv ausfallen.

Leber hält diese Form aber für eine „gutartige Tuberkulose" oder „abgeschwächte Tuberkulose", er will, dass dieser Ausdruck für die Krankheit und nicht für die Krankheitsursache gebraucht wird, weil man über die Frage der abgeschwächten Krankheitsursache da- mals noch nicht genügend orientiert war.

Auf diese Mitteilung Lebers folgen nun Mitteilungen von Samelsohn(61), Liebrecht (Diskussion zu 61, 8. 92), van Duyse (78a), die über ähnliche Beobachtungen berichten; ebenso gehört hier- her eine Mitteilung von Manz(48).

Samelsohn (61) wendet sich sehr energisch gegen den Aus- druck „abgeschwächte Tuberkulose", weil dadurch das Missver- ständnis entstehen könnte, als ob diese Tuberkulose nun immer ab- geschwächt verlaufen müsste, während sie bei einer Überimpfung eventuell sehr schwere Veränderungen machen könnte.

Da nun aber eine tuberkulöse Iritis ganz sicher, ehe typische Knötchen auftreten, eine Zeitlang als einfache Iritis verlaufen kann [cf. Vi gn es (79)], so war man, nachdem man eine knötchenförmige Iritis als Tuberkulose ansehen konnte, wenn man sich nicht auf den Mic he Ischen Standpunkt stellt, mit der Stellung der ätiologischen Diagnose rein auf Vermutungen angewiesen.

Es wurden nun in den folgenden Jahren weitere Versuche ge- macht, über die Ätiologie der primären Uveitis ins Klare zu kommen. Einmal auf dem Wege der Statistik, indem festgestellt wurde, wie oft Allgemeinerkrankungen irgend welcher Art eine chronische Iritis komplizieren. Es seien hier erwähnt die Statistiken von Haas (30): 440 Erkrankungen der Uvea, darunter

Tuberkulose Tuberkulose hereditär

a) Verdacht bj Phthise andere Organe bei.

Iritis 264 92 9 8 + 9 50%

Cyclitis 3 1 = 33% Iridocyclitis 12

Chorioretinitis 151 28 6 8 3 = 33%% Iridochorioiditis 1

Uveitis totalis 9 7 7 80%

Michel (51) gibt selbst als Prozentsatz der an Tuberkulose anderer Organe erkrankten 36,8°/0 an. Baum (10) 15°/0, Maier (47) 2,3°/0, Chevallereau und Chaillous(lo) ß,Sl°l0 Tuberkulose.

Es ist m. E. der Wert solcher Statistiken nicht hoch einzu- schätzen und zwar ganz besonders deshalb, weil zweifellos die All-

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 1

gemeinuntersuchung an den verschiedenen Kliniken verschieden ge- handhabt wird. Ein geübter Lungenspezialist wird sicher viel häufiger wenigstens den Verdacht einer Tuberkulose aussprechen als ein Ophthalmologe, der viel seltener zu Untersuchungen der Lungen Ge- legenheit hat Erst durch die Tuberkulinprobe ist eine gewisse Norm gegeben. Ich komme auf den Wert dieser Untersuchung im II. Teil dieser Arbeit noch ausführlich zu sprechen.

Wenn wir uns nun heute überlegen, was kann überhaupt als Ätiologie der chronischen Uveitis in Betracht kommen, so müssen wir sagen, es ist möglich, dass jeder, selbst jeder schwer eitererregende Mikroorganismus in der Lage ist, im Auge eine leichtverlaufende Knötchen bildende Erkrankung hervorzurufen. Dass auch Iritiden bei Gelenkrheumatismus, Influenza, Syphilis, Gonorrhöe usw. vor- kommen, weiss jeder, und dass diese Iritiden in ein chronisches Sta- dium übergehen können, ist ebenso bekannt. Dass bei schweren All- gemeininfektionen, z. B. mit Pneumocokken, in der Chorioidea gutartige Metastasen auftreten können, die ausheilen, hat Axenfeld(4) und Goh(6) anatomisch nachgewiesen.

Ganz ähnliche Fälle sind klinisch beschrieben von Fränkel(20) und Peters (56).

Auch mir (75) ist es gelungen, mit Pyocyaneus 0, einem für Kaninchen schwer virulentem Stamm, eine knötchenförmige Iritis zu erzeugen, die wieder ausheilte, allerdings viel rascher als das bei der chronischen Uveitis beim Menschen der Fall ist. Aber warum soll es nicht denkbar sein, dass in solchen Fällen die Mikroorganismen abgekapselt werden und später, durch irgend welchen Anstoss frei- gemacht, wieder zu Entzündungen Veranlassung geben konnten? Immerhin ist es nicht wahrscheinlich, dass die Eitererreger häufiger für die chronische Iritis in Betracht kommen: für die chronisch, ohne erhebliche Reizerscheinungen beginnende Form ist es sehr unwahr- scheinlich.

Kurz, wir waren bis vor kurzem für die Ätiologie der chronischen Uveitis auf Vermutungen angewiesen, ganz besonders seit auch noch das klinische Bild das Knötchen, wie ich später noch genauer aus- führen werde nicht mehr als eindeutig angesehen werden kann.

Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, einmal festzustellen, ob wir experimentell eine der chronischen Uveitis beim Menschen ähn- liche Erkrankung beim Tier mit bekannten Keimen und zwar Tuberkel - bacillen hervorrufen können, ob diese Erkrankung ebenso in manchen Fallen gutartig verläuft und warum dieser gutartige Verlauf eintritt.

8 W. Stock

Wenn wir erst einmal ganz sicher es experimentell in der Hand haben, eine der menschlichen chronischen Uveitis ähnliche oder gleiche Erkrankung hervorzurufen, dann haben wir die Möglichkeit, auch aus pathologisch-anato- mischen Befunden in menschlichen Augen weitere Schlüsse zu ziehen.

Da man annehmen kann, dass die Mikroorganismen auf dem Blutwege in das Auge kommen, habe ich auch diesen Infektions- modus gewählt, indem ich die betreffenden Keime in die Ohrvene ein- gespritzt habe [cf. meine frühere Arbeit (72)].

Anfangs hatte ich die Tiere mit Pyocyaneus ß in die Blutbahn infiziert und vorausgesetzt, dass die Infektion schwer genug war eine akute Iritis bekommen. Da für eine Entzündung der Uvea beim Menschen dieser Keim nie in Betracht kommen kann, ganz besonders da sicher nie eine sympathische Ophthalmie durch diesen Mikroorganismus hervorgerufen wird, habe ich natürlich nicht er- wartet, dass das Bild der sympathischen Ophthalmie in einem der- artig betroffenen Auge entstehen könnte. Ich glaube auch nicht, dass für jemand, der meine Arbeit genau gelesen hat, diese Versuche noch mehr Unklarheit in die bis jetzt gültigen Anschauungen über diese Erkrankung gebracht haben. Denn es ist von vornherein gar nicht klar, ob der hypothetische Erreger der sympathischen Ophthalmie Toxine bildet oder nicht. So war es wohl gestattet und sogar an- gebracht, die modifizierte Ciliarnerventheorie auch einmal mit der von mir eingeschlagenen Methode zu prüfen. Es hat sich ja dabei her- ausgestellt, dass beim Kaninchen keine wesentlichen Änderungen in der Häufigkeit der Metastasen im zweiten Auge eintreten, ob das erste Auge gereizt wird oder nicht

Viel mehr Wahrscheinlichkeit bot nun eine Infektion des Blutes mit Tuberkulose, eine Erkrankung am Auge zu erzeugen, die der sympathischen Ophthalmie ähnlich sein konnte. Wir stellen ja in sympathisch erkrankten Augen einen pathologisch-anatomischen Be- fund fest, welcher sehr erheblich an Tuberkulose erinnert, so dass sogar einzelne Autoren geneigt waren, die sympathische Ophthalmie selbst für eine Tuberkulose zu halten [Peters (55)]. In dieser Rich- tung nun sind meine Versuche, über die ich berichten will, ganz nega- tiv ausgefallen, denn das Bild der hämatogenen tuberkulösen Irido- cyclitis erinnert nicht einmal an das der sympathischen Ophthalmie beim Menschen.

Ich möchte also sofort hier feststellen, dass die Frage der Patho-

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 9

genese der sympathischen Ophthalmie durch meine Versuche im posi- tiven Sinne nicht gefördert worden ist, dass sie aber immerhin zeigen, dass weder Tuberkulose als Ätiologie in Betracht kommt, noch dass die Frage, ob die modifizierte Ciliarnerventheorie zu Recht besteht, durch eine Versuchsanordnung, wie meine erste (Pyocyaneus), beant- wortet werden kann.

Da ich mich später wieder auf meine Protokolle beziehen möchte, so nehme ich Gelegenheit, alle meine Notizen hier zusammenzu- stellen.

Ich trage hier aus meinen früheren Arbeiten (72 und 75) nur die Protokolle der Tiere nach, welche besonderes Interesse in ihrem Krankheitsverlauf boten.

I. Experimenteller Teil.

1. Protokolle der Tierversuche über endogene Augentuberkulose.

Tier 1. Iritis, Chorioiditis disseminata.

Injektion von Tuberkelbacillenemulsion am 16. IV 02. f 27. IV. 02 (11. Tage nach der Infektion).

Klinisch: Augenbefund negativ.

Pathologisch-anatomisch: Miliartuberkulose der Lungen, trübe Schwellung der Nieren. Augen. Rechts: in der Iris ein Infiltrationsherd, der die ganze Dicke der Iris durchsetzt. Dabei ist die Iris im ganzen kaum ver- dickt Die Infiltration besteht aus Lyraphocyten. Epitheloide Zellen fehlen. Über die ganze Chorioidea unregelmässig zerstreut sind kleine Herde von Rundzellen. In der Gegend des Sehnerveneintritts sind die Herde am zahl- reichsten; sie sind ungefähr 0,1 0,3 mm gross. Sie liegen in der inneren Hälfte der Chorioidea. Die Retina, der Sehnerv sind normal.

Tier 2. Chorioiditis disseminata.

Infektion am 28. VI. 02. f 9. VII. 02 (12 Tage nach der Infektion).

Klinisch: Augen normal.

Pathol.-anak: Miliartuberkulose der Lungen und Nieren. Coccidien in der Leber.

Augenbefund: In der Chorioidea sind eine Menge kleiner Infiltra- tionsherde in der inneren Hälfte. Einzelne Herde sind etwas grösser und durchsetzen die ganze Dicke der Chorioidea. Retina normal. In den Seh- nervenscheiden einzelne Lymphocytenhaufen.

Tier 3. Chorioiditis disseminata.

Infektion am 28. VI. 02. f 14. VII. 02 (16 Tage nach der In- fektion).

Klinisch: 8. VII. Der ganze Augenhintergrund ist bedeckt mit hellen Herden, die in der Chorioidea liegen. Iris normal. 13. VII. Die Herde sind etwas grösser geworden.

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Pathol.-anat: Miliartuberkulose der Lungen.

Augen: In der Chorioidea liegen massenhaft kleine Infiltrationsherde von Lymphocyten. Die Herde liegen grösstenteils in der inneren Hälfte der Chorioidea. Aber auch in der äusseren Schicht finden sich einzelne Herde. Die Veränderungen sind am zahlreichsten im Äquator des Auges. Retina und Sehnervenscheiden sind normal.

Tier 4. Iritis, Chorioiditis disseminata.

Infektion am 10. XL U2. f 26. XL 02 (16 Tage nach der Infektion).

Klinisch: Keine Veränderungen beobachtet

Pathol.-anat.: Miliartuberkulose der Lungen. Trübe Schwellung der Nieren.

Augen: Im Stroma der Iris sind einzelne kleine Knötchen gebildet durch Lymphocyten. Im Kammerwinkel einzelne freie einkernige Zeilen. Das Corpus ciliare ist infiltriert mit Lymphocyten. In der Chorioidea sind umschriebene Infiltrationsherde, die sie in ihrer ganzen Dicke durchsetzen und zu einer spindligen Auftreibung geführt haben. Verkäsung ist nicht vorhanden.

Tier 5. Iritis, Chorioiditis.

Infektion am 10. XI. 02. f 28. XL 02 (18 Tage p. Inf.).

Klinisch: An den Augen nichts nachgewiesen.

PathoL-anat: Käsige Pneumonie. Trübe Schwellung der Nieren.

Augen: In der Iris eine Menge von kleinen Knötchen. Im Kammer- winkel liegen freie Lymphocyten. Der Ciliarkörper ist dicht infiltriert Die ganze Chorioidea ist mit Lymphocyten infiltriert.

Tier 6. Iritis, Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion am 10. XL 02. f 31. XL 02 (21 Tage p. Inf.).

Klinisch: Nichts nachgewiesen.

PathoL-anat.: Miliartuberkulose der Lungen und Nieren.

Augen: In der Iris sind unregelmässig zerstreue Knötchen. Diese Knötchen bestehen aus Lymphocyten und epitheloiden Zellen. Im Kammer- winkel einzelne freie einkernige Zellen. Der Ciliarkörper enthält auch solche Knötchen. Die hintersten Teile der Chorioidea sind frei. In der Gegend des Äquators sind eine Menge umschriebener Infiltrationsherde- (Lympho- cyten) zu sehen. An einer Stelle ist die Lamina elastica von Zellen durch- setzt Die Stäbchenschicht der Netzhaut ist zerstört, die Netzhaut an dieser Stelle auf der Unterlage fixiert.

Die Hard ersehe Drüse enthält ebenfalls kleinzellige Infiltrationsherde.

Tier 7. Chorioiditische Herde.

Infektion am 9. VIII. 02. f 30. VIII. 02 (21 Tage p. Inf.).

Klinisch: Keine Veränderung.

Pathol.-anat: Miliartuberkulose der Lungen. Coccidien in der Leber.

Augen: In der Chorioidea in der Gegend des Äquators einzelne In- filtrationsherde, welche die Chorioidea spindlig verdicken.

Tier 8. Iritis, Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion am 17. XL 02. f 14. XII. 02. (27 Tage p. Inf.).

Klinisch: 2. XII. In der Chorioidea sind helle Herde zu sehen. Die Herde sind nicht scharf begrenzt, der Rand ist leicht rötlich. Bis zum Tode des Tieres ändert sich das Aussehen dieser Herde nicht

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. H

PathoL-anat: Miliartuberkulose der Lungen. Ein Tuberkel in den Nieren.

Augen: In der Iris sind in der Tiefe des Stroraas einzelne Tuberkel. Das Corpus ciliare leicht infiltriert In der Chorioidea, besonders in der Umgebung des Sehnerveneintritts sind umschriebene Infiltrationsherde.

In der Hard ersehen Drüse sind einzelne Tuberkel.

Tier 9. Iritis, Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion am 10. XL 02. f 10. XII. 02 (30 Tage p. Inf.).

Klinisch: Keine Veränderungen festgestellt.

Pathol.-anat. : Tuberkulose der Pleura. Trübe Schwellung der Nieren.

Augen: In der Iris kleine Infiltrationsherde. Das Corpus ciliare dicht mit Lymphocyten durchsetzt In der Chorioidea sind eine Menge von um- schriebenen Infiltrationsherden, an einzelne Stellen liegen die Herde so dicht, dass sie ineinander übergehen.

Tier 10. Iritis, Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion am 13. VI. 02. t 15. VII. 02 (32 Tage p. Inf.).

Klinisch: 1. VII. In der Chorioidea sind helle Herde zu sehen. 8. VII. Die Herde in der Chorioidea sind grösser geworden. Die Iris ist leicht ge- buckelt.

Pathol-anat: Miliartuberkulose der Lungen und Nieren. Coccidien in der Leber.

Augen: Die ganze Iris ist diffus durchsetzt von Tuberkeln. Das Corpus ciliare ist dicht infiltriert. In der Chorioidea (Fig. 1) sind überall zerstreut Tuberkel. Im Zentrum der Herde sind epitheloide Zellen, die Peripherie der Herde besteht aus Lymphocyten.

Tier 11. Iritis, Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion am 17. XI. 02. f 22. XII. 02 (35 Tage p. Inf.).

Klinisch: 2. XII. Chorioiditische Herde. 13. XII. Buckelung der Iris. 18. XII. In der Iris einzelne graue Knötchen.

PathoL-anat.: Miliartuberkulose der Lungen. In den Nieren einzelne Tuberkel.

Augen: Starke Infiltration des Corpus ciliare. Im Kammerwinkel freie Lymphocyten. Ein Tuberkelknötchen der Iris war zufallig nicht in den ge- färbten Schnitten. In der Chorioidea, besonders in der Gegend des Äqua- tors, viele Infiltrationsherde, die Veränderungen sind in der Gegend des Seh- nerveneintritts viel spärlicher.

Tier 12. Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion am 9. VIII. 02. j 6. X. 02 (57 Tage p. Inf.).

Klinisch: 17. XI. Am hinteren Pol der Linse ist eine leichte Trübung zu sehen. 22. XI. Leichte Buckelung der Iris. 28. XL Auf der Vorder- fläche der linse ist eine strichförmige senkrechte Trübung zu sehen, von welcher aus nach allen Seiten speichenartige Trübungen ausstrahlen. 5. XI. Die Trübung auf der Vorderfläche der Linse ist noch stärker geworden. Enucleation des rechten Bulbus.

PathoL-anat: Miliartuberkulose der Lungen, einzelne Tuberkel in den Nieren.

Angen: Im Ciliarkörper ein Infiltrationsherd. In der Chorioidea viele kleine, in der inneren Schicht der Aderhaut liegende Infiltrationsherde. Am Äquator des Auges ein grösserer, die ganze Dicke der Chorioidea durch-

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setzender Tuberkel, in dessen Zentrum epitheloide Zellen zu sehen sind. Die Ciliarkörperepithelien sind etwas blasig aufgetrieben, Abhebung des Epithels ist nicht vorhanden.

Die Linsenkapsel ist normal. Die Linsenepithelien sind in der Mitte der vorderen Linsenkapsel auf eine Strecke von 1 mm leicht gewuchert und einige blasig degeneriert Unter dieser Epithelwucherung sind die linsen- fasern selbst verändert, die einzelne Faser erscheint abgebrochen, zwischen den Fasern liegen Morgagnische Kugeln. Die Fasern selbst enthalten feine helle Körnchen.

Tier 13. Cyclitis, frische und alte chorioiditische Herde.

Infektion: 1. X. 02. f 3. XII. 02 (63 Tage p. Inf.).

Klinisch: 9. X# leichte Buckelung der Iris. 17. X. chorioiditische Herde. Nach 4 Wochen ist die Iris wieder normal, in der Chorioidea sind nur noch ganz wenige hellere Stellen vorhanden. Man sieht den Fall als ausgeheilt an.

Pathol.-anat.: Miliartuberkulose der Lungen.

Augen: Corpus ciliare leichte Infiltration. In der Chorioidea sind am hinteren Pol einige Rundzellenherde. An andern Stellen sieht man in der Chorioidea Narben.

Tier 14. Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion: 1. X. 02. f 4. XII. 02 (64 Tage p. Inf.).

Klinisch: 15. X. Beiderseits frische chorioiditische Herde. Die Herde sind gelbweiss mit etwas dunklerem unscharfen Rand. 4. XI. Buckelung der Iris. 16. XI. in der Iris ist ein Knötchen zu sehen. l.XII. die Herde in der Chorioidea sind zum grössten Teil wieder verschwunden. Der Herd in der Iris ist nicht mehr zu sehen.

Pathol.-anat: Miliartuberkulose der Lungen.

Augen: Rechts. Im Corpus ciliare sind umschriebene Herde, welche aus Lymphocyten bestehen. In der Chorioidea sind in den hinteren Par- tien, in der Nähe des Sehnerveneintritts kleinere umschriebene Herde. Am Übergang von Chorioidea zum Corpus ciliare ist ein grösserer Herd. Am Rande des Herdes ist eine dichte Infiltration mit Lymphocyten zu sehen, das Zentrum macht den Eindruck als wäre es eingeschmolzen. Es sind hier epitheloide Zellen und Bindegewebszellen zu sehen. Die Retina ist fest mit dieser veränderten Stelle verklebt. Über der Retina sieht man im Cor- pus ciliare noch einzelne freie Zellen im Glaskörper. Von der Retina fehlt die Stäbchenschicht, ebenso die äussere Körnerschicht; an ihrer Stelle liegen Bindegewebszellen und einzelne Lymphocyten.

Links. Im Corpus ciliare ein grösserer Tuberkel. Man sieht schon mikroskopisch eine Verdickung, so dass der Ciliarkörper nach dem Augen- innern vorgewölbt ist Vor dem Herd liegen im Glaskörpsr frei Lympho- cyten. Neben der Infiltration mit Lymphocyten sieht man im Zentrum des Herdes einzelne epitheloide Zellen.

In der Nickhaut dieses Auges ist auch eine umschriebene Infiltrationsstelle.

Tier 15. Ausgeheilte chorioiditische Herde.

Infektion: 1. X. 02. f 5- XII. 02. (65 Tage p. Inf.).

Klinisch: 12. X. Buckelung der Iris. Einzelne Herde in der Chorioidea. 16. XL Die Herde in der Chorioidea sind verschwunden, die Iris ist wie- der normal.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 1 3

PathoL-anat: Miliartuberkulose der Lungen.

Augen: In der Chorioidea an einzelnen Stellen kleine Narben, die aus Bindegewebe bestehen.

Tier 16. Chorioiditis disseminata.

Infektion: 1. X. 02. f 5. XII. 02 (65 Tage p. Inf.).

Klinisch: 16. X. Einzelne chorioiditische Herde. 4. XI. In der linken Iris sind 2 Knötchen, in der rechten 1 Knötchen. 16. XI. In der linken Iris sind jetzt 5, in der rechten 2 Tuberkel zu sehen. Die Veränderungen in der Chorioidea haben sich zurückgebildet. Die Herde sind spärlicher und schärfer begrenzt.

Pathol.-anat.: Tuberkulose der Lungen mit Verkäsung, Tuberkulose der Nieren.

Augen: In der Chorioidea in der Gegend des Äquators dichte Infiltra- tionsherde. Die Infiltration greift auf die innersten Schichten der Sklera über, während die Retina unverändert ist.

Tier 17. Iritis, Chorioiditis.

Infektion: 17. XI. 02. f 15. II. 03 (92 Tage p. Inf.).

Klinisch: 2. XII. Buckelung der Iris. Frische chorioiditische Herde. 20. XII. In der Iris umschriebene Veränderungen, zum Teil graurot aus- sehende Knötchen, zum Teil weissliche Herde. Die chorioiditischen Herde sind weniger zahlreich, die zurückgebliebenen haben scharfe Grenzen.

15. II. 03. In der Chorioidea sind nur noch ganz geringe Verände- rungen zu sehen. Die Tuberkel der Iris haben sich vergrößert, daneben sind noch neue Knötchen aufgetreten.

Pathol.-anat.: Tuberkulose der Lungen.

Augen: In der Iris grössere nach vorne prominente Tuberkel; daneben ebensolche im Stroma der Iris, zum Teil die ganze Iris durchsetzend. Im Ciliarkörper kleinzellige Infiltration. In der Chorioidea sind nur in der Gegend des Äquators kleine umschriebene Infiltrationsherde.

Tier 18. Iritis, Narben in der Chorioidea.

Infektion: 17. XL 02. f 22. II. 03 (97 Tage p. Inf.).

Klinisch: 2. XII. Buckelung der Iris. Frische chorioiditische Herde. 20. 1. 03. Die chorioiditischen Herde sind teilweise kleiner geworden und ver- schwunden. In der Iris sieht man einzelne graurote Knötchen.

PathoL-anat.: Tuberkulose der Lungen und Nieren.

Augen: In der Iris sind grössere Tuberkel, die über das Niveau nach vorne vorragen. In der Chorioidea einzelne kleine Narben.

Tier 19. Iritis, Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion: 13. VI. 02. f 6. X. 02 (115 Tage p. Inf.).

Klinisch: 29. VI. In der Chorioidea sind eine Menge frischer Herde zu sehen. Die Herde sind verschieden gross, im Zentrum weissgelb, am Rande etwas dunkler, sie sind nicht scharf begrenzt. 3. VII. Buckelung der Iris. Man kann in den verdickten Stellen einzelne Tuberkel sehen; die Knötchen sehen graurot ans. 8. VII. Die Tuberkel der Iris sind mehr weissgrau geworden. Eine Vorwölbung dieser Herde ist nicht mehr vor- handen. Am Rande der Iris sind eine Menge neuer grauroter Knötchen. 21. VII. Leichte Trübung der Linse am hintern Pol. Massenhafte hintere

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Synechien. Mit dem Augenspiegel sieht man eine Menge chorioiditiscbe Herde; die Herde sind scharf umschrieben, weiss.

Links: 9. IX. Beinahe cirkuläre Synechie. Aof der vorderen Linsen- kapsei sieht man Präcipitate nnd bräunlich gefärbte Stellen (Pigmenthanfen). Knötchen in der Iris sind deutlich zu sehen.

Rechts: Starke Wulstung der Iris.

28. IX. Heute sieht man eine neue Aussaat von Tuberkeln in der Iris. Der Augenhintergrund ist wegen Medientrübung nicht mehr zu sehen.

Pathol.-anat: Ausgedehnte Tuberkulose der Lungen. Solitärtuberkel in den Nieren.

Augen: Cornea. Das Epithel ist unverändert. Vom Corneoskleralrande schiebt sich unter der Bowm ansehen Membran auf eine Strecke von 2 3mm eine kleinzellige Infiltration in die Hornhaut vor. In dieser infiltrierten Partie sind auch neugebildete Gefässe. Auf der Hinterfläche der Cornea liegen einzelne kleinere Anhäufungen von Lymphocyten (Präcipitate). Die Membrana Descemet' und das Endothel ist intakt.

Die Iris ist unregelmässig durchsetzt mit einer grossen Menge von Tuberkeln. Die Herde liegen zum Teil auf der Oberfläche, über diese etwas hervorragend, zum Teil im Irisstroma. Diese Tuberkel sind fast ausschliess- lich aus Lymphocyten gebildet. Im Zentrum mehrerer Herde sieht man aber auch epitheloide und sogar einzelne Riesenzellen. Im Ciliarkörper sind neben einer diffusen Infiltration mit Lymphocyten einzelne umschriebene Knötchen. Die ganze Chorioidea ist etwas zellreicher als normal; es sind aber einzelne umschriebene Knötchen abzugrenzen. In der Chorioidea des linken Auges ist nach vorne vom Äquator ein grosser im Zentrum verkäster Tuberkel. Dieser Tuberkel erstreckt sich noch in die Sklera hinein. Die Retina über diesem Herd ist erheblich verändert, die Stäbchenschicht fehlt, ebenso grösstenteils die äussere Körnerschicht An einer Stelle ist in der Lamina elastica eine Perforationsstelle, hier liegen einzelne Lymphocyten unter der Retina.

In der Hard ersehen Drüse sind grosse verkalkte Tuberkel

Tier 20. Iritis, Keratitis parenehymatosa, Cyclitis, Con- junctivaltuberkulose.

Infektion: 13. VI. 02. f 14. X. 02 (123 Tage p. Inf).

Klinisch: 25. VI. In der Chorioidea eine Menge frischer Herde. 5. VII. Leichte Buckelung der Iris. Aus diesen Buckeln heben sich an ein- zelnen Stellen kleine graue Knötchen heraus, auf der Kuppe dieser Knöt- chen liegt Fibrin. Die Augen sind äusserlich reizlos. 21. VH. Die Iris ist verdickt, vaskularisiert, eine Menge hinterer Synechien ist zu sehen. Auf der Hinterfläche der Hornhaut Präcipitate. Einzelne Knötchen in der Iris sind scharf begrenzt; daneben sieht man am Rande frische graurote Tuber- kel. Der Augenhintergrund ist nicht mehr ganz deutlich zu sehen. 9. IX. Starke Reizung, Lichtscheu. Die Hornhaut ist parenchymatös getrübt, es haben sich eine Menge parenchymatöse Blutgefässe gebildet. Die Pupillen sind maximal eng. In der Vorderkammer ist fibrinöses Exsudat 26. IX. Sehr starke Sekretion. Rechts: In der Conjunctiva des Oberlids sind einzelne Ulcera. Links: Die Conjunctiva ist geschwollen, man sieht ein- zelne Knötchen. Die Corneae sind weissgelb diffus infiltriert, oberfläch-

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liehe und tiefe Gefasse sind zu sehen. Ein Einblick in die Tiefe ist nicht möglich.

Pathol.-anat: Tuberkulose der Lungen. Einzelne Solitärtuberkel der Nieren.

Augen: Conjunctiva: Das Epithel ist verdickt, zwischen den Epithelien liegen Leukocyten. Am Oberlid fehlt das Epithel auf eine Strecke von ungefähr 2 mm Länge. Die freiliegende Submucosa ist sehr stark infiltriert Umschriebene Knötchen sind nicht vorhanden. Das Epithel der Conjunctiva bulbi ist normal. Am Corneoskleralrand ziehen einzelne zapfenförmige Epi- thelschläuche in die Hefe. *

Cornea: Das Parenchym ist ödematös aufgelockert. Es liegen überall Leukocyten in Menge. Daneben sind viele neugebildete Blutgefässe. Um- schriebene Knötchen sind in der Cornea nicht vorhanden. Die Membrana Descemet], ebenso wie die Bowmansche Membran, das Epithel und das Endothel sind intakt.

In der Vorderkammer sind eine Menge ein und mehrkerniger Zellen, die zum Teil frei im Kammerwasser schwimmen, zum Teil einzeln oder in kleinen Klümpchen der Hinterfläche der Cornea anliegen. Auf der vorderen Linsenkapsel liegen in und auf einer Fibrinschicht massenhaft solche Zellen.

Iris: Hier sind neben einer difiusen Infiltration massenhaft grössere und kleinere Knötchen, teils an der Oberfläche, teils im Stroma der Iris zu sehen. Die Knötchen enthalten ein- und mehrkernige Leukocyten. In den grösseren ist ein gewisser Zellzerfall im Zentrum festzustellen. Epitheloide Zellen sind nur in ganz geringer Anzahl vorhanden.

Corpus ciliare: Diffuse Infiltration, daneben ein ganz grosser Knoten, der sich in die Sklera hinein und in den Glaskörper erstreckt Der ganze Glaskörper ist infiltriert

In der Chorioidea sind umschriebene Infiltrationsherde, daneben Narben. Die Netzhaut ist über den frischen Herden schwer verändert; die ganzen nervösen Elemente sind zugrunde gegangen, man sieht nur noch Stützgewebe, mit blasigen Hohlräumen. An einer Stelle liegen auf der In- nenfläche der Retina eine grössere Menge von Leukocyten, neben einigen epitheloiden und Riesenzellen.

Hard ersehe Drüse: grosse verkäste Tuberkel.

Tier 21. Iritis, frische und alte Herde in der Chorioidea.

Infektion: 13. VI. 02. f *• IIL °3 (2ß0 Tage p. Inf).

Klinisch: In der Peripherie des Augenhintergrundes nach unten cho- rioiditische Herde. In der Iris sind beiderseits eine Menge grauroter Knötchen.

Nach 4 Wochen sind von diesen Knötchen in der Iris ein Teil wieder vollständig verschwunden, andere sind zu weissen Narben geworden. Da- neben haben sich neue graurote Tuberkel gebildet. Auf der Hinterfläche der Cornea sind Präcipitate zu sehen, die sich auch erheblich ändern.

Die Herde in der Chorioidea sind nach 6 Wochen verschwunden, nur eine gewisse Unregelmässigkeit in der Pigmentverteilung ist noch vor- handen.

18. XI. Blutung in die Vorderkammer rechts. Nach 2 Wochen ist das Blut wieder resorbiert Zwei grössere weisse Knoten, der eine am Iris- rand, der andere an der Hinterfläche der Cornea, bleiben zurück; durch diese

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Knoten wird die Iris mit der Cornea verklebt 5. XII. Nene Blutung in die Vorderkammer rechts. Nach einigen Tagen ist das Blut resorbiert

Kurz vor dem Tode des Tieres waren neue Herde in der Iris auf- getreten. Der Augenhintergrundsbefund hatte sich nicht geändert

Pathol.-anat: Tuberkulose der Lungen und Nieren.

Augen: Rechts. In der Cornea ist in der Peripherie eine geringe parenchymatöse Infiltration vorhanden. Auf der Hinterfläche der Cornea einzelne Häufchen von Leukocyten (Präcipitate). Die Vor der kämm er selbst enthält nur wenige Leukocyten. Die Iris ist im ganzen verdickt. Die ganze Iris ist Neureicher als normal. Daneben sind eine Menge ver- schieden grosser umschriebener Tuberkel. Die Knoten bestehen aus Lympho- cyten, epitheloiden und Riesenzellen. An einer Stelle ist die Iris durch einen solchen Knoten fest mit der Linse verbacken. Die Linsenkapsel fehlt an dieser Stelle, die Infiltration erstreckt sich in die Linse hinein. Die Linsen- fasern sind an dieser Stelle zerstört. An einer andern Stelle ist der Rand der Iris nach vorne gezogen und mit der Hornhaut durch einen grösseren Tuberkel verklebt. Dieser Knoten ist im Zentrum verkäst.

Im Corpus ciliare sind mehrere Tuberkel.

In der Chorioidea sind an einzelnen Stellen Narben; in der Gegend des Äquators sind umschriebene Rundzellenherde.

Links. In der Iris sind eine Menge kleinere Tuberkel. In der Cho- rioidea ist eine Narbe. Über dieser Narbe fehlt das Pigmentepithel. Die Retina ist fest mit der Narbe verwachsen. Die Retina selbst ist sehr stark degeneriert. Es fehlt die Stäbchenschicht, ebenso die äussere Körnerschicht Von der inneren Körnerschicht sind nur noch minimale Reste vorhanden. Es besteht Vermehrung des Stützgewebes (Fig. S. 42).

Hard ersehe Drüse: grosser verkäster Tuberkel.

Tier 22. Skleritis (Chorioiditis, Cyclitis).

Infektion: 18. VII. 03. f 17. IV. 05 (1 Jahr 9 Monate p. Inf).

Injektion von 1 cem TB1 Bouillon 18. VII. 03, 1. VIII. 03, 1. IX. 03.

Klinisch: Das Tier ist öfters untersucht worden. Da sich noch 6 Mo- nate nach der letzten Infektion keinerlei Veränderungen am Auge gefunden hatten, war das Tier in einen Stall für sich gebracht und nicht mehr unter- sucht worden. Am 1. X. 04 wird festgestellt, dass am rechten Auge so- wohl nach aussen als nach innen in der Horizontalen eine Torbucklung der Sklera sich zeigte. Über dieser vorgebuckelten Stelle ist die Conjunctiva etwas sulzig verdickt. Mit dem Augenspiegel sieht man in der Peripherie des Augenhintergrundes, entsprechend den äusseren Vorbuckelungen helle Stellen. Diese chorioiditischen Herde sind scharf umschrieben. Am Rande kann man parallaktische Verschiebung feststellen, so dass eine Vertiefung dieser Stelle sicher ist. I. XII. 04. Die Vorbuckelung ist sehr viel stärker geworden, besonders der innere Buckel sieht sehr dünn aus Da ich fürchtete, der Bulbus würde an der vorgewölbten Stelle platzen, wird er unter Adre- nalin - Kokainanästhesie enucleiert. Die Wunde ist nach 5 Tagen reizlos geheilt.

12. XII. 04. Links: In der Cornea nach vorne unten eine leichte parenchymatöse Trübung, in diese getrübte Stelle sind gelblich glänzende feine Krystalle eingelagert. In der Iris sind keine Veränderungen zu sehen,

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 17

die Papille wird auf Scopalamin maximal weit. Bei erweiterter Papille sieht man in der Peripherie des Augenhintergrundes helle chorioiditische Herde. Am Rande dieser Herde sieht man deutlich parallaktische Verschiebung. Hier ist also zweifellos die Sklera ausgebuchtet. Äusserlich sieht man an dem Auge nichts von Vorbuckelnng.

17. IV. 05. Der Befund hat sich nicht geändert. Die chorioiditischen Herde sind nicht grösser oder tiefer geworden. Die Krystalle in der Horn- haut sind noch ebenso wie vor 4 Monaten zu sehen.

PathoL-anat. : Lungen- und Nierentuberkulose. (In den Lungen sind wenige, in den Nieren massenhafte Tuberkelbacillen in den Herden.)

Augen: Rechts. Die Cornea ist in den zentralen Partien normal; in den peripheren Teilen besteht eine leichte Rundzelleninfiltration. Am Kam- merwinkel ist die Iriswurzel mit der Hinterfläche der Cornea verklebt. In der Iris selbst sind entzündliche Veränderungen nicht zu finden. Dagegen ist das Gewebe der Iris rarefiziert, atrophisch. Das Corpus ciliare ist nor- mal. Über dem Corpus ciliare ist die Sklera ganz leicht mit Lymphocyten infiltriert.

Hinter dem Corpus ciliare kann man die Sklera noch auf eine Strecke von 5 mm verfolgen, dann hört sie plötzlich auf. Es ist eine Lücke von 3 mm Breite zu sehen. Hinter dieser Partie kann man wieder einzelne Lamellen der Sklera unterscheiden.

Zwischen den Lamellen der Sklera und an der von Sklera überhaupt freien Stelle ist auf eine Strecke von 1 1j2 cm Länge eine dichte Infiltration mit Rundzeilen zu sehen. Im Zentrum ist diese Infiltration verkäst. An ihrer breitesten Stelle ist sie 3 mm dick. Dieser verkäste Tuberkel liegt also so angeordnet, dass seine 2 vorderen Drittel vor der Umschlagstelle der Nick- haut, das hintere Drittel hinter dieser Umschlagstelle lagen. Über dem Herd nach aussen liegt nur Conjunctiva und subconjunctivales Gewebe, nach innen ist der Herd zum Teil vom Glaskörper, zum Teil von einzelnen Skleralfasern begrenzt. Die Retina und Chorioidea fehlen über dieser Stelle absolut. Das hintere Ende dieser veränderten Stelle hört mit einem ziem- lich scharfen Absatz zu der gesunden Sklera hin auf, so dass eine Aus- buchtung des Bulbusinnern eingetreten ist (vgl. Fig. S. 44).

Im übrigen Augenhintergrund sind keine Veränderungen festzustellen. (Der Bulbus ist nicht in Serien geschnitten, so dass natürlich kleine Narben oder Herdchen übersehen sein können.)

In den verkästen Massen dieses skleralen Herdes sind Tuberkelbacillen in geringer Zahl nachzuweisen.

Links: Cornea, Vorderkammer und Iris sind normal.

Im Ciliarkörper ist an einzelnen Stellen eine leichte Infiltration mit Lymphocyten zu sehen.

Hinter dem Ciliarkörper ist die Retina und Chorioidea eine Strecke von 2 3 mm absolut normal. Dann kommt eine 3 mm lange Partie, in welcher die Retina mit ihrem spezifischen Gewebe nicht mehr zu sehen ist An ihrer Stelle liegt gewuchertes Stützgewebe, an einzelnen Partien ist über- haupt von der Netzhaut so gut wie nichts mehr zu sehen. Ebenso kann man nur daran erkennen, wo früher die Chorioidea lag, dass in dem an ihrer SteUe liegenden Bindegewebe eine erhebliche Menge von pigmentierten

t. Gxaefe's ArchlT fflr Ophthalmologie. LXVI. 1. 2

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Zellen liegen; anf eine Strecke von 1 mm ist aber auch kein Pigment mehr zu finden, so dass also auch die Chorioidea vollständig fehlt Unter diesem Herd ist die Sklera mit Lymphocyten infiltriert, verdünnt and nach aussen vorgebuckelt. Während diese Vorbnckelang nach vorne gegen den Ciliar- körper ganz langsam wieder zur normalen Höhe ansteigt; wie auch die Veränderung in der Chorioidea nnd Retina ganz allmählich wieder in das normale Gewebe übergehen, hört die Veränderung nach hinten scharf ab- geschnitten auf; die Chorioidea nnd Retina sehen beinahe wie mit dem Messer abgeschnitten aus, die Sklera springt unter dieser normalen Retina und Chorioidea mit ihren inneren Teilen wie ein Sporn vor. Unter diesem Sporn ist noch eine geringe Infiltration mit Lymphocyten vorhanden.

Am Rand des Herdes sieht man ganz deutlich das Zugrundegehen der Retina und Chorioidea und den Progress nach der Sklera hin (vgl. Taf. I, Fig. 3).

Am hinteren Pol in der Nähe des Optiknseintritts ist ein grösserer In- filtrationsherd in der Chorioidea zu sehen, der in der Peripherie aus Lympho- cyten, im Zentrum aus epitheloiden und sogar einzelnen Riesenzellen besteht. Die Chorioidea ist durch die Infiltration spindelförmig auf das 2 3 fache ihres normalen Durchmessers verdickt. In der Mitte des Herdes zieht ein Blutgefäss durch die Sklera. In den Scheiden des Geftsses erstreckt sich die Infiltration durch die Sklera hindurch nach der Oberfläche des Bul- bus und sitzt hier pilzförmig auf. Auch in diesen episkleralen Tuberkeln sind epitheloide und Riesenzellen.

An anderer Stelle sind ganz ähnliche tuberkulöse Herde in der Cho- rioidea. Durch die Infiltration ist überall die Aderhaut verdickt, im Zentrum sind epitheloide und einzelne Riesenzellen. Das Chorioidealpigment ist an den Rand des Herdes zurückgeschoben. Mit erheblicher Geduld werden in ein- zelnen dieser Herde ganz spärliche Tuberkelbacillen nachgewiesen (ein solcher Herd vgl. Taf. I, Flg. 2).

Tier 23. Iritis, Chorioiditis mit Übergang auf die Sklera.

Infektion: 18. VII. 03, 1. VIII, 1. IX. f 15. X. 04 (IV4 Jahr p. Inf.).

Klinisch: Nachdem in den ersten 6 Monaten bei häufigen Untersuchungen keinerlei pathologische Veränderungen an den Augen hatten nachgewiesen werden können, wird das Tier 1f2 Jahr nicht mehr untersucht Nach einem Jahr wurde in der Iris des linken Auges ein kleines graues Knötchen fest- gestellt. Dieses Knötchen war nach 14 Tagen (12. VIII. 04) nicht mehr zu sehen; an seiner Stelle war eine weisse Narbe in der Iris. Am rechten Auge sah man am 12. VIII. auch ein kleines Knötchen. Der Augenhinter- grund schien normal; bei maximal erweiterter Pupille fanden sich aber ganz in der Peripherie des Augenhintergrundes sowohl rechts wie links helle scharf umschriebene Herde in der Chorioidea.

Bis zum Tode des Tieres änderte sich der Befand nicht.

Pathol.-anat.: Tuberkulose der Lungen. An den Nieren makroskopisch keine Veränderungen; mikroskopisch sieht man kleine Infiltrationsherde.

Augen: Rechts. Im Kammerwinkel ist die Iris an einzelnen Stellen mit der Hinterfläche der Cornea verwachsen. Im Ciliarkörper ist ein ganz kleiner frischer Infiltrationslierd zu sehen, ausserdem ist noch ein grosser

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 19

Herd vorhanden, der an der Übergangastelle des Ciliarkörpers in die Cho- rioidea liegt (Ausser diesen Veränderungen ist in dem von mir gefärbten Schnitten nichts pathologisches zu sehen. Keine Serie!)

Link 8. In der Hornhaut ist in einzelnen Schnitten unter der Bow- m an sehen Membran am Corneoskleralrand eine geringe Infiltration mit Rund- zellen zu sehen.

Im Kammerwinkel ist die Iris ausgedehnt mit der Hinterfläche det Cornea verklebt

Im Kammerwinkel liegt im Fontanaschen Balkenraum an einer Stelle ein typischer Tuberkel. Ebensolche sind in grösserer Zahl in der Iris zu sehen; hier liegen sie zum Teil auf der Vorderfläche, zum Teil in der Mitte, zum Teil auf der Hinterfläche, einzelne durchsetzen die ganze Iris. Diese Tuberkel bestehen in der Peripherie aus Lymphocyten, im Zentrum sind neben epitheloiden auch einzelne Riesenzellen zu sehen.

Hinter dem Ciliarkörper ist die Netzhaut und Aderhaut auf eine kurze Strecke normal. Dann kommt ein ganz ähnlicher Herd in der Sklera wie bei Tier 22.

Netzhaut und Aderhaut fehlen auf einer Strecke von 3—4 mm. Die Sklera ist verdünnt, ganz leicht infiltriert und nach aussen vorgebuckelt Am hintersten Ende dieser Partie ist ein kleiner verkäster Tuberkel, der den Herd scharf abschliesst; dahinter ist Chorioidea, Retina und Sklera nor- mal (vgl. Taf. I, Fig. 3). Als Besonderheit wäre hier zu erwähnen, dass an einer Stelle die Sklera durch die Infiltration vollständig durchsetzt ist und dass hier dem Bulbus noch ein episkleritischer Herd subconjunetival aufsitzt.

Ausser dieser Veränderung sind noch einzelne Herde unregelmässig in der Chorioidea vorhanden: Verdickung der Chorioidea auf das 2 3 fache durch eine Infiltration mit Lymphocyten, im Zentrum des Herdes epitheloide und einzelne Riesenzellen.

Es ist gelungen, in einzelnen dieser Herde spärliche Tuberkelbacillen zu färben.

Tier 24. Negativ.

Infektion: 18. VII.

Da keinerlei Veränderungen an den Augen zu finden waren, wird das Tier nach einem Jahr anderweitig verwendet.

Tier 25. Negativ.

Infektion: 18. VII.

Klinisch: Am 27. VII. leichte Buckelung der Iris. Da weiter keine Veränderung eintritt, die Buckelung bald wieder verschwindet, wird das Tier nach einem Jahr anderweitig verwendet.

Tier 26. Negativ.

Infektion: 18. VII.

Klinisch: Am 12. VIII. sieht man einzelne Verdickungen am Pupillar- rand, diese Verdickungen verschwinden nach 6 Wochen wieder. Da nach einem Jahr die Augen normal gefunden werden, wird das Tier anderweitig verwendet

Tier 27. Negativ.

Infektion: 27. VII.

20 W. Stock

Da nach einem Jahr keinerlei Veränderungen an den Augen aufgetreten sind, wird das Tier anderweitig verwendet Tier 28. Negativ. Infektion: 27. VII. Klinisch: Keine Veränderungen. Tier 29. Negativ. Infektion: 27. VII. Klinisch: Keine Veränderungen.

Tier 30. Iritis, Chorioiditis disseminata. Albino.

Infektion: 18. III. 04. f 7. IV. 04 (19 Tage p. Inf.).

Klinisch: Kurz vor dem Tode werden in der Iris einzelne Knötchen festgestellt. Eine Augenspiegeluntersuchung hatte mehrere Tage a. m. nicht mehr stattfinden können.

Patliol.-anat : Tuberkulose der Lungen und Nieren.

Augen: In beiden Augen sind in der Iris einzelne Tuberkelknötchen. Die meisten dieser Knötchen bestehen nur aus Lymphocyten, in einzelnen findet man aber im Zentrum epitheloide Zellen.

Die Chorioidea ist bedeckt mit Infiltrationsherden; die Veränderungen sind so massenhaft, dass es an manchen Stellen gar nicht gelingt, einzelne Herde abzugrenzen. Die Herde bestehen aus Rundzellen (vgl. flg. S. 40). Am Corneoskleralrand ist unter der Conjunctiva ein kleiner Herd von Rund- zellen festzustellen. Dieser Herd enthält im Zentrum einzelne epitheloide Zellen, die Scheiden der diesen Herd umgebenden Gefösse sind sehr zellreich.

Tier 31. (Albino.) Iritis, Chorioiditis.

Infektion: 18. III. 04. f 1. IX. 04 (51/2 Monate p. Inf).

Klinisch: 6. IV. In der Iris einzelne Tuberkel, in der Chorioidea viele helle Herde. 24. IV. Von den Knötchen in der Iris sind die meisten wie- der verschwunden, rechtB sind noch 3, links noch 2 zurückgeblieben (vgl. Tat II, Fig. 7, linkes Auge).

Am 13. VI. In beiden Regenbogenhäuten, auch mit der Zeissschen Lupe nichts pathologisches mehr zu finden.

24. VI. In der rechten Iris, in welcher die Blutgefässe etwas stärker gefüllt sind, sieht man nach unten ein helles Knötchen. Links ist eben- falls nach vorne unten in der Iris ein graurötliches Knötchen aufgetreten. Mit dem Augenspiegel sieht man rechts und links hellere Stellen in der Chorioidea.

29. VIII. Weder rechts noch links ist in der Iris irgend etwas krank- haftes festzustellen. In der Chorioidea sieht man noch hellere Stellen.

Pathol.-anat: Lungen- und Nierentuberkulose. Ausgedehnte Tuberku- lose der Hard ersehen Drüse.

Augen: Rechts ist nichts pathologisches festzustellen (keine Serie).

Links. Auf der Hinterfläche der Iris ist an einer Stelle eine Anhäu- fung von Rundzellen zu sehen. In der Chorioidea ist eine bindegewebig degenerierte Stelle, mit welcher die Netzhaut fest verwachsen ist. Die Netz- haut ist an dieser Stelle sehr erheblich verändert. Die nervösen Elemente sind vollständig zugrunde gegangen, man kann nur gewucherte Stützsub- stanz feststellen (vgl. Fig. S. 42).

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 21

Tier 32. Iritis, Chorioiditis (mit teilweisem Übergang auf die Sklera), Conjunctivaltuberkel.

Infektion: 18. III. 04. f 10. V. 04 (l8/< Monate p. Inf.).

Klinisch: 6. IV. Die Iris ist leicht gebuckelt, aus diesen Buckeln heben sich rechts 2, links 3 Knötchen deutlich heraus. Mit dem Augen- spiegel sieht man massenhaft Herde in der Chorioidea, ein Teil dieser Herde hat ganz scharfe Grenzen, andere sind ganz verwaschen. 10. IV. In der Iris sehr viele frische Knötchen. 8. V. Die Knötchen in der Iris sind fest alle wieder verschwunden. Ophthalmosk. : Das Bild der Chorioiditis disse- minata. Links sieht man am Limbus ein kleines graues Knötchen. Dieses Knötchen liegt in der Conjunctiva. Die Schleimhaut läset sich über dem Knötchen nicht verschieben.

Pathol.-anat. : Ausgedehnte Lungentuberkulose.

Augen: In der Iris sind nur spärliche Tuberkel vorhanden. Die Ver- änderungen sind grösstenteils auf der Hinterfläche der Iris, auch im Corpus ciliare sind einzelne Tuberkel.

Die Chorioidea ist sowohl rechts wie links besät mit Infiltrations- herden. Die Herde bestehen aus einkernigen Lymphocyten, im Zentrum der Knötchen sind meist einzelne epitheloide Zellen zu sehen. Kiesenzellen konnte ich nicht finden.

Während die Herde am hinteren Pol auf die Chorioidea beschränkt sind, sieht man bei solchen, die in der Gegend des Äquators Hegen, dass der Prozess in die Sklera fortschreitet Dieses Gewebe ist bis zur Mitte infiltriert, während die inneren Partien der Chorioidea frei sind.

Am Corneoskleralrand liegt unter dem Epithel ein typischer Tuberkel mit verkästem Zentrum (vgl. Fig. S. 45).

Tier 33. Iritis, Chorioiditis.

Infektion: 18. III. 04. f 30. V. 04 (2V2 Monate p. Inf.).

Klinisch: 5. IV. In der Iris einzelne Tuberkel; in der Chorioidea spärliche frische Herde. 23. IV. Rechts: In der Iris nach oben einzelne Knötchen. Links: Massenhafte Tuberkel in der Iris.

11. V. Rechts: eine hintere Synechie7; in der Iris weisse Narben. Keine irischen Veränderungen mehr. Links: neben alten Narben frische graurote Knötchen. In der Chorioidea sind ganz besonders in der Peri- pherie viele helle Herde.

Pathol.-anat.: Tuberkulose der Lungen.

Rechts und links: ziemlich viele Tuberkel der Iris. Die Herde liegen sowohl auf der Vorder- als auf der Hinterfläche der Iris. Manche durch- setzen die ganze Dicke des Gewebes. In der Chorioidea sind nur spärliche Herde. Die tuberkulösen Veränderungen in der Gegend des Äquators zeigen auch ein Fortschreiten in der Sklera.

Tier 34. Iritis.

Infektion: 27. IX. 05. f 29. I. 06 (4 Monate p. Inf.). Klinisch: An den Augen sind keine Veränderungen festgestellt worden. Pathol -anat. : Tuberkulose der Lungen und Nieren. Augen: Im Kammerwinkel ist in einzelnen Schnitten eine leichte Rund- zelleninfiltration festzustellen. Iris und Chorioidea ohne Besonderheiten.

22 W. Stock

Tier 35. Iritis, Chorioiditis.

Infektion: 27. IX. 04. f 2. I. 05 (3 Monate p. Inf.).

Klinisch: 5. X. Rechts in der Iris einzelne Knötchen, links auch Hyper- ämie und Buckelung der Iris.

10. X. Der linke Bulbus nach oben leicht conjunctival injiziert.

25. XII. An den Augen nichts pathologisches mehr festzustellen.

An den Ohren sind massenhaft kleine Knötchen aufgetreten.

Pathol.-anat: Ausgedehnte Tuberkulose der Lungen und Nieren.

Ohren: Die kleinen Knötchen an der Ohrmuschel liegen zum Teil auf der Aussen-, zum Teil auf der Innenseite. Die Knötchen sind im Zentrum verkäst Die Peripherie ist gebildet aus Rundzellen und epitheloiden Zellen. Tuberkeibacillen lassen sich nicht nachweisen.

Augen: Die Cornea ist vollständig normal. Auf der Vorderfläche der Iris ist ein "Tuberkel zu sehen. In der Peripherie des Knötchens sind wenige Lymphocyten. Das Zentrum besteht aus grossen epitheloiden Zellen. Im Kammerwinkel sind um ein kleines Blutgefäss einzelne ausgewanderte Lymphocyten.

In der Gegend des Äquators ist die Chorioidea an einer Stelle durch eine dichte Infiltration etwas spindlig aufgetrieben. Die Retina über dieser Stelle ist ganz normal, dagegen erstreckt sich die Zellvermehrung zwischen den Lamellen der Sklera bis über die Hälfte der Dicke dieses Gewebes. In dem Herd lassen sich neben einkernigen lymphoiden Zellen auch epithe- loide feststellen.

Tier 36. Chorioiditis disseminata.

Infektion? 27. IX. 05. f 22. V. 06 (8 Monate p. Inf.).

Klinisch: In den ersten 3 Monaten war klinisch an den Augen eine Veränderung nicht festzustellen. Die Ins blieb auch normal bis zum Tode des Tieres. In den letzten 2 Monaten waren in der Chorioidea zum Teil frische, zum Teil ältere Herde zu sehen.

Pathol.-anat.: Lungen und Nierentuberkulose.

Augen: In der Chorioidea sind eine grosse Menge von Herden, die alle auf das Gewebe der Chorioidea beschränkt sind. Es ist weder ein Fortschreiten nach der Sklera noch nach innen festzustellen. Die Peripherie der Herde besteht aus Rundzellen, im Zentrum sind epitheloide Zellen in ziemlicher Zahl vorhanden. In den einzelnen Herden lassen sich leicht Tuberkeibacillen nachweisen.

Tier 37. Iritis.

Infektion: 27. IX. 04. f 31. VII. 05 (10 Monate p. Inf).

Klinisch: Während in den ersten Monaten nach der Infektion in den Augen nichts pathologisches nachzuweisen war, konnte am 16. V., also 8 Monate später in der linken Iris ein ganz kleines Knötchen festgestellt werden. Am 10. VI. fand sich ein ebensolches Knötchen in der rechten Iris. In der Chorioidea wraren auch einzelne frische helle Herde aufgetreten. Es wird am 10. VI. am rechten Auge unter Kokainanästhesie eine Iridek- tomie gemacht und dabei dass gefundene Knötchen excidiert.

Es trat als Folge dieses Eingriffs eine erhebliche Reizung des Auges- ein, nach 3 Wochen war aber alles wieder geheilt. Am linken Auge war das kleine Knötchen bis zum Tode des Tieres unverändert geblieben.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 23

Pathol.-anat. : Tuberkulose der Lungen und Nieren.

Augen: Im rechten Auge sieht man, dass die Iris in den Cornealschnitt etwas eingeklemmt ist Sonst werden pathologisch-anatomische Veränderungen nicht festgestellt.

Im linken Auge ist ein Tuberkel im Fo nt an a sehen Balkenraum, in der Chorioidea einzelne Narben.

Tier 37a. (In der Vorderkammer geimpftes Tier.)

Das dem Tier 37 excidierte Irisstück wird einem ausgewachsenen voll- ständig gesunden Kaninchen am 10. VI. in die Vorderkammer implantiert

Am 15. VI. Der Bulbus ist erheblich gereizt, die Cornea leicht trüb, das Irisstückchen ist in Fibrin eingehüllt. Leichte Buckelung der Iris. Am 22. VI. ist der Bulbus vollständig reizlos, das Irisstückchen liegt in der Vorderkammer.

Am 12. VII. ist eine sehr erhebliche pericorneale Injektion festzustellen; im oberen Teil der Iris ist ein grosser gelber Tuberkel, der ganze Rand der Iris ist mit kleinen Tuberkeln besät.

Da es dem Tier sehr schlecht geht, die Cornea nahe an der Perforation steht, wird der Bulbus am 11. VIII. enucleiert und das Tier getötet

Pathol.-anat: Lungentuberkulose.

Bulbus: Cornea. Das Epithel, die Bow mansche und Descemet sehe Membran sind normal, das Endothel grösstenteils erhalten. Im Parenchym der Cornea sieht man eine diffuse Infiltration mit Lymphocyten. Ebenso sind im Parenchym der Cornea neugebildete Blutgefässe zu sehen.

Am Corneoskleralrand ist das Gewebe der Cornea zum grössten Teil ersetzt durch tuberkulöse Granulationen, die von der Iriswurzel in die Cor- nea hinein fortgekrochen sind. Über die ganze Iris zerstreut sind grössere und kleinere typische Tuberkelknötchen. Zum Teil ist das Zentrum ver- käst, z. T. besteht es aus epitheloiden und Riesenzellen. Tuberkelbacillen lassen sich leicht feststellen.

Es ist dies also eine typische Impftuberkulose im Kaninchenauge.

Tier 38. Sklerosierende Keratitis.

Infektion: 6. X. 05. f 16. V. 06 (7 Monate p. Inf.).

Klinisch: Das linke Auge ist phthisisch. Das rechte Auge ist normal bis zum 22. I. 06. An diesem Tage werden in der Chorioidea einzelne hellere Herde ganz in der Peripherie festgestellt. Die Iris bleibt normal. Diese Herde in der Chorioidea ändern sich absolut nicht.

Am 10. V. tritt plötzlich am Corneoskleralrand eine ganz leichte Bucke- lung auf. In der Nähe des ganz kleinen Buckels sind die Blutgefässe etwas stärker gefüllt. Am 14. V. heben sich aus dem Buckel deutlich zwei kleine grauweisse Knötchen heraus. Diese Knötchen liegen genau am Cor- neoskleralrand. Über dem Knötchen ist die Conjunctiva leicht sulzig infil- triert In die Cornea schiebt sich halbmondförmig um diesen Herd an- geordnet eine parenchymatöse Trübung vor, die aber von den eigentlichen Knötchen durch eine etwas hellere Schicht getrennt ist. (Das Bild der sklero- sierenden Keratitis.) Die Iris ist absolut normal, die Herde in der Cho- rioidea sind unverändert.

Um ein möglichst frisches Präparat zu bekommen wird das Tier getötet.

24 W. Stock

Pathol.-anat: Ausgedehnte Lungen und Nierentuberkulose.

Augen: Die Cornea ist in der Peripherie, entsprechend der Stelle, die schon klinisch als parenchymatös getrübt sich feststellen liess, erheblich ver- ändert. Es besteht eine Infiltration mit Lymphocyten und epitheloiden Zellen mit zentraler Verkäsung, kurz eine typisch tuberkulöse Veränderung. Dieser Tuberkel ist zweifellos ausgegangen von den vordersten Partien der Chorioidea, die Infiltration hat sich dann nach vorne in die Sklera aus- gedehnt und ist von hier aus in die Cornea eingedrungen. Der Ciliarkörper ist an dieser Stelle unverändert und im ganzen nach dem Augeninnern etwas verdrängt. Die Verkäsung nimmt an einer Stelle am Corneoskleral- rand die ganze Dicke des Gewebes ein, so dass hier gar keine normalen Corneal- oder Sklerallamellen mehr zu sehen sind, d. h. der Tuberkel ist eben im BegruT nach aussen durchzubrechen.

An andern Stellen des Bulbus sieht man in den vordersten Partien der Chorioidea eine flächenförmige Infiltration, die aus Rundzellen und epi- theloiden Zellen besteht, diese Infiltration ist auch auf die Sklera fiber- gegangen und hat die Lamellen bis zur Mitte schon aufgeblättert

Weiter nach hinten ist ein grösserer Solitärtuberkel, der nach aussen die Sklera, nach innen die Lamina elastica durchsetzt und auf eine kurze Strecke die Retina zerstört hat Eine Chemotaxe nach dem Innern des Bulbus hat nicht stattgefunden; auf der Retina liegen keine ausgewanderten Zellen.

An einer andern Stelle des Augengrundes, in der Nähe des hinteren Pols liegt ein vollständig ausgeheilter narbiger chorioiditischer Herd, mit dem die Retina verklebt ist. Man kann feststellen, dass die Lamina elastica zwischen der Chorioidealnarbe und der degenerierten Retinalpartie noch er- halten ist.

Tier 39. Chorioiditis disseminata.

Infektion: 21. VIII 05. f 4. XI. 05 (21/* Monate p. Inf.).

Klinisch: 30. VIII. In der Chorioidea helle Herde mit unscharfen Rändern. Am 30. X. sind die meisten dieser Herde wieder verschwunden.

Pathol.-anat: Tuberkulose der Lungen.

Augen: In der Chorioidea einzelne Verdickungen. Diese Verdickungen sind hervorgerufen durch eine Infiltration mit Rund- und epitheloiden Zellen.

Tier 40. Iritis, Chorioiditis.

Infektion: 6. X. 05. f 17. IV. 06 (7 Monate p. Inf).

Klinisch: 28. X. Rechts: In der Chorioidea einzelne frische Herde.

23. I. 06. Die Iris ist rechts und links normal. Im Augenhinter- grund sind in beiden Augen ausgeheilte, d. h. scharf begrenzte chorioidi- tische Herde zu sehen.

Am 24. I. Iridektomie links. Am 5. II. ist, nachdem zuerst eine sehr starke Reizung des Auges vorhanden gewesen war, der Bulbus wieder vollständig reizlos. Schönes Iriscolobom.

Am 24. II. sieht man am Corneoskleralrand rechts eine kleine Er- habenheit 26. IL Am Corneoskleralrand sieht man in dem am 24. II. zum* erstenmal beobachteten Herd zwei kleine grauweisse Knötchen. In der Cornea ist eine parenchymatöse Infiltration, die von diesen Knötchen

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 25

auszugehen scheint Der Prozess erinnert ausserordentlich an eine sklero- sierende Keratitis (vgl. Flg. 6).

17. III. Unter der sklerosierenden Keratitis scheint die Iris ganz umschrieben etwas verdickt zu sein. Die Pupille erweitert sich auf Atro- pin gut.

1. IV. Der Cornealprozess ist noch etwas weiter nach der Hornhaut- in itte fortgeschritten. Die Veränderung der Iris ist unverändert.

Pathol.-anat: Ausgedehnte Lungen- und Nierentuberkulose.

Augen: Linkes Auge (vgl. Fig. 4). Am Corneoskleralrand ist ein Tuberkel mit zentraler Verkäsung, der die ganze Dicke der Cornea durch- setzt (Tuberkelbacillen lassen sich leicht nachweissen.} Dieser Tuberkel zerstört die vordersten Partien der Chorioidea, den Ciliarkörper und geht noch auf die Wurzel der Iris über. Auf der Vorderfläche der Iris sind in der Peripherie einzelne kleine Tuberkel. Auf der gegenüberliegenden Seite der Cornea sieht man eine parenchymatöse Infiltration mit neugebildeten Ge- fassen. Unter dieser Infiltration, die sich noch in die Sklera hinein erstreckt, ist auch der Ciliarkörper ergriffen. Hier ist keine Verkäsung eingetreten.

In der Gegend des Äquators ist ein grosser Solitärtuberkel in der Chorioidea, der nach aussen die ganze Sklera durchsetzt hat. Nach innen ist er an einer Stelle durch die Lamina eiastica durchgebrochen und in die Retina eingedrungen. Nur die Retina ist zerstört, der Glaskörper über dieser Partie ist ganz normal.

Das Zentrum dieses Tuberkels ist verkäst.

In der Sehnervenscheide ist ebenfalls ein kleiner im Zentrum verkäster Tuberkel zu sehen.

Tier 40a. (In die Vorderkammer geimpftes Tier.) Das von Tier 40 durch Iridektomie gewonnene Irisstückchen wird einem andern gesunden Kaninchen eingeimpft. Das Auge dieses Tieres bleibt absolut reizlos. Nach 3 Monaten ist keine Veränderung festzustellen.

Tier 41. Iritis tuberculosa (durch Iridektomie Verschlechterung). Infektion: 8. VIII. 05. f 16. V. 06 (7 Monate p. Inf.). Am 28. VIII. sieht man links einzelne frische Herde in der Chorioidea. Das rechte Auge ist phthisisch.

16. XII. Die Herde in der Chorioidea sind zum Teil verschwunden, zum Teil haben sie scharfe Grenzen bekommen. In der Iris sind nach oben 2 Tuberkel ungefähr in der Mitte des Gewebes zu sehen. 22. I. Die 2 früher gefundenen Herde sind ausgeheilt, nach unten davon ist ein neuer Herd entstanden.

24. I. Iridektomie nach oben. Es wird versucht einen der Tuber- kel in das excidierte Irisstück zu bekommen.

Am 28. I. Die Vorderkammer ist wieder hergestellt, der Bulbus reiz- los. 5. II. In der Iris sind 2 neue Tuberkel zu sehen. 15. II. Am Iris- rand sind neue Knötchen entstanden, die alten sind verschwunden.

17. III. In der Iris ist eine neue Aussaat von sehr vielen Tuberkeln zu konstatieren.

23. III. Die Herde sind weniger zahlreich. Nur am Pupillarrand sind noch ziemlich viele glasig aussehende Knötchen.

26 W. Stock

Es wird wieder eine Iridektomie gemacht 1. IV. Die Wunde ißt geheilt. Es ist noch etwas Blut in der Vorderkammer. 5. IV. Auf der Hinterfläche der Cornea sind massenhaft Präcipitate. Die Iris ist verdickt, entzündet, man kann deutlich Irisgefasse sehen. Die Colobomschenkel sind zum Teil mit der Hornhaut verklebt. In der Iris sind neue Tuberkel.

Der Augenhintergrund ist nur ganz verschwommen zu sehen. Details sind nicht festzustellen.

Pathol.-anat: Tuberkulose der Nieren und Lungen.

Auge: In der Cornea sind die Schnitte, die von den 2 Iridektomien herrühren, deutlich zu sehen. Auf der Hinterfläche der Cornea liegen, ganz besonders in der Gegend des Coloboms, Anhäufungen von Rundzellen und epitheloiden Zellen. Die Vorderkammerflüssigkeit ist sehr eiweißsreich, in ihr liegen freie Zellen.

In der Iris sind überall zerstreut Tuberkel zu sehen. Die Knötchen bestehen aus Rundzellen und epitheloiden Zellen; es finden sich auch einzelne Riesenzellen. An einer Stelle ist die Iris mit dem Pupillarrand mit der Hinterfläche der Cornea verklebt, in dieser Partie sieht man die Tuberkel ganz besonders zahlreich.

Zwischen den Ciliarfortsatzen sind ausgewanderte mono- und poly- nucleäre Leukocyten. Der Ciliarkörper selbst ist zellreicher als gewöhnlich; zwischen den Ciliarfortsatzen sind einzelne umschriebene Tuberkel zu sehen. Auch der vordere Teil des Glaskörpers enthält freie Zellen, die etwas dichter auf den periphersten Teilen der Netzhaut liegen. In der Chorioidea sind tuberkulöse Herde nicht zu finden.

Tier 41a (in die Vorderkammer geimpftes Tier).

24. I. Es wird das durch Iridektomie gewonnene Stückchen einem zweiten Kaninchen in die Vorderkammer implantiert. In den ersten 8 Tagen ist eine leichte Reizung zu konstatieren. Nach 10 Tagen ist der Bulbus reizlos, und nach 2 Monaten ist das Irisstückchen reaktionslos eingeheilt.

Tier 41b (in die Vorderkammer geimpftes Tier).

23. III. Das durch die 2. Iridektomie bei Tier 41 gewonnene Iris- stückchen wird wieder einem zweiten Kaninchen implantiert 1. IV. erheb- liche Iritis. 10. IV. In der Iris sind typische Knötchen zu sehen. 12. IV. Schwere Iritis mit gelben Tuberkeln. Es wird heute durch eine Iridekto- mie ein solches Tuberkelknötchen entfernt und auf dem Deckglas ausgestrichen: In dem Gewebe massenhafte Tuberkelbacillen. 25. IV. Am Corneoskleral- rand leichte Vorbuckelung. 9. V. Das Tier frisst nicht mehr, magert sehr stark ab. Am Corneoskleralrand ist ein Tuberkel perforiert. Die ganze Cornea ist getrübt, so dass man keine Details in der Iris mehr fest- stellen kann.

Pathol-anat.: Tuberkulose der Leber und Lungen.

Augen: Typische verkäste Tuberkel in der Iris.

Aus den Tuberkeln lassen sich massenhaft Tuberkelbacillen im Aus- strich nachweisen. Auf der Kultur wächst Tuberkulose rein.

Tier 42. Iritis, Chorioiditis.

Infektion: 6. X. 05. f 22. XII. 05 (21/2 Monate p. Inf.).

Klinisch: 24. X. In der Chorioidea ist ein heiler Herd zu sehen.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 27

30. X. Sehr viele frische Entzündungsherde in der Chorioidea. 16. XII. In der Iris sind keine Veränderungen festzustellen. Die Herde in der Cho- rioidea sind weniger zahlreich geworden. Die einzelnen noch vorhandenen Herde sind scharf umgrenzt.

Pathol -anat. : Tuberkulose der Lungen und Nieren.

Augen: In der Iris ist ein typischer Tuberkel, der grösstenteils aus epitheloiden Zellen besteht. Die Veränderung liegt in den hinteren Partien der Iris. Das Stroma der Iris nach vorne an diesem Herd ist absolut un- verändert. Ebensolche Herde finden sich im Ciliarkörper und in sehr grosser Menge in der Chorioidea. Hier liegen sie zum Teil in den inneren, zum Teil in den äusseren Schichten, die letzteren haben zu einer leichten Infiltration in die Sklera gefuhrt. Tuberkelbacillen lassen sich in den Her- den unschwer feststellen.

Tier 43. Iritis, Chorioiditis.

Infektion: 6. X. 05. f 22. III. 06 (5 Monate p. Inf.).

Klinisch: Das Tier ist alle 8 Tage genau untersucht Veränderungen sind an den Augen nicht festgestellt worden.

Pathol- anat.: Schwere Lungen- und Nierentuberkulose.

Augen: Die Cornea ist normal. Die Iris ist auf ihrer Vorderfläche frei von tuberkulösen Veränderungen. Auf ihrer Hinterfläche liegt an der Wurzel ein grösserer Tuberkel mit epitheloiden und Riesenzellen. Ausser- dem findet sich ein ebensolcher Herd zwischen Ciliarkörper und Sklera, die Veränderung erstreckt sich hier hauptsächlich in die Sklera hinein, während der Ciliarkörper so gut wie intakt bleibt. Noch eine grosse tuberkulöse Veränderung liegt nach vorne am Äquator in der Chorioidea; auch hier greift der Prozess sehr ausgesprochen auf die Sklera über.

Tier 44. Cyclitis, Chorioiditis.

Infektion: 6. X. 05. f 16. IV. 06 (6 Monate p. Inf.).

Klinisch: 24. X. In der Chorioidea einzelne hellere Stellen. 16. XII. In der Iris (links) nach oben kleiner Tuberkel. 2. I. 06. Der Herd in der Iris ist verschwunden. In der Chorioidea sind in der Peripherie nach unten helle Herde zu sehen.

Pathol. -anat: Lungen- und Nierentuberkulose.

Augen: Zwischen Ciliarkörper und Sklera ist ein typischer tuberkulöser Herd mit vielen Riesenzellen; ein ebensolcher in der Chorioidea nach vorne vom Äquator. Auch in diesem Herd fallen die massenhaften Riesenzellen auf. Beide Prozesse zeigen progredienten Charakter nach der Sklera hin.

Tier 45. Hämatogene Tarsustuberkulose.

Infektion: 6. X. 05. f 1. IV. 06 (41/, Monate p. Inf.).

Klinisch: 24. X. In der Chorioidea einzelne hellere Herde. 30. X. Massenhafte helle Herde im Augenhintergrund. 16. XII. In der Iris 5 kleine Tuberkel; die Veränderungen in der Chorioidea sind grösstenteils verschwun- den; nur am hintern Pol sind noch wenige scharf umschriebene helle Herde zu sehen.

22. I. 06. Im Oberlid L. haben sich seit 8 Tagen 2 kleine Knöt- chen gebildet. Den Sitz dieser Knötchen kann man auf der conjunctivalen Seite des Lids nur daran erkennen, dass sie etwas dunkler durchscheinen.

28 W. Stock

Nach aussen wölben sie sich stark vor. Die Knötchen werden bis zum 28. I. ganz langsam grösser, am 28. I. werden sie unter Lokalanästhesie exstirpiert (vgl. Flg. 5).

24. I. Das Tier wird links iridektomiert 29. I. Die Iridektomiewunde ist geheilt. Die Iris noch etwas gereizt

9. II. Die Irisreizung ist verschwunden. Nach unten am Pupillar- rand ist in der Iris ein neues Knötchen festzustellen. Die Herde in der Chorioidea sind unverändert

Pathol.-anat: Lungen- und Nierentuberkulose.

Lider: vgl. die oben erwähnten Knötchen.

Das Epithel der Gonjunctiva ist vollständig intakt, ebenso das Epithel der äusseren Haut. Am Lidrand ist das Epithel etwas vorgebuckelt Eine Perforation ist nicht zu finden. Unter dem vorgebuckelten Epithel sieht man einen grösseren Tuberkel, der im Zentrum verkäst ist. Der Tuberkel liegt zwischen Meibomschen Drüsen und Orbicularis. Die Meibom sehen Drüsen kommunizieren zum Teil mit der infiltrierten Stelle. In dem Tuber- kel sind einzelne cystenartige Hohlräume. Tuberkelbacillen lassen sich sehr leicht nachweisen, allerdings im ganzen in sehr geringer Zahl.

Auge: In der Chorioidea unmittelbar hinter dem Ciliarkörper ist eine grössere Narbe zu sehen.

Sonst sind in den gefärbten Schnitten tuberkulöse Veränderungen nicht vorhanden.

In der Tränendrüse sind grosse verkäste Tuberkel.

2. Zusammenstellung der Resultate.

Wenn man einem Tier in die Blutbahn lebende virulente Tuberkelbacillen bringt, so sieht man an den Augen sehr häufig Veränderungen eintreten. Diese Veränderungen kann man klinisch sogar soweit verwerten, dass man aus ihrer Anwesenheit den Schluss ziehen kann, dass die Infektion im Tierkörper gehaftet hat [cf. auch Friedrich und Noesske(22)].

Ich habe die Art der Infektion nicht gewechselt: Es wurden von einer gut gewachsenen Kultur von Tuberkelbacillen einmal von solchen von menschlicher und dann von Rindertuberkulose in Bouillon Auf- schwemmungen gemacht. Die Kultur wurde mit einer Platinöse ab- gekratzt, zu dem Agar oder Serumröhrchen Bouillon geschüttet, dann die grobe Suspension in einen Porzellanmörser gebracht, das Gemisch kurze Zeit zerrieben, bis keine gröberen Bröckel mehr sichtbar und eine gleichmässige feine Trübung eingetreten war. Von dieser Mischung wurde den Tieren 1 cem in eine Ohrvene eingespritzt

Ich habe deshalb keinen besonderen Wert darauf gelegt, ob Tier- oder Rindertuberkulin eingespritzt wurde, weil durch eine Unter- suchung von Link (46) festgestellt ist, dass für die Augen von Kaninchen beide Arten von Tuberkelbacillen virulent sind. Ich er-

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 29

wartete von den Infektionen mit Rindertuberkulose schwächere Formen der Erkrankung an den Augen, möchte aber gleich hier vorweg nehmen, dass bei meiner Art der Versuchsanordnung ein sehr wesent- licher Unterschied sich nicht hat feststellen lassen.

Die Augen der verwendeten Tiere waren vor dem Versuch selbst- verständlich genau untersucht.

Alle meine Versuchstiere mit Ausnahme von 24 29 sind der Infektion erlegen. Bei diesen 6 Tieren hat wohl die Tuberkulose überhaupt nicht gehaftet. Ich hatte damals nur einen älteren Stamm zur Verfügung, der wohl nicht mehr die genügende Wirkung besass.

Nach der Infektion haben die Tiere gelebt zwischen 11 und 600 Tagen.

Augenveränderungen lassen sich frühestens feststellen nach 11 Tagen; dann aber können sie im Verlauf der Erkrankung auch noch später eintreten. Bei der ersten Überschwemmung des Blutes mit Tuberkelbacillen scheinen alle Teile der Uvea ungefähr gleich empfänglich zu sein, später sind die Prädilektionsstellen der An- siedlung von Tuberkulose die Chorioidea in der Gegend des Äquators und sekundär die Sklera.

Ich werde diese Veränderung der einzelnen Teile der Uvea nun gesondert besprechen.

a. Iris und Cornea.

Als erstes Symptom einer hämatogenen Tuberkulose der Iris sieht man eine ganz leichte Verdickung des ganzen Gewebes. Blut- gefässe sind in diesem Stadium in der Iris nicht deutlicher als in der gewöhnlichen Kanincheniris. Aus dieser Bucklung und Ver- dickung des ganzen Irisgewebes heben sich nun nach 3 4 Tagen einzelne grauliche Herde heraus. Diese Knötchen haben in der Iris keine Prädilektionsstelle; man sieht sie ebenso am Pupillar- rand wie in der Mitte der Iris und auch in der Gegend des Kammer- winkels aufschiessen. Am Pupillarrand fallen sie natürlich am meisten auf. Man kann unter der binokularen Lupe sehen, dass diese frischen Knötchen auf ihrer Oberfläche ein grauliches Aussehen haben; dieses Aussehen rührt ganz zweifellos von der Ausscheidung von Fibrin her. Wenn ein solches Knötchen am Pupillarrand sitzt, so dass seine Oberfläche nicht nach vorne (cornealwärts) liegt, sondern nach der Linsenoberfläche hin, so klebt an dieser Stelle die Iris mit der Vorderfläche der Linse zusammen; später ist hier häufig nur eine feste hintere Synechie festzustellen; denn diese Knötchen selbst sind nicht alle von langem Bestand. Bei genauer Untersuchung,

30 W. 8tock

ganz besonders wenn man sich immer wieder Skizzen der erkrankten Partien macht, lässt sich sehr leicht feststellen, dass diese Knötchen oft schon nach 4 6 10 Tagen wieder vollständig spurlos ver- schwunden sind, ohne im Gewebe der Iris irgend eine klinisch sichtbare Veränderung zu hinterlassen (mit Ausnahme der hinteren Synechien, die bestehen bleiben). In andern Fällen schiessen neue Knötchen auf, die alten vergrössern sich etwas. Wenn solch ein Knötchen eine gewisse Grösse überschritten hat, ist offenbar dadurch eine Verschiebung des Irisgewebes entstanden, denn wenn es auch jetzt noch ausheilt, bleibt hier eine helle Stelle bestehen.

Bei manchen Tieren kommen immer neue Tuberkeleruptionen in der Iris; es tritt nun auch eine gewisse Hyperämie des ganzen Gewebes ein, man sieht neugebildete Blutgefässe, die ganze Iris kann das Aussehen von Granulationsgewebe annehmen. Die Infiltration kann so dicht werden, dass einzelne Herde gar nicht mehr abzu- grenzen sind. Dann treten auch sekundäre Veränderungen in der Umgebung ein: Die Cornea trübt sich parenchymatös und eine ciliare Injektion ist äusserlich am Bulbus sichtbar.

Die ciliare Injektion ist beim Kaninchen eine Erscheinung, die viel später, bei erheblich stärkerer intraokularer Entzündung erst ein- tritt als beim Menschen. Das Fehlen einer solchen schliesst eine frische Erkrankung im Bulbusinneren des Kaninchens nicht aus.

Um festzustellen, ob diese Veränderungen auch wirklich tuber- kulöser Natur sind, sie könnten ja auf einer Mischinfektion beruhen, oder durch eine Fremdkörpertuberkulose entstanden seien, habe ich neben dem anatomischen Nachweis von Tuberkelbacillen (cf. unten), der übrigens sehr mühsam ist, auch klinische Untersuchungen ge- macht.

Ich habe diese klinischen Untersuchungen noch ausserdem aus zwei Gründen vorgenommen: Einmal könnten ja nur abgetötete Tuberkelbacillen in die Iris gekommen sein, und dann wäre es ja möglich, dass diese relativ leichte Form der Tuberkulose durch eine Abschwächung der Tuberkelbacillen (Leber) auf dem Weg durch das Blut zu stände gekommen wäre.

Tote Tuberkelbacillen rufen in den Geweben des Körpers ja auch Erkrankungen hervor, die von der Tuberkulose durch lebendes Bacillenmaterial nur dadurch zu unterscheiden sind, dass sie sicher ausheilen. Pathologisch-anatomisch ist der Prozess zu gewissen Zeiten nicht zu unterscheiden (Zieglers Handbuch I, S 615. 8. Aufl. 1895). Auch an den Augen sind diese Resultate bestätigt worden

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 31

[Bruns(14)]. Es könnten ja bei dem Verreiben der Kulturen in dem Mörser die Bakterien zerstört worden sein.

Ich habe also Tiere, bei welchen eine solche Knötcheniritis klinisch feststand, iridektomiert und die gewonnenen Irisstückchen andern Kaninchen in die Vorderkammer eingebracht.

Bei dem ersten Tier trat nach 14 Tagen eine typische schwere Tuberkulose des Auges auf, die zu Verkäsung, Perforation durch die Cornea, Verlust des Auges und allgemeiner Tuberkulose führte. Das implantierte Tier ging vor dem ersterkrankten zugrunde.

Bei drei weiteren Versuchen blieben die Irisstückchen reizlos in der Vorderkammer der geimpften Tiere liegen; eine Erkrankung der zweiten Tiere trat nicht ein. Ich hatte bei zwei von diesen iridek- tomierten Tieren Augen genommen, an welchen klinisch so gut wie keine Veränderungen mehr sichtbar waren, so dass mich bei diesen zwei Tieren das negative Resultat nicht weiter überraschte; bei dem dritten Tier jedoch hatte ich bei der Iridektomie gerade ein kleines Knötchen in das excidierte Irisstückchen genommen, und war deshalb sehr erstaunt, ein negatives Resultat zu erhalten.

Ich habe dann dieses Tier noch ein zweites Mal iridektomiert, das Irisstückchen wieder in ein zweites Kaninchenauge implantiert und nun eine typische schwere verkäsende Tuberkulose bekom- men. Durch eine Iridektomie dieses implantierten Tieres entnahm ich ein kleines Knötchen und strich es zum Teil auf einem Objekt- träger aus. Bei der Färbung Hess sich eine Reinkultur von Tuber- kelbacillen feststellen; auch auf dem Nährboden, auf welchem der andere Teil des Knötchens verrieben wurde, wuchsen Tuberkelbacillen in Reinkultur.

Warum aber blieb das erste Mal das Auge des zweiten Kaninchens gesund? Schon Schieck (62) hat sicher nachgewiesen, dass, wenn man Tuberkulose in Reinkultur in ein Kaninchenauge einbringt, nicht immer eine schwere Augentuberkulose sich anschliessen muss, son- dern dass der ganze Prozess ausheilen kann. Es sind eben zu wenige Bacillen eingeimpft worden, so wenige, dass die Schutzkräfte des Körpers sie vernichten konnten. Es ist also ganz sicher ein derartig negativ ausgefallener Versuch kein bindender Be- weis, dass es sich im ersterkrankten Auge nicht um Tuber- kulose gehandelt hat. Es kann die Menge des verimpften Materials zu gering sein. Wir müssen deshalb, wenn wir derartige Unter- suchungen auf den Menschen anwenden wollen, nach einem für Tuberkulose empfänglichen Tier uns umsehen: dieses Tier ist zweifei-

32 W. Stock

los das Meerschweinchen. Ich möchte vorschlagen, die Implantationen von tuberkuloseverdächtigem Material in die Vorderkamraer des Meer- schweinchens vorzunehmen. Die Verhältnisse sind ja hier erheblich kleiner, ich habe mich aber überzeugt, dass technisch eine Implan- tation eines kleinen Irisstückchens in die Vorderkammer des Meer- schweinchens keine grösseren Schwierigkeiten macht als beim Kaninchen.

Die Technik der Implantation, die, wie ich weiss, im Anfange deshalb erhebliche Schwierigkeiten macht, weil das Stückchen immer wieder ans der Vorderkammer herausrutscht, mache ich jetzt sehr leicht, rasch und sicher folgendermassen : Mit einer Lanze (beim Kaninchen) oder einem ganz dünnen Schmalmesser (beim Meerschweinchen) wird ein Cornealschnitt, un- gefähr 1|2 mm vom Corneoskleralrande, gemacht Der Schnitt muss ungefähr 2 3 mm lang sein. Dann wird bei ruhigem, kokainisiertem Auge das zu implantierende Material auf den Schnitt gelegt und mit einem Irisspatel in die Vorderkammer geschoben; die Technik ist ganz dieselbe, die man an- wendet, um einen Irisprolaps beim Menschen zu reponieren. Manche Tiere werden etwas unruhig, wenn man die Vorderfläche der Iris berührt; auch diese Unannehmlichkeit kann man vollständig beseitigen, wenn man nach Anlegung des Schnittes einen Tropfen sterilen 2°/0 Kokains in die Vor- derkammer einspritzt und dann 2 3 Minuten ruhig wartet. Bei kokaini- sierter Iris machen unsere Tiere, auch wenn sie absolut nicht gehalten werden sie sind gerade dann besonders ruhig , keinerlei Abwehr- bewegungen, so dass man die kleine Operation in aller Ruhe ausführen kann. Ist das zu verimpfende Stückchen einmal in der Vorderkammer, so wird es durch Streichen auf der Hornhaut möglichst weit von der Incisions- öffbung weggeschoben.

Dann aber ist meines Erachtens durch diesen Versuch sicher bewiesen, dass keineswegs abgeschwächte Tuberkulose die leichte Erkrankung der Iris hervorrief, sondern dass einzig und allein die Verschleppung auf dem Blutwege es ist, die diese relativ leichte Erkrankung durch Tuberkulose hervorruft. Denn während bei dem auf hämatogenem Wege erkrankten Auge eine sehr grosse Tendenz zur Ausheilung besteht, geht ein Auge, bei welchem einmal typische Tuberkelbildung durch Einimpfen von tuberkulösem Material in die Vorderkammer entstanden ist, fast immer an einem schweren verkäsen- den Prozess zugrunde.

Pathologisch-anatomisch sind folgende Resultate bei dieser hämatogenen Iristuberkulose zu erwähnen:

Schon bei einem ganz frischen Prozess ist nicht die ganze Iris gleichmässig infiltriert; man kann umschriebene Herde erkennen. Diese Herde liegen, wie auch schon klinisch wenn sich einmal die Knötchen zeigen festgestellt ist, nicht an irgend einem be- sonderen Prädilektionsort. Sie sind über die ganze Iris zerstreut;

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 33

im Irisgewebe sind mehr nach hinten liegend die Knötchen zahl- reicher als an der Oberfläche der Iris,

Das einzelne Knötchen besteht in diesem ersten Stadium aus- schliesslich aus einkernigen Rundzellen. Tuberkelbacillen sind sehr schwer und spärlich in diesen Knötchen nachzuweisen. Epitheloide Zellen fehlen in den frischen Knötchen vollständig.

Ich habe in Augen, in welchen klinisch das Auftreten und Wiederverschwinden von Tuberkeln festgestellt war, mich immer wieder bemüht^ irgend welche Narben oder Gewebsveränderungen der Iris zu finden; ich habe jedoch nichts feststellen können, was als Beweis dafür angesehen werden könnte, dass an einer oder der andern Stelle ein solches Knötchen früher gewesen wäre. Es hat eben das

Knötchen in der Iris, entstanden durch h&matogene Infektion mit Tuberkulose. Die Peripherie der Knötchen besteht aus Lymphocjten, im Zentrum sind einzelne epitheloide Zellen su sehen.

Irisgewebe offenbar eine ausserordentliche Fähigkeit, sich zu lockern und, wenn die Infiltration verschwunden ist, wieder die frühere Lage anzunehmen.

Eine Restitutio ad integrum ist aber nur dann möglich, wenn kein Gewebszerfall eintritt Ich habe auch in keinem der frischen kleinen Knötchen irgend welche zerstörten Zellen, Kerntrümmer oder gar Verkäsung feststellen können.

Wenn nun ein solcher Tuberkel längere Zeit besteht und sich etwas vergrössert, so treten im Zentrum grosse Zellen mit blassge- färbtem Kern, epitheloide Zellen auf. Biesenzellen sind sehr spär- lich, und brauchen zur Entwicklung offenbar noch eine längere Zeit als die epitheloiden Zellen. Ich habe Riesenzellen nur in solchen Augen finden können, in welchen der Prozess schon monatelang bestand.

t. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 1. 3

34 W. Stock

Bei den Tieren, bei welchen die Erkrankung eine mehr maligne Form annahm, bei welchen auch sekundär eine Keratitis parenchy- matosa eintrat, war die Iris geradezu übersät mit Tuberkeln; in solchen schwer erkrankten Augen war auch das Zentrum der Knötchen deutlich nekrotisch geworden, neben Zelltrüromern ist Detritus zu sehen. In diesen Fällen sind Tuberkelbacillen, allerdings auch nicht gerade zahlreich, leicht zu färben. Da ich eine primäre Keratitis parenchymatosa, die die ganze Hornhaut betroffen hatte, nur einmal beobachten konnte, und diese Erkrankung sich an eine schwere Iritis tuberculo8a mit typischen verkäsenden Tuberkeln anschloss, möchte ich diese Erkrankung hier im Anschluss an die Iriserkrankung be- sprechen.

Ich habe von diesem Bulbus eine sehr grosse Menge von

Tier 20. Keratitis parenchymatös». Sekundär entstanden durch eine Iritis tabercnlosa (Toxin Wirkung).

Schnitten untersucht und kann als sicher folgendes feststellen: Das Endothel der Cornea ist an einzelnen Stellen zerstört und zwar da- durch, dass Präcipitate hier der Hinterfläche der Cornea aufliegen. Die Membrana Descemeti ist vollständig intakt Die ganze Cornea ist diffus infiltriert, neugebildete Gefässe durchziehen ganz gleich- massig das ganze Stroma der Cornea. Eine umschriebene Knötchen- bildung ist weder in der Cornea selbst noch am Rande der Cornea zu sehen. Man muss also diese Keratitis parenchymatosa auffassen als eine sekundäre Entzündung, die ausgelöst ist durch die Er- krankung der Iris. Ich nehme diese Ätiologie auch deshalb als sicher an, weil ich in der ganzen Cornea trotz ausserordentlich sorg- fältigen Suchens Tuberkelbacillen nicht finden konnte.

Es müssen also durch die Vorderkammern Toxine in die Cornea diffundiert sein, die dann durch Unterhalten eines fortgesetzten Reiz-

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 35

zustandes zu dieser Infiltration geführt haben. Wenn man einen solchen Frozess sich pathologisch -anatomisch ansieht, so wird man ohne weiteres annehmen können, dass nach Fortfall des Reizes eine vollständige Restitutio ad integrum eintreten kann, wenn die aus- gewanderten Zellen verschwinden und die Blutgefässe obliterieren. Ganz anders ist natürlich die Prognose bei Fällen, bei welchen die Tuberkulose vom Rande her in die Cornea direkt hineingekrochen ist und unter dem Bild einer sklerosierenden Keratitis verläuft. Ich werde auf diese Veränderung unter dem Kapitel „Chorioidea" noch naher zu sprechen kommen.

Eine klinisch festgestellte Tatsache scheint mir auch noch hier der besonderen Erwähnung wert zu sein.

Es hat die hämatogen erzeugte Iristuberkulose zweifellos eine sehr erhebliche Tendenz zur Heilung, die wohl hauptsächlich daran liegt, dass die Tuberkelbacillen primär in den Gefässen liegen und deshalb sehr leicht von den Schutzkräften des Körpers erreicht werden können. Es muss aber, da eine Einimpfung von Tuberkulosematerial in die Vorderkammer eine viel schwerere Form der Tuberkulose er- zeugt, theoretisch diese leichte hämatogene Iristuberkulose zu einer schweren verkäsenden Form dadurch verändert werden können, dass man die Bacillen aus den Blutgefässen frei macht

Ich habe deshalb erwartet, dass nach einer Iridektomie, wenn gerade zufällig ein Knötchen zerrissen worden wäre, in dem iridek- tomierten Auge eine erhebliche Verschlimmerung des Prozesses ein- treten würde. Es ist das in drei Fällen nicht festzustellen gewesen. Bei dem vierten Tiere jedoch traten 10 14 Tage nach der Iridek- tomie eine Menge neuer Knötchen auf der Iris auf; diese Knötchen hatten eine sehr geringe Heilungstendenz und wurden bis zum Tode des Tieres rasch grösser. Ich kann also in diesem Falle feststellen, dass durch die Iridektomie geradezu eine Aussaat von Tuberkulose hervorgerufen wurde, dass die Iridektomie den Prozess verschlimmerte. Das Tier ging dann an seiner Allgemeintuberkulose zugrunde, so dass das Auge nicht weiter beobachtet werden konnte. Aber schon die Tatsache, dass durch eine Iridektomie direkt eine Verschlimmerung eingetreten ist, scheint mir bemerkenswert und ist nach meinen Aus- führungen (vgl. oben) ja auch verständlich.

b. Corpus ciliare. Klinisch ist beim Kaninchen eine tuberkulöse Erkrankung des Ciliarkörpers so gut wie nicht festzustellen. Ich habe auch patho-

36 W. Stock

logisch-anatomisch das Corpus ciliare am seltensten und relativ am leichtesten erkrankt gefunden.

Bei massenhaften Tuberkeln der Iris findet man auch grössere oder kleinere Tuberkel im Corpus ciliare. Die Chemotaxe nach dem Glaskörper zu ist eine relativ geringe; der Glaskörper ist über den erkrankten Partien kaum infiltriert Kur einmal war ein Herd sehr stark nach dem Augeninneren vorgewölbt und hat auch zu einer ge- wissen Infiltration des Glaskörpers ge fuhrt

Der Ciliarmuskel und der ganze Ciliarkörper ist beim Kaninchen ja relativ gering entwickelt, und es liegt wohl an dieser anatomischen Tatsache seine geringe Beteiligung an dieser hämatogeneu Tuberkulose der Uvea.

Über die Tuberkulose zwischen Ciliarkörper und Sklera und die Tuberkulose der Cornea und Sklera vgl. „Chorioidea".

Eine reine sogenannte „Cyclitis", wie sie beim Menschen beob- achtet wird, bei welcher objektiv nur Präcipitate oder Glaskörper- trübungen vorhanden sind, habe ich experimentell nicht bekommen.

c. Chorioidea und Sklera.

Klinische Veränderungen der Chorioidea.

10 14 Tage nach der Infektion sieht man bei einem gewissen Teil der infizierten Tiere in der Chorioidea helle Herde auftreten. Diese Herde sind in der Grösse nicht viel verschieden; sie haben eine gelblichweisse Färbung und heben sich von der Umgebung nicht ganz scharf ab. Eine Vorwölbung dieser Herde ist nie vorhanden.

Ich habe nie feststellen können, dass bei einem Tiere, bei welchem nach der ersten Einspritzung diese disseminierte Erkrankung der Cho- rioidea nicht eingetreten ist, so massenhafte Herde später plötzlich wieder eingetreten wären. Man sieht später vielleicht einen oder zwei, drei neue Herde zugleich auftreten, aber eine miliare Dissemination wie bei der frischen Infektion habe ich später nicht wieder ein- treten sehen.

Bei genauerer Beobachtung fällt es nun auf, dass diese Herde in der Chorioidea sehr rasch an Zahl abnehmen. Ähnlich wie die frischen Knötchen in der Iris verschwinden diese Herde in der Chorioidea zum grössten Teil schon nach 8 14 Tagen wieder. Man kann auch hier mit dem Augenspiegel, auch bei genauester Unter- suchung, im aufrechten Bild keinerlei Veränderung mehr im Augen- hintergrunde, auch nicht einmal mehr Pigmentverschiebungen fest- stellen. (Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 37

bei vielen Kaninchen, ganz besonders bei stark pigmentierten, schon normalerweise der Augenhintergrund stark gekörnt erscheint; dass sogar an einzelnen Stellen Veränderungen gefunden werden können, die klinisch ganz ähnlich aussehen wie alte chorioiditische Herde; Befunde, die man genau kennen und notieren muss, um nicht zu falschen Schlüssen zu kommen. Auch weisse Kaninchen kann man zu diesen Versuchen verwenden; es ist nicht so schwer, bei unpigmentierten Tieren weisse Herde im Augenhintergrunde zu sehen. Wenn man an die gleichmässige Blutvertejlung in den Chorioidealgefässen solcher Albinos gewöhnt ist, fällt einem eine helle Stelle nicht unschwer auf.)

Frische Chorioiditis disseminata beim Kaninchen 14—16 Tage nach der Infektion mit Tuberkulose

in die Blutbahn.

An andern Stellen jedoch bildet sich in der Chorioidea eine helle, weisse Stelle mit ganz scharfen Rändern; in diesem Herde können einzelne Pigmentschollen liegen; ganz besonders findet man aber das Pigment am Rande eines solchen Herdes aufgespeichert Diese Herde verändern dann im Laufe der Beobachtung ihre Form und Grösse nicht mehr; man kann also hier klinisch von einer Aus- heilung sprechen.

An andern Stellen wurden die Herde etwas gesättigter weissgelb. Die Grenzen werden nicht ganz scharf; man kann bei ganz genauer Refraktionsbestimmung finden, dass der Herd ganz wenig nach dem Augeninneren prominiert. Diese Veränderungen bleiben dann bestehen; es kann auch jetzt noch klinisch eine gewisse Ausheilung des Herdes

38 W. Stock

eintreten, indem die Grenzen scharf werden, der Herd sich nicht mehr vergrössert

Eine andere Erscheinung ist aber sehr auffallend, eine Beob- achtung, die ich zuerst gemacht habe, als ich einen solchen alten chorioiditischen Herd in der Peripherie des Augenhintergrundes immer wieder spiegelte: ich hatte den Eindruck, dass der Herd sich ver- tiefte; dass am Rande des Herdes ein tiefer Absatz entstünde. Diese Excavation habe ich aber nur bei Herden, die in der Peripherie des Augenhintergrundes eben noch mit dem Spiegel zu erreichen waren, gesehen.

Es trat nun über einem solchen Herd aussen am Auge eine

1

Ausgeheilte Chorioiditis disseminata beim Kaninehen (ungefähr Vs Jahr nach der Infektion mit Tuberkulose in die Blutbahn).

ganz leichte Vorbucklung ein, die sich nach vorne bis an den Corneo- skleralrand erstreckte. Über dieser vorgebuchteten Sklera war das subconjunctivale Gewebe leicht ödematös und infiltriert, so dass von einem unbefangenen Beobachter ohne weiteres die Diagnose sulzige Skleritis gestellt werden musste und auch von allen Herren, welchen ich solche Tiere zeigte, gestellt wurde.

Bei einzelnen Tieren ging nun diese sulzige Infiltration etwas zurück, der Prozess wurde etwas weniger entzündlich. Die Vor- bucklung wurde nicht stärker, sie blieb stationär. Bei einem Tiere buckelte sich aber die Conjunctiva immer mehr vor, es trat unter der Conjunctiva eine gelbliche Verfärbung ein, so dass ich, um einem Durchbruch nach aussen vorzubeugen, den Bulbus enucleierte.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 39

Ich möchte hier noch anfügen, dass zum Entstehen einer solchen „sulzigen Skleritis" eine Beobachtungsdauer von mindestens 1/2 Jahr gehört; ich habe diese Veränderungen bei den Tieren mit Vorhebe beobachtet, bei welchen die Infektion ein Jahr und länger zurücklag. Es waren das Tiere, bei welchen anfangs so gut wie keine Erschei- nungen an den Augen auftgereten waren, die aber zweifellos an Tuberkulose erkrankt waren. Ob hier die primäre Verschleppung des Materials zu diesem langsam sich ausdehnenden Prozess geführt hat, oder ob erst später von Herden im Körper die Tuberkulose an diese Stelle der Augen verschleppt wurde, lässt sich natürlich nicht ent- scheiden.

Bei zwei Tieren mit solchen peripheren Herden in der Chorioidea sah ich ganz plötzlich eine sklerosierende Keratitis auftreten. Bei ganz genauer Untersuchung mit der binokularen Lupe konnte ich fest- stellen, dass neben einer mehr diffusen Infiltration kleine Knötchen in der Cornea aufgetreten waren, Knötchen, die in der Gegend des Corneoskleralrandes ihren Sitz hatten. Diese sklerosierende Keratitis schritt ganz langsam unter der Bildung von neuen Knötchen nach der Cornealmitte fort. Eine Vorbucklung der Cornea konnte ich klinisch nicht feststellen.

Auf eine klinische Tatsache möchte ich hier noch besonders hinweisen: Bei diesen Veränderungen in den vordersten Teilen der Chorioidea kam es vor, dass der skleritische Buckel das erste nach- weisbare Krankheitssymptom am Auge war. Es fanden sich weder Glaskörpertrübungen noch hatte ich die chorioiditischen Herde in der Peripherie des Augenhintergrundes gesehen. Ja es ist vorgekommen, dass ich bis zum Tode des Tieres im Augenhintergrunde in der Richtung eines skleritischen Buckels nichts pathologisches sehen konnte, und erst die anatomische Untersuchung feststellte, dass die Skleritis primär von einer Uvealtuberkulose ausgegangen war.

Glaskörpertrübungen fanden sich nicht

[Ich erwähne diese Tatsachen ganz besonders deshalb, weil Fried- land (21) aus dem Fehlen von intraokularen Erscheinungen schliesst, dass beim Menschen eine Skleritis primär nicht von der Uvea aus- gegangen sein könne (vgl. später Skleritis).]

Pathologisch-anatomische Veränderungen der Chorioidea. In den Augen, bei welchen eine ganz frische Chorioiditis disse- minata klinisch sichtbar war, also bei Tieren, die 12 20 Tage nach der Infektion gestorben sind, finden sich in der Chorioidea massenhaft

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kleinste Infiltrationsherde. Diese Herde bestehen alle aus einker- nigen kleiner* Lymphocyten. Die meisten dieser Herde liegen in den inneren Schichten der Chorioidea, also in der Choriocapillaris. Die Herde können so massenhaft sein, dass die einzelnen gar nicht mehr abzugrenzen sind und auf weitere Strecken eine diffuse In- filtration der Chorioidea vorhanden zu sein scheint Die Zahl der Herde nimmt bei Tieren, die länger gelebt haben, sehr erheblich ab. Wenn man eine Chorioidea vor sich hat, in welcher klinisch das Entstehen und Verschwinden einer Chorioiditis disseminata festgestellt war, ist es pathologisch -anatomisch häufig nicht möglich, irgend welche Veränderungen in der Chorioidea zu finden; der Prozess kann also ohne Hinterlassung irgend welcher Narbe wieder ausheilen.

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Frische chorioiditische Herde i, 12—20 Tage) nach der Infektion.

Auf den weiteren Verlauf und auch die Heilungstendenz hat die Lokalisation der Herde sicher einen gewissen Einfluss.

Während im Anfang die Veränderungen ganz gleichmässig über den ganzen Augenhintergrund zerstreut sind, findet man bei Tieren, die vor Monaten infiziert sind, die Veränderungen der Chorioidea an ganz bestimmten Stellen.

In der Chorioidea selbst liegen die nicht ausgeheilten Herde meist in den äusseren Partien, also der Sklera benachbart; im Auge finden sich die Veränderungen mit Vorliebe nach vorne vom Äquator, also in der Partie der Chorioidea, welche zwischen Corpus ciliare und Äquator des Auges liegt.

Es sind aber auch einzelne nicht ausgeheilte Herde in vielen Fällen in den hinteren Partien der Augen zu finden.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 41

Die meisten der frisch entstandenen Herde verschwinden aber wieder, ohne irgend welche Veränderung zu hinterlassen. Einzelne wenige solcher Herde aber heilen auch aus, nachdem schon eine ge- wisse Gewebsschädigung eingetreten ist; man kann in solchen Fällen pathologisch-anatomisch eine Narbe feststellen.

Diese Narben, die immer ziemlich klein sind, zeigen folgendes Aussehen: Die Retina ist mit der Unterlage fest verklebt, so dass sie beim Härtungsprozess, bei welchem für gewöhnlich die Netzhaut etwas von der Unterlage abgehoben ist, fest an der Chorioidea hängen bleibt

Die Netzhaut ist ganz umschrieben verändert Die nervösen Elemente sind verschwunden, die ganze Retina besteht aus gewuchertem Stützgewebe; dieses Stützgewebe geht in das narbige Bindegewebe, das hier an Stelle der Chorioidea liegt, in den meisten Fällen ohne scharfe Grenze über. In einem Falle konnte ich zwischen Retina und Chorioidea noch die Lamina elastica durch verfolgen. Unter dem Retinalherd sind die inneren Schichten der Chorioidea in Narben- gewebe umgewandelt, die äusseren Schichten können normal sein. Das Chorioidealpigment ist in grösseren Haufen am Rande des Herdes sichtbar.

Diese Form der Veränderungen denke ich mir folgendermassen entstanden: In der Choriocapillaris hat ein etwas grösserer Bakterien- embolus sich festgesetzt; es ist zu einer ganz umschriebenen Ein- schmelzung des Gewebes gekommen; die Veränderung hat nur die innersten Schichten der Chorioidea eingenommen und hat wie wir später sehen werden, in ganz ungewöhnlicher Weise einen gewissen Progress nach dem Bulbusinnern, nach der Netzhaut zu gehabt Dadurch sind die äusseren Schichten der Netzhaut zugrunde gegangen, sekundär ist dann die ganze Dicke der Retina degeneriert; oder die über diesem chorioiditischen Herd gelegene Netzhautpartie ist durch Toxin Wirkung oder Unterernährung umschrieben zugrunde gegangen; ausgeschiedenes Fibrin zusammen mit der sich nun einstellenden Wucherung des Stützgewebes haben dafür gesorgt, dass die Netzhaut mit der Unterlage verklebte. Es ist also nach meiner Ansicht durch diesen Befund der sichere Beweis dafür erbracht, dass ein tuberku- löser Herd, der sogar schon zu Gewebszerstörung geführt hat, in der Chorioidea ausheilen kann, dass solche Herde sogar eine sehr erheb- liche Neigung zur Ausheilung besitzen, ganz besonders wenn sie in den inneren Schichten der Chorioidea in der Choriocapillaris sich etabliert haben.

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Es bleiben aber in der Chorioidea auch tuberkulöse Herde übrig, welche auf der einen Seite Neigung zum Fortschreiten haben, auf

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der andern aber doch eine gewisse Heilungstendenz zeigen. Diese Herde haben die oben erwähnten Prädilektionsstellen: in den meisten

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen de» Auges. 43

der erkrankten Augen liegen die Veränderungen in der Peripherie des Augenhintergrundes, in dem Teil der Chorioidea, der zwischen' Äquator und Corpus ciliare liegt, an einer Stelle also, die mit dem Augenspiegel nicht mehr zu sehen ist Nur wenige finden sich in den hinteren Teilen des Auges. Die Herde haben alle die Neigung nach der Sklera hin fortzuschreiten. Es ist möglich, dass die inneren Schichten der Chorioidea noch vollständig normal sind, während schon die Sklera bis zur Hälfte in tuberkulöses Granulationsgewebe um- gewandelt ist (In diesen Herden kann man neben epitheloiden auch Riesenzellen feststellen. Tuberkelbacillen sind zwar spärlich, aber nicht sehr schwierig nachzuweisen.)

In andern Fällen wird aber auf weite Strecken die Retina und Chorioidea vollständig zerstört und an ihre Stelle tritt ein narbiges Bindegewebe. Da durch die Tuberkulose ein Teil der Sklera in diesen schwereren Fällen mitzerstört ist, so hält das übrig bleibende Gewebe den intraokularen Druck nicht mehr aus und es kommt an dieser Stelle zu einer Vorbucklung des Augapfels. Auch jetzt können noch weite Strecken wieder vollständig ausheilen (vgl. Taf. I, Fig. 3. Am hinteren Ende des Herdes sieht man nur noch einen ganz um- schriebenen, kleinen Tuberkel).

In andern Fällen verkäst aber der Herd, die Entzündung schreitet weiter, die Sklera perforiert und die Tuberkulose erscheint unter der Conjunctiva; klinisch bietet der Prozess nur das Bild der sklerosie- renden Keratitis. Aber nicht nur durch die Sklera, sondern auch in der Cornea kann die Erkrankung weiter wandern, so dass sogar der Corneoskleralrand und die Cornea selbst ergriffen wird (vgl. Taf. I, H, Fig. 4 u. 6). Klinisch sieht man hier eine sklerosierende Keratitis entstehen, pathologisch-anatomisch findet sich eine von der Chorioidea ausgehende, langsam fortschreitende Tuberkulose. Das Zentrum der einzelnen Tuberkel kann auch hier verkäst sein.

Es ist also möglich, dass eine hämatogene Chorioideal- tuberkulose folgende Spätveränderungen nach sich zieht:

1. Umschriebene, kleine Narben in der Retina und Chorioidea, die Suprachorioidea ist normal.

2. Umschriebener Herd in der Suprachorioidea, die Chorio- capillaris und die Retina ist normal.

3. Narbengewebe an Stelle der Retina und Chorioidea, manch- mal Verdünnung und Vorbucklung der Sklera.

4. Verkäsende Tuberkulose der Sklera, mit Vorbucklung der Sklera und Entzündung des episkleralen Gewebes (sulzige Skleritis).

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W. Stock

5. Knötchenförmige, tiefe Tuberkulose der Cornea (klinisch: sklerosierende Keratitis).

Die Prädilektionsstelle für das Haften einer hämato-

Tier 22. Auf die Sklera fortgeschrittene Chorioidealtuberkulose; klinisch das Bild der snlxigen Skleritis.

genen tuberkulösen Infektion in der Chorioidea ist die Gegend vor dem Äquator.

Bei dieser hämatogen erzeugten Tuberkulose des Auges habe ich

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 45

nun noch einige auch ausserhalb des Augapfels gelegene tu- berkulöse Veränderungen feststellen können.

d. Conjunctiva. Am Corneoskleralrand trat bei einem Tiere ein kleines Knötchen au£ in dessen Umgebung eine stärkere Blutfüllung der Gefässe fest- zustellen war. Pathologisch -anatomisch handelte es sich um einen kleinen Tuberkel von typisch tuberkulöser Struktur mit zentraler Ver- käsung. Es ist hier also durch lebende Tuberkelbacillen eine ähn-

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Tier 32. Kleiner Tuberkel der Conjunctiva; entstanden durch Infektion mit lebenden Tuberkelbacillen in die Blutbahn.

liehe Erkrankung erzielt worden, wie sie Bruns1) durch Injektion abgetöteter Tuberkelbacillenkulturen beim Kaninchen erzeugt hat

Ob auch ein solches auf hämatogenem Wege durch virulente Tuberkelbacillen erzeugtes Knötchen ausheilen kann oder nur Hei- lungstendenz hat, kann ich leider nicht entscheiden, da eine solche Veränderung ausserordentlich selten zu finden ist.

In einem andern Falle fanden sich typische tuberkulöse Geschwüre in der Conjunctiva des Oberlids. Da ich als Vorläufer dieser Geschwüre keine Knötchen in der Conjunctiva feststellen konnte, will ich nicht

*) Bruns: v. Graefe's Archiv. 1904. Bd. LVIU. S. 439.

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W. Stock

entscheiden, ob diese Ulcera auf hämatogenem Wege entstanden sind, oder ob es sich um eine sekundäre Impftuberkulose handelt

e. Lider. Am Lidrand jedoch konnte ich eine Veränderung feststellen, die schon klinisch ein ausserordentlich bemerkenswertes Aussehen bot.

Bei einem Tiere tra- ten am Oberlid zwei Knöt- chen auf, die anfangs ganz klein waren, später an- nähernd Kleinerbsengrösse erreichten. Auf der Con- junctivalseite war am Lad eine ganz leichte, dunk- lere Verfärbung zu sehen, nach aussen wurde die Lid- haut durch das unter ihr liegende Knötchen vorge- wölbt Diese vorgewölbte Stelle am Lid hatte eine etwas hellere Farbe als die Umgebung (vgl. Taf. II, Fig. 5).

Nach dem klinischen Aussehen und dem Verlauf der Erkrankung schien mir der Prozess am meisten Ähnlichkeit mit einem Cha- lazion zu haben. Ich ex- cidierte eine Partie des

Tier 45. Tarsustuberkulose, klinisch das BÜd des Clialaiions fjfa ^ deQ Knötchen (hämatogen© Tuberkulose).

und fand nun bei der patho- logisch-anatomischen Untersuchung folgende Veränderung: Die Con- junctiva mit ihrem Epithel ist unverändert, ebenso der Lidrand, wäh- rend die Haut des Lids etwas vorgewölbt und verdünnt ist

Im Tarsus sind Meibomsche Drüsen. Die Drüsenläppchen sind an einzelnen Stellen zugrunde gegangen; an diesen Partien sieht man kleine Cysten. Diese Degeneration der Drüsenläppchen rührt daher, dass an einer Stelle, ungefähr in der Mitte der Drüse, ein Infiltra- tionsherd die Drüse in zwei Teile teilt. Dieser Herd hegt zum grössten

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 47

Teil vor der Drüse und hebt den Musculus orbicularis in die Höhe; an einer Stelle ist der Herd aber, wie gesagt, in den Tarsus ein- gebrochen. Das pathologische Gewebe besteht am Sande aus Lympho- cyten, daneben aus epitheloiden und einzelnen Biesenzellen; im Zen- trum ist deutlich Gewebszerfall zu sehen. Am Rande der nekrotischen Partien sind Tuberkelbacillen leicht zu finden.

Es kann also auf hämatogenem Wege eine Tuberkulose des Lids entstehen, die sowohl nach ihrer Lage als ihrem Aussehen einem Chalazion ausserordentlich ähnlich ist und sich nur durch das Vor- handensein von Tuberkelbacillen von vielen Chalazien unterscheidet.

Auf sekundäre Veränderungen an solchen tuberkulösen Augen (Katarakt usw.) komme ich nicht mehr zurück; es haben sich keine neuen Gesichtspunkte seit meinen letzten Mitteilungen ergeben.

II. Klinischer und pathologisch-anatomischer Teil.

1. Versuche, die Ätiologie der chronischen Uveitis beim Menschen festzustellen.

a. Verimpfen von Irisstückchen, b. Verimpfen von Kammerwasser.

Durch die in dem vorigen Teil niedergelegten Resultate habe ich also mit Sicherheit bewiesen, dass durch Einbringen von viru- lenten Tuberkelbacillen in die Blutbahn des Kaninchens bei diesem Tier eine Uvealerkrankung hervorgerufen wird, die ausserordentlich viel Ähnlichkeit mit der chronischen Iritis, Iridocyclitis, Chorioiditis, Skleritis, sklerosierenden Keratitis beim Menschen hat

Gerade das Bild der Chorioiditis disseminata beim Menschen und auch der Verlauf dieser Erkrankung unterscheidet sich nicht von der bei den Kaninchen experimentell erzeugten Veränderung.

Sollen wir nun aus dieser Ähnlichkeit schliessen, dass beim Menschen die Chorioiditis disseminata und die oben erwähnten Augen- krankheiten in allep Fällen auf Tuberkulose beruhen?

Ich möchte als meine Ansicht festlegen, dass es ganz sicher Fälle gibt, bei welchen nicht Tuberkulose das ätiologische Moment darstellt [vgl. oben Axenfeld (4 u. 6) Pneumocokken], auf der andern Seite aber bin ich ganz fest überzeugt, dass in einem ge- wissen Prozentsatz der Fälle diese Ätiologie vorliegt. Nun ist es unsere Aufgabe, alle Mittel zu Hilfe zu nehmen, um zu eruieren, in welchem Prozentsatz der Fälle die Tuberkulose das ätiologische Moment ist

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Ich möchte hier betonen, dass ich mich nur um diejenigen klinischen Fälle kümmere, bei welchen das Bild der chronischen Uveitis vorliegt. Eine konglobierte Iristuberkulose, oder einen Solitärtuberkel zu diagnostizieren, dazu bedarf es aller der Hilfsmittel, über welche ich hier berichte, in den meisten Fällen nicht Diese schweren Prozesse sind in ihrem klinischen Bilde allein so charak- teristisch, dass sich die Diagnose von selbst ergibt Die chronische Uveitis, von welcher hier die Bede sein soll, lässt sich klinisch un- gefähr folgendermassen beschreiben:

Der Patient kommt uns zu Gesicht mit der Angabe, das Seh- vermögen sei in der letzten Zeit schlechter geworden. Wir finden vielleicht eine hintere Synechie, einzelne Präcipitate und vielleicht einige Glaskörpertrübungen. Auf A tropin, Salicyl und Buhe bessert sich das Sehvermögen; da die minimale ciliare Injektion, die viel- leicht vorhanden war; wieder verschwunden ist, entlassen wir den Fall als geheilt aus der Behandlung. Nach einem halben Jahre zeigt sich der Patient wieder, es sind mehrere hintere Synechien vorhanden, der Glaskörper ist trüb, man kann vielleicht einzelne chorioiditische Herde in der Peripherie feststellen. Auch dieses Rezidiv heilt an- scheinend wieder unter geeigneter Behandlung aus, nach Jahren sehen wir den Fall wieder mit sehr erheblicher Sehherabsetzung, vielleicht mit so massenhaften hinteren Synechien, dass eine Iri- dektomie nötig wird. Dieser operative Eingriff, der absolut indiziert ist, wird von manchen Augen so schlecht ertragen, dass nachher das Sehvermögen oft schlechter ist, als vor der Operation. Auch nach der Iridektomie, wenn sie gut ertragen worden ist, schreitet die Erkrankung fort, es -stellt sich vielleicht eine Skleritis, eine sklero- sierende Keratitis ein, die Linse trübt sich, der Bulbus wird weich, es ist eine Anestio retinae eingetreten; oder das Sehvermögen wird bei klarer Linse durch eine ausgedehnte Chorioretinitis so schlecht dass der Patient beinahe blind ist.

Es ist das ein Krankheitsverlauf, der sich üj>er Jahrzehnte hin erstreckt, und je älter die Patienten sind, welche an einer solchen chronischen Iridocyclitis erkrankt waren, je länger der Prozess be- standen hat, um so schlechter ist in den meisten Fällen das Seh- vermögen geworden, kurz, wir haben eine Erkrankung vor uns, deren Prognose in vielen Fällen trotz unserer Behandlung eine schlechte ist, und die deshalb eine schlechte ist, weil wir in vielen Fällen die Ätiologie nicht kennen und einfach darauf angewiesen sind, durch Versuche festzustellen, ob in dem einen Fall eine Schwitz-

Tuberkulose ah Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 49

kur, oder Salicyl, oder Quecksilber, oder Jod irgendwelche Einwir- kung hat

Es ist ausserordentlich schwer, irgend welches ätiologische Mo- ment durch klinische Untersuchung allein zu eruieren.

Wir haben nach der Vorschrift von Michel bei allen Patienten den Urin genau auf Eiweiss untersucht, wir haben nie eine Nephritis feststellen können, die wir als Ursache der Iridocyclitis hätten an- sprechen können. Bei zwei älteren Patienten war Zucker vorhanden; diese Fälle zeigten eine akute Iritis, die sich schon klinisch von der chronischen Uveitis durch ihre Heftigkeit unterschied.

Die Allgemeinuntersuchung der Patienten, die natürlich in jedem Falle ganz genau vorgenommen wurde, hat uns zu keinen be- friedigenden Resultaten geführt Eine Tuberkulose am übrigen Körper lässt sich häufig ausserordentlich schwer mit Sicherheit diagnostizieren, und noch schwerer kann man den Nachweis fuhren, dass in diesem Falle ein aktiver Prozess vorliegt und dass es sich nicht um ausge- heilte Herde handelt.

So wird man immer wieder darauf hingeführt, andere Methoden anzuwenden, um zu einigermassen sicheren Schlüssen zu kommen.

Nach der Empfehlung von Axenfeld (5) (Lubarsch-Oster- tag, Ergebnisse 1900) haben wir von allen Patienten, bei welchen eine Iridektomie gemacht werden musste, diese Irisstückchen sorg- fältig in die Vorderkammer von Kaninchen eingeimpft Es ist das in 15 Fällen ausgeführt worden, nie ist irgendwelche Iritis oder anderweitige Erkrankung eines dieser Tiere eingetreten, aus welcher man hätte Rückschlüsse auf die Ätiologie der Iritis bei dem be- treffenden Patienten ziehen können.

Nun liegen bei diesen operativen Fällen immer ältere Prozesse vor, man muss auch mit dem operativen Eingriff warten, bis das akute Stadium einer Iritis vorüber ist, so dass man sehr wohl an- nehmen darf, dass bei dieser Verirapfung entweder gar keine virulenten Keime, oder nur so wenige überimpft werden, dass das Kaninchen die Infektion überwindet.

Es ist ja schon von Schieck (62), Baumgarten u. A. festgestellt worden, dass virulente Tuberkelbacillen in die Vorderkammer des Kaninchens gebracht reaktionslos vertragen werden können. Ausser- dem konnte ich weiterhin feststellen, dass, wenn man ein Tier mit einer frischen hämatogen tuberkulösen Iritis iridektomiert, und dieses Iris- stückchen einem zweiten Kaninchen implantiert, gar nicht jedesmal

t. Graefe's Archlr für Ophthalmologie. LXVI. 1. 4

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eine Tuberkulose in dem zweiten Auge zu entstehen braucht Es liegt das zweifellos einmal daran, dass in dem überimpften Stück vielleicht gerade kein tuberkulöses Knötchen vorhanden ist; diesen Fehler habe ich dadurch umgangen, dass ich unter der Lupe gerade ein solches Knötchen excidierte; dass auch dieses Knötchen reizlos vertragen werden kann, liegt eben an der geringen Menge virulenter TuberkelbaciUen und an der Widerstandsfähigkeit des Kaninchens gegen solche Keime.

Ich habe deshalb schliesslich vorgezogen, zu diesen Implantations- versuchen das Meerschweinchen zu verwenden, ein Tier, das für Tuberkulose viel empiänglicher ist Bei einem Fall habe ich bis jetzt die Überimpfung auf das Meerschweinchen vorgenommen. Das Irisstückchen ist auch hier reizlos eingeheilt

Ferner ist denkbar, dass die Bacillen im Ciliarkörper sassen, während die Iritis nur eine toxische Fernwirkung war.

Es ist diese Methode also jedenfalls nicht als irgendwie aus- schlaggebend anzusehen ; ein negativer Erfolg lässt gar keine Schlüsse zu.

Ich möchte noch auf eine Tatsache hinweisen, die sich ans unsern experimentellen Untersuchungen ergibt: Wenn bei einem Tier auf hämatogenem Wege eine Iritis tuberculosa entsteht, so ist sie in den meisten Fällen gutartig, während bei einer Impftuberkulose des Auges sehr bald eine Verkäsung einzutreten pflegt Ich habe darauf hingewiesen, dass meines Erachtens diese Verschiedenheit des Verlaufe allein auf die Art der Infektion zurückzufuhren ist So sind die schlechten Erfolge, die bei einer Iridektomie manchmal ein- treten, unschwer derart zu erklären, dass durch den operativen Eingriff tuberkulöses Material aus der Iris frei wird und zu einer Impftuberkulose der Iris an anderer Stelle fuhrt Ich möchte also sehr entschieden davor warnen, an einem Auge einen operativen Eingriff auszuführen, in welchem noch frischere Entzündungsprozesse spielen und wo man, wie gesagt, durch einen solchen operativen Eingriff sicher erheblichen Schaden tun kann.

Auch die von Gourfein (25), Morax und Chaillous(51a) und zur Nedden(53) empfohlene Überimpfung des Vorderkammerwassers haben wir hier öfters ausgeführt Sie blieb bei den Fällen von chronischer Uveitis immer negativ, das heisst die geimpften Bulbi des Kaninchens zeigten keinerlei Beizzustand. Es wurde diese Über- impfung auch in einem Falle absolut sicherer Iristuberkulose vor- genommen, auch hier blieb das Tier dauernd gesund.

Wo diese Methode ein positives Besultat gibt, ist sie allerdings

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 51

beweisend; aber das scheint nur ausnahmsweise einzutreten und wir haben deshalb auf weitere diagnostische Punktionen verzichtet. Ob wiederholte Punktionen in solchen Fällen therapeutischen Nutzen haben, ob sie, wie zur Nedden meint, ganz unbedenklich sind, wird sich noch zeigen müssen.

c. Untersuchung von pathologisch-anatomischem Material.

Es war auch von Interesse, festzustellen, ob aus den pathologisch- anatomischen Veränderungen irgendwelche Anhaltspunkte für die Ätiologie der chronischen Iritis gewonnen werden könnten.

Es sind ja in der Literatur einige derartige Fälle beschrieben, die aber keine charakteristischen Veränderungen ergeben haben.

Die Fälle von Schweigger (70), Knies (41), Panas (54), Rid- ley (60) sind in dieser Beziehung nicht gut zu verwerten, da die Technik der Bakterienuntersuchung noch nicht genügend ausge- bildet war.

Das von Baas (7) untersuchte Auge eines 20jährigen Patienten war nach Occlusio pupillae phthisisch geworden. Er findet in der Iris neben einer diffusen Infiltration umschriebene Rundzellenherde, „von einem eigentlichen tuberkulösen Bau kann nicht die Rede sein". Eine Bakterienfärbung hat nicht stattgefunden.

Eine ganz ähnliche pathologisch-anatomische Beschreibung seines Falles gibt Knies (41), auch er findet an manchen Stellen die Rund- zellen in der Iris knötchenartig angehäuft. Groenouw (26) konnte beide Augen einer Patientin mit chronischer Iritis serosa unter- suchen. Es fand sich eine Entzündung der Iris und des Ciliar- körpers, ohne Beteiligung der Chorioidea. Auch hier wieder finden sich neben einer diffusen Zellvermehrung umschriebene Knötchen, gebildet aus Rundzellen.

Ganz ähnlich ist der Befund des Falles von Harms (33), auch hier ist neben einer diffusen Rundzelleninfiltration der Iris eine um- schriebene knötchenartige Ansammlung solcher Zellen, besonders im Ciliar- und Pupillarteil der Iris festzustellen.

Bakterien irgendwelcher Art sind in keinem dieser Fälle ge- funden worden.

Da in der Literatur nur eine geringe Anzahl anatomischer Untersuchungen von Augen, in welchen eine chronische Iridocyclitis spielte, vorhanden ist, habe ich die anatomischen Präparate der Sammlung der Universitätsaugenklinik Freiburg mit der Erlaubnis des Herrn Prof. Axenfeld, dem ich auch an dieser Stelle noch einmal

4*

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ganz besonders für Überlassung des Materials danke, genau unter- sucht Ein Teil dieser Augen ist noch von Herrn Geheimrat Manz enucleiert worden. Es stand mir auch ein Auge aus der Universitäts- Augenklinik Strassburg (Herr Prof. Laqueur) zur Verfügung; auch für dieses Präparat spreche ich Herrn Prof. Laqueur meinen Dank aus.

Natürlich handelte es sich um vorgeschrittene schwere Fälle, die wegen Sekundärglaukom oder cyclitischer Erscheinungen enucleiert wurden, in denen aber noch in letzter Zeit frische entzündliche Er- scheinungen hervorgetreten waren.

Ich lasse die Krankengeschichten und die Beschreibung dieser Augen folgen:

Fall I.

Thomann, Marie, 29 Jahre alt 1878. J. N. 71.

Aufnahme 26. II. 1878. Patientin gibt an, sie hätte seit dem 18. Lebens- jahre am linken Auge jedes Jahr Entzündungen gehabt. Nach jeder Ent- zündung sei das Sehvermögen schlechter geworden. Im 24. Lebensjahre erkrankte auch das rechte Auge. Sie sei vor 5 Jahren an beiden Augen operiert worden.

Nach der Operation sei das Sehvermögen links ganz schlecht gewor- den, auch rechts sei das Sehen seither schlecht

Status praesens. Links: Der Bulbus ist in allen Dimensionen ver- kleinert, die Cornea ist abgeflacht, am unteren Rand ist eine lineare Narbe (Lanzenschnitt). Die Vorderkammer ist kaum vorhanden, die Iris ist ver färbt, nach aussen atrophisch. Die Pupille ist nach innen verzogen, querovaL in der Pupille ist eine gelbgrüne eitrige Exsudatmasse.

Rechts: Auf der Hinterfläche der Hornhaut sind einzelne Präcipitate, Colobom der Iris nach unten. Sehvermögen = ^to-

1. III. Enucleation links ohne Besonderheiten.

Nachdem die Patientin mit Pilokarpin öfters geschwitzt hat, sind die Präcipitate rechts erheblich zurückgegangen. Entlassen.

Nach einem halben Jahre sind neue Präcipitate aufgetreten. Die Pa- tientin wird wieder aufgenommen und wieder durch eine Pilokarpin-Schwitz- kur nach 4 Wochen gebessert entlassen.

Pathpl.-anat. Befund des enucleierten linken Auges:

Die Cornea ist im Zentrum normal. In der Peripherie sieht man eine die ganze Dicke der Cornea durchsetzende Narbe (Iridektomie), in diese Narbe ist die Iris eingeheilt. Die Vorderkammer ist, soweit das wegen der mangelhaften Konservierung festzustellen ist, annähernd normal tief. In der Vorderkammerflüssigkeit sind einzelne freie mono- und polynucleäre Leukocyten.

Die Iris ist im ganzen zellreicher als normal; sie ist erheblich ver- dickt. Neben der diffusen Infiltration sieht man in der Iris eine erhebliche Menge von Knötchen; diese Knötchen sind zum Teil schon makroskopisch zu sehen, sie haben einen Durchmesser bis zu 1 mm. Die Knötchen be- stehen aus einkernigen kleinen Lymphocyten. Ein retikuläres Gewebe ist nicht zu sehen. Die Knötchen sind ganz unregelraässig über die Iris zer- streut, sie sind ebenso am Pupillarrand wie in der Kontinuität, als am

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 53

Ciliaransatz zu sehen. Hinter der Iris ist sehr viel zelliges Exsudat, so dass die Iris mit der vorderen Linsenfläche flächenhaft verwachsen ist

Die Giliarfortsätze sind in Exsudat, das zum Teil frisch, zum Teil schon bindegewebig geworden ist, eingebettet. Auch im Ciliarkörper sind einzelne umschriebene knötchenförmige Infiltrationsherde zu sehen. Der Ciliarkörper ist atrophisch.

Die hinteren Teile des Auges zeigen keine solchen umschriebenen Infil- trationsherde. Die Retina ist degeneriert. Die Papille ist vorgewölbt, die Nervenfasern durch Ödem auseinander getrieben, die Retina vom Papillen- rand abgedrängt. Auf der Papille ist auch eine gewisse Zellvermehrung festzustellen (Neuritis optici).

Knötchen in der Iris, die Infiltration besteht hauptsächlich aus einkernigen Lymphozyten. (Fall 1.)

Fall IL

Liehl, Kathi, 18 Jahre alt. 1892. J. N. 307.

Bis zum 16. Lebensjahre waren die Augen der Patientin gesund. Seit- her sind beide Augen öftere entzündet gewesen. Das Sehvermögen ist langsam immer schlechter geworden. Beide Augen sind operiert worden.

Sie hat in der Jugend Pocken und Typhus durchgemacht. Keine here- ditäre Belastung.

Status praesens. Rechts: Sehvermögen 1/IJ, links Fingererkennen auf lH2m. Beiderseits sind parenchymatöse Trübungen der Hornhaut vorhan- den, daneben hintere Synechien und in der Sklera gerötete und verfärbte Partien. Auf Atropin und Bettruhe verschwindet die Injektion, die Patien- tin wird entlassen.

Es wird in der linken Vorderkammer eine Iriscyste festgestellt, die nach 1/2 Jahr etwas grösser geworden ist. Die Patientin wird zur Entfer- nung dieser Cyste wieder aufgenommen.

Nach der operativen Entfernung der Cyste bleibt ein sehr erheblicher Reizzustand des Auges zurück und es wird deshalb das Auge, da man eine sympathische Entzündung des andern befürchtet, nach 4 Wochen enucleiert

1906 steUt sich die Patientin wieder vor: Links reizlose Augenhöhle.

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Rechts diffuse parenchymatöse Hornhauttrübungen; massenhafte hintere Sy- nechien, auf der vorderen Linsenkapsel sind braune Auflagerungen. S. = Fingererkennen auf 4 m Der Augenhintergrund ist nicht deutlich zu sehen.

Zu gleicher Zeit ist die Patientin plötzlich taub geworden, es handelte sich nach Bericht aus der Universitäts-Ohrenklinik um einen Mäniereschen Symptomenkomplex.

Pathol.-anat Befund des linken Auges:

Cornea. Das Epithel ist intakt Die Bow mansche Membran ist nur sehr unvollkommen vorhanden. Unter dem Epithel liegen massenhaft ein- kernige Zellen. Im Parenchym der Cornea sieht man viele neugebildete Gefässe, an einzelnen Stellen sind umschriebene knötchenförmige Infiltrations- herde, die aus einkernigen Zellen bestehen, daneben sind aber auch grosse epitheloide Zellen in ziemlicher Zahl vorhanden; Riesenzellen habe ich nicht finden können. Die Membrana Descemeti ist im ganzen intakt; nur an einzelnen Stellen sieht man scharfe kurze Unterbrechungen, die wohl die Folgen der Operationen (Iridektomie, Entfernung der Iriscyste) sind.

Die Vorderkammer ist sehr flach, die Iris liegt der Corneahinterfläche grösstenteils an; sie ist von der Hornhaut nur getrennt durch eine ziemlich grosse, mit Plattenepithel ausgekleidete Cyste. In den noch vorhandenen Teilen der Vorderkammer hegen ein- und mehrkernige Leukocyten.

In der Iris finden sich neben einer leichten Zellinfiltration umschriebene Knötchen; diese Knötchen sind über die ganze Iris zerstreut, ganz beson- ders zahlreich sind sie jedoch in den hinteren Schichten; die Knötchen scheinen überhaupt von der Tiefe der Iris auszugehen; es hegt z. B. eine solche Zellanhäufung unter dem Sphincter iridis; ein anderes Knötchen, welches beinahe die ganze Dicke der Iris durchsetzt, wölbt die Hinterfläche der Iris vor, während die Vorderfläche keinen Wulst zeigt. Die Knötchen selbst bestehen in der Peripherie aus Lymphocyten; im Zentrum sind die Zellen schlecht gefärbt, hier liegen auch grössere Zellen mit blassem Kerne (epitheloide Zellen).

Der Ciliarkörper ist atrophisch. Am Übergang zwischen Ciliarkörper und Iris sind noch einzelne Infiltrationsherde zu sehen. Im Ciliarkörper selbst sind keine Zeichen von Entzündung vorhanden. Zwischen zwei Ciliar- fortsätzen ist eine kleine, mit Plattenepithel ausgekleidete Cyste zu sehen.

Der Linsenkern fehlt. Ebenso die Vorderkapselepithelien grösstenteils. Unter der Linsenkapsel ist eine bindegewebige Wucherung vorhanden.

Die Blutgefässe der Chorioidea sind strotzend mit Blut gefüllt, Retina und Optikus zeigen keine bemerkenswerten Veränderungen.

Da die Veränderungen in der Iris und Cornea ausserordentlich tuber- kuloseverdächtig sind, wurden sehr viele Schnitte auf Bakterien gefärbt. Es ist mir aber nicht gelungen, mit irgend einer Methode irgend welche Mikro- organismen nachzuweisen.

Fall III.

H. M., 24 J. Patientin ist seit 6 Jahren hier in Behandlung. An- fangs reine Iritis mit hinteren Synechien ohne Präcipitate, ohne Knötchen in der Iris. Wegen cirkulärer Synechie beiderseits Iridektomie.

Patientin war dann 2 Jahre ohne Rezidive und kommt nun wegen ganz plötzlicher Sehverschlechterung L.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 55

Rechts: Colobom nach unten, im übrigen cirkulare Synechie.

Katarakt; nach unten ist das Gesichtsfeld eingeschränkt

Links: Leichte ciliare Injektion, Vorderkammer flach. Cornea von unten her parenchymatös getrübt. Keine ganz cirkulare Synechie. Katarakt. Lichtschein defekt Bulbus weich.

Es wird, weil die Patientin immer wieder Schmerzen bekommt, das linke Auge enucleiert.

Nach der Enucleation wird vom Ciliarkörper und von der Iris einem Kaninchen und Meerschweinchen ein Stück in die Vorderkammer implantiert.

Die Tiere sind nach J/4 Jahr noch gesund: keinerlei lokale Entzündung.

Tuberkulin (2 Proben) ohne Reaktion.

Pathol.-anat. Untersuchung: Das Epithel der Cornea ist normal. Die Bowmansche Membran ist leicht gefaltet.

y-'z-

Knötchen in der Iris, die Zellen sind Lymphocyten.

Im Parenchym der Cornea sind neugebildete Gefasse. Weder eine umschriebene Infiltration noch eine diffuse Zell Vermehrung ist zu sehen. In der Peripherie der Cornea findet sich eine schmale Narbe. Hier ist auch die Membrana Descemeti unterbrochen. Am Corneaskleralrand sind in der Cornea und Sklera viele neugebildete Gefässe zwischen den Gelassen und in den Gefässscheiden sind Lymphocyten. Die Vorderkammerflüssigkeit ist ausser- ordentlich eiweissreich. Es sind sogar runde Körperchen, den Morgagni- schen Kugeln in der Linse ähnlich, zu sehen. Neben diesen Kugeln finden sich einzelne spärliche freie Lymphocyten. Die Blutgefässe der Iris sind strotzend gefüllt. Um einzelne Blutgefässe herum sind in den Lymph- scheiden einkernige Lymphocyten zu sehen, dann findet man im Gewebe follikelartige Knötchen, die zum Teil in den vorderen Schichten der Iris, zum Teil im Parenchym der Iris liegen. Irgend welche besonderen Zellen, epitheloide oder Riesenzellen sind nicht vorhanden, ebensowenig ist irgend welcher Zellzerfall festzustellen. Der Pupülarrand ist durch ein zelliges Exsu- dat mit der vorderen Linsenkapsel verklebt.

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Die linse ist kataraktös; ein Kern ist noch zu sehen.

Der Ciliarkörper enthält so gut wie kein Muskelgewehe mehr; er ist bindegewebig degeneriert, an einzelnen Stellen sind Häufchen von Lympho- cyten im Gewebe.

Auch die Blutgefässe der Chorioidea sind ausserordentlich erweitert und strotzend mit Blut gefüllt. Ganz unregelmässig zerstreut sind auch hier Häufchen von Lymphocyten festzustellen. In der Chorioidea sind grosse Räume, die mit einer sehr eiweissreichen Flüssigkeit gefüllt sind. Die Re- tina ist degeneriert; die Ganglienzellen sind fast durchgehende verschwun- den. Das Stützgewebe ist gewuchert. An einzelnen Stellen sind Defekte in der Pigmentepithelschicht, hier ist die Retina auf der Unterlage binde- gewebig fixiert. Der Sehnerv ist atrophisch.

Fall IV.

Fanny, Magdalene, 39 Jahre. Strassburg. 17 702, 1896.

Aufnahme 2. XI. 96.

Rechts: Rest von alter Iritis mit fast vollständigem Pupillarverschluss und Vorbucklung der Iris, aber ohne Tensionssteigerung. Geringe Reizung. Visus: Finger auf 1 m, mit 4,0 Finger 2 m.

Links: Schleichende Iritis, eine hintere Synechie. S mit +1,0D1;3. Die Patientin ist gesund; sie hat im Alter von 20 23 Jahren 3 mal abor- tiert. Keine Zeichen für Lues. Nachher hat sie noch 5 gesunde Kinder geboren, von denen 4 noch leben.

Vor 6 Jahren liat die Iritis rechts mit starken entzündlichen Erschei- nungen begonnen. Vor 2 Jahren sehr schmerzhaftes Rezidiv; ausserdem noch einige leichtere Rückfälle. Links begann die Sebstörung vor 8 Tagen fast ohne entzündliche Erscheinungen.

Am 10. VI. Ol. R. unsicherer Lichtschein. Seit 3 Wochen starker Reizzustand und heftige Neuralgien. Deshalb wird am 12. VI. das Ange enucleiert. L. Sehschärfe = Finger 3 m.

Pathol.-anat. Befund:

Die Cornea ist normal. Die Vorderkammer ist nur noch im Zentrum vorhanden; in der Peripherie liegt die Iris der Corneahinterfläche an. Do* Pupillarrand ist mit der vorderen Linsenkapsel verklebt Die Iris ist napf- kuchenförmig vorgetrieben. In der Pupille auf der vorderen Linsenkapsel liegt ein kleinzelliges Exsudat. In der Iris sind neben einer diffusen In- filtration mit Lymphocyten einzelne Knötchen vorbanden. Die Knötchen bestehen ebenfalls aus einkernigen Rundzellen und sind unregelmässig über die ganze Iris zerstreut. Das Zentrum einzelner solcher Knötchen ist heller. Hier liegen blass gefärbte Zellen mit grossem blassem Kern, daneben sieht man auch einzelne Kerntrümmer, so dass man berechtigt ist von Zellzerfall zu reden.

Im Ciliarkörper ist ebenfalls eine erhebliche Infiltration zu sehen. Hier liegen auch umschriebene, aus epitheloiden Zellen bestehende Knötchen. Die Chorioidea zeigt keine Besonderheiten.

Nach Tuberkelbacillen ist in all diesen Schnitten sehr intensiv gesucht worden; ich konnte keinerlei Mikroorganismen nachweisen. Die Retina ist degeneriert, der Sehnerv atrophisch, tiefe glaukomatöse Excavation.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 57

Fall V.

Birkle, Cyprian. 65 Jahre alt. 1896. 325.

Aufgenommen am 5. X. 96.

Vor l1^ Jahr merkte er ganz zufällig, dass er rechts so gut wie nichts mehr sah. Seit einem Jahr manchmal Schmerzen rechts. Seit zwei Monaten Abnahme des Sehvermögens, auch links.

Status. Rechts: Leicht conjunctivale und etwas pericorneale Injektion. Die Cornea ist kleiner als normal, leicht milchig getrübt Der innere Teil der Cornea ist tief narbig eingezogen. Von oben her erstrecken sich parenchymatöse Gefasse in die Cornea hinein. Die Vorderkammer ist auf- gehoben. An ihrer Stelle ist ein weissliches Exsudat, das in der Gegend der narbigen Einziehung verkalkt erscheint. Tension nieder.

Links: Cornea klar. Pupille erweitert sich auf Atropin nur wenig, es sind massenhaft hintere Synechien zu sehen.

Auf energische Atropingaben erweitert sich die Pupille. Nur nach innen unten sieht man einige hintere Synechien.

Da am rechten Auge immer wieder Schmerzanfalle eintreten, wird dieser blinde Bulbus am 26. X. enucleiert.

Die Entzündung am linken Auge verschwand. Der Patient wurde am 13. XL mit einem Sehvermögen von x/8 entlassen.

Pathol.-anat. Befund:

Das Epithel der Cornea ist erheblich verdickt. An einzelnen Stellen erstrecken sich Epithelzapfen in die Tiefe. Unter dem Epithel ist eine diffuse Infiltration mit Lymphocyten zu sehen. Die Infiltration besteht so- wohl zwischen Epithel und Bow manscher Membran als auch unter dieser in den obersten Schichten des Corneaparenchyms. Die Bow man sehe Membran ist in einzelne Stücke zerfallen, zwischen den Lymphocyten sieht man sehr viele neugebildete Gefösse. An manchen Stellen ist die Infiltra- tion dichter, so dass sich geradezu follikelartige Gebilde abheben. Die tiefen Teile der Hornhaut sind an einzelnen Stellen starker infiltriert, sonst sind Veränderungen nicht festzustellen. Eine Vorderkammer ist nicht vorhanden. Die Iris liegt der Hinterfläche der Hornhaut an. Die Iris ist umgewandelt in ein dichtes Granulationsgewebe. Auch hier sind neben einer diffusen In- filtration mit Lymphocyten an einzelnen Stellen noch besondere knötchen- artige Gebilde zu sehen, in welchen die Zellen besonders dicht liegen; hier sind auch epitheloide Zellen vorhanden. Riesenzellen befinden sich in diesen Knötchen nicht. Ganz ebenso ist der Ciliarkörper verändert. Die Linse fehlt zum grössten Teil. Man sieht nur noch Kapselstücke. An diesen Stücken liegen viele Riesenzellen. Im Glaskörper ist eine Blutung. Die Retina ist vollständig degeneriert, der Sehnerv ist atrophisch. Um die Zen- tralgefasse ist eine Infiltration zu sehen (Perivasculitis). In der Chorioidea sind auch umschriebene Herde von Lymphocyten. An manchen Stellen durchsetzen diese Knötchen die ganze Aderhaut, an andern liegen sie in den äusseren Schichten der Chorioidea.

Fall VI. Kohler, Josephine, 56 Jahre alt. 1896. 126. Patientin kam am 16. IV. 1896 in Behandlung. Sie gibt an, seit

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1890 sei das linke Auge blind. Ein Jahr vor der Erblindung hätte sich das Auge entzündet. Seit 14 Tagen sei nun auch das rechte Auge er- krankt

Am rechten Auge fand sich eine erhebliche ciliare Injektion, die Cornea war klar, auf der Hinterfläche Präcipitate. Das Kammerwasser diffus trüb. Sehr erhebliche Iritis, in der Iris sind viele Gefässe zu sehen. Linse klar, mit dem Augenspiegel kein Bild zu bekommen.

Sehvermögen R. 1/80 1j15.

Links pericorneale Injektion. Die Conjunctiva ist am Limbus oben verdickt. Die Cornea im Zentrum klar, in der Peripherie parenchymatöse Trübung und parenchymatöse Gefässe.

Vorderkammer aufgehoben. Die Iris ist stark degeneriert. Auf der Vorderfläche der Iris Hämorrhagien. Ebenso sind Blutungen auf der stark gequollenen gelblichen linse zu sehen.

Da am linken Auge CiliarschmerzhafrJgkeit eintritt, wird der Bulbus am 12. V. 1896 enucleiert

Rechts wird auf eine energische Schwitzkur das Sehvermögen auf * ,; gehoben.

Die Patientin wird mit Jodkali entlassen.

Nach einem halben Jahre muss wegen Glaukoms rechts die Iridek- tomie gemacht werden. Der Bulbus wird nach der Iridektomie bald reizlos Die Tension normal. Das Sehvermögen fällt auf 1|7.

Die Patientin wird entlassen, hat sich nicht mehr gezeigt

Patholog.-anatom. Befund des rechten Auges: Am Limbus ist unter der Conjunctiva eine Ansammlung von Lymphocyten. Diese Infiltration liegt wie ein kleines Knötchen unter der Conjunctiva. In diesen Knötchen sind neugebildete Blutgefässe zu sehen.

Das Epithel der Cornea ist intakt Die Bow mansche Membran ist vollständig erhalten; im Parenchym der Cornea ist in der Peripherie eine leichte Vermehrung der mobilen Hornhautzellen zu sehen. An einzelnen Stellen sind neugebildete Blutgefässe.

Die Vorderkammer ist ausserordentlich flach, in der Peripherie ist die Iris mit der Cornea verklebt, auch in der Mitte der Kammer sieht man an einzelnen Stellen Verklebungen der Iris und der Vorderfläche der linse und der Hinterfläche der Cornea.

Die Iris ist diffus mit einkernigen Zellen infiltriert, neben dieser diffusen Infiltration sind an einzelnen Stellen mehr umschriebene knötchenförmige Lymphzellenanhäufungen. In diesen Knötchen sind keine epitheloiden oder Riesenzellen zu finden. Zwischen Irishinterfläche und Linse sind massen- hafte lymphoide Zellen. Zwischen diesen lymphoiden Zellen sind deutlich auch Bindegewebszellen zu finden. Durch dieses Bindegewebe ist die Iris mit der Vorderfläche der Linse fest verwachsen. Auch in der Pupille ist solches neugebildetes Bindegewebe mit lymphoider Infiltration. Ausser der Infiltration liegen hier auch noch Pigmentzellen, und in den Gewebslücken Fibrin.

Im Ciliarkörper sind die Kerne auch sehr erheblich vermehrt Auch hier sind knötchenförmig angeordnete Infiltrationsherde. Nirgends epitheloide Zellen. Auch hinter der Linse ist eine dichte Infiltration mit Lymphzellen.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 59

Am Äquator ist die Linsenkapsel arrodiert und es sind einzelne Zellen in die Linse selbst eingedrungen.

Die Linse ist kataraktös.

Hinter der Linse sind ausgedehnte Hämorrhagien neben der Infiltra- tion zu sehen. In der Chorioidea sind umschriebene knötchenförmige In- filtrationsherde. Diese Herde sind sehr spärlich, sie liegen in den ganz vor- deren Partien und um den Sehnerveneintritt.

Das Pigmentepithel ist an einzelnen Stellen gewuchert, die Glasmem- bran drusig verdickt.

Die Netzhaut ist trichterförmig abgelöst, degeneriert, das Stützgewebe ist erheblich gewuchert

In dem Exsudat unter der Netzhaut liegen ziemlich viele freie Pig- mentzellen.

Fall VII.

Sohm, Katharina, 28 Jahre alt. J. N. 1883 Nr. 123.

Anamnese 1880: Seit einem Jahre allmähliche Abnahme des Seh- vermögens links. Keinerlei Schmerzen, nur etwas Tränen und Lichtscheu. Vor vier Wochen ist das Sehvermögen plötzlich ganz schlecht geworden.

Vor einem Jahre hat die Patientin eine Lungenentzündung durch- gemacht, seither leidet sie an Husten.

Status: Das linke Auge ist äusserlich reizlos, die Cornea ist klar. Viele hintere Synechien, keine Präcipitate. Das Sehvermögen ist = 1jh. Mit dem Augenspiegel bekommt man nur schwach roteu Reflex.

Es wird eine Iridektomie gemacht, die Wunde heilt ohne Besonderheiten.

Das rechte Auge ist gesund. S. = 6/u.

Im Laufe der nächsten zwei Jahre traten öfters Rezidive der Iritis ein.

Im Jahre 1883 wurde, da links kein Lichtschein mehr vorhanden war und der Bulbus phthisisch wurde, da ausserdem die Iritis immer wieder rezidivierte, die Enucleation vorgenommen.

1888. Es werden einige hintere Synechien rechts festgestellt.

1891. Aufnahme: Mehrere hintere Synechien, wenige Glaskörper- trübungen. R. S. = ß/6. Schwitzkur: Besserung.

1893. Aufnahme: Die Glaskörpertrübungen haben zugenommen. S. 5/6. Auf Jodkali und Schwitzkur gebessert entlassen.

1900. Stärkere Glaskörpertrübungen. R. S. = lj3.

Wiederaufnahme: Nach unten innen und aussen hintere Synechien, nur nach oben erweitert sich die Pupille. Am hinteren Pol sieht man eine umschriebene Linsentrübung. Diffuse Trübungen des Glaskörpers. Auf Atro- phe und Salicyl hebt sich das Sehvermögen auf 3|4 der Norm.

1901 wird, da die Synechien zahlreicher geworden sind, eine Iridek- tomie nach unten ausgeführt Nach der Iridektomie S. = 6/7.

1/2 Jahr später ist das Sehvermögen auf 6/20 gesunken. Die Ursache des schlechten Sehens sind ausgedehnte Glaskörpertrübungen.

1902. Wiederaufnahme: Auf Jodkali hebt sich das Sehvermögen von 6/20 in zwei Monaten auf G/12.

1903. Allgemeinuntersuchung, Dr. Link: Lungendämpfung rechts und links hinten. Links auch Rasseln.

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W. Stock

1904. Allgemeinuntersuchung, Prof. Clemens. Diagnose: Ausge- sprochene Tuberkulose beider Oberlappen.

Das Sehvermögen ist auf 5/25 herabgegangen.

Trotz 25 Injektionen von Jodipin, 25°/0, 10 ccm pro Injektion, ist heute das Sehvermögen auf 4/b0 gesunken. Die Hornhaut ist klar. Es sind ziemlich viele hintere Synechien vorhanden; Colobom nach unten. Leichte Linsen- trübung am hinteren Pol. Ausgedehnte Glaskörpertrübungen. Neben grosseren Flocken ist der ganze Glaskörper mit staubförmigen Trübungen durchsetzt.

Wiederaufnahme 25. IL 07. Das Sehvermögen ist auf 8/60 herunter gegangen. Es wird probatorisch Alttuberkulin injiziert. Bei 5 mg tritt neben einer allgemeinen auch lokale Reaktion am rechten Bulbus auf: Während bis dahin das Auge äusserlich vollständig reizlos gewesen war, sieht man jetzt erhebliche ciliare Injektion, die Patientin ist lichtscheu. Mit dem Abfall der Temperatur verschwindet auch diese Reaktion am Auge wieder.

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Infiltration zwischen Descemet! und Cornea parenchym. Epitheloide and Riesenwellen.

Es wird jetzt bei der Patientin eine Kur mit Neutuberkulin durch- geführt, das Sehvermögen ist erheblich besser geworden l6/s5).

Pathologisch- anatomische Beschreibung des enucleierten linken Bulbus:

Die Hornhaut ist im ganzen normal. Das Epithel, die Bowmanscbe Membran, die Descemets das Endothel sind auf weite Strecken normal.

Nur nach unten sieht man im Kammerwinkel in der Membrana Des- cemet eine scharfe Lücke (Iridektomiewunde). Von dieser Lücke aus erstreckt sich eine Infiltration in die Hornhaut hinein, die sich flächenartig in die der Descemeti benachbarten Teile hinein erstreckt.

Die Infiltration besteht zum Teil aus Lymphocyten, zum Teil aus epitheloiden Zellen, auch Riesenzellen sind an einigen Stellen zu sehen.

Die Vorderkammer ist flacher als normal. In der Vorderkammer- flüssigkeit befinden sich einzelne einkernige Zellen. An einzelnen Stellen haben sich diese Zellen in kleinen Häufchen auf der Hinterfläche der Cornea festgesetzt (Präcipitate).

Die Iris ist im ganzen etwas zellreicher als normal. Die die Iris in- filtrierenden Zellen sind alle einkernig. Nach unten fehlt ein Teil der Iris (artifizielles Colobom). Am Rande dieses Coloboms, dann auch in der Sphinktergegend ist die Infiltration dichter, so dass geradezu ein Knötchen

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 61

in der Iris entsteht. Auch diese Knötchen, die auch an andern Stellen der Iris, aber hauptsächlich in ihren hinteren Teilen liegen, bestehen auch aus- schliesslich aus Lymphozyten.

Das Corpus ciliare ist atrophisch, in seinen hinteren Teilen durch Exsudat von der Chorioidea abgelöst.

Die Linse ist kataraktös verändert. Die Epithelien der Vorderkapsel sind degeneriert

Am Äquator der Linse zwischen den Zonulafasern liegt der Linse eine knötchenartige Zellanhäufung auf, die aus Lymphzellen und epitheloiden Zellen besteht.

Die Chorioidea ist in ihren vordersten Teilen vom Ciliarkörper ab- gelöst, irgend welche Entzündungsherde sind nicht festzustellen.

Das Pigmentepithel ist an einzelnen Stellen gewuchert, man findet auch freie Pigmentepithelzellen in einem subretinalen , mit Flüssigkeit ge- füllten Räume.

Die Retina ist trichterförmig abgelöst und vollständig degeneriert.

Tuberkel in der Retina.

In den vorderen Partien der Netzhaut hinter der Linse liegt ein typi- scher Tuberkel mit Riesenzellen und epitheloiden Zellen.

An andern Stellen sieht man auch knötchenförmige Zellanhäufungen, die zum Teil aus Lymphocyten, im Zentrum der Knötchen aber aus epi- theloiden Zellen bestehen.

Tuberkelbacillen konnten nicht nachgewiesen werden.

Fall VIII.

Köpfer, Urban, 62 Jahre alt. 1899. 348. Aufgenommen 9. X. 99.

Schon in der Jugend war der Patient augenleidend. Das linke Auge war immer schlechter als das rechte.

Seit einem Jahr Entzündung und Schmerzhaftigkeit rechts. Das Seh- vermögen rechts sei auch seit einem Jahr schlechter geworden.

Bei der Aufnahme: Rechts leichte ciliare Injektion, leichte Trübung des Kammerwassers. In der Iris sind Gefasse zu sehen. Viele hintere Syne- chien. Linsentrübung. 8 = r,/l5.

Links: Maculae corneae. S. = 6/30.

Am 27. X. 99 wird der Patient, nachdem rechts eine Iridektomie ge- macht war, geheilt entlassen. R. S. = 2/6.

Am 7. V. 00. Wiederaufnahme wegen Schmerzen R.

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W. Stock

Das Colobom R. ist wieder verlegt Es wird am 16. V. eine Irido- tomie nach unten angelegt. Nach einiger Zeit mit reizlosem Auge entlassen. Die Iritis rechts flackert immer wieder auf, der Patient wurde noch dreimal wieder in die Klinik aufgenommen und immer wieder, nachdem das Auge reizlos geworden war, entlassen.

Am 27. VII. ist folgendes notiert Seit einigen Tagen bestehen sehr starke Schmerzen rechts.

Das Sehvermögen R. ist auf 1|S6 1|20 gesunken. Tension 1—2. Ciliare Injektion, Lichtschein defekt.

Im Laufe der Behandlung wurde die Tension wieder normal, der Patient konnte am 4. VIII. entlassen werden.

Sehen am 18. IX. kommt er wieder mit einer erheblichen Druckstei- gerung R. Die Narben von der Iridektomie sind vorgebuckelt. Sehr starke Schmerzen.

Deshalb wird am 19. IX. die Enucleation R. ausgeführt Patient wird dann im Jahre 1902 mit einer Iritis serosa links noch einmal aufgenommen. Da cirkuläre Synechie eingetreten ist, wird er im reizfreien Stadium iridek- tomiert

Das Irisstückchen wird einem Kaninchen in die Vorderkammer im- plantiert. Nach einem Jahr ist dieses Stückchen reizlos eingeheilt Jetzt sieht man bei dem Patienten noch hintere Synechien. Der Bulbus ist reiz- los. Das Sehvermögen 6/60.

Pathol.-anat. Befund R.:

Das Epithel der Cornea ist normal. Die Cornea erscheint etwas ver- dünnt und nach vorne ausgebuchtet

Die Vorderkammer ist nur ganz im Zentrum sehr flach vorhanden. In der Kammer sind einzelne blasig aufgetriebene Zellen und Pigmentschollen. Die Iris liegt der Hinterfläche der Cornea an. Die Iris ist im ganzen sehr stark verdünnt. An einzelnen Stellen sieht man etwas Kernvennehrung. Die Zellen haben alle einen Kern (Lymphocyten). Der Kammerwinkel ist vollständig verlegt. Die Linse ist nach vorn luxiert Sie ist kataraktös. Die Retina und der Sehnerv sind vollständig degeneriert. In der Retina sind ganz besonders die inneren Schichten (Ganglienzellenschicht) schwer verändert. Die Chorioidea ist ohne wesentliche Veränderungen.

Epikrise zu den 8 pathol.-anat untersuchten Fällen. Ich möchte hier noch einmal ganz kurz eine Zusammenstellung dieser obigen 8 Fälle geben. Das Alter ist immer zur Zeit der Enucleation.

Name

Alter

Krank- heitsdauer

Vorherige Operation

Klin. Befund

Pathol.-anat Befund

I. Th., Marie.

29 Jahre.

11 Jahre.

1 Iridek- tomie.

Frische Iritis. Bulbus weich.

s. - v70.

Lymphzellenknöt-

chen in der Iris und

im Ciliarkörper.

Neuritis optici.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 63

Name

Alter

Krank- heitsdauer

o£££ i *»*• Brf-d

Pathol.-anat. Befund

II. L., Kathi.

III. H., Anna.

IV. F., Magda- lena.

V. Birkle, Cyprian.

. VI. K., Jose- phine.

18 Jahre. 2 Jahre.

24 Jahre. 39 Jahre.

65 Jahre.

56 Jahre.

6 Jahre. 6 Jahre.

l'/i Jahr. 6 Jahre.

1 Iridek- tomie.

1 Iridek- tomie.

VII. 28 Jahre. 4 Jahre. S., Katha- rina.

VIII. 162 Jahre. 1 Jahr. Köpfer, | Urban. i

1 Iridek- tomie.

2 Iridek- tomien.

Frische Iritis. Ker. parench. Phthisis bulbi.

Frische Iritis. Phthisis bulbi.

Iritis und Glaukom.

Frische Iritis. Sympath. Reizung?

Frische Iritis. Phthisis.

Frische Iritis. Phthisis.

Frische Iritis. Phthisis.

Lymphzellenknöt- chen in der Iris u. im Ciliarkörper. Cornea- knötchen aus Lymph- zellen und epithe- loide Zellen.

Lymphknoten in der

Iris, Corp. eil. und

Chorioidea.

Lymphzellen u. Epi-

theloidzellenknöt-

chen in der Iris. Corp.

ciliare.

Iris in Granulations- gewebe mit epithe- loiden Zellen umge- wandelt.

Chorioidea Lymph- zelleninfiltration.

Lymphzellenknöt-

chen in Iris und

Chorioidea.

Cornea, Rieeenzellen,

Iris, Lymphzellen -

knötchen u. Epithe-

loidzellen, Retina

Tuberkel.

Napfkucheniris. Glaukom alter Fall.

Resultat der Untersuchung von pathologisch-anatomischem

Material.

Wenn man diese Fälle klinisch definieren wollte, so müsste man sie fast alle unter die Rubrik abgelaufene Iridocyclitis mit beginnen- der Schrumpfung oder Sekundärglaukom einreihen; es war deshalb a priori vielleicht nicht zu erwarten, dass durch die pathologisch- anatomische Untersuchung sich irgend welche sichere Anzeichen für die Ätiologie des Prozesses gewinnen lassen würden. Es ist aber unter diesen acht Fällen nur einer (VIII), bei welchem frische Ent- zündungserscheinungen fehlen. Bei diesem Fall ist die Iritis voll- ständig abgelaufen, der Bulbus ist wegen Sekundärglaukoms enucleiert worden, irgend welche Entzündungserscheinungen lassen sich nicht feststellen.

Obgleich es mir in keinem meiner untersuchten Fälle gelungen ist, Mikroorganismen irgend welcher Art im Schnitt färbetechnisch

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W. Stock

darzustellen, glaube ich doch, kann man wenigstens bei einzelnen Augen die Diagnose aus dem anatomischen Bilde stellen.

Bei dem Falle VII, bei welchem das Auge mit frischer Reizung nach einer Iridektomie enucleiert worden ist, finden sich in der Cornea neben einer kleinzelligen Infiltration epitheloide und Riesen- zellen. Ein ganz typischer Tuberkel mit Zellzerfall, Riesenzellen und epitheloiden Zellen liegt ausserdem in den vordersten Teilen der ab- gelösten Netzhaut. In der Iris selbst bestehen die Knötchen ana- tomisch nur aus einer Anhäufung von einkernigen Lympbocyten. Aus der Veränderung der Cornea und der Retina, die ich als typische Tuberkulose ansehe, möchte ich schliessen, dass auch die übrigen Entzündungserscheinungen in diesem Auge Tuberkulose ab ätio- logisches Moment haben.

Dass die Patientin auch im übrigen tuberkulöse Veränderung an der Lunge hat, ist jetzt Jahre nach der Enucleation bei der Unter- suchung durch die inneren Kliniker festgestellt worden. Auf Tuber- kulin (T. V.) trat neben einer typischen Allgemein- auch eine Lokal- reaktion am zweiten erkrankten Auge ein. Damit halte ich den Beweis klinisch für erbracht, dass die Erkrankung in diesem Auge tuberkulös ist Durch diesen Befund ist also einmal festgestellt dass typisch tuberkulöse Veränderungen in der Cornea und in der Retina vorhanden sein können, während die entzündlichen Verän- derungen der Iris selbst von niemand als „tuberkulös" angeseheu wurden. Dieser Fall bestätigt das Resultat meiner Tierversuche, ge- rade in der Iris (vgl. Fig. S. 33) sind die Veränderungen auch beim Tier keineswegs typisch, während in der Sklera und Cornea das pathologisch-anatomische Bild durchaus der Tuberkulose in den übrigen Körperorganen gleicht (Es fällt bei der Patientin auch noch ins Gewicht, dass anamnestisch wie klinisch für Lues keine Anhaltspunkte sich ergaben, dass dagegen Lungentuberkulose sicher diagnostiziert worden ist.)

Von den weiteren Fällen könnte man als wahrscheinlich tuber- kulös ansprechen den Fall IV und V: hier sind neben einkernigen Lymphocyten epitheloider Zellen keine Riesenzellen vorhanden, den Fall IV, bei welchem in der Iris keine typisch tuberkulöse Verände- rung sich findet, während in der Cornea die kleinen Knötchen typische Epitheloidzellen enthalten.

Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass man allein aus epitheloiden Zellen im übrigen Körper die Diagnose „Tuberkulose" zu stellen nicht das Recht hat. Es ist aber nötig, bei der Verwertung solcher

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 65

Befunde auch das übrige klinische Krankheitsbild heranzuziehen, und hier sind eben andere Infektionen, die zu einer solchen Veränderung Veranlassung geben konnten, auszuschliessen.

Bei den Fällen I, III und VI sind die Veränderungen patho- logisch-anatomisch so wenig charakteristisch, dass man daraus Schlüsse nicht ziehen kann.

Es wären also, wenn man von dem Fall VIII alls vollständig abgelaufen absieht, unter sieben Fällen einer gewöhnlichen chronischen Iritis einer als sicher und drei als „wahrschein- Hch"tuberkulÖ8 zu bezeichnen, was einem Prozentsatz von ca. 59°/0 entspricht Die drei Fälle halte ich deshalb für wahrscheinlich tuber- kulös, weil keine Allgemeinkrankheit ganz besonders keine Syphilis vorlag, die ähnlich pathologisch -anatomische Bilder hätte liefern können.

Da es absolut unmöglich ist, bei der chronischen Uveitis immer Material einerseits zum Verimpfen, anderseits zur pathologisch- anatomischen Untersuchung zu gewinnen, so muss man nach einem Mittel greifen, das uns anzeigt, ob zur Zeit der Erkrankung des Auges eine „aktive" Tuberkulose im Körper des Patienten spielt, es ist das die Reaktion auf

d. Alttuberkulin.

Ehe ich auf die Resultate eingehe, die wir mit Hilfe dieses Mittels gewonnen haben, möchte ich eine kurze Übersicht darüber geben, inwieweit wir es für berechtigt halten, aus der Reaktion einen Schluss zu ziehen, und wann wir eine „Reaktion" annehmen.

Eine genaue Literaturzusammenstellung über die Tuberkulin- wirkung ist um so weniger nötig, als ein Sammelreferat der ein- schlägigen Arbeiten im letzten Jahre von Weiss (84) erschienen ist.

Es dürfte sich im Laufe der Jahre als absolut zutreffend er- wiesen haben, was Koch (cit aus 84) selbst als Postulat für die An- wendung seines Tuberkulins (T.v.) verlangt:

„Zunächst wird die Temperatur des Patienten mindestens einen oder besser zwei Tage lang beobachtet, um die Überzeugung zu ge- winnen, dass die Temperatur sich unter 37° bewegt Kranke mit Temperaturen über 37° sind ungeeignet für die diagnostische An- wendung des Tuberkulins und sollten unter keinen Umständen der Tuberkulinprobe unterworfen werden. Wenn der Kranke als geeignet befunden ist, dann erhält er vormittags unter die Haut des Rückens eine Injektion von 0,1 1,0 mg Tuberkulin; bei schwächlichen

t. Graefe's Archiv Ar Ophthalmologie. LX VI. 1 . 5

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W. Stock

Menschen fängt man mit 0,1 mg an, bei kräftigen Personen mit voraussichtlich sehr geringen tuberkulösen Veränderungen kann man mit 1 mg beginnen. Erfolgt auf diese erste Einspritzung gar keine Temperatursteigerung, dann steigt man auf die doppelte Dosis, aber nicht schon am nächsten, sondern erst am darauffolgenden Tage. Tritt aber eine geringe Temperaturerhöhung, sei es auch nur um 1jl° ein, dann wird mit der Dosis nicht gestiegen, sondern, nach- dem die Temperatur wieder vollkommen zur Norm zurückgekehrt ist, dieselbe Dosis noch einmal gegeben. Sehr oft zeigt sich dann, dass die nunmehr eintretende zweite Reaktion, obwohl die Dosis die nämliche geblieben ist, doch stärker ausfällt als die erste. Es ist dies eine für die Tuberkulinwirkung ganz besonders charak- teristische Erscheinung und kann als untrügliches Zeichen für das Vorhandensein von Tuberkulose gelten. Wenn nun aber nach den ersten niedrigen Dosen keine Reaktion erschienen ist, dann steigt man weiter bis 5 mg, und schliesslich auf 10 mg. Letztere Dosis pflege ich der Sicherheit halber zweimal zu geben, und erst, wenn darauf keine Reaktion erfolgt, halte ich mich zu der Annahme berechtigt, dass keine frische oder im Portschreiten befindliche Tuber- kulose vorliegt, welche eine spezifische Behandlung erfordert'*

Wenn man in der Praxis des Augenarztes an Patienten heran- tritt, bei welchen wegen einer bestehenden Uveitis, deren Ätiologie dunkel ist, eine diagnostische Injektion von Tuberkulin (T. v.) gemacht werden soll, so ist in den allermeisten Fällen als erste Dosis 1mg anzuwenden. Ich bin nur bei Kindern unter diese Dose herab- gegangen. Im Anfang (vor 4 Jahren), als diese diagnostischen In- jektionen an der Universitäts-Augenklinik Freiburg begonnen wurden, war ich sehr vorsichtig und bin selten über 3 mg in die Höhe ge- gangen. Nachdem aber in neuester Zeit ausserordentlich überzeugend nachgewiesen worden ist, dass die wenigen Fälle, bei welchen nach einer Tuberkulinbehandlung der Tod oder eine Verschlechterung ein- getreten ist, auf die Nichtachtung der Koch sehen Vorschriften zu- rückzuführen ist, und da wir selbst nie eine dauernde Schädigung durch die Tuberkulininjektionen gesehen haben, gehen wir in der letzten Zeit mit den Injektionen auf 5 und 10 mg Alttuberkulin. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass in der überwiegen- den Mehrzahl der Fälle Patienten, welche auf 1mg Tuberkulin weder subjektiv noch objektiv reagiert haben, auch später bei höheren Dosen keine Symptome von bestehender Tuberkulose boten. Ich halte es deshalb für erlaubt, obgleich unsere Statistik in dieser

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 67

Beziehung nicht allen Anforderungen entspricht, sie hier mitzuteilen. Ich kann das, wie gesagt, deshalb um so besser, weil auch geringe subjektive Reaktionen von unserem sehr gut geschulten Personal sofort dem Arzte mitgeteilt wurden, so dass er sich durch eigene Anschauung überzeugen konnte.

Die Reaktion tritt bei unsern Kranken, an denen wir äusserer Gründe halber abends 5 Uhr die Injektion vornahmen, am nächsten Morgen zwischen 6 und 12 Uhr ein.

Die Patienten fühlen sich unwohl, haben Kopfschmerzen, Appetit- losigkeit, Reissen in den Gliedern. Dabei geht die Temperatur um l/2 in die Höhe. (Es wäre ganz unrichtig, eine bestimmte Tem- peratur als Reaktionsgrenze angeben zu wollen. Wenn ein Patient in der Achselhöhle gemessen abends immer 36,5 zeigt, so ist eine Temperatur von 37,2 schon als Reaktion zu bezeichnen. Es ist bei einem solchen Patienten nicht gestattet, als zweite Injektion 5 mg zu geben. Hier wird man schon bei der zweiten Injektion von 1 mg einen weit deutlicheren Temperaturanstieg bekommen.) An der In- jektionsstelle bleibt, ganz besonders bei Patienten, welche reagieren, noch einige Tage eine Infiltration zurück. Eine Abscedierung habe ich nie gesehen.

Da ich also ganz ebenso wie alle Autoren, die strikte nach der Vorschrift Kochs verfahren (vgl. Weiss), die Injektion von Alt- tuberkulin für absolut ungefährlich halte, konnte ich Einspritzungen auch bei Patienten vornehmen, die nicht an einer Iridocyclitis erkrankt waren, und so einen Überblick darüber gewinnen, wie häufig wohl die Tuberkulose überhaupt unter unseren Patienten wäre. Es wurden zu diesem Zwecke bei Patienten, die wegen irgend welcher in- differenten Augenerkrankung in die Klinik aufgenommen waren, nach genauer Allgemeinuntersuchung, die keine Anhaltspunkte für eine frische tuberkulöse Erkrankung geben durfte, und bei absolut nor- maler Temperatur probatorisch Tuberkulininjektionen gemacht:

von 54 solchen Patienten reagierten 13 = 24°/0, von 11 Patienten mit Dakryocystitis 5 = 45,4 °/0.

Es sind das im ganzen 65 Patienten mit 18 Reaktionen = 29,2 °/0. Wir können also annehmen, dass in unserer Gegend ungefähr 30°;0 der gewöhnlichen arbeitenden Bevölkerung an einer aktiven Tuber- kulose leiden. Wieder ein Beweis dafür, in wie vielen Fällen eine solche Tuberkulose ohne weiteren Einfluss auf den Körper bleibt. Es sei hier nebenher erwähnt, dass von den Patienten, die mit einer

5*

68 W. Stock

Dakryocystitis reagierten, zwei an einer typischen Tuberkulose des Tränensacks erkrankt waren, was durch anatomische Untersuchung einwandfrei festgestellt werden konnte [Axenfeld (3)].

Neben Patienten mit einer chronischen Uveitis haben wir auch andere Tuberkuloseverdächtige der Tuberkulinprobe unterworfen. Ich möchte hier nur kurz die Resultate dieser Untersuchungen nieder- legen, die ausfuhrlicher in einer Dissertation von Zimmermann zusammengestellt werden sollen.

Von 14 Patienten, die wegen einer Keratitis parenchymatosa in der Uni versitäts- Augenklinik behandelt worden sind, reagierten auf Tuberkulin 8 = 57,1 °/0. Wenn man diese Resultate mit den Ens- lin8chen(19) vergleicht: 19 Fälle 9 mal Reaktion = 47°/0, so sind die Prozentzahlen nicht so sehr verschieden. Es eignet sich dieser Versuch eine Diagnose zu stellen ganz besonders für Fälle, bei welchen eine hereditäre Lues nicht mit Sicherheit nachzuweisen ist

Bei Enslin(19) reagierten von 11 Fällen mit sicher hereditärer Lues 1, 3 mit Lues und Tuberkulose reagierten alle ebenso wie 5, bei welchen nur an Tuberkulose gedacht werden konnte.

Bei unsern 14 Fällen ist nur bei einem sicher eine hereditäre Lues nachzuweisen, hier war die Tuberkulinprobe negativ, ebenso bei zwei Fällen mit sehr wahrscheinlich hereditärer Lues, während ein Patient mit acquirierter Syphilis auf Tuberkulin positiv reagierte.

Bei den übrigen 10 Fällen sind folgende Anhaltspunkte vor- handen: Der Vater eines Patienten starb an Bluthusten: Tuberkulin- reaktion positiv; ein Kind hatte einige Zeit vor dem Ausbruch der Keratitis parenchymatosa eine Lungenentzündung, nachher längere Zeit geschwollene Knie: Tuberkulinreaktion positiv. Ein Patient hatte acht Jahre vor dem Ausbruch der Keratitis parenchymatosa abscedierende Drüsen am Halse, die nach der Anamnese wohl sicher als tuberkulös angesehen werden müssen: Tuberkulinreaktion negativ. Bei den übrigen 6 Fällen, von welchen 4 auf Tuberkulin positiv reagierten, ist kein Anhaltspunkt für irgend welche bestehende Er- krankung zu finden.

Es hat sich auch bei uns wieder gezeigt, dass Patienten mit sicherer oder wahrscheinlich syphilitischer Keratitis perenchymatosa auf Tuberkulin meist nicht reagieren (3 Fälle: 3 mal negativ), während Patienten mit Tuberkuloseverdacht in der Anamnese oder nachweisbarer Tuberkulose im Körper so gut wie immer reagieren (3 Patienten 2 mal positive Reaktion). (Dass der Patient mit den früher tuberkulösen Drüsen nicht reagierte, darf nicht verwundern.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 69

Es kommen immer wieder Fälle vor, ganz besonders welche mit schwerer Tuberkulose, die auf Tuberkulin nicht reagieren.)

Bemerkenswert bei dieser allerdings kleinen Statistik dürfte der Umstand sein, dass von den sechs Patienten, bei welchen keinerlei Anhaltspunkte für die Ätiologie der Erkrankung vorlagen, fünf auf Tuberkulin positiv reagierten. Wenn man auch daraus nicht schliessen darf, dass die Ätiologie in allen diesen fünf Fällen Tuberkulose ge- wesen wäre, so muss man sich doch an diese Tatsache halten und wenn eine Schmierkur nicht wirkt bei solchen geeigneten Fällen eine Tuberkulinkur anwenden.

Ausser diesen 14 Fällen von Keratitis parenchymatosa habe ich 23 Patienten mit typischem „skrofulösem" Habitus und entsprechen- den Augenerkrankungen Phlyktänen, Cornealinfiltraten usw. mit Tuberkulin injiziert Es würde hier zu weit führen, von all diesen Fällen die genauen Krankengeschichten zu geben. (Da ich die pro- batorische Injektion nur bei Patienten machen konnte, welche stationär aufgenommen waren, sind von den 23 Fällen 17 mit Cornealinfil- traten, 3 mit Pannus, 2 mit Phlyktänen und 1 mit Maculae.) Das Alter der Patienten schwankte zwischen P'4 Jahren und 33 Jahren. Nicht reagiert hat ein Kind von 3/4 Jahren auf ]/2mg, das wegen Phlyktänen aufgenommen war, 2 Patienten mit frischen Corneal- infiltraten mit 14 und 33 Jahren auf 1 mg und ein Patient mit Pan- nus scrophulosus von 25 Jahren auf lmg. Von diesen 23 Patienten reagierten also 20 = 87°/0.

Es geht daraus hervor, dass skrofulöse Kinder in der Mehr- zahl der Fälle eine aktive Tuberkulose im Körper beherbergen. Sehr merkwürdig war, dass bei einer Patientin das Auge lokal auf die Einspritzung von Tuberkulin reagierte. Es trat erhebliche ciliare Injektion mit Lichtscheu ein, die aber mit dem Abfall der Tempe- ratur wieder verschwand.

Aus diesem einen Falle jedoch zu schliessen, dass die Phlyktänen durch Tuberkelbacillen entstehen könnten, halte ich nicht für be- rechtigt, obgleich es immerhin möglich ist, dass eine sicher tuberku- löse Erkrankung unter dem Bilde von Phlyktänen verläuft.

Ich möchte hier einmal an meine experimentellen Resultate er- innern. Bei einem Tiere ist am Corneoskleralrande in der Conjunctiva klinisch ein helles Knötchen zu sehen gewesen, das ausserordentlich viel Ähnlichkeit mit einer Phlyktäne hatte; pathologisch -anatomisch war die Veränderung ein typisch verkäster Tuberkel. Dann hat Axenfeld auf dem internationalen Ophthalmologenkongress in lis-

70

W. Stock

sabon eine endogene Tuberkulose der Conjunctiva und des Tarsus bei einem 12jährigen Mädchen demonstriert Der Anfang dieser Erkrankung war klinisch Phlyktänen durchaus ähnlich.

Es wäre ja wohl zwecklos, alle Fälle von Skrofulöse mit Tu- berkulin zu behandeln, so lange man in andern therapeutischen Massnahmen sicheren und schnellen Erfolg hat Bei chronischen Fällen jedoch von skrofulösen Erkrankungen, bei welchen die Erkrankung sich sehr hartnäckig erweist, halte ich eine Tuberkulinprüfung (T.v.) für angezeigt, um später eine Tuber- kulinkur mit T. R. anzuschliessen.

Nachdem ich nun auf diese Weise, d. h. durch Injektion einmal von Patienten, die keine Symptome von Tuberkulose boten, und dann von andern, die erfahrungsgemäss jedenfalls häufig tuberkulöse Ver- änderungen im Körper haben, mir selbst einen Überblick darüber verschafft habe, inwieweit die Tuberkulinprüfung (T. v.) in der Klientel der Universitäts- Augenklinik Freiburg überhaupt verwertbar ist, kann ich damit die Resultate bei der chronischen Iridocyclitis vergleichen.

Ich möchte hier vorausschicken, dass die Fälle von Uveitis, bei welchen eine sichere Diagnose der Ätiologie gestellt werden konnte, sich in dieser Statistik nicht finden.

Es sind hier nur Fälle verwertet, bei welchen man klinisch eine Ätiologie überhaupt nicht eruieren konnte. Ich habe die Fälle ge- trennt in Iridocyclitis- und Chorioiditis-Patienten.

Es ist ja wohl prinzipiell kein Unterschied in der Erkrankung dieser zwei Teile der Uvea; denn bei einer chronischen Iridocyclitis findet man bei genauer Untersuchung fast immer einzelne Herde in der Peripherie der Chorioidea. Doch gibt es einige Fälle von Cho- rioiditis disseminata, bei welchen die Erkrankung nicht auf die Iris und den Ciliarkörper fortschreitet, also ein ganz umschriebenes Er- griffensein der Chorioidea allein; diese Fälle sind besonders geführt

Es sind in den letzten drei Jahren in der Universitäts- Augenklinik 59 Fälle von Iritis chronica oder Iridocyclitis oder Iridochorioiditis der Tuberkulinprobe unterworfen worden, davon haben eine typische Allgemeinreaktion gezeigt 36 = 61%. Von 17 Patienten mit Cho- rioiditis disseminata haben reagiert 9 = 52,3 °/0.

Es ist meines Erachtens vollständig zwecklos, alle die Kranken- geschichten dieser Patienten hier zu veröffentlichen ; nur einige wenige füge ich hier an, die ich ohne besonderen Zweck, wie es sich gerade gab, zusammengestellt habe. Es wäre möglich, diese Zahl noch ausserordentlich zu vermehren, aber wie gesagt zwecklos, denn die

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 7 1

Anamnese, der objektive Befund unterscheidet sich immer wieder so wenig, dass der Leser nur vor Wiederholungen gestellt wäre.

H., J. 32 Jahre. Mann. Cyclitis.

Erkrankung seit llj2 Monaten.

L. Auge normal. R. zahlreiche Präcipitate. In der Iris keine Knöt- chen, Synechien. Glaskörpertrübungen.

Tuberkulin: Allgemeinreaktion f, lokal 0.

M., B. 45 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Erkrankung seit 3 Monaten.

Links: wenige Präcipitate. Sehr viele hintere Synechien. In der Iris keine Gefässe, keine Knötchen zu sehen. Massenhafte Glaskörpertrübungen. Rechts: Präcipitate auf der Hornhaut, Glaskörpertrübungen. In der Iris keine Knötchen. Die rechte Lungenspitze etwas suspekt

Tuberkulinreaktion allgemein sehr stark, lokal negativ.

A~, J. 55 Jahre. Frau. Iritis.

Vor 15 Jahren schwere Influenza, seither Entzündung des linkes Auges. Seit einigen Monaten auch Entzündung des rechten Auges. Patientin leidet an Rheumatismus.

Rechts keine Präcipitate; keine Knötchen in der Iris. Glaskörper klar. Massenhafte hintere Synechien. links keine Präcipitate. Cirkuläre hintere Synechie.

Tuberkulin: Allgemeinreaktion. Lokal keine Reaktion.

Pf., K. 27 Jahre. Frau. Cyclitis.

Seit einigen Wochen Sehverschlechterung.

Links: Ein Präcipitat, keine hinteren Synechien, sehr ausgedehnte Glas- körpertrübungen. Rechts: Nur Glaskörpertrübungen.

Tuberkulin: Allgemeinreaktion. Lokal keine Reaktion.

H., L. 29 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Seit 6 Wochen Nebelsehen.

Rechts: Nach unten hintere Synechien. Glaskörpertrübungen. Links: Keine hinteren Synechien. Glaskörpertrübungen.

Tuberkulin: Allgemeinreaktion. Lokal keine Reaktion.

S., T. 59 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Seit einem Jahr schlechtes Sehen rechts.

Rechts: Auf der Cornealhinterfläche viele feinste Präcipitate. Ebenso einzelne auf der Vorderfläche der linse. Am Boden der Vorderkammer zwei grössere weisse Flocken. Vollständige hintere Synechie. In der Iris keine Knötchen. Links: Keine Präcipitate, keine Glaskörpertrübungen. Massenhafte hintere Synechien.

Tuberkulin: Allgemeinreaktion. Lokal keine Reaktion.

H., A. 37 Jahre. Mann. Iridocyclitis.

Seit einem Jahr Abnahme des Sehvermögens. Zufälliger Befund bei Entfernung eines Hornhautfremdkörpers.

Rechts: Massenhafte staubförmige Glaskörpertrübungen. Links: Eine hintere Synechie. Massenhafte Glaskörpertrübungen.

Tuberkulin: Sehr starke Allgemeinreaktion. Lokal keine Reaktion.

* 72 W. Stock

1 G., A. 21 Jahre. Frau. Cyclitis.

g Seit 14 Tagen Schmerzen im linken Auge. Früher einmal Bippenfell-

entzündung.

Links: Zahlreiche Präcipitate auf der Hornhautfläche. Iris normal 1 Pupille erweitert sich maximal. Glaskörper klar.

Tuberkulin: Allgemeinreaktion.

1 E., E. 25 Jahre. Mann. Uveitis.

' Schon seit Jahren wegen chronischer Uveitis in Behandlung.

J Rechts: Von unten her parenchymatöse Hornhauttrübung. Fast cirku-

läre Synechie. Colobom nach oben. In der Iris keine Knötchen. In der

j Chorioidea alte chorioretinitische Herde. Links: Cornea von unten her paren-

^ chymatös getrübt. 2 hintere Synechien. In der Iris keine Knötchen. Glas-

i körpertrübungen. Chorioiditis disseminata, alte Herde. I Tuberkulin: Allgemeinreaktion. Lokal nichts.

A., K. 32 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Seit 2 Monaten Entzündung links.

Links: Ciliare Injektion. Massenhafte feine Präcipitate auf der Corneal- hinterfläche. Dazwischen 3 grosse Präcipitate. Eine breite hintere Synechie j nach unten. Im Glaskörper feinste Trübungen.

j Tuberkulin: Allgemeinreaktion.

^ L, R. 24 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Vor 6 Wochen plötzlich Sehverschlechterung links. Anfangs Behand- lung mit Quecksilbereinreibungen.

Links: Starke Ciliarinjektion. Parenchymatöse Hornhauttrübung. Auf der Iris 2 grosse Exsudatklumpen. Massenhafte Glaskörpertrübungen. Keine hinteren Synechien.

Mit dem Spiegel sieht man in der Peripherie des Augenhintergrunds chorioiditische Herde. Später sieht man Präcipitate auf der Hornhaut- hinterfläche.

Tuberkulin: Allgemeinreaktion. Lokal .

G., M. 26. Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Mit 4 Jahren angeblich leichte Meningitis. Seither Kopfschmerzen. Seitdem HJ 20. Lebensjahre bleichstichtig. Seit */, Jahr Flimmern vor den Augen und

i Abnahme der Sehkraft.

1 Rechts: Im Glaskörper einige Trübungen: Staub. 6jCt. links: Eine

1

hintere Synechie, starke Glaskörpertrübungen.

6.

125«

Tuberkulin: Negativ, j B., R. 43 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

i Schon vor 8 Jahren Iritis links. Jetzt seit einem halben Jahre wie-

der Sehverschlechterung.

-I Links: Auf der Hinterfläche der Cornea massenhafte klumpige Präci-

r pitate. Hintere Synechien. Einzelne Stellen der Iris sind knötchenartig

verdickt. Im Glaskörper dicke flottierende Trübungen.

Tuberkulin: Negativ. *> M., W. Mann. Iridochorioiditis.

'1 Seit 14 Tagen Sehverschlechterung links.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 73

Rechts: In der Peripherie ausgeheilte chorioiditische Herde. Links: Prä- cipitate auf der Hornhauthinterfläche. Iris ganz normal. Papille erweitert sich maximal. Glaskörpertrübungen. In der Peripherie des Augenhinter- grondes frische und alte chorioiditische Herde.

Tuberkulin: Negativ.

G., M. 18 Jahre. Frau. Cy cutis.

Patientin kommt in die Sprechstunde, weil seit einem Tag die Augen schmerzen. R. 7/t, L. 7/7.

Rechts und links: Leichte Ciliarinjektion. Auf der Hinterfläche der Cornea Präcipitate. Die Pupille erweitert sich auf Skopolamin maximal. Der Glaskörper ist klar.

Tuberkulin (2 mal) negativ.

Später werden die Präcipitate zahlreicher, der Glaskörper trübt sich, es tritt eine Neuritis optici auf. Das Sehvermögen geht auf R. 7/50, L. 7/7 bis 7/6 herunter. Die Iris nie erkrankt.

Nach einer sehr energischen Inunktionskur ganz langsame Besserung und Heilung.

H., A. 55 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Vater an Phthise gestorben.

Vor einem Jahre schwere Allgemeinerkrankung, Gewichtsabnahme 20 Pfd. Im Anschluss daran Augenentzündung.

Rechts und links: Präcipitate auf der Hornhauthinterfläche. Einzelne hintere Synechien. Glaskörpertrübungen.

Tuberkulin: Negativ.

T., R. 53^2 Jahr. Frau. Iridocyclitis.

Als 16 jähriges Mädchen wegen Drüsen am Hals operiert. Seit einem Jahr Entzündung des rechten Auges.

Rechts: Präcipitate auf der Hornhauthinterfläche, eine hintere Synechie, Glaskörper klar.

Tuberkulin: Negativ.

St., G. 34 Jahre. Mann. Iridocyclitis.

Seit 2 Jahren Entzündung des rechten Auges. Seit 2 Monaten Ent- zündung links.

RechtB: Keine Präcipitate. Einzelne hintere Synechien. Glaskörper- trübungen. Links: Präcipitate, fast cirkuläre Synechie. Glaskörpertrübungen.

Tuberkulin: Negativ.

J., J. 63 Jahre. Mann. Iridocyclitis.

Seit 14 Tagen Schmerzen im linken Auge.

Links: Massenhafte Präcipitate. Fast cirkuläre Synechie. Iris erheblich verdickt, die Getässe injiziert.

Auf Tuberkulin keine Reaktion.

R., E. 31 Jahre. Frau. Iridocyclitis.

Seit 8 Tagen Sehverschlechterung links.

Links: Einzelne Präcipitate. Pupille weit auf Skopolamin, Iris normal. Glaskörpertrübungen .

Nach 8 Tagen in der Klinik treten auch rechts Präcipitate auf.

Tuberkulin: Negativ.

74 W. Stock

G., L. 21 Jahre. Frau. Cyclitis.

Vor 6 Jahren Gelenkrheumatismus. Seit 8 Wochen Entzündung des linken Auges.

Links: Präcipitate. Iris leich geschwellt. Pupille wird maximal weit auf Mydriatica. Grosse Glaskörpertrübungen.

Tuberkulin: Negativ.

F., F. Frau. Iridocyclitis.

Vor 2 Jahren Rheumatismus an Bein und Arm. Seit ungefähr 14 Tagen schlechteres Sehen.

Rechts und links: Massenhafte grosse Präcipitate. Rechte Iris stark geschwollen. Massenhafte hintere Synechien. Links cirkuläre Synechie. Ein Knötchen in der Iris.

Auf Tuberkulin (2 Injektionen) keine Reaktion.

Es haben also von unsern 76 Patienten mit chronischer Uveitis, bei welchen ein Anhaltspunkt für die Ätiologie nicht vorlag, 45 auf Tuberkulin T. v. allgemein reagiert. Es ist das also = 59,2 °/0.

Wenn wir damit die Statistik Reuchlins vergleichen, so können wir nur rechnen die 27, bei welchen die Reaktion bei allen positiv war = 100%. Diese enorme Zahl der Reaktionen liegt nach meiner Ansicht daran, dass in der Hauptsache Fälle injiziert wurden, bei welchen die Diagnose Tuberkulose schon aus dem klinischen Bilde gestellt werden konnte (12 solche sichere Fälle).

Eine weitere Statistik von Brückner (13) aus der Universitäts- Augenklinik Würzburg lässt sich auch mit der unsrigen vergleichen: dort wurden 26 Fälle diagnostisch injiziert. Es ist bei allen diesen Fällen zu der ätiologischen Rubrik der Diagnose, soweit sie über- haupt gestellt ist, ein Fragezeichen gesetzt; das Material ist also dem unsern ähnlich; dort reagierten von 26 Fällen 13 allgemein, also 50°/0. Die Zahlen gehen also erheblich auseinander; ob das an dem verschiedenen Material liegt, ob an der verschiedenen Technik der Injektionen, ist nicht zu sagen. Es ist zu hoffen, dass man bei genauem Befolgen der Kochschen Vorschriften und, wenn man nur Patienten mit unsicherer Ätiologie injiziert, zu sicheren Zahlen kommt

Von unsern 76 Fällen mit 45 positiven Reaktionen haben eine lokale Veränderung am Auge, also eine sogenannte lokale Reaktion, zur Zeit des Fieberanstiegs gezeigt 7 Fälle: 4 Iridocyclitis, 3 Cho- rioiditis disseminata.

Vergleichen wir diesen Prozentsatz der lokalen Reaktion mit den Fällen von Reuchlin(59): 27 Allgemeinreaktionen, darunter 5 Lokal- reaktionen, und Brückner (13): 13 Allgemeinreaktionen, 3 Lokal- reaktionen, so ist hier der Prozentsatz der lokalen Reaktion beinahe

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 75

derselbe (15,5°/0 und 23°/0 gegen 18,5°/0). Eine Veränderung nach der Injektion, wie sie Michel (50) beschreibt, dass nach einigen Stun- den zahlreiche Knötchen in der Iris und Sklera sichtbar geworden wären, habe ich nicht beobachten können. Nur bei einem Falle sind die Präcipitate zahlreicher geworden, wie auch Haab beobachtet hat, bei dem andern hoben sich die Stiche der früheren subconjuoctivalen Kochsalzinjektionen als rote Punkte ab.

Aus der lokalen Reaktion ist nach meiner Ansicht der Schluss erlaubt, dass im Auge sicher ein tuberkulöser und zwar ein aktiv tuberkulöser Prozess spielt Es ist in diesen Fällen eine spezifisch antituberkulöse Kur Tuberkulin (T.R.) indiziert, obgleich auch durch andere therapeutische Massnahmen eine sehr gute Beeinflussung des Krankheitsprozesses möglich ist (Therapie vgl. später).

Lokalreaktion auf Tuberkulin T. v.

Nur ganz kurz möchte ich hier noch zusammenfassen, wenn wir „Lokalreaktion" diagnostizieren. Wenn an dem Auge plötzlich während des Temperaturanstiegs neue Präcipitate (Haab) sich ein- stellen, oder neue Knötchen aufschliessen (Michel), so ist das eine ganz sichere Lokalreaktion. Wenn ein Bulbus vorher äusserlich ab- solut reizlos war und während des Fieberanstiegs eine ciliare Injek- tion eintritt, so kann auch kein Zweifel darüber sein, dass es sich um eine Lokalreaktion handelt Wir haben auch gesehen, dass an Augen (vgl. später Skleritis), die den Eindruck machten, als wäre der Prozess vollständig ausgeheilt, umschriebene Partien sich röteten, da, wo früher ein skleritischer Herd gewesen war.

Nun ist es aber denkbar, dass bei einem schon vorher stark ge- röteten Auge, während des Fieberanstiegs, die Lichtscheu und die subjektiven Beschwerden zunehmen; in diesem Falle möchte ich nicht so ohne weiteres die Diagnose Lokalreaktion stellen, weil m. E. bei irgend welchem Fieberanstieg schon vorher entzündete Partien, mag nun die Entzündung eine Ursache haben, welche sie will, sich stär- ker röten können. Also in solchen Fällen ist die Lokalreaktion etwas vorsichtig aufzunehmen, und nur sehr erhebliche Veränderungen sind zu verwerten.

Wenn man die Tuberkulinprobe oft gemacht hat, sieht man eine leichte Ciliarinjektion oder leichte lokale Rö- tungen an vorher reizlosen Augen sicher öfters, weil man gelernt hat, darauf zu achten.

Was sollen wir aber aus der Allgemeinreaktion ohne lokale

76 W. Stock

Eeaktion schliessen? Ich möchte mich im Prinzip der Ansicht Reuch- lins anschliesseD, der sagt: „Wenn ein Patient, der auf eine tuber- kulöse Ätiologie seiner Augenerkrankung suspekt ist, in der typischen Weise auf geringe Mengen von Alttuberkulin (1 3 5 mg) reagiert, das Vorhandensein einer ,aktiven Tuberkulose4 erwiesen ist, so dass wir die Erkrankung des Auges (speziell eine Skleritis, Chorioiditis, Iritis) in inneren Zusammenhang mit derselben zwanglos bringen können, auch dann, wenn Anhaltspunkte für anderweitige Tuberkulose nicht erbracht sind." Es ist aber meines Erachtens dieser Satz dahin zu modifizieren, dass bei der Prüfung mit Alttuberkulin genau die Vorschrift Kochs (vgl. vorne) eingehalten werden sollte, der bis zu 10 mg Tuberkulin geht. Anderseits sind nur solche Fälle von Irido- cyclitis chronica, bei welchen die Ätiologie nicht durch andere An- haltspunkte festzustellen ist, zu injizieren. Wenn dann von diesen Fällen ein gewisser Prozentsatz auf Tuberkulin allgemein reagiert, so hat man das Recht, bei diesen Patienten die Augenerkrankung mit der durch die Tuberkulininjektion als „aktiv" nachgewiesenen Tuberkulose im übrigen Körper in Zusammenhang zu bringen. Dar- aus ergibt sich dann von selbst, dass solche Fälle spezifisch anti- tuberkulös behandelt werden müssen.

Warum man nicht aus dem Vorhandensein einer Allgemein- reaktion und damit dem Beweis einer „aktiven Tuberkulose" auch Schlüsse auf die Ätiologie eines bestehenden Augenleidens stellen soll, ist nicht einzusehen. Wir sind ja sofort bei der Hand, eine ,,Iritis rheumatica", „gonorrhoica" usw. zu diagnostizieren, wenn eine dieser Erkrankungen vorliegt, und doch haben wir keinen andern Anhaltspunkt für die Diagnose als den, dass wir wissen, dass die betreffende Erkrankung im Körper „aktiv" vorhanden ist Wir können uns eben schwer dazu entschliessen, anzunehmen, dass, wie bei diesen erwähnten Krankheiten, zweifellos Mikroorganismen, wenigstens zeit- weise, im Blute vorhanden sein müssen, auch Tuberkelbacillen, ohne dem Körper schweren Schaden zu tun, im Blute cirkulieren können.

Es sei mir gestattet, im Anschluss an unsere Erfahrungen hier die Notizen in der Literatur zusammenzustellen, die ich über „dia- gnostische" Tuberkulininjektionen in der ophthalmologischen Literatur gefunden habe.

v. Michel ^50^: Nach Tuberkulininjektion trat an einem Auge mit Knötcheniritis Lokalreaktion ein und zwar in der Art, dass wenige Stunden nach der Injektion in der Iris zahlreiche neue Knötchen auftraten.

Haabx29^: Zwei Fälle mit Knötcheniritis. Nach einer Tuberkulin- injektion tritt neben einer Allgemeinreaktion stärkere Füllung der Gefässe

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 77

um die Knötchen ein, und bei einem Patienten mit Chorioiditis disseminata entsteht sogar ein Bindehautödem neben Giliarinjektion und Allgemeinreaktion. Pflüger (57) hat „öfters" neben Allgemein- auch Lokalreaktion gesehen. Bongarts(12): Bei einem Falle von Iridocyclitis, bei welchem anato- misch ^tuberkulöse" Knötchen (Bacillen sind nicht nachgewiesen) festgestellt worden sind, trat bei drei Injektionen von Tuberkulin, je 1mg, keine Reaktion ein.

Königshöfer und Maschke (42) haben in zehn Tagen bei einer knötchenförmigen Iritis die Knötchen unter Einspritzungen von ljt 1 mg Tuberkulin T. v. verschwinden sehen.

Wagner (82) berichtet über Heilerfolge von Knötcheniritis durch In- jektion von Tuberkulin T. v. Injektionsdosis 7 100 mg.

Die Falle von Hess finden sich genauer citiert in der Arbeit von Brück- ner (13). Über die Resultate Reuchlins (59) ist oben genauer berichtet. In neuester Zeit haben Gamble und Brown (24) einen 25jährigen Mann mit einer Knötcheniritis, die sich auf Quecksilber- und Jodbehandlung nicht besserte, mit Tuberkulin T.R Ofew ll$0mg) geheilt Während der Kur reagierte der Patient auf 4 und 5 mg Alttuberkulin allgemein.

Jessop(40) hält das Alttuberkulin für nicht empfehlenswert, sondern glaubt, dass es oftmals schwere Schädigungen hervorruft.

Hern (34) hat „viele" Fälle von Iritis mit Neutuberkulin nach Kochs Vorschrift behandelt und in 85°/0 Allgemein-, in 50% Lokalreaktion gesehen. Da die Fälle, bei welchen eine lokale Reaktion am Auge ein- trat, doch von ganz besonderem Interesse Bind, füge ich die Kranken- geschichten hier an.

1905. 122. W. 50. Iridocyclitis.

Seit l\2 Jahr ist das Sehen beiderseits schiechter geworden. Patientin war nie krank.

Status praesens: links auf der Hinterfläche der Cornea massenhaft Präcipitate, sehr viele hintere Synechien. Ausgedehnte Glaskörpertrübungen. S. = Finger 1ji m. R. viele hintere Synechien. S. ß/6.

Es wird beiderseits die Iridektomie ausgeführt und, nachdem die Wunde geheilt ist, eine Tuberkulininjektion gemacht. Während des Temperatur- anstiegs auf 38,5 tritt links eine starke pericorneale Injektion ein, die mit dem Temperaturabfall wieder verschwindet.

Anfangs wird die Patientin mit 4 g Ungt Hydrarg. einer, eingerieben. Später Injektionen von Tuberkulin T. R., von 1/500 mg steigend auf 2/50 mg. Nie Fieber.

Sie wird entlassen L. mit + 2,0 S. 5|7.

Ob die Besserung durch das Tuberkulin erzielt ist, lässt sich in diesem Falle nicht sicher sagen, da die Kur zu kurz war, und ausserdem durch die Iridektomie die Präcipitate weggeschwemmt worden sind. 1905. 276. 19. W. Hofmeier. Iridocyclitis. 1902. Anamnese: Patientin war früher ganz gesund. Die Mutter ist an Lungenkatarrh gestorben. Seit ungefähr vier Wochen schlechtes Sehen links und rechts.

Status: Rechts 6/60, links mit + 6,0 S. Finger 2 m.

78 W. Stock

Rechts: Beinahe cirkuläre Synechie. Die Iriszeichnung ist verwischt Links derselbe Befund. Aal' eine Innnktionskar mit Ungt Hydrarg. einer, p. die 4 g rechts 7/20, links 7/35.

Nach 14 Tagen wird doppelseitig Iridektomie gemacht Es gelingt mir, ganz kleine Colobome auszuschneiden. Nach der Iridektomie wird die Inunktionskur noch zwei Monate fortgesetzt und dann die Patientin mit R. 1/80, L. 0/15 entlassen.

Nach 1j2 Jahr Neuaufnahme. R. Finger l1/«™, L. Finger Im. In der Iris sind beiderseits Knötchen zu sehen (vgl. Heidelberger Bericht, 1903\ Auf der Hinterfläche der Cornea Präcipitate.

Auf Tuberkulin, 5 mg, Allgemein- und Lokalreaktion. Lokal: erheb- liche ciliare Injektion, die Präcipitate werden zahlreicher. Die Inunktionskur wird fortgesetzt. Nachdem 100 g Ungt. Hydrarg. einer, ver- braucht sind, ist das Sehvermögen R. auf Fingererkennen in 2L/2, L auf Fingererkennen in 21|4m gestiegen. Die Patientin wird entlassen.

Nach einem Jahre Neuaufnahme. Beiderseits erhebliche Präcipitate auf der Hinterfläche der Cornea. Da der Druck rechts steigt, wird eine zweite Iridektomie gemacht. Nach der Iridektomie entsteht eine Blutung in die Vorderkammer, das Blut resorbiert sich sehr langsam, und später tritt eine Phthisis bulbi ein.

Nach zwei Jahren ist das Sehvermögen trotz dauernden Gebrauches von Jodkali und Skopolamin auf Fingererkennen in 1 m heruntergegangen. Dieses Sehvermögen hat sich seit einem Jahre nicht geändert

Nach einer Tuberkulinkur bis zu 2/5 mg Tuberkulin T. R. ist das Seh- vermögen auf Fingererkennen in 3 m Entfernung in die Höhe gegangen und hat sich seit einem Jahre in dieser Höhe gehalten. Rezidive sind seither nicht mehr eingetreten.

1906. 248. W. 29. Iridocyclitis.

Anamnese: Erste Aufnahme 1901. Patientin hat am Halse geschwol- lene Drüsen und Narben. Seit vier Wochen schlechtes Sehen L.

R. %, L. 6/<;0. Auf Aspirin, Skopolamin, Bettruhe heilt die danach vorhandene Iritis serosa aus. Entlassen mit R. 6/ß, L. 6/,,.

1905 zweite Aufnahme. Langsame Verschlechterung des Sehens anf dem rechten Auge: L. %, R. 5/20. Präcipitate auf der hinteren Hornhaut- fläche, eine hintere Synechie, sehr intensive Glaskörpertrübungen. Ord.: Inunktionskur und Jodkali.

Nach fünf Wochen (152 g Ungt. Hydrarg. einer., 20 Kochsairinjektionen) ohne wesentliche Besserung entlassen.

1906 dritte Aufnahme. Langsame Verschlimmerung trotz fortgesetzten Gebrauches von Jodnatrium und Skopolamin.

R. :>j15, L. Fingererkennen auf 5 m.

Beiderseits ausgedehnte Präcipitate und massenhaft Glaskörpertrübungen. Auf Tuberkulin, 1mg, nur leichte subjektive Beschwerden, bei 5 g Allgemein- reaktion und lokal etwas Vermehrung der Präcipitate.

Tuberkulinkur mit Tuberkulin T. R., höchste Dosis 6,500 mg. Nach 2 V2 monatlicher Behandlung wird die Patientin entlassen. R. °;9, L. 5/9.

Beiderseits sind noch einige Präcipitate vorhanden.

Nach lL2 Jahr bei ambulanter Untersuchung R. :,.,;, L. 5/f].

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 79

Die Patientin gibt an, sie hätte sich schon lange, auch körperlich, nicht so gut gefohlt wie jetzt Es sind nur noch ganz wenige Glaskörper- trübungen zu sehen.

1904. 313. M. 20. Iridocyciitis.

Patient hat vor sechs Jahren Gelenkrheumatismus gehabt. Seit dieser Zeit herzleidend. Seit fünf Tagen ist das linke Auge entzündet.

Status: R. 6/5; das Auge ist normal. L. "/25. Sehr starke conjuncti- vae und ciliare Injektion. Die Hinterfläche der Cornea ist bedeckt mit massenhaften Präcipitaten. Die Iris ist diffus geschwollen, so dass sich die Pupille auf Atropin kaum erweitert.

Nach einer Tuberkulininjektion klagt der Patient über stärkere Schmerzen und Lichtscheu am linken Auge. Die Ciliarinjektion ist stärker. Mit dem Abfall des Fiebers verschwinden auch diese Symptome wieder.

Nach Skopolamin- und Salicylbehandlung wird der Patient fünf Wochen später gebessert entlassen. Es sind nur noch ganz wenige Präcipitate auf der Hinterfläche der Cornea vorhanden.

1906. 382. W. 18. Chorioiditis disseminata.

Anamnese: Seit acht Tagen Sehverschlechterung R., seit drei Tragen L. In der Anamnese nichts typisch.

Status: R. ö/18, L. 4/3<;. Beiderseits frische chorioiditische Herde in der Maculagegend, ältere Herde über den ganzen Augengrund zerstreut.

Auf Inunktionskur R. und L. 6/ö.

Tuberkulöse Allgemeinreaktion positiv.

Lokal leichte Ciliarinjektion.

1906. 108. M. 22. Chorioiditis disseminata.

Anamnese : Patient ist schon längere Zeit wegen Chorioiditis disseminata mit subconjunctivalen Kochsalzinjektionen behandelt.

Jetzt ist, nachdem das linke Auge schon früher schlecht geworden war, auch die Sehschärfe rechts herabgegangen.

Ein Bruder ist an Tuberkulose gestorben.

Status: R. %, L. %.

Rechts frische chorioiditische Herde in der Maculagegend, daneben auch alte Herde. Links alte ausgeheilte chorioiditische Herde in der Macula. Unter Aspirin, Bettruhe geht das Sehvermögen rechts auf Fingererkennen in 5 m herunter.

Tuberkulinreaktion auf 0,001 g stark positiv. Lokal sieht man wäh- rend des Fieberanstiegs erhebliche ciliare Injektion, alle die alten Einstichstellen (subconjunctivaleKochsalzinjektionen) heben sich als rote Stellen ab. Mit dem Heruntergehen des Fiebers verschwindet auch die Injektion wieder.

Nach einer Tuberkulinkur mit Tuberkulin T. R. hebt sich das Seh- vermögen R. auf 7/50, L. auf 7/7.

Das Allgemeinbefinden ist gut. Die chorioiditischen Herde sind ausgeheilt.

1906. 383. W. 24. Chorioiditis disseminata. Anamnese: Der Vater ist an Lungenschwindsucht gestorben. Sie selbst hat bemerkt, dass ihr Sehvermögen seit ungefähr 1/2 Jahr schlechter wird.

80 W. Stock

Staias: R. 5j24, L. Fingererkennen in 2 m.

Beiderseits das typische Bild der Chorioiditis disseminata. Die Herde liegen besonders in der Gegend der Macula.

Tnberknlinreaktion auf 5 mg allgemein sehr stark, lokal leichte Ciliarinjektion.

Nach einer Tuberkulinkur (T. R.) ist nach vier Wochen (26 Injektionen; das Sehvermögen R. auf 5|13, L. auf Fingererkennen in 4 m gestiegen. Das Allgemeinbefinden ist sehr gut

1906. 38. M. 16 Jahre. Iridocyclitis.

Seit einem Jahre Abnahme des Sehvermögens rechts. Vor 1/'s Jahr hat er einmal starke Schmerzen gehabt, die auf eine vom Arzt verordnete Salbe etwas besser wurden; das Sehvermögen wurde durch diese Salbe nicht besser.

Bei der Aufrahme war das Sehvermögen L. c/ß, R. Fingererkennen in 1 m.

Rechts: Das Auge ist äusserlich reizlos. Die Pupille ist rund, auf der vorderen Linsenkapsel sind einzelne Pigraentreste.

Nach Atropinisierung sieht man, dass die Iris flächenhaft mit der vorderen Linsenkapsel verklebt ist. Der ganze Glaskörper ist so diffus getrübt, dass man aus dem Augenhintergrund keinen roten Reflex bekommt Auf 1 mg Alttuberkulin Temperatur von 39,8, beiderseits lokale Reaktion: sehr erhebliche Lichtscheu und Ciliarinjektion. Die Untersuchung der Lungen ergibt R.v. einzelne Rasselgeräusche.

Nachdem auch das linke Auge lokal reagiert hat, wird die Pupille durch Skopolamin erweitert und die Hornhaut mit der binokularen Lupe abgesucht; es finden sich einzelne feinste Präcipitate.

Nach einer Tuberkulinkur (T. R), vier Monate, hebt sich das Seh- vermögen R. auf v7. L. bleiben '%. Im Augenhintergrund R. sind keine Veränderungen zu sehen.

Nachdem der Patient 1/2 Jahr nicht mehr in Behandlung war, kommt er wieder mit der Angabe, es Bei R. wieder etwas schlechter geworden. R. 6/24 f;/18. Der Befund an der Iris ist auf der Tafel gegeben.- Man sieht die Knötchen im kleinen Kreis und ausserdem auch ein feines Knötchen am Pupillarrand. Erneute Tuberkulinkur. S. heute 6/10.

e. Das „Knötchen" in der chronisch entzündeten Iris.

Wie sollen wir uns den Angaben gegenüber verhalten, dass „das Knötchen" in der Iris, ganz besonders das Knötchen im Liga- mentum pectinatum, für Tuberkulose spreche. Angaben über diesen Punkt in der Literatur:

Michel (loc. cit.) hält das Knötchen für Tuberkulose für charak- teristisch, allerdings können auch tuberkulöse Iritiden ohne sichtbare Knötchenbildung verlaufen.

Homer (39) hält die Knötchen für Lymphome, während H aab (28) und Hänsell (31) sie für richtige Tuberkel erklären.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 81

Vossius (81) tritt auf Grund von sechs genau beobachteten Fällen dafür ein, dass bei fünf mit Knötchen auf der Iris sicher keine Tuberkulose die Ursache gewesen sei, beim sechsten könnte diese Ätiologie zwar in Betracht kommen, aber sei auch keineswegs sicher. Und zwar lehnt er diese Ätiologie deshalb ganz besonders ab, weil er sich nicht denken kann, dass eine tuberkulöse Infektion in 14 Tagen bis 4 Wochen wieder abheilen kann.

Leber (44) fuhrt für diese Erkrankung, weil sie relativ gutartig verläuft, und weil er in einzelnen Fällen Tuberkulose sicher nach- gewiesen hat, den Begriff der abgeschwächten Tuberkulose ein, und Samelsohn(61) hält auch ähnliche Fälle für tuberkulös.

Schmidt-Rimpler(66) ist gegen die Verallgemeinerung der Diagnose: Tuberkulose bei Knötcheniritis, da strikte Beweise nicht vorliegen.

Fuchs (23) führt die Iritis tuberculosa nur unter den Ge- schwülsten der Iris, er schreibt, das charakteristische Merkmal sind eben die kleinen grauen Knötchen.

Axenfeld (5) hat an der Hand der Literatur seinen Stand- punkt dahin präcisiert, dass er sagt, für die knötchenbildende gut- artige Iritis ist noch weiteres Beweismaterial nötig, bevor wir sagen dürfen, dass sie in den Fällen, wo eine andere Ätiologie nicht nach- weisbar ist, als tuberkulöse aufzufassen sei. Damit ist gesagt, dass andere Erkrankungen ähnliche Bilder hervorrufen können (ganz be- sonders Syphilis und sympathische Ophthalmie).

Es ist mir experimentell gelungen, durch Injektion von Pyo- cyaneus ß ins Blut beim Kaninchen eine sowohl makroskopisch als mikroskopisch unter dem Bilde der Knötcheniritis verlaufende Ent- zündung zu erzeugen. Allerdings war der Verlauf ein akuter. Ich habe bei diesen Versuchen auch einzelne umschriebene chorioiditische Herde, die ausheilten, durch dieselbe Infektion bekommen. Beim Menschen haben Axenfeld und Goh auch Herde in der Chorioidea pathologisch-anatomisch untersucht, die durch Pneumocokkenmetastasen entstanden waren, zwei Befunde, die beweisen, dass eine Chorioiditis disseminata durch Eitererreger entstehen kann.

Auf der andern Seite habe ich eine Knötcheniritis durch Tuber- kulose experimentell erzeugt, ebenso chorioiditische Herde; einen chorioiditischen Herd, durch Tuberkulose hervorgerufen , beschreibt beim Menschen Schulz-Zehden (68).

Also Knötchen, einerseits durch Eitererreger, anderseits durch Tuberkulose erzeugt, chorioiditische Herde auf tuberkulöser; Grund -

t. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 1. 6

82 W. Stock

läge, klinisch dieselben Herde durch Pneumocokken und Pyocyaneus ß Metastasen entstanden. Ich glaube, es ist daraus der Schluss ge- stattet, dass das klinische Bild allein uns nicht erlaubt, für die Ätio- logie zu weitgehende Schlüsse zu ziehen.

Das Knötchen in der Iris findet man bei genauer Untersuchung ebenso wie chorioiditische Herde bei Entzündungen, deren Ätiologie sicher nicht Tuberkulose ist Ich möchte hier noch anftigen, dass bei meinen experimentell erzeugten tuberkulösen Knötcheniritiden eine Heilung manchmal in ganz kurzer Zeit, z. B. nach 2 5 Wochen eingetreten ist; damit sind die Einwände von Vossius, dass gerade die rasche Heilung gegen Tuberkulose spreche, hinfällig geworden. Aber, wie gesagt, ich halte das Knötchen an und für sich, so wie es bis jetzt beschrieben wird, nicht für charakteristisch (für Tuber- kulose).

Die Untersuchungen der Tiere habe ich immer mit der Zeiss- schen binokularen Lupe vorgenommen, weil ich gefunden habe, dass man in diesem binokularen also stereoskopischen Bild kleine Ver- dickungen der Iris schon dann sieht, wenn es noch unmöglich ist, irgend welche Veränderungen mit gewöhnlichen Hilfsmitteln (seit- liche Beleuchtung, Lupe) zu erkennen.

Hier war mir aufgefallen, dass in sehr vielen Fällen die tuber- kulösen Eruptionen selbst kaum sichtbar waren, dass aber oft am Pupillarrand zuerst eine grauliche kleine umschriebene Fibrinauf- lagerung entstand, die dann später sich noch etwas verdickte. An dieser Stelle bildete sich dann manchmal eine hintere Synechie. Bei der anatomischen Untersuchung liess sich dann feststellen, dass gerade an dieser Stelle ein kleiner Tuberkel sich etabliert hatte. Nachdem ich mir also klar geworden war, dass das experimentelle Arbeiten, ganz besonders das Feststellen solcher kleiner Tuberkel ohne die binokulare Lupe gar nicht möglich war, habe ich auch alle Fälle menschlicher chronischer Iritis immer wieder mit der binokularen Lupe untersucht. Und da konnte ich feststellen, dass auch hier am Pupillarrand, überhaupt im kleinen Iriskreis, sich solche kleine speckig aussehenden Knötchen bildeten. Häufig waren solche Knötchen gerade in einer Synechie gelegen, und verschwanden später wieder, auch die Synechie löste sich wieder. Diese speckig aussehenden kleinen Knötchen, die also im kleinen Iriskreis, häufig auch am Pupillarrand liegen, sind, wenn man nicht gewohnt ist, danach zu suchen, nur mit der binokularen Lupe zu sehen. Sie sind bei hell-

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 83

gefärbten Regenbogenhäuten, weil sie selbst hellgrau ge- färbt sind, noch schwerer zu sehen als bei dunkelbrauner Iris. Und nun hat sich eine merkwürdige Tatsache (vgl. Taf. II, Fig. 8 zu Krankengeschichte S. 79) feststellen lassen: Diese Knötchen traten nur bei solchen Fällen auf, bei welchen die dia- gnostische Tuberkulin (T.V.)-Einspritzung eine allgemeine oder Lokalreaktion ergeben hatte.

Von luetischen Papeln am Irisrand unterscheiden sich diese Veränderungen einmal durch ihre Farbe, dann auch dadurch, dass der Bulbus bei der Eruption dieser Knötchen absolut reizlos sein kann, während bei luetischer Iritis immer das Bild der Entzündung vorhanden ist. Bei Patienten, welche auf Tuberkulin nicht reagierten, habe ich diese Veränderungen nicht gesehen.

Derartige Knötchen bei tuberkulöser Iritis sind meines Erachtens nicht genügend bekannt. Sie sind, wenn die Tuberkulinprobe im übrigen positiv ist, nach meiner Ansicht geradezu für Tuberkulose charakteristisch. Es ist damit auch die Ansicht nicht mehr haltbar, dass durch den Sitz der Veränderung die Diagnose auf Lues oder Tuberkulose gestellt werden könnte. Bei Lues: Veränderungen im kleinen Kreis; bei Tuberkulose: Knötchen im Ligamentum pecti- natum. Nicht die Veränderungen im Ligamentum pectinatum halte ich für charakteristisch, im Gegenteil, solche Veränderungen kommen meines Erachtens auch bei Iritiden irgend welcher Ätiologie vor, sondern die kleinen, grauen, häufig in einer Synechie liegen- den Knötchen im kleinen Iriskreis, die genau nur mit der binokularen Lupe zu sehen sind, lassen die Diagnose Tuber- kulose zu, wenn auch die Tuberkulinprobe positiv aus- gefallen ist

2. Andere Erkrankungen des Auges, die durch Tuberkulose

entstehen können.

a. Skleritis.

Auch für die typische chronische Skleritis stellt Michel (49) die

Tuberkulose als ätiologisches Moment in den Vordergrund; ebenso

Bach-Bürstenbinder. Sichere Beweise, dass eine typische Skleritis

wirklich tuberkulösen Ursprungs sein kann, liegen nicht vor. Da ich

bei meinen Experimenten Tuberkulosen der Chorioidea bekommen

habe, die auf die Sklera und Cornea übergingen und so weil mit

dem Augenspiegel die Herde im Augenhintergrund wegen ihres

Sitzes vor dem Äquator nicht zu sehen gewesen waren klinisch

6*

84 W. Stock

als Skleritis oder sklerosierende Keratitis verliefen, haben wir die Skleritisfälle der Klinik einer diagnostischen Tuberkulininjektion (T. v.) unterworfen.

Von sechs Patienten mit typischer Skleritis oder sklerosierender Keratitis, bei welchen sonst eine Ätiologie der Erkrankung nicht zu eruieren war, haben 3 = 50°/0 positiv reagiert

Unter diesen drei Fällen ist bei einem auch eine sehr ausge- sprochene Lokalreaktion eingetreten. Ich halte diesen Fall für prin- zipiell so wichtig, dass ich hier seine Krankengeschichte kurz an- fuhren möchte:

K., M. 19 Jahre alt

Die Eltern und Geschwister der Patientin sind gesund. Sie selbst leidet seit längerer Zeit an Husten; Auswurf hat sie nie gehabt Als Kind habe sie öfters Augenentzündungen gehabt; sie sei einmal lji Jahr in einer Augen- klinik behandelt worden.

Seit ungefähr einem Jahre werden die Augen manchmal rot, dabei bat sie dann ganz leichte Schmerzen. Vor der Aufnahme wurde sie 14 Tage lang unter der Diagnose Episkleritis mit Aspirin und heiasen Überschlägen behandelt. Bei der Aufnahme wurde folgendes festgestellt: Grazil gebautes Mädchen in gutem Ernährungsstande, mit gesunder Gesichtsfarbe.

Über den Lungen ist nirgends Dämpfung; nur links hinten unten hört man etwas rauhes Atmen. Am Halse sind Drüsennarben.

Rechtes Auge: Unten in der Sklera vier dunkelgraubraune Flecken, nach aussen ist die ganze Sklera etwas bläulich, nach aussen am Hornhaut- rande eine etwas stärkere Gefässfüllung. In der Hornhaut sind ziemlich viele Maculae. Sehvermögen = 7/8 7/7. Der Augenhintergrund ist absolut normal; Glaskörpertrttbungen, hintere Synechien sind nicht vorhanden.

Links: Konzentrisch um den Hornhautrand, etwa 2 mm von ihm entfernt, verläuft in der Sklera eine bläulich schwarze Zone, die an einzelnen Stellen mit bräunlichen Pigmentflecken durchsetzt ist. Nach aussen ist am Hornhautrande eine leichte Injektion, die sich auf die Sklera beschränkt Die Conjunctiva ist über dieser geröteten Stelle kaum verändert. Auch hier sind in der Hornhaut einige Maculae. Sehvermögen 7/7.

Augenhintergrund absolut normal; keine Glaskörpertrübungen; keine Zeichen einer frischen oder abgelaufenen Iritis.

Auf eine diagnostische Injektion von 1 mg Alttuberkuün weder, lokale, noch allgemeine Reaktion. Nach zwei Tagen werden 5 mg injiziert Die Temperatur steigt nach 18 Stunden auf 38,5. Starke Kopfschmerzen, Übel- keit, Mattigkeit in den Gliedern.

Während des Temperaturanstiegs sind beide Augen stark lichtempfind- lich. Um die ganze Cornea herum ist eine tiefe Injektion zu sehen, die ganz besonders ausgesprochen in der Gegend ist, wo die dunkle Verfärbung in der Sklera zu sehen war. Rechts ist die temporale, links die nasale Seite des ganzen Auges noch ganz auffallend rot. Mit dem Augenspiegel ist nichts Besonderes zu sehen.

Am Tage darauf ist die Temperatur abgefallen, die Augen werden

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 85

vollständig blase, zeigen ganz dasselbe Aussehen wie vor der Injektion. Die Patientin wird jetzt einer Kur mit Tuberkulin T. R. unterzogen.

Es ist durch diesen Fall meines Erachtens einmal absolut sicher bewiesen, dass das Bild der Skleritis auch beim Menschen durch Tuberkulose erzeugt werden kann, dann aber glaube ich, dass das Pigment das in der Sklera liegt, von der Uvea stammt, und dass die Anwesenheit dieses Pigments darauf hinweist, dass der Prozess ganz ebenso wie bei meinen experimentellen Resultaten in den vorderen Teilen der Chorioidea begonnen hat. Es müssen dann bei einer Erkrankung dieser Teile weder Glaskörpertriibungen noch chorioiditische Herde zu sehen sein.

Sehr bemerkenswert ist ferner, dass in diesem Falle zweifellos, obgleich der Prozess ausgeheilt schien, die Erkrankung noch im Ge- webe schlummerte. Und so können wir verstehen, dass diese Formen der Skleritis und sklerosierenden Keratitis eben immer wieder rezi- divieren und in Jahren oder Jahrzehnten zum Verlust des Auges fuhren. Auch hier können wir hoffen, durch eine Behandlung mit Neutuberkulin die Erkrankung zur Ausheilung zu bringen.

Die Literatur gibt uns über die Frage der Skleritis folgende Anhaltspunkte:

Uhthoff(77) hatte als erster Gelegenheit, Stückchen der Episklera und Conjunctiva, die operativ gewonnen waren, zu untersuchen. (Die Fälle von Pilz: Prager Vierteljahrsschrift XXXVI, S. 166 bis 201 und Noyes: Nagels Jahresbericht 1873, S. 279 sind nicht zu verwerten.)

Die Untersuchungen wurden bei drei Fällen vorgenommen:

1. 36jähriger Mann, seit Jahren Skleritis.

2. 21jährige Frau, seit */4 Jahr skleritischer Herd am linken Auge.

3. 48jährige Frau, seit ca. 5 Monaten besteht die Erkrankung.

Der erste Patient hatte einen Rheumatismus durchgemacht, bei den zwei Frauen war ätiologisch nichts nachzuweisen. Anatomisch fand sich eine Erweiterung der Lymphräume und eine Infiltration der perivaskulären Bäume. Irgend ein charakteristischer Befund ist nicht vorhanden gewesen.

Schlodtmann (64). 74 Jahre alter Mann: Rings um die Cornea ist die Conjunctiva gerötet und durch eine sulzige, rotbraune Verdickung des darunter liegenden Gewebes gleichmässig abgehoben. Auf der Hinterfläche der Cornea sind nach unten feine Präcipitate. Im Verlaufe der Erkrankung entwickelt sich eine schwere Iritis, die Hornhaut trübt sich, der Bulbus

86 W. Stock

wird wegen Schmerzhaftigkeit enucleiert Anatomisch: Sehr starke Infiltra- tion der Sklera und des episkleralen Gewebes. Starke Erweiterung der Lymphräume. Als ganz besonders auffallend beschreibt Schlodtmann eine um die ganze Cornea herumlaufende Nekrose der Sklera, dazwischen sehr erhebliche Massen von Riesenzellen. Schlodtmann nimmt an, dass der Prozess von der Chorioidea ausgegangen ist. Als Ätiologie schliesst der Autor Tuberkulose mit ziemlicher Sicherheit aus, weil weder ein typischer Bau des Tuberkels vorhanden war, noch Tuberkelbacillen nachgewiesen werden konnten. Er hält die Krankheit für eine mycoüsche, hervorgerufen durch irgend welche Mikroorganismen, die wir bis jetzt nicht kennen.

Friedland (21) gibt den mikroskopischen Befund von zwei an Skleritis erkrankten Augen.

1. 75jährige Frau wird wegen Glaucoma absolutum enucleiert.

Die Sklera ist innen, entsprechend der Gegend des Ciliarkörpers, buckei- förmig ektasiert

In der Chorioidea sind Infiltrationsherde, die Riesenzellen enthalten; ebensolche Herde mit spärlicheren Riesenzellen finden sich auch in der Sklera, die Sklerafasern sind teilweise zugrunde gegangen; Tuberkelbatillen oder andere Mikroorganismen sind nicht gefunden.

2. 72 jährige Frau. Nach einer leichten Verbrennung durch heisses Schmalz seit 1j2 Jahr Entzündung des linken Auges. Die Conjunctiva bulbi ist nach innen von der Hornhaut bräunlich rot verfärbt und sulzig verdickt Im Verlaufe von einem weiteren halben Jahre nahm die Entzündung zu. Klinisch wurden im Augeninneren entzündliche Veränderungen nicht nach- gewiesen. Enucleation wegen Glaukoms. Pathologisch -anatomisch: Infil- trationsherde in der Sklera mit Nekrose der Skleralfasern, Riesenzeilen. Auch in der Chorioidea fanden sich ganz ähnliche Herde mit RiesenzeUen. Tuberkelbacillen sind nicht nachgewiesen.

Friedland glaubt, dass die Skleralerkrankung unabhängig von der der Chorioidea auftrete, und zwar deshalb, weil anfangs klinisch intraokulare Veränderungen nicht nachgewiesen worden sind.

Als Ätiologie wird Tuberkulose ausgeschlossen, einmal wegen des Fehlens von Tuberkelbacillen und dann wegen mangelnder „epitheloider* Zellen.

Auch in dem Falle von Schirmer (63) und Baumgarten (11) war eine ganz ähnliche Infiltration des episkleralen Gewebes, der Sklera und Chorioidea nachgewiesen worden. Auch hier sind keine Tuberkelbacillen gefunden worden.

In dem Falle von Uhthoff(78j handelt es sich um einen 75jährigen Mann. (Präparate dieses Falles habe ich auch durch- sehen können. Sie sind mir von Herrn Prof. Axenfeld gütigst zur Verfügung gestellt worden.) Die Erkrankung bestand vor der Enu- cleation zwei Jahre. Es war eine typische Skleritis mit Beteiligung der Iris (hintere Synechien) und starken Glaskörpertrübungen. Das

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 87

Auge wird, weil es schrumpft, und nachdem es erblindet ist, wegen Schmerzhaftigkeit enucleiert Auch in diesem Falle findet sich patho- logisch-anatomisch dieselbe herdförmige Infiltration der Episklera, der Sklera und der Chorioidea mit Zugrundegehen von Skleralfasern. Auch hier finden sich einzelne Riesenzellen. Der Kern der Knötchen besteht aus „endothelialen" Zellen mit blassgefärbtem Kern.

Auch Uhthoff schliesst die Tuberkulose als Ätiologie aus, weil die Herde nicht Tuberkel-ähnlich aussehen.

In einer Dissertation beschreibt Driver(18) einen linsenförmigen rötlichen Tumor, der der Sklera an der Corneoskleralgrenze fest auf- sass. In diesem Tumor wurden zwar Tuberkelbacillen , aber keine Verkäsung gefunden, der Tumor hatte die Sklera perforiert und es fanden sich tuberkulöse Massen im Corpus ciliare und der Iriswurzel.

Prochnow(58) findet bei einer sulzigen Skleritis eine klein- zellige Infiltratien auf der Sklera, die die Hornhaut ringförmig um- gab, und eine Perforation des Bulbus auf der nasalen Seite. Auch Iris, Ciliarkörper und die vordersten Teile der Aderhaut sind in- filtriert Und Windschügl (86) weist darauf hin, dass durch Tuber- kulose der Iris und des Corpus ciliare Staphylome der Sklera ent- stehen können. Er hat drei derartige Bulbi mikroskopisch untersucht und Tuberkulose nachgewiesen.

Wenn wir uns also die vorliegende Literatur daraufhin ansehen, welche Ätiologie bei Skleritis in Betracht kommt, so müssen wir sagen, dass soweit die Autoren das angeben, bei der gewöhnlichen, sulzigen chronischen Skleritis des vorderen Augenabschnittes in ätio- logischer Beziehung bis jetzt am besten das Wort „unbekannt" zu setzen ist. Es ist sogar meines Erachtens noch nicht einmal sicher bewiesen, ob es eine reine Skleritis gibt, oder ob nicht primär die Uvea oder das episklerale Gewebe den Krankheitsherd trägt

Wenn ich meine experimentellen Untersuchungen in dieser Be- ziehung zum Vergleich heranziehen darf, so möchte ich bemerken, dass hier die Verhältnisse beim Tier wohl etwas anders liegen, ich glaube aber doch, dass die Besultate der experimentellen Forschung, wenigstens soweit Schlüsse zu ziehen gestatten, als ich das tun werde.

Bei meinen Tieren habe ich die Erfahrung gemacht, dass in langer Zeit, Wochen bis Monate, ganz langsam sich ein skleritischer Buckel entwickelte. Es war dabei weder Iritis vorhanden, und nur bei ganz genauer Untersuchung fand sich dem Buckel entsprechend vielleicht in der Peripherie des Augenhintergrundes ein heller chorioiditischer Herd.

88 W. Stock

Bei der anatomischen Untersuchung wurde festgestellt, dass in dem Bezirk des skleritischen Buckels (vgl. Fig. S. 44 und Taf. I, Fig. 3) die Retina und Chorioidea zugrunde gegangen waren. Ausserdem habe ich in andern Augen (vgl. Tier 22 und Fig. 2) Herde gefun- den, bei welchen der Progress in der Chorioidea vollständig aus- geheilt war, dagegen ein Prozess nach der Sklera hin sich feststellen liess. Da diese Herde manchmal so weit nach vorn lagen, dass sie mit dem Augenspiegel sich nicht feststellen Hessen, so konnte man also klinisch gar nicht ahnen, dass in dem betreffenden Bulbus an irgend einer Stelle die Chorioidea oder der (Ziliarkörper erkrankt waren; und doch ist ganz zweifellos eine primäre Uvealtuberkulose der Ausgangspunkt für die Skleritis gewesen.

Ich habe das deshalb ausgeführt, weil Friedland (21) daraus, dass die sulzige Infiltration der Episklera zuerst auftrat, „während die tieferen Teile des Auges an dem Krankheitsprozess noch unbe- teiligt waren", schliesst, es müsste in seinen Fällen die Sklera das „primär" erkrankte Gewebe sein.

Nach meiner Ansicht kann eben genau wie beim Tier eine Tuberkulose des Corpus ciliare und der vorderen Teile der Chorioidea beim Menschen bestehen, ohne dass sie klinisch Erscheinungen macht, sie kann erst dann in Erscheinung treten, wenn die Erkrankung von innen nach aussen durchgeschlagen hat

Auch dass die Herde der Sklera nicht direkt mit solchen der Chorioidea zusammenhängen, beweist meines Erachtens nichts, die Tuberkelbacillen können durch die Lymphbahn leicht in die nächste Umgebung verschleppt werden.

Aber noch etwas anderes möchte ich aus meinen Tierversuchen schliessen :

Ich habe die Bulbi pathologischen Anatomen gezeigt, die Tuber- kulose ja sehr oft zu diagnostizieren Gelegenheit hatten. Sie dachten bei der betreffenden Erkrankung des Auges, obgleich sie auch die Tuberkulose des Kaninchens kannten, noch nicht einmal an diese Ätiologie. Erst der Nachweis der Bacillen konnte sie überzeugen, dass kein anderer Mikroorganismus diese Erkrankung hervorgerufen hatte. Warum sollen nicht beim Menschen in diesem Gewebe auch atypische Bilder zu stände kommen. Und ich bin fest überzeugt, wenn es gelingen würde, in den Fällen von Schlodtmann, Friedland und Uhth off Tuberkelbacillen zu färben, würde man durch den Mangel an epitheloiden Zellen oder an typischer Verkäsung sich nicht abhalten lassen, Tuberkulose zu

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 89

diagnostizieren. Nur sind eben offenbar in solchen Herden die Ba- cillen sehr spärlich und ich habe wochenlang mich mit der Technik nicht des Färbens, aber des Suchens dieser Keime beschäftigt, ehe es mir gelang, sie überhaupt zu finden. Allerdings wenn man diese Technik erst einmal hat, finden sich die Keime nicht selten. Ich möchte natürlich damit nicht behaupten, dass eine jede durchschlagende Skleritis als „tuberkulös" anzusehen sei, sondern ich lasse auch hier wieder den Satz gelten, wenn irgend eine andere Erkrankung, z. B. Syphilis besteht, so ist eine diesbezügliche Therapie anzuwenden. Wenn aber im übrigen keine ätiologischen Anhaltspunkte vorliegen und durch eine Injektion von Alttuberkulin mit positiver Reaktion das Vorhandensein einer aktiven Tuberkulose im Körper sicher ge- stellt ist, ist es erlaubt, auch diese Ätiologie für die Skleritis anzu- nehmen und eine spezifische antituberkulöse Kur einzuleiten.

b. Keratitis parenchymatosa.

Es ist mir gelungen, auf experimentellem Wege zwei Formen von Keratitis parenchymatosa durch Infektion des Kaninchens mit Tuberkelbacillen ins Blut zu erzeugen: einmal eine sklerosierende Keratitis und dann eine typische diffuse Keratitis paren- chymatosa. Während die sklerosierende Keratitis bei der ana- tomischen Untersuchung (vgl. Taf. I, Fig. 4) sich als eine von einer Ciliar- körpertuberkulose fortgeleitete typische Tuberkulose der Sklera und Cornea entpuppte, so dass sie also in das Gebiet der Skleritis fällt, habe ich bei der typischen Keratitis parenchymatosa weder Tuberkel- bacillen noch sonst irgend welche typische tuberkulöse Veränderungen in der Cornea finden können. Es bestand in den Augen eine schwere tuberkulöse Iridocyclitis, daneben eine diffuse Infiltration der Cornea mit Lymphocyten, neugebildete Gefässe und ödematöse Auflockerung des Gewebes (vgl. Beschreibung des Tieres 20 und Fig. S. 34). Es muss sich also in diesem Falle um eine Fernwirkung des tuber- kulösen Prozesses handeln. Es ist ja auch erklärlich und wir sehen das auch klinisch bei schweren Tuberkulosen der Iris beim Menschen, dass einmal durch die Ernährungsstörung und dann durch die Toxin- wirkung eine Entzündung der Cornea entstehen kann.

Dieser anatomische Befund hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von v.Hippel (37) gegebenen. Auch dieser Autor hat bei tuberkulösen Veränderungen der Iris und des Ciliarkörpers eine Infiltration der Cornea festgestellt Die Fälle von Schulze (69) und Zimmer- mann (90) sind insofern von diesem Befund verschieden, als es bei

90 W. Stock

Zimmermann zu einer typischen Tuberkelbildung in der Cornea, und bei Schulze zu einer so umschriebenen knötchenförmigen Zell- anhäufung gekommen ist, dass diese Zellanhäufung einem Tuberkel entschieden sehr nahe steht.

Es ist mir also auch experimentell nicht gelungen, eine primäre tuberkulöse Keratitis parenchymatosa zu erzeugen, aber beim Tier ist es, wie oben angeführt, möglich, einmal eine sklerosierende Kera- titis und dann eine Keratitis parenchymatosa sekundär von einer hämatogenen Iris oder Ciliarkörpertuberkulose aus zu erzeugen.

c. Tarsustuberkulose (Chalazion ähnlich).

In den letzten Jahren ist wohl insofern eine Übereinstimmung der Ansichten über die Ätiologie des Chalazions erzielt worden, als die grosse Mehrzahl der Autoren annimmt, dass Tuberkulose ein ge- wöhnliches Chalazion nicht erzeugt Die massenhaften Impfversuche, die mit Chalazion angestellt worden sind und bei welchen Tuber- kulose der Versuchstiere nicht entstanden ist, beweisen jedenfalls, dass in vielen Fällen Tuberkulose bei dem Zustandekommen des Chalazions keine Rolle spielt

Nun sind aber die Fälle in der Literatur nicht einfach aus- zuschalten, bei welchen im Chalazion neben Riesenzeilen auch Tuberkelbacillen gefunden worden sind (Axenfeld, Lehrbuch der Bakteriologie). Es sind das die Fälle von Tangl (76) und Land- wehr (43), die unter der Leitung von Baumgarten untersucht sind, und von Wiehert (85) aus dem Institut von Nauwerk; in allen diesen Fällen wurden neben Riesenzellen typische Tuberkelbacillen gefunden. Während Baumgarten auf die Befunde hin früher alle Chalazien für tuberkulös hielt, hat er in einer Arbeit von Vogel (80) seine Ansicht dahin modifiziert, dass vielleicht auch andere Mikro- organismen ein klinisch ähnlich aussehendes Gebilde wie das Chala- zion erzeugen könnten.

Es hat nun Deyl(17) versucht, experimentell durch Impfung auch abgeschwächter Tuberkulose Chalazien an den Lidern zu er- zeugen. Er bekam aber immer Prozesse, die klinisch ein viel schwereres Bild boten als das Chalazion. Es entstanden typisch verkäsende Tuberkulosen und tuberkulöse Geschwüre.

Auch für die Form der Tarsustuberkulose, die unter dem Bilde des Chalazions verläuft, lassen sich beim Tier Analogien herstellen durch Infektion auf dem Blutwege. Ich habe allerdings nur einmal unter allen meinen Versuchstieren zwei Knötchen bei einem Kaninchen

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 91

am Oberlid entstehen sehen, die ich klinisch nicht für Tuberkulose halten konnte. Die Abbildung zeigt den Befund in sehr gelungener Weise (vgl. Taf. II, Kg. 5).

Bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung fand sich nach vorne an den Meibomschen Drüsen, aber auch in diese hinein durch- gebrochen, ein Entzündungsherd mit zentralen nekrotischen Partien. Die ganze Art der Endzündung ist nicht typisch tuberkulös. Es sind keine Biesenzellen, dagegen epitheloide Zellen in ziemlicher Zahl vorhanden, daneben einkernige Lymphocyten. Bei der Färbung auf Tuberkel bacillen lassen sich solche in recht erheblicher Zahl nach- weisen. In einzelnen Schnitten sind bis zu ca. 20 40 Einzelbacillen zu zählen.

Also auch hier gibt die hämatogen entstandene Tuberkulose ein viel gutartigeres Bild als die direkte Impftuberkulose (Deyl). Es liegt das meines Erachtens daran, dass vielleicht erheblich weniger Mikroorganismen zur Ansiedlung gelangen, und dass eine Läsion des Gewebes bei der Impfung nicht erfolgt

Man wird also auch in Zukunft daran denken müssen, dass einmal ein Tumor im Lid eine unter dem Bilde des Chalazions ver- laufende hämatogene Tarsustuberkulose sein kann. (Damit ist die An- sicht von Tan gl (76) bewiesen, der ausspricht, dass die Tuberkelbacillen auf dem Blutwege eindringend zuerst in das Bindegewebe des Tarsus gelangen und dieses zur Proliferation bringen, während die Tar- saldrüsen erst in zweiter Linie betroffen werden.)

III. Therapie der chronischen Uveitis. (Neutuberkulin.)

Wenn wir einmal zu der Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Tuber> kulöse Iritis gekommen sind, so müssen wir die betreflfenden Fälle auch mit einem für Tuberkulose spezifischen Mittel behandeln. Wir haben in der Universitäts- Augenklinik Freiburg auch in der neuesten Zeit diesen Grundsatz streng eingehalten.

Wenn ich hier nur über relativ wenig Fälle berichten kann, die mit dem Tuberkulin T. R. behandelt worden sind, so. hat das seinen Grund darin, dass wir uns relativ schwer zu der Diagnose Tuber- kulose entschliessen konnten, und weil wir, nachdem das Alttuberkulin als Therapeuticum so sehr enttäuscht hatte, einem solchen spezifischen Mittel sehr erhebliches Misstrauen entgegenbrachten. Nachdem aber v. Hippel bei ganz schweren Tuberkulosen des Auges Veränderungen, die schon klinisch sicher als Tuberkulose zu diagnostizieren sind, über

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so sehr gute Resultate berichtet hat, wenden wir nun das Neutuber- kulin (T. ß.) bei all diesen Fällen, und wie ich vorausschicken will, mit sehr gutem Erfolge an.

Fälle von chronischer Uveitis sind in der Universitäts-Augen- klinik bis jetzt sieben mit Tuberkulin T. R. behandelt worden. Ob- gleich die Zahl relativ gering ist, kann man doch aus diesen Fällen sich ein Bild über die gute Wirkung dieses Mittels machen. Ausser den Fällen Krankengeschichte 24, 25, 26, 29, 30, gehören noch zwei Fälle hierher, deren Krankengeschichten ich anfüge:

1906. 619. W. 48. Iridocyclitis.

Seit sechs Jahren Sehverschlechterung. Am Halse alte Narben. Skoliose.

Status: R. Fingererkennen in 2 m. L. Fingererkennen in 3 m. R. mas- senhaft hintere Synechien. Grosse flottierende Glaskörpertrübungen. L. der- selbe Befund.

Auf Tuberkulin (T. v.) sehr erhebliche Allgemeinreaktion. Tuberkulin- kur (T. R.) nach vier Wochen (18 Einspritzungen, Höchstgabe 8^500 mg). R. Finger auf 4 m. L. 7j20. Die Glaskörpertrübungen sind so gut wie ver- schwunden. Allgemeinbefinden sehr gut.

1906. 118. W. 19. Iridochorioiditis. Tuberkel am Pupillarrande.

Anamnese: Patientin war immer gesund, stammt von gesunden Eltern. Seit V2 Jahr sieht sie an beiden Augen schlechter. Die Augen waren nie entzündet.

Status praesens: R. G|6, L. 66,'1S. Rechts eine hintere Synechie nach unten, einzelne chorioiditische Herde in der Peripherie. Links einzelne Präcipitate auf der Hornhauthinterfläche. Iris gebuckelt Knötchen sind nicht abzugrenzen. Ausgedehnte hintere Synechien. Beide Bulbi leicht ciliar injiziert.

Patientin bekommt täglich 4 g Ungt. Hydrarg. einer, eingerieben und subkutan Jodipin 25°/0.

Nach 20 Tagen R. 6/„, L. f\'12 «'8. Die Bulbi sind reizlos. In der Nähe des Kammerwinkels sind links drei Knötchen zu sehen.

Die Patientin wird entlassen. Nach vier Wochen sind die Präcipitate verschwunden. Die Irisbucklung besteht noch.

Die Patientin kommt nach zwei Jahren wieder, weil sie mit beiden Augen schlechtersehe. R. *5/25, mit 0,75 S. 6/10, L. 6/,ß mit 0,75 S. *;15.

Rechts einige hintere Synechien, Präcipitate auf der Hinterfläche der Cornea. Am Rande der Pupille ist ein kleines Knötchen in der Iris.

Links massenhaft hintere Synechien. Glaskörpertrübungen. Nun wird, da die Patientin auf Tuberkulin (T. v.) reagiert, eine Tuberkulosekur mit T.R. eigeleitet. Nach 14 Tagen R. 7/15, L..7,'10 mit 0,5 S. 7/10 7/7. Die Präcipitate R. sind zahlreicher geworden. Nach zwei Monaten sind die Präcipitate, die Knötchen in der Iris, die Glaskörpertrtibungen wieder ver- schwunden. Die Behandlung wird im ganzen drei Monate fortgesetzt. Heute sieht die Patientin R. '5j0, L. 0,5 '%. Bulbi reizlos. Rechts keine Synechien mehr. Links sind noch alte hintere Synechien zu sehen.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 93 Kurze tabellarische Resultate der Tuberkulinbehandlung.

Sehsch.

vor der Therapie

Bhdlg.

Sehscharfe nach der ersten Therapie

Sehschärfe nach Tuberkulin T. R.

24.

Ungt

1

Irido-

R. •/.

Hydrarg.

L. etwas besser.

R. •/.

cyclitis.

L-6/..

einer.

L.V,

25.

Ungt.

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Irido-

?•%.

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Anfangs W„d K*>*/„ Be8serungL.V,.aannL.«'*/eo

R. 0

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26.

Irido-

R.V.

Queck-

R.

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J. K. 1 >

R.

'{•nach«/, Jahr £|j£

cyclitis.

L.'/„

silber.

L.

V..

L.

29.

Chorioidi-

RV,

Aspirin.

R- V.o

R. V«.

tis dissem.

L.*/„

L. %.

L- V,

30.

Chorioidi-

R-V.4

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tis dissem.

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30a.

Irido-

R-0"/..

R. V,

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31.

Seit

Irido-

Rf/M

Jahren

R- 4/„

cyclitis.

L.V6Ä

behandelt.

L- '/„

32.

Nach 1 Jahr

Iridocho-

R.7*

Queck-

R.

•/.

R-%.

R. •/.

rioiditig.

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silber.

L.

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L. •/.

Es gebt aus dieser Tabelle hervor, dass Patienten mit Chori- oiditis disseminata tuberculosa die geringsten Aussichten haben, wieder ein normales Sehvermögen zu erreichen. Ja sie müssen sich schon mit einer relativ geringen Besserung begnügen. Es hängt das natürlich eben damit zusammen, dass durch die Entzündung der Chorioidea die darüber liegenden Stäbchen und Zapfen schon zer- stört sind, wodurch der Schaden irreparabel wird.

Ganz anders sind die Erfolge bei der Iridocyclitis. Hier ist die Sehstöruiig hauptsächlich bedingt durch die Trübungen in den Medien. Gerade diese Trübungen scheinen aber unter der Behand- lung der Ursache, das heisst der Iridocyclitis, relativ rasch zurück- zugehen.

Diese Resultate hat ganz in derselben Weise Reuchlin(59j zu verzeichnen gehabt, auch bei seinen Fällen ist gerade bei der chronischen Iridocyclitis mit Trübungen der Medien die Verbesserung des Sehvermögens eine ganz eklatante.

Auch Schöler (67) berichtet über sehr gute Erfolge in dieser

94 W. Stock

Beziehung, allerdings sind in den Referaten genaue Zahlen nicht angegeben.

Im ganzen sind die von uns behandelten Fälle klinisch als viel leichter zu bezeichnen als die von v. Hippel (36) beschriebenen. Ein Vergleich lässt sich hier kaum anstellen. Auch die von Reuch- lin (59) beschriebenen Fälle sind im ganzen klinisch als schwerer zu bezeichnen, als die unsrigen. Nichtsdestoweniger glaube ich aber in dem Tuberkulin T. R. (bei richtiger Anwendung) mit v. Hippel ein Mittel empfehlen zu können, das chronische Augenerkrankungen, die bis jetzt trotz unserer Behandlung immer schlechter geworden sind, zur Heilung bringt. Ich möckte hier die v. Hippeische Vorschrift der Tuberkulinbehandlung (T. R.) anfügen:

Die erste Dosis ist 1/500 mg der Trockensubstanz. Jeden zweiten Tag wird eine weitere Injektion gemacht, wobei die Dosis um je 1/500mg gesteigert wird. Wenn 1|50nig erreicht ist, wird die Dosis um je 1l50mg gesteigert, von 1l5mg ab um je 1l10mg, vorausgesetzt dass die Temperatur nicht über 3S° steigt. Über 1 mg steigt man nicht. Die höchste Dosis soll so lange injiziert werden, bis der Pro- zess geheilt ist. Tritt schon bei einer niederen Dosis Fieber ein, so wird diese Dosis so lange wiederholt, bis kein Fieber mehr eintritt Geht die Temperatur schon bei dieser Dosis über 38°, so muss die nächstniedere gegeben werden1).

Bei manchen Patienten ist die höchste Dosis schon 3/500 mg.

Man soll deshalb für jeden Patienten die individuelle thera- peutische Maximaldosis eruieren, d. h. diejenige Dosis, bei welcher eine Fiebersteigerung über 38° eben noch vermieden wird. Diese

*) Anmerkung. Technik der Injektion. Am besten injiziert man auf dem Rücken unter den Schulterblättern.

Man braucht 3 Lösungen:

Da in 1 ccm des käuflichen Tuberkulins 10 mg feste Substanz enthalten sind, so injiziert man mit 0,1 ccm einer Verdünnung der ersten Lösung von 2,0 : 1000 V500 mg fester Substanz.

Man muss sich also eine Lösung des Tuberkulins halten 2 : 1000. Nach 10 Injektionen ist man bei 1 ccm angekommen und injiziert jetzt '/so mf5- Dazu hat man eine Lösung von 2,0: 100,0. Damit steigt man wieder je um Vw cm» als dritte Lösung hat man 1,0:10, 0,2 dieser Lösung sind '/i# mg feste Substanz. Auch hier injiziert man also von 0,2 ccm ab bei jeder Injektion 0,1 ccm mehr. Mit 1 ccm injiziert man dann 1 mg feste Substanz. Höher steigt man nicht

Als Verdünnungsmittel verwendet man Glvcerin. Die Lösungen müssen klar sein und dürfen, wenn sie älter als 14 Tage sind, nicht mehr gebraucht werden. Das käufliche Tuberkulin wird in kaltem, dunklem Räume aufbewahrt.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 95

Dosis kann sich je nach der Gewöhnung des Organismus auch später noch ändern.

Man muss auch beachten, dass bei manchen Menschen die Empfindlichkeit gegen Tuberkulin (T. R) steigt, dass man also viel- leicht mit der Dosis im Laufe der Behandlung immer mehr her- untergehen muss.

Literatur über Behandlung von chronischer Uveitis mit Tuberkulin T.v. und T.R.

Nachdem die Begeisterung für das Alttuberkulin im Jahre 1891 nachgelassen hatte, sind im ganzen nur wenige Mitteilungen er- schienen, welche Tuberkulin als Heilmittel empfehlen.

Aus dem Jahre 1891 liegen Mitteilungen vor: Königshöfe r und Maschke (loc. cit.) haben durch drei Injektionen von Alt- tuberkulin (V8 1mg) eine Knötcheniritis heilen sehen.

Leber (44): Bei einem 1 9jährigen Mädchen mit einer Knötchen- iritis verkleinerten sich die Knötchen unter einer siebenwöchentlichen Tuberkulinbehandlung (T.v.), und als später noch drei Injektionen von je 5 mg Alttuberkulin gegeben worden, heilte der Prozess an- scheinend aus. Nach sieben Wochen war allerdings ein Rezidiv ein- getreten.

Wagner (82): 21jähriges Mädchen mit Knötcheniritis. Es wurden 22 Injektionen von 0,007 0,1 g Tuberkulin (T. v.) gemacht Die Sehschärfe stieg von 2/60 auf Vis— Ve- -Die Knötchen hatten sich sehr verkleinert.

Da offenbar die therapeutischen Erfolge dieser Behandlung sich in andern Kliniken nicht bestätigten, sind die diesbezüglichen Ver- öffentlichungen ausserordentlich spärlich. Die weiteren Veröffentlich- ungen beziehen sich auf schwere Augentuberkulose, eine Erkrankung, die klinisch ohne weiteres zu diagnostizieren ist und auf deren Therapie ich hier ebensowenig eingehe wie auf das Krankheitsbild selbst Es gehören deshalb die Veröffentlichungen von Haase, Zimmermann, Schieck und v. Hippel u. a. m. nicht in den Rahmen dieser Arbeit

Erst in neuerer Zeit liegen Mitteilungen vor über Behandlung von chronischer Iritis mit Tuberkulin T.R

Handmann (32) hat einen 11jährigen Knaben mit schwerer Iridocyclitis, massenhaften Präcipitaten , Glaskörpertrübungen und Knötchen in der Iris mit einer Sehschärfe von Fingererkennen in 3 4 m, da andere therapeutische Massnahmen keinen Erfolg ergeben

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hatten, einer Tuberkulinkur T. R. unterworfen. Das Sehvermögen hebt sich auf 6/6, die Iritis heilt aus. Nicht ganz so in die Augen fallend ist der Erfolg der Kur bei einem 21jährigen Mädchen, die beiderseits an schwerer Iridocyclitis mit Präcipitaten auf der Hinter- fläche der Hornhaut erkrankt ist Die Krankheitserscheinungen gingen sehr erheblich zurück, die Knötchen sind aber nicht ganz verschwunden.

Reuchlin(59) hat bei schwereren Fällen von Iritis tuberculosa Tuberkulin T. R. angewandt, er spricht sich über die Erfolge sehr günstig aus. In den meisten Fällen war das Resultat an Sehver- mögen ein sehr erhebliches, zum Teil „ein ganz ausserordentlich günstiges4*.

Wolfrum (87) diagnostiziert bei einer 16jährigen Patientin mit Präcipitaten auf der Hinteriläche der Cornea und Knötchen in der Iris, Iritis tuberculosa. Das Sehvermögen ist rechts 6/100, links 6/lv Nach langdauernder Kur beinahe 1 Jahr ist die Erkrankung beinahe ausgeheilt, das Sehvermögen rechts auf % links auf 6/6 ge- stiegen. Bei einer 26jährigen Patientin mit Knötchen in der linken Iris, Präcipitaten auf der Hornhaut und einem Sehvermögen von 6S,. (bei kongenital amblyopischem rechten Auge) verschwinden die Präcipitate und die Knötchen, das Sehvermögen steigt auf 6;24 (bei Hyperopie -f- 4 kombiniert mit Cylinder -f- 3).

Brückner (13) hält nur die lokale Reaktion bei Einspritzung von Tuberkulin T. v. für beweisend für Tuberkulose. Er hat bei der Behandlung mit Tuberkulin T.R keine definitiven Erfolge ge- sehen, er zieht daraus noch keine Schlüsse, weil seine Erfahrungen noch zu gering sind.

Im Anschluss an die Arbeit Brückners möchte ich hier noch einmal ganz kurz meine Ansicht über die Möglichkeit der Diagnosen- stellung durch Reaktion auf Tuberkulin T. v. und T.R. zusammen- fassen.

Wenn ein Patient, der früher einmal einen Gelenkrheumatis- mus gehabt hat, mit einer Iritis chronica in unsere Behandlung kommt, so werde ich als Wahrscheinlichkeitsdiagnose Iritis rheumatica stellen, auch wenn eine Allgemeinreaktion auf Alttuber- kulin eintritt. Heilt diese Iritis aber auf Salicylbehandlung usw. nicht, so werde ich eine Tuberkulinkur T.R einleiten. Geht jetzt die Iritis rasch zurück, so habe ich ganz dasselbe Recht, diese Iritis als tuberkulös zu bezeichnen, das ich gehabt hätte, sie als rheumatisch zu bezeichnen, wenn sie auf Salicyl geheilt wäre.

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 97

Wir müssen uns eben daran gewöhnen, die Tuberkulose als Allgemeinkrankheit anzusehen, die sich ganz besonders gern in der Lunge, in den Nieren usw. und ebenso gern in der Uvea lokalisiert, wie der Gelenkrheumatismus, die Syphilis und Influenza.

Zweifellos sind die Erreger all dieser Erkrankungen zeitweise im Blute zu finden und lokalisieren sich an Orten, die zu der be- treffenden Krankheit eine gewisse Affinität haben. Und wenn man sich bis heute daran gestossen hat, eine Iritis deshalb als tuberkulös zu bezeichnen, weil sie weder klinisch noch pathologisch -anatomisch typisch „tuberkulöse" Veränderungen bot, so glaube ich, durch meine Experimente am Kaninchen gezeigt zu haben, dass eine Tuberkulose, auf hämatogenem Wege ins Auge verschleppt, eben als eine leichtere Erkrankung verläuft und häufig typisch tuberkulöse Bilder nicht erzeugt.

IV. Schlnsszusammenfassung.

Am Schlüsse dieser Arbeit möchte ich noch einen kurzen Über- blick über das geben, was ich als wesentlich betrachte: Es ist mir durch Einimpfung von Reinkulturen von Tuberkulose in die Blutbahn des Kaninchens gelungen, am Auge solcher Tiere Veränderungen zu erzeugen, die der beim Menschen beobachteten chronischen Uveitis in vielen Punkten ähnlich sind; und zwar habe ich entstehen sehen: eine chronische Iritis mit Knötchenbildung, eine Cyclitis, eine Chorioiditis disseminata. Pathologisch-anatomisch sind bei all diesen Veränderungen die Befunde nicht typisch tuberkulös. Dagegen hat der sichere Nachweis von Tuberkel- bacillen in den Präparaten und Überimpfungsversuchen festgestellt, dass es sich um Veränderungen handeln muss, die nur durch Tuberkel- bacillen entstanden sein können.

Ausserdem habe ich eine Skleritis, eine sklerosierende Keratitis, beides Veränderungen, die von einer primären Chorioiditis und Cyclitis tuberculosa aus entstanden sind, erhalten. Kleine Knötchen in derConjunctiva und Chalazion-ähnliche Tuberkulose des Tarsus sind ebenfalls auf hämatogenem Wege erzeugt worden.

Von diesen experimentellen Untersuchungen ausgehend, habe ich festzustellen versucht, inwieweit Tuberkulose als ätiologisches Moment bei der chronischen Iritis des Menschen in Betracht kommt. Die Versuche, Irisstückchen aufs Tier zu überimpfen, verliefen in 15 Fällen resultatlos, ebenso die Überimpfung von Kammerwasser. Dagegen glaube ich, dass in der Tuberkulinreaktion (T. v.) ein dia-

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gno3ti8ches Hilfemittel gegeben ist, mit welchem wir jeden Fall von chronischer Uveitis untersuchen sollten.

Beagiert der Patient nicht und ist eine andere Ätiologie (Rheuma- tismus, Lues usw.) nachzuweisen, so ist die Iritis natürlich nicht als tuberkulös aufzufassen. Reagiert z. B. ein Luetischer oder Rheu- matiker, so wird man als das nächstliegende diese Ätiologie an- nehmen und dementsprechend behandeln. Bleibt die Behandlung aber erfolglos, so ist der Schluss gestattet, dass die Iritis chronica auf Tuberkulose beruht, und es müssen die entsprechenden thera- peutischen Konsequenzen gezogen werden.

Reagiert ein Patient lokal, oder sind bei nur allgemeiner Reaktion kleine oft kaum sichtbare Knötchen mit grauem Belag oder auch nur Verdickungen der Iris im kleinen Iriskreis mit der bin- okularen Lupe nachzuweisen, so halte ich den Prozess für sicher tuberkulös. Diese kleinen Knötchen im kleinen Kreis, die, wie ich ausgeführt habe, in den meisten Fällen nur mit der bin- okularen Lupe zu sehen sind, halte ich sogar gewissermassen (bei positiver Allgemeinreaktion auf Tuberkulin T.v.) für charakteristisch für Tuberkulose. Einmal traten solche Veränderungen experimentell beim Tier nach einer Blutinfektion mit Tuberkulose in sehr vielen Fällen auf, und dann habe ich ähnliche Veränderungen bei einer Iritis anderer Ätiologie als Tuberkulose nicht gefunden. Ganz be- sonders halte ich die spezifisch syphilitischen Eruptionen auf der Iris für sehr leicht differentialdiagnostisch von diesen kleinen Knötchen unterscheidbar: Syphilitische Eruptionen in der Iris sind immer von einem sehr starken Reizzustand des ganzen Auges begleitet, bei diesen tuberkulösen Eruptionen ist oft nicht einmal eine leichte pericorneale Injektion vorhanden. Dann sind syphilitische Papeln rotbraun, während diese Knötchen sich kaum oder höchstens gräulich von der Umgebung abheben. Man muss aber jeden Fall einer chro- nischen Iritis wiederholt mit der binokularen Lupe unter- suchen.

Die pathologisch-anatomische Untersuchung von Augen, die wegen chronischer Iridocyclitis entfernt worden sind, hat keine ganz sicheren Anhaltspunkte für Tuberkulose ergeben (Bacillen habe ich nicht finden können). Im ganzen ist aber das bis jetzt untersuchte Material auch noch nicht gross genug. Es ist deshalb von ganz besonderem Interesse, jedes derartige enucleierte Auge genau anatomisch zu unter- suchen. Es wird meines Erachtens ebenso wie im Experiment, bei der modernen Einbettungstechnik gelingen, in einzelnen Fällen Bak-

Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 99

terien nachzuweisen. Meine Präparate sind durchweg nicht sehr frisch, zum Teil bis zu 20 Jahren in Müll er scher Flüssigkeit gewesen.

Wenn man zu der Ansicht gekommen ist, dass es sich bei einer chronischen Iridocyclitis um Tuberkulose als Ätiologie handelt, so ist bis jetzt das Tuberkulin (T. R) das weitaus beste und sicherste Mittel, das wir besitzen.

Wenn wir bei einzelnen Fällen, die ohne irgend welche frische Veränderungen am Auge zu haben, nach einer Tuberkulininjektion (T.v.) lokale Reaktion haben auftreten sehen, so können wir diese Tatsache nur so verstehen, dass hier der Krankheitsprozess ge- schlummert hat, dass die Tuberkelbacillen abgekapselt im Gewebe lagen. So sind dann auch Rezidive dieser Erkrankung erklärlich: durch irgend welche Momente werden solche schlummernden Keime frei und sofort stellen sich neue Entzündungserscheinungen ein.

So glaube ich durch diese Arbeit das Verständnis für die Tuber- kulose als Ätiologie der chronischen Uveitis gefordert zu haben. Es ist meines Erachtens nicht Zufall, dass gerade mir das zu dieser Arbeit nötige Material zur Verfügung stand. Denn daran möchte ich mit Michel und Axenfeld(2) festhalten, dass die Häufigkeit dieser Erkrankung mit dem Landstrich zusammenhängt, aus welchem das Material stammt. Während in Norddeutschland ich kenne das Material in Rostock und Breslau die chronische Iridocyclitis, besonders auch die Chorioiditis disseminata relativ selten ist, gehört sie z. B. in Freiburg und Tübingen (und wohl auch in Würzburg) zu den alltäglichen Krankheitsbildern. Axenfeld [vgl. Dissertation von Baum (10)] hat versucht, durch Vergleich der Tuberkulosesterblich- keitsziffern von Rostock und Freiburg gewisse Schlüsse zu ziehen. Er konnte feststellen, dass in Rostock die Tuberkulose seltener ist als in Freiberg i. B. Ob allein die mehr oder weniger ausgedehnte Verbreitung dieser Infektion die Häufigkeit der chronischen Irido- cyclitis bedingt, kann ich nach diesen kleinen Zahlen nicht ent- scheiden. Ob das aber der Fall ist oder nicht, ob lokale Dispo- sitionen noch mitspielen oder nicht, ändert an der Tatsache nichts, dass sicher in Freiburg ein erheblicher Teil der an chronischer Uveitis zugrunde gehenden Augen durch Tuberkulose zerstört wird.

So weisen diese Untersuchungen auch uns Augenärzte von neuem darauf hin, in erhöhtem Masse teilzunehmen an der Bekämpfung der Tuberkulose, damit allmählich diese traurigen Fälle von chronischer Uveitis, die bis jetzt meist dem Siechtum und nicht selten der Erblin- dung entgegengingen, aus unserer Klientel verschwinden.

100 W. Stock

Zum Schlüsse dieser Arbeit drängt es mich, Herrn Professor Axenfeld, der nur bei meinen Untersuchungen immer mit seinem Rat zur Seite stand, meinen herzlichsten Dank auszusprechen.

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Tuberkulose als Ätiologie der chronischen Entzündungen des Auges. 103

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Erklärung der Abbildungen auf Taf. I, Fig. 1—4.

Fig. 1. Tuberkulöser Herd in der Chorioidea, ausgegangen von den äusseren Schichten. Die Retina über dem Herd ist normal.

Fig. 2. Kleiner Herd in der Chorioidea. Die Retina über dem Herd ist er- heblich geschädigt Die Infiltration schreitet nach der Sklera hin fort.

Fig. 3. Grösstenteils ausgeheilte Tuberkulose der Sklera, Chorioidea und Retina. Von der Retina und Chorioidea ist so gut wie nichts mehr vcj-handen, die Sklera ist sehr verdünnt. Nach hinten sieht man noch einen typischen Tuberkel der Sklera. In der Iris ist auch ein Tuberkel getroffen.

Fig. 4. Tuberkulose des Corneoskeralrandes , klinisch unter dem Bilde der sklerosierenden Keratitis verlaufend; zweifellos ist der tuberkulöse Prozess von der Chorioidea ausgegangen.

Erklärung der Abbildungen auf Taf. EL (farbig), Fig. 5 8.

Fig. 5. Tarsitis tuberculosa. Chalazion ähnliche Knötchen in den Lidern eines Kaninchens entstanden ungefähr */• Janr nacl1 einer Blutinfektion mit Tuber- kulose (anatomische Abbildung vgl. S. 46).

Fig. 6. Sklerosierende Keratitis beim Kaninchen. Entstanden ungefähr */« J&hr nach einer Blutinfektion mit Tuberkulose. Der Prozess geht von den vordem Teilen der Chorioidea aus. Anatomische Abbildung vgl. Taf. I, Fig. 4.

Fig. 7. Tuberkulöse Knötchen in der Iris eines albinotischen Kaninchens. Die Knötchen Bind später wieder verschwunden (vgl. Tier 81).

Fig. 8. Iritis tuberkulosa beim Menschen. Zwei typische tuberkulöse Knötchen (&! und %,) im kleinen Iriskreis (vgl. Krankengeschichte S. 79, lokale Reaktion auf Tuberkulin T. v.).

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen anf das menschliche Auge.

Von

Prof. Dr. med. A. Birch-Hirschfeld, Assistenten an der Universitär- Augenklinik zu Leipzig.

Mit Taf. III, Fig. 1-2.

In einer früheren Arbeit habe ich über das Ergebnis von Ver- suchen berichtet, die ich anstellte, um die Wirkung der Röntgen- strahlen auf das Auge kennen zu lernen.

Ich konnte dabei auch den anatomischen Befund eines mensch- lichen Auges mitteilen, das wegen eines Carcinoms der Schläfe mehr- fach intensiv bestrahlt worden war.

Als hauptsächlichste Veränderungen fanden sich an den Gefässen der Iris und Netzhaut Degeneration des Endothels und Vakuolisation.

Die Ganglienzellen der Netzhaut zeigten Vakuolisation, Auflösung der Chromatmsubstanz, Kernschrumpfung und Zellzerfall.

Die Degeneration war an verschiedenen Stellen der Netzhaut verschieden, aber fast alle Ganglienzellen waren betroffen.

Besonders auffallend waren die Veränderungen in der Macula. Hier sah man zahlreiche cystenartige Hohlräume, die grösstenteils der inneren Körnerschicht, seltener der Hen leschen Faserschicht an- gehörten. Sie enthielten eine homogene, wenig färbbare Substanz. Entzündliche Erscheinungen fehlten.

Das anatomische Bild der ilaculaveränderung entsprach der sog. cystoiden Entartung der Netzhaut, die von Kuhnt, Haab, Fuchs, Murakami und Reis u. Küsel beschrieben worden ist

Über die Genese dieser zentralen Maculaaffektion, die auch zur Lochbildung fuhren kann, gehen die Ansichten der Autoren ausein- ander.

Während z.B. Reis einen exsudativen Prozess der Netzhaut an-

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen auf das menschliche Auge. 105

nimmt, wobei er auch besonders auf meinen ebenerwähnten Fall hin- weist, spricht Ktisel von einer Sequestration der ganzen Macula durch Abschneiden der Blutzufuhr in den Gefässen des Randschlingen- netzes.

Für die anatomisch untersuchten Fälle von Murakami und meinen Fall dürfte die Küselsche Auffassung jedenfalls nicht zu- treffen, denn sie erklärt die cystoiden mit homogenem Inhalt ge- füllten Hohlräume nicht, die kaum anders als durch Exsudation er- klärt werden können.

Zur Erklärung dieser Exsudation boten nun in meinem Falle die eigenartigen Gefasswandveränderungen der Netzhaut eine gute Handhabe. Und dass diese wiederum als Folge der Röntgenbestrah- lung aufzufassen waren, das ergab sich zur Genüge aus der Tatsache, dass von Gassmann, Halkin und Freund analoge Gefassverände- rungen nach Einwirkung von Röntgenstrahlen, Hochfrequenzströmen und Radiumstrahlen beschrieben worden sind. Auch bei meinen experimentellen Bestrahlungen konnte ich sie, wenn auch weniger ausgeprägt, beobachten.

Trotzdem war es mir zweifelhaft, ob diese eigenartige Macula- veränderung als eine wesentliche Folge der Bestrahlung angesehen werden kann. Gewiss kann das gleiche Bild auch nach andersartigen Einwirkungen entstehen, wie ja die Fälle von Murakami, Fuchs u. A. beweisen.

Den Gedanken, die Frage, ob nach intensiver Bestrahlung mit Röntgenstrahlen derartige Veränderungen der Netzhautmitte konstant hervorgerufen werden können, an Affen experimentell zu prüfen, musste ich aus äusseren Gründen aufgeben.

Durch einen glücklichen Zufall und die Freundlichkeit der Herren Dr. Ammann und Prof. Perthes hatte ich jedoch Gelegenheit, zwei menschliche Bulbi, die vorher bestrahlt worden waren, anatomisch zu untersuchen.

Über die Ergebnisse dieser Untersuchung möchte ich hier kurz berichten. Sie sind, wie ich glaube, nicht nur von pathologischem, sondern auch von praktischem Interesse, da sie unsere Kenntnisse von der Wirkung zu therapeutischen Zwecken angewendeter Röntgen- bestrahlung am Auge ergänzen und erweitern.

Der Fall, den ich früher mitteilte', war in mancher Beziehung lückenhaft. Es fehlte eine ophthalmoskopische Untersuchung und Prüfung der Funktion vor und nach der Bestrahlung. Nur aus den Angaben des Patienten konnte geschlossen werden, dass zur Zeit, als

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mit der Bestrahlung begonnen wurde, das Auge noch reizlos, seine Sehschärfe jedenfalls nicht in hohem Grade beeinträchtigt war. Als der Bulbus enucleiert wurde, hatte das Carcinom bereits auf die zwei äusseren Drittel der Hornhaut übergegriffen, bestanden die Zeichen eines Glaukoms (Verwachsung der Irisperipherie), alles Sym- ptome, die eine ein wandsfreie Beurteilung der Strahlenwirkung er- schweren mussten.

Um so mehr musste an der Durchfuhrung von Kontrollunter- suchungen gelegen sein.

Über den ersten Fall wurde von Ammann bereits im Korrespon- denzblatt für Schweizer Ärzte (1906, Nr. 15) berichtet

Ich führe aus diesem Berichte das Wesentlichste an, um es dann durch meinen Untersuchungsbefund zu ergänzen.

Bei einem 30jährigen Mann wurde ein relativ kleines Sarkom der Chorioidea des rechten Auges dicht temporal hinter dem Ciliarkörper fest- gestellt jfrer ganze übrige Fundus war normal. Die Sehschärfe betrug, eine manifeste Hypermetropie von 3D korrigiert, 0,5. Das Auge wurde innerhalb von 4 Tagen in 3 Sitzungen von je 7 Minuten Dauer mit einer mittelweichen Röhre bestrahlt, die dem Patienten direkt auf die Sklera des kokainisierten Auges über dem Tumor aufgesetzt wurde.

Der Tumor ging nach der Bestrahlung anstatt zu schwinden, in rapides Wachstum über, wie durch tägliche Messung des verdunkelten Pupiilar- gebietes festgestellt wurde.

Am 6. Tage nach der Bestrahlung liess sich nun eine seichte, aber ausgedehnte Netzhautabhebung nachweisen. Die Sehschärfe war auf 0,3 gesunken. Am 14. Tage war die Ablatio buckelförmig. Neu war eine leichte Neuritis. Die Papille war hyperämisch und leicht verwaschen. Die Macula war frei, die obere Hälfte des Fundus normal Die Sehschärfe be- trug nur noch 0,15.

5^2 Wochen nach der Bestrahlung war der Befund in der Hauptsache nicht verändert. Die Macula war ophthalmoskopisch normal geblieben, die Neuritis nicht stärker geworden, die Sehschärfe aber auf 0,05 gesunken.

Der mikroskopische Befund war in hohem Masse interessant.

Das Sarkom zeigte gute Kernfärbung und keine Zerfallserscheinungen, die man als Folge der Bestrahlung hätte erwarten können.

Iris und Ciliarkörper waren normal. Speziell fanden sich keine Ge- fäßswand Veränderungen , wie ich sie in meinem früher mitgeteilten Fall be- obachten konnte. Auch die Chorioidea erschien bis dicht an den Tumor intakt.

Der Optikus bot die Zeichen einer akuten Neuritis. Die Retina war im Umkreis der Papille durch -ein Exsudat vom Pigmentepithel abgelöst. Temporalwärts erstreckte sich die Ablösung nur wenig weit als kleine flache Blase, an die sich weiter peripher durch anliegende Partien getrennt zwei weitere blasige Abhebungen anschlössen. Die grössere Blase reichte bis zum Aderhauttumor.

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen auf das menschliche Auge. 107

In der nasalen Hälfte war die Abhebung eine kontinuierliche, nicht blasenförmige.

Der Erguss zwischen Netzhaut und Pigmentepithel war eine homogene geronnene Masse, ohne Zelleinschlüsse.

In der Netzhaut waren die Stäbchen und Zapfen grösstenteils zerfallen. An einzelnen Stellen war das retroretinale Exsudat in die innerhalb der Membr. limit ext. gelegenen Schichten eingedrungen und hatte die äusseren Körner etwas auseinandergedrängt. Es präsentierte sich hier, nach v. Gieson gefärbt, als rote Bänder, die sich wie durch Ritzen zwischen die Sehzellen- kerne schoben. Nasal, ehe die Abhebung hinter dem Strahlenkörper ihr Ende fand, kam es zur Bildung von grossen Vakuolen in der Netz- haut, welche von der Membr. limit. ext. bis zur Nervenfaserschicht reichen, alles Gewebe auseinander drängen und nur ganz dünne Züge von Stütz- fasern und einige nervöse Querverbindungen übrig lassen. Nach hinten schliessen sich dann einige kleinere Vakuolen an, diese dann ausschliesslich in der äussern Körnerschicht gelegen. Die ganze so veränderte Strecke ist nur kurz, nicht mehr als 2 3 mm lang. Es hat hier also Exsudation in die Netzhaut stattgefunden. Veränderungen an den Sehzellen mit Ausnahme ihrer Endglieder, an den Ganglienzellen der inneren Körnerschicht und der Ganglienzellenschicht konnte Ammann nicht feststellen.

Doch ist zu bemerken, dass er die zur Darstellung der Chromatin- struktnr geeigneten Färbungsmethoden nicht angewendet hat.

Ammann vertritt die Ansicht, dass der Angriffspunkt der Röntgenstrahlen in seinem Falle in den Kapillaren der Chorioidea gelegen war. Er schliesst dies aus dein Sitz des Exsudates.

Weiter meint er. dass das Exsudat als entzündliches aufzufassen nnd eine der Exsudation und Blasenbildung der Haut analoge Er- scheinung sei.

Der Fall von Ammann ist in mehrfacher Hinsicht bemerkens- wert, wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass er Anlass zu manchem Bedenken gibt.

Zunächst einmal ist es entschieden auffällig, dass durch Wirkung von Röntgenstrahlen eine entzündliche Exsudation aus den Aderhaut- kapillaren entstehen soll, ohne dass die Netzhaut, der dem bestrahlten Tumor benachbarte Bezirk der Iris und des Ciliarkörpers Gefäss- veränderungen darbot

Es muss aber von vornherein als zweifelhaft bezeichnet werden, ob die entzündliche Exsudation zwischen Chorioidea und Netzhaut als Folge der Röntgenbestrahlung angesehen werden darf.

Bekanntlich treten Netzhautabhebungen bei Aderhautsarkomen nicht selten und oft sehr frühzeitig auf. Ich verweise hier nur auf die neueren anatomischen Untersuchungen vonParsons. Nach diesem Autor wirkt der Tumor als Fremdkörper und ruft eine starke Sekre- tion hervor.

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Es kommt zur Rundzelleninfiltratien der umgebenden Aderhaut und Entstehung eines subretinalen eiweissreichen Exsudates. Auch die Entstehung des Glaukoms bei Aderhautsarkom wird von Par- sons auf diesen entzündlichen Erguss unter die Netzhaut zurück- geführt

Übrigens konnte ich mich an dem reichen Material der anato- mischen Sammlung unserer Klinik an einer grosseren Zahl von Augen mit Chorioidealsarkom von der Richtigkeit dieser Beobachtungen über- zeugen.

Wir sehen also, die gleichen Erscheinungen, die Ammann in seinem Falle nach Bestrahlung mit X-Strahlen beobachtete, können auch an nicht bestrahlten Augen mit Aderhautsarkom sich entwickeln.

Damit wird aber der Kausalzusammenhang zwischen anatomi- schem Befund und Bestrahlung sehr zweifelhaft.

Es kommt hinzu, dass ich bei meinen experimentellen Unter- suchungen niemals ein entzündliches Exsudat der Chorioidea, das zur Ablatio führte, beobachten konnte, so ausgeprägt und konstant die Veränderungen an den Ganglienzellen waren.

Die Neuritis optica als direkte Folge der Bestrahlung anzusehen, dürfte kaum angängig sein.

Auch an den von mir anatomisch untersuchten menschlichen Augen (mein früher mitgeteilter Fall IV und der Fall, über den ich gleich berichten werde) fand sich kein gleichartiger Befund.

Bei der entzündlichen Exsudation im Umkreise der Papille ist eine Beteiligung des Sehnerven leicht zu verstehen.

Wenn also auch theoretisch die Möglichkeit zuzugeben ist, dass durch Wirkung der Röntgenstrahlen eine subretinale Exsudation und dadurch Netzhautabhebung auftritt, so kann doch der Ammannsche Fall in dieser Richtung nicht als beweisend gelten.

Aber selbst wenn man die Ablatio und die Exsudation nicht als Strahlenwirkung auffasst, bot der bestrahlte Bulbus ein wertvolles Objekt zur anatomischen Erforschung des Bestrahlungseffektes.

Es war hier besonders die feinere Struktur der Netzhautgang- lienzellen und das Verhalten der Netzhaut- und Aderhautgefässe zu beachten.

Zur Untersuchung stand mir von dem Ammannschen Bulbus ein grösseres in Celloidin eingebettetes Stück zur Verfügung.

Nach Umbettung in Paraffin wurde es in ungefähr 5// dicke Schnitte zerlegt und nach der Xissl sehen Methode, mit Hämalauu» nach Heidenhain und van Gieson gefärbt.

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen auf das menschliche Auge. 109

Das Stück enthält einen Teil des Aderhauttumors, einen grossen Teil der teilweise flach abgehobenen, teilweise anliegenden Netzhaut und die zugehörige Aderhaut Die Sklera wurde bei der Umbettung vorsichtig abgelöst

An der Netzhaut fanden sich folgende Veränderungen:

Die Stäbchen und Zapfen sind fast völlig zugrunde gegangen. An ihrer Stelle findet sich auch dort, wo die Netzhaut nicht ab- gehoben ist, ein homogenes Exsudat, das ziemlich stark lichtbrechend bei van Giesonfärbung intensiv rot, bei Thioninbehandlung blau ge- färbt wird und sich an manchen Stellen, wie das auch Ammann beschreibt, durch die Lamina externa in die äussere Körnerschicht erstreckt An den meisten Stellen ist jedoch die Grenzschicht eben- sogut erhalten, wie das Pigmentepithel und die äusseren Netzhaut- schichten.

Ausgesprochene Degenerationserscheinungen sind an ihnen jeden- falls nicht nachzuweisen, und auch von einer ödematösen Durch- tränkung der äusseren Körnerschicht, der Zwischenkörnerschicht und inneren Körnerschicht ist nichts zu bemerken.

Dagegen sind die inneren Netzhautschichten, die Nervenfaser- schicht, Ganglicnzellenschicht und innere plexiforme Schicht stark von Hohlräumen durchsetzt.

Ich möchte dieselben nicht als Kunstprodukt, verursacht durch die bei der Einbettung und späteren Umbettung notwendigen Mani- pulationen, ansehen. Wäre dies der Fall, dann würden doch auch die äusseren Netzhautschichten ein gleichartiges Verhalten dar- bieten.

Was mich weiter in meiner Annahme bestärkt, ist der Umstand, dass ich auch bei meinen experimentellen Bestrahlungen des Kanin- chenauges und an dem früher untersuchten menschlichen Auge Auf- lockerung der inneren Netzhautschichten, besonders der Nervenfaser- schicht beobachten konnte.

Die Ganglienzellen bieten in dem Ammannschen Fall die Zeichen von beginnender, aber immerhin deutlicher Hyperchromatose des Kerns, Kern- und Zellschrumpfung, Vakuolisation und Chromatolyse.

Die Auflösung der Chromatinsubstanz entspricht demjenigen Typus, den ich nach Bestrahlung mit Böntgenstrahlen häufig fest- stellen konnte und als staubförmigen Zerfall dem diffusen Auflösungs- prozess der Chromatinkörper nach Blendung mit ultraviolettem Licht gegenüberstellen möchte.

Dass die gefundenen Zellveränderungen die anatomische Grund-

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läge der klinisch nachgewiesenen hochgradigen Sehstörung bildeten, kann kaum bezweifelt werden.

Schwieriger ist es, ihre Genese zu erklären.

Wenn sie auch den von mir experimentell nach Bestrahlung mit Röntgenstrahlen festgestellten Erscheinungen entsprechen, so halte ich doch noch nicht den Schluss für berechtigt, dass sie als Bestrah- lungsfolge anzusehen sind.

Wir wissen, dass die Läsion der Ganglienzellen der Netzhaut durch Röntgenstrahlen nichts für diese Schädigung Charakteristi- sches hat.

Nach andersartigen Schädigungen (Intoxikationsamblyopien, Durch- schneidung des Sehnenren, wahrscheinlich auch bei Entzündung der Netzhaut) kann sich das gleiche Bild entwickeln.

Über das Verhalten der nach Nissl dargestellten Ganglienzell- struktur in der abgelösten Netzhaut liegen zwar noch keine Unter- suchungen vor. Doch halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass namentlich dann, wenn ausserdem eine Entzündung der Aderhaut und eine Neuritis optica vorliegt, wie im Am mann sehen Falle, gleich- artige Veränderungen nachzuweisen sind, auch ohne dass eine Be- strahlung vorausging.

An den Netzhautgefässen, von denen besonders die Venen auf- fallend stark gefüllt waren, konnte ich nur an einigen Stellen An- deutungen von Wandveränderungen wahrnehmen, die möglicherweise als eine beginnende, auf die Strahlenwirkung zu beziehende vakuoü- sierende Degeneration aufzufassen sind.

Überblicke ich den von Ammann und von mir im vorliegenden Falle erhobenen Befund, so komme ich zu dem Schluss, dass keine von den nachgewiesenen Veränderungen mit Sicherheit auf eine Schädigung der Röntgenstrahlen bezogen werden kann.

Für die Ablatio und das subretinale Exsudat möchte ich einen Zusammenhang mit der Bestrahlung sogar für unwahrscheinlich halten, während die Ganglienzellveränderungen und das Ödem der inneren Netzhautschichten eher derselben zugeschrieben werden könnten, bei den vorliegenden komplizierenden Verhältnissen aber gleichfalls nicht eindeutig sind.

Der Fall lehrt uns also, dass bei der Beurteilung des Effektes der Bestrahlung die grösste Vorsicht notwendig ist

In klinischer Beziehung ist der Ammann sehe Fall besonders insofern interessant, als er zeigt, dass wir beim Chorioidealsarkom von der therapeutischen Wirkung der Röntgenstrahlen wenig erwarten dürfen.

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen auf das menschliche Auge. 1 1 1

Es wäre ja möglich, dass eine intensivere Bestrahlung vielleicht mit einer härteren Bohre doch zur Bückbildung des Tumors ge- führt hätte.

Immerhin wird man bei einem malignen Tumor des Augeninnern, dessen Wachstum die grössten Gefahren mit sich bringt und durch die Bestrahlung nicht mit Sicherheit aufgehalten werden kann, die frühzeitige Enucleation jeder länger dauernden Badiotherapie vor- ziehen müssen.

Mein zweiter Fall bietet einfachere Verhältnisse für die Beur- teilung der Strahlenwirkung und gestattet darum bessere Bückschlüsse.

Der 63 jährige H. St. litt an einem Carcinom in der Gegend des linken äusseren Augenwinkels.

Ungefähr 1 cm temporal von demselhen fand sich eine erbsengrosse Geschwürsfläche mit wallartig erhabenen harten Rändern. Ein analoges pfenniggrosses Ulcus rodens nahm den äussersten Teil des unteren Lides ein. Das Sehvermögen des linken Auges betrug am 18. VIII. 1903 nach Ausgleich eines hyperopischen Astigmatismus (cyl -f- 2,5) 6/12, ebenso wie am rechten Auge.

Der Patient wurde in der chirurgischen Universitätspoliklinik etwa sechs- mal je 20 Minuten lang mit Röntgenlicht bestrahlt, wobei das Auge nach Möglichkeit mit Stanniol und Bleiplatten abgedeckt wurde. Da das Ulcus den äussersten Teil des unteren Lides mit betraf, konnte, da damals noch nicht Lidplatten in den Bindehautsack eingelegt wurden, die Abdeckung des Bulbus gegen die Strahlenwirkung keine vollständige sein.

Acht Tage nach der letzten Bestrahlung bemerkte St. angeblich Rötung des äusseren Augenwinkels, Stechen und Drücken. Auch soll das Sehver- mögen abgenommen haben.

Die Untersuchung am 25. V. 1904 ergab:

Am linken äusseren Orbitalrand ist eine weisse, am Knochen adhärente, nicht druckempfindliche Narbe zu bemerken. Von Infiltration, Schwellung oder Ulceration ist im Bereiche der bestrahlten Haut keine Spur mehr nach- zuweisen. Die Lidspalte des linken Auges ist durch Fixation an der Narbe leicht verengt. Die Lidränder stehen normal.

Im äusseren Drittel des oberen und unteren Lides fehlen die Cilien vollständig. Der Lidrand selbst ist unverändert Der temporale Sektor der Skleralbindehaut enthält stark gefüllte oberflächliche Gefösse und zeigt leichte pericorneale Injektion.

Im entsprechenden Sektor der Hornhaut findet sich eine zarte, in der Substanz gelegeneTrübung, die sich bei Betrachtung mit der binokularen Lupe aus feinsten Pünktchen zusammensetzt. Das Epithel ist glatt und spiegelnd. Iris, Linse, Augenhintergrund bieten normale Verhältnisse.

Das Sehvermögen beträgt bei gleicher Refraktion und Korrektion wie früher nur 6/24, während dasjenige des rechten Auges gleich geblieben ist. Eine Gesichtsfeldbeschränkung oder Störung des zentralen Farbensinus läset sich nicht nachweisen.

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Es lag nahe, nach den klinischen Symptomen in der Hornhaut- trübung und dem Reizzustand des Auges die Ursache der Sehstörung zu erblicken.

Als sich aber die entzündlichen Symptome zurückbildeten und die Hornhauttrübung wesentlich aufhellte, ohne dass sich die Seh- schärfe hob, ja letztere sogar noch etwas weiter (auf 6/30 ungefähr) abnahm, kam ich zu der Annahme, dass doch auch der nervöse Apparat des Auges (nach Analogie meiner experimentellen Bestrah- lungen) durch die Röntgenstrahlen etwas gelitten hatte.

Leider entzog sich der Patient dann längere Zeit der augenärztlichen Kontrolle und stellte sich erst wieder in der chirurgischen Universitätspoli- klinik vor, als ein Rezidiv des Hautcarcinoms aufgetreten war, das auf den Knochen und auf die temporale Hälfte der Conjunctiva bulbi übergegriffen hatte.

Der Augapfel selbst bot leichten Reizzustand. Der Tumor reichte bis zum temporalen Hornhautrand. Von hier erstreckte sich eine kurze Strecke in die Hornhaut ein pannusartiges Gewebe. Im übrigen war die Horn- haut klar und durchsichtig bis auf vereinzelte, von der frühereu Bestrahlung herrührende punktförmige zarte Trübungen in der Substanz der Hornhaut

Die Sehschärfe hatte sich seit der letzten Untersuchung nicht geändert.

Herr Prof. Perthes führte, ehe er die radikale Exstirpation des Car- cinoma und des Bulbus vornahm, nochmals eine intensive Bestrahlung des ungeschützten Bulbus mit Röntgenstrahlen aus. Ungefähr 12 Stunden nach derselben wurde die Enucleation vorgenommen.

Der Bulbus kam sofort in erwärmte Zenk ersehe Lösung.

Nach Härtung in Alkohol wurde er in drei Stücke zerlegt. Das mittlere Stück, das Sehnerv und Macula enthielt, wurde der trockenen Celloidin- methode unterworfen. Von den andern Stücken wurde die Netzhaut und Chorioidea abgelöst und in Paraffin eingebettet

Hornhaut.

Das Epithel fehlt in einem zentralen kleinen Bezirk, während es in den seitlichen Teilen normal ist. Am temporalen Hornhautrand ist das Carcinom im Präparat enthalten. Dasselbe greift nicht auf die Sklera oder Hornhaut über. Es handelt sich um einen typischen Pflasterzellenkrebs. An den Geschwulstzellen sind keine Veränderungen nachzuweisen, die auf die Röntgenbestrahlung bezogen werden könnten. Offenbar war die Latenz- zeit nach der letzten Bestrahlung noch nicht überschritten. Das episklerale Gewebe im temporalen Sektor bietet die Zeichen der Entzündung. Stark gefüllte teilweise neugebildete GeßLsse sind von Rundzellen und Leukocyten umgeben. Von hier aus erstreckt sich ein neugebildetes kern- und gefäsa- reiches Bindegewebe eine Strecke weit subepithelial in die Hornhaut

Im zentralen Teil der Cornea finden sich an einigen Stellen inmitten normaler Umgebung unterhalb des Epithels und in den vorderen Schichten kleine Herde von Bindegewebszellen. Die Bowmansche Schicht ist an diesen Stellen zugrunde gegangen.

Diese isolierten Herde, zweifellos als ältere Narben zu deuten, bilden

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen auf das menschliche Auge. 1 13

offenbar die anatomische Grundlage der nach den früheren Bestrahlungen aufgetretenen punktförmigen Hornhauttrübungen.

Die übrigen Teile der Hornhaut bieten normales Verhalten.

In der Iris und im Ciliarkörper fehlen entzündliche Veränderungen. DieGefasse mittleren Kalibers bieten die Erscheinungen der vakuolisieren- den Degeneration der Intima. Die Kerne des Endothels sind teilweise auffallend unregelmässig gelagert und zum Teil schlecht gefärbt Durch Vakuolen zwischen den einzelnen Zellen erscheint die innere Schicht unregel- miasig verbreitert Die Ercheinungen sind zwar keineswegs so stark ausgeprägt, wie bei dem ersten von mir anatomisch untersuchten Falle, aber immerhin deutlich genug, um Kunstprodukte ausschliessen zu lassen. Die Chromato- phoren des Irisstroma sind häufig in Pigmentklumpen oder feine Pigment- körnchen verwandelt. Der Dilatator tritt sehr deutlich hervor dadurch, dass die hintere Pigmentschicht aufgelockert und unregelmäsaig geschwellt ist

Die Linse bietet normale Verhältnisse, ebenso der Glaskörper.

Die Netzhaut liegt ihrer Unterlage allenthalben glatt an.

Die Stäbchen- und Zapfenschicht ist tadellos konserviert An den Körnerschichten lassen sich keine Veränderungen nachweisen.

Dagegen bieten die Ganglienzellen sehr ausgesprochene Zeichen von Degeneration. Das Hauptsymptom ist Zerrall der Ghromatinsubstanz und Vakuolisation des Protoplasma. Nicht selten trifft man Zellen, in denen das Protoplasma eine wabige Struktur besitzt Die Chromatinkörner fehlen bis auf spärliche feinkörnige Reste. In andern Zellen findet sich ein Kranz von feinen Vakuolen in der Peripherie der Zelle. Durch Kontinenz können diese grössere Dimensionen annehmen.

Der Kern der Zelle ist meist gut erhalten, teilweise jedoch geschrumpft. Er liegt auffallend oft am vitralen Rande der Zelle dicht der Zellmembran angelagert oder dieselbe sogar vitralwärts vorbuchtend. Ob wir hierin den Ausdruck einer Kernwanderung erblicken dürfen, ist mir zweifelhaft.

Eine ödematöee Auflockerung der inneren Netzhautschichten fehlt.

Deutliche Veränderungen finden sich weiter an den Netzhautgefissen. Es handelt sich um vakuolisierende Degeneration der Geftsswand. Auf- fallenderweise ist fast stets der vitralwärts gerichtete Teil des Geffisses hier- von betroffen. Die Erscheinung lässt sich an Venen und Arterien nach- weisen.

Am deutlichsten sind diese Veränderungen in der Peripherie der Netz- haut und zwar temporal ebenso wie nasal ausgesprochen.

Die Gefasswand ist in ein feines Faserwerk aufgeblättert, so zwar, dass zwischen den einzelnen Fasern grössere und kleinere Lücken entstehen. Die Endothelkerne rücken dabei oft vom Lumen des Gefässes ab (vgl flg. 1, Taf. III).

Entzündliche Erscheinungen fehlen durchaus.

Das Pigmentepithel und dieChorioidea bieten keine pathologischen Veränderungen dar.

Kurz zusammengefasst ergibt sich also als Resultat der anato- mischen Untersuchung im vorliegenden Falle neben einigen älteren umschriebenen Narben im vorderen Teile der Hornhautsubstanz

t. Graefe's Archiv Ar Ophthalmologie. LXVI. l. 8

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Vakuolisation undChromatolyse der Netzhaatganglienzellen und vakuolisierende Degeneration derGefässe der Netzhaut, in geringerem Grade derjenigen der Iris und des Ciliarkörpers.

Die Macula, was besonders hervorgehoben werden muss, bot kein Zeichen von cystischer Degeneration, und der Optikus war frei von entzündlichen und atrophischen Veränderungen.

Die erwähnten Veränderungen können wir, glaube ich, unbedenk- lich als Folgen der Röntgenbestrahlung ansehen.

Dass die Erscheinungen an Ganglienzellen und Gefässwänden nicht etwa als Kunstprodukte aufzufassen sind, ergibt sich aus der Frische des Untersuchungsmateriales, der Anwendung völlig ein wands- freier Methoden, der tadellosen Konservierung so empfindlicher Ge- bilde wie der Stäbchen und Zapfen.

Komplizierende Verhältnisse wie in dem A mm an n sehen Falle und in meinem früher untersuchten Falle (wo ein Glaukom nach- gewiesen wurde) fehlen im vorliegenden Falle durchaus.

Weiter spricht für einen ursächlichen Zusammenhang mit der Bestrahlung der Umstand, dass in den andern anatomisch unter- suchten menschlichen Augen nach Bestrahlung analoge Veränderungen nachgewiesen wurden ebenso wie nach experimenteller Bestrahlung des Tierauges.

Namentlich die Gefässwandveränderungen kann man als ckarak- teristisch für die Strahlenwirkung bezeichnen, während die Störungen der Ganglienzellstruktur mit denjenigen bei andersartigen Läsionen übereinstimmen.

Schwerer ist es, zu entscheiden, ob die im vorliegenden Falle beobachteten Veränderungen nach den früheren oder nach der letzten Bestrahlung aufgetreten sind.

Die Abnahme der Sehschärfe nach den ersten Bestrahlungen, das Auftreten der Hornhauttrübungen in dem den Strahlen besonders ausgesetzten temporalen Hornhautsektor, mehr noch die ausgeprägten Gefässwandveränderungen der Netzhaut deuten auf einen bereits länger bestehenden pathologischen Prozess hin.

Ich möchte danach glauben, dass namentlich die vakuolisierende Degeneration der Netzhautgefässe auf die früheren Bestrahlungen zurückreicht

Hierfür spricht, dass ich auch nach intensiver experimenteller Röntgenbestrahlung erst nach längerer Latenzperiode Andeutungen von derartigen Gefässwandstörungen vorfand.

Dagegen erfordern die Veränderungen der Ganglienzellstruktur

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen auf das menschliche Auge. 1 1 5

wahrscheinlich, soweit wir aus den analogen Störungen nach Radium- bestrahlung schliefen dürfen, eine kürzere Latenz, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die kurz vor der Enucleation vorgenommene Bestrahlung zu ihrer Entstehung beitrug.

Besonders betroffen waren im vorliegenden Falle die Ursprungs- zellen des dritten Neuron, während die ersten Neura normales Ver- halten zeigten und im Sehnerven deutliche Degeneration nicht bzw. noch nicht anzutreffen war.

Welchen funktionellen Ausdruck die Chromatolyse und Vakuo- lisation der Netzhautganglienzellen gefunden haben würde, darüber vermag ich keine Auskunft zu geben, da eine Sehprüfung kurz vor der Enucleation leider nicht möglich war.

Aus der Tatsache, dass der Kern der Zelle meist gut erhalten war, dass ausgesprochene Zerfallserscheinungen (wie ich sie experi- mentell hervorrufen konnte, wo es dann auch zu aufsteigender De- generation des Optikus kam) vermisst wurden, möchte ich folgern, dass die Ganglienzellen nicht völlig funktionsunfähig waren, wenn man auch nach dem anatomischen Ausdruck der Schädigung eine Funktionsstörung wohl annehmen muss.

Dass die Macula in diesem Falle nichts von cystischer Degene- ration darbot, könnte man dadurch erklären, dass die Strahlenwirkung im vorliegenden Falle jedenfalls wesentlich geringer war als in dem früher mitgeteilten. Der Bulbus wurde bei den früheren Bestrahlungen so gut als möglich durch Stanniol und Bleiplatten abgedeckt (in dem früheren Falle geschah dies nicht), und der hintere Pol des Auges mit der Macula war den seitlich einfallenden Röntgenstrahlen damit grösstenteils entzogen. Letztere mussten dadurch besonders den vor- deren Abschnitt des Auges (Hornhaut, Netzhautperipherie) betreffen, wo sich in der Tat die stärksten Veränderungen nachweisen Hessen.

Die letzte Bestrahlung aber, die den ungeschützten Bulbus von vorn traf, konnte wohl zu einer Schädigung der Ganglienzellstruktur in der ganzen Netzhaut, nicht aber bei der kurzen Latenzzeit, zu stärkerer Exsudation in dqr Macula führen.

Ich glaube also, dass wir nach den anatomischen Befunden in diesem Falle nicht etwa schliessen dürfen, dass die im früheren Falle nachgewiesene cystische Degeneration der Macula unabhängig von der Röntgenbestrahlung sei, wenn wir anderseits ihre Abhängigkeit von derselben auch nicht erweisen können.

In dieser Richtung würden weitere anatomische Untersuchungen mit Röntgenlicht bestrahlter Bulbi vom Menschen oder Affen abzu-

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warten sein. Natürlich müsste man dann die Bestrahlung so ein- richten, dass die Macula selbst intensiv getroffen wird und dass eine genügende Latenz zur Ausbildung derartiger Störungen gegeben ist

Der oben mitgeteilte Ammannsche Fall, in dem der vordere Teil des Bulbus bestrahlt wurde, ohne dass die Macula cystische Degeneration darbot, besitzt in dieser Richtung, wie ich glaube, keine genügende Beweiskraft. Ammann selbst betont mit Recht, dass der Widerspruch gegenüber meinem früheren Falle „nur ein scheinbarer" sei, „indem die Strahlen hier wahrscheinlich weiter hinten durch den Bulbus gingen", als in seinem Falle.

Aber bleibt selbst die Frage nach der Abhängigkeit der cystoiden

Maculadegeneration von der Bestrahlung in suspenso die drei

bisher anatomisch untersuchten menschlichen Bulbi boten doch eine Reihe gemeinsamer Symptome, die wir unbedenklich als Ausdruck der Strahlenwirkung auffassen können.

Neben Vakuolisation und Chromatolyse der Netzhautganglien- zellen kommt hier die eigenartige Gefässwandveränderung in Betracht, die man mit Halkin, Gassmann und Freund als vakuolisierende Degeneration bezeichnen kann. Es handelt sich dabei wohl um eine direkte Schädigung des Gefässendothels. Dieses wird abnorm durch- lässig. Durch durchtretendes Blutplasma werden dann vermutlich die Gefasswandschichten auseinander gedrängt, so dass das beschriebene Bild entsteht

Sind nun die Veränderungen der Nervenzellstruktur als eine Folge dieser Gefässwandstörungen aufzufassen?

Von Bärmann und Linser war die Ansicht vertreten worden, dass die nach Röntgenbestrahlung auftretenden Epithelveränderungen auf primärer Gefassläsion beruhen sollen. Ich habe bereits früher die Gründe angeführt, die gegen diese Auffassung sprechen.

Dass die Nervenzellveränderungen auf direkter Schädigung durch die X-Strahlen beruhen, scheint mir auch nach den vorliegenden Unter- suchungen nicht zweifelhaft

Würden sie eine Folge der Gefässwpndläsion darstellen, dann müssten wir auch eine graduelle Abhängigkeit von dieser erwarten, was jedoch keineswegs zutrifft, weder für die experimentell bestrahlten Tieraugen noch für die anatomisch untersuchten menschlichen Bulbi. Gerade an den letzteren zeigt sich vielmehr eine Unabhängigkeit der Zellveränderungen von den Gefässwandstörungen.

Anderseits kann jedoch nicht bestritten werden, dass die Gefäss- wandveränderung weitere pathologische Vorgänge (Exsudation) hervor-

Weiterer Beitrag zur Wirkung der Röntgenstrahlen auf das menschliche Auge. 1 1 7

rufen kann, die ihrerseits zu einer Schädigung der nervösen Zellen führen können.

Zur Annahme solcher sekundärer Veränderungen wird aber immer der Nachweis eines Exsudates, zum mindesten ödematöser Durchträn- kung und Auflockerung des Gewebes, erforderlich sein.

Nach alledem möchte ich annehmen, dass wir berechtigt sind, sowohl die Veränderungen am Oefässendothel als diejenigen an den Netzhautganglienzellen als direkte Strahlenwirkungen aufzufassen.

Das anatomische Bild kann sich aber dadurch noch weiter kom- plizieren, dass die Oefässläsion zu sekundären exsudativen Prozessen Anlass gibt

Wir müssen einräumen, dass gerade für das menschliche Auge die Pathogenese der durch Röntgenstrahlen hervorgerufenen Verän- derungen noch nicht in jeder Hinsicht sicher gestellt ist

Besonders die wichtigen Fragen nach der Latenz der einzelnen Veränderungen und nach den funktionellen Störungen, die durch sie hervorgerufen werden, bedürfen weiterer Untersuchungen.

Darüber jedoch, dass auch am menschlichen Bulbus nach einer Bestrahlungsintensität, wie sie zu therapeutischen Zwecken Verwen- dung findet, anatomische Veränderungen eintreten, die denjenigen an bestrahlten Tieraugen analog sind, kann kein Zweifel bestehen.

In dieser Hinsicht haben die vorliegenden Untersuchungen zu einer weiteren Bestätigung geführt

Wenn man die neuere Literatur über Radiotherapie mit Röntgen- strahlen und Radium am Auge oder in der Nähe des Auges verfolgt, so findet man manchmal die Angabe, dass die Anwendung dieser Strahlen ohne Schädigung des Auges verlief.

Solche Angaben, nicht selten im Referate entstellt, machen dann die Runde und sind gewiss geeignet, den Praktiker, der sich von der vielfach gerühmten Heilwirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen (z. B. beim Trachom) selbst überzeugen will, in dieser Absicht zu ermutigen, ohne ihm zugleich die Notwendigkeit geeigneter Schutz- massregeln für das Auge anzuempfehlen.

So wurde z. B. in der Münchener med. Wochenschr. 15. Aug. 1905 und der Wochenschr. f. Therapie u. Hygiene des Auges 31. Aug. 1905 eine Arbeit von Selenkowsky (nach Russk. Wratsch. 1905, Nr. 19) referiert.

Nach den Referaten hat der Verfasser mit 30 mg Radiumbromid 10 15 Minuten lang seinen eigenen Bulbus bestrahlt ohne irgend welche schädliche Folgen.

118 A. Birch-Hinchfeld

Ich hatte Gelegenheit, Herrn Kollegen Selenkowsky selbst zu sprechen, und stellte ihn wegen dieser Behauptung zur Rede. Da erfuhr ich nun, dass diese Angabe in den Referaten vollständig ent- stellt ist Er hatte nur 10, nicht 30 mg angewendet und nur wenige Minuten.

Wie nun, wenn auf Grund des Referates von Selenkowsky von irgend welcher Seite ein gleichartiger Versuch unternommen worden wäre?

In den erwähnten Referaten ist zu lesen, dass Selenkowsky auch durch Belichtung von Tieraugen die Unschädlichkeit der Ra- diumstrahlen erwiesen habe. Das Gegenteil ist der Fall. Bei Be- strahlung des Kaninchenauges mit 30 mg Radiumbromid aus 5 mm Entfernung und einer Exposition von x/2 Stunde erhielt Selenkowsky, wie er auch in einer neueren Arbeit ausführt, sehr starke und dele- täre Wirkungen. Die mikroskopische Untersuchung solcher Augen ergab hochgradigen Zerfall des Epithels und des Parenchyms der Hornhaut sowie der Nervenzellen der Netzhaut.

Selenkowsky bestätigte also im wesentlichen die von mir gefun- denen Resultate. .

Es kann gegenüber solchen irrtümlichen Angaben in der Literatur nicht eindringlich genug auf die schädliche Wirkung der X-Strahlen und der Radiumstrahlen für das Auge hingewiesen werden.

Damit soll ihre therapeutische Verwendbarkeit in der Nachbar- schaft des Auges nicht bezweifelt werden. Ich hatte mehrfach Ge- legenheit, mich von dem gunstigen Effekt der Radiotherapie bei malignen Tumoren der Lider zu überzeugen und sah, wie der Trachom- follikel durch Radiumbestrahlung wenn auch nach meinen Erfah- rungen nur vorübergehend zum Verschwinden gebracht werden kann.

Sicherlich aber besteht für den, der von der Heilwirkung der Strahlen Gebrauch machen will, die Pflicht, das Auge gegen die schädlichen Wirkungen derselben zu schützen.

Dass ein solcher Schutz notwendig ist, zeigt uns auch das Re- sultat der vorliegenden Untersuchungen.

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Erklärung der Abbildungen auf Tafel III, Fig. 1. 2.

Netzhaut des mit ROntgenlicht bestrahlten Bulbus des H. St Modific. Nissl- farbung (Thionin-Ery throcin ). Zeiss C. Okul. II. u. Leitz. homog. Immers. Okul. HI.

(Aus Herrn Geheimrat Hirschberg 's Augenheilanstalt in Berlin.)

Ein Beitrag zur Kenntnis der verschiedenen Arten der absoluten Lokalisation beim konkomitierenden Schielen.

Von

Dr. Joh. Ohm, 1. Assistent

Mit Fig. la 5 b und einer Tabelle.

L Allgemeines.

Es ist schon lange bekannt, dass der mit normalem binokularen Sehakt Begabte nur verhältnismässig wenige Dinge an ihrem „wahren" Orte sieht

Man unterscheidet deshalb zwischen objektivem oder geometrisch- konstruktivem oder „wirklichem" Raum und subjektivem oder Sehraum1).

Die schon normalerweise zwischen beiden bestehende Disharmonie ist noch viel auffallender und leichter nachzuweisen bei Schielenden.

Die Lokalisation der Sehdinge in den wirklichen Baum, d. h. die Ortsgebung in bezug auf unser eigenes Ich, bezeichnen wir als die absolute Lokalisation, im Gegensatz zur relativen, d. h. der Lage- beziehung der Einzelsehfelder zu einander.

n. Untersnchungsmethoden.

Was zunächst die darauf bezüglichen Untersuchungsmethoden angeht, so gibt es zwei, eine gröbere und eine feinere.

Erstere besteht darin, dass der zu Untersuchende angewiesen wird, den Ort oder die Richtung des wahrgenommenen Objektes mit dem Finger, der auf irgend eine Weise, z. B. durch einen Schirm, den Augen verborgen bleibt, zu bezeichnen.

Von den zwei Punkten, die die fragliche Richtung, in der dem Untersuchten der Gegenstand seiner Aufmerksamkeit zu liegen scheint,

') Hering, Beiträge zur Physiologie. 1861. 1. Heft S. 13.

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 121

charakterisieren, ist die Fingerspitze der eine, und der Knotenpunkt eines zwischen beiden Augen in der Gegend der Nasenwurzel an- genommenen, sogenannten Cyklopenauges der andere. Wenn die An- hänger der Projektionstheorie gegen diese von H e r i n g *) als Sehrichtung bezeichnete Linie einwenden, dass ein binokular fixierter Punkt natürlich auch auf der Halbierungslinie des Konvergenzwinkels der Gesichtslinien hegen müsse, und sie im Gegensatz dazu annehmen, dass der fixierte Punkt in der Richtung der Gesichtslinien gesehen werde, so gibt ihnen das Experiment unrecht

Wie schon Johannes Müller1) erkannt hat, kann ein binokular fixierter Punkt nicht an einem und demselben Orte gesehen werden, wenn jedes Auge sein Netzhautbild in einer besonderen Sichtung nach aussen setzt, und tatsächlich zeigt das Experiment, dass zwei in den Ge- sichtslinien hegende linienförmige Objekte zu einer Linie verschmelzen, die dem Beobachter auf seine Nase zuzulaufen scheint Wenn ich in den Zeichnungen weiter unten auch bei Schielenden zur Darstel- lung der absoluten Lokalisation einen in der Mitte zwischen beiden Augen hegenden Punkt als Zentrum der Sehrichtungen gewählt habe, so halte ich es doch in manchen Fällen, besonders bei der unten aufgeführten zweiten Gruppe, für möglich, dass das Zentrum der Sehrichtungen nach der Seite des Hauptauges verschoben ist

Jedenfalls scheinen mir die unten angenommenen Richtungen den tatsächlichen Verhältnissen eher zu entsprechen, als die Pfeil- richtungen, die Alfred Graefe3) in seiner Darstellung der Motilitäts- störungen gewählt hat

Während uns diese, auch als Tastversuch bezeichnete Methode über die Sehrichtung eines jeden Gegenstandes im Blickfelde orien- tiert, gibt uns die zweite Methode nur Aufschluss über die Lage der subjektiven Medianebene oder des „Gerade vorne" zur objektiven Medianebene des Körpers des Untersuchten, aber in feinerer Weise.

Diese von Hering4) angegebene Methode besteht darin, dass man im Dunkelzimmer eine kleine Glühlampe „in möglichst grossem Abstände vom Gesichte des Schielenden von der Seite her in querer

s) Vgl. Hering, Beiträge zur Physiologie. 1861. 1. Heft S. 26 und die Lehre vom binokul. Sehen 1868. S. 4.

*) Johannes Müller, Handbuch der Physiologie. 1840. S. 369.

*) Älfr. Graefe, Graefe-Saemisch, Handbuch der Augenheilkunde. 1. Aufl. VL Bd. 1880. S. 25. 2. Aufl. VIII. Bd. 1898. S. 30.

*) Hering, Über die anomale Lokalisation der Netzhautbilder bei Strabis- mus alternans. Deutsches Arch. für klin. Med. 1899. Bd. LX1V. S. 17.

122 J- Ohm

Richtung zur verlängerten Medianebene seines Körpers langsam bis dahin vorwärts schiebt, wo sie dem Schielenden in dieser Median- ebene zu liegen scheint". Nach Erhellen des Zimmers wird die zu- letzt eingehaltene Kopf- und Augenstellung kontrolliert

Tschermak1) verachtet bei seinen Untersuchungen auf die Verdunkelung des Zimmers, um möglichst unter gewöhnlichen Be- dingungen zu untersuchen, vervollkommnet aber die Methode dadurch, dass er zunächst die objektive Medianebene genau bestimmt

Nachdem der Kopf mittels eines Gebisshalters fixiert ist, werden auf einer frontal gestellten Wand senkrecht zu ihr zwei Nadeln so befestigt, dass die rechte dem rechten, die linke dem linken Auge in punktförmiger Verkürzung erscheint Jede Nadel bezeichnet als- dann die Nullstellung der entsprechenden Gesichtslinie, und die Mitte zwischen beiden die Richtung der objektiven Medianebene des Unter- suchten. Ist die Einstellung vollendet, so werden die „Punktnadeln" den Augen durch einen Schirm entzogen, und nun eine auf der wagerechten Ebene senkrecht stehende Nadel mittels einer Schlitten- führung in querer Richtung durch das Blickfeld geschoben, bis sie dem Beobachter „gerade vor ihm" zu stehen scheint Auf diese Weise ist es möglich, etwaige Abweichungen der subjektiven Medianebene von der objektiven sehr genau zu bestimmen.

Ich habe bei meinen Untersuchungen das Prinzip beider Methoden verwandt, ohne indes die von Tschermak erreichte bewundernswerte Exaktheit anzustreben.

Der Untersuchte, dessen Kopf mittels einer Kinnstütze befestigt wird, sitzt vor einer 1 m entfernten schwarzen Tafel. Die Lichtquelle befindet sich hinter und über dem Patienten. Die Tafel ist, wie der Hirschbergsche Blickfeldmesser2), in Grade eingeteilt, und der Punkt der Tafel, der in der objektiven Medianebene des Körpers des Unter- suchten und in Höhe seiner Augen gelegen ist, wird als der Null- punkt bezeichnet Die nach rechts davon liegenden Gradziffern er- halten weiter unten das Vorzeichen +, die nach links liegenden das Vorzeichen .

Alle Versuche beschränken sich auf die Ermittlung der Lokali- sationsverhältnisse in seitlicher Richtung.

Es wird bald bei binokularem Sehen, bald bei Verschluss eines

') Tschermak, Ober die absolute Lokalisation bei Schielenden, v. Graefe's Arch f. Ophth. 1902. Bd. LV, 1. S. 11.

4) Hirschberg, Über Blickfeldmessung, 1875. Arch. f. Augen- u. Ohren- heilkunde. Bd. IV, 2. S. 273.

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 123

Auges, bald unter gewöhnlichen Bedingungen, bald bei Anwendung von roten und grünen Gläsern untersucht.

HL Beobachtungen. Gestützt auf meine Beobachtungen möchte ich drei Arten der absoluten Lokalisation bei Patienten mit konkomitierendem Schielen unterscheiden.

1. Gruppe. Als Beispiel der ersten Gruppe sei folgender Fall angeführt.

Emma W., 20 J. alt, leidet an periodischem Strabism. divergens des linken Auges seit dem Anfang der Schulzeit.

f L = § \} +°>75DH8nll/*:20em.

Verdeckt man ein beliebiges Auge mit der Hand, so weicht es ungefähr 20° nach aussen ab. Sind beide Augen offen, so wechseln Perioden bin- okularer Fixation mit solchen von Strabismus divergens des linken Auges ab.

Stellt man vor das rechte Auge ein grünes, vor das linke ein rotes Glas, so sieht sie von einem gerade vor ihr stehenden weissen Papierstreifen AB gekreuzte Doppelbilder.

Befiehlt man ihr, das grüne Halbbild (Flg. la) zu fixieren, so weicht das unke Auge nach aussen ab. Sie verlegt alsdann das grüne BUd in mittlerer Richtung nach vorn, in die Richtung des grünen Pfeiles, das rote BUd nach rechts, in die Richtung des roten Pfeiles.

Fordert man sie alsdann auf, das rote Halbbild anzusehen (Fig. lb), so weicht das rechte Auge nach aussen ab, und sie verlegt das rote Bild in mittlerer Richtung nach vorn, in die Richtung des roten Pfeiles, das grüne nach links, in die Richtung des grünen Pfeiles.

Bewegt man bei Verschluss eines Auges ein Objekt in seitlicher Rich- tung durch das Bückfeld, so scheint es ihr bei Rechtsfixation im Nullpunkt gerade vor ihr, bei linksfixation, wenn es auf steht

Zu dieser Gruppe gehören ferner auch die Fälle von wirklichem Stra- bismus alternans. Fig. 2 illustriert die Lokalisationsweise bei Strabismus converg. alternans.

Epikrise.

Beide Augen sind also in bezug auf ihre Lokalisation ganz gleichwertig1). Der zentrale Eindruck wird sowohl bei Hechts- als bei Linksfixation annähernd richtig, der excentrische dagegen ganz falsch lokalisiert

2. Gruppe. Sie unterscheidet sich von der ersten dadurch, dass die Lokalisation bei Hechts- und Linksfixation unter gewöhnlichen Be- dingungen durchaus verschieden ist.

*) Von Abweichungen der subjektiven von der objektiven Medianebene, die im Vergleich zum Schielwinkel sehr gering sind, sehe ich hier ab.

124 J- Ohm

Zur Darstellung der Lokalisationsweise dieser 2. Gruppe mögen folgende in letzter Zeit genauer untersuchte Fälle dienen.

1. Fall. Strabismus divergens manifestus monolateralis ocul. dextr. Hermann J., jetzt 19 Jahre alt, erlitt vor 10 Jahren eine Eisensplitter-

Verletzung des rechten Auges. Der Splitter wurde bald darauf von Herrn Geheimrat Hirschberg mit dem Magneten herausbefördert1). Nachdem dann nach einiger Zeit auch die getrübte Linse durch Lanzenschnitt extra- hiert worden war, wurde der Knabe mit gutem Sehvermögen entlassen. Die Sehschärfe betrug am 22. IX. 1897:

R + llD.sph. = %, L = %.

Am 12. I. 1898:

R + 10 D.sph. o cyl. + 2 \£T = % L— 1,5 = */6. V

Die verordnete Brille hat er seit 1899 nicht mehr getragen, und als er sich am 21. V. 1906 wieder vorstellte, schielte das rechte Auge stark nach aussen und die Sehschärfe war auf fingerzählen in l1|2m Entfernung be- schränkt, während die des linken Auges mit 3,5 D. sph. 5/5 betrug.

2 Diaciasionen des Nachstars hoben das Sehvermögen des rechten Auges mit -f- 9 D.sph. auf ö/10 5/7. Danach spontanes Doppeltsehen.

Am 16. II. 07 ergibt die Untersuchung am Hirschbergschen Blick- feldmesser in einer Entfernung von 1 m gekreuzte Doppelbilder von 12° Abstand. Zugleich steht das Bild des rechten Auges tiefer und ist mit seinem oberen Ende ein wenig nach links geneigt. Zur Ermittlung der absoluten Lokalisation werden folgende Versuche unternommen.

la. Das linke, mit einem roten Glase bewaffnete Auge fixiere einen in 1 m Abstand in der Medianebene des Körpers auf dem Nullpunkt der schwarzen Tafel stehenden schmalen weissen Papierstreifen AB; das rechte ein grünes Olas und + 10 Dioptrien tragende Auge ist dann 12° nach aussen abgewichen. Er sieht dann das rote Halbbild gerade vor sich in der Richtung des roten Pfeiles (flg. 3 b), das grüne dagegen weit nach links, in der Richtung des grünen Pfeiles.

Ib. Fixiert er darauf mit dem rechten Auge den Papierstreifen zen- tral, und schielt demgemäss das linke Auge nach aussen, verlegt er nichts- destoweniger wiederum das rote Bild in mittlere Richtung und das grüne weit nach links (Fig. da).

Nach Abnahme der bunten Gläser zeigt die Lokalisation genau das- selbe Verhalten.

2. Sitzt der Patient der Tafel so nahe, dass er sie mit der unter einem Schirm vorgestossenen Hand berühren kann, so lokalisiert er bei Linkafixation das rote Bild auf 0°, das grüne auf 12°, bei Rechtsfixa- tion das rote auf +3°, das grüne auf 9°.

Die Werte sind auf die Entfernung von 1 m umgerechnet

*) Vgl. Hirschberg, Die Magnetoperation bei Kindern. Zentralbl. f.prakt Augenheilk. 1905. S. 267.

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 125

126

.1. Ohm

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 127

3 a. Das rechte Auge ist mit grünem Glase und + 10 Dioptrien, das linke mit rotem Glase versehen. Es wird ein weisser Papierstreifen durch das Blickfeld geführt und dem Patienten befohlen, das grüne Bild anzu- sehen und Halt zu sagen, wenn dieses gerade vor ihm zu stehen scheint. Das ist der Fall, wenn der Papierstreifen auf +15° steht Alsdann er- scheint ihm das rote Bild zu seiner Rechten.

3 b. Indem er das grüne Bild weiter „betrachtet", soll er auf das rote Bild „achten" und der Bewegung des Papierstreifens Halt gebieten, wenn ihm das rote Bild in der Mitte zu stehen scheint. Das ist der Fall, wenn das Objekt auf steht Alsdann scheint ihm das grüne Bild weit zu seiner Linken zu stehen.

Wird dann das rote Bfld betrachtet und auf das grüne geachtet, bis es in der Mitte erscheint, so steht alsdann das Objekt auf -j- 13°.

4. Das rechte Auge trägt -f- 10 Dioptrien und rotes Glas, das linke eine Blende aus dem Brillenkasten« Ein schmaler roter Papierstreifen wird durch das Blickfeld bewegt, bis er „gerade vor" ihm zu stehen scheint Er befindet sich dann auf + 13° und muss mit seinem oberen Ende etwas nach rechts gedreht werden, um ihm senkrecht zu erscheinen.

Bei Gebrauch des linken mit rotem Glase bedeckten Auges erscheint der rote Streifen auf gerade vor ihm, während das rechte Auge die Blende hat

5. Jetzt wird das linke Auge durch eine Binde fest verschlossen. Dann erscheint der rote Streifen auf + gerade vor ihm, bei Gebrauch des linken Auges mutatis mutandis auf 0°.

6. Schliesst Patient am Schlüsse des Versuches lb, wenn das rechte Auge zentral fixiert und sein Halbbild weit nach links verlegt, während das linke Auge nach aussen schielt, sein Halbbild aber in mittlere Richtung projiziert, plötzlich das linke Auge fest zu, so scheint ihm das grüne Bild plötzlich in mittlerer Richtung zu stehen. Schliesst er das linke Auge lang- sam, so kann er den grünen Streifen „langsam von links nach der Mitte laufen sehen".

Eine Übersicht über die Versuche ist S. 139 u. 140 gegeben.

2. Fall. Strabism. divergens manifestus monolateralis oculi dextri. Er entspricht dem 1. genau, so dass ich mich kurz fassen kann.

Hermann T., 64 Jahre alt 1867, also vor 40 Jahren, drang ihm bei der Schlosserarbeit ein Eisensplitter in die rechte linse. Einige Wochen später extrahierte Albrecht v. Graefe Linse und Splitter. Danach gute Sehkraft Die Starbrille hat er aber nur ganz kurze Zeit getragen. Wegen eines Bindehautkatarrhs sucht er unsere Poliklinik auf. Doppeltsehen ist nie aufgetreten.

n R + 14 D. sph. C cyl. + 1 ->- = 5/10, L + 2,5D.sph. = 5/7.

Rechts kleiner geheilter Irisvorfall, Iriscolobom nach oben. Pupillar- gebiet frei. Sehnerv gut sichtbar.

Es besteht Strabismus divergens manifestus des rechten Auges. Der 8chielwinkel beträgt bei Fixation eines 1 m entfernten Gegenstandes 14°.

/:

128 J. Ohm

Versuche:

1. Er sieht spontan nicht doppelt Sobald man aber vor das rechte Auge ein grünes Glas and +14 Dioptr., vor das linke Auge ein rotes Olas gesetzt hat, sieht er von einem in seiner Medianebene stehenden weissen Papierstreifen gekreuzte Doppelbilder, und er verlegt das linke Halbbild immer in mittlere Richtung, das rechte Halbbild immer weit nach links, sowohl bei Rechts- als bei Iinksfixation.

2. Setzt man vor das rechte Auge ein rotes Glas und +14 Dioptr., vor das linke eine Blende, und führt man einen roten Papierstreifen durch das Blickfeld, so erscheint er ihm „median" auf + 12,5°.

3. Verschliesst man darauf das linke Auge mit einer Binde, so er- scheint er ihm aut +5° „median". Nimmt man bei diesem Stande des Objektes die Binde vom linken Auge fort, während man die Blende stehen lässt, so erscheint ihm das Objekt bei dieser Stellung zu seiner linken Seite, und erst wenn man es bis zum 13.° nach rechts geschoben hat, erscheint es gerade vor ihm.

4. Wenn das Unke Auge fixiert, ist die Medianebene nur 1/2° nach rechts gerichtet.

3. Fall. Strabismus convergens manifestus monolateralis oculi sinistri cum Amblyopia.

Minna P., 15 Jahre alt, schielt seit ungefähr 5 Jahren im Anschluss an Masern.

R = % fast,

L = Finger : l1/, m, 5 D. = Finger: 3 m.

Rechts feine Maculae corneae, links dichtere Macula corneae centralis.

Das linke Auge schielt stark nach innen. Aus dem Abstände der Doppelbilder ergibt sich sowohl bei Rechts- als bei Iinksfixation eines 1 m entfernten Objektes ein Schiel winkel von 25°.

Versuche zur Feststellung der absoluten Lokalisation:

1. Das rechte Auge trägt ein grünes, das linke Auge ein rotes Glas.

Bei Rechtsfixation des Objektes AB (Fig. 4a) scheint ihr das grüne Bild in der Mitte, das rote auf ihrer linken Seite zu stehen. Geht sie dar- auf zur Iinksfixation über (Fig. 4 b), so behaupten die Bilder ihren schein- baren Ort, das grüne Halbbild steht auch dann in mittlerer Richtung, das rote auf ihrer linken Seite.

2 a. Das rechte Auge erhält ein rotes Glas, das linke eine Blende. Mit dem Zeigefinger lokalisiert sie einen roten Papierstreifen, der auf steht, auch in mittlerer Richtung.

2 b. Werden dann Glas und Blende gewechselt, so dass das linke Auge sich zentral einstellt, so zeigt sie bei gleicher Stellung des Objektes 17° nach links. Der rote Pfeil (Flg. 4 b) gibt die Sehrichtung an. Die Hand ist bei den beiden letzten Versuchen den Augen durch einen Schirm entzogen.

3 a. Versuchsbedingungen wie bei 2 a. Ein roter Streifen wird durch das Blickfeld geführt und ihr befohlen, Halt zu sagen, wenn er gerade vor ihr zu stehen scheint Das ist der Fall, wenn er sich auf befindet

r

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 129

130

J. Ohm

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 131

3 b. Versuchsbedingungen wie bei 2 b. Bei Linkßfixation scheint ihr der Streifen auf + 16° in der Mitte zu stehen.

Am 13. II. 07 wird die kombinierte Schieloperation ausgeführt, indem der linke Bectns internus rückgelagert, der linke Rectus externus mittels Faltung vorgelagert wird.

Am 18. II. 07 ergibt sich bei Fixation eines Im entfernten Gegen- standes aus dem Abstand der Doppelbilder eine Konvergenz von 11°.

Bei Rechtsfixation und Ausschluss des linken Auges mittels Blende lokalisiert sie median, wenn das Objekt auf steht, bei Linksfixation und Abblenden des rechten Auges dagegen, wenn es auf + 10° steht

8. III. 07. Schielwinkel + 13°. Fixiert das rechte mit rotem Glase versehene Auge ein rotes Objekt, während sich vor dem linken ein Blende befindet, so wird es median lokalisiert, wenn es auf 0,75° steht. Dies ist das Mittel aus 6 Versuchen, die Schwankungsbreite beträgt 0,75.

Werden Glas und Blende gewechselt, so dass das linke Auge zur zen- tralen Fixation gelangt, so wird median lokalisiert, wenn sich das Objekt auf -f- ll1/«0 befindet Auch dieser Wert ist das Mittel aus 6 Versuchen, bei 1,5 Schwankungsbreite.

Wird nun aber das rechte Auge mit Watte fest verschlossen, so rückt die subjektive Medianebene der objektiven bedeutend näher. Das Mittel aus 6 Versuchen ist +4,5° bei iji° Schwankungsbreite.

Epikrise.

Bei dieser Gruppe von Schielenden sind die Augen in bezug auf die absolute Lokalisation grundverschieden, wenigstens bei Teilnahme beider Augen am Sehakt Die Netzhautbilder eines Auges werden immer „richtig", die Netzhautbilder des andern immer „falsch" lokalisiert, mögen sie in der Fovea oder excentrisch liegen.

Die Lokalisation der zweiten Gruppe ist unter manchen Versuchs- bedingungen identisch mit derjenigen, wie sie bei Lähmungen von Augenmuskeln schon lange bekannt ist Die Fälle von Strabismus divergens gleichen in bezug auf die absolute Lokalisation den Läh- mungen des Rectus internus, die von Strabismus convergens den Lähmungen des Rectus externus.

Wie bei diesen Paralysen das Bild des gelähmten Auges bei Inanspruchnahme des kranken Muskels falsch projiziert wird mag dieses Auge zentral eingestellt sein oder nicht , so wird auch bei diesen Fällen von konkomitierendem Schielen das Bild des gewöhnlich schielenden Auges immer falsch lokalisiert, wenn nur das andere Auge irgendwie am Sehakt beteiligt ist; und wie bei Paralysen der Lokalisationsfehler der Primärablenkung, falls das gesunde Auge zentral eingestellt ist, der Sekundärablenkung, falls das kranke Auge mit der Fovea fixiert, entspricht wenigstens in frischen Fällen ,

132 J. Ohm

so entspricht bei dieser Gruppe die falsche Lokalisationsweise fast genau dem Schielwinkel, wenigstens bei den ersten beiden Fällen mit guter zentraler Sehschärfe, weniger vollkommen bei dem dritten Fall mit der Amblyopie.

Die Schieloperation reduziert mit dem Schielwinkel auch den Lokalisationsfehler.

Die vom Gebrauch des für gewöhnlich schielenden Auges ab- hängige subjektive Medianebene weicht von der objektiven Median- ebene mehr oder minder genau wie die Gesichtslinie von ihrer nor- malen Sichtung, wie sie bei binokularer Einstellung gegeben ist, ab, und zwar in gleichem Betrage und gleichem Sinne, bei Divergenz nach der Seite des für gewöhnlich schielenden Auges, bei Konver- genz nach der Seite des für gewöhnlich fixierenden Auges. Auf letzterem liegt gewissermassen der Ton.

Normalerweise hängt die Lokalisation nach der Breitendimension, die wir hier allein betrachtet haben, von zwei Faktoren ab: von der Lage des Bildes auf der Netzhaut und der Innervation der Seiten- wender, liegt das Bild in einer Fovea, so wird es bei einem ganz bestimmten Innervationsimpuls median lokalisiert So ist es auch hier. Liegt das Bild in der Fovea des „Schielauges", so wird es bei Betei- ligung beider Augen am Sehakt dann median lokalisiert, wenn das andere Auge die mittlere Stellung inne hat Die Lateralinnervation des letzteren Auges ist massgebend für die Lokalisation. Dieses ist das Hauptauge, das andere ist als Nebenauge zu betrachten, dessen Lokalisationsweise auch dann der Lateralinnervation des andern Auges entspricht, wenn es in viel höherem Masse als dieses an der Per- zeption der Dinge beteiligt ist

Die Übereinstimmung zwischen den Augenmuskellähmungen und diesen Formen von konkomitierendem Schielen in bezug auf die ab- solute Lokalisation ist aber nicht unter allen Versuchsbedingungen vorhanden.

Wir sehen natürlich davon ab, dass bei jenen die Lokalisation nur im Bereiche des Tätigkeitsgebietes des erkrankten Muskels, bei diesen im ganzen Blickfeld gestört ist

Das mit einer Lähmung behaftete Auge lokalisiert bei Inanspruch- nahme des gelähmten Muskels unter allen Umständen falsch, wenig- stens in frischen Fällen, das dieser Gruppe zugehörige Auge nur dann, wenn das für gewöhnlich fixierende Auge einen gewissen Anteil am Sehakt hat, und zwar ist es nicht nötig, dass sich das vom „Neben- auge" fixierte Objekt auch auf der Netzhaut des „Hauptauges" ab-

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation nsw. 133

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134 J. Ohm

bildet Die Lokalisation behält ihren falschen Typus auch dann noch bei, wenn dem Hauptauge der grösste Teil des gemeinsamen Gesichts- feldes durch eine Blende entzogen wird.

Erst wenn das Hauptauge durch Verbinden vom Sehakt gänzlich abgeschlossen und damit der Nachdruck ganz auf das Nebenauge gelegt wird, nähert sich die Lokalisations weise der normalen, ohne indes ihre Sicherheit ganz zu erreichen.

Die dieser Gruppe angehörenden Schielenden haben also drei subjektive Medianebenen, eine „richtige4' bei Ein- stellung des Hauptauges, und zwei falsche bei Einstellung des Nebenauges. Von letzteren weicht die eine (bei unter- geordneter Beteiligung des Hauptauges am Sehakt) bei- läufig um den Betrag des Schielwinkels von der objektiven Medianebene ab, während die andere (bei gänzlichem Ab- schluss des Hauptauges) nur noch eine relativ geringe Ab- weichung von ihr zeigt

Geht also der Schielende aus dieser Gruppe bei zentraler Fixa- tion mit seinem Nebenauge vom zweiäugigen zum einäugigen Sehen über, so findet eine Scheinverlagerung des Gesamtsehfeldes statt, bei Strabismus divergens nach der Seite des für gewöhnlich schielenden Auges, bei Konvergenz in entgegengesetzter Richtung.

Alternierender Gebrauch beider Augen war im ersten und zweiten Fall durch die Aphakie, im dritten durch die Amblyopie aus- geschlossen. In einem andern Falle von Strabismus convergens ma- nifestus des rechten Auges bei einem 13jährigen Mädchen, das mir infolge frühzeitiger Abreise leider zu allen Untersuchungen nicht zur Verfügung stand, das aber, wie einige zeigten, die Lokalisationsweise der zweiten Gruppe aufwies, betrug die Sehschärfe des rechten Auges mit + 2 Diopt 5|10 fast, die des linken mit + 1 Diopt 6|4 fast Hier wäre also an die Möglichkeit alternierender Verwendung zu denken. Beobachtet wurde sie hierbei aber niemals, und diese Art der Loka- lisation spricht meines Erachtens auch gegen das Vorkommen des Alternierens' in diesem Falle überhaupt Die Lokalisationsweise dieser zweiten Gruppe ist ein Kriterium des reinen monolateralen1) Strabismus.

Bei wirklichem Alternieren wird die Lokalisationsweise entweder die der ersten Gruppe bei normaler Korrespondenz der Netz-

*) Wohl zu unterscheiden vom unilateralen Strabismus, der dadurch charak- terisiert ist, dass das „Schielauge1' auch dann in seiner abweichenden Stellung verharrt, wenn das normale Auge verdeckt wird.

f

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 135

häute oder die der gleich zu schildernden dritten Gruppe (bei ge- störter Korrespondenz der Netzhäute) sein.

3. Gruppe. Strabismus converg. manifest, altern, praecip. oculi sinistri.

Frieda C, 19 Jahre alt, schielt auf dem linken Auge seit früher Kindheit

'R + 0,75D. sph. = % \f°

L + 0,75D. sph. C cyl. + 1 \ = */1# —%

Das linke Auge schielt 20° nach innen. Untersuchungen:

1 a. Das rechte Auge trägt ein grünes, das linke ein rotes Glas. Das rechte Auge fixiert einen grünen in der Medianebene des Körpers in Im Abstand stehenden Papierstreifen AB, und durch das Gesichtsfeld wird ein nur dem linken Auge sichtbarer roter Papierstreifen CD geführt, bis er ihr gerade unter dem grünen Bilde zu stehen scheint1). Das ist der Fall, wenn er sich genau an den grünen anschliesst Beiden Bildern weist sie mit der Hand ein und dieselbe mittlere Richtung zu (Fig. 5 a).

Ib. Fixiert das linke ein rotes Glas tragende Auge ein im Nullpunkte der Tafel stehendes rotes Objekt CD, während das rechte mit grünem Glase bewaffnete Auge nach innen schielt, so erscheint ihr ein grünes Ob- jekt, das in Wirklichkeit über dem roten steht, in einem gleichnamigen Ab- stand von 3°.

Das rote Bild lokalisiert sie in mittlere Richtung, das grüne ein wenig nach rechts (Fig. 5 b).

2 a. Das rechte Auge trägt rotes Glas, das linke eine Blende. Ein roter Streifen wird durch das Blickfeld geführt, bis er ihr gerade vor ihr zu stehen scheint Er steht alsdann auf 0°.

2 b. Bei Gebrauch des linken Auges und gleichen Versuchsbedingungen lokalisiert sie das rote Objekt median, wenn es auf -j- steht.

Epikrise. Aus den Versuchen la und lb geht hervor, dass die relative Lokalisationsweise der Netzhäute gestört ist Es hat sich eine ano- male Netzhautlokalisation im Laufe des Schielens bei ihr entwickelt; die Fovea Fx des rechten Auges und eine auf der nasalen Hälfte des Unken Auges gelegene Netzhautstelle Px haben eine gemeinsame Seh- richtung angenommen. Und zwar ist der Anomaliewinkel manchmal gleich dem Schielwinkel, so dass dieser Fall alsdann in die zweite der von Tschermak2) aufgestellten Gruppen gehört Doch ent-

*) Vgl. meine Arbeit: Zur Untersuchung des Doppeltsehens. Zentralbl. f. prakt. Augenheilk. 1906. Nov.-Heft S. 322.

*) Tschermak, Zentralbl. f. prakt. Augenheilk. 1899. S.214. Tscher- mak, Über die absolute Lokalisation bei Schielenden, v. Graefe's Arch. f. Ophth. 1902. Bd. LV, 1. S. 27.

t. Graefe's Archiv fflr Ophthalmologie. LXVI. 1. 9

136 J. Ohm

sprechen sich beide nicht immer. Mitunter treten auch bei Rechts- fbcation gleichnamige Doppelbilder von sehr geringem Abstand auf, was bei Linksfixation immer der Fall ist Gleichen sich Schielwinkel und Anomaliewinkel, so ist trotz Schielens des linken Auges die Möglichkeit zu binokularem Einfachsehen gegeben, und dann ent- spricht Fig. 5 a der Lokalisation bei Betrachtung zweier in der ob- jektiven Medianebene des Körpers untereinander stehender Objekte AB und CD. Beide Bilder werden in eine gemeinsame Sichtung, in die Richtung des grünen und roten Pfeiles verlegt.

Diese Gruppe stimmt mit der ersten Gruppe darin überein, dass beide Augen bei Einzelgebrauch und Abschluss des schielenden von der indirekten Fixation in bezug auf die absolute Lokalisation ziem- lich gleichwertig sind, sie unterscheidet sich von ihr aber da- durch, dass bei zweiäugigem Sehen auch der excentrische Eindruck des Schielauges zuzeiten „richtig*' lokalisiert wird. Treten gleichnamige Doppelbilder auf, wie z. B. bei links- fixation (Fig. 5 b), so ist die Lokalisation eine Kombination zwischen Fig. 5 a und Fig. 2 a. Das Halbbild des schielenden rechten Auges wird zwar „falsch" lokalisiert und zwar in gleichem Sinne wie in Fig. 2 b, aber der Winkel der falschen Lokalisation ist hier um den Anomaliewinkel kleiner als in Fig. 2 b, gleiche Excentrizität des Netz- hautbildes in beiden Fällen vorausgesetzt.

IV. Sehlussbetraohtungen.

Seit 100 Jahren stehen sich Projektionstheorie und Identitäts- theorie im Kampfe um die Erklärung des Raumsinnes feindlich ge- genüber, und keine will das Feld räumen. Die erstere behauptet, dass wir die Netzhautbilder auf den Richtungslinien nach aussen setzen, dass also Lichtrichtung und Sehrichtung zusammenfallen, die letztere nimmt für zwei identische Netzhautpunkte eine gemeinsame, also von der Lichtrichtung verschiedene Sehrichtung an.

Die Projektionstheorie vermag nicht einmal die physiologischen, geschweige denn die pathologischen Doppelbilder befriedigend zu er- klären, während uns die Identitätstheorie bei der Erklärung unserer Beobachtungen nicht im Stiche lässt

Nach Hering1) „beziehen wir die Richtungen beim Sehen über- haupt nicht auf unsere Augen, wie viel weniger auf jedes Auge be- sonders, vielmehr beziehen wir die Richtung und den Abstand der

*) Hering, Beiträge zur Physiologie. 1861. 1. Heft S. 26.

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 137

Sehdinge auf unser Gesicht und zwar auf die zwischen beiden Augen gelegene Nasenwurzel".

Da die Sehrichtungen von zwei verschiedenen Bildpunkten den- selben Winkel miteinander bilden wie die Richtungslinien dieser beiden Punkte, so kann man sich in der Mitte zwischen beiden Augen ein imaginäres Auge denken und die Netzhautbilder jedes Auges in dasselbe übertragen. Die Sehrichtung ist alsdann gleich der Licht- richtung.

Helmholtz1) sagt darüber: „Man denke sich in der Mitte zwischen beiden Augen ein imaginäres mittleres Cyklopenauge, welches auf den gemeinsamen Fixationspunkt gerichtet ist, und dessen Raddrehungen nach demselben Gesetze erfolgen wie die der beiden wirklichen Augen. Man denke sich die Netzhautbilder aus einem der wirklichen Augen in dieses imaginäre Auge übertragen, so dass Blickpunkt auf Blick- punkt und Netzhauthorizont auf Netzhauthorizont fällt Dann werden die Funkte des ltfetzhautbildes nach aussen projiziert in der Richtungs- linie des imaginären Cyklopenauges."

Und Hering2) schreibt: „Wir können uns demnach beide Augen durch ein einziges imaginäres Auge repräsentiert denken, welches in der Mitte zwischen beiden Augen gelegen ist Wie ein solches Auge innerviert werden müsste, um nach links, rechts, oben oder unten gewandt zu werden, so werden beide wirkliche Augen immer gleich- zeitig innerviert"

Dieses imaginäre Auge können wir auch unserer Betrachtung der Lokali8ation8weise der Schielenden zugrunde legen.

Da die Richtungslinien dieses imaginären Auges die Sehrich- tungen versinnbilden, so fragt es sich, welche Stellung muss das imaginäre Auge beispielsweise zu einem in der Medianebene des Körpers liegenden Objekte haben, damit die Bilder, die das Doppel- auge des Schielenden empfängt und die wir uns in das imaginäre Auge übertragen denken, nach dessen Richtungslinien so lokalisiert werden können, wie es in Wirklichkeit geschieht.

Bei der ersten Gruppe ist das imaginäre Auge sowohl bei Rechts- ais bei Linksfixation mit seiner Gesichtslinie auf den Gegenstand eingestellt, und der excentrische Eindruck des Schielauges erhält seinen Platz im Räume je nach seiner Lage zur Fovea des imaginären Auges. (VgL Figg. la und lb, und 2 a und 2 b. Der dicke Pfeil stellt immer die Gesichtslinie des imaginären Auges und damit die Hauptsehrichtung,

*) v. Helmholtz, Physiolog. Optik. 1867. I. Aufl. S. 611. *) Hering, Die Lehre vom binokul. Sehen. 1868. S. 4.

9*

138 J. Ohm

der dünne Pfeil die Richtungslinie des entsprechenden excentrischen Punktes und damit die Nebensehrichtung vor.)

Bei der zweiten Gruppe ist, wenn beide Augen ein Bild des Objektes empfangen, das imaginäre Auge ebenfalls mit seiner Fovea auf den Gegenstand gerichtet, falls ihn das Hauptauge fixiert (Figg. 3b und 4 a). Geht dann aber das Nebenauge zur zentralen Fixation über, so müssen wir uns vorstellen, dass das imaginäre Auge eine Seitendrehung um den gleichen Winkel macht wie das Doppelauge (Figg. 3 a und 4 b). Alsdann ist aber im imaginären Auge nicht die Fovea, die das Bild des Nebenauges trägt, sondern die excentrische Netzhautstelle, auf der das Bild des Hauptauges liegt, mit ihrer Richtungslinie auf den Gegenstand eingestellt

Bei Fixation mit dem Nebenauge gibt also nicht die Haupt- sehrichtung, sondern die Nebensehrichtung die wirkliche Lage des Gegenstandes an.

Komplizierter sind die Verhältnisse bei der dritten Gruppe. An Stelle des imaginären Auges muss man sich ein ineinander geschach- teltes Doppelauge denken; die Achsen der beiden Augen sind um den Anomaliewinkel gegeneinander gedreht, so dass die Punkte der anomalen Korrespondenz sich decken. Das grün gezeichnete Auge entspricht dem rechten, das rot gezeichnete dem Unken Auge. Bei Kechtsfixation ist das grüne Auge mit seiner Gesichtslinie auf das Objekt gerichtet, aber auch, da der Anomaliewinkel gleich dem Schiel- winkel ist, ' das rote Auge mit der Richtungslinie des Punktes Pv der dem Punkte Px im linken Auge entspricht Grüner und roter Pfeü liegen also in gleicher Richtung (Jx Fig. 5 a). Bei Linksfixation ist die Gesichtslinie des roten Auges auf das Objekt eingestellt (Jt Fig. 5b). Da aber jetzt der Anomaliewinkel ein wenig kleiner ist als der Schiel- winkel, also die von A im rechten Auge getroffene Stelle X ein wenig nasal vom Punkte P2, der mit F2 im linken Auge korrespondiert, gelegen ist, so weicht die Sehrichtung des Punktes X, die durch den grünen Pfeil dargestellt ist, ein wenig von der Sehrichtung des Punktes F2 (roter Pfeil) nach rechts ab.

Zusammenfassung der Resultate. 1. Falsche absolute Lokalisation ist nicht für Augen- muskellähmungen pathognomonisch, sondern findet sich auch in ausgesprochenem Masse bei gewissen Formen des konkomitierenden Schielens.

Ein Beitrag z. Kenntnis d. verschied. Arten d. absoluten Lokalisation usw. 139

2. Die Lokalisation nach der Breitendimension ist das Produkt aus Lateralinnervation und Lage des Bildes auf der Netzhaut.

Liegt das Bild in einer Fovea centralis, gleichgültig ob im rechten oder linken Auge, so wird es beim Normalen und beim Schielenden der zweiten Gruppe in letzterem Falle bei Beteiligung beider Augen am Sehakt nur bei einer gewissen, bei Schielenden der ersten und dritten Gruppe bei zwei verschiedenen1) Lateralinnervationen „gerade vorne" lokalisiert.

Meinem sehr verehrten Chef, Herrn Geheimrat Hirschberg, spreche ich für die Überlassung des Materials meinen verbindlichsten Dank aus.

Übersicht Über die Untersuchungen zu Fall Hermann J.

2. Gruppe, Nr. 1.

A. Absolute Lokalisation des rechten Auges,

I. Bei Beteiligung des linken Auges am Sehakt.

a. Rechtes Auge fixiert den median zu lokalisierenden

Gegenstand zentral.

Versuchsanordnung

Datum

Rechtes Auge

1. +10Dioptrien u. grünes Glas

2. +10 Dioptrien u. grünes Glas

linkes Auge rotes Glas

+10 Dioptrien u. grünes Glas

i|

Blende, aber offen gehalte

,a. weisses Blatt 1 dicht vor 1. A. /

b. weisses Blatt I in 10 cm Ab- >

stand I

c. schwarzer ] Schirm in >

2,5 cm Abstand J kd. + 10Dioptr.

21.

11.07 11.07 11.07 11.07 11.07 11.07

11.07

11.07 11.07

Richtung der subjektiven Medianebene

Schwan- kungs- breite

+ 13° + 15° + 12,5° + 13,5' + 11,5« + 11,5»

+ 6°! + 10°

+ 13° + 13°

0 0

0,5

1,25

1,5

Zahl der Versuche

1 2 6 3

1) Damit stimmt eine an einer Patientin der 3. Gruppe gemachte Beobach- tung überein, dass sie immer sofort wusste, mit welchem Auge sie fixierte, mochte ich die Bedingungen auch noch so vielfältig variieren.

140 J- Ohm, Ein Beitrag zur Kenntnis der verschiedenen Arten usw.

Versuchsanordnung

! Richtung der . Schwan- ~ . t AeT

Datum [subjektiven, kungs- I Versuche

i Medianebene i breite ' clo"u"c

b. Rechtes Auge fixiert den median zu lokalisierenden Gegenstand excentrisch.

4. +10Dioptrien und rotes Glas Fixationsob- jekt steht auf:

10°

0Q

+ + 15° + 20° + 25°

[ Blende, offen 1 gehalten /

22. IL 07 + 10°

+ 10°

+ 10° + 10° + ! + 1 + 10°

II. Bei gänzlichem Ausschluss des linken Auges vom Sehakt

a. Rechtes Auge fixiert den median zu lokalisierenden Gegenstand zentral.

5. +10 Dioptrien und rotes Glas i

:i

mit Watte u,

Binde verschlossen,

Mittels der Hand u.Watte

ganz abge- schlo8sen,aber offen gehalten

20. IL 07 22.11.07 28. II. 07

21. II. 07

+ + 0,5«

+ 0,25°

3

3,5

2,75

b. Rechtes Auge fixiert den median zu lokalisierenden Gegenstand excentrisch.

6. +10Dioptrien und rotes Glas, Fixationsob- jekt steht auf: -15°

mit Watte und

Binde verschlossen .

20. II. 07

+

B. Absolute Lokallsation des Unken Auges bei zentraler

Fixation.

1. Blende u. offen ' }

gehalten 2. mit Watte und Binde verschlossen 3.

rotes Glas

16. II. 07 20. II. 07

23. IL 07

+ 2,25°

0 0 0,75

Zar Macalafrage.

Von

Prof. A. Gullstrand in Upsala.

Mit 2 Figuren im Text

1. Über D immer s neue „Macula lutea der menschlichen Netzhaut". Bekanntlich gibt es keine vollkommen dunklen Stoffe, wie un- mittelbar daraus hervorgeht, dass man auf einen jeden Stoff, den man für dunkel hält, das Bild einer Lichtquelle mit einer Konvex- linse entwerfen und sichtbar machen kann. Obwohl bei den dunkel- sten Stoffen der weitaus grösste Teil des auffallenden lichtes absorbiert wird, so wird doch ein beträchtlicher Teil diffus reflektiert, und diese Reflexion findet nicht nur an der Oberfläche statt, sondern das licht dringt in den oberflächlichsten Schichten hinein, um hier diffus re- flektiert zu werden und nach Durchgang durch dieselben Schichten wieder nach aussen zu dringen. Wie tief das licht hineindringt, hängt von der Stärke desselben und von der Lichtabsorption des Stoffes ab. Ist nun die Absorption für Lichtstrahlen verschiedener Wellenlänge wesentlich verschieden, wie es z. B. bei den braunen Farbstoffen der Fall ist, so tritt bei zunehmender Konzentration des auffallenden lichtes das diffus reflektierte licht mit gesättigter Farbe über die Schwelle. Eben auf diese Weise verhält sich der Augen- grund eines enucleierten Auges nach Abziehen der Netzhaut unter Schonung des Pigmentepithels besonders im hinteren Pole, in der Gegend der Fovea centralis, wo sowohl Pigment wie Gefässe am reich- lichsten sind, mithin das von der Sklera diffus reflektierte licht am wenigsten in Betracht kommt Sowohl mit dem lichte der gewöhnlichen artefiziellen Lichtquellen wie mit Sonnenlicht bzw. einem artifiziellen, dem Sonnenlichte photometrisch ähnlichen Lichte sieht man bei fokaler Beleuchtung die Farbe schön gesättigt je nach der Blutfüllung der Gefässhaut und dem Reichtum des Pigments gelbrot bis goldgelb.

142 A. Gulhtrand

Macht man aber, ohne die Netzhaut abzuziehen, ein kleines Loch in derselben ganz neben der Fovea, so erhält man bei zunehmender Konzentration des mit der Konvexlinse aufgeworfenen Lichtes wegen dem Kontraste mit dem von der Netzhaut reflektierten Lichte zu- nächst den Eindruck von rotbraun bis gelbbraun. Beim Vergleich der entsprechend dem artefiziellen Netzhautloche und der im Grunde der Fovea sichtbaren Farbe findet man eine vollständige Überein- stimmung, was den Farbenton betrifft, nur sieht die Farbe im Grunde der Fovea wegen der dort vorhandenen Netzhaut etwas verschleiert bzw. weniger gesättigt aus. Löst man nun das entsprechende Netz- hautstück durch Schütteln in Wasser ab, so findet man dieselbe Farbe bei derselben Versuchsanordnung wohl an der Innenfläche der mit dem Pigmentepithel bekleideten Chorioidea, nicht aber in der Netz- haut am Grunde der Fovea wieder. Um den Versuch einwandfrei zu machen, hat man hierbei das abgelöste Netzhautstück mit der Aussenseite nach unten auf eine mattschwarze Fläche auszubreiten.

Dieser Versuch lehrt unzweideutig, dass bei zunehmender Intensität des auf der anliegenden Netzhaut auffallenden Lichtes im Grunde der Fovea centralis die Farbe des Epi- thelpigmentes bzw. bei sparsamerem Pigmente die Misch- farbe dieser Farbe mit der Blutfarbe gesehen wird.

Hieraus ergibt sich weiter die notwendige Bedingung für die Wahrnehmung einer gelben Farbe in der Netzhaut am Grunde der Fovea bei der ophthalmoskopischen Untersuchung stark pigmentierter Augen, nämlich dass die Intensität des angewendeten Lichtes unter der Schwelle hegt, wo das vom Pigmente diffus reflek- tierte licht sichtbar zu werden anfängt, indem bei der Erfüllung dieser Bedingung tatsächlich ein dunkler, sonst aber ein orangegelber Hintergrund vorhanden ist

Ebensowenig wie vollkommen dunkle Stoffe gibt es vollkommen durchsichtige Medien, aber je weniger licht ein Medium absorbiert und je homogener es ist, um so durchsichtiger ist es. Wenn nun ein möglichst homogenes Medium für gewisse Strahlen möglichst durch- sichtig ist, dabei aber andere Strahlen merkbar absorbiert, so hat es die Eigenschaften einer Lackfarbe, indem bei auffallendem gemischtem Lichte die Farbe auf hellem Untergrunde sichtbar ist, dagegen, je dunkler der Hintergrund, je homogener das Medium und je dünner die Schicht ist, um so weniger hervortritt. Anders verhält sich aber die Sache, wenn das Medium nicht homogen ist, sondern aus durch- sichtigen Teilchen mit verschiedenem Brechungsindex besteht Bei

Zur Maculafrage. 143

jedem Übergange des Lichtes zwischen solchen Teilchen wird ein be- stimmter Teil entsprechend der Differenz der Brechungsindices reflek- tiert, und ein für alle sichtbare Strahlen gleich durchsichtiges Medium nimmt um so mehr die Eigenschaften einer weissen Deckfarbe an, je grösser der Unterschied des Brechungsindex und je geringer die Dispersion zwischen den verschiedenen Teilchen ist Auf diese Weise bedingen die multiplen Reflexionen beim Übergange des Lichtes von Luft in Wasser bzw. von Luft in Eis und umgekehrt, dass der Schaum eines Wasserfalles, die weissen Wolken bzw. der Schnee weisse Deckfarben darstellen, und auf dieselbe Weise entstehen, wie durch Christiansens Untersuchungen bewiesen worden ist, alle weissen Körperfarben. Je geringer aber die Brechung im Verhältnis zur Dispersion beim Übergange des Lichtes zwischen den verschie- denen Teilchen ist, oder je kleiner diese sind, um so mehr überwiegen bei den successiven Reflexionen bzw. bei der Zerstreuung die kurz- welligen Strahlen. Während durch letzteres Verhalten die blaue Farbe des Himmels erklärt wird, so kommt in der Netzhaut, wo die Dimensionen der Formelemente die Wellenlänge des Lichtes über- treffen, hauptsächlich ersteres Verhalten in Betracht, indem ein ab- gelöstes Stück derselben im auffallenden Lichte bläulich, im durch- gehenden gelblich erscheint, wie man es besonders deutlich an einer Falte sehen kann.

Ahnlich wie weisse Deckfarben zu durchsichtigen Medien ver- halten sich sonstige helle Deckfarben zu Lackfarben. Wird z. B. eine klare Farbenlösung zu Schaum geschlagen, so wirkt dieser als Deck- farbe. Es folgt hieraus, dass in einem nicht homogenen Medium von einer Lackfarbe in gewöhnlicher Bedeutung überhaupt nicht die Rede sein kann. Es ist aber anderseits einleuchtend, dass ein solches Medium, je dünner die Schicht, je geringer die Anzahl der vom Lichte passierten Formelemente und je geringer der Unterschied der Brechungsindices der verschiedenen Teilchen ist, um so mehr die Eigenschaften einer Lackfarbe haben muss, wenn in demselben eine selektive Absorption des Lichtes vorhanden ist Wenn ein solches Medium wie die Netzhaut mit einer Farblösung durchtränkt wird, so kommen die Eigenschaften des so gefärbten Mediums denjenigen einer Deckfarbe bzw. denen einer Lackfarbe um so näher, je dicker bzw. je dünner das Medium ist Es folgt aber nicht hieraus, dass eine vorhandene Farbe ohne weiteres erkannt wird. Im Gegenteil: die Gewebslymphe enthält ja ein Lutein, und das von der Netzhaut diffus reflektierte Licht ist nichtsdestoweniger bläulich. Wenn aber die

144 A. Gullstrand

Formelemente an einer umschriebenen Stelle gefärbt sind wie es im lebenden Auge der Fall sein müsste, wenn eine Macula lutea in der Netzhaut desselben vorhanden wäre , so muss ein Farben- unterschied mit physikalischer Notwendigkeit wahrgenommen werden können, sobald die Eigenschaften einer Deckfarbe vorliegen, und dies ist ersichtlicherweise wiederum der Fall, sobald diffuses, von der Netzhaut reflektiertes licht erhalten wird, während das vom Unter- grunde stammende licht ausgeschlossen ist.

Für die Erkennung einer gelben Farbe an einer um- schriebenen Stelle in der Netzhaut bei der ophthalmosko- pischen Untersuchung ergibt sich somit zunächst, dass der Befund um so beweisender ist, je dicker, die Untersuchung aber um so un- sicherere Resultate ergeben muss, je dünner die Netzhaut an der betreffenden Stelle ist. Was dann speziell die ophthalmoskopische Untersuchung sehr dunkel pigmentierter Augen mit diffusem Tages- lichte bzw. gedämpftem Sonnenlichte betrifft, so ist offenbar, da die Eigenfarbe des Untergrundes orangegelb ist, ein negativer Befund, sobald derselbe dadurch charakterisiert ist, dass von der untersuchten Stelle des Augengrundes diffuses licht erhalten wird, ohne dass ein sich ins gelbe bzw. ins orangegelbe ziehender Ton wahrgenommen wird, und ohne dass die betreffende Stelle sich durch den Ton von den angrenzenden Teilen des Augengrundes unterscheidet, beweisend dafür, dass diese Stelle sich durch keinen gelben Farbstoff in den vor der Membrana limitans externa belegenen Schichten der Netzhaut von den andern Netzhautstellen unterscheidet Ein positiver Befund ist aber, wie oben dargelegt wurde, nur dann beweisend, wenn die Intensität des angewendeten lichtes unter der Schwelle liegt, wo das vom Pigmente diffus reflektierte Licht sichtbar zu werden anfängt.

Bei der Beschreibung meiner darauf bezüglichen ophthalmo- skopischen Untersuchungen der Fovealgegend1) habe ich es für über- flüssig gehalten, so ausführlich wie oben auf diesen Gegenstand ein- zugehen, und ich würde es auch jetzt nicht für nötig erachtet haben, wenn nicht die Erfahrung das Gegenteilige gelehrt hätte. Es hat nämlich Dimmer2) neuerdings an der dünnsten Stelle der Netzhaut, entsprechend dem Grunde der Fovea centralis, wo eine etwa in der Netzhaut vorhandene Farbe bezüglich der Erkennung bei ophthal-

*) Die Farbe der Macula centralis retinae. Arch. f. Ophth. Bd. LXII. S. 1. *) Ber. über d. 33. Vers. d. Ophth. Gesellsch. Heidelberg 1906. S. 175.

Zur Maculafrage. 145

mo8kopischer Untersuchung möglichst ähnlich einer Lackfarbe wirken mu88, unter Anwendung sehr intensiver Tagesbeleuchtung, also mit einer Versuchsanordnung, welche die Eigenfarbe des Hintergrundes möglichst intensiv zutage treten lässt, eine gelbe Farbe gesehen, welche er ohne Rücksicht auf physikalische Tatsachen, und beson- ders ohne ein Wort darüber, ob und wie er konstatiert zu haben glaubt, dass hier diffuses, von der Netzhaut reflektiertes licht wirken könne, bzw. dass das vom Pigmente stammende Licht ausgeschlossen wäre, für die Macula lutea der menschlichen Netzhaut erklärt; und die von mir kurz angeführten Gründe1), welche a priori dafür sprechen, dass die von ihm beobachtete Farbe vom Pigmente her- rührt, läset er nicht gelten2).

Beim Wiederholen der Untersuchungen Dimmers habe ich nicht in ganz identischer Weise vorgehen können, da ich nicht über ein nach der Sonnenseite schauendes Dunkelzimmer verfüge. Auch empfiehlt es sich in unserem Klima, wo der Sonnenschein und die ganz dunkel pigmentierten Augen weniger häufig sind als im Süden, eine artifizielle weisse Lichtquelle stets bereit zu halten. Ich habe deshalb die elektrische Bogenlampe angewendet, indem durch den Kondensor unter Anwendung von Wasserkühlung ein Bild des Kraters auf eine dünne Milchglasplatte geworfen, und durch Vorschalten von zwei schwach blauen Gläsern zwischen Kondensor und Milch- glasplatte das durch diese hindurchgehende licht dem Sonnenlichte bei 44° Sonnenhöhe ähnlich gemacht wurde. Die Gläser wurden unter einer grossen Auswahl verschieden blauer Gläser ausgesucht, bis die Gleichung im Photometer vollständig wurde. Das Ganze ist bis auf das geringe, durch das Lampengehäuse nach aussen kom- mende licht vollkommen eingeschlossen, so dass im Zimmer das von der auf der Bückseite beleuchteten Milchglasplatte ausstrahlende licht die einzige Lichtquelle darstellt Die Farbe dieses lichtes ist also dieselbe wie die des Sonnenlichtes, die Zusammensetzung desselben ist aber nicht ganz dieselbe, weil die blauen Gläser nicht die lang- welligen Strahlen in der dafür erforderlichen Proportion schwächen, ein Unterschied, auf welchen hier Bücksicht genommen werden soll, obwohl derselbe von geringerer Bedeutung sein dürfte als die bei der Versuchanordnung Dimmers durch die matten Glasscheiben verursachte Änderung in der Zusammensetzung des Sonnenlichtes.

x) Ebenda in der Diskussion.

•} Die Macula lutea der menschlichen Netzhaut und die durch sie bedingten entoptischen Erscheinungen, v. Graefe's Arch., Bd. LXV, S. 486.

146 A- Gullstrand

Was die Intensität des Lichtes betrifft, so kann ich keinen exakten Vergleich mit Dimmers Versuchsanordnung anstellen; dass aber die Intensität bei meinen Untersuchungen nicht zu gering war, kann ich daraus beweisen, dass ich keinen so dunklen Augen- grund untersucht habe, dass ich nicht bei Annäherung an die Licht- quelle überall im Fundus die rotgelbe bis orangegelbe Eigenfarbe des Pigmentes sehen konnte. Dagegen ist das auf einmal beleuchtete Feld nur bei grosser Annäherung an die Lichtquelle mit dem bei Dimmers Versuchsanordnung vergleichbar. Immerhin ist dasselbe unter Anwendung des kleinen Mortonschen Spiegels mit kurzer Brennweite hinreichend, und das Loch dieses Spiegels genügt auch den Forderungen Di mm er 8.

Ich habe nun eine Anzahl dunkel pigmentierter Augen teils mit dieser Lichtquelle in verschiedenem Abstände vom Spiegel, teils mit gewöhnlicher Tageslichtbeleuchtung untersucht, darunter auch die beiden Augen einer Patientin, deren Vater ein Neger war, und welche sowohl, was Gesichtsbildung und Haare wie auch Farbe der Augen und des Augengrundes betrifft, vollkommenen Negertypus hat. Ich habe dabei im Zentrum der Fovea nie eine rein gelbe, sondern nur eine orangegelbe Farbe gesehen. Ich habe auch immer die Farbe in demselben Ton gesehen wie die Farbe des übrigen Augen- grundes, nur etwas gesättigter, und die Farbe ist bei Steigerung der Beleuchtungsintensität auf dem Augengrunde durch Annähe- rung an die Lichtquelle immer gesättigt über die Schwelle ge- treten, indem dieselbe vom unbestimmt dunklen Ton durch dunkel- braun in orangegelb übergegangen ist Diese letztere Farbe habe ich bei zunehmender Intensität nie gesehen, bevor nicht zu gleicher Zeit dieselbe Farbe, obwohl weniger gesättigt und wie mit einem hellen Schleier bedeckt, an den übrigen Teilen des Augengrundes gefunden wurde. Die Farbe verhält sich also genau so, wie sich die Farbe des Pigmentes verhalten muss, und hat auch immer dieselbe Ausbreitung wie die Stelle, wo die Netzhaut am dünnsten ist, und welche sich bei gewöhnlicher Beleuchtung durch den kleinen dunklen Fleck kenntlich macht. Wie Dimmer von seiner ophthalmoskopisch gesehenen Macula sagt, hat dieser Fleck gewöhnlich den Durch- messer von ^ bis ^3 Papillendurchmesser, aber auch wenn dieser Fleck nur 1/6 bis 1/5 Papillendurchmesser misst, wie er in der letzten Arbeit vom kleinen dunklen Fleck sagt, hat die gelbe Farbe dieselbe Ausdehnung; was doch immerhin etwas auffallend sein müsste, wenn es sich um eine in der Netzhaut belegene Farbe

Zur Maculafrage. 147

handelte. Dagegen verhält sich die Farbe nicht so, dass dadurch bewiesen werden könnte, dass sie von der Netzhaut herrühre, da sie nicht gesehen werden kann, wenn die Intensität des angewendeten lichtes unter der Schwelle liegt, wo das vom Pigmente diffus reflek- tierte Licht anfängt sichtbar zu werden. Die dritte Möglichkeit, dass die Farbe doch von der Netzhaut herrühren könnte, obwohl dies nicht bei der Untersuchung bewiesen werden kann, ist aber aus- geschlossen, indem aus den ophthalmoskopischen Untersuchungen hervorgeht, dass die Farbe eine dunkle Deckfarbe ist

Es dürfte hierdurch der exakte physikalische Beweis geliefert worden sein, dass die Farbe, welche unter Anwendung inten- siver Tagesbeleuchtung bei der ophthalmoskopischen Unter- suchung dunkel pigmentierter Augen im Zentrum der Fovea gesehen wird, sofern sie eine objektive Erscheinung ist, vom Epithelpigmente herrührt Dagegen ist es einleuchten^ dass durch die ophthalmoskopische Untersuchung allein eine aus- schliesslich in der entsprechenden dünnsten Partie der Netzhaut ge- legene Farbe nicht ausgeschlossen werden kann.

Wie ich von Anfang an hervorgehoben habe, müsste um diese Stelle herum, wo diffuses licht von der Netzhaut erhalten wird, die gelbe Farbe gesehen werden, falls eine der Leichenmacula entsprechende Macula lutea in der Netzhaut des lebenden Auges vorhanden wäre. Es ist mir gar nicht eingefallen, dass jemand eben in der dünnsten Stelle die Macula finden wollen konnte. Da nun aber Di mm er er- klärt hat, dass es keinem Zweifel unterliegen kann, wie er dies auch direkt wahrnehmen konnte, dass die grosse Ausdehnung der gelben Färbung, wie sie in der Leiche wahrnehmbar ist, auf einer Diffusion des gelben Farbstoffes in die benachbarten, während des Lebens nicht gefärbten Partien beruht, so dürfte es angezeigt sein, unter Anwen- dung Dimmers eigener Angaben die einer solchen Diffusion ent- sprechende Verdünnung der Farblösung zu berechnen.

In einer früheren Abhandlung hat D immer1) zwei Schnitte der Fovea reproduziert, von welchen die eine den wenigstens im lebenden Auge wo das Verhalten an den Reflexen untersucht werden kann sehr seltenen Typus mit Foveolarbildung im Fundus foveae darstellt, während der andere als mehr typisch anzusehen ist. Ich habe nun nach der Reproduktion dieses Schnittes die der Membrana

*) Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Macula lutea des Menschen. Leipzig und Wien 1894.

148

A. Gullstrand

limitans interna und externa markierenden Linien, sowie die Grenz- linie zwischen äusserer Körnerschicht und Zapfenfaserschicht getreu gezeichnet und in Fig. 1 in verkleinertem Massstabe wieder repro- duziert An der dünnsten Stelle der Netzhaut, dem Zentrum der Fovea entsprechend, habe ich die Linie AC senkrecht zur Limitans externa gezogen. Da die Limitans externa in der Figur eine gerade Linie darstellt, so stehen die Linien FG und DE, welche parallel zur Linie A C gezogen sind, auch senkrecht auf derselben. Die senk- rechten Abstände dieser Linien von der Linie AC sind auf der Originalfigur Dimmers 105 bzw. 35 mm und somit im Auge, da die Vergrösserung als eine 140 malige angegeben wird, 0,75 bzw. 0,25 mm. G ist der Schnittpunkt der Linie FG mit der inneren Grenze der äusseren Körnerschicht, und durch diesen Funkt ist die

F

Fig. 1.

Linie GEB parallel zur Limitans externa gezogen. Da nun nach Dimmer die äussere Körnerschicht nicht gefärbt ist, so kann der Raum, dessen Querschnitt durch die Figur DEGF dargestellt wird, als derjenige angesehen werden, welcher wohl in der Leichenmacula, nicht aber im lebenden Auge gefärbt sein sollte, wenn die Dimmer- sche Macula x/s Papillendurchmesser hat, und wenn der Durchmesser der ausgebildeten Leichenmacula 1,5 mm ist, was jedenfalls kein hoher Wert sein kann, da D i m m e r angibt, dass er einen Durchmesser von 2 bis 3 mm und mehr findet Es fällt zwar die Linie DF nicht mit der Limitans interna zusammen, aber der in der Nähe von F zugunsten des Netz- hautquerschnittes bestehende Unterschied repräsentiert ein grösseres Volumen, als der in der Nähe von D zugunsten der Figur DEGF* bestehende, weil der Radius ersterer Zone grösser ist Es ergibt sich somit, dass, wenn die Figur DEGF als der Querschnitt desjenigen Teiles der Netzhaut dargestellt wird, wo nach der Vorstellung Dim-

Zur Maculafrage. 149

raer9 im Leben keine Farbe vorhanden ist, in welchem aber nach dem Tode die Farbe diffundiert, das Volumen dieser Netzhautpartie zu niedrig berechnet wird, und zwar auch dann, wenn die hier auf- tretende Farbe als diejenige der am stärksten gefärbten Teile an- gesehen wird.

Wenn ich anderseits die Figur AB ED als den Querschnitt des nach Dimmer im Leben gefärbten Teiles der Netzhaut hinstelle, so zeigt der erste Blick auf die Figur, dass das berechnete Volumen viel grösser als das wirkliche ist, um so mehr, da nicht auf die Ver- dickung der äusseren Körnerschicht im Zentrum der Fovea Rück- sicht genommen wird; und es muss auch noch ein beträchtlicher Uberschuss vorhanden sein, wenn man nach Dimmers neuester An- nahme die Teile der Zapfenfasern, die sich in der Mitte der Fovea von den äussern Körnern zur Membrana limitans externa erstrecken, für gefärbt hält und eine sehr schwache, ophthalmoskopisch von ihm nicht gesehene Farbe in der nächsten Umgebung seiner Ma- cula supponiert. Es folgt hieraus, dass, wenn die bei der nach der Vorstellung Dimmers postmortal erfolgenden Diffusion des Farbstoffes eintretende Verdünnung desselben derart berechnet wird, dass die Figur AB ED als Querschnit des im Leben, die Figur ABOF als Querschnitt des nach dem Tode gefärbten Teiles ange- sehen wird, die berechnete Verdünnung viel geringer als die wirk- liche ist, so dass jedenfalls auch dann, wenn die Farbe letzteren Baumes als die intensivste in der Leichenmacula vorhandene angesehen wird, und wenn darauf Bücksicht genommen wird, dass der von Dimmer reproduzierte Teil des Schnittes wahrscheinlich den nasalen Teil darstellt, somit auch etwas steiler ist als der andere, die Berechnung der Verdünnung auf diese Weise keinen zu hohen Wert geben kann.

Setzt man nun

BG = R, AB = h, FG - AB = H,

so erhält man das Volumen des soliden Körpers, welches entsteht, wenn die Figur ABGF um die Linie AB als Umdrehungsachse be- wegt wird, indem man den Inhalt eines Cylinders mit dem Badius R und der Höhe k zu dem Inhalte eines Cylinders mit demselben Badius und der Höhe H addiert und von der Summe den Inhalt eines Kegels mit derselben Basalfläche und der Höhe H subtrahiert, wobei der Inhalt des Kegels 1j3 vom Inhalte des letzgenannten Cy- linders ausmacht. Es ergibt sich somit

150 A. Gullßtrand

Auf dieselbe "Weise wird nun das Volumen des von der Figur ABED bei ähnlicher Umdrehung erzeugten soliden Körpers be- rechnet, indem man dabei nur in obiger Formel statt R und H die

Ü TT

Werte bzw. einzusetzen hat, und für den Fall, wo die nach

o ö

Dimmer ophthalmoskopisch gesehene Farbe nur ein Gebiet von

R H

1/4 Papillendurchmesser einnimmt, hat man die Werte bzw. ~

zu benutzen. Werden die so erhaltenen Volumina im obigen dividiert, so erhält man für den Grad der Verdünnung, d. h. für das Verhältnis des Volumens der in der Leichenmacula vorhandenen Farblösung zu dem Volumen der nach D immer im lebenden Auge vorhandenen die Werte / 2H\ / 2H\

9(* + t) k 16 (* + X )

welche von der absoluten Grösse der Werte hH unabhängig sind, die somit an der D im m ersehen Originalfigur gemessen werden können. Ich finde h = 5 mm, H = 39 mm, wonach der Verdünnungsgrad durch die Zahlen 20,4 bzw. 43,1 angegeben wird, und dessen Mittel- wert nicht unter 30 gesetzt werden kann.

Von den beiden in Dimmers letzter Arbeit reproduzierten Schnitten stellt wiederum die Fig. 4 die wenigstens im lebenden Auge seltenere Form der Fovea dar. An der Fig. 3, wo die Fovea nach D im m er s Nomenklatur so gross wie die Papille ist, messe ich h bzw. H an dem als Mitte der Fovea bzw. als Rand der Fovea bezeich- neten Funkte und finde 5 bzw. 34 mm, woraus die Verdünnungszahlen 19,8 bzw. 41,5 resultieren, deren Mittelwert wiederum grösser als 30 ist Es dürfte auch der erste Blick auf Dimmers Figg. 1 u. 2 ge- nügen, um bei Rücksichtnahme auf die Dickenverhältnisse einen hohen Verdünnungsgrad schätzungsweise zu konstatieren.

Es ergibt sich somit, dass die der neuen Dimmerschen „Macula lutea der menschlichen Netzhaut" entsprechende Farbe, welche sich ophthalmoskopisch genau so verhält, wie sich die Eigenfarbe des Epithelpigmentes verhalten muss, und deren Lage in der Netzhaut ophthalmoskopisch nicht bewiesen werden kann, falls sie jedoch dort vorhanden wäre, eine solche Konzentration haben müsste, dass sie nach ungefähr 30 maliger Verdünnung die intensive Farbe der typischen Leichenmacula geben könnte. Sat sapienti.

Zur Maculafrage. 151

Es erübrigt nun, zunächst auf die Schlüsse einzugehen, welche aus der Verschiedenheit der Untersuchungsmethode Dimmers und der meinigen gezogen werden können, indem das von mir angewen- dete Licht nicht genau dieselbe Zusammensetzung hat wie das Son- nenlicht, und bei meinen Untersuchungen das auf einmal beleuchtete Feld kleiner, das Untersuchungszimmer weniger erleuchtet ist. Was enteren Umstand betrifft, so habe ich die verschiedensten gelben Farbstoffe bei der Beleuchtung mit dem artifiziellen weissen Lichte und dem Sonnenlichte bzw. diffusen Tageslichte verglichen und keinen Unterschied konstatieren können. Wenn ein solcher vorhanden wäre, so würde er für gewisse Farbstoffe eher dahin gehen, dase mit dem artifiziellen weissen Lichte diese eine Spur mehr ins zitronengelb spielten als im natürlichen Lichte. Dennoch will ich die Möglich- keit nicht bestreiten, dass die Farbe bei Dimmers Versuchsanord- nung sich weniger ins orange ziehen kann als die von mir ge- sehene, was nicht nur auf die Verschiedenheit der angewendeten Lichtquellen, sondern auch darauf beruhen kann, dass vielleicht Dimmer dunkler pigmentierte Augen gesehen hat, als welche hier zu Gebote stehen. Wenn nun auch ein solcher Unterschied des von uns gesehenen Farbentones ersichtlicherweise ohne jegliche Bedeutung für die vorliegende Frage ist, da im frisch enucleierten Auge ein und dasselbe Licht vor und nach Ablösung der Netzhaut angewendet wird, und die Farbe, wie oben angeführt wurde, dabei an der Cho- rioidea1), nicht aber in der abgelösten Netzbaut wiedergefunden wird, so ist anderseits zu untersuchen, ob durch die Methode Dimmers ein Unterschied der ophthalmoskopisch gesehenen Farbe von der Eigenfarbe des Epithelpigmentes verursacht werden könne.

Konzentriert man Sonnenlicht oder das arüfizielle weisse licht unter streifender Incidenz auf eine grosse Partie der noch anliegenden Netzhaut eines eben enucleierten und äquatorial aufgeschnittenen Auges, so sieht man an der dünnsten Stelle der Netzhaut eine gold- gelbe Farbe, während nach Ablösen der Netzhaut die Farbe der Chorioidea mit anhaftendem Pigmentepithel sich mehr ins orange zieht Da an der abgelösten Netzhaut keine Farbe vorhanden ist, so kann der Unterschied nur durch Kontrast mit dem von der Netz- haut diffus reflektierten bläulichen Lichte verursacht werden, und in Übereinstimmung hiermit findet man diesen Unterschied nur, wenn

x) Di mm er hat an der Chorioidea nach Ablösung der Netzhaut nur eine dunkelbraune oder braune Farbe gesehen, hat aber nicht fokale Beleuchtung angewendet.

t. Grmefe'i Arehlr Ar Ophthalmologie. LZVI. 1. 10

152 A. Gullßtrand

eine grössere Partie beleuchtet wird, und zwar dann am meisten hervortretend, wenn die Incidenz so schief wie möglich gemacht wird, wobei auch die kurzwelligen Strahlen relativ am meisten überwiegen. In der Tat liegen die Verhältnisse bei diesem Versuche denen bei der Erzeugung des bekannten sogenannten Florkontrastes um so näher, je weniger man sich darüber Rechenschaft gibt, dass das von der Netzhaut diffus reflektierte Licht bläulich ist Ich habe eben die Gelegenheit gehabt, diesen durch Kontrast bewirkten Farbenunter- schied in einem Falle zu konstatieren, wo die Ablösung der Netzhaut ohne Bildung eines Foramen centrale gelang, und dieselbe nach der von mir angegebenen Methode in evakuierter Bohre dauernd kon- serviert ist Da das Präparat gar keine Farbe im Gebiete der Fovea zeigt, so liefert dasselbe den anatomischen Beweis nicht nur da- für, dass die im Zentrum der Fovea zu beobachtende gelbe Farbe nicht in der Netzhaut liegt, sondern auch dafür, dass der Ton dieser Farbe durch Kontrast mit dem bläulichen von der Netzhaut diffus reflektierten Lichte beeintiusst wird.

Dass auch im lebenden Auge das von der Netzhaut diffus re- flektierte Licht bläulich ist, davon kann man sich besonders bei jugendlichen Individuen, wo die kurzwelligen Strahlen beim doppelten Durchgange durch die linse weniger geschwächt werden, sehr leicht durch den Vergleich mit der Farbe einer Conusbildung bzw. mit der Farbe der Lamina cribrosa bei grosser Excavation überzeugen. So- wohl bei der ophthalmoskopischen Untersuchung mit Tageslicht und mit dem von mir angewendeten artifiziellen weissen Lichte, wie be- sonders mit der Quecksilberlampe, dessen kurzwellige Strahlen mehr mit den langwelligen kontrastieren, sieht man in dunklen Augen den Farbenunterschied sehr deutlich. Dass auch das regelmässig von der Netzhaut reflektierte Licht bläulicher als das einfallende ist, folgt unmittelbar aus der Chromasie bei der Brechung des Lichtes an der Grenze zwischen Glaskörper und Netzhaut und kann auf dieselbe Weise direkt wahrgenommen werden. Will man nun im dunklen Auge den hierdurch bedingten Kontrast am dunklen Fleck im Zentrum der Fovea bei der ophthalmoskopischen Untersuchung mit weissem Lichte so merkbar wie irgend möglich machen, so muss man zunächst jugendliche Individuen wählen, dann ein möglichst grosses, auf einmal beleuchtetes Feld benutzen, und endlich, um einen so schiefen Einfall wie möglich zu erzielen, bei diktierter Pupille unter- suchen. Wenn man dann noch das Spiegelloch excentrisch vor der Pupille des untersuchten Auges verschiebt, wobei ein Teil des bei

Zur Maculafrage. 153

dilatierter Papille sehr breiten und deshalb oft übersehenen grossen Reflexringes sich dem Zentrum der Fovea nähert, so hat man die grösste Aussicht, die gelbe Kontrastfarbe am deutlichsten zu sehen, „wenn man unmittelbar neben dem Rande der Pupille vorbei sieht". Dies ist aber identisch dieselbe Versuchsanordnung und dasselbe Er- gebnis, wie Di mm er angibt Wenn er aber dann noch hinzufügt dass die gelbe Farbe sehr oft; dadurch noch deutlicher wird, „dass man sich nicht genau für die Retina einstellt, also beispielsweise als Emmetrop bei emmetropischen Augen eine Konvexlinse von 3 5 D. verwendet", was „jedenfalls ähnlich wie die offene Blende bei der Abb eschen JBeleuchtungs Vorrichtung am Mikroskope" wirken soll, so kann ich darin nur ein psychisch wirkendes Moment sehen, indem man, je weniger voto der Körnelung der Pigmentschicht gesehen wird, um so leichter sich vorstellen kann, dass die Farbe von der Netzhaut herrühre.

Es dürfte hiermit der Beweis geliefert worden sein, dass, wenn die bei der ophthalmoskopischen Untersuchung dunkler Augen im Zentrum der Fovea gesehene Farbe einen andern Ton als den der Eigenfarbe des Epithelpigmentes ent- sprechenden hat, der Unterschied durch Kontrast mit dem diffus von der Netzhaut reflektierten Lichte erklärt wird. Da die Kontrastfarbe um so mehr hervortreten muss, je weniger man sich von der Farbe der Umgebung Rechenschaft ablegt, und da nach der Angabe Dimmers die Netzhaut in graulichweisser Farbe er- scheint, so ist es sehr wahrscheinlich, dass bei seiner Versuchs- anordnung die Kontrastwirkung eine Rolle spielt

Dies wird auch dadurch angedeutet, dass, wie er nunmehr an- gibt, die Farbe leichter in der Umgebung des bei gewöhnlicher oph- thalmoskopischer Untersuchung sichtbaren kleinen dunklen Fleckes als in diesem selbst gesehen werden kann, indem erstens die Kon- trastfarbe in der nächsten Nähe des bläulichen von der Netzhaut regelmässig reflektierten Lichtes am leichtesten wahrgenommen wer- den muss, zweitens aber auch das diffus reflektierte Licht, dessen Farbe induziert wird, im kleinen dunklen Fleck viel geringer ist als in dessen nächster Umgehung. Bei weniger intensivem Lichte, wo das von der dünnsten Stelle der Netzhaut diffus reflektierte Licht unter der Schwelle liegt, kann folglich der kleine dunkle Fleck nicht den Florkontrast zeigen, sondern nur die Kontrastfarbe, welche durch einen dunkelbraunen Papierstreifen beim Florkontrastversuch erhalten wird, wenn der entsprechende Teil des Flores fehlt.

10*

154 A. Gullstrand

Aber auch auf andere Weise kann eine Farbeninduktion bei Di mm er 8 Versuchsanordnung mitspielen. Es ist eine langst bekannte Tatsache, dass neben dem durch die Pupille eintretenden Lichte auch durch Iris und Sklera beträchtliche Mengen und zwar rötlichen Lichtes in das hell beleuchtete Auge eindringt Es gehört auch zu den ersten Erfahrungen, die man beim Arbeiten mit Spektralfarben macht, dass der Ton der im Instrumente mit dem einen Auge ge- sehenen Farbe davon beeinfiusst wird, ob das andere Auge hell be- leuchtet ist oder nicht Noch deutlicher ist der successive Kontrast, welcher jedem Mikroskopiker geläufig sein dürfte, der abwechselnd mit beiden Augen mikroskopiert. Hat man das eine Auge eine Zeitlang angewendet, während das andere hell beleuchtet war, so sieht man mit diesem Auge das Sehfeld bei ungefärbtem Präparate blaugrün.

Dass dieser successive Kontrast bei der ophthalmoskopischen Untersuchung der Farbe im Zentrum der Fovea centralis einwirkt, habe ich sicher konstatieren können. Wenn ich nämlich nach längerem Aufenthalte im hell erleuchteten Zimmer unmittelbar beim Eintritt ins Dunkelzimmer mit meinem artifiziellen weissen Lichte Ophthal- moskopien, so sehe ich die Farbe bedeutend weniger rötlich als 15 Minuten später, wenn ich während dieser Zeit die Augen dem Lichte nicht ausgesetzt habe.

In einfachster Weise kann man beweisen, dass diese Induktion für die Schätzung des Tones einer gelben Farbe von grosser Bedeu- tung ist Man wähle ein Papier, welches in einem mit elektrischem Glühlicht massig beleuchteten Zimmer orangegelb aussieht, und be- leuchte dann im Dunkelzimmer das eine Auge im Abstände von 20 cm mit einer 32 -Kerzenlampe, während das andere Auge beschattet bleibt und z. B. eine graue Fläche fixiert wird. Wenn man dann nach einigen Minuten das ausgewählte Papier abwechselnd mit bei- den Augen betrachtet, so sieht man es mit dem beschatteten Auge orangegelb, mit dem beleuchteten rein gelb oder zitronengelb, je nach dem Ton des Papiers und der Dauer des Versuches. Dasselbe Re- sultat erhält man, wenn das beleuchtete Auge geschlossen war.

Hierdurch ist es bewiesen, dass das Vorhandensein einer sehr hellen Lichtquelle im Untersuchungszimmer eine Far- beninduktion bewirken kann, welche die Farbe des Epithel- pigmentes in falschem Tone hervortreten lässt

In welchem Grade diese Induktion bei Di mm er s Untersuchungen dazu beigetragen habe, dass er die Farbe des Epithelpigmentes in dunkel pigmentierten Augen als ein schönes gelb sieht, „das man

Zur Maculafrage. 155

ganz gut mit Kühne als zitronengelb bezeichnen kann", lässt sich kaum beurteilen. Sicher ist, dass die Gelegenheit zu dieser Induk- tion bei dem sehr intensiven Lichte in günstigster Weise vorhanden ist Aber ebenso sicher dürfte es sein, dass die Kontrastwirkung mit dem von der Netzhaut teils diffus, teils regelmässig reflektierten Lichte mitgespielt hat, da nämlich Dimmer nicht an andern Stellen des Augengrundes dieselbe Farbe wiedergefunden hat

Das einzige Objektive an der von Di mm er gesehenen Macula- farbe ist somit die Eigenfarbe des Epithelpigmentes, wie meine oben angeführten Untersuchungen beweisen, da dieselben mit Ausschluss der Fehlerquellen vorgenommen sind, welche eine Farbeninduktion bewirken können. Erst wenn Dimmer unter Vermeidung dieser Fehlerquellen, vor allem unter Anwendung eines beleuchteten Feldes, das nicht grösser als die Papille ist, denselben Farbenton in dunklen Augen regelmässig wiederfindet, erst dann wird es sich lohnen, weitere Nachprüfungen' vorzunehmen, und erst dann würde ich, wenn der Befund mit einwandsfireier Versuchsanordnung auch von andern be- stätigt werden könnte, mit ihm mich darüber wundern, „warum frühere Untersucher, die bei Tageslicht Ophthalmoskopien haben, das Gelb der Macula nicht sehen konnten, warum dies erst jetzt, 55 Jahre nach der Erfindung des Augenspiegels, gelungen ist".

Um einen gelben Fleck zu sehen, braucht man kein grösseres Feld, falls es sich um eine objektive Erscheinung handelt, wie es unter anderem daraus hervorgeht, dass man mit einem beleuchteten Felde vom Durchmesser der Papille die orangegelbe Eigenfarbe des Epithelpigmentes sehen kann. Und ein objektiver Grund, warum man für eine zitronengelbe Farbe ein grösseres Feld als für eine orangegelbe nötig haben sollte, dürfte bis auf weiteres unbekannt sein.

Endlich ist es physikalisch unmöglich, dass die Zusammensetzung des von der Netzhaut reflektierten Lichtes von der Intensität ab- hängig sei, wenn keine dunkle Deckfarbe in derselben angenommen wird. Dimmer bestreitet zwar, dass dies der Fall sein müsste, falls seine Macula etwas Objektives wäre und behauptet: „Es erscheint nicht das gleiche Licht, wenn es schwach ist, in einer andern Farbe, als wenn es stark ist" . . . Da man aber nach seiner Angabe die gelbe Farbe in der Umgebung des bei gewöhnlicher ophthalmosko- pischer Untersuchung gesehenen kleinen dunklen Fleckes am leich- testen sieht, und da man keinen dunklen Fleck sehen könnte, wenn nicht diffuses, von der Netzhaut reflektiertes Licht von der Umgebung erhalten würde, so müsste entweder die Farbe, falls dieselbe eine ob-

156 A. Gullstrand

jektive Erscheinung wäre, sichtbar sein, sobald im dunklen Auge die Intensität des weissen Lichtes hinreichend ist, um den kleinen dunklen Fleck sichtbar zu machen, oder aber es müsste das licht bei ver- schiedener Intensität in verschiedener Zusammensetzung reflektiert werden. Die Angabe, dass man die gelbe Färbung deutlich in der als grauer Schleier sichtbaren Netzhaut liegend wahrnehmen kann, dürfte nur einen subjektiven Wert haben und mit einer Tiefenloka- lisation der beim Florversuch gesehenen Kontrastfarbe am nächsten vergleichbar sein.

Hiermit dürfte das Nötige über die neue Dimmer sehe Macula gesagt worden sein, und ich würde auch hier diesen Abschnitt enden lassen können, wenn nicht Dimmer, auf die vermeintlichen Ergeb- nisse seiner Untersuchungen gestützt, meine Methoden und deren Ergebnisse derart angegriffen hätte, dass es miss verstanden werden könnte, wenn ich es für überflüssig hielte, hier darauf Rücksicht zu nehmen.

Ich habe bewiesen, dass die unter dem Namen des Maxwell- schen Fleckes bekannte entoptische Erscheinung aus zwei verschie- denen, durch die entoptische Parallaxe trennbaren Erscheinungen zusammengesetzt ist, nämlich aus einem grösseren entoptisch unbe- weglichen, mithin in der Schicht der lichtperzipierenden Elemente belegenen, sowohl der Grösse als den physikalischen Verhältnissen nach mit dem sehpurpurfreien Teile zusammenfallenden, und einem kleineren entoptisch beweglichen und durch die zerstreuende Wirkung bei der Brechung im konkaven Teile der Fovea entstandenen, manch- mal als Ring erscheinenden Fleck. Um diese beiden Erscheinungen voneinander getrennt zu halten, habe ich in folgenden Worten meine Nomenklatur gewählt „Den feststehenden grösseren Fleck, der von den gestaltlichen Verhältnissen im Retinalzentrum unabhängig ist, nenne ich die entoptische Macula, den beweglichen kleineren, bzw. den Ring, die entoptische Fovea, eine Nomenklatur, die übrigens schon eingebürgert ist." Ich füge nur hinzu, dass die Stelle, wo die Fovea durch ihre Konkavität merkbar zerstreuend wirken kann, wie es auch aus der oben nach Di mm er reproduzierten Fig. 1 her- hervorgeht, sowohl kleiner als die entoptische Macula ist, wie als die Leichenmacula und sogar als die Macula, welche Di mm er entdeckt zu haben glaubt Und dennoch sagt er: „Ich will hier nur ein- schalten, dass 'die nach der entoptischen Untersuchung gemessenen Grössen Verhältnisse des Maxwel Ischen Fleckes nicht der ganzen

Zur Maculafrage. 157

Fovea, die ja so gross wie die Papille ist, sondern nur deren mitt- leren Teil, dem Grande der Fovea entsprechen könnten, man kann daher in der entoptischen Macula unmöglich noch eine entoptische Fovea unterscheiden", eine Aussage, deren Inhalt ersichtlicherweise eben so falsch ist, wie der Ton kategorisch. Ein Vergleich dieser Stelle mit der entsprechenden in seiner neuesten Arbeit macht es übrigens wahrscheinlich, dass Dimmer selbst dies eingesehen hat.

Um Missverständnissen vorzubeugen, sei hier darauf aufmerksam gemacht, dass Di mm er seine eigene Nomenklatur hat, nach welcher die Fovea so gross wie die Papille, manchmal auch, wie in seiner oben reproduzierten Figur, grösser ist Er unterscheidet nämlich eine Fovea und eine Foveola, obwohl mit sehr seltenen Ausnahmen eine kleinere Aushöhlung in der grösseren nicht vorhanden ist Am höchsten Punkte der die Fovea umgebenden wallartigen Erhebung, welche durch eine nach dem Glaskörper zu konvexe Krümmung ge- kennzeichnet ist, und welche er früher1) richtig als die „in der Um- gebung der Fovea verdickte Netzhaut" bezeichnet hat, das heisst an dem Punkte, wo der grössere Reflexring entsteht, und welcher in der Fig. 1 peripheriewärts von der Linie FO belegen ist, sieht er den „Rand" der Fovea, während der betreffende Reflexring als „Fovealreflex", die Konkavität als Foveola bezeichnet wird. Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass ich diese Nomenklatur, denn welche wohl kaum je eine unglücklichere vorgeschlagen wurde, und welche, sofern ich dies aus meiner Bekanntschaft mit der ophthal- mologischen Welt und Wissenschaft beurteilen kann, bei weitem noch nicht allgemein eingebürgert ist, nicht anwende. Dass die falsche Nomenklatur sogar auf den Erfinder selbst eine unglückliche sug- gestive Wirkung ausüben kann, wird weiter unten gezeigt werden.

Von den drei Fällen, in welchen Dimmer bei akuter Ischämie der Netzhaut eine gelbe Färbung im Zentrum der Fovea an Stelle des kirschroten Fleckes gesehen hat, gilt hauptsächlich dasselbe, was oben über seine Untersuchungen normaler Augen angeführt wurde, mit dem Unterschiede, dass in diesen Fällen das von der Netzhaut diffus reflektierte licht viel stärker ist Besonders im einen der älteren Fälle, wo der dunkle Fleck in der Fovea zwar zu sehen war2), aber „deutlich eine gelblichbraune Farbe" hatte, dürfte die Eigenfarbe des Epithelpigmentes nebst der Kontrastwirkung die ausreichende

*) Die ophthalmoskopischen Lichtreflexe der Netzhaut. Leipzig und Wien 1891. S. 216.

•) A. a. 0. Beiträge usw., S. 67.

158 A. Gullstrand

Erklärung geben, falls das Epithelpigment sehr reichlich war. In den beiden andern Fällen, wo der dunkle Fleck nicht zu sehen war, dürfte, wie es Dimmer auch für möglich hält, eine zum Fun- dus foveae begrenzte Ablösung der Netzhaut am wahrscheinlich- sten vorgelegen haben, wobei wegen der Dünnheit der Netzhaut an dieser Stelle die Farbe des Serums durchschimmern und mit der mehr bläulichen Farbe der umgebenden ödematösen, nicht abgelösten Netzhaut kontrastieren könnte. Es mag nun diese Er- klärung richtig sein oder nicht, die Hauptsache ist, dass nur ein negativer Befund in pathologischen Fällen einige Beweiskraft haben kann, und dass in der überwiegenden Anzahl der Fälle der Fleck kirschrot gesehen wird, mithin der Befund negativ ist Di mm er hält auch diese Fälle nicht als beweisend für das Vorkommen der gelben Farbe in normalen Augen, und es ist ersichtlich, dass seine Photogramme noch weniger beweisen. Zwar kann ja ein gelber Fleck im Photogramm als dunkel erscheinen, dasselbe ist aber mit einem dunkelroten der Fall. Eines beweisen aber diese Photogramme unzweideutig, nämlich dass von der Netzhaut in der Umgebung der dünnsten Stelle derselben eine beträchtliche Menge licht diffus reflek- tiert wird, und deshalb beweisen seine ophthalmoskopischen Unter- suchungen in vollkommener Übereinstimmung mit den meinigen das eine, dass die Umgebung dieser Stelle im lebenden Auge sich durch keine gelbe Färbung von den übrigen Netzhautstellen unterscheidet Ich habe die Quecksilberbogenlampe zur ophthalmoskopischen Untersuchung normaler, nicht dunkel pigmentierter Augen emp- fohlen, weil dieselhe die einzige mir bekannte praktisch anwend- bare Lichtquelle ist, welche so gut wie gar keine roten, dabei aber reichlich gelbe, grüne und blaue Strahlen enthält, mithin zur Ent- deckung einer gelben Farbe vor einem roten Hintergrunde ebenso geeignet ist, wie gewöhnliches weisses Licht vor einem schwarzen, und weil die Leichenmacula in diesem Lichte als deutlicher Fleck erkannt wird. Ich habe wörtlich gesagt: „Gegenüber gelben Farb- stoffen ist aber die Lampe ein sehr scharfer Indikator. Zwar erhält man im allgemeinen nicht dieselbe gelbe Farbe wie beim Tageslicht, sondern eine mehr grüngelbe, aber sobald man an einem Farbstoff bei Tagesbeleuchtung etwas gelb zu sehen vermag, sieht man ihn auch im Lichte der Lampe gelb im Verhältnis zu andern Stoffen, die bei ersterer Beleuchtung nicht gelb aussehen." D immer glaubt nun ein absprechendes Urteil über die Anwendbarkeit der Quecksilberlampe ab- geben zu können, und zwar ohne Anführung anderer Gründe, als

Zur Maculafrage. 159

„dass die Papille bei Tageslicht höchstens einen ganz schwachen Stich ins gelbliche zeigt, oft rein weiss erscheint, während sie im Lichte der Quecksilberbogenlampe gelblichgrün aussieht". Während Kommentare zu diesem Urteile tiberflüssig sein dürften, da den ob- jektiven an der Leichenmacula gelieferten Beweisen nicht widersprochen wird, so beweisen die später von Dimmer an einem Farbenkreisel angestellten Versuche, wenn die Versuchsanordnung in bezug auf Gleichheit der Beleuchtungsintensität einwandfrei war, was nicht aus der Beschreibung Dimmers hervorgeht, dass die Sättigungsschwelle bei der Unterscheidung einer gelben Deckfarbe im Lichte der Queck- silberbogenlampe unbedeutend höher liegt als im Tageslichte, indem, wenn die Vergleichsfarbe weiss war, 20° bzw. 25°, bei grauer Ver- gleichsfarbe aber 20° bzw. 25 30° gefunden wurde. Dass er mit einem etwas ins rötliche gehenden Gelb grössere Unterschiede er- hielt, ist mir etwas auffallend, doch dürfte es nicht nötig sein, hier näher darauf einzugehen, da weder die Leichenmacula, welche ich mit der Quecksilberlampe vergebens im lebenden Auge gesucht habe, noch die Dimmer sehe Macula ins rötliche geht Der Kern der Sache ist aber, dass ich die Quecksilberbogenlampe nicht für die Fälle empfohlen habe, wo die gelbe Farbe der vermeintlich im lebenden Auge vorhandenen Macula lutea mit Tageslicht gesehen werden müsste, sondern für die Fälle, wo die supponierte Lackfarbe auf dem roten Grunde unsichtbar sein sollte.

Da nun Dimmers Macula schön gelb ist, so dürfte wohl der von ihm gefundene Unterschied in der Erkennbarkeit einer gelben Farbe kaum die Erklärung dafür abgeben können, dass er seine Macula nicht im Lichte der Quecksilberbogenlampe sieht. Dies be- weist also unzweideutig, dass dieselbe keine in der Netzhaut vorhan- dene objektive Erscheinung darstellt Dass die induzierte Farbe nicht gesehen wird, beruht einfach darauf, dass die spezifische Helligkeit bzw. die räumliche Ausdehnung der Lichtquelle zu gering ist, um die Eigenfarbe des Epithelpigmentes bzw. die Kontrastfarbe hervor- treten zu lassen. Di mm er macht übrigens selbst neuerdings auf den Einflusß der Lichtintensität aufmerksam.

Ich habe unter anderm leicht kontrollierbare Beweise dafür ge- geben, dass sowohl der Maxwel Ische Fleck, sofern darunter der grössere, mit der von mir sogenannten entoptischen Macula zusam- menfallende Teil desselbeu verstanden wird, wie die peripherischen Teile der Haidingerschen Polarisationsbüschel in der Schicht der lichtperzipierenden Elemente entstehen, dass letztere wenigstens den

160 A. Gullstrand

anderthalbfachen Durchmesser des ersteren haben, und dass der fragliche Fleck gegenüber Mischungen von blauem, blaugrünem und grünem Lichte gerade das entgegengesetzte Verhalten gegen dem durch Absorption in einem gelben Farbstoffe bedingten zeigt

Ohne mit einem Worte anzudeuten, ob er diese Untersuchungen wiederholt habe, oder mit welchem Erfolge dies geschehen wäre, fuhrt Dimmer an:

„Dass angesichts meiner vollkommen sicheren Beobachtungen auch die entoptische Erscheinung des gelben Fleckes, wie man dies auch früher angenommen hat, auf die gelbe Farbe der Netzhaut zu- rückzuführen ist, steht fest; um so mehr, da der Maxwellsche Fleck seiner Grösse und seinem sonstigen Verhalten nach vollkommen mit der ophthalmoskopisch sichtbaren Gelbfärbung der Netzhaut überein- stimmt. Es bleibt auch nichts anderes übrig, als für die von Gull- strand hervorgehobenen paradoxen Erscheinungen bei der entopti- schen Beobachtung, die sich nicht durch die Absorption im gelben Pigment erklären lassen, eine andere Erklärung zu suchen, ohne aber deswegen die jetzt sicher durch die Untersuchung am Lebenden kon- statierte Gelbfärbung der Netzhaut in Abrede zu stellen. Ich will mich auf die vorhandenen Möglichkeiten hier nicht weiter einlassen und will nur noch kurz bemerken, dass nach den soeben mitgeteilten Be- obachtungen meine im Jahre 1894 gegebene Erklärung für die Ent- stehung der Haidingerschen Polarisationsbüschel jedenfalls zurecht besteht"

Wegen kategorischem Tone kann niemand getadelt werden, wel- cher die Wahrheit sagt, und jedermann hat das Recht, je nach dem Verhältnis der Objektivität seiner Beweise zu dem Werte, den er wünscht, dass man seinen Behauptungen zuermesse, seinen Ton hoch zu stimmen. Die Objektivität dieser Beweisführung dürfte ebenso gut vom Leser beurteilt werden können, wie die Methode, Tatsachen, welche der eigenen Meinung widersprechen, einfach als paradox zu erklären.

In der neueren Arbeit hat nun Dimmer eine Reihe dieser „paradoxen" Erscheinungen nachgeprüft und bestätigt. Für die Farben- erscheinungen hatte ich die Bedeutung der Fluorescenz sowohl des Netzhautgewebes wie des Stäbcheninhaltes bewiesen, indem ich durch physikalische Versuche konstatieren konnte, dass die vom kurzwelligen Lichte bis zu einer Wellenlänge von 490 (ip erregte Fluorescenz eine Änderung des Farbentones bewirkt Dimmer hat sich nun gefragt, „wie jene entoptischen Erscheinungen, die sich nicht durch die Ab-

Zur MacuJafrage. 161

sorption in einem gelben Pigmente erklären lassen, in anderer Weise zu deuten wären", und kommt zu einer Erklärung, welche in andern Worten die meinige wiedergibt, doch mit dem Unterschiede, dass er nur die Fluorescenz des Netzhautgewebes, nicht die des Stäbchen- inhaltes berücksichtigt und als Ursache des makularen Gefälles kurz- welligen Lichtes seine hypothetische gelbe Farbe an Stelle der physi- kalischen Tatsachen setzt, welche eine stärkere Schwächung kurzwelligen Lichtes im Zentrum, bzw. eine kräftigere Absorption desselben im Stäbcheninhalte bedingen. Letzteres ist ihm dadurch möglich ge- worden, dass er einesteils nicht angibt, ob er den Einfluss der Ad- aption auf die entoptische Macula untersucht und bestätigt habe, andernteils aber auch eine Parallaxe derselben konstatiert zu haben glaubt und die physikalischen Tatsachen unberücksichtigt bleiben lässt, ja sogar den Lichtverlust bei der Reflexion als etwas von mir An- genommenes hinstellt (S. 540).

Mit der von mir vorgeschlagenen Methode der Untersuchung der Parallaxe, mit welcher D immer die Parallaxe der entoptischen Fovea konstatiert hat, dürfte er keine Parallaxe der entoptischen Macula gesehen haben, da er dies nicht angibt, sondern nur die Methode verwirft, da sich „andere Erscheinungen einmischen, welche die Beob- achtung nur erschweren", womit wahrscheinlich die entoptische Fovea gemeint wird, welche Dimmer als Schatten bezeichnet, und auf welche ich sogleich zurückkomme. Er hat deshalb eine andere Me- thode zur Untersuchung der Parallaxe der entoptischen Macula ge- wählt, welche aber mit groben, weiter unten angegebenen Fehlerquellen behaftet ist, und welche ihm auch höchst staunenswerte Resultate gegeben hat Er erhielt nämlich eine so starke Verschiebung, „dass, wenn das licht beispielsweise von der lateralen Seite einfällt, der Fixationspunkt nahe dem medialen Rande des Maxwellschen Fleckes zu liegen kommt". Im schematischen Auge von Helmholtz liegt die der Glaskörperseite entsprechende Austrittspupille des Auges rund 19 mm vom hinteren Brennpunkt entfernt und ist um rund 4°/0 grösser als das Irisloch. Es folgt hieraus, dass ein Strahl, welcher im hinteren Brennpunkt einen Winkel mit der Achse bildet, dessen Tangente 1/8 ist, nicht durch eine Pupille von 10 mm Durchmesser kommen kann, wonach der Abstand eines schattenwerfenden Körpers von der lichtperzipierenden Schicht mehr als dreimal so gross als die grösste auf dieser Schicht gemessene parallaktische Verschiebung sein muss. Das kleinste Mass, das Dimmer für seine entoptische Macula angibt, ist im horizontalen Durchmesser 0,4 mm, die gemes-

162 A. Gullstrand

sene Parallaxe mithin nahe 0,2 mm, und die schattengebende Farbe müsste nahe 0,6 mm vor der lichtperzipierenden Schicht liegen,, während deren Grenze nur 0,2 mm vom Zentrum der Fovea entfernt ist. An anderer Stelle sagt Dimmer, dass die Parallaxe des Maxwellschen Fleckes „nicht so bedeutend und nicht so leicht wahrnehmbar ist wie die Parallaxe der feinsten Gefässe am Rande der gefasslosen Stelle".

Dimmer behauptet: „sicher ist, dass der Maxwellsche Fleck im ganzen eine deutliche parallaktische Verschiebung zeigt, die voll- kommen mit der ophthalmoskopischen und anatomischen Untersuchung der Macula lutea übereinstimmt, so dass die Entstehung des bei der entoptischen Untersuchung auftretenden dunklen Fleckes (des Max- wellschen Fleckes) durch die Absorption des Lichtes in den gelb gefärbten Schichten der Netzhaut in den mittleren Partien der Fovea als sichergestellt angenommen werden muss." Nach Kenntnisnahme der obenstehenden einfachen Rechnung wird er wohl aber mit mir diese Behauptung grundlos finden.

Auf die Art und Weise, wie Dimmer die vollkommene Über- einstimmung der Grössenverhältnisse erreicht, dürfte es nicht nötig sein hier einzugehen. Einesteils sagt er, dass der dunkle Fleck, dessen Grösse er mit x/6 bis 1|5 Papillendurchmesser angegeben hat „etwas, aber nicht sehr viel kleiner als die entoptisch wahrnehmbare Macula lutea" ist, und andernteils findet er bei empfindlicher Unter- suchungsmethode, dass die entoptische Macula, auf Im projiziert, ungefähr 5 cm gross ist, was x/2 Papillendurchmesser entspricht Ich begnüge mich damit, zu konstatieren, dass dieses letztere Mass iden- tisch dasselbe ist, das ich bei empfindlicher Untersuchungsmethode angegeben habe.

Ich habe bewiesen, dass die entoptische Fovea durch den Licht- verlust und durch die Chromasie bei der Brechung im konkavsten Teile der Fovea bedingt wird. D immer hatte früher den bei der Beobachtung der Netzhautgefässe mit einem kleinen Loche im ge- fasslosen Fleck herumspringenden Schatten auf dieselbe Ursache be- zogen. Er stimmt nun auch betreffs der entoptischen Fovea die Nomenklatur ausgenommen mit mir überein, soweit es sich um die mit einem Loche beobachteten Erscheinungen handelt Dagegen scheint er von der Meinung zu sein, dass ohne Loch der betreffende Lichtverlust nicht zu stände kommen könnte, indem der runde Schatten dadurch bewirkt werden sollte, dass beim Loch versuche parallele Strahlen auf die Netzhaut fielen. Da aber mit dem blauen Licht- filter die entop tische Fovea der Schatten Dimmers ohne

Zur Maculafrage. 163

jegliche Bewegung des Loches gesehen wird, so wirkt das Loch nur als Eintrittspupille des Auges. Wird das Loch weggenommen und die Pupille diktiert, so ist der Effekt auf den Versuch nur der, dass die Eintrittspupille grösser ist und an anderer Stelle liegt. Da weiter nach einer gleichmässig hellen Fläche gesehen wird, so kommt von jedem Punkte der Austrittspupille ein Lichtstrahl zu jedem Punkte der betreffenden Netzhautpartie, wonach die Austrittspupille als Licht- quelle und die Konkavität der Fovea Dimmers Foveola als eine im Wege des Lichtes gehaltene Konkavlinse wirkt Die Frage ist also einfach die, ob die bei der Vergrösserung und Verschiebung der Eintrittspupille entstehende Vergrösserung des Winkels, unter welchem die Austrittspupille von den lichtperzipierenden Elementen aus gesehen wird, bewirken könne, dass der Schatten nicht zu stände käme, was ja unmöglich ist, da der Winkel, unter welchem die zer- streuende Fläche von demselben Punkte aus gesehen wird, viel grösser ist Dagegen kann die entoptische Fovea auf diese Weise kleiner werden, weil sozusagen ein Teil des früheren Vollschattens dadurch zum Halbschatten wird.

Es folgt hieraus mit mathematischer Notwendigkeit, dass, sobald der Schatten mit dem bezüglichen Lichtfilter und ruhig gehaltenem Loche gesehen wird, derselbe auch ohne Loch bei diktierter Pupille gesehen werden muss, wenn unter Anwendung desselben Lichtfilters die Lichtstärke auf das entprechende Mass herabgesetzt wird. Wäre das nicht der Fall, so müsste die Konkavität der Fovea einen viel geringeren Durchmesser, oder die Netzhaut an der dünnsten Stelle eine viel grössere Dicke haben, als tatsächlich der Fall ist, oder aber die Erscheinung auf andere Weise als durch die zerstreuende Wirkung der Fovea entstehen.

Bezüglich der entoptischen Fovea ist endlich zu bemerken, dass dieselbe, als durch die bekanntlich variablen, gestaltlichen Verhält- nisse der anatomischen Fovea bedingt, individuelle Unterschiede auf- weisen muss und aufweist So kommt es oft vor, dass dieselbe nicht als Ring gesehen wird, und es kann deshalb nicht befremden, dass Dimmer mit dem Loche nur einen entoptisch beweglichen Fleck, keinen Bing sieht Betreffs seiner Erklärung des Zustandekommens des kleinen hellen Fleckes, den er ohne Loch im Zentrum der ent- optischen Macula sieht, beschränke ich mich darauf, zu bemerken, dass der von ihm als Ursache angesehene geringere Lichtverlust in den mehr vertikal stehenden Zapfenfasern auch ohne eine Gelb- färbung derselben gelten könnte, falls die Erklärung sonst richtig

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wäre, indem die Zahl der Reflexionen durch diesen Verlauf der Fasern verringert wird.

Betreffs der Untersuchungen Dimmers über die Entstehungsweise der Polarisationsbüschel soll nur hier darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Ergebnisse der Untersuchung mit dem Polarisations- mikroskope wegen der Diffraktion nicht stichhaltig sind, sobald Form- bestandteile untersucht werden, welche in einer zur Richtung der Lichtbewegung senkrechten Richtung Dimensionen von derselben Grössenordnung wie die Wellenlänge haben, wonach auch die von Dimmer mit diesem Instrumente ausgeführten Untersuchungen keine Beweiskraft besitzen, wie er auch selbst hätte daraus schliessen können, dass er mit verschiedenen Präparationsmethoden einander widersprechende Resultate erhalten hat Weiter würde, auch wenn die Doppelbrechung vorhanden ist, und die Farbe da wäre, daraus in keiner Weise geschlossen werden können, dass der ordentliche oder der ausserordentliche Strahl von kurzer Wellenlänge stärker absorbiert würde. Es hat zwar Helmholtz auf die Möglichkeit einer solchen verschiedenen Absorption hingewiesen, und es war zweifelsohne seine Erklärung der Polarisationsbüschel besser als irgend eine andere, so lange es für bewiesen galt, dass die betreffenden Fasern doppel- brechend und gefärbt seien, und so lange nicht bewiesen war, dass die peripheren Teile dieser Büschel entoptisch unbeweglich sind, aber schon letztere Tatsache ist an und für sich allein hinreichend, um diese Erklärung, wie die analoge D immer sehe, unhaltbar zu machen.

Diese entoptische Unbeweglichkeit wird nun nicht von D immer bestritten. Er beruft sich zwar auf seine früheren Untersuchungen, und sagt, dass er im Gegensatze zu mir die parallaktische Verschie- bung derHaidingerschen Büschel mit den Gef ässschatten beobachtet hat Die ciüerte Stelle enthält aber keine Andeutung, dass er die schwerer sichtbaren peripheren Teile untersucht hat, und eine Pa- rallaxe der zentralen Teile ist, wie ich hervorgehoben habe, ohne Be- deutung, da diese Teile durch Summation verschiedener Lichtverluste entstehen, von welchen einige parallaktische Verschiebung aufweisen müssen, andere nicht, was individuell verschieden sein kann, da die gestaltlichen Verhältnisse der Fovea nicht ohne Einfluss auf diese Lichtverluste sind.

Dagegen führt er gegen meine Erklärung an, dass, wenn der durch die Brechung des Lichtes beim Übergang in die Netzhaut be- dingte schiefe Durchgang desselben durch die Retina die von mir

Zur Maculafrage. 165

demselben zugeschriebene Bedeutung hätte, so sollte man „erwarten, dass die Hai ding ersehen Polarisationsbüschel in vollkommen gleich- massiger Weise bis gegen den Rand der Fovea hin wahrgenommen werden und dass dort die Wahrnehmung plötzlich aufhört", was da- durch gestützt wird, „dass vom Rande der Fovea im ganzen Bereiche des in Form einer schiefen Ebene abfallenden sogenannten Clivus bis dorthin, wo am Grunde der Fovea der Clivus in die Foveola über- geht, die Verhältnisse für die Reflexion und Brechung an der inneren Netzhautoberfläche sich nicht ändern". Ja freilich, wenn der von Dimmer sogenannte Rand der Fovea ein Rand wäre. Sein „Rand" liegt aber in der Fig. 1 peripheriewärts von der Linie FG, und der Incidenzwinkel in der Netzhautoberfläche ändert sich kontinuierlich bis zum Übergang der wallartigen Erhebung in dem sogenannten Clivus, falls ein solcher vorhanden ist, oder sonst in die Konkavität der Fovea. Diese Konvexität scheint sich nun im lebenden Auge viel weiter zentralwärts zu erstrecken als in den histologischen Prä- paraten, was wohl auch a priori als Härtungseffekt erwartet werden kann. Verschiebt man sich nämlich bei der ophthalmoskopischen Untersuchung bei maximal diktierter Pupille nach der einen Seite, bis man unmittelbar neben dem Rande der Pupille vorbei sieht, so nähern sich die nach der entgegengesetzten Seite belegenen Teile der beiden Reflexringe einander. Es leuchtet nun ein, dass ein Clivus in grösserer Ausdehnung als entsprechend dem kleinsten Abstände dieser Reflexe voneinander nicht vorhanden sein kann, so- wie, dass die Konvexität sich so weit erstreckt, als der äussere Reflex verschoben werden kann, dass dieselbe sich aber ander- seits noch weiter zentralwärts erstrecken kann. Ich glaube nun auf diese Weise gefunden zu haben, dass die Konvexität im allgemeinen wenigstens 1j3 des durch den grossen Reflexring begrenzten Raumes einnimmt, was auch gut mit Dimmers in der Fig. 1 reproduziertem Schnitte stimmt Durch die stetige Änderung des Einfallswinkels an der konvexen Fläche wird das allmähliche Abnehmen der Sichtbar- keit der Haidin ger sehen Polarisationsbüschel in den äusseren Teilen in vollkommener Übereinstimmung mit den von mir hervorgehobenen physikalischen Tatsachen ungezwungen erklärt, und es würde wohl Di mm er obenstehende Behauptung nicht aufgestellt haben, wenn nicht die Bezeichnung „Rand" suggestiv gewirkt hätte. Übrigens kann die leichtere Wahrnehmung der Polarisationsbüschel im Gebiete der entoptischen Macula zum Teil auch dadurch bedingt werden, dass dieselben überhaupt bei geringerer Lichtstärke leichter gesehen

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werden, und dass in diesem Gebiete die Intensität des terminalen in den Sehzellen absorbierten Lichtes geringer ist

2. Wie entsteht die LeiohenmacnlaP Wie im lebenden Auge bei tätiger Cirkulation und bei der durch die stetige Erneuerung der Gewebslymphe begünstigten Dif- fusion die diffuse Farbe des vermeintlichen gelben Fleckes in grell- stem Widerspruche mit allen über die Diffusion bekannten Tat- sachen an der begrenzten Stelle der Netzhaut beibehalten werden könnte, oder welche nie versiegende Quelle den Zufluss besorge, der die stetige Fortschwemmung durch die Gewebslymphe kompensieren müsste, darüber scheint man sich nicht allzusehr den Kopf zer- brochen zu haben. Ein Hinweis auf die Verhältnisse beim Gelb- werden der Linse würde hierbei nicht genügen. Denn erstens ist nicht alles gelber Farbstoff, was in der Linse gelb aussieht» wie man sich überzeugen kann, wenn man die vollkommen farblose linse eines frisch enucleierten kindlichen Auges in Formalin legt, wonach die- selbe gelb wird, indem die Farbe auf dieselbe Weise entsteht, wie in den Lichtfiltern Christiansens, und durch die bei der Härtung ein- tretende Veränderung des Brechungsindex der Formelemente bedingt wird, womit aber nicht gesagt werden soll, dass nicht ausserdem die Bildung eines Farbstoffes durch die Einwirkung des Formalins mög- lich ist. Dann ist aber die gelbe Farbe in der Linse, wenn sie durch einen Farbstoff bedingt wird, bei weitem nicht so begrenzt, wie es in der vermeintlichen Macula der Fall sein müsste, und endlich tritt sie nur in dem Masse auf, als die Diffusion durch die eintretende Sklerosierung behindert wird, wobei sie auch im Kern der Linse, wo der Flüssigkeitsaustausch sich dem Werte Null möglichst nähert, am ausgeprägtesten ist. Obwohl nun das Interesse für die Herkunft der Farbe der vermeintlichen Macula, so lange dieselbe für eine physio- logische Erscheinung gehalten werden konnte, sehr gering gewesen zu sein scheint, und obwohl die Tatsache, dass die Farbe in der lebenden Netzhaut nicht vorhanden ist, davon, ob die Entstehung der Leichenveränderung erklärt werden kann oder nicht, ebenso unab- hängig erscheint wie die Tatsache, dass ein Körper zu Boden fallt, von der Kenntnis des Wesens der Schwerkraft, so könnte doch das Interesse für die Herkunft der Färbung, sobald dieselbe als Leichen- erscheinung entlarvt wurde, reger werden, und ich habe deshalb, ungeachtet der ganz untergeordneten Bedeutung dieser Frage, die nach meinem Dafürhalten wahrscheinlichste Erklärung der Entsteh-

Zur Maculafrage. 167

ungsweise der Leichenraacula gegeben. Da ich mir aber hiermit nach den verschiedenen Urteilen hervorragender Autoren1) entweder zu viel oder aber zu wenig Mühe gegeben zu haben scheine, so dürfte es angezeigt sein, wieder auf diesen Gegenstand einzugehen. Ich bin von den bekannten Tatsachen der postmortalen Ent- leerung der Arterien, der besonderen Reichlichkeit des Kapillarnetzes der Chorioidea am hinteren Pol und der postmortal in Form einer an der Fovea beginnenden Plica centralis erfolgenden Ablösung der Netzhaut an dieser Stelle ausgegangen und habe aus denselben den Schluss gezogen, dass nach Eintreten des Todes Flüssigkeit aus den Kapillaren durch die Epithelzellen hinter die Netzhaut transsudiert. Ich habe weiter darauf hingewiesen, dass, bevor der Druckunterschied die zur Ablösung erforderliche Höhe erreicht hat, eine Zumischung von Flüssigkeit oder wenigstens eine Diffusion gelöster Stoffe durch denselben verursacht werden muss; dass aus den toten Zellen gelöste Stoffe mitgefühlt werden können, welche, wenn auch das Protoplasma der Zellen keinen gelösten Farbstoff enthält, jedenfalls farbstoffbildend sein können; sowie dass die Flüssigkeit bei steigendem Druckunter- schiede den Weg nehmen muss, welcher den geringsten Widerstand bietet, und welcher Weg im Leichenauge durch den Fundus Foveae in die Netzhaut führt; endlich auch darauf, dass die Flüssigkeit, wenn sie einmal im Netzhautgewebe ist, auf dieselbe Weise wie pathologisch in derselben vorhandene Flüssigkeiten sich vorzugsweise in der Längsrichtung der geformten Bestandteile ausbreiten muss, wodurch die Abhänge der Fovea zuerst der Imbibition ausgesetzt werden. Als diesen Vorgang2) begünstigende Momente habe ich die Reichlichkeit des Pigmentes dieser Gegend und die geringe Wider-

*) Im Jahresber. u. d. Leist. u. Fortschr. im Geb. d. Ophth. Bd. XXXVI, S. 62 sagt Nagel: „Die post mortem beobachtete gelbe Färbung erklärt Verf. tatsächlich nicht, sondern gibt nur die Möglichkeit zu, dass sich da etwas in der Farbe der Netzhaut ändern könne. Wie sich Verf. dies im einzelnen denkt, ist dem Ref. nicht verständlich geworden." Anderseits sagt Nuel im Arch. d'ophth. Bd. XXVI, S. 587 : „Quant ä la cause de la couleur jaune, tres reelle, de la macula dans les yeux cadavenques , etc., Tauteur la recherche, un peu plniblement ä notre avis, dans 1' Imprägnation de la macula par un liquide anormal, plus ou moins jaune, venu de la choroide, puis dans la circonstance que des fragments du pigment r£tinien resteraient adhgrents ä la rötine d£coll6e."

») Wenn Nagel mit seiner in der vorigen Note citierten Angabe, dass es ihm nicht verständlich geworden ist, wie ich mir im einzelnen diesen Vorgang denke, gemeint haben sollte, dass die Ursache hierzu etwa darin zu suchen wäre, dass meine betreffende Darstellung nicht verständlich sei, so müsste ich die Richtigkeit dieser Meinung bestreiten.

v. Graefe'B Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 1. 11

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Standsfähigkeit hervorgehoben, welche ich durch Hinweis auf die hier besonders zahlreichen, langen und schmalen Fortsätze der Epi- thelzellen sowie auf die genug bekannte leichte Zerreissbarkeit der Foveagegend der Netzhaut im Leichenauge angedeutet habe. Bei der Diskussion der selektiven Absorption des Lichtes in den Fort- sätzen der Epithelzellen habe ich an die Form der Pigmentteilchen erinnert, welche eher Krystallen als gewöhnlichen Körnern ähneln, weshalb es wahrscheinlich ist, dass sie aus einer, wenn auch ver- dünnten, Lösung ausgeschieden werden. Hier möchte ich nur hinzu- fügen, dass, wenn der Zelleninhalt nicht in Übereinstimmung mit dieser Annahme gefärbt ist, jedenfalls die Wahrscheinlichkeit, dass derselbe farbstoff bildende Körper enthält, durch die Form der Pig- mentteilchen noch grösser gemacht wird, als in andern pigment- führenden Zellen.

Die Farbstoffe können somit teils von der nach dem Tode aus den Kapillaren der Chorioidea austretenden Flüssigkeit, d. h. vom Lutein des Blutserums und vom gelösten, eventuell veränderten Blut- farbstoff, teils vom Inhalte der Pigmentepithelzellen stammen. Obwohl ich hierbei nur von der Möglichkeit der Mitführung gelöster Stoffe und der Bildung von Farbstoffen, nicht aber, wie Dimmer meint, von einer „Einschwemmung von diffusem Farbstoff aus den so wider- standsfähigen Pigmentkörnchen der Epithelzellen in die inneren Schichten der Netzhaut" gesprochen habe, so möchte ich auch diese Möglichkeit nicht in Abrede stellen, da daraus, dass die Pigment- körnchen sich als widerstandsfähig zeigen, nicht geschlossen werden kann, dass dieselben keinen in der aus den toten Kapillaren aus- getretenen Flüssigkeit löslichen farbigen Körper enthalten, und da die Zeit, welche vor der Entstehung einer typischen Leichenmacula vergeht, jedenfalls für eine solche Lösung ausreichend erscheint

Mit dieser meiner Erklärung der Entstehungsweise der Leichen- macula habe ich keinen andern Zweck gehabt, als zu zeigen, dass die Leichenveränderung sich ungezwungen und in voller Überein- stimmung mit bekannten Tatsachen erklären lässt Dass meine Er- klärung erschöpfend sei und alle beitragenden Momente umfasse, habe ich nie andeuten wollen. Im Gegenteil glaube ich nach weiteren Untersuchungen die Annahme machen zu müssen, dass auch die aus den Netzhautgefässen nach dem Tode austretende Flüssigkeit durch das in derselben enthaltene Lutein sowie durch gelösten, eventuell veränderten Blutfarbstoff sich bei der Bildung der Leichenmacula beteiligen könne.

Zur Maculafrage. 169

Die Leichen macula, deren Realität durch ihre Sichtbarkeit an der nicht abgelösten Netzhaut charakterisiert ist, habe ich von An- fang an streng von der von Schmidt-Rimpler nach Abziehen der Netzhaut gesehenen, als „dunkelgoldgelb mit einem dunkelbraunen, querovalen Fleck im Zentrum" beschriebenen Macula getrennt. Da ich diese Erscheinung bei wiederholten Untersuchungen nach Ablösen der Netzhaut auf die von mir empfohlene schonende Weise nie auch nicht andeutungsweise wiedergefunden habe, so bin ich immer noch der Meinung, dass dieselbe eine Folge der Technik beim Abziehen der Netzhaut ist, und verweise in bezug darauf auf das früher darüber Gesagte.

Bei meinen fortgesetzten Untersuchungen habe ich zunächst da- nach gestrebt, durch Präparate die Frage illustrieren zu können. Bei der in Schweden wegen besonderer Umstände äusserst schwie- rigen Beschaffung des Materials für die Untersuchung der Leichen- macula habe ich nur ein weiteres, hinreichend früh nach dem Tode enucleiertes Auge erhalten können. Dasselbe wurde zwei Stunden nach dem Tode enucleiert, in physiologischer Kochsalzlösung auf- gehoben und nach weiteren zwei Stunden untersucht, wonach es auf beschriebene Weise unter Austrocknung mit Phosphorsäureanhydrid in evakuierter zugeschmolzener Glasröhre aufbewahrt wurde. Es zeigt sich an diesem Präparate die überall schön am Deckgläschen an- liegende Netzhaut mattgrau, und die weniger gesättigte, doch immerhin sehr schöne Maculafarbe nimmt nicht den ganzen Umfang der Fovea ein. Im früher beschriebenen Falle war das Auge vier Stunden nach dem Tode enucleiert und weitere vier Stunden in einem geschlos- senen, ungefähr 200 ccm fassenden Glasgefässe trocken aufbewahrt worden, bevor die Präparation geschah. Es ist hier die Farbe sehr gesättigt und über den ganzen Umfang der Fovea verbreitet, und die Netzhaut, welche bei der Evakuation zuckerhautähnlich weiss wurde, erhob sich dabei in der Form eines grossen Buckels, welcher jedoch nicht die Fovealgegend umfasst Offenbar ist wohl, dass die besonders durch die Hornhaut und die vorderen dünneren Bulbushüllen eintretende Verdunstung des Wassers die Druckdifferenz zwischen Kapillarnetz der Chorioidea und Glaskörper mit verursachen muss. Es ist nun der Unterschied der Versuchsanordnung in diesen beiden Fällen der, dass im einen Falle diese Verdunstung durch die längere Zeit, welche vor der Enucleation und, nach derselben, vor der Er- öffnung des Bulbus verstrich, sowie durch die trockene Aufbewahrung, in weit grösserem Masse begünstigt wurde als im andern Falle, und

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in Übereinstimmung hiermit zeigt ersteres Präparat eine besser ent- wickelte Macula sowie eine stärkere Trübung der Netzhaut und eine solche Veränderung derselben, dass dieselbe für Wasserdampf im- permeabel wurde. Eine solche Veränderung kann man sich aber kaum anders vorstellen als durch Verschwinden der zwischen den Formelementen vorhandenen Gewebsflüssigkeit Zum Teil mag diese in jene resorbiert werden, um zur Quellung derselben beizutragen; aber dass das in der Gewebslymphe vorhandene Lutein nicht diesen Weg genommen hat, zeigt die reine weisse Farbe und der Umstand, dass man bei identischer Behandlung von weniger veränderten Netz- häuten, wie sogleich näher beschrieben werden soll, das Lutein wieder- findet Zum Teil wird aber auch die Gewebsflüssigkeit bei der Schwellung der Formelemente aus der Netzhaut herausgepresst werden müssen, und da kommt wiederum, solange die Netzhaut im ungeöff- neten Bulbus anliegt, nur die Nachgiebigkeit der Fovealgegend in Betracht Dass in der Tat das Volumen der Netzhaut an den Wänden der Fovea im Leichenauge relativ mehr zunimmt als an andern Stellen, beweist die Steilheit derselben, welche ja auch verschuldet hat, dass, solange die Netzhaut des Leichenauges den Beschreibungen der Gestalt der Fovea zugrunde lag, der Durchmesser derselben viel zu klein angegeben und die Wände viel zu steil gefunden wurden. Es ist mir aus diesen Gründen sehr wahrscheinlich, dass bei der im Leichenauge eintretenden Trübung der Netzhaut die Gewebslymphe, wenigstens aus der verdickten Umgebung, bis unter die Wände der Fovea gepresst wird, wobei das Lutein und eventuell auch Blutfarb- stoff zur Bildung der Maculafarbe beitragen kann.

Löst man die Netzhaut eines frisch enucleierten Auges durch Schütteln unter Wasser vorsichtig ab, und breitet man das die Fovea enthaltende Stück auf ein Deckgläschen oder einen Objektträger aus, so sammelt sich, auch wenn das Präparat, soweit möglich, durch Aufsaugen der an den Rändern desselben hervortretenden Flüssigkeit mittels Fliesspapier von derselben befreit wird, doch immer etwas Flüssigkeit unter der Fovea an, wobei sozusagen eine Fovea externa entsteht Besonders bei Augen, welche in Narkose enucleiert wurden, findet man diese Flüssigkeit deutlich gelb. Eine Leichenmacula oder eine derselben irgendwie ähnelnde Erscheinung habe ich noch nie an einem solchen Präparate gesehen. Dagegen bietet es keine Schwie- rigkeiten, eine solche Kombination von auffallendem und durch- gehendem Lichte auszusuchen, dass die ganze Gegend, wo die Netz- haut verdickt ist, d. h. ein Stück von 3 4 mm Durchmesser, gelblich

Zur Maculafrage. 171

aussieht. Hat man aber an dem Rande des Netzhautstückes eine Falte liegen lassen, so sieht man an derselben dieselbe Farbe, welche wohl als zart strohgelb bezeichnet werden kann, und es bietet auch keine Schwierigkeiten, das Präparat im Verhältnis zur Beleuchtung so zu halten, dass dieselbe Gegend bläulicher erscheint als die übrigen Teile. Es wird hierdurch bewiesen, dass diese Erscheinung, welche weder der Lokalisation noch dem Tone der Farbe nach irgend etwas mit der Leichenmacula oder der vermeintlichen Di mm ersehen Macula gemeinsam hat, von der Verdickung der Netzhaut her- rührt Es wird wohl gestattet sein, an eine Verwechslung mit dieser Erscheinung in den Fällen zu denken, wo die Farbe nur als gelblich oder als zart strohgelb ohne Angabe des Durchmessers der farbig aussehenden Partie angegeben wird. Wenn diese Farbe bei der Untersuchung mit dem Mikroskope an den Wänden der Fovea deut- licher gesehen werden kann, so beruht dies darauf, dass das an den- selben gebrochene Licht beim Durchgang durch die Netzhaut die meisten Formelemente quer trifft

Ob und in welchem Grade die betreffende Erscheinung bei der von Sattler und Hering untersuchten Netzhaut mitgespielt haben kann, lässt sich nicht entscheiden. Wie ich hervorgehoben habe, ist aber daraus, dass sich die Netzhaut durch ganz leichtes Schwenken in physiologischer Kochsalzlösung ablösen Hess, bewiesen,, dass ihre Verbindung mit der Unterlage beim Herausstanzen des Sehnerven ge- lockert wurde, denn auch bei meinen fortgesetzten Versuchen ist mir die Ablösung einer frischen Netzhaut kaum vor zehn Minuten geduldigen Schütteins gelungen, und Dimmer gibt neulich für seine Fälle etwa x)4 Stunde an. Dass aber, je grössere Gewalt bei der Ablösung verwendet wird, um so leichter die von der Rückseite andrängende, aus der Choriocapillaris stammende und, wie obige Versuche lehren, gelbliche Flüssigkeit bei der Dehnung der Netzhaut in die Gewebs- lücken eingesaugt werden kann, unterliegt wohl keinem Zweifel. Die besprochenen Fehlerquellen werden ausser Rechnung gestellt, wenn auf die von mir angegebene Weise verfahren und die Farbe ohne Herausnehmen des Netzhautstückes aus der weissen Schale untersucht wird. Wenigstens ist es mir hierbei nicht gelungen, eine solche Kombination von auffallendem und durchgehendem Lichte zu erzielen, dass die zentrale verdickte Partie bzw. eine Falte gelblich gesehen wird.

Beim Konservieren des frischen, die Fovea enthaltenden, auf dem Deckgläschen ausgebreiteten Netzhautstückes in zugeschmolzener,

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unter Anwendung von Phosphorsäureanhydrid evakuierter Röhre zeigt es sich, dass an der verdickten Partie, wo auch die innere Netzhaut- fläche wegen der Konvexität grösser ist als die äussere, Falten ent- stehen, in welchen sich bei der Evakuation die Gewebsflüssigkeit ansammelt, und welche am fertigen Präparate unter der Lupe als feine Leisten von buttergelbem Aussehen erscheinen. In frisch kon- servierten Netzhäuten sind dabei Grund und Wände der Fovea in einer Ausdehnung von wenigstens 1,5 mm Durchmesser vollkommen farblos; je längere Zeit aber vor der Ablösung verstrich, in um so grösserem Umfange sind, soweit meine Erfahrung ausreicht, auch die Foveawände von derselben Farbe imbibiert Auch ist, nach meinen Untersuchungen zu urteilen, die Farbe dieser Leisten nach einer Enucleation in Narkose ausgeprägter, als wenn Kokain mit Adrenalin angewendet wurde, was wohl mit der Blutstauung im Kopfe während der Narkose zusammenhängen kann.

Ich verfüge nun ausser den zwei obengenannten Präparaten über drei von einwandfreien Fällen stammende Präparate, welche ich der diesjährigen Ophthalmologenversammlung vorzulegen beabsichtige.

Der erste Fall war eine Spätinfektion in einem peripherischen Honi- hautstaphylom mit gelblicher Infiltration der umgebenden Hornhaut- partien und Hypopyon. Bei der Abendvisite des ersten Tages wurde Ciliarreizung des andern Auges konstatiert, weshalb ich, als ich hin- kam, die Enucleation vorschlug und nach Einwilligung des Kranken unmittelbar in Athertropfnarkose ausführte. Der Bulbus, welcher bis zur Beendigung der Operation in 0,9 °/0 Kochsalzlösung kam, wurde nach derselben unmittelbar äquatorial aufgeschnitten, wobei der Glas- körper sich als vollkommen normal erwies. Gegenüber dem Staphylom fand sich am Corpus ciliare ein graugelber Herd, dessen Breite an der vorderen Kante 3 mm betrug, und welcher sich 2 mm nach rück- wärts erstreckte. Der hintere Teil wurde durch parallel zur Verbin- dungslinie der Fovea mit der Papille gelegte Schnitte in drei Teile zerlegt, von welchen der mittlere grössere somit die Fovea enthielt Dieser Teil wurde nun unter Anwendung der Bogenlampe und Be- leuchtung mit streifender Incidenz mittels scharfer Lupe zunächst darauf untersucht, ob unter diesen Verhältnissen etwas gelb, sei es der Leichenmacula oder der Di mm ersehen entsprechend, gesehen werden könnte, was nicht der Fall war, indem der Grund der Fovea in ganz derselben rötlichen Farbe hervortrat wie bei einer ophthal- moskopischen Untersuchung. Dann wurde konstatiert, dass ophthal- moskopisch normale Verhältnisse vorlagen, indem die angewendete

Zur Maculafrage. 173

Vergrößerung ungefähr dieselbe wie die mit dem Augenspiegel im direkten Bilde erhaltene war. Es wurden noch einige Untersuchungen angestellt, welche kein Interesse für die hier vorliegende Frage haben. Die Netzhaut wurde deshalb erst 45 Minuten nach der Enucleation abgelöst erhalten, und ich hatte schon mit obengenannter Unter- suchungsmethode eine beginnende Trübung derselben konstatieren können. Nach der Ablösung konnte man nun besonders im Lichte der Quecksilberbogenlampe bei gewisser Placierung des Präparates die oben beschriebene Erscheinung eines gelblichen bzw. gelbgrün- lichen Aussehens in einer Ausdehnung von 4 mm sehen, aber an den Wänden der Fovea konnte keine Anhäufung der Farbe konstatiert werden. Ein Foramen centrale war bei der Ablösung unter Wasser entstanden. Das in evakuierter Röhre aufbewahrte Präparat zeigt eine massig getrübte Netzhaut mit ungewöhnlich stark gefüllten Venen, und an der zentralen Stelle eine buttergelbe Farbe in einer Ausdehnung von 4 mm Durchmesser. Mit scharfer Lupe sieht man, dass die Farbe nur an den obengenannten Leisten vorhanden ist. Im Umkreise des Foramen centrale finden sich auch solche gefärbte Leisten, aber eine zusammenhängende gefärbte Partie der Foveal- wände wie bei einer echten Leichenmacula findet man nicht.

Im zweiten Falle mit einer totalen Zerstörung der Hornhaut durch ein Ulcus serpens, doch ohne dass die Membrana Descemet! noch geborsten wäre, wurde der Versuch gemacht, ob eine Leichen- macula durch längeres Anliegen der Netzhaut sich erzielen Hesse, und der Bulbus wurde erst nach fünfstündiger Aufbewahrung in der physiologischen Kochsalzlösung geöffnet Die Netzhaut löste sich hierbei spontan ab, sobald die hintere Bulbushälfte in Wasser kam. Das Präparat zeigt eine ungetrübte Netzhaut ohne Foramen centrale. Die Wände der Fovea centralis möglicherweise auch der Grund sind buttergelb, und dieselbe Farbe sieht man an ein paar Falten in der Umgebung bis zu einem Durchmesser von 2 mm.

Der dritte Fall betraf einen Kranken, der von einem Nagel im Auge getroffen wurde. Am nächsten Tage wurde er aufgenommen und zeigte dann eine schon zugeklebte Lappenwunde in der Horn- haut, einen entsprechenden 3 mm tiefen Einschnitt in der Iris und eine traumatische Katarakt. Da die vorhandenen hinteren Synechien sich lösten, die Beizung abnahm, die Linse nur sich trübte ohne an- zuschwellen, und nur ein dünner Faden von der Iris zu den hinteren Lippen der Hornhautwunde verlief, so konnte er schon nach 14 Tagen für poliklinische Behandlung entlassen werden. Vier Monate nach

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dem Trauma bekam er aber eine Iritis am selben Auge und wurde wieder aufgenommen. Die Iris war verfärbt, das Colobom mit Blut gefüllt, und an der Membrana Descemet! fanden sich zahlreiche feine Präcipitate. Entsprechend dem Colobome streng lokalisierte Druck- empfindlichkeit des Corpus ciliare. Tension normal. linse wie früher getrübt, aber nicht geschwollen. Lichtperzeption unverändert Die vorgeschlagene Enucleation wurde zunächst abgelehnt, aber nach drei Tagen wünschte der Kranke dieselbe, obwohl schon wesentliche Bes- serung eingetreten war. Am vierten Tage Enucleation unter Kokain- Adrenalinanästhesie. Der unmittelbar aufgeschnittene Bulbus zeigte an der Rückseite des Ciliarkörpers keine mit der Lupe wahrzunehmende Veränderungen, der Glaskörper war vollkommen normal. Der Augen- grund wurde unter Beleuchtung mit dem artifiziellen weissen lichte mittels scharfer Lupe bei streifender Incidenz untersucht und zeigte sich ophthalmoskopisch vollkommen normal. In einer Ausdehnung von 1js Papillendurchmesser konnte ich eine goldgelbe Farbe entsprechend der vermeintlichen Di mm er sehen Macula sehen. Dagegen fand sich in der Umgebung, wie gewöhnlich, keine Spur einer gelben Färbung. Diese Untersuchung war zehn Minuten nach ddr Enucleation vollendet, wonach die Ablösung durch Schütteln unter Wasser anfing, welche nach weiteren zehn Minuten fertig war. Weder im Grunde der Fovea noch an den Wänden derselben konnte an der abgelösten Netzhaut die geringste gelbe Färbung gesehen werden. Dagegen konnte man, wie immer, bei gewisser Beleuchtung die zentrale Partie in einer Ausdehnung von 3 4 mm gelblich sehen. Bei anderer Beleuchtung sah man deutlich dieselbe Partie einschliesslich der Wände der Fovea bläulicher als die übrigen Teile. Das Präparat zeigt eine ungetrübte Netzhaut ohne Foramen centrale. Grund und Wände der Fovea ab- solut frei von Farbe. In der Umgebung derselben eine Zone, wo die aus den Falten bei der Evakuation entstehenden Leisten, beson- ders nasalwärts, mit Lupe schwach gelblich erscheinen. Ohne Lupe kann man dementsprechend bei gewisser Beleuchtung den Eindruck eines schwach gelblichen Fleckes von 4 5 mm Durchmesser mit einem ungefärbten Zentrum von 1,5 mm Durchmesser bekommen.

Von diesen drei Fällen illustriert der letztere die von mir an- gegebene Tatsache, dass, wenn die Netzhaut auf vorgeschriebene Weise vorsichtig abgelöst wird, keine weder der Leichenmacula noch der angeblichen Di mm ersehen Macula entsprechende Farbe in der- selben gefunden wird. Der zweite zeigt, dass man durch liegenlassen des Bulbus eine Farbe erhalten kann, welche der Ausdehnung nach

Zur Maculafrage. 175

mit der Leichenmacula, und dem Tone nach mit deren Namen über- einstimmt. Der erste dürfte wiederum durch die besondere Gefäss- füllung und die Reichlichkeit der von der Gewebslymphe herrührenden Farbe, welche sich sogar in den an den Poveal wänden durch das vorhandene Foramen centrale ermöglichten Falten erstreckt, die wahr- scheinliche Bedeutung der Gewebslymphe der Netzhaut für die Ent- stehung der Leichenmacula, wenigstens in gewissen Fällen, illustrieren können. Würde nämlich in einem solchen Falle die Eröffnung des Bulbus verschoben, bis die Schwellung des Netzhautgewebes eintritt, so müsste offenbar die gesamte in den Falten vorhandene Farben- menge zur Fovealgegend hin verdrängt worden sein, da in einer so getrübten Netzhaut die Farbe nur dort gefunden wird.

Dimmer hat nun auch die Verhältnisse der im Leichenauge und im enucleierten Auge auftretenden gelben Färbung nach Ablö- sung der Netzhaut untersucht Er konstatiert zunächst, dass in frischeren Augen die Grösse der gelb gefärbten Stelle immer geringer ist als in Augen, die man später nach eingetretenem Tode unter- sucht, was ja in vollstem Einklänge damit steht, dass die gelbe -Fär- bung eine Leichenerscheinung ist Dann gibt er aber auch die Be- schreibung von vier Fällen, wo das Auge nach Enucleation in vivo untersucht wurde. In den beiden ersten war aber die Netzhaut in der Foveagegend schon abgehoben und in Übereinstimmung hiermit die gelbe Farbe schon vor der Ablösung sichtbar, wonach dieselben keine Beweiskraft haben können. Di mm er hält selbst diese Fälle nicht für beweisend. Der zweite ist insofern von Bedeutung, als das Auge im völlig normalen Zustande wegen eines Orbitaltumors enucle- iert wurde. Der Optikus wurde aber zu kurz abgeschnitten, so dass das Auge weich war. Die hierdurch eingetretene Netzhautablösung hatte schon die Bildung einer Leichenmacula bewirkt, welche ungefähr die Grösse der Papille hatte. Es zeigt dieser Fall, wie schnell solche Veränderungen eintreten können, und dass eine während der Opera- tion eingetretene Druckdifferenz zwischen dem Glaskörper einerseits und den Kapillaren der Chorioidea und der Netzhaut anderseits die Ursache einer Leichenmacula sein kann, welche schon fertig gebildet ist, bevor man die Zeit hat, den Bulbus aufzuschneiden. Ich habe nun mehrmals gefunden, dass bei krankhaften Zuständen, welche den Glaskör- per in Mitleidenschaft gezogen haben, eine gelbe Farbe an der anliegen- den Netzhaut in der Fovealgegend gesehen werden kann, wobei man meistens kleinste Ablösungen der Netzhaut mit scharfer Lupe kon- statieren kann, wenn nicht eine deutliche Plica centralis vorhanden

176 A- Oallstrnd

ist Nun ist es aber einleuchtend, dass der bei der Bildung der Leichenmacula wirkende Mechanismus auch im Leben bei krankhaften Zuständen tätig sein kann, und dass deshalb jedes Auge, wo an der anliegenden Netzhaut die gelbe Färbung wahrgenommen wird, als Beweismaterial verworfen werden muss. Bei der Untersuchung der hinteren Bulbushälfte mit schiefer Beleuchtung und scharfer Lupe sieht man bei normalen Verhältnissen an einer frischen Netzhaut ge- nau dasselbe wie mit dem Augenspiegel, von der Fällung der Netz- hautgefässe abgesehen, und es kann daher ein Auge, das bei dieser Untersuchung nicht normal aussieht, auch nicht für normal angesehen werden.

In dem dritten Falle Dimmers wurde nun das Auge wegen einem Ciliarkörpersarkom enucleiert und eine deutliche schöne zitronen- gelbe Farbe in der Umgebung des dunklen, der dünnsten Stelle der Netzhaut entsprechenden Fleckes gesehen. Dimmer hält diese Farbe für identisch mit der von ihm ophthalmoskopisch gesehenen und sagt, dass das Auge in seinem hinteren Abschnitte sicher normal war. Eine Untersuchung mit scharfer Lupe unter schiefer Beleuchtung mit der Bogenlampe hätte ihm gewiss die kleinsten Netzhautbuckeln in der gefärbten Stelle gezeigt Dass ein solches Auge in seinem hin- teren Abschnitte normal sei, könnte erst dann behauptet werden, wenn sich vollkommen gesunde Augen auf diese Weise verhielten. Der Fall beweist also nichts für das Vorhandensein einer Farbe im lebenden gesunden Auge, zeigt aber den auch von mir beobachteten ersten Schritt bei der Bildung der Leichenmacula.

Das vierte von Dimmer beschriebene Auge war aber gesund und zeigte auch bei gewöhnlicher Untersuchung keine gelbe Farbe an der anliegenden Netzhaut Dagegen war in der Maculagegend „ein dunkler Fleck fast von der Grösse der Papille zu sehen und in seiner Mitte ein ganz kleiner noch dunklerer Fleck, dem Grunde der Fovea entsprechend". Bei schiefer Beleuchtung mit einer Bogenlampe von 30Amp., wobei „auf dem grössten Teile des hinteren Augen- abschnittes ein Zerstreuungskreis der Lichtquelle" erzeugt wurde, „zeigte sich die Retina innerhalb des grösseren, bei Tageslicht sicht- baren dunkeln Fleckes in einem Bereiche kleiner als die Papille deutlich gelb gefärbt Diese Färbung war bei genauer Beobachtung auch vor dem kleinen dunklen Flecke (dem Grunde der Fovea) sicht- bar". Es war also die Versuchsanordnung genau dieselbe wie bei Dimmers ophthalmoskopischen Untersuchungen, indem durch den grossen Zerstreuungskreis für möglichst ausgiebige Kontrastwirkung

Zur Maculafrage. 177

gesorgt wurde. Die seitliche Türe des Gehäuses der Projektions- lampe stand offen, so dass auch die Fehlerquelle, welche in der hellen Beleuchtung der Augen des Untersuchers liegt, nicht ausgeschlossen war. Es ist deshalb möglich, dass die Färbung durch dieselben Ver- hältnisse bedingt wurde wie bei Dimmers ophthalmoskopischen Untersuchungen. Es ist aber auch möglich, dass während der Zeit, welche zwischen der Untersuchung im Tageslichte und der Unter- suchung mit der Bogenlampe verstrich, die Bildung der Leichen- macula schon begonnen hat Für die Beurteilung dieser Zeit gibt es in der Beschreibung keine andere Angabe, als dass die Enuclea- tion in der chirurgischen Klinik vorgenommen wurde. Wenn nun die Bogenlampe nicht dortselbst angewendet wurde, sondern eine ge- wisse Zeit zwischen beiden Untersuchungen verstrichen wäre, so würde es für die weitere Beurteilung der zuletzt angedeuteten Mög- lichkeit von Bedeutung sein, ob das Präparat mittlerweile trocken oder in einer Flüssigkeit aufbewahrt worden ist Jedenfalls war die Bildung der Leichenmacula im Gange, da dieselbe an der anliegen- den Netzhaut gesehen werden konnte, bevor die vorgenommene Ab- lösung derselben unter Wasser fertig war.

Schliesslich möchte ich betreffs der Leichenmacula hinzufügen, dass kein Grund vorliegt, anzunehmen, dass die Härtung eines Bul- bus in Salpetersäure das Entstehen derselben verhindern könne, um so weniger, da hierbei manchmal eine Ablösung im Grunde der Fovea beobachtet werden kann, welche eben andeutet, dass der Mechanis- mus im Gang ist Ich kann deshalb den histologischen Untersuchungen Dim mers keine Beweiskraft betreffend des Vorhandenseins einer gelben Farbe im lebenden Auge zuerkennen.

3. Die Maculafrage vom physiologischen Standpunkte. In der Physiologie des Farbensinns stösst man schon bei den ersten Schritten auf die Verschiedenheit desselben im zentralen und parazentrilen Gebiete von dem grossen Unterschiede mit dem peripherischen Gesichtsfelde ganz abgesehen. Sofern nun die physio- logischen Untersuchungen dahin zielen, die spezielle Art der im betreffenden Sehorgan praktisch tätigen Farbenperzeption näher zu untersuchen, ist es einleuchtend, dass ein so grosses Feld angewendet werden muss, dass der zentrale Farbensinn gegenüber dem para- zentralen zurücktritt, weil bei der praktischen Tätigkeit der Farben- perzeption nur so grosse Felder in Frage kommen. Sofern es aber gilt, Schlüsse auf das Wesen der Farbenperzeption zu ziehen, wobei

178 A. Gullstrand

ein etwaiger Unterschied zwischen dem auf die Netzhaut auffallenden und dem terminalen, in die lichtperzipierenden Elemente eintretenden und in denselben absorbierten Lichte berücksichtigt werden muss, kann nur ein Vergleich des durch die einwirkenden physikalischen Verhältnisse bedingten Unterschiedes von auffallendem und termi- nalem Lichte mit den Ergebnissen physiologischer Untersuchungen massgebend dafür sein, ob der zentrale oder der parazentrale Farben- sinn den am meisten unverfälschten Ausdruck für die Funktion dieser Elemente abgibt Bei oberflächlicher Untersuchung erhält man nun leicht den Eindruck, dass sowohl die Unterschiede des zentralen und parazentralen Farbensinnes wie der Maxwellsche Fleck durch eine Absorption kurzwelligen Lichtes im Zentrum erklärt werden könne, und man hat deshalb ein durch die Absorption im vermeintlichen gelben Maculapigmente bedingtes, nach Hering sogenanntes maku- lares Gefälle für kurzwelliges Licht als die Ursache angenommen. Es wäre dann der zentrale Farbensinn kein echter Ausdruck für die Funktion der lichtperzipierenden Elemente, sondern man hätte dieselbe am parazentralen Gebiete zu untersuchen.

Bei meiner ersten Publikation über die Macula, in welcher ich die Färbung derselben als eine Leichenerscheinung entlarvte, war es mir zwar schon durch entoptische Untersuchungen bekannt, dass der Maxwellsche Fleck die von mir so genannte entoptische Ma- cula — in der Schicht der lichtperzipierenden Elemente entsteht, aber da mir die Ergebnisse meiner weiteren Untersuchungen damals noch nicht zur Verfügung standen, konnte ich nur unter Hinweis auf die Möglichkeit einer selektiven Absorption im Pigmentepithel, wel- cher den Unterschied des Farbensinnes erklären könnte, feststellen, dass gegenüber der Tatsache, dass die gelbe Färbung eine Leichen- erscheinung ist, ein auf den Vergleich des Farbensinnes an verschie- denen Stellen der Netzhaut basierter Einwand nicht gelten kann. Es dürfte wohl auch einleuchtend sein, dass durch die Untersuchungen des Farbensinnes nur entschieden werden kann, ob sich der 'gefundene Unterschied durch selektive Absorption erklären lässt oder nicht Wenn er sich so erklären lässt, wie man bisher glaubte, so kann aber daraus gar nicht geschlossen werden, dass eine solche Absorp- tion vorliegt, wofern nicht der Beweis erbracht wird, dass jede andere Erklärung unmöglich ist; und am allerwenigsten kann auf eine Ab- sorption in einem vor der Limitans externa belegenen Pigmente geschlossen werden, sobald die Möglichkeit einer selektiven Absorp- tion im Pigmentepithele vorhanden ist

Zur Maculafrage. 179

Später habe ich durch eingehendere Untersuchungen der entop- tischen Erscheinungen und des Unterschiedes vom zentralen und parazentralen Farbensinn nicht nur den Beweis erbracht, dass über- haupt weder die einen noch der andere sich durch selektive Absorp- tion in einem gelben Pigmente erklären lassen, sondern auch gezeigt, dass sämtliche, sowohl jene wie diesen betreffende Ergebnisse der Untersuchungen im vollsten Einklänge mit den einwirkenden, tatsäch- lich vorhandenen physikalischen Verhältnissen stehen. Da nun aber nichtsdestoweniger von berufenster Seite1) dem Glauben Ausdruck gegeben worden ist, dass trotzdem aus den Untersuchungen des Farbensinnes auf ein gelbes Pigment geschlossen werden könne, so werde ich hier unter Anführung einiger neuer Versuchsanordnungen und Versuche auf die am leichtesten zugänglichen Punkte des Gegen- standes in aller Kürze wieder eingehen.

Während man früher alles, was man im Zentrum des Gesichts- feldes in kurzwelligem Lichte dunkel sah, als den Maxwellschen Fleck bezeichnete, habe ich gezeigt, dass hier zwei gesonderte Er- scheinungen vorliegen, indem entweder ein grösserer, entoptisch un- beweglicher Fleck, der eigentliche Maxwellsche Fleck oder die entoptische Macula, oder ein manchmal als Ring auftretender klei- nerer, entoptisch beweglicher Fleck, die entoptische Fovea, oder aber beide auf einmal gesehen werden können.

x) Nagel sagt a. a. 0.: „Bei vollem Vertrauen in die Richtigkeit sämt- licher positiver Angaben des Verf. . . ." „Verf. sagt, dass »gegenüber Tatsachen ein etwaiger, auf den Vergleich des Farbensinnes an verschiedenen Stellen der Netzhaut basierter Einwand nicht gelten kann*. Für den Ref. sind einstweilen noch die diesem Einwand zugrunde liegenden Beobachtungen die Tatsachen, denen gegenüber die ophthalmoskopischen und entoptischen Beobachtungen nicht in Betracht kommen, so lange gegen ihre Verwertung im Sinne des Verf. noch solche Bedenken erhoben werden können, wie es tatsächlich der Fall ist"

Die hier citierte Stelle lautet bei mir a. a. 0., S. 61 : „und wenn ich einmal ausgesprochen habe, dass gegenüber Tatsachen ein etwaiger auf den Vergleich des Farbensinnes an verschiedenen Stellen der Netzhaut basierter Einwand nicht gelten kann, so habe ich es anderseits für erwünscht erachtet, die Tatsachen zu eruieren, welche in Obereinstimmung mit den damals angeführten Tatsachen die Ergebnisse eines solchen Vergleiches zur vollen Geltung kommen lassen.11

Da somit betreffs des Citates ein kleines Missverständnis vorliegt, so wird es wohl um so eher gestattet sein, an ein ebensolches auch betreffend der Logik des Gedankenganges zu denken, als meine positiven Angaben nicht mit den Be- obachtungen, wohl aber mit den aus denselben gezogenen Schlüssen auf ein gelbes Pigment in Widerspruch stehen, indem die Beobachtungen nur unter An- wendung neuer Methoden ergänzt und unter Berücksichtigung der physikalischen Verhältnisse gewürdigt worden sind.

180 A. Gullstrand

Die physiologische Bedeutung der entoptischen Macula liegt darin, dass sie in der Schicht der lichtperzipierenden Elemente entsteht, der Grösse nach mit dem sehpurpurfreien Teile der Netz- haut — soweit dessen Grösse bekannt ist übereinstimmt, und endlich sich gegenüber Licht verschiedener Wellenlänge so verhält, wie sich der sehpurpurfreie Teil verhalten muss. Die Farbe der Leichenmacula liegt aber grösstenteils in den inneren Schichten der Netzhaut, und die von Di mm er gesehene Farbe wird ebenfalls in denselben Schichten vermutet. Jene hat eine viel grössere, diese sehr oft eine wesentlich geringere Ausdehnung als die mit den empfind- lichsten Methoden beobachtete entoptische Macula, welche nur mit solchen Methoden in ihrer vollen Grösse gesehen wird. Und endlich lassen sich die beobachteten Farbenerscheinungen nicht durch selek- tive Absorption in einem gelben Pigmente erklären.

Der Beweis, dass die entoptische Macula in der Schicht der lichtperzipierenden Elemente entsteht, wird durch die entoptische Unbeweglichkeit derselben geliefert, welche man unter Anwendung der vorgeschriebenen Lichtfilter beim Verschieben eines kleinen Loches vor der Pupille daran konstatieren kann, dass der Fleck keine Ver- schiebung zu feststehenden Gegenständen zeigt, für welche das Auge im betreffenden Lichte scharf eingestellt ist, während die mit derselben Methode leicht zu konstatierende ausgiebige Verschiebung der entop- tischen Fovea beweist, dass eine Verschiebung der entoptischen Macula gesehen werden müsste, falls dieselbe in einer Schicht ent- stände, deren Abstand von der Schicht der lichtperzipierenden Elemente im Verhältnis zur Dicke der Netzhaut an ihrer dünnsten Stelle im Zentrum des Fundus foveae in Betracht kommen könnte.

Bei der Wichtigkeit dieses Versuches möchte ich hier etwas näher auf deDselhen eingehen. Soll derselbe einwandsfrei sein, so muss die Pupille erstens etwas grösser sein als das Loch, und zweitens darf dieses nicht so weit verschoben werden, dass ein Teil desselben ausserhalb des Pupillengebietes kommt Denn dabei kann wegen dem Abstände des Loches von der Pupille ein Teil der Macula centralis der Netzhaut in den Halbschatten kommen, und es lehrt die Er- fahrung, dass bei der fortgesetzten Beobachtung der entoptischen Macula dieselbe, wenn die Lichtstärke, z. B. durch Vorschalten eines rauchgrauen Glases, vermindert wird, grösser erscheint. Verschiebt man z. B. das Loch in temporaler Richtung, bis die Macula nicht mehr gesehen wird, so kommt, bevor dies erreicht wird, zunächst der temporale Teil der Macula centralis der Netzhaut in den Halb-

Zur Maculafrage. 181

schatten, wobei sich der nasale Teil der entoptischen Macula ver- grössert. Man kann nun leicht, wenn die Verschiebung langsam erfolgt, und wenn man an diesem Punkte anhält, den Eindruck ge- winnen, dass die entoptische Macula sich in entgegengesetzter Rich- tung wie das Loch verschiebe, was ja eine Unmöglichkeit wäre. Anderseits kommt bei einer temporalen Verschiebung des Loches der temporale Teil der Macula centralis der Netzhaut in den vollen Schatten, während der nasale Anteil im Halbschatten ist Infolge- dessen ist der nasale Teil der entoptischen Macula verschwunden, während sich der temporale Teil vergrössert hat. Ungeachtet nun der unbefangene Beobachter1) sich kaum hierdurch täuschen könnte, weil die Form des gesehenen Fleckes verändert wird, so habe ich doch auf diese bei ungenauer Untersuchung mögliche Fehlerquelle aufmerksam machen wollen, da durch dieselbe eine entoptische Pa- rallaxe vorgetäuscht werden könnte. Mit Hinsicht auf diese Fehler- quelle ist es einleuchtend, dass Untersuchungen, welche ohne Be- nutzung eines Loches unter Vorschieben eines Schirmes angestellt werden, vollkommen wertlos sind. Dies ist aber eben die Methode Dimmers, sei es mit dem Papierstreifen oder dem grossen Loche. Seine Resultate wurden oben gewürdigt.

Um eine etwa vorhandene sehr geringe entoptische Parallaxe zu entdecken, ist es wünschenswert, möglichst ausgiebige Verschie- bungen mit dem Loche machen zu können, wozu die Dilatation der Pupille erforderlich ist. Hierbei tritt aber die komplizierte sphärische Aberration des Auges derart in Wirksamkeit, dass feststehende Ge- genstände eine entoptische Parallaxe zeigen, weshalb die Verschiebung in bezug auf ein Nachbild untersucht werden muss. Man verschafft sich am besten ein solches, indem man auf einen schmalen Spalt das Bild des glühenden Stäbchens einer Nernstlampe projiziert und von der Bückseite des Spaltes her das obere Ende desselben hin- reichend lange und ruhig fixiert, wonach mit dem Loche unter An- wendung des blauen Lichtfilters untersucht wird. Je nachdem man nun die entoptische Macula oder die entoptische Fovea oder beide auf einmal zum Vorschein bringt, sieht man, dass erste re, auch bei den ausgiebigsten Verschiebungen des Loches, im Verhältnis zum Nachbild unbeweglich bleibt, während letztere sehr deutlich sich in derselben Richtung verschiebt wie das Loch. Das Nachbild kann

') Da das letzte Heft dieses Archivs mit der neuesten Abhandlung von Di mm er erst erschien, als dieser Aufsatz schon in Korrektur vorlag, so bezieht sich dieser Ausdruck nicht auf ihn.

182

A. Gullatrand

hierbei zur Kontrolle dienen, dass man das Pupillargebiet nicht mit einem Teile des Loches überschreitet, indem durch die hierbei ein- tretende Schwächung des Lichtes das Aussehen des Nachbildes ver- ändert wird.

Die ausgiebigste entoptische Parallaxe erhält man, wenn das auf einem mehr oder weniger excentrisch belegenen Punkte der Netz- haut entworfene Bild einer Lichtquelle als schattengebend angewendet wird, wie es bei der entoptischen Wahrnehmung der Retinalgefässe

OA

Fig. 2.

der Fall ist, wenn man dieselbe dadurch zum Vorschein bringt, dass man neben einer hin und her bewegten Lichtquelle im dunklen Raum hinschaut Um aber auf diese Weise die Macula sehen zu können, ist eine kräftige Bogenlampe, die mit wenigstens 15 Amp. gespeist wird, unbedingt erforderlich. Als Lichtfilter kann das Glas O 3086 von Schott und Genossen angewendet werden, wenn dasselbe so wenig Rot durchlässt, dass nur der Krater der Bogenlampe und das glü- hende Stäbchen der Nernstlampe, nicht aber der glühende Faden einer gewöhnlichen elektrischen Lampe durch eine Kombination dieses Glases mit einem Kupferoxydulglase gesehen werden kann.

Zur Maculafrage. 183

Die Versuchsanordnung ist in der Fig. 2 schematisch wieder- gegeben. In geschlossener Röhre befindet sich bei N das glühende Stäbchen einer Nerustlampe, welches auf den verstellbaren Spalt S abgebildet wird, und auf dieselbe Weise wird der bei L befindliche Krater der in einem Gehäuse eingeschlossenen Bogenlampe durch den Kondensor auf das bei F befindliche Lichtfilter abgebildet Bei V ist ein Verschluss, welcher nur so viel geöffnet wird, dass das bei A befindliche Auge voll beleuchtet ist, dabei aber kein unnötiges licht, im Zimmer herauskommt Fixiert man nun zunächst hinrei- chend lang den Spalt S, während das von der Bogenlampe kommende Licht durch einen mit schwarzem Papier bekleideten Schirm abge- halten wird, und schiebt man dann den Schirm vor, so dass beide Lichtquellen verdeckt sind, so kann man sich davon überzeugen, ob das hell erscheinende Nachbild hinreichend scharf ist Ist dies der Fall, so verschiebt man bei unveränderter Blickrichtung den Schirm noch etwas weiter, .so dass das licht von der Bogenlampe auf das Auge fallt, während der Spalt verdeckt bleibt Im ersten Augenblicke sieht man nun die Macula dunkelblau, und das je nach der Phase hellgelbe oder dunkle Nachbild nimmt in derselben genau dieselbe Stelle ein, wie wenn die Macula auf einem vom Lichte der Bogenlampe beleuchteten weissen Papier gesehen wird. Wird der Schirm unmittelbar nach dem Erscheinen der Macula wieder vor- geschoben, so kann man dieselbe gewöhnlich einigemale nacheinander zum Vorschein bringen. Macht man den Versuch, ohne ein Nach- bild zu haben, und ist der Abstand des Auges von dem auf das Lichtfilter projizierten Bilde des Kraters nur 20 cm, so sieht man innerhalb der Macula die gewaltig excentrisch verschobene entoptische Fovea. Es gelingt natürlich auch, dieselbe zu sehen, wenn man ein Nachbild hat, aber es ist besser, sich zunächst mit ein paar Versuchen zu orientieren, bevor man alle drei Erscheinungen auf einmal beob- achtet. In der skizzierten Versuchsanordnung sieht man die Fovea nach links dezentriert. Die die zentrale Stelle beleuchtende Licht- quelle ißt nämlich das links von derselben auf die Netzhaut entworfene Bild des Kraters, und die entoptische Fovea ist der von der schärfsten Konkavität der Fovea centralis geworfene Schatten, welcher somit nach rechts liegen und nach links gesehen werden muss. Ist der Ab- stand der Bogenlampe etwas grösser, so sieht man gewöhnlich nur die entoptische Macula. Dagegen kann man nicht mit den mir zur Verfügung stehenden 15 Amp. eine solche Lichtstärke erhalten, dass die entoptische Fovea allein gesehen wird.

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Wohl zu unterscheiden von den hier geschilderten Erscheinungen sind diejenigen, welche man beobachtet, wenn man in geringerer Winkeldistanz von der Bogenlampe fixiert Durch die multiplen Re- flexionen an den brechenden Flächen des Auges entsteht nämlich so viel falsches licht, welches bei der angewendeten Lichtstärke darin zum Vorschein kommt, dass man um den Krater herum einen breiten, sich allmählich verlierenden hellblauen Bing sieht Auch in diesem kann man die entoptische Macula und Fovea sehen, und zwar viel leichter. Man überzeugt sich aber leicht durch parallaktische Verschiebung mit einem Loche, dass diese Erscheinungen nicht durch das auf die Netzhaut entworfene Bild des Kraters bedingt werden, und in Übereinstimmung hiermit findet man ohne Loch die entoptische Fovea in ihrer normalen Lage zur entoptischen Macula.

Die hier beschriebenen Versuche erfordern allerdings einige Übung, bei welcher es wohl aber nicht rätlich sein dürfte, dieselben in allzu kurzer Zeit zu oft zu wiederholen, da das sich schnell ein- stellende, ausgesprochen dumpfe Gefühl am angewendeten Auge wohl andeutet, dass sie nicht vollkommen ohne Einfiuss auf dasselbe sind. Es dürfte aber nicht ohne Interesse sein, auch mit dieser, der alier- empfindlichsten, Methode zeigen zu können, dass die entoptische Macula vollkommen frei von Parallaxe ist

Von den die Farbenperzeption betreffenden Erscheinungen, welche an der entoptischen Macula beobachtet werden können, ist der überall leicht zu wiederholende Versuch mit dem von mir angegebenen blau- grünen Lichtfilter, welches nur Strahlen von der Wellenlänge 500 bis 475 [i(i durchlässt, an und für sich ausreichend, um zu beweisen, dass die entoptische Macula überhaupt nicht durch Absorption in einem gelben Pigmente erklärt werden kann, da man mit diesem Filter dieselbe mehr blau auf mehr grünem Grunde sieht Dass man im monochromatischen Lichte von einer Wellenlänge z. B. 490//// dieselbe Erscheinung einer mehr blauen Macula auf einem mehr grünen Grunde wiederfindet, beweist, dass dieselbe überhaupt nicht durch selektive Absorption zu stände kommt

Man könnte vielleicht einwenden, dass diese blaue Macula als eine Nachbilderscheinung aufgefasst werden könnte, da das Sehorgan dauernd eine lokale Adaptation aufweist, welche, wenn ein gelbes Pigment vorhanden wäre, sich als eine relativ grosse Empfindlichkeit des Maculagebietes für kurzwelliges licht äussern müsste. Diese Adaptation kann aber künstlich gesteigert werden, wenn man durch blaue Lichtfilter schaut, indem hierbei die zunächst sichtbare Macula

Zur Maculafrage. 185

bald als Folge der lokalen Adaptation verschwindet. Macht man dann unmittelbar den Versuch mit dem blaugrünen Lichtfilter, so findet man die Macula nicht mehr blau, wie es in noch höherem Grade als sonst der Fall sein müsste, wenn beim gewöhnlichen Ver- suche die blaue Macula auf dem grünen Grunde eine Folge der lokalen Adaptation des Sehorgans wäre. Dagegen erklärt sich das Ausbleiben der blauen Farbe der Macula beim Versuche mit dem blaugrünen Filter nach Adaptation mit dem blauen ungezwungen auf dieselbe Weise wie die sonst nach einer solchen Adaptation erhal- tenen grünlichen Nachbilder. Übrigens ist noch zu bemerken, dass man bei gewöhnlicher massiger Helladaptation nach Belieben mit dem blauen Lichtfilter die dunkle Macula und mit dem blaugrünen die blaue sehen kann, wonach es wohl sonderbar wäre, wenn die eine durch zu geringe, die andere durch zu ausgiebige lokale Adaptation des Sehorgans verursacht würde.

Von den sonstigen, den Farbensinn betreffenden Erscheinungen am zentralen Fleck dürfte wohl das verschiedene Verhalten gegen- über kurzwelligem lichte am meisten auffallend sein. Ich habe nun die seltene Gelegenheit gehabt, dasselbe an einem typischen Falle kongenitaler, doppelseitiger Tritanopie zu prüfen. Der Fall ist von Alrutz aufgefunden und beschrieben worden und betrifft einen hie- sigen intelligenten Studenten, welcher selbst von seiner Anomalie sehr interessiert ist, und welchen ich mit der Genehmigung A.s zu untersuchen Gelegenheit fand. Ich will hier nur auf einige Ergeb- nisse eingehen, welche die Frage von dem abweichenden Verhalten der Macula centralis gegenüber kurzwelligem Lichte illustrieren. Wurde ihm im einen Felde des Farbenmischungsapparates mein kon- stantes, dem Sonnenlichte gleich aussehendes, weisses licht darge- boten, so sah er dasselbe in unbestimmter Farbe weder rötlich noch grünlich er nannte seine beiden Farben rot und grün. Wurde dann im andern Felde monochromatisches Licht verschiedener Wellen- länge eingeführt, und auf diese Weise der neutrale Punkt aufgesucht, so fand sich derselbe in der äussersten kurzwelligen Endstrecke, so- bald das gesamte Gesichtsfeld nicht grösser als 2,5° war und streng zentral fixiert wurde. Sobald aber die Fixation excentrisch gemacht wurde, sah er das kurzwellige monochromatische Licht rötlicher als das weisse. In voller Übereinstimmung hiermit sah er im Spektro- skope, wo unter Anwendung der Bogenlampe und des blauen Licht- filtere zur Abhaltung falschen lichtes ein Gesichtsfeld von 9°X 11,5° mit kurzwelligem lichte erhalten werden kann, schon bei einer Wellen-

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länge von 415 ^/ eine grüne entoptische Macula auf rotem Grunde. Dasselbe war der Fall, wenn das unverdünnte ammoniäkalische Kupfer- sulfatfilter in 8 mm Schichtdicke beim Blick gegen den Himmel an- gewendet wurde.

Wie ersichtlich, konnten sich die auf der Fluorescenz des Stäbchen- inhaltes beruhenden, am normalen Auge gefundenen Erscheinungen nicht auf glänzendere Weise am tritanopischen bestätigen. Auch hier ist eine Erklärung durch lokale Adaptation bei selektiver Absorption unmöglich, denn beim Versuche mit dem obengenannten Jenaglase sah er eine dunkelgrüne Macula auf grünem Grunde.

Für die Erklärung der funktionellen Sonderstellung der Macula centralis haben drei Momente eine hervorragende Bedeutung, nämlich die dort fehlende Fluorescenz des Stäbcheninhaltes, die ebenfalls dort fehlende Absorption des Lichtes in demselben, und die selektive Ab- sorption des Lichtes in den Pigmentepithelzellenfortsätzen.

Was zunächst ersteres Moment betrifft, so habe ich den exakten physikalischen Beweis geliefert, dass dasselbe, sofern der Stäbchen- inhalt wenigstens in demselben Grade wie Blutserum fluoresciert, in Wirkung treten muss, und die verschiedene Perzeption kurzwelligen Lichtes ist nicht nur die physiologische Bestätigung dieses Beweises, sondern ergibt auch, dass die Fluorescenz nicht durch andere Me- chanismen kompensiert ist Die Sonderstellung der Macula centralis wird, sofern es auf die Tonunterschiede bei der Farbenempfindung ankommt, durch dieselbe vollkommen erklärt

Was dagegen die Intensitätsunterschiede betrifft, so können die- selben zum grossen Teil durch die selektive Absorption im Pigment- epithel erklärt werden, welche genau wie die Absorption im vermeint- lichen Maculapigmente wirken muss; zum Teil dürften sie aber, wie ich hervorgehoben habe, auf die im Maculagebiete fehlende Absorp- tion des Lichtes im Stäbcheninhalte zurückzuführen sein. Wo die Grenze zwischen diesen beiden Wirkungen gezogen werden soll, kann nicht durch Berücksichtigung der physikalischen Tatsachen allein ent- schieden werden, und besonders dürfte hier die den verschiedenen Farbentheorien entsprechende verschiedene Auffassung eine Divergenz der Meinungen erklären können. So muss z. B., wenn in der Dupli- zitätstheorie die „Stäbchenempfindung" zwar monochromatisch, nicht aber farblos ist, offenbar ein entsprechender Unterschied in der Far- benempfindung des stäbchenfreien Bezirkes gegenüber dem st&bchen- haltigen vorfindlich sein, der sich unter anderm als ein makulares Gefälle für die betreffende Farbe kundgeben muss.

Zur Maculafrage. 187

Die physiologische Bedeutung der entoptischen Fovea liegt darin, dass dieselbe, wie die entoptischen Untersuchungen lehren, durch die Zerstreuung des Lichtes bei der Brechung an der schärfsten Konkavität der Fovea centralis entsteht und im kurzwelligen Lichte sehr deutlich ist, im langwelligen aber nicht gesehen werden kann. Es wird hierdurch eine bedeutende Chromasie bei der Brechung des Lichtes an der Grenze zwischen Glaskörper und Netzhaut bewiesen, welche ohne Zweifel vom Luteingehalt der Gewebslymphe bedingt wird. Einen weiteren Beweis für diese Chromasie findet man an der Farbe der regelmässigen Netzhautreflexe bei der Untersuchung mit der Quecksilberbogenlampe, indem dieselben viel bläulicher erscheinen als die Lamina cribrosa bei grosser physiologischer Excavation. Diese Chromasie kann auch mittels der Gesetze der Dispersion daraus postuliert werden, dass menschliches Blutserum die kurzwelligsten Strahlen stark absorbiert, und wird dadurch bestätigt, dass, wie ich bewiesen habe, eine deutliche Dispersion zwischen physiologischer Kochsalzlösung und Blutserum vorhanden ist

Diese Chromasie schützt nun einesteils das Netzhautzentrum in einer Winkelausdehnung von 0,5° bis also ungefähr entsprechend der Stelle grösster Sehschärfe vor den am meisten schädlichen Lichtstrahlen in einem Grade, von welchem man sich eine Vorstel- lung machen kann, wenn man die Komplementärmengen kurzwelligen Lichtes bei Gesichtsfeldern von und vergleicht

Anderenteils gibt sie aber auch die Erklärung für das bisher vollkommen rätselhafte Phänomen, dass die chromatische Yergrösse- rangsdifferenz des Auges nicht wahrgenommen, wird. Wegen der chromatischen Aberration im Auge sind nämlich die von den ver- schiedenen Lichtarten des zusammengesetzten Lichtes gelieferten Bilder von verschiedener Grösse. Für einen einzelnen Funkt hat dies keine Bedeutung, weil auf gleich grosse Zerstreuungskreise eingestellt werden kann. Wenn aber zwei einander nahe liegende Linien fixiert werden, so müssten farbige Säume auftreten. Physikalisch kann dies so aus- gedrückt werden, dass durch die Einstellung auf gleich grosse Zer- , streuungskreise wohl die chromatische Fokusdifferenz, nicht aber die Yergrösserungsdifferenz unschädlich gemacht werden kann. Dies wird aber durch die Brechung in der Fovea centralis bewirkt, indem die kurzwelligen Strahlen dabei stärker nach aussen gebrochen werden.

188 A. Gullstrand, Zur Maculafrage.

Ich habe hier nur in aller Kürze die wichtigsten Züge der vom physiologischen Standpunkte aus gesehenen Maculafrage hervorheben wollen. Wie diese Züge vom einzelnen Forscher betrachtet werden, hängt wohl zum Teil davon ab, in welchem Grade er physikalische Tatsachen zu würdigen geneigt ist Was speziell die verschiedene Farbenempfindung im Gebiete der Macula centralis betrifft, so ist es einleuchtend, dass dieselbe auch ohne Berücksichtigung der phy- sikalischen Tatsachen erklärt werden kann, wenn man hier einen besonderen Farbensinn annehmen will, und es kann der Vergleich jener Tatsachen mit den Ergebnissen der physiologischen Unter- suchungen nur den Beweis erbringen, dass in diesen keine Stütze für eine solche Annahme gesucht werden kann.

Lesen bei vertikaler Stellung der Zeilen.

Von

Prof, F. Dimmer in Graz.

Mit 2 Figuren im Text.

Am 25. Februar 1905 erschien in der Grazer Augenklinik ein 9jähriger Knabe zur Untersuchung seines herabgesetzten Sehvermögens. Bei der Vornahme der Sehprüfung fiel auf, dass er Schriftproben, die man ihm zum Lesen in die Hand gab, stets bei vollkommen vertikaler Stellung der Zeilen las, ja, wie die weitere Untersuchung ergab, nur dann fliessend lesen konnte, wenn die Richtung der Zeilen senkrecht zur Basallinie der Augen stand. Die Resultate der weiteren Erhebungen und Untersuchungen waren die folgenden:

Die Eltern des Patienten bemerkten an ihm schon in seiner frühesten Jugend ein starkes Augenzittern. Der genaue Zeitpunkt des Auftretens dieser Erscheinung Hast sich nicht eruieren. Doch soll der Nystagmus früher viel stärker gewesen sein und allmählich abgenommen haben. Das Zittern trat bei psychischen Erregungen und bei Kopfschmerzen in stär- kerem Grade auf. Mit vier Monaten hatte das Kind Scharlach und zweimal hintereinander Krämpfe (Fraisen), im dritten Lebensjahre abermals Fraisen; in seinem zweiten Jahre litt es an Bronchitis. Das Gehen erlernte er schon, als er nicht ganz ein Jahr alt war. Die Eltern leben und sind gesund. Die Mutter hat im ganzen viermal lebende Kinder zur Welt gebracht; ein- mal, zwischen dem vorletzten dreijährigen und dem jüngsten einjährigen Kinde, fand eine Frühgeburt im vierten Monate statt, angeblich wegen starker Blutungen.

Unser Patient hat stets schlecht gesehen. Er hielt die Gegenstände immer sehr nahe an die Augen und neigte schon früh dabei den Kopf gegen die linke Schulter. Als der Knabe im siebenten Jahre die Schule be- suchte, bemerkte der Lehrer, der hierüber befragt wurde, dass das Kind sehr schlecht auf die Tafel sah und beim Blick auf die Schultafel den Kopf sehr stark gegen die linke Schulter neigte. Die gleiche Stellung nahm er beim Lesen in der Nähe ein, und bald drehte der Schüler das Buch so, dass die Zeilen senkrecht standen, wobei er dann den Kopf gerade hielt.

190 F- Dimmer

Da dem Knaben durch diese merkwürdige Haltung des Buches das Lesen sichtlich erleichtert wurde und da er stets, wenn man ihn zur normalen Haltung des Buches verhielt, dem Kopfe wieder die offenbar kompensierende, gegen die Schulter geneigte Stellung gab, so liess ihn der Lehrer gewähren, und seitdem behielt der Kleine die merkwürdige, abnorme Haltung des Buches beim Lesen konstant bei. Seine geistige Entwicklung soll nach Angabe der Eltern und des Lehrers ganz normal gewesen sein. Vor einem Jahre wurde er bereits von einem Augenarzt untersucht, der ihm Gläser verordnete, mit denen er aber nur kurze Zeit besser gesehen haben soll. Später verursachten sie ihm angeblich Brennen in den Augen, weshalb er ihren Gebrauch aufgab.

Der Knabe ist von gesundem Aussehen und körperlich gut entwickelt R. A. S. 0,2 (Pflüger) Jg6 wird nicht weiter als 10 cm gelesen, L. A. S. 0,3 Jäger Nr. 9 in 10 cm. Die Augen zeigen einen ziemlich starken Nystagmus oscillatorius in horizontaler Richtung. Am Augenhintergrunde sind keine Veränderungen wahrnehmbar. Auf Befragen gibt der Patient an, dass er die Gegenstände jetzt ruhig sehe; doch sollen früher manchmal Scheinbewegungen vorgekommen sein.

Bei der Aufforderung, Gedrucktes oder Geschriebenes zu lesen, stellt er die Zeilen senkrecht und liest von oben nach unten, also derart, dass er mit den zu seiner rechten Hand liegenden Zeilen zu lesen beginnt Stets verkleinert er die Lidspalten beim Lesen sehr. Wenn er Schwierigkeiten im Lesen infolge des Vorkommens schwieriger Worte hat, oder wenn er kleine Schrift liest, so hält er die Zeilen nicht genau senkrecht, sondern etwas schief und gibt dem Kopfe ebenfalls eine etwas schiefe Stellung, so dass das obere Ende der Medianlinie des Gesichtes in entgegengesetzter Richtung ge- neigt ist als das obere Ende der Zeilen. Ergreift man, während er liest, das Buch und nähert dasselbe immer mehr der Stellung, in welcher die Zeilen eine horizontale Richtung haben, so neigt der Knabe den Kopf immer mehr gegen seine Schulter, um die ihm gewohnte Stellung der Zeilen zur Basallinie seiner Augen beizubehalten, bis der Kopf schliesslich nahezu ganz auf der Schulter liegt Beim Schreiben zeigt er keine Abnormität; er schreibt bei normaler Stellung des Papieres von links nach rechts.

Die höchst frappierende Erscheinung, über die, so viel mir be- kannt ist, bisher in der Literatur keine Berichte vorliegen, erinnert, obwohl sie natürlich gar nichts damit zu tun hat, in gewisser Be- ziehung an das bei Kindern beobachtete Schreiben in Spiegelschrift Sie trat bei dem Jungen vollständig ohne jede Beeinflussung auf. Wie oben erwähnt, machte der Lehrer die Beobachtung, dass der Knabe, um die Schrift auf der Tafel besser ,zu sehen, den Eopf immer gegen die Schulter neigte und dass er schon beim Lesenlernen dem Buche ganz von selbst die Richtung gab, wie wir sie an ihm beobachtet haben. Es ist also zweifellos, dass ihm schon vom Be- ginne des Lesens an die Erkennung der Schriftzeichen leichter mög- lich war, wenn die Zeilen senkrecht gehalten wurden, und dass er in

Lesen bei vertikaler Stellung der Zeilen. 191

der Folge diese Stellung aus eben demselben Grunde beibehielt. Er verhält sich also betreffs der Zeilenstellung beim Lesen so wie die Chinesen, Japaner, Mandschus und Kalmücken, bei denen die Zeilen ebenfalls senkrecht stehen und sich von rechts nach links folgeu. Doch stehen in diesen Sprachen die Schriftzeichen ebenfalls senkrecht und werden einfach nicht wie in andern Sprachen nebeneinander, sondern untereinander gesetzt

Fragen wir uns, wie der Knabe zu dieser Art des Lesens ge- langt sein konnte, so liegt es nahe, einen Zusammenhang mit dem Nystagmus anzunehmen. Der Nystagmus ist derart, dass die Be- wegungen der Augen bloss in horizontaler Richtung erfolgen. Per- sonen, die seit ihrer frühesten Kindheit an Nystagmus leiden, nehmen bekanntlich keine Scheinbewegungen der gesehenen Objekte wahr. Es muss aber angenommen werden, dass solche Scheinbewegungen doch anfangs vorhanden sind und dass sie erst später verschwinden. Treten ja doch auch späterhin bei manchen an Nystagmus leidenden Personen Scheinbewegungen auf, wenn die zitternden Bewegungen der Augen, z. B. bei gewissen Blickrichtungen oder unter dem Ein- flüsse psychischer Erregungen, stärker werden.

Unter der Voraussetzung nun, dass sich bei unserem Falle jene Scheinbewegungen ausnahmsweise lange erhalten haben, etwa bis in die Zeit, als der Knabe anfing lesen zu lernen, lässt sich eine Vorstellung über die Art gewinnen, wie die merkwürdige Stellung der Augen zu den der gebotenen Schriftzeichen und später die ab- sichtliche und willkürliche Haltung der Schrift eintritt. Die Schein- bewegungen gehen bei einem Nystagmus oscillatorius horizontalis in horizontaler Richtung vor sich. Es fragt sich nun, ob bei solchen Scheinbewegungen in horizontaler Richtung das Lesen der Schrift etwa dadurch erleichtert werden könnte, dass die Zeilen vertikal zur Baäallinie der Augen gehalten werden. Schon a priori erscheint dies wahrscheinlich. Bei vertikaler Richtung der Zeilen werden eben die Buchstaben nur in sich selbst bewegt, ohne dass das Bild des Buch- staben bei den Scheinbewegungen in das Bild eines andern hinüber- fliesst, und man kann sich sehr wohl vorstellen, dass das Lesen dann leichter möglich ist, als bei horizontaler Stellung der Zeilen, bei der durch horizontale Scheinbewegungen die Bilder nebeneinander liegender Buchstaben völlig ineinander verschwimmen müssen. Besonders gewisse Buchstaben werden bei diesen Scheinbewegungen nur wenig von ihrer Deutlichkeit einbüssen. Dazu kommt noch, dass für die Erkennung der Buchstaben nach der bekannten Beobachtung von Javal meist die obere

192

F. Dimmer

Hälfte die wichtigere ist, so dass die untere Hälfte der Buchstaben bei vielen Schriftzeichen fast nur ein weniger wichtiges Anhängsel darstellt. So wird jedenfalls die Erkennung der Buchstaben, wenn sie bei vertikaler Stellung der Zeilen Scheinbewegungen in horizontaler Richtung machen, leichter sein, als wenn die obere und untere Hälfte gleichwertig wäre, so dass bei diesen Scheinbewegungen die obere und die untere Hälfte der Buchstaben ineinander schwimmen. Wenn auch infolge der Scheinbewegungen nicht jeder Buchstabe erkennbar bleibt, so wird doch jeder gesondert gesehen. Dass aber zum Lesen eines Wortes ein genaues Erkennen jedes einzelnen Buchstabens nicht not- wendig ist, braucht hier nicht weiter erwähnt zu werden. Kombination und Gedächtnis für Wortbilder hilft hier sehr viel mit

Um für diese Vorstellung, so gut es geht, eine experimentelle Unterlage zu gewinnen, habe ich folgenden Versuch angestellt Ich brachte einen Papierstreifen mit einer mittleren Druck- schrift vor einen photographischen Apparat der- art an, dass er in einer Schiene in einer zur Achse des photographischen Objektivs senkrech- ten Ebene bewegt werden konnte. Diese Be- wegung erfolgte nach den Ausschlägen eines Metronoms während der Expositionszeit zehnmal und war durch einen entsprechenden Anschlag des Papierstreifens in der Exkursion beschränkt Es wurde nun der Papierstreifen zweimal mit genau der gleichen Expositionszeit Photographien und zwar einmal in einer solchen Stellung, dass die vertikal gestellte Seite senkrecht auf ihre Richtung bewegt wufde; das andere Mal wurde die Zeile horizontal gestellt und abermals horizontal, also in ihrer Richtung bewegt. Die Exkursionen waren ebenso wie die Zahl der Bewegungen bei jeder Aufnahme die gleichen.

Fig. 1 und Fig. 2 sind Reproduktionen der beiden so ge- wonnenen Aufnahmen. In Fig. 1, wo die Zeile senkrecht auf ihre Richtung bewegt wurde, erscheint die Schrift verdoppelt, was offenbar dadurch hervorgerufen wurde, dass an dem Punkte, wo die Umkehrung der Bewegung erfolgte, das Objekt eine kurze Zeit stehen blieb. Zwischen den beiden Bildern deutete ein heller ver-

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Fig. 1.

Lesen bei vertikaler Stellung der Zeilen. 193

schwominener Streifen (in der Figur nicht sichtbar) an, dass dieser Stelle entsprechend der Papierstreifen rasch vorbeigeführt wurde. Jedes der beiden Bilder ist aber vollkommen scharf leserlich. Anders in Fig. 2. Hier, wo die Zeile während der Aufnahme in sich selbst verschoben wurde, sind nur vom Anfang und Ende der Zeile wenige Buchstaben kenntlich. Das übrige ist alles ver- schwommen.

Was also schon a priori angenommen werden musste, erscheint auch durch dieses Experiment erwiesen: Die Schrift ist besser zu lesen, wenn die Bewegungen in der Richtung senkrecht zur Richtung der Zeilen erfolgt. Denken wir uns also in unserem Falle, dass der Knabe zur Zeit, als er lesen lernte, noch Scheinbewegungen der Objekte hatte, so mussten dieselben bei den rein in horizontaler Richtung hin und her pendelnden Augenbewegungen auch in hori-

Fig. 2.

zontaler "Richtung erfolgende Verschiebungen der Objekte gewesen sein. Dann wäre es wohl erklärlich, dass ihm das Lesen leichter wurde, wenn die Zeilenrichtung senkrecht zu der Richtung der Be- wegungen seines Auges stand. Allerdings konnten die Zeilen, wenn sie bei dieser Stellung in Doppelbildern erschienen, auch unleser- lich werden, wenn das eine Bild der ersten Zeile mit einem der Bilder der nächsten Zeile zur Deckung kommt Man kann sich aber recht gut vorstellen, dass diese Deckung weniger leicht zu stände kommt, als das Übergreifen zweier Buchstabenbilder inein- ander, wenn die Scheinbewegungen die horizontal gestellten Zeilen in sich selbst verschieben, denn die Entfernung zweier Buchstaben voneinander ist stets kleiner als der Zwischenraum zwischen zwei Zeilen.

Ich bin mir wohl bewusst, dass die hier vorgetragene Ansicht zur Erklärung der eigentümlichen Erscheinung nur einen hypo- thetischen Wert hat; es dürfte aber immerhin ein Weg sein, um sich die Sache zurecht zu legen. Schliesslich sei noch an die eigen- tümliche Erscheinung erinnert, dass der Knabe trotz des abnormen Verhaltens, das er beim Lesen darbot, doch beim Schreiben sich

194 F. Dimmer, Lesen bei vertikaler Stellung der Zeilen.

ganz normal verhielt. Es mag dies wohl darin seine Erklärung finden, dass das Schreiben überhaupt kein so deutliches Sehen er- fordert wie das Lesen. So konnte der Knabe eher der Art, wie ihm das Schreiben gelehrt wurde, folgen, während ihm das Lesen der Zeilen in der für ihn unbequemen Stellung grössere Schwierigkeiten machte, die er durch die instinktiv eingeleitete Kopfneigung über- winden konnte, während eine analoge Korrektur beim Schreiben ohne vollständiges Umstürzen der ganzen Technik des Schreibens un- möglich war.

Ein experimenteller Beweis

der Bedeutung des Spiegelloches für die skiaskopische

Schattendrehnng.

Von

Dr. Alfred Borschke in Wien.

Die Notwendigkeit bei der Besprechung sämtlicher skiaskopischer Probleme, den Ausgangspunkt vom Spiegelloch und nicht von der Pupille oder dem optischen Mittelpunkte des untersuchenden Auges zu nehmen, ist meines Erachtens durch die in letzter Zeit er- schienenen theoretischen Arbeiten über Skiaskopie bereits hinlänglich erwiesen. Das Spiegelloch ist eben bei der allgemein üblichen Me- thode zu skiaskopieren die optisch wirksame Blende. Eine Ver- suchsanordnung, bei welcher das Spiegelloch grösser ist als die Untersucherpupille, beeinflusst wesentlich die Genauigkeit der Re- fraktionsbestimmung, ist daher weder zweckmässig noch gebräuchlich. Auch scheint mir die Untersuchung mit unbelegten Glasplatten oder das Vorbeiblicken am Bande des Spiegels während der Untersuchung nicht üblich zu sein. In allen diesen Fällen übernimmt ganz oder teilweise die Beobachterpupille die Funktion der wirksamen Blende des Auges, welche früher, bei der normalen Methode zu skiaskopieren, das Spiegelloch inne hatte, und die für die normale Methode ent- wickelten Gesetze gelten auch für diese Fälle mit den entsprechenden Modifikationen, so als ob etwa jetzt das Spiegelloch Form, Grösse und Lage der Beobachterpupille hätte. Freilich muss gleichzeitig die im allgemeinen zu Ungunsten der Refraktionsbfcstimmung statt- gefundene Veränderung des Beleuchtungsfeldes berücksichtigt werden. Aber dies interessiert uns hier weiter nicht, wir sprechen von der normalen Methode zu skiaskopieren, und betonen nochmals die her- vorragende Bedeutung des Spiegelloches für sämtliche Probleme der Skiaskopie.

196 A- Borschke

Auch bei der skiaskopischen Schattendrehung kommt der Einfluss des Spiegelloches zur Geltung und darf nicht vernachlässigt werden. Die scheinbare Richtung der Schattengrenze ist ab- hängig von der Entfernung des Spiegelloches vom unter- suchten Auge und unabhängig von der Entfernung des Untersucherauges oder der Untersucherpupille.

Weinhold äussert in seinem letzten Aufsatze1) eine andere Meinung, er hält das Hineinziehen des Spiegelloches in die Unter- suchung für unnötig, „da eine Erklärung möglichst einfach sein soll", und für unpraktisch, „da sie nur einen speziellen Fall3) darstellt und für das Skiaskopieren ohne durchlochten Spiegel sich nicht an- wenden lässt".

Dass das Hineinziehen des Spiegelloches in die Untersuchung keine unnötige Komplikation, sondern eine unbedingte Notwendigkeit ist, soll folgendes Experiment beweisen.

Man kombiniere ein sphärisches Konvexglas (ungefähr 10 D) aus dem Brillenkasten mit einem Konvexcylinder (ungefähr 4 D), versehe diese Kombination zur Abbiendung der schädlichen Band- strahlen mit einer Blende (ungefähr 1 cm Durchmesser) und betrachte durch diese Kombination mit dem mit einer ganz kleinen Blende (ungefähr */, 1 mm Durchmesser) armierten Auge eine ungefähr 1 m oder auch weiter entfernte vertikale Schwarzweissgrenze. Die Kom- bination halte man so, dass die Cylinderachse mit der Schwarzweiss- grenze einen spitzen Winkel (ungefähr 45°) bildet und die scheinbare Schwarzweissgrenze in der Blendenöflhung der Kombination eine an- nähernd horizontale Richtung erhält (Entfernung der Kombination von der kleinen Blende vor dem Auge ungefähr 8 cm). Wenn nun Auge, Kombination und Schwarzweissgrenze diese ihre ursprüngliche Ausgangsstellung ganz unverändert beibehalten und nur die Stellung der kleinen Blende verändert wird, indem man dieselbe in der Rich- tung der Blicklinie nur um ein weniges der Kombination nähert, wird man in der Blendenöffnung derselben eine deutliche und ausgiebige Drehung der Schwarzweissgrenze wahrnehmen können. Man erhält jedoch nicht die geringste Drehung, wenn die kleine Blende ihren Ort beibehält und dahinter das Auge wenn auch noch so ausgiebige Bewegungen in der Richtung der Blicklinie macht

l) v. Graefe's Arch. Bd. LXV, 1. S. 150 und früher Bd. LXII,2. S.275. ') Darunter versteht Weinhold die allgemein übliche Methode zu skia- skopieren.

Ein experimenteller Beweis der Bedeutung des Spiegelloches usw. 197

Es ist leicht zu erkennen, dass die kleine Blende hier dieselbe Bolle spielt wie das Spiegelloch bei der Skiaskopie, und somit ist die hervorragende Bedeutung, die demselben bei der skiaskopischen Schat- tendrehung zukommt, auch experimentell erwiesen.

Eine Erklärung der skiaskopischen Schattendrehung, welche den Einfluss des Spiegelloches als „unnötige Komplikation" ausser acht lässt, wie die Weinholdsche, kann daher unmöglich richtig sein und als Ersatz für eine andere angesehen werden, welche diese Verhält- nisse entsprechend berücksichtigt, wie die von mir gegebene1).

Ausserdem hat Weinhold die Verhältnisse noch weiter „verein- facht", indem er anstatt der optischen Verhältnisse eines astigmatischen Auges das Sehen durch eine einfache Cylinderlinse bespricht Das von Weinhold besprochene optische Problem ist zwar sehr einfach, aber nicht dasselbe wie das Problem der Skiaskopie eines astiguni-

CH tischen Auges. Die von ihm abgeleitete Formel tg x = tg a >rö,

UM

CH wobei der Bruch -=-==. das Verhältnis der Bildgrösse zur Gegenstands- JJJti

grosse (!) bedeutet, gilt zwar für das Sehen durch eine einfache Cy- linderlinse, aber nicht für das Skiaskopieren eines astigmatischen Auges. Weinhold hat auch nicht einmal den Versuch gemacht, uns zu zeigen, was für eine Bild- und was für eine Gegenstands- grösse in diese seine Formel eingesetzt werden müsste, um die schein- bare Schattengrenze in einem gegebenen astigmatischen Auge zu finden. Und diese Formel soll ein Ersatz sein für die von mir ab-

geleitete tgx = tga-^, wobei Ax und A2 einerseits von der Ent-

fernung des Spiegelloches, anderseits von der Brechkraft je eines Hauptmeridians abhängig ist? Wenn Wein hold wirklich einen Ersatz für meine Formel finden wollte, müsste er unbedingt seine beiden „Vereinfachungen" wieder streichen, statt der einfachen Cylinderlinse die Kombination zweier achsensenkrechter Konvexcylinder oder, was dasselbe ist, die Kombination eines sphärischen Konvexglases mit einer Cylinderlinse besprechen und die Abhängigkeit des frag- lichen Winkels von der Verschiedenheit der Vergrösserung in den beiden Hauptmeridianen, gerechnet vom Spiegelloche2) aus, ab-

*) Arch. f. Augenheilkunde. Bd. LIL S. 161.

f) In den eingangs erwähnten abnormen Fällen ev. von der Pupille (Horn- hautbild) auß, nie aber von der Hornhaut oder dem optischen Mittelpunkte des Auges, immer von der optisch wirksamen Blende.

198 A. Borschke

leiten. Er würde dann eine Formel erhalten, welche mit meiner dem Wesen nach identisch, somit ein vollständiger Ersatz für die- selbe wäre.

In seinem ersten Aufsatz hat Wein hold die Schattendrehung von der „Entfernung zwischen Hornhaut und Umschlagspunkt" ab- hängig sein lassen. Dieser Behauptung habe ich den berechtigten Einwand1) entgegengestellt, dass bei einem astigmatischen Auge zwei Umschlagspunkte vorhanden sind. Denn wenn auch Weinhold in seiner Abhandlung von den Phantomen eines nicht astigmatischen Auges mit nur einem Umschlagspunkte ausgeht, welches er durch Vorsetzen eines Konvex- oder Konkavcylinders astigmatisch macht, kann niemand wissen, welcher von den beiden Umschlagspunkten eines gegebenen astigmatischen Auges dem Umschlagspunkte des Wein- hold sehen Phantoms entspricht Man muss sich daher auch dar- über im Unklaren bleiben, auf welchen der beiden Umschlagspunkte die Wein hold sehe Regel anzuwenden wäre, ganz abgesehen da- von, dass uns Wein hold keinen näheren Aufschluss darüber gibt, in welcher Weise der Drehungswinkel von dieser Entfernung ab- hängig ist.

Diesen meinen Einwand erklärt nun Wein hold als hinfällig und meine Behauptung, dass es in einem astigmatischen Auge zwei Umschlagspunkte gebe, als falsch, „denn es gibt deren so viele als die Hornhaut verschieden stark brechende Meridiane hat, also unend- lich viele". Weinhold denkt dabei offenbar nicht daran, dass dies mit der Tatsache der Schattendrehung in direktem Widerspruch steht. In den Zwischenmeridianen findet eben kein Umschlagen des Schattens statt, d. h. ein direkter Übergang in die entgegengesetzte Richtung, sondern eine Drehung, welche in einem Ausmasse von fast 180 Winkelgraden, je nach den Verhältnissen langsam oder schnell, deutlich oder undeutlich beobachtet werden kann. Wenn Weinhold durch Vorsetzen eines stenopäischen Spaltes die Drehung des Schat- tens der Beobachtung entzieht, so hat er sie doch nicht aus der Welt geschaffen und durch ein Umschlagen ersetzt, ganz abgesehen davon, dass in den Zwischenmeridianen von einem Umschlagspunkte schon deshalb nicht die Rede sein kann, da bekanntlich die Strahlen eines solchen sich nicht zu einem Brennpunkte vereinigen, sondern sich im Räume überkreuzen. Die Möglichkeit der subjektiven Bestimmung der Richtung der Hauptmeridiane des Astigmatismus mit Strahlen-

*) v. Graefe's Arch. Bd. LXIII, 2. S. 388.

Ein experimenteller Beweis der Bedeutung des Spiegelloches usw. 199

figuren ist ein weiterer Beweis für die Unhaltbarkeit der Weinhold- scheu Ansicht

Wenn sich jedoch Weinhold damit begnügt, gezeigt zu haben, dass die von ihm geschilderten Erscheinungen beim Sehen durch Cylinderlinsen einige Ähnlichkeit mit der skiaskopischen Schatten- drehung zeigen, sich jedoch in der von ihm gebrachten Form nicht direkt auf ein astigmatisches skiaskopisches Auge übertragen lassen, so ist gegen seine beiden Arbeiten über dieses Thema weiter nichts einzuwenden.

t. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. l. 13

(Aus der Königl. Uni versitats- Augenklinik zu Bonn.)

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen der Cornea.

Von

Dr. Wilh. Reis, Privatdozent und Assistenzarzt.

Mit Taf. IV— T, Fig. 1—12 und einer Figur im Text. .

Nachdem noch bis in das letzte Dezennium des vergangenen Jahrhunderts hinein die geschwürigen Erkrankungsformen der Horn- haut vielseitige Bearbeitung gefunden und die Pathogenese der eitrigen Keratitis durch die aufstrebende ophthalmo- bakteriolo- gische Forschung es sei hier nur an die Namen Uhthoff und Axenfeld erinnert besonders nach der ätiologischen Seite hin die wertvollste Förderung erfahren hat, sind seit geraumer Zeit die sogenannten „parenchymatösen" Erkrankungen der Cornea mehr und mehr in den Vordergrund des Interesses und der wissen- schaftlichen Diskussion getreten.

Klinik, pathologische Anatomie und Experiment wetteiferten miteinander, um in das Werden und Wesen dieser für den Praktiker wie für die wissenschaftliche Forschung gleich bedeutungsvollen Krank- heitsgruppe tiefer einzudringen, und die unleugbaren Fortschritte, die durch zahlreiche Arbeiten und Untersuchungen namhafter For- scher in der Lehre von den parenchymatösen Cornealaffektionen auch wirklich erreicht worden sind, mochten daher nur zu leicht dazu verleiten, auch solche Fragen als geklärt anzusehen, die, so beispiels- weise die Frage nach dem anatomischen Substrat der einzelnen Krankheitsformen des Hornhautparenchyms, wie sich bei tieferem Eingehen ergibt, noch zum guten Teil der Lösung harren.

Einer der wesentlichsten Gründe hierfür liegt, wie Elschnig(i) kürzlich zutreffend ausgeführt hat, darin, dass man bei den Vergleichen

t. Gnefe's Archiv für Ophthalmologie. LZVI. 2. 14

202 W. Reis

zwischen den experimentell gewonnenen parenchymatösen Hornhaut- veränderungen und der menschlichen Keratitis parenchymatosa allzu- sehr eine gewisse Ähnlichkeit des klinischen Bildes beider in den Vordergrund der Betrachtung rückte, und aus dieser Ähnlichkeit auch auf Analogien im anatomischen Verhalten Schlüsse zog, ohne sich genügend zu vergegenwärtigen, dass von selteneren Parenchym- erkrankungen ganz zu schweigen selbst von der wichtigsten beim Menschen vorkommenden parenchymatösen Hornhauterkrankung, der auf Grund von Lues hereditaria entstehenden sogenannten Keratitis interstitialis diffusa specifica, wie Saemisch sie benennt, bis zu dem kürzlichen Erscheinen einer einschlägigen Arbeit Elschnigs eine allein massgebende zuverlässige anatomische Untersuchung überhaupt noch nicht vorlag.

Wenn es aber irgendwo nicht angängig ist, aus der Ähnlichkeit des klinischen Aussehens auf das anatomische Substrat zu schliessen, dann ist dies bei den parenchymatösen Affektionen der Hornhaut der Fall, bei der die relative Einfachheit ihres geweblichen Aufbaues und die Eigenart ihrer physikalischen und physiologischen Eigenschaften es mit sich bringt, dass die nach Ätiologie, Genese und Morpho- logie allerverschiedensten krankhaften Veränderungen untereinander eine überaus grosse Ähnlichkeit des klinischen Aussehens besitzen müssen, indem sie alle als mehr weniger tief im Parenchym gelegene Trübungsherde von wechselnder Dichte sich präsentieren, ein soge- nanntes „parenchymatöses Infiltrat" darstellen, wie bisher der bequeme Sammelname der Klinik für die histologisch zweifellos differentesten Bilder gelautet hat

Zwar hat schon vor zehn Jahren Axenfeld(2) gelegentlich der Besprechung einer Arbeit Nuels kurz darauf hingewiesen, dass dem, was uns in der Hornhaut klinisch als „Infiltrat" erscheine, nicht ohne weiteres ein Infiltrat im strengen histologischen Sinne eine Zellanhäufung zugrunde liegen müsse, und damit gewissermassen zu einer Revision unserer Anschauungen über die anatomische Grund- lage auch des sogenannten parenchymatösen Infiltrates den Anstoss gegeben; aber diese an anderer Stelle (ibid. S. 163) von ihm noch etwas weiter ausgeführte wichtige kritische Bemerkung scheint doch nicht die gehörige Beachtung gefunden zu haben, bis dann kürzlich Elschnig in seiner oben erwähnten bedeutungsvollen Arbeit „Über Keratitis parenchymatosa", in der er zum ersten Male einen typischen primären, auf hereditärer Lues beruhenden derartigen Fall als wohl- charakterisierte degenerative Erkrankung der Hornhaut nach-

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 203

weisen konnte, auch den Ausdruck „Infiltrate" für die isolierten Trübungsherde in der Hornhaut folgerichtig perhorresziert hat

Gerade diese letztere Untersuchung Elschnigs mit ihrem über- raschenden Resultate ist so recht geeignet, uns die hohe Bedeutung, die der pathologischen Anatomie für das weitere Eindringen in das Verständnis der parenchymatösen Keratitisen zukommt, ein- dringlich vor Augen zu führen, und das ganz besonders in unsern Tagen, da ätiologisch hochbedeutsame Funde ich erinnere nur an die Spirochaete pallida und die verschiedenen Trypanosomen- formen auch der experimentellen Erforschung der parenchymatösen Hornhauterkrankungen neue, breitere Bahnen gewiesen.

Wohl mag es auch in Zukunft noch dem geschärften Blicke eines vielerfahrenen Klinikers gelingen, lediglich auf Grund klinischer Merkmale weitere bestimmte Gruppen parenchymatöser Hornhaut- erkrankungen aus dem Gros des sogenannten „parenchymatösen In- filtrates" abzusondern, so wie uns beispielsweise Fuchs lediglich auf Grund klinischer Beobachtung das Krankheitsbild der Keratitis disciformis geschenkt hat Aber auch dann werden immer noch Unklarheiten und Lücken bestehen bleiben, die ihrer endgültigen Erledigung durch entsprechende pathologisch -anatomische Befunde harren.

So dürfte es denn nicht zu viel gesagt sein, wenn wir einen weiteren Fortschritt in der Erkenntnis der parenchymatösen Horn- hauterkrankungen vor allem von einer breiteren Grundlage patholo- gisch-anatomischer Ergebnisse erhoffen, die um so dringender not- wendig erscheinen, als abgesehen von der angezogenen Untersuchung Elschnigs, die, wie gesagt, zum ersten Male einen frischen, reinen Fall von primärer Keratitis parenchymatosa e lue hereditaria betraf, bisher so gut wie ausnahmslos nur Fälle von Hornhauttuberkulose oder von sekundären Veränderungen der Hornhaut nach schwerster Erkrankung des Uvealtractus, vor allem auch wieder nach Tuberkulose desselben, zur anatomischen Untersuchung gekommen sind, an deren Ergebnisse dann allzuweit gehende Schlussfolgerungen für die Keratitis parenchymatosa über- haupt geknüpft worden sind.

Die Forderung Axenfelds: „Wir bedürfen unbedingt der wei- teren histologischen Untersuchungen", erscheint heute dringender denn je, und als conditio sine qua non für den weiteren Fortschritt mu88 es gelten, vor allem durch Vergleich der klinischen Bilder mit histologischen Befunden, durch die Kontrolle der klinischen

14*

204 W. Reis

Diagnose mittels des Augensektionsbefundes die Grundlage für eine schärfere Abgrenzuug der einzelnen Parenchymerkrankungsformen, und somit für eine präzisere Diagnose und sicherere Beurteilung des Einzelfalles zu gewinnen.

Leider erschwert es die ausserordentliche Seltenheit des anato- mischen Materials, dieser Forderung im wünschenswerten Masse ge- recht zu werden, und es muss schon ein glücklicher Zufall mitwirken, um einem Untersucher nur den einen oder andern einschlägigen Fall zur histologischen Bearbeitung in die Hände zu spielen. Ich bin in der Lage gewesen, mehrere wertvolle Bulbi mit parenchymatösen Hornhauterkrankungen histologisch bearbeiten zu können, und glaube weiteren Kreisen die Eesultate dieser Untersuchung um so mehr unterbreiten zu sollen, als dieselben neben einer Bestätigung bekannter Tatsachen doch auch das eine oder andere Neue bringen dürften. Die einer weiteren, demnächst erscheinenden Mitteilung zugrunde liegenden operativ gewonnenen Bulbi wurden mir aus der Sammlung der hiesigen Klinik überlassen, wofür ich meinem langjährigen hoch- verehrten Che£ Herrn Geheimrat Sae misch, auch an dieser Stelle herzlichen Dank sage.

Ich beginne hier zunächst mit zwei Fällen von intrauteriner parenchymatöser Hornhauterkrankung, die geeignet sind, auch der Frage der angeborenen Hornhauttrübungen eine neue Seite ab- zugewinnen. Dem Direktor der Universitäts-Frauenklinik, Herrn Ge- heimrat Prof. Dr. Fritsch, mit dessen Genehmigung ich von Herrn Kollegen Dr. Stade von der Universitäts-Frauenklinik die Bulbi des Falles I, sowie von dem früheren Assistenten Herrn Dr. Förster das Augapfelpaar von Fall II erhielt, sei ebenso wie den genannten Kollegen für die Überlassung des wertvollen Materials auch an dieser Stelle verbindlichst gedankt

L Inflltratum oorneae parenohymatosnm annulare oongenitum

oo. utr.

Die beiden Bulbi stammen von einem zu Ende des 8. oder Anfang des 9. Schwangerschaftsmonates lebend geborenen Kinde, dessen Mutter, die 26 jährige unverehelichte A. S. aus V., ihrer Angabe nach etwa l1/, Jahr zuvor eine genitale luetische Infektion acquiriert hatte, derentwegen nach Auftreten von Halsentzündung und Hautausschlag auswärts eine Schmier- kur eingeleitet worden war. Zur Zeit der am 7. Juni 1905 stattgehabten Aufnahme in die hiesige Eönigl. Universitätsfrauenklinik befand sich die Gravida, die von kräftiger Körperbeschaffenheit war, durchaus wohl und liess auch abgesehen vom Vorhandensein eigentümlich pigmentierter Stellen

Beitrftge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 205

auf Brost und Bauch and einer geringen indolenten Schwellung der Leisten- drüsen keinerlei objektive Krankheitserscheinungen erkennen.

Gynäkologische Diagnose: Ipara; gravida mensis VII. Kind in 1. Schädellage. Am 30. Juli 1905 setzten morgens unvermutet Wehen ein. Die kindlichen Herztöne sind deutlich zu hören. Abends erfolgte die spontane Geburt eines lebenden asphyktischen Knaben, von dessen Haut sich weisse Fetzen loslösen (Pemphigus). Das Kind schnappte einige Male nach Luft, war aber zu schwach zum atmen, und konnte auch im heissen Bade nicht zum Schreien und regelmässigen Atmen gebracht werden. Die Inspirationen wurden immer seltener und hörten eine Stunde nach der Ge- burt schliesslich ganz auf. Hier sei schon betont, dass der Wochenbett- verlauf durchaus normal war, und dass während des ganzen Aufenthaltes der Mutter in der Klinik niemals die geringste Teroperatursteigerung bei derselben beobachtet worden war. Sie befand sich auch bei der Entlassung aus der Klinik durchaus wohl und zeigte keine manifesten Symptome von Lues.

Die Länge des Kindes betrug 38 cm; sein Gewicht 1100 g; Gewicht der Placenta700g; auffallend an ihm war eine Sattelnase, ein spaltförmiger Defekt an der Nasenwurzel und starker Froschbauch. Die Sektion ergab starkes ödem der Haut, der Muskulatur, des Gehirns. Ascites; fibrinöse Peritonitis; grosse hellbraune Leber ohne deutlich acinöse Zeichnung; grosse Milz mit sehr ausgeprägten Follikeln. Die teilweise lufthaltigen Lungen enthalten zahlreiche, helle, sehr derbe, knotenförmige Infiltrate. Ausgesprochene Unebenheit der Epiphysenlinie des Oberschenkels; Placenta sehr gross, anä- misch, derb; hochgradige Wand verdickung der Nabelschnurgefässe.

Da Herrn Kollegen Stade an der Hornhaut beider Augen die gleich im folgenden näher zu beschreibende Anomalie aufgefallen war, so enucle- ierte er sofort nach dem Tode die beiden Bulbi und übertrug sie in 10°/0 Formalinlösung, worin ich sie gleich darauf zur Untersuchung er- hielt Die ausgezeichnete Konservierung der Hornhauttransparenz in diesem Fixierungsmittel ermöglichte es mir, von der Veränderung sofort die bei- folgenden Skizzen zu entwerfen und gleichzeitig die notwendigen Messungen an den Augäpfeln vorzunehmen. Da sich aus letzteren Anhaltspunkte für die Altersbestimmung des Kindes ergeben, seien ihre Resultate zunächst hier angeführt. Die Zahlenwerte, die nach dem Gesagten für die 24 Stun- den lang in l0°/0 Formalinlösung fixierten Bulbi gelten, waren auf beiden Augen völlig gleich:

Antero-posteriorer Bulbusdurchmesser 16 mm,

Vertikaler Bulbusdurchmesser 15

Transversaler Bulbusdurchmesser 16 Vertikaler Hornhautdurchmesser 8

Transversaler Hornhautdurchmesser 9

Unter Zugrundelegung einer von Königstein (3) aufgestellten Tabelle, die auch Nussbaum(4) in seiner Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges reproduziert hat er schreibt sie irrtümlich Rieke zu , würde demnach das Alter des Kindes auf Ende des 8. bzw. Anfang des 9. (Lunar)monates zu bestimmen sein. Auch die Länge des Kindes (38 cm),

206 W. Reis

sowie das Gewicht der Placenta spricht für dieses Alter, während allerdings das Gewicht der Fracht sehr erheblich hinter dem für diese Lebensperiode geltenden Durchschnitt z. B. nach Ahlfeld in der 30. Woche 1868 g zurückbleibt Die höchst eigentümliche Veränderung an der Hornhaut präsentiert sich nun folgendermassen:

Linke Hornhaut (vgl. Taf.IV, Fig. 1, Vergrößerung ungefähr 5 fach): Bei mattem, ganz leicht gestippt erscheinendem Aussehen der Oberfläche verläuft in geringer Entfernung vom Limbus zu diesem konzentrisch eine anscheinend tief im Hornhautparen- chym gelegene, ganz regelmässige, ringförmige Trübung von intensiv grauweisslich-gelblichem abscessähnlichem Farbton. Die Breite dieser Ringtrübung beträgt im vertikalen Durchmesser oben und unten je 2 mm, im transversalen Durchmesser nasal und temporal je 2,25 mm. Die zentrale klare Partie der Hornhaut misst im vertikalen Durchmesser 2,5 mm, im horizontalen 3,0 mm. Die Entfernung der Ringperipherie vom Limbus beläuft sich: oben auf 1,25 mm, innen und unten auf 1,0 mm, aussen auf 0,75 mm.

Der periphere Saum der Ringtrübung setzt sich gegen die kaum ge- trübten Randteile der Hornhaut auffällig scharf ab, während der zentrale Rand sich gegen die mittlere von dem Ringe eingeschlossene Hornhaut- partie weniger scharf, aber doch recht deutlich abgrenzt Dieser zentrale Hornhautabschnitt erweist sich nicht völlig diaphan, sondern wird von einer zarteren, mehr hauchartigen Trübung eingenommen, die sich unter dem Z ei Besehen binokularen Hornhautmikroskop in zahllose dichtstehende feinste weisslichgraue Punkte auflöst. Des weiteren zieht sich fast konzentrisch zu dieser intensiven parenchymatösen Ringtrübung um dieselbe herum eine in der Nähe des Limbus gelegene feine unregelmässig zackig verlaufende Trübung, die in deutlichem Gegensatz zu jener ganz oberflächlich ge- legen ist Unten-aussen, wo die Ringtrübung dem Limbus am nächsten liegt, reicht diese oberflächliche, zackige Trübungslinie dicht an den Ring heran.

Rechte Hornhaut (vgl. Taf. IV, Fig. 2): Auch hier findet sich eine ganz ähnliche, dichte, regelmässig ringförmige parenchy- matöse Trübung von tiefgesättigtem graugelb-weisslichem Farb- ton. Die Breite der Ringtrübung beträgt im vertikalen Meridian oben und unten je 2,25 mm, im horizontalen Meridian temporal 2,5 mm, im horizon- talen Meridian nasal 2,25 mm.

Entfernung der Ringperipherie von Limbus allseits 1,0 bis 1,25 mm. Der von dem Trübungsringe eingeschlossene Abschnitt der Hornhaut er- scheint nur in seinem zentralsten Teile ähnlich wie linkerseits die Horn- hautmitte zart getrübt und jedenfalls unendlich viel lichter als die Ring- trübung selbst Diese leidlich klare zentrale Hornhautpartie hat einen vertikalen Durchmesser von 2 mm, einen horizontalen Durchmesser von 3 mm.

Dagegen finden sich abweichend von den analogen Verhältnissen linker- seits hier in den an den Trübungsring angrenzenden Teilen des von ihm eingeschlossenen Gebietes einzelne umschriebene dichtere tiefe Trü- bungsherde, die fast ganz so gesättigt erscheinen, wie die Ringtrübung

Beitrftge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 207

seitat, und die sich in diese hinein verlieren, mit ihr zusammenhangen. Von solchen circumscripten Trübungsherden findet sich an dem Innenrande der unteren Ringhälfte je einer temporal und nasal vom vertikalen Meridian, ferner je einer oben aussen und oben innen entlang dem Innenrande der oberen Ringhälfte. Letztere beiden sind auch durch eine ziemlich dichte diffuse Trübung miteinander verbunden (vgl. die Tat IV, flg. 2).

Die Hornhautperipherie verhält sich auch auf diesem Auge genau so wie linkerseits, ist ebenfalls nur sehr zart getrübt und zeigt entlang dem Rande der Hornhaut zwischen diesem und der äusseren Ringperipherie eine zarte, ungleichmässig zackige Trübungslinie von ausgesprochen oberfläch- licher Lage und aus oft etwas getrennt liegenden kleinsten distinkten Trü- bungspunkten zusammengesetzt Es bleibt noch zu erwähnen, dass eine abnorme Sekretion seitens der Bindehaut, oder eine auffalligere Injektion derselben nicht wahrgenommen worden war.

Nach 24 stündiger Fixation der Bulbi in 10°/0 Formalinlösung und Härtung in Alkohol von langsam steigender Konzentration wurde an beiden Bulbiß durch einen dem horizontalen Meridian parallelen Schnitt eine niedrige obere Kalotte abgetrennt und wurden dann beide Bulbi nach Einbettung inCelloidin horizontal geschnitten. Schnittdicke 20//. Die lückenlose Schnitt- serie vom linken Bulbus umfasste den grössten Teil der Hornhaut Nur von dem untersten Abschnitt derselben mit dem unteren Teil der Ring- trübung wurden nach Umbettung in Paraffin tangential zur Hornhautober- fläche Flachschnitte angefertigt Der rechte Bulbus wurde nur etwa bis zur Höhe des horizontalen Meridians in eine Serie von Celloidinschnitten zerlegt Von dem Restblock mit der unteren Hornhauthälfte wurde die letztere abgetrennt, das Celloidin aufgelöst und das Hornhautstück nach Um- bettung in Paraffin horizontal weiter geschnitten. Da die anatomischen und histologischen Veränderungen auf beiden Augen, abgesehen von leichten Differenzen in nebensächlichen Dingen, die später noch zu erwähnen sein werden, absolut gleich sind, so kann der Kürze halber eine beide Bulbi einbegreifende zusammenfassende Darstellung derselben erfolgen, der ich Meridionalschnitte durch den linken Bulbus zugrunde lege.

Mikroskopischer Befund. Das Epithel der Gonjunctiva bulbi besteht aus einer vielschichtigen Lage von Zellen, die neben einem chromatinreichen, gutgefärbten, rundlichen oder ovalen Kerne, besonders in den mittleren Schichten einen deutlichen, vielfach polygonal geformten Protoplasmaleib erkennen lassen. Eine etwa durch intensivere Kernfärbung oder durch besondere regelmässige Anord- nung gekennzeichnete Basallage ist nicht zu unterscheiden. Überhaupt ist die Schichtung des Epithels zumal in den tieferen Lagen eine mehr unregel- massige, wozu noch die wechselnd reichliche, stellenweise aber ausserordent- lich starke Durchsetzung des Epithels mit Wanderzellen beiträgt, die sich durch die Interstitien zwischen den Epithelleibern hindurchwinden. Nur nach dem Limbus zu und in dessen Bereiche ist die Anordnung der einzelnen Zellen eine mehr reguläre und hier ist auch eine durch gleich- massigeres Gefüge und dunklere Färbnng der Kerne charakterisierte basale Zelllage von den übrigen Schichten abzugrenzen. Die oberflächlichste Zell-

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Schicht in der Conjunctiva bulbi hat den Charakter niedriger Cylinder- epithefien, deren Kerne deutlich senkrecht zur Oberfläche orientiert sind. Dieselben nehmen im allgemeinen den proximalen Abschnitt des Zellleibes ein, während in dem distalen Abschnitt das Protoplasma verdichtet erscheint und so eine Art von Grenzsaum gegen die freie Oberfläche hin bildet Mit zunehmender Annäherung an den Iimbus werden die Cylinderzeüen der Oberflächenschicht immer niedriger unter gleichzeitiger oberflächenparalleler Stellung ihrer Kerne und gehen an der Hornhautgrenze in langgestreckte flache Epithelien über.

In den mittleren und oberflächlichen Schichten des Epithels trifft man hie und da deutliche Becherzellenbildung, wie wir sie vom Auge des Er- wachsenen her als normalen Befund im Bindehautepithel kennen. Daneben findet sich auch eine hydropische Degeneration von Epithelzellen, die mit dem Auftreten von Vakuolen im Zellleib bei normalem Kerne beginnt und schliesslich auch zur Aufquellung und zum Untergang des Kernes führt, wie aus der Aufblähung und mangelhaften Färbbarkeit desselben zu entnehmen ist Endlich sind noch eigentümliche Gebilde zu erwähnen, die auf den ersten Blick als epithelfremde Einschlüsse imponieren, ovoide Gebilde mit scharfem Kontur und einem wabigen Inhalte, dessen Scheidewände den Kernfarbstoff annehmen, während ein Kern nicht nachzuweisen ist Die- selben sind als eigenartige Degenerationsformen von Epithelien aufzufassen. Als Nebenbefund möchte ich endlich anführen, dass ich in der Conjunctiva bulbi und zwar äquatorialwärts vom Iimbus nicht in dessen Bereiche selbst vereinzelt kleine Epithelzapfen, bzw. infolge Abschnürung der- selben von der Oberfläche isolierte kleine Epithelinseln antraf. Ob dieselben präformierte Gebilde darstellen, oder erst im Zusammenhang mit einer hier stärker ausgesprochenen Bindegewebskernvermehrung sich gebildet haben, mus8 dahingestellt bleiben.

Die Substantia propria der Conjunctiva bulbi stellt ein sehr zartes und lockeres Bindegewebe dar, mit ziemlich reichlichen grosseren und kleineren, meist venösen Gefässchen und Kapillaren; besonders die letzteren sind vielfach mit roten Blutkörperchen angefüllt Der Zellgehalt der Con- junctiva bulbi ist ein ziemlich reichlicher und die embryonale Natur ihrer Zellindividuen gibt sich besonders darin zu erkennen, dass bei intensiver Einwirkung von Protoplasmafarbstoffen auch die ruhenden Kerne des Binde- gewebes, die sich in ihrer Form kaum von den gleichen Elementen beim Erwachsenen unterscheiden, noch einen scharf abgegrenzten und nicht selten recht umfangreichen Protoplasmaleib erkennen lassen. Die Form der Zellen, bzw. der Kerne ist im übrigen eine sehr variabele. Neben den ge- wöhnlichen fixen Zellen des Bindegewebes finden sich besonders häufig grös- sere Elemente mit rundlichem oder ovalem, zuweilen auch buchtigem Kerne und einem umfangreichen rundlichen oder eckigen- Protoplasmaleib, Zellen, die man vielleicht mit den sog. „Polyblasten" Maximows identifizieren könnte. Sicher stellen sie zum Teil ausgewanderte Lymphocyten dar, wo- für ja auch Maximow seine erwähnten Zellen grösstenteils anspricht Vielleicht sind sie aber auch zum Teil als sessile Elemente als Vorstufe der fixen Zellen aufzufassen. Endlich finden sich allenthalben zerstreut poly- nudeäre Leukocyten.

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 209

Die erwähnten Zellformen finden sich in grösserer Anzahl, oft als mehr weniger umschriebene kleine Herdchen um die Querschnitte von Geftssen herum, und zwar sowohl in der eigentlichen conjunctivalen, wie besonders in der tieferen episkleralen Schicht und in den oberflächlichsten Lagen der Sklera. Es handelt sich dabei also nicht bloss um ausgewanderte Zellen, sondern um eine vermehrte Ansammlung der verschiedensten Zellformen, so- wohl fixer Bindegewebskerne, wie kleiner rundkerniger Lymphocyten unter- mischt mit polynucleären Leukocyten. Solche Zellansammlungen um die Gefä88wand finden sich nach hinten hin bis über den Äquator bulbi hinaus. In den hinteren Partien sind sie jedoch im allgemeinen geringfügiger und weniger ausgeprägt als vorne in Conjunctiva und Episklera. Man kann diese Erscheinung wohl kaum noch als normal bezeichnen, sondern hat die- selbe wohl als Ausdruck eines entzündlichen Vorganges aufzufassen. Hiervon ist aber scharf auseinanderzuhalten der normale reiche Kerngehalt der Gewebe, wie er sozusagen an allen Gewebsabschnitten der Bulbi, be- sonders ausgeprägt z. B. in der Sklera angetroffen wird und der den embryo- nalen Membranen des Auges als solchen, wie überhaupt embryonalem Ge- webe, eigen ist

Die Sklera selbst erscheint von krankhaften Veränderungen gänzlich frei.

Cornea.

1. Epithel. Während, wie oben erwähnt, das Epithel im Bereiche des Limbus neben einer basalen Zelllage, die durch stärkere Färbbarkeit und regulärere Anordnung der Kerne gekennzeichnet ist, eine mehrfache Schicht von Riff- und Stachelzellen, und auf sie folgend eine Anzahl platter Zelllagen aufweist, tritt beim Übergang zur Cornea eine hochgradige Ände- rung im Aufbau des Epithels zutage. Dasselbe verschmälert sich zunächst zu einer ziemlich flachen, im allgemeinen aus vier oder auch nur drei Zell- reihen bestehenden Decke, in der kaum noch Unterschiede zwischen Fuss- zeüen und Deckzellen zu erkennen sind, zeigt dann weiter Unregelmässig- keiten in der Dicke und Schichtung, indem umschriebene leichte Verdickungen mit stärkerer Verdünnung des Epithellagers abwechsein, und wird weiter cornealwärts schliesslich auf eine einzige Lage ganz platter Zellen reduziert.

In den periphersten Randpartien der Cornea, die noch eine mehr- schichtige Epithellage aufweisen, fällt bereits an den basalen Zellen ihre niedrige flache Form auf, der entsprechend auch die Längsachse ihrer Kerne zur Hornhautoberfläche parallel gerichtet ist. Die auf sie folgenden zwei oder drei Zelllagen erscheinen noch etwas flacher, besitzen aber dabei einen umfangreichen, nur weit ausgezogenen Protoplasmaleib, der auch in der oberflächlichsten Schicht einen grossen bläschenförmigen Kern einschtiesst, während an andern Stellen nicht selten in direkter Nachbarschaft der vor- erwähnten Formen ganz platte, wie verhornt aussehende Deckzellen sich anschliessen.

Da, wo durch umschriebene Verbreiterung und Verschmälerung der Zelllagen das gleichmäßig glatte Niveau des Epithels Unterbrechung erfährt, finden sich besonders reichliche Leukocytenkerne zwischen den Epithelien eingelagert All diese Abweichungen beschränken sich, wie bereits gesagt, auf die periphersten Randteile der Cornea.

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Verfolgt man das Epithel von hier weiter auf die Hornhaut hinüber, so sieht man dasselbe sich rasch, fast unvermittelt diese Stelle entspricht der oben erwähnten feinen zackigen Trübungslinie zu einer einzigen Lage ganz flacher Zellen verjüngen, die in dieser Form als äusserst dünnes Häutchen eine Strecke weit die Substantia propria nach aussen hin ab- schliesst; und zwar stellen diese Zellen in der Nähe des mehrschichtigen Epithellagers noch deutlich protoplasmatische Gebilde dar, die im Quer- schnitt spindlige Form zeigen, und deren Protoplasmaleib stark in die Fläche ausgezogen ist Hier liegen die einzelnen Kerne noch nahe beieinander. Je weiter zentralwärts man aber kommt, um so abgeflachter und platter werden die Epithelleiber, um so grösser wird der Abstand der einzelnen Kerne voneinander, bis schliesslich nur noch weit auseinanderliegende, ganz platte und langgestreckte, dünne Kerne vorhanden sind, die ein abgrenz- bares Protoplasma überhaupt nicht mehr erkennen lassen. Dann verschwin- den aber auch diese Kerne, so dass im weitaus grössten Bereiche der Hornhaut die Bowm ansehe Membran frei zutage liegt. Die Grenze dieser epithelbedeckten Zone liegt zwischen 1,3 mm und 2,2 mm vom Hornhaut- rande entfernt. Nur in einigen wenigen Präparaten kann man als Über- bleibsel der ursprünglichen Decke auch isoliert auf der intakten sogenannten Membrana elastica anterior kurze Streifen zusammengebackener und in Degeneration begriffener Epithelien liegen sehen.

2. Die Bowmansche Membran ist in ganzer Ausdehnung der Cornea erhalten. Zwar erscheint sie in den Randpartien stellenweise undeut- lich, ja manchmal eine Strecke weit ganz zu fehlen. Doch wird diese Er- scheinung meist nur vorgetäuscht durch das reichlichere Vorhandensein von Zellen, besonders Wanderzellen an derartigen Stellen, die durch die Mem- bran hindurch nach aussen streben und dieselbe verdecken. Nur an einer Stelle, nahe dem oberen Hornhautrande (linker Bulbus) fand ich unter dem hier vorhandenen Epithel eine wirkliche Dehiscenz der Membran, deren eines Endstück deutlich nach aussen i. e. vorne etwas umgerollt war, während die Lücke von grossen, blassen, spindligen Kernen fixen Hornhautkör- perchen und Wanderzellen ausgefüllt war. Es ist also besondere her- vorzuheben, dass abgesehen von dem Fehlen des Oberflächenepithels ein Defekt von Hornhautgrundsubstanz nicht vorliegt.

Die Dicke der Bowm ansehen Membran beträgt im Mittel 12 pf in den Randpartien vielfach noch etwas mehr. Ihre vordere Begrenzung ist ziemlich glatt; die hintere erscheint zumal in den seitlichen Partien von hinten her wie angenagt. Sie endet leicht zugespitzt etwa in der Höhe der Auffaserung der Membrana Descemetii oder nur wenig zentralwärts davon. Ihr Ende begegnet sich mit dem keilförmig zugespitzten schmalen Ende des zell- und kapillarreichen conjunctivalen und episkleralen Gewebes, das den Hornhautsaum bildet. Dasselbe schneidet scharf ab, ohne dass eine Fortsetzung davon als eine Art pannösen Gewebes sich unter der Bow- m ansehen Membran her weiter in die Hornhaut hinein vorschöbe. Nur in den Horizontalschnitten aus der Nähe des oberen Hornhautrandes werden anch noch im Bereiche der sogenannten Lamina elastica anterior dicht unterhalb dieser spärliche feine, dünnwandige Kapillaren mit Zellen vom Charakter des jungen Bindegewebes sichtbar. Hier ist also der Limbus mit

Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 211

seinen oberflächlichen Gefässen leicht verbreitert. Ein Eindringen tiefer Ge- tane in das Hornhantparenchym wird auch in den Randpartien nirgends beobachtet: die Hornhaut ist absolut frei von neugebildeten Gefässen.

3. Cornea propria: Hier konzentriert sich das Interesse in erster Linie auf jene Gewebsabschnitte und ihre Veränderungen, die der klinisch diagnostizierten eigenartigen Ringtrübung zugrunde liegen. Durch eine diesen Partien eigene, abnorm starke Ansammlung von Zellen hat die Horn- haut im Bereiche der Ringtrübung eine leichte, aber deutliche Dickenzunahme erfahren. Während die Dicke der Membran in den zentralen Teilen sich auf etwa 0,42 mm bemisst, und im Bereiche des zentralen Randes der Ringtrübung zwischen 0,46 und 0,51 mm beträgt, ergibt sich für die Höhe der Ringtrübung ein rasches Ansteigen der Hornhautdicke auf 0,59 mm. In den Randteilen der Membran beträgt sie ebensoviel oder ein geringes weniger.

Bevor wir uns des nähern mit den histologischen Veränderungen der Ringtrübung befassen, empfiehlt es sich, eine kurze Betrachtung der übrigen Hornhaut vorauszuschicken. Die Rand teile derselben peripher von der Ringtrübung erscheinen in ihrer ganzen Dicke so gut wie unverändert. Die Lamellierung der Grundsubstanz ist eine durchaus reguläre, und die einzelnen Lamellen zeigen keine Spur von Unregelmässigkeit, Aufquellung oder Zerfall. Zwar ist der Kerngehalt der Hornhaut gegenüber dem eines kindlichen Auges deutlich etwas vermehrt. Es ist dies jedoch lediglich auf Rechnung des embryonalen Zustandes der Membran zu setzen, und keine pathologische Erscheinung, was schon aus der regelmässigen Anordnung der einzelnen fixen Hornhautkörperchen und aus ihrem gleichmäßigen Abstand vonein- ander hervorgeht. Die Zahl der eingestreuten Wanderzellen muss eine sehr spärliche genannt werden. Es fehlt jede Ansammlung derselben zu strassen- artigen Reihen. Ein Einsprossen von Gefässen wird, wie bereits betont, vollständig vermisst.

An der übrigen Hornhaut, soweit dieselbe von der Ringtrübung ein- geschlossen wird, lassen sich drei Zonen unterscheiden, die im grossen und ganzen dem vorderen, mittleren und hinteren Drittel der Membran entsprechen. Das vordere Drittel scheint auf den ersten Blick nicht eben auffällig verändert zu sein. Ein genaueres Durchmustern und vor allem ein fortgesetzter Vergleich mit den übrigen Abschnitten der Hornhaut ergibt indes diesen gegenüber Abweichungen, die sowohl die Lamellen wie die Zellen betreffen. An den ersteren ist eine zwar leichte, aber doch nicht zu verkennende Aufquellung wahrzunehmen, die zu einer ge- ringen Verbreiterung derselben und zu einer mangelhafteren Affinität zu den Protoplasmafarbstoffen geführt hat. Letzteres ist natürlich cum grano Balis zu verstehen. Durch intensive Einwirkung von Farbstoffen lässt sich nämlich auch dieser Gewebsabschnitt ziemlich stark färben, wie umgekehrt bei starker Entfärbung auch die sonst normal färbbaren hinteren Schichten völlig dekoloriert werden. Indes ist doch nicht zu verkennen, dass bei der gewöhnlichen Behandlung der Schnitte gerade in den vorderen Schichten die Färbung schwächer haftet, als beispielsweise in dem hinteren Drittel der Hornhaut. Ebenso müssen die Lamellen des vorderen Hörn-

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hantdrittels etwa im allgemeinen als leicht verbreitert bezeichnet werden, besonders bei Vergleich mit denen des hinteren Drittels. Ich sage aus- drücklich „im allgemeinen", da ich nicht an jedem einzelnen meiner zahl- reichen Präparate die Erscheinung stets mit der gleichen Deutlichkeit nach- weisen kann. Ich habe indes an einer Reihe von durch die Mitte des Pupillargebietes gehenden Schnitten eine grössere Anzahl von Messungen der Lamellenbreite vorgenommen, wozu ich besonders für die Messung der hinteren, dichter gefügten Lamellen auch solche Schnitte verwandte, in denen jene bei Fertigstellung des Präparates ein wenig auseinander gezerrt worden waren, während die Messung der leicht gequollenen Lamellen des vorderen Drittels durch eine vielfach zwischen denselben vorhandene feine Lücken- und Vakuolenbildung erleichtert war, die eine gewisse Isolierung der einzelnen Lamellen bewirkt hatte. Für die letzteren fand ich so im Bereiche des vorderen Hornhautdrittels eine durchschnittliche Breite von 24,3 fi} während sie im hinteren Drittel auf 18,9 bis 21,6 (i ermittelt wurde.

Was die Zellen des vorderen Hornhautdrittels anlangt, so rinden sich hier verhältnismässig nur sehr spärliohe Wanderzellen, die vor allem durch ihren kleinen, intensiv dunkel tingierten und vielgestaltigen Kern ge- kennzeichnet sind. Das Gros der Kerne wird vielmehr von den grossen blassen und langgestreckten fixen Hornhautkörperchen gebildet. Dieselben erscheinen gegenüber der Norm nur wenig vermehrt. Doch ist ihre Ver- teilung und Anordnung keine so regelmässige, wie beispielsweise in dem hinteren Hornhautdrittel. Besonders direkt unter der Bowm ansehen Membran sind sie etwas zahlreicher und stellenweise dichter zusammengerückt, viel- fach auch unregelmässig gestellt. Von einer erheblichen Vermehrung kann indes keine Rede sein. Die leichte Verquellung der oberflächlichen Lamellen mag es mit sich bringen, dass die Kerne der fixen Zellen sich nicht sowohl im Querschnitt präsentieren, wie es meist in den hinteren Schichten der Fall ist, sondern dass man mehr flächenhafte Bilder antrifft. Die meisten erscheinen auch in technisch ganz einwandfreien Präparaten, in denen die Lamellenanordnung nicht gestört ist, als ziemlich umfangreiche, bald kürzer, bald länger ovale oder spindlige oder keulenförmige Elemente von schwacher, aber deutlicher Färbung. Vereinzelt stösst man auch auf unförmlich ge- blähte Exemplare. Im grossen und ganzen sind aber die Veränderungen dieses Abschnittes, wie ich nochmals betone, als recht geringfügig zu be- zeichnen. Sie treten in einigen Schnitten mehr hervor als in andern und werden vor allem durch steten Vergleich mit den Verhältnissen in den hinteren Hornhautschichten als Abweichungen von der Norm erkannt

Der Übergang dieses vorderen in das mittlere Drittel der Horn- haut und diese letztere Zone der Membran selbst ist gekennzeichnet durch das Auftreten einer erheblich grösseren Anzahl von Leukocyten. Nicht dicht gedrängt, aber doch überall zerstreut liegen in diesem Gewebs- abschnitt neben den auch hier gleichfalls grossen blassen, keulen- oder hanteiförmigen Kernen der fixen Zellen kleine rundliche oder ovale, oder auch ganz unregelmässig geformte Elemente, die, abgesehen von den Grösaen- unterschieden, vor allem durch ihre intensiv dunkle Färbung sich von jenen ersteren allenthalben leicht und scharf unterscheiden. Eine Anzahl derselben entsprechen durchaus den Kernen polynucleärer Leukocyten, während andere

Beiträge zur Hlstopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 213

wiederum mehr den rnndkernigen Lymphocyten ähneln. Sie liegen einzeln, oder häufiger zu mehreren in den sogenannten Saftlücken den Hörn- hautkörperchen an, die selbst, wie man an geeigneten Stellen sehen kann, bisweilen abnorm gross und aufgebläht erscheinen. Auch die Anzahl der letzteren ist stellenweise entschieden vermehrt. In dieser Zone ist zwei- fellos das anatomische Substrat für die von der Ringtrübung eingeschlossene zartere diffuse Trübung der zentralen Horn- hautpartie zu erblicken, nnd es dürften die zahlreichen Stellen, die neben dem Hornhautkörperohen noch mehrere Lenkocyten- kerne aufweisen, jenen zarten, weissliohgrauen Trübungspunkten entsprechen-, in die sich unter dem Zeissschen binokularen Horn- hautmikroskop die anscheinend diffuse hauchartige Trübung der Cornea auflösen liess.

Welter in die Tiefe zu nehmen nun die genannten, das mittlere Drittel der Cornea charakterisierenden Veränderungen rasch ab, so dass das hintere Drittel des Parenchyms als geradezu unverändert bezeichnet werden muss. Der lameUäre Aufbau des Stromas ist ein ganz regelmässiger; die Lamellen behalten hier gut den Farbstoff; die fixen Hornhautzellen sind in gleich- massigem Abstand angeordnet Wanderzellen kommen nur in verschwinden- der Anzahl vor. Eine Ausnahme machen nur die allertiefsten Schichten dicht vor der Membrana Descemetii. Hier finden sich im Bereiche etwa der vier bis fünf hintersten Lamellen zahlreiche Lenkocytenkerne, die bei dem straffen, dichten Gefttge dieses Hornhautabschnittes mehrere weit- ausgedehnte, diskontinuierliche Zeilstrassen darstellen. Natih der Hornhaut- peripherie zu nehmen sie an Zahl ab; in der äussersten Peripherie jenseits der Ringtrübung fehlen sie vollständig.

Die Membrana Descemetii ist in der ganzen Schnittserie erhalten und völlig intakt Ebenso ist das Endothel als lückenloser Zellbelag vor- handen.

Die der Ringtrübung entsprechende dichte Anhäufung von Zellen gehört den vorderen Parenchymschichten der Hornhaut an und beschränkt sich auf das vordere äussere Drittel, sowie in abnehmender Inten- sität auf den angrenzenden Abschnitt des mittleren Drittels des Hornhaut- querschnittes. Hier findet man demnach an Horizontalschnitten durch das Pupillargebiet zwei symmetrisch gelegene, flächenhaft ausgebreitete, umschriebene Zellherde, die ich im folgenden kurzweg als „Ringin- filtrat1' bezeichnen will: je einen nahe dem temporalen und dem nasalen Hornhautrande. Der Abstand ihres peripheren Randes vom Hornhantsaume gemessen vom Endpunkt der Bowm ansehen Membran beträgt für das linke Auge ungefähr 0,85 mm, für das rechte eine Spur mehr. Die Breite des Zellherdes beläuft sich auf 1,6 bis 2,0 mm. Da auch im mikrosko- pischen Bilde das mediale Ende des Infiltrates nicht so scharf markiert ist als das laterale, sondern sich alimählich in jene stärker infiltrierte mittlere Zone des Hornhautquerschnittes, wie sie oben beschrieben ist, hinein ver- liert, so ist die Festsetzung der medialen Grenze in etwa dem willkürlichen Belieben überlassen. Jedoch läset sich soviel feststellen, dass die horizon- tale Ausdehnung des nasalen und temporalen Anteiles der Ringtrübung an Schnitten, die durch die Mitte des Pupillargebietes gehen, nicht über 2 mm

214 W. Reis

beträgt, was sich auch mit den klinisch gewonnenen Massen vollständig deckt

In topographischer Hinsicht erscheint weiter die Feststellung beachtens- wert, dass die Lage der Ringinfiltrate korrespondiert mit der Grenze des Epitheldefektes und zwar gehört in der Regel der zentrale, dem Hornhautscheitel zugewandte Abschnitt des temporalen, sowohl wie des nasalen Zellaggregates dem epithelentblössten Hornhautareal an, während über dem peripheren Abschnitt sich noch die Ausläufer des Epithelsaumes in seiner oben geschilderten Form einer einfachen ganz platten Zelldecke ausbreiten. Das Ringinfiltrat ist ferner ein exquisit „parenchymatöses", d. h. es liegt in der Substantia propria entfernt von der Oberfläche, von der darüber befindlichen Bow manschen Membran durch einige relativ un- verändert erscheinende Lamellen getrennt. Dieselben sehen vielfach wie die oberflächlichen Lamellen ausserhalb des Ringbereiches etwas gequollen aus, erscheinen aber nicht selten auch unter dem Drucke der dahinter befind- lichen Zellmassen leicht verdichtet, während die Menge der dicht unter der Bowm an sehen Membran befindlichen Leukocyten hier im allgemeinen etwas reichlicher ist, als sie ausserhalb des Ringbereiches gefunden wird. Das peri- phere Ende erscheint im Hornhautquerschnitt annähernd keilförmig zugespitzt.

Der histologische Aufbau des Ringinfiltrates ist nicht im ganzen Bereiche desselben ein völlig gleichmässiger. Vielmehr finden sich die wei- testgehenden Veränderungen in den zentralen bzw. vorderen Partien des Zellherdes, während dieselben in seinen hinteren Schichten an Intensität ab- nehmen, und sich so allmählich ohne scharfe Grenze nach den tieferen und weniger veränderten Hornhautabschnitten hin verlieren. Im einzelnen lassen die Veränderungen sich zusammenfassen, wie folgt:

In dem Lückensystem der Hornhautkörperclien finden sich neben dem Hornhautkörperchen, dessen Färbbarkeit eine auffällig schwache ist, ein, zwei oder auch drei Kerne von erheblich dunklerer Tinktion und geringerer Grösse, die rundlich, oder oval, oder gelappt und scharf begrenzt, sich als Kerne von Leukocyten zu erkennen geben. Neben solchen Stellen, die gerade in den periphersten Randteilen des Ringinfiltrates vorkommen, finden sich aber viel häufiger andere, an denen der Unterschied in Grösse und Färbbarkeit der Kerne wesentlich geringer ausgeprägt ist. Man trifft dann eine Anzahl Kerne reihenweise beisammen liegend die Lamellen auseinander drängen, und so eine zellige Anfüllung erweiterter sogenannter Saftlücken darstellen, in der die einzelnen Zellindividuen in Grösse und Earbung, teil- weise auch in der Form sich auffällig gleichen, so dass eine sichere Unter- scheidung in Kerne fixer und Wanderzellen sehr erschwert, ja ganz unmög- lich wird. Eine solche Ansammlung von Zellen innerhalb der ausgeweiteten Saftlücken findet man in allen möglichen Graden und Abstufungen der Ausdehnung. Ausser kürzeren, mehr weniger parallel verlaufenden, oder unter ganz spitzem Winkel sich kreuzenden, von Kernen ausgefüllten Saft- spalten trifft man auf längere Reihen von nebeneinander angeordneten Zellen, die sich schliesslich gar nicht selten zu langen Zellstrassen anordnen, an denen man in einer Ebene des Präparates, ohne weiteres Spielen an der Mikrometerschraube beispielsweise bis zu 24 getrennt nebeneinanderliegende wohlausgeprägte Kerne bzw. Zellen unterscheiden kann.

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 215

Zahlreiche dieser einzelnen in den erweiterten Saftspalten liegenden Kerne sind hinwiederum ausgezeichnet durch eine ausgesprochene Polymor- phie, eine ausserordentliche Unregelmässigkeit der Form; neben rundlichen und ovalen Kernen Überwiegen die zackig und oft ganz bizarr gestalteten Formen, die auf den Querschnitten durch die Hornhaut meist und zwar offenbar infolge der gegenseitigen Abplattung eine eckige, unregelmäasig polygonale Begrenzung aufweisen, und in der Regel ganz dunkel gefärbt erscheinen. Dabei kann man schon an den Einzelindividuen einen leidlich gut abgegrenzten anscheinenden Zelleib differenzieren, der den Protoplasma- farbstoff, z. B. Erythrosin ausgiebig angenommen hat Man ist zunächst geneigt, diese Gebilde alle für eingewanderte Zellen zu halten. Nimmt man nun Flachschnitte zu Hilfe, so findet man in der Tat auch ausgesprochene Protoplasmaleiber mit scharf begrenztem, gleichmässig dunklem, e-formigem, häufig auch fragmentiertem Kerne, dessen Teilstücke an die Kerne poly- nucleärer Leukocyten denken lassen. Solche Elemente, die mit Bestimmtheit sofort als Wanderzellen anzusprechen wären, sind indes in der Minderzahl Daneben trifft man ganz blasse bis tief dunkel gefärbte Kerne, die nach Grösse und Form den Kernen fixer Hornhautzellen noch am nächsten stehen, und zu denen nicht selten gleichfalls ein abgegrenzter, mit Erythrosin gleichmässig rosa gefärbter Protoplasmaleib zu gehören scheint.

Bei einem Teil derselben dürfte es sich auch in der Tat um proli- ferierte fixe Hornhautzellen handeln, während ein anderer Teil den eingewanderteA Elementen zuzurechnen sein dürfte. Von dem Gros der Zellen, wie sie in weiten Zügen die Saftspalten ausfüllen, lässt sich jedenfalls auch nicht mit annähernder Sicherheit sagen, ob sie der einen oder der andern Kategorie zugehören. Leider versagt auch die Heranziehung der feineren Kernstruktur zur Ent- scheidung dieser Frage, da es sich eben doch um, wenn auch relativ sehr frische, Leichenbulbi handelt, deren Fixierung in Formollösung gleichfalls für die Zwecke eines detaillierten Kernstudiums nicht geeignet war. Dazu kommt noch der zur Vorsicht und Reserve bei der Beurteilung mahnende Umstand, dass es sich bei den anscheinend protoplasmatischen Zellen zum Teil wenigstens nur um scheinbare Protoplasmaleiber handelt, die durch eigenartige Degenerationazostände an den Kernen (fixer Hornhautzellen!?) vorgetäuscht werden.

Man sieht nämlich an Kernen, die ihrer charakteristischen Form nach sehr wohl Hornhautkörperchen darstellen können, kleine Ausbuchtungen, randständige, vakuolenartige Defekte, die, bei erhaltener Gesamtkontur des Kernes mit Erythrosin, wie Protoplasma rot gefärbt erscheinen. Die Grenze dieser Ausbuchtungen gegenüber der Kernsubstanz ist nirgends eine ganz scharfe, die Struktur der Chromatmmasse ist eine eigentümlich homogene, wächserne, ihr Aussehen nach Färbung mit Hämatoxylin ein mattes, ver- waschenes. An andern Kernen erscheint die Ghromatinsubstanz auf Kosten der zunehmenden mit Erythrosin rotgefarbten Masse erheblich reduziert; die eigentliche Kernmasse ist randständig angeordnet und verliert sich all- mählich mehr und mehr unscharf werdend in die an Menge überwiegende, der Rotfarbung nach zu urteilen, protoplasmaartige Masse, während die Form dieses aus Kernsubstanz und Pseudoprotoplasma zusammengesetzten

216 W. Reis

Gebildes noch immer der Form eines Hornhautkörperchens, des Kernes einer fixen Hornhautzelle entspricht

An wieder andern, immer wieder ihrer Form nach einen Kern reprä- sentierenden Gebilden ist die an Masse zurücktretende erhalten gebliebene Kernsubstanz unregelmässig über das Kernareal verteilt, um ohne scharfe Grenze in den an Menge überwiegenden, mit Erythrosin rot gefärbten An- teil des Kerngebildes überzugehen. Endlich kommen umschriebene Gebilde vor, sowohl solche von der Grösse und Form eines Hornhautkörperchens» als auch unregelmässig rundliche Formen, die lediglich aus einem mit Erythro- sin rot gefärbten, krümligen Plasmaleib bestehen, während KernreBte darin entweder vollständig fehlen, oder doch nur eine schwache Andeutung von solchen in Form kleiner ganz mattbläulicher Partien innerhalb des plasma- tischen Gebildes sich vorfinden. Wenn man auch stets sich zu vergegen- wärtigen hat, dass solche kernlose Partien durch zufällige Abkappung des Protoplasmas im Schnitt bedingt sein können, dass. es sich also um eine durch die Schnittführung verursachte zufällige Abtrennung eines kernfreien Teilstückes einer ganzen Zelle handeln kann, so ist im vorliegenden Falle bei der Betrachtung der zahlreichen Übergangsformen eine solche Deutung für alle die angetroffenen Bilder völlig unzureichend, und es ist vielmehr ausser allem Zweifel, dass es sich bei den eben beschriebenen Bil- dern, abgesehen von den Erscheinungen einer reichlichen Zell- immigration, zum Teil wenigstens um exquisite Degenerations- erscheinungen an fixen Hornhautzellkernen, noch genauer ge- sagt, an den gewucherten Kernen fixer Hornhautzellen handeln muss, vielleicht um den Ausdruck einer unter ungünstigen Umständen ach abspielenden überstürzten Neubildung fixer Zellen, deren Einzelindividuen mangelhaft entwickelt und debil sind. Eigentliche Spiessfiguren kommen verhältnismässig sehr spärlich und vorzugsweise in den peripheren Partien des Ringinfiltrates vor. Die Hauptmasse des letzteren besteht aus den oben erwähnten, vielfach eigentümlich eckig geformten Zell- und Kern- gebilden.

Neben den langen Zeilstrassen von gut gefärbten grossen eckigen Zellen nnd Kernen im Ringinfiltrat kommen zahlreiche grössere und kleinere, an ihrer Form als ausgeweitete sogenannte Saftlücken erkennbare Partien vor, die von einer mehr gleichmässig aussehenden blassbläulich -rötlichen Masse ausgefüllt sind. Normale Kerne sind darin in der Regel nicht mehr wahr- zunehmen; in den meisten finden sich jedoch noch kleinere Fragmente von Kernsubstanz vor, und ebenso lassen sich in der homogenen detritus- artigen Masse nicht selten noch Andeutungen von Zellkonturen erkennen. Es handelt sich hierbei um sogenannte Saftspalten, die mit degene- rierten, abgestorbenen Zellen erfüllt sind, die zu einer homogenen Masse zusammengesintert sind. Solche Partien trifft man ganz regellos zer- streut unter den übrigen Veränderungen an; mit einer gewissen Vorliebe jedoch finden sie sich in den vorderen, der Hornhautoberfläche zugekehrten Abschnitten des Ringinfiltrates vor.

Die zellige Infiltration des Lückensystems der Hornhautkörperchen be- schränkt sich indes nicht bloss auf eine schmale reihenweise Ansammlung von Zellen in denselben, sondern sie steigert sich zu umfänglicheren herd-

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förmigen Zellhaufen, die nach ihrer Form im grossen und ganzen noch ihre Entstehung aus erweiterten zeilerfOllten Gewebespalten erkennen lassen. Solche Herde können fast vollständig ans gut erhaltenen Zellen zusammen- gesetzt sein. An anderen Stellen findet man jedoch auch hier neben leid- lich gut konservierten Zellelementen die Herde teilweise von einer detritus- artigen Hasse gebildet, deren Entstehung aus einem Zerfall entarteter Zellen sich vielfach nachweisen lässt Sodann aber sieht man mitunter solche Herde mit benachbarten ähnlichen in Verbindung treten, während die begrenzenden Hornhautlamellen hier undeutlich werden und an manchen Stellen vollständig geschwunden sind. Die degenerativen Vorgänge be- schränken sich demnach hier nicht mehr allein auf die Zellen, sondern greifen, wenn auch erst sekundär, auch auf das inter- stitielle Gewebe über und führen zu einem Zerfall der La- mellen und damit zu einer Konfluenz von Saftlücken zu grös- seren unregelmässigen Räumen. So entstehen denn schliesslich un- regelmässig rundliche, aber stets nur mikroskopisch kleine Herde, die man geradezu als umschriebene Gewebsnekrosen bezeichnen muss.

In ausgesprochener Herdform finden sie sich verhältnismässig nur sehr spärlich, und sie sind ausnahmslos in den vordersten Schichten des Ring- infiltrates gelegen, von der Bow manschen Membran durch jene wenigen, gut erhaltenen Lamellenlagen geschieden, wie sie bereits oben Erwähnung gefunden haben. Sie stellen sich dar als homogene, häufiger noch infolge der erhalten gebliebenen Lamellenreste streifige und faserige Herdchen von schwachbläulichem Ton, an denen hier und da noch ihre Entstehung durch Zusammenfliessen mehrerer mit degenerierten Zellen erfüllter Saftspalten angedeutet ist. Im Bereiche dieser Herdchen werden keine färbbaren Kerne mehr, sondern nur noch Teilstücke von solchen angetroffen. Viel häufiger noch als solche kleinste Nekroseherdchen sind, ab und zu mitten im Ring- infiltrate, mit Vorliebe aber auch wieder in seinen vordersten Schichten gelegen, ausgedehntere streifige Partien, in denen es noch nicht zum völligen Zerfall der Zellen, und vor allem nicht zu einem Schwinden der trennenden Lamellen gekommen ist, die aber durch wesentlich schlechtere, schwächere Färbbarkeit der Zellen dieser Bezirke ausgezeichnet sind, die auf eine ver- minderte Vitalität derselben schliessen lassen. Man hat die derart veränderten Bezirke wohl als Vorstufen zur Nekrose aufzufassen.

Im Zusammenhang hiermit mag noch auf einige speziellere Verän- derungen im Bereiche des Ringinfiltrates hingewiesen werden, die den sich hier abspielenden degenerativen Vorgängen zugehören. Oben habe ich bereitB angeführt, dass an zahlreichen Zellkernen ausgesprochene Zeichen der Karyolyse, eines Schwundes ihrer Chromatinsubstanz nachweisbar ist Im Zusammenhang mit diesem Vorgange steht offenbar die eigenartige Er- scheinung, dass die Lamellen im Bereiche des Ringinfiltrates und vor allem seiner vorderen Schichten, die hier vielfach einen etwas gewundenen, wel- ligen Verlauf zeigen, eine ausgesprochene Neigung besitzen, die Kernfarbstoffe, speziell das Hämatoxylin, anzunehmen und sich damit deutlich bläulich zu färben. Es muss demnach eine Art Imbibition der Lamellen mit der ausgelaugten Chromatinsubstanz der Kerne stattgefunden haben, und es mag das Auftreten dieser Erscheinung vorzugs-

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weise in den vordersten Schichten des Ringinfiltrates dadurch begünstigt gewesen sein, dass bereits vorher eine die Chromatmdurchtränkung erleich- ternde Aufquellung der Lamellen, auf die ich bereite eingangs hingewiesen habe, vorhanden gewesen ist.

Neben dem fortgeschrittenen Schwunde der Chromatinsubstanz zahl- reicher Zellkerne tritt aber als Ausdruck der an ihnen sich abspielenden Degenerationsprozesse noch eine weitere sehr auffällige morphologische Veränderung des Zellkernes in Erscheinung: es ist dies ein ausser- ordentlich starker und ausgedehnter Kernzerfall in kleine und kleinste, rundliche und eckige Kerntrümmer und -fragmente, die, teils als umschriebene Häufchen beisammen liegend, das Gebiet ihres ursprüng- lichen Kernes markieren, teils regellos zerstreut im ganzen Bereich des Ringinfiltrates auf und neben den erhaltenen Kernen und Lamellen liegend angetroffen werden. Selbstverständlich handelt es sich hierbei nicht etwa um artifizielle Veränderungen, etwa um Niederschläge aus der zur Behandlung der Schnitte benutzten Farblösung, sondern diese ganz ausschliesslich auf das erkrankte Hornhautareal beschränkte Erscheinung, die auf einer Kernzertrümmerung beruht, stellt einen exquisit pathologischen und sehr charakteristischen Entartungsvorgang der Zellkerne dar, der als Pyknose der Kerne bezeichnet wird.

Endlich ist noch eine zumal im Bereiche des Ringinfiltrates sehr aus- geprägte Anomalie anzuführen, die mir ebenfalls mit den in dem genannten Bezirke sich abspielenden degenerativen Prozessen in Beziehung zu stehen scheint, nämlich das Vorkommen eigenartiger feiner Hohlräume im Gebiete der cellulären Anschoppung. Dabei sehe ich ab von der bekannten, auch hier vorhandenen Spaltbildung zwischen den Hornhautlamellen, die besonders bei einer vorhanden gewesenen Aufquellung der Hornhautgrundsubstanz im mikroskopischen Präparate als Härtungseffekt hervortritt, und die, worauf besonders Leber hingewiesen, vielfach unzutreffend als Hornhautödem " bezeichnet zu werden pflegt Ich meine vielmehr eigenartige, mikroskopisch kleine und kleinste Hohlräume von tropfigem Aussehen, die nicht selten träubchenartig zu mehreren beisammen liegend gefunden werden, und be- sonders in nächster Nachbarschaft von Herden entarteter Zellen anzutreffen sind (Paraffinflachschnitte). Dass es sich hierbei nicht um Kunstprodukte, artifizielle Lücken oder dergleichen handeln kann, geht schon daraus hervor, dass, abgesehen von ihrer regelmässig wiederkehrenden rundlichen Form, darin bisweilen noch Reste protoplasmatischer Substanz sich vorfinden. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass hier im Verfolg von re- gressiven Veränderungen im Hornhautgewebe eine Umwandlung des Proto- plasmas in vielleicht ätherlösliche Substanzen stattgefunden hat, die durch die Behandlung des Präparates ausgezogen worden sind.

Die geschilderten Veränderungen in der Hornhaut finden sich, wie ich bereits oben betont habe, auf beiden Augen in übereinstimmender Weise vor, und eine Abweichung von dem beschriebenen Bilde wird rechterseits nur insofern angetroffen, als hier noch innerhalb der Ring- trübung, anschliessend an ihre innere Grenze, einzelne mit dieser in Zu- sammenhang stehende umschriebene Trübungsherde vorhanden waren, die in ihrem klinischen Aussehen durchaus dem der eigentlichen Ringtrübung

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selbst entsprachen. Dasselbe ergibt auch der histologische Befand, indem ich beispielsweise als Ausdruck des nasal oben im Ringbereiche vorhandenen Trübungsherdes in den mir vorliegenden Horizontalschnitten einen zentral- wärts von dem eigentlichen nasalen Ringinfiltrat liegenden getrennten , mit ihm aber kontinuierlich durch eine Stelle schwächerer Infiltration verbun- denen dichteren Infiltrationsherd antraf, der in seinem histologischen Aufbau mit dem eigentlichen Ringinfiltrat völlig Übereinstimmte.

Die Iris stellt ein lockeres Gewebe dar, dessen Kernreichtum, ihrem embryonalen Charakter entsprechend, auch den der Iris des Neugeborenen noch etwas übersteigt. Es überwiegen die ovalen, ziemlich blass gefärbten, aber deutlich granuliert aussehenden Kerne des Bindegewebes, dessen Zellen meist noch einen grossen Protoplasmaleib aufweisen, an dem sich bereits deutliche sternförmige Verästelungen bemerkbar machen. Chromatophoren sind noch nicht vorhanden, wie überhaupt im ganzen Irisstroma, abgesehen von vielfach zerstreuten feinen Pigmentkörnchen innerhalb des deutlich aus- gebildeten M. sphincter, jegliches Pigment fehlt Neben den Bindegewebs- zellen finden sich grössere rundliche oder bisweilen leicht polygonale Zell- leiber mit rundlichem oder polymorph gestaltetem, aber sehr dunkel fingiertem Kerne, ferner kleinere rundliche Protoplasmaleiber mit dunklem Kerne, ähnlich dem der polynucleären Leukocyten.

Zahlreicher sind Zellen mit rundlichem, meist randständig angeordnetem Kern, dessen chromatophile Substanz in Form kleiner Körnchen in der Kernperipherie ringförmig verteilt erscheint, und die bisweilen noch feinste Kernfäden nach der Mitte des Kernes hin aussenden. Hierdurch erhält der Kern eine frappierende Ähnlichkeit mit den sogenannten Radkernen der Plasmazellen. Sie liegen zerstreut zwischen den Bindegewebszellen; eine besonders enge Beziehung zu Blutgefässen lässt sich nicht feststellen. Es muss daher unentschieden bleiben, ob sie hämatogener Herkunft sind. Dagegen dürften die vorgenannten grösseren und kleineren Zellformen mit dunklem Kerne wohl den Leukocyten zuzurechnen sein, zumal ganz ähnliche Elemente innerhalb von Gefässluraina inmitten der sie erfüllenden Erythrocyten anzutreffen sind. Die Gefässe sind ziemlich zahlreich, prall mit Blut gefüllt, meist vom Charakter der Kapillaren mit zarter endo- thelialer Wandung.

Die beiden Epithellagen der Irishinterfläche sind ausserordentlich stark pigmentiert, so dass die Kerne fast vollständig vom Pigment verdeckt bleiben. Nur in der hinteren, oberflächlichen Schicht, wo die Pigmentierung etwas lichter ist als in der vorderen, tritt hier und da ein grosser rundlicher oder ovaler Kern zutage. Sehr anschaulich gibt sich das Vorhandensein einer zwiefachen Schicht von Zellen dadurch zu erkennen, dass das Pigment der hinteren Zelllage sich vorzugsweise in dem distalen Abschnitt der Zellen angesammelt hat, so dass zwischen beiden Pigmentschichten eine pigmentfreie Zone sich hinzieht, die vordere und hintere Epithellage trennt Die Ver- teilung der Kerne innerhalb des Irisstromas ist eine sehr gleichmässige; auch die vordere Grenzschicht, die ich im normalen Auge des Neugeborenen deutlich ausgeprägt fand, ist nur schwach markiert Es fehlt im Iris- stroma jegliche herdförmige Ansammlung von Zellen.

Die Pupillarmembran ist prächtig ausgebildet vorhanden, und zwar

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sieht man in vielen Präparaten sehr hübsch in der Nähe des Papillarrandes in der Gegend des kleinen Iriskreises ein blathaltiges Oefäss ans der Ober- fläche der Iris heraustreten und in die Pupillarmembran übergehen. Letztere stellt im Querschnitt einen sehr zarten, homogenen, oder auch fein fibrfl- lären Gewebsstreifen von Bandform dar, der in seinem mittleren Abschnitt der Linsenkapsel dicht aufliegt, und in den eine ganze Anzahl bluthaltiger Gefässquerschnitte (Kapillaren) eingelagert sind.

In der vorderen Kammer, die eine erkleckliche Tiefe besitzt, ge- nauer gesagt, an den ihr zugekehrten Wandungen ihrer Grenzmembranen finden sich nun Veränderungen, die für eine im vorderen Uvealtractus sich abspielende exsudative Entzündung charakteristisch sind, an welch letzterer sich sowohl Corpus ciliare und Iris, wie die wohl- erhaltene Pupillarmembran beteiligen. In der Vorderkammer selbst liegt frei eine grosse Flocke einer geronnenen eiweissartigen Masse. Ähnliche mikro- skopisch kleine Eiweissflöckchen finden sich allenthalben der Vorderfläche der Iris und der Pupillarmembran aufgelagert, letzterer auch in geringem Masse an der Hinterwand anliegend.

Neben diesen ungeformten Entzündungsprodukten trifft man aber auch diffus zerstreut zellige Elemente auf den genannten Membranen liegen. Einmal sind es grosse protoplasmatische, rundliche oder zum Teil polygonal begrenzte Elemente mit grossem rundlichem oder ovalem Kerne von massig starker Tinktion, die grosse Ähnlichkeit mit Endothelien besitzen. Zum Teil mag es sich auch um desquamierte Endothelien handeln. Ein anderer Teil stellt jedoch höchst wahrscheinlich grosse Lymphocyten dar, und ist auf eine Auswanderung von Zellen aus den Blutgefässen zu be- ziehen, zumal auch ganz ähnliche Elemente innerhalb des Irisstromas in der Umgebung der Blutgefässe angetroffen werden. Endlich finden sich kleinere protoplasmatische Gebilde mit intensiv dunkel gefärbtem Kerne vor, der durchaus dem der polynucleäreu Leukocyten gleicht, und die daher zweifellos emigrierte Leukocyten darstellen. Ein bevorzugter Sitz dieser Zellaus- wanderung ist die Umgebung der Blutgefassquerschnitte der Pupillarmem- bran. Ferner werden solche Wanderzellen, zu kleinen Häufchen angeord- net, vielfach in der Kammerbucht liegend angetroffen, und sie lassen sich auch zwischen den Lamellen des noch erhaltenen Ligamentum pectinatum nachweisen.

Ebenso trifft man diese zellige Exsudat ion zerstreut auf der Horn- hauthinterwand an. Hier überwiegen die grösseren endothelartigen Elemente, die, einzeln oder zu kleinen Verbänden angeordnet als sogenannte „Be- schläge" dem intakten Endothel der M. Descemetii aufliegen. Dazwischen liegen hier und da vereinzelte Leukocyten von polynudeärem Charakter. In dem hinteren Kammerraum treten diese Veränderungen vollständig zurück. Nur selten findet man eine einzelne Zelle an der Irishinterwand oder zwischen den Ciliarfortsätzen liegen.

Was die anatomischen Verhältnisse der Kammerbucht anlangt, auf die durch die wertvollen und ausserordentlich klärenden Untersuchungen von See fei der und Wolfrum (5) jüngst von neuem das allgemeine Inter- esse gelenkt worden ist, so lässt sich auch hier eine scharfe Trennung zwischen dem sklero-cornealen Trabekelsystem und dem noch gut er-

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 221

haltenen Ligamentum pectinatum durchfuhren. Die Balken des enteren erscheinen dicht aneinander gelagert and begrenzen die nach aussen von ihnen gelegenen meist zwei leeren Lumina des Circulus venosus Schlemmii. Die hintere Hälfte des sklero-cornealen Trabekelsystems wird innen vom Kammerraum geschieden durch das gut erhaltene grossmaschige lockere Netzwerk des Ligamentum pectinatum, das in das Bindegewebe an der Basis der Ciüarfortsätze übergeht Der Skleralsporn , an den sich die sklero-cornealen Trabekel zum grössten Teil ansetzen, ist deutlich nachweis- bar. Derselbe liegt ebenso wie das vordere Ende der Meridionalfasern des Ciliarmuskels noch weit vom freien Kammerraum entfernt.

Der Musculus ciliaris besteht fast nur aus Meridionalfasern; vorne innen an der bindegewebigen Basis der Processus ciliares sind spärliche, nicht gruppenweise scharf zusammengefaßte Kerne zu sehen, die man als Kernquerschnitte dnrch Ringmuskehasern deuten kann, die gut ausgebildeten Ciüarfortsätze enthalten prall mit Blut gefüllte Gefasse. Zerstreut im Ciliar- muskel stösst man auf umschriebene Zellansammlungen, deren Einzel- komponenten dunkel gefärbte, kleine, runde Kerne darstellen, zwischen denen spärlichere gelapptkernige Elemente eingestreut sind. Kleine derartige Herde werden hart an der Grenze zwischen Ciliarmuskel und Sklera angetroffen. Ein umfangreicheres zelliges Extravasat dieser Art ist mitten in der Läng8mnsknlatur gelegen durch zahlreiche Schnitte hindurch zu verfolgen. Es liegt in der Nachbarschaft einer grösseren Vene und hat, dem Verlaufe der Muskelfasern folgend, zwischen die es eingespannt ist, eine gestreckte, längliche Form.

DieChorioidea, die von zahlreichen prall gefüllten Blutgefässen durch- setzt wird, weist einen ausserordentlich grossen Kernreichtum auf, einen noch grösseren, als das normale Auge des Neugeborenen besitzt. Die Kerne sind in überwiegender Menge langgestreckte, blasse, zum Teil gekörnte Elemente vom Charakter der Bindegewebskerne. Dazwischen finden sich, teilweise gar ziemlich reichlich, Leukocytenkerne eingestreut Besonders inner- halb der Gefässlumina sind zwischen den roten Blutkörperchen zahlreiche weisse Blutzellen sichtbar. Die pralle AnfüUung der zahlreichen Gefässe mit Blut bringt es mit sich, dass die Kerne des Stromas dichter zusammen- gedrängt erscheinen, was besonders in den äusseren Lagen der Aderhaut der Fall ist, und wozu auch die schrumpfende Wirkung der zur Konser- vierung gerade der Chorioidea ungeeigneten Formalinfixierung beiträgt. So wird vielfach eine herdförmige Ansammlung der Zellen vorgetäuscht Tat- sächlich aber lässt die Aderhaut echte zellige Infiltrate durch- aus vermissen.

Ein Suprachorioidealraum existiert nicht Vielmehr geht das Ader- hautgewebe unvermittelt in die mit ihm dicht verbundenen inneren Skleral- lagen über, die sich dnrch ihren erheblich spärlicheren Gehalt an Kernen von jenem unterscheiden. Die Grenze zwischen Sklera und Aderhaut wird aber ferner dadurch deutlich markiert, als hier die Stromazellen der letzteren schon in ziemlich erheblicher Ausdehnung Pigment erzeugt und sich so zu deutlichen Chromatophoren umgebildet haben, während die übrige Chorioidea noch vollständig pigmentfrei erscheint.

Die Linse ist fertig ausgebildet, infolge der Formolfixierung deutlich

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geschrumpft, und daher die Kapsel leicht gefaltet, das Kapselepithel zeigt keine Besonderheiten. Die peripheren Schichten der Linsenfasern sind zer- fallen und von zahlreichen Vakuolen durchsetzt Anderweitige Abweichungen fehlen.

Die Zonulafasern stellen äusserst feine haarförmige Stränge dar, die sich pinselförmig ausstrahlend vielfach bis an und zwischen die unpigmen- tierten Cylinderzellen der Pars ciliaris retinae verfolgen lassen, deren Zellen besonders auf der Höhe der Ciliarfortsätze bisweilen merklich ausgezogen sind und in die Zonulafasern überzugehen scheinen. Vereinzelt trifft man in der Nähe ihres Ursprungs längliche blasse Kerne in den Faserverlauf eingeschaltet

Die fibrilläre Stützsubstanz des Glaskörpers stellt einen dichten und sehr feinen Filz dar, dessen einzelne Fäserchen in kurzen Abständen zahl- reiche feinkörnige Verdickungen erkennen lassen. In den mehr homogen aussehenden Randpartien erblickt man spindlige bzw. sternförmige und runde Zellen mit teils sehr hellem, teils tief dunkel gefärbtem Kerne (fixe Zellen und Wanderzellen).

Die Entwicklung der Netzhaut ist weit vorgeschritten, so dass die Membran sich kaum von der des Neugeborenenauges unterscheidet Alle Schichten sind in ihrer charakteristischen Form gut ausgebildet bis auf die Stäbchen- und Zapfenschicht, von der sich nur stellenweise deutliche Glie- der nachweisen lassen. Meist findet sich zwischen Iimitans externa und Pigmentepithel in weiter Ausdehnung eine schmale Zone einer feinkörnigen detritusartigen Masse, in die man kurze Zapfen hineinragen sieht. Es mag dahingestellt bleiben, ob es sich um noch unvollständige Anlage der Stäb- chen- und Zapfenschicht oder was wahrscheinlicher um kadaveröse Veränderungen handelt Letztere spielen offenbar in der Gegend der Macula lutea eine Rolle, indem hier starke unregelmässige Faltenbildung der Netz- haut angetroffen wird. Doch sei erwähnt, dass nach Kölliker(6) auch im embryonalen Auge Falten der Netzhaut vorkommen, die sich während des späteren Wachstums wieder ausgleichen. In der Maculagegend fehlen Zapfen noch vollständig; die zu einer einfachen Zellschicht reduzierten äusseren Körner liegen dem Pigmentepithel direkt auf, ein Befand der sich mit dem von E. v. Hippel (7) erhobenen Befunde bei einer Frucht aus dem An- fange des 7. Schwangerschaftsmonates vollständig deckt Das Pigmentepi- thel ist fertig entwickelt; die einzelnen Zellen sind dicht mit Pigment an- gefüllt

Die Papilla nervi optici zeigt deutlichst eine zentrale, flache, physio- logische Excavation. Excentrisch, und zwar nahe dem nasalen Papillenrande entspringt aus ihr die Arteria hyaloidea, die als 1,1mm langer Zapfen in den Glaskörper hinein vorspringt. Das Gefässlumen ist nahe seinem distalen Ende in den Schnitten schräg getroffen und erweist sich von Ery- throcyten mit einzelnen farblosen Blutzellen angefüllt, die Adventitia des Gefässes bilden zahlreiche, dicht gedrängt stehende lange schmale Kerne, deren äusserste Schicht in eine die Papillenoberfläche nach vorne abschlies- sende dünne zellige Membran übergeht, die der oberflächlichen Schicht des von Kuhnt (8) sog. „zentralen Bindegewebsmeniskus" entsprechen dürfte, und deren gliöse Natur von Jakoby(9) nachgewiesen worden ist

Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 223

Der Nervus opticus, der ein reich entwickeltes Septennetz aufweist, ist ausserordentlich reich an Bindegewebs- bzw. Gliakernen. Nirgend wer- den indes herdförmige Zellansammlungen vorgefunden. Die mesodermale Umhüllung des Sehnerven ist deutlich in ihre drei Komponenten differen- ziert. Doch erweist sich der Scheidenraum vielfach noch verstrichen. Die UnterBuchung der vorher chromierten Schnitte mittels der Weigert- Pal sehen Markscheidenfärbung ergab weder imjOptikus noch in den Nervenstämmchen und -astchen der hinteren Ciliarnerven eine Andeutung von Markscheiden- bildung. Wie Nussbaum(4) in seiner Entwicklungsgeschichte des mensch- lichen Auges anführt, ist nicht mit Sicherheit anzugeben, wann die Fasern des Nervus opticus beim Menschen markhaltig werden. Doch ist bei Elschnig(lO) zu lesen, dass die Nervenfasern des Sehnervenstammes, soll wohl heissen ihre Markscheiden, retrobulbär erst post partum sich entwickeln.

An den Schnitten durch den rechten Bulbus, dessen Hinterwand ein Teil des Orbitalinhaltes anhaftete, nimmt man temporal vom Optikus, von demselben 1,27 mm entfernt in einem Abstand von 2,29 mm von der hin- teren Bulbuswand, von der es durch Fettgewebe geschieden ist, ein mandel- förmiges Gebilde wahr, das, 0,59:0,85 mm gross, aus sich vielfach ver- schlingenden Nervenfasern besteht, zwischen die zahlreiche Zellen von eigenartigem Charakter eingestreut sind. Das ganze wird von einer dichten bindegewebigen Hülle umgeben. Die Zellen bestehen aus einem sehr grossen, blasigen, teils rundlichen, teils polygonal geformten Protoplasmaleib von feinkörniger Beschaffenheit, mit einem meist zentral gelegenen grossen chro- matinarmen Kern, der ein deutliches Kernkörperchen einschliesst Letzteres färbt sich bei Methylgrün - Pyroninbehandlung elektiv rot Umgeben wird die Zelle von einem Ring konzentrisch angeordneter Bindegewebskerne. Die eigenartigen grossen Zellen stellen Ganglienzellen von dem Typus dar, wie er in sympathischen Geflechten und in peripheren Ganglien an- getroffen wird, und das ganze Gebilde ist daher offenbar als Ganglion ciliare aufzufassen. Ganz vereinzelt finden sich derartige sympathische Ganglienzellen auch in den dicht hinter der Sklera gelegenen kleineren Nervenstämmchen vor. Betonen möchte ich noch, dass ich an den zahl- reichen Gefässdurchschnitten in dem hinter dem Bulbus gelegenen orbitalen Zellgewebe keinerlei krankhafte Gefässwandveränderung antraf.

In den der Bulbusoberfläche anhaftenden Muskelstümpfen erscheinen die Sarkolemmkerne diffus vermehrt. Die Kerne des intermuskulären Binde- gewebes weisen zerstreut eine leicht herdförmige Vermehrung auf, die vor- zugsweise in der Umgebung von kleinen Gefassen angetroffen wird.

Um es kurz zu rekapitulieren, so handelte es sich demnach mn einen intrauterin zur Entwicklung gelangten, auf beiden Augen qualitativ und graduell vollständig identischen Krankheitsprozess der Hornhaut, der unter dem auffälligen Bilde einer im Parenchym gelegenen ganz regelmässigen, ringförmigen Trübung von abscessähnlichem Aussehen auf- getreten war, histologisch gekennzeichnet durch eine Reihe von entzündlichen Vorgängen am Hornhautgewebe, und der

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von Entzündungserscheinungen im vorderen Abschnitte des Uvealtractus begleitet war. Eine anatomische Untersuchung eines derartigen Krankheitsbildes liegt in der ganzen bisherigen Li- teratur nicht vor, und ein etwas genaueres Eingehen auf einige Details des vorliegenden Falles dürfte auch um so eher angezeigt sein, als derselbe unzweifelhaft geeignet ist, unsere Kenntnisse über die im Intrauterinleben vorkommenden Hornhauterkrankungen und über den vermutlichen Weg ihrer Entstehung um ein beachtenswertes Moment zu erweitern.

Da histologische Untersuchungen zum Kapitel der parenchy- matösen Hornhauterkrankungen besonders dann ein brauchbares Er- gebnis und somit eine Förderung unserer Kenntnisse versprechen, wenn dieselben sich auf Fälle erstrecken, bei denen neben einer sorg- fältigen Aufnahme des klinischen Befundes auch die Krankheits- ursache einwandsfrei festgestellt worden ist, so musste auch im vor- liegenden Falle der genauen Eruierung des ursächlichen Momentes ein ganz besonderer Wert beigemessen werden. Da ist denn zu sagen, dass abgesehen von der positiven Anamnese, wonach die Mutter im Jahre zuvor Lues acquiriert hatte, auch der oben an- geführte makroskopische Obduktionsbefund der Frucht bereits den einwandsfreien Nachweis einer schweren visceralen Syphilis lieferte. Hiermit stimmte auch das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung der inneren Organe vollends überein:

In der Lunge fand ich neben einer zelligen Proliferation der interstitiellen Septen eine ausgeprägte Infiltration der Alveolen mit zellreichem Exsudat: Pneumonia alba, während an den Gefässen hochgradige Wandverdickung mit Beteiligung aller drei Schichten nachzuweisen war.

In der Leber herrschte neben Gefässwandveränderungen und Wucherung des interstitiellen Gewebes eine mehr diffuse kleinzellige Infiltration vor. Letztere fand sich auch in der Milz zugleich mit miliaren Syphilomen in der Umgebung von Gefässen. Am wenigsten verändert erschienen die Nieren. Höchstgradige Wanderkrankung zeigten die Gefässe der Nabelschnur, die an den beiden Arterien nahezu einen völligen Verschluss des Lumens herbeigeführt hatte.

Zudem gelang es mir mittels des Sil berim präg nations Verfahrens von Levaditi, in der Form wie es Gierke (11) empfohlen hat, in den inneren Organen den Nachweis der Schaudinnschen Spiro- chaete pallida zu führen, ein Nachweis, dem trotz der neuerlichen Einwände, die auf zoologischer Seite neben Schulze (12) u. A. be-

Beitrfige zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 225

sonders Saling (13) gegen die sogenannte „Silberspirochäte" erhoben hat, von allen massgebenden Forschern, Dermatologen, Bak- teriologen und pathologischen Anatomen, mehr und mehr eine ent- scheidende Bedeutung für die Diagnose der Syphilis zuerkannt wird. Am reichlichsten fand ich die Spirochäten entsprechend den Be- funden anderer Autoren in dem am wenigsten veränderten Organ, im vorliegenden Falle in den Nieren. Weniger zahlreich, aber doch unschwer aufzufinden waren sie in Leber und Lunge, ganz vereinzelt in Milz und in der verdickten Wandung der Nabelschnurgefässe. Eine schwere luetische Durchseuchung des kindlichen Or- ganismus ist somit in einer jeden Zweifel ausschliessenden Weise sichergestellt

Allerdings ist damit nun die Frage, ob auch die Hornhaut- erkrankung als eine spezifische, durch die Lues verursachte anzusehen ist, nicht von vornherein im positiven Sinne entschieden, da ja immer mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass auch einmal bei einem lue- tischen Individuum gleichzeitig eine Schädlichkeit, die mit der Syphi- lis nichts zu tun hat, wirksam sein kann und eine Erkrankung der Hornhaut hervorzurufen vermag. Immerhin wird man bei erwiesenem Bestehen der Lues, die ja selbst erfahrungsgemäss in der Ätiologie der Augenkrankheiten und speziell von solchen der Hornhaut eine so wichtige Bolle spielt, zur Erklärung einer gleichzeitig vorhandenen Hornhauterkrankung von der ätiologischen Bedeutung jener Allgemein- infektion erst dann zugunsten einer andern Noxe absehen, und dieser die ursächliche Bolle vindizieren dürfen, wenn für eine solche An- nahme greifbare und gewichtige Momente vorgebracht werden können. Derartige Anhaltspunkte, die dazu berechtigten, für den Hornhaut- prozess nicht die Syphilis, sondern anderweitige Krankheitserreger in Anspruch zu nehmen, fehlen nun im vorliegenden Falle ganz und gar.

Etwaige Erreger eitriger Entzündung, an die man ja immer in erster Linie zu denken hätte, wenn auch das Bild der vorliegenden Hornhauterkrankung von dem einer eitrigen Keratitis, wie jene sie verursachen, von Grund aus abweicht, können wohl gar nicht in Frage kommen. Denn ganz abgesehen davon, dass die verschiedenen Methoden der Bakterienfärbung, die ich an einer Reihe von Schnitten versuchte, völlig negativ ausfielen, so macht auch schon der Umstand, dass niemals Temperatursteigerung bei der Mutter aufgetreten und der Wochenbettverlauf ein völlig normaler gewesen war, eine solche Vermutung durchaus hinfällig. Weiter braucht aber auch kaum noch besonders betont zu werden, dass auch für das Vorhandensein und

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die etwaige ursächliche Bedeutung anderweitiger pathogener Keime, wie Tuberkelbacillen oder dergleichen auch nicht der Schatten eines Anhaltspunktes vorliegt Es bleibt daher nichts anderes übrig, als die nachgewiesene schwere Syphilis auch mit der Hornhautaffek- tion in Beziehung zu bringen und daran festzuhalten, dass, wenn bei irgend einem Falle von Hornhauterkrankung die luetische Ätio- logie angenommen werden darf, es im vorliegenden Falle geradezu mit Notwendigkeit zu geschehen hat

Am einfachsten und klarsten wäre ja diese Frage mit dem Nach- weise der Spirochaete pallida in der Hornhaut zu entscheiden gewesen, und man wird daher auch mit Recht Auskunft verlangen, wie es sich denn damit verhält Dieser Nachweis ist mir trotz Untersuchung zahlreicher Schnitte nicht gelungen. Indes ist aus diesem negativen Ergebnis keineswegs ein Einwand gegen die Abhängigkeit der Hornhauterkrankung von der Syphilis zu entnehmen.

Zunächst können technische Gründe das negative Resultat ver- schuldet haben, da das zum Spirochätennachweis im Gewebe dienende Verfahren nach Levaditi Imprägnation der Gewebsstücke zur Voraussetzung hat, während ich selbst von den seit längerer Zeit bereits eingebetteten Bulbis nur fertige Celloidinschnitte der Versil- berung unterwerfen konnte. An solchen scheint indes die Methode zu versagen, eine Erfahrung, die auch Gierke gemacht hat, wie ich einer brieflichen Mitteilung von ihm entnehme.

Aber auch wenn diese rein technische Ursache des Versagens nicht einmal vorläge, so wäre immer noch ein negatives Resultat möglich, denn es ist durchaus denkbar, dass bei der ausgeprägten entzündlichen Gewebsreaktion, wie ich sie an den Hornhäuten vor- fand, die Spirochäten bereits aus derselben verschwunden gewesen sind, da nach den übereinstimmenden Angaben der Autoren ich nenne Verse (14), Greeff(lö), Bertarelli(16) u. A. gerade in den am schwersten geschädigten Gewebspartien die Spirochäten nicht mehr nachweisbar sind. Ich muss dies besonders gegenüber Salin g betonen, der das negative Resultat der Spirochätensuche in der Horn- haut meines Falles in seinen „Kritischen Betrachtungen über die sog. Silberspirochäte" durchaus zu Unrecht gegen die Bedeutung der Schaudinn sehen Spirochäte und ihre Existenz überhaupt ins Feld führt Es erscheint mir diese Hereinziehung meines negativen Be- fundes seitens Salings um so unverständlicher, als ich bereits bei Ge- legenheit der Demonstration meiner Präparate auf der vorigjährigen Heidelberger Ophthalmologenversammlung kurz auf die Gründe hin-

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 227

gewiesen habe, die ungezwungen zur Erklärung des negativen Resul- tates dienen können.

Auch in der restierenden Kalotte des einen Bulbus mit einem schmalen Hornhautsaum, die ich dann nachträglich nach Stück- imprägnirung mit Argent nitr. untersuchte, wurden keine Spirochäten vorgefunden, was gleichfalls nichts besagen will, da ja auch bei etwaigem Vorhandensein derselben in der Cornea sie sich nicht not- wendig nun auch gerade in den Randpartien der Membran vorzufin- den brauchten.

Doch selbst zugegeben, dass tatsächlich Spirochäten in der Horn- haut nicht vorhanden gewesen, was besagt das? Doch nichts weiter, als dass die Veränderungen in der Hornhaut nicht direkt durch die Anwesenheit der Spirochäten im Gewebe selbst verur- sacht waren, dass dem Prozess in der Hornhaut keine „Spirillose" der Membran zugrunde liegt Gerade das werde ich aber weiter unten noch aus andern Gründen heraus zu vertreten haben, und bei der Auffassung, wie sie über das Zustandekommen der eigenartigen Ringkeratitis im folgenden auseinandergesetzt werden soll, erscheint dann gerade das Nichtvorhandensein von Spirochäten in der Hornhaut als ein Postulat, durch das aber anderseits die ursäch- liche Beziehung der Syphilis zur Hornhauterkrankung ganz und gar nicht berührt wird.

Nachdem so die Abhängigkeit der Homhauterkrankung von der vorhandenen Syphilis mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrschein- lichkeit feststeht, gewinnt nun auch der histologische Charakter der Hornhautveränderungen, die zu einem so eigenartigen kli- nischen Bilde geführt hatten, erst recht eine besondere Bedeutung. Welches ist die Natur dieser Veränderungen? Wie sind sie histo- logisch zu bewerten und histogenetisch zu deuten?

Diese Frage ist indes leichter zu stellen als zu beantworten. Am ehesten noch wird man darüber zu einer klaren Einsicht ge- langen, wenn man sich vergegenwärtigt, was alles der Hornhaut- prozess nicht ist

Vor allem handelt es sich nicht etwa um eine blosse Störung oder Hemmung in der normalen Entwicklung der Hornhaut. So wunderlich es erscheinen mag, etwas derartiges noch besonders zu betonen und ausdrücklich auszuschliessen, so halte ich es doch ganz und gar nicht für überflüssig. Wissen wir doch, dass in dem vielgestaltigen Bilde, unter dem die angeborene Syphilis auf- treten kann, und das interstitielle Prozesse und diffuse Infiltration

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der Organe in buntem Wechsel mit gummösen Neubildungen um- fasst, auch das Stehenbleiben bestimmter Organe auf einer früheren Entwicklungsstufe, eine ihrerseits wieder von spezifischen Gewebs- läsionen abhängige Hemmung in ihrer Ausbildung eine nicht so ganz geringe Rolle spielt.

Eine derartige der Lues congenita eigentümliche Entwicklungs- hemmung ist beispielsweise von Eberle (17) für die Thymus, von Hecker (18) für das Pankreas, von Stroebe(19) für das Lungen- gewebe festgestellt worden, und wird neuerdings für Pankreas und Niere besonders nachdrücklich von Stoerk(20) vertreten.

Inwieweit ein derartiges durch die fötale Lues bedingtes Zu- rückbleiben in der Entwicklung auch am Sehorgan zur Beobachtung kommt, entzieht sich allerdings einer sicheren Beurteilung. Wieder- holt ist jedenfalls ich verweise auf die Arbeit Groenouws in der 2. Auflage des Handbuches der Mikrophthalmus als Beweis für ein derartiges Vorkommen angeführt worden, auf den auch Galezow8ki(21) speziell hinweist, der in einer besonderen Gruppe von hereditär-luetischen Augenerkrankungen die Fälle mit Entwick- lungsstillstand zusammenfasst. Es liegt in der Natur der Sache, dass zu einem einwandsfreien anatomischen Beweis für ein solches Vorkommnis nur äusserst selten sich Gelegenheit bieten wird. Mit Recht hat auch E. v. Hippel (22) hervorgehoben, dass manche der- artige Fälle von Mikrophthalmus weit zutreffender einfach als fötale Phthisis bulbi aufzufassen sind. Allerdings liegt darin lediglich eine Einschränkung, aber kein prinzipieller Widerspruch gegen obige Auf- fassung, da ja auch für mehr weniger reine Fälle von Entwicklungs- hemmung oder -Störung die Ursache in vorausgegangenen, von der Lues abhängigen Gewebserkrankungen erblickt werden kann, die zur Zeit der Untersuchung mehr weniger spurlos abgelaufen sein können, wie sie ähnlich auchStoerk für seine ausdrücklich als „Entwicklungs- hemmung" erklärten Pankreasveränderungen bei Lues congenita in Anspruch nimmt.

Jedenfalls darf hier, wenn auch mit aller gebotenen Reserve, noch an die von Hosch(23) publizierte Beobachtung erinnert werden, der bei einem nicht ausgetragenen, gleich nach der Geburt verstorbenen hereditär-syphilitischen Kinde mit Trübung beider Hornhäute das linke mikrophthalmische Auge, an welchem sich Entzündungs- residuen im Bereiche der Hornhaut und Uvea fanden, ausdrücklich „auf einer viel tieferen Entwicklungsstufe stehen geblieben" bezeich- net, als das rechte Auge, und der zu dem Schlüsse kommt, dass

Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 229

„kaum etwas anderes übrig bleibe, als die Annahme, dass eben die nachgewiesenen entzündlichen Prozesse, die Keratitis und Uveitis schon zu einer Zeit eingesetzt haben, wo das Auge noch auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe stand und infolgedessen zum Teil auch blieb". (Im Original nicht gesperrt)

Im vorliegenden Falle lehrt jedoch ein Blick auf die Präparate, dass Entwicklungsstörungen und dergleichen für die Deutung des Befundes allerdings von vornherein vollständig auszuscheiden haben, da die Ausbildung der gesamten Bulbusgewebe ich sehe hier von der Faltenbildung der Netzhaut in der Maculagegend ab und so auch die der Hornhaut dem Alter der Frucht vollkommen entspricht und kaum hinter der des normalen Neugeborenenauges zurückbleibt, während zugleich die Natur der in der Hornhaut angetroffenen Ver- änderungen und ihre Verteilung unzweifelhaft das Gepräge des Accessorischen, des krankhaft Erworbenen an sich trägt, dem jegliche Beziehungen zu Vorgängen des normalen Entwicklungszyklus abso- lut fehlen.

Ebensowenig aber lassen die vorgefundenen Verände- rungen die Diagnose einer Syphilis der Hornhaut zu. Wenn auch die graugelbliche Färbung der Hornhauttrübung an die Farbe der umschriebenen Gummibildungen z. B. in der Leber bei kongeni- taler Lebersyphilis erinnerte, so wird das Vorliegen eines echten ter- tiär-syphilitischen Prozesses in der Hornhaut schon durch das abso- lute Fehlen von Gefässen in der letzteren ausgeschlossen, denen ja gerade für die Histogenese der tertiären Syphilome eine hervor- ragende Rolle zukommt

Dass es sich nicht um ein diffus angeordnetes Granulations- gewebe, wie es so häufig bei Lues congenita in den inneren Organen angetroffen wird, handelt, oder gar um eine blosse „diffuse Infil- tration", die Heubner(24) als „die gewöhnliche Signatur der fötalen Organsyphilis" bezeichnet, geht aus dem obigen Befunde direkt her- vor, und die gleiche Ablehnung hat Platz zu greifen, falls man etwa die das Sekundärstadium der Syphilis kennzeichnenden Syphilide der Haut und Schleimhaut als Testobjekt für die Hornhauterkrankung heranziehen wollte, wenn auch nicht geleugnet werden soll, dass die dieser zugrunde liegenden Veränderungen am ehesten noch Ähnlich- keit mit den in den jüngeren Stadien der erworbenen Syphilis an- zutreffenden histologischen Vorgängen besitzen. Und obwohl auch in histologischen Details sich gewisse Berührungspunkte mit denjenigen Veränderungen ergeben, die El sehnig bei der hereditär-luetischen

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Keratitis parenchymatöse als erster nachgewiesen, und auf Grund deren er diesem Prozess eine Stellung in der Gruppe der degenera- tiven Erkrankungen zugewiesen hat, so muss doch die vorliegende Veränderung der Hornhaut, als ganzes genommen, von jener als toto coelo verschieden bezeichnet werden, wie denn das eigenartige klinische Bild einer exquisiten Kingtrübung der Hornhäute von vornherein auch für das anatomischeSubstrat derselben eine von all den vorgenannten Prozessen abweichende Son- derstellung erwarten lässt.

Überblickt man nun diese einzelnen histologischen Vorgänge, wie sie das Schnittpräparat im Bereiche des Trübuugsringes aufweist, und gerade diese Zone mit ihren augenfälligsten Veränderungen kommt ja in erster Linie in Betracht so ist zwar in der verwir- renden Fülle von Zellen bzw. Kernen in diesem Gebiete eine sichere Gattungs- oder Artbestimmung der Einzelelemente für eine beträcht- liche Quote derselben, um nicht zu sagen für die Mehrzahl, völlig unmöglich. Es kann dies wahrhaftig nicht wundernehmen an einer nicht überlebend fixierten Hornhaut, deren fixe Zellen an sich, wie wir besonders durch Ballowitz(25) wissen, bereits in der Norm durch eine ausserordentliche Polymorphie der Kerne ausgezeichnet sind, wenn wir uns erinnern, dass auch Uhthoff und Axenfeld(26) bei ihren Untersuchungen über die Pneumocokken-Impfkeratitis am Kaninchenauge es bei vielen Zellformen „sehr schwierig resp. nicht wohl möglich" fanden, sie mit Bestimmtheit den Wanderzellen oder den gewucherten Hornhautkörperchen zuzuzählen, oder wenn wir in gleicher Weise bei de Waele(27) lesen, dass bei der Impfkeratitis des Kaninchens bereits am dritten Tage die Abkömmlinge der fixen Zellen von den einkernigen Leukocyten nicht sicher zu unterscheiden sind. Soviel lässt sich aber immerhin und zwar mit aller Sicherheit aus den Präparaten ersehen, dass ein sehr erheblicher Teil der im Ringbezirk reichlichst vorhandenen Zellen leukocytäre Elemente sind, und zwar zum Teil sicher polynucleäre Leukocyten, die vom Hornhautrande her aus der Umgebung eingewandert sind. Gewiss soll nicht bestritten werden, dass auch hier in loco eine Ver- mehrung der Wanderzellen stattgefunden haben kann; die grosse Zahl vor allem polynucleärer Leukocyten macht die Annahme einer stattgehabten lebhaften Einwanderung unabweisbar.

Mit der gleichen Sicherheit ist aber auch aus dem mikroskopi- schen Präparat herauszulesen, dass die Zahl der fixen Hornhaut- körperchen im Bereiche der Ringtrübung die der normalen Hornhaut-

Beitrüge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 231

bezirke ganz ausserordentlich übersteigt, dass also eine reichliche Proliferation der fixen Hornhautzellen in diesem Bezirke statt- gefunden hat Zieht man dann weiterhin die ausgesprochenen Zer- fallserscheinungen in Betracht, die sich zunächst an den Zellkernen im Kingbezirke abspielen, die Vorgänge der Hyperchromatose, der Karyolyse, der Pyknose usw., wie sie die verschiedenen Phasen des Kernzerfalls kennzeichnen, und die sich mehrfach mit, wenn auch mikroskopisch kleinen, herdförmigen Nekrosen der Grundsubstanz verbinden, so ist das Vorhandensein auch lebhafter regressiver Prozesse sichergestellt

Diesen im Ringbezirke sich abspielenden Vorgängen, und damit dem gesamten Hornhautprozess wird man am ehesten gerecht werden und über ihre Bedeutung Klarheit gewinnen, wenn man dieselben, anstatt für sie nach einem alle die Veränderungen umfassenden Krankheitsbegriff zu suchen und sie in die Zwangsjacke eines Sam- melnamens zu stecken, zunächst registriert als eine Kombination von Infiltrations-, Proliferations- und Degenerationspro- zessen, die sich und es ist dies für die Auffassung des Vorganges von fundamentaler Bedeutung konzentrisch zum Rande der Hornhaut um deren Mitte herum in Form eines ganz regel- mässigen Ringes entwickelt haben.

Nachdem so die anatomische Grundlage der Ringtrübung in ihren Grundzügen festgestellt ist, verdient vorweg die Frage ventiliert zu werden, in welchem Zusammenhange diese Veränderungen der Hornhaut mit ihrer Umgebung stehen, ob und welche Beziehungen zu den Nachbargeweben nachweisbar sind, die für die Auffassung der formalen Genese des Prozesses von Bedeutung sein könnten. Da es sich um Vorgänge handelt, die klinisch als eine eigene Art „parenchymatöser" Keratitis imponierten, und auch anatomisch dieser Charakter erweislich ist, so dürfte damit die Rich- tung gegeben sein, in welcher jene Suche zu geschehen hat, indem es vor allem gilt, nach Beziehungen zu solchen Gewebsalterationen zu fahnden, die als von Einfluss auf die Genese der Keratitis paren- chymatosa überhaupt angesehen werden.

Bekanntlich hat v. Michel (28) eine primäre und sekundäre Form der Keratitis parenchymatosa unterschieden. Die erstere soll sich als eine Art Ernährungsstörung der Hornhaut ableiten von einer spezifischen Erkrankung des pericornealen Gef ässkranzes , während die zweite sich an Entzündungen der Sklera, der Iris, des Corpus ciliare anschliesst In der Literatur wird vielfach neben Leber auch

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E. v. Hippel als einer der Hauptvertreter der fast allgemein accep- tierten Auffassung bezeichnet, wonach die Keratitis parenchymatosa überwiegend sekundär infolge entzündlicher Veränderungen des Uveal- tractus zur Entwicklung komme, wie z. B. auch in der neuesten Bearbeitung der Keratitis parenchymatosa von Morax in der En- cyclopädie fran^aise d'Ophthalmologie T. V. zu lesen ist

Demgegenüber möchte ich einmal darauf hinweisen, dass gerade E. y. Hippel in seinen beiden grossen und viel citierten Abhand- lungen über Keratitis parenchymatosa sich zu dieser Frage doch auch sehr zurückhaltend folgendermassen geäussert hat: „Da die Ke- ratitis parenchymatosa zweifellos die Folge einer Allgemeinerkrankung ist, ferner einerseits Entzündungen der Sklera sowie der Cornea sehr oft von solchen des vorderen Uvealtractus gefolgt sind, anderseits die Cornea bei primären entzündlichen Veränderungen des letzteren sich an der Erkrankung beteiligen kann, so liegt der Schluss nahe, dass gleiche Schädlichkeiten bald an der einen, bald an der andern Membran zuerst ihre Wirkung äussern werden, um später auch die andern Teile in Mitleidenschaft zu ziehen, und dass auf diese Weise die Keratitis bald als primäre, bald als sekundäre Affektion erscheint" (I. Abhandlung, v. Graefe's Archiv Bd. XXXIX 3, 1893). Und weiterhin: „Ob die Anschauung, dass die Keratitis parenchymatosa immer ein sekundäres Leiden ist, zu Recht besteht, werden weitere anatomische Untersuchungen zu entscheiden haben. Dass der Uveal- tractus im Anschluss an die Hornhautentzündung, zugleich damit, oder auch vorher ausserordentlich oft erkrankt, unterliegt keinem Zweifel" (IL Abhandlung, v. Graefe's Archiv Bd. XLH2, 1896).

Diese Sätze E. v. Hippels wird man auch heute noch unbe- denklich unterschreiben können, auch nachdem inzwischen Elschnig den einwandfreien anatomischen Nachweis geliefert hat, dass die Keratitis parenchymatosa infolge Lues hereditaria in der Tat eine primäre Erkrankung der Cornea darstellt Im gleichen Sinne hat sich in bezug auf das Verhältnis der Keratitis interstitialis diffusa zu den verschiedenen Augengrundserkrankungen Sidler-Huguenin (29) geäussert, wenn er sagt, dass wir „nicht wissen, ob die Keratitis, wenn sie der Funduserkrankung nachfolgt, von dieser verursacht wird, ob also ein bloss zeitlicher oder ob ein kausaler Zusammen- hang hier besteht".

Auch die spärlichen Erfahrungen der Tierpathologie, die zur Klärung dieser Frage herangezogen worden sind, haben in einem von Momoji Kako(30) anatomisch untersuchten Falle von doppelseitiger

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 233

parenchymatöser Keratitis bei einer Ziege ergeben, „dass die Horn- hautaffektion unbedingt als eine primäre anzusehen ist".

Ich führe diese Äusserungen um deswillen hier an, weil aus ihnen einmal hervorgeht, dass bereits wiederholt Autoren der meist beliebten Auffassung entgegen für die Unabhängigkeit der Keratitis parenchymatosa von einer Uvealerkrankung und für das Vorkommen einer isolierten Entzündung des Hornhautparenchyms eingetreten sind; sodann, weil sie vor allem der zweitcitierte Satz v, Hippels besagen, dass selbst bei gleichzeitigem Vorhandensein einer Erkran- kung der Uvea eine solche durchaus nicht notwendig für den Hörn- hautprozess verantwortlich gemacht werden muss.

Sehen wir nun unsern Fall daraufhin an, so ergibt sich aus dem Vorhandensein der zelligen Beschläge auf der Hornhauthinter- wand, dem vermehrten Eiweissgehalt in der vorderen Kammer, der Zellemigration aus den Gefässen der Iris und der Pupillarmembran, der Anwesenheit von Leukocytenhäufchen in der Kammerbucht, den wenn auch vereinzelten Rundzellinfiltraten im Ciliarmuskel unzweifel- haft, dass eine entzündliche Erkrankung im vorderen Abschnitt des Uvealtractus vorliegt Vergleicht man aber diese Veränderungen mit den oben geschilderten Prozessen im Bereiche des Ringinfiltrates, so ergeben sich an Intensität der entzündlichen Vorgänge so erhebliche Unterschiede, und zwar treten die Erscheinungen seitens des Uvealtractus so sehr zurück gegenüber den doch recht tief- greifenden Vorgängen im Hornhautparenchym, dass die An- nahme einer Abhängigkeit der letzteren von der Entzündung des Uvealtractus geradezu unannehmbar wird und mit weit mehr Recht a potiori fit denominatio die Keratitis eine primäre ge- nannt werden muss, an die sich umgekehrt, wie es so oft bei tiefer- greifenden Hornhautprozessen der Fall ist, die Erkrankung der vor- dersten Uvea sekundär angeschlossen hat.

Liegt denn nun etwa in unserm Falle eine primäre Keratitis im Sinne v. Michels vor, die sich demnach auf Grund einer spezi- fischen Erkrankung des pericornealen Gefässkranzes entwickelt hätte? Gewiss hat man allen Anlass, gerade im vorliegenden Falle mit dem einwandfrei erbrachten Nachweis einer schweren generalisierten Lues nach derartigen Gefässveränderungen , zu fahnden, da ja wiederholt auch bei der kongenitalen Lues, und zwar vorherrschend an den kleinen und kleinsten Gefässverzweigungen, Wanderkrankungen be- schrieben sind, die ausser einer Verengerung des Lumens bedingenden Endothel Wucherung der Innenhaut, sich in Bildung kleiner ad venu?

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tieller Infiltrate äussern [Hochsinger (31)]. Allerdings wird man anderseits auch Gefässveränderungen nicht als conditio sine qua non für die Entstehung luetischer Gewebserkrankung betrachten dürfen, wenn wir z. B. von Hecker hören, „wie in Organen, in denen die Lues sehr differente Veränderungen, miliare Gummata, verbreitete und umschriebene Bindegewebswucherungen gesetzt hatte, die Anteil- nahme der Gefässe eine recht geringfügige war, ja einmal sogar ganz vermisst wurde". Sodann ist aber nicht ausser acht zu lassen, dass gerade bei der kongenitalen Lues die Heubnersche Endar- teritis syphilitica zurücktritt gegenüber den adventitiellen Herden und perivaskulären Infiltraten, wie gleichfalls Hecker speziell für die Leber nachgewiesen hat Diese beiden Erkrankungsformen der Ge- fässe können aber in ihrer Wirkung auf die von ihnen ernährten Gewebe keineswegs gleichgesetzt werden. Wie man wohl verstehen kann, dass eine das Lumen verengernde Endarteritis beispielsweise am Gehirn durch Beschränkung der Ernährung, zumal bei Fehlen von Anastomosen, das Gewebe zur Erweichung bringen kann, so fehlt anderseits doch der Nachweis, dass auch die blosse Erkrankung der Adventitia irgendwelche tiefergreifenden Ernährungsstörungen in den von den betreffenden Gefässen versorgten Gewebsabschnitten zur Folge hat So kann man denn Elschnig nur beipflichten, wenn er die in seinem Falle von echter Keratitis parenchymatosa gleichfalls nach- gewiesene Gefässwanderkrankung an den grösseren Arterien (hier sogar hochgradige Lumenverengerung durch Intimawucherung) auch nur als eine dem Hornhautprozesse koordinierte Erscheinung auffasst, die eben auch wie dieser als ein Symptom der pathologischen Zusammen- setzung der Ernährungsflüssigkeit, des Blutes und der Lymphe an- zusprechen seien.

Die gleiche Überlegung gilt auch für die angebliche Abhängig- keit der parenchymatösen Keratitis von einer nachgewiesenen hoch- gradigen Gefässerkrankung in dem mehrfach citierten Falle von Keratitis parenchymatosa beim Axishirsche, indem sowohl der Hornhautprozess, als die eigentümliche Periarteriitis nodosa auch des vorderen Bulbusabschnittes bei der Axiskrankheit ungezwungen als koordinierte Äusserungen eines auch hier vorhandenen schweren All- gemeinleidens, einer nach Lüpke(32) wahrscheinlich auf Infektion beruhenden Art perniciöser Anämie mit fortschreitendem Marasmus betrachtet werden kann.

Mustert man unter diesem Gesichtspunkte die Veränderungen unseres Falles, so tritt sofort das Missverhältnis hervor zwischen den

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schweren Alterationen des Hornhautparenchyms und den äusserst geringfügigen Gefässveränderungen in der Hornhautumgebung, die sich auf unbedeutende advenütielle und perivaskuläre Zellansamm- lungen beschränken, während Intimawucherung mit konsekutiver Ver- engerung des Lumens überhaupt vollständig vermisst wird. Es kann daher auch von irgendwelcher Abhängigkeit des Hornhaut- prozesses von Gefässveränderungen nicht die Rede sein.

Bietet sonach die Umgebung der Hornhaut keinerlei Anhalts- punkte für die Entwicklung der Parenchym Veränderungen, so ist anderseits dieser letzteren selbst ein Moment eigen, das, wie bereits oben gesagt, für die Auffassung des gesamten Prozesses von fundamentaler Bedeutung ist und das bei dem Versuch einer Deutung desselben nicht nur nicht vernachlässigt werden darf, son- dern geradezu zum Ausgangspunkt der Betrachtung gemacht zu werden verdient Ich meine die ausgesprochene, absolut regelmässige und auf beiden Augen gleich ausgeprägte Ringform der Hornhauttrübung, die bereits klinisch der Erkrankung den Cha- rakter eines durchaus eigenartigen, wohl umschriebenen Vorganges von bestimmtem Gepräge verliehen hatte, und die zumal bei dem etwas gelblichen Ton des Trübungsherdes entschieden an einen Ring- abscess der Hornhaut denken liess. Dabei muss ich ausdrücklich be- tonen, dass es sich nicht etwa um eine infolge bestimmter Anordnung und Zusammenfliessens von getrennten Trübungsherden enstandene Ringtrübung handelte, bei der es mehr oder weniger Phantasie be- durft hätte, um eine Ringform der Trübung zu konstruieren, sondern es bestand, wie schon ein Bück auf die auf Taf. IV wiedergegebenen Skizzen des klinischen Bildes besagt, ein gänzlich uniformer Trübungs- ring, genauer gesagt Oval von, man möchte fast sagen, mathematischer Regelmässigkeit, der den Eindruck eines einzigen konzentrisch zum Hornhautrande sich erstreckenden Herdes machte, an dem sich auch unter dem Zeissschen Hornhautmikroskop keine Zusammensetzung aus irgendwelchen elementaren Bestandteilen nachweisen liess.

Was die Entstehung dieser Veränderung anlangt, so wird man ja zunächst es handelt sich um eine „parenchymatöse" Hornhaut- erkrankung — an eine endogene Herkunft denken und vermuten, dass auf dem Wege der Blutgefässe eine Schädlichkeit in die Rand- teile der Hornhaut gelangt sei, und hier im Parenchym Zellimmigra- tion, Proliferation fixer Zellen usw. hervorgerufen habe. Indes be- gegnet diese Annahme meiner Meinung nach sogleich den allergrössten Schwierigkeiten. Man müsste sich denn vorstellen, dass eine Schäd-

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lichkeit auf beiden Augen zu gleicher Zeit ganz gleichmässig in die gesamten Gefässe des Randschlingennetzes eingedrungen und von hier mit Ebenmässigkeit in die Hornhaut vorgerückt wäre, eine Vorstel- lung, die mit ihren vielen Voraussetzungen geradezu als indiskutabel bezeichnet werden muss. Nur in dem Sinne könnte meines Erachtens noch etwa eine endogene Entstehung auf dem Wege der Blutbahn für das Bild einer regelmässigen Ringtrübung beider Hornhäute in Frage kommen, wenn man eben annähme, dass beispielsweise Ent- zündungserreger vom Randschlingennetz etwa durch Zelltransport erst nach der Hornhautmitte hin gelangt seien, und dann, nun erst gewissermassen frei werdend, von hier aus ihre chemotaktische Wir- kung enfaltet hätten.

Aber auch dann bleibt immer noch die Schwierigkeit, dass dieser Vorgang sich merkwürdigerweise auf beiden Augen genau zu der- selben Zeit und in ganz derselben Stärke abgespielt haben müsste, was schon wunderlich genug wäre, ganz abgesehen davon, dass die Vorstellung eines Transportes von Krankheitserregern nach der Mitte der gefässlosen Hornhaut, wo dann erst ihre Wirksamkeit eingesetzt haben sollte, selbst erst eine gar nicht leicht zu gebende Begründung erheischt Jedenfalls wird man auf eine solche gewagte Vermutung erst dann zurückgreifen dürfen, wenn andere plausibelere Wege der Erklärung sich als ungangbar erwiesen haben. Aber es gibt einen solchen Weg.

Es empfiehlt sich, hier einen Augenblick auf das grundlegende Werk Lebers (33) über die Entzündung zurückzugreifen, worin aus- geführt wird, dass die eitrige Infiltration der Cornea in zwei Formen auftrete. 'Bei der ersten nimmt sie die Stelle ein, an welcher die entzündungerregende Substanz eingeführt ist; sie ist meist oberfläch- lich, und die Eiterzellen stammen aus dem Conjunctivalsekret Bei der zweiten Form hat sie die Gestalt einer Zone, welche das Konzentrationsmaximum der schädlichen Substanz in einem gewissen Abstand umgibt Es ist dies der sogenannte Ein- wanderungsring, ein Bing von eitriger Infiltration, den Leber beispielsweise durch Injektion von Faulextraktlösung, durch Ver- impfung von Aspergilluspilzen an der Kaninchenhornhaut erzeugt hat Es fällt dabei also nicht etwa die Infiltration mit dem Sitz der Schädlichkeit zusammen, sondern sie stellt eine Reaktion auf eine Schädigung der Hornhaut dar, indem sie das geschädigte Gewebe von allen Seiten demarkierend einschliesst Was hier von der rein eitrigen Infiltration gesagt ist, die eine sehr intensive Schädigung

Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 237

der Hornhaut, Nekrose derselben, zur Voraussetzung hat, gilt mutatis mutandis in gleicher Weise für mildere Schädigungen, die ebenfalls chemotaktische Wirkung ausüben. Eine derartige Schädigung der Hornhaut, die eine demarkierende Infiltration hervorruft, kann ent- weder von der Vorderkammer aus durch Einwirkung auf die Horn- hauthinterfläche, oder von aussen her durch Oberflächenschädigung erfolgen. Als Prototyp für ersteren Fall mag uns der Ringabscess dienen, den Fuchs (34) in seiner bekannten Arbeit als eine seque- strierende Eiterung, als einen Infiltrationsring, um eine von der vor- deren Augenkammer aus entstandene toxische Nekrose der hinteren Hornhautschichten nachgewiesen hat In dieser Arbeit von Fuchs findet sich nun folgender Passus, den ich seiner Wichtigkeit wegen hier wörtlich citiere:

„Es ist denkbar, dass die schädlichen Substanzen, welche von der Kammer in die Hornhaut eindringen, diese zwar nicht genügend schädigen, um sie nekrotisch zu machen, wohl aber hinreichen, um den Einwanderungs- ring hervorzurufen. Auf solche Weise wären die mild verlaufenden Fälle zu erklären, welche nicht in Vereiterung der Hornhaut, sondern bloss in Trübung und Abflachung derselben übergehen (Fall IX), oder wo gar die Hornhaut wieder klar wird, wie in dem eingangs erwähnten Fall von ge- heiltem Ringabscess. Allerdings ist für solche Fälle der Ausdruck Ring- abscess nicht mehr passend: er müsste durch Ringinfiltration ersetzt werden. Das anatomische Verhalten in solchen Fällen dürfte dem entsprechen, was ich in zwei Augen mit Melanosarkom der Ghorioidea gefunden habe. Beide Augen zeigten ziemlich den gleichen Befund. Durch die Neubildung war hochgradige Drucksteigerung entstanden, und infolge derselben die Linse und Iris an die Hornhaut angetrieben worden. An letzterer fehlte das Endothel im Bereiche der Pupille, was sowohl ein Zeichen der Schädigung der Gewebe ist, als auch den leichten Übertritt von Flüssigkeit aus der Kammer in die Hornhaut erklärt Die Hornhaut war nirgends nekrotisch, ebenso war sie nirgends infiltriert, mit Ausnahme der Peripherie. Hier be- stand in der Entfernung von ungefähr 1 mm vom Limbus ein Infiltrations- ring, der durchschnittlich 1 mm Breite hatte und die mittleren und vorderen Schichten der Hornhaut einnahm. An einzelnen Stellen hatte er bereits zu oberflächlicher Ulceration geführt Auch in diesem Falle kann gleichwie beim eigentlichen Ringabscess der Einwanderungsring nicht auf eine um- schriebene Läsion wie im Kaninchenversuche bezogen werden, sondern auf die Schädigung der Hornhaut im ganzen. Derartige Einwanderungsringe können dann wohl auch wieder spurlos verschwinden, wie in dem oben citierten Falle."

Hiermit soll nun keineswegs gesagt sein, dass ich die histologi- schen Details meines Falles von Ringkeratitis mit diesen von Fuchs erwähnten irgendwie identifiziere. Aber daran muss man doch fest- halten, dass auch in meinem Falle die Einwanderung von Zellen

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in die Hornhaut hinein vom Rande her eine gewichtige Bolle spielt und dass die Anordnung derselben zu einem ganz regelmässigen Ringe am ungezwungensten auch nur durch die Annahme erklärt werden kann, dass es sich dabei um eine Reaktion auf eine von der Fläche her erfolgte Schädigung der Hornhaut im ganzen handelt

Was nun den Weg der Entstehung dieser Schädigung anlangt, so machte Herr Professor Ribbert, dem ich für sein freundliches Interesse an meinen Präparaten auch an dieser Stelle aufrichtig danke, mich darauf aufmerksam, dass das niedrige Oberflächenepithel in den Randpartien der Hornhaut, das sich immer mehr verjüngend und flacher werdend eine kurze Strecke weit auf die Hornhaut hinüber- schiebt, ganz zweifellos regeneriertes Epithel darstelle, woraus im Verein mit der Tatsache eines totalen Defektes von Epithel im ge- samten Bereiche der übrigen Hornhaut der Schluss zu ziehen sei, dass von aussen her im Intrauterinleben eine Zerstörung des Ober- flächenepithels stattgefunden habe, das sich dann cirkulär vom Rande her zu regenerieren begonnen habe, und dass daher auch die ring- förmige Infiltration als Reaktion auf jene nach Zerstörung des Epi- thels auf das Hornhautparenchyin einwirkende Schädlichkeit betrachtet werden müsse.

Dieser Anschauung, wonach also die Hornhauterkrankung ekto- genen Ursprungs ist, möchte ich mich nach reiflicher Überlegung vollständig anschliessen. Allerdings möchte ich den Epithelverän- derungen (fast totale Zerstörung; Epithelregeneration in den Rand- partien) keine so zwingende Bedeutung für diese Auffassung des Prozesses beimessen, da auch bei unzweifelhaft endogen, und zwar hämatogen entstandener parenchymatöser Keratitis ähnliche Epithel- zerstörung bzw. Epithelneubildung beobachtet wird, wie beispiels- weise aus dem eingangs citierten Falle von El sehnig hervorgeht, und wie sie auch bei endogener fötaler Keratitis Seefelder (35) beobachtet hat

Anderseits stellen selbstverständlich diese Anomalien des Ober- flächenepithels nicht etwa notwendig ein Attribut einer endogen von den Blutgefässen des Hornhautrandes ausgegangenen Parenchyni- erkrankung dar, da sie beispielsweise in dem Falle von Hosch mit hochgradig veränderter Hornhaut fehlten ( hier ist allerdings der Einwand möglich, dass bei der langen Dauer des Prozesses das Epi- thel sich inzwischen wieder völlig regeneriert hatte ), und da vor allem auch bei der experimentellen Trypanosomenkeratitis inter-

Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 239

stitialis, die Morax(36) durch intraperitoneale Impfung mit dem Erreger der Dourine erzeugen und als direkte Folge der Trypano- somenansiedlung in der Cornea nachweisen konnte, jeder Epitheldefekt vermisst wurde. Wenn ich daher auch mit Ribbert annehme, dass die Ausdehnung des Epitheldefektes im vorliegenden Falle in der Tat eher zugunsten einer direkten Zerstörung des Epithels von vorne, aussen her spricht, so möchte ich für den eben proklamierten Modus der ektogenen Entstehung der Bingkeratitis doch vor allem das Moment ins Feld führen, dass, nachdem wir einmal die Annahme einer von der Fläche her erfolgten Schädigung der Hornhaut im ganzen als die notwendige Voraussetzung einer befriedigenden Er- klärung des Ringinfiltrates überhaupt acceptiert haben, eben nur übrig bleibt, den Angriffspunkt dieser Schädigung in der Hornhautober- fläche zu suchen, wenn wir die allein noch bestehende zweite Mög- lichkeit ausgeschlossen haben, dass die Schädigung der Hornhaut von der vorderen Augenkammer aus durch Einwirkung auf die Horn- hauthinterfläche erfolgt ist.

Und nun betrachte man das bis auf ganz geringe Infiltration vor der Descemet (die nach dem weiter unten Gesagten ihre zwang- lose Erklärung findet) so gut wie vollständig unversehrte hintere Drittel des Hornhautparenchyms, betrachte man die wohl erhaltene Membrana Descemet», das absolut intakte Endothel, und stelle dem die totale Zerstörung des Oberflächenepithels, die deutliche Paren- chymveränderung im vorderen Homhautdrittel, die relativ sehr ober- flächliche Lage des Ringinfiltrates gegenüber man wird nicht zögern, die Entstehung der Hornhauterkrankung von der vorderen Kammer aus für unwahrscheinlich zu erklären und damit die ekto- gene Entstehung der Ringkeratitis durch Einwirkung einer vom Fruchtwasser aus die Hornhautoberfläche schädigenden Noxe, wenn auch nicht als strikte bewiesen, so doch für weitaus wahrscheinlicher zu halten.

Zu dieser letzteren Auffassung wird man sich um so leichter verstehen können, wenn man alle die Voraussetzungen erfüllt findet, ohne die jene Auffassung allerdings schwierig und zum mindesten ungenügend fundiert erscheinen müsste. Dieser Erfordernisse sind drei. Zunächst ist die Möglichkeit nachzuweisen, dass, da wir die Hornhauterkrankung als Ausfluss der Syphilis zu betrachten haben, das syphilitische Virus, der Syphiliserreger ins Fruchtwasser hinein gelangt; sodann ist mit Rücksicht darauf, dass nach dem Gesagten die Hornhauterkrankung nicht durch die Anwesenheit des Syphilis-

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erregers selbst in der Hornhaut bedingt ist, sondern durch irgend- welche von ihm ausgehende Produkte, der Nachweis zu liefen), dass der Erreger der Syphilis in der Tat Stoffwechselprodukte nach Art der Toxine zu liefern vermag. Endlich muss die Möglichkeit gegeben sein, dass diese letzteren mit der Hornhautoberfläche in Kontakt gelangen.

Am wenigsten Schwierigkeit dürfte die letztgenannte Forderung machen. Wie Nussbaum in seiner „Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges" angibt, werden die durch epitheliale Verklebung zur Vereinigung gelangten freien Lidränder beim Menschen erst kurz vor der Geburt wieder frei. An anderer Stelle führt er auf Grund einer Untersuchung Königsteins aus, dass die Lösung der ver- wachsenen Lidspalte, die sich zu Beginn des 6. Monates vorzubereiten begonnen, zu Anfang des 7. Monates vollendet war. Da wir das Alter der Frucht, wie eingangs angeführt, auf das Ende des 8. oder Anfang des 9. Monates zu verlegen haben, so war demnach durchaus die Möglichkeit gegeben, dass zur Zeit der Geburt das Fruchtwasser sich bereits eine geraume Weile mit der Oberfläche der Hornhäute in Kontakt befunden hatte. Ja diese Möglichkeit verliert alles Be- fremdliche, wenn wir hören, dass selbst eine spontane Immigration von Keimen aus dem Fruchtwasser in die Körperöffnungen auch bei lebenden Früchten neuerdings besonders von Hellendall (37) zu- gegeben wird.

Was aber das Hineingelangen des Lueserregers in das Frucht- wasser anbetrifft, sofern, wie im vorliegenden Falle, die Frucht selbst von Spirochäten durchseucht ist, so erinnere ich nur an die von Saling(13) zwar bestrittenen, inzwischen aber von Benda(38) be- stätigten Befunde von Simmonds(39), der reichlichst Spirochäten in der Darmwand und im Mekonium antraf und diese Befunde mit Recht wohl dahin deutet, dass eine reichliche Ausscheidung von Spirochäten durch den Darm stattfinde. In gleichem Sinne hat sich ferner Schlimpert(40) ausgesprochen, der zeigte, dass die Spirochäte intaktes Cylinder- und Plattenepithel intercellulär zu durchdringen vermag, und dass sämtliche Sekrete und Exkrete des kongenital-syphilitischen Neugeborenen als infektiös anzusehen seien.

Und nun der Nachweis, dass der Syphiliserreger in der Tat toxisch wirkende Stoffwechselprodukte zu liefern vermag, wobei es für unsere Frage ja ganz gleichgültig ist, ob es sich um Produktion von Toxinen, oder, wie Thalmann will, um Freiwerden von Endo-

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 241

toxinen nach Zerfall und Auflösung der Erreger handelt! Ich will hier nicht auf die früher schon geäusserten Vermutungen zurück- greifen, wonach, wie z. B. Finger (41) ausführt, die gummösen Pro- dukte der Ausdruck einer durch Syphilistoxine erzeugten chroni- schen Intoxikation, einer spezifischen Kachexie sein sollen; noch auch besonderes Gewicht auf den Satz Heubners(24) legen, wonach die Tatsache, dass bei kongenital-syphilitischen Kindern, die längere Zeit am Leben geblieben sind, recht häufig ein negativer pathologisch- anatomischer Befund erhoben werde, zu der Annahme toxischer, das heisst chemischer und nicht formatier Nebenwirkungen des syphiliti- schen Virus geführt habe. Ebenso seien die neuerlichen Untersuchungen yon Lipschütz (42), der aus den histologischen Befunden an der

EiruvojicLcriingaring.

- Zone der ektogenen primären Schädigung.

Fig. 1

Haut und der Verteilung der Spirochäten eine chemotaktische Wir- kung auf die polynucleären Leukocyten entnimmt, die ähnlich auch yon Ehrmann (43) bei syphilitischer Endo- und Perilymphangitis angetroffen wurde, nur nebenbei hier erwähnt Ausschlaggebend ist vielmehr der kürzlich zuerst von Bab(44) geführte Nachweis, dass da, wo die Spirochaete pallida im Körper vorhanden ist, auch spezifische syphilitische Antigene da sind, die sich um so reichlicher finden, je mehr Spirochäten im Körper vorhanden, woraus sich der Schluss ergebe, dass eben die Spirochaete pallida der Produzent der für Syphilis charakteristischen chemischen Stoffe sei.

Wenn ich danach nun kurz zusammenfassen soll, wie ich mir die Entwicklung der doppelseitigen Hornhauterkrankung und die Ent- stehung der wesenlichsten ihr zugrunde liegenden histologischen Ver- änderungen vorstelle, so wäre etwa folgendes zu sagen (vgl. Fig. 1): Irgendwelche im Fruchtwasser vorhandene, nicht indifferente Stoff-

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Wechsel- oder Zerfallsprodukte der Spirochäten wirkten eine Zeitlang durch Kontakt auf die Hornhautoberfläche beider Augen ein und ver- ursachten eine totale Zerstörung des Epithels, ähnlich wie Morax und Elmassian (45) durch längere Zeit fortgesetztes Aufträufeln von Diphtherietoxin auf die Kaninchenhornhaut nach einer gewissen Latenzperiode Epithelzerstörung mit nachfolgender Infiltration des Hornhautparenchyms erzeugen konnten. Während dann etwa nach Abnahme der schädigenden Potenz im Fruchtwasser cirkulär vom Limbus aus die Regeneration des Epithels einsetzte, hatte inzwischen die Noxe auch Zutritt zu den oberflächlichsten Schichten des Horn- hautparenchyms erlangt und eine Schädigung der gesamten Oberflächenschicht des Parenchyms, inbesondere der in weiter Ausdehnung immer noch epithelentblössten zentralen Teile herbei- geführt Als Ausdruck dieser Schädigung, die durchaus nicht mit sehr eingreifenden histologischen Veränderungen einherzugehen brauchte, sind die leichte Quellung der oberflächlichen Lamellen, die geringe Zunahme der Kerne, die Form Veränderung (Blähung) derselben an- zusehen. Auf diese ihrerseits wieder entzündungerregende Schädigung der gesamten Oberflächenschicht der Hornhaut, deren chemotaktische Einwirkung sich naturgemäss auf die gesamten Gefässe des Rand- schlingennetzes in gleicher Weise geltend machen musste, erfolgte dann als Reaktion cirkulär aus den Randgefassen eine Einwanderung von Leukocyten in die Hornhaut Und da die Regeneration des Epithels in den Randpartien der Hornhaut die darunter gelegenen Parenchymschichten vor der weiteren Einwirkung des Fruchtwassers schützte, während dasselbe mit den zentralen epithelentblössten Teilen der Grundsubstanz fortgesetzt in Kontakt stand und hier die Schä- digung des Parenchyms danach eine intensivere sein musste als in den Randteilen, so wanderten die Leukocyten von allen Seiten zentral- wärts in die Hornhaut vor, um als Einwanderungsring an der Grenze des regenerierten Epithels liegen zu bleiben. Hierdurch er- klärt sich, dass die Lage des Einwanderungsringes eben im grossen und ganzen korrespondiert mit der Grenze des Epitheldefektes.

In den tieferen, von den geschädigten Partien weiter abliegenden Lamellen des mittleren Hornhautdrittels gelangten aber auch die vom Rande her eingewanderten Leukocyten in grosser Zahl hinter die geschädigten Lamellen, so dass man nicht bloss von einer ring- förmigen, sondern zutreffender von einer schalenförmigen Demar- kation der meist geschädigten oberflächlichen Lamellen zu sprechen hat Die im Fruchtwasser enthaltene Schädlichkeit wirkte aber auch

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 243

noch bis in die tieferen Teile der Hornhaut und führte zu einer, wenn auch geringen, Einwanderung von Zellen aus der Umgebung des Ligamentum pectinatum zwischen die tiefsten Lamellen dicht vor der Membrana Descemetii, hier einen sogenannten hinteren Ein- wanderungsring, genauer gesagt eine zarte, scheibenförmige In- filtration erzeugend. Ja infolge Fernwirkung der Schädlichkeit auf den vorderen Abschnitt des Uvealtractus entwickelte sich eine aus- gesprochene exsudative Entzündung dieses Gewebsabschnittes, deren Auftreten im Anschluss an selbst oberflächliche Hornhautentzündungen uns ja etwas wohl bekanntes ist

Bisher habe ich lediglich von einer Einwanderung von Leuko- cyten gesprochen. Die Verhältnisse liegen aber, wie wir sahen, weit komplizierter, indem sowohl eine erhebliche Proliferation der fixen Hornhautzellen, als auch degenerative Vorgänge im Bereiche des Ringinfiltrates eine Rolle spielen. Wenn es hier auch nicht meine Aufgabe sein kann, die rein pathologisch-anatomischen Detailfragen, insbesondere nach dem gegenseitigen Verhältnis der verschiedenen Vorgänge eingehend zu erörtern, so glaube ich anderseits doch, die- selben kurz berühren zu sollen, da sich gerade vom Standpunkte der eben skizzierten Auffassung von der Genese des Prozesses aus sich ein befriedigendes Verständnis wie für den Prozess im ganzen, . so auch seiner wichtigsten histologischen Einzelheiten eröffnet

Was zunächst die Proliferation der fixen Hornhautzellen anlangt, so hat früher die „nutritive Reizung" im Sinne Virchows zur Erklärung der entzündlichen Wucherung überhaupt weiten Beifall gefunden. Im vorliegenden Falle hätte man sich demnach vorgestellt, dass die schädigende Substanz, die die oberflächlichen Lamellen in den zentralen Teilen imbibierte, in den seitlichen Abschnitten unter dem Epithel wegen der hier vorhandenen Verdünnung ihrer Konzen- tration nicht mehr lähmend, sondern reizend auf die Gewebszellen einwirkte und sie zur Wucherung anregte.

Demgegenüber steht eine zweite, besonders von Weigert be- gründete Auffassung, wonach die Proliferation der Gewebszellen lediglich als regenerativer Vorgang anzusehen sei. Auf den vor- liegenden Fall angewandt, wäre demnach anzunehmen, dass die durch die entzündliche Infiltration verursachte Zerstörung von fixen Zellen eine regenerative Wucherung der erhalten gebliebenen zur Folge hatte. Einen vermittelnden Standpunkt in dieser Frage nimmt Leber (33) ein, wonach die Proliferation der Gewebszellen nicht ausschliesslich als Regenerationsvorgang betrachtet werden kann, sondern vielmehr

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auch als Folge der Reizwirkung der entzündungerregenden Schäd- lichkeit

Gegen beide Auffassungen hat dann kürzlich Ribbert(46) in einer sehr lesenswerten Abhandlung „Über die Bedeutung der Ent- zündung" Stellung genommen, die darin gipfelt, dass die Wucherung bei der Entzündung, wozu die Fähigkeit allen Zellen immanent sei, auf dem Eintritt bestimmter, auslösender Faktoren beruhe, als welche Lückenbildung, Hyperämie, Erweiterung der Saftspalten, Wanderung von Zellen u. ä. mehr in Betracht kämen. Gerade im vorliegenden Falle mit seiner Auflockerung der Lamellen, der Aus- weitung der Saftlücken, der regen Zellwanderung scheinen mir hin- reichende Momente gegeben, um die Proliferation der fixen Zellen im Sinne Bibberts erklärlich zu machen.

Was dann die degenerativen Vorgänge anbetrifft, die ver- schiedenen Phasen des Kernzerfalls, die Zellnekrosen und schliess- lich die Einschmelzung von Hornhautlamellen, so wissen wir durch Leber, dass die Leukocyten, insbesondere die polynucleären, Träger fermentativer Eigenschaften sind, die sie zur Einschmelzung des Ge- webes befähigen. Auf diese proteolytische Fermentwirkung der Leuko- cyten, die auch jüngst wieder durch die Breslauer Klinik experi- mentell erhärtet worden ist, dürften die regressiven Erscheinungen im wesentlichen zurückzuführen sein, wobei auch die so ausser- ordentlich dichte Infarzierung des Gewebes mit Zellen begünstigend im Sinne einer Ernährungsstörung mitgewirkt haben mag.

Wollte man gegen die hier vertretene Auffassung von der prä- ponderierenden Bedeutung der Leukocyteneinwanderung in die Horn- haut einwenden, dass die periphersten Hornhautpartien so gänzlich intakt sind, und nirgends ein strassenförmiger Zug von Leukocyten hier angetroffen wird, so brauche ich dem nur einen Passus aus der berühmt gewordenen Abhandlung von Cohnheim (47) entgegen- zuhalten, worin es heisst:

„Erst wenn die Trübung sich rings um den Ätzschorf zu kon- zentrieren beginnt, werden auch die Eiterkörperchen hier dichter und dichter, und in jener anfangs fahlen Zone hat ihre Zahl so zuge- nommen, dass man ausser ihnen nichts weiteres, weder Grundsubstanz noch fixe Körperchen, mehr wahrnimmt Gleichzeitig aber hat die Menge der Eiterkörperchen in der Hornhautperipherie gar sehr ab- genommen, und fixe Körperchen präsentieren sich jetzt wieder ganz unverdeckt in der alten Klarheit, so dass schwerlich in dem un- befangenen Beobachter die Vermutung rege werden könnte, dass

Beiträge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 245

ein so dichter Schwärm wandernder Körperchen über sie hinweg- gegangen."

Auch der Umstand, dass so auffällig wenig Spiessfiguren in den Flachschnitten von der Hornhaut anzutreffen sind, will nichts gegen eine Einwanderung von Zellen besagen, da bei dem offenbar chronisch verlaufenen Prozess die in den Saftlücken angesammelten Zellen ge- wissermassen zur Ruhe gekommen sind und wieder ihre ursprüng- liche Form angenommen haben.

Und wenn man gegen die ektogene Entstehung des Hornhaut- prozesses, die ja notwendig das Vorhandensein einer primären Schä- digung der Hornhautoberfläche fordert, anführen wollte, dass diese Schädigung histologisch nicht greifbar genug zum Ausdruck komme, so mag der Hinweis auf jene oben erwähnten, mild verlaufenen Fälle von Binginfiltration,' wie sie Fuchs beschreibt, genügen, in deren einem Fuchs die Hornhaut sogar wieder völlig klar werden sah.

Bekanntlich hat Seefelder (48) das Verdienst, in neuester Zeit durch mehrere Publikationen die Frage der angeborenen Hornr hauttrübungen, insbesondere der Entstehung der ihnen zugrunde liegenden entzündlichen Hornhautprozesse von neuem aufgerollt zu haben. Der Ansicht See felders, die auf eine Ablehnung der ekto- genen Hornhautinfektion hinausläuft, kann ich mich, soweit das bisher in der Literatur vorliegende, von ihm kritisch gesichtete Material in Frage kommt, nur anschliessen. Gerade aber die Eigenart des vor- liegenden Falles bestimmt mich, nach den obigen Ausführungen hier die ektogene Entstehung des Prozesses für weitaus wahrschein- licher zu halten. Es soll nicht im geringsten bestritten werden, dass auch bei der hier vertretenen Anschauung manches noch dunkel bleibt und der Klärung bedarf. Vor allem sind weitere anatomische Untersuchungen der verschiedensten Stadien angeborener Hornhaut- erkrankungen unter Berücksichtigung des klinischen Bildes und der ätiologischen Schädlichkeit dringend erwünscht

Jedenfalls ist aber aus dem histologischen Gesamtbild des vor- liegenden Falles kein irgend zwingender Einwand gegen die Annahme einer ektogenen Entstehung der Hornhauterkran- kung zu entnehmen, während anderseits nicht genug betont werden kann, dass gerade diese Auffassung und allein diese Auf- fassung von der Genese des Hornhautprozesses am befrie- digendsten nicht nur die Doppelseitigkeit der Erkrankung, sondern vor allem auch die Gleichartigkeit der Verän- derungen auf beiden Augen erklärt Und auch als graduell

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durchaus gleichartig müssen die Veränderungen beiderseits bezeichnet werden, da die leichten Abweichungen vom Bilde einer gleichmässigen Ringtrübung rechterseits, die durch ein stellen weises etwas stärkeres Vorrücken der Infiltration bedingt sind, gegenüber der in allen wesent- lichen Punkten vorhandenen Übereinstimmung der Veränderungen nicht ins Gewicht fallen kann.

Aus den bisherigen Ausführungen wird man schon entnommen haben, dass die histologischen Vorgänge, die das Bild der parenchyma- tösen Bingkeratitis kennzeichnen, eine weitgehende prinzipielle Übereinstimmung mit denjenigen Vorgängen besitzen, die wir bei der experimentellen Impfkeratitis auftreten sehen. Es könnte dies zunächst befremdlich erscheinen, nachdem wir ja eitrige Keratitis und parenchymatöse Hornhautentzündung wenigstens klinisch von jeher scharf zu trennen gewohnt sind. Indes dürfen wir nie aus dem Auge lassen, dass die Trennung der Krankheitsbilder, wie wir sie aus praktischen Gründen bei unserer Systematisierung vornehmen, stets eine künstliche ist, während die vitalen Vorgänge, wenn auch mit unendlich zahlreichen Abstufungen und Variationen, bei allen diesen Prozessen im wesentlichen die gleichen sind. Wie nahe sich gerade auch bei den vorgenannten Formen die Grenzen berühren, hat kein Geringerer als Fuchs (49) gezeigt, der für das von ihm aufgestellte und begründete Krankheitsbild der Keratitis disciformis, die unter dem Bilde einer exquisit „parenchymatösen" Hornhautentzündung auftritt, die ektogene Entstehung wahr- scheinlich gemacht und auf die nahen Beziehungen zum Ulcus ser- pens corneae hingewiesen hat

Anderseits sind natürlich im vorhegenden Falle auch die sehr erheblichen Abweichungen und ausserordentlichenVerschie- denheiten im Detail gegenüber der eitrigen Keratitis und speziell dem Bingabscess, dem die Erkrankung noch am nächsten stehen dürfte, nicht zu verkennen. Diese Differenzen können nicht wundernehmen, da ja auch schon bei der Impfkeratitis (im weiteren Sinne) das histologische Bild je nach der Art und Virulenz der ver- impften Materie, der Empfänglichkeit der Versuchsobjekte ausser- ordentlich variiert. So kommt es auch, dass Schirmer(50) beispiels- weise bei der Aspergillusmykose der menschlichen Hornhaut im Einwanderungsring nicht entfernt einer solchen die Grundsubstanz erfüllenden Menge von Leukocyten begegnete, wie Leber sie bei seinen Impfexperimenten mit demselben Pilze an der Kaninchen- hornhaut sah. Auch in unserem Falle handelt es sich um eine spon-

Beitrüge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 247

tane Erkrankung der menschlichen Hornhaut, acquiriert im Intrauterinleben, bedingt durch eine Schädlichkeit von be- sonderer Dignität, was alles im Hinblick auf die Differenzen gegen- über Impfkeratitis und Ringabscess wohl zu berücksichtigen ist.

Eine Arbeit über Histologie und Histogenese des Ringinfiltrates der Hornhaut würde unvollständig und lückenhaft erscheinen, wenn sie nicht wenigstens das Wichtigste kurz Revue passieren Hesse, was in der Literatur über ringförmige Keratitis überhaupt nieder- gelegt ist An erster Stelle ist hier jenes von Vossius(51) als be- sondere Form der konstitutionell bedingten parenchymatösen Keratitis zuerst beschriebenen Krankheitsbildes der Keratitis interstitialis centralis annularis zu gedenken, eines „in seinen Anfängen, seinem Höhepunkt und seinem Endausgang, kurz in seinem ganzen Verlaufe vollständig typischen und eigenartigen Krankheitsbildes", wie Vossius(52) auch noch unlängst gegenüber Schirmer (53) scharf betont hat Auch nach den Erfahrungen unserer Klinik gibt es in der Tat, und zwar nach unserem Material meist bei hereditärer Lues, Fälle von ringförmiger Keratitis, denen hinsichtlich ihres Ver- laufes und Ausganges, weniger vielleicht hinsichtlich ihrer Entwick- lung, eine gewisse Sonderstellung im Sinne von Vossius zugewiesen werden kann. Indes beobachteten wir solche Fälle doch nur ganz vereinzelt Häufiger sahen wir im Verlaufe einer in der gewöhnlichen Weise vom Hornhautrande ausgegangenen Keratitis infolge eigen- artiger Anordnung der Trübungsherde und Zusammenfliessens der- selben um das Hornhautzentrum herum eine bisweilen gar auffällig regelmässige Ringtrübung lediglich als ein passageres Stadium der gewöhnlichen Form von Keratitis parenchymatosa sich entwickeln, die auch in ihrem Ablaufe keine erhebliche Abweichung von dem gewöhnlich zu beobachtenden Bilde darbot, wenn wir auch wiederholt liierbei die konzentrische Verkleinerung der Ringtrübung, bisweilen verbunden mit excentrischer Verlagerung derselben, verfolgen konnten. Vermutlich hat Schirmer nur Fälle der letztgenannten Art passagere Ringtrübung im Auge gehabt, wenn er gegen- über Vossius meint, dass dieser ohne zwingenden Grund seine Ke- ratitis centralis annularis von der Keratitis parenchymatosa abgetrennt habe, wie denn auch Morax(54) annimmt, „qu'il ne s'agit que d'une variäte* dans la localisation des infiltrations corneennes".

Von dieser Vossiusschen Ringkeratitis scharf zu trennen sind die eigentümlichen Trübungsringe, die den scheibenförmigen Herd der Fuchsschen Keratitis disciformis umgeben, die bereits früher

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von Grunert(55), dann auch von Schirmer(53) beschrieben und abgebildet worden sind, und die offenbar als Einwanderungsringe um den scheibenförmigen Herd herum gedeutet werden müssen. Da dieselben bei diesem Krankheitsbilde wohl auch klinisch einmal gegenüber der zentralen Scheibe in den Vordergrund treten und das Bild beherrschen können (vgl. die Abbildungen bei Grunert), so ist es zu verstehen, dass Grunert dasselbe seinerzeit als Keratitis annularis bezeichnet hat, während Fuchs ihm später die zutreffende Stellung unter der Keratitis disciformis angewiesen hat

Auf diese beiden auch genetisch grundverschiedenen Formen, nämlich a) die Keratitis centralis annularis (Vossius), b) den Ein- wanderungsring lassen sich alle Fälle von parenchymatöser Ring- trübung in der Cornea zurückführen, wobei zu berücksichtigen ist, dass letzterer in variabeler Ausbildung und Stärke bei den verschie- densten Hornhauterkrankungen [Ringabscess; Ringinfiltration (Fuchs); Keratitis e lagophthalmo nur anatomisch: Wintersteiner (56) ; Keratitis disciformis; doppelseitiges Ringinfiltrat des obigen Falles] zur Entwicklung kommen kann. Sodann ist aber zu unterscheiden zwischen jenen zahlreicheren Fällen, in denen der Einwanderungsring etwas Accessorisches, gegenüber der primären Hornhautschädigung zurücktretendes darstellt, und den Fällen [gutartige Ringinfiltration (Fuchs); vorstehend abgehandelter Fall], in denen er als vorwiegend in die Augen springendes Symptom das klinische Bild beherrscht und somit für die Benennung der Hornhauterkrankung massgebend wird.

Es empfiehlt sich, der Wesensverschiedenheit der beiden unter a) und b) aufgeführten Formen von Ringtrübung der Hornhaut auch in der Nomenklatur Rechnung zu tragen und der Keratitis cen- tralis annularis von Vossius, die auf einem Einwanderungsring beruhenden Fälle von Ringtrübung, soweit sie nicht einen Ring- abscess darstellen, oder, wie bei der Keratitis disciformis, ein unter- geordnetes Symptom repräsentieren, als „Ringinfiltration*4 (Fuchs) oder „Ringinfiltrat" gegenüberzustellen, eine Bezeichnung, die auch dem histologischen Geschehen in diesen Fällen vollauf gerecht wird.

Als wichtigste Unterschiede zwischen beiden Formen sei an- geführt, dass die Vossiussche Keratitis annularis aus einer Vielheit von Krankheitsherden besteht, deren jeder einzelne den Sitz der Schädlichkeit repräsentiert, während das Ringinfiltrat entsprechend seinem Wesen als Einwanderungsring einen einzigen und einheit- lichen Herd darstellt, der nicht selbst die Noxe enthält, sondern die geschädigte Hornhautpartie demarkierend umgibt Darin ist es

Beiträge zur Hißtopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 249

auch begründet, dass die auf einem Einwanderungsring beruhen- den Bingtrübungen bei in der Regel mehr peripherem Sitz stets durch eine auffällige Regelmässigkeit und Gleichmässigkeit der Ringform ausgezeichnet sind, während bei der Voss iusschen Kera- titis annularis centralis sich die Entstehung des Trübungsringes aus einem Zusammenfliessen einzelner getrennter Trübungsherde an der grösseren Ungleichmässigkeit und Unregelmässigkeit der Ringform erkennen lässt.

Indes vermisst man selbst bei den Publikationen der allerletzten Zeit eine genügende Trennung der beiden Formen, obwohl eine solche für das Verständnis des jeweilig vorliegenden Falles von grosser Wichtigkeit ist So würde ich den zweiten der jüngst von Monthus (57) als „K&atite interstitielle annulaire" beschriebenen Fälle, die der Autor meiner Meinung nach soweit man überhaupt nach einer blossen Beschreibung urteilen kann zu Unrecht mit der Vossius- schen Keratitis centralis annularis zusammenwirft, entschieden als Keratitis disciformis auffassen, während der erste seiner Fälle, eine doppelseitige Ringkeratitis der Hornhaut, die zu einer oberflächlichen Ulceration des Trübungsringes geführt hatte, auch im Hinblick auf das Grundleiden Polyarthritis rheumatica doch vielleicht eher jenen oben erwähnten gutartigeren Fällen von Ringinfiltration (Fuchs) zuzurechnen ist, obwohl der Autor ausdrücklich die Beziehung zu dem auch von ihm angeführten Ringabscess ablehnt.

Auf den gleichen Entstehungsmodus, Toxineinwirkung auf die Hornhauthinterwand von der Vorderkammer aus und dadurch provo- zierter Einwanderungsring dürfte wohl auch die von Krause (58) in einem Falle nach Chrysarobinapplikation auf die Haut be- obachtete rasch vorübergehende ringförmige Trübung des Hornhaut- parenchyms zurückzuführen sein, zumal ja auch bei Anwendung dieses Mittels auf die Haut toxische Iritis beobachtet worden ist Bei ein- zelnen der publizierten Fälle lässt sich endlich wegen der Kürze der Mitteilung überhaupt nicht bestimmt sagen, wie sie zu deuten sind, was z. B. von dem von Moulton(59) berichteten Falle von paren- chymatöser Ringtrübung bei einem 67jährigen, an rheumatischen An- fällen leidenden Manne gilt, bei dem gleichzeitig auch Heufieber be- stand. Es ist daher dringend zu wünschen, dass in zukünftigen einschlägigen Veröffentlichungen nicht lediglich von Ringtrübung schlechtweg gesprochen wird, sondern dass dieser Benennung auch eine eingehende Charakterisierung der Fälle beigegeben wird.

Schliesslich wäre noch kurz anzuführen, dass ausser diesen ver-

t. Groefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 2. 17

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schiedenartigen Veränderungen in der Hornhautsubstanz selbst möglicherweise auch Vorgänge auf der Hornhauthinterwand das Bild einer ringförmigen Keratitis vortäuschen können. Wenigstens gibt E. v. Hippel in seiner oben citierten grossen klinischen Arbeit über Keratitis parenchymatosa an, dass unter den sieben Fällen von Bingtrübung, die er bei insgesamt 87 klinisch beobachteten Fällen von Keratitis parenchymatosa antraf, die immer sehr tief gelegene ringförmige Trübung einige Male mit grosser Wahrscheinlichkeit als Auflagerung auf die Hinterfläche der Cornea angesehen werden konnte. Er ist geneigt, an eine Mitwirkung von Fibringerinnungen auf der Hornhauthinterfläche zu denken. Auch ich entsinne mich, einmal eine ganz tief gelegene, gelbliche, unregelmässig rundliche, bzw. fast etwas polygonale „Ring"trübung gesehen zu haben, die von der Hornhauthinterwand geradezu in die Vorderkammer hinein vor- zuspringen schien. Jedenfalls ist auch etwas derartiges im Auge zu behalten.

Mit dem hier beschriebenen Falle von angeborenem doppelseitigem Ringinfiltrat, das mit grösster Wahrscheinlichkeit auf eine ektogene Schädigung der Hornhaut während des Intraute- rinlebens durch eine im Fruchtwasser vorhandene Noxe zurückzuführen ist, glaube ich nicht nur einen neuen bisher unbekannt gewesenenModus derEntstehung vonParenchym- erkrankungen der Hornhaut während der Fötalperiode wahr- scheinlich gemacht zu haben, sondern auch ein Beispiel dafür ge- liefert zu haben, wie unendlich wechselvoll das syphilitische Virus auch an einem relativ so einfach gebauten Gewebe, wie es die Hornhaut ist, seinen schädigenden Einfluss zu äussern vermag. Es dient derselbe demnach auch mit Beschrän- kung auf die Hornhaut zur Bestätigung des Ausspruches von Sidler- Huguenin, wonach „die angeborene Syphilis" die Bab treffend eine Spirochätensepticämie nennt „fast ebenso reich an den ver- schiedensten Erkrankungsformen ist, wie die acquirierte Lues".

Es lässt dieses Proteusartige in den Erscheinungsformen der Sy- philis immerhin daran denken, dass auch die gewöhnliche Form der Keratitis interstitialis diffusa, die ja klinisch doch sehr variabel sich äussern kann, und von der erst in einem typischen Falle durch Elschnig der degenerative Charakter der Erkrankung nach- gewiesen ist, möglicherweise gleichfalls keine einheitliche anatomische Grundlage besitzt. Weitere histologische Untersuchungen werden auch hierüber die Entscheidung zu erbringen haben.

Beitrfige zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 251

Der zweite von mir gesehene und histologisch untersuchte Fall einer angeborenen parenchymatösen Keratitis liegt weit ein- facher, so dass ich mich in der nachfolgenden Schilderung kürzer fassen kann.

n. Keratitis parenohymatosa oongenita oo. dext.

Die beiden Bulbi dieses Falles enucleierte ich der noch warmen Leiche einer ausgetragenen weiblichen Frucht, an der wegen Hydro- cephalus die Perforation vorgenommen worden war.

Die nach der Krankengeschichte aus gesunder Familie stammende und selbst völlig gesunde Mutter, Frau H., die früher zwei normal verlaufene spontane Partus durchgemacht hatte, war Anfang September 1903 zum letzten Male menstruiert Am 17. V. 04 traten morgens Wehen ein; nach- mittags erfolgte der Blasensprung, aber trotz heftiger Wehen nahm die Ge- burt keinen Fortgang. Ein zugezogener Arzt diagnostizierte Steisslage und machte Extraktionsversuche mit dem Braunschen Haken. Dabei bemerkte er seinen Irrtum und legte nun die Zange an. Dieselbe schloss aber nicht und starke Traktionen hatten gar keinen Erfolg, so dass er nun die schleunige Überführung nach der Universitäts-Fraoenklinik anordnete Ein- tritt in die Klinik am 19. V. 04. Temperatur 38,8. In dem vollkommen erweiterten Muttermund fand man hier den Kopf vorliegend, fest eingekeilt, auf Druck aber nachgebend. In Narkose wurde aus der Grösse des Kopfes, dem Schlottern seiner Knochen und der Grösse seiner Nähte die Diagnose auf Hydrocephalus gestellt und sogleich die Perforation ausgeführt, die leicht gelang. Dabei floss reichlich (ungefähr 700 ccm) blutig-seröse Flüssig- keit ab. Das Gehirn, das nur in geringer Masse vorhanden zu sein schien, wurde mit dem Katheter zerstört. Nach Eingehen mit zwei Fingern in die Perforationsöfihung wurde der Kopf leicht in I. Schädellage entwickelt. Uterusausspülung ; Wochenbettverlauf war fieberhaft; nach einigen Wochen genesen entlassen.

Weibliches Kind; Gewicht 3800 g; Länge 55 cm; Kopfumfang 43 cm. Eine Sektion der Leiche war leider unterblieben.

Das linke Auge erscheint intakt.

Der rechte Bulbus zeigte in der Conj. fornicis ziemlich frische Sugillationen.

In der Hornhaut (vgl. Taf. IV, Flg. 11) und zwar ihrer unteren Hälfte angehörig, ist bei anscheinend glatter Oberfläche eine eigentümliche, graublau- weissliche, parenchymatöse Trübung von etwa Halbmondform sichtbar, die vom Skleralbord durch eine schmale Zone klaren Hornhautgewebes getrennt bleibt Am dichtesten ist die wolkige Trübung, die in verschiedenen Schichten der Hornhautsubstanz zu liegen scheint, in der dem Limbus zugekehrten Partie, während pupillarwärts die Trübung zarter wird und sich allmählich nach dem horizontalen Meridian hin, den sie nach oben grösstenteils nicht überschreitet, ver- liert. Am gesättigtsten erweist sich die Trübung an ihrer temporalen und

17*

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noch mehr an der nasalen Grenze, die allein noch etwas über den horizon- talen Meridian hinaus nach oben reichen und von denen die letztere auch ziemlich nahe an den Limbus herangerückt ist

Der antero-posteriore Durchmesser des Bulbus beträgt 16,5 mm. Der Hornhautdurchmesser ist vertikal 9,0 mm, horizontal 9,5 mm.

Die Bulbi wurden 24 Stunden lang in 10°/0 Formalinlösung fixiert und nach Weiterbehandlung in Alkohol, Eröffnung oberhalb des horizontalen Meridians, Celloidineinbettung horizontal geschnitten. Vom Restblock des rechten Bulbus mit der Hornhauterkrankung, der den unteren limbus mit dem angrenzenden Hornhautsaum enthielt, wurden dann auch noch Vertikal- schnitte angelegt. Infolge eines Fehlers der Messerschneide zeigen die Schnitte besonders im Zentrum der Hornhaut erhebliche Zerreissungen; doch sind gerade die meist veränderten Abschnitte, auf die es ankommt, nur wenig berührt.

Mikroskopischer Befund.

Der linke Bulbus entspricht vollkommen einem normalen Neugeborenen- auge, und konnte so vortrefflich als Vergleichsobjekt für das rechte Auge herangezogen werden.

Rechtes Auge: Die Conjunctiva bulbi enthält praügefüllte Ge- fässe, und zeigt diffus zerstreut, aber verhältnismässig spärliche polynucleäre Leukocyten. Zellige Infiltrationsherde finden sich nur vereinzelt und in sehr geringem Umfange in der Nachbarschaft von Blutgefässen. Im Epithel und zwar in allen Schichten desselben sind zahlreiche polynucleäre Leu- kocyten eingelagert Besonders im unteren Abschnitt der Augapfelbinde- haut werden zahlreiche zum Teil sehr umfangreiche Blutextravasate angetroffen, die das lockere Gewebe der Conjunctiva bulbi und der Episklera auseinan-. derdrängen.

Das Epithel der Hornhaut ist in den unteren zwei Dritteln der Membran in weitem Umfange defekt bzw. vollständig abgestossen, und zwar entspricht die Form des Epitheldefektes annähernd einem dreieckigen Bezirk, dessen Basis der untere Hornhautrand darstellt, während die Spitze in der Höhe des oberen Pupillarrandes gelegen ist Verfolgt man das Hornhaut- epithel, indem man vom Skleralbord, etwa vom unteren, ausgeht, so findet man dasselbe in der äussersten Peripherie noch vollständig erhalten, regel- mässig in fünf Schichten angeordnet, von denen die Basallage sich aus ganz gleichmässigen niedrigen Cylinderzellen zusammensetzt Weiter zentralwärts verdünnt sich die Epitheldecke durch Schwund der oberflächlichen Lagen, während die basalen Cylinderzellen am längsten widerstanden haben. Da, wo letztere allein noch vorhanden sind, ändert sich auch ihre Form; sie werden niedriger, unregelmässiger, ihre hier sehr dunkel tingierten Kerne zeigen Neigung zu oberflächenparalleler Orientierung, und so gehen sie rasch in niedrige flache Deckzellen über, die den Eindruck neugebildeter, regenerierter Epithelien machen, und die nur eine ganz kurze Strecke weit die Bowmansche Membran bedecken. Letztere liegt dann weiterhin von allem Epithel entblösst, frei zutage. Da, wo die Unregelmässigkeit des Epithels und seine Verdünnung deutlich ausgeprägt sind, nimmt auch die allenthalben vorhandene Durchsetzung desselben mit polynudeären Leu-

BeitrSge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 253

kocyten zu. In den Grenzbezirken, wo das Epithel in ganzer Ausdehnung vorhanden ist, also vor allem nach oben hin, findet man in demselben als Ausdruck einer bereits bestehenden Schädigung desselben, als Vorstadium seines Unterganges Aufquellung zahlreicher Zellen, Tröpfchen- und Vakuolen- bildung in nnd zwischen denselben, und reichliche Durchsetzung mit Wan- derzellen.

Die Bowmansche Membran ist im ganzen Bereiche der Hornhaut vollkommen erhalten.

Direkt unterhalb der Bow manschen Membran beginnen diejenigen Veränderungen, die das anatomische Substrat der diffusen parenchymatösen Hornhauttrübung darstellen, und die in einer massenhaften Ansamm- lung von Zellen in der Hornhautgrundsubstanz bestehen. Am spär- lichsten ist diese Zunahme von Kernen in der äussersten Hornhautperipherie, die dem klinisch sogar als klaren Randsaum erschienenen Hornhautabschnitt entspricht. Hier findet man dicht unter der Bowm an sehen Membran einen sehr lockeren, schmalen Zug von diskontinuierlich aneinander gereihten Zell- kernen, während die ganze übrige Dicke der Hornhaut hier lediglich den normalen Reichtum an Kernen mit regelmässigem Abstände aufweist, und nur in der Tiefe, dicht vor der Membrana Descemetii wieder eine geringe, doch deutliche Zunahme der Kernzahl in Erscheinung tritt.

In dem von der parenchymatösen Trübung eingenommenen Hornhaut- abschnitt, der, von dem eben erwähnten Randsaum abgesehen, knapp die untere Hälfte der Membran umfasst, ist diese Vermehrung der Zellen, die sich etwa auf die vorderen zwei Fünftel der Hornhautdicke erstreckt, eine erheblichere, und zwar lässt sich ein sehr deutlicher Unterschied zwischen den zentralen Partien und dem an den klaren Randsaum der Hornhaut an- grenzenden peripheren Abschnitt der Trübung wahrnehmen, der bereits klinisch durch einen viel gesättigteren Ton aufgefallen war. Denn während sich in jenen die Vermehrung der Zellen noch in relativ engen Grenzen hält, und ihre Verteilung und Anordnung eine mehr diffuse, lockere ist, wächst in dem peripheren Abschnitt die Zahl der neuaufgetretenen Zellen zu einem dichten Haufen, der ganz allmählich in die diflhse Kernver- mehrung der zentralen Teile übergeht, indes die Verbindung. mit dem Horn- hautrande durch jenen oben erwähnten schmalen Zug spärlicher, dicht unter der Bow manschen Membran gelegener Zellen hergestellt wird.

Es gilt dies für die Horizontalschnitte unterhalb des unteren Pupillar- randes. Weiter höher tritt die diffuse Zellvermehrung in den zentralen Par- tien der Schnitte immer mehr zurück, wohingegen dem klinisch konstatierten höheren Hinaufreichen der temporalen und nasalen Grenze der parenchyma- tösen Trübung entsprechend, noch eine sehr dichte Zellansammlung in der Nähe des Hornhautrandes angetroffen wird. Dieselbe hat die Form eines Keiles, dessen dicht unter der Bowm ansehen Membran gelegene Spitze dem Hornhautsaum zugekehrt ist Der nasale Zellkeil ist stärker entwickelt und reicht weiter nach oben als der temporale.

Die Art der Zellen ist sowohl in den zentralen Teilen mit der lockeren Zellvermehrung als in den eben besprochenen Randpartien ganz die gleiche, und der Unterschied zwischen beiden Abschnitten ist lediglich ein quantitativer, durch den verschieden starken Gehalt von Zellen bedingter.

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Im wesentlichen lassen sich zwei Zell arten auseinander halten. Den über- wiegenden Anteil stellen die Leukocyten und zwar zum grossen Teil unzweifelhaft neutrophile mit fragmentiertem Kern: polynucleäre Leukocyten. Es ist dies vortrefflich an solchen Stellen zu sehen, wo diese Zellen in den sogenannten Saftspalten neben einem fixen Hornhautkörperchen gelagert offenbar zur Ruhe gekommen sind, und daher ihre ursprüngliche charakte- ristische Kernform wieder angenommen haben, wie sie vielfach auch ausser- halb des Hornhautbereiches, beispielsweise im lockeren Maschenwerk des Ligamentum pectinatum angetroffen wird. Von diesen ruhenden Kernen zu unterscheiden sind die besonders in dem dichten Zellkeil nahe dem Horn- hautrande vorhandenen äusserst bizarren Formen, langausgezogene und ge- wundene Kerne, Abschnürungen u. dgl., wie sie vor allem den in Lo kö- rn otion befindlichen Leukocyten eigen sind.

Daneben finden sich aber auch allenthalben grössere, blassere, vielfach fein granulierte Kerne, die ihrer Form nach offenbar als Abkömmlinge der fixen Hornhautzellen anzusprechen sind. Sie treten an Menge den Wanderzellen gegenüber entschieden in den Hintergrund.

Die Anordnung der Zellen ist eine derartige, dass sie zu mehreren Individuen an den Stellen stärkerer Ansammlung auch in Form längerer Zellzüge die ausgeweiteten sogenannten Saftspalten erfüllen, wodurch die Lamellen in unregelmässigen Windungen auseinander gedrängt werden. Ver- einzelt, und zwar da, wo die Zellansammlung am dichtesten ist, drängen sich die Zellen aber auch zwischen die Fibrillen, wodurch Bilder entstehen, die entfernt an junges Granulationsgewebe erinnern. Nach den tieferen Schichten zu nimmt die Zellanschoppung rasch ab, wenn auch eine geringe Vermehrung, speziell der Wanderzellen, allenthalben in der Hornhaut zu konstatieren ist. Nur dicht vor der Membrana Descemetii zieht sich wie- der ein schmaler gedrängter Zug von Leukocyten hin.

Ein Zerfall von Zellkernen tritt selbst an den Stellen dichtester Infiltration nur ganz verschwindend in Erscheinung. Degenerative Veränderungen am Stroma fehlen vollkommen. Ebenso sucht man vergeblich in der Membran nach neugebildeten Blutgefässen.

Die Membrana Descemetii selbst und ebenso ihr Endothel ist in ganzer Ausdehnung vorhanden. Zwischen den Zellen des letzteren finden sich zahlreiche kleine Vakuolen und Tropfen, die hier und da den Zellleib ein wenig von der Descemet abheben, und so den Eindruck erwecken, als ob sich an diesen Stellen eine Desquamation des Endothels vorbereite. Es muss jedoch betont werden, dass sich ganz die gleichen Bilder an dem Descemetendothel des normalen linken Bulbus vorfinden. Es handelt sich offenbar um dieselbe Erscheinung, die Peters (60) an einem Neugeborenen- auge mit Hornhautverletzung durch Zangenentbindung angetroffen hat und die nach ihm möglicherweise der Formolhärtung zur Last zu legen ist

Auf der Hornhauthinterwand liegen teils vereinzelt, teils in Häuf- chen von 3 bis 4 Elementen polynucleäre Leukocyten. In gleicher Weise finden sie sich auch auf der Irisoberfläche und in der Kammerbucht, und vor allem sieht man sie in grosser Anzahl die den Kammerwinkel begren- zenden Gewebe diffus durchsetzen, so vor allem zwischen den zarten Faser- zügen des noch erhaltenen Ligamentum pectinatum und in den Maschen

Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 255

zwischen den sklero-cornealen Trabekeln, in dem daran anschliessenden Ab- schnitte des Ciliarmu8kels and in der Iriswnrzel. Diese zellige Infiltration der Kammerbuchtgewebe reicht weit nach oben, noch über die obere Grenze der Hornhautveränderungen hinaus. Zerstreut zwischen den Leukocyten finden sich auch Extravasate von roten Blutkörperchen. Letztere treten vor allem in den Vertikalschnitten durch die untere Kalotte in den Ciliar- fortsätzen, spärlicher in der Pars plana des Ciliarkörpers und der Iris her- vor und zeigen unter Beteiligung von Fibrinaustritten Umwandlung in um- fangreiche Schollen von teils mehr homogener, teils netzförmiger Struktur. Die Iris ist ziemlich kernreich, aber frei von umschriebenen Zellherden. Das gleiche gilt von der bis auf vereinzelte Ghromatophoren noch völlig pigmentfreien Ader haut. Nur im äquatorialen Bezirk der temporalen Seite haben sich eine Reihe umschriebener Rundzelleninfiltrate etabliert, die sich durch zahlreiche Schnitte hindurch verfolgen lassen. Linse, Netzhaut und Sehnerv sind gut entwickelt und weisen keine Besonderheiten auf.

Schon aus dieser summarischen Beschreibung ergibt sich, dass der angeborenen Hornhauttrübung des vorliegenden Falles anato- misch entzündliche Veränderungen in der Grundsubstanz der Hornhaut, eine Keratitis interstitialis, zugrunde liegen.

Dieses Untersuchungsergebnis ist immerhin beachtenswert; denn obwohl das Vorkommen angeborener Hornhauttrübungen klinisch vielfach beschrieben und als Ursache derartiger angeborener Trü- bungen trotz mancherlei gegenteiliger Ausführungen wiederholt eine fötale Entzündung vermutet worden ist, so ist doch der sichere anatomische Nachweis einer intrauterinen Keratitis interstitialis bisher nur in ganz vereinzelten Fällen geführt, und, wenn man von den teils ungenauen, teils zu aphoristisch gehaltenen älteren Mitteilungen absieht, eigentlich ganz einwandfrei zum erstenmal von Seefei der (35) vor kurzem erbracht worden.

Die anatomische Erhärtung einer klinisch auf angeborene inter- stitielle Keratitis gestellten Diagnose muss aber zurzeit noch durchaus gefordert werden, wenn anders eine solche Diagnose auf Zuverlässig- keit Anspruch erheben soll. Wissen wir doch, dass speziell auch unter den angeborenen Trübungen der Hornhaut das Bild einer interstitiellen Keratitis durch genetisch und morphologisch sehr diffe- rente Veränderungen erzeugt werden kann.

So kennen wir die nach Zangenentbindung auftretenden diffusen Trübungen des Parenchyms, die, wie ich selbst bei zwei Fällen ge- sehen habe, ausserordentliche Ähnlichkeit mit Keratitis parenchymatosa besitzen, und die als Quellungstrübung der Hornhaut aufzu- fassen sind, wie auch aus der jüngst von Peters (60) gegebenen anatomischen Beschreibung eines derartigen Auges (. . . Hornhaut-

256 W. Reis

parenchym stark gelockert . . .) hervorgeht, bei dem gleichzeitig Rup- turen der Descemet als Substrat einer tiefen Streifentrübung nach- gewiesen werden konnten.

Des weiteren wäre hier der den angeborenen Hydrophthalmus komplizierenden Hornhauttrübungen zu gedenken, zu denen beispiels- weise der von Laurence (61) als „Corneitis interstitialis in utero" beschriebene Fall zu rechnen ist (3 Monate altes Kind; „die beiden Corneae waren ausserordentlich gross und hervorragend, ihre Mitten bläulich weiss und fein granuliert"). Auch hierbei dürfte es sich, in einem Teil der Fälle wenigstens, um Quellungstrübung der Horn- haut handeln, wenn auch anderseits nicht von der Hand zu weisen ist, dass in dem einen oder andern Falle tatsächlich eine echte Ke- ratitis interstitialis oder ihr Folgezustand vorliegt, nachdem wir durch Seefelder auf die grosse Bedeutung hingewiesen worden sind, die eine fötale Keratitis für die Entwicklung eines angeborenen Hydro- phthalmus haben kann.

Wollte man gegenüber dem fast stets gleichmässigen, diffusen Aussehen der Quellungstrübung der Hornhaut nach Zangenentbindung etwa als Kriterium für das Vorliegen einer interstitiellen Keratitis die auch im vorliegenden Falle von partieller Trübung sehr ausge- sprochene Dngleichmässigkeit in der Dichte der Trübung heran- ziehen, so ist demgegenüber auf den eben erwähnten Fall von Peters zu verweisen, in dem ebenfalls die infolge Zangen Verletzung auf- getretene, anatomisch sichergestellte Quellungstrübung der Hornhaut ausdrücklich auch als eine ungleichmässige geschildert wird.

Man wird es daher verstehen, wenn man zur sicheren Beurteilung der Natur einer angeborenen Hornhauttrübung die anatomische Un- tersuchung als unerlässlich bezeichnet; und selbst dann ist noch die Einschränkung zu machen, dass es sich nicht um allzu vorgeschrittene oder verwickelte Veränderungen handeln darf, da sonst selbst der anatomische Befund im Stiche lässt, oder eine widersprechende Deu- tung erfahren kann, wie aus den Mitteilungen von Maager (62) und besonders von Peters (63) [Kontroverse mit E. v. Hippel(64)] schlagend hervorgeht.

Es liesse sich vielleicht noch einwenden, dass auch die vor- liegenden Hornhautveränderungen die Folgen eines Traumas, des protrahierten Geburtsverlaufes oder der dabei versuchten Eingriffe dar- stellten, und dass daher auch diese angeborene Hornhauttrübung trotz ihres wohlcharakterisierten histologischen Substrates in eine Reihe mit jenen eben erwähnten diffusen Trübungen der Hornhaut nach Zangen-

Beitrftge zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen ubw. 257

Entbindung zu stellen sei. Ich halte das jedoch nicht für wahrschein- lich. Zwar finden sich auch hier am rechten Bulbus Veränderungen, die als „traumatische" im weiteren Sinne auf die Geburt an sich zu- rückzuführen sein dürften, so die Blutextravasate unter die Binde- haut und im Corpus ciliare, welch letztere Lokalisation bei Neu- geborenen auch schon Monthus (65) gesehen hat, und zwar ohne jegliche Veränderung seitens der Hornhaut Dahingegen stellen die herdförmigen Infiltrate in der Aderhaut und die zellige Infiltration im Hornhautparenchym mit ihrer Tendenz, von einem umschriebenen Bezirke des Hornhautrandes aus flächenhaft in der Membran vorzu- rücken, Veränderungen dar, die doch weit eher auf einen spontanen Krankheitsprozess hinweisen. Und der Umstand, dass immerhin schon deutliche Regenerationserscheinungen von Seiten des Oberflächen- epithels der Hornhaut vorliegen, macht es doch sehr wahrscheinlich, dass die ersten Veränderungen am Parenchym schon eine gewisse Zeit zurückdatieren und bereits eingesetzt hatten, bevor die Geburt in Gang gekommen war.

Was den Weg der Entstehung dieses Hornhautprozesses an- langt, so kann bei dem einseitigen Auftreten desselben, bei dem Vor- handensein eines lediglich partiellen Defektes im Hornhautepithel, dessen Lage und Ausdehnung denselben als von der Parenchym- veränderung abhängig erweisen, bei dem gleichzeitigen Bestehen von Infiltrationsherden in dem äquatorialen Abschnitt der Aderhaut wohl nur eine endogene Entstehung in Frage kommen.

Leider muss die Ätiologie der Erkrankung im vorliegenden Falle als dunkel bezeichnet werden. Weder ist in dem histologischen Charakter der Hornhautveränderung als solcher ein Hinweis auf die Natur der ursächlichen Schädlichkeit zu finden, noch liefert die Anamnese seitens der Mutter, oder der objektive Befund bei Mutter und Band einen sicheren Anhaltspunkt zur Aufklärung der Ätiologie. Das einzige Moment, das einen Fingerzeig geben könnte, bildet das gleichzeitige Vorhandensein eines angeborenen Hydrocephalus in- ternus. An sich kann derselbe natürlich nicht als direkte Ursache in Betracht kommen. Aber die Tatsache, dass der Hydrocephalus internus congenitus bei hereditärer Syphilis auftreten kann, wie es z. B. Heller (66) berichtet hat, oder dass, wie Rosinski (67) an- führt, bei mehreren Früchten syphilitischer Eltern Hydrocephalus be- obachtet worden ist, muss doch auch im vorliegenden Falle einen ge- wissen Verdacht nach dieser Richtung hin erwecken. Auch nach. Heubner(68) ist für den angeborenen Hydrocephalus „vielleicht am

258 W. Reis

meisten unter den ätiologischen Momenten gesichert der zuweilen vor- handene Zusammenhang mit der ererbten Syphilis".

Ich begnüge mich mit diesem Hinweise, wonach also auch im vorliegenden Fall möglicherweise Syphilis als Ursache der intersti- tiellen Hornhautentzündung in Frage kommt, möchte aber diesen Punkt nochmals ausdrücklich als offen bezeichnen, da das Bestreben, dem man auch in der neueren Literatur vielfach noch begegnet, alle ätiologisch unklaren Fälle und Krankheitsbilder in den grossen syphilitischen Topf zu werfen, wogegen vor kurzem auch Peters (63) mit Recht Front gemacht hat, nicht genug verurteilt werden kann. Es bleiben auch so immer noch hinreichend Fälle mit einwandsfrei erbrachtem Nachweise der Lues, die die grosse Bedeutung dieser In- fektion auch für die Pathologie der Hornhaut dartun.

Da die anatomischen Veränderungen in der Hornhaut recht ein- fach sind und völlig klar hegen, so seien dieselben nur noch mit wenigen Worten gestreift. Da ist einmal die auffällig oberfläch- liche Lage der Parenchymveränderungen, die auch an der meist veränderten Stelle ausschliesslich oder doch vorwiegend das vordere Drittel der Grundsubstanz betreffen und direkt an die Bow- mansche Membran angrenzen, während man von jeher gewohnt ist, den Begriff einer parenchymatösen Keratitis, soweit es sich dabei nicht um eine überhaupt die ganze Hornhautdicke umfassende Affek- tion handelt, mit der Vorstellung einer Lokalisation der anatomischen Veränderungen vorzugsweise in den mittleren (Mesokeratitis) oder gar hinteren Hornhautschichten zu verknüpfen. Diese oberflächliche Lage der Parenchymveränderungen, die, wenn auch in modifizierter Weise in Fall I hervortritt, darf daher für sich allein wenigstens nie- mals etwa als Argument für die Annahme einer ektogenen Ent- stehung einer parenchymatösen Keratitis, die mir bei Fall I aus andern Erwägungen heraus wahrscheinlich ist, herangezogen werden.

Ein vorwiegendes Befallensein der oberflächlichsten Schichten der Hornhaut erwähnt auch Seefelder bei seinen Fällen von fötaler interstitieller Keratitis. Ebenso finde ich bei Fuchs (69) in seiner „Bowman Lecture" ausdrücklich angegeben, dass er einmal bei einer Tuberkulose der Uvea bei einem Kinde die vordersten Hornhaut- schichten dicht unter dem Epithel verändert sah (Quellung, Kern- vermehrung).

Was sodann den histologischen Charakter dieser Paren- chymveränderungen anlangt, so bilden nach dem oben Gesagten den Grundstock der sie konstituierenden Zellansammlung neben einer

Beitrage zur Histopathologie der parenchymatösen Erkrankungen usw. 259

Wucherung fixer Horahautkörperchen vor allem leukocytäre Elemente, die wohl zum grössten Teil durch Immigration in die Hornhaut hin- eingelangt sein dürften, wenn auch natürlich eine Vermehrung der Wanderzellen in loco nicht in Abrede gestellt werden soll. Damit kennzeichnet sich die vorliegende Veränderung, die klinisch als ein parenchymatöses Infiltrat erschienen war, auch als entzünd- liches „Infiltrat" im strengen histologischen Sinne. Ich wüsste wenigstens keine Bezeichnung, die den anatomischen Vorgang in der Hornhaut dieses Falles zutreffender charakterisierte.

Damit ist auch einer übertriebenen Skepsis gegenüber ganz all- gemein dargetan, dass einem sogenannten parenchymatösen Hornhautinfiltrat des Klinikers auch anatomisch tatsäch- lich ein Infiltrat entsprechen kann. Inwieweit schon aus dem klinischen Bilde auf das jeweilige histologische Substrat zu schJiessen ist, wird sich allerdings erst auf Grund zahlreicher vergleichender Untersuchungen ermitteln lassen. Für den vorliegenden Fall sei re- kapituliert, dass es sich klinisch um eine trotz der Klarheit der äussersten Hornhautperipherie doch zweifellos vom Rande der Hornhaut ausgegangene Trübung gehandelt hatte, die sich, wenn auch von verschiedener Dichte, so doch frei von circum- scripten Herden kontinuierlich über ein gewisses Areal der Membran erstreckte, und unscharf in den noch klaren Abschnitt der Hornhaut überging.

Aus den beiden hier berichteten Fällen geht jedenfalls hervor, dass der Angriffspunkt der jeweiligen eine interstitielle Keratitis ver- ursachenden Noxe in der Hornhaut ein sehr differenter sein kann, was allein schon die vielfachen Variationen des klinischen Bildes verständ- lich macht In den beschriebenen beiden Fällen handelte es sich noch um relativ sehr einfache elementare Vorgänge, die das klinische Bild einer interstitiellen Keratitis erzeugt hatten. Dass sich unter dem Bilde eines sogenannten parenchymatösen „Infiltrates" aber auch höchst komplizierte Hornhautprozesse verbergen können, dafür bin ich in der Lage, demnächst ein treffendes Beispiel vorzubringen.

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Erklärung der Abbildungen auf Tat IV u. V, Fig. 1—12.

Die Photographien, denen, bis auf Fig. 12 von Fall II, sämtlich Präparate vom linken Bulbus zugrunde liegen, sind mittels des Zeissschen mikrophoto- graphischen Apparates der Universitäts-Augenklinik von meinem Mitassistenten, Herrn Dr. Plaskuda, mit gewohnter Meisterschaft angefertigt. Auch an dieser Stelle sei meinem lieben Kollegen für seine freundliche Mühewaltung herz- lichst gedankt.

Fig. 1. Hornhauttrübung des linken Auges von Fall I.

Fig. 2. Hornhauttrübung des rechten Auges von Fall I. In der Wiedergabe sind

die Trübungen zu sehr blaugrau; es fehlt der ihnen eigentümliche gelbliche

Farbton.

Die Figg. 3—10 stammen von Fall I. Fig 3. Übersichtsbild über den vorderen Bulbusabschnitt mit parenchymatösem Ringinfiltrat der Hornhaut. Horizontalschnitt durch die Mitte des Pupillar- gebietes.

Die Figg. 3 6 stellen Partien aus dem Ringinfiltrat dar und zwar:

Fig. 4. Peripheres Ende des Ringinfiltrates; zellige Infiltration der sog. Saft- lücken, aus Leukocyten und proliferierten fixen Hornhautkorperchen bestehend. Allmähliche Verdünnung der Epitheldecke zu einer einfachen Lage flacher (regenerierter) Epithelien.

Fig. 5. Aus einem weiter cornealwärts liegenden Abschnitte des Ringinfiltrates. Einfache Lage ganz platter, regenerierter Epithelien. Stärkere Infiltration zwischen den Hornhautlamellen und beginnendes Zusammenfliessen der Saft- lücken.

Fig. 6. Aus einem noch weiter cornealwärts liegenden Abschnitt des Ringinfil- trates. Hochgradig ausgeweitete Saftlücken, teils mit Zellen, teils mit detritus- artiger Masse erfüllt Ausgedehnter Kernzerfall ; zwei kleine Nekroseherdchen. Epithel fehlt vollständig.

Fig. 7. Hinteres, nahezu normales Drittel der Hornhaut. Infiltration dicht vor der Membrana Descemetii (hinterer Einwanderungsring). Zellige Beschläge auf der Descemet.

Fig. 8. Unten: Linsenkapsel mit aufgelagertem Irispigment. Oben: Pupillar- membran. Zellimmigration aus der Iris und den Gefässen der Pupillarmembran.

Fig. 9. Häufchen polynucleärer Leukocyten in der Kammerbucht.

Fig. 10. Zelliges Infiltrat im Ciliarmuskel.

Fig. 11. Hornhauttrübung des rechten Auges von Fall IL

Fig. 12. Von Fall IL Diffuses Infiltrat der Hornhaut. Die Steile entspricht dem gesättigten nasalen Grenzbezirk der parenchymatösen Trübung (vgl. Taf. IV, Fig. 11). Epithel bis auf eine einfache Schicht niedriger Zellen (Regeneration?)

(Aus dem Physiologischen Institut zu Leipzig.)

Wie ist die vermehrte Porpurfärbung in der Sehleiste der Kaninchennetzhaut zu erklären?

Von

Robert "Weiss, Cand. med.

Mit Taf. VI und 2 Figuren im Text

Die Netzhaut einiger Säugetiere zeigt nach längerem Dunkel- aufenthalt neben der der Netzhaut allgemein zukommenden Purpur- färbung eine Zone intensiverer Rötung, die in Form eines Streifens vom temporalen zum nasalen Pol des Auges sich hinzieht Diesen als Sehleiste beschriebenen Streifen konnte Kühne1) bei verschie- denen Säugetieren nachweisen, so beim Kaninchen, Rind, Hammel, Hund und bei der Katze. Bei den genannten Tieren ist die Ab- grenzung dieser Sehleiste gegen die übrige Netzhaut mehr oder we- niger deutlich; besonders günstige Verhältnisse findet man bei der Kaninchennetzhaut Hierüber schreibt Kühne2):

„Die Kaninchennetzhaut zerfällt der Färbung nach in sehr eigentüm- licher Weise in zwei Abschnitte, in einen blasseren, oberen und einen dunkleren, röteren, unteren. Der Optikus steigt bei diesem Tiere nach dem Eintritt in die Orbita hoch am Auge empor, indem er sich der äusseren hinteren Bulbusfiäche In langer Ausdehnung anschmiegt, und bildet durchs Auge gelangt den bekannten, zu seiner Anfangsrichtung senkrecht gestellten, nach beiden Seiten abgehenden, weissen Streifen markhaltiger Nervenfasern, der zugleich das einzige gefässführende Gebiet dieser Netzhaut darzustellen scheint Somit wird die Retina durch den weissen Streifen in eine obere, kleinere und eine untere, grössere Abteilung geschieden. Unter dem weissen Streifen befindet sich der zweite dunkle purpurrote von etwa gleicher Breite,

*) W. Kühne, „Vorkommen der Sehleiste". Heidelberger Untersuchungen 1879. Bd. II. S. 383.

*) W. Kühne, „Über den Sehpurpur". Heidelberger Untersuchungen 1877. Bd. I. S. 78.

264 R. Weiss

welcher sich gegen den oberen weniger gefärbten Netzhantabschnitt scharf, gegen den unteren röteren, etwa in der Höhe des Netzhauthorizontes dif- fuser abgrenzt, und beiderseits weit nach vorn herumreicht . . . Die Er- scheinung des roten Streifens hat mit darunter liegenden Blutgefässen nichts zu schaffen und ist an abgezogenen Eaninchennetzhftuten jederzeit zu de- monstrieren. Hier ist der Purpur weitaus am intensivsten, und bleicht immer sehr viel später aus unter Übergang in gelb, so dass der Streifen an stark ausgebleichten Präparaten noch lange sichtbar bleibt."

Nach meinen eigenen Messungen am Kaninchenauge ergab sich für die Breite der Sehleiste 1 mm, für ihre Entfernung von dem oben von Kühne erwähnten weissen Streifen markhaltiger Nerven- fasern, dem sog. Markstreifen, von Mitte zu Mitte gemessen, 3mm. Um die Messung unter möglichst günstigen Bedingungen ausführen zu können, wurde in der Dunkelkammer ein Albinokaninchen nach 24 stündigem Dunkelaufenthalt vom linken Ventrikel aus mit Rin- gerscher Lösung durchspült Es wurde somit das Blut aus den Gefässen verdrängt, und ein Übertönen der Sehpurpurfarbung durch den roten Blutfarbstoff war hierdurch ausgeschlossen. Es hob sich dann die Sehleiste in schöner satter Purpurfärbung von dem übrigen rosa gefärbten Netzhautgrunde des pigmentfreien, albinotischen Auges ab.

Dieser vermehrten Purpurfärbung jener Netzhautzone können verschiedene Ursachen zugrunde hegen. Kühne spricht die Vermutung aus, dass dieser Purpurstreifen einer ungewöhnlichen Länge der Stäb- chen zuzuschreiben sei. Man könnte ferner annehmen, dass ein ver- schiedenes Konzentrationsverhältnis des Sehpurpurs in der Sehleiste und der übrigen Netzhaut diese Erscheinung hervorrufe bei gleicher histologischer Beschaffenheit der Netzhaut.

Zur histologischen Untersuchung wurde aus naheliegenden Grün- den das Kaninchen verwandt Um die Netzhäute möglichst glatt im Zusammenhang mit dem Pigmentepithel zu fixieren, wurde nach Mann1) die fixierende Flüssigkeit direkt ins Gefasssystem injiziert

Es wird dem Kaninchen in der Narkose eine T-Kanüle in die Herz- spitze eingebunden. Der eine Schenkel der Kanüle steht mit einem Ge- fäss mit Ringerscher Lösung von 36° C. in Verbindung, durch den andern Schenkel kann Zenk ersehe Lösung zugeleitet werden. Der Injektionsdruck beträgt 2 m II 20. Zuerst wird die Ringersche Lösung körperwarm in- jiziert und, um der Flüssigkeit leichten Abfluss zu verschaffen, wird der rechte Vorhof eröffnet. Wenn die aus dem rechten Vorhof rinnende Flüs- sigkeit nicht mehr gerötet ist, wird die Zenkersche Lösung injiziert. Ist

*) Dr. Gust. Mann, „Ober die Behandlung der Nervenzellen für experi- mentell - histologische Untersuchungen". Zeitechr. f. wissenschaftl. Mikroskopie und mikroskopische Technik 1894.

Wie ist die vermehrte Purpurfärbung in der Sehleiste usw. 265

die Injektion gelungen, so tritt fast augenblicklich infolge der Kontraktion der Muskeln eine Streckung der Extremitäten und des Rumpfes ein. Auf diese Weise gelingt es, das Auge von den Gefässen aus gut zu fixieren, ohne vorher wie bei den üblichen Fixierungsmethoden beim Enudeieren und Eröffnen des Bulbus auf die so empfindliche Netzhaut einen Druck oder Zug auszuüben, und somit leicht ein Ablösen der Netzhaut herbeizuführen. Die injizierten Augen werden noch 24h in Zenkerscher Lösung nach- fixiert, am Äquator eröffnet, 24h gewässert, in aufsteigendem Alkohol ge- härtet, über Cedernholzöl, Ligrom, Ligroin-Paraffin weiter behandelt und in Paraffin eingebettet. Um möglichst dünne Schnitte zu bekommen, wurde im Paraffin die Sklera vom Augenbecher abpräpariert.

Die Schnittrichtung wurde senkrecht zur Sehleiste gewählt. Die Orientierung am Kaninchenauge ist leicht, da der Markstreifen sich deutlich als weisses Band vom Augenhintergrunde abhebt, und die Sehleiste ihm parallel läuft.

Vergleicht man an einem mikroskopischen Präparate einer solchen Netzhaut die Gegend der Sehleiste mit einer peripheren Stelle der Netzhaut (Fig. 36 mit 3 a bzw. 3c), so zeigen sich mannigfache Unter- schiede. Die Sehleiste weist eine Verdickung aller Schichten auf, so dass die Netzhaut hier eine deutliche Verbreiterung erfährt Die bipolaren Zellen in der inneren Körnerschicht, die im peripheren Teile der Netzhaut in zwei Lagen übereinander liegen, sind in der Gegend der Sehleiste zu drei Schichten übereinander gelagert Ferner liegen die Ganglienzellen regelmässig im Gebiet der Sehleiste viel dichter gedrängt Doch der augenfälligste Unterschied lässt sich im Neuro- epithel beobachten. Schon bei mittlerer Vergrösseruug zeigen die Stäbchenaussenglieder eine merkliche Verlängerung gegenüber den Aussengliedern anderer Netzhautpartien. Eingehendere Messungen ergaben, dass die Länge der Stäbchenaussenglieder mehr als das Doppelte der Länge der Stäbchenaussenglieder in der übrigen Netz- haut beträgt. Es ist ferner zu beobachten, dass Stäbchenaussen- und -innenglieder sich gegensinnig verhalten: in der Sehleiste, wo die Aussenglieder die bedeutendste Länge erreichen, werden die In- nenglieder im Vergleich zu denen peripherer Netzhautstellen eben merklich kleiner. Durch dieses gegensinnige Verhalten von Stäbchen- aussen- und -innengliedern in der Sehleiste ist dem Einwurfe be- gegnet, dass Schrägschnitte eine grössere Länge der Stäbchenaussen- glieder vortäuschen könnten.

Zur graphischen Darstellung der beschriebenen Verhältnisse wurde das mikroskopische Präparat einer Kaninchennetzhaut mit Hilfe des verschiebbaren Zeissschen Objekttisches mit Noniusablesung an verschiedenen Stellen mit dem Okularmikrometer gemessen. An

▼. Graefe's ArchiT Ar Ophthalmologie. LXVI. 2. 18

266 R. Weiss

jedem Punkte wurde die Länge der Stäbchenaussenglieder, der Innen- glieder und die Dicke der übrigen Netzhaut bestimmt und zugleich die Ordinatenwerte notiert Das Ergebnis dieser Messungen ist in Fig. 1 in ungefähr 150facher Vergrösserung dargestellt In dieser Figur sind in den Punkten, wo die Messung vorgenommen wurde, die Senkrechten auf die Verbindungslinie des links und rechts von

dem betreffenden Punkte gelegenen Messpunktes errichtet und auf diese die Längenwerte der Stäbchenaus- sen- und -innenglieder und des übrigen Netzhautdurchschnittes ab- getragen. Es hebt sich hier das Gebiet der Sehleiste als deutliche Verdickung der Netzhaut und na- mentlich die Schicht der Stäbchen- aussenglieder von den weiter peripher gelegenen Netzhautteilen ab.

Die in beistehender Figur ein- getragenen Messungen mit dem Okularmikrometer wurden unter- halb des Optikuseintritts begonnen und über die Sehleiste zur Peri- pherie hin fortgesetzt. Hierbei war 1 Okularteil gleich 1,5 fi. Die Länge Sehiastö der Aussenglieder beträgt zunächst im Durchschnitt 7, die der Innen- glieder 6 Okularteile. Die Länge jener wächst dann über 10, 11 1s zu 14, erreicht ihr Maximum mit 14,5 Okularteilen, um dann wie- der rasch über 13, 9, 8, 7 zu 6 Okularteilen zu fallen. Es ist hier noch zu bemerken, dass die Stäbchenaussenglieder in dem Präparate sich etwas gebogen und zur Seite geneigt hatten und dass diesem Umstände bei der Messung Rechnung getragen werden musste. Die Länge der Innenglieder be- trägt unterhalb des Optikus 6, geht über 5 herab bis aufs Minimum 4,5, um dann wieder über 5 zu 6 Okularteilen zu steigen. Dieses Minimum der Innengliederlänge 4,5 fällt zusammen mit dem Maximum der Länge der Aussenglieder. Die Netzhautstrecke, wo die längsten Aussen- und kürzesten Innenglieder zu beobachten sind, beträgt bei

Wie ist die vermehrte Purpurfärbung in der Sehleiste usw.

267

dieser Art der Messung 0,8 mm, und 1 mm war die Breite der Sehleiste, am frischen, eröffneten Kaninchenauge mit dem Zirkel gemessen. Es besteht daher eine ziemlich gute Übereinstimmung zwischen dem mikroskopischen und makroskopischen Befund.

Fig. 2 ist die verkleinerte photogra- phische Reproduktion eines projizierten und mit der Feder nachgezeichneten Präparates. Um die Stärke der Vergrösserung näher zu veranschaulichen, trägt diese Netzhaut einen Massstab, dessen Masseinheit lit0 mm beträgt An der in der Mitte bei b markierten Stelle der Netzhaut, der Sehleiste, ist die Ver- dickung der Retina im Vergleich zu den beiden andern bezeichneten Stellen deutlich zu beobachten. Fig. 36 Taf. VI gibt jenes Stück der Netzhaut in ungefähr 520facher Vergrösserung wieder. Fig. 3 a ist der in der Nähe des Optikus markierte Teil der Retina, und 3 c das an der Peripherie ge- zeichnete Stück. Stellt man die drei Netz- hautausschnitte in dieser Weise nebenein- ander, so lässt sich die erhebliche Differenz der Netzhautstruktur in der Sehleiste vom Bau der übrigen Netzhaut gut demonstrieren. Kg. 3 b verglichen mit 3c oder 3 a zeigt die be- deutende Verlängerung der Stäbchenaussen- giieder und eine eben merkliche Verkürzung der Innenglieder, eine Verbreiterung der äusseren und inneren Körnerschicht und eine Vermeh- rung der Ganglienzellen. Dieser Reichtum an Ganglienzellen ist besonders am Übersichts- bilde Fig. 2 deutlich, wo man an der Stelle der Sehleiste Ganglienzelle an Ganglienzelle gereiht sieht, während peripher oft weite Zwischenräume die einzelnen Zellen von- einander trennen. Ausser an den abgebil- deten Präparaten wurde auch noch an den

'

Fig. t.

268 R. Weiss

eines zweiten Tieres das gleiche Verhalten festgestellt Es ist anzu- nehmen, dass das Gebiet der Sehleiste mit der von Chievitz be- schriebenen Area identisch ist So schreibt Chievitz1) vom Katzen- auge, das bekanntlich auch eine Sehleiste besitzt: „Die Area hat ihren Platz innerhalb des Bereiches des Tapetums und findet sich gerade nach hinten vom Sehnerveneintritt, ihre Mitte ist etwa 2,5 mm vom Optikuszentrum entfernt" An dieser Stelle konnte ich selbst am frisch eröffneten Dunkelauge der Katze die Sehleiste beobachten. Weiter unten schreibt Chievitz: „Die Verdickung im Areagebiete beruht darauf, dass sowohl das Gangl. opt wie die innere Körner- schicht an Mächtigkeit zugenommen hat, die äussere Körnerschicht1) dagegen ist merklich verdünnt, und verhält sich also hierin entgegen- gesetzt wie bei den früher geschilderten Formen" (Lacerta, Corvus, Larus, Anas, Fringilla).

Nach meinen Beobachtungen am Kaninchenauge ist demnach die Sehleiste ein Netzhautgebiet, in dem eine Verdickung aller Schichten zu beobachten ist, so dass der Name „Sehleiste" diese Eigenschaft der Netzhautstruktur treffend bezeichnet Kühne nämlich, der die Frage offen liess, hatte auch die Benennung „Sehgürtel" vorgeschlagen. Für die histologische Grundlage der intensiveren Purpurfärbung der Seh- leiste kann die bedeutende Verlängerung der Stäbchenaussenglieder gelten, die bekanntlich Träger des Sehpurpurs sind. Es würde somit der Sehpurpur in der Sehleiste in doppelter Schicht sich vorfinden, so dass die oben geschilderte Erscheinung der satteren Purpur- färbung möglicherweise hierdurch hervorgerufen würde. Ich habe versucht, ob an einem Modell ein ähnlicher Unterschied der Fär- bung durch Verdoppelung der Schichtendicke zu erreichen ist Es wurde in einem aus Paraffin hergestellten Trog ein mittlerer Streifen um die Höhe des übrigen Troges vertieft und dann mit einer ent- sprechend verdünnten Karminlösung gefüllt. Die durch die doppelte Schichtendicke verursachte Farbendifferenz bietet, so unvollkommen ein solcher Versuch auch ist, annähernd das gleiche Bild wie bei der Netzhaut, doch scheint es mir, als sei der Kontrast in der Far- ben nuancierung in der Netzhaut noch stärker ausgeprägt

') Dieses letztere würde freilich bei der von mir untersuchten Kaninchennetz- haut nicht zutreffen.

Wie ist die vermehrte Purpurfärbung in der Setileiste usw. 269

Diese Arbeit wurde im Leipziger Physiologischen Institut aus- geführt Es sei dem Verfasser gestattet, Herrn Geh. Rat Hering sowie Herrn Prof. Garten, auf dessen Anregung diese Untersuchungen angestellt wurden, herzlichst zu danken.

Erklärung der Abbildungen auf Taf. VI, Fig. 3.

Fig. 3. Durchschnitt durch die Kaninchennetzhaut bei einer 620 fachen Vergrösserung.

a nahe am Optikus, b in der Sehleiste, c weiter gegen die Peripherie zu. Betreffs der Lage von a, b und c vgl. auch Textfig. 2.

(Aus der Augenklinik von Sanitätsrat Dr. Lesshaff t und Dr. Zimmermann,

Görlitz.)

Über einen Fall von atypischem Iriscolobom.

Von Dr. W. Zimmermann.

Mit einer Figur im Text.

Bei der Seltenheit der atypischen Iriscolobome und der ungeklärten Frage nach der Genese derselben scheint mir die nachfolgende Mit- teilung eines von uns beobachteten Falles partieller kongenitaler Irideremie von Interesse, zumal sich eine, wie ich glaube, sichere Schlussfolgerung auf die Entstehung des Coloboms in diesem Falle aus dem klinischen Befunde ableiten lässt

Der 27jährige Patient gibt an, dass gleich nach der Geburt die Ano- malie des rechten Auges beobachtet wurde und seither keine Änderung im Befunde dieses Auges eingetreten sei. Bei Familienangehörigen, Eltern, Grosseltern speziell ist von Angenanomalien nichts bekannt Die Fnter- suchung des Patienten ergab folgenden Befund:

Die Hornhaut zeigt nicht die normale Konfiguration, sie ist kleiner und im inneren unteren Quadranten besonders verkürzt. In der Richtung von oben aussen nach innen unten beträgt der Durchmesser ß1^ mm, in der darauf senkrechten Richtung 10 mm. Die Corneoskleralgrenze ist in der ganzen unteren Hälfte verwaschen und unregelmässig; die an die ver- . kürzte Partie der Hornhaut angrenzende Lederhaut ist stark abgeflacht. An drei Stellen im Bereiche der unteren Hornhautgrenze, am deutlichsten im inneren unteren Quadranten finden sich Narben, wie sie nach Perforation zurückbleiben. Im übrigen ist die Diaphanität der Cornea unverändert Die Iris fehlt (vgl. Fig.) in der unteren Hälfte gänzlich bis auf zwei iso- lierte Pigmentreste, welche der Descemetischen Membran anliegen. Kor- respondierend finden sich an diesen Stellen die zwei kleineren Narben der Corneoakleralgrenze. Die Trennungslinie der erhaltenen und fehlenden Iris läuft von aussen oben überhalb der horizontalen Mittellinie nach innen unten in einem nach oben leicht konvexen Bogen. Das Pigmentepithel ist nicht evertiert, die Struktur der erhaltenen Iris bietet insofern eine Anomalie, als

Ober einen Fall von atypischem Iriscolobom.

271

die Bälkchenfigur gar nicht hervortritt, das Gewebe der Iris erscheint viel- mehr ganz gleichmässig hell rötlich brann ohne ausgesprochene Zeich- nung. Konsensuell und auf direkten Lichtreiz zieht sich die Iris zusammen in einer von oben innen nach unten aussen verlaufenden Richtung, so dass die leichte Konvexität der Irisgrenzlinie zur Geraden wird.

Nach Atropininstillation zieht sich die Iris in den zentralen Teilen am meisten zurück, so dass die Grenzlinie einen stark nach unten konkaven Bogen darstellt. Von Ciliarfirsten ist nichts zu erkennen im Bereiche der fehlenden Iris. Auf der vorderen Linsenkapsel sieht man diffus zerstreut aufgelagerte Pigmentreste im ganzen Gebiete der fehlenden Iris in zahl- reicher Anordnung. Die linse selbst ist klar, der Fundus normal. Irgend welche Anhaltspunkte für Veränderungen der hinteren Augenhäute oder des Sehnerven fehlen vollkommen. Das Sehvermögen beträgt 1jS5, skiaskopisch wird eine Myopie von 1,0 D. im senkrechten und 3,0 D. im horizontalen Meridian fesgestellt, die Achsen sind senk- recht. Verbesserung durch Gläser findet nicht statt Das Ge- sichtsfeld zeigt eine ganz geringe Ein- schränkung nach in- nen oben.

Am linken Auge, das mit + 0,5 kon- vex komb. mit 3,5 conccyl. Achse 10° temp. volle Sehschär- fe aufweist, finden

SICH gleicniall8 ge- j normale Begrenzong»linie der Iri». H= Begrenxungsli nie nach Atropin. ringe Veränderun- HI a Serben der Corneoskleralgrenxe.

gen am Iimbus Corneae und der Pupille. Die Corneoskleralgrenze zeigt in der ganzen Peripherie ein leicht verwaschenes Aussehen und bläuliche Ver- färbung. Nirgendwo findet sich aber eine Narbe. Der nahezu senkrechte Meridian hat einen Durchmesser von 1 1 mm, der darauf senkrecht stehende, beinahe horizontal verlaufende ist um 1 mm grösser. Die Pupille zeigt eine leichte Verlagerung nach innen oben und ist unregelmässig konfiguriert, nahezu dreieckig. Die Zeichnung der Iris ist verwaschen, die Farbe scho- koladenfarbig, doch tritt die Bälkchenstruktur in normaler Weise hervor. Am Fundus und an der linse keine Veränderungen, die Funktionen des Auges sind normal.

Von den in der Literatur verzeichneten Fällen atypischer Iris- colobome gleicht der vorliegende am meisten dem von Rindfleisch1) veröffentlichten. In beiden finden sich Unregelmässigkeiten der Cor- neoskleralgrenze, welche auf intrauterine entzündliche Prozesse hin-

») Rindfleisch, v. Graefe's Aren. f. Ophth. Bd. XXXVIII, S. 183.

272 W. Zimmennann

weisen. In dem von mir beobachteten Falle ist es zur Perforation am Limbus gekommen. Die Pigmentauflagerungen der vorderen Linsenkapsel müssen gleichfalls als Residuen entzündlicher Verände- rungen aufgefasst werden. In beiden Fällen fehlen Fundusverände- rungen — wenn man von den geringen Glaskörpertrübungen bei der Rindfleischschen Beobachtung absieht sowie der Nachweis des Vorhandenseins von Ciliarfirsten vermittelst des Spiegels. Der Sphinc- ter iridis ist im Rindfleischschen Falle angedeutet, in dem von mir beobachteten noch kräftig entwickelt

Auch das andere Auge weist bei meiner Beobachtung Verände- rungen auf, welche die Existenz eines intrauterinen Entzündungs- vorganges voraussetzen: Die unregelmässige Abgrenzung der Cornea und die Verfärbung der Grenze kann nur als Ausgang eines ent- zündlichen Prozesses, welcher einen milderen Verlauf als am rechten Auge genommen hat, aufgefasst werden.

Über die Entstehung der Iriscolobome wurden die verschiedensten Theorien aufgestellt Sie sind so vielfach erörtert worden, dass ich auf die bekannte Literatur verweisen möchte. Auch ich nehme, gleich Rindfleisch, für meinen Fall die von Deutschmann1) zum ersten Male vertretene Ansicht der intrauterinen Entzündung in An- spruch, ohne jedoch diese Genese für andere Fälle von Iriscolobom vorauszusetzen. Die narbigen Veränderungen der Corneoskleralgrenze sind die Residuen eines intensiven Entzündungsvorganges an dieser Stelle, infolgedessen es zur Perforation gekommen ist und zwar zu einer Zeit, in welcher die allererste Entwicklung der Iris erfolgte.

Die pigmentierten Auflagerungen auf der vorderen Linsenkapsel sprechen dafür, dass die Irisanlage bereits im Entstehen begriffen war, bevor die Perforation eintrat. Die weitere Ausbildung des Iris- stromas konnte aber nicht erfolgen, weil die Linse- der Hinterfläche der Hornhaut anlag. So kam es zum Stillstand in der Entwicklung und zur späteren Resorption bis auf die geringen Pigmentreste. Die Iriswurzel muss schon ausgebildet gewesen sein, denn sonst würden die am Kammerfalz anliegenden Irisreste sich nicht erklären lassen.

Die normale Tiefe der vorderen Kammer lässt an dem Vorhan- densein der Ciliarfirsten nicht zweifeln, wenn sie auch mit dem Spiegel nicht erkannt werden können. Wegen der Herabsetzung des Sehvermögens, welche bei dem Fehlen von Fundusveränderungen

*) Deutschmann, Zur pathol. Anatomie der Iris- und Aderhautcolobome, als Grundlage eines Erklärungsversuchs der sog. Hemmungsbildungen überhaupt. Zeh. klin. Monatabi. 1882, S. 101.

Über einen Fall von atypischem Irigcolobom. 273

nicht zu deuten ist, ist die Prüfung der Accommodation unmöglich. Voraussichtlich ist sie ebenso, wie in dem von Rindfleisch publizierten Falle, vollkommen erhalten.

In der neueren Literatur findet man vielfach die Ansicht ver- treten, dass allen Colobomen, den typischen und atypischen, dieselbe Genese zuzuschreiben sei. So glaubt Bach1) nicht an eine ent- zündliche Ursache, ist vielmehr der Ansicht, dass alle Iriscolobome, nach welcher Sichtung sie auch liegen mögen, ganz einheitlich in folgender Weise erklärt werden können: „EinColobom der Iris kommt dann zu stände, wenn die im fötalen Leben stehende Verbindung des vorn zwischen Ektoplasten und der Linse eindringenden Mesoplasten mit der gefässhaltigen Linsenkapsel sich nicht rechtzeitig oder über- haupt nicht löst; es kann dann die Irisanlage einfach nicht der Fläche nach sich ausbreiten, nicht in die vordere Kammer hereinwachsen, weil sie durch die genannte Verbindung festgehalten, ja nach hinten verzogen wird. Es findet sich das Colobom der Iris in der Regel nach unten, wo die Verbindung der Mesoplasten mit der Linsen- kapsel am mächtigsten entwickelt ist und wo Störungen im Ver- schluss der fötalen Augenspalte gar leicht dazu Veranlassung geben können, dass diese Verbindung sich nicht rechtzeitig löst. Ist dies aber der Fall, dann ergibt sich daraus ein rein mechanisches Hindernis für die Ausbildung der Iris. In andern seltenen Fällen löst sich diese Verbindung an einer andern Stelle nicht rechtzeitig und es kommt dann hier zur Bildung eines Coloboms. Vielleicht steht eine anomale Linsenentwicklung in ursächlicher Beziehung zur verzögerten Rückbildung der Mesoplasten." Soweit die Bach sehe Auffassung von der Entstehung der Colobome. Ich bin der Ansicht, dass man nicht alle Colobome auf diese Weise entstanden erklären darf, dass man vor allem die typischen von den atypischen trennen sollte. Für die atypischen ist sicher eine andere Entstehungserklärung möglich, ja in manchen Fällen, wie in den Rindfleisch sehen und den meinigen ungezwungener. Sind noch dazu, wie in dem vorliegenden markante Entzündungsreste vorhanden, welche bekanntlich bei den typischen Colobomen fehlen, so sind wir direkt auf eine andere Deu- tung der Verhältnisse hingewiesen.

Der Bechergrund der sekundären Augenblase und der Becher- rand treten bekanntlich in einen Gegensatz zu einander, indem der erstere sich zur Netzhaut umwandelt, der letztere in hervorragender Weise an der Bildung des Ciliarkörpers und der Iris beteiligt ist

*) Bach, Encyklopädie der Augenheilk. S. 464/465.

274 W. Zimmermann, Ober einen Fall von atypischem lriscolobom.

Der Band des Bechers wächst zwischen Cornea und Linsenfläche in die vordere Augenkammer hinein, bis er nahezu die Mitte derselben erreicht hat. Er umgrenzt dann schliesslich nur noch das Sehloch. Von ihm leitet sich nach Kessler die Pigmentschicht der Iris ab. Wie in der äusseren Epithellamelle lagern sich jetzt auch in der inneren Schicht Pigmentkörnchen ab, wodurch beide Lagen nicht mehr zu trennen sind. Mit der Flächenausbreitung der beiden Lagen geht die sich aussen angliedernde Mesenchymschicht gleichen Schritt, sie entwickelt sich allmählich zum Stroma iridis.

Wenn nun zu Beginn der Ausbildung der Pigmentschicht der Iris eine Perforation an der Kammerbucht durch entzündliche Ver- änderungen erfolgt und die vordere Kammer längere Zeit aufgehoben wird, ist an der Stelle der Linsenanlagerung an die Hinterfläche der Cornea eine Unterbrechung der Irisentwicklung die notwendige Folge. In unserem Falle hat sich die Perforation im unteren Quadranten an einer oder mehreren Stellen vollzogen. Infolgedessen blieb hier die Linse der Hornhauthinterfläche am längsten angelagert, während im oberen Teil sich die Irisentwicklung vollziehen konnte. In der Folge kam es zu einer Resorption der dünnen Mesoblastschicht und eines Teils der Pigmentschicht, so dass nur pigmentierte Reste auf der vorderen Linsenkapsel zurückblieben. Die Pigmentreste am Kammerfalz sind dicht der Descemetischen Membran angelagert, ein Zeichen, dass die Kammer hier vollkommen aufgehoben war. Auf diese Weise lässt sich die Entwicklung des atypischen Coloboms, wie ich glaube, ungezwungen erklären nicht aus einer einfachen Ent- wicklungshemmung, sondern aus einer durch Entzündungsvorgänge verursachten verzögerten Ausbildung.

Vielleicht lassen auch andere Fälle atypischer Colobome aus der älteren Literatur eine ähnliche Deutung zu. Jedenfalls sollte in analogen Fällen auch auf die kleinsten Anzeichen von Entzündungs- produkten ganz besonders geachtet werden.

Experimentelles und Klinisches Aber die Anwendung

lokaler Lichttherapie bei Erkrankungen des Bulbus,

insbesondere beim Ulcus serpens.

Von

Prof. E. Hertel, I. Assistenten der Universitats-Augenklinik zu Jena.

Mit Taf. VII, Fig. a— g und 2 Figuren im Text.

Einleitung.

Seit dem Erscheinen der bekannten Arbeiten Finsens: „Über die Bedeutung der chemischen Strahlen des Lichtes für Medizin und Biologie" und „Über die Anwendung von konzentrierten chemischen Lichtstrahlen in der Medizin" im Jahre 1899, in welchen er die Re- sultate seiner Lichttherapie beim Lupus vulgaris, die alle bisher bei dieser Krankheit erreichten Erfolge entschieden übertrafen, kundgab, hat mich immer und immer wieder die Frage beschäftigt, ob man nicht die scheinbar so aussichtsreiche Behandlungsweise durch lokale Bestrahlung auch bei Erkrankungen des Bulbus anzuwenden berech* tigt sei.

Seine Erfolge schrieb Finsen der hochgradig baktericiden Kraft der sogenannten chemischen Strahlen zu, die bei genügender Inten- sität auf die erkrankten Stellen konzentriert, bei oberflächlichem Sitz der Erkrankung ausgiebig zur Wirkung kommen könnte. Ahn- liche Verhältnisse haben wir aber gerade am Auge in einer ganzen Reihe von Erkrankungen, namentlich dachte ich an das Ulcus serpens, bei welchem die Erfolge der bis dahin üblichen Behandlungsmethoden durchaus nicht so befriedigend waren, als dass nicht wenigstens ein Versuch mit einer neuen Methode berechtigt erschienen wäre. Nun. war aber durch die Untersuchungen namentlich von Widmark(l, 2) und Ogneff(4) schon früher festgestellt worden, dass eine Bestrahlung mit kurzwelligen Strahlen die Gewebe des Auges selbst angreift: stärkere Veränderungen im vorderen Bulbusabschnitt, aber auch Trü- bungen der linse, und Veränderungen im Augenhintergrunde waren, auf Wirkung dieser Strahlen bezogen worden.

276 E. Hertel

Wollte man also Finsens Methode auch zur Behandlung von Augenerkrankungen anwenden, so musste zunächst festgestellt werden, wie sich die von Finsen für die therapeutischen Erfolge verantwort- lich gemachte baktericide Wirkung der Strahlen zu der Wirkung auf die Gewebe des Auges verhielt War es möglich, vielleicht unter Benutzung bestimmter Strahlenarten oder Intensitäten beide Wir- kungen zu trennen, oder konnte man auch ohne eine derartige Tren- nung auf einen therapeutischen Effekt rechnen?

Bei der Einleitung auf diese Frage zielender Experimente zeigte sich bald, dass man dieser Spezialfrage nicht beikommen konnte, ohne eingehendere Untersuchungen darüber anzustellen, wie sich die Wirkung der einzelnen Strahlen von bekannter Intensität und Wellenlänge auf die verschiedenartigen lebenden Zellen äussert. Es nahmen daher meine Experimente einen immer grösseren Umfang an und wurden schliesslich zum Teil mit grossen Schwierigkeiten auf einer breiten vergleichend physiologischen Basis mit möglichster Berücksichtigung unserer physikalischen Kenntnisse über Erzeugung von Spektren und Messung ihrer Intensitäten durchgeführt.

Ich habe den Gang und die Resultate dieser Experimente in einer Reihe von Einzelarbeiten1) schon genauer geschildert Ich halte mich aber für berechtigt, aus diesen biologischen Studien, durch welche unsere Vorstellungen von der Lichtwirkung auf die lebenden Organismen anerkanntermassen [Rynberk (5), Winkler(6), Stei- ner (7), Fuchs (8) u.A,] wesentlich gefordert wurde, das, was für therapeutische Fragen von Interesse ist, hier kurz zu rekapitulieren, schon um dem Leser dieser Arbeit diese Auslese zu ersparen, ander- seits aber auch, um ihm die Bewertung einer Reihe lediglich aus Rücksicht auf therapeutische Fragen unternommener Experimente zu erleichtern.

A. Experimenteller Teil. 1. Allgemeines über Anordnung der Versuche.

Es ist wichtig vorauszuschicken, dass bei allen meinen Experi- menten die Strahlung nach ihrer Wellenlänge und Intensität genau bestimmt wurde. Die Intensität wurde thermo-elektrisch gemessen, und zwar wurde die Thermosäule stets an dem Ort placiert, an dem nachher das zu bestrahlende Objekt zu liegen kam. Als Licht- quelle benutzte ich für die meisten Untersuchungen den zwischen verschiedenen Metallelektroden springenden Induktionsfunken, weil diese

*) Zeitechr. f. allgem. Physiologie. Bd. IV, V und VI.

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 277

Spektren nur wenige, aber namentlich im kurzwelligen Teil des Spek- trums sehr intensive Linien haben , die schnell auffindbar und leicht zu isolieren sind (vgl. Ta£ VII). Doch wurden auch andere Licht- quellen, wie Kohlenbogenlampen in verschiedensten Stärken, ferner Lampen mit Effektkohlen, Eisenelektroden u. a. herangezogen, auch Sonnenlicht und diffuses Tageslicht, falls dies erforderlich erschien. Grossen Wert legte ich darauf, die Versuche so anzuordnen, dass möglichst in allen Fällen gleichzeitig mit der Bestrahlung auch eine Beobachtung des bestrahlten Objektes mit dem Mikroskop mög- lich war. Es erforderte das eine besondere Auswahl der Objekte und auch eine komplizierte Anordnung der Apparate, wie ich es in der Zeitschrift für allgemeine Physiologie, Bd. 4, Heft 1, eingehend beschrieben und auch abgebildet habe. Ich hatte aber den grossen Vorteil, jede durch die Strahlung erzielte Veränderung sogleich bei ihrem Eintritt registrieren und ihren weiteren Verlauf bei Fortdauer der Reizung oder Steigerung der Intensität genau verfolgen zu können. Es liegt auf der Hand, dass man auf diese Weise in die Wirkung der Strahlen auf die Zelle einen viel besseren Einblick bekommt, als wenn man auch bei noch so grosser Variation der Strahlungsdauer die Resultate erst nach Ablauf derselben feststellt Aber auch Experimente» bei denen der letzte Modus der Beobach- tung sich nicht umgehen liess, z.B. gerade verschiedene speziell zu therapeutischen Zwecken angestellte Versuche gewannen durch die bei direkter Beobachtung während der Strahlzeit erhaltenen Resultate wesentlich nicht nur in bezug auf die Exaktität der Anstellung der Experimente, sondern auch in bezug auf die Deutung der Befunde, namentlich konnte genau unterschieden werden zwischen direkten Folgen der Bestrahlung an den unmittelbar betroffenen Stellen und indirekten, die auch ausserhalb des Strahlfeldes selbst sich kundgeben konnten, also fortgeleitete Wirkungen waren.

2. Direkte Folgen der Bestrahlung. Lässt man Strahlen sehr kurzer Wellenlänge z.B. von 280//// auf Zellen der verschiedensten Art aus pflanzlichen wie tierischen Geweben, angefangen von den niedersten Protozoen bis hinauf zu den höchsten Wirbeltieren, fallen, so findet man immer dieselbe Wir- kung. Es wird durch die Einführung der strahlenden Energie in dem Plasma ein Reiz ausgeübt, der bei genügender Intensität fast momentan von einer Reaktion der Zelle beantwortet wird. Die Er- regungsphase dieser Reizwirkung ist am eindeutigsten nachweisbar

278 E. Hertel

bei Zellen, deren Funktion für uns leicht erkennbar ist, z. B. bei Zellen mit der Fähigkeit der Lokomotion oder der Kontraktion. Dass sie aber auch bei Zellen mit passiven Funktionen (Deckepithelien, Binde- gewebe) vorhanden ist, werde ich später auseinandersetzen.

Wird der Beiz längere Zeit fortgesetzt, oder wird die Intensität erheblich über die Beizschwelle gesteigert, so tritt allmählich eine Lähmung der Funktion der Zelle ein, die schliesslich einem Ab- sterben derselben Platz macht. War damit theoretisch der Lichtreiz durchaus mit andern Plasmareizen, z. B. dem chemischen oder ther- mischen gleichzustellen, und man nicht mehr berechtigt, ihm insofern eine Sonderstellung einzuräumen, als man nur gewisse Zellen oder Organe von ihm für tangierbar hielt, so ergab sich daraus für even- tuelle therapeutische Versuche, dass man stets mit der Mög- lichkeit dieses gleichartigen Einflusses der Strahlen auf alle getroffenen Teile rechnen muss.

Genaue Bestimmungen der Beizschwellen, wie auch der zur Ab- tötung der Zellen nötigen Intensitäten liessen nun aber grosse Unter- schiede bei den einzelnen Zellarten erkennen. Für die Praxis war namentlich wichtig, dass alle untersuchten Bakterien wesentlich emp- findlicher gegen die Bestrahlung waren als die andern Zellen, be- sonders die fixen Gewebszellen der Wirbeltiere. Während bei der gleichen Intensität die Bakterien schon nach wenigen Sekunden ab- getötet waren, zeigten sich deutliche Veränderungen an den Geweben der niederen Vertebraten meist erst nach ungefähr 5 Minuten langer Bestrahlung, bei Geweben höherer Tiere, z. B. an der Kaninchencornea dauerte der Eintritt der Wirkung noch länger. Man wird demnach, um lediglich Bakterien im Gewebe abzutöten, häufigere kurz- dauernde Bestrahlungen vornehmen, während man bei be- absichtigterGewebszerstörung die Einzelsitzung wesentlich länger ausdehnen muss.

Des weiteren konnte ich zeigen, dass diese Beiz Wirkung der strahlenden Energie auf das Plasma immer dieselbe bleibt, gleich- gültig aus welchem Wellenlängenbereich wir die Strahlen nehmen. Nur insofern war ein auch für die praktische Verwendung des Lichtes wichtiger Unterschied zu konstatieren, als die zur Beizwirkung nötige Intensität der Strahlung um so grösser werden musste, je grösser die Wellenlänge der Strahlen war, so dass sie im sichtbaren Teile des Spektrums namentlich vom Grün an wesentlich höher war als im nichtsichtbaren Teile. Es hängt das damit zusammen, dass, wie ich nachweisen konnte, die lebenden Zellen im allgemeinen die

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 279

strahlende Energie um so weniger auf nehmen Je grösser ihre Wellenlänge ist, es kann also in dem langwelligen Teile des Spektrums von der auf- treffenden Gesamtenergie nur ein kleinerer Teil zur Wirkung kommen, als in dem kurzwelligen Bezirke. Da aber, wo die Aufnahmebeding- ungen für langwellige Strahlen günstige sind, z.B. bei Geweben mit Pigment oder mit sonst die Aufnahme begünstigenden Stoffen (Chloro- phyll, Sehstoffen der Retina usw.), verwischen sich diese Unter- schiede zwischen lang- und kurzwelligen Spektralteilen. Bei geeig- neter Versuchsanordnung konnte ich daher mit Strahlen aus ganz ver- schiedenen Wellenlängenbezirken bei annähernd gleicher Intensität gleiche Wirkung erzielen, nachdem dafür gesorgt war (biologische Sensibilisation), dass die Bezirke mit den längeren Wellen ebensogut aufgenommen wurden als die kurzwelligen.

Können demnach auch theoretisch alle Strahlen in gleicher Weise auf den Organismus einwirken, so wird man für therapeutische Zwecke doch Lichtquellen anwenden, die reich sind an kurzwelligen Strahlen, da die hohen Inten- sitäten, die langwellige Strahlen im allgemeinen zur Wirkung be- nötigen, die Ausübung der Therapie unnötig erschweren und ver- teuern würden. Der andere Ausweg aber, der sich aus meinen Ex- perimenten ja als ganz natürlich darstellt, nämlich durch Zusatz von absorptionsbefordernden Stoffen, gewissermassen eine künstliche Pig- mentierung (biologische Sensibilisation Dreyers, photodynamische Wirkung Tappeiners) herbeizufuhren, hat, wie auch Steiner (7) auf dem vorjährigen Mailänder Kongress für Radiologie des weiteren ausführte, in praxi immerhin seine Schwierigkeiten: „es wird bei diesem Vorgehen zunächst die chemische Reaktion der Sensibili- satoren (photodynamischen Stoffe) den Geweben gegenüber, der Lösungs- zustand derselben, der Konzentrationsgrad, der Aggregatzustand, die Aufnahmefähigkeit seitens des Zellplasmas usw. zu ergründen sein, bevor man eine richtige Anwendungstechnik und ein diesbezügliches Urteil über die Wirkungsweise dieser Heilmethode wird fällen können."

Eine besondere Bedeutung aber gewinnt die Erkenntnis, dass unter Umständen alle Strahlen eine gleiche Wirkung entfalten können, für therapeutische Versuche am Auge. Denn hier ist ja die Retina wie kein anderes Organ für die Aufnahme langwelliger Strahlen ge- eignet; es besteht also bei Belichtungs versuchen mit unzerlegtem licht durchaus die Möglichkeit, dass sowohl die kurzwelligen als auch die langwelligen Strahlen auf das Auge eine Reizwirkung aus- üben. Es haben sich daher aus unsern theoretischen Unter-

280 E. Hertel

suchungen wichtige Fingerzeige für die zu wählende spek- trale Zusammensetzung des Bestrahlungslichtes ergeben. Ich gehe später noch genauer auf diesen Punkt ein.

Therapeutisch von Bedeutung dürfte des weiteren die Tatsache sein, dass ich durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht auch Toxine von Bakterien beeinflussen konnte. Es gelang z. B. die einfach letale Dosis von Diphtherietoxin durch eine Be- strahlung mit dem Magnesiumfunken (280////) so abzuschwächen, dass damit geimpfte Meerschweinchen völlig gesund zu erhalten waren. Für langwelliges Licht hat Tappeiner (9) dasselbe nach vorausgehender Sensibilisation der Toxine nachweisen können.

Wichtig war, dass eine Einwirkung der Strahlen auf die Antitoxinlösung wenigstens bei einer Strahlzeit von 30 Minuten nicht zu erzielen gewesen war, so dass, wenn überhaupt eine Wirkung auf die Antitoxine durch die Belichtung stattgefunden hatte, diese nicht genügt hatte, um die entgiftende Wirkung des Antitoxins aufzuheben.

8. Indirekte Wirkungen.

Betrachtet man ein Kaninchenauge, dessen Cornea etwa im Be- reich von 4:4mm kurze Zeit mit einem Magnesiumfunkenlicht be- strahlt worden ist, so sieht man einen mehr oder weniger starken entzündlichen Reizzustand an dem Auge auftreten: es zeigt sich conjunctivale und ciliare Injektion, etwas Lichtscheu, Ödem der Con- junctiva bulbi, und bei stärkeren Graden der Reizung auch zellige In- filtration. Dabei können an der Reizstelle selbst sowohl für makro- skopische als für mikroskopische Untersuchungen jegliche Veränder- ungen fehlen.

Durch geeignete Experimente hatte ich nun zeigen können, dass man berechtigt ist, den Strahlen einen grossen Einfluss auf die Sauerstofflagerung in dem Plasma der Zellen zuzuschreiben. Die leicht desoxydablen Teile des Zellplasmas werden durch die gewisser- massen katalysatorisch wirkenden Strahlen veranlasst, den Sauerstoff abzugeben, der dann je nach Möglichkeit neue Verbindungen eingehen wird. Mit dieser Annahme der Sauerstoffabspaltung wird, wie auch Wink ler (6) hervorhebt, eine gute Erklärung für das Zustandekommen der soeben geschilderten entzündlichen Reizwirkung auch ausserhalb des Strahlenfeldes gegeben. Denn bei geringen Reizgraden nur molekular, treten die durch die Sauerstoff- umlagerung hervorgerufenen Störungen in dem Plasma der getroffenen

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 281

Zellen für unsere jetzigen Untersuchungsmethoden nicht hervor, sie sind aber doch vorhanden und pflanzen sich bei dem engen Zu- sammenhang, der zwischen den in den Zellen vorhandenen Energie- werten besteht, von Zelle zu Zelle fort und treten schliesslich auch für uns sichtbar zutage an Stellen, an denen die Funktion des Ge- webes eine für uns konstatierbare Reaktion auf den Plasmareiz ge- stattet, geradeso wie wir ja bei nichtfixen Zellen die erste Reiz- wirkung durch Erregung der Funktion Lokomction oder Kon- traktion — beantwortet sahen. Eine Vergrösserung des Strahlfeldes ruft auch ohne Verstärkung der Strahlen und ohne Verlängerung der Strahlzeit eine merkliche Beschleunigung des Auftretens der in- direkten Reizeffekte hervor, während zur Erzielung wesentlich höherer Grade derselben Strahlzeit und Intensität gesteigert werden müssen.

Therapeutisch hat nun diese entzündliche Reizwirkung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, besonders gilt das von der zuerst auftretenden Hyperämie.

Ich brauche wohl kaum darauf hinzuweisen, wie hoch gerade in der Ophthalmologie der Heilwert der Hyperämie geschätzt wird, und dass eine ganze Reihe von therapeutischen Massnahmen darauf beruhen, Hyperämie zu Heilzwecken zu erzeugen. Für Hornhaut- erkrankungen, speziell für die Hypopyonkeratitis hat kein geringerer als A. v. Graefe (10) entgegen der früher üblichen antiphlogistischen Therapie hyperämisierende Verfahren in Gestalt von warmen Um- schlägen in die Therapie eingeführt Durch die ausgedehnten und von Erfolg gekrönten Untersuchungen von Bier (11) besser über das Wesen und die Anwendungsweise der Hyperämie gerade auch bei akuten infektiösen Prozessen aufgeklärt, sind wir berechtigt, auch in der durch die Bestrahlung erzeugten entzündlichen (passiven) Hyperämie ein den Krankheitsverlauf günstig beeinflussenden Faktor zu erblicken.

Auch dem namentlich bei etwas stärkeren Reizen nie ausbleibenden Odem, dessen Entstehung als Folge des entzündlichen Reizes nach der Arbeit Lassars (12) ja leicht verständlich erscheint, kommt, ähnlich wie das z. B. Darier (13) und Wolffberg(14) für das durch Dionin künstlich erzeugte Ödem gerade auch bei Comeaerkrankungen postu- lieren, nach Biers Arbeiten eine heilende Wirkung besonders bei akuten infektiösen Prozessen zu. Die Gefahr, durch zu starkes Ödem, das sich durch seine weissliche Farbe verrät (kalte, weisse Stauung Biers), Bedingungen zu schaffen, die nach Bier geradezu schädlich sein könnten, kann man leicht vermeiden, ganz abgesehen davon,

t. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 2. 19

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dass es mir selbst bei ganz besonders starken Strahlungen nicht ge- langen ist, derartige Grade von Odembildung zu erreichen.

Im Hinblick auf die Phagocytenlehre Metschnikoffs muss man schliesslich auch in der, wenn auch meist erst nach stärkeren Bestrahlungen auftretenden zelligen Infiltration ein wirksames Mittel gegen bakterielle Schädigungen erblicken. Da ich be- absichtige, die anatomischen Veränderungen nach den Bestrahlungen im Zusammenhang anderweitig genauer zu beschreiben, will ich auf die Lagerung dieser Zellen, ihre Gestalt usw. hier nicht weiter ein- gehen.

Erwähnen möchte ich dagegen noch kurz, dass ich schon etwa am zweiten Tage nach einmaliger kurzer Bestrahlung namentlich an der Peripherie der bestrahlten Stelle eine deutliche Vermehrung der Kernteilungsfiguren konstatieren konnte. Ich glaubte diese zweifellosen Proliferationsvorgänge, die ja auch von Ogneff (4) schon erwähnt werden und von Birch-Hirschfeld (15) wieder bestätigt sind, zuerst auf eine direkte Einwirkung der Strahlen auf die Zellen zurückführen zu müssen; denn es war ja wohl denkbar, dass die Zu- führung von strahlender Energie auch aus einem Wellenbereich, der uns hauptsächlich als Lichtstrahlen in Erscheinung tritt, die Zell- teilungsprozesse ebenso anregte, wie das bekannt ist von der strahlen- den Energie aus einem Bereich, der hauptsächlich Wärmewirkung entfaltet

Durch zahlreiche Experimente an künstlich befruchteten Seeigel- eiern überzeugte ich mich aber, dass es auf keine Weise gelingt, durch Lichtstrahlen, gleichgültig aus welchem Wellenlängenbereich und in welcher Intensität sie angewendet wurden, den Teilungsprozess direkt günstig zu beeinflussen, im Gegenteil, ich fand stets, wenn über- haupt einen Einfluss, so einen hemmenden oder störenden auf die Mitosenbildung in der jeweilig bestrahlten Zelle.

Da aber bisher kein Nachweis erbracht ist, dass die Zellteilungs- vorgänge unter dem Einfluss der Lichtstrahlen bei andern Zellen sich anders verhalten als bei den von mir zum Studium dieser Vor- gänge benutzten Seeigeleiern, so bleibt nur die Annahme, dass die Gewebsproliferation, die man nach Bestrahlung zweifellos kon- statieren kann, nicht auf eine direkte Anregung oder Beschleunigung der Mitosenbildung durch die Strahlen, sondern auf indirekt wir- kende Momente unter Vermittlung der Strahlen zurück- zuführen ist Und ich glaube nicht fehlzugehen, wenn wir auch hier die gleichzeitig auftretende Hyperämie ab Ursache ansehen,

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 283

durch die ja nach Bier gerade für Organe mit passiven Funktionen, also auch der Cornea, ein wesentlicher Einfluss hinsichtlich der Er- nährung und des Wachstums ausgeübt werden kann.

Endlich möchte ich noch einen Befund erwähnen, der schon sehr frühzeitig bei meinen Bestrahlungsversuchen an Kaninchenaugen er- hoben wurde, dessen Deutung mir aber, wie ich gleich vorausnehmen möchte, erst durch die Arbeit von Wessely (16) „zur Kenntnis der Wirkung lokaler Reize und lokaler Wärmeapplikation" näher gerückt wurde.

Um die Durchlässigkeit der Cornea für die baktericide Kraft bestimmter Strahlen, die ich für therapeutische Anwendung in Aus- sicht genommen hatte (Magnesiumfunken) zu erproben, hatte ich, wie ich schon 1903 in Heidelberg erwähnte, mir Kämmerchen aus Quarz machen lassen, die ich mit Tropfenkulturen von Bakterien mit Eigen- bewegung beschickte und dann hinter der Cornea bestrahlte. Ich konnte so in einwandfreier Weise nachweisen, dass man mit den angewendeten Strahlen durch die Cornea hindurch die Bakterien direkt abtöten konnte.

Bevor ich diese Versuche in dieser Weise vornahm, hatte ich einfach Kulturen von beweglichen Bakterien (Cholera) direkt in die Kammer eingespritzt und bestrahlt. Es war mir analog den andern Versuchen durchaus gelungen, die Schädigung der Bakterien durch die Bestrahlung nachzuweisen: es zeigte sich gegenüber der normalen nichtbestrahlten Kultur im andern Auge ein Überwiegen der toten, unbeweglichen und zum Teil auch in ihrer Form veränderten Bak- terien, während auf der normalen Seite die gutbeweglichen, lebenden Bakterien durchaus Vorherrschend waren. Diese Versuche Hessen aber den Einwand zu, dass die Vernichtung der Bakterien nicht durch die Strahlen direkt, sondern durch indirekte Einflüsse infolge des veränderten entzündlichen Zustandes des Auges, wie er bei der Länge der Reizzeit eingetreten war, verursacht worden war. Ich unternahm daher noch Kontrollversuche, indem ich die Augen zu- nächst reizte, bis die entzündlichen Symptome ausgesprochen waren, und dann erst die Bakterienkulturen einspritzte. Ich fand, was ich allerdings kaum erwartet hatte, jetzt ebenfalls eine unverkennbare Verminderung der beweglichen Bakterien und Zerfallserscheinungen. Ich glaubte dafür eine durch die Bestrahlung herbeigeführte chemische Veränderung des Kammerwassers verantwortlich machen zu müssen. Nach der schon citierten Arbeit von Wessely scheint mir aber eine andere Erklärung der erhobenen Befunde viel näher zu liegen; Es

19*

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handelte sich offenbar auch in meinen Versuchen um eine Ver- mehrung der antitoxischen Stoffe im Kammerwasser, wie sie Wessely nach den verschiedenartigsten lokalen Beizen hatte nachweisen können. Wessely hält diesen erhöhten Antitoxingehalt, der gleichzeitig mit dem erhöhten Eiweissgehalt des Kammerwassers festgestellt wurde, für eine Folge der bei dem Reiz auftretenden Hyperämie, der ver- mehrte Blutstrom lässt mehr Eiweiss und mehr Antitoxine aus dem Blut in das Kammerwasser übertreten. Wir würden demnach eine weitere therapeutisch vielleicht nicht unwichtige indirekte Wirkung des Lichtreizes zu notieren haben, nämlich die Vermehrung der antitoxischen Stoffe im Kammerwasser. Gleiches auch für die Cornea nachzuweisen, in welcher ja Römer (17) nach ent- zündlichen Reizen ebenfalls eine Vermehrung der antitoxischen Stoffe gefunden hat, ist mir bisher nicht gelungen.

4. Eintritt der Wirkungen.

Von allen, die Bestrahlungsversuche zu therapeutischen Zwecken gemacht haben, wird mitgeteilt, dass die Wirkung der Bestrahlung sich erst einige Zeit nach der Bestrahlung deutlich erkennen lässt Dieses Latenzstadium, dessen Kenntnis für therapeutische An- wendung des Lichtreizes naturgemäss von grösster Wichtigkeit ist, und meist für die Lichtreizwirkung als ganz besonders charakteristisch bezeichnet wird, ist aber nur ein scheinbares, denn es fehlt, wenn man genügend hohe Intensitäten anwendet.

Ich konnte das zunächst beweisen durch Versuche an Para- mäcien, die gegen strahlende Energie ausserordentlich empfindlich sind. Ich bestrahlte diese Infusorien zunächst mit einer so schwachen Intensität, dass während der Strahlzeit keinerlei Veränderungen zu sehen waren, die Tiere schienen ganz normal zu sein. Trotzdem konnte ich 5 8 Stunden nach beendeter Strahlung erkennen, dass eine deutliche Wirkung stattgefunden hatte, denn die Tiere waren zum grossen Teil, in manchen Versuchen sogar insgesamt abgetötet, während die nichtbestrahlten Kontrollkulturen normal geblieben waren. Verstärkte ich die Intensität derselben Strahlen so, dass nur soeben eine minimale Reizerscheinung lokomotorischer Art während der Be- strahlung selbst zu sehen war, so schienen nach Sistierung der Strahlung auch jetzt die Tiere wieder ganz normal zu sein. Etwa 2—3 Stunden später starben sie aber ebenfalls ab. Dirigierte ich auf die Tiere von denselben Strahlen ganz besonders hohe Intensi- täten, so gelang es, die Tiere sofort abzutöten. *

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 285

Es war damit also der Beweis erbracht, dass das Latenzstadium lediglich abhängig ist von der Intensität der einwirkenden Strahlen. Aber auch bei den Zellen der Wirbeltiere, deren Reizschwelle, wie ich ausführlich habe zeigen können, viel höher liegt, als die der niederen Lebewesen, konnte ich durch Anwendung ganz besonders hoher Intensitäten (Drehstromlampe von 150 Amp.) fast sofort beim Auftreffen der Strahlen Beizerscheinungen und anatomisch nachweis- bare Veränderungen an der Strahlstelle erzielen.

Die Wirkung schwacher Beize ist allerdings bei diesen Objekten für uns nicht sofort erkennbar, denn wir haben kein Merkmal, feinere molekulare Veränderungen im Chemismus der Zellen, wie sie durch die schon besprochene Sauerstoffumlagerung hervorgerufen werden, direkt mikroskopisch oder mikrochemisch nachzuweisen, auch fehlt diesen Geweben mit passiven Funktionen eine Funktionsreaktion, durch die sie uns erlittene Schädigungen offenbaren könnten. Es würde aber falsch sein, daraus ein Nichtvorhandensein von Wirkungen zu schliessen; das beweisen, wie schon oben auseinandergesetzt, ein- mal die indirekten Beizerscheinungen, und dann die sich trotz Si- stierung der Strahlung doch allmählich vollziehende Ausbildung von Veränderungen, die durchaus an die erinnern, welche man sofort er- hält bei der Einwirkung sehr intensiver Strahlen. Die Zellen haben sich eben von dem Eingriff in ihren Chemismus nicht wieder erholen können, sie gehen durch die Veränderungen, die der Gehalt und die Verteilung des Sauerstoffes, des fundamental wichtigsten Gliedes in ihrer Stoffwechselkette, erfahren haben, wenn auch langsam, zugrunde.

Ist damit auch das Latenzstadium als ein scheinbares erwiesen, gewissermassen bedingt durch unser Unvermögen, feinere Veränderungen der Zellen wahrzunehmen, so müssen wir doch in praxi jedenfalls damit rechnen, dass die Wir- kungen der Bestrahlung für uns erst später in Erscheinung treten, wenn sie gröbere Veränderungen gezeitigt haben, und uns wohl hüten, etwa aus dem Fehlen einer sofortigen Reaktion eineUnwirksamkeit derBestrahlung im Einzelfalle zu schliessen.

5. Wahl der Bestrahlungsquelle.

Für diese war vor allem massgebend, dass am Auge, wie schon auseinandergesetzt, nicht nur die kurzwelligen Strahlen wie bei allen andern Organen vom Gewebe aufgenommen werden und damit zur Wirkung kommen können, sondern auch die langwelligen in der Netzhaut eine ganz besonders günstige Aufnahme finden und daher

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hier schon in Intensitäten Veränderungen, eventuell Schädigungen hervorrufen, die an andern Orten, wo die Aufnahme schlecht ist, sich nicht einstellen können.

Diese Folgerung, die sich aus meinen Experimenten (18) über den Gehalt an physiologischer Energie in den einzelnen Spektral- gebieten, wie oben schon kurz ausgeführt, ergeben hatte, ist experi- mentell bereits auch für die Netzhaut als richtig bewiesen. Ich er- innere daran, dass Widmark(19) eine Schädigung der Netzhaut durch längere Einwirkung der leuchtenden Strahlen einer Bogen- lampe beobachten konnte, ferner sah Birch-Hirschfeld(20) bei Tauben schon nach einer Exposition von 5 Minuten Dauer Ver- änderungen eintreten, die nur auf Einwirkung der sichtbaren Strahlen zu beziehen waren.

Da nun aus ebenfalls schon angeführten Gründen eine Verwen- dung der langwelligen Strahlen zu therapeutischen Zwecken keines- wegs erstrebenswert war, anderseits aber die Gefährdung der Netzhaut gerade durch langwelliges licht eine sehr grosse war,- so wäre es viel- leicht das ratsamste gewesen, auch die therapeutischen Versuche mit spektralzerlegtem licht unter Benutzung lediglich des kurzwelligen Teiles des Spektrums, von dessen Wirkungslosigkeit auf die Netzhaut man sich durch geeignete Versuche hätte überzeugen müssen, vorzu- nehmen. Doch ist die Verwendung spektralzerlegten lichtes immer- hin nur mit einem umständlichen Apparatenmaterial zu erreichen und hätte einer eventuellen Durchführung der Lichttherapie in der Praxis viel zu viel Schwierigkeiten geboten.

Bei meinen für die biologischen Versuche nötigen Messungen der Intensitäten einzelner Spektralbezirke bei verschiedenen Licht- quellen war mir nun aufgefallen, dass die Spektren der Metallfunken im langwelligen Teile des Spektrums meist nicht unerheblich ge- ringere Energiewerte (thermoelektrisch gemessen) aufwiesen, als im kurzwelligen Teile, eine Beobachtung, die, wie ich schon früher mit- teilte, durchaus übereinstimmte mit den von dem Physiker Pflüger(21) veröffentlichten Messungsresultaten.

Namentlich war es der Magnesiumfunken, der alle andern Spektren an Energie im ultravioletten Teile bei weitem überragte. Er brauchte, wie mir die Intensitätsmessungen zeigten, nicht länger als höchstens 4 mm zu sein, um bei einer primären Stromstärke von ungefähr 3 4 Amperes eine für die gedachten therapeutischen Zwecke reichlich genügende Wirkung zu geben. Dabei verursachte sein fahl- bläuliches Licht keinerlei, weder subjektiv noch etwa gar objektiv

Experimentelles u. Klinisches Aber d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 287

nachweisbare Blendung, wie ich mich bei monatelangem Arbeiten mit diesem Funken an mir selbst überzeugen konnte.

Um mir aber auch eine Vorstellung von der Penetrationsfähig* keit der kurzwelligen Strahlen des Funkens zu verschaffen, stellte ich folgende Versuche an. Zunächst zentrierte ich bei einer Stromstärke von 5 Amp&res und einer Funkenstrecke von 4 mm die gesamte ultra* violette Strahlung (vgl. Taf. VII, Fig. e) es kommen ausser der be- kannten Magnesiumlinie bei 280/*/* im wesentlichen nur noch Strahlen von 309 und 383/*// in Betracht mit einer Quarzlinse auf einen Fluorescenzschirm (Uranglasplatte) und bestimmte den Absorptionsgrad der in Betracht kommenden Gewebe durch Einschaltung derselben in den Strahlengang. Bei weitem am meisten wurden die Strahlen von der linse zurückgehalten, die auch in ganz dünnen Schichten die Fluo- rescenzplatte fast ganz verdunkelte. Der Glaskörper absorbierte in dicken Schichten ebenfalls sehr viel, in dünneren, ungefähr 1 mm dicken Lagen liess er etwa noch soviel durch, wie die linse in dünnster Schicht Die Hornhaut in toto verdunkelte den Fluorescenz- schirm stark, mit der Schichtendicke nahm aber die Absorption schnell ab. Es enthalten also diese Befunde im wesentlichen eine Bestätigung der schon von Widmark (3) und neuerdings auch von Birch* Hirschfeld (15) wieder konstatierten Absorptionsverhältnisse der Schichten des Auges.

Ich habe aber auch versucht, am lebenden Auge die Absorption der Strahlung durch die Medien des Auges mit Hilfe des Fluores- cenzschirms festzustellen, indem ich geeignet armierte Magnesium- elektroden hinter die Cornea bzw. hinter die linse des chlorofor- mierten Tieres brachte: das Aufleuchten des Fluorescenzschirmes im Dunkelzimmer nach Anstellen des Stromes im ersten, das fast voll- kommene Dunkelbleiben desselben im zweiten Falle bestätigte die oben gewonnenen Resultate.

Viel wichtiger aber sind, weil sie physikalisch genauer und auch physiologisch eindeutiger sind, folgende Versuche. Ich habe schon S. 278 ausgeführt, dass die Bakterien bei meinen Versuchen ab viel empfindlicher gegen die Einwirkung von Strahlen gefunden wurden als die Gewebszellen. Wir haben also besonders an beweglichen Bakterien, bei denen wir die Beeinflussung durch die Strahlung an den Störungen der Beweglichkeit schon sehr frühzeitig konstatieren können, ein sehr empfindliches Reagens für die Strahlenwirkung, die uns dadurch besser und eher angezeigt wird, als durch die schwerer eintretenden und auch schwerer zu konstatierenden Veränderungen

288 E. Hertel

der fixen Zellen des Gewebes. Ich habe daher mit den beiden Be- grenzungslinien der ultravioletten Strahlung aus dem Magnesium- funken — 280 und 383(i[i noch folgende Versuche angestellt In kleine Quarzkämmerchen von ungefähr 6 mm Durchmesser brachte ich Tropfen mit gutbeweglichen Bakterien. Die Kämmerchen wurden mittels Lanzenschnitt dann hinter die Cornea bzw. die Linse placiert, bestrahlt und nach verschieden langer Belichtung untersucht Die Resultate waren folgende. Die Strahlen von 280 (i(i veranlassten namentlich bei länger dauernder Bestrahlung mikroskopisch leicht nachweisbare Veränderungen an der Hornhaut, die Bakterien aber Hessen sie unversehrt Die Strahlen von 383 (ifi hatten, wenn auch in geringer Intensität, die Hornhaut passiert; denn schon nach etwa 30 Minuten Hessen sich Abtötungserscheinungen an den Bakterien nachweisen, gleichzeitig aber konnten auch Veränderungen an der Hornhaut konstatiert werden.

Brachte ich die Bakterienkämmerchen hinter die linse, so konnte ich auch nach einer Bestrahlungszeit von 60 Minuten keine Einwirkung auf die Bakterien feststellen.

Es dürfte damit erwiesen sein, dass die ultraviolette Strah- lung des Magnesiumfunkens bei der verwendeten Intensität durch die lebende Cornea hindurch, wenn auch eine schwache Wirkung auf lebende Organismen auszuüben im stände war, während sie durch die Linse hindurch das nicht vermochte.

Durch diese Versuche war also bewiesen, dass der Funken in der benutzten Intensität für die beabsichtigten therapeutischen Ver- suche an der Cornea vollkommen ausreichende Wirksamkeit besass, das& er aber auch anderseits keinerlei Gefahr für das Auge, speziell für die Netzhaut bot Denn wenn die Strahlen in einer physio- logisch wirksamen Intensität die Linse passiert hätten, so hätte sich bei der Empfindlichkeit des Reagens und bei der langen Strahlzeit ihre Einwirkung auch auf die Bakterien zeigen müssen. Berück- sichtigt man ferner, dass die Strahlzeit bei den Versuchen in praxi, wie schon angedeutet, viel kürzer sein wird, dass ferner ja auch der Glaskörper in seiner ganzen Dicke eine wesentliche Absorption aus- übt, so kann kein Zweifel sein, dass die Retina vor Ein- wirkung der von mir verwendeten Strahlen geschützt ist

Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber ausdrücklich, wie auch schon auf dem Kongress in Heidelberg betonen, dass ich die Gültigkeit dieser Behauptung nur für die oben geschilderte nach

Experimentelles u. Klinisches Aber d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 289

Wellenlänge und Intensität genau festgelegte Strahlung postuliere. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass bei andern Versuchs- bedingungen andere Resultate zu erzielen sind. Und zwar kommt es nicht etwa nur auf eine Erhöhung der gesamten Intensität der bei diesen Versuchen benutzten Lichtquelle an, sondern vor allem auf die Verteilung dieser Gesamtintensität auf die einzelnen Spektral- bezirke der Lichtquelle. Denn da die Reizschwelle, wie ich in meinen Arbeiten eingehend durch Messungen nachweisen konnte, für die ein- zelnen Spektralbezirke ausserordentlich verschieden ist, so wird die Wirkung der verwendeten Lichtquelle auf den Organismus ganz da- von abhängig sein, welche Spektralbezirke in ihrer Intensität diese Reizschwelle erreichen und welche nicht. Es müssen also für exak- tere Vergleiche von Versuchsresultaten, die mit verschiedenen Licht- quellen erhalten sind, die Intensitäten der einzelnen in Betracht kommenden Wellenlängenbezirke genau, am besten thermoelektrisch bestimmt werden. Erst dann wissen wir über die Versuchsbeding- ungen genügend Bescheid, um eventuelle differente Resultate ver- schiedener Bestrahlungsversuche richtig beurteilen zu können, ob die Differenzen bedingt waren durch die Verschiedenartigkeit der ver- wendeten Reizmomente, oder ob sie verschiedenartige Reaktionen der bestrahlten Objekte auf ein und denselben Reiz darstellten.

Ich kann deshalb auch Birch-Hirschfeld(lö) nicht zustimmen, wenn er meinen Magnesiumfunkenversuchen, deren Strahlen hinter der Linse sich als unwirksam erwiesen, seine Beobachtungen ent- gegenhält, in denen er durch Eisenbogenlicht auch durch die linse hindurch noch Wirkungen, kenntlich durch Veränderungen in der Netz- haut, erzielte. Dazu ist die spektrale Zusammensetzung dieser beiden Lichtquellen qualitativ und quantitativ viel zu verschieden, ganz ab- gesehen davon, dass man aus Birch-Hirschfelds Versuchen nichts genaueres über die Wellenlänge der Strahlen entnehmen kann, die fiir die konstatierten Veränderungen in der Netzhaut verantwortlich zu machen sind, da Birch-Hirschfeld (absichtlich) mit unzerlegtem Eisenbogenlicht Versuche angestellt hat.

Obgleich sich also unser Magnesiumfunken nach obigen Aus- einandersetzungen durch eine Reihe von Faktoren durchaus zu den be- absichtigten therapeutischen Versuchen eignete und auch in einer Reihe von Fällen tatsächlich von uns dazu verwendet worden ist, konnte ich mich doch nicht entschliessen, diese Bestrahlungsmethode auf die Dauer beizubehalten. Denn einmal war die Gewinnung des Funken- lichtes ziemlich umständlich. Man brauchte dazu ein grosses In-

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duktorium mit nötigem Vorschaltwiderstand und Ampferimeter, ferner einen gutgehenden, namentlich für längere Zeit beanspruchbaren Unterbrecher (Quecksilberrotationsunterbrecher), ferner einen regulier- baren Kondensator, schliesslich einen geeigneten Träger für die Funkenstrecke und die Quarzlinse es war das also ein ganz respektables Instrumentarium, das nicht für jedermann leicht zu be- schaffen und dauernd in Betriebsfähigkeit zu erhalten war.

Doch noch unangenehmer war ein anderer Nachteil, nämlich das durchdringende Geräusch des überspringenden Funkens, das der- artig scharf und angreifend für den Patienten sowohl wie für den Arzt war, dass ich, da alle Versuche, diese Störung vollkommen zu beseitigen, fehlschlugen, mich entschloss, den Magnesiumfunken trotz der grossen gerade bei therapeutischen Versuchen am Auge hervortretenden Vor- züge wieder aufzugeben.

Nun hatte Strebel(22) im selben Jahre, als ich in Heidel- berg kurz über meine Versuche mit dem Magnesiumfunken be- richtete, auf der Naturforscherversammlung in Kassel darauf auf- merksam gemacht, dass wir im Eisenbogenlicht (Modell nach Bang, Strebel, Dermolampe) eine brauchbare Anwendungsweise der lo- kalen Lichttherapie auch fürs Auge besässen.

Ich habe mich aber nicht entschliessen können, eine derartige Lampe, die ich in Gestalt der Dermolampe zu meinen biologischen Untersuchungen schon vielfach herangezogen hatte, auch für thera- peutische Zwecke zu verwenden, namentlich im Hinblick auf die schon erwähnten Experimente von Birch- Hirschfeld (15), der Störungen in den Netzhautzellen bei Bestrahlung mit einer Eisen- lampe anatomisch hatte feststellen können.

Ebensowenig war die Kohlenbogenlampe (vgl. Ta£ VII, Fig. b) geeignet, wegen der schon angedeuteten, von Widmark und Birch- Hirschfeld auch experimentell bewiesenen Möglichkeit der Schä- digung der Netzhaut durch die langwelligen Strahlen. Ganz unbrauch- bar, vor allem wegen der Inkonstanz der Leistungsfähigkeit schien mir das Sonnenlicht (vgl. Taf. VII, Fig. a), das Nesnamow (23) nach einer inzwischen erschienenen, mir allerdings nur im Referat zugänglichen Mitteilung beim Ulcus corneae angewendet hatte.

Am liebsten hätte ich wegen der Vorteile, die die spektrale Zusammensetzung des Lichtes bot, einen konstanten Lichtbogen zwischen Magnesiumelektroden benutzt Ich habe mir auch einen solchen Apparat herstellen lassen. An einem geeigneten Halter wurden verstellbare Magnesiumelektroden angebracht Die Elektroden

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waren bohl, um ähnlich wie bei der Dermolampe mit Wasserspülung gekühlt zu werden. Man vermeidet dadurch das Glühendwerden des Metalles und damit auch die namentlich bei der Kohlenbogen- lampe so störende, stark leuchtende und hitzende Kraterstrahlung und erhält ein Spektrum, das sich im wesentlichen durchaus dem reinen Metallspektrum des Funkens nähert Es gelang ohne Mühe den Apparat zu entzünden, sein bläulichweisses Lacht enthielt die bekannten Hauptlinien des Magnesiumspektrums. Wurde aber aus irgend einem Grunde nach einiger Zeit der Strom unterbrochen, so hatte das Wiederentzünden des Flammenbogens gewöhnlich seine Schwierigkeiten; es hatte sich nämlich Magnesiumoxyd in einer dickeren Schicht über die Vorderfläche der Elektroden gebildet und es war nicht möglich, ohne sorgfältige Entfernung dieser Schicht, eine neue Entzündung hervorzurufen. Da nun bei wiederholter Be- nutzung die Oberfläche der Elektroden immer unregelmässiger wurde, und zum Reinigen derselben sich ein Auseinandernehmen des Appa- rates nötig machte, wurde die Handhabung desselben immer unbe- quemer, so dass ich auch von ihm abgekommen bin.

Nachdem ich noch mehrere andere Auswege Stiftelektroden, Legierungen mit Magnesium usw. vergeblich versucht hatte, musste ich mich entschliessen, andere Metalle zu nehmen. Ich fand endlich als bestes eine Legierung von Kadmium und Zink. Das Spektrum des Kadmium (vgl. Taf. VII, Fig. f) enthält eine Reihe von intensiven ultravioletten Linien, von denen die meisten zwischen 361 und 274^//, also in einem Bereich, der dem Magnesiumfunken sehr ähnlich ist, hegen, ausserdem sind noch eine Reihe von noch kürzeren Wellenlinien vorhanden (257, 231, 226 ftp), die aber therapeutisch nicht wesentlich in Betracht kommen, da sie eben wegen ihrer Kurzwelligkeit schon in den oberflächlichsten Zelllagen absorbiert werden. Von den ausgeprägtesten Zinklinien (vgl. Taf. VII, Kg. g) verstärken die bei 320^ und 280 ftp den Wirkungsbereich der Kadmiumlinien, während die andern ebenfalls viel kürzeren auch hier therapeutisch nicht in Betracht kommen. Die ausgehöhlten mit Wasser gekühlten Elektroden aus einer Le- gierung der beiden Metalle brennen sehr gut, man braucht keinerlei besondere Vorschriften zu beachten, die Wiederentzündung des Licht- bogens ist beliebig oft, ohne jede Vorbereitung möglich, so dass ich beschloss, Versuche mit dieser Lichtquelle vorzunehmen, um so mehr, als sich im sichtbaren Bereich der Spektren beider Metalle nur wenige nicht gerade sehr intensive Linien finden; beim Kadmium kommen im wesentlichen die grünen und gelbgrünen, beim Zink die

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E. Hertel

blauen in Betracht, was sich auch an der Färbung des Flammen - bogens kundgibt.

Zunächst stellte ich fest, dass die baktericide Wirkung des

Lichtes schon etwa bei einer Stromstärke von 3,5 Amperes eine recht beträchtliche war, so dass Kulturen in den be- kannten Quarzkammern hinter die Cornea gebracht, nach einer Strahlzeit von ungefähr 25 Minuten schon sehr in ihrer Lebensfähigkeit beein- trächtigt waren, und bei 5 Am- peres Stromstärke in derselben Zeit vollkommen abgetötet wa- ren. Dagegen blieben die Bak- terien, hinter die linse ge- schaltet, auch bei einer Be- strahlung von 50 Minuten mit 6 Amperes Strom unversehrt Die Linsen wurden bei Tieren, die häufiger zum Ausprobieren der Wirkungen dieses Lichtes benutzt worden waren, unter- sucht und ganz normal be- funden, ebensowenig konnte ich an der Netzhaut von 3 Tie- ren, die ich nach Birch- Hirschfelds(15)Vorschriften untersuchte, irgendwelche Ver- änderungen feststellen. Ich möchte zu dem gleich hier schon bemerken, dass keiner der mit diesem Lichte bestrahl- ten Patienten über Blendung oder sonstige Beschwerden ge- klagt hat

Die definitive Gestaltung des Apparates, den ich beim Mechaniker Gehricke nach meinen Angaben herstellen liess, ist fol- gende (vgl. Textfig. 1 u. 2). An einem Griff wurde eine runde Kapsel (ÜT)

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aus Aluminium befestigt, deren Vorderdeckel (D) mit der zur Zen- trierung der Strahlen notwendigen Quarzlinse durch Bajonettverschluss leicht abnehmbar befestigt ist Nach seiner Entfernung sieht man die beweglichen Elek- troden (E)7 die durch Schläuche a und b ihr Kühlwasser empfangen, das von der Rückseite bei c von der Wasser- leitung her zugeleitet wird. Der Abfluss des Wassers geht durch d und e, die bei f eben- falls auf der Rückseite zu einem gemeinsamen Abflussrohr zusammen- münden. Die Stromzu- leitung ist seitlich an- gebracht zu den Klemm- schrauben bei g und h. Um die Regulierung des Flammenbogens auch bei geschlossener Kap- sel zu ermöglichen, läuft in dem Griff ein Schrau- benhebel (il)> der am unteren Ende eine gra- duierte Scheibe (S) trägt, welche die Entfernung der Elektroden bequem anzeigt.

Zum Gebrauch schliesst man den Schlauch c an die Was- serleitungund öffhetvor- sichtig deren Hahn, bis das Wasser in gleich- massigem Strom durch den Abflussschlauch bei f hindurchfliesst; dann bringt man die Drähte mit der elektrischen Leitung in Ver- bindung, in welche ein Rheostat und am besten auch ein kleines

Fig. 2.

294 & Hertel

Ampfcrimeter einzuschalten ist Man kann dann jede beliebige Gleich- stromleitung benutzen und ist genau orientiert, mit welcher Intensität man arbeitet Zur Entzündung des Funkens braucht man nach Einschaltung des Stromes und Vorschaltung des Gesamtwiderstandes nur die Elektroden durch Drehen der Schraubenscheibe (S) unten am Griff zur Berührung zu bringen, es entsteht dann ein kleines Fünkchen, das man durch Regulation an der Schraube unter gleich- zeitigem Ausschalten von Widerstand beliebig grösser machen kann.

Für gewöhnlich genügt ein Flammenbogen von unge- fähr 3 4mm bei 2,5 Ampöres Strom, bei einer Klemmspannung von 220 Volt, doch kann derselbe auch grösser und mit mehr Strom bis ungefähr 6 Amp&res ohne Gefahr benutzt werden. Hat man die Entfernung der Elektroden im Verhältnis der zugelassenen Strom- stärke zu gross gewählt, so zeigt sich das dadurch an, dass der Flammenbogen abreisst und verlischt Man schraubt dann die Elek- troden ein wenig näher aneinander durch Drehen an der Griff- schraube (S), oder man schaltet noch mehr Widerstand aus, zieht dann die Griffschraube (S) kräftig nach unten und sofort brennt der Flammenbogen wieder ohne weitere Störung.

Der sich bildende Oxyddampf strömt aus den Öffnungen an der Kapsel heraus, schlägt sich aber auch in der Kapsel nieder, ohne dass dadurch der Betrieb gestört würde. Natürlich wird man ihn von Zeit zu Zeit entfernen, wie man ja jedes Instrument ab und zu zu reinigen hat Das Licht hat einen grünlichen oder grünlich-bläu- lichen Farbenton. Eine gewisse Unruhe, bedingt durch das Wandern der Flamme auf der Elektrodenoberfläche, ist nicht zu vermeiden, stört aber nicht, denn es ist stets möglich, das Bild des Flammen- bogens durch die im Deckel angebrachte Quarzlinse auf die erkrankte Stelle zu werfen. Ich besitze eine Reihe von Quarzlinsen, die ver- schieden grosse Bilder des Flammenbogens geben, doch sind diese für die Praxis kaum nötig, man wird im allgemeinen mit der dem Apparat beigegebenen linse auskommen.

Soweit meine Experimente, . die, so hoffe ich, dargetan haben, dass gegen die Anwendung der lokalen Lichttherapie am Auge theoretisch nichts einzuwenden ist Im Gregenteil, wir haben in der Wirkung der Strahlen auf die Zellen eine ganze Reihe Faktoren gefunden, die nach unserm jetzigen Wissen entschieden von therapeutischem Werte sind, besonders gegen infektiöse Prozesse: ein- mal in der Möglichkeit der Abtötung der Mikroorganismen durch

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie osw. 295

die Strahlen selbst, und ferner in der kräftigen Anregung der im Organismus vorhandenen Widerstandskräfte gegen die Bakterien. Schliesslich haben wir auch eine Lichtquelle kennen gelernt, die in ge- eigneter Form die Anwendung dieser Wirkungen auf das Auge gestattet.

Von der theoretisch festgelegten Brauchbarkeit einer thera- peutischen Methode bis zur Anerkennung derselben in praxi ist aber noch ein weiter Schritt, ja ich möchte sagen, damit beginnen erst die Hauptsohwierigkeiten. Es liegt das einmal daran, dass wir bei den Experimenten doch unter ganz anderen Bedingungen arbeiten, als wie wir sie bei den Kranken dann vorfinden. Denn abgesehen davon, dass wir die Experimente ja an Tieren anstellen, wissen wir darüber, wie die Reaktionsfähigkeit der Zellen auf von aussen heran- gebrachte Reize durch krankhafte Prozesse verändert wird, noch sehr wenig. Dazu kommen die individuellen Differenzen, sowohl in der Auf- nahmefähigkeit der von uns als therapeutisch wichtig angesehenen Momente als auch in der Widerstandsfähigkeit gegen die einwirkenden Schädlichkeiten, namentlich die Bakterien, die ihrerseits nun wieder oft schon durch ihre verschiedene Form verraten, dass sie sich im Gewebe ganz anders verhalten können als in künstlichen Kultursubstraten: kurz, es gibt der Momente genug, die beweisen, wie vorsichtig wir gerade bei therapeutischen Versuchen mit der Übertragung von im Tierexperiment richtig befundenen Resultaten auf Erkrankungen beim Menschen sein müssen.

Dess weiteren muss bei jeder neu zu erprobenden Methode, und das gilt nach meiner Meinung in ganz besonderem Masse auch von lichttherapeutischen Versuchen, erst der Nachweis geführt wer- den, dass die Ausnutzung der theoretisch wirksam gefundenen Fak- toren bei der Durchfuhrung der Behandlung nicht zu kompliziert und auch nicht zu teuer ist, um ihr vor andern Mitteln, die bisher im Gebrauch waren, den Vorzug zu sichern.

Alle diese Fragen konnten aber nur durch Versuche an Krank- heitsfallen gelöst werden.

B. Klinischer Teil.

Mit gütiger Erlaubnis von meinem Chef, Herrn Geheimrat Wagenmann, habe ich es daher unternommen, an dem Material der Jenaer Augenklinik auch praktische Erfahrungen über die Ver- wendbarkeit der Lichttherapie am Auge zu sammeln.

Ich beschränkte mich dabei zunächst lediglich auf das Ulcus serpens corneae, denn einerseits schien mir bei diesem oberflächlich

296 E. Hertel

verlaufenden Prozess, dessen bakterielle Natur gut charakterisiert und dessen klinischer Verlauf bequem zu verfolgen ist, die Möglichkeit und vor allem auch die Kontrolle eines Erfolges günstig zu sein, anderseits waren die bisherigen Behandlungsmethoden, Kaute- risation mit oder ohne Durchschneidung nach Saemisch wenigstens nach den Erfahrungen der Jenaer Klinik, durchaus nicht befriedigend. Ich vermeide es absichtlich, Mitteilungen aus andern Kliniken, in denen sich auch wie z. B. in der Arbeit von F. Cohn (24) aus der Giessener Klinik entgegengesetzte Urteile gerade über Kauterisationserfolge finden, zum Vergleich heranzuziehen. Denn einmal ist die Indikationsstellung und Ausfuhrung der Kauterisa- tion, wie auch die Diskussion dieser Fragen im Anschluss an den Vortrag von Zimmermann in Heidelberg 1895 bewies, in den einzelnen Kliniken sehr verschieden, und dann ist, wie ebenfalls auf dem genannten Kongress betont wurde, offenbar auch der Charakter der Geschwüre in den verschiedenen Gegenden verschieden. Ja, es hat den Anschein, als ob sogar in denselben Gegenden sich in dieser Hinsicht gewisse periodische Schwankungen zeigen könnten. Man wird wenigstens zu dieser Annahme gedrängt, wie Dötsch (25) schon ganz richtig ausgeführt hat, wenn man in zwei aus verschiedenen Zeiten stammenden Zusammenstellungen von Resultaten bei Ulcus- fällen, die alle in derselben Klinik und nach gleichen Prinzipien be- handelt worden sind, nicht unwesentliche Differenzen in den Schluss- urteilen findet So konnte sich Schulz (26) auf Grund einer Über- sicht über 45 in der Jenaer Klinik mit Kauterisation behandelten Fälle „wohl zufrieden" mit den Erfolgen der Kauterisation erklären. Während bei seiner Zusammenstellung alle Augen auch in funktio- neller Richtung im weitesten Sinne des Wortes erhalten bleiben konnten, hatte Dötsch (25) bei einer einige Jahre später ge- machten Zusammenstellung aus derselben Klinik von 47 kauteri- sierten Geschwüren fünf Verluste durch Exenteration oder Phthisis zu verzeichnen, so dass sein Urteil über die Behandlungserfolge, von ganz kleinen Geschwüren abgesehen, nicht günstig lautete. Ich gebe später noch kurz eine Übersicht über die Resultate beider Mit- teilungen. Wenn sich also schon bei Fällen, die in derselben Klinik nach denselben Prinzipien behandelt worden sind, ohne weiteres er- kennbare Differenzen ergeben können, so werden wir bei der ver- gleichsweisen Bewertung von Resultaten, die zwar aus derselben Klinik, aber mit verschiedenen Methoden erzielt worden sind, doppelt vorsichtig sein müssen.

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 297

Wollten wir die Leistungstätigkeit der lokalen Lichttherapie gegenüber der Kauterisationsbehandlung erproben, so musste zu- nächst nach Möglichkeit dafür gesorgt werden, dass die Auswahl der zu bestrahlenden Ulcera nach denselben Grundsätzen erfolgte, wie bei der Kauterisation, ich betone ausdrücklich nach Möglichkeit, denn die schon erwähnten nicht genauer zu defi- nierenden Unterschiede im Charakter der Progression der Ulcera während verschiedener Zeitperioden sind natürlich von unserer Wahl nicht abhängig; dagegen kann man sich aber davon eine sichere Überzeugung zu verschaffen suchen, ob die Progression überhaupt noch vorhanden ist oder nicht. Denn bekanntlieh brauchen selbst grössere Ulcera, die auch noch Infiltration zeigen, gar nicht immer auch noch progressiv zu sein, im Gegenteil kann man sehen, dass der Prozess schon nach 1 2 Tagen im vollsten Rückgang ist, und das um so mehr, wenn wir durch konservative Mittel Appli- kation von Desinfizienzien in den Conjunctivalsack, Beachtung der Tränenleiden, warme Umschläge, resp. Verband, A tropin diese Tendenz zur Heilung unterstützen. Wenn wir nun auch gewisse Anhaltspunkte für das Vorhandensein der Progression haben an der Zeit, die das Ulcus gebraucht hat, um die Grösse, in der es sich uns präsentiert, zu erreichen, so ist es meist doch recht schwer, nur einiger- massen befriedigende anamnestische Daten über den mutmasslichen Beginn des Prozesses zu bekommen, Indolenz der Patienten, die Scheu zum Arzt zu gehen usw. spielen dabei eine grosse Bolle. Es ist daher, wie auch schon Schulz und Dötsch in ihren Arbeiten er- wähnen, Grundsatz der Jenaer Klinik, die Patienten mit Ulcus corneae zunächst in angedeuteter Weise ein oder auch zwei Tage konservativ zu behandeln. Gelingt es dadurch nicht, den Prozess zum Stillstand zu bringen, so treten operative Massnahmen in Aktion. Eine Ausnahme von dieser Regel wird nur in den Fällen gemacht, in welchen das Aussehen des Ulcus zusammen mit sicheren anamnestischen Angaben einen schnell fortschreitenden Prozess er- schliessen lassen, in diesen Fällen wird sofort zu den eingreifenderen Massnahmen geschritten. Diese bestanden bisher in der Kauteri- sation mit oder ohne Durchschneid ung nach Sae misch, und bestehen neuerdings also in der Anwendung der lokalen Lichttherapie. Die Indikationsstellung für die Bestrahlung bei den Ulcusfällen war also dieselbe wie früher für die Kauterisation: Ge- schwüre, deren Progression sicher festgestellt war, wurden jetzt bestrahlt, während sie früherkauterisiertworden waren.

t. Graefe's Archiv fflr Ophthalmologie. LXVI. s. 20

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Ich möchte ferner noch bemerken, dass auch im übrigen bei den bestrahlten Fällen dieselbe Behandlung eingehalten wurde, wie früher bei den kauterisierten. Geradeso wie bei letzteren wurde auch bei ersteren die Atropinisierung beibehalten, ferner die war- men Umschläge, auch wurde der Sekretion der Bindehaut oder des Tränensackes weiterhin Rechnung getragen. Dass alle die Mittel allein den Prozess nicht hatten aufhalten können, ergab sich ja aus dem Resultate der ein- bis zweitägigen Beobachtungszeit, den- noch glaubten wir sie sowohl bei der Kauterisation als auch bei der Bestrahlung als Hilfskräfte nicht entbehren zu können.

Im folgenden gebe ich nun einen Überblick über die einzelnen Fälle. Um die Krankengeschichten möglichst kurz fassen zu können, habe ich Befunde, die für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Methode nicht in Betracht kamen, nicht mit angeführt So z. B. finden sich nur wenig Angaben über das Verhalten der Iris, ferner sind Angaben der Patienten über Schmerzen nicht notiert. Doch bemerke ich ausdrücklich, dass über Schmerzen meist nur bei der Aufnahme oder höchstens noch in den ersten Tagen geklagt wurde, sie hatten ihren Grund hauptsächlich in noch nicht genügender A tropin Wirkung und in weiterer Progression des Prozesses, dagegen hat die Bestrahlung nie weder direkt etwa durch Blendung oder in- direkt durch irgendwelche Nachwirkung Anlass zu Klagen gegeben. Manche Patienten gaben sogar an, dass sie sich nach der Bestrahlung erleichtert fühlten: eine Suggestivwirkung, die ich nur der Vollständig- keit halber mit anführen möchte.

Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass ich auch nicht für nötig gehalten habe, in allen Fällen die Reaktionserscheinungen nach der Bestrahlung eingehend zu schildern, dieselben wieder- holten sich so oft und so einförmig, dass es genügen dürfte, sie bei der epikritischen Besprechung der Fälle S. 313 im Zusammenhang anzuführen.

Krankengeschichten. I. Gruppe: Anwendung von Lichttherapie allein.

1. Otto W., 22 Jahre, aufg. 26. 1. 04. Entzündung seit 2 Tagen nach Verletzung mit Strohhalm. Links: Zentrales, rundes Ulcus, 3 mm Durchmesser, ganze äussere Circumferenz progressiv, schmales Hypopyon. Tränensack frei. 27. I. vormittags 9 und mittags 11 Uhr 3 Min. bestrahlt. Abends Injektion stärker, Ulcüsrand grau. 28. I. Ulcus merklich besser aussehend. Injektion und Hypopyon unverändert. 12. IL entl. L. runde Facette epitheliaüsiert Visus L-j-6 2) 5/35 (vor 7 Jahren untersucht + 7 2) 5/15 nhz.). Voretellung am 6. IV.: L. + 6 2> 5/20. Ophthal, normal; zarte rundüche Hornhauttrübung.

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 299

2. Christian R., 50 Jahre, aufg. 12. IL 04. Schmerzen seit 4 Tagen, Verletzung bei der Arbeit. Rechts: Flacher, nach unten zungenfönniger, fast bis zum Limbus ausgezogener Substanzverlust mit 8 mm breiter, dick gelb infiltrierter Basis dicht unterhalb der Hornhautmitte; schmales Hypopyon. Tränensack frei; nachts viel Schmerzen. 13. IL zweimal bestrahlt 14. IL Der infiltrierte Band oben weisstiebgrau; 8ubstanzverlust nicht grosser. Injektion etwas stärker; leichtes ödem. 15. IL Ulcus reinigt sich. 2. III. entlassen. R. unter der Gorneamitte eine 2,5 mm breite epithelialisierte Facette, die nach unten bis fast zum limbus einen sich allmählich ver- jüngenden Sporn sendet Vis. R. Ebll0 nhz. 0. normal.

3. Ferdinand Seh., 60 Jahre, aufg. 21. III. 04. Seit 6 Tagen Entzün- dung nach Verletzung durch abspringenden Nagel. R: Im äusseren unteren Quadranten nahe der Hornhautmitte rundliches Ulcus von 3 mm Durch- messer mit gelbem Infiltrationshalbmond oben und einer zackigen Infiltrations- zunge innen; schmales Hypopyon. Tränensack frei. 22. III. 3 mal (früh, mittags und abends) je 3 Min. bestrahlt 23. HL Ulcus sieht grauweiss aus, ist nicht grösser geworden. 24. III. Auge blasser.

28. III. Ulcus vollkommen gereinigt, Grund epithelialisiert. Vis. R. */]0 nhz. 0. normal Entlassen.

Vorstellung am 5. IV. R: 1,5 D 5/7i6. Ganz zarte Trübung aussen.

4. Louis PI., 62 Jahre, aufg. 24. III. 04. Entzündung seit ungefähr 1 Woche, Verletzung nicht bekannt. L. nach aussen und unten von der Hornhautmitte scheibenförmiger Substanzverlust, 3,5 mm Durchmesser, mit gelblicher Infiltration des Grundes und inneren Randes; in der Tiefe der Cornea streifige Infiltration radienartig vom Ulcus nach der Peripherie ziehend, dickere gelbliche Auflagerung an der Descemet, dem unteren Rand des Ulcus entsprechend, 2 mm hohes Hypopyon, Pupillarexsudat. Tränen- sackbl. Sogleich 2 mal (nachmittags und abends) 5 Min. lang bestrahlt.

25. IH. Keine deutliche Progredienz, nochmalige Bestrahlung des ver- dächtig erscheinenden inneren Randes (morgens und abends je 5 Min.). 27. III. Geschwür in voller Reinigung, Hypopyon niedriger. 11. IL entlassen. Vis. L. 6/sß. Gl. n. b.

5. Selma St., 63 Jahre, aufg. 3. IV. 04. Vor 1 Woche Sand ins Auge geflogen, danach Entzündung. L.: Vom Hornhautzentrum ausgehend, etwas nach innen zu, grosses Ulcus, in den beiden Hauptachsen ziemlich gleich ausgedehnt etwa 4 mm. Der Grund Bchmierig belegt, der Rand unten innen stark infiltriert. Dicke Beschläge an der Descemet, Hypo- pyon ungefähr 2,5 mm. Tränensackbl.

4. IV. 3 mal (früh, mittags und abends) je 3 Min. bestrahlt

5. IV. Keine Progression zu sehen, Hypopyon etwas niedriger. In der Nacht mehr Sekretion der Bindehaut: Ausspülen des Conjunctivalsackes und des Tränensackes.

6. IV. Heute Ulcus nach unten wieder progredient, Hypopyon höher, ungefähr 3 mm. Tränensackexstirpation und Bestrahlung 2 mal 3 Min.

7. IV. Sekretion viel geringer, Hypopyon höher, Infiltrationszone unten breiter, gelblich. 3 mal je 3 Min. bestrahlt. Danach spät abends:

20*

300 E. Hertel

starker Reizzustand, ödem stärker, Hypopyon noch höher, 4 mm, Infiltration unten sieht mehr grau aus.

8. IV. Ulcus nicht mehr weiter gegangen, noch starker Reizzustand.

9. IV. Ulcus fast überall rückgängig, nur innen oben ein stecknadel- kopfgrosses neues Infiltrat Hypopyon niedriger, 3 mm. Bestrahlung des neuen Infiltrates 3 Min. mittags und abends.

11. IV. Auge in toto blasser, Infiltration oben stationär geblieben, Hypopyon im weiteren Rückgang.

18. IV. Auge weniger injiziert; nur noch 2 kleine Stellen innen und oben mit rückgängiger Infiltration, sonst allseitig fortschreitende Reinigung, noch Spur Hypopyon.

20. IV. Kein Hypopyon mehr. 27. IV. entlassen. Ulcus völüg epi- thelialisiert, in Vernarbung, noch immer Injektion. Fundus normal. Vis. 5/s5 angef. 27. IV. Vorstellung. Ulcus vernarbt, zarte Trübung. Vis. idem.

6. Louise Er., 63 Jahre, aufg. 5. IV. 04. Seit 3 Tagen Schmerzen, Verletzung im Walde möglich. L. innen und unten vom Zentrum kleines rundes Ulcus von 2 mm im Durchmesser, Boden schmierig belegt, um das Ulcus herum strahlige Infiltrationszone, eine Spur Hypopyon. Tränensackbl.

6. IV. Deutliche Progression seit gestern. Vormittag und Nachmittag je 3 Min. bestrahlt, etwas ödem. Hypopyon unten höher. Abends Ulcus in voller Reinigung.

7. IV. Grund des Ulcus und progressiver Rand noch etwas grau, keine Progression.

8. IV. Entlassen zur Ambulanz. Auge blasser, Ulcus von der Seite her in Reparation, Spur von Hypopyon.

16. IX. 05 Vorstellung. L.: E 5/7B. Unterhalb der Pupillenmitte runder zarter Hornhautfleck, bei Tageslicht nicht zu sehen. Ophth. normal.

7. Henriette St., 57 Jahre, aufg. 24. IV. 04. Vor 5 Tagen auf der Strasse wahrscheinlich etwas hineingeflogen, dann Tags darauf Schmerzen. R. : 5 mm langer und 2 mm breiter Defekt im äusseren oberen Quadranten, mit infiltriertem Grund und Rand, besonders nach innen und unten. Das Ulcus beginnt etwa 1 mm vom Limbus und zieht sich schräg von aussen oben nach dem Zentrum zu, 2 mm Hypopyon. Tränensackbl.

25. IV. morgens und mittags je 3 Min. bestrahlt. Abends: nach unten zu Infiltration, graulich aussehend, aber stärker geworden. Reizzustand stärker.

26. IV. Hypopyon nur noch ganz schmal, am zentralen Ende des Ulcus noch immer Infiltration, periphere Reinigung.

27. IV. Auge blasst etwas ab. Infiltration auch am zentralen Ende geringer geworden.

28. IV. EpitheliaUsierung von oben her.

6. V. entlassen. Facette in Ausdehnung des Ulcus, etwas Vaskulari- sation von oben her. Ophth. normal. Vis. R. 0,5 2)5/10. 13. V. Vorstellung. Ulc. gut vernarbt, Trübung zart.

8. Louis N., 62 Jahre, aufg. 28. IV. 04. Vor 8 Tagen Kalk ins Auge geflogen, vor 2 Tagen zum Arzt gegangen. L. Kleines Ulcus im äusseren unteren Quadranten mit nach dem Zentrum zu gelegenen stark progredientem

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 301

Rand, Trübungsstrahlen von hier ans nach der Hornhautmitte zu, schmales Hypopyon. Tränensack frei.

29. IV. Weitere Progression nach dem Zentrum zu. Bestrahlung je 3 Min.: früh, mittags und abends.

30. IV. Ulcus erscheint stationär, Reizznsand ziemlich stark, ebenso die Chemosis.

2. V. Ulcus nicht fortgeschritten.

6. V. Auge viel blasser. Epitheüatisierung des Ulcus.

8. V. Facette innen unten. R. 1 2)5/7 5. Entlassen.

9. Wilhelmine B., 68 Jahre, aufg. 21. V. 04. Vor 7 Tagen Ver- letzung durch Holzsplitter, 2 Tage später Entzündung. L. längliches zen- trales grosses Ulcus, vertikal 5 mm lang und horizontal 3 mm breit Der mediale und laterale Rand stark progressiv, fast 3 mm hohes Hypopyon. Tränensackbl.

22. V. Die progressiven Ränder werden beide 3 mal je 3 Min. be- strahlt. Tränensackexstirpation.

23. V. Ziemlich beträchtlicher Reizzustand und Chemosis, Hypopyon aber eher kleiner. Am Ulcusrande unten innen noch verdächtige Stelle: 3 Min. bestrahlt

24. V. Infiltration am unteren Rande unverändert. Hypopyon noch kleiner. 3 Min. bestrahlt

25. V. Keine Infiltration mehr zu seilen; Reinigung von oben her weiter fortgeschritten. Hypopyon nur noch angedeutet

17. VI. Auge noch ein wenig injiziert. Auf der Cornea grosse Facette spiegelnd, ungefähr 4,5 mm lang und ungefähr 4 mm breit. Ophth. normal L. 5/50 Gl. n. b 17. VI. entlassen.

10. Ernst M., 60 Jahre, aufg. 18. VII. 04. Seit 10 Tagen Entzün- dung. R. Unterhalb der Hornhautmitte 5 mm langer, 2,5 mm breiter, hori- zontal verlaufender Defekt mit Infiltration des Grundes und am oberen Rande, besonders in der Mitte des Defektes. 1 mm Hypopyon. Tränen- sack frei.

19. VII. 2 mal 5 Min. bestrahlt

20. VII. Infiltration und Hypopyon unverändert, starke Injektion. 22. VII. Infiltration zurückgegangen.

24. VII. Kein Hypopyon mehr.

30. VII. Ulcus in voller Vernarbung. Opbthalm. normal.

Visus: R. 2D5j20. Entlassen.

11. Karoline G., 73 Jahre, aufg. 25. X. 04. Entzündung seit unge- fähr 8 Tagen. R. von der Corneamitte nach unten ungefähr 3,5 mm hohes, 2,5 mm breites Ulcus mit infiltriertem oberen Rande, 1 mm Hypopyon. Tränensackbl.

26. X. 3 mal 5 Min. lang den infiltrierten Rand bestrahlt. Nachts: starker Reizzustand, Chemosis, Hypopyon wohl etwas höher.

27. X. Infiltration des oberen Randes etwas breiter geworden, sieht mehr grau aus; nochmals mittags und abends 2 mal 5 Min. bestrahlt

28. X. Hypopyon fast ganz verschwunden, am oberen Rande noch eine Spur Infiltration, auch hier in der Tiefe der Cornea noch Reste von

302 E. Hertel

strahligen Infiltrationsstrichen zu sehen, die zu Anfang sehr reichlich vor- handen waren.

1. XI. Nirgends mehr frische Infiltration aufgetreten, beginnende Epi- thelialisierung des Ulcus.

7. XL Spiegelnde, unregelmäßige Ulcusfläche, Pupille maximal, Auge viel blasser.

20. XI. Auge blass. Unter der Mitte eine ungefähr 3,5 mm hohe und etwa

3 mm breite zarte Trübung, die nur in der Mitte etwas grauen Schein bei Tageslicht zeigt. Speichen in der Linse wie am andern Auge. Ophth. normal. Visus: R. Ü>5/2o« L.-|- 1,5Z)5/15 (Katarakt, incip. Speichen) entl.

12. Henriette R., 63 Jahre, aufg. 29. XL 04. Entzündung seit

4 Tagen nach dem Dreschen. R. Vom Hornhautzentrum nach aussen und etwas nach unten flaches Ulcus, 4,5 mm breit und 3,5 mm hoch, mit stark in- filtriertem Rand innen, nach aussen unten ebenfalls Infiltration, doch nicht so stark, auch der Grund stellenweis infiltriert. 2 mm Hypopyon. Tränen- sackbl. Sogleich Bestrahlen der progressiven Ränder des Ulcus je 3 Min., ebenso abends.

30. XL Infiltration unverändert, Substanzverlust nicht grösser; noch- maliges Bestrahlen der Ränder je 3 Min.

1. XH. Ulcusgrund gereinigt, Rand des Ulcus aussen sieht nicht mehr bedrohlich aus, auch der innere weniger gelb, nur am unteren Ende noch ein gelblicher breiter Infiltrationsknopf, Bestrahlung des inneren Randes, besonders unten, 2 mal je 3 Min., des äusseren nur 2 Min.

2. XII. Ulcus aussen zum Stillstand gekommen, auch innen ist die Infiltration im unteren Winkel jetzt rückgängig. Hypopyon kleiner.

4. XII. Nirgends mehr Infiltration zu sehen.

27. XH. Glatte weitere Heilung, jetzt an Stelle des Ulcus eine 5 mm breite und 4 mm hohe durchscheinende Trübung. Ophth. normal, Linse klar. R. -j-22) 5/85 nhz. (Pupille noch über mittelweit) Entlassen.

27. I. 05. Iridektomie, danach R. E 5/25.

13. Hilmar J., 31 Jahre, aufg. 12. XII. 04. Entzündung seit 3 Tagen nach Hineinschnippen eines Zweiges. R. Grosses Ulcus, den ganzen inneren oberen Hornhautquadranten einnehmend, innen und unten starke Progre- dienz, Ulcus 5,5 mm breit und 4,5 mm hoch. 2 mm Hypopyon. TränensackbL

13. XII. Früh, mittags und abends je 5 Min. bestrahlt. Nachts Chemosis.

14. XII. Die Ränder des Defektes treten schärfer hervor, nirgends Fortschritt über den ursprünglichen Bezirk zu konstatieren, nur innen und unten an der einen Ecke Infiltration mehr gelb. Hier 2 mal 5 Min. bestrahlt.

15. XII. Ulcus sieht gut aus, keine Substanz weiter eingeschmolzen. Tränensackexstirpation.

21. XIL Noch immer starke Injektion, Ulcus in Reinigung, noch ganz schmales Hypopyon.

22. I. 05. Entlassen. Narbe in voller Ausbildung. R. +12> 5/20- (Pupille noch weit.)

4. III. Wieder vorgestellt. Narbe innen und oben läset den äusseren Pupillenteil frei, ist innen ganz zart, so dass die Iris gut durchzusehen ist,

Experimentelles n. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 303

etwas dichter im Pupillarbereich, scharf abgesetzt. Ophth. normal. R + 1 2) 5/25. (Papille mittelweit.)

14. Louis 8., 45 Jahre, au fg. 2. XI. 03. Entzündung seit 4 Tagen. L. Etwas nach unten und aussen vom Zentrum flaches Ulcus, dreieckig mit stark infiltrierter Basis von ungefähr 3 mm Länge, Spitze nach unten gerichtet, etwa 2,5 mm von der Basis entfernt. lmm Hypopyon. Tränensackbl.

3. XI. 3 mal je 4 Min. bestrahlt.

4. XI. Ulcus sieht besser aus, Grund und Basis graulich, letztere noch einmal 4 Min. bestrahlt. Tränensackexstirpation.

5. XI. Nirgends Progredienz. 10. XI. Reinigung vollendet.

13. XI. Entlassen. Dreieckige Facette 3 mm hoch, Defekt so gross wie bei der Aufnahme. Vis. 2D 5/10 nhz.

28. XL Vorstellung. L. 0,75 D 5/75. Facette so gut wie ausge- glichen, ganz zarte Trübung. Ophth. normal.

15. August Str., 70 Jahre, aufg. 2. XII. 03. Entzündung seit einigen Tagen nach Hineinfliegen von Getreidekorn. L. Im äusseren unteren Qua- dranten von oben aussen nach innen unten ziehendes Ulcus, 43/4mm lang, 21j8mm breit. Untere Begrenzungslinie und der äussere Rand infiltriert, Grund schmierig belegt, schmales Hypopyon. Alte Maculae aussen und aussen oben.

3. XII. 3 mal 5 Min. bestrahlt, nachts Chemosis. Hypopyon etwas höher.

4. XII. Ulcus nicht mehr progredient. 5. XII. Kein Hypopyon mehr. 17. XII. Flache Facette, spiegelnd 5 mm lang, 3 mm breit, daneben

die alten Maculae. L. Finger in 2 m. Entlassen.

16. Karl KL, 49 Jahre, aufg. 2. XII. 03. Entzündung seit gestern. R. Querovales 3 mm langes, 1,5 mm breites Ulcus unten, mit Infiltration oben. Alte Maculae neben dem Geschwür. Tränensack frei.

5. XII. Infiltrationszone abgestossen, Defekt nach oben grösser und tiefer.

10. XII. Heute deutliche neue Infiltrationszone oben, schmales Hypopyon. Jetzt erste Bestrahlung, 2 mal je 5 Min.

11. XII. Prozess. nach oben nicht weitergegangen, aber nach der inneren Seite zu etwas Progredienz. 2 mal 5 Min. bestrahlt

12. XII. Ulcus besser aussehend, keine Progredienz mehr.

15. XII. Wieder neue gelbe Infiltration in Gestalt einer schmalen Sichel innen. Hypopyon. 3 mal 3 Min. bestrahlt.

16. XII. Infiltrierte Zone grau aussehend, sonst Ulcus wie gestern.

17. XII. Ulcus rückgängig.

21. XII. Wieder mehr Injektion, innen frische Infiltration punkt- förmig, noch innerhalb des Randes gelegen. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

23. XII. Keine Progression mehr, noch starke Injektion.

5. I. Reparation.

27. I. Entlassen. Flacher Defekt, an der längsten Stelle fast 7 mm lang und von 3 mm grösster Breite; daneben alte Maculae, Reste vom Pupillarexsudat. Vis.: Finger in 5 m. Ophth. normal. Beiderseits: Linsen« trübungen.

17. Veronika L., 67 Jahre, aufg. 13. XII. 03. Entzündung seit einigen Tagen nach Fremdkörperverletzung. R. Grosses Ulcus, das unten nur

304 E. Hertel

lmm Hornhautrand frei lässt, oben konvex etwas oberhalb der Mitte ab- schneidet, aussen und innen ungefähr 3 mm Cornea freilässt Progredienz des äusseren und äusseren unteren Randes. 1 mm Hypopyon; Pupille aus- gedehnt verwachsen.

14. XII. 3 mal 5 Min. bestrahlt Danach abends Hypopyon etwas höher.

15. XII. Progredienz nach aussen geringer, nach unten noch deutlich 3 mal 5 Min. bestrahlt.

16. XII. Hypopyon kleiner, Prozess anscheinend zum Stillstand ge- kommen. Pupille nur wenig weiter, viele Synechien.

18. XII. Injektion geringer, Hypopyon noch niedriger. 21. XII. Heute Augen wieder stärker gereizt, Grund des Ulcus gelb- lich aussehend. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

. 22. XII. Keine weitere Zunahme der Infiltration, doch nochmals 5 Min. bestrahlt.

23. XII. Zum Stillstand gekommen. 27. XII. In voller Reparation. 13. I. 04. Iridektomie, Iris fest verwachsen.

21. I. Entlassen. Langlichovale Hornhauttrübung im unteren Teile der Cornea, bis über die Mitte nach oben gehend (6:5 mm).

4. VI. Vorstellung. R. Trübung durchscheinend, so dass Iriszeich- nung gut zu sehen ist; auf Entfernung von 1 m fällt die Trübung kaum auf, nur bei ganz genauem Vergleich sieht man einen leichten Schleier über der Pupillengegend unten. Reste von Pupillarexsudat, Pigmentstippchen in dem Coiobom, vordere Polarkatarakt. Ophth. normal. R. 6 D. 5j25 5/20.

18. Pauline R., 49 Jahre, aufg. 11. VI. 05. Seit 4 Tagen Entzündung. L. Ulcus von aussen unten ins Pupillargebiet ziehend, 6 mm lang, 3 mm breit, eine Infiltrationssichel am zentralen Ende im Pupillargebiet. Tränen- sack frei. 2 mm hohes Hypopyon. 12. VI. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

13. VI. Progressiver Rand grau aussehend, Ulcus nicht weitergegangen. 2 mal je 3 Min. bestrahlt

14. VI. Ulcus zum Stillstand gekommen« Hypopyon kleiner.

15. VI. Rand in Reinigung begriffen.

9. VII. Entlassen. Bandförmige Trübung vorn und aussen in das Pupillargebiet reichend, hier am dichtesten; breite Synechien. Ophth. normal. Einger 21/2m.

19. Karl W., 63 Jahre, aufg. 19. VI. 05. Entzündung seit 3 Tagen nach Fremdkörperverletzung. R. Ulcus 5 mm breit, 3 mm hoch, mit stark progressiver bogiger Begrenzung nach innen, oben an der äussersten Ecke sehr dicke gelbe Infiltrationszone, weit nach innen zu sich vorschiebend, lmm Hypopyon. Tränensack frei 20. VI. 3 mal je 5 Min. bestrahlt

21. VI. Der bogige Rand weniger infiltriert, nur die Infiltration an der Spitze ist noch weitergegangen, auch der Defekt dadurch oben etwas grösser. 2 mal 5 Min. bestrahlt

22. VI. Senkrechter Rand in Reinigung, auch die Spitzeninfiltration rückgängig.

24. VI. Ulcus überall gereinigt. Hypopyon nur noch ganz schmal. 22. VII. Entlassen. Defekt in Vernarbung, hintere Synechien.

Ophth. normal.

Experimentelles n. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 305

11. VI. 07. Vorstellung. R. Narbe zart, unregelmässig, innen bogig begrenzt mit einer Ausladung am oberen Ende nach innen zu; alte Synechie. Ophth. normal. R. 2 2) Ä/20.

20. Franz Seh., 20 Jahre, anfg. 25. IV. 06. R. Seit gestern stärkere Entzündung, etwas Erde hineingeflogen. R. Aussen am Zentrum rundes Ulcus (1,5 : 2 mm) mit progressivem Rande innen. 1 mm Hypopyon. Tränen- sack frei.

28. IV. Heute stärkere Progression innen zu bemerken, Hypopyon höher. 2 mal 3 Min. bestrahlt.

29. IV. Infiltration innen noch etwas zugenommen, sieht grau aus.

30. IV. Prozess rückgängig bis auf eine verdächtige Stelle innen. 2 mal 3 Minuten bestrahlt.

I.V. Hypopyon kleiner, nochmals 2 mal 3 Min. bestrahlt.

5. V. Reinigung. 22. V. Entlassen.

11. VI. Vorstellung. R. 1,5 2) 5/10. Ophth. normal. Kleine rund- liche Trübung an der Cornea, bei Tageslicht nur in der Nähe und auch da schwer zu sehen.

21. Albert K., 69 Jahre, aufg. U.V. 06. Seit 4 Tagen Entzündung. R. Zentrales Ulcus, das nach innen unten länglichen Fortsatz entsendet, 3,5 mm lang und oben an der infiltrierten Zone 2 mm breit. 0,5 mm Hypopyon. Weisse dichte alte Hornhauttrübung, deswegen Iriscolobom nach oben. Tränensack frei.

14. V. Progression zu sehen. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

15. V. Prozess noch nicht zum Stillstand gekommen. Wieder 2 mal 5 Min. bestrahlt.

16. V. Ulcus zum Stülstand gekommen. 17. V. Reinigung. 30. V. Auf Wunsch entlassen.

24. VI. Vorstellung. Defekt vernarbt, altes Leukom und Colobom der Iris wie früher. Beiderseits: Staphyl. post; central, chorioidit. Herde. R. Finger 2 m. 61. n. b.

22. BerthaW., 56 Jahre, aufg. 20. VIII. 06. Seit öTagen Entzündung. L. Länglichrundes zentrales Ulcus, 3,5 mm: knapp 2 mm, die Ränder all- seitig sehr steil und kraterartig abfallend, dick infiltriert, etwas aufgeworfen; der Grund gelblich schmierig infiltriert und belegt. 2,5 mm Hypopyon. Tränensackbl. 21. VIII. 3 mal 3 Min. bestrahlt.

22. VIII. Ulcus seitlich nicht mehr progressiv, Hypopyon vielleicht etwas höher, mittags nochmals 5 Min. bestrahlt.

25. VIII. Ulcus seitlich nicht mehr progressiv, Grund noch gelb, Hypo- pyon kleiner. Tränensackexstirpation.

1. IX. Ulcusränder in Reinigung, Grund erscheint etwas vorgebuckeit

2. IX. Perforation des Grundes, mit Einlagerung von Irisgewebe, Ränder gereinigt.

7. X. Adhärentes Leukom. Keine Handbewegung; mittlere Lampe wird erkannt, Projektion ungenügend, entlassen.

23. Wilhelm M., 57 Jahre, aufg. 21. V. 06. Seit 8 Tagen Ent- zündung. L. Im unteren äusseren Quadranten 4 mm messendes rundea

306 E. Hertel

Ulcus mit breiter gelber Infiltration; die sich namentlich nach innen zu weit in die Lamellen vorschiebt Davon getrennt noch weiter nach innen 2 gelbliche Infiltrationspunkte in der Tiefe der Cornea. 2 mm Hypopyon. Tränensackbl.

22. V. 3 mal je 5 Min. bestrahlt

23. V. Infiltration nicht weitergegangen, sieht grauer aus. Hypopyon noch etwas höher. 3 mal je 3 Min. bestrahlt.

24. V. Ulcus sieht gut aus, keine Progression.

25. V. Stillstand.

29. V. Reinigung. Hypopyon viel kleiner. Tränensackexstirpation.

16. VI. Ulcus in Vernarbung, Oberfläche spiegelnd unregelmässig,, Ophth. normal. L. Finger 2 m. Patient entlassen auf Wunsch.

14. VI. 07. Vorstellung. L. 2,5 D 5/25. An der Cornea etwas läng- liche Trübung (5 : 3 mm), zart; bei Tageslicht sieht man nur die mittlere Partie als grauen Schein. Ophth. normal.

24. Christliebe G., 66 Jahre, aufg. 2. IX. 06. Seit zwei Wochen etwas Entzündung, nicht beachtet, seit einigen Tagen mehr Beschwerden. R. Zentrales bandförmiges, unregelmässig begrenztes Ulcus, ungefähr 4 : 2 mm; innen unten Infiltration. 1,5 mm Hypopyon. Tränensackbl.

3. IX. 2 Bestrahlungen je 5 Minuten. Abends mehr Reizung, Chemosis.

4. IX. Stillstand. Tränensackexstirpation.

30. IX. Entlassen. R. Bandförmige Hornhautnarbe, scharf abgesetzt. Ophth.: alte gelb weisse Herde und Pigment rechts wie links. R. + 1 D. 5JM.

25. Selma Seh., 45 Jahre, aufg. 12. IV. 07. Seit einigen Tagen Entzündung. L. Kleines zentrales Ulcus (1,5:1,5 mm). 1mm Hypopyon.

13. IV. 2 mal 3 Min. bestrahlt.

14. IV. Infiltration ein wenig stärker, grauer. 2 mal 3 Min. bestrahlt

15. IV. Ulcus nicht weitergegangen. Hypopyon kleiner.

21. IV. Entlassen. L. Kleine spiegelnde Facette. Ophth. normal. L. 0,5 2) V

26. Friedrich H., 62 Jahre; aufg. 10. V. 07. Entzündung seit 4 Tagen nach Verletzung beim Steinschlagen. L. Zentrales grosses Ulcus, 6 mm breit, 5 mm hoch, mit gelber Infiltration am ganzen unteren Rande. 2 mm Hypo- pyon und dicke Infiltration an der Hinterfläche der Cornea im Ulcusbereich. Tränensack frei.

U.V. Wegen besonders starker Progression nach unten 3 mal 15 Min. lang bestrahlt; nachts starker Reiz, Chemosis, keine Schmerzen.

12. V. Keine Substanz weiter eingeschmolzen. Man sieht nach unten in einiger Entfernung von dem progressiven Rande in der Tiefe der Cornea einen graulichen Infiltrationsring. 2 mal 10 Minuten bestrahlt

13. V. Ulcus zum Stillstand gekommen, Reizzustand ziemlich stark.

17. V. Auge viel blasser, Hypopyon nur noch ganz schmal, Ulcus in Vernarbung.

13. VI. Entlassen. Auge blass. Der Ausdehnung des ursprünglichen Ulcus entsprechend ein ungefähr 6 mm breiter und 5 mm hoher flacher Defekt im Zentrum der Cornea, spiegelnd, die Pupille verlagernd; viele hintere Synechien, rotes Licht Finger 1 m.

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 307

II. Gruppe: An Wendung von Lichttherapie und Durekschneldung. Perforierte Geschwüre.

27. Pauline Gr., 75 Jahre, aufg. 24. X. 03. Seit einigen Tagen Entzündung nach Strohhalmverletzung. L. Dicht unter der Mitte vertikale» längliches Ulcus, 3,5 mm lang und 2,5 mm breit; oben stark progressiv, Grund schmierig belegt. TränensackbL 4 mm Hypopyon.

25. X. 2 mal 5 Min. bestrahlt Abends Zunahme des Reizzustandes. Hypopyon etwas höher.

26. X. Ulcus macht den Eindruck der Besserung, doch noch nicht zum Stillstand gekommen. 2 mal 5 Min. bestrahlt

27. X. Ulcus nicht weitergegangen. Hypopyon unverändert

28. X. Tränensackexstirpation. Durchschneidung nach Saemisch, um Hypopyon zu entleeren.

29. X. Der untere Rand sieht wieder gelb aus, auch ist die Injektion stärker. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

30. X. Nach innen etwas gelbe Infiltration zu sehen. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

31. X. Keine Progression mehr. 15. XI. Iridektomie.

24. XI. L. Scheibenförmige grosse Trübung mit zentraler Iriseinheilung, schmales Golobom. Beiderseits: Cataracta provecta. L. Finger in 1 m. Entlassen.

28. Wilhelmine B., 58 Jahre, aufg. 10. XI. 03. Seit einigen Tagen Entzündung nach Verletzung mit Ast L. Unter der Mitte rundes Ulcus (ungefähr 4 mm Durchmesser) mit allseitiger Progression, besonders nach innen. 4 mm Hypopyon. TränensackbL

11. XL 3 mal 3 Min bestrahlt.

12. XL Ulcus innen etwas weitergegangen. 3 mal 3 Min. bestrahlt

1 3. XL Prozess innen nicht mehr weitergegangen. Auge etwas blasser.

14. XL Rand innen immer noch verdächtig. Hypopyon noch sehr hoch. 3 mal 3 Min. bestrahlt

17. XL Die infiltrierten Ränder reinigen sich. Hypopyon unverändert 23. XI. Das Auge blasst immer mehr ab, das Ulcus gereinigt. Hypo- pyon unverändert.

25. XL Auge jetzt blass. Tränensackexstirpation. 28. XL Hypopyon heute endlich etwas niedriger.

1. XII. Aufsaugung des Hypopyons geht sehr langsam, auch ist das Auge heute wieder ein wenig injiziert. Durchschneidung nach SaemiBch, um Hypopyon zu entleeren.

7. XII. Wieder stärkerer Reizzustand. Grund des Ulcus in der Umgebung der Schnittwunde frisch infiltriert. Bestrahlung 10 Min.

8. XII. Gelbliche Infiltration an einer Stelle weitergegangen. 2 mal 5 Min. bestrahlt

9. XII. Infiltration unverändert. 2 mal 5 Min. bestrahlt

10. XII. Prozess zum Stillstand gekommen. 20. XIL Iridektomie.

28. XIL Entlassen. L. Adhärentes Leukom, Colobom innen oben, Pigment in demselben; vordere Polarkatarakt. Finger in 1/4m.

16. H. 04. Vorstellung. Adhärentes Leukom. Colobom wie früher. Finger in 1j4m. Lichtschein und Projektion gut

308 E. Hertel

29. Ernst E., 69 Jahre, aufg. 8. XII. 03. Schon vor ungefähr 2 3 Wochen mit Fichtenzweig ins Auge gestossen, seitdem Entzündung. R. Zentrales, fast rundes Ulcus, 7:8mm, aussen und aussen oben gelbe progressive Zone. Hypopyon bis zur Mitte der Kammer. Tränensack frei.

9. XII. 2 mal ö Min. und lmal 3 Min. bestrahlt. Nachts starker Reizzustand. Hypopyon vielleicht noch etwas höher.

10. XII. Ulcus erscheint nicht mehr so stark progredient, doch ist nach aussen der Prozess entschieden noch etwas weitergegangen. Hypopyon unverändert. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

11. XII. Ulcus sieht besser aus, doch der Grund etwas vorgetrieben. Ehe die beabsichtigte Durchschneidung des vorgetriebenen Geschwürsgrundes vorgenommen werden konnte, tritt Spontanperforation innen unten ein.

13. XII. Der Prozess ist scheinbar zum Stillstand gekommen. Kammer hergestellt.

11. I. 05. Iridektomie.

15. I. Entlassen. Grosses adhärentes Leukom. Colobom. R. Finger ungefähr 1/4m. Gesichtsfeld frei.

30. Barbara W., 68 Jahre, aufg. 16.1.04. Entzündung seit 4 Tagen. R. Etwas nach aussen vom Zentrum vertikales Ulcus, 3,5 mm lang und 2,5 mm breit, breiter gelber progredienter Saum innen. 3 mm Hypopyon. Tränensackbl.

17. I. R. 3 mal 3 Min. bestrahlt. Tränensackexstirpation.

18. I. R. Ulcusgrund sehr verdächtig, Prozess nach unten weiter- gegangen. Hypopyon höher. Durchschneidung nach Saemisch und Bestrahlung der progressiven Stelle unten 5 Min.

19. I. Ulcus sieht im ganzen besser aus; Kammer stellt sich her, breite Adhärenz der Iris. 2 mal 5 Min. lange Bestrahlung des immer noch verdächtigen Randes unten.

20. I. Ulcus jetzt zum Stillstand gekommen. Kammer noch immer seicht, fistelnd.

6. IL, also 14 Tage später, geringe Neuinfektion des Grundes und der Umgebung der Durchschneidungswunde, welche nach einigen Tagen wieder überwunden war.

11. III. Entlassen, nachdem noch der Tränensack auch links exstir- piert war, ferner Lidstellungsanomalien operativ korrigiert waren. R. Hand- bewegung, Lichtschein und Projektion genügend. Grosses adhärentes Leukom.

31. Emmeline St., 45 Jahre, aufg. 26. I. 04. Seit 8 Tagen Ent- zündung nach Verletzung mit Stroh. L. Cornea bis auf ungefähr 2 3 mm breiten peripheren Saum von einem grossen, schmierig belegten Ulcus ein- genommen. Grosse Perforation unten mit Einlagerung von Irisgewebe. Der Rand allenthalben stark gelb infiltriert Tränensack frei. Am Aufhahmetage 2 mal 5 Min. bestrahlt.

27. I. Prozess geht weiter. 2 mal 5 Min. bestrahlt

28. I. Prozess noch nicht überall zum Stillstand gekommen, besonders nicht nach aussen oben. 2 mal 5 Min. bestrahlt

29. I. Keine Hornhautsubstanz weiter verloren gegangen. Rand aussen oben noch verdächtig. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 30$

1. II. Prozess zum Stillstand gekommen. 16. IL Iridektomie.

21. IL L. Keine Handbew., L. und Proj. etwas unsicher. Grosses adhärentes Leukom, freie Lücke in der Iris. Druck gut. Entlassen.

32. Albert H., 53 Jahre, aufg. 25.VIL04. Seit 5 Tagen Entzündung. R. Grosses länglichrundes Ulcus (6 : 8 mm) oben bis fast zum Limbus ge- hend, mit perforiertem Grund, Einlagerung der Iris in ziemlicher Ausdehnung, Tränensackbl. Am selben Tage 3 mal 5 Min. bestrahlt.

26. VII. Status unverändert 3 mal 5 Min. bestrahlt

27. VII. Noch immer starke Infiltration der Ränder. 3 mal 5 Min, bestrahlt

28. VTI. Prozess nicht weitergegangen. 3 mal 5 Min. bestrahlt

29. VII. Infiltration erscheint rückgängig. 3 mal 5 Min. bestrahlt.

2. VIII. Prozess stationär. 25. VIII. Iridektomie.

4. IX. Entlassen. Grosses zentrales adhärentes Leukom, Colobom oben. Keine Handbewegungen, Licht gut, Projektion von unten nicht ge- nügend.

33. Minna Seh., 60 Jahre, aufg. 20. V. 04. Seit 6 Tagen Entzündung. R. Vertikalovales, 6,5 mm langes, 3 mm breites Ulcus, der Grund unten ausgedehnt perforiert Hypopyon und Iris eingelagert, starke Infiltration,, besonders innen. Tränensack frei.

21. V. 3 mal 3 Min. bestrahlt.

22. V. Innerer Rand noch gelb, sonst grau. 3 mal 3 Min. bestrahlt

23. V. Infiltration immer noch vorhanden, doch stationär. 3 mal 3 Min. bestrahlt

27. V. Ränder in Reinigung.

28. V. Das Gewebe in der Perforationsöffnung etwas mehr vorgebuchtet. 2. VI. Ulcusgrund epithelialisiert, Kammer stellt sich etwas her.

16. VI. Iridektomie.

24. VI. Entlassen. R. Grosses adhärentes Leukom. Colobom nach oben aussen. Handbew. L. Proj. gut.

28. VII. 05. Vorstellung. Status und Visus unverändert

34. Amalie L., 45 Jahre, aufg. 30. V. 04. Seit 8 Tagen Entzündung. L. Die ganze Cornea besteht bis auf einen schmalen Streifen nahe dem Limbus aus einem grossen schmierigen Ulcus mit breiter Perforationsöffnung,, in der Mitte mit Iriseinlagerung. Tränensack verdächtig.

31. V. 3 mal 5 Min. bestrahlt

1. VI. Das Ulcus beginnt sich von unten her zu reinigen, oben noch stark infiltriert 3 mal 5 Min. bestrahlt.

2. VI. Status nicht verändert 3 mal 5 Min. bestrahlt. 4. VI. Die Reinigung macht nach oben hin Fortschritte. 12. VII. Ränder gereinigt

25. VI. Iridektomie.

12. VI. Entlassen. Grosses adhärentes Leukom, innen oben Colo- bom. L. Handbew. L. Proj. gut

310 E. Hertel

HL Gruppe: Anwendung von Lichttherapie und Kauterisation,

35. David H., 40 Jahre, aufg. 25. X. 06. Seit 9 Tagen Entzündung nach Verletzung beim Dreschen. R. zentrales rundliches Ulcus von 4 mm Durchmesser mit gelbem Rande innen oben und aussen unten. 2 mm Hypo- pyon. Tränensack frei.

26. X. 2 mal 5 Min. bestrahlt

27. X. Prozess nach aussen progredient. 2 mal 5 Min. bestrahlt

28. V. Ulcus aussen weitergegangen. 2 mal 5 Min. bestrahlt

29. X. Seit gestern keine Zunahme des Ulcus. 2 mal 5 Min. bestrahlt. Hypopyon kleiner.

30. X. Prozess stationär geblieben. 2 mal 5 Min. bestrahlt. Hypopyon noch etwas kleiner.

31. X. Wieder frische Infiltration aussen und oben, Kauteri- sation dieser Stelle.

1. XI. Prozess nicht weitergegangen. 8. XI. Noch etwas Hypopyon.

22. XI. Entlassen. Ulcus in Vernarbung, Oberfläche unregelmässig, Pupille oben frei R. + 1,5 Z> 5|20. Ophth. normal.

36. William Seh., 64 Jahre, aufg. 30. IV. 06. Seit 14 Tagen Entzündung. L. Etwas nach innen und unten vom Zentrum rundliches, gleich- massig gelblich infiltriertes Ulcus (3 mm). I mm Hypopyon. Tränensackbl.

I.V. 2 mal 3 Min. bestrahlt. 2.V. Ulcus unverändert lmal 5 Min. bestrahlt 3. V. Ulcus innen unten weitergegangen. Kauterisation mit Durch- schneidung nach Saemisch. Entleerung und Hypopyon. 4.V. Ulcus stationär.

12. V. Nach oben frische Infiltration. Kauterisation. 14. V. Stillstand.

21. V. Noch immer Chemosis, wieder gelbe Infiltration oben.

22. V. Diese grösser geworden. Kauterisation.

27. V. Noch starke Injektion, keine frische Infiltration. Grund ge- reinigt, Iris innen unten adhärent L. Handbewegung. Patient besteht auf Entlassung.

7. I. 07. Vorstellung. L. Handbewegung. Lichtschein und Projektion gut. Innen unten dichtes, scharf umschriebenes Leucoma adhaerens. Linse getrübt R. Ebenfalls Linsentrübungen.

37. Heinrich S., 47 Jahre, aufg. 22. VI. 05. Seit 5 Tagen Ent- zündung, schon 2 Tage poliklinisch in Behandlung. R. Aussen rundliches Ulcus (5 : 4,5 mm). 3 mm Hypopyon. Stärkste Infiltration am inneren Rande. Am selben Tage 2 mal 5 Min. bestrahlt.

23. VI. 2 mal 5 Min. bestrahlt

24. VI. Ulcus sieht stationär aus bis auf frische Infiltrationspünktchen in einiger Entfernung vom Ulcus oben und aussen, mehr in der Tiefe gelegen. Das ursprüngliche Ulcus 2 mal 5 Min. bestrahlt.

25. VI. Die Infiltrationspünktchen oberhalb des ursprünglichen Ulcus haben zugenommen und sich mehr zu einem Ring vereinigt Kanterisa-

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 31 1

tion dieser Stelle, aber auch des übrigen Randes, und Durchschneidung

nach Saemisch.

27. VI. Ulcus stationär geblieben.

25. VII. Entlassen zur Ambulanz. Ulcus grösstenteils vernarbt

12. VIII. Auge blass. Grosses adhärentes Leukona. R. Handbewegung.

L. Projektion gut

38. Katharina H., 70 Jahre, aufg. 17. V. 05. Seit 4 Tagen Ent- zündung. L.: Aussen oben rundliches Ulcus (5 mm) mit gelb infiltriertem Band oben und ebenso innen. 3 mm Hypopyon. Tränensack frei.

18. V. Abends lmal 5 Min. bestrahlt

19. V. Prozess innen weiter gegangen. 2 mal 5 Min. bestrahlt

20. V. Zunahme der Infiltration. Kauterisation und Durchschnei- dung nach Saemisch.

23. V. Infiltration auf dem ganzen Geschwürsgrund stärker, Fort- schritt des Geschwürs nach oben zu und auch bis über die Kau- terisationszone hinaus. Eröffnung des Hornhautschnittes und Ablassen der Kammer.

30. V. Progression hat sich allmählich erschöpft. Ulcus beginnt sich von oben her zu reinigen.

21. VI. Iridektomie. 29. VI. entlassen. Grosses adhär. Leukom. Keine Handbew. Lichtschein und Projektion ungenügend.

39. Laura Pf., 58 Jahre, aufg. 26. VII. 04. Seit 3 Tagen Entzün- dung. R. kleines Ulcus mit infiltrierten Rändern, ganz kleines Hypopyon, periphere Iinsenspeichen. Tränensack frei.

27. Vn. 2 mal 5 Min. bestrahlt

28. VIL Ulcus unverändert, lmal 3 Min. bestrahlt

29. VII. Ulcus etwas nach oben weiter gegangen. Kauterisation.

30. VII. Stillstand. 15. VIII. nach innen Hypopyon.

16. VIII. Iridektomie. 28. VIII. entlassen. Etwas unterhalb der Hornhautmitte sich nach dem Zentrum hinstreckendes quadratisches Leukom von ungefähr 4 mm Seitenlänge, ziemlich dichte weissliche Trübung. Colo- bom nach obem. R. Finger 4— 5 m. Fundus normal.

40. Anna H., 34 Jahre, aufg. 23. VIL 04. Seit einigen Tagen Entzün- dung nach Verletzung mit Strohhalm. R. Centrales Ulcus rundlich 3 : 3 mm mit infiltrierten Rändern im Grund. 2 mm Hypopyon. Tränensackbl., so- gleich Tränensackexstirpation.

24. VIL 3 mal 3 Min. bestrahlt.

25. VII. Ulcus nicht fortgeschritten. 2 mal 3 Min. bestrahlt

26. VII. Ulcus begrenzt, Hypopyon niedriger, lmal 2 Min. bestrahlt.

28. VIL Frische Infiltration aussen. Kauterisation.

29. VIL Oben und innen frische Infiltration.

30. VII. Infiltration zugenommen. Kauterisation.

31. VIL Nichts frisches zu sehen.

12. VIH. Wieder frischer Infiltrationsgrund: Kauterisation und Spaltung.

14. VIII. Fortschreitende Reinigung.

312 E. Hertel

4. IX. Grosses Lencoma adhaerens, Fundus, soweit zu sehen, normal. R. Finger 4 5 m.

41. Alma B., 62 Jahre, aufg. 23. VI. 04. Seit mehreren Tagen Ent- zündung durch Fremdkörperverletzung. L. Auf der Cornea zentral und be- sonders nach unten und aussen Hegendes Ulcus 5 mm lang und 3,5 mm breit. Geschwür unregelmässig gestaltet» innerer Rand gelb. 3 mm Hypo- pyon. Tränensackbl. 24. VI. 2 mal 5 Min. bestrahlt

25. VI. Ulcus nicht weiter gegangen, Rand grau. Hypopyon eher niedriger, lmal 5 Min. bestrahlt

26. VI. Ulcus stationär, lmal 5 Min. bestrahlt.

30. VI. Ulcus stationär geblieben, in Reinigung.

4. VII. Heute frische Infiltrationsstelle innen. Kauterisa- tion mit Eröffnung der Kammer. Hypopyon zum Teil entleert

5. VII. Nichts frisches zu sehen.

31. VII. Entlassen. L. Auge Mass, zentrales Leukoni, nicht sehr gross. Vordere Synechie innen und unten. Pupillarexsudat. Finger 21j2m, beiderseits alte chorioret. Herde.

42. Friedrich G., 63 Jahre, aufg. 21. V. 04. Seit 2 Tagen Ent- zündung. R. Zentrales Ulcus von 3 mm Durchmesser, dickgelb infiltrierter Grund und Ränder, stellenweise unterminiert 4 mm Hypopyon. Tränen- sackbl. Sofort 3 Min. bestrahlt, abends nochmals 3 Min.

22. V. Tränensackexstirpation. Nur abends 3 Min. bestrahlt

23. V. Prozess fortgeschritten. 2 mal 3 Min. bestrahlt

24. V. Nach oben auch heute wieder etwas Fortschritt Kauterisa- tion oben und Durchschneidung nach Saemisch.

28. V. Ulcus nicht weiter gegangen.

3. VI. Vortreibung der in die DurchschneidungBöffhung eingelegten Iris. Schmerzen.

4. VI. Spaltung dieser Prominenz wegen vermehrter Schmerzen. 30. VI. Entlassen. Grosses adhär. Leukona. Funktionen schlecht.

43. Adolf N., 53 Jahre, aufg. 2. IV. 04. Seit einigen Tagen Ent- zündung nach Fremdkörperverletzung. R. Aussen unten im Limbus ver- tikalovales Ulcus (4,5 : 3) mit gelbem Rand oben und innen. 4 mm Hypopyon. Tränensack frei. 3. IV. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

4. IV. Prozess schreitet vorwärts. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

5. IV. Hypopyon viel höher, Prozess progressiv geblieben. Kauteri- sation und Durchschneidung nach Saemisch.

7. IV. Prozess auch jetzt nicht zum Stillstand gekommen, nach innen weiter gegangen.

11. IV. Jetzt endlich erscheint das Ulcus stationär.

18. IV. Vorbuchtung des Gewebes in der Perforationsstelle. Spaltung des Prolapses. 3. V. Iridektomie.

25. V. Entlassen. Grosses adhär. Leukona. Druck gut R. Hand- bewegung. L. Projektion gut.

44. Gustav BL, 48 Jahre, aufg. 28. HI. 04. L. Seit 7 Tagen Ent- zündung. L. an der Cornea ein grosses das Zentrum und den äusseren oberen

Experimentelles u. Klinisches Ober d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 313

Quadranten einnehmendes Ulcus mit dick infiltriertem inneren und unteren Rande. 3 mm Hypopyon. Tränensack frei.

29. III. 2 mal 5 Min. bestrahlt.

30. III. Prozess progressiv geblieben. Kauterisation mit Perfora- tion der Cornea,

31. III. Ulcus geht rapid nach aussen weiter. 2 mal je 5 Min. bestrahlt.

1. IV. Prozess über Nacht weiter gegangen. 11. IV. Endlich hat sich der Prozess erschöpft.

28. IV. Entlassen. Grosse adhärente frische Hornhautnarbe. L. Grenze des Fingerzählens. L. Projekion gut.

9. X. Vorstellung. Auge ganz blass. Druck gut Grosses adhärentes Leukom. Handbewegung. L. Projektion gut. Tätowierung in einigen Monaten in Aussicht genommen.

45. Bertha Un., 66 Jahre, aufg. 26. III. 04. Seit einer Woche Ent- zündung. L. Horizontales 7 mm langes, 3 mm breites Ulcus, etwas unter dem Zentrum mit schmierigem Grund. Innerer Rand unterminiert, dickgelb infiltriert 2 mm Hypopyon. Tränensackbl.

27. III. 3 mal 3 Min. bestrahlt.

28. III. Ulcus sieht gut aus, nur innen unten kleines frisches gelb- liches Pünktchen. 2 Min. bestrahlt.

29. III. Heute wieder mehr Zunahme und gelbliche Infiltration. Kau- terisation. Tränensackexstirpation.

30. III. Progredienz nach innen oben.

2. IV. Ulcus stationär geblieben, Grund vorgebuchtet

4. IV. Ulcus nirgends mehr progressiv.

24. IV. Entlassen. L. grosses Leukom. Fingerzählen in 1,5 m.

46. Laura Tr., 49 Jahre, aufg. 4. I. 04. Seit 5 Tagen Entzündung. L Innerer unterer Quadrant vom Ulcus eingenommen, äusserer und auch oberer Rand dick infiltriert, schmales Hypopyon. Tränensack frei.

5. II. lmal 3 und lmal 10 Min. bestrahlt. Abends Reaktion nicht gerade sehr stark.

6. I. Ulcus nach aussen und oben weiter gegangen. Kauterisation mit grosser Perforation der Cornea.

7. I. Prozess weitergegangen, Hypopyon grösser. Kauterisation und Durchschneidung nach Saemisch.

8. I. Nichts frisches zu sehen.

18. I. Geschwürsgrund von neuem gelblich infiltriert 2 mal 5 Min. bestrahlt.

19. I. Infiltration grau aussehend, lmal 5 Min. bestrahlt.

20. I. Infiltration weiter rückgängig.

31. I. Reinigung vollendet. 8. II. Iridektomie.

15. IL Entlassen. L. Adhär. Leukom. Colobom nach oben. Hand- bewegung. L. Projektion gut.

47. Gustav R., 58 Jahre, aufg. 17. X. 03. Seit vorgestern Ent- zündung. L. Ein wenig nach aussen und unten von dem Zentrum run- des Geschwür von 3 mm Durchmesser. Allseitig progressiv, 2 mm Hypopyon. Tränensack frei.

t. Gnefe'B ArchlT für Ophthalmologie. LXVI. ». 21

314 E. Hertel

18. X. 2 mal 4 Min. bestrahlt.

19. X. Ulcus ein klein wenig grösser. 2 mal 4 Min. bestrahlt.

20. X. Zapfenartige Progression nach oben. Kauterisation mit Per- foration der Cornea.

21. X. Starke Progression nach oben. Kauterisation.

23. X. Wieder geringe frische Infiltration.

24. X. Infiltration sehr viel stärker, der ganze Grund gelb infiltriert, ebenso der Rand oben. Kauterisation mit Durchschneidung.

1. XI. Ulcus zum Stillstand gekommen, Reinigung von oben. 6. XII. Entlassen. Ausgedehntes Leukona, fingerzählen in unge- fähr 2— 3 m.

Epikrise.

Für die Beurteilung, wie sich die Wirkungsweise der Strahlen in der therapeutischen Anwendung beim Ulcus serpens abspielt, sind die Fälle in der ersten Gruppe am ge- eignetsten, weil bei ihnen ausser der Bestrahlung keine weiteren Ein- griffe vorgenommen worden sind. Allgemein, wenn auch absichtlich nicht überall erwähnt, war nach den Bestrahlungen eine Zunahme des Reizzustandes gemäss unsern experimentellen Resultaten zu konstatieren gewesen. Immer fand sich vermehrte Injektion, ferner bei vielen Fällen Chemosis und meist etwas vermehrte Infiltration neben einer Zunahme des Hypopyons.

Haben wir auch gesehen, dass diesen vorübergehenden Reiz- erscheinungen grosser therapeutischer Wert zukommt, so ist doch nicht zu verkennen, dass sie insofern unangenehm werden können, als sie die Beurteilung, ob der Prozess progredient ist oder nicht, erschweren können. Allerdings geht ja der Reizzustand als Folge der Lichtwirkung bald zurück, auch bekommt das Geschwür unter dem Einfluss der Bestrahlung ein mehr graues Aussehen, und die durch die Strahlung veranlasste vermehrte Infiltration hat ebenfalls einen mehr grauen Ton, während sich die Progression des Krank- heitsprozesses durch eine gelbliche Infiltration verrät, die in vielen Fällen sich ganz deutlich durch ihren Farbenton erkennen lässt, immerhin ist doch die Feststellung der Progression selten so exakt und eindeutig, wie nach der Kauterisation, nach welcher die frische gelbe Infiltration im Gegensatz zu dem kauterisierten Rand leicht ins Auge fällt.

Eine derartige schnelle Vernichtung jeder stärkeren Infiltration, wie wir sie durch die Kauterisation erreichen, ist eben bei der ganz andersartigen Wirkungsweise der Bestrahlung gar nicht möglich. Bei der Kauterisation verbrennen wir die Infiltrationszone und

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 315

damit natürlich aber auch das Hornhautgewebe. Nach der allgemein gültigen Vorschrift, die ja nach dem Verteilungsmodus der Bakterien im Geschwürsrande [Dötsch (25), Hertel (27), Axenfeld (28)] durchaus berechtigt ist, müssen wir sogar noch etwas über den Ge- schwürsrand hinaus, ins Gesunde gehen. Dabei können wir aber gar nicht ermessen, wie weit die Hitze Wirkung noch unbeabsichtigt sich erstrecken kann. Ich (27) selbst konnte an einem kauterisierten Ge- schwüre anatomisch nachweisen, dass die Zellen auch in der weiteren Nachbarschaft der kauterisierten Stelle nekrotisch geworden waren, ein Zeichen, bis zu welcher Ausdehnung sich die Wirkung der Kau- terisation geltend gemacht hatte.

Bei der Bestrahlung dagegen müssen wir die Bück- bildung der Infiltration abwarten, abgesehen davon, dass sich kleine nekrotische Partien des äussersten Geschwürsrandes oder -Grun- des abstossen; und diese Bückbildung dauert natürlich länger ah die Verbrennung.

Anderseits liegt aber darin der enorme Vorteil der Be- strahlung gegenüber der Kauterisation. Denn nach Bückgang der Infiltration können wir eine wesentliche Aufhellung des Horn- hautgewebes erwarten und wir können, günstigen Verlauf des Falles vorausgesetzt, uns der Hoffnung hingeben, dass die bleibende Narbe sich mit dem ursprünglichen Ulcußbereich deckt Bei der Kauteri- sation aber muss diese auch beim günstigsten Ausgang der Fläche nach grösser werden als das Ulcus war; denn hier muss sich auch der durch die Verbrennung der Infiltrationszone und ihrer nächsten Umgebung entstandene Defekt durch Narbengewebe schliessen. Aber auch nach der Tiefe zu wird sich infolge der eben besprochenen weitgehenden nekrotisierenden Wirkung der Hitze der Narbenprozess weiter ausdehnen, und wir haben daher besonders bei Geschwüren, bei denen auch eine Kauterisation des Grundes stattgefunden hat, grosse und dichte Narben, die oft schon von weitem durch ihre weisse Farbe auffallen. In den Krankengeschichten unserer be- strahlten Fälle dagegen wird gerade die Zartheit der Nar- ben betont, die meist so durchscheinend waren, dass sie bei Tages- licht kaum auffielen. Es ist das vor allem wohl darin begründet, dass auch nach der Tiefe zu nur soviel Substanz der Hornhaut ver- loren ging, als durch den Prozess selbst zur Einschmelzung gekom- men war.

Doch iBt das vielleicht nicht der einzige Grund, denn die Pel- lucität der Narben war in manchen Fällen, namentlich in solchen,

21*

316 E. Hertel

die einige Zeit nach der Entlassung wieder zur Beobachtung kamen, so auffallend, dass man an besonders günstige Vernarbungsbedingun- gen auch an der Cornea glauben möchte, wie sie ja nach Bestrah- lung schon an andern Körperstellen beschrieben sind. Auf die Frage, inwieweit dafür die im experimentellen Teil schon besprochenen, durch die Lichtstrahlen indirekt angeregten Proliferationsvorgänge in den fixen Zellen mit heranzuziehen sind, werde ich in meiner Mit- teilung über die anatomischen Befunde nach der Strahlung ander- weitig eingehen.

Für die Beurteilung der Leistungen der verwendeten Methode kommt zunächst in Betracht die Frage, inwieweit gelang es, dem Fortschreiten der Ulcera Einhalt zu tun.

Aus den Fällen besonders der ersten Gruppe ergibt sich ohne weiteres, dass wir in der Tat im stände sind, durch die Be- strahlung die Progression der Geschwüre zu unterdrücken» Dabei gehörten die Geschwüre unter Zugrundelegung der von Dötsch(25) approximativ angenommenen Grösseneinteilung der Mehr- zahl nach zu den grösseren Geschwüren, nur bei 6 war der Durch- messer kleiner als ungefähr 3 mm, die übrigen Geschwüre hatten Dimensionen von 3 : 3 oder mehr bis 5 : 6 mm.

In einer Reihe von Fällen war schon am Tage nach der Be- strahlung mit Sicherheit «die Progression aufgehoben, bei den andern waren weitere Bestrahlungen nötig.

In einigen dieser Fälle handelte es sich offenbar um eine Neu- infektion. Denn der ursprünglich floride Prozess war sistiert, da zeigte sich ein oder zwei Tage später wieder frische Infiltration, die die Anwesenheit bakteriellen Materials verriet. Aber auch da, wo die weitere Ausbreitung der anfänglich vorhandenen Bakterienansiede- lung mit Sicherheit angenommen werden musste, war doch die Pro- gression nur eine sehr massige. Niemals kam ein so rapides Weiter- gehen des Geschwüres vor, wie wir es gelegentlich im Anschlusa an eine Kauterisation beobachten können.

Eine kurze gesonderte Besprechung erheischt Fall Nr. 22. Es» handelte sich hier, wie aus dem Journal ersichtlich ist, um ein mittel- grosses Geschwür, das zentral gelegen, mit ausserordentlich tiefem Defekt einen besonders dicht infiltrierten Grund und ebenfalls stark infiltrierte, steil kraterförmig abfallende Bänder zeigte. Die Bestrah- lung hatte insofern durchaus Erfolg gehabt, als am dritten Tage keinerlei weitere Ausbreitung des Prozesses nach der Fläche zu fest- stellbar war. Es zeigte sich aber dann eine ganz geringe Vorwölbung

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 317

des Geschwürsgrundes und über Nacht war eine Perforation einge- treten, ohne dass das Ulcus nach der Fläche grösser geworden wäre. Die jetzt noch vorgenommene bakterielle Untersuchung (Dr. Tuve), die sonst, um das ursprüngliche Krankheitsbild nicht irgendwie zu verändern, absichtlich stets unterlassen worden war, ergab Strepto- cokken. Es würde sich also dieses Geschwür an zwei von mir (27) auch anatomisch untersuchte und beschriebene Fälle anreihen, welche ebenfalls durch Streptocokken verursacht, mit stark bohrendem Cha- rakter schnell zur Durchsetzung der ganzen Hornhaut führten, so dass es bei relativ geringer Flächenausdehnung des Geschwürs zur Perforation gekommen war. Nach dem damals erhobenen anato- mischen Befunde ist die Annahme berechtigt, dass wohl auch in unserem Falle die Gegend des Geschwürsgrundes schon ganz nekro- tisch gewesen ist, so dass also für das Eintreten der Perforation nicht eine Progression des Prozesses infolge Versagens der Methode, son- dern die Demarkation und Abstossung des nekrotischen Gewebes verantwortlich zu machen ist

Gehen wir jetzt zur Besprechung der in Gruppe 2 enthaltenen Fälle über, so war in den beiden ersten und im dritten ebenfalls ein günstiger Einfluss der Bestrahlung auf den Prozess, wenn auch erst nach wiederholter Applikation, zu sehen. Denn die wegen des enorm hohen Hypopyons vorgenommene Durchschneidung nach Saemisch konnte für das Stillstehen des Prozesses jedenfalls allein nicht verantwort- lich gemacht werden, da sich auch nach derselben noch Progredienz zeigte, die erst durch die Bestrahlung zum Stillstand gebracht wurde.

Dagegen möchte ich bei dem ganz grossen Geschwür im Fall Nr. 29, bei welchem die Spontanperforation kurz vor der beabsich- tigten Durchschneidung eintrat, ebenso wie bei den schon in per- foriertem Zustand eingelieferten Geschwüren dahingestellt sein lassen, ob man den Eintritt des Stillstandes des Prozesses auf die Strahlung beziehen kann, da ja erfahrungsgemäss sich derartig grosse Ge- schwüre nach eingetretener Perforation auch spontan erschöpfen können.

Schliesslich kommen wir zur Gruppe 3, welche die Fälle enthält, in denen die Bestrahlung die Progression des Geschwüres nicht zum Stillstand gebracht hat. Es sind das 13 Fälle, also 27°/0 aller mit Strahlen Behandelter. Wenn wir auch vielleicht in diesem oder jenem Falle mit der Bestrahlung doch noch zum Ziele gekommen wären, so z.B. in Nr. 35 und 41, wo es sich offenbar um eine Neuinfektion, ähnlich wie bei Nr. 16 handelte,

318 E. Hertel

die wir ja in dem letzten Falle durch Bestrahlung auch durchaus günstig bekämpfen konnten, so bleibt doch die wichtige Tatsache bestehen, dass in ungefähr 1|4 der Fälle die Progression nicht in der gewünschten und ftir die Erzielung eines gebrauchstüchtigen Auges nötigen Weise durch die lokale Lichttherapie, wie wir sie an- gewendet haben, hintangehalten werden konnte.

Die Gründe für das Versagen der Bestrahlung in diesen Fällen können allerdings sehr mannigfach sein, und sind vielleicht, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, zu beseitigen. Denn wo- möglich haben wir bei unserer Art der Anwendung der Strahlen, namentlich was ihre Dauer und Intensität angeht, aber vielleicht auch so weit die Wellenlänge der verwendeten Strahlen in Betracht kommt, noch gar nicht das Beste getroffen.

Ich möchte hier daran erinnern, dass, wie schon im experimentellen Teil kurz erwähnt worden ist, die Bestrahlungslampe im allgemeinen mit einer Stromstärke von 2,5 3 Ampfcres bei einer Klemmspan- nung von 220 Volt betrieben wurde, selten, dass ich höhere Inten- sitäten wählte. Die Zeit der Bestrahlung schwankte sehr, je nach den Fällen, doch habe ich im ganzen die Ansicht, dass namentlich bei schweren Fällen, besonders in der ersten Zeit, zu wenig bestrahlt worden ist. Denn die Erfahrung der letzten Zeit ich weise be- sonders auf den schweren Fall Nr. 26 hin zeigt, dass man wohl etwas länger und auch öfter die Strahlen einwirken lassen muss, wenn der Prozess sehr schwer ist. Der gute Erfolg in diesem Falle gegenüber einigen nicht zufriedenstellenden aus der Gruppe 3, in denen der Prozess weit weniger schwer aussah, scheint mir das zu rechtfertigen. Es ist also wohl möglich, dass man nach dieser mehr behandlungstechnischen Seite hin noch Verbesserungen der Methode vornehmen kann.

Sehr wünschenswert dürfte ferner sein, die oben schon erwähnte Schwierigkeit der Trennung des Fortschrittes des Krank- heitsprozesses und der Reaktionserscheinungen auf die Lichteinwirkung zu beseitigen, denn es ist doch denkbar, dass in manchen Fällen dadurch Zeit mit unnützem Abwarten verloren gehen kann.

Der Hauptübelstand liegt aber in dem Dilemma, in das wir gerade bei der Behandlung des Ulcus serpens durch äussere Ein- griffe stets kommen werden: auf der einen Seite müssen wir, um möglichst schnell der Progression zu steuern, sehr energisch vorgehen, auf der andern Seite aber müssen

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 319

wir die äusserste Bücksicht auf die zu erzielende Funktion walten lassen. -^

Diesen beiden Forderungen schien ja die Lichttherapie theore- tisch gerecht zu werden, denn wegen ihrer direkt baktericiden Eigen- schaft, ferner wegen der Anregung therapeutisch- wertvoller Reak- tionen im Organismus selbst schien sie befähigt, dem Krankheitspro- zess ausgezeichnet entgegenarbeiten zu können, während man die Läsion des Gewebes durch geeignete Dosierung unschwer vermeiden konnte.

Die Rücksichtnahme aber auf das Gewebe bedingte eine Ver- minderung der Strahlenintensität und damit auch eine Verlangsam ung der Einwirkung auf den Krankheitsprozess, so dass immerhin einige Zeit vergehen musste, ehe dieser zum Stillstand gebracht werden konnte. Nun gibt es aber Fälle, in denen der Fortschritt der Krankheit ein sehr schneller ist, so dass also gewissermaßen die Progression dem Eintritt der vollen Wirksamkeit der Strahlung immer voraus- eilt. Ob man berechtigt sein wird, in solchen Fällen, zu denen jeden- falls auch die meisten von uns erfolglos bestrahlten zu rechnen sind, durch Anwendung viel höherer Intensitäten doch noch die Bekämpfung der Progression fortzusetzen, muss weiteren Versuchen vorbehalten bleiben.

Da aber in derartigen Fällen jedenfalls die Kupierung des Pro- zesses wesentlich im Vordergrund steht gegenüber der Rücksicht- nahme auf die Funktion, wäre bei ihnen naturgemäss das Mittel am besten, welches auf alle Fälle den Prozess sofort kupiert Bis- her steht allerdings das ist keine Frage nach dieser Seite hin die Kauterisation theoretisch obenan. Denn durch Verbrennen können wir am schnellsten und sichersten die Bakterien abtöten und damit sind wir Herr des Prozesses. Leider ist das aber in der Praxis durchaus nicht immer der Fall. Denn sehr oft ist eine nochmalige oder noch öftere Kauterisation nötig, ehe man einen Still- stand des Geschwüres erreicht. So notiert Schulz (26) bei 45 Fällen 14 mal eine Wiederholung der Kauterisation, Dötsch(25) bei 32 Fällen 19maJ, zum Teil bis viermalige Wiederholung. In meiner Zusammenstellung aus der Jenaer Klinik (aus der Zeit von etwa 1902 bis 1903) war von 29 Fällen 13 mal der Eingriff wiederholt worden, darunter in 3 Fällen 4 mal und in 2 Fällen sogar 5 mal. Auch in unserer Gruppe 3 ist nur in 3 Fällen durch die nach der Bestrahlung vorgenommene Kauterisation sogleich Stillstand erzielt worden, unter diesen waren noch dazu die 2 schon erwähnten mit Neuinfektionen, die wir vielleicht auch durch Bestrahlung hätten noch zum Stillstand bringen können. In den übrigen 10 Fällen

320 E. Hertel

musste die Kauterisation mit oder ohne Durchschneidung bis 3 mal wiederholt werden, oder wir haben hinter der erfolglos vorgenomme- nen Kauterisation wieder zur Bestrahlung zurückgegriffen. Es trat also auch in diesen Fällen die erhoffte momentane Kupierung durch die Kauterisation nicht ein.

Dazu kommt noch, dass man in Fällen, in denen die Kauteri- sation nicht zum Ziele führt, direkt eine Verstärkung der Progression beobachten kann. Es mag das daran liegen, dass durch die schon erwähnte weitgehende nekrotisierende Hitzewirkung, vielleicht gepaart mit der Vernichtung der antibakteriellen Schutzstoffe, die Widerstands- fähigkeit des Gewebes gegen die Bakterien ganz besonders geschä- digt wird.

Wir sehen also, dass die Kauterisation, auch wenn wir lediglich die Beschränkung der Progression, worin theo- retisch entschieden ihre Hauptwirkung zu suchen ist, der Bestrahlung durchaus nicht souverän überlegen ist, es gibt eben Geschwüre, die alle unsere theoretischen Berechnungen zuschanden machen und trotz der grössten Sorgfalt des Therapeuten progressiv bleiben.

Wesentlich anders aber gestalten sich die Verhältnisse, wenn wir vergleichen, inwieweit wir der andern, unser therapeutisches Han- deln beim Ulcus serpens bestimmenden Seite der Rücksichtnahme auf die Funktion des Auges durch Kauterisation bzw. mit Be- strahlung gerecht geworden sind.

Es ist klar, dass derartige Vergleiche schwer durchzuführen sind. Denn es sind eine ganze Reihe von Faktoren vorhanden, die wohl die Funktion mehr oder weniger beeinträchtigen können, die aber mit der therapeutischen Beeinflussung selbst nichts zu tun haben. Ich brauche nur vor allem an den Einfluss der Lage des Ulcus und da- mit auch der Narbe zu erinnern, ferner an die Verschiedenartigkeit der Störungen, die erst sekundär im Anschluss an den schon abge- heilten geschwürigen Prozess auftreten können, an die schon er- wähnten periodischen Schwankungen auch in denselben Kliniken usw. Trotzdem aber wird man an der Hand der Prüfungsresultate, nament- lich bei Einteilung derselben in umfassendere Rubriken im allge- meinen einen Überblick über die Erfolge der Behandlungsmethoden gewinnen können.

Eins muss ich aber vorher noch bemerken. Bei der Betrachtung der Ausgänge in den bestrahlten Fällen müssen natürlich auch die Fälle mit zur Verwendung kommen, bei denen die Bestrahlung ver-

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 321

sagte. Da aber nun bei diesen nachträglich auch noch andere Be- handlungsmethoden — Kauterisation, Durchschneidung angewandt wurden, so sind die Resultate dieser Fälle nicht reine Bestrahlungs- resultate. Trotzdem müssen sie natürlich mit in der Statistik als „bestrahlte" verwendet werden, da ihr Ausgang schliesslich als mehr oder weniger ausgesprochener Misserfolg der Bestrahlungsmethode aufzufassen ist

Ich halte mich im folgenden bei der Zusammenstellung der Re- sultate im wesentlichen an eine Einteilung, die Dötsch(25) beim Vergleichen seiner Befunde mit denen von Schulz (26) vorgenommen hat, und füge diesen beiden aus früherer Zeit stammenden Statistiken von kauterisierten Geschwüren der Jenaer Augenklinik noch eine dritte ebenfalls von kauterisierten Fällen aus der Zeit ungefähr 2 Jahre kurz vor der Einführung der Bestrahlung zum Vergleich hinzu. Zu den Zahlen ist zu bemerken, dass bei allen Gruppen ausgeschaltet wur- den Augen, die an Glaukom schon erblindet waren, und solche, die mit perforierten Geschwüren in die Klinik eingeliefert wyrden.

KauterisationBbehandlung

Lokale Lichttherapie

Schulz 1 Dötsch | Hertel

Hertel

Zahl der Fälle

43

45 29

44

Visus über Vio

8

8

4

21

gleich Vio

9 2

3

1

Fingerzählen

24 22

12

14

Handbewegung

2 ! 8

5

ö

schlechte Funk-

i

tionen

0

5

5

3

Es geht aus dieser Zusammenstellung offenbar hervor, dass auf die Frage, welche Methode die besten funktionellen Resultate zu verzeichnen hat, unbedingt die Lichttherapie obenan zu stellen ist. Denn bei ihr zeigt die Rubrik mit einer Sehschärfe besser als 1/10 der Norm, also die praktisch wichtigste, von allen auf- gestellten Rubriken die grösste Anzahl Es wurde dieser Visus er- reicht in 48°/0 aller bestrahlten Fälle; dem gegenüber stehen die kauterisierten bei Schulz(26) mit 18,6 °|0, bei Dötsch (25) mit 19 und bei. Hertel mit 14°/0. Anderseits überwiegen bei den kauteri- sierten die Zahl der Fälle, in denen ein Visus gleich 1/10 der Norm und darunter (Fingerzählen) erzielt wurde.

Ich glaube, dass wir nicht fehlgehen werden, das Überwiegen der bestrahlten Fälle in der ersten Rubrik vor allem auf die besseren Narbenverhältnisse zurückzuführen. Gelingt es auch, durch

322 E. Hertel

Kauterisation die Geschwüre zur Abheilung zu bringen, so ist doch die Narbe in den meisten Fällen, wie schon ausgeführt, zu dicht und auch zu gross, als dass man einen wirklich brauchbaren Visus noch erreichen könnte, während die an sich zarten und der Aufhellung zugänglichen Narben bei den durch Bestrahlung geheilten Geschwüren bessere Bedingungen für die Funktion ergeben. Es ist dieses Re- sultat um so mehr zu beachten, als es sich im Hinblick auf das S. 321 Gesagte, bei den in Betracht kommenden Fällen, abgesehen von einem einzigen, stets um Falle handelte, bei denen nur die Bestrah- lung zur Anwendung gezogen worden war.

Betrachten wir nun die letzte horizontale Reihe der Tabelle, so ergibt sich, dass von den bestrahlten Fällen in 6,8 °/0 ungenügende Funktion vorhanden war, bei den kauterisierten in Kolumne Hertel in 17,3%, bei Dötsch in 11,1 °/0, bei Schulz aber in keinem Falle. Es sind also hier die Resultate der Bestrahlung entschieden besser als die von Dötsch und Hertel nach der Kauterisation, aber schlechter als in den von Schulz zusammengestellten Kauterisations- resultaten. Der Abstand der Bestrahlungsresultate von den Resul- taten der Kolumnen Dötsch und Hertel und damit die Annäherung an die Schulz sehen Resultate sind vielleicht noch etwas grösser zu bemessen, wenn wir berücksichtigen, dass bei Dötsch und Hertel die fünf Augen nicht nur funktionell, sondern auch der Form nach verloren waren, da sie durch Exenteration oder Phthisis zugrunde gegangen waren. Die bestrahlten Augen aber hatten zwar auch schlechte Funktion, waren aber mit adhärentem Leukom ohne weitere Deformität des Bulbus ausgeheilt, so dass sie also immerhin, nament- lich nach eventueller Tätowage dem Träger noch wertvoller sein mussten als die Stümpfe nach Exenteration und Phthisis. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass wir dreimal einen Verlust der Funktion zu verzeichnen hatten, während Schulz das nie- mals erlebt hat

Wenn nun auch die Statistik ergeben hat, dass dieser günstige Ausgang der Kaute risationsbehandlung, wie ihn Schulz in seinen Fällen beobachten konnte, in der Jenaer Klinik nachher nie wieder erreicht worden ist, im Gegenteil die später kauterisierten Fälle mehr Verluste aufweisen, als wir in den bestrahlten Fällen konstatieren konnten, so möchte ich doch mit dem Faktor des Zufalles oder des periodischen Charakters der Geschwüre nicht allzusehr operieren.

Es dürfte nach meiner Ansicht allein schon der so sehr viel höhere Prozentsatz von Fällen mit einem Visus besser als x/10 der

Experimentelles u. Klinisches über d. Anwendung lokaler Lichttherapie usw. 323

Norm genügen zur Aufforderung, an der Beseitigung der Mängel und Unvollkommenheiten der Bestrahlungsmethode, die wir ja schon beleuchtet haben, weiter zu arbeiten. Denn das dürfte sich aus den Resultaten meiner Arbeit jedenfalls ergeben, dass, wenn es gelänge, die Ausnutzung der theoretisch unzweifelhaft vorhandenen und ja auch in der Praxis schon hervorgetretenen günstigen Faktoren der Bestrahlung bei einer noch grösseren Anzahl von Fällen zu erreichen, die Therapie des Ulcus serpens immerhin nicht unwesentlich gefördert würde.

Allerdings ergibt sich auch anderseits aus meinen Unter- suchungen, den theoretischen wie praktischen, dass noch viele Ver- suche und praktische Erfahrungen nötig sein werden, ehe wir dieses Ziel erreichen werden.

Fruchtbringend freilich können derartige Arbeiten, wie ich schon wiederholt betont habe, nur werden, wenn man genau weiss, mit was für einem Licht nach spektraler Zusammensetzung und nach Intensi- tätsverhältnissen in den einzelnen Spektralbezirken man die Versuche anstellt

Ich kann daher auch Nesnamows (23) Versuche, mit Sonnen- licht eitrige Prozesse in der Hornhaut zu beeinflussen, nicht billigen; denn abgesehen von der schon erwähnten Inkonstanz dieser Licht- quelle, ist, soweit wenigstens aus den mir zugänglichen Referaten der Nesnamow sehen Arbeit geschlossen werden kann, aus der Anord- nung Nesnamows nicht ersichtlich, welche Strahlen eigentlich bei seinen Versuchen zur Geltung gekommen sind, keinesfalls ist aus- geschlossen, dass bei ihm die sichtbaren blauen und violetten mit- gewirkt haben (vgl. Taf. VII, Fig. a). Ob irgendwelche Schädigung der Netzhaut, die durch diese bei der Sonne ja sehr intensiven Strahlen durchaus möglich ist, eingetreten ist, kann man allerdings aus den Mitteilungen nicht entnehmen, da die Erfolge der behan- delten sieben Fälle, die im übrigen als ausgezeichnet geschildert werden, ohne Funktionsresultate wiedergegeben werden. Es sind da- her die Resultate von Nesnamow, wie auch Strebel (22) in Kassel schon sagte, mit einiger Vorsicht aufzunehmen und bedürfen, falls man doch auf die .Sonne als Lichtquelle zurückgreifen will, erst der genauesten experimentellen Nachprüfung.

Ob sich schliesslich die Methode der lokalen Lichttherapie auch bei anderen Erkrankungen des Auges selbst und auch der Binde- haut mit Erfolg anwenden lässt, wie das Strebel (22) vorgeschlagen hat, und wie z. B. in Finsens Lichtinstitut neuerdings bei Lupus-

324 E- Hertel, Experimentelles u. Klinisches über die Anwendung usw.

der Conjunctiva von Lundsgaard (29) versucht worden ist, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Genaue Anpassung an die Verhältnisse der zu bestrahlenden Gegend, Berücksichtigung der wirksamen Faktoren der verwendeten Lichtquelle, aber auch der Grenze dieser Wirksamkeit und ihres Verhaltens zu etwa zu schädigenden Teilen werden auch hier die Grundlage bilden müssen, auf der sich die einschlägigen Untersuchungen zu bewegen hätten. Vielleicht tragen meine Zeilen dazu bei, diejenigen, die sich schon mit den angeregten Fragen in irgend einer Weise befasst haben, zur Diskussion zu veranlassen; denen aber, die ihr näher treten wollen, sollen sie die Wege zeigen, die ich bisher gegangen bin, sei es, dass sie diese weiter gehen oder bessere dafür setzen können.

Literaturverzeichnis.

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24) F. Gohn, Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Augen- heilkunde. Bd. VII, 4. 1907.

25) Dötsch. Ophthalm. Klinik. 1900.

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27) E. Hertel, v. Graefe's Arch. f. Ophth. Bd. LIII, 2.

28) Axenfeld, Die Bakteriologie in der Augenheilkunde. 1907.

29) Lundsgaard, Mitteilungen aus Finsens Lichtinstitut. Bd. X. 1906.

(Aus der Universitäts- Augenklinik zu Rostock.)

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen am glaukomatösen Tierauge.

Von

Dr. Paul Erdmann, I. Assistenten der Klinik.

Mit Taf. VIII-IX, Fig. 1-16.

A. Altere Glaukomexperimente und ihre Ergebnisse.

Die auf Erzeugung artifiziellen Glaukoms gerichteten Experimente lassen sich nach den ihnen zugrunde liegenden Glaukomtheorien, der Hypersekretions- und Retentionstheorie, in zwei Gruppen einteilen.

Zur ersten Gruppe rechnen wir diejenigen Verfahren, welche glaukomatöse Drucksteigerung durch künstliche Vermehrung des Zu- flusses, zur zweiten diejenigen, welche dieses Ziel durch Verminde- rung des Abflusses der Augenflüssigkeit herbeizuführen suchen.

Als zur ersten Gruppe gehörend, kommen, wenn wir von den- jenigen Experimenten, die wie die Beizung des Trigeminus und Sym- pathicus und die künstliche Steigerung des arteriellen Blutdrucks nur schnell vorübergehende Drucksteigerungen im Gefolge haben, absehen, nur die Versuche in Betracht, durch Unterbindung der Vortexvenen Glaukom zu erzeugen.

Wie die Untersuchungen von Leber(l), Weber (2), Schöler (3), v. Schulten (4), Adamueck(5), Arlt(6),Ulrich(7), Koster(8) und B. Stölting(9) ergeben, ist die Unterbindung dieser Gefässe von einer hochgradigen venösen Hyperämie des ganzen Uvealtractus und einer bedeutenden Steigerung des Augendrucks gefolgt. Die an- fanglich konstatierte Drucksteigerung geht jedoch, wie Kost er nach- gewiesen hat, schon in den ersten Tagen langsam zurück, um nach Herstellung neuer collateraler venöser Abflüsse schliesslich in Hypo- tonie überzugehen.

In keinem Fall war die Drucksteigerung von genügend langer

326 P- Erdmann

Dauer, um die für das Glaukom charakteristischen Folgezustände hervorzurufen.

Durch diese Versuche war, soweit man ihre Resultate am Kaninchenauge* auf die Verhältnisse des menschlichen Auges über- tragen darf, die Unhaltbarkeit derjenigen Glaukomtheorien erwiesen, welche als primäre Ursache der Krankheit eine Stauung im Gebiet der Vortexvenen annehmen.

Die der zweiten Gruppe angehörenden Experimente bezwecken, durch Verlegung der Abflusswege Glaukom zu erzeugen.

Als solche kommen allein die vorderen Abflusswege in Frage, da der hintere Abflussweg für die Glaskörperflüssigkeit durch die perivaskulären Räume der Zentralgefässe des Optikus zu unbedeu- tend ist

Versuche, durch Unterbindung des Sehnerven ein Glaukom zu erzeugen, haben denn auch, wie die Untersuchungen von Seh öl er (3), Markwort(lO), Russi(ll), Ulrich (12) und Leplat(13) ergeben, entgegen den Angaben Stillings (14, 15) ein negatives Resultat gehabt.

Diejenigen Untersucher, welche sich die Verlegung der vorderen Abflusswege zur Aufgabe machten, nahmen sich bei ihren Experi- menten teils für das Sekundärglaukom charakteristische Veränderungen zum Muster, teils versuchten sie, der Knies-Weberschen Glaukom- theorie gemäss, welche in einer Verwachsung des Kammerwinkels die Ursache der Drucksteigerung beim Primärglaukom erblickt, speziell den Abflussweg durch den Schiern machen Kanal und die vorderen Ciliarvenen zum Verschluss zu bringen.

Die nach Abschluss der vorderen Kammer von der hinteren, so- wie die nach Schliessung einer länger bestehenden Hornhautfistel beim Menschen beobachteten Drucksteigerungen regten in erster Linie dazu an, beim Tier durch Erzeugung ähnlicher oder gleicher Ver- änderungen auf experimentellem Wege Glaukom hervorzurufen. Einer der ersten Forscher, welcher Experimente dieser Art anstellte, war Heisrath (16). Seine Versuche, durch Erzeugung partieller oder totaler hinterer und vorderer Synechien Glaukom hervorzurufen, waren jedoch erfolglos.

Eine länger dauernde Drucksteigerung beobachtete Wagen- mann (17) zufällig bei seinen Versuchen über Hornhauttransplanta- tion in zwei Fällen. Im Anschluss an die Excision eines Lappens aus der Hornhautmitte bildete sich eine fast ringförmige vordere Sy- nechie bei ganz flacher vorderer Kammer aus, welche zu Druck-

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 327

Steigerung und in einem Falle auch zu Ektasie des Bulbus und zu Druckexcavation der Papille führte. Als Ursache der Drucksteige- rung nimmt Wagenmann eine Verlegung des Kammerwinkels durch die infolge der hinteren Synechie nach vom gedrängte Iris an.

Nach partiellen, successiven Homhautexstirpationen mit mehr oder weniger ausgedehnter Einheilung der Iris in die Hornhautnarben konnte Ulrich (18) unter 11 Fällen viermal eine nach ein bis drei Monaten auftretende Drucksteigerung konstatieren, deren Fortbestehen nicht weiter geprüft wurde.

Das Zustandekommen der Drucksteigerung führt Ulrich in erster Linie auf eine durch das Einwachsen und die Sklerose der Iris bedingte chronische Hyperämie der Ciliarfortsätze zurück, welche von einer Vermehrung der Sekretion der Augenflüssigkeit gefolgt ist Die Hypersekretion wurde an dem frühen Auftreten von Fluores- cein im Auge erkannt

Da es jedoch besonders in den vier Fällen mit Drucksteigerung zu ausgedehnten Verwachsungen zwischen Iris und Cornea in der Peripherie sowohl wie im Zentrum kam, dürfte sich die Druck- steigerung wohl eher aus einer Verlegung der vorderen Abflusswege infolge Verwachsung der Pupille und des Kammerwinkels erklären lassen.

Die zufälligen Befunde Wagen manns veranlassten Bentzen (19) zu folgenden zwei Versuchen: Mit einem Grae feschen Messer wur- den in vier Sitzungen 8 bzw. 7 Schnitte im Cornealpigmentsaum ge- macht, wonach die Cornealnarben zusammen einen geschlossenen Bing bildeten. Bei den meisten Incisionen entstanden Vorfälle der Iris, die entweder spontaner Heilung überlassen oder abgeschnitten und mit dem Paquelin gebrannt wurden. Während des Versuchs entstand keine Drucksteigerung. Wie die mikroskopische Unter- suchung ergab, war der halbe Umfang des Kammerwinkels noch offen.

Eine totale Verwachsung zwischen dem Pupillarrand und der Cornea hervorzurufen, versuchten Koster (8) und Bentzen (19).

Zu diesem Zwecke wurde die Iris in mehreren Sitzungen durch kleine, im Hornhautzentrum angelegte Incisionsößhungen vermittels scharfer Häkchen nach vorn gezogen und möglichst in ihrer ganzen Circumferenz zur Verwachsung gebracht. Das zentrale Cornealstück innerhalb der Incisionen wurde trübe und in einem Falle atrophisch. Die vordere Kammer blieb ganz flach.

Es kam jedoch zu keiner Drucksteigerung, da die vordere Kam- mer mit der hinteren wahrscheinlich durch feine Spalten in den Ad- häsionen der Iris kommunizieren konnte.

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Die Kommunikation zwischen vorderer und hinterer Kammer durch Erzeugung einer cirkulären hinteren Synechie aufzuheben, unter- nahm fernerhin Kost er (8), indem er durch eine zentrale Schnittwunde der Cornea eine feine anatomische Pincette in die vordere Kammer einführte und den Rand der Iris durch Fassen und Drücken mit der Pincette in seinem ganzen Umfang verletzte. In den ersten Tagen nach der Operation trat eine plastische Iritis auf, während die Pupille durch Exsudat verschlossen war, welches auch mit der Cornealwunde zusammenhing. Die Iritis heilte in wenigen Tagen, das Pupillar- exsudat kam zur Resorption und die Synechien lösten sich. Der Druck blieb völlig normal.

Den in neuerer Zeit von Rombolotti(20) angestellten Experi- menten lag der Gedanke zugrunde, durch feine, in die vordere Kam* mer eingeführte, das Pupillargebiet deckende Scheibchen von Celluloid oder englischem Taflet eine plastische Iritis und weiterlin nach der Organisation des zwischen Scheibe und Pupillarteil der Iris aus- geschiedenen Exsudates einen Pupillarverschluss zu erzeugen.

Nach verschiedenen, durch die „hohen Schwierigkeiten der tech- nischen Ausfuhrung" bedingten Misserfolgen gelangen drei Versuche,, bei denen ein ovales Scheibchen von 14 : 10 mm Umfang durch einen rein cornealen Schnitt in die vordere Kammer gebracht und die Hornhautwunde durch Nähte geschlossen worden war. In allen Fällen entwickelte sich eine schwere Iridocyclitis mit Ausscheidung eines gelblichen Exsudates zwischen Scheibe und Iris und mit starker Beteiligung der Cornea nach Art einer parenchymatösen Keratitis. Nach 10 17 Tagen trat deutliche Drucksteigerung ein, welche bei den ersten beiden Versuchen nach 15 bzw. 40 Tagen in norraaleu Druck überging, bei dem letzten Versuch jedoch bis zum Tode des Tieres, d. h. 21/2 Monate bestehen blieb. Zugleich mit der Druck- steigerung trat eine allmähliche Ausdehnung der Hornhaut und des Bulbus ein, während die Iris mit der Cornea verklebte.

Die anatomische Untersuchung ergab als wichtigsten Befund eine kreisförmige Adhärenz der ganzen Iris an der Cornea und einen Verschluss der Pupillaröffnung durch eine neugebildete, der Iris auf- gelagerte und der Cornea ebenfalls adhärente Bindegewebsmembran. Die Excavation wurde in zwei Fällen verbreitert und vertieft gefunden.

Nach Rombolotti kam die Drucksteigerung in den drei Fällen dadurch zu stände, dass zwischen Scheibe und Iris durch reaktive Entzündung ein Exsudat abgeschieden wurde, welches nach seiner im Laufe der ersten 15 Tage erfolgten Organisation einen völligen.

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 329

Verschluss der Pupillaröflhung bewirkte. Der Druck des hinter der Iris sich ansammelnden Kammerwassers veranlasste weiterhin eine Anlagerung der Iris an die Cornea, welche von einer komplet- ten Verwachsung beider und des Kammerwinkels und dauernder Drucksteigerung durch Verschluss des erweiterten Abflussweges ge- folgt war.

Durch multiple Ignipunktionen im Cornealpigmentsaume mittels eines feinen Paquelinschen Spitzbrenners eine Verwachsung der Irisperipherie mit der Cornea herbeizuführen, versuchte Bentzen(19), indem er von der Überlegung ausging, dass die durch Anlegung der Fistelöffnungen bedingte, länger dauernde Aufhebung der vorderen Kammer eine Anlagerung der Irisperipherie an die Cornea und weiterhin unter Organisation des zwischen ihnen hegenden Exsudates eine Verwachsung beider bewirken würde.

Wie eine grössere Anzahl von Versuchen ergab, kam es jedoch nicht zu einer vollständigen Verwachsung des Kammerwinkels, und infolgedessen auch nicht zu Drucksteigerung, weil keine von den Voraussetzungen völlig zutraf, indem die Punktionsöfihungen sich durch Einlagerung der Iris zu früh schlössen und die Räume zwischen und peripher von den Punktionsstellen nicht durch Bindegewebe aus- gefüllt wurden.

Hierher gehören auch die Experimente, welche Sachsalber(21) zur Beantwortung der Frage nach der Entstehungsursache des Glau- koms bei perforiertem Ulcus serpens anstellte. Um bei Kanin- chen zunächst ein dem Ulcus serpens des Menschen möglichst ähn- liches Ulcus hervorzurufen, wurde eine im Zentrum der Cornea gesetzte Wunde mit Tränensackeiter infiziert

Nach zahlreichen Misserfolgen, welche darin bestanden, dass es entweder zu keiner Ulceration, oder bei Entwicklung einer solchen gleichzeitig zu schwerer Iridocyclitis kam, gelang es in zwei Fällen, ein tiefgreifendes Ulcus mit. Perforation ohne tiefgreifende Ernährungs- störung hervorzurufen. In beiden Fällen trat nach vorübergehender Aufhebung der vorderen Kammer eine längere Zeit bestehen blei- bende Drucksteigerung auf, welche in einem Falle zur Ektasie des Bulbus führte. Mikroskopisch fand sich neben den durch die gleichzeitig vorhandene Iridocyclitis bewirkten Veränderungen eine Verwachsung des Kammerwinkels und Anlagerung der Iris an die Cornea. Auf Grund dieser Experimente und klinischer Beobach- tungen nimmt Sachsalber an, dass die nach perforiertem Ulcus serpens und länger dauernder Aufhebung der vorderen Kammer zu

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beobachtende Drucksteigerung auf eine meist vorübergehende Ver- legung der Kammerbucht zurückzuführen ist

Die folgenden Untersucher machten sich die direkte Verlegung des Abflussweges durch das Filterwerk im Kammerwinkel und den Schlemm sehen Kanal teils durch intraokulare, teils durch äussere Eingriffe zur Aufgabe.

Von den ersteren erwähne ich zunächst die von Knies (22) zur Stütze seiner Theorie angestellten Versuche, durch Einspritzung aseptischer Entzündungserreger, wie Olivenöl, Terpentinöl in den Glaskörper des Hundeauges Glaukom zu erzeugen, indem er an- nahm, dass diese Stoffe auf ihrem Wege aus dem Auge lokale Ent- zündung an den Ausgangsstellen, speziell im Kammerwinkel bewirken würden. Es gelang ihm aber weder den Kammerwinkel zur Ver- wachsung zu bringen, noch erreichte er eine dauernde Drucksteigerung, was nach Knies' Ansicht darauf zurückzuführen war, dass es ihm nicht gelungen war, einen Stoff zu finden, der lediglich eine adhäsive Entzündung im Kammerwinkel bewirkt, ohne gleichzeitig eine all- gemeine Entzündung des Auges hervorzurufen. Der Ausgang seiner Versuche war entweder völlige Heilung oder Cyclitis mit Übergang in Netzhautablösung und Phthisis bulbi.

Weber (2) versuchte durch Quecksilber oder Olivenöl, welche in die vordere Kammer eingespritzt wurden, die Fontanaschen Räume zu verstopfen und so dieselbe Wirkung wie die einer Ver- wachsung des Kammerwinkels hervorzurufen. Während die Queck- silberinjektion sofort zu schwerer eitriger Iritis und Panophthalmie führte, traten nach der Ölinjektion Drucksteigerung und Vergrösserung des Bulbus auf. Es kam jedoch auch hier zu Iritis mit Hypopyon und Exsudation in den Glaskörperraum, so dass der Versuch schon nach zwei Tagen abgebrochen werden musste. Augenscheinlich han- delte es sich ebenfalls um eine PanOphthalmitis, da die Versuche noch in die vorantiseptische Zeit fallen. Für diese Annahme spricht, dass andere Untersucher, welche zu demselben oder zu anderem Zwecke Ölinjektionen in die vordere Kammer vornahmen, keine oder nur vorübergehende Drucksteigerung beobachteten [Stilling (15), Schmidt-Rimpler(23), Leber(24)].

Bei seinen experimentellen Forschungen über die Entzündung beobachtete Leber (24) nach Injektion von sterilisierter Staphylo- coecus aureus-Aufschwemmung in die vordere Kammer des Kanin- chenauges neben einer heftigen exsudativen Kerato- Iritis, welche meist zu einer Perforation an der Corneo-Skleralgrenze führte, in

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 331

zwei Fällen eine Drucksteigerung und Ektasie der Bulbuswandung. Nach Aufhebung der Hornhauttrübung und bei freier Pupille konnte schon während des Lebens in diesen Fällen eine abnorm tiefe Ex- cavation nachgewiesen werden.

Die beiden Augen wurden später von Berberich (25) mikro- skopisch untersucht Er fand als wichtigsten Befund eine binde- gewebige Verwachsung des Kammerwinkels und eine abnorm tiefe und breite Excavation, die in einem Falle zu einer ampullenförmigen Auftreibung des Sehnerven an seiner Eintrittsstelle in den Bulbus geführt hatte.

Lebers Beobachtungen veranlassten Bentzen(19), die Versuche zu wiederholen und insbesondere auch die Frage zu prüfen, ob es gelingen würde, durch Injektion einer verdünnten Staphylocokken- Suspension eine Verwachsung des Kammerwinkels ohne gleichzeitige allgemeine Entzündung hervorzurufen.

Seine Versuche führten zu dem Ergebnis, dass die Wirkung unverdünnter Staphylocokken - Kultur eine zu starke war, indem die anfänglich konstatierte Drucksteigerung nach der meist erfol- genden Perforation oder infolge heftiger Entzündungen und tiefer Ernährungsstörungen zurückging, dass dagegen eine verdünnte Sus- pension keine genügende Exsudation erzeugte, um eine vollständige Verwachsung des Kammerwinkels und Drucksteigerung hervorzurufen.

Gleichfalls von Bentzen (19) vorgenommene Injektionen einer Suspension abgetöteter Tuberkelbacillen in die vordere Kammer be- wirkten in den Fällen, wo die trübe, über dem Bodensatz stehende Flüssigkeit zur Injektion verwandt worden war, nur eine geringe fibrinöse Exsudation im Pupillargebiet, in den Fällen aber, wo der Bodensatz der Aufschwemmung selbst injiziert worden war, ent- wickelte sich das typische Bild der Tuberkulose der Iris und der Cornea. Der Kammerwinkel war auch hier bis innerhalb des Corneal- pigmentsaumes verwachsen ; es trat jedoch keine Drucksteigerung auf.

Bentzen (19) versuchte weiterhin durch chemische Mittel den Kammerwinkel zur Verwachsung zu bringen, und zwar durch Injek- tion einer Jod- (5°/0), Jodkalium (10%) -Lösung und einer Ammoniak- lösung (1— 5°/0). Beide erwiesen sich als viel zu eingreifend. Die Jodlösung führte zu Hornhautnekrose und Phthisis bulbi, die Am- moniaklösung zu heftiger Kerato- Iritis mit Exsudatbildung in der vorderen Kammer und im Glaskörper. Der Kammerwinkel war bei Anwendung letzteren Mittels teilweise verwachsen, der Druck jedoch nur anfangs erhöht, später subnormal.

22*

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Dagegen erhielt Bentzen eine vollständige Verwachsung im Kammerwinkel und länger dauernde Drucksteigerung, als er die In- jektion dünner Ammoniaklösung mit mechanischer Schädigung des Kammerwinkels kombinierte.

Zu diesem Zweck wurde in einem Falle der Kammerwinkel am Tage nach der Injektion mit einer Nadel „gekratzt", in einem andern Falle dagegen mit dem Kratzen gleichzeitig eine Ätzung verbunden, indem durch eine zum Kratzen verwandte Kanüle während des Eingriffes dünne Ammoniaklösung in die vordere Kammer geleitet wurde.

In seiner Dissertation über den Einfluss subconjunctivaler Sublimat- Injektionen auf das Verhalten des vorderen Kammerwinkels berichtet 6eering(26) kurz über einen bisher noch nicht veröffentlichen Ver- such Mellingers. Derselbe fand nach einem eine Minute dauern- den Verweilen einer Sublimatlösung (1,0:2000,0) in der vorderen Kammer ausgedehnte Verlötungen im Kammerwinkel, welche in den nächsten Wochen eine Vergrösserung des Augapfels unter deutlicher Drucksteigerung zur Folge hatten.

Zur Stütze seiner Anschauung, dass das nach einer Extraktion und besonders nach Discission eines Nachstares bisweilen zu beobach- tende Glaukom auf einer beständigen, wenn auch nur partiellen An- wesenheit von Glaskörper bzw. auf einer Verlegung der Fontanaschen Räume durch denselben beruhe, spritzte Bajardi(27) aphakischen Kaninchen Glaskörper in die vordere Kammer ein. Er beobachtete unter den 7 Fällen, wo der Glaskörper nicht wieder abfloss, zweimal glaukomatöse Prozesse.

Ganz ähnliche Experimente hat später üribe y Troncoso(28) angestellt Er injizierte Kaninchen Glaskörper oder Hühnereiweiss in die vordere Kammer, um darzutun, dass seiner Glaukomtheorie gemäss ein abnorm eiweissreiches Kammerwasser durch Behinderung der Exosmose im Kammerwinkel zu Drucksteigerung Veranlassung geben könne. In einer Anzahl von Fällen konnte in der Tat bei freiem Kammerwinkel eine vorübergehende Drucksteigerung festge- stellt werden.

Endlich hat man auf mechanischem Wege eine Verödung des Kammerwinkels herbeizufuhren versucht. Es sei an dieser Stelle an die von Schöler(29) gelegentlich eines Vortrages über die Fil- trationsfähigkeit der Skleralnarben im Anschluss an die von ihm konstatierte filtrationshemmende Wirkung mehrerer Skleralnarben er- örterte Frage erinnert, ob es möglich sei, bei Kaninchen durch eine allmähliche Umschneidung des ganzen Limbus eine ringförmige Sklero-

Cber experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 333

tomienarbe und damit ein völliges Versiegen der Filtration zu stände zu bringen. Schöler kommt zu dem Schluss, dass das Ziel nicht zu erreichen sei, da die Narben ohne Glaskörperverlust nicht so peripher angelegt werden könnten, um alle Filtrationsbahnen dadurch zu einem narbigen Verschluss zu bringen.

Mit Hilfe lokaler Fremdkörper-Irritation und Exsudation eine Verwachsungim Kammerwinkel herbeizuführen, versuchte Bentzen (19), indem er mit Hilfe einer stumpfen Nähnadel durch 7 im Pigment- saum mit dem Paquelin gebrannte Löcher einen sterilisierten Seiden- faden durchführte und den im Kammerwinkel liegenden Faden so fest anzog, dass er sich tief in den Kammerwinkel einlegte. Der Faden wurde nach 13 Tagen entfernt

Im ersten der beiden Versuche trat sehr wenig Exsudatbildung, fast keine Verwachsung des Kammerwinkels und keine Drucksteigerung ein; das Auge wurde später ganz normal.

Am zweiten Auge wurde vom 4. 7. Tag eine leichte Druck- steigerung beobachtet, was Bentzen auf den entzündlichen Zustand der Iris zurückführt. Der Kammerwinkel war auch in diesem Falle nur ungenügend verwachsen.

Um die mechanische Wirkung zu verstärken, wurde weiterhin ein mit verdünnter Kalilauge befeuchteter Faden durch den Kammer- winkel gezogen. Es zeigte sich jedoch, dass die Wirkung dieses Fadens ehenso wie die eines mit 1 °/0 Argentum nitricum imprägnierten zu stark war, so dass das Resultat durch schwere und tiefgreifende Ernährungsstörungen beeinträchtigt oder aufgehoben wurde.

Die günstigen Resultate, welche Bentzen, wie erwähnt, mit der Kombination von „Kratzen" im Kammerwinkel und Ammoniak-In- jektion erzielt hatte, veranlassten ihn, die Wirkung des „Kratzens" allein zu prüfen.

Es ergab sich, dass das „Kratzen" das wirksame Moment bei obigen Versuchen gewesen war, und dass es ein geeignetes Mittel darstellte, eine ausgiebige Verwachsung im Kammerwinkel und weiter- hin Drucksteigerung ohne wesentliche Schädigung des Auges her- beizufuhren.

Das „Kratzen", bei dem es sich um eine Schädigung des Ge- webes und Zerreissung der Descemetschen Membran in der Comeo- Skleralgrenze und zwar auf der Innenseite der ungefähr 2 mm breiten Zone der Bulbuswand, die ausserhalb des Cornealpigmentsaumes liegt, handelte, geschah mit einer abgestumpften Discissionsnadel. Da die Nadel zu stumpf war, um durch die Cornea eingeführt zu werden,

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mussten mehrere Punktionsöffnungen angelegt werden. Es zeigte sich, dass drei in meridionaler Richtung gleich weit von einander zwischen Pupille und dem Pigmentsaum mit einem Grae feschen Messer ange- legte Incisionen die beste Beweglichkeit der Nadel ergaben und ein Kratzen in der ganzen Circumferenz des Kammerwinkels zuliessen.

Der Erfolg der Methode hängt nach Bentzen von der gelun- genen Ausfuhrung, insbesondere von einer ausgiebigen Zerreissung der Descemet ab; dies geht aus Bentzens 42 Versuchen hervor, welche im ersten Drittel nur ausnahmsweise zum Ziele führten, während die Resultate später konstante waren. Ein Teil der letzteren wurde freilich später durch Komplikationen wie schwere Hornhaut- entzündungen und Skleralrupturen beeinträchtigt oder aufgehoben.

In einem Teil der Fälle wurde trotz wiederholten „Kratzens" keine vollständige Verwachsung des Kammerwinkels erzielt, in an- deren traten Iridodialysis, Irisvorfall und Iinsenluxation ein.

Die Drucksteigerung, welche schon x/* Stunde nach Beendigung der Operation beginnen kann, dauerte in einem Falle 3 Monate, in einem anderen 2xj2 Monate, in drei weiteren etwa 1 Monat Die übrigen Fälle wurden kürzere Zeit, teilweise nur einige Stunden be- obachtet. Die Drucksteigerung führte in den länger dauernden Fällen zu Ektasie des Bulbus, Anästhesie der Cornea, Hyperämie der Ci- liargefässe und zu einer, in einigen Fällen schon während des Lebens zu konstatierenden Vergrösserung der Excavation und Schwund der Nervenfasern. Spätere glaukomatöse Degenerationen wurden bei der Kürze der Beobachtungszeit nicht konstatiert Die nur in wenigen Fällen vorgenommene mikroskopische Untersuchung ergab als wich- tigsten Befund eine mehr oder weniger breite Verwachsung der Iris- peripherie mit der Cornea. Die Descemetsche Membran war in diesem Falle im peripheren Teil der Verwachsung ganz verschwunden, während sie im zentralen Teil noch vorhanden war. Über das Ver- halten der Fontanaschen Räume und des Venenplexus werden keine Angaben gemacht

Den folgenden Versuchen liegt der Gedanke zugrunde, durch extrabulbäre Eingriffe, speziell an der Sklerocorneal-Grenze, die Fil- tration aus dem Kammerwinkel zu hemmen.

Nach zahlreichen Misserfolgen gelang es Heisrath(16) in zwei Fällen, wo anfangs ohne Erfolg eine Lösung von Gummi arabicum in die vordere Kammer injiziert worden war, durch mehrtägige Ätzung der Gegend des Schlemm sehen K anales mit Säuren eine starke Drucksteigerung hervorzurufen, welche 3 Monate bestehen blieb. Eine

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 335

unmittelbar post mortem vorgenommene Injektion der vorderen Kam- mer mit Berliner Blau ergab keinen Übergang des Farbstoffes in die vorderen Ciliarvenen, in. die Fontanaschen Bäume war nur eine Spur davon eingedrungen. Auf Grund der mikroskopischen Unter- suchung nahm Heisrath als Ursache des Glaukoms eine Behinde- rung des Abflussweges durch eine indurierende Entzündung in der Gegend des Schlemm sehen Kanales an.

Ähnliche Versuche stellten Schöler(3) und Bentzen(19) an, nur dass sie anstatt der Säureätzung eine Kauterisation der Limbus- gegend vornahmen.

Seh öl er erhielt nach cirkulärer Kauterisation mit einer glühen- den Stricknadel eine hohe Drucksteigerung, welche jedoch nach etwa 1 Stunde in Hypotonie überging.

Da Seh öl er eine wenn auch weniger hohe Drucksteigerung, auch bei partieller Kauterisation des Limbus, der Cornea und Sklera be- obachtete, so nahm er an, dass die Schrumpfung des Brandschorfes die Ursache der Drucksteigerung sei. Durch Filtrationsversuche konnte er jedoch eine Herabsetzung der Filtrationsfähigkeit nach der Kauterisation des Limbus feststellen.

Eine mikroskopische Untersuchung wurde nicht vorgenommen.

Bentzen wiederholte die Schölerschen Experimente. Er er- hielt nach dem Brennen ebenfalls beträchtliche Drucksteigerung, welche jedoch später in Hypotonie überging. Die mikroskopische Unter- suchung eines Auges ergab, abgesehen „von der Narbe in der Limbus- gegend", normalen Befund.

Nach Bentzen eignet sich diese Methode nicht zur Erzeugung von Glaukom, da die anfangs durch Verschluss der vorderen Ciliar- venen bewirkte Hemmung der Filtration durch die „Wiederherstellung" dieser Gefässe wieder beseitigt wird.

Als Ursache der unmittelbar nach der Kauterisation auftretenden Drucksteigerung führt Bentzen neben der Unterbrechung der Fil- tration auch noch die Schrumpfung des Brandschorfes und eine ver- mehrte Kammerwassersekretion an.

In einem andern Versuch zog Bentzen einen mit Schwefel- eisen imprägnierten Faden ungefähr l^mm nach aussen von dem Corneal-Pigmentsaum unter der Conjunctiva durch und Hess ihn liegen. Es entwickelten sich Iritis, Hypopyon, sowie Hornhautektasie, aber keine Drucksteigerung.

Eine vorübergehende Drucksteigerung neben Ektasie der Horn- haut erzielte derselbe Forscher mit einem dünnen, elastischen, unter

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der Conjunctiva im Umfang der Hornhaut durchgezogenen und fest- geknüpften Faden. Es kam jedoch später zur Perforation und Phthi- sis bulbi.

Auf die Bedeutung der Umgebung der Hornhaut für das Glau- kom wies besonders Koster (8) hin. Nach ihm können akute sowohl wie schleichende Krankheitsprozesse in der Conjunctiva und Sklera, sowie Änderungen der Gefasswandungen des Circulus venosus auf die Resorption der Flüssigkeit aus der vorderen Kammer von grossem Einfluss sein. Koster sah bei Kaninchen nach cirkulärer Durch- schneidung der Conjunctiva und der Cornea und Durchtrennung aller vorderen Muskelansätze, somit aller vorderen Ciliargefasse eine be- trächtliche Drucksteigerung auftreten, welche mehrere Wochen bestehen blieb. Die Filtration wurde später offenbar durch neugebildete Blut- gefässe vermittelt. Die vordere Kammer dieser Augen war normal oder ein wenig flacher; äusserlich waren keine weiteren Abweichungen zu erkennen. Dass Krankheitsursachen aus der circumcornealen Gegend unschwer den Kammerwinkel erreichen und eine Verwach- sung der Irisperipherie hervorrufen können, scheint Kost er sehr wohl annehmbar.

Angeregt durch Kosters Versuche, in denen die Drucksteige- rung „augenscheinlich auf Behinderung der Filtration infolge von Beschädigung der Venae ciliares anteriores beruhte", versuchte Bentzen(19) ebenfalls eine Verlegung dieser Bahnen hervorzubringen, „um vielleicht Glaukom ohne Verwachsung des Kammerwinkels zu erzeugen".

Zu diesem Zweck durchschnitt er in den ersten Versuchen wie Koster die Conjunctiva pericorneal und die Muskelansätze, entfernte jedoch ausserdem noch mit einem Grae feschen Messer die oberfläch- lichen Schichten der Sklera in einer Breite von ungefähr 2 mm. Es trat nach x/2 bis 2 Stunden eine Drucksteigerung auf ungefähr 50 mm Hg ein, welche 3—14 Tage dauerte; nachher wurde die Spannung wie- der normal. Eine Excavation wurde nicht festgestellt, in einem Fall schien der Bulbus jedoch etwas vergrössert zu sein. Die mikrosko- pische Untersuchung eines Auges ergab zellige Infiltration in der operierten. Skleralpartie, deren Dicke nur etwa die Hälfte der nor- malen betrug.

In 5 Versuchen ätzte Bentzen die eben erzeugte Skleralwunde mit dem mitigierten Lapisstift. In 4 Fällen stieg der Druck nach Verlauf von x/2 bis 3 Stunden bedeutend an und hielt sich in 3 Fällen 4 6 Wochen lang zwischen 40 und 60 mm Hg\ in 2 Fällen trat

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 337

Perforation ein. Bei der mikroskopischen Untersuchung eines am 4ten Tage spontan perforierten Auges ergab sich unter anderem eine zellige Infiltration der Conjunctiva und des ganzen Wundbodens* ebenso zeigten sich die Fontanaschen Räume zellig infiltriert

In drei weiteren Versuchen ätzte Bentzen nach Durchschnei- dung der Conjunctiva und der Muskelansätze die entblösste Skleral- oberfläche mit dem Lapis mitigatus ohne vorherige Entfernung der oberflächlichen Schicht.

In allen Fällen trat nach anfänglicher, bis zu drei Wochen dauernder Drucksteigerung Perforation ein. Stets wurden Schwellung der Iris und Exsudatbildung in der vorderen Kammer beobachtet; zwei Augen blieben auch nach der Perforation ektatisch, das dritte wurde phthisisch.

Die Experimente von Koster und Bentzen hat Bartels (30) in neuester Zeit wiederholt und zum Teil insofern modifiziert, als er nach Durchschneidung der Conjunctiva die Muskelansätze nicht durch- schnitt, sondern sie mit Fäden umschnürte, um zu beweisen, dass die dem Eingriff folgende Drucksteigerung lediglich auf die Unter- bindung der vorderen Ciliarvenen und nicht auf eine durch den Wund- reiz bedingte Hypersekretion zurückzuführen sei.

Nach dem Eingriff wurde stets neben hoher Drucksteigerung ein Symptomenkomplex beobachtet, der durchaus das Zustandsbild des akuten Glaukoms darbot Die Symptome waren Schwellung und starke Injektion der Conjunctiva, matte, anästhetische Cornea und anfangs weite Pupille. Die vordere Kammer war bei Kaninchen flach, bei Hunden meist tief. Die Tensionserhöhung war mit einer Ausnahme nur eine vorübergehende. In vielen Fällen trat Perforation der Cornea mit schneller Abnahme der Tension ein. Nur bei einem Hunde wurde die Spannung 5 Monate lang erhöht und das Auge vergrös8ert gefunden, was Bartels durch ein weiteres Abflusshinder- nis, gegeben in der in diesem Falle bis zum Äquator der Sklera fest adhärenten Conjunctiva, zu erklären sucht.

Die mikroskopische Untersuchung ergab als bemerkenswerten Befund ein Offensein der Fontanaschen Bäume und des Schlemm- schen Kanals. Die Chorioidea war völlig blutleer, an dem 5 Monate beobachteten Auge atrophisch. Eine Excavation wurde in keinem Falle, insbesondere auch nicht nach 5 monatlicher Drucksteigerung gefunden, was nach Bartels gegen die Entstehung der sogenannten Druckexcavation spricht

Coburns(31) Experimenten liegt der Gedanke zugrunde, durch

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Einführung schädlicher Substanzen in die Cirkulation zunächst eine Kongestion im Ciliarkörper und in der Iris und sodann durch da» fibrin- und eiweissreiche Kammerwasser eine Verstopfung der Fon- tana sehen Räume herbeizufuhren. Zu diesem Zwecke wurden Lösungen der verschiedensten Stoffe wie Essigsäure, Chlorkalium, Kaliumphos- phat, A tropin, Eserin, Pilokarpin usw. in kleineren und grösseren Mengen subconjunetival injiziert. Dieselben bewirkten in einer Anzahl von Fällen auch eine mehr oder weniger heftige entzündliche Kon- gestion und Blasenbildung an den Ciliarfortsätzen mit Ausscheidung von Ei weiss und Fibrin in die vordere Kammer, doch wurde nur in wenigen Fällen eine schnell vorübergehende Drucksteigerung fest- gestellt.

Anhangsweise mögen hier noch die von Mellinger nach sub- conjunctivalen Sublimatinjektionen beim Kaninchen im Kammerwinkel beobachteten Veränderungen Erwähnung finden, über welche Gee- ring(26) in seiner Dissertation ausfuhrlich berichtet Nach subcon- junctivaler Injektion einer Pravazschen Spritze 0,5— 1°/00 Sublimat- lösung wurden in frischen Fällen entzündliche Veränderungen im vorderen Kammerwinkel beobachtet, welche sich in Rundzellen-Infil- tration im Filtrationsgewebe und in den benachbarten Teilen der Chorioidea, des Suprachorioidealraums, der Iris, Cornea und Sklera äusserten. In älteren Fällen, nach Ausheilung der akuten Entzündung, wurde eine grössere Zahl circumscripter Synechien zwischen Iris und Cornea festgestellt

Die Adhärenzen traten in zwei Formen auf.

Die Synechien stellten entweder flächenhafte Verwachsungen zwischen Iris und Cornea im innersten Teil des Kammerwinkels dar, diesen völlig verlegend, oder sie erschienen als flächenhafte oder bandförmige Verbindungen in einiger Entfernung vom Kammerwinkel.

Trotzdem die Sublimatlösung um die ganze Cornea und in eini- gen Fällen mehrfach injiziert worden war, wurden niemals eine kon- tinuirliche, den Kammerwinkel überall abschliessende Synechie und infolgedessen auch niemals eine Drucksteigerung erzielt

Wenn wir die im Vorstehenden nach Anordnung und Verlauf in Kürze aufgeführten Glaukom-Experimente, deren Einteilung nicht als eine streng systematische aufgefasst werden darf, da die einzelnen Methoden nicht selten ineinander übergreifen, einer Prüfung unter- ziehen, so müssen wir zunächst gestehen, dass der zur Lösung der Glaukomfrage viel beschrittene Weg des Experiments nur selten zu

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einem befriedigenden Ziele geführt hat, wenn wir das letztere darin erblicken, am Tierauge einen dem menschlichen Glaukom möglichst nahestehenden Symptomenkomplex, d. h. eine dauernde Drucksteigerung mit ihren Folgezuständen hervorzurufen.

Die Ursache der zahlreichen Misserfolge ist zum Teil in den zur Erzeugung experimentellen Glaukoms eingeschlagenen Wegen zu suchen.

Wie wir gesehen haben, ist es, ganz abgesehen von den schnell vorübergehenden Drucksteigerungen nach Nervenreizung und künst- licher Steigerung des arteriellen Blutdrucks, auch durch die höchsten Grade venöser Stauung, nach Unterbindung aller Vortex- Venen nicht gelungen, den Augendruck dauernd über der Norm zu erhalten.

Der einzige Weg, welcher bisher dies Ziel hat erreichen lassen, ist, wie die Versuche lehren, die dauernde Schliessung der vorderen Abflusswege der Augenflüssigkeit.

Dass auch die zahlreichen, auf einer Schliessung dieses Abfluss- weges basierenden Methoden nur in Ausnahmefällen zu dauernder Drucksteigerung führten, beruht darauf, dass es entweder nur zu teil- weisem oder vorübergehendem Verschluss kam, oder dass der Eingriff so schwere Ernährungsstörungen im Gefolge hatte, dass das Auge in kürzerer oder längerer Zeit zugrunde ging.

Namentlich in letzterer Hinsicht müssen als ungeeignet diejenigen Methoden bezeichnet werden, welche, sich anlehnend an entsprechende Arten des Sekundärglaukoms, eine Abflussbehinderung durch Erzeu- gung cirkulärer hinterer und vorderer Synechien bezweckten, während die vorwiegend auf einen Verschluss der vorderen Ciliarvenen durch äussere Eingriffe in der Sklerocornealgrenze gerichteten Experimente sich besonders insofern als wenig brauchbar erwiesen haben, als fast in allen Fällen die Filtration der Augenflüssigkeit offenbar durch Herstellung neuer venöser Abflusswege nach einiger Zeit wieder zu stände kam.

Von den zur Verödung des Kammerwinkels angegebenen Me- thoden hat allein die von Bentzen(19) angegebene, welche auf einer Zerreissung der Mb. Descemeti im Kammerwinkel und Schädigung des Gewebes in der Corneoskleral grenze beruht, zu einem einiger- massen befriedigenden Ziele geführt.

Es ist Bentzen in der Tat mittels dieser Methode nicht nur zuerst gelungen, in einem höheren Prozentsatz der Fälle Glaukom zu erzeugen, sondern auch in den länger beobachteten Fällen infolge der verhältnismässig geringen Nebenveränderungen ein die Symptome

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länger dauernder Drucksteigerung klar zum Ausdruck bringendes Krankheitsbild hervorzurufen.

Die Bentzensche Methode weist jedoch gleichwohl in praxi noch zahlreiche Mängel auf.

Zunächst handelt es sich um einen komplizierten Eingriff, der, falls, er zum Ziele fuhren soll, wie aus Bentzens eigenen Worten hervorgeht und ein jeder, der den Versuch nachmacht, zugeben wird, eine längere Einübung erfordert; sodann gelingt es auch dem auf diese Methode Eingeübten nicht immer, trotz mehrfachen „Kratzens" eine ausreichende Verwachsung des Kammer winkels zu stände zu bringen. Endlich missrät ein Teil der Versuche teils durch Zwischenfälle, welche während des Eingriffs nicht selten entstehen, wie Iridodialysis oder Irisvorfälle, teils durch später auftretende schwere Entzündungen der Cornea und Ruptur der Sklera.

Näher liegend und einfacher als durch mechanische Mittel musste es erscheinen, durch chemische Mittel der Kniesschen Theorie ge- mäss, im Kammerwinkel bzw. in den Fontanaschen Räumen eine adhäsive Entzündung mit nachfolgender Verwachsung herbeizuführen.

Wie wir jedoch gesehen haben, hat von den zahlreichen in die vordere Kammer gebrachten Stoffen keiner seinen Zweck erfüllt, in- dem seine Wirkung entweder zu schwach oder zu stark war.

Im ersteren Falle kam es zu keiner genügenden entzündlichen Exsudation und Verklebung im Kammerwinkel, im letzteren war der Eingriff von schweren Entzündungserscheinungen und tiefgreifender Ernährungsstörung gefolgt, welche vielfach zum Untergang des Auges führten.

Es folgt daraus, dass bislang noch kein Entzündungserreger ge- funden worden ist, welcher geeignet wäre, eine Obliteration des Filter- werkes im Kammerwinkel ohne gleichzeitige schwere Schädigung des Auges zu bewirken.

Auf der Auffindung und Anwendung eines derartigen, bislang vergeblich gesuchten Entzündungserregers gründet sich die Methode experimentellen Glaukoms, welche im folgenden näher beschrieben werden soll.

B. Eigene Experimente.

Die Methode verdankt ihre Entstehung einer Beobachtung, welche ich bei Gelegenheit der elektrolytischen Zerlegung des Kammerwassers am lebenden Kaninchenauge gemacht habe.

Die Versuche bezweckten, die Wirkung des elektrolytisch zer-

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 341

legten Kammerwassers auf das Auge zu prüfen und wurden mittels feiner, in die vordere Kammer eingeführter Punktumadeln von Platin angestellt.

Eine von der bisherigen abweichende Wirkung der Elektrolyse wurde nun in einem Falle beobachtet, wo an Stelle der Platinnadel eine Stahlnadel als positive Elektrode in die vordere Kammer einge- führt worden war; es stellte sich nämlich eine Tensionserhöhung ein, welche von einer Vergrösserung des Augapfels und Druckexcavation der Papille gefolgt war.

Dieser Befund war die Veranlassung zur Anstellung einer Reihe von Experimenten, welche über die Entstehungsart des Glaukoms und über die Häufigkeit seines Auftretens bei dieser Versuchsanord- nung Auskunft geben sollten.

Es gelang mir denn auch in der Tat bei weiteren Versuchen, in einer Anzahl von Fällen auf diesem Wege Glaukom zu erzeugen, doch veranlasste mich der nur geringe Prozentsatz der positiv ver- laufenen Fälle, nachdem die Ursache der Drucksteigerung erkannt war, die Versuche zu modifizieren.

Bevor ich jedoch die endgültige Versuchsanordnung mitteile, sei es mir gestattet, kurz auf Anordnung und Verlauf der ersten Ver- suche einzugehen, welche mehrfach zu ausserordentlich charakteristi- schem Sekundärglaukom führten, sodann aber auch in Hinblick auf die Wirkung der Elektrolyse auf das Auge einiges Interesse beanspruchen. Das Versuchsmaterial bestand fast ausschliesslich aus Kaninchen.

Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Prof. Peters, welcher mir das reichliche Versuchsmaterial in bereitwilligster Weise zur Verfügung stellte und meinen Untersuchungen freundliches In- teresse entgegenbrachte, möchte ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aussprechen.

Von der grossen Zahl der Versuche werde ich nur einige mit besonders typischem Verlauf ausführlicher mitteilen.

I. Ursprüngliche Versuohsanordnung. Verlauf und Ergebnis der ersten Experimente.

Versuch Nr. 4. 25. XL 05. Kaninchen I. Beobachtungszeit 112 Tage. Mittelgrosses, noch nicht ausgewachsenes, weisses Tier mit pig- mentarmen Augen.

In Äthernarkose wird eine feine Punkturnadel von Stahl (0,3 mm Durchmesser) als positive Elektrode durch die Cornea nahe dem Limbus in schräger Richtung etwa 5 mm weit in die vordere Kammer eingeführt; die negative Elektrode in Gestalt einer mit Stoff überzogenen, mit Koch- salzlösung befeuchteten Platte von 7,0 : 3,5 cm Durchmesser liegt auf dem

342 P- Erdmann

rasierten Rücken des Tieres. Die Stromstärke betragt 5MA, die Einwir- kungszeit 2 Minuten.

Der Stromschloss gibt sich, abgesehen von einem kurzen Zucken des Tieres und einer Verengerung der Pupille, durch ein Blasswerden der unter dem Einfluss des Äthers (das Tier wurde unter einer Glasglocke Äther- dämpfen ausgesetzt) hyperämischen Iris zu erkennen. Bald darauf sieht man an der Stahlnadel, welche sich langsam schwarz färbt, graugelbe, feinflockige Massen sich abscheiden. Dieselben fallen zum Teil auf den Kammerboden, teils scheiden sie sich nach anfanglicher Suspension im Kammerwasser, welches allmählich einen hellockergelben Farbenton annimmt, auf der Irisvorderfläche ab.

Nach öflhung des Stromes ist das Herausziehen der Nadel, deren Oberfläche infolge der elektrolytischen Zersetzung des Metalles rauh ge- worden ist, mit einem gewissen Widerstände verbunden; es fliesst jedoch aus dem Stichkanal kein Kammerwasser ab.

Gleich nach Anstellung des Versuches wird folgender Befund erhoben: Die Conjunctiva bulbi ist in massigem Grade gerötet und chemotisch. Die Cornea ist bis auf den Stichkanal und dessen Umgebung völlig klar. Der Stichkanal, in welchem man einige von der Nadeloberfläche abgestreifte schwarze Eisenpartikelchen liegen sieht, ist von einem rostbraunen Hof um- geben. Das Kammerwasser und die hellgraublaue Iris haben einen gelb- braunen Farbenton angenommen.

Die hyperämische Iris ist in ungleichmässiger Verteilung mit einer dünnen Schicht einer hellockergelben, krümelig flockigen Masse, sowie mit einigen kleinen grauen fibrinflocken bedeckt. Eine grössere Menge der gelblichen Masse hat sich auf den Boden der vorderen Kammer gesenkt In der engen Pupillaröflhung liegt eine zarte Fibrinflocke. Die Spannung ist normal.

26. XI. Die Chemosis hat etwas zugenommen, ebenso die Injektion. Die Cornea ist zentral zart wolkig (cirrhusartig), parenchymatös getrübt Auf der Iris bzw. auf der die Iris bedeckenden körnigen Masse liegt hier und da eine zarte Fibrinflocke. Die Iris ist stark hyperämisch, jedoch von normaler Zeichnung und Struktur. T. n.

27. XI. Die Injektion ist eine ausgesprochen pericorneale. Die Cornea ist in ganzer Ausdehnung zart cirrhusartig getrübt, ihre Oberfläche fein gestippt. Die Sensibilität ist herabgesetzt. Die Pupille ist mittelweit und reagiert sehr träge. Die Spannung ist deutlich erhöht: 45 mm Hg (Fick).

29. XI. Injektion und Trübung der Cornea haben noch etwas zu- genommen. Die vordere Kammer erscheint tiefer als die des andern Auges. T. 48 mm Hg.

2. XII. Der Augapfel ist im Vergleich zum gesunden deutlich ver- gröS8ert Die Trübung der Hornhaut hat nicht zugenommen. Vom Limbue her schiebt sich ein schmaler Ring oberflächlicher Gefässe auf die Cornea. Die Sensibilität ist stark herabgesetzt. Die Iris ist stark hyperämisch, die Pupille mittel weit. Der Fundus ist nur undeutlich zu erkennen. T. 55 mm Hg.

8. XII. Die pericorneale Injektion ist zurückgegangen. Die Cornea hat sich etwas aufgehellt. Der Gefässring hat eine Breite von 2 mm. Die Hyperämie der Iris ist geringer. T. 52.

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 343

11. XII. Die Hornhaut ist bis auf eine zart hauchige Trübung im Zentrum völlig klar. Die Gefässe sind ungefähr 4 mm weit in die Horn- haut vorgeschoben. Die einzelnen Stämme, welche am Iimbus schon wieder durchsichtiges Hornhautgewebe durchziehen, bilden, sich an ihrem Ende baumartig verzweigend und sich untereinander zu einem dichten Geflecht verbindend, einen ungefähr 2 mm breiten, scharf umschriebenen Gef ässring, der vom Limbus durch durchsichtiges Hornhautgewebe getrennt ist. Die gelbgrauen Körnchen auf der Iris und im Kammerwinkel sind bis auf wenige Reste in Gestalt kleiner gelbbrauner Flecken verschwunden. Die Pupille ist übermittel weit und reagiert sehr träge. Die Iris hat normalen Blutgehalt

Die Papille hat im Vergleich zu der des andern Auges eine leicht graurötliche Farbe, ihre Form ist fast kreisrund. Die Optikusgefässe sind enger als diejenigen des normalen Auges. T. 54.

Krümmungsradien der Hornhaut (Javal): horizontaler Radius = 8,4 mm, vertikaler Radius = 8,0 mm (normales Auge: horizontaler Radius = 7,5, vertikaler Radius = 7,3 mm).

18. XII. Die episkleralen Gefässe sind stark gefüllt Die Conjunctiva bulbi hat in der Gegend des Giliarkörpers einen leicht bläulichen Farbenton. Die Cornea ist völlig klar, bis auf eine schmale, weissgraue Trübung am Limbus unten und seitlich. Die Randgefässe haben sich in der temporalen Hornhauthälfte zurückgebildet Die vordere Kammer ist sehr tief. Das Irisgewebe ist atrophisch und von schmutzig graugrünlicher Farbe. Die Ver- grösserung des Auges hat noch zugenommen. Die Papille ist deutlich tiefer excaviert als am normalen Auge, von graurötlicher Farbe. Die Gefässe sind eng, die Markflügel verschmälert.

4. I. 06. Das sehr grosse Auge steht weit vor und wird von den Lidern nur ungenügend bedeckt. Die klare Cornea ist anästhetisch. Hinter der schmalen Randtrübung ragt hier und da eine graue Gewebsmasse vor, welche aus dem Kammerwinkel herauszuwachsen scheint. Die Pupille ist übermittelweit und reagiert sehr träge.

17. 1. Die Randgefässe haben sich bis auf einige baumartig verzweigte Gefässe nasal oben zurückgebildet. Die schmale Randtrübung hebt sich gegen die im übrigen klare Hornhaut mit scharfer Grenze ab. Die Ciliar- gegend hat besonders nasal und temporal einen bläulichen Farbenton, es besteht jedoch keine Ektasie. T. ist etwas zurückgegangen, jedoch noch deutlich palpatorisch erhöht =48 mm.

14. II. Im oberen nasalen Quadranten der Hornhaut hat sich eine unregelmässige, an der Hinterfläche liegende, zart graue Trübung von un- gefähr 2,5 : 4 mm Durchmesser ausgebildet, welche nach allen Seiten gegen die durchsichtige Hornhaut scharf begrenzt ist. T. 48 mm.

15. III. An dem sehr grossen, weit vorstehenden Auge fallen zu- nächst die stark gefüllten episkleralen Gefässe auf, welche die Hornhaut umgeben. Die letztere ist hypästhetisch. Sie ist, abgesehen von der Rand- trübung und der circumscripten Trübung im oberen nasalen Quadranten, völlig klar. Die vordere Kammer ist sehr tief. Die Iris ist stark atrophisch, das Gewebe, besonders nahe dem Pupillarrand, fadenscheinig. Die Pupille ist beträchtlich weiter als die des normalen Auges und reagiert nur minimal.

344 P. Erdmann

Die brechenden Medien sind völlig klar. Die Papille ist kreisrund, ausser- ordentlich tief und randständig excaviert, mit scharfem Rande gegen die Umgebung abgesetzt. Ihre Farbe ist schmutzig gelbrot Die Gefässe sind sehr eng, die Markflügel fast ganz geschwunden. Die Spannung ist gegen- über der des normalen Auges noch deutlich erhöht, = 38 mm. Krümmungs- radien der Hornhaut: horizontaler Radius = 8,8 mm, vertikaler Radius = 8,7 mm.

17. III. 06. Das Tier geht an Tuberkulose zugrunde.

Beide Augen werden unmittelbar nach dem Tode enudeiert und zu- * nächst 24 Stunden in l0°/0 Formollösung, dann vier Wochen in Müller* scher Flüssigkeit fixiert Sie werden in Celloidin eingebettet und in der Sagittalebene in Serienschnitte zerlegt.

Makroskopischer Befund (vgl. Taf.VIII, Fig. 1 u. 2).

Das Glaukomauge erscheint in allen Dimensionen fast gleichmäsaig ver- größert und weist eine ausgesprochene Kugelform auf. Die Ciliargegend ist in ganz geringem Grade ektatisch. Der Sehnerv ist an seiner Eintritts- stelle in den Bulbus ampullenförmig aufgetrieben. Die äusseren Masse des Bulbus sind folgende:

Vertikaler Hornhautdurchmesser 17,5 mm (normales Auge 14,0 mm)r

horizontaler 18,0 ( 14,6 ),

Basis der Cornea (von einem Kammer- winkel zum andern gemessen) sagittaler Durchmesser vertikaler

horizontaler Durchmesser des Sehnerven an seiner

Eintrittstelle in den Bulbus 4,0 ( 1,5

Sagittalschnitte durch das vergrößerte Auge haben annähernd Kreis- form, der Sulcus sclerae ist völlig verstrichen.

Auffallend sind fernerhin Grösse und Form der vorderen Kammer. Ihre Tiefe, gemessen vom Hornhautscheitel bis zum vorderen Linsenpol, be- trägt am Glaukomauge 4 mm, am normalen 2,3 mm. Die Entfernung des Hornhautscheitels von der durch den Irisansatz gelegten Ebene beträgt in sagit- taler Richtung 5,5 mm (4,0 mm am normalen Auge). Das ungleiche Ver- hältnis dieser Entfernungen an beiden Augen und die abnorme Form der vorderen Kammer des vergrößerten Auges erklären sich daraus, dass die Linse an der Vergrößerung des Glaukomauges nicht teilnahm. Dadurch, dass der von den Giliarfortsätzen gebildete Ring infolge der Vergrösserung des ganzen Augapfels an Umfang zunahm, während die linse ihre nor- malen Dimensionen beibehielt, ist die Iris annähernd in einer Ebene aus- gespannt. Ihr Ciliarteil ist sogar nach hinten ausgebuchtet, was zusammen mit der Dehnung der Sklero-Cornealzone zu einer Verbreiterung und Ab- rundung des Kammerwinkels geführt hat.

Schnitte, welche durch die oben beschriebene ampullenförmige Auf- treibung des Sehnerven gehen, zeigen, dass letztere durch eine ungewöhn- lich breite und tiefe, sich weit in den Sehnervenstamm hinein erstreckende Excavation bedingt ist.

16,2 (

?>

»

12,9 ),

21,6 (

V

n

17,0 ),

20,4 (

7)

77

17,3 ),

21,6 (

V

»

18,* » ),

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 345

Mikroskopischer Befund.

Im episkleralen Gewebe finden sich einige kleinere und grössere lockere Rundzellenhaufen. Die Gefässe sind weit und blutreich.

Der Obergang des Bindehautepithels in das der Hornhaut erfolgt durch- schnittlich in einer Entfernung von 0,5 mm nach vorn vom Kammerwinkel, unten jedoch in der Höhe des Kammerwinkels oder sogar etwas hinter demselben. Am normalen Auge befindet sich der Ansatz der Conjunctiva durchschnittlich 1,5 mm vor dem Kammerwinkel.

Die Cornea ist in ihrer ganzen Ausdehnung verdünnt; ihre Dicke betragt im Mittel zentral 0,33 mm (normales Auge 0,40 mm), in der Peri- pherie 0,32 mm (normales Auge 0,43 mm). Die Epithelschicht ist beson- ders in der unteren Hälfte auffallend niedrig; sie besteht hier nur aus zwei Zellreihen und zwar aus einer Reihe unregelmässig gestellter kubischer Basalzellen und einer Lage platter Zellen. Auch im übrigen Umfang der Cornea sind die Basalzellen hier und da auffallend breit und unregel- mässig gestellt Das Parenchym ist in der Mitte und in der Peripherie oben völlig normal, seitlich und unten ist der Gehalt an fixen Zellen in einer Entfernung von 3 4 mm vom Limbus vermehrt und zwar besonders in den hinteren Schichten; in der vorderen Schicht verlaufen vereinzelte

Besondere Veränderungen finden sich an der Hinterfläche, welche zweckmässig zugleich mit denjenigen des Kamm er winkeis zu besprechen sind.

Der letztere hat seine Konfiguration1) völlig eingebüsst Die Irisfort- sätze, das Maschenwerk des Ligamentum pectinatum und das Trabeculum sclero-corneale nebst dem Plexus ciliaris sind verschwunden. Die fast im rechten Winkel abbiegende Iris adhäriert mit ihrer Wurzel der Corneo-Sklera bis zum Ende der Descemet sehen Membran vielmehr direkt ohne Zwischen- lagerung fremden Gewebes; die Verwachsungsstelle ist nur durch eine An- häufung spindelförmiger, zur Sklera parallel gerichteter Kerne ausgezeichnet (vgl. Fig. 3, Taf. VIII).

Zwischen der Iriswurzel und der Sklera liegen hie und da kleinere und grössere Haufen gelbbraunen, körnigen, die Berlinerblau-Reaktion gebenden Pigments, welches teils frei, teils in Zellen eingeschlossen liegt

Abweichungen von diesen Verhältnissen finden sich nur im obersten Teil der Circumferenz der vorderen Kammer, insofern hier die Iriswurzel

x> Es sei an dieser Stelle an den Unterschied im Bau des Kammerwinkels des Kaninchen- und Menschenauges erinnert. Die Kammerbucht ist bekanntlich beim Kaninchen nicht offen wie beim Menschen, sondern von einem lockeren Maschenwerk, dem eigentlichen Ligamentum pectinatum, eingenommen, welches hinter dem Menschen und Tieren gemeinsamen Reticulum (Trabeculum) sclero- corneale (Panaß) liegt und peripher an den Ciliarmuskel, nach hinten an die Iriswurzel angrenzt. Gegen die Augenachse hin schliessen sich an das Ligamen- tum pectinatum die sog. Irisfortsätze an, welche sich zwischen der 'Iriswurzel und der Descemet sehen Membran, bzw. dem Trabeculum sclero-corneale ausspannen. Bezüglich der Anatomie des Kammerwinkels bei Menschen und Tieren sei auf die Arbeiten von Lauber (67), Pölya(68) und Seefelder und Wolf- rum (69) verwiesen.

t. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXYI. 2. 23

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mit der Corneo-Sklera nicht gänzlich verwachsen und das Ligamentum pec- tmatum noch vorhanden ist Dasselbe ist jedoch ebenso wie das sklero- corneale Netzwerk verdichtet und teilweise obliteriert, indem die Lücken zum Teil mit einem lockeren, fibrillären Gewebe ausgefüllt sind. Der Plexus ciliaris ist durch einige Venen-Lumina angedeutet Die vorderen Ciliarvenen sind mittelweit und blutleer.

Die Hinterfläche der Hornhaut ist entsprechend der während des Lebens beobachteten, 3 bis 4 mm breiten Bandtrübung seitlich und unten von einer Gewebsschicht überzogen, welche vom Kammerwinkel d. h. vom Irisansatz ihren Ursprung nimmt

Das Gewebe bildet seitlich nur einen schmalen Überzug, welcher, gegen das Zentrum hin an Dicke abnehmend, allmählich in den normalen Endothelbelag übergeht; unten erhebt es sich dagegen bis zu Hornhautdicke, unten innen zapfenartig in die vordere Rammer vorspringend. Seine Struktur ist im ganzen diejenige fibrillären Bindegewebes; es bestehen jedoch an den einzelnen Stellen Unterschiede bezüglich der Zahl und Lagerung der Zellen und der Beschaffenheit der Grundsubstanz.

Soweit es seitlich, vom Kammerwinkel ausgehend, die Hornhäuthinter- fläche überzieht, besteht es aus dichtgefügter fibrillärer Grundsubstanz und langgestreckten Spindelzellen; der Verlauf der Fasern und Kerne ist den Hornhautlamellen parallel gerichtet

An einzelnen Stellen hat die Intercellularsubstanz eine mehr homogene Beschaffenheit, oder es sind die Fibrillen und Lamellen ähnlich dem Horn- hautgewebe angeordnet Die unten in die vordere Kammer vorragende, grössere Gewebsmasse besteht aus einer sehr lockeren fiibriUären, stellen- weise auch homogenen Grundsubstanz mit spärlichen Spindelzellen, welche sich in spitzem Winkel kreuzen, im ganzen aber den Hornhautzellen parallel gerichtet sind. Gegen das Zentrum hin geht die grössere Gewebsmasse in eine schmale Schicht über, welche vorwiegend aus langgestreckten, locker aneinander gefügten Spindelzellen mit spärlicher, fein fibrillärer Zwischen- substanz besteht Die Spindelzellen lösen sich direkt an ihren Enden in feinste Fibrillenbündel auf, welche mit Hämatoxylin einen zart bläulichen Farbenton annehmen, so dass das Gewebe im ganzen bläulich gefärbt er- scheint. Es handelt sich hier offenbar um die ersten Entwicklungsstadien des der Hinterfläche der Hornhaut aufgelagerten Gewebes, dessen ver- schiedenartige Struktur zum Teil in einer verschieden weit vorgeschrittenen Entwicklung ihre Erklärung findet

Das Gewebe, welches an seiner Oberfläche mit einer anfachen, in das normale Hornhaut- Endothel übergehenden Endothelschicht bedeckt ist, liegt der Descemetschen Membran unmittelbar auf. Es schliesst hier und da teils einzelne, teils in Haufen zusammenliegende, kleinere und grössere braune Körner und Schollen ein, welche die Berlinerblau -Reaktion geben. Sie liegen anscheinend teils frei in den Gewebsspalten, teils sind sie in Rundzellen und Spindelzellen eingeschlossen. Hier und da sieht man auch Endothelzellen mit braunen Körnchen gefüllt

Eine eingehendere Besprechung erfordern gewisse Anomalien der Descemetschen Membran. Dieselbe ist in ihrer ganzen Ausdehnung deutlich geschichtet und zwar besteht sie aus einer schmalen äusseren La-

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 347

melle, welche sich mit Hämatoxylin- Eosin und nach van Gieson dunkler färbt, und aus einer breiteren, sich heller färbenden inneren; beide Lamellen sind durch eine feine Linie deutlich voneinander geschieden. Ihre Dicke beträgt im Zentrum 0,010 mm, wovon auf das äussere Blatt 0,003 mm, auf das innere Blatt 0,007 mm entfallen, in der Peripherie 0,011 (äusseres Blatt 0,004 mm, inneres Blatt 0,007 mm). Die Dicke der Membran am normalen Auge beträgt im Zentrum 0,010 mm, in der Peripherie 0,011 mm.

Eine scheinbare Spaltung der Membran in ihre beiden Lamellen sehen wir an den Rändern der der Hornhauthinterfläche aufgelagerten Gewebs- masse auftreten, indem die innere Schicht die freie Oberfläche der Gewebs- masse allerdings nur eine kurze Strecke weit überzieht, um sich allmählich in dem Gewebe zu verlieren, während das dunkler gefärbte, schmale Blatt in kontinuierlicher Schicht zwischen dem Hornhautstroma und der Gewebs- auflagerung verläuft.

In der unteren Hornhauthälfte, wo die Gewebsauflagerung eine grössere Ausdehnung besitzt, hat das schmale Blatt, vom Kammerwinkel aus ge- gerechnet, eine Länge von 6 bis 7 mm. Es stellt eine gleichmäßig dünne Lamelle von 0,004 mm Durchmesser dar, welche grösstenteils von neu- gebildetem fibrillärem Gewebe, stellenweise jedoch auch nur von einer ein- fachen Endothelschicht bedeckt, ßich bis zum Irisansatz erstreckt.

Besonderes Interesse beanspruchen weiterhin Defektbildungen der De8oemetschen Membran.

Ein grösserer, unregelmässiger Defekt, welcher sich in horizontaler Richtung 1,6 mm, in vertikaler 3,2 mm ausdehnt, liegt unten nahe dem Kammerboden; er betrifft also die dünne (äussere), von fibrillärem Gewebe bedeckte Lamelle.

Im Bereich des von den hakenförmig nach vorn umgebogenen Rän- dern der Glashaut begrenzten Defektes ist das Hornhautstroma in den hin- teren Schichten durch seine fibrilläre unregelmässige Struktur und grösseren Kernreichtum ausgezeichnet, so dass das aufgelagerte Gewebe, welches im übrigen durch die dünne Glashaut gegen das Hornhautgewebe abgesetzt ist, hier ohne scharfe Grenze in das letztere übergeht

Ein zweiter, ebenfalls flächenhafter, unregelmässiger Defekt der Des- cemet sehen Membran findet sich im oberen nasalen Quadranten der Cornea nahe dem Limbus; er entspricht der circumscripten, parenchymatösen Trü- bung, welche sich einen Monat vor dem Tode des Tieres entwickelte. Sein Durchmesser beträgt in horizontaler und vertikaler Richtung ungefähr 2,1 : 2,6 mm.

Das periphere Rissende der Membran ist zu einer Spirale aufgerollt, welche 2x/2 Windungen aufweist. Die äussere Windung ist wesentlich dicker (0,017 mm) als die inneren (0,011 mm). Das zentrale, gerade abgeschnittene Rißßende liegt der Hornhaut glatt an. Die innere Lamelle setzt sich schein- bar direkt in die feine Glashaut fort, welche das im Bereich des Defektes der Hornhaut aufgelagerte, sich hügelartig über die Innenfläche vorwölbende Gewebe zum Teil überkleidet Dieses in seiner ganzen Ausdehnung mit Endothel bedeckte Gewebe hat eine deutliche lamelläre Struktur und geht ganz allmählich in das normale Hornhautstroma über. Es besteht aus locker verflochtenen, flachbogenförmigen Lamellen, welche einander unter spitzem

23*

348 P- Erdmann

Winkel kreuzen, im grossen und ganzen aber ebenso wie die langgestreckten Zellkerne in der Richtung der Oberfläche verlaufen. An einzelnen Stellen tritt die ursprünglich fibrilläre Struktur der Grundsubstanz noch deutlich hervor.

Die Sklera weist, abgesehen von einer Kern Vermehrung in den inne- ren Schichten des Ciliarteils, keine Strukturveränderungen auf; der Gehalt an elastischen Fasern entspricht annähernd dem normalen Auge; er ist eher etwas vermehrt als vermindert Die Sklera ist im ganzen etwas verdünnt Ihre Dicke beträgt von der Ora serrata gemessen 0,30 0,28 mm (0,34 0,35 am normalen Auge), am Äquator 0,37 0,29 (normales Auge 0,2 9 0,30 mm), am hinteren Pol 0,27 mm (normales Auge 0,31 mm).

Die Iris ist stark verdünnt und zwar die untere Hälfte weit mehr als die obere.

Im Sagittalschnitte beträgt die Länge der Iris vom Grunde der Kammer- bucht bis zum Pupillarrand oben 6,1 mm, unten 5,9 mm (normales Auge 4,9 5,2 mm). Aus diesen Massen ergibt sich schon, dass es zu keiner ausgedehnteren Irisverwachsung gekommen sein kann, was die durch Deh- nung des Ciliarteiles bedingte bedeutende Entfernung zwischen Ora serrata und Irisansatz bei oberflächlicher Betrachtung annehmen läset Der Durch- messer der Pupille beträgt 5,5 mm (4,0 mm am normalen Auge).

Die durchschnittliche Dicke der Iris, in der Mitte zwischen Pupillar- rand und Ansatz ist 0,12 mm für die untere, schmälere, 0,17 mm für die breitere, obere Hälfte (0,3 mm am normalen Auge).

Das Gewebe der Iris ist in der stark verdünnten Hälfte sklerosiert und gefäBsarm. Ihre Oberfläche ist stellenweise von einem aus Spindelzellen mit spärlicher fibrillärer Grundsubstanz bestehenden Gewebe in dünner Schicht überzogen. Die Spindelzellen, welche der Oberfläche der Iris pa- rallel gerichtet sind, schliessen vielfach feinste gelbbräunliche, die Berliner Blau -Reaktion gebende Pigmentkörnchen ein. Vereinzelte kleinere und grössere Haufen dieser Körner liegen frei oder in grossen runden Zellen (Phagocyten) eingeschlossen im Irisgewebe zerstreut Der Sphinkter ist in geringem Grade atrophiert

Die Gefässe sind von normaler Beschaffenheit Der Pupillarrand ist seitlich und unten mit einigen der am weitesten zentral gelegenen Bündeln des Sphincter pupillae nach innen umgeschlagen; oben ist das Pigmentepithel über den Pupillarrand ein wenig hinübergezogen.

Die Linse zeigt keine nennenswerten Anomalien der Struktur und Grösse. Die Zonula ist entsprechend der Grössenzunahme des Auges zu einem langen, schmalen, aus lockeren Faserbündeln bestehenden Bande aus- gezogen.

Der Glaskörper zeigt die normale fein fibrilläre Beschaffenheit Der Zellgehalt ist im vorderen Bulbusabschnitte in geringem Grade ver- mehrt

Bei Betrachtung des Ciliarkörpers tritt die ausserordentliche Dehnung des Ciliarteiles des Glaukom-Auges deutlich hervor. Die Entfernung der Ora serrata von dem Kammerwinkel (Irisansatz) beträgt das 3 4 fache der normalen. Der Ciliarkörper und der Orbiculus ciliaris sind dement- sprechend stark in die Länge gezogen; der Ciliarmuskel ist atrophisch; die

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 349

in die Länge gezogenen Ciliarfortsätze sind in massigem Grade sklerosiert und enthalten weite, prall mit Blut gefüllte Venen.

Das Epithel der Ciliarfortsätze ist nicht verändert, es finden sich jedoch hier und da blasige, mit geronnener Masse gefüllte Abhebungen.

Im Bereich des Orbiculus ciliaris ist das Cylinderepithel im ganzen etwas niedriger als das des normalen Auges, im übrigen sind beide Blätter der Pars ciliaris retinae unverändert

Die Aderhaut ist in der hinteren Bnlbnshälfte von normaler Be- schaffenheit, in der vorderen weist sie eine nach der Ora serrata an Stärke zunehmende Atrophie auf; sie ist hier auf grössere Strecken mit der atro- phischen Netzhaut verwachsen.

Die Netzhaut des Glaukom- Auges ist bis zum Äquator, diejenige des normalen Auges bis zur Ora serrata durch die Präparation von ihrer Unterlage abgelöst. Tiefgreifende Veränderungen weist sie in der vorderen Hälfte des Buphthalmus zwischen dem Äquator und der Ora serrata auf.

Die Membran nimmt nämlich vom Äquator nach vorn unter Ver- schmälerung sämtlicher Schichten, insbesondere aber der Ganglienzellen- und Nervenfaser-Schicht und der musivischen Schicht an Dicke ab; die beiden, sehr verdünnten Eörnerschichten verschmelzen schliesslich zu einer Schicht, während die Stäbchen- und Zapfen-Schicht ganz schwindet Die Ganglien- zellen- und Nervenfaser- Schicht ist von spärlichen kleinsten Vakuolen durchsetzt Die Ganglienzellen sind zum Teil vakuoliaiert und entbehren der Nissl- Schollen.

Etwa l1/8mm von der Ora serrata endlich besteht die Retina nur noch aus einer schmalen Schicht gliösen Gewebes, in welchem noch verein- zelte Körner- und Ganglienzellen erkennbar sind. Die gliös entartete Retina ist hier mit der aus einem gefässarmen, fibrösen Gewebe bestehenden Ader- haut fest verwachsen; die Pigmentschicht fehlt auf grössere Strecken, an einigen Stellen ist sie gewuchert, oder es ist das Pigment nach vorn in die entartete Netzhaut eingewandert

Oben nahe dem Äquator findet sich in der eine Verschmälerung ihrer sämtlichen Schichten aufweisenden Netzhaut ein isolierter Herd, in dessen Bereich die gliös entartete, von Pigmentschollen durchsetzte Netzhaut mit der an dieser Stelle atrophischen Aderhaut verwachsen ist.

In der hinteren Bulbushälfle weist die Netzhaut, abgesehen von einer geringen Verschmälerung der Nervenfaserschicht, weder in Hinblick auf ihre Dicke noch auf ihre feinere Struktur wesentliche Abweichungen von der des normalen Auges auf, dagegen ist bei der Markscheidenfarbung nach Weigert eine beträchtliche Verminderung der Zahl der von der Papille ausstrahlenden markhaltigen Nervenfasern zu konstatieren.

An dem Sehnerven war schon makroskopisch eine ungewöhnlich breite und tiefe, eine ampullenförmige Auftreibung seines peripheren Endes bedingende Excavation aufgefallen.

Die grösste Breite der Excavation an der Skleralpforte (in der Sagittal- ebene gemessen) beträgt 2,75 mm (am normalen Auge 1,25 mm), ihre Tiefe, gemessen vom Grund bis zu der durch die Lamina elastica chorioideae gelegten Ebene beträgt 2,37 mm (am normalen Auge 0,25 mm).

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es sich nicht um eine ein-

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fache Excavation des Sehnenren handelt, sondern dass die angrenzende Skleralwand mit den inneren Augenhäuten im ganzen Umfange des Foramen sclerae mit in die Excavation hineingezogen ist Man sieht nämlich die Skleralwand kurz vor der ursprünglichen Skleralpforte in scharfem Knick nach rückwärts umbiegen und, stark gedehnt, allmählich in die Duralscheide des kesseiförmig excavierten Sehnerven Übergehen. Der nach aussen um- gebogene Teil der Skleralwand ist stark verdünnt, in der oberen Hälfte der Excavation stärker als in der unteren; die Sklera hat dort nur eine Dicke von 0,06 mm, während die Gesamtdicke der aus der Sklera und den inneren Augenhäuten bestehenden Wand der Excavation stellenweise nur 0,1mm beträgt Die in die Excavation hineingezogenen inneren Augenhäute sind stark atrophiert; die beiden EörnerBohichten der Netzhaut sind zu einer Schicht zusammengeflossen, welche kleinere und grössere Lücken aufweist Die Nervenfaserschicht ist beträchtlich verschmälert

An den Markflügeln ist die Zahl der markhaltigen Fasern stark ge- lichtet

Was den Optikus selbst betrifft, so ist ein beträchtlicher Schwund der Nervenfasern, insbesondere im Zentrum, zu konstatieren; in der Peripherie werden jedoch noch gut erhaltene Faserbündel nachgewiesen. Das Stütz- gewebe ist gewuchert und kernreich; das Optikusgewebe weist stellenweise kleinste Vakuolen und Spalten auf.

Auf Querschnitten durch den Optikus, etwa 6 mm hinter dem Bulbus, erweist sich bei der Weigert sehen Markscheidenfärbung die Zahl der Nerven- fasern sehr ungleichmässig verringert Während in einzelnen Bezirken die Bündel noch sehr zahlreiche Fasern aufweisen, sind andere ihrer Nerven- fasern zum grössten Teil beraubt Das Stützgewebe ist gewuchert und kernreich.

Die Scheiden, insbesondere die Duralscheide und die Septen des Optikus sind im Bereich der Excavation auffallend reich an elastischen Elementen.

Die Retinalgefässe sind eng, ihre Wandungen etwas verdickt

Die Vortexvenen weisen keine Veränderungen auf.

Aus dem angeführten Versuchsprotokoll und der anatomischen Untersuchung ergibt sich, kurz zusammengefasst, folgendes:

Im Anschluss an die elektrolytische Zerlegung des Kammer- wassers mittels einer Stahlnadel als positive Elektrode, wobei fein- körnige Niederschläge in der vorderen Kammer abgesetzt wurden, entwickelte sich zunächst eine unbedeutende Entzündung im vorderen Bulbusabschnitt, welche sich vorwiegend in einer zarten parenchyma- tösen Trübung der Cornea und Hyperämie der Iris zu erkennen gab. Am zweiten Tage trat unter Zunahme der entzündlichen Erschei- nungen eine anfangs nur geringe Drucksteigerung auf, welche, schnell zunehmend, zu bedeutender Vergrösserung des ganzen Auges und zu enormer Verbreiterung und Vertiefung der Sehnervenexcavation führte. Die Spannung liess nach einigen Wochen, nachdem die Ver- grösserung einen hohen Grad erreicht hatte, nach, hielt sich jedoch

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 351

während der ganzen Beobachtungszeit, die annähernd 3 Monate be- trug, auf übernormaler Höhe.

Die anatomische Untersuchung ergab als wichtigsten Befund eine fast über die ganze Circumferenz der vorderen Kammer sich erstreckende Obliteration des Kammerwinkels, welche als die Ursache der Drucksteigerung mit ihren Folgezuständen angesprochen werden muss. Die Obliteration des Kammerwinkels stellt jedoch nur das Endresultat der Veränderungen im vorderen Abschnitt des Augapfels dar, welche dem elektrolytischen Prozesse zugeschrieben werden müssen. Über diese dem Eingriff unmittelbar folgenden und zur Obliteration des Filterwerks im Kammerwinkel führenden Veränderungen Auf- schluss zu erhalten, musste die nächste Aufgabe sein.

Zu diesem Zweck galt es, sich zuerst über die durch den elek- trolytischen Prozess bewirkte chemische Veränderung des Kammer- wassers und insbesondere über die chemische Zusammensetzung der an der positiven Stahlelektrode ausgeschiedenen feinflockigen gelb- grauen Masse zu orientieren, welche, wie die mikroskopische Unter- suchung zeigt, aus kleinen, gelblichen, in lockeren unregelmässigen oder auch rundlichen Haufen zusammenliegenden Körnchen von Cokken- Grösse besteht Um über das Endresultat der chemischen Vor- gänge, welche offenbar durch die Abscheidung von Cl an der posi- tiven Elektrode aus dem NaCl des Kammerwassers eingeleitet werden, sicheren Aufschluss zu erhalten, unterwarf ich das Kammerwasser einer grösseren Anzahl Binder- und Schweinsaugen in der angegebenen Weise der Elektrolyse, wobei die negative Elektrode am Äquator des Bulbus aufgesetzt wurde. Das Kammerwasser wurde alsdann durch Punktion entleert, um der chemischen Analyse unterworfen zu werden.

Die chemische Untersuchung, welche ich der grossen Liebens- würdigkeit des Herrn Professor Kobert verdanke, ergab das Vor- handensein von Eisen in der Oxydform im Filtrat, und der gleichen Eisenform neben der Oxydulform im Bückstande. Die Beaktion der schmutzig gelbbraunen Flüssigkeit war schwachsauer; freie Salzsäure war nicht nachweisbar.

Die folgenden Versuche gestalteten sich so, dass die Augen in bestimmten Zeiträumen nach dem Eingriff enucleiert und anatomisch untersucht wurden. Die zwischen dem Versuche und der Enucleation liegende Zeit betrug 8/4 Stunden, 2, 5 und 7 Tage.

Die Versuchsanordnung wurde nach Stromstärke, Dauer der Elektrolyse und zum Teil auch hinsichtlich der Ansatzstelle und Form der Elektrode modifiziert

352 ?• Erdmann

Bei der Wiedergabe der Protokolle beschränke ich mich auf das Notwendigste.

Versuch 24. 26. I. 06. Ausgewachsener Albino (Z).

Negative Elektrode in Gestalt eines mit Stoff überzogenen Knopfes yon 5 mm Durchmesser nasal und oben zwischen Ldmbus und Äquator aufgesetzt, positive Elektrode als feine Punkturnadel von Stahl, nahe dem Limbus oben durch die Cornea in die vordere Kammer eingeführt

Stromstärke 50 MA, Dauer der Elektrolyse 50 Sekunden. Äthernarkose.

Der Stromschluss bewirkt eine Kontraktion der circumcornealen Gefässe und der Gefässe der Iris, welche unter dem Einfluss des Äthers stark ge- füllt sind; ausserdem tritt eine vorübergehende Miosis ein. Nach Beendigung des Experiments wird folgender Befund erhoben:

An der Ansatzstelle der negativen Knopfelektrode erscheint das Ge- webe der Conjunctiva und Episklera in einer Ausdehnung, welche etwa dem doppelten Umfange der Elektrode entspricht, weissgrau verfärbt, ge- quollen und strukturlos; auch das angrenzende Hornhautgewebe ist im oberen nasalen Quadranten in der Peripherie dicht grauweiss getrübt und gequollen.

Die Hornhaut ist im übrigen bis auf die Einstichöffnung der positiven Elektrode klar. Die Umgebung des Stichkanales, in welchem schwarze, von der Stahlnadel beim Herausziehen abgestreifte Eisenpartikelchen liegen, ist rostbraun verfärbt und undurchsichtig. Vereinzelte Bröckel der schwarzen Eisenmasse liegen an der Hornhauthinterwand und auf der Iris. Die letztere sowie das Kammerwasser haben einen leicht gelbbräunlichen Farbenton angenommen. Die Iris ist mit kleineren und grösseren gelblichen Eisen- partikelchen »bedeckt; eine grössere Menge der Eisenflocken liegt auf dem Kammerboden. Die Iris ist stark hyperämisch.

Die Pupille ist schräg oval verzogen und reagiert sehr träge. Die Spannung des Auges ist leicht herabgesetzt

Das Tier wird 3/4 Stunden nach dem Eingriff getötet; die Augen kommen sofort in das Müller-Formolgemisch.

Mikroskopischer Befund.

Der Ansatzstelle der negativen Elektrode entsprechend, fehlt das Epithel der Conjunctiva bulbi gänzlich. Das verdickte episklerale Gewebe besteht aus stark gequollenen, homogenen Bindegewebsbündeln, deren Kerne nicht mehr färbbar sind. Der der Ansatzstelle entsprechende Teil der Sklera ist weniger verändert; die Bindegewebslamellen sind leicht gequollen und weniger deutlich konturiert. Die Kerne sind vergrössert und färben sich blasser.

Hochgradige Veränderungen weisen die Aderhaut und vor allem die Netzhaut auf; dieselben haben im Bereich der Elektrode ihre Struktur fast ganz eingebüsst Das Gewebe der Aderhaut ist unmittelbar unter der Ansatzstelle der Elektrode stark gequollen; die weiten Gefässe sind mit einer homogenen Masse gefüllt. In der weiteren Umgebung sind die Gefässe erweitert und prall mit Blut gefüllt. Die Netzhaut, welche durch Bluterguss und Exsudat von ihrer Unterlage abgehoben ist, stellt eine stark verbreiterte, homogene Membran dar, an welcher sich eine innere,

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 353

mit Hämatoxylin sich diffus blauftrbende, den zusammengeflossenen Körnern entsprechende und eine äussere, hellere Schicht unterscheiden lassen; die letztere entspricht der gequollenen Stäbchen- und Zapfenschicht Mit zu- nehmender Entfernung von der Ansatzstelle erhalten Aderhaut und Netzhaut allmählich ihre normale Struktur wieder; an der Netzhaut können zuerst wieder die Körnerschichten unterschieden werden, während die Ganglien- zellen- und Stäbchen- und Zapfenschicht erst in grösserer Entfernung wieder normale Struktur aufweisen.

Die gleiche Quellung des Stromas und schlechte Färbbarkeit der Kerne wie die Sklera weisen die anliegenden Teile des sehr blutreichen Ciliar- körpers und der Iriswurzel auf, während die Hornhaut im Bereich der zungenförmigen Randtrübung stark gequollen und ihres Epithelüberzuges beraubt ist

Die direkte Wirkung der positiven Elektrode gibt sich in einer rost- braunen Färbung und Quellung des Parenchyms in der Umgebung des Stichkanals zu erkennen; die Verfärbung hat sich von hier aus nach ver- schiedenen Richtungen über die oberflächlichsten Lagen des Stromas ver- breitet; ausserdem haben einzelne der schmalen, sich dunkel färbenden Fusszellen der Epitheldecke eine gelbbraune Färbung angenommen. Der Stichkanal selbst ist mit grösseren braunschwarzen Eisenpartikeln und einer feinkörnigen, schmutzig gelben Blasse ausgefüllt

Die Descemetsche Membran ist an der inneren öfihung des Stich- kanals zerrissen, das eine Ende der Lamelle hat sich von der Unterlage abgelöst und ragt in die vordere Kammer vor.

Die vordere Kammer ist zu einem kleinen Teil mit einer zarten, lockeren, gelbbräunlich gefärbten Fibrinmasse ausgefüllt, in welche kleinere und grössere Haufen der oben beschriebenen, feinstkörnigen, schmutzig gelben Eisenkörnchen eingelagert sind.

Kleinere und grössere Haufen der Eisenkörnchen liegen weiterhin der Irisoberfläche und der Innenfläche der Hornhaut an. Die Maschenräume des Ligamentum pectinatum und des Trabeculum Bclero-corneale sind im ganzen Umfang der vorderen Kammer, besonders aber unten, wo die Hauptmenge des Eisens abgelagert ist, mit Eisenkörnchen mehr oder weniger reichlich erfüllt Das Gewebe des Ligamentum pectinatum sowie das angrenzende sklero-corneale Gewebe um den Plexus cih'aris haben eine gelbbräunliche Färbung angenommen.

Während der grössere Teil der Eisenkörnchen auf der Oberfläche oder in den Krypten der Iris liegt, findet man sie stellenweise auch in der vor- deren Grenzschicht des Irisstromas selbst liegen, und zwar teils unregel- mässig zerstreut, teils in kleinen lockeren Haufen.

Das Irisgewebe weist eine schmutzig gelbbraune Färbung auf, welche besonders in der vorderen und mittleren Schicht hervortritt. Wesent- lich dunkler ist die Verfärbung rund um die Venenlumina, so dass die Venen von dunklen, braungelben Mänteln umgeben erscheinen. Bei starker Vergrösseruug zeigt sich, dass die Verfärbung des Gewebes nicht so- wohl auf einer Einlagerung der in geringer Menge in das Irisgewebe ein- gedrungenen Eisenkörnchen, als vielmehr auf einer diffusen Färbung des Irisstromas beruht

354 P- Brdmann

Über die chemische Natur der färbenden Substanz gibt die Behand- lung der Schnitte mit Salzsäure und Ferrocyankalium Aufschhiss. Man sieht alsdann das braungelbe Gewebe diffus hell bläulich gefärbt, die Gefäss- lumina aber von dunkelblauen Mänteln umgeben. Es ist demnach die Färbung auf im Kammerwasser gelöstes, mit dem Flüssigkeitsstrom in die Iris eingedrungenes Eisen zurückzuführen. An den Irisgefässen fällt eine abnorme Weite auf; sie sind teils prall mit Blut, teils mit einer homogenen, geronnenen Masse gefüllt Das Gleiche gilt für die Gefasse des Ciliar- körpers und der CiliarfortBätze. Der übrige Befund am Auge ist normal.

Versuch 14. 13. XI. 05. Noch nicht ausgewachsener Albino (E). -f~ Pol: Stahlnadel in die vordere Kammer durch die Cornea ein- geführt; Pol: Platte (7,0:3,5 cm) auf dem Rücken aufgesetzt Strom- stärke: 3,5 MA. Dauer der Elektrolyse: 2 Minuten.

Befund, eine Stunde nach dem Eingriff: Massig starke Injektion und Chemosis. Cornea, abgesehen von der rostbraun tingierten Umgebung des Stichkanals völlig klar. Das Kammerwasser hat einen gelblichbraunen Far- benton angenommen. Auf der Linsenkapsel und Iris vereinzelte feinkörnige, graugelbe Niederschläge.

15. XI. Chemosis und Injektion zurückgegangen. Cornea zentral, zart, wolkig, parenchymatös getrübt Befund im übrigen nicht verändert Spannung normal. Getötet Die Augen kommen gleich nach dem Tode in das Müller-Formolgemisch.

Mikroskopischer Befund.

Der Stichkanal in der Hornhaut und seine Umgebung weisen den- selben Befund wie im vorigen Falle auf; jedoch fehlen hier die grösseren schwarzen Eisenpartikel. Das Hornhautparenchym ist stellenweise leicht ge- quollen, im übrigen aber durchaus normal.

Der Hornhauthinterfläche haften nur vereinzelte kleinere und grössere Eisenpartikel an. Die kleineren liegen den steilenweise etwas vergrösserten und gequollenen, vielfach mit Eisenkörnchen beladenen EndothelzeUen, die grösseren aber der Descemetschen Membran direkt auf.

Auf der Iris finden sich hier und da kleinere Haufen der feinstkör- nigen, gelblichen Eisenmasse. Dieselbe ist stellenweise auch in die ober- flächlichen Schichten des Irisstromas eingedrungen und liegt hier in Form kleiner Haufen teils frei, teils in kleineren und grösseren Rundzellen (Pha- gocyten) eingeschlossen im Gewebe zerstreut. Eine diflus gelbbraune Fär- bung des Irisgewebes findet sich auch hier, sie ist jedoch weniger intensiv und auf einzelne Stellen beschränkt; ebenso beobachtet man eine intensivere Färbung um die Gefasslumina. Die Gefässe sind auffallend weit und grössten- teils prall mit Blut gefüllt

Die Eisenmasse, welche auch in diesem Falle und zwar besonders reichlich in der unteren Bulbushälfte im Kammerwinkel zwischen den Iris- fortsätzen und im Maschenwerk des Ligamentum pectinatum und im Trabe- culum sclero-corneale zu finden ist, hat eine geringgradige Emigration mehr- kerniger Leukocyten und kleinerer und grösserer Rundzellen ausgelöst Man sieht nämlich in der Peripherie sowohl wie zwischen der locker liegenden

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 355

körnigen Masse mehrkernige weisse Blutkörperchen und Rundzellen liegen, welche zum Teil Eisenkörnchen in sieh aufgenommen haben.

Die die eisenerfüUten Bäume des Maschenwerkes auskleidenden Endo- thelzellen sind hier und da vergrössert und haben eine unregelmässige poly- edrische oder auch langgestreckte spindelförmige Gestalt angenommen; ein- zelne Zellen der letzteren Form ragen in das von lockerer Eisenmasse erfüllte Lnmen vor; viele Zellen schliessen Eisenkörnchen in sich ein.

Der weitaus grösste Teil des Filterwerkee ist frei von Eisen und eingewanderten Zellen.

Der übrige Befund am Auge ist normal.

Versuch 16. 22. XI. 05. Kaninchen 0. Dieselbe Versuchsanord- nung wie im vorhergehenden Falle. Stromstärke 5 MA. Dauer 2 Minuten.

Der anfängliche Verlauf unterschied sich nur wenig von dem letzt- beschriebenen Falle. Die Elektrolyse und ihre Produkte, die nur in ge- ringer Menge auf der Iris, der Hornhauthinterfläche und auf dem Kammer- boden abgesetzten Eisenteilchen, verursachten in den ersten 3 Tagen geringe Beizerscheinungen als conjunctivae Injektion und Chemosis, sowie eine zarte, fleckige Hornhauttrübung und eine Hyperämie der Iris. Diese Erscheinungen bildeten sich jedoch in den nachfolgenden Tagen bereits zurück, so dass das Auge bei der am 5. Tage vorgenommenen Tötung des Tieres nur noch Spuren der entzündlichen Veränderungen aufwies.

Von den in der vorderen Kammer ausgeschiedenen Oxydationsprodukten des Stahles waren die kleinsten auf der Iris und im Kammerwinkel nieder- geschlagenen Partikelchen zum grössten Teil bereits resorbiert, grössere Flocken hatten eine Verkleinerung ihres Umfangee erfahren.

Der anfangs etwas herabgesetzte Druck hatte am 3. Tage seine nor- male Höhe wieder erreicht und hielt sich bis zum Tode des Tieres auf gleicher Höhe.

Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte sieh das lockere Bindegewebe der Conjunctiva von wenigen Bundzellenhaufen durchsetzt; die Gefässe waren blutreich.

Das Hornhautparenchym war stellenweise gequollen; in der Peri- pherie war der Gehalt an Wanderzellen etwas vermehrt Die Endothel- zellen schlössen vielfach Eisenkörnchen ein. Grössere, auf der Hornhaut- hinterfläche abgesetzte Eisenmassen waren von einem Saum gewucherter, langgestreckter spindelförmiger Endothelzellen umgeben, welche in die Eisen- masse hinein wucherten, oder sich vom Bande aus eine Strecke weit auf ihre Oberfläche vorschoben.

In der Peripherie oben war die Descemetsche Membran in grösserer Ausdehnung von einer dünnen Schicht, der Hornhautoberfläche parallel ge- lagerter Spindelzellen bekleidet, zwischen welchen vereinzelte feinere und gröbere Eisenpartikel lagen.

Im Kammerwinkel zwischen den IrisfortBätzen und den Maschen des Ligamentum pectinatum und des Trabeculum war die Eisenmasse nur in der unteren Hälfte der Kammer in grösserer Menge anzutreffen.

Die teils freiliegende, teils in grossen Phagocyten eingeschlossene Eisen- masse war ausser von vereinzelten multinucleären Leukocyten und Bund- zellen vorwiegend von langgestreckten oder polyedrischen Zellen eingeschlossen,

356 P- Erdmann

welche von dem Balkenwerke des Ligamentum pectinatum in das Lumen einwuchsen und gewucherte Endothelzellen darstellten (vgl. Flg. 8, Taf. IX).

Eine gleiche Wucherung der Endothelzellen hatte die auf der Irisober- fläche abgesetzte Eisenmasse ausgelöst. Die Eisenmasse, welche in den Krypten oder in grubigen Vertiefungen der Oberfläche lag, war von ge- wucherten, spindelförmigen Endothelzellen, sowie Rundzellen und grossen eisenbeladenen Phagocyten umgeben bzw. bedeckt Einzelne grössere eisen- haltige Zellen fanden sich im Irisgewebe zerstreut Das Irisgewebe selbst war, abgesehen von einer unbedeutenden Hyperämie, normal.

Im hinteren Augenabschnitte konnten keine Veränderungen wahrgenommen werden.

Versuch 20. 12. XII. 05. Junger Albino ungefähr 5 Monate alt (G I).

+ Pol: Stahlnadel durch die Cornea in die vordere Kammer eingeführt Pol: Platte (7,0 : 3,5 cm) auf dem Rücken des Tieres. Stromstärke 15 MA. Dauer 1 Minute.

Nach dem Eingriff werden eine massige Injektion und beträchtliche Chemosis festgestellt Die Cornea ist abgesehen von dem Stichkanal, wel- cher mit schwarzen Eisenpartikeln gefüllt ist, völlig klar. Auf der hyperämi- schen Iris und auf der Linsenkapsel finden sich Niederschläge von graugelb- licher Eisenmasse; eine grössere Menge der letzteren hat sich auf den Boden der vorderen Kammer gesenkt. Pupille, etwas vorgezogen, reagiert träge.

1 3. XII. Zarte, wolkige, parenchymatöse Trübung des Hornhautzentrums. Befund sonst unverändert

14. XII. Spannung palpatorisch deutlich erhöht. Starke pericorneale Injektion und Chemosis. Cornea in ganzer Ausdehnung zart wolkig (cirrhus- artig) parenchymatös getrübt Hyperämie der Iris hat zugenommen. Pupille übermittelweit, nach unten verzogen.

16. XII. Das Auge erscheint etwas vergrössert, die Cornea vorgewölbt Die vordere Kammer ist tief. Die Trübung der Hornhaut hat an Dichte noch etwas zugenommen, die Iris ist jedoch noch gut erkennbar. Von der Peripherie her schieben sich oberflächliche Gefässe auf die Cornea vor. Unten hat sich ein erbsengrosses Ciliarstaphylom entwickelt, welches im Laufe des Tages unter geringem Glaskörperverlust perforiert. Die Eisenmasse am Boden der vorderen Kammer ist in dünner Schicht mit tibrinartiger grauer Masse bedeckt.

Die beträchtlich erhöhte Spannung sinkt nach Perforation des Staphy- loms unter die Norm.

18. XII. Die Perforationsöffnung des Staphyloms ist durch graue Ex- sudatmasse verschlossen; das Staphylom hat an Umfang etwas zugenommen. Der Gefässring der Cornea ist oben und besonders unten beträchtlich breiter als seitlich. Die Oberfläche der Hornhaut ist fein gestippt, die Sensibilität ist beträchtlich herabgesetzt Die Trübung hat nicht weiter zugenommen. Die Iris ist stark hyperämisch. Die Pupille ist unregelmässig, nach unten verzogen. Das Auge erscheint wesentlich grösser als das andere. Die Spannung ist palpatorisch deutlich (50 mm Hg, Fick) erhöht

19. XII. Exitus.

15,5 (

77

n

11,9 ),

16,7 (

n

7)

14,5 V

16,0 (

??

17

15,0 ),

16,0 (

»

11

15,0 ).

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 357

Makroskopischer Befand, Nach der gleich nach dem Tode vorgenommenen Enucleation der Augen tritt der Grössenunterschied zwischen dem operierten und normalen Auge noch deutlicher hervor.

Die äusseren Masse beider Augen sind folgende:

Vertikaler Hornhautdurchmesser 13,0 mm (normales Auge 10,9 mm),

horizontaler

sagittaler Durchmesser

vertikaler

horizontaler Fixierung in Formollösung.

Beide Augen werden in Serienschnitte parallel dem vertikalen Meri- dian zerlegt.

Eine Betrachtung der Schnitte zeigt , dass die Dehnung vorwiegend die vordere Hälfte und zwar insbesondere die Ciliargegend des Glaukom- auges betroffen hat, die Skleralfurche ist völlig verstrichen. Die linse ist im ganzen etwas nach rückwärts verlagert, ausserdem ist sie schief gestellt, indem ihr unterer Rand weiter nach hinten liegt als der obere. Infolge der Rück- wärtslagerung der Linse sowohl als auch insbesondere infolge der Vergrös- serung des von den Giliarfortsätzen gebildeten Ringes findet man die Iris, ebenso wie im Versuch 4, in einer Ebene ausgespannt; der Ciliarteil der Iris ist überdies nach der hinteren Kammer vorgebuchtet Die Kammer- bucht ist infolgedessen stark erweitert und abgerundet. Dementsprechend ist auch die Gestalt der abnorm tiefen und umfangreichen vorderen Kammer auf dem Durchschnitt eine wesentlich andere als am normalen Auge. Die direkte Entfernung des Hornhautscheitels von einer durch das äusserste Ende der Kammerbucht gelegten Ebene beträgt am vergrößerten Auge 3,5 mm; am normalen 4,5 mm. Die Entfernung vom Hornhautscheitel bis zum vorderen Linsenpol 3,5 bzw. 2,6 mm. Hieraus folgt, dass ebenso wie beim Kaninchen I (Versuch 4) die abnorme Tiefe der vorderen Kammer nicht sowohl, wie es während der Beobachtungszeit den Anschein hatte, auf einer Vorwölbung der Hornhaut als vielmehr auf einer Abflachung des Iriskegels beruht

Mikroskopischer Befund. Das subepitheliale Bindegewebe der Conj uncti va ist kleinzellig infiltriert; die Blutgefässe sind prall gefüllt; unten im Bereich des Giliarstaphyloms ist das episklerale Gewebe von roten und mehrkernigen weissen Blutkörperchen durch- setzt Der Obergang des Bindehautepithels in das der Hornhaut erfolgt in der oberen Bulbushälfte etwa 0,5 mm nach vorn vom Kammerwinkel, in der unteren dagegen in gleicher Höhe mit dem Kammerwinkel, am Kam- merboden aber, wo die Irisperipherie eine kurze Strecke mit der Cornea verwachsen ist, 0,5 mm hinter dem Kammerwinkel.

Die Epitheldecke der Cornea ist in den zentralen Partien abnorm dünn; die Basalzellen sind auffallend niedrig und unregelmässig gestellt; in der Peripherie ist die Epithelschicht ungleichmSssig verdickt; sie besteht hier aus einer Lage langgestreckter, dicht gedrängt stehender Basalzellen und einer 5- bis 6 fachen Lage platter Zellen. Die Dicke der Hornhaut ent-

358 P- Erdmann

spricht derjenigen des normalen Angea, Das Parenchym ist peripher in seiner ganzen Dicke von einem dichten Gefässnetz durchzogen und sehr reich an multinudeären Leukocyten und fixen Zellen. Die zentralen Teile der Hornhaut sind frei von Gefassen; die Hornhautlamellen und die fixen Zellen sind hier stark gequollen; die Zahl der Wanderzellen ist etwas ver- mehrt. Die Hornhauthinterfläche ist hier und da mit kleineren und grösseren Haufen der feinkörnigen Eisenmasse bedeckt, eine grössere kompakte Masse liegt auf dem Kammerboden. Die Eisenpartikel setzen sich wie in den vorhergehenden Fallen aus kleinsten, schmutzig gelblichen Körnchen zusam- men, welche in Haufen von sehr wechselnder Grösse mehr oder weniger festgeballt zusammenliegen, oder in kleineren einkernigen oder grösseren, meist mehrkernigen Rundzellen (Phagocyten) eingeschlossen sind. Einzelne Elsenpartikel liegen den Endothelzellen der Descemetschen Membran, welche hier und da Eisenkörnchen einschließen, auf; wo dieselben in grösseren Haufen der Hinterwand der Hornhaut anliegen, fehlt das Endothel; die Eisenmasse liegt vielmehr unmittelbar der Descemetschen Membran auf. Kammerwärts ist sie mit einer einfachen oder mehrfachen Lage platter oder spindelförmiger Zellen bedeckt, welche sich unmittelbar in die ver- grösserten Endothelzellen der Umgebung fortsetzen und zweifellos aus einer Wucherung der letzteren hervorgegangen sind (vgl. Flg. 9, Taf. IX). In- mitten der Eisenmasse werden ferner einzelne Zellkerne wahrgenommen. An andern Stellen ist die Descemetsche Membran in grosser Ausdehnung mit einer dünnen, aus langgestreckten Spindelzellen bestehenden Gewebs- schicht überzogen, welche nur vereinzelte Haufen von Eisenkörnchen ein- schliesst Die am Boden der vorderen Kammer liegende, kompakte Eisen- masse füllt den Kaum zwischen Iris und Cornea bis zu 0,6 mm Höhe aus und erstreckt sich von da an der Hornhauthinterwand, langsam an Dicke abnehmend, etwa 1,3 mm weit nach oben. Die Masse liegt der ihres Endo- thels beraubten Descemetschen Membran unmittelbar auf, gegen die vor- dere Kammer hin ist sie mit einer Gewebsschicht bedeckt, welche aus dicht gedrängt liegenden, parallel zur Oberfläche gerichteten Spindelzellen mit spärlicher, fibrillärer Zwischensubstanz besteht Dieses Gewebe, welches, nach oben schmäler werdend, allmählich in das normale Endothel übergeht, stellt unten im Kammerwinkel eine feste Verbindung der Cornea bzw. der Eisenmasse mit der Irisperipherie her.

Wir sehen weiterhin, dass die Eisenmasse hier vom Kammerwinkel aus in schmaler Schicht, meist in grosse Rundzellen eingeschlossen, in die Lymphspalten zwischen dem Ciliarmuskel und der Sklera und in den Perichorioidealraum gegen die Ora serrata hin vorgedrungen ist, und dass sie zu einer ausgedehnten Zellwucherung Veranlassung gegeben hat

Es ist nämlich die Eisenmasse in eine schmale Schicht neugebildeten Gewebes eingeschlossen, welches aus langgestreckten, in parallelen Reihen angeordneten, vereinzelte Eisenkörnchen einschliessenden Spindelzellen mit spärlicher fibrillärer Grundsubstanz besteht.

Dieses Gewebe, welches augenscheinlich aus einer Wucherung der die Lymphspalten auskleidenden Endothelien hervorgegangen ist und mit dem den Kammerwinkel und die Maschenräume des Ligamentum pecrinatum und Trabeculum ausfüllenden gleichartigen Gewebe in direkter Verbindung

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 359

steht, erstreckt sich wesentlich weiter als die Eisenmasse selbst zwischen Aderhaut und Lederhaut gegen die Ora serrata.

Im Bereich des Staphyloms ist die vorgetriebene Sklera beträchtlich verdickt und dicht von Zellen durchsetzt Die letzteren bestehen fast aus- schliesslich aus parallel zur Oberfläche verlaufenden langen Spindelzellen (gewucherten Skleralzellen), sowie aus spärlichen, in lockeren Haufen lie- genden Rundzellen und multinucleären Leucocyten. Die Zahl der letzteren ist in der Nähe der Perforationsöflhung beträchtlich vermehrt.

Die Perforationsöflhung selbst ist durch eine aus verdichtetem Glas- körper und Fibrin bestehende Gewebsmasse verschlossen, in welche ein- und mehrkernige Leukocyten sowie rote Blutkörperchen eingeschlossen sind. Von der Skleralwand schieben sich langgestreckte Spindelzellen in die Gewebsmasse vor.

In der weiteren Umgebung des Staphyloms sind der lang ausgezogene Ciliarkörper und die angrenzenden Teile der Iris, sowie die Ciliarfortaätze ausserordentlich hyperämisch. Das Gewebe ist stark gequollen. Zwischen den Ciliarfortsätzen liegen kleine und grosse Blutextravasate.

Während die Irisperipherie am Kammerboden infolge der hier in grösserer Menge niedergeschlagenen Eisenmasse mit der Cornea in grosser Ausdehnung verwachsen ist, ist sie in der übrigen Gircumferenz nur an ihrer Wurzel mit der Corneo-Sklera fest verbunden. Es werden nämlich im Kammerwinkel die Irisfortsätze sowohl wie das Maschenwerk des Liga- mentum pectinatum und das Trabeculum sdero-corneale vermisst. An ihrer Stelle findet sich eine aus parallel nebeneinander liegenden Spin- delzellen mit spärlicher fibrillärer Zwischensubstanz bestehende Gewebs- masse, welche die Iriswurzel fest mit der Corneo-Sklera verbindet und sich eine kurze Strecke zwischen beiden gegen die Ora serrata er- streckt

Kleinere und grössere Haufen von Eisenkörnchen, welche in diesem Gewebe teils frei, teils in Zellen eingeschlossen liegen, lassen erkennen, dass die Gewebsneubildung auch hier durch den Reiz in die Abflusswege gelangten Eisens zu stände gekommen ist. Der Plexus ciliaris ist in die Gewebswucherung eingeschlossen und nicht mehr nachweisbar. Die vorderen Ciliarvenen sind eng und blutleer. Die vordere Kammer ist zu einem Teil von einer homogenen Gerinnungsmasse ausgefüllt, in welche Rund- zellen und Eisenpartikelchen eingeschlossen liegen.

Die Iris ist in dem ciliaren, nach rückwärts ausgebuchteten Teil ver- schmälert und atrophisch; das Gewebe ist im übrigen stellenweise etwas gequollen. Die Blutgefässe sind weit und prall mit Blut gefüllt. Die Pig- mentepithelschicht ist stellenweise durch eine homogene, geronnene Exsudat- masse von der Unterlage flach abgehoben.

Im Irisstroma selbst liegt hier und da eine grosse, runde, mit Eisen beladene Zelle; grössere Eisenmassen, bestehend aus einer Gruppe eisen- haltiger Zellen oder auch aus freiliegenden zusammengeballten Eisenkörnchen, finden sich hier und da auch auf der Irisoberfläche bzw. in den Krypten, oder auch in der oberflächlichsten Schicht des Stromas. Die Eisenmasse ist hier von gewucherten Zellen und Phagocyten umgeben; gegen die vordere Kammer ist sie mit einer einfachen oder mehrfachen Lage von Spindel-

360 P* Erdmann

zellen überzogen, welche ans einer Wucherung der Endothelien hervorgegangen sind und teilweise Eisenkörnchen einschliessen.

Der Pupillarrand ist temporal oben mit der Linsenkapsel mittels eines an Spindelzellen reichen fibrösen Gewebes verwachsen, welches sich in dünner Schicht von der Irisvorderfläche auf die Linsenkapsel vor- schiebt. Unter diesem Gewebe, welches vereinzelte Eisenpartikel einschliesst, weist das Linsenepithel eine kapselstarartige Wucherung auf. Die Linse ist im übrigen unverändert Die Zonula ist stark gedehnt und im Bereich der Perforationsstelle gerissen; hierdurch ist die oben erwähnte Schiefeteilung der Linse zu stände gekommen.

An der Hinterfläche und am Äquator liegt die Linse einer homogenen Gerinnungsmasse an.

Der Glaskörper ist in der Nähe der Perforationsstelle stark ver- dichtet, mit Fibrin, Rundzellen und roten Blutkörperchen durchsetzt Im hinteren Augapfelabschnitt ist er ausser einer geringen Vermehrung der zelligen Elemente normal.

Die Sklera ist im ganzen von normaler Dicke und Struktur. Im Bereich des Staphyloms in der unteren Bülbushälfte ist sie fast um das Doppelte verdickt und sehr reich an Spindelzellen.

Der Ciliarkörper ist in der unteren Bülbushälfte etwas atrophisch und beträchtlich in die Länge gezogen, die Ciliarfortsätze sind stark ver- längert und blutreich; das Gewebe ist gequollen.

Das Epithel der Ciliarfortsätze ist vielfach in Form von Blasen ab- gehoben; die letzteren sind mit einer homogenen, geronnenen Masse gefüllt

Die Aderhaut ist in der vorderen Bülbushälfte sehr blutreich; oben zwischen Ora serrata und Äquator findet sich ein grösserer Blutergusa. In der hinteren Bülbushälfte ist die Aderhaut normal

Die Cylinderzellen der Pars ciliaris retinae zwischen Ora serrata und Ciliarkörper sind abgeplattet und unregelmässig angeordnet Im übrigen weist die Netzhaut nur im Bereich der Aderhautblutung in der oberen Bülbus- hälfte zwischen Äquator und Ora serrata Veränderungen auf. Wir finden in diesem Bezirk die Stäbchen- und Zapfenschicht völlig zerstört Die beiden Körnerschichten sind zu einer lockeren, unregelmässigen Schiebt zusammen- geflossen, die Ganglienzellen- und Nervenfaserschicht sind verschmälert, die Ganglienzellen entbehren der Chromatinschollen und sind teilweise vakuolisiert

Die Excavation der Sehnerven ist gegenüber der des normalen Auges weder verbreitert, noch vertieft. Das Optikusgewebe selbst ist unverändert. Die Netzhautgefässe und Vortexvenen weisen keine Veränderungen auf.

Es soll nunmehr an der Hand vorstehender Versuche die Wir- kung des elektrolytischen Prozesses auf das Kaninchenauge in den verschiedenen Stadien im Zusammenhang betrachtet werden.

Was zunächst die Versuchsanordnung betrifft, so war dieselbe bis auf einen Fall, wo die negative Elektrode auf den Bulbus anstatt auf den Bücken des Tieres aufgesetzt worden war, die gleiche; es wurden jedoch die Stromstärke und die Dauer der Elektrolyse man- nigfach modifiziert.

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 361

Die negative Elektrode bewirkte bei dem Kaninchen Z (Versuch 24), bei dem sie in Gestalt eines mit Stoff überzogenen Knopfes zwischen Limbus und Äquator direkt auf den Bulbus aufgesetzt worden war, bei einer allerdings hohen Stromstärke (50 MA) eine tiefgreifende Schädigung sämtlicher Augenhäute.

Wir wollen jedoch hierauf an dieser Stelle nicht näher eingehen und uns allein mit denjenigen Vorgängen näher beschäftigen, welche sich im vorderen Bulbusabschnitte während der Elektrolyse und im weiteren Verlauf abspielten.

Bald nach dem Stromschluss, welcher von einer vorübergehenden, besonders bei albinotischen Tieren deutlich sichtbaren Kontraktion der pericornealen und der Iris-Gefasse, sowie von einer Verengerung der Pupille gefolgt war, sahen wir die feinflockigen, gelblichen Oxy- dationsprodukte des Stahles an der in die vordere Kammer einge- führten Stahlnadel sich ausscheiden und der Schwere nach langsam zu Boden sinken.

Nach Beendigung des bei Schräglage des Kopfes vorgenommenen Experimentes fand sich, der Dauer der Elektrolyse und der Strom- stärke entsprechend, die Iris teils mit vereinzelten Flocken, teils mit einem kontinuierlichen Überzug gelblicher Eisenmasse bedeckt; ver- einzelte Eisenpartikelchen wurden an der Hornhauthinterwand, die Hauptmenge aber am Boden der vorderen Kammer wahrgenommen. In einigen Fällen erschien auch das Kammerwasser leicht gelbbräun- lich verfärbt

Der Eingriff hatte stets eine entzündliche Reaktion zur Folge, deren Intensität im allgemeinen der Stromstärke und der Dauer der Elektrolyse proportional war.

Die entzündlichen Erscheinungen äusserten sich im Laufe der nächsten 24 Stunden in einer Bötung und Schwellung der Bindehaut, in einer zarten, wolkigen (cirrhusartigen) Trübung der Hornhaut von sehr verschiedener Ausdehnung, welche sich fleckweise meist zuerst im Zentrum zu entwickeln pflegte, und endlich in einer starken Hyperämie der Iris.

War das Kammerwasser, wie in den meisten Fällen beim Zu- rückziehen der Nadel, nicht abgeflossen, so war die Fibrinabscheidung eine sehr geringe; sie bestand in kleinen grauen Flocken, welche sich meist an grösseren Eisenteilchen abgesetzt hatten.

Der weitere Ausgang war ein sehr verschiedener.

Bei kurz dauernder elektrolytischer Zerlegung und spärlicher Eisenabscheidung (Versuch 16, Kaninchen G) gingen die Entzündungs-

t. Graefe's Archir für Ophthalmologie. LXVI. 9. 24

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erecheinungen in der Regel in wenigen Tagen zurück, und das Auge erlangte, wie zahlreiche und langdauernde Beobachtungen lehren, seine normale Beschaffenheit wieder, indem die Eisenmasse teils resorbiert wurde, teils freiliegend oder in Zellen eingeschlossen einheilte.

In andern Fällen mit stärkerer Eisenabsonderung (Kaninchen 61, Versuch 20 und Kaninchen I, Versuch 4) nahmen die entzündlichen Erscheinungen in den folgenden Tagen an Stärke zu. Die zartwolkige parenchymatöse Trübung verbreitete sich unter Entwicklung eines Gefässringes über die ganze Cornea. Gleichzeitig mit der Zunahme der Entzündungserscheinungen stellte sich in den erwähnten Fällen am zweiten Tage eine Druckerhöhung ein, welche, langsam zunehmend, yon einer Vertiefung der vorderen Kammer und einer Vergrösserung des Auges gefolgt war.

Während bei dem Kaninchen I die Entzündungserscheinungen, welche in den ersten Wochen im Anschluss an die Drucksteigerung eine Verstärkung erfahren hatten, sich unter Vergrösserung des Auges und dauernd erhöhtem Druck langsam zurückbildeten, entwickelte sich bei dem Tiere Gl am vierten Tage unterhalb der am Kammerboden liegenden Eisenmasse ein Ciliarstaphylom, welches alsbald perforierte.

Bei der anatomischen Untersuchung des ersten, s/4 Stunden nach dem Eingriff enucleierten Auges (Kaninchen Z, Versuch 24) sahen wir die an der positiven Elektrode ausgeschiedene feinstkörnige Eisen- masse, dem klinischen Bilde entsprechend, teils frei, teils in Fibrin eingeschlossen an der Hornhauthinterfläche, auf der Iris und im Kammerwinkel liegen. Es zeigte sich jedoch weiterhin, dass das Eisen sowohl in gelöstem Zustand als auch in Form des feinkörnigen Niederschlages mit dem Filtrationsstrom bereits in die vorderen Ab- flusswege eingedrungen war und zwar sowohl in das Maschenwerk des Ligamentum pectinatum und in das Reticulum sclero-corneale als auch in das Irisstroma.

Der Fontanasche Baum war am reichlichsten unten am Kammer- boden, wo die Hauptmenge des Eisens lag, mit Eisenkörnchen erfüllt; er enthielt jedoch auch im ganzen Umfang der vorderen Kammer teils isoliert, teils in Haufen zusammenliegende Eisenpartikelchen. Ein Übertritt der Eisenkörnchen in den Plexus venosus oder in die per- forierenden Ciliarvenen konnte nicht festgestellt werden, dagegen war das in Lösung befindliche Eisen bereits in die ableitenden Venen filtriert, was sich in einer gelbbräunlichen Färbung des den Plexus einschliessenden Gewebes und der Gef ässwände selbst zu erkennen gab.

In die Iris und in die an den Kammerwinkel grenzenden Teile

Über experimentelles Glaukom nebet Untersuchungen usw. 363

des Ciliarkörpers war das Eisen ebenfalls sowohl in gelöstem Zustande wie in Form der Eisenkörnchen eingedrungen; wir fänden die vordere und mittlere Schicht des Stromas diffus gelbbräunlich verfärbt, die weiten Lumina der Venen und Kapillaren aber von breiten dunkel- braunen Bingen umgeben. Eisenkömchen waren dagegen nur bis in die vordere Schicht des Irisstromas vorgedrungen; sie lagen teils isoliert, teils in kleinen, unregelmässigen Haufen im Gewebe ver- streut

Es handelt sich hier also um ein Eindringen freiliegender Eisen- kömchen in das Irisstroma mit dem Fltissigkeitsstrom, nicht aber um eine Einwanderung eisenbeladener Phagocyten, wie es im weiteren Verlauf geschieht Offenbar war die Infiltration mit Eisenkörnchen dadurch ermöglicht, dass bei diesen Versuchen ein Verlust von Kammer- wasser und dadurch eine Fibringerinnung vermieden worden war, welche nach Brugsch(32) und Tückermann(33) ein Eindringen körniger Substanzen in das Irisstroma verhindert.

Die Befunde zeigen wiederum auf das deutlichste die Beteiligung der Iris an der Flüssigkeitsabfuhr im Auge, eine Funktion, welche durch Nuel und Benoit(34) und durch Asayama(35) vermittels in die vordere Kammer unter Vermeidung von Kammerwasserverlust injizierter Tusche bereits mit Sicherheit festgestellt ist

Bei dem 2x24 Stunden nach Anstellung des Experiments enu- cleierten Auge (Kaninchen E, Versuch 14) gaben sich die der Elek- trolyse folgenden entzündlich reaktiven Veränderungen bei der ana- tomischen Untersuchung zunächst in einer kleinzelligen Infiltration des episkleralen Gewebes und in einer Uberfüllung der conjunctivalen und vorderen Ciliargefässe zu erkennen.

Weiterhin fanden wir die Hornhautlamellen als Ausdruck der zarten, cirrhusartigen parenchymatösen Trübung stellenweise leicht ge- quollen und gelockert, eine Veränderung, welche offenbar auf das Eindringen von Kammerwasser durch das infolge des elektrolytischen Prozesses geschädigte Endothel zurückzuführen ist.

Die Endothelzellen Hessen vielfach eine Quellung der Kerne und des Protoplasmas erkennen; einige hatten Eisenkörnchen in sich auf- genommen.

Das in den Maschenräumen des Ligamentum pectinatum und des Trabeculum sclero-corneale liegende Eisen hatte einerseits zu einer Leukocyten-Emigration, anderseits zu einer Proliferation der die Balken des Filterwerks auskleidenden Endothelzellen Veranlassung gegeben.

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Die Eisenmasse, welche nur in der unteren Hälfte der vorderen Kammer in grösserer Menge in das Ligamentum pectinatum und in das sklerocorneale Netzwerk eingedrungen war, war von vereinzelten multinuclearen Leukocyten und kleinen und grossen Bundzellen (Fhagocyten) umgeben. Die letzteren hatten zum Teil schon Eisen- körnchen in sich aufgenommen. Die Endothelien des Maschen werks, welche hier und da ebenfalls Eisenkörnchen einschlössen, waren ver- grössert und hatten eine unregelmässige Form angenommen; einzelne Zellen von platt spindelförmiger Gestalt schoben sich in die Eisen- masse vor. Von der Irisvorderfläche war das Eisen ebenso wie im vorhergehenden Falle teils in gelöstem Zustand, teils in körniger Form in das Stroma eingedrungen; daneben wurden jedoch auch mit Eisenkörnchen gefüllte Zellen im Stroma wahrgenommen.

Am fünften Tage nach dem Eingriff (Kaninchen G, Versuch 16) traten durch den elektrolytischen Prozess bewirkte proliferative Ver- änderungen deutlicher hervor, während die entzündlichen Verände- rungen bereits in Rückbildung begriffen waren.

Wir fanden das Filterwerk im Kammerwinkel stellenweise schon ganz mit gewucherten, spindelförmigen oder unregelmässig polyedri- schen Endothelzellen ausgefüllt, welche die frei liegenden oder in kleineren und grösseren Phagocyten eingeschlossenen Eisenkörnchen um- gaben. Wucherungserscheinungen waren weiterhin auch an den En- dothelien der Descemetschen Membran in der Umgebung der Eisen- masse zu finden.

Der auf der Irisvorderfläche bzw. in den Krypten in kleineren und grösseren Haufen liegende Eisenniederschlag war von mehr oder weniger zahlreichen spindelförmigen Zellen (gewucherten Endothel- zellen), Leukocyten und eisenbeladenen grösseren und kleineren Phago- cyten durchsetzt bzw. umgeben. Die im Irisstroma vielfach anzu- treffenden, dicht mit Eisenkörnchen beladenen grösseren und kleineren Phagocyten waren offenbar grösstenteils von der Irisvorderfläche ein- gewandert.

Eine Drucksteigerung war in diesem Falle bis zum fünften Tage nicht konstatiert worden, sie dürfte auch bei längerer Beobachtung nicht eingetreten sein, da nur ein kleiner Teil des Filterwerkes mit Eisenkörnchen durchsetzt und zur Obliteration gebracht worden war.

Im Gegensatz hierzu kam es im folgenden, sieben Tage beob- achteten Falle (Kaninchen G I, Versuch 20) infolge reichlicher Eisen- abscheidung und ausgiebiger Verödung des Filterwerks im Kammer- winkel schon am zweiten Tage zu beträchtlicher Drucksteigerung, in

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 365

deren Gefolge sich neben einer Vergrösserung des ganzen Auges ein schnell perforierendes Ciliarstaphylom entwickelte.

Überhaupt traten hier die entzündlichen Veränderungen wieder mehr in den Vordergrund.

Dieselben gaben sich anatomisch an der Conjunctiva in einer kleinzelligen Infiltration und Überfüllung der Gefässe, an der Cornea aber in einer Quellung der Hornhaut in ihrem ganzen Umfang und in einer zelligen Infiltration und Vaskularisation der Randteile zu erkennen.

Das an den Wänden der vorderen Kammer abgelagerte so- wie das in das Ligamentum pectinatum gelangte Eisen hatte neben einer Anhäufung von Leukocyten und vorwiegend kleineren Phago- cyten zu einer lebhaften Proliferation der die Kammerwände und Maschenräume auskleidenden Endothelzellen Veranlassung gegeben. Die Hauptmasse des Eisens lag auch hier, von einer aus Spindelzellen be- stehenden Gewebsschicht eingehüllt, auf dem Kammerboden angehäuft Das Eisen war von hier aus nicht nur in das Maschenwerk des Ligamen- tum pectinatum und in das sklero-corneale Netzwerk, sondern auch weiter nach rückwärts in grösserer Masse in den Perichorioidealraum vorge- drungen und hatte hier eine stärkere Leukocyten-Infiltration verursacht. Die Folge dieser Infiltration war eine Erweichung des Gewebes. Die Augenhäute gaben dem stark vermehrten Binnendruck nach, und es entwickelte sich ein Ciliarstaphylom, welches im Zentrum perforierte. Infolge des durch die Eisenmasse und vielleicht auch durch die Deh- nung bedingten Reizes war es zu einer bedeutenden Proliferation der Skleralzellen und zu einer Zunahme des Skleralgewebes gekommen, so dass die Wand des Staphyloms nicht, wie zu erwarten stand, ver- dünnt, sondern vielmehr beträchtlich verdickt gefunden wurde.

Auch in der übrigen Circumferenz des Kammerwinkels war das Filterwerk völlig obliteriert und durch ein an Spindelzellen reiches, fibrilläres Gewebe ersetzt, welches die Iriswurzel fest mit der Corneo- Sklera verband.

Die Hornhauthinterfläche war stellenweise an Stelle des Endo- thels von einer mehrfachen Lage parallel zu den Hornhautlamellen gerichteter Spindelzellen überzogen.

Ein Teil der Endothelzellen schloss Eisenkörnchen ein; grössere, an der Hornhauthinterwand niedergeschlagene Eisenhaufen waren kammerwärts von einer einfachen oder auch doppelten Lage Spindel- zellen überzogen.

Auch das Irisendothel war durch das auf der Vorderfläche der

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Iris niedergeschlagene Eisen zur Proliferation angeregt; grössere Haufen von Eisenkörnchen waren kammerwärts von gewucherten, spindelförmigen Endothelzellen umgeben.

In kontinuierlicher Schicht über den Pupillarrand auf die Linsen- kapsel hinüber gewuchertes, aus Spindelzellen mit spärlicher fibrillärer Grundsubstanz bestehendes Gewebe hatte stellenweise zur Bildung hinterer Synechien geführt

Das Endothel der Linsenkapsel zeigte stellenweise kapselstar- artige Wucherungen.

Nachdem wir aus vorstehenden Versuchen die durch den elektro- lytischen Prozess im vorderen Augenabschnitt verursachten Verände- rungen in ihrem Entstehen kennen gelernt und gesehen haben, das» die Obliteration des Kammerwinkels als Ursache der Drucksteigerung einer durch das feinkörnige Oxydationsprodukt des Stahles ausgelösten Wucherung der die Maschenräume des Filterwerks auskleidenden Endothelien ihre Entstehung verdankt, wollen wir noch die bei dieser Gelegenheit hervortretenden Eigenschaften der die Kammerwände und die vorderen Abflusswege bekleidenden Endothelien einer gesonderten Betrachtung unterziehen.

Wir konnten zunächst eine phagocytische Tätigkeit der Endo- thelzellen feststellen, indem wir eine grosse Zahl derselben ohne sichtbare Strukturveränderung mehr oder weniger dicht mit Eisen* körnchen erfüllt sahen.

Weiterhin fiel ein den Endothelzellen innewohnendes hohes Pro- liferationsvermögen in die Augen.

Die proliferativen Vorgängen hatten offenbar zunächst den Zweck, die Fremdkörper, soweit sie nicht von Phagocyten aufgenommen und fortgeschleppt worden waren, abzukapseln und zur Einheilung zu bringen.

Wir sahen daher die an den Kammerwänden abgesetzten Eisen- massen schon wenige Tage nach dem Eingriff mit einer Decke ge- wucherter Endothelzellen überzogen, welche sich durch ihre Grösse und langgestreckte Form von den umgebenden Endothelzellen unter- schieden.

Nach einigen Wochen (in einem ]?alle schon nach sieben Wochen) fand sich zwischen den Endothelien und der Eisenmasse eine neue dünne Glashaut ausgeschieden, welche sich am Rande der Auflage* rung mit der alten Glashaut vereinigte (Fig. 10, Taf. IX).

Neben diesen offenbar sehr zweckmässigen Vorgängen sahen wir

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 367

aber auch excesaive Wucherungsprozesse an den Endothelien und zwar in besonders hohem Masse am Endothel der Hornhaut, während die Wucherung des Irisendothels nur unbedeutend war. Dabei fand neben einer Vergrösserung auch eine FormTeränderung der Zellen statt, sie wurden langgestreckt, spindelförmig, kurz, sie glichen ganz gewucherten Bindegewebszellen.

Die Zellwucherung fährte entweder zu membranartigen, dünnen Überzügen auf der Hornhauthinterfläche, der Iris, oder, von letzterer übergreifend, auch auf der vorderen Linsenkapsel, oder sie stellte in die vordere Kammer weit vorragende, den Kammerwinkel stellenweise ausfüllende, umfangreiche Gewebsauflagerungen auf der Hornhaut- hinterwand dar.

Die Zusammensetzung des stets gefässlosen Gewebes war ver- schiedenartig und zum Teil von Sitz und Alter der Neubildung ab- hängig.

So setzten sich die dünnen, membranartigen Auflagerungen aus dicht gefügten, parallel zur Oberfläche gelagerten langen Spindel- zellen zusammen, welche noch keine oder nur spärliche fibrilläre Zwischensubstanz ausgeschieden hatten.

Umfangreichere Gewebsauflagerungen zeichneteu sich im ganzen durch Kernarmut aus. Die spindelförmigen, sich vielfach in spitzem Winkel kreuzenden, im ganzen aber parallel zur Oberfläche gerich- teten Zellen lagen in einer teils sehr lockeren fibrillären, teils in einer mehr homogenen, stellenweise lamellären Grundsubstanz ein- gebettet (Fig. 11, Taf. IX). Das Gewebe, welches der Descemet- sehen Membran unmittelbar aufeass, war an seiner Oberfläche von platten Zellen bedeckt Eine Glashautausscheidung seitens der platten Endothelzellen an der Oberfläche der in die vordere Kammer vorragenden Gewebsmasse wurde entweder selbst nach Monaten noch vermisst, oder es waren nur die Randteile der Gewebsauflagerung von einer dünnen Glashaut überzogen. Auf der Iris wurde niemals eine Glashautausscheidung seitens der gewucherten Endothelzellen be- obachtet

In den verschiedensten Zeitabschnitten nach dem Eingriff vor- genommene Untersuchungen gestatteten die Entwicklung des aufge- lagerten fibrillären Gewebes aus den wuchernden Endothelzellen in allen Stadien zu verfolgen, so dass über die Genese dieses Gewebes kein Zweifel bestehen kann. Bei dieser Gelegenheit möchte ich be- merken, dass die Beteiligung der Endothelzellen an der Bildung fibrillären Gewebes gerade an der Hornhaut leicht festzustellen ist,

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da hier ein Einwuchern tieferen Bindegewebes, welches an anderen Deckzellen z. B. denjenigen der serösen Häute die Untersuchung sehr erschwert [Marchand (36)], nicht in Frage kommt.

Das bei diesen Versuchen in hervorragendem Masse in Er- scheinung tretende hohe Proliferationsvermögen der Endothelzellen tritt auch bei andern Anlässen hervor. Es sei nur an die lebhafte Beteiligung der Endothelien an der Heilung von penetrierenden Hornhaut- und Skleralwunden [Krückmann (37)] erinnert Bei Hornhautschnittwunden bei Hunden sah Marchand (36) bereits am 4. Tage die Endothelzellen unter mehrfacher mitotischer Teilung in die den Wundspalt ausfüllende Fibrinmasse eindringen. Dabei fand eine Vergrösserung und Formveränderung der Zellen statt, sie wur- den zum Teil langgestreckt, spindelförmig, unregelmässig polyedrisch, kurz, sie erhielten mehr die Formen gewucherter Bindegewebszellen.

Nach 14 Tagen traten zwischen den Spindelzellen, welche von dem konvexen Ende der eingerollten Descemetschen Membran aus- gingen und sich fächerförmig nach den mittleren Teilen ausbreiteten, feine glänzende Streifen auf, welche in der nächsten Nähe der Des- cemetia bereits miteinander zu verschmelzen schienen. Nach Marchand geht aus diesem Verhalten hervor, dass die neugebildete Descemetia beim Hunde aus zahlreichen Schichten durch Verschmelzung entsteht

Beim Kaninchen bildet sich die neue Glashaut an der Vorder- fläche der Endothelzellen, ganz ähnlich wie bei der ersten Bildung der Descemetia; sie geht kontinuierlich in die alte Descemetia über [Ran vier (38)].

Wir beobachten weiterhin unter der Einwirkung pathologischen Reizes eine Proliferation der Endothelien, welche teils zur Neubildung von Glashaut, teils zur Bildung eines eigenartigen, „kapselstarartigen" Gewebes führt.

Nachdem schon von Stell wag (39) und H. Müller (40) glas- häutige Verdickungen der Descemetschen Membran beschrieben worden waren, und nachdem Donders(41) bereits neugebildete Glas- haut auf der Irisvorderfläche angetroffen hatte, sind glashäutige Neu- bildungen an der Descemetschen Membran und auf der Irisvorder- fläche vielfach Gegenstand der Untersuchung geworden.

Wagen mann (17, 42, 43), welcher sich besonders eingehend mit diesen Veränderungen beschäftigt hat, beobachtete zuerst gelegentlich seiner Untersuchungen über Keratoplastik an Kaninchenaugen nach Abschabung des Hornhautendothels eine aus faserigem Gewebe mit platten Zellen bestehende Auflagerung auf der Descemetschen Mem-

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 369

bran, welche von einer einfachen Endothellage und neugebildeter Glashaut bedeckt war. Am Rande der Auflagerung legten sich die neugebildete und alte Glashaut zusammen, um alsdann zu einer Mem- bran zu verschmelzen, deren Vereinigung aus zwei Häuten jedoch noch an einer scharfen Linie zu erkennen war.

Weiterhin beschrieb derselbe Autor glashäutige Neubildungen und Veränderungen des Hornhautendothels an menschlichen Augen, welche durch chronische intraokulare Entzündung oder chronisches Glaukom zugrunde gegangen waren.

Nach Wagen mann kann das Hornhautendothel sich nach mehr- fachen Sichtungen an pathologischen Prozessen im Auge beteiligen.

Zunächst kann durch einen langdauernden pathologischen Reiz das Endothel zu vermehrter Glashaut-Absonderung angeregt .werden, als deren Produkt gleichmässige Verdickungen der Membran, oder Auflagerungsschichten auf andern Teilen z. B. der Iris, oder endlich drusenförmige Prominenzen anzusprechen sind. Weiterhin kann das Endothel in lebhafte, teils circumscripta, teils diffuse Wucherung ge- raten, flächenhaft sich ausdehnen und andere Gewebe überziehen. Endlich kann es durch meist circumscripta Wucherungen Anlass geben zur Bildung eines eigenartigen, gefässlosen, dem Kapselstargewebe ähnlichen, teils mehr homogenen glashäutigen, teils mehr fibrösen Gewebes, in welches in regelmässigen Abständen Züge platter, endo- thelartiger Zellen eingelagert sind. Dasselbe liegt der Descemet- schen Membran unmittelbar auf; an seiner freien Oberfläche aber ist es mit Endothel und zum Teil auch mit neugebildeter Glashaut be- deckt

„Man könnte dieses Gewebe als endothelogenes Bindegewebe bezeichnen, womit ausgedrückt sein soll, dass ein dem sklerosierten Bindegewebe ähnliches Gewebe ohne Zutun von Bindegewebszellen vom Endothel gebildet werden kann."

Ähnliche Auflagerungen an der Hornhauthinterfläche sind von Uhthoff und Axenfeld (44) bei Impfkeratitis eines Kaninchen- auges und in einem glaukomatösen Auge mit Ulcus corneae serpens, von Greeff(45) in der Nähe einer alten Perforation nach Ulcus corneae, und von Wiener (46) in einem an chronischer Iridocyclitis zugrunde gegangenen Auge beschrieben und ebenfalls als das Pro- dukt einer Wucherung der Endothelien angesprochen worden1).

*) In neuerer Zeit wies R. Bartels (47) an der Hand mehrerer Fälle auf die Möglichkeit hin, dass bindegewebige Auflagerungen an der Hornhauthinter- fläche durch chronische intraokulare Entzündung zugrunde gegangener Augen

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Während die Abscheidimg von Glashaut als eine Art von Cu- ticularbildung seitens der Endothelien der Hornhauthinterwand all« gemein anerkannt ist, ist die Frage, ob auch dem Endothel der Iris die Fähigkeit zukomme, Glashaut abzusondern, noch nicht sicher be- antwortet

Während die einen die letztere Möglichkeit zugeben [Wiener (46), Rumschewitsch (48)], neigen andere (Wagenmann) der Ansicht zu, dass die auf der Irisoberfläche beobachtete glashäutige Neubildung ein Produkt des auf die Iris hinübergewucherten Hornhautendothels seL

Den von mir beobachteten entsprechende Auflagerungen auf der Descemetschen Membran, hervorgegangen aus einer Endothel* Wucherung nach Einfuhrung von Fremdkörpern in die vordere Kammer, sind unter anderm von Leber (24) bei Gelegenheit seiner Unter- suchungen über die entzündungserregende Wirkung bestimmter, in das Kaninchenauge eingeführter Substanzen beschrieben und abge- bildet worden, so nach der Einführung von Zinnober und Gold in die vordere Kammer.

71 Tage nach der Injektion fein gepulverten Blattgoldes in die vordere Kammer fand Leber eine umschriebene Endothel Wucherung an der Innenfläche der Descemetschen Membran, die von Zellen umhülltes, schwammiges Blattgold einschloss und schon zu beginnen- der Neubildung glashäutiger Substanz geführt hatte.

Das Gewebe bildete einen flachen Hügel auf der Descemet- schen Membran aus locker geschichteten Endothelzellen mit da- zwischen liegenden dünnen Lamellen homogener Substanz, über welchen das benachbarte Endothel sich ohne Unterbrechung fort- setzte. Seitlich von der Auflagerung war zwischen der alten Glas- haut und dem Endothel eine dünne Lamelle neugebildeter Glashaut sichtbar, welche sich nur eine kleine Strecke weit in das Bereich der Auflagerung hineinzog und sich dann allmählich verlor. Leber kommt zu dem Schluss, dass ausser einer Leukocytenemigration auch Einkapselungsvorgänge durch Wucherung der die vordere Kammer begrenzenden Endothelzellen durch die Einfuhrung des Goldes an- geregt werden.

Es unterliegt nach allem keinem Zweifel, dass den die vordere Kammer auskleidenden Endothelien die Fähigkeit zukommt, fibrilläres Bindegewebe zu bilden, und dass wir es bei den beschriebenen Auf- lagerungen an der Hornhauthinterwand tatsächlich mit „endothelo-

auch aus der Organisation eines Exsudates auf Grund der Veränderung seiner eigenen Zellen entstanden sein könnten.

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genem Bindegewebe" (Wagenmann) zu tun haben, wenn auch nicht die Möglichkeit bestritten werden soll, dass bindegewebige Massen an der Hornhauthinterfläche bei pathologisch veränderten Augen gelegentlich auch ans organisiertem Exsudat hervorgehen können.

Bekanntlich bestehen hinsichtlich der Frage, ob den Endothelien die Fähigkeit zukomme, fibrilläres Bindegewebe zu bilden, soweit es sich um die Deckzellen der serösen Häute und die Lymph- und Blutgefässendothelien handelt, noch Meinungsverschiedenheiten, wenn auch bezüglich der Blutgefässendothelien die Mehrzahl der Autoren sich für eine Identität mit den Bindegewebszellen ausspricht und aus den gewucherten Endothekellen fibrilläres Bindegewebe entstehen lässt [Marchand (36)].

Auf die Ähnlichkeit, welche zwischen den Wucherungen der Endothelien der Descemetschen Membran und den bei der soge- nannten Organisation von Thromben zu beobachtenden Wucherungs- prozessen der Blutgefässendothelien besteht, haben schon Uhthoff und Azenfeld(44) aufmerksam gemacht.

Auch Krückmann (37) spricht sich für eine Identität der En- dothelien und Bindegewebszellen aus. Die reichhaltige Beteiligung der Endothelien am Aufbau des Keimgewebes bei Lederhautwunden ist nach diesem Autor auf die gleiche Genese der Endothelien und Bindegewebszellen zurückzufuhren. Beiden Zellarten komme im post- embryonalen Leben die Fähigkeit zu, durch Wucherungsprozesse Fibroblasten und später Fibrillen zu bilden. „Endothelien sind im Grunde nur neugebildete Bindegewebszellen."

Wir kehren nunmehr zu unseren Experimenten zurück

Nachdem erwiesen war, dass das wirksame, zu Glaukom führende Moment bei der in vorstehender Weise vorgenommenen Elektrolyse des Kammerwassers in erster Linie in der Abscheidung des fein- körnigen Oxydationsproduktes des Stahles zu suchen war, musste bei Wiederholung der Versuche das Bestreben darauf gerichtet sein, eine möglichst grosse Menge der Eisenmasse in der vorderen Kammer zur Abscheidung zu bringen, da, wie sich bald herausstellte, nur bei ausreichender Verlegung des Filterwerkes eine Drucksteigerung zu erwarten stand.

Es zeigte sich jedoch bald, dass, wenn dieser Forderung Genüge geschehen war, der elektrolytische Prozess vielfach so starke entzünd- liche Veränderungen im Gefolge hatte, dass das Auge nach anfäng- licher Drucksteigerung an Phthisis zugrunde ging. Es galt daher,

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starke Reizungen möglichst zu vermeiden und die Elektrolyse in einer für das Auge möglichst schonenden Weise vorzunehmen.

Zahlreiche Versuche, bei denen Stromstärken von 1 100 MA bei einer Dauer von 1/4 bis 5 Minuten in Anwendung kamen, ergaben nun, was von vornherein zu erwarten war, dass ein starker Strom auch bei kurzer Dauer eingreifender war, als ein schwacher, länger dauernder Strom. Es wurden daher vorwiegend schwächere Ströme (2 10 MA) von längerer Dauer (1 3 Minuten) zur Erzeugung der notwendigen Eisenmasse angewandt

Was weiterhin Anlegung und Beschaffenheit der negativen Elek- trode betrifft, so wurde dieselbe teils extrabulbär meist am Rücken in Gestalt einer mit Stoff bezogenen Platte , teils am Bulbus selbst appliziert; in einigen Fällen wurde auch eine zweite Stahl- nadel als negative Elektrode in die vordere Kammer eingeführt

Bei der Applikation an der Bulbusoberfläche wurden ein mit Stoff überzogener Knopf oder ein Platinstäbchen verwandt, welche zwischen Limbus und Äquator aufgesetzt wurden; in einigen Fällen wurde die negative Elektrode auch in Gestalt eines Ringes von Eisen, Kupfer oder Platin an der Sklerocornealgrenze um die Horn- haut gelegt, um durch Schädigung der oberflächlichen Gewebs- schichten gleichzeitig von aussen auf die vorderen Abflusswege ein- zuwirken.

Die Versuche ergaben jedoch, dass die Applikation der nega- tiven Elektrode am oder im Bulbus selbst gegenüber der extrabul- bären Applikation keinerlei Vorteil bot, vielmehr wegen der, wenn auch nur lokalen Schädigung des Auges, hinter der letzteren zu- rückstand.

Weiterhin wurden auch an der positiven Elektrode Änderungen vorgenommen.

Um die starke Ätzung der Cornea in der Umgebung des Stich- kanals und einen gelegentlichen Abfluss von Kammerwasser beim Herausziehen der rauh gewordenen Stahlnadel zu vermeiden, wurde der Schaft der letzteren bis auf einige Millimeter von der Spitze mit Lack überzogen oder vergoldet, wodurch ein glatter Stichkanal er- zielt wurde.

Endlich wurden an Stelle der Stahlnadel als positive Elektrode Nadeln aus andern Metallen, als Platin, Gold, Silber, Kupfer und Zink verwandt, zunächst um die Brauchbarkeit der Oxydationspro- dukte dieser Metalle zur Erzeugung einer Obliteration des Filter- werkes im Kammerwinkel zu erproben.

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Ohne an dieser Stelle auf die Wirkung der Elektrolyse auf das Auge bei Anwendung dieser Metalle näher einzugehen, sei hier nur bemerkt, dass die genannten Metalle sich für unsere Zwecke als wenig brauchbar erwiesen, zumal sie zum Teil sehr heftige Ent- zündung verursachten (Kupfer, Zink) und bei entsprechender Fein- heit zu biegsam waren, so dass vorher in der Hornhaut ein Stich- kanal mit einer Stahlnadel angelegt werden musste.

IL Endgültige Versuohsanordnung. Verlauf und Ergebnis der Experimente.

Wenn es auch unter Anwendung der vorstehend skizzierten günstigsten Versuchsbedingungen in einer Reihe von Fällen gelang, dauernde Drucksteigerung mit ihren Folgezuständen hervorzurufen, so war der Prozentsatz der positiv verlaufenden Fälle doch ein zu geringer, um die Methode als brauchbar bezeichnen zu können.

Da die Misserfolge hauptsächlich in den schweren, im Gefolge der Elektrolyse auftretenden entzündlichen Veränderungen begründet lagen, so habe ich die elektrolytische Zerlegung des Kammerwassers im Auge selbst aufgegeben und versucht, eine gleiche, aber mit schwächeren Reizerscheinungen verbundene Wirkung durch Injektion ausserhalb des Auges elektrolytisch dargestellten Eisens in die vordere Kammer zu stände zu bringen.

Die Versuche gelangen und führten bei folgender Anordnung zu sehr befriedigenden Resultaten:

Beiden Augen eines Kaninchens mittels Pravazscher Spritze entnommenes Kammerwasser wird in einem kleinen sterilen Gefass bei einer Stromstärke von 30 50 MA 2 4 Minuten lang der Elek- trolyse unterworfen, wobei zwei Stahlnadeln als Elektroden dienen.

Von der voluminösen, flockigen, schwarzgrünen Masse1), welche sich an der positiven Elektrode ausscheidet und sich langsam zu Boden senkt, werden 1 l1/, Teilstriche einem andern Kaninchen nach unmittelbar vorhergeschickter Punktion, oder auch demselben Tiere, dessen Kammerwasser inzwischen zum Teil wieder ersetzt ist, in die vordere Kammer injiziert

Fliesst beim Herausziehen der Kanüle nichts ab, was sich durch sehr schräges Einstechen und vorsichtiges Herausziehen einer mög-

*) Die chemische Untersuchung auf diese Weise der Elektrolyse unter- worfenen Kammerwassers ergab im Filtrat Spuren von Eisen (Eisenalbuminat), im Rückstand vorwiegend Ferrohydroxyd neben etwas Ferrihydroxyd. Die Reak- tion der Flüssigkeit war alkalisch.

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liehst feinen Stichkanüle meist vermeiden läset, so ist die vordere Kammer nunmehr ganz mit Eisenmasse erfüllt, welche die Iris und Papille anfangs verdeckt and sich nach kurzer Zeit grösstenteils auf den Boden der Kammer senkt

Um eine möglichst gleichmässige Verteilung der Eisenmasse in der vorderen Kammer zu erzielen, wodurch ihr allseitiges Eindringen in die Fontanaschen Räume erleichtert wird, halt man zweckmässig die Tiere mittels Chloralhydrat einige Stunden narkotisiert und lagert sie so, dass das operierte Auge nach oben sieht1).

Der Verlauf gestaltet sich ähnlich dem bei der intraokularen Elektrolyse beschriebenen.

Eine Stunde nach dem Versuch findet man das Auge leicht injiziert, die Bindehaut chemotisch. Die Hornhaut ist entweder klar oder im Zentrum zart fleckig parenchymatös getrübt Die Eisen* masse hat, soweit sie fein verteilt auf der Iris, im Kammerwinkel oder auf der Hornhauthinterfläche liegt, durch Oxydation eine ockergelbe Farbe angenommen, während die am Boden der vorderen Kammer liegende Hauptmenge des Eisens bis auf die oberflächliche, vom Kammerwasser bespülte Schicht noch die ursprüngliche schwarzgrüne Farbe aufweist. Spärliche, feine Fibrinflocken liegen im Pupillar- gebiet oder haften hier und da der Eisenmasse an. Die Iris ist leicht hyperämisch, die Pupille mittel weit Die Spannung ist meist etwas herabgesetzt oder normal; in seltenen Fällen leicht erhöht .

Nach 24 Stunden haben die Chemosis und Injektion meist etwas zugenommen. Die zart wolkige Trübung hat sich meist weiter über die Hornhaut ausgebreitet Man findet jetzt auch die am Boden der vorderen Kammer liegende kompakte Eisenmasse ganz oder bis auf einen kleinen schwarzgrünen Kern ockergelb gefärbt. Die Fibrin- menge hat nicht zugenommen. Der Druck ist normal oder leicht herabgesetzt.

J) Natürlich kann man an Stelle des Kammerwassers auch physiologische Kochsalzlösung als Elektrolyten verwenden und die eisenhaltige Flüssigkeit direkt oder nach vorheriger Punktion in die vordere Kammer injizieren.

Ich habe eine Anzahl Augen auch auf diese Weise mit Erfolg behandelt, jedoch zugleich die Wahrnehmung gemacht, dass das Kammerwasser als Elek- trolyt zweckmässiger ist, insofern die Reizerscheinungen bei seiner Verwendung scheinbar geringere waren. Da nun überdies zu genauem Vergleich zwischen dem injizierten und dem normalen Auge in der ersten Zeit eine gleichzeitige Punktion des letzteren zweckmässig ist und in dem beiden Augen entnommenen Kammerwasser eine ausreichende Flüssigkeitsmenge zur Verfügung steht, so ist die Verwendung von Kammerwasser vorzuziehen.

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Eine wesentliche Änderung des Befundes ist erst mit Beginn der Drucksteigerung zu konstatieren, welche zwischen dem zweiten und fünften Tag, in der Regel aber am vierten Tag in die Erschei- nung tritt

Man findet alsdann eine starke, ausgesprochen pericorneale In- jektion und meist eine nicht sehr beträchtliche Chemosis. Die öde- matöse, stark verdickte Cornea ist in ganzer Ausdehnung zart wolkig (cirrhusartig) parenchymatös getrübt; ihre Oberfläche ist fein gestippt, die Sensibilität ist herabgesetzt Die Iris ist hyperämisch, die Pu- pille mittelweit Die Tension ist stark erhöht bis zu 70 mm Hg (Pick).

Dieser akut entzündliche glaukomatöse Zustand hält unter meist schnell zunehmender Vergrösserung des Auges und zwar vorwiegend seines vorderen Abschnitts und unter beträchtlicher Tiefenzunahme der vorderen Kammer 1—2 Wochen an, um alsdann unter geringem Nachlassen der Drucksteigerung langsam abzuklingen, während die Vergrösserung des Auges und die Vertiefung der vorderen Kammer meist noch eine langsame Zunahme erfahren.

Die Ausdehnung der Bulbuswand betrifft in besonders starkem Masse den Ciliarteil, welcher infolge Durchschimmerns des Uvealpig- ments durch die dünne Wandung einen leicht bläulichen Farbenton aufweist

Die Aufhellung der Hornhaut geht unter Entwicklung eines schmalen Gefassringes vor sich, welcher unten am breitesten ist Nach 3 6 Wochen haben sich die Randgefasse grösstenteils zurück- gebildet, die Hornhaut ist in der Regel völlig klar bis auf eine schmale cirkuläre Randtrübung, welche nach unten an Breite zu- nimmt und einer durch das Eisen bewirkten Verwachsung der Iris- wurzel mit der Corneo-Sklera entspricht Hin und wieder beobachtet man jedoch im weiteren Verlauf meist unter Zunahme der Tension an Ausdehnung und Dichte wechselnde, zarte, parenchymatöse Trü- bungen sowie kleine, oberflächliche, facettenförmige Substanzverluste der Epitheldecke der hypästhetischen Cornea.

Die in der vorderen Kammer befindliche Eisenmasse erfährt mit der Zeit eine Veränderung. Feine Niederschläge, z.B. auf der Iris, verschwinden gänzlich, grössere Massen nehmen anfangs an Volumen ab, später ändert sich das letztere nicht mehr. Die Farbe geht mit der Zeit von Ockergelb in Rostbraun über. Grössere rostbraune Eisen- massen sieht man hier und da monatelang unverändert auf der meist leicht atrophischen Iris liegen.

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Auf dem Kammerboden abgelagerte Eisenmassen sind bald von einer grauen, aus dem Kammerwinkel vorragenden Gewebsmasse um- geben, welche der Hornhauthinterwand direkt anliegt und die letztere mit der Irisperipherie verbindet

Das Irisgewebe zeigt nach einigen Monaten meist eine leicht atro- phische Beschaffenheit. Dunkel rostbraune, von abgelagertem Eisen herrührende, sowie unregelmässige hellere, stärker atrophische Stellen verleihen der Iris vielfach ein geschecktes Aussehen. Die meist übermittelweite, entrundete Pupille reagiert sehr träge.

Leider ist in den ersten drei Wochen infolge der Hornhaut- trübung kein klares Bild des Augenhintergrundes zu erhalten. Nach Aufhellung der Hornhaut, also nach 3 4 Wochen, findet man die Papille im Vergleich zu der des gesunden Auges graurötlich verfärbt und auffallend rund; die Retinalgefässe sind eng. Die bei Kaninchen normalerweise tiefe Excavation erscheint in einzelnen Fällen bereits deutlich vertieft und ausgesprochen randständig.

Im Laufe der nächsten Wochen nimmt die Excavation in der Regel an Tiefe zu. Die Farbe der fast kreisrunden grossen Papille geht in ein schmutziges Gelbrot über. Die Zentralgefasse sind äusserst eng, die Markflügel atrophisch, auf der einen Seite oft wesentlich stärker als auf der andern, sie können endlich fast ganz verschwinden.

Die durch die Eisenmasse im vorderen Augenabschnitt hervor- gerufenen anatomischen Vorgänge sind den bei der intraokularen Elektrolyse ausführlich beschriebenen sehr ähnlich, es fehlen jedoch, trotzdem die in die vordere Kammer eingeführte Eisenmenge eine wesentlich grössere ist als die nach der ersten Methode an Ort und Stelle erzeugte, in der Regel stärkere entzündliche Veränderungen und tiefgreifende sekundäre Ernährungsstörungen, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die während der Elektrolyse sich abspielen- den chemischen Umsetzungen nunmehr ausserhalb des Auges vor sich gehen.

In einigen Fällen beobachtete kurzdauernde Drucksteigerungen gleich nach dem Versuch sind auf eine vorübergehende Verstopfung des Filterwerks durch die feinkörnige Eisenmasse zu beziehen; eine dauernde Drucksteigerung kommt jedoch auch hier erst nach längerer Zeit, in der Regel am vierten Tage, durch Obliteration des Filter- werks durch die durch das Eisen zur Proliferation gebrachten Endo- thelien zu stände.

Die am Boden der Kammer liegende mehr oder weniger um-

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 377

fangreiche Eisen menge, welche den Kammerwinkel völlig ausfüllt, führt an dieser Stelle eine feste Verbindung der Irisperipherie mit der Hornhaut unter Zwischenlagerung endothelogenen Gewebes herbei.

Die neue Methode unterscheidet sich, wie bereits hervorgehoben wurde, dadurch vorteilhaft von der ersten, dass die dem Eingriff folgenden entzündlichen Veränderungen keinen höheren Grad er- reichen.

Es handelt sich vorwiegend um eine Randinfiltration und -Vas- kularisation sowie um eine ödematöse Durchtränkung der Hornhaut, ferner um eine Leukocyten-Emigration und entzündliche Hyperämie der Iris und des (Ziliarkörpers, Veränderungen, welche sich durchweg nach einigen Wochen ganz oder bis auf geringe Beste zurückbilden.

Die mit Beginn der Drucksteigerung, also etwa am vierten Tage auftretenden stärkeren entzündlichen Erscheinungen, insbesondere das stärkere Ödem der Hornhaut, sind auf Bechnung des erhöhten Binnen- druckes zu setzen.

Tiefgreifende intraokulare Entzündungen mit Ausgang in Phthisis bulbi wurden nicht beobachtet, dagegen kam es unter 32 Versuchen zweimal und zwar bei Augen noch nicht ausgewachsener Tiere, welche in der Begel stärker als diejenigen älterer Tiere auf den Ein- griff reagieren kurz nach Beginn der Drucksteigerung zwischen dem zweiten und vierten Tag zu einem Ciliarstaphylom mit Per- foration im Zentrum unterhalb der am Kammerboden liegenden Eisen- nmsse wie in dem oben beschriebenen Versuch 20 (Kaninchen G I). Frühperforationen an der Sklerocornealgrenze, wie sie von Leber (24), Tückermann (33) und Salzer (49) nach Injektion von sterilisierten Staphylococcuskulturen, Tusche, Indigopulver usw. beschrieben worden sind, kamen dagegen nicht zur Beobachtung.

Endlich ist noch besonders hervorzuheben, dass eine Schädigung der tieferen Teile des Augapfels durch indirekte Siderosis in keinem Falle nachweisbar war1).

Eine diffuse Imprägnierung des Gewebes mit gelöstem Eisen

*) Der Nachweis des Eisens wurde in der Regel mittels der Berlinerblau- reaktion nach Quincke und Hall, in einigen Fällen auch mittels der Schwefel- eisenreaktion durch Schwefelammonium geführt, welche bekanntlich beide gewisse M&ngel aufweisen, indem die erstere weniger fein ist und leicht eine diffuse blauliche Färbung bewirkt, während die andere wenig haltbar ist und ausser- dem das in Frage kommende Pigment an sich schon schwärzlich aussieht. Bei der Berlinerblaureaktion ist der Gebrauch einer schwachen Ferro cyankalium- und Salzsäurelösung (l°/<0 anzuraten, da konzentrierte Lösungen an sich schon eine zarte diffuse Blaufärbung des Gewebes bewirken (Hall).

t. Graefe's Archiv fflr Ophthalmologie. LXV1. 2. 25

378 P. Erdmann

wurde nur in den ersten Tagen nach dem Eingriff im vorderen Augenabschnitt, insbesondere in der Iris und dem Ciliarkörper fest- gestellt, im übrigen war die Eisenreaktion in der späteren Zeit (bis zu neun Monaten nach dem Eingriff) lediglich an die im Kammer- winkel, in der Iris und im Ciliarkörper in Zellen eingeschlossenen oder durch neugebildetes Gewebe abgekapselten Eisenpartikel ge- bunden.

Im hinteren Augenabschnitt, speziell in den inneren Augen- häuten, konnte weder in den Zellen noch im Stützgewebe Eisen nachgewiesen werden. Auch klinisch war in keinem Fall eine Siderosis bulbi erkennbar.

Ein weiterer Vorzug dieser Methode vor der ersten liegt in ihrer weit grösseren Zuverlässigkeit.

Es gelang mir bisher bei 32 Versuchen 24 mal, d. h. in 75°/a der Fälle, ein Sekundär- Glaukom hervorzurufen.

Allerdings war es in einigen Fällen notwendig, die Injektion nach einigen Tagen zu wiederholen, falb versehentlich zu wenig in- jiziert oder die injizierte, mit Eisen beladene Flüssigkeit ausnahms- weise durch den Stichkanal zum Teil wieder abgeflossen war.

In einer Anzahl von Fällen trat nach ausgiebiger Injektion keine oder nur eine vorübergehende Drucksteigerung ein. Diese Miss- erfolge sind vielleicht auf die Anwesenheit reichlichen Fibrins in der vorderen Kammer zu beziehen, welches die Eisenmasse einschliesst und ihr Eindringen in das Filterwerk verhindert bzw. erschwert, wie ja auch das auf der Iris abgelagerte Fibrin dem Eindringen der Eisenkörnchen in das Irisgewebe im Wege steht.

Ebenso wie nach der ersten habe ich auch nach der zweiten Versuchsanordnung andere Metalle auf ihre Brauchbarkeit, das Filter- werk zur Obliteration zu bringen, geprüft, indem ich an Stelle der Stahlnadeln solche aus Kupfer, Zink und Silber zur Elektrolyse dea Kammerwassers verwandte.

Es zeigte sich, dass die Oxydationsprodukte dieser Metalle, in die vordere Kammer gebracht, zwar auch gelegentlich eine Obliteration des Filterwerks herbeifuhren, dass sie jedoch im allgemeinen zu starke Reizerscheinungen verursachen, um als für unsere Zwecke geeignet bezeichnet werden zu können.

Weiterhin habe ich mir die Frage vorgelegt, ob nicht auch auf nicht elektrolytischem Wege in feinst verteilte Form gebrachte Me- talle oder andere feinkörnige Stoffe im stände seien, eine zu Verschluss der Abflusswege führende Zellproliferation zu erzeugen.

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 379

Bekanntlich sind feinkörnige Substanzen schon vielfach zu andern Zwecken in die vordere Kammer eingeführt worden, so zum Studium der Entzündung (Leber) und des Flüssigkeit« wechseis im Auge.

Während nun, wie bereits hervorgehoben wurde, durch diese Stoffe bedingte Wucherungen an den Hornhautendothelien schon mehrfach zur Beobachtung gelangten, finde ich eine zu Glaukom fuhrende Verlegung des vorderen Abflussweges nur von Leber (24) und Tückermann (33) erwähnt

Die beiden von Leber nach Injektion sterilisierter Staphylo- cokken-Aufechwemmung beobachteten Fälle von Sekundärglaukom, welche von Berberich (25) anatomisch untersucht worden sind, sind bereits ausführlicher mitgeteilt.

In den von Tückermann (33) beschriebenen Fällen handelte es sich um eine Tensionserhöhung nach Injektionen grösserer Tusche- mengen in die vordere Kammer, Versuche, welche zum Studium der Resorption vorgenommen worden waren. Es wurde jedoch nur in einem Falle eine länger dauernde, zu Sehnervenexcavation führende Drucksteigerung festgestellt. Über das Zustandekommen der Druck- steigerung und über die Beschaffenheit des Fontanaschen Raumes in diesem Falle werden keine näheren Angaben gemacht.

Um die Frage, wie weit andere feinkörnige, in die vordere Kammer injizierte Substanzen zur Erzeugung eines Glaukoms durch Verlegung des vorderen Abflussweges geeignet sind, zu prüfen, habe ich mit einer Beihe von Stoffen als feinpulverisiertes Eisen und Rost, Ferrum hydrogenio reductum, pulverisiertes Blattgold, Zinnober und Tusche Untersuchungen angestellt, wobei besonderes Gewicht darauf gelegt wurde, die betreffende Substanz in möglichst grosser Menge mittels Pravaz scher Spritze teils nach vorheriger Punktion, teils direkt in die vordere Kammer zu injizieren.

Ohne auf diese Untersuchungen näher einzugehen, sei hier nur kurz bemerkt, dass es in keinem Falle gelang, eine bleibende Druck- steigerung zu erzielen. Die Stoffe verursachten in seltenen Fallen kurz dauernde, offenbar durch vorübergehende Verstopfung des vorderen Abflussweges bedingte Drucksteigerungen; im übrigen heilten sie nach Rückgang der mehr oder minder heftigen, durch sie verur- sachten entzündlichen Erscheinungen reizlos ein, oder sie führten in vereinzelten Fällen eine Frühperforation an der Sklerocornealgrenze [Leber (24), Salzer (49)] herbei.

Dass eine ausreichende, zu Drucksteigerung fuhrende Obliteration des Filterwerkes nicht zu stände kam, beruhte hauptsächlich darauf,

25*

380 ?• Erdmann

da88 die Stoffe (Tusche) resorbiert wurden, ohne dass durch sie eine zu Obliteration führende Zellproliferation in dem Maschenwerk des Ligamentum pectinatum angeregt worden war; in anderen Fällen aber lag der Grund darin, dass die schweren und ausserdem grob- körnigen Massen sich schnell auf den Boden der Kammer senkten, so dass eine Infiltration eines grösseren Teiles des Filterwerkes aus- blieb. Ein Übelstand lag endlich darin, dass die Substanzen, ins- besondere die pulverisierten Metalle zum Teil zu grobkörnig waren, so dass nur weite Kanülen zur Injektion verwandt werden konnten. Da jedoch in diesen Fällen durch den weiten Stichkanal die injizierte Masse zu leicht wieder abfloss, so mussten besondere Kunstgriffe, als Kauterisation der Einstichöfihung unmittelbar nach dem Herausziehen der Nadel [Salz er (49)] oder Einpressen von Flüssigkeit in die Um- gebung des Stichkanals während des Herausziehens der Kanüle [Tückermann (33)] angewandt werden, um eine genügende Menge in der vorderen Kammer zurückzuhalten.

Ich habe endlich auch mit kolloidalen Metallen, dem Collargol und dem Liq. fern oxyd. dialysat., Versuche angestellt; sie führten ebenfalls nach dieser Richtung zu keinem Resultat

Dagegen konnte ich mehrfach ein chronisches Glaukom hervor- rufen durch Injektion einer Eisenmasse, welche ich durch längeres Lagern von Stahlstücken in physiologischer Kochsalzlösung gewonnen hatte. Es scheidet sich hierbei eine feinflockige, ockergelbe, aus Eisenhydroxyd bestehende Masse ab, welche der elektrolytisch dar- gestellten durchaus gleicht und welche, in die vordere Kammer ge- bracht, Drucksteigerung durch Verschluss der Abflusswege bewirkte. Das gleiche Aussehen und die gleiche Wirkung der Eisenmasse können allerdings nicht wundernehmen, da man das auf diese Weise gebildete Eisen als durch einen langsam verlaufenden elektro- lytischen Prozess entstanden betrachten muss.

C. Die FolgezustSnde der Drucksteigerung am Kaninchenauge.

Es erübrigt nunmehr an der Hand einer grösseren Anzahl von Fällen auf die Folgezustände der Drucksteigerung am Kaninchen- auge einzugehen.

Nächst den einem akuten Glaukomanfall des Menschen ana- logen entzündlichen Erscheinungen, der starken pericornealen In- jektion, dem Odem der Cornea im Beginn der Drucksteigerung war eines ihrer ersten Symptome die Vergrösserung des Augapfels, von welcher sowohl Augen junger als ausgewachsener Tiere betroffen

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 381

wurden. Es scheint demnach, dass zunächst bei Kaninchen ich habe inzwischen auch am glaukomatös gemachten Hundeauge neben einer typischen glaukomatösen Excavation eine starke Vergrösserung konstatieren können jede länger dauernde und stärkere Druck- steigerung zu Buphthalmus fuhrt

Das tierische Gewebe gleicht also in seinem Verhalten dem menschlichen in der Jugend. Die Augenhäute können einem höheren Druck auf die Dauer nicht widerstehen und werden gedehnt.

Die Vergrösserung betraf in besonders hohem Grade den vorderen Äugenabschnitt; insbesondere erfuhr der Ciliarteil eine ganz erheb- liche Dehnung. Unter Aufhebung des Sulcus sclerae nahm das Auge Kugelform an.

Während die Grössenzunahme im Beginn der Drucksteigerung von Tag zu Tag festzustellen war, machte sie in den folgenden Wochen unter Zurückgehen der anfanglichen maximalen Druck- steigerung nur langsame Fortschritte, um schliesslich, nach Einstellung einer im ganzen konstanten Druckhöhe, ganz aufzuhören.

Nur in wenigen Fällen war in späterer Zeit im Gefolge spon- taner Drucksteigerung eine weitere Zunahme des Bulbusumfanges zu konstatieren.

Es drängt sich hier die von Reis (50) bereits für den mensch- lichen Buphthalmus gestellte Frage auf, ob der Grössenzunahme des Auges, welche, wie die bei den einzelnen Fällen gegebenen Ab- bildungen und Masse zeigen, ganz erhebliche Grade erreichen kann, lediglich eine Dehnung der Augenhäute zugrunde liegt, oder ob mit der Dehnung eine kompensatorische Gewebsneubildung verbunden ist Es ist klar, dass die Augenhäute im ersteren Falle eine erheb- liche Verdünnung erfahren haben müssten.

Zur Entscheidung dieser Frage habe ich in ähnlicher Weise, wie es Reis beim menschlichen Buphthalmus getan hat, bei einer Anzahl Kaninchen mit einseitigem Buphthalmus die Dicke der äusseren Augenhäute sowohl der vergrösserten als auch der in gleicher Weise fixierten normalen Augen an bestimmten Stellen ge- messen.

Die Resultate dieser Messungen, welche an Pupillen-Papillen- schnitten vorgenommen wurden, sind zu einem Teil in umstehender Tabelle zusammengestellt; zur Orientierung über die Grössenverhält- nisse des normalen und des Glaukomauges habe ich in jedem Falle die äusseren Augenmasse beigefugt.

382

P. Erdmann

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 383

Wie aus der Tabelle hervorgeht, sind in der Tat die äusseren Augenhäute des vergrösserten Auges in allen Fällen, ausgenommen das Kaninchen 21, dünner als diejenigen des normalen.

Von der Dehnung ist der ganze Augapfel betroffen, jedoch in den einzelnen Abschnitten in verschiedenem Grade. Am stärksten ist in der Regel der vordere Abschnitt, insbesondere der Ciliar- teil, gedehnt, am wenigsten der hintere Abschnitt, was mit dem beim menschlichen Buphthalmus erhobenen Befunde übereinstimmt (Reis).

Es fragt sich nun, steht die Verdünnung der Bulbus wandung im ganzen im Verhältnis zur Grössenzunahme des Glaukomauges, oder mit andern Worten, ist die Vergrösserung des Augapfels lediglich ein Effekt der rein mechanischen Dehnung, oder ging mit letzterer eine kompensatorische Wucherung des Skleralgewebes einher?

Zur Entscheidung dieser Frage wollen wir das normale und das Glaukomauge als zwei Kugeln von entsprechender Grösse betrachten, deren Wanddicke derjenigen der Sklera beider Augen im Mittel ent- spricht, und auf mathematischem Wege berechnen, welche Dehnung die Wandung eines dem normalen Auge an Grösse und Wanddicke entsprechenden Auges erfahren muss, wenn es unter konstantem Druck eine dem Glaukomauge entsprechende gleichmässige Ver- grösserung erfährt

Ohne Berücksichtigung der elastischen Kontraktion würde die Wanddicke 6 einer kugelförmigen Membran bei einer Ausdehnung der Kugel vom Radius rx auf den Radius r2 von 6X auf 62 herab- sinken, wo

' f 2

4 = *i-7T-

r

2

Die Elastizitätskoeffizienten sind unbekannt, so dass eine genaue Berechnung der Membrandicke nach der Dehnung nicht möglich ist. Da aber die Deformation durch einen normalen Druck von innen erfolgt, so ist anzunehmen, dass d2 in Wirklichkeit noch kleiner wird, als oben ohne Berücksichtigung der elastischen Volumenänderung be- rechnet ist

Wenn sich experimentell eine Wanddicke ergibt, die grösser als obiges d2 ist, so kann es sich nicht um eine reine Dehnung handeln, sondern es muss eine gleichzeitige Gewebszunahme angenommen werden.

Die Berechnung wurde an den Augen der Kaninchen I, 13 und

384

P. Erdmann

43 vorgenommen. Für gütige Unterstützung und Kontrolle bei dieser Berechnung bin ich Herrn Professor Weber zu Dank verpflichtet

Kaninchen

r, (Mittel)

rt (Mittel)

6X (Mittel)

6% (Mittel)

6t (berechnet)

I

13 42

17,6 18,2 18,3

21,2 20,5 21,6

0,32

0,174

0,29

0,28

0,138

0,27

0,221 0,137 0,246

Die Zahlen lehren, dass die gemessene Dicke der Sklera nach der Ausdehnung des Auges in allen drei Fällen grösser ist als die nach der Formel berechnete; der Unterschied würde unter Berücksich- tigung der elastischen Deformation noch bedeutender gefunden werden.

Eine kompensatorische Gewebszunahme der Sklera konnte auch anatomisch an Augen noch nicht ausgewachsener Tiere im Bereich eines Ciliarstaphyloms wahrgenommen werden (Versuch 20, Ka- ninchen G).

Besonders deutlich trat diese Gewebsneubildung bei einem Ka- ninchen (58 b) hervor. Bei diesem Tiere, welches 2 Monate beob- achtet wurde, war es neben einer ausserordentlichen Vergrösserung des ganzen Auges zur Bildung zweier erbsengrosser, nicht perforie- render Ciliarstaphylome in der oberen Augenhälfte gekommen, deren stark verdünnte Wand sich an Stelle der derben, kernarmen Binde- gewebsbündel der normalen Sklera aus einem an Spindelzellen und elastischen Fasern reichen fibrillären Gewebe zusammensetzte.

Aber auch bei stark vergrösserten Augen ausgewachsener Tiere wies eine Kernvermehrung im Ciliarteil im Bereich der stärksten Dehnung auf eine Neubildung skleralen Bindegewebes hin. Da die Kernvermehrung unabhängig von der Eisenablagerung im Kammer- winkel im ganzen Umfange des Ciüarteiles in gleichmässiger Ver- teilung zu finden war und auch in Augen angetroffen wurde, bei welchen die anfänglich entzündlichen Veränderungen äusserst gering- gradig gewesen waren, so ist der Einwand, dass es sich hier um eine durch das Eisen ausgelöste entzündliche Gewebswucherung handle, von der Hand zu weisen.

Eine stärkere, vielleicht durch den Einfluss der Dehnung zu stände gekommene Vermehrung der elastischen Fasern in der Dural- scheide des Optikus konnte im Bereich der ampullenformigen Auf- treibung des Sehnerven an seiner Eintrittsstelle in den Bulbus kon- statiert werden.

Bei dem Kaninchen 21 endlich, bei welchem die Cornea sowohl wie die Sklera des Glaukomauges im Vergleich zum normalen Auge

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw.

385

leicht verdickt gefunden wurde, war es, wie später ausgeführt werden wird, im Gefolge intraokularer Eingriffe zu tiefgreifenden Verände- rungen im Augeninnern und zu einer entzündlichen Verwachsung der Sklera mit der Tenonschen Kapsel gekommen. Ob die in diesem Falle zu konstatierende beträchtliche Wucherung der Zellen in den oberflächlichen Schichten der Sklera auf eine durch erneute Druck- steigerung bewirkte Dehnung oder vielmehr auf entzündliche Reizung zurückzufuhren ist, lässt sich nicht mit Sicherheit angeben. Die Ver- dickung der Cornea dagegen beruht auf einer ödematösen Durch- tränkung des Gewebes, welche im Gefolge starker Drucksteigerung vor dem Tode des Tieres klinisch festzustellen war.

Was die einzelnen Teile des Glaukomauges betrifft, so erschien die Hornhaut insbesondere infolge der Tiefenzunahme der vorderen Kammer stärker gekrümmt als in der Norm, in Wirklichkeit war sie jedoch abgeflacht, wie Messungen der Hornhautradien am Astigmo- meter von Javal und Schiötz ergaben.

Ich lasse einige Zahlen folgen, welche die Länge des horizon- talen und vertikalen Radius vor dem Versuch (eingeklammerte Zah- len) und nach mehrmonatlichem Bestehen der Drucksteigerung vor dem Tode des Tieres in Millimetern angeben.

Kaninchen

Vertikaler Radius

Horizontaler Radius

Beobachtungszeit nach Monaten

9 46 I

43 13 23 33 21

8.6 (7,3) 8,0 (7,7)

8.7 (7,7) 10,8 (8,1)

8,6 (7,6) 10,1 (7,8)

8,9 (7,4) 11,0 (7,4)

8.0 (7,4)

8.1 (7,7) 8,8 (7,8)

9.1 (8,1) 8,5 (7,6)

8.2 (7,9) 8,4 (7,5) 9,7 (7,4)

1

4 4 5 5 9 97.

Obige Zahlen lehren nicht nur, dass die Hornhautradien beider Meridiane beim experimentellen Buphthalmus des Kaninchens eine beträchtliche Vergrösserung erfahren, sondern auch, dass die grösste Zunahme in der Mehrzahl der Fälle am vertikalen Meridiane zu finden ist, was mit den Erfahrungen beim menschlichen Glaukom, insbesondere beim jugendlichen glaukomatösen Auge [Seefelder (51)] und den Ergebnissen der Experimente von Schelske(52), Eissen(53) u. A. über das Verhältnis des intraokularen Drucks zur Hornhaut- krümmung des Auges übereinstimmt

Di? Hornhaut blieb nach Rückbildung der anfänglichen ent-

386 P. Erdmann

zündlichen Veränderungen und des im Beginn der Drucksteigerung auftretenden entzündlichen Ödems in der Regel dauernd klar. Die Sensibilität, welche anfangs ganz erloschen war, kehrte langsam wieder; sie blieb jedoch meist dauernd etwas herabgesetzt

In einigen Fällen traten im Anschluss an eine spontane Steige- rung der Tension umschriebene ödematöse Trübungen des Hornhaut- parenchyms auf, welche auf Rissbildungen der Descemetschen Mem- bran zurückzufuhren waren.

Spät auftretende degenerative Veränderungen des Hornhaut- parenchyms, welche sich in einer dichten, grauweissen, auf einem Sklerosierungsprozess beruhenden Trübung zu erkennen gaben, wur- den in zwei Fällen festgestellt

Die Iris war in allen Fällen mehr oder weniger verdünnt und atrophisch.

Der Pupillarrand war häufig entropioniert Kleinere und grössere Haufen rostbrauner Eisenpartikel wurden noch nach 8/4 Jahren, frei im Irisstroma liegend, angetroffen.

An der Linse, welche in einzelnen Fällen etwas nach hinten verlagert zu sein schien, konnten als degenerative Veränderung auf- zufassende Trübungen im weiteren Verlauf nicht festgestellt werden; in einigen Fällen beobachtete, im Pupillargebiet liegende zarte, ober- flächliche Trübungen beruhten auf einer Auflagerung von der Iris- vorderfläche auf die Linsenkapsel hinübergewucherten endothelo- genen Gewebes oder auf circumscripten Wucherungen des Kapsel- epithels.

An der Aderhaut waren nur in der vorderen Bulbushälfte erhebliche Veränderungen zu konstatieren. Es war hier unter dem Einfluss der Drucksteigerung zu einer Atrophie gekommen, welche vom Äquator nach der Ora serrata an Stärke zunahm. In einer Entfernung von 1—2 mm von der Ora serrata, im Bereich der stärksten Dehnung der Bulbus wand, war die Aderhaut meist in hohem Grade fibrös entartet und mit der Retina verwachsen.

Von besonderem Interesse sind von mir in 2 Fällen beobachtete Abhebungen der Aderhaut, verursacht durch ausgedehnte Blutungen in den retrochorioidealen Raum infolge plötzlicher Druckherabsetzung nach Punktion der vorderen Kammer.

In dem einen Falle, welcher im folgenden (siehe S. 399) aus- führlich beschrieben ist, war es bereits nach der ersten Punktion zu einer ausgedehnten Netzhautabhebung gekommen, welche den Ein- blick in das Augeninnere verwehrte.

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 387

In einem andern mehrfach punktierten Buphthalmus wurde nach der ersten Punktion eine kleine präretinale Blutung festgestellt. Eine cirkuläre, sehr flache, durch die mikroskopische Untersuchung fest- gestellte Abhebung der Aderhaut durch Bluterguss zwischen Äquator und Ora serrata war mit dem Augenspiegel nicht diagnostiziert worden.

Was die Ursache der Blutungen betrifft, so konnten Verände- rungen an den Aderhautgefässen, speziell an den Venen, welche auf eine abnorme Brüchigkeit der Gefässwände schliessen Hessen, nicht nachgewiesen werden. Es müssen daher die wahrscheinlich venösen Blutungen auf eine lediglich durch plötzliche Blutdruckerhöhung be- wirkte Gefässruptur zurückgeführt werden.

Ebenso wie beim Menschen [Bloom (54)] zeigte sich in beiden Augen bereits nach 15 Tagen das zwischen Sklera und Aderhaut in grösserer Menge ergossene Blut von einem lockeren Netzwerk neu- gebildeten Bindegewebes durchwachsen, während kleine Blutextra- vasate in einem derberen, an Spindelzellen reichen Bindegewebe mit paralleler Faserrichtung eingeschlossen lagen.

Die Bindegewebsentwicklung im retrochorioidealen Räume, welche offenbar von dem Lamellenwerk der Suprachorioidea ihren Ausgang nimmt, müssen wir mit Fuchs (55) auf eine reizende Wirkung des ergossenen Blutes zurückführen und als einen Einkapselungsvorgang bezeichnen.

An der Netzhaut und am Sehnerven waren in allen Fällen länger dauernder Drucksteigerung charakteristische Veränderungen nachweisbar.

Die Netzhaut zeigte sich stets in dem am stärksten gedehnten vorderen Bulbusabschnitt mehr oder weniger atrophisch verändert.

Die Atrophie setzte in einem Teil der Fälle bereits am Äquator ein und gab sich hier in einer Verschmälerung aller Schichten der Netzhaut zu erkennen, welche nach der Ora serrata allmählich zu- nahm, bis endlich die stark verdünnten äusseren und inneren Körner zusammenflössen. In einer Entfernung von 1 2 mm von der Ora serrata endlich bestand die mit der atrophischen Aderhaut ver- wachsene Netzhaut nur noch aus einem gewucherten gliösen Gewebe, in welchem sich nur noch vereinzelte Körner und Ganglienzellen nachweisen Hessen.

In andern Fällen erfolgte der Übergang der normalen Netzhaut in diese stets nachweisbare, hinter der Ora serrata gelegene Zone stärkster Atrophie, deren Breite zwischen 1 2 mm schwankte, nicht allmählich, sondern unvermittelt

388 p- Erdmann

Im Gegensatz zum vorderen wurde die Netzbaut im hinteren Bulbusabschnitt, eine unbedeutende Verschmälerung der Ganglien- zellen- und Nervenfa8er8chicht und einen verschieden starken Schwund der markhaltigen Nervenfasern an den Markflügeln ausgenommen, normal befunden.

Abweichungen von diesem Verhalten fanden sich, abgesehen von solchen Glaukomaugen, in denen es infolge plötzlicher Druckherab- setzung durch Punktion der vorderen Kammer zur Abhebung der Aderhaut und Netzhaut gekommen war (vgl. S. 398, Kaninchen 21), nur in einem Falle (Kaninchen 43, S. 391), insofern hier der atro- phische, mit der Aderhaut verwachsene Netzhautbezirk nicht vorn an der Ora serrata, sondern am Äquator gelegen und auch im hin- teren Bulbusabschnitt ein atrophischer Netzhaut - Aderhautherd zu finden war.

In allen Fällen, in denen die Drucksteigerung länger als einen Monat bestanden hatte, wurden eine Verbreiterung und Vertiefung der physiologischen Excavation der Sehnerven festgestellt

Die Vertiefung, welche meist einen hohen Grad erreichte, stand nicht immer im Verhältnis zur Höhe und Dauer der Drucksteigerung des betreffenden Auges. So wurden in einigen sehr grossen Augen mit einer seit 6 9 Monaten dauernd beträchtlich erhöhten Tension eine nur massig vertiefte Excavation, dagegen in andern ebenfalls stark vergrösserten Augen schon nach einer 1V2 2 Monate bestehen- den Drucksteigerung eine ungewöhnlich tiefe glaukomatöse Excavation angetroffen.

Die Verbreiterung der Skleralpforte war im allgemeinen eine massige, der Grössenzunahme des Auges entsprechende; nur in einem Falle (Kaninchen I, S. 341), wo die Excavation neben einer ausser- ordentlichen Tiefe noch eine ungewöhnliche Breite aufwies, war die Verbreiterung auf Kosten der Bulbuswand zu stände gekommen, in- dem der Skleralrand rings um die Skleralpforte nach aussen umge- schlagen war, so dass sich die inneren und äusseren Augenhäute an der Bildung der Excavation beteiligten.

Die Excavation, welche fast immer randständig war, auf dem Durchschnitt häufig eine typische Kesselform aufwies, bedingte nicht selten eine ampullenförmige Auftreibung der Sehnerven an seiner Eintrittsstelle in den Bulbus.

Das die Excavation begrenzende Optikusgewebe wies einen Schwund der Nervenfasern und zwar besonders der zentral gelegenen auf, wel- cher im allgemeinen der Tiefe und Breite der Excavation und der

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 389

Dauer und Intensität der Drucksteigerung proportional war. Das Stützgewebe war in älteren Fällen meist gewuchert, das Septenwerk verdickt und kernreich.

Kleinste kavernöse Räume und Spalten wurden in den ersten Monaten nach Beginn der Drucksteigerung im Optikusgewebe sowohl wie in der atrophischen Ganglienzellen- und Nervenfeaerschicht mehrfach gefunden, grössere Kavernen im Sinne Schnabels (56, 57, 58) wurden dagegen stets vermisst; das Optikusgewebe erschien vielmehr in spä- terer Zeit durch Wucherung der Glia und Verdickung der Septen meist dichter als dasjenige des normalen Auges.

Mit Weigerte bzw. Pals Markscheidenfärbung behandelte Op- tiku8querechnitte zeigten 2 6 mm hinter der Papille bald einen diffusen, bald vorwiegend auf einzelne Bezirke beschränkten Ausfall von Nervenfasern sehr verschiedenen Grades; meist war auch eine Wucherung der Glia und eine Verbreiterung der Septen zu konsta- tieren, während eine Höhlenbildung stets fehlte.

Die Veränderungen der Netzhaut und des Optikus beim experi- mentellen Glaukom, welche ich nur kurz habe skizzieren können, sollen an der Hand eines grösseren, gleichmässig fixierten Materials, welches sich auf die verschiedensten Stadien des Glaukoms erstreckt, ausführlich bearbeitet werden.

Die an dem vorliegenden Material erhobenen Befunde berech- tigen jedoch schon jetzt zu der Schlussfolgerung, dass die in allen Fällen länger dauernde Drucksteigerung im Kaninchenauge ange- troffene, mehr oder weniger ausgebildete glaukomatöse Excavation eine Druckexcavation ist, und dass der im Gefolge des erhöhten Augeninnendruckes, im Bereich der stärksten Dehnung der Augen- hülle, auftretenden Netzhautatrophie, welche übrigens in vielen Augen mit ausgebildeter glaukomatöser Excavation nur sehr schwach ent- wickelt und auf die äusserste Peripherie beschränkt gefunden wurde, durch ascendierende Nervenfaserdegeneration nur eine unterstützende Bolle bei der Ausbildung der Excavation zukommt.

Die Experimente sind sonach eine Stütze der alten, in neuerer Zeit von Schnabel angefochtenen Lehre, dass die glaukomatösen Excavationen Druckexcavationen sind, indem sie zeigen, dass ein dauernd erhöhter Druck in kurzer Zeit1) eine typische glaukomatöse

*) Tiefe, typisch glaukomatöse Excavationen konnten beim Kaninchen so- wohl wie beim Hund bereits l1/« Monate nach Beginn der Drucksteigerung anatomisch nachgewiesen werden.

390 P- Erdmann, Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw.

Excavation der Sehnerven verursachen, und dass im Sehnervenkopfe vorkommende kleine kavernöse Räume und Spalten nicht als ein primärer, kavernöser Nervenschwund (Schnabel), sondern als Teil- erscheinung einer durch dauernde Drucksteigerung bewirkten Degenera- tion des Ganglion nervi optici anzusehen ist, worauf Schreiber (59) bereits in seiner Kritik der Schnabelschen Lehre aufmerksam ge- macht hat.

(Schluss folgt im nächsten Heft)

(Aus der Universit&ts- Augenklinik zu Rostock.)

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen am glaukomatösen Tierauge.

Von

Dr. Paul Erdmann,

I. Assistenten der Klinik.

Mit Taf. VIII— IX, Fig. 1—16.

(Schluss aus Bd. LXVI, 2.)

Ich wende mich nunmehr zu andern charakteristischen, durch die Drucksteigerung am Kaninchenauge bewirkten Veränderungen und zwar zu den:

Rissbildungen der Descemetschen Membran.

Zerreis8ungen dieser Membran beim menschlichen Buphthalmus [Haab(60), Reis (50), Axenfeld(61), Seefelder (51, 52)], bei Ek- tasie der Hornhaut durch intraokulare Geschwülste, spezieU durch Glioma retinae [Wintersteiner (63)], bei Keratoconus [Axen- feld(61)] und bei Myopie [Fleischer (64), Faber(65), Stephen- son(66)] haben in neuerer Zeit in klinischer und anatomischer Hin- sicht eine eingehende Untersuchung erfahren.

Die Risse präsentieren sich als bänderartige Streifen, welche in bogen- oder rankenförmigen Windungen an der Hornhauthinterfläche gewöhnlich von einem Limbus zum andern ziehen. Bei Lupen- betrachtung kann man an den Streifen zwei glasige, parallel zu- einander verlaufende leistenartige Ränder und ein weniger trübes oder ganz durchsichtiges Mittelstück unterscheiden. Die Hornhaut weist in unmittelbarer Nachbarschaft des Streifens eine zarte, grau- liche Trübung auf.

Anatomisch entsprechen dem Mittelstück ein Defekt der Des- cemetschen Membran, in dessen Bereich das im allgemeinen intakte Hornhautgewebe meist mit einer Endothelschicht und neugebildeter, dünner Glashaut überzogen ist, den leistenartigen Rändern dagegen die häufig spiralig aufgerollten oder drusenartig verdickten Rissenden der Glashaut. Auf Verdickungen der an die Rissenden angrenzen- den Descemetii sind nach Seefelder auch die zarten Trübungen zurückzufuhren, welche die Bänder zu umgeben pflegen.

Derartige charakteristische Risse der Descemetschen Membran, welche ein wertvolles diagnostisches Hilfsmittel bei der Diagnose des

v. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 3. 26

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Hydrophthalmus darstellen, da sie nur in wenigen Fällen vermisst werden Reis konnte sie unter sieben anatomisch untersuchten Fällen fünfmal, Seefelder unter elf Fällen elfmal anatomisch und unter 42 klinisch beobachteten Fällen 30 mal nachweisen , sind beim experimentellen Glaukom meines Wissens bisher noch nicht beobachtet, dagegen konnte Berberich (25) bei Gelegenheit der ana- tomischen Untersuchung zweier Kaninchenaugen, bei welchen es, wie oben bereits ausgeführt wurde, im Anschluss an eine von Leber vorgenommene Injektion einer sterilen Staphylococcusaufschwemmung in die vordere Kammer zu Glaukom und in einem Falle auch zu beträchtlicher Vergrösserung des ganzen Bulbus gekommen war, mul- tiple Defekte der Descemet sehen Membran und Regenerationsvorgänge in deren Bereich durch Neubildung glashäutiger Substanz nachweisen.

Es handelte sich um unregelmässige, flächenhafte Defekte von sehr verschiedener Grösse, welche durchweg in der Peripherie der Cornea und zwar vorwiegend in der oberen Hälfte lagen. Die De- fekte, deren Ränder nach aussen umgeklappt waren, waren von einem fibrillären Bindegewebe ausgefüllt, das die Innenfläche der Cornea in ihrem ganzen peripheren Abschnitt bedeckte und dessen Struktur derjenigen der Cornea ähnlich war. Über dieses Gewebe erstreckte sich zum Teil das Endothel, welches an seiner äusseren Fläche eine neugebildete Glashaut ausgeschieden hatte, hinüber. Unter dem Gewebe war die Descemetsche Membran vielfach durch eine Auf- lagerung glashäutiger Substanz verdickt, welche sich scharf von der alten Glashaut abgrenzte. Weiterhin fanden sich auch drusenartige Neu- bildungen der Glashaut. Nach Berberich handelt es sich bei den Defekten um die Folgen geschwüriger Prozesse an der Innenfläche der Hornhaut, zumal da auch deren Substantia.propria im Bereich der Defekte der Glashaut durch Narbengewebe ersetzt war. Später kam es dann zu Regeneration des zugrunde gegangenen Endothels von der intakt ge- bliebenen Umgebung aus und zur Abscheidung einer neuen Glashaut

Defekte der Descemetschen Membran habe auch ich bei ex- perimentell erzeugtem Buphthalmus mehrfach feststellen können.

Unter neun mehrere Monate beobachteten Fällen von ausgebil- detem Buphthalmus fand ich einmal (Kaninchen I, Versuch 4) kleine unregelmässige, flächenhafte Defekte ähnlich den von Berberich be- schriebenen, welche erst bei Gelegenheit der anatomischen Unter- suchung festgestellt wurden. In zwei Fällen, welche nunmehr beschrieben werden sollen, konnte ich jedoch typische, bänderartige Defekte auch klinisch in ihrer Entwicklung beobachten.

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 393

I. Fall. Kaninchen 43 (2. V. 06). Ausgewachsenes Tier. Das beiden Augen entnommene Kammerwasser wird mittels zweier ßtahlnadeln elektrolytisch zerlegt [10 MA. 4 Min.] und die ausgeschiedene Eisenmasse 1 V4 Stunde später nach nochmaliger Punktion in die vordere Kammer des rechten Auges injiziert.

Nach 4 Stunden: ftässige Chemosis und Injektion. Cornea klar bis auf den Stichkanal und dessen nächste Umgebung. Am Boden der vor- deren Kammer liegt eine 3 mm hohe Eisenschicht, welche sich seitlich im Kammerwinkel 4 mm weit nach oben erstreckt. Vereinzelte Eisenpartikelchen sind auf der Iris abgelagert. Im Pupillargebiet liegt eine zarte Fibrinflocke. Tension herabgesetzt.

3. V. Chemosis und Injektion haben etwas zugenommen. Die Cornea ist klar. Auf der Eisenmasse hat sich etwas Fibrin abgeschieden. Iris hyperämisch. Tension herabgesetzt.

4. V. Cornea oberhalb der Eisenmasse ganz zart parenchymatös ge- trübt. Spannung normal.

5. V. Ausgesprochen pericorneale Injektion. Cornea in ganzer Aus- dehnung zart wolkig (cirrhusartig) getrübt. Vordere Kammer erscheint ver- tieft. Spannung deutlich erhöht

7. V. Trübung der Cornea hat zugenommen, ebenso die Tiefe der vorderen Kammer. Tension hoch.

12. V. Der vordere Abschnitt des stark injizierten Auges erscheint vergrössert Cornea in ganzer Ausdehnung zart cirrhusartig getrübt und verdickt; ihre Oberfläche ist chagriniert. Die Sensibilität ist deutlich herab- gesetzt Über den Limbus schiebt sich ein schmaler Geftssring hinüber. Pupille übermittelweit, unregelmässig, reagiert träge. Iris stark hyperämisch.

23. V. Die Vergrösserung des Auges hat zugenommen. Die Injek- tion und Hornhauttrübung sind zurückgegangen. Der Gefassring ist bis auf vereinzelte Gefässe unten verschwunden. Die Eisenmasse am Boden der vorderen Kammer hat sich sichtbar vermindert. Im Pupillargebiet liegt eine dünne graue Membran nebst einigen Eisenpartikeln. Die Pupille ist unter- mittelweit und etwas nach oben verzogen. Tension hoch.

30. V. Die Hornhaut ist von einer ringförmigen, unmittelbar an den Pigmentsaum angrenzenden, grauweissen, den hinteren Schichten angehören- den Trübung eingefasst, welche in den oberen 2/s des Hornhautumfanges sehr schmal ist, im unteren Drittel aber an Breite beträchtlich zunimmt.

Bei Lupenbetrachtung sieht man hinter der ringförmigen Trübung eine grauweisse Gewebsmasse aus dem Kammerwinkel hervorragen, welche die Tiefe des Kammerwinkels zum Teil ausfüllt und am Kammerboden die rostbraune Eisenmasse einschliesst.

Die Cornea ist im übrigen klar bis auf eine zarte, streifenförmige paren- chymatöse Trübung im vertikalen Durchmesser oberhalb der Eisenmasse.

12. VI. Das sehr grosse Auge ist völlig reizlos. Die vorderen Ciliar- venen sind prall gefüllt Die Hornhaut ist, abgesehen von der Randtrübung, völlig klar. Die etwas atrophische Iris weist einige rostbraune Flecken an ihrer Oberfläche auf. Die übermittelweite Pupille bildet ein stehendes Oval. Im Pupillargebiet liegt eine zart graue Masse, welche den Einblick in das Augeninnere etwas erschwert. Man sieht jedoch die Papille deutlich grau-

26*

394 Erdmann

rötlich verfärbt und von fast kreisrunder Form. Die Papille erscheint tiefer excaviert als die des normalen Anges. Die Markflügel sind etwas ver- schmälert Die Tension ist palpatorisch deutlich erhöht.

Der Befund änderte sich in den nächsten Wochen nicht nennenswert Die Spannung blieb deutlich über der Norm erhöht, sie war jedoch weniger hoch als bei Beginn des Glaukoms. Die Vergrössernng des Augapfels nahm nicht mehr zu, dagegen erfuhren die Excavation der Sehnerven und die Atrophie der Markflügel eine deutliche Zunahme. Die Spannung hielt sich dauernd auf einer mittleren Höhe.

21. VII. Im oberen nasalen Quadranten der im Zentrum völlig klaren Hornhaut findet sich eine sehr feine, scharf konturierte grauliche Linie, welche nasal oben am limbus beginnend in leicht gewundenem Ver- lauf zum Mittelpunkte der Hornhaut zieht Bei Lupenbetrachtung erkennt man, dass es sich um eine bandartige, zarte, graue Trübung der Hinter- fläche handelt, an welcher sich zwei parallel verlaufende, doppelt konturierte, glasige Ränder und ein fast durchsichtiges Mittelstück unterscheiden lassen. Eine zarte Trübung in der nächsten Umgebung der Bänder löst sich bei starker Vergrössernng in feinste, in schräger Richtung von den Rändern ausgehende, parallele graue Striche auf, ähnlich den feinen, querverlaufenden Sprüngen, welche sich beim Schneiden von Glas mit dem Diamanten an der Schnittlinie bilden. Der übrige Befund am Auge hat sich nicht wesentlich geändert. Das Auge ist völlig reizlos. In den Bindehautsack gebrachtes Fluorescein färbt nur einige oberflächliche Epitheldefekte.

31. VII. Nach Aufhellung einer zarten, streifenförmigen, vom Zentrum zum temporalen Hornhautrande verlaufenden parenchymatösen Trübung sieht man die vorstehend beschriebene feine Linie fast bis zum gegenüberliegenden Limbus verlaufen. Die Cornea ist im übrigen im Zentrum völlig klar. Der Druck hat sich auf einer annähernd konstanten Höhe erhalten.

Die Excavation der Papille hat etwas zugenommen, die Markflügel erscheinen deutlich verschmälert

13. IX. Das sehr grosse Auge ist völlig reizlos. Die vorderen Ciliar- venen treten deutlich hervor. Die Ciliarkörpergegend erscheint in der ganzen Circumferenz etwas vorgebaucht und hat einen leicht bläulichen Farbenton. Die Hornhaut weist eine dichte, weissgraue, tiefliegende Randtrübung auf^ welche in der unteren Hälfte an Breite zunimmt Die Reste der am Boden der vorderen Kammer in weissgraues Gewebe eingeschlossenen, rostbraunen Eisenmasse schimmern unten durch die Hornhaut durch. Das Zentrum der Hornhaut ist völlig klar bis auf die oben beschriebene feine, glasige Linie, welche die Hornhaut im leichtgewundenen Verlauf vom temporalen zum nasalen Limbus durchquert.

Die vordere Kammer ist tief. Die etwas atrophische Iris weist einige rostbraune und weissgraue Flecken auf. Die stehend ovale, mittelweite Pupille reagiert träge; am unteren Pupillarrand liegt eine grau weisse Masse auf der Linsenkapsel.

Die scharf begrenzte, schmutzig gelbrote Sehnervenscheibe ist massig tief excaviert; die Zentralgefässe sind eng; die Markflügel verschmälert, temporal stärker als nasal. Oberhalb der Papille findet sich ein kleiner, unregelmässiger, weissgelber Herd mit vereinzelten schwarzen Pigmentflecken.

»

n

17,5 ),

J)

79

18,5 ),

V

77

19,0 ).

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 395

Die Spannung ist palpatorisch deutlich höher als am linken Auge = 46 mm Eg Fick (28 mm am normalen Auge).

Das Tier wird durch Chloroform getötet. Die Angen werden unmittel- bar nach dem Tode enucleiert und im Müller- Formol- Gemisch fixiert Die temporale Bulbushälfte wird in der Sagittalebene, die mediale in der Horizontalebene in Serienschnitte zerlegt

Makroskopischer Befund (Flg. 3 und 4, Taf. VIII).

Das Glaukomauge ist in allen Dimensionen vergrößert und annähernd kugelförmig; der Sehnerv ist an seiner Eintrittsstelle in den Bulbus in ge- ringem Grade ampullenförmig aufgetrieben.

Die äusseren Masse beider Augen sind folgende:

vertikaler Hornhautdurchmesser 17,0 mm (normales Auge 14,2 mm),

(vor dem Versuch 14,7 ),

horizontaler Hornhautdurchmesser 18,5 ( 15,0 ),

(vor dem Vereuch 15,5 ),

sagittaler Durchmesser 20,5 (

vertikaler 21,9 (

horizontaler 22,5 (

Der Sulcus sclerae ist an den Schnitten in der oberen Bulbushälfte noch angedeutet, in der unteren ist er völlig verstrichen. Die Form der vorderen Kammer gleicht auf dem Durchschnitt derjenigen des bei Versuch 4 (Kaninchen I) beschriebenen Buphthalmus. Der Kammerwinkel ist auch hier stark verbreitert und abgerundet; die Iris ist annähernd in einer Ebene ausgespannt. Die Tiefe der vorderen Kammer, gemessen vom Hornhaut- scheitel bis zum vorderen Linsenpol, beträgt 3,6 mm (am normalen Auge 2,5 mm).

Mikroskopischer Befund.

Das lockere Gewebe der Conjunctiva weist weite, blutgefüllte Ge- fässe und vereinzelte kleine Rundzellenherde auf. Das normale Epithel geht seitlich und oben in einer Entfernung von etwa 0,6 mm vom Irisansatz in das Hornhautepithel über (am normalen Auge in etwa 1,8 mm Entfer- nung). Im unteren Drittel des Hornhautumfangs, wo die Irisperipherie in einer Ausdehnung von 3,5 mm mit der Hornhaut verwachsen ist, liegt der Gonjunctivalansatz 3,2 mm hinter dem neugebildeten Kammerwinkel.

Die Hornhaut ist ziemlich gleichmässig in geringem Grade verdünnt. Ihre Dicke beträgt im Zentrum durchschnittlich 0,2 mm (normales Auge 0,27 mm), in der Peripherie (am Conjunctivalansatz) 0,20 mm (normales Auge 0,29 mm). Das Epithel der Hornhaut hat normale Breite und Schich- tung. Die Grundsubstanz ist in den zentralen Partien von normaler Struktur, in der Peripherie ist sie in den vorderen Schichten sklerosiert, die Substantia propria ist reich an fixen Zellen und hat eine dichte, faserige Beschaffen- heit Diese periphere, narbig veränderte Zone hat in den oberen 2/3 des Hornhautumfanges eine Breite von etwa 1 mm, im unteren Drittel erreicht sie, nach unten an Ausdehnung zunehmend, eine Breite von 5 mm. Hier begegnet man auch vereinzelten oberflächlichen Gefässen in der Grundsubstanz.

396 ?• Erdmann

Die Descemetsche Membran setzt sich aus zwei durch eine feine Trennungslinie deutlich geschiedenen Lamellen zusammen, aus einer breiten, sieh dunkler färbenden äusseren und einer schmalen, helleren, inneren. Die Membran hat im Zentrum und in der Peripherie unten eine Dicke von 0,011 mm, davon entfallen auf die äussere Schicht 0,007 mm, auf die innere 0.004 mm. In der Peripherie oben beträgt ihre Gesamtdicke 0,014 mm, die Dicke der äusseren Lamelle 0,008, die der inneren 0,006 mm. Am normalen Auge hat die homogene Membran zentral eine Dicke von 0,014 mm, peripher eine solche von 0,018 mm.

Zwischen den beiden Lamellen oder auch in der inneren, welche an diesen Stellen vielfach etwas verdickt ist, eingebettet liegen hier und da kleinere und grössere lockere Häufchen kleinster gelblicher Eisenkörnchen, welche die Berlinerblau-Reaktion geben. Die Endothelien, welche die Membran ohne Unterbrechung decken, sind völlig normal.

Am Boden der vorderen Kammer spaltet sich die Descemetsche Membran am oberen Rande der der Hornhauthinterfläche aufgelagerten, noch näher zu beschreibenden Schicht endothelogenen Gewebes in ihre zwei Blätter; das innere schmale Blatt überkleidet das Gewebe eine Strecke weit nach der vorderen Kammer hin, das äussere breite zieht, zwischen Gewebe und Hornhautstroma verlaufend, nach dem Kammerwinkel.

Entsprechend der feinen, graulichen, an der Innenfläche gelegenen Linie, welche die ganze Hornhaut durchquerte, findet sich ein Defekt der Descemetschen Membran, dessen Breite zwischen 0,28 und 0,34 mm schwankt. Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dass es sich gleichsam um einen Defekt der äusseren breiten Lamelle handelt, indem die innere schmale, vom Endothel bekleidete scheinbar ohne Unterbrechung über den Defekt hinwegzieht Die Rissenden der äusseren breiten Lamelle liegen glatt, nicht aufgerollt oder umgebogen, der Hornhautgrundsubstanz an; der meist glatte, selten ausgezackte Rand ist in der Regel von hinten nach vorn zugeschärft (Fig. 12, Taf. IX).

Das in dem Defekt liegende Hornhautstroma erscheint teils ganz normal, teils weisen die nächstgelegenen Lamellen eine leichte Lockerung und Quellung auf; auch sind die fixen Hornhautzellen am Grunde des Defektes an Zahl vermehrt und unregelmässig angeordnet

Das auf dem Kammerboden niedergeschlagene Eisen hat zu ausge- dehnter Produktion endothelogenen Gewebes Veranlassung gegeben, welches, den Kammerwinkel ausfüllend, eine feste Verbindung der Irisperipherie mit der Hornhaut in einer Ausdehnung von 3V2iBm herstellt und weiterhin noch 2 mm weit an der Hornhauthinterfläche hinaufzieht.

Das Gewebe besteht aus einem lockeren Flechtwerk von Bindegewebs- Vündeln und -Lamellen, welche im ganzen eine zur Hornhaut parallele berlaufsrichtung aufweisen und langgestreckte Spindelzellen zwischen sich fassen. Die letzteren kreuzen sich vielfach unter spitzem Winkel, sie sind jedoch ebenso wie die Bindegewebsbündel im ganzen zur Hornhaut parallel gerichtet

Das Gewebe selbst schliesst ausser einer grösseren Masse lockergefügter gelblicher Eisenkörnchen zahlreiche kleinere und grössere Haufen brauner Eisenpartikelchen von sehr verschiedener Grösse und Form ein, welche hier

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 397

und da zwischen den Bindegewebsbündeln liegen; daneben finden sich namentlich in den oberflächlichen Schichten des Gewebes vereinzelte, mit Eisenkörnchen beladene Phagozyten.

Abgesehen vom Kammerboden, wo die Irisperiphie mit der Cornea in grösserer Ausdehnung verwachsen ist, erscheint der Rammerwinkel in der ganzen Circumferenz, wie bereits hervorgehoben wurde, auffallend weit.

Bei näherer Betrachtung erweisen sich jedoch die feineren anatomischen Verhältnisse im Kammerwinkel erheblich verändert, und zwar in gleicher Weise wie bei dem Kaninchen I, Versuch 4.

Es werden nämlich die im Kammerwinkel zwischen Iris und Desce- metscher Membran bzw. dem sklero-cornealen Trabekelsystem sich aus- spannenden Irisfortsätze sowohl wie das Balkenwerk des Ligamentum pectinatum selbst vermisst Die Iriswurzel ist vielmehr mit der Corneo- Skiera, bzw. dem Maschen werk, bis zum Ende der Descemet sehen Mem- bran fest verwachsen. An Stelle des lockeren Trabekelwerks findet sich ein aus langgestreckten Spindelzellen mit spärlicher fibrillärer Zwischen- substanz bestehendes Gewebe, welches von dem anliegenden zellreichen Skleralgewebe nicht scharf abzugrenzen ist; einzelne Spindelzellen schliessen jedoch im Gegensatz zu den angrenzenden Skleralzellen Eisenkörnchen ein.

Das Irisgewebe ist an der Verwachsungsstelle verdichtet und kernreich. Es schliesst hier grössere und kleinere rundliche Haufen von Eisenzellen ein, welche sich grösstenteils als eisenbeladene Phagocyten erweisen. Die Eisenkörnchen liegen jedoch in den Zellen meist so dicht, dass die Zell- bestandteile selbst verdeckt werden.

Ebensowenig wie das Ligamentum pectinatum sind das sklero-eorneale Netzwerk und der Plexus ciliaris an der Verwachsungsstelle der Iriswurzel nachweisbar, mit Ausnahme des obersten Sechstels des Kammerumfanges, wo neben Resten eines verdichteten Trabekelsystems noch vereinzelte Venen- lumina vorhanden sind. Die vorderen Ciliarvenen sind eng und blutleer.

Die Iris ist namentlich in ihrer unteren Hälfte stark verdünnt Der Durchmesser beträgt hier in der Pars ciliaris 0,19 mm, in der Pars pupillaris 0,09 mm; in der oberen Hälfte dagegen 0,30 bzw. 0,13 mm. (Am normalen Auge, an korrespondierenden Stellen gemessen: Pars ciliaris 0,33 mm, Pars pupillaris 0,24 mm.)

Das Gewebe ist namentlich in der unteren Hälfte verdichtet; die Wand der meist blutleeren Gefässe ist etwas verdickt Der Sphincter pupillae ist atrophiert. Im Stroma liegen grösstenteils dicht unter dem Endothel, zum Teil jedoch auch in den mittleren Schichten rostbraune Eisenkörner und -Schollen in kleineren und grösseren meist rundlichen Haufen dicht gefügt zusammen. Hier und da sind mehrere Haufen zu einer umfang- reichen Masse zusammen gelagert Die Grösse der kleineren Haufen ent- spricht etwa derjenigen der Phagocyten, doch ist eine die Eisenkörnchen umschfiessende Zellmembran nicht nachweisbar. Augenscheinlich sind die das Eisen in die Iris transportierenden Zellen mit der Zeit zugrunde ge- gangen, während die Eisenkörnchen selbst, ohne Reizerseheinungen zu ver- anlassen, in den Gewebsspalten liegen blieben und einheilten.

Die Sklera ist trotz der beträchtlichen Vergrößerung des Auges, wie ein Vergleich mit dem normalen Auge ergibt, nur unbedeutend verdünnt,

398 P- Erdmann

und zwar vorwiegend in der unteren Bulbushälfte in der Ciliargegend und am Äquator (vgl. Tabelle S. 382). Sie ist in der Ciliargegend zellreich, der Gehalt an elastischen Elementen entspricht der Norm.

Der Ciliarkörper ist besonders in der unteren Bulbushälfte stark in die Länge gezogen und verdünnt Die Entfernung des Kammerwinkels von der Ora serrata beträgt etwa das Doppelte der normalen.

Die Ciliarfortsätze sind stark verlängert , ihre Gefässe sind blutreich. Das Ciliarepithel ist von normaler Beschaffenheit.

Die Linse hat normale Grösse und Struktur.

Die Zonulafasern sind nicht nur verlängert, sondern auch erheblich verdickt und vermehrt.

Der Glaskörper hat normale Beschaffenheit

Die Ad er haut bietet im hinteren Bulbusabschnitt, abgesehen von einer starken Gefässfüllung, keine Besonderheiten dar. Zwischen Äquator und Ora serrata ist sie in der ganzen Circumferenz streckenweise atrophisch, fibrös entartet und mit der Netzhaut verwachsen.

Die Netzhaut ist ebenso wie die Aderhaut in der hinteren Bulbus- hälfte im ganzen gut erhalten. Man findet nur eine geringe Verschmälerung der Nervenfaserschicht und einen nicht sehr beträchtlichen Schwund der markhaltigen Nervenfasern. Oberhalb der Papille, etwa eine Papillenbreite von letzterer entfernt, findet sich ein kleiner Herd von etwa 1/2 Papillen- grösse, in dessen Bereich sämtliche Schichten der Netzhaut atrophiert und mit eingewanderten Pigmentkörnchen durchsetzt sind. Die Aderhaut ist hier eine kurze Strecke mit der Netzhaut verwachsen.

Eine tiefgreifende und ausgedehnte Alteration weist die Netzhaut da- gegen in der vorderen Bulbushälfte zwischen Äquator und Ora serrata auf.

Sie ist hier auf eine grössere Strecke mit der Aderhaut verwachsen und in hohem Grade atrophiert. In diesen atrophischen Bezirken ist die Pigmentschicht unterbrochen, und das stellenweise in Wucherung geratene Pigment in die Netzhaut eingewandert Die letztere hat ihre Struktur völlig verloren, sie besteht nur noch aus einer dünnen Lage gewucherter Glia, in welcher hier und da noch einige Körner und Ganglienzellen zu unterscheiden sind.

Die atrophischen Bezirke sind in kleinerer und grösserer Ausdehnung vorwiegend am Äquator zu finden; sie erstrecken sich von hier verschieden weit nach vorn. Gegen die Ora serrata erfährt die Netzhaut durch Re- duktion aller Schichten eine geringe Verschmälerung; kurz vor der Ora serrata endlich besteht sie in der Hauptsache aus gewuchertem, stellenweise von kleinen Vakuolen durchsetztem, gliösem Gewebe, in welchem die zu einer Schicht zusammengeflossenen Körner, sowie vereinzelte Ganglienzellen noch nachweisbar sind.

Der Sehnerv besitzt eine massig tiefe, nicht ganz randständige Ex- cavation, die Skleralpforte ist etwas verbreitert; die Entfernung der Skleral- kanten voneinander beträgt auf dem Sagittalschnitt 2,0 mm (am normalen Auge 1,4 mm). Die Tiefe der Excavation, gemessen vom Grund bis zu der durch die Lamina elastica chorioideae gelegten Ebene beträgt 0,75 mm (am normalen Auge 0,23 mm). Die inneren Augenhäute enden in normaler Beschaffenheit an der Skleralpforte.

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 399

Das Optikusgewebe zeigt einen massigen Schwund der Nervenfasern, eine Vermehrung und abnormen Eerngehalt des Stützgewebes und verein- zelte kleine Vakuolen.

Auf Querschnitten durch den Optikus, ungefähr 4 mm vom Bulbus, erscheinen die Nervenfasern ziemlich gleichmäßig in massigem Grade ge- lichtet und das Septenwerk deutlich verbreitert

Die Zentralgefasse sind eng, ihre Wandungen etwas verdickt. Die Vortexvenen sind von normaler Beschaffenheit.

II. Fall. Kaninchen 21 (7. III. 06). Grosses, ausgewachsenes Tier.

Das beiden Augen entnommene Kammerwasser wird mittels zweier Stahlnadeln elektrolytisch zerlegt (15 MA 4 Min.) und die ausgeschiedene Eisenmasse in die zum Teil wieder gefüllte vordere Kammer des linken Auges injiziert Ein grosser Teil der injizierten Flüssigkeit fliegst durch den Stichkanal beim Herausziehen der Kanüle wieder ab.

Nach einer Stunde: Auge nur wenig injiziert, geringe Chemosis. Cornea klar. Die in massigem Grade hyperämische Iris ist mit kleineren und grösseren flockigen Partikeln der bereits ockergelb gefärbten Eisenmasse und vereinzelten kleinen Fibrinflocken bedeckt. Eine grössere, an ihrer Oberfläche ebenfalls ockergelb gefärbte Eisenmenge von ungefähr 2 mm Höhe liegt auf dem Kammerboden. Tension normal.

8. III. 06. Injektion hat nur wenig zugenommen. Umgebung des Stichkanals leicht getrübt. Eisenmasse am Boden der vorderen Kammer ockergelb gefärbt. Fibrinmenge nicht vermehrt Tension leicht herabgesetzt.

10. III. Cornea unten am Limbus zart wolkig parenchymatös getrübt, im übrigen klar. Iris kaum hyperämisch, mit vereinzelten ockergelben Eisenflocken bedeckt Pupille mittelweit Augenhintergrund normal. Ten- sion normal.

11. III. Auge stark pericorneal injiziert; massige Chemosis. Cornea in ganzer Ausdehnung zart wolkig (cirrhusartig) parenchymatös getrübt; oberflächlich fein gestippt. Die Eisenmasse auf dem Kammerboden ist mit einer zarten Fibrinschicht bedeckt Iris stärker hyperämisch. Pupille mittel- weit. Tension palpatorisch deutlich erhöht [ungefähr 35 mm Hg (Fick)].

12. III. Auge stärker injiziert. Die wolkige Hornhauttrübung hat an Dichte noch etwas zugenommen, es ist jedoch auch jetzt noch die vordere Kammer gut zu übersehen. Die Sensibilität der Hornhaut ist deutlich her- abgesetzt. T. = 65 mm Hg (Fick).

15. III. Das Auge erscheint deutlich vergrössert, die Hornhaut um- fangreicher und gewölbter. Die vordere Kammer hat an Tiefe wesentlich zugenommen. Die Hornhauttrübung hat sich etwas aufgehellt. T. = ungefähr 68 mm Hg (Fick).

19. III. Die Vergrößerung des Auges hat zugenommen. Die Injek- tion ist zurückgegangen. Die Hornhaut ist nur noch im Bereich der auf dem Kammerboden liegenden Eisenmasse sowie in der oberen Hälfte ganz zart wolkig getrübt; ihre Sensibilität ist noch deutlich herabgesetzt Unten haben sich einige Kandgefässe entwickelt Auf der normal gefärbten, leicht hyperämischen Iris liegen nur noch vereinzelte gröbere, ockergelbe Eisen- partikelchen. Die Pupille ist über mittelweit und reagiert träge. Tension unverändert

400 P. Erdmann

21. III. An dem reizlosen, deutlich vergrößerten, prominenten Auge treten die vorderen Ciliarvenen deutlich hervor. Die Cornea ist nur noch im Zentrum ganz zart wolkig getrübt. Der Augenhintergrund ist jetzt er- kennbar: die Papille ist rund, von graurötlicher Farbe. Die Netzhautgefässe sind eng.

31. III. Das Auge hat an Umfang noch zugenommen. Die vorderen Ciliargefässe treten deutlich hervor. Die Hornhaut ist völlig klar bis auf eine schmale, weissgraue, rings um den Limbus verlaufende Trabung, welche den hinteren Schichten angehört. Die ringförmige Trübung ist unten am breitesten und läset hier die auf dem Kammerboden liegende, jetzt rostbraun getärbte und in eine graue Gewebsmasse eingeschlossene Eisenmasse, welche an Umfang wesentlich abgenommen hat, durchscheinen; nach oben hin nimmt sie an Breite ab. Die ßandgefösse in der unteren Hornhauthälfte haben sich zurückgebildet. Die Iris erscheint leicht atrophisch. Die Pupille ist weit und reagiert träge.

Die runde, sehr grosse Papille ist schmutzig graurot verfärbt und deutlich tiefer excaviert als die des normalen Auges. Die Gefässe sind eng, die Markflügel stark verschmälert.

Krümmungsradius der Hornhaut: vertikaler 8,2 mm, horizontaler 8,0 mm (vor dem Versuch: vertikaler und horizontaler 7,4 mm).

Tension: 60 mm Hg (Fick).

27. IV. Die Hornhaut des sehr grossen, weit aus der Lidspalte vor- stehenden Auges, welche bis dahin klar geblieben war, ist im Zentrum zart wolkig getrübt und ödematös verdickt. Die Spannung, welche sich auf einer mittleren Höhe [35 mm Hg (Fick)] erhalten hatte, hat etwas zu- genommen (55 mm Hg).

29. IV. Das Auge ist pericorneal injiziert Die Hornhaut ist in ganzer Ausdehnung zart wolkig parenchymatös getrübt und stark verdickt; ihre Oberfläche ist fein gestippt. Die Sensibilität fast aufgehoben. Die Span- nung ist auf 70 mm Hg gestiegen.

4. V. Die Reizung und Injektion sind zurückgegangen. Die Hornhaut hat sich wieder völlig aufgehellt. Die Spannung ist wieder niedriger 50 mm Hg.

Nach 3 in 1j2BtWnä\gen Pausen gegebenen Atropininstillationen tritt nach l1^ Stunden eine zarte, wolkige Trübung der vorher klaren Hornhaut in ihrer temporalen Hälfte auf. Die Spannung hat etwas zugenommen 65 mm Hg (Fick).

Das Auge ist nur wenig injiziert.

5. V. Die Trübung hat sich nach mehrmaligen Eserininstillationen wieder zurückgebildet. Die Spannung beträgt nur noch ungefähr 46 mm Hg.

Nachdem der Befund, abgesehen von einer weiteren, nur geringen Grössenzunahme des Auges, in den letzten Monaten und Wochen annähernd derselbe geblieben war, und die Spannung sich dauernd auf einer mittleren Höhe 35— 40 mm Hg erhalten hatte, wird am 4. VIII. folgendes festgetellt:

Das linke Auge ist reizlos. Die Ciliarvenen treten deutlich hervor. Die Ciliargegend ist etwas vorgewölbt und besitzt einen leicht bläulichen Farbenton. Die Hornhaut ist völlig klar bis auf die schmale cirkuläre

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 401

Randtrübung. Die Sensibilität ist herabgesetzt Die Iris ist atrophisch; Eisen- partikel sind auf ihrer Oberfläche nicht mehr nachweisbar. Die auf dem Kammerboden liegende rostbraune Eisenmasse ist bis auf einen kleinen, in grauweisse Gewebsmasse eingebetteten Rest verschwunden.

Die etwas Ober mittelweite, runde Pupille reagiert sehr träge.

Die grosse, runde Papille ist schmutzig hellgelbrötlich verfärbt; die Zentralgefässe sind sehr eng. Der nasale Markfitigel fehlt fast ganz, der temporale ist stark verschmälert Nasal oben neben der Papille findet sich ein kleiner dreieckiger, . graugelber Netzhautherd mit geringer Pigmentanhäu- rang in der Peripherie. Die Tension beträgt ungefähr 40 mm Hg (Fick).

Der Befund blieb unverändert bis zum 10. XI. 06, wo folgendes fest- gestellt wurde:

Das Auge ist pericorneal injiziert, die Cornea in ihrer temporalen Hälfte zart wolkig parenchymatös getrübt

Die Tension ist auf 58 mm Hg gestiegen.

11. XI. Befund unverändert. Durch mehrmalige Instillation von Eserin gelingt es, die Hornhaut in kurzer Zeit unter Zurückgehen der Drucksteigerung fast vollständig zur Aufhellung zu bringen.

12. XI. Nachdem durch Fortlassen des Eserins Hornhauttrübung und Druck von neuem eine Zunahme erfahren hatten, wird durch wiederholte Eserininstillationen die Hornhaut abermals zur Aufhellung gebracht. Skopo- lamininstillationen, welche nunmehr in Anwendung kommen, führen in kurzer Zeit eine bedeutende Druckerhöhung und eine zarte, wolkige, sich über die ganze Cornea ausbreitende Trübung und Stippung der Oberfläche herbei.

Eine Wiederholung dieser Versuche in den folgenden Tagen hatte stets das gleiche Ergebnis. Am 16. XI. wird in der temporalen Hornhauthälfte an der Hinterfläche eine feine, zartgrauliche, in flachem Bogen schräg von oben nach unten verlaufende feine Linie festgestellt, an welcher man bei starker Lupen Vergrößerung ein helleres, zart graulich getrübtes Mittelstück und zwei parallel verlaufende, doppelt konturierte Ränder unterscheiden kann. . Die Linie ist von einer feingestrichelten, nicht sehr breiten Trübung der hintersten Hornhautschichten eingefasst.

28. XL Neben der die ganze Hornhaut von einem Limbus zum andern durchquerenden zarten, grauen Linie werden noch zwei kurze Linien der- selben Art bemerkt, welche sich von der Hauptlinie in schräger Richtung nasal oben und temporal unten abzweigen.

5. XII. An dem sehr grossen Auge, welches seit 2 Wochen völlig reizlos war, fällt eine zarte, wolkige Trübung in der weiteren Umgebung der grauen Linien an der Hinterfläche der Hornhaut auf Die Hornhaut ist im übrigen völlig klar, die Sensibilität ist nur schwach herabgesetzt Die Iris ist atrophisch, die Pupille ist mittelweit und reagiert träge. Der ophthalmoskopische Befund hat sich nicht wesentlich geändert.

Es wird nunmehr zwecks Untersuchung des Kammerwassers mittels Pravazscher Spritze eine Punktion gemacht. Nach Zurückziehen der Nadel flieset einige Minuten lang eine grosse Menge eiweissreichen Kammer- wassers durch den Stichkanal ab. Bei einer \ Stunden nach der Punktion

402 P- Erdmann

vorgenommenen Untersuchung finden sich vereinzelte Fibrinflocken in der vorderen Rammer.

Die Iris ist stark hyperämisch, die Pupille mittelweit und reagiert trage. Mit dem Augenspiegel erhält man nur einen schwach graurötlichen Reflex aus der Pupille. Bei seitlicher Beleuchtung sieht man hinter der durch- sichtigen Linse eine graurote Masse.

Die Tension hat bereits wieder eine fibernormale Höhe erreicht

Das Auge ist noch leicht injiziert

8. XII. Die Cornea ist im Zentrum zart wolkjg getrübt Das Kam- merwasser ist leicht blutig tingiert Die graurote Masse hinter der linse ist unverändert.

Die Tension ist hoch (ungefähr 60 mm Hg).

15. XII. Punktion mittels Pravazscher Spritze wiederholt und ein grosser Teil blutig tingierten Kammerwassers abgelassen.

Die Tension hat bereits 3 Stunden nach der Punktion wieder eine übernormale Höhe erreicht

20. XU. Das Auge ist reizlos und nur leicht injiziert Die Cornea ist bis auf die feinen Linien an der Hinterfläche und die zarte Trübung in der Umgebung der letzteren völlig klar. Das Kammerwasser ist nicht mehr blutig tingiert

Die Iris ist in massigem Grade atrophisch, hinter der Linse erkennt man graurötliche wolkige Massen, im Glaskörper leicht flottierend. Die Spannung ist massig hoch, ungefähr 50 mm Hg (Fick).

Krümmungsradius der Hornhaut: vertikaler = 11,0mm, horizontaler = 9,7 mm (vor dem Versuch beide = 7,4 mm).

Das Tier wird durch Chloroform getötet. Beide Augen kommen un- mittelbar nach dem Tode in körperwarme Birch-Hirschfeldsche Lösung; sie werden nach erfolgter Einbettung in Celloidin in der Horizontalebene in Serienschnitte zerlegt.

Makroskopischer Befund (vgl. Taf. VIII, Fig. 5 und 6).

Das Glaukomauge erscheint in allen Dimensionen ziemlich gleichmSssig vergrössert und weist eine ausgesprochene Kugelform auf. Der Sehnerv ist an seiner Eintrittsstelle in den Bulbus leicht ampullenformig aufgetrieben.

Die äusseren Masse beider Augen sind folgende:

vertikaler Hornhautdurchmesser 18,9 mm (normales Auge 15,0 mm).

(vor dem Versuch 14,2 ),

horizontaler Hornhautdurchmesser 19,7 ( 15,0 ),

(vor dem Versuch 14,9 ),

sagittaler Durchmesser 21,9 (

vertikaler 21,3 (

horizontaler 23,0 (

7?

»

18,0 ),

V

77

17,5 ),

77

79

19,5 ).

Die in der Horizontalebene durch den Bulbus gelegten Schnitte sind annähernd kreisförmig; der Sulcus sclerae ist völlig verstrichen.

Die Tiefe der vorderen Kammer, gemessen vom Hornhautscheitel bis zum vorderen Linsenpol, beträgt 4,9 mm (am normalen Auge 2,4 mm); ihre

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 403

Breite, von einem Kammerwinkel zum andern gemessen, 17,0 mm (am normalen Ange 14,0 mm).

Die abnorme Tiefe und Form der vorderen Kammer ist auch in diesem Falle vorwiegend durch eine Verlagerung der hinteren Kammerwand nach rückwärts zu stände gekommen, indem die Linse an der Vergröeserung des Auges nicht teilnahm.

Die Iris bildet mit der Cornea fast einen rechten Winkel. Das Iris- diaphragma ist nach der hinteren Kammer ausgebuchtet, so dass die beiden Irishälften auf dem Durchschnitt flache, mit ihrer Konkavität nach vom gerichtete Bögen darstellen.

Mikroskopischer Befund.

Das Gewebe der Conjunctiva ist aufgelockert und von einzelnen Rundzellenhaufen durchsetzt.

Der Pigmenteaum ist fast um das Doppelte verbreitert. Der Übergang des Conjunctivalepithels in das der Cornea erfolgt nasal in einer Entfernung von 1,2 mm, temporal in einer Entfernung von 0,9 mm nach hinten vom Kammerwinkel (am normalen Auge dagegen 0,4 bzw. 0,6 mm nach vorn vom Kammerwinkel).

Die Dicke der Hornhaut beträgt im Zentrum 0,36 mm, in der Peri- pherie (1 mm nach vorn vom Kammerwinkel gemessen) nasal 0,49, temporal 0,42 mm (am normalen Auge 0,37 bzw. 0,36 und 0,38 mm).

Die Epithelschicht der Cornea, welche sich aus einer Lage kubischer Basalzellen und einer einfachen oder doppelten Lage platter Zellen zusam- mensetzt, ist ausserordentlich verdünnt; sie besitzt etwa nur die Hälfte der normalen Dicke.

Die Lamellen der Grundsubstanz sind leicht gelockert und hier und da von kleinsten Spalträumen durchsetzt

Die Grundsubstanz selbst ist im übrigen normal, abgesehen von einer ganz geringen Vermehrung der fixen Zellen in der vorderen Schicht nahe dem Limbus.

Besonderes Interesse beanspruchen auch hier wieder die Veränderungen der Descemetschen Membran.

Die Membran ist im ganzen etwas dicker als die normale, sodann ist sie im Gegensatz zur Norm in der Mitte (0,015 0,018 mm) dicker als in der Peripherie (0,015 mm). Ihre Dicke beträgt am normalen Auge zentral 0,011, peripher 0,014 mm. Eine durch die ganze Membran ausgedehnte Schichtung in zwei Lamellen tritt nicht so deutlich hervor wie im vorher- gehenden Falle, man kann sie jedoch in den meisten Schnitten nachweisen. Besondere im Zentrum tritt stellenweise eine Scheidung in eine etwas schmälere äussere (0,007 mm) und breitere innere (0,009 mm) Lamelle deutlich hervor. Die beiden Lamellen sind durch eine feine Linie oder durch einen Spaltraum geschieden. Der letztere, von einer fein granu- lierten Masse mit vereinzelten körnigen Eisenpartikelchen ausgefüllt, ist durchweg nur sehr schmal, so dass die Glashaut im Bereich der Spaltung kaum verdickt erscheint. Nur an einer Stelle findet sich eine circumscripte, flächenhafte, sich bis zu 0,03 mm erhebende Verdickung der Descemet- schen Membran, bedingt durch Einlagerung einer Gewebsmasse zwischen

404 P. Erdniann

ihre beiden Blätter. Die letztere besteht aus einer lamellären, glashäutigen Substanz, welche jedoch noch eine Andeutung fibrillärer Struktur erkennen lässt und neben vereinzelten spindelförmigen Kernen in länglichen Haufen zusammenliegende Eisenkörnchen einschliesst (vgl. Taf. IX, Fig. 13).

Zerreissungen der Descemetschen Membran begegnen wir auf Hori- zontalschnitten an drei verschiedenen Stellen, entsprechend den feinen grauen Linien an der Innenfläche der Hornhaut, welche etwa 1 Monat vor dem Tode des Tieres zuerst wahrgenommen wurden.

Der langen, die Hornhaut in ihrem ganzen Durchmesser schräg von oben nach unten durchquerenden Linie entspricht ein Defekt von 0,58 big 0,73 mm Breite. Die Rissenden, welche der Hornhaut glatt anliegen, haben eine conische Form, teils sind sie von hinten nach vorn, seltener von vorn nach hinten zugespitzt In vielen Fällen lässt sich ein direkter Übergang der neugebildeten dünnen Glashaut in die innere Lamelle, welche von der äusseren durch einen deutlichen Spalt geschieden ist, nachweisen (vgl. Taf. IX Fig. 14). Die zwischen den Rissenden liegende Grundsubstanz ist etwas mehr aufgelockert als die Umgebung. Die Zahl der fixen Zellen ist un- mittelbar unter der neugebildeten Glashaut vermehrt; einzelne langgestreckte Spindelzellen liegen der letzteren unmittelbar an. An einer Stelle findet sich in der Mitte des Defektes auf der neugebildeten Glashaut eine kleine hügelartige Auflagerung endothelogenen Gewebes, bestehend aus fibrillärer Grundsubstanz mit parallel zur Hornhautoberfläche gelagerten Spindelzellen.

Ein zweiter, 0,36 mm breiter Defekt entspricht der kurzen bandartigen Trübung in der oberen Hornhauthälfte, welche sich von der erstbeobach- teten abgrenzte. Die Rissenden liegen der Hornhaut an, die scharfkantigen Ränder sind glatt oder meist mehr oder weniger tief ausgezackt

Der zwischen den Rissenden hegende Defekt ist von einem Gewebe ausgefüllt, welches etwas über das Niveau der Hornhaut prominiert. Es be- steht aus Spindelzellen mit spärlicher fibrillärer Zwischensubstanz. An seiner Oberfläche ist es mit Endothel überzogen; eine Glashaut fehlt Der Über- gang des neugebildeten Gewebes in das der Hornhaut, deren anliegende Lamellen leicht gequollen und abnorm reich an fixen Zellen sind, erfolgt ohne scharfe Grenze (vgl Taf. IX, Fig. 15).

Der im unteren temporalen Quadranten sich abzweigende Riss hat eine Breite von 0,65 mm. Er gleicht anatomisch hinsichtlich der Rissenden und der in der Lücke liegenden Hornhautgrundsubstanz ganz dem die Hornhaut durchquerenden Hauptriss.

Eine tiefgreifende charakteristische Veränderung hat auch hier wieder die Kammerbucht erfahren. Dieselbe ist in der ganzen Circumferenz der vorderen Kammer obliteriert, indem die Iris mit ihrer Wurzel, soweit die Irisfortsätze reichen, mit der Cornea-Sklera bzw. mit dem obliterierten sklero- cornealen Trabekelwerk verwachsen ist.

An der Verwachsungestelle der atrophischen, stark verdünnten Iris finden sich spärliche, zur Oberfläche parallel gerichtete, langgestreckte Spin- delzellen, welche auch die Stelle des Trabekelwerks einnehmen und von ver- einzelten Rundzellen und Epithelzellen durchsetzt sind. Der Plexus ciliaris venosus ist nicht nachweisbai.

Abweichungen von diesem Verhalten finden sich einmal unten am

Über experimentelles Glaukom nabst Untersuchungen usw. 405

Kammerboden, insofern hier die Irisperipherie in einer Ausdehnung von 2 mm unter Zwischenlagerung einer Schicht endothelogenen Gewebes, welches rostbraune Eisenmassen einschliesst, mit der Cornea verwachsen ist, während es sich im obersten Teil der vorderen Kammer nur um eine Verdichtung der Maschenräume des Ligamentum pectinatum und des Trabeculum sclero- oorneale handelt, und der Plexus ciliaris noch erhalten ist.

Die vordere Kammer ist zum grössten Teil mit einer lockeren, krüme- ligen Gerinnungsmasse, Fibrin und zerfallenden roten Blutkörperchen erfüllt Die letzteren liegen streckenweise in einfacher oder doppelter Lage dem Hornhautendothel an.

Die Iris ist namentlich in ihrem ciliaren Teil stark verdünnt, der Pu- pillarrand ist nach innen umgekrempelt und anscheinend mit der Linsenkapsel durch Exsudatmasse verklebt.

Das Irisgewebe ist verdichtet und mit sehr weiten dickwandigen, zum Teil prall mit Blut gefüllten Gefässen versehen.

Die Linse ist von normaler Beschaffenheit, sie ist ringsum von krüme- liger Gerinnungsmasse und verdichtetem Glaskörper eingefasst: an der Hinter- fläche liegt ihr eine Strecke weit die degenerierte, abgehobene Netzhaut an.

Der Glaskörper ist stark verdichtet und sohliesst krümelige Massen und rote Blutkörperchen ein.

Die Sklera ist auf grössere Strecken mit dem stellenweise kleinzellig infiltrierten Gewebe der Tenon sehen Kapsel verwachsen. Sie hat auffallender- weise einen grösseren Dickendurchmesser als die des normalen Auges, ins- besondere ist sie in der Ciliargegend und am Äquator verdickt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die Skleralzellen im ganzen Umfange der Sklera, insbesondere aber in der Ciliargegend und am Äquator, proliferiert sind und dass die oberflächliche Gewebsschicht von Zügen gewucherter Skleral- zellen durchsetzt ist Der Gehalt an elastischen Elementen ist ein normaler; in der vorderen Bulbushälfte ist er vielleicht sogar etwas vermehrt.

Der zwischen Kammerwinkel und Ora serrata liegende Teil der Uvea ist beträchtlich gedehnt; er besitzt fast das Doppelte der normalen Länge. Ebenso sind die Ciliar fort Sätze stark ausgezogen. Das Gewebe des Ciliarkörpers und der Fortsätze ist in massigem Grade sklerosiert; die Gefässe sind weit und prall mit Blut gefüllt.

An den Ciliarfortsätzen findet sich eine ausgedehnte Blasenbildung. Die Blasen, welche zum Teil ein krümelige Gerinnungsmasse und Fibrin enthalten, liegen sowohl unter wie in dem Epithel; die ersten erreichen einen Durchmesser von 0,5 0,7 mm. Zu bemerken ist, dass auch die CüiarfortBätze des normalen Auges eine wenn auch im Vergleich mit den- jenigen des Glaukomauges nur geringfügige subepitheliale Blasenbildung aufweisen.

Die Ader haut ist in der temporalen Bulbushälfte in ganzer Aus- dehnung, in der nasalen in kleineren und grösseren Bezirken nachenhaft von der Sklera abgehoben.

Der Zwischenraum zwischen der Sklera und der abgehobenen Ader- haut ist durch grössere und kleinere Blutextra vasate und ein junges, neu- gebildetes, von spärlichen Gefässen durchsetztes Gewebe ausgefüllt, welches aus Spindelzellen und fibrillärer Zwischensubstanz besteht

406 Erdmann

Das Gewebe stellt in der temporalen Bulbushälfte, wo der Spaltraum eine Breite bis zu l1/2mm aufweist, ein sehr zartes, locker gewebtes Netz- werk dar, dessen Maschen von roten Blutkörperchen und vereinzelten grossen pigmenthaltigen Phagocyten ausgefüllt sind; in der nasalen Bulbushälfte han- delt es sich um ein strafferes, fibrilläres Gewebe mit paralleler Verlaufe- richtung seiner Fibrillen und Zellen, welche die meist nur schmalen Spalt- räume zwischen Sklera und Chorioidea ausfüllt und mehr oder weniger dicht von in parallelen Reihen angeordneten Konglomeraten roter Blutkörperchen durchsetzt ist. Das Gewebe ist weiterhin von schmalen kürzeren und län- geren, parallel zueinander angeordneten Pigmentstreifen durchzogen, welche aus langgestreckten Chromatophoren bestehen. Am hinteren Augenpol findet man nur das verdichtete Lamellenwerk der Suprachorioidea mit roten Blut- körperchen infiltriert. Was die Chorioidea selbst betrifft, so geht das Lamellenwerk der Suprachorioidea ohne scharfe Grenze in das neugebildete, den Bluterguss abkapselnde Bindegewebe über. In der Schicht der gröberen Gefässe sind die Venen stark erweitert und zum Teil prall mit Blut ge- füllt, ebenso sind die Kapillaren sehr weit und blutreich. In der tempo- ralen Bulbushälfte ist die abgehobene Aderhaut fibrös degeneriert und schliesst nur noch kleinere Gefässe mit vereinzelten Rundzellenhaufen ein. Die Pig- mentepithelien fehlen völlig, oder sie sind mehr oder weniger zerfallen.

Veränderungen an den Gefösswänden sind weder an den Aderhaut- gefässen noch an den hinteren CiliargefäBsen und den Vortexvenen nach- weisbar; die letzteren sind weit und blutreich.

Die Netzhaut ist nasal und unten durch einen Erguss total von der Aderhaut abgelöst; sie zieht in Form eines Stranges nach vorn, schlägt sich hinter der linse seitlich um und breitet sich von hier flächenhaft nach der Ora serrata aus.

Nasal ist die Netzhaut bis zum Äquator, wo sie mit der Aderhaut verwachsen ist, offenbar durch die. Präparation flach abgehoben.

Die Netzhaut weist, soweit sie durch den Erguss abgehoben ist, schwere degenerative Veränderungen auf und zwar am stärksten im hin- teren Bulbusabschnitt

Die Stäbcbenzapfenschicht fehlt hier völlig, die beiden Körnerschichten sind zu einer Schicht zusammengeschlossen. Die Nervenfaser- und Ganglien- zellenschicht sind stark atrophisch. Die Ganglienzellen, welche vielfach vakuolisiert sind und keine färbbaren Plasmasohollen enthalten, sind an Zahl erheblich vermindert.

Im vorderen Bulbusabschnitt sind die einzelnen Netzhautschichten bis auf eine Entfernung von etwa 1 mm von der Ora serrata noch erhalten; sie sind jedoch stark atrophiert; die Glia ist gewuchert In der atrophier- ten Ganglien- und Nervenfaserechicht sind noch eine Anzahl gut erhaltener Ganglienzellen zu erkennen. Kurz vor der Ora serrata besteht die Netz- haut nur noch aus einer dünnen Schicht gewucherter Glia mit einzelnen Körner- und Ganglienzellen.

In dem nasalen, artifiziell abgelösten Netzhautbezirk sind sämtliche Schichten verschmälert. Am stärksten ist auch hier die Stäbchenzapfen- schicht sowie die Ganglienzellen- und Nervenfaserschicht atrophiert

Die Stäbchen und Zapfen sind auffallend niedrig, ihre Innenglieder

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 407

sind in grosser Ausdehnung gequollen. Die Ganglienzellen sind an Zahl reduziert.

Zwischen Ora serrata und Äquator erfahren sämtliche Schichten der Retina, welche hier mit der Chorioidea verwachsen ist, eine ganz erhebliche Verschmälerung; die inneren und äusseren Körner sind zu einer Schicht verschmolzen. Die Retina besteht ungefähr l1/, mm von der Ora serrata nur noch aus gewuchertem, stellenweise von kleinen Vakuolen durchsetztem Gliagewebe, in welchem sich noch vereinzelte Körner nachweisen lassen.

Der Zwischenraum zwischen der Aderhaut und der abgehobenen Netz- haut ist durch eine feinkrümelige Gerinnungsmasse ausgefüllt, welche in allen Stadien des Zerfalls befindliche rote Blutkörperchen und vereinzelte Lymphocyten einschließt.

Der Sehnerv ist durch eine mitteltiefe, randständige Excavation aus- gezeichnet. Ihre Tiefe, gemessen vom Grund bis zu der durch die Lamina elastica chorioideae gelegten Ebene, beträgt 1,0 mm, am normalen Auge 0,3 mm. Der Abstand der Skleralkanten ist nur massig vergrößert, er beträgt 3,0 mm gegen 2,5 mm am normalen Auge.

Das den Grund und die Wände der Excavation auskleidende Optikus- gewebe weist einen beträchtlichen Schwund der Nervenfasern, Wucherung der Glia und eine Verbreiterung und Kernreichtum des Septengewebes auf; vereinzelte kleine Vakuolen sind in den Nervenfaserbündeln erkennbar. Die Duralscheide ist im Bereich der Excavation reich an elastischen Elementen. Das elastische Gewebe der Septen ist etwas vermehrt.

Querschnitte durch den Optikus etwa 3 mm hinter der Papille, nach Weigert behandelt, zeigen in der einen Hälfte des Querschnitts einen völ- ligen Schwund sämtlicher Nervenfaserbündel, in der andern sind sie zwar noch vorhanden, jedoch stark verkleinert unregelmässig und an Zahl ver- mindert. Das Gliagewebe ist stark vermehrt, ebenso ist das Septenwerk verbreitert und kernreich.

Fassen wir nunmehr die in dem früher beschriebenen Falle (Versuch IV, Kaninchen I) und die an den beiden letzten Augen konstatierten Veränderungen der Descemetschen Membran kurz zusammen, so wurde zunächst in allen Fällen eine Differenzie- rung der Membran in zwei durch eine feine Linie oder stellen- weise auch durch einen schmalen Spalt deutlich geschiedene, parallel nebeneinander liegende Blätter festgestellt, welche in ihrem Ver- halten zu Farbstoffen völlige Übereinstimmung zeigten. Es färbte sich nämlich mit Hämatoxylin-Eosin, Lithioncarmin und nach van Gieson das äussere Blatt dunkler als das innere, während bei der Elastinfärbung nach Unna-Tänzer das umgekehrte Verhältnis statt- hatte.

Das Dickenverhältnis der beiden Blätter zu einander war ein sehr verschiedenes.

Im ersten Falle (Kaninchen I, Versuch IV) betrug die Dicke der äusseren Lamelle etwa 1/2 der inneren, im letzten Falle

▼. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXV1. 3. 27

408 Erdmann

waren beide gleich dick, im zweiten dagegen war der Durchmesser der äusseren Lamelle mehr als doppelt so gross wie der der inneren.

Zur Klarstellung dieses Befundes habe ich die Descemetsche Membran an acht weiteren vergrösserten Augen, bei welchen die Drucksteigerung 1 91/» Monate bestanden hatte, einer Untersuchung unterworfen, welche folgendes ergab:

Bei sechs seit 2 9% Monaten in glaukomatösem Zustande be- findlichen, beträchtlich vergrösserten Augen wurde ebenfalls eine Differenzierung der Membran in zwei Blätter festgestellt, bei den übrigen zwei dagegen, welche nur in massigem Grade vergrössert und erst seit 1 l1/, Monaten mit Drucksteigerung behaftet waren, wurde eine Schichtung vermisst

Das färberische Verhalten der beiden Lamellen war dasselbe wie in den beschriebenen drei Fällen, ihr Dickenverhältnis schwankte wie bei diesen. Eine Zusammenstellung sämtlicher Fälle ergab jedoch insofern eine gewisse Übereinstimmung, als die Dicke der inneren Lamelle der Dauer der Drucksteigerung und dem Grade der Vergrösserung des Bulbus annähernd proportional war. Der Gesamt- durchmesser der Membran war in allen Fällen von demjenigen des zugehörigen normalen Auges nicht wesentlich verschieden, dagegen fand sich das Dickenverhältnis der Membran im Zentrum und in der Peripherie zuweilen vertauscht, insofern die Membran am ver- grösserten Auge im Gegensatz zur Norm im Zentrum etwas dicker gefunden wurde als in der Peripherie.

In einigen Fällen wurden auch flächenhafte, unbedeutende Ver- dickungen festgestellt; Drusenbildungen dagegen fehlten stets.

Wie ist nun die Schichtung der Descemetschen Membran in zwei Lamellen zu erklären?

Es handelt sich zweifellos um eine Apposition neuer Glashaut von Seiten der Endothelien an die alte, welche mit zunehmender Vergrösserung des Hornhautumfanges eine immer beträchtlichere Dehnung und Verdünnung erfährt

In dem Masse, wie die alte Glashaut sich verdünnt, wird neue glashäutige Substanz angelagert; demnach wird in den Anfangsstadien, wo die Vergrösserung des Bulbus noch unbedeutend ist, eine schmale, in den späteren Stadien aber, oder bei schnellerem Wachstum des Augapfelumfanges, eine breite innere Lamelle neugebildeter Glashaut gefunden werden.

Die Apposition neuer Glashaut erfolgte im allgemeinen in gleich-

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 409

massiger Weise1) und in solchem Umfange, dass die Gesamtdicke der Membran annähernd die der normalen blieb, nur in wenigen Fällen fanden sich unbedeutende flächenhafte Verdickungen, nament- lich im Zentrum, wo die Membran zuweilen im ganzen im Vergleich zur Peripherie eine grössere Dicke aufwies; offenbar hatte in diesen Fällen die Neubildung von Glashaut mit der stärkeren Dehnung der Hornhaut in der Peripherie nicht gleichen Schritt gehalten2).

Die feinen Eisenkörnchen, welche vereinzelt oder in länglichen Haufen vielfach zwischen den beiden Lamellen oder auch in der inneren Lamelle eingeschlossen gefunden wurden, lagen ursprünglich auf der alten Membran, bzw. in den sie bedeckenden Endothelzellen; sie wurden offenbar bei der Glashautproduktion der letzteren ausge- schieden und in Glashaut eingeschlossen, nach vorn geschoben (Taf. IX, Fig. 16).

Eine Abweichung von den beschriebenen Verhältnissen finden wir an solchen Stellen, wo nach dem Versuch eine grössere, auf der Hornhauthinterwand abgeschiedene Eisenmasse von vornherein eine circumscripta Endothelwucherung mit Bildung endothelogenen Ge- webes ausgelöst hatte. Hier fehlt die die Glashaut produzierende Endothelschicht; wir sehen daher die alte, mehr oder weniger ver- dünnte Glashaut zwischen der Hornhaut und dem neugebildeten fibrillären Gewebe liegen, welches an seiner Oberfläche mit Endothel, zum Teil auch mit einer dünnen neugebildeten Glashaut bekleidet ist

x) In einem Falle, wo das Auge eines noch nicht ausgewachsenen Tieres in kurzer Zeit eine bedeutende Grösse erreicht hatte, war aus irgend einem Grunde in der nasalen Hornhauthälfte die Glashautproduktion seitens der Endo- thelien in grösserer Ausdehnung unterblieben bzw. verzögert; es lag hier die bis auf die Hälfte des normalen verdünnte, mit Endothel bekleidete alte Glas- haut vor, während im übrigen Bereich der Hornhaut das Endothel bereits eine neue Glashaut ausgeschieden hatte, welche in gleichmassiger Schicht der alten verdünnten Glashaut auflag (Taf. IX, Fig. 16).

*) Dass auch beim menschlichen Buphthalmus, abgesehen von circumscripten Verdickungen, eine zu einer gleichmassigen Dickenzunahme der Descemetschen Membran führende Glashautproduktion der Endo thelien vorkommt, davon konnte ich mich vor kurzem bei der anatomischen Untersuchung eines Buphthalmus eines 28 jährigen Mannes überzeugen. Ich fand hier die Membran in ihrer ganzen Ausdehnung um das dreifache des normalen Durchmessers verdickt, auch war die Irisvorderfläche stellenweise mit einer neugebildeten dünnen Glashaut bedeckt An der verdickten Glashaut war eine lamelläre Schichtung angedeutet.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Glashaut-Neubildungen insbeson- dere auf der Vorderfläche der Iris auch im Auge des Erwachsenen unter dem Einfluss chronischer Reiz- und Entzündungszustände, speziell bei älterem Glau- kom beobachtet werden.

27*

410 P- Erdmann

Als weitere charakteristische Veränderungen der Descemetschen Membran sind die Defektbildungen zu besprechen.

Von den beiden bei dem Kaninchen I (Versuch IV) ana- tomisch festgestellten kleinen flächenhaften Defekten entspricht der in der Peripherie unten gelegene den von Berberich beschrie- benen.

Es handelt sich auch hier um einen Defekt, welcher in dem Bereich einer der Innenfläche der Hornhaut aufgelagerten Schicht fibrillären (endothelogenen) Gewebes gelegen ist Das letztere geht an der Defektstelle in das kernreiche, durch unregelmässige Schichtung seiner Lamellen ausgezeichnete Hornhautstroma ohne scharfe Grenze über. Seine Oberfläche ist mit Endothel bedeckt; eine Glashaut wird dagegen vermisst.

Da der Defekt nahe dem Kammerboden liegt, wo das Eisen in grösserer Menge abgesetzt wurde und der anfängliche Entzün- dungsprozess naturgemäss den höchsten Grad erreichte, wird man in erster Linie an eine entzündliche Einschmelzung der Membran denken. Aus der grossen Feinheit der Membran an der Bissstelle ergibt sich jedoch, dass die Ruptur erst nach einer beträchtlichen Vergrösserung des Hornhautumfanges und starker Dehnimg der Membran erfolgt sein kann, also zu einer Zeit, wo die entzündliche Infiltration schon in Bückbildung begriffen war. Aus diesem Grunde erscheint es nicht unmöglich, dass die Ruptur auch hier erst in später Zeit durch Überdehnung zu stände gekommen ist.

Im Gegensatz zu diesem ist der im nasalen oberen Quadranten gelegene Defekt, welcher nach der klinischen Beobachtung erst einen Monat vor dem Tode entstanden sein kann, jedenfalls nicht auf eine entzündliche Einschmelzung, sondern auf eine Überdehnung zurück- zuführen, da die Trübung sich ganz plötzlich ohne stärkere entzünd- liche Erscheinungen an einer bis dahin durchsichtigen Hornhautpartie entwickelte, und auch anatomisch eine entzündliche Infiltration oder Reste einer solchen oder geschwüriger Prozesse gänzlich vermisst wurden. Die in dem Defekt über dem Niveau prominierende, der Hornhaut aufgelagerte Masse fibrillär-lamellären Gewebes ist zweifel- los aus einer Wucherung der anliegenden Endothelien entstanden, eine Erscheinung, welcher wir als Folge einer Zerreissung der Des- cemet sehen Membran später nochmals begegnen werden.

In den beiden Fällen, wo Risse der Descemetschen Membran in Form typischer bandartiger Trübungen der Hinterfläche zur Be- obachtung gelangten, handelte es sich um stark vergrösserte Augen

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 411

mit hohem Binnendruck, welcher im 2. Fall (Kaninchen 21) kurz vorher noch eine spontane Steigerung erfahren hatte.

In dem ersten Falle (Kaninchen 43) wurde der Riss drei Mo- nate, im zweiten (Kaninchen 21) acht Monate nach Anstellung des Experiments festgestellt. Die Beobachtungszeit bis zum Tode des Tieres betrug im ersten Fall einen Monat, im zweiten Falle fast zwei Monate.

Die Zerreissung der Membran war unmittelbar von einer dichten parenchymatösen, wolkigen Trübung des umgebenden Hornhaut- parenchyms gefolgt, welche zweifellos auf dem Eindringen von Kammerwasser in das biossliegende Hornhautgewebe beruht

Der Riss selbst wurde erst nach erfolgter Aufhellung wahrge- nommen; er hatte im ersten Falle nur etwa die Hälfte seiner späteren Länge, im zweiten hatte er seine definitive Länge schon erreicht. Die weitere Ausdehnung des Bisses bis zum gegenüber liegenden Limbus erfolgte bei dem ersten Tiere in den nächsten zwei Tagen. Bei dem zweiten Tiere entwickelten sich in den nächsten zwei Wochen zwei weitere kleine Bisse, welche sich von dem ersten Riss abzweigten.

Die Dehiscenzen waren dem klinischen Bilde nach denjenigen des menschlichen Buphthalmus sehr ähnlich. Die durch sie bedingten zarten, grauen, an der Hornhauthinterwand verlaufenden Linien oder Bänder hatten jedoch eine wesentlich geringere Breite als diejenigen des menschlichen Buphthalmus, auch waren die scharfen, glasigen, doppelt konturierten Begrenzungslinien schmäler.

Die äusserst zarte, grauliche, die Linien einfassende Trübung setzte sich, bei starker Lupen vergrösserung betrachtet, aus feinsten parallelen Strichelchen zusammen, welche von den Begrenzungslinien in schräger Richtung ausliefen.

Ebenso wie das klinische Bild entsprach auch der anatomische Befund im wesentlichen den beim menschlichen Buphthalmus zu be- obachtenden Dehiscenzen. Es handelte sich in der Hauptsache um geheilte Risse, d. h. das zwischen den Rissenden der Descemet sehen Membran liegende Hornhautstroma war bereits durch eine Endothel- schicht und eine neugebildete, dünne Glashaut gedeckt

Die letztere setzte sich am Rande des Defektes meist direkt in die innere der beiden, in unseren Fällen die Descemetsche Membran zusammensetzenden Lamellen fort. Es hatte sonach den Anschein, als sei nur die äussere, der alten gedehnten Glashaut entsprechende Lamelle gerissen.

412 P. Erdmann

Bei dem zweiten Tiere hatte ein nachträglich entstandener, seit- licher Riss eine bedeutende Endothelwucherung ausgelöst Dieselbe präsentierte sich als junges, endothelogenes Gewebe, welches in breiter Schicht das zwischen den Bissenden biossliegende Hornhautstroma deckte (Taf. IX, Fig. 15).

Das letztere zeigte, abgesehen von einer nur stellenweise hervor- tretenden geringen Lockerung und Quellung der hintersten Lamellen und einer geringen Vermehrung seiner fixen Zellen am Grunde des Defektes, stets eine normale Beschaffenheit.

Die Rissenden der Descemet sehen Membran lagen der Horn- haut stets glatt an; Abhebungen, Umbiegungen oder Verdickungen der Enden, wie sie bei den Dehiscenzen des menschlichen Buphthal- mus häufig gefunden werden, wurden niemals beobachtet Die meist scharfkantigen, zuweilen gegen den Defekt hin ausgezackten Ränder waren in der Regel von hinten nach vorn zugespitzt

Das klinische Bild der Ruptur findet in seinen Haupt-Einzel- heiten in dem anatomischen Befunde eine ausreichende Erklärung.

Das fast durchsichtige oder nur ganz zartgetrübte Zwischenstück der bandartigen Trübung entspricht dem zwischen den beiden Riss- enden gelegenen, nicht oder nur wenig veränderten Hornhautgewebe, welches an seiner Oberfläche bereits mit neugebildeter Glashaut und Endothel bedeckt und der Einwirkung des Kammerwassers ent- zogen ist.

Die glasigen Begrenzungslinien der Bänder aber entsprechen den Rissenden, deren Ränder meist von hinten nach vorn zugespitzt sind, so dass bei der Betrachtung von vorne beide Kanten zur Wahr- nehmung gelangen und die Begrenzungslinien daher doppelt kon- turiert erscheinen.

Als Ursache der zarten Trübung, welche die Bänder zu begleiten pflegt, habe ich trotz eingehender Untersuchung keine in allen Schnitten nachweisbare, gleichartige anatomische Veränderung nach- weisen können. Circumscripte Verdickungen der Membran an den Rissenden, welche Seefelder (51) beobachtete und als Ursache der Trübung ansprach, fehlten gänzlich; hin und wieder fand ich die angrenzenden Hornhautlamellen etwas gelockert und die fixen Horn- hautzellen an Zahl vermehrt, häufiger wurden schmale Spalten zwischen der äusseren und inneren Lamelle der Membran an den Rissenden beobachtet Wir müssen aber annehmen, dass der sehr charakteristischen, an beiden Augen nachweisbaren gleichartigen Trübung auch gleich-

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 413

artige Veränderungen entsprechen, welche zweifellos sehr geringfügiger Art sind und sich vielleicht nur in einer Änderung der Strahlen- brechung in der Umgebung des Risses zu erkennen geben.

D. Vergleich zwischen dem experimentellen und menschlichen Glaukom. Bedeutung des Glaukomexperiments.

Es erübrigt nunmehr einen Vergleich zwischen dem experimen- tellen Glaukom des Kaninchens und dem menschlichen Glaukom zu ziehen und die Bedeutung meiner Versuche für die Pathologie des menschlichen Glaukoms zu prüfen.

Was zunächst die Ursache der Drucksteigerung im Kaninchen- auge betrifft, so ist dieselbe in einer Verlegung des vorderen Abfluss- weges durch Verschluss des Kammerwinkels zu suchen, also in einer Veränderung, welche wir bei gewissen Formen von Sekundärglaukom und häufig auch beim primären Glaukom des Menschen anzutreffen und für die Tensionserhöhung verantwortlich zu machen pflegen.

Auf die Frage, wie der Verschluss im Kammerwinkel bei den ver- schiedenen Arten des menschlichen Glaukoms zu stände kommt, können die Versuche selbstverständlich keine Auskunft geben; ich kann da- her der von Sattler in der Diskussion zu meinem Vortrage über experimentelles Glaukom (Ophth. Gesellschaft, Heidelberg 1906) ge- äusserten Ansicht, dass die Experimente uns speziell über die Ent- stehung des primären Glaukoms keine Aufklärung geben, nur zu- stimmen.

Es ist durch die Versuche vielmehr nur von neuem erwiesen, dass ein Kammerwinkelverschluss durch adhäsive bzw. indurative Ent- zündung im Kammerwinkel Zustandekommen und dass ein Glaukom die Folge dieser Veränderung sein kann.

Hinsichtlich der Folgezustände der Drucksteigerung wurde schon auf den Unterschied hingewiesen, welcher sich aus der grossen Dehn- barkeit und Nachgiebigkeit der Bulbuswand beim Kaninchen- im Gegensatz zum Menschenauge ergibt.

Wir sahen, dass das tierische Gewebe sich bezüglich der Dehn- barkeit dem jugendlichen Gewebe des Menschen ähnlich verhält, und dass die Augen ausgewachsener Tiere durch die Drucksteigerung eine Ausdehnung erfuhren, wie wir sie nur beim infantilen Glaukom des Menschen beobachten.

Wir werden daher in Hinblick auf den Ausgang des Experi- ments nicht von einem experimentellen Glaukom schlechtweg, son-

414 P. Erdmann

dern zutreffender von einem experimentell erzeugten Buphthalmus sprechen.

In der Tat gleicht nach Rückgang der entzündlichen Erschei- nungen das sehr grosse, weit vorstehende Auge mit seiner infolge der starken Verdünnung bläulich gefärbten Sklera, der grossen, mehr oder weniger unempfindlichen Hornhaut und der tiefen vorderen Kammer schon äusserlich ganz dem menschlichen Buphthalmus.

In Analogie mit letzterem wurden weiterhin eine meist nicht unbeträchtliche Drucksteigerung, eine typische glaukomatöse Exca- vation der Papille und eine Vergrösserung der Hornhautradien grössten- teils mit Überwiegen der vertikalen festgestellt.

Auch hinsichtlich des anatomischen Befundes ergaben sich man- cherlei Übereinstimmungen mit dem menschlichen Buphthalmus.

So fanden wir im glaukomatösen Kaninchenauge ebenso wie beim infantilen Glaukom des Menschen vorwiegend den vorderen und mittleren Abschnitt des Augapfels gedehnt. Während jedoch die Dehnung beim menschlichen Buphthalmus im ganzen eine gleich- massige ist oder sich zuweilen an der Sklero-Cornealzone in ver- stärktem Masse bemerkbar macht, war in unsern Fällen der Ciliar- teil in excessivem Grade gedehnt und in vereinzelten Fällen bei Augen jugendlicher Tiere staphylomatös vorgetrieben.

Was die Art des Kam merwinkel verschlusses betrifft, so sei daran erinnert, dass beim Buphthalmus congenitus im Gegensatz zu der Mehrzahl der Fälle von Glaukom der Erwachsenen der Kammer- winkel sehr häufig nicht nur nicht verschlossen, sondern sogar ab- norm weit gefunden wird, und dass nach den Untersuchungen von Reis (50) und Seefelder (51, 62) die zu Drucksteigerung fuhrende Filtrationsstörung nicht in einer Verlötung der Kammerbucht, son- dern in primären bzw. kongenitalen Veränderungen der Filtrations- wege, als ungenügende Differenzierung des Trabeculum sclero-corneale, abnorme Persistenz des fötalen Ligamentum pectinatum, Fehlen oder abnorme Enge des Circulus venosus Schlemmii zu suchen ist

Es wird jedoch beim menschlichen Buphthalmus als Ursache der Filtrationsstörung auch eine Verödung der Kammerbucht durch Ver- wachsung der Iriswurzel mit der Corneosklera angetroffen, welche, soweit die Verschiedenheit im feineren anatomischen Bau des Kam- merwinkels beim Menschen- und Kaninchenauge dies gestattet, sich sehr wohl mit der experimentell erzeugten* vergleichen lässt, um so mehr, als dieselbe zuweilen ebenso wie beim Kaninchen unter Neu- bildung endothelogenen Gewebes in der Kammerbucht zu stände kommt,

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 415

welche nach Reis nur als eine auf chronisch entzündlicher Basis be- ruhende Gewebsbildung aufgefasst werden kann. „Diese, die auch yon Birnbacher und Czermak(70), ferner von Pölya(68) u. A. neben sonstigen entzündlichen Veränderungen der Uvea in zahlreichen Glaukomaugen nachgewiesen worden ist, und meist als etwas sekun- däres, accidentelles angesehen wird, könnte vielleicht auch der Ent- wicklung der peripheren, vorderen Irissynechie vorausgehen und für die Ausbildung der Kammerbuchtverlötung, die von jenen Autoren in Übereinstimmung mit Knies als die Folge einer adhäsiven Ent- zündung im Kammerwinkel angesprochen wird, von ausschlaggeben- der Bedeutung sein."

Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die Verödung der Kammerbucht beim experimentellen Buphthalmus, was ihre Form und Ausgiebigkeit betrifft, an den einzelnen Abschnitten der Circum- ferenz der vorderen Kammer eine verschiedenartige war.

Während die Irisperipherie im grössten Teil des Kammerumfangs nur im Bereich der Irisfortsätze, also etwa bis zum Ende der Des- cemetschen Membran mit der Corneosklera bzw. dem sklerosierten Trabeculum corneo-sclerale fest verwachsen gefunden wurde, teils un- mittelbar, teils mittelbar unter Zwischenlagerung endothelogenen Ge- webes, war sie am Kammerboden auf eine grössere Strecke mit der Cornea unter Zwischenlagerung endothelogenen Gewebes verlötet Im Gegensatz dazu hatte das Eisen im obersten Abschnitt der vor- deren Kammer in der Kegel nur eine Verdichtung der Maschen- räume des Fontanaschen Baumes und des Trabeculum corneo- sclerale und eine partielle Obliteration des Plexus ciliaris herbeigeführt

Die beim Kaninchen beobachtete abnorme Weite und Abrun- dung der (neuen) Kammerbucht und die Atrophie der Iris werden auch beim menschlichen Buphthalmus angetroffen, desgleichen ge- legentlich auch ein „Entropium" des Pupillarrandes (Reis). Das letztere ist in unsern Fällen jedoch nicht, wie in dem von Reis be- obachteten, auf Zugwirkung seitens auf die Irishinterfläche hinüber- gewucherten, in Schrumpfung begriffenen endothelogenen Gewebes zurückzufuhren, sondern nach Art eines Entropium spasticum des Lides an der atrophischen, durch die Linse ungenügend gestützten Iris entstanden zu denken.

- Die in Übereinstimmung mit dem Hydrophthalmus congenitus des Menschen in zwei Fällen angetroffenen Rissbildungen der Des- cemetschen Membran sind bereits ausführlich abgehandelt

Partielle Atrophien der Aderhaut und Netzhaut waren beim

416 Erdmann

Kaninchen fast ausschliesslich zwischen Äquator und Ora serrata zu finden, während sie beim Menschen auch am Äquator und hinteren Bulbusabschnitt angetroffen werden; sie entsprachen in der Regel den am stärksten gedehnten Abschnitten der Sklera und sind wohl mit wenigen Ausnahmen als reine Dehnungserscheinung aufzufassen.

Am Sehnervenkopf wurden ebenso wie beim menschlichen Buph- thalmus in der Mehrzahl der Fälle eine typische glaukomatöse Ex- cavation und eine Yergrösserung des Abstandes der Skleralkanten festgestellt; desgleichen in einem Falle auch eine Mitbeteiligung der Sklera und der inneren Augenhäute an der Bildung der Excavation, hervorgerufen durch eine Ausstülpung des Skleralrandes rings um die Eintrittsstelle des Optikus (Kaninchen I).

Das Optikusgewebe wies einen mehr oder weniger starken Schwund der Nervenfasern mit Wucherung der Glia und Verbreiterung der Septen auf, wie wir ihn auch beim menschlichen Buphthalmus be- obachten können.

Ich glaube somit gezeigt zu haben, dass mit Hilfe meiner Me- thode am Kaninchenauge ein Symptomenkomplex hervorgerufen wer- den kann, welcher dem beim menschlichen Glaukom, speziell beim Buphthalmus zu beobachtenden sehr nahe steht.

Die Bedeutung des Experiments beruht jedoch nicht allein darauf, dass es uns in den Stand setzt, jederzeit am Kaninchenauge einen glaukomatösen Zustand ohne wesentliche Nebenerscheinungen hervor- zurufen, sondern vor allem darauf, dass wir in dem glaukomatösen Tierauge ein Mittel besitzen, gewisse für die Pathologie und Therapie des Glaukoms wichtige Fragen zu prüfen und eventuell einer Lösung entgegenzuführen.

So habe ich an einer grösseren Anzahl von Tieren, bei welchen mittels vorstehender Methode ein einseitiger Buphthalmus erzeugt worden war, Untersuchungen angestellt, welche die druckbeeinflussende Wirkung der Mydriatica und Miotica und das Verhalten des Sekre- tionsapparates im Glaukomauge zum Gegenstand haben.

E. Versuche am glaukomatösen Kaninchenauge. I. Wirkung der Mydriatioa und Miotica. Bei diesen Versuchen kamen von den Mydriaticis das Atropin (Atropin. sulf. l°/0) und das Skopolamin (Skopolamin hydrobrom. 0,2 °/0), von den Mioticis das Eserin (Eserin salicyl. l°/0) und die Wicherkiewiczsche Mischung (Eserin salicyl. 0,01, Pilocarpin, mur. 0,2, Kokain mur. 0,1, Aq. dest 10,0) zur Anwendung.

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 417

Es sei zunächst beiläufig bemerkt, dass die genannten Mittel auf den in der Entwicklung begriffenen Glaukomprozess in den ersten Tagen nach dem Eingriff keinen nennenswerten Einfluss auszuüben vermochten; bei der bestehenden Hyperämie der Iris wurde die Pu- pillenweite nur wenig beeinfiussi

Anders dagegen beim ausgebildeten Buphthalmus. Hier konnte eine charakteristische Wirkung der genannten Mittel mehrfach kon- statiert werden, wie folgende Versuche zeigen:

Versuch I. Kaninchen 21. (Am 7. III. 06 einmalige Injektion im Kammerwasser elektrolytisch dargestellter Eisenmasse in das linke Auge.)

Befund am 4. V. 06 (57 Tage nach der Injektion). Linkes Auge: Bupbthalmus. Circum-corneale Gef ässe gefüllt Cornea völlig klar bis auf eine schmale, der Verwachsung im Kammerwinkel entsprechende, cirkuläre Rand- trübung. Oberfläche glatt. Iris leicht atrophisch. Pupille über mittel- weit, reagiert träger als die rechte. Papille graurot verfärbt, über die Norm excaviert Markflügel atrophisch. Druck deutlich palpatorisch erhöht [50 mm Hg (Fick)].

Stündlich in beide Augen ein Tropfen Atropin instilliert.

Nach dem dritten Tropfen wurde eine feine Stichelung der Oberfläche und eine zarte, cirrhusartige Trübung der Hornhaut festgestellt. Die Trü- bung nimmt fast die ganze Hornhaut ein; in der temporalen Hälfte ist sie etwas dichter als in der nasalen. Die Pupille ist maximal weit (die Er- weiterung erfolgte jedoch langsamer als am normalen Auge). Die Spannung ist deutlich erhöht [65 mm Hg (Fick)]. Nachdem 9 Tropfen Atropin instilliert worden waren, wonach eine Zunahme der anfänglichen Druck- steigerung nicht konstatiert werden konnte, wurde in 2 stündlichen Inter- vallen beiderseits Eserin gegeben, worauf nach 8 Stunden unter Verenge- rung der Papille und Abnahme der Spannung eine Abnahme der Hornhaut- trübung, nach 24 Stunden aber völlige Aufhellung der Hornhaut erfolgte.

Versuch H. Kaninchen 23. (Am 13. III. 06 einmalige Injektion bei der Elektrolyse des Kammerwassers ausgeschiedener Eisenmasse in das linke Auge.)

Befund am 18. V. 06 (66 Tage nach dem Eingriff): An dem stark vergrößerten linken Auge sind die vorderen Ciliarvenen prall gefüllt. Die Cornea ist völlig klar bis auf eine zarte, cirrhusartige Trübung, welche in Streifenform in vertikaler Richtung vom Rande oben zur Mitte zieht Es besteht ferner, der Verwachsung des Kammerwinkels entsprechend, eine fast cirkuläre, schmale, graue Randtrübung. Die entrundete Pupille reagiert etwas träge. Die Iris ist atrophisch. Die Papille ist graurötlich verfärbt und stark excaviert, die Gefässe sind eng, die Markflügel atrophisch.

Tension palpatorisch deutlich erhöht [48 mm Hg (Fick)].

AtropininstUlation einstündlich, wie beim ersten Versuch.

Nach dem vierten Tropfen wurde unter maximaler Erweiterung der Pupille eine deutliche Zunahme der streifenförmigen Trübung nach Intensität und Ausdehnung festgestellt Der Druck war auf 56 mm Hg gestiegen. Nach 9 maliger AtropininstUlation wurde Eserin gegeben, wonach Hornhaut-

418 P- Erdmann

trübung und Druck im Verlauf von 12 Stunden auf den früheren Stand zurückgingen.

Eine Wiederholung dieser Versuche bei beiden Tieren mit Sko- polamin und Wicherkiewiczscher Mischung hatte das gleiche Er- gebnis.

Besonderes Interesse sowohl in Hinblick auf analoge Erscheinungen beim menschlichen Glaukom als auch hinsichtlich der Wirkung der Mydriatica und Miotica beansprucht eine bei dem Kaninchen 21 (Versuch I) im weiteren Verlaufe gemachte Beobachtung.

Nachdem der Druck des vergrösserten glaukomatösen Auges monatelang auf mittlerer Höhe (38 42 mm Hg) geblieben war, wur- den am 10. XI. 06 (8 Monate nach dem Eingriff) eine beträchtliche Zunahme des Druckes (auf 58 mm J3gr), eine stärkere ciliare Injek- tion sowie eine zarte, cirrhusartige, parenchymatöse Trübung der temporalen Hornhauthälfte festgestellt

Am folgenden Tage der Befund hatte sich inzwischen nicht geändert wurde in einstündlichen Intervallen Eserin instilliert mit dem Ergebnis, dass nach dem vierten Tropfen eine deutliche Ver- minderung des Drucks (auf 50 mm IS?) und beträchtliche Aufhellung der Hornhauttrübung eintraten. Nach Fortlassen des Eserins nah- men Druck und Trübung wieder zu. Eine Wiederholung des Ver- suchs hatte das gleiche Ergebnis.

Es wurde nunmehr Skopolamin in einstündlichen Intervallen instilliert.

Schon nach dem zweiten Tropfen wurde unter Erweiterung der Pupille eine Ausbreitung der Trübung festgestellt Nach 4 Stunden war die Hornhaut in ihrer ganzen Ausdehnung cirrhusartig getrübt, ihre Oberfläche fein gestippt. Der Druck betrug 58 mm Hg, hatte also keine wesentliche, mit dem Tonometer messbare Zunahme er- fahren. Nach Fortlassen des Skopolamins trat eine langsame Auf- hellung der nasalen Hornhauthälfte ein, während die temporale Hälfte getrübt blieb. Am 16. XL wurde in der temporalen Hornhaut- hälfte im Bereich der stärksten Trübung eine schräg über die ganze Hornhaut von oben temporal nach unten nasal verlaufender Riss der Descemetschen Membran festgestellt (vgl. S. 401).

Die in diesen Versuchen festgestellte, mit den Erfahrungen am menschlichen Glaukom übereinstimmende Wirkung der Mydriatica und Miotica auf den intraokularen Druck im künstlich erzeugten Glaukomauge wurde in andern Fällen vermisst trotz ausgiebiger Re- aktion von seiten der Pupille. Es handelte sich allerdings um Augen,

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 419

bei welchen Drucksteigerung und Vergrößerung nicht den hohen Grad erreicht hatten wie in den ersterwähnten Fällen.

Die in den ersten Fällen konstatierte, drucksteigernde Wirkung der Mydriatica erklärt sich wohl am ersten so, dass bei der Mydriasis die verdickte Iris gegen den Kammerwinkel gepresst wurde und noch erhaltene Teile des Filterwerkes, welches, wie wir sahen, nicht in ganzer Ausdehnung obliteriert zu sein pflegt, zeitweilig verlegte, was eine Zunahme der Stauung und Drucksteigerung zur Folge hatte. Umgekehrt wurden bei der Miosis infolge der Anspannung der Iris die noch erhaltenen Teile des Filterwerks freigelegt, was die Flüssig- keitsabfuhr begünstigte und ein Sinken des Druckes bewirkte.

Mit dieser Erklärung stimmt auch die Tatsache überein, dass eine druckbeeinflussende Wirkung dieser Mittel erst nach ausgiebiger Erweiterung bzw. Verengerung der Pupille konstatiert werden konnte. Dass die Verkleinerung bzw. Vergrösserung der resorbierenden Ober* fläche der verdünnten, mehr oder weniger atrophischen Iris hierbei eine unterstützende Rolle spielte, ist wenig wahrscheinlich; auch dürfte der durch diese Mittel bewirkten Verengerung oder Erweiterung der intraokularen Gefässe [Grönholm(71)] keine wesentliche Bedeutung zukommen. Dafür spricht das negative Ergebnis in den übrigen Fällen, welches wohl so zu erklären ist, dass der noch erhaltene Teil des Filterwerkes von so beträchtlicher Ausdehnung war, dass die den Abfluss im Kammerwinkel hemmende bzw. fördernde Wirkung dieser Mittel ohne wesentlichen Einfluss blieb.

Die in einem Falle (Kaninchen 21) nach monatelangem Bestehen des Glaukoms konstatierte spontane Drucksteigerung ist wohl auf ein allmähliches Insufiizientwerden des noch erhaltenen Filterwerkes zu beziehen. Das letztere könnte durch die gesteigerte Inanspruchnahme des restierenden Filterwerks zu stände gekommen sein, da, wie wir durch die Untersuchungen Rickers wissen, eine dauernd vermehrte Lymphdurchströmung auf die Dauer leicht zur Induration des Ge- webes führt, eine Feststellung, welche Axenfeld(72) zuerst für die Erklärung der Sklerosierung des Kammerwinkels beim Glaukom herangezogen hat; es ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, dass die Änderung der Qualität des Kammerwassers, auf welche ich noch zu sprechen kommen werde, auf das restierende Filterwerk auf die Dauer eine schädigende Einwirkung im Sinne einer Sklerosierung ausge- übt hat

420 P. Erdmann

n. Untersuchungen über die sekretorischen Vorginge im glaukomatösen Tierauge.

Während über die Flüssigkeitsabfuhr bei experimentellem Glau- kom bereits Untersuchungen vorliegen bekanntlich hat Bentzen(19) in Kaninchenaugen, welche durch „Kratzen" im Kammerwinkel mit- tels einer Nadel glaukomatös gemacht worden waren, eine Hemmung der Filtration nachweisen können , sind meines Wissens die sekretorischen Vorgänge systematisch bisher noch keiner Prüfung unterzogen worden.

Die zu diesem Zweck von mir ausgeführten Untersuchungen wurden an Tieren angestellt, welche mit einseitigem, artifiziellem Buphthalmus behaftet waren, so dass das normale Auge stets zum Vergleich dienen konnte; auch wurden nur solche Augen verwandt, die frei von entzündlichen Erscheinungen und sekundär entzündlichen Veränderungen waren, und bei denen die Drucksteigerung schon monatelang bestanden hatte.

Um über die Beschaffenheit des Absonderungsorgans im Glau- komauge Aufschluss zu erhalten, wurde zunächst der Übertritt einer zur Prüfung des Stoffwechsels im Auge vielfach verwandten Substanz, des Fluoresceins, in das Kammerwasser untersucht

In einer ersten Versuchsreihe wurde an 11 Tieren, bei wel- chen das Glaukom 1 bis 4 Monate lang bestanden hatte, eine In- jektion von 0,5 ccm einer 5 °/0 Lösung von Fluoresceinkalium in eine Ohrvene vorgenommen.

Es ergab sich, dass das Fluorescein einmal wesentlich früher in die vordere Kammer übertrat als am gesunden Auge, und weiterhin, dass der Übertritt nicht in Form der Ehrlichschen Linie erfolgte, sondern in Gestalt grüner. Wolken von der Irisoberfläche sowohl als auch durch die Pupille, so dass das Kammerwasser schon in kür- zester Zeit in toto grün gefärbt erschien.

In einer zweiten Versuchsreihe wurden 3 Tieren mit einem seit 7—9 Monaten bestehenden Buphthalmus je 10 ccm einer l°/0 Lösung von Fluoresceinkalium unter die Rückenhaut injiziert.

In allen Fällen trat nach etwa */, Stunde Fluorescein in Form zarter, grüner Wolken durch die Pupille in die vordere Kammer über, während am gesunden Auge kein sichtbarer Übertritt von Fluorescein zu konstatieren war.

Es wurde somit am Glaukomauge ein beschleunigter und ver- stärkter Übertritt von Fluorescein festgestellt, und zwar erfolgte der Übertritt in das Kammerwasser in einer Form, wie sie nach Punktion der vorderen Kammer oder bei anderweitiger künstlicher Steigerung

Über experimentelles Glaukom nebit Untersuchungen usw. 421

der Kammerwaaserabsonderung durch Erzeugung einer Hyperämie der Ciliarfortsätze, z. B. durch Luxation des Bulbus, Atzung des Hornhautrandes, beobachtet wird.

In unserm Falle nun kann von einer Steigerung der Kammer- wasserabsonderung in diesem Sinne keine Bede sein, da es sich weder um eine durch Entzündungsreize noch durch Tensionsabnahme hervorgerufene Hyperämie handelt; bei der verminderten Differenz zwischen dem Druck in den absondernden Gefässen und dem Augen- druck sollte man im Gegenteil im Glaukomauge eine Verminderung der Kammerwassersekretion erwarten.

Es sind daher Störungen anderer Art am Sekretionsapparat für die abnorm reichliche Ausscheidung von Fluorescein verantwortlich zu machen.

Als Ausdruck derselben fanden wir anatomisch bei einer grösseren Anzahl seit mehreren Monaten mit Glaukom behafteter und ver- grösserter Augen eine bemerkenswerte Erweiterung und Überfullung der Venen und Kapillaren der in die Länge gezogenen Ciliarfortsätze; dagegen konnten ausgeprägte Veränderungen an den Gefässwänden selbst und am Ciliarepithel nicht nachgewiesen werden, abgesehen von vereinzelten kleinen, mit geronnener Masse erfüllten, blasigen Abhebungen des Epithelbelages.

Wir konnten somit eine wenn auch nicht sehr starke venöse Hyperämie der Ciliarfortsätze nachweisen.

Es ist anzunehmen, dass schon eine unbedeutende Verlang- samung des Blutstromes und Druckerhöhung in dem Kapillarsystem der Ciliarfortsätze genügen, die Transsudaten zu steigern und ab- norme Blutbestandteile austreten zu lassen.

Besteht die Steigerung der Transsudation zu Recht, so muss sie sich in einer abnormen Zusammensetzung des Kammerwassers, ins- besondere auch in einer Vermehrung seines Eiweissgehaltes zu er- kennen geben.

Da jedoch ein Stauungstranssudat an sich eiweissarm ist, und das Eiweiss im Verhältnis zum Fluorescein eine geringe Diffusions- fähigkeit besitzt, so war nur mit einer unbedeutenden, nur durch exakte Messung sicher nachweisbaren Erhöhung des Eiweissgehaltes zu rechnen. Ich war daher sehr überrascht, als ich eine ganz be- trächtliche Vermehrung des Eiweissgehaltes im Kammerwasser des Glaukomauges vorfand, welche sich schon durch eine einfache Methode nachweisen liess.

Die Versuche, welche an Tieren mit einseitigem, seit fünf bis

422 P* Erdmann

neun Monaten bestehendem Buphthalmus vorgenommen worden, ge- stalteten sich folgendermassen:

Aus dem glaukomatösen und dem normalen Auge eines Kaninchens wurden mittels Pravazscher Spritze je 0,2 ccm Kammerwasser ent- nommen, in kleinste graduierte Reagenzröhrchen gebracht und mit der gleichen Menge der Esb achschen Reagens oder mit einem Tropfen einer 10°/0 Tanninlösung versetzt

Nach mehrstündigem Stehen fand sich in allen Fällen im Kammer- wasser des Glaukomauges ein Ei Weissniederschlag, dessen Volumen das fünf- bis zehnfache des normalen betrug.

Da die Differenz der Eiweissmengen in den Parallelröhrchen eine so grosse war, und da es mir nur darauf ankam, eine Ver- mehrung des Eiweissgehaltes beim Glaukom festzustellen, so habe ich auf eine genaue quantitative Bestimmung des Eiweissgehaltes verzichtet und mich mit einer Abschätzung des in den beiden Köhr- chen nach 24 Stunden entstandenen Eiweissniederschlages begnügt

Im Gegensatz zu der beträchtlichen Eiweissvermehrung war der Fibringehalt des Kammerwassers im Glaukomauge ein sehr geringer; in einzelnen Fällen wurde Fibrin ganz vermisst

Der Nachweis eines vermehrten Eiweissgehaltes im Kammer- wasser des glaukomatösen Kaninchenauges ist um so bemerkens- werter, als bekanntlich Uribe y Troncoso (28) auch beim primären Glaukom des Menschen einen erhöhten Eiweissgehalt festgestellt hat Derselbe ist jedoch nach Uribe y Troncoso nicht Folge, sondern Ursache der Drucksteigerung; er ist nach ihm durch eine primäre Affektion (Arteriosklerose. Endovasculitis) der Gefässe der Iris und des Ciliarkörpers bedingt, und führt dadurch zur Drucksteigerung, dass er die „Exosmose" im Kammerwinkel erschwert, was Stauung und Drucksteigerung zur Folge hat Der Abflussweg kann im weiteren Verlauf dauernd verlegt werden, indem die Iris, welche durch den infolge von Eiweissaustritt aus den gleichfalls erkrankten Retinalgefässen abnorm voluminösen Glaskörper nach vorn gedrängt ist, durch adhäsive Entzündung an ihrem Ansatz mit der Hornhaut verwächst.

Wenn es auch nach den namentlich in den letzten Jahren ge- machten Beobachtungen [Peters (73), Sala(74)] keinem Zweifel unterliegt, dass es ebenso wie durch corpusculäre Elemente auch durch ein z. B. infolge einer Kontusion des Augapfels abnorm eiweissreiches, gelatinöses Kammerwasser zu einer vorübergehenden Verstopfung des Filterwerkes im Kammerwinkel und dadurch bedingter Stauung und

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 423

Drucksteigerung kommen kann1), und wenn es auch ganz plausibel erscheinen mag, dass eine Änderung der Qualität des Kammerwassers auf die Dauer zur Obliteration führende Schädigungen des Filter- werkes im Kammerwinkel oder des abführenden Gefassweges verur- sachen kann, so darf doch nicht übersehen werden, dass, wie meine Versuche lehren, die Drucksteigerung an sich durch die in ihrem Gefolge auftretende Cirkulationsstörung eine Vermehrung des Eiweiss- gehaltes des Kammerwassers hervorzubringen im stände ist, und dass also das, was nach Uribe y Troncoso Ursache der Drucksteigerung ist, auch deren Folge sein kann.

Die durch den verstärkten Übertritt von Fluorescein und Ei- weiss erwiesene Störung am sekretorischen Apparat des glauko- matösen Kaninchenauges habe ich weiterhin noch vermittels einer biologischen Reaktion, der Hämolyse, darzutun versucht

Wie wir durch die Untersuchungen Wesselys (75) und Rö- mers (76) wissen, treten bei der aktiven Immunisierung mit Blut- zellen die Hämolysine normalerweise nicht in das Kammerwasser über. Ihr Übertritt erfolgt jedoch bei vasomotorischen oder sekre- torischen Störungen am Auge, wie sie experimentell durch Punktion der vorderen Kammer, subconjunctivale Kochsalzinjektionen oder intra- okulare Entzündungsreize (in den Glaskörper gebrachte Bakterien- kulturen, Metallsplitter usw.) ausgelöst werden können.

Da nach Römer Bruchteile eines Milligrammes Serum mit art- fremdem Blut vorbehandelter Tiere genügen, um viele Millionen roter Blutzellen aufzulösen und damit minimale Mengen spezifischer Serum- bestandteile schon makroskopisch nachzuweisen, so müssten wir in dieser biologischen Methode das geeignetste Mittel besitzen, vaso-

1) Dass ein abnorm eiweiss- und fibrinreiches Kammerwasser die Filtration erheblich beeinträchtigen und zu Drucksteigeruug führen kann, konnte ich auch an zwei glaukomatösen, vergrösserten Kaninchenaugen beobachten, welche behufs Untersuchung des Kammerwassers punktiert worden waren.

In beiden Fällen war die Punktion, welche infolge der plötzlichen Druck- verminderung ausgedehnte Abhebungen der Aderhaut durch Bluterguss herbei- geführt hatte, nach prompter Wiederherstellung der vorderen Kammer von einer beträchtlichen Steigerung des intraokularen Druckes, welcher sich bis dahin monatelang gleichmässig über der Norm erhöht erhalten hatte, und akuten ent- zündlichen Erscheinungen gefolgt.

Die plötzliche Drucksteigerung in diesen Fällen können wir uns so er- klären, dass durch das Kammerwasser, welches sich nach der Punktion als ab- norm eiweiss- und fibrinreich erwies, die Filtration im Kammerwinkel, welche ohnehin durch Obliteration des grössten Teiles des Filterwerkes vermindert war, eine weitere Beeinträchtigung erfuhr.

y. Graefe's Archir für Ophthalmologie. LXVI. 3. 28

424 P- Erdmann

motorische oder sekretorische Störungen des Auges durch den Nach- weis auch nur der minimalsten Spuren in das Kammerwasser über- getretener, hämolytisch wirkender Substanz mit Sicherheit festzustellen.

Auf Grund der bisherigen Erfahrungen war demnach auch im glaukomatösen Kaninchenauge, dessen Sekretionsapparat sich durch den reichlichen Übertritt von Eiweiss als geschädigt erwiesen hatte, ein Übertritt von Hämolysinen in das Kammerwasser anzunehmen, deren Nachweis ich mir nunmehr zur Aufgabe machte.

Zu diesen Versuchen standen mir vier Tiere mit einseitigem, typischem Buphthalmus zur Verfügung; an einem fünften Tiere war der Glaukomprozess mit tiefgehenderen, intraokularen Veränderungen einhergegangen.

Die Untersuchung geschah nach den Angaben Römers.

Nach zweimaliger intraperitonealer Injektion von je 20 ccm frischen, defibrinierten Rinderblutes wurde am neunten und in den meisten Fällen auch am elften Tag das „erste" Kammerwasser des glaukomatösen und gesunden Auges auf seinen Gehalt an Hämoly- sinen untersucht; zur Kontrolle wurde durchweg s/4 Stunde nach der ersten Punktion auch das regenerierte Kammerwasser einer Prüfung auf Hämolysine unterworfen1).

Die Prüfung auf Hämolysine geschah in der Weise, dass, mit Ausnahme des ersten Versuches, wo fast das ganze Kammerwasser entleert wurde, 0,15 0,18 ccm Kammerwasser mit 0,2 ccm einer 5°/0 Aufschwemmung von steril aufgefangenem Rinderblut in 0,85 °!0 Kochsalzlösung in kleinen sterilen Reagenzgläschen vermischt wurden.

Die Gläschen kamen alsdann auf drei Stunden in den Thermo- staten bei 37°.

Versuch I (23. XL 06). Kaninchen 46.

Rechtes Auge (operiert am 7. VII. 06) beträchtlich vergrössert; völlig reizlos; Cornea klar. Massige Atrophie der Markflügel und des Seh- nerven. Glaukomatöse Excavation massigen Grades. Spannung palpatorisch deutlich erhöht.

Linkes Auge normal.

I. 9. Tag der Immunität:

1. Kammer-|R. A.1 0,3 ccm Karamcrwasser: 0,2 ccm 5°/0 Rinderblut geringe Hämol. wasser |L. A. .keine Hämolyse

j \ vollständige

I / Hämolyse

2. Kammer- R. A. wasser LA.

') Wir bezeichnen mit Römer das durch die erste Punktion gewonnene Kammerwasser als das erste, das durch die zweite Punktion gewonnene, regenerierte Kammerwasser als das zweite.

Ober experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw.

425

IL 11. Tag der Immunität: Bei gleicher Versuchsanordnung derselbe Befand.

Versuch II (5. XII. 06). Kaninchen 35.

Rechtes Auge (operiert am 30. III. 06) massig vergrössert, geringe Atrophie der Markflügel und Papille. Spannung palpatorisch deutlich erhöht Auge reizlos.

Linkes Auge normal.

I. 9. Tag der Immunität:

1. Kammer- R. A. 0,18 ccra Kammerwasser: 0,2 ccm 5% Rinderblut 1 keine Hämo- wasser L. A. / lyse

2. Kammer- R. A. 1 völlige Hämo- wasser iL. A. / lyse

IL 11. Tag der Immunität: Bei gleicher Versuchsanordnung derselbe Befund.

Versuch III (5. XII. 06). Kaninchen 33.

Rechtes Auge (operiert am 30. III. 06) sehr vergrössert, völlig reiz- los; vordere Ciliargefässe gefüllt. Cornea klar. Beträchtliche Atrophie des Sehnerven und der Markflügel. Glaukomatöse Excavation massigen Grades. Spannung palpatorisch stark erhöht.

Linkes Auge normal.

I. 9. Tag der Immunität:

R. A. L. A.

1. Kammer wasser

2. Kammer- R. A. wasser !L. A.

0,18 ccm Kammerwasser: 0,2 ccm 5% Rinderblut ,

l keine Hämo- i lyse

\ deutliche / Hämolyse

IL 11. Tag der Immunität. Bei gleicher Versuchsanordnung der gleiche Befund. Ophthalmosko- pisch wird eine kleine präretinale Blutung festgestellt.

Versuch IV (5. XII. 06). Kaninchen 21.

Rechtes Auge (operiert 7. III. 06) stark vergrössert Circumcorneale Gefässe deutlich hervortretend. Die Cornea weist in ihrer temporalen Hälfte einen schräg von oben nach unten ziehenden Riss der Descemet sehen Membran auf; in seiner Umgebung ist das Parenchyra zart wolkig getrübt Die Markflügel sind hochgradig atrophisch (der nasale Markflügel ist fast verschwunden). Tiefe, glaukomatöse Excavation. Spannung palpatorisch beträchtlich erhöht.

Linkes Auge: normal.

I. 9. Tag der Immunität:

1. Kammer- R. A. 0,18 ccm Kammerwasser: 0,2 ccm 5% Rinderblut wasser IL. A.

2. Kammer- wasser

R.A. LA.

\ keine Hämo- / lyse

nicht geprüft deutl.Hämolyse

426 P- Erdmann

IL 11. Tag der Immunität:

Nicht geprüft; da die am rechten Auge vorgenommene erste Punktion von einer intraokularen Blutung und Netzhautabhebung gefolgt war, wurde von einer weiteren Untersuchung des Kammerwassers zunächst Abstand ge- nommen.

Bei allen Tieren wurden die Injektionen von Rinderblut mehrere Tage nach der letzten Punktion wiederholt.

Die am 9. bzw. 11. Tage der Immunität vorgenommene erneute Unter- suchung des Kammerwassers auf Hämolysine ergab folgendes.

Versuch V. Kaninchen 46.

Derselbe Befund am Auge. Es wird weniger Kammerwasser entleert I. 9. Tag der Immunität:

i I lyse

' \ deutliche 1 / Hämolyse

wasser

Kammer- wasser

L.A.

R.A. L.A.

IL 11. Tag der Immunität: Bei gleicher Versuchsanordnung der gleiche Befand.

Versuch VI. Kaninchen 35.

Der gleiche Befund wie im Versuch III.

Versuch VII. Kaninchen 33.

I. 9. Tag der Immunität: Derselbe Befund wie im Versuch IV.

IL 11. Tag der Immunität:

An dem glaukomatösen rechten Auge wurde bald nach der ersten Punktion unter beträchtlicher Zunahme des Druckes eine starke Injektion festgestellt. Die Hornhaut war in der oberen Hälfte wolkig getrübt, ihre Oberfläche gestippt. Ophthalmoskopisch wurden in der Umgebung der Papille mehrere kleine Netzhautblutungen wahrgenommen. Bei der mikroskopischen Untersuchung erwies sich später die Aderhaut zwischen Äquator und Ora serrata durch eine Blutung flach abgehoben.

Linkes Auge normal.

1. Kammer- R. A, L.A.

wasser

Kammer- wasser iL. A.

R.A.

0,18 com Kammerwasser: 0,2 com 5% Rinderblut deutl. Hämolyse

keine

deutliche Hämolyse

Versuch VHI. Kaninchen 21.

Seit der von einer intraokularen Blutung und Netzhautabhebung ge- folgten I. Punktion hatte die Spannung beträchtlich zugenommen; das Auge war stark ciliar injiziert; die Hornhaut im Zentrum zart parenchymatös getrübt. Das Kammerwasser hatte eine leicht sanguinolente Färbung an- genommen. Hinter der klaren Linse war eine graurötliche Masse zu bemerken.

Linkes Auge normal.

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw.

427

I. 9. Tag der Immunität:

1. Kammer- iR. A. wasser JL. A.

2. Kammer- 'R. A. wasser ;L. A.

0,18 ccm Kammerwasser: 0,2 ccm 5% Rinderblut

voll. Hämolyse keine

nicht geprüft voll. Hämolyse

IL 11. Tag der Immunität: Nicht geprüft.

Versuch IX (7. XII. 06). Kaninchen 48.

Rechtes Auge (operiert am 15. VI. 06): stark vergrößert, reizlos. Circumcorneaie Gefasse gefüllt. Hornhaut in ihrem ganzen Umfang von einer breiten, dichten Randtrübung eingenommen, mit welcher die Iris offen- bar verwachsen ist. Das Zentrum der Hornhaut ist klar. Die Linse ist total getrübt. Spannung palpatorisch deutlich erhöht.

Linkes Auge normal.

I. 9. Tag der Immunität:

1.

Kammer- R. A. wasser L. A.

0,18 ccm Kammerwasser: 0,2 ccm 5% Rinderblut

geringe Hämol. keine Hämolyse

2.

Kammer- R. A. wasser L. A.

\ deutliche / Hämolyse

IL 11. Tag der Immunität:

1.

Kammer- R. A. wasser L. A.

0,1 8 ccm Kammerwasser: 0,2 ccm 5% Rinderblut

deutl.Hämolyse keine

2.

Kammer- R. A. wasser ;L. A.

\ deutliche / Hämolyse

Eine Wiederholung des letzten Versuches nach erneuter Immunisierung ergab das gleiche Resultat.

Es erübrigt noch zu bemerken, dass bei sämtlichen Tieren vor An- stellung der biologischen Reaktion ein beschleunigter und verstärkter Über- tritt von Fluorescein in das Kammerwasser konstatiert worden war. Ebenso hatte bei Kaninchen 46, 35 und 48 eine mehrere Wochen vor Anstellung der biologischen Reaktion vorgenommene Prüfung des Kammerwassers einen erhöhten Eiweissgehalt ergeben. Bei Kaninchen 33 und 21, in deren stark vergröS8erten Augen eine entsprechend grosse Menge von Kammerwasser vorhanden war, wurde ein Teil des bei der ersten Punktion gewonnenen Kammerwassers auch zur Prüfung seines Eiweissgehaltes verwandt; bei beiden Tieren wurde ein ungewöhnlich hoher Eiweissgehalt des Kammer- wassers im glaukomatösen Auge festgestellt

Das Ergebnis vorstehender Versuche ist sonach folgendes:

Bei vier mit Buphthalmus behafteten Kaninchen wurden in der ersten Versuchsreihe in drei Fällen (Tier 35, 33, 21) Hämolysine im „ersten" Kammerwasser des glaukomatösen Auges vermisst; nur bei einem Tier (46) wurde eine geringe hämolytische Wirkung des Kammerwassers festgestellt.

428 P. Erdmann

Bei Wiederholung der Versuche fehlten die Hämolysine im „ersten" Kammerwasser bei den Tieren 46 und 35, bei dem Tiere 33 enthielt das am neunten Tage der Immunität entnommene „erste" Kammerwasser des Glaukomauges keine Hämolysine, während am 11. Tag deutliche Hämolyse beobachtet wurde. Bei Tier 21 zeigte das am neunten Tag aus dem Glaukomauge entnommene „erste" Kammerwasser stark hämolytische Wirkung.

Die verschiedenen Resultate der beiden Versuchsreihen lassen sich, wie ich glaube, ungezwungen erklären.

Was zunächst die erste Versuchsreihe betrifft;, so ist die allein bei dem Tiere 46 im ersten Kammerwasser konstatierte geringe hämolytische Wirkung wohl darauf zurückzufuhren, dass bei den ersten Versuchen das ganze Kammerwasser entleert wurde, so dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass bei der Punktion nachströmendes, Hämolysine mit sich führendes Kammerwasser in die Spritze ge- langte. — Für diese Annahme spricht das Ergebnis der zweiten Untersuchung, in der bei vorsichtiger und spärlicher Entnahme von Kammerwasser die Hämolyse ausblieb.

Wir dürfen daher den in der ersten Versuchsreihe abweichenden Befund wohl auf diesen Faktor zurückführen.

Die verschiedenen Resultate der zweiten Versuchsreihe lassen sich ungezwungen aus den schwerwiegenden intraokularen Verände- rungen erklären, welche bei den Tieren 33 und 21 nach der Punk- tion im Glaukomauge eintraten.

Wie oben ausgeführt wurde, hatte die durch die Punktion be- wirkte plötzliche Druckverminderung bei beiden Tieren intraokulare Blutungen zur Folge; ausserdem entwickelte sich bei dem Tiere 33 nach mehrfachen Punktionen, bei dem Tiere 21 schon nach der ersten Punktion unter beträchtlicher Zunahme des Drucks ein akut entzünd- licher Zustand an dem Glaukomauge.

Wir haben es somit in diesen Fällen nicht mehr mit einem ein- fachen chronisch glaukomatösen, sondern mit einem akut entzünd- lichen, durch Blutaustritt in das Augeninnere komplizierten Zustand zu tun, bei welchem ein Übertritt von Hämolysinen nach den bisherigen Erfahrungen stets zu erfolgen pflegt; wir sind daher berechtigt, auch diese Fälle von den übrigen abzusondern.

Wir haben damit auch in der zweiten Versuchsreihe ein über- einstimmendes Ergebnis, nämlich das Fehlen von Hämolysinen im ersten Kammerwasser des glaukomatösen, vergrösserten Kaninchenauges.

Der Versuch IX (Kaninchen 48) ist gesondert zu besprechen,

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 429

da es sich um ein Auge handelte, in welchem es im Verlauf des Glaukomprozesses zu tiefgreifenden Ernährungsstörungen und intra- okularen Veränderungen (Katarakt) gekommen war; auch muss be- merkt werden, dass das Auge einige Wochen vor der Immunisierung zu andern Zwecken mehrmals punktiert und dadurch in einen vor- übergehenden Beizzustand versetzt worden war. Es lag also auch hier kein im obigen Sinne typisches Glaukomauge vor, weshalb der im Gegensatz zu den andern Augen konstatierte Übertritt von Hä- molysinen als ein abnormer, von der Drucksteigerung unabhängiger und durch sekundäre Veränderungen bedingter Vorgang bezeichnet werden kann.

Das in mehreren typischen Fällen konstatierte Fehlen von Hä- molysinen im ersten Kammerwasser des glaukomatösen Tierauges muss zunächst befremden, da, wie bereits erörtert wurde, bei der durch abnorme Durchlässigkeit für Fluorescein und Eiweiss charakterisierten Störung im sekretorischen Apparat nach den bisherigen Erfahrungen auch ein Übertritt von Hämolysinen in das Kammerwasser zu er- warten stand.

Es ist jedoch zu bemerken, dass die Ursache der Sekretions- störung in unsern Fällen nicht in einer aktiven, entzündlichen, son- dern in einer passiven (Stauungs-) Hyperämie zu suchen ist. Dieser Unterschied aber kann uns die verschiedenen Resultate bei der Im- munisierung mit Blutzellen, hinsichtlich des Übertritts von Hämoly- sinen ins Kammerwasser wohl erklären, denn es ist denkbar, dass die Hämolysine zwar bei einer durch Punktion bewirkten abnormen Druckschwankung oder bei einer durch Entzündungsreize der ver- schiedensten Art hervorgerufenen aktiven Hyperämie in das Kam- merwasser übertreten, dass dagegen bei einer durch Drucksteige- rung bedingten, nur unbedeutenden Stauung die Gefässe wohl Fluorescein und Eiweiss, nicht jedoch die Hämolysine durchtreten lassen.

Ich verhehle mir jedoch nicht, dass die wenigen Versuche zur Sicherstellung dieses Befundes, welcher insbesondere auch in Hin- blick auf die Bedeutung der Hämolyse für den Nachweis von vaso- motorischen und sekretorischen Störungen am Auge grösseres Inter- esse beansprucht, unzureichend und dass noch weitere Untersuchungen erforderlich sind, welche sich auch darauf zu erstrecken haben wür- den, ob, wenn nicht die Hämolysine selbst, so doch vielleicht einer ihrer Komponenten, der Amboceptor oder das Komplement, im Kam- merwasser des Glaukomauges zu finden ist

430 P- Erdmann

Da der Vorrat an geeigneten Versuchstieren erschöpft war, so war ich vorläufig ausser stände, die Versuche fortzusetzen.

Ich glaube jedoch, dass die mitgeteilten Versuche genügen wer- den, um die Brauchbarkeit meiner Methode zum Studium mannig- facher Fragen aus dem Gebiet der Pathologie des Glaukoms darzu- tun, soweit man überhaupt die Resultate am Kaninchenauge auf die Verhältnisse des menschlichen Auges übertragen darf.

Die Resultate meiner Untersuchungen fasse ich zum Schluss kurz in folgenden Sätzen zusammen:

1. Mittels der von mir angegebenen Methode gelingt es, in ungefähr 75°/0 der Fälle am Kaninchenauge dauernde Drucksteigerung mit ihren Folgezuständen hervorzurufen.

2. Die Drucksteigerung ist die Folge einer Verlegung des vorderen Abflussweges der Augenflüssigkeit durch Ob- literation des Kammerwinkels.

3. Die letztere kommt zu stände durch eine prolife- rierende Entzündung im Filterwerk des Kammerwinkels, verursacht durch in die Maschenräume des Filterwerks eingedrungenes, elektrolytisch dargestelltes, feinkörniges Eisen.

4. Das auf experimentellem Wege beim Kaninchen er- zeugte Glaukom gleicht dem infantilen Glaukom des Men- schen mit seinen Folgezuständen.

Von den. wichtigsten, beiden gemeinsamen Symptomen erwähne ich:

a) Die mit einer Dehnung und gleichzeitiger kompen- satorischer Gewebszunahme der äusseren Bulbushülle ein- hergehende, mehr oder minder starke Vergrösserung des Auges mit besonderer Beteiligung seines vorderen Ab- schnitts.

b) Die Abflachung der Hornhaut, welche sich in einer Vergrösserung der Meridiane, in der Regel mit Überwiegen des vertikalen Meridians zu erkenfien gibt.

c) Die durch Dehnung entstandenen Risse der Desce- metschen Membran.

5. Die fast ausschliesslich auf den vorderen, am stärk- sten gedehnten Bulbusabschnitt beschränkte Atrophie der Aderhaut und Netzhaut im glaukomatösen Kaninchenauge ist eine Folge dauernder Drucksteigerung.

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 43 1

6. Die mehr oder weniger tiefe, meist ausgesprochen randständige Excavation ist als eine Druckexcavation auf- zufassen.

7. Plötzliche Druckschwankungen im glaukomatösen Kaninchenauge, verursacht durch Punktion der vorderen Kammer, können ausgedehnte retrochorioideale Blutungen und Netzhautabhebung im Gefolge haben.

8. Mydriatica bedingen eine Steigerung, Miotica eine Herabsetzung des Druckes im glaukomatösen Kaninchen- auge.

9. In die Blutwege gebrachtes Fluorescein tritt im Glaukomauge schneller und reichlicher in da9 Kammer- wasser über als im gesunden Auge desselben Tieres.

10. Das Kammerwasser des Glaukomauges ist im Gegen- satz zu dem des normalen reich an Eiweiss. Der erhöhte Eiweissgehalt muss als eine Folge der Drucksteigerung angesehen werden.

11. Hämolysine treten anscheinend nicht in das „erste" Kammerwasser des Glaukomauges über.

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Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 433

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Erklärung der Abbildungen auf Taf. VIII u. IX, Fig. 1—16.

Fig. 1—4. Sagitallschnitte.

Fig. 5 u. 6. Horizontalschnitte durch das Glaukomauge und das normale Auge der Kaninchen I, 43, 21. Vergr. ungefähr 2*/4.

Fig. 7. Obliterierter Kammerwinkel eines experimentell erzeugten Buphthalmus (Kaninchen A, 34 Tage beobachtete. Die Iris adhäriert der Corneo-Sklera bis zum Ende der Descemet sehen Membran (D) direkt; an der Verwachsungs- stelle eine Anhäufung von Spindelzellen. Das Filterwerk im Kammerwinkel (Ligamentum pectinatum und das Trabeculum sclero-corneale) und der Plexus ciliaris sind verschwunden. Kammerwinkel fast ein rechter. Einige mit Eisenkörnchen beladene runde Zellen im Irisstroma nahe der Verwachsungs- stelle sichtbar (F).

Winkel, Okul. I, Obj. III, Vergr. ungefähr 72.

Fig. 8. Kammerwinkel 5 Tage nach der Elektrolyse des Kammerwassers (Ver- such 16). Das Maschenwerk des Ligamentum pectinatum und das sklero- corneale Netzwerk sind von gewucherten Endothelzellen, Rundzellen und ver- einzelten mehrkernigen Leukocyten ausgefüllt. Dazwischen kleinere und grössere mit feinsten Eisenkörnchen beladene Phagocyten (F). Winkel, Okul. V, Obj. III, Vergr. ungefähr 150.

Fig. 9. Grösserer kompakter Haufen der feinen gelblichen Eisenkörnchen der Descemet sehen Membran (D) aufliegend, kammerwärts von gewucherten Endo- thelzellen überzogen. In der Eisenmasse vereinzelte Zellkerne sichtbar. 9 Tage nach der Injektion elektrolytisch im Kammerwasser dargestellten Eisens in die vordere Kammer (Kaninchen 26).

Winkel, Obj. VII, Okul. I, Vergr. ungefähr 320.

Fig. 10. Auflagerung feinkörniger, teilweise in runden Klumpen zusammen- geballter Eisenmasse auf der Descemet sehen Membran (D), gegen die vor- dere Kammer hin bedeckt mit Endothel (E), und neugebildeter dünner Glas- haut {KG). 47 Tage nach der Injektion elcktroly tisch dargestellten Eisens in die vordere Kammer (Kaninchen 15).

Winkel, Okul. V, Obj. III, Vergr. ungefähr 150.

Fig. 11. Auflagerung „endothelogenen" Gewebes auf der Descemetschen Mem- bran (D). Das Gewebe, welches aus einer homogenen, lamellären Grundsub- stanz (L) und langgestreckten Spindelzellen (S) besteht, ist kammerwärts von einer neugebildeten, dünnen Glashaut (KG) und einer Endothellage (E) über- zogen. Nahe der Descemetschen Membran sind einzelne Eisenkörnchen in der Grundsubstanz erkennbar (F).

Winkel, Okul. I, Obj. VII, Vergr. ungefähr 320.

Fig. 12. Riss der Descemetschen Membran (Kaninchen 43, Fall I). Die Rissenden der äusseren, breiten Lamelle (AL) der Descemetschen Membran sind von vorne nach hinten zugeschärft und liegen der Hornhaut an. Die innere schmale, von Endothel bedeckte Lamelle {IL) zieht scheinbar ohne Unterbrechung über den Defekt hinweg. Das im Grunde des Defektes liegende Hornhautstroma (C) ist etwas gelockert.

Winkel, Okul. V, Obj. III, Vergr. ungefähr 150.

Fig. 13. Circumscripte Verdickung der Descemetschen Membran durch Ein- lagerung einer glashäutigen, jedoch noch eine Andeutung fibrillärer Struktur aufweisenden Substanz (H) zwischen den beiden die Membran zusammen-

Über experimentelles Glaukom nebst Untersuchungen usw. 435

setzenden Lamellen (AL und IL). In dem den Spaltraum ausfüllenden Ge- webe sind vereinzelte Eisenkörnchen (F) einschli essende Spindelzellen sichtbar. (Kaninchen 21, Fall IL)

Winkel, Okul. I, Obj. VII, Vergr. ungefähr 320. Fig. 14. Riss der Descemetschen Membran (Kaninchen 21, Fall I). Ähn- licher Befund wie Fig. 6. Die beiden, durch einen feinen Spaltraum getrennten Lamellen der Descemetschen Membran (AL und IL) sind hier jedoch an- nähernd gleich dick. Die den Defekt deckende neugebildete, dünne Glashaut (NG) setzt sich in die innere Lamelle fort; das im Defekt liegende Horn- hautstroma (C) erscheint, abgesehen von einer geringen Zunahme der fixen Zellen, kaum verändert.

Winkel, Okul. I, Obj. VII, Vergr. ungefähr 320. Fig. 15. Seitlich sich vom vorhergehenden Hauptriss abzweigender Riss der Des- cemetschen Membran. Dan zwischen den scharfkantigen, ausgezackten Rissenden liegende Hornhautstroma (C) ist mit einer Schicht jungen, endo- thelogenen Gewebes {EG) bedeckt.

Winkel, Okul. V, Obj. VII, Vergr. ungefähr 150. Fig. 16. Alte verdünnte Glashaut (D) mit einer von den Endothelien aus- geschiedenen Schicht neuer Glashaut (NG) bedeckt. In der neugebildeten Glashaut und in den Endothelien sind feinste, zum Teil in länglichen Haufen liegende Eisenkörnchen (F) sichtbar (Kaninchen 58 b).

Okul. I, Homog. Im. (Fluorit System). Vergr. ungefähr 600.

Ein Beitrag znr Entwicklung der vorderen Polarkatarakt

Von

Dr. Rudolf Tertsch, Assistenten der IL Augenklinik in Wien.

Mit Taf. X, Fig. 1—3 und einer Figur im Text

Nachdem Sinclair(31) und Deutschmann (6) gefunden hatten, dass die Linsenkapsel für geformte Elemente undurchgängig ist> haben Schirmer(28) und vor ihm bereits H. Müller(20), Schweig- ger (30), Leber (15), O. Becker (3) gegen die Ansicht von Schlös- ser (29), Knies (13), Manfredi (18), Poucet (26), Homer (10) nachgewiesen, dass die Kapselkatarakt epithelialen Ursprungs sei, d. h. sowohl bei unverletzter als auch bei verletzter Linsenkapsel aus einer Wucherung des Linsenepithels hervorgehe. H. Müller (21), Schweigger(30j, Becker(3), Gepner(7) und vor allem Schir- mer (28) gaben dann eine genaue Schilderung dieser Epithelwuche- rung und ihrer sekundären Veränderungen, welche Befunde durch die späteren Arbeiten von Wagenmann (34), Meyer (19), Bach (2) und in letzter Zeit Greeff(S) eine Bestätigung fanden.

So feststehend also jetzt die Ansicht ist, dass sich am Aufbau des Polstares hauptsächlich das Linsenepithel und seine Ausschei- dungsprodukte beteiligen, so verschieden sind die Meinungen über die veranlassenden Ursachen und über die ersten Entwicklungsstadien, die dem Polstar selbst vorangehen.

Becker (3) nimmt an, dass ohne vorhergehenden Zerfall durch Herabsetzung des intralentalen Druckes und durch den Reiz eines Nährstromes in abnormer Richtung und Zusammensetzung bei Be- rührung der Linsenkapsel mit der Hornhaut das Kapselepithel wuchert

Nach Treacher Collins(32) kommt es durch Berührung der Linsenkapsel mit der Cornea zu einem Aufhören der Diosmose der ernährenden Flüssigkeit an dieser Stelle. Dadurch zerfällt die Cor- ticalis, welche sekundär schrumpft, wodurch die Kapsel entspannt

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt 437

wird. Es entsteht also durch Veränderung der Kapselspannung eine Zeilproliferation, ohne dass vorher das Epithel zerfallen wäre.

Einer ähnlichen Ansicht sind auch Schweigger (30) und Gepner(7), die annehmen, dass durch den Beiz der zerfallenen Cor- ticalis das Epithel zur Wucherung angeregt wird.

Auch Nuel(23) betont in letzter Zeit wieder, dass das Epithel durch äussere Beize direkt zur Wucherung angeregt werden kann.

Dagegen meint Hess (9), dass durch irgend eine Schädlichkeit ausserhalb der Linse zuerst ein Untergang des Epithels stattfinden muss, dem dann eine Regeneration folge.

Peters (25) stimmt dieser Ansicht nicht ganz zu, weil damit nicht erklärt ist, warum die meisten Epithel Wucherungen gerade im Zentrum der vorderen Kapsel hegen und absolut stationär sind. Er meint, dass auch ein rein mechanisches Moment, vielleicht eine Lockerung der Kapsel von der Binde eine Bolle spiele. Derselben Ansicht sind auch Onfray und Opin(24).

Ich erwähne endlich noch die Ansicht von Hess (9) über die Entstehung des kongenitalen Polstares durch eine unregelmässige er- folgte Abschniirung des Linsenbläschens.

Als direkt veranlassende Momente zur Entstehung des Polstares gelten in erster Linie eine Perforation der Cornea nach einem Horn- hautgeschwür, ohne dass aber dabei der Pol der Linse direkt den Geschwürsgrund berühren müsste. Nach einigen Beobachtungen soll es aber auch durch ein Ulcus corneae bei Blennorrhoea neonatorum ohne Perforation zur Wucherung des Kapselepithels und zur Ent- wicklung eines Polstares kommen können.

Die nun folgenden Krankengeschichten und histologischen Be- funde einiger beobachteten Polarkatarakte mögen teils als eine Be- stätigung der eben angeführten Punkte dienen, teils sollen sie, da es sich bei den histologisch untersuchten Augen um frühzeitige Stadien von Epithelwucherungen handelt, so weit als möglich zur Aufklärung mancher noch strittiger Fragen, vor allem über die Entstehung der Polarkatarakt beitragen.

Zuerst zwei Fälle von Polstar nach Perforation der Cornea, die während der Beobachtung an der Klinik entstanden sind.

Fall I. Barbara E., 11 Jahre alt, leidet seit einem Monat an einer Augenentzündung.

Status vom 15. I. Rechtes Auge: Es besteht Blepharitis, Con- junctivitis ekzematosa. Bulbus intensiv ciliar injiziert. Etwas nach unten vom Hornhautzentrum ein länglich -ovaler Substanzverlust, 4 mm lang,

438 R. Tertech

3 mm breit, dessen Grund matt und grauweiss infiltriert ist und dessen Rand von einem weniger saturierten Hof umsäumt wird. Randteile der Cornea durchsichtig, Kammer normal tief. Iris normal, hat sich auf Atropin weit zurückgezogen. Die Pupille ist rund und schwarz; auch mit dem Spiegel ist keine Trübung zu erkennen.

Das linke Auge zeigt einige Maculae corneae, sonst ist es normal.

Am 19. I. perforiert das Geschwür des rechten Auges ungefähr im Hornhautzentrum in einer Breite von 2 3 mm. Kammer ist aufgehoben. Die Iris ist jedoch nicht prolabiert, sondern liegt mit ihrem Pupillarrand dem Geschwürsgrund an. Therapie: trockenes Atropin, Bettruhe.

Am 20. I. vormittags war die Kammer wieder hergestellt, doch zieht die Iris noch zur Wunde. Bei dem nochmaligen Versuch, durch trockenes Atropin die Iris aus dem Geschwürsgrund zu ziehen, gelingt dies! Am Nachmittag ist die Kammer allseitig tief. Iris frei. Pupille weit und schwarz.

Am 21. I. hebt sich die Kammer wieder auf, wobei aber die Pupille weit bleibt, die Iris nicht vorfällt.

Am 23. I. Kammer hergestellt, aber noch seicht.

Am 24. I. Kammer tief.

Am 26. I. Ulcus in Reinigung begriffen. Kammer tief. Pupille weit Im Zentrum der Pupille, der vorderen Linsenkapsel entsprechend, eine 1 mm breite, punktförmige weisse Trübung.

Status exitus 15. II. Hornhaut zeigt im Zentrum einen rundlichen, in Vernarbung begriffenen Substanzverlust. Vordere Kammer tief. In der Mitte der Pupille eine 1 mm breite Polarkatarakt.

Fall II. Aloisia H. soll seit zwei Monaten augenkrank sein.

Status vom 5. I. Linkes Auge: Conjunctivitis ekzematosa. Etwas nach unten vom Hornhautzentrum ein stecknadelknopfgrosses, weiss satu- riertes, bis in die tiefsten Schichten reichendes Geschwür. Am Rand der Cornea ein Pannus. Kammer seicht. Leichte Iritis. Pupille aber weit und rund.

Am 6. I. Kammer tief. Pupille ist schwarz.

Am 8. I. Kammer aufgehoben. Pupille weit und rund.

Am 11. I. Kammer wieder hergestellt. Pupille weit und rund.

Status exitus vom 16. I. Hornhautgeschwür in Verheilung begriffen. Kammer tief. Iris normal. In der Mitte der runden Pupille eine punkt- förmige weisse Trübung, die der vorderen Linsenkapsel angehört.

Diese beiden Fälle zeigen, dass bereits nach einer durch kurze Zeit bestandenen Berührung zwischen Cornea und Linse eine Polar- katarakt entstehen kann. Im ersten Fall blieb nach erfolgtem Durch- bruch eines ekzematösen Geschwürs zuerst die Kammer einen ^Fag aufgehoben war dann einen Tag normal tief, um sich danach wieder durch drei Tage aufzuheben. Der Polstar war bereits zwei Tage, nachdem sich die Kammer das zweitemal wieder hergestellt, , zu bemerken, ohne sich später mehr in Grösse und Form zu ver- $

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Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt. 439

ändern. Im zweiten Fall kann ich allerdings nicht sicher angeben, ob nicht schon vor der ersten Beobachtung an der Klinik die Per- foration erfolgte, da die Kammer, als Patient aufgenommen wurde, seicht war, doch war damals die Pupille noch schwarz. Dann hob sich die Kammer durch drei Tage auf, und vier Tage nachher kann man eine Polarkatarakt konstatieren.

Über ähnliche in so kurzer Zeit entstandene Polstare berichten Knie8(13), Bach (2) bei an Blennorrhoea erkrankten Kindern. Knies meint dazu, dass man bei einem in so kurzer Zeit entstandenen Pol- stare annehmen muss, dass die Epithelwucherung bereits vor der Perforation vorbereitet worden sei. In meinen Fällen war vor dem zweiten Aufheben der vorderen Kammer keine Trübung in der Linse zu sehen, allerdings betont Becker (3), dass im Anfang ein Kapsel- katarakt durchsichtig sein kann.

Bemerkenswert sind die beiden Fälle noch insoweit, dass es hier in doch verhältnismässig späterem Alter zu so rascher Entwicklung eines Polstares gekommen ist

Anschliessend berichte ich über einige Fälle, die als weitere Bei- spiele jener bereits öfter gemachten Beobachtung dienen mögen, dass es absolut nicht notwendig ist, dass der vordere Linsenpol direkt den Geschwürsgrund berührt, sondern dass auch bei einem peripher ge- legenen Ulcus der blosse Kontakt zwischen der im Zentrum nor- malen Cornea und der Linse zur Entstehung der Polarkatarakt genüge.

Fall III. Kopaloric, 7 Jahre alt, ist vor einem Jahre an Con- junctivitis ekzematosa erkrankt Es findet sich unten am Limbns eine 2 mm breite Narbe mit Iriseinheilung. Hornhautzentrum normal. Am vorderen Pol der Linse eine 2 mm breite weisse Polarkatarakt.

Fall IV. Bei einer 55 Jahre alten Frau findet sich eine peripher am Limbns gelegene Narbe der Cornea mit Iriseinheilung. Hornhaut- zentrnm normal. In der Mitte der sonst schwarzen Pupille eine runde, 2 mm breite Polarkatarakt mit einzelnen strahligen Ausläufern. Wann Patientin augenkrank war, Hess sich nicht ermitteln.

Fall V. Mach, Adelheid, 40 Jahre alt. Patientin war in der Jugend viel augenkrank. Das rechte Auge zeigt am unteren Limbns eine Narbe der Cornea mit Iriseinheilung. Kammer tief. In der Mitte der Pupille eine weisse punktförmige, hervorragende Trübung, der vorderen Linsenkapsel angehörend. Am linken Auge ein progressives ekzematöses Ulcus corneae. Pupille rund und schwarz.

Fall VI. Drei Wochen altes Kind, an Blennorrhoea neonatorum er- krankt, zeigt am rechten Auge am unteren Hornhautrande ein regres- sives Ulcus corneae mit Iriseinheilung. -Kammer tief. Im Zentrum der Papille eine punktförmige weisse Polarkatarakt.

▼. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 3. 29

440 R. Tertsch

Fall VII. Reich, Charlotte, 22 Jahre alt, hatte in ihrem zweiten Lebensjahre eine Entzündung am linken Ange. Man findet in diesem Auge im unteren Hornhautteil nahe dem Limbus eine 3 mm breite Narbe mit Iriseinheilung, sonst ist die Cornea vollständig normal durchsichtig. In der Mitte der Pupille eine punktförmige Polarkatarakt.

Mit Ausnahme des Falles IV, bei dem sich die Zeit der Er- krankung nicht ermitteln Hess, handelt es sich in allen Fällen um in früher Jugend nach einem perforierten Geschwür entstandene Polarkatarakte, in denen mit Ausnahme des Falles VI, wo es sich um Blennorrhoea neonatorum handelte, eine ekzematöse Erkrankung die Ursache war. Über Entstehung von Polarkatarakt ohne direkte Berührung des Linsenpols mit dem Geschwürsgrund berichten: Treacher Collins(32), Meyer(19), Bach(2), Wagenmann (34), Hulke(ll). Auch diese Fälle entstanden alle in früher Jugend.

In den folgenden drei Fällen handelt es sich um Epithelwuche- rungen, welche kurz nach erfolgter Perforation der Cornea durch ein Geschwür zur histologischen Untersuchung gelangten.

Fall VIII. Samek, J., 18 Jahre alt, gibt an, dass er vor drei Wochen gestürzt sei, weiss aber nicht anzugeben, ob er sich dabei am Auge verletzt habe; doch sei das rechte Auge seit dieser Zeit rot und schmerzhaft gewesen und sei langsam erblindet Seit einigen Tagen habe er auch am linken Auge Schmerzen.

Status praesens. R. A.: Äussere Teile, Conjunctiva normal. Bulbus intensiv ciliar injiziert An der unteren Cornealhälfte ein aus zwei Buckeln bestehender, 5 6 mm breiter und 5 mm hoher, in Vernarbung begriffener Irisprolaps, der nach oben bis über das Hornhautzentrum reicht, während unten die Cornea noch 2 mm breit erhalten ist. Der Prolaps ist von einem grauweissen, 1 mm breiten Ring umsäumt. Die übrige, oberflächlich matte Cornea ist ebenfalls diffus rauchig getrübt Kammer aufgehoben. Die Iris der Hornhaut anliegend. Pupille ist nicht sichtbar. Tension vermindert Visus: Lichtempfindung in 4 m. Projektion falsch. Das linke Auge ist bis auf eine leichte ciliare Injektion des Bulbus normal. Visus: 6/6 Jäger I in 20 cm. Da das rechte Auge andauernd schmerzhaft ist und man eine sympathische Erkrankung des linken Auges befürchten musste, wurde das rechte Auge drei Wochen nach Beginn der Erkrankung enucleiert.

Die histologische Untersuchung des in vertikale Schnitte zerlegten Bulbus ergibt: In der unteren Cornealhälfte ein 5 mm breites perforiertes Ulcus, dessen Ränder aufgewühlt sind, kleinzellige Infiltration zeigen und in das der untere Teil der Iris einschliesslich ihres ganzen Pupillar- randes vorgefallen ist Die übrige Iris, die der Cornea anliegt, zeigt namentlich gegen den Prolaps hin starke entzündliche Infiltration. (Ziliar- körper, Chorioidea und Retina sind nur wenig verändert. Es besteht leichte Neuritis.

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt.

441

Was nun die Linse anbelangt, finden wir sie von normaler Grösse, etwas nach vorne gerückt, ohne dass sie aber der Iris und dem Prolaps direkt anliegen würde, da wir zwischen diesen Teilen und der Linse eine fibrinreiche Substanz finden. Auf der vorderen Linsenkapsel liegt Irispigment. Die Kapsel selbst ist in ihrer Struktur überall normal, zeigt nirgends eine Lamellierung. Ungefähr dem vorderen Pol der Linse entsprechend findet man eine circumscripte Wucherung des Epithels, welche in ihrer vorderen Flächenansicht eine dreieckige Form hat (vgl. Fig.). Diese Epithelwucherung, über welche die Kapsel selbst in Falten gelegt ist, wird allseitig umgeben von einer breiteren Corticalkatarakt, die sich nach aussen und innen bandförmig, und zwar innen weiter, gegen den Linsenäquator erstreckt Die Epithelwucherung hat im ganzen die Form eines Keiles, dessen spitzer Winkel nach oben aussen, dessen Basis nach innen unten gerichtet ist Die grösste vertikale Breite dieses Keiles beträgt 1,4 mm, die grösste Dicke 0,5 mm (die horizontale Breite lässt sich nicht angeben, da der Bulbus nicht in kontinuier- lichen Serienschnitten zerlegt wurde). Dieser Polstar be- - M ginnt also, von oben aussen flach ansteigend, sich lang- sam nach rückwärts verbrei- tend und erreicht in der nach innen unten gerichteten, fast senkrecht auf die Linsen- kapsel stehenden Seite seine grösste Tiefe. Er besteht in seinen oberen und vorderen Teilen aus spindelförmigen Zellen mit länglichen Kernen,

die meist in längeren Reihen angeordnet sind und zwischen sich die charak- teristische glashäutige Intercellularsubstanz erkennen lassen. Dagegen finden wir unten und hinten mehr runde, grosse Zellen mit grösserem runden Kern und mit nur spärlicher Intercellularsubstanz. Zwischen diesen Zellen und ihrem Ausscheidungsprodukt kann man überall mit Eosin rot gefärbte, amorphe Schollen erkennen, die wohl als zerfallene Corticalfasern auf- zufassen sind, während die Falten der Linsenkapsel, die hier keinen regelmässigen Epithelbelag hat, von einer mehr homogenen, wenig tin- gierten Masse ausgefüllt werden. Ebenso besteht die die Epithelwucherung umgebende Corticalkatarakt zum Teil aus einer homogenen, wenig tingierten Masse, die zwischen die periphersten Corticalfasern eindringt, zum Teil aber aus zerfallenen Corticalfasern selbst. Von oben aussen setzt sich das Epithel der vorderen Linsenkapsel ohne Unterbrechung, wenn auch manchmal nur aus flachen, gedehnt aussehenden Zellen bestehend, auf die hintere Fläche der Polarkatarakt fort, hier noch eine Strecke weit

29*

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442 R Tertsch

einen hinteren, regelmässigen Epithelbelag bildend, ohne da» es aber schon zur Ausscheidung einer nenen Kapsel gekommen wäre. Auch nach unten aussen findet man an einigen Schnitten einen derartigen regel- mässigen Belag von Zellen, ohne dass dieser aber hier in irgend einem Znsammenhang mit dem Epithel der Umgebung steht Denn wie er- wähnt — hört die Epithelwucherung nnten innen in einer die Basis des Keiles bildenden, ziemlich scharf begrenzten Fläche auf; welche nirgends einen regelmässigen Epithelbelag erkennen lässt. Auch die Linsenkapsel entbehrt hier auf eine ziemlich lange Strecke des Epithels; dagegen kann man an einigen Schnitten das von der Kapsel losgelöste Epithel einzeln, ohne Zusammenhang, aber in der Richtung gegen die hintere untere Ecke der Epithelwucherung gewendet, in der Gorücalkatarakt liegen sehen; es macht den Eindruck, als ob auch hier früher eine kontinuierliche Ver- bindung mit dem regelmässigen Epithelbelag der Kapsel bestanden hätte, der nachträglich zerrissen wurde. Überdies finden wir auch im Detritus der Corticalkatarakt, nach rückwärts vom regelmässigen Belag der Hinter- fläche, einzelne freiliegende, meist degenerierte Epithelzellen. Sonst sind die Epithelzellen in der Peripherie der vorderen Kapsel normal, einreihig, nur werden sie gegen die Polarkatarakt flacher, zeigen aber nirgends Degenerationsformen. Auch die hintere Corticalis zeigt Kataraktbildung, dagegen ist der Kern der Linse normal.

Fall IX. Schmidutz, Adolf, zwei Monate alt, ist seit der Geburt schwächlich, ikterisch; soll seit 8 Tagen augenkrank sein.

Status praesens vom 2. HL Linkes Auge: An der Conjunctiva bulbi finden sich einige xerotische Stellen; in der unteren Hälfte der Cornea ein perforiertes Geschwür, dessen Ränder infiltriert sind und in das die Iris vorgefallen ist Kammer fast aufgehoben; Iris intensiv verfärbt, ge- schwollen, von der Pupille nichts zu sehen.

Am rechten Auge ist derselbe Befund, nur ist das Ulcus kleiner. Im Sekret finden sich zahlreiche Xerosebacillen.

Das Kind starb am 6. III., also etwa 12 Tage nach Beginn der Augenerkrankung.

Der mikroskopische Befund des linken Auges war: Dem unteren Teil der Cornea entsprechend ein perforiertes Hornhautgeschwür, dessen Ränder noch stark kleinzellig infiltriert sind. In dasselbe ist ein Teil der Iris vorgefallen, doch ist der Pupillarrand daselbst mittels einer lang aus- gedehnten Zacke an der Linsenkapsel durch eine hintere Synechie adhärent Die Iris, die in der Peripherie der Cornea anliegt, wie auch der Ciliar- körper zeigen mit Ausnahme des prolabierten Iristeiles nur geringe ent- zündliche Veränderungen. Die Linse ist nach vorne verlagert, liegt der Iris und Cornea fest an, und nur im Bereich des Prolapses bleibt ein schmaler Spaltraum zwischen der prolabierten Iris und der Vorderfläche der Linse bestehen. Daselbst liegen einzelne pigmentierte Zellen auf der vorderen Liusenkapsel. Entsprechend der früher beschriebenen hinteren Synechie des unteren Pupillarrandes, etwas nach unten vom Linsenpole selbst, findet man den sonst normalen Epithelbelag unterbrochen durch einen 0,13 mm langen und 0,07 mm dicken Hügel gewucherter Epithel*

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt. 443

seilen. Es sind meist runde, manchmal spindelförmige Zellen, die einen stark granulierten Zellleib und meist längliche grosse, gut gefärbte Kerne besitzen. Eine Zwischensubstanz ist nirgends zu bemerken, auch finden sich nirgends Einschlüsse von zerfallener Corticalis. Die Epithelzellen der Übrigen Kapsel sind normal,' mit Ausnahme einiger bläschenförmig degenerierter Zellen gegen den Äquator und einem Flacherwerden gegen die Zellwucherung hin. Ebenso zeigt die vordere wie auch die hintere Corticalis nur geringe Zerfallserscheinungen. Man findet einige mit homo- gener Masse erfüllte Spalträume zwischen Epithel und Rindenfasern und zwischen den Corticalfasern selbst; weiters in der Umgebung dieser Spalt- räume einige zerfallene Linsenfasern und Bläschenzellen. Der Kern der Linse ist normal. Ebenso ist der übrige Bulbus normal.

Fall X. Putz, Johann, 10 Monate alt, soll seit 3 Wochen an einem Ekzem des Gesichtes leiden. Wie lange er augenkrank ist, weiss die Mutter nicht anzugeben, da das Kind in fremder Pflege war.

Status vom 26. VI.: Nässende ekzematöse Geschwüre in der Um- gebung beider Augen. Blepharitis.

Linkes Auge: Conjunctiva der Lider geschwollen, schleimig secer- nierend. Die Cornea gestichelt, zeigt im Zentrum ein etwa 2 mm im Durchmesser betragendes scheibenförmiges Geschwür mit gelb infiltriertem Grunde. Die übrige Cornea ist gleichmässig getrübt, so dass man tiefere Teile nur schwer erkennen kann. Am Boden der vorderen Kammer ein Hypopyon. Am rechten Auge ist ein dem linken Auge fast gleicher Befund.

Das Kind starb am 5. VII.

Der histologische Befund des linken Auges war: Ein etwa 4 mm breites, perforiertes Ulcus im Hornhautzentrum mit stark kleinzellig in- filtrierten Rändern. Die Iris ist nicht vorgefallen, sondern ist allseitig der Cornea anliegend und ist gleich dem Ciliarkörper nur leicht entzünd- lich infiltriert. Die Perforationsstelle ist durch einen eitrig- fibrinösen Pfropf verschlossen. Die Linse ist nach vorne gerückt und liegt der Iris und dem Fibrinpfropf in der Perforationsstelle direkt an. Die Linsen- kapsel am vorderen Pol etwas gefaltet, ist völlig normal. Das Epithel ist ebenfalls normal bis auf eine kleine, 0,25 mm breite Stelle am vor- deren Pol, wo man eine Wucherung aus gut gefärbten Epithelzellen sieht, die zwischen sich weder eine Intercellularsubstanz, noch Einschlüsse er- kennen lassen. Die Corticalis zeigt in einer sehr schmalen Zone um die Epithelwucherung Zerfallserscheinungen, sonst ist die Linse normal. Ebenso zeigen die hinteren Teile des Auges keine pathologischen Veränderungen:

Man hat es also in diesen drei Fällen mit Augen zu tun, in denen das Epithel am vorderen Linsenpol nach einer vor kurzer Zeit vorher erfolgten Perforation eines Hornhautgeschwüres gewuchert ist. Während aber im Fall VIII und X angenommen werden kann, dass die Perforation die eigentlich veranlassende Ursache war, ist im Fall IX, in dem das Epithel dem Prolaps gegenüber normal war und nur an der Synechie gewuchert ist, wahrscheinlich die Letztere als Ursache der Epithelwucherung anzusehen. In dem Fall "VIII

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ist es weiter zu einem ausgedehnten Zerfall der Corticalis gekommen. Im Fall IX findet man eine geringere pathologische Veränderung der Rinden- schicht, bestehend aus Spalträumen zwischen den Fasern und manch- mal beginnendem Zerfall der Fasern selbst, wobei die erfolgte Per- foration der Cornea und die durch längere Zeit bestandene Berüh- rung zwischen Cornea und Linse die Hauptursache bilden dürften. Im Fall X endlich beschränkt sich der Zerfall nur auf eine sehr schmale Schicht um die Epithelwucherung.

Ganz verschieden ist das histologische Bild des Polstares selbst! In dem drei Wochen alten Fall VIII kam es bereits zur reichlichen Ausscheidung von Zwischensubstanz und es beginnt die Epithel- wucherung sich rückwärts mit einem regelmässigen Epithelbelag zu überziehen. Dagegen finden wir im Fall IX und X noch keine derartigen Veränderungen; es sind die Epithelwucherungen in diesen beiden Fällen wahrscheinlich viel jüngeren Datums vielleicht erst einige Tage alt.

Im Fall VIII finden wir ferner ziemlich grosse Mengen zer- fallener Linsenfasern zwischen den Zellen eingeschlossen, sich also so an dem Aufbau des Polstars mitbeteiligend. Diese letzte Mög- lichkeitwurde von Becker (4), Schirmer(28) bestritten, O.Meyer(19) lässt die Frage offen, dagegen wurde sie von Sinclair (31), Treacher Collin8(32) und in letzter Zeit von Krüger (14) wieder bestätigt Im Falle IX und X besteht der Polstar nur aus Epithelzellen ohne Einschlüsse.

Ebenso verschieden scheint mir auch das Verhalten des Epi- thels im Beginn der Linsenveränderung gewesen zu sein. Sicher ging der Wucherung im Fall VIII ein ausgedehnter Zerfall des Epithels voran, wahrscheinlich nach einer im ersten Beginn vorhan- denen Abhebung desselben, für welche noch die reichliche homogene Masse zwischen Kapsel und Cortexfasern, namentlich im unteren Teil der Corticalkatarakt spricht Ob dies auch im Fall IX und X der Fall war, ist unwahrscheinlich, da man nirgend* Zerfallserschei- nungen des Epithels sieht, obzwar die Epithelwucherung erst einige Tage alt ist; doch scheint auch im Fall IX eine Abhebung zwischen Epithel und Corticalis vorhanden gewesen zu sein.

Da diese Frage am Schlüsse im Zusammenhang besprochen werden soll, will ich, um mich nicht wiederholen zu müssen, zuerst noch über den Befund der Linse eines an Blennorrhoea neonatorum erkrankten Auges, an dem es nicht zur Perforation des Geschwüres kam, und über die an diesen Fall angeschlossenen Tierversuche berichten.

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt. 445

Fall XL Jellinek, Walter, an seinem 40. Lebenstage gestorben, erkrankte mit 10 Tagen an Blennorrhoea conjunctivae.

Der Status beim Tode des Kindes war: Beiderseitige Schwellung der Lider, Schwellung und starke Injektion der Bindehaut mit stark eitriger Sekretion.

Rechtes Auge: Die Cornea ist matt, zeigt im Zentrum einen 3 mm im Durchmesser betragenden runden Substanzverlust, dessen Grund und Ränder graugelb infiltriert sind. Die Kammer ist normal tief. Die Iris ist grau verfärbt, geschwollen. Die Pupille ist eng und rund, nur un- deutlich sichtbar. Das linke Auge zeigt ein dem rechten Auge fast gleiches Bild, nur ist das Geschwür kleiner.

Die mikroskopische Untersuchung des rechten Auges ergibt: Ein zentral gelegenes Geschwur der Hornhaut, dessen Ränder, noch starke Infiltration mit Rundzellen zeigen. Die hinter dem Geschwür liegenden Hornhautlamellen sind leicht gequollen, zeigen keine Kerniärbung. Zwischen den hintersten Lamellen wieder starke, kleinzellige Infiltration. Dieser infiltrierten Stelle entspricht an der Hornhauthinterfläche ein schmaler Belag von Fibrin und Eiterkörperchen. Die Iris wie die Kammerbucht zeigen starke Infiltration mit Rundzellen. Kammer normal tief. Die Linse ist von normaler Grösse und ist in normaler Lage. Die vordere Linsen- kapsel, sonst normal, ist dem Hornhautgeschwür gegenüber stark gefaltet Auf ihr liegen einige Rundzellen. Unter den Falten der Kapsel findet sich eine schmale Corticalkatarakt Man sieht zwischen den vordersten Fasern feine Spalten, die mit einer wenig tingierten homogenen Masse erfüllt sind. An mehreren Stellen sind die Enden der Fasern selbst zu Schollen zerfallen! Weiter finden wir einige Bläschenzellen. Dagegen ist das Epithel fast vollständig normal. Nur an einem Schnitte konnte man eine ganz kurze Unterbrechung im Epithel finden, die wahrscheinlich künstlich entstanden ist, und an einer Stelle sieht man einen degenerierten Kern in der Gorticalis liegen. Die übrige Linse, wie auch der rück- wärtige Abschnitt des Auges ist normal.

Zuerst Hulke(ll) und in letzter Zeit Hess (9), Nuel(23), Eochon- Duvigneaud(27), Valude(33) machten auf die Wahr- scheinlichkeit aufmerksam, dass auch ohne Perforation bei Blennorrhoe der Neugeborenen ein Polstar entstehen könne, ja Nuel(22) be- hauptet, dass auch ohne Ulceration der Cornea eine phlogene Sub- stanz durch die jugendliche Cornea und Kammer zur Vorderfläche der linse gelange und hier entweder eine Polarkatarakt erzeuge oder doch eine abnorme Zelltätigkeit und Anordnung der Fasern hervor- rufe, durch welche am Pol der Linse eine Unregelmässigkeit der Brechung entstehen kann.

In unserm Fall ist es nun wohl nicht zu Epithelveränderungen gekommen, wohl aber zu einem Zerfall der Corticalis, was nun ge- wiss nicht gegen die letztere Ansicht Nu eis spricht; denn es ist

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bekannt, dass sich eine in geringer Ausdehnung entstandene Cortical- katarakt wohl wieder aufhellen kann [Greeff(9), Knapp (12)], aber gewiss eine bedeutende Störung in der Regelmässigkeit der Anord- nung der Fasern zurücklassen wird.

Doch hervorzuheben ist immerhin, dass hier die Epithelzellen normal geblieben sind, und dass es trotz dieser normal aussehenden, allerdings vielleicht in ihrer Funktion gestörten Epithelzellen, die ja doch nach der Ansicht von Leber (16) und Hess (9) als Schutz gegen äussere Schädlichkeiten aufzufassen sind, zum Zerfall der Cornea gekommen ist

Durch diesen letzten Fall angeregt, versuchte ich nun durch den Tierversuch zu entscheiden, in wie weit Hornhautulcerationen ohne Perforation für die Entwicklung eines Polstares beschuldigt werden können. Zu diesem Zwecke wurden Hornhäute von Kaninchen vor allem mit Gonocokken, dann aber auch mit Streptocokken, Staphylo- cokken, Diplococcus lanceolatus, Diphtheriebacilius, Typhus-, Coli- und Proteusbacillen geimpft, allerdings gleich mit der Voraussetzung, dass dieser Tierversuch auch im Falle des Gelingens noch nicht für das Menschenauge beweisend gewesen wäre, da sich die Kaninchenlinse bezüglich ihrer Schützstoffe gegen fremde Schädlichkeit anders ver- halten dürfte als die Menschenlinse. Da aber ferner Veränderungen des Ciliarkörpers [Hess (9)] weitere Exsudate, die der linse anliegen [Sinclair (31), Arlt(l), Wagenmann (34), Deutschmann (6)] grossen Einfluss auf die Degeneration und nachträgliche Regeneration des Linsenepithels haben, so war es mir vor allem darum zu tun, ob man in Augen, wo es noch zu keiner oder nur geringer Entzündung der Uvea gekommen ist, Linsen Veränderungen finden könnte. Es wurden daher bei den Versuchen die Augen zu einer Zeit enucleiert, wo zwar bereits ein deutliches Geschwür der Cornea, aber noch keine Perforation derselben entstanden war, und wo ferner die Iris wie der Ciliarkörper noch nicht stark mitbeteiligt waren.

In allen diesen Fällen man konnte, wenn auch manchmal erst nach einigen vergeblichen Versuchen, durch die meisten der an- geführten Bakterien Hornhautgeschwüre erzeugen war die linse vollständig normal. Nur einmal konnte man bei einem Streptocokken- ulcus eine ganz seichte und kurze Abhebung des Epithels von der Kapsel finden bei sonst völlig normaler Linse.

Anders waren dagegen die Verhältnisse, sobald es zu einer stär- keren Iritis und Exsudation in die vordere Kammer gekommen war, wie dies vor allen folgender Befund zeigen soll.

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt. 447

Fall XII. Einem Kaninchen wurden beide Augen mit einem Ton einem menschlichen Auge gewonnenen Aspergillus fumigatus geimpft Beiderseits entstanden typische Geschwüre, deren Grund von einem grauen, trocken aussehenden Infiltrat eingenommen war. Am rechten Auge kam nun am 7. Tage eine starke Iritis dazu. Am Boden der vorderen Kammer fand sich Hypopyon; in der Pupille sieht man eine diffuse Trübung, ohne das8 man bei der starken Trübung des Kammerwassers entscheiden kann, ob es sich um eine Pupillarmembran handelt oder ob die Trübung der Linse angehört. Am linken Auge bestand nur leichte Verfärbung der Iris; Kammerwasser, wie auch die Linse waren vollständig klar und durchsichtig.

Die histologische Untersuchung der am 8. Tage nach der Impfung enucleierten Augen, die durch gleich lange Zeit in Formol- Alkohol ge- härtet wurden, ergibt:

Rechtes Auge: Am Hornhautscheitel ein nicht perforiertes, aber tief gehendes Ulcus, dessen Grund und Ränder stark kleinzellig infiltriert sind und in dessen Mitte ein Pfropf, aus zerfallenen Hornhautlamellen und Mycelftden bestehend, Hegt. Kammerwasser sehr fibrinreich, in demselben, namentlich im unteren Kammerwinke], zahlreiche Leukocyten. Iris stark entzündlich infiltriert. In der Pupille eine Membran, aus Fibrin und zahl- reichen Leukocyten bestehend. Linsenkapsel ist völlig normal. Das Epi- thel ist gegen den Äquator hin normal, dagegen ist es am vorderen Pol der Linse, gegenüber dem Geschwür, in einer Breite von 1,2 mm durch eine bläulich tingierte homogene Masse abgehoben! An einer Stelle dieser Abhebung zeigt das Epithel Degenerationserscheinungen; die einzelnen Zellen sind gequollen, Kerne schlecht gefärbt, bis die Zellen an einer Stelle vollständig zerfallen sind und fehlen; daselbst ist die zwischen abgehobenem Epithel und der Kapsel liegende Masse in direkter Ver- bindung mit einem breiten Spaltraum, welcher zwischen Epithel und Corticalis liegt und von einer stark rot tingierten, kleinbröckligen Sub- stanz erfüllt ist. Auch an der hinteren Fläche der Linse finden wir breite Spalträume in der Corticalis, erfüllt teils mit der bröckligen Sub- stanz, teils mit zerfallenen Linsenfasern selbst.

Die Cornea des linken Auges zeigt fast die gleichen Veränderungen, die wir rechts gefunden haben. Dagegen ist Iris und Kammerwasser normal. Die Linse ist hier fast völlig normal. Das Epithel ist einschichtig, liegt überall der normalen Kapsel an, nur am Äquator finden wir hie und da einige gequollen aussehende Zellen. Corticalis wie der Kern der Linse ist normal.

Während also die Geschwüre in der Cornea in ihrer Ausdeh- nung fast völlig gleich sind, sieht man am linken Auge, in dem die Iris nicht entzündet ist, die Linse nicht verändert, dagegen finden wir am rechten Auge, an dem es zu einer heftigen Iritis mit Exsu- dation in die vordere Kammer kam, eine Abhebung des Epithels mit beginnendem Zerfall desselben.

Weiter besteht ausgedehnte Corticalkatarakt, sowohl am vorderen

448 & Tertsch

als auch hinteren Pol der linse. Es ist aus diesem Befund doch naheliegend, die Iritis und ihre Exsudation in die vordere Kammer als Ursache dieser Linsen Veränderungen anzunehmen! Ich bemerke überdies dazu, dass auch im Fall XI (Ulcus corneae ohne Perfora- tion) eine heftige Iridocyclitis zu finden war.

Anschliessend an diese Versuche impfte ich nun auch in die vordere Kammer verschiedenes Bakterienmaterial, um auf diese Weise allenfalls eine Epithelwucherung erzeugen und studieren zu können. Will man dabei wirklich die Wirkung der Bakterien und ihrer Toxine kennen lernen, so muss man bei der Impfung verhüten, dass sich die Kammer aufhebt Am besten gelingt dies, wenn man mit einer möglichst feinen Nadel einer Pravazspritze sehr schief durch die Hornhautlamellen durchsticht und dann eine Aufschwemmung des Bakterienmaterials injiziert.

In den meisten dieser Versuche kam es zu einem reichlichen Zerfall des Epithels und der Corticalis, und nur in einem Falle konnte man eine Epithelwucherung beobachten.

Fall XIII. Es wurde in der geschilderten Weise, ohne dass sich die Kammer aufhob, eine Bouillon- Aufschwemmung von Typhusbacilleu in die vordere Kammer eines Kaninchenauges injiziert Am zweiten Tage Iritis, am dritten Tage ist die Cornea diffus getrübt, starke eitrige Iritis mit Hypopyon. Aus der Tiefe der Papille ein gelber Reflex. Das Auge wurde am dritten Tage enucleiert. Die histologische Untersuchung des in Formol-Alkohol gehärteten Bulbus ergibt eine eitrige Endophthalmitis. Die Retina ist fast vollständig eitrig zerstört Ciliarkörper, Chorioidea und Papille stark eitrig infiltriert; weiter eine Eiteransammlung haupt- sächlich in den vorderen Teilen des Glaskörpers, daselbst die Linse um- gebend. Die Iris ist nur wenig injiziert, ebenso findet man in der vor- deren Kammer ausser der Kammerbucht nur wenig Exsudat; auf der vorderen Linsenkapsel liegen einige Exsudatzellen. In der Cornea einige kleine hintere Hornhautabscesse, längs des Stichkanals kleinzellige Infil- tration.

Die Linsenkapsel ist normal, dagegen zeigt das Epithel am vorderen Pol teils Degenerationserscheinungen, teils fehlt es vollständig. In der Mitte dieses Bezirkes, gerade der Pupille entsprechend, findet man eine 2 mm breite, sich in zwei divergierende Schenkel nach unten fortsetzende Epithelwucherung. Dieselbe besteht zum grössten Teil aus runden oder spindelförmigen Zellen, mit grossen gut gefärbten Kernen, die an ein- zelnen Stellen einen, wenn auch nur schmalen Detritus von zerfallenen Epithelzellen und intensiv rot gefärbten degenerierten Corticalfasern zwischen sich einschliessen. Die vordere, wie auch die rückwärtige Cor- ticalis ist sonst wenig verändert, nur an einzelnen Stellen findet man Zerfall der Enden der Linsenfasern, weiter zwischen der Kapsel und den Cor- texfasern hie und da einige Morgan sehe Kugeln und zerfallene Epithelzellen.

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt. 449

Der Fall zeigt erstens, wie rasch es unter Umständen auch nach reichlichem vorhergegangenem Zerfall des Epithels zu einer regene- rativen, starken Wucherung kommen kann, zweitens, dass auch hier wieder zwischen den gewucherten Epithelzellen zerfallene Cortezfasern eingeschlossen sind, und ist weiter bemerkenswert, dass es am vor- deren Pol zur Entwicklung eines Polstares gekommen ist, obwohl die Entzündung hauptsächlich den rückwärtigen Teil des Bulbus ein- nimmt Es ist dies überdies ein Befund, wie ihn auch Deutsch- mann (5) bei seinen Versuchen bekommen hat

Wenn wir nun die angeführten Fälle bezüglich der Art und Weise des Entstehens des Polstares betrachten, so kommen wir zu ganz verschiedenen Resultaten: Während im Fall VIII der Wuche- rung des Epithels gewiss ein ausgedehnter Zerfall desselben voraus- gegangen ist man findet ja die Kapsel noch eine Strecke weit von Epithel entblösst , ist im Falle IX und X das Epithel auch in der Nähe der Wucherung völlig normal und sind auch keine Zeichen vor- handen, dass es sich nach einem vorhergegangenen Zerfall wieder re- generiert hätte. Im Falle XIII, dem mit Typhus geimpften Kaninchen- auge, finden wir dagegen wieder reichlichen Zerfall des Epithels um die Wucherung herum. Daraus würde sich der Schluss ergeben, dass die Art des Entstehens eines Polstars in verschiedenen Fällen eine differente ist Und zwar glaube ich, dass sie abhängig ist von der veranlassenden Ursache. Im Falle VIII war die Erkrankung des Auges verursacht durch einen eitrigen Prozess der Cornea nach einer Verletzung, ebenso handelt es sich im Fall XIII um eine schwere eitrige Erkrankung des Auges. Also in beiden Fällen schwere In- fektion mit reichlichem Zerfall des Epithels und nachträglicher starker Wucherung desselben. Und zwar scheint es manchmal wie im Fall VIII durch eine primäre Schädigung der Kapsel und des Epithels in ihrer Funktion als Schutzorgan gegen das Eindringen von Kammerwasser zuerst zu einer Abhebung des Epithels von der Kapsel oder des Epithels von der Corticalis zu kommen, der dann ein rascher Zerfall des Epithels folgte. So ein ähnliches Bild finden wir auch im Falle XII, in dem man eine Abhebung des Epithels mit beginnendem Zerfall desselben sehen konnte, nur dass es hier noch nicht zur Epithelwucherung gekommen war.

Anders im Fall IX und X. Im Falle IX es handelte sich um eine Keratomalacie habe ich bereits erwähnt, dass die Epithel- wucherung wahrscheinlich mit der Synechie in Zusammenhang ge- bracht werden muss, indem vor allem durch diesen Beiz vielleicht

450 & Tertsch

durch Aufhören der Diosmose das Epithel zur Proliferation an- geregt wurde. Doch nehmen wir schon an, dass die Perforation die direkt veranlassende Ursache war, so handelt es sich in diesem Fall um Zerfall eines nekrotisch gewordenen Teils der Hornhaut ohne vor- hergehende, schwere Infektion und ohne starke Mitbeteiligung der Uvea. Auch im Fall X war eine Perforation durch Zerfall eines ekzematösen Infiltrates die Ursache der Epithelwucherung auch hier ohne starke Entzündung der Uvea.

Ich meine also, dass hauptsächlich die Schwere der Infektion Einflu88 darauf nimmt, ob es zu einem raschen ausgedehnten Zer- fall des Epithels mit nachfolgender starker Regeneration desselben kommt, oder ob durch einen schwächer wirkenden Reiz, sei derselbe nun toxisch oder rein mechanisch, das Epithel entweder direkt zur Wucherung angeregt werde, oder sich nach einem nur ganz circum- scripten Zerfall ohne Mitbeteiligung der Corticalis zu einer Epithel- wucherung regeneriert.

Was die Corticalis anbelangt, so sehen wir in allen Fällen, in denen eine stärkere Iritis oder Cyclitis zu finden war, einen Zerfall der vorderen und manchmal auch hinteren Rindenschichten (Fälle VIII, XI, XII, XIII), doch nicht immer auch gleichzeitig einen Zerfall des Epithels (Fall XI, Ulcus corneae durch Blennorrhoea ohne Perforation), während wieder anderseits, wie im Fall XTT, das Epithel stärker zerfallen war als die Corticalis. Allerdings möchte ich wohl glauben, dass bei weiterem Bestehen der veranlassenden Ursachen im Falle XI ebenfalls das Epithel zerfallen wäre und sich vielleicht dann zu einer Polarkatarakt regeneriert hätte; ebenso wäre es im Fall XTT zu einem stärkeren Zerfall der Cortex gekommen! Doch können wir im allgemeinen aus diesem Befund schliessen, dass bei Katarakt infolge einer schweren Infektion in einigen Fällen zuerst das Epithel, im andern aber zuerst die Corticalis ergriffen wird. Unter den Fällen ohne schwere Mitbeteiligung der Uvea war nur im Fall X (Keratomalacie mit Perforation) die Corticalis normal. Im Fall IX (skrofulöses Infiltrat der Cornea mit Perforation) wurde zwar auch die Corticalis teilweise kataraktös, doch habe ich bereits bemerkt, dass die Perforation und die durch längere Zeit bestandene Be- rührung der Linse mit der Cornea, welche ja, wie bekannt, meist zur vollständigen Trübung der linse fuhrt, die Hauptursache dieser Corticalkatarakt gewesen sein dürften.

Der Aufbau des Polstares scheint mir davon abzuhängen, ob zur Zeit der Begeneration des zerfallenen Epithels die Corticalis zerfallen

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt. 451

ist, da wir nur in jenen Fällen, in denen es zu reichlichem Zerfall des Epithels und der Corticalis gekommen war, Einschlüsse von zer- fallenen Bindenfasern innerhalb der Epithelwucherung gefunden haben. In diesen Fallen dringen die nach der Degeneration sich stark re- generierenden Epithelzellen zwischen die zerfallenen Corticalfasern ein und um wuchern dieselben; während in den Fällen von direkter Epi- thelwucherung ohne vorhergehenden Zerfall die allenfalls auch degene- rierte Corticalis von den wuchernden Zellen einfach verdrängt wird.

Mir ist es weiter wahrscheinlich, dass bei der Entstehung jener Polstare, die nach einer Hornhautperforation beobachtet werden, noch ein mechanisches Moment berücksichtigt werden muss, wie dies ja auch Peters (25; und Onfray- Opin (24) annehmen.

Durch die Perforation wird die Linse rasch aus ihrer normalen Lage nach vorne gerückt; sie ändert dabei an der vorderen Fläche rasch ihre Krümmung im Sinne einer stärkeren Konvexität Am stärksten wird dies der Fall sein am vorderen Pol, namentlich wenn bei einem zentral gelegenen Geschwür dasselbe in die Perforations- öffnung hineingepresst wird. Es ist nun wohl möglich, dass dabei durch Trennung der Fasern voneinander Spalten gerade am vorderen Pol entstehen können und sich allenfalls das Epithel auch eine Strecke weit von der Kapsel ablöst und so gewiss das Entstehen der Polarkatarakt begünstigt wird namentlich wenn noch durch Aufhören der DioBmose und durch Wirkung von Toxinen weitere Ursachen dazu kommen. Überdies mag auch in einzelnen Fällen durch eine bereits bestandene Iridocyclitis das Epithel und die Corti- calis in ihrer Widerstandskraft gelitten haben. Mit Annahme dieses mechanischen Grundes wäre nun sowohl eine Erklärung gefunden, warum die Epithelwucherungen nach einer Perforation am vorderen Pol liegen, als auch warum in einzelnen Fällen so rasch nach der Perforation ein Polstar sich entwickeln 'kann.

Warum aber auch in Fällen ohne Perforation die Epithelwuche- rung zumeist am vorderen Pol entsteht, dafür haben wir keine be- friedigende Erklärung; denn auch die Annahme Nuels(23), der meint, dass in der Peripherie die Iris die Linse vor den phlogenen Stoffen, die von der Cornea aus in das Auge eindringen, schütze, und dass daher die Epithel Wucherung nur am vorderen Pol ent- stehe, und da weiter die Pupille der Neugeborenen sehr eng sei, auch die Polarkatarakt genau zentral liege und sehr klein sei, dürfte .nicht zutreffend sein; denn die Polarkatarakte, welche wir gewöhnlich beobachten, sind kleiner wie der Durchmesser der Pupille des neu-

452 & Tertech

geborenen Kindes, so dass also ein um die Polajrkatarakt gelegener Teil der Linse nicht durch die Iris geschützt ist. Als ein direkter Beweis gegen die Annahme Nuels seien überdies die Fälle I und II angeführt, in denen wir einen nur punktförmigen, zentral gelege- nen Polarkatarakt entstehen sehen, obwohl die Pupille durch Atropin maximal erweitert war, also eine grosse Fläche der linse unbe- schützt war.

Fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen zusammen, so finden wir:

1. Nach einer Hornhautperforation kann sich bei jugendlichen Personen rasch eine Polarkatarakt entwickeln, wobei vielleicht eine mechanische Trennung der Linsenfasern voneinander und eine Ab- hebung des Epithels von der Kapsel begünstigende Momente sind.

2. Es wird durch eine Reihe von Fällen neuerdings bestätigt, dass auch durch eine periphere Hornhautperforation eine Polarkata- rakt entstehen kann.

3. Die Art der Entstehung und die ersten Phasen der Ent- wicklung eines Polstares hängen mit der Schwere der Infektion des Auges beziehungsweise der Ernährungsstörung der linse zusammen. Wir finden, dass in jenen Fällen, in welchen durch eine schwere Infektion eine eitrige Iridocyclitis entsteht, meist nach einer oft aus- gedehnten Degeneration des Epithels eine lebhafte Regeneration folgt, aus der ein Polstar entstehen kann; während in Fällen, in denen ohne Mitbeteiligung der Uvea nur ein schwächerer Reiz auf das Iinsenepithel wirkt, dieses ohne vorhergehenden Zerfall zu wuchern beginnt.

4. Einschlüsse von zerfallenen Corticalfasern innerhalb der Epi- thelwucherung findet man, wenn ein reichlicher Zerfall sowohl des Epithels als auch der Rindenschicht vorangegangen ist, indem das nach vorhergehender Degeneration zu stärkerer Regeneration ange- regte Epithel die in grösserer Ausdehnung zerfallene Corticalis durch- wuchert und zwischen sich einschliesst

5. In einem Fall von nicht perforiertem Ulcus bei Blennorrhoea neonatorum konnte man bei normalem Epithel nur Corticalkatarakt finden. Doch ist es wohl möglich, dass später nach vorhergehendem Zerfall des Epithels sich dasselbe zu einer Polarkatarakt regeneriert hätte. In den daran angeschlossenen Tierversuchen bildeten sich nur dann, wenn es zu einer heftigen Iridocyclitis mit Exsudation in die vordere Kammer kam, Veränderungen am vorderen Linsenpol, die aber meist in Abhebung und in Zerfall des Epithels und der Cor-

Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt. 453

ticalfasern bestanden. Nur in einem Fall, in dem man direkt in die vordere Kammer Typhusbacillen injizierte, entstand eine Polarkatarakt Zum Schluss erlaube ich mir noch, meinem hochverehrten Lehrer, Hofrat Prot £. Fuchs, den Dank für die Überlassung des Materials und die vielfache Unterstützung bei der Arbeit auszusprechen.

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454 & Tertsch, Ein Beitrag zur Entwicklung der vorderen Polarkatarakt

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Erklärung der Abbildungen auf Taf. X, Fig. 1 3.

Fig. 1. (70fache Vergrößerung.) Polarkatarakt im Fall VIII (Samek). Ver- tikaler Schnitt, (a, Einschlüsse von zerfallener Gorticalis innerhalb der Epi- thelwucherung, b, Kerne von in der zerfallenen Corticalis liegenden Epithel - zellen.)

Fig. 2. (120 fache Vergrößerung.) Polarkatarakt im Fall IX (Schmidutz). (c, Zipfel der Iris, an die vordere Linsenkapsel angeheilt, d, Epithetwucherung.)

Fig. 3. (120 fache Vergrösserung.) Polarkatarakt im Fall X (Putz).

Experimentelle Studien Aber die Abhängigkeit

der Sehschärfe yon der Beleuchtungsintensität und der

praktische Wert des Photoptometers yon Hori.

Von

Stabsarzt Dr. Ch. Oguchi

in Tokio.

Mit einer Figur im Text

Die Sehschärfe hängt von der Beleuchtung ab. Es ist zweifellos, dass die Sehschärfe um so mehr abnimmt, je geringer die Beleuch- tungsintensität ist, und um so mehr zunimmt, je grösser die letztere ist Hat man darüber durch bestimmte Formeln auszudrückende Gesetze? Seit früheren Zeiten haben nicht wenige Forscher das Verhältnis zwischen Beleuchtung und Sehschärfe zu bestimmen versucht Aber noch jetzt im 20. Jahrhundert ist die Aufgabe nicht gelöst H. Cohn sagte, es sei unmöglich, ein Gesetz über die Beziehung zwischen Sehschärfe und Beleuchtung zu ermitteln. Obgleich A. König eine mathematische Formel auffand, indem er Logarithmen, welche A. Posch in seiner Antwort auf die 1872 1873 von der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck gestellte Preisaufgabe zuerst bekannt gab, anwendete, so ist doch diese Formel keine definitive, sondern man hat noch weiter zu forschen. Zunächst hat man den Wert der Be- leuchtung zu bestimmen und hat einen sicheren und bequemen Apparat der Lichtquelle nötig, durch welche die Beleuchtung nach Belieben vermehrt oder vermindert wird. Diese Aufgabe ist nicht nur theo- retisch interessant, sondern hat auch grosse praktische Bedeutung. Der Oberstabsarzt Prof. Dr. M. Hori hat vor kurzem ein Photoptometer erfunden und hat mich beauftragt, dessen praktischen Wert zu be- stimmen und über diesen Gegenstand ausführlicher zu arbeiten. Ich erstatte hiermit den ersten Bericht über die Resultate der Unter- suchungen, welche später noch vervollständigt werden müssen.

Ich werde zuerst das Photoptometer von Hori beschreiben, dann die Resultate der von Herrn Miyokawa angestellten Untersuchungen

v. Graefe'a Archir fflr Ophthalmologie. LXV1. 3. 30

456 Ch- Oguchi

der Lichtstärke des Photoptometers von Hori anfuhren/ weiter über die Beziehung zwischen Beleuchtung und Sehschärfe berichten und zuletzt die Resultate meiner Untersuchungen mitteilen.

X. Fhotoptometer von Hori Seit Förster (1) 1857 ein Photoptometer erfand, wurde es ein wichtiger Apparat für die Untersuchung des Lichtsinnes und ist noch jetzt zur Untersuchung der Beizschwelle nützlich. Aber manche haben den Mangel dieses Apparates hervorgehoben. Urbantschitsch(6) bemerkte, dass die Striche auf der Objekttafel nicht gleichmässig beleuchtet werden. Wolffberg(9) sagte aus, dass alle Punkte der Tafel nicht gleichmässige Beleuchtung erhalten, sondern die Beleuch- tung schwächer wird, je näher sie der Peripherie kommt Treitel (11) erklärte, die Intensität der Beleuchtung sei der Grösse der Blenden- öffnung nicht proportional. Samelsohn (7) hob hervor: Da die Förstersche Objekttafel zu gross ist und seitwärts von der Fovea centralis erkannt werden kann, ist es unmöglich, die Differenz in der Höhe der Beizschwelle zwischen einer zentralen und excentrischen Stelle festzustellen. Weitere Unbequemlichkeiten werden verursacht durch die Zusammenfassung des Gesichtsfeldes in einen kleinen Kasten. Daher haben viele Untersucher versucht, das Gesichtsfeld zu erweitern. Aubert(2) brachte einen durchscheinenden weissen Schirm am Fen- ster des dunklen Zimmers an und vergrösserte oder verengte ihn mit dem Försterschen Schieber, um die Beizschwelle zu untersuchen. Bjerrum(8) gebrauchte in der dunklen Kammer das Graefesche Photometer, indem er an den Brennpunkt der Flamme im Kasten eine Konvexlinse legte, so dass parallele Strahlen entstanden. Durch die Öffnung, welche mittels Diaphragma erweitert oder verengt wird, wurde beleuchtet, und zur Verminderung der Beleuchtung Milchglas auf die Öffnung gelegt Schnabel (3) bediente sich einer Röhre. Durch die kleine Öffnung der Bohre liess er den zu Untersuchenden die Snellensche Tafel betrachten und bestimmte die Sehschärfe. Nach der Adaptation stellte er die Grenze fest, an der dieselbe Sehschärfe zu erhalten war, indem er Bauchglas gebrauchte. Schmidt-Bimpler(4) benutzte einen dem Opernglas ähnlichen Kasten. Berry(5) benutzte ein spaltf örmiges Diaphragma, in welches ein mitTuschlösung angefülltes Prisma eingesetzt war. Er bestimmte erst den Grad, einen gewissen Buchstaben sehen zu können, darauf liess er den zu Untersuchenden herantreten und sehen und bestimmte durch Vorschieben des Prismas die Dichtigkeit mit der ebensoviel gesehen werden konnte. Das Ver-

Experimentelle Studien über die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 457

fahren dient dazu, hauptsächlich die Beizschwelle oder die Sehschärfe bei schwacher Beleuchtung zu untersuchen, oder anderseits den Farben- sinn bei verschiedener Beleuchtung und die Unterschiedschwelle bei schwacher Beleuchtung festzustellen. Zur letzten Untersuchung hat

man die Massonsche Scheibe, das Charpentiersche Photometer u. dgl. Seggel bediente sich der Sehproben zur Prüfung des Licht- sinnes, Treitel gebrauchte die Tafel mit grauen Vierecken von lqcm. Man sieht, dass die Prüfungen des Lichtsinnes sehr kompliziert sind. Die Schwierigkeiten der Prüfungen werden dadurch verursacht, dass der Raumsinn Einfluss ausübt, wenn man Figurentafeln gebraucht,

30*

458 Oh. Oguchi

oder dass die Reflexion an der schwarzen Tafel bei der schwächeren Beleuchtung Irrtum veranlasst, wenn man vor die schwarze Tafel graue Objekttafeln von verschiedener Dichtigkeit legt

Wie oben erwähnt ist, ist das Förstersche Photoptometer gegen- wärtig noch geeignet, in schwacher Beleuchtung verschiedene Unter- suchungen anzustellen; doch hat es auch viele Mängel, wie z. B. die Ungleichmässigkeit der Beleuchtung, die zu kleine Entfernung der Objekttafel, die Unveränderlichkeit der Entfernung und die Differenz im Lichtsinne, je nachdem das Bild auf der Fovea centralis erzeugt ist oder nicht Betrachten wir die Förstersche Formel

di h ** TT T - h

so fragt es sich, ob das Quadrat d oder D der Beleuchtungsintensität proportional sei oder nicht Ohne die Prüfung der Lichtstärke bei der Beleuchtung der Objekttafel kann man es nicht entscheiden; Tr eitel hatte schon daran Zweifel, wie oben erwähnt ist

Das Photoptometer von Hori ist zum Gebrauch für die Armee hergestellt Er hat, wie Aubert und Bjerrum, ein dunkles Zimmer benutzt und zur Beleuchtung eine gewöhnliche Lampe gebraucht, indem er die Flamme mit einem Kasten bedeckte und durch die Förster- sche Blendenöffnung die Beleuchtung mässigte. Es ist ein einfacher und praktischer Apparat, welcher bequem zu transportieren ist und für jede gewöhnliche Stehlampe passend gemacht werden kann.

Der Kasten bildet eine quadratische Säule, die Höhe beträgt 12 cm und die Breite 8 cm. Er ist oben mit einem dem Rauchfange ähnlichen Cy lind er, der 16 cm Höhe und 5 cm Durchmesser hat, versehen. An der vorderen Wand ist ein rhomboidisches Fenster, dessen Höhe (Diagonale) 50 mm beträgt Das Fenster wird durch kleine Schrauben an seinen beiden Seiten verändert Es erreicht die höchste Höhe = 50 mm, und es wird wieder ganz geschlossen. Die Höhe wird durch die rechts angebrachte, in Millimeter eingeteilte Skala gemessen. Der Mittelpunkt des Fensters ist Nullgrad, und von da nach oben wird 30 mm gezählt Das Maximum der Öffnung ist 25 mm. Also die Höhe des Fensters ist das Doppelte von 25 mm, nämlich 50 mm. Und der Flächeninhalt ist

-f- = 1250, d. h. 1250 qmm.

Wenn z. B. der Grad 3 mm ist, so ist der Flächeninhalt des

(3 . 2)2 Fensters v ' } = 18, d. h. 18 qmm. Die Grundfläche des Kastens

Experimentelle Stadien über die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 459

ist um 1,5 cm erhöht und hat eine runde Öffnung von 5 cm Durchmesser. Ausserdem findet sich ein Ring, welcher aus einer 1,8 cm breiten und 16 cm langen gekrümmten Metallplatte besteht und nach Belieben ver- grös8ert oder verkleinert werden kann. Dieser Ring wird über denCylinder der gewöhnlichen Stehlampe mit Runddocht gesteckt und passt sich der Grösse des Cylinders an, indem er nach Belieben vergrössert oder verkleinert wird. Der Ring hat vier Füsse, von denen drei an der Spitze mit einer Rille versehen sind, um den unteren Rand des Kastens aufzusetzen, und von denen einer flach ist, darauf ruht die vordere Wand des Kastens. Wenn man den Ring über den Cylinder einer Stehlampe steckt und darauf den Kasten legt, so ist der Cylinder mit einer walzenförmigen Röhre bedeckt, und die Flamme kommt gerade ans Fenster. Die Lichtquelle ist ganz von dem Kasten be- deckt, und die Lichtstrahlen gehen durchs Fenster hindurch. Vom Ge- stell der Lampe ragt eine Stange quer hervor, mit ihr ist ein Stäbchen durch eine Schraube verbunden, wodurch die Objekttafel in beliebiger Entfernung aufgehängt und direkt vom Fenster beleuchtet werden kann. Der ganze Apparat ist von Metall gefertigt und schwarz angestrichen. Dieser Apparat gestattet, in beliebiger Entfernung beliebige Tafeln aufzuhängen, sei es die Snellensche, Treitelsche, Seggeische Tafel, oder die Massonsche Scheibe oder andere Farbentafeln, und den zu Untersuchenden in beliebige Lage zu stellen, um vergleichende Untersuchungen vorzunehmen. Ausserdem kann man die Lichtstärke prüfen und die Beleuchtung sicher bestimmen. Die Resultate der Prü- fungen der Lichtstärke werden in folgendem angegeben.

n. Die Beenltate der Prüfungen der Lichtstärke des Photoptometers

von Hori.

Folgende Tabelle zeigt die Resultate der vom Herrn Feldapo- theker J. Miyokawa im Auftrage von Herrn Prof. Hori unter der Leitung des Herrn Oberfeldapotheker H. Omae ausgeführten Prü- fungen der Lichtstärke.

Die Resultate der Prüfungen der Lichtstärke:

Grad

25cm 60cm 1 m

Entfernung des Lichtes 2m 3m 4m

5m

6m

Unbe- | decktest Licht J 25 mm 6,250

6,250

24

23 ;;

6,000 5,750

1,563

1,563 1,500 1,437

0,3907

0,3907 0,3750 0,8593

0,09767

0,09767 0,09375 0,08983

0,04341

0,04341 0,04166

0,02432

0,02432 0,02345

0,03992 | 0,02246

0,01564

0,01564 0,01500 0,01461

0,01085

0,01085 0,01042 0,00998

460

Ch. Oguchi

Grad

Entfernung des Lichtes

25 cm

50 cm

Im

2m

3m

4m 5m

6m

22 mm

5,500

1,876

0,3437

0,08593

0,03819

0,02148

0,01375

0,00956

21

5,250

1,313

0,3257

0,08143

0,03618

0,02036

0,01302

0,00905

20

5,000

1,250

0,3125

0,07812

0,03473

0,01953

0,01250

0,00868

19

4,750

1,187

0,2967

0,07418

0,03296

0,01855

0,01186

0,00624

18

4,500

1,125

0,2813

0,07033

0,03125

0,01768

0,01125

0,00781

17

4,250

1,063

0,2667

0,06648

0,02952

0,01661

0,01063

0,00738

16

4,000

1,000

0,2600

0,06250

0,02777

0,01563

0,01000

0,00693

15

3,750

0,937

0,2343

0,05857

0,02603

0,01464

0,00937

0,00651

M

3,500

0,875

0,2187

0,05467

0,02430

0,01367

0,00874

0,00606

13

3,250

0,813

0,2033

-0,05083

0,02*59

0,01271

0,00813

0,00565

12

3,000

0,750

0,1875

0,04687

0,02083

0,01172

0,00750

0,00621

11 n

2,750

0,687

0,1717

0,04267

0,01908

0,01067

0,00687

0,00477

10

2,500

0,625

0,1563

0,03908

0,01737

0,00977

0,00625

0,00434

9 »

2,250

0,563

0,1407

0,03517

0,01563

0,00879

0,00563

0,00391

8

2,000

0,600

0,1250

0,03125

0,01389

0,00781

0,00500

0,00347

7 ,.

1,750

0,437

0,1093

0,02733

0,01214

0,00683

0,00437

0,00304

6

1,500

0,375

0,0937

0,02343

0,01641

0,00586

0,00375

0,00260

5

1,260

0,313

0,0783

0,01957

0,00870

0,00489

0,00313

0,00210

4

0,800

0,200

0,0500

0,01250

0,00555

0,00313

0,00200

0,00140

3

0,450

0.123

0,0283

0,00708

0,00314

0,00177

0,00113

0,00078

2

0,200

0,050

0,0125

0,00313

0,00139

0,00078

0,00050

0,00035

1 »

0,050

0,0125

0,0031

0,00075

0,00034

0,00019

0,00012

0,00009

Bemerkungen: Die Breite des Dochtes 5 cm. Die Lange der Flamme 4 cm. Das gehrauchte Petroleum ist ein gewöhnliches gemichtes öl. Die Normalkerze ist die aus Paraffin verfertigte, das Verbrennungsgewicht in einer Stunde ist 9,3 g, das Gesamtgewicht 51,15 g. Die Intensität ist nach der Bunsen- schen Methode durch Fettflecken geprüft.

Vergleicht man die Lichtstärke von vier Arten des Petroleums, so erhält man folgende Tabelle:

Arten des Petroleums

Lichtstarke

Zustand der Flamme

Gewöhnliches gemischtes öl

Chaster-Öl von Amerika

Takarada-Öl von der Pro- vinz Echigo

Kumi-Öl

6,250 |

6,650 {

} 6,250 {

6,000 {

Die L&nge der Flamme ist 4 cm und

der Rauch ist unsichtbar. Die Länge der Flamme erreicht 4 cm,

doch erzeugt sie keinen Rauch. Die Länge der Flamme ist 4 cm und

erzeugt Rauch. Die Länge der Flamme erreicht 2,8 cm,

dann erzeugt sie Rauch.

Betrachtet man obige Resultate, so bemerkt man in betreff der Entfernung des Lichtes, dass sich die Beleuchtung umgekehrt wie die Quadrate der Entfernung verhält, entsprechend dem allgemeinen Gesetz. Aber von 25 mm ab bis auf 5 mm der Grösse des Fensters verhält sie sich nicht wie die Quadrate, sondern einfach. Wenn z. B. bei 20 mm in 25 cm Entfernung die Beleuchtung 5 Kerzenstärken beträgt, so beträgt sie bei 10 mm 2,5 Kerzenstärken. Wer sich ge-

Experimentelle Stadien aber die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 461

wohnlich des Försterschen Photoptometera bedient, dem wird das etwas merkwürdig scheinen. Aber man kann leicht verstehen, wenn man bedenkt, dass die Breite der Flamme ungefähr 1cm ist, und die weitere Yergrössernng des Querdurchmessers keinen Einfluss hat Von 5 mm ab (der Durchmesser beträgt das Doppelte, nämlich 1 cm) bestehen quadratische Verhältnisse.

Daher sind die Verhältnisse zwischen der Grösse des Fensters und der Lichtstärke bei diesem Photoptometer wie folgt:

Bis 5 mm der Fensterhöhe (Durchmesser = 10 mm) verhält sich die Beleuchtung proportional der Höhe des Fensters, unter 5 mm wie die Quadrate der Höhe.

in. Besiehungen »wischen Sehschärfe und Beleuchtung. 1. Übersicht über die Literatur.

Im Jahre 1754 stellte Tobias Mayer (12), der Astronom in Göttingen, zum ersten Male darüber Untersuchungen an. Er benutzte Striche als Objekttafel, und bei der Abnahme der Lichtstärke liess er den zu Untersuchenden sich nähern, oder vergrösserte den Seh winkel, um die Sehschärfe zu untersuchen. Er entschied, dass sich die Sehschärfe trotz der Vermehrung der Lichtstärke nicht ver- mehrt, wenn die höchste Sehschärfe bei Lichtzutritt einmal erreicht ist Im dunklen Zimmer bewegte er die Kerze von der nächsten Entfernung 0,5 Fuss bis zur weitesten 13 Fuss, mithin untersuchte er in 676 fachen Differenzen, und gab folgende Formel:

1 158"

s = 158" Va", h =

2| ö »

^ 6

VA

s bezeichnet den Sehwinkel, a die Entfernung des Lichtes, h be- zeichnet die Beleuchtung.

Die Sehschärfe ist also der sechsten Wurzel der Beleuchtung proportional.

Im 19. Jahrhundert stellte Förster (1) bei der Erfindung des Photoptometers über diese Aufgabe Untersuchungen an und gab an, dass Sehwinkel und Beleuchtung zueinander in Beziehung stehen, und dass das eine beim Sehen eines gewissen Gegenstandes gross wird, wenn das andere klein ist, und umgekehrt das eine klein wird, wenn das andere gross ist

Aubert(2) veröffentlichte in seiner Physiologie der Netzhaut, dass sich der Grad des Fixierens 1. auf Beleuchtung, 2. auf Diffe-

462 Ch. Oguchi

renz der Beleuchtung (Kontrast), 3. auf Sehwinkel, nämlich die Grösse des auf der Netzhaut erzeugten Bildes bezieht, und dass die Beleuch- tung über einen gewissen Grad keine Vermehrung der Sehschärfe hervorbringt, wie andere Forscher es auch behaupteten. Bei der Untersuchung stellte er den zu Untersuchenden in 1 m Entfernung und liess die Jägersche Sehtafel betrachten, indem er die Grösse des Fensters veränderte.

Klein (13) bestimmte die Entfernung von 1 m der englischen Paraffinkerze zur Einheit, wendete die Snellensche und Giraud- Teulonsche Tafel an und bezeichnete die Resultate mit einer Kurve, indem er von der stärkeren Beleuchtung zu der schwächeren über- gehend untersuchte. Das Resultat, dass sich die Sehschärfe bei stärkerer Beleuchtung noch etwas vermehrt, ist verschieden von dem Resultate von Mayer und Aubert Er benutzte auch Myopie, Astigmatismus, Amblyopie mit Strabismus zur Untersuchung.

Posch (14) verwandte weisse Striche als Objekttafel und ge- brauchte die Dubosqsche Lampe mit AchromaÜinse als Lichtstrahlen. Zum Schluss sagte er folgendes: Die Sehschärfe vermehrt sich wie die Logarithmen der Beleuchtung. Wenn sich die Beleuchtung geometrisch vermehrt, so vermehrt sich die Sehschärfe arithmetisch. Also wenn sich die Beleuchtung geometrisch vermindert, so verringert sich der Sehwinkel oder das Bild auf der Netzhaut arithmetisch.

Carp (15) und Doerinckel (16) stellten die Untersuchungen über die schwächere Beleuchtung an, indem sie die Snellensche Tafel als Objekttafel und den Schmidt-Rimplerschen Kasten als Lichtquelle benutzten, und die Beleuchtung mit Rauchglas veränderten. Carp bezeichnete die Resultate mit einer Kurve und behauptete, dass die Resultate bei jeder Person verschieden sind. Doerinckel stellte bei Untersuchungen von alten Personen fest, dass sich die Sehschärfe im Vergleich zur Beleuchtung bedeutend verringert

Annibale Ricco (17) veränderte die Beleuchtung durch Epi- skotister. Albertotti (18) bediente sich im dunklen Gange der Snellenschen Tafel als Objekttafel. Sous(19) wendete das Badal- sche Optometer an. Javal(20) und Cohn(21) beschäftigten sich mit der Schulhygiene.

Manole8cu(22) wendete kleine Kreise und Striche als Objekt- tafel an, führte die Untersuchungen im dunklen Zimmer aus und kam zu folgendem Schluss: Der Sehwinkel verhält sich umgekehrt der Quadratwurzel der Beleuchtung.

Charpentier (23) gebrauchte weisse, viereckige Figuren auf

Experimentelle Studien über die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 463

schwarzem Grunde als Objekttafel, mässigte die Lichtstrahlen durch Episkotister und bezeichnete die Resultate mit einer Kurve.

Cohn(24) stellte 1883 genaue Untersuchungen an und gab an, dass die Resultate je nach der Person sehr verschieden sind. Zu Untersuchungen wählte er Personen mit gesunden Augen und vor allem die Kinder auf dem Lande aus. Er bediente sich des Schmidt- Rimpl ersehen Apparates und des Rauchglases.

Mac6 de L6pinay und Nicati(25) erwähnten, dass die Seh- schärfe der beiden Augen grösser als die des einen Auges bei der doppelt so starken Beleuchtung ist.

Uhthoff(26) führte die Untersuchungen in einem 21m langen dunklen Gange aus. Er stellte eine Petroleumlampe mit 4 Normal- kerzenstärken in einen dem Rauchfange ähnlichen Kasten, liess die Lichtstrahlen durch die vordere Öffnung ausgehen und mässigte die Beleuchtung mit Rauchglas. Als Objekttafel gebrauchte er die Snellensche Sehtafel und bedeckte sie jedesmal, um das Auswen- diglernen zu verhindern. Die Entfernung des zu Untersuchenden wurde so gewählt, dass er noch im stände war, in der kürzesten Entfernung von 10 cm Nummer 200 der Sehtafel zu sehen. Es wurde also untersucht, bis die Sehschärfe sich auf 0,0015 verringerte. Die Resultate wurden in einer Kurve bezeichnet. Zum Schluss konnte Uhthoff zwar kein mathematisches Gesetz aufstellen, aber er machte darauf aufmerksam, dass man zweierlei Formeln haben muss, um die Sehschärfe bei der stärkeren Beleuchtung von der bei der schwächeren Beleuchtung zu unterscheiden, und dass sich das excen- trische Bild auf der Netzhaut erzeugt, wenn die Entfernung bei der schwächeren Beleuchtung zu klein ist

Cohn(27) wiederholte 1895 die Untersuchungen mit dem Web er- sehen Polarisations-Episkotister und fand, dass bei verschiedenen Personen grosse Differenzen bestehen. Eine Person hat noch hin- reichend Sehschärfe bei 1 l/t Meterkerze. Durchschnittlich Sehschärfe 1 bei 6,9 Meterkerze und 0,5 Sehschärfe bei 2,3 Meterkerze. Da es solche Differenzen gibt, ist es nach seinen Angaben unmöglich, ein mathematisches Gesetz aufzustellen.

König (28) wendete die Snellensche Hakenfigur als Objekt- tafel an und bestimmte den Sehwinkel von 5 Minuten zur Einheit der Sehschärfe. Er verlangte keine sichere Antwort über die Figur, sondern er bestimmte bis zu dem Grade, dass man nahezu antworten kann, und multiplizierte dann mit 8/4, in Rücksicht auf die Ermüdung. Die Beleuchtung ändert sich 1. nach der Entfernung der Lichtquelle

464 Gh. Oguchi

von der Objekttafel; 2. nach den Arten der Lichtquellen (Kerzen, Petroleumlampen verschiedener Grösse, oder Auerlicht, elektrisches licht); 3. nach dem Gebrauche des Rauchglases. Zur Einheit der Beleuchtung bestimmte König Im Entfernung der Hefn ersehen Lampe und untersuchte auf dreierlei Weisen. 1. Er untersuchte die Sehschärfe, indem er als Lichtquelle eine konstante Beleuchtung wählte und den zu Untersuchenden näherte oder entfernte. 2. Er bestimmte die Beleuchtung bei einer bestimmten Sehschärfe durch die Vermehrung oder Verminderung der Lichtquelle. 3. Er verglich die Beleuchtung mit der Sehschärfe, indem er die Entfernung der zu Untersuchenden von der Objekttafel und die Entfernung der Licht- quelle veränderte. Mithin hat er sechs verschiedene Arten der Unter- suchungen, welche im Vergleich miteinander keinen grossen Unter- schied hervorbringen. Myopie und Hypermetropie wurden durch entsprechende Brillen korrigiert. Was die Entfernung betrifft, fand er in den doppelten Entfernungen auch die doppelten Sehwinkel. Er liess sich selbst an seinen beiden Augen untersuchen. Die Diffe- renzen der Beleuchtungen waren 0,00036 64480, daraus ergaben sich die Differenzen der Sehschärfen 0,031—1,750. Die Verglei- chungen ergaben 121 Abstufungen, wiedergegeben in einer Kurve. Wenn man sie betrachtet, so finden sich drei verschiedene Linien. Nr. 1—20 (Nr. 20 die Beleuchtung = 0,013, die Sehschärfe = 0,088) bilden eine gerade Linie, welche keine grosse Neigung hat Nr. 21 bis 29 sind die Ubergangsgrenze und bilden eine krumme Linie. Nr. 30—103 (Nr. 30 die Beleuchtungsintensität = 0,13, die Seh- schärfe = 0,242; Nr. 103 die Beleuchtungsintensität = 316, die Sehschärfe = 1,600) bilden eine schiefe gerade Linie. Nr. 104—121 bilden eine wagerechte Linie. Zum Schluss sagte er: Durch die Ver- mehrung der Beleuchtung erhält man erstens die Stäbchensehschärfe, dann die Zapfensehschärfe. Und die Sehschärfe stimmt mit Loga- rithmen der Beleuchtungsintensität überein:

S = a (log B— log C).

Der Koeffizient a hat keinen Bezug auf die Art des gebrauchten Lichtes, aber bei der Zapfensehschärfe beträgt der Koeffizient das Zehnfache von der Stäbchensehschärfe. C (konstant) verhält sich umgekehrt der gebrauchten Lichtstärke und ist verschieden, je nach- dem Zapfen oder Stäbchen in Frage kamen. Verwendet wurden die Briggschen Logarithmen und folgendermassen gerechnet:

Experimentelle Stadien über die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 465

Schwach steigend Nr. 1—20

Stark steigend Nr. 80-103

Wagerecht laufend Nr. 104—121

S = a (log B%o logc)

a 0,0414

logc 0,74 6

S = 1,690

S «■ a (log Bw log c) a 0,434 logc 0,71—2 S bezeichnet Sehschärfe, Bw Logarithmen, c konstant

Der schwach steigende Teil ist die Stäbchensehschärfe, stark steigende und wagerechte Teile sind die Zapfensehschärfe.

Hummelsheim (29) untersuchte die Beziehungen zwischen der Grösse der Pupille und der Sehschärfe bei verschiedenen Beleuch- tungen. Zur Erweiterung gebrauchte er Homatropin und zur Ver- engerung Pilokarpin. Er prüfte die Beleuchtung mit dem Weber- schen Photometer .und wendete die Snellensche Tafel an. Daraus ergaben sich die Resultate, dass die Sehschärfe bei der schwachen Beleuchtung ohne Bezug auf die Grösse der Pupille fast dieselbe ist, dass die Sehschärfe der verengerten Pupille bei 50 Meterkerze grösser als die der erweiterten Pupille wird und zum Maximum ge- langt, und dass die Differenz zwischen beiden Sehschärfen bei 50 bis 200 Mk klein ist.

Hummelsheim (30) untersuchte auch den Einfluss der peri- pheren Helligkeit auf die Zentralsehschärfe und tadelte, dass man im dunklen Zimmer nur die Sehtafel beleuchtet, um die Sehschärfe zu untersuchen, was mit der Untersuchung der Sehschärfe bei Licht* zutritt nicht zu vergleichen ist Seine Untersuchungen sind folgende: Er stellte einen grossen, grauen Schirm gegen das Fenster des Zim- mers, welcher ein rundes Loch hat, das mit Seidenpapier bespannt ist Auf Seidenpapier ist die Hakenfigur gemalt und wird von hinten mit Spiritusglühlicht von unveränderlicher Lichtstärke beleuchtet Die Entfernung der Sehtafel vom Auge des zu Untersuchenden war 1 m. Die Helligkeit des Zimmers wurde verändert und jedesmal die Adaptation vorgenommen. Die Untersuchungen ergaben, dass sich die Sehschärfe mit der Zunahme der peripheren Helligkeit vermehrt Diese Vermehrung der Sehschärfe wird nicht von der stärkeren Ver- engerung der Pupille und von der geringen Adaptation verursacht, sondern von der starken Helligkeit der Peripherie, da die Sehschärfe darauf keinen Einfluss hat, ob die Adaptation über 20 Minuten dauert oder nicht, und Pilokarpin, Euphthalmin und Homatropin usw. keinen bedeutenden Einfluss haben. Durch noch andere verschiedene Unter- suchungen wurde festgestellt, dass die periphere Helligkeit die Zen- tralsehschärfe beeinflu8st

466 Ch. Oguchi

Colombo(31) verwendete im dunklen Zimmer künstliche Beleuch- tung, untersuchte mit der Landoltschen Sehtafel in der Entfernung von 10 m Gesunde, Amblyope, Hemeralope usw. und fand, dass Ge- schicklichkeit dazu nötig ist, und dass alle Beziehungen zwischen der Beleuchtung und der Sehschärfe ziemlich gleich sind, aber kein mathematisches Gesetz bilden, sondern nach den Personen ver- schieden sind.

Altobelli(32) stellte Untersuchungen über die Verhältnisse der Sehschärfe zu der Beleuchtung, sowie der körperlichen Ermüdung im Lehrzimmer des Prof. Mosso an. Er bediente sich der Colombo- schen Tafel und untersuchte gesunde Soldaten. Als Lichtquelle be- nutzte er die Elektrizität und untersuchte nach der Adaptation in der Entfernung von 8 m erstens die geringste Beleuchtung bis zum kleinsten Sehwinkel, dann die Verhältnisse der Sehschärfe zu der Verminderung der Beleuchtung und zu dem Kontrast der Grundfarben der Objekttafel. Die Ermüdung wurde durch Treppensteigen, durch Marsch und das Exerzieren usw. hervorgebracht. Die Resultate sind denen des Colombo gleich. Er fand, dass die Ermüdung starke Beleuchtung erfordert, wenn alle Verhältnisse in gleichem Verhält- nis stehen.

Dieses ist die bis jetzt bekannte und von mir zusammengestellte Literatur über diesen Gegenstand. Ich will noch erwähnen, dass ich über Beleuchtung und Farbensinn Untersuchungen angestellt habe, über deren Resultate ich später berichten werde. Hier werde ich alles, was den Farbensinn betrifft, ganz übergehen und mich nur auf die Beziehungen der zentralen Sehschärfe für Weiss beschränken.

2. Eigene Untersuchungen.

1. Ort: Untersuchungszimmer für Augenkranke im ersten Gar- nisonslazarett zu Tokio. Das Zimmer war 7 m lang, 4 m breit und 3 m hoch. Das Fenster wurde mit schwarzem Tuch bedeckt, und das Zimmer war dunkel.

2. Zeit: Abends nach 7 Uhr angefangen (Juni-Juli). Die Ad- aptation dauerte 15 Minuten lang im Zimmer. Die Zeitdauer der einmaligen Untersuchung überstieg nicht eine Stunde.

3. Die Untersuchten: Sechs Personen, Ohrenkranke, welche gute Sehschärfe hatten und deutlich antworten konnten. Die linken Augen wurden geschlossen, nur die rechten untersucht

4. Objekttafel: Ich gebrauchte meine eigene, nach der Snellen- schen Hakenfigur angefertigte Tafel, indem ich das Doppelte der

Experimentelle Studien über die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 467

Tangente des Sehwinkels 2,5 Minuten zur Nr. 20 bestimmte und nach dieser Bestimmung verschiedene Nummern, wie 10, 15, 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80, 90, 100, 120, 140, 160, 200, 300 anfertigte, da zur Vergleichung der Sehschärfe die Zwischennummern und auch kleinere als die Nummern der gewöhnlichen Sehtafel nötig sind. Der Abstand jedes Hakens ist grösser als der Haken selbst. Aber die Seh- tafel selbst ist nicht so gross, sie ist 59 cm breit und 78 cm lang. Das Papier dazu ist schneeweiss, und es wurde darauf geachtet, dass die schwarzen Striche, welche den Haken bilden, möglichst wenig Re- flexion haben und mit den weissen Grundflächen einen guten Kon- trast geben.

5. Lichtquelle: Ich bediente mich des Horischen Photopto- meters. Der Docht betrug 5 cm, die Länge der Flamme 4 cm, kein Rauch. Das gebrauchte Ol war das gewöhnliche gemischte Petroleum. In der kürzesten Entfernung von Im und bei der Öffnung des Fensters von 5 mm beträgt der Durchmesser der beleuchteten Fläche 50 cm.

6. Entfernung und Beleuchtung: Die Entfernungen des zu Untersuchenden von der Objekttafel sind 1 m, 2 m, 3 m, 4 m, 5 m und 6 m. Die Entfernungen der Lichtquelle betragen ebensoviel. Die Grösse des Fensters der Lichtquelle ist 25 mm, 10 mm oder 5 mm. Für jede Person ergaben sich also 108 Untersuchungen verschiedener Art Die Nummer der Hakenfigur wurde bis zu der Grenze bestimmt, dass man sie erst nach langem Betrachten deutlich sehen konnte. Wenn man daran gewöhnt ist, kann man leicht diesen Grad wahr- nehmen, ohne den zu Untersuchenden zu ermüden. Daher ist es nicht nötig, mit 8/4 zu multiplizieren, wie es König tat Übrigens wurde bei jeder Person die Sehschärfe bei Lichtzutritt in Vergleich gestellt

Bei meinen Untersuchungen findet sich die höchste Sehschärfe bei der stärksten Beleuchtung in 1 m Entfernung der Lichtquelle bei 25 mm des Fensters und in Im Abstand des Untersuchten, die schwächste Sehschärfe bei der schwächsten Beleuchtung in 6 m Entfernung der Lichtquelle bei 5 mm des Fensters und in 6 m Entfernung des Untersuchten. Die stärkste Beleuchtung hat 0,3907 Kerzenstärke, und die schwächste 0,00217 Kerzen stärke. Untersuchungen mit noch schwächeren oder noch stärkeren Beleuchtungen nahm ich dieses Mal nicht vor, sondern ich stellte die Untersuchungen mit den mitt- leren und gebräuchlichsten Beleuchtungen an, aus dem Grunde der weiter unten erwähnt wird.

468

Gh. Oguchi

3. Resultate meiner Untersuchungen. (Die Zahlen bezeichen die Nr. der Sehtafel, welche die Untersuchten sehen konnten.)

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Entfernung der Lichtquelle

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Bemerkung: Die Sehschärfe bei Lichtzutritt ist ungefähr t0/t0> Entfernung von 20 Fuss kann er erst Nr. 10 sehen.

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30

40

30

40

50

40

50

70

| 40

50

70

40 60

Bemerkung: Die Sehschärfe bei Lichtzutritt ungefähr *%< 5. T. 0., 22 Jahre alt

Im

101

15 i

10

15 11 10

10

2„

10

10

10

15!

10

10

20

10

15

20 15

15

3„

10

10

10

10

10

15

15

15

20!

15

15

30

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10

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16

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15

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20+

20'ao1

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20

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30

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15

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20

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20

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30

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40

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15

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30

20

30

40

30

30

50 :

30

40

50 !

40

50

70 140

50

20 30 40 60 80 120

20 30 40 60 80 120

15 30 40 50 70 100

Bemerkung: Die Sehschärfe bei Lichtzutritt *%(

Experimentelle Stadien über die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 469

-* s

Entfernung der Lichtquelle

u

Im |1 2m | 3m || 4m || 5m || 6m

Fenster

a s

a a

1 !

S

a

a a

S

a

a

Hl

1 S

1 a

|

a

e

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o

6. Gh. 0., 32 Jahre alt

Im

10

10

10

10

15

10

10

15

10

15

20

2„

10

16

10

15

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10

15

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16

20

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16

30

50

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10

15

20

15

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15

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50

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50

30

40

70

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10

10

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30

20

30

30

20

30

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40

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60

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5„

15+

16

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30

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40

30

40

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40*

50

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40

70

140

6„

15

20

80

20

30

40

30

40

50

40

50

80

40

60

90

50

70

160

Bemerkung: Die Sehschärfe bei Lichtzutritt ,0/1(

Wenn man die obigen Tabellen betrachtet, so findet man fol- gendes:

1. Unter sechs Untersuchten ist kein grosser Unterschied in der Sehschärfe bei schwacher Beleuchtung. 2 und 4 haben verhältnis- mässig schwache Sehschärfe. Diese haben auch schwache Sehschärfe bei Lichtzutritt

2. Das Verhältnis zwischen der Entfernung des Untersuchten von der .Objekttafel und der Sehschärfe ist in allen Fällen ein um- gekehrtes. Z. B. wenn sich die Entfernung um das doppelte ver- mehrt, so nimmt die Sehschärfe auf die Hälfte ab. Natürlich gibt es einige Ausnahmen.

3. Obgleich die Sehschärfe bei abnehmender Beleuchtung auch abnimmt, so besteht doch keine Proportion. Die Sehschärfe nimmt nicht so viel ab, als die Beleuchtung abnimmt Z. B. bei 1., wenn die Entfernung der Lichtquelle 2 m und die des Untersuchten 6 m und das Fenster 10 mm ist, so zählt die Sehschärfenummer 30, aber wenn in denselben Entfernungen das Fenster 5 mm ist, so ist die Sehschärfenummer nicht 60, das doppelte, sondern 40. Überall findet man solche Verhältnisse, was eine besondere Beziehung zu haben scheint

4. Wenn die Lichtquelle 6 m und das Fenster 5 mm ist, so findet man ganz besondere Verhältnisse. Bei allen sechs Untersuch- ten nimmt die Sehschärfenummer bei 5 mm annähernd dem doppelten von 10mm ab, was von dem oben unter 3. erwähnten verschieden ist Besonders die Sehschärfenummer bei 6 m wird plötzlich gross und es besteht nicht das unter 2. erwähnte Verhältnis.

470

Ch. Ogachi

Über die Beziehung zwischen Beleuchtungsintensität und Seh- schärfe, wie es oben unter 3. erwähnt ist, stelle ich eine Formel auf:

s

nr-ioJ/Yi

N bezeichnet die Sehschärfenummer, die der Untersuchte in 6 m Entfernung betrachten konnte. B bezeichnet die Beleuchtungsinten- sität (die Einheit ist die Beleuchtung in Im Entfernung bei 25mm).

Wenn z. B. die Lichtquelle 4 m und das Fenster 10 mm ist:

* U/ 2,5 40'

8

N= loJ/3~ = 10VT20~=

50,

so ist die Sehschärfenummer 50.

Diese Formel erhält man, wenn die Sehschärfe to/10 ist, d. h. wenn man in 20 Fuss Abstand die Nummer 10 deutlich sehen kann. Wenn aber die Sehschärfe ^/^ ist, d. h. wenn man in 20 Fuss Ab- stand die Nummer 20 sieht, so multipliziere man mit 20 statt mit 10. Da die meisten jungen Leute, die ich untersucht habe, die Seh- schärfe *°/10 zeigen, so bestimmte ich diese zur Norm.

Der Koeffizient 3 kam daher, dass ich bei Untersuchungen jeder Person mit dem dreifachen von Beleuchtungseinheiten1), nämlich mit 1,17 Kerzenstärke fast dieselbe Sehschärfe erhielt, die man bei Licht- zutritt bekam, d. h. in der Entfernung von 0,58 m der Lichtquelle und mit dem Fenster 25 mm. Mithin ändert sich der Koeffizient auch, wenn sich die Lichtstärke ändert

Aus obiger Formel findet man die Nummern der Sehschärfe in verschiedenen Entfernungen.

Entfernung

der Lichtquelle

Fenster

Formel

Im | 2„

25 mm

10

5

25

a

N 1Ü1/3 = 14

3

N 10yS . 2,5 19

3

N = 10V 3 . 5 24

3

N 10>/3.4 22

x) Unter Einheit versteht man die Entfernung der Lichtquelle Im und das Fenster = 25 mm.

Experimentelle Studien aber die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 471

Entfernung

der Lichtquelle

2m

<

5„

Fenster

10 mm

5 25 10

ö 25 10

5 25 10

5 25 10

5

Formel

N— 10>/3.4.2,5 =

3

N 101/3.4.5 «

3

N— lOyd .9 30

8

= 81 39"

N 10 V3. 9. 2,5 40 s

2V— 10-/3.9.5 = 51 3

N = 10l/3. 16 = 36 3

tf = 10V3. 16.2,5

3

N = 10^3.16.5 62 3

N =* 10-/3 .25 42 3

50

JV— 101/3.25.2,5 57 3

N = 101/3.25.5 72

3

# = 10 V3 .36-48

8

N - 101/3.36.2,5 = 64 3

10V3.36.5

Wenn man die vergleicht, so erhält

N = 10V3.36.5 *= 78 obige Tafel mit den Resultaten bei 6 Personen man folgende Tabelle:

ö fco

Entfernung der Lichtquelle

ll

Im |; 2m || 3m || 4m || 5m || 6m

Fenster

2 c

8

S

s II a

S

a li a

a

S 1

a

a

a II s

a

g

a

a

a

5 W

6 CO

B

B

a a

a

a '1 a

s

a 1

a

s

a

fl

a

a

g

0

5 ja

0

10 fis

0

1-H

* \ £

0

«o ||8

0

>o

Ol

0

tO

ausge- rechn.

20

19

24

22

31

39

30

40

51

36

50

62

42

57

72

48

64

78

G.M.

20

30

30

30

40

30

40

50

40

50

60

40

50

80

40

60

140

S.T.

20

20

30

30

30

40 P 30

40

50

40

50

70

40

50

80

50

70

160

S.Y.

20

20

30 1

20

30

401

30

40

50

30

40

60

40

50

70

40

50

120

Y.M.

20

20

30 1

30

30

40

30

40

50

40

50

70

40

50

70

40

60

120

T. O.

15

20

30

20

30

40

30

30

50

30

40

50

40

50

70

40

50

100

Ch.O.

15

20

30|

20

30

40

30

40

50

40

50

80

40

60

90

50

70

160

Alles stimmt überein nur mit Ausnahme von 6 m und 5 mm. Es gibt mehr oder weniger Differenz bei verschiedenen Personen, aber die Differenz ist ganz gering. Man findet sogar die Differenz an der Sehschärfe bei Lichtzutritt. S. T. und Y. M. haben schwächere Sehschärfe.

t. Graefe's Archiv ror Ophthalmologie. LXVI. 3. 31

472

Ch. Oguchi

Unter den ausgerechneten Zahlen gibt es ungerade Zahlen wie 31 oder 39 u. dgl., aber die Nummer der Sehschärfe ist eine gerade Zahl wie 30 oder 40. Daher ist es nicht zu vermeiden, mehr oder weniger Differenz zu haben.

Wie verhält es sich aber bei 6 m und 5 mm? Bei dieser Be- leuchtung wird die Sehschärfe plötzlich schlecht und noch schlechter, wenn die Beleuchtung schwächer wird. Macht man das Fenster kleiner als 5 mm, und untersucht man die Sehschärfe der drei Perso- nen, so hat man die folgende Tabelle:

1

1

Namen

§1

1

G. M. |i

S. T. |

S. Y.

S 1

1

Fenster

!S -S

1

W P

15 mm

4 mm

3 mm

2 mm 5 mm

4 mm

3 mm 2 mm ;

5 mm

4 mm

3mm

2 mm

Im

20

30

40+

40

: 20

30

40 | 40 |

20

30+

30

30

30

60

70

80

! 40

60

70 90 !

30

40

60

60

3„

50

80

100

120

1 60

80

100

120 '

40

70

90

90

4„

70

120

160

' 80

120

120

-

60

100

140

140

5„

80

, 100

80

6„

140

160

120

Bemerkung: Die Lichtquelle ist 6 m entfernt. Die Striche bezeichnen sehr schwache Sehschärfe, Fingerzählen, das gestattet aber keine genauere Mes- sung und die Zahlen sind daher ausgelassen.

Bis Nr. 80 stimmt alles mit der oben angeführten Formel über- ein, aber von 100 an nicht mehr. Die Sehschärfe von 80 ist ^ die Einheit ist 10. Ist die Einheit 20, so ist die Sehschärfe % nämlich 0,25. Vergleicht man dies mit der Königschen Tafel (nach König ist Einheit 20), so findet man, dass auf der Königschen Tafel Nr. 30 die Sehschärfe 0,242 die Grenze bildet, und die Kurve gekrümmt ist Nach König ist es die Grenze zwischen Stäbchen- und Zapfensehschärfe. In diesem Punkt stimmt meine Untersuchung mit der seinen überein. Bei der schwächeren Beleuchtung jedoch, bei welcher die Sehschärfe unter 0,25 liegt, muss ich die Formel ändern. (Nach König ist die Beleuchtung vor Nr. 30 = 0,13, und die Be- leuchtung von 6 m und 5 mm nach meinem Experiment ist 0,0021. Es ist verschieden, je nach den Einheiten.)

Die Grösse des Bildes, die Nr. 100 der Snellenschen Tafel auf der Netzhaut erzeugt, beträgt eine Fläche von 0,109 mm (0,00145 .15.5 = 0,109). Die Grösse der Fovea centralis ist nach Henle durchschnittlich 0,3mm, nach Dimmer 0,2 0,5mm. Dies ist die Differenz bei verschiedenen Personen. Da der Zapfenteil nur auf einen kleinen Teil der Fovea centralis beschränkt ist, so ist es schwer,

Experimentelle Studien über die Abhängigkeit der Sehsch&rfe usw. 473

richtige Resultate zu erhalten, wenn die Objekttafel über die Grenze gross wird, indem excentrische Sehschärfe entsteht.

Was die Ungleichheit der Grösse der beleuchteten Teile an- betrifft (welche auch Hummelsheim berücksichtigte), ist bei meinen Untersuchungen die Sehschärfe bei der Entfernung der Lichtquelle von Im allgemein schlecht.

Hier sei wieder die oben erwähnte Formel angeführt: 8

A-10|/8.A,

S =

s =

10

10 1 1

3 3 8 3

10

,|/ry yryr. yi

tV*

Da -g konstant ist, so verhält sich die Sehschärfe proportio-

X*.

nal der Kubikwurzel der Beleuchtungsintensität

Zur Erklärung, warum die Sehschärfe sich proportional der Kubikwurzel der Beleuchtungsintensität verhält, will ich nicht wagen, hier eine Hypothese aufzustellen, aber die Notwendigkeit, immer weiter die Physiologie und die mikroskopische Anatomie der Stäbchen- und Zapfenschicht und der Pigmentepithelschicht zu studieren, her- vorheben. Man muss berücksichtigen erstens die Struktur der Stäb- chen für Dunkeladaptation und Dämmerungssehen (nach der Duplizi- tätstheorie von Parinaud und besonders von Kries), und dann die derjenigen Stäbchen, welche ein Paar von den He ring sehen drei- paarigen Farben beherrschen, nämlich schwarz und weiss, nach der Theorie von G.E.Müller. Es ist nicht zu zweifeln, dass das Aussen- glied der Stäbchen sich im Dunkeln diffus mit Sehrot anfüllt, und in der Helligkeit sich auflöst und Sehrot verschwinden lässt. Und es ist auch anzunehmen, dass Sehrot vom Pigmentepithel geliefert wird und für Dunkeladaptation, d. h. Lichtsinn eine Rolle spielt. Mithin muss die Lichtstärke bei Untersuchungen der Sehschärfe im dunklen Zimmer (bei Untersuchungen bei schwacher Beleuchtung) das Sehrot des Aussengliedes der Stäbchen auflösen, und dann muss die Seh- schärfe entstehen. Wenn man bedenkt, dass das Aussenglied der Stäbchen ein Kubus ist, so weiss man, dass die Sehschärfe sich bis

31*

474 Gh. Oguchi

zu einem gewissen Grad proportional der Kubikwurzel der Beleuchtungs- intensität verhält1). Die Fovea centralis hat keine Stäbchen, doch hat die zentrale Sehschärfe die periphere Beleuchtung nötig, wie durch Untersuchungen von Hummelsheim nachgewiesen ist Die Netzhaut hat die Association wie die Association -Amakrineaellen. Meine Berechnung ist etwas verschieden von der Berechnung Königs. Er gebrauchte Logarithmen der Beleuchtungsintensität, ich die Kubikwurzel derselben. Die Berechnung Königs ist dem Weber- Fechner sehen Gesetze ähnlich, die meine ist die neue von mir selbst erdachte. Ich bin aber noch nicht im stände, über die Farbenstrahlen zu berichten, aber ich habe die Absicht, sie in Vergleich zu ziehen. Es ist auch nötig, bei alten Leuten, Kindern, Männern und Frauen zu untersuchen, auch bei Myopie, Hypermetropie, Amblyopie, Hemera- lopie und Torpor retinae vergleichende Untersuchungen anzustellen. Ich glaube doch, dass die Untersuchungen bei den vollständig ge- sunden 20jährigen Soldaten physiologische Resultate ergeben. Cohn sagte, dass man grosse Differenz bei alten Leuten findet Aber bei den Alten muss auch die krumme Linie in der Kurve herunter- steigen und die Produktion von Sehrot sich vermindern. Werden meine Resultate durch eine Kurve ausgedrückt, so bilden sie einen wenig gekrümmten Bogen. Ich habe aber darauf verzichtet, sie in einer Kurve wieder zu geben, da es nicht notwendig erscheint.

Fassen wir das Ganze nochmals zusammen, so kommen wir zu folgenden Endresultaten:

1. Vermindert sich die Beleuchtung, so vermindert sich auch die Sehschärfe. Die Sehschärfe verhält sich proportional der Kubik- wurzel der Beleuchtungsintensität Hier ist mit Sehschärfe keine Sehschärfe mit Farbensinn gemeint, womit ich mich jetzt noch be- schäftige.

2. Bis die Beleuchtung sich bis zur Kerzenstärke 0,00375 ver- mindert und die Sehschärfe zu 10/70 (nach gewöhnlicher Berechnung *°l70) anlangt, gilt das obige Gesetz. Wenn sie aber unter 0,00260 Kerzenstärke kommt und die Sehschärfe unten lö/80 (nach gewöhn- licher Berechnung 20/80) fällt, so gilt das Gesetz nicht mehr. Unter- halb dieser Grenze ist die Verminderung der Sehschärfe verhältnis- mässig bedeutender.

*) Vergleiche Graefe-Saemisch, Handbuch der gesamten Augenheil- kunde. 2. Aufl. Die mikroskopische Anatomie des Sehnerven und der Netzhaut von Greeff. S. 97. Fig. 29.

Experimentelle Studien Aber die Abhängigkeit der Sehschärfe usw. 475

3. Die Untersuchungen wurden bei 6 Personen, welche 22- bis 32jährige gesunde Leute waren und gute Sehschärfe hatten, aus- geführt, und zwar an dem rechten Auge.

4. DasPhotoptometer von Hori ist anwendbar zu Untersuchungen der Sehschärfe bei schwacher Beleuchtung, sowie zur Prüfung der Reizschwelle des Lichtsinnes. Es ist ein sehr praktischer und ein- facher Apparat, welcher sich besonders zum militärischen Gebrauch eignet, da er bequem zu transportieren ist

Zum Schlüsse benutze ich die Gelegenheit, Herrn Prof. Dr. M. Hori für seine freundliche Anleitung meinen Dank auszusprechen. Auch bin ich meinen Herren Kollegen und den Lazarettgehilfen, sowohl wie den Untersuchten für ihre Bereitwilligkeit zu Dank verpflichtet

Literaturverzeichnis.

Photoptometer.

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37) Greeff, Mikroskopische Anatomie des Sehnerven und der Netzhaut. Eben- daselbst. 1900.

38) Hummelsheim, H., Photometrie und Photoptometrie. Ebendaselbst 1903.

39) Landolt, H., Die Bestimmung der Sehschärfe. Ebendaselbst. 1903.

40) Encyklopädie der Augenheilkunde. Herausg. von 0. Schwarz. 1902.

41) Schwarz, 0., Funktionsprüfung des Auges usw. 1904.

(Aus der Maximiliane-Augenklinik zu Nürnberg. Dir. Arzt: Hof rat Dr. Ferdinand Giulini.)

Messende Versuche über Mikropie durch Konkaygläser

nebst Bemerkungen zur Theorie der Entfernungs- und

Grössenwahrnehmung.

Von

Dr. L Isakowitz,

Assistent der Anstalt

Mit einer Figur im Text.

Während die bisherigen Untersuchungen vorwiegend die theore- tische Begründung der Mikropie zum Gegenstande hatten, sind Mes- sungen über den Grad der Verkleinerung in systematischer Weise bisher . kaum ausgeführt worden. Nur gelegentlich findet man ver- einzelte Angaben bei Förster1), Aubert2), Koster3). Es ist je- doch auch für die Theorie von wesentlicher Bedeutung, eine Reihe genauerer Vergleichszahlen zu gewinnen. In Betracht kommen für diesen Zweck eigentlich nur monokulare, also accommodative Ver- suche, bei denen das andere, freie Auge die vergleichende Betrachtung ausführen kann. Und unter diesen ist einer Berechnung nur zugäng- lich die Mikropie durch Konkavgläser, deren optische und physiolo- gische Bedingungen klar vorliegen.

Blickt ein normal- oder weitsichtiges Auge nach einem Gegen- stand, und wird es dann durch ein vorgehaltenes Konkavglas zu einer Accommodationsanstrengung gezwungen, um weiter scharf zu sehen, so erfährt das Objekt dabei eine Verkleinerung. Will man ihren subjektiven Anteil bestimmen, so ist zunächst die tatsächliche, rein optische Verkleinerung des Netzhautbildes zu berechnen. Man kann sich zu diesem Zweck den Vorgang so vorstellen, dass nicht das

*) Ophth. Beiträge 1862, S. 79.

») Handb. d. gesamten Augenheilk. 1. Aufl. Bd. II, 2, S. 602.

") Arch. f. Ophth. Bd. XLII, 8, S. 143.

478 L Isakowitz

Vorsetzen des Konkavglases, sondern die Accommodation das primäre ißt, die aus dem vorher auf die Ferne eingestellten ein linsen-myopi- sches Auge von neuen optischen Eigenschaften macht, die für jeden Accommodationsbetrag berechnet werden können. (Im voraus be- merkt sei, dass die Versuche sämtlich für die Entfernung von 4 m angestellt wurden, so dass die von dem betrachteten Gegenstand aus- gehenden Strahlen als annähernd parallel angesehen werden können.) Das von den brechenden Medien des Auges entworfene Bild des Objektes entfernt sich bei dieser freien Accommodation von der Netzhaut und wandert nach vorn, wobei es in bestimmtem, Zahlen- massig auszudrückendem Grade verkleinert wird. Das vorgesetzte Konkavglas lässt sich jetzt einfach als Korrektionsglas des auf diese Weise kurzsichtig gewordenen Auges betrachten, für das die Gesetze der Brillenkorrektion gelten müssen. Das Ruheauge ist im Verhält- nis zu jedem der „Accommodationsaugen" achsen verlängert, um so mehr, je stärker die Accommodation ist Für achsendifferente Augen gilt das Gesetz1), dass sie von gleich weit entfernten Objekten gleich grosse Netzhautbilder erhalten, sobald sich das korrigierende Glas im vorderen Brennpunkt des Auges befindet. Wir brauchen also in unserem Fall das „korrigierende" Konkavglas nur in dem jeweilig wechselnden vorderen Brennpunkt des Accommodationsauges aufzu- stellen, um das vor der Netzhaut befindliche Bild in gleicher Grosse auf die Netzhaut zu bringen. Die für die blosse Accommodation be- rechneten Verkleinerungswerte gelten unter dieser Bedingung auch für den Versuch mit dem Konkavglase.

Wir fuhren die Rechnung für das emmetropische Auge aus und legen ihr das reduzierte Auge Donders zugrunde, das einen Brech- wert von 66,6 Di hat Jeder Accommodationsbetrag bedingt einen entsprechenden Dioptrienzuwachs. In der Zeichnung stelle A das 4 m vom Scheitelpunkt S des reduzierten Auges entfernte Objekt dar, K sei der Krümmungsmittelpunkt (Knotenpunkt), Fa der hintere Brennpunkt sei das Bild von A. Accommodiert das Auge um den Betrag von Ac-Di., so dass es einen Gesamtbrechwert von (66,6 + Ac) Di erhält, so rückt der hintere Brennpunkt nach Fb. Die Verschiebung des Knotenpunktes K ist bei dem gewählten Ob- jektabstand von 4 m zu vernachlässigen. Der Richtungsstrahl EK dient also auch zur Konstruktion des zweiten Bildes Bb. Die Bild-

1) Hess, Die Anomalien der Refraktion (Handb. d. gesamten Augenheilk. 2. Aufl. Kap. XII), S. 182. %

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavglaser usw. 479

grossen Ba und Bb yerhalten sich also wie KFa zu KFb, d. h. wie die entsprechenden vorderen Brennweiten, fIa und fIbl deren Länge diesen Strecken gleich ist und durch den reziproken Wert der Dioptrienzahl gegeben wird:

Ba : Bt = fia : fib

Bh

~ 66,6 ' 66,6 + Äc ' 66,6. Ba

66,6 + Ac

Gebe ich der Bildgrösse Bm des Ruheauges den Wert 100, so erhalte ich für die Bildgrössen Bb des accommodierenden Auges rela- tive Zahlenwerte nach folgender Formel:

Bb =

6666

IH + Ac

Das Mass der objektiven Verkleinerung (V0) bei den ver- schiedenen Accommodationsgraden ist durch das Verhältnis von Ba und Bb gegeben:

Das vorzusetzende Konkavglas muss sich, wie oben ausgeführt ist, im vorderen Brennpunkt des Auges befinden. Seine Entfernung vom Hornhautscheitel erhält man, wenn man von den berechneten vorderen Brennweiten die mittlere Hauptpunkt- Hornhautscheitelpunkt- Entfernung in Abzug bringt, die ziemlich genau 2,0 mm beträgt

In der Tabelle I sind sämtliche Werte bis zu 15 Di Accom- modation in der besprochenen Reihenfolge angegeben.

Über die Beziehung zwischen Accommodationsbetrag und Brech- kraft des Konkavglases vgl. Tabelle II.

480

I. Isakowitz Tabelle L

Äc

fx

B

Vo

0

0

15,0

100,0

1,00

13,0

0,5

14,9

99,4

1,01

12,9

1,0

14,8

98,6

1,01

12,8

1,5

14,7

97,9

1,02

12,7

2,0

14,6

97,2

1,03

12,6

3,0

14,4

95,9

1,04

12,4

4,0

14,2

94,4

1,06

12,2

5,0

14,0

93,1

1,07

12,0

6,0

13,8

91,8

1,09

11,8

7,0

13,6

90,6

1,10

11,6

8,0

13,4

89,4

1,12

11,4

9,0

13,2

88,2

1,13

11,2

10,0

13,1

87,0

1,15

11,1

11,0

12,9

85,9

1,16

10,9

12,0

12,7

84,7

1,18

10,7

13,0

12,6

83,6

1,20

10,6

14,0

12,4

82,7

1,21

10,4

15,0

12,3

81,7

1,22

10,3

[Ac *— Accoramodationsbetrag (in Di) ; /i = vordere Brennweite der Accom- modationsaugen (in mm); B =* relative Netzhautbildgrössen ; V0 = objektiver Verkleinerungswert; O = Entfernung des Konkavglases vom Hornhautscheitel (in mm).]

Man sieht, dass die objektive Verkleinerung des Netzhautbildes auch bei den höchsten Accommodationsgraden eine relativ geringe ist Sie wird bei weitem übertroffen von der subjektiven Verkleine- rung, der eigentlichen Mikropie, die gleich der Differenz der tota- len und objektiven Verkleinerung ist. Zur Messung der totalen Mikropie bediente ich mich folgender Methode: Ein Auge des Unter- suchten diente als Versuchsauge und betrachtete das „Probeobjekt", während mit dem andern eine Reihe von „Vergleichsobjekten" ge- sehen wurde. Als Probeobjekt wurde ein schwarzer Papierstreifen von 60 cm Länge und 6 cm Breite gewählt, als Vergleichsobjekt diente eine Reihe von ebenfalls im Verhältnis von 1:10 geschnittenen Papier- streifen, deren Länge um je 5 cm und deren Breite um je 0,5 cm abnahm, so dass der letzte Streifen 5 cm lang und 0,5 cm breit war. Die Zahl von 12 Streifen, die auf diese Wfeise erhalten wurde, er- wies sich als durchaus hinreichend für unsern Zweck. Unvermeid- lich war es, die Streifen in arithmetischer Progression zu verkleinern, obgleich die relativen Unterschiede dabei zunehmen mussten. Hätte man ein nur annähernd proportionales Verhältnis herstellen wollen, so wäre die Zahl der Streifen bei weitem zu gross und unübersicht- lich geworden. Der Untersuchte blickte durch zwei kurze Röhren,

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavgläser usw. 481

die so eingerichtet wurden, dass ihre Gesichtsfelder nebeneinander lagen, nach einer 4 m entfernten Wand, auf der im Gesichtsfeld 'des Yersuchsauges der Probestreifen befestigt war, während sich vor dem andern Auge, dem Versuchsauge also unsichtbar, die Beihe der Ver- gleichsobjekte befand. Über die Entfernung von 4 m konnte aus räumlichen Gründen nicht hinausgegangen werden. Der dadurch entstandene Accommodationsfehler beträgt 0,25 Di, kommt also nicht in Betracht Während das Vergleichsauge verdeckt gehalten wurde, blickte der Untersuchte nach dem Probeobjekt, wurde dann durch ein vorgehaltenes Konkavglas zur Accommodation gezwungen und beobachtete dabei die Verkleinerung. Dann wurde das Versuchsauge verdeckt und mit dem andern derjenige Streifen bestimmt, dessen Länge am besten mit dem verkleinert gesehenen Probestreifen über- einstimmte. Für die Kontrolle der genauen Accommodationseinstel- lung bewährte sich dabei recht gut eine zarte Schablonierung der Wand, auf der die Streifen befestigt waren. Die Schablone musste bei richtiger Einstellung deutlich gesehen werden. Buchstaben er- wiesen sich als unzweckmässig. Das Verdecken der Röhren wurde übrigens nach den ersten einleitenden Versuchen gewöhnlich unnötig. Die Untersuchten lernen sehr schnell, abwechselnd durch die Röhren zu sehen. Oft wurde die Angabe gemacht, dass die Streifen stärker in der Breite als in der Länge verkleinert würden. Ich kann mir die Erscheinung nur so erklären, dass infolge unvermeidlicher Ein- stellungsfehler eine Art Irradiation der Zerstreuungskreise des hellen Grundes auf die dunklen Objekte stattfindet, die dadurch relativ mehr verschmälert als verkürzt werden müssen. Ich liess daher nur die Längen vergleichen. Die genaue Einstellung der Konkavgläser in den vorderen Brennpunkt stösst natürlich auf grosse Schwierigkeiten. Sie wurde nach Möglichkeit kontrolliert, zum mindesten mussten die Gläser innerhalb der vorderen Brennweite gehalten werden, weil so die Netzhautbilder eher relativ zu gross als zu klein werden. Die dadurch entstehende Fehlerquelle ist übrigens sehr gering.

Auf einen Punkt muss hier näher eingegangen werden, nämlich auf die Beziehung zwischen Accommodationsbetrag und Brechkraft des Konkavglases, die sich nicht völlig gleichen. Wir sind bei unsern Versuchen auf die Gläser des Brillenkastens angewiesen und müssen daher von diesen ausgehen. Ist die Dioptrienzahl des im vorderen Brennpunkt stehenden Konkavglases mit der Brennweite f\

c -1-

482

L Iaakowitz

die der entsprechenden Accommodation:

i Ac =

f+fi'

(/i ist die vordere Brennweite des Accommodationsauges), so wird, weil:

1

/i =

ist (vgl. oben):

also:

Ac =

66,6 + Ac 1

C0T 66,6 + Ac

Ac* + 66,6 Ac 66,6 C0 = 0.

Die Auflösung dieser Gleichung ergibt:

. 66,6 + V66,6» + 4.66,6.C0 Ac =

und vereinfacht:

Ac = 8,18 .yT^+C^— 33,3. Tabelle II enthält die nach dieser Formel berechneten einander entsprechenden Werte von C0 und Ac.

Tabelle IL

c.

0,5

1.0

| 1.5

3,0 8,0

4,0

| 5,0

6,0

7,0

8,0

Äc

0,5

1.0

| 1.5

| 2,0 | 2,9

3,8

|4,7

6,6

M

| 7,3

C0 9,0 10,0 11,0

12,0

13,0

14,0 15,0

Äc | 8,1 | 8,9 | 9,7

10,5

11,2

11,9 | 12,7

Die Differenz wird also erst bei einem Konkavglas von 7 Di grösser als 0,5 Di und erreicht bei 14,0 Di den Betrag von 2,1 DL

Der subjektive Verkleinerungswert V, wird durch das Ver- hältnis der objektiven zur subjektiven Netzhautbildgrösse gegeben, wenn dieser Ausdruck als Bezeichnung des von uns gemessenen Mi- kropie-Gesichtswinkels erlaubt ist. Ist a die Netzhautbildgrösse des Ruheauges, a^ die objektiv, o, die subjektiv verkleinerte des Accom- modationsauges, so wird die totale Verkleinerung:

Vt =

die objektive:

r,=

i <«• »»

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavglfieer usw. 483

und die subjektive:

also gleich dem Quotienten der totalen und objektiven Verkleinerung. Ein Beispiel soll die Rechnungsweise verdeutlichen: Der Versuchsperson mag ein Glas von 7,0 Di vorgehalten

werden, mit dem sie den Probestreifen (60 cm) so lang wie den

Streifen V (40 cm) sieht Die totale Verkleinerung Vt beträgt also

60

40

= 1,5. Nach Tabelle II entspricht dem Konkavglas eine Ac-

commodation von 6,4 Di. Die objektive Verkleinerung V9 hat da- bei den Wert von 1,09 (Tabelle I). Die subjektive Verkleinerung y i5

Va ist gleich -=- = y-^ä = 1,39 1). Der Versuch hat also ergeben, v o i,uy

dass eine Accommodation von 6,4 Di eine subjektive Verkleinerung von 1,39 bewirkt hat Wurden, wie es die Regel war, mit dem gleichen Konkavglas mehrere Versuche angestellt, so ergab sich für die betreffende Versuchsperson ein bestimmter Mittelwert, der Grad der Mikropie für den entsprechenden Accommodations- betrag. Auf diese Weise wurden die in der Tabelle III mitgeteilten Vergleichsreihen I X gewonnen. (In den ersten beiden Kolumnen sind die Dioptrienzahlen der Konkavgläser und Accommodations- beträge nach Tabelle II angegeben.) Wir gehen zunächst auf die Reihen I VII ein, die an Emmetropen bzw. geringgradigen Hyper- metropen ermittelt wurden. Versuchspersonen waren: der 13jährige Schüler G. S., beiderseits E. S. = 6/8 (Reihe I), der 20jährige Gym- nasiast H. G., beiderseits +0,75 = 6/3 (Reihe II und HI), der 21jährige Student E. V., beiderseits + 0,5 = 6/5 (Reihe IV und V), die 24jährige Verkäuferin J. R., beiderseits +0,75 = 6/5 (Reihe VI) und die 33jährige Schwester H. G., beiderseits +0,75 = 6/8. Die Accommodationsbreiten entsprachen dem Alter. Untersucht wurden gewöhnlich die rechten Augen.

Tabelle III.

Co l| ÄC

I

II

III

IV

V | VI

VII

E

0,0 0,5 1,0

0,0 0,5 1,0

1,0

1,04 1,08

1,18 1,09 1,09

1,03 1,06 1,09

1,01 1,10 1,04

1,0

1,12

1,11

1,0

1,04

1,05

1,0

1,04

1,05

1,03 1,07 1,07

*) Dieser Wert kann natürlich auch durch Division der Netzhautbildgrösae durch die reduzierte Streifenlänge erhalten werden ( Va *= ) .

484

I. Isakowitz

1,5

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

9,0

10,0

11,0

12,0

13,0

14,0

15,0

' Ac

! i

II

III

IV

V

VI

VII :

E

| 1,5

1,06

1,14

1,08

1,15

1,09

i

1,10

1 2,0

1,10

1,15

1,16

1,17

1,16

1,09

1,10

1,13

1 2,9

1,16

1,28

1,22

147

1,25

1,15

1,15

1,20

3,8

1,23

1.37

1,32

1,19

1,23

1,19

1,18 1

1,24

i 4,7

1,47

1,40

1,33

1,31

1,35

1,29

1,23

1,34

! 5,6

1,50

1,40

1,25

1,40

1,29

1,29 ,

1,36

1 6,4

1,79

1,89

1,62

1,47

1,47

1,38

1,38)

1,57

1 7,3

! 1,82

1,27

1,77

1,68

1,75

1,55?

1,45

1,61

1 8,1

2,14

1,79

1,97

1,65

1,63 |

1,84

! 8,9

1,95

1,50

2,12

1,66

1,95

1,84

I 9,7

2,78

2,04

1,69

2,09

i

2,15

1 10,5

2,85

2,19

2,31

II n'2

, 3,45

1

11,9

3,64

12,7

3,33?

;

Co

Ac

VIII

IX

X

M

j ..

0,0

0,0

1,0

1,13

1,02

| 1,05

0,5

0,5

1,04

112

1 1,08

1,0

1,0

1,08

1,01

1 1,05

1,5

1,5

1,16

1,16

2,0

2,0

1,07

1,23

1,02

1 1,11

3,0

2,9

, 1,15

1,44

1,06

1,22

4,0

3,8

1 1,13

1,79

1,07

1,33

5,0

4,7

1,39

1,59

1,12

1,37

6,0

5,6

2,02

1,13

1,58

7,0

6,4

i 1,33

1,56

1,19

1 1,36

8,0

7,3

1,36

1,50

1,39

1,42

9,0

8,1

2,14

2,10

1,43

1,89

10,0

8,9

1 1,77

11,0

9,7

1 2,00

12,0

10,5

1

1

13,0

11,2

l

14,0

11,9

, 3,81 ?

15,0

12,7

1

Reihe III und V sind Kontrollreihen vom linken Auge. Die Hypermetropie von 0,75 Di ist fast ohne Einfluss auf das Versuchs- ergebnis, indem sie nur eine entsprechende Brechkrafterhöhung des reduzierten Auges bedingt und damit eine minimale Verschiebung der Werte von Tab. I und II. Wie aus der Tab. III hervorgeht, sind sämtliche Accommodationen von 0,5 bis 12,7 Di in den Bereich der Versuche gezogen. Werden die Verkleinerungswerte mit den Zahlen der Tab. I verglichen, so erkennt man unmittelbar, dass die Koukavgläser-Mikropie im wesentlichen subjektiv bedingt ist Bei den niedrigen Accommodationsgraden (bis etwa 2 Di) haben die totalen Verkleinerungswerte zwar noch einen relativ und absolut grossen objektiven Bestandteil, der 3°/0 der ursprünglichen Bildgrösse be- tragen kann bei 10°/0 totaler Verkleinerung (vgl. Reihe VI). Mit der

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavgläser usw. 485

steigenden Accommodaiion tritt er jedoch immer mehr zurück. Bei 12 Di hat die objektive Verkleinerung einen Wert von 1,18, d. h. etwa Ve der Bildgrösse (100:84,7), während die totale Verkleinerung den Wert 4,3 erreicht, bei V9 = 3,64, also eine mehr als vierfache Ver- kleinerung bewirkt (vgl. Reihe I). Das subjektive Moment ist hier von überwiegender Bedeutung. Um so . auffallender ist, wenn man die einzelnen Reihen durchmustert, die überaus regelmässige Pro- gression der subjektiven Verkleinerungswerte beim Ansteigen von den niedrigen bis zu den höchsten Accommodationsbeträgen. Bei einer Sinnestäuschung, um die es sich bei der Erscheinung ja handelt, könnte ein regelloser Wechsel des Ergebnisses zum mindesten nicht überraschen. Man mußs daher die Übereinstimmung der Reihen in sich eine ausgezeichnete nennen. In der Reihe III tritt z. B. nur bei 9,7 Di eine Unterbrechung ein (2,04 zwischen 2,12 und 2,19). In der Tabelle sind, wie erwähnt, nur die Mittelwerte verzeichnet Dass auch die Ei nz elangaben, die in durchaus willkürlicher Reihen- folge gewonnen wurden, zum Teil sehr wenig untereinander differieren, geht aus folgender Zusammenstellung der totalen Verkleinerungswerte der Reihe V hervor:

0

0,5 1 1,0

1,5 | 2,0

3,0

4,0 1,3

5,0

6,0

7,0 8,0

9,0

10,0

11,0

12,0

A

1,0

1,12 1,1

1,12 1,2

1,3

1,5

1,6

1,6 2,0

1,7

2,4

2,4

1,0

1,2

1,1

1,22 1,2

1,3

1,3

1,6

1,5

1,6

2,0

2,0

2,0

1,1

1,2

1.2

1,3

1,5

1,5 1,6

2,0

1,85

\

1,1

1,1

1

1,3

1,85

i

1,8

Bei hohen Accommodationsgraden sind die Angaben natürlich etwas unsicherer. Untereinander verglichen zeigen die einzelnen Reihen (also die Horizontalen der Tabelle) relativ grössere Abwei- chungen. Sie erklären sich aus der Verschiedenheit der psychischen Bedingungen, unter denen die einzelnen Versuchspersonen die ver- gleichende Betrachtung ausführen. Davon wird noch weiter unten zu sprechen sein. Die 1,0 übersteigenden Verkleinerungen beim Vor- setzen eines Planglases (Reihe II, III, IV) sind offenbar durch un- willkürliche Accommodationsanstrengung hervorgerufen. Besonders exakt waren die Angaben im Bereich von 2 4 Di (vgl. die letzte Zusammenstellung). Er entspricht der gewöhnlichen Lese- und Ar- beitsentfernung, und die damit verbundene Einübung der Accommo- dation muss die Versuche begünstigen. Der Einfluss des Lebensalters scheint sieh darin zu äussern, dass die älteren Versuchspersonen mit kleinerer Accommodationsbreite im allgemeinen niedrigere Verklei-

486 I- Isakowitz

nerungswerte angaben (VT und VII). Wenn man will, kann man darin eine Bestätigung der Ansicht sehen, dass die Accommodation der Presbyopen keine Vermehrung des Energieaufwandes bedingt Denn eine solche müsste ein Anwachsen der Verkleinerungszahlen zur Folge haben. Die absolut stärkste Verkleinerung wurde erzielt bei 11,9 Di Accommodation. Sie beträgt 3,64 (Reihe I), d. h. der 60 cm lange Streifen erhielt eine scheinbare Länge von ungefähr 17 cm. Bei 12,7 Di wird die Zahl 3,33, also kleiner statt grösser. Auf dieser Stufe ist das Versuchsergebnis, wie erwähnt, nicht mehr ganz zuverlässig. In der Kolumne E der Tab. ÜI sind Durchschnitts- Verkleinerungswerte für Emmetropen aufgeführt mit Hilfe der An- gaben, deren grössere Anzahl eine solche Ermittlung möglich machte. Es ergibt sich dabei folgendes: Bei einer Accommodation von 9 bis 10 Di erreicht die Verkleinerung den Durchschnittswert 2,0, das Objekt wird auf die Hälfte verkleinert gesehen. Die Angaben der Reihen I, IH, IV und V stimmen damit überein, die Zahlen 1,27 und 1,50 der Reihe II bei 7,3 und 8,9 Di sind offenbare Fehlangaben. Bei VI und VII waren nur Accommodationen bis 7,3 und 8,1 Di zu erzielen. Wären die übrigen Verkleinerungswerte genau proportio- nal den Accommodationsbeträgen, so müsste man bei 7,5 Di den Wert 1,6, bei 5 Di 1,3 und bei 2 Di 1,1 finden. Das ist, wie man sieht, annähernd der Fall. Man kann also das Versuchsergebnis in den Satz zusammenfassen, dass die Verkleinerung direkt pro- portional der Accommodationsgrösse zunimmt, und zwar ist dieses Verhältnis dadurch in bestimmter Weise charakterisiert, dass der Verkleinerungswert bei einer Accommodation von 10 Di 2,0 beträgt.

Es handelt sich jetzt darum, diesen Satz in theoretischen Zu- sammenhang mit den Anschauungen über das Wesen der Mikropie zu bringen, von denen zurzeit vornehmlich zwei zur Diskussion stehen. Die erste von Förster1) und Donders2) aufgstellte schliesst sich an die Projektionstheorie an und hat eine ausführliche Darstellung durch Koster3) erfahren, während die andere von M. Sachs4) her- rührt und auf den Grundsätzen der Herin gschen Theorie der Raum- anschauung beruht

Im letzten Grunde ist das Problem der Mikropie identisch

') Loc. cit.

») Arch. f. Ophth. Bd. XVII, 2, S. 28.

») Loc. cit. S. 159 und Bd. XLV, 1, S. 90.

*) Arch. f. Ophth. Bd. XLIV, 1, S. 87 und Bd. XLVI, 3, S. 621.

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavgläser usw. 487

mit dem der Grössenwahrnehmung überhaupt Ich finde es da- her zweckmässig für die Analyse des Vorgangs und die sich daran schliessenden Polgerungen, eine Sonderung zwischen den Wahr- nehmungs- und Vorstellungsmomenten des Grössensehens vor- zunehmen. (Als räumliche Wahrnehmung im engeren Sinne hat man jenen Teil unserer optischen Eindrücke zu bezeichnen, der in unmittel- barer, einer Erfahrungskorrektur nicht unterworfener Weise eine räumliche Anschauung -vermittelt, als Vorstellung jenen Teil, dem erst Erfahrungsmomente seine sinnliche Bestimmtheit verleihen.) Grundtatsache des Grössensehens ist jenes Inbeziehungsetzen von Gesichtswinkel (scheinbarer Grösse, Netzhautbildgrösse) und absoluter Entfernung, das man wohl auch so ausdrücken kann, dass die geschätzte (wirkliche) Grösse eines Gegenstandes in allen Entfer- nungen das Produkt von Gesichtswinkel und Entfernung ist. Ohne weiteres können wir das Netzhautbild, das die Empfindung ver- mittelnde sinnliche Abbild des Gegenstandes, als Wahrnehmungs- moment betrachten. Dass hingegen die Erfahrung in hohem Masse das Urteil über die absolute Entfernung beeinfiusst, unterliegt auch keinem Zweifel. Die Frage ist nur, ob daneben die Möglichkeit besteht, die Entfernung unmittelbar wahrzunehmen. Die Pro- jektionstheorie bejaht diese Frage. Sie nimmt an, dass die Innerva- tionsempfindung der Accommodation und Konvergenz diese Wahr- nehmung vermittelt1). Unter Umständen kann also dann die Grössen- schätzung reine Wahrnehmung sein, und die Donders-Förstersche Theorie der Mikropie geht von dieser Annahme aus. Eine durch abnorme Accommodations- resp. Konvergenzanstrengung bedingte Unterschätzung der Entfernung bei gleichbleibendem Gesichts- winkel soll das scheinbare Kleinerwerden des gesehenen Gegenstandes hervorrufen. Entspricht diese Hypothese unserem Versuchsergebnis? Sie erklärt nur den ersten Teil des oben angeführten Satzes, dass die Verkleinerungszahlen proportional den Accommodationsbeträgen ansteigen, lässt sich jedoch mit ihren absoluten Werten durchaus nicht in Übereinstimmung bringen. Nimmt man als unterste Grenze für das Zustandekommen einer Innervationsempfindung den Betrag von 1 Di Accommodation resp. 1 Meterwinkel Konvergenz an, so müssten

*) Ob sich übrigens Helmhol tz vom Standpunkt der empiristischen Theorie aus nicht eines gewissen Widerspruches schuldig macht, wenn er bei der Beur- teilung der Tiefendimension Wahrnehmungs- und Vorstellungshilfsmittel streng unterscheidet (Physiol. Optik. 2. Aufl. S. 767), soll hier nicht weiter untersucht werden.

y. Gnefe's Archiv Ar Ophthalmologie. LXVI. 3. 32

488 I. Isakowitz

bei einem wirklich gesetzmässigen Ablauf des Vorganges die Ver- kleinerungswerte für die Accommodationen von 1, 2, 4, 8 Di und die dadurch bedingten scheinbaren Entfernungen (1 : 1/2 : lj4 : ^g) ebenfalls 1, 2, 4 und 8 sein (abgesehen von den geringen Reduktionen wegen der objektiven Verkleinerung des Gesichtswinkels). Tatsächlich er- reicht die Verkleinerung nach unserer Tabelle bei 8 Di noch nicht den Wert 2, ist ako unvergleichlich geringer. Es ist ohne Belang, dass Wundt1) und Helmholtz2) der Entfernungsschätzung mittels Accommodation und Konvergenz zwar eine völlige Bestimmtheit, aber nur eine bedingte Richtigkeit zuschreiben; lässt man die Wahrnehmungsfaktoren gelten, so muss der Anstieg der Verkleinerungs- kurve ohne Zweifel ein wesentlich steilerer sein, als es nach unsern Versuchen der Fall ist. Und umgekehrt lässt sich aus unsern Er- gebnissen der Schluss ziehen, dass jene Erklärung der Grössen- wahrnehmung überhaupt unrichtig sein muss, dass also die absolute Entfernung mittels der Accommodation und Konvergenz nicht erkannt werden kann. Direkt geht das aus den Versuchen Hillebrands3) her- vor, der zeigte, dass reine Accommodations- (Konvergenz-) Änderungen bei Ausschluss aller Erfahrungsmomente die entsprechende Annäherung und Entfernung des Objektes nicht wahrnehmen lassen. Hinweisen möchte ich auch auf eine in anderem Zusammenhang gemachte Fest- stellung Elschnigs4), der durch Vorsetzen von Prismen Konvergenz- änderungen hervorrief, ohne dass die scheinbaren Entfernungsänderungen irgend eine Regel erkennen Hessen5). Zur Grundlage haben diese Versuche und ihr Ergebnis die Theorie Herings, der die Möglich- keit der Bildung von Raumvorstellungen aus zentripetalen Muskel- gefühlen resp. Innervationsempfindungen leugnet, vielmehr umgekehrt sämtliche Augenbewegungen aus räumlichen Vorstellungen herleitet, also auch die Einstellungsbewegungen der Accommodation und Konvergenz. Vor oder hinter dem Kernpunkt gelegene, sich also disparat abbildende Aussenpunkte lösen Tiefengefuhle (Nah- oder Ferngefühle) und damit die entsprechende Einstellungsbewegung aus, die erst dann zum Abschluss gelangt, wenn der betreffende Punkt

J) Beiträge zur Theorie der Sinneswahrnehmung. 1862. S. 105—118.

«) Physiol. Optik. 2. Aufl. S. 779 u. 797.

8) Zeitschr. f. Psychologie u. Physiologie d. Sinnesorgane. 1894. S. 97 u. S. 118.

*) Arch. f. Ophth. Bd. LIV, 3, S. 415.

5) Vgl. auch Herings Angabe über die Unmöglichkeit, die Grösse eines Nachbildes bei geschlossenen Augen durch Accommodations- und Konvergenz - änderungen zu beeinflussen (Beiträge zur Physiologie. Heft 1. S. 138).

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavgläser usw. 489

Kernpunkt des Sehraums geworden ist. Die Accommodations- und Konvergenzinnervation scheidet damit ohne weiteres als Wahrneh- mungsmoment aus. Die absolute Entfernung ist reine Vorstellung, sie wird überhaupt nicht wahrgenommen. Nur für die relative Ent- fernung (des Kernpunktes zu den Sehdingen) besteht diese Möglichkeit Auch die Vorstellung der absoluten Entfernung (des Kernpunktes zum Ich) ist vor der Entwicklung des Ichbewusstseins (also in den ersten Lebensmonaten) an sich undenkbar. Erst wenn sich das Ich der Umwelt bewusst gegenüberstellt, beginnt der Aufbau des Seh- rffumes in Beziehung zum sehenden Auge unter ständigem Einfluss der Erfahrung. Der Baum zwischen dem eigenen Körper und dem Aussending muss erst durchtastet, muss beschritten worden sein, bevor sich die Vorstellung der Entfernung bilden kann. Diese Vor- stellung beherrscht die Einstellungsbewegungen, ist nicht von ihnen abhängig.

Die Frage des Grösse nsehens gewinnt dadurch eine ganz andere Gestaltung, die ihrerseits wieder zu einer neuen Lösung des Mikropieproblems führt Die Beziehung zwischen Gesichtswinkel und absoluter Entfernung können wir auch so ausdrücken, dass der ge- sehene Gegenstand in allen Entfernungen in derselben Grösse ge- sehen wird1). Wahrgenommen wird dann nur das Netzhautbild, das wir somit als wahrgenommene Grösse bezeichnen können, während die geschätzte (wirkliche) Grösse, die sich mit der Ent- fernungsvorstellung verbindet, als vorgestellte zu definieren ist. Vor der Entwicklung der vorgestellten Grösse ist die wahrgenom- mene die allein gesehene2). Derselbe Gegenstand wird vom Kind in verschiedenen Entfernungen tatsächlich verschieden gross ge- sehen, entsprechend der Netzhautbilddifferenz, wobei es belanglos ist, wie weit dieser Grössen Wechsel ins Bewusstsein tritt (primitive Raum- empfindung Herings). Erst die Erfahrung der wirklichen Grösse lässt diese sich als Vorstellung in allen Entfernungen behaupten (sekundärer Faktor der Raumempfindung). Die einfache psychische Funktion des Wiedererkennens spielt dabei offenbar die wesentliche Rolle. Der Begriff der „wirklichen" Grösse ist natürlich ein relativer:

3) Wir vernachlässigen hier den von Hering hervorgehobenen Unterschied zwischen Sehgrösse und geschätzter Grösse (Hermanns Handbuch der Physiol. Bd. III, 1. S. 542), der sich beispielsweise darin äussert, dass ein Schienenstrang in der Ferne zu konvergieren scheint, obgleich wir wissen und uns vorstellen können, dass der Abstand der Schienen unverändert bleibt.

*) Hering, Beitrage zur Physiologie. Heft V. S. 327.

32*

490 I* Ifiakowitz

als Vergleichsmass dient der eigene Körper. Von da ab beginnt jene Wechselwirkung zwischen vorgestellter Grösse und Entfernung, die zur Folge hat, dass der Quotient beider unverändert und gleich der wahrgenommenen Grösse bleibt Von beherrschendem Einfluss ist die Grössenvorstellung. Bei der absoluten Lokalisation im Seh- raum wird die Entfernung, abgesehen von andern Erfahrungsmomenten (parallaktische Verschiebung, Luftperspektive usw.) ganz besonders von dem Verhältnis der vorgestellten Grösse der bekannten Aussen- dinge zu den Gesichtswinkeln abgeleitet, nicht umgekehrt die Grössen- vorstellung von der geschätzten Entfernung (wie es bei manchen Gesichtstäuschungen der Fall ist).

Nur eine andere, aber sehr anschauliche und, wie wir sehen werden, für die Erklärung der Mikropie fruchtbare Formulierung der erwähnten Tatsachen ist es, wenn man im Hinblick auf den sekun- dären Faktor der Raumempfindung die wechselnde Entfernungs- vorstellung parallel gehen lässt mit je einer bestimmten Vergrösserung der wahrgenommenen Grössen, die dadurch in jeder Entfernung auf die uns durch Erfahrung bekannte Grösse der betreffenden Aussen- dinge gebracht werden, während die daneben bestehende primitive Raumempfindung es bedingt, dass die jeweilige Vergrösserung des Netzhautbildes zugleich Massstab der Vergrösserung des gesamten Sehraumes wird, wie es der Panum-Heringsche Versuch zeigt: fixiert man seine Hand und führt sie dabei abwechselnd näher und ferner, so sieht man entfernte Gegenstände (z. B. Gebäude), auf die man nebenher achtet, sich scheinbar verkleinern resp. vergrössern. Sachs' Erklärung der Mikropie beruht auf diesem Versuch: bei dem Bemühen, das Objekt, das man sich in einer bestimmten Entfernung vorstellt, scharf zu sehen, kommt die Einstellungsbewegung infolge der abnormen Widerstände (bei Sachs A tropin Wirkung) zunächst nicht zum Ziel. Erst weitere Accommodationsimpulse bewirken die richtige Abbildung, gehen aber mit der Einstellung des Kernpunktes auf eine Ebene, die näher liegt als das Objekt, einher und lassen zugleich Verkleinerungsimpulse ablaufen (sekundärer Faktor), die sich auch auf das ausserhalb der Kernfläche, in diesem besonderen Fall allerdings scharf gesehene Objekt erstrecken (primärer Faktor) und es kleiner erscheinen lassen1).

Diese Hypothese leistet ohne Zweifel einem grossen Teil der bisherigen Beobachtungen im Gebiet der Mikropie völlig Genüge, sie ist jedoch, wie ich glaube, nicht im stände, ihre sämtlichen Er-

l) Loa cit. S. 102.

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavgläser usw. 491

scheinungs weisen zu erklären1). Die Kernfläche soll während des Accommodationsvorganges vor das Objekt treten, mit dem sie zu- nächst zusammenfiel. Die Einstellungsbewegung muss zwar unter dem Einfluss von Nahe Vorstellungen geschehen, hat aber hier, wie Sachs hervorhebt, nur den Zweck, das Deutlichsehen des Objektes zu erreichen, dessen Lokalisation durch die Nahe Vorstellung, ganz analog dem Vorgang bei dem Panum-Heringschen Versuch, in keiner Weise beeinflusst werden kann. Im Gegenteil: das Objekt erfährt dabei in der Regel eine scheinbare Entfernungszunahme, die sich nach Sachs entweder als eine Scheinbewegung oder aus psychologischen Gründen erklärt. Diese Entfernungszunahme (zum mindesten das Fehlen einer Abnahme) ist sogar einer der Ausgangs- punkte des Erklärungsversuchs, ist aber auch seine notwendige Schlussfolgerung. Wenn die Sachs sehe Theorie den inneren Wider- spruch der D ond er s sehen Annahme, die das Entferntersehen des verkleinerten Gegenstandes bei der Atropin-Mikropie nur gezwungen oder gar nicht erklären kann, völlig beseitigt, so sind für sie wiederum Beobachtungen, bei denen eine Entfernungsabnahme statt- findet, eine un überwindbare Schwierigkeit Und diese Fälle existieren und bedürfen einer Erklärung, wenn sie auch nur eine Minderzahl bilden sollten. Es wäre ein haltloser Trugschluss, wenn man aus Gründen der Theorie, die sich doch erst auf den Tatsachen auf- bauen soll, die Möglichkeit solcher Beobachtungen leugnen wollte.

Ich verweise zunächst auf die Angaben Kosters, der in Haploskop- versuchen während der Atropin-Mikropie Kleiner- und Nähersehen verbunden fand2). Und von den Emmetropen, die ich mit Konkav- gläsern untersuchte, gab die Mehrzahl mit Bestimmtheit an, ein scheinbares Näherrücken des Objekts während des Versuches zu beobachten: „der Papierstreifen schien zwischen der Wand und dem Beschauer zu schweben".

Es besteht also die einfache Notwendigkeit, zwei Kategorien von Fällen zu unterscheiden; bei der ersten findet eine Entfernungs- zunahme statt, bei der andern eine Abnahme. Den Hauptgrund für diese Differenz erblicke ich in den Versuchsbedingungen (vgl. weiter

*) Gar nicht folgen kann ich Sachs, wenn er eine angeborene Verknüpfung von Einstellungs- und Verkleinerungsimpulsen für wahrscheinlich hält. Aller- dings wäre dann die Frage gelöst, was man unter bekannter Grösse eines Gegen- standes verstehen soll, wenn er unmittelbar in allen Entfernungen gleich gross gesehen würde; nur dass damit meines Erachtens der Seele eine Fähigkeit zu- geschrieben wird, die weit in den Bereich der individuellen Erfahrung hinübergreift

*) Loc. cit. Bd. XLII. S. 143.

492 I* Isakowitz

unten). Die Sachs sehe Theorie behält ihre Gültigkeit für die erste Kategorie; man muss hier eine Trennung von Kernfläche und Objekt annehmen. Für die zweite sehe ich eine Erklärungsmöglichkeit nur dann, wenn das Objekt in der Kernfläche bleibt Den Vorgang stelle ich mir so vor: Das Objekt wird zunächst mit freiem Auge in einer bestimmten Grösse gesehen. Das Vorsetzen des Konkav- glases lässt es undeutlich erscheinen (die Anwendung auf die Atropin- Mikropie ergibt sich von selbst). Unter dem Einfluss von willkür- lichen Entfernungsvorstellungen, die ein Vor- und Zurücktreten, ein Schwanken der Kern fläche bedingen, werden Einstellungs- bewegungen ausgeführt, die eine scharfe Abbildung des Objekts er- möglichen, es also wieder in die Kernfläche bringen sollen. Von diesen Versuchen sind nur die von Nahevorstellungen ausgelösten erfolgreich. Ihnen laufen parallel jene Veränderungen des Netzhaut- massstabes, die in diesem Fall zu einer geringeren Vergrösserung des Netzhautbildes führen und damit zu einer Verkleinerung der vorgestellten Grösse. Die Accommodationseinstellung ist dabei ledig- lich Folge der Entfernungsvorstellung. Ist das Objekt deutlich ge- worden, so liegt es in der genäherten Kernfläche, es wird kleiner und näher gesehen. Der Vergleich mittels des andern, freien Auges bestätigt und kontrolliert die gewonnene Vorstellung.

Bei dieser Auffassung finden die Versuchsergebnisse der Tab. HI, die wir mit den Voraussetzungen der Dondersschen Theorie unver- einbar fanden, eine leichte Deutung. Bei Donders die Verknüpfung von Accommodations- und Konvergenz-Innervation mit einer sekundären Entfernungsvorstellung, die ein unverhältnismässig stärkeres Mass der Verkleinerung notwendig macht, als tatsächlich zu beobachten ist Hier dagegen sind Accommodation und Konvergenz blosse Hilfsmittel der Einstellung. Die Grössenschätzung beruht auf einer gegensei- tigen Beeinflussung von Vorstellungen, deren Übereinstimmung erst das Richtigsehen verbürgt und, was die Hauptsache ist, einer ständigen Kontrolle der Erfahrung unterliegt Ist diese Kontrolle ausgeschaltet, wie es bei unsern Versuchen der Fall ist bei denen die Entfernungsvorstellung durchaus labil wird, so ist der langsame Anstieg der Verkleinerung verständlich als ein Mittel, das Gesehene dem durch Erfahrung Bekannten nach Möglichkeit anzu- nähern. Was bei der alten Auffassung widerspruchsvoll war, wird hier natürliche Konsequenz1).

*) Die S ach 6 sehe Erklärungsweise müsste das Hauptgewicht darauf legen,

Messende Versuche Aber Mikropie durch Konkavgläser usw. 493

Ich deutete bereits an, dass das Eintreten der einen oder andern Art, die Kernfläche in Beziehung zum Objekt zu bringen, von den allgemeinen Versuchsbedingungen abhängt Die Ursache kann wohl nur in der verschiedenen Bestimmtheit der absoluten Lokali- sation gesucht werden. Es handelt sich, kurz ausgedrückt, darum, ob der Mikropieversuch in einem unbekannten oder in einem bekannten, erfüllten Raum angestellt wird. Im unbekannten Baum wird mit Vorliebe näher gesehen (die Kernfläche bleibt beim Objekt), im bekannten entfernter (die Kernfläche trennt sich vom Objekt). Der erste Fall tritt bei unserer Versuchsanordnung wenigstens an- nähernd ein, wenn auch von einer exakten Durchfuhrung des Prinzips, jedes Erfahrungsmotiv der Entfernungsvorstellung auszuschliessen, nicht die Bede sein kann. Beim monokularen Blick durch die Bohre nach den Papierstreifen auf der 4 m entfernten Wand besteht eine relative Unsicherheit in der Beurteilung der Entfernung. Ich selbst z. B. kann in mir ganz leicht die Vorstellung erwecken, dass zwei verschieden lange Streifen scheinbar gleich lang sind, und sich der in Wirklichkeit kürzere in entsprechend grösserer Entfernung befindet. Es ist klar, dass die Sachssche Verschiebung der Kern- fläche hier in der Kegel nicht eintritt Sie hat zur Voraussetzung, dass das Objekt in bestimmter Entfernung vorgestellt wird und diese Vorstellung sich behauptet Wir geben dann die anderweitig be- gründete Lokalisation nicht auf. Ist dagegen die Entfernungsvorstel- lung relativ schwankend, so wird bei den Einstellungsversuchen das Objekt ohne weiteres in die Kernfläche verlegt und wandert mit ihr nach vorn. Es ist gleichsam die geringe Intensität der ursprünglichen Entfernungsvorstellung, die sie im Kampf mit der späteren unter- liegen lässt Bei Kosters Haploskop versuchen ist dasselbe der Fall. Wählt man als Versuchsfeld jedoch beispielsweise ein Zimmer, dessen räumliche Verhältnisse uns völlig vertraut sind, das von Gegenständen erfüllt ist, deren bekannte Grösse die Entfernungen eindeutig be- stimmt, so wird die Entfernungsvorstellung des fixierten Objekts sich nur schwer verdrängen lassen: die Kernfläche rückt vom Objekt ab. Die Angaben über Entfernungszunahme bei der Atropin-Mikropie beruhen auch fast ausnahmslos auf solchen Versuchen im Zimmer, wie Aubert z. B. einen Menschen in 2 3 Fuss Entfernung so gross

dass die Kernfläche, die sich ja auf eine Ebene vor dem Objekt einstellt, gleich- sam im leeren Raum schwebt, ein Vergleichsobjekt fehlt, und daher die reinen Verkleinerungsimpulse wirken, ohne an einem Objekt ihre Bestimmtheit erlangen zu können.

494 L Isakowitz

wie eine Photographie an der Wand des Zimmers sah 1). Es ist eine analoge Beobachtung Auberts, dass bei stärkster Accommodation (bei nicht atropinisiertem Auge), z. B. auf 30 cm bei einem Nahe- punkt von 45 cm, Mikropie eintritt, „aber in der Weise, dass ihrer Grösse nach unbekannte Objekte kleiner erscheinen und in grosse Nähe projiziert werden, dass ihrer Grösse nach bekannte Dinge da- gegen . . . kleiner erscheinen und in entsprechend weitere Entfernung projiziert werden". Ihrer Grösse nach unbekannte Objekte sind eben unbestimmt lokalisierte, bekannte werden in einer bestimmten Ent- fernung vorgestellt. Ich selbst habe eine Reihe von Versuchen an- gestellt, bei denen durch Konkavgläser nach Gegenständen im Zimmer gesehen wurde. In der Mehrzahl der Fälle wurde ein deutliches Zurückweichen des verkleinerten Objektes beobachtet Die Bemer- kung Försters über die Entfernungstäuschung bei der Mikropie: „Eine Hand von auffallender Kleinheit wird entweder mit einer Kinderhand verglichen oder mit einer weiter entfernten . . .", wird von Sachs nicht ganz mit Hecht angegriffen2). Förster irrt zwar, wenn er voraussetzt, dass die Objekte stets bekannt sind. Stellt man sich jedoch die freilich schwer erfüllbare Möglichkeit vor, dass aus- schliesslich eine Hand (ohne den übrigen Körper) monokular im freien Baum gesehen wird, so ist es durchaus nicht gegen alle Denkbarkeit, wie Sachs meint, dass man sie während des Mikropie Vorganges verkleinert als Kinderhand und in grösserer Nähe zu erblicken ver- meint, während unter gewöhnlichen Umständen die verkleinert ge- sehene Hand eines Erwachsenen allerdings in grösserer Entfernung erscheinen wird.

Wie man sieht, ist die Schwierigkeit, die zunächst in der Auf- stellung eines doppelten Erklärungsprinzips liegt, nur eine scheinbare. Es ist im Grunde derselbe Vorgang, der den beiden Erscheinungs- weisen zugrunde liegt Das Auftreten der jeweiligen Modifikation wird in der Eegel nur durch die äusseren Umstände bedingt3).

Ohne Zweifel spielen jedoch auch individuelle Unterschiede eine

') Graefe-Saemisch. 1. Aufl. Bd. II, 2. S. 602.

») Loc. cit. Bd. XLIV. S. 94.

■) Koster will das Kleiner- und Entferntersehen daraus erklären, dass unter gewissen Bedingungen die Grössen- und Entfernungsvorstellung geson- dert nebeneinander bestehen können [vgl. auch Encyklopädie d. Augenheilk. (Schwarz) S. 542]. Es ist aber gar nicht einzusehen und mit Kosters Theorie auch sonst schwer vereinbar, wie sich die Trennung der beiden Vorstellungen vollziehen soll, wenn die Entfemungsinnervation bei beiden wirksam ist. Die Parallaxe und die Lage der Doppelbilder der andern nicht fixierten Gegenstände,

Messende Versuche über Mikropie durch Konkavgläser usw. 495

gewisse Rolle. Die Entfernungsvorstellung ist bei den einzelnen Per- sonen offenbar nicht in der gleichen Bestimmtheit ausgebildet Man braucht nur an das Kindesalter zu denken, wo je nach der erreichten Erfahrungsstufe auffällige Täuschungen in bezug auf Entfernung und Grösse sehr häufig sind. Vieles in dem widerspruchsvollen Gebiet der Mikropie lässt sich nur durch die Annahme solcher persönlichen Faktoren erklären. So sind die Zahlendifferenzen in den Reihen I bis VII der Tab. III wenigstens zum Teil darauf zurückzuführen. Besonders aber scheinen mir die Unterschiede, die zwischen den An- gaben der Emmetropen und Myopen bestehen (s. Reihe VIII bis X), in dieser Weise bedingt zu sein. Die Accommodation, besonders der unkorrigierten oder nur für die Ferne korrigierten Myopen, ist teilweise oder völlig ausgeschaltet. Es ist daher anzunehmen, dass sie den Entfernungsvorstellungen nicht mit der Sicherheit folgen wird, wie es bei den Emmetropen der Fall ist. Die Bildung der Grössen Vorstellung beim Mikropieversuch wird langsamer und un- sicherer stattfinden. Nur so erklärt sich die erheblich grössere Differenz in den Einzelangaben der Myopen. Die folgende Zusam- menstellung enthält die totalen Verkleinerungswerte der Reihe IX (18 jähriger Gymnasiast H. J., S. bds. 2,5 Di = 6/5; unkorrigiert).

<V) 0

0,5

1,5

2,0

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0 | 8,0

9,0

Vt\\ 1,2

l! 1,1

1,1 1,15

1.1 1,2 1,23

1,2 1,3 1.3

1,5 1,6 1,5

1,7

2,0

1,5

2,0

1,7

2,4 2,0

2,0 1,85 1,7 I 1,3 1,5 i 1.8

2,7 2,0

Man vergleiche damit die entsprechenden Zahlen der Zusammen- stellung der Reihe V auf S. 484. Gelegenheit zu einem unmittel- baren Vergleich bot die Untersuchung zweier 13 jähriger, also gleich- alteriger Schüler, von denen der eine Emmetrop ist (s. Reihe I), der andere Myop von 0,75 Di mit voller Sehschärfe. Eine Brille hat er nie getragen. Der Emmetrop machte seine Angaben mit grosser Leichtigkeit und Bestimmtheit. Dem Myopen fiel die Grössenschätzung des verkleinert gesehenen Objektes sichtlich schwer, er widersprach sich und wurde besonders bei stärkeren Accommodationsanstrengungen sehr unsicher. Die Durchschnittswerte der Reihe VIII, die seine An-

die das Urteil über den Abstand korrigieren sollen, können nur in einer be- schränkten Zahl von Fällen wirksam sein.

*) Co, die Dioptrienzahl des Konkavglases, ist gleich der Differenz des tat- sächlich vorgesetzten Glases und des Myopiegrades.

496 !• Isakowitz, Messende Versuche über Mikropie durch Konkavglftser usw.

gaben enthält, gleichen die Fehlerbreite natürlich etwas aus. Die Reihe X rührt von mir selbst her:

(S. R. —4,0 = %; L. - 3,0 o -l,5cyl - = %).

Ich benutze das korrigierende Glas nur für die Ferne. Wegen des Astigmatismus des linken Auges konnte ich nur mein rechtes untersuchen. Die Verkleinerungszahlen sind nicht unerheblich nie- driger als die der andern Reihen. In andern Versuchsreihen, die ich in die Tabelle nicht aufgenommen habe, trat die Differenz eben- falls hervor. Die Grössenvorstellung beeinflusst bei mir in sehr be- stimmter Wöise die Enfernungsvorstellung, d. h. es gelingt mir über- haupt nicht, das Kleinersehen mit der Vorstellung grösserer Nähe zu verbinden. Nicht nur bei dem Panu m- Herin g sehen Versuch und bei der Konkavglas-Mikropie im bekannten Raum, sondern auch beim Blick durch die Röhre habe ich die Vorstellung der Entfernungs- zunahme des verkleinert gesehenen Gegenstandes, die in gewissen Grenzen die Verkleinerung kompensieren muss. Die Grössen- vorstellung wird also relativ weniger geändert und die Verkleinerungs- werte fallen geringer aus. Die Kolumne M gibt die Mittelwerte der Reihen VIII bis X.

Ganz allgemein möchte ich noch hervorheben, dass diese Mit- wirkung individueller Faktoren nicht in dem Sinne einer Beeinflussung rein physiologischer Vorgänge durch psychische aufgefasst werden darf. Die psychischen Vorgänge haben ihr physisches Korrelat, das eine Unterbrechung des materiellen Zusammenhanges ausschliesst, und die Notwendigkeit, jene Ausdrucksweise beizubehalten, entspringt nur unserem Unvermögen, das, was man seelisch in höherem Sinne nennt, zu lokalisieren und uns überhaupt eine greifbare Vorstellung über sein Verhältnis zu den niederen Sinnesfunktionen zu bilden.

Ein Licht und Farbensinnmesser.

Von

Prof. Dr. W. Koster Gzn. in Leiden.

Mit 5 Figuren im Text.

Im folgenden will ich über eine veränderte Konstruktion des Försterschen Lichtsinnmessers berichten, durch welche die Brauchbar- keit des Instrumentes viel gewonnen hat, und mit der es möglich ist, auch über das Verhalten des Farbensinnes in kurzer Zeit ein in Zahlen- wert ausgedrücktes Urteil zu gewinnen.

Bei dem Försterschen Kasten steht die Laterne bekanntlich seitlich vom Untersuchten; dadurch wird der Apparat sehr breit und schwer; überdies muss das Gesicht des Patienten an eine der kur- zen Seiten des Kastens angedrückt werden, damit die beiden Augen einigermassen an die zwei dort befindlichen Löcher heranrücken können. Zwar hat man bei einigen Instrumenten ein Loch für die Nase gemacht, aber dann wird fortwährend in den Kasten geatmet; wenn zu diesem Zwecke nur eine Aushöhlung besteht, kann wieder nicht frei geatmet werden. Dies betrifft also einige praktische Sachen. Von mehr Bedeutung ist die Schwierigkeit, sich mit dem Patienten über das Gesehene zu verständigen: Buchstaben dürfen nicht gebraucht werden, da dann wieder die Prüfung des Formsinnes eingeführt wird; aus demselben Grunde sind eigentlich auch die von Förster an- gegebenen Haken und Striche zu verwerfen. Bequemer und vom prinzipiellen Standpunkte ganz richtig ist der Vorschlag von Sn eilen und Landolt1), die Wahrnehmung des Lichtes zu beurteilen an einer zur Hälfte weissen, zur Hälfte schwarzen Fläche, aber die Kontrolle, ob richtig beobachtet wird, ist dabei wieder sehr viel schwieriger.

Um also den Lichtsinnmesser handlicher zu machen und die ge- nannten Beschwerden zu beseitigen, habe ich seit mehr als fünf Jahren

*) Handb. d.ges. Augenheilk. vonGraefeu. Saemisch. Bd. III. S.37. 1874.

498

W. Koster Gzn.

ein Instrument im Gebrauch, das sehr befriedigt Die Zeichnung wird eine eingehende Beschreibung überflüssig machen. Aus Fig. 1 ist ersichtlich, wie die Laterne oberhalb der Augen Platz gefun- den hat. Für die Nase ist in der Hinterwand und im Boden des Kastens ein passender Einschnitt gemacht; sie kommt so niedrig zu stehen, dass die Atmung ganz frei in der Luft stattfinden kann. Die

etwas vorstehenden Seitenbretter schlies- sen das seitlich ein- fallende Licht ab, wo- durch es möglich ist, auch ausserhalb des Dunkelzünmers zu- verlässige Resultate zu gewinnen. An je- der Seite befindet sich ein Griff (a), mit dem jedes Augenloch be- liebig abgeschlossen werden kann. Die Laterne kann heraus- genommen werden und ist in Fig. 3. ge- sondert abgebildet; die Kerze mit dem Bohr für Luftzufuhr steht gerade vor der Nase und lässt für jedes Auge den Blick auf die hintere Wand gänzlich frei; der Schornstein b ist abnehmbar zum anzünden der Kerze. Die eigentliche Lichtquelle wird gebildet von einem drei- eckigen Loch, welches mit einem geölten Papierschirm abgeschlossen ist Vom theoretischen Standpunkte ist eine Erweiterung der Öffnung, wie sie sich bei Försters Kasten findet, wohl richtiger, aber wo so viele Ungenauigkeiten bestehen in bezug auf die gleichmässige Be- leuchtung des Schirmes durch die grosse Nähe der Flamme, kommt die Verschiebung des Schwerpunktes des leuchtenden Dreieckes bei der Vergrösserung nach oben gar nicht in Betracht Die Dicke des Papieres ist so gewählt worden, dass bei 1 mm Höhe des Dreieckes

Fig. 1.

Ein Licht- und Farbensinnmesser.

499

der Normalsichtige eben die Probe erkennt Die grösste Höhe be- trägt 50 mm; es kann also eine Verminderung des Lichtsinnes auf

gemessen werden. Als Probeobjekt ist ein einfaches breites

weisses Band gewählt worden, das auf einer in der hinteren Wand

Fig. 2.

drehbaren Scheibe befestigt ist (Fig. 4); um den Stand des Bandes zu erkennen, ist auf der Aussenseite eine Leiste angebracht, welche ebenfalls dazu dient, die Stellung des Probeobjektes fortwährend zu wechseln. Der Patient braucht nur anzugeben, wie das Band steht, und er kann dies, sobald er überhaupt etwas wahrnimmt; eine Prü- fung des Formsinnes ist hierbei ausgeschlossen. Der ganze Apparat kann bequem in der Hand gehalten werden, wie Fig. 2 dies angibt; dies erleichtert die Wahrnehmung sehr. In den Figuren ist alles in fünfmaliger Verkleinerung dargestellt

500

W. Koster Gzn.

Um einen Eindruck über den Farbenlichteinn zu gewinnen, sind, ganz nahe an der hinteren Wand, vier grosse drehbare Flächen an- gebracht worden, deren Lage aus der Fig. 5 am besten erkannt wird; mit den Griffen c, d, e und f (siehe Fig. 2) können dieselben auf die hintere Wand gelegt und nach den Seitenwänden zurück- geschlagen werden, wo eine Art Klemme sie noch festhält Auf diesen Flächen sind grosse Vierecke

von 8 X 8 cm mit einerderFarbenRot, Gelb, Grün und Blau versehen wor- den, und zwar in einer weissen Umrah- mung von 10 mm Breite. Die Sättigung der Farben wurde so Fi* 3- Fi*- 4 gewählt, dass der

Normalsichtige sie bei derselben Beleuchtung erkennt, nämlich bei 5 mm Höhe der Lichtquelle. Die Pigmentpapiere, wie E. Hering dieselben angegeben, eignen sich dazu vorzüglich. Die weisse Um- rahmung dient dazu, dem Patienten deut- lich zu machen, dass er schon längst Weiss sieht, ehe er die Far- ben erkennt Bei der Anstellung der Probe muss jedesmal eine Farbe vorgezeigt und wieder zugeschlagen werden, um Erschöp- fung zu vermeiden; es mag sonderbar klingen, aber auch bei diesen ganz schwachen Lichtintensitäten ermüdet die Netzhaut bald, wenn jede Farbe bei steigender Lichtintensität für sich unter- sucht wird; man findet dann viel grössere und weniger konstante Werte. Die gelbe Farbe des Kerzenlichtes hindert wenig; die Farben wur- den eben so gewählt, dass dieselben bei dem weissen Lichte, welches die Kerze enthält, erkannt werden konnten; es scheint mir sogar

-+

Fig. 5.

Ein Licht- und Farbensinnmesser. 501

noch ein Vorteil darin zu liegen, da es dadurch besser gelingt, ein genügend gesättigtes und leuchtstarkes Gelb zu wählen. Auf den Griffen stehen die Farbennamen angegeben; um sich im Dunkelzim- mer orientieren zu können, sind die Farben von d nach f in der spektralen Reihenfolge angebracht worden.

Um auch den zentralen Farbensinn messen zu können, wurden von denselben Papieren vier kleine Scheibchen auf dem weissen Band (Fig. 4) angebracht von solchem Durchmesser, dass sie bei derselben Lichtstärke erkannt wurden als die grossen farbigen Flächen; diese messen 5mm. Eine solche Farbenprobe wirft auf die Retina ein Bild, welches noch bequem auf der stäbchenfreien Maculagegend Platz findet Um sich mit dem Untersuchten zu verständigen, sind an der Aussenseite der Scheibe an denselben Stellen Scheibchen von der gleichen Farbe auf- geklebt.

Auch zu andern Zwecken kann das Photoptometer benutzt werden nämlich zur Messung des Minimums der Beleuchtung, die notwendig ist zur Erreichung der vorhandenen Sehschärfe. Dazu befindet sich auf dem weissen Streifen auch eine Reihe kleiner Probebuchstaben (Fig. 4) in dezimaler Abstufung für ^m Entfernung. Die Kerzen- beleuchtung ist dafür aber nicht intensiv genug; es kann daher an der Stelle des Schornsteins eine Platte eingelegt werden, die eine starke elektrische Lampe (32 Kerzen) trägt Diese Lampe kommt in die Laterne zu liegen. Die Leuchtkraft dieser Lampen ist überhaupt nicht konstant. Man tut deshalb gut, den gemessenen Wert für die Lichtstärke, welche zur Erlangung der bei gutem Tageslicht erreich- baren Sehschärfe notwendig ist, zu vergleichen mit den Angaben einer normalen Person. Die Öffnung der Blende beträgt bei genügender Stromlieferung 15 mm Höhe; die Beleuchtung der Sehproben ist dann 32 X 152fach grösser als für die normale Reizschwelle; wie unten an- gegeben, ist die letztere -• jr Meterkerze; die /Minimumbeleuchtung

1 ( uo

für die normale Sehschärfe beträgt also etwas mehr als 4 Meterker- zen. Wer nicht Gelegenheit hat, eine kräftige elektrische Lampe zu benutzen, kann vom Tageslichte Gebrauch machen, indem er den Patienten mit dem Rücken zum Fenster hinstellt und dann den Schornstein der Laterne entfernt Es scheint dann das Tageslicht über dem Kopf des Patienten direkt auf den geölten Schirm. In diesem Falle muss selbstverständlich die Messung bei einer normalen Per- son zum Vergleich herangezogen werden. Es ist dann zu emp- fehlen, den eventuellen Zutritt von licht neben dem Kopfe mit

502 W. Koster Gzn.

einem schwarzen Tuch abzuschliessen. Ist das Tageslicht nicht stark genug, um bei normaler Sehschärfe eine Messung ausführen zu können, so kann man noch für eine niedrigere Sehschärfe eine Mes- sung anstellen.

Die Leuchtkraft der Kerze stimmt ungefähr mit der Nonnal- kerze überein. Die Beleuchtung von 1 mm Höhe der Öffnung der Blende ist natürlich eine sehr kleine. In folgender Weise kann man dieselbe annähernd berechnen. Die Normalkerze steht in ungefähr 50 mm Entfernung von dem Papierschirm. Die Öffnung von 1 mm Höhe hat eine Oberfläche von 0,75 qmm, da die Basis 1,5 mal die Höhe misst Wäre die Öffnung offen, so würde die Leuchtkraft derselben, in Kerzen ausgedrückt, soviel mal kleiner sein als die Kerze, wie ihre Oberfläche kleiner ist als eine Halbkugel mit einem Radius von 50 mm. Da das Papier aber nur 3/5 des Lichtes durch- lässt, wird die Leuchtkraft, in Normalkerzen ausgedrückt, soviel kleiner. Diese Lichtquelle steht in 225 mm Entfernung von dem beobachteten weissen Streifen; um also die Beleuchtung desselben in Meterkerzen auszudrücken, muss die Zahl der Normalkerzen mit

( -£— , -J multipliziert werden. Macht man diese Rechnung, so findet

man für die Beleuchtung des weissen Streifens Meterkerze;

dies heisst also, dass das adaptierte Auge in einem völlig abge- schlossenen Raum einen weissen Gegenstand, der in 1/8 m vom Auge aufgestellt ist, noch erkennen würde, wenn derselbe in etwas mehr als 40 m Entfernung von einer Normalkerze beleuchtet würde.

Eine solche Berechnung kann sehr wenig Anspruch auf Ge- nauigkeit machen; die Abstände der verschiedenen Teile der Flamme zum Papierschirme sind so verschieden, dass es beschwerlich ist, die Leuchtkraft in einem mathematischen Punkte konzentriert zu denken, ohne grobe Fehler zu machen. Aber dennoch gibt die Zahl einigermassen einen Eindruck über die schwächste Beleuchtung, welche im Lichtsinnmesser wahrgenommen wird.

Man könnte gegen die Bestimmungen mit dem modifizierten Förster sehen Kasten nun noch den Einwand erheben, dass das Feld, mit dem die Empfindung gemessen wird, nicht ausgedehnt genug sei. Zweifelsohne würde es einen gewissen Vorteil haben, wenn auf einmal das ganze Gesichtsfeld untersucht werden könnte, wie dies bei der von Aubert angegebenen Methode so ungefähr geschieht, aber auf der andern Seite ist es für die Beurteilung eines Falles doch am wichtigsten, zu wissen, dass die Messung sich auf den

Ein Licht- und Farbensinnmesser. 503

zentralen Teil der Netzhaut, bzw. auf den zum Fixieren verwen- deten Teil, bezieht; nur muss der untersuchte Teil ziemlich gross sein; eine Ausdehnung von ungefähr 15 Grad dürfte dazu jedenfalls genügen; die Quantität der gereizten Netzhautelemente muss nämlich sozusagen kein Gewicht mehr haben; es muss hauptsächlich die Empfindlichkeit der Elemente beurteilt werden, wobei es dann nicht darauf ankommt, ob hier oder dort eine Anzahl davon zugrunde gegangen ist

Mit diesem Photo-Chromoptometer wird also das gemessen, was man bekanntlich die Reizschwelle für licht und Farben genannt hat. Die Unterschiedsschwelle, die Empfindlichkeit für Intensitätsunter- schiede, kann man mit demselben nicht untersuchen. Dafür sind die Maxwellschen Scheiben vom praktischen Standpunkte aus wohl am besten geeignet Wiewohl nun die Anwendung derselben nicht be- sonders zeitraubend ist, so glaube ich doch, dass für die augen- ärztliche Untersuchung der Photoptometer vorzuziehen ist Denn beide Methoden anzuwenden, ist wohl nicht notwendig, da die Verände- rung im Befunde bei beiden auf derselben Ursache beruht

Über andere Methoden zur Prüfung des Lichtsinnes ist auf das Handb. d. ges. Augenheilkunde, 2. Aufl., Bd. IV, Abt 1, S. 361 (Bearbeitung von Dr. L. Landolt in Paris) zu verweisen. Man findet dort auch die beiden für die Klinik bestimmten Methoden von v. Hippel und von Weber beschrieben, welche aber mehr bezwecken, die Minimumbeleuchtung für die gemessene Sehschärfe zu finden. Wie ich schon früher erwähnt habe1), ist es zur Beurteilung des Verlaufes einer Augenkrankheit von grossem Interesse, diesen Wert zu kennen, weshalb ich mich auch bemüht habe, den Photoptometer ebenfalls darauf einzurichten; aber eine Messung des Lichtsinnes an sich ist dies nicht, wie Landolt (loc. cit) auch besonders hervorhebt.

Die Untersuchung des licht- und Farbensinnes, wie sie schon längst ausgeführt und von Förster besonders in bezug auf den Lichtsinn in mehr praktische Bahnen geleitet wurde, hat bei den Ophthalmologen nicht die Anerkennung gefunden, welche sie wohl verdient Das Gesichtsfeld für Weiss und für Farben wird in in- tensiver Weise verwertet, der Farbensinn der Fovea wird untersucht, aber die Messung der Reizschwelle für Licht und besonders diejenige für Farben in einem grossen zentralen Netzhautbezirk ist bei der klinischen Untersuchung gewissermassen vernachlässigt worden. Den- noch gibt in vielen Fällen diese Untersuchung wichtige Aufschlüsse.

») Neue Sehproben: v. Graefe's Arch. f. Ophth. Bd. LXIV,3, S. 573. 1906. t. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXV1. 3. 33

504 W. Koster Gzn., Ein Licht- und Farbensinnmesser.

Weil die Methode empfindlich ist, zeigt sie oft Veränderungen an, welche sonst übersehen werden, und ermöglicht dadurch eine früh- zeitige Diagnose und rechtzeitige Behandlung. Bei einer Ablatio retinae kann man z. B. im Zweifel sein, ob das zweite Auge, bei voller Sehschärfe und normaler Refraktion, an einer chronischen Chorioretinitis erkrankt ist; wenn der Iichtsinn geringer und be- sonders wenn der Farbensinn bedeutend verändert ist fiir Grün und Rot, weist dies auf das chronische Leiden hin; dabei kann der foveale Farbensinn, mit kleinen Scheibchen nach der Wolffberg- schen Methode im Tageslicht untersucht, völlig normal erscheinen, und ebenfalls die Farbengrenzen im Gesichtsfelde. Der foveale Farbensinn im Photoptometer gemessen, kann aber schon bedeutend geringer sein. Bei der Beurteilung von chronischem Glaukom und von Atrophie der Sehnerven und bei deren differentieller Diagnose ist es von grösster Wichtigkeit, zu wissen, inwieweit der Iichtsinn gelitten hat, und ob der Farbensinn relativ noch viel stärker geschwächt ist. Schlechter Iichtsinn bei verhältnismässig guter Sehschärfe macht die Prognose beider Krankheiten dubia; schlechter Farbensinn bei wenig verän- dertem Iichtsinn spricht für Sehnervenatrophie. Indem hier quanti- tativ untersucht wird, fallen die Veränderungen viel früher auf. Besonders auch bei der Feststellung der retrobulbären Neuritis ist die quantitative Messung des fovealen Farbensinnes von grosser Wichtigkeit Ich bin überzeugt, dass, wenn in der Klinik regel- mässiger darauf bezügliche Messungen ausgeführt werden, über sehr verschiedene Krankheiten der Augen noch interessante Erfahrungen gemacht werden können. Ich bin selbst beschäftigt, einige Daten in dieser Richtung zu sammeln.

Auch für die Neurologie wäre vielleicht die regelmässige Unter- suchung dieser Funktionen bei verschiedenen Krankheiten von Inter- esse. Für diejenigen Fälle, in denen der Augenarzt zu Rate gezogen wird, gilt dies nicht so sehr; aber für jene, in denen vom Nerven- arzt normale Sehschärfe und Begrenzung des Gesichtsfeldes gefunden werden, nebst normalem Augenspiegelbefund, könnten Veränderungen in der Reizschwelle für Licht und Farben bestehen, ohne sich darauf beziehende Beschwerde der Patienten. Eine Messung mit dem Photo- chromoptometer1) würde auch hier wahrscheinlich in verschiedenen Fällen zur Diagnose, bzw. zur Frühdiagnose, führen können.

') Der Licht- und Farbensinnmesser ist zu beziehen durch H. Brouwer, Mechanikus, Rijks-Ziekenhuis, Leiden.

(Aus der Kgl. Universitäte- Augenklinik zu Palermo. Prof. Cirincione.-

Ober Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen.

Von

Dr. A. Contino, Assistenten.

Mit Taf . XI— XIX, Fig. 1—51 u. Rekonstruktionen 1—18, sowie 1 Figur im Text.

Unter Benutzung der neuen, durch die histologische Forschung gebotenen Hilfsmittel habe ich es mir zum Ziel gesetzt, die Struktur und Entwicklung des freien Lidrandes in endgültiger und erschöpfender Weise zu untei'suchen.

Von den bisher über diesen wichtigen Gegenstand gemachten Veröffentlichungen ist unter Ausscheidung der älteren Beobachtungen von Albinus über die Cilien (1754), von Meibom (1666), Weber (1827), Treis (1835—1840), Sappey (1853) über die Talgdrüsen des Lides, die erste beachtenswerte anatomische Arbeit die von Moll, welche im Jahre 1859 erschien. Derselbe gibt ein Gesamtbild von der Struktur des Lides und seines freien Randes unter besonderem Ver- weilen bei dem Vorkommen von speziellen, den Cilien zugehörigen Drüsen, welche, obwohl bereits einige Jahre vorher von Kölliker beobachtet, dennoch mit Recht nach ihm benannt wurden.

Nach Moll hat sich niemand mehr mit der Erforschung des Baues des Lidrandes, im ganzen betrachtet, beschäftigt, dagegen sind verschiedene Arbeiten über einzelne Teile desselben veröffentlicht worden. So beschäftigten sich Colasanti (1873), Czerny (1874), Richiardi (1877) mit der Anatomie der Meibomschen Drüsen, Sattler (1871), Tartuferi (1879) mit den Mollschen Drüsen, Mahly (1879) mit den Cilien, Fuchs und Langer (1878) studierten die Gefässe desselben, Bietti (1896) und Alfieri (1898) unter- suchten die elastischen Stromafasern, von Mieses (1882), Dogiel (1894), Bach (1895) beschrieben seine Nervenendigungen.

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506 A. Contino

Was nun die embryologische Entwicklung des Lidrandes angeht, so sind die ersten Mitteilungen darüber, welche ich in der Literatur vorfand, die 1858 vonDonders in seiner Arbeit: „Über die Entwick- lung und den Wechsel der Cilien" veröffentlichten, und dann die spärlichen Mitteilungen, welche Ainmon zu der gleichen Zeit in seiner kurzen Abhandlung: „Über die Entwicklung des menschlichen Auges*' verzeichnet hat In der Folgezeit (1866) untersuchte Schweigger- Seidel die „Vorgänge bei der Lösung der miteinander verklebten Augenlider" und vertrat die Ansicht, dass dieselbe durch Atrophie und Disgregation des Epithels bedingt sei. Schenk (1881) und Grefeberg (1882) ergingen sich: „Über die Entwicklung der Mei- bom sehen Drüsen"; Königstein endlich veröffentlichte (im Jahre 1884) eine Mitteilung: „Über die Entwicklung der Cilien und der Meibomschen Drüsen". Der Verfasser hat aber in dieser Arbeit die in den verschiedenen untersuchten embryonalen Stadien gemachten Beobachtungen nicht einheitlich miteinander verknüpft Deshalb kommt ihr keine weitgehende Bedeutung zu.

Aus den Nachforschungen in der Literatur geht also hervor, dass wohl eine grössere Anzahl von den Lidrand in seinen Einzel- heiten betreffenden Arbeiten vorliegt, die meisten derselben jedoch keine zusammenfassende Darstellung des Gegenstandes bringen und viele mit unzureichenden technischen Hilfsmitteln ausgeführt worden sind. Dies vorausgeschickt, ist wohl die Behauptung nicht übertrieben, dass die Kenntnisse, die man heutzutage über den Bau und die Entwicklung dieser wichtigen Region des Lides hat, auf die alten Beobachtungen von Moll und Donders zurückgehen, auf die sich, bestätigend oder berichtigend, auch Waldeyer in dem Lehrbuche von Graefe und Saemisch und Henke in dem von Wecker und Landolt berufen.

Da mir die höchst reiche Sammlung menschlicher Embryonen des Herrn Prof. Cirincione, von dem allerersten Entwicklungsanfang der Lider bis zu ihrem endgültigen Ausbau, und eine ausgedehnte Zahl von normalen Lidern jeden Alters, die frischen Kadavern oder dem Lebenden infolge von Abtragungsoperationen des Orbitalinhalts ent- nommen waren, zur Verfügung gestanden hat, habe ich es für nützlich gehalten, dieselben zum Gegenstand einer eingehenden For- schung zu machen, und das Ergebnis des Studiums einiger Jahre habe ich in dieser Arbeit zusammengefasst, welche als Einleitung zu einer weiteren, grösseren Arbeit: „Über die Pathologie des Iid- randes" dient.

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 507

Struktur des Lidrandes.

Der freie Lidrand umschreibt die Iidöffhung und zeigt ein ver- schiedenes Aussehen, je nachdem man ihn in dem Abschnitt unter- sucht, welcher den Tränenpunkten und der Karunkel entspricht, oder in dem der Hornhaut und der äusseren Kommissur entsprechenden Abschnitt Ersterer entbehrt der Cilien und bildet die Tränenportion, welche, eben weil sie einen Teil des Tränenapparates bildet, in dieses Gebiet gehört Der zweite Abschnitt ist mit Cilien ausgestattet und wird deshalb auch mit der Bezeichnung Ciliarrand belegt; mit un- recht jedoch, weil es nicht allein die Cilien sind, die seine Eigen- tümlichkeiten ausmachen. Die Dicke des Lidrandes schwankt beim Erwachsenen zwischen 2 und 21|2 mm und ist um ein Geringes grösser als die des übrigen Lides. Man betrachtet an ihm zwei Lid- kanten und eine intermarginale Fläche, welche vollkommen dicht auf die des entgegengesetzten Lides passt. Die vordere Lidkante oder eigentlicher Ciliarrand ist rundlich, und an ihm setzen sich die Wim- pern an, welche nicht in regelmässigen Reihen angeordnet sind, sondern verstreut in einer zarten und gleichmässigen Riefe. Die Zahl der Wimpern ist nicht konstant, an dem oberen Lide zählt man deren 130—180, an dem unteren 70 90. Aus den zahlreichen von mir gemachten Beobachtungen geht hervor, dass diese Veränderlich- keit in ihrer Zahl in keinerlei Beziehung steht weder zu dem Alter noch zu dem Geschlecht Bei den Neugeborenen zeigen dieselben sich als feiner pigmentarmer Flaum, und in den beiden Jahren nach der Geburt erreichen sie fast die Länge, die sie dann während des ganzen Lebens des Individuums beibehalten; in dem Greisenalter jedoch zeigen sich die Wimpern von neuem klein, und zwar derart, dass oft das übliche Verfahren der Oberlidumstülpung dadurch er- schwert wird; ausserdem erfahren sie eine Herabsetzung ihres Pig- mentgehaltes, niemals jedoch ergrauen sie.

Die hintere Lidkante, vor der in kleinen kreisförmigen Offnungen die Meibom sehen Drüsen ausmünden, ist ziemlich scharf und hebt sich infolge ihrer besonderen Form leicht von dem Augapfel ab, wobei sie einen kleinen dreieckigen Raum freilässt, von dem man früher glaubte, dass er eine grosse Bedeutung bei der Ausscheidung der Tränenflüssigkeit besitze (Rivus lacrimalis Boerhave). Die Trennungslinie zwischen dem Ciliarrande und dem übrigen Teil des Lides ist keine potentielle Linie, sondern kann in der Höhe von ungefähr 2 mm über der hinteren Kante als seichte Furche wahr-

508 A. Contino

genommen werden, welche sich deutlich auf dem umgestülpten Lide abzeichnet und von Fuchs als subtarsale Furche bezeichnet wurde.

Ich beharre nicht weiter bei Einzelheiten der makroskopischen Anatomie und gehe unter Verweisung auf Spezialabhandlungen zum histologischen Teil über.

Betrachtet man einen Schnitt des freien Randes des Oberlides, auf das ich mich zur Vermeidung von OrientierungsiiTtümern stets beziehe, so gewahrt man einen Epithelbelag, von dem die Cilien mit den zugehörigen Zeissschen und Molischen Drüsen und die Mei- bom sehen Drüsen ausgehen; in ihm beobachtet man Muskelbündel, welche gewöhnlich mit der Bezeichnung Musculus Biolani belegt werden; das Ganze ist dann durch ein von Gefässen und Nerven- fasern durchzogenes Bindegewebsgerüst verbunden (vgl. Taf. XI, Fig. 1). Ich werde versuchen, eine eingehende Beschreibung all dieser ver- schiedenen Teile zu geben und speziell bei den Einzelheiten verweilen, welche eine Frucht meiner Beobachtung sind.

Epithelbelag. Obschon das Epithelium des Lidrandes ein Übergangsepithel zwischen dem der Haut und der Conjunctiva ist, hat es mit diesen keine Ähnlichkeit und besitzt besondere Merkmale, die es von jenem scharf unterscheiden, so dass eine einmalige Untersuchung desselben ausreicht, um es auf den ersten Blick wieder erkennen zu können. Es gewährt den Eindruck eines gut ausgebildeten Hautepithels mit Unzulänglichkeit der oberflächlichen Schichten; in der Tat sind die Hornschicht und die Körnerschicht sehr dünn. Erstere wird dar- gestellt durch eine dünne lichtbrechende, zumeist gefältelte und wenig mit der darunter liegenden Schicht verwachsene Leiste, die sich in- tensiv mit Eosin färbt und auf deren Zartheit die weiss-rosenrote durchscheinende Färbung des Lidrandes zurückzuführen ist Die zweite ist gebildet durch zwei Reihen von in horizontalem Sinne angeordneten und mit feinen Keratohyalingranulationen versehenen Lamellarzellen , in deren Mitte der ansehnliche ovale, oft auch in der Kernhöhle zusammengeschrumpfte Kern hervortritt (vgl. Taf. XI, Fig. 1, 3, 5). Bei den mit Osmiumsäure behandelten oder auch mit Flemmingscher Lösung fixierten Präparaten zeigt sich die Horn- schicht und manchmal auch die granulöse vollständig schwarz ge- färbt,'so dass eine Untersuchung ihrer Struktur nicht möglich ist Dieser Umstand ist die Folge der Talgdrüsensekretionen, welche fortgesetzt die Epitheloberfläche benetzen. Hornschicht und Körner-

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 509

Schicht hören plötzlich in geringer Entfernung von der hinteren Kante des Lidrandes gleich hinter der Mündung der Meibom sehen Drüsen auf (vgl. Taf. XI, Fig. 4). Eine Glanzschicht fehlt in diesem Epithel, ähnlich wie bei andern zarten Epithelen, so bei dem des Präputiums. Die Malpighische Schicht ist gebildet durch 6 8 Reihen polygo- naler Elemente, entsprechend der Spitze der sich in sie einschiebenden Papillen jedoch nur durch 2—3 Zellreihen. Diese Zellen sind an der Peripherie ausgerüstet mit zarten Stacheln, welche in den gewöhn- lichen, von Kadavern gewonnenen Stücken wenig ersichtlich sind, in den dem Lebenden entnommenen aber deutlich in die Augen springen. Die Kerne sind rundlich, mit einer zarten, stark licht- brechenden Kernmembran versehen und enthalten ein oder mehrere Kernkörperchen und ein feines chromatisches Netzwerk (vgl. Taf. XI, Fig. 3, 5). Die Zellen der basalen Schicht des Lidrandepithels sind grösser und gedrängter als bei dem Hautepithel (Taf. XI, Fig. 2, 3), der schmale, in den fötalen Stadien und bei den Neugeborenen so in die Augen fal- lende und regelmässige freie Protoplasmasaum verändert schon von den ersten Lebensjahren an allmählich sein Aussehen und wird weniger er- kenntlich, und ausgestattet mit zahlreichen kleinen Auszackungen und Vertieftingen, welche weiteren Rauhigkeiten der Basalmembran ent- sprechen (vgl. Taf. XI, Fig. 5). Die Kerne dieser Zellen besitzen eine schlanke, stäbchenartige Form, manchmal sind sie spindelförmig, manch- mal auch sandkornförmig; sie zeigen sich regelmässig gereiht und färben sich etwas stärker als die der Malpighi sehen Schicht; nichtsdesto- weniger ist es bei genügenden Vergrösserungen möglich, ihre innerste Struktur zu beobachten, welche in einem zarten, durch verschiedene Knotenkernkörperchen durchschnittenen Geflecht besteht. Jedoch nicht stets gelingt die Beobachtung der Kerne der Basalzellen leicht, weil häufig in ihrem Protoplasma Pigment vorhanden ist

Das Pigment ist äusserst fein verteilt, und nur mit den stärksten Objektiven kann man erkennen, dass es aus runden Körnchen ge- bildet ist, welche in grösster Menge an der Oberfläche des Zellen- elementes angehäuft sind und zwar manchmal so dicht, dass sie den Kern vollkommen verdecken, der wie ein Schatten erscheint (Taf XI, Fig. 5). Am meisten sticht es in den nichtgefärbten Präparaten hervor, weniger in den mit Hämatoxylin und Eosin gefärbten, mit Karminen, besonders mit Pikrokarmin, erkennt man es kaum. Die Basalzellen der vorderen Kante des Lidrandes enthalten Spuren davon, die des intermarginalen Saumes sind damit mehr beladen, die der hinteren Kante sind stets vollkommen frei davon.

510 A. Contino

Dieses Pigment findet sich mit grösserer Frequenz bei jungen Individuen; bei neugeborenen Kindern, bei Greisen und in Rändern mit entzündlichen Alterationen lässt es sich nur schwierig auffinden. Es ist identisch mit dem des Hautepithels; bemerkenswert jedoch ist, dass es sich in ziemlicher Menge nur in dem Epithel des intermargi- nalen Abschnittes des Lidrandes findet Was nichtsdestoweniger sichergestellt bleibt, ist, dass dasselbe zweifellos ein Produkt des Protoplasmas der Basalzellen ist, und wenn es bei dem Epithel der Cutis nach einigen Autoren von den pigmentierten Dermazellen ein- geführt sein soll, so lässt sich dies nicht bei dem Lidrande behaup- ten, wo von pigmentierten Bindegewebszellen nur einige seltene Exem- plare bestehen, in denen noch dazu das Pigment aus viel dickeren Kömchen besteht als die, welche man in dem Protoplasma der Basalzellen antrifft. Entsprechend der hinteren Lidkante verändert das Epithel vollständig sein Aussehen; es hat hier eine Struktur, welche viel zu der Rigidität dieser Region beiträgt. Während in der Tat die Basalschicht wenig von der vorher studierten abweicht, ist die darüberliegende Epithelportion an Stelle der gewöhnlichen poly- gonalen Zellen zum grössten Teil aus abgeplatteten Zellen mit diffus gefärbten Kernen gebildet, in denen es unmöglich ist, irgend welche Struktureigentümlichkeit zu unterscheiden. Die Umrisse der Zellen sind unbestimmt; auf der einen Seite haben sie eine gemäss dem Scheitel des von der hinteren Kante gebildeten diedrischen Winkels konvergierende Richtung, auf der andern Seite divergieren sie in der Rich- tung der Achse der interpapillaren Epithelialabschnitte (Ta£ XI, Fig. 4).

An der Oberfläche bestehen in Fortsetzung zu der Hörn- und Körnerschicht lamellare Zellen mit kleinen zusammengeschrumpften Kernen, welche sich intensiv mit Hämatoxylin färben. Diese Zellen sind stark verhornt, obwohl sie keine Keratohyalinkörner aufweisen.

Der Übergang dieses Epithels in das der Bindehaut geht äusserst rasch vor sich: die Keimzellen beginnen aus der Cylinderform in Würfelform überzugehen, ihr Kern wird rundlich, die darunterliegende Schicht nimmt an Dicke ab, und an der Oberfläche verschwinden die verhornten Lamellarzellen , um würfelförmigen und dann ausgeprägt cylindrischen Zellen Platz zu machen. Die Fig. 4 ist ziemlich über- zeugend, als dass ich weiter bei dieser Einzelheit zu verweilen brauchte.

Das Epithel des Lidrandes ist versehen mit einer Basalmembran, welche eine gewisse Beachtung verdient Dieselbe ist nicht voll- kommen homogen, zeigt vielmehr ziemlich charakteristische Quer-

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 511

streifungen, ausserdem sendet sie auf der Seite, die mit dem freien Protoplasmasaum der cylindrischen Basalzellen in Berührung ' steht, mit dem sie durch die schon erwähnten Zacken zusammenhängt, dünne Fortsätze aus, welche sich zwischen die einzelnen Zellen ein- schieben; auf der andern Seite ist sie mit Anhängen und Rauheiten besät, welche, wie ich weiter unten sagen werde, eine besondere Be- deutung haben. Die Membran ist verhältnismässig dick und erreicht ihre grösste Dicke in dem intermarginalen Abschnitt, wo man sie gleich der Keimschicht des Epithels rechnen kann; mit ihrer An- näherung an* die vordere und hintere Kante wird sie allmählich dünner und glatter und setzt sich dort in die Basalmembran des Epithels der Lidhaut und in die der Tarsalbindehaut fort, die beide, namentlich letztere, wenig in die Augen fallend sind. Die Basal- membran des Lidrandepithels ist von bindegewebiger Beschaffenheit, wie man an den nach der Calleyaschen Methode behandelten Prä- paraten ersehen kann; anstatt sich jedoch wie das Bindegewebe blau zu färben, nimmt sie eine mehr ins Grüne gehende Färbung an, wo- durch sie sich gut unterscheiden lässt Bei den mit Hämatoxylin und Eosin gefärbten Präparaten assimiliert sie stark das Eosin zu- sammen mit der Membran der Basalzellen, mit der sie verschmilzt An mit andern Farben tangierten Schnitten macht sie sich einfach als ein weisslicher, unter der tiefgelegenen Fläche des Epithels liegender Streifen bemerkbar.

Wimpern. Aufs engste mit dem Epithel des Lidrandes verknüpft sind die Wimpern, d. h. hornartige Gebilde von ziemlich kompliziertem Bau, welche, gleich den Haaren überhaupt, eine freie Portion (Schaft oder Stiel) und eine in das Bindegewebsstroma eingefügte Portion (Wurzel) aufweisen, die in einer Anschwellung endigt (Zwiebel). An dem Zwiebelende befindet sich die sogenannte Papille, ein Binde- gewebszapfen, aus dem die Wimper die zu ihrer Ernährung notwen- digen Stoffe zieht. Die Wurzel ist von einer Hülle aus Epithel- gewebe umgeben (Balg) und von einer zweiten bindegewebigen Hülle, der Balgscheide. In den Balg münden, etwas oberflächlich, die Zeiss- und Molischen Drüsen. Was die Schäfte der Cilien angeht, so ist ihre Färbung, ihre besondere gewölbte Form, ihre Funktion und der beträchtliche ästhetische Wert, den sie für die Physiognomie besitzen, bekannt Besonders betont zu werden jedoch verdient der Umstand, dass dieselben nicht vollkommen cylindrisch sind, sondern eine mehr

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oder weniger unregelmässig kreisförmige oder abgeplattete Form haben (vgl. Taf. XV, Fig. 33). In histologischer Hinsicht zeigen die Cilien Strukturverschiedenheiten je nach den verschiedenen Stufen ihrer Entwicklung; ich werde eine Beschreibung geben von den jungen Cilien, den ausgewachsenen Cilien, von den Veränderungen, die Wurzel und Balg bei dem Übergang von einer Phase ihres Lebens- cyklus in die andere erfahren, werde bei dem Vorgang verweilen, mit dem sich bei ihnen der Wechsel vollzieht, und schliesslich die dem Balg zugehörigen Drüsen schildern.

Jugendliche Wimpern. Die jugendlichen Cilien entsprechen den Ran vi ersehen Hohlzwiebelhaaren, da sie an dem Zwiebel- ende einen amphorenförmigen Hohlraum zeigen, in den sich die Pa- pille einlagert (vgl. Taf. XII, Fig. 6). Dieselben sind mit einer ziemlich ansehnlichen Bindegewebshülle oder -Scheide ausgestattet, welche, wie ich weiter unten zeigen werde, in Zusammenhang mit dem Tarsus steht Sie besteht aus äusseren Fasern, welche in Längs- richtung zu dem Balg verlaufen, und aus inneren Ringfasern, welche sich muffartig um diesen herum anordnen. Oberhalb der Mündung der in den Balg führenden Drüsen verflechten sich die Längs- und Ringfasern untereinander und bilden eine dicke Hülle, welche keine differenzierbaren Schichten zeigt und mit dem Bindegewebsbalkenwerk des Lidrandes verschmilzt. In dem unterhalb der besagten Drüsen liegenden Abschnitt dagegen gruppieren sich die Bindegewebsfasern der Balgbekleidung zu zwei vollkommen unterschiedenen Schichten. Die äussere (Längsfaser-) Schicht ist nicht sehr kompakt und von dem umliegenden Bindegewebe durch eine Zone lockeren Gewebes geschieden, in dem das perifollikuläre Gefässnetz verläuft. . Ihre Fasern haben eine etwas wellenförmige Richtung und lassen ab und zu, namentlich an der Peripherie, Auseinanderzerrungen sehen, welche Lymphlakunen sind. Dieselben erscheinen deutlicher entsprechend dem mittleren und äussersten Teil der Wurzel, wo sie sich mit den zahlreichen Lakunen, welche in der Höhe der Papillenbasis bestehen, in Relation setzen.

Die innere Bindegewebsschicht ist kompakter, doch weniger fibrös. Sie wird gebildet durch lamelläre, spindelförmige Elemente, die um den Balg herum derartig regelmässig angeordnet sind, dass sie an die glatten Muskelfasern der Gefässhäute erinnern (vgl. Taf. XH, Fig. 7). Die Ähnlichkeit ist häufig so vollkommen, dass ich, um ihrer Identität sicher zu sein, nicht versäumt habe, zu den für die Differenzierung der verschiedenen Gewebe gebräuchlichen technischen

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 513

Verfahren zu greifen; doch zeigen sie stets die Färbung des fibril- lären Bindegewebes. Die Ringfaserschicht ist am dicksten um die Region des Balges herum, welche der Mündung der Zeissschen Drüsen vorausgeht Diese Verdickung ist konstant und steht in Ver- bindung mit dem sensiblen Nervenapparat der Cilien.

Die Elemente der beiden Bekleidungsschichten bieten sich der mikroskopischen Beobachtung immer schräg, und dies ist der Grund, warum das Protoplasma der Fibrozellen nicht deutlich erscheint und die Kerne langgestreckt, dünn, oft geschlängelt und intensiv gefärbt scheinen. Nur bei den oberflächlichen Teil des Balges in Längs- richtung treffenden Schnitten ist ihre Untersuchung möglich, da sie hier in der Fläche gesehen werden (vgl Taf. XII, Fig. 7). Mit aller Deutlichkeit konstatiert man alsdann, dass in der äusseren Schicht Faserbündel existieren, zwischen denen sich spärliche Fibrozellen be- finden, wodurch diese Schicht fibröser ist; während in der inneren Schicht fast einzig sich bindegewebige Fibrozellen oder Fibroblasten, gleich, wie man sie nennen mag, finden, welche jene vorhin erwähnte charakteristische Anordnung annehmen. Die in der Fläche gesehenen Fibroblasten bieten in ihrem Protoplasma nichts Bemerkenswertes; ihre Kerne sind oval, viel heller als im Profil beobachtet und zeigen sich, unter starker Vergrösserung, ausgestattet mit einem feinen, mit Knotenkernkörperchen durchsetzten Gerüst Die Kerne der inneren Schicht sind etwas grösser und weniger langgestreckt als die der äusseren Schicht

In innigstem Kontakt mit der Epithelscheide des Balges habe ich stets auch Elemente mit dickem ovoidalem oder rundlichem Kern von ungefähr 12 fi Durchmesser beobachtet, welche sämtliche Eigen- schaften endothelialer Zellen besitzen (Taf. XII, Fig. 7). Die von mir zum Nachweis der endothelialen Natur dieser Elemente gemachten Ver- suche sind erfolglos geblieben infolge der unübersteiglichen Schwierig- keiten, auf die man bei der Befolgung der von der Technik vorge- schriebenen Regeln stösst Ich habe sie jedoch während der Ver- schiebungen und Veränderungen verfolgt, die im Follikel und in seiner Bindegewebsbekleidung wählend des Alterns und des Wechsels der Cilien auftreten, und die Überzeugung gewonnen, dass es sich nicht um echte Endothelzellen, sondern um abgeplattete Bindegewebs- elemente von unregelmässig polygonaler Form handelt

Die Epithelbekleidung des Balges, oder eigentlicher Balg, ist aus Zweckmässigkeitsgründen und auch wegen Strukturverschiedenheit

514 A. Contino

in zwei Portionen zu teilen. Die eine wird uinfasst zwischen Epithel des Lidrandes und Ausmündung der Zeiss- und Mollachen Drüsen und kann passend als „Ausführungsabschnitt des Balges" bezeichnet werden; die andere, zwischen der Ausmündung der Drüsen und der Papille der Cilie gelegene, Portion halte ich nicht für un- angebracht, als Wurzel- oder Keimabschnitt des Balges zu be- zeichnen. Der Ausfuhrungsabschnitt des Balges zeigt eine der des Deckepithels des Lidrandes sehr ähnliche Struktur, von dem er auch nur die direkte Fortsetzung ist. Nichtsdestoweniger finden sich darin Eigentümlichkeiten, deren Schilderung notwendig ist, darunter eine recht ansehnliche Zahl von granulösen Zellschichten. Solcher Schichten bestehen in dem Epithel des Lidrandes selten mehr als zwei, kaum jedoch beginnt die Einstülpung des Balges, so nehmen sie an Zalü zu und es werden vier oder fünf daraus; ausserdem zeigen die zuerst abgeplatteten und mit feinen Keratohyalinkörnern versehenen Zellen ein ansehnlicheres Protoplasma, durchsetzt mit groben Körnern von unregelmässiger Form. Der Kern ist sehr häufig in der Kernhöhle zusammengeschrumpft und hinterlässt rings um seinen Umriss gleich- sam einen hellen Bing, der infolge des Kontrastes in der Färbung gut hervorsticht. In den mehr an der Oberfläche und in der Nähe der Übergangsfalte gelegenen Schichten sind die Keratohyalinkörner manchmal so reichlich, dass sie die ganze Protoplasmamasse ein- nehmen. Nach der Ausmündung der Drüsen hin nehmen die Schichten der granulösen Zellen allmählich ab, dann werden die Körner kleiner und seltener und verschwinden schliesslich (Taf. XII, Fig. 8).

Die Hornschicht, die in dem Epithel des Lidrandes so dünn ist, nimmt entsprechend der Übergangsfalte des Balges rasch an Dicke zu, derartig, dass sie die ganze Epithelmembran, mit der sie verwachsen ist und welche an dieser Stelle etwas zarter erscheint, übertrifft, nimmt dann entsprechend der Körnerschicht wieder an Dicke ab, um dann endlich mit dieser in der Nähe der Zeiss sehen Drüsen zu verschwinden, indem sich beide in eine Schicht verhornter, mit geschrumpften, stark gefärbten Kernen versehenen abgeplatteten Zellen fortsetzen (Taf. XII, Fig. 8). Die Lamellen, aus denen die Horn- schicht besteht, legen sich nicht zur Bildung einer kompakten Schicht übereinander, sondern sind untereinander durch die Ränder verwachsen; auf diese Weise bilden sie multilokulare Hohlräume, welche im Schnitt wie die Maschen eines Netzes aussehen. In solcher An- ordnung halten die Lamellen die Wimper nicht nur in dem Zentrum des Balges fest, sondern gestatten auch infolge ihrer Geschmeidigkeit

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 515

den Abfluss der Drüsensekretionen und verhindern Fremdkörpern den Eintritt von aussen (Taf. XII, Fig. 8).

In bezug auf die Mittelschicht ist wenig oder nichts zu be- merken: die Zellen sind gleich den des nahen Epithels; auch die Keimschicht bietet keinerlei Abweichung, doch habe ich nie darin Pigment angetroffen.

Der Wurzelabschnitt des Balges wird gebildet durch die soge- nannte äussere Epithelmembran der Autoren, die man jedoch eigent- lich nicht als Fortsetzung der oberen Epithelschicht betrachten kann, weil sie von ihr durch die Masse der Zeissschen Drüsen getrennt ist Ausserdem unterscheidet sie sich von derselben durch vielfache Merkmale. Von aussen her findet man in der Tat, dass die Keim- schicht aus viel grösseren cylindrischen Zellen gebildet ist, welche eine Länge von 20 und wohl auch 30 (i erreichen. Im Querschnitt gesehen, erscheinen dieselben von pentagonaler oder hexagonaler Form (Taf. XII, Fig. 7) und sind mit einer gut erkenntlichen Zellmembran ausgestattet und mit einem ovoidalen länglichen Kern von äusserst regelmässiger Form, welcher in der Mitte des Protoplasma oder näher an der Basis des Zellenelementes gelegen ist, derart, dass aussen ein ziemlich bedeutender freier Protoplasmasaum verbleibt, in dem die Zellmembran etwas dicker und mit kleinen Auszackungen besät ist, welche wie feine Streifungen aussehen (Taf. XII, Fig. 6). Die Zellen der Keimschicht sind miteinander durch kleine Rauheiten verwachsen, welche auf den Seitenflächen bestehen, während sie auf der tiefgelegenen Fläche mit Stacheln ausgerüstet sind, welche mit den Stacheln der darunter liegenden Zellen in Relation treten. Kleiner in der Nähe der Drüsen, werden die Zellen, nach und nach wie sie davon ab- rücken, grösser und das Protoplasma wird heller. Alle setzen sich in einer geordneten Reihe fort wie bei den embryonalen Geweben; auf der Höhe der Einengung jedoch, welche der Anschwellung der Zwiebel folgt, verlieren sie diese regelmässige Anordnung, die Kerne zeigen ihre Achsen in verschiedener Richtung geneigt, die Zellen werden kleiner, kubisch und dann abgeplattet und hören auf der am stärksten konvexen Oberfläche der Zwiebelanschwellung auf, nach- dem sie eine gewisse Strecke weit allein die äussere Epithelmembran gebildet hatten (Taf. XII, Fig. 6).

Die Mittelschicht zeigt eine nicht weniger regelmässige Anord- nung. Sie ist gebildet aus vier bis fünf Reihen polygonaler, zu der vorerwähnten Schicht parallel verlaufender Elemente. Ihr Proto- plasma nimmt wenig die Grundfarbe an und erscheint daher verblasst»

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während der Umriss stark hervorsticht, und hier kann man bei starker Vergrösserung äusserst charakteristische Stachel wahrnehmen, welche bedeutend ersichtlicher sind als die des Lidrandepithels und des Aus- führungsabschnittes des Balges. Die Kerne dieser Zellen sind rund- lich von einem Diameter von 5 7 (i und zeigen ein oder zwei echte Eernkörperchen und mehrere Knotenkernkörperchen inmitten eines zarten chromatischen Gerüstes.

Entsprechend dem Bulbus erfährt die äussere Epithelmembran eine rasche Verminderung ihrer Dicke und zwar zunächst infolge Zellverkleinerung, dann infolge des Verschwindens der zentralen Zell- reihen, so dass, unmittelbar bevor nur die Keimschicht übrig bleibt, letztere zusammen mit der Zellreihe persistiert, welche in Kontakt, mit der Wurzel der Cilie steht. Diese Elemente verdienen eine gewisse Beachtung: sie besitzen rechteckige Form und kleiden die innere Fläche der äusseren Epithelscheide ähnlich den Platten eines Steinbodens aus. Ihre Zellmembran ist an der inneren freien Fläche äusserst glatt und verdickt und hat das Aussehen eines von einer Zelle zur andern ununterbrochen gehenden Oberhäutchens. Bei starken Vergrösserungen erscheint diese Art Oberhäutchen von viel- fachen Querstreifungen durchzogen.

Der Hauptumstand sodann, durch den sich die äussere Epithel- membran von dem Epithel des Ausführungsabschnittes des Balges differenziert, ist das absolute Fehlen einer hornartigen Umbildung in ihr. Allerdings besteht neben den Plattenzellen eine Hornschicht, welche sich über die ganze Ausdehnung der Scheide hindurch fort- setzt, jedoch ist diese einfach an sie angelagert; während man in der Tat auf der einen Seite in der äusseren Epithelmembran nicht die verschiedenen Phasen der Verhornung antrifft, kann man auf der andern Seite nach der Zwiebel hin die Ursprungselemente der vor- erwähnten Hornschicht auffinden, welche die Autoren unter der Be- zeichnung „innere Epithelscheide" zur Unterscheidung von der an- liegenden Scheide begreifen.

Sowohl die Epithelscheide des Ausführungsabschnittes, als auch die des Wurzelabschnittes des Balges sind ausgerüstet mit einer Basalmembran. Während dieselbe jedoch bei dem ersteren keine grosse Bedeutung hat und geradezu die Fortsetzung der Basalmem- bran des Lidrandes ist, mit der sie gemeinsame Merkmale aufweist, verdient die mit der äusseren Epithelmembran in Zusammenhang stehende besondere Berücksichtigung, und nicht ohne Grund ist sie der Gegenstand sorgsamer Untersuchung und verschiedentlicher Deu-

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 517

tung von Seiten der Autoren gewesen. Sie ist strukturlos und stark lichtbrechend, was die Bezeichnung „Glasmembran" rechtfertigt, mit der sie belegt worden ist; sie wird gleich nach der Ausmündung der dem Balg angehörigen Drüsen sichtbar, erreicht ihre grösste Dicke (3 4 p) in der mittleren Portion des Wurzelabschnittes und entzieht sich der Beobachtung an dem unteren Ende desselben, wenn die äussere Epithelmembran bereits auf eine einzige Schicht meta- morphosierter Zellen zurückgegangen ist.

In bezug auf die innerste Beschaffenheit der Glasmembran sind die Autoren nicht einig: einige behaupten, sie sei von bindegewebiger Beschaffenheit, andere von epithelialer Beschaffenheit. Dieser An- sicht ist St öhr, welcher auf einem kürzlichen Kongress der Ana- tomie (Heidelberg 1903) eine Mitteilung seiner auf die Feststellung dieser Annahme gerichteten Forschungen gemacht hat. Ich kann bestätigen, dass allerdings die Glasmembran den gleichen Brechungs- grad und das gleiche Aussehen der Zellenmembran der basalen Epithelelemente besitzt, mit denen sie verwachsen ist Da sie mit gleicher Intensität die Grundfarben annimmt, wird sie oft mit dieser Membran verwechselt Auch bleibt sie, wenn sich zufällig bei der Präparation die Bindegewebsbekleidung des Follikels loslöst, leichter dem Epithel angehängt, mit dem sie stärkere Adhärenzen zu haben scheint und zwar einmal infolge der Auszackungen, mit denen der freie Band der Basalzellen besät ist, und dann infolge kleiner Fortsätze, die sie in die Zellenzwischenräume aussendet. Viele Tatsachen jedoch erhärten unwiderlegbar ihre bindegewebige Wesenheit; so färbt sie sich bei Verwendung der Methoden multipler Färbung von Calleya und van Gieson konstant (blau oder rot) zusammen mit der Bindege- websbekleidung des Follikels, von der man sie nicht unterscheiden kann. Ausserdem zeigt sie sich, wie ich weiter unten des näheren sagen werde, in den embryonalen Stadien, in denen es leicht ist, ihre ursprüngliche Struktur festzustellen, mit Kernen durchsetzt und macht sich als eine auf Proliferation der an der Papillenbasis sitzen- den Zellen beruhende Mesodermmembran bemerkbar. Auch in den jungen Cilien des Erwachsenen zeigt die Glasmembran, bei auf- merksamer Verfolgung längs ihres Verlaufs, in ihrer Dicke, noch bevor die äussere Epithelscheide aufhört, einige spärliche Kerne in Längsrichtung zu dem Balg, die nicht als zugehörig zu der Ring- faserschicht angesehen werden können, und zwar nicht allein wegen ihrer Richtung, sondern auch deshalb, weil oft einige der Kerne zwischen ihr und der äusseren Epithelschicht gelagert erscheinen.

518 A. Contino

Nach Aufhören dieser Scheide, ist jene nicht mehr als Glasmem- bran wahrnehmbar, setzt sich vielmehr in eine Schicht binde- gewebiger Elemente fort, welche die Konvexität des Ciliarbulbus bis zur Papillenbasis bekleiden. Auf die Tätigkeit dieser Elemente ist die periodische Regeneration zurückzuführen, welche sie bei der Ent- wicklung und dem Wechsel der Cilien erfährt Kommt man über diesen Gegenstand zum Schlüsse, so kann man wohl ohne weiteres behaupten, dass die Glasmembran nicht, wie man meint, eine Kitt- basalmembran zwischen dem Epithel und dem umliegenden Stroma ist, sondern vielmehr eine autonome Bindegewebsscheide, welche um den Wurzelabschnitt des Follikels herum die hyaline Umbildung er- fahren zu haben und nur an dem Ende des Bulbus noch den ur- sprünglichen Bau zeigt (Taf. XII, XIII, Fig. 6, 9, 11, 12).

Der Balg stellt eine äusserliche Bekleidung des Haares dar, jedoch besitzt das Haar auch eine eigentliche Bekleidung, die durch die schon erwähnte sogenannte „innere Epithelmembran" ge- bildet ist Von dieser inneren Epithelmembran wurde mit Unrecht angenommen, dass sie einen Teil des Follikels bilde durch die engen Beziehungen, welche sie mit demselben besitzt. Zu dieser falschen Annahme führte auch der Umstand, dass sie das Haar nicht in seiner ganzen Länge bekleidet, sondern in der Nähe der Ausmün- dung der dem Balg angehörigen Drüsen aufhört. Die innere Epi- thelscheide der Cilien bewahrt in ihrer ganzen Ausdehnung eine fast gleichförmige Dicke ausser an der Stelle, an der sie aufhört, wo sie sich etwas dicker zeigt und derartig angeordnet ist, dass sie eine ringförmige Höhlung um den Schaft (Ampulla) bildet (vgl. Taf. XI,

Fig. 1).

Den Bau der inneren Epithelmembran kann man auf dem Niveau der unteren Portion des Keimabschnittes des Balges stu- dieren; hier zeigt sich dieselbe gebildet durch zwei deutliche Zell- schichten, von denen die äussere von den Autoren als Henlesche Schicht, die innere als Huxleysche Schicht bezeichnet wird. Unmittelbar in Berührung mit letzterer besteht eine dritte kaum ab- grenzbare Zellschicht: es ist dies die sogenannte „Cuticula der in- neren Epithelmembran". Sowohl die Henlesche und Huxleysche Scheide wie die Cuticula, als auch die Elementschichten, welche den Cilienschaft bilden, das heisst, das Bekleidungshäutchen oder Epidermicula (Ranvier), die Grundschicht (Rindenschicht der Autoren) und die Markschicht, welche den Schaft längs seiner Achse durchzieht, haben ihren Ursprung in dem Bulbus.

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 519

Die Haarzwiebel hat eine keulenartige Form und wird oben durch eine leichte ringförmige Einschnürung begrenzt (Bulbusstriktur) (vgl. Taf. XII, Fig. 6). Sie ist, wie gesagt, in den jungen Haaren am Ende hohl nach Art einer Amphore. Diese Höhlung ist mit cy- lindrischen Zellen ausgekleidet, von denen einige pigmentlose, die im Kreise auf dem Rand der Amphore sitzen, die Mutterzellen der inne- ren Epithelscheide und der Epidermicula sind; die übrigen, die den Boden der Amphore auskleiden, sind pigmentreich und bilden die Keimelemente der Grundschicht und der Markschicht. Die pigment- losen Zellen haben eine ausgeprägt längliche Gestalt und sind ausge- stattet mit einem erheblichen freien Protoplasmasaum und mit einem stäbchenartigen, 8 12 (i in der Länge messenden Kern; sie bilden vier, entsprechend den Schichten, denen sie den Ursprung geben, an- geordnete Zellreihen und unterscheiden sich in nichts untereinander (Taf. XH, Fig. 6).

Die unmittelbar anstossenden Elemente zeigen einen embryonären Bau, so dass auch sie sich gegenseitig gleichen. Eine eigentliche Differenzierung ist nur entsprechend der mittleren Region der Am- phorenwandung zu erkennen. Hier zeigt sich die Henlesche Schicht gebildet durch eine Reihe abgeplatteter Zellen mit spindelförmigen Kernen mit wenig sichtbarem chromatischem Gerüst, ausgestattet jedoch mit einem grossen Kernkörperchen (Taf. XII, XIII, Fig. 9, 12). Weiter nach vorn in der Bulbuseinschnürung verlieren die Zellen ihre Grenzen, der Kern verlängert sich weiterhin bis zu einer Länge von 15^ und geht allmählich in eine zarte, stark gefärbte Streifung über, bis ungefähr an der Stelle, an der die äussere Epithelmembran durch zwei Zeilreihen gebildet ist: die basale und die innere, die Verhor- nung der Hen leschen Schicht schon gut eingeleitet ist und kein Schein von Kern mehr besteht (Taf. XII, XIII, Fig. 6, 9, 10, 11, 14).

Die Huxleysche Schicht ist gebildet durch eine Reihe recht- eckiger, gleichfalls doch weniger als die vorhergehenden abgeplatteten Zellen, die Kerne sind eiförmig, ansehnlich, in ihrem grössten Durch- messer 10 (i lang, das Protoplasma hat ein blasenartiges Aussehen und ist mit eosinophilen Elei'dingranulationen durchsetzt (Taf. XIII, Fig. 12).

Allmählich nimmt das Zellelement eine mehr längliche Gestalt an, der Kern wird spindelförmig und unregelmässig, das Protoplasma verliert das blasenartige Aussehen, um homogen zu werden, zu- sammengepresst; dann gehen die intercellulären Grenzen verloren, der Kern schrumpft zusammen und ringsum zeigen sich grobe amorphe

?. Greefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 3. 34

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Keratohyalingranulationen, welche sich intensiv mit Hämatoxylin färben. Schliesslich atrophiert der Kernleib ganz, die Granulationen verschwinden und nur noch helle Plätze zeigen die Stelle an, wo er bestand. Die definitive Verhornung der Huxley sehen Schicht er- folgt entsprechend der Stelle, an der die äussere Epithelmembran sich zu verjüngen beginnt (Taf. XII, XIII, Fig. 6, 11).

Die Zellen der Henleschen und Huxleyschen Scheide zeigen sich in den Längsschnitten in kontinuierlichen und parallelen Schichten angeordnet Die gleiche Disposition bemerkt man in den in der Höhe der letzten Portion der Wurzel geführten Querschnitten (Taf. XII, Fig. 9, 10); in den Schnitten jedoch, die an die Stelle fallen, wo die Henlesche Scheide schon keratinisiert ist, zeigen ihre Zellen Kon- tinuitätsunterbrechungen, zwischen welche sich Fortsätze von den Zellen der Huxleyschen Schicht einschieben (Taf. XIII, Fig. 11).

Das Oberhäutchen der inneren Epithelmembran (Cuticuia vaginae pili) besteht aus Zellen, welche in den Längsschnitten des Balges von vier- eckiger Form erscheinen (Taf. XII, XIII, Fig. 6, 12), in den Querschnitten dagegen sich länglich erweisen mit ovoidalen Kernen. In der Höhe der Zwiebeleinschnürung verlieren die Zellen die Quadratform, um eine rhomboidale Gestalt anzunehmen, deren freie innere Kante nach dem Bulbus hin gewendet ist; gleichzeitig nehmen sie auch in der Länge zu. Die Kerne werden alsdann kleiner, zeigen sich geschlängelt stäbchenartig und erreichen eine Länge von 20 fi und darüber (Taf. XII, XIII, Fig. 10, 14). Durch den Mechanismus, mit dem die Zellen in der Breite von der viereckigen in die rhomboidale Form übergehen, streben dieselben sich fischschuppenartig überein- ander zu legen. Diese Anordnung wird mit dem allmählichen Fort- schreiten des Verhornungsprozesses ersieh tlicher: die Zellen platten sich mehr und mehr ab, der Kern flacht sich ebenfalls ab, wobei er die gewöhnlichen Stufen der Atrophie erleidet, bis er in der Mitte zwischen dem bei der Henleschen und Huxleyschen Schicht beob- achteten Endpunkt verschwindet und die Cuticuia in ein schuppen- förmiges Hornhäutchen übergeht, welches mit der eigentlichen inneren Epithelmembran ein Ganzes bildet und sich nicht von dieser unter- scheiden lässt (Taf. XII, XIII, Fig. 6, 13).

Die Epidermicula ist das Bekleidungshäutchen des Schaftes, in den Wimpern ist sie dünn und stark lichtbrechend. Untersucht man sie an Längsschnitten, so erscheint sie gebildet durch eine einzige Schicht abgeplatteter, schuppen artig übereinander gelegter Zellen (Taf. XII, Fig. 6); an Querschnitten zeigen diese Zellen eine kon-

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 521

zentrische Anordnung, welche an Zwiebelschalen erinnert (Taf. XII, Fig. 10).

Entsprechend der mittleren, stärker konvexen Portion des Bulbus, in unmittelbarem Kontakt mit der Schicht der Elemente, welche der Cuticula der inneren Epithelscheide den Ursprung geben, sind die Zellen der Epidermicula kuboidisch mit rundlichem Kern (Taf. XIII, Fig. 12). In den folgenden Portionen zeigen sich diese Zellen nach aussen hin langgestreckt, der Kern erscheint ovoidal und nimmt die Basis der Elemente ein (Taf. XII, Fig. 6). An Querschnitten bemerkt man, dass sie sich seitlich ausbreiten und abplatten, so dass sie sich gegenseitig übereinanderlegen und es in den Längsschnitten zwischen den einzelnen Zellen leicht ist, die Schnitte der Fortsätze der da- zwischen gelegenen Zellen festzustellen (Taf. XII, XIII, Fig. 6, 10, 14). Die Elemente werden weiterhin immer plattenförmiger und der Kern ragt erheblich über die Protoplasmaflächen hervor, darauf werden sie geneigt, indem sie sich gegen den Balg, in der Richtung seiner Ba- sis, umbiegen. Auf diese Weise sich übereinanderlegend, ordnen sie sich schuppenförmig an, so dass sie in Querschnitten sehr denen der Cuticula der inneren Epithelmembran ähneln, mit denen sie leicht verwechselt werden (Taf. XII, Fig. 10). Bei einer sorgfältigen an tangentiell zu dem Schaft fallenden Schnitten ausgeführten Unter- suchung jedoch springen sofort deutliche Unterscheidungsmerkmale zwischen den Elementen dieser Scheiden in die Augen. Die Kerne der Cuticula sind mit der grösseren Achse gemäss einer transversal zu dem Balg liegenden Ebene angeordnet, dünn und sehr lang gestreckt, in der Epidermicula dagegen sind sie dicker und von ovoidaler Gestalt (vgl. Taf. XIII, Fig. 14). Ausserdem sind die Schuppen der Epidermicula regelmässig gegen das Ende des Schaftes gekehrt, während sie bei der Cuticula eine ganz entgegengesetzte Richtung haben (vgl. Taf. XII, XIII, Fig. 6, 12).

Diese Anordnung dient nicht wenig dazu, die Wimper in ihrem Balg zurückzuhalten; setzt man sie in der Tat einem Zug aus, so bietet sie einen verhältnismässig erheblichen Widerstand und es wird so auch verständlich, wie bei gewaltsamem Herausreissen fast stets die innere Epithelscheide mit herausgerissen wird.

Die Zellen sowohl der einen als der andern Membran verbleiben in innigem Kontakt, bis sich die vollständige Neigung der Epidermi- culazellen gegen den Schaft und ihre totale Verhornung vollzieht, welche bei beiden ungefähr auf der gleichen Höhe eintritt. Nach diesem Punkt bleiben sie scharf getrennt und die Epidermicula springt

34*

522 A. Contino

stark in die Augen, da sie sich intensiv mit Eosin färbt (vgl. Tat XII, Xm, Fig. 6, 13).

Die Rindensubstanz der Wimper, besser Grundsubstanz genannt, und die Markschicht werden durch die Pigmentzellen her- vorgebracht, welche an der Innenwand der Bulbusamphore sitzen. Diese Zellen sind von cylindrischer Gestalt, die jedoch weniger aus- geprägt ist als bei den Mutterzellen der äusseren Epithelscheide und der Epidermicula. Ihre feine Struktur ist infolge der Anwesenheit des Pigmentes, mit dem sie beladen sind, schwierig zu erkennen, jedoch kann man bei grosser Sorgfalt unter geeigneten Vergrösserungen beobachten, dass sie einen eiförmigen Kern besitzen, der mit einem zarten chromatischen Gerüst und mit feinen Kernkörperchen aus- gestattet ist. Die Keimzellen der Markschicht sind sodann etwas mehr platt gedrückt, und ihr Kern zeigt sich von rundlicher Form (vgl. Taf. XII, Fig. 6). Das Pigment ist vorwiegend an der Peripherie des Elementes abgelagert, wodurch klar wird, dass es auf Tätigkeit des Protoplasmas beruht; in der Regel ist es derartig angehäuft, dass es unmöglich ist, die feinen Körnchen zu erkennen, aus denen es gebildet ist. Auch der freie Protoplasmasaum der Zellen ist da- mit ausgerüstet und entzieht sich daher häufig der Beobachtung.

Bei Untersuchung der Längsschnitte an der Wurzel hat es den Anschein, als ob nicht alle Zellen dieser Schicht pigmentiert seien; dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass der Schnitt in einigen Elementen tangentiell zu ihrer Peripherie fällt und diese infolge des Pigmentes ganz schwarz scheinen; in andern fällt er in den zentralen Teil; alsdann ist es möglich, den Kern abzugrenzen, der von einem hellen Hof und ausserdem von einem peripherischen pigmentierten Hof umgeben ist (vgl. Taf. XII, XIII, Fig. 9, 12).

Die auf die Keimzellen folgenden Elemente der Grundschicht sind von polygonaler Form. Das Protoplasma erscheint mit Pigment- körnchen durchsetzt, welche hingegen in der Nähe des Kerns an- gehäuft sind, derart, dass die peripheren Konturen heller erscheinen; in den Zellen jedoch, welche in unmittelbarem Kontakt mit der Keimschicht stehen, ist das Pigment stets an der Peripherie abge- lagert, obwohl in geringerer Quantität, so dass es scheint, als ob die Keimzellen mit verästelten Fortsätzen ausgerüstet seien, welche sich in die Zwischenräume der benachbarten Zellen einschieben. Mit andern Worten, die pigmenterzeugenden Zellen sind die Keimzellen, in ihnen wird das Pigment an der Peripherie des Zellelementes beobachtet; die Zellen, die von ihrer Vervielfältigung herstammen, sind sämtlich

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pigmentführend. In den nächstgelegenen verbleibt das Pigment an der Peripherie und man findet eine gewisse Quantität desselben im Proto- plasma zerstreut; in den weiter abgelegenen hingegen ist es im Proto- plasma disseminiert und sammelt sich schliesslich um den Kern herum an (vgl. Taf. XIII, Fig. 12).

Die Kerne der Grundzellen sind von der gleichen Grösse wie bei der Huxley sehen Schicht, zuerst rundlich und versehen mit einem dicken Kernkörperchen und einem ziemlich sichtbaren chroma- tischen Gerüst; in den folgenden Portionen erscheinen sie ovoid und dann spindelförmig, mit der grösseren Achse parallel zu dem Schaft, gleichzeitig nehmen sie an Umfang ab und an Stelle eines dicken Kernkörperchens zeigen sie zahlreiche Granulationen. Der Kern- umriss verliert in der Folge seine Augenscheinlichkeit, schliesslich werden die Kerne auf der Höhe, in der bei der inneren Epithel- membran die Verhornung der Huxleyschen Schicht einsetzt, nur noch dargestellt durch Streifen einer stark gefärbten granulösen Sub- stanz; zarte Längslinien bezeichnen die intercellulären Grenzen (vgl. Taf. XII, Fig. 6). Das Pigment, das klümpchenförmig um den Kern herum abgelagert ist, wird mehr und mehr diffus, und wenn der Kern nicht mehr wahrnehmbar ist, dann büsst die Grundsubstanz der Cilie die Fähigkeit, sich mit Eosin zu färben, ein. Der zu einer Lamelle reduzierte Zellleib wird nur noch durch einen Streifen von Pigment bezeichnet, das infolge der durch das Protoplasma erfahrenen Zusammenziehung mehr in die Augen springt. Eben aus diesem Grunde zeigt die Wimper auf dieser Höhe eine dunklere Färbung.

Von der mit Zellen mit rundlichen Kernen bekleideten tiefst- gelegenen Portion der Amphore geht ein Strang von gruppenartig angeordneten Elementen ab, welcher sich der Achse des Cilienschaftes entlang fortsetzt und das sogenannte Mark desselben bildet (vgl. Taf. XII, Fig. 6).

Die Markzellen zeigen ein blasenartiges Aussehen, da sie nicht die Grundfarbe annehmen; das Pigment erscheint in ihren Umrissen abgelagert, so dass rings um den Kern stets helle Höfe hervortreten und zwar um so schärfer, je weiter die Zellen entwickelt sind. Sie besitzen eine von oben nach unten zusammengedrückte Gestalt Die Kerne zeigen eine diffuse Färbung, man bemerkt daher weder Kern- körperchen noch Kerngerüst. Es sind in den Haaren in dieser Schicht Vakuolen, mit Luft angefüllte Hohlräume, beschrieben worden; ich für meine Person habe in den Schäften der Cilien keine angetroffen. Mit dem Fortschreiten der Verhornung schrumpft der

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A. Contino

Kern zusammen; dann verschwindet er; die Zellgruppen nehmen an Umfang ab, und schliesslich bemerkt man längs der Achse des Schaftes einen Strang von geschrumpften, mit dunkleren Pigmentklümpchen als die umhegenden beladenen Körperchen. Es ist dies die letzte Umbildung der Markelemente (vgl. Taf. XII, XIH, Fig. 6, 11).

Eingelagert in die Bulbusamphore, deren Höhlung sie vollkommen ausfüllt, findet sich die Papille, die für die Ernährung des Haares zu sorgen hat. An ihr kann man einen Körper oder Kopf, einen Stiel und eine Ansatzbasis unterscheiden. Die Papille der jungen Cilien ist gebildet durch eine Gruppe von Elementen mit dicken

ovoiden Kernen, welche am meisten nach ihrer Spitze hin angehäuft und an der Peripherie in fast senk- rechter Richtung zu ihrer Ober- fläche angeordnet sind. Das Stro- ma besteht aus einem äusserst zarten Geflecht von Fibrillen, das wenig auffällt, da verdeckt durch die grosse Anzahl gekernter Ele- mente, von denen einige auch pig- mentiert sind. Die Kerne besitzen ein feines chromatisches Gerüst und zahlreiche kleine Kernkörperchen. Der Papillenkopf steht in Be- rührung mit dem freien Saum der pigmenterzeugenden Zellen der Am- phore, aus denen Ran vi er zu Un- recht eine Bekleidungsschicht der Papille macht Nie habe ich hier eine echte Basalmembran antreffen können; manchmal ist ein leichter heller Streifen vorhanden, in dem man bei starker Vergrös- serung dünne, mit Pigment versehene Verbindungsfibrillen wahrnimmt Jedoch sind dieselben nichts anderes als der optische Schnitt der intercellulären Grenzen des freien Abschnittes der Keimelemente des Markes.

Der Papillenstiel steht in der Amphorenöffnung in Beziehung mit den die innere Epithelmembran und die Epidermicula erzeu- genden Elementen. Die Kerne sind kleiner und spärlich, und die Beobachtung des delikaten Stromas, in dem sie zerstreut sind, ist daher weniger beschwerlich. Aus den peripherischen Elementen des Stieles entspringt die Glasmembran. Bemerkenswert ist die An-

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Anordnung der Bindegewebsbekleidung am den Bulbus einer jugendlichen Cilie (schematisch).

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« Ober Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 525

Wesenheit von hellen Bäumen, welche Lymphlakunen sind, die mit den übrigen im Ansatzgewebe der Papille bestehenden und mit denen der Bindegewebsbekleidung des Balges in Beziehung stehen.

In die Papille treten Gefässe und Nerven ein; die Gefässe sind kleinste, aus der blossen Epithelmembran bestehende Kapillaren;, zusammen mit denselben dringt auch ein Nervenfäserchen ein. Die Art des Eindringens der Gefässe und des Nervenf äserchens bietet einige bemerkenswerte Eigentümlichkeiten, welche bei der Besprechung, der Cirkulation und der Innervation des Lidrandes geschildert werden sollen.

Die Basis der Papille steht in Zusammenhang mit der Binde- gewebsbekleidung des Balges; in der Tat sind die Bingfasern, obschon an Zahl abnehmend, bis zur Öffnung der Bulbusamphore anzutreffen; von den Längsfasern verflechten sich die innersten in dieser Höhe mit denen der entgegengesetzten Seite, die andern setzen sich noch weiter fort und begleiten eine gewisse Strecke weit das Nervenfäserchen und die Gefässschlinge, sie gleichsam in einen Bindegewebsstrang einhüllend.

Ausgewachsene Cilien. Die ausgewachsenen Cilien ent- sprechen den Haaren mit voller Zwiebel der Autoren und zeigen gleich diesen so spezielle Eigenschaften, dass man sich nicht zu ver- wundern braucht, wenn dieselben eine Zeit für Haare von besonderer Natur gehalten wurden. Einige Forscher sodann, welche ahnten, dass sie verschiedene Stufen einer und derselben Entwicklung darstellten, irrten, insofern sie dieselben als junge Haare deuteten, für aus- gewachsene Haare hingegen die mit hohler Zwiebel ansahen.

Untersucht man nach der Hisschen Methode rekonstruierte aus- gewachsene Cilien, so bemerkt man sogleich die Kleinheit ihres Balges im Vergleich mit dem der jungen Cilien, und diese Kleinheit betrifft vor allem den Keimabschnitt, während der Ausführungsabschnitt in nichts verschieden ist (vgl. Taf. XI, Fig. 1). Während ferner der Wurzelabschnitt der jungen Cilien im grossen und ganzen Cylinder- form mit angeschwollenem Ende besitzt (vgl. Taf. XIX, Bek. 18), gleicht derselbe bei den ausgewachsenen Wimpern einer Keule, auf deren Kuppe man einen Vorsprung nach Art eines eingedrückten Knopfes bemerkt, der die Knospe der Wechselwimper darstellt (vgl. Taf. XIII, XIX, Fig. 15, Bek. 16).

Die histologischen Eigentümlichkeiten der ausgewachsenen Haare sind ja nunmehr wohl bekannt dank der in neuerer Zeit von hervor-

526 A. Contino

ragenden Forschern (Duval, Renault, Unna) angestellten Unter- suchungen. Nichtsdestoweniger scheint es mir nötig, die wichtigen Tatsachen hervorzuheben, dass der Ausführungsabschnitt des Balges hinsichtlich seines innersten mikroskopischen Baues dem der jungen Haare gleich ist, und dass die wichtigsten Unterschiede, welche die beiden Stadien charakterisieren, ihren Sitz im Wurzelabschnitt des Balges haben.

. Dies vorausgeschickt, verzichte ich darauf, eine Beschreibung des Ausfuhrungsabschnittes zu geben, da dieselbe nur eine zwecklose Wiederholung sein würde.

Es wurde erwähnt, dass der Keimabschnitt des Follikels durch die sogenannte äussere Epithelmembran gebildet wird. Diese Mem- bran, die unter den Hüllen der jungen Cilie eine ganz und gar sekundäre Bedeutung hat, wird hier hingegen zur bemerkenswertesten, zur wesentlichsten Bekleidung. In bezug auf die Zellschichten, durch die sie gebildet ist, verweise ich auf das schon Gesagte; es ist jedoch zu bemerken, dass die Elemente der Stachelschicht nicht in regelmässigen Reihen angeordnet sind, sondern, wie aus obiger Schil- derung hervorgeht, zeigen sie sich, und zwar namentlich auf der Ober- fläche der Zwiebel, dichter und angehäuft, infolgedessen die intercel- lularen Grenzen oft nicht evident erscheinen.

Die Kerne zeigen eine intensivere Färbung und hier und da echte Entartungsformen, endlich bietet die innerste Schicht der äusse- ren Epithelmembran an Stelle der klassischen rechteckigen Zellen mit ovalem Kern entstellte, verzerrte, von Hornausblätterungen der inneren Epithelmembran durchdrungene Zellen (vgl. Taf. XTTI, Fig. 15).

Die Wurzel der ausgewachsenen Cilie wird in ihrer Gesamtheit durch die Zwiebel gebildet und ähnlich dem Keimabschnitt, der sich nach ihr formt, hat sie die Gestalt einer vollen Keule (woher die Bezeichnung Haare mit voller Zwiebel). Die Wurzelhüllen mit Aus- nahme der inneren Epithelmembran und der Epidermicula, die, da sie intensiv das Eosin annehmen, gut erkenntlich sind, sind im übri- gen derartig verhornt und homogen, dass ihre Unterscheidung nicht möglich ist.

Die gleichfalls vollkommen verhornte innere Epithelmembran ist dicker als die homologe bei den jungen Wimpern und zeigt aussen zahlreiche Ausblätterungen, die ein höchst charakteristisches Aussehen besitzen (vgl. Taf. XIII, Fig. 15). Auf der Höhe einer Trennungslinie zwischen dem Wurzelabschnitt und dem Ausführungsabschnitt des

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 527

Balges bildet sie eine viel stärkere Aushöhlung als die bei den jun- gen Cilien beobachtete, die von einigen Autoren mit dem Kamen Ampulla belegt wurde.

Der eine und der andere Forscher (Herzog) möchte dieser Am- pulla der ausgewachsenen Cilien eine besondere Bedeutung beilegen, da dieselbe mit der Ablagerung äusserer Agenüen Entzündungen des Haarbalges begünstige; ich für meinen Teil habe Gelegenheit gehabt, zahlreiche pathologische Lidränder zu untersuchen, jedoch nie habe ich bemerkt, dass die ausgewachsenen Cilien eine stärkere Veranlagung zur Erkrankung hätten als die jungen.

Die Knospe der Austauschwimper hat die Gestalt eines gestielten Knopfes mit flachem, leicht eingedrücktem Gipfelende. In ihr hat man eine Portion zu unterscheiden, welche in direktem Zusammen- hang steht mit der äusseren Epithelmembran und einen Teil der- selben bildet; dieselbe wird dem Balg der neuen Wimper den Ur- sprung geben; eine Endportion, welche die eigentliche Sprosse bildet, aus der die Wurzel der Wimper hervorgehen wird, ein letzter als zugehörig zu der Austauschknospe zu betrachtender morphologischer Teil ist die Papille.

Der Knospenabschnitt, der durch die äussere Epithelmembran gebildet ist und ihrem Stiel entspricht, hat viele Merkmale mit dieser gemein, unterscheidet sich jedoch von ihr insofern, als die Keimschicht und besonders die Stachelschicht durch grössere Elemente gebildet sind, in denen alle feinsten Struktureigentümlichkeiten erkennt- lich sind.

Die eigentliche Matrix besteht aus einer Schicht kubischer Zellen, welche die Oberfläche der Gipfeleindrückung bekleiden. Diese Zellen sind ausgerüstet mit ziemlich kleinen ovoidalen Kernen; un- mittelbar unter dieser Schicht bemerkt man einen kegelförmigen Haufen von ansehnlichen Zellen, der bekleidet ist mit Schichten langgestreckter, nach der Stielachse konvergierender Elemente (vgl. Taf. XIII, Fig. 15). Die Matrix ist an der Oberfläche ausgerüstet mit pigmentierten Zellen, und in ihrer Masse finden sich Pigmentkörner zerstreut

Das Vorhandensein der Austauschknospe in den ausgewachsenen Cilien ist eine konstante Erscheinung als Folge ihres Entwicklungs- mechanismus, und wenn die Cilien vollkommen den übrigen Haaren des Organismus gleich sind, was übrigens auch entwicklungsgeschicht- lich nachgewiesen ist, so ist die Beobachtung von knospenlosen Haaren mit voller Zwiebel von Ran vi er auf Autoren allerletzter Zeit, welche

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annehmen, dass dieselbe sich späterhin aus Haaren oder Cilien, denen sie abginge, entwickle, absolut als irrig zu bezeichnen und erweckt in uns die Überzeugung, dass besagte Autoren sich bei ihren Unter- suchungen nicht der Serienschnitte bedient haben.

In bezug auf die Lage, welche die Austauschknospe gegenüber dem Balg einnimmt, ist zu bemerken, dass dieselbe gerade an der Spitze desselben liegt Allerdings trifft man oft auch solche an, welche eine mehr oder weniger excentrische Lage haben; jedoch ist diese Erscheinung keine normale und tritt nur dann auf, wenn die Entwicklung durch lokale phlogistische Prozesse gestört ist, welche zu narbigen Schrumpfungen der umliegenden Gewebe Veranlassung geben. Da nun die Richtung der neugebildeten Wimper gleich der der Knospe ist, aus der sie hervorgegangen ist, so wird bei excen- trischer Knospe die Sichtung der neuen Cilie falsch sein. So er- klärt es sich, wie bei Lidrandaffektionen fehlerhaft angeordnete Cilien entstehen.

Die Papille der ausgewachsenen Cilien ist weniger ein diesen eigenes Organ, sondern gehört der Austauschknospe an und hat die Gestalt einer Halbkugel. Renault bezeichnet sie als „Basalkugel- haube", aus welchem Grunde vermag ich nicht einzusehen. Sie ist gebildet aus Elementen von embryonaler Natur; in Berührung mit der Oberfläche der Gipfeleindrückung der Knospe haben die oval- förmigen Kerne eine vertikale Richtung zu derselben, in dem zentralen Teil sind sie dicht zusammengedrängt, und es ist kaum möglich, zwischen ihnen den Durchschnitt einiger kleinsten Kapillaren zu unter- scheiden; es ist keinerlei tibrilläres oder spindelförmiges Element vor- handen.

In den am stärksten konvexen Abschnitt der „Basalkugelhaube" dringt die Gefässschlinge und die Nervenfaser ein, vereinigt in Form eines geraden Stranges, welchen man auf einer verhältnismässig lan- gen Strecke in dem Stroma des Lidrandes verfolgt Bemerkenswert ist, dass der Nerven-Gefässstrang die gleiche Richtung des Balges hat; er ist eingehüllt durch Bindegewebsfasern, die aus der äusseren Balgbekleidung herrühren und die nach Umhüllung der konvexen Oberfläche der Papille ihm bis an sein Ende folgen.

Bevor ich diesen Gegenstand verlasse, bleibt mir nur noch übrig, auf die Bindegewebsscheide des Balges aufmerksam zu machen, na- mentlich auf den Teil, welcher den Wurzelabschnitt bekleidet Die- selbe zeigt eine beträchtliche Dicke infolge einer starken Verdichtung der Ringfasern, welche um die Knospe der Austauschcilie herum ein

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Maximum erreicht; hier bilden die Pasern ausserdem eine Art fibröser Kapuze, welche die Papille an die Spitze der Knospe adhärent er- hält (vgl. Taf. XIII, Fig. 15, 16). Gleichzeitig mit der Verdickung der Bindegewebsbekleidung verzeichnet man eine Verdickung der Glasmembran, welche entsprechend der stärksten Konvexität der von dem Wurzelabschnitt gebildeten Keule einsetzt Um den Knospen- stiel herum ist ihre Dicke gleich der der Basalschicht des von ihr bekleideten Epithels, büsst aber den Charakter grosser Lichtbrechung ein; so ausgebreitet hört sie am Rand der Kuppeneindrückung der Knospe auf.

Lebenscyklus der Cilien. Die Umwandlung der Cilien mit hohler Zwiebel in solche mit voller Zwiebel, in andern Worten das Altern der Wimpern erfolgt allmählich und wird durch einen beson- deren Mechanismus geregelt Die Auffindung der Übergangsformen dieser Entwicklung ist verhältnismässig leicht an Stellen wie der be- haarten Kopfhaut, wo eine ausserordentlich grosse Anzahl von Haaren bestehen, während zu ähnlichen Forschungen an den Cilien ein höchst ausgedehntes Untersuchungsmaterial erforderlich ist Und doch ist bis jetzt meines Wissens niemand in der Lage gewesen, eine genaue Beschreibung der verschiedenen Zwischenstufen zwischen den beiden Haarformen zu geben.

Am Lidrande sind hierzu am instruktivsten die Schnitte, welche von jungen Objekten herrühren, da die Gewebe hier besser ihre zarte Textur zeigen.

Die erste Stufe des Alterns der Cilie ist gegeben durch die Er- schöpfung der Zeugungszellen, welche in den Wänden der Zwiebel- amphore sitzen; diese Zellen hören auf zu proliferieren, während die Masse der Haarzwiebel sich zu verhornen strebt; alsdann wird die Cilie in ihrem Balg sozusagen zu einem inerten Körper und als solcher ist sie unvermeidlich dazu bestimmt, eliminiert zu werden. Ich will die Annahme nicht wagen, dass die Elimination der Cilie und die Atrophie des Balges die Folgen eines blossen Keaktions- vorganges seien, sondern überlasse die Beurteilung andern, die diese Forschungen wieder aufnehmen werden, bestehe jedoch darauf, auf die hinreichend bezeichnenden Veränderungen aufmerksam zu machen, welche man in der Bindegewebsscheide des Balges beobachtet und die uns jedenfalls zum Bewusstsein bringen, dass die Elimination der Wimper durch einen aktiven Mechanismus erfolgt.

Es ist bekannt, dass die äussere Epithelmembran bei jungen

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Cilien am Anfang der Zwiebelanschwellung aufhört und dass diese dann in Berührung oder nahezu in Berührung mit der Bindegewebs- bekleidung kommt. Sobald die Wimper ihre Lebensfähigkeit ein- büsst, trifft man in diesem Abschnitt der Bindegewebsbekleidung eine beträchtliche Vermehrung der lokalen Elemente an, welche man bis ungefähr zur Mitte des Ausfiihrungsabschnittes des Balges verfolgt Alsdann beginnt die Cilie innerhalb ihres Balges hinabzusteigen, die Zwiebel zieht sich zusammen und nimmt eine an dein Ende, wo sie noch in Zusammenhang mit der Papille verbleibt, abgeplattete Keulen- form an 5 seitlich ist sie vollständig von der äusseren Epithelmembran umgeben (vgl. Taf. XIIT, Fig. 17). Bei dieser Zusammenziehung und Elimination des Bulbus bleibt die Papille nicht bekleidungslos, da ihr die Schicht der Zellen verbleibt, welche das Innere der alten Zwiebelamphore auskleideten, nach aussen verstärkt durch die Zellen des Amphorenrandes und durch die des letzten Abschnittes der äusseren Epithelmembran, die sich darüber zu legen streben.

Eine weitere wichtige Erscheinung ist die Verdickung, welche die Glasmembran entsprechend dem letzten Abschnitt der Keim- schicht erfährt. Diese Verdickung ist konstant und zeigt deutlich die elastische Beschaffenheit dieser Membran, welche, infolge des Herabgleitens des Bulbus zusammenschrumpfend, an Dicke zunimmt

Die Verdickung der Glasmembran hat eine gewisse Beziehung mit der der Bindegewebsscheide des Balges, man verfolgt sie bis an den Papillenstiel. In der Papille beobachtet man auch in der Re- generation ihrer Elemente bestehende Modifikationen, wodurch diese eine embryonale Physiognomie gewinnen.

Untersucht man ein weiteres Entwicklungsstadium, so beobachtet man, dass der Wurzelabschnitt des Balges kürzer ist und eine bau- chige Form anzunehmen beginnt, als ob er von oben nach unten eine Zusammendrückung erfahre (vgl. Taf. XIV,>Fig. 18). Die äussere Epithelmembran scheint um den Bulbus herum stark zusammen- gedrückt, der nunmehr etwas von der Papille abgerückt und stärker keratinisiert ist; in der Tat bewahren nur noch wenige Elemente Spuren eines Kerns. Die innere Epithelmembran ist vollständig ver- hornt und homogen. Die Glasmembran hat eine grössere Dicke und ebenso die Ringfaserschicht, welche noch kompakter und regelmässiger wird, so dass sie namentlich in den Querschnitten eine glattfaserige Muskelhaut vortäuscht. Die Papille ist ganz und gar regeneriert; in der Tat gibt sie in den nach der Methode Calleyas behandelten Prä- paraten nicht die Reaktion des Bindegewebes, da sie nur aus embryo-

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nären Elementen gebildet ist und keine Fibrillen enthält. Bekleidet ist sie mit einer innersten Schiebt stärker gefärbter Zellen, mit einer nicht gut erkenntlichen Zwischenschicht und mit einer äusseren Schicht, die aus regellosen, aus der äusseren Epithelmembran herrührenden Elementen besteht Im Verein mit dieser ihrer Bekleidung, welche in ihrer Form an die alte Bulbusamphore erinnert, strebt sie, sich von dem übrigen Teil des Balges abzutrennen, und es bildet sich so dar- unter eine kreisförmige Einschnürung (vgl. Taf. XIV, Fig. 18).

In einem dritten Stadium erscheint die ganze Keimschicht des Balges noch kleiner an Höhe, bauchiger und nimmt die Form einer Keule an; die Zwiebel ist vollkommen verhornt, sie befindet sich jetzt in einer erheblichen Entfernung von der Papille, von der sie ausser durch die äussere Epithelmembran durch einen Epithelcylinder getrennt ist, welcher den künftigen Stiel der Austauschknospe bilden wird (vgl. Taf. XIV, Fig. 19).

Obgleich die Entstehung dieses Epithelabschnittes auf dem Her- abgleiten der Zwiebel beruht, so ist doch zu bemerken, dass er aus Elementen gebildet ist, die sowohl durch Grösse als durch den feinen Bau von denen der äusseren Epithelmembran gänzlich verschieden sind. Diese erscheint noch mehr zusammengezogen, ihre Elemente beginnen ihre besondere Kegelmässigkeit zu verlieren und werden um den Bulbus herum zusammengeschrumpft mit atrophischen Kernen.

Die innere Epithelmembran, die, wie bekannt, oberflächlich an der äusseren Scheide in der oberhalb des Ausführungsabschnittas be- stehenden Aushöhlung festsitzt, in Längsrichtung zusammengedrückt, blättert sich aus, und die Schuppen dringen in die umliegende Schicht ein, indem sie eine Entstellung derselben bedingen, derart, dass sie mit strahlenartigen Hornstreifungen durchsetzt erscheint, welche dem Bulbus jenes charakteristische, bei Gelegenheit der ausgewachsenen Cilien beschriebene Aussehen verleihen. Da ferner die Epithel- membran bei der Ausstossung der Cilie zur Ausstülpung neigt, dehnt sie die Aushöhlung, in der sie festsitzt, aus, und es bildet sich so die Ampulla.

Die Epithelbekleidung der Papille bewahrt noch die Form einer kleinen Amphore. Bei ihrem Herabgleiten streckt die Papille den Nervengefässstrang, der an ihr fixiert ist, so dass derselbe gerade wird.

Von diesem Stadium zu dem der ausgewachsenen Wimper ist nur ein kurzer Schritt. Um sich hiervon zu überzeugen, genügt es, einen Blick auf die Figuren 19 und 20 zu werfen, die nach dem Lide eines dreijährigen Kindes gezeichnet sind.

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Bei dieser Betrachtung der Art und Weise, wie sich der Alterungs- prozess der Cilien vollzieht, scheint es mir zwecklos, jetzt die von einigen behandelte Frage erörtern zu wollen, ob nämlich die auf der letzten Stufe ihrer Entwicklung angekommene Cilie noch fähig ist, weiterhin zu wachsen. Einige haben dies für die Haare behaupten wollen, wobei sie sich auf mehr oder minder diskutierbare Be- obachtungen an Tieren stützten; da ich mich mit den Cilien be- schäftige, so behaupte ich, dass bei den ausgewachsenen Cilien kein weiteres Wachstum möglich ist, da die Zeugungselemente der Wurzel vollkommen verhornt und demnach nicht mehr lebens- fähig sind.

Wechsel der Cilien. Die Wimpern sind gleich den Haaren nach Erreichung der letzten Stufe ihrer Entwicklung, das heisst wenn sie ausgewachsen sind, dazu bestimmt, auszufallen und durch andere neugebildete ersetzt zu werden. Obwohl die ersten Beobachter wussten, dass die Haare einer periodischen Erneuerung unterliegen, konnten sie sich nicht erklären, dass die Anwesenheit zweier Haare in einem Balg die Folge dieses Wechsels war, und einige beschrieben eine Haarbalgvarietät mit zwei Haaren. Nach den Arbeiten von Unna und neuerdings von Duval ist nunmehr der Mechanismus, welcher diesen Vorgang regelt, bedeutend aufgehellt worden. Was die Cilien anbelangt, so behandeln die Arbeiten von Donders und Malhy den Gegenstand mehr von der makroskopischen Seite, was von ge- ringerem Interesse ist

Es dürfte hier angebracht sein, zu erwähnen, auf welche Weise die Hauptveränderungen in der Austauschknospe vor sich gehen, welche an der Spitze der ausgewachsenen Cilien vorhanden ist Es wurde erwähnt, dass die Austauschknospe gebildet ist durch den Stiel, welcher in Zusammenhang mit der äusseren Epithelscheide steht, und durch die eigentliche Matrix, welche mit der Papille in Berüh- rung bleibt Der Mechanismus des Cilienwechsels beginnt mit einer starken Tätigkeit der Zellen des Stieles; zahlreiche Karyokineseformen zeugen für diese Tätigkeit. Der Stiel wird dicker und streckt sich (vgl. Taf. XIV, Fig. 21), gleichzeitig steigen die Zellen der Matrix, welche der Papille aufliegen, sowohl infolge des Anstosses, den sie durch das Grösserwerden des Stieles erhalten, als auch weil sie gleichfalls zu proliferieren beginnen, an den Seiten der Papille hinauf und stellen die kleine Amphore wieder her. Diese zeigt sich gebildet durch eine äussere Schicht von Basalzellen, die die Fortsetzung der

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Zellen des Stieles sind, und innen durch pigmentierte Zellen; zwischen diesen Schichten nun sind die ovoidalen Zellen zwischengelagert, welche zu der inneren Epithelscheide und der Epidermicula führen werden. Diese Zellen konvergieren, wie ich schon erwähnt habe, oberhalb des Amphorenbodens, indem sie die Elementgruppe ein- hüllen, welche an die Pigmentschicht angrenzend besteht; aus ihnen werden die Grundschicht und die Markschicht der neuen Cilien hervorgehen.

In der weiteren Entwicklung nimmt der Stiel rasch grössere Pro- portionen an, die Haupttätigkeit aber liegt in der Matrix: die kleine Amphore wird grösser und in ihrer Wand differenzieren sich die verschiedenen Schichten, es bildet sich die Zwiebel der neuen Wimper, und die Basalzellen des Stieles, der nunmehr den Namen eines Balges annehmen kann, reichen nicht mehr zur Bedeckung der Bulbus- konvexität hin (vgl. Taf. XI, Kg. 2).

Aus diesen wenigen Hinweisen springt eine wichtige Tatsache in die Augen, dass nämlich die neugebildete Wimper sich gleich- zeitig mit ihrem Balg entfaltet, im Gegensatz zu den Vorgängen, die, wie wir weiter unten sehen werden, sich bei dem Wechsel der fötalen Cilien abspielen.

Die Richtung des neuen Balges ist identisch mit der ersten, da er längs des von der Papille bei ihrem Herabgleiten zurückge- lassenen Nervengefässstranges vorrückt, wo sicherlich ein potentieller Raum bestehen muss. Die Verdichtung der Bindegewebsbekleidung und die Verdickung der Glasmembran verschwinden. Die zuerst ver- hornende Schicht ist die innere Epithelmembran und nach- dieser die Henlesche Scheide, dann die Grundschicht.

Kurz bevor die Wurzel der neugebildeten Cilie die normale Höhe erreicht, ist der Schaft fertig gebildet und beginnt, durch die innere Epithelscheide bekleidet, vorwärts zu dringen, erreicht den Gipfel der Zwiebel der alten Wimper und gleitet allmählich über die Wand desselben, wobei er sich mit seiner scharfen Spitze einen Weg inmitten der äusseren Epithelmembran aushöhlt (vgl. Taf. XIV, Fig. 21, 22). Donders behauptet, die neue Cilie durchbohre die innere Epithelmembran der alten; diese Beobachtung verdient keine Erörterung.

In diesem Stadium sind die Verwachsungen der alten Wimper von so geringer Festigkeit, dass ein einfaches Reiben genügt, um sie ausfallen zu lassen; indessen rückt die junge Wimper unter Voraus- tritt der inneren Epithelscheide bis an den Ausführungsabschnitt des

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Balges vor. Die Scheide bleibt alsdann stehen, während der Schalt sie durchbohrt und, von der Epidermicula bekleidet, weiter vorwärts schreitet (vgl. Taf. XIV, Fig. 21). Der Grund, aus welchem die innere Epithelscheide stehen bleibt, ist von niemand nachgewiesen worden; sicherlich muss der Umstand durch eine Ungleichmässigkeit in der Proliferation zwischen ihren Zeugungszellen und denen der Grund- schicht erklärt werden; da dann der Haarschaft von härterer Kon- sistenz ist, durchbohrt er sie, um so mehr als die Membran, da sie sich auf der Höhe der Ausmündung der Drüsen befindet, durch die Einwirkung des Sekretes derselben eine Erweichung erfährt

Zeisssche Drüsen.

In den Cilienbalg münden zwei Drüsenarten: den der gewöhn- lichen Haare analoge Talgdrüsen und die von Moll beschriebene Drüse. Die nach dem Namen des Autors, der ihrer zuerst beson- dere Erwähnung tat, als Zeisssche Drüsen bezeichneten Talgdrüsen sind in der Folge vornehmlich von Sappey studiert worden. Sie nehmen die ungefähr der Vereinigungsstelle des oberen mit dem mittleren Drittel entsprechende Gegend des Balges ein und teilen denselben in zwei Abschnitte: den Ausführungs- und den Keimab- schnitt. Im wesentlichen stellen sie nichts weiter dar als hohle Aus- stülpungen der Epithelwand, auf der sie adhärent sind.

Aus den Rekonstruktionen, die ich ausgeführt habe, ersieht man, dass sie eine verschiedenartige Form haben. Bald erscheinen sie als einfache Zapfen, die sich parallel zu dem Balg entwickeln, mit leicht maulbeerartiger Oberfläche, bald hingegen haben sie das Aussehen von durch zahlreiche, recht deutliche Acini gebildeten Trauben (Taf. XIX, Rek. 17, 18). Bei Neugeborenen zeigen die Zeissschen Drüsen fast stets Traubenform und erscheinen in bezug auf den Balg umfang- reicher, als man bei Erwachsenen findet. Dies beruht auch auf dem Umstand, dass dieselben bei dem Grösserwerden des Lides nicht der entsprechenden Entwicklung der Cilien folgen. Die Hauptdrüsen sind in Zweizahl für jeden Balg vorhanden und sind in der Parallel- ebene zu der Lidfläche angeordnet. Gewöhnlich jedoch trifft man noch um den Balg herum gelegene Nebendrüsen an, so dass dieser vollständig von Talgdrüsen umgeben erscheint. Die Nebendrüsen be- stehen manchmal nur aus einem oder zwei Acini und treten als kleine Höcker auf der Balgfläche hervor; in diesem Falle können sie auch abirrend sein und zwar sich an von dem gewöhnlichen Punkt ab-

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liegenden Stellen vorfinden, stets jedoch in dem Bereich des Aus- führungsabschnittes (Taf. XIX, Rek. 16, 18).

Die so häufige Vielfältigkeit der Zeissschen Drüsen, die nur durch plastische Rekonstruktionen zu konstatieren möglich ist, erklärt die klinische Erscheinung der Neigung zum Rezidiv, welche oft die Gerstenkörner besitzen. In der Tat kann sich die Entzündung einer Drüse auf die übrigen nahe gelegenen mit einem längeren oder kür- zeren Zwischenraum fortpflanzen, wodurch die Idee eines Rezidivs des entzündlichen Prozesses gegeben wird.

Manchmal sind die Zeissschen Drüsen derartig dem Balg auf- gelegt, dass keinerlei Einschnürung an ihrer Basis zu unterscheiden ist, während sie andere Male mit einem Stiel versehen sind, der als ein echter Ausführungsgang angesehen werden kann. Untersucht man nach der Ebene, in der die Drüsen angeordnet sind, geführte Längsschnitte, so kann man deren Wechselbeziehungen und Struktur studieren. Da bemerkt man denn zunächst, dass sie in das Innere des Balges durch einen schief in dessen Wand ausgehöhlten Kanal einmünden; ihr Ausführungsgang oder Stiel ist also gebildet durch die Epithelmembran des Balges, welche sich ausstülpt und derart verjüngt, dass sie an der Übergangsfalte nur mehr durch drei Reihen von Elementen gebildet ist In der Folge bleibt die Basalschicht noch fortbestehen, welche etwas auf die Drüsenoberfläche hinaufgeht, während ihre Zellen sich von oben nach unten abflachen, lamellen- artig werden und die Kerne aus der ovalaren in rundliche Form übergehen und dann derartig platt gedrückt werden, dass sie im Profil als leichte gefärbte Streifen erscheinen. Ein ähnlicher Vor- gang ist der des Auslaufens der äusseren Epithelmembran entsprechend der Haarzwiebel (vgl. Taf. XIV, Fig. 23).

Die Basalschicht des Ausführungsabschnittes des so metamor- phosierten Balges kommt in Kontakt mit der Reihe der Basaldrüsen- zellen zu stehen, welche äusserlich die Acini bekleiden. An den an der Drüsenoberfläche geführten Schnitten von vorn gesehen erscheinen diese Zellen von pentagonaler Form mit feinkörnigem Protoplasma. Ihr Kern ist rundlich mit einem oder zwei grossen Kernkörperchen {l1^ bis 2 p Durchmesser) und einem zarten chromatischen Gerüst ausgestattet, welches die elektiven Farben mit der gleichen Stärke wie die Kerne der Epithelscheide des Balges annimmt Von der Seite gesehen, erscheinen die peripherischen Zellen rechteckig und ihr Kern zeigt sich von ovaler Form mit parallel zu der Oberfläche des Acinus verlaufender Achse. Aus dieser Beschreibung ersieht man, dass die

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Basalschicht aus Pflasterzellen und nicht aus den der Epidermis ähnlichen Cylinderzellen gebildet ist, wie einige Autoren für die Talgdrüsen der gewöhnlichen Haare behaupten1).

Nach aussen von der Basalschicht der Z eis s sehen Drüsen ist ein stark lichtbrechendes Häutchen vorhanden, welches sich auf der einen Seite in die Basalmembran des Ausführungsabschnittes fort- setzt und auf der andern sich mit der Glasscheide vereinigt, von der sie vor allem den Charakter der äussersten Lichtbrechung zeigt Dieses strukturlose periglanduläre Basalhäutchen ist besser sichtbar auf der äussersten Gipfelportion der Acini, während man es entsprechend dem Stiel, wo die metamorphosierten Basalzellen des Balges bestehen, nicht deutlich erkennt. Die zu seinem Nachweis geeignetsten Prä- parate sind die mit Hämatoxylin, Eosin und Pikrinsäure gefärbten (vgl Taf. XIV, Fig. 23).

Die peripheren Elemente der Zeissschen Drüsen sind, ähnlich denen der Epithel wand des Balges, auch Keimelemente; sie allein sind fähig sich zu vermehren, auf sie ist die eigentliche Funktion 'der Drüse reserviert.

Untersucht man die unmittelbar nach innen liegenden Zellen, so beobachtet man, dass dieselben umfangreicher sind als die ersteren und von polyedrischer Form; der Kern ist vollkommen rund und etwas heller, in dem Protoplasma bemerkt man ein feines Netzwerk, das in der Nähe des Zellumrisses besser hervortritt und dessen Maschen durch lichtbrechende Talgtröpfchen eingenommen werden, welche sich unter der Einwirkung von Osmiumsäure schwarz färben. In den am meisten zentralwärts gelegenen Abschnitten der Acini nehmen die Fetttröpfchen das ganze Zellgebiet ein und werden grösser und dichter, die Maschen des Netzes erscheinen dementsprechend weiter und der Kern stärker entfärbt.

In der Nähe des Stieles nehmen die Zellen infolge der grossen Talgsubstanzanhäufimg grössere Proportionen an, gleichzeitig degene- riert der Kern, verliert die scharfen Umrisse und wird infolge der Kompression, die er erfährt, von unregelmässiger Form, koartiert sich und zeigt sich dementsprechend intensiver gefärbt. Dann entstellt und verkleinert er sich noch mehr und entzieht sich der Beobach- tung; gleichzeitig zerreissen die Maschen des Protoplasmanetzwerkes und die Fetttropfen fliessen zusammen, die Zellmembran zerspringt und die Talgsubstanz ergiesst sich zusammen mit den Zelldetriti in den Ausführungskanal (vgl. Taf. XIV, Fig. 23).

») M. Duval, Traitö d'Histologie, S. 269.

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Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Bildung der Talgsub- stanz ausschliesslich auf das Protoplasma zurückzuführen ist und zwar ist es der granulöse Teil desselben, das Endoplasma, welches die Fettumbildung erfährt und sich zwischen den Maschen des Cyto- plasma ansammelt Der funktionelle Vorgang besteht nicht schon in einer echten Sekretion, sondern in einer physiologischen Entartung, auf die die Zerstörung des Zellleibes folgt

Molische Drüse.

Die Mollsche Drüse, über die spezielle Monographien von Satt- ler und Tartuferi, welch letzterer sie auch nach der Seite der ver- gleichenden Anatomie studierte, vorliegen, wird von den Autoren für eine modifizierte oder in ihrer Entwicklung stehen gebliebene Schweiss- drüse angesehen.

Sie mündet beständig in den Haarbalg1), aus dem sie embryo- logisch ihren Ursprung nimmt, und zwar in dem Ausführungsab- schnitt oberhalb der Z ei ss sehen Drüsen; manchmal jedoch mündet sie zwischen diesen, weshalb Fuchs behauptet, die Mol Ische Drüse münde zwischen den Zeissschen Drüsen (vgl. Taf. XI u. XIX, Fig. 1, Itek. 16, 17, 18).

Viele Autoren vertreten die Ansicht, dass sie häufig geradezu in das Epithel des Lidrandes einmünde: es ist dies ein auf der Rich- tung der histologischen Schnitte, welche nur die Drüse getroffen haben, beruhender Anschein; in der Tat sieht man sie, wenn man die angrenzenden Schnitte untersucht, mit aller Sicherheit dem Balg einer Wimper folgen.

Die Mollsche Drüse ist eine Schlauchdrüse, welche am Ende Windungen bildet, die denen der Schweissdrüsen wenig ähnlich sind, weshalb der Ausdruck Knäuel für sie nicht recht passend ist. Häufig handelt es sich nur um wenige Windungen (vgl. Taf XIX, Rek. 18). Zuweilen beobachtet man eine mehr oder weniger ver- wickelte Verschlingung, doch ist auch in diesem Falle die lang ge- streckte Anordnung der Drüse wenig mit einem Knäuel vergleichbar (vgl. Taf. XIV, Fig. 24).

In der Mol Ischen Drüse ist ein echter Ausführungsgang und ein secernierender Schlauch zu unterscheiden, der sich an der Stelle,

l) Die Mol Ischen Drüsen und die Ohrenschmalzdrüsen des äusseren Ge- hörganges sind die einzigen Drüsen des Organismus, welche in den Haarbalg ausmünden.

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wo er sich in den Gang fortsetzt, verbreitert zeigt Diese Verbreite- rung habe ich fast stets an meinen Präparaten angetroffen und die- selbe ist oft so ausgesprochen, dass sie sich wie ein Bläschen (Am- pulle) analog dem der Schweissdrüsen ausnimmt (vgl. Taf. XI u. XIV, Fig. 1, 24). Je mehr sich dann der Drüsenschlauch dem Ende nähert, desto mehr verkleinert er sich und an dem blinden Boden, welchen er am Ende bildet, besitzt er ein kaum erkenntliches Lumen.

In dem Ausführungsgang ist ein follikulärer und ein extra- follikulärer Abschnitt zu betrachten. Ersterer hat die Form eines Kegels mit dem Balg entsprechender Basis, ist gebildet aus den gleichen Elementen wie dieser; innerlich besitzt er ein mit granu- lösen Zellen und Hornlamellen ausgekleidetes Lumen, äusserlich ist er mit Basalzellen ausgerüstet, welche sich direkt in die Keimschicht des Ausführungsabschnittes des Balges fortsetzen. Die Zellen der Mittelschicht weichen in der Follikularportion nicht von denen des benachbarten Epithels ab; nach und nach, wie sie sich von dieser entfernen, nehmen sie ein spindelförmiges Aussehen an, mit der grösseren Achse parallel zu dem Gang.

Geht man von dem weitesten Teil nach der Spitze des Kegels hin, so verschwindet zuerst die Körnerschicht und nach und nach die über derselben liegenden Schichten, bis in dem extrafollikulären Abschnitt die Wand des Ganges nur mehr durch zwei Zellenschichten gebildet wird. Die äussere Schicht ist gegeben durch die Basalzellen der vorhergehenden Portion, welche eine Umkehrung erfahren haben derart, dass sie, durch verschiedene Neigungsstufen hindurchgehend, aus vertikalen zu dem Gang parallel werden und sich von rechteckiger oder rhomboidaler Form mit ovalem Kern zeigen. Die innere Schicht besteht aus den unmittelbar unter den Basalzellen liegenden Zellen, welche in spindelförmige Elemente übergehen. In dieser Schicht sind die intercellulären Grenzen wenig sichtbar, die Zellen folgen sich geordnet und zeigen auf der Seite des Lumens einen stark licht- brechenden Cuticularstreifen, welcher sich anscheinend ununterbrochen von einer Zelle nach der andern fortsetzt (vgl. Taf. XI, Fig. 1). An der Stelle, in der der Gang der Ampulle anhängt, setzen sich die Elemente der inneren Schicht direkt in die Drüsenzellen fort, wobei sie oft ziemlich deutliche Übergangsformen zeigen; die der äusseren Schicht gehen etwas auf der Wand der Ampulle hinauf und endigen hier, indem sie mit der Muskelhüllc derselben verschmelzen (vgl. Taf. XV, Fig. 30).

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Die Untersuchung des secernierenden Epithels ist bei Leich- namen entnommenen Stücken infolge der raschen Veränderung der Elemente nach dem Tode wenig instruktiv und gänzlich zwecklos, wenn man dabei die Blosslegung des Absonderungsmechanismus im Auge hat. Sehr geeignet hingegen zu diesem Zweck sind die dem Lebenden entnommenen Lidstücke, wie ich infolge von Abtragungs- operationen, die in der hiesigen Klinik von Herrn Prof. Cirincione ausgeführt wurden, zu tun Gelegenheit gehabt habe.

Das Sekretionsepithel der Mo 11 sehen Drüsen besteht aus einer einzigen Reihe von Zellen, die in senkrechter Richtung zu der Achse des Drüsenluinens gestreckt sind; an der Basis besitzen sie (wie man gut an den die Oberfläche des Schlauches tangierenden Schnitten ersehen kann) eine regelmässig hexagonale Form, an ihrer Spitze hingegen zeigen sie sich etwas rundlich, da sie infolge von Dickenabnahme sich leicht voneinander lostrennen. Die Spitze ist konvex, hier scheint das Protoplasma kompakter und nimmt stärker die besonderen Farben an. An dem freien Umriss ist häufig eine dünne lichtbrechende, kragenartige Leiste von besonderer Bedeutung sichtbar (vgl. Tat XV, Fig. 25, 26, 27, 30).

Die Zellen sind ausser durch die Umrisse der Basis, von der Protoplasmaausbreitungen ausgehen, welche sich in die darunter liegende Schicht einschieben, miteinander auf der Höhe des weitesten Teiles der Spitze durch vorspringende scharfe Kanten verwachsen, während ihre seitlichen Flächen bloss aneinander passen. Die grossen, vollkommen runden Kerne haben einen Durchmesser von 6— 7 p, nehmen die Basalregion des Elementes ein, sind ausgestattet mit einem feinen Netzwerk mit kleinen Knotenkernkörperchen und mit einer gut kenntlichen Kernmembran. Rings um den Kern beobachtet man in dem Protoplasma eine Art von hellem, mit feinen glänzenden Granulationen durchsetzten Hof, in dem ein den Kernkörper einhül- lendes Netzwerk deutlich sichtbar ist Von diesem Netzwerk gehen aufsteigende Streifungen aus, die man bis unter das konvexe Ende der Zellen verfolgen kann, wo sie sich verlieren (vgl. Taf. XV, Fig. 26, 30).

Diese Angaben gelten für die Zellen im Ruhezustande; sobald die Absonderungsfunktion einsetzt, beginnen um den Keni herum zahlreiche Körner hervorzutreten derart, dass dieser sich wie ver- schleiert zeigt (vgl. Taf. XV, Fig. 27). Mit der allmählichen Vermeh- rung der Zahl dieser Körner streckt sich die Zelle im Sinne der Höhe, und gleichzeitig bemerkt man eine Abnahme ihrer Querdurch-

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messer, so dass, ausgenommen an den vorerwähnten Kanten, die Elemente scharf untereinander getrennt scheinen.

Die Abnahme der Querdurchmesser ist zuweilen so beträchtlich, dass die Zellwand sich geradezu dem Kern auflegt In diesem Moment dehnt sich das Ende der in Ruhe befindlichen Zelle aus und nimmt die Gestalt einer kleinen Amphore an, deren Öffnung der dünnen lichtbrechenden Leiste entspricht, deren ich Erwähnung getan habe. Aus dieser Öffnung tritt das Sekretionsprodukt in Form einer kleinen Substanzmasse aus, die reich ist an stark lichtbrechenden, den im Protoplasma angetroffenen gleichen Granulationen (vgl. Taf. XV, Fig. 27, 28, 29). An den mit Osmiumsäure behandelten Schnitten ist leicht zu ersehen, wie viele dieser Granulationen sich braun färben.

Die Sekretmasse hat zuerst ein birnförmiges Aussehen und bildet darauf, sich abtrennend, ein Kügelchen; in dem Lumen der in Tätig- keit befindlichen Drüsen trifft man eine grosse Anzahl derselben. Bei ihrem Rücktritt in den Ruhestand nimmt die Zelle an Umfang ab, der Kern bekommt wieder seine scharfen Umrisse, und die longi- tudinalen Protoplasmastreifungen treten wieder au£

Die Streckung der Elemente im Sinne der Höhe ist sicherlich eine passive infolge der Anhäufung der auf Kerntätigkeit beruhenden Sekretionsprodukte in dem Protoplasma. Hingegen muss man für die Reduktion der Querdurchmesser wie für die dem Ruhezustand vor- aufgehende Schrumpfung eine elastische Reaktion der Wand resp. der fibrillären Längsstreifen annehmen, welche den Zweck hat, die Ausstossung der Sekretionsprodukte zu begünstigen.

Ahnlich den Schweissdrüsen besitzen die Molischen Drüsen eine Hülle aus glatten Muskelfasern, welche in Längsrichtung zu dem Drüsenschlauch angeordnet sind; äusserlich sind sie mit einem struktur- losen, wenig in die Augen fallenden Basalhäutchen bekleidet, welches, wie das des Keimabschnittes des Balges, mit dem Namen Glas- membran belegt worden ist und auf dem sich die basilären Ausbrei- tungen der Absonderungszellen ansetzen.

Das Vorhandensein einer glattfaserigen Muskelschicht in den Schweissdrüsen wurde zuerst von Kölliker (1849) und dann von Heynold (1874) beobachtet In der Folge fanden Leydig, Ran- vier, Herraan, dass sich die Basalmembran aussen von der Muskel- schicht befindet und schlössen daraus, dass sie auf Umbildungen einer Epithelschicht beruhe, die entwicklungsgeschichtlich die Fortsetzung der äusseren Zellschicht des Ausführungsganges der Drüse darstelle. Auf diesen neuen Anschauungen fussend, bezeichnete Renaut die

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glatten Muskelfasern mit dem Namen Myoepithelzellen. Robin aber und andere Histologen stellen für sie geradezu den Muskelcha- rakter und demnach die Kontraktilität in Abrede.

Tartuferi beschäftigt sich in seiner wertvollen Studie über die Molischen Drüsen besonders mit diesen spindelförmigen Elementen; er ist der Ansicht, dass es sich nicht um muskuläre Fibrozellen handle, da sie nicht deren wesentliche Eigenschaften (Anwesenheit von protoplasmatischer Körnersubstanz in den Konturen des Kernes) besitzen, sondern der Zellkörper homogen, stark lichtbrechend, fast hyalin ist Er glaubt, ihre Funktion sei nicht die, mechanisch die Ausstossung des Drüsensekretes zu bewirken, sondern „sie trügen durch chemische Wirkungen oder physikalische Eigenschaften zur Zu- bereitung des Drüsensekretes bei".

Offenbar ist die Ansicht Tartuferis nicht mehr mit den modernen Anschauungen vereinbar. Es ist nunmehr sichergestellt, dass die Schweissdrüsen und die analogen Drüsen der verschiedenen Wirbel- tiere eine Hülle aus kontraktilen Elementen, glatte Muskelfasern besitzen, welche im Unterschied zu den andern, die aus dem Meso- derm entstehen, ihren Ursprung aus dem Ektoderm nehmen. Meine Beobachtungen stimmen vollkommen mit diesen Kenntnissen überein. In der Tat ist es einerseits für mich ausser Zweifel, dass die in Rede stehenden Elemente glatte Muskelfasern sind, wie man gut aus ihrer Struktur erkennt, die mit den heutigen Methoden der Technik sehr schön nachweisbar ist Anderseits werde ich bei Be- handlung der Entstehung der Mol Ischen Drüsen auch den entwick- lungsgeschichtlichen Nachweis für die epitheliale Natur der peri- glandulären glatten Muskelfasern führen können.

Die Bindegewebsbekleidung der Mo 11 sehen Drüsen steht in engem Zusammenhang mit der des Cilienbalges. Wie auch von Sattler beobachtet worden ist, ist sie mit einem Netz aus feinen elastischen Fäserchen versehen, welche um die Basalmembran an- geordnet sind.

Bevor ich diesen Gegenstand verlasse, bemerke ich, dass in den Mol Ischen Drüsen, wennschon selten, Entwicklungsanomalien angetroffen werden können. Unter anderm ist es mir vorgekommen in den Schnitten von Lidern, die der Leiche eines Knaben entnommen waren, einen Cilienbalg wahrzunehmen, der mit zwei Molischen Drüsen versehen war, deren Gänge sich in einer einzigen Ausmün- dung oberhalb der Zeissschen Drüsen vereinigten (vgl. Taf. XV, Fig. 31).

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Meibomsche Drüsen.

Die Meibom sehen Drusen sind modifizierte Talgdrüsen und stellen mit den Tisouschen des Präputiums, denen der kleinen Scham- lippen und des Brustwarzenhofes die einzigen vor, welche einen eigenen nach aussen mündenden Gang besitzen, während alle übrigen in die Haarbälge führen. Diese Drüsen wurden zuerst von Galenus und Ruf us (2. Jahrhundert n. Chr.) beobachtet, welche in der Mittel- schicht des Lides (Tarsus) das Vorhandensein eine Fettsubstanz ab- sondernder Bläschen verzeichneten. In seinem Fenthestesion (1609) tat Casserius dieser besonderen Drüsen Erwähnung. Schliesslich gab Meibom 1666 in seiner „Epistel über die neuen Lidgefässe" eine summarische Beschreibung derselben, die seitdem nach ihm benannt wurden.

Die nach der Methode der plastischen Rekonstruktionen ver- grösserten Meibomschen Drüsen zeigen die Form einer gestreckten pyramidalischen Traube, deren Stengel den freien Abschnitt des Aus- führungsganges darstellt. Sie sitzen in der Dicke des Tarsus und erreichen an Länge dessen Aussenrand, wodurch die des Oberlides länger sind als die des Unterlides; erstere sind in einer Anzahl von 25 30, letztere von 20 25. Aus der gewölbten Form des äusseren Tarsalrandes ist es dann begreiflich, dass die medianen Drüsen stärker entwickelt sind als die seitlichen; diese erscheinen ausserdem etwas geneigt und an ihrem Ende gemäss dem vorgenannten Tarsalrand gebogen.

Die Meibomschen Drüsen bestehen aus einem cylindrischen Ausführungskanal, der, weiter in der der Ausmündung nächst ge- legenen Region, sich an seiner Spitze verjüngt und zuspitzt, und aus zahlreichen Acini, welche, klein und vereinzelt, auf dieser Strecke dann grösser werden, sich in bizarrer Weise verästeln und in ihn mittels schräger, in seiner Wand ausgehöhlter Kanäle einmünden, die denen der Zeissschen Drüsen ähnlich sind. Zuweilen erscheint der Gang in dem medianen Teil weiter geteilt und man bekommt alsdann die einzige Anomalie, die ich angetroffen habe, nämlich zwei Meibomsche Drüsen, die durch nur einen Gang ausmünden.

Ihrer Struktur und Funktion nach sind diese Drüsen vollkommen gleich den Zeissschen, und eine besondere Beschreibung derselben geben zu wollen wäre nur eine zwecklose Wiederholung. Der ein- zige Unterschied besteht allein in der Grösse der Elemente und in der Proportion, mit der sich der Sekretionsprozess abspielt.

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menseben. 543

Benutzt man als Fixierungsflüssigkeit Osmiumsäure, dann färbt diese die Talgsubstanz schwarz und der Talg der Meibom sehen Drüsen löst sich nach der Einwirkung von Osmiumsäure weniger leicht in den zur Durchsichtigmachung der Präparate notwendigen Reagentien; es ist also besser als bei den Zeissschen Drüsen mög- lich, ihre Bildung zu studieren.

Die schwarzen Fetttröpfchen fehlen in den basilaren periphe- rischen Zellen der Acini und beginnen in der unmittelbar nächstge- legenen Schicht sich in den Konturen der Zellkörper zu zeigen. Diese Erscheinung bestätigt immer mehr, dass bei ihrer Bildung die Kerntätigkeit keinerlei Einfluss hat, wie einige Autoren behaupten, sondern dass es sich um wesentlich protoplasmatische Gebilde handelt In dem Zentrum der Acini finden sich die Tröpfchen zahlreich in dem Zellgebiet vor, so dass der Kern als ein helles Feld erscheint In der Nähe der Ausmündung des Acinus ist der Kern nicht mehr sichtbar und man beobachtet nur noch eine schwärzliche homogene Masse, welche auch die innere Wand des Ganges auskleidet (vgl. Tat XV, Fig. 32).

Der Ausführungsgang ist zu unterscheiden in einen freien und in einen intraglandulären Abschnitt, in den die Acini einmünden.

Die freie Portion des Ganges ist nicht vollkommen gerade, son- dern bildet einen leichten Bogen nach vorn; sie besitzt eine grosse Strukturanalogie mit dem Ausführungsabschnitt des Ciliarbalges und zeigt die Eigenschaften des Lidrandepithels, unter andern die, dass sie in ihrer Basalschicht zuweilen Pigmentkörner besitzt

Schreitet man gegen die intraglanduläre Portion vor, so erfährt das Epithel des Ganges Modifikationen. Diese bestehen in der Um- bildung der cylindrischen Basalzellen in kubische Zellen mit rund- lichen Kernen, in dem Verschwinden der Körnerschicht, die in der Nähe des intraglandulären Abschnittes nur durch abgeplattete, mit spärlichen Keratohyalinkörnern versehene Zellen dargestellt ist Die wichtigste Veränderung sodann besteht in der Dickenabnahme des Epithels infolge Verschwindens der Zwischenschichten, deren Zellen spindelförmig zu werden streben. Es wird so in der intraglandulären Portion das Epithel nur durch vier Zellschichten gebildet, von denen die äussere aus modifizierten Keimzellen besteht, zwei Zwischen- schichten aus mehr und mehr abgeplatteten Elementen und die innere geradezu aus durchsichtigen, noch mit einigen Keratohyalinkörnern versehenen Lamellen mit stark gefärbtem zusammengeschrumpften Kern.

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Die Meibom sehen Drüsen besitzen wie alle Talgdrüsen eine strukturlose Basalmembran; diese geht ununterbrochen von den Acini auf den Ausführungsgang über, wobei sie Variationen in ihrer Dicke von l1/, 2/i erfährt Die Pasern des Tarsus modellieren sich voll- kommen um dieselbe, erscheinen jedoch weniger kompakt Eben aas diesem Grunde zeigen sich die Drüsen wie von einem hellen Hof umgeben. In dieser ziemlich lockeren Bindegewebsschicht, welche eine Dicke von 12 15^ besitzt, findet sich das periglanduläre Ge- fässnetz. Es sind hier auch Lymphlakunen vorhanden, die bereits von Fuchs und Colasanti wahrgenommen worden sind, welch letz- terer hier auch glatte Muskelfasern fand. Trotz aller Bemühungen ist es mir nicht gelungen, solche anzutreffen, ich glaube daher, dass von Colasanti als solche gewöhnliche Bindegewebszellen aufgefasst worden sind.

Musculus Riolani.

Die innersten Bündel des Orbicularis, welche im Lidrande sitzen, werden als Musculus Riolani bezeichnet nach dem Autor, der sie zu- erst beobachtete und beschrieb.

Untersucht man vertikale Schnitte des Lides, so erscheint der Musculus Riolani in drei deutliche Abschnitte geteilt Die Haupt- masse ist zwischen den Cilien und den Ausführungsgängen der Mei- bom sehen Drüsen gelegen, denen sie sich auflegt, indem sie deshalb ungefähr gleiche Grenzen einnimmt wie die des intermarginalen Saumes des Lidrandes, von dessen Oberfläche sie durch einen Zwischenraum von 150 200^ getrennt ist Einige Muskelbündelchen modellieren sich auch um die ersten Acini herum und schieben sich in ihre Zwischenräume ein, indem sie mit dem intraglandulären Abschnitt der Ausführungsgänge in Kontakt kommen.

Diese Portion des Musculus Riolani wird wegen ihrer Lage als subciliare Portion bezeichnet zur Unterscheidung von der subtar- salen oder submeibom sehen Portion, welche zwischen den Gängen der Meibom sehen Drüsen und der Tarsalbindehaut verbleibt Letz- tere besteht aus Muskelbündelchen, die zwischen den ersten Acini hegen wie die der entgegengesetzten Seite und längs der Ausfüh- rungsgänge bis in geringe Entfernung von der hinteren Lidkante.

Eine letzte Reihe isolierter Muskelbündelchen beobachtet man zwischen den Cilien namentlich in der Höhe ihrer Drüsen; es ist dies der interciliare Abschnitt (vgl. Taf XI, Fig. 1).

Zur Untersuchung der zwischen den verschiedenen Portionen

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 545

des Musculus Riolani bestehenden Beziehungen sind die parallel zu dem Bande geführten Lidschnitte sehr lehrreich, mit deren Hilfe es leicht ist, sich über zwei wichtige Erscheinungen klar zu werden. Erstens, dass die Muskelbändel des subciliaren Abschnittes und die des subtarsalen Abschnittes eine einzige Masse bilden, die sich aus- einandertut, um die Gänge selbst durch sich hindurchgehen zu lassen. Zweitens, dass der Musculus Riolani nur scheinbar von dem Orbi- cularis getrennt ist, da er ja mit demselben durch die zahlreichen Bündelchen des interciliaren Abschnittes verbunden ist, welche sich in verschiedenartiger Richtung zwischen den Cilien verflechten und dort eine Art von weitmaschigem Netz bilden (vgl. Taf. XV, Fig. 33).

Aus dieser anatomischen Anordnung des Muskels, welche eine Folge des Mechanismus der embryologischen Entwicklung des Lid- randes ist, entspringt die Idee, dass er eine besondere Funktion be- sitze. Stellen wir uns in der Tat vor, was bei jeder Muskelkon- traktion geschieht: die von den Gängen der Meibomschen Drüsen durchzogenen Maschen streben erheblich sich zu verengern, ebenso die Maschen des interciliaren Netzes. Daraus ergibt sich, dass dieser Muskel beim Lidschlag eine ringförmige Kompression auf die Gänge ausübt, welche die Talgsubstanz ausscheiden, die sich in ihnen ange- sammelt findet und die zähe, wie sie ist, nicht von selbst abfliessen könnte, um so mehr als die Vis a tergo in diesen Drüsen sehr gering sein muss und die Schwerkraft, wenn man schon dieselbe für die obereren Drüsen annehmen kann, für die unteren dagegen ein Hin- dernis ist. Durch die Kontraktion werden in gewissem Masse auch die Zeiss sehen und Mol Ischen Drüsen komprimiert und derart wird ebenfalls die Entleerung der Sekretionsprodukte dieser Drüsen begünstigt.

Dies vorausgeschickt, darf man wohl sagen, dass der Musculus Riolani der Regulator der Exkretion der Drüsenprodukte des Lid- randes ist, da er bei jedem Lidschlag den Austritt einer kleinen Se- kretmenge hervorruft, soviel, als eben hinreicht, um die intermargi- nale Fläche des Lidrandes angefeuchtet zu erhalten.

Normalerweise bewirkt der Tonus dieses Muskels, dass sich auf der Innenfläche des umgestülpten Lides die subtarsale Furche von Fuchs bildet, welche, wie ich eingangs dieser Arbeit angedeu- tet habe, eine genaue Grenze zwischen dem Lidrand und dem Lide selbst bildet.

Dass die subtarsale Furche wirklich auf den Tonus des Muscu- lus Riolani zurückzuführen ist, lässt sich beweisen, wenn man die

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geringe Evidenz beobachtet, die dieselbe bei Leichen zeigt Wenn ausserdem der Muskel durch fortgesetzte Reflextätigkeit bei den Affek- tionen, die den Blepharospasmus erzeugen, zu hypertrophieren strebt, so entspricht seiner übermässigen und immerwährenden Kontraktion eine Steigerung in der Lidkrümmung in der Höhe der besagten Furche; es trägt so dieser Muskel zur Entstehung des Entropium spasticum bei.

Bindegewebsgerüst

Das Stroma des freien Lidrandes wird vollständig durch den Tarsus gebildet. Kein Forscher, mit Ausnahme Merkels, welcher einen unbestimmten Hinweis darauf gibt, hat diese wichtige Tatsache wahrgenommen, welche ich beständig an meinen Präparaten beob- achtet habe und welche die Steifheit des Lidrandes erklärt, der, obschon Muskelkräften ausgesetzt, welche ihn mechanisch zu defor- mieren streben, niemals seine anatomischen Beziehungen verliert, und weiterhin erklärt, wie die Cilien bei den Lidverschiebungen un- verändert ihre Richtung beibehalten.

Die Art und Weise, wie der Tarsus das Stroma des Lidrandes bildet, ist sehr einfach: in der Höhe der Ebene, wo die Cilien wurzeln endigen, und zwar entsprechend dem inneren Tarsalbogen, welcher der an der Bindehautfläche des Lides bemerkten Furche entspricht, breitet sich der Tarsus bis an die vordere Kante des Lidrandes aus vor der Ebene, nach der die Bälge der Cilien angeordnet sind. Diese Ausbreitung in dem oberen Lid kann im Durchschnitt durch ein rechtwinkliges Dreieck mit der Spitze nach oben dargestellt wer- den (vgl. Taf. XI, Fig. 1).

Die innerste Struktur des Tarsus ist eine verhältnismässig neue Kenntnis; es ist bekannt, dass er aus Faserelementen besteht, welche sich zu einem sehr kompakten und konsistenten Gerüst vereinigen, das zu irrigen Deutungen über seine Natur führte.

In dem Lidrande hat er die Funktion eines Stützgewebes und Choriums, die Anordnung seiner Elemente ist demnach mit diesem doppelten Zweck verknüpft Um sich hierüber klar zu werden, ist es nötig, nach verschiedenen Ebenen geführte Schnitte zu untersuchen und die Resultate davon zu vergleichen. Hierdurch ist es mir mög- lich gewesen festzustellen, dass die Tarsalausbreitung des Lidrandes aus einer ersten Reihe von divergierenden Fasern besteht, welche sich in der vorderen Kante des Lidrandes vor den Cilien ansetzen, wo sie sich mit den lockeren Fasern des subkutanen Lidbindegewebes

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menseben. 547

verflechten, obschon sie vollkommen unterscheidbar bleiben. Diese Fasern sind durch Querfasem verbunden, welche sie eng zusammen- halten.

Der mittlere Teil des Strom as besteht aus netzartig in der hori- zontalen Ebene angeordneten Faserbündeln, in deren Maschen die Bälge der Cilien und die Gänge der Meibomschen Drüsen liegen (vgl. Taf. XV, Fig. 33). An der Kreuzungsstelle dieser Faserbündel bemerkt man vertikale, wie die der vorderen Oberfläche, von der Haut- fläche des Tarsus herkommende Bündel, welche sich in dem eigenen Gewebe der Lederhaut fixieren. Inmitten derselben verlaufen die von dem inneren Tarsalbogen herkommenden Gefässe, welche für die Ernährung des Lidrandes dienen.

In dem Abschnitt des Tarsus, welcher hinter der Ebene ver- bleibt, in der die Gänge der Meibomschen Drüsen liegen, besitzen die Zellelemente eine sagittale Sichtung, dem Verlauf der perforie- renden Gefässe folgend; in unmittelbarer Berührung mit der Con- junctivalschleimhaut finden sich, ähnlich wie bei der Vorderfläche, vertikale und horizontale Fasern. Die vertikalen Fasern setzen sich, entsprechend der hinteren Kante des Lidrandes angekommen, direkt in diejenigen fort, welche die eigentliche Lederhaut bilden.

Die Lederhaut besteht aus einem Geflecht von Längsfasern und sagittalen Fasern; sie ist äusserst gefässreich und gibt zu zahlreichen, sehr charakteristischen Papillen Veranlassung, welche ohne Zweifel in andern Teilen des Organismus kein Gegenstück haben (Taf. XI, Fig. 3). Diese Papillen, nicht mit den leichten Vorsprüngen des Hautderma des Lides vergleichbar, welche Waldeyer nicht einmal mit dem Namen Papillen belegen wollte (vgl. Taf. XI, Fig. 2), sind ziemlich ausgebildet und mit einer gewissen Regelmässigkeit angeord- net; sie besitzen zumeist eine keulenartige Form, ein rigides, sklero- tisches Aussehen und sind im normalen Zustand vollkommen ohne Lymphoidelemente. Sie hören plötzlich entsprechend der hinteren Kante des Lidrandes auf, wo sie häufig etwas grössere Proportionen annehmen und eine charakteristische, gut au? Fig. 4 ersichtliche An- ordnung zeigen.

Was ihre Funktion angeht, so beachte man, dass einige Papillen sensibel sind und deshalb mit besonderen Nervenendigungen aus- gerüstet, andere sind bloss vaskulär; die ersteren kann man, wenn man nicht zu den besonderen Methoden der Technik greift, an ihrer Kleinkeit und daran erkennen, dass sie gefässlos sind.

Bevor ich diesen Gegenstand verlasse, scheint es mir notwendig,

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einiger Gruppen von Fettzellen Erwähnung zu tun, die ich fast stets entsprechend dem inneren Tarsalbogen bemerkt habe, an der Stelle, von der die Ausbreitung des Tarsus ausgeht. Von diesen Zellen findet man bei jungen Subjekten, wo sie zahlreicher sind, eine ziem- liche Menge sogar um das Ende der Cilienwurzel und bei der Basis ihrer Papille; bei Untersuchung des übrigen Lides trifft man auch Gruppen von ihnen in dem lockeren Gewebe, das zwischen dem Tarsus und den Bündeln des M. orbicularis vorhanden ist

Elastische Fasern. In dem Bindegewebsgerüst des Lid- randes nehmen die elastischen Fasern einen wichtigen Platz ein. Im Tarsus erscheinen sie, bevor dieser sich ausbreitet, sehr spärlich, ja man kann sagen, dass sie in dem subconjunctivalen Abschnitt gänzlich fehlen; um die Meibom sehen Drüsen jedoch beobachtet man von ihnen äusserst dünne Fäden. Diese Fasern enden in dickeren, welche an der Vorderfläche des Tarsus existieren, wo man findet: eine erste Reihe von dünnsten horizontalen Fasern und mehr oder weniger gewundene vertikale Fasern, verknüpft mit dem elastischen Netz, welches zwischen den Bindegewebssepten des M. orbicularis verläuft.

Sobald sich der Tarsus ausbreitet, bemerkt man eine beträchtliche Vermehrung der elastischen Fasern, so dass sie sich reichlich auch in der subconjunctivalen Fläche zeigen, und zwar zumeist in hori- zontaler Richtung angeordnet. Wo jedoch das elastische Netz seine höchste Bedeutung annimmt, ist in der Lederhaut des Lidrandes; hier findet man ein dichtes Geflecht von in parallelen Lagen zu dem Epithel in vorwiegend longitudinaler und sagittaler Richtung angeord- neten Fasern, welche sehr schön in den mit der Unnaschen oder Weigertschen Methode behandelten Querschnitten hervortreten. Von den dem Epithel nächstgelegenen Fasern zweigen sodann Fäserchen ab, welche in die Papillen eindringen, sich fächerartig auffasern, immer schmächtiger werden und sich auf der Basalmembran des Epithels in den kleinen Anhängen, mit denen dieselbe besät erscheint, inse- rieren (vgl. Taf. XVI, Fig. 34).

Die elastischen Fasern des Randes steigen, entsprechend den Gängen der Meibom sehen Drüsen und den Cilienbälgen, hinauf, ver- zweigen sich und bilden um die ersteren herum eine innige elastische Hülle, die ebenso wichtig wie die bindegewebige ist. Rings um die Bälge erscheinen die Fasern dichter und dicker in der Basis, sodann werden sie mit dem allmählichen Vorrücken gegen die Wurzel lichter

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und feiner, wo die bindegewebige Hülle gänzlich frei von ihnen ist, ebensowenig findet man sie in der Papille der Cilie.

Herzog behauptet dagegen im Gegensatz zu Renault, dass die Cilien vollständig von elastischen Fasern umgeben sind, doch zeigt er als erläuternde Figur eine ausgewachsene Cilie mit vollem Bulbus; nun ist es augenscheinlich, dass, da diese einen sozusagen atrophischen Balg besitzt, sie natürlich ganz durch elastische Fasern eingehüllt ist, welche im jugendlichen Zustand derselben nicht bis zu zwei Drittel oder weniger der Wurzel reichen.

Die elastische Hülle der Gänge der Meibom sehen Drüsen erhält auch viele Faserbündel aus den Bindegewebstrabekeln des Musculus Riolani, welche zum gross ten Teil aus elastischen Fasern bestehen, teils aus dem subconjunctivalen elastischen Netz des Tarsus.

Gefässe und Nerven.

Die Blutversorgung des Lidrandes geschieht durch den inneren Tarsalbogen, welcher die direkte Fortsetzung der Palpebralarterie, eines Astes der Ophthalmica, ist. Die beiden inneren Bogen an- astomosieren in der Höhe der Kommissuren, indem sie den Rand- kreislauf der Lider bilden.

Die charakteristische und sozusagen systematische Anordnung dieses arteriellen Bogens, wie der übrige Lidkreislauf, wurde gleich- zeitig von Langer und Fuchs untersucht; derselbe verläuft vor dem Tarsus parallel zu dem Lidrand und ist gleichsam eine echte anatomische Grenze, welche diese Hegion von dem übrigen Lide trennt1).

Zur Untersuchung der feineren Anordnung dieser Gefässe habe ich verschiedene Injektionen mit Berlinerblau-Gelatine und einige mit Karmingelatine von der Arteria ophthalmica aus an in physio- logischer, auf dem Wasserbad erwärmter Lösung gehaltenen Stücken vorgenommen. Hierbei habe ich feststellen können, dass von dem inneren Tarsalbogen abgehen:

1. Äste, welche je nach dem Lide, das man betrachtet, längs der Vorderfläche des Tarsus nach oben oder unten ziehen und anastomosieren, oder mit ähnlichen von dem äusseren Tarsalbogen,

l) Eine neue Untersuchung über die Lidgefässe, die unter entwicklungs- geschichtlichem Gesichtspunkt von grosser Bedeutung ist, wird demnächst von Dr. Engel, Assistent an dem Institut für normale Anatomie zu Palermo, ver- öffentlicht werden.

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welcher auf dem äusseren Rand des Tarsus verläuft, kommenden Ästen zusammentreten. Diese prätarsalen Aste liefern zahlreiche per- forierende Astchen, d. h. solche, welche den Tarsus durchqueren, eine Bluthülle um die Meibom sehen Drüsen herum bilden und schliesslich mit den retrotarsalen oder subconjunctivalen von dem äusseren Tarsalbogen herkommenden Gefässen anastomosieren (vgL Taf. XVI, Fig. 35).

2. Weitere Äste wenden sich nach vorn, durchziehen die nahe gelegenen Bündel des St. orbicularis, indem sie sich darin verteilen, und endigen in dem Hautderma.

3. Die zahlreichsten jedoch und die wichtigsten sind die margi- nalen Äste, welche in die Kreuzungsstelle der Tarsalbindegewebs- bündel eintreten, wie es bei Gelegenheit des Tarsus beschrieben worden ist; in der Höhe der medianen Portion der Cilienbälge ver- zweigen und anastomosieren sie sich und bilden die Cilienbälge und die Zeissschen und Mo 11 sehen Drüsen innig umschliessende Netz- werke; von diesen Netzwerken geht die kleine der Ernährung der Cilienpapille vorstehende Arterie ab. Die marginalen Äste geben sodann an den Musculus Riolani Ästchen ab und anastomosieren mit den erwähnten retrotarsalen Gefässen.

Von den oberflächlichen Verzweigungen des Marginalgefässnetzes gehen die Kapillaren ab, welche in die Papillen des Lidrandes ein- dringen und nur aus der endothelialen Membran bestehen.

Der Verlauf der kleinen Arterie, welche die Papille der Cilien ernährt, ist verschieden, je nachdem sich der Balg in jugendlichem oder ausgewachsenem Zustande befindet. Bei den ausgewachsenen Wimpern bildet die Schlinge eine Art von geradem Strang, welcher auf der Spitze der Papille ausläuft; bei den jugendlichen Wimpern hingegen verläuft sie seitlich längs der bindegewebigen Scheide des Balges, biegt in der Höhe des Bandes der Bulbusamphore um und tritt in den Papillenkörper ein (vgl. Taf. XI— XIV, Fig. 1, 6, 15, 20).

Die venösen Kapillaren des Lidrandes bilden, wie die arteriellen Kapillaren, zuerst ein perifollikuläres und periglanduläres Netz, ver- einigen sich dann zu dickeren Stämmen, wenden sich nach vorn, durchsetzen die Bündel des Orbicularis und verbinden sich mit dem subkutanen Venennetz des Lides, welches das Blut in die Vena ophthalmica ergiesst

Der direkte Zusammenhang der Venen des Lidrandes und des Lides mit der Vena ophthalmica ist häufig die Ursache des Auf-

Ober Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 551

tretens von endorbitalen und meningitischen Herden infolge von Lid- entzündungsprozessen und lehrt uns, wie man bei der Prognose der diese Region treffenden Injektionsprozesse vorsichtig sein muss1).

Die reiche Gefässversorgung des Lidrandes erklärt, wie dieser bei den das Lid treffenden Nekroseprozessen lange Zeit hindurch widersteht und häufig ganz und gar nicht in Mitleidenschaft gezogen wird (Fuchs).

Die Untersuchung auf die Nervenendigungen des Lidrandes ge- staltet sich zu einer schwierigen, da derselbe aus Geweben von ver- schiedener Konsistenz besteht und keine gleichmässige Imprägnation gestattet, was zur Erhaltuug guter Präparate notwendig ist

Die Methoden, denen ich den Vorzug gegeben habe, sind die Goldchloridmethoden von Löwit und Ruffini; ich habe dieselben an Stückchen von fötalen Lidern und solchen von Neugeborenen und Erwachsenen angewandt; letztere waren am besten für meinen Zweck dienlich, da die zu untersuchenden Elemente grösser sind und auch die Imprägnation vollkommener gelingt.

Die Nerven des Lidrandes sind motorische und sensible. Die motorischen Nerven kommen von dem oberen Ast des Facialis her, verteilen sich am Orbicularis und verlaufen zwischen den Bündeln dieses Muskels bis zu seinem äussersten Abschnitt, dem Musculus Riolani. Die Nervenendigungen dieser Muskelfasern bieten nichts be- sonderes und sind vollkommen denjenigen der andern Muskeln des Körpers ähnlich.

Die sensiblen Nerven kommen von verschiedenen Ästen des Trigeminus her, das heisst von dem Lacrimalis, von dem äusseren Nasalis und dem äusseren und inneren Frontalis bei dem Oberlid, und von dem Suborbitalis bei dem Unterlid. Der äussere Frontalis, der innere Frontalis und der Suborbitalis innervieren die distalen und mittleren Abschnitte der Lider und tragen zur Bildung eines ersten Plexus oberhalb des äusseren Tarsalrandes bei, von welchem Faserbündel abgehen, welche sich gegen die Spitze der Meibom sehen Drüsen wenden, sich teilen, anastomosieren und eine netzförmige Nervenhülle um diese Drüsen bilden, die der arteriellen identisch ist. •Colasanti hat intraepitheliale Nervenendigungen beschrieben; ich habe, wie Dogiel, keine finden können.

*) Contino, Ulcera tubercolare della congiuntiva tarsea. La Cli- nica Oculistica, Nov.-Dic, 1904.

r. Graefe's Archiv für Ophthalmologie. LXVI. 3. 36

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Der Lacrimalis und der äussere Nasalis innervieren die Region der Iid winkel; alle Äste nehmen sodannan der Bildung von Nerven- verzweigungen teil, welche parallel und ein wenig ausserhalb von dem inneren Tarsalbogen verlaufen, sich Anastomosen zuschicken und sozusagen einen einfachen Plexus bilden, welcher fast ausschliess- lich für den Lidrand dieitf. Von ihm gehen zahlreiche Bündelchen ab, welche im grossen und ganzen dem Verlauf der Gefässe folgen und einen zweiten Plexus in dem medianen Teil des Randes bilden (Plexus marginalis), welcher wenig der höchst komplizierten Figur ähnelt, die Bach in seiner Arbeit gibt, welche übrigens von keiner allgemeinen Bedeutung ist, da sie an Lidern eines menschlichen Embryos von 12 cm ausgeführt worden ist

Durch dieses Geflecht nervöser Bündelchen, welche sich nach und nach immer weiter teilen, werden die Bälge der Cilien, ihre Drüsen und die Papillen des Lidrandes innerviert

Die Kenntnis der Nervenendigungen in den Haaren des Men- schen ist etwas unvollkommen: Ranvier deutet in seinem Handbuch der Histologie darauf hin; nach ihm beschäftigen sich in besonderen Arbeiten andere Forscher damit, unter ihnen vor allem vanGehuchten und Retzius, doch sind die Untersuchungen über diesen Gegenstand noch zu keinem Abschluss gekommen.

Die Nervenendigungen in den Cilien sind noch von niemand illustriert worden und von denjenigen, die die Nerven des Iidrandes behandelt haben, bezieht sich Bach, der ihrer Erwähnung tut, auf die Arbeiten der obenerwähnten Autoren.

Nach dem, was ich beobachtet habe, kann ich behaupten, dass der sensible Nervenapparat der Cilien, wie der der gewöhnlichen Haare, rings um den Balg angeordnet ist, in der Hohe, in der die Keimstrecke sich mit den Z ei ss sehen Drüsen vereinigt Dorthin ziehen ein, zuweilen zwei Myelinnervenfaser bündelchen, die von dem Randplexus herkommen. Nachdem die Nervenfasern durch die Binde- gewebsscheide des Balges, welche an dieser Stelle eine Art von dicker Kapsel aus kreisförmigen Fasern bildet, hindurchgegangen sind, ver- lieren sie die Myelinscheide, wickeln sich um den Balg herum und jede Faser endigt auf der Glasmembran in einem abgeplatteten Stäbchen, das in seinem mittleren Abschnitt angeschwollen ist und eine parallele Richtung zu dem Balge selbst besitzt (Taf. XVI, Fig. 36).

Die Endstäbchen sind im grossen und ganzen gleichweit von- einander angeordnet und bilden eine Art von Muff um die Glasmem-

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 553

bran herum, der durch den andern Muff aus kreisförmigen Fasern, in die sie sich fortsetzen, verdoppelt wird. Die Stäbchen sind zu- weilen mit Verästelungen versehen, welche an dem dem Cilienbulbus zugekehrten Ende anastomosieren und sich längs der Mitte der Keimstrecke des Follikels ausdehnen. Auf der entgegengesetzten Seite enden sie mit 6inem zugespitzten geraden Anhang, welcher sich in die zwischen den Zeissschen Drüsen und der äusseren Epithel- membran bestehende Einbuchtung schiebt.

Die Endstäbchen der Cilien zeigen sich bei Fötus und Neu- geborenen regelmässiger, dichter und mit zarten Verästelungen ver- sehen, während sie bei den Cilien des Erwachsenen mehr gewunden, knotig und stark verzweigt erscheinen.

Die Existenz eines so komplizierten und vollkommenen sensiblen Nervenapparates, mit dem die Cilien ausgerüstet sind, führt auf den Gedanken, dass ihre Funktion viel bedeutender sein dürfte, als das Auge vor grellem Licht und Staub zu schützen. Sie nehmen geradezu die Bedeutung von exquisit sensiblen taktilen Organen an, und unter diesem Gesichtspunkt und nicht mechanisch sind sie als dem Schutz des Augapfels vorstehend anzusehen. Die Nähe des Nervenapparats zu den Zeissschen Drüsen erklärt auch, wie die Entzündung dieser zuweilen heftige Schmerzen hervorruft (Gerstenkorn).

Von dem die Cilie innervierenden Faserbündel oder direkt vom Plexus marginalis geht eine Abzweigung ab, welche gegen die Spitze der Zeissschen Drüse zieht, die Myelinscheide verliert und sich in Hauptfibrillen, welche zwischen den zwischen den Acini bestehenden Zwischenräumen verlaufen, und in sekundäre Fibrillen auflöst, welche ein feines Netzwerk um die Oberfläche der einzelnen Acini herum bilden.

Die Innervierung der Mol Ischen Drüse wird gegeben durch myelinfreie, längs der Oberfläche des Drüsenschlauches nach aussen von der Grenzmembran verlaufende Nervenfasern; dieselben senden viele dünne Verzweigungen ab, welche sich fein anastomosieren und ein zartes, wenn schon verwickeltes, nicht gut abgrenzbares Netzwerk bilden. Endoepitheliale Nervenendigungen zu beobachten ist mir nicht möglich gewesen, doch scheint es mir zweifelhaft, dass die Nerven dieser Drüsen, wie einige für die Schweissdrüsen behaupten, bloss vasomotorische Funktion besässen.

Die für die Innervierung der Cilienpapille bestimmte Nervenfaser verläuft längs der Gefässe und bildet zusammen mit denselben einen Nervengefässstrang. Diese Faser entspringt immer aus dem Plexus

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marginalis, wenn gleich die Papille der jungen Cilien den Haupt- nervenstämmen des Lidrandes näher liegt und zwar nicht ohne Grund, da sie bei der Reduktion, welche der Keimabschnitt des Balges, wenn er zu einem ausgewachsenen wird, erfährt, stark gestreckt und in ihrer Funktion gefährdet würde, während sie, aufgelegt wie sie ist längs der Balgwand, sich nur umbiegt und schliesslich zusammen mit der Gefässschlinge das Aussehen eines der Papillenspitze aufsitzenden Anhanges annimmt

Kaum erreichen die Nervenfaser oder Fasern die Papille, so ent- kleiden sie sich der Myelinmembran und die Achsencylinder fasern sich in der Papillarmasse aus, wo es sehr schwierig ist, sie bis zu den letzten Verästelungen verfolgen zu können.

Es bleibt mir nun noch übrig, wenige Hinweise auf die Nervenendigungen in den Lederhautpapillen, d. h. auf die Tast- organe des Lidrandes zu geben. Die nervösen Papillen sind in dem intermarginalen Saum verstreut, klein und schliessen zumeist nur das Endkörperchen ein. Ihre Länge schwankt von 25 bis 40 fi. Die Struktur dieser Nervenendigungen ist von Dogiel unter- sucht worden, welcher in seiner Arbeit schöne und ziemlich kom- plizierte Abbildungen bringt; ich bestätige jedoch seine Beobach- tungen, nämlich, dass dieselben sensible Körperchen vom Typus Meissner sind.

Von der oberflächlichen Partie des Plexus marginalis trennen sich myelinfreie Fasern ab, welche direkt in die Papillen eintreten und hier eine Art von durch wenige spiralförmige, das ganze Gebiet der Papille einnehmende Windungen gebildeten Knäueln bilden. Längs ihres Verlaufs scheint die Hauptfaser durch Knoten unterbrochen und von ihr gehen dünne Fäden ab, welche die benachbarten Punkte ihrer Windungen verbinden (Taf. XVI, Fig. 37, 38).

Bei den Embryonen und Neugeborenen zeigen sich die End- körperchen viel einfacher, und die Nervenfaser bildet eine Schlinge mit verknüpfenden Verästelungen. Diese Erscheinung ist auf das all- gemeine Gesetz zurückzuführen, dass die Funktion der Sensibilität eine von dem Organismus erworbene Funktion ist und mit dem Alter sich zu entwickeln und zu bessern strebt.

In dem Epithel des Lidrandes findet man auch endoepitheliale Nervenendigungen ; dieselben sind zahlreich in der Epithelportion, welche die hintere Lidkante überzieht, und zeigen keine bemerkenswerten Eigentümlichkeiten; gewöhnlich gelingt ihre Konstatierung nur sehr schwierig, weil das Epithel, das sehr zart ist, sich während der ver-

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schiedenen zur Untersuchung der Nervenendigungen notwendigen Manipulationen der Technik abzulösen pflegt.

Entwicklung des Lidrandes.

Bekanntlich beginnen die Lider sich anfangs des zweiten Monats des intrauterinen Lebens als ein sich um die Aquatorialregion des embryonalen Augapfels vorwölbender Wulst zu entwickeln.

Bei den Embryonen Br, Bu, M, DP, RM, RV und Vi der von mir untersuchten Reihe, welche von der sechsten bis zur zehnten Woche gehen, kann man leicht dieses allmähliche Sichentfalten der Lider verfolgen, welche die sekundäre Augenblase mehr und mehr zu bedecken streben. Auf diesen nach und nach fortschreitenden Stufen ist der freie Rand in nichts von der folgenden Portion der Lider differenziert, erscheint von Epithel bekleidet, das dem der vor- deren und hinteren Lidfläche vollkommen ähnlich ist, und zeigt ausser einer grösseren Elementanhäufung keinerlei Besonderheit im Mesoderm.

Die Untersuchung des freien Lidrandes wird instruktiv, sobald die Verlötung der beiden Lider einsetzt, d. h. gegen Anfang des dritten Monats, wo er seine anatomischen Attribute anzunehmen be- ginnt

Bei der Entwicklung dieses Teiles meiner Untersuchungen werde ich meine Beschreibung bei diesem Stadium, welches dem Embryo U entspricht, beginnen.

Embryo U (70. Tag der Entwicklung) misst 32 mm vom Scheitel bis zum Steiss. In Sublimat gehärtet, in toto mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, wurde er in sagittaler Richtung in Schnitte von 25 fi zerlegt.

Die Lider sind in den seitlichen, den Kommissuren benachbarten Portionen verklebt; in dem mittleren Abschnitt dagegen reichen sie nur bis an die Grenze der Hornhaut, welche noch unbedeckt bleibt.

Dem Supracilinm entsprechend bemerkt mau Epithelknüpfe, welche die ersten Rudimente der Haare dieser Region vorstellen; sonst sind an dem Embryo keine ähnlichen Gebilde vorhanden.

Längs der Dicke der Lider beobachtet man Zellgruppierungen mit ovoidalen Kernen, zwischen denen sich Schnitte von Gefässen abzeichnen; diese Elemente stellen die erste Anlage der Orbicularisbündel vor.

Der Umstand, dass die Lider unvollständig verwachsen sind, gestattet uns, die Struktur der noch nicht verlöteten Randstrecke, des Abschnittes, an dem der Verklebungsprozess im Gange ist, sowie der schon adhärenten Portion zu studieren.

In dem ersten Abschnitt hat der Lidrand eine Dicke von 220^, das Deckepithel ist gut von dem Conjunctival- und Hautepithel differen-

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ziert und misst 36 fi in der Dicke, während letzteres kaum 28 // erreicht. Die Dickenzunahme beruht nicht so sehr auf einer grösseren Anzahl von Zelllagen, weil, wenn eine grössere Anzahl von Schichten vorhanden ist, die Elemente dafür kleiner und dichter zusammengedrängt sind, als auf der Länge der Zellen der Basalschicht, welche sich mit einem deutlichen Protoplasmasäumchen und einem langen Stäbchenkern versehen zeigen.

Dieselben erreichen ihre grösste Länge an der Übergangsstelle in das Epithel der hinteren Lidfläche (20//). In diesem und in dem Haut- epithel hingegen erscheint die Basalschicht gebildet durch Zellen mit rundlichem Kern (vgl. Taf. XVI, Fig. 39).

Die grössere Entwicklung der Basalzellen des freien Lidrandes ist das Zeichen der Tätigkeit, welche der Verwachsung der Lider voraus- geht. In der Tat kommt an der Stelle, wo die beiden Ränder sich an- einander zu legen beginnen, das Epithel bereits in Kontakt, wenn die Lider sich noch eine gewisse Strecke weit entfalten müssen; hier zeigt die Basalschicht auch eine gewisse Unregelmässigkeit, eine gewisse Unordnung, und der kleine Saum ihrer Zellen ist nicht deutlich wahr- zunehmen (vgl. Taf. XVI, Fig. 40).

Nach erfolgter Verklebung nehmen diese Zellen, obschon sie ihre auffallende Höhe beibehalten, eine grosse Regelmässigkeit der Anord- nung an, der Saum erscheint recht deutlich, doch nimmt man in Kon- takt mit demselben noch keine begrenzende Basalmembran wahr (vgl. Taf. XVI, Fig. 41).

An der Stelle, an der die Lider nicht verklebt sind, besitzen die- selben eine dreieckige Gestalt; nachdem sie in Kontakt kommen, werden sie rechteckig, und die Oberfläche der Ränder wird eben, ihre Dicke erreicht 320//. Die Verwachsung oder besser gesagt die Verschmelzung der beiden Epithelien erfolgt, weil in ihnen die oberflächlichen Schichten nicht verändert sind, und die Bildung einer von zwei Basalschichten be- grenzten Epithelmembran ist wirklich eigenartig.

Embryo Ti a, 37 mm (71. Tag der Entwicklung). Derselbe wurde in toto mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt und in Schnitte vou 25 und 10// zerlegt.

Die Lidränder sind vollkommen verwachsen; ihre Dicke (240//) ist etwas grösser als die der nächst gelegenen Portion des entsprechenden Lides (200//), und zwar nicht nur durch die gegenseitige Kompression zwischen den beiden intermarginalen Flächen, als Folge des gleichzeitigen Wachstums der Lider, sondern auch infolge einer üppigen Wucherung des Epithels der Kanten, besonders der vorderen entsprechend, derart, dass sich auf dem Spalt eine 50 // hohe Erhabenheit bildet (vgl. Taf. XVI, Fig. 42). Zwischen der Cylinderzellenschicht des Epithels und der Meso- dermmasse ist die Anwesenheit eines Grenzbasalhäutchens bemerkenswert.

Auf dieser Entwicklungsstufe beginnt man die ersten Anlagen der Cilien in Form von leichten Ektodermvorsprüngen zu beobachten, welche sich nach Art voller Knöpfe von dem Epithel der Vorderkante des Ober- lidrandes emporheben und sich 27 32// weit in das Mesoderm ein- schieben, während sie an der Basis einen Durchmesser von 47 p zeigen (Rekonstruktion 1).

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 557

Die Epithelknöpfe werden durch eine umschriebene Proliferation der Basalschicht erzeugt und erscheinen als Knötchen, bestehend aus kleinen, dicht gruppierten Zellen, welche sich von denen des umgebenden gemeinsamen Epithels gut differenzieren. Die durch das Ektoderm- gebilde verdrängten Mesodermelemente nehmen eine langgestreckte Form an und ordnen sich haubenartig um dieselbe an. Die Basalgrenzmembran entzieht sich der Beobachtung.

Der Orbicularis ist bei diesem Embryo nur in der orbitalen Portion der Lider gut wahrzunehmen, wo man auch ein Anzeichen zu fibrillärer Anordnung des Mesoderms bemerkt; in dem freien Rand hingegen ist die Struktur des Mesoderms noch die anfängliche.

Embryo Ti ß, 40mm (72. Tag). In Sublimat gehärtet, in toto mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, wurde er in 304 sagittalen Schnitten von 25 und 10 (i einbegriffen.

Dieser Embryo stellt ein etwas weiter vorgeschrittenes Stadium als der vorhergehende vor. Die Lider haben eine grössere Dicke (300//); die Muskelelemente des Orbicularis sind bis in die Nähe des Lidrandes über den inneren Tarsalbogen hinaus sichtbar, jedoch bemerkt man noch keine Bündelstruktur.

Das Mesoderm des Lidrandes zeigt bereits eine fibrilläre Anordnung, es ist reich auch an kleinen Elementen mit rundem Kern, welche eine Art von kompakterer Schicht bilden, die man längs der Hinterfläche des Lides verfolgt (vgl. Taf. XVII, Fig. 43). Es braucht nicht bemerkt zu werden, dass dieses Mesodermgerüst das erste Rudiment des Tarsus dar- stellt und bereits von diesem Anfangsstadium an ausser Zweifel erscheint, was ich in dem ersten Teil dieser Untersuchungen nachgewiesen habe, näm- lich, dass das Stroma des Lidrandes nur eine Fortsetzung des Tarsus ist.

Die Ciliarknöpfe sind auf dieser Stufe grösser und zahlreicher als bei dem vorher untersuchten Embryo-, sie messen 40 p an Höhe und be- sitzen an ihrer Basis eine Dicke von 68^; solche Gebilde beginnt man auch in der Vorderkante des Unterlidrandes zu bemerken.

Die Dicke des den beiden Lidrändern gemeinsamen Epithels beträgt 40 [i, die der Basalschicht 12//.

Embryone Fot. II von 45 mm (74. Tag) und Ti 7 von 50 mm (75. Tag). Beide wurden in toto mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, jedoch der erste in Querschnitte und der zweite in sagittale Schnitte von 25(i zerlegt.

Die Änderungen, die in den Lidrändern angetroffen werden, betreffen hauptsächlich die Entwicklung der Ciliarknöpfe. Dieselben sind in dem Mesoderm weiter vorgeschritten und zeigen sich keulenförmig infolge einer leichten Einschnürung, welche man an ihrer Ansatzbasis wahrnimmt (Rekonstruktion 2). Die Basalzellen, durch die sie begrenzt sind, zeigen das freie Protoplasmasäumchen nicht so gut wie auf den vorausgehenden Stufen. Ausserdem unterscheidet sich die sie umgebende dünne Meso- dermschicht von dem umliegenden durch eine erhebliche Kompaktheit; gebildet erscheint sie durch eine Reihe von Elementen mit ovoidalem Kern, welche senkrecht zu der konvexen Fläche der Keule angeordnet

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sind, uud aus weiteren 2 oder 3 Reihen von Elementen, welche sich in paralleler Richtung zu der genannten Oberfläche strecken und sich in fibrilläre Elemente fortsetzen, welche die seitlichen Partien der Keule bekleiden (vgl. Taf. XVII, Fig. 44).

Die Dicke des gemeinsamen Epithels der Lidränder beträgt in dem intermarginalen Raum dieser Embryone 40 ^; jedoch zeigt sie sich in der Nähe der hinteren Kante etwas grösser infolge der Anwesenheit vou leichten Einbuchtungen an dieser Stelle, welche den Punkt bezeichnen, von dem späterhin die Anfangszapfen der Meibom sehen Drüsen aus- gehen werden.

Embryone Si von 53 mm (76. Tag) und X von 58 mm (78. Tag\ Mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, wurde der erste in sagittaler Rich- tung, der zweite nach der Stirnebene in Schnitte von 25 und 10 fi zerlegt.

Bemerkenswert ist auf diesem Stadium die fibrilläre Struktur des Mesodermgewebes; der Tarsus zeigt sich vollständig differenziert und ge- bildet aus einer dichten Schicht von Spindelelementen; runde Elemente sind in ziemlicher Anzahl nur in Kontakt mit dem Epithel und besonders entsprechend der hinteren Kante der Lidränder vorhanden (vgl. Taf. XVH Fig. 45).

In bezug auf die Entwicklung der Cilien beobachtet man,, dass der Anfangsbalg, welcher bei den vorausgehenden Embryonen die Form einer Keule zeigte, mehr cylindrisch wird und mehr und mehr in das Mesoderm vordringt, eine Länge von 120 fi erreichend bei einem Diameter von 30 u. Das Ende bewahrt jedoch stets eine grössere Dicke als der übrige Teil des Epithelzapfens (40//), und die Zellen zeigen sich hier dichter zu- sammengedrängt (Rekonstruktion 4). Die es einhüllende Mesodermschicht ist stark verdickt und erscheint im Schnitt halbmondartig (Papille).

In den Schnitten des Embryos X, wo unmittelbar weitere Entwick- lungsstufen der Cilien anzutreffen sind, besitzt der Anfangsbalg ausser einer terminalen (bulbären) Anschwellung noch eine in der Nähe der Basis. Ausserdem nimmt die Papille unter Verlust der Halbmondform durch eine grössere zentrale Verdickung, welche einer Einsenkung der Spitze der bulbären Anschwellung des Balges entspricht, das Aussehen eines konvexen Nagelkopfes von 20 fi Dicke an (vgl. Taf. XVII, Fig. 45, Rekonstruktion 3, 4)1).

Der M. orbicularis erscheint bei diesen Embryonen sehr deutlich und aus kleinen Gruppen von Bündeln gebildet, welche in einer Reihe von zu der Oberfläche der Lider schrägen Ebenen augeordnet sind; die Muskelbündel treten gut hervor, da sie intensiv die Eosinfarbe annehmen.

J) Nach Duval ist die Eindrückung, welche man an der Spitze des anfäng- lichen Balges antrifft, mechanisch durch die Verdickung der Papille hervor- gerufen und mit einem glücklichen Vergleich stellt er sie dem Boden gegenüber, welcher in den Hohlraum einer Flasche hineinragt. Ich jedoch halte dafür, dass diese Eindrückung zu erklären sei nicht als eine mechanische Wirkung der Papillenverdickung, in dem Sinne, dass diese die Spitze des Balges eindrücke, sondern dass sie die Entwicklung derselben in einer umschriebenen Stelle hindere.

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 559

In den Lidrändern nun biegt der Orbieularis von vorn nach hinten um, eine Art von zn der vorderen Kante parallelem Knie bildend, und endigt mit einigen Gruppen von Bundelchen, welche sich gegen die hintere Kante hin erstrecken. Nun ist die Richtung der Cilienbälge eine derartige, dass sie bei ihrer Entwicklung streben, sich iu das Knie des Orbieularis einzuschieben, indem sie eine Portion desselben abtrennen, welche hinter ihnen zu liegen kommt (Musculus Riolani).

In dem Oberlid beobachtet man die Entwicklung einer weiteren Reihe Cilien und, wie schon einige Autoren bemerkt haben, scheint es, dass diese zweite Reihe sich hinter der ersten entwickle; jedoch habe ich mich durch eine sorgfältige Untersuchung der Serien der Präparate überzeugen können, dass man zwar häutig hinter einem auf einer vor- geschritteneren Entwicklungsstufe stehenden Cilienbalg einen weniger aus- gebildeten antrifft, anderseits aber an andern Schnitten das Gegenteil sieht: d. h. den stärker entwickelten Balg hinter dem weniger ausgebil- deten. Daher scheint es mir plausibler, dass die Cilien von Anfang an sich nicht nur in einer Reihe entwickeln, sondern in mehreren, und, da dann die eine zu weit von der andern entfernt ist, es an den Schnitten nicht möglich ist, diese Erscheinung zu beurteilen-, in der Folge bilden sich in den Interstitiell neue Bälge, und es fallen demnach leicht gleichzeitig zwei derselben unter den Schnitt, von denen ein weniger ausgebildeter sich hinter oder vor einem vorgeschritteneren befinden kann.

Nichts Bemerkenswertes in bezug auf das gemeinsame Epithel; es sind stets unverändert die der Entwicklungsgegend der Meibom sehen Drüsen entsprechenden Eindrückungon vorhanden.

Embryo Dd von 62 mm (79. Tag), mit Hämatoxylin und Eosin ge- färbt, in Schnitte von 25 // zerlegt.

Die Cilienbälge sind stärker entwickelt (128 140 //), und noch erheblicher ist die Basalanschwcllung (Rekonstruktion 5 6). Aus dieser Anschwellung, die man gut als „adenogene" bezeichnen kann, entstehen die Zeissschen und Mo tischen Drüsen.

Die Abtrennung des Musculus Riolani ist durch die Längenzunahme der Cilienbälge augenscheinlicher. Von diesen trifft man eine zweite Reihe auch in dem Unterlidrand.

Die Meibom sehen Drüsen befinden sich noch in dem Zustande leichter Vorwölbungeu, jedoch erscheinen sie ihrem Entwicklungscyklus nahe, da die Keimzellen des Epithels sich mehr langgestreckt zeigen und die darunter liegenden dichter gedrängt sind als die den beiden Lid- rändern gemeinsamen.

Embryo Ge von 73 mm (82. Tag), in toto mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt, in Schnitte von 25// zerlegt.

Die Cilienbälge schreiten in ihrer Entwicklung fort, sie erreichen eine Länge von 200//, und ihre Dicke beträgt in der Höhe der Bulbus- anschwellung 60//. Bei einigen beginnt die adogene Anschwellung sich auszustülpen; in der Tat beobachtet man hier an der Aussenseite eine sprossenartige, 20// dicke Prominenz, welche eine parallele Richtung zu der des Balges hat (Rekonstruktion 7 8). Sie besteht aus einer Gruppe

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von zentralen Zellen mit runden Kernen, die etwas grösser als die des Follikels sind, and ans einer äusseren Schicht von Zellen mit leicht ovoidalen Kernen, an denen man einen dünnen, lichtbrechenden Saum wahrnimmt (vgl. Taf. XVII, Fig. 46).

Die kleine Sprosse stellt die erste Anlage der Moll sehen Drüse vor; ihre konstante Entstehung auf der Aussenseite des Balges ist keine gelegentliche Erscheinung, sondern für die weitere Entwicklung derselben notwendig, welche in dieser Weise normal, ohne irgend ein Hindernis seitens des Balges, erfolgen kann.

Entsprechend der hinteren Lidkante sind in den dem vorliegenden vorausgehenden Stadien leichte Vorsprünge des Epithels in das Mesoderm beobachtet worden; jetzt erscheinen diese Prominenzen augenscheinlicher, und das Mesoderm ordnet sich auf denselben wie über den Cilienknöpfen an (vgl. Taf. XVII, Fig. 46, Rekonstruktion 12). Auf diesen neuen Gebilden, die durch successive Entwicklung die Meibom sehen Drüsen bilden werden, findet sich der Musculus Riolani, der, wie gesagt, von dem Orbicularis durch die Cilienbälge getrennt wird.

Schliesslich ist bei diesem Embryo die Abschilferung der sich über dem Lidspalt vorwölbenden Anhäufung von Epithelzellen bemerkenswert, so dass dieser als eine seichte Furche zwischen den beiden vorderen Kanten der Lidränder wahrnehmbar ist.

Embryo Pz von 90 mm (Ende des 3. Monats). Nach Härtung in Formol färbte ich die Maske in toto und schnitt sie nach der sagittalen Ebene in Schnitte von 25 und 10//.

Die Cilienbälge sind stärker entwickelt (200 250 (i), jedoch ist ihr bulbäres Ende noch weit von dem inneren Tarsalbogen entfernt, gegen den sie in schräger Richtung ziehen. Ihre Länge ist wenig ver- gleichbar mit der der Haarbälge der Augenbraue, welche 500 700 fi er- reichen und schon mit dem Schaft versehen sind, während man in der Achse des Ciliarepithelzapfens keinerlei Verhornung beobachtet.

Die Papille hat im allgemeinen die Form einer Kalotte, die einiger- massen der der Cilien mit vollem Bulbus beim Erwachsenen ähnlich ist; bei einigen Bälgen jedoch zeigt sie sich in das Bulbusende eingelagert, nach Art einer kleinen Amphore angeordnet.

An fast allen Bälgen kann man sodann bei aufmerksamer Unter- suchung die Sprosse der Mol Ischen Drüse wahrnehmen, welche sich als eine kleine volle Keule in verschiedener Höhe von der adenogenen Anschwellung vorwölbt (vgl. Taf. XVIII, Fig. 49). Diese erscheint durch das erste Sich- bemerkbarmachen der dem Balg zugehörigen Talgdrüsen (ZeissscheDrüseu) etwas höckerig.

Bei starker Vergrösserung erscheinen die anfänglichen Acini gebildet aus Zellen mit hellem Protoplasma mit runden Kernen, welche sich voll- kommen von den dem Cilienbalg eigenen Elementen differenzieren.

Die Meibom sehen Drüsen beginnen auf dieser Stufe als kleine 40 4 5 //-Zapfen in das Mesoderm vorzudringen. Sie sind zumeist sym- metrisch in einem Abstand von 175 200 fi gelegen.

Das Epithel der Lider nimmt bereits die Eigenschaften des Deck-

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menseben. 561

epithels an; in der Tat zeigt es eine oberflächliche Schicht von abge- platteten Elementen, welche sich intensiv mit Eosin färben und mit spindelförmigen Kernen versehen sind. Diese Elemente finden sich auch an der Furche des Lidspaltes, fahren jedoch keine Keratobyalinkörner.

Fötus Tv von 130 mm (zweite Hälfte des 4. Monats). Nach Härtung in Formol färbte ich die Maske in toto, welche ich nach der sagittalen Ebene in Schnitte von 2b fi schnitt.

Die Entwicklung der verschiedenen Gebilde des Lidrandes ist sehr fortgeschritten.

Die meisten Cilienbälge reichen an den inneren Tarsalbogen wie beim Erwachsenen heran, indem sie sich über eine Länge von ungefähr 500 fi ausdehnen, und zeigen die verschiedenen Bildungsstufen des Schaftes. Zuerst gehen die die terminale Aushöhlung des Balges begrenzenden Elemente an den Seiten der Papille hinauf und bilden die Wände einer kleinen Amphore, analog wie bei dem Wechsel der Cilien beim Erwach- senen, dann differenziert sich durch Proliferation der den Boden der kleinen Amphore auskleidenden Zellen ein Kern von Elementen, von denen die peripheren die äusseren Schichten des Schaftes und die zen- tralen die Grund- und Marksubstanz bilden.

Sobald diese Differenzierung erfolgt ist, verhornt zuerst die innere Epithelmembran und die Epidermicula, dann die übrigen Schichten, und der Schaft rückt in der Achse des Balges vor, welcher nach und nach durch Auflösung der zentralen Zellen hohl wird.

Die Zeissschen Drüsen zeigen sich auf dieser Stufe vollkommen von der adenogenen Anschwellung unterschieden und bei den Follikeln, in denen der Schaft sich bis an den Ausfuhrungsabschnitt vorgeschoben hat, in funktioneller Tätigkeit Ihr Sekret, welches wegen der Verlötung der Lidränder sich nicht nach aussen entleeren kann, sammelt sich in dem Ausfuhrungsabschnitt des Balges an, welcher infolgedessen erweitert erscheint.

Die Mo 11 sehe Drüse erkennt man als ein zwischen den Zeissschen Drüsen sitzendes gerades Epithelsträngchen. An seinem Ende besitzt es die keulenförmige Anschwellung, auf deren Proliferation das Längen- wachstum des Drüsenschlauches beruht (Rekonstruktion 9).

Die Meibom sehen Drüsen zeigen bei diesem Fötus die in dem vorausgehenden Stadium verzeichnete Form, sind jedoch stärker entwickelt (120^/), und ihre Spitze, die stärker angeschwollen ist als der Rest des Epithelzapfens, erscheint mit Basalzellen bekleidet, die länger gestreckt sind als die die seitlichen Teile bekleidenden (vgl. Taf. XVIII, Fig. 51). Die in Kontakt mit der Spitze der Zapfen befindliche Mesodermstrecke ist halbmondartig verdickt und erinnert gewissermassen an die Anfangs- papille der Cilienbälge bei den Embryonen der 11. Woche. Alle Epithel- zapfen gehen in beiden Lid rändern durch die Bündel des Musculus Riolani hindurch.

Fötus I von 130 mm (Ende des 4. Monats). Ich habe ihn in Formol fixiert. Dann trug ich die Lider ab, welche ich nach Färbung

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in toto mit Hämatoxylin und Eosin nach der sagittalen Ebene in Schnitte von 25 gl schnitt.

Das Deckepithel der Lider besitzt eine verhornte äussere Schiebt von 4//. In dem den Lidrändern gemeinsamen Epithel hingegen beob- achtet man noch keine echten Strukturänderungen, ausser der Anwesen- heit von mit Talgsubstanz angefüllten Vakuolen, entsprechend der Basis der Cilienbälge.

Der Ausführungsabschnitt der Bälge, welche sich in diese Vakuolen fortsetzen, ist erweitert (60//), und der Kanal, den derselbe bildet, er- scheint ganz ausser Verhältnis im Vergleich zu der Dicke des in ihn eintretenden Schaftes (8 //). Ausserdem zeigen sich der Ausführungs- abschnitt und die Vakuolen innerlich mit lamellären, Keratohyalinkörner führenden Zellen ausgekleidet.

Die am meisten entwickelten Cilienbälge sind 500 600// lang, doch trifft man neben denselben weniger ausgebildete ohne Schaft. Die Wurzel der ersteren ist vollkommen der der Cilien mit Hohlbulbus des Erwachsenen ähnlich, in dem Siune, dass sie von einer gleichen Anzahl konzentrischer Schichten gebildet wird; jedoch ist, unabhängig von ihrer Kleinheit, zu bemerken, dass die äussere Epithelmembran nur aus zwei Zellreihen besteht und die Zeugungselemente der Grundsubstanz pigmentlos sind, weshalb der Schaft eine blassgelbe Farbe besitzt.

Von grosser Bedeutung ist auf dieser Entwicklungsstufe die Unter- suchung der Glasmembran. Dieselbe zeigt eine Dicke von 2 fi und ist in ihrer Ausdehnung mit ovalären, parallel zu dem Balg gerichteten Kernen durchsetzt. Diese Kerne sind in ihre Dicke eingelagert, und einige ruhen direkt auf dem äusseren Umkreis der anliegenden Epithel- scheide. Die Elemente der Glasmembran lassen sich bis an die Basis der Papille verfolgen, wo ihre Zeugungszellen sitzen. Die mesodermale Natur dieser Membran scheint mir deshalb zweifellos.

Die Mo 11 sehe Drüse besitzt grössere Proportionen als auf der vor- ausgehenden Entwicklungsstufe (160 200//), behält noch immer die Form eines Strängchens mit keulenartigem Ende bei und erscheint gebildet aus einer äusseren Reihe von Elementen mit intensiv gefärbten t mehr oder weniger ovalären Kernen und aus zwei inneren Schichten von ansehn- licheren Zellen mit Kernen von etwas blasser Farbe (vgl. Ta£ XVIII, Fig. 50).

Bei einigen Drüsensträngchen zeigt die Keule einen leeren zentralen Raum, was auf den Gedanken führt, dass hier das Lumen des Schlauches sich zu bilden beginne.

Die Keule stellt sozusagen den Keim der Drüse vor, und auf ihrer Tätigkeit beruht die allmähliche Entwicklung des Schlauches. Nach aussen ist sie durch einen analog der Glasscheide des Balges mit Kernen durch- setzten lichtbrechenden Streifen begrenzt (Basalmembran).

Die Meibom sehen Drüsen erreichen eine Länge von 180 300//. Bemerkenswert ist an ihrer Spitze die Anordnung des Mesoderms, ähnlich der Papille der anfänglichen Cilienbälge, und häutig ist die Ähnlichkeit so vollkommen, dass zur Unterscheidung der adenogenen Epithelzapfeu von deii echten Follikeln nur eine Eigentümlichkeit vorhanden ist, nämlich,

Ober Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 563

dass jeue nicht die Eindrückung an der Spitze zeigen (Rekonstruktion 13). Die diese Pseudopapillc bildenden Mesodermelemente stehen der Bildung der Basalmembran und der Bindegewebsbekleidung der Drüsen vor.

Fötus Ns von 160 mm (zweite Hälfte des 5. Monats). Er wurde in Formol fixiert. Die Lider des linken Auges färbte ich in toto und teilte sie in sagittale Schnitte von 25//.

Die histologischen Eigentümlichkeiten der Lidränder sind fast gleich den im vorausgehenden Stadium beschriebenen. Die Cilienbälge zeigen sich immer von der Hohlbulbusvarietär, und die entwickelteren erreichen eine Länge von 700—750// (vgl. Taf. XVIII, Fig. 47, Rekonstruktion 10).

Die Ausweitung des Ausführungsabschnittes und die Vakuolen des gemeinsamen Epithels, die mit von den Zeissscben Drüsen abgesonderter Talgsubstanz angefüllt sind, erscheinen augensichtlicher, ja es ist sogar bei Untersuchung der Reihe der Präparate leicht, hier und da einige Vakuolen zu sehen, die sich durch Usur der dünnen Epithelschicht, durch die sie auf der Seite der vorderen Kante der Lidränder begrenzt waren, geradezu nach aussen geöffnet haben.

Die Mol Ischen Drüsen beginnen sich in die Portion, welche als Gang dienen wird, und in den Drüsenschlauch zu differenzieren; letzterer zeigt sich bereits geschlängelt und bietet leichte Windungen. Untersucht man den Mechanismus, durch den aus der Wachstumskeule sich der Drüsenschlauch entwickelt, so erscheint evident, dass die peripheren Zellen der Keule durch Proliferation kleineren Elementen mit dünnem, lang- gestrecktem Kern den Ursprung geben, welche die Muskelbekleidung des Schlauches bilden werden. Die zentralen Zellen der Wachstumskeule bilden die secemierende Schicht. Die Bildung des Schlauchlumens ist eine Folge der Proliferation der Elemente nach der transversalen Ebene: in der Tat streben sie, an Zahl zunehmend , sich allmählich zentrifugal von der Achse des Schlauches zu entfernen, wobei sie einen cylindrischen Hohlraum zurücklassen.

Die Meibomschen Drüsen, die bisher als einfache volle Epithel- zapfen beschrieben worden sind, beginnen kleine, seitliche Buckel zu zeigen, die am deutlichsten in der äussersten Hälfte des Zapfens sind (Rekon- struktion 14). Zuerst bestehen diese Buckel aus Zellen, welche nicht von den andern benachbarten abweichen, dann werden sie grösser, heller, und ihr Protoplasma erscheint leicht körnig. An dem Ende der Anfangs- drüsen beobachtet man immer die spezielle Anhäufung von Mesoderm- elementen (vgl. Taf. XVIII, Fig. 47).

Wert, hervorgehoben zu werden, ist in diesem Stadium endlich die Anwesenheit eines echten, Keratohyalinkörner führenden Stratum granu- losum in dem Deckepithel der Lider.

Fötus Dd, 210mm (Ende des 5. Monats). Härtung, Färbung und Schnitte wie bei den vorigen.

In den letzten Stadien vor diesem habe ich mit Talgsubstanz an- gefüllte, in dem Epithel an der Mündungsstelle des Ausführungsabschnittes der Cilienbälge gelegene Vakuolen beschrieben. Bei dem Fötus Ns be- gannen diese Vakuolen sich nach aussen zu öffnen; jetzt, bei Dd, zeigen

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sich dieselben alle entleert, und die zarte Epithelschranke, welche sie nach vorn von der Lidspaltfurche trennte, ist natürlich verschwanden. Dies bringt mit sich, dass die vorderen Kanten der Lidränder fast voll- kommen voneinander getrennt nnd mit einer eigenen Epithelbekleidnng versehen erscheinen, welche noch das die Wand der Vakuolen beklei- dende Stratnm granulosum behält. Infolge dieser Erscheinung und auch wegen der vorgeschritteneren Entwicklung ragen viele der Cilienschäfte aus dem Lidspalt vor.

Was die Follikel der Cilien angeht, so ist zu bemerken, dass sie die grösste Länge von 800 fi erreichen; ausserdem trifft man, obwohl die meisten einen Hohlbulbus besitzen, neben denselben einige, welche die den Cilien mit vollem Bulbus eigenen Merkmale zeigen. Sie weichen jedoch dadurch davon ab, dass gleichzeitig mit der Elimination des Bulbus im Follikel der Stiel der Wechselsprosse bedeutend länger gestreckt er- scheint und die kleine, die Papille umgebende Amphore noch immer vorhanden ist.

Die Molischen Drüsen erreichen zumeist fast die Höhe der Cilien* bulbi, indem sie sich über eine Länge von 370 400^ ausdehnen.

Die Meibomschen Drüsen zeigen eine bedeutende Entwicklung im Vergleich zu dem vorausgehenden Stadium (900//); die Acini sind voll- kommen um den Ausführungsgang herum gebildet, und dieser besitzt ein durch Ansammlung der Sekretion bedeutend ausgeweitetes Lumen. Die Wirkung dieser Stockung ist die Trennung der hinteren Lidkante durch den gleichen Mechanismus, durch den die der Vorderkante vor sich geht

Aus dem oben Bemerkten ergibt sich, dass in diesem Stadium die Lidränder noch durch das dem intermarginalen Saum entsprechende Epithel verwachsen sind. Beobachtet man sorgfältig diesen Abschnitt des gemeinsamen Epithels, so erkennt man, dass in seiner Dicke die medianen Elemente ihr Aussehen verändert haben, in dem Sinne, dass sie sich der horizontalen Ebene nach abgeplattet und mit spindelförmigen Kernen versehen zeigen.

Fötus Vt von 225 mm (erste Hälfte des 6. Monats). Die Lider wurden wie gewöhnlich gehärtet, gefärbt und geschnitten.

Die medianen Zellen des gemeinsamen Epithels, die der inter- marginalen Portion entsprechen, zeigen ausser den beim vorausgehenden Fötus verzeichneten Formveränderungen zahlreiche Keratohyalinkörner. Sie besitzen numehr alle Eigenschaften der Elemente des Stratum gra- nulosum der Lidhaut, in das sie sich direkt fortsetzen.

An einigen Stellen des Lidspaltes erscheint diese Schicht von Ele- menten, welche das gemeinsame Epithel in zwei vollkommen gleiche Abschnitte teilt, von einer zarten verhornten Schicht durchschnitten; hier sind die Verwachsungen zwischen den Epithelmembranen wenig feste, oder geradezu nichtssagend (vgl. Taf. XVIII, Fig. 48).

Die Cilienbälge sind in diesem Stadium alle in Wechselphase, der keulenförmige Bulbus findet sich in der äusseren Epithelscheide inseriert, während auf der Spitze des Balges sich die Austauschsprosse mit einem laugen Stiel von lbOp erhebt (Rekonstruktion 11).

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 565

Der Ausführungsabschnitt des Balges zeigt sich noch enorm erweitert derart, dass die Cilie keinerlei Berührung mit der Epithelwand hat; in der Höhe der Einmündung der Z ei ss sehen Drüsen ist diese Dilatation ausgesprochener (vgl. Taf. XVIII, Fig. 48).

Di« Mol Ische Drüse besitzt nunmehr ein sehr augenscheinliches Lumen, und der Ausführungsgang lässt sich gut von dem Drüsenschlauch unterscheiden. Jener wird gebildet aus zwei Lagen von ziemlich begrenz- baren Zellen; der Drüsenschlauch, der an dem Ende des ersteren wenige Windungen bildet und selten den Follikel an Höhe übertrifft, besteht aus nur einer Lage von Zellen mit grösseren Kernen, welche mit einem deutlichen, in das Drüsenlumen vorspringenden Protoplasmasäuinchen ver- sehen sind.

An den Querschnitten zählt man nicht mehr als 8 12 den Sekre- tionsschlauch bildende Zellen, jedoch zeigen sie kein Merkmal funktioneller Tätigkeit. Die Windungen der Drüsen sind hauptsächlich in der Parallel- ebene zur Lidoberfläche angeordnet, an sagittalen Schnitten nimmt man demnach den Drüsenkanal als eine gewisse Anzahl von runden, leeren, rosenkranzartig aufeinander angeordneten Räumen wahr (Rekonstruktion 11).

Was die Meibomschen Drüsen angeht, so ist ihre zunehmende Ent- wicklung bemerkenswert; in diesem Stadium erreichen dieselben in den zentralen Partien der Lider eine Höchstlänge von 1,5 mm. Der Aus- führungsgang, welcher stets infolge der aktiven Funktion der Drüse und weil das Sekret sich noch nicht frei nach aussen ergiessen kann, erweitert erscheint, zeigt sich innen durch ein an Keratohyalinkörnern reiches Stratum granulosum ausgekleidet. Die Drüsen haben jedoch noch nicht ihre vollständige Länge erreicht; in der Tat beobachtet man an ihrer Spitze eine Art von Keule, bestehend aus Elementen mit intensiv gefärbtem runden Kern und bekleidet mit langgestreckten Cylinderzellen, auf welchen das Bindegewebe stets halbmondförmig angeordnet ist (vgl. Taf. XVIII, Fig. 48, Rekonstruktion 15).

Fötus Dq, 240mm (zweite Hälfte des 6. Monats). Nach Härtung in Formol färbte ich in toto das linke Auge, welches ich nach der sagit- talen Ebene in Serien zu 2b fi schnitt.

Die Lidränder zeigen in ihrer ganzen Ausdehnung keinerlei Ver- wachsung mehr. Das Epithel, mit dem sie bekleidet sind, hat in dem intermarginalen Saum eine Dicke von 40//, etwas stärker als das der Lidhaut (30 fi). Ersteres besteht aus vier der Malpighi sehen Schicht angehörenden Zelllagen und aus zwei Reihen von Körnerzellen, das zweite hingegen zeigt in der Malpighischen Schicht nur drei Ele- mentreihen. In den Cilienbälgen beobachtet man die verschiedenen Phasen des Wechsels, wie ich schon in dem speziellen Kapitel dieser Arbeit beschrieben habe; bei einigen Bälgen jedoch ist der Wechsel bereits er- folgt, und die neue Cilie hat demnach die Eigenschaften eines Haares mit Hohlbulbus angenommen und erreicht eine Ausdehnung von ungefähr einem Millimeter.

Die Mol Ischen Drüsen sind ihrer Struktur nach den beim voraus- gehenden Fötus beschriebenen gleich, nur erscheinen sie weiter entwickelt

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(400//); dasselbe lässt sich über die Meibomscben Drüsen sagen (2,2 mm).

Fötus Ar (erste Hälfte des 7. Monats), Fötus Em (zweite Hälfte des 7. Monats). Lider in Serien geschnitten und nach verschiedenen Methoden gefärbt

Der innere Tarsalbogen, welcher die äussere Grenze des Lidrandes bestimmt, zeigt eine Höhe von 1,3 mm.

Das Deckepithel weicht bis auf seine Proportionen (45 (i) und die regelmässigem Anordnung seiner Elemente nicht von dem Epithel beim Erwachsenen ab; bemerkenswert ist jedoch, dass es auf der Basalseite eben oder leicht gewellt erscheint, und zwar deshalb, weil die Binde- gewebspapillen noch nicht entwickelt sind. Ausserdem setzt es sich, entsprechend der hinteren Kante, direkt in das Bindehautepithel ohne erhebliche Veränderungen fort, indem es nur eine allmähliche Dicken- abnahme zeigt.

Die Cilienbälge besitzen entweder einen hohlen oder vollen Bulbus: ersterc erreichen eine Länge von ungefähr 1,2 mm. Bei dem Fötus Ar befinden sie sich zum grössten Teil in Wechselphase.

Die Schlauchwindungen der Mol Ischen Drüse erscheinen zahlreicher, und die Zeissschen Drüsen zeigen einen grösseren Umfang.

Die Meibom sehen Drüsen sind bereits über 3 mm hoch; an der Spitze derselben ist stets die Wachstumskeule vorhanden.

Fötus So (aus dem 8. Monat), Fötus Y (ausgetragen). Lider in toto gefärbt und in Serien geschnitten.

Bei dem Fötus aus dem 8. Monat misst der innere Tarsalbogen an Höhe 1,6 mm.

Der Lidrand hat nunmehr eine Struktur, dife gleich der beim Er- wachsenen ist. Das Epithel der hinteren Kante beginnt in der Tat jenes starre Aussehen anzunehmen, welches ihm die abgeplatteten verhornten Zellen, aus denen es besteht, verleihen, und seine Basal fläche ist nicht mehr gleichmässig glatt, sondern hier und da durch kleine Papillen- vorwölbungen von 10 15^ unterbrochen.

Die Cilien sind zum grössten Teil in Wechselphase, doch findet man bei Untersuchung der Serie der Präparate einige mit Hohlbulbus.

Nur die Mollschen Drüsen zeigen noch eine primitive Struktur und bieten keinerlei Anzeichen funktioneller Tätigkeit. Die Meibom- scben Drüsen sind über 4 mm lang und nehmen die ganze Ausdehnung des Tarsus ein.

Bei dem ausgetragenen Fötus misst der Lidrand an Höhe 1,9 mm, das Epithel ist 60 fz dick, während das Hautepithel nur 40 fi Dicke er- reicht; entsprechend der hinteren Kante ist die Anordnung der verhornten Zellen wie beim Erwachsenen. Die Papillen sind etwas grösser (20 fi). Von den Cilienbälgen messen einige mit Hohlbulbus 1,5 mm, die mit vollem Bulbus hingegen sind kaum 800 fi lang.

Die Mollschen Drüsen bilden an ihrem Ende zahlreiche Windungen, doch zeigen die Drüsenzellen keinerlei erkennbare Modifikation, welche

Ober Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 567

vermuten Hesse, dass sie funktionierten. Die Meibomschen Drüsen sind an ihrer Spitze noch mit der Wachstumskeule versehen.

Zusammenfassende Schlussbemerkungen.

Die Verlötung der Lider setzt bei den Embryonen von 32 mm (Anfang des 3. Monats des intrauterinen Lebens) ein und schreitet von den Kommissuren gegen die mediane Portion hin vor. Das Epithel zeigt an der Stelle, wo es in Kontakt kommt, eine augen- scheinliche Proliferation; die Verschmelzung der beiden Epithel- schichten ist demnach nicht vollkommen passiv, sondern beruht auch auf ihrer Tätigkeit. Gleichzeitig beginnen sich in der Gegend der Augenbraue Haare zu bilden, die ersten, welche man an dem em- bryonalen Körper bemerkt.

Die Cilien hingegen beginnen später bei den Embryonen von 37— 40 mm, nachdem der Verschluss der Lider eingetreten ist, was dazu beiträgt, dass sie sich in der rechten Richtung entwickeln.

Die ersten Ciliarepithelknöpfe zeigen sich in dem Oberlid (Embryo Tia), späterhin erscheinen sie am Unterlid (Embryo Ti0).

Der Orbicularis zeigt in diesen Stadien noch keine Bündel- struktur, nimmt dieselbe vielmehr bei den Embryonen der 11. Woche (Embryo Si von 50mm und X von 58 mm) an; er bildet alsdann entsprechend der vorderen Kante des Iidrandes ein zu diesem paral- leles Knie, in das die Cilienfollikel eintreten und den Musculus Riolani davon abtrennen.

Die Cilienknöpfe nehmen Keulenform an und zeigen weiterhin eine terminale (bulbäre) Anschwellung und eine basale (adenogene); erstere wird an ihrem Ende durch eine Verdickung des Mesoderms (Papille), welche ihre Entwicklung hemmt, eingedrückt, von der zweiten stülpt sich ein voller Zapfen aus, welcher das erste Rudi- ment der Mol Ischen Drüse ist (Embryo von 73 mm).

Die Z ei ss sehen Drüsen beginnen sich am Ende des 3. Monats zu bilden (Embryo Pz von 90 mm).

In einem weiteren Stadium (Anfang des 4. Monats) erreichen die Cilienbälge den inneren Tarsalbogen, und längs ihrer Achse, welche allmählich entartet, rückt der bereits verhornte Schaft vor. Zu gleicher Zeit weitet sich der Ausführungsabschnitt des Balges infolge der Stauung der von den Zeissschen Drüsen kommenden Sekretion aus, und an der Basis des Balges bilden sich Vakuolen in der Dicke des gemeinsamen Epithels.

t. Oraefe's Archiv fllr Ophthalmologie. LXVI. 3. 37

568 A. Contino

Am Ende des 3. Monats entwickeln sich die Meibomschen Drüsen in Form von vollen Epithelzapfen, welche durch die Bändel des Musculus Riolani hindurchgehen und denselben in die submei- bomische und subciliare Portion teilen. Die Zapfen beginnen sich mit kleinen Höckern (Acini) in den ersten Tagen des 5. Monats (Ns 160 mm) zu umgeben und zeigen gleich darauf die Merkmale ihrer funktionellen Tätigkeit

Die Mollschen Drüsen sowie die Meibomschen entwickeln sich an Länge durch die Proliferation einer vollen Keule, welche an ihrem Ende vorhanden ist; zuerst bildet sich der Ausfuhrungsabschnitt, dann beginnt sich an der Spitze desselben der Drüsenschlauch zu differenzieren, welcher sich in Windungen in der zweiten Hälfte des 5. Monats anordnet; doch entfaltet sich seine Tätigkeit erst nach der Geburt.

Infolge der Talgsekretion der Zeissschen und Meibomschen Drüsen erfolgt die Trennung der Kanten der Lidränder (Fötus Dd. Ende des 5. Monats), während die Trennung des Epithels des inter- marginalen Saumes durch Verhornung seiner Zwischenschichten ein- tritt (Fötus Vt, Anfang des 6. Monats). Dies sind die Hauptfaktoren der Trennung der Lider; die Vorwölbung des Augapfels, die durch den Levator erzeugte Zerrung, denen man eine besondere Bedeutung beigelegt hat, sind nur sekundäre Ursachen, wie auch durch Prot Ovio in einer Reihe von schönen Versuchen an neugeborenen Katzen dargetan worden ist.

Einen ersten Wechsel der Cilien beobachtet man in der zweiten Hälfte des 6. Monats, weitere Wechsel folgen während des 7. und 8. Monats; bekanntlich werden in der Tat in dem Fruchtwasser zahlreiche Haare angetroffen werden.

Der Mechanismus des fötalen Cilienwechsels weicht von dem Cilienwechsel bei dem Erwachsenen insofern ab, als der neugebildete Balg in Zusammenhang mit dem fortschreitenden Wachstum der Lider immer grössere Proportionen erreicht

Die Zahl der Cilien bei dem Erwachsenen entspricht ebenso- vielen Epithelknöpfen, welche sich im 3., 4. und 5. Monat des intra- uterinen Lebens bilden. Die von Grefeberg behauptete Erscheinung, dass einige der Anfangsbälge der Atrophie anheimfallen, wonach die Zahl der Cilien ursprünglich grösser als die bei dem Erwachsenen beobachtete sein würde, habe ich nicht angetroffen. Ebenso ist die Ansicht von Vidal (de Cassis) zu verwerfen, dass einige Cilien im embryonalen Zustand blieben und sich späterhin beim Erwachsenen

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen.

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570 A- Contino

entwickelten, wie Zähne ausserhalb der Linie, indem sie durch ihre fehlerhafte Richtung Trichiasis hervorriefen.

Das Epithel des Lidrandes differenziert sich von dem der Binde- haut und der Haut während der Verlötung der Lider; nach erfolgter Trennung der letzteren gleicht es sehr dem Hautepithel, weil es sich auf der Basalseite noch gleichförmig zeigt. Seine spezielle Physiognomie erlangt es im 8. und 9. Monat, wenn die Binde- gewebspapillen sich zu entwickeln beginnen und alsdann entsprechend der hinteren Kante die Epithelelemente ihre charakteristische rigide Anordnung annehmen.

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Erklärung der Abbildungen auf Taf. XI-XIX, Fig. 1—51 und Rekonstruktionen 1 18.

Fig. 1. Sagittaler Schnitt durch den Lidrand.

Gz, Z ei ss sehe Drüse. Te, Ausführungsabschnitt des Balges einer Cilie mit Hohlbulbus. St, Schaft derselben. Bp, Schaft und Balg einer Cilie mit vollem Bulbus. Fi, interciliäre Bündel des Musculus Riolani. De, Aus- hrungsgang einer Mol Ischen Drüse. Est, Epithel des intermarginalen SauineB.

Vc, Durchschnitte von Kapillargefässen. Fe, Subciliäre Bündel des Musculus Riolani. Eop, Epithel der hinteren Lidkante. Dem, Ausführnngsgang der Meibomschen Drüse. Fsm, Submeibomsche Bündel des Musculus Riolani.

P, Papille der Cilie mit vollem Bulbus. Vt, Windungen des Mol Ischen Drüsenschlauches. Sa, Einmündung eines Acinus der Meibomschen Drüse in den Ausführungsgang. T, Tarsus und seine Ausbreitung vor den Cilien.

Ct, Tarsalbindehaut und subtarsale Furche. Gm, Meibom sehe Drüse. Ati, innerer Tarsalbogen. Ca, Gruppe von Fettzellen. Mo, Bündel des Orbicularis. Tcs, Unterhautzellgewebe. Cp, Epithel der Lidbaut.

Fig. 2. Epithel der Lidhaut.

C, Hornschicht. G, Kfirn erschient. M, Mal pighi sehe Schicht. B, Basalschicht. L, Basalmembran.

Fig. 3. Epithel des intermarginalen Saumes.

C, Hornlamelle. G, Stratum granulosum. M, Mal pighi sehe Schicht.

P, Papille. B, Basalschicht. Mb, Basalmembran. F, Gefässdurch- schnitte.

572 A. Contino

Fig. 4. Epithel der hinteren Lidkante.

C u. G, Stelle, an der die Hörn- und Körnerschicht aufbort Es, ver- hornte oberflächliche Epithelzellen. Ct, Epithel der Tarsalbindehaut Sb, Basalschicht P, Papille. Mb, Basalmembran.

Fig. 5. Epithel des intermarginalen Saumes über der Spitze einer Papille ^bei starker Vergrösserung).

C, Hornlamellen. G, Zellen der Körnerschicht mit Keratohyalinkörnern.

Cs, Zellen der Malpighi sehen Schicht. Sp, Periphere Stacheln derselben.

Sb, Zellen der Basalschicht mit Pigmentkörnern. Mb, Basalmembran. Tc, Bindegewebe.

Fig. 6. Längsschnitt durch denKeimabschnitt des Balges einer Cilie mit Hohlbulbus.

Vpy Gefäss der Papille. P, Körper der Papille. Em, Bindegewebs- elemente, in die sich die Glasmembran fortsetzt Ctni, Mutterzellen der in- neren Epithelscheide. Sf, Grundschicht. Sm, Markschicht. E, Zellen der Epidermicula und der Cuticula. Ghu, Huxleysche Scheide. Cb, Basal- zellen der äusseren Epithelmembran. Rc, Bindegewebsbekleidung des Balges.

Gh, Henlesche Scheide. Cut, von denen der Epidermicula abgelöste Cuti- culaschuppen. Lv, Glaslamelle. Mts, äussere Epithelmembran.

Fig. 7. Tangentiell zum Balge geführter Schnitt Me8, Basalzellen der äusseren Epithelmembran im Querschnitt. Cpe, Pseudoendotheliale Zellen. Fe, Ringfaserschicht - Fl, Längsfaserschicht

Fig. 8. Längsschnitt durch die letzte Portion des Ausführungs- abschnittes des Balges.

Mb, Basalmembran. Cp, Schicht der polyedrischen Zellen. Sg, Schicht der Körnerzellen. Lc, wabenartig angeordnete Hornlamellen.

Fig. 9. Querschnitt durch den Balg einer Cilie mit Hohlbulbus, in der Höhe der Bulbusamphore.

Rc, Bindegewebsbekleidung des Balges. P, Papille. Sf, Zellen der Grundschicht. Cmi, Mutterzellen der inneren Epithelmembran und der Epi- dermicula. — Gh, Zellen der Hen leschen Scheide.

Fig. 10. Querschnitt in der Höhe der Bulbuseinschnürung. Sm, Markschicht des Schaftes. Rc, Bindegewebsbekleidung des Balges.

Sf, Grund- oder Rindenschicht Ec, Zellen der Cuticula und der Epider- micula. — Ghu, Zellen der II uxley sehen Scheide mit eosinophilen Eleidingra- nulationen. Mep, äussere Epithelmembran. Lv, Glaslamelle.

Fig. 11. Querschnitt durch den Balg in der mittleren Partie des Keimabschnittes.

Mv, Glasmembran. Csp, Stachelzellen der äusseren Epithelscheide. Gh, verhornte Zellen der Henl eschen Schicht. Ec, Epidermicula und Cuti- cula. — Sf, Grundschicht des Schaftes. Sm, Markschicht.

Fig. 12. Stück der Bulbusamphorenwand in Längsschnitt (bei starker Vergröaserung).

Gh, Henlesche Scheide. Gx, Huxleysche Scheide. Ep, Epidermi- cula. — Cu, Cuticula. Cf, periphere Pigmentzellen der Grundschicht. Cpp, Wand einer pigmentzeugenden Zelle. (Jpg, pigmentzeugende Keimzellen.

Fig. 13. Längsschnitt durch den Balg in der mittleren Partie des Keimabschnittes (bei starker Vergrösserung).

Lv, Glaslamelle. Cb, Basalzellen der äusseren Epithelmembran. Cp, Stachelzellen. Sp, Stachel. Cm, Pflasterzellen. Mei, innere Epithelmem- bran. — Cut, Cuticula. Ep, Epidermicula. Sf, Grundschicht des Schaftes.

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 573

Fig. 14. Schräger Schnitt durch den Balg unter der Bulbusein- schnürung.

Sf, Elemente der Grundschicht. Ep, Elemente der Epidermicula. Ct, Zellen der Cuticula. Gx, Zellen der Huxley sehen Scheide. Gh, Zellen der Hen leschen Scheide.

Fig. 15. Längsschnitt durch den Wurzelabschnitt einer Gilie mit vollem Bulbus.

Cno, Nervengefässstrang. P, Papille. Mf, Austauschsprosse, Mutter- zellen der Grund- und Markschicht. Mi, Mutterzellen der inneren Epithel - scheide. Lv, Glaslamelle. Pd, Stiel der Austauschsprosse. Cb, Zellen der Basalschicht der äusseren Epithelmembran. Gep, metamorphosierte Stachel- zellen. — Bp, Bulbus der alten Cilie. Ef, Ausblätterungen der inneren Epithelmembran. A, Ampulle. Ck, verhornte, die Ampulle begrenzende Zellen.

Fig. 16. Querschnitt in der Höhe des Stieles der Austausch- sprosse.

Fl, Längsfasern des Balges. Fe, Ringfasern. Lv, verdickte Glas- lamelle. — Pgr, Stiel der Austauschsprosse.

Fig. 17—20. Vier Stadien der Umbildung der Cilien mit Hohl- bulbus in Cilien mit vollem Bulbus.

St, Gilienschaft Epm, Epithel des Lidrandes. Te, Ausführungs- abschnitt des Balges. Gz, Zeisssche Drüse. A, Ampulle. Mpi, innere Epithelmembran. Mpe, äussere Epithelmembran. Bp, Bulbus der Cilie. Rc, Bindegewebsbekleidung des Balges. Lv, Glaslamelle. Gr, Stiel der Austauschsprosse. An, kleine Amphore. P, Papille.

Fig. 21. Zwei Stadien des Cilienwechsels.

Emp, Epithel des Lidrandes. Gz, Zeisssche Drüsen. Bp, Bulbus der alten Cilie. Gr, Austauschsprosse in Tätigkeit. Gm, Schnitt durch den Schlauch einer Mo 11 sehen Drüse. Snv, Schaft der neugebildeten Cilie. P, ihre Papille.

Fig. 22. Querschnitt durch einen eine alte und eine neue Cilie enthaltenden Balg.

Bp, Bulbus der alten Cilie. Sb, Basalschicht der äusseren Epithelmem- bran. — V, Glasscheide. Rc, Bindegewebsbekleidung. Me, äussere Epithel - membran. Snc, Schaft der neugebildeten Cilie. Gm, zusammengedrückte Zellen der äusseren Epithelmembran.

Fig. fc3. Acini und Mündung einer Zeissschen Drüse.

Te, Epithel des Ausführungsabschnittes des Balges. Mb, seine Basal- membran. — Rc, Bindegewebsbekleidung. Cd, in Talgtropfen übergegangene Zellen. Gs, Drüsenzellen mit vakuolisiertem Protoplasma. N, Kerne der Drüsenzellen. Cg, Keimzellen. Ma, Strukturloses Basalhäutchen. Mv, Glasmembran. Sb, Basalschicht der äusseren Epithelmembran. Ep, lamel- läre Zellen. Mi, innere Epithelmembran.

Fig. 24. Rekonstruktion einer Mollschen Drüse.

D, Ausführungsgang. A, Ampulle. Vg, Windungen des Drüsenschlauches.

Fig. 25. Querschnitt der Ampulle und tangentieller Schnitt des Schlauches einer Mollschen Drüse.

Cs, quergeschnittene Drüsenzellen. Fml, glatte Muskelfasern. Rc, Binde- gewebsbekleidung. — Cgr, Zellen der Ampulle im Ruhezustand. Mba, struk- turloses Basalhäutchen.

574 A. Conti no

Fig. 26. Secernierende Zellen einer Molischen Drüse im Ruhe- zustand.

Ol, freies Säumchen. 5m, Verbindungskanten. Fl, longitudinale Protoplasmafäserchen. N, Kern. Tm, Muscularis. Ma, Basalmembran.

Rc, Bindegewebsbekleidung.

Fig. 27. Secernierende Zellen in der präsekretiven Phase. Ol, freies Säumchen. Fl, Protoplasmafibrillen. Si, Z wischen zellen- räume N, Kern umgeben von lichtbrechenden Körnern. Tm, Muscularis.

Rc, Bindegewebsbekleidung. Su, Verbindnngskanten. M, Basalmembran.

Fig. 28. Zellen in funktioneller Tätigkeit

Fig. 29. Zellen der Ampulle.

Gs, Sekretkügelchen. An, kleine gedehnte Amphoren und Verbindungs- kanten. — Gc, lichtbrechende Körner. N, Kern. Tm, Muscularis.

Fig. 30. Längsschnitt durch die Wand der Ampulle und des Ganges.

Si, Zellen der inneren Schicht des Ausführungsganges. Se, Zellen der äusseren Schicht. Tf, Fortsetzung der ersteren in die secernierenden Zellen.

Fe, Ende der äusseren Zellschicht des Ausführungsganges. Fr, Zellen im Ruhezustand. Fl, longitudinale Protoplasmafibrillen. N, Kern. Tm, MusculariB.

Fig. 31. Balg mit zwei Mollschen Drüsen.

Te, Ausführungsabschnitt des Balges. De, Ausführungsgang der Moll- schen Drüsen. Am, Ampullen.

Fig. 32. Acinus einer Meibomschen Drüse mit Osmiumsäure behandelt.

De, Wand des Ausführungsganges. Cm, mittlere Zellen des Acinus. Cp, periphere Zellen. Cg, Keimzellen.

Fig. 33. Horizontaler Schnitt durch den Lidrand.

Epc, Epithel der Lidhaut. Tcs, Unterhautzellgewebe. .Fe, Querschnitte der Cilienhälge. Fin, interciliare Bündel des Musculus Riolani. ilfr, sub- ciliare Bündel des Musculus Riolani. Deg, Ausführungsgänge der Meibom- schen Drüsen. Fsm, submeibomsche Bündel des Musculus Riolani.

Fig. 34. Anordnung der elastischen Fasern im intermarginalen Saum.

E, Epithel des intermarginalen Saumes. Mb, Basalmembran. Sfc, Ausfaserung der elastischen Fasern in den Papillen und ihre Insertion an der Basalmembran. Fo, Bündelchen longitudinaler oder horizontaler elastischer Fasern des Lidrandes, zwischen deren Divarikationen man die Durchschnitte der Bagittallen Fasern beobachtet.

Fig. 35. Lid eines Neugeborenen, injiziert mit Berliner Blau- gelatine (Schnitt in der frontalen Ebene).

Ae, äusserer Arterienbogen. G, Meibom sehe Drüsen. Am, innerer Bogen mit perforierenden Ästen.

Fig. 36. Sensibler Nervenapparat der Cilien. Fn, Nervenfaserbündel. Fe, Fasern, welche sich um den Balg herum- winden. — Bt, Endstäbchen.

Fig. 37, 38. Nervöse Körperchen der Papillen des intermargi- nalen Saumes.

E, Epithel. Ct, Endkörperchen.

Fig. 39. Embryo U, 32mm. Noch nicht verlötete Lidstrecke.

Ec, Epithel der hinteren Fläche des Oberlides. Gm, Haufen von Meso- dermelementen. Em, Epithel des Lidrandes. L, Krystalllinse. K, Horn- haut. — Pi, Unterlid.

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 575

Fig. 40. Embryo U. In Verlötung begriffene Lidstrecke. Ps, Oberlid. Ea, vorderes Epithel des Lides. Cb, Basalzellen des Epithels des Lidrandes. R, Verklebungslinie der beiden Ektodermmembranen.

Fig. 41. Embryo U. Bereits verlötete Lidstrecke. Ps, Oberlid. Ea, vorderes Epithel desselben. Es, verschmolzene Ekto- dermmembranen. — Cm, Haufen von Mesodermelementen.

Fig. 42. Embryo Tic*. 37mm.

Esp, Epithel der hinteren Lidfläche. L, Linse. Eal, vorderes Epithel der Linse. Pk, hinteres Epithel der Hornhaut. K, Hornhautparenchym.

Ak, vorderes Epithel der Hornhaut. Ps, Oberlid. Eap, vorderes Lid- epithel. Bc, beginnender Cilienknopf. Cr, sich über dem Lidspalt vor- wölbender Zellhaufen. Pt, Unterlid.

Fig. 43. Embryo Ti£. 40mm.

Epp, hinteres Lidepithel. Cm, Haufen von Mesodermelementen des Lid- randes. L, Linse. Eal, vorderes Epithel der Linse. Pk, hinteres Epi- thel der Hornhaut K, Hornhaut Ak, vorderes Epithel der Hornhaut. Ait innerer Tarsalbogen. Eap, vorderes Lidepithel. Bcs, beginnender Cilienknopf. Cr, über dem Lidspalt sich vorwölbender Elementhaufen. Mo, Orbicularis.

Fig. 44. Embryo Ti y. 50 mm.

Mo, Orbicularis. Epa, vorderes Lidepithel. Bc, keulenförmiger Cilienknopf. Cr, sich über dem Lidspalt vorwölbender Elementhaufen. Eka, vorderes Hornhautepithel. K, Hornhautparenchym. Pk, hinteres Epi- thel der Hornhaut L, Linse. Epp, hinteres Lidepithel.

Fig. 45. Embryo Si. 53 mm.

Ps, Oberlid. Epa, vorderes Lidepithel. P, Papille. C, Anfangs- cilie in Zapfenform, welche den Musculus Hiolani von dem Orbicularis trennt

Ghno, Knie des Orbicularis, in das die Anfangszapfen der Cilien eintreten.

T, erste Anlage des Tarsus. Edp, hinteres Lidepithel. Eka, vorderes Epithel der Hornhaut. K, Hornhautparenchym. Ekp, hinteres Epithel der Hornhaut. L, Linse.

Fig. 46. Embryo Ge. 73 mm.

Epp, hinteres Lidepithel. - Eka, vorderes Epithel der Hornhaut K, Hornhautparenchym. Mr, Bündelchen des Musculus Riolani. Ekp, hinteres Epithel der Hornhaut Gm, symmetrische Vorspränge des gemeinsamen Epi- thels, welche den Meibomschen Drüsen den Ursprung geben. Ati, innerer Tarsalbogen. Mo, Orbicularis. P, Papille der Anfaogscilie. Gl, Sprosse der Mol Ischen Drüse. Cr, Haufen von Ektodermzellen auf dem Lidspalt

Bc, Cilienknopf. Epa, vorderes Lidepithel.

Fig. 47. Fötus Ns. 160mm.

Bc, Cilie mit Hohlbulbus? Ecp, Epithel der Lidhaut Gm, Mo 11- sche Drüse. Mo, Bündelchen des Orbicularis Gz, Zeisssche Drüse. Ys, Talgvakuole. R, Lidspaltfurche. Pp, Pseudopapille der Meibomschen Drüse. Agm, beginnende Acini derselben. Pur, submeibomsche Portion des Musculus Riolani. Epp, Epithel der Lidbindehaut. Per, subciliäre Portion des Musculus Riolani. Sop, Furche der hinteren Kante. Zgm, Anfangs- zapfen einer Meibomschen Drüse. Mr, Bündel des Musculus Riolani des unteren Lidrandes.

Fig. 48. Fötus Vt. 225mm.

Pp, bindegewebige Pseudopapille an der Spitze der Meibomschen Drüse.

Ati, innerer Tarsalbogen. Psc, subciliäre Portion des Musculus Riolani.

Dgm, Gang der Meibomschen Drüse. Est, Epithel des intermarginalen Saumes im Begriff sich zu trennen. Ek, Hornaufblätterungen des Epithels der

576 A. Contino

Lidkanten und von den Meibom sehen und Zeissschen Drüsen kommende Talg- sekretionsansammlung — Psm, submeibomsche Portion des Musculus Riolani. Epp, Epithel der Lidbindehaut. Agm, Acini der Meibom sehen Drüse. Ca, Wachstumskeule der Meibomschen Drüse. Ecp, Epithel der Lidhaut

Fmo, Bündel des Orbicularis. Cr, Balg einer Cilie in Wechselphase. M, Mollsche Drüse. Ge, Zeisssche Drüse. Sc, Ciüenschaft JY, Unterlid.

Fig. 49. Sprosse der Molischen Drüse (Embryo Pz von 90mm). Mb, Basalh&utchen. Ec, zentrale Elemente der Sprosse. Ep, Peri- phere Elemente.

Fig. 50. Ausgbildetere Mollsche Drüse mit terminaler Wachs- tumskeule (Fötus I. 130mm).

Mb, Basalhäutchen. Ec, zentrale Elemente der Keule. Ep, periphere Elemente derselben. M, Mesoderm.

Fig. 51. Meibomsche Drüse im Anfangsstadium als voller Zapfen (Fötus Cv. 120 mm).

Pp, Papillenförmiger Haufen von Mesodermelementen. Mb, Basalmem- bran. — C, Wachstumskeule. Eb, Basalelemente des Zapfens. De, Portion des Zapfens, welche in den Ausführungsgang übergehen wird. Emp, gemein- sames Epithel der Lidränder.

Rekonstruktionen zur Entwicklung der Cilienbälge.

Rek. 1. Embryo Ti er. 37 mm.

Sb, Basalschicht des gemeinsamen Epithels. Bc, Ektodermvorsprung des beginnenden Cilienknopfes.

Rek. 2. Embryo Tiy. 50mm.

Sb, Basalschicht des gemeinsamen Epithels. C, keulenförmiger Cilienknopf. Rek. 3. Embryo Si. 53mm.

Sb, Basalschicht des gemeinsamen Epithels. Zc, Anfangszapfen des Balges. Rek. 4. Embryo X. 58mm.

Sb, Basalschicht des gemeinsamen Epithels. Ra, adenogene Anschwel- lung des Anfangs balge 8. Bb, Bulbusanschwellung desselben.

Rek. 5, 6. Embryo D. 62 mm.

Sb, Basalschicht des gemeinsamen Epithels. Ra, adenogene Anschwellung. Rb, Bulbusanschwellung.

An der Rek. 6 sieht man die Spitzeneindrückung des Balges.

Rek. 7, 8. Embryo Ge. 73mm.

Sb, Basalschicht des gemeinsamen Epithels. Ra, adenogene Anschwel- lung. — B, Bulbusanschwellung. Gm, Sprosse der Mol Ischen Drüse.

Rek. 9. Fötus Cv. 120mm.

Sb, Basalschicht des gemeinsamen Epithels. Gm, beginnende Zeisssche Drüsen. Gm, Mollsche Drüse. B, Bulbus.

Rek. 10. Fötus Ns. 160mm.

Emp, Epithel des Lidrandes. Gz, Zeisssche Drüsen. Dgm, Gang der Mol Ischen Drüse. Cgm, Wachstumskeule derselben. B, Hohlbulbus.

Rek. 11. Fötus Vt. 225mm.

Te, Ausführungsabschnitt des Balges. Ge, Zeisssche Drüsen. Bp, Bulbus der alten Cilie. Gr, Austauschsprosse. Emp, Epithel des Lidrandes.

Sgm, Mündung der Moll sehen Drüse. Vgm, leichte geschlängelte Win- dungen derselben.

Über Bau und Entwicklung des Lidrandes beim Menschen. 577

Rekonstruktionen zur Entwicklung der Meibomschen Drüsen. Rek. 12. Embryo Ge. 73 mm.

Gm, beginnende Meibom sehe Drüsen. Ec, gemeinsames Epithel der Lidränder.

Rek. 13. Fötus I. 130mm.

Zg, volle Drüsenzapfen, an ihrem Ende mit einer Keule versehen. Ec, gemeinsames Epithel und Epithel der vorderen Lidkanten.

Rek. 14. Fötus Ns. 160 mm.

Ag, beginnende Drüsenacini. D, Ausführungsgang. Ec, gemeinsames Epithel.

Rek. 15. Fötus Vt. 225mm.

Ca, Wachstumskeule. Ag, Drüsenacini. De, Alisführungsgang. Empy Epithel des Lidrandes.

Rek. 16. Balg einer Gilie mit vollem Bulbus.

Gr, Austauschsprosse. Da, Spitzeneindrückung der Sprosse. Pg, Stiel der Sprosse. Bp, mit der äusseren. Epithelmembran bekleideter Bulbus der Cilie. Gza, Zeisssche Nebendrüsen. Ge, Z ei sssche Hauptdrüsen. Dgm, Gang der Mol Ischen Drüse. Te, Ausführungsabschnitt des Balges. Emp, Epithel des Lidrandes. Dpe, papilläre Eindrückungen des Epithels.

Rek. 17. Balg einer Gilie in Wechselphase (Neugeborenes\ Gr, Wechselsprosse. Bp, mit der äusseren Epithelmembran bekleideter Bulbus der alten Gilie. Tgm, Schlauch der Mollschen Drüse. Gz, Zeiss- sche Hauptdrüsen. Dgm, Gang der Mollschen Drüse. Pgz, Stiel der Zeissschen Drüse. Te, Ausführungsgang des Balges. Dp, papilläre Ein- drückungen. — Ebp, Epithel des Lidrandes.

Rek. 18. Balg einer soeben gebildeten Gilie mit Hohlbulbus (die Wurzel muss sich noch um ungefähr V8 ausdehnen).

B, Bulbus. C, Einschnürung des Bulbus. Tgm, Schlauch der Moll- schen Drüse. Dgm, Gang derselben. Gz, Zeisssche Hauptdrüsen. Ga, Nebendrüsen. te, Ausführungsabschnitt des Balges. Ebp, Epithel des Lid- randes. — Dp, papilläre Eindrückungen desselben.

Lichtbehandlung yon Conjnnctivalleiden.

Von

Dr. med. K. K. K. Lundsgaard in Kopenhagen.

In einer Abhandlung im letzten Hefte des Archiv für Ophthal- mologie, S. 323—324, schreibt Professor E. Hertel:

„Ob sich schliesslich die Methode der lokalen Lichttherapie auch bei andern Erkrankungen des Auges selbst und auch der Bindehaut mit Erfolg anwenden lässt, wie das Strebel vorgeschlagen, und wie z. B. in Finsens Lichtinstitnt neuerdings bei Lupus der Conjunctiva von Lunds- gaard (Mitteilungen aus Finsens Lichtinstitut, Bd. X, 1906) versucht worden ist, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben/'

Jeder, der diese Bemerkung liest ohne meine Abhandlung zu kennen, muss glauben, dass es sich um einige Versuche handelt, welche ich neuer- dings begonnen, welche noch kein Resultat ergeben haben, und welche ich nur andeutungsweise besprochen habe; während das Verhältnis ist, dass ich vor fast 4 Jahren damit begann, Conjunctivalleiden mit konzen- triertem Licht ad in od um Finsen zu behandeln und seit der Zeit be- ständig diese Methode mit den vortrefflichsten Resultaten gegenober Tuberculosis conjunctivae angewendet habe.

Ich kann nicht erwarten, dass Prof. Hertel meine bezüglich dieser Frage auf dänisch veröffentlichten Abhandlungen gelesen hat, und ich will mich daher ausschliesslich an denjenigen meiner Artikel halten, den er seihst zitiert, und der in deutscher Sprache erschienen ist. Aus diesem geht hervor, dass ich jedenfalls schon im März 1904 Lichtbehandlung der Conjunctiva benutzt habe, ferner wie mit gesperrten Buchstaben hervorgehoben wie leicht sie sich ohne Beschwerden für den Patienten ausfuhren lässt, und schliesslich, dass es eine vorzügliche Behandlungs- methode gegen Lupus conjunctivae ist. Dies letzte habe ich durch Hin- zufügung der Krankenberichte von 4 Patienten dokumentiert, bei welchen die Conjunctiva von 9 Augenlidern von Lupus angegriffen war, und welche alle ohne Ausnahme schnell und sicher mit Erhaltung der vollen Funktion des Auges geheilt wurden. Ausserdem habe ich diese Resul- tate deutlich im Text resümiert.

Ich habe heute dasselbe Vertrauen zur Methode wie damals, als die Abhandlung vor 2 Jahren geschrieben und eingeliefert wurde, und werde in nächster Zeit meine späteren Resultate veröffentlichen. Dass dies nicht eher geschehen ist, hat ausschliesslich darin seinen Grund, dass ich ein Missverständnis der erwähnten Abhandlung für ausgeschlossen gehalten habe. Indessen ist es mein Wunsch bis dahin festzustellen, dass Licht- behandlung der Conjunctiva schon lange von mir mit Erfolg benutzt ist, und dass sie sich mit grösster Leichtigkeit und grösstem Effekt ausführen lässt.

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v. Graefts Archiv. Bd. LXVI.

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Taf. XIX.

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