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Naturgeſchichte,

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philoſophiſche und Humanitätswiſſenſchaft 88 |

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Maximilian perty,

Doktor der Philoſophie und Medizin, öffentl. ordentl. Profeſſor der Naturgeſchichte, 1 und vergleichenden Anatomie an der Univerſität zu Bern.

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Mit 2 Tabellen

| Bern, 1337. Druck und Verlag von C. Fiſcher u. Comp.

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Den Freunden der Naturwiſſenſchaft wird hiemit der erſte Band der „allgemeinen Naturgeſchichte, als philoſophiſche und Humanitaͤtswiſſenſchaft“ n dargeboten.

Es wird in derſelben der Verſuch gemacht, die ganze Natur nach ihren hauptſaͤchlichſten Erſcheinungen und Produkten zu ſchildern, in der unbegrenzten Ver— ſchiedenheit und Gegenſetzung ihrer Einzelweſen, deren hoͤhere Einheit und Uebereinſtimmung nachzuweiſen, und ſonach die ſichtbare Schoͤpfung als eine zuſammen haͤn⸗ gende, aus der ewigen Vernunft gefloſſene Reihe von Weſen und Kraͤften darzuſtellen. Wahrheiten, welche man ſonſt auf ganz anderem Gebiete zu ſuchen pflegt, ſollten in die Naturwiſſenſchaft eingeführt, und dieſe dadurch fruchtbar auch fuͤr die hoͤhern Anfoderungen des Menſchengeiſtes gemacht werden. Es wurde hiebei vorausgeſetzt, daß die Naturgeſchichte (ihrer vollen Be⸗ deutung nach der Komplex und das Ziel ſaͤmmtlicher Naturwiſſenſchaften,) eine Behandlung ertrage, durch welche ſie von einer auf ſinnliche Wahrnehmungen und

Iv Vorrede

deren Kombination gegruͤndeten Lehre zum Standpunkt der Philoſophie, der Theologie und beſonders der Geſchichte erhoben wird. Man verlangt von dem Bearbeiter der Univerſalgeſchichte, daß er den Gang des Weltſchickſals und deſſen ewige Geſetze in der Entwicklung unſeres Geſchlechts nachweiſe; man kann auch vom Naturforſcher verlangen, daß er die ganze Natur als ein lebendiges, zuſammenhaͤngendes Ganze erkenne, und in ihren widerſprechenden Erſcheinungen den Ariadne'ſchen Faden der hoͤhern Einheit nicht ver⸗ liere. Ueberhaupt giebt es fuͤr jeden Zweig des For⸗ ſchens ein letztes Ziel, welches gleichſam den leuchtenden Hochpunkt bildet, der von Zeit zu Zeit auf den Kruͤm⸗ mungen des Pfades ſichtbar wird, und eine Orientirung auf demſelben moͤglich macht. In unſerer Wiſſenſchaft heißt dieſes Ziel: Vollſtaͤndige Erkenntniß des Weſens und der Beſchaffenheit der Natur, und ihres Verhaͤltniſſes zur Gottheit und zu uns ſelbſt. Soviel uͤber die Idee, welche ſich der Verfaſſer von der Aufgabe einer allgemeinen Naturgeſchichte, (nicht etwa einer Grammatik eines oder einiger Zweige der Natur⸗ wiſſenſchaft, welche man gewoͤhnlich Naturzeſchünte nennt) gemacht hat. |

Betrachtet er aber nun das vorliegende Buch, mit al feinen Maͤngeln und Unvollkommenheiten, fo erkennt

er klar, wie weit er hinter dem hohen Urbilde, das

ihm vorſchwebte, zuruͤck geblieben iſt. So tritt ein Reiſender ein in ein wunderbares Land, von Voͤlker⸗ ſchaften mit fremden Sitten und Sprachen bewohnt, und verſucht uͤber den innern geſellſchaftlichen Zuſtand, die Staatsverfaſſung und Geſchichte derſelben zu berich⸗ ten. Zwar haben zahlreiche Forſcher vor ihm daſſelbe

Bonsede v

Land bereiſet; die in haben die Kunſtprodukte dieſer Voͤlker ſtudiert, andere haben ſeine Wohnungen, ſeine Tempel u. ſ. w. beſchrieben, die dritten ſein aͤußeres Leben geſchildert, aber nur wenige haben es verſucht, in die Raͤthſel feiner Entſtehung, feiner Schickſale und ſeines eigenthuͤmlichen Geiſtes einzudringen. Billige Beurtheiler werden aber auch das, was in dieſer Be ziehung in vorliegendem Werke gewonnen wurde, ſei es nun mehr oder weniger, nur im Keime gegeben, oder ſchon beſſer entwickelt, zu ſchaͤtzen wiſſen, um ſo mehr, wenn ſie ſelbſt die Schwierigkeiten kennen gelernt haben, welche ſich auf jeder neuen Bahn darbieten. Es iſt nicht zu erwarten, daß Jedermann mit

den vom Verfaſſer aufgeſtellten Anſichten von der inneen

Weſenheit der Natur uͤbereinſtimme. Es wird nicht an

Scolchen fehlen, welche uͤberhaupt für unmöglich halten,

etwas hieruͤber feſtzuſtellen. Es iſt aber apodiktiſch gewiß, daß jene Vorſtellung der Wahrheit am naͤchſten kommen muß, welcher das Weltall als ein in allen Theilen lebendiger Organismus erſcheint, in dem alles Todte, Trage, Beziehungsloſe verſchwindet, und wo unzaͤhlige gegen einander wirkende Potenzen doch zur organiſchen Einheit in einander flieſſen. Es iſt gewiß, weil es vernuͤnftig nothwendig iſt. 5 Sollte es nicht moͤglich ſein, jenen faſt feindlichen Gegenſatz aufzuheben, in welchem die Naturwiſſenſchaft und die Philoſophie in neueſter Zeit einander gegenuͤber getreten ſind? Iſt denn die Menſchennatur nicht eine einige und ungetheilte dadurch, daß auch in ihr, wie in der großen Natur, widerſprechende Kraͤfte zu einem harmoniſchen Ganzen verſchmolzen find? Der Verfaſſer ſteht nicht im mindeſten an, dieſe Fragen zu bejahen.

v Vorrede

Offenbar findet, wie in den großen politiſchen und religioͤſen Ideen der Zeit, ſo auch in unſerer Wiſſen⸗ ſchaft ein Oszilliren zwiſchen den Extremen ſtatt, eine Schwingung, in welcher bald jene, bald dieſe Meinung, bald jene, bald dieſe Seite der Erkenntniß, und des Erkenntnißvermoͤgens herrſchend hervortritt. Wie aber das Pendel ſeine Schwingungen von Oſt nach Weſt und Weſt nach Oſt um einen Punkt macht, der ſtets feſt und unveraͤndert bleibt, ſo muß es auch ein Centrum der Erkenntniß für die Segmente des Erkennens geben. Diejenigen, welche am Worte Naturphiloſophie, oder philoſophiſche Naturgeſchichte Anſtoß nehmen, und deren Idee verdammen, weil ſie ſich hiebei nur an verfehlte Verſuche erinnern, moͤgen bedenken, daß Erfahrung und Philoſophie, gemaͤß der Duplizitaͤt unſeres Weſens gleich nothwendig, gleich urſpruͤnglich ſind. Es iſt wahr, daß die Erfahrung die Wurzel der Naturfor⸗ ſchung ſei, aber eben ſo wahr, daß ſie nie ihre Krone bilden kann. Auf dem hoͤchſten Standpunkt muͤſſen ſich in der Wiſſenſchaft Philoſophie und Erfahrung durch⸗ dringen, wie Geiſt und Leib in der Menſchennatur. Es mag ſein, daß die gegenwaͤrtige Richtung der Zeit, Verſuchen, ſich jenem Standpunkt zu naͤhern, nicht guͤnſtig ſei. umſtaͤnde ſolcher Art werden den aufrich⸗ tigen Forſcher nie irre machen. Seine Pflicht iſt, auf die innere Stimme der Wahrheit zu hoͤren, und fuͤr das als recht und gut Erkannte, den Kampf nicht zu ſcheuen. Ideen ſterben übrigens nicht, und Diejeni⸗ gen, welchen die Gegenwart etwa ihre Kraͤnze verſagt, duͤrfen ſie bei dem Wechſel aller menſchlichen Dinge! um ſo eher von der Zukunft erwarten.

Der Druck des gegenwärtigen Buches iſt 8 ee

Vorrede. | VII

gerichtet, daß in jedem Hauptſtuͤcke die allgemeinen Ueberſichten und eigenthuͤmlichen Anſichten vorausgeſen⸗ det, und mit Garmond geſetzt wurden, das Erfahrungs⸗ maͤßige, uͤberall Angenommene und Demonſtrable mit Petitſchrift nachfolgt. Es war indeß nicht immer thunlich, dieſe Scheidung ſtreng durchzufuͤhren; doch iſt es in den meiſten Hauptſtuͤcken geſchehen. Das analytiſche Verfahren ging aus der ganzen Beſchaffenheit der Aufgabe hervor. Von der oberſten Idee ewiger Macht und Weisheit ausgehend, ſteigt die Betrachtung zuerſt zu den Hauptklaſſen von Erſcheinungen und We⸗ ſen herab, nimmt dann jede derſelben beſonders vor, ſchreitet zu den untern Abtheilungen fort, und ſchließt mit den Einzelheiten, (ſo weit dieſe der umfang auf⸗ zunehmen geſtattet,) gleichſam als den letzten Verzwei⸗ gungen des Urſtammes, aus dem Alles entſproſſen iſt. Indem ſie auch dem Menſchen den Standpunkt an⸗ weiſ't, welchen er im Univerſum einnimmt, lehrt ſie ihn die Verhaͤltniſſe und Beziehungen kennen, in wel⸗ chen er zur Schoͤpfung ſteht, veredelt und erleuchtet dadurch ſein eigenes Weſen, und klaͤrt ihn uͤber ſeine hoͤchſten Intereſſen auf. Die Erfahrung als ſubſtantielle Grundlage annehmend, theilt ſie ihre wichtigſten und ſicherſten Ergebniſſe mit, verbindet ſie zum geſchloſſenen Ganzen, und ſucht dadurch auch in der Wiſſenſchaft jenen wunderbaren Organismus nachzubilden, welchen wir Natur nennen. Da dieſes Buch beſtimmt iſt, Ueberſichten von höherem Standpunkte zu geben, fo konnte in ihm nur das Wichtigere, und auch dieſes nur kurz beruͤhrt werden. Die gedraͤngte Sprache machte es uͤbrigens moͤglich, eine groͤßere Maſſe von Thatſachen mitzutheilen, als vielleicht der umfang er⸗

A

vIII . Vorrede.

warten ließe. In einem Werke Übrigens, welches nicht fuͤr Anfaͤnger, ſondern fuͤr Solche beſtimmt iſt, die bereits naturhiſtoriſche Studien gemacht, und einige Kenntniſſe erworben haben, bedarf es oft nur einer kurzen Andeutung, oder Skizzirung mit wenigen ſchar⸗ fen Zuͤgen, am rechten Orte, um den Zuſammenhang einer Erſcheinung oder eines Dinges mit andern klar hervor treten zu laſſen. Die Literatur, welche mit Sorgfalt ausgewaͤhlt und angegeben wurde, wird indeß

Jenen, welche ſich ſelbſt fortbilden, oder zur volffan-

digern Erkenntniß irgend eines Zweiges Var cd eigen wollen, Mittel und Wege hiezu eroͤffnen. Der 2te Band wird bis Oſtern 1838 vollendet fein. Wie gluͤcklich waͤre der unterzeichnete, wenn dieſes Werk fuͤr die Wiſſenſchaft und fuͤr geiſtige und ſittliche Veredlung uͤberhaupt, ſich nicht unfruchtbar erzeigte! Bern, den 17. Oktober 1837.

Der Derfaffer. /

*

Inhalt.

Einleitung. Begriff der Natur und der allgemeinen Natur⸗ geſchichte. Letztere iſt nicht bloße Real⸗, ſondern Humanitäts⸗

und philoſophiſche Wiſſen ſch afl S. . Hiſtoriſcher Meberblid der Entwicklung der Natur⸗ wiſſenſchaften. Allgemeine Betrachtungen. A. Phyſtk. B. Chemie. C. Aſtronomie. D. Mathematiſche und phyſtſche Geographie. E. Geologie und Geognoſte. F. Mineralogie.

G. Botanik (Mikroskop). H. Zoologie. I. Anatomie und Phyſtologie der Thiere. K. Anatomie des Menſchen. I. Menſchliche und allgemeine Phyſtologie. M. Anthropologie. Schlußbemerku ngen. S. 3 88.

Allgemeine Literatur der Naturgeſchichte der 3 Reiche. Syſteme und große beſchreibende Werke. Allgemeine natur⸗ hiſtoriſche Werke. Denkſchriften gelehrter Geſellſchaften. Zeitſchriften und Sammlungen naturwiſſenſchaftlicher Abhand⸗

lungen. Neiſewerke. Wörterbücher. Terminologieen. An⸗ leitüng zum Studium der Naturgeſchichte. Allgemeine medi⸗ ziniſche Naturgeſch. Repertorien. Literaturwerke S. 89 96.

1. Buch. Bedeutung und Weſen der Natur. Ueberſicht ihrer Hauptformen und Erſcheinungen.

1. Hauptſtück. Die Kräfte und ihr letzter Grund. Die ganze Natur iſt nur ein Syſtem von Kräften, die aus einem primum movens, einer höchſten Urkraft gefloſſen ſind. S. 97 100.

2. Hauptſtück. Gott nach ſeiner doppelten Exiſtenz. Gott der Alleinige exiſtirt als höchſte nur dem Geiſte erkennbare individuelle Intelligenz und als Weltgeiſt in einer unendlichen den Sinnen erſcheinenden Vielheit. Aus ihm ſind 3 Hauptklaſſen von Seelen oder Kraftweſen hervorgegangen: Stoffſeelen, organiſtrende u. intelligente Seelen. S. 100—105.

3. Hauptſtück. Die materielle Welt oder die Natur, Sie beſteht weſentlich ans jenen Kraftweſen, welche in räumlicher

x 5 Inhalt.

Ausdehnung und zeitlicher Beſchränkung erſcheinen. Tod. Krankheit. Die Natur hat keine Beziehung zur moraliſchen Idee. Grund ihrer Mannigfaltigkeit. . S. 105 109.

4. Hauptſtück. Das allgemeine Leben in der Natur. In der Natur iſt nichts abſolut Lodt; fie iſt belebt und beſeelt in verſchiedenen Grad ationen . S. 110 111.

5. Hauptſtück. Bewegung, Zeit; Dimenfionen, Raum; Proportionen, Entwicklung. Warum in der organiſchen Natur der Erde Stabilität eingetreten ſei. . S. 111 114.

6. Hauptſtück. Von den Stoffen und den homogenen Naturformen oder Kryſtallen. Die materiellen Atome ſind die niederſte Kategorie der Kraftweſen: die Stoffſeelen. Sind fie hinreichend zahlreich, ſo treten fie mit unfern Sin⸗ nen, die ſelbſt nur Kräfte ſind, in Wechſelwirkung und er⸗ ſcheinen uns als Materie. Die elementaren Kraftweſen ſind chemiſch differenzirt, Träger der kosmiſchen Kräfte, bilden die Mineralien und Kryſtalle.. . S. 114 116.

7. Hauptſtück. Von den ſynthetiſchen Natur formen oder Organismen. Die organiſtrenden Seelen ſind an und für ſich nicht ſinnlich wahrnehmbar, vermögen aber, aus den Stoffſeelen ſich Leiber zu geſtalten und hiedurch räumlich und zeitlich zu erſcheinen. Begriff eines Organismus. Auch die Weltkörper find Organismen. Wir nennen fie primäre, die auf ihnen erſcheinenden Pflanzen, Thiere, vernünftigen Weſen ſekundäre Organismen. S. 16 119.

8. Hauptſtück. Von den primären Organismen oder Welt⸗ körpern. Sie ſind in mathematiſcher Nothwendigkeit be⸗ fangen, äußern die kosmiſchen Kräfte (Licht, Wärme, Elek⸗ trizität, Magnetismus), verbinden die elementaren Stoffe zu den Mineralien. Ihre Entſtehung. Die hiebei wirkenden idealen Anziehungspunkte, welche ſpäter die verſammelte Materie auf eigenthümliche Weiſe ausbilden, ſind die Seelen der Welttpenet. .S. 119 121,

9. Hauptſtück. Von den ſekundären Organismen. Sie unterſcheiden ſich von den primären hauptſächlich durch Forte pflanzung und Geſchlecht. 3 Reiche derſelben. Organismen der Plaſtizität oder Pflanzen, Org, der Senſtbilität oder Thiere, Org. der Intelligenz oder Menſchen. Man darf die unbeſtimmte Lebenskraft nicht an die Stelle der ſpeziell wirkenden Seele ſet zen. . i128

10. Hauptſtück. Zuſammengeſetztheit der höhern ſekun⸗ dären Organismen. Jedes folgende Reich nimmt die Hauptvermögen der frühern in ſich auf, Während die Pflan⸗

zen nur Plaſtizität beſitzen, iſt den Thieren Plaſtizität und Senfibilität, den Menſchen Plaſtizität, Senſibilität und In⸗ telligenz eigen. Im Menſchen ſind gleichſam eine vegetative, animale und vernünftige Seele zur organiſchen te ver⸗

ſchmolzen * * + * * + * 45 » S SER | © 7 126.

11. Hauptſtück. Steigerung der Freiheit im Univerſum. Objektivität und Subjektivität. Die ganze Natur

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1

zerfällt in eine objektive Hälfte, beſtehend aus Weſen, die

nur an ſich, nicht aber auch ſich ſelbſt erſcheinen, und in eine ſubjektive Hälfte, deren Weſen ſowohl an ſich, als auch ſich

ſelbſt erſcheinen, d. h. Bewußtſein haben. S. 126 128.

12. Hauptſtück. Die Menſchheit. Der Menſch gehört 2 Wel⸗ ten an. In der Menſchheit erſcheint ein Gegenbild der Natur, deren Potenzen ſich in ihr verklärt zeigen. Vielleicht

wird ſie einſt noch zu einem Organismus reifen. S. 128 132.

Heberfichtstabelle zum Buch J.

II. Buch. Von den Stoffen und den an ihnen erſcheinenden | allgemeinen Kräften.

1. Hauptſtück. Vom Weſen und den Aggregatzuſtänden der Materie. Literatur. Atome, Anziehung, ſtöchiometriſche Verhältniſſe, Schwere. Meinungen der Philoſophen und Phyſiker über die Materie. Brown's Active Molecules. Attrak⸗ tion) Adhäſton, Kapillarattraktion, Abſorption, Kohäſion, Gravitation, Schwere, Repulſton, Wärme, Trägheit. Aggre⸗ gationszuſtand; Gaſe, flüſſige, feſte Körper. e

2. Hauptſtück. Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. In der Schwere tritt der allgemeine gegenſeitige Zug alles Ma⸗ teriellen gegen einander auf, im Chemismus die Anziehung

des Speziſiſchen. Differenzirung der urſprünglich gleichar⸗ tigen Materien zu den 54 Grundſtoffen. Die verſchiedenen Affinitäten. Wir haben in der Stoffwelt ein Empfindendes und ein Handelndes vor uns, welche beide Modalitäten aber nicht aus innerer Selbſtbeſtimmung, fondern aus ſpeziflſch eingeprägten unabänderlichen Geſetzen hervorgehen. Ueber⸗ ſicht der 54 Grundſtoffe, mit deren hauptſächlichſten Kenn⸗ zeichen, Eigenſchaften und Verbindungen. Zeichen und ſtöchiometriſche Zahlen derſelben. Verſchiedene Klaſſen der Verbindungen. Säure, Baſis, Salz, indifferente Stoffe. Chemiſche Aeguivalente. Iſomeriſche, polymeriſche, meta⸗ hei Stoffe 8 667.

3. Hauptſtück. Von den an der Materie erſcheinenden allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. Litergtur. Die ſogenannten Imponderabilien ſind Lebensakte der Welt⸗ körper, welche ſich an der Materie äußern. Enge Beziehungen zwiſchen Licht, Wärme, Elektrizität, Magnetismus. Das Licht. Hypotheſen darüber, Fortpflanzung, Geſchwindigkeit des Lichts. Reflexion, Brechung, Farbenbild, Farben, komplementäre Farben, Lichtzerſtreuungsvermögen, Fnterfe⸗ renz, Jriſſren, Beugung, doppelte Strahlenbrechung, Pola⸗

riſation. Breite, Zahl, Geſchwindigkeit der von den Licht⸗ ſtrahlen erregten Aetherwellen. Temperatur der Lichtſtrahlen. Die Wärme. Wärmeſtoff. Strahlende, polariſirte Wärme. Wärmekapazität der Körper. Freie, gebundene, reſtektirte Wärme. Schmelzen, Erſtarren. Gaſe, Kälteerzeugung. Wärmeerzeugung. Leuchten, Verbrennen, Zündkörper, Flamme,

4

XII IJZnhalt. Rauch. Die Elektrizität. Mittheilung derſelben. Gute, ſchlechte Leiter. Negative, poſttive Elektriz. Verhalten der gleichnamigen und ungleichnamigen Elektriz. Elektriſcher Strom. Blitz. Thermoelektrizität. Elektriſche Thiere. Elek⸗

triſirmaſchine, Voltg'ſche Säule. Chemiſche Wirkungen der Letztern. Geſchwindigkeit des elektriſchen Stroms. Rapporte zwiſchen Magnetismus und Elektriz. Meinungen über Elekt. Magnetismus. Magnetiſche Körper. Magnetiſche Pole, magnet. Meridian, magnet. Aequator. Deklination, Inkli⸗ nation. Koerzitivkraft. Künſtliche Magnete, Schwingungs⸗ magnete, magn. Obſervatorien. Die magn. Körper ſind wahr⸗ ſcheinlich nur Träger der magn. Kraft d. Erde. S. 167 188.

III. Buch. Von den primären Organismen oder den Weltkörpern. Een

1. Hauptſtück. Einleitende Betrachtungen. Dir Stoffwelt iſt ein beſtändig Wechſelndes. Es ſollten aber individuelle Weſen von eigenthümlichen Qualitäten und räumlicher Beſchränkung entſtehen, die ſich in einer beſtimmten Gegend des Weltraums bewegten. Solche ſind die Weltkörper. Abermalige Rechtfer⸗ tigung der ſchon früher ausgefprochenen Anſicht von den Welt⸗ körpern. Sie ſind Organismen ihrem Daſein, ihren Kräften, ihrer Entwicklung nach... S. 189 193.

2. Hauptſtück. Die primären Organismen des Welt⸗ raums, oder die Firſterne, Doppelſterne, Nebel- flecken ze. Literatur. Wie die Zeit, fo iſt auch der Naum unbegrenzt, wenn auch nicht allenthalben von Welten erfüllt. Die Sonnen ſind die eigentliche Ingredienz des Weltalls. Die Sternbilder. Scheinbare Größe, Entfernungen, Zahl der Firſterne. Die Milchſtraße. Wahre Größe der Firſterne. Doppel-, Zripel:, und vielfache Sterne. Beobachtungen derſelben. Veränderliche, neu entſtandene, wieder verfchwun- dene Sterne. W. Herſchel's Eintheilung der Lichtnebel. Auflösbare, teleskopiſche Sterngruppen. Geſtaltloſe Licht⸗ nebel, Kernnebel, Doppelnebel, planetariſche Nebel, Stern⸗ nebel, Sterne mit Nebelſtrahlen, ringförmige Nebel. Nebel im Orion. Magellan's Flecken. Südliche Wolken. John Herſchel's Beobachtungen am ſüdl. Himmel. S. 193 213.

3. Hauptſtück. Beſchreib ende Darſtellung des Syſtems unſerer Sonne. Daſſelbe ſtellt gleichſam eine Inſelgruppe unter unzähligen andern des Weltenoceans dar. I. Klaſſe d. Weltkörper unferes Syſtems: Die Sonne. Charakter der Sonnen. Größe, Dichtigkeit, Schwerkraft unſerer Sonne. Sonnenflecken, Sonnenfackeln. Entſtehung des Sonnenlichts. Bau d. Sonne nach W. Herſchel. Photoſphäre. Einfluß der Sonnenflecken auf Witterung. Notation der Sonne. Zodia⸗ kallicht. Eigene Bewegung der Sonne. II. Klaſſe: Die Planeten. Charakteriſtik derfelben. 1. Ordn. Sonnennähere, dichte Planeten. Merkur, Venus, Erde, Mars. 2. Ordn. Intermediäre, zwerghafte Planeten, Aſteroiden. Veſta, Juno, Ceres, Pallas. 3. Oroͤn. Sonnenferne, koloſſ., wenig dichte Pl.

Inhalt. f XIII

Jupiter, Saturn, (Saturnsring), Uranus. III. Klaſſe: Die Monde od. Nebenplaneten. 4. Der Mond d. Erde. Stellung, Bewegung, Jahreszeiten deſſelben. Die Erde, vom Monde aaus geſehen. Libration. Berge des Mondes: Kettengebirge, Ringgebirge, Kegelberge. Ebenen. Atmoſphäre des Mondes. Spuren des Waſſers. Veränderungen, Lichterſcheinungen auf

d. M. Namen der hauptſächlichſten Gebirge und Ebenen.

2. Die 4 Monde des Jupiter. 3. Die J Monde des Saturn. 4. Die 6 Monde des Uranus. IV. Klaſſe: Kometen. Lite⸗ ratur. Bedeutung d. K. Zahl. Kern, Nebelhülle, Schweif. Hiſtoriſch merkwürdige K. Halley's, Olber's, Enke's, Biela's

K. Einwirkung der K. auf die Erde. V. Klaſſe: Meteor⸗ kugeln. Literatur. Definition. Sie find kosmiſche Körper. Sternſchnuppen, Feuerkugeln, Aerolithenfälle. Bewegung

d. Met. Bedeutung und Urſprung derſelben. Beobachtungen über fie in neueſter Zeit. Si. 213 261.

Theoretiſche Erläuterugen zum 2ten und 3ten Haupt⸗ ſtück. Bewegung, Geflalt der Erde. Verhältniſſe und Er⸗ ſcheinungen, welche hieraus folgen. Kreiſe, Linien u. Punkte

an der Himmelsſphäre. Parallaxe. Aberration des Lichts. Bewegungen der Himmelskörper. Synodiſcher, ſideriſcher, tropiſcher Umlauf. Konjunktion, Oppoſition. Elemente der FPlanetenbahnen. Kepler's Geſetze. Bewegung, Phaſen des Mondes. Sonnenfinſterniſſe. Refraktion, Präzeſſion. Nu⸗ tation. * . * * 0 . 0 . * * * N 5 S. 261 272.

4. Hauptſtück. Von der allgemeinen Gravitation der Himmelskörper gegeneinander. Die Gravitationskraft beruht nicht in der Materie, da die Attraktion der Atome nur auf ſehr kleine Entfernungen wirkt, ſondern in der jedem Weltkörper zu Grunde liegenden geiſtigen Einheit. Das Univerſum iſt kein mechaniſches Kunſtwerk, ſondern ein leben⸗ diger Organismus. Wirkung der Gravitation. Veſtim⸗ mung des Gewichts, der Dichtigkeit und Maſſe der Welt⸗ körper. Elliptiſche Bewegung derſelben. Störungen; perio⸗ diſche, ſäkuläre. Problem der 3 Körper. Unveränderliche Elemente des Planetenſyſ tems. S. 272 279,

5. Hauptſtück. Entſtehung, Entwicklung und Untergang der Weltkörper. Durch den Mechanismus laſſen ſich weder die Entſtehung, noch die Entwicklung der Weltkörper erklä⸗ ren, Wo Höheres, als bloße Aggregate entſtehen ſollen, find geiſtige, geſtaltende Prineipien nöͤthig. Dauer des Sonnen⸗ ſyſtems. Möglichkeiten feines Unterganges. Der Aether. Herſchel's Entwicklungsſtufen der Sonnen. Bildung unſeres Sonnenſyſtems. Laplace's, Cacciatore's, Comte's Theorieen. Aggregationstheorie Gruithuiſens. Mittelpunkt der freien Rotation. Zunahme der Planetenentfernungen. Anficht des Verfaſſers: das Sonnenſyſtem, deſſen ſämmtliche Glieder unläugbar in der nächſten Beziehung zu eingnder ſtehen, ſcheint aus einer Sonnenurmaſſe ſich auf ähnliche Weiſe erzeugt zu haben, wie der homogene Keim eines organifchen Weſens nach ſeinen ſpeziellen Gliederungsmomenten in ſeine Organe und Organenſpſteme auseinander tritt. S. 279 300,

xIv Inhalt.

6. Hauptſtück. Bedeutung und Beſtimmung der Welt⸗ körper. Sie haben die Bedeutung, das unendliche Leben der Natur in den größten Dimenſtonen des Raumes und den längſten Perioden der Zeit darzuſtellen, und die Beſtimmung, ſich mit wimmelnden Heeren ſekundärer Organismen zu be⸗ decken. Ohne Zweifel ſtehen die ſekundären Organiſationen der verſchiedenen Weltkörper in homonomen Verhältniſſen zu einander, wie dieſe ſelbſt. Konjekturen über die Be⸗ ſchaffenheit der Bewohner anderer Weltkörper. N; „Afimes ma

Tabelle zu S. 308. Die Elemente des Sonnenſyſte

IV. Buch. Von der Erde. |

Die drei Organe des Erdganzgen; Atmoſphäre, Meer, Erdfeſte.

1. Hauptſtück. Die Atmoſphäre. Literatur. Ihr Charakter iſt beſtändige Veränderung; fie gleicht hierin dem Gemüthe des Menſchen. Geſtalt, Höhe der Atm. Geſetz Mariotte's und Boyle's. Dämmerungsgrenze. Chemiſche Zuſammenſetzung. Durch Aeroſtaten erreichte Höhen. Waſſergehalt. Miasmen. Dalton'ſches Geſetz. Schwankungen. Farben d. Atm., Licht- reflerion. Einfluß des Mondes auf Witterung. Druck der Luft, Barometer. Demperatur. Waſſerverdunſtung, Wolken. Hydrometeore; Thau, Regen (Regen von fremdartigen Kör⸗ pern), Schnee. Honigthau, Mehlthau, Höhenrauch, flie⸗ gender Sommer. Gewitter. Tromben. Hagel. Regenmenge. Optiſche Erſcheinungen in d. A. Srrlichter ꝛc. S. 309 —330,

2. Hauptſtück. Das Meer und die Gewäſſer der Erd feſt e. Entſtehung und Bedeutung des Meeres. Verhalten der Land⸗ gewäſſer zu ihm. Größe, Niveau d. M. Hauptmeere. Tiefe d. M. Meerwaſſer; chemiſche Beſchaffenheit, ſpez. Gewicht, Temperatur, Polareis, Farben, Durchſichtigkeit, Leuchten. Bewegungen des Meeres: Ebbe und Fluth, Oſtweſtſtrö⸗ mung, Meeresſtröme, Golphſtrom, Wirbel und Strudel. Wellen, Brandungen. Gewäſſer des Landes. Quellen. Arteſiſche Brunnen. Quellwaſſer“ Mineralwäſſer; Ueberſicht der vorzüglichſten; Gehalt der Mineralwäſſer. Temperatur der Quellen. Intermittirende Quellen. Flüſſe: Länge, Breite, Geſchwindigkeit, Kaskaden, Ueberſchwemmungen. Sich verlierende, verfiegende Flüſſe. Moore, Sümpfe ſchwim⸗ mende Infeln, Seen. S , 6.

3. Hauptſtück. Phyſiſche und plaſtiſche Verhältniſſe der Elrdfeſte. Literatur. Erdinneres. Allgemeine Geſtalt des Landes. Zuſammenhang deſſelben mit der Kultur und Be⸗ ſtimmung der Völker. Vertikale Erhebung des Landes. Dich⸗ tigkeit, Temperatur der Erdfeſte. Iſothermiſche Linien; höchſte Hitze⸗ und Kältegrade. Klima. Größe des Landes. Ebenen, Wüſten, Steppen der verſchiedenen Erdtheile. Mee⸗ resboden; Bänke, Riffe, Fiords. Berge; Geſtalten derſelben, Gebirge, Thäler. Gletſcher, Lawinen. Höhlen, Eisgrotten; Entſtehung dev Höhlen. Vertheilung und Anordnung der vorzüglichſten n an Gewäſſer der Erdfeſte. Bergſyſteme, Ströme und Seen Aſiens, Europas, Afrikas, Amerikas und

Inhalt. 995 0

RNeuhollands. Geographiſche Vertheilung und Ueberſicht der Feuerberge, Solfataren und Salſen der 5 Erdtheile und der Inſeln. Central» und Reihenvulkane. Literatur über Vul⸗ eV!!!! SEEN. 356 393. A. Hauptſtück. Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. Literatur. Bau der Erdrinde. Geſchichtete und maſſige For⸗ mationen. Die erſten ſind durch Niederſchlag aus dem Ge⸗ wäſſer, auf neptuniſchem Wege, die zweiten durch Mitwir⸗ kung von hoher Wärme, auf plutoniſchem Wege gebildet. Organiſche Reſte der geſchichteten Formationen. Untere ge⸗ ſchichtete, verſteinerungsloſe Formationen. Chronologiſche Folge der geſchichteten Formationen. Wichtigkeit ihrer An⸗ ordnung nnd Aufeinanderlagerung, ihrer Petrefakte und der Beſtimmung der Felsarten, aus welchen fie beſtehen. Gang der Natur in Hervorbringung der organiſchen Weſen. Spe⸗ zielle Betrachtung der verſchiedenen Formationen und An⸗ gabe ihrer vorzüglich charakteriſtiſchen Pflanzen⸗ und Thier⸗ überreſte. I. Klaſſe. Abgeſetzte, verſteinerungführende Form. 1. Periode. Neue Formationen oder Bildungen, welche noch jetzt fortdauern. 2. Periode. Tertiäre F. 1) Neuere plioce⸗ niſche Schichten. 2) Aeltere plincenifche Sch. 3) Migcenifche Sch. 4) Eoeeniſche Sch. 3. Periode. Sekundäre Format. 4) Kreidegruppe. 2) Wealdgruppe. 3) Oolithen- und Lias⸗ gruppe. 4) Gruppe des rothen Sandſteins. 5) Kohlengruppe. 4. Periode. Uebergangsformationen. Grauwackengruppe. II. Klaſſe. Untere geſchichtete oder verſteinerungsloſe Gebirgs⸗ arten. III. Klaſſe. Ungeſchichtete oder maſſige Gebirgsarten. Granitiſche Geſteine. Trappfelsarten, Porphyre, Baſalt ıc, Granitgänge, Gyps, Anhydrit, Steinſalz, Steinſalzlager. Vulkaniſche Gebirgsarten. Laven. Bau der Vulkane. Aus⸗ bruchskrater und Erhebungskrater. Lokalitäten, in welchen die Metalle und Erze vorkommen: Gänge, Lager, Stock⸗ werke, Putzenwerke, Neſter ꝛc. . n 35.

5. Hauptſtück. Vom eigenthümlichen Leben der Erde und deſſen verſchiedenen Aeußerungen. Literatur. Verhältniſſe der Erde zu andern Weltkörpern. Die Erde iſt ein elektromagnetiſcher Körper. Lebendige Wechſelwirkung zwiſchen ihren Organen: der Atmoſphäre, dem Meere und der Erdfeſte. Reſpirationsprozeß der Erde. Wechſelnde Zu⸗ ſtände der Erde. Temperatur des Erdinnern. Magnetismus der Erde. Polarlicht. Erſcheinungen des Vulkanismus. Solfataren, Salſen, Erdfeuer. Erdbeben; Erſchütterungs⸗ kreiſe. Elkysmometer, Seismometer. Urſachen des Vulkanis⸗ mus und der Erdbeben. 2 * * 18 * 5 0 S. 435 452.

6. Hauptſtück. Entſtehung und Bildung, Veränderungen und Zukunft der Erde. Literatur. Wichtigkeit der beob⸗ achtenden Aſtronomie für Aufſchlüſſe über die Geogeneſts. Eine höhere Temperatur der Erde in frühern Zeiten iſt höchſt wahrſcheinlich. Erhebung des Landes. Schöpfung des Men⸗ ſchen und damit eintretende Ruhe im ſtürmiſchen Gang der Erdentwicklung. Noch jetzt fortdauernde Veränderungen. Zukunft der Erde. Neueſte Theorie der Erdbildung. Alter

XVI ö | Inhalt.

der Erde. Entſtehung der Erde. Aenderung der Ekliptik. Erkaltung der Erde. Erhebung der Gebirge; Beaumont's Hebungsſyſteme. Noch jetzt fortdauernde Hebungen u. Sen⸗ kungen; Schweden, Grönland. Bildung der Thäler. Große Fluth. Ab⸗ und Zunahme des Meeres. Veränderungen der Erdoberfläche durch das, Meer, die Landgewäſſer, die At⸗ moſphäre. Dünen. Tönen des Sandes am Singi. Dorf: erzeugung. Veränderungen durch vulkaniſche Ausbrüche und Erdbeben. Erdbrände, brennender Berg. Bergſtürze, Fel⸗ ſenbrüche. Chronologiſche Ueberſicht der bedeutendſten Erd⸗ beben. Vulkaniſche Ausbrüche und Fluthen. (Erdb. in der Schweiz, 23. 24. Jan. 1837.) S. 452 482.

Argelander's Entdeckung einer eignen Bewegung der . f 5 483.

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Einleitung.

Begriff der Natur, und der allgemeinen | Naturgeſchichte.

Das für uns erkennbare Univerſum zerfällt in zwei große Sphären. Die eine umfaßt alle Gegenſtände, welche durch Kräfte hervorgebracht ſind, die in unſerm Geiſte liegen, die andere begreift alle Dinge, die durch außer demſelben lie— gende Kräfte entſtanden ſind.

Unter Natur verſtehen wir den ganzen Inbegriff der durch die Sinne erkennbaren Dinge, nebſt den in ihnen wir— kenden Kräften, welche nicht durch menſchliche Thätigkeit hervorgebracht ſind.

Die Naturwiſſenſchaften haben ſonach als Gegen—

ſtand alles ſinnlich wahrnehmbare, was einer andern als der r Kraft entſprungen iſt. Alle Naturdinge ſtehen in enger Verbindung, welche man, wenn man ſie ihrem Weſen nach erkennen will, nicht aufhe— ben kann. Nur indem alle Formen, alle Erſcheinungen der Natur in einer zuſammenhängenden Betrachtung aufgefaßt werden, erkennt man ihre wechſelſeitigen Beziehungen.

Der praktiſche Unterricht in den einzelnen Fächern macht es allerdings nöthig, die einzelnen Doktrinen der Naturwiſſen⸗ ſchaft zu trennen, und ins ſpezielle auszuarbeiten, aber die Bedingungen des allgemeinen Verſtändniſſes machen es eben ſo nöthig, ſie in ihren Hauptreſultaten wieder zu vereinigen, um auch in der Wiſſenſchaft jenen Konnexus a d welcher in der Natur vorhanden iſt.

Die allgemeine Naturgeſchichte nun wird nicht Phyſik, Mineralogie, Zoologie ꝛc. lehren, aber fie wird die

1

2 Begriff der allgem. Naturgeſchichte.

richtigen Anſchauungen und Wahrheiten, welche durch jene ſpeziellen Naturwiſſenſchaften gewonnen wurden, in ihrer ge— genſeitigen Verbindung und manigfachen Beziehung darſtellen, und ſo das große Naturleben in der menſchlichen Wiſſenſchaft abſpiegeln. Ihr Ziel iſt die Anſchauung des Ganzen im Eins zelnen, und des Einzelnen im Ganzen. Sie benützt dankbar die gewonnenen Reſultate der Erfahrung und Beobachtung, als Stoffe, mit welchen ſie ihr Gebäude aufführt. Sie be⸗ nützt die Reſultate, ohne jedoch in die Prozeſſe einzugehen, durch welche fie gewonnen werden. Die allgemeine Natur: geſchichte ſtellt weder magnetiſche Verſuche, noch chemiſche Analyſen, noch Sektionen an, aber ſie nimmt alle hiedurch gewonnenen und bewährten Wahrheiten auf, um fie zum Sy⸗ ſtem und Ganzen zu verbinden.

Man kann die Menſchheit gewiſſermaßen als eine Fort— ſetzung der Natur betrachten, welche an der Grenze der ſinn— lichen und überſinnlichen Welt ſteht, und in der ſich beide berühren. Die eigentliche Bedeutung des Menſchen, die großen Bewegungen der Menſchheit, und ihr Entwicklungs— gang werden von dem viel beſſer begriffen werden, der das Leben und Weſen der Natur erkannt hat. Hiedurch gewinnt die allgemeine Naturgeſchichte abgeſehen von ihrer urfprüng- lichen und eigentlichen Bedeutung noch eine ſekundäre von hoher Wichtigkeit. Sie wird nämlich auch zur Propädeutik der Anthropologie im höchſten Sinn, und iſt daher ſchon in dieſer Beziehung ein würdiger Gegenſtand für Jeden, der zur Kenntniß der Welt und ſeiner ſelbſt kommen, und zum höhern Menſchen reifen will. 5

Die allgemeine Naturgeſchichte iſt daher nicht mehr bloße Realwiſſenſchaft, wie die einzelnen Naturwiſſenſchaften, ſondern auch Humanitätswiſſenſchaft. Indem es aber eine ihrer Hauptaufgaben iſt, das Bewegende, das Weſen, den Geiſt in der Natur zu erkennen, welcher allen ſinnlichen Erſcheinungen zu Grunde liegt, durch die ſinuliche Erfahrung aber nicht erkannt werden kann, muß ſie außer den ſinnlichen auch die geiſtigen Kräfte des Menſchen in Anſpruch nehmen. Indem ſie daher die Erfahrung zwar benützt, bei derſelben

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften. 5 3

aber nicht ſtehen bleibt, iſt ſie nicht mehr bloße Erfah— rungswiſſenſchaft, wie jene einzelnen Doktrinen, ſondern auch philoſophiſche Wiſſenſchaft. i Eine nähere Begründung dieſer Anſicht findet ſich in meiner akad. Antrittsrede: „Ueber die höhere Bedeutung der Natur— wiſſenſchaften und ihren Standpunkt in unſerer Zeit.“ Bern 1835. Jenni, Sohn.

Hiſtoriſcher Ueberblick der Entwicklung der Naturwiſſenſchaften.

Jede Wiſſenſchaft gehorcht dem allgemeinen Geſetz aller Entwicklung, aus einem Einfachen ein Vielfaches, aus einem Unbeſtimmten ein manigfach Beſtimmtes und Gegliedertes zu werden. Alle Wiſſenſchaften erſcheinen nur als Zweige eines einzigen Stammes, aus dem ſie hervorgewachſen ſind, um eigenes Leben zu gewinnen, und Blüthe und Frucht zu tragen.

Die älteſte aller Wiſſenſchaften, und Mutter aller übri⸗ gen iſt die Philoſophie. Von ihr als dem Stamme, welcher ſelbſt wieder manigfachen Entwicklungsprozeſſen unterworfen iſt, lösten ſich nach und nach alle andern ab: ſehr frühe die Mathematik nach der einen, die Medizin und Naturwiffen- ſchaft nach der andern Seite. Jeder Hauptaſt ſpaltete ſich im Verlaufe ſeines Wachsthums in Nebenzweige, bis endlich der ſtolze Baum mit ſeinen Lichtern und Schatten entſtand, der in der Erde feſtwurzelnd, ſeine Wipfel gegen den Himmel ausbreitet. |

Was die Naturwiſſenſchaft betrifft, fo iſt fie ſowohl ihrer Form als ihrem Inhalte nach, ein Produkt der neuen Zeit. Sie vertrug ſich weder mit dem rohen Urſtande der Völker, noch mit dem Helldunkel und den Viſionen des patri— archaliſchen Zeitalters, und eben ſo wenig mochte ſie in der einerſeits der Kunſt, andererſeits der Politik und philoſophi— ſchen Spekulation zugewandten griechiſchen Zeit gedeihen. Was die Römer ſelbſtſtändig für ſie leiſteten, iſt wenig der Rede werth. Würde man alles, was indiſches und ägyptiſches, griechiſches und römiſches Alterthum in den Naturwiſſenſchaf- ten vollbracht haben, der Vernichtung preisgeben, fo wäre

Ä Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

der Verluſt für die Kulturgeſchichte höchſt beklagenswerth,

aber unſere Syfteme würden kaum um eine Wahrheit ärmer,

die die neue Zeit nicht beſſer erkannt hätte. Es bedarf hiebei nicht der Erläuterung, daß dieſes nur für die empiriſche Naturwiſſenſchaft gelte, welche auf ſinnliche

Beobachtung und Verſtandeskombination gegründet if. Was

die ſpekulative betrifft, fo hat keine Zeit die hohen Anfich- ten von der Natur, und dem in ihr lebenden Geiſte übertroffen, welche in den unſterblichen Lehrgebäuden des Thales, Pytha— goras und Plato ausgeſprochen ſind. Dieſelben ſind aus der ureigenſten, tiefſten Anſchauung hervorgegangen, und kön⸗

nen nicht nach dem Maßſtab der nüchternen Crfahrung

gemeſſen werden. 8

Das klaſſiſche Alterthum ſteht hehr und edel da in Ge⸗

ſinnungen und Thaten, in Werken der Kunſt und Denkkraft. Die ganze neue Zeit ſchwelgt von den unvergeßlichen Erin— nerungen, die es allen Zeiten hinterlaſſen, und die durch zahl- reiche Anklänge in Sprache, Sitte und Geſetz ſtets neu erweckt werden. Manigfache Elemente aus jenem Leben ſind in unſeres übergegangen, und unſer geſellſchaftliches Gebäude ruht zum Theil noch auf den ehernen Pfeilern, welche es

gegründet. Wer aber den Alten die Palme in der Natur -

wiſſenſchaft, in ſo ferne ſie auf Erfahrung und Verſtandes⸗ thätigkeit gebaut iſt, zuwenden möchte, täuſcht ſich und andere, vielleicht in frommer Scheu, und opfert die Wahrheit, die über allen Zeiten iſt, zu Gunſten einer Zeit. |

Die Naturwiſſenſchaft iſt alſo eine Frucht der neuen

Kultur der Menſchheit. Mit ihr wurde gleichſam ein bis jetzt kaum bekanntes Gebiet des Geiſtes erobert, das von

Sinnen, Verſtand und Vernunft immer neu bearbeitet, zum

Ertrage immer reicherer Früchte geeignet wird.

Es iſt nicht zu verkennen, daß ein gewiſſer Grad von veligiöfer und politiſcher Freiheit errungen, die Gluth der Leidenſchaften gekühlt, das bis jetzt vorherrſchende Gemüth dem Verſtande untergeordnet, die Sinne durch manigfache Werkzeuge geſtärkt werden mußten, wenn gerade die Natur⸗ wiſſenſchaft gedeihen ſollte. Dieſe Bedingungen trafen zuerſt,

2

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften. 3

obwohl anfangs in geringerem Maaße, im 16ten Jahrhundert zuſammen, und Europa, die nordweſtliche Halbinſel der alten Welt, war beſtimmt, im Gegenſatz zur alten Naturweisheit des Suͤdoſtens der neuen Naturwiſſenſchaft Heimath zu ſein.

Wie mächtig die neuerfundene Buchdruckerkunſt zur Ver— breitung alles Wiſſens gewirkt habe, iſt allbekannt. Die Ent- deckung des Seeweges nach Oſtindien und jene Amerika's ſchloßen dem Unternehmungsgeiſte neue Welten auf, und waren der Anfang einer langen Reihe von Expeditionen, durch welche Geſtalt und Verhältniß von Land und Meer dieſes Planeten erkannt worden ſind. Reiſen folgten auf Reiſen, bald der Wiſſenſchaft nur den Weg bahnend, bald in ihrem theilweiſen oder ausſchließlichen Intereſſe unternommen. Auch auf den Wegen des Handels ſchritt die Wiſſenſchaft fort. Die Re— gierungen der Hauptnationen der Erde unterſtützten nicht ſel— ten Unternehmungen, die ſie fördern ſollten, oder veranſtalteten ſie von ſich aus mit reichen Mitteln, die oft eben ſo reiche Erfolge herbeiführten. Aber auch die Hingebung und Auf— opferung einzelner für die Wiſſenſchaft begeiſterter e errangen häufig nicht minder große Reſultate.

Die Beſchaffenheit der neuentdeckten Länder, die wunder baren Produkte, welche die ewig ſchaffende Natur in der glühenden Zone um den Aequator, wie in den ſtarrenden Gefilden des Nordens in's Daſein gerufen hat, öffneten der Forſchung ein unermeßliches Feld. In jenen fernen Gegen— den, unter der fremdartigſten Umgebung fand der Menſch auch ſich wieder, aber in welch manigfacher Veränderung! und bei aller Veränderung doch wieder ſo gleich! Hier, unter dem Strahl der ſenkrechten Sonne mit gefärbter Haut, braun, roth und ſchwarz in den vielſeitigſten Abſtufungen, bald wie auf den glücklichen Inſeln der Südſee in kindlicher Unſchuld am Buſen der großen Mutter ruhend, bald wie im mittäg— lichen Afrika, ſich zum Theil mit der Gier des Raubthieres verfolgend und würgend überall eine Beute ſchwankender Gefühle, nimmer ruhender Begierden, wechſelnd von Haß und Liebe geleitet, auf und nieder ſchwankend zwiſchen gött— licher Erhebung und thieriſcher Erniedrigung.

6 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Mit der vollkommenen Kenntniß der Erde und ihrer. Produkte entſtanden eine Menge früher kaum geahnter Dok⸗ trinen. Die phyſiſche Geographie, die Meteorologie, die Geo— gnoſie und Geologie u. ſ. w. nahmen erſt dann ihren Anfang, als man ihre Objekte kennen lehrte, um deren Daſein man früher nicht einmal gewußt hatte. Alle früher ſchon gekann⸗ ten Zweige der Naturwiſſenſchaft aber nahmen einen für undenkbar gehaltenen Aufſchwung. So die Mineralogie, Botanik, Zoologie, die Kenntniß des Baues des Menſchen und der Thiere, und ihrer Lebensverrichtungen. Mit den geſteigerten Anfoderungen an die Forſchung mußten die menſchlichen Sinnesthätigkeiten ſelbſt eine größere Wirkungs- ſphäre erhalten. Waren ſchon früher an die Stelle der natürlichſten Wage, die der Menſch in ſeinen beiden Händen beſitzt, die künſtlichen getreten, ſo mußten dieſe eine Feinheit und Vollendung erhalten, die ſie zur Anzeige der kleinſten Gewichtsverſchiedenheit befähigten. Die raumdurchdringende Kraft auch des ſchärfſten Menſchenauges iſt nur für die Erde gebildet, und viel zu ſchwach, die Räume des Univerſums oder das Gefüge der kleinſten Körper zu durchdringen; es erhielt im Fernrohr und im Mikroskop gleichſam Hebel, die ſeine Kraft verhundertfachten. Im Chronometer ward das Inſtru— ment erfunden, um die „Flügelſchläge der Zeit“ zu meſſen. Die Kalorimeter, Elektriſirmaſchineu, galvaniſchen, magne— tiſchen, Lichtpolariſirungsapparate u. ſ. w. führten uns zum Verſtändniß, wenn auch nicht des Weſens, doch der Wirkungs⸗ weiſe jener wunderbaren imponderablen Weſen, die gleichſam an der Grenze zwiſchen Körper- und Geiſterwelt ſtehen, der Wärme und des Lichtes, der Elektrizität und des Magnetismus. Durch ſolche Erweiterung, Verfeinerung, Erhöhung ſeiner ſinnlichen Vermögen erkannte der Menſch nicht nur die ger waltigen Verhältniſſe der Natur in Maße und Raum, die Unendlichkeit des Weltalls in Ausdehnung und Zahl der Welten, ſondern er drang ſpaltend und zertheilend bis in die kleinſten Moleküle dieſer Körperwelt ein, wo die Begriffe von Geiſt und Materie zuſammenzufallen ſcheinen, wo in den Ato⸗ men die eine in den andern übergehen will, hier aber, im

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften. 7

unendlich kleinen, wie dort, im unermeßlich großen hat er vergeblich nach einem Ende geſucht.

Was die Naturwiſſenſchaften betrifft, welche ſich mit der ſogenannten unorganiſchen Natur beſchäftigen, ſo hat in ihnen fehon ſeit langer Zeit die mathematiſche Richtung überwogen. Den Spekulationen der joniſchen, und zum Theil der attiſchen Schule war ſchon die alexandriniſche entgegengetreten. War in der joniſchen Schule die Richtung nach dem Unendlichen vorherrſchend, ſtrebte ſie den Geiſt zu erkennen, wie er im All und feinen Dingen hervortritt, fo überwog in der alexan— driniſchen Schule die nüchterne, Schritt vor Schritt vorſchrei— tende Beobachtung. Beide verhalten ſich zu einander wie Metaphyſik zu Phyſik, wie Vernunft zu Verſtand, wie Poeſie zu Proſa. Die Richtung der alexandriniſchen Schule iſt bis auf den heutigen Tag die herrſchende geblieben.

Man kann nicht läugnen, daß mit dem Anfang dieſes Jahrhunderts eine geiſtreichere Behandlung jener Naturwiſſen— ſchaften begann, welche ſich mit der ausſchließlich ſogenannten organiſchen Natur befaſſen. Die Linne’iche Schule hatte allerdings durch den Geiſt ſtrenger Syſtematik Ordnung und Ueberſicht in die vorher verwirrende Maſſe der Naturdinge gebracht. Das Prinzip, welches ſie beſeelte, war Unterord— nung des Einzelnen unter das Umfaſſende, und Herſtellung eines nach aufſteigenden Kategorieen Gegliederten. Wie die Spezies der Inbegriff der Individuen iſt, ſo ſollte das Genus die Spezies, die Ordnung die Genera, die Klaſſe die Ord— nungen, das Reich als oberſter Begriff die Klaſſen umſchlieſſen. Allenthalben wurden aber die einzelnen Dinge nicht nach ihrer univerſellen Bedeutung, ſondern nur nach jenen Charakteren gewürdigt, welche als beſtimmende, oft mit entſchiedener Will— kühr aufgeſtellt wurden. Die unausbleibliche Folge eines ſolchen Verfahrens war häufig Trennung des Verwandten, weil es in jenen einzelnen Charakteren abwich, und Zuſam— mengeſellen des Verſchiedenen, wenn es in denſelben überein— ſtimmte.

Man würde übrigens jenem unſterblichen Naturforſcher hohes Unrecht thun, wenn man ihm zum Tadel rechnen wollte,

8 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

was bei reiferer Betrachtung als eine nothwendige Durch⸗ gangsſtufe der Wiſſenſchaft ſelbſt erſcheint. Ich möchte Linne mit einem gewaltigen Autokraten vergleichen, welcher bei einem vorher rohen und geſetzloſen Volke die erſten Grund⸗ lagen einer Staatsform legt, auf welchen ſich ein beſſerer Zuſtand entwickeln fol. Hier gilt es, mit Kraft und Konſe— quenz das einmal beſchloſſene durchzuführen, das Einzelne dem Ganzen zu opfern, Ausnahmen nicht oder nur höchſt ſelten zu geſtatten, alles nur nach den Maſſen, nicht nach den Individuen zu würdigen, und das Ganze einer hierarchiſch gegliederten Regierungsmaſchine unterzuordnen. Kommen aber einmal die Geiſter zum Bewußtſein, erkennt jeder nicht bloß ſeine Pflichten, ſondern auch ſeine Rechte, erwacht in ihnen das individuelle Selbſtgefühl, ſo muß das Individunm in feiner Eigenthümlichkeit gewürdigt, der Wiederſpruch ge- ſtattet, Modifikationen vorgenommen, und der Gehorſam nicht bloß durch Gewalt erzwungen, ſondern durch Hebezeuge gewonnen werden. |

Was im menſchlichen Staate die A das ſind in der Natur die einzelnen Formen und Beſchaffenheiten. Auch die Konformation der Natur geſtattet, dieſelben in immer höhere Kategorieen zu ſammeln, und in der Naturwiſſen⸗ ſchaft ein Gebäude zu errichten, welches dem menſchlichen Staate ähnlich iſt. Hiebei muß jedoch nie vergeſſen werden, daß jede einzelne Naturform nicht bloß ein Theil eines Gan— zen, ſondern ein für ſich beſtehendes iſt, welches nach ſeiner Spezialität gewürdigt werden ſoll. Hiezu iſt nöthig, Jedes nicht bloß nach einzelnen Merkmalen, ſondern nach ſeiner univerſellen Beſchaffenheit zu betrachten. Darin liegt die Grundverſchiedenheit der Linné'ſchen und neuern Schule, des Linné'ſchen und ſogenannten natürlichen Syſtems.

Die Naturforſchung ſchreitet offenbar in Klarheit und Präziſion der Darſtellung ungemein vorwärts. Man begnügt ſich nicht mehr mit rohen Umriſſen, mit oberflächlichen Schil⸗ derungen, ſondern verlangt fein ausgearbeitete Bilder, genaue Beſchreibungen. In den Verhältniſſen, welche die Zeit und Zahl, das Maaß und Gewicht betreffen, will man Angabe

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften. 9

der kleinſten Differenzen. Man ſtrebt alles in mathematiſche Formeln zu bringen, oder doch in Zahlen auszudrücken.) In der Natur iſt nichts oder alles groß und klein; und durch unvorgeſehene Reihen von Folgerungen führten oft kleine Irrthümer zu großen, ſo wie gering geachtete Wahrheiten zur Erkenntniß größerer. Es wäre daher ſehr verfehlt, jenen Gang unſerer Zeit, alles in Zahl, Maß und Gewicht faſſen zu wollen, zu tadeln. Jedoch jene ungeheuere Verirrung muß man tadeln, welche da wähnt, mit Scheere, Wage und Ellen⸗ ſtab den Geiſt faſſen zu wollen, welcher in den Dingen lebt: jene beſchränkten Köpfe muß man bedauern, die, mit Scheel— ſucht auf jede höhere Beſtrebung blicken, und getreu einer allmälig wieder flacher werdenden Zeit, ſo viel in ihren Kräf— ten liegt, jeden Glauben an höhere, nur dem Geiſte zugäng— liche Wahrheiten, zu Gunſten eines hohlen Materialismus zu zerſtören ſuchen. Je beſchränkter Anfichten dieſer Art find, deſto ausſchließlicher treten ſie auf, woran ſie Jeder erkennen kann. Man kann indeß mit Gewißheit hoffen, daß wenn auch dieſe einſeitige Richtung durchlaufen iſt, man endlich erkennen

) Ein charakteriſtiſcher Ausdruck dieſer Richtung iſt Babbage's Aufruf. 1833 las Babbage in der brittiſchen Aſſociation für den Fortſchritt der Wiſſenſchaften, einen „Aufruf an die großen Akademieen Europas, zur Verfaſſung einer Art wiſſenſchaft⸗ licher Eneyklopädie in Zahlen“ vor. Er will fie „die beſtimm⸗ ten Verhältniſſe (les Constantes) in Natur und Kunſt“ nennen, und ſie ſoll alle Thatſachen enthalten, die man in den verſchiede⸗ nen Wiſſenſchaften und Künſten in Zahlen ausdrücken kann. So in der Aſtronomie die konſtanten Größen des Planeten- ſyſtems, Entfernungen, Umlaufszeit, Neigung der Bahn, Schwere auf jedem Planeten zc.; in der Chemie die Atomen⸗ gewichte der Körper, Proportion der Elemente der verſchiede— nen zuſammengeſetzten Körper, der Säuren mit ihren Baſen, Metalle mit dem Sauerſtoff ꝛe. Die Zahl der bekannten Thiere, Pflanzen der verſchiedenen Klaſſen, mit Angabe der foſſilen und lebenden, Geſchwindigkeit der verſchiedenen Körper, Längen der Flüſſe und Quankitäten ihrer Waſſer, Bevöl⸗ kerung, Ausdehnung, Einkünfte der Staaten und Städte Höhe und Raumbedeckung aller Gebäude, Tempel, Kirchen, Pyramiden, Thürme, Säulen, Maaße und Gewichte, Zahl der Bücher in den verſchiedenen Bibliotheken 20. Das Werk ſoll alle 6 Jahre revidirt werden. Man würde dadurch unendlich viel Nachſchlagen und Zeit erſparen. Für dieſen Vorſchlag hat ſich die brittiſche Aſſociation intereſſirt, und eine bedeutende Summe hiefür bewilliget.

10 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

werde, daß wie der Menſch und die Natur ſelbſt, ſo auch die

Wiſſenſchaft aus Geiſt und Materie beſtehen müffe, und daß weder ſinnliche Empirie, noch Spekulation allein ihr Weſen zu erſchöpfen vermögen. Man wird erkennen, daß die zwei in der Natur gegründeten Richtungen des Realismus und

Idealismus einer höhern Syntheſis bedürfen, in welcher beide

aufgehen. Man wird erkennen, daß bei allem Suchen und Forſchen im Einzelnen ohne den Geiſt, der die zerriſſenen Glieder eint und belebt, ewig nur todtes Stückwerk gewonnen werde. Auch die „alexandriniſche Schule“ wird ihre weite Bahn vollenden, und nachdem ſie alle Punkte ihrer Peripherie durchlaufen hat, ohne Ruhe und Einheit zu finden, zum Mit: telpunkte der Einheit zurückkehren, von der alle Vielheit ſtammt.

Von der Anſicht ausgehend, daß alles Gewordene nur verſtanden werden könne, wenn es nach ſeinem Entſtehungs— prozeß betrachtet wird, daß die ganze Gegenwart nur aus der Vergangenheit begreiflich ſei, geben wir im folgenden die Hauptumriſſe der hiſtoriſchen Entwicklung der vor- züglichſten einzelnen Zweige der Naturwiſſenſchaft.

Literatur: Es exiſtirt kein Werk, welches die Geſchichte aller Naturwiſſenſchaften nach ihrer Entwicklung aus einander, und ihren gegenſeitigen Verhältniſſen darſtellte; Werke indeß, welche mehrere zugleich behandeln, find z. B. Histoire des pro- gres de l'esprit humain dans les sciences naturelles etc. par Sa ve&- rien. Paris 1775. 8. Montucla, histoire des mathematiques. 4 vol. 4. Paris, an 7. Histoire des progres des sciences natu- relles, depuis‘ 1789 jusqu’a ce jour par M. le Baron G. Cuvier. J. vol. 8. Paris, Roret et Pourrat freres, 1834. Die ſpezielle hiſtoriſche Literatur wird bei jeder einzelnen Wiſſenſchaft auf- geführt. 8 | .

Wir beginnen mit Phyſik und Chemie, als den Wiſſenſchaf— ten, welche ſich mit der Materie, ihren Kräften, Verſchieden— heiten und Eigenſchaften überhaupt befaſſen, und daher den materiellen Grund und Boden aller übrigen bilden.

A. Phyſik.

Lit. Geſchichte der Naturlehre von F. Murhard, ir Bd. Affe und 2te Hälfte. Göttingen 1798. 8. Geſchichte der Phyſtk ſeit der Wiederherſtellung der Künſte und Wiſſenſchaf— ten bis auf die neueſten Zeiten, von J. C. Fiſcher. 1—8 Bd. Göttingen 1801—8. 8. Histoire philosophique des progres de

Phyſik. | 11

la Physique, par A. Libes. tom. 1—4. Paris 1810— 13. 8. Rirner's und Sieber's Leben und Lehrmeinungen berühm— ter Phyſiker. 3 Hefte. Sulzbach 1820 21. Berzelius, Jahresberichte über die Fortſchritte der phyſiſchen Wiſſenſchaf— ten. Deutſch von Wöhler. Tübingen. Fechner's Reper⸗ torium d. Ph. (Enthält die Entdeckungen ſeit 1829.) Ohne Zweifel beſaßen fchon die Aegypter, Chaldäer, Phö— nizier phyſikaliſche Kenntniſſe. Bei den Griechen waren ſie noch lange mit Allegorie und Fabel vermengt. Thales, geb. 640 oder 639 v. Chr., ge. gegen die 58te Olympiade in 90- jährigem Alter, trennte fie zuerſt von dieſen, ſuchte den erſten Grund aller Wirkung in der Natur zu entdecken, und aus ihm vorzüglich die Bewegung der Weltkörper zu beſtimmen. Bei Pythagoras ſpielen die Monaden (ideellen Einheiten) als Grundurſachen aller körperlichen Erſcheinungen eine Haupt— rolle. In Leucipp's und Demokrit's Theorieen find die erſten Keime aller ſpätern atomiſtiſchen Anſichten gegeben. Die Phyſik der Griechen war vorherrſchend fpefulativer Natur, doch wurde, namentlich von Hippokrates, Ariſtoteles, Theo— phraſt, die Beobachtung nicht ganz vernachläßigt. Die Römer fügten der Wiſſenſchaft nichts bei, doch kommen bei Lukrez, L. Seneka und beſonders dem ältern Plinius manche phyſika— liſchen Erfahrungen und Anfichten vor. Im Mittelalter verſank die Phyſik mit den andern Wiſſenſchaften in tiefen Schlaf; was die Araber während dieſer Zeit leiſteten, iſt unbedeutend. Erſt mit Bako von Verulam (geb. 1561, geſt. 1626), welcher der Einſeitigkeit der Spekulation entgegentrat, erſchien ihre Morgenröthe. Die letzten Jahre des töten und erſten Jahr— zehente des 17ten Jahrhunderts find durch eine Reihe glän— zender Endeckungen ausgezeichnet. So entdeckte Galilei die wahren Geſetze des Falls und der Pendelſchwingungen, Tor— ricelli erfand das Barometer, Kepler entdeckte die Geſetze der himmliſchen Bewegungen, und begründete durch Anwendung der Geometrie die Optik, Otto von Guericke erfand die Luft— pumpe, Carteſius ſtürzte die ſchon ſehr erſchütterte Phyſtk des Ariſtoteles und der Scholaſtiker völlig nieder, und führte auf ihren Trümmern ein neues Gebäude auf, welches er auf eine feſtere metaphyſiſche Baſis zu gründen ſuchte. Während dem wurde durch die Experimente der Engländer Boyle und Hooke, der Italiener Borelli und Grimaldi, der Franzoſen Paskal, Mariotte und Picard manche neue Wahrheit gefunden. In das 17te Jahrhundert fällt auch die Gründung mehrerer großen wiſſenſchaftlichen Vereine, Akademieen. So entſtanden gegen die Mitte deſſelben zu London die Royal Society, zu Paris die

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Academie des sciences, zu Florenz die Academia del cimento-

Viele ihrer Mitglieder arbeiteten thätig am Forſchritte der Phyſik, fo z. B. Wallis, Wren, Engländer, und wie der Nie⸗ derländer Huyghens erſte Mitglieder der Royal Society. Mit Newton (geb. 25. Dez. 1642 zu Woolsthorpe in Linkolnſhire, geſt. den 20. März 1727 zu London) begann eine neue Epoche der Phyſik. Abgeſehen von feinen außerordentlichen Entdeckun— gen in der Mathematik, die manigfach fördernd auf die Phyſik einwirkten, hat N. das Geſetz der Schwere entdeckt, zuerſt das Licht analyfirt, Beobachtungen über die Temperatur angeſtellt. Als Begründer der neuern Naturlehre terfcheint er vorzüglich in feinen Philosophiae naturalis principiis mathematicis, deren 2te, noch von ihm beſorgte Auflage 1713 erſchien. (Vergl. Brew- ſter, Sir J. Newton's Leben ꝛc. Ueberſ. von Goldberg. Leipzig 1835.) Nach Newton, (im 18ten und 19ten Jahrhundert) wurden die phyſikaliſchen Inſtrumente theils vielfach verbeſſert, ſo die Thermometer, Barometer, Elektriſtrmaſchinen, theils neu entdeckt, wie die galvaniſche Säule, die Sichtpolarifirungs- apparate, die magnetiſchen Deklinatorien und Inklinatorien u. ſ. w., durch welche theils ſchon früher bekannte Po- tenzen, wie Licht, Elektrizität, und deren Zuſammenhang mit dem Magnetismus in größerem Umfang erkannt, theils neue Kräfte oder neue Modifikationen ſchon bekannter, wie z. B. der Galvanismus gefunden und entwickelt wurden. Zu den hervorragendſten Phyſtkern des 18ten Jahrhunderts gehören Wilh. Herſchel, der große Aſtronom, Entdecker der verſchiede— nen Wärmekraft der Strahlen des zerlegten weißen Sonnen— lichtes, Franklin (geſt. 1790), John Prieſtley (geſt. 1804), Joh. Black (geſt. 1799), Galvani (geſt. 1788), Entdecker der galvaniſchen Elektrizität, welche Volta durch die von ihm er— fundene Säule verſtärken lehrte; Lichtenberg (geſt. 1799), Richter (gef. 1808). Die Phyſik des 19ten Jahrhunderts iſt eine weſentlich experimentelle geworden. Zugleich ſtrebt ſie alle Erſcheinungen unter mathematiſche Beſtimmungen zu faſſen, und durch Formeln auszudrücken, ſo wie andererſeits allgemeine mathematiſche Geſetze a priori aufzuſtellen, und ſie dann durch Experimente zu prüfen. Dieſelbe hat dadurch aller— dings in Klarheit und Präziſton des Ausdrucks gewonnen: da aber die Mathematik nur die Wiſſenſchaft der Größen und Verhält— niſſe iſt, ſo konnte auf dieſem Weg eigentlich doch nirgends eine Einſicht in das eigentliche Weſen der Dinge ſelbſt erreicht werden. Frühere Verſuche, (fo von Ritter) die Phyſik natur- philoſophiſch zu begründen, ſind allerdings nicht vollkommen gelungen, und ſcheinen deßhalb zu ſehr von dieſer Bahn abge—

Phyſit. | 13

ſchreckt zu haben. Freilich iſt das mechaniſche Verfahren leichter und ſcheinbar fruchtbringender. England, Frank— reich und Deutſchland ſtehen wie überall, ſo auch in der Phyſtk, am höchſten. Unter ſo vielen berühmten Namen der neuern und neueſten Zeit vergönnt der Raum nur folgende zu nennen: England: Airy, Barlow, Brewſter, Faraday, Herſchel, Nitchie, Sabine, Wheatſtone; Fraukreich: Laplace, Fourier, Fresnel, Poiſſon, Cauchy, Ampere, Navier, Arago, Becquerel, Biot, Gay-Luſſae, Pouillet; Deutſchland: Baum— gartner, Beſſel, Brandes, Döbereiner, beide Erman, Fechner, Gauß, Kämtz, Kaſtner, Mitſcherlich, Munke, Schweigger, Poggendorff, Seebeck; Niederlande: Beek, Mons, Quetelet; Schweiz: Brunner, Flauguerges, de la Rive, Saußüre; Italien: Melloni, Matteucei; Dänemark, Rußland, Schwe— den: Hanſteen, Kupfer, Parrot, Rudberg, Hallſtröm; Nord— amerika: Bartlett, Sillimann; Oſtindien: Prinſep. 1832 wurde in der magnetiſchen Elektrizität durch Faraday ein neues Gebiet der Phyſik entdeckt. Vor allen gewannen in neueſter Zeit die Lehre vom Schall, vom Lichte, Galvanismus und Magnetismus. Die mechaniſche Phyſtk erhielt durch die mathematiſchen Arbeiten Poiſſon's und Cauchy's eine ganz neue Begründung. Schweigger erfand den elektro- magneti— ſchen Multiplikator. Ohm ſtellte für den Galvanismus ma- thematiſche Geſetze auf. Becquerel bildete auf galvaniſchem Wege mehrere kryſtalliſirte, chemiſche Verbindungen. Nunge beobachtete eigenthümliche elektro-chemiſche Bewegungen von Flüſſigkeiten; Nobili merkwürdige Farbenfiguren. Gauß führte die Intenſität des Erdmagnetismus auf ein gbſolutes Maß zurück. Das Licht wurde vorzüglich von Fresnel, Herſchel II. und Brewſter neu bearbeitet; die Wärme von Munke und franz. Phyſikern. Die wichtigſten ſpeziellen Zeitſchriften für Phyſik ſind: Poggendorff's Annalen für Chemie und Phyſik; Schweigger— Seidel's Jahrb. d. Ph. und Chemie; Annales de chimie et de physique par Gay-Lussac et Arago; Baumgartner's und Etting⸗ hauſen's Zeitſchrift für Ph. und Mathem. Von Lehrbüchern und Syſtemen genüge es zu nennen: Biot's Lehrb. d. Ph., deutſch bearbeitet v. Fechner, 5 Bde. Leipz. 1829 - 30, und Baumgartner's Naturlehre nach ihrem gegenwärtigen Zuſtand, mit Rückſicht auf mathem. Begrün— dung. öte Aufl. Wien 1836. Mit einem Supplementband. Das umfaſſendſte neuere Werk für Phyſik iſt die von Brandes, Gmelin, Horner, Munke, Pfaff, und jetzt auch Littrow bearbeitete neue Ausgabe des „Gehler'ſchen phyſikaliſchen Wörterbuches.“

44 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Als eigene Wiſſenſchaft hat ſich in neueſter Zeit von der Phyſtk losgeriſſen die Meteorologie. Eine treffliche Dar⸗

ſtellung ihres jetzigen Verhältniſſes giebt der „Abriß einer

Geſchichte der neuern Fortſchritte und des gegenwärtigen Zu— ſtandes der Meteorologie“ von James Forbes. Aus dem Engl. überſetzt und ergänzt von W. Mahlmann, mit 3 Tafeln. Berlin 1836. B., h e in e Lit. Geſchichte der Chemie ſeit dem Wiederaufleben der 7 ſchaften bis an das Ende des 18ten Jahrhunderts, von J. F. Gmelin. 1—3r Bd. Göttingen 1797—9. 8. Jahresberichte über die Fortſchritte der phyſ. Wiſſenſchaften von Berzelius, überſetzt von Wöhler. Repertorium der neuern Entdeckun— gen in der Chemie von Fechner. -

Die meiſten chemiſchen Kenntniſſe unter den Völkern des Alterthums hatten ohne Zweifel die Aegypter, welche mehrere Salze und Alkalien, Ziegel, Döpferwaare, Schmelz, Metalle und Metallgemiſche, Arzneimittel, Farben, Bier, Effig, Seife darſtellen, und Leichen vor Verweſung bewahren konn— ten. Die Chineſen hatten mit ihnen mehrere dieſer Kenntniſſe gemein, verſtehen aber ſeit uralter Zeit auch den Schwefel, Salpeter, Borax, Alaun, Grünſpan zu bereiten, und Papier, Porzellan, Schießpulver zu verfertigen. Von den Aegyptern lernten Juden und Griechen. Von Anaximander rührt die Aufſtellung der ſogenannten 4 Elemente her. Ariſtoteles u. a. nahmen an, die Materie ſei identiſch und erſcheine nur wegen verſchiedener Form der kleinſten Theile verſchieden. Mit dem Umſturz des Reiches der Römer, welche zur Vervollkommnung der Chemie nichts beigetragen hatten, trat in der europäiſchen Welt Barbarei ein. Während dem blühten die Wiſſenſchaf— ten im 7ten bis 42ten Jahrhundert bei den Arabern. Sie wußten Arzneien zu bereiten und ſuchten mittelſt des Steins der Weiſen“ unedle Metalle in edle zu verwandeln. Durch dieſe Bemühung entſtand die Alchemie. Geber kannte im sten Jahrhundert die Schwefelmilch, Salpeterſäure, Goldauf— löſung, das Königswaſſer, das rothe Queckſilberoryd und das Queckſilberſublimat, den Silberſalpeter ze. Abulkaſts im 12ten Jahrhundert die Branntweinblaſe und das Deſtilliren. Alko— hol, Aludel, Alkali ſind noch arabiſche Benennungen. Die Kreuzzüge brachten die Kenntniſſe der Araber nach Europa, wo namentlich vom tsten bis 17ten Jahrhundert die Alchemie gepflegt wurde. So fruchtlos die Bemühungen waren, unedle Metalle in edle zu verwandeln, ſo führten ſie doch gelegentlich zur Entdeckung mancher Wahrheiten. Berühmt unter den

Chemie. | 13

Alchemiſten dieſer Zeit waren: Arnold de Villa nova, Raimund Lullius, Baſilius Valentinus, welcher das Ammoniak, und viele Spießglanzverbindungen entdeckte, Parazelſus, welcher zuerſt Chemie öffentlich lehrte, und Queckſilberpräparate als Arzneimittel einführte, van Helmont, welcher zuerſt Luft— arten unter dem Namen Gaſe unterſchied, und Libavius. Den Alchemiſten entgegen ſtanden Roger Bacon, Albertus M. Kircher, Konring, Guibert, Gaßendi, Kepler, Georg Agrikola, Lazar. Erker u. a., theils durch Aufdeckung ihrer Betrügereien, theils durch wiſſenſchaftliche Leiſtungen und wahre Beobach— tung. In der 2te Hälfte des 17ten Jahrhunderts entdeckten Glauber mehrere Salze, Brandt und Kunkel den Phosphor, letzterer auch die Salpeternaphta und mehrere Glasflüſſe, Nik. Lemery die künſtlichen Vulkane, Homberg die Boraxſäure und den Alaunpyrophor. In dieſe Zeit fallen auch Newtons, Tor— ricellis, Boyles, Guerikes große phyſikaliſche Entdeckungen, welche fördernd auf die Chemie rückwirkten. Sie war jedoch immer nur noch ein Aggregat von Thatſachen. Das erſte Syſtem ſtellte Georg Ernſt Stahl im Anfang des 18ten Jahrhunderts auf. Er nahm in jedem brennbaren Körper das gleiche Prinzip der Brennbarkeit, das Phlogiſton an, (daher phlogiſtiſches Syſtem) deſſen Entweichen beim Erhitzen die Erſcheinungen der Verbrennung erzeuge, und das verbrannte Körper wieder brennbar mache, wenn es mit ihnen verbunden würde. Von dem ältern Geoffroy wurde 1718 die erſte Ver— wandtſchaftstafel geliefert. Boerhaave machte in einem 1732 erſchienenen Werke viele Verſuche über Licht, Wärme ꝛc. bekannt, Hales 1724 und Black 1756 experimentirten viel mit Luftarten, und letzterer unterſchied zuerſt das kohlenſaure Gas. Marggraf fügte 1754—9 den bis dahin allein bekannten Kieſel— und Kalkerden Bitter- und Alaunerde bei, bereitete aus in- ländiſchen Pflanzen Zucker, und fand im Harn die phosphor— ſauren Salze. Einen vorher nie gekannten Aufſchwung nahm jedoch die Chemie von Cavendiſh, Prieſtley, Scheele an. Eine glänzende Reihe von 1773—86 gemachten Entdeckungen verdankt man beſonders Scheele: ſo das Chlor, den Baryt, das Man— gan, 10 Mineral- und Pflanzenſäuren, die Phosphorſäure in den Knochen, ſcharfſinnige Verſuche und Anſichten über Licht, Wärme und Verbrennung. Gleich nach Prieſtley entdeckte er auch das Sauerſtoffgas. Bergmann bildete unter Anderem die Affinitätslehre weiter aus. Cavendiſh (1765—85) unter- ſchied zuerſt das Waſſerſtoffgas, ergründete die Bildung der Kohlenſäure beim Verbrennen der Kohle, die Zuſammenſetzung des Waſſers und der Salpeterſäure. Prieſtley entdeckte von

a

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

1770 an das Sauerſtoffgas, deſſen Entwicklung aus grünen Pflanzentheilen er beobachtete, und außer ihm noch 6 andere Gaſe. Mit Lavoiſter, (geb. 1743, geſt. 1794) beginnt eine neue Epoche der Chemie. Er trat gegen das Phlogiſton Stahls auf, zeigte, daß beim Verbrennen vieler Körper, z. B. der Metalle, nicht Abnahme, ſondern Zunahme des Gewichtes ſtattfinde, daß letztere dem Gewichte des von den verbrennen— den Körpern verſchluckten Sauerſtoffgaſes gleich ſei, und daß bei Verwandlung eines verbrannten Körpers in einen brenn— baren Gewichtsabnahme ſtattfinde, ungeachtet des angeblich zutretenden Phlogiſtons. Mit Verwerfung deſſelben (daher fein - Syſtem das antiphlogiſtiſche heißt) betrachtete er die Ver⸗ brennung als eine von Feuerentwicklung begleitete Verbindung eines brennbaren Körpers mit Sauerſtoff, und erklärte die Verwandlung eines verbrannten Körpers in einen brennbaren durch Abſcheidung des Sauerſtoffs. Anßerdem entdeckte er, daß Diamant Kohlenſtoff ſei, daß eine gewiſſe Verbindung des

Sauerſtoffs mit Kohlenſtoff Kohlenſäure gebe, daß glühendes |

Eiſen das Waſſer zerſetze und vieles andere. Lavoiſters neues Syſtem erweckte den Eifer ſeiner Anhänger, wie ſeiner Geg— ner. Berthollet trat ihm zuerſt bei (1785), und vervollkommte beſonders die Affinitätslehre. Guyton-Morveau ſtellte 1787 eine ſehr vollkommene Nomenklatur des neuen Syſtems auf. Foureroy und Vaugquelin unterſuchten zuerſt die organiſchen Subſtanzen genauer. Vauquelin entdeckte auſſerdem das Chrom, die Glyeinerde und viele Pflanzenſtoffe: Klaproth die Zirkonerde, das Titan, Uran, Tellur. Nichter iſt Gründer der Stöchio— metrie. Prouſt trat gegen Berthollet's Affinitätslehre auf, und erforfchte die Verhältniſſe mancher Metalle. Dennant entdeckte das Osmium und Fridium und ſchied zuerſt aus der Kohlenſäure die Kohle ab. Wollaſton fand das Palladium und Nhodium. Durch die Wirkung der Voltaiſchen Säule beſtä— tigte man aufs neue Lavoiſters Lehre von der Zuſammenge— ſetztheit des Waſſers. Humphry Davy gelang es 1807 durch ſie, die Alkalien und Erden in eigene Metalle und Sauerſtoff zu zerlegen. Auſſerdem unterſuchte er aufs neue die galva— niſche Elektrizität, die Flamme und die Chlorverbindungen. Gay⸗Luſſac und Thenard analyſirten zuerſt nicht verdampfbare organiſche Stoffe, und unterſuchten gleichzeitig mit Davy die Metalle der Alkalien und die Verbindungen des Chlors. Courtois entdeckte das Jod, das Gay-Luſſac weiter kennen lehrte, welcher letztere auſſerdem noch das Cyan entdeckte, die Wärmelehre bereicherte, die Verbindungen der elaſtiſchen Fluida nach einfachen Maaßverhältniſſen fand. Berzelius beſtätigte

| Chemie. | 17

durch höchſt genaue Beſtimmung der Atomengewichte, die er faſt bei allen einfachen Stoffen auffand, Richter's ſtöchiome— triſche Lehre, ſtellte das elektrochemiſche Syſtem auf, zer— legte ungemein viele Mineralkörper, entdeckte das Cerium, Selen und zum Theil das Lithion. Richter's Lehre wurde

gleichzeitig auch von Dalton entwickelt, dem auſſerdem die Wärmelehre viel verdankt. Man kann ſagen, daß die Chemie im toten Jahrhundert mehr Fortſchritte gemacht hat, als in allen vorhergehenden zuſammengenommen. Ihr Gebiet iſt gewiſſermaßen zugänglicher als das der Phyſik, zu deren För— derung bedeutende mathematiſche Kenntniſſe jetzt unerläßlich ſind. Am höchſten ſtehen in der Chemie Deutſchland, Frankreich, und durch des einzigen Berzelius (geb. 1779) ungeheuere Thätig— keit Schweden. Es folgen nur einige der berühmteren Namen auſſer den ſchon genannten; Deutſchland: Döbereiner, Gme— lin, Mitſcherlich, Roſe, Strohmeyer, Fuchs, Hermbſtädt, Lampadius, Karſten, Trommsdorff, Buchner, Liebig; Frank— reich: Braconnot, Chevreul, Dumas, Laugier, Pelletier, The— nard, Drfila, Raspail; England: J. Davy, Faraday, Phillips, Turner, Ure; Schweiz: Brunner, Marcet; Nußland: Bonns— dorf; Amerika: Boußingault, Hare. Die Klaffififation und Nomenklatur der chemiſchen Verbindungen wurde neuerdings durch Berzelius feſtgeſtellt, welcher der Benennung Salz neue Ausdehnung und Bedeutung gab, und die verſchiedenen Ver— bindungsgrade benannte. Es wurden die von Berzelius ſogenannten iſomeriſchen Körper entdeckt, welche bei gleicher chemiſcher Zuſammenſetzung doch verſchiedene chemiſche und phyſiſche Eigenſchaften zeigen, wie z. B. Phosphor- und Pyro— Phosphorſäure, Wein- und Traubenſäure, knallſaures und cyanſaures Silber 10. 1826 entdeckte Balard das Brom, und ſeitdem wurden noch die zwei einfachen Stoffe, Vanadium und Thorium erkannt. Auſſerdem fand man große Reihen neuer ſalzartiger Verbindungen; ſo Berzelius die Schwefel-, Selen- und Tellurſalze; Bonnsdorff die Chlorqueckſilber-Chlorpal⸗ ladium-Chlorplatinſalze; Zeiſe die ſogenannten entzündlichen Platinſalze; Roſe und Perſoz die Verbindungen waſſerfreier Oxyde und Chlormetalle mit Ammoniak und Phosphorwaſſer— ſtoffgas. Berzelius unterſuchte aufs Neue die im Platinerz vorkommenden Metalle. Die meiſten neuen eigenthümlichen Subſtanzen wurden im Gebiete der organiſchen Chemie ent— deckt, ohne daß jedoch dieſelbe bis jetzt die Sicherheit und Beſtimmtheit der unorganiſchen erreicht hätte. |

Von chemifchen Zeitſchriften find vorzüglich zu nennen: Einmal faſt alle bei der Phyſik angeführten, dann Kaſtner's 2

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2

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Archiv für Chemie und Meteorologie, Erdmann's Journal, Karſten's neues Archiv, Dingler's polytechniſches Journal, die pharmazeutiſchen Journale von Buchner, Trommsdorff, Brandes, Geiger, Liebig, Lindes; die Pharmaz. Zeitung des Apothekervereins im nördlichen Deutſchland; die Annales des mines, de l'industrie, Journal de pharmacie, Journ. de chim. medicale; die Kongl. Vetenskaps- Acad. Handlingar; die Jern Contorets Annaler; the philosophical Magazine and Annals of phi- losophy by Taylor and Phillips und einige andere allgemein wiſſenſchaftliche Zeitſchriften.

Von chem. Lehrbüchern genüge es hier zu nennen: Handb. der theor. Chemie, von Gmelin, 2 Bde. in 2 Abth. Ste Aufl. 1829.; Handb. der allgem. und techniſch. Chemie von Meißner, 5 Bde., vollendet 1831; Lehrb. der theor. und prakt. Chemie von Thenard, überſetzt von Fechner, 6 Bde. 1825—28. Lehrb. der Chemie von Berzelius, aus dem Schwed. überſetzt von Wöhler, 4 Bde. 1825 3m. Dann die Lehrbücher der Chemie von Dumas, Geiger, Noſe, Mitſcherlich ꝛce.

ER a a Ä it. Montucla Hist. de mathematiques. 4 vol. 4. Par. an VII. Delambre, Hist. de l!’Astron. ancienne. Par. 1817. 2 vol. 4. Id. hist. de l'Astr. du moyen age. Paris 1819. 1 vol. 4. Id. hist. de l'Astr. moderne. Paris 1821. 2 vol. 4. Unterſuchungen über die Urſprünglichkeit und Alterthümlichkeit der Sternkunde unter den Chineſen und Indiern, und über den Einfluß der Griechen auf ihre Bildung, von Stuhr. Berlin 1831.

Lalande, Bibliographie astronomique, avec l’hist. de l’astron.

depuis 1781 1802 etc. Par. 1803. 4.

Man kann die Geſchichte der A. in 3 Perioden theilen. Die erſte beginnt von ihrem Urſprung, und endet vor Kopernikus, obwohl die Aſtronomie dieſer Periode ihre Vollendung ſchon mit Ptolemäus erhielt; die zweite beginnt mit der Erken— nung der wahren Beſchaffenheit des Sonnenſyſtems durch Ko— pernikus; die dritte mit der Erkenntniß des Geſetzes der Schwere durch Newton. Ich möchte ſagen, in der erſten ſei der Schein (durch Ptolemäus) in ein Syſtem gebracht, in der zweiten die Wahrheit gefunden, und in der dritten ihr mechaniſcher Grund erkannt worden.

Erſte Periode. Vom Urſprunge der Aſtronomie u. ihrer Ausbildung durch Ptolemäus bis auf Kopernikus.

Der Urſprung der A., dieſer älteſten Naturwiſſenſchaft, ver⸗

liert ſich in das Dunkel der grauen Vorzeit. Der Nomade Aſiens

war ſchon auf die Betrachtung des Sternenhimmels angewiſen,

Aſtronomie. 19

um ſich in den weiten Steppen zu orientiren, noch mehr

der Seefahrer. Beſonders auffallend ſchon in der nämlichen

Nacht mußte der Auf- und Untergang der Geſtirne auf die Lerſten Beobachter wirken. Wenige Nächte reichten hin, um die Wiederkehr dieſer Erſcheinung zu erkennen. Wenige Wochen waren genug, die auffallenden Lichtgeſtalten des Mondes bei einem einmaligen Umlauf deſſelben um die Erde zu zeigen. Die tägliche und jährliche Aenderung des Schattens eines Baumes mußte leicht darauf führen, ſtatt ſeiner, einen Kör— per auf flacher Ebene aufzurichten, welcher, wie eine Stange oder Säule, einen regelmäßigern Schatten warf, um aus der Länge deſſelben die Höhe der Sonne über dem Horizont abzu- leiten. So entſtand der Gnomon, das ſchon in den früheſten Zeiten gebrauchte aſtr. Inſtrument, aus welchem man die Ab— theilungen des Tages, die Länge des Jahres und der Jahres- zeiten, die Schiefe der Ekliptik und die Polhöhen der verſchie— denen Beobachtungsorte kennen lernte. Nach Montuela ſollen die Chineſen ſchon 2460 v.Chr. eine Konjunktion von 5 Planeten, und 2155 vor Ch. eine Sonnenfinſterniß beobachtet haben. Schon 3000 v. Ch. ſei Kaiſer Fo-hi als Beſchützer der Aſtro— nomie (einer Religions- und Staatsſache in China) verehrt worden. Kaiſer Ho-ang-ti, 2700 v. Ch., ſoll das berühmte (im Anfang des 17ten Jahrh. von den Jeſuiten übernommene) Tribunal der Aſtronomie und Geſchichte gegründet haben. Unter ihm zeichnete ſich der Aſtronom Bu-ſchi aus. 2513 v. Ch. fol Schur⸗ ni wegen feiner Tugenden und tiefen Kennt- niſſe in der Aſtronomie zum Kaiſer erhoben worden ſein. Unter Kaiſer Yao, 2360 v. Ch., wurde das bürgerliche Jahr auf 365 ½ Dag feſtgeſetzt. Unter Schingu, 1300 v. Ch., kann— ten die Chineſen bereits die Magnetnadel, und beſaſſen Stern— karten. Der FJeſuit Ganbil berichtet uns aus einem alten chinefifchen Manuſeript, daß der Kaiſer Tſchu-Kong, 1100 v. Ch., die Höhe der Sonne in ihren beiden Solſtitien mit einem Gnomon beobachtet habe. Von den Beobachtungen dieſes Kaiſers, den älteſten vollkommen zuverläſſigen, iſt auſſer den erwähnten nur noch eine auf uns gekommen, nämlich eine Beſtimmung der Länge der Sonne zur Zeit des Winterſolſti— tiums. Nach Tſchu-Kong verſtel die Aſtronomie in China. Erſt im sten Jahrhundert n. Ch. nahm fie wieder einen Auf— ſchwung. Der Aſtronom Tſu-tſchong beobachtete um 460 zu Nanking, und ſetzte die Länge des Jahres nur um 49% 2 zu groß an. Schon 436 n. Ch. führte Hofing-tien die erſte Gradmeſſung zur Beſtimmung der Geſtalt der Erde aus. Um dieſe Zeit kannten die Chineſen bereits den wichtigen

20

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Cyklus von 19 Sonnenjahren, oder 235 ſynodiſchen Monds⸗

monaten, und hatten ſchon unſere Woche von 7 Tagen.

Unter den mongolifchen Kaiſern gewährte Kobilai der Aſtro—

nomie Schutz. Der Aſtronom Ko-ſchu-king, um 1280, führte

beſſere Inſtrumente ein. Doch hoffte man vom chineſiſchen

Genius, der ſich ſelbſt überlebt hatte, vergeblich größere Lei— ſtungen. Unter den indiſchen Aſtronomen zeichnete ſich Ar⸗ jabhattas und Wärahamihiras (Verf. des berühmten mathem.

Werkes Surjja-ssddhänta, d. h. Sonnenbeweis) im sten

Jahrh. v. Chr., und im darauf folgenden 6ten Brahmaguptas aus. In der Aſtronomie ſtehen die Indier kaum vor den Chi- neſen; ſie ſtnd aber die Erfinder unſerer gegenwärtigen in der Dezimalordnung geſtellten Zahlzeichen, welche durch die Araber im litten Jahrhundert zu uns kamen. Schon im sten Jahr hundert erhielten die Araber von den Indiern die Algebra. Die Indier kannten bereits ſehr genau die ſideriſche Umlaufs— zeit der Sonne und des Mondes, konnten die Finſterniſſe vor— aus berechnen, und beſaſſen ziemlich vollkommene Planetentafeln.“ Ehrenvolle Erwähnung in der Geſchichte der Aſtronomie verdienen die Chaldäer, welche fie ſchon 2000 v. Chr. kultivir⸗ ten. Sie kannten die Periode von 6585/ Tag, und berech neten die Finſterniſſe voraus. Von den Beobachtungen der alten Aegypter erzählen uns manche Schriftſteller, ſo Seneka, während ſie Ptolemäus nicht erwähnt. Die gerühmte genaue Orientirung der Pyramiden wiederlegen neuere Beobachtungen. Sicher haben die Aegypter ſchon ſehr früh Beobachtungen angeſtellt, doch reichen dieſe nicht in ſo uralte Zeit, wie man unter anderem durch den in neuerer Zeit nach Paris gebrachten Thierkreis von Tentyris (Denderah) beweiſen wollte, und

ſcheinen keinen hohen Grad von Genauigkeit erreicht zu haben. Die griechiſche Aſtronomie beginnt mit Thales, welcher in Aegypten erworbene Weisheit nach Griechenland brachte. Er ſagte die Sonnenfinſterniß vom 30. Sept. 610 v. Chr. vorher, und maß die Höhen der ägyptiſchen Pyramiden an ihrem Schatten. Ihm iſt das Geſetz der Schwere noch unbekannt, die ganze Natur erſcheint ihm als ein von der Seele bewegtes. Er lehrte, daß alles aus dem Waſſer hervorgegangen ſei, daß die Sterne ferne Welten von feuriger Natur ſeien, daß der Mond ſein Licht von der Sonne empfange, und durch den Schatten der Erde verfinſtert werde. Er habe, ſagt man, die Witterung vorausgeſehen, die Bewegung der Himmelskörper und die Schiefe der Ekliptik gekannt. Des Thales Schüler Anaximander bemühte ſich, die Himmelskunde mit der Erd- und Länderkunde zu vereinen, und fol Gnomone, das Horoſkop und

Aſtronomie. 21

Landkarten verfertigt haben. Nach Plutarch lehrte A., die Erde habe die Geſtalt einer Säule; nach Diogenes Laertius, ſie ruhe als eine Kugel in der Mitte des Weltalls. Die Zahl der Welten ſei unendlich, nach allen Richtungen vertheilt, in allen Abſtänden von einander. Sein Schüler Anaximenes ſoll zuerſt eine Sonnenuhr verfertigt haben. Anaxagoras, Freund und Lehrer des Perikles, lehrte eine vormalige ſenkrechte Stellung der Erdaxe auf der Ebene der Bahn. Vom Geiſte gehe alles Ordnen und Bewegen aus; die Geſtirne ſeien bewohnt. Demokrit äußerte, daß die Milchſtraße aus ungemein vielen Sternen beſtehe. Pythagoras, einer der wunderbarſten und größten Geiſter des Alterthums, geb. etwa 584, geſt. 504 v. Chr., erkannte im ganzen Univerſum die Herrſchaft des Geiſtes, und als ſein Werk eine durchgreifende Harmonie. Die aſtron. Anſichten des Pythagoras ſcheinen indeß der Wahrheit wenig nahe gekommen zu ſein. Ueberhaupt beruhte die ältere Aſtro— nomie der Griechen faſt ganz auf metaphyſiſcher Spekulation. Dieſe Richtung, welche bei der faſt gänzlichen Vernachläſſt— gung aller Beobachtung allerdings zu keinem Reſultat führen konnte, dauerte bis auf Platon und Ariſtoteles fort. Der Letztere ſoll ſich auch mit aſtron. Berechnungen beſchäftigt, ſo wie einen Kometen und Bedeckungen des Mars und eines Firiternes beobachtet haben. Sokrates, der Philoſoph des „gefunden Menſchenverſtandes“ rieth von der Aſtronomie, als einer doch vergeblichen, und noch dazu die Götter beleidigen— den Beſchäftigung gänzlich ab. Seine genau befolgten Grund— ſätze führten in der attiſchen Schule Geringſchätzung des Widſſens überhaupt, und Vernachläſſigung der Mathematik und Aſtronomie herbei. Die Mitglieder der alexandriniſchen Schule theilten jedoch dieſe Anſicht nicht, und ſchlugen zur Erforſchung der Natur den Weg aufmerkſamer Beobachtung ein. Meton und Euktemon, welche ihr angehörten, ſetzten, 433 v. Chr., um das Mondenjahr mit dem Sonnenlauf in Uebereinſtimmung zu bringen, die auf die 19jährige Periode gegründete Einſchaltung feſt, nach welcher in 19 Jahren 12 aus 12 Mondwechſeln, und 7 aus 13 Mondwechſeln beſtehende ſich befanden. Ein Jahrhundert ſpäter ſuchten Pytheas u. A. die Schiefe der Ekliptik zu beſtimmen. Bedeutendern Auf— ſchwung nahm die Aſtronomie unter den Ptolemäern. Ariſtill und Dimocharis, um 290 v. Chr., entwarfen ein Fixſternverzeich— niß und ſtellten Planetenbeobachtungen an. Ariſtarch lehrte (nach Archimedes) nicht blos die Bewegung der Erde, ſondern erkannte auch die ungemein große Entfernung der Fixſterne, und daherige Schwierigkeit ihre Parallaxe zu beobachten. Eudorus

22

Gefchichte der Naturwiſſenſchaften.

aus Knidos wird neben Hipparch als der größte Aſtronom Griechenlands gerühmt. Eratoſtthenes begründete durch ſeine Beobachtung von der Lage der Sonnenbahn die Kenntniß von der Veränderung der Ekliptik. Hipparch, welcher von 160 bis 125 v. Chr. zu Alexandria beobachtete, beſtimmte die Länge des Sonnenjahres genauer, fo wie die Ungleichförmigkeit der ſcheinbaren Bewegung der Sonne (nach welcher er die Exzen— trizität der Sonnenbahn angab), lehrte die Bewegung des Mondes genauer kennen, erkannte durch Vergleichung früherer Orte der Firiterne das Vorrücken der Nachtgleichen. Der alexandriniſchen Schule gehören auch Autolykus, Euklides, Apollonius von Perga u. A. an. Erſt 250 Jahre nach Hipparch erſchien wieder ein Aſtronom erſten Ranges: Btole- mäus der Aegypter. Seine Thätigkeit beginnt von 125 n. Chr. Er gab das erſte vollſtändige Syſtem der Aſtronomie. Sein Firſternverzeichniß enthält 1028 Sterne. Sein Syſtem, nach welchem die Erde im Mittelpunkte ſtill ſteht, und die Planeten, die Sonne und die Firſterne ſich in konzentriſchen Kreiſen um ſie bewegen, iſt in dem berühmten Werke ueyahn ovvrafıs, arabifch „Almageſt“ genannt, niedergelegt, galt Jahrtauſend, und ſchließt die ganze alte Aſtronomie ab. Unter den Nömern verdienen Sulpieius Gallus, Cäſar, Makrobius, Strabo (wenigſtens als Geograph berühmt) Mene— laus und Manilius kaum den Namen von Aſtronomen.

Der wiſſenſchaftliche Sinn der Araber trat mehr im Erhal- ten des Ueberlieferten, als im Schaffen hervor. Die Aſtrono— mie erhielt durch fie keine bedeutenden Erweiterungen, indem ſie ganz dem Ptolemäus folgten, und auf den Irrweg der Sterndeuterei oder Aſtrologie geriethen. Unter ihren Chalifen find als Beſchützer der Aſtronomie zu rühmen: Almanſor 754, El Raſchid 786, Almamum 813 n. Chr. Unter letzterem wurde die Schiefe der Ekliptik beobachtet, und eine Gradmeſſung zur Beſtimmung der Größe der Erde angeſtellt. Eine ſolche fand auch ſchon unter Almanſor ſtatt, der das Werk des Ptolemäus u. a. Griechen überſetzen ließ. Unter den arabiſchen Aſtrono— men nennen wir: Thabet ben Korrah, geſt. 901. Alfargani und Albatäni um 880, Alfragan 950, Abul wefa 987, Albate— gnius um 1000, Ebn junis, Arzachel 1080, Alhazen 1100, Averrhoes, Almanſor, Abulfeda 1300 n. Chr.

Die ältere Aſtronomie der Perſer iſt faſt ganz unbekannt. Erſt gegen 1050 zeichnete ſich Omar ſcheian aus, welcher eine ſinnreiche Einrichtung des Kalenders einführte. Als Beſchützer der Aſtronomie gelten: Holaku FJlekan um 1259, welcher die Leitung einer zu Maragha erbauten prächtigen Sternwarte

Aſtronomie. 25

dem A. Naſireddin übergab; Ulughbeg gegen 1430. Letzterer war Selbſtkenner und Erbauer einer trefflich we Stern⸗ warte zu Samarkand.

Der Geiſt des Mittelalters war der Aronsmie nicht gün⸗ ſtig. Kaum kann man in der Geſchichte derſelben die Namen Duns Skotus, Alexander Haleſtus, Durandus, Okkam, Be— rengar, Anſelm von Kanterbury, Abälard anführen. Höher ſtehen: Beda venerabilis, Alkuin, Rhabanus Maurus, Gerbert, (nachmals Pabſt Sylveſter II.), Michael Pſellus, J. de Sacro Bosco, Albertus M., Kaiſer Friedrich II., Alphons X. (von Ka— ftilien). Die „Alphonſiniſchen Tafeln“ (1252) waren die erſte bedeutende Arbeit der chriſtlichen Zeit, und auch ſie brachten größtentheils Araber zu Stande. Ueber alle Angeſührten ragt hervor der engliſche Mönch Roger Bako, Doctor mira- bilis genannt, geb. 1214, geſt. 1292 oder 94. Von dem Glau— ben ſeines Zeitalters an Aſtrologie hielt auch er ſich nicht frei. Er ſoll Vergrößerungsgläſer erfunden haben, machte Beobachtungen über Strahlenbrechung, und über den ſcheinbar größern Umfang der Sonne und des Mondes nahe am Hori— zont. Er endeckte auch die im Kalender vorhandenen Irrthü— mer, ſo wie deren Grund und die Mittel zu ihrer Abhülfe.

Im töten Jahrhundert dachte man ernſtlicher auf Ausbildung der ſtrengen Wiſſenſchaften. Aus dieſem Jahrhundert nennen wir Joh. von Gemünden, Peter de Alliaco, Georg von Tra— pezunt, Blanchinus, Georgius Valla, Fernel, Dominikus Maria, Peuerbach oder Purbach, Joh. Müller (Regiomonta— nus) und Walther. Um die Mitte deſſelben begann mit Peuer— bach und Regiomontanus eine Reihe die Wiſſenſchaft wirklich fördernder Aſtronomen. Beſonders machte ſich letzterer theis durch Ueberſetzung griechiſcher Aſtronomen, theils durch eigene Beobachtungen, und die für 30 Jahre (1475—1505) berechneten Ephemeriden berühmt.

Zweite Periode. Von Entdeckung der wahren Beſchaf⸗ fenheit des Sonnenſyſtems durch Nikol. AaBreNtENS bis auf Newton.

Kopernikus, geb. 19. Febr. 1473 zu Thorn, 66 24. Mai 1543 gab der Aſtronomie eine neue Geſtalt. K. konnte nicht glauben, daß die Natur fo verwickelte Geſetze befolge, wie fie das Syſtem des Ptolemäus erfoderte. Er kehrte daher jenes Syſtem um, nahm an, daß die Erde gleich Mars und Venus ein Planet, und die Sonne der Mittelpunkt des Ganzen ſei. Hiernach zeichnete er die Bahnen, und fand, daß auf dieſe einfache Weiſe ſich alle himmliſchen Bewegungen vollkommen erklären

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

lieſſen, und daß das ſcheinbare Stillſtehen und Rückwärtsgehen der Planeten nothwendig durch die gleichzeitige Bewegung der Erde und der Planeten entſtehe. (Nie. Copernici de orbium coelestium revolutionibus Lib. VI. Norimb. 1543. Fol. Basil. 1566, Amstelod. 1617. 4. Auf dem ihm von Sierakowski errichteten Denkmal in der St. Annakirche in Krakau ſteht die Inſchrift: „Sta sol, ne movearis!“) Schüler und Gehilfen des K. waren: Rhaetikus, Reinhold Nonnius, Oronce Fine, Gemma Friſius, Apianus, Frakaſtor, Cardanus, Stöffler, Münſter. Der größte und ſcharfſinnigſte Beobachter dieſer Periode war Tycho de Brahe, geb. 1546, geſt. 160t. Er drang indeß nicht zur Wahrheit des Kopernikaniſchen Syſtems durch, welches über— haupt anfänglich zahlreiche Gegner fand. Schüler oder Zeit— genoſſen Tycho de Brahe's waren Longomontan, Rothmann, Byrgius, Reimarus, Urſus und Möſtlin, Wilhelm IV. Land- graf von Heſſen, Petrus Ramus, Bruno, Vieta, Pitiskus, Gerhard Merkator, Schoner, Maginus, Porta, Stevin. Große Kalenderverbeſſerung, auf Gregor XIII. Geheiß durch Lilius und Clarius eingeführt. Schon bei Lebzeiten Tycho de Brahe's war ein Stern erſter Größe aufgegangen. Kepler, geb. 27. Dez. 1571, geſt. 15. Nov. 1631, war es, welcher die Geſetze der Planetenbewegungen entdeckte. Hiedurch erhielt das Weltſyſtem des Kopernikus erſt ſeine feſte Begründung,

und die theoretiſche Aſtronomie ward mit Kepler vollendet,

wie mit Ptolemäus die ſphäriſche, mit Newton die phyſiſche. Kepler bewies in feinen 3 Geſetzen: 1) daß die Planeten nicht in Kreiſen, ſondern in Ellipſen um die in einem Brenn punkt derſelbeu liegende Sonne laufen. 2) Daß der radius vector der Bahnen von der Bahnebene in gleichen Zeiten ſtets gleich große Sektoren abſchneide. 3) Daß die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten ſich wie die Würfel der Halbmeſſer ihrer Bahnen verhalten. (Astronomia nova seu physica coelestis tradita commentariis de motibus stellae martis. Prag. 1609. Fol.) Zwei große Entdeckungen in der erſten Hälfte des t7ten Jahr— hunderts förderten die Aſtronomie ungemein: die Entdeckung der Fernröhre am Anfang, jene der Logarithmen, deren erſte Idee Neper faßte, und welche Braggs und Vlaeg ausbil⸗ deten, am Ende derſelben. Nach Deskartes iſt der erſte Erfin— der der Fernröhre Jak. Adrianez aus Alkmar; nach Borellus iſt es Zachar. Janſen; nach Huyghens iſt es Lippersheim. (Die erſten Fernröhre waren holländiſche; Galilei gab das aſtronomiſche Fernrohr an, Newton das Spiegelteles- kop; erſt in der zweiten Hälfte des 18ten Jahrh. wurden die erſten achromatiſchen Fernröhre von Dollond verfertigt,

Aſtronomie. 23

welche jetzt ziemlich alle andern verdrängt haben. Sehr große Achromaten befinden ſich in Dorpat, 9 Oeffnung, 14/ Brennw.; Berlin, 10147 O. 150 B. München, 127 DO., 18° B., ſämmtlich aus dem Utzſchneider-Fraunhofer'ſchen Inſtitut. Sehr große achromatifche Fernröhre verfertigt auch Cauchoix in Paris. Das von ihm für den irländiſchen Aſtronomen Cooper gear— beitete hat 137 3/7 O. und 25° Brennw. engl. Maaßes. Für die neue Sternwarte in Petersburg wurde in München ein Inſtrument von 13147 O. und 20 Brennw. für 350,000 Frk. beſtellt, welches auf den großen mittlern Thurm zu ſtehen kommen ſoll. Eine Beſchreibung der dialytiſchen Fernröhre von Plößl ſiehe in Baumgartners Zeitſchrift für Phyſik te. 3 Bd. K. 1.) Neben K. glänzten Bouillard, Riecioli, Galilei, Deskartes, Torrizelli, Cavalieri, Viviani, Simon Marius, Scheiner, Grimaldi, Borelli, Gaſſendi, Morin, Hepel, Joh. Bayer, Snellius, Auzout, Horrockes. Galileo Galilei, geb. 1564, geſt. 1642, der Gründer der neuern Mechanik, fand die Geſetze des Falles der Körper. Eine im Dome zu Piſa ſchwingende Lampe, ſagt man, habe ihn auf die Theorie des Pendels geführt. Er war ein Anhänger des Kopernik. Weltſyſtems, und wurde gezwungen, dieſe ketzeriſche Lehre abzuſchwören. (E pur si muove!) Mittelſt der neu erfundenen Fernröhre entdeckte er die Unebenheiten des Mondes, die Zuſammengeſetztheit der Krippe in der Milchſtraße aus Sternen, die Jupiterstrabanten und Phaſen mehrerer Planeten (1610), die Sonnenflecken (1612), Libration des Mondes (1637).

Dritte Periode. Von Erkenntniß des allgemeinen Geſetzes der Schwere durch Newton bis auf unſere Zeit.

Der große Newton entwickelte nicht nur die mechaniſchen Gründe der Kepler'ſchen Geſetze, ſondern begründete durch ſeine Theorie der allgemeinen Gravitation die Kenntniß der Perturbationen der Himmelskörper. Zugleich beſtimmte er die Geſtalt der Erde, die Urſachen der Ebbe und Fluth, und lehrte die Bahnen der Kometen berechnen. Ein fallender Apfel im väterlichen Gar— ten zu Woolsthorpe ſoll ihn auf die Entdeckung des Geſetzes der Schwere geleitet haben (1665). Er brachte die erſten Ge— danken hierüber in Beziehung zu Keplers drittem Geſetz und ſchloß, daß die Attraktion der Sonne im umgekehrten Ver— hältniß des Quadrats ihrer Entfernung wirke. Später wen— dete er dieſen Schluß auch auf den Mond an, wo er ebenfalls vollkommen paßte. 1684 legte er Halley ſeinen merkwürdigen Tractatus de motu vor. 1704 begann die Herausgabe der Prin- cipia philosophiae naturalis. (Nature and all her works lay hid

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften. in night, God said, Let Newton be! and all was light). Neben Newton glänzten: Noberval, Leibnitz, Paskal, die Bernoulli, St. Vinzent, Heuraet, Brounker, Hooke, Gregory, Barrow, Wallis, und vor allen Huyghens, geb. 1629, geſt. 1695. Dieſer gab mittelſt des Pendels den Uhren viel größere Genauigkeit, und vervollkommte durch tiefe theoretiſche Unter— ſuchungen die mechaniſchen Lehren der Aſtronomie. Mit dem von ihm verbeſſerten Fernrohr (er verfertigte deren von unge— heuerer Größe) entdeckte er 1655 den größten Saturnsmond, ſpäter die wahre Beſchaffenheit des Ringes. Gegen Newton ſtellte er zuerſt die Undulationstheorie des Lichtes auf. Zur Beſtimmung der Fallgeſchwindigkeit der Körper ſchlug er das einfache Sekundenpendel vor. In der erſten Hälfte des 18ten Jahrhunderts beſchäftigten ſich die erſten Aſtronomen und Mathematiker, wie Halley, Rougger, Tob. Mayer, Tay- lor, Moivre, Maclaurin, Cramer, Simpſon, die jüngern Bernoulli mit Entwicklung und näherer Darſtellung der großen Entdeckungen Newtons. Ein Theil von Halley's (geb. 1656, geſt. 1742) Thätigkeit gehört noch dem t7ten Jahrhundert an; ſo ſeine Beobachtungen der ſüdlichen Halbkugel des Himmels.

Auf einer Reiſe, zwiſchen Calais und Paris, nahm er zuerſt

den nach ihm genannten Kometen wahr. 1698 unternahm er eine lange Seereiſe, um die Deklination der Magnetnadel zu beobachten. Er verbeſſerte den Spiegelſertanten, lehrte aus der Beobachtung des Venusdurchganges die Sonnenparallaxe berechnen, und verfertigte berühmte aſtronomiſche Tafeln. Andere große Beobachter dieſer Zeit waren Römer, Horrebow, Flamſtead, Bradley, Caſſini, Maraldi, Manfredi. Als Op⸗ tiker und Mechaniker zeichneten ſich aus: Graham, Siſſon, Bird, Berthoud, Gregory. Bradley, geb. 1692, geſt. 1772, verdankt man die Entdeckung der Aberration des Lichtes (1727), der ſchwankenden Bewegung der Erdage (Nutation), welche eine 18jährige Periode hat, und ſonſt eine Menge verſchiedener Wahrnehmungen. In der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhun—

derts überwog die Beobachtung, während in der erſten die

Theorie den Vorrang behauptete. Dieſe zweite Hälfte wird gewiſſermaſſen charakteriſirt durch den erſten aller beobachten— den Aſtronomen, Wilhelm oder William Herſchel, geb. 15. Nov. 1738, geſt. 25. Aug. 1822. Er vervollkommte das Spie⸗ gelteleskop, und ſtellte Inſtrumente dieſer Art von ungeheuerer Größe her. 1781, den 13. März, entdeckte er den Uranus (Georgium Sidus), 1787 2 Monde deſſelben, 1790 und 94 die 4 übrigen, vorzüglich mittelſt des 1785 vollendeten Rieſenteles⸗ kops von 40/ Länge. (Der Spiegel deſſelben hatte 4“ Durchm.

Aſtronomie. | De

und wog 2178 Pfund; das Ganze gegen 4000 Pfund). Mittel deſſelben wurden auch die zwei innerſten Saturnsmonde ent— deckt. H. beobachtete auch die Aſteroiden, gab ihre Durch— meſſer an, beſtimmte die Rotationszeit des Saturnsringes, und zeigte die ſonderbare faſt viereckige Geſtalt des Sa— turns. Er fand eine große Zahl von Doppel- und viel— fachen Sternen, ſuchte den Bau der Sonne zu erforſchen, und berechnete die raumdurchdringende Kraft der Fernröhre. Am großartigſten erſcheint H. aber in ſeinen Beobachtungen und Anſichten der Milchſtraße und der Nebelflecken. Faſt eben ſo groß als Beobachter war Herſchels würdiger Zeitge— noſſe Schröter, geb. 1745, geſt. 1816. Herſchels Wirken war mehr nach dem Fixſternhimmel gerichtet, während Schröter ſich unſterbliche Verdienſte um die phyſiſche Kenntniß der Weltkörper unſeres Sonnenſyſtems erwarb. Schon in den letzten beiden Dezennien des vorigen Jahrhunderts beobachtete er viele Jahre mit 4 und 7füßigen Spiegelteleskopen den Mond, von dem er die erſte umfaſſende Topographie gab, ſpäter die Sonne, den Merkur, die Venus, den Saturn. Er ſelbſt eonſtruirte große Spiegelteleskope bis 277 Länge. Als ausgezeichnete Beobachter der zweiten Hälfte des 18ten Jahrh. nennen wir noch Delambre, Lacaille, Maskelyne, Mechain, Meſſier. Als Analytiker und Geometer ragen hervor: d'Alem— bert, Bailly, Boscovich, Bezout, Clairout, Condorcet, Car— not, Leonh. Euler, Bode, Lagrange, Lambert, Legendre, Laplace, Maſon. Die Wirkſamkeit mancher erſtreckt ſich auch noch in den Anfang des 19ten Jahrhunderts. Laplace, geb. 28. März 1749, geſt. 5. Mai 1827, hat in der Mecanique celeste, feinem Hauptwerke, das Geſetz der Gravitation mit allem, was ſich daraus ableiten läßt, am vollſtändigſten dargeſtellt. Als Optiker dieſer Zeit ragt Dollond hervor.

Die Leiſtungen des 19ten Jahrhunderts können bis jetzt kaum in eine Parallele mit einer gleich langen Zeit des isten treten. Der Theodolit und Repetitionskreis wurden immer allgemeiner angewendet, und in München und Paris der Ver— ſuch gemacht, eine Uhrbewegung mit der parallaftifchen Ma— ſchine der großen Achromaten zu verbinden, um ſie immer auf den gleichen Stern gerichtet zu halten. Barlow's Verſuche, das Flintalas der Objektive durch Schwefelkohlenſtoff zu erſetzen, (welchen er bei 2 Objektiven von 6 und 8 Oeffnung anwen— dete), ſcheinen keine beſonderen Nefultate gewährt zu haben. Die Ausführung der Chronometer wurde bedeutend vervoll— kommt. Auf den meiſten Obſervatorien mißt man jetzt die Fehler der Inſtrumente, und nimmt ſie in die Berechnung

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

auf, ſtatt wie ſonſt ihre mechaniſche Korrektion zu verſuchen.

Im allgemeinen erreichten die aſtronomiſchen Inſtrumente und Beobachtungsmethoden eine früher nicht geahnte Ge— nauigkeit.

Die Theorie der Störungen und Säkularungleichheiten

wurde allmälig allgemein begriffen. Die Zahl der Aſtronomen

und öffentlichen Obſervatorien nahm bedeutend zu. Letzterer epiſtirten 1832, Al und zwar zu Greenwich, Oxford, Cam⸗ bridge, Edinburgh, Dublin, Armagh, Cap d. gut. Hoffnung, Paramatta, Madras, Bombay, St. Helena, Paris, Marſeille,

Genf, Turin, Mailand, Padua, Bologna, Modena, Neapel,

Palermo, Coimbra, Abo, Altona, Bremen, Chriſtiania, Dor— pat, Kopenhagen, Königsberg, Berlin, Gotha, Mannheim, Speyer, München, Göttingen, Wien, Krakau, Warſchau, Wilna, Ofen, Kremsmünſter. Hiezu ſollten drei neue in Brüſſel, Cadix und Petersburg kommen. Im entſprechenden Verhältniß haben ſtch die aſtronomiſchen Zeitſchriften ver— mehrt. Was die Entdeckungen dieſes Jahrhunderts be— trifft, fo gehören die der 4 kleinen Planeten in der ſchon Kepler auffallenden Lücke zwiſchen Mars und Jupiter ſtcher zu den wichtigſten. Statt eines Planeten fand man daſelbſt 4; nämlich die Ceres, entdeckt von Piazzi den 1. Januar 180t; die Pallas, entdeckt den 28. März 1802 von Olbers; die Juno, entdeckt den t. September 1804 von Harding; und die Veſta, entdeckt den 29. März 1807 von Olbers. Die nähere Kennt- niß ihrer Umlaufszeiten, wahren und mittlern Entfernungen verdankt man noch dem ältern Herſchel. Die Beobachtung der Doppelſterne wurde in neueſter Zeit mit ungemeinem Fleiße fortgeſetzt, und man bezeichnet nun den Ort derſelben,

wie bei andern Fixrſternen, durch Angabe der Rektaszenſton

und Poldiſtanz. Beſondere Verdienſte um die Doppelſterne hinſichtlich ihrer Zahl, eigenen Bewegung und phyſiſchen Eigen— ſchaften, haben ſich Struve und der jüngere Herſchel (geb. um 1790) erworben. Letzterer reiste mit trefflichen Inſtrumenten verſehen 1834 nach dem Vorgebirg d. g. H., um die Firxſterne

der ſüdlichen Halbkugel zu beobachten. In den Philosophical

Transactions von 1833 hat er zahlreiche Beobachtungen über Nebelflecken, planetariſche, ringförmige Nebel, Doppelnebel, Kernnebel und verwandte Gegenſtände mit Abbildungen gege— ben. Brinkley's und Pond's intereſſanter Streit über Parall— axe der Fixſterne, welche erſterer mit Gewißheit beobachtet zu haben glaubte, während ſie letzterer läugnete iſt zu keiner klaren Entſcheidung gekommen. Hingegen konnte Brinkley die eigene beſchleunigte Bewegung mehrerer Sterne nach Süden

Mathem. und phyſiſche Geographie. 29

nicht ſinden, welche Pond behauptete. Unter den beobach— tenden Aſtronomen dieſes Jahrhunderts nennen wir noch: Gruithuiſen, South, Cooper, Pons. Unter den Geometern, welche vorzugsweiſe die Theorie bearbeiteten oder bearbei— ten: v. Schubert, v. Zach, Littrow, Gauß, geb. 1777, welcher in feiner »theoria motus corporum coelestium«, die bald nach der Mecanique celeste des Laplace erſchien, noch die wichtigſten Verbeſſerungen in der Beſtimmung der Planetenbahnen ans brachte; Beſſel, geb. 1784, vorzüglich berühmt durch ſeine „Theorie der Störungen der Kometen“; Enke, geb. 1791, Ferner ſind noch anzuführen: Airy, Schmidt, Plana, Tralles, Oriani u. ſ. w. Unter den Optikern und Mechanikern: Trough— ton, Reichenbach, Fraunhofer, Plößl, Cauchoix. Wer weit— läuſtgere Nachrichten über die neueſte Aſtronomie wünfcht, vergleiche Airy's „Bericht über die Fortſchritte der Aſtronomie ſeit Anfang des toten Jahrhunderts“, gelefen bei der Zuſam— menkunft der brittiſchen Verbindung für Förderung der Wiſſenſchaften, zu Oxford 1832. Zeitſchriften für die Aſtronomie ſind: v. Zach's monatliche Korreſpondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde; Correspondance astronomique,-geographique, hydrographique, et statistique du Baron de Zach; Schuhmacher's aſtronomiſche Nach— richten; Gruithuiſen's Analekten für Erd- und Himmelskunde ꝛe. Lehrbücher: Traité complet d' Astronomie par Delambre. Par. 1814. III. Tom. 4. Traité d' Astronomie par Fr. Theod. Schubert. 3 vol. Petersb. 1822. Piazzi's Lehrbuch der Aſtronomie, aus dem ital. von Weſtphal. 2 Thle. Berlin 1822. Exposition de Systeme du Monde, par la Place. 5 edit. Par. 1824. Unter den deutſchen populären Werken ſteht jetzt zu höchſt: Littrow, die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darſtellung des Weltſyſtems. 2te Aufl. Stuttg. 1837.

D. Mathematiſche und phyſiſche Geographie.

Dem Anſchein nach ſtellt ſich die Erde als eine Scheibe dar, rings vom Horizont begränzt. Unter dieſem trügeriſchen Schein ihre Kugelgeſtalt und ihre wahre Größe auszumitteln, koſtete Jahrhunderte von Beobachtung und Rechnung. Heſtod und Homer ſahen mit ihren Zeitgenoſſen die Erde als eine große flache Scheibe an, rings vom Strome Okeanos umfloſſen, mit welchem im fernſten Oſten, in Kolchis, der Strom Phaſts zu ſammenhieng. Auch die ſpätern Griechen und Römer be— hielten im allgemeinen dieſe Vorſtellung. Noch Seneka wie— derholt die Angabe von Thales, daß die Erde auf Waſſer ſchwimme. Anaximander hielt fie für einen frei in Mitte des

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Himmelsgewölbes ſchwebenden Cylinder, auf deſſen Oberſeite die Menſchen wohnten. Im traten im Ganzen Leucipp, De-

mokrit, Heraklit, Anaxagoras bei, während Plato fie für einen

Würfel erklärte, Anaximenes die flache Erde durch zufammen- gedrückte Luft tragen, Xenophanes fie durch Wurzeln feſt⸗ halten ließ. Eudoxus ſcheint zuerſt die Kugelgeſtalt der Erde, oder doch die Krümmung ihrer Oberfläche geahnt zu haben, worauf er vorzüglich durch ſeine Sternbeobachtungen in verſchiedenen Breiten geführt wurde. Ariſtoteles behaup— tete zuerſt, aus Gründen der Anziehung gegen den Mittelpunkt, ferner aus der Geſtalt des Erdſchattens bei Mondsfinſterniſſen, und aus der Erhebung des Canopus über den Horizont, wenn man nach Aegypten reife, die Erde müſſe eine Kugel ſein; welchen Beweis Archimedes ſpäter in Beziehung auf das Waſſer der Erde wiederholte. Später verlor ſich die Kenntniß der Kugelgeſtalt der Erde, und wurde erſt in neuerer Zeit, beſonders durch die Reiſen um ſie, praftifch dargethan. Der erſte Erdumſegler war der Portu— gieſe Hernando Magalhaens, welcher den 10. Auguſt 1519 von Sevilla auslaufend, die nach ihm benannte Straße entdeckte, den ſtillen Ocean durchſchiffte, ſelbſt aber am 26. April 1521 auf Sebu, einer der Philippinen umkam, während eines ſeiner Schiffe, ſtets nach Weſten ſegelnd den 7. Sept. 1522 wieder in St. Lukar einlief. Auf dieſe erſte folgten die Erdumſeglungen

von Francis Drake, Thomas Candish, Jakob Mohn und

Simon de Cordes im töten Jahrhundert; Olivier de Noort, 1598— 1601; Georg Spielberg, Jakob ele Maire, Kornelius van Schouten, William Dampierre, im I7ten Jahrhundert; Ge melli Careri (welcher öſtlich, zum Theile zu Land die Erde umreiste), Georg Anſon, John Byron, Bougainville, Cook, geſt. 14. Febr. 1779 auf Owyhee, welcher 3 mal von 1767-78 die Erde umſegelte; Georg Vancouver, ſämmtlich im 1sten Jahrhundert; Kruſenſtern, O. v. Kotzebue, Freyeinet, Duper⸗ rey u. v. a. im 19ten Jahrhundert.

Ariſtoteles hatte trotz des richtigen Begriffs von der Ge— ſtalt der Erde doch einen unrichtigen von ihrer Größe. Er giebt an, die Mathematiker vor ihm hätten den Umfang der Erde zu 400,000 Stadien (9302 geogr. Meilen) gefunden. Archimedes erwähnt, man habe ihn auf 300,000 Stad. geſetzt. Die älteſten Meſſungen von Sonnenhöhen ſcheinen Eratoſt— thenes und Poſtdonius angeſtellt zu haben: Erſterer berechnete aus den zu Syene und Alexandrien beobachteten Sonnenhö— hen, und der Länge des Bogens zwiſchen beiden Orten den Umfang der Erde auf 5813 geogr. M. Poſidonius fand ihn

-

Mathem. und phufifche Geographie. 31

aus dem Stande des Kanopus in Rhodus und Alexandrien 5580, nach Ptolemäus u. A. 4185 geogr. M. groß. Die Araber ſtellten zuerſt (unter ihrem Kalifen Al-Mamum) Grad« meſſungen an, die aber zu wenig genau waren, um ein annä— hernd richtiges Nefultat zu geben. Die erſte Gradmeſſung in neuerer Zeit wurde von dem Niederländer Willebrord Snel— lius zwiſchen Alkmar und Bergenopzom angeſtellt. Ihr folgte bald (im t7ten Jahrhundert) jene von Pikard, nach welcher Newton und Huyghens die Größe der Erde beſtimmten. Etwa zu gleicher Zeit beobachtete zuerſt Richer in Cayenne, dann

Varis und Deshayes an der afrikaniſchen Küſte unter der _

Linie die langfameren Schwingungen des Pendels, als deren Urſache Huyghens und Newton die dort größere Schwungkraft erkannten. Aus der ſpätern Gradmeſſung durch die Caſſini, de la Hire, Maraldt, Couplet und Crazelles folgerte man gegen Newton größere Länge der Erdaxe als des Aequatorial— durchmeſſers. Um dieſen wichtigen Punkt zu entſcheiden, wurden auf Anregung von Maurepas, unter Ludwig XIV., 2 Gradmeſſungen unter dem Aequator und dem Polarkreiſe vorgenommen. Bouguer und Condamine begaben ſich 1735 nach Peru; Maupertuis, Clairaut, Camus, Lemonnier, Ou— thier 1736 nach Schweden. Letztere fanden die Größe eines Grades zwiſchen Amiens und Paris S 57,060, unter dem Po— larkreiſe = 57,437 Toiſen; Bouguer einen Grad unter dem Aequator 56,753 T. Hiemit war alſo die Abplattung an den Polen bewieſen. Mit Uebergehung kleinerer Operationen dieſer Art erwähnen wir nur die ungeheuerſte von allen, auf Befehl des franzöſiſchen National-Konvents von Mechain und Delambre ausgeführt. Man wollte gründliche Nevifion der frühern Meßungen, und ein Normalmaaß für die neue Repu— blik. Delambre maß den nördlichen Bogen von Dünfirchen bis Rhodez, Mechain den ſüdlichen von Rhodez bis Bareel— lona. Dieſe große Arbeit wurde ſpäter bis an die Balearen ausgedehnt, und erſt 1806 durch Biot und Arago vollendet. Aus dieſen und andern Gradmeſſungen berechnete Laplace die Abplattung auf Yarr, (glaubt aber, daß die Erde wegen un—

„gleicher Dichtigkeit nicht regelmäßig gekrümmt fei); Puiſſant

fand 9334, Delambre ½09 / Legendre Yo, Lindenau ½04. Auch Längenmeſſungen, um die Geſtalt der Erde zu beſtimmen, wurden ſeit 1733 mehrere angeſtellt; fo von Caſſini und Ma⸗

raldi, Caſſini de Thury und Lacaille, Lambton, Barrow,

Broußeaud, Nicollet und Pictet, Plana und Carlini. Nach Pendelſchwingungen fuchten die Geſtalt der Erde zu be⸗ ſtimmen: Bouguer, Legentil, e e Darauier,

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Liesganig, v. Zach, Graham, Griſchow, Mallet und Mauper- tuis. Aus den eee aller berechnete Laplace die Ab- plattung auf 33878. In neueſter Zeit haben Pendelbeobach— tungen zu dieſem Zwecke angeſtellt: Arago, Chaix, Mathieu, Bouvard, Freyeinet, Duperrey, Davies, Gilbert, Kater, Sabine. Newton und mehrere nach ihm ſuchten die Geſtalt der Erde auch aus dem Gravitationsgeſetz und der Schwungkraft zu berechnen. Aus der Kombination der verſchiedenſten Beo— bachtungen gieng hervor, daß die ſüdliche Halbkugel eben ſo, wie die nördliche gekrümmt ſein müſſe, und daß die Erd— krümmung auch unter verſchiedenen Meridianen nicht ſehr verſchieden ſein könne.

In Beziehung auf die Dichtigkeit der Erde hatte ſchon Newton aus dem Gravitationsgeſetz gefunden, daß ſie nicht gleichförmig ſein könne, was auch Pendelbeobachtungen beſtä— tigten. Laplace folgerte, daß eine regelmäßige Lagerung der einzelnen elliptiſch-ſphäroidiſchen Schichten, (welche nach dem Centrum der Erde an Dichtigkeit zunähmen) um ihren gemein— ſchaftlichen Schwerpunkt nicht bezweifelt werden könne. Maskelyne und Hutton ſuchten (1774 —76) die Dichtigkeit der Erde aus der Anziehung zu finden, welche große Gebirgsmaſſen auf das Pendel ausüben, wozu ſie den Berg Shehallien in Schottland wählten. Man verglich Dichtigkeit und Anziehung des Berges mit der Anziehung der ganzen Erde, und fand hiernach ihre Dichtigkeit 4,95. Playfair uud Webb Sey— mour, fo wie Carlini erhielten ſpäter geringere Größen. Auch durch Verſuche mit der Drehwage ſuchte man die Dich⸗ tigkeit der Erde zu beſtimmen.

Verſuche, die Temperatur des Erdinnern zu erfor⸗ ſchen, wurden nach Mairan's, Buffon's, Werner's Hypothe- fen zuerſt von v. Trebra in den Minen von Freiberg, dann von Saußüre in den Salinen von Bex, von d' Aubuiſſon in den Minen zu Freiberg, von v. Trebra ebendaſelbſt aufs neue 1805 —7 und 1815 angeſtellt. Immer ſtieg mit 120/ Tiefe mehr das Centeſimal-Thermometer um 4%. Die von Gen— ſanne, Thomas Leon, Forbes und Fox, Fantonetti, und Alex. v. Humboldt anderwärts angeſtellten Verſuche gaben ähnliche Reſultate, welche zwar keineswegs die Temperatur des Erd— kerns aufklären, aber eine nach der Tiefe zunehmende Wärme beweiſen. Unterſuchungen über Temperatur der Erdkruſte und Oberfläche ſtellten an: Mairan, Hunter, Caſſini, Bou- vard, de Saußure, Humboldt, Arago, Hamilton, Wahlen berg, Tralles, Munke.

Ueber die phyſiſche Beſchaffenheit ee Länder

Mathem. und phyſiſche Geographie. 33

finden fich bereits in den älteſten Schriftſtellern Andeutun— gen; aber die phyſiſche Geographie als ſyſtematiſche Wiſ— fenfchaft iſt ebenfalls ein Produkt der neuern Zeit. Einmal waren die Reiſen im Alterthum höchſt mühſam und gefährlich, und dann gieng vieles von dem ohnehin nur gelegentlich Beobachteten ſogleich aus Mangel der Mittheilung verloren. Es iſt übrigens unmöglich, in einer hiſtoriſchen Skizze die phyſiſche Geographie von der im engern Sinn ſogenannten G. zu trennen, da beide ſtets Hand in Hand giengen. Wir müſſen daher eine Ueberſicht der Entwicklung der geographiſchen Kenntniſſe überhaupt geben. Noth, Krieg und Handel haben dieſelben faſt gleichmäßig gefördert. Die Phönizier gelten als das älteſte ſeefahrende und entdeckende Volk; ſcheinen aber bis 900 v. Chr. nur die Küſten des Mittel- und zum Theil des ſchwar— zen Meeres gekannt zu haben. Sie ſegelten mit Aegyptern und Hebräern durch den arabiſchen Meerbuſen nach dem perſiſchen, und ſelbſt nach Indien. Vielleicht iſt „Ophir“ Guinea, und das „Affenland“ Ceylte!. Tn uralter Zeit giengen ſchon Kara— vanen durch den aſtatiſchen Kontinent. Hamilko der Char— tager ſoll zuerſt 550 eine Entdeckungsreiſe nach Norden gemacht haben. Schon 670 v. Chr. war unter dem Ägyptifchen König Necho eine Expedition zur Beſchiffung der Küſten Afrika's abgeſendet worden. Hanno beſchiffte 500 v. Chr. abermals Afrika. Die Griechen kannten in den früheſten Zeiten nur die nächſten Gegenden. Argonautenzug 1300 v. Chr. Ho— mer'ſche Geographie. Herodot „der Vater der Geſchichte“ 450 v. Chr. kannte Päonien und einen Theil der Ufer des ſchwar— zen Meeres, kam in Aften bis Babylon und Suſa, beſuchte Aegypten, Cyrene und Italien. Aus Nachrichten kannte er auch Indien, Arabien, und ſehr gut das innere Afrika; un— ſicher Spanien, England, Mitteleuropa, beſſer Ligurien und die Rhonemündungen. Zu feiner Zeit entdeckten die Phönizier das „Zinnland“ und „Bernſteinland“ England und Preußen. Durch Seylax und Pytheas wurden die geogr. Kenntniſſe ſehr vermehrt; durch erſtern jene der Küſten des Mittelmeeres, durch letztern die der Nordküſten Galliens, des „Zinnlands“ und „Thule's.“ Um Pytheas Zeit entdeckten die Flotten der Ptolemäer Dekan und Malabar. Durch Alexander's Züge lernten die Griechen einen großen Theil von Mittelaſten und Indien kennen. Später wurde Alexandria der Mittelpunkt, in welchem die Schätze des Wiſſens und Forſchens zuſammen— floſſen. Um 250 v. Chr. ſuchte Eratoſthenes, „der erſte Geograph“ die Lage jedes Volks und Orts zu beſtimmen, und ſammelte alle geographiſchen Nachrichten. Das allmälig f 3 4

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

anwachſende Weltreich der Römer umfaßte die ganze damals bekannte Erde: Spanien, Gallien, Brittanien, Italien, Grie⸗ chenland und die unteren Donauländer, Kleinaſien, Nord⸗ afrika bis an den Atlas. Auſſerdem kannten die Römer ziem⸗ lich gut Deutſchland, die Länder an der Weichſel, das innere Afrika und Aſten. Ihr Geograph iſt der um Chriſti Geburt lebende Strabo; reiche Beiträge lieferten Plinius, Seneka und die Geſchichtſchreiber. Ptolemäus beſtimmte ſchon ein— zelne Flüſſe, Orte, Vorgebirge ſogar aus Irland nach Länge und Breite, und hatte Nachrichten vom innern und nördlichen Deutſchland, Preußen, Polen, Vorder- und Hinterindien, dem innern Lybien und Aethiopien. Aus dem Aten Jahrh. n. Chr. kennt man als Geographen Jornandes, aus dem sten Guido von Ravenna. Die Tabula Peutingeriana ſcheint unter Theodorich verfertigt worden zu fein. Die Normänner

kannten im 9ten Jahrhundert Irland, die Färoer, ſhetländi—

ſchen Inſeln, Island und Grönland, und legten von letzterem aus viel ſüdlicher in Amerika Kelonieen an, die ſpäter zu Grunde giengen. Um dieſe Zeit hatte man ſchon Landkarten.

Die Miſſionäre drangen bereits gegen Rußlands Grenzen vor.

(Die magnetiſche Polarität wurde in Europa ſchon ſehr früh zur Schifffahrt benützt. Nach einer Stelle im Landnamabok war auf Island der Magnet (Leidarſtein) ſchon im Alten Jahrhundert bekannt. Guyot de Provins führt ihn in ſeiner 1203 erſchienenen »Bible Guyot« an. Flavio Gioja ſetzte im 13ten Jahrhundert die Nadel zuerſt auf eine Spitze, und brachte 8 Striche an, wodurch der Kompaß entſtand. Früher hatte man die Nadel auf Strohhalme gelegt, und dieſe auf Waſſer ſchwimmen laſſen). Durch die Kreuzzüge lernten die Europäer einen Theil Vorderaſtens kennen, welches freilich den arabiſchen Geographen Maſſudi, Scherif al Edriſt, Ebn al Uardis und beſonders Abulfeda viel beſſer bekannt war. Der Venetianer Marko Polo beſuchte 1270—94 China, Oſtindien und Perſten. Die Kenntniß des Orients wurde im Aten und töten Jahrh. vermehrt durch Oderich von Portenau, Mandeville, Pegoletti und Clavijo. Im tsten Jahrhundert ragten die Portugieſen als Seefahrer und Entdecker hervor. (Heinrich der Schif— fer). 1420 fanden fie Madera, 1432 die Azoren; 1486 erreichte Bartol. Diaz das Kap der guten Hoffnung, 1498 landete Vasko de Gama, jenes umſchiffend in Malabar, 1516 kamen die Por⸗ tugieſen nach China, 1518 nach Bengalen, 1542 nach Japan. Die größte aller geographiſchen Entdeckungen, jene Ameri⸗ ka's, war Criſtoforo Colombo, geb. 1442 zu Cuecaro in Pie⸗ mont, geſt. 20. Mai 1506, vorbehalten. Am 12. Oktober 1492

Mathem. und phyſiſche Geographie. 33

ſtieg er auf Guanahani (San Salvador) ans Land. 1493 entdeckte er Kuba und Domingo, 1494 Jamaika und Portoriko, 1498 Trinidad und den Kontinent. (Sein Denkmal in der Kar— thäuſerkirche zu Sevilla trägt die Inſchrift: A Castilla ya Leon, nuevo mondo dié Colon. Beigeſetzt iſt C.'s Leichnam in Savannah). 1497 war von Cabot Neufoundland und Labrador, 1501—3 von Amerigo Vespucei und Ojedo Braſilien entdeckt worden. Pin⸗ zon, Cortez, Pizarro drangen erobernd in das Innere der neuen Welt. Mit ihrem Bekanntwerden begann ein gewaltiger Um— ſchwung der Ideen in der alten, eine Revolution derſelben in vielfacher Hinſicht. Amerika, mit ſeinen Enden an beide Pole reichend, feinen himmelhohen Gebirgen und Rieſenſtrömen, ſeinen tauſenderlei wunderbaren Pflanzen und Thieren follte, als wäre des Staunenswerthen noch nicht genug‘, auch den Menſchen in nie geſehener Art und Farbe zeigen.

Die zahlloſen Inſeln des ſtillen Oceans wurden nach und nach durch die Weltumſegler bekannt. Dirk Hartigh 1616 und Tasman 1642, ferner Zeachaen, Jan de Edels, Nuyts, de Witt, Noggeween, Balfaert alles Niederländer fanden auch ſchon einzelne Theile des auſtraliſchen Feſtlandes, deſſen Geſtalt und Größe aber erſt durch Dampier, Cook, Byron, Wallis, Lapeyrouſe, Baudin, Bligh, d'Entrekaſteauf, Baß, Peron u. A. vollkommener bekannt wurden.

Es galt nun, nach der Kenntniß der meiſten Küſten in das Innere der Kontinente einzudringen. Was Aſien betrifft, ſo war Sibirien ſchon im töten Jahrhundert entdeckt worden. 1639 drangen die Ruſſen nach Kamtſchatka, und zu gleicher Zeit durch die Mongolei und Mandſchurei gegen China vor. Im Arten und tsten Jahrhundert kamen jeſuitiſche Miſſto— näre nach Mittelafien und China. Im letztern drangen auch die Engländer von ihrem großen indiſchen Reich nach dem aſiatiſchen Hochland vor und beſuchten Tibet. Ihr Geſandter Macartney reiste nach Pecking an den chineſiſchen Hof. Seine Sendung wurde fruchtbar für die Kenntniß jenes wunderbaren un veränderlichen Nieſenreiches. Die Kriege der Engländer mit den Mahratten, den Sultanen von Myſore, den Birman— nen, machten ſie mit Nord- und Hinterindien bekannt. Auch Afghaniſtan beſuchten fie, ſo wie der Deutſche Seetzen. Rußland ließ im 18ten Jahrhundert durch Pallas und Gmelin Sibirien, den Altai, den Kaukaſus und die Gegenden um den kaſpiſchen See unterſuchen. Beinahe dieſelben Gegenden bis tief nach Hochaſien hinein bereiste ſeit 1813 der Orientaliſt Klaproth. In den letzten Jahren wurden die Umgebungen des kaſpiſchen See's wieder durch Parrot und Eichwald, Nord—

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

aſien bis an die chineſiſche Grenze durch A. v. Humboldt, Roſe und Ehrenberg beſucht. Japan wurde im 1s8ten Jahrhundert von Kämpfer und Thunberg, im 19ten Jahrhundert von v. Siebold erforſcht. Schon in alter Zeit wurde Vorderaſtien, beſonders Paläſtina und Arabien, mit Vorliebe bereist; in neuerer von Forskäl, Niebuhr, Burkhard.

Von Afrika iſt das Centralland auch jetzt noch ſehr wenig bekannt, und von den Küſten die öſtliche am wenigſten, ob— wohl ſich auf ihr, faſt ſeit Vasko de Gama's Zeiten, portu⸗ gieſiſche Niederlaſſungen befinden. Von Süden her verſuchten in Central-Afrika einzudringen: Le Vaillant, Barrow, Lich- tenſtein; von Norden: Mungo Park u. a. Engländer: von Weſten: Klapperton, die Brüder Lander, Caillié. (Letzterer durchzog ganz allein von 1824 28 das innere Afrika, und erreichte zuerſt Tombuktu). Cyrene wurde zuerſt bereist von Pacho und Beechey. Das öſtliche Afrika wurde von Aegypten aus beſucht von Rüppel, Hemprich und Ehrenberg, Lord Valentia, Sall, Brown. Die Lander erreichten ebenfalls die große Handelsſtadt Tombuktu im Süden der Sahara, und kehrten wieder zurück. Durch Algiers Beſetzung wurde wenig—

ſtens ein Theil des Nordweſtens aufgeſchloſſen. Am genaueſten

iſt jedoch das wundervolle Aegypten durch die große franzöſiſche Expedition vom Jahre 1798 und folg, unter Bonapartes Ober— befehl bekannt geworden. Die wiſſenſchaftlichen Neſultate der— ſelben wurden in der unter Ludwig XVIII. und Karl X. noch fortgefekten Description de l’Egypte etc. 25 Bde. mit mehr als 900 Kupf. und 3000 Abb. niedergelegt. 1818 wurde Bomwdich nach Ashantee geſendet. Hornemann und Röntgen waren fchon früher in's Innere eingedrungen. Durch Leod lernte man das im fruchtbarſten Theil von Guinea lebende Volk von Dahome kennen. Fezzan wurde von Lyon, Ritchie, Dupont, Belford bereist. 1822—26 unterſuchten Minutoli, Cailliaud und Rüppell Aegypten, Aethiopien, die große Oaſe im weſt— lichen Nubien, Kordofan und die Küſte des arabiſchen Meer- buſens. Paddin, Campbel und Kummer reisten über Nio Nunnez in's Innere. Mollien hatte ſchon 1818 die nahe bei— ſammen liegenden Quellen des Nio grande, Senegal und der Gambia in der Nähe von Timbo erreicht. Um den Lauf des Niger zu erforſchen, giengen Oudney, Klapperton und Denham

von Tripolis nach Murzuk in Bornu. Eine zweite Reiſe

unternahm Klapperton 1825 mit Dikſon, Pearce und Morriſon. Gordon Laing hatte ſchon 1826 vor den Brüdern Lander von Tri- polis aus Tombuktu erreicht, wurde aber auf der Flucht von da ermordet. 1828 30 drang Douville von mehreren Hundert

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Mathem. und phyſiſche Geographie. 1 5 38

Mann begleitet durch Angola und Benguela in's Innere. Ueber ſeiner Expedition ſchweben jedoch noch immer Zweifel. Die neueſte Expedition der Lander ſollte die Handelsverbin— dungen unter den Negervölkern bis Tombuktu ausdehnen. Barrow und J. Campbel hatten ſchon 1797 Afrika's Südſpitze bereist, und letzterer war bis Lattakuh, 900 engl. M. nördlich vom Kap gedrungen. Er fand gegen das Innere fruchtbare ſtark bevölkerte Gegenden, bedeutende Städte, und lernte den merkwürdigen Stamm der rothen Kaffern kennen. Zahlreiche Aufſchlüſſe über Südafrika gab Burchell's sjährige Reiſe; die neueſten Nachrichten über das Kaffernland verdankt man Cowper. Durch alle dieſe muthigen Neifenden, von welchen die mei— ſten dem Klima oder der Barbarei afrikaniſcher Völker erlagen, kennt man nun etwa 25 Hauptlinien, zwiſchen denen aber großentheils die Verbindung fehlt. Von der ungeheuern Län— dermaſſe Central-Afrika's dürften kaum 10000 Quadratmeilen bekannt ſein. Für die Aufklärung Afrika's, Civiliſation und Ausbreitung des Handels unter ſeinen Völkerſchaften wirken die African Society und African Institution, beide in London. Amerika's Innere iſt wegen der eigenthümlichen Geſtal— tung dieſes Erdtheils ziemlich bekannt. Peru's Unterwerfung vollendete Pizarro von 1526 bis 1530. In derſelben Zeit ent— deckte Sebaſtian Cabot Paraguay / die Augsburger Kaufleute Welſer nahmen Venezuela in Beſitz, Bezerra und Grijalva fanden 1533 Kalifornien auf, welches ſpäter Guzman und d'Ulloa näher unterſuchteu. Gleichzeitig kam Cartier nach Kanada und an die Mündung des St. Lorenz-Stromes, während Diego de Almagro Chili, Pedro de Mendoza die Länder am la Plata-Strome durchzog. Fernando de Soto eroberte 1537 Florida, Orellana befuhr den Amazonenſtrom, andere Spanier beſchifften die Nordweſtküſte bis Cabo de Men- doza. Der Mönch Andreas Urdanietta entdeckte 1557 die Beh— ringsſtraße, und der Grieche Fuka fand die Meerenge, welche aus dem Königinn Charlottenſund in das ſtille Meer führt. Spaniern und Portugieſen gebührt faſt allein der Ruhm der erſten Bekanntmachung Amerika's. Der Unternehmungsgeiſt der Engländer regte ſtch erſt gegen das Ende des töten Jahr- hunderts. Unter Walter Raleigh giengen 1584 zwei Schiffe nach Nordamerika, und nahmen Virginien in Beſttz. Doch hatte die angelegte Kolonie keinen Beſtand, indem die Anbauer fchon 2 Jahre ſpäter auf den Schiffen Drake's, welcher Cayenne, Gujana und die Länder an der Magalhagensſtraße entdeckt hatte, nach Europa rückkehrten. Erſt von 1603 an begannen dauernde Niederlaſſungen. Der nördlichſte Theil Amerika's wurde durch

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

die unten anzuführenden Polarexpeditionen, dann auch durch den toskaniſchen Miſſtonär Bizzozero, welcher 1829 aus Oberka⸗ nada nach den Attakapas reiste, und durch den Herzog Paul von Würtemberg, welcher die Weſtländer jenſeits der Roky-Moun- tains beſuchte, aufgeklärt. Ungleich häufiger wurde Süd⸗ amerika bereist. Viel von ſeiner neuern Kenntniß verdankt man den Miffionen der fpanifchen und portugiefifchen Jeſuiten vom t7ten und 18ten Jahrhundert. In letzterem find Moli⸗— na's, Azarg's, Döbereiner's Reiſen wichtig geworden. Vor allem aber hat zur umfaſſendſten Kenntniß Mexiko's und Süd⸗ amerika's Al. v. Humboldt's (geb. 14. September 1769) und Aimé Bonpland's große Reiſe von 1799 1804 beigetragen. Ihr folgten jene von Eſchwege, Natterer, Spix und Martius (181720) Prinz Maximilian von Neuwied, Aug. v. St. Hilaire, Pöppig, d' Orbigny u. A.

Der Kontinent Auſtraliens wurde erſt im gegenwärtigen Jahrhundert, obwohl nur zum Theile erforſcht. Die Ver— dienſte hierum gebühren allein Engländern. Die Koloniſten Blaxland, Wentworth und Lawfon von Port Jackſon über- ſtiegen zuerſt die blauen Berge. Den von ihnen gefundenen Paß unterſuchte 1813 Evans. Cox bahnte 1814 einen Weg über denſelben, auf welchem der Gouverneur Macquarie 1815 in das innere Land vordrang, und die Ebene, auf welcher jetzt Bathurſt ſteht, entdeckte, ſo wie auch die Zuflüſſe des Hawkesbury- und Macquarieſtromes. Die Forſchungen im Innern ſetzten Oxley 1818 und Cunningham fort. Erſterer fand 1823 den größten Strom Neuhollands, den Brisbane, und mehrere kleinere, während Archibald Bell einen bequemern Paß, als die Coxſtraße, über die blauen Berge nach Bathurſt ausmittelte. 1825 entdeckten Hume und Howell die mit Schnee bedeckten Südauſtralalpen, fo wie den aus ihnen entfpringen- den Humeffuß. Stuart drang etwas weiter gegen Weſten

vor, als Oxley gekommen war und fand die Flüſſe Murrum⸗

budſchi und Darlington. Der Pflanzer Mackie entdeckte in neueſter Zeit einen feuerſpeienden Berg in Neuſüdwallis. Oxley's und anderer Meinung von einer konkaven Geſtaltung des auſtraliſchen Kontinents, vermöge welcher im Innern ein großer Binnenſee ſich befände, in den ſich die meiſten Flüſſe ergieſſen, iſt durch die Entdeckung des an der Südküſte aus⸗

mündenden Fluſſes Murrumbudſchi, (welcher auch nach der

Vereinigung mit dem Lachlan Murray heißt) einigermaſſen erſchüttert worden. Doch iſt dieſer wichtige Punkt noch nicht entſchieden / da Jamiſon's Reiſe in die Wellington's Ebene, eigens zu dieſem Zweck unternommen, e nicht erreichte.

Mathem. und phyſiſche Geographie. 59

Nähere Aufklärung über die Binnenländer hofft man von der 1929 angelegten Kolonie am Schwanenfluſſe aus.

Von den Expeditionen, welche zur Erforſchung der Gegen— den um die Pole ausgerüſtet wurden, war die bei weitem größere Zahl nach Norden gerichtet. Eine nordweſtliche Durchfahrt nach Indien zu finden, war von jeher Hauptzweck derſelben. Während ein ſehr großer Theil der Gefahren, mit welchen Reiſen in die Aequatorialgegenden der Kontinente verbunden find, von der Wildheit ihrer Voͤlkerſchaften herrührt, kommen die ungeheuern Beſchwerlichkeiten, welche Polarreiſen darbieten, allein von der Natur. Zur Wuth der Elemente, tödtenden Kälte, dem undurchdringlichen Nebel, den Gefahren des Treibeiſes geſellt ſich noch das unregelmäßige Schwanken der Magnetnadel. Polareppeditionen zu dem oben angege— benen Zwecke begannen bald nach der Entdeckung Amerika's. Schon 1457 unter Heinrich VII. verſuchte Giovanni Caboto gegen Nordweſten ſegelnd nach Indien zu kommen, was zwar nicht gelang, wobei er indeß Neufoundland entdeckte. Seba— ſtian Caboto fand ſpäter die Inſel St. John, und lief in den St. Lorenzbuſen ein. Vermuthlich erreichte er auch die Nord— küſte von Labrador und den 670 nördl. Br. 1517 führte der⸗ ſelbe eine engliſche Flotte nach Labrador. Sebaſtian Caboto hat zuerſt die Abweichung der Magnetnadel beobachtet. 1577 lief Forbisher in die Hudſonsbai ein, 1587 entdeckte Davis die nach ihm benannte Straße, 1610 entdeckte und benannte Hudſon die Hudſonsſtraße und Hudſonsbai, deren weſtl., ſüdl. und nördl. Grenzen ſpäter durch Jones, Middleton u. A. beſtimmt wurden; 1616 unterfuchte Baffin den Norden und Oſten der Baffinsbai und fand auf der Weſtſeite unter 740 30/ den Lankaſterſund. Vor der Mitte des sten Jahrhunderts ſetzte das Parlament einen Preis auf die Entdeckung einer nordweſtlichen Durchfahrt, welchen Ellis vergeblich zu verdie— nen ſuchte. Landreiſen gegen Norden ſtellten 1771 Hearne, 1780 Mackenzie an. Letzterer erreichte unterm 69 70 das nördliche Eismeer. 1773 ſchon unternahm Cap. Phipps mit 2 Schiffen über Spitzbergen nach dem Pole vorzudringen, erreichte aber nur 800 48/ Cook kam 1778 durch die Behrings— ſtraße nur bis zum Eiskap. Engländer, Ruſſen und Holländer verſuchten vergeblich von Europa aus, über den ſtillen Ocean, eine öſtliche Durchfahrt. Barrow und feine Anhänger, die Poliſten, behaupteten in neuerer Zeit nicht nur die Möglichkeit einer nordweſtlichen Umſegelung Amerika's, ſon— dern auch jene einer Fahrt quer über den Pol, durch das ihrer Meinung nach, nicht ganz gefrorene Polarmeer. Für beide

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Geſchichte der wee en

wurden vom 1 15 dem damaligen Prinz Regenten hohe Preiſe ausgeſetzt. 1818 ſollte Buchan über den Pol, Roß um Amerika in das ſtille Meer dringen. Erſterer kam über Spitzbergen nur bis 800 32/, Roß nur bis 750 55/ n. Br. und 650 327 w. L. Parry erkannte 1819 den Lankaſterſund als eine Straße, drang durch die von ihm zuerſt befahrene Barrow⸗ ſtraße in das Polarmeer ein, und überſchritt 100 w. L. von Greenwich. 182t und 1824 auf neuen Reiſen ſuchten Parry und Lyons vergebens eine nördliche Ausfahrt aus der Hudſons— und eine ſüdliche aus der Baffinsbai. Sabine war 1823 über Spitzbergen bis 810 75/ gelangt. Schon 1822 war Seoresby der ſeit langem unzugänglichen Küſte Oſtgrönlands bis 830 n. B. nahe gekommen. Noch weiter drang 1829 —3t Graah vor. Während Roß und Parry zur See eine Durchfahrt ſuchten, ſtellten Franklin und Nichardfon Landreiſen an, die erſte 1819 bis 21, eine zweite 1824. Beidemale wurden bedeutende Küſten⸗ ſtrecken des nördlichen Eismeeres unterſucht. Beechey war 1826 um Kap Horn und durch den ganzen ſtillen Ocean geſegelt, und aus dem Kotzebueſund nordwärts 120 engl. M. jenſeits des Eiskaps vorgedrungen. Er erwartete dort Franklin zu finden, der wirklich nur noch einige 30 M. von ihm entfernt, aber in der Ungewißheit hierüber und aus Mangel an Lebensmitteln umgekehrt war. Parry's neue Expedition nach dem Nordpol 1827 erreichte nur 820 45°. Auf Noß's letzter Expedition von 1829 33 wurde der magnetiſche Nordpol beſtimmt. Durch alle dieſe Unternehmungen wurde der Hauptzweck nicht erreicht, wobei es ſich indeß ſehr fragt, ob der Gewinn einer nordweſt— lichen Durchfahrt überhaupt groß wäre, aber es wurden große Strecken der Nordküſte Amerika's und Weſtküſte Grön— land's beſtimmt, Tiefe, Temperatur, Salzgehalt, Schwere, Strömungen der Polarmeere, Elektrizität und Erdmagnetis— mus, geognoſtiſche Beſchaffenheit mancher Küſten und Inſeln, Pflanzen, Thiere und Menſchen jener hohen Breiten beobachtet.

Expeditionen, welche die ruſſiſche Negierung zum Theil unter Mitwirkung von Rumjanzow nach Kamtſchatka u. ſ. w.,

unter Wrangel 1820—24 von Sibirien aus nach dem Nordpol,

unter Kotzebue 1824, unter Waſtljeff 1819 nach der Behrings— ſtraße und dem Polarocean abſandte, klärten die Beſchaffenheit der Nordküſte Aftens, Novaja Semlia's, Spitzbergens auf, und entſchieden daß Aſten und Nordamerika über den Pol nicht zuſammenhängen.

Von viel geringerer Wichtigkeit ſind die nach dem Südpol gemachten Reiſen. Das Eis reicht an ſelbem viel weiter herab, und verſtattet daher viel geringere Annäherung an den Pol,

Geologie und Geognoſie. 41

als in der nördlichen Halbkugel. Cook kam nur bis 600, Belling⸗ haufen bis 700, Weddel 1819 bis 740 15“ ſ. B. Auſſer ihnen haben noch Foſter, Brown, Powell, Freyeinet dieſe Meere beſucht, und ſpärliche Gruppen beeister Inſeln, vielleicht Trümmer eines ſüdlichen Feſtlandes entdeckt.

Kompendien der mathematifchen Geographie haben ge— ſchrieben: Bode, J. G. Schmidt, Gries, Plagemann, Tell- kampf, Brewer, Neuter, Schuch, Studer; der phyſtſchen: Kant, Link, Lamourouf; der phyſiſchen und mathematiſchen: J. C. E. Schmidt, Lichtenſtern, Hochſtetter, Munke. In eigenthümlicher Erweiterung, und in Zuſammenhang mit Ge— ſchichte und Natur bearbeitete die Geographie Zeune in ſeiner „Gea,“ und Ritter, der eigentliche Schöpfer dieſer Richtung, in ſeiner „Erdkunde im Verhältniß zur Natur und zur Ge— ſchichte des Menſchen, oder allgemeine vergleichende Geogra—

phie“. Vollendet iſt von dieſem ausgezeichneten Werke Afrika, (ſchon in der dritten Auflage erſchienen) und von Aſien bereits der wichtigſte und größte Theil.

E. Geologie und Geognoſie.

. Art. „Geologie“ in Gehler's phyfif. Wörterb. neue Bearb. Bd. 4. Lyell, Lehrb. der Geologie, Ar Bd. 2, 3, Ates Kap. Geologie iſt ihrem Begriff nach viel umfaſſender als Geognoſie, und in fo ferne fie ſich mit Ermittlung des Urſprungs der Erde beſchäftigt, viel älter. Sie fließt hiernach mit Kosmogonie und Philoſophie zuſammen, während Geo— gnofie, eine Wiſſenſchaft der neueſten Zeit, es mit dem Bau, der Folge der Schichten, den Beſtandtheilen, den organiſchen Ueberreſten, welche die Erdrinde bilden, und ihren Verän— derungen, alſo mit reinen Beobachtungsgegenſtänden zu thun hat. Wir übergehen die Kosmogonieen der orientaliſchen Völker, die wirklich mehr der Geſchichte der Philoſophie an— gehören, und auch die Moſaiſche im alten Teſtament, welche die ganze Frage über den Urſprung der Welt aus dem Gebiet des Forſchens in jenes des Glaubens verſetzt. Dieſe Frage wird wohl für immer unbeantwortet bleiben, aber unzweifel— haft vermag die Wiſſenſchaft ihrer Löſung auf unbeſtimmte Weite nahe zu kommen. Uebrigens werden viele der kosmo— goniſchen Grundideen, welche Thales, Demokrit, Leueipp, Epikur ꝛc. vorgetragen haben, der Natur der Sache nach auch bei ganz verändertem Zuſtande der Erfahrung, ſtets wieder— kehren müſſen. Die genetiſchen Theorieen, welche Deskar— tes, Newton, Kant, Laplace aufſtellten, fallen ganz mit ihren. Kosmogonieen zuſammen. Das Wichtigſte dieſer, ſo wie der

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Hypotheſen von Whiſton, Burnett u. A., ſoll im 3ten Buche dieſes Werkes angegeben werden. Als urſprüngliche Stifter der neptuniſchen Schule, an deren Spitze in neuerer Zeit Werner Hand, können ſchon Burnett und Whiſton angeſehen

werden, während Hutton's und Büffon's Theorieen denen der

neuern Plutoniſten mehr oder weniger zu Grunde liegen.“

Gegen Whiſton's Anſicht, daß die Erde aus der allmäligen

Umbildung eines Kometen entſtanden ſei, erklärten ſich ſchon

Lambert und Laplace mit Entſchiedenheit. Ein neuer Komet ſollte nach Whiſton die Sündfluth bewirkt haben. Ray läßt die Erde ſich aus dem urſprünglichen Chaos niederſchlagen, und mit Waſſer bedeckt ſein: Erdbeben und vulkaniſche Ausbrüche erhoben die Meere und das trockene Land. Die Sündfluth

erfolgte durch Verrückung des Schwerpunktes der Erde.

Zu den Neptuniſten ſind auch zu zählen: v. Sprengseyſen, Whitehurſt, Pallas, Silberſchlag, Woodward, Scheuchzer, Hollmann, v. Gleichen, Wallerius, Linné, Gerhard, Pluché,

Bourquet, Le Cat, Maillet, Wrede, Lamark, obwohl die mei⸗ ſten mehr oder weniger plutoniſche Kräfte zu Hülfe nehmen. Die auffallende Erſcheinung der Rechtläufigkeit aller Planeten und Monde brachte ſchon Büffon auf die Vermuthung eines gemeinſchaftlichen Urſprungs derſelben. Die Maſſe aller ſollte durch einen Kometen von der Sonne abgeſtoßen und die einzelnen aus deren in verſchiedene Weite geſchleuderten glühenden Trüm— mern gebildet worden ſein. So befände ſich die Erde, wie alle übrigen Planeten und die Monde, in fortſchreitendem Zuſtande der Erkaltung. Auch Leibnitz ließ die Erde aus einem geſchmol— zenen Körper entſtehen, bei deſſen Erlöſchen ſich das Licht von

der Finſterniß ſchied, und die Schöpfung begann. Hutton kann

man als das erſte Haupt der jetzt bei weitem überwiegenden Vulkaniſten anſehen. Der Sieg derſelben über die Neptuniſten wurde durch die Unterſuchungen über die Entſtehung der Urge— birge entſchieden. Hutton bemerkte gegen jene, daß, wäre die ungeheuere Menge Schwefeleiſen durch wäſſerige Auflöſung des

Eiſens und Schwefels gebildet, nothwendig ſchwefelſauere

Metallſalze hätten entſtehen müſſen. Die gediegenen Metalle sc. könnten nicht wäſſrig flüſſig geweſen ſein, und die meiſten erdigen Foſſilien bedürften ganz undenkbare Waſſermengen zur Auflöſung. Baſalt und Lava ſeien nahe verwandt. Entſchei— dend wurden für Hutton's Anſicht Hall's berühmte und gelun⸗ gene Verſuche, feurig flüſſige Maſſen zur Kryſtalliſation zu bringen. Hall, Playfair und Watt erklärten ſich für Hutton; Kirwan für Werner, welchem man nebſt de la Metherie in. Deutſchland und Frankreich anhieng. In den Reihen der

Geologie und Geognoſie. 43

neuern Vulkaniſten ragen hervor: Breislak, v. Buch, A. v. Humboldt, Elie de Beaumont.

Obwohl man A. G. Werner, geb. 1749, gel 1817, als Gründer der Geognoſie betrachten kann, ſo darf man die Verdienſte Lehmann's und Füchſel's in der zweiten Hälfte des 18ten Jahrh. nicht überſehen. Walch, Knorr und Schröter hatten gleichzei— tig die Verſteinerungen beſchrieben. Werner beſtimmte zuerſt den Begriff einer Formation, unterſchied Ur-, Uebergangs-⸗, Flötz⸗ und aufgeſchwemmte Gebirge. Die jüngern Bildungen wurden von ihm faſt gar nicht beachtet, der Baſalt ganz irrig für neptuniſchen Urſprungs gehalteu. Faſt gleichzeitig er— öffnete v. Saußüre die neuere Geognoſie in den Alpen und im Jura, welche er 40 Jahre in der ſorgſamſten und umfaſſend— ſten Weiſe unterſuchte. Werner entgegen, ließ S. die Berge von innen emporgehoben ſein. An S ſchließen ſich de Luce und Ebel an.

Im erſten Jahrzehent dieſes Jahrhunderts begannen die Epoche machenden Arbeiten G. v. Cuvier's (geb. 25. Aug. 1769, geſt. 14. Mai 1832), über die foffilen Thiere. In Rüd- ſicht auf die großen Arbeiten hierüber veranlaßte Cuvier eine geognoſtiſche Unterſuchung des Pariſerbeckens durch Al. Bron— gniard, wo man dann über der Kreide noch ein eigenes, bis dahin mit dem aufgeſchwemmten Lande zuſammengeworfenes, mächtiges Schichtenſyſtem (tertiäre Formation) fand, welches ſpäter an ſehr vielen Orten nachgewieſen wurde. Durch jene petrefaktologiſchen Arbeiten Cuvier's lernte die erſtaunte Welt ganze Reihen jetzt untergegangener wunderba— rer Thierformen kennen, welche ihr „Wiedererwecker“ aus zerbrochenen Knochenreſten zuſammenſetzte. (Engliſche Revie— wers ſpotteten damals des „franzöſiſchen Marktſchreiers, wel— cher den Drachen und Lindwurm wieder in die Zoologie ein— führen wolle.“) Seit 1825 beobachtete Smith ſehr eifrig die Flötzbildungen mit ihren Petrefakten in England, und ent— warf von erſtern genaue Spezialkarten. Seit 1810 ſchon war die Neigung für Geognoſte in England erwacht, und hat ſeitdem eine Stärke und Ausbreitung erlangt, wie in keinem andern Lande. 1817 trat in London die Geological Society zuſammen. Durch Conybeare und Philipps lernte man eine neue Reihe von Flötzbildungen kennen, und ſpäter ſie mit den entſprechenden deutſchen vergleichen. Die Wichtigkeit des Petrefaktenſtudiums für Erkenntniß analoger Schichten trat

immer klarer hervor und gab einer großen Zahl von Werken über foffile Thiere und Pflanzen den Urſprung, unter deren Verfaſſern wir nur Lamark, Parkinſon, Sowerby, Münſter,

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Gefchichte der Naturwiſſenſchaften.

v. Buch, Bronn, Goldfuß, v. Mey er, Volk, Kaup, Jaͤger/

i Agaßiz, Murchiſon, Woodward, Roemer, Puſch

für die Zoologie, Ad. Brongniard, v. Sternberg, eindley, Hutton für die Botanik, Schlotheim für beide nennen. In Deutſchland fand man in den letzten zwei

Jahrzehnten den Keuper und ſtudierte genau die Jurakalk⸗ formation. Man erkannte das verhältnißmäßig jugendliche Alter der Kalk- und Sandſteingebilde der Alpen. Auch wurde das ſchon von Saußüre und Werner angebahnte Studium der Felsarten viel umfaſſender und ſtrenger betrieben, um welches ſich beſonders v. Leonhard verdient machte. Die abweichenden

Verhältniſſe Italiens wurden durch Gemellaro, Hoffmann u. A.

erforſcht, die kanariſchen Inſeln durch L. v. Buch; Al. v.

Humboldt gab Aufſchluͤſſe über Amerika und Aften. Schon 1821 hatte Boué Huttons Anſicht der plutoniſchen Bildung der Granite unterſtützt. Man überzeugte ſich immer mehr, daß die kryſtalliſirten Felsarten aus dem Erdinnern zu Tage traten], zum Theil in viel neuerer Zeit, als die von ihnen durchbrochenen Flötzbildungen. Mit Rückſicht auf letztere fychte man das Alter der erſtern zu beſtimmen. Hiedurch, und indem er den Parallelismus der Streichungslinien ſehr zahl⸗ reicher Gebirgsketten beobachtete, gelangte Elie de Beaumont zu ſeiner Beſtimmung der Erhebungsſyſteme der europäiſchen Gebirge, von welchen er 12 annahm. In den geologifchen Anſichten tritt nun, da jene der Vulkaniſten vollkommen über— wiegt, kein ſo ſchroffer Zwieſpalt mehr hervor, wie einſt zwiſchen Werner und Hutton. Doch iſt eine bedeutende Ver— ſchiedenheit der Meinungen über die Urſachen der großen Ver— änderungen der Erdoberfläche vorhanden. In allen ältern geognoſtiſchen Anſichten nahm man ungeheuere, jetzt nicht mehr vorhandene Kräfte hiefür an, während Lyell und v. Hoff gegen Elie de Beaumont, L. v. Buch zc. ſich zu beweiſen bemühen, daß jene großen Veränderungen nicht durch gewal— tige Kataſtrophen, ſondern durch die ungemein lang fortge— ſetzte Wirkung der noch jetzt auf der Erde wirkſamen Potenzen veranlaßt ſeien. Sollte auch die Anficht der Erſtern augenblick— lichen Beſtand gewinnen, fo wird man bald zur Ueberzeug ung

kommen, daß die ehemaligen Kräfte nicht blos quantitativ, ſondern qualitativ von den gegenwärtigen verſchieden ſein muß⸗

ten. Man wird erkennen, daß es eben ſo unſtatthaft wäre, von einem Manne mittleren Alters, deſſen ruhigen Lebensgang man beobachtet, beweiſen zu wollen, daß er ſich ſtets in dieſem Zuſtande befunden habe, wie von der Erde. Unter der großen Zahl verdienter Geognoſten der neuern und neueſten Zeit genüge

Mineralogie, (Oryktognoſte.) 45

es noch zu nennen: Faujas St. Fond, d' Aubuiſſon, de la Beche, Beudant, Omalius d' Halloy, Steffens, Nöggerath, Hoffmann, Klöden, Engelhardt, Roux, Serope, Mantell, Buckland, v. Leon- hard, Studer, v. Dechen, Oeynhauſen, Maculloch ꝛc. Eine eigen⸗ thümliche Richtung ſchlug Keferſtein ein, welcher in feiner Natur— geſchichte des Erdkörpers dieſen als einen Organismus betrach— tete, und ihn nach ſeinen Organen und Funktionen ſchilderte. Slbpetielle Zeitſchriften für Geognoſie und Geologie find: v.

Leonhard's und Bronn's Jahrbuch für Mineralogie und Geo— gnoſie, Karſten's Archiv für Bergbau nnd Hüttenweſen; deſſelben Archiv für Mineralogie, Geognoſie, Bergbau und Hüttenkunde, die Annales des mines, Keferſteins Zeitſchrift für Geognoſie ꝛc.

Beſonders gefördert wurde die Geognoſte durch die zahl— reichen Monographieen, welche über faſt alle Länder Europa's erſchienen ſind.

Unter den allgemeinen ſyſtematiſchen Werken und Kompendien nennen wir: d’Aubuisson de Voisins et A. Burat, Traité de Geognos. 3 vol. Strassb. 2 edit. 1828-35. Lyell, Principles of Geology, 2 vol. Lond. 1830—31. Von Hartmann’s deutſcher Bearbeitung dieſes Werkes iſt Bd. 1 und 3 erſchienen; der 2te längſt ver- ſprochene Band fehlt immer noch. Handb. der Geognoſie von de la Beche. Nach der zweiten Aufl. des engl. Original's bearbeitet von H. v. Dechen. Berlin, 1832. Handbuch der geſammten Mineral. von Walchner. Bd. 2 Geognoſte. Karlsr. 1832. v. Leonhard's Lehrbuch der Geognoſte und Geologie. Stuttg. 1835. Ein leicht zugängliches und doch reichhalti— ges Werk für Petrefakten ſind die „Lethæa geognostica“ oder „Abbildung und Beſchreibung der für die Gebirgsformationen bezeichnendſten Verſteinerungen,“ von Dr. H. G. Bronn. Stuttg. Schweizerbart. Bis Ende 1836 ſind 5 Lief. erſchienen.

F. Mineralogie. (Oryktognoſie.)

Bergbau und Metallurgie, zur Gewinnung von Edelſteinen, Metallen und Bauſteinen, wurden ſeit den älteſten Zeiten betrieben, aber die wiſſenſchaftliche Betrachtung der gewonne⸗ nen Mineralien begann gleichfalls erſt in den letzten Jahrhun— derten. Die Alten kannten einige Dutzend Metalle und Steine, welche in ihren Werken ohne Syſtem, ohne Ahnung der chemi— ſchen Verſchiedenheit und des Geſetzmäßigen in der Kryſtall— bildung, mit zum Theil abergläubiſchen Nachrichten über deren arzneiliche Kräfte zuſammengehäuft werden. So erſcheint das Buch des ſonſt trefflichen Theophraſtos Ereſios reo Au IV. In der Naturgefchichte des Cajus Plinius Sekundus (geb. in Verona 23 n. Chr., geſt. 79 beim großen Ausbruch des

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Veſuvs, den er beobachten wollte; des größten Polyhiſtors und Enecyelopädiſten vielleicht aller Zeiten), beſchäftigten ſich das 33te bis 37te Buch mit Mineralien und deren techniſcher Anwen⸗ dung. Von einer Menge Autoren, aus deren Schriften er ſchöpfte, ſind größtentheils nur die Namen übrig geblieben. Eine Scheidung des eigentlich mineralogiſchen vom techni⸗ ſchen, ökonomiſchen, ſtaatswirthſchaftlichen tritt noch nirgends hervor. So wird im L. XXXXIII. beim Golde auch vom Ur— ſprung der goldenen Ringe, dem Recht folche zu tragen, vom Ritterſtande, von denen, welche das meiſte Gold und Silber beſeſſen haben, vom Vergolden, dem Auripigment, Bernſtein, Arzneien aus dem Golde ꝛc. gehandelt; in ähnlicher Weiſe in den übrigen Büchern. Die Wiſſenſchaft war in jener Zeit noch auf das manigfachſte mit dem Leben verwachſen und hatte noch keine ſelbſtſtändige Exiſtenz gewonnen. Das Er— wachen der Mineralogie nach ihrem mittelalterlichen Schlum— mer erfolgte mit Agrikola (Bauer), geb. 1490, geſt. 1555, dem erſten denkenden Bergmann neuerer Zeit, welcher den Mineral- reichthum des Erzgebirges zuerſt erkannte, , die ſächſiſchen Fürſten vergeblich zu überzeugen ſuchte. In der Mitte des 17ten Jahrhunderts begann mit Becher, dem Henkel und Pott folgten, die Chemie auf die Mineralogie einzuwir— ken. Pott's Grundſätze der naturhiſtoriſchen Syſtematik wen- dete Linné's Zeitgenoſſe Wallerius in feinem damals trefflichen Systema mineralogicum 1772 an. Cronſtedt berückſichtigte neben den äußern auch ſchon die chemiſchen Kennzeichen. Linné's Verdienſte um die Mineralogie ſind gering, und eigentlich nur formaliſtiſch. Er ſelbſt ſagt in der Vorrede zur Pars mineral. des Syst. Naturae: „Lithologia mihi eristas non eriget; lapides enim, quos quondam in deliciis habui, tradita demum aliis disei- plina seposui, neque nunc, nisi lacessitus, recepissemg“ fährt aber doch fort: „Primus anno 1736 lapides in methodum syste- maticam disposui, constituendo genera fixa characteribus definita, quae omnia non omnibus invisa fuisse, e scriptis successorum intellexi, quamvis nonnulli meis humeris insistentes, circumspe- xere altius, quaedam mutando addendoque non sine supercilio, * Erſt mit A. G. Werner, bereits als Begründer der Geo⸗ gnoſte genannt, gelangte die Mineralogie, welche Werner zuerſt von der Geognoſte trennte und für die er eine ſyſtema⸗ tiſche Terminologie aufſtellte, zu einer pofitiven Grundlage, ſo wie zu allgemeiner Verbreitung und Anerkennung. Seine Lehre iſt am vollſtändigſten dargeſtellt in dem von ſeinen Schülern Hoffmann und Breithaupt bearbeiteten Handbuch der Mineralogie. Karſten verfolgte eine mehr chemiſche Rich⸗

Mineralogie. (Oryktognoſte.)

tung. Werner hatte die Kryſtallformen und die chemiſchen Verhältniſſe viel zu wenig gewürdigt und ſein Syſtem erſcheint daher nur als eine nothwendige Durchgangsſtufe. Auf die Wichtigkeit der Kryſtallgeſtalten hatte ſchon Roms de l'Jsle aufmerkſam gemacht, aber ſie wurde ihrem ganzen Umfang nach erſt erkannt, als Hauy's bewundernswerther Traité de Mineralogie 1802 u. f. J. erſchienen war, in welchem die Kry- ſtallographie zuerſt wiſſenſchaftlich begründet wurde. Seitdem erfreute fie ſich beſonders in Deutſchland der umfaſſendſten Bearbeitung, und Weiß, Naumann, Neumann, Mohs, Ger— mar, Graßmann, Breithaupt, v. Raumer, Kuppfer u. A. haben ſich um ſie bleibende Verdienſte erworben. Gleich ſehr wurde ſeit dem Anfang dieſes Jahrhunderts, (zum Theil auch noch durch Bergmann und Scheele gegen das Ende des vorigen) die chemiſche Unterſuchung der Mineralkörper gefördert. Kir— wan, Klaproth, Vauquelin, in neueſter Zeit Prouſt, Roſe, Mitſcherlich, Fuchs, Kobell u. A. find hier beſonders zu nen- nen. Chemiſche und kryſtallographiſche Unterſuchung unter— ſtützten ſich wechſelſeitig, bald indem die erſtere die durch letztere angezeigte Verwandtſchaft gewiſſer Mineralien beſtä— tigte, (fo des Berylls und Smaragds, Jargons und Hyaeinths, Korunds und der Teleſte ꝛc.) bald indem die chemiſche Analyſe zur Trennung mancher Mineralien beſtimmte, welche der kry— ſtallotomiſchen als identiſch erſchienen waren. Häufig entſchied auch die chemiſche Unterſuchung über die wahre Stellung zweifelhafter Mineralien. Während Cronſtedt und Berg— mann kaum 100 Mineralgattungen kannten, zählt die neuere Mineralogie ohne die oft höchſt wichtigen Varietäten, mehrere Hundert auf, die faſt alle nach chemiſchen, kryſtallographiſchen, elektriſchen, magnetiſchen Verhältniſſen, äußerer Erſcheinung und Vorkommen durchgreifend unterſucht find. Der Gegen— ſatz, welcher in der neueſten Mineralogie hervorgetreten iſt, beruht auf der differenten Anſicht der Klaffififationsprincipien. Die Schule, an deren Spitze Mohs ſteht, will eine natur— hiſtoriſche oder eigentlich eine phyſikaliſche Behandlung der Mineralogie, ſtützt ſich auf ſcharfe Charakteriſtik, ſtreng logiſche Kennzeichenlehre, und beſonders auf die Kryſtallform. Die Ergebniſſe chemiſcher Analyſe werden im Syſteme von Mohs (niedergelegt in ſeinem „Grundriß der Mineralogie und in den „Leichtfaßlichen Anfangsgründen der Natur— geſchichte des Mineralreichs“) nur als Zuſatz beigefügt. Mohs's Syſtem, welches eine eigenthümliche Nomenklatur hat, zeichnet ſich auf ſeinem Standpunkte durch große Klarheit und Konſequenz aus. Ihm ſind in der Hauptſache

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1

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Jameſon und Allan beigetreten. Breithaupt hat in ſeiner

„Vollſtändigen Charakteriſtik des Mineralſyſtems, Dresden 1833“, nach ähnlichen Grundſätzen ein eigenes Gebäude auf⸗ geführt, das in ſeinem neuen „Vollſtändigen Handbuch der Mineralogie“ feine weitere Vollendung erhalten ſoll. Die zweite Hauptanſicht iſt die chemiſche, und ihr Urheber Berzelius. Dieſer, die Mineralogie nur als einen Theil der Chemie betrachtend, gründet auf die eleftrochemifchen und ſtöchiometriſchen Verhältniſſe ein ebenfalls durch Einfachheit und Beſtimmtheit ausgezeichnetes Mineralſyſtem. Als Ver⸗ mittler beider Richtungen, als Eklektiker erfcheinen Hausmann,

Gmelin, Leonhard, Naumann, während fich Beudant ſchon viel

mehr den chemifchen Prineipen zuneigt, und das elektronegative Element als ſyſtematiſches Hauptprineip wählt. Eine eigen- thümliche Verſchmelzung der beiden Hauptrichtungen findet ſich im Syſteme von Weiß, welches Hartmann in feinem Lehr⸗ buch der Mineralogie 1835 benützt hat, wo die Ordnungen nach chemiſchen, die Familien nach chemiſchen und naturhiſto— riſchen Merkmalen zugleich gebildet find. Eine ſolche Ver— ſchmelzung iſt zwar wünſchenswerth, aber ſehr ſchwer befrie— digend durchzuführen. Nach meiner Anſicht könnten beide Nichtungen auch getrennt fortbeſtehen. Die Chemie aus der Mineralogie zu verbannen, kann gar nicht beantragt wer— den; fie aber zur herrſchenden Potenz erklären, heißt die Mi- neralogie als ſelbſtſtändige Wiſſenſchaft gerade zu vernichten, und fie für einen Beſtandtheil der Chemie erklären. Man kann daher doppelte Mineralſyſteme aufſtellen: rein chemiſche, in welchen die Mineralien blos als Objekte der Chemie ange— ſehen werden, und mineralogiſche für den Oryktognoſten, Bergmann und Geologen, in welchen man die Mineralien

auch nach ihrer Bedeutung und ihren Verhältniſſen zum Erd—

organismus betrachten wird.

Zeitſchriften für Mineralogie find alle ſchon bel der Geo⸗ gnoſte genannten.

Vorzüglichſte Syſteme und Kompendien: Handbuch der M. von Hoffmann und Breithaupt, 4 Bde. 1811—18. (Im Syſtem und Geiſte Werner's.) Hauy, Traité de Mineralogie, nouv. ed. 6 vol. Par. 1822. Mohs, Grunde. der M. 2 Bde. 1822—24. Deſſelben Leichtfaßliche Anfangsgründe der M. 2te Aufl. 1836. Leonhard, Handbuch der Oryktognoſie, 2te Aufl. Heidelb. 1826. Jameson, System of Mineralogy, 3 ed. 3 vol. Edinb. 1819. Beudant, Traité elem. de Mineralogy, 2 ed, 2 vol. Par. 1830—32. Breithaupt, vollſtändiges ie der Mineral, ir Bd. 1836. a

2e

Botanik. 5 49

G. Botanik. ;

it. K. Sprengel, Geſchichte der B. 2 Bde. Altenb. und Leipzig 1817—18. 8. m. K. Schultes, Grundriß einer Ge— ſchichte und Literatur der Botanik. Wien 1817. 8. Schelver, „die Aufgabe der höhern B.“ in d. Denkſchr. d. Leop. Karol. Akad. Bd. 10 (1824) S. 591. ff. De Candolle's Jahresber. in der Bi- blioth. univ. Exposé des progrés recens de la philosophie botanique par J. Lindley, trad. p. Ch. Martins. Par. 1835. Für d. letzten 3 J.: Meyen's Jahresb. üb. d. Fortſchr. d. B. in Wiegmann's Archiv.

Das Bedürfniß war eines der Hauptmotive, welches den Menſchen zur früheſten Betrachtung der Natur überhaupt, und der Pflanzenwelt insbeſondere führte. Im früheſten Alter— thume unterſchied man nothdürftig nur die zum Leben unent— behrlichſten Pflanzen. Sprengel zählt aus den heiligen Schriften der Hebräer etwa 70 Spezies auf, welche man noch mit einiger

Wahrſcheinlichkeit nach der jetzigen Nomenklatur beſtimmen

kann. Eine noch geringere Zahl findet ſich in der FJliade und Odyſſee. In den dem Hippokrates oder den Hippokratiden zugeſchriebenen Schriften finden ſich ſchon 150 in der Heilkunde gebrauchte Pflanzen. Ariſtoteles ſoll zuerſt die Pflanzen als belebte Weſen erkannt und ihre Stellung zwiſchen Thieren und Mineralien gelehrt haben. Leider ſind die zwei ächten

Bücher deſſelben über die Pflanzen verloren gegangen. Sein

Schüler Theophraſtos von Ereſus, geb. 371, geſt. 286 v. Chr., iſt der erſte Schriftſteller, von dem ein Werk auf uns gekommen iſt, welches eine vollſtändige Ueberſicht der damaligen botani— ſchen Kenntniſſe der Griechen gewährt. In „el purov isogiag UNd reh Yprrov wirıwy“ beſchreibt Th., freilich ſehr unvollkommen, etwa 300 griechiſche Pflanzen. Er wußte, daß die meiſten Pflanzen zu Grunde gehen, wenn man ſte der Rinde beraubt, und unterſchied an dieſer ſchon die Ober— haut. Im Gewebe der Pflanzen bemühte er ſich Faſern (Ner— ven) und Gefäße zu erkennen, wie dieſe ſein Lehrer Ariſtoteles

bei den Thieren gefunden hatte, und ſah für erſtere ohne

Zweifel die Spiralgefäſſe, für letztere die Interzellulargänge an. Er erkannte wohl das Zellgewebe und die Blätter als Ernährungsorgane, während er vom Geſchlecht der Pflanzen nur verworrene Anſichten hatte. Gleich ſeinen Nachfolgern hatte auch Th. keinen Begriff von der ungeheuern Zahl der Pflan— zen. Jener ſcharf unterſcheidende Blick und zergliedernde Ver— ſtand der neuern Zeit war dem Alterthum, welches die Natur—

dinge faſt nur in Maſſen ſah, fremd. Mit Ariſtoteles ſoll

Th. einen botaniſchen Garten in Athen angelegt haben. Mit der griechiſchen Blüthezeit hörten auch die Fortſchritte 4

30

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

der Botanik auf. Aus der alexandriniſchen Schule gieng kein be⸗ deutender Botaniker hervor. Die Römer hatten einen zu wenig philoſophiſchen und zu praftifchen Geiſt, als daß die reine Bota— nik von ihnen hätte gefördert werden können, wogegen ihre Verdienſte in der angewandten unläugbar ſind. Cato, welcher ein Buch de re rustica ſchrieb, fol ein geſchickter Oekonom geweſen fein, Virgil beſang in den Georgicis den Landbau, zeigte pofitive Kenntniß der ökonomiſchen Pflanzen und ſchil— derte mit dichteriſcher Uebertreibung die Wunder des Pfropfens. Columella wußte, daß ſich unähnliche Pflanzen nicht aufeinan— der pfropfen laſſen. Dioskorides, Zeitgenoſſe des Nero, iſt der zweite bedeutende Schriftſteller in der Botanik des Alter- thums. Aus ſeinen ungemein oft kommentirten Schriften ſchöpften die Aerzte und Apotheker bis zum Schluß des Mittel- alters. Syſtem, Anatomie, Phyſtologie ſind ihm unbekannt, der Arzneigebrauch das wichtigſte. Sibthorp's und Anderer Bemühung gelang es, einen großen Theil der von Dioskorides beſchriebenen 1200 Pflanzen zu beſtimmen. Von des Plinius Historia naturalis handeln die Bücher XII. bis XXVII. einſchließ⸗ lich von den Pflanzen. Unter den Arabern zeichneten ſich die Aerzte Rhazes und Avicenna durch umfaſſendere Pflanzen- kenntniß aus. Durch die berühmte, im 12ten Jahrhundert blühende Schule von Salerno kamen ihre Schriften auf uns. Arabiſche und perſiſche Aerzte hatten den Pflanzen des Dioskorides etwa 200 beigefügt; das Mittelalter hatte dieſe Zahl um nichts vermehrt, To daß die Zahl der bis zum töten Jahrhundert bekannten Pflanzen etwa 1400 betrug. Bis an das Ende des töten Jahrhunderts hatte man ſich begnügt, Theophraſt, Dioskorides und Plinius zu leſen. Jetzt began- nen botaniſche Werke zu erſcheinen; zuerſt 1480 ein kleines Buch von Emilius Macer, ſchon mit freilich ſehr rohen Ab— bildungen geziert. Etwas beſſer waren die Tafeln des Peter de Creszentiis von Bologna. In dieſe Zeit fallen auch die Werke des Theodor Gaza, Valla, Barbarus, Leonicenus, Ver⸗ gilius, Monardus. Auf italieniſchem Boden begannen die meiſten vom Alterthum übrig gebliebenen Keime zu treiben. Freilich kopirte man faſt immer noch die Alten, und wendete häufig ihre Namen und Beſchreibungen auf ganz verſchiedene Pflanzen an. Marko Polo, Simon de Cordo lernten durch ihre Reiſen im Orient eine Menge den Alten unbekannter Pflanzen kennen; auch das mittlere und nördliche Europa bot deren eine große Zahl dar. Man war alſo vielfach veranlaßt, vom Bücherſtudium zu dem der Natur überzugehen. Otto Brunfels, geſt. 1534, befchrieb und bildete die Pflanzen Frank⸗

Botanik. 8 31

reichs, Deutſchlands und der Schweiz ab, freilich noch roh und ohne Ordnung. Beſſeres leiſteten ſchon Hieronymus b Tragus, Fuchſtus, Pona, Thalius. Belon und Nauwolf durch— ſtreiften Griechenland und die Levante, Alpinus beſchrieb um 1580 die Pflanzen Aegyptens. Ueberraſchend herrlich mußte die tropiſche Pflanzenwelt auf die erſten Beſchauer wirken. Obwohl Indien ſogar etwas eher von Europäern beſucht wurde, als Amerika, ſo kamen doch aus letzterem früher ihm eigene Gewächſe nach Europa: zuerſt natürlich ökonomiſch wichtige, fo der Mais, der Tabak, die Ananas; während man andere durch Beſchreibung kennen lernte, wie den Baumwollen— baum, die BVamswurzeln, die balſamgebende Amyris. Bald beſchrieb Oviedo de Valdes die Pflanzen der Terra firma, Cabeca de Vaeca jene der beiden Floridas, Lopez de Gamara die Mexikaniſchen, beſonders die amerikaniſche Agave, den Coſchenillenkaktus, den Kakaobaum; Carate führte unter den merkwürdigen Pflanzen Peru's die Kartoffel auf. Braſiliens Pflanzen wurden von Thevet, Leri, Benzoni beſchrieben. Unter jenen älteſten um die amerikaniſche Flora verdienten Reiſenden find auch Monardes und Aecoſta zu nennen. Hatten die Er— klärer der Alten überall in der Natur deren Pflanzen zu erkennen geglaubt, fo meinten eben ſo unrichtig alle dieſe Reiſen— den mehr oder weniger, in jenen fernen Ländern die europäi— ſchen Gewächſe wieder zu finden, woraus zahlreiche Irrthümer hervorgiengen. Die erſte Eintheilung der Pflanzen nach Samen und Blume in Arten, Geſchlechter und Klaſſen, ver— ſuchte der durch eminente Gelehrſamkeit hervorragende Konrad Geßner, geb. 1516, geſt. 1565. Neben Geßner zeichneten fich aus: Dodonaeus und Lobel, vorzüglich aber Cluſtus oder Cbarles de l'Eeluse, geb. 1525, welcher zu feinen ſehr kennt— lichen, ſaubern Holzſchnitten muſterhafte Beſchreibungen gab, und neben der Natur auch die Alten ſehr gut kannte. Cluſtus eröffnete eine Reihe ausgezeichneter Botaniker: Caesalpin, Dalechamp, Camerarius, Tabernämontanus, Columna, Joh. und Kaſp. Bauhin, Ray, Magnol, Moriſon. Am meiſten ragen die Bauhin, Magnol und Ray hervor, welche ſich vor- züglich um die Klaffififation verdient machten; (die Bauhin und Ray auch noch um die Synonymie und Angabe der Stand— örter) dann der ſcharfſinnige Cäsalpin, geb. 1519, der einzige, welcher ſeit Theophraſt Bau und Leben der Pflanzen ſtudierte. »Er ſah bald ein, daß bie eigenthümlichen Saftgefäße der Pflanzen nicht den Adern der Thiere gleich ſeien, und bewieß, daß das Mark viel weniger zum Leben beitrage als die Rinde; er verglich das Samenkorn dem Thierei, und erkannte den

32

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Embryo als den weſentlichſten Theil von jenem, und die Zahl der Samenlappen als ein Unterſcheidungsmoment der großen Abtheilungen des Pflanzenreiches. In einer Schrift von Zaluziansky von 1604 werden zuerſt zwitter⸗ und eingefchlech- tige Blumen unterſchieden, die Organe der Blume genau beſchrieben, und ziemlich gute Anſichten über Klaffififation dargelegt. Wir übergehen eine Reihe minder bedeutender Botaniker des Arten Jahrhunderts. So groß auch die Ver— dienſte eines Jungermann, Löſel, Jung, Boccone, Barrelier, Commelyn, Camerarius, Herrmann, Rivin, Pluknet, Beti- ver, Plumier ze. fein mögen, fo wurde doch durch keinen eine neue Bahn gebrochen.

In die erſte Hälfte des ten Jahrhunders fallt eine Erfin- dung von außerordentlicher Wichtigkeit für die Fortfchritte der anatomiſchen und phyſtologiſchen Botanik und der Natur— wiſſenſchaften überhaupt. Wir meinen jene des Mikroskops, durch welches allein die Erkenntniß zahlreicher Organismen und ihrer Elementarſtruktur möglich wurde. (Auf das ein- fache Mikroskop kam man bald nach Erfindung der Linſen;

das zuſammengeſetzte ſoll gegen 1620 von Janſen oder

Drebbel erfunden ſein, und wurde 1660 von Hooke verbeſſert. Die einfachen Mikroskope wurden in neueſter Zeit durch Che— valier, Wollaſton u. A. vervollkommt; Brewſter ſchlug ſtatt der Glaslinſen die Kryſtalllinſen von Fiſchen vor, Sivright ein Glasſtückchen, das mittelſt des Löthrohres in der kleinen Oeffnung einer Platinplatte zur Kugel geſchmolzen wird. In neueſter Zeit gebraucht man auch für einfache und zuſammen— geſetzte Mikroskope Linſen aus Granat, Saphir und Diamant. Die ältern Naturforſcher gebrauchten meiſtens das einfache Mikroskop, welches zur Unterſuchung ſehr feiner Gefüge ſich beſſer eignet, und die Gegenſtände im auffallenden Licht zu betrachten geſtattet, die neuern wenden hingegen faſt immer das zuſammengeſetzte Mikroskop an, welches ein größeres Ge— ſichtsfeld gewährt, und zu vielerlei Manipulationen viel beque-

mer iſt. M. Campani und Ramsden brachten bei dieſem um

die Mitte des 18ten Jahrhunderts das Kollektivglas zwi— ſchen Okular und Objektiv an, ein weſentlicher Fortſchritt zum Achromatismus und zur Präziſton. Unter den ältern Mikroskopen behaupten die des Engländers Adams wohl den erſten Rang; unter den neuern jene des Engländers Pritchard, des Franzoſen Chevalier, der Deutſchen Fraunhofer, Plößl und Schiek-Piſtor. Die Inſtrumente von Plößl und Schiek⸗ Piſtor ſind die vollkommenſten, und dürften etwa gleichen Werth haben. Am Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts

Botanik. (Mikroskop.) 55

führte man achromatiſche Objektive ein. Um die ſphäriſche Abweichung zu heben, fieng man vor etwa 15 Jahren an, zuerſt, wenn ich nicht irre, Selligue mehrere, gewöhnlich 3 achromaͤtiſche Objektive untereinander zu ſchrauben, wodurch zugleich ungemeine Lichtſtärke und bedeutendere Vergrößerun— gen gewonnen wurden. Für die Beleuchtung opaker Gegen— fände wendete man zuerſt Konverlinfen, dann auch Prismen an; bei den einfachen Mikroskopen Lieberkühn'ſche Spiegel. Um dunkle Objekte noch deutlicher zu zeigen, führten Plößl und Schiek-Piſtor neben den gewöhnlichen in die Tiefe ſchau— enden Okularen noch aplanatiſche ein. Amiei's katoptri— ſche oder Spiegelmikroskope ſcheinen nicht ſehr in Auf— nahme gekommen zu ſein, da bei ſtärkern Vergrößerungen der Lichtverluſt zu bedeutend wird. Auch der mechaniſche Theil der Mikroskope wurde ſeit 60 Jahren ungemein ver- beſſert. Man brachte für die vertikale Verſchiebung des Rohres und Objekttiſches feinere und gröbere Bewegungen durch Schrauben oder Getriebe an, auſſerdem Schraubenbewegun— gen zur horizontalen Verrückung des Tiſches. Um die Größe der Gegenſtände meſſen zu können, gab man den Mikroskopen zuerſt Linearmikrometer bei, wo jene unmittelbar mit den verſchieden großen mittelſt der Theilungsmaſchine in Glas eingeſchnittenen Theilen einer Linie verglichen werden. Spä— ter zuerſt Fraunhofer, jetzt auch Plößl, Schiek-Piſtor ze. verband man mit ihnen Schraubenmikrometer, durch welche die Größe einer horizontalen Verrückung des Obiekt— tiſches und hiemit des Gegenſtandes an einer Skala gemeſſen wird, welche auf den unbeweglichen Theil des Mikroskops, und auf das mit der Schraube verbundene Rad gravirt iſt. Gewöhnlich kann man bis auf ooo Linie meſſen. Beobachtet wird die Verrückung an einem zwiſchen Okular und Objektiv eingeſpannten Fadenkreuze. Zu allen dieſen Bereicherungen kommen nun noch Vorrichtungen zum Zeichnen: 4) durch An⸗ wendung einer Camera lucida, 2) bei Horizontalſtellung des Nohres und Vertikalſtellung des Tiſches durch Gebrauch eines vor dem Okular eingeſchraubten Sömmering'ſchen Spiegels, 3) durch Brechen des Rohres in 2 unter einem rechten Winkel verbundene Theile, Anbringen eines Prismas im Winkel ſelbſt, und des Sömmering'ſchen Spiegels am Okular, wobei der Diſch in der gewöhnlichen Horizontalſtellung bleibt, und alſo auch Flüffigfeiten und Gegenſtände in ihnen beobachtet und gezeichnet werden können. Der mikrotomiſche Quet- ſcher Purkinje's entſpricht den alten Preßſchiebern, geſtattet aber eine viel feiner graduirte Feſthaltung und Zerdrückung

54

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften. der Objekte. Man hat bei den neueſten Mikroskopen die Vergrößerung der Durchmeſſer der Gegenſtände auf 1500-2000 Mal getrieben. Ein von Amiei 1829 der Pariſer Faculté des leitres übergebenes dioptriſches Mikroskop ſteigt ſogar auf 2381 und 4135malige Vergrößerungen. Unter zahlreichen, trefflichen Mikroskopen von Fraunhofer, Plößl und Schiek⸗ Piſtor, welche ich vergleichen konnte, fand ſich jedoch noch keines, welches nur bis auf 1000malige Durchmeſſervergröße— rung befriedigende Präziſton und Klarheit bewährt hätte). Die vorzüglichſten mittelſt des Mikroskops in der Pflanzen⸗ kunde gemachten Entdeckungen finden ſich weiter unten ange— führt. Eine neue Epoche der beſchreibenden und ſyſtemati⸗ ſchen Botanik beginnt mit Tournefort, geb. 1656, geft. 1708, Sein Syſtem iſt in den nach feinem Tode erſchienenen »Insti- | tuliones rei herbariae« 3 vol. 4. 1717 19 niedergelegt. Auf ſeinen Tafeln finden ſich zuerſt Analyſen. Seine Klaſſen ruhen auf Blumenkrone und Frucht; auf die Geſchlechtsorgane legte er wenig Gewicht, und glaubte nicht an die befruchtende Kraft des Samenſtaubs. Fehlerhaft iſt ſeine Eintheilung in

Bäume, Sträucher, Kräuter. Er zuerſt führte die Genera

ein, die er auf minder wichtige Theile der Blume und Frucht, auch auf Blätter, Zwiebel ꝛc. gründete. Sein Syſtem, in welchem über 10000 Pflanzenformen aufgezählt werden, blieb herrſchend über die erſte Hälfte des 18ten Jahrhunderts faſt in ganz Europa, und wurde vorzüglich durch ſeinen Schüler Vaillant verbeſſert, welcher die Sexualität der Pflanzen deut— lich erkannte, und unermüdlich beſonders die kleinſten Gewächſe, Mooſe und Pilze ſtudierte. Gleichzeitig mit Tournefort oder bald nach ihm lebten: Sloane, Sherard, Rudbeck, J. J. Scheuchzer, J. Scheuchzer, M. S. Merian, Boerhaave, geb. 1668, geſt. 1738, Kämpfer, Ruppius, Dillenius, Micheli c., beide letztere namentlich um die Kenntniß der Kryptogamen

verdient. Gegen das Ende der erſten Hälfte dieſes Jahrhun—

derts begann die Wirkſamkeit des großen Karl v. Linné, geb. 23. Mai 1707 zu Röshult in Smoland, geſt. 10. Januar 1778, Gründers einer neuen Richtung in der Botanik, wie in der Naturgeſchichte überhaupt. Die Idee feines weltbekannten Sexualſyſtems faßte er im 24ten Jahre. In der Flora lap- ponica von 1735 finden ſich die Pflanzen ſchon nach den Staub—

wegen geordnet. 4735 erſchien auch die erſte Ausgabe des

Systema naturae, seu regna tria naturae systematice proposita per classes, ordines, genera, -species. Lugd. Batav. Fol, welcher im Leben Linnes noch 11 andere folgten. Zahlreiche Abhandlun— gen in den Denkſchriften mehrerer Akademieen, Monographieen,

Botanik. | 335

Spezialwerke, die Philosophia botanica ete. dienten auſſerdem zur nähern Begründung dieſes eben ſo originellen als unna— türlichen und vielleicht unentbehrlichen Syſtems, in welchem faſt aus jeder Seite der Witz, Scharfſinn, die Klarheit, Ord— nung, Beharrlichkeit, ja ſelbſt der poetiſche Geiſt des Autors hervorleuchten. L. ſetzte die Sexualität auſſer Zweifel, grün⸗ dete eine feſte Kunſtſprache, Methode, und doppelte Nomen— klatur. Durch ihn wurden der »scientia amabilıs« vor allen andern Naturwiſſenſchaften Verehrer auf der ganzen Erde ge— wonnen. Seine Schüler und Anhänger verbreiteten ſich durch alle Länder, und nie hat ein Naturforſcher, ſelbſt Ari— ſtoteles, Newton und Cuvier nicht, ſolch univerſellen Ruhm erlangt. Nur Frankreich entzog ſich ſeinem Einfluſſe durch die Juſſieu, und in Deutſchland Haller. Anhänger der Linné

ſccen Schule, obwohl ſelbſtſtändige Forſcher, verdient um

Verbeſſerung des Syſtems, Verfaſſer von Floren, Bearbeiter bisher vernachläßigter Theile der Pflanze oder Pflanzenwelt, Beſchreiber neuer Pflanzen ze. waren oder find: Gronovius, die Gmelin, Hill, Allioni, Oeder, Burmann, Scopoli, Schre— ber, Schrank, geb. 1747, geſt. 1835, Jacquin, Schäffer, Gle— ditſch, Bergius, Pallas, König, Commerſon, Aublet, Forſter, Nottböll, Mönch, Bulliard, Retzius, Thunberg, Banks, Hed— wig, Hoffmann, Cavanilles, Gärtner, Olof Swartz, J. E. Smith, Aiton, Louroeiro, la Billardiere, Römer, Uſteri, Schultes, Vahl, Schrader, Norburgh, Wendland, Berfoon, Maſſon, Andrews, Ventenat, Desfontaines, Waldſtein, Ch. K. Sprengel, K. Sprengel, Bridel, Esper, Acharius, Ruiz, Pavon, Michaud, Paliſot de Beauvois, v. Hoffmannsegg, Flörke, Fröhlich, Röhling, Willdenow, Hoocker, v. Biber⸗ ſtein, Lyngbye, Koch u. A.

Während Linné im Norden und Oſten von Europa den Scep⸗ ter der Wiſſenſchaft hielt, erwachte im Weſten eine andere Nich⸗ tung, jene der natürlichen Methode, in welcher die Pflanzen nicht nach einzelnen willkührlich gewählten Merkmalen, ſon⸗ dern nach dem Inbegriff ihrer Organiſation, und nach ihren Verwandtſchaften geordnet find. Erſt Bernard de Juſſteu, geb. 1699, geſt. 1776, Mitglied einer berühmten Gelehrten— familie, jüngerem Bruder des auch verdienten Antoine de Juſ— ſteu, gelang dieſes in ſolchem Grade, daß ſich die Prinzipien ſeines Lehrgebäudes bis jetzt erhalten haben. Linns ſelbſt be— wunderte ihn ungemein. Im Garten zu Trianon verſammelte J. auf Ludwigs XIV. Auftrag alle franzöſiſchen Pflanzen und ordnete ſie nach ſeiner Methode. Seinem Neffen Antoine Laurent de Juſſieu, geb. 1748, geſt. 1836, verdankt der Jardin

Ss

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

des plantes zu Paris vorzüglich ſeinen hohen Standpunkt, und die Wiſſenſchaft die Durchführung d. nat. Meth. in den klaſſiſchen Genera plantarum secundum ordines naturales dis posita etc, 1789. Deſſen Sohn Adr. d. J. iſt gleichfalls ein verdienter Botaniker. Um Ausbildung und Anwendung der natürlichen Me- thode haben ſich zahlreiche Botaniker der neuern und neueſten

Zeit verdient gemacht, unter welchen wir nur Lamark, Gau⸗

dichaud, Du Petit Thouars, Hayne, Aug. St. Hilaire, Ledebour, Lindley, Nees v. Eſenbeck, Wallroth, Fries, Pohl, Endlicher, Reichenbach, die Richard, Aimé Bonpland, Link, Bartling, Blume, Bory de St. Vincent, Ad. Bron⸗ gniart, v. Chamiſſo, Bartoloni, H. Caſſini, Zuccarini, Bi⸗ ſchoff, Pöppig, Tenore, Kunth, v. Martius (geb. 1794), Nobert Brown, de Candolle nennen. Manche von ihnen ſind auch als Reiſende ausgezeichnet, oder als Verfaſſer von Floren. Leider verſtattet uns der Raum nicht, in eine ſpeziellere Bezeichnung ihrer Verdienſte einzugehen. Nobert Brown iſt ausgezeichnet durch ſeine Geſchicklichkeit, mit dem Mikroskope umzugehen, und die kleinſten und verborgenſten Theile von Blüthe und Frucht zu entwickeln, fo wie noch mehr durch Originalität, Umfang und Tiefe ſeiner Anſichten. De Candolle, geb. 1778, Schöpfer eines eigenen auf den anatomiſchen Bau gegründeten natür— lichen Syſtems, hat in allen Theilen der Botanik mit Glück gearbeitet, und zeichnet ſich durch Klarheit, Präziſton und Eleganz der Darſtellung aus. Die vorzüglich von Al. v. Humboldt begründete Pflanzengeographie erfuhr zuerſt eine umfaſſende Bearbeitung durch Schouw; um ſte hat ſich auch Wahlenberg verdient gemacht. Zur Lehre von den Stand— örtern wurden in neueſter Zeit von Unger und Heer zahlreiche Beobachtungen geliefert. . Was die Fortſchritte der Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen feit Erfindung der Mikroskope betrifft, fo wur⸗ den die erſten Entdeckungen hiemit erſt in der zweiten Hälfte des t7ten Jahrhunderts gemacht. 1661 ſchon erkannte Hen- ſhaw die Tracheen. Die Gründer der Pflanzenanatomie find aber Malpighi und Grew. Der erſtere legte feine Unter— ſuchungen 1671 der Royal Society zu London vor, und fie erſchienen auf Koften derſelben 1676. Er erkannte beſſer als Grew die Interzellulargänge, Lage der Tracheen, den Zweck der Kotyledonen, und beobachtete die Sporen mehrerer Kryp— togamen. Grew beobachtete gleich dem vorigen faſt alle Ele- mentorgane, auſſerdem die Organe der Blume, und hatte von der Sexualität der Pflanzen ſehr richtige Begriffe. Im 18ten Jahrhundert geſchah nichts für die Pflanzenanatomie; im

Botanik. 6 57

19ten wurde fie in Deutſchland durch een Rudolphi, Kieſer, Link mit größtem Erfolge wieder aufgenommen. Ihnen folgten Mirbel, die Treviranus, Mohl, Meyen, Corda u. A. nach. Am Ende des (7ten Jahrhunderts erhob ſich in Frank— reich eine eigene Schule, der iatromathematiſchen vergleichbar, bemüht, die Erſcheinungen des Pflanzenlebens auf mechanifche Weiſe zu erklären. Perrault, de la Hire, Mariotte, Dodart gehörten zu ihr. Mit Uebergehung der noch wenig erfolg— reichen Verſuche Magnol's, Woodward's, Neuwentyt's, Wolf's 20. führen wir als ausgezeichnete Forſcher im Gebiete des

Pflanzenlebens Hales on, deſſen Statik der Gewächſe 1727 erſchien; ferner Duhamel de Monccau, welcher in feiner Phy- sique des arbres. 4. Par. 1758. großes Beobachtungstalent ent— wickelte; Guettard, Sennebier, Bonnet, de Saußüre, Ingen— houß, Prieſtley, durch deren Verſuche das wahre Verhältniß der Reſpiration und Exhalation der Pflanzen ermittelt wurde. Bald begann die immer vollkommener aufblühende Chemie Einfluß auf die Pflanzenphyſtologie zu äußern. In Köhlreu— ter's, Schrader's, Theod. de Saußüre's Werken find die Keime der Pflanzenchemie niedergelegt, die in jenen von John, Davy, Chaptal, Hermbſtädt, Runge, Berzelius, Chevreul, Raspail ſich weiter entwickelten. Die erſte Darſtellung einer Entwicklungs⸗ geſchichte der Pflanze gab Göthe in dem „Verſuch die Metamor— phoſe der Pflanzen zu erklären“ ſchon 1790; eine noch tiefer gehende Meyer in der Linnaea 1832. Oken's eigenthüm⸗ liches, zuletzt in ſeinem Lehrbuch der Naturphiloſophie 1831 entwickeltes Pflanzenſuſtem iſt auf die morphologiſchen und Entwicklungsverhältniſſe gegründet. Unter den neuern Phyto— Phyſtologen nennen wir noch Turpin, Brißeau, Mirbel, Corti, Virey, Dutrochet, Keith, Agardh, die beiden Treviranus, vor— züglich Chriſtian Ludwig T., C. G. Biſchof, Rothe, Schulz, Mohl, Reum und de Candolle, deſſen umfaſſendes Werk über Pflanzenphyſtologie durch Röper's deutſche Bearbeitung unge mein gewonnen hat. Die Geſetze der Blattſtellung wurden von Schimper und Braun entwickelt.

Neben der Kenntniß des Pflanzenorganismus hat ſich auch die Zahl der beſchriebenen Pflanzen ungemein vermehrt. Linns kannte etwa 8000 Spezies, Sprengel zählte 1825 28 etwa 44,000 auf; ſeitdem ſind wenigſtens 16000 neue beſchrieben worden.

Die mediziniſche Botanik wurde beſonders bearbeitet von Graumüller, Dierbach, de Candolle, Richard, Heyne, Nees v. Eſenbeck, Koſteletzey. Die ökonomiſche und Forſtbo— tanik von zahlreichen Schriftſtellern, unter welchen wir nur

38 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Whiſtling, Dumont de Courſet, Bechſtein und Hundes hagen nennen.

Die Botanik im Allgemeinen, ſo wichtig als Wiſſenſchaft nud für das Leben, hatte ſich mannigfacher Begünſtigung von Seite der Regierungen und Privaten zu erfreuen. Zahlreiche Lehrſtühle wurden für fie errichtet, botaniſche Reiſen von Gou⸗ vernements, Vereinen und Privaten veranſtaltet, das Erſchei⸗ nen ungemein vieler Prachtwerke möglich gemacht, reiche Bibliotheken, Herbarien und botaniſche Gärten an⸗ gelegt. Der Urſprung der letztern verliert ſich in's graue Alterthum. Wir übergehen die Gärten der Hekate und Medea in Colchis, Theophraſt's Garten in Athen, jene der Könige Attalus Philometor und Mithridates, des Antonius Caſtor, und die, welche Karl d. G. bei den kaiſerlichen Pfalzen und Burgen anlegen ließ. Der erſte eigentlich botaniſche Garten wurde von Matthaeus Sylvatikus im Anfang des Aten Jahr⸗ hunderts zu Salerno, jenem Glanzpunkt mittelalterlicher Medi⸗ zin und Naturwiſſenſchaft eingerichtet. 1433 ließ die Republik Venedig einen öffentlichen medieiniſchen Garten anlegen; einen andern faſt gleichzeitig Alphons von Eſte in Ferrara, worauf botaniſche Gärten in Padua, Piſa, Pavia, Montpellier, Ley⸗ den 1577, Paris 1633, und ſpäter in ganz Europa und einigen Hauptſtädten ſogar der übrigen Erdtheile gegründet wurden. Bei fo unermeßlichen Anſtrengungen, fo allgemeiner Theil— nahme darf man ſich nicht wundern, wenn die Botanik eine Vollendung erreicht hat, wie vielleicht keine andere Natur⸗ wiſſenſchaft. Es ſcheint, als könne ſte wirklich keine bedeu> tenden Fortſchritte mehr machen, wenn nicht wieder ein großer

Genius erſteht, welcher für ſie eine neue Richtung eröffnet.

Zeitſchriften für Botanik find: Linnaea, herausgegeben von Schlechtendal ſeit 1826; Flora oder bot. Zeitung, Regensburg ſeit 1818; und ſeit 1834 eine eigene Sektion der Annales des scienc. nat. etc.

Bon Spezialwerken und Syſtemen nennen wir: Caroli Lin- naei Syst. Vegetabilium, ed. XVI. cur. C. Sprengel. Vol; 1—5. Gottingae 1825—28. Tentamen Supplementi ad. ed. XVI. auet. A, Sprengel. Gotting. 1828. C. Linnaei Syst. Genera, Species Plantar. uno volum. ed. H. E. Richter. Lips. 1835. A. P. de Candolle, Prodrom. System. nat. regni veget. Vol. ı—4. Par. 1824—35, Kunth, hen) Plantar. vol. ı—3. Tüb. 1824—36. de Lamarck, Encycl. meth. Botanique. vol. IV. Par. 1783—96. Contin. par Poiret. vol. V- VIII. Par. 1804-8. Supp. p. Poiret. vol. I-V. Par. 1810—17. A. L. de Jussieu, Genera Plantar. sce. ord. nat. disp. Par. 1789. Gen. Plant. meth. nat. disp.

Zoologie. 39 auct. St. Endlicher. Vienn. 1836-37. An Introduction to the natur. Syst. of Botany etc. by Lindley. Lond, 1820. Bartling, Ordines naturales Plantarum etc. Gotting. 1830. Von den zahlreichen kleinern Werken zum Beſtimmen der am häufigſten vorkommenden Pflanzen und den Floren Deutſchlands führen wir nur an: | H. F. Link, Handb. zur Erkennung der nutzbarſten und am bäufisiten vorkomm. Gewächſe. 3 Thl. Berl. 1829—33. (Nach d.

nat. Syſtem.) Mößler's Handb. der Gewächskunde ze. 3te

Aufl. von H. G. L. Reichenbach. 3 Bde. Altona 1833—34, (Linn. Syſt.) Röhling's Flora Deutſchlands. 3te Aufl. bearb. von Koch und Martens. Bd. 1—4. 1824—33. Synopsis Florae Germanic. et Helvetic. auct. G. D. J. Koch, Francof. ad Moen. 1836.

Von allgemeinen Werken für Theorie und Lehrbüchern: C. Linnaei, Philosophia botanica etc. ed. 4. stud. C. Sprengel. Hal. 1809. Willdenow, Grundriß d. Kräuterkunde. 7te Aufl. Herausgeg. von H. F. Link. Berl. 1831. A. P. de Candolle, Theor. element. de la Botanique. ade ed. Par. 1819. Elemens

de Physiologie veget. et de Bot. par Brisseau-Mirbel. Par. 1815. Link, Elementa philos. botan. Berol. 1824. Grundz. der Anfangsgr. der Bot. v. Lindley. Aus d. engl. Weim. Ind. Kompt. 1831. A. Richard, neuer Grundr. der Bot. u. d. Pflanzenphyſtologie, überſ. nach der Aten Ausg. von M. B. Kittel. 2te Aufl. Nbg. 1831. Agardh, Lehrb. der Botanik. ite Abth. Organographie. Aus dem Schwed. von L. Meyer. Kopenh. 183 t. 2te Abth. Biologie; überſ. v. Creplin. Greifsw. 1833. De Candolle, Organographie vegetale. 2 vol. Par. 1827. (Ueberſ. von Meisner.) Id. Physiologie vegetale. 3 vol. Par. 1832. (Ueberſ. von Röper.) Lehrb. d. Bot. von Dr. G. W. Biſchoff. ir Bd. 1834. 2r Bd. ir Th. 1836. Stuttg. Al. de Can- dolle, Introduction a l’&tude de la Botanique etc. 2 vol. Par. 1835.

Von Engelmann war 1835 eine „Bibliotheca botanica, oder Verzeichniß der von 1750 1835 in Deutſchland und angrenz. Ländern erſchienenen Bücher über das ganze Gebiet der Pflan— zenkunde“ angekündigt, von welcher ich nicht weiß, ob fie er⸗ ſchienen iſt.

Seit längerer Zeit werden auch Sammlungen geingäneter Pflanzen herausgegeben, fo von Funke (Kryptogamen), Jür⸗ gens (Waſſeralgen), Reichenbach (Phanerogamen), Schärer (Flechten), Kützing (Süßwaſſeralgen) ıc.

5 3oologie.

Lit. Spir, Geſchichte und Beurtheilung aller Syſteme in der Zoologie. Nbg. 1811. Für Geſch. der Herpetologie vergl.

60

Geſchichte der Men e i

man: Dumeril, Erpetologie generale, vol. 1. Par. 1834. p. 225

34. Für Geſch. der Ichthyologie: Cuvier et Valenciennes

Hist. nat. des poissons vol. 1. Für Geſch. der Entomologie: Eiſelt, Geſchichte, Syſtematik und Literatur der Inſekten⸗— kunde ꝛc. Lpzg. 1836. Für Gefch. der Helminthologie:

Rudolpbi, Entozoorum historia naturalis. vol. 1. Für Geſch.

der Phytozoologie: Ehrenberg, Denkſchr. d. k. Akad. zu Berlin, Jahrg. 1832. Seite 228. Für Geſch. der Kenntniß der Infuſorien: Ehren berg, daſelbſt, Jahrg. 1830 S. 3. Für Fortſchritte der geſammten Z. in den letzten 3 Jahren: Wiegmann's Berichte in ſeinem Arch. f. Naturgeſch. unter Mitwirkung von Burmeiſter.

Gründer der Zoologie iſt Ariſtoteles, geb. 384 v. Chr. zu Stagira, geſt. 322 v. Chr. Leider ſind von feinen zoologiſchen Schriften nur 9 Bücher, „ire Co iorogiag“ auf uns ges kommen. In denſelben werden die Thiere der umfaſſendſten Betrachtung, nach Aehnlichkeit und Verſchiedenheit, Lebens- art, Sitten, Organen, Entwicklung und ſogar (was die Neuern faſt gänzlich vernachläßigen,) nach ihren pſychiſchen Eigenſchaften unterworfen. Als Muſter wird gleich im erſten Buch der Menſch meiſterhaft geſchildert. Die Thiere werden in 2 große Abtheilungen: ſolche mit, und ſolche ohne Blut gebracht, und die Blutthiere nach den Extremitäten, die Blut- loſen gemäß der Lage der weichen und harten Theile nach— innen oder auſſen in Klaſſen getheilt, wovon ſich einige mehr oder weniger bis jetzt erhalten haben. Die zwei letzten Bücher handeln faſt allein von den Seelenvermögen, den Verhältniſſen der Thiere unter ſich nach Geſchlecht, Familien und ganzen Klaſſen. Im sten Buch wird auch von der innigen Verwandt— ſchaft der unbelebten und belebten Natur, der Pflanzen mit den Zoophyten geſprochen. Kein Zoolog nach A. hat feine Univerſalität erreicht. Doch iſt der von ihm gebotene Neich- thum kein ſyſtematiſches Ganze, ſondern ein Untereinander von Beobachtungen und Anſichten. Obwohl ein Gegner der Spekulation, übt er doch Häufig die Abſtraktion und liebt am Ende weitläufiger Unterſuchungen zu generaliſiren. Eraſiſtratus und Herophilus, Schüler des Ariſtoteles, haben mehr Verdienſte um Anatomie, als um Zoolo— gie. Nikander von Kolophon lieferte in ſeinen poetiſchen Werken Ongıaxov und AlzEıpaguoxov Beſchreibungen von dem Aeußern der Giftſchlangen, Skorpionen, Spinnen, eini⸗ ger Inſekten ic. In Nom wurde für die Zoologie wenig geleiſtet. Deſto beſſer verſtand ſein welteroberndes Volk die Thierwelt zur ungeheuerſten Schwelgerei zu mißbrauchen.

Zoologie. 61

So legte Fulvius Hirpinus Inguorgopeia für Nage⸗ und Schalthiere an, Laenius Strabo u. A. Aviaria, Sergius Orata Auſterbehältniſſe, Lueinius Murgena Piszinen. Bei den Triumphgaſtmalen der ſpätern Konſuln und der Kaiſer wurden Tauſende ſeltener und koſtbarer Thiere verzehrt, und in den Spielen des Cirkus kamen zur Beluſtigung des römi— ſchen Pöbels andere Tauſende wilder Thiere um, welche man, wie Elephanten, Rhinozeroſſe, Panther, Löwen, Tiger, Kro— kodille ꝛe., ja ſogar Giraffen und Nilpferde aus dem innern Afrika und Aſten herbeigeſchafft hatte. Die reichen Römer beſchäftigten ſich auf ihren Villen mit der Viehzucht, worüber Cato, Varro, Columella, Palladius Bemerkungen gaben, wäh— rend Virgil die Zucht der Bienen und anderer Hausthiere beſang, Vegetius über ihre Krankheiten ſchrieb. Dioskorides hat in feinem Pflanzenwerke auch Notizen über Arzneithiere geliefert. Plinius handelt im sten, 9ten, toten und titten Buche feiner Hist. nat. von den Thieren, welche er nach dem Aufenthalt in Land-, Waffer-, Luftthiere und Inſekten theilt, und fie unter bieſen Rubriken ohne weitere Ordnung abhandelt. Zu den Zeiten Mark Aurels ſchrieb der Grieche. Aelian eine Historia animalium in 17 Büchern, eigentlich nur. eine große Anekdotenſammlung. Oppian befang im A2ten Jahrhundert n. Chr. die Jagd. Die anatomiſchen Arbeiten des Galenos von Pergamus äußerten keinen Einfluß auf die Zoologie. Im 7ten Jahrhundert n. Chr. trat abermals ein Polphiſtor auf, Iſidor von Sevilla, welcher nach des Pli— nius Weiſe Natur und Menſchheit zu umfaſſen ſuchte. Im 12ten Buche ſeines Werkes handelt er von den Thieren, welche er nach Aufenthalt, Habitus und Größe abhandelt, und viel Mühe auf die Etymologie ihrer Namen verwendet. Unter den Arabern erſchienen einige berühmte Aerzte oder Schrift— ſteller, welche ſich um die Naturgeſchichte überhaupt verdient machten, wie Meſue, Rhazes, Avicenna, Averrhoes, Hamdalla Abuber, Mahomed Zaman. In der darauf folgenden mittel— alterlichen Zeit ſah man in der Natur gleichſam eine ſymbo— liſche Darſtellung der Geiſteswelt, und ſuchte beider Erſchei— nungen in Parallele zu ſtellen, und auseinander zu erklären. Man glaubte allgemein an Sympathieen und Antipathieen, geheime Kräfte, verborgene Bedeutung. In der Zoologie jener Zeit lebten viele fabelhafte Ungeheuer der Vorwelt wie— der auf. So in den Werken des Albertus M., geſt. 1280. Im übrigen hielten ſich ſowohl dieſer als Konrad Meyenberg u. A. an Plinius. Mit der Entdeckung der fremden Welt— theile begiengen die Reiſenden dahin denſelben Irrthum, in

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Geſchichte der Naturwiffenfchaften.

Bezug auf die Thierwelt, wie auf die Pflanzenwelt, indem fie überall unſere Thierformen zu erkennen glaubten. Ihre Ausleger machten einen andern Fehler, und verwarfen viele Thiere als fabelhaft, deren wirkliche Exiſtenz die neuere Zeit bewieſen hat. Größer als Zoolog, denn als Botaniker ſteht Konr. Geßner da. Er berückſichtigte bei den Thieren Namen, Vaterland, Sitten, Anatomie, mediziniſchen und ökonomiſchen Nutzen, und feine Hist. animalium wuchs durch literariſchen und grammatikaliſchen Aufwand zu 5 Folianten an, in deren jedem die Thiere alphabetiſch geordnet ſind. Der tte enthält die lebendiggebährenden Quadrupeden, der 2te die eierlegenden; der Ste die Vögel und Fledermäuſe; der Ate die Fiſche und ſämmtlichen übrigen Waſſerthiere; der ste die Drachen und Schlangen. Die Inſekten fehlen. Etwa gleichzeitig mit Geßner in Deutſchland, wirkten der im Geiſte des Ariſtoteles arbeitende, zahlreiche Verbeſſerungen des Syſtems einführende Wotton in England, Belon und Rondelet in Frankreich, Salviani, Ulyſſes Aldrovand in Italien. Das 11 Foliobände ſtarke Werk des Letztern iſt merkwürdig durch rieſenhafte

Beleſenheit. Jonſton's theatrum animalium iſt eigentlich nur

ein Auszug aus demſelben. Auf beide zugleich iſt das Onoma- sticon Zoicon des Charleton gegründet. Im t7ten Sahrhuns dert begann eine lebhaftere Entwicklung der Zoologie, auf welche die großen anatomiſchen und phyſtologiſchen Entderfun- gen deſſelben einzuwirken begannen. Der größte Zoolog dieſes Jahrhunderts iſt Ray, geb. 1628, geſt. 1705, der endlich die Zoologie von ihrem literariſchen Ballaſte befreite. Er folgt dem Ariſtoteles in Eintheilung der Thiere mit und ohne Blut, nimmt aber bei den höhern auf Lungen und Bronchien, Herz, Fortpflanzung und Aufenthalt Rückſicht,, und hebt überall das ausgezeichnetſte Merkmal für die Klaſſe hervor. Er zuerſt nahm in fein Syſtem die exotiſchen, von Hernandez, Piſo, Maregrav, Sloane, Rochefort beſchriebenen Thiere auf. Gleich Geßner und Aldrovand ließ er den Menſchen aus der Zoologie weg. Er iſt nicht Schöpfer eines neuen Sy⸗ ſtems, aber höchſt verdient um die Verbeſſerung der frü— hern. Neben Ray glänzten Willughby, Imperati, Fab. Columna. Gegen das Ende des tyten Jahrhunderts wur⸗ den auch die niedern Thiere allmälig bearbeitet: Inſekten von Swammerdam, der Seidenſchmetterling von Malpighi, Infuſorien und Spermatozoen von Leuwenhoek. Klein, geb. 1674, geſt. 1759, hat mehr Verdienſte wegen ſeinen monographiſchen Arbeiten, als wegen feines abentheuerlichen, dem Linne'ſchen entgegengeſtellten Thierſyſtem's, was er mit

} Ä Zoologie. 63

der ſteifeſten Konſequenz auf die Extremitäten gründete. Nie durfte man hoffen, in der Zoologie ſo rein künſtliche, auf einzelne Merkmale gegründete Syſteme durchführen zu können, wie in der Botanik. Solche Verſuche ſcheiterten bald an dem natürlichen Gefühl des Wahren. Linné's Verdienſte um die Zoologie waren eben ſo groß als um die Botanik.

Der alten Eintheilung der Natur in 3 Reiche getreu bleibend, entwarf er ein klares und umfaſſendes Schema von Klaſſe, Ordnung, Sippe, Familie, Art, ſetzte allen ihre Charaktere voraus, fügte den Arten die Synonymie bei, nebſt der Be— ſchreibung, und ſchloß mit Bemerkungen über Lebensart, Vaterland, Aufenthalt, Nutzen ze. Sein allbekanntes Thier— ſyſtem enthält 6 Klaſſen, die nach dem Blut und Bau des Herzens unter 3 Abtheilungen gebracht werden. Die beiden Klaſſen einer jeden Abth. werden unterſchieden nach dem Leben— diggebären oder Eierlegen, Athmen durch Lungen oder Kiemen, Fühlhörnern oder Fühlfäden. Freßwerkzeuge, Extremitäten, äußere Bedeckung liefern die Kennzeichen der Ordnungen. Von der 6ten Ausgabe an werden die Lithophyten zu den Thieren, erſt in der tꝛten die Cetaceen zu den Mammalien verſetzt. Von der toten an werden, was ein Rückſchritt war, die Knorpelfiſche von den Fiſchen weggenommen, und zu den Amphibien gebracht. Die mangelhafte Kenntniß des innern Baues ſchadete beſonders viel bei den beiden letzten Klaſſen, Inſekten und Würmern. Bei allen Mängeln nützte aber Linn®s Syſtem ungemein, und verbreitete fich über ganz Europa. Allerdings verdankte L. bei den immer vollkommenern Ausgaben deſſelben ungemein viel den Arbeiten ſeiner Schüler und Freunde. Kurz vor L., neben oder bald nach ihm mach— ten ſich um die Zoologie verdient: für Säugthiere und Vögel: Friſch, Möhring, Storr, Leske, Briſſon, Pallas, Edwards, Pennant, Catesby, Shaw, Latham, Bechſtein; für Reptilien: Schöpf, Laurenti, Röſel, Schneider, Ruſſel; für Fiſche: Artedi, Gronov, Brünnich, Gouan, Bloch; für Inſekten ꝛc.: Liſter, Stoll, Sepp, Lyonnet, Reaumür, auſſerdem in vielen andern Theilen der Naturwiſſenſchaft Hohes leiſtend, geb. 1683, geſt. 1757; de Geer, Cramer, Geoffroy, Bonnet, Röſel, Herbſt, Schäffer, Clerk, Roſſt, Hellwig, Fabricius, geb. 1743, geſt. 1808, Gründer eines eigenen auf die Freßwerkzeuge gebauten Syſtems der Inſekten, und Verfaſſer zahlreicher Spezialwerke;

für Mollusken: Liſter, Gualtiert, Born, da Coſta, Adanſon, Martini, Chemnitz, Poli, d'Argenville, Bruguieère; für Echi— nodermen: Klein, Link; für Würmer, Polypen, Infuſorien:

Trembley, Baſter, Bohadſch, Donati, Needham, Wrisberg,

6A

Ellis, Pallas, hervorragend auch in andern Zweigen und als

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

RNeiſender, geb. 1741, geſt. 1811; Göze, Cavolini, Gleichen,

O. F. Müller, geb. 1730, geſt. 1784; Esper, Zeder, Schrank; für Verbeſſerung des Syſtems, Verwandtſchaften ꝛc.: Erx⸗ leben, Hermann, Boddaert, Batſch, Blumenbach. Seba, Rumpf lieferten koſtbare Kupferwerke; Brown, Sloane, O.“ Fabricius, Scopoli, Schrank Faunen; Kämpfer, Haſſelquiſt, Forskäl, Gmelin, Sonnerat, Sparrmann, Thunberg u. a. Reiſende zerſtreute Nachrichten. Faſt alle dieſe Männer arbei⸗

teten im Geiſt der Linné'ſchen Schule. Frankreich ſchien immer dazu beſtimmt, den Syſtemen des Nordens entgegen

zu treten. Gegen Linneé's Serualſyſtem hatten ſich die Juſſteu erhoben, gegen ſein zoologiſches und gegen alle Syſteme über⸗ haupt trat G. L. Leclere von Buffon, geb. 1707, geſt. 1788 auf. Der Entwurf zu ſeiner großen Naturgeſchichte umfaßte die Erde, die 3 Reiche und den Menſchen, kam aber nur zum Theil zur Ausführung. Von 1739—49 lieferte B. mit Dau⸗ benton die erſten 3 Bde., bis 1767 noch 12 andere dieſes Werkes, in welchen ſich Beredtſamkeit des Plinius und Scharf— ſinn des Ariſtoteles mit Bräzifion und Kenntniß der Neuern vereinigen ſollte. 1770—83 folgten unter Mitwirkung von Montbeillard und Béxon noch 8 Bde. über die Vögel. Lace— pede lieferte für B.'s ungeheuern Plan die Cetaceen, Schlan⸗ gen und Fiſche, Latreille die Inſekten, Daudin noch beſonders die Reptilien, Bose, Digny-Naiſſy andere Theile. Mehrere der letztern hiengen ſchon der Linné ſchen Schule an. Buffon's Standpunkt iſt erhaben, fein Ideengang groß und gelehrt, ſein Styl edel und harmoniſch. Er hat der Naturgeſchichte die Mächtigen gewonnen, aber ſeine Verachtung aller Methode würde die Wiſſenſchaft wieder in einen chaotiſchen Zuſtand geſtürzt haben, hätte ſie Anklang gefunden. Bei allem dem ſteht er in Rückſicht auf Größe feiner Anfichten und Schönheit feiner Sprache (beſonders in der Geſchichte der Erde, des Menſchen, mancher Säugthiere) unerreicht da, und muß von ſeinem Standpunkte aus gewürdigt werden. Schon mit Daubenton und Briſſon begann die Zootomie auf die zoolo⸗ giſchen Syſteme einzuwirken. Es bedurfte jedoch eines Geiſtes, der beide mit gleicher Kraft umfaſſend, und den tiefen Zuſam⸗ menhang des innern Baues und der äuſſern Erſcheinung begreifend, die gegenſeitige Durchdringung der Zoologie und Zootomie herbeiführte. Er erſchien in G. v. Cuvier. Die Reſultate ſeiner zahlreichen ſyſtematiſchen Arbeiten ſind in feinem Begne animal vereinigt, welches 1817 in 4, 1829—30 in 5 Bänden erſchien. In beiden Ausgaben hat indeß Latreille

Zoologie. a 63

die Gliederthiere mit artikulirten Füßen bearbeitet. Cuviers univerſelle Anſchauung der Thierwelt, und Durchführung ſeiner Prinzipien bis herab zu den Sippen, wurde freilich nur mög— lich durch zahlreiche Arbeiten ſeiner Zeitgenoſſen. Männer ſeiner Art erſcheinen meiſtens nur als die erſten Repräſentan— ten einer allgemeinen großartigen Bewegung in ihrer Wir— kungsphäre. Cuvier bildete aus dem Thierreich 4 Divifionen und 19 Klaſſen. Der oberſte Gegenſatz iſt auch ihm, nach Lamarck's Vorgang, jener der Wirbelthiere und Wirbelloſen, zu welch letztern 3 Diviſtonen gehören, die vorzüglich auf den verſchiedenen Typus des Nervenſyſtems, und die hiedurch begründete Verſchiedenheit der Geſtalt gebaut ſind. Die Klaſſen der Wirbelthiere ſind gebildet nach den Organen des Kreis— laufs und Athmens, welche wieder jene der Bewegung beſtim— men; jene der Weichthiere nach der allgemeinen Körperform, bedingt hauptſächlich durch die Bildung des Mantels und nach vorhandenem oder fehlendem Kopf; jene der Gliederthiere zuerſt nach dem Bau der Bewegungsorgane, dann nach der Glie— derung des ganzen Leibes, den Athmungswerkzeugen und dem

Gefäßſyſtem; die Klaſſen der Strahl- oder Pflanzenthiere endlich <

nach äußerer Geſtalt und ſtufenweis unvollkommenerm Bau. Allenthalben iſt den vegetativen Organen des Athmens und Kreislaufs der Vorzug vor den animalen eingeräumt. Linné's 4 Wirbelthierklaſſen ſind geblieben; aus deſſen Inſekten und Würmern allein hat C. 15 Klaſſen gebildet. Das zoolo⸗ giſche Syſtem Oken's iſt ganz eigenthümlich. Nur die ganze Thierwelt ſtelle das vollkommene Thier dar, und die einzelnen Thiere ſeien nur Fragmente deſſelben, in welchen ein Organ, Syſtem ꝛc. beſonders ausgebildet ſei. Das Thierreich ſei ferner nur das auseinander gelegte höchſte Thier, oder der Menſch. Je niedriger ein Thier, deſto einfacher ſei es, aus deſto weniger Organen beſtehe es. Die Thierformen würden, indem nach einer beſtimmten Folge ſtets neue Organe zuträten, im— mer vollkommener. So ſeien alle wirbelloſen Thiere Haut— oder Gefühlthiere, die Wirbelthiere Sinnenthiere: die Fiſche Zungen-, die Reptilien Naſen-, die Vögel Ohren-, die Sucke Augenthiere. Die Geſchlechts- und Taſtorgane wären Entwick— lungen der Haut; die Hautthiere oder Wirbelloſen zerſielen ſonach in Keimthiere, (Polypen, Infuſorien, Quallen) Ge— ſchlechtsthiere, (Mollusken) Taſtthiere, (Inſekten). Dieſel— ben 7 Hauptabtheilungen entſtünden auch bei der Eintheilung nach den vegetativen und animalen Syſtemen. Das ganze Thierreich zerfiele in ein vegetatives und animales Land. Dem erſtern gehörten alle Ader-, Darm- und Lungenthiere

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

(Wirbelloſen) mit 9 Klaſſen, dem letztern alle Fleiſch- oder Sinnenthiere (Wirbelth.) mit 4 Klaſſen an. An Logik und Konſequenz ſteht dieſes Syſtem unſtreitig am höchſten. Die Richtigkeit der als ausgemacht angenommenen Prinzipien, die Richtigkeit der Organ- und Syſtemfolge zu prüfen, kann erſt Aufgabe des sten Buches dieſes Werkes fein. Es folgen nur ſehr kurz die vorzüglichſten Zoologen der neuern und neueſten Zeit. Für Säugthiere: Azara, Illiger, Spit, Fr. Cuvier, Geoffroy St. Hilaire, berühmt auch durch ſeine phi— loſophiſchen Anſichten über die Thierwelt, und feine teratolo— giſchen Arbeiten, geb. 1772; Rüppel, Prinz Max v. Neuwied, Lichtenſtein, Richardſon, Griffith, Fiſcher, Andr. Wagner; für Vögel: Levaillant, Audubon, Vieillot, Temmink, Wagler, Swainſon, Wilſon, Ch. Luc. Bonaparte, Leſſon, Savi, Nau— mann, Brehm, Gloger und mehrere der bei den Säugthieren genannten; Reptilien: Brongniart, Merrem, Dumeril, Bibron, Wagler, Fitzinger, Gravenhorſt, Wiegmann, Harlan; Fiſche: G. v. Cuvier, Valenciennes, Bennet, Eckſtröm, Fäler, Agaſſiz, Mad. Bowdich (geb. Lee); für Mollusken: v. Lamark, um die Geſchichte der wirbelloſen ungegliederten Thiere überhaupt hoch verdient, geb. 1744, geſt. 1829; Draparnaud, Peron, de Ferußac, Kiener, Nang, Nilsſon, Pfeiffer, Roßmäßler, Schmid, Menke; für Cruſtazeen: Jurine, Desmareſt, Roux, Milne Edwards; für Arachniden: Walkenaer, Hermann, Duges, Hahn; für Inſekten: Olivier, Clairville, Paliſot de Beau— vois, Savigny, Latreille, „princeps Entomologorumé“ geb. 1762, geſt. 1833, welcher dem künſtlichen Fabriciſchen Syſtem ein mehr natürliches entgegen ſetzte, der Entomologie allgemeine Verbreitung und Anerkennung erwarb, auſſerdem die Repti— lien bearbeitete und das ganze Thierreich in natürliche Fami— lien theilte; Flliger, Jurine, Panzer, Paykull, Bonelli, Gra— venhorſt, Germar, Dalman, Meigen, Wiedemann, Huber, Kirby, Spence, Stephens, Curtis, Weſtwood, Hope, Bur— meiſter, Solier, Serville, Lepelletier, Rob. Desvoidy, Guerin, Macquart, Bois-Duval, Dejean, Schönherr, Gyllenhal, Fallen, Klug, Hübner, Ochſenheimer, Treitſchke u. v. A.; für Anneliden: Audouin, Moquin-Tandon; für Enthelmin⸗ then: Nudolphi, v. Nordmann, Bremſer, Leuckart, Creplin; für Quallen: Eſchſcholtz, Peron, Lefueur, Quoy, Gaimard; für Polypen: Lamouroux, Napp; für Infuſorien: Nitzſch, Bory de St. Vincent, Ehrenberg, geb. 1795, berühmt auffer- dem durch feine Reiſen in Aegypten, Arabien ꝛc. und die hier- auf gegründeten Symbolae Physicae; v. Siebold, Czermak; für mehrere Klaſſen: Blainville, Leach, Say, Riſſo, Faber,

Zoologie. 67

Bojanus, Schweigger, Savigny, Fifcher von Waldheim, Eich— wald, Gray Roux, Leſſon. Um die geographiſche Zoologie ſind verdient: Zimmermann, Minding, Fiſcher, Leſſon, Lacor— daire 26. Unter den neueſten zoologiſchen Reiſenden find beſonders zu nennen: Eſchſcholtz, Tileſius, Spix, Maklot, Kuhl, Boje, Pr. v. Neuwied, Pohl, Natterer, Hemprich und Ehrenberg, Rüppel, Quoy und Gaimard, v. Siebold, Nengger, Pöppig, Belanger, d'Orbigny ze, Auſſer den allgemeinen die Naturgeſchichte fördernden gelehrten Geſellſchaften haben ſich für Zoologie oder einzelne Zweige derſelben noch beſondere

Vereine gebildet: ſo die Zoological Society, Entomological

Society zu London; die Société entomologique de France zu Paris. Die Zoological Soc. iſt im Beſitz einer ſehr großen Menagerie; eine noch größere findet ſich im Jardin des plantes zu Paris. Die größten zoologiſchen Sammlungen ſind jene des brittiſchen Muſeums, der Zoological Society, des Jardin des plantes, der Univerſttät zu Berlin, des Senkenberg'ſchen In— ſtituts; die kaiſerliche Sammlung zu Wien ꝛc. Große Pri— vatſammlungen exiſtiren beſonders für Conchylien, ſo jene des Herzogs von Maſſena, v. Lamarck's, des Herzogs von Sachſen-Gotha und Inſekten, von welchen ich nur die von Dejean, Dupont, Bois-Duval in Paris; Hope, Stephens in London; Eſcher-Zollikofer in Zürich, und Sturm in Nürn- berg anführe.

Zeitſchriften für Zoologie find auſſer den allgem. naturhi— ſtoriſchen das Zoological Journal, die Proceedings of the Zoologic. Society, Annales de la Société entomologiqne de France, Klug' 8 Jahrbuch der Entomologie ꝛc.

Von allgemeinen zoologiſchen Spezialwerken exiſtirt nur eines: Car. Linné syst. nat. etc. edit. 13. cura J. F. Gmelin. tom. I. pars 1—7. Lips. 1788. Unter den Syſtemen und Kom— pendien ſteht noch immer zu höchſt Cuvier, le reghe animal ae edit., welchem ſich die neue von einem Verein bearbeitete Iconographie du regne animal anſchließt. Cuviers Werk hat durch Griffith eine engliſche, durch Voigt eine deutſche Bear— beitung erhalten. Sonſt iſt zu nennen: Oken, Lehrbuch der 3. 2 Abth. m. K. Jena 1815— 16. Zoologia specialis etc. ed. D. E. Eichwald, 3 vol. Vilnae 1829—31. 8. Unter den zahlreichen kleinern deutſchen Werken iſt ausgezeichnet durch Klarheit und Präziſton: Goldfuß, Grundriß der 3. 2te Aufl. Nürnb. 1834. Von populären Werken führen wir an: Kaup, das Thierreich in feinen Hauptformen ſyſtem. befchr. 1 Bd. Darmſt. 1835. u. Milne Edwards Elemens de Z. ıre part. Anat. et Phys. 2e part. Mam- miferes. Zme part, Oiseaux, Reptiles, Poissons. Par. 183435.

68 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

J. Anatomie und Phyſiologie der Thiere.

Lit. Chr. Fr. Ludwig, Historiae anatomiae et physiologiae com- parantis brevis expositio. Lips. 1787. 4. Albr. v. a Bib- liotheca anatomica. 2. tom. Tigur. 1774. 4. Choulant, Gefch. der Anatomie in Pierer's mediz. Wörterb. ster Bd. Carus, Ueberſ. der neuen Arbeiten f. vergl. A. und Ph. im neueſten Journal der Erfind. Theor. und Widerſprüche. Bd. 2. St. 4. G. Fiſcher, über den jetzigen Zuſtand d. vergl. A. und Ph. in Frankreich, in Reil's Arch. f. Ph. Bd. 4 Heft. 1. Für Gefch. der vergl. A. und Ph. ſowohl, als überhaupt aller noch folgenden Naturwiſſenſchaften iſt wichtig: K. Sprengel's Verſuch einer pragmatiſchen Geſch. d. Medizin. 5 Bde. Halle 1792— 1803,

Die Zootomie iſt älter, als die Anthropotomie, obwohl ſie ſpäter als dieſe ſich auszubilden begann vernachläßigt wurde, und deßhalb, ſo wie wegen der Unermeßlichkeit ihrer Aufgabe, noch ſehr weit von ihrem Ziel entfernt iſt. Lange ehe man gegen die religiöſen und bürgerlichen Vorurtheile es wagen durfte, menſchliche Leichen zu zergliedern, wurden Thiere geöffnet, und die wenige Kenntniß der älteſten Aerzte vom Baue des menſchlichen Körpers iſt großentheils auf die Analogie des bei Thieren gefundenen gegründet. Die Kenntniſſe, welche aus den Thieropfern und der Waͤhrſagung aus den Eingeweiden geſchlachteter Thiere floßen, waren ſicher höchſt dürftig. Alkmäon, Anaxagoras und Demokrit, beſonders letzterer, ſcheinen zuerſt Thiere nach ihrem innern Bau wiffen- ſchaftlich unterfucht zu haben. Als der wahre Begründer der Zootomie muß indeß Ariſtoteles angeſehen werden. Er zer— gliederte nicht nur Wirbelthiere, ſondern ſchon Cephalopo— den, und verweist bei dieſen zur Erläuterung ſogar auf anatomiſche Abbildungen. Herophilus und Eraſiſtratus waren als Anatomen und Zootomen berühmt. Der Letztere ent— deckte im Pferde die Venen und Arterien, (hielt aber dieſe für Luftgefäße) und berichtigte die Meinung ſeines Lehrers Ariſtoteles dahin, daß die Nerven nicht vom Herzen, ſon— dern vom Gehirn kämen. Galen, geb. 151 n. Chr., hat ohne Zweifel viele Thiere zergliedert, und räth, zur Aufklä— rung des Baues des Menſchen wiederholt, menſchenähnliche

Thiere zu zerlegen. Nach ſolchen, z. B. nach ungefchwänzten Affen mit weniger vortretenden Kinnladen, gab er auch vorzüg— lich ſeine anatomiſchen Beſchreibungen. Durch Plinius wurde die 3. kaum bereichert; wenig durch Aelian. Als die erſten Thieranatomen nach dem Mittelalter find Rondelet, Reald. „Columbus, Coiter und Aldrovand zu nennen. Erſt im teten

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Anatomie und Bhnfiologie der Thiere. 69

Jahrhundert blühte die Zootomie raſcher auf. In dieſe Zeit fallen die großen Entdeckungen und Arbeiten eines Harvey, Fabricius ab Aquapendente, Severinus (Verf. der Zootomia Democritaea 1645, in welcher die 3. zuerſt als eigene Wiſſen⸗ ſchaft bearbeitet wurde), Redi, durch ſeine Beobachtungen über Entſtehung der Thiere berühmt, Malpighi, Perrault, Blaſtus, Muraltus, Duvernoy, Tyſon, Collins u. A. Aſelli aus Cre⸗ mona hatte ſchon 1622 die Lymphgefäße bei Thieren gefunden. Swammerdam, geb. 1637, geſt. 1680, unſterblich durch ſeine Entdeckungen in der Anatomie der Inſekten und Mollusken, verſtand die kleinſten Thiere zu zergliedern, wobei er ſich ſo feiner Meſſer bediente, daß ſie unter der Loupe geſchliffen werden mußten. Auch machte er die wichtige Erfindung, die Gefäße durch eingeſpritztes flüſſiges Wachs anzufüllen. Er und Leuwenhoek wendeten zuerſt das Mikroskop auf die Anatomie an. Im 18ten Jahrhundert lebten und wirkten Duvernoy, Gouan, Albrecht v. Haller, geb. 16. Okt. 1708, geſt. 12. Dez. 1777, Gründer der Lehre von der Frritabilität, welchem auſſerdem die Entwicklungsgeſchichte durch Beobach— tungen über das bebrütete Ei ꝛc. viel verdankt, ſo wie in ſeinen Schriften theils die umfaſſendſte Literaturkenntniß alles vor ihm in Zootomie und Thierphyſiologie Geleiſteten beurkun— det wird, theils zahlreiche eigene Unterſuchungen niedergelegt ſind; Wolff, Meyer, Steller, Pallas, Camper, Monro, Dau— benton, welcher ſehr viele Thierzergliederungen in Buffon's Naturgeſchichte gab; Leske, Geoffroy, Hewſon, Fontana, Spallanzani, Bloch, Merrem, P. F. Meckel, Galvani, Ent- decker der nach ihm benannten Elektrizität, unterſuchte auch die Zitterrochen; Cavolini, John und Will. Hunter, Schnei— der, Vieg d'Azyr ꝛc. Alle Angeführten haben vorzüglich um die anatomiſche Kenntniß der höhern Thiere Verdienſte, wäh— rend Nenumür, de Geer, Trembley, Röſel, Lyonnet, O. F. Müller jene der niedern förderten. Röſel hat ſich hiebei auch in ſeiner Naturgeſchichte der Fröſche und Kröten ein bleiben— des Denkmal geſtiftet. f

In allen vergangenen Jahrhunderten wurde für die 3. und Thierphyſiologie nicht fo viel geleiſtet, als im A9ten allein. Bis dahin war nämlich die 3. nur als Nebenſache von den meiſten Anatomen betrieben worden, und viele ſahen wohl auf ſie als eine Beſchäftigung herab, welche höchſtens für Thier— ärzte paſſe. In Frankreich eröffnete G. v. Cuvier die neueſte Epoche. Seine zootomiſchen Arbeiten begannen mit Zerglie— derung der Mollusken an der Küſte der Normandie. 1795 nach Paris berufen, 1800 an Daubentons Stelle tretend, ſetzte er

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

neben andern die Forſchungen in dieſem Gebiete ſo eifrig fort, daß die Herausgabe feiner Lecons d'anatomie comparèe durch Dumeril und Duvernoy ſchon 1805 vollendet war. Seine fortdauernden Arbeiten über Mollusken erſchienen nach und nach nebſt Zergliederungen von Thieren anderer Klaſſen in den Annal. und Mem. du Museum, aber auch 1816 in einen eigenen Band geſammelt. Der Arbeiten über die foſſilen Thiere, deren Oſteologie manches Licht auf jene der lebenden warf, haben wir bereits früher gedacht. Zahlreiche Entdeckun— gen in der Anatomie der Fiſche ſind im erſten Band der Hist. nat. des poiss. niedergelegt. Bei allem dem tft Cuvier weder zu einer genetiſchen Auffaſſung des Thierorganismus, noch zu einer organiſchen Anſchauung der Thierwelt durchgedrungen. Beſtändig in konkreten Unterſuchungen vertieft, auf allen Seiten mächtig vom Einzelnen und Partiellen gezogen, fand er in dieſem ſeine Befriedigung, wollte nicht der deutſchen Naturphiloſophie gegenüber, ſein terrain solide, wie er meinte, verlieren, und glaubte in dieſer eine metaphysique idéaliste et panthéistique zu erkennen. Die Sammlung für vergl. A. in Paris hatte Daubenton gegründet, Mertrud und Vieg d'Azyr führten fie fort, Cuvier machte fie zur erſten der Welt. Eine neue Ausgabe der Legons d’anat. compare welche Cuvier vor⸗ bereitete, erlebte er nicht mehr; es ſind bis Ende 1836 3 Bde.

| derſelben erſchienen. Neben C. glänzen in Frankreich Genf

froy St. Hilaire, Blainville, Serres, Marcel de Serres, Milne Edwards, Audouin, Leon Dufour, Strauß, Duges. In Deutſchland hatte Blumenbach durch fein 1805 zum erſtenmal erſchienenes Handbuch der vergl. A. die Bahn gebrochen. Als Gegenbild Cuviers in Deutſchland kann man J. F. Meckel, geb. 17. Okt. 1781, geſt. 31. Okt. 1833 betrachten. Schon in der mit Froriep bearbeiteten Ueberſetzung der Legons d'anat comp. und in feinen 1808 13 erſchienenen Beiträgen zur vergl. A. legte er ungemeinen Reichthum von Kenntniſſen nieder, wäh— rend ſein leider unvollendet gebliebenes „Syſtem der vergl. A.“ die ganze Maſſe ſeiner und fremder Erfahrungen umfaſſen ſollte. Der unermüdliche Fleiß im Unterſuchen, der Scharf— ſinn im Vergleichen und Parallelifiven, und die tiefe Einſicht in das Leben entſchädigen für die trockene Darſtellung und mangelhafte Gliederung dieſes Werkes. Oken, geb. 2. Aug. 1779 iſt Schöpfer der morphologiſchen Betrachtung des Thier⸗ organismus. Er bemühte ſich, die Entſtehung des Thieres aus dem empfindenden und geſchlechtlichen Schleimbläschen nachzuweiſen; wie deſſen Wand ſich zuerſt in 2 ſpalte, wobei die äußere die Athmungsblaſe, die innere den Darm bilde,

Anatomie und Phyſtologie der Thiere. ö 71

wie ſich zwiſchen beiden ein Gefäßſyſtem, und als Gegenpol deſſelben eigene Nefpirationsorgane entwickeln, wie ſich aus der ſenſibeln Punktmaſſe des Leibes ein Nervenſyſtem iſolire, wie die Bewegungsorgane, die früher nur als Hautfortfäße erſchienen wären, ſpäter ein eigenes Syſtem der Knochen und Muskeln darſtellen, wie das ganze Thier in einen vegetativen und animalen Leib zerfalle, und letzterer ſeine höchſte Entwick— lung im Kopfe und den Sinnesorganen erhalte, wie imkThiere alle Weltprozeſſe und Weltthätigkeiten ſich vereinigten ꝛc. Ein vor 2 Jahren gemachter Verſuch, die Anſicht Oken's von der Wirbelbildung des Schädels für Göthe zu vindiziren, iſt, wie billig, vereitelt worden. Oken's Grundſätze ſind großentheils von Carus, geb. 1789, angenommen, haben aber in deſſen Schriften mannigfache Erweiterung und Veränderung erlitten, wie ſie bei ſo reicher Erfahrung, konkreter Unter— ſuchung und eigenthümlich idealer Anſchauung nothwendig erfolgen mußten. Man kann ſagen, Carus ſei zu Oken's Theo— rie in ein ähnliches Verhältniß getreten, wie Robert Brown zur Methode Juſſteu's. Jene Uebereinſtimmung in den Grund—

ſätzen leuchtet natürlich mehr in jenen Werken hervor, wo wie im „Lehrbuch der Zootomie“ und den „Erläuterungstafeln,“ das Ganze des Thierorganismus dargeſtellt wird, als da wo einzelne, zum Theil noch wenig betretene Gebiete erforſcht werden, wie dieſes beſonders in den „Urtheilen des Knochen— und Schalengerüſtes“ geſchieht. Allenthalben haben ſich in Carus's Anſchauung Leben und Form des Thieres durchdrun— gen. v. Bär, in der „Entwicklungsgeſchichte der Thiere,“ und Burdach, in feiner „Phyſtologie als Erfahrungswiſſenſchaft,“ einem eben ſo ſehr durch ungemeine Beleſenheit, umfaſſende und transzendente Behandlung, wie durch ſchöne Sprache ausge— zeichnetem Werke, folgen ähnlichen Grundſätzen wie Oken und Carus, und können der naturphiloſophiſchen Schule gleich— falls beigezählt werden. In neueſter Zeit wurden die Experi— mente zur Erforſchung der Lebensthätigkeiten der Thiere ſinn— reicher und feiner angeſtellt; die Zergliederungen erreichten zum Theil eine auſſerordentliche Vollkommenheit (Herold, Strauß, Joh. Müller, Morren ꝛc.); man ſuchte mehr und mehr die Form durch das Leben, und dieſes durch die Form zu erklären. Beſonders aber wurde die früher ſehr vernachläßigte Entwick— lungsgeſchichte der Thiere von zahlreichen Forſchern bearbeitet. Nur kurz vermögen wir noch der ausgezeichnetſten zum Theil noch nicht genannten Zootomen und Zoophyſtologen zu gedenken. In Deutſchland: Spix, Bojanus, v. Göthe, Weber, Nathke, Joh. Müller, Herold, Pander, Nitzſch, Meyer, Rud. Wagner, G.

72

Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

RN. Treviranus, Purkinje und Valentin (unter Anderem Ent⸗ decker der Flimmerbewegungen), Brandt, Ratzeburg, Schmalz, Ehrenberg (welcher in neueſter Zeit die Grundlagen des Oken'ſchen Syſtems dadurch zu erſchüttern ſucht, daß er, in Folge ſeiner Entdeckungen einer vollkommenern Organiſation

der Infuſorien, Echinodermen, Meduſen, Zoophyten, die Ge—

1

=

genwart aller organischen Hauptſyſteme bei allen Thieren, daher eine relative Uebereinſtimmung derſelben nachweiſen will) ꝛc.; in Dänemark: Jacobſon; in England: Home, geb. 1756, geſt. 1832, der engliſche Meckel; Owen, Thompſon; in Italien: Rusconi, Configliachi, delle Chiaje.

Eigene Zeitſchriften für Zootomie und Zoophyſtologie exi— ſtiren nicht. Alles hiehergehörige iſt in jenen für Anatomie und Phyſtologie des Menſchen enthalten, ſo wie in den allge— meinen naturwiſſenſchaftlichen Su und ben akadem. Denkſchriften.

Von den Lehrbüchern und See führen wir an: Blu⸗ menbach, Handbuch der vergl. A. 2te Aufl. Götting. 1815. 8. Cuvier, Leons d’anat. comp. recueillis et publ. par Dumeril. 5 vol. Par. 1799 1805. 8. (Ueberſ. von Fiſcher, Meckel und Froriep. Die Bearbeitung der Letztern erſchien in 4 Bd. Lpz. 1809 10). Die neue Ausgabe des Originals hat 1835 begonnen. Home, lectures on comparativ anatomy etc. illust. by engravings. 2 vol. Lond. 1814. 4. Carus, Lehrbuch der vergl. Zootomie. 2te Aufl. 2 Bde. Lpz. 1834. 8. m. K. RNud. Wagner, Lehrbuch der vergl. A. 2 Bde. 1834—35. 8. Grant, Umriſſe der vergl. A. tſte und 2te Abth. Ueberſ. von Schmidt. 1835. 8.

K. Anatomie des Menſchen.

i t. Auſſer den ſchon bei der vergl. A. angeführten Schriften find beſonders wichtig: Lass us, essai ou discours historique et

critique sur les decouvertes faites en anatomie etc. a Paris 1783.

8. Reuss, Repertor. commentationum a societat. lit. edit. etc. Scientia et ars medica et chirurgica. Gotting. 1813. 4. Lauth, hist. de l'a. tom. 1. 2. Strassb. 1815— 16. Für die neueſte

Zeit: Müller's Jahresberichte über A. und Ph. in ſeinem

Archiv, und Valentins Ber. in ſ. Repert. Die bedeutendſten Schriften über A. finden ſich zuſammengeſtellt in Hildebrandts A. von Weber Bd. 1. S. 12. folg.

Die menſchliche A. konnte erſt dann eine vollfommenere Geſtalt gewinnen, als die Vorurtheile, welche allenthalben im Alterthume und im ganzen Mittelalter das Zergliedern von Menſchenleichen unmöglich machten oder ſehr erſchwerten,

Anatomie des Menſchen. 73 endlich aufhörten. Dieß geſchah erſt im töten Jahrhundert. Als älteſte griechiſche A. find Alkmäon, etwa 500 v. Chr., Anaxagoras, Lehrer des Sokrates, vielleicht auch Demokrit und einige Hippokratiden anzuführen. Die ächten Schriften des Hippokrates offenbaren keineswegs, daß er Anatom geweſen, oder auch nur beſondere Kenntniſſe vom Baue des Menſchen gehabt habe. Ariſtoteles ſcheint einigemal innere Theile des Menſchen unterſucht zu haben, weil er ſich über die ſelten vorkommende Gelegenheit hiezu beklagt. Praxagoras, ſein Zeit— genoſſe, war nach Galen ein verdienter Anatom. Von der alexandriniſchen Schule find um 300 v. Chr. Herophilus, welcher mehrere Entdeckungen über das Gehirn, die Nerven und Leberarterien machte, und Eraſtſtratus, welcher Einiges im Baue des Gehirns beſtimmte, und den Klappen in der Hohlvene die noch jetzt geltenden Namen gab, als die berühm— teſten A. des Alterthums bekannt, welche nach Celſus (der nebſt Galen ihre Entdeckungen geſammelt und geordnet hat), ſogar Verbrecher lebend öffneten. Galenos, geb. 131 n. Chr., hat höchſt wahrſcheinlich auch Menſchenleichen zergliedert. Seine Schriften ſtellen übrigens die Wahrnehmungen und Anſichten ſämmtlicher A. vor ihm dar, und galten im ganzen Mittelalter als unverbeſſerlicher Canon für die Aerzte, welcher manigfach, (auch unter den Arabern von Avicenna) kommentirt und erläutert wurde. G. unterſchied bei zahlreichen Irrthü— mern die Sehnen von den Nerven, beſtimmte als Quelle der letz— tern Hirn und Rückenmark, erkannte die Arterien als Blutgefäße und handelte alle Organe und Syſteme des Körpers unter beſon— dern Kapiteln ab. Mondino de Luzzi (Mundinus), Achillini, Berengar, welche im Aten Jahrh. zuerſt wieder Menſchenleichen zergliederten, vermochten nicht, Galen's Autorität bedeutend zu erfihürtern. Die Zergliederungen waren noch ſo ſelten, daß Montagnana fich rühmen konnte, 14 derſelben gemacht zu haben. Veſal, geb. 1514, war es aufbehalten, die Herrſchaft des Galen zu ſtürzen. Die Natur befragend, und auf ihre Aufklärungen hörend, drang er nach heftigem Kampfe mit der Wahrheit gegen die alten Irrthümer durch. Mit ihm beginnt die Zeit, wo es nicht mehr gefährlich und ſchwierig war, Men— ſchenleichen zu anatomiren. Euſtachius hatte ſchon 1552 treffliche anatom. Tafeln verfertigt, welche erſt mehr als 100 Jahre ſpäter von Laneiſt, und beinahe nach 200 Jahren auf's neue von Albin herausgegeben wurden. Auſſer Veſal und Euſtachius wirkten im 16ten Jahrh.: Fallopius, geb. 1522, Neald Columbus, Volcher Coiter, Varoli, Piecolomini, der zuerſt die Rinden- und Markſub— ſtanz des Gehirns unterſchied, Fabricius ab Aquapendente, geb.

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

1537, welcher letztere unter Anderem 1574 die Klappen in den Venen entdeckte und beſchrieb, und gleich Serveto, Columbus, Cäsalpin, dunkle Vorſtellungen von Blutbewegung und Kreis- lauf hatte. Erſt Harvey, geb. 1578, geſt. 1657, bewies den Blutkreislauf unwiderleglich durch Experimente. Nachdem Aſelli die Lymphgefäſſe bei Thieren gefunden hatte, wurden ſie auch bald durch Peequet, (der nebſt Euſtachius auch den großen Milchbruſtgang entdeckte,) Rudbeck, Thomas Bartholin

beim Menſchen nachgewieſen. Malpighi, geb. 1628, geſt. 1694,

wendete zuerſt das Mikroskop auf die menſchliche Anatomie an, und ihm folgten hierin Hooke, Leuwenhoek, (welcher gegen Harvey und Graaf ſich zu erweiſen bemühte, daß die Thiere und Menſchen fich nicht aus dem Ei, ſondern aus den Samenthierchen entwickelten,) Swammerdam ꝛc. Sylvius u. A. blieſen die Gefäße mit Luft auf, oder füllten fie mit ſchnell wieder austretenden Flüſſigkeiten, Swammerdam und Horne ſpritzten ſie zuerſt mit geſchmolzenem Wachs aus, wodurch die Gefäßpräparate richtige Form und Dauer erhielten. Ruyſch, Albin, Lieberkühn, Barth, Prochaska u. A. haben die Injek⸗ tionen zur höchſten Feinheit gebracht. Auſſer den oben An— geführten wirkten im Arten Jahrhundert auch Botalli, Caſp. Bartholin, Hemſterhuis, Blaſius, Severinus, de Graaf, Wir— fung, Schneider sc. Im 17ten und 18ten Jahrh. lebten die berühmten Anatomen Ruyſch, geb. 1638, geſt. 1731, Pachioni, Boerhaave, Heiſter, Winslow, Valſalva, Morgagni, geb. 1682, geſt. 1774, der auch in der pathologiſchen Anatomie unver— gängliche Verdienſte hat; Santorini, Platner, B. S. Albinus, geb. 1696, geſt. 1770, Albr. v. Haller, Camper, John und W. Hunter, C. F. Wolff, Wrisberg, Scarpa, geb. 1747, geſt. 1831, Caldani, Loder, Mascagni, geb. 1752, geſt. 1815, unſterblich

durch ſein großes Werk über die Lymphgefäße; Bichat, geb.

4771, geſt. 1802, welcher letztere zuerſt den Geweben vorzügliche Aufmerkſamkeit ſchenkte, und durch die vielſeitigſten Beobach⸗ tungen und Experimente ihre Natur und Verrichtung auf— klärte. Im toten Jahrh. gewann vorzüglich die Kenntniß des Baues des Gehirns und Nervenſyſtems, die Hiſtiologie und mikroskopiſche A.; letztere durch Erforſchung der Elementar— theile und möglichſt genaue Meſſungen derſelben, wobei beſonders Krauſe, Ehrenberg, Berres, R. Wagner, Purkinje, Valentin ꝛc. verdient find, fo wie die Entwicklungsgeſchichte und patholo— giſche Anatomie. Zu den verdienteſten Anatomen der neueſten Zeit gehören überhaupt: J. Bell, Serres, Flourens, Lauth, Cloquet, Velpeau, Noſenmüller, Prochaska, Meckel, Hilde- brandt, Gall, geb. 1758, geſt. 1828, namentlich um Kenntniß

Menfchliche und allgemeine Phyfiologie. 75

des Gehirns verdient; Rudolphi, Langenbeck, Heufinger, E H. Weber, M. J. Weber, Sömmering, geb. 1755, geſt. 1830, vorzüglich die Anatomie des Gehirns, Nervenſyſtems und der Sinnesorgane fördernd; Tiedemann, Berres, Münz, Krauſe, Römer, Huek ꝛc. Für pathologiſche A. noch beſonders: Meckel, Otto, Bichat, Cruveilhier. |

Die A. des Menſchen hat nun durch 3 Jahrhunderte fort- geſetzte Bemühungen, zahlloſe und vielſeitige Unterſuchungen aller erdenklichen Art, und bei der ihr eigenen Beſchrän— kung auf einen Gegenſtand eine Vollendung erhalten, wie keine andere Naturwiſſenſchaft ſie erhalten konnte. Sie er— ſcheint daher als ein abgeſchloſſenes Ganzes, und Bereicherun— gen derſelben find nur durch mifrosfopifche Unterſuchung und auch hier faſt nur bei etwaiger bedeutender Verbeſſerung der Mikroskope zu hoffen.

Zeitſchriften für A. find: Zeitſchr. für A. und Phyſtol., her- ausgegeben von Tiedemann, G. N. und C. L. Treviranus. 4. ſeit 1824. Archiv für A., Phyſtologie und wiſſenſchaftliche Medizin, herausgegeben von Joh. Müller. Berlin, ſeit 1834. (Fortſetzung von Meckel's, wie dieſes von Neil’s Archiv.) Repertorium für A. und Ph. von Valentin. iten Bds. 1. 2. Heft. Berlin 1836. Magendie, Journal de Physiologie. Auſſerdem die allgemeinen mediziniſchen Zeitſchriften.

Syſteme und Lehrbücher: Friedr. Hildebrandt's Handb. d. A. des Menſchen. Ate Ausg. beſ. v. E. H. Weber. 4 Bde. Stuttg.

1833. Berres, Anthropotomie. 4 Bde. Wien 1821—28. 2te

Aufl. 1 Bd. 1835. Neues Handbuch der prakt. A. ꝛc. von Lauth. 10 Lief. Stuttg. 1835-37. Vollſtändiges Handbuch der A. von Prof. Weber in Bonn. 2 Bde. Tübingen 1835. Krauſe, Handbuch der menſchl. A. tter Bd. Hannov. 1836. Von anatom. Kupferwerken führen wir nur an: Mastagni, Anatomia universa in 44 tab. aen. juxta archetypum hominis adulti accuratissime repraesentala. Pisa, 1826. seq., und M. J. Weber's anatom. Atlas des menſchl. Körpers ꝛc. 7 Lief. Düſſeldorf, Arnz und Komp. 1835—37. Kleinere Kupferwerke haben Münz, Oeſterreicher u. A. herausgegeben. Wörterbuch: Pierer's mediz. e de tte Abth. A. und Phyſtologie. 8 Bde. 1816-29.

L. Menſchliche und allgemeine Phyſiologie.

Lit. Auſſer den bei der Anatomie angeführten Schriften vergl.: Ueber Gegenſatz, Wendepunkt und Ziel der heutigen Ph. nnd Medizin, in 2 Thl. v. Werber 1 Thl. Entwicklungsgeſchichte der Ph. und Medizin. Stuttg. 1835.

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Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Es iſt leicht einzuſehen, daß die Fortſchritte der Phyſtologie großentheils durch jene der Anatomie bedingt ſeien. Die Aerzte und Naturforſcher vor Plato, Hippokrates mit eingeſchloſſen,

hatten vom Leben, ſeinem Urſprung und ſeiner Bedeutung nur

unvollkommene und dürftige Begriffe, während ihnen auch noch die objektiven Anſchauungen fehlten, welche den ſichern materiellen Grund für höhere Entwicklung einer Naturwiſſen⸗ ſchaft darbieten. Die Phyſtologie jener Zeit war daher eine fragmentariſche und hypothetiſche. Plato's Genius drang zwar zur Idee des univerſellen Lebens durch, und erkannte den Urſprung alles zeitlichen Lebens aus dem ewigen, der Gottheit ſelbſt, ſo wie die Wiederholung des ganzen Weltalls als Makrokosmus, im Menſchen dem Mikrokosmus, aber ihm

und feiner Zeit fehlten noch die poſttiven Kenntniſſe, um jene

großen und wahren Ideen durchzuführen. Galen theilte die Verrichtungen des menſchlichen Körpers in ſolche des Lebens, in thieriſche und natürliche, und ſtellte ein ziemlich weitläu— figes Lehrgebäude der Wiſſenſchaft auf. Von Galen's Zeit wurde bis auf Harvey nicht eine große phyſtologiſche Ent- deckung gemacht. Dieſem war es vorbehalten, die Idee der Bluteirkulation vollſtändig zu erfaſſen, und ſte durch zahl— reiche und finnige Experimente unumſtößlich zu beweiſen. Von 1619 an lehrte er dieſelbe; bekannt gemacht wurde ſie erſt 1628 in feiner »Exercitatio de motu cordis et sanguinis.« Viele Beobachtungen über Zeugung, niedergelegt in feinem Werke »de generatione animalium« veranlaßten ihn zur Aufſtellung ſeines berühmten Satzes: »Omne vivum ex ovo, omne ovum e coitu, «durch welchen die Entſtehung organifcher Weſen aus formloſem Stoff, welcher man früher eine ganz ungebührliche Ausdehnung gegeben hatte, gänzlich verneint wird. Harvey's Entdeckung des Blutkreislaufs gab Veranlaſſung, den Irrweg der Jatromathematik zu betreten, nach welcher der Menſch eine einfache Maſchine ſein ſollte, in der die Lebensverrichtungen nach ſtatiſchen und hyoͤrauliſchen, durch den Kalkul ausdrück—

baren Geſetzen vor ſich giengen. Borelli legte den Grund zur

Jatromathematik in ſeinem 1680 erſchienenen Werke »de motu animalium« in welchem übrigens zuerſt die mechaniſchen Geſetze richtig auf die Muskelbewegung angewendet werden. Stahl, geb. 1660, geſt. 1734, trat dem geiſtloſen, alles Leben ertödten⸗ den Syſteme der Jatromechaniker entgegen, und ſtellte als beherrſchendes und regulirendes Prinzip der Lebenserſcheinun— gen die Seele auf, während Fr. Hoffmann, geb. 1660, geſt. 1742, gegen ihn in einem langen und merkwürdigen Streite die Lehre des Mechanismus, unter Einwirkung des organiſchen

m Menſchliche und allgemeine Phyſtologie. 7

Prinzips vertheidigte. Haller ſtellte die Theorie von der Srritabilität der thieriſchen Faſer auf, mit welcher eine neue Epoche der Ph. beginnt. John Brown, geb. 1735, geſt. 1788, dehnte die Reizbarkeit oder Erregbarkeit, wie er ſie nannte, welche Haller nur der Muskelfaſer zuſchrieb, auf den ganzen Organismus aus, und definirte das Leben als das Wechſelſpiel jener und der erregenden Einwirkungen der Auſſen— welt. Im letzten Viertel des Asten Jahrhunderts machte die Chemie auſſerordentliche Fortſchritte, und begann auf alle Naturwiſſenſchaften und ganz vorzüglich auf die Ph. einzu— wirken. Allmälig lernte man die Stoffe des Organismus und der Auſſenwelt, ſo wie deren zahlreiche Verbindungen kennen, und hiemit eine Reihe der wichtigſten Beziehungen der Natur zum menſchlichen Leibe, ſo wie die Beſchaffenheit manigfacher Veränderung, Zerſetzung und Bildung in dieſem. Kant, wel— cher durch ſeine Kritik der reinen und prakt. Vernunft und andere Schriften, in welchen fein Syſtem niedergelegt iſt, das Erkennt— nißvermögen auf zu enge Grenzen einzuſchränken verſuchte, übte in ſo ferne vortheilhaften Einfluß auf die Ph., als er auf das Experiment und auf alle übrigen Verfahrungsweiſen hinwies, welche nach ſeiner Meinung, nicht über das Weſen der Dinge, aber doch über die Erſcheinung Aufſchluß zu geben vermöchten. In dieſem Kant'ſchen Geiſte arbeiteten Reil, geb. 1758, geil. 1813, Authenrieth, geb. 1772, geſt. 1836 u. A., obwohl Letzterer, namentlich in ſeinem ſpätern Leben, ſich den transzenden— ten Anfichten immer mehr zuneigte. In die letzten Sahr- zehente des 18ten und erſten des 19ten Jahrhunderts fallen auch die meiſten Erörterungen über thieriſchen Magnetis— mus und Somnambulismus, welche lange Zeit lebhaftes Intereſſe für und wieder, und eben deßwegen mitunter heftige literariſche Streitigkeiten erregten. In den erſten Jahr— zehenten des toten Jahrhunderts ſuchte Gall, geſtützt auf zahlreiche Unterſuchungen menſchlicher und Thiergehirne, Be— obachtungen an Schädeln, an lebenden und handelnden Indi— viduen, die Anſicht durchzuführen, daß die verſchiedenen Thätigkeiten der Seele durch verſchiedene Theile des Gehirns wirkten, und daß von einer beſondern Ausbildung der letztern auf beſondere Stärke der erſtern geſchloſſen werden könne. Er wurde fo zum Gründer der Kranioſkopie und Phrenologie, welche in Deutſchland jetzt faſt vergeſſen, in Frankreich und England noch ziemliche Theilnahme erregen, die ſich vorzüglich in den daſelbſt beſtehenden phrenologiſchen Geſellſchaften äußert. Schelling's (geb. 27. Januar 1775) Philoſophie (der die Natur betreffende Theil iſt bearbeitet in ſeinen „Ideen zu

738 Geſchichte der Ake

einer Philoſophie der Natur“ 1795, 2te Aufl. 1803 in der Schrift „von der Weltſeele;“ im „erſten Entwurf eines Syſtems der Naturphiloſophie“ 1799, und in der „Einleitung zu den Ideen zu einer Philoſophie der Natur“ 1799, doch nirgends als geſchloſſe⸗ nes Syſtem) mußte nothwendig bedeutenden Einfluß auf den Entwicklungsgang der Phyſtologie üben. Schelling erhob ſich, gleich Pythagoras und Plato, zur Idee des allgemeinen Lebens. Der Menſch iſt ihm ein Abbild des Univerſums, in welchem ſich, wie in jenem, obwohl auf eigene Weiſe, die Gegenſätze des Reel⸗ len und Ideellen wieder vereinigen. Unter den Phyſtologen der neueſten Zeit kann man in weiterem oder engerem Sinn zur Schule der Naturphiloſophie zählen: Oken, Schelver, Kieſer, C. E. Schelling, v. Walther, Weber, Naße, Burdach u. A. Schelling's Syſtem, aus eigenthümlich deutſchem Geiſte her— vorgegangen, iſt auch nur in Deutſchland verſtanden und an— erkannt worden, während in Frankreich und England die ob— jektive Richtung herrſchend blieb, der Magendie, Alibert, Mon— roe, Bell ꝛc. angehören. In der neueſten Zeit endlich iſt dieſelbe auch in Deutſchland wieder, durch Rückkehr zu den Prinzipien der Kaͤnt'ſchen Schule, unter dem Namen der „ratio— nalen Empirie“ in der Phyſiologie und Medizin beliebt worden, und Nudolphi, Joh. Müller, Tiedemann, Valentin, zum Theil auch Döllinger ſind für dieſe Richtung vorzugsweiſe zu nen— nen. In der neueſten Zeit beſtrebt man ſich, das exakte Ver— fahren, welches der neuern Phyſik eigen iſt, auch in der Wiffeng ſchaft vom Leben einzuführen, um, wie man glaubt, auch hier die Beſtimmtheit und Sicherheit jener zu erreichen. Dieſes

mag allerdings ſo weit angehen, als die organiſchen Körper -

auch den Geſetzen der Materie gehorchen; wer weiter gehen zu können glaubt, fällt in den Irrthum der Jatromechanik zurück.

Allgemeine Phyſiologieen, Darſtellungen des Lebens ſämmtlicher organifirter Körper, gaben: G. N. Treviranus, in feiner klaſſiſchen „Biologie oder Philoſophie der lebenden Natur,“ 6 Bde. Bremen 1802-30, und in den „Erfcheinungen - und Geſetzen des organiſchen Lebens“ 2 Bde. 183033; dann Wilbrand, Virey, Neumann. um Burdach's großes Werk iſt hieher zu zählen. ö

Zeitſchriften für Ph. ſind alle bei der Anatomie angeführten.

Von phyſtolog. Syſtemen und Lehrbüchern nennen wir: Bur⸗ dach, die Phyſtologie als Erfahrungswiſſenſchaft, Bd. 1—5.

1830-33. ter Bd. 2te Aufl. 1836. Joh. Müller, Handbuch der Ph. des Menfchen. ter Bd. 2te Aufl. 1835. Magendie, Lehrb. der Ph. Ste Aufl. Aus dem Franz. von Dr. Elſäſſer.

*

Anthropologie. „5 9

*

=>

2 Bde. Tübingen 1834-36. Tiedemann, Lehrb. der Ph. des Menſchen. Bd. 1. Darmſt. 1830. Döllinger, Phyſiologie des Menſchen. Regensb. 183536.

M. Anthropologie. a. Phyſiſche A.

Die ſogenannte ſomatiſche A. iſt eigentlich nur der Inbegriff der vereinigten Anatomie und Phyſtologie des Menſchen. Wir gedenken ihrer, weil dieſe beiden von einigen Schriftſtellern als gemeinſchaftliches Ganzes bearbeitet worden ſind, wie durch v. Baer, Kittel u. A. Die Naturgeſchichte der Menſchengattung beginnt erſt mit Blumenbachs berühmtem Werk über die angeborene Verſchiedenheit des Menſchenge—

ſchlechts, in welchem 5 Menſchenraſſen angenommen und charak— terifiet wurden. Ihm iſt Lawrence beigetreten, während Cu— vier nur 3, Desmoulins 16, Bory de St. Vincent 15 Arten annahmen. Sonſt haben ſich um phyſiſche Naturgeſchichte des Menſchen verdient gemacht: Ludwig, Girtanner, Prichard, Lacepede, Choulant, Veszely, Virey. Die vorzüglichſten hieher gehörigen Werke find: Blumenbach, de humani generis varietate nativa. Gotting. 1790. Grundriß der Naturgeſchichte der

Menſchenſpezies, von Chr. Fr. Ludwig. Lpzg. 1796. Lec- tures on Physiology, Zoology and the natural history of man, by Will. Lawrence. 6 edit. Lond. 1834. Hist. nat. des races humaines, par Desmoulins. Par. L’homme etc. par Bory de St.

Vincent. ade edit. Paris 1836.

8 b. Pſychiſche A., in vollem Sinn umfaßt das ganze Seelen, Geiſt⸗ und Gemüthsleben (weßhalb die Pſychologie von ihr nur ein Theil iſt) und in fo ferne fich dieſes im Schaffen und Handeln äußer⸗ lich ausſpricht, das ganze geiſtige Daſein des Menſchen und der Menſchheit. Staat, Kirche, Kunſt und Wiſſenſchaft ſind nur einzelne Richtungen des ſich offenbarenden Menſchengeiſtes, deren Darſtellung der räumlichen und zeitlichen Erſcheinung nach Aufgabe der verſchiedenen Zweige der Geſchichte iſt. Die pſychiſche A. als eigene Wiſſenſchaft, kann nur die Abſtrak— tion aller Wiſſenſchaften, Künſte, Religionen, Staatsfor⸗ men, geſchichtlichen Entwicklungen ꝛc. ſein, welche die Geſetze darſtellt, die all' jenen Aeußerungen des Menſchengeiſtes zu Grunde liegen. | Materialien zu einem noch nicht exiſtirenden Werke dieſer Art ſind die ſämmtlichen Schriften über Geſchichte, Philo— ſophie, Wiſſenſchaft und Kunſt. Es gehören hieher auch die von Burdach (der Organismus menſchlicher Wiſſenſchaft und Kunſt,

80 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

Lpzg. 1809), Omalius d' Halloy (De la classification des conais⸗ sances humaines. 2 feuill. in 8. Brux. Hayez 1834), Ampere (Essai sur la philosophie des sciences ete. tom. 1er 8. Par. 1834) gemachten Verſuche, die Wiſſenſchaften ſyſtematiſch zu ordnen.

c. Allgemeine A.

Hierunter verſtehen wir die Vereinigung vn ſomatiſchen, phyſiſchen, pſychiſchen A., oder die Darſtellung des ganzen ungetheilten Menſchen und der Menſchheit in Beziehung zur Natur und zur Geſchichte.

Arbeiten, welche man einigermaßen hieher rechnen kann, ®

lieferten Virey, Rud. Wagner, Leupoldt, Edward, Choulant und vorzüglich Burdach in ſeinem Werke: „Der Menſch nach den verſchiedenen Seiten feiner Natur, oder Anthropologie ze.“ Stuttg. in 5 Abth. von welchen bis Ende 1836 4 erfchienen find.

* RER *

Nachrichten über die Lebensumſtände der genannten und anderer Forſcher findet man in:

Biographie universelle, ancienne et moderne etc. redigé par une société de gens de lettres et de savants. 52 vol. Par. 1811-28. 8.

Schlußbemerkungen.

Vorliegende Skizze der hiſtoriſchen Entwicklung der Natur⸗ wiſſenſchaften, ſollte mit möglichſter Vermeidung des Räſon⸗ nements nur die allerwichtigſten Thatſachen umfaſſen. Die folgenden wenigen Andeutungen mögen einiges Licht auf die großen Perioden und auf die Völker werfen, in und bei wel— chen jene Entwicklung vor ſich gegangen iſt.

Der Anfang eigentlicher Wiſſenſchaft von der Natur wird immer bei den Griechen zu ſuchen ſein. Wie hoch man auch indiſche oder ägyptiſche Weisheit ſtellen mag, ſo iſt von den vereinzelten und dunkeln Anſchauungen, welche uns von ihr übrig geblieben oder zugänglich find, ein unermeßlicher Ab- ſtand zur organiſchen Geſtaltung einer Wiſſenſchaft.

Bei den Griechen fällt die Blüthe dieſer, wo Demokrit, Pythagoras, Plato, Ariſtoteles, Theophraſt ꝛc. lebten und lehrten, mit der Glanzperiode ihres politiſchen Lebens zuſammen, und wir ſehen ſie in ſelbem Grade hinwelken, als dieſe zu erlöſchen

Schlußbemerkungen. 81

begann, als die Sprache verdorben, die nationale Unabhängig. keit gefährdet und zerſtört wurde. Ein Abſenker griechiſcher Kultur wurde zwar nach Alexandrien verſetzt, und trug dort noch ſchöne Früchte für die mathematiſchen Doktrinen, während die übrigen faſt ganz vernachläßigt wurden, aber die jugend— liche Schöpferkraft war mit der Blüthezeit verſchwunden, und die Empirie für ſich allein mochte, auch durch reiche literariſche Schätze unterſtützt, nur einſeitigen Erſatz für die dahin ſchwin— dende Kraft des denkenden und zeugenden Geiſtes gewähren. Rom, ſtolz auf ſeine Beſtimmung den Erdkreis zu beherr— ſchen, und raſtlos bemüht ihr nachzukommen, hatte keinen Sinn für das mildere Licht der Wiſſenſchaft, die das Getöſe der Waffen und das Treiben der Partheien flieht. Auf ſeinem kriegeriſchen Boden mochte ſie nur als Dienerin gedei— hen, welche das Leben des Eroberers in den Zeiten kurzer Ruhe angenehm machte, und die der ganzen Erde geraubten Produkte für den Genuß bereitete. 5

Das große Werk des Plinius iſt unſchätzbar als Spiegel der ganzen damaligen Auffaſſung der Natur, und als Samm— lung, in welcher die koſtbaren Reſte einer großen Zahl jetzt verlorener Schriftſteller aufbewahrt ſind: zeigt aber auffallend den Mangel felbftftandiger Forſchung bei den Römern den Griechen gegenüber, aus deren Schriften Plinius vielleicht das Beſte ſeines Werkes geſchöpft hat.

Das Mittelalter mit ſeinem kontemplativen und poetiſchen Geiſte, ſeiner Thatenluſt und religiöſen Hingebung, ſeiner Neigung zum Geheimnißvollen und Wunderbaren, verhält ſich zur neuen chriſtlichgermaniſchen Zeit, etwa wie das mythiſche Zeitalter der Griechen zur Periode ihrer bewußteſten und höch— ſten Entwicklung. Die Betrachtung des Mittelalters richtete ſich mehr auf den Geiſt in der Natur, als auf deren ſinnliche Erſcheinung. In ihr ſpiegelte ſich aber mehr als jemals der eigene Geiſt jener Zeit, welche überall geheime Kräfte und Beziehungen ahnte, und in der Natur nur eine Symbolik der moraliſchen Welt ſah. Der eine Hauptfaktor der Naturwiſſen— ſchaft, Beobachtung und Erfahrung fehlte gänzlich, und man begnügte ſich, das Material für jene myſtiſchen Kombi⸗

6

*

82 | Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

nationen nicht in der Natur, ſondern fortwährend in den

klaſſiſchen Schriftſtellern zu ſuchen.

Die berühmte Schule von Salerno, welche 1150 geſtif⸗ tet, zum Ausgangspunkt zahlreicher mediziniſcher Fakultäten in ganz Europa wurde, pflegte ihrem Zwecke gemäß vorzüg⸗ lich nur die Arzneiwiſſenſchaft und die mediziniſche Botanik. Doch war Italien das Land, in welchem ſchon im Anfang

des 15ten Jahrhunderts, wo im übrigen chriſtlichen Europa

noch keine Spur ſolcher Regung vorhanden war, die Keime der neuen Naturwiſſenſchaft zu treiben begannen.

Die ritterlichen Araber, welche begeiſtert von einer neuen Lehre, dieſe in unglaublich kurzer Zeit über 3 Welttheile ver breiteten, pflegten von der Mitte des Sten Jahrhunderts an, nachdem die Zeit der religiöfen Schwärmerei und kriegeriſchen Erz oberung vorüber war, mit Liebe die von den Griechen übernom— mene Wiſſenſchaft. Die Dynaſtie der Abaſſiden im Orient, und jene der Omajiden im Occident wetteiferten, ſie zu beſchützen und zu bereichern. Zwar lebte in den Arabern nicht der ſchöpferiſche Geiſt der Griechen, aber ſie haben unendliches Verdienſt um Erhaltung und Kommentirung der Schriften von jenen. Auſſerdem wurden jedoch manche Naturwiſſen⸗

ſchaften, namentlich die Arzneimittellehre, durch ſelbſtſtändige

Forſchung von ihnen bereichert, während die Erdkunde durch ihre Eroberungszüge gewann. Was die Chemie betrifft, fo kann man ſie als Schöpfer derſelben anſehen. Bagdad im Oſten, Cordova im Weſten, waren lange Zeit die Glanzpunkte alles Wiſſens, und ſchon im Anfang des 10ten Jahrhunderts reiste man aus allen Ländern Europa's nach Spanien, um an den zahlreichen Akademieen der Araber daſelbſt Medizin und Mathematik zu erlernen.

Erſt mit dem Ende des 15ten Jahrhunderts begann im chriſtlichen Europa auch die Naturwiſſenſchaft zu erwachen. Von da an nahm ſie einen immer höhern Schwung und erlangte endlich ſo auſſerordentliche Ausbreitung, durch bis in's Kleinſte und Tiefſte gehendes Forſchen, daß Alles, was von Anfang der Welt bis an das Ende des 15ten Jahrhunders geſchehen iſt, gegen das ſeitdem Vollbrachte gewiſſermaßen verſchwindet.

Schlußbemerkungen. 83

Einen der mächtigſten Hebel, das Experiment, wodurch die Neuern der Natur fo viele Aufſchlüſſe abgewannen, kannten die Alten ganz und gar nicht. So konnten wir in der Ein⸗ leitung zu dieſer hiſtoriſchen Betrachtung Seite 3 u. folg. mit Recht behaupten, daß die Naturwiſſenſchaft ſowohl ihrer Form als ihrem Inhalte nach, ein Produkt der neuen Zeit ſei.

In Frankreich wurden ſchon vom A6ten Jahrhundert an die mathematiſchen und phyſikaliſchen Wiſſenſchaften mit dem größten Erfolge gepflegt. Frankreichs Mathematiker, Phyſiker und Chemiker ſtehen denen keines andern Landes nach. Sein geiſtreiches Volk, für die feinſten Unterſuchungen, wie für die kühnſten Unternehmungen gleich geſchickt, hat ſeit dieſer Zeit, wenig abgehalten durch ſeine ungeheuern politiſchen Stürme, die ſämmtlichen Naturwiſſenſchaften mit einer Kraft, mit einer Hingebung, mit einer Aufopferung gepflegt, für welche nur der errungene große Erfolg eine würdige Belohnung iſt. Nicht Handelsvortheile, nicht Geldgewinn waren es, welche die Fran⸗ zoſen zu den großen Gradmeſſungen im eigenen Lande, wie unter dem Pole und unter dem Aequator, und zu ſo vielen koſtbaren Expeditionen bewogen, es war der Nationalruhm und das rein menſchliche Intereſſe, die Wahrheit zu erringen und die. Bildung zu fördern. Das große unvergleichliche Muſeum im Pflanzengarten iſt ein Denkmal dieſer rühmlichen Beſtrebun⸗ gen, und beurkundet durch die Liberalität, mit welcher es den Gelehrten aller Völker eröffnet wird, auch den humanen Sinn des franzöſiſchen Volkes. Frankreichs günſtige Lage zwiſchen zwei ſo verſchiedenen Meeren, den Alpen und Pyrenäen, ſein Reichthum an den Produkten der verſchiedenſten Theile der gemäßigten Zone, mußte nothwendig das Studium der orga— niſchen Natur beſonders fördern. Daher kam es, daß das natürliche Pflanzenſyſtem auf franzöſiſchem Boden fproßte, und vergleichende Anatomie wie Zoologie den Franzoſen viel— leicht am meiſten zu danken haben. Paris ward zum Mittels punkte der Wiſſenſchaft, wie einſt Upſala es geweſen war. Englands Naturforſchung hat ſeit dem Anfang des 17ten Jahrhunderts durch Francis Bacon ihr eigenthümliches Ge— präge erhalten. Die Anſichten des Barons von Verulam ſind

84 Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

aus der innerſten Natur des engliſchen Geiſtes hervorgegangen,

und haben eben darum ſo tiefe Wurzeln geſchlagen. Seitdem

iſt das ganze Streben mit ängſtlicher Sorgfalt auf die Em _

pirie gerichtet. So groß die Verdienſte Bacon's ſind, von Autoritätsglauben und Hypotheſenſucht auf die Erfahrung und die Beobachtung hingewieſen zu haben, fo hat doch die einſei⸗ tige und rückſichtsloſe Verfolgung ſeiner Grundſätze den Mangel an Methode und ſyſtematiſcher Form, die Prinzipienloſigkeit und den fragmentariſchen Charakter herbeigeführt, von welchen

ſich die engliſche Naturforſchung und Medizin noch nicht erholt

haben. Auſſerdem iſt die Erſtere im Einklange mit dem Nationalgeiſt weniger den Naturdingen an ſich, als ihrem Nutzen und Gebrauche zugewendet, eine Erſcheinung, die neben vielen andern auf jenen Geiſt hinweist, welcher einſt Rom beſeelte, und nun auf das Meergebietende England über— gegangen zu ſein ſcheint. Nach einer andern Seite hin führte dieſe Anficht die Engländer zur Phyſikotheologie, welche in einer gewiſſen Zeit auch in Deutſchland bedeutenden An— klang fand, allenthalben nur die zweckmäßige Einrichtung der Natur erkannte, und in einer noch ſpeziellern Anwendung ihre Produkte vorzüglich in Beziehung zu den Bedürfniſſen des Menſchen brachte, für welchen alles vorhanden ſei. Am wenigſten wurde in Brittanien für die Wiſſenſchaften von der organiſchen Natur geleiſtet, am meiſten für die mathematiſchen, phyſikaliſchen, und in neueſter Zeit für Geognoſie. Deutſchlands geographiſche Lage iſt unendlich weniger günſtig für Naturforſchung, als jene der eben genannten

Länder. Dieſe äußere Urſache, in Verbindung mit dem ſpeku⸗

lativen Geiſte ſeines Volkes als innerer, hat der deutſchen Naturforſchung jenen transzendenten Charakter gegeben, wel cher in der Anfangs dieſes Jahrhunderts herrſchenden Natur— philoſophie ſeinen eigentlichen und ſtärkſten Ausdruck erhielt. Abgeſehen hievon haben jedoch die Deutſchen, vermöge des

ihnen einwohnenden gründlichen Fleißes, auch in der objek⸗

tiven Naturforſchung ſo viel geleiſtet, als irgend eine andere Nation. Zugleich faßten ſie ſtets die Natur und ihre einzelnen

Dinge allſeitig auf, und vergaßen nur vorübergehend über der

Schlußbemerkungen. | 35

äußern Erſcheinung die innere Bedeutung und über dem Einzel— nen das alles verbindende Ganze. Während die franzöſiſche Philoſophie noch zur Stunde nicht über den Senſualismus, die engliſche nicht über die empiriſche Pſychologie hinaus gekommen iſt, hat die Spekulation der Deutſchen, mittelſt des ſie cha— rakteriſirenden Vermögens, die ideale Seite der Welt aufzu— faſſen, die höchſten Gebiete des Denkens durchlaufen. Eine Rückwirkung hievon auch auf die Naturwiſſenſchaften konnte nicht ausbleiben, und ihr iſt jene tiefere Behandlung derſelben zuzuſchreiben, welche auch die ſtrengſten Empiriker dieſes Volkes nicht verläugnen. 5

Wir können nur flüchtig der übrigen Länder gedenken, welche ſich in unſerer Wiſſenſchaft würdig an die vorigen an— ſchließen: des geiſtreichen ſcharfſinnigen Italiens, des gründ— lichen, ruhig forſchenden Dänemarks, Hollands und Schwedens, von welchem letztern vor einem Jahrhundert der ſtrahlende Glanz der Linné'ſchen Schule ausgieng, welche fo lange Geſetz— geberin blieb, und der Schweiz, welche ſeit dem 16ten Jahrhundert ausgezeichnete Forſcher hervorgebracht hat.

Die Naturwiſſenſchaft hat ſich jetzt einer allgemeinen Begünſtigung zu erfreuen, welche ihr von Regierungen und Privaten in hohem Maaße zu Theil wird, und die nur da— durch erklärbar iſt, daß Erforſchung der Natur eine der herr— ſchenden Kulturideen der Zeit iſt. Auſſer Tauſenden, welche vereinzelt jener Beſtimmung nachkommen, wirken zahlreiche Univerſitäten und gelehrte Geſellſchaften in faſt allen Theilen der Welt. ) I

Jene öffentliche und allgemeine Theilnahme hat auch die Anlage zahlreicher Muſeen, botanifcher Gärten u. ſ. w. fo wie die Erſcheinung vieler prachtvollen Werke möglich gemacht,

*) Auſſer Europa in Kalkutta, Makao (ſeit 1829), Bombay; Mauritius (ſeit 1830); Newjork, Philadelphia, Havannah; Sidney. Auſſer den ſtehenden haben ſich auch temporäre und wandernde Geſellſchaften gebildet: fo jene der ſchweizer'ſchen Naturforſcher, der deutſchen Naturforſcher und Aerzte; nach deren Muſter ähnliche in England und Frankreich.

*

86 i Geſchichte der Naturwiſſenſchaften.

in welchen Typographen, Kupferſtecher und Maler wetteifern, um den Kontraſt mit den dürftigen Holzſchnitten der frühern Jahrhunderte mächtig heraus zu heben, und die höchſte Natur⸗ wahrheit mit künſtleriſcher Vollendung zu einen. 9 Es find daher alle äuſſern Verhältniſſe gegeben, welche hohe Ausbil⸗ dung und fruchtbare Anwendung einer Wiſſenſchaft herbeizu⸗ führen vermögen. | | Andererſeits iſt jedoch nicht zu läugnen, daß die Rich⸗ tung, welche im Allgemeinen in der Naturforſchung ein⸗ geſchlagen wird, für ſich allein nicht hinreicht, zu dem ganzen und vollkommenen Verſtändniß der Natur zu führen, wie dieſes überhaupt dem Menſchen möglich iſt. Es wird von vielen Seiten die Empirie, und nur die Empirie, die objek⸗ tive, ſinnliche Auffaſſung als das einzige Mittel empfohlen, durch welches Fortſchritte herbeigeführt werden können. Auch wir erkennen in der finnlichen Erfahrung die materielle Grunde lage der Naturforſchung, aber durch ſie iſt nur ein Theil, nicht das Ganze gegeben. Der Menſch iſt ein Weſen, in welchem ſich gleichſam die ganze Natur mit all' ihren Kräften in eigenthümlicher Weiſe wiederholt. Um jene vollkommen zu verſtehen, muß der ganze ungetheilte Menſch mit ſeinen Sinnen, ſeiner Phantaſie, ſeinem Verſtande und ſeiner Ver⸗ nunft der Natur gegenüber treten. Hier eben liegt die Wurzel des Irrthums, in welchen Jene verfallen, welche die Natur nur durch das eine, oder einige dieſer Vermögen in ihrer Totalität zu erſchöpfen glauben. Mit jeder Scheidung der menſchlichen Vermögen iſt nothwendig die Einſeitigkeit gegeben und von vorne herein ein möglichſt vollkommenes Verſtändniß der Natur unmöglich gemacht. Diejenigen, welche die Objektivität empfehlen, haben von ihrem Stand⸗ punkte aus vollkommen Recht, aber dieſer iſt nicht der höchſte, den man einnehmen muß. Die Objektivität hat in ihrem Weſen ſelbſt eine Schranke, welche ſie nicht zu überſteigen

) Das vollkommenſte in dieſer Beziehung iſt vielleicht in Audubons Werke über die nordamerikaniſchen Vögel, in Wallich's Plan- tae asiaticae rariores, in den Transactions of the Zoological So- ciety ꝛc. geleiſtet. ä N

Schlußbemerkungen. | 87

vermag. Objektiv kann man nur das Gewordene auffaſſen, z. B. raümliche Geſtalten, anatomiſche Verhältniſſe, aber es iſt unmöglich, hiedurch einen Prozeß des Werdens, einen Akt des Schaffens zu verſtehen. Niemand vermag dasjenige objektiv aufzufaſſen, was ſelbſt nur Produkt der freien Geiſtes- kraft iſt, wie die Abſtraktion, der Begriff, die Idee, die mor— phologiſchen Verhältniſſe ze. Sie ſind geiſtiger Art, und kön— nen auch nur durch den Geiſt erfaßt werden. Man täufche ſich nicht, und verzichte entweder gleich von vorne herein ſich mit der unabſehlichen Reihe ſinnlicher Thatſachen begnügend auf jedes höhere Verſtändniß der Natur, oder man wolle mit dem Zweck auch die geeigneten Mittel. Man wähne aber nicht, mit der Objektivität allein jemals ein Ziel zu erreichen, welches außer ihr gelegen iſt.

Werfen die Empiriker den philoſophiſchen Forſchern vor, daß ſich deren Anſichten ändern, fo gilt dieß von ihnen eben ſo gut. Auch die empiriſche Anſchauung ändert ſich beſtändig, und das Objekt verwandelt ſich gleichſam unter Augen und Hän⸗ den. Wie oft haben ſich nicht die chemiſchen Syſteme geändert! Haller's Phyſiologie iſt für unſere Zeit unbrauchbar, und ſchwer wird zu Recht kommen, wer jetzt nach Jonſton Inſekten, nach Jungius Pflanzen, nach Cronſtedt Mineralien beſtimmen will. Die ſinnliche Anſchauung durchläuft Stufen der Vollkommenheit, wie der Geiſt Stufen der Erkenntniß. Wenn in der geiſtigen Ers kenntniß Irrthum wegen der hier hervortretenden Unendlichkeit leichter möglich, die Kontrolle ſchwerer iſt, fo iſt auch die in die— ſem Gebiete gewonnene Wahrheit von höherem Werth. Was das „unſelige Prinzip ſubjektiver Einmiſchung“ betrifft, über welches Manche klagen, ſo müſſen wir uns dabei beruhigen, daß alles Gute und Große, was jemals geſchehen iſt, nur durch „ſubjektive Einmiſchung“ möglich wurde.

Man kann leicht bemerken, daß die herrſchende Objekti— vität der neueſten Naturforſchung nur eine ſekundäre Erſchei— nung des allgemeinen Strebens nach materiellem Beſitz, nach „ficherer Grundlage ſei. Weit entfernt beklagenswerth zu ſein, in ſo ferne es nicht allein ſein will, wird daſſelbe zu einer glänzenden Reihe von Thatſachen und Materialien

88 Geſchichte der Raturwiſſenſchaften.

führen, die nur auf dieſem Wege gewonnen werden konnen, und gewiß als koſtbare Bauſtoffe des Tempels der Wiſſen⸗ ſchaft dienen werden. Hiebei muß man ſich jedoch entſchieden jedem Verſuch wiederſetzen, die Idee zu ſpoliiren und herab zu würdigen. Der ideenloſe Verſtand hat nicht das Recht, über die Idee abzuſprechen. Die Anſicht, welche in dieſem Werke durchgeführt werden ſoll, ſtützt ſich auf die Univerſalität des Men⸗ ſchen, gegenüber jener der Natur, und ſchließt daher den gan⸗ zen Kreis der ſtrengſten, genaueſten Empirie nicht nur nicht aus, ſondern als weſentliches Element in einem größern Kreiſe ein. Manche glauben, das Heil der Wiſſenſchaft in einer ſtrengen Beſchränkung auf den Inbegriff ihrer Objekte und in eine möglichſt iſolirte Ausbildung ſetzen zu müſſen. Auch dieſe faſſen nur eine Seite der Wahrheit auf. Die Wiſſen⸗ ſchaften bilden einen weitſchattenden Baum, deſſen Aeſte, Blü— then und Früchte neben ihrer Trennung auch Zuſammenhang haben: einen Organismus, deſſen Glieder ſowohl ſich ſelbſt, als dem Ganzen angehören. Sie ſollen ihre Beziehung auf den lebendigen Stamm, aus dem fortan Leben für ſie quillt, nicht verkennen und nie vergeſſen, daß fie nur verſchiedene Rich⸗ tungen einer gemeinſchaftlichen Idee ſind, und nur ſo lange organiſches Leben haben, als fie von dieſer durchdrungen wer- den. Der Geiſt der Zeit ſtrebt nach Einigung und Uni— verſalität im Bereiche des Lebens wie des Wiſſens, und haßt die Abgeſchloſſenheit. | Betrachtet man die Entwicklung der Naturwiffenfchaften in ihren höchſten und allgemeinſten Verhältniſſen, ſo ſcheint ſie jetzt 2 Stufen durchlaufen zu haben. Wir möchten die Naturbetrachtung des Alterthums, welches die Naturdinge gleichſam nur in Maſſen ſah, dem das Einzelne im Ganzen verſchwand, definiren als eine Synthesis sine analysi; jene der neuen Zeit, welcher die umfaſſenden Ideen verſchwinden, und die im Ganzen nur das Einzelne ſieht, als eine Analysis sine synthesi: hoffen wir, daß die Zukunft zur Synthesis per analysin führe, in welcher das Einzelne im Ganzen, und das Ganze im Einzelnen erkannt wird.

ns

Allgemeine Literatur der Naturgeſchichte der drei Reiche.

| Syſteme und große befchreibende Werke:

Aristoteles opera graece, latine, ex ed. G. du Val. 4 vol.

Paris 1654. sed. (Beſonders vol. II).

C. Plinii Secundi Historiae naturalis Libri XXXVII. cum 72 5 tis commentariis J. Harduini ac recentiorum interpretum novisque annotationibus. Curant. C. Alexandre, Ansart, G. Cuvier, Ajas- son de Grandsagne, L. Des fontaines, Emerico- David, Delafosse, A. Pihan Delaforest. vol. 1 10. 8. Paris 1827 —32. 5 C. Linnae i, Systema Naturae seu regna tria naturae systematice proposita etc. Lugd. Batav. 1735. fol. Ejus d. syst. nat. ed. XII. vol. 4. Ejusd. syst. nat. ed. XIII. aucta, reform. cur. J. F. Gmelin. 9 vol. Lips. 1788—93. gr. 8.

G. L. Leclere Comte de Buffon (L. I. M. Daubenton, Ph. Gueneau de Montbeillard et B. G. E. de La 1 Hist. nat. générale et particuliere. 44 vol. Paris, 1749 1804. 4, av. planch. Ej us d. Hist. nat. nouv. ed. (Daudin, Sonnini, Denys-Mont- fort, Latreille, Mirbel) redig€E par M. Sonnini. 127 vol. 8. av. planch. Par. an VII. 1798—ı807.

Suites a Buffon, formant avec les oeuvres de cet auteur un cours complet d'histoire naturelle. Collection, accompagnee de plan- ches. Par. chez Roret. 8. Von dieſer 1834 begonnenen, auf 45 Bde. berechneten Sammlung waren bis Ende 1836 erſchienen: Introdue- tion a la Botanique, par Alph. De Candolle, 2 vol. Hist. nat. des

Vegeétaux phandrogames, par E. Spach, vol. ı—5. Introduction à

l’Entomologie, par Th. Lacordaire, vol. 1. Hist. nat. des Insec- tes Dipteres, par Macquart, vol. 2. Hist. nat. des Insectes Hyme- nopteres, par A. Lepeletier de St. Fargeau, vol. 1. Hist. nat. des Insectes Lepidoptères, par Boisduval, vol. 1. Hist. nat. des Ins. Apteres, par Walkenaer, vol. 1. Hist. nat. des Crustacés, par Milne Edwards, vol. ı. Hist. nat. des Reptiles, par Du-

meril et Bibron, vol. 1-3. Hist. nat. des Cetacds, par F. Cuvier.

* * *

90 Literatur d. Naturgeſch. d. drei Reiche.

Aus der Unzahl kleinerer Werke führen wir nur an:

J. F. Blumenbach, Handbuch der Naturgeſchichte. tote

Auſts Göttingen 1821. 8. ö

Oken, Lehrb. der Naturgeſchichte. Mineralreich in 1 Bd. Pflanzenreich in 2 Bd. Thierreich in 2 Bd. m. Kupf. Lpzg. und Jena 181318. gr. 8. f |

Perleb, Lehrb. der Naturgeſchichte. ter Bd. Mineral- und Pflanzenreich. Freiburg im Breisgau 1826. 2ter Bd. Thierreich. 1te Abth. 1831. 2te Abth. 1835. gr. 8.

v. Schubert, die Geſchichte d. Natur. iter Bd. (Kosmologie, Geologie). Erlangen 1835. 2ter Bd. tte Abth. (Mineralogie). 2te Abth. (Phytologie). 1836. gr. 8. m. K. f

Naturgeſchichte der drei Reiche, m. Abb. 8. Stuttg. Schwei— zerbart, ſeit 1832. Bis Ende 1836 waren hievon erſchienen: All— gemeine Einleitung in die Naturgeſch. von Leuckart. Lehrb. der Geognofie und Geologie, von v. Leonhard. Lehrb. der Oryktognoſte von Blum. Lehrb. der Botanik von Biſchoff. Bd. 1—2. tter Th. Lehrb. der Zoologie von Voigt. Bd. 1 2, 3. tes Heft.

Allgemeine Natnrgeſchichte für alle Stände von Oken. s. mit Abb. in Fol. Stuttg. Hoffmann, ſeit 1834. Bis Ende 1836 waren erſchienen: 30 Lief. der Zoologie, 2 Lief. der Mineralogie und 4 Lief. des Atlas. 14

* N * 4 2

Allgemeine naturphiloſophiſche Werke: W. Derham, Physicotheology. edit. 4. Lond. 1716. 8.

Ch. Bonnet, Oeuvres d’hist. nat. et de philosophie. Neuchätel, -

I 8 tom. 10 vol. 4. 18 vol. 8. av. planch. Ueberſ. von J. Hedwig. 4 Bde. Lpzg. 1783—85. 15 8. K. Bonnets Betrachtungen über die Natur, a. d. Fran, überſ. von J. D. Titius. 5te Aufl. 2 Bde. Lpzg. 1803. gr. 8. Smellie, Philoſophie der Naturgeſchichte, a. d. Engl. 1 Erläut. von E. A. W. Zimmermann. 2 Bde. Berl. 1791. 8. F. S. Voigt, Grundzüge einer Naturgeſchichte als Geſch. der Entſtehung und weitern Ausbildung der Naturkörper. Frankf. 4817. gr 8. Syſtem der Natur und ihre Geſchichte. Jena 1823. 8. Lehrb. der Naturphiloſophie von Oken. 2te Aufl. Jena 1831. Dissertation philosophique, physiologique et melaphysique sur V’identite de la vie intellectuelle et materielle des tous les £ires etc. par Villain, 8. Paris 1833. ; Nouveaux principes de la philosophie naturelle, deduits d’obser- vations et d’experiences de physique tres faciles a renouveler, et appli-

%

Literatur d. Naturgeſch. d. drei Reiche. 91

quèés a la physiologie universelle, au magnetisme et à lelectricite, à la theorie de la lumière et des couleurs, ainsi qu’a la theorie de l’audi- tion etc. par J. N. Deal. 8. Paris 1834. i

Theorie de l'ordre de la nature, d’apres la decouverte de 1 cause premiere et derniere de l’univers etc. par F. V. Serratrice, trad. de J'italien par G. S. 8. Paris 1835.

Grundzüge des Naturmechanismus. Nach dem Manuffript eines unbekannten Forſchers, von Raphael Genhart. ttes Heft gr. 8. Schaffh. 1834.

* * *

Die Urwelt und das Alterthum, erläut. durch die Naturkunde von H. F. Link. iter Thl. 2te Ausg. Berl. 1834. 2ter Th. Berl. 1822. Na |

H. F. Link, Propyläen der Naturkunde. gr. 8. Berl. 1836.

Al. v. Humboldt, Anſichten der Natur.

* * *

Denkſchriften gelehrter Geſellſchaften.

g Philosophieal Transactions of the de Society of London, Lond. feit 1665. 4. m. K.

Histoire de l’Academie royale des Sciences, depuis 1666 1790. av. les Me&moires de Mathematique et de Physique. Paris 1701 —93. 164 vol. 4. av. pl.

Memoires de l'Institut national des Sciences. 14 vol. 4. Par. 17981815. f

Memoires de l' Acad. royale des sciences Par. ſeit 1816.

Annales du Muséum d' hist. nat. par les professeurs de cet etablissement. 20 vol. 4. av. pl. Paris 1802-13.

Memoires du Mus. d' hist. nat. etc. Par. ſeit 1815. 3

Nouvelles Annales du Mus. d’hist. nat. feit 1832 bis 1836 4 vol.

4. av. Pl. .

Miscellanea Academiae Imperialis Naturae Curios o- rum. Dec. I. 2. 3. Lips. et Francof. 1670 1706. Acad. nat. Cur. Ephemerides. Centur. ı—ı0. ibid. 1712—22. Acta physico-

medica Acad. Nat. Curios. vol. 1 10. Norimb. 1727—54. Nova Acta Acad. Nat. Cur. vol. 1—8. ibid. 1757—91. Eorund. vol. 9. seq. (auch als: Neue Verhandlungen der K. Leop. Karol. Akad. der Naturforſcher. Bd. 1-17. Erlangen, Bonn, Breslau, 181836. 4. m. K.

Ferner Messe, de l’Acad. royale des sciences à Berlin.

Denkſchriften der k. Akad. d. W. zu Berlin.

Mem. de l' Acad. imp. de St. Petersbourg.

Mem. de l’Acad. imp. de naturalistes de Moskou.

92 Literatur d. Naturgeſch. d. drei Reiche.

Transactions of the Linnean Society of London.

Nova Acta regiae Societ. scientiarum Upsaliensis.

Transactions of the philosophical Society of Cambridge.

Denkſchr. der k. Akad. der Wiſſenſch. zu Stockholm.

Annalen der Akad. d. W. des Lombardiſch-Venetianiſchen Königreiches.

Denkſchr. d. k. Akad. zu München.

Denkſchr. d. k. Akad. zu Kopenhagen.

Verhandlungen der Gioeniſchen Akad. d. Naturwiſſenſchaften zu Catanea.

a der Societä Italiana zu Modena, von 17821816, 17

e. 4

Memoires of the Wernerian natural history N Edinb. ſeit 1817. 8. m. K.

Journal der Akad. der Naturwiſſenſchaften von Philadelphia.

Denkſchr. der k. Akad. d. W. zu Turin. ſeit 1786 38 Bde. 4.

Annales générales des sciences physiques par Bory de St. Vin- cent, Drapiez et v. Mons. Tom. VII. Brux. 1820.

Saigay et Raspail Annales de sciences d’observation.

Memoires de la Soc. de physique et d’hist. nat. de Geneve.

Verhandelingen vit gegeven door de Hollandsche Maatschappye der Weetenschapen te Harlem.

Memoires de la Société Linnéenne de Normandie.

Transactions of the Society of the nat. hist. of the Countrys Nor- thumberland, Durham et Newcastle.

Memoires de la Société d’hist. nat. de Strassbourg.

Actes de la Société Linnéenne de Bordeaux.

Memoires de la Société d’hist. nat. de Paris. (Dieſe Geſellſchaft hat 1831 den Namen Société des sciences nat. de France angengm.)

Annalen des Wiener Muſeums der Naturgeſchichte. Heraus gegeben von der Direktion deſſelben. (ſeit 1835).

So wie die Schriften der naturforſchenden Geſellſchaften von Berlin, Danzig, Halle, der Wetterau, der Schweiz, Prag u. ſ. w. von welchen manche übrigens ſchon eingegangen ſind.

* e en *

Zeitſchriften un d Sammlungen naturwiſſenſchaft⸗ licher Abhandlungen:

C. a Linné, Amoenitates academicae s. dissertat. variae physicae, medicae, botanicae, Edit. ada cur. J. C. D. Schreber. 10 vol. Erlang. 178790. gr. 8. c. tab.

Der Naturforſcher, herausgegeben von 8 J. C. 8 J. Walch, ſpäter von J. C. D. Schreber. 30 Th. Halle 1774-1804. 8. m. K.

Magazin für das Neueſte der Phyſik und Naturgeſchichte, her⸗

Literatur d. Naturgeſch. d. drei Reiche. 95

en von L. Ch. Lichtenberg, fpäter von J. H. Voigt. 12 Bde. Gotha 1781-99.

Magazin für den neueſten Zuſtand der Naturkunde. 12 Bde. Jena und Weim. 1797 1806. 8. K.

Journal de Physique, de Chimie et d’hist. naturelle; par Rozier, de la Metherie, et Ducrotay de Blainville. 35 1 75 Par. 1773 1823. 8. av. pl. s

Annals of Philosophy ; by F. Thomson; fpäter J. G. Children and R. Phillips. 16 vol. Lond. 1813—20. New Series feit 1821. gr. 8. m. K.

Bulletin des Sciences naturelles et de Geologie, publié sous la direction de M. le Bar. de Féruss ac. Par. ſeit 1834, gr. 8. Endete mit Feruſſac's Dod.

Giornale di fisica, chimia, storia naturale, medicina ed arti; com- pil. dal G. Brugnatelli e Configliachi. Pavia ſeit 1807. 4. m. K.

Iſis von Oken. Jena und Leipz. ſeit 1817. gr. 4. m. K.

Annales des sciences naturelles, par M. M. Audouin, Ad. Bron- gniart et Dumas. Paris 30 vol. 1824—33. Seconde Serie, red. par M.M. Audouin et Milne Edwards pour la Zoologie, et pour la Botanique par M.M. Ad. Brongniart et Guillemin. Par. feit 1834,

Minerve, ou choix des memoires les plus importans, qui parais- sent dans les pays étrangers sur les sciences nat. publié par E. Jacquemin. Paris 1836. N 90

Schweizeriſche Zeitſchrift für Natur und Heilkunde. Heraus— gegeben von v. Pommer. 1 Bd. 4 Hefte. gr. 8. Zürich 1834.

Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde, von Froriep, ſeit 1822. gr. 4. (ſehr reich).

Autenrieth und Bohnenberger, Tübinger⸗ - Blätter für Natur⸗ und Arzneikunde. 6 Stücke in 2 Bdn. 1816. 8.

Archiv für Naturgeſchichte. Herausg. von A. F. A. Wieg- mann. tter Jahrg. 1835. 2 Bde. 2ter Jahrg. 1836. 8. m. K.

l'Institut. Paris 4. Erfcheint von Eugene-Arnoult redigirt feit 1833 und liefert ſehr ſchnell die Verh. der Ac. roy. de scienc., der Royal Society, der Soc. entomolog. de France etc.; weniger prompt die Arbeiten der Akad. zu S Stockholm, Kopenhagen / Petersburg und in Deutſchland. Seit 1836 iſt es in 2 Sektionen getheilt, von wel— chen die eine den Science. mathematiques, physiques et naturelles beſtimmt iſt.

Bulletin d’hist. nat. de France, par N. Boub ée. Par. 1835.

Au ſſerdem find wichtig die allgemeinen wiſſenſchaftlichen Zeit⸗ ſchriften:

The philosophical Magazine and Annals of philosophy by Taylor and Phillips.

- Brewster’s Edinburgh philosophical Journal.

9A Literatur d. Naturgeſch. d. drei Reiche.

Jameson’s Edinburgh new philosoph. Journal. Journal of ihe Royal Institution. The quarterly Journal of Scıence. Bibliotheque universelle eite. ſo wie mehrere mediziniſche Journale, die Literaturzeitungen und auch das: Dictionnaire des sciences medicales, 60 vol. Paris 1812-22.

* * ö * * >

Reiſewerk e:

Auſſer den ältern Reiſen von Sloane, Adanſon) Forskael, Niebuhr, Pallas, Gmelin, Cook, Sparrmann, le Vaillant, Lich— tenſtein u. ſ. w. find folgende neuere Reiſen für Naturgeſchichte wichtig geworden:

Al. v. Humboldt's Reiſen in Amerika, und ſeine neuere in Nordaſien.

v. Kruſenſtern's. Reiſe um die Welt.

v. Kotzebue's Neiſen um die Welt.

Spix und Martius Reife in Braſilien.

Prinz v. Neuwied's Keife in Braſtlien.

Hemprich und Ehrenbergs Reiſen in Syrien, Abel und Arabien.

Nüppel's Reiſen in Nubien, Abyffinien und Kordofan.

Voyage dans le district des diamans, et sur le littoral du Bresil, par M. Aug. de St. Hilaire. 2 vol. in 8. Paris 1833. g

Ad. Erman's Reiſe um die Welt.

Voyage dans l'Inde pendant les années 1828 32. par v. Jacque- mont. Paris feit 1835. gr. 4. Soll 4 Bde. mit 300 Taf. bilden.

Parrot's Reiſe nach dem Ararat.

Pöppig's Reiſen in Amerika.

Meyen's Reiſe um die Welt.

Ch. Belanger, Voyage aus Indes orientales, pendant les années 1825 —29.

Reiſe auf dem kaſpiſchen Meere und in den Kaukaſus. 1825 26. v. Eichwald. 1 Bd. m. Kupf. und Kart. Tübingen 1835.

Hist. nat. des iles Canaries, par M. M. Barker- Webb et Sabin Berthelot.

* * *

Borterbüder Mit Hebergehung der ältern führen wir nur an:

Dictionnaire classique d’hist. naturelle.

Literatur d. Naturgeſch. d. drei Reiche. | ' 95

Dictionnaire des sciences naturelles, par plusieurs Proſesseurs du Jardin du roi etc. Strassb. et Par. 60 vol. et ıı vol. planch. 8. 1816—3o.

Wörterbuch der Naturgeschichte, dem gegenwärtige Stande der Botanik, Mineralogie und Zoologie angemeſſen. 8. Mit Atlas in 4. Seit 1824 bis Ende 1836 iſt des toten Bandes 2te Hälfte (Mollis- Myzoxyle) erſchienen, und 11 Lief. des Atlas je zu 10 Taf.

Auſſer dieſen ſpeziell der Naturgeſchichte beſtimmten Wörter⸗ büchern ſind noch vorzüglich wichtig die

Encyclopédie methodique, (ſeit mehreren Jahren beendigt).

New Cyclopaedia by Rees.

N s und Gruber's Encyklopadie.

* * * | Ph. A. Nemnich, allgemeines Polyglotten- Lexikon der Na⸗ turgeſchichte. 2 Bde. 1 1793-97. 4. * e e eg ee:

J. K. W. Illiger's Verſuch einer ſyſtematiſchen vollſtändi— gen Terminologie für das Thier- und Pflanzenreich. Helmſtädt 1800. 8.

Dictionnaire raisonnd, étymologique, synonymique et polyglotte des

+

termes usites dans les sciences naturelles etc. par A. J. E. Jourdan, 2 vol. gr. 8. Paris 1834. \ NE x

x

Anleitung zum Studium der Naturgeſchichte:

Sennebier, Part de l’observer etc. überſetzt von Gmelin. 2 Thle. mit K. Leipz. 1776.

Allgemeine Anleitung die Naturgeſchichte zu ſtudiren, von Fr. v. P. Schrank. München 1783.

J. F. W. Herſchel, Einleitung in das Studium der Natur— wiſſenſchaften. Es giebt zwei Ueberſetzungen dieſer Schrift, eine von F. L. Henrici, die andere von Albert. Beide ſind 1836 erſchienen.

Anleitung zum naturwiſſenſchaftlichen Beobachten für Gebil— dete aller Stände. I. Geologie von H. T. de la Beche. Aus dem Engl. von Rehbock. Mit 133 eingedruckten Holzſchnitten. gr. 8. Berlin 1836.

er; 0 * 1 Suckow, das Naturalienkabinet, oder gründliche Anweiſung u. f. w. mit Abb, gr. 1 Stuttgart 1838.

* *

96 Literatur d. Naturgeſch. d. drei Reiche.

Allgemeine mediziniſche Naturgeſchichte:

Cours complet d'hist. nat. medicale et pharmaceutique; l’histoire, la description des propriétés et l'usage des substances medicamenteuses tirées des trois régnes; publ. par G. Cuvier, A. Richard, Dra- piez etc. av. un atl..de 150 pl. Aix la Chapelle 1835.

* * *

Ne per tor ji e n:

J. D. Reuss, Repertorium Commentationum a Societatibus litera- riis editarum, secundum disciplinarum ordinem. tom. 1. Zoologia. tom. 2. Botanica et Mineralogia. Götling. 1801—2. 4.

* * * Later atur werke:

Gronovius, bibliotheca regni animalis atque lapidei. 1760. 4.

Deliciae Cobresianae, oder J. P. v. Cobres Bücherſammlung zur Naturgeſchichte. 2 Thl. Augsb. 1781—82. 8.

Syſtematiſches Verzeichniß aller derjenigen Schriften, welche die Naturgeſchichte betreffen, von den älteſten bis auf die neueſten Zeiten. Halle 1784. 8.

G. R. Böhmer, ſyſtematiſch literariſches Handb. der Natur— geſch., Oekonomie und der verwandten Wiſſenſchaften. 2 Bde. Leipz. 1785-90. 8.

J. Fiebig und B. S. Nau, Bibliothek der geſammten Naturgeſchichte. 2 Bde. Frankf. 1789—91. 8.

L. Dry ander, Catalogus Bibliothecae historico-naturalis Jos. Banks, 5 vol. Lond. 1797 - 1800. gr. 8.

J. S. Erſch, Literatur der Mathematik, Natur- und Ge— werbskunde u. ſ. w. ſeit der Mitte des 18ten Jahrh. Neue Ausg. Leipz. 1828. gr. 8. g

Bibliotheca physico- medica. 8. Lips. 1832. Voss.

Allgemeine naturgeſchichte.

Ear ſte s du.

Bedeutung und Weſen der Natur. Ueberſicht ihrer Hauptformen und Erſcheinungen.

1 I. Hauptſtück. Die Kräfte und ihr letzter Grund.

Betrachtet man das große Ganze der Natur, ſo wie alle ihre einzelnen Dinge, fo gewahrt man allenthalben eine uner⸗ meßliche Zahl von Wirkungen verſchiedener Grade und Arten, welche auf das manigfachſte ineinander greifen, und hiedurch theils ſich fördern, theils ſich gegenſeitig aufheben. Ihr ver— eintes Reſultat iſt allgemeine Bewegung in allen Dingen der Welt.

Die Urſachen dieſer Bewegung, die Urſachen der einzelnen Wirkungen in der Natur nennen wir Kräfte. Wir ſprechen von Attraktions- und Repulſionskräften, von organiſchen, mora⸗ liſchen, geiſtigen Kräften. In allen Fällen verſtehen wir unter Kraft etwas in ſich Lebendes, zu beleben und zu bewegen Vermögendes, den Grund aller Veränderung im Ruhenden. Allenthalben, wo Wirkungen entſtehen, wo Geſtalten werden, wo Veränderungen eintreten, ſind ſie das Produkt von Kräften. Alles iſt nur durch Kräfte begreiflich, die Natur iſt nichts als ein Syſtem von Kräften.

7

98 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

Alle Kräfte der verſchiedenſten Art find für die Sinne nur nach der Wirkung vorhanden, welche ſie in dem, was wir Materie nennen, hervorbringen, ihrem Weſen nach den— ſelben ganz unzugänglich. Dieß rührt daher, daß daſſelbe überſinnlicher Art iſt. Alles Ueberſinnliche kann nur durch entſprechendes Ueberſinnliches erkannt werden. N

Allenthalben in der Natur tritt uns Kauſalität ent gegen, als weſentliches Beſtimmungsmoment aller natürlichen Dinge. Vorausgehende Urſachen rufen entſprechende Wir⸗ kungen hervor, die ihrerſeits wieder zu Urſachen weiterer Wirkungen werden. Nichts iſt durch ſich ſelbſt, von höherer Kraft unabhängig, das geworden was es iſt, denn Alles in der Natur iſt, was es iſt, entweder durch das, was es in der Vergangenheit war, die endlich immer auf einen Anfang hinweist, oder durch das, was das ihm zunächſt Vorhergehende war. Wir können nach Beobachtung und Tradition mehr oder minder große Reihen von Wirkungen und ihnen zu Grunde liegenden Urſachen rückwärts in eine mehr oder minder ferne Vergangenheit verfolgen. Wir ſehen in der Geſchichte mächtige Völker aus unſcheinbarem Keim entſtehen, erwachſen und verſchwinden, und in den Schichten der Erd— rinde finden wir Reſte organiſcher Weſen, von deren Art in altern Schichten keine Spur vorhanden war, die in darauf⸗ folgenden zur Erſcheinung kamen, in noch ſpätern herrſchend wurden, und in den jüngſten wieder abnehmend endlich ganz verſchwanden.

Dieſe und ahnliche Beiſpiele zeigen, daß eine einzige Urſache, indem ſie kombinirte Wirkungen hervorruft, die ihrerſeits in immer wachſendem Verhältniß neue Wirkungen erzeugen, eine ungeheuere Mannigfaltigkeit veranlaſſen könne. Dort die Horde, welche zum Volk erwächst, hier das erſte Paar oder die erſten Paare einer neuen Gattung organiſcher Weſen, welche einer ungemein großen Nachkommenschaft den Urſprung geben.

Verfolgen wir im erſten und in verwandten Fällen jene ein⸗ zelnen Urſachen gegen ihren Urſprung, ſo erkennen wir ſie oft nur als Verzweigung noch einfacherer, ſo z. B. jene Horde,

1 0 Die Kräfte und ihr letzter Grund. 99

die einem beftimmten Volke den Urſprung gab, als von dem erſten Volke abgelöst und dieſes aus der erſten Familie entſtanden.

ö Wären uns die Mittel hiezu gegeben, ſo müßten wir überall ſo leicht, wie in den angeführten Beiſpielen, zu den einfachſten Urſachen der Dinge gelangen, indem wir rückwärts von der ungeheuern Mannigfaltigkeit zu der ihr zu Grunde liegenden Einfachheit, dem Strome nach zu ſeiner Quelle ſchreiten. Wir würden allenthalben erkennen, daß jedes ſchein— bar Eigenthümliche, Iſolirte, Selbſtſtändige nur eine Spezi— fikation eines Allgemeinern ſei, von dem es ſich abgelöst hat, und daß auch die letzten und höchſten Allgemeinheiten aus einer allerhöchſten und allerletzten gefloſſen ſind. So lehrt uns, wo die Erfahrung aufhört, zuerſt die Analogie, zuletzt die Vernunft.

Die lange Leiter der Kauſalität hinauf, müſſen wir endlich, wenn auch in der höchſten Höhe zu ihrer letzten Sproſſe gelangen, von der erſtaunlichſten Vielheit zu immer größerer Einfachheit, von den allererſten Wirkungen zur aller— erſten Urſache, von den Millionen Radien her zur gemein— ſchaftlichen Mitte. Daß jene Urſache eine ſei und nur eine ſein könne, lehrt die ganze Beſchaffenheit der Natur, ja be⸗ weist ſchon ihr Daſein und noch mehr das Gleichgewicht der in ihr waltenden Kräfte. Alle, auch die unähnlichſten und einander fernſten Dinge ſind durch unendlich zahlreiche Zwiſchenglieder verbunden. In der unendlichen Mannigfaltigkeit ſpiegelt ſich allenthalben daſſelbe Grundweſen. Eine präme⸗ ditirte Harmonie herrſcht durch die ganze Natur, wodurch ſie als ein aus unzähligen Theilen beſtehendes Ganzes erſcheint. Wären mehrere Centra, mehrere Grundurſachen vorhanden, ſo wäre die Natur entweder nicht zur Erſcheinung gekommen, oder würde ſtets im zweifelhaft ſchwankenden Kampf, in der größten Unruhe beharren, und früher oder ſpäter entweder gänzlich vernichtet oder doch einem Weltprinzipium unter⸗ worfen werden müſſen.

Kann ſchon keine der übgekeitzten Kräfte ihrem Weſen nach durch die Sinne erkannt werden, um wie viel weniger

100 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

jene Urkraft, Gott, aus der ſie ſämmtlich gefloſſen ſind. Die Vernunft, für welche Sein Daſein trotz aller Sophismen eines bald läugnenden, bald beweiſenden Verſtandes unver— rückbar feſt ſteht, gleich der Sonne, ſei ſie unter oder über dem Horizont iſt das einzige Vermögen, welches ſeine Beſchaffenheit zu ahnen vermag, weil ſie verwandter Natur iſt.

II. Gauptftück. Gott nach feiner doppelten Exiſtenz.

Gott der Alleinige, exiſtirt in zweierlei Richtung und Art; in einer höchſten den Sinnen verborgenen Einheit und einer unendlichen dieſen erſcheinenden Vielheit.

In der erſten iſt Er die über der Natur ſtehende Perſönlichkeit und Richter in der moraliſchen Welt, in der zweiten geſtaltet er die Natur und wird deren Schöpfer und Erhalter. |

Gott, als über der Natur ſtehende Perſönlichkeit ift das Urwahre, Urgute und Urſchöne, ausgeſprochen in der voll— kommenſten Individualität und höchſten Einheit bei aller Verſchiedenheit ſeiner harmonirenden Eigenſchaften. Für Ihn iſt keine Kauſalität vorhanden, in Seinem Sein ent— ſtehen keine Gegenſätze. Gottes Sein iſt ein Sein ſchlechthin; ein alleiniges Sein ohne Urſprung und Ende, und über Raum und Zeit. Alle untergeordneten Geiſter erkennen nur größere oder kleinere Theile des Univerſums in verſchiedener Vollkom— menheit, je nach ihrer eigenen: Gott, die unendliche Intelligenz vermag Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aller Dinge des Weltalls in einer einzigen Vorſtellung an— zuſchauen. Alle Kämpfe, alle Veränderungen der Natur reichen nicht an die Höhe Seines Weſens und vermögen Seine ewige Klarheit und Ruhe nicht zu trüben. Erſt da, wo ſinn⸗ liche und überſinnliche Welt ſich trennen, wo Freiheit und Wahl, mit ihnen Gutes und Böſes eintreten, beginnt die Wirkſamkeit Gottes als über der Natur ſtehender Perſönlichkeit.

Gott nach feiner doppelten Exiſtenz. 1 101

Das Gebiet Gottes in dieſer Richtung Seines Weſens iſt nur die moraliſche Welt, in welche die intelligenten Weſen gehören. Daſelbſt tritt Er, ohne in deren Freiheit einzu⸗ greifen, obwohl ihre Handlungen vorausſehend, als Richter des Guten und des Böſen auf, nach ewigen Geſetzen Lohn und Strafe vertheilend, Lohn, indem Er den Würdigen höhere Stufen der Erkenntniß und Seligkeit eröffnet, Strafe, indem Er die Laſterhaften weiter von ſeinem Anſchauen weg— ſtößt und ſie in tiefere Regionen der Sinnenwelt verweist. Die zweite Richtung Gottes offenbart ſich durch die materielle Welt in Raum, Zeit und Viel heit. Derſelbe entwickelt ſich nämlich als Weltgeiſt aus und an ſich ſelbſt in mehreren Stufen zu einer unbegränzten Zahl von Beſon— derheiten. Jede Stufe oder Kategorie von Weſen iſt immer aus der zunächſt frühern hervorgegangen, ſtellt eine Evolution derſelben dar, zeigt daher deren Eigenſchaften nebſt neu hinzutretenden, die auf der frühern Stufe im Keime ver: ſchloſſen, nicht zur Offenbarung kamen. Der allgemeinſte Vor— gang bei Erſcheinung der Welt, wie jedes einzelnen Dinges iſt daher Metamorphoſe, die wieder eine vollbrachte ſowohl, als fortwährend vor ſich gehende iſt. Jedes orga— niſche Einzelweſen durchläuft im Kleinen eine ähnliche Meta⸗ morphoſe, wie die Welt im Großen. Nach der gewöhnlichen Anſchauungsweiſe erſcheint die allmählige Steigerung als ein Freiwerden, ein Ablöſen des Geiſtes von der Materie. Da die Materie ſelbſt aber nur der Inbegriff jener Kräfte iſt, welche von den Kräften, die wir Sinne nennen, wahr— genommen werden (wie die ſogenannten geiſtigen Kräfte auch uur von geiſtigen erkannt werden), ſo folgt hieraus, daß die Natur und die Geiſteswelt aus nichts Anderem, als aus Kräften beſtehen, die in verſchiedenen Kategorieen aufein— ander folgend, verſchiedene Klaſſen von Erſcheinungen und Weſen darſtellen, und daß die Entwicklung der höhern ein Beherrſchen der e nnd ein Zuſichſelbſt⸗ kommen ſei. | In Gottes als höchfter Perſönlichkeit Verſtand, iſt die ganze Reihe der Welterſcheinungen idealiter vorgebildet,

109 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

durch den Weltgeiſt erſcheint ſie in Raum und Zeit. In Gottes Verſtand exiſtiren die Dinge nur als Gedankenbilder: im Handeln des Weltgeiſtes gewinnen fie reale und ſelbſt⸗ ſtändige Exiſtenz. Alle Dinge ſind aus Gott hervorgegangen, ohne doch Er ſelbſt zu ſein. Indem die Einzeldinge aber ſelbſtſtändiges Daſein, eigene Exiſtenz gewonnen haben und gewinnen, entfernen ſie ſich von Gott und die höhern können ſogar zu ihm in Gegenſatz treten.

Weil die einzelnen Kategorieen aller Dinge e

ihrer Spezialität nur die einzelnen Verwandlungsſtufen des Alls ſelbſt darſtellen, fo iſt hiemit eine gemeinfchaftliche Beziehung Aller zu Allen gegeben. Ein allgemeines Band verbindet auch das Fernſte mit einander. Darum erſcheinen auch die Kräfte auf den verſchiedenſten Stufen als Analogieen von einander, und die höhern als Gegenbilder der niedern. So ſteigern ſich die kosmiſchen, an der Materie haftenden Kräfte der Elektrizität, des Chemismus ꝛc. zuerſt zu den or⸗ ganiſchen, zuletzt zu den geiſtigen und die chemiſchen und phyſiſchen Eigenſchaften haben ihre höchſte Analogie in jenen des Gemüths und Charakters erhalten. Hiedurch iſt die ſyn— thetiſche Seite der Welt begründet und hiernach erſcheint ſie als der univerfelle Organismus. | Mit der Ausbildung des Alls haben ſich aber die ein— zelnen Stufen, welche früher nur als Gedanken Gottes vor⸗ handen waren, firirt, find real geworden, und als nothwen⸗ dige Bedingung der Selbſtſtändigkeit der Einzeldinge iſt die Befonderheit und Verſchiedenheit eingetreten. Die höhern Naturweſen ſind nicht mehr bloße Regungen des Weltgeiſtes, oder bloße Erſcheinungsſtufen deſſelben, ſondern gewinnen durch die Individualität auch einen eigenſten, einigen, nur ihnen zukommenden Charakter. Sind die verſchiedenen Spezies der Organismen der Erde Produkte des Weltgeiſtes, ſo ſind ihre Individuen Produkte ihrer ſelbſt. Die Eigenthümlichkeit der Individuen wird durch die ſie erzeugenden Individuen beſtimmt, wie die Eigenthümlichkeit der Spezies durch den Weltgeiſt. Hiedurch wird die analytiſche Seite der Welt be⸗ gründet, vermöge welcher ihre Einzeldinge auch als ſolche,

Gott nach feiner doppelten Exiſtenz. 103

als kleine Welten, nicht mehr als bloße Glieder der großen Welt erſcheinen. f Die Kraftweſen oder Seelen im allgemeinſten Sinn, welche aus dem Weltgeiſte hervorgegangen ſind und hervorgehen, ſind von verſchiedenener Vollkommenheit, und fie können hiernach in 3 Hauptklaſſen zuſammengefaßt werden. Die niedrigſten von allen beſitzen nur Eigenſchaften, welche zu den Sinnen eine ſolche Verwandtſchaft haben, daß fie mit ihnen in Wechſelwirkung treten und hiedurch wahr— genommen werden. Dieſe Eigenſchaften ſind unter dem Namen materielle bekannt. Die niedrigſten aller Weſen ſtellen die Atome der Materie, die materialen Kräftepunkte dar, und wir nennen ſie Stoffſeelen. Die Seelen einer höhern Klaſſe haben nicht mehr für ſich die Kraft, in räum— licher Ausdehnung den Sinnen wahrnehmbar zu werden, ma— terial zu ſein, wie die Stoffſeelen, aber ſie vermögen eine größere oder geringere Zahl von dieſen um ſich zu ſammeln, und fie zur Hülle zu geſtalten, unter welcher nur ſie raͤumlich und zeitlich erſcheinen können. So die Seelen der Organismen oder der Weltkörper, Pflanzen und Thiere. Wir werden ſie orga— niſirende Seelen nennen. Nur die höchſten unter ihnen haben ein Bewußtſein ihrer Exiſtenz (d. h. ſie erſcheinen nicht bloß objektiv, ſondern auch ſich ſelbſt), und alle erlöſchen mit der Zerſtörung ihrer Hülle. Nach dem Geſetz der aufſtei— genden Folge würden Seelen höchſter Art frei von körperlicher Beſchränkung exiſtiren und unter allen die vollkommenſte Ein⸗ ſicht in das Univerſum haben. Es müßten die vorzugsweiſe intelligenten Seelen ſein. Iſt der Menſch beſtimmt, nach der Vernichtung ſeiner Hülle als über die Leiblichkeit erhabene Intelligenz zu leben, ſo gehört er jenen ſeinem Weſen nach an, verbindet ſie jedoch mit den organiſiren den Seelen, indem er eine gewiſſe Zeit auf deren Stufe verharren muß. So beſteht das Univerſum in feinem überſinnlichen wie materiellen Theil, nur aus einer unermeßlichen Anzahl von Potenzen der verſchiedenſten Art, von denen die niedrigern, allgemeinern, deren Individualität immer mehr unſerer Wahr— nehmung entſchwindet, deren Wirkungen uns als allgemeine

104 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

Kräfte erſcheinen, Stoffe heißen, während wir die höhern, von mehr oder minder deutlicher Individualität als Orga- nismen wahrnehmen. So entſpringt alles aus dem Geiſte und alles iſt nur durch ihn erklärbar. Will man das Schaffen und Werden in der Natur verſtehen, ſo betrachte man das Schaffen und Zeugen des eigenen Geiſtes. Der Menſchengeiſt iſt nur die höchſte, vielſeitigſte und uns am beſten bekannte Geiſtesentwicklung; Analogieen deſſelben gehen durch die ganze geſchaffene Welt. Wer daher die Natur er⸗ kennen will, der lerne ſich ſelbſt kennen. Indem wir den Geiſt als das Urſprüngliche, Allem zu Grunde Liegende ers kennen, haben wir in ihm den feſten Punkt des Archimedes gefunden, von dem aus man die Welt bewegen kann. 5 Das Weſen des Weltgeiſtes iſt Freiheit und ſchöpfe— riſche Urkraft. Er iſt in ſich klar, ſich ſelbſt anſchauend, Leben und Kraft von Ewigkeit her in ſich tragend, abſolute, nie entſtandene, nie erlöſchende Kraft, welche unerſchöpflich ſtets Neues aus ſich zu erzeugen vermag. Unendlicher Mo- dalitäten fähig, verläugnet Er doch nie ſeine Weſenheit. Ver⸗ möge ſeines unbegränzten Selbſtbeſtimmungsvermögens tritt Er, immer der gleiche und doch immer ein anderer, in unbe— ſtimmbar vielen Erſcheinungsformen und Intelligenzen auf. Der Weltgeiſt iſt als Gottes Ausfluß abſolut frei, nur an die Geſetze Seines eigenen Weſens gebunden, aber die aus ihm entſprungenen Seelen ſind unfrei oder nur bedingt frei in mannigfachſter Abſtufung, theils weil ſie nur Theile des Un— endlichen ſind, theils weil ſie ſich gegenſeitig beſchränken. Alles Einzelne, Spezielle iſt aus dem Unendlichen hervor⸗ gegangen und ihm iſt daher in der Beſchränkung ſelbſt, durch die es als Einzelnes erſcheint, der Stempel der Unendlichkeit aufgeprägt. Deßhalb iſt jedes Ding gewiſſermaßen uner⸗ gründlich und unerſchöpflich: denn während ſein Ende in die Sinnenwelt emporragt, ruht ſeine Baſis in unbeſtimmter Tiefe. Wir ſind daher nicht im Stande, auch nur den orga⸗ . nifchen Bau des ſcheinbar einfachften Thieres vollkommen zu erkennen, vielweniger die Tiefen auch nur eines Menſchen⸗ geiſtes zu erfaſſen. Will man ein ſinnliches Bild 1 dieſes

Die materielle Welt oder die Natur. 105

Verhältniß, fo denke man ſich etwa ein Gewäſſer, welches nach Länge und Breite beſchränkt nach der Tiefe zu aber un⸗ beſchränkt iſt.

Aller Kampf, alle ſcheinbare Unvollkommenheit in der Natur entſteht durch das Ineinanderwirken der Seelen der verſchiedenen Kategorieen, welche je nach ihrer Macht ihre Wirkungsſphäre auszudehnen ſuchen.

Das Böſe iſt nichts, als eine ſelbſtſüchtige Störung und Vernichtung der Wirkſamkeit anderer Seelen in der ihnen vom Weltgeiſt angewieſenen Thätigkeitsſphäre. Es iſt daher nicht in der Welt der Nothwendigkeit denkbar, wo ſolche Störung und Vernichtung beſtändig ſtatt findet, ſondern nur in der Welt der Freiheit, als deren nothwendige Folge das Böſe erſcheint. Daſſelbe iſt daher, was die moraliſche Welt betrifft, lediglich im Willen der freien Seelen gegründet, und fällt auch nur dieſen zur Laſt.

III. Hauptſtück. Die materielle Welt oder die Natur.

Sie iſt das große Schauſpiel des gegenſeitigen Inein— anderwirkens jener zahlloſen Seelen und ihrer Kräfte, welche in Raum und Zeit erſcheinen. Was deren Verſchiedenheit betrifft, ſo kann man ſich vorſtellen, daß der Weltgeiſt von einer Mitte aus gleich einem Lichte in Millionen Radien ſich durch das Univerſum ergieße. Gleich ſolchen Radien eines Kreiſes werden alle Dinge gewiſſen andern diametral entgegengeſetzt und von wieder andern mehr oder weniger Grade entfernt ſein. Ein ſolcher Hauptgegenſatz tritt zwiſchen den Stoffſeelen und organiſirenden auf. Indem letztere die Materie zu beherr— ſchen, zu durchdringen, zur leiblichen Hülle zu geſtalten ſuchen, entſteht nothwendig durch deren Gegenwirkung ein Kampf, in

welchem das Weſen der organiſirenden Seelen mannigfach mo— diftzirt wird. Einmal wirken fie ſelbſt, theils nach den Urge— ſtalten, theils nach den Individuen mit verſchiedener Energie auf die Materie oder die Stoffgeiſter ein, theils reagiren dieſe

106 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

verſchieden ſtark. Der Weltgeiſt giebt nach einem Grundgeſetz ſeines Weſens, ohne welches die Natur nicht erſcheinen könnte, ſeine Einheit auf, um ſich in unzählige Beſonderheiten aufzulöſen. Er giebt auch, wiewohl nur ſcheinbar, ſeine

Gleichartigkeit auf, um in eine Maſſe von Differenzen

aus einander zu treten, deren größte indeß immer durch eine Anzahl unmerklich kleiner ineinander übergehen. Der Welt⸗ geiſt giebt aber auch nothwendig den Frieden mit ſich ſelbſt auf, indem die aus ihm abgeleiteten Seelen, je differenter ſie ſind, deſto mehr gegen einander wirken, und Er ſo einem oberſten Polaritätsgeſetz gemäß, gegen feine eigenen Schö— pfungen in Krieg geräth. Wo irgend Urformen von Natur⸗ dingen entſtanden ſind oder entſtehen, z. B. neue Weltkörper, neue Gattungen (Species) von Pflanzen und Thieren, hat ſich Thätigkeit des Weltgeiſtes geoffenbart. Bei den Welt; körpern fällt der Begriff des Individuums mit dem der Species zuſammen, bei den Pflanzen und Thieren bilden alle gleichartigen Individuen zuſammen die Species. Jene ent— ſtehen dadurch, daß die Seelen derſelben das Vermögen haben, ihr Ganzes einem Theile ihres Organismus einzubilden und hiernach andern ihrer Art den Urſprung zu geben, wie eine Flamme andere entzündet. So entſtehen dann vom erſten Paare der Urform aus, Reihen von Individuen, welche alle dieſe Urform, ihren Typus, mit ſeinen Qualitäten zu erhalten, zu wiederholen ſuchen. Die Seelen der Weltkörper hingegen entſtrömen unmittelbar und ein für allemal dem Weltgeiſte.

Der Tod der organiſchen Individuen folgt aus mehreren Urſachen. Einmal als natürlicher Tod, nach der Vollen⸗ dung des kleinern oder größern Kreiſes, welcher als eine ſpecifiſche Urbeſtimmung jeder Species der Organismen vorgezeichnet iſt. Dann in Folge von Krankheit, welche geſtörte Harmonie der verſchiedenen organiſchen Thätig⸗ keiten iſt. So wie die ſie beherrſchende Einheit das Gleich— maß verliert, in dem der harmoniſche Fortgang des Lebens beruht, gewinnen einzelne Seiten, einzelne Thätigkeiten das Uebergewicht, oder einzelne Seiten, einzelne Thätigkeiten nehmen eine fremdartige Beſchaffenheit an, welche ihr präde-

Die materielle Welt oder die Natur. 107

ſtinirtes Verhältniß zu den übrigen ſtört oder aufhebt, wodurch Krankheit und endlich der Tod erfolgt, wenn der Einheit es nicht mehr gelingt, Gleichgewicht und Uebereinſtimmung her— zuſtellen. Krankheit und Tod entſtehen daher durch eine Wirkung des Centrums auf die Peripherie, oder umgekehrt und dieſelbe kann in beiden Fällen durch innere Verirrung eintreten oder durch een, Einflüſſe von außen veran⸗ laßt werden.

So wie eine Störung im harmoniſchen Gang des Lebens erfolgt, gewinnen die durch die organiſirende Seele beherrſchten Stoffſeelen größere Gewalt. Dieſelben ſuchen nämlich ſtets der Macht der erſtern zu entfliehen, ſie befinden ſich in einer beſtändigen Reaktion gegen dieſe, und werden nur durch deren übermächtigen Zug in Verhältniſſen und Verbindungen zuſam— mengehalten, welche lockerer werden, wenn die Harmonie des Lebens geſtört iſt, und bald auseinander treten, wenn es aufgehört hat. Das Weſen der Stoffſeelen, gegenüber den organiſirenden iſt Verneinung, Widerſpruch gegen deren höhere Macht. Die Materie ſtrebt für ſich zu ſein, ihren einfachen Geſetzen der Anziehung und Verbindung zu folgen; ſie haßt den Zwang, den ihr das höhere Sein auferlegt.

Es iſt das Schickſal jedes Organismus, auf die eine oder andere Art unterzugehen. Während aber hier Tauſende von organiſirenden Seelen unterliegen, haben dort andere Tauſende die Materie ſich dienſtbar gemacht, und ſich aus ihr mit körperlichen Hüllen umkleidet. Myriaden verſenken ſich fortwährend in die Leiblichkeit, um in ihr gleich Flammen zu erlöſchen. So wechſelt in der Natur, die weſentlich aus den organiſirenden und Stoffſeelen beſteht, ſtets organiſches Leben und organiſcher Tod. Ihr Streit gleicht jenem zweier kämpfender Heere, deren Todte immer neu erſtehen, um wieder dem Tode entgegen zu treten. Daher jenes ewige Entſtehen und Vergehen, Gebären und Verzehren, und die Nichtigkeit alles in der Materie Erſcheinenden. Jedes Naturding iſt dem Kauſalismus verfallen, daher durch eine Menge ſchwä⸗ cherer und ſtärkerer Thätigkeiten in und außer ihm beſtimmt. Es gravitirt gegen unbeſtimmt viele andere endliche Dinge,

108 | Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

ſteht mit ihnen in Harmonie oder in Gegenſatz. Das Leben jedes Organismus bewegt ſich durch eine Reihe von Gegen⸗ ſätzen, welche theils in feinen Weſen gegründet, feiner Ur⸗ form aufgeprägt ſind, theils ihm von außen erregt werden, und welche alle es löſen muß. Das Leben iſt endlich in jedem Organismus ein zeitliches. Siegten die organiſirenden Seelen dauernd und entſchieden, ſo würden ihre Organismen alle das möglichſt lange Lebensziel erreichen und nie vor ihrer Zeit durch die Reaktion der Stoffe unterliegen. Könnten die Stoffſeelen ſiegen, ſo würden nicht bloß die organiſchen In— dividuen, ſondern auch die Species und Weltkörper See und jede Organiſation unmöglich gemacht.

Die Natur iſt weder gut noch böſe, ſie iſt auch kein Mittel von beiden, ſondern ein völlig Neutrales, Indifferentes. Sie hat keine Beziehung zur moraliſchen Idee. Die Po— tenzen, welche in ihr auftreten, haben auch niemals abſolute, ſondern ſtets nur relative Bedeutung und Gültigkeit. Einflüſſe, welche einer Klaſſe von Organismen verderblich werden (wie 3. B. die Miasmen großer Weltepidemien) können andere wohl— thätig fördern, gleich jenen Pflanzengiften, welche gewiſſen Thieren verderblich, andern geſunde Nahrung ſind, oder gleich den animaliſchen Giften, «welche nur den Thieren tödtlich werden, gegen die ihre Wirkung gerichtet iſt, während fie denen ihren Unterhalt ſichern, welche ſie erzeugen. Der Vulkan, welcher eine blühende Gegend unter Lavaſtrömen begräbt, be—⸗ freit eben hiedurch andere von zerſtörenden Erdbeben, und derſelbe Sturm, welcher hier eine Flotte am felſigen Ufer zerſchmettert, treibt dort um ſo ſchneller eine andere in den erſehnten Hafen. Furchtbarkeit und Milde, Kleinheit und Größe, Schönheit und Häßlichkeit, Vollkommenheit und Mangel ſind Begriffe, die wir auf die Natur übertragen und die in derſelben nur relativen Werth, relative Wahrheit haben. Was uns aber bei'm Anſchauen der Natur mit Begeiſterung erfüllt, iſt nicht der Anblick ihrer zufälligen Relationen, ſondern (häufig uns unbewußt) die Ahnung ihres Urſprungs aus dem Un⸗ endlichen, welches aus allem Endlichen hervorleuchtet.

Die Natur iſt entſtanden durch Heraustreten des göoͤtt⸗

we

Das allgemeine Leben in der Natur. 109

lichen Weſens aus ſich ſelbſt N in der Richtung des Raumes

und der Zeit. Ihr Daſeinszweck wird eben erreicht durch Dar—

ſtellung der verſchiedenſten Thaͤtigkeiten, Erſcheinungen und Formen, durch welche ſie für ſtufenweis höhere Geiſter zu einer immer reicheren Quelle der Erkenntniß wird. Der Welt geiſt ſteigt in ihr gleichſam kämpfend, den ganzen Cyklus der materiellen Welt durchlaufend, zu ſeinem Urſprung auf.

Jedes einzelne Naturweſen hat einen doppelten Daſeins— zweck, indem es theils für andere, theils für ſich ſelbſt vor— handen iſt. Soll es ſeiner Beſtimmung genügen, ſo muß es für beide leben, indem es gleich ſehr das Recht hat, für ſich ſelbſt zu ſein, wie andere ein Recht an ſein Daſein haben. Es iſt dieſes ein univerſelles Geſetz, welches nicht nur durch die materielle, ſondern auch moraliſche Welt geht. N

Will man die Entſtehung und Mannigfaltigkeit der Natur- dinge begreifen, ſo darf man nur einen Blick auf die menſchlichen werfen. Es war im erſten Menſchenpaare nicht die ganze unend—

liche Menge von Erzeugniſſen menſchlicher Kunſt und Wiffenfchaft gleichſam vorgebildet, ſondern nur der in's Unendliche beſtimmbare,

beugbare, brechbare, in allen Formen zu erſcheinen und alle Formen

darzuſtellen fähige Geiſt der Menſchheit verſchloſſen. Dieſer,

ſich fortentwickelnd, fortwachſend, fortbildend, ward ſich hiebei

ſelbſt zum Schöpfer, indem er bei ſpätern Erzeugniſſen häufig von ſeinen frühern beſtimmt wurde oder Neues aus ſeiner Tiefe ſchöpfte. Die erſten Erzeugniſſe menſchlicher Kunſt und Wiſſen— ſchaft waren einfach und roh. Wie die Zahl der Menſchen wuchs, vermehrten ſich die Produkte aller Art und es entſtand nach und nach eine zahlloſe Menge von Kunſterzeugniſſen, wiſſenſchaftlichen Schöpfungen ze. So wie nun der Menſch ſtets neue Gebilde kör— perlicher und geiſtiger Art erzeugt, welche theils nach alten Vor— bildern geformt, theils ihnen entgegengeſetzt, theils neue Urbilder ſind, ſo der Weltgeiſt. Als dieſer nicht blos wie jetzt erhaltend, ſondern noch ſchaffend die Erde durchdrang, entſtanden auf ihr eine Fülle von Organismen theils frühern ähnlich, theils ganz neuer Art. Indem in gewaltigem Umſchwung ſtets ein Theil des Vorhandenen zerſtört wurde, und ſtatt ſeiner zahlreicheres Neue entſtand, nahmen allmählig die Mineral- Pflanzen- und Thierwelt ihre jetzige Beſchaffenheit an. Im Weltgeiſt wie in ſeiner Spezi⸗ fikation, dem Menſchengeiſt, war alles urſprünglich nicht realiter vorhanden, ſondern nur idealiter möglich.

110 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

IV. Hauptſtück. Das allgemeine Leben in der Natur.

In der Natur, welche nur aus Kräften beſteht, kann nichts abſolut todt fein, auch nicht der Stein und das Metall. Dinge, welche todt ſcheinen, tragen entweder verborgenes Leben in ſich, welches erſt in einer gewiſſen Zeit oder unter beſondern Umſtänden ſich deutlich kund giebt, oder ſie ſind nur von einem für uns ſchwer bemerkbaren Minimum von Leben erfüllt, oder der Streit entgegengeſetzter Kräfte iſt in ihnen ausgeglichen und erwartet neuen Anlaß zum Wieder⸗ erwachen. Das alles Lebens beraubt Scheinende ſtellt gleichſam nur Schlacken vor, welche der Feuerſtrom des Lebens an die Ufer wirft, um ſie bei der nächſten höhern Fluth wieder in ſich aufzulöſen.

Die ganze Natur iſt im ſtrengſten Sinne belebt und be- ſeelt. Alle Veränderungen in einzelnen Naturdingen, in ſo ferne fie nicht mechaniſch find, find das Werk der ihnen ein- wohnenden oder ſie von außen ergreifenden Kräfte oder Seelen. Das allgemeine Leben der Natur iſt nicht mit der Orga⸗ niſation zu verwechſeln. Alle Naturdinge ſind belebt, aber nicht alle ſind organiſirt. Anders iſt das Leben der Stoffe, anders das der Organismen, anders das gebundene, anders das freie Leben. In und an den Stoffen äußert ſich das Leben als Schwere, als chemiſche Anziehung, als Licht, Wi, Magnetismus ꝛc.

Eine höhere Offenbarung des Lebens tritt in den Welt⸗ körpern auf. Auf ihnen erſcheinen magnetiſche und elektriſche Kraftäußerungen der großartigſten Gattung, ſie geben oder empfangen Licht, durchziehen den Raum in mannigfachen Be— wegungen, und durchlaufen beſtimmte und verſchiedene Ent⸗ wicklungsſtufen. Aus und auf ihnen entſtehen, aus ihrer eigenthümlichen Weſenheit hervorgehend, und daher (wenigſtens ſo weit wir dieſes beurtheilen können) in Anordnung, Ver⸗ theilung und ſonſtigen Verhältniſſen eine merkwürdige Harmonie mit ihrem Weltkörper beurkundend, die ſekundären Organismen? Pflanzen, Thiere, Menſchen, in welchen ſtufenweis höhere

Bewegung, Zeit; Dimenſtonen, Naum; Proport. c. 144

Grade des Belebt- und Beſeeltſeins auftreten. Das Pflanzen: leben entſpricht dem tiefen, traum- und bewußtloſen Schlafe, jenes der Thiere dem Träumen, jenes der Menſchen dem Wachen.

Der Begriff des Lebens erweitert ſich mit dem Verſtändniß der Natur. Es gab eine Zeit, wo man die Pflanzen für leblos, die Thiere für unbeſeelt hielt. So wie das bewaffnete körper— liche Auge ſonſt verſchwindende körperliche Größen erkennt, ſo das geſchärfte geiſtige Minima von Geiſt und Leben. Auch in den Gradationen des Lebens erſcheint jene Mannigfaltigkeit, welche ein Grundgeſetz der ganzen Natur iſt, möge jenes nun in hellem Tagesglanze leuchten, oder in verſchwindendem Funken glimmen.

Je zarter und komplizirter die Organismen ſind, deſto kürzer währt im Allgemeinen ihr Leben; je mäßiger, je we— niger heterogen gegliedert, deſto länger dauern ſie. Daher leben die Weltkörper am längſten, unter ihnen wieder Sonnen und Planeten; die kleinſten Thiere am kürzeſten.

V. gauptſtück.

Bewegung, Zeit; Dimenſionen, Raum; Proportionen, Entwicklung.

Durch die ganze Natur herrſcht Bewegung und wahr⸗ ſcheinlich kommt nirgends in der Welt wahre Ruhe vor. Be— merken wir an Körpern keine Bewegung, ſo iſt nur die Kraft in ihnen zu klein, um die Hinderniſſe der Bewegung zu über⸗ winden. Ein auf der Erde ruhig liegender Stein bewegt ſich nicht, weil er den Widerſtand nicht überwinden kann, der ihn abhält, dem Geſetz der Schwere zu folgen, ſinkt aber ein, wenn er ſchwer genug iſt.

Wo ſich in einem Körper Bewegung zeigt, die ihm nicht mechaniſch von außen mitgetheilt iſt, wirken geiſtige Kräfte in ihm. Mit aller Bewegung iſt Veränderung gegeben, welche bald eine ſich wiederholende, bald eine fortſchreitende iſt. Durch das Anſchauen der verſchiedenen Phaſen einer Veränderung entſteht uns die Zeit, ein abſtrakter Begriff, eine inhaltloſe

112 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

Form, an und für ſich nichts. Gäbe es keine Veränderung, fo gäbe es keine Zeit. Wie ſich die Zeit zu den Verän⸗ derungen verhält, ſo der Raum zu den Dimenſionen. Durch die Dimenſionen entſteht der Begriff des Raums, an und für ſich etwas Leeres und Nichtiges. Verſchwänden alle Dinge, an denen ſich Dimenſionen wahrnehmen laſſen, ſo ginge nothwendig der Begriff des Raums verloren. Alle Bewegungen, alle Dimenſionen gehören mit zu den Qualitäten der Dinge, welche mit ihnen vom Weltgeiſt, aus dem alles Spezifiſche ſtammt, gegeben ſind. Aber nicht allein in der räumlichen Ausdehnung der Dinge treten Maaße auf, ſondern auch im Verhältniß der verſchiedenen Mengen jedes Beftand- theils chemiſch zuſammengeſetzter Körper, ferner im räumlichen Abſtand einzelner Glieder eines Ganzen von einander wie unter Anderm in den gegenſeitigen Entfernungen der Planeten des Sonnenſyſtems, endlich auch in den Reihen der Ver: änderungen, welche alle organiſchen Körper bei ihrer Ent— wicklung durchlaufen. Proportionen der verſchiedenſten Art gehen durch die ganze Natur, in Maaß und Zeit, in Gewicht und Raum. So wird die Zahl zum allgemeinen Symbol alles Endlichen. Mit der unermeßlichen Menge von Kräften und Formen, welche neben und durch einander auftreten, wechſeln auch die zahlloſen Proportionen, fo daß die Natur in immerwährender Bewegung und Veränderung begriffen, ein unermeßlich komplizirtes Schauſpiel darſtellt.

Was insbeſondere die Entwicklung anbetrifft, ſo iſt ſie allen Organismen eigen, und geht wie bemerkt, in verſchieden langen Perioden vor ſich. Nach der Spezies des Organismus ſind nicht nur dieſe Perioden, ſondern auch die Zeiten der ganzen Entwicklung verſchieden groß. Beide ſind den ſpezifiſchen Seelen der Organismen eingeprägt und machen den zeitlich erſcheinenden Theil ihres Weſens aus. Sie ſind daher unabhängig von der Reaktion der Materie, welche gleichmäßig und kontinuirlich fortdauert und rein aus⸗ geſprochene Modalitäten der bildenden Seelen ſelbſt. Sie ſind ihnen mitgegeben, wie die ſtöchiometriſchen Verhältniſſe den Stoffen, wie die Dimenſionen den Kryſtallformen, ſtehen in

Bewegung, Zeit; Dimenfionen, Naum; Proport. ꝛc. 113

präſtabilirter Harmonie mit dem Zweck, der Lebens— weiſe und Lebensdauer der einzelnen Organismen und mit deren Verhältniß zur umgebenden Natur. Sie find Ur verhült⸗ niſſe, aus der eigenſten Wirkſamkeit des Weltgeiſtes gefloſſen, und nur der Beobachtung, keiner weiteren Erklärung fähig.

Es liegt im Charakter jeder Entwicklung, periodenweiſe für kürzere Zeit ſtärkern Aufſchwung zu nehmen, was dann als Kriſe oder Kataſtrophe erſcheint. Zwiſchen den Kriſen ſchreitet die Entwicklung oft unmerklich langſam fort und ſcheint manchmal ganz zu ruhen. Die Kriſen liegen noth- wendig um ſo weiter auseinander, je weniger zahlreich ſie ſind, und je mehr Zeit ein Organismus zu ſeiner Entwicklung fodert. Sind dieſe Kriſen relativ gewaltiger Art, erkennen wir ihre Periodizität nicht, ſo nennen wir ſie Kataſtrophen. In den Intervallen derſelben bereiten ſich Verhältniſſe vor, welche den Uebergang zu einer neuen Ordnung der Dinge herbeiführen, die wieder eine Zeit mit unmerklichen Verände⸗ rungen fortdauert, um in einer abermaligen Kataſtrophe zu endigen.

Ohne Zweifel ändern ſich nicht nur die einzelnen Dinge der Welt, ſondern auch dieſe ſelbſt. Alle auf Stabilität deutende Ausgleichung hält den Gang des Ganzen nicht auf. So gingen aus dem Chaos Myriaden Sonnen hervor, ſo war die Erde einſt wüſt und leer, ehe ſie ein wimmelndes Heer von Organismen bedeckte, ſo ſoll die Menſchheit vom Stande der Willkühr und Rohheit zu Licht und Recht emporſteigen.

Die Frage, ob auch die organifche Natur der Erde, als Ganzes genommen einer fernern Entwicklung unterworfen ſei, muß ver— neinend beantwortet werden. Wir ſehen in ihr gegenwärtig eine ſtete Wiederkehr derſelben Erſcheinungen und ein Beharren bei den alten Formen. Dieſe Stabilität datirt ſicher nur von der Zeit an, in welcher der Menſch auf der Erde erſchien. Früher be— fand ſich dieſe und mit ihr die ſekundäre Organiſation in einem fortwährenden Zuſtande von Aufregung und Veränderung, welche ſich ſowohl in beſtändigem Umſturz der Oberfläche, Wechſel von Meer und Land, als im Vertilgen vorhandener Pflanzen und Thiere und im Entſtehen neuer kund gab. So wie der Menſch erſchien, trat Ruhe im Planeten und ſeiner ſekundären Organi— ſation ein, und die Kraft, welche in dieſer das Alte zerſtört und

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114 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

Neues bewirkt hatte, ging in die Menſchheit über. Der immer Neues ſchaffende Weltgeiſt inkarnirte ſich gleichſam im Menſchen, und in der Erde, dem Pflanzen- und Thierreich blieb nur ſein das eben Beſtehende erhaltendes Prinzip zurück. Da⸗ her beharrt nun die organiſche Natur der Erde in ihrer Beſchaffen— heit, während die Menſchheit ſteten Veränderungen unterworfen iſt. Mit der Hervorbringung intelligenter Organismen hat jeder Weltkörper ſeine Atme erreicht, über welche hinaus keine weitere Steigerung mehr möglich iſt. Dieſes hochwichtige Verhältniß kann erſt ſpäter näher erläutert werden; hier möge ſeine Andeu⸗ tung genügen. ü * 5 * 5

Wir haben bis jetzt auseinandergeſetzt, wie durch Her⸗ austreten des Weltgeiſtes aus ſich ſelbſt, in einer morpholo⸗ giſchen Entwicklung, eine Mannigfaltigkeit von Naturweſen, begabt mit verſchiedenen Kräften entſtanden iſt. Wenn wir hiebei das Spezielle erwähnt haben, ſo geſchah es nur, weil es zur Charakteriſtik des Allgemeinen gehörte. Die folgenden Hauptſtücke dieſes Buchs ſind nun beſtimmt, das Spezielle als ſolches zu betrachten und die verſchiedenen Kategorieen der Naturweſen einer Vergleichung und nähern Bezeichnung zu

unterwerfen.

e

VI. Hauptſtück.

Von den Stoffen und den homogenen Naturformen oder Kryſtallen. 1

Die Stoffe ſind, wie bemerkt wurde, die urſprünglichſte, niederſte Kategorie der Kraftweſen. Sie ſind Kräftepunkte von einer Kleinheit, die den Sinnen verſchwindet, begabt aber mit Eigenſchaften, durch welche fie in Maſſe wahrnehm⸗ bar werden. Jedes Atom iſt nämlich ein Kraftweſen, eine Seele der niederſten Art, deren Weſen in räumlicher Ausdehnung und hiemit Undurchdringlichkeit, allgemeiner und ſpezifiſcher Hin⸗ neigung zu andern Atomen (Attraktion und chemiſcher Anzie- hung) und vielleicht auch Repulſionskraft beſteht. Die genannten Kräfte ſind eben das, was uns ſinnlich wahrnehmbar wird,

Von den Stoffen und den homog. Naturformen ꝛc. 415

und was wir Materie nennen. Alle ſinnlichen Dinge erkennen wir nur, in ſo ferne ſie eben aus ſolchen Kräftepunkten, aus Materie beſtehen. Man ſetzt im gemeinen Leben das, was den Sinnen unzugänglich, in der Materie Bewegung und Veränderung hervorbrin gt, ihr als geiſtiges Prinzip entgegen, die Materie aber, ſo wie das Höhere in ihr Wirkende ſind nur verſchiedene Stufen geiſtiger Kraft. Für unſere Sinne exiſtirt nur die materielle Welt, für unſern Geiſt exi- ſtiren unmittelbar nur die in der Materie wirkſamen Geiſter.

Jedes Atom iſt ein für ſich ſelbſtſtändig Beſtehendes, von einer Seele Bewegtes iſt nur dieſe Seele niederſter Art ſelbſt. Außer den obengenannten Eigenſchaften treten die Atome noch chemiſch ſpezifizirt auf, und es giebt daher ſo viele verſchiedene Gattungen von Atomen, als es chemiſch verſchiedene Stoffe giebt. Die chemiſche Differenzirung der Stoffe iſt durch die urſprüngliche Einwirkung des Weltgeiſtes auf ſie geſchehen, ihre Verbindung zu den Mineralien gehört dem Planeten an. Die zahlreichen chemiſchen Qualitäten der Stoffe bieten ähnliche Verwandtſchaftsbeziehungen dar, wie die organiſchen Weſen der Erde unter ſich, aber ihre Sippen und Gattungen ſind im Großen der Natur häufig nur zu un⸗ vollkommener Trennung gekommen. Ihre Verbindungen, welche einen großen Theil der Mineralkörper und außerdem die organiſchen Subſtanzen darſtellen, geſchehen nach arithme⸗ tiſchen Geſetzen.

Die elementaren Kräftepunkte ſind auch zugleich die Träger der kosmiſchen Kräfte, welche ſich als Licht, Wärme, Elektrizität und Magnetismus ausſprechen, und von welchen die Atome theils in Schwingungen mannigfacher Art verſetzt, theils in Form von Atmoſphären umgeben werden.

Treten die Atome für ſich zuſammen, ohne daß ſie ein Weſen höherer Art nach beſtimmten Geſetzen ordnet und ver⸗ eint, fo entſtehen die Kryſtalle. Sowohl einfache als kom— binirte Stoffe vermögen Kryſtalle zu erzeugen. Dieſe ſind aber nur gleichartige Aggregate einer größern oder geringern Zahl von Atomen, und ihre Geſtalt ſcheint durch die ver— ſchiedene Zahl und Lage der Anziehungsaxen der Atome

146 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

bedingt. Die Kryſtalle find nur mathematiſche, keine orga- niſchen Individuen. Man könnte ſie im Gegenſatz zu letztern auch homogene Individuen nennen, während die Organismen nothwendig heterogene ſind.

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VII. gauptſtück.

Von den ſynthetiſchen Naturformen oder Organismen.

Die Stoffwelt erſchien uns als ein vielfach Differenzirtes der einfachen urſprünglichen Grundmaterie, aus welcher alle chemiſche Verſchiedenheit hervorgegangen iſt. Wir erkannten ſie als vorzugsweiſe dem feſten Erdkörper angehörend, und ihre mannigfaltigen Verbindungen zum Theil durch die Entwicklungs- prozeſſe des Erdorganismus ſelbſt bedingt. Wir ſahen an den Atomen der Materie, oder was uns gleichbedeutend iſt, an den elementaren Kräftepunkten außerdem elektriſche, magnetiſche, Licht- und Wärmephänomene auftreten. a

Die Thätigkeit des Weltgeiſtes hat ſich aber nicht darauf beſchränkt, eine unendliche Zahl von Atomen Weſen der niederſten Art zu ſchaffen, es ſollte zu höhern Produkten feiner Wirkſamkeit kommen. Es ſollten in allmählig auf ſteigenden Kategorieen geiſtige Weſen entſtehen, welche gleichſam Gedanken des Weltgeiſtes, an und für ſich nicht fähig, ſinnlich, materiell wahrnehmbar zu erſcheinen, aber mit der Macht begabt ſind, ſich in die Stoffwelt zu ver— ſenken, dieſe in verſchiedener Art zu beherrſchen, aus ihr ſich Leiber zu geſtalten und mittelſt dieſer räumlich und zeitlich aufzutreten. Die geiſtigen Weſen dieſer Art haben wir mit dem Namen der organiſirenden Seelen belegt, und die aus ihrer Thätigkeit, ihrer Einwirkung in die Stoffwelt hervor⸗ gehenden Produkte ſind es, welche man Organismen nennt.

Einen Organismus definiren wir als ein mehr oder minder geſchloſſenes Einzelweſen, welches aus chemiſch, mecha⸗ niſch und potentiell verſchiedenen Theilen beſteht, die alle vermöge einer fie beherrſchenden und zur Einheit verknüpfenden

Von den ſynthet. Naturformen od. Organism. 147

Seele in ſolche Wechſelwirkung zu einander treten, daß durch dieſe das Beſtehen des Ganzen vermittelt wird. Die Seele eines Organismus offenbart ſich in verſchiedenen Richtungen ihrer Thätigkeit. Jede dieſer Richtungen ſpricht ſich als ein Organ oder Organenſyſtem aus, von welchen jedes körperlich wieder aus einer unbeſtimmten Menge wiederſtrebender Kräfte— punkte (Atome) zuſammengeſetzt iſt, die durch jene geiſtige Thätigkeitsrichtung zuſammengehalten werden. Die Verſchieden— heit der konſtituirenden Atome, die Zahl der einzelnen Organe und Organenſyſteme und ihr Verhältniß gegen einander be— dingen die Mannigfaltigkeit der Organismen. In jedem Orga⸗ nismus geht eine mehr oder minder große Reihe von Verän— derungen vor, welche ſowohl nach ihrer Beſchaffenheit, als ihrer Dauer und Folge mit ſeinem beſondern Weſen auf das innigſte zuſammenhängen und der lehrreichſte Ausdruck deſſelben ſind. In ihnen ſpinnt ſich das Leben jedes Organismus ab, welches nichts als der abſtrakte Begriff derſelben iſt. Aue der eben mitgetheilten Beſtimmung eines Organismus folgt nothwendig, daß nicht bloß Menſchen, Thiere, Pflanzen, ſondern auch die Weltkörper den Organismen beizuzählen ſind. Dieſe ſind vollkommen geſchloſſene Einzelweſen, Individuen, wie nicht einmal viele Thiere, von den Pflanzen nicht zu reden, ſie beſtehen nicht bloß aus chemiſch verſchiedenen Theilen, ſondern aus ihrer Funktion nach abweichenden Or⸗ ganen, die ſich bei unſerer Erde als erwärmtes Innere, Feſt— land, Meer und Atmosphäre darſtellen, welche ſich in der thätigſten und ununterbrochenſten Wechſelwirkung befinden, wodurch das eigenthümliche Sein und Beſtehen der Erde ver— mittelt wird. Die Geologie lehrt, daß die Erde eine nicht zufällige, ſondern durch ihr Weſen bedingte Reihe von Ber: änderungen durchlaufen hat, und die Aſtronomie zeigt uns verſchwundene und neu entſtandene Weltkörper. Es iſt erlaubt, die übrigen Planeten und die Monde für der Erde analoge Körper zu halten, während die Sonne, die Kometen ꝛc. zwar als ſehr verſchiedene Weſen erſcheinen, bei denen jedoch eben ſo gut eine chemiſche, mechaniſche und organiſche Verſchieden⸗ heit ihrer Theile, allerdings in anderer Kombination als bei

118 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

der Erde, theils wirklich wahrgenommen wird, theils voraus— geſetzt werden darf. Daß den Weltkörpern andere Formen des Daſeins und der Thätigkeit eigen ſind, als den Pflanzen und Thieren, beweist nur, daß ſie nicht vegetabiliſche oder animale, nicht aber, daß ſie keine Organismen ſeien. Wir bemerken, daß die Erde der Träger der Pflanzen-, Thier⸗ und Menſchenwelt ſei. Die Geognoſie lehrt, daß es eine Zeit gab, wo noch keine Pflanzen oder Thiere auf der Erde vorhanden waren, und daß beſondere Verhältniſſe eintreten mußten, ehe dieſe entſtehen konnten. Wie die Erde alſo früher beſtand, als die organiſchen Weſen auf ihr, ſo müſſen auch die übrigen Weltkörper früher, als die auf ihnen ent⸗ wickelten Organismen vorhanden ſein. Wir nennen daher die Weltkörper primäre, und die nach der Analogie unſerer Erde etwa auf ihnen erſcheinenden Pflanzen, Thiere oder vernünftigen Weſen, ſekundäre Organismen. Hiemit ſind alſo die beiden Hauptabtheilungen der Organismen gegeben. Ä

Auf die mehrfeitige Zuſammengeſetztheit der Organismen bezieht ſich der Ausdruck ſynthetiſche Naturformen, durch welchen wir ſie von den Kryſtallen, als den homogenen Naturformen unterſcheiden. ' :

Die Verſchiedenheit der Organismen ift nur durch die Verſchiedenheit der ſie erzeugenden und geſtaltenden Seelen begreiflich. Es iſt derſelbe Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff und Sauerſtoff, aus welchem die ſämmtlichen Pflanzen-, Thier⸗ und Menſchenleiber gebildet ſind. Welche unermeßliche Zahl von Formen ſind aber aus dieſen Stoffen erzeugt worden! Syſteme, welche das Athmen, Aufnehmen von Nahrung, Wachsthum, die Fortpflanzung und die Empfindung möglich machen, ſind bei allen Thieren vorhanden, aber in welch mannigfachen Verhältniſſen, welch wechſelnder Anordnung! Doch ſind die Keime der meiſten Thiere und Pflanzen ſich ſo ähnlich, daß eine materielle Verſchiedenheit der abweichendſten Gattungen häufig durchaus nicht erkannt wird. Es iſt die im Keime wohnende immaterielle Seele, welche aus den von ihr angezogenen Atomen den Leib geſtaltet, in deren geiſtiger

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Von den primären Organismen oder Weltkörpern. 119

Beſchaffenheit alle künftige Verſchiedenheit des werdenden Leibes von andern ihren Grund hat.

Die verſchiedenen Thätigkeitsrichtungen der organiſi renden Seelen, wodurch ſie eben die verſchiedenen Organe und Or— ganenſyſteme ihrer Leiber geſtalten, find gleichſam eine höhere

Wiederholung der verſchiedenen Anziehungsaxen, welche man an den materiellen Atomen annimmt. |

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VIII. gauptſtück. Von den primären Organismen oder Weltkörpern.

In den Seelen der Weltkörper iſt die riefenhaftefte Maſſen beherrſchende Macht ausgeſprochen. Dieſes iſt der Grundzug ihres Weſens. Hiedurch hat jede ſo viele Atome zu einem Ganzen vereinigt, als den von ihr erzeugten kosmiſchen Organismus ausmachen. Die Seelen der Weltkörper gehören zwar einem niederern Range an, fie ſtehen der mathema— tiſchen Nothwendigkeit näher, als jene der ſekundären Or— ganismen, doch ſind letztere, indem ſie eine gewiſſe Maſſe von Atomen zur Bildung ihres Leibes gebrauchen, in dieſer Beziehung dem übermächtigen Zuge derſelben, der Gravitation gegen den Weltkörper, dem ſie angehören, unterworfen.

. Zweitens find die Weltkörper die eigentlichen Erzeuger jener wunderbaren Erſcheinungen, welche wir als Licht und Wärme, Elektricität und Magnetismus kennen. Alle Körper, an welchen dieſe ſich ſonſt noch offenbaren, ſind entweder nur Träger von den Weltkörpern in ſie übergegangener Theile jener Kräfte, oder vermögen doch nur in ſehr geringem Maaße ſie ſelbſtſtändig zu erzeugen.

Eine dritte Haupteigenſchaft der Weltkörperſeelen beruht auf ihrer Macht, die urſprünglich einfachen Stoffe zu verei— nigen, und aus ihnen die Mannigfaltigkeit der Mineralkörper ſo hervorgehen zu laſſen, wie die ſekundären Organismen die orga— niſchen Verbindungen. Die Seelen der primären Organismen vermögen keine jener Modifikationen der Materie zu erzeugen,

120 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

welche man mit dem Namen einfacher Stoffe bezeichnet, alle ſind ſchon in den Subſtanzen des Weltraums niedergelegt ihre ganze Fähigkeit in dieſer Richtung beſteht nur darin, ge⸗ wiſſe Arten von Verbindungen jener einfachen Stoffe darzu⸗ ſtellen, welche man unorganiſche nennt. Die meiſten Mineralien wurden erzeugt, als ſich die Erde noch in ihrer plutoniſch⸗chemiſchen Periode befand, während mit der ber ginnenden Uebermacht der neptunifch = atmofphärifchen die Blüthezeit der fefundären Organismen begann.

Nach einem Grundgeſetz der ganzen Natur, vermöge welchem auf niederen Stufen erſcheinende Kräfte auf höheren ſich potenzirt wiederholen, zeigen die Weltkörper ſtatt der verſchwindenden Kleinheit der Kräftepunkte rieſenhafte Dimen⸗ ſionen; die Attraktionskraft der Atome erſcheint an ihnen als Gravitation, die Repulſionskraft jener als Cen⸗ trifugalkraft.

Entfernung von Centralkörpern, mittlere Dichtigkeit, Ge⸗ ſchwindigkeit der Bahnbewegung und Arendrehung find noth- wendige Beſtimmungen, verſchiedene Seiten des eigenthümlichen Weſens der Weltkörperſeelen. All dieſes hat ſich z. B. in einem Planetenſyſteme geordnet durch Wechſelwirkung und Wechſelſtellung mit den allen Gliedern eines ſolchen eigen⸗ thümlichen Proportionen. Verhältniſſe dieſer Art ordnen ſich auf ähnliche Weiſe, wie etwa jene der einzelnen Perſonen eines Familien- oder der Gewalten eines Staatsweſens, oder wie ſich verſchieden ſchwere, unmiſchbare Flüſſigkeiten unter einander ſchichten, nach den ſich in das Gleichgewicht einer beſtimmten Modalität ſetzenden Kräften, ohne daß hier von Vorſtellung und individuellem Bewußtſein die Rede ſein könnte.

Die Weltkörper entſtehen entweder unmittelbar aus dem im Raume verbreiteten Weltenſtoff, Aether, wie Kometen und Sonnen, oder durch Zerfallen der Atmosphären ſchon gebilde⸗ ter Weltkörper in mehrere konzentriſche Schichten, aus welchen ſich Kugeln bilden, wie vermuthlich die Planeten und Monde unſeres Syſtems entſtanden ſind. In beiden Fällen müſſen nothwendig ideale Anziehungspunkte exiſtiren, welche die ma⸗ terialen Atome beſtimmen, ſich aus näherer oder weiterer

Von den ſekundären Organismen. 121

Ferne gegen ſie zu bewegen. Dieſe idealen Punkte, die anfäng⸗ lich nur anziehend, ſpäter geſtaltend wirken, ſind in Wahrheit nichts anderes, als das, was wir die organiſirenden Seelen der Weltkörper nennen. Dieſe Art der Entſtehung bildet einen weſentlichen Unterſchied zwiſchen den primären und ſekundären Organismen. |

IX. Hauptſtück. Von den ſekundären Organismen.

Höherer Art als die Seelen der primären Organis— men find jene der ſekundaren. Sie ſtehen jenen zwar in der Kraft, Maſſen zu beherrſchen nach, vermögen aber in ſich ſelbſt zurückzukehren, ſich ſelbſt zu wiederholen, und hiemit nach der ihnen zu Grunde liegenden Urform Keime anderer ihnen gleichender Individuen zu erzeugen. Dieſes iſt die Fortpflanzung, das allgemeinſte Vermögen, durch welches ſich alle ſekundären Organismen von den primären unterfcheiden.

Bei den allermeiſten derſelben wird dieſes durch einen mehr oder minder deutlichen Gegenſatz eigenthümlicher Art, das Geſchlecht vermittelt, welches bald an ein, bald an zwei Individuen geknüpft, hiernach meiſtens nur in partiellen Organen erſcheint, im letztern Falle außer dieſen die ganze In⸗ dividualität durchdringt. Sein Weſen beſteht darin, daß die Urform ſich in zwei Richtungen ausgeſprochen hat, die zu einander im Allgemeinen die höchſte Verwandtſchaft, im Be— ſondern den höchſten Gegenſatz haben, und durch deren Berüh- rung eine Ausgleichung erfolgt, deren Produkt ein neues Individuum iſt. Der Geſchlechtsgegenſatz hat ſchon in den kosmiſchen Kräften, der poſitiven und negativen Elektrizität, dem Nord- und Südmagnetismus Analogieen.

Während die Mannigfaltigkeit der Mineralien ihren Grund bloß im Prozeß des Erdlebens zu haben ſcheint, find die fefun- dären Organismen der Erde nur möglich geworden durch Ein— wirkung des Centralkörpers, der Sonne, auf den Planeten. Während die Mineralkörper im dunkeln Schooß der Erde

499 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

entſtehen, verlangen die ſekundären Organismen das Licht der Sonne. 5 Ä

Es giebt unter ihnen drei verfchiedene Kategorieen auf der Erde, wodurch eben ſo viele Reiche entſtehen. Die der

erſten bringen es nur bis zur Darſtellung ſolcher Organe, welche das Beſtehen des Individuums, und die Fortdauer der

Gattung vermitteln. Indem ſie nur die räumliche Erſcheinung und Vervielfältigung ihrer Urform als Ziel ihres Daſeins haben, bedürfen fie nur Maße⸗ und Keimbildende Organe. Pla— ſtizität iſt daher ihr allgemeinſter Charakter. Die Pflan⸗ zen, welche das erſte Reich ausmachen, find die Orga- nismen der Plaſtizität. |

In einer zweiten Kategorie handelt es ſich nicht mehr um bloße Darſtellung von Maßen, alſo um raumliche Er⸗ ſcheinung, und um Reproduktion ſeiner ſelbſt, d. h. um Fort⸗ pflanzung, ſondern um Reflexion kleinerer oder größerer Theile der materiellen Welt im Bewußtſein. Damit dieſes möglich werde, müſſen Organe entſtehen, welche die Wirkungen der Körperwelt wahrnehmen, anfnehmen, und fie in einen Central⸗ punkt der Empfindung leiten, woſelbſt ſie geiſtig angeſchaut werden, und zum Bewußtſein kommen. Solche Organe ſind die Sinne, die Nerven und das Gehirn. Man kann ſie in weiterem Sinn als Senſibilitätsorgane bezeichnen, und die Thiere, welche ſie beſitzen, und das zweite Reich bilden, Organismen der Senſibilität nennen.

In einer dritten Kategorie hingegen ſollen nicht bloß einzelne Theile der materiellen Welt mehr oder minder vollkom- men wahrgenommen, ſondern die immaterialen Prinzipien, welche alle Geſtalten und Erſcheinungen derſelben veranlaffen, erkannt werden. Auſſerdem ſollen auch noch gewiſſe durchaus nicht räumlich erſcheinende Ideen (wie jene der Gottheit, Freiheit, des Rechts ꝛc.) erfaßt werden können. Da alle dieſe Kräfte überſinnlicher Art ſind, ſo muß ein ihnen entſprechendes me⸗ taphyſiſches Vermögen entſtehen, welches kein anderes, als die Vernunft iſt. Ohne ſie wäre der Menſch nichts weiter, als das höchſte Thier, welches wegen aufrechtem Gang, gün⸗ ſtigerer Stellung ſeiner Augen, größerer Vollkommenheit ſeiner

Von den ſekundären Organismen. 123

Hand und ſtärkerer Entwicklung ſeines Verſtandes etwas größere Reihen der ſinnlichen Welterſcheinungen kennen zu lernen vermöchte, als die übrigen Thiere. Aeußerungen ganz anderer Art in ſeiner Natur weiſen aber deutlich genug auf das Vorhandenſein weſentlich verſchiedener Vermögen in ihm. Durch die Vernunft vermag der Menſch allerdings nicht das Ueberſinnliche an ſich, aber daſſelbe überall durch feine Offen⸗ barung im Sinnlichen zu erkennen.

Ein weſentlicher Unterſchied des dritten Reiches, jenes des Menſchen, von den beiden übrigen liegt darin, daß die faft unendliche Abftufung und Mannigfaltigkeit, welche im Pflanzen- und Thierreich ſich in verſchiedenen Gattungen ausſpricht, hier nur in Individuen erſcheint. Es iſt daher nicht wunderbar, daß unter den Menſchen eine ungemeine Ver⸗ ſchiedenheit in Rückſicht auf ihr charakteriſtiſches Vermögen, die Vernunft eintritt, da z. B. auch in manchen Thieren nur ein Minimum von Senſibilität vorhanden iſt, ohne daß ſie darum aufhören, Thiere zu ſein. Die Vernunft iſt daher in allen Menſchen zugegen, freilich oft durch uͤberwiegende Thä— tigkeit des Verſtandes, der Phantaſie ꝛc. verdunkelt, oder in einem embryoniſchen Zuſtande zurückgeblieben. (Kretins.)

Indem der Menſch durch die Vernunft eine höhere Ord— nung der Dinge, die moraliſche Weltordnung zu ahnen vermag, muß er auch ein Vermögen haben, welches gleichſam polariſch auf dieſelbe gerichtet iſt, und ihm unter allen Um⸗ ſtänden das oberſte in jener geltende Geſetz vorzuſtellen vers mag. Es iſt dieſes kein anderes als das Gewiſſen.

Indem wir das Wort Intelligenz in ſeiner edelſten Bedeutung, als Vernunftvermögen nehmen, definiren wir den Menſchen, welcher das dritte Reich der ſekundären Or ganismen bildet, als Organismus der Intelligenz.

Außer den angegebenen charakteriſtiſchen Eigenſchaften der. Plaſtizität, Genfibilität und Intelligenz, kommen gleichſam als deren Gefolge, noch eine Menge anderer vor, in welche hier noch nicht einzugehen iſt. Dieſelben erſcheinen als nothwendige Beglei— tung, mit welcher nur jene drei allgemeinen Kräfte aufzutreten vermögen. Damit z. B. die Pflanze wachſen könne, muß ſie ath— men und Saftbewegung haben; damit ſich das Thier den materialen

124 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

Eindrücken auszuſetzen oder zu entziehen vermöge, muß es ſich bewegen können; damit die menſchliche Intelligenz zu wirken im Stande ſei, iſt eine beſonders ſtarke Entwicklung niederer Geiſtes⸗ vermögen nöthig ꝛe.

Einem oben angeführten Grundgeſetz gemäß wiederholen ſich auch in den ſekundären Organismen die Eigenſchaften der Atome in höherer Potenz. Die fogenannten phyſtkaliſchen z. B. der Härte, Durchſichtigkeit, Elaſtizität, Sprödigkeit wiederholen ſich noch in der verſchiedenen pſychiſchen Beſchaffenheit der Thiere, und zuletzt in den menſchlichen Charaktern, während die chemiſchen in den Eigenſchaften des Gemüths in ihrer höchſten Ausbildung hervortreten.

Diejenigen, welche an die Stelle der Seele jenes unbeſtimmte Ding, welches ſie Lebenskraft nennen, ſetzen, ſind weder im Stande zu erklären, wie aus den ſinnlich gleichartigen Keimen der organiſchen Weſen ſo verſchiedene Gattungen derſelben werden, noch wie die Individualität entſtehen, noch wie durch dieſelben Nah— rungsſtoffe das Wachsthum ſo verſchiedener Organismen erfolgen könne. Alle dieſe Verhältniſſe ſind nur durch die bis in's Höchſte geſteigerte Spezifikation möglich, und das, was ſte regelt, darf man doch unmöglich mit einem Namen bezeichnen, welcher nur deſſen allgemeinſte Eigenſchaft ausdrückt. Auch das von Burdach u. A. gebrauchte Wort „Idee“ reicht jetzt nicht mehr aus. Die Dinge waren ehemals Ideen, Gedankenbilder des Weltgeiſtes, aber ſeitdem ſich die einzelnen Stufen der Natur, als eben fo viele Momente feiner Offenbarung ſixirt haben, wurden die Ideen zu Seelen. Nur hiedurch iſt das Eintreten der Subjek— tivität, der relativen Selbſtſtändigkeit möglich geworden.

Neben und über der Spezifikation iſt aber eine allgemeinſte Beziehung aller Seelen auf den Weltgeiſt vorhanden, als ihren gemeinſchaftlichen Urſprung, wodurch die Verwandtſchoft aller, und neben der Verſchiedenheit die Uebereinſtimmung gegeben iſt. Dieſe beiden aber wollen gleichmäßig gewürdigt ſein.

Jedes der Reiche zeigt als Ganzes eine eigenthümliche Kon⸗ formation, eine eigenthümliche Gruppirung der einzelnen größern und kleinern Maſſen, aus welchen es beſteht. Obwohl dieſel⸗ ben Abſtufungen der Verwandtſchaften z. B. im Pflanzen- und Thier⸗ reich vorkommen, ſo entſtehen doch durch das verſchiedene Eintreten ihrer verſchiedenen Proportionen ſehr abweichende Verhältniſſe. Aus dieſem Fundamentalſatz folgt, daß ein Paralleliſiren des Thier- und Pflanzenreiches (Wirbelthiere Dikotyledonen, Artikulata Monokotyledonen ꝛc.) unſtatthaft iſt, wie im öten Buch dieſes Werkes bewieſen werden ſoll. Daß der Weltgeiſt mit wenigen organiſchen Syſtemen eben ſo leicht, wie mit vielen, die reichſte |

| Zuſammengeſetztheit d. höh. ſekund. Organismen. 128

Herrlichkeit darzuſtellen vermöge, beweist die Pflanzenwelt der | Thierwelt gegenüber auf einleuchtende Weiſe.

Gauptftück,

Zuſammengeſetztheit der höhern fefundären Organismen.

Betrachtet man die gegenſeitigen Verhältniſſe der drei organiſchen Reiche genauer, ſo findet man, daß das höhere immer nicht bloß ſein charakteriſtiſches Vermögen, ſondern auch das oder die der unter ihm ſtehenden Reiche beſitzt. Die 3 Stufen der ſekundären Organismen verhalten ſich daher ſo, daß jede folgende die Hauptvermögen der frühern in ſich auf— nimmt. Während alſo die Pflanzen nur Plaſtizität beſitzen, iſt den Thieren Plaſtizität, Senſibilität und Intelligenz eigen. Die Organismen ſind alſo um ſo zuſammengeſetzter, je höher ſie ſtehen. Thieriſche Organismen konnten nothwendig nur entſtehen, indem animaliſche Seelen ſich als höhere Stufe auf vegetati— ven entwickelten, und beide in einer zwar höchſt innigen, aber eigenthümlich modifizirten Durchdringung zu einer höhern Ein⸗ heit verſchmolzen. In dieſer iſt jedoch nicht alle Trennung aufgehoben, und ſpricht ſich im Gegentheile in vegetativen und animalen Syſtemen ſogar räumlich aus. Die animaliſche Seele kann ſich nur räumlich offenbaren, indem ſie gleichſam in einen Pflanzenkörper ſich verſenkt, nicht aber nach einer me⸗ chaniſchen Vorſtellung, ſondern nach einer vorausbeſtimmten und nothwendigen Folge und geiſtigen Durchdringung. Der Pflanzenkörper ſelbſt wird jedoch mächtig verändert durch die neue Beſtimmung, welche er erhalten hat, jo wie er anderer ſeits unaufhörlich auf den animalen Theil einwirkt. So be⸗ ſteht alſo das Thier aus einer vegetativen und animalen Sphäre, und ſo erklärt ſich das Geheimniß, warum die vege— tativen Funktionen in ihm größtentheils dem Willen und Bewußtſein entzogen ſind. Ihnen ſteht nämlich die pflanzliche Hälfte der Thierſeele vor, welche gleich der Pflanzenſeele nach ihr eingeprägten Geſetzen, aber bewußtlos wirkt.

126 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

Es leuchtet ein, daß hiernach die Pflanze als Simplizität, das Thier als Duplizität, der Menſch als Triplizität erſcheine, ſgleichſam als eine innige Durchdringung einer vegetativen, animalen und vernünftigen Seele, alle drei zu einer orga- niſchen Einheit verſchmolzen, in der Vereinigung aber doch Trennung beurkundend. Es iſt klar, daß durch dieſe Anſicht zahlreiche Erſcheinungen des Menſchen- und Thierlebens er- klärbar werden. Während der vegetative ſowohl als ani— male Theil der Menſchenſeele raümlich und materiell ſein eigenes Gebiet im Organismus hat, fehlt dem intelligenten Theil, weil er an und für ſich unkörperlich erſchei— nen würde, ein ſolches Gebiet. Das menſchliche Gehirn hat keine anderen Theile als das höchſte Thiergehirn, es ift - daher nicht etwa der leibliche Ausdruck der intelligenten Seele, welche keinen ſolchen Ausdruck hat, ſondern nur das vermit⸗ telnde Organ derſelben. |

Obwohl die drei Reiche in der angegebenen Steigerung auf einander folgen, obwohl das Thier gleichſam in einen Pflanzenleib aufgenommen, ein Theil feiner Lebensprozeſſe. daher jenen der Pflanze analog iſt, ſo darf man doch nicht vergeſſen, daß neben der Aehnlichkeit auch die Verſchieden⸗ heit beſtehe, wodurch eben jedes Reich feinen eigene thümlichen Charakter im Beſondern und auch in jenen Funktionen behauptet, welche es mit andern gemein hat. So nimmt z. B. die Plaſtizität, welche dem Pflanzen- und Thier⸗ reiche eigen iſt, in jedem eine andere Richtung, und erzeugt in jedem deßhalb ganz andere Wee

XI. gauptſtück.

Steigerung der Freiheit im Univerſum. 02 tivität und Subjektivität.

Mit den aufſteigenden Kategorieen der Naturweſen er⸗ ſcheinen immer höhere Grade der Freiheit. In den mate⸗ rialen Kräftepunkten, den tiefſten unter allen, erſcheint nicht einmal ein Minimum derſelben. Anziehung und Ab⸗ ſtoßung, chemiſche Durchdringung und Gruppirung zu regel⸗

Steigerung d. Freiheit im Univerſum. Objektiv. u. Subjekt. 127

täßigen Kryſtallformen erfolgen nach unabänderlichen Geſetzen. Von den Weltkörpern gilt wenigſtens für ihre räumlichen und zeitlichen Beziehungen zu andern daſſelbe. Daher jene ſtrenge mathematiſche Geſetzmäßigkeit in ihrer Anordnung und in ihren Bewegungen, erinnernd an die ſtöchiometriſchen und Kryſtalliſationsgeſetze. Was mathematiſch beſtimmt wer— den kann, iſt unfrei, bewegt ſich im Kreiſe ſtrenger Nothwen— digkeit. Mathematik und Freiheit ſtehen zu einander in umgekehrtem Verhältniſſe. Man hoffe daher nie, die mathe— matiſche Erklärung auf irgend einen Schöpfungsprozeß oder auf das organiſche Leben anwenden zu können. Auch in den Weltkörpern, den unterſten Organismen kommen Erſchei⸗ nungen vor, die zwar keineswegs auf Freiheit bezogen werden können, welche immer nur in Folge des Bewußtſeins auftritt, jedoch auf eine Gliederung des Seins, hiemit auf Veränder⸗ lichkeit hindeuten, wozu nicht nur die Entwicklung gehört, welche ſie durchlaufen, ſondern auch gewiſſe unregelmäßige Schwankungen in ihrem Lebensprozeſſe, welche ſich durch Ver: mehrung oder Verminderung des Lichtes bei leuchtenden, bei der Erde durch Erhöhung und Erniedrigung ihrer magnetiſchen und elektriſchen Kraftäußerungen oder Störungen in den Funk⸗ tionen der einzelnen Glieder des Erdganzen ausſprechen. In den Pflanzen hat die Härte der Nothwendigkeit nachgelaſſen ihr Leben vermag ſich den Umſtänden anzu⸗ paſſen, ihrer Entwicklung iſt ein gewiſſer Spielraum gegeben, ſie vermögen auf Einflüſſe zu reagiren, in gewiſſem Grade ſogar günſtige Einwirkungen aufzuſuchen, ungünſtige zu mei⸗ den. Erſt bei den Thieren kann von Freiheit, und zwar von ſinnlicher zuerſt die Rede ſein. Sie ſpricht ſich in der willkührlichen Bewegung und in der Möglichkeit aus, in einer beſtimmten Sphäre zu urtheilen und zu wählen. Zur ſinn⸗ lichen Freiheit geſellt ſich im Menſchen die geiſtige, mit welcher die höchſte Stufe erreicht iſt, welche aber dadurch beſchränkt wird, daß der Menſch vermöge ſeiner körperlichen Natur zugleich im Kreiſe der Nothwendigkeit feſtgehalten wird. Es müſſen alſo noch höhere Grade der Freiheit denkbar ſein, bei welchen auch dieſer letzte Zwang wegfällt.

128 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

In Beziehung auf Objektivität und Subjektivität zerfällt das ganze Univerſum in zwei Hälften. Diejenigen Dinge, welche der niedrigern angehören, erſcheinen bloß gegenſtänd⸗ lich, d. h. an und für ſich, und für jene der höhern, welche ſie wahrnehmen nicht aber ſich ſelbſt. Sie find daher nur Ob- jekte, und bilden die objektive Seite der Welt, zu welcher die Materie und ihre Verbindungen, ferner die Weltkörper und die Pflanzen gehören. Die Dinge der höhern oder ſubjektiven Hälfte erfcheinen nicht bloß gegenſtändlich und für andere, die ſie wahrnehmen, ſondern auch durch innern Reflex ſich ſelbſt, d. h. ſie haben Bewußtſein. Hieher gehören alle Weſen, von den Thieren angefangen und dieſe mit eingeſchloſſen.

XII. Hauptſtü ck. Die Menſchheit.

Zwiſchen der Welt der Freiheit und Nothwendigkeit ent: wickelt ſich alſo eine eigenthümliche Form von Weſen, welche in der erſten Zeit ihres Daſeins noch in der letztern befangen ſind. Der Menſch iſt einerſeits im Kauſalismus der Natur verſtrickt, und mit tauſend Banden an ſie geknüpft, anderer⸗ ſeits trägt er das Geſetz der Freiheit und Moral in ſich, welches nur in der überſinnlichen Welt Geltung hat. In ihm liegen daher zwei Welten in ſtetem Kampfe, machen ſich ſeinen Beſitz ſtreitig, und erlangen abwechſelnd in ihm das Uebergewicht. Das Daſein von beiden in ihm und für ihn bringt alle ſcheinbaren Wiederſprüche in ſeinem Weſen, Wiſſen und Glauben hervor. Die Nichtanerfennung beider Welten, und die Verſuche, bald die eine, bald die andere zu läugnen, bald ſie zu identifiziren (Identitätsphiloſophie) bald ſie gänz⸗ lich zu trennen, bald die Ueberzeugung von der Realität der Sinnenwelt (Fichte'ſcher Idealismus), oder der moraliſchen Welt (Materialismus) als eine unwahre darzuſtellen, bewirk⸗ ten die mannigfachen Phaſen der Philoſophie. Wer nur die Natur kennt, dem kann der Menſch nur das verſtändigſte Thier ſein, über welches hinaus nichts Höheres exiſtirt; wer

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Die Menſchheit. 129

nur die ideale Welt kennt, für den ift die Natur ein Nich— tiges, Falſches, Unwahres.

Damit der Menſch feiner Beſtimmung genüge, mußte ihm das geiſtige Auge geöffnet, Klarheit der Selbſtanſchauung vergönnt, Erkenntniß des Guten und Böſen verliehen, und Freiheit der Wahl geſtattet werden. Hier erſt treten nun die Unterſchiede des Guten und Böſen ein, die zweideuti⸗ gen, wechſelvollen Relationen der Natur gewinnen plötzlich einfachen Sinn, beſtimmte Bedeutung: der Januskopf wandelt ſich zum Menſchenantlitz um.

Die Geſchichte der Menſchheit lehrt indeß, daß die Er— kenntuiß dieſer Bedeutung des Menſchen nur ſehr allmälig eingeſehen, und nur zu oft vergeſſen wird. Zahlreiche Ver— irrungen gehen aus dem ſelbſtſüchtigen Streben hervor, den Indifferentismus der Natur in menfchliche Verhältniſſe zu über⸗ tragen, und den großen Unterſchied zwiſchen beiden aufzuheben.

Mit der Erſcheinung des Menſchen ſind aber die Welt— erſcheinungen nicht geſchloſſeu, ſondern mit ihm beginnt eben eine neue Reihe derſelben. Denn da wie früher geſagt, ſich im Menſchen der ſchaffende Faktor des Weltgeiſtes gleichſam

inkarnirt hat, während der erhaltende in der organiſchen

Natur zurück blieb, ſo tritt der Menſch als Schöpfer einer

eigenthümlichen Welt auf, welche in der Menſchheit als

Gegenbild der Natur erſcheint, aber nicht mehr durch eine ungeheuere Zahl von Naturformen, ſondern durch eine entſpre— chende Menge geiſtiger Formen dargeſtellt wird. Treten in der Natur verſchiedene Klaſſen, Ordnungen, Familien, Sippen

von Pflanzen und Thieren auf, ſo entſprechen ihnen in der

Menſchheit die verſchiedenen Stämme, Nationen, Völker und verwandtſchaftlichen Vereine. Kam das Thier nicht über den Kreis ſinnlicher Freiheit hinaus, ſo hat ſich dieſer für

den Menſchen in den unendlich größern (obwohl nicht unbe-

dingter) geiſtiger Freiheit erweitert, und die Fähigkeiten, welche bei jenem als Kunſttrieb und Inſtinkt erſcheinen, haben ſich im Menſchen zu Kunſt und Wiſſenſchaft verklärt. Wäh— rend daher die vegetative und animaliſche Richtung der Men⸗ ſchenſeele die N entſprechenden 1 des a geſtalten

4130 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

und beleben, bildet ſich der intelligente Theil ſeinen Leib in der Sphäre der Gedanken, die oft äußerlich in Gebilden der Kunſt und Wiſſenſchaft, im Wollen und Thun hervortreten. Außer dieſen entſprechenden Verhältniſſen erſcheinen aber, in Folge der Doppelſtellung des Menſchen zwiſchen ſinnlicher und überſi nnlicher Welt, auch ganz neue, zu welchen in der Natur die Analoga fehlen, und die wir bereits als RR. und religidfe Erhebung angedeutet haben. |

Die ganze unendliche Mannigfaltigkeit, welche durch alle dieſe Beziehungen gegeben iſt, gehört aber nicht mehr dem einzelnen Menſchen, ſondern der Menſchheit an, die eine zweite Natur ihre Bewegungen und Stürme, ihre Ver— änderungen und Entwicklungsperioden hat, in welcher ſich durch den Konfluxus der individuellen Geiſter, Maſſengei- ſter, Nationengeiſter entwickeln, die ohne Individualität, räthſelhaft entſtehend, oft Jahrhunderte beharrend, oft ſchnell vergehend, auf dieſer Stufe des Seins den kosmiſchen Kräf— ten in der Materie entſprechen, und häufig ſo gewaltſam wie dieſe wirken.

Man kann mit einiger Wahrheit wohl die einzelnen Staa— ten, nicht aber die Menſchheit einem Organismus vergleichen. Die letztere iſt eine Maſſe, in welcher allerdings zahlreiche organiſirende Tendenzen vorhanden find, die aber abgeſondert, ſehr oft entgegengeſetzt wirken, und zu keiner höhern Einheit in einander greifen, wie es doch im Weſen jedes Organis⸗ mus liegt.

Wir haben nämlich bis jetzt die Menſchheit in ſtetem Kampfe mit ſich ſelbſt geſehen. Die alten Gegenſätze ſind noch immer vorhanden. Die Leidenſchaften haben ſich mit der ſteigenden Kultur zwar in ein gefälligeres Gewand gehüllt, ſind aber ihrem innern Weſen nach noch ſo rauh und glühend, wie zur Zeit des erſten Brudermords. Die Völker werden von einem über ihnen ſtehenden Geſchick getrieben, welches häufig aller Macht und Berechnung ihrer Lenker ſpottet. Jener mächtige Geiſt, der einſt die Oberfläche der Erde umgeſtürzt und die Elemente gegeneinander in den Kampf geführt hat, ſcheint jetzt unſichtbar über den Nationen einherzuſchreiten,

Der Menfchheit. 151

wo er, wie dort, nach den Maſſen wirft, und des Ein— zelnen nicht achtet: bald als plaſtiſcher Trieb Wachſen und Gedeihen vermittelt, bald als gegen ſich ſelbſt ge— wendete Kraft das mühſam Geſchaffene zerſtört, das Blei— bende haßt und ſich im Wechſel der Prinzipien gefällt. Darum iſt der Einzelne auch nur frei in der moraliſchen Sphäre, nicht aber wo er ſich in den Kampf der Maſſen und der Partheien ſtürzt, in denen außer den Kräften der Individuen (in Folge jener öfter angeführten Wiederholung derſelben Potenzen auf höhern Stufen, und der Beziehung jedes Ein— zelnen auf den gemeinſchaftlichen Urſprung) auch noch jene des Weltgeiſtes wirken. Die Entwicklung der Menſch— heit iſt ihr beiderſeitiges Produkt.

Bei allem Dieſem iſt jedoch die Hoffnung nicht aufzugeben, daß der Genius der Menſchheit ihre getrennten Glieder im Verlaufe der Zeiten vereinigen, ihre widerſtrebenden Thätigkeiten in einer vermittelnden Einheit zuſam— menfaſſen, und nur ſolche Gegenſätze uͤbrig laſſen werde, wie ſie zum Beſtehen jedes Organismus und alſo auch des ein— zelnen Staats, wie einer allgemeinen Vereinigung der Nationen nothwendig ſind. Da die Menſchheit ein höheres Gegenbild der organiſchen Natur der Erde darſtellt, ſo müß— ten auch dieſe Gegenſätze andere Bedeutung erhalten, als in jener, und während in der Natur Jedes nur durch den Untergang des Andern beſteht, müßte hier das Wohl des Einzelnen auch jenes des Ganzen bedingen.

Wie wir nun in der Natur als Zweck und Streben des Weltgeiſtes erkennen, immer höhere Stufen an und aus den niedrigern zu entwickeln, und allmälig die bewußtlos wirkenden Kräfte zum Bewußtſein und zur Selbſterkenntniß herauf zu bilden, ſo iſt es auf der Stufe der Menſchheit Aufgabe der erleuchteten und höhern Menſchen, die Kräfte derſelben zur Erreichung jener Beſtimmung zu lenken, und dem metaphyſiſchen Geſetz des Rechts und der Sitte den Sieg über die niedrigen Triebe materieller Selbſtſucht zu erringen.

Außer den bis jetzt realiter erſchienenen Verhältniſſen und Schöpfungen der Menſchheit iſt noch immer eine unbeſtimmte Zahl

132 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

anderer möglich, die nach Zeit und Umſtänden theilweiſe wirklich

werden. An eine Erſchöpfung derſelben iſt nicht zu denken, da aller Geiſt ſeiner Natur nach unendlich, und der Geiſt der Menſch⸗ heit wie jeder andere, nur durch die Grenzen feines Weſens be⸗ ſchränkt, innerhalb derſelben aber unendlich iſt. Das »nil novi sub sole« iſt nur in fo ferne wahr, als nichts Neues hervorgebracht wird, welches auſſer dem Begriff des Menſchengeiſtes liegt; innerhalb deſſelben werden ſtets neue Dinge in's Unbegränzte fort⸗ erzeugt.

* 21 * .

Riuͤſck blick.

Haben wir im nun vollendeten erſten Buche das Weſen der Natur beſtimmt, (zu deſſen ſchärferer Eharakteriſtik wir noth> wendig auch auf ihren Urgrund und auf die Menſchheit Blicke werfen mußten) und ſie in ihrer Allgemeinheit, entkleidet von aller Spezialität betrachtet, ſo iſt es Aufgabe der folgenden Bücher, die Beſonderheit darzuſtellen, und die theils aus der Ver— nunftnothwendigkeit gefloſſenen, theils durch die Abſtraktion erkannten Wahrheiten im unbegränzten, reichen Felde der Er— fahrung nachzuweiſen. Mögen wir vorher alles Erſchloſſene noch einmal in einer Anſchauung zuſammenfaſſen. Beilie⸗ gendes Schema, welches unter Anderem auch die Doppel- ſtellung des Menſchen ausdrückt, giebt eine klare Ueberſicht der aufgeführten Potenzen des Univerſums, ihrer allmäligen

Steigerung, und ihrer wichtigſten Verhältniſſe.

Intellige Geiſterwelt. |

Die Indivi Welt der Subjektivität, oder geſchieden. und I des Bewußtſeins. Ihre Glieder | nd), exiſtiren nicht bloß an und für fich,

ußt, ſondern erſcheinen auch ſich ſelbſt,

) 1 Menſchheit. (und handeln nicht nur nach äußern [und innern Reizen, ſondern auch

iſche r. nach freier Selbſtbeſtimmung.

ö tät, B (Senfibilität, freiwillige Bewe— ze ach gung; Gemüth, Charakter, Intelli⸗ gaduliee Ku genz, Moral, Kunſt und Wiſſenſchaft.) Die Individſchen f

minder geſchieden Bilden ſich Lehen, terialen Kräftepulos,

ten.

15 [Welt der Objektivität, oder erg : der Bewußtloſigkeit. Ihre Glie— ine der erſcheinen nur an und für fich, Bern nicht auch fich ſelbſt, und wirken us) / nach nothwendigen, ihnen fpes

um, zifiſch eingeprägten Geſetzen. Aggregation, Mechanismus; Pla— iſtizität; Licht, Wärme, Magnetismus,

ich Stof ff . Elektrizität, Chemismus.)

tri⸗ Die Individi als Maſſen bildend. kry⸗

® 2 | = Ä

Anmerkung. raftweſen Hohne Rückſicht, ob daſſelbe auch die ſonſt

| | *

Intelligente Seelen. Die Individuen vollkommen geſchieden.

Organiſirende Seelen. Die Individuen mehr oder minder geſchieden.

terialen Kräftepunkten. (Atomen.)

Stoffſeelen.

Die Individuen faſt immer Maſſen bildend.

Anmerkung. »pſychiſch“ genannten

Bilden ſich Leiber aus den

| |

Seelen d. ſekundären Organismen; urſprüng⸗ lich aus d. Weltgeiſte her⸗ vorgegangen, jetzt durch Fortpflanzung entſte⸗ hend, auf den Welt⸗ körpern wirkend.

Seelen der primären Organismen, urſprüng⸗ lich entſtehend, im Welt⸗ raum wirkend.

Atomſeelen.

Kräfte beſitze.

Menſchenſeelen.

Thierſeelen.

Pflanzenſeelen.

Weltkörperſeelen.

Weltrich lter. aaa:

Unkörperlich erſcheinende Seelen?

Ihre Organismen ſtellen eine Triplizität dar, und ſind daher plaſtiſch (nur Organiſches in Organiſches umbildend), fenfibel (willkührlicher Bewegung fähig, ihrer bewußt, ſinnlich frei), intelligent (geiſtig frei), erzeugen dadurch die

Sprache und erkennen als Grund aller ſinnlichen Erſcheinungen

ideale Prinzipien. Durch auf fie übergegangene ſchöpferiſche Macht ſtellen ſte als Gegenbild der Natur die Menſchheit dar. Ihre Organismen verhalten ſich als eine Duplizität, find daher plaſtiſch, (nur Organiſches in Organiſches umbildend) ), ſenſibel (willkührlicher Bewegung fähig, ihrer bewußt, ſinn— lich frei) und fühlen hiedurch die reale Exiſtenz der ſinnlichen Dinge.

Ihre Organismen entſprechen, mit vorigen verglichen, einer Simplizität, ſind nur plaſtiſch (bewußtlos, willenlos, unbeweglich), wobei fie das Unorganiſche zu Organiſchem geſtalten. Sie ſind bewußtlos, willenlos, geſtalten die kosmi— ſchen Organismen durch Anziehung des im Naum verbreiteten

Weltenſtoffes, oder des atmoſphäriſchen Stoffes ſchon gebildeter

Weltkörper, und veranlaſſen die Verbindungen der Atome zu den Mine— ralkörpern. Die Weltkörper leuchten oder werden beleuchtet, äußern die kosmiſchen Kräfte (Licht, Wärme, Elektrizität, Magnetismus), und bewegen ſich nach mechaniſchen Geſetzen durch den Raum, wie dieſe aus ihren Maſſen und Entfernungen reſultiren.

Materiale Kräftepunkte, bewußtlos, willenlos, räumlich ausgedehnt, undurchdringlich , mit Anziehungsaxen verſehen, daher kohärent und ſchwer; Träger der magnetiſchen, elektri— ſchen, Licht-, Wärme- und Schallphänomene; chemiſch differenzirt, in Maſſe den Sinnen als Materie erſcheinend; als Aggregate die Mineralien, in regelmäßiger Anordung die Kry— ſtalle, unter dem Einfluß der organiſtrenden Seelen die Organismen bildend.

Nothwendigkeit. We. ltſchoͤpfer.

———

Geiſterwelt.

Menſchheit.

Natur.

Welt der Subjektivität, oder des Bewußtſeins. Ihre Glieder exiſtiren nicht bloß an und für ſich, ſondern erſcheinen auch ſich ſelbſt, und handeln nicht nur nach äußern und innern Reizen, ſondern auch nach freier Selbſtbeſtimmung.

(Senſibilität, freiwillige Bewe⸗ gung; Gemüth, Charakter / Intelli⸗ genz/ Moral, Kunſt und Wiſſenſchaft.)

Welt der Objektivität, oder der Bewußtloſigkeit. Ihre Glie⸗ der erſcheinen nur an und fuͤr ſich, nicht auch ſich ſelbſt, und wirken nach nothwendigen, ihnen ſpe⸗ zifiſch eingeprägten Geſetzen.

(Aggregation, Mechanismus; Pla⸗ ſtizitaͤt; Licht, Wärme, Magnetismus, Elektrizität, Chemismus.)

Das Wort „Seele“ iſt hier in viel weiterem, als den gewöhnlichem Sinn genommen, und bedeutet fo viel als „Kraftweſen“ ohne Rückſicht, ob daſſelbe auch die ſonſt

Zweites Buch.

Von den Stoffen und den an ihnen erſcheinenden allgemeinen Kraͤften.

115 g au p f ſt ü ck.

Vom Weſen und den Aggregatzuſtänden | | der Materie, | Lit. Vergl. unter And. d. Artikel Materie in Gehlers Wörter buch, 6 Bd. 2 Abth. S. 1393 folg., von Munke; ſo wie die Artikel Anziehung, Abſtoßung, Gravitation, Schwere, Ausdehnung, Kohäſton, Gas, Flüſſigkeitszuſtand, Härte,

Dichtigkeit, Elaſtizität, Sprödigkeit, Poroſität.

Wir haben als niederſte Kategorie der Kraftweſen dieje⸗ nigen bezeichnet, welche uns bei ihrer Vereinigung als Stoffe, als Materie erſcheinen. Sie ſind in ihrer unendlichen Zahl und der ſie beherrſchenden eiſernen Nothwendigkeit, der Einheit und Freiheit des über der Natur ſtehenden göttlichen Weſens am meiſten entgegengeſetzt die tiefſte Offenbarungsſtufe deſſelben in feiner Aktion als Weltgeiſt. Die Art und Weiſe, wie wir ſie wahrnehmen, iſt lediglich durch die Einrichtung und die Eigenthümlichkeit unſerer Sinnesorgane bedingt, und daher rein relativ. Unſere Sinne nämlich ſind ſelbſt Kräfte, welche eine ſolche Affinität zu der Materie haben, die ebenfalls nur ein Inbegriff von Kräften iſt, daß ſie mit dieſer in eine Wechſelwirkung treten, die im Bewußtſein als ſinnliche Wahrnehmung erſcheint. Die verſchiedenen Weiſen derſelben

134 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

find durch die Verſchiedenheit der Sinne bedingt, welche je nach ihrer Art mit andern Kräften in Beziehung treten: ſo das. Maßengefühl zu der Ausdehnung, das Wärmegefühl zu der an der Materie haftenden Repulſionskraft, der Geſchmack zu den chemiſchen Aeußerungen, der Geruch zu den elektriſchen, das Gehör zu den Schwingungen größerer Vereine (Moleküle) von materialen Kräftepunkten, das Geſicht zu den Verhält⸗ niſſen, die aus der Wechſelwirkung der Lichtkraft mit denen der Materie entſtehen. Es kann hiernach möglicherweiſe eine Menge von Kräften geben, welche wir nicht durch unſere Sinne wahrnehmen (wie dieſes z. B. wirklich mit der magne— tiſchen Kraft der Fall iſt) und es iſt einestheils nur im Feinheits— grade unſerer Sinne gegründet, daß wir die materialen Kräfte— punkte nicht einzeln, ſondern nur in Maſſe wahrnehmen.

Man verſteht unter Materie den Inbegriff alles ſinnlich Wahrnehmbaren. Ihre konſtitutiven letzten Theilchen müſſen ausgedehnt ſein, um den Raum erfüllen zu können, und zwar nach 3 Dimenſionen, weil weder eine Fläche noch eine Linie den Raum erfüllen kann. Die materialen Kräftepunkte, welche man ſehr richtig Atome nennen kann, wenn man darunter nur die kleinſten, ſelbſtſtändigen, weiter nicht mehr theilbaren Kraftweſen verſteht, erfüllen durch ihre Exiſtenz den Raum, ſind nicht zuſammendrückbar und undurchdring— lich, d. h. ſie geſtatten nicht das bleibende Daſein anderer Atome im ſelben Raum. |

Die Anziehung fcheint eine allgemeine, aller Materie zukommende Kraft zu fein. Es iſt nicht abſolut nothwendig, den Atomen Repulſionskraft zuzuſchreiben, denn wahrſcheinlich gehen die Erſcheinungen, die man durch ſie zu erklären ſucht, aus der Wärme hervor. Der Einwurf, daß ohne Nepulfiong- kraft bei der fortdauernden Anziehung endlich alle Materie in eine dichte Maſſe vereinigt werden müſſe, kann man dadurch beſeitigen, daß man annimmt, dieß werde durch den Wechſel der Anziehungen verſchiedener in Konflikt kommender Materien verhindert. Ohnedem müßten ſich Anziehung und Abſtoßung gegenſeitig aufheben, wären ſie als zwei gleiche ae | vorhanden,

Vom Weſen und den Aggregatzuſtänden der Materie. 135

Die Atome können nicht unendlich klein ſein, weil das Unendlichkleine mit dem Nichts zuſammenfällt, alle aus den Atomen gebildeten Körper aber meßbare Größen des Raumes erfüllen. Es iſt noch nie gelungen, die einzelnen Atome irgend eines Stoffes ſinnlich wahrzunehmen, doch darf man vermuthen, daß ſie, wenn auch einerlei Geſtalt, doch nach den Stoffen verſchiedene Größe haben, d. h. die räumlichen Grenzen, bis zu welchen ſich die Wirkſamkeit jedes materialen Kraftweſens erſtreckt, liegen nach der chemiſchen Art, zu welcher es gehört, näher beiſammen, oder weiter auseinander. Eine Form müſſen die Atome nothwendig haben; dieß folgt aus dem Ausgedehnt— fein. Zur Erklärung der ſtöchiometriſchen Verhältniſſe muß man nothwendig annehmen, entweder, daß die Atome ungleich groß oder ungleich ſchwer ſeien. Es iſt wahrſcheinlicher, daß ſie ungleich groß ſeien. Vielleicht ſind alle Atome kugelförmig, d. h. die Wirkſamkeit jedes einzelnen Kraftweſens reicht von einem Centrum aus an alle denkbaren, gleichweit von dem Centrum liegenden Punkte, und die verſchiedenen Kryſtallformen ſind nur durch die verſchiedene Lage der Anziehungsaxen ge— geben. Aus den kugelförmigen Atomen läßt ſich dann das Parallelopipedon ableiten, welches zur Bildung aller Kern— formen hinreicht. (Vergl. hiezu Seeber's Abh. in Gilb. Annal. LXXVI. 229. 349.)

Außer den Kräften der Ausdehnung und itaurchdeirg, lichkeit iſt die Materie auch ſchwer, hat eine Hinneigung zu anderer Materie, deren Grad durch deren Menge und Diſtanz bedingt iſt und in außerordentliche Ferne wirkt. Den einzelnen Atomen geſellt ſich mehr oder weniger Wärme, Elek— trizität und magnetiſche Kraft bei, und ſie treten zuerſt in kleinere Vereine (Moleküle) dann in größere Maſſentheilchen zuſammen, welche nun groß genug (kräftig genug) ſi ind, um von den Sinnen wahrgenommen zu werden.

Die hier mitgetheilte Anſicht widerſpricht keiner Erſcheinung. Daß die Materie aus Kräften beſtehe, gar nicht anders vorſtellbar ſei, wird mehr und mehr anerkannt werden. Ja, die neueſte Phyſik braucht nur noch wenige Schritte zu thun, um auf demſelben Punkt anzukommen, wie ſich aus den unten mitzutheilenden Theorieen

136 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

von Ampere, Poiſſon ze. ergeben wird. Es folgen hier die vor: züglichſten Meinungen über die Materie.

Die älteſten Naturphiloſophen betrachteten dieſelbe als etwas Gegebenes, und ihre Veränderungen als Folge von Verdichtun⸗ gen. Die perfifchen Magier hielten das Feuer für den Urſtoff aller Dinge, die Indier und Aegypter das Waſſer. Letztere An- ſicht hatte auch Thales; fein Schüler Anaximenes hielt die Luft für das Grundweſen. Anaxragoras ſtellte die Hypotheſe von den Homocomerien, oder gleichartigen Theilchen auf; Pythagoras die ſo lange herrſchend gebliebene Lehre von den 4 Elementen: Feuer, Luft, Waſſer, Erde. Empedokles nahm noch feinere Elemente an. Leueipp betrachtete zuerſt höchſt feine, nach Geſtalt und Weſen verſchiedene, im Naume zerſtreute Atome als Grundlage aller Körper. Er legte ihnen geradlinige Bewegung bei, in Folge deren ſich die gleichartigen vereinigen mußten, während die leich— tern in weitere Räume gelangten. Demokrit und beſonders Epi⸗ kur erweiterten dieſe Lehre, und letzterer gebrauchte zuerſt den Namen Atome. Seine Hypotheſe wurde von Lueretius Carus, Gaſſendi u. A. weiter entwickelt. Ariſtoteles nahm die 4 Elemente als Grundlage aller Körper an. Alle Körper ſollten aus materiel- len, mit gewiſſen Kräften begabten Theilchen zuſammengeſetzt ſein. Nach dem dualiſtiſchen Syſteme des Carteſius beſteht die Materie aus Atomen, die an ſich und weſentlich zwar untheilbar, dem Be— griffe nach aber theilbar ſind, weil ſie ausgedehnt ſein müſſen, um den Raum erfüllen zu können. Die Atome waren anfänglich gleich groß, wurden aber durch Bewegung und Reibung ungleich, und bildeten 3 Klaſſen. Die feinſten wurden am weiteſten gerade fort— geſchleudert / und bildeten Sonne und Firſterne; die nächſt gröbern, noch theilbaren bewegten ſich in ſchiefen Bahnen, und dienten zur Bildung des Himmels und der Wirbel; die gröbſten vereinigten ſich zur Erde, den Planeten und Kometen. Nach Boyle liegt allen Körpern die gleiche ausgedehnte, theilbare und undurchdring— liche Urmaterie zu Grunde, und die ſinnlichen Verſchiedenheiten der Körper ſind Folgen der ungleichen Größe, Geſtalt, der Ruhe oder Bewegung und gegenſeitigen Lage, wornach es gar keine unver— änderlichen Elemente giebt. Woodward nahm ſchon urſprüngliche Elemente an. Nach Newton beſteht die Materie aus verſchwindend kleinen Theilchen, welche ausgedehnt, undurchdringlich, hart und träge ſind, und ſämmtlich Attraktion auf einander üben. Wir über⸗ gehen die nachfolgenden idealiſtiſchen, die Realität der Sinnenwelt zum Theil gänzlich läugnenden Anfichten von Malebranche, Berke— ley, Spinoza, Hume ꝛc. Leibnitz zweifelte an der wirklichen Exi⸗ ſtenz ausgedehnter Atome, und nahm die Ausdehnung ſelbſt mit allen ſinnlichen Eigenſchaften für einen bloßen Schein. Nach ihm liegen

Vom Weſen und den Aggregatzuſtänden der M. 137

allen Dingen Monaden zu Grunde, die den geiſtigen Weſen ähnlich als Vorſtellkräfte zu betrachten ſind, und von welchen jede ihre bleibende Grundbeſtimmung hat. Die Welt beſteht aus einer Reihe gröberer und feinerer Monaden, von welchen die erſtern, gleichſam ſchlafen— den, nur der dunkelſten Berceptionen fähig, die wachenden geiſtiger Art ſind und in ſtetiger Neihe bis zu Gott, der höchſten Monade aufſteigen. Boscovich verwarf die Atome, weil, wenn fie ſich nicht berührten, kein Körper entſtehen, und wenn ſie ſich berühr— ten, eine Materie in die andere nicht eindringen könne, weil die vereinten abſolut harten und undurchdringlichen Atome einen gleichfalls abſolut harten und undurchdringlichen Körper bilden müßten. Nach ihm beſteht die Materie aus phyſtſchen Punkten, die nur Anziehungs- und Abſtoßungskräfte haben, welche Sphären von ungleicher Ausdehnung um ſie bilden, daher ihre Vereinigung zu den verſchieden geſtalteten Körpern bedingen, und ſich auf mannigfache Weiſe durchdringen. Bewegt ſich ein Körper ſehr geſchwind, und durchdringt hiebei einen andern, ſo werden die Theilchen des letztern gar nicht in Bewegung kommen; bewegt er ſich etwas langſamer, ſo werden die Theilchen in ſtarke Bewegung verſetzt, und in deren Folge erhitzt und entzündet; bewegt ſich ein Körper ſehr langſam, ſo durchdringt er einen andern gar nicht. Die praktiſchen Phyſiker Hawksbee, s' Graveſande, Muſchenbroek, Desaguliers, de Luc ꝛc. ſchloſſen ſich der Newton'ſchen Anſicht an. Die Engländer Michell, Prieſtley, Robiſon erklärten ſich für Boscovich. Nach Kant können wir von den Naturdingen nur durch äußere Anſchauung Begriffe erhalten, und Raum und Zeit find die nothwendigen Bedingungen unſerer-Vorſtellung, von Kör— pern. Die Materie beſtehe aus 2 gegeneinander wirkenden Kräften: Dehnkraft und Ziehkraft, und alle ihre Prädikate laſſen ſich auf Bewe⸗ gung zurückführen. Die Materie iſt nach ihm 1) das Bewegliche im Raume, 2) das Bewegliche, ſofern es einen Raum erfüllt, 3) das Bewegliche, ſofern es als ſolches bewegende Kraft hat, 4) das Bewegliche, ſofern es als ſolches ein Gegenſtand der Erfahrung fein kann. Die Materie erfülle den Raum nicht durch bloße Exiſtenz, ſondern durch beſondere bewegende Kraft, d. h. durch eine ihr in beſtimmtem Grade eigene Ausdehnungskraft. Sie kann daher in's Unendliche zuſammengedrückt, aber nie durchdrungen werden, iſt in's Unendliche theilbar, und jeder ihrer Theile iſt wieder Materie. Laplace betrachtet die Wärme als das repulſtve Prinzip, und Poiſſon und Avogrado ſtimmen ihm hierin bei. Nach Ampere (Annal. d. Chim. et Phys. tom, 58. p- 432) beſtehen alle Körper zunächſt aus Theilchen von gleichem Aggregatzuſtande, und die Theilchen wieder aus Molekülen, die ſich nur bis zu einer gewiſſen beſtimmten Entfernung einander nähern, ihr Abſtand von einander

138 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

wird bedingt durch das, was von den attraktiven und repulſiven Kräf⸗ ten der Materie bis zu ihnen reicht, dann durch die Repulſion aus der Wellenbewegung eines zwiſchen ihnen eingefchloffenen Aethers, endlich durch die Anziehung, welche der Maſſe direkt, und dem Quadrate des Abſtandes umgekehrt proportional if. Die Mole. küle beſtehen zuletzt aus Atomen, die durch eigenthümliche Attrak— tiv⸗ und Nepulfivfräfte zuſammengehalten werden, wobei die Re⸗ pulſtvkräfte überwiegen. Welchem Körper auch die Moleküle angehören mögen, ſo ſind ſie immer hart und polyedriſch, (was die Kernform der Kryſtalle giebt). Mechaniſche Kraft trennt bloß die Theilchen; die aus den Schwingungen der Atome entſtehende Kraft kann die zuſammengeſetzten Moleküle in einfachere zerlegenz nur chemiſche Kräfte vermögen dieſe noch weiter zu trennen. Bei Licht und Wärme vibriren die Atome, beim Schall nur die Mole— küle. Nach Poiſſon (Mem. de l' Acad. tom. 8. p. 369. Annal. d. Chim. et Phys. tom. 42. p. 145) beſtehen alle wägbaren Körper aus verſchwindend kleinen Molekülen, mit denen Wärme, elektriſche und magnetiſche Materie durch Anziehung verbunden iſt. Von Wärmeſtoff iſt ſehr wenig in den Zwiſchenräumen der Moleküle; deſto mehr an ihnen, weßwegen alle ſeine Wirkungen von ihnen unmittelbar auszugehen ſcheinen. Die Moleküle ziehen bloß ſich und den Wärmeſtoff an; letzterer aber iſt gegen fich ſelbſt repulſiv, und beide Kräfte nehmen mit der Entfernung der Moleküle von einander fo ſchnell ab, daß fie bei einer merklichen ganz unmerklich werden; die Moleküle ſind aber ſo klein, daß der Abſtand, bei welchem eine Abnahme der Kräfte beginnt, jederzeit ein Multi— plum ihres Durchmeſſers iſt, und deßwegen eine unzählbare Menge ſolcher Moleküle gleichzeitig im Konflikt der jedem einzelnen zuge— hörigen Kräfte ſich befinden. Beide Kräfte befolgen nicht gleiche Geſetze ihrer durch den Abſtand bedingten Stärke, jedoch giebt es immer eine gewiſſe Entfernung derſelben, für welche ein ſtabiles Gleichgewicht unter ihnen eintritt. Cauchy und Fechner treten dem Weſen nach dieſer Anſtcht bei.

Wie bemerkt, hat man noch nie einzelne Atome wahrgenom— men, und kann dieſes gar nicht, da ſchon bei einer gewiſſen Klein- heit, die unter der einen halben Lichtwelle liegt, keine Sichtbar— keit mehr möglich if. Die Active Molecules Nobert Brown's (die kleinſten unter 3000“ meſſenden Theilchen gepulverten oder auf— gelösten Gummigutts, Zinnobers, Glaſes, Schwefels, Kohle ze.) ſind nur kleine uns noch ſichtbare Theilchen. Dieſelben zeigen im Waſſer unter dem Mikroskope Bewegungen, weßwegen ihnen manche irrigerweiſe (organifches) Leben zuſchrieben, während ihre Bewegung nur durch Verdunſtung entſteht, und durch Strömun⸗ gen, die in Folge derſelben im Tropfen eintreten

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Vom Weſen und den Aggregatzuſtänden der Materie. 139

Eine eigenthümliche organiſche Materie anzunehmen, geht nicht an, wohl aber bringt die den Organismen einwohnende Kraft erbindungen hervor, wie fie die Stoffe auſſer deren Bereich nicht darſtellen. Unorganiſches wird daher ſtets zum enden Be⸗ ſtandtheil organiſcher Körper. Die Anziehung oder Attraktion iſt eine aller Materie weſentliche Kraft. Sie zeigt ſich im Beſtreben flüſſiger Körper, z. B. der Regentropfen, Kugelgeſtalt anzunehmen, fo wie in der ſphäroidiſchen Form der Luftblaſen, Weltkörper ic. Im weiteſten Sinn beruhen auch die Erſcheinungen der Adhäſion, Kapil— larattraktion, Abſorption, Kohäſion, Gravitation, Schwere auf Modifikationen der Anziehung. Wenn etwas die reine Geiſtigkeit der Materie klar beweiſen kann, ſo iſt es die Gravitation, vermöge welcher die Weltkörper aus ungeheuern Entfernungen auf einander wirken. Gravitation und Schwere ſind einfache Wirkungen der Anziehung. Was die Kohäſton und Adhäſion betrifft, fo ſcheint erwiefen, daß die Durchmeſſer aller Körperelemente, wenn auch ungleich groß, doch verſchwindend klein ſind, zugleich aber nicht in unmittelbarer Berührung mit einander, ſondern in meßbarem Abſtande von einander ſtehen, und durch Verminderung der Wärme ſich nähern. Man unterſcheidet die Gravitation oder die gegenſeitige Anziehung der Weltkörper von der Attraktion, und verſteht unter letzterer die Anziehung, welche die Erde gegen ihre Beſtandtheile und gegen wenig ent— fernte Körper ausübt. Doch find beide dem Weſen und ihren Geſetzen nach vollkommen gleich. Alle Körper ſtreben auf die Erde zu fallen, und drücken auf ihre Unterlage, wenn ſie nicht zu fallen vermögen. Die Schwere kommt nicht den Körpern als Ganzen, ſondern allen ihren Theilen zu. Am ſelben Orte, oder an nicht weit von einander entfernten Orten fallen alle Körper im luft— leeren Raume gleich ſchnell, ſind gleich ſchwer. Gegen den Aequa— tor wird die Schwere der Körper geringer, gegen die Pole größer; in größerer Entfernung vom Erdmittelpunkte nimmt fie ab. Die Schwerkraft iſt von der materiellen Verſchiedenheit der Körper ganz unabhängig, und nimmt daher allenthalben und immer in gera— dem Verhältniſſe mit der Maſſe des anziehenden Körpers, im ver— kehrten mit dem Quadrate der Entfernung der anziehenden und angezogenen Maſſe zu, oder ſie wirkt der Maſſe direkt und dem Quadrate der Entfernung umgekehrt proportional. Kohäſion iſt der Zuſammenhang feſter Körper, und ihre Verſchiedenheit ſcheint in der chemiſchen Verſchiedenheit der Materie, und den Verhältniſſen derſelben zur Wärme zu beruhen. (Laplace wirft ſie unbedenklich mit der Attraktion zuſammen, und behauptet, daß ihre Verhältniſſe, wie jene der Attraktion ſich auf die den Maſſen

1420 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch. direkte und den Quadraten der Abſtände umgekehrt proportionale Anziehung zurückführen laſſen, was Andere läugnen). Adhäſion iſt die Anziehung oder Anhängung getrennter feſter Körper anein⸗ ander, der flüßigen oder expanſibeln Körper untereinander und gegen feſte Körper. Kapillarattraktion und Kapillarde⸗ preſſion iſt die pofitive und negative Anziehung tropfbarer Flüßigkeiten in haarröhrchenartigen Räumen feſter Körper.

Die Abſtoßung, welche einige für eine den Stoffen weſent⸗ liche Kraft halten, iſt eine in der Natur ſehr häufige Erſcheinung. Hieher gehört das Verhalten gleichnamig elektriſirter Körper, und der gleichen Pole der Magnete, die Ausſcheidung verſchiedener Stoffe durch chemiſche Prozeſſe, und ſolche Subſtanzen, welche ſich nicht miſchen laſſen, oder nicht benätzen, wie Fett und Waſſer, Queckſilber und Glas. Vorzüglich bei der Elaſtizität, Expanſton, und der Ausdehnung durch Wärme wurde eine abſtoßende Kraft angenommen, beſonders von Newton bei ſeiner Erklärung der Zurückwerfung des Lichts von ſpiegelnden Flächen vor der wirk— lichen Berührung derſelben, und bei ſeiner Behauptung, daß die durch Aufbrauſen oder Sieden expandirter Flüßigkeiten erzeugten Subſtanzen nur durch eine ſolche Kraft das Beſtreben äußern könnten, einen größern Raum einzunehmen, nachdem ſte ſich von den ſie bildenden Körpern entfernt hätten. Er äußerte auch, man könne ſich vorſtellen, daß die zurückſtoßenden Kräfte da anfangen müßten, wo die anziehenden aufhören, ſo wie in der Algebra die poſitiven Größen durch Null zu negativen übergiengen. Kant, und noch mehr ſeine Nachfolger führten, wie oben bemerkt wurde, die geſammten Naturerſcheinungen auf den Konflikt einer in die Entfernung wirkenden Ziehkraft, und einer in der Berührung wirkenden Dehnkraft oder Abſtoßung zurück.

Biot und Laplace ſehen die Wärme als die repulfive Kraft an. Je nachdem Anziehung oder Wärme durch äußere Urſachen das Uebergewicht gewinnt, ſoll der Zuſtand der Körper wechſeln, und Feſtigkeit, Flüßgkeit, Expanſion, Elaſtizität, Härte, Kryſtalli⸗ ſation bedingt werden. Andere ſehen die Wärme mehr als das die Attraktion beſchränkende und ihre Wirkungen bedingende Prin— zip an, und reduziren die Wirkſamkeit derſelben auf ihre ver— ſchieden modiſtzirte Verwandtſchaft zu den verfchiedenen Körpern, ſtatt daß fie eine eigene Abſtoßungskraft annähmen. (Olbers führt die eigenthümliche Geſtalt der Kometenſchweife auf abſtoßende Kräfte ſowohl ihres Kernes, als auch der Sonne zurück, welche Vorſtellung im Allgemeinen anf repulſiven Kräften namentlich der Wärme und des Lichtes beruht).

Man ſchreibt der Materie auch Trägh eit zu, welche be⸗ wirkt, daß Körper einmal in Bewegung gebracht, nur durch fremde

Vom Weſen und den Nagreg sekunden der Materie. 141

Einwirkung in Ruhe kommen, und aus diefer nur durch fremde Kraft in Bewegung.

\ Aggregationszuſtand iſt die Art, wie die Theile der Körper unter einander verbunden find. Die Materie er— ſcheint nämlich nach den verſchiedenen Quantitäten von Wärme, welche die kleinſten Theile umgeben, vorzüglich in dreierlei Zuſtänden: dem gasförmigen, tropfbarflüßigen und feſten. Die Gaſe (Luftarten, elaſtiſche, permanent elaſtiſche, expanſible Körper oder Flüßigkeiten) ſind charakteriſtrt durch das Stre— ben nach Expanſtion, nach ſtets fortgeſetzter Ausdehnung, und eine hieraus hervorgehende Kraft des Widerſtandes gegen äußere mechanifche Zuſammendrückung. Gaſe find demnach jene Verbin- dungen von wägbaren Stoffen mit Wärme, in denen dieſe am meiſten vorherrſcht. Das Ausdehnungsbeſtreben der Gaſe iſt ihre Elaſtizität, Spannung oder Tenſton, welche beim ſelben Gas und bei gleicher Temperatur in geradem Verhältniß mit ſeiner Dich— tigkeit ſteht. Man unterſchied ſeit langem die Gaſe von den Dämpfen dadurch, daß erſtere bei jedem Druck, und bei jedem Kältegrade ausdehnſam bleiben, während die Dämpfe durch Druck und Kälte in tropfbarflüßigen Zuſtand übergehen; aber in neuerer Zeit hat man die meiſten ſonſt für Gaſe gehaltenen Körper tropf— bar dargeſtellt, weßhalb der Unterſchied zwiſchen Gaſen und Dün⸗ ſten nicht weſentlich ſcheint.

1835 endlich hat Thilorier das kohlenſaure Gas in feſter Ge— ſtalt hergeſtellt, das erſte Beiſpiel, daß ein Gas feſt und konkret geworden iſt. Gasförmig bei gewöhnlicher Temperatur und Druck, flüßig bei oo unter dem Druck von 36 Atmosph., wird es feſt nahe an 1000 unter dem ſchmelzenden Eis, und bleibt ſo einige Minuten in freier Luft und beim gewöhnlichen Druck. Um es feſt zu er— halten leitet man einen Strahl kohlenſaures Gas in eine kleine Glasphiole; dieſe füllt ſich ſogleich und faſt ganz mit weißer, pulveriger, flockiger Materie, welche ſtark an die Wände anhängt, und die man nur durch Zerbrechen der Flaſche hievon ablöſen kann. Im Freien verdunſtet ſie unmerklich, in eine hermetiſch ver- ſchloſſene Flaſche gebracht, treibt fie gewaltſam den Pfropf aus. Gegen den t00ſten Grad unter 09% der Erkaltung wird die Expan— ſivkraft des kohlenſauren Gaſes vernichtet, aber ſchon bei —200 C. iſt fie nur noch 20 Atmosph., bei 00 gleich 35. (LIastitut, 1835. p 331.) Jetzt nennt man gewöhnlich jene Stoffe Gaſe, welche bei der gewöhnlichen Temperatur und beim natürlichen Luftdruck ſtets ausdehnſam find, (ſo das flußboraxſaure, flußſpathſaure, hydriod— ſaure, hydrothionſaure, ölbildende, ſalzſaure, ſchwefelſaure ze, Gas) und Dunſt jene, welche ſich unter dieſen Umſtänden bald ausdehnſam, bald tropfbar zeigen. (Man nimmt ferner an, daß

442 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

die Moleküle aller Körper, ſowohl der feſten, als der flüßigen ſtarr ſind.) Flüßig heißen jene Körper, deren Theile abſolut leicht verſchiebbar ſind. Dieſe Körper bilden Tropfen dadurch, daß die kleinſten Theile Adhäſton gegeneinander haben, und den⸗ noch übereinander hingleiten. Die Anziehung ihrer Theilchen wirkt alſo nicht in beſtimmten Richtungen, ſondern gleichartig nach allen Seiten. Die flüßigen Körper ſind ſchwer zuſammen zu drücken. Feſt iſt derjenige Körper, deſſen Theile zu ihrer Ver— ſchiebung eine merkliche Kraft erfordern. Die Gewalt, welche nöthig iſt, den Zuſammenhang eines Körpers aufzuheben, giebt ein Maß für ſeine Feſtigkeit ab. Derſelbe Körper kann ohne Aenderung feiner innern Beſchaffenheit feſt, füßig und luftförmig erſcheinen (Eis, Waſſer, Waſſerdampf), je nachdem (nach den Kör— pern) verſchiedene Grade von Wärme und Druck auf ihn wirken. Der engliſche Phyſiker Perkins will ſogar durch Druck und Kälte die atmosphäriſche Luft in eine liquide, waſſerhelle Maſſe umge— wandelt haben. Manche Körper befinden ſich in Mittelzuſtänden zwiſchen jenen dreien, z. B. weich gewordenes Wachs, geſchmol— zenes Pech zwiſchen ſtarr und flüßig. 5

Mehrere der neueſten Phyſiker erklären den Aggregationszu— ſtand der Körper aus der Molekularkraft. Die Schwerkraft ſei von jeder materialen Verſchiedenheit und von der Natur der Mole— küle unabhängig und wirke in unermeßliche Fernen; die Molefu- larkraft wirke theils anziehend, theils abſtoßend und ſei von der Natur der Molekel abhängig. Ihre Stärke nehme mit der Ent- fernung ſehr ſchnell ab, und verſchwinde in unmerklicher; der anziehende Theil gehöre der Materie, der abſtoßende der Wärme an. Beider Reſultat ſei die Molekularkraft.

II. Hauptſtü ck. Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe.

Erſcheint in der Schwere der allgemeine Zug alles Materiellen gegeneinander, fo tritt im Chemismus die An⸗ ziehung des Spezifiſchen auf.

Wahrſcheinlich war die Materie urſprünglich gleichartig, und ihre Differenzirung zu den verſchiedenen Grundſtoffen gieng aus einer der früheſten Wirkungen des Weltgeiſtes hervor, welcher vermöge der ihm einwohnenden Kraft der Selbſtan⸗ ſchauung, Selbſtbeſtimmung, Selbſtveränderung ſein verſchieden

Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. 445

erſcheinendes Bild in der früher gleichartigen Materie abſpie— gelte, wodurch deren Spezifikationen, die Grundſtoffe entſtanden, welche ſpäter durch mannigfache Kombinationen die geſammte Stoffwelt erzeugten und fortwährend erzeugen.

Die experimentelle Chemie hat bis jetzt 54 Stoffe aus- gemittelt, welche man ſo lange für einfache halten muß, bis die etwaige Zuſammenſetzung des einen oder andern nachge— wieſen worden iſt. Einige von ihnen kommen in außerordentlich geringer Menge vor, während andere in erſtaunlicher Quan— tität und ungemeiner Verbreitung gefunden werden. Ohne Zweifel kommen die meiſten Stoffe nicht bloß auf und in unſerer Erde vor, ſo daß ſie etwa Produkte der Erdentwick— lung ſelbſt wären, ſondern gehören dem Weltraum an, wie dieſes die Analyſen der Meteormaſſen bezeugen, welche nach den neueſten (ſpäter mitzutheilenden) Beobachtungen wirklich kosmiſchen Urſprung haben. Waſſerſtoff und Kohlenſtoff, Stickſtoff und Sauerſtoff bilden die Grundlage der Atmo— ſphärilien, der luftartigen Körper. Der allgemeine Charakter aller übrigen Stoffe iſt Metallität, mit mannigfaltigen Modifikationen der Härte, Schwere, Schmelzbarkeit. Dem Metall, als dem Beharrenden gegenüber ſteht der Sauer— ſtoff, als das Verzehrende oder Verbrennende, denn alle Metalle haben eine bald geringere, bald größere oder größte Neigung, ſich mit ihm zu verbinden. In gewiſſen Metallen (Phosphor, Schwefel ꝛc.) wird der polare Gegenſatz und hiemit die Anziehung gegen den Sauerſtoff ſo groß, daß ſie gänzlich zu verbrennen vermögen, während dieſelbe in den letzten ſchweren Metallen (Silber, Platina, Gold ꝛc.) ſo gering iſt, daß fie nur ſehr ſchwer oxydirt werden. Zwiſchen dieſen Ex— tremen erſcheinen nach einer Seite hin die in der Natur faſt immer mit Sauerſtoff verbundenen, äußerſt ſchwer reduzirbaren Metalle der Erden und Alkalien in den drei Gruppen der vollkommenen Erden, alkaliſchen Erden und Alkalien, nach der andern jene leichter oxydirbaren Metalle, welche für ſich allein in der Hitze nicht reduzirbar ſind, und die theils als elektronegative, vorzüglich Säuren bildende, theils als elektro— poſitive, Salzbaſen bildende, auftreten.

144 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Es giebt keinen einzigen der 54 als ſolche angenommenen Grundſtoffe, welcher nicht gegen mehrere andere Anziehung zeigte, ein ſchöner Beweis des allgemeinen Konnexus auch in der Stoffwelt und ihres Hervorgehens aus einem Grundweſen. Eine ſeit langem bekannte Bedingung hiezu iſt, daß die Körper, welche einander chemiſch durchdringen ſollen, ſich im flüſſigen Zuſtande befinden. (Corpora non agunt, nisi fluida.) Man kennt hievon nur höchſt wenige Ausnahmen. Eine Verwand⸗ lung einfacher Stoffe ineinander iſt noch nie beobachtet worden, und eine ſolche anzunehmen auch aus andern Gründen un⸗ ſtatthaft. Die ſicherſten Erfahrungen beweiſen auch, daß durch den Lebensprozeß der ſekundären Organismen (3. B. der Pflanzen) keine einfachen Stoffe, wie man früher glaubte, erzeugt werden, ſondern wo man dergleichen findet, ſchon im Saamen vorhanden ſind. (Vergl. hiezu unter And. Jablonski's Aufſatz in Wiegm. Arch. für Naturgeſch. II. Jahrg. S. 2069 Die ſtöchio— metriſchen Verhältniſſe find den Stoffen von ihrer Entſte— hung an eingeprägt, und geſtatten, ihre Kraftverhältniſſe andern gegenüber gleichſam ſymboliſch durch Zahlen auszu- drücken. Wie alle Kraftverhältniſſe ſind ſie übrigens geiſtiger Natur und können nur durch geiſtige Gegenbilder begriffen werden.

Einige Stoffe verbinden ſich mit einander in allen Ver⸗ hältniſſen, andere haben einen Sättigungspunkt, den ſie nicht überſchreiten. Man nimmt an, daß die chemiſche Affi- nität (beſſer Entgegenſetzung) bei den erſten ſehr ſchwach, bei den letzten lebhaft ſei. Manche Stoffe verbinden ſich mit andern in mehreren Verhältniſſen und öfters ſtellt jede dieſer Verbindungen Körper von eigenthümlicher Beſchaffenheit dar. Es giebt aber ſogar Fälle, wo bei gleichen Quantitäts⸗ verhältniſſen doch verſchiedene Körper zu Stande kommen; ein Reſultat, das vom Innigkeitsgrade der Durchdringung abhängt. (Berzelius nennt dieſelben iſomeriſche Körper; ſo die Phosphor⸗ und Pyrophosphorſäure, Wein- und Traubenſäure ꝛc.)

In der Neutraliſation ſind zwei ſich verbindende Stoffe in ein neues Drittes aufgegangen, welches häufig keine Spur der ſinnlichen Eigenſchaften der es zuſammenſetzenden zeigt. Hier erſcheint eine Vernichtung beider, nicht zu Gunſten

Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. 145

des einen oder andern Stoffs, ſondern eines werdenden Dritten, das den beiden Eltern nicht mehr im geringſten gleicht, ein weſentlicher Unterſchied von den Reſultaten der (hiemit nicht vergleichbaren) Zeugung bei den ſekundären Organismen. (So z. B. in der Verbindung des Schwefels und Queckſilbers zu Zinnober ꝛc.)

Je größer die polare Entgegenfekung zweier Stoffe, deſto ſtärker iſt ihre Anziehung, ) deſto vollkommener die Aende⸗ rung ihrer Qualitäten bei eintretender Verbindung. Daß Stoffe von geringem Gegenſatz keinen Sättigungspunkt zeigen, beruht auf ihrer relativen Gleichgültigkeit.

Je einfacher die Stoffe ſind, deſto ſtärkere und mannig⸗ fachere „Affinitäten“ zeigen ſie; je zuſammengeſetzter, deſto mehr nehmen dieſe an Zahl und Stärke ab und erlöſchen endlich ganz. Hierauf beruht die Endlichkeit der chemiſchen Kombinationen für die Wiſſenſchaft; ohne dieſe ſucceſſive Schwächung der Anziehungskräfte würden die möglichen Ver⸗ bindungen in's Unendliche fortgehen. Ohne Zweifel gehen ſie auch viel weiter fort, als man annimmt, aber die Unter⸗ ſchiede ihrer Produkte werden nach und nach für unſere Wahr⸗ nehmung verſchwindend klein. Merkwürdig genug entſcheidet über Zerſetzung und neue Verbindung bei mehreren zu einander tretenden Stoffen die Summe der Anziehungsgrößen, welche zu gleicher Zeit dargeſtellt werden können, ſo daß einzelne ſtärkere Anziehungen durch mehrere kleinere überwunden werden.

In wie ferne die Adhäſion als Vorregung und Verwandte der chemiſchen Anziehung zu betrachten iſt, und ob die Ad— häſionsgröße zwiſchen zwei Stoffen immer in geradem Ver⸗ hältniß zu ihrer Affinitätsgröße ſtehe, bedarf weiterer Nach⸗ forſchung. Gleichfalls iſt die Rolle der Kohäſion, welche

„) Das allgemein gebrauchte Wort Affinität, Verwandtſchaft, für den eigenthümlichen Zug der Stoffe gegen einander drückt durchaus nicht das wahre Verhältniß aus. Die chemiſche

Anziehung beruht ja eben auf dem polaren Gegenſatz, auf der Verſchiedenheit, nicht auf der Aehnlichkeit oder Verwandt⸗ ſchaft, und iſt um ſo energiſcher, je größer jene iſt. Aller⸗ dings verbinden ſich ſehr häufig auch verwandte Stoffe, doch wäre es richtiger, immer das Wort Anziehung zu gebrauchen.

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weſentlichen, obwohl viel geringern Antheil an Löſungen und Bindungen nimmt, als die chemiſche Anziehung, noch in wenigen Fällen feſt beſtimmt. Häufig werden die Kohäſions⸗ verhältniſſe eines oder beider Stoffe bei einfachen Verbindungen geändert. Im nächſten Zuſammenhang hiemit ſteht die Ab— weichung der Kryſtallgeſtalt einer Verbindung von der Kryftall geſtalt der ſie zuſammenſetzenden Stoffe, und die bedeutungs— volle Thatſache des Iſomorphismus. Durch ihn können ſich gewiſſe Stoffe wechſelſeitig (mehr oder minder vollkommen) vertreten, mit andern die gleiche Kryſtallgeſtalt erzeugend, wenn ſie mit dieſen nach derſelben Zahl der Miſchungsgewichte zuſammentreten. Mag daher in ſonſtigen ſinnlichen Eigen— ſchaften hohe Verſchiedenheit zwiſchen iſomorphen Stoffen ob— walten, ſo herrſcht in ihnen doch ein Gleichmaaß der expanſiven Kräfte, welche die Kryſtallform erzeugen, in Richtung, Zahl und Verhältniß.

Ob manche einfache oder zuſammengeſetzte Stoffe Formen annehmen können, welche zwei verſchiedenen Kryſtallſyſtemen angehören und nicht auf einander reduzirbar ſind, bedarf fer— nerer Beſtättigung. Sollten ſich hier nicht ganz kleine bis jetzt überſehene Unterſchiede der chemiſchen Beſchaffenheit herz ausſtellen, ſo müßte ein Fundamentalgeſetz der Kryſtallbildungs⸗ theorie umgeſtoßen werden.

Noch von tieferer Bedeutung als das Spiel einfacher, doppelter, mehrfacher „Wahlverwandtſchaft“, das Spiel der ſogenannten „ruhenden Affinitäten“ (welche im Gegenſatz zu den trennenden beſſer die vereinigenden hießen) erſcheint einmal jene Art der Zerſetzung, wo ein zu einer Verbindung neu zutretender Stoff ſich theilt, um an zwei neu ent ſtehenden Verbindungen Antheil zu nehmen, dann das allge— meine (von Berthollet gefundene) Geſetz, daß zwei Salze ſich dann wechſelſeitig zerſetzen, wenn eines der zwei neu ent— ſtehenden ſchwerer im Waſſer löslich, alſo kohärenter iſt, als die beiden frühern. Die ſogenannte prädiſponirende Af— finität / beſteht darin, daß zwei Stoffe nur deßhalb durch einen dritten zerſetzt werden, weil zugleich ein vierter vorhanden iſt, der zur künftigen Verbindung des erſten und dritten

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Verwandtſchaft äußert.“) Erſcheint in der vorigen ein fürms liches Vorahnen der Eigenſchaften von Verbindungen, die erſt geſchehen ſollen, und deren Eintritt eben durch dieſes Vorahnen bedingt iſt, ſo beruht letztere auf einem gleichſam prämedi— tirten Bündniß des dritten und vierten Stoffes gegen den zweiten, um den erſten aus der Verbindung mit ihm zu reißen, ſich mit jenem zu vereinen und den zweiten auszuſcheiden.

Nur dann gehorchen die materialen Kräftepunkte ſtreng den ihnen eingeprägten Proportionen, wenn dieſe nicht durch äußere Bedingungen, wie Temperatur, mechaniſchen Druck oder durch Ueberſchreiten der Sättigungspunkte in Folge zu großer Mengen einzelner Stoffe geſtört werden.

Bei den Miſchungs gewichten der Stoffe, welche auf die atomiſtiſche Anſicht von denſelben gegründet ſind, zeigt ſich die merkwürdige Erſcheinung, daß ſie in Körpern von ſehr ähnlicher Beſchaffenheit ſehr verſchieden ſein können. In an⸗ dern Fällen hingegen halten Körper, welche in ihren Eigen— ſchaften zwiſchen zwei andern ſtehen, auch das Mittel zwiſchen dieſen in ihrem Miſchungsgewichte. Die räumlichen Verhält— niſſe, unter welchen ſich die Stoffe verbinden, werden ohne Zweifel durch die Miſchungsgewichte anſchaulich ausgedrückt. Niemals vermögen aber Zahlen mehr vom innern Weſen auszu— drücken, als deſſen nach außen hervortretende, relative Modali— täten. Wir haben in der Stoffwelt in der That ſchon ein Em⸗ pfindendes und Handelndes vor uns, welches bei Berührungen mit verſchiedenen Andern ſein Benehmen ändert, und ſeine Foderungen und Bedingungen höher und niederer ſpannt, nachdem ihm dieſer oder jener Gegner gegenüber tritt. Wir haben in den Stoffen Kraftweſen vor uns, welche eiſernen, unabänderlichen Geſetzen unterthan ſind, Seelen ohne die Gewalt, aus innerer Selbſtbeſtimmung Polaritäten und Ver⸗ hältniſſe zu ändern, wie es jenen im Reiche der Freiheit *) So bei Zerſetzung der Kohlenſäure durch Phosphor und Natron

in der Glühhitze in phosphorſaures Natron und Kohle, welche erfolgt, weil die erſt zu bildende Phosphorſäure größere

Anziehung gegen das Natron hat, als die Kohlenſäure, ob— gleich die Anziehung des Kohlenſtoffs zum Sauerſtoff viel größer iſt, als die des Phosphors zu demſelben.

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vergönnt iſt. Während dieſe ſich bald haſſen, bald lieben, jetzt ſich hinzugeben, dann ſich abzuſtoßeu vermögen, iſt in der Stoff⸗ welt nach ſtarrer Nothwendigkeit jedem ſein Haſſen und Lieben, fein Anziehen und Abſtoßen in Maaß, Zahl und Zeit beſtimmt.

Wie die phyſikaliſchen Verhältniſſe der Materie im menſch⸗ lichen Charakter ihr höheres Gegenbild haben, ſo die chemiſchen im Gemüth. Dieſe Wahrheit hat der allgemeine Volksverſtand ſchon geahnt und in der Sprache ausgedrückt. Man ſpricht in der Stoffwelt wie in der moraliſchen von einem feſten und weichen, einem herben und milden, ſauren und ſüßen, bittern und ſcharfen, in der inſtinktartigen, aber kite ee ihrer Uebereinſtimmung. 8

Man kann die 54 Grundſtoffe in folgende Ueberſicht bringen:

I. Metalloide oder Grundſtoffe der Atmoſphärilien.

Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff, Kohlenſtoff.

II. Metalle der Erden und Alkalien. . 1) Der vollkommenern Erden. f

Silicium, Aluminium, Zirkonium, Beryllium, Bttrium, Thorium.

2) Der alkaliſchen oder unvollkommenern Erden.

Stearinium, Kalcium, Baryum, Strontium.

3) Der Alkalien. Kalium, Natrium, Lithium. a BT Ro III. Brennbare Metalle. Jod, Brom, Chlor, Fluor, Boron, Phosphor, Schwefel. IV. Schwere Metalle. i 1) Leichter oxydirbare, für fich allein in der Hitze nicht reduzirbare.

a. Eleftropofitive, vorzugsweiſe Säuren bildend: Selen, Arſenik, Chrom, Molybdän, Antimon, Tantal, Titan, Wolfram.

b. Elektropoſttive, vorzugsweiſe Salzbaſen bildend: Wismuth, Cerium, Uran, Tellur, Blei, Vanadium, Zinn, Zink, Kane Mangan, Eiſen, Kobalt, Kupfer.

2) Sehr ſchwer oxydirbare (daher edle) Metalle.

Ihre Oxyde werden ſchon durch bloße Erhitzung, ohne Zuthun eines andern Körpers reduzirt. Sie erhalten leicht ihren reinen metalliſchen Zuſtand. Nikel, Queckſilber, Osmium, Iridium, Rhodium, Palladium, Platina, Silber, Gold.

Es folgen die vorzüglichſten Eigenſchaften derſelben.

1) Sauerſtoff. (Oygene.) Man kennt ihn im freien Zu⸗

ſtande nur als „Shea (Lebensluft). Dieſes iſt 1/02 mal

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ſchwerer als die atmoſphäriſche Luft, alſo mehr als 740 mal leich⸗ ter als das Waſſer, geſchmack- und geruchlos, unſichtbar, verbindet ſich mit faſt allen Körpern, vorzüglich den chemiſch einfachen, und erzeugt mit ihnen Oxyde verſchiedener Grade. In allen Fällen bildet es ſauer ſchmeckende Subſtanzen. Es bricht das Licht 0,861 mal geringer als die atmoſphäriſche Luft. Das Sauerſtoffgas iſt es, welches das Athmen der Thiere und das Brennen der Körper unterhält. Mit dem folgenden bildet der Sauerſtoff das Waſſer.

2) Waſſerſtoff. (Hydrogène.) Erſcheint im reinen Zuſtand als geruchloſes, im Waſſer unauflösliches Gas, deſſen Gewicht ſich zur Einheit der atmoſphäriſchen Luft, wie 00s verhält, zur Einheit des Waſſers, wie 0/0012. Mit Sauerſtoffgas verbrennt es mit ſtoßweißer Flamme. 2 Volumina erzeugen mit 1 Vol. Sauer⸗ ſtoffgas Knallluft, welche nach dem Verbrennen Waſſer giebt. Das Waſſer beſteht aus 88,9, Sauerſtoff und 1/½ Waſſerſtoff. Waſſerſtoff⸗ gas wird gewöhnlich zur Füllung der Luftballons verwendet; doch

ziehen die neueſten Aeronauten hiezu das Kohlenwaſſerſtoffgas vor.

3) Stickſtoff. (Azote.) Auch er iſt im reinen Zuſtande nur als Gas bekannt. Dieſes iſt wenig leichter als die atmoſphäriſche Luft (0% : 1), farb-, geſchmack- und geruchlos, irreſpirabel und unterhält das Brennen nicht. Mit Sauerſtoffgas in gewiſſem Verhältniſſe gemiſcht, liefert es mittelſt Elektrizität Salpeterſäure. Seine Strahlenbrechung iſt etwas größer (4/034 : t) als die der atmoſphäriſchen Luft. Letztere beſteht aus 21 Volum. Sauer⸗ ſtoffgas und 79 V. Stickgas. Man erhält das Stickgas aus ihr am leichteſten, wenn man ein den Sauerſtoff ſehr ſtark anziehendes Mittel in ein Quantum Luft bringt, welches ſich mit dem Sauer— ſtoff verbindet und den Stickſtoff frei läßt. 2 Vol. Stickſtoff mit 1 Vol. Sauerſtoff geben ein angenehm berauſchendes Stickſtoff— orydulgas, 2 Vol. Stickſtoff mit 2 Vol. Sauerſtoff das erſtickende

Salpetergas (Stickſtofforydgas) und dieſes mit dem Sauerſtoff der

atmoſph. Luft rothes ſalpetrigſaures Gas. 2 Vol. Stickſtoff mit 3 Vol. Sauerſtoff erzeugen die ſalpetrichte Säure; 2 Vol. Stick⸗ ſtoff und 5 Vol. Sauerſtoff die Salpeterſäure.

4) Kohlenſtoff. (Carbone.) Iſt brennbar, geſchmack- und geruchlos, unſchmelzbar, unauflöslich in Waſſer, Weingeiſt, Oelen, und wiederſteht ſelbſt den ſtärkſten Säuren. Bildet in ganz reinem Zuſtande den Diamant; bei der Stahlbereitung nach Macintosh’s Methode fol er fich auch in Geſtalt feiner, metallglänzender Haare abſetzen. In den Steinkohlen iſt er mit viel Bitumen, in den Holz⸗ kohlen mit Waſſerſtoffgas, Alkalien und Erden, in der thieriſchen Kohle nächſt dieſen auch mit Phosphor und Schwefel verbunden. Die Kohle iſt bei abgehaltener Luft auch in der ſtärkſten Hitze un⸗ ſchmelzbar und feuerbeſtändig, und wird dabei ſchwerer und härter.

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1350 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Die gewöhnliche Kohle abſorbirt alle Gasarten; friſch gebrannt und gepulvert nimmt fie aus Flüßigkeiten die fremdartigen Be⸗ ſtandtheile an ſich. 57, Kohlenſtoff geben mit 42% Sauerſtoff Kohlenoxydgas; 27 Kohlenſtoff mit 72½3 Sauerſtoffgas Eohlen- ſaures Gas. Dieſes iſt 4,24 mal ſchwerer als atmoſphäriſche Luft, und läßt ſich bei 00 Temperatur und 36 Atmoſph. Druck zu farblofer Flüßigkeit verdichten. 2 Vol. kohlenſaures Gas geben mit 1 Vol. Stickgas Cyan; Cyangas mit 3,65 Prozent Waſſerſtoffgas erzeugt die Blauſäure. Der Kohlenſtoff iſt ein Hauptbeſtandtheil der organiſchen, vorzüglich vegetabiliſchen Körper; im Mineralreich bildet vorzüglich er den Graphit, die Kohlenblende ze.

5) Silicium, Kieſelſtoff, erſcheint als ein feſter, glanz— loſer, dunkelbrauner, unſchmelzbarer, ſtark abfärbender Körper, ſehr ähnlich dem Bor. Friſch bereitet und im Sauerſtoffgas ge— linde erhitzt, verbrennt er und giebt die Kieſelſäure, ſonſt Kieſel⸗ erde genannt. Dieſe beſteht nach Berzelius aus 48/2 Silicium, und 51½ 8 Sauerſtoffgas, iſt weich, fühlt ſich rauh an und wiegt 2,6. Mit kohlenſaurem Kali glühend gemacht, verpufft der Kieſelſtoff. Er brennt auch in Chlorgas und ſtark erhitzt in Schwe— feldunſt. Die (ungemein verbreitete) Kieſelſäure bildet mit Alkalien das Glas, mit Kalk den Mörtel, mit Thonerde gebrannt die irde⸗ nen Gefäße.

6) Aluminium, Thonerdemetall. Zeigt ſich als graues Pulver, das durch den Polirſtahl zinnweiß, metalliſch glänzend wird. Stark geglüht verbrennt es mit heller Flamme, und es verbinden ſich hiebei 52,94 Theile mit 47,96 Sauerſtoffgas zur weißen fettigen Thonerde; dieſe bildet mit Waſſer einen knetbaren Teig, beim Trocknen mit 35 Proz. Waſſer ein durchſcheinendes Hydrat, verbindet ſich mit dem Kali, Natron und den meiſten Erden, und wird mit ſalpeterſaurem Kobalt befeuchtet durchs Glühen zu ſchön blauem Pulver. Für ſich geglüht wird fie hart, in Waſſer iſt fie nicht, in Säuren ziemlich ſchwer auflöslich. Sie iſt ſehr verbreitet über die Erde und findet ſich am reinſten im Saphir und Rubin.

7) Zirkonium oder Hyazinthium erſcheint als eiſen— ſchwarzes Pulver, welches nach dem Druck des Polirſtahls ſchwach metalliſch glänzende Schuppen darſtellt. 73% Proz. Zirkonium verbinden ſich mit 26½ Proz. Sauerſtoff zur Zirkonerde, die ſich vorzüglich im Hyazinth findet, und getrocknet und geglüht ein körniges rauhes, 4% wiegendes, im ee unauflösliches, un⸗ ſchmelzbares Pulver darſtellt.

8) Beryllium erſcheint als ſtrengflüßiges graues Pulver, mit dem Polirſtahl geſtrichen ſchwach glänzend. 68/ / deſſelben verbinden ſich mit Sauerſtoff zu der im Beryll und Smaragd von Vauquelin entdeckten Beryllerde, welche weiß, unſchmelzbar,

Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. 454

2/9 ſchwer iſt, ſtark an der Zunge klebt, und ſich in Alkalien auflöst.

9) Yttrium, (als Bttererde von Gadolin im Gadolinit ent— deckt, und auch im Orthit, Pyrorthit, Yttrotantalit vorkommend) ſtellt ſchwarze metallifch glänzende Schuppen dar, welche in ver- dünnten Säuren auflösbar ſind, und bei der Glühhitze mit heller Flamme verbrennen. Die Erde iſt weißlich, unſchmelzbar, in ätzenden Alkalien unauflöslich, wiegt 4/842 und giebt mit Schwe⸗ felſäure violette Kryſtalle.

10) Thorium iſt eiſenſchwarz, metallglänzend, wird vom Waſſer nicht oxydirt, verbrennt an der Luft erhitzt, mit heller Flamme zur Erde, in welcher 8847 Proz. Metall mit Al, Sauerſtoff verbunden ſind. Berzelius entdeckte die Thorinerde im Thorit, Wöhler im Pyrochlor.

11) Stenrinium, Magneſtum, Talkerdemetall, iſt bleigrau, wenig glänzend, und verbindet ſich in 6ʃ/½ mit 38,1 Sauerſtoff zur Talkerde; dann mit 30,35 Proz. Waſſer zum Hydrat. Die reine Talkerde iſt ein weißes Pulver, 2,3 mal ſchwerer als Waſſer, für ſich im Windofen unſchmelzbar, in 51,42 Theilen kalten Waſſers auflöslich, in Aetzkalien unauflösbar. Sie giebt den Talkfoſſilien ihre fettige Beſchaffenheit. g

12) Kaleium, Kalkerdemetall, iſt ſilberweiß, entflammt ſich fogleich der Luft ausgeſetzt, und giebt zu 71,93 Proz. mit 28/05 Sauerſtoff die ätzende 2,3 wiegende Kalkerde, welche mit größter Heftigkeit unter einer Hitzeentwicklung bis 2400 R. das Waſſer anzieht, und hiebei ein Hydrat bildet, welches 24 Proz. Waſſer enthält. Dieſe Erde iſt eine der allerverbreitetſten auf der Erd— oberfläche und in der Thierwelt; die Gebirge, welche ihre Mine— ralien bilden, erheben ſich über die Wolken.

13) Baryum, iſt faſt ſilberweiß, wenigfiens zweimal 1 als Waſſer, ein wenig dehnbar, oxydirt ſich im Waſſer heftig, und entbindet dabei Waſſerſtoffgas, überzieht ſich an der Luft mit einer Haut von Baryterde, ſchmilzt noch vor dem Glühen. 89/9 Bary um geben mit 10,44 Sauerſtoff die Baryt- oder Schwererde, welche hauptſächlich die Schwerſpath-Mineralien bildet. Sie iſt ſchmutzig grünlich, 4 mal ſchwerer als Waſſer, welches ſte ungemein heftig anzieht, und äußert unter allen Stoffen die größte Anziehung zur Schwefelſäure. Das Hydrat, und jede andere auflösliche Baryt— verbindung iſt giftig. Mit Kieſelerde ſchmilzt der Schwerſpath zu einem Glas von ſtarker Strahlenbrechung.

14) Strontium. 84,6 Proz. dieſes dunkelgrauen, dehnba— ren, ſchwer ſchmelzbaren Metalls bilden mit 15 Proz. Oxygen die dem Strontiangeſchlecht zu Grunde liegende alkaliſche Erde,

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welche der Baryterde ähnlich iſt, aber die Weingeiſtflamme purpurn färbt, und deren Verbindungen nicht giftig ſind.

15) Kalium, iſt zinnweiß, unter 00 R. feſt, ſpröde, kryſtal⸗ liniſch, bei 100 Wärme geſchmeidig, auf dem Striche ſtark ſilber⸗ glänzend, bei 150 weich; es ſchmilzt bei 55%, verwandelt ſich in der Nothglühhitze in grüne Dämpfe, und Wie bei 150 Wärme 0,868. 81 Br. verbinden ſich mit 19 Oxygen zum Oxyd, welches das Waſſer fo gierig anzieht, daß es fich hiebei bis zum Glühen erhitzt, und ein Hydrat bildet, welches das gewöhnliche Aetzkali iſt, das aus 84 Proz. Kaliumoxyd und 16 Proz. Waſſer beſteht, weiß, ſpröde, 2/1 mal ſchwerer als Waſſer iſt. Es zerſtört thierifche Stoffe, und verbindet ſich mit Phosphor erwärmt, unter Glühen mit ſelbem; mit Schwefel verbindet es ſich zur Schwefelleber; außer andern Erden vorzüglich mit der Kieſelerde, welche hiebei die Rolle einer Säure ſpielt, in mehrern Proportionen zur Kieſelfeuchtigkeit, und mit Beiſatz von Salpeter, Borax, Braunſtein sc. zu den verſchiedenen Arten unſeres Glaſes. In der Natur iſt das Kalium gewöhnlich ſo feſt mit Sauerſtoff und Waſſer zum Kali oder Pflanzenlaugen⸗ ſalz, einem Oxyoͤhydrat verbunden, daß man es als ſolches für einen Grundſtoff hielt, bis Davy 1807 das Metall am negativen Pol einer ſtarken Voltaiſchen Säule für ſich darſtellte.

16) Natrium iſt ſilberweiß, metallglänzend, 0% 4 ſchwer, bei 00 150 R. bleiartig, geſchmeidig, etwas dehnbar; bei 400 R wird es weich, bei 720 R. vollkommen flüßig; bei der Glühhitze entzündet es ſich. Selbſt im trockenen Sauerſtoffgas oxydirt es ſich bei gewöhnlicher Temperatur nicht; mit Waſſer oxydirt es ſich heftig, ohne ſich zu entzünden; auf concentrirter Schwefelſäure mit Waſſer benetzt verbrennt es. Mit Queckſilber bildet es unter Lichtentwicklung ein Amalgam. 74½ Proz. verbinden ſich mit 25/3 Sauerſt. zum Oxyd, dem Natron, welches mit Kieſelerde, Thonerde und Schwefel verbunden das Ultramarin giebt. Das Natron findet ſich in vielen, beſonders erdigen Mineralien, ſo im Sodalith, Natrolith, Analzim, elektriſchen Schörl, und bildet mit dem Chlor das Kochſalz. 77 Natron und 22,3 Waſſer geben das ätzende Mineralalkali, ein Hydrat das man am leichteſten aus der Aſche mancher Seegewächſe der Sippen Salsola, Salicornia etc. gewinnt. Das Natron wird leicht vom Pflanzenlaugenſalz unter- ſchieden, da es nicht, wie dieſes, in Waſſer aufgelöst durch Ueberſättigung mit Weinſteinſäure einen weißen Niederſchlag, Cremor Tartari giebt. Auch das Natron giebt mit Kieſelſäure Glas, und hat dieſelben Verhältniſſe zu den Erden, Sn Phosphor und Waſſer.

17) Lithion, von Arfvedſon und Berzelius entdeckt, iſt ſilberweiß, leichter als Waſſer, und findet ſich im Turmalin,

Ehemifche Verhaͤltniſſe der Stoffe. 133

Lepidolith, Spodumen Amblygonit, Petalit und mehreren Mine- ralwäſſern. 45 Proz. geben mit 55 Sauerſt. ein Kali, deſſen Hydrat weiß, kryſtalliniſch und ſtark ätzend iſt. Mit Kohle und Phosphor bildet es ſchwer auflösliche, mit Salzſäure ein leicht auflösliches Salz. en 75

18) Jod erſcheint in ſchwarzgrauen, metalliſch glänzenden Schuppen oder Blättchen, manchmal in Rhombenoktaedern, wiegt 4/48 / ſchmilzt bei 820 R., verwandelt ſich bei 240% R. in einen violblauen Dampf (daher der Name, 40s, Veilchenblau), der 8% mal ſchwerer iſt, als die Luft, und beim Erkalten kryſtalli— ſirt. Es löst ſich in 7000 Theilen Waſſer auf, und giebt mit Kohlenſtoff eine gelbe, glänzende, ſafranartig riechende Maſſe. In der Natur findet es ſich mit Silber und Kadmium verbunden, außerdem in Seepflanzen und Seethieren, dem Julus foetidissimus, manchen Soolen- und Mineralwäſſern. Größere Gaben des Jod wirken als Gift, kleinere gegen den Kropf. Eine Auflöſung des Jods färbt das Amylon in andern Auflöſungen blau.

19) Brom erſcheint nur bei 160. R: Kälte als feſte, bleigraue, metalliſch glänzende Maſſe von kryſtalliniſcher Struktur, bei ge— wöhnlicher Temperatur als tropfbare, bräunlichrothe Flüßigkeit, 2/66 ſchwer, welche an der Luft unter ſehr widerlichem Geruche (Bowuos, Geſtank) verdunſtet, aber unter Schwefelſäure aufbe— wahrt werden kann. Bei + 400 K. ſiedet fie, und verwandelt fich in rothe Dämpfe. Das Brom verbindet ſich bei 06 mit wenig Waſſer zu einem Hydrat, das in rothen Oktagedern kryſtalliſirt. Dieſer Stoff findet ſich in geringer Menge mit Kochfalz verbun— den im Meerwaſſer, manchen Seethieren und Meerpflanzen, und mit Jod in einigen Zinkerzen. Das Brom zerſtört und bleicht organiſche Subſtanzen, ſeine Dämpfe zerſetzen die Miasmen, der Phosphor entzündet ſich mit ihm unter Funkenſprühen; ſeine Dinktur wirkt als Gegengift gegen das Strychnin.

20) Chlor, Salzgas, erſcheint ganz rein nur als Gas, mit Natronmetall das Kochſalz bildend, iſt durchſichtig, gelblichgrün, 2,4% mal ſchwerer als die atmoſph. Luft, tödtet für fich eingeath— met ſchnell, und erregt in größerer Menge der athmoſph. Luft beigemiſcht, Entzündung der Luftwege. In einem Glasecylinder zuſammengedrückt entwickelt es Licht, wie das Sauerſtoffgas, und wird bis 6 oder ½ feines Volums zuſammengedrückt, zur tropf— baren Flüßigkeit, die auch beider ſtrengſten Kälte nicht gefriert. Im Gaſe entzünden ſich bei gewöhnlicher Temperatur viele Körper von ſelbſt, und verbrennen; ſo Metalle, namentlich Antimon und Arſenik, ätheriſche Oele; während Queckſilber, Tantal, Titan, Phosphor bei Erhitzung mit ihm verbrennen. Ein Volumen Waſſerſtoffgas mit einem Vol. Chlor vermengt, bleibt als Gemeng

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im Dunkeln mehrere Tage unverändert; am Tageslichte vereint es ſich unter Beibehaltung ſeines Volumens zur Hydrochlorſäure; im Sonnenlicht, blauen Strahl des Spektrums, oder bei 2000 Wärme bildet ſich unter heftiger Exploſton Salzſäure. Streicht Chlorgas über eine Ammoniumlöſung, fo erzeugt ſich Chlorſtick⸗ ſtoff, (beſtehend aus 91 Chlor und 9 Stickſt.) der einem gelben Oele gleicht, 1/653 wiegt, und bei geringer Wärme und Be rührung mit Phosphor mit gewaltſamer Exploſton zerſetzt wird. Das Chlorhydrat beſteht aus 27 Chlor, und 72/ Waſſer, und kryſtalliſirt in Nadeln und Rhombenoktaedern. 2 Vol. Chlorgas mit faſt gefrierendem Waſſer gemengt, geben das gelblichgrüne, nach Chlor riechende Bleichwaſſer, das alle organiſchen Farben zerſtört, und ſelbſt das Gold auflöst, ſich aber am Licht in Salz— ſäure und (entweichendes) Sauerſtoffgas zerſetzt. 100 Maßtheile Chlorgas verbinden ſich unter Wärmeentwicklung mit einem Pfund trockenen Kalkhydrats. Dieß iſt der in Spitälern und beim Blei— chen gebrauchte Chlörkalk, der an der Luft Kohlenſäure und Waſſer anzieht, wobei, gleichwie bei Zuſatz von Säuren das die Mias— men und fauligen Stoffe zerſtörende Chlorgas frei wird. 2 Vol. Chlor mit 4 Vol. Oxygen bilden Chloroxyd, 2 mit 3 chlorige Säure, 2 mit 5 Chlorſäure, 2 mit 7 oxydirte Chlorſäure.

21) Fluor, die Baſts der Flußſaͤure, iſt noch nicht abgeſon— dert dargeſtellt. Die Flußſäure löst die meiſten Metalle, die Kieſelerde und organiſchen Körper auf, und kann daher nur in Gefäßen von Platina oder Silber bewahrt werden.

22) Boron, iſt ein grünlichbräunliches, geruchloſes, un⸗ ſchmelzbares Pulver. Vor dem Glühen verglimmt es, im Sauer— ſtoffgas verbrennt es mit grünlicher Flamme; nach dem Glühen

iſt es ſchwerer als concentrirte Schwefelſäure. Es iſt die brenn—

bare Baſts der Borapſäure. i

23) Phosphor iſt gelblichweiß, durchſcheinend, fettigglän— zend, bei unſerer mittlern Temperatur biegſam wie Wachs; riecht nach Knoblauch und wiegt 1½7., Er kommt in vielen Mineralien als Säure, und in den organiſchen Körpern oxydirt und nicht oxydirt häufig vor. Aus der Löſung in Schwefelkohle und Naph— tha kryſtalliſirt er in regulären Dodekaedern, ſchmilzt bei ausge⸗ ſchloſſenem Sauerſtoffgas bei + 350 K., ſtedet und verdampft bei + 2900 K. An der Luft entwickelt er weiße Dämpfe, leuchtet ſchon einige Grade unter 0%, entzündet fich bei + 300% an freier Luft, und verbrennt mit heller Flamme. Im reinen Sauerſtoff— gas entzündet giebt er unerträglich helles Licht. Am Sonnenlicht wird er in den meiſten Gasarten und in Flüßigkeiten roth; im Ammoniakgas ſchwarz. 7277 Ph. mit 27,3 Sauerſtoffgas geben

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Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. 133

unterphosphorige, 5714 mit 42/86 phosphorige, 44ſ½% mit 55/56 Phosphorſäure. a | {

24) Schwefel iſt grünlichgelb, findet fich häufig rein in der Natur, kniſtert beim Erwärmen in der Hand, ſchmilzt bei 860 R. zu bräunlicher, durchſichtiger Flüßigkeit, bildet bei 1150 R. eine braunrothe elaſtiſche Maſſe, ſiedet bei 1950 R. 66/7 Schw. mit 33733 Sauerſt. geben unterſchweflige Säure, 50 mit 50 ſchweflige, 44,4 mit 55,56 Unterſchwefelſäure, 40 mit 60 Schwefelſäure oder Vitriolöl. Der Schwefel verbindet ſich beim Schmelzen mit den meiſten Metallen unter ſtarken Lichterſcheinungen, in einem dop—

pelt ſo großen Atomengewicht, als der Sauerſtoff. Mit Waſſer—

ſtoffgas bildet er das hydrothionſaure Gas, das ſich wie eine Säure verhält. N 7

25) Selen iſt feſt, rothbraun, metallglänzend, im Bruch muſchlig, bleigrau, wiegt 4½2/ iſt halbhart, ſpröde, ſehr leicht zerſprengbar, leitet weder Wärme noch Elektrizität. Bei 800 R. wird es weich, bei höherer Temperatur ſchmilzt es und läßt ſich in rothe Fäden ziehen. An freier Luft erhitzt und ſublimirt es ſich

als rothes oxydiſches Pulver, wobei Rettiggeruch entwickelt wird.

In fetten Oelen und geſchmolzenem Wachs löst es ſich gleich dem Schwefel auf. An der Flamme oxydirt es ſich mit blauer Licht— erſcheinung, im Sauerſtoffgas verbrennt es zur Selenſäure, in welcher 28% Oxygen mit 71½ Metall verbunden find, mit den vollkommenern Metallen verbindet es ſich unter Lichterſcheinung. Das Seelenwaſſerſtoffgas gleicht im Geruch dem Hydrothionſauren, iſt aber viel vehementer. Berzelius hält das Selen für ein Mittel— glied zwiſchen dem Schwefel und dem Tellur, ſonach zwiſchen den Metallen und brennbaren Körpern, gleich dem Arſenik. Es findet ſich als Beſtandtheil in den Tellurerzen aus Siebenbürgen, eini—

gen Schwefelkieſen und im vulkaniſchen Schwefel.

26) Arſenik. Seine Farbe iſt zwiſchen ſtahl- und bleigrau, ſein ziemlich ſtarker Glanz verdunkelt ſich an der Luft, der Bruch iſt blättrig, weich, ſehr ſpröde, er wiegt 5/39 und riecht beim Glühen wie Phosphor oder Knoblauch. Bei 1440 R. verflüchtigt er ſich, ohne zu ſchmelzen, bei höherem Luftdruck ſchmilzt er und läßt ſich gießen. Mit 24½ Proz. Sauerſtoff bildet er die arſenigte Säure (den ſehr giftigen weißen Arſenik), mit 34,, Proz. S. die eigentliche noch giftigere Arſenikſäure. 89% Th. A. und 10,54 Waſſerſtoffgas erzeugen das ſehr giftige Arſenik-Waſſerſtoffgas, 70 A. und 30 Schwefel das gelbe, 61 A. und 39 Schwefel das rothe Rauſchgelb. Andere Metalle macht der A. ſpröder und leich— ter ſchmelzbar. Kali und Schwefelkali ſind Gegengifte gegen die Arſenik⸗Sauerſtoffverbindungen, welche fie neutraliſiren.

27) Chrom iſt licht ſtahlgrau, wenig glänzend, von faſrigem

136 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Bruch, ſehr ſpröde, wird ſchwach vom Magnet gezogen, und wiegt 5/9. Bei ſtarker Erhitzung oxydirt es ſich mit lilafarbenem, nach dem Erkalten grünen Beſchlag. Nur Fluorwaſſerſtoffſäure löst es auf. 70 Chrom geben mit 30 Sauerſtoff das grüne den Sma⸗ ragd färbende, auch in der Porzellanmalerei benutzte Oxydul; 54 Ch. und 46 S. die rothe (giftige) Chromſäure, die dem Spinell und rothem Bleierz ihre Farbe, und mit Salzbaſen meiſt gelbe oder rothe Salze giebt. Chromſäure mit Bleioxyd giebt eine ſchöne gelbe Malerfarbe. Das Chrom nimmt 46 Proz. Schwefel oder Phosphor auf. .

28) Molybdän iſt ſilberweiß, von dichtem Bruch, etwas hämmerbar, wiegt Se, tt ſchwer ſchmelzbar, an der Luft ziemlich unveränderlich. Mit 25 Proz. Sauerſtoffgas bildet es beim Glü— hen das Oxyd, mit 33/38 S. die Säure, mit 40 Proz. Schwefel das gewöhnliche Waſſerblei.

29) Antimon, Spießglanz, findet ſich in der Natur auch reguliniſch, iſt zinnweiß, ſpröde, ſehr leicht zerſprengbar, auf dem Bruche ſtrahlig, blättrig, kryſtalliſirt in Oktaedern; wiegt 6,7937, zeigt beim Reiben beſondern Geruch, ſchmilzt bei 4100 R., ſiedet und verbrennt in der Nothglühhitze, und verdampft in der Weiß— glühhitze. 84/3. A. mit 15/99 Sauerſtoff geben ein graulich weißes Oxyd, 80% A. und 19,97 S. die antimonige Säure, 76,34 A. mit 23/6 die Antimonſäure. Butyrum Antimonii iſt eine Verbindung des A. mit Chlor. Das gewöhnliche Schwefelſpießglanzerz beſteht aus 72,88 A. und 272 Schw., und giebt mit Kali behandelt den Kermes, mit Säuren den Goldſchwefel. Noch jetzt ſind mehrere ſalzige und ſchweflige Verbindungen des A. offizinell. Der Brech⸗ weinſtein iſt weinſaures Spiesglanzoxydülkali.

30) Dantal iſt ſchwarz, ungemein ſtrengflüßig, hart, findet ſich im Tantalit, Yttrotantalit und Ferguſonit. 88/6 T. bilden mit 11/½¼ Sauerſt. die weiße, nur als Hydrat und hier nur in Flußſäure und Sauerkleeſalz lösliche, feuerbeſtändige Tantalſäure. Das Tantal nimmt vom Schwefel 20,5 Proz. auf.

31) Ditan iſt kupferroth, ſehr ſpröde, härter als Quarz, im Eſſenfeuer unſchmelzbar, wiegt 5ù3. Das Oxydul iſt roth, das Oxyd oder die Säure iſt weiß, wird beim Erhitzen gelb, löst ſich wie der Quarz in Flußſäure auf, und beſteht aus 66 T. und 34 Sauerſt. 49% T. und 50,83 Schwefel geben das Schwefeltitan. Das T. findet ſich im Rutil, Anatas, in vulkaniſchen Eiſenſtufen und Eiſenſchlacken der Hochöfen: hier in kleinen Hexaedern.

32) Wolfram erſcheint eiſenſchwarz, metallglänzend, von blättrigem Bruche; er iſt ſpröde, hart wie Quarz, wiegt 171%, iſt leicht zu reduziren, aber außerordentlich ſchwer zu ſchmelzen, an der Luft unveränderlich, verbrennt beim Glühen wie Zunder.

Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. 457

85,31 W. geben mit 1A,ıs das Oxyd; dieſes mit 12,4 Proz. Natron eine goldgelbe, iu Würfeln kryſtalliſtrende, dem Golde fehr ähnliche Subſtanz, die aber nur von Fluorwaſſerſtoffſäure aufgelöst wird. 79% W. und 20,5 Sauerſtoff geben die Scheelſäure. In der Natur kommt der W. mit dem Zinn vor.

33) Wismuth iſt zinnweiß, ſchwach ins Röthliche ſpielend, ſtark glänzend, ſpröde, leicht zerſprengbar, im Gefüge blättrig, kryſtalliniſch; er kryſtalliſert gerne beim Erkalten in Oktaedern, wiegt 9,3, ſchmilzt bei 1910 K. und verbrennt bei der Weißglühhitze. 89/7 W. geben mit 10% Oxygen das Oryd, den Wismuthocker; mit dem Schwefel verbindet er ſich im Verhältniß von 8,5 zu 18,3. Sein Amalgam mit Merkur wird zum innern Ueberzug gläſerner Gefäße gebraucht; der ſalpeterſaure W. dient zur weißen Farbe und als Arznei. Seinen Namen (Wichmat, Weichmach) hat er von ſeiner Eigenſchaft, andern Metallen beigemiſcht dieſe bald in Fluß zu bringen. | 34) Cerium, ein dunkelbleigraues, wenig glänzendes Metall, härter als Gußeiſen, nur im Königswaſſer (1 Th. Salpeterſäure, 2—3 Th. Salzſäure) löslich; bei höherer Temperatur flüchtig. Starke Batterieen reduziren es aus Auflöſungen in Säuren, wobei es verbrennt. Der Cerit beſteht aus 85% C. und 14/832 Orygen; außerdem verbindet es ſich mit Sauerſtoff im Verhältniß von 79,3 zu 20%, mit Schwefel zu 74 mit 26. Seine Salze find ſüß. Es kommt auch im Gadolinit, Orthit u. A. vor.

35) Uran iſt eiſenſchwarz, wenig glänzend, ungemein ſchwer ſchmelzbar, 9 ſchwer. Mit Schwefel verbindet es ſich ſehr ſchwer; mit Sauerſtoff zu 96/4 und 3,565 ferner zu 94½3 und 5/7 zu gelbem Oxyd.

36) Dellur oder Sylvan if zinnweiß, ſtark glänzend, ſpröde, leicht zerſprengbar, von blätterigem Bruch, wiegt 6/15, ſchmilzt bei 3000 R. und verdampft bei höhern Graden. Es ver— bindet ſich mit dem Sauerſtoff im Verhältniß wie 80 zu 20, mit Waſſerſtoffgas wie 97 zu 3, ünd findet ſich als Begleiter des Goldes, vorzüglich in Chemnitz und Siebenbürgen.

37) Blei, ein allbekanntes, lichtgraues, ſtark glänzendes, ſehr weiches Metall; ohne Klang, beim Reiben eigenthümlich riechend, 1/352 ſchwer. Es ſchmilzt bei 2570 R., kocht und ver— dampft in der Weißglühhitze. 93 Blei und? Sauerſt. geben das Bleigelb oder Maßikot; 90 Blei und 10 Sauerſtoffgas das rothe Oryd oder die Mennige; 86,66 Bl. und 13/33 S. das braune Blei— oryd; 86,66 Bl. und 43,33 Schwefel den Bleiglanz. Auch mit Kohlen-, Phosphor- und Schwefelſäure geht es mannigfache Ver— bindungen ein. Die Bleioxyde find theils Farben, theils äußere Heilmittel; innerlich genommen wirken ſie als Gifte. Die große

138 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Geſchmeidigkeit und bedeutende Schwere macht dieſes Metall für

viele ökonomiſche Zwecke brauchbar.

38) Vanadium glänzt wenig, bildet mit dem Oxygen ein Oxyd und eine als rothes ſchmelzbares Pulver erſcheinende Säure. Kommt in einem weichen Eiſenerze aus Schweden und einem bleihaltigen Mineral aus Mexiko vor.

39) Zinn iſt weiß, ſtark glänzend, wiegt 7791 ſchmilzt bei 1820 R., ſiedet erſt in der Weißglühhitze, verbrennt bei noch ſtärkerer mit reife Flamme, und bildet zu 78/7 mit 21/33 Oxygen ein in der Natur vorkommendes Oxyd, den Zinnſtein. Das künſtliche Oxyd, die Zinnaſche, iſt lichtgelb, wird durchs Glühen orange. 78/67 Zinn verbinden fich mit 21,33 Schwefel zum Zinnkies; 64/34 Zinn mit 356 zum Muſtvgold, (falſchem Malergold). Das ſalz— ſaure Zinnoxydul entzieht den berührten Subſtanzen ihren Sauer— ſtoff und wird deßhalb in Färbereien, Kattundruckereien ꝛe. man⸗ nigfach angewendet. Das Zinn läßt ſich nicht zu Draht ziehen, aber leicht zu dünnen Blättchen (Silberfolie) walzen. Es ver- bindet ſich mit vielen Metallen, und vermindert deren Dehnbarkeit. 9 Proz. Zinn mit 91 Proz. Kupfer geben das Stückgut, 25 Proz. Zinn mit 75 Kupfer das Glockenmetall, 1 Theil Zinn mit 2 Thei- len Blei das gemeine Schnellloth der Spängler.

40) Zink iſt blaulichweiß, metallglängend, auf dem Bruche ſtrahlig blättrig, wiegt 7,4. Bei 90—1500 K. läßt er ſich walzen und zu Draht ziehen, bei 2500 Wärme wird er wieder ſo ſpröde, daß er ſich pulveriſiren läßt. Er ſchmilzt bei 2740 R. In der Glühhitze verflüchtigt er ſich in verſchloſſenen Gefäßen, und ver— brennt beim Zutritt der Luft mit hellgrüner Farbe. Er oxydirt ſich ſchon an der feuchten Luft und gewöhnlicher Temperatur; ſtärker beim Erwärmen im Waſſer und den meiſten waſſerhaltigen Säuren. Das Oryd, die Zinkblüthe, entſteht beim Verbrennen des Metalls und beſteht aus 4 Th. Metall und 1 Sauerſt. Mit Schwefel verbindet ſich der glühende Zink unter Detonation.“ 2 Th. Z. mit 1 Th. Schwefel geben den Schwefelzink, die Blende. Die Zinkſalze zerfließen leicht an der Luft. Der Zink verbindet ſich in verſchiedenen Verhältniſſen mit dem Kupfer zu Meſſing, und zu Moſaikgold; fo wie mit andern Metallen zu Kompoſttionen und Amalgam. Da er gegen faſt alle Metalle + elektriſch iſt, fo wendet man ihn häufig zum Bau der Volta'ſchen Säulen an.

41) Kadmium iſt zinnweiß, ſtark glänzend, kaum harter als Gyps, gemein biegſam und ſehr dehnbar. Es wiegt 8/8 und ſchmilzt unter der Rothglühhitze. Bei gewöhnlicher Temperatur oxydirt es ſich kaum, bei ſtarker Hitze verbrennt es und bildet im Verhältniß von 87,5 mit 12/ Oxygen ein Oxyd; mit dem Schwe⸗ fel vereint es ſich im Zuſammenſchmelzen zu 78 mit 22, und giebt

Ehemifche Verhältnifie der Stoffe 159

eine goldgelbe Farbe. Es findet fich in geringer Menge in der Galmei und Blende. 8 5 42) Mangan iſt graulichweiß, wenig glänzend, ſpröde, leicht zerſprengbar, weich, 81s ſchwer; ſchmilzt erſt bei 160» Wedgewood (96800 R.), wird durch einen kleinen Zuſatz von Eiſen magnetiſch. 78 M. geben mit 22 Sauerſt. das Oxydul, 70,34 mit 29, das Oxyd, 64 mit 36 das Superoryd, oder das häufig in der Natur ſich findende Graubraunſteinerz; 58773 mit 44½ die Manganſäure. Im Waſſer bildet das M. ein Oryd-Orxydul-Hydrat, wobei Waſſer— ſtoffgas frei wird. 64 M. geben mit 36 Schwefel den Manganglanz. Das M. verbindet ſich auch mit Kohle, Eiſen, das es zur Stahl— bereitung tauglicher macht, Gold, Silber, Kupfer und Zinn. Das Graubraunſteinerz benützt man zur Bereitung von Oelfarbe, zu Schwarz- und Violettdruck auf Fayence, zum Färben rother und blauer Glasflüſſe; auch zum Entfärben der Gläſer und Gewinnen des Sauerſtoffgaſes. Da das M. ſich außerordentlich leicht mit dem Sauerſtoff der feuchten Luft verbindet, kann man es nur unter Steinöl oder in zugeſchmolzenen Glasröhren aufbewahren. 443) Eiſen iſt in ganz reinem Zuſtande faſt ſilberweiß, von muſchligem Bruch, weicher als Stabeiſen; das natürlich gediegene erreicht die Härte des Feldſpaths. Es wiegt 7/75, ſchmilzt bei 1580 W. oder 95640 K., wird aber fchon beim Noth- und Weiß— glühen weich und ſchweißbar. Es iſt ſo zäh, daß ein Drath von 1,111 Dicke und 2/ Länge 39 Pfd. trägt. Rein und orydulirt wird es unter allen Metallen am leichteſten magnetiſch. Beim Noſten des E. an feuchter Luft oder Berührung durch Luft und Waſſer bildet fich oft Ammonium. 77 ½ Proz. geben mit 22% Sauerſt. das Oxydul, den Magneteiſenſtein, der den Magnet anzieht und ſelbſt magnetifch iſt. Das Eifenorydul für ſich allein reduzirt ſich auch im heftigſten Feuer nicht. Das nicht magnetiſche Oxyd ent— hält 69,2 Eiſen mit 30% Oxygen und bildet den Eiſenglanz, Rotheiſenſtein u. a. Erze. Beim Verbrennen des Eiſens, beim Funkenſchlagen am Stahl, als Hammerſchlag ꝛc. entſteht Oxyd— Drydul. Die Eiſenerze müſſen zur Erhaltung reinen Eiſens gewöhnlich mehrmal geſchmolzen und dann unter den Hammer gebracht werden, wodurch das Stabeiſen entſteht. Das E. ver— bindet ſich mit dem Schwefel ſehr gerne unter Lichtentwicklung, als angefeuchtetes Pulver fchon bei gewöhnlicher Temperatur; innig zu Schwefeleiſen beim Erhitzen und Schmelzen, und zwar in 5 Verhältniſſen, die zwiſchen 93, E. und 6% Schw. und Adyrı E. und 54½ Schw. liegen, wovon die letztere der Schwefelkies iſt. 77 E. und 23 Phosphor bilden ein eiſenſchwarzes, metallglänzen— des, ſprödes Erz. Mit der Kohle verbindet ſich das E. unter ver— ſchiedenen Verhältniſſen; das ſchwarze Roheiſen enthält über 6

160 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Proz. derſelben, das graue 5, das weiße Gußeiſen 4, der gewöhn⸗ liche Gußſtahl 1, der geſchmeidige Gußſtahl 1% Proz. Der Stahl entſteht durch ſchnelles Abkühlen, durch Zuſatz von Mangan, koh⸗ lenſaurem Kalk und Thonerde zum glühenden Eiſen; der indiſche Wootzſtahl beſteht aus E. und Aluminium. Zuſätze von Rhodium, Silber, Chrom, Arſenik vermehren die Härte des Stahls. Mit Kupfer verbindet ſich das E. ſchwer, mit Zinn leicht, worauf die Blechbereitung beruht. Das Eiſenoxyoͤhydrat (Sumpferz, Bohn— erz, Eiſenocker, Brauneiſenſtein) entſteht durch langſame Oxyda— tion in Waſſer, und enthält 14,, und mehr Proz. Waſſer. Das ſchwefelſaure Eiſen bildet den grünen Eiſenvitriol. Mehrere Ver— bindungen des E. find offizinel. Das Eiſen nebſt dem Mangan, Kadmium, Zink und Zinn zieht nicht blos das Oxygen bei fehr hoher Temperatur aus der Luft an, ſondern zerſetzt auch das Waſſer.

44) Kobalt iſt im reguliniſchen Zuſtand grau, etwas ins Nothe ſpielend, 8,535 ſchwer, ſchmilzt bei 130 W. (77920 KR.) iſt ſpröde, feuerbeſtändig, von der Härte des Apatits, und wird vom Magnet ſchwächer als das Eiſen gezogen. 78/38 K. geben mit 21/32 Oxygen das Oxyd; 71 K. mit 29 O. das Superoxyd, den ſchwarzen Erdkobalt; ein höherer Oxydationsgrad die Kobaltſäure. Das durchs Glühen bei Luftzutritt entſtehende, wie das aus der Auflöſung in Säuren durch Aetzkali niedergeſchlagene Oxyd iſt blau, und dient zum Färben der Glasflüſſe. Die Verbindung der Talk- und Kobalterde iſt ebenfalls blau; auch die mit der Thonerde giebt ein ſehr ſchönes Blau. K. verbindet ſich mit Schwefel im Ver— hältniß von 64/64 zu 35,36 und 47/84 zu 52,165 außerdem mit ver⸗ ſchiedenen andern Metallen. Der ſchwefelſaure K. iſt roth, der ſalpeterſaure und ſalzſaure karmoiſin, erhitzt blau. In der Natur kommt dieſes Metall immer in Verbindung mit Arſenik und Schwefel als Glanzkobalt, oder Arſenik und Eiſen als Speis⸗ kobalt vor.

45) Kupfer iſt gelblich roth, 875 870 ſchwer, ſchmilzt bei 270 W. oder beinahe 20000 K. Bei höherer Wärme kocht und verſpritzt es; bei langſamem Erkalten kryſtalliſirt es in zum rhom- boedriſchen Syſteme gehörigen Formen, aus Säurenauflöſungen durch Eiſen niedergeſchlagen in Würfeln. Es iſt hart wie Kalk— ſpath, ſehr zäh, fo daß ein 1437 dicker Drath erſt durch mehr als 300 Pfd. Gewicht zerriß, und ſehr elaſtiſch, daher laut tönend. Gerieben entwickelt es eigenthümlichen Geruch, die Flamme färbt es grün, das Waſſer zerſetzt es nicht, bildet aber an der Luft in Berührung mit ſelbem ein kohlenſaures Oryd-Hydrat, den Grün— ſpan. Bei geringer Hitze verbindet es ſich mit dem Sauerſtoff, ohne ſich zu entflammen, giebt daher am Feuerſtein keine Funken; bei hellerer brennt es mit heller grüner Farbe. Waſſerſtoffgas

Ehemiſche Verhältniſſe der Stoffe. 161

und Kohle reduziren es leicht aus ſeinen Oxyden. Bei gelindem Glühen erzeugt ſich an ſeiner Oberfläche eine rothe Ninde, das Oxydul, beſtehend aus 8 K. und 1 Sauerſt., und eine ſchwarze Rinde, das Oxyd, beſtehend aus 4 K. und 1 S. Letzteres färbt Oele, Wachs, Glasflüße grün. Sein Hydrat iſt blau, ſchwärzt ſich aber an der Luft. 4 K. und 1 Schw. geben den Kupferkies; künſtlich behandelt nimmt das K. die Hälfte Schwefel auf, welche Verbindung N an der Luft zu ſchwefelſaurem Kupfer, Vitriol wird, der wie das ſalpeterſaure K. laſurblau iſt, während ſalzſaures und arſenikſaures grün ſind. Alle Kupferſalze ſind giftig, und Zucker das beſte Gegengift. 10 Th. K. mit 1 Th. Arſenik geben das Weißkupfer.

46) Nickel iſt faſt ſilberweiß, ſtark glänzend, beinahe von der Härte des Feldſpaths, vollkommen ſtreck- und dehnbar, 8,3 ſchwer, beinahe ſo magnetiſch wie Eiſen, und ſchmilzt bei 1500 W. Es bleibt an der Luft unverändert, bei ſehr fiarfer Hitze verbrennt es mit dem Oxygen, und fein fo entſtandenes Oxyd (78797 N. und 24/3 O.) läßt ſich gleich Oryden edler Metalle durch bloße Hitze wieder reduziren. Das Hyperoxyd hält 7% Metall und 28,9 O. Die waſſerhaltigen Nickelſalze ſind ſchön grün; entwäſſert gelb. Das N. kommt ſehr häufig im Meteoreiſen und den Aerolithen vor. Das ſeit alter Zeit in China bereitete Packfong oder Tutenag beſteht aus Nickel, Kupfer, Zinn und Zink, iſt weiß oder gelblich, ſo ſchön und härter als Silber. Nickel mit K. giebt das Argenteau.

47) Queckſilber iſt ſilberweiß, ſtark glänzend, tropfbar— flüßig, wird bei 320 R. feſt nnd hämmerbar, und wiegt 14/391. Schon bei gewöhnlicher Temperatur verdampft es, beſchlägt Me— talle, und kann Speichelfluß erregen; mehr verdampft noch mit dem Waſſer bei 60-800 K. Wärme; 3600 Wärme bringen es zum Kochen, wobei es ſich in farbloſe Dämpfe verwandelt. Wegen geringer Verwandtſchaft zum Sauerſtoff bleibt es bei gewöhnlicher Temperatur unverändert, oxydirt ſich bei höherer langſam, und reduzirt ſich bei noch höherer von ſelbſt. Salpeterſäure löst es auf; konzentrirte Salzſäure greift es nicht an. Ein Queckſilber— tropfen, in den man eine ſtarke Säule entladet, oxydirt ſich, wobei Funken entſtehen. 96,2 O. und 3/8 Sauerſt. geben das Oxydul; 92,5 Q. und 7,35 Sauerſt. das ziegelrothe, zerrieben gelbe Oxyd; das Schwefelqueckſilber oder der Zinnober beſteht aus 86,9 Q. und 13% Schw. Q. mit wenig Phosphor verbunden ſtellt eine zähe, ſchwarze, leicht ſchmelzbare, mit Phosphor geſättigt eine dunkel rothe Maſſe dar; Q. mit Jod geſättigt, bildet ein ſcharlachrothes Pulver. Die Oxyde löſen ſich in Schwefel-, Salpeter- und Salzſäure auf, und bilden meiſt gelbliche, ſehr giftige Salze, während die Oxydulſalze meiſt weiß, kaum giftig ſind. Das O. amalgamirt ſich mit den meiſten metalliſchen Subſtanzen, vorzüglich

11

162 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

mit den Metallen der Alkalien und alkaliſchen Erden und mit jenen Metallen, deren Oxyde ſich wie Alkalien verhalten, nicht aber mit den Erdmetallen, und mit jenen, deren Oxyde mit dieſen in Eigenſchaften übereinſtimmen. Natrium verbindet ſich mit Q. ſo heftig, daß die Maſſe glüht, und auch in der Kälte flüßig bleibt. Sein Amalgam mit Kalium iſt feſt.

48) Osmium erſcheint als ſchwärzliches, 7,0 ſchweres, beim Zerreiben kupferrothen, metallglänzenden Strich zeigendes Pulver. Auch ſtrenge Hitze ſchmilzt es bei abgehaltener Luft nicht; beim Zutritt der Luft oxydirt und verflüchtigt es ſich unter ſtechenden, dem des Jod ähnlichen Geruche. Dieſes ſtark riechende, im

Waſſer leicht lösliche, auf Kohlen wie Salpeter verpuffende Oxyd iſt leicht reduzirbar. Das O. wie die 3 folgenden Metalle wird aus Platinkörnern gewonnen.

49) Jridium if grau, wiegt 23 (alſo nebſt dem Platin am meiſten unter allen Grundſtoffen) iſt härter als Feldſpath, im Königswaſſer unauflöslich, oxydirt ſich beim Glühen mit Alkalien, legirt ſich mit mehreren Metallen.

50) Nhodium zeigt ſich als graues, in der Ofenhitze un⸗ ſchmelzbares, in keiner Säure lösliches Pulver, 11, ſchwer. Mit Kali oder Salpeter geglüht oxydirt es ſich, (93,75 Rh. und 6/5 S. geben das Oxydul; 88/1 Nh. und 11½ O. das Oxyd) vom Schwefel nimmt es 21 Prozent auf. Mit Platin, Kupfer, Wismuth oder Blei legirt, wird es von der Salpeterſalzſäure angegriffen; den Stahl macht es ſehr hart, ihm in geringer Menge zugeſetzt.

51) Palladium iſt lichtſtahlgrau wie Platin, ſtärker glän— zend, vielleicht noch dehnbarer, ſchwer, ſchon in Salpeterſäure löslich. 87,5 P. bilden mit 12,5 O. ein Oxyd; 77 Proz. miſchen ſich mit 23 Proz. Schwefel. Mit Queckſilber giebt es ein Amal⸗ gam, mit Nickel ein ſtark glänzendes ſehr dehnbares Gemiſch; mit Blei, Arſenik, Zinn, Wismuth, Kupfer, Gold und Platina ſpröde Kompoſitionen. Es findet ſich außer den Platinkörnern, bei Harzgerode auch mit Selen vereint. ER

52) Platin iſt lichtſtahlgrau, im gemiſchten natürlichen Zuſtand faſt Feldſpath-, im gereinigten nur Flußſpathhart, über . 24, nach andern Angaben ſogar 23,51 ſchwer. Es läßt ſich zu dünnen Blechen ſchlagen, und iſt ſo ſtreckbar, daß es ſich in Dräthe von 7940 Zoll Dicke ziehen läßt, und fo zäh, daß ein Drath von 8%o0’’ erſt bei 255 Pfd. zerriß. Die ſtärkſte Hochofenhitze ſchmilzt es nicht; es ſchmelzt aber im Brennpunkte großer Brennſpiegel, als feiner Drath am Neumann'ſchen Knallgebläſe, im Kreiſen ſtarker Volta'ſcher Säulen, und in der Weingeiſtflamme mit Oxygengas, und läßt ſich in der Weißglühhitze ein wenig zuſammenſchweißen. Vom Magnet wird es ſchwach angezogen. 92,3. Pl. geben mit

Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. 163

7/9 O. ein Oxydul; 85%, Pl. mit 14½9 O. ein Oxyd; 75 Pl. mit 25 Schw. oder Phosphor eine ſpröde, leichtflüßige Maſſe. Orydul und Oxyd löſen ſich in Schwefel-, Salpeter- und Salz— ſäure auf; erſteres bildet dunkle, letzteres lichte, gelbliche Salze. Pl. legirt ſich mit Arſenik, Zinn, Blei, Zink, Antimon, Wismuth, Kobalt, Nickel unter lebhaften Lichterſcheinungen, und verbindet ſich auch mit Natrium und Waſſerſtoffgas. Platinſchwamm (poröſe Platina) amalgamirt ſich mit Queckſilber. 1 Pl. mit 1 Stahl verbun— den, giebt eine hoher Politur fähige, nicht matt werdende Maſſe.

53) Silber iſt unter allen Metallen am vollkommenſten weiß, am ſtärkſten glänzend, kaum weicher als Kalkſpath, 10,3 ſchwer, ſchmilzt bei 226 W. oder 17400 R. Ein Gran läßt ſich zu einem 400/ langen Drath ziehen, und 1 Drath von %o’’ Dicke reißt erſt bei 20% Pfd. Im Feuer des Brennſpiegels verflüchtigt es ſich. Geſchmolzenes Silber kryſtalliſirt beim Erkalten zum Theil in Oktaedern; aus Oryden durch die Volta'ſche Saule redu— zirt, manchmal in Würfeln mit abgeſtumpften Kanten. Salpeter— ſäure löst es am beiten auf. 93% S. geben mit 6/89 S. ein Oxyd; 875 S. mit 12,95 Schw. das weiche und geſchmeidige Glaserz. Außerdem verbindet es ſich auch mit Phosphor, Kohlen— ſtoff, Silieium, Waſſerſtoff und Selen; mit Queckſilber im Ver— hältniß von 1: 8 zum Amalgam. Mit Wolfram, Molybdän, Antimon, Mangan, Eiſen bildet es Kompoſitionen. Aus feiner Verbindung mit Blei wird es ſchon durch die Hitze befreit, wobei es den Silberblick zeigt, und das Blei als flüßige Bleiglätte und Bleioxyd ausgeſchieden wird. Das ſalpeterſaure S. (Höllenſtein) beſteht aus 68/3 Silberoxyd und 31, Salpeterſäure. Schon „2000 des Gewichts einer Waſſermenge, dieſer von ihm beigemifcht, bewahrt ſie vor Fäulniß. Aus einer ſalpeterſauren, mit Weingeiſt erwärmten Silberauflöſung erhält man Knallſilber. Die ſalpeter— und ſalzſauren Silberſalze werden am Lichte ſchwarz und ſind giftig.

54) Gold iſt vollkommen gelb, ſtark glänzend, wird vom Kalkſpath geritzt, wiegt 19%, ſchmilzt bei 320 W. (23000 R.) und leuchtet hiebei in grünlichem Lichte. Beim Verdampfen giebt es ein braunes Pulver. Nach dem Schmelzen langſam erkaltend kry— ſtaͤlliſtrt es zum Theil in Oktaedern. Es läßt ſich als Ueberzug des Silbers auf 2/000 /o Zoll ausdehnen, zu Blättchen von ½00 00 Zoll Dicke ſchlagen, und ein Gran kann zu einem 500/ langen Drath gezogen werden. Ein 3407 dicker Drath riß erſt bei 161% Pfd. Im Schmelzofen iſt es feuerbeſtändig, im Fokus eines Brennſpie— gels verdampft es, in der Weißglühhitze wird es transparent, durch ſtarke elektriſche Funken entflammt es ſich ſcheinbar, und wird zu purpurfarbigem Pulver. Das Oxpydul beſteht aus 96,13 G. und 3/87 O.; das Oxyd aus 89,3 G. und 10% O. So locker find

4

464 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

dieſe Verbindungen, daß fchon im Dunkel, noch mehr am Licht der Sauerſtoff wieder frei wird. Goldoxryd bildet mit Ammoniak das Knallgold. Das G. verbindet ſich auch mit Schwefel, Queck— ſilber und Blei. Schon YAgoo des letztern macht es ſpröde. Die Verbindung des G. mit dem Silber iſt härter als ſelbſt das Silber. Der Goldpurpur beſteht aus 7945 G. und 203 Zinnoryd.. Die Goldſalze wirken innerlich und äußerlich, wie jene des Queckſilbers.

. *

Folgende Tabelle giebt eine Ueberſicht dieſer Stoffe nach ihren Zeichen und ihren ſtöchiometriſchen Zahlen. Sie ſind nach ihrem elektriſchen Verhalten aufgeführt; der am meiſten negativ elektriſche beginnt, der am meiſten poſttiv elektriſche ſchließt. Je⸗ der folgende iſt alſo gegen den vorhergehenden poſttiv, gegen den folgenden negativ elektriſch. Gegen den poſitiven Pol der Vol— ta'ſchen Säule verhalten ſich alle vom Sauerſtoff angefangen bis zum Waſſerſtoff, dieſen eingeſchloſſen, elektriſch, gegen den nega— tiven Pol alle vom Gold bis zum Kalium + eleftrifch.

Sauerſtoff 0 100, Osmium Os 1244 ½ Chlor Cl 224,3 | Silber Ag 135% Brom Br 489% Queckſilber Hg 1265, Jod 1 789, Kupfer Cu 395% Schwefel S 201,2 Uran 1 2711/5 Stickſtoff N 88,5; Wismuth Bi 886% Fluor Ku 116,9 Zinn Sn 735% Phosphor P 19% Blei pb 1294, Selen Se 494 Cadmium Cd 696%½ Arſenik As 470% Zink Zn 403%½ Molybdän Mo 598,5 Nickel Ni 369,7 Vanadium V 855,5 Kobalt % 3695 Chrom Cr 354,5 | Eiſen Fe 339,3 Wolfram V 1183/8 Mangan Mn... 355% Bor B 136% [Cerium C % 2 Kohle C 76,4 | Thorium Th 744% Antimon Sb 806,4 Zirkonium Zr 420% Tellur 1 802,4 | Httrium Y 404% Tantal Ja _ 11537, | Beryllium Be 332 Titan 303,7 | Aluminium Al 17152 Silicium Si 277% Magneſium Mg 158,3 Waſſerſtoff H 6,2 Calkium Ca 256% Gold Au 1243 | Strantium Sr 547,3 Platin Pt 1233, | Balyum Ba 856,8 Rhodium R 651,4 | Lithium L 81,3 Palladium Pd 6553 Natrium Na 290%

Iridium Ir 1233/ Kalium K 490%

Chemiſche Verhältniſſe der Stoffe. | 165

Unter den zahlreichen Beiſpielen, wo bei chemiſchen Verbin— dungen, eine gänzliche Umwandlung finnlicher und innerer Eigen⸗ ſchaften erfolgt, kann man auch die Blauſäure anführen, das heftigſte organiſche Gift, welches aus der Vereinigung des un— ſchädlichen Blauſtoffs und Waſſerſtoffs hervorgeht; ferner den weißen Queckſilbervitriol, gebildet aus der farbloſen Schwefelſäure, und dem rothen Queckſilberopyd ꝛc.

Zwei Stoffe werden oft erſt durch einen dritten zur Verbin— dung disponirt. Die atmoſphäriſche Luft beſteht aus Stickſtoff und Sauerſtoff, die ſich aber nicht zu Salpeterſäure verbinden, weil ihre Verwandtſchaft nicht ſtark genug iſt. Das Kali hat weder zum Stickſtoff noch Sauerſtoff Anziehung, aber zu ihrem Produkt, der Salpeterſäure. Durch das Kali werden jene disponirt, ſich unter ſich zu . und mit ihm zu Salpeter zu verbinden.

Alle Körper beſtehen nun aus obigen Grundſtoffen. Verbin— dungen aus 2 ſind ſolche der erſten Ordnung; Verbindungen der zweiten Ordnung beſtehen aus ſolchen der erſten unter ſich, oder - mit Grundſtoffen; Verbindungen der dritten Ordnung entſtehen durch Verbindungen der zweiten unter ſich oder mit niedrigern. Organiſche Verbindungen kann man wohl in ihre Grundſtoffe zerlegen, nicht aber wieder zuſammenſetzen. Bei den chemſch. Verbindungen und Zerſetzungen unterſcheidet man einfache und doppelte Wahlverwandtſchaft. Glauberſalz z. B. beſteht aus Schwefel und Soda; ſetzt man Kalk zu einer Löſung deſſelben, ſo verbindet ſich die Schwefelſäure mit dem Kalk, zu welchem ſie größere Anziehung als zur Soda hat; es entſteht Gyps, und die Soda wird ausgeſchieden. Dieß iſt einfache Wahlverwandt— ſchaft; die doppelte tritt ein, wenn 2 zuſammengeſetzte Körper aus ihren Verbindungen treten, und zwei neue erzeugt werden. Bei Verbindungen der zweiten Ordnung und manchmal auch höherer iſt ein Stoff Säure, der andere Baſis. Ihre Vereini— gung heißt Salz. Indifferent heißen zuſammengeſetzte Stoffe, die weder Säuren, Baſen, noch Salze ſind. Alles gilt als Säure, wenn es auch nicht ſauer ſchmeckt, was den Veilchenſyrup und eine Laskmusauflöſung röthet: ferner alles, was ohne im Waſſer löslich zu ſein, wie z. B. die Kieſelſäure, mit jenen Pflanzenſaft röthenden Säuren übereinſtimmt. Eine Säure kann indeß gegen eine andere ſtärkere ſich wie eine Baſis verhalten, fo daß der Be— griff Säure ganz relativ iſt. Alle Säuren beſtehen aus einer ſäurefähigen Baſts (Radikale) und einem ſäurenden Prinzip; letzteres iſt meiſtens Sauerſtoff, manchmal Waſſerſtoff, doch ver— halten ſich auch andere Stoffe (ſogar zuſammengeſetzte) zu andern als Säuren. Beſonders wichtige Säuren ſind die Salpeterſäure,

166 u Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Chlorwaſſerſtoffſäure (Salzſäure), ſchweflige Säure, Schwefel- ſäure, Schwefelwaſſerſtoffſäure, Kohlenſäure, Phosphorſäure, Fluß⸗ ſäure. Die Baſen geben mit den Säuren Salze. Die ſtärkern Baſen ſtellen die durch Säuren veränderten Pflanzenfarben wieder her, färben ihrerſeits den Veilchenſyrup grün, die Kurkumatinktur braun; ſo die Alkglien und alkaliſchen Erden. Die Salze ſind meiſtens in Waſſer löslich. Man theilt ſie nach den Säuren in Sippen, nach der Baſts in Arten ein; und unterſcheidet auch neutrale, ſaure und bafifche. Indifferente Stoffe nennt man alle, welche weder Säuren noch Baſen ſind. Hiezu gehört das Waſſer, eine Verbindung aus 2 Vol. Waſſerſt. und 1 Vol. Sauer- ſtoff ein Waſſerſtofforyd. In chemiſchen Verbindungen des Waſſers, Hydraten, verhält ſich das Waſſer bald als Baſts, bald als Säure. Die chemiſche Anziehung reicht bis zu den Atomen hinab, wirkt aber nur bei unmittelbarer Berührung der Subſtanzen, oder doch nur in ſehr kleiner Entfernung. Die Attraktion hindert die chem. Anziehung; daher verbinden ſich Körper viel leichter, wenn ſie locker und flüßig ſind, oder durch Wärme ausgedehnt werden. Die durch ſtarke Verwandtſchaften erzeugten Verbindungen erfolgen ſtets in beſtimmten Verhältniſſen. Viele Stoffe verbinden ſich nur unter einem Verhältniß, fo Silicium und Sauerſtoff, andere in mehreren, wie z. B. Queckſilber, von welchem ſich 100 Th. mit 4 und 8 Th. Oxygen verbinden; oder Stickſtoff, der in 5 Verhältniſſen mit dem Sauerſtoff zuſammen tritt. Gaſe verbinden ſich immer ſo, daß eines 4, 2, 3 ꝛc. Vol. des andern aufnimmt. Wird ein neutra⸗ ler Stoff AB durch einen andern C erſetzt, und bildet ſich eine neutrale Miſchung BC, fo erſetzen ſich B und C wechfelfeitig, find daher chemiſche Aequivalente, wie z. B. 71 Th. Kalk, oder 78 Th. Natrum, welche beide mit 100 Th. Schwefelſäure ein neutrales Produkt liefern. 100 Th. Schwefelſäure werden durch 42% Th. Ammoniak, 117% Th. Kali, 78 Th. Natrum neutraliſirt, 100 Th. Salzſäure hingegen erfodern 47 Th. Ammoniak, 129% Th. Kali und 85/8 Natrum. Dieſe Zahlen ſtehen aber genau in ſelbem Verhältniß zu einander, wie die vorigen, den 4%: 47 —= 117: 129, = 78: 85,9, ſo daß Ammoniak, Kalk und Na⸗ trum immer das gleiche Verhältniß gegen einander behaupten, fie mögen ſich mit A oder B, oder ſonſt einem Stoffe verbinden. Eine gewiſſe Quantität jedes chemiſchen Elements kann eine be— ſtimmte Quantität eines andern erſetzen. Die in obiger Tabelle S. 164 den Grundſtoffen beigeſetzten Zahlen drücken die relativen Mengen der Elemente aus, in welchen fie fich gegenſeitig erſetzen und mit einander verbinden, und heißen deßwegen ſtöchiometriſche Zah- len, auch Atomengewichte, weil man annimmt, daß ſich bei der niedrigſten Verbindungsſtufe zweier Grundſtoffe 1Atom des einen

a

Von den allgemeinen oder Fosmifchen Kräften. 167

mit 1 Atom des andern verbindet. Der Sauerſtoff iſt als 100 angeſetzt, und von den übrigen ſo große Zahlen, wie fie erfordert werden, um 100 Sauerſtoff zu erſetzen. So verbinden ſich demnach 201 Th. Schwefel mit 339 Th. Eiſen, mit 100 Th. Sauerſtoff ze. Ein zuſammengeſetzter Körper hat den ſtöchiometriſchen Werth aller feiner Beſtandtheile. Den Seite 144 angeführten iſomeriſchen Stoffen find auch noch die poly meriſchen und metameriſchen von Berzelius an die Seite zu ſetzen. Was die erſten betrifft, ſo bezeichnen ſie jene Verbindungen, wo, wenn auch das relative Quan— titätsverhältniß ihrer Stoffe eingehalten wird, aber verſchiedene abſolute Quantitäten von allen genommen werden, eben deßhalb ſonderbar genug Produkte von ſehr abweichenden Eigenſchaften entſtehen (ſo z. B. Weinöl und ölbildendes Gas); die letztern die— jenigen, welche eine Umgeſtaltung zeigen, ohne daß etwas weg oder dazu kömmt (Cyanurſäure in waſſerhaltige Cyanſäure über— gehend). Für die chemiſche Bezeichnung iſt noch zu bemerken, daß man den Sauerſtoff durch einen über dem Zeichen des damit verbundenen Stoffes geſetzten Punkt ausdrückt. Pflanzenſäuren deutet man durch einen Querſtrich über dem Anfangsbuchſtaben ihres Namens an. Die Atomenzahl des Sauerſtoffs wird durch Punkte, jene der übrigen Stoffe durch Exponenten ausgedrückt. So heißt S Schwefelſäure, 1 At. Schwefel, 3 At. Sauerſtoff; Hg Cl2 Chlorqueckſilber, 1 At. Queckſilber, 2 At. Chlor. Bei zuſam— mengeſetzten Verbindungen ſetzt man zwiſchen die nächſten Beſtand⸗ theile T. Gyps wird z. B. ausgedrückt durch Ca S + A2 1 At. ſchwefelſ. Kalk, und 2 At. Waſſer. Die unorganiſchen Körper beſtehen immer nur aus 1 Grundſtoff, oder aus 2, oder aus 2 mal 2, oder 4 mal 2, find daher binäre, oder bibinäre, oder tetrabinäre Verbindungen. Die organiſchen Stoffe hingegen beſtehen aus 3 oder 4 Elementen, ſind daher ternäre oder quaternäre Verbin— dungen. Nach dem Tode gehen die organiſchen Verbindungen

in die geiſtige oder weinige Gährung, wobei Alkohol erzeugt wird, dann in die ſaure oder Eſſiggährung, endlich in die faule Gaͤhrung über, nach welcher nur eine erdartige Maſſe zurückbleibt, indem alles, was Gasform-annehmen konnte, fort gieng.

III. Hauptſtück. Von den an der Materie erſcheinenden allgemeinen oder kosmiſchen Kräften.

Lit. Vergl. hiefür unter Anderem die Art. Elektrizität, Elek⸗ trogalvanismus, Elektromagnetismus, Licht, Magnetismus

168 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

in Gehler's Wörterbuch, neue Bearbeitung. Dann Her

ſchel's Theorie des Lichtes; a. d. Engl. v. Schmidt. Stuttg.

1831. Hanſteen, Unterſuchungen über den Magnetismus der

Erde; überſ. v. Treſchon Hanſon. Chriſtiana 1819. 4. ze.

An der Materie zeigen ſich außer den ihr weſentlichen Kräften auch noch andere, welche man nach ihren großartigen und allgemeinen Wirkungen nicht als von der Materie aus⸗ gehend, ſondern vielmehr für an dieſer haftend halten muß. Solche ſind das Licht, die Wärme, die Elektrizität und der Magnetismus, welche man unter dem Namen Impondera— bilien, unwägbare Subſtanzen ꝛc. zuſammenfaßt. Obwohl Licht und Wärme wohl in allen Körpern erregt werden kön— nen, während Elektrizität und vorzüglich Magnetismus mehr ſpezifiſcher Natur ſind, und namentlich der letztere an wenigern Körpern ſich äußert, ſo muß man nach dem gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft doch die Weltkörper, oder vielmehr die ſie belebenden und organiſirenden Prinzipien als die eigentlichen Quellen jener 4 Kräfte anſehen, von welchen ſie als Lebensakte ausgehen, und einzelne ihrer Beſtandtheile in größerem Maaße affiziren. Eben deßhalb haben wir ſie all⸗ gemeine genannt; man könnte ſie mit gleichem Rechte auch kosmiſche nennen.

Zwiſchen ihnen herrſchen wunderbare Beziehungen, und ein geheimes Band ſcheint fie zu vereinigen. Die nahe Ver— wandtſchaft von Licht und Wärme wurde ſchon längſt aner— kannt, und manche ſehen beide ſogar für identiſch an. Daß das Licht in bedeutungsvollem Verhältniß zur Elektrizität ſtehe, und daß gewiſſe Strahlen des Sonnenſpektrums magnetiſch wirken, iſt ebenfalls ſeit längerer Zeit bekannt. Durch Oer⸗ ſted's und Faraday's Verſuche iſt auch die nahe Beziehung zwiſchen Elektrizität und Magnetismus nachgewieſen worden, welche ſich gegenſeitig aufzuregen vermögen. Zugleich wurde entdeckt, daß gewiſſe magnetiſche Kraftäußerungen unter Licht⸗ entwicklung vor ſich gehen.

Unter den genannten 4 Kräften iſt das Licht die allge⸗ meinſte, urſprünglichſte und vornehmſte. Man möchte ſagen, es ſei in der materiellen Welt das, was in der geiſtigen als

Von den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 169

Bewußtſein erſcheint. Indem es mit unſerm edelſten Sinn in Wechſelwirkung tritt, bildet es gleichſam ein Band zwiſchen uns und den fernſten Weltkörpern in den Tiefen des Himmels, von deren Vorhandenſein wir nur durch das Licht erfahren. Die Gravitation, welche unſere Erde ohne Zweifel mit den fernſten Sonnen in Beziehung ſetzt, obwohl deren Zug gegen den unvergleichbar mächtigern unſerer Sonne gleichſam ver— ſchwindet, iſt für uns nicht vorhanden: das Licht allein giebt uns Kunde von der Herrlichkeit des Weltalls und der grän— zenloſen Zahl der Welten. Wie die allgemeine Schwere alle Körper unter ſich verbindet, ſo das Licht die objektive Welt mit der ſubjektiven, die bewußtloſe Schöpfung mit der be wußten. Es iſt das Höchſte und Feinſte, was an der Materie zu erſcheinen vermag, die ſchnellſte, lebendigſte Kraft, und Bild einer ſolchen auch in der geiſtigen Natur, ja der Repräſentant des Unendlichen ſelbſt in der Sinnenwelt, allgegenwärtig, allbelebend, aber auch allvernichtend. Die Sonnen ſind die vorzüglichſten Quellen des Lichtes, das als ein Akt ihres Lebens und Wirkens erſcheint: ſei es nun, daß ſie durch ihre bloße Gegenwart den Aether und mit ihm die ganze Stoffwelt in entſprechende Thätigkeit zu verſetzen ver: mögen, welche wir als Licht wahrnehmen, oder daß ſie, was weniger wahrſcheinlich iſt, brennende Weltkörper ſind, von welchen das Licht als ungemein feine Subſtanz ausſtrömt. Wärme iſt ſo eng mit dem Lichte verbunden, daß beide in vieler Beziehung nur als verſchiedene Aeußerungen deſſelben Grundweſens erſcheinen. Gehört das Licht mehr dem Raume an, ſo tritt die Wärme mehr in der Materie auf, iſt gleich— ſam das irdiſch gewordene Licht. Setzt ſich das Licht in Wechſelwirkung mit dem eigentlich kosmiſchen Sinn, dem Auge, ſo affizirt die Wärme den am meiſten irdiſchen, das Gemeingefühl. Gleich dem Lichte iſt ſie der Schwere entge— gengeſetzt, und während dieſelbe allenthalben zu vereinigen ſtrebt, ſucht die Wärme überall zu trennen, das im Zug der Maſſe Gebundene frei zu machen, und jedem Atom Iſolirung und Selbſtſtändigkeit zu verſchaffen. Sie durchdringt die Kör⸗ perwelt viel vollkommener als das Licht, welches meiſtens nur

170 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

mit den Oberflächen in Beziehung tritt, während die Wärme, gleich ihrem Gegenbild, der Schwere, das Innerſte der Kör- per in Bewegung ſetzt. Sei es nun, daß die Strahlen des Spektrums ſelbſt verſchiedene Wärme beſitzen, oder daß eigene, unſichtbare Wärmeſtrahlen exiſtiren, in keinem Falle hat man nöthig, einen eigenen Wärmeſtoff anzunehmen, indem man die Wärme ſo gut als das Licht als eine Thätigkeit, eine Kraft, eine Bewegung anſehen kann: ja dieſes gilt auch für einen dritten möglichen Fall. Die Wärme könnte nämlich eine erhöhte Thätigkeit, ein Lebensakt der materialen Atome ſelbſt ſein, wozu ſie durch das Licht angeregt werden, welches hiebei als Reiz wirkte. Die Erſcheinung, daß in den Höhen der Atmoſphäre die Temperatur immer niedriger wird, erklärte ſich hernach aus der geringern Zahl ihrer weiter zerſtreuten Beſtandtheile, der Uebergang von Wärme aus einem Körper in einen andern durch Erregung derſelben Thätigkeit in demſelben, die fortwährend unerſchöpfliche Wärmeerzeu⸗ gung bei Graf v. Rumford's Bohrverſuchen aus, der mecha⸗ niſchen Kraft der Materie, welche nicht, wie die organiſche nachläßt, ſondern ſo lange fortwirkt, als die erregende Urſache andauert. Die Maaßverhältniffe der Wärme zu den ver ſchiedenen Subſtanzen der Körperwelt ſind bei weitem nicht ſo genau erforſcht, wie jene der Stoffe gegeneinander. Auf ihnen beruht aber die ganze dermalige Beſchaffenheit der Erde. Sänke die mittlere Temperatur unſeres Planeten um eine Anzahl Grade tiefer, ſo würde bald der Waſſerdampf ſeine gasförmige, das Waſſer feine tropfbare Geſtalt verlieren, bei weiterem Sinken müßte die Atmoſphäre als ſolche verſchwinden, und als dünne Eisrinde die Erde bedecken, nachdem längſt alle Organismen vergangen wären. Erhöhte ſich die Temperatur der Erde um eben ſo viel, ſo würden die Pole trotz der

Polarnacht ſich mit Palmenwäldern und Rieſenthieren, wie in der Urzeit bedecken; bei fernerem Steigen der Wärme würde das Meer, wie alles Flüßige wieder in Dampfform in die Atmoſphäre zurückgehen, um als ungeheuere Dunſthülle die Erde zu umgeben, nachdem alle ihre Geſchöpfe vernichtet wor⸗ den, und endlich müßte alles Feſte flüßig werden, Stein,

Von den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 471

Erde und Metall, wie. es in jener Zeit war, als Feſtes, Flüßiges und Luftiges ſich noch nicht geſchieden hatten. So beruht auf den Verhältniſſen der Körper zur Wärme, und auf der jedesmal auf einem Weltkörper herrſchenden Tempera⸗ tur Form und Sein alles Deſſen, was in, auf und über ihm iſt. Die Wärme führt zugleich aus der Erſtarrung und egoiſtiſchen Beſchränkung Alles in die Allgemeinheit der Form zurück.

Bei Licht und Wärme haben wir in ſich einige Kräfte vor uns, bei der Elektrizität und dem Magnetismus treten Gegenſätze in ihnen ſelbſt auf, bei erſterer als poſitive und negative Elektrizität, bei letzterem als Nord- und Südmagne⸗ tismus. Dieſe beiden ſind daher die polariſchen Kräfte.

Die Elektrizität ſtimmt darin mit der Wärme überein, daß fie ſich mit größter Schnelligkeit und gleichmäßig verbrei— tet, und in allen Körpern, Leitern und Nichtleitern angehäuft werden kann. Auch ihr ſind repulſive Aeußerungen weſentlich, wie der Wärme, finden aber nicht mehr gleichförmig durch die ganze Maſſe der Körper ſtatt, ſondern ſo, daß gleichnamig elektriſirte Körper ſich abſtoßen, ungleichnamig elektriſirte ſich anziehen. Beide Elektrizitäten haben die größte Anziehung gegeneinander, ſuchen ſich ſtets zu vereinen, und zur ruhenden Elektrizität zu werden, welche nach der elektrochemiſchen Theorie nichts anderes, als Licht und Wärme iſt. Während die Wärme die Atome ſelbſt auseinander treibt, haftet die Elek— trizität vorzüglich an der Oberfläche der Körper, und wird als Kontaktelektrizität ſchon durch die ungleiche Beſchaffen— heit der Oberflächen ſich berührender Körper aufgeregt. Die Elektrizität ſcheint für die Weltkörper das zu ſein, was für die ſekundären Organismen die Nervenkraft iſt; beide gleichen ſich in den Hauptzügen, und die Aktionen der Zitterfiſche und

anderer elektriſcher Thiere bilden wohl das Verbindungsglied

zwiſchen beiden. 5 Während die Elektrizität vorzugsweiſe dem Luftkreiſe eigen iſt, in welchem ſie durch das Licht ſtets neu aufgeregt wird, tritt der Magnetismus am feſten Erdkörper hervor, und geht von dieſem aus in mancherlei Subſtanzen über. Früher

172 Allgemeine Naturgeſchichte. IL. Buch.

blos am Eiſen bekannt, vermag man jetzt durch Kunſt ihn allen Metallen und vielen nicht metalliſchen Körpern mitzu⸗ theilen; zugleich äußern alle Körper, in welchen ſich auch nur die kleinſten Eiſentheilchen befinden, Empfindlichkeit gegen den magnetiſchen Zug. Nie wird der magnetiſche Strom durch nicht magnetiſche Körper unterbrochen, wie der elektriſche durch Nichtleiter. Gewiße Körper verhalten ſich gegen andere poſitiv oder negativ elektriſch, in jedem Theilchen eines magnetiſchen Körpers hingegen muß nothwendig Nord- und Südmagnetismus vorhanden ſein, weil bei Trennung eines ſolchen jedes an ſeinen Enden ſogleich beide Polaritäten zeigt. Die Wirkungen des Magnetismus gegen jene der Elektrizität gehalten ſind ruhig. Die Anziehung ſeiner ungleichnamigen Polaritäten geſchieht ohne Gewaltthätigkeit; die Vereinigung der beiden Elektrizitäten geht häufig unter furchtbaren Erſcheinungen vor ſich, wobei trennende Körper mit äußerſter Heftigkeit durch— drungen oder zerſchmettert werden.

Wir finden, daß das Licht ſelbſt ſchon elektriſch und magnetiſch auf die Körper einwirkt, aber mit höherer Kraft wirkt der elektriſch-magnetiſche Strom, den die Beleuchtung der Sonne in der Atmoſphäre der Erde erzeugt, und der in Wirbeln um ſie fließt, in einer ihrer Axendrehung entgegen geſetzten Richtung. Eiſenſtangen in dieſen Strom (den magne— tiſchen Meridian) mit beſtimmter Neigung gehalten, werden augenblicklich magnetiſch. Der Blitz vermag ebenfalls Eiſen— ſtangen magnetiſch zu machen, andererſeits vermag der Ma— gnetismus Elektrizität und Licht zu erzeugen. So ſind vielleicht alle 4 Kräfte nur Erſcheinungsweiſen einer und derſelben Kraft, die als ſolare Aktion im Lichte, als atomiſtiſche in der Wärme, als atmoſphäriſche in der Elektrizität, und als planetariſche (des feſten Erdkörpers) im Magnetismus hervortritt, gleichfam ein und daſſelbe Wort in verſchiede— nen Sprachen geſprochen.

Das Licht, nebſt der Schwere die mächtigſte Naturkraft, durch welche namentlich das Daſein der Organismen bedingt iſt, ſoll be⸗

kanntlich nach Newtons Emanationshypotheſe in einem wirklichen Ausſtrömen des Lichtfluidums aus leuchtenden Körpern, nach der

Von den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 173

Vibrationshypotheſe von Huyghens, Deskartes, Euler, Young, Fresnel, Fraunhofer, Airy, Herſchel ꝛc. in einer eigenthümlichen Bewegung der leuchtenden Körper beſtehen, welche ſich durch ein feines, allenthalben vorhandenes Fluidum, den Aether, bis in unſer Auge fortpflanzt. So läßt ſich, nach der letztern, bei weitem natürlichern Anſicht (wornach alle Erſcheinungen des Lichtes aus den Fortpflanzungsgeſetzen ſchwingender Bewegungen im aetherifchen Fluidum erklärt werden), auch das Licht nur in eine Kraft auf, welche unter verſchiedenartigen Umſtänden verſchieden wirkt, aber doch immer dieſelbe bleibt. Auch hier, wie bei allen Kräften ſind es nur wieder die Geſetze, die Modalitäten, deren mannigfache Wirkung wir ſinnlich zu erkennen vermögen, während das Weſen ſich als ein Geiſti— ges darſtellt, den Sinnen verborgen, und nur dem Geiſte erkennbar. Die vorzugsweiſe leuchtenden Körper ſind die Sonnen; dann vielleicht auch die Kometen und irdiſchen phosphoreszirenden und brennenden Körper. Ohne Zweifel vermögen alle Körper leuchtend zu wer— den, und viele gewöhnlich nicht leuchtende werden es durch mecha— niſche Einwirkung. Auch manche chemiſche Verbindungen und Zerſetzungen, ſo wie die Kryſtalliſation mancher Mineralien gehen unter Lichtentwicklung vor ſich. Eine ſtarke willkührlich hervor— zubringende Lichterſcheinung zeigt ſich unter Anderm bei der Bildung arſenikſaurer Kryſtalle. (Vergl. H. Roſe's Aufſ. in Poggendorff's Annal. der Phyſik und Chemie, 1835. 7tes Heft). Das Weſen der durchſichtigen Körper iſt noch immer nicht aufgeklärt. Die Fortpflanzung (Forterregung) des Lichtes erfolgt in geraden Linien, mit einer (von Römer durch die Verfinſterung der Jupi- terstrabanten entdeckten) Geſchwindigkeit von 41900 geogr. Meilen in 1 Sekunde, ſo daß das Sonnenlicht den Weg von 20,666,800 Meilen mittlerer Entfernung der Sonne von der Erde in 8 Minut. 13% Sek. zurück legt. Nur in demſelben Mittel pflanzt ſich das -Licht gleichförmig fort; tritt es in ein anderes, ſo kehrt ein Strahl in das alte zurück, wird reflektirt, der andere dringt ins neue ein. Durch den reflektirten Strahl werden dunkle Kör— per ſichtbar. Trifft der eindringende Strahl ſchief auf die Gränze beider Mittel, ſo wird er gebrochen. Durch die Brechung kön— nen die von einem Körper reflektirten Strahlen wieder mehr oder weniger in einem Punkte vereinigt werden, wonach ſie mehr oder weniger deutliche Bilder des leuchtenden Gegenſtandes geben, von welchem das Licht ausgeht. Wird das reflektirte Licht hingegen zer— ſtreut, ſo wird der beleuchtete Körper ſichtbar. Unregelmäßige Neflexion oder Lichtzerſtreuung hängen nur von Rauhheit oder Glätte ab. Je glatter ein Spiegel iſt, deſto reinere Bilder giebt er. Die Reflexion des Lichtes erfolgt immer ſo, daß der reflektirte Strahl in der Einfallsebene liegt, und daß der Einfallswinkel dem

174⁴ Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Neflexionswinkel gleich iſt. Brechung des Lichtes heißt feine Abweichung vom geraden Wege. In manchen durchſichtigen Kör⸗ pern wird ein Lichtſtrahl in 2 Büſchel getheilt, wovon, jeder nach eigenen Geſetzen gebrochen wird. Die Brechung des Lichtes beſteht eigentlich in einer Aenderung feiner normalen Geſchwindigkeit. Läßt man einen von der Sonne kommenden Lichtkegel durch ein Prisma fallen, ſo wird er in 6 (nach Newton, welcher 2 blaue, einen licht- und indigoblauen annahm, in 7) aneinander gränzende Streifen, das Farbenbild oder Spektrum, zerlegt: nämlich einen rothen, orangen, gelben, grünen, blauen, violetten. Das Licht hat alſo verſchiedene Brechbarkeit. Der rothe Strahl liegt dem urſprünglichen weißen unzerlegten am nächſten, der violette (am mei⸗ ſten brechbare) am weiteſten von ihm ab. Vom Farbenſpektrum nimmt das rothe Licht % das orange 0% // das gelbe O,iz, das grüne %, das blaue ebenfalls % das indigo 0% und das violette 0%½3 von 1 ein. Strahlen von verſchiedener Brechbarkeit erſcheinen uns als Farben. Wir ſehen einen Körper grün, blau, roth, wenn er den grünen, blauen oder rothen Strahl reflektirt, während er die übrigen verſchluckt. Im Farbenbilde ſehen wir aber nur die in einem gewiſſen Grade verſchieden brechbaren Strahlen, nicht aber ihre unbeſtimmt vielen Uebergänge, ſo daß alſo jeder weiße Licht— ſtrahl eigentlich nicht nur aus 6 oder 7, ſondern aus einer unendlich großen Zahl von farbigen Strahlen beſteht. Aber ſelbſt die uns ſichtbaren Farbenſtreifen des Sonnen-Spektrums beſtehen aus ver— ſchieden brechbaren Theilen; denn das Licht jedes Streifens, welches der rothen Gränze des Farbenbildes näher liegt, hat eine geringere Brechbarkeit, als das hievon weiter entfernte. Ein farbiger Strahl, nochmal durch ein Prisma gebrochen, behält Richtung und Farbe bei: die farbigen Strahlen gehören alſo dem Lichte, nicht etwa dem Prisma an. Sammelt man alle Strahlen durch eine Kon— verlinfe, fo erſcheint wieder das weiße Sonnenlicht. Komple⸗ mentäre Farben heißen jene, welche ſich gegenſeitig zu weißem Lichte ergänzen. Die komplementäre Farbe von Noth if Grün, von Orange Blau, von Gelb Violett. Läßt man das prisma⸗ tiſche Farbenbild des Lichtes unſerer Sonne in ein achromatiſches Fernrohr fallen, ſo erblickt man in jenem ſehr zahlreiche (über 600) ſtarke und ſchwache vertikale Linien; fie find dunkler als der übrige Theil des Spektrums, und manche ganz ſchwarz. Das Spektrum anderer leuchtender Körper, fo der Fixſterne, der Weitz geiſtflamme, des glühenden Kalks, Schwefels, Kerzenlichts ꝛc. zeigt dieſe Linien in ganz anderer Stellung und verſchiedener Zahl, auch verſchwinden oft ganze Farbenparthieen, fo daß faſt jeder Körper fein eigenes Lichtſyſtem hat. Anzahl, Ordnung, Intenſt⸗ tät jener Streifen bleibt dabei immer gleich, beſtehe das Prisma

Bon den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 173

aus Kryſtall, Glas, Waſſer ꝛc. und are man direktes oder reflektirtes Licht. Fraunhofer erkannte zuerſt dieſe höchſt merk— würdigen Verhältniſſe, ſo wie die verſchiedene Lichtſtärke der Far- ben des Spektrums. Er beſtimmte jene des äußerſten Noth auf 32, der Mitte deſſelben auf 94, des Orange auf 640, zwiſchen Gelb und Orange 1000, Grün 480, Lichtblau 170, zwiſchen Blau und Violett 31, Mitte von Violett 5. Jene ſchwarzen Linien dienen zur Beſtimmung der Brechung und Breite einzelner Farben, und des Lichtzerſtr euungs vermögens durchſichtiger Körper. Unter (der von Poung zuerſt wahrgenommenen) Interferenz ver⸗ ſteht man die gegenſeitige Einwirkung der Lichtſtrahlen auf einander, wenn ſie zuſammentreffen. Durchkreuzen ſich nämlich Strahlen, welche von gleicher Lichtquelle kommen, und deren Wege nur ſehr wenig von einander abweichen, unter einem kleinen Winkel, ſo entſteht an der Durchkreuzungsſtelle ein doppeltes Bild des Gegen— ſtandes, von welchem die Lichtſtrahlen kamen, und zwiſchen den 2 Bildern leuchtende und farbige Streifen, oder Farbenringe, bis— weilen von ungemeiner Pracht. Die von dünnen Plättchen reflek— tirten Strahlen durchkreuzen ſich häufig unter ſehr kleinen Winkeln, und es entſtehen dann mannigfache Interferenzerſcheinungen, zu welchen wahrſcheinlich die Regenbogenfarben zarter Fiſchſchuppen, Glaskugeln, der Menſchenhaare, Seifenblaſen, dünner Waſſer- ja ſelbſt Luftſchichten an feinen Sprüngen mancher Körper, (Iris ſiren des Bergkryſtalls, Glaſes ꝛc.) gehören. Auf ähnliche Weiſe, wie verſchiedene Wellenkreiſe in Flüßigkeiten, durchkreuzen ſich hier die von jedem Strahle (vermöge ſeiner Brechbarkeit in verſchiedene Theile) herkommenden Farbenringe. Eine andere Wirkung der In— terferenz der Strahlen iſt gegenſeitige Aufhebung ihres Lichtes. Fal— len nämlich auf einen Punkt zwei Sonnenſtrahlen in ganz gleicher Richtung, ſo machen ſie denſelben nicht etwa heller, ſondern dunkel, indem ihre im Aether erregten Wellen in ihrer Bewegung ſich gegen— ſeitig aufheben. Beugung oder Inflexion nennt man jene Modi⸗ fikation des Lichtes, wobei Strahlen deſſelben, die an den Kanten eines Körpers vorbei gehen, oder durch ſehr kleine Oeffnungen (3. B. feine Gitter) fallen, vom geraden Wege abgelenkt, und dabei in farbige Büſchel zerlegt wetden. Grimaldi nahm zuerſt Beugungsphäno— mene war. Läßt man Strahlen durch mehrere runde oder eckige Oeffnungen auf das Objektiv eines Fernrohrs fallen, und nach mehreren Richtungen gebeugte Strahlen auf einander einwirken, ſo zeigen ſich die prachtvollſten Farbenerſcheinungen. Die Beugung bringt nämlich die Strahlen zur Interferenz, und durch dieſe ent— ſtehen die Farben. Die doppelte Strahlenbrechung wurde zuerſt von Bartholin am isländiſchen Doppelſpath beobachtet, und ihre Geſetze von Huyghens entwickelt. Fällt ein Lichtſtrahl auf

176 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

ein Stück Doppelſpath, ſo wird er in 2 gebrochen; der eine geht ohne Beugung durch, der andere wird ſehr ſtark von ſeiner erſten Richtung abgelenkt. Man nennt erſtern den gewöhnlichen, letz— tern den außerordentlichen Strahl. Läßt man den ſo gewonnenen Doppelſtrahl durch einen zweiten Kryſtall fallen, ſo erfolgt keine weitere Zerlegung; der eine Strahl bleibt der gewöhnliche, der andere wird noch mehr gebeugt. Durch Drehung des zweiten Kryſtalls um ſeine Axe bis auf 900, d. h. bis ſein Hauptſchnitt auf den Hauptſchnitt des erſten ſenkrecht ſteht, wird aber der ge—

wöhnliche Strahl auf außerordentliche, der außerordentliche auf.

V' gebrochen. Der eine kann alſo den andern ver treten. In den Poſttionen von O oder 900, wo die Hauptſchnitte der Kryſtalle entweder parallel oder ſenkrecht ſind, ſteht man immer nur 2 Strahlen, in den Lagen zwiſchen 0 und 900 erſcheinen hin⸗ gegen mehrere. Um dieſe Erſcheinungen zu erklären nimmt man an jedem Lichtſtrahl 4 Hauptſeiten an, eine Oſt-Weſt- und Süd⸗ Nordſeite, von welchen jede von den beiden nächſten um 900 ab⸗

ſteht. Man vergleicht ſie Polen, und nennt die durch doppelte

Strahlenbrechung, oder auf andere Weiſe erhaltenen Strahlen ſolcher Art polariſirtes Licht. Man fand nämlich, daß auch durchſichtige Spiegel jeder Art in gewiſſen Lagen polarifirtes Licht reflektiren; ſo gewöhnliche Glasſpiegel unter einem Winkel von 35%, oder die Oberfläche des Waſſers unter einem von 37%. Auch giebt es Methoden, polariſirtes Licht zu erhalten, bei welchem jeder weiße Strahl, der einem Glasſpiegel unter einem Winkel von 350 begeg— net, durch Drehung des Spiegels um feine Axe in derſelben Nei— gung, alle Farben des Spektrums giebt, ohne je wieder als weißer Lichtſtrahl reflektirt zu werden, ſo daß die Annahme von jenen 4 Hauptſeiten hiebei nicht hinreicht, ſondern man jedem Strahl eigentlich unzählige Seiten zuſchreiben muß. Nachfolgende kleine

Tabelle zeigt in der erſten Kolumne die Breite der Wellen, welche

die verfchiedeneu Strahlen im Aether erregen, in Bruchtheilen engliſcher Zolle, in der zweiten die Zahl der Wellen, welche in der Breite eines engl. Zolles enthalten ſind; in der dritten die Zahl der Aetherwellen, welche in einer Sekunde erregt werden.

Rother Strahl 0% „Oe 38460 478 Billionen. Oranger 0449000024 41600 506 Gelber ik 0// ‚900023 44000 535 é Grüner 15 0// ‚900021 47500 577 Lichtblauer 0/7 000020 51100 622 Indigo 5 0, 1000018 54100 658 » i Violetter 0/%000017 57500 700

Hieraus folgt alfo, daß die Aetherwellen, a das rothe Licht

erregt, die breiteſten, jene des violetten Lichtes die ſchmalſten ſind;

Von den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 177

daß demnach in der Breite eines Zolles eine geringere Anzahl vom rothen Lichte als vom violetten erregter Aetherwellen vorhanden ſein müſſen; endlich, daß die ſchmälern Wellen des violetten Lich— tes mit größerer Geſchwindigkeit auf einander folgen, im Verlaufe einer Sekunde daher eine größere Zahl von dieſen als von den Wellen des rothen Lichtes erzeugt werden. Die andern Strahlen halten das Mittel zwiſchen dieſen Extremen. Auch die Tempera— tur der verſchiedenen Strahlen iſt ungleich groß, und man giebt jene der blauen zu 130 R., der grünen zu 140 R., der gelben zu 220 R., der rothen eben ſo groß, und der Gegend, welche noch über das rothe Licht hinaus liegt, zu 260 K. an. Man glaubte früher, daß die hellſten Stellen des Spektrums auch die wärmſten

ſeien, die höchſte Temperatur alſo an die Gränze von Orange und

Gelb oder in Gelb falle; nach den eben angegebenen Zahlen nimmt aber die Wärme vom blauen Lichte an zu, und die größte fällt noch etwas über das rothe Licht hinaus, weßwegen Einige außer den ſichtbaren Lichtſtrahlen des Spektrums noch unſichtbare Wärme— ſtrahlen von kleinerer Brechbarkeit annehmen. Einige wollen nach der Natur des Prisma die Temperatur verſchieden beobachtet haben. So ſei bei Anwendung eines Glasprisma das rothe Licht am wärmſten, bei Ammoniak und Schwefelſäure das orange, bei Waſſer, Alkohol und Oelen das gelbe. Nach Scheele und Herſchel (wel— chen Seebeck wiederſpricht) wären die ſtärker brechbaren Strahlen opydirend, die ſchwächer brechbaren desopydirend, und die größte desorydirende Kraft falle noch über das violette Licht hinaus. Salzſaures Silber, welches im blauen Licht geſchwärzt wurde, werde im rothen wieder hergeſtellt. Schon das weiße Sonnen— licht wirkt magnetiſch; in höherm Grade die blaue Abtheilung des Spektrums, oder vorzüglich das violette, dann auch das indigo, blaue und grüne Licht. Nach all Dieſem erſcheint das Licht als eine Kraft von der feinſten und wunderbarſten Art, und alle bisherigen Forſchungen haben nur einen Theil ſeiner Wirkungs— weiſen ermittelt, ohne ſeine über der ſinnlichen Erkenntniß liegende geiſtige Natur zu berühren.

Die Wärme iſt unſichtbar, durchdringt alles, wie die Schwere, bewegt fich nach eigenen Geſetzen, und kommt auch nach ſolchen ins Gleichgewicht. Sie wirkt der Kohäſtons- und in manchen Fällen auch der Adhäſtonskraft entgegen; daher iſt fie einigen die Repulſtonskraft ſelbſt, (vergl. S. 140; zwei leichtbewegliche Körper, im luftleeren Raume erhitzt, ſtoßen ſich ab) Andern eine vibrirende Bewegung, Vielen ein eigener Stoff, Wärmeſtoff, Caloricum. Die W. wirkt auf das Gemeingefühl, wie das Licht auf das Auge, der Schall auf das Ohr. Vielleicht iſt W. nur das Gefühl der Ausdehnung der Theile unſeres Körpers. Durch die elaſtiſchen

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178 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Flüßigkeiten und den leeren Raum verbreitet ſich die W. von ihrem Entſtehungsquell aus in geraden Linien, wo ſie ſtrahlende W. genannt wird, mit außerordentlich großer, aber noch unge— meſſener Geſchwindigkeit. Ihre Intenfität nimmt ab mit dem Quadrate der Entfernung vom Entſtehungspunkt. Die ſtrahlende W. geht geradlinig durch die Luft, ohne merkliche Schwächung, und ohne durch jene in ihrer Bewegung viel geſtört zu werden. Die Wärmeſtrahlen laſſen ſich wie die Lichtſtrahlen durch Metall— ſpiegel, aber nicht durch Glasſpiegel und Linſen konzentriren; auch laſſen ſich die von einem dunkelroth glühenden Körper kommenden gleich den Lichtſtrahlen polariſiren. (Wichtige Beobachtungen über die Polariſation der W. durch Turmaline hat Melloni in den Sitzungen der franz. Akad. vom 25. Jan. und 8. Febr. 1836 mitgetheilt. I'Inst. 1836. p. 25 und 43. Ueber die Polariſation der Wärmeſtrahlen durch fortſchreitende Rotation wurde eine Notiz von Melloni und Biot in der Sitzung vom 22. Febr. geleſen. I'Inst. 1836. p. 74 folg.). Durch die liquiden und feſten Körper, und auch durch die Gaſe verbreitet ſich die W. langſam, allmälig.“ Sehr gut leiten die Metalle die W., viel minder ſchon die übrigen ſchweren und dichten Körper. Setzt man die Leitungsfähigkeit des Goldes nach Despretz auf 1000, ſo iſt die des Silbers 973, Platins 981, Kupfers 898/72 Eiſens 374,3, Zinks 303%, Bleies 179/6% Mar⸗ mors 23/5, Porzellans 12. Die W. dehnt die Körper, in welche fie tritt, nach ihrer Beſchaffenheit in verſchiedenem Grade und nach verſchiedenen Geſetzen aus, und häuft ſich in ihnen auch in ungleicher Menge an. Die Körper haben demnach verſchieden große Wärmekapazität, vermöge welcher fie verſchiedene Wärmemen— gen bedürfen, um gleiche Hitzegrade zu erreichen, und beim Erkal— ten auf gleiche Grade verſchieden lange Zeit brauchen. Setzt man die Wärmekapazität des Waffers bei 220 R. auf 1/000 / bei 800 R. auf 1,127 / To iſt jene des Eiſes 0/9000 / des Queckſilbers von 00-1000 0,0330 / der Holzkohle 0/631 des Brennöls 0% / des Eiſens 0,/1098 / des Platins 00314. Der Siedepunkt einer Flüßigkeit hängt nicht allein von ihrer Wärmekapazität, ſondern auch von dem auf ihr laſtenden Druck ab. Stärkerer Druck erhöht, geringerer ver— mindert die Siedhitze, weil im erſtern Fall die in der ſiedenden Flüßigkeit ſich bildenden Dämpfe eine größere, in letzterem, bei geringerem Druck eine verminderte Spannkraft haben, und an der Oberflache der Flüßigkeit deren Spannkraft immer gleich den auf ihr laſtenden Atmoſphären iſt. Auf dem Montblanc fiedet i ſchon bei 86% C., auf dem St. Bernhardshoſpiz bei 920,55 C. / iſt daher zu wenig warm, um Nindfleiſch in demſelben weich kochen zu können. Die verſchiedene Wärmekapazität der Körper hängt ent— weder (nach Dalton, Dulong und Petit) davon ab, daß jedes

Von den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 179

Atom eines einfachen Körpers, möge es groß oder klein ſein, gleiche Wärmemenge zur Erreichung einer beſtimmten Temperatur bedarf, (wonach aus der ſpezifiſchen W. eines Körpers fein Mifchungs- gewicht beſtimmt werden könnte), oder (nach Gmelin) die verſchiede— nen Körper haben verſchieden große Adhäſion gegen fie, weßwegen ſie in gleichförmiger Temperatur bald mehr, bald weniger Wärme einſaugen. Die W. heißt freie, ungebundene, fühlbare, wenn ſie vermöge ihrer Elaſtizität die Körper ſogleich wieder verläßt, wenn benachbarte Körper niedrigere Temperatur zeigen. Hat ein feſter oder tropfbarer Körper ſich mit W. geſättigt, ſo läßt er den Ueberſchuß durchdringen, und die W. wird hiebei gleich dem Lichte, aber in anderem Grade gebrochen. Das Durchlaffen von Wärme— ſtrahlen, diatherm ſein, ſteht mit der Durchſichtigkeit der Körper nicht in geradem Verhältniſſe. Vielleicht laſſen ſogar einige undurchſichtige Körper W. durch. Wärmeſtrahlen, welche ein Körper weder durchläßt, noch abſorbirt, werden von ihm reflek— tirt. Je erhitzter ein Körper iſt, und je rauher ſeine Oberfläche, deſto mehr Strahlungsvermögen hat er. Je größer das Strah— lungsvermögen, deſto größer iſt auch das Abſorptions vermögen. Die Fortpflanzung der W. im Innern feſter Körper iſt eine wahre Strahlung von Punkt zu Punkt. Alle wägbaren Flüßig— keiten entſtehen durch Verbindung wägbarer Stoffe mit beſtimmten Wärmemengen. In ihnen it die W. chemiſch gebunden, la— tent, verborgen, und hat bis auf einen gewiſſen Grad ihre Elaſtizität verloren. Feſte Körper werden durch W. flüßig, ſchmel— zen; flüßige in Folge entweichender W. feſt, erſtarren, gefrieren: beides bei höchſt verſchiedenen Temperaturen. Manche Körper find im erſtarrten Zuſtande weniger dicht, als im flüßigen (ſo Waſſer, Gußeiſen, Wismuth, Spießglanz), die meiſten aber dichter. (Da es, unter Anderem in geologifcher Rückſicht intereſſant fein muß, zu erfahren, welche Veränderungen ſolche Körper erleiden, welche ſehr lange in geſchmolzenem Zuſtande bleiben, ſo ſprach die britti— ſche Verbindung für Förderung der Wiſſenſchaften 1833 den Wunſch aus, hierüber, was bis jetzt nicht geſchehen iſt, Verſuche anzuſtellen. Der Präſtdent Brisbane kündigte daher 1834 an, daß ſich dieſem Wunſche gemäß, eine Anzahl Körper in den Oefen befänden, die man erſt nach 10 Jahren zur Unterſuchung herausnehmen würde). Alle wägbaren Stoffe können ſich (obwohl dieſes noch nicht für alle nachgewieſen iſt) mit W. zu Gaſen verbinden (vergl. S. 141), wenn der nöthige Naum hiezu gegeben iſt, die Kohäſton des wäg— baren Stoffes überwunden wird ꝛͤc. Wie in den wägbaren Stoffen, wo die W. latent wurde, iſt ſie auch in den Gaſen für Gefühl und Thermometer nicht mehr bemerkbar. Alie Gaſe nehmen, ob— wohl in verſchiedenen Graden, einen ungemein größern Raum

180 Allgemeine Naturgeſchichte. I. Buch.

ein, als die feſten oder tropfbarflüßigen Körper, welche ſich in ſie durch Wärmeaufnahme verwandelt haben. Außer Druck und Erkältung werden die Gaſe wieder verdichtet durch die chemiſche Anziehung wägbarer Stoffe gegen die wägbare Grundlage des Gaſes. Nothwendig wird W. frei, dem Gefühl merkbar, wenn ein gasförmiger Körper in flüſſigen, oder ein flüſſiger in feſten Zuſtand übergeht. Bei Verbindung wägbarer Stoffe mit einander wird W. bald frei, bald verſchluckt. Frei wird W., wenn chem. ſehr entgegengeſetzte Körper, alſo ſolche von lebhafter Anziehung auf einander wirken, wie Sauerſtoff, Chlor, Jod, Phosphor, Schwefel auf Metalle, Harfe Säuren auf ſtarke ſalzfähige Baſen u. ſ. w. Gebunden wird W. bei gewiſſen chemiſchen Verbin— dungen, wo feſte Stoffe tropfbarflüſſig werden, und wo ſchwache chemiſche Anziehung herrſcht, wie bei Auflöſung mancher Salze in Waſſer und verdünnten Säuren, und Zuſammentritt mancher Salze mit Schwefel- oder Salpeterſäure, Eis oder Schnee, in welchen Fällen Kälte erzeugt wird. Daſſelbe findet auch, wie: wohl nur ſelten, beim Zuſammentritt mancher Flüſſigkeiten ſtatt. W. entwickelt ſich auch beim Eindringen tropfbarer Flüſſigkeiten in gepulverte oder ſonſt verkleinerte feſte Körper, und beim mecha— niſchen Zuſammendrücken und Verdichten der Körper, in welch letzterm Fall die Wärmekapazität vermindert wird. Werden Körper ausgedehnt (ohne Veränderung des Aggregatzuſtandes) ſo wird W. gebunden, weil die Wärmekapazität jener erhöht wird. Die Haupt- wärmequelle iſt die Sonne. Auſſerdem wird W. erzeugt durch Stoß und Neibung, chemiſche Wirkungen, die Elektrizität und den Lebensprozeß ſekundärer Organismen. (Im Sonnenſpektrum, ſo wie im Spektrum anderer leuchtender Körper ſollen nach Einigen eigene Wärmeſtrahlen enthalten ſein, nach Andern ſollen die far— bigen Strahlen ſelbſt verſchiedene Wärmekraft beſitzen, am meiſten die rothen; nach Seebeck ſoll die wärmſte Stelle noch außerhalb

des rothen Strahles fallen). Durch Reibung ſoll man nach

Numford's Verſuchen beim Kanonenbohren ꝛc. unbeſchränkt W. entwickeln können. Die Erzeugung von W. durch den Lebens prozeß iſt phyſtkaliſch nicht erklärbar. Alle Körper können durch Wärme zum Leuchten gebracht werden. Wahrſcheinlich leuchten uns unmerkbar, die Körper ſchon bei geringer Erwärmung. Ver⸗ brennen iſt eine Verbindung von Stoffen, bei welcher Licht und Wärme entwickelt wird. Für die meiſten Körper iſt der Sauerſtoff Zündkörper und ſie ſind gegen ihn Brennſtoffe. Manche Körper (ſog. Pyrophore) wie das Waſſerſtoffperphosphorid entzünden ſich ſchon bei niederer Temperatur, wenn fie in Sauerſtoffgas oder atmoſphäriſche Luft kommen; andere müſſen erwärmt werden.

Flamme iſt nichts, als das verbrennende leuchtende Gas. Ihre

Von den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 484

Lichtſtärke und Farbe iſt nach der Natur der brennenden Körper höchſt verſchieden. Sie erſcheint beim Verbrennen ausdehnſamer Körper, während feſte und tropfbare, welche beim Verbrennen keine flüchtigen Produkte liefern, nur glühen. Die ausdehnſamen können nach Umſtänden ſowohl glühen als brennen. Der Nauch beſteht aus flüchtigen Theilen (meiſt Waſſerdampf und fein’ zer theilter Kohle), welche nicht erhitzt genug ſind, um zu brennen. Die entwickelte W. iſt beim Verbrennen deſto größer, je ſchneller und vollkommener dieſes erfolgt. Manche nehmen an, daß im Verbrennen der Sauerſtoff mit dem brennenden Körper, und der Wärmeſtoff des Sauerſtoffs mit dem Lichtſtoff des brennenden Körpers ſich verbinden. Andere verwerfen das Daſein eines eige— nen Wärmeſtoffes, weil ein ſolches Fluidum ſich mit den Strah- lungserſcheinungen der W. nicht verträgt, und weil beim Reiben und Bohren Körper nicht unerſchöpflich W. ſpenden könnten. Letztere halten W. und Licht für identiſch, glauben, daß was uns nur als W. erſcheine, für andere Weſen ſchon Licht ſei, und ſetzen das Weſen der W., wie jenes des Lichtes in Aetherſchwingungen. Inſtrumente zum Meſſen der W. ſind bekanntlich die Thermometer und für hohe Grade die Pyrometer.

Elektrizität (von niexrgov, Bernſtein, an welchem fie ſchon im Alterthum beobachtet wurde), nennt man die Kraft, die jeder Körper erhalten kann, andere kleine Körperchen anzuziehen, und ſte nach der Berührung abzuſtoßen, oft auch Lichtſchein, Phos— phorgeruch zu zeigen, und eine Empfindung wie von Spinnweben— berührung zu erregen. Eine Metallnadel mit Glashütchen frei auf einer Spitze ſpielend, oder eine kleine Korkkugel an einem Seidenfaden hängend wird ſchon von ferne von einem elektriſchen Körper angezogen, und nach geſchehener Berührung abgeſtoßen. Die Nadel, mit einer geriebenen Glas- oder Siegellakſtange berührt, zeigt ſich an allen Punkten elektriſch, und zieht ſelbſt leichte Körper an, was nicht der Fall iſt, wenn ihr Hütchen aus Metall beſteht. Das Glashütchen hat demnach die Entweichung der mitgetheilten E. verhindert. Eine Harzſtange, mit einem eleftri- ſchen Körper berührt, zeigt ſich nur an der Berührungsſtelle elek- triſch; ein auf Glas ruhender Metallkörper wird an allen Punkten eleftrifch, wenn man ihm E. auch nur an einem Punkte mitgetheilt hat. Wird das Metall berührt, ſo verliert es ſeine E. gänzlich; das elektriſirte Glas verliert fie nur an der Berührungsſtelle. Das Metall iſt alſo ein guter Leiter; das Harz und Glas ein ſchlechter, oder Sfolator. Gute Leiter find überhaupt alle Metalle, Erze, die meiſten Salze, gut gebrannte Kohle, feuchte Erde, viele Flüſſigkeiten, Säuren, Dünſte, lebende Pflanzen und Thiere. Schlechte Leiter ſind alle Harze, Glas, Seide, Haare,

182 Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

Federn, die trockenen Metalloxyde und Gaſe, durchſichtige Edel⸗ ſteine ꝛe. Dieſe nehmen zwar die E. an der Oberfläche, auf und halten ſte feſt, laſſen ſie aber nicht weit eindringen. In der Mitte zwiſchen guten und ſchlechten Leitern ſtehen die meiſten Steine und Erden. Theilt man der auf Glas ruhenden Metallnadel die E. einer geriebenen Glasſtange mit, fo wird fie von einer geriebenen Siegellakſtange angezogen, von jeder geriebenen Glas— lange aber abgeſtoßen. Es giebt alſo 2 E., eine Harz- und Glas⸗ elektrizität, welche man aber jetzt richtiger, weil fie in jedem Körper erzeugt werden können, negative oder (Harz-) und poſitive, oder + (Glas-) E. nennt. Die gleichnamigen E. ſtoßen ſich nun ab, die ungleichnamigen ziehen ſich an. Beide E. ſind unwägbar, verbreiten ſich ſehr ſchnell und gleichförmig durch die ſie leitenden Räume, und laſſen ſich in jedem (leitenden oder iſolirenden) Körper in verſchiedener Menge anhäufen. Die in einem Körper angehäuften E. betrachten einige als durch Adhäſion loſe gebunden. Veranlaſſun⸗ gen der E. find Berührung, Druck, Trennung, Reibung, Form— änderung, Demperaturänderung, Chemismus, Licht, Magnetis— mus und der Lebensprozeß der ſekundären Organismen. Beide E. haben gegeneinander ſehr ſtarke Anziehung. Aus ihrer Ver⸗ einigung entſteht die ruhende E., nach den Elektrochemikern, wie oben geſagt, nichts Anderes als Licht und Wärme. Nach ihnen iſt die E. in allen Körpern vorhanden, und wird durch verſchiedene Ver— anlaſſung zerlegt, fo daß pofitive und negative E. für ſich frei werden. E. in Nuhe erkennt man durch Anziehung und Abſtoßung, E. in Bewegung oder der elektriſche Strom (welcher aus eleftri- ſchen Körpern abfließt, wenn ſie nicht von ſchlechten Leitern umgeben ſind, worauf dann jene wieder in den natürlichen Zuſtand übergehen), bringt an lebenden Weſen Erſchütterungen und Sin— nesaffektionen, an thieriſchen Muskeln Zucküngen (wodurch eben Galvani die nach ihm genannte Elektrizität entdeckte, als zufällig präparirte an Kupferhacken befeſtigte Froſchſchenkel den eiſernen Balkon berührten, an dem er ſte aufgehängt hatte), ferner Licht und Wärme, (zum Theil höchſt gewaltſame) mechaniſche Veränderungen, chemiſche Zerſetzung, Magnetiſtrung und eigen- thümliches Geräuſch hervor. Die E. im Gleichgewicht erkennt man durch die Elektroſkope; ihre Spannung oder Intenſität durch Coulombs elektriſche Wage. Die Anordnung der E, auf die Oberfläche eines Körpers geſchieht ſo, daß die Wirkungen der ein— zelnen Oberflächentheilchen auf einen Punkt im Innern ſich gegen- ſeitig aufheben. Auf einer Kugel bildet daher die E. eine überall gleich dichte Schichte, auf elliptiſchen Körpern häuft ſie ſich an den gekrümmten Stellen an, und ſtrömt daher ſo gerne an Spitzen ein und aus. Werden ein und elektr. Körper einander genähert,

Ehemiſche Verhaͤltniſſe der Stoffe. 183

fo verbinden ſich ihre E. unter Licht- und Wärmeentwicklung, fo daß jene dann nicht mehr elektriſch erſcheinen, wobei auch Anzie⸗ hungen ſichtbar ſind, und Nichtleiter durchbrochen werden, oft, wie z. B. durch den Blitz, mit unwiderſtehlicher Gewalt. E. durch Leiter gehend, erhitzt fie bis zum Glühen und Schmelzen. BT ein mit einer E. beladener Leiter von einem ruhende E. enthaltenden Nichtleiter getrennt, fo ſucht z. B. die + E. des erſtern ſich mit E. zu vereinigen: es trennt ſich ein Theil der ruhenden E. des Nichtleiters in + und E., und die E. ſtrömt in jenen Theil deſſelben, welcher dem Leiter am nächſten iſt, während in den entferntern Theilen des Nichtleiters + E. frei wird. (Hierauf beruht Franklin's Tafel und die Leidenerflaſche). Manche Kry— ſtalle, ſo vom Topas, Axinit, Meſotyp, Diamant, Schwefel und v. a. zeigen beim Erwärmen an den entgegengeſetzten Enden ihrer Aren entgegengeſetzte E.; am Turmalin wechſeln dieſe beim Erhitzen und Erkalten; beim Borgeitwürfel find 4 Ecken +, die andern elektriſch. Berühren ſich 2 Metalldräthe von ungleicher Erwärmung, fo wird der kältere +, der heißere elektriſch. (Thermoelektrizität) Felle Körper, z. B. Mineralien, werden durch Aneinanderreiben oder durch Drücken entgegengeſetzt elektriſch, doch müſſen gleichartige Körper verſchiedene Oberflächen oder verſchiedene Erwärmung haben. (Eine Korkſcheibe an eine Scheibe von Kautſchouk, Steinkohle, Bernſtein, Kupfer, Silber gedrückt, wird +, an eine Scheibe von getrockneten thieriſchen Subſtanzen/ Schwerſpath, Flußſpath, Doppelſpath, Gyps ge— drückt, elektriſch). Zerriſſene Glimmerblätter, Spielkarten ꝛc. zeigen entgegengeſetzte E.; alles wahrſcheinlich in Folge der Mole— kularaufhebung. Körper von ungleicher Oberfläche erregen ſchon Volta'ſche E.; fo beſteht Watkin's Säule blos aus Zinfplatten und Luftſchichten dazwiſchen. Ungleichartige feſte und flüſſige Körper nehmen ſchon bei ruhiger Berührung ſchwache entgegen⸗ geſetzte E. an, von deſto größerer Spannung, je heterogener ſie ſind. (Graf v. Maiſtre bemerkte, daß wenn man Oel auf Waſſer gießt, dort wo ſich beide Flüſſigkeiten berühren, Volta'ſche E. wirkſam wird; denn ſenkt man einen Meſſingfaden in ein Glas, halb mit Oel, halb mit Waſſer gefüllt, ſo findet man nach einigen Stunden einen grünen Ring an der Berührungsſtelle von Oel und Waſſer, obwohl der ganze übrige Faden keine Spur von Oxydation zeigt. Inst. 1835. p. 176). Durch Reiben an Wolle werden nach Hauy + eleftrifch und iſolatoriſch wahrſchein— lich alle Mineralien der Erden, Alkalien und Säuren; + und lei⸗ tend: Wismuth, Zink, Blei, Kupfer, Meſſing, Silber, Silber— amalgam; eleftrifch und nicht leitend: Schwefel, Talk, mehrere Inflammabilien, Zinnober, viele Eiſen- und Kupfererze;

ABA Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

elektriſch und leitend: Arſenik, Antimon, Zinn, Gold, Platina und viele andere Metalle. Ein Stoff, der mit allen andern + eleftrifch wird, iſt der am meiſten poſttiv elektriſche; der entgegengeſetzte der am meiſten negativ elektriſche. (Vergl. hiefür die Tabelle S. 164). Bei der chem. Vereinigung oder Trennung zweier Stoffe wird ebenfalls öfters E. entwickelt. Folgende Fiſche vermögen in ſich die beiden E. in großer Spannung anzuhäufen, und elekt. Schläge zu ertheilen: Torpedo unimaculata, marmorata, Galvanii, Narke; Silurus electri- cus, Tetraodon electricus, Gymnotus electricus. Auch ſoll Reduvius serratus E. zu äußern vermögen. An den Haaren der Thiere, wie des Pferdes, der Katze ganz beſonders, und des Menſchen werden häuſig elektriſche Phänomene beobachtet, und die Selbſtverbrennung des letztern dürfte weſentlich hierauf beruhen. Auch Pflanzen ſtrömen vielleicht elektriſches Licht aus; ſo Dictamnus fraxinella. Am kräftigſten erregen aber die E. die Elektriſirmaſchine (welche die E. durch Reibung in größter Spannung liefert, d. h. fie in größter Menge auf eine beſtimmte Oberfläche anhäuft), die Volta'ſche Säule (welche E. durch Berührung hetero⸗ gener, in Scheiben aufgeſchichteter, durch gut leitende Flüſſig⸗ keiten getrennter Metalle, z. B. des Zinks und Kupfers lie⸗ fert), und die mächtigen Apparate, welche (auf dem Prinzip der Leidenerflaſche beruhen, und) als Trogapparat, Kalori⸗ motor, Hare's Deflagrator, bekannt ſind. Ihre Beſchrei⸗ bung gehört nicht in dieſes Werk, welches die allgemeinen Kräfte nur als Agentien im Naturorganismus zu betrachten hat. Der elektr. Funke vermag Gaſe zu entzünden, ſo wie Weingeiſt, Kolo⸗ phonium, Schießpulver, theils als Funke, theils durch Kompreſſton in den Gaſen. E. kann chemiſche Verbindungen veranlaſſen oder löſen. Sie zerſetzt z. B. Waſſer und viele verdünnte Säuren, Ammoniak, Erd- und Kalimetalle. Der eine oder die einen Beſtand⸗ theile erſcheinen dann (wenn die Zerſetzung durch die Volta'ſche Säule vorgenommen wird), am poſttiven, die andern am negativen Pol, was von ihrer chemiſchen Natur abhängt. Waſſer beſteht bekanntlich aus Waſſerſtoff und Sauerſtoff; der Sauerſt. ſetzt ſich am +, der Waſſerſt. am Pol ab; Salpeterſäure beſteht aus Sauerſt. „welcher ſich am + und Stickſtof, welcher am Pol ange⸗ ſammelt wird, weil in dieſen Fällen Waſſerſtoff und Stickſtoff, obwohl in der allgemeinen Neihe zu den elektriſchen Stoffen gehörend, doch weniger als Sauerſtoff ſind, zu dieſem ſich gleichſam + verhalten, und deßwegen zu dem dem Sauerſtoff ent⸗ gegengeſetzten, alſo poſttiven Pol übergeführt werden müſſen. Durch die Volta'ſche Säule hat Davy zuerſt mehrere Metalle der Erden und Alkalien aus ihren Verbindungen mit Sauerſtoff reduzirt. Die E. zerſetzt ſowohl flüſſige als feſte Stoffe, wenn

Bon den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 183

letztere einen oder mehrere im Waſſer lösliche Beſtandtheile enthal— ten. Am beſten geſchieht dieſes durch die Volta'ſche Säule, aber auch ſchon eine einfache galvaniſche Vorrichtung (z. B. 2 heterogene Metallplättchen in eine zuſammengeſetzte Flüſſigkeit gebracht) ver- mag Flüſſigkeiten zu zerſetzen. Befindet ſich ein Metall in orydirenden auflöſenden Fluidis, ſteht aber mit einem elektropoſt⸗ tivern Metall in Verbindung, fo richtet ſich die Kraft der Flüſſig— keit blos auf dieſes; an ihm, als dem poſttiven Pol ſetzen ſich Sauerſtoff und Säure, am elektronegativern Metall Waſſerſtoff und andere es nicht auflöſende Stoffe ab. So lehrte Davy den Kupfer— beſchlag der Schiffe vor der zerſtörenden Wirkung des Seewaſſers mittelſt Zink- oder Eifenplatten ſchützen. Die E. vermögen ſelbſt die ſtärkſten Anziehungen wägbarer Stoffe gegen einander aufzu- heben. Die Urſache hievon iſt noch nicht aufgeklärt. Vielleicht bedürfen (nach der elektrochemiſchen Theorie) die Stoffe, wenn fie aus ihren Verbindungen iſolirt hergeſtellt werden ſollen, eine be- ſtimmte Menge E., die fie bei ihrer Vereinigung als Feuer verloren haben; oder (nach de la Rive) der Sauerſtoff iſt an ſich + elektriſch, und wird deßwegen von der E. bei ihrem Eindringen aus der Säule in die Flüſſigkeit gebunden, und bis an den + Drath über⸗ geführt, während die + E. den Waſſerſtoff bindet, und ihn an den Drath überführt; oder (nach Grotthuß) der Waſſerſtoff ver- bindet ſich am Pol mit der E., der Sauerſtoff am Pol mit der E.; beide werden alsdann von den gleichnamigen Polen abgeſtoſſen, den ungleichnamigen angezogen, und erſcheinen in freier Geſtalt erſt an den entgegengeſetzten Enden; oder endlich (nach Davy) iſt der Sauerſtoff des Waſſers an und für ſich elek⸗ triſch, und wird daher vom Pol abgeſtoſſen, vom + Pol anges zogen, und umgekehrt verhält ſich der Waſſerſtoff. Baumgartner hingegen denkt ſich die Elektrizitätserregung bei einem Volta'ſchen Elemente als den Erfolg der Molekularverändernng, welche ſich berührende Körper, zwiſchen denen eine Adhäſton ſtatt findet, durch die Adhäſtonskraft erleiden. Dieſe Veränderung beziehe ſich oft nur auf die Dichte, bei intenfiver Kraft und günſtigen Umſtänden auch wohl auf die chemiſche Natur der Körper. B. glaubt hiernach, daß die elektriſche und Molekularkraft eins und daſſelbe ſind, und daß letztere jedesmal als E. erſcheint, wenn fie aus einer Wirkungs⸗ weiſe in eine andere übergeht, wenn ſie z. B. aufhört, die Be⸗ ſtandtheile des Waſſers e we a en und dafür das Zink opydirt. (Baumgartner's Naturlehre, 5. Aufl. S. 637.) Erſt vor ein paar Jahren gelang es Wheatſtone, durch eine ſinnreiche Vorrichtung die Geſchwindigkeit des elektriſchen Stromes zu er— mitteln, welche nach ihm in 1 Sekunde 288,000 engl. Meilen be⸗ trägt, alſo bedeutend größer als jene des Lichtes iſt. (IIustitut, 1835,

1386 | Allgemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

p. 154 8.) E. und Magnetismus ſtehen in inniger Beziehung. Jeder Körper, durch den ein elektriſcher Strom geht, erhält magne⸗ tiſche Kraft. Der Polardrath einer thätigen Volta'ſchen Säule zieht Eiſen an, wie ein Magnet. Ein elektriſcher Strom vermag auch Eiſen und Stahl zu magnetiſtren, und wirkt (nach Oerſted) auch auf die Magnetnadel, die er ablenkt. Ein befeſtigter Magnet wirkt ſeinerſeits auch auf'einen beweglichen Polardrath. Der Erd⸗ magnetismus dreht einen um eine Axe beweglichen Polardrath fo, daß der elektriſche Strom auf der magnetiſchen Axe der Erde ſenk⸗ recht ſteht. Wirkt ein elektriſcher Strom auf einen Magnet ein, ſo ſucht fein Nordpol um den Polardrath nach einer Richtung, fein

Südpol nach der entgegengeſetzten zu rotiren. Faraday, Barlow

Davy, Fechner, Nitchie haben mannigfache Apparate angegeben, durch welche Magnete um Polardräthe, oder dieſe um Magnete zum Notiren gebracht werden. Auch 2 auf einander wirkende elek⸗ triſche Ströme vermögen drehende Bewegungen zu erzeugen. Mag⸗ nete können elektriſche Ströme veranlaſſen, die (bei gehöriger Unterbrechung der Leiter) Funken geben und das Elektroſkop affi- ziren. In allen Verhältniſſen verhält ſich ein Magnet wie ein Syſtem elektriſcher Ströme, und umgekehrt bringt ein ſolches Syſtom magnetiſche Wirkungen hervor. Einige ſehen den Mag⸗ netismus nur als das Nefultat elektriſcher Ströme an. Nach Ampere iſt ein Magnet ein Körper, deſſen Theilchen von elektri⸗

ſchen Strömen in ſenkrecht auf feiner Axe liegenden Ebenen um⸗

floſſen werden. Die neueſte Phyſik betrachtet die elektriſchen Ströme, die den Magnetismus veranlaſſen, gls durch die Sonnenwärme erzeugt (denn Wärme vermag ebenfalls ſehr gut E. zu erregen) und ſtützt dieſe Anſicht vorzüglich auf die Uebereinſtimmung in der Richtung der Linien gleicher Wärme an der Erdoberfläche und gleicher magnetiſcher Kräfte, und das Zuſammentreffen der irdi⸗ ſchen Magnetpole mit den Wärmepolen der Erde. Dufay und Symmer, die Dualiſten, erklärten die E. für 2 ſich in ihren Ei⸗ genſchaften höchſt analoge, und doch in ihren Verhältniſſen ein⸗ ander gerade entgegengeſetzte unwägbare Flüſſigkeiten; Franklin und Aepinus, die Unitarier, nahmen nur eine an, deren relativer Ueberfluß oder Mangel die Erſcheinungen der + und E. her vorbringe. Heut zu Tage verzichtet man wie geſagt, auf elektri⸗ ſche und magnetiſche Flüſſigkeiten, und betrachtet die E. als das Reſultat der Molekularkräfte und jeden Magnet als ein Syſtem elektriſcher Ströme.

Ueber die chemiſchen Verhältniſſe des Lichtes, der Wärme und der Elektrizitaͤt vergl. man vorzüglich Gmelin's Handb. d. theor. Chem. 3. Aufl. I. Bd. S. 68, 104, 156 ff.

Magnetismus nannte man urſprünglich nur die eigenthüm⸗

Von den allgemeinen oder kosmiſchen Kräften. 187

liche Kraft mancher Eiſenerze, unter Erſcheinungen doppelter Po⸗

larität Eiſen anzuziehen. Innerhalb gewiſſer Wärmegrade kommt fie auch dem Kobalt, Chrom, Nickel und Mangan zu, und durch Kunſt können alle Metalle und viele nicht metalliſche Körper mag— netiſch werden. Magnetismus äußern ferner alle Körper, in wel⸗ chen auch nur die kleinſten Eiſentheilchen enthalten ſind, ſo Höl⸗ zer und lebende Pflanzen, das Blut des Menſchen und vieler Thiere. Die Magnete können außerdem noch Elektrizität erregen. Die magnetiſche Kraft wirkt ſchon in kleine Entfernung, und wird hiebei niemal durch nichtmagnetiſche Körper gehindert. Kön— nen ſich magnetiſche Nadeln, Prismen, Stangen zc. frei bewegen, fo zeigen fie doppelte Polarität, Nord- und Südpol, ziehen an- dere an den ungleichnamigen (freundſchaftlichen) Polen an, und ſtoſſen fie an den gleichnamigen (feindlichen) ab. Magnetiſcher Meridian heißt die Vertikalebene, in welcher ſich die Pole eines freihängenden Magnets befinden. Der Winkel, den dieſer mit dem geographiſchen Meridian eines Orts bildet, heißt Deklination oder Abweichung des Magnets. Man bemerkt, daß im Schwer— punkt freiſchwebende Magnete ſich mit dem Nordpol gegen den Ho— rinzont ſenken, was Inklination oder Neigung genannt wurde.

Die auf die Axe eines freiſchwebenden Magnets vertikale Ebene heißt magnetiſcher Aequator. Inklination wie Deklination hän⸗ gen vom Magnetismus der Erde ab. Auch der Magnetismus wurde durch Annahme zweier ſich entgegengeſetzter, aber doch höchſt analo- ger unwägbarer Flüſſigkeiten erklärt, bei deren geſtörtem Gleichge— wicht ein Körper magnetiſch erſcheine, während er ſonſt ſich im natürlichen Zuſtande befinde. In jedem ungemein kleinen Theile eines magnetiſchen Körpers (jedem „magnetiſchen Elemente“) müß⸗ ten indeß die beiden magnetiſchen Fluida, nördliches und ſüdliches vorhanden ſein, wie eine in Stücke zerſchnittene magnetiſche Eiſen⸗ ſtange beweist, von welcher jeder Theil ſogleich Nord- und Süd⸗ magnetismus zeigt. Koerzitivkraft heißt jene Kraft, welche ſich der Trennung des magnetiſchen Fluidums in einem magneti⸗ ſchen Elemente in ſeine zwei Polaritäten wiederſetzt. Künſtliche Magnete werden erzeugt durch beſtimmte Lage gegen die Erde (eine weiche Eiſenſtange in den magnetiſchen Meridian mit beſtimmter Inklination gehalten, wird ſogleich magnetiſch, hört aber auf es zu fein, fo bald fie in eine auf dieſe Richtung ſenkrechte gebracht wird), Annäherung, Berührung, Streichen mit einem Magnete, durchgehende elektriſche Ströme, und nach Morechini u. A. auch durch Einwirkung des violetten, weniger des blauen und grünen Strahles des Sonnenlichtes, ſo wie durch Einwirkung des vollen Sonnenlichtes auf an einem Ende polirte Stahlnadeln. Das Ge— wicht einer Stange von Stahl wird durch Magnetiſtren durchaus

133 Augemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

nicht geändert, indem jedes magnetiſche Element derſelben gleich ſtark von der Erde angezogen und abgeſtoſſen wird. Feiner, als durch Verſuche mit Gewichten u. ſ. w. erkennt man Vertheilung und Stärke der Kraft eines Magnets, wenn man ihn frei auf⸗ hängt, ihn in Schwingungen verſetzt, und die Anzahl derſelben in einer beſtimmten Zeit, betrachtet. Hiedurch erfährt man auch den Einfluß des Lichtes, der Wärme und der mechaniſchen Ein⸗ wirkung auf einen Magnet. Man hat in neueſter Zeit an mehrern Orten eigene magnetiſche Obſervatorien zu dieſem Zwecke errichtet. In Göttingen z. B. verbindet eine Drathkette die Stern⸗ warte, das magnetifche Obſervatorium und das phyſikaliſche Ka⸗ binet, in einer Länge von 11,000 Fuß. Wird ein galvaniſcher Strom mit der Kette in Verbindung geſetzt, ſo erſcheint die Be⸗ wegung der drei Magnetſtäbe in den Apparaten der drei Orte ſo augenblicklich, daß ihr Anfang ſich auf einen kleinen Bruch einer Sekunde genau beobachten läßt, und die Unmeßbarkeit der Zeit, in welcher der Strom 11,000/ durchlauft, erhellt. Ein Magnet ſucht in jedem ihm genäherten Körper Magnetismus aufzuregen, d. h. Nord- und Südpolarität hervorzurufen, was nach der Natur der Körper leichter oder ſchwerer erfolgt. Man iſt in neueſter Zeit geneigt, die magnetiſche Kraft der verſchiedenen dieſelbe äußernden Körper nur als einen Ausfluß der magnetiſchen Kraft der Erde, und jene nur als Träger zu betrachten. Ueber den Erdmagnetismus und das Nordlicht, welches höchſt wahrſcheinlich ein magnetiſches Lichtphänomen iſt, vergleiche das vierte Buch.

Drittes Buch. | Bon den primären Organismen, oder den Weltkoͤrpern.

I. Haupt ſt ü ck. Einleitende Betrachtungen.

Alles, was in Raum und Zeit exiſtirt, und gewiſſe Prä⸗ dikate hat, iſt nur in Folge einer Beſchränkung der unendli⸗ chen, unerſchöpflichen Kraft entſtanden, welche als ſolche keine einzelnen Eigenſchaften hat, die erſt an ihren Produkten her⸗ vortreten. So wie aus dem Weltgeiſt, welcher das All durch⸗ dringt, ſich eine Beſonderheit ablöst, ſo muß ſie nothwendig poſitive Eigenſchaften zeigen, wodurch ſie in beſtimmte Be⸗ ziehungen zu andern Beſonderheiten tritt, welche alle gleich⸗ ſam nur Bruchtheile der unbegrenzten, jedoch an und für ſich unbeſtimmten, aber nach außen in unzählbaren Beſtimmungen und Verhältniſſen auftretenden Kraft ſind.

In den Stoffen erkennen wir Beſchränkungen des Un⸗ endlichen nach phyſiſchen und chemiſchen Qualitäten. In der ſinnlich fo verſchiedenen Erſcheinung desſelben Stoffs in ſei⸗ nen Verbindungen z. B. mit Sauerſtoff als Oxydul, Oxyd, Säure, oder mit andern Stoffen ſtellt ſich ein Wechſel der Kraftverhältniſſe dar, wobei andere Reflexion, Brechung,

490 Allgemeine Naturgefchichte. III. Buch.

Polariſirung des Lichtes, andere Gewichte, andere Volumina, andere Gefühls-, Geſchmacks⸗, Geruchsaffektionen herauskom⸗ men. Durch ihre unaufhörlichen Verbindungen und Zerſetzun⸗ gen wird die Stoffwelt zu einem immer ſich Verwandelnden, zum Unbeſtändigen in Raum und Zeit. So weit man dieſes (3. B. aus dem Gehalt der Meteormaſſen) beurtheilen kann, ſind auch außer der Erde dieſelben Stoffe vorhanden, je⸗ doch in verſchiedener Vertheilung. Stoffe derſelben Art kön⸗ nen ſich an den verſchiedenſten Punkten des Raumes vorfinden. Es ſollte aber nun zu Beſchränkungen des Weltgeiſtes nicht bloß nach chemiſchen und phyſiſchen Qualitäten, ſondern auch nach räumlichen Verhältniſſen kommen. Es ſollten We⸗ ſen aus ihm hervorgehen, deren Eigenſchaften ſich nicht nach einer unbeſtimmten, zufälligen, unbegrenzten Folge änderten, ſondern welche nur eine beſtimmte Reihe von Veränderungen durchliefen, die demnach Anfang und Ende hat (während die materialen Atome wahrſcheinlich ohne Aufhören beſtehen und ſich verändern), welche Reihe aus der ſpezifiſchen Grundbe⸗ ſtimmung eines jeden, und ſeinen Verhältniſſen zu andern reſul⸗ tirte. Zugleich ſollte jedes dieſer Weſen immer in einer beſtimm⸗ ten Region des Raumes exiſtiren, und es ſollten von ihnen nicht, wie von den materialen Atomen, eine unbeſtimmte Zahl Homo: loger vorhanden ſein, ſondern jedes ſollte ein Konkretes, von allen andern Verſchiedenes, Individualiſirtes darſtellen, neben welchem wohl ähnliche, verwandte, nirgends aber vollkommen gleiche beſtünden. Alle angegebenen (und zahlreiche andere) Ver⸗ hältniſſe werden nun durch die Weltkörper ausgeſprochen, die

bereits im erſten Buch als die primären Organismen bezeichnet

wurden (vergl. S. 119). Daſelbſt ſind auch die Gründe angegeben, warum wir ſie als organiſche Weſen anſehen müffen. en nr Wenn dieſe Anficht Vielen, welche die Weltkörper nur als todte Steinmaſſen, als „rollende Mühlſteine,“ ) betrach⸗ ten, fremdartig und paradox erſcheinen mag, ſo fällt die

) Als ſolche bezeichnet fie Autenrieth irgendwo in den nach ſeinem Tode erſchienenen „Anſichten über Natur⸗ und Seelenleben.

Einleitende Betrachtungen über die Weltkörper. 191

Schuld nur der ziemlich allgemeinen Verkennung des wahren Weſens der kosmiſchen Organismen zu. Einer tiefern An⸗ ſchauung kann einmal nicht entgehen, daß alle mechaniſchen

Vorſtellungen von Aggregation u. |. w. den eigentlichen Grund der Entſtehung und Bildung der Weltkörper nicht berüh⸗ ren, ſondern nur einen Theil der äuſſern Erſcheinungen hiebei auffaſſen. Was dann die Harmonie der Bewegungen, die regelmäſſige Folge der Entfernungen u. ſ. w. betrifft, wie ſie z. B. im Syſtem unſerer Sonne hervortreten, ſo wird weder dieſe erklärt, noch der Grund angegeben, wie denn in der homogenen Materie die erſten Anfangs punkte entſtehen kön⸗ nen, welche die Grundlage der künftigen Weltkörper abgeben, wenn man auch mit Newton die Materie überhaupt mit Anzie⸗ hungs⸗ und Abſtoſſungskräften verſehen fein läßt, oder ihr mit Kant das Beſtreben zuſchreibt, „ſich in eine geordnete Verfaſſung zu ſetzen.“ Das allerwichtigſte Prädikat des individuellen, ſelbſt⸗ ſtändigen Weſens eines jeden Weltkörpers iſt jedoch ſeine Cen⸗ trifugalkraft. Iſt er eine todte Maſſe, ein rollender Mühl⸗ ſtein, warum folgt er denn nicht gleich dem Steine, der zur Erde fällt, jenem Schwerezug, welcher ihn mit ununterbro⸗ chener Gewalt gegen ſeinen Centralkörper zieht, um mit immer beſchleunigter Geſchwindigkeit auf ihn zu ſtürzen? Warum ſucht er dieſem ſtets zu entfliehen, und ſich nach der Richtung der Tangente der Bahnbewegung von ihm zu entfernen? Wir haben in der Centrifugalkraft eine ſelbſtſtändige vor uns, die der aller Materie gemeinſamen Schwere gerade entgegenwirkt, und durch welche die Körper unſeres Sonnen-Syſtems ihr individuelles Daſein gegen den ihnen jeden Augenblick Ver⸗ nichtung drohenden Zug der Sonne erhalten. Alle mechani⸗ ſchen Anſichten von einem urſprünglichen Stoß, den ſie nach der Tangente erhalten haben, ſind ganz unbegründet und hypo⸗ thetiſch. Die Allmacht wirkt nie unmittelbar, wie ein Deus ex machina, ſondern mit Kräften und nach Grundbeſtim⸗ mungen, welche ſie in verſchiedener Art und Proportion an die Einzelweſen vertheilt hat. Unſere Anſicht von den Welt⸗ körpern ſtreitet nicht gegen die Newton'ſchen Geſetze der Gravi- tation. Die himmliſchen Körper ſind wie alle andern Natur⸗

192 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

weſen an beſtimmte Modalitäten gebunden, welche keineswegs ihr Leben aufheben (ſo wenig als das Leben z. B. der Pflanze, die an beſtimmte Zeit des Blühens und Fruchttragens, an eine be⸗ ſtimmte Miſchung ꝛc. ihrer Elemente gebunden iſt, hiedurch auf⸗ gehoben wird), ſondern eben die Eigenthümlichkeit ihrer Erſchei⸗ nungsweiſe bedingen. Die Entwicklung der Weltkörper, welche die Grundlage der ganzen ſekundären Organiſation bilden ſollen, iſt ficher nicht dem rohen mechaniſch⸗chemiſchen Ineinander⸗ wirken der Atome, aus welchen ſie beſtehen, und einem nothwen⸗ dig hieraus folgendem zufälligem und geſetzloſem Verlauf über⸗ laſſen. Man muß vielmehr auch in ihnen eine höchſte, ſie durch⸗ dringende und beherrſchende Einheit annehmen, welche aggregi⸗ rend, plaſtiſch, obſchon bewußtlos, nach in ſie gelegten Geſetzen, der Pflanzenſeele vergleichbar wirkt, und die Entwicklung regelt, welche, gleich der Seele der ſekundären Organismen, vom Urſprung an in jedem Weltkörper vorhanden iſt, aber im Weltraum entſteht, und deren ſinnlicher Ausdruck in der Gröſſe, Dichtigkeit, den Bewegungen und Verhältniſſen eines Weltkörpers zu andern ſeines Syſtems gegeben iſt. Jeder Weltkörper hat durch ſie eine eigenthümliche Weiſe und Rich⸗ tung ſeines Daſeins erhalten. Auch hier haben wir es daher wieder mit geiſtigen Prinzipien zu thun, welche wir ſchon in der Materie annehmen mußten, jedoch mit einer höhern Kategorie derſelben, welche im erſten Buche als Weltkörper⸗ ſeelen aufgeſtellt wurde. Sie bewirken auch jene wunderbaren Erſcheinungen, die man als Licht und Wärme, Elektrizität und Magnetismus kennt, und die polariſche Anordnung der Maſſen, welche z. B. unſern Erdkörper bilden, und die ohne Zweifel, obwohl in vielfachſter Abänderung auch in an⸗ dern Weltkörpern hervortritt. Indem wir jene geiſtigen Prin⸗ zipien als bewußtloſe, entſtehende und vergehende, nach ſpezi⸗ fiſchen Grundbeſtimmungen wirkende Kraftweſen bezeichnen, unterſcheiden ſie ſich hinlänglich von ähnlichen Weſen der Pythagoräer und des Hierakles, und noch mehr von den intel⸗ ligenten, mit Bewußtſein handelnden Weltſeelen des Philo Judäus und Ben Maimon. Durch Wirkung der eteörperfelen eich . alle

Die primären Organismen des Weltraums 1c. 195

jene wunderbaren kosmiſchen Organismen, welche in kaum faßbaren Zahlen die unbegrenzten Tiefen des Raumes erfüllen, ſelbſt leuchten oder beleuchtet werden, und bei aller Größe und Schwere ihrer Maſſen mit der Leichtigkeit des Gedankens durch die ätheriſchen Regionen ziehen. Alle Zeiten, nach wel— chen menſchliche Verhältniſſe gemeſſen werden, verſchwinden gegen die ungeheuern Abſtände der Sonnenſyſteme von ein⸗ ander, und gegen die Milliarden von Jahren, welche ihnen zu ihrer Ausbildung und ihrem Daſein gegeben ſind. Der Leib des Menſchen, welchen man als Maßſtab und Verglei— chungsgrund für die ihn umgebende Thier- und Pflanzenſchö⸗ pfung braucht, verſchwindet als nichtiger Punkt ſchon gegen die kleine Erde, feine Heimath, wie viel mehr gegen die koloſſa⸗ len Körper der Sonnen. Seinen Geiſt aber, der einer ungleich höhern Ordnung von Geiſtern angehört, als jene der Welt— körper ſind, ſchrecken weder Maſſen, noch Zeiten. Wie groß auch dieſe fein mögen, fie find doch immer endlich: der Ger danke unendlich. Wir betrachten die himmliſchen Körper nach ihren hauptſächlichſten Eigenſchaften und Verhältniſſen, und be- ginnen mit denjenigen, welche auſſerhalb unſeres Sonnenſy— ſtems liegen, das einem kleinen Archipel mitten unter zahlloſen Inſelgruppen eines grenzenloſen Oceans gleicht.

II. gauptſtück.

Die primären Organismen des Weltraums, oder die Fixſterne, Doppelſterne, Nebelflecken u. ſ. w.

Literatur. Den größten Theil deſſen, was man über die Ge— ſchichte des Sternhimmels weiß, verdankt man W. Herſchel, welcher die meiſten feiner Entdeckungen in den Philosophical Transactions von 1783 an niedergelegt hat. Pfaff unternahm es, ſie zu ſammeln. Vergl. deſſen „W. Herſchel's ſämmtliche Schriften. I. Bd. Ueber den Bau des Himmels.“ Dresden u. Leipzig. 1826. (Wurde nicht fortgeſetzt.) In neueſter Zeit haben das meiſte hiezu beigetragen: J. Herſchel (Philos. Transact. für 1833) namentlich für Nebelflecken und Stern⸗ gruppen, und Struve für Doppelſterne.

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194 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

Eine nur etwas aufmerkſame Betrachtung des Sternhim— mels lehrte bald, daß nur wenige der mit freiem Auge ſicht⸗ baren Sterne ihren ſcheinbaren Ort unter den andern ändern, während die allermeiſten zu allen Jahreszeiten, und von den verſchiedenſten Standpunkten ihre Lage und Entfernung gegen einander beibehalten. Man nannte dieſe letztern daher Fix⸗ ſterne, während die erſten (auſſer der Sonne) Planeten und Kometen hießen. Der Name Firfterne ift freilich jetzt ganz unpaſſend, da ohne Zweifel alle Sonnen eine eigene Bewe— gung durch den Raum haben, und die Doppelſterne ſich auſſer⸗ dem umeinander bewegen. Nach allen Seiten erfüllen die leuchtenden Sternheere den Raum, hier zerſtreuter, dort dichter ſtehend, und nach einer gewiſſen Richtung in einen größten Kreis, in eine leuchtende Zone zuſammengedrängt, welche als Milchſtraße allbekannt iſt. Das freie Auge glaubt in dieſer Welt des Lichtes die größte Einförmigkeit zu erkennen, in welche nur die verſchiedene ſcheinbare Größe und Stellung eini⸗ gen Wechſel bringt: das Fernrohr ſchließt hingegen in ihr einen überraſchenden Reichthum von Bildungen auf, und zeigt auſſer den einfachen dem freien Auge ſichtbaren Sonnen, zahlreiche Syſteme aus 2, 3, 4 oder vielen Sternen beſtehend, oft in herrlichen Elementarfarben prangend, dicht gedrängte Gruppen vieler Tauſend zuſammen gehörender Sterne, und wunderbar geſtaltete Nebelflecken, in welchen ſich nur noch der vereinigte Schimmer der fernſten Sternſyſteme ſpiegelt, oder wo des Himmels leuchtender Bildungsſtoff erſt der Formen harrt, welche er annehmen ſoll. Schon aus dem, was die äuſſere Er— ſcheinung lehrt, geht eine außerordentliche Verſchiedenheit der kosmiſchen Bildungen hervor, die man mit Recht für fo mannig— fach erklärt hat, wie es nur immer die ſekundären Organismen unſerer Erde fein können. Je mächtiger und lichtſtarker die Fernröhre ſind, je tiefer ſie in den Raum eindringen, deſto mehr erweitern ſich die Grenzen der ſichtbaren Weltſchöpfung. Von dieſer Seite erſcheint alſo der Gedanke einer Begrenzung derſelben nicht gerechtfertigt. Olbers's bekannte, ſpäter mit⸗ zutheilende Berechnung über die Trübung, welche das Licht bei feiner Fortpflanzung im Weltraum durch den Aether er—

Die primären Organismen des Weltraums ce. 195

leidet, welcher jenen erfüllt, begegnet dem Einwürf, daß wir bei der Annahme einer unendlichen Zahl von Sonnen, an je— dem Punkte des Himmels eine derſelben erblicken müßten. Schubert (G. H. v.) bemüht ſich hingegen zu erweiſen, daß die Nebelflecke ätheriſche Gebilde von minder großer Ferne ſeien, als man nach W. Herſchel annimmt, daß die Sternen— ſyſteme nicht auf gerathewohl in den Raum ausgeſtreut wären, daß keine Unendlichkeit der Welten ſtatt finde, ſondern daß in der Milchſtraſſe, welche eine beſtimmte, geſetzmäſſige An— ordnung ihrer Sternſchichten zeige, der Weltenorganismus ge— ſchloſſen ſei. (D. Geſch. d. Natur, Bd. I. S. 52 ff.) Es iſt nicht zu läugnen, daß einige Erſcheinungen am Himmel auf eine Grenze der Weltſchöpfung hinzudeuten ſcheinen, ſo daß vielleicht in jenen dunkeln lichtloſen Flecken, wie den Kohlen- ſäcken u. a. ein Einblick in das weltenloſe, finſtere Chaos eröffnet iſt. Wie dem auch ſei, ſo müſſen wir uns, gleich der Zeit (wie ſchon Kant bemerkte) wenigſtens auch den Raum unbegrenzt denken. Mag nun dieſer nur in einer uns umge— benden unermeſſenen Region, oder in das Unendliche hinaus mit Welten erfüllt fein, in keinem Falle wird eine geſetz— mäſſige Anordnung der Sternſyſteme, wie ſie Schubert für die Milchſtraſſe annimmt, ausgeſchloſſen. Mehrere Aſtro— nomen glauben, daß wie die Monde den Planeten, und dieſe der Sonne, ſo alle Sonnen einer Centralſonne untergeordnet ſeien, deren übermächtige Maße und Schwunggewalt jene nöthige, in unermeßlich langen Zeiten ihre Umläufe um ſie zu machen. Einige ſehen für dieſe Centralſonne Sirius, An— dere Wega in der Leier an. Alles, was wir außerhalb un⸗ ſeres Sonnenſyſtems von Welten erblicken, ſind Sonnen, in den verſchiedenſten Stadien ihrer Ausbildung, oder noch geſtalt⸗ loſer Sternſtoff. So erſcheinen alſo die Sonnen als das eigentliche Ingrediens des Weltalls, als die Weltkoͤrper K ES, und ihre etwaigen uns unſichtbaren Planeten, Kome— ten ꝛc. als eine ſo unbedeutende Zugabe, wie dieſelben im Vergleich zur Maſſe unſerer Sonne, ſchon in unſerem Sy— ſteme ſind. Es iſt übrigens nicht nothwendig, daß alle Son— nen Planeten u. ſ. w. um ſich laufen haben, da das Daſein

196 Allgemeine Naturgefchichte, III. Buch.

einer Sonne für ſich allein vollkommen denkbar iſt. Eine Sonne iſt fürwahr ſich ſelbſt genug, denn auf ihr findet ſich (wenigſtens nach W. Herſchels Anſicht von unſerer Sonne) der Urgegenſatz von Aether und Schwere, Finſterniß und Licht auf das vollkommenſte ausgeſprochen. So wären die Son⸗ nen Organismen von einfacher, aber erhabenſter Art, welche alle Bedingungen ihres Daſeins in ſich tragen, und durch die Wechſelwirkung ihrer Elemente, ſich ſelbſt genug exiſtiren. Die Aſtronomie unſerer Zeit, ſo hoch ihre Leiſtungen ſtehen, iſt noch nicht im Stande geweſen, über die Entfernung, die Parallaxe, die ſcheinbare und wahre Gröſſe ꝛc. auch nur der vermuthlich nächſten Firſterne Auskunft zu geben. Sie ver⸗ mochte ſich in dieſer Beziehung nicht über das Syſtem unſerer Sonne zu erheben, und es muß einer glücklichern Zukunft übers laſſen bleiben, jene hochwichtigen Probleme wenigſtens theilweiſe zu löſen. Jahrhunderte, ja Jahrtauſende fortgeſetzter genaueſter Beobachtung durch ſtets verbeſſerte Werkzeuge und Methoden werden endlich in jenen hehren Regionen Veränderungen und Vorgänge offenbaren, welche Schlüſſe auf ihren Ur— ſprung und auf das Weſen des Fixſternhimmels geſtatten.

Schon im Alterthume vertheilte man die Firſterne ganz will— kührlich in eine gewiſſe Anzahl von Sternbildern, welche in neuerer Zeit ſehr vermehrt wurden, zwar viel von ihrer Wichtigkeit ver— loren haben, (da man den Ort der einzelnen Sterne jetzt ſehr genau nach gerader Aufſteigung und Poldiſtanz beſtimmt) jedoch ihrer kul— turhiſtoriſchen und aſtrognoſtiſchen Bedeutung wegen hier erwähnt werden. Zugleich find hiebei die in ihnen liegenden Fixſterne erſter Größe und einige andere einſchlüſſig angegeben. Den Alten waren 48 Sternb. bekannt und zwar I. Nördliche: 1. Der große Bär, oder Wagen. 2. Der kleine Bär, kleine Wagen. 3. Der Drache, oder die nördliche Schlange. 4. Cepheus. 5. Bootes, der Bärenhüter (Arktur). 6. Die nördliche Krone. 7. Der Knieende oder Herkules. 8. Die Leyer. (Wega). 9. Der Schwan (Deneb). 10. Caſ⸗ ſiopea. 11. Perſeus. 12. Fuhrmann (Capella oder Alhajoth). 13. Ophiuchus, der Schlangenhalter, mit der Schlange des Ophiu— chus. 14. Der Pfeil. 15. Der Adler (Atair). 16. Der Delphin. 17. Das Füllen. 18. Pegaſus. 19. Andromeda. 20. Das Dreieck. 21. Die Locke, das Haupthaar der Berenice (nebſt Antinous eigent- lich erſt von Tycho de Brahe unter die Sternbilder aufgenommen). II. Sternbilder des Thierkreiſes: 22. Widder. 23. Stier (Alde-

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baran, Hyaden und Plejaden, oder das Siebengeſtirn). 24. Zwillinge (Caſtor und Pollux). 25. Krebs (Krippe). 26. Löwe (Denebola, Regulus). 27. Jungfrau (Spica). 28. Wage. 29. Skorpion (Antares). 30. Schütze. 31. Steinbock. 32. Waſ⸗ ſermann. 33. Fiſche. III. Südliche: 34. Walſiſch. 35. Orion (Beteigeuze, Riegel). 36. Eridanus (Acharnar). 37. Haſe. 38. Großer Hund (Sirius). 39. Kleiner Hund oder Procyon (Procyon). 40. Schiff (Canopus). Al. Waſſer⸗ ſchlange (Alphard). 42. Becher. 43. Nabe. 44. Centaurus. 45. Wolf. 46. Altar. 47. Südliche Krone. 48. Südlicher Fiſch, oder großer Fiſch des Waſſermanns (Fomahand).

Sternbilder neuern Urſprungs, und zwar J. Nördliche ſind: das Einhorn, die Buchdruckerwerkſtatt, la Lande's Katze, der Kompaß, die Luftpumpe, der Uraniſche Sertant, die Taube mit dem Oelzweige, der brandenburgiſche Scepter, Grabſtichel, chemi— ſche Apparat, Elektriſirmaſchine, Bildhauerwerkſtatt, Georgsharfe, Luftballon, Mikroskop, Sobieski'ſche Schild, Fernrohr, Einſied— lervogel, Fliege, kleine Triangel, Herſchel's Teleskop, Giraffe, kleiner Löwe, Jagdhunde, Mauerquadrant, Rennthier, Ernte— hüter, Friedrichsehre, Eidechſe, Fuchs mit der Gans, Cerberus, Poniatowski's Stier. II. Nur in der ſüdlichen Halbkugel ſichtbare: Karlseiche, ſüdliches Kreuz, Indianer, Kranich, Phönix, Biene, ſüdlicher Triangel, Paradiesvogel, Pfau, Malerſtaffelei, Süd— ſchlange, Schwertfiſch, fliegender Fiſch, Chamäleon, Tafelberg, große und kleine Wolke, Pendeluhr, rhomboidiſches Netz, Sextant, Zirkel, Lineal und Winkelmaß ꝛe.

Die ſcheinbare Größe der Firxſterne hat ſchon lange Ver— anlaßung gegeben, ſie in mehrere Klaſſen einzutheilen. Ueber ihre wahre wiſſen wir nichts, da auch die Firſterne erſter Größe in den ſtärkſten Teleskopen nur als untheilbare Punkte erſcheinen. Die fünf bis ſechs Klaſſen, welche man von der erſten abwärts noch mit freiem Auge gewahrt, ſind nur nach ungefähren Annahmen gebildet. Herſchel verminderte den Durchmeſſer feines 18 zolligen Spiegels durch Bedeckung bis auf 1 Zoll, wo ihm dann Sirius nur als Stern der ſechsten Größe erſchien, fo daß Sirius alſo 18 x 18 324 Mal ſtärker leuchten würde, als die Sterne der ſechsten Größe. Er nahm jedoch für die Sterne der erſten Klaſſe nur eine 100mal größere Lichtſtärke an, als für die der ſechsten; für die der zweiten nahm er eine 25mal, der dritten eine 12mal, der vierten eine 6mal, der fünften ein 2mal größere Lichtſtärke an. Dieſe ziemlich willkührlichen Annahmen ſind übrigens auf gegebene Sterne ſehr ſchwer anzuwenden. Herſchel theilt jedoch ſonſt die dem freien Auge noch ſichtbaren Sterne nicht in 6, ſondern in 12 Klaſſen. (Die raumdurchdringende Kraft eines 20füßigen Her—

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ſchel'ſchen Teleskops iſt etwa 70 80mal ſo groß, als die des bloßen Auges, und würde alſo bis zu Sternen der achthundert vierzig-⸗ bis neunhundert ſechzigſten Größe reichen; die Kraft des 40 füßigen Teleskops iſt 191mal größer, als jene des unbewaff⸗ neten Auges, und zeigt noch Sterne der zweitauſend zweihundert neunzigſten Größe.) Außer den 6 mit freiem Auge ſichtbaren Sternklaſſen nimmt man noch 10 teleskopiſche an. Sterne der erſten Größe zählt man 14 bis 19, der zweiten 70, der dritten bei⸗ nahe 300, der drei folgenden über 3600, wornach der mit freiem Auge ſichtbaren beinahe 5000 find. In den folgenden Klaſſen wachſen nun die Zahlen in ſteigendem Verhältniß. Die reichſten Stern— verzeichniße und Sternatlaße enthalten immer nur einen ganz kleinen Theil der Firſterne, nämlich außer den mit freiem Auge noch die durch ganz ſchwache Vergrößerungen ſichtbaren; ſo Bode's Uranographia 47,240, Lalande's Histoire celeste 50,000, Beßel's Zo⸗ nenbeobachtungen etwa eben ſo viel. Setzte man voraus, daß im Mittel alle Sterne eine Sternweite (4 Billionen Meilen, das 200/000 fache der Entfernung der Erde von der Sonne) von einan— der entfernt und alle nahe von gleicher Größe wären, ſo müßten die Sterne der zweiten, dritten, vierten Größe 2, 3, 4 Sternweiten von uns abſtehen. Auf demſelben Raume des Himmels, auf welchem man im Durchſchnitte nur einen Stern der erſten Größe ſieht, wird man von den 2mal weiter entfernten 2 X 2 X 2 D 8, von den Sternen dritter Größe 27, von denen der vierten 64 ſehen. Erſt auf 70,000 Felder des Herſchel'ſchen Teleskops von 20/ kommt ein Stern erſter Größe. Würde man im Geſichtsfelde dieſes Fern— rohrs überall am Himmel nur 1 Stern ſehen, fo müßte jeder dieſer Sterne im Mittel 41 Sternweiten von uns entfernt ſein, weil 41 X 4 X 4 = 68,921 alſo beinahe —= 70,000 iſt. Herſchel hatte aber ſtatt eines Sterns an jeder Stelle des Himmels meh— rere, oft hunderte, ja ſogar tauſende im Geſichtsfeld, weßwegen die entlegenſten Einzelſterne gegen 410 Sternweiten entfernt fein müßten, und der ganze Himmel mehr als 273,000,000 Sterne enthalten würde. Nimmt man an, daß jede Quadratſekunde einen Stern enthält, ſo müßten am ganzen Firmament 534,600,000,000 ſich befinden, eine ficher noch viel zu kleine Zahl.

Milchſtraße nennt man jene prachtvolle Lichtzone, welche als ein größter Kreis, von ungleicher Breite, den Himmel um⸗ zieht. Manche alte Aſtronomen vermutheten ſchon, daß fie aus zahlloſen dichtgedrängten Sonnen beſtehe, aber erſt Herſchel gelang es, ſie durch ſeine ſtarken Teleskope, an den meiſten Stellen in Sterne aufzulöſen. Wahrſcheinlich hat dieſes ungeheuere Sternen ſyſtem die Geſtalt einer Linſe, und erſcheint uns nur, wenn wir nach der ſchmalen Kante derſelben oder nach den Breitedurch—

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meſſern hinſehen, wo die Sonnen in dichtern Reihen hintereinander ſtehen, als Sterngürtel, während wir nach dem viel kleinern Durchmeſſer der Dicke, die Sterne einzeln und zerſtreut zu beiden Seiten der Milchſtraße ſtehen ſehen. Die Pole dieſer Linſe in letzterer Nichtung ſind in den ſternleeren Gegenden beim Haupt— haar der Berenice und Bild hauerwerkſtätte. Unſer Sonnenſyſtem muß ſich nicht weit vom Mittelpunkt dieſer ungeheuern Linſe befin— den, weil wir die Milchſtraße faſt als größten Kreis am Himmel ſehen. Wahrſcheinlich ſind die Sterne erſter Größe doch jene, welche uns noch am nächſten ſtehen. Wären wir um einen Durchmeſſer der Milchſtraße von ihr entfernt, ſo müßte ſie uns als eine Scheibe von 60 im Durchmeſſer erſcheinen; in der Entfernung von 100 ihrer Durchmeſſer nur noch 367 groß; kleiner, als der ebenfalls linſenförmige Nebelfleck in der Andromeda. In einer ſolchen Ent— fernung würden wir die Milchſtraße auch durch die beiten Fernröhre nur als unauflösbaren Nebelfleck ſehen. Nun beobachtet man aber an ſehr verſchiedenen Gegenden des Himmels ſolche Ne— bel, von denen Herſchel einige noch in Sterne aufzulöſen ver— mochte, während andere ſeinen ſtärkſten Teleskopen widerſtanden. Er iſt geneigt, ſie für Sonnenſyſteme, unſerer Milchſtraße ähnlich zu halten, und ſetzt die Entfernung der unauflösbaren auf min— deſtens 40,000 Sternweiten, woſelbſt unſere eigene Milchſtraße nur noch eine Raumſekunde einnehmen würde. Herſchel reflektirt - über dieſe Verhältniſſe folgendermaßen: Es giebt Gegenſtände, welche ſich in den ſtärkſten Fernröhren nur ſo zeigen, wie andere auflösliche Sternhaufen in ſchwächern Fernröhren, und dieſes ſind nun höchſt wahrſcheinlich wirkliche Sternhaufen, aber zu ent— fernt, um auch durch unſere ſtärkſten Fernröhre noch aufgelöst zu werden. Es finden ſich ferner zahlreiche Gegenſtände am Himmel, die in jeder Hinſicht wie ein verkleinertes Bild eines leicht auf— löslichen Nebels, und wieder andere, die wie ein verkleinertes Bild jenes verkleinerten Bildes ausſehen. Sternhaufen, die im 10füßigen Teleskope, welches 28mal tiefer in den Naum ein— dringt als das bloße Auge, genau ſo ausſehen wie andere mit dem bloßen Auge, wird man mit Recht 28mal ſo entfernt halten, als die letztern. Auch kann man annehmen, daß ein noch dem bloßen Auge ſichtbarer Sternhaufen im 1ofüßigen Teleskop auch bei 28mal größerer Entfernung fichtbar fein würde. Da nun Sternhaufen in 144 Siriusfernen ſich noch dem bloßen Auge zeigen, ſo mögen andere, die im 1ofüßigen Teleskop ebenſo unbeſtimmt erſcheinen, 4032 Siriusfernen entlegen ſein. In ſo großer Ferne, und vollends in jenen, welche das 20füßige und 40füßige Teleskop noch erreicht, (4/000 bis 14,000, ja 35,000 Siriusweiten) müßen ſolche Sternhaufen unter einem äußerſt kleinen Winkel, zuletzt

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nur als etwas größere Sterne erſcheinen. Das bewaffnete Auge mag daher in Entfernungen von 100,000 Billionen Meilen und darüber noch Sternſyſteme entdecken, deren Licht viele Sahr- tauſende nöthig hat, um zu uns zu gelangen. Wir ſehen daher deren Zuſtände, wie ſie vor vielen Jahrtauſenden waren, während manche von ihnen jetzt vielleicht ganz verändert, zu Grunde gegan⸗ gen find, oder andere Stellen im Raume einnehmen. Da alle Fix⸗ ſterne im Fernrohr als untheilbare Punkte erſcheinen, ihr ſchein⸗ barer Halbmeſſer alſo unbekannt iſt, da wir überdieß die Entfer⸗ nung der Firſterne von uns, und drittens auch ihre Parallaxe d. h. den Winkel nicht kennen, unter welchem ein Beobachter in einem Fixſtern den Halbmeſſer der Erdbahn ſehen würde, fo iſt es unmöglich, die wahre Größe der Fixſterne zu beſtimmen. Hätte ein Fixſtern eine Parallaxe von 2“ und einen ſcheinbaren Halbmeſſer von ½0“ , fo würde fein Halbmeſſer 1tmal größer als jener der Sonne ſein. Herſchel hielt den Halbmeſſer von Wega in der Leier —= 147. Nimmt man feine Entfernung gleich einer Sternweite an, fo würde fein wahrer Halbmeſſer 140 Erdweiten, oder 3Amal größer als der Halbmeſſer der Sonne fein. Wäre der Stern Wega nur fo groß wie unſere Sonne, oder Ya, Erdweite, und fein ſcheinbarer Halbmeſſer doch 1477, ſo müßte die Parallaxe des» ſelben 367 fein, was längſt beobachtet worden wäre. Hätte ein Fixſtern eine Parallaxe von 17 und einen Durchmeſſer von 17, fo müßte er 206,260 Erdweiten, oder mehr als eine Sternweite, oder 4,000,000,000,000 geogr. Meilen entfernt, und fein wahrer Halb⸗ meſſer gleich der Erdweite oder 20,000,000 Meilen fein. Manche Nebelflecke, deren Entfernung Herſchel auf 10,000 Sternweiten ſetzt, erſcheinen in dieſer ungeheuern Entfernung oft noch meh— rere Minuten groß. Nimmt man aber den Halbmeſſer von irgend einem nur ½ Minute, fo muß feine Parallaxe = 0//,0001037 fein wahrer Halbmeſſer = 96,960 Erdweiten, oder beinahe 2 Bil- lionen Meilen, eine halbe Sternweite ſein. Nach Wollaſton verhält ſich die Lichtſtärke der Sonne zu jener des Sirius wie 20,000,000,000 : 1. Die Quadratwurzel hievon iſt 141,400, wo⸗ raus folgt, daß unſere Sonne erſt in einer 444,400mal größern Entfernung, oder beinahe 3 Billionen Meilen ſo wenig groß und hell wie Sirius erſcheinen würde. Hätte letzterer eine Parallaxe von einer Sekunde, oder eine Entfernung von 200,000 Erdweiten, fo müßte ſeine Lichtſtärke mindeſtens 2mal ſo groß ſein, als jene der Sonne; da er aber ſicher eine viel kleinere Parallaxe hat, ſo muß ſein Licht noch viel ſtärker ſein. Da man nicht einmal von den wahrſcheinlich nächſten Fixſternen die Parallaxe ausmitteln konnte, fo darf es uns nicht wundern, daß uns Planeten ꝛc., welche ſich etwa um ſie bewegen, bis jetzt gänzlich unſichtbar geblieben ſind.

Die primären Organismen des Weltraums ıc. 201

Gewiſſe Gegenden, z. B. Orion größtentheils, die Leier ic. ſind ſehr ſternreich, andere, wie das Sternbild des Luchſes, der Giraffe ꝛc. enthalten nur wenige und kleine Sterne. Die Plejaden enthalten auf weniger als 3 Naumgraden 44 mit freiem Auge ſichtbare Sterne, die Krippe auf ½ über 40. Wahrſcheinlich ſtehen dieſe Sterne nicht bloß optiſch, ſondern phyſiſch nahe aneinander.

Eben fo verhält es ſich mit den Doppelſternen, von welchen man nun über 6,000 kennt. (Vergl. Littrow, die Doppelſterne, gemeinfaßlich dargeſtellt. Mit einer Tafel. Wien 1835.) Zwei und mehrere Sterne bilden hier ein Syſtem. W. Herſchel theilte die Doppelſterne nach Entfernungen der zu einem Paare oder Syſteme gehörenden in Klaſſen ein; jetzt giebt man nur von dem größern Stern eines Paares Neftaszenfion und Poldiſtanz an, und fügt die Entfernung der beiden Sterne in Sekunden und den Poſitions— winkel (Winkel, welchen dieſe Entfernung mit dem Deflinationg- kreiſe des größern Sterns bildet,) bei. Verhältnißmäßig findet man unter den Sternen der erſten Größen viel mehr Doppelſterne, als unter denen der geringern. Meiſtens iſt der eine Stern viel kleiner als der andere, ſo daß z. B. beim Polarſtern, der auch ein Doppelſtern iſt, der eine zur zweiten, der andere zur elften Größe gehört. Der Stern 8 in der Leier beſteht aus zwei Paa— ren, eben fo ein Stern im Schwan in Asc. rect. = 20 h/ Pol. dist. 540 42/, Zuweilen bilden drei Sterne ein zuſammen gehörendes Syſtem; fo im Orion, AR = 4 h 49, P = 750 45/; Luchſe, AR 6 h 30/ P— 300 23/; 5 Krebs, 5 Waage, / Caſſiopea ꝛc. im Orion iſt vierfach. In der Mitte des Vierecks fand Struve 1825 einen ſehr kleinen fünften Stern, der ſeitdem immer heller wurde. Der Stern c im Orion beſteht aus 16 Sternen. Die Doppel- und vielfachen Sterne bleiben auch bei der allen Firſter— nen eigenen fortſchreitenden Bewegung durch den Naum (deren Grund man noch nicht kennt) beiſammen. Am bedeutendſten ſcheint dieſe beim Stern 61 im Schwan zu fein, der ſich in einem Jahr- hundert, in der Richtung feiner Bahn durch 607 Sekunden be— wegt. Beſſel und Piazzi haben auf ihn zuerſt aufmerkſam ge macht. Seit Bradley kennt man ihn als Doppelſtern, und ſeit ſeiner Zeit ſind beide Sterne in der Richtung ihrer Bahn um 7 Minuten gegen die benachbarten fortgerückt. Ihr ſcheinbarer Weg beträgt jährlich 5 Sekunden, ihre Parallaxe allem Anſchein nach nicht 12 Sekunde; der wahre durchlaufene Raum muß alſo wenigſtens 200,000,000 Meilen betragen. Dabei haben fie noch eine gegenſeitige Bewegung, fo daß ſich ſeit Bradley ihr Stellungs— winkel um etwa 600 geändert, und ihr Abſtand von 207 bis etwa 15// abgenommen hat. Von Bradley bis Beſſel ſcheinen ſie alſo % ihrer Umlaufsbahn durchlaufen zu haben, zu welcher fie 350400

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Jahre bedürfen würden. Ein Planet, welcher in 350 Jahren um unſere Sonne liefe, müßte 50mal ſo weit, als die Erde von der Sonne entfernt ſein; wenn daher die Summe der Maßen jener beiden Sterne der Sonnenmaße gleich wäre, ſo würde die Parallaxe der Erdbahn nur = 0,05 des ſcheinbaren Abſtands, etwa 730, ausmachen. Da nun dieſe Parallaxe unmerklich iſt, fo darf man vermuthen, daß dieſe Sterne ebenſo viel, und vielleicht mehr Maße als die Sonne haben. (Vergl. Beſſel im aſtron. Jahrb. 1815. S. 209, und aſtron. Zeitſchr. v. v. Lindenau II. 134.) Außer dem aber bewegt ſich bei den Doppelſternen noch ein Stern um den andern, in Kreiſen oder Ellipſen, wie der Mond um die Erde. Seit Herſchel hat man bei einigen ſchon einen ganzen Um⸗ lauf, bei andern ſchon ein hinlängliches Segment der Bahn beobachtet, um ihre Größe beſtimmen zu können. Der kleinere Stern 7 in der Krone bedarf 43 Jahre, um ſich um den großen zu bewegen; § im Krebs 55, §F im großen Bär 61, 70 Ophiu⸗ chus 80, Caſtor 253, 6 Krone 287, 61 Schwan 452, y Jungfrau 513 Jahre. Bei Doppelſternen, deren Bahnebene ganz ſchief ge— gen uns liegt, hat man ſogar ſchon Bedeckungen des einen Sterns durch den andern beobachtet; fo bei z im Schlangenträ— ger ꝛc. Sterne, die Herſchel einfach ſah, treten jetzt immer mehr auseinander, wie F im Orion, 5 im Herkules, o im Schwan. Eine ſinnreiche Methode, die Entfernung der Doppelſterne von der Erde aus deren verſchiedener ſcheinbarer Geſchwindigkeit in verſchiedenen Theilen ihrer Bahn (wegen der kürzern oder längern Zeit, welche dann das Licht von ihnen zu uns braucht) zu finden, hat Savary angegeben. Doch find die dazu nöthigen Beobach— tungen noch nicht gegeben. Savary, Enke, J. Herſchel ſuch⸗ ten auch die Bahnen der Doppelſterne zu beſtimmen, und es gelang ihnen, bei den vorher angeführten acht Doppelſternen, deren Umlaufszeiten man kennt, noch einige andere Elemente der- ſelben auszumitteln, ſo daß dieſe acht unter allen Doppelſternen die am beſten bekannten ſind. Der Doppelſtern „Jungfrau beſteht aus zwei gleich großen Sternen, eben fo Caſtor; der Doppelſtern der Krone iſt fünfter und ſtebenter Größe, der Doppelſtern F im großen Bär fünfter und fechster Größe, der Doppelſtern 70 p Schlangenträger ſtebenter und achter Größe, 61 Schwan ſechster und fiebenter Größe, Krebs fünfter und ſechster, der Krone auch fünfter und fechster Größe. Auch die Doppelſterne gehen in Ellipſen um den Hauptſtern, der in einem Brennpunkt derſelben liegt, und befolgen hiernach ebenfalls das allgemeine Geſetz der Schwere. Die einfachen Fixſterne find gewöhnlich weiß, gelb⸗ lich, nur ſelten röthlich (wie Arktur, Aldebaran, Pollux, Anta⸗ res, q Orion; Sirius gaben die Alten roth an, wir ſehen ihn

Die primären Organismen des Weltraums ꝛc. 203

blendend weiß): bei den Doppelſternen iſt gewöhnlich nur der Centralſtern weiß, gelblich, röthlich, der Begleiter meiſtens blau oder grün. Seltener iſt der große weiß oder gelb und der kleine roth, oder der große orange und der kleine grün, oder beide blau, alle Farben häufig ſehr lebhaft. Dieſe Farben ſcheinen den Doppelſternen, wenigſtens den meiſten wirklich eigen zu ſein, und nicht etwa durch optiſche Täuſchung, als komplementäre hervorgerufen zu werden, wie der jüngere Herſchel will; ſonſt könnte nicht, wenn der eine im Brennpunkte des Fernrohrs mit einem Faden bedeckt wird, der andere doch ſeine Farbe behalten. Nahe beiſammen ſtehende oder ſolche Doppelſterne, wo der eine Stern ſehr klein iſt, dienen trefflich zur Prüfung der Fernröhre, welche fie, wenn fie ſehr gut find, immer als ſcharfbegrenzte Punkte zeigen werden. Manche Sterne ſind ſchon durch zweifüſ— ſige Achromaten als doppelte zu erkennen, (fo Z im großen Bären, 5 in der Andromeda, O in der Schlange, im Herkules, 5 in der Leier,) während andere (fo Castor, Bootis, . Trianguli, Cancri, cv Piscium, & Ursi minoris) ſchon Fernröhre von vier Fuß, noch andere die ſtärkſten Teleskope erfodern. Da die Doppelſterne ohne Zweifel Sonnen ſind, ſo haben ſie vielleicht Planeten um ſich laufen, deren Bahnen, da ſie von beiden Son— nen, je nach ihrer Maße verſchieden ſtark angezogen werden, Uns gemein verwickelt und mannigfaltig ſein müßen, Ellipſen oder Hyperbeln von der verſchiedenſten Geſtalt, manchmal in ſich ver» ſchlungene, in ſich zurückkehrende Doppellinien, oder gar Spiralen darſtellen, deren Beſtimmung unſerer Analyſis unmöglich fallen würde. Welch wunderbares Schauſpiel mögen dieſe Bewegungen und der Auf⸗ und Untergang verſchiedenfarbiger Sonnen den Bewohnern ihrer Planeten geben! Schon 1767 machte Mitchill darauf aufmerkſam, daß die Doppelſterne vermuthlich phyſiſch, nicht bloß optiſch doppelt wären, was zum Schaden der Wiſſen— ſchaft nicht gehörig beachtet wurde. W. Herſchel fieng 1778 an, die Doppelſterne zu beobachten, und lieferte 1782 und 4785 be⸗ reits Verzeichniſſe von 720 derſelben. Erſt 1801 ſprach er ſich da⸗ für aus, daß man hier Sternſyſteme vor ſich habe, in welchen ein Stern um den andern ſich in regelmäßiger Bahn bewege. Bei allem Dem darf man jedoch überzeugt ſein, daß unter den unzähligen Sternen der Milchſtraße viele ſeien, die wirklich nicht phyſiſch, ſondern nur optiſch neben oder vielmehr hintereinander ſtehen, und dann freilich nie eine Bewegung um einander zeigen werden. Struve in Dorpat begann 1815 die Beobachtung der Dop— pelſterne, und faſt gleichzeitig auch F. Herſchel und South. Ihnen folgten Amiei, Beſſel, während Savary und Enke die Theorie bearbeiteten. Schon 1827 hatte Struve als erſte Frucht ſeiner

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Beobachtungen mit dem großen Fraunhofer, einen Katalog von 3112 Doppelſternen bekannt gemacht, wovon 2392 bis dahin unbe⸗ kannt waren. Dieſer Katalog ſollte eine kurze Beſchreibung jedes iſolirten Syſtems enthalten, ſowohl in Bezug auf Größe, als auf ſcheinbare Entfernung der einzelnen Sterne, welche es zu- ſammenſetzen, nach welcher letztern Struve die Doppelſterne ein⸗ theilt. Dieſe Arbeit hat entſcheidend beſtätigt, was fihon der ältere Herſchel erkannt hatte: daß dieſe merkwürdigen Syſteme wirklich begründet find, durch Wirkung der gegenſeitigen Anzie— hung zuſammengehalten werden, und daß die einzelnen Sterne ſich um ein gemeinſames Gravitations-Centrum bewegen das Ganze alſo durchaus keine optiſche Täuſchung ſei. Es handelte ſich nun, alle dieſe Syſteme ſtreng zu unterſuchen, durch feine Mikrometer— meſſungen die ſcheinbaren Abſtände der einzelnen Sterne und die Direktionslinie, welche ihre Centra vereinigt, zu finden, endlich durch den Neichenbach'ſchen Meridiankreis den abſoluten Ort jedes der Hauptſterne in gerader Aufſteigung und in Abweichung zu beſtimmen. Dieſe Arbeit 1824 begonnen, wurde 1834 von Struve vollendet. Von den 3112 Doppelſternſyſtemen des Katalogs von 1827, hat der Autor einerſeits alle die der fünften Klaſſe, nämlich jene, deren ſcheinbare Sternentfernung über 327 betrug, unter— drückt, und von der vierten Klaſſe jene, deren Trabant unter der neunten Größe iſt, ſo wie einige zweifelhafte Syſteme; an— derſeits hat er 22 ſeitdem neu entdeckte Syſteme beigefügt, ſo daß im gedachten Werke das ganze auf 2726 Sternſyſteme reduzirt iſt. Die Zahl der gemachten Meſſungen ſteigt auf 10,000, beinahe vier auf jeden Stern. Da dieſe Meſſungen 10 Jahre umfaſſen, ſo entdeckte Struve ſelbſt die Umlaufszeit einiger dieſer Syſteme, z. B. des Sterns der Krone, A von Ophiuchus und § vom Herkules, deren Perioden nur 43, 20 ünd 14 Jahre ſind. Der Autor beobachtete Verfinſterungen eines Firſterns durch den an⸗ dern; endlich fand er, daß die Syſteme, deren Sterne uns am nächſten beiſammen zu ſtehen ſcheinen, in Wahrheit die kürzeſte Umlaufszeit zu haben ſcheinen und vice versa. (I'Inst. 1835, p. 286.) Um die Doppelſterne der ſüdlichen Halbkugel hat ſich Dunlop ver— dient gemacht, und im III. Bd. 2. Abth. d. Denkſchr. d. aſtron. Geſellſch. zu London einen Katalog von 253 derſelben gegeben. Zu den veränderlichen Sternen gehört beſonders o im Walfſtſch oder Mira, der in einer Periode von 331,96 Tagen von einem Stern zweiter Größe bis zur gänzlichen Unſichtbarkeit ab- nimmt; 6 Perſeus oder Algol, im Meduſenkopfe, der 61 Stun⸗ den lang als Stern zweiter Größe erſcheint, dann plötzlich ſchwä— cher werdend 4 Stunden bis zur vierten Größe abnimmt, in welcher er 18 Minuten verharrt: in den folgenden 4 St. 40 Min.

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bis zur zweiten Größe zunimmt, und wieder 61 Stunden dieſe beibehält; ein Stern im Löwen, der 85 Tage zu, 140 Tage lang abnimmt; ein anderer in der Jungfrau von 145,45 tägiger Per riode; einer in der Waſſerſchlange; zwei in der Schlange des Dphiu- chus; einer in der Krone; der Doppelſtern a Herkules; 8 Leier; V Antinous; 0 Cepheus ꝛc. Alle haben rothes, nur 6 Algol weißes Licht.

Von ganz neu entſtandenen und wieder verſchwunde⸗ nen Sternen erwähnt Plinius einen 125 v. Chr. erſchienenen, welcher Veranlaſſung zu Hipparch's Sternverzeichniß gab; ein anderer erſchien 389 n. Chr. neben dem Sternbilde des Adlers, glich drei Wochen lang der Venus an Glanz, und verſchwand gänzlich; auch 945 und 1264 ſah man dergleichen; ferner 1572 in der Caſſiopea. Dieſer wurde von Tycho beobachtet, übertraf Jupiter und Venus an Glanz, nahm nach einem Jahre allmälig an Glanz ab, und verſchwand 1574 ſpurlos. Sein Licht war an⸗ fangs blendend weiß, wurde ſpäter gelblich, dann roͤthlich, end» lich bleifarben. 1604 erſchien ein neuer Stern im öſtlichen Fuß des Schlangenträgers, 1670 einer im Schwane. Mehrere in äl⸗ tern Katalogen verzeichnete Sterne werden jetzt vermißt.

Die Lichtnebel außer der Milchſtraße theilte W. Herſchel in 8 Klaſſen. Die erſte enthielt 288 hellglänzende, nicht mehr in Sterne auflös bare Nebel, die zweite 907 lichtſchwache, die dritte 978 ſehr matt ſchimmernde, gleichfalls unauflös bare Nebel. Alle dieſe ſind meiſtens unregelmäſſig, und an verſchiedenen Stellen ungleich lichtſtark. Die vierte Klaſſe umfaßt die planetariſchen Nebel, welche gleichförmig, überall gleich lichtſtark ſind und die beträchtliche Größe von 5— 10 und mehr Sekunden haben; ferner auch die Nebelſterne, eigentliche, hellleuchtende Firſterne mit kreisrunden, nebligen, verwaſchenen Atmoſphären, und endlich die Sternnebel, Firſterne mit beſonders geſtalteten pinſel- fächer⸗ locken⸗ wulſtförmigen Nebeln. In der fünften Klaſſe ſtehen 52 ſehr große, oft über mehrere Quadratgrad ausgebreitete Nebel— ſtellen mit auslaufenden Zweigen oder Armen. Die Klaſſen 6, 7, 8 enthalten die Sterngruppen, reiche Sammlungen kleiner, dichtgedrängter Sterne, welche nach einem ganz andern Prinzip angeordnet ſein müſſen, als unſere Sonne und die benachbarten. In ſolchen Sternhaufen ſtehen nämlich oft viele tauſend Sonnen in einem Raume beiſammen, der noch keine Siriusweite im Durch— meßer hat, während unſere Sonne von den ihr wahrſcheinlich nächſten ſchon eine Sirius- oder Sternweite entfernt iſt. Jene der ſechsten Klaſſe ſind ſehr ſternreich; die Sterne der ſiebenten dicht gedrängt; die der achten unordentlich zerſtreut: alle aber beur— kunden ſich als zuſammengehörende Syſteme. W. Herſchel gab ihre

206 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

Orte nur durch Abſtände von bekannten Fixſternen an; fein Sohn, welcher in den Philos. Transact. für 1833 ein neues Verzeichniß von 2396 Nebeln und Gruppen lieferte, beſtimmt ihre Orte durch die Rek⸗ taszenſton und Deklination. In neueſter Zeit hat Dunlop zu Paramatta in Neu-Südwales den ſüdlichen Himmel beobachtet, und 629 Nebelflecke und Sterngruppen in den Philos. Transact. von 1828 P. I. S. 14 146 verzeichnet und abgebildet, fo wie ganze Himmels-Regionen der ſüdlichen Hemiſphäre bildlich dargeſtellt. Die meiſten dieſer, ſtarke Fernröhre fodernden Gegenſtände ſind in ganzen Lagern nebeneinander geſchichtet, und bilden eine Art Zone, die als größter Kreis über den ganzen Himmel zieht, die Milchſtraße unter rechten Winkeln ſchnei⸗ det, und nahe durch die beiden Nachtgleichenpunkte geht. Am meiſten gedrängt find fie in den Sternbildern der Jungfrau, der Berenice und des großen Bären. Gewöhnlich iſt die äußerſte Gränze ſolcher Nebellager ſcharf abgeſchnitten, und daſelbſt der Himmel ſehr rein. Auflösbare Sterngruppen ſind: die Pleja⸗ den, deren einzelne Sterne zum Theil ſchon das freie Auge er— kennt; eine dem freien Auge als Lichtwolke ſichtbare Gruppe im Wehrgehänge des Perſeus; die Krippe im Sternbilde des Kreb⸗ ſes, und das Haupthaar der Berenice. Die ſehr zahlreichen teleskopiſchen Sterngruppen ſind faſt immer rund, oft ſcharf begrenzt, und ſcheinen aus gleich großen Sternen zu beſtehen, in deren Mitte man jedoch zuweilen einen oder einige größere findet, die oft roth, oder wahre Doppelſterne find. Oft find (nach W. Her— ſchel) 10 20,000 Sterne in einen nur 6—8 Minuten großen, kugel— förmigen Raum zuſammengedrängt und ſtehen gegen die Mitte zu immer dichter, weßhalb dieſe heller erſcheint. Solche Gruppen befinden ſich in AR = 13 h4, P = 700 567; AR = 13 h 34% P 600 467/; AR = 13 h 58, P 600 407; AR = 16 h 35, P = 530 127; AR 21 h 25/% P = 910 34/ welche letz⸗ tere einem Haufen Goldſand gleicht; AK = 2 h 10% P— 330 38, mit rothem, AR 5 h 8/ P —= 500 51/ mit orangem Stern in der Mitte; AR 8 h 5/ P 950 16/ mit einem Doppelſtern, AR 21 h 2/, P = 390 50 / mit mehrern dreifachen Sternen in der Mitte.

Die eigentlichen Lichtnebel mögen theils wirklich noch aus einzelnen Sternen beſtehen, welche wegen geringer Größe, oder zu weiter Entfernung nicht mehr einzeln ſichtbar find, großen- theils dürften ſie aber wirklich nur geſtaltloſe Lichtmaßen von ganz außerordentlicher Ausdehnung fein. (Herſchel glaubte früher, daß ſich alle Lichtnebel bei hinreichend geſchärftem Blicke als Sternhaufen darſtellen müßten; kam aber ſpäter von dieſer Mei⸗ nung zurück, und hielt dafür, daß es außer den aus Sternen beſte⸗

Die primären Organismen des Weltraums ꝛc. 207

henden Nebeln auch zahlreiche andere gebe, die nur geſtaltloſe leuchtende Materie wären). Manche von ihnen nehmen einen oder mehrere Quadratgrade am Himmel ein, ſo daß z. B. einer von 8 Do, wenn er auch nur eine Sternweite von uns entfernt iſt, nothwendig den ungeheuern Durchmeſſer von 200/00, 0 M. haben muß. Sehr große Nebel dieſer Art finden ſich z. B. in AK 0 h 12% P 850 34/ von 7% Ausdehnung; in AR 00 36% P 4703/ von 86, Ausdehnung ꝛc. Nach W. Herſchel ſollen alle von ihm beobachteten Nebel einen Raum von mehr als 200 TIP am Himmel einnehmen. Manche kleinere, ſchon ſchärfer begrenzte, obwohl noch unregel— mäßig geformte, zeigen hie und da auffallend hellere Stellen, oder find ſogar an ſolchen in Sterne auflösbar; wie z. B. in AR= 12 h 5/ P— 740 9/, und in AR = 20 h 53/ P 469 20/. In den Kernnebeln, die in ganzen Zügen am Himmel erſcheinen, (ſo durch das Haar der Berenice, den großen Bären, die An⸗ dromeda und den nördlichen Fiſch bis zum Kopf des Centaurs) wird eine ſolche hellere Stelle zu einem wahren Kern. Manche kleinere, hellere ſind ganz rund, mit konzentriſchem Kern, wie z. B. in AR = 1 h 16/% P = 81% 20% und AR = 11 h 10%, P 760 u. ſ. w. Sehr häufig ſtehen zwei Nebel ganz nahe am einander, bilden einen Doppelnebel, deſſen Theile entweder durch Bänder unmittelbar mit einander verbunden ſind, oder manchmal an den Grenzen ineinander fließen, oder wo der eine eine Vorragung, der andere eine ihr entſprechende Einkerbung hat. Solche Doppelnebel finden ſich in AR —= 7 h 15% P— 600 117; in AR 12 h 28/, P 770 52/ ꝛc. Die Planetariſchen Nebel zeigen ſich als kreisrunde, ſelten ovale, ſcharf begrenzte Scheiben, mehrere 7 groß, von durchaus gleich ſtarkem Licht, manchmal von einem konzentriſchen Nebelringe umgeben. Ihr Licht iſt leicht ſchuppig oder flockig, ohne ſeine Gleichförmigkeit zu verlieren. Planetariſche Nebel befinden ſich unter Anderem in I h ZU. P04 20% in AR 14 h 50% P== 700 54/3 in AR = 18 h 4/, P 830 11/; in AR = 20 h 9/% P 590 687 u. ſ. w. Die Lichtſtärke dieſer Körper muß weit unter der unſerer Sonne ſtehen, da fie dem bloßen Auge unſichtbar find, während eine Kreisfläche unſerer Sonne von nur 20/7 Durchmeſſer fchon 100 Mal ſtärker als der Vollmond leuchten würde; oder ihr Licht iſt ganz anderer Art. Ein planetariſcher Nebel von 20 Durch⸗ meſſer, auch nur eine Sternweite entfernt, müßte fchon einen Durchmeſſer, größer als die Uranusbahn haben. Oft ſind ſie von kleinen ſehr nahen Firſternen, vielleicht ihren Trabanten umgeben. Gruithuiſen fodert zur genauen Erforſchung dieſer merkwürdigen Gebilde auf, welche ſich nach W. Herſchel, durch Fernröhre ver— größert darſtellen ſollen (aſtr. Jahrb. f. 1788. S. 242 ff.), und

208 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

ſtellt die Alternative, daß ſie entweder Kugeln ſeien, deren Oberfläche begrenzt und allein leuchtend, oder trüb und von innen heraus beleuchtet iſt. Entweder iſt alſo eine leuchtende Wolkenſphäre vorhanden, die einen dunkeln, ſehr mäßigen Son⸗ nenkörper umhüllt, oder eine dunkle äußere Hülle, welche von einem in ihr enthaltenen Nebelfleck oder Sonnenkörper beleuchtet wird. (Neue Analekt. II. Bd. 2. Hft. S. 57). Sternnebel find eigentliche hellleuchtende Firſterne, von kreis- oder kugelför⸗ migen Nebeln umgeben. Sie ſtellen ohne Zweifel eine weiter vor⸗ gerückte Bildung dar, in welcher der Stern an Dichtigkeit und Lichtſtärke im ſelben Maaße gewonnen, als ſeine Atmoſphäre verlo⸗ ren hat. Alle ſind teleskopiſch, und gehören Sternen der achten bis vierzehnten Größe an. Die Hüllen haben wenige Sekunden bis über eine Minute ſcheinbaren Durchmeſſer. Manchmal ſind in derſelben Nebelhülle ſogar 2, 3, A, 5 und mehrere Sterne ein⸗ geſchloſſen, (unter welchen manche wieder Doppelſterne ſind) ja ſogar runde Sterngruppen. Oefters ziehen Nebel als ſchmale lange Bänder über mehrere Sterne hin, fie zu einem Ganzen ver⸗ bindend; oder zwei Sterne ſtehen an den Brennpunkten eines elliptiſchen Nebels. Solche Sternnebel finden ſich in AR = 5 h 28/, P = 910 19/; in AR = 12 h 16/ P = 840 7/; in AR 1 h 8/, P 329 34/ mit einem Doppelſtern; AR = 21 h 3%, P 249 44/ mit einem Tripelſtern. Bei den Sternen mit Nebelſtrahlen ſteht der Stern meiſt ſehr nahe an der einen Grenze des Nebels, der, zum Theil nach ſeiner Lage gegen uns, ſehr verſchiedene Geſtalten zeigt, oft Ellipſen, Spindeln, Pinſel, Fächer, geradlinige Nebelſtreifen von ½ bis mehreren Minuten ſcheinbarer Länge bildet. Sterne mit Nebelſtrahlen ſieht man in AR 1 h 40% P = 840 567; AR 6 h 30% P —= 810 77; AR = 12 h 36/% P = 56° 31/ u. ſ. w. Manche Nebel erſchei⸗ nen einfach oder doppelt ringförmig, und ſchließen manchmal dunklere Stellen ein, die vermuthlich Lücken ſind, durch welche man lichtloſen Himmelsgrund ſieht. Dergleichen Ningnebel zeigen ſich in AR = 13 h 2%, P—= 410 55/; AR = 18 h 47/ P— 570 11/ (im Sternbild der Leier); AK 12 h 48/ P— 670 23% welcher letztere neben dem lichten Kern eine ſchwarze Höhle oder Oeffnung enthält. Eine beſonders merkwürdige Sterngruppe iſt jene im Haupthaar der Berenice in AR = 13 h 4% P 700 56/. Sie iſt vollkommen rund, hat 5 / im Durchmeſſer, und beſteht aus unzähligen dichtgedrängten Sternen der zwölften bis zwanzigſten Größe. Ein Nebel in AK = 19 h 52/, P = 670 43, iſt elliptiſch, und hat in den beiden Brennpunkten der Ellipſe große, runde, regelmäßige, hellere Räume. Der Nebel in der Andromeda in AR = 0 h 33/ P 490 40/ iſt länglich rauten⸗

Die primären Organismen des Weltraums ꝛe. 209

förmig, in der größten Diagonale 30/ groß, vollkommen milchig, gegen die Mitte heller, unauflöslich, wahrſcheinlich in der That nur geſtaltloſes Licht, mit freien Augen ſichtbar. Merkwürdig vor allen iſt der große vielfach beſchriebene Nebel im Orion in AR 5 h 2% P == 950 30/ bei 9. Legentil verglich feine Ge ſtalt einem geöffneten Thierrachen. Von dem, was der obern Kinnlade entſpricht, erhebt ſich ein langes, vorwärts geſtrecktes und aufrecht gebogenes, und ein kürzeres, dünneres, gerade aus⸗ geſtrecktes Horn. Das Licht wechſelt in ihm von anſcheinend lodernden Flammen bis zur völligen Schwärze, und helles und dunkles Licht find ſcharf getrennt. Die in ihm ſtehenden Firſterne glänzen beſonders lebhaft. In dem aus vier Sternen gebildeten ſogenannten Trapez (am Mundwinkel) hat Struve, wie oben bemerkt wurde, vor einigen Jahren einen kleinen fünften, ver⸗ muthlich neu entſtandenen Stern entdeckt. Derſelbe ſcheint nach Gruithuiſen eine auffallend ſchnelle Bewegung zu haben, und vielleicht ein Begleiter des Sterns 7 zu fein, um den er vermuth- lich in weniger als vierzig Jahren läuft. (Anal. f. E. u. Hskde. Hft. 4, S. 53. Hft. 5. S. 79.) Später entdeckte Herſchel in dieſem Trapez durch South's großen Achromaten mit Cauchoix's Objektiv einen ſechsten noch dreimal ſo lichtſchwachen Stern, als der Struve'ſche iſt. (Bullet. univers. des sc. mathem. et phys. Avril 1830. Gruith. Anal. Hft. 7. S. 64.) Einen ficbenten Stern endlich, wenn dieſer anders nicht mit dem Struve's identiſch iſt, hat Schwabe in dieſem Trapez geſehen. (Anal. J. e. S. 65.) Man belegt die Negionen dieſes höchſt ſonderbaren Nebels mit eigenen Namen wie Huygen's, Pikard's, Derham's Region, Legentil's Bucht, Meßier's Arm, Mairan's Nebel sc. 1800 ſah Schröter in ihm eine große helle, vorher nie bemerkte Lichtkugel, die

nach wenigen Tagen wieder verſchwand; ein andermal einen eben⸗

falls vergänglichen, pyramidaliſchen Lichtwechſel. An der ſüd— lichen Halbkugel des Himmels ſind beſonders merkwürdig: die Magellan's Flecken (auch Kapwolken, ſchwarze Wolken, Koh— lenſäcke genannt) durch ihre dunkle Farbe, die um fo mehr auf- fällt, als beide in einer ſehr ſternreichen Gegend der Milchſtraße ſtehen / und die vermuthlich von gänzlichem Mangel an Sternen und Licht herrührt. Sie nehmen mehrere TIP ein. Die große liegt an der Oſtſeite des ſüdlichen Kreuzes, und geht von Ak = 12 h 21/ bis 13 h5/ und von P == 1540 bis 1540. Die beiden kleinen befin⸗ den ſich nahe bei der Karlseiche in AR 10 h 40/ und P 1520. Die beiden ſüdlichen oder Magellan's Wolken ſind helle ausgebrei⸗ tete Nebel mit vielen teleskopiſchen Sternen, weit von der Milch⸗ ſtraße. Die große, Nubecula major, geht von AK = 5 5 7 / bis 6 h 0O/ und von P— 1590 bis 1640; die kleine iſt in AR 1 h 50%

14

-

210 ‚Allgemeine Matunzefchin III. Much.

und P 1630 10/. Sehr merkwürdig iſt auch in dieſer Halb⸗

kugel der keulenförmige Nebel in der Karlseiche beim Stern „/ in AR 10 h 36/ P = 1480 40% (Vergl. Littrow, die Stern⸗

gruppen und Nebelmaſſen des Himmels. Mit 3 Taf. Wien 1835.)

Wir ſchließen hier die von John Herſchel ſeit ſeinem Verweilen

am Vorgeb. d. g. H., wohin er ſich 1834 begab, vorläufig bekannt gewordenen Nachrichten über Gegenſtände der ſüdlichen Halbkugel

des Himmels an. In einer Mittheilung vom 13. Juni 1836, ge⸗ leſen in einer der allgemeinen Sitzungen der brittiſchen Geſell⸗

ſchaft für Beförderung der Wiſſenſch. ſagt Herſchel: „Der ale

gemeine Anblick des ſüdlichen Firmaments in der Nähe des Pols

iſt über allen Ausdruck reich und prächtig, wegen des größern Glanzes und der breitern Entwicklung der Milchſtraße, welche

von dem Sternbilde des Orion bis zu dem des Antinous ein glän⸗ zender Lichtſtreifen iſt. Doch iſt dieſer Streifen ſeltſam durch⸗

brochen von leeren, ſternloſen Flecken, vorzüglich im Skorpion, nächſt c Centauri und am Kreuz. Gegen Norden hin verbleicht die Milchſtraße dünner und bläßer, und iſt im Verhaͤltniß nur

ſchwer zu ſehen. Ich glaube, es iſt unmöglich, dieſen herrlichen Gürtel, mit ſeinem wunderbar reichen Wimperkranz von Sternen dritter und vierter Ordnung, der am ſüdlichen Nande wie ein ungeheurer Vorhang ſich hin erſtreckt, zu ſehen, ohne zu dem

Gedanken zu kommen, daß die Milchſtraße nicht eine bloße Schicht, ſondern ein Ring iſt; oder wenigſtens, daß unſer Syſtem inner⸗

halb eines der ärmern, ſternloſen Theile derſelben, und zwar

egcentrifch liegt, fo daß es den Theilen um das Kreuz viel näher

iſt, als denen in entgegengeſetzter Richtung. Die zwei Magel⸗ lan's Wolken, Nubecula major et minor, ſind außerordentlich merkwürdig. Die größere iſt eine Anhäufung von Sternen, von

runden und unregelmäßigen Sternhaufen, und von Nebelflecken

verſchiedener Ausdehnung und Dichtigkeit, und zwiſchen dieſen allen von großen Maſſen unauflöslicher Nebel, welche vielleicht Sternſtaub ſein mögen. Dieſe Maſſen zeigt das 25füßige Teles⸗

kop nur als eine allgemeine Erleuchtung des Geſichtsfeldes, das

Ä

ſomit ein hellerer Hintergrund für die darüber zerſtreuten Gegen⸗

ſtände wird. Einige Objekte in dieſem Lichtnebel ſind von den ſeltſamſten und ſchwerbegreiflichſten Formen; ſo einer (30 Do⸗

rad.), welcher aus einer Anzahl Schnüren beſteht, die in einen undeutlichen Knoten verſchlungen ſind, etwa einem Bündel Bän⸗ der vergleichbar, die in eine Roſette von Schleifen geordnet wor⸗

den. Kein Theil des Himmels iſt bei ſo geringer Ausdehnung ſo

voll von Nebelflecken und Sternhaufen als dieſe „Wolke. Die

Nubecula minor iſt ein minder ſeltſamer Gegenſtand. In ihr herrſcht mehr ein nicht in Sterngebilde auflöslicher Lichtnebel, und die

Mi e een Organismen des Weltraums 1e. 211 Flecken und Haufen ff nd blaßer und ſeltener, obgleich unmittelbar daneben einer der reichſten und prächtigſten Sternhaufen ſteht (47 Tucani). Es iſt ſonderbar, daß dieſe Nubecula in allen Karten und Katalogen eine volle Stunde zu ſpät in gerader Aufſteigung verzeichnet wird, was wahrſcheinlich einem Druckfehler oder Miß⸗ verſtändniß zuzuſchreiben iſt. Die bei weitem merkwürdigſten Ge⸗ genſtände dieſer Hemiſphäre ſtellen jedoch die großen Sternnebel im Orion und in n Argi dar. Der erſtere erſcheint hier viel mehr zu ſeinen Gunſten, als in unſern Breiten, und zeigt viele An⸗ hängſel/ Aeſte und Windungen, die bei ſeinem niedrigen Stand in Europa nicht ſichtbar find. Der andere iſt etwas sui generis, und kann ohne Figuren nicht deutlich beſchrieben werden. Ich ſpare keine Mühe, korrekte Zeichnungen von dieſen und andern Stern⸗

nebeln zu erhalten. Die Geſtalt von Argi finde ich unter dem

25füßigen Teleskop keiner Abbildung davon ähnlich; aber im 7fü- ßigen Aequatoriale kann man die leitenden Umriſſe einiger jener Figu⸗ ren wiedererkennen. Dieſer Nebel iſt von ungeheuerer Ausdehnung und voll von Sternen, für die der Lichtſchimmer einen glänzenden Hintergrund bildet. Die planetariſchen Nebel find, im Ver⸗ hältniß dieſer Art von Gegenſtänden, in der ſüdlichen Hemiſphäre zahlreich und ſehr charakteriſtiſch. Ich habe davon nicht weniger als 5 entdeckt. Ihre Scheibe iſt fo ſcharf begränzt, als die der Planeten, und von gleichmäſſigem Lichte. In der That, der . erſte mir aufſtoßende hat fo ganz das Anſehen eines Wandelſterns, daß ich erſt dann die reizende Idee aufgab, ein neues Glied unſeres Sonnenſyſtems gefunden zu haben, deſſen Bahn mehr geneigt wäre, als die der Pallas, nachdem Hr. Maclean nachge⸗ wieſen, daß man ihm fälſchlich eine planetariſche Bewegung ze ſchreiben würde.“ H. rühmt noch die ungemeine Klarheit jenes Himmels und bewundernswürdige Nuhe der Luft. In einem frü⸗ bern Briefe an Struve ſagte H. unter Anderem: „Vom Sirius bis zu a des Centaurs iſt gleichſam eine Flamme glänzender Gegenſtände, und von dort bis zu c des Adlers bietet die Milch⸗ ſtraße ſelbſt dem unbewaffneten Auge ein auſſerordentliches Schau⸗ ſpiel dar. Sie iſt hier nicht etwa ein einziger, faſt einförmiger, breiter Lichtſtreifen, ſondern in unregelmäßigen Maſſen, gleich ungeheueren dicht znſammengedrängten Nebelflecken gebrochen, und in den Theilen, die minder dicht ſind, ſeltſam geſtreift mit dunkeln, ſpaltenähnlichen Streifen, die ganz das Ausſehen ſchwarzer Wol— kenſchichten haben. Durch's Fernrohr erſcheint ſie überfüllt mit Sterngruppen von der mannigfachſten Schönheit; überhaupt aber ſind die kugelförmigen Haufen in dieſer Halbkugel weit üppiger, größer und zahlreicher, als in der nördlichen. (Allgemeine, Zeitung vom 23. December 1834. Außerordentliche Beilage.)

212 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch

Am 1. April 1834 entdekte Herſchel einen ſchönen planetart⸗ ſchen Nebelfleck, 00 59 / nördlich von Argus und ungefähr 47 in „gerader Aufſteigung dem Stern folgend. Er iſt völlig rund, hat einen Durchmeſſer von 3“ oder 4“ und erſcheint im Fernrohr mit nicht mehr Nebel umgeben, als etwa ein Stern von der gten Gröſſe, dem er an Lichtglanz gleichkommt. Am 3. April entdeckte er einen zweiten 67 im Durchmeſſer, mit einem völlig planetarifchen Diskus, auf's Schärfſte abgegrenzt und ohne allen Nebel. Das Merkwürdigſte dabei iſt, daß das Licht deſſelben, welches einem Sterne der ten Größe gleichkommt, entſchieden blau iſt und nicht etwa durch die Wirkung des Kontraſtes, ſondern unabhängig davon, in Abweſenheit eines jeden andern Lichtes. Die Magel⸗ lanswolken aber und der große Nebelfleck am 7 Argus find bei weitem die intereſſanteſten Gegenſtände in dieſer Hemiſphäre. „Die Bildung der erſtern, ſagt H., iſt höchſt geheimnißvoll und abweichend von allem, was ich je zuvor geſehen habe. Rümker irrt ſehr, wenn er behauptet, daß ſte gleich der Milchſtraße ſich leicht in einzelne Sterne auflöſen laſſen. Es gibt wohl weite Strecken, beſonders in der großen Wolke, die mit Sternen angefüllt ſind, jedoch bei weitem der größte Theil derſelben und faſt die ganze kleinere, iſt unauflösbarer Nebel, vermiſcht mit Knoten und Haufen, Nebelflecken und Gruppen von der verſchiedenartigſten Dichtigkeit und von den ſeltſamſten, launenhafteſten Formen.“ Schon in einem Briefe vom 28. Dec. 1834 an Plana in Turin vom Cap ſagte Herſchel, daß er nun die ganze ſüdliche Hemiſphäre, und viele Theile zwei und mehrere Mal durchgenommen habe. Selbſt die bekannten Nebelflecke ſeien von ihm unter ſo vortheil⸗ haften Umſtänden beobachtet worden, daß man ſte als neu betrachten könne. Es ſei ihm unmöglich, in einem Briefe auch nur einen kleinen Theil der glänzenden und auffallenden Gegenſtände, die ſich ihm darböten, zu ſchildern. Die große Magellanſche Wolke enthalte allein im engen Naume einiger Quadratgrade ſo viele und mannigfache Gegenſtände, daß man ſie faſt einen Auszug des ganzen Sternenhimmels nennen könne. Sie beſtehe aus einer Maſſe von Nebelflecken und Sterngruppen von den wunderlichſten Formen und allen Graden der Dichtigkeit. Eine ſich ihm in jeder heitern Beobachtungsnacht, welche dort fo häufig ſeien, aufdrin⸗ gende Folgerung in Bezug auf die Milchſtraße wäre, daß derje⸗ nige Theil, der zwiſchen Sirius und Antares liegt, unſerm Pla⸗ netenſyſtem in ſeiner ſüdlichen Hälfte näher ſei, als in ſeiner nördlichen; oder mit andern Worten, daß ſie nicht allein eine Sternſchichte, ſondern ein Sternring ſei, in dem die Sonne eine excentriſche Stellung habe und dem Sternbilde des Kreuzes weit näher ſtehe, als dem diametral gegenüberliegenden Punkte. In

Beſchreibende Dasfehung des Sonnentsleme. 215

PR Nähe dieſes Punktes und in der Gegend des Sternes 1 Argus erzeugten die Sterne, deren viele mit bloſſem Auge ſichtbar feien, einen vollkommenen Lichtglanz; verfolge das Auge denſelben gegen Norden, fo gehe er in ein ſchwaches, nebliches Licht über, wor⸗ über ſich keine Spur von Sternen erkennen laſſe. Dieſe Bemer⸗ kung könne dazu dienen, die jährliche Parallaxe der ſüdlichen Fir⸗ ſterne und namentlich in dieſer Region aufzufinden. Die nahen Doppelſterne⸗ nämlich die von 2 Sekunden Entfernung, teien in dieſer Hemiſphäre ungemein ſelten. Der merkwürdige Doppelſtern y Jungfrau dürfe nicht mehr als Doppelſtern be— frachtet werden: keine Vergrößerung, die H. an feinem Aequato— rial (welches ein ausgezeichnet ſchönes Objektiv von 5“ hat) anwenden konnte, war im Stande, die Scheibe dieſes Sterns zu theilen, oder auch nur deutlich zu. verlängern. Seine Bahn müße daher eine unermeßlich lange Ellipſe ſein, weit länger noch, als er fie früher beſtimmte, und für die er ſpäter eine andere, mehr eme annahm.

II. gauptſtück.

Befhreibende Darftellung des Syſtems unſerer | nnr

Unter den Myriaden Sonnen des Weltraums befindet ſich, durch unermeßliche Räume von ihren Nachbarn ge⸗ ſchieden, unſere Sonne mit einem Gefolge von Weltkörpern verſchiedener Art, für welche ſie belebender Mittelpunkt und Beherrſcherin ihrer Bewegungen wird. Alle ſtehen zu ihr in mehr oder minder naher Beziehung, empfangen von ihr Licht und Wärme in verſchiedenen Graden, je nach ihren Abſtänden und ihrer eigenen Beſchaffenheit. Alle gravitiren gegen die Sonne in Folge des mächtigen Zuges, welchen jene auf ſie ausübt; beſitzen aber außerdem eine ihnen eigen⸗ thümliche felbfiftändige Kraft, vermöge welcher fie in jedem Augenblicke jenem mächtigen Zuge entgegenwirken, eine wei⸗ tere Annäherung gegen den Centralkörper vermeiden und hie⸗ durch ihre Selbſtſtändigkeit erhalten und ihrem Untergang

*

214 Mligemeine Maturgefchichte. mr. Buch.

entgehen. Die Sonne und die Planeten und Monde, welche ihr Syſtem bilden, ſind offenbar für einander, mit einander und in Uebereinſtimmung geſchaffen, und ſtellen ein organi⸗ ſches in ſich geſchloſſenes Ganze vor, während die Kometen und Meteore eigene, zwar durch die Gravitation mit der Sonne in Beziehung, aber ſonſt außer jenem organiſchen Verbande ſtehende Weſen ſind. Es laſſen ſich die Welt⸗ körper unſeres Syſtems in mehrere Klaſſen und een bringen.

I. Klaſſe. Die Sonne. Als Charaktere der Sonnen überhaupt kann man angeben, daß ſie ſelbſtleuchtende Welt⸗ körper ſeien, welche wahrſcheinlich durch eigenthümliche Lebens⸗ thätigkeit Licht ſpenden und Wärme entwikeln, entweder allein als Mittelpunkte eines Syſtems von dunkeln Weltkörpern be⸗ ſtehen, welche ſich um ſie bewegen (wie unſere Sonne), oder auch zu zwei und mehreren um Schwerpunkte laufen, die zwiſchen ihnen liegen (wie Doppel- und vielfache Sonnen). Kleinere Sonnen, welche mit größern zu einem Syſteme verbunden ſind, bewegen ſich vielleicht um dieſe in der Art, daß ſie zugleich ſich um ihre Axen drehen (nach Weiſe der Planeten) oder ihnen (nach Weiſe der Monde) immer nur dieſelbe Seite zu⸗ kehren. Einzelſonnen mögen ſich nach Weiſe der unſrigen um ihre Axen drehen, und alle Sonnen haben in Folge ihrer Rotation eine fortſchreitende Bewegung durch den Weltraum, deren Regulativ, Richtung und e zur Zeit Ku unbekannt find.

Unfere Sonne, jener herrliche Centralkörper / jene wunder⸗ bare Quelle von Licht und Leben, die Gebieterin der organiſchen Schöpfung der Erde und Quelle all ihrer Schönheit, die Grund- bedingung des Daſeins des Menſchen und feiner Kultur, welche ſo viele Völker der Erde als Gottheit anbeteten, und die als ein nicht unwürdiges Symbol derſelben in der Sinnenwelt gelten kann, erſcheint uns am Himmel als eine Scheibe von 32/ 2% Durchmeſſer von fo ſtrahlendem Glanz, daß ihn das Auge, wenn fie hoch am Mittagshimmel ſchwebt, kaum erträgt und nur beim Auf⸗ und Niedergang am Nande des Horizonts mit Wonne zu genießen vermag. Sie übertrifft die Erde an Maße 355,000mal und alle Planeten und Monde über 700mal. Ihr Durchmeſſer iſt = 188,000

Beſchreibende Darstellung des Semen 215

d. M. daher 1 Oberflache 141,000,000,000 [IM; / ihr Volum = 3,500,000,000,000,000 Kubikmeilen, alſo mehr als 1,300,000mal größer als das Volum der Erde und 560mal als jenes aller Pla⸗ neten. Wäre die Sonne ausgehöhlt und befände ſich die Erde in ihrer Mitte, ſo vermöchte der Mond beinahe in der doppelten Entfernung, welche er jezt hat, um fie zu kreiſen, ohne den Son⸗ nenrand zu berühren. Ihre Dichtigkeit iſt Amal kleiner, als jene der Erde, etwa wie Weihrauch; ihre Schwerkraft und alſo auch die Geſchwindigkeit des Falles der Körper in der erſten Sekunde nahe. 29 mal größer, letztere daher = 430 Fuß. Ein Gewicht, was bei uns 1 Ctr. wiegt, würde demnach auf der Sonne 29 Ctr. wiegen, d. h. mit der Kraft von 29 Ctrn. auf feine Unterlage drücken; fo daß die Muskelkraft der Organismen der Erde, alſo auch unſer ſelbſt nicht groß genug wäre, fich aufrecht zu halten, ſondern wir auf der Sonne, wie Littrow anſchaulich bemerkt, von unſerer eigenen

Maſſe erdrükt würden. Die Horizontalparallaxe der Sonne be⸗

trägt für unſern Aequator 8,575 / ihre mittlere Entfernung hie⸗ nach 20,665,800 d. M. Im Fernrohr gleicht die Oberfläche der Sonne einem ungeheuren, ſtets bewegten Lichtmeere. Auf ihm entſtehen öfters dunkle Flecken, zum Theil von außerordentlicher

Größe; anderwärts heller leuchtende Stellen, ſogenannte Sonnen⸗ fakeln; die ganze übrige Oberfläche zeigt beinahe nirgends gleich⸗

förmiges Licht, ſondern unzählige kleine, ihren Ort ſtets ändernde Schuppen oder Punkte. Einige vergleichen dieſe Oberfläche mit dem runzligen Anſehen einer Orange; Littrow mit dem Bodenſatz einer flockigen Subſtanz, die in einer durchſichtigen Flüſſigkeit aufgelöst iſt. Letzterer vermuthet, daß die Sonnenoberfläche aus einem Lichtmedium beſtehe, mit welchem eine durchſichtige, aber nicht felbſtleuchtende Flüſſigkeit vermiſcht, doch nicht ganz durch⸗ drungen iſt/ welche nun im Lichtmeere ſchwimmt, wie unſere Wolken in der Luft, oder das Lichtmeer in mächtigen Streifen durchzieht, wie das Nordlicht unſere Atmoſphäre. (D. Wund. d. Himm. S. 270.) Das Licht der Sonne iſt wahrſcheinlich an ſich nicht heiß, ſondern erregt nur die Wärme in der Materie, welche fie in eigenthümliche Schwingung verſezt und hiernach Reibung der Atome bewirkt. Die Newtonianer erklären jedoch die Sonne für einen wirklich brennenden Weltkörper, und Kant z. B. gibt hiernach eine Beſchreibung von ihr, die fich gleich gut für die wildeſten Ne⸗ gionen der Hölle des Dante eignen würde. (Naturgeſchichte und

Theorie des Himmels in den kleinen Schriften, Bd. I. S. 456). Piazzi hält die Sonne ebenfalls für einen brennenden Weltkörper.

Littrow glaubt, daß doch mehrere Gründe für eine ſehr hohe Tempe⸗ ratur auf der Sonne ſprächen. Da das Licht wie die ſtrahlende Wärme im Quadrat der Entfernung abnehme, müſſe die Hize,

216 Allgemeine dau ſlhte III. Buch.

welche die Sonne auf eine Quabratmeile ihrer eee Oberfläche ausübt, 300/00 0mal größer fein, als die von ihr auf einer Qua⸗ dratmeile der Erde erregte. Die Sonnenſtrahlen gingen mit ganz beſonderer Kraft durch Glas, was mit den Strahlen der irdiſchen Feuer bei weitem nicht in ſolchem Grade der Fall ſei, die jenen daher an Intenſität weit nachſtehen. Die blendendſten irdiſchen Feuer, wie das indiſche Weißfeuer oder das des ungelöſchten Kalks verſchwänden faſt, auf dem viel hellern Hintergrunde der Sonne geſehen. Die außerordentliche Hize, welche beſtändig durch Radiation auf der Oberfläche der Sonne ausgeſchieden werde, vermöge dann auch jenes ſtürmiſche Hin- und Herwogen zu er⸗ klären. Bei allem dem erklärt ſich Littrow gegen die zu „kraſſe“ Vorſtellung eines eigentlichen Sonnenbrandes, welchen Newton (und in neueſter Zeit Gruithuiſen mit großer Beharrlichkeit) durch hineinſtürzende Kometen unterhalten laſſen. Da die Elektrizität, wenn ſte eine ſehr verdünnte Luft durchzieht, Licht und alſo wohl auch Wärme gebe / ſo könne ein elektriſcher Strom die Sonne e und unſer Nordlicht ein Analogon ihres Lichtes fein (I. e. S. 273).— Schmidt (von den Weltkörpern S. 120) ſtellt ſich die Sonne als eine elektriſche Kugel vor, die durch ihren ſchnellen Umlauf elek⸗ triſches Licht hervorbringe. Er erwähnt einen Verſuch des Prof. Adam zu Caen, welcher zwei Körper ſo geſtellt haben ſoll, daß fie, bloß durch Elektrizität angetrieben, nach den Kepler'ſchen

Geſezen umeinander liefen, wobei der umlaufende Körper wie ein

Komet einen Lichtſchweif nach fich- gezogen habe. Von dieſem ſchon 1775 ausgeführten Experiment hörte man ſeitdem nichts

mehr. Auch Euler und Bode ſahen die Sonne für eine elektriſche Kugel an. Valz in ſeiner Abhandlung über den Aether (Bibl. univ. Juin 1830. p. 113138) vermuthet, daß die Lichtentwiklung aus der Rotation der Sonne und ihrer Atmoſphäre und dem Kampf dieſer mit dem ungeheuren Druke des Aethers hervorgehe, weßhalb nicht der Sonnenkörper ſelbſt, ſondern die Grenze ſeiner

Atmoſphäre leuchte. Nach Laplace zieht die Sonne unter allen

Körpern ihres Syſtems den im Raum zerſtreuten Aether am ſtärkſten an; dieſer verdichtet ſich und wird, nachdem er bis auf einen ge⸗ wißen Grad kondenſtrt iſt, in Strahlenform von ihr abgeſtoßen, theils weil feine Erpanfivfraft mit feiner Dichtigkeit zunimmt, theils weil ſie ihm ihre eigene Rotationsgeſchwindigkeit mit⸗ theilt und er hiernach uns als Licht erſcheint, deſſen Geſchwin⸗ digkeit aus der Umſchwungsſchnelle der Sonnenatmoſphäre und der Repulſtonskraft der Aethertheilchen reſultirt. (Nach dieſer Erklä⸗ rung müßten auch die Planeten, Monde ꝛc. Licht aus dem Aether zu bilden vermögen, freilich in ungleich geringerem Grade als die

Sonne.) Man hat rn erſt ſeit 1640 Mikrometer an den Fern⸗ s

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 217

röhren angebracht, und da wir trotz dieſen über den wahren Durch— meſſer der Sonne immer noch wenigſtens 100 d. M. (t“ des ſchein⸗ baren) ungewiß find, fo kann der wahre Durchmeffer ſeit den letzten Jahrhunderten auch um 100 deutſche Meilen abgenommen haben, ohne daß man es weiß. Das Sonnenlicht iſt über 300% 0 mal ſtärker, als das des Vollmonds, über 800/000, 0 mal, als das des Sirius. Schwerlich iſt dieſe verſchwenderiſche Lichtfülle allein für die wenigen Planeten beſtimmt, ſondern ein Lebensakt der Sonne ſelbſt, der eben den dunkeln Körpern zu gute kommt, mögen deren viele oder wenige ſein. Jene oben erwähnten dun⸗ keln Flecken der Sonne wurden faſt gleichzeitig, ſogleich nach Er— findung der Fernröhre von Harriot, Joh. Fabricius (1610), Chr. Scheiner, Galilei (1611) entdeckt. Viel früher, im tꝛten Jahr- hundert hatte ſchon Averrhoes einen ſehr großen Flecken mit freiem Auge geſehen. Ihre Größe und Zahl iſt ſehr veränderlich und ſie ſcheinen ziemlich gefetzlos zu entſtehen und zu vergehen. Viele über- dauern kaum eine einzige Notation, wenige 2 oder gar 3. Unter einer Gruppe ſolcher Flecken, welche Paſtorff am 24. Mai 1828 beob⸗ achtete, befand ſich einer, welcher nicht weniger als 100“ ſchein⸗

baren oder 9800 Meilen wahren Durchmeſſer hatte, alſo 57,500,000

JM. groß war, die ganze Oberfläche der Erde demnach mehr als 6mal übertraf. Die ganze Gruppe zuſammen hielt 156,000,000 M. Alle änderten mit jedem Tage Form und Größe. Die bedeutenderen von ihnen hatten ihren äuſſern grauen Nand von Lichtgewölk eingefaßt, welches heller war, als die übrige Son— nenfläche. Von der äuſſern Gränze des grauen Randes bis zum innern dunkeln Kern ſah man abſchüſſige Rillen) ganz bedeckt mit kleinen Kreiſen, welche je näher dem innern Kern, deſto tiefer zu liegen ſchienen. Herſchel ſah 1779 ſogar einen zuſammengeſetzten Flecken von 270“ ſcheinbarem, 27,000 d. M. wahrem Durchmeſſer oder

730 Mill. UM. Flächeninhalt. Soll ein ſolch ungeheuerer Flecken

binnen 3 Wochen verſchwinden, fo müſſen feine Ränder jede

Stunde 58 Meilen durchlaufen, alſo wenigſtens 6mal ſchneller gehen, als unſere Orkane. Meiſtens ſind die Fleken unregel⸗ mäßig, dunkelſchwarz, von aſchgrauem, gewöhnlich allenthalben gleich breitem Rande umgeben. Dieſelben Flecken werden kleiner oder größer, verändern öfters ihren Ort, zerreißen oder fließen zuſammen und verſchwinden manchmal ganz, in welch letzterem Falle lange vor dem aſchfarbenen Limbus der ſchwarze Central— punkt unſichtbar wird, nachdem er zuerſt immer kleiner wurde. An den Sonnenrändern erſcheinen die Flecken natürlich immer viel ſchmäler, als in der Mitte, treten am linken oder öſtlichen Sonnenrand ein, bewegen ſich gegen den weſtlichen, den fie nach 13 Tagen erreichen, verſchwinden hinter demſelben und kommen

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a 218 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

nach abermal 13 Tagen am öſtlichen wieder zum Vorſchein, wenn ſie mittlerweile nicht vergangen ſind. Flecken und Fackeln ſtehen mit einander in Beziehung; letztere finden ſich immer in der Nähe der erſtern; oft brechen aus den Fackeln Flecken hervor, oder an Stellen, wo Flecken verſchwanden, entſtehen Fackeln. W. Herſchel dachte ſich den eigentlichen Sonnenkörper dunkel, von 3 Kugel⸗ hüllen umgeben. Die äußerſte oder Photoſphäre, an Höhe etwa dem Halbmeſſer der Erde gleich, und nach feiner Schätzung 500 M. ſenkrecht von der Sonnenoberfläche abſtehend, ſtellt ein Lichtmeer dar, welches durch die unter ihm liegende zweite, ſehr elaſtiſche und durchſichtige Hülle immer in großer Höhe über der Sonne gehalten

wird. Die dritte, unterſte Hülle iſt wolkenartig, dunkel. Durch Veränderungen und heftige Schwankungen in ihm ſelbſt zerreißt das Lichtmeer ſtellenweiſe und thürmt ſich an den Rändern der Hilfe höher auf. Seine Strahlen erleuchten hiebei die unterſte dunkle Hülle, die nun als aſchgrauer Rand geſehen wird. Zer⸗ reißt auch fre, fo ſieht man in der Mitte des Fleckens den eigent⸗ lichen ſchwarzen Kern, nämlich den Sonnenkörper ſelbſt, welcher nicht mehr von den Wänden der Photoſphäre beleuchtet werden kann, weil ihn die ſchwarzen Wolken der unterſten Schicht be⸗ ſchatten. Nach dieſer Anſicht Herſchels würden alſo für die Son- nenbewohner an den Stellen, über welchen ſtch Flecken bilden, Finſterniſſe entſtehen, aus welchen ihnen der Blick auf die Pla⸗ neten und den Sternhimmel vergönnt wäre. Nach Albufaradge war 535 n. Chr. das Licht der Sonne 14 Tage lang verdunkelt, und 626 erſchien die halbe Sonnenſcheibe längere Zeit ganz ſchwarz ohne Zweifel durch große Sonnenflecken. Sicher werden ſehr große oder ſehr zahlreiche kleinere Flecken Einfluß auf unſere Witterung äußern. W. Herſchel ſagte (Aſtron. Jahrb. f. 1806. S. 127): „Ich bin jetzt geneigt zu glauben, daß die Oeffnungen (der Sonne) mit großen Untiefen, Rücken, Nieren und Narben ohne kleine Einſchnitte uns eine reichliche Ausſendung erhitzender Strahlen, folglich milde Jahreszeiten erwarten laſſen; daß im Gegentheil Poren, kleine Einſchnitte und ein ärmliches Ausſehen der glänzenden Wolken, die Abweſenheit von Rücken, Nieren, großen Oeffnungen und Untiefen eine ſparſame Emiſſion ſolcher Strahlen anzeigen und ſtrenge Witterung bedeuten.“ Gruithuiſen (Analekt. für Erd⸗ und Himmelsk. H. 1. S. 62) tritt dieſem bei und behauptet, daß wenn Flecken entſtänden, weit herum die Oberfläche leuchtender würde, und im Allgemeinen die Lichtſtärke dadurch nicht vermindert, ſondern vermehrt werde. Der heiße Sommer von 1825 und milde Winter von 182755 hätten ſtets re⸗ generirte Fleckengrupven und große Flecken zur Urſache gehabt. Sehr große Flecken brächten anfangs immer erhöhte Temperatur,

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Beſchreibende Darſtellung des Sonnenfyftens. 219

nachher große Unruhen und Veränderungen in der Atmoſphäre, Stürme, Gewitter, Ueberſchwemmungen. An Sonnenflecken ſehr arme Jahre verlaufen ſehr gleichförmig, fo 1809, 10, 141. (Vgl. auch Neue Analekt. ſten Bdes Ates und 5tes Heft. S. 80.) Im Januar 1830 ſtieg die Kälte anfangs ſehr ſchnell; am 5. Morgens ſtand das Thermometer in München 149 R. Aber als gleich hierauf am öſtlichen Sonnenrand einer der größten erneuerten Flecken erſchien und mit ihm ſich die Aequatorialzone lichtete, ſtieg bis zum 9. das Thermometer bis zu 00 K. Am 7. Febr. hin⸗ gegen zeigte es Morgens 180, am 2. gar 250, auf Anhöhen 270 R. und die Sonne hakte in der Mitte nur einige Poren und nahe am Oſtrande 4 6 der kleinſten unbehoften Oeffnungen mit höchſt ſparſamen Fackeln; die Sonnenſcheibe hatte dabei ein ganz düſteres, kugelförmiges Anſehen. (Anal. 6. Heft S. 3.) G. behauptet ferner, er habe oft an der Sonne eine helle Aequa— torialzone von etwa 300 Breite bemerkt; dann waren außer den beiden Fleckenzonen meiſtens alle Gegenden bis an die Pole höchſt leiſe graulich ſchattirt. In der Regel ſei in der Nähe und weit. um einen großen Flecken die Sonnenoberfläche völlig ohne Schat— tirung und beſonders hell. Es wäre alſo außerhalb der Flecken viel mehr Licht aufgehäuft, als etwa. durch fie verloren gehe. Wenn auf der ſichtbaren Sonnenoberfläche alle Veränderungen ſchnell auf einander folgten, werde auch auf der ganzen Erde die Dichtigkeit erhöht, beſonders wenn die feinen Stippen oder Kor-

rlugationen viele ſehr helle Stellen und lebhafte Veränderungen

auf der ganzen Sonnenſcheibe zeigen. So wären im Sommer 1825 die Veränderungen auf der Sonne und dabei die Hitze auf der Erde exorbitant geweſen. Zeige die Sonne ein blendendes Licht an einzelnen Stellen, an den Rändern ringsum gleiche Schattirung/ keine oder nur kleine Flecken, eine auffallende Ruhe, aber an den beiden Fleckenzonen zahlreiche, weit umher zer— ſtreute, ſchwarze Punkte von verſchiedener Größe, ſo werde unſer Luftkreis auffallend erkaltet. So Anfangs Mai 1836. 1808— 11 ſeien an der Sonne keine Flecken erſchienen und dieſe Jahre hätten keine außerordentliche Witterung gehabt. Zeige ſich weder beſon— dere Armuth an Licht, noch beſonderer Neichthum, keine oder nur kleine und wenig Flecken, ſo verlaufe die Temperatur gleich— förmig. (Allgem. Zeitg. v. 26. Juni 1836. Außerordentl. Beilage S. 1168.) Ungeheuer ſei die Menge der Flecken feit dem Sa- nuar 1836 geweſen. Man dürfe ſich demnach über den heißen Sommer von 1836 und gelinden Winter von 188%, kaum wun— dern. (Allgem. Zeitg. vom 25. Febr. 1837. Außerordentl. Beilage S. 350.) Wie wichtig dieſe Anſicht Herſchels und Gruithuiſens für Meteorologie und Landbau wäre, falls ſie durch viele, in

| 220 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

ehe: Gegenden anzuſtellende Beobachtungen beſtättigt würde, leuchtet ein. Die Zone der Sonnenflecken hat in ver⸗ ſchiedenen Jahreszeiten verſchiedene Geſtalt und Krümmung. Am 10. Juni und 10. Dezember ſtehen ſie in einer geraden, in allen übrigen Zeiten in einer krummen Linie; am ſtärkſten nach oben

gekrümmt iſt letztere im Auguſt, am ſtärkſten nach unten im Fe⸗ ö

bruar. Dieß rührt von der Stellung der Erde gegen die Sonne her, nach welcher wir deren Aequator, oder vielmehr die meiſtens (vermuthlich wegen der daſelbſt größern Schwungkraft der Photo- ſphäre) in der Aequatorialzone ſtehenden Sonnenflecken unter ver⸗ ſchiedenen Winkeln ſehen. Die weſentlich kreisförmigen Bahnen der Sonnenflecken ſehen wir im Allgemeinen nur als Ellipſen und nur in äußerſt kurzen Zeiten an den oben genannten Tagen, wo die Länge der Erde, von der Sonne geſehen, 2580 und = 780 iſt, und die Ebene der Ekliptik mit der Ebene des Sonnenäqua⸗ tors zuſammenfällt, werden wir dieſen, oder richtiger feine et: waige Fleckenzone als gerade Linie ſehen. Aus der Neigung der Bahnen der Sonnenflecken berechnete man die Länge des aufſtei⸗ genden Knotens des Sonnenägquators mit der Ekliptik zu 2580, und die Neigung ihrer beiden Ebenen etwas über 86. Zwiſchen dem Erſcheinen und Verſchwinden eines Fleckens am Sonnen⸗ rande verfließen 27 Tage. Während dieſer Zeit hat aber die Erde in ihrer Bahnbewegung beinahe 27 zurückgelegt, und der Flecken muß daher nicht bloß den ganzen Umfang der Sonnenkugel, fon- dern noch 270 mehr zurücklegen, um von uns wieder an derſelben Stelle geſehen zu werden. Legt ein Flecken aber in 27 Tagen 3870 zurück, fo wird er zu 3600 nur 25 Tage und etwa 3 Stunden bedürfen, und dieß iſt demnach die wahre Zeit, in welcher ſich die Sonne einmal um ihre Axe dreht. Das Zodiakallicht ähnelt jenem der Milchſtraße, iſt jedoch heller, manchmal gelblich oder röthlich, und glänzt in der Mitte am ſtärkſten. Es zieht ſich von der Sonne am Horizont aufwärts in Form des Längendurchſchnitts einer Spindel. Der breitere Theil befindet ſich am Horizonte immer da, wo die Sonne darunter ſteht, und die Spitze ragt ſo nach oben, daß die Are ſtets unweit der Ekliptik liegt und mit dieſer einen Winkel von bildet. Am beſten ſteht man es in un⸗ ſern Gegenden in den lezten Februar- und erſten Märztagen Abends am weſtlichen, in der Mitte Oktober nach Sonnenaufgang am öſt⸗ lichen Himmel. Nach Caſſini's Beobachtungen ſoll man das Zodiakal⸗ licht nur ſehen, wenn die Sonne Flecken zeigt, und nach Andern ſoll es auf die Magnetnadel nicht ohne Einfluß ſein. Gruit⸗ huiſen (Anal. für Erd- und Himmelsk. 3tes Heft S. 22) glaubt, da das Zodiakallicht mit den Sonnenflecken, Nordlichtern und Kometenſchweifen in Nexus ehe) habe es die Natur der Kometen⸗

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtens. 221

ſchweife, und die Photoſphäre der Sonne, die bei totalen Sonnen⸗ finſterniſſen ſich unter vielerlei Veränderungen zu zeigen pflege, ſei, was man bei den Kometen Haare nennt, zumal da durch das Zodiakallicht wie durch die Kometenſchweife die Firſterne ihr Licht ſchicken. Zodiakallicht und Kometenſchweife ſeien chemiſche Pro—

zeſſe; die linſenförmige Geſtalt des erſtern entſtände dadurch, daß

die Planeten und zugleich die Sonnenflecke von dieſem chemiſchen Prozeſſe partizipirten und dieſe den Lichtnebel dahin ausſtreuen, wo die Planeten bei ihrem Laufe die Stoffe zurückgelaſſen haben, durch welche jener Prozeß vorzugsweiſe angefacht werden kann. Littrow (die Wunder d. Himmels, 2te Aufl. S. 606) ſpricht aus, daß das Zodiakallicht nicht die Atmoſphäre der Sonne ſein könne, da die große Axe feiner Ellipſe wenigſtens 5mal größer als die kleine ſei. Die Sonnenatmoſphäre könne noch lange nicht bis zur Merkurbahn reichen, das Zodiakallicht reiche über jene der Erde hinaus. L. meint, es könne bloß der um die Sonne verdichtete Aether oder um fie gelagerter Lichtnebel oder Kometenſtoff fein. Littrow bemerkt (Gehlers Wörterb. ster Bd. S. 847), daß der Mit⸗ telpunkt der Sonne, durch die Anziehung der Planeten in Bewe⸗ gung geſetzt, ſich in einer ſehr verwickelten krummen Linie be⸗ wegen müſſe, welche freilich, da ſie ſich beinahe verkehrt wie die Maſſen der Sonne und der Planeten verhalte / gegen die ellipti⸗

ſchen Bahnen dieſer letztern nur ſehr klein ſein könne, indem der

gemeinſchaftliche Schwerpunkt zwiſchen Sonne und Planeten nahe um den Mittelpunkt der erſtern ſelbſt falle, ſo daß wir dieſe ſehr kleine Bewegung der Sonne auch mit den beſten Fernröhren nicht wahrnehmen könnten. Die Sonne muß, weil ſie ſich um ihre Axe dreht, zugleich eine fortfchreitende Bewegung im Weltraum haben, wabei ſie ihr ganzes Syſtem mit ſich führt. Herſchel nahm an, daß ſie ſich gegen das Sternbild des Herkules bewege, deſſen Sterne ihm ſeit einem Jahrhundert immer mehr ausein⸗ ander zu treten ſchienen, während die gegenüberſtehenden des Stiers einander näher rücken ſollten. Die Beobachtungen Anderer haben dieſes nicht beſtättigt.

II. Klaſſe. Planeten. Dunkle Weltkörper, Mn fih um ihre eigene Axe und bei verſchiedener Neigung ders ſelben um die Sonne bewegen. Sie gravitiren gegen letztere, werden jeden Augenblick von derſelben angezogen, ſuchen ſich

5 aber ſtets vermöge der ihnen einwohnenden ſel bſtſtandigen

Kraft (Centrifugalkraft) nach der Tangente ihrer Bahn⸗ bewegung von der Sonne zu entfernen, wodurch ihre ellip⸗ tiſchen Bahnen um ſelbe entſtehen. Manche von ihnen haben

222 Augemeine Ratürzeſchichte III. Buch.

Monde um 715 ch und erscheinen ſonach ſelbſt wieder als Mittel e punkte kleinerer Syſteme.

Der Gegenſatz, in welchem Sonne und Planeten als leuch⸗ tender und beleuchtete Körper zu einander ſtehen, ſcheint, wie ſo viele Gegenſätze in der Natur, kein vollkommen abſoluter zu ſein. Man kann vielmehr den Planeten nicht alle eigene Lichtentwick⸗ lung (vielleicht vermöge des Aethers, welchen ſie um ſich verdichten)

abſprechen. Hierauf deutet das Nordlicht der Erde, die merkwür⸗ |

dige Erſcheinung, daß in mondſcheinloſen Nächten bisweilen von oben herab Lichtſchimmer unſere Wolken erhellt, das Leuchten der Nachtſeite der Venus, die totalen Mondsfinſterniſſe, bei wel⸗ chen der Mond kein Licht mehr von der Sonne erhält und doch nicht ganz unſichtbar wird, und vielleicht auch das fo intenfive Licht des Jupiter und der Veſta. So ſcheint alſo, wie die Sonne dunkles planetares, jeder Planet auch ſolares zu haben (gleichſam als Hindeutung auf den gemeinſchaftlichen ätheriſchen Urſprung aller Weltkörper); wie aber auf der Sonne das ſolare, ſo über— wiegt auf den Planeten das planetare Prinzip. Nach ihren haupt: ſächlichſten Naturverhältniſſen kann man die Planeten in 3 Ord⸗ nungen bringen.

Erſte Ordnung. Sonnennähere, dichte Planeten. Sie nehmen den erſten Zwölftheil des Durchmeſſers des Planeten⸗ ſyſtems ein, bewegen fich | ämmtlich etwa binnen 24 Erdenſtunden um ihre Are, find wenig abgeplattet, erreichen höchſtens /s 000 der Sonnenmaſſe, übertreffen aber die Sonne an Dichtigkeit bis mehr als 14mal, (das Waſſer 3, biis 17,,mal), haben eine Geſchwindigkeit ihrer Bahnbewegung von 3, bis 6, Meilen in der Sekunde, und bedürfen zu einem ganzen Umlaufe höch- ſtens 687 ¼ Erdentage. In ihnen iſt der metalliſche Cha⸗ rakter vorherrſchend und auf den ſonnennächſten dürften die ſchwerſten, dichteſten Metalle vorwalten. Sie find die vor— zugsweiſe magnetiſchen Planeten. ER | |

Mer kur iſt der erſte der vier Planeten diefer Ordnung, von der Sonne an gezählt, und zugleich der kleinſte. Seine mittlere Entfernung von der Sonne oder die halbe große Axe ſeiner Bahn beträgt 8,073,747 nach Andern 8,082,000 deutſche Meilen; die wahre iſt jedoch wegen der bedeutenden Ercentrität feiner Bahn ſehr abweichend. (S. d. Tab.) In ſeiner größten Nähe bei der Erde ſteht er von dieſer 10000000, in der weiteſten Entfernung über 30,000,000 Meilen ab. Sein Halbmeſſer iſt = 300, feine Ober⸗ fläche 1,073,000 [IM., fein Volumen 104,000,000 UM. Wegen

Beſchreibende Darſtelung des Sonnenſoſtemo. 223

ſeiner großen Nähe an der Sonne bewegt er ſich unter allen Planeten am ſchnellſten, legt in der mittlern Geſchwindigkeit jede Sekunde 6, Meilen zurück und vollendet feine Bahn, die nahe 70 gegen die Ekliptik geneigt iſt, in Beziehung auf die Fixſterne in 87,960 / auf die Nachtgleichen in 87,955 Tagen. Die ſynodiſche Umlaufszeit währt 11537 Tage. Obwohl an Volumen 25mal kleiner als die Erde, hat er doch eine nur 6/7 jmal geringere Maſſe, da er etwa Amal ſo dicht, als die Erde, beinahe ſo dicht als Gold iſt. Die dichteſten Metalle, welche bei uns ſo ſparſam vorhanden ſind, mögen wohl die hauptſächlichſten Beſtandtheile des Merkurs bilden. Die Körper fallen auf dem Merkur in der erſten Sekunde 14% Fuß. Sein ſcheinbarer Durchmeſſer beträgt in der Erdnähe nur 12//, in der Erdferne etwa 47. Die Bewohner Merkurs ſehen die Sonne im Durchmeſſer 2½mal, der Oberfläche nach etwa zmal größer als wir, und erhalten demnach auch 7mal ſo viel Licht von ihr. Merkur erſcheint hellweiß, von intenſtvem, im Fernrohr blendenden Lichte. Doch iſt er, da er ſich immer in großer Nähe bei der Sonne befindet und von dieſer im Mittel nur um 230 öſtlich oder weſtlich abweicht, mit freiem Auge ſchwer zu ſehen. Wenn er weſtlich von ihr ſteht, ſieht man ihn nur Morgens kurz vor Sonnenaufgang am öſtlichen Himmel, ſteht er öſtlich von ihr, Abends bald nach Sonnenuntergang. am weſt⸗ lichen Himmel, immer alſo im Dämmerlichte und nahe am Ho⸗ rizont. In der Sonnenferne kann die größte Abweichung des M. wegen der bedeutenden Excentrität ſeiner Bahn bis auf 290 ſteigen. Am beſten iſt er etwas näher bei ſeiner untern Konjunktion mit der Sonne in 150 bis 180 Entfernung von derfelben zu ſehen. M. zeigt uns Phaſen, wie der Mond. In ſeiner obern Konjunktion, wo er am weiteſten von der Erde entfernt iſt und die Sonne ge⸗ rade zwiſchen ihm und uns ſteht, erſcheint er als kreisrunde Scheibe; in ſeinem erſten Viertel iſt nur ſeine weſtliche Halbkugel beleuchtet; in ſeiner untern Konjunktion, wo er gerade zwiſchen Sonne und Erde, letzterer alſo am nächſten ſteht, kehrt er uns feine unbeleuchtete Hälfte zu, iſt alſo ganz unſichtbar; in feinem letzten Viertel, wo er im Weſten der Sonne ſteht und Morgen- ſtern iſt, iſt feine öſtliche Halbkugel beleuchtet. Die verwaſchene

5 Beleuchtungsgrenze, die plötzlichen Aufhellungen und Verdunk⸗

lungen mancher Gegenden erklärte Schröter durch Wolken auf M., die alſo nothwendig eine Atmoſphäre deſſelben vorausſetzen. Die in der Tabelle angegebene, jener der Erde faſt gleiche Rotations- zeit M.'s wurde durch Schröter aus der periodiſchen, vermuthlich durch hohe Polarberge bedingten Aenderung der einen Spitze der beleuchteten Sichel beſtimmt. Die Tageszeiten ſind demnach jenen der Erde beinahe gleich; die Jahreszeiten ſind bei der nur wenig

294 Allgemeine Soturgefchichte, Bus Buch. x

geringern Neigung 155 die Bahn deutlich gesch / aber jede dauert nur 22 Tage, da das ganze Jahr des M. nur 88 währt. Schröter hat auf dem M. beſonders in deſſen ſüdlicher Halbkugel Bergzüge von 40 60 Meilen Länge entdeckt, deren höchſte Spitzen ſich bis 58/000 / abſoluter Höhe erheben ſollen. Wenn M. in feiner untern Konjunktion vor der Sonne durchgeht, ſehen wir ihn als kleine ſchwarze Scheibe auf der Sonne von 12, Durchmeſſer. Merkur⸗ durchgänge kommen gewöhnlich alle 13, 26, 46 Jahre vor. Der letzte fand am 7. November 1835 ſtatt; 85 drei nächſten werden am 8. Mai 1845, 9. November 1848 und 12. November 1861 er⸗ folgen. (Vergl. über M. Schröters hermographiſche Frag⸗ mente im 3ten Bande der Beiträge zu d. neueſt. aſtron. Entdeck. Götting. 1800.) N

Venus (Hesperus als Abendſtern, Phosphorus, Lucifer als Morgenſtern) iſt der zweite der ſonnennahen Planeten, zugleich der ſchönſte und hellſte von allen und der der Erde am meiſten verwandte. (Merkur und V. nennt man auch die untern Pla⸗ neten, weil fie ſich immer innerhalb der Erdbahn um die Sonne bewegen.) Ihr blendend weiſſes, intenfives Licht macht die V. unter günſtigen Umſtänden ſogar bei Tage ſichtbar. Ihre mittlere Ent⸗ fernung von der Sonne iſt = 15,086,520 M. und weicht wenig von ihrer größten und kleinſten ab, da ihre Bahn unter allen die am wenigſten exzentriſche iſt. Ihre Entfernung von der Erde ber trägt in der untern Konjunktion 5, in der obern 35 Mill. Meilen. In der erſtern ſieht man ſie 66“, in der zweiten kaum 10/ groß. Ihr wahrer Durchmeſſer iſt 1680 M., ihre Oberfläche 8,376,000 M., ihr Volumen 2,230,000,000 []2M. Die ſideriſche umlaufs⸗ zeit dauert 224½1 7 die tropiſche 224,595 und die ſynodiſche 583/95 Tage. In der Da ING. legt ſie in jeder Sekunde 4, Meilen zurück. Die Maſſe der V. iſt nur um ½½0 kleiner, als jene der Erde; ihre Dichtigkeit unbedeutend größer? Die Körper fallen auf ihr in der erſten Sekunde Br Fuß. V.

zeigt deutliche Phaſen und entfernt ſich nie mehr als etwa 480

öſtlich oder weſtlich von der Sonne. Am hellſten und manchmal ſelbſt Mittags dem freien Auge ſichtbar, erſcheint ſie zwiſchen ihrer untern Konjunktion und größten Abweichung etwa 400 öſtlich oder weſtlich von der Sonne abſtehend, wo zwar der ſcheinbare Durch- meſſer nur 407, die größte Breite der beleuchteten Phaſe kaum 107 beträgt, wegen ihrer Nähe aber das Licht eine ungemeine Intenſttät hat, nach Lambert nur 3000mal ſchwächer als jenes des Vollmonds iſt, und ſogar ſchwachen Schatten wirft. Der un⸗ beleuchtete Theil der V. leuchtet öfters in mattem Lichte, welches Einige für phosphorifcher Art halten. Ueber dieſes immer unver⸗ hofft kommende Leuchten der V. in bald aſchgrauem, bald feuer⸗

Beschreibende Darſtellung des anne. 225

röthlichem Lichte vergl. man auch Gruithuiſens Anal. f. Erd⸗ u Himmelsk. Hft. 2. S. 14. Unter den möglichen Urſachen deſſelben zählt G. „allgemeine (vielleicht religiöſe) Feuerfeſte“ ihrer Be⸗ wohner und kometariſche Lichtentwiklung unterhalb ihrer Wolken⸗ hohlkugel auf. Schröter hat, obwohl felten und nur ſchwache Wolken auf der Venus beobachtet und eine Atmoſphäre um ſie außer Zweifel geſetzt. Ihr Licht nämlich wird gegen die Nacht⸗ ſeite immer ſchwächer, gegen die Lichtgränze ſelbſt . welche Farbe ſich oft weit in die Nachtſeite hinein erſtreckt

alles Erſcheinungen der Morgen- und Abenddämmerung. Aus der

Breite des Dämmerungsſtreifens ſchloß Schröter auf eine Nefrak⸗ tion von etwa ½0, ungefähr wie auf der Erde. Die Firſterne, welche V. bedeckt, verſchwinden nicht plötzlich an ihrem Rande, ſondern werden immer ſchwächer, fo wie fie (ſcheinbar) in die tiefern, dichtern Schichten ihrer Atmofphäre eintreten. An Höhe und Dichte mag daher die Atmoſphäre der V. jener der Erde ſehr gleichen, doch ſcheint ſie viel reiner und faſt frei von Hydro⸗ meteoren zu ſein, was auf wenig Waſſer dieſes Planeten ſchließen läßt. Die Lichtgrenze der Venus erſcheint wie jene des Mondes ausgezackt und die beiden Enden derſelben, oder die Hörner, bald mehr, bald weniger tief in die Nachtſeite hineintretend, was nebſt den weit von der Lichtgrenze entfernten beleuchteten Punkten auf große Ungleichheit der Oberfläche und ſehr hohe Berge deutet. Schröter fand überhaupt V. beſonders in der ſüdlichen Halbkugel ſehr gebirgig und Berge von 6 Meilen Höhe auf ihr. Caſſini beſtimmte die Rotation der V. aus ihren wenigen fchwer zu bemer— kenden Flecken zu 23, St., Schröter aus der periodiſchen Verän⸗ derung der Hörnerſpitzen zu 237% Stunden. So ſehr daher ihre Tageszeiten den unſrigen gleichen müſſen, ſo ſchroff entgegengeſetzt werden ihre Jahreszeiten und ſo verſchieden ihre Klimate ſein, wenn wirklich, was jedoch noch ſehr der Beſtättigung bedarf, ihre Are gegen die Bahn um 720 geneigt iſt. Die Sonne erſcheint den Venusbewohnern nach der Oberfläche Amal größer, im Lichte doppelt ſo ſtark, als uns; alle Sterne wegen der großen Klarheit

der Luft weit heller und die Erde in ihrer größten Nähe, 9mal größer und in 9mal ſtärkerem Licht, als uns V. Ein Venusmond, welchen Aſtronomen des (7ten und der erſten Hälfte des 18ten Jahrhunderts beobachtet zu haben glaubten, exiſtirt ohne Zweifel nicht. Die Vorübergänge (Durchgänge) der V. vor der Sonne, wo fie als ein kleiner, rabenſchwarzer Kreis auf dem hellleuchten⸗ den Sonnengrunde erſcheint, ſind für die neuere Aſtronomie außer⸗ ordentlich wichtig geworden, als das ſicherſte Mittel, die Entfer⸗ nung der Sonne von der Erde und dann mittelſt des ſcheinbaren Durchmeſſers der erſtern ihren wahren zu ſinden. Damit ein Durch⸗

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226 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

gang ſtatt finden könne, muß ſich V. in der Nähe eines ihrer Knoten befinden und darf höchſtens 10 50/ von demſelben abſtehen. Seit dem Anfang des t7ten Jahrhunderts bis 3000 n. Chr. fallen die Venusdurchgänge immer entweder in die erſte Hälfte des Juni oder des December. Die erſten wurden von Kepler angekündigt und die folgenden bis 2117 n. Ch. von Halley vorausberechnet. Jene von 1764 und 1769 wurden mit beſonderem Fleiße von zahlreichen Aſtronomen, von welchen viele in die verſchiedenſten Weltgegenden abgeſandt wurden, beobachtet. Die nächſten 8 Durchgänge der V. werden 1874 9. Dec., 1882 6. Dec., 2004 8. Juni, 2012 6. Juni, 2117 11 Dec., 2125 8. Dec., 2247 11. Juni, 2255 9. Juni ſtatt finden. Die Erde, welche wir bewohnen, iſt der dritte Planet, von der Sonne an gezählt. Aus den Beobachtungen der beiden Venusdurchgänge von 1761 und 1769 beſtimmte Enke (Entfernung der Sonne, 2 Bde. Gotha 1822 24) die Sonnenparallaxe für die mittlere Entfernung der Sonne und für einen Beobachter im Aequator zu 8/8, aus welcher eine mittlere Entfernung der Sonne von der Erde von 20,666,800 Meilen folgt, während die wahre von 20,577,649 bis 20,755,943 M. wechſelt. Das fiderifche Jahr der Erde beträgt 365 Tage, 6 Stunden, 9 Minuten, 10%/496 Sekunden; das tropiſche oder Sonnenjahr 365 T., 5 St., 48 M., 47/8051 S. Letzteres erleidet wegen der Präzeſſion eine kleine Ver⸗ änderung und wird in 100 Jahren 0,5; Sekunden kürzer. Die mittlere Länge der Erde war den 1. Jan. 1800 oh mittl. Pariſer Zeit = 1000 537 29% ; ihre mittlere tägliche Bewegung iſt = 59/7 8/3; im Perihelium bewegt fie ſich täglich 1 4, 10%, im Aphelium 57/ 1% .F. Die Länge des Perihels war den 1. Juni 1800 990 30/ 28//,, , und die Apſtdenlinie bewegt ſich jährlich 11/%85 ja Weſt nach Oſt; die jährliche tropiſche Bewegung von W. nach O. iſt daher —= 61/4, Die Exzentrität der Erdbahn war zur ſelben Zeit 0/7679226 und vermindert ſich in 1 Jahrhundert um 0,0004299. DieErde ift ein an den Polen ſehr wenig abgeplattetes Sphäroid, deſſen Aequatorialdurchmeſſer 1718/8, deſſen Polar⸗ durchmeſſer 1713½) deſſen Umfang im Aequator 5400 geogr. Meilen groß iſt. Die Abplattung wird zu ½89 bis Vos angegeben, wo⸗ nach die Polaraxe alſo um 5— 6 Meilen kleiner iſt, als der Aequa⸗ torialdurchmeſſer. Die Hälfte des letztern iſt demnach 3,727,952 Toiſen, die halbe Polaraxe = 3,260,634 T., die Länge eines Meridians = 53907555 Meilen, die Länge eines Quadranten 134757 M. und der Inhalt der Erde = 2,650,686,000 Kubik⸗ meilen. Ihre Oberfläche iſt = 9,260,500 M., von welchen die heiße Zone (beiderſeits bis zu 230 30 / gerechnet) 3,678,246, jede gemäßigte 2,403,988, jede kalte 387,139. UM. einnimmt. Die

Dichtigkeit der E. wird aus den genau berechneten Verſuchen

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 227

von Maskelyne und Hutton am ſicherſten = angeſetzt, das Waſſer 1 angenommen. Die Maſſe der Erde gibt man in runder Zahl = 553000 / genauer = ½34936 der Sonnenmaſſe an. Die Rotationszeit der Erde oder ein Sternentag derſelben währt immer 23 Stunden, 56 Min., 4½1 Sek. mittlere Zeit; der Sonnentag, welcher vom Augenblick an beginnt, wo die Sonne durch den Meridian geht, wird zwar auch in 24 Stunden getheilt, iſt aber ungleich lang (wegen der ungleichförmigen Bewegung der Erde in ihren verſchiedenen Entfernungen von der Sonne) und währt im Maximum zu Ende Decembers 24 St., 0 M., 30 S.; im Minimum, Mitte September 23 St., 59 M., 39 S. mittlere Zeit. Ein Punkt ihres Aequators bewegt ſich bei der Axendrehung in 1 Stunde 225,51 geographiſche Meilen. Die Notation der Erde erzeugt eine Centrifugalkraft, welche unter dem Aequator am größten und dort 89 der Schwerkraft iſt. Wäre die Axen⸗ drehung 17mal ſchneller, als fie wirklich iſt, ſo wären Schwung— Hund Schwerkraft unter dem Aegquator einander gleich und die Körper würden daſelbſt gar kein Gewicht haben, während jetzt ein Körper, deſſen Gewicht an den Polen 105178 iſt, am Aequa⸗ tor 1 wiegt. Ein Körper fällt im luftleeren Naum unter dem Aequator in der erſten Sekunde 1/51, an den Polen 15/132 Par. Fuß. Das einfache Sekundenpendel muß unter dem Aequator 3/50 / an den Polen 3/0061 Par. F. lang fein. Eine unter dem Aequator regulirte Sekundenpendeluhr wird daher an den Polen täglich um 3 Min. 47 Sekunden zu früh gehen. Die Polaraxe der Erde ſteht nicht ſenkrecht auf ihrer Bahn, ſondern iſt gegen dieſe in einem veränderlichen Winkel geneigt, welcher die Schiefe der Ekliptik gibt, die am 1. Jan. 1800 230 27/ 58/%%—% war, ſich gegenwärtig in jedem Jahr um 0/788 vermindert, zwiſchen den Extremen von 210 und 280 ſchwankt, 1837 = 230 27/̃iſt, ſich fort- während feit dem J. 2000 v. Chr. bis 6600 n. Chr. ihrem Minimum von 220 54/ nähert, und von da fortwährend zunehmen wird, bis fie 19,300 n. Chr. ihr Maximum von 250 21/ erreicht hat, worauf ſie wieder 12700 Jahre abnimmt. Nach Lagrange hatte ſie ihren größten Werth von 270 317 im Jahre 29,400 v. Chr., nahm dann 15/000 Jahre ab, bis fie 14,400 v. Chr. ihren kleinſten Werth von 24 20/ erreichte, wuchs dann wieder 12,400 Jahre lang, bis fie 2000 v. Chr. ihren größten Werth von 230 537 erlangte. Durch dieſe Neigung der Erdare, welche dabei in ihrer Richtung- ſtets gleich bleibt, entſtehen die Jahreszeiten, indem nothwendig eine Zeit hindurch die ſüdliche Halbkugel der Sonne mehr zuge— kehrt / die nördliche von ihr abgewendet iſt: erſtere alſo Sommer, letztere Winter hat, während zu einer andern die Sache ſich um— gekehrt verhält und im Uebergang von einer Zeit zur andern

228 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

Berhältniſſe eintreten, wo die Sonne ſcheinbar den Aequator paſſirt, um von einer Halbkugel zur andern überzugehen, was im Frühling und Herbſt der Fall iſt. Zur Zeit, wo die Sonne eben den Aequator durchſchneidet, ſind Tag und Nacht gleich lang, weßwegen man dieſe Zeitpunkte Aequinoktien nennt. Das Frühlingsäquinoktium fällt etwa auf den 21. März, das Herbſt⸗ äquinoktium auf den 21. Sept. Die Zeiten, wo die Sonne den tiefſten Stand unter dem Aequator erreicht, was im Mittel um

den 21. Juni und 21. Dec. ſtatt findet, heißen Solſtitien; im

Sommerſolſtitium iſt der Tag am längſten, die Nacht am kürzeſten,

im Winterſolſtitium verhält ſich dieſes umgekehrt. Die Zeiten

zwiſchen den Aequinoktien und Solſtitien ſind ungleich. Zwiſchen dem Frühlingsäquinoktium und Sommerſolſtitium verſtreichen im Mittel 92 Tage 22 St.; von hier aus bis zum Herbſtäquinoktium 93 T. 14 St.; von dieſem bis zum Winterſolſtitium 89 D., 17 St.; von dieſem bis zum Frühlingsäquinoktium 89 T. 1 St.

Das Sonnenjahr dauert alſo 365 T. 6 St.; das Kalenderjahr

nur 365 T.; aber jedes Ate Jahr 366 D. Die Atmoſphäre der Erde iſt dichter und höher, als jene der vorigen Planeten und fie iſt beinahe zu ½ vom Meere bedeckt, welches fie vor Merkur und Venus zu charakteriſiren ſcheint. Von der Atmo⸗ ſphäre und vom Meere, ſo wie von den Bewegungen, welche die andern Weltkörper in beiden veranlaſſen wird im vierten Buche eee werden.

Mars iſt der vierte Planet, von der Sonne an gerechnet, und der letzte der erſten Ordnung. Er iſt zugleich der erſte der obern Planeten, d. h. derjenigen, welche ſich außer der Erdbahn

bewegen. Man ſieht ihn daher nicht bloß in der Nähe der Sonne,

ſondern unter den verſchiedenſten Winkeln mit derſelben, oft ihr

gerade entgegengeſetzt und immer ganz oder doch über 7% be⸗

leuchtet, alſo nie Phaſen zeigend, gleich den übrigen obern Pla⸗ neten, wo der nicht beleuchtete Theil noch kleiner und daher gar nicht wahrnehmbar iſt. Die mittlere Entfernung des M. von der Sonne beträgt 31,779,645,, Meilen. Bei der großen Erzentri⸗ zität feiner Bahn wechſelt aber feine Entfernung von 29 35 Mill. M. In der Oppoſttion kann er der Erde bis auf 7,000,000 M. nahe kommen, in der Konjunktion ſich bis auf 54,000,000 von ihr entfernen. Hiernach wechſelt ſein ſcheinbarer Durchmeſſer von 27 4, Den mittlern Durchmeſſer der Sonne ſehen die Mars⸗ bewohner 21/,333 groß, alſo über 10/ kleiner als wir. Der Durch⸗ meſſer des M. iſt = 1000 Meilen, etwa Jo des Erddurchmeſſers;

feine Oberfläche etwa 3,000,000 UM.) nicht ganz jener der Erde; fein Volumen 467,000,000 U M., etwa 1% des Erdvolu⸗ mens. Das Verhältniß der Polar- zur Aequatorinlage wurde von

IR:

\

Beſchreibende Darftellung des Sonnenffiems. 229

W. Herſchel wie 15:16 angegeben, was wegen der langſamen Axen⸗ drehung wenig wahrſcheinlich iſt; man trat daher Schröters Be ſtimmung von 80:81 bei. In Beziehung auf die Fixſterne dauert fein (ſtderiſcher) Umlauf 686,980, in Beziehung auf den Frühlings⸗ punkt 686,95 Dage. Er legt hiebei im Mittel Meilen in der Sekunde zurück. Aus den ſehr geringen Störungen, die M. auf die Erde ausübt, hat man feine Maſſe auf 14o dieſer beſtimmt, wonach die Dichte 740 jener der Erde, die Fallgeſchwindigkeit der Körper auf ihm 6, Fuß wäre. Bekanntlich iſt M. trübroth, wie glühendes Eiſen. Schon Achromaten von 3—4 F. Brennweite zeigen braunrothe und grünliche, zum Theil ſehr beſtändige Flecken auf ihm, die man für Länder und Meere hält und wonach feine Umlaufszeit auf 24 St., 39 M. 21 Sek. beſtimmt wurde. Gewiſſe von Harding und Schröter beobachtete Flecken ſind an Geſtalt ſehr veränderlich, rücken oft mit einer Geſchwindigkeit von 50 90 Fuß in d. Sek. über die Scheibe fort und gehören wohl der Atmoſphäre des M. an. Caſſini und Römer gaben dieſe ſehr ſtark und dicht an, South ſprach fie dem M. ganz ab; beide Anſichten gründen ſich auf Beobachtungen von Sternbedeckungen, wobei die

Erſtern den Firſtern allmälig dunkler werden und noch vor dem Nand verſchwinden: Letzterer einen hellblauen Stern Farbe und Licht bis zur Bedeckung vollkommen beibehalten und auch beim

Austritt ohne Aenderung zeigen ſah. Entweder ſind alſo Caſſi⸗

ni's und Römer's Beobachtungen ungenau, oder der phyſtſche Zu⸗ ſtand des Planeten hat ſich verändert. (Littrow glaubt South's Wahrnehmung aus der außerordentlichen Lichtſtärke und Präziſton ſeines Refraktors zu erklären.) Die Abplattung des M. be⸗ ſtimmte W. Herſchel zu Ye, Andere viel kleiner. An jedem Pol gewahrt man einen runden, blendend weißen Fleck, den man nach Herſchels, Gruithuiſens, Beers und Mädlers Beobachtungen mit Grund für Polarſchnee hält, weil beide im Sommer jeder Halb- kugel immer kleiner, im Winter immer größer werden. Flauger⸗ gues bemerkt übrigens, daß die Verkleinerung dieſer Polarflecken (von welchen der ſüdliche größer if), ſchneller fortſchreite, als das Schmelzen des Schnees auf der Erde. Aus dieſen Flecken be⸗ ſtimmte man die Neigung des Aequators auf die Bahn zu 280427, weßwegen die Jahrszeiten auf Mars, abgeſehen von ihrer größern Länge, ziemlich mit den unſrigen übereinſtimmen mögen. M. empfängt nur halb ſo viel Licht von der Sonne, als die Erde. Die große Exzentrizität der Marsbahn führte Kepler auf die Ent⸗ deckung der Elliptizität der Planetenbahnen; in neuerer Zeit lernte man durch M. zuerſt die Sonnenparallaxe genau beſtimmen und hiedurch die 99 99 des ee kennen.

230 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

Zweite Ordnung. Die intermediären, zwerg⸗ haften Planeten (Aſteroiden W. Herſchels). Ihre Bahnen reichen wenig über den ten Zwölftheil des Durchmeſſers des Planetenſyſtems hinaus; find bis auf 37° zur Ekliptik geneigt und langgeſtreckt elliptiſch; ihre Maſſen ſind alle viele Millio⸗ nenmal geringer, als jene der Sonne.

In dieſe Ordnung gehören ebenfalls 4 Bauen, fämmtlich erſt im loten Jahrhundert entdeckt (ſ. S. 28). Lange zuvor hatte

man ſchon in der großen Lücke zwiſchen Mars und Jupiter einen Planeten vermuthet (beſonders Lambert, Bode ꝛc.); man fand

nun ſtatt eines 4, und wahrſcheinlich find noch mehrere in jenem

Raume vorhanden, die man vielleicht noch lange unter den kleinen Firſternen überſehen wird. Alle Aſteroiden find von zwergartiger Größe und bilden ſchon in dieſer Beziehung einen Gegenſaz zu den übrigen Planeten, vorzüglich zu jenen der dritten Ordnung. Ihre Bahnen ſind merkwürdig verſchlungen und zum Theil ſo ſtark gegen die Ebene des Sonnenägquators geneigt, daß der Thier⸗ kreis der Alten durch deſſen 12 Sternbilder (ſ. Angabe derſelben im 2ten Hauptſtücke S. 196), welche alle nur wenig von der Son⸗ nenbahn abweichen, fie die ihnen bekannten Planeten ſich bewe⸗ gen ließen, mit der Entdeckung der Aſteroiden ſeine Bedeutſam⸗ keit verlor. Obwohl von nahe gleicher Größe haben die Bahnen doch eine ſolche Neigung gegen einander, daß ein Zuſammenſtoß der Aſteroiden nicht wohl möglich iſt, indem einige Bahnen ihre größte nördliche oder ſüdliche Breite da haben, wo die Knoten der an⸗ dern liegen. Ueber die gegenſeitige Lage der Bahnen der Aſteroi— den ꝛc. ſehe man Clauſens Aufſaz in Gruith. Analekt, 7tes Heft, S. 37 ff. Clauſen berechnet, daß, die Entfernung zwiſchen Ceres und Pallas ausgenommen, die abſolut kleinſten Entfernungen der übrigen zu zwei und zwei an ihren gemeinſchaftlichen niederſtei⸗ genden Knoten auf der Pallasbahn fallen, welches alſo in der Hypotheſe eines vormaligen gemeinſchaftlichen Durchſchnitts aller

Bahnen die Gegend deſſelben und demnach auch der Punkt einern

vermutheten Kataſtrophe eines urſprünglichen Weltkörpers ges weſen ſein müßte. Die Exzentrizität dieſer Bahnen iſt ſo groß, daß bei zweien derſelben (von Juno und Pallas) der Unterſchied zwiſchen ihrer größten und kleinſten Entfernung von der Sonne faſt die Hälfte der mittlern Entfernung beträgt. Solche Verhält⸗ niſſe erinnern an die Bahnen der Kometen. Setzt man noch hinzu, daß manche Aſteroiden bisweilen von einer ungeheuern Dunſthülle umgeben ſind, die zu anderer Zeit wieder verſchwindet: daß einige von ihnen außerdem in Stärke und Art des en Ang enein

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 231

wechſeln und vielleicht zum Theil in eigenem Lichte glänzen, ſo ſteht man, daß zahlreiche Züge auf Hinneigung zu kometariſcher Natur der Aſteroiden deuten, und ſie ſonach als Uebergangsformen zwiſchen Planeten und Kometen zu betrachten ſind. Jene großen und veränderlichen Atmoſphären, (welche mir auf außerordentliche Erhalations- und Reſorptionsprozeſſe zu deuten ſcheinen) erſchweren die Beſtimmung der ſcheinbaren und ſonach auch der wabren Durch⸗ meſſer und Volumina ſehr. Daher weichen auch die Angaben Herſchels nach welchem keiner der ſcheinbaren Durchmeſſer eine Sekunde überſteigen ſoll, und Schröters, deſſen Meſſungen der ſcheinbaren und Berechnungen der wahren Durchmeſſer unten an⸗ gegeben ſind, ſehr von einander ab. Auf die Meinung mancher Aſtronomen, daß die 4 Aſteroiden Trümmer eines ehemaligen Planeten ſeien, werden wir im ten Hauptſtück zurückkommen. Maſſe, Dichtigkeit, Fallkraft der Körper auf ihnen, Rotationszeit (da man noch auf keinem Flecken ſah) ſind bis jetzt unbekannt. Durch die großen Störungen, welche die Aſteroiden in ihren Bewegungen durch den mächtigen, ihnen benachbarten Jupiter erleiden, ſind ſte für Beſtimmung der Maſſe deſſelben ſehr wichtig geworden. Der erſte Planet dieſer Oroͤnung oder der fünfte von der Sonne an gezählt, iſt Veſta. Sie leuchtet nach Schröter in ungemein hellem, faſt firſternartigem Lichte, in ihrer Erdnähe ſchon dem freien Auge als Stern öter Größe ſichtbar. Ihr ſcheinbarer Durch— meſſer wechſelt von 0 0/ũ¼çzj. Ihre kleinſte Entfernung von der Erde iſt = 23,000,000 M.; ihre größte = 72,000,000 M. Ihr wahrer Durchmeſſer wird zu 58 M., ihre Oberfläche zu 10,729 UM. angegeben. Ihre mittlere Entfernung von der Sonne iſt 49,121,,087 M. Ihr Jahr währt 3 Erdenjahre, 346 Tagge. Die Fallkraft der Körper auf Veſta vermuthet man 32mal lang⸗ ſamer, als auf der Erde. Atmoſphäriſche Bedeckungen, wie ſie die folgenden A. oft zeigen, werden an V. nie wahrgenommen. Juno erſcheint als reine atmoſphärenloſe Scheibe von weis ßem, ruhigem Lichte, von 0/% %7ꝙbbis 3/½ ſcheinbarem Durchmeſſer. Ihre mittlere Entfernung von der Sonne iſt = 55,628,847 M. und ihre Bahn iſt unter allen Planetenbahnen am meiſten erzen- triſch. Kleinſte Entfernung von der Erde 19,0000, größte 88,000,000 M. Das Jahr der J. währt 4 Erdenjahre 126 Tage. Ceres leuchtet bald nur durch's Fernrohr ſichtbar in weißlichem, bald ſelbſt dem freien Auge ſichtbar in röthlichem Lichte; iſt manch⸗ mal ganz frei, ſcharf begrenzt, rein, zu andern Zeiten von einer der Höhe nach ſehr veränderlichen, bisweilen über 100 Meilen hohen Atmoſphäre umgeben. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer wechſelt von 0//, bis 2/½%.. Die mittlere Entfernung der C. von der Sonne iſt = 37,719,789 M. Kleinſte Entfernung von der Erde

232 Allgemeine Aatungefhiäte, ur Buch,

s1,000;000; größte 81,000,000 M. Ihr Jahr wahrt Sabre 221 Tage Erdenzeit. ®

Pallas iſt die letzte der Afteroiden der ite Planet von der Sonne an gezählt. Gleich der Ceres iſt ſie oft von einer unge⸗ heuern Dunſthülle umgeben, die ſich zu andern Zeiten um das Doppelte zuſammenzieht, manchmal ſogar ganz verſchwindet. Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer ändert von 1“ bis 4%. Ihre mittlere Entfernung von der Sonne beträgt 57,751,975 g. M.; ihr Jahr währt 4 Erdenjahre 215 Tage, und ihre Bahn hat unter allen Planetenbahnen die größte Neigung gegen die Ebene des Sonnen⸗ äquators, nämlich 370 87 12% 172H und nach jener der Juno die größte Exzentrizität. Die mittlere Bahngeſchwindigkeit wird zu 2, M. in der Sekunde angegeben. Kleinſte Entfernung von der Erde 21,000, 0, größte 90,000,000 M. Nach Schröter wäre fie

die größte unter den Aſteroiden, und hätte einen Durchmeſſer von 9

452 g. M. Dritte Ordnung. Die ſonnenfernen, 0 | N dichten Planeten. Ihre Bahnen nehmen faft 9 Zwölftheile vom Durchmeſſer des Planetenſyſtems ein; ſie ſind charakteriſirt durch ſehr bedeutende Größe (76-—1333 mal mehr als die Erde), geringe Dichtigkeit (/ ½o von jener der Erde), ſehr dichte Atmoſphären, welche ſtreifenartige Anord⸗ nung und gewaltige Veränderungen zeigen, durch welche ferner ſcheinbare Aenderungen der Geſtalt bedingt ſind; langſame Bahn⸗ſehr ſchnelle Rotationsbewegung (welche beiden Geſchwin⸗ digkeiten hier faſt gleich groß ſind, während ſie ſich bei den Planeten der erſten Ordnung wie 96 - 302: 1 verhalten), alſo kurze Rotationszeit (/½ů /o jener der Erde) und ſehr ſtarke Abplattung an den Polen; auffallende Lichtftärfe und zahlreiche Monde (4—7), wodurch ſie ſelbſt als Mittelpunkte kleinerer Syſteme erſcheinen. Auf ihnen dürften die leichten Metalle der Erden und Alkalien vorwalten; ihre überwiegenden Atmoſphären laſſen ſie als die elektriſchen Planeten erſcheinen. Jupiter iſt der erſte Planet dieſer Ordnung, oder der gte von der Sonne an gerechnet; zugleich der größte aller Planeten. Sein Licht iſt ſehr intenſiv, weiß, ins gelbliche ſpielend und ſeine 4, ſchon durch 20 mal vergrößernde achromatifche Fernröhre ſichtbaren Monde, ſcheinen nach einer geraden durch ſeinen Mittel⸗ punkt gehenden Linie gereiht. Unter allen Sternen des Himmels ſteht J. nur der Venus an Helligkeit nach. Seine mittlere

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 233

Entfernung von der Sonne beträgt 108,495,777, M., feine Entfer— nung von der Erde wechſelt von 79 - 130,000% 00 M. Sein Durchmeſſer erfcheint uns in der Conjunktion 30“, in der Dppos fition 49 groß. Seine Größe ſteht der der Sonne 905mal nach und übertrifft jene der Erde 1333 mal: da aber feine mittlere Dichtigkeit mehr als 4 mal geringer, als jene der Erde iſt, ſo iſt ſeine Maſſe nur 340mal bedeutender, als jene unſeres, beinahe 3mal als die aller Planeten zuſammen, und nach Newton 1067, nach Bouvard 1073, nach Gauß und Enke 1054, nach Airy (aus Beobachtungen des Aten Mondes von 1834 faſt ganz die nämliche, wie man fie 1832 und 1833 erhalten hatte, nämlich) 1048mal kleiner als jene der Sonne. Die Notation, von Letzterm nach einem Flecken beſtimmt, währt 9b 55/ 217, Der Flecken, welcher zur Beſtimmung diente, macht 225 Umwälzungen in 93 Tagen. (Philos. Soc. of Cambridge. Sitzung v. 4. Mai 1835). Fernröhre zeigen 4—5 größere Streifen parallel feinem Acquator: die größten dem Aequator nächſten laufen über die ganze Scheibe weg und find ſehr beſtändig, während die kleinen ſehr veränderlich find, oft in wenigen Stunden entſtehen und vergehen, manchmal nur zu 8—10, manchmal bis zu 40 erſcheinen. Außerdem ſieht man noch kleine dunkle, wolkenähnliche Flecken. Von den großen Streifen laufen oft kleine wie Strahlen aus, manchmal entſtehen in jenen ganz ſchwarze Flecken, in denen man die dunkle Fläche des Planeten ſelbſt zu ſehen glaubt. Die Flecken bewegen ſich meiſtens von Weſt nach Oſt, (können alſo nicht der Oberfläche des Planeten angehören) mit der ungeheuern Schnelligkeit von 300—10,0007 in der Sekunde: kaum durch auf Jupiter herrſchende Paſſatwinde, wie manche wollen, was bei der, wie man annimmt, ſo dichten, vielleicht unſerem Waſſer gleichkommenden Atmoſphäre deſſelben doppelt unbegreiflich wäre, ſondern eher durch elektriſche Fort— erregung. Hierauf ſcheinen auch die durch Caſſini ſchon beobachte⸗ ten plötzlichen Aufheiterungen und Verdunklungen zu beruhen, welche oft in wenigen Stunden ſich über 10—20,000 Quadratmei— len, nach Schröter beſonders an den Polen verbreiten. Nach der in der Tabelle angegebenen Rotationszeit legt ein Punkt des Aequators vom J. in einer Sekunde 1/0 Meilen zurück, alſo beinahe 27mal mehr als ein Punkt des Erdäquators. Bran— des vergleicht (Gehl. Wörterb. ster Bd. S. 809) die fortrücken⸗ den Flecken mit den öfters ſehr ſchnell über große Länder ſtch verbreitenden Verdunklungen unſerer Atmoſphäre, und glaubt in Beziehung auf die Streifen, daß auch unſere tropiſchen Negen dem entfernten Beobachter als dunkle Gürtel um die Erde erfcheinen. mögen. Auch Kaſtner äußert, daß die Streifen der Jupiters- und Saturnskugel dem tropiſchen Regengürtel der Erde entſprechende

234 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

große Wolkennetze ſeien, welche nur durch ſehr hohe Gebirge unterbrochen zu fein fcheinen. Mars zeige eine ähnliche Erfchei- nung unter ſeinem Aequator; die dunſtreichen Atmoſphären der Aſteroiden verhinderten die Beobachtung ſolcher Streifen, wenn ſie auch vorhanden wären; doch lieſſen die oft plötzlichen Enthül⸗ lungen der Pallas auf gewaltige atmoſphäriſche Veränderungen ſchließen. Allen Trabanten ſchienen die Wolkengürtel abzugehen; wahrſcheinlich weil ſie entweder nur ſehr wenig Waſſergas, oder ganz waſſerleere Atmoſphären haben. (Meteorologie, iter Bd. S. 272.) In der auſſerord. Beil. zur allg. Zeitung vom 7. Mai 1836 S. 836 fagt hingegen Gruithuiſen: „Die veränderlichen dunkeln Streifen auf der Oberfläche des Jupiter waren 1786 und 96 von Schröter, und von mir von 1814 bis 24 nie anders geſehen worden als dunkelgrau. Allein allmälig verlor unter den mannigfaltigſten Veränderungen J. von ſeineu 4 dunkeln Hauptſtreifen einen nach dem andern, und gegenwärtig hat er nur noch einen einzigen; nnd auch feine feinen ſchmalen Streifen gegen die Polarkreiſe ſind nicht mehr ſo deutlich ſichtbar wie ehemals, und an Farbe völlig hell-bleigrau. Als ich, (was noch ſonderbarer iſt) am 23. April l. J. an meinem neuen 30zölligen achromatiſchen Fernrohre eine 150 malige Vergrößerung auf den J. probiren wollte, erblickte ich den einzigen noch übrigen dunkeln Hauptſtreifen nicht mehr grau, ſondern über Alles deutlich roſtbraun. Ganz daſſelbe ſah ich mit meinem Fraunhofer von 47 Oeffnung, unter andern Ver— größerungen. Ich traute dennoch meinen eigenen Augen kaum aber ein anderes Auge ſah daſſelbe, und man bezeichnete mir die Farbe als hellbraun. Allein 25 Stunden ſpäter, oder nach Rota⸗ tionen J's., hatte ich von dieſer Farbe unter denſelben Umſtänden kaum eine Spur wahrnehmen können. Seitdem habe ich gleich— wohl dieſe Farbe mehrmal eben ſo deutlich wieder geſehen als das erſte maͤl.“ Später (Allg. Zeitung v. 29. Juni 1836, außerord. Beil. S. 1187) erklärt G. dieſen braunen Streif für einen Brand im Wolkenhimmel des J's. der freilich die ungeheuere Größe von 97,000,000 Quadratmeilen haben müßte. Braun erfcheine der Streif wegen der Tageshelle auf J.) fo wie man bei einem in hellem Sonnenſchein brennenden Dorfe das Feuer durch den Rauch gelblich-braun ſehen würde. (Auch Saturn zeige gegenwärtig auf ſeiner nördlichen Halbkugel einen dunkeln Streifen). G. glaubt, J. habe etwas Sonnennatur, weil er, wie ſchon Schröter entdeckte, gleich der Sonne ſchwarze Flecken und weiße Stellen zeige, Oeff⸗ nungen und Fakeln. Die Fleckenzone habe dieſelbe jovigraphiſche Breite, wie jene der Sonne heliographiſche. J. vermöge in ſeiner Wolkenſphäre Licht und Wärme zu entwickeln (I. c. 28. Juni S. 1183). Nach Schröter würde der Aequatorial-den Polar⸗

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Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 055

durchmeſſer J's. um 800 Meilen übertreffen, nach Struve find die ſcheinbaren Durchmeſſer in J's. mittlerer Entfernung 38/42 und 35/%/ 45 / alſo die Abplattung = 0/782. Da die Schiefe der Ekliptik für J. nur 30 iſt, fo folgt, daß Jahreszeiten und Tages— länge auf ihm ſehr wenig Wechſel zeigen, wogegen die aus der jovi— graphiſchen Breite folgenden Unterſchiede ſehr bedeutend ſein müſſen. Den Bewohnern der Aequatorialgegend wird die Sonne faſt immer im Zenith ſtehen, während die Pole ½ Jahr des J. oder etwa 6 Erdenjahre abwechſelnd Sommer und Winter haben. Die Sonne erſcheint auf J. 27mal kleiner als auf der Erde, 6/ im Durchmeſſer; in eben dem Maße erhält J. alſo weniger Licht und Wärme von ſelber. Die vielen Finſterniſſe der Ju- pitersmonde werden den Bewohnern J's. ein angenehmes Schau— ſpiel gewähren, durch die ſchnelle Axendrehung werden fie ihre Zeit und den Ort jedes Geſtirns ſehr genau bemeſſen, und wegen der bedeutenden Größe ihres Planeten die Parallare der Himmelskörper leichter als wir beſtimmen können. Wegen der viel größern Fallkraft der Körper auf J. müßte unſer Sekunden— pendel von 3/ daſelbſt eine Länge von 8 haben, um in einer Sekunde eine Schwingung zu machen.

Auf Jupiter folgt als der zehnte Planet Saturn, kenntlich an ſeinem matten ins bleigraue fallenden Lichte, nicht heller als die gewöhnlichen Fixſterne erſter Größe. Die Sonne erſcheint ihm nur 3/ 20“ groß, ihre Scheibe alſo 90mal kleiner als uns. Eben ſo viel ſchwächer iſt für S. Licht und Wärme. Seine mitt— lere Entfernung von der Sonne iſt 198,984,136 M., die Entfer— nung S's. von der Erde wechſelt von 160—223,000,000 M. Sein Durchmeſſer erſcheint uns in der Erdferne 15“, in der Erdnähe 217 groß. Daß man auf ihm von der Erde etwas wiſſe, if kaum glaublich, da fie ſich vom S. aus geſehen höchſtens 60 von der Sonne entfernt. Noch weniger wird man Merkur und Venus ſehen können. Seine Oberfläche iſt 95 mal, ſein Volumen 928 mal größer als jenes der Erde; da aber ſeine Dichtigkeit etwa 10mal kleiner iſt, als die der Erde (geringer als jene des Tannen— holzes), ſo iſt feine Maſſe nur 95 mal größer, und die Fallge— ſchwindigkeit der Körper nur 14, Pariſer Fuß. Die ſtark brechende, alſo ſehr dichte Atmoſphäre S's. zeigt ähnliche, doch weniger ab— ſtechende Streifen, wie jene Jupiters, und die eben Winter habende Halbkugel erſcheint weißer und heller. Wegen der 300 betragenden Neigung des Aequators auf die Bahn müſſen die Jahreszeiten S's. ſehr ſtark ausgeſprochen fein. Herſchel fand die Abplattung gleich ½ und etwa unter 450 nördl. und ſüdl. Breite eine ſtarke Erhebung, fo daß hier Saturn den größten Durchmeſſer: 1 haben würde, während jener des Aequators nur 0%, jener der Pole nur

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0/89 fein ſoll. Schröter widerſprach, indem er Geſtalt und Abs plattung fortwährend ſtark ändern ſah. Horner (im Art. Saturn in Gehl. Wörterb. neue Bearb. Bd. 8. S. 165) erklärte ſich für Herſchels Anſicht, daß S. ein Viereck, oder vielmehr ein Paralle⸗ logramm bilde, deſſen Ecken tief, doch nicht bis zum Sphäroid abgerundet ſind. (Vergl. Herſchel's Abbildungen des S. in Phil. Transact. für 1805). Gruithuiſen will am 28. Januar 1829 die Saturnskugel gegen den ſüdlichen Pol hin paraboloidiſch ver— ſchmächtigt, und am Südpol ſelbſt aufgebläht, daher ganz entge— gengeſetzt der von Herſchel beobachteten kuboidiſchen Geſtalt geſehen haben. (Anal. für Erd- u. Himmelskunde. Ste Heft S. 45). S. iſt von einem höchſt merkwürdigen Ringe umgeben, mittelſt deſſen er uns in ſehr verſchiedener Geſtalt erſcheint, und den Huyghens 1655 als Ning zuerſt erkannte, nachdem früher Galilei, Hevel, Gaſſendi ꝛc. unrichtige Erklärungen hievon gegeben hatten. Caſſini erkannte ihn 1715 als Doppelring. Nach Struve beträgt der äußere Halbmeſſer des äußern Ringes 19,045, der innere 16,762, der äußere Halbmeſſer des innern Ringes 16,375, der innere 12,667, die Breite des äußern Ringes 2283, die des innern 3708, der Naum zwiſchen beiden 387, alſo der Halbm. des ganzen Doppelringes 6378, der Abſtand des innern Randes von S. 4122 g. M. Die Dicke fand Herſchel & 22, Schröter = 119 M. Nach des Erſtern Be ſtimmung wäre fein ganzes Volumen 13,980,000, 0 Kubikmeilen. Nach Schwabe, dem die meiſten Aſtronomen der neueſten Zeit beigetreten ſind (mit Ausnahme Beſſels) liegt die Kugel nicht ganz konzentriſch im Ring, ſondern etwas weſtlich in demſelben. Der Ring des S. iſt ein dunkler Körper, welcher deutlichen Schatten auf ihn wirft. Das Licht des Ringes ſoll weißer und lebhafter als das der Planetenkugel ſein. Nach Beſſel iſt der Ring jetzt 280 gegen die Ekliptik geneigt, und die Länge ſeines aufſteigenden Knotens in der Ekliptik 1670. Wegen der (immer gleichen) Neigung erſcheint der Ring von Sonne und Erde aus nie als Kreis, ſondern immer nur als veränderliche Ellipſe, deren konſtante große Halbaxe, bei S's. mittlerer Entfernung S 20% 47 / deren veränderliche kleine Halbaxe nie mehr als 9/%55 fein, manchmal bis zu einer geraden Linie (der Dicke des Ringes) abnehmen, da⸗ her für nicht ſehr ſtarke Fernröhre unfichtbar werden oder auch ganz verſchwinden kann, wenn die Ebene des Ringes durch die Erde geht, oder wenn nur die erweiterte Ebene des Ringes zWis ſchen Erde und Sonne durchgeht, wo er uns ſeine dunkle, d. h. unſichtbare Seite zukehrt. Ueberhaupt erſcheint S. ohne Ring, wenn er im öſtlichen Theile des Löwen und weſtlichen des Waffer- manns ſteht, während der Ning am weiteſten offen ſteht beim Stande S's. in den Hörnern des Stiers oder zwiſchen dem

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 237

Skorpion und Schützen. Schröter ſah auf der feinen Licht— linie des Ninges mehrere helle Punkte, die er für Gebirge hält, und zum Theil 200 M. hoch ſchätzt. Herſchel fand aus der Ortsveränderung dieſer Berge eine Notation des Ringes von 10½ Stunden, übereinſtimmend mit der Notation der Kugel ſelbſt. Schröter, welcher im Januar 1803 auf der weſtlichen Anſe einen, auf der öſtlichen zwei ausgezeichnete Lichtpunkte, die er für viel— leicht 100 Meilen hohe Berge hielt, immer in derſelben unverrück— ten Lage beobachtete, läugnet hienach eine Notation des Ringes ganz; man iſt aber Herſchels Meinung beigetreten, da der Ring der Theorie nach rotiren muß, wenn fein Beſtand gefichert fein ſoll, indem die der Kugel nähern Theile ſonſt der Anziehung gegen dieſe folgen, und den Zuſammenſturz des ganzen Ringes herbei— führen würden. Olbers erklärte jene Lichtpunkte Schröters für eine nothwendige Folge der Erleuchtung durch die Sonne, welche nach optiſchen Geſetzen, immer an den von Schröter ange— gebenen Stellen eine ſolche Erſcheinung hervorbringen müſſe, die Ringe möchten auch noch fo ſchnell rotiren. (Vergl. Gruit— hniſens Neue Anal. ten Bds. Ates. und 5tes Hft. S. 64). Hin⸗ gegen Gruithuiſen tritt Schröters Meinung bei und glaubt, daß der Saturnsring ſich wie ein Sonnenmond verhalte, der Sonne ſtets dieſelbe Seite zukehre, daher nicht rotire. (Anal. ꝛc. Heft 7. S. 97). Kapitain H. Kater ſah 1825 den äußern Saturnsring dunkler und von zahlreichen dunkeln Abtheilungen geſchloſſen, wovon eine, die den Ning in gleiche Hälften theilte, mächtiger war als die übrigen. Schon Caſſini, dann Quetelet, Schott hatten ähnliches geſehen. 1826 wurde aber dieſe Theilung des äußern Ringes weder von Herſchel, noch von Struve, noch von Kater, ſelbſt bei ſehr günſtigem Wetter geſehen; alle ſahen aber den äußern Ring dunkler als den innern. Kater fragt: Ob nicht dieſer Lichtmangel des äußern Ringes von einer dunklern Atmo— ſphäre herrühre, die vielleicht in gewiſſen Umſtänden eine ſchein— bare Theilung des äußern Ringes darſtelle? (Gruith. Anal. ꝛc. tes Hft. S. 55). Gruithuiſen erklärte ſchon 1825 in einer Mit⸗ theilung an Harding den äußern Ning für einen Wolkenring (Anal. 2tes Hft. S. 12) und glaubt, daß Katers Beobachtungen feine Ver— muthung beſtättigten. Von der Aequatorialzone des S's. fehen feine en nur die dunkle innere Kante des Ringes, welche außer den

irſternen auch noch die 7 Monde verdeckt, weil dieſe ſich in der Ebene des Ringes bewegen. Bis 550 nördl. und ſüdlicher Breite erfcheint der Ning als ein immer breiterer leuchtender Bogen für die eben der Sonne zugewendete Halbkugel, während er der eben abgewen— deten viel vom Himmel verdeckt und jahrelange Sonnenfinſterniſſe hervorbringt. Von 55—900 Breite iſt der Ring immer unſichtbar.

238 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

Viele Aſtronomen halten dieſen ungemein merkwürdigen Ring für eine feſte, gleichſam aus verwachſenen Monden beſtehende Maſſe. Horner ſteht ihn hingegen (I. e. S. 174) für einen konſtanten Wolkenzug an, für eine durch Centrifugalkraft von dem Planeten losgeſchleuderte dunſtförmige Waſſermaſſe.

Uranus, der Alte und letzte Planet bewegt ſich in einer mittlern Entfernung von 397,989,255 M. um die Sonne. Seine Entfernung von der Erde wechſelt von 382—419,000,000 M., fein fcheinbarer Durchmeſſer von 4/%3 —3/¼/ͤ . Er erſcheint uns als kleine, matt aber gleichförmig beleuchtete Scheibe, auf der man weder Streifen noch Flecken erkennen kann. Flamſtead hatte ihn ſchon 1690, Tob. Mayer 1756 beobachtet, aber beide hatten ihn als Fixrſtern eingetragen, bis ihn Herſchel 1781 wieder auffand und als Planet erkannte. Seine Oberfläche iſt beinahe (8mal, ſein Volumen 76mal größer als jenes der Erde, ſeine Dichtigkeit 5 mal geringer, und die Fallgeſchwindigkeit der Körper auf ihm 14½ in der Sek. Die Sonne erſcheint ihm unter einem Winkel von 1/ 407, in der Fläche 300mal kleiner als uns. Die Abplat⸗ tung ſoll nach Herſchel bedeutend fein; die Rotationszeit iſt nicht bekannt, da man auf U. noch keine Flecken ſah. Die Uranusbahn fällt ſehr nahe mit nnferer Ekliptik zuſammen, und die Bahnen der 6 Uranusmonde ſtehen auf fie beinahe ſenkrecht. Da um die Monde der übrigen Planeten ſich in deren Aequatorebene bewegen, und dieß wahrſcheinlich auch hier der Fall iſt, ſo ſteht alſo der Aequator des U. ſenkrecht auf feiner Bahn, oder die Schiefe der Ekliptik iſt für ihn = 900, was den größtmöglichen Unterſchied der Jahreszeiten, und für die Polarländer des U. eine 42jährige Nacht und einen eben ſo langen Tag begründet.

III. Klaſſe. Die Monde oder Nebenplaneten. Weltkörper ohne Axendrehung, welche ſich in elliptiſchen Bah⸗ nen um die Planeten bewegen, die faſt mit deren Aequatorial⸗ ebene zuſammen fallen und denſelben immer die gleiche Seite zeigen, während fie, im Raume Cykloidallinien beſchrei— bend, die Planeten auf ihrer Bahn um die Sonne begleiten, und bei jedem Umlauf um jene, der Sonne nach und nach alle Punkte ihrer Oberfläche zukehren.

Obige Beſtimmung iſt zum Theil mit Hülfe der Analogie abgefaßt. Man hat bis jetzt nur am 2ten und Aten Jupitersmonde und am 7ten Saturnsmonde Flecken und Umwölkungen wahrge⸗ nommen, aus denen ſich abnehmen ließ, daß auch ſie, wie unſer Mond, ihrem Planeten immer nur eine Seite zuwenden.

Man hat bis jetzt 18 Monde in unſerem Sonnenſyſteme

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 239

entdeckt, wovon 4 um die Erde, A um Jupiter, 7 um Saturn und 6 um Uranus ſich bewegen. (G. H. Schubert glaubt, daß Uranus 10 Monde habe, weil man von unſerem Monde angefangen, immer eine Zunahme von 3 bemerke, und weil der nächſte Uranusmond 13 Halbmeſſer des Hauptplaneten von dieſem entfernt ſei, während die 5 innerſten Saturns- ſo wie die 2 innerſten Jupitersmonde ſaͤmmtlich näher als 12 Halbmeſſer ihres Planeten an dieſem ſtehen). J. Der Mond der Erde.

Literat. Mit Uebergehung der ältern meiſtens fragmentari⸗ ſchen und unvollkommenen Beſchreibungen, welche Galilei, Scheiner, Schielaus, Riecioli (deſſen Namengebung übrigens jetzt noch gebräuchlich iſt) von der Mondoberfläche geben, führen wir nur an: Hevelii Selenographia 1640. Schröter, ſelenotopographiſche Fragmente zur genauern Kenntniß der uns ſichtbaren Mondoberfläche; 2 Bde. mit zahlreichen Karten, 4. 1799—1802. Lohrmann, Topographie der Mondoberfläche, ites Hft. 6 Karten mit Beſchreibung, Lpzg. 1824. General- karten vom Monde lieferten Dominik Caſſini 1640, Tobias Mayer, (herausgegeben 1775 von Lichtenberg, verbeſſert von Gruithuiſen 1820, in Act. Academ. Caes. Leop. Bd. 10). Beer und Mädler, topographiſche Karte der ſichtbaren Mondober— fläche (3/ Durchm.), Berlin 1835—37.

Unſer Mond läuft in einer Bahn um die Erde, welche nicht genau in der Ekliptik liegt, ſondern um 509 / gegen fie geneigt iſt, und die Knoten der Mondsbahn gehen in nahe 19 Jahren ganz um die Erde herum. Der höchſte und tiefſte Stand des Mondes im Meridian kann alſo auch um 509 / vom höchſten und tiefſten Stand der Sonne ver- ſchieden ſein, und die größte Deklination des Mondes daher bis auf 280 37/, und zu einer andern Zeit wieder nur bis zu 180 19 / gehen. Jedermann weiß, daß der Vollmond im Winter immer ſehr hoch, im Sommer hingegen immer ſehr niedrig im Meridian ſteht. Dieſes rührt daher, daß der Mond zur Zeit ſeines Volllichts der Sonne ſtets gerade gegenüber ſich befindet, und alſo im Winter in jenem Theile der Ekliptik weilt, den die Sonne im Sommer einnimmt, und der am höchſten über dem Aequator ſteht. Im Sommer hat bei Vollmond gerade das Gegentheil ſtatt. Da der Aequator des Mondes gegen ſeine Bahn nur um 6,6 geneigt iſt, verſchwindet der Unterſchied der Jahreszeiten auf ihm faſt gänzlich, da die Bewohner der Aequatorialzone, ſo lange ſie der Sonne zugekehrt ſind, dieſe faſt immer im Scheitel, jene der Pole im Horizont haben. Der Unterſchied nach der ſelenographi⸗ ſchen Breite muß alſo ſehr groß ſein; die Aequatorialzone wird immer Sommer, die gemäßigten Zonen werden immer Frühling, die Polarzonen des M. immer Winter, haben. Tage und Nächte find

220 | Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

immer faſt gleichlang. Der Tag oder die Zeit zwiſchen 2 Auf⸗ gängen der Sonne fällt für die Mondbewohner mit ihrem Jahre zuſammen; beides dauert 29½ Tage, binnen welchen nach und nach alle Theile von der Sonne beſchienen werden, und jeder Ort dieſelbe 14% Tage über und eben fo lange unter dem Horizont hat. —-Wäh⸗ rend der allgemeinen, obſchon ſehr langſamen Umwälzung des ganzen Himmels erſcheint den Seleniten die Erde als eine prachtvolle, alle Himmelskörper, die Sonne nicht ausgenommen, weit an Größe übertreffende Scheibe immer am ſelben Punkt des Firmaments zu ſtehen, ſich innerhalb 24 Stunden einmal um ihre Axe drehend und hiebei die mannigfachen Flecken zeigend, die aus der Verthei⸗ lung von Land und Meer auf ihr entſtehen. Die in der Mitte der Mondſcheibe lebenden Bewohner werden die Erde immer im Zenith ſehen, die am Rande lebenden am Horizont. Die Erde erſcheint ihnen als 13mal größere Scheibe, als uns der Mond, nnd Sonne und Sterne ſcheinen in 29½ unſerer Tage einen Um⸗ lauf um dieſelbe zu machen. Die Erde zeigt den Seleniten genau dieſelben Lichtgeſtalten, wie uns der Mond, jedoch immer umge⸗ gekehrt, ſo daß, wenn wir Neumond haben, ſte Vollerde haben, wenn wir den Mond im letzten Viertel ſehen, fie uns im erſten Viertel beleuchtet erblicken, wenn der Mond für uns im erſten Viertel iſt, wir für ihn im letzten Viertel ſind, und wenn er für uns ganz beleuchtet erſcheint, die Seleniten Neuerde haben, d. h. nur die dunkle Seite der Erde ſehen. All Dieſes gilt aber nur für die uns zugewandte Seite, da man von der entgegen⸗ geſetzten die Erde nie ſehen kann und ihre etwaigen Bewohner daher zu gewiſſen Zeiten weder Sonnen- noch Erdenlicht genießen. Obwohl uns der Mond immer die gleiche Seite zukehrt, ſo be⸗ kommen wir doch wegen der Libration deſſelben, Theile der ent⸗ gegengeſetzten zu ſehen. Schon bei ſchwachen Vergrößerungen erſcheinen die hellen und dunkeln Flecken des Mondes als Berge, Thäler und Ebenen. Die erſtern werfen deſto längere Schatten, je kürzer die Sonne über ſie aufgegangen iſt und je tiefer ſie daher für ſie ſteht. Daher iſt der Vollmond die ungünſtigſte Zeit, die Struktur der Mondoberfläche kennen zu lernen, weil dann für die Mitte der ganzen Scheibe die Sonne im Mittag ſteht, die Berge keinen Schatten werfen, und nichts fo markirt hervortritt, wie es in den Tagen kurz vor und nach dem Neumond der Fall iſt. Das Licht des Vollmondes iſt nach Bouguer's Meſſungen etwa 300,0 0mal ſchwächer, als jenes der Sonne; nach Verſuchen des Grafen von Maiſtre dringen die Mondſtrahlen etwa 40 Fuß in's Meer ein. (Institut, 1835, pag. 176.)

Die höchſten, meiſtens in der ſüdlichen Halbkugel liegenden Berge auf dem M. erreichen nach Schröter eine abſolute Hübe

„* des Sonnenſyſtems. . 241

von mehr als 25,007; iR Dorf 25/000/% Leibnitz 25,200) und ver⸗ halten ſich daher während die höchſten Spitzen des Himalayab zum Halbmeſſer der Erde nur im Verhältniſſe = 1: 812 ſtehen. Die Krater Helikon und Ber⸗ noulli erreichen die erſtaunliche Tiefe von 13/000 / und 18/000 / bei 4 und Meilen Durchmeſſer. (Die Höhe der Mondberge mißt man theils nach der Länge ihres Schattens, theils nach der Entfernung von der Lichtgränze; die am Rande ſtehen⸗ den unmittelbar mittelſt des Mikrometers, indem man ihre Erhe— bung über den Rand mit der bekannten Größe des Mondhalb- meſſers vergleicht.) Da die Mondmaſſe kaum der Fedmaſſe beträgt und die Körper auf ihm in der erſten Sekunde nur 2% fallen, ſeine Schwerkraft alſo mehr als 5mal geringer als jene der Erde iſt, ſo können vulkaniſche wie plutoniſche Kräfte allerdings eben fo vielmal größere Wirkungen hervorbringen, wor- aus, wenigſtens nach der Erhebungstheorie, die Höhe der Mond— gebirge begreiflich würde. Man unterſcheidet von dieſen dreierlei Formen: Kettengebirge, denen der Erde ähnlich, Ninggebirge, die Manche wohl mit Unrecht unſern Vulkanen vergleichen und Kegelberge. Erſtere laufen meiſtens von ſehr hohen Bergrücken ſtrahlenförmig nach verſchiedenen Seiten und in bedeutende Ferne aus: ſo z. B. vom Kopernikus 4 große und mehrere kleine Strei— fen nach Norden. Manchmal beginnen Kettengebirge von einem Ninggebirge, oder durchſetzen ein ſolches, oder endigen wieder in einem. Mehrere dieſer Ketten haben die außerordentliche Länge von 50 90 Meilen, bei nur 1, ja nur ½ oder ½ Meile Breite. Gruithuiſen ſah Gegenſtände, die nach ſeinem Ausdruck gerade ſo ausſehen, wie unſere chineſiſche Mauer ſich ausnehmen würde, vom Monde aus mit ſtarken Fernröhren beobachtet. (Neue Anal. Ates und 6tes Heft, ©. 133.) Ohne Zweifel ſind dieſes ſolche lange und ſchmale Bergzüge, von welchen die Erde nichts Aehn— liches darbietet. Die Ringgebirge ſind kreisförmige, mehr oder minder regelmäßige Wälle, welche eine gewölbte kreisförmige Fläche (Centralgewölbe) einſchließen, die ſich in der Mitte am mei⸗ fen, oft in einen oder mehrere iſolirte Kegelberge erhebt. Manch⸗ mal iſt ein größerer oder geringerer Theil des Walles zerſtört; oft nur ein Segment von ihm übrig. Ninggebirge kommen zu vielen Tau⸗ ſenden über die ganze Mondoberfläche zerſtreut oder in Meridianreihen gruppirt vor; von 30 Meilen (ſo daß die von ihnen umſchloſſenen Räume oft mehrere hundert UM. groß find) herab bis 1007 Durchmeſſer, von 18/000 / bis nur 15/ Erhebung über ihre Becken, und geben dem Monde ein eigenthümliches, ſehr von dem unferer Erde abweichendes Anſehen. Merkwürdig genug ſind oft ſehr tiefe Krater ohne RNinggebirge. Wahrend Viele dieſe Ringgebirge

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242 Aaugemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

für erloſchene Vulkane halten, glauben Beer und Mädler, ſie ſeien Wirkungen bloßer Gasausbrüche. (Amtl. Bericht ü. d. Berf. d. Naturf. zu Jena 1836, S. 48.) Gruithuiſen nimmt nach der, im sten Hauptſtück zu entwickelnden Aggregationstheorie an, daß fie durch in den Mond einſchlagende Meteorkugeln gebildet ſeien, welche wegen ihrer Erhitzung und Erweichung einen Ning als Wallgebirge abſtreiften, während oft noch ein Segment der ver⸗ ſunkenen Kugel als Centralgewölbe ſichtbar iſt. Meiſtens iſt die Maſſe dieſer Ninggebirge ſo groß, daß ſie ungefähr das entſpre⸗ chende Becken ausfüllen würde, wie Schröter durch Verſuche mit Modellen bewieſen hat. Lavaſtröme find auf dem Monde nir⸗ gends ſichtbar, wohl aber zeigen ſehr gute Fernröhre Stratififn- tionen. Die oben angeführten Kegelberge oder einzelnen Berg⸗ kegel ſind in manchen Gegenden ſehr zahlreich und erheben ſich ſchroff aus Ebenen. Hin und wieder ſieht man Vertiefungen, Furchen, welche ſehr ſchmal, oft ziemlich gerade, manchmal viele Meilen lang find, häufig an einem NRinggebirge beginnen, an einem andern enden, manchmal mitten durch kleinere Krater hinlaufen, oder auch (früher als ſie gebildete) Gebirgsketten durchbrechen und auf der andern Seite in gleicher Richtung fortſetzen. Vielleicht ſind ſie den Spalten der Erdrinde vergleichbar, worauf, wie man annimmt, unſere Vulkane ſtehen; manche dürften indeß doch Ninnſale ehe⸗ maliger Flüſſe ſein. Die großen, dunkeln Flecken des Mondes wurden früher für Meere gehalten, haben noch jetzt die ihnen als ſolchen gegebenen Namen, find aber trockene Ebenen. Die ſcharf abgeſchnittene Lichtgränze, der unmittelbare Uebergang des hellſten Lichtes in das tiefſte Dunkel, die plötzliche Bedeckung der hinter den Mondrand tretenden Fixſterne deuten auf eine ſeh dünne Atmoſphäre des Mondes. Doch will Schröter eine äuſ⸗ ſerſt ſchwache Dämmerung an den Hörnerſpitzen des Neumondes beobachtet haben und beſtimmt hiernach die wahrſcheinliche Höhe der ſicher ſehr dünnen Mondluft zu 1400 / allerhöchſtens zu 7878 /. Der faſt gänzliche Mangel eines Luftkreiſes würde auch den des Waſſers nach ſich ziehen, welches auf dem M. in größern Maſſen ganz ſicher fehlt: denn die ſogenannten Meere zeigen bei ſtarker Vergrößerung immer Hügel, Thäler, Einſenkungen u. ſ. w. Der jüngere Herſchel hat jedoch mit den vorzüglichſten Teles⸗ kopen vollkommen ebene Stellen geſehen, die er für Alluvialbil⸗ dungen hält. Gruithuifen behauptet, daß der Mond auf feiner Oberfläche ſehr viel aufgeſchwemmte Landflächen habe, die man als ſolche mit guten Fernröhren erkenne. Die älteſten Ge⸗ birge ſeien ſämmtlich von der Spitze bis zum Fuß durch Verwit⸗ terung abgenagt. In allen Gegenden fänden ſich Ningwälle, weine mehr oder. ‚weniger deutlich, größere BIETE |

Beſchreibende Darſtelung des Sonnenſyſens. 243

tragen, als die neuern in fie hinein gebildeten; ja manche Ning- gebirge ſeien durch Verwitterung beinahe aufgezehrt: ſo der Newton, der Süden des Plato und viele andere vorzüglich in den ſogenannten Meeren. Der vom Newton noch übrig gebliebene Pik ſei 9000 Fuß hoch, in welcher Höhe die ſo dünne Mond⸗ atmoſphäre keine Wolken mehr zu tragen, alſo atmoſphäriſches Waſſer keine Verwitterung mehr zu bewirken vermöge. Das ehe⸗ malige Meer des Mondes 30 30,000 F. hoch geweſen fein. (Neue Anal. 2ten Bdes Ites Hft. S. 35). Am 23. März 1836 ſah G., als die Lichtgrenze mitten über die Ringgebirge des Eudoxus und Ariſtoteles ging, über der ſchon Tag habenden weſtlichen Hälfte beider Gebirge, und weit umher unzählige kleine Gegenſtände, die er für Bergköpfe hielt; am 6. und 22. Mai bei gleicher Be: leuchtung nichts von ihnen. Am 8. Februar und 3. Sept. 1821 hatte er zwar auch jene Gegend mit ſolchen Gebilden beſäet ge⸗ ſehen, aber nicht die oberſten Ränder der Gebirge. Dieſe Gegen⸗ ſtände könnten alſo nur Wolken geweſen ſein. (Allg. Ztg. vom 29. Juni 1836. Außerordentl. Beil. S. 1187.) Von Spuren des Waſſers ſpricht G. an mehreren Orten. So in den neuen Anal. ztes Hft., S. 67., wo er auch gegen Elie de Beaumont behaup⸗ tet, daß man Flußbetten auf dem Monde entdeckt habe. Schon Schröter habe das Hauptflußbett beim Hyginus entdeckt, und er, G., die 3 Flußarme dazu gefunden. Auch ſei es ihm gelungen,

zwiſchen dem Hyginus und Hipparchus ein Flußbett mit 7 Armen

zu finden, von welchem einzelne Theile oft atmoſphäriſch bedeckt waren. Der Mond habe ihm und Schröter oft Wolken gezeigt, alſo müſſe er auch Waſſer haben. Schröters Wargentin beim Schickard habe er, G., bald abgeſtrichen, bald nur halb voll Ne⸗ bel geſehen, der ſich zuweilen zu Wolken ausbildete; vielleicht habe Wargentin in feinem Keſſel Waſſer. Die feinen 5 Cirecell⸗ chen im Plato ſähen aus, als ob ſie unter Waſſer ſtünden. Das Zerfreſſenſein der älteſten und höchſten Mondberge bis an ihre Gipfel bezeuge, daß der Mond einſt ganz in Waſſer gehüllt war, da er in ſolche Höhe keine verwitternden Meteore hat. Die hellern Stellen, welche Schröter und Gruithuiſen in der Ning⸗ fläche des Plato ſahen, hält Letzterer für Nebel, welche bei höhe⸗ rem Stande der Sonne zuweilen verſchwinden. Dann ſah G. öfters 3 5 äußerſt feine Cireellchen auf iener Fläche, die er für Seen hielt. Im Südweſten vom Schickard, im Billy, Bosco⸗ vich, Archimedes, Firmikus u. m. a. zeigen ſich ähnliche Verhält⸗ niſſe. (Anal. f. Erd⸗ und Himmelsk. Hft. 2. S. 39.) Verände⸗ rungen im Anſehen mancher Gegenden und Berge, welche ſich kaum anders, als durch atmoſphäriſche Bedeckungen erklären laſſen, hat außer Gruithuiſen ſchon Schröter beobachtet: beide ſahen

244 Allgemeine Naturgefchichte. III. Buch.

manchmal nebelartige Umhüllungen im Grunde tiefer Krater. Auch ſah man bei totalen Sonnen- und Mondfinſterniſſen um den Mond ein aſchfarbenes Licht, einen hellen Ring, eine Flammen⸗ röthe, was gleichfalls auf eine Atmoſphäre deutet. Hingegen bemerkt Gruithuiſen auch, daß es merkwürdiger Weiſe Gebilde auf der Mondfläche gebe, die bei allen Stellungen der Sonne durchaus ihre Geſtalt nicht ändern. So ſehr veränderlichen Glanz und Umfang der Mondberg de la Hire zu Schröters Zeit zeigte, und unter mancherlei Geſtalten erſchien, ſo konſtant ſei er jetzt (1832) in allen dieſen Dingen unter allen Librations⸗ und Er⸗ leuchtungsumſtänden: aber er habe jetzt nicht mehr die ſcheinbare Größe wie ehemals, und in der Mitte eine überaus augenfällige, dreieckige Höhlung, die Schröter an ihm gar nie ſah. Schröter ſchrieb den größten Theil ſeiner Veränderungen atmoſphäriſchen Ereigniſſen zu; jetzt müßen dieſe ſich alſo nicht mehr wiederholen. Auf gleiche Weiſe ſehe Gruithuiſen unter allen Stellungen der Sonne gegen das von ihm entdeckte ſenſenähnliche Wallgebilde im Süden des Pikard, oder gegen das im Mondflecken Grimaldi befindliche, an den Enden mit kuppelähnlichen Erhöhungen ge⸗ zierte Wallwerk, dieſe Gebilde immer wieder in derſelben Geſtalt, wie ſie von ihm zum erſtenmal geſehen wurde. (Bode's aſtronom. Jahrb. für 1820. Dab. I. F. 2.) Andere Mondberge zeichneten ſich im Gegentheile täglich durch andere Geſtalt aus, ſo der ſeit Schröters Zeit total veränderte Berg, (Selenot. Fragm. tab. 2, 23, 40 e) welchen Schröter auch ſcheinbar veränderlich fand.

Ein großer Theil dieſer Veränderungen iſt nach Schröter und Gruithuiſen atmoſphäriſch. Eine reguläre Geſtalt bleibt auch bei veränderter Libration oder Beleuchtung gleich sc. (Neue Analekt. 2tes Hft. S. 7. ff.) Der neu entſtandene Krater, welchen Schröter beim Flecken Hevel ſah, der vom ſelben oft beobachtete längliche Berg im Mare Crisium, welcher plötzlich rund mit einem % Meilen breiten Krater, nach einem Monat jedoch wieder längs lich ohne Krater erſchien, laſſen ſich vielleicht auch auf atmo⸗ ſphäriſche Urſachen zurückführen. Schon ein oberflächlicher An⸗ blick des Mondes zeigt die Spuren außerordentlicher Zerſtörungen und Umwälzungen, mögen dieſe nun erfolgt ſein durch Einſturz zahlreicher Meteorkugeln, oder nach Schröter u. A. durch von innen heraus wirkende Kräfte, welche allgemeine Turgescenz und an vielen Stellen Eruptionen, hiedurch Schmelzungen und Ver⸗ glaſungen hervorbrachten, und ſpiegelnde Flächen (ſo vielleicht in dem durch feinen befondern Glanz bekannten Ariſtarch) bildeten. Lichterſcheinungen, welche Manche auf Vulkanität bezogen, wurden im M. öfter beobachtet. So ſahen Halley und W. Her⸗ ſchel Blitze; Letzterer in der Nachtſeite einſt einen hellleuchtenden

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Beſchreibende Darſtellung des Sonnensystems. 243

Punkt. Ein von Bianchini im Plato geſehenes, vorübergehendes Licht erklärt dieſer durch Sonnenſtrahlen, die durch ein Loch des Wallgebirges einſtelen. Auch gewahrte man einigemale Lichtſpru— del, wandelnde Lichter u. ſ. w. Gruithuiſen beobachtete Licht⸗ erſcheinungen, welche er für ein Aequatorial- und Polarlicht des Mondes hält. (Neue Anal. 2ten Bds. 2tes Hft. S. 11). Abge⸗ ſehen von den oben angeführten atmoſphäriſchen Veränderungen hat Hahn von Remplin auf ein monatliches Farbenſpiel in den großen Flächen hingewieſen, welches er durch Vegetation erklärt, die mit der Sonne fortrücke. Auch Schröter äußerte ſich mehr⸗ mal über Pflanzenwelt und Bewohntheit des Mondes, und hielt „manche Mondgegenden für ſo fruchtbar, wie die Kampaniſchen Gefilde.“ Ueber gewiſſe Konfigurationen, welche Gruithuiſen für Kunſtgebilde hält, (unter Anderem eine Stadt von 5 Stunden Länge, mit einem dabei liegenden Fort) vergl. Kaſtners Arch. Bd. 1 und 10 und Berl. aſtron. Jahrb. für 1828 und 29. Der größte graue Flecken im Nordoſten des Mondes iſt das Mare imbrium, Südlich an ſelbem liegen die Ninggebirge Kepler und Kopernikus; in ſeiner ſüdweſtlichen Bucht Eratoſthenes, im Weſten Archimedes, Autolykus, Ariſtippus, Caſſini; im Norden Plato, der Sinus iridis, öſtlich Ariſtarch; die ſüdweſtliche, beinahe in der Mitte der Mondſcheibe liegende Bucht iſt der Sinus aestuum. Am öſtlichen Mondrande liegt der Oceanus procellarum und in ihm das Ringgebirge Galilei; an ihm, faſt am Rande Grimaldi, Rie- eioli,. Hevel. In der nordweſtlichen Halbkugel liegt das Mare serenitatis; nördlich von ihm die Ringgebirge Kalippus, Eudorus, Ariſtoteles; nordweſtlich Poſidonius; gleichfalls in der nordweſt⸗ lichen Halbkugel, dem Aequator und Mondrande näher, liegt das kleine ovale Mare erisium; ſüdlich von ihm Kleomedes. Die Maria Tranquillitatis, Nectaris und Foecunditatis bilden eine zuſammen⸗ hängende Maſſe in der weſtlichen Halbkugel, dieß- und jenſeits des Aequators; in und an dieſen Meeren liegen Plinius, Tarun⸗ tius, Langren, Petavius, Fracaſtor, Cathar, Theophilus ze. In der ſüdöſtlichen Halbkugel liegt das Mare nubium; an feinem weſt⸗ lichen Nande die Ninggebirge Hipparch, Albategnius, Ptolemäus, Alphons, Arzach, Purbach, Regiomontanus, Walther; in ihm Bullialdus, Guerike, Landsberg. Oſtnordöſtlich vom Mare nubium liegt das kleine Mare humorum, ſüdlich in ihm Gaſſendi. In der Nordpolarzone liegen der Sinus roris, das Mare frigoris, die Ring⸗ gebirge Harpalus, Pythagoras, Endymion; in der Südpolarzone ungemein zahlreiche Ninggebirge, wie Schikard, Longomontan, Tycho, Maginus, Stöfler, Clavius, Maurolykus ꝛc. und die Ket⸗ tengebirge Leibnitz und Dörfel.

II. Die 4 e des Jupiter. Ihre Bahnen ſind ie

246 Aungemeine Naturgeſchichte. ML Buch.

ihres Planeten nur 2— 30 geneigt, weßwegen ſie faſt in einer

gerade durch Jupiters Aequator gehenden Linie ſtehen. Nach der Tabelle iſt der 2te der kleinſte, der zte der größte. Von Jupiter aus erſcheinen der tte 33“, der 2te 17/, der ste 19“, der Ate 7/ groß. Vom (ten Monde aus zeigt ſich der Hauptplanet unter einem Winkel von 19%, alſo als 1370mal größere Scheibe als man bei uns, und 37,000mal größere, als man daſelbſt die Sonne ſieht; ein wundervoller Anblick! Man ſieht die Monde manchmal als dunkle Flecken vor der Scheibe J's. vorübergehen, und hat

auf ihnen dunkle, veränderliche Flecken (durch welche man ihre

Notationszeit beſtimmte), und beim Aten eine periodiſche Licht⸗ änderung bemerkt. Die häufigen Verfinſterungen der Jupiters⸗ monde durch ihren Planeten, dienten (vorzüglich vor der Vervoll⸗ kommnung der Tafeln unſeres Mondes) zur leichten Beſtimmung der geographiſchen Länge, beſonders auf dem Meere. Wegen der eigenthümlichen Verhältniſſe der mittlern Längen, und der mitt⸗ lern ſideriſchen Bewegungen der 3 erſten Monde können ſie nie zug leich verfinſtert werden: weil, wenn der erſte verfinſtert wird, die beiden andern ihm gegenüber ſtehen müſſen, und ihrerſeits Jupiter verfinſtern. Es iſt ziemlich ausgemacht, daß auch fie ihrem Planeten immer die eine Seite zuwenden, vielleicht in Folge deſſelben phyſiſchen Grundes, den man bei unſerem Monde an⸗ nimmt. Nach den Tafeln, welche Delambre (nach vorausge⸗ gangenen Arbeiten von Bailly, Lagrange, ae ꝛc.) für dieſe Monde berechnet hat, beträgt ihre Maſſe „a 1888888 Tsssses / Tore der Jupitersmaſſe; ihre Dichtigkeiten verhalten ſich zur 1 der Erde, dieſe gleich 10 geſetzt, wie 1, 4, 3, 4. Die Körper fallen auf ihnen in der erſten Sekunde 0,5, 17% 2 und Ay Fuß. Man verdankt den Jupitersmonden die Auflöſung des wichtigen Problems der Meereslänge, und Bradley fand durch ſte die Abirrung und Geſchwindigkeit des Lichtes. 5

III. Die 7 Monde des Saturn's. Die Bahnen der 6 näch⸗

ſten fallen beinahe mit der Ebene des Ringes zuſammen; die des

ten iſt beträchtlich auf jene geneigt. Am leichteſten iſt der fernſte oder 7te zu ſehen, noch ziemlich leicht der 6te; nur durch ſtarke Fernröhre die 3 nächſten; die 2 innerſten nur durch die ſtärkſten Fernröhre und bei den günſtigſten Verhältniſſen. Die über 270 betragende Neigung ihrer Bahnen gegen die Ekliptik S's. iſt Urſache, daß fie äußerſt ſelten verſinſtert werden. Bei einigen (namentlich beim 7ten) hat man Flecken beobachtet, die era für ſie eine Rotation von Weſt nach Oſt beweiſen.

IV. Von der phyſiſchen Beſchaffenheit der 6 Mo nde er Ura⸗ nus iſt zur Zeit noch nichts bekannt. Bei ihrer außerordentlichen

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 247

Entfernung können ſie überhaupt nur durch die ſtärkſten Fernröhre geſehen werden. Am leichteſten find noch der 2te und Ate, die auch von W. Herſchel zuerſt entdeckten zu ſehen, welche auch Schröter beobachtete, während die übrigen außer H. noch Niemand geſehen hat und ſie daher noch immer zweifelhaft ſind. Sie müſſen bedeu⸗ tende Lichtſtärke befiben und vielleicht größer fein als unſer Mond, um überhaupt noch ſichtbar zu ſein. Da ſie ſich auf der Bahnebene des Saturns ſenkrecht bewegen, fo müſſen fie wie Saturn ſelbſt,

abwechſelnd eine 42jährige Nacht und einen 42jährigen Tag haben.

IV. Klaſſe. Kometen.

Literat. Gruithuiſen, über die Natur der Kometen, München

1811. Gelpke, neue Anſichtn über den merkwürdigen Na⸗

turbau der K., Ate Ausg. Lpzg. 1834. Fiſcher, neue Er⸗ fahrungen und Anſichten über die K., Wien 1834. Ofter⸗ dinger, über Kometen, beſonders über K. mit kurzer Umlaufs⸗ zeit, Stuttgart 1835. Arago, Betrachtungen über die Bewegung und Natur der K. nebſt ihrer Einwirkung auf unſere Erde, Brünn 1833.

Weltkörper von höchſt verſchiedener Geſtalt, und mehr ätherifcher Natur, die ſich in großem Volumen und weiter Zer⸗ ſtreuung ihres (vielleicht zum Theil ſelbſt leuchtenden) Stoffes, daher geringer Dichtigkeit ausſpricht, welche ſich unter den verſchiedenſten Neigungen ihrer Bahnebenen, nicht nur von Weſt nach Oſt, ſondern auch von Oſt nach Weſt C verkehrtläufig 4 um die Sonne bewegen. Ihre Perihelien fallen zum Theil weit inner die Merkursbahn, zum Theil weit über die Uranusbahn hinaus, und manche mögen in hyberboliſchen Bahnen in Ge⸗ biete anderer Sonnen treten. Man hielt dieſe, ſchon in ihrem Aeußern von den Planeten ſehr abweichenden Weltk örper, noch am Ende des Mittelalters für geſetzlos entſtehende und ver⸗ gehende Erſcheinungen. Noch bis auf Tycho de Brahe und Kepler glaubte man, die Kometen ſeien eine Art Meteore, kosmiſcher Irrwiſche, die bald hier bald da im Weltraume in der Nähe der Planeten ſich durch Zufall plotzlich entzünden und eben ſo ſchnell wieder verlöſchen. Man hielt es daher nicht der Mühe werth, ihre Bahnen zu berechnen, und hierin liegt der Grund, warum wir über faſt alle Kometen, von denen die ältere Zeit erzählt, immer in Ungewißheit bleiben werden.

Bei dieſen Weltkörpern herrſcht nicht die ſtrenge Regel,

248 Augemeine Naturgeſchichte. II. Buch.

welcher die Planeten unterworfen ſind: das Beharren in der dem Kreiſe nahen Ellipſe, und die geringe Neigung der Bahn⸗ ebenen wenigſtens der ältern Planeten auf die Ebene des Sonnenäquators. Sie, die freien Söhne des Aethers bewegen ſich unter allen möglichen Ebenen, von 0 bis 905 Neigung, von geringerer bis zur erſtaunlichſten Exzentrizität, rechtläufig oder verkehrtläufig um die Sonne. Die Kometen ſpiegeln in unſerem Planetenſyſtem gleichſam die unendliche Mannigfaltigkeit der Gebilde des Firſternhimmels ab. Wäh⸗ rend manche von ihnen nur die Ausdehnung unſerer Wolken haben, treten andere bei geringer Maſſe doch in koloſſaler Größe auf, welche die der mächtigſten Planeten vielfach übertrifft.

Die Kometen ſind der freie Ausdruck des ätheriſchen Lebens, die Boten des Univerſums, welche die Sonnengebiete mit einander verbinden, welche Bewegung und Stoffwechſel im Weltraum unterhalten, und den ruhenden Urgegenſatz zwiſchen Licht und Schwere fortwährend neu aufregen.

Nach den zuverläßigſten Berechnungen beträgt ihre Zahl nur im Syſteme unſerer Sonne Millionen, fo daß fie Lam⸗ bert, welcher zuerſt (in ſeinen kosmol. Briefen über d. Welt⸗ bau) richtige Ideen über die Zahl und Bedeutung der K. aufſtellte, für die vorzüglichſten, eigentlichen Bewohner unſeres Sonnenſyſtems hielt. Solcher Reichthum iſt eben durch die Mannigfaltigkeit ihrer Bahnen möglich geworden. Bei der un⸗ geheuern Exzentrität mancher iſt es mehr als wahrſcheinlich, daß ſie in ihren ſo weit entfernten Aphelien zu einer andern Sonne größere Anziehungskraft erhalten und in ihr Gebiet übergehen, bis fie in darauf folgenden Aphelien zu einer. dritten, vierten Sonne und folgenden in gleiches Verhältniß treten. So wären die Kometen das Band zwiſchen den Sonnenſyſte⸗ men, welche, ſonſt nur durch die Schwere in Beziehung auf einander, durch ſie es auch in der Erſcheinung würden.

Hiſtoriſch werden nur etwa 500 Kometen erwähnt. Sehr viele werden aber nur durch Fernröhre ſichtbar, andere nur in der ſüdlichen Halbkugel, manche kommen nur bei Tage über den Hori⸗ zont, oder ſind nur kurze Zeit, während welcher der Himmel oft verdeckt iſt, in ihren Perihelien und in der Nähe der Erde. Bei

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 249

der erſtaunlichen Mannigfaltigkeit ihrer Bahnneigungen ſind die K. nicht mehr in einer Ebene, ſondern gleichſam in einer Kugel um die Sonne vertheilt. Von den bis jetzt beobachteten haben nach Littrow 20 ihre Sonnennähen inner der Bahn des Merkurs, 70 inner der Bahn der Venus. Wächst die Zahl nach dieſem Verhältniſſe, ſo würden inner die Uranusbahn 51,880 fallen, da ſich die Halbmeſſer der Venus⸗ und Uranusbahn wie 1 zu 28, und deren Quadrate wie 1 zu 784 verhalten. 784 X 70 = 51,880. Nun find aber die inner der Venusbahn beobachteten 70 ſicher nur der kleinſte Theil der wirklich in ſie fallenden. Gegen dieſe Berechnung Lit⸗ trow's wendet Dr. Klee (das Weltſyſtem u. ſ. w. Mainz 1836, S. 140) ein, es gebe jenſeits des Mars verhältnißmäßig viel weni⸗ ger Kometen als dieſſeits, weil das Perihelium der K. der Sonne meiſtens ſehr nahe ſei, überhaupt nicht weit davon entfernt fein

könne, und gewöhnlich deſto näher an die Sonne fällt, je weiter das Aphelium entfernt iſt. Die Zahl der Kometen werde daher meiſtens viel zu groß angegeben. Man unterſcheidet an den meiſten Kometen den Kern, die ihn umgebende Nebelhülle und den Schweif. Der Kern wurde bei dem von 1798 von Herſchel zu 5, von Schröter zu 27 Meilen; bei dem 1805 von H. zu 6, von Sch. zu 30; bei dem von 1807 von H. zu 110, von Sch. zu 1000 bei dem von 1811 von H. zu 550, von Sch. zu 900 Meilen berech⸗

net. Oefters fehlt ein Kern ganz, wo dann der K. nur aus

Lichtnebel zu beſtehen ſcheint. Die Nebelhülle fehlt hingegen nie, iſt kugelförmig, manchmal nach dem Schweife zu offen oder verlängert, und meiſtens ſo dünn, daß man durch ſie noch Sterne der sten Größe ſchimmern ſah. Zwiſchen Kern und Hülle findet ſich noch ein dunklerer beide trennender Raum. Bei manchen Kometen erſchien die Hülle zwei- oder dreifach, immer durch dunklere Ninge geſchieden. Dieſe Nebelhüllen (Atmoſphären) ſind ungemein großen Aenderungen unterworfen; und erweiterten und verengten ſich z. B. bei den Kometen von 1799 und 1807 im Laufe eines Tages bis auf den vierten Theil ihres Durchmeſſers. Der Schweif ſteht meiſtens auf der von der Sonne abgewendeten Seite, iſt gegen die von der Sonne zum Kometen gezogene Linie ſtark geneigt, und immer nach der Gegend gewendet, welche der Komet ſo eben verließ. Gegen das Ende des Schweifes nimmt ſeine Neigung zu; ſeine konkave Seite iſt ſtets nach der Gegend gekehrt, nach welcher der Komet geht, und heller und beſſer be- grenzt als die konvexe äußere. Manchmal ſind mehrere nach der— ſelben Seite gerichtete Schweife vorhanden, ſo 6 dergleichen bei dem Kometen von 1744, 2 bei dem von 1823, einer gegen die Sonne gekehrt, der andere von ihr abgewendet. Im Schweife des K. v. 1811 will Chladni zuckende Verlängerungen

2350 Allgemeine Naturgeſchichte. A. Buch.

3 Verkürzungen beobachtet haben, wo die lenchtenge Maſſe in 1 Sekunde 1 Million Meilen hin und her ſchoß. Brandes (Art. Komet in Gehlers Wörterb. ster Bd. S. 938) erklärt ſich gegen Schröter, der daſſelbe mit dem ſtrahlenden Schießen des Nord⸗ lichts vergleicht, und es durch eine der elektriſchen oder galvani⸗ ſchen ähnliche Naturkraft hervorgebracht glaubt, hält es mit Olbers nur für optiſch, entſtehend durch verſchieden ſchnelles zu uns Gelangen des Lichtes von den verſchieden weit entfernten Theilen des Schweifes. Merkwürdig iſt die ungeheuere Größe mancher Schweife. Der des Kometen von 1456 erſtreckte ſich über 600, der von 1618 über 1000, der von 1769 über 900. In den verſchiedenen Erſcheinungsperioden find jedoch die Schweife mancher K. großen Veränderungen unterworfen, und alle ändern ihre Geſtalt nach den verſchiedenen Abſtänden von der Sonne in der⸗ ſelben Erſcheinungsperiode. Bald nach dem Perihelium erſcheinen die Schweife am größten, vermuthlich wegen Einwirkung der Sonnenhitze. Begünſtigt wird die ungeheuere Ausdehnung der Kometenhüllen und Schweife durch die auf den Kometen ſo geringe Schwerkraft. Die meiſten größern Kometenſchweife zeigen einen breiten, dunkeln Mittelſtreif, der wahrſcheinlich wie der dunkle Streif in einer Lichtflamme dadurch entſteht, daß die Schweife hohle ſelbſtleuchtende Kegel ſind, die nothwendig an den Rändern heller erſcheinen müſſen. Der dunkle Ning zwiſchen Kern und Hülle beſteht vermuthlich aus eigenthümlicher elaſtiſcher Materie. Viele K. mögen wirklich nur Anſammlungen von leuchtendem Aether ſein, welche ſich nach einiger Zeit wieder auflöſen. Littron glaubt, daß die Sonne gegen die Hüllen mancher K. negativ ſchwer ſei, d. h. fie abſtoßen könne, wodurch der Schweif entſtehe, während ſie gegen den Kern des Kometen poſitiv ſchwer iſt und ihn daher anzieht.

Unter die merkwürdigſten Kometen gehört der nach dem Tode des Demetrius erſchienene, von Seneka erwähnte, welcher ſo groß wie der Mond war, roth und ſehr hell leuchtete. Der 43 v. Chr. in Nom beobachtete war ſelbſt (gleich dem von 1531 n. Chr.) am hellen Tage ſichtbar. Der vom Jahre 60 n. Chr. ſoll die aufgehende Sonne verdunkelt haben. Die durch ihre unge⸗ heuern Schweife denkwürdigen von 1456, 1618, 1769 find bereits erwähnt. Ihnen ſchließt ſich der von 1680 an. Die wahre Länge des Schweifes der Kometen von 1744, 1769, 1680, 1811 berechnete man auf 7, 10, 20, 22 Millionen Meilen. Der große Komet von 1680 hat nach Enke, eine halbe große Axe von 426774 Halb⸗ meſſern der Erdbahn, und einen Abſtand der Brennpunkte von den Scheiteln von 0/0618 des Haͤlbmeſſers der Erdbahn oder 128,260 Meilen. Setzt man den Halbmeſſer der Sonne zu e *

Beſchreibende Darſtellung des Sonnen ſyſtems. 251

ſo debt der Mittelpunkt des K. im Perihelium nur 34,360 M.

von der Sonnenoberfläche ab, im Aphelium hingegen 17,590,000,000. M. Seine Umlaufszeit beträgt 8817 julianiſche Jahre von 365%, Tagen. Im Perihelium legt er 73,55 M., im Aphelium nur 12½ Pariſer Fuß in einer Zeitſekunde zurück. Whiſton leitete von ihm die Sündfluth ab, indem er irrig ſeine Umlaufszeit auf 575 Jahre beſtimmte, wornach der K. 2917 v. Chr., dem gewöhnlich angenommenen Jahre der Sündfluth, 1767 v. Chr. dem Jahre der Fluth des Ogyges, 1192 v. Chr. zur Zeit des trojaniſchen Kriegs, 617 v. Chr. wo Ninive zerſtört wurde, 43 v. Chr. dem Todesjahre Cäſars, ꝛc. erſchienen wäre, was alles jedoch mit jenem Rechnungs⸗ fehler zuſammenfällt. Als dieſer K. 1680 durch ſein Perihelium gieng, mußte er (wäre ſeine Beſchaffenheit der Erde gleich) nach Newton 2000mal ſtärker erhitzt worden fein, als ein glühendes Eiſen. Nach Enke erſcheint im Perihelium von ſeinem Mittel⸗ punkte aus die Sonne unter einem Winkel von 940, im Aph. nur von 277. Der K. von 1718 übertraff endlich ſogar Venus an Glanz. Der Kopf des K. von 1811 erſchien durch gute Fernröhre ſchwach . grünblau, in der Mitte röthlich. Nach Herſchel hatte fein Halb— meſſer 14,000 d. Meilen. In der Mitte unterſchied man einen beſonders hellen Punkt. Ein dunkelgrauer, ganz durchſichtiger Ring von 55,000 M. Halbmeſſer umgab den Kopf. Um dieſen Ring legte ſich eine hellere Schichte von 15,000 M. Breite (ſo daß der ganze Kopf 70,000 M. Halbmeſſer hatte), welche auf der der Sonne entgegengeſetzten Seite offen war, und hier in 2 viele Millionen Meilen lange gelbliche Lichtſtröme auslief, welche das Ganze als einen rieſenmäßigen paraboliſchen Trichter erſcheinen ließen. An Volumen übertraff fein Kopf den Jupiter 340, die Erde 510,000 mal. Man hat noch an keinem Kometen Phaſen der Lichtgeſtalt entdeckt. Dieſes und andere Gründe machen es wahrſcheinlich, daß die K. in eigenem Lichte leuchten, wie W. Herſchel, Schröter und Gruithuiſen glauben. Arago's Beobachtungen des Spektrums des Lichtes des K. v. 1819 ſind indeß für dieſen Streitpunkt nicht entſcheidend geworden. Littrow u. A. halten es auch für möglich, daß die obwohl ungeheuern, doch dünnen Maſſen der K. vom Sonnen⸗ licht ganz durchdrungen werden, ſo daß es auch ihre innerſten Theile reflektiren, und man daher kein Selbſtleuchten anzunehmen braucht. Auch iſt das Licht, welches die K. reflektiren, im Verhältniß zu dem, was Planeten in denſelben Stellungen leiſten würden, nur ſehr ſchwach, wenn auch ihre ganze Lichtſtärke wegen der großen Ausdehnung ihres Lichtnebels oft ſehr bedeutend iſt. Jedenfalls find die Maſſen der K. ſehr dünn. Was die Hüllen und Schweife betrifft, fo find fie fo dünn, daß durch fie die kleinſten Sterne geſehen werden, daher wohl nicht dichter als unſere Gaſe. Ob

233 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

auch durch Kerne ſchon Sterne geſehen wurden, iſt zweifelhaft.

Für ihre geringe Maſſe ſpricht aber die Unfähigkeit der K., be⸗ deutende Störungen in der Bewegung der Planeten und Monde hervorzubringen, während ſte ſelbſt auffallende Störungen erleiden.

So ſoll die wahrſcheinlich ſehr erzentriſche Bahn des K. von 1770 bei ſeinem Vorbeigang vor Jupiter in die viel kleinere von einer jährigen Periode verwandelt worden fein, aber bei einem zwei⸗ ten Vorbeigang vor demſelben Planeten, 1779, wieder die frühere Exzentrizität erhalten haben. Beide Male übte jener K. keinen Einfluß auf die Monde des Jupiter aus, noch weniger auf die Erde, deren Jahr er doch, wenn er nur oo der Erdmaſſe gehabt hätte, um 2 Sekunden hätte verändern müſſen. Die Ueberein⸗ ſtimmung der vorausberechneten mit den wirklich beobachteten Orten der Planeten wäre, wie Littrow treffend bemerkt, gar nicht denkbar, wenn Kometen (auf die man hiebei keine Rückſicht nimmt) Störungen zu veranlaſſen vermöchten. Die Beſtimmung der

Elemente der Kometenbahnen (Große Axe, Länge des Periheliumsů

Exzentrizität, Neigung der Bahn, Knotenlinie, Ort des K. zu einer gegebenen Zeit) iſt natürlich um ſo ſchwerer zu geben, je kleiner der beobachtete Bogen der Bahvellipſe war. Viele K. werden uns nur in der Nähe der Sonne, alſo nur in einem geringen Theil ihrer weiten Bahnen ſichtbar. Daher weichen die Angaben namentlich über die Umlaufszeit um ſo mehr ab, je größer die

Exzentrizität einer Kometenbahn iſt. Man ſucht daher die um⸗

laufszeit a posteriori zu beſtimmen, d. h. man vergleicht die Ele⸗ mente eines K. mit den Elementen früher beobachteter, und erkennt ihn, im Fall fie mit ſolchen übereinſtimmen, als ſchon einmal da geweſen. Man kennt jene bis jetzt nur von Halley's, Olber's, Enke's und Biela's K., welche eine Umlaufszeit von 76, 74, 3/79 und Jahren haben. Die meiſten K. mögen ſich in ihren - Aphelien weit, und daher der Beobachtung nicht mehr zugänglich von den Planeten nnferes Syſtems entfernen, oder wohl auch in paraboliſchen und hyperboliſchen Bahnen von einer Sonne zur andern ſtreifen. Letzteres ſprach zuerſt Caſſini aus, und außer Mayer, Lambert, Wurm, trat ihm auch Laplace bei. (Darf. d. Weltſyſt. 2 Bd. S. 9 u. 10.) Der merkwürdige große K. von Halley war der erſte, deſſen Wiederkunft glücklich vorausgeſagt wurde. Seine Umlaufszeit beträgt 75 bis 76 Jahre, die große Are ſeiner Bahn iſt 18mal größer als jene der Erdbahn, oder 744 Millionen d. M. die kleine Axe mal, oder 380 Millionen M. Die Entfernung der Brennpunkte ſeiner Bahn von den Scheiteln der Ellipſe iſt alſo = 0,33 Theile der großen Halbaxe = 12 Millionen M. Die Länge ſeines aufſteigenden Knotens beträgt 450, die Neigung der Bahn gegen die Ekliptik 720. Die Länge des Periheliums iſt 3030,

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſyſtems. 253

die des Aph. 1230. Er iſt rückläufig. Inner der Erdbahn ver⸗ weilt er etwa 2% Monat, legt in feinem Perihelium in einer Stunde 59,500, in ſeinem Aph. nur 980 Meilen zurück, und kann der Erde böchſtens auf einige Millionen Meilen nahe kommen.

Man glaubt, daß es der nämliche ſei, welcher in ſehr verſchiedenen Geſtalten 130 v. Chr., 323, 399, 547, 930, 4005, 1080, 1155, 1231, 1305, 1379 n. Chr. alles hiſtoriſch merkwürdigen Jahren beobachtet wurde. Die erſte konſtatirte Erſcheinung fällt hingegen in das Jahr 1456, die zweite 1531, die dritte 1607, die vierte 1682, wo ihn Newton und Halley beobachteten, die fünfte 1759, die ſechste 1835. Herſchel ſchrieb 1836 vom Kap d. g. H., daß er ihn dort nach ſeiner Rückkehr von der Sonne, vom 24. Jan. bis 5. Mai, lange und ſchön beobachtet habe. Sein phyſiſches Anſehen war ganz geändert: er hatte lange Zeit hindurch keinen Schweif. Die paraboliſche Umhüllung des Kopfes bildete ſich unter den Augen * 8. fo ſchnell, daß fein ſichtbares, deutlich e eee Volumen in Zeit von 24 Stunden, vom Morgen des 26. Januar an, ſich mehr als verdoppelte. Vergl. über dieſen merkwürdigen K.: Littrow, Bei⸗ träge zu einer Monographie des H. K., mit Abbild. Wien 1835, und Beſſels ſchönen Aufſatz, „Von den Erſcheinungen, welche der H.“ K. gezeigt hat“ in Schuhmachers Jahrb. für 1837. S. 142 ff. Den nach ihm genannten (kleinen) Kometen entdeckte Olbers am 6. März 1815. Seine Umlaufszeit dauert beinahe 75 Jahre. Seine größte Entfernung von der Sonne iſt S 33,95, feine kleinſte Halbmeſſer der Erdbahn. Seine halbe große Axe iſt = 17,6, feine Exzentrizität 0,91 Halbmeſſer der Erdbahn, die Neigung feiner Bahn gegen die Ekliptik 440, die Länge des aufſteigenden Knotens 83%, die Länge des Periheliums —= 1490. Er iſt rechtläufig und kann der Erde nie nahe kommen. Am 9. Febr. 1887 wird er wieder durch ſein Perihelium gehen. Enke's Komet wurde von Pons am 26. Nov. 1818 entdeckt. Enke berech⸗ nete zuerſt ſeine Umlaufszeit auf 3 Jahre 115 Tage. Es wieß ſich ſpäter aus, daß man ihn ſchon 1786, 1795, 1805 geſehen hatte. Die halbe große Are feiner Bahn iſt = 2/ die halbe kleine die Erzentrizität feiner Bahn 1/7 Halbmeſſer der Erdbahn, daher feine größte Entfernung von der Sonne / ſeine kleinſte 03 Halbmeſſer der Erdbahn. Die Neigung feiner Bahn iſt 130, die Länge des aufſteigenden Knotens 3350, die Länge des Periheliums = 157% Er iſt rechtläuſig, klein, kugelförmig, hat keinen merklichen Schweif, und kann ebenfalls der Erde nie nahe kommen. Nach Enke wird die große Are feiner Bahn, und alſo ſeine Umlaufszeit immer kürzer, indem der Wiederſtand des Aethers ſeine Tangentialkraft vermindert, und die Anziehungskraft der Sonne daher in gleichem Maaße vermehrt wird. Enke's K. iſt

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ſchon 1822, 1825, 1828, 1832, 1835 geſehen worden, und wird 18838 gegen den 20. Dez. wieder durch feine Sonnennähe gehen. Wartmann in Genf beobachtete am 28. Novemb. 1828, daß der Enke'ſche Komet ganz nahe vor einem Fixſtern ster Größe (einem Nachbar des 36ten Sterns der XXI. Stunde von Piazzis Katalog) ſtand, denſelben hierauf bedeckte und ſo verſinſterte⸗ daß er durch die Nebelmaterie nicht beobachtet werden konnte. (Gruithuiſens Analekt. Ates Hft. S. 38). Biela entdeckte den nach ihm ges nannten Kometen den 28. Febr. 1826 und berechnete ſeine Um⸗ laufszeit zu 6 Jahren, 270 Tagen. Seine halbe große Axe beträgt 3/6 % feine halbe kleine 2,1, die Exzentrizität feiner Bahn 2 / alſo feine größte Entfernung von der Sonne 6ſ½3 / ſeine kleinſte 0% 4 Halbmeſſer der Erdbahn. Die Neigung feiner Bahn gegen die Ekliptik iſt = 139%, die Länge feines aufſteigenden Knotens s 2490, die ſeines Periheliums 1080. Er wurde ſchon 1772 und 1805 beobachtet, dann im Jahre 1832. Er gleicht einem runden, matt leuchtenden Nebel, deſſen Durchmeſſer Schröter auf 9460 d. Meilen berechnete, mit feinem mittlern Lichtpunkte von kaum 20 Meilen Durchmeſſer und hat keinen Schweif. Ende Oktober 1838 wird er abermals durch ſein Perihelium gehen. Da der abſteigende Knoten der Bahn des Biela’fchen K., welcher in die Länge von 690 fällt, der Erdbahn ſehr nahe liegt, ſo kann dieſer K. einmal der Erde ſehr nahe kommen, wenn er zur ſelben Zeit durch ſeinen abſteigenden Knoten geht, in welcher die Erde in der dieſem Kno⸗ ten nahen Gegend ihrer Bahn ſich befindet. Er kann auch mög⸗ licher Weiſe einmal mit Enke's K. zuſammentreffen, da die Bahnen beider ſich in einem Punkte ſchneiden. Biela's K. war 1826 der Erdbahn auf etwa 100,000 M., den 29. Okt. 1832 ſogar auf Erddurchmeſſer nahe gekommen. Ein Zuſammentreffen deſſelben mit der Erde ſelbſt wäre erſt dann denkbar, wenn er in den letzten Dezembertagen durch feine Sonnennähe geht, was 1933 und 2115 geſchehen kann, wenn nicht bis dahin die Störungen, welche er erleiden muß, die ganze Berechnung verändern. Sollte indeß auch eine Begegnung erfolgen, ſo wäre bei der geringen Maſſe dieſes und überhaupt der allermeiſten Kometen eine Veränderung der Erdaxe, und in ihrem Gefolge große Fluthen u. ſ. w. kaum, oder durchaus nicht denkbar. Die Gefahr hingegen, die für Men⸗ ſchen und Thiere aus einer fremdartigen Einwirkung auf die Atmoſphäre und Inſtzirung derſelben mit lebens feindlichen Poten⸗ zen hervorgehen kann, ſcheint eher begründet und möchte ſich kaum wegdiſputiren laſſen. Ohne Zweifel iſt die Erde ſchon öfter durch Kometenſchweife gegangen, die ſich zum Theil auf viele Millionen Meilen ausdehnen, und höchſt wahrſcheinlich eutſtehen manche große Weltepidemien durch kosmiſche Einwirkungen dieſer Art, die

Beſchreibende Darfellung des Sonnenſoſtens. 285

allerdings unſere gegenwärtigen Inſtrumente ſo wenig, als die Imponderabilien unſere Wagen affiziren. Es mag daher erlaubt ſein, hierin dem verehrten und verdienten Littrow, welcher Wirkungen ſolcher Art- gänzlich läugnet (die Wunder des Himm., 2te Aufl. S. 444), zu widerſprechen. Nach einem bekannten Kri⸗ terium werden auch En wo fich Uebereinſtimmung zwiſchen 2 Relationen zeigt (z. B. Kometen und Peſtjahre) keineswegs durch ſolche aufgehoben, wo f eine Korrelation zwiſchen den gleichen Er- ſcheinungen (z. B. Kometenjahre und keine Epidemie) nachgewieſen iſt. Littrow theilt (I. e. S. 438) 60jährige Beobachtungen mit, aus welchen hervorginge, daß die Kometen keinen Einfluß auf die mittlere Temperatur der Erde äußern. Nach ſeiner Anſicht, die fich auf die Betrachtung der letzten 2 Jahrhunderte ſtützt, ſoll auch keinerlei Einfluß der Kometen auf Trockenheit oder Näſſe, Nebel, Gewitter u. a. atmoſpäriſche Meteore hervorgehen. Gruithuiſen hingegen glaubt, daß die Kometen im Weltraum einen entzünd⸗ lichen Zuſtand hervorbringen können, der auch auf unſere Atmo⸗ ſphäre wirke und durch die Sonnenatmoſphäre ſehr verſtärkt werde. Das Zodiakallicht glänze am lebhafteſten, wenn ſich große Son⸗ nenflecken fänden. Zodiakallicht und Kometenſchweife hätten viel Aehnlichkeit und zeigten gleichen nn in kleinern und Re ßern Perioden.

V. Klaſſe. Meteorkugeln.

Lit. Benzenberg und Brandes Verſuch, die Entfernung Ge⸗ ſchwindigkeit und Bahn der Sternſchnuppen zu beſtimmen. Hamburg 1808. Chladni, über Feuermeteore und die mit

denſelben herabgefallenen Maſſen, nebſt 10 Taf. v. Schreibers.

Wien 1819. Munke, Handb. d. math. und phyſ. Geogr. nebſt Atmoſphärologie, S. 524 ff., woſelbſt eine reiche Litera⸗ tur angegeben iſt. Gruithuiſen, Naturgeſch. d. geſtirnten

Himmels, S. 399. ff. Olbers, die Sternſchnuppen; in

Schuhmachers Jahrb. f. 1837. S. 36. ff.

Weltkörper von geringen Dimenfionen, in kleinerer oder größerer Menge als Sternſchnuppen in den Räumen zwiſchen den Planeten ſich um die Sonne bewegend, welche von den Planeten und namentlich der Erde häufig perturbirt und angezogen, beim Eintritt in deren Atmoſphäre in kompaktere Maſſen reduzirt werden, verbrennen, zerſpringen, manchmal als Aerolithen oder Meteoreiſenmaſſen herabſtürzen oder auch Purlos verſchwinden.

Nach den Erfahrungen der neueſten Zeit muß man 170 Welt⸗ körpern unferes Syſtems als eine eigene, an Rang geringſte Klaſſe

236 Augemeine Naturgeſchichte. III. Buch. jene wunderbaren Meteore beizählen, welche bald nur einzeln, als Feuerkugeln, bald in größerer oder geringerer Zahl, als Sternſchnuppen am Himmel erſcheinen. Beide ſind ohne - Smeifel. daffelbe und erſcheinen nur nach ihrer verſchiedenen Ent⸗ fernung, Dichtigkeit ꝛc. als das Eine oder Andere. 6 Nach Brandes und Benzenberg gibt es 1) Sternſchnupp en

der Affen und 2ten Größe, bei denen eine Kugel unterſchieden wird, welche von dem nachfolgenden und nach dem Verſchwinden noch einige Zeit leuchtenden Schweife etwas weniges getrennt erſcheint. 2) St. der Affen und 2ten Größe, ohne Kugel, mit einem Schweife, welcher vom äußerſten Ende an in kurzer Zeit erlöſcht. 3) Kleinere bis zur öten Gröſſe, und teleskopiſche, welche mit Kometenſuchern beobachtet werden. Die Sternſchnup⸗ pen werden oft zu Hunderten am Nachthimmel geſehen, haben eine Geſchwindigkeit von mehreren Meilen in der Sekunde und eine Höhe über der Erde von 12 bis einigen 100 Meilen. Schröter hat 2 Gruppen von Feuermeteoren beobachtet, welche ſogar gegen 1000 Meilen von der Erdoberfläche entfernt waren. Nach Brandes ſoll die Bewegung der St. meiſt jener der Erde entgegenge⸗ ſetzt ſein. Feuerkugeln werden alle Jahre beobachtet (beſon⸗ ders häufig waren fie im November und December 1836 und Ja⸗ nuar 1837). Ihr ſcheinbarer Durchmeſſer übertrifft oft den des Mondes; ihr wahrer beträgt wenige bis 6000 Fuß. Sehr große wurden z. B. 1719 in England, 1667 in Italien und Dalmatien, 1758 in Deutſchland geſehen. Sehr oft ziehen ſie einen feurigen Schweif, ſei es nun in Wahrheit oder dem optiſchen Scheine nach, nach ſich, und zerplatzen mit donnerähnlichem Knalle, wobei manchmal Aerolithen herabfallen. So bei der von 1492 bei Enfisheim, wo ein 260 Pfund ſchwerer Stein fiel; 1803 bei Aigle, in Frankreich, wo gegen 2000 Steine herabſtürzten. In den chemiſch unterſuchten Aerolithen fand man Eiſen, Kieſelerde, Bittererde, Nickel, Chrom, Schwefel, Kalk, Thonerde, Mangan, ſelten und in geringer Menge Natron, Waſſer, Kohle und Salzſäure alſo nur Stoffe, die auch auf der Erde vorkommen, jedoch in den

Luftſteinen eigenthümlich komponirt. Da die Meteore nur Welt⸗ körper der niederſten Art ſind, ſo findet ſich auf ihnen auch nicht jener Reichthum von Stoffen, wie auf der Erde, ſondern gleichſam nur ein Auszug der nothwendigſten, auch auf der Erde haͤufigſten. Jene Stoffe kommen in ſehr verſchiedenen Proportionen vor und oft fehlen einer oder mehrere. Auch hält man für aus der Luft gefallen gewiſſe unter beſondern Verhältniſſen gefundene Eiſen⸗ maſſen: ſo die große ſibiriſche, von Pallas beſchriebene, 1600 Pf. ſchwere; die 300 Ztr. wiegende, bei Otumpo gefundene; die 400 Ztr. ſchwere/ von Humboldt bei Durango geſehene; die von

Beſchreibende Darſtelung had Sonnenfofiems, 257

Bougainville am la Plata egtbecte) 1000 Str. ſchwere; die bra⸗ ſtliſche von 140 Ztr. u. v. a. Herm. v. Meyer iſt meines Wiſſens der Einzige, welcher ſich bis jetzt gegen deren gerolithiſchen und für ihrem terreſtriſchen Urſprung erklärte; (ſ. feine Tabelle d. Geologie ꝛc.

S. 69). Eigentliche Feuerkugeln ſollen ferner als gallertartige oder harzige Maſſen herabgefallen ſein. Wo man ſich herabgefal— lener Sternſchnuppen bemächtigen konnte, fand man eine gallert⸗ artige ſchleimige Subſtanz, die oft ſchnell und vollkommen ver- dunſtete, (ſo jene, welche Koch am 6. Septemb. 1835 bei Gotha herabfallen ſah, ſ. Poggendorfs Annalen Bd. 36. S. 315), manch- mal zu einem kleinen, ſteinigen Konkrement vertrocknete. Es mag daher Subſtanzen von gallertartiger, harziger „bliger Natur geben, die unſerem Luftkreiſe angehören, ſich in dieſem entzünden und wegen der Aehnlichkeit iu der äußern Erſcheinung auch für Sternſchnuppen angeſehen werden, welche letztern indeß aus un⸗ wiederleglichen Gründen für kosmiſchen Urſprungs gehalten wer⸗ den müſſen. Vermuthlich gehören zu den Meteorkugeln auch jene ſich bewegenden, teleskopiſchen Punkte, welche Schwabe und Pa⸗ ſtorff am Tage beobachteten. Schwabe in Deſſau ſah ſehr oft bei feinen Sonnenbeobachtungen außer dem Nande, troz der Dunkel— heit des Sonnenglaſes, helle Funken in geregelter Bewegung, welche, wenn ſte über die Sonnenſcheibe gingen, ſich als hellgraue Schatten zeigten. (Gruithuiſ. Anal. für Erd⸗ und Himmelsk. iſtes Hft. S. 58.) Nach einer ſpätern Nachricht (I. e. Hft. 2. S. 75) beſteht Schwabe auf der kosmiſchen Bedeutung dieſer Licht—

funken, welche er und Harding in verſchiedenen Jahren vom Juni bis Oktober beobachtet hätten. Ueber Paſtorffs merkwürdige, ſich vor der Sonnenſcheibe bewegende ſchwarze Punkte, die er „Aſteroiden“ nennt, fiehe Schuhmachers aſtron. Nachrichten. Nro. 273. In der Sitzung der franz. Akademie vom 1. Okt. 1830 theilte Arago ein Schreiben aus Charkow in Rußland mit, in welchem die Entdeckung einer großen Lichtmaſſe in der Nähe des Jupiter gemeldet wird. Leider ſcheint über dieſelbe nichts Weiteres bekannt geworden zu fein. Was die Bewegung. der Sternſchnuppen betrifft, ſo fallen manche gerade herab, andere bewegen ſich horizontal, manchmal ſchlängelnd; wenige ſteigen ſogar gerade aufwärts, nach Brandes und Olbers in Folge von partiellen Exploſtonen, die ſte nach ei in die Höhe treiben. Olbers bemerkt hiebei treffend (I. e. S. 52), daß Feuer⸗ kugeln und Sternſchnuppen, die in faſt gerader Linie bloß durch unſere Atmoſphäre ſtreifen, ohnehin, wenn ſie durch ihre Erdnähe gekommen ſind, ſich wieder von der Oberfläche der Erde entfernen und alſo aufwärts ſteigen müſſen. Gruithuiſen, welcher (Neue Analekt. ꝛten Bdes. 2tes Hft. S. 32 ff.) eine Anleitung zum

5 ht

958 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Wich

Beobachten der meiſtens ganz unvermuthet elbe Feuerkugeln gibt, deren kosmiſchen Urſprung er ſeit Langem vertheidigt, be⸗ rechnet (Neue Anal. Ates und 5tes Heft) ihre Geſchwindigkeit. Die mittlere Bahnbewegung der Erde iſt in 17 Zeit 4½44 g. Meilen. Bewegt ſich eine Feuerkugel um Mitternacht eben ſo ſchnell von O. nach W., ſo ſcheint ſie die doppelte Geſchwindigkeit der Erde zu haben, und bewegt fie ſich eben fo ſchnell von W. nach O., fo muß fie

fill zu ſtehen ſcheinen; bewegt fie ſich ſcheinbar ſchnell von W. nach O.,

ſo muß fie eine wirklich viel ſchnellere Bewegung als die Erde ha⸗ ben; kommt ſie aber von N. oder S., ſo gibt es zuſammengeſetzte

\

Bewegungen. Durch dieſe einfachen Verhältniſſe konnten Benzen⸗

berg und Brandes mittelſt Beobachtung finden, daß dieſe Meteore in 4/7 4—8 geogr. Meilen zurücklegen mußten. Feuermeteore, die in der Erdatmoſphäre entſtanden ſind, mußten zuerſt mit der

Atmoſphäre ſelbſt ſich fortbewegen, dann alle von W. nach O. auf

ſie fallen, während die St. doch alle möglichen Fallrichtungen zeigen

und die meiſten nach Benzenberg ſich der Erde entgegen bewe⸗

wegen. Halley ſchon zeigte, daß die Feuerkugeln bei ihrer großen Geſchwindigkeit von 4— 8 g. M. in 1“ Zeit nicht in der Atmo⸗ ſphäre entſtehen können, weil ihre Fallgeſchwindigkeit gegen die Erde immer viel geringer bleiben würde: nach Gruithuiſen in der letzten Sekunde höchſtens 30067 Par. Fuß betragen könnte. Bedeutung und Urſprung der Feuermeteore. Sehr viele Phyſiker halten ſie noch immer für Erzeugniſſe unſerer Atmoſphäre, entſtanden durch gewaltige Reduktionsprozeſſe gasförmiger Stoffe in feſte Maſſen; für Auswürfe der Mondvulkane erklärt wenigſtens die Sternſchnuppen Benzenberg (ſtehe feine Schrift: Die Stern— ſchnuppen ſind Steine aus den Mondvulkanen. Mit 4 Steindrück. Bonn 1834). Zuerſt hat Olbers, ſpäter erſt Laplace die Geſchwin⸗ digkeit berechnet, welche Körper haben müßten, welche von Mond⸗ vulkanen geſchleudert, nie wieder auf den Mond zurückfallen, ſondern fich von dieſem in's Unendliche entfernen oder die Erde erreichen ſollen. Erſterer fand, daß wenn ein Körper mit einer vertikalen Geſchwindigkeit von 7967 Par. Fuß in einer Sekunde vom Monde in die Höhe geworfen wird, er nie wieder auf ihn zurückfallen, ſondern ſich in's Unendliche entfernen wird. Um die Erde zu erreichen, reiche unter günſtigen Umſtänden eine Ge⸗ ſchwindigkeit von 7780/ hin. Doch hat weder Olbers noch La— place jemals behauptet, daß die Aerolithen wirklich aus dem Monde kämen, und Erſterer ſpricht ſich entſchieden dagegen und für ihren kosmiſchen Urſprung aus, weil vom Monde ausgewor⸗ fene Maſſen auf der Erde nur mit einer relativen Geſchwindigkeit

von 35/000 / in der Sekunde ankommen könnten, während jene

Meteore mit einer relativen Geſchwindigkeit von 4— 8 Meilen in

Beſchreibende Darſtellung des Sonnenſoſtems. 239

unſern Luftkreis kommen (I. e. S. 53, 54). Nach Olbers ſind alſo die von außen mit planetarifcher Geſchwindigkeit in unſerer Atmo⸗ ſphäre ankommenden Sternſchnuppen kleine Maſſen, die nach den Geſetzen der allgemeinen Schwere in Kegelſchnitten, und höchſt wahrſcheinlich in Ellipſen um die Sonne kreiſen, bis ſie in die Atmoſphäre eines Planeten gerathen, ſich darin entzünden und entweder ganz darin verzehren, oder unter dieſer oder jener Form herunterfallen, oder auch nach durchſtreifter Atmoſphäre, dieſe, wieder verlöſchend verlaſſen, nnd dann ihre weite, freilich bei ihrem Durchgange durch den erlittenen Widerſtand und die ſtarke Anziehung des Planeten mehr oder weniger geänderte Bahn um die Sonne zu beſchreiben fortfahren. Ehladni, Humphry Davy, Munke haben ſich ſchon ſeit Langem, wie ſchon früher Halley, Wallis, Pringle, Nittenhouſe, Maskelyne ebenfalls für den kosmiſchen Ur— ſprung ausgeſprochen. Wir theilen nun die erwähnten neueſten Er— fahrungen mit, welche einen Zweifel hieran kaum noch geſtatten. Oeffentliche Blätter meldeten, daß man in der Nacht vom 12. 13. November 1832 in einem großen Theile von Europa ‚eine Menge Feuerkugeln und Sternſchnuppen bemerkt habe, welche ſtrahlten und beſonders gegen Morgen in großer Zahl umherzogen. Addiſon beobachtete dieſe Meteore in der Nacht vom 12. 13. Nov. 1832 von den Hügeln von Malvern über 1 Stunde. Cuſtodis, der Schreiber des Prof. Benzenberg, zählte von 4— 7 Uhr Morgens 267, worunter 30 40 große. (Gruith. Neue

Analekt. ztes Hft. S. 85.) Sie wurden ſonſt in den verſchieden⸗

ſten Ländern Europa's beobachtet, ſehr deutlich in der Schweiz. Alle ohne Ausnahme bewegten ſich von Oſten nach Weſten (Maltens Weltkunde 1833, ster Thl. S. 91 99). Al. v. Hum⸗

boldt berichtete damals, daß er mit Bonpland 1799 zu Cumana

gleichfalls ein ungeheueres Sternenſchießen in der gleichen Nacht geſehen habe. (Vergl. Neiſe nach den Aequinoktialgeg. Amerika's.

Buch 4, Kap. 10.) Daſſelbe wurde auch in Nordamerika beobachtet

und von A. Ellicot damals in amertkaniſchen Blättern beſchrieben.

Zugleich wurde daſſelbe in Südamerika und Deutſchland wahr

genommen. 1833 in der Nacht vom 12. 13. Nov. ward daſſelbe

wieder in Amerika erblickt. Das Umherfahren der Sternſchnuppen

in unermeßlicher Zahl, von allerlei Farbe, Größe, Geſtalt und Nichtung dauerte von Abends 9 bis Morgens 8 Uhr. Prof. Olm— ſtet in Newhaven berichtete hierüber. Arago berechnete die Zahl der in dieſer Nacht erſchienenen Sternſchnuppen auf 240,000. 1834 wurden an mehreren Orten Deutſchlands vom 11. 15. Nov. fruchtloſe

Beobachtungen angeſtellt. Olmſtet aber meldete aus Amerika, daß

in der beſtimmten Nacht vom 12. 13. Nov. 4 Minuten nach t uhr eine Feuerkugel von ungewöhnlichem Glanze erſchienen fet.

*

260 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

Darauf wären bis Tagesanbruch mehrere Tauſend Sternſchnuppen zum Vorſchein gekommen, alle gleichſam von einem Punkte her, im Sternbild des Löwen. Arago ſprach hierüber in der franz. Akad. den 30. Nov. 1835. Kap. Bernard ſchreibe ihm, daß er in der Nacht vom 12. 13. Nov. an der ſpaniſchen Küſte ungemein viele Sternſchnuppen beobachtet habe. Ein Herr Millet d'Aubenton berichtete der Akademie, daß er den 13. Nov. Abends im Bezirk von Belley (Ain) ein fernes Feuermeteor geſehen habe, welches in der Gemeinde von Belmont über Strohdächern platzte und dieſe in Brand ſteckte. Millet habe 2 Fragmente gefunden, die Schmel⸗ zung und alle Charaktere von Aerolithen zeigten. Arago glaubt, daß Milliarden dunkler Körper im Naume ſchweben, und ein Schwarm von ihnen alljährlich in ihrer periodiſchen Umwälzung die Erdbahn ſchneide, nahe beim Punkt in der Ekliptik, wo ſich die Erde gegen den 11. 13. Nov. befindet, alſo im 19 220 des Stiers, und daß ſie in unſern Luftkreis eintretend im Augen⸗ blick ihrer Entzündung ſichtbar werden. Sie vollendeten ihren Son⸗ nenumlauf erſt in mehreren Jahren, ſo daß man 1832, 33, 34 immer andere von ihnen geſehen hätte, undſeien ſehr ungleich im Weltraum vertheilt. Nach einer Mittheilung Herſchels an Arago, die Letzterer in der Sitzung der franzöſtſchen Akademie vom 14. März 1836 las, hat Erſterer auch am Kap in der Nacht vom 13.— 14. Nov. 1835 leuchtende Meteore und Sternſchnuppen beobachtet. Olbers bezeichnet als beſonders bemerkenswerth die Gegend, welche die Erde am 10. und 11. Auguſt einnimmt, an welchen Tagen Brandes 1823 eine außerordentliche Menge von Stern⸗ ſchnuppen ſah. Dieß war auch, wie wir beifügen, am 6. Dee. 1798 der Fall. (Vergl. über die Nacht vom 13. Nov. auch Pog⸗ gendorfs Annal. Bd 29. S. 447. Bd. 31. S. 159. Bd. 33. S. 189.) 1836 wurden in der Nacht vom 13. 14. Nov. (beide vor⸗ hergehende waren trübe) zu Paris zahlreiche, zum Theil das Sternbild des Löwen durchſetzende Sternſchnuppen beobachtet, von denen mehrere heller als die Planeten glänzten; ferner in Breslau in der Nacht vom 11.—12. und 13.— 14. (die Nacht vom 12.—13. war trübe); in Frankfurt a. M. in der Nacht vom 42. 13, 13. 14. 14. 15. meiſtens vom 7 im Löwen ihren Urſprung neh⸗ mend. Nach dem franz. National vom 22. Nov. ſah man den 13. Nov. Abends in Mezel ein kugelförmiges, die ganze Umgebung erleuch⸗ tendes Meteor von Vollmondsgröße von Nordoſt nach Südweſt ziehen, welches über dem Coteau von Croix Morand zu fallen ſchien und dort länger als 2 Stunden Licht ausſtrahlte. Nach allen dieſen Beobachtungen iſt nun die kosmiſche Bedeu⸗ tung der Sternſchnuppen und Feuerkugeln wohl als begründet anzu⸗ ſehen. Wir müſſen noch bemerken, daß Arago's und Olbers's Anſicht,

Erläuterungen zum II. und III. Hauptſtück. 261

daß dieſelben ſich erſt in unſerem Luftkreis entzündeten, ſchwer zu erweiſen iſt. Wir ſehen ſie ſchon in Entfernungen von mehreren 100 Meilen leuchtend, bis wohin man unſere Atmoſphäre, wenig⸗ ſtens im engern Sinn, nicht annehmen kann. Es ſcheint viel⸗ mehr, daß dieſelben, im Luftkreiſe angekommen, Prozeſſe eigen» thümlicher Art eingehen, an Wärme und hiemit an Umfang außer- ordentlich verlieren und ſonach zu kleinern außen orydirten Maſſen zuſammenſintern. Hieraus erklärt ſich, warum Meteore, die vor dem Herabſtürzen mehrere 100 / im Durchmeſſer haben, nach dem— ſelben nur wenige Pfund ſchwere Meteorſteine, gleichſam als ihre verbrannten, zuſammen geſchrumpften Leichname darſtellen. Rach ö v. Hoff haben die herabgeſtürzten Maſſen manchmal nur ein T8888 des Volumens der Meteore ſelbſt. v. Hoff nimmt an, daß die in unſere Atmoſphäre gerathenen Sternſchnuppenmaſſen darin noch erſt einen beſondern chemiſchen Prozeß erleiden und veranlaſſen, der erſt das völlig ausbildet, was als Meteorſtein herabfällt; ein Prozeß, der wie Olbers bemerkt, nicht blos in Entzündung be⸗ ſtehen kann. In Bezug auf den Urſprung der Aerolithen äußerte ſchon früher Wildt, daß ſie die Trümmer einer zerſtörten Welt ſeien, deren größte Ueberreſte die kleinen Planeten zwiſchen Mars und Jupiter darſtellten. Man könnte indeß, wie wir glauben, auch vermuthen, daß fie aus dem nach der Formation der Planeten, und Monde im Sonnenſyſtem übrig gebliebenen gröbern oder fei— nern Bildungsſtoffe entſtanden ſeien oder noch entſtänden, und daß noch lange Zeiten vergehen können, bis ſie ſich ſämmtlich mit den höhern Weltkörpern vereinigt haben.

Wir bemerken noch, daß Dr. Ph. Joannis in einer ſo eben erſchienenen Schrift: „Unterſuchungen von den Stein- und Staubniederſchlägen ꝛc. München 1836“ der Hauptſache nach auf's Neue wieder zu beweiſen ſucht, daß die Aerolithenfälle u. ſ. w. ihren Urſprung den durch Zerſetzung aus der Erdmaſſe entwei⸗ chenden und in die höhern Luftregionen emporſteigenden gasartigen Elementen der Mineralien verdanken. Die Gründe, welche der Verfaſſer gegen die kosmiſche Anſicht vorbringt, ſcheinen nicht gewichtig genug und größtentheils negativer Art, ſo wie ſich nach feiner Anficht eben die Hauptumſtände, nämlich die planetariſch ſchnelle Bewegung der Meteore und ihre zum Theil ſo große Ent— fernung von der Erde nicht erklären laſſen, und auch nur ſehr flüchtig über die angeführten entſcheidenden Wee ON der neueſten Zeit weggegangen wird.

Ä Einige Erlang en zum II. und III. Hauptſtück.

Dem Plane gegenwärtigen Werkes gemäß, nur die Neſultate der Forſchung und deren Verbindung mitzutheilen, die Verfah-

969 Allgemeine aten in. Buch.

| rungsweiſen zu ihrer Gewinnung aber als bekannt vorauszuſetzen, ſollten eigentlich alle bloß theoretiſchen Erörterungen vermieden werden. Weil jedoch manchen Leſern die Hauptſätze aus der theoriſchen Aſtronomie, welche zum Verſtändniß des 2ten und zten Hauptſtücks nöthig ſind, vielleicht unbekannt oder nicht voll⸗ kommen gegenwärtig ſind, ſo folgen hiemit in ae Kürze einige der nöthigſten Erläuterungen.

Bekanntlich bewegt fich die Erde, deren ſpbäroidiſche Geſtalt aus der Anſicht ferner Gegenſtände, Reiſen im gleichen Meridian nach Nord oder Süd, Reifen um fie ſelbſt, Schatten bei Monds⸗ finſterniſſen, und der Geſtalt anderer Weltkörper bewieſen iſt, in einer elliptiſchen Bahn um den Centralkörper unſeres Syſtems, und zugleich um ihre eigene Axe. Aus der letztern oder tägli⸗ chen Bewegung folgt, daß ſich der ganze Himmel mit allen Ge⸗ ſtirnen täglich einmal von Oſt nach Weſt um die Erde zu bewegen ſcheint: indem die Sterne, gleich der Sonne, über den öſtlichen Horizont heraufkommen, nach und nach den Scheitelpunkt oder das Zenith erreichen (dem das unſichtbare Nadir oder der Fuß⸗ punkt um 1800 entgegengeſetzt iſt) ſonach kulminiren, hierauf zum weſtlichen Horizont hinabſinken und endlich unter ſelbem ver« ſchwinden. Daß aber nicht der Himmel mit feinen Myriaden von Sonnen ſich um die kleine Erde bewegt, ſondern dieſe um ſich ſelbſt, wird entſchieden 4) durch Fallverſuche; ſchwere von hohen Punkten niederfallende Körper fallen nicht ganz ſenkrecht, wie es bei einer ruhenden Erde geſchehen müßte, ſondern erhalten eine kleine öſtliche Abweichung, wie ſie bei einer von W. nach O. ſich bewegenden Erde erfolgen muß; 2) durch die unter dem Aequator größere Schwung- oder Centrifugalkraft, wodurch die Schwere daſelbſt vermindert wird, die Körper alſo we— niger wiegen und die Pendel der Uhren verkürzt werden müſſen, wenn ſie nicht zurückbleiben ſollen; 3) aus der Abplattung der Erde an den Polen, welche Ciprerfeits durch die. Gradmeſſungen bewieſen) aus der Umdrehung einer ehemals flüſſigen Maſſe um ihre Axe nothwendig folgt; Y durch die beſtändigen Oſtwinde der Aequ atorialzone, fo wie die Bewegung des Oceans daſelbſt von Dit nach Weit, weil Meer und Atmoſphäre als flüſſige Maſſen, der ſich drehenden Erde nicht ſchnell genug zu folgen vermögen, daher ſtets etwas zurückbleiben, und hiedurch ſich in einer der Notation entgegengeſetzen Richtung zu bewegen ſcheinen; 5) durch die ſichtbare Axendrehung anderer Himmelskörper. Aus der Bewegung der Erde um die Sonne bei beſtimmter Neigung ihrer Are entſteht wieder der Schein, als verändere die Sonne ihren Ort unter den Sternen des Himmels jeden Tag, indem ſie von Weſt nach Oſt fortrücke, bis ſie endlich, wie man aus dem Ein⸗

Erläuterungen zum II. und III, Hauptſtück. 265

und Austritt gewiſſer Sterne aus den Sonnenstrahlen fchließt, nach einem Fahre bei denfelben Firſternen wieder angekommen iſt, und ſonach einen ganzen Umlauf um die Erde gemacht zu haben ſcheint. Wäre dieſe ſcheinbare Sonnenbahn dem Aequator pa— rallel, ſo müßte die Sonne für irgend einen Ort immer am gleichen Punkte des Himmels auf⸗ oder untergehen, und Tag und Nacht müßten ſtets gleich lang ſein. So aber befindet ſich die Sonne nur an den 2 Tagen der Nachtgleichen im Aequator, und man nennt die beiden einander entgegengeſetzten Punkte, welche fie dann einnimmt, die Rachtgleichenpunkte, Aequinoktien, und zwar den einen, in welchem ſie ſich am 21. März befindet, den Frühlingspunkt, den andern, welchen ſie am 2. Septem⸗ ber einnimmt, den Herbſtpunkt. Zwei andere, vom Aequator um 900 entfernte Punkte heißen Solſtitial- oder Wendepunkte; der höchſte, in welchem die Sonne am 21. Juni ſteht, iſt der Sommerwendepunkt, das Sommerſolſtitium, der tiefſte, in welchem fie ſich am 21. Dec. befindet, der Winterwende⸗ punkt, das Winterſolſtitium. Die Sonne ſcheint alſo einen größten Kreis am Himmel zu beſchreiben, den man die Ekliptik nennt und der zum Aequator unter einem Winkel von 230 geneigt iſt. Durch die Größe dieſes Winkels find für die Erde (und für jeden andern Planeten) die Jahreszeiten be⸗ dingt. Bewegte ſich die Sonne im Aequator, ſo würden keine Jahreszeiten eintreten, ſondern die Aequatorialgegenden würden einen ewigen, drückend heißen Sommer, die gemäßigten nie mehr als Frühlingswärme, die kalten Zonen ewigen Winter haben. Alle genannten Erſcheinungen, welche aus der ſcheinbaren jährlichen Bewegung der Sonne entſtehen, erklären ſich nun eben ſo leicht, wenn man annimmt, daß nicht die Sonne unter den Sternen des Himmels vorrückend um die Erde, ſondern dieſe mit einer beſtimmten Neigung ihrer Axe ſich um jene bewege. Da die übrigen zum Theil viel größern Planeten ſich gleichfalls um die Sonne bewegen, ſo iſt es ſchon an ſich ſelbſt viel wahrfchein- licher, daß die Sonne, welche beinahe anderthalb Millionen- mal größer als die Erde iſt, der Centralkörper des ganzen Syſtems ſei. Außerdem folgt aber aus der Rotation der Erde ſelbſt eine Fortbewegung derſelben im Raume. Die Ekliptik iſt alſo nur die Bahn, welche die Erde ſelbſt um die Sonne zurücklegt. Die Kugelgeſtalt der Erde iſt Urſache, daß wir den Himmel ſelbſt als eine Hohlkugel zu ſehen glauben, und dieſe auf dieſelbe Weiſe eintheilen, wie die Erdkugel. Indem wir uns die Pole der Erd- kugel verlängert denken, erhalten wir die Pole der Himmelskugel; der Aequator und die Parallelkreiſe der Erdkugel erweitert gedacht, geben den Aequator und die Parallelkreiſe der ſchenbüren

264 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch. *

Himmelskugel. Zonen heißen Streifen auf der Oberfläche der Erde, die von den Polar- und Wendekreiſen eingeſchloſſen werden. Die Wendekreiſe ſtehen vom Aequator um 239 287, oder die Schiefe der Ekliptik ab, und ſchließen die heiße Zone ein; Polarkreiſe ſind jene Kreiſe, welche vom Aequator 660 32% alſo vom Pol des Aequators 230 28/ entfernt find: Zwiſchen ihnen und den Polen liegen die beiden kalten Zonen; zwiſchen den Wende⸗ und Polarkreiſen die beiden gemäßigten. I; Polarſtern iſt derjenige große Stern, welcher dem Nordpol der

Himmelskugel zunächſt ſteht; die den Pol zunächſt umgebenden Sterne

heißen Cirkumpolarſterne, und die des Nordpols gehen für uns weder auf noch unter. Abweichung oder Deklination eines Geſtirns iſt ſein ſenkrechter oder kürzeſter Abſtand vom Aequator, und iſt nördlich oder ſüdlich, je nachdem der Stern unter oder über dem Aequator iſt. Deklinationskreis oder Stundenkreis heißt jener größte Theil des Himmels, welcher durch den Stern und den Pol geht, und daher ſenkrecht auf dem Aequator ſteht. Poldiſtanz if die Entfernung eines Sterns vom Nordpole des Aequators, im Deklinationskreiſe des Sterns gemeſſen/ und alſo für Sterne ober dem Aequator gleich 909 weniger, für Sterne unter dem Aequator gleich 900 mehr der | Deklination. Gerade Aufſteigung oder Nektaszenſion eines

Sterns nennt man die Entfernung des Deklinationskreiſes deſſelben vom Frühlingspunkte von Weſt gegen Oſt in der Aequatorebene bis 3600 gezählt: alſo die öſtliche Entfernung deſſelben vom Aequator gezählt. Coluren ſind die beiden Deklinationskreiſe, von welchen der eine durch die Aequinoktien geht, während der andere auf dem erſten ſenkrecht ſteht. Der erſte heißt daher Colur der Nachtgleichen, der andere Colur der Solſtitien. Höhenkreis (Vertikal- oder Scheitelkreis) iſt jener größte Kreis, welcher durch den Stern, ſenkrecht auf den Horizont des Beobachters, alſo durch ſein Zenith geht. Der zwiſchen Stern und Horizont enthaltene Bogen deſſelben heißt Höhe des Sterns. Mittagskreis oder Meridian heißt jener größte Kreis am Himmel, welcher durch die Weltpole und das Zenith des Beobachters geht, und deſſen Ebene alſo auf dem Aequator und Horizont ſenkrecht ſteht. Wenn die Sterne durch den Meridian gehen, ſo kulminiren ſie; wenn die Sonne durch ihn geht, ſo iſt es Mittag des Beobachtungs⸗ ortes. Aequatorhöhe nennt man den Winkel des Aequators mit dem Horizont für jeden beſtimmten Ort der Erde. Immer

iſt die Aequatorhöhe 900 weniger als die Polhöhe oder geogra⸗-

phiſche Breite eines Orts. | Da die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne 20,00% M. (in runder Zahl) beträgt, der Durchmeſſer ihrer

| Erläuterungen zum II. und III. Hauptſtück. 265

Bahn 40,000,000 M., fo ſollte man denken, die bedeutende Ver⸗ ſchiedenheit der Orte, welche die Erde in 2 entgegengeſetzten Punk⸗ ten ihrer Bahn einnimmt, müßte eine bedeutende Aenderung im ſcheinbaren Orte, und alſo in der ſcheinbaren ee Stel⸗ lung der Firſterne hervorbringen, wie man z. B. die Spitzen eines entfernten Gebirges in ſehr verſchiedener Lage gegeneinan⸗ der wahrnimmt, wenn man ſie von 2 nur etwas von einander entfernten Punkten aus betrachtet. Die 40,000, 00 M. große Entfernung der Punkte aber, in welchen ſich die Erde an irgend einem Tage und einem 6 Monate darauf folgenden befindet, bringt nicht die mindeſte Aenderung in der Stellung der Fixſterne gegeneinander hervor. Hieraus folgt, daß von den

Fixſternen aus auch der Durchmeſſer der ganzen Erdbahn noch unter keinem bemerkbaren Winkel geſehen wird, oder mit an— dern Worten, daß die Firſterne nicht einmal eine jährliche (viel weniger eine tägliche) Parallaxe zeigen, weil ihre Entfernun⸗ gen von der Erde ſo groß ſind, daß der Durchmeſſer der Erdbahn als unbedeutende Größe gegen ſie verſchwindet. Von dieſer

jährlichen Parallaxe der Fixſterne iſt wohl zu unterſcheiden die

tägliche oder Horizontal⸗ und Höhenparallaxe. Parallaxe überhaupt iſt der Unterſchied der beiden Winkel, unter welchem ein beſtimmter Punkt aus beiden Endpunkten einer geraden Linie geſehen wird, oder auch der Winkel, unter welchem aus jenem Punkte dieſe gerade Linie, für welche man gewöhnlich den Erd⸗

phalbmeſſer annimmt, geſehen wird. Wenn ein Geſtirn in un ſerem

Horizonte iſt, ſo wird der Erdhalbmeſſer auf unſerer Geſichtslinie nach dem Stern ſenkrecht ſtehen, die Parallaxe deſſelben alſo am größten ſein, was man Horizontalparallate nennt; wenn es ſich über den Horizont erhebt, fo wird feine Höhenparallaxe immer kleiner, und imzenith 0 werden, weil daſelbſt der Erd— halbmeſſer einem Auge im Stern nur als Punkt erſcheinen müßte. Ein Auge im Mittelpunkt der Sonne würde den Halbmeſſer der Erde nur noch 8,8 Sekunden groß ſehen, welches alſo die Sonnen⸗ parallaxe heißt; je entfernter ein Stern iſt, deſto kleiner wird natürlich dieſer, Winkel werden. Die Entfernungen der himm⸗ liſchen Körper von der Erde findet man durch daſſelbe Verfahren, welches die Feldmeſſer bei ihren Vermeſſungen anwenden, und aus denſelben einfachen geometriſchen Sätzen, durch welche in einem Dreiecke aus den durch Meſſung oder Beobachtung befann-

ten Seiten oder Winkeln die übrigen unbekannten gefunden wer—

den. Bei den Fixſternen verlaſſen uns indeß alle im Sonnen ſyſtem noch ausreichenden Mittel, und da wir weder Parallaxe noch Entfernung derſelben kennen, da ferner der ſcheinbare Durchmeſſer, den ſie für das freie Auge haben, nur auf einer Zerſtreuung des

266 | Aasmeine Naturgefhichte. III. Bus

Lichtes alfo optiſcher Täufchung beruht, und fie im Fernrohr als unmeßbare Punkte erſcheinen, ſo bleibt uns auch die wahre Größe der Firſterne unbekannt. Weiß man auch über Größe und Entfernung der Fixſterne nichts poſſtives, fo iſt doch fo viel gewiß, daß auch der nächſte von ihnen wenigſtens 4 Billionen Meilen

entfernt ſein muß; eine ſo ungeheuere Diſtanz, daß unſer ganzes 10

Planetenſyſtem von 800,000, 0 M. Durchmeſſer und 500,000 Bil- lionen Quadratmeilen Flächeninhalt, aus ihr geſehen, nur 20 Sekunden groß, alſo noch kleiner als uns der Halbmeſſer des Jupiter in ſeiner Erdnähe, erſcheinen würde. Wie man ſich bei Diſtanzen unſeres Planetenſyſtems des Erdhalbmeſſers und bei weitern Entfernungen des Halbmeſſers der Erdbahn als Maaßſtab bedient, fo hat man zur Ausmeſſung des Fixſternhimmels jene Weite von 4 Billionen M., welche die Entfernung der Sonne von der Erde 200, 000mal übertrifft, als Maaßſtab angenommen.

Das Licht hat (vergl. S. 173) die außerordentliche Geſchwin⸗ digkeit von 41,900 Meilen in 1 Sekunde. Da die Erde während der Zeit, welche ein Lichtſtrahl eines Himmelskörpers bedarf, um zu uns zu gelangen, in ihrer Bahn fortrückt, alle Körper aber nur durch das von ihnen ausſtrahlende oder zurückgeworfene Licht ſichtbar werden, müſſen wir nothwendig die Orte aller Himmels⸗ körper verändert, und zwar etwas nach jener Seite hin ver- rückt ſehen, nach welcher die Erde eben in ihrer jährlichen Bewegung geht. Auch die Sonne ſelbſt werden wir an einer etwas andern Stelle, nämlich 20 Sekunden weiter öſtlich ſehen, als fie wirklich einnimmt. Man nennt dieſes von Bradley ent- deckte Verhältniß Aberration oder Abirrung des Lichtes.

Abgeſehen von der täglichen Bewegung aller Himmelskörper von Oſt nach Weſt, welche aus der Axendrehung der Erde folgt, haben die Planeten unſeres Syſtems gleich Sonne und Mond, noch eine eigene von Weſt nach Oſt gerichtete Bewegung. Sie zeigen hiebei aber große Unregelmäßigkeiten, rücken bald ſchneller bald langſamer fort, nähern ſich dem Aequator oder entfernen ſich von ihm, ſcheinen öfters ſtill zu ſtehen, ſtationär zu werden, öfters ſogar rückläufig, alſo von Oſt gegen Weſt fortzurüden, während Sonne und Mond ſich regelmäßig in größten Kreiſen bewegen. Die Alten, welche alle dieſe Unregelmäßigkeiten bei der von ihnen angenommenen Bewegung von Sonne und Plane⸗ ten um die Erde erklären ſollten, ſtießen hiebei auf die größten Schwierigkeiten, bis Kopernikus nachwies, daß alle Widerſprüche ſich durch die Annahme auflösten, daß die Erde ſich nebſt allen Planeten um die Sonne bewege. Alle jene Unregelmäßigkeiten ſind alſo nur ſcheinbar, und rühren nur von unſerem Standpunkt, der gleichzeitigen Bewegung der a der verſchiedenen Sede

Erläuterungen zum Ir. und III. Hauptſtück. 267

der übrigen Planeten ic. her. Dieſe Irregularitäten kehren übri⸗ gens periodiſch wieder, und die auffallendſten derſelben, wo ein Planet einen Rückſprung macht, eine Schlinge bildet, und ſeinen eigenen Weg durchſchneidet, um wieder zur Sonne zurück⸗

zukehren, veranlaſſen den ſynodiſchen Umlauf deſſelben/ oder

die Zeit, welche von einer ſcheinbaren Zurückkunft eines Planeten zur Sonne bis zur folgenden verfließt. Der ſideriſche Umlauf bezeichnet hingegen die wahre Zeit des Umlaufs eines Planeten um die Sonne in Beziehung auf die Firſterne, als feſte Punkte, in welcher daher der Planet den ganzen Kreis von 3600 zurück⸗ legt. Tropiſche oder periodiſche Revolution iſt die umlaufs⸗ zeit eines Planeten in Beziehung auf den Frühlingspunkt, der aber wegen der Präzeſſion ſelbſt beweglich iſt. Sie weicht von der ſideriſchen oder wahren ab, und giebt bei der Erde unſer bür- gerliches Jahr, welches 365 T., 5 St., 48 M., 4 Sek. währt, während das ſtderiſche Jahr 365/5628 mittlere Sonnentage dauert. Die Planetenbahnen liegen in verſchiedenen Ebenen, deren Lage auf eine feſte oder nach beſtimmtem Geſetz bewegliche Ebene bezogen werden muß, die Fundamental⸗ oder Projektions⸗ ebene genannt, und für welche die Ekliptik oder der Aequator angenommen wird. Um auf dieſe Ebene die Bewegungen eines Planeten beziehen zu können, muß man den Winkel zwiſchen Bahn⸗ und Projektionsebene und den Winkel kennen, welchen die Durchſchnittslinie dieſer beiden Ebenen mit der Linie macht, welche durch die beiden Nachtgleichenpunkte geht. Der erſte Winkel giebt die Neigung der Planetenbahn, der zweite die Knoten⸗ linie. Die Knotenlinie einer Planetenbahn iſt alſo jene gerade Linie, in welcher die Ebene der Bahn die Ekliptik ſchneidet, und bezeichnet zu beiden Seiten verlängert, am Himmel die beiden Knoten der Bahn. Der Knoten, nach deſſen Durchgang ſich der Planet über die Ekliptik oder gegen Nord erhebt, heißt der aufſteig ende, der andere, von dem er gegen Süd geht, der niederſteigende. Der aus der Sonne geſehene Abſtand eines Planeten von dem aufſteigenden Knoten der Bahn, giebt das Argument der Breite des Planeten. Eine der Ekliptik parallele Zone des Himmels, welche ſich auf beiden Seiten 100 von ihr entfernt, heißt Zodiakus oder Shierkreis. Man theilt dieſen in t2 Zeichen (ſ. S. 196) und in ihm halten ſich die ältern Planeten nebſt der Sonne auf. Conjunktion eines Planeten tritt ein, wenn er von der Erde aus bei der Sonne geſehen wird, oder wenn ſeine Länge (Entfernung des Breitenkreiſes eines Planeten vom Früh⸗ fingspunfte, von Weſt gegen Oſt bis 3600 gezählt) gleich der Länge der Sonne iſt. Oppoſition tritt ein, wenn er von der Erde geſehen, der Sonne gerade gegenüber ſteht; die Lange der

268 f Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch

Sonne und des Planeten alſo um 1809 differiren. Geocentri⸗ ſcher Ort eines Planeten iſt der von der Erde, helioeen⸗ triſcher der von der Sonne aus geſehene Ort deſſelben am Himmel. Ellipſe nennt man eine krumme, in ſich ſelbſt zurückkehrende und in einer Ebene liegende Linie von ovaler Form. Große Are einer Ellipſe iſt die längſte Linie, die man in ihr ziehen kann. Auf dieſer liegen die beiden Brennpunkte und der Mittel⸗ punkt der Ellipſe. Die Entfernung der erſten vom letzten heißt die Exzentrizität der Ellipſe. Perihelium, Sonnennähe nennt man jenen Punkt einer elliptiſchen Planetenbahn, welcher dem Brennpunkt, in dem die Sonne ſteht, am nächſten iſt; Aphelium, Sonnenferne bezeichnet den andern, von der Sonne fernern Endpunkt der großen Axe der Ellipſe. Aus der Natur der Ellipſe folgt, daß die mittlere Entfernung eines Planeten von der Sonne der halben großen Axe ſeiner Bahnellipſe gleich ſein muß. Apſiden nennt man die 2 Endpunkte der großen Axe einer Planetenbahn, oder das Perihelium und Aphelium, und die große Axe wird daher auch Apſidenlinie genannt. Die Linie, welche man ſich von jedem Punkte der Bahn zur Sonne gezogen denkt, heißt der Radius vector des Planeten. Wahre Ano⸗ malie nennt man den Winkel an der Sonne zwiſchen dem wahren Orte des Planeten in ſeiner Bahn, und dem Orte des Periheliums. Elemente einer Planetenbahn heißen die aus den Beobachtungen durch Hülfe der Rechnung abgeleiteten Beſtimmungsſtücke, welche nöthig ſind, um aus ihnen mit Hülfe der Kepler'ſchen Geſetze die Bewegung eines Planeten und den Ort, welchen er zu jeder Zeit am Himmel einnimmt, finden zu können. Sie ſind 1) die ſide⸗ riſche umlaufszeit, oder die mittlere ſideriſche Bewegung, oder auch die große Are der Bahn; 2) die Exzentrizität der Bahn; 3) die Länge des Perihels des Planeten in der Bahn; 4) die mittlere Länge oder mittlere Anomalie des Planeten; 5) die Nei⸗ gung der Bahn gegen die Projektionsebene; 6) die Länge des aufſteigenden Knotens der Bahn gegen die Projektionsebene; 7) die Maſſe des Planeten. In Folge der Anziehungskraft der Sonne, ſeiner eigenen Anziehungskraft und ſeiner Flugkraft muß ein Weltkörper, welcher ſich um die Sonne bewegt, einen Kegel⸗ ſchnitt (Kreis, Ellipſe, Parabel oder Hyberbel) um ſte beſchrei⸗ ben. Kepler fand, daß die Bahnen der Planeten keine Kreife, wie man bis zu ſeiner Zeit geglaubt hatte, ſondern Ellipſen ſeien, und dieſes iſt das erſte ſeiner 3 ſchon S. 24 angeführten Geſetze. Wahrſcheinlich bewegen ſich auch die allermeiſten, ja vielleicht alle Kometen in Ellipſen. Eine zweite nothwendige Folge der oben angeführten Kräfte iſt, daß die Flächen, welche der Radius vector (oder die vom Planeten nach der Sonne

| Erläuterungen zum II. und III. Hauptſtück. 269

gedachte Linie) in der Bahn beſchreibt, den Zeitdauern pro⸗ portional ſind, in welchen ſie beſchrieben werden, oder wie dieſes zweite Kepler'ſche Geſetz ſonſt ausgedrückt wird, daß der Radius vector von der Bahnebene in gleichen Zeiten ſtets gleich große

Sektoren abſchneide. Da die in elliptiſchen Bahnen ſich bewegen⸗ den Körper ihre Entfernung von der Sonne fortwährend ändern, alſo das Verhältniß der Attraktions⸗ und Schwungkraft und mit ihr die Schnelligkeit der Bewegung der Planeten ſtets anders werden (indem die Planeten ſich am ſchnellſten im Perihelium, am langſamſten im Aphelium bewegen), ſo war es für die Theorie des Planetenſyſtems höchſt wichtig, ein Geſetz zu erhalten, von welchem dieſe Ungleichförmigkeit der Bewegung abhänge, das ſich ſelbſt gleichförmig, der Zeit proportional ändere und aus dem ſonach der Ort eines Planeten in ſeiner Bahn für jede Zeit berechnet werden kann. Ein drittes Geſetz, „daß ſich die Qua⸗ drate der ſideriſchen Umlaufszeiten der Planeten verhalten, wie die Würfel der großen Axen ihrer Bahnen,“ beſchließt die Reihe der eigentlich nur aus dem oberſten Geſetz der Schwere fließenden

Kepler'ſchen Geſetze, welche ſich gegenſeitig ſtützen, und durch die der eigenthümliche Charakter unſeres Planetenſyſtems vollkommen

ausgedrückt wird.

g Der Mond der Erde ſchreitet in ſeiner Umlaufsbewegung

täglich etwa 130 von W. gegen O. unter den Firſternen fort, und vollendet in Beziehung auf fie feinen Lauf um die Erde in 27/2166

mittlern Sonnentagen. Die abwechſelnden Lichtgeſtalten, Pha⸗

ſen, die er hiebei zeigt, rühren von den Stellungen her, in die bei dieſer Bewegung, bei welcher er der Sonne nach und nach alle Punkte ſeiner Oberfläche zukehrt, ſeine jedesmal beleuchtete Halbkugel zur Erde tritt. Iſt dieſe von der Erde ganz abgekehrt, ſo ſehen wir den Mond nicht (oder höchſtens ausnahmsweiſe durch reflektirtes Erdenlicht) und es iſt Neumond, in welchem der Mond bei der Sonne ſteht. Einige Tage ſpäter ſteht er ſchon ziemlich weit links oder öſtlich von der Sonne, und zeigt im erſten Oktanten ſeiner Bahn, nämlich 3% Tage nach dem Neumond, rechts oder weſtlich bereits eine beleuchtete Sichel, deren Konverität der Sonne zugewendet iſt. Er geht jetzt nach der Sonne auf und unter. 7 Tage nach dem Neumonde, im erſten Viertel oder der erſten Quadratur ſehen wir ſeine Scheibe halb beleuchtet.

Er iſt jetzt 900 öſtlich von der Sonne entfernt und geht 6 Stunden nach derſelben auf und unter. Nach 14% Tagen iſt er von der Sonne 1800 entfernt, ſteht ihr gerade gegenüber, in Oppoſ ition, erſcheint als ganz beleuchtete Scheibe, Vollmond, und geht auf bei Untergang, unter bei Aufgang der Sonne. Allmählig wendet er von nun an einen immer größern Theil ſeiner unbeleuchteten

270 | Yilgemeine Naturgefichte m Buch. 7

Seite der Erde zu, und von der beleuchteten Seite it jetzt die Konkavität gegen die Sonne gekehrt. Beträgt der dunkle Theil genau wieder die Hälfte, fo ſteht der Mond in der zweiten Qug⸗ dratur oder im letzten Viertel, was nach 22% Tagen eintritt, und geht um Mitternacht auf, um Mittag unter. Im letzten Oktan⸗ ten, 3% Tage vor dem Neumonde erſcheint er wieder als ſchmale Sichel, deren Höhlung nun rechts oder weſtlich gewendet iſt. Die Stellungen beim Neu⸗ und Vollmond nennt man auch Syzygien.⸗ Fiele die Bahn des Mondes mit der Ekliptik zuſammen, ſo müßte der Mond jedesmal zur Zeit des vollen Lichtes von der Erde, die zu dieſer Zeit zwiſchen ihm und der Sonne ſteht, verfinſtert werden. Da aber ſeine Bahn mit der Ekliptik einen Winkel von 50 bildet, ſo geht er meiſtens über oder unter dem Schattenkegel der Erde weg. Nur dann wird er verfinſtert, wenn er beim Vollſein zu⸗ gleich nahe bei ſeinem Knoten iſt, was im Mittel in 18 Jahren 29mal geſchieht, wobei dann die Finſterniß eine totale oder par⸗ tielle ſein wird. Steht der Mond, was im Neulicht der Fall iſt, in derſelben Gegend des Himmels, wie die Sonne, und bewegt

ſich nahe genug bei der Erde vorbei, ſo verdeckt er allen Erd⸗ bewohnern, deren Geſichtslinie nach der Sonne durch ihn unter⸗ brochen wird, dieſe letztere. Geht er mitten durch die Sonne, ſo kann er fie, wenn ſein ſcheinbarer Durchmeſſer eben größer iſt, ganz bedecken oder eine totale Sonnenfinſterniß veranlaſſen; bei eben kleinerem Durchmeſſer bleibt noch ein Ring von der Sonne übrig und es entſteht eine ringförmige Finſterniß. Geht er nicht mitten durch die Sonne, ſo entſtehen andere PAUFLORER Berfinfterungen.

In Folge der Refraktion oder Brechung, welche die Licht ſtrahlen in unſerm Luftkreis erleiden (vgl. S. 174), ſehen wir Sonne und Mond, ſo wie die übrigen Geſtirne an andern Stellen des Himmels, als die ſie wirklich einnehmen. Nur Geſtirne, welche im Zenith ſtehen, erleiden keine Nefraftion ihrer Lichtſtrahlen und

wir ſehen ſie daher am wahren Orte; je weiter ein Stern vom

Zenith entfernt iſt, deſto größer wird für ihn der Refraktions⸗ winkel, bis er im Horizonte 00 33 / erreicht. Die Größe der Ne fraktion ändert ſich auch mit dem Dichtigfeits- und Temperatur⸗ zuſtand der Atmoſphäre. Mittelſt der Refraktion erſcheinen die Ge⸗ ſtirne ſchon über dem Horizont, wenn fie wirklich noch unter demſelben ſtehen, und dieſes geht ſo weit, daß z. B. die Sonne in den Polargegenden der Erde ſchon Tage, ja Wochen lang über dem Horizont geſehen wird, ehe ſte noch über ihn emporgeſtiegen iſt, und eben ſo lange noch über demſelben verweilt, wenn ſie in

der That ſchon untergegangen if. Durch die Horizontalrefraktion 9

*

| Erläuterungen zum II. und III. Hauptſtück. 0 271

wird Aud die Geſtalt der Simmelsförner bedeutend verändert, als ihr Licht gedämpft.

Die Firiterne haben eine eigenthümliche, allen gemeinſchaft⸗ liche ſcheinbare Bewegung, welche man Präzeſſion nennt, Während nämlich ihre Breite unverändert bleibt, nimmt ihre Länge jedes Jahr um 50/118 zu. Sie hat ihren Grund in dem Nückwärts⸗ gehen des Frühlingspunktes („Vorrücken der Nachtgleichen“) von Oſt nach Weſt alljährlich um die genannte Größe. Die Ekliptik bleibt hiebei unverändert, aber der Aequator geht auf ihrer feſten Ebene rückwärts und ſein Pol beſchreibt einen Kreis um den Pol der Eklip⸗ tik. Die Präzeſſion hat wieder eine Aenderung der Abweichung und geraden Aufſteigung jedes Sterns zur Folge. In einem Jahr⸗ hundert beträgt das Nückwärtsgehen des Frühlings⸗ und demnach auch des Herbſtpunktes 10,94 um welche Größe alſo die Länge der Sterne zunimmt, welche demnach ſeit der Zeit der Aſtro⸗ nomen des Alterthums, alſo etwa 2000 Jahren, eine Vergröße⸗ rung von mehr als 27 erhalten hat. Die Benennung der 12 Himmelszeichen, welche in uralter Zeit wahrſcheinlich in Einklang

mit damaligen Naturperioden gegeben wurde, ſtimmt daher durch⸗ |

aus nicht mehr mit unſern jetzigen monatlichen Naturerſcheinungen zuſammen. Es iſt klar, daß auch ganz andere Sterne in verſchie⸗

denen Zeiten in die Nähe der Pole kommen werden, ſo daß der

Stern c im kleinen Bären, den man jetzt als Polarſtern be trachtet, vor 2000 Jahren noch gegen 120 vom Nordpole entfernt war. Könnte man die Präzeſſion von 00% 13945 für alle Jahre gleich groß annehmen, was jedoch wegen Veränderlichkeit ihrer Größe nicht angeht, ſo müßten die Pole des Aequators ihren ganzen Umlauf um die Pole der Ekliptik in 2,812 Jahren, welche Periode! man das große Platoniſche ahr genannt hat, vollenden. Der Pol des Aequators hat aber außer jener Bewegung noch eine andere, unter dem Namen der Nutation bekannte. Im Allge⸗ meinen geht er nämlich in jenem Kreiſe, welchen er um den Pol der Ekliptik beſchreibt, mit der Zeit immer rückwärts; er bleibt aber dabei nicht immer in der Peripherie deſſelben ſondern nähert oder entfernt ſich etwas von ihrem Centrum, ja ſchreitet manch⸗ mal ſogar einige Jahre vorwärts, Ungleichheiten, die aber ſtets in einer 19 jährigen Periode ſich wiederholen. Präzeſſion wie Nutation beruhen auf der nicht ganz gleichförmigen Anzie⸗ hung, welche die Erde wegen ihrer nicht vollkommen ſphäriſchen Geſtalt und ihrer ungleichen Maſſenvertheilung von Sonne und Mond erfährt. Hiedurch ſind V eränderungen in der Stellung ihrer Axe gegeben, in Folge deren fie gewiſſe Schwankungen macht, wie ein ſich drehender Kreiſel, welche bei einer vollkommen runden, gleich angeordneten Erde nicht eintreten würden. Auf

272 Allgemeine Raturgeſchichte. IH. Buch.

die Anwendung der Präzeſſion zur Ermittlung des Alters chro⸗ nologiſcher Denkmale werden wir im ten Buch zurückkommen.

IV. Hauptftück.

Bon der allgemeinen Gravitation der Himmels⸗ | körper gegeneinander.

| Die große, Entdeckung Newtons, daß alle Körper ſich im

geraden Verhältniß ihrer Maße und im umgekehrten des Quadrats ihrer Entfernung anziehen, iſt folgenreicher und fruchtbarer als je eine andere im Gebiet der Naturwiſſen⸗ ſchaften geworden. Es gelang Newton, aus dem von ihm gefundenen Geſetz der allgemeinen Schwere die Noth— wendigkeit der elliptiſchen Bahnen zu erweiſen, in welchen die Sonne vermöge ihrer Anziehung die Planeten um ſich führt, und aus der gegenſeitigen Anziehung der Maſſen dieſer letztern die Störungen abzuleiten, welche ſie auf einander ausüben. Es gelang ihm auch, aus jenem Geſetze die Maſ⸗ ſen der Sonne und der Planeten, ihre Dichtigkeiten und Größe zu beſtimmen, die Fallgeſchwindigkeit der Körper auf ihnen, ſo wie die Geſtalt und Abplattung der Erde. Die Theorie der größern Ungleichheiten der Mondsbewegung, die Ebbe und Fluth im Ocean der Erde, das Vorrücken der Nachtgleichen und die Bewegungen der ebenfalls der Gravi⸗ tation gehorchenden Kometen, fo wie viele andere wichtige Verhältniſſe der Körperwelt floßen gleichfalls aus en FR baren Geſetze.

Newton betrachtet nun als die Urſache der Gravitation | die vereinigte Anziehung, welche alle Elemente eines Körpers zuſammen genommen auf andere Körper ausüben. Erforſcht man aber das Verhalten der uns umgebenden materiellen Welt in dieſer Rückſicht, ſo ſieht man, daß die Anziehungskraft der Theilchen eines Körpers nur auf ſehr kleine Diſtanzen, wahrſcheinlich nur auf die Entfernungen der Atome von ein⸗ ander wirke. Die neuere Phyſik unterſcheidet daher ſchon allgemein die Molekularkraft der Atome, die bereits in

Von der allgemeinen Gravitation d. Himmelsk. 273

ſehr kleinen (nach der Dichtigkeit der Materien ungleichen) Entfernungen aufhört und aus deren verſchiedener Modi⸗ fikation der Aggregatzuſtand der Körper abgeleitet wird, von der in unermeßliche Ferne wirkenden, von aller Verſchie⸗ denheit der Materie unabhängigen Gravitationskraft. Wenn aber nun die letztere ihren Grund nicht in der Materie haben kann, wo ſoll ſie ihn denn ſonſt haben, als in jener geiſtigen Einheit, die jedem Weltkörper zu Grunde liegt, und von welcher die Maſſe, die ihn bildet, ſelbſt nur eine Folge und ein Ergebniß iſt? Darum konnte Newton beweiſen, daß bei der Wirkung ſeines Geſetzes, die Anziehung der Weltkörper auf außer ihnen lie⸗ gende Körper ſich ſo verhalte, als wäre ihre an— ziehende Kraft (die nach ihm, welchem die phyſiſchen Er⸗ fahrungen der neuern Zeit noch verborgen waren, jedem Ele⸗ mente ihrer Maſſe zukommen müßte) im Mittelpunkte der Kugeln vereinigt. Man wende nicht ein, daß auch bei Schrotkörnern, Waſſertropfen u. dgl. runde Geſtalten ent Händen, als Wirkung der Anziehung ihrer Atome, ohne daß

hier an ein geiſtiges, ſie zum Ganzen verbindendes Prinzip zu denken wäre. Die Weltkörper zeigen außerdem Erſchei⸗ nungen ganz anderer, höherer Art, welche ſich durch geordnetes Einherziehen im Raume, durch harmoniſche Beziehungen auf ein⸗ ander und z. B. in unſerem Sonnenſyſteme durch allmäliges Wachſen der Entfernungen nach einem beſtimmten Geſetz, und Verbindung aller zu einem organiſchen Ganzen ausgeſprochen haben. Sollte auch die Geſtalt der Weltkörper aus der Mole⸗ kularanziehung begreiflich werden, ſo ſcheint die Gravitation eine Kraft zu ſein, die ihnen als Individuen zukommt. Aller⸗ dings wirkt ſie um ſo intenſiver, je gewaltiger die Maſſe eines Weltkörpers iſt: aber nicht, weil in dieſer der erſte Grund hievon liegt, ſondern weil die Maſſen der kosmiſchen Orga⸗ nismen ſelbſt nur das Reſultat des jedem eigenen Quantums von anziehender Kraft ſind, mit welchen die ſie durchdringenden immaterialen Einheiten bei ihrer Entſtehung wirkten und fort⸗ während wirken. Es iſt klar, daß es für die Berechnung dieſer Kraft und ihrer Wirkung gleichgültig iſt, ob ſie als 9 18 \ ?

274 Augemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

eine die Maſſe bedingende, oder als eine von der Maſſe aus⸗ gehende angeſehen werde; nicht fo aber für bie hiloſophiſche Erkenntniß des Weſens her Weltkörper.

Durch das von Newton gefundene Geſetz der allgemeinen Schwere hat die phyſiſche Aſtronomie jenen außerordentlichen Grad von Sicherheit und Beſtimmtheit erreicht, der ihr erlaubt, auf Jahrhunderte hinaus den jezeitigen Ort der Planeten am Himmel auf wenige Sekunden zu beſtimmen, Finſterniſſe und Sternbedeckungen einer ziemlich fernen Zukunft auf die Minute zu berechnen. Erſcheinungen verſchiedener Art, Ver⸗ hältniſſe in manchen Bewegungen der Himmelskörper, die man erſt in neuerer Zeit näher zu erkennen anfängt, deuten, zwar erſt noch leiſe, bereits darauf hin, daß denn doch über jener ſtarren Macht eines, wie man glaubt, rein mechaniſchen Geſetzes noch ein höheres Walten vorhanden ſei. Auch iſt die Zeit, welche ſeit der Aufſtellung des Gravitationsgeſetzes ver⸗ floſſen iſt, wie man nicht verſchweigen darf, noch viel zu kurz, um behaupten zu können, daß es für alle Zeiten, für den ganzen Lebensverlauf der Einzelwelten und noch viel we⸗ niger des Weltalls, ohne Wandel und Schwankung und für alle Gattungen von Weltkörpern, für alle Gegenden des Weltraums unveränderlich daſſelbe ſei. Wenn die an den Doppelſternen beobachteten Bewegungen dieſes Geſetz auch in jenen fernen Regionen zu beſtättigen ſcheinen, ſo kommen andererſeits ſchon an Weltkörpern unſeres Syſtems, nämlich an den Kometen Erſcheinungen vor, die daſſelbe modiſtziren mögen, wobei wir nur an die merkwürdigen Wahrnehmungen am Halleyſchen Kometen erinnern. (Vergl. Beſſels Aufſ. im aſtron. Jahrb. von Schuhmacher für 1837, S. 142, ff.) Es iſt möglich, daß das Gravitationsgeſetz nur der Ausdruck des poſitivſten, am meiſten mechaniſchen und eben darum faßlich⸗ ſten Verhältniſſes im Leben der Weltkörper iſt. Kepler hatte ohne Zweifel höhere Ideen vom Weltall, ſeiner Harmonie und ſeinem Leben: aber Newton ergriff das niedrigere, eben daher leichter demonſtrable und dem Kalkul unterwerfbare Verhältniß mit gewaltigerem und ſichererem Geiſte, und ihm erkannte die Welt den Preis zu, wie ſie es in ähnlichen

Von der eig Gravitation d. Himmelsk. 273

Fällen, jedoch nur in der Neuzeit, immer gethan hal; Nach dem Geſetz der Schwere wäre das Univerſum nichts als ein großes Uhrwerk; in Wahrheit iſt es aber ſicher der erhabenſte Organismus, gebildet aus unzähligen einzelnen Organis— men, durchdrungen vom Hauche des Allbelebenden. Unſere rechnende Aſtronomie, ſo ſchön, ſo dankens⸗ und bewunderns⸗ werth ihre Reſultate ſind, mag ſich zum Leben des Weltalls verhalten, wie die Theorie der Töne zur Muſik, und darf uns eben deßhalb nicht abhalten, ſtatt in ihr zu erſtarren, nach einer hoͤhern, vollkommenern und lebendigern Erkenntniß zu ringen. Da ſich nach dem Gravitationsgeſetze alle Körper gegenſeitig im Verhältniß ihrer Maſſe und verkehrt, wie das Quadrat ihrer Entfers nung anziehen, ſo würde z. B. die Sonne, wenn die Kraft, mit der ſie jetzt die Erde anzieht, 4 if, fie 4, 9, 16, 25mal ſtärker an⸗ ziehen, wenn die Erde 2, 3, 4, 5mal näher an ihr ſtände, oder eben ſo viel ſchwächer, wenn ſte ſo viel weiter von ihr entfernt wäre. Blieben die Entfernungen von Sonne und Erde, wie ſie jetzt find, und würde die Sonnenmaſſe doppelt, dreimal, viermal ſo groß, fo würde fie ebenfalls die Erde 4, 9, t6mal fo ſtark an⸗ ziehen, als jetzt. Durch die Gravitation wirken die Weltkörper nicht bloß gegenſeitig auf einander, ſondern auch auf alle andern Körper, die in den Bereich ihrer Attraktionsſphäre kommen. Dieſe Kraft, z. B. der Erde, hält den Mond in feiner Bahn und macht den Apfel vom Baume zu Boden fallen. Eine Meteorkugel, welche eine Jupitersmond in der Entfernung von 100 Meilen um 1 Fuß in der erſten Sekunde anzieht, wird in 50 Meilen Ent⸗ fernung 4, in 25 M. Entfernung 16 F. in der erſten Sekunde an⸗ gezogen werden und hiernach mit dieſer Geſchwindigkeit gegen ihn

fallen. Die Anziehung eines Weltkörpers richtet ſich nach der Maſſe

deſſelben und ſcheint, wenigſtens nach den bisherigen Erfahrungen für alle Subſtanzen gleich zu fein. Der Mond, welcher nur z der Erdmaſſe hat, wird andere, gleichweit von ſeinem oder dem Erdmittelpunkt entfernte Körper 7o0mal ſchwächer anziehen. Wäh⸗ rend die Körper an der Oberfläche des Mondes in der erſten Sek. nur 2,5 Par. Fuß fallen, fallen fie auf der Erde 15 F. Der Fall der Körper iſt aber nichts, als was man ihr Gewicht nennt; und wie der Fall der Körper z. B. auf dem Monde smal lang- ſamer iſt, als bei uns, fo wird auch ihr Gewicht 5mal kleiner ſein, und ein Körper, der bei uns mit der Kraft eines Pfundes auf feine Unterlage drückt, wird dort nur wie 6% Loth, auf der Sonne bingegen wie 29 Pf. drücken. Die Maſſe der Himmelskörper, wenn man ihre Attraktion kennt, findet man nun durch Umkeh⸗

276 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

rung des Gravitationsgeſetzes: denn wenn die Attraktions⸗ kraft jedes Körpers auf jeden andern außer ihm gleich ſeiner Maſſe, dividirt durch das Quadrat ſeiner Entfernung iſt, ſo iſt auch umgekehrt die Maſſe des anziehenden Körpers gleich der Anziehungskraft deſſelben, multiplieirt in das Quadrat der Entfernung. Aus der Entfernung der Weltkörper in Verbindung mit dem ſcheinbaren Durchmeſſer derſelben findet man den wahren, und ſonach ihre Größe; hat man nun bereits ihre Maſſe gefunden, ſo iſt es leicht, ihre Dichtigkeit auszumit⸗ teln, da dieſe nichts anderes iſt, als das Pethafee der Maſſe zum Volumen.

Die elliptiſche Bewegung der Himmelskörper be⸗ betrachtet man als das Neſultat zweier Kräfte, ) eines bei ihrer Entſtehung ihnen beigebrachten, nicht durch die Mitte gehenden, ohne Ende fortwirkenden Stoßes, in deſſen Folge der Körper unaufhörlich in einer geraden Linie gleichförmig ſchnell fortlaufen würde, da, wie man ſagt, wegen der Drägheit der Materie, kein Grund vorhanden iſt, warum dieſe einmal begonnene Bewegung aufhören ſollte, und 2) einer eben ſo unaufhörlich wirkenden Attraktionskraft der Sonne. Der Planet oder Komet ſchreitet nun weder in der Richtung der einen noch der andern Kraft, ſondern in der Diagonale des Parallelogramms fort, deſſen Seiten die Größe und Richtung jener Tangential- und Centralkraft dar⸗ ſtellen. Es hängt von der anfänglichen Geſchwindigkeit eines Weltkörpers ab, ob ſeine Bahn ein Kreis, eine Ellipſe, eine Parabel oder Hyperbel werden ſoll. Sind ſich z. B. die beiden Kräfte vollkommen gleich, ſo wird die Bahn ein Kreis werden; über⸗ wiegt die Tangentialkraft, fo werden andere Kegelſchnitte entſtehen.

Die Ellipſen, welche die Planeten und Kometen unſeres Sy⸗ ſtems um die Sonne beſchreiben, wären ſehr einfach, wenn jeder von ihnen nur durch die Sonne angezogen würde. So aber wird jeder nicht blos durch die Sonne, ſondern auch durch alle andern Körper des Syſtems angezogen, wodurch in der ſonſt ſo einfachen Bewegung vielfache Störungen, Perturbationen entſtehen. Bald, nach dieſer bald nach jener Richtung wird die elliptiſche Bewegung verändert, beſchleunigt oder aufgehalten. Da jedoch die vereinigte Maſſe aller Planeten (die Maſſen der Kometen kom⸗ men hiegegen kaum in Betracht) 560mal geringer als jene der Sonne iſt, durch deren Attraktionskraft die elliptiſche Bewegung bedingt iſt, ſo ſind auch die Störungen, welche die Planeten gegenſeitig auf dieſelbe ausüben, doch nur gering. Dieſelben werden indeß um fd. größer fein, je exzentriſcher die Ellipſe if, in der ſich ein Planet bewegt; die Exzentrizitäten der ältern Planeten ſind aber ſehr gering, und die Bahnen der neuen 4 kleinen

Von ee Gravitation d. Himmelsk. 277

ſo ſtark nuf die Bahnen der ältern geneigt daß die Wirkung der Anziehung / die 2 25 auf die Aſteroiden ausüben, dadurch ſehr ver⸗ mindert wird. Durch dieſe Umſtände wird die Störung ſehr vereinfacht, unde wenigſtens eine annähernde Berechnung derſelben, aber auch nur eine ſolche möglich gemacht. Hiezu kommt noch, daß man nicht alle Störungen zugleich berechnet, welche von allen Planeten zuſammen auf einen von ihnen, z. B. die Erde ausge— übt werden, ſondern nach dem berühmten Problem der 3 Kör⸗ per nur immer jene zugleich berückſichtigt, welche einer von einem andern erleidet fo daß z. B. nur die Erde, die Sonne und der ſtörende Planet auf einmal betrachtet werden. So konnte man nach und nach Tafeln für die jezeitigen Orte der Himmelskörper entwerfen, welche in Betracht aller dieſer Schwierigkeiten doch ſchon einen ſehr hohen Grad von Genauigkeit beſitzen. Gewiſſe Störungen hängen offenbar nur von den Orten zweier Planeten ab, die nach einigen Umläufen wieder dieſelben ſein werden. Hiemit werden dann jene Störungen wieder zurückkehren, und man nennt ſie daher periodiſche. So erleidet der Mond durch die Sonne regelmäßig wiederkehrende Störungen feiner Länge, die als Evek— tion, Variation und jährliche Gleichung des Mondes bekannt ſind. Unter den periodiſchen Störungen der Planeten ſind beſonders diejenigen merkwürdig, welche Jupiter und Saturn auf einander ausüben. Die von den gegenſeitigen Stellungen abhängigen Aenderungen der Planeten in ihren Bahnen werden endlich auch auf die Bahnen ſelbſt einwirken, und ihre Geſtalt, Lage, vielleicht ſelbſt Größe verändern. Dieſe Störungen werden nicht mehr von einem einzelnen Planeten abhängen, ſondern das Reſultat der ſeit Jahrhunderten beſtehenden Stellungen der Bah— nen aller Planeten gegen die Bahn des zu ſtörenden ſein. Dieſe Bahnſtellungen ſind ſelbſt wieder veränderlich, aber ihre Periodizi— tät umfaßt Jahrhunderte, daher man die Störungen dieſer Art ſäkuläre genannt hat. So wird die Mondbahn, welche 50 gegen die Ekliptik geneigt iſt, durch die Attraktion der in der Ekliptik ſtehenden Sonne dieſer genähert werden müſſen. Hiedurch rücken die Knoten feiner Bahn jährlich um 19%, rückwärts, und vollenden ihren ſideriſchen Umlauf in 6793/8339 Tagen. Die Ent⸗ fernung des Mondes von der Erde wird durch die Sonne ebenfalls und damit die Lage der großen Are feiner Bahn fortwährend verändert, woraus ein ſideriſcher Umlauf der Apſt den der Monds⸗ bahn hervorgeht, welcher 3232367 Tage dauert ꝛc. Zu den ſäku⸗ lären Störungen der Planeten gehören die Veränderungen ihrer Knoten und Neigungen, und die Veränderungen der Länge des tropiſchen Jahres oder der Umlaufszeit in Beziehung auf den Frühlingspunkt, deren Extreme bei der Erde etwa 38 Sekunden

278 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch. a

betragen, während das ſideriſche Jahr eine der unveräͤnderlichen Größen des Planetenſyſtems iſt. Beim Monde fallen bekanntlich Axendrehung und Umlauf um die Erde zuſammen, d. h. während er einen Umlauf um die Erde macht, hat er alle Punkte ſeiner Oberfläche der Sonne zugekehrt, alſo ſich einmal um ſeine Axe bewegt. Die S. 240 erwähnte Libration oder Schwankung des Mondes iſt keine wirkliche, ſondern nur eine ſcheinbare. Die Bewegung des Mondes iſt nämlich eine ungleichförmige, er geht in Folge der Störungen mit kleinerer oder größerer Geſchwin⸗ digkeit fort, und zeigt daher uns, die wir im Mittelpunkte ſeiner Bahn ſtehen, bald an ſeiner öſtlichen, bald an ſeiner weſtlichen Seite kleine Theile ſeiner abgewendeten Seite. Da die Are des Mondes auf feine Bahnebene nicht ſenkrecht ſteht, ſondern um beinahe 830 gegen fie geneigt iſt, fo erblicken wir, wenn er im höchſten Punkte der Bahn ſteht, vom nördlichen Mondrande etwas mehr, vom ſüdlichen etwas weniger, als im umgekehrten Falle. Die Kometen ſcheinen wegen ihren fo äußerſt dünnen Maſſen außer den Störungen, welche ſie durch die Planeten erleiden, auch noch eine Retardation in ihrer Bewegung durch den Aether zu erfahren, wodurch die große Are ihrer Bahnellipſe kleiner, ihre Umlaufszeit demnach kürzer werden und ein endlicher Einſturz in die Sonne erfolgen müßte, wie Enke namentlich an dem nach ihm genannten Kometen nachgewieſen hat. Unter allen Aenderungen und Störungen, welche in den Bewegungen der zahlreichen Körper unſeres Syſtems durch ihre gegenſeitige Anziehung hervorgebracht werden, nimmt man doch 3 unter allen Umſtänden unveränderliche Verhältniſſe an: nämlich die Unveränderlichkeit der Rota⸗ tionsaxe der Erde, der Länge des Tages, und der mitt⸗ lern Entfernung der Erde und aller Planeten von der Sonne.

Aus dem Gravitationsg eſet e leitet man auch die Kugelgeſtalt der Himmelskörper ab. Einzelne vorherrſchende Punkte hätten die ſie umgebende, wahrſcheinlich flüſſige Maſſe angezogen und ſie in Schichten um ſich abgelagert, deren Dichtigkeit gegen die Mitte immer größer wurde und welche Kugelform annahmen. Die Nor tation ſei durch Anziehung der benachbarten Weltkörper entſtanden; ihr zu Folge mußte unter dem Aequator Centrifugalkraft, hiemit eine Erhebung der Maſſe daſelbſt; unter den Polen Ueberwiegen der Schwerkraft, hiemit Abplattung eintreten. Eine ganz gleich dichte Maſſe wird durch die Notation eine ſphäroidiſche Geſtalt, d. h. eine folche erhalten, welche durch Umdrehung einer Ellipfe um ihre kleine Axe entſtanden iſt. Unſere Erde müßte nach dieſer Vorausſetzung eine Abplattung von etwa so erhalten haben; da fie aber um 149 abgeplattet it, fo kann fie nicht gleich dicht ſein.

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 279

Die Rotation der Weltkörper erklärt man auch durch den Chypo- thetiſchen) urſprünglichen Stoß, durch welche ſie ihre Bewegung um Centralkörper erhalten haben. Je näher dem Mittelpunkte derſelbe erfolgt, deſto langſamer muß die Rotation und deſto geringer alfo auch die Abplattung werden; bei unſerer Erde er- folgte der Stoß nur %ooo von ihrem Mittelpunkte entfernt; bei Jupiter % / beim Monde 2/00 des Halbmeſſers, woher die ſchnelle Rotation und ſtarke Abplattung Jupiters. Wie man aus jenem Stoße Schlüſſe auf den Punkt der Bahn, in welchem

die Erde entſtanden iſt, und auf ihr Alter ziehen kann, wird im

vierten Buche gezeigt werden. Ebbe und Fluth, Höhe der Atmoſphäre ꝛc., welche gleichfalls aus dem Gravitationsgeſetze abgeleitet werden, ue eben dort ihre Erläuterung finden.

V. e

Entstehung, Entwicklung und Untergang der 8 | Weltkörper.

Die teleskopiſche Durchforſchung des Hinmelsgewölbes beſtättigt, was ſchon a priori nothwendig erſcheint, auch in der Erfahrung: daß die dem bewaffneten Auge ſichtbaren kosmiſchen Gebilde ſich in höchſt verſchiedenen Stadien ihrer Ausbildung befinden, manche aus der chaotiſchen Lichtmaterie ſich eben zu geſtalten beginnen, andere gröſſere Verdichtung und mehr und mehr beſtimmte Umriſſe ihrer Geſtalt gewon⸗ nen haben, ſehr viele bereits frei von nebligen Atmosphären, im intenſivſten Lichte prangen. Wir ſchließen (nach Herſchel's Gleichniß) von den verſchiedenen Stufen des Grünens, Blü⸗ hens und Fruchttragens der Pflanzen eines Gartens auf die verſchiedenen Epochen der Entwicklung, in welchen ſich dieſe ſo eben befinden, nach Analogie und Vernunft werden wir auch, wenigſtens in einem groſſen Theile jener verſchiedenen Erſcheinungsformen der kosmiſchen Organismen, fo viele Evo» lutionsſtufen derfelben annehmen müſſen, obwohl es uns nur ſelten vergönnt iſt, hier wie dort deren Fortgang zu verfolgen. Denn das Menſchenleben verhält ſich zum Leben der Weltkör⸗ per, wie ein flüchtiger Augenblick zu Jahrtauſenden, und das Daſein unſeres ganzen Geſchlechts iſt erſt von geſtern, mit

980 Allgemeine Baturgefähichte. um. Buch.

den Jahrmillionen verglichen, Wale zu den Entwicklungspro⸗ zeßen des Sternhimmels erfoderlich ſind. Und doch ſchreibt ſich die etwas genauere Kenntniß jener wunderbaren Regionen kaum von zwei Menſchenaltern her. Den bei weitem größten und wichtigſten Theil derſelben verdanken wir dem unſterblichen W. Herſchel, und Alles, was ſein würdiger Sohn J. Herſchel, Schröter, und höchſt wenige Andere lieferten, welche den Muth hatten, jene erhabenen und ſchwierigen Arbeiten fortzusetzen, dient höchſtens zu einiger Erweiterung und Beſtättigung von W. Herſchels Entdeckungen und Folgerungen. Was die Ent⸗ ſtehung und allmälige Ausbildung unſeres Planetenſyſtems betrifft, ſo ſind ſeit der Theorie, welche Kant in ſeiner Naturgeſchichte des Himmels (Verm. kl. Schrift. Bd. 1. S. 183 ff.) hievon ge⸗ geben hat, zahlreiche andere aufgeſtellt worden, deren wichtigfte - betrachtet werden ſollen. Unter allen ſcheint jene von Laplace am f höchſten zu ſtehen, theils durch die Einfachheit ihrer keinem Naturgeſetz widerſprechenden Vorausſetzungen, theils und vorzüg⸗ lich, weil ſie wie keine andere, die Uebereinſtimmung der Bewe⸗ gungen, die man bei den Weltkörpern unſeres Sonnenſyſtems wahrnimmt, aus der gemeinſchaftlichen Entſtehung derſelben ablei⸗ tet, wonach jene nicht als zufällig zuſammengeſellte, ſondern als ſelbſtſtändige Glieder eines und deſſelben höhern Organis⸗ mus erſcheinen. Vergeſſen wir nicht, daß jene mechaniſchen Vorgänge, wie die Bildung der Sonne aus einem Nebelfleck,

das Zerfallen ihrer Atmoſphäre (nach in ihrer Beſchaffenheit |

gegründeten Gliederungsmomenten) zu mehreren konzentriſchen Schichten, die Bildung der einzelnen Mond⸗ und Planeten⸗ kugeln aus denſelben ꝛc. nur die ſinnlich wahrnehmbaren Aeußerungen der im Innerſten wirkenden geiſtigen Prinzipien ſind, die in Verbindung mit den äußerlich gegebenen Umſtän⸗ den jeden Weltkörper unſeres Syſtems mit all ſeinen Beſon⸗ derheiten zu dem machten, was er iſt, ſo können wir der Hypotheſe von Laplace als derjenigen beiſtimmen, welche mit Natur und Vernunft am meiſten in Harmonie ſteht.— Die Hypo⸗ theſe von Laplace ſchließt ſich ungezwungen an die Anſi chten Herſchels an, und bildet die Fortſetzung derſelben. Wenn dieſer die Bildung der Sonnen aus dem ee leuchtenden

Entfichüng, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 281

Urſtoff des Weltraums durch allmälige Verdichtung deſſelben, und ein hieraus erfolgendes Durchlaufen der verſchiedenen Nebelfleckformen erklärt: fo nimmt Laplace einen Herſchel'ſchen Nebelfleck als gegeben, und leitet aus ihm die vollſtändige Ausbildung unſerer Sonne nebſt der Entſtehung ihrer Planeten und Monde her. Beide groſſe Männer ſtützen ſich auf die im ganzen Univerſum wirkſamen Geſetze der Anziehung und Verdichtung. Es leuchtet jedoch ein, daß aus dieſen allein die Bildung der Welt nicht erfolgen kann, und es wird immer klarer hervortreten, daß neben jenen der Materie überhaupt eigenen Erſcheinungen, allenthalben auch geſtaltende, orga- nifirende Prinzipien nothwendig feien, wo Höheres, als bloße Aggregate der Materie entſtehen ſoll. Erſt dann wird es uns klar werden, wie es möglich iſt, daß die Weltkörper eine polariſche Anordnung ihrer Beſtandtheile, daß ſie elek⸗ triſche, magnetiſche, Licht» und Wärmeerſcheinungen zeigen können, daß ſie eine Entwicklung durchlaufen, deren Gang manchmal verzögert, manchmal beſchleunigt, erſchüttert und verändert wird, mit einem Wort, daß fie Lebenskräfte offenbaren, welche nie an bloß materiellen Aggregaten wahr⸗ genommen werden. Wir wagen zu behaupten, daß die Erfah⸗ rung Schritt vor Schritt die hier aufgeſtellte Anſicht beſtät⸗ tigen wird. Zur Erklärung mancher Phänomene reicht bereits

a die Schwere nicht mehr aus, und ſteht ſogar im Widerſpruch

mit ihnen, wie Beſſels Annahme von polariſchen Kräften in den Kometen beweist, zu welcher dieſer berühmte Gelehrte durch ſeine Beobachtungen der ſchwingenden Bewegung, welche die Ausſtrömung des Halley'ſchen Kometen machte, veranlaßt wurde. (Vergl. den S. 274 angeführten Aufſſatz.) Allenthal⸗ ben in der Natur erfcheint neben dem Anziehenden, Freund⸗ lichen, ein Abſtoſſendes, Feindliches, über beiden ſteht

aber noch das Ordnende und Geſtaltende, ohne welches wir - nur den blinden, nimmer ruhenden Kampf jener an der Mas terie haftenden Attraktions- und Repulſionskräfte, nie aber

höhere Formen von Naturweſen, nie Weltkörper, noch weni⸗ ger Weltkörperſyſteme, am wenigſten 3 b auf ihnen Be würden. |

232 Allgemeine Naturgeſchichte. IM. Buch.

Aus dem Gravitationsgeſetze, beſonders aus der übers wiegenden Maſſe der Sonne, glaubt man mit vollkommener Sicherheit eine Beſchaffenheit des Planetenſyſtems voraus- ſetzen zu dürfen, welche in unendlich alter Zeit der jetzigen vollkommen gleich war. Die mathematiſche Analyſe weist ſo zu ſagen, durchaus auf keinen Anfang deſſelben hin. Denn wenn man mit ihrer Hülfe auch in die höchſte Vergangenheit

zurückgeht, findet man immer, daß die Planeten in nahe

kreisförmigen Bahnen um die Sonne, und die Monde ſich um die Planeten bewegt haben. Wir ſtoßen hier auf einen der Fälle, wo Vernunft und Analogie weiter reichen, als die Analyſis. Erſtere jagen uns, daß wie Alles in der Er ſcheinungswelt, ſo auch die Weltſyſteme einen Anfang haben

müffen; daß wie alle andern Dinge auch fie Stufen der

Entwicklung durchlaufen müſſen. Es ſcheint, wieder nach der Analyſe, daß unſer Planetenſyſtem einen Zuſtand der Ausgleichung und hiemit der Ruhe erlangt habe, welcher

.

auf eine grenzenloſe Zukunft hinaus feine Dauer und fein ,

Beſtehen verbürgt. Die S. 278 erwähnten 3 un veränder⸗ lichen Elemente geſtatten keine mit der Zeit fortgehen— den, alſo nach und nach den Untergang des Ganzen herbeis führenden, ſondern nur periodiſche, ſich wieder ausgleichende Veränderungen. Durch eine bewundernswürdige, von Lagrange entdeckte, von Laplace und Poiſſon weiter entwickelte Kom⸗ bination iſt namentlich die Unveränderlichkeit der großen Axen

der Bahnellipſen, und hiemit auch der Umlaufszeiten aller

Planeten vermittelt. Wenn man nämlich in dem allgemeinen

analytiſchen Ausdruck der ſäkularen Störungen eines Planeten

jene Zahlen ſubſtituirt, welche den einzelnen Planeten zukom⸗ men, heben alle Glieder dieſer Formel ſich auf, woraus hervor⸗ geht, daß dieſe große Are ſelbſt, durch Einwirkung der andern

Planeten nicht geſtört wird und vollkommen unveränderlich iſt.

Der ſchaffende Geiſt der Welt hat dieſen wichtigen Zweck durch das ſcheinbar unbedeutende Mittel erreicht, die Umlaufszeiten unter ſich inkommenſurabel zu machen: ſo nämlich, daß nicht 2 derſelben ſich zu einander genau, wie 2 ganze Zahlen verhalten. Verhielten ſich z. B. die Umlaufszeiten des Jupiter und Saturn

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 283

genau wie 2: 5, oder wie 4312: 10780 Tagen, während ſie ſich in Wahrheit nur beinahe ſo verhalten, nämlich 4332 und 10759 Tage betragen, ſo würde eine immer weiter ge— hende Aenderung ihrer Bahnen, ein fortwährendes Wach⸗ ſen der Jupitersbahn, ein immer dauerndes Abnehmen der Saturnsbahn, und in deren Folge eine allmälige Zerrüttung und Zerſtörung des ganzen Syſtems eintreten. Schon der Umſtand, daß die wirkliche Umlaufszeit dieſer beiden größten Planeten ſich beinahe = 2 : 5 verhält, veranlaßt in ihrer Bewegung Störungen, die ſich zwar immer wieder ausgleichen, aber bedeutender ſind, als bei allen andern Planeten. Es ſcheint demnach, daß die ſchaffende Kraft den einzel⸗ nen Weltkörpern, wie den Syſtemen, die ſie bilden, eine ſolche Einrichtung gegeben hat, daß ſie, wenn auch nicht immer, doch außerordentliche Zeiten hindurch beſtehen können, wenn einmal ihre Bildungsverhältniſſe ſich geregelt und die gegeneinander wirkenden Kräfte ihre beſtimmte Sphäre ge⸗ wonnen haben. Man könnte denken, daß dieſe Stabilität deßwegen eintreten müſſe, um eine ſekundäre Organiſation, zuerſt eine Pflanzen- und Thierwelt, endlich das Daſein ver: nünftiger Weſen mit all ſeinen Folgen möglich zu machen. Welche Urſachen den aus höhern Gründen wahrſcheinlichen Untergang der Weltkörper endlich doch herbeiführen mögen, wird wohl noch lange verborgen bleiben; doch kann man ſchon jetzt vielleicht 2 oder 3 derſelben vermuthen. Iſt nämlich, wie ſich mehr und mehr zu beſtättigen ſcheint, in den Räumen des Sonnenſyſtems ein Aether wirklich vorhanden, ſo iſt die unausbleibliche Folge hievon eine Verzögerung der Bahnbewe⸗ gung der Planeten, Monde und Kometen deſſelben, eine Schwächung ihrer Tangentialkraft, ein dieſer proportionales, beſchleunigtes Wachſen der Anziehungskraft der Sonne, hier nach ein Abnehmen der Apfidenlinien und ein Einſturz aller Weltkörper unſeres Syſtems in die Sonne. Man beginnt anzunehmen, daß die Sonne mit ihrem ganzen Gefolge ſich durch den Raum um einen größern, vielleicht eben wegen un⸗ geheuerer Maſſe, die das Licht gebunden hält, dunkeln, alſo unſichtbaren Centralkörper bewege. Iſt nun außer dem Planes

284 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

tenſyſtem im Weltraum ein Aether vorhanden, ſo wird der vorige nur innerhalb unſeres Syſtems geltende Grund der Zerftörung, auch für die Sonne ſelbſt mit ihrem ganzen Ger folge vorhanden ſein. Außer dieſer äußern Urſache eines retardirenden Mediums läßt ſich noch eine innere denken. Iſt

wie wir glauben, das Licht ein Lebensakt der Sonnen, ſo kann eine

ſolche Steigerung dieſes letztern eintreten, daß eine gänzliche Ueber⸗ windung der Schwerkraft, in deren Folge eine Zerſtreuung und Auflöſung der ganzen Maſſe und ein Leuchtendwerden derſelben erfolgt, welches uns als Verbrennung erſcheint, und worauf jene neu entſtandenen, hell aufleuchtenden und wieder ver⸗ ſchwundenen Sterne hindeuten, von kekthe bereits S. 205

die Rede war. 1 Ohne Zweifel iſt der Weltraum mit einer ungemein feinen Maſſe erfüllt, welche die Materie in ihrer äußerſten Verdünnung

darſtellt, die Nebelflecken bildet, und uns durch ihre mit der !

Verdichtung zunehmende Leuchtkraft fichtbar wird. Man nennt dieſelbe Urmaterie, Nebelſtoff, Aether. Schon die Alten, namentlich Platon haben das Dafein des Aethers angenommen. Eine andere Frage iſt, ob auch die Räume zwiſchen den Körpern

unſeres Sonnenſyſtems noch mit jener feinen Materie erfüllt ſeien?

Sollte dieſes der Fall ſein, ſo müßte die mittlere Entfernung der

Planeten wegen dem Hinderniß, das ſie ihrer Bewegung entgegen

ſetzt, fortwährend und gleichmäſſig abnehmen, die Exeentrizität derſelben vermindert, ihre Bewegung beſchleunigt werden. Bei den Planeten, deren Dichtigkeit gewiß ungemein groß gegen jene des Aethers iſt, läßt ſich zwar bis jetzt aus den Beobachtungen keine Abnahme der Umlaufszeit folgern und nichts angeben, das auf einen ſolchen Widerſtand zu ſchließen berechtigte. Bei den Kometen hingegen, Körpern von ſehr geringer Dichtigkeit, kommen allerdings ſolche Erſcheinungen vor; beſonders zeigte der Enkeſche Komet, welcher in den Jahren 1786, 1795, 1805, 1849, 1822 beobachtet wurde, ſolche Veränderungen ſeiner Bahn, welche ſich nach Berückſichtigung aller Störungen nicht erklären laſſen. Enke fand nämlich, daß ſich ſeine Umläufe um etwas beſchleu⸗ nigt haben, und daß auch ſeine Excentrizität abgenommen hat: Verhältniſſe, welche ſich durch keine andere Annahme ſo gut erklären laſſen, als durch die, daß des Kometen Bewegung einigen Widerſtand leide. Brandes, welcher mit andern annimmt, daß die Schweife der Kometen durch eine abſtoſſende Kraft der Sonne entſtehen, welche die Materie des Schweifes forttreibt, glaubt aus deren Geſtalt die Annahme eines Aethers erſchließen zu können.

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 285

Gleich in der Nähe des Kometen ſcheine der Schweif merklich hinter der Richtung zurückzubleiben, oder mehr zurückgebogen zu ſeyn, als es nach der Theorie ſeyn ſollte, nach welcher die Are des Schweifes, da wo ſie ſich an den Körper des Kometen anſchließt, von dem nach der Sonne gezogenen Radius vector berührt werden müßte. Beſonders aber ſcheint die Schwächung, welche das Licht während ſeiner Fortpflanzung durch den Himmelsraum erleidet, für das Daſein einer obwohl feinen, doch das Licht trübenden Mas terie im Weltraum zu ſprechen. Olbers hat hierüber ſchöne Betrachtungen angeſtellt. Er nimmt vor allem das Weltall als unendlich an. Denken wir uns aber in die fernſten Weiten hin⸗ aus Sonnen über Sonnen, ſo kann es keinen Punkt am Himmel geben, der nicht einen Stern darböte, und das ganze Himmelsge— wölbe müßte ſo leuchtend als die Sonne erfcheinen, wenn das Licht ganz ungeſchwächt zu uns käme. Einen ſolchen gleichförmigen Glanz beobachten wir nicht, aber dieſes ſpricht nicht gegen die Unendlichkeit des Univerſums, denn eine ganz geringe Schwä⸗ chung des Lichtes würde die Erſcheinungen gerade ſo geſtalten, wie wir fie wahrnehmen. Um dieß zu beweiſen nimmt Olbers, allerdings willkührlich an, daß das Licht, indem es vom Sirius zu uns gelangt, nur um 00 geſchwächt werde, oder daß 799% zu uns gelangen. Bei dieſer Annahme würde das Licht in 84 Sirius⸗ fernen nur noch ½ / in 554 Siriusfernen nur noch Le feiner Intenſität haben; in 1842 nur WERD in 5523 0% in

109,03 Siriusfernen nur noch 00/000. Hiezu kommt noch die

Verminderung der ſcheinbaren Größe, ſo daß Sterne, die 554 Si⸗ riusweiten von uns abſtehen, nur mit 614/00 der Lichtſtärke des Sirius erſcheinen würden. Man ſetzt den Glanz der Atmoſphäre bei einer heitern Vollmondsnacht etwa auf 600/00 der Lichtſtärke der Sonnenſcheibe. Der Grund des Himmels würde uns nun ſo hell wie bei'm Vollmond erſcheinen, wenn in 20,000 Siriusfernen ein dichtes Sonnengewölbe den Weltraum ſchlöße. Sterne in 30,000 Siriusfernen aber würden nur noch den 700,000 Theil des Lichtes geben, welches jeder Punkt des Himmels in einer heitern Mondnacht hat: das heißt, das Himmelsgewölbe würde uns eben ſo ſchwarz, wie in einer Mondloſen Nacht erſcheinen, wenn es gleich in 30,000 Siriusfernen mit dichtgedrängten Sonnen beſetzt wäre. Abgeſehen hiervon könnte eine ſolche Verminderung des Lichts auch durch Durchkreuzung, Interferenz der Lichtſtrahlen entſtehen. (Vergl. Art. Aether in Gehlers Wörterb. n. Bearb. 1. Bd.) Balz ſucht in einer in der Biblioch. univ. Juin 4830, S. 113—138 ent⸗ haltenen Abhandlung die Dichtigkeit des im Weltenraume verbrei⸗ teten Aethers zu beſtimmen, und giebt eine Formel für die wachſende Dichtigkeit deſſelben gegen die Sonne, ſo wie er mehrere aus

286 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

dem Vorhandenſein eines Aethers folgende Verhältniſſe berührt; z. B. die Begrenzung der Planetenatmoſphären, Bildung der Kometenſchweife aus Widerſtand des gegen die Sonne dichter werdenden Aethers, Urſache des größern Glanzes eines Kometen in

der Sonnennähe, erklärt aus der Notation des Kometen und Breffion feiner Atmoſphäre. Valz ſagt, es ſcheine außer Zweifel, daß die Nebelatmoſphäre des Kometen von 4828 zwei Monate nach feinem Erſcheinen auf den 16,750ten Theil ihres erſten Um⸗ fangs reduzirt worden ſei; daß durch Annahme eines Aethers ſich die Beſonderheiten ſeiner letzten Erſcheinung ſehr gut erklären laſſen; daß, wenn man deſſen Daſein nicht annimmt, man die Grundlage aller phyſikaliſchen Wiſſenſchaft: Uebereinſtimmung der

Erfahrung mit der mathematiſchen Theorie, ſelbſt angreift, und

ſomit im Wiederſpruche mit der Wahrheit ſteht. Nach Valz's Berechnung würde ein hypothetiſcher Komet, welcher in der Ent⸗ fernung der Erde von der Sonne eine Nebelhülle hätte, die

an Durchmeſſer gleich der Erde dieſen 1 geſetzt wäre, im Berie helium des Merkur nur noch 0,0186 / in deſſen Aphelium 0/16

in der Entfernung der Venus 0,34368 / hingegen des Mars ſchon

2/611 des Jupiter 9/538 / des Uranus 14/2 Durchmeſſer haben.

Ueber den Widerſtand des Mediums, welchen die Weltkörper im Himmelsraume leiden, vergl. auch Gruithuiſens Aufſatz in feinen.

neuen Analekten, 2ten Bos. 2tes Hft. S. 28. Im Aten Hft. des zten Bds. S. 9 34 ſucht G. die „Univerſalität einer einzigen

weſentlichen atmoſphäriſchen Subſtanz über allen Oberflächen der Weltkörper im Sternhimmel, und in den Räumen zwiſchen denſelben“ zu beweiſen. Er tritt Melanderhjelms Annahme bei, daß alle Atmoſphären der Weltkörper von einerlei Art und Be⸗ ſchaffenheit ſeien, und behauptet, daß die weſentlichen Beſtand⸗ theile der Univerſalatmoſphäre, wie bei uns Sauerſtoff und Stickſtoff, die unweſentlichen die Metalloide und Metalle ſeien, aus welchen die feſten Theile der Weltkörper gebildet wurden und noch gebildet werden, und daß die Geſammtheit all diefer Stoffe ſich durch das Wort Aether ausdrücken laſſe. Durch Elek⸗ trogalvanismus werde dieſer brennend und leuchtend, und erſcheine als Zodiakalſchein, als Kometen- und Sternnebellicht, Wo nur immer das Fernrohr hinreiche, fänden Kombuſtionsprozeſſe der

Stickſtoff⸗Sauerſtoffatmoſphäre im ganzen Weltraum ſtatt, die

uns als Nebelflecken ſichtbar würden, und manchmal, wie z. B. der Nebel im Orion, große Veränderlichkeit zeigten. G. bemerkt ſehr richtig, daß, da Alles was kein Licht ſpendet, uns verborgen

/

bleibe, dieſes auch mit dem chemiſchem Material der Fall ſei, woraus

die Weltkörperanfänge entſtehen. Sofern einen kosmogenetiſchen

Akt ein Orydations⸗ und Kombuſtionsprozeß begleite, könne er

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 287

ſich dem bewaffneten Auge als merklich hellerer Himmelsgrund ankünden, und ſo den in Sterne nicht mehr auflösbaren, aber ſehr veränderlichen Milchnebel Herſchel's vorſtellen, der daher viel- leicht aus einer zahlloſen Menge ſich eben bildender Kometen beſtehe. (Neue Anal. ten Bos. 6tes Hft. S. 32.)

Aus dem Aether, oder wenn man lieber will, det Nebelma⸗ terie des Weltraums ſucht nun W. Herſchel die Bildung der Nebelflecken, Sonnen, Doppelſonnen zu erklären. Der über den ganzen Himmel ergoſſene, zarte, geſtaltloſe Lichtäther ſei die erſte Entwicklungsſtufe. Als zweite betrachtet er die ſchon geſonderten, wenig deutlich begrenzten Nebel, welche das bewaff⸗ nete Auge ſchwach auf dunklerem Grunde hervorſchimmern ſteht. Beſonders ſind hieher die ſehr veränderlichen beweglichen Nebel zu zählen. Zur dritten Stufe gehören die Nebelflecken mit deutlichem Umriß, zum Theil hellerem Glanz, aber ohne Einzel⸗ ſterne. Sie zeigen große und ſchnelle Veränderungen; vielleicht indem ſie entweder regelmäßiger Sternbildung entgegen gehen, oder Auflöſungen zerfloſſener Sonnen darſtellen. Bei den meiſten kommt es ſchon zur Bildung eines dichtern, leuchtenden Kerns. Eine vierte Entwicklungsſtufe ſtellen die Nebelflecken mit mehr kugliger Begrenzung dar, die ſchon einige leuchtende Einzel⸗ kerne einſchließen, welche die ſchwächer leuchtende Hülle als gemeinſchaftliche Atmoſphäre zu einem Syſteme verbindet. Sehr häufig find zwei ſolcher Nebelkugeln zu Doppelnebeln verbunden durch ein Nebelband, und es bilden ſich aus ihnen entweder Dop- pelſterne, oder es gelingt dem einen alle Materie an ſich zu reißen, deren Reſt er oft als Schweif, Fächer, Spindel ꝛc. nach ſich zieht. In einer fünften Entwicklungsſtufe haben die beiden Lichtkerne ſolcher Doppelnebel ſchon wirkliche Sterngeſtalt gewonnen. Wahr⸗ ſcheinlich ſind ſämmtliche Doppelſterne auf dieſe Weiſe entſtanden. Als ein eigenes ſechstes Entwicklungsmoment (das aber nicht etwa aus dem vorigen folgt) betrachtet H. die Einzelſonnen, welche theils ungleich zerſtreute Sternhaufen, theils dichte Haufen von größern oder kleinern Sternen, theils ſehr gedrängt ſtehende reiche Sternhaufen bilden. Die planetariſchen Nebelflecken glaubt Herſchel aus einem ſehr verdünntem Leuchtend⸗ Flüſſigem gebildet, womit ihr gleichförmiges Licht gut übereinſtimmt.

Was die Bildung unſeres Sonnenſyſtems betrifft, ſo

übergehen wir jene ältern Hypotheſen von Deskartes, Büffon ze,

die wirklich jetzt nur noch der Literargeſchichte angehören. Von den neuern betrachten wir vor allen die 992 Laplace aufgeſtellte. (Darſt. d. Weltſyſt. a. d. Franz. v. J. K. F. Hauff, Th. II. S. 326 ff.) L. erkennt in den erahnen Bewegungen der Sonne, der Planeten und ihrer Monde die Wirkung einer

288 Allgemeine Naturgeſchichte. IT ee 1 regelmäßigen Urſache, die alle dieſe Körper umfaßt haben; muß / und wegen ihrer außerordentlichen Entfernung von einander nur ein Fluidum von unermeßlicher Ausdehnung geweſen ſein kann. Dieſes mußte jene Weltkörper als Atmoſphäre umgeben haben, um ihnen eine beinahe kreisförmige Bewegung um die Sonne nach einerlei Richtung verleihen zu können. Man muß alſo den⸗ ken, daß in Folge ſehr großer Erhitzung die Sonnenatmoſphäre anfänglich über alle Planetenbahnen hinausgereicht, und ſich erſt allmälig auf ihre gegenwärtige Grenze zurückgezogen habe. L. meint, daß dieſe außerordentliche Ausdehnung und Zurückziehung durch ähnliche Urſachen bewirkt ſein könne, wie das helle monat⸗ lange Leuchten und ſpätere Erlöſchen des 1572 von Tycho de Brahe in der Kaſſiopea beobachteten Sterns. Die große Exzentrizität der Kometenbahnen zeige klar, daß ſehr viele minder exzentriſche Bahnen verſchwunden ſeien, was eine über die Sonnennähe der Kometen hinausreichende Sonnenatmoſphäre vorausſetze, wobei diejenigen Kometen, welche ſte durchſchnitten, durch allmälige Ver⸗ nichtung ihrer Bewegungen mit der Sonne vereinigt wurden. Es könne alſo jetzt nur ſolche K. geben, die während jener Zeit jen⸗ ſeits der Sonnenatmoſphäre waren, (L. kannte nämlich damals noch keine K. mit kurzer Umlaufszeit, wie jene von Enke und Biela) und da man nur ſolche beobachten kann, die in ihrem Perihel der Sonne nahe genug kommen, ſo müſſen ihre Bahnen ſehr exzentriſch und ihre Neigungen fo unregelmäßig ſein, als wenn fie aufs Geradewohl hingeſchleudert worden wären, da die Sonnenatmoſphäre hierauf keinen Einfluß gehabt hat. Was die Planeten betrifft, ſo würde der Wiederſtand jener Atmoſphäre, wenn ſie in ſelbe gekommen wären, ſie auf die Sonne geworfen haben; fie find daher vermuthlich an den ſucceſſiven Grenzen dieſer Atmoſphäre durch die Verdichtung der Zonen entſtanden, welche dieſelbe beim Erkalten und Dichterwerden auf der Sonnenoberfläche in deren Aequatorialebene abſetzen mußte. Die Monde ſind wahr⸗ ſcheinlich auf ähnliche Weiſe aus den Planetenatmoſphären ent⸗ ſtanden. Aus dieſen Vorausſetzungen, welchen die Saturnsringe neue Wahrſcheinlichkeit geben, laſſen ſich natürlich erklären: O die Bewegungen der Planeten nach einerlei Nichtung und beinahe in einerlei Ebene; 2) die Bewegungen der Monde nach gleicher Richtung und beinahe gleicher Ebene mit jenen der Planeten; 3) die Axendrehung der Planeten, Monde und der Sonne in einerlei Nichtung mit den Wurfsbewegungen der erſtern, und in wenig verſchiedenen Ebenen; 4) die geringe Exzentrizität der Mond⸗ und Planetenbahnen; 5) die große Exzentrizität der Ko⸗ metenbahnen. Wie übrigens auch der Urſprung des Planeten⸗ ſyſtems ſich verhalten möge, ſo ſeien feiner Elemente ſicher auf

Entſtehung / Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 289

ſolche Art geordnet, daß es die größte Beſtändigkeit behaupten müſſe, wenn dieſe nicht durch äußere Urſachen geſtört werde. Cacciatore's Geneſis des Sonnenſyſtems gleicht ſehr der von La⸗ place aufgeſtellten. Er nimmt jedoch an, daß die Planeten ihren Urſprung einer Exploſion aus der Sonnenmaſſe verdanken. Die in Luftform von der Sonne ausgeſtoßenen Stoffe bildeten anfangs eine unermeßliche Atmoſphäre, welche ihr bei der Atem drehung folgen mußte. Durch das Erkalten zerfiel fie in mehrere Zonen, aus welchen ſich die Planeten formten, ohne ſich von dem Aequator der Sonne zu trennen, und ohne aufzuhören ſich nach derſelben Richtung zu bewegen. Dieſe Sonnentheilchen, obgleich nun in Planeten vereinigt, beſitzen hiernach noch immer dieſelben Kräfte, wodurch die beſondern Bewegungen der Planeten bewirkt werden. (Bull. d. sc. mathem. et phys. nro. 4. P. 274.)

Laplace's Hypotheſe iſt in neueſter Zeit durch A. Comte näher ausgeführt worden in ſeinem im Januar 1835 vor der Akademie zu Paris geleſenen Memoire. Die Sonnenatmoſphäre war ſonſt bis über die Uranusbahn hinaus ausgedehnt, und rotirte mit der Sonne ſehr langſam. In verſchiedenen Phaſen der Erkaltung ſonderten ſich Gaszonen von ihr ab, aus denen ſich die Planeten bildeten, die nun fortfuhren in der nämlichen Zeit um die Sonne zu laufen, welche dieſe bei der Bildung der jedesmaligen Planeten zu ihrer Notation nöthig hatte. Auf ähnliche Weiſe ſonderten ſich die Monde aus den Planetenatmoſphären ab. Mit der Erkal⸗

tung und Verdichtung der Sonnenatmoſphäre nahm ihr Umfang

immer mehr ab, und die Notation der Sonne wurde immer ſchneller, woraus ſich die ſchnellere Bahnbewegung und größere Dichtigkeit der ſonnennähern Planeten erklärt. Comte findet dieſe Vorausſetzungen durch den Kalkul beſtättigt, und entwickelt durch

enſelben, daß z. B. die Sideralumwälzung des Mondes genau ſo lange dauert, als eine Erdrotation dauern würde, wenn unſere Atmoſphäre bis zur Mondbahn reichte; daſſelbe Verhältniß fände bei den Monden der übrigen Planeten ſtatt. Wäre die mathema⸗ tiſche Grenze der Sonnenatmoſphäre merklich unter ihrer jetzigen wirklichen Ausdehnung, ſo dürfe man noch die Formation eines neuen Planeten inner der Merkursbahn hoffen. Die mathematiſche Grenze der Sonnenatmoſphäre betrage aber 36 Sonnenhalbmeſſer, alſo viel mehr als die jetzige Ausdehnung derſelben, woraus folge, daß die

Bildung des Sonnenſyſtems vollendet ſei. (IIastitut, 1835. p. 31. 8d.)

f Eine der am beſten (auch mit Nüdficht auf Phyſik und Chemie) durchgeführten neuern kosmogenetiſchen Hypotheſen iſt unſtreitig die Aggregationstheorie Gruithuiſens, deren erſte Keime bereits v. Zach und Marſchall v. Bieberſtein gege⸗ ben haben. G. hat ſie nach und nach immer mehr ausgebildet,

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290 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

wie die in feinen Analekten für Erd- und Himmelskunde nieder⸗ gelegten Aufſätze zeigen, und im tſten Bd. ztes Heft S. 1 ff., Ates Heft S. 1 ff., ötes Heft S. 45 ff. der neuen Analekt. eine vollſtändige Darſtellung feiner Anficht gegeben, deren Grundſätze hier folgen. G. glaubt, die Aggregationstheorie gehe aus dem tiefſten aſtronomiſchen Kalkul hervor, indem nach Laplace der Widerſtand, welchen die Weltkörper unſeres Syſtems durch den Aether erleiden, eine Verminderung der großen Axe ihrer Bahnen, hiernach ihrer mittlern Entfernungen von der Sonne, eine Be⸗ ſchleunigung ihrer Bewegung, eine Annäherung der Bahnellipſen an den Kreis, und endlich ein Einſtürzen derſelben in die Sonne verurſachen müſſen. G. beruft ſich in empiriſcher Rückſicht auf Herſchels Beobachtungen der Bildung der Nebelflecken, welche eben durch Aggregation vor ſich gehe. Die RNechtläuſigkeit der Planeten hänge urſprünglich von der Rechtläuſigkeit der Sonne im Weltraum ab. Einen dritten anſchaulichen Beweis liefern der Bau des Mondes und der Erde. G. berechnet die Verdün⸗ nung des urſprünglichen Bildungsſtoffes, indem er die Maſſe des ganzen Sonnenſyſtems in einem ſphäriſchen Raume vom Halb⸗ meſſer, welcher der halben Entfernung des Sirius gleich zu ſein ſcheint, auseinander dehnt, und findet, daß 134 ,oooroootel eines Grans dieſer Subſtanz in einer Kubikmeile Himmelsraum enthalten war. Die ſo verdünnten chemiſchen Elementarſtoffe bildeten eine ganz durchſichtige Auflöſung im Sauerſtoff und Waſſerſtoff; der Prozeß der Weltbildung beginne mit Oxydation und Waſſererzeugung. Hiemit ſei leichte Licht- und Wärmeentwicklung verbunden, wo⸗ durch der Chemismus befördert werde; es beginne das Zuſammen⸗ ballen der chemiſchen Niederſchläge, und mit ihm die beſondere Wirkung der Schwerkraft. Hieraus müſſen nun alle jene Phäno⸗ mene entſtehen, wie ſie W. Herſchel von ſeinem allgemeinen milchigen Lichtnebel angefangen, bis zum Nebelfleck, planetariſchen Nebelfleck, Nebelſtern und reinen Stern beobachtet habe. Da der Oxydationsprozeß der ſchnellſte und häufigſte iſt, fo bilden ſich die Sonnen am erſten; der zahlreiche Schwarm der Kometen muß ſich größtentheils zu Planeten vereinen und von der Sonne ver⸗ ſchlucken laſſen. Die chemiſchen Produkte des Waſſerſtoffs ſtellten die Meteormaſſen dar, denen das Waſſer fehle, und die den Son⸗ nen zum Feuerungsmaterial dienten. Durch Wirkung der Schwer⸗ kraft entſtänden eine Menge von ſtets wachſenden Kugeln, tief eingehüllt im Waſſer, welches durch den Orydationsprozeß gebildet wurde. Kleinere Kugeln verſenken ſich in größere, und laſſen abgeſtreifte Rindenringe zurück, wodurch die ganze Maſſe gegen den Umfang ausgedehnter, gegen die Mitte hin dichter wird. Je größer ein 1 wird, deſto vollkommener geſtaltet ſich ſeine

- Entiichung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 291

Kugelform, weil die Kohäſton immer mehr durch die Schwere überwunden wird, und die ganze große Maſſe ſich wie ein leicht zu formender Teig verhält. Die zahlloſen Ringgebirge des Mon⸗ des ſeien nur die Nindenringe der in ihn verſunkenen Weltkörper, und das, was bei uns die ſogenannte Urgebirgsformation ausmacht. Die Centralgewölbe des Mondes ſeien Stücke der jedesmal eingeſun⸗ kenen Kugeln, und zeigten ſich immer, wenn ſie nicht durch Zerbrechen oder Auflagern von alluvialen Erdarten unkenntlich geworden ſeien. Auf der Erde ſeien die Centralgewölbe entweder hoch an— gefüllt mit diluvialem Schutt, oder mit Meer bedeckt; nur ein einziges Ringgebirge mit feinem Centralgewölbe habe ſich noch vollkommen erhalten; es ſei der Jomdro- oder Palteſee in Bud⸗ tan; weniger deutlich ſeien die Inſeln Amſterdam, Deception, Santorin, Columbretes. Auch die Ringgebirge von Caſhemir, Chiwa, Urmia, Fezzan, Gondar, Arkadien, Titicaca, Nicaragua u. g. ſchienen hieher zu gehören. Als Theile großer Ringgebirge der Erde ſprächen ſich aus: die Aleuten, Antillen, Nipon mit dem gegenüberliegenden weißen Berg und Korea, die Lieu-Kiu, die Kurilen, die oſtindiſchen Inſeln, Sandwichinſeln, Canarien, Azoren, Inſeln des grünen Vorgebirgs u. a. Zu den großen Gebirgsbögen der Erde gehörten die Alpen, Apeninnen, Karpathen, Himalehs, peruaniſchen Kordilleren ie. Bei allen, wie auf dem Monde, ſtänden die Schichten der Urgebirge meiſt vertikal, ſtrichen ganz parallel mit dem Gebirgszuge ſelbſt fort, und zeigten in den größten erſenkten Tiefen eben dieſelbe Beſchaffenheit, wie in den Höhen. Auf der Erde ſei alles großartiger als auf dem Monde, und wegen der gewaltigeren Schwerkraft ſeien die Ring⸗ gebirge auf ihr viel mehr zerbrochen und zerſtückelt. Wenn man in eine weiche Maſſe eine Kugel werfe, werde zunächſt an dieſer etwas von der Maſſe aufſteigen. So erhebe ſich auf der konvexen Seite der Urgebirgskurven der Boden ſchon in einiger Entfer- nung und bilde Hügel und Vorberge. Dem Monde fehle die vulkaniſche Formation; auf der Erde falle fie meiſtens in die innere Verſenkungsfuge. G. ſchildert und berechnet die Erfchei- nungen, welche ein hypothetiſcher Komet von der halben Maſſe des Mondes und gleicher Dichte mit ſelbem vor ſeiner Vereini⸗ gung mit der Erde zeigen müßte. Bei einer Entfernung der Mittelpunkte beider Körper von 9003/ g. Meilen würde derſelbe 20 .36/ 527 groß erſcheinen, und in 48 Stunden einen Umlauf um die Erde machen. Bei 1396, M. Entfernung würde der Um⸗ lauf nur noch 3 Stunden währen und der Komet 380 14/ 54, groß erfcheinen. Lange vor der Verſenkung würde ſchon der Ocean ſich aufthürmen und in einem breiten Gürtel zweimal bei jedem Umlaufe über die Erde wüthen. Durch die Eroberung eines

292 . Allgemeine Naturgeſchichte.. III. Buch.

neuen Weltkörpers würde der Schwerpunkt der Erde verrückt, der durch das fremde mitgebrachte Meer vergrößerte Ocean müſſe ſich verſetzen, wobei viele ſonſt unter Waſſer geſtandene Länder trocken gelegt, trockene überfluthet würden. Beim Verſinken müſſe in den Tiefen der Erde große Preſſion und Reibung erfolgen. So habe ſich an Stellen auf der Erde, wo die urfelsſchichten und Flötzgebirge aneinander grenzen, eine die Einſinkung ſehr beför⸗ dernde Zerdrückungsmaſſe „Diarregmith“ und Zerreibungsmaſſe „Syntribolith“ gebildet, die beide zwiſchen den Verſenkungsfugen und Urgebirgsringſchichten in ſtark erhitztem Zuſtande heraufge⸗ preßt wurden. Alle bilden Kuppel- oder Kegelberge ohne Krater, wenn ſte tief unter dem Urmeere aufſteigen, und Krater, wenn ihr Aufſteigen in der Luft geſchah. Hieher ſcheinen zu gehören der Maſſen⸗Granit, Porphyr, Baſalt, Traß und die Lava. Konnte das Zerriebene ſogleich vom Waſſer aufgenommen werden, ſo bildeten ſich Breceien und geſchlemmte, ſandartige Schichten, wie Grauwacke, Todtliegendes und rother Sandſtein. Die ſehr hohen Fluthen haben die Urthäler und niedrigen Flächen mit Bergſchutt aufgefüllt, und die iſolirten Granitblöcke auf Flöb- gebirge und Flachländer umhergetragen, entweder vermöge des ſpeziſiſchen Gewichts des Urwaſſers, oder durch Gletſcherfahrten, oder durch beides zugleich. Bieberſtein glaubt, daß mit den fremden Weltkörpern auch deren Organismen mitkommen konnten, von denen man einen Theil in den Geſteinsſchichten der Erde vergraben fände, was Gruithuiſen wegen den gewaltigen beim Einſturz erfolgenden Kataſtrophen und beſonders der großen Ver⸗ änderung aller Lebensverhältniſſe nur in ſeltenen Fällen für möglich hält. Gruithuiſen glaubt, die ſo wichtige Erſcheinung der Rechtläuſigkeit der Planeten und Monde auch aus der Aggre⸗ gationstheorie erklären zu können. Eine Sonne mit ihren ſich bildenden, recht- und verfehrtläufigen Planeten und Kometen müſſe eine Bewegung durch den Weltraum haben, gegen andere ſoge⸗ nannte Firſterne gravitiren, und ihr ganzes Gefolge in einer krummen Linie mit ſich führen, die indeß bei verſchiedentlich wechſelnden Gravitationsverhältniſſen in den meiſten Fällen keine wahre Kegelſchnittslinie ſein könne. Die verkehrtläufigen Weltkörper, welche fie begleiteten, hatten indeß immer größere Erzentrizitäten bekommen, weil wegen der. vordusgeeilten Apſide und der Krümmung der Sonnenbahn die Sonnennähe eher erfolgte, als der Weltkörper die der Sonnennähe angehörende Geſchwin⸗ digkeit hatte. Die Bahnen mußten ſich hiebei durch das Hinderniß des Mediums fortwährend verengern, ſo daß endlich die Perihelien der rückläuſigen Körper auf die Oberfläche der Sonne fallen, und ihr Verfinken in fie erfolgen mußte. Bei allen dem blieben noch

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 295

mehrere verfehrtläufige, mittelgroße Weltkörper (Kometen) übrig, welche ihre verkehrtläuſige Bewegung in einer weiten Ellipſe deßhalb beibehielten, weil die rechtläufigen größern Planeten, wenn jene nur etwas kleinere Bahnen hatten, in dieſen Bahnen

durch Störungen die Exzentrizitäten immer um nahe fo viel ver⸗

kleinern mußten, als ſie durch die Sonne vergrößert wurden. Hatten ſie aber etwas größere Bahnen, und kamen in die Mond⸗ fangſphäre der Planeten, fo wurde auch von dieſen die Exzen⸗ trizität ſo lange fort vergrößert, bis ſie wegen des Mediumshin⸗ derniſſes ſenkrecht in fie ſtürzen mußten. So und durch den

ſeltenern, direkten Anſtoß wurden alle verkehrtläufigen Weltförper -

bis auf jene aufgezehrt, welche eine faſt gleich große, jedoch etwas

kleinere Bahn hatten, als die größern rechtläuſigen Planeten, die

nach dem dritten Kepler'ſchen Geſetze von dieſen auch gefangen werden, und um ſie als Monde laufen mußten. (Dieſen Gedanken, daß kleinere Weltkörper von größern gefangen und gezwungen wurden, als Monde um fie zu laufen, hat ſchon Späth nusge- ſprochen. S. Kaſtner's Meteorol. II. 1. S. 358.) Alle recht⸗ läufigen Planeten, ſeien ſie auch noch ſo klein, bleiben für ſich Planeten, wobei Gruithuiſen die Möglichkeit behauptet, daß Ko⸗ meten in Planeten ſich umwandeln könnten. So erfolge die überwiegende Nechtläufigkeit der Körper unſeres Syſtems mit aller Evidenz aus der Aggregationstheorie und in Folge eines die Be⸗ wegung hindernden Mediums. G. glaubt, daß der Ning des Saturns entſtehen konnte, wenn ein ſehr tiefes Meer die Kugel bedeckte. Die in daſſelbe gefallenen Weltkörper mußten fich in einer gewiſſen Tiefe wegen des großen Waſſerdrucks ſchwebend erhalten, und ſich wegen der Axendrehung alle um den Aequator der Kugel anſammeln. Da bei Waſſerkugeln von 36—40,000 M. Durchm. Sonnen- (oder Verbrennungs-) Prozeß in der Wolkenſphäre nicht ausbleiben konnte, fo wurde des Waſſers immer weniger und der

Ning erhob ſich nach und nach auch mit ſeinem innern Rand über daſſelbe. (Anal. für Erd⸗ u. Himmelskunde ztes Hft. S. 48.) Nach G. wäre der Mond ein rückläufiger Planet geweſen, welcher

ſich innerhalb der Erdbahn um die Sonne bewegte. So ſei es

auch mit allen andern bekannten Satelliten, welche rechtläufige Bahnbewegungen haben, denn alle müſſen auch immer dem Haupt⸗ planeten die gleiche Seite zukehren. Waren ſie verkehrtläuſige Planeten, Aſteroiden, Kömeten, ſo hatten ſte auch eine verfehrt- läuſige Axendrehung. Als Monde waren aber ihre Bahnen recht— läufig geworden, während die vorige verkehrte Axendrehung ſich fortſetzte. Die Urſachen, welche die Bahnen rechtläufig machten,

wirkten der nachherigen verkehrten Axendrehung ſo lange entge⸗

gen, bis ſie endlich ſtillſtand. Aber zur rechtläuſigen Autos

294 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

war der Mond darum nicht zu bringen, weil bei ſo kleinen Welt⸗ körpern wie er, irgendwo eine größere Dichtigkeit in der Nähe der Oberfläche ſehr überwiegend iſt. Der Mond hat alſo in der Mitte der uns zugekehrten Seite (wie dieß ſchon Newton behaup⸗ tete) eine beträchtlich dichtere Stelle, oder (was weniger glaublich iſt) er iſt hier erhabener. G. glaubt, der Mond ſei ein ſehr alter Planet, deſſen Meer ſich in den Weltraum verloren habe. Er müſſe einſt ein ſehr großes Meer gehabt haben, da ſich ſeine Gebirge bis an die höchſten Gipfel zerfreſſen zeigten. Jetzt ſei auch auf der abgewendeten Seite kaum ein Meer vorhanden, da man noch nie Dünſte an den Rändern herüberkommen geſehen habe. Da der Mond wahrſcheinlich das Kometen⸗, Aſteroiden⸗ und Planetenalter durchgemacht habe, ſo konnte es ihm auch nie an Organismen gefehlt haben und fehlen. (Neue Anal. 2tes Hft. S. 18 ff.) Die große Hartnäckigkeit wit welcher ſich die Axen⸗ ſtellungen der Planeten behaupten, glaubt Gruithuiſen allein in ihrer Rotation zu finden. Zu dieſem Gedanken gab ihm Arago' 8 Verſuch mit der gedrehten Kupferſcheibe, die er frei in der Hand hielt, Anlaß; man muß beträchtliche Kraft anwenden, um die doch nur durch die Hand gehaltene Are der ſich ſchnell drehenden Scheibe aus der einmal angenommenen Richtung zu bringen. Die Bohnenberger'ſche Maſchine ſtellt dieſe feſte Stellung der Axe eines gedrehten Körpers recht anſchaulich dar. Was

die Mondenſtellung, und mit ihr ohne Zweifel auch die Stellung

der Drehungsaxe des Uranus beſonders betrifft (die fo iſt, daß ſie gar nicht eine zu unſerem Syſtem gehörige zu ſein ſcheint) ſo meint Gruithuiſen, fie möge vielleicht durch lange gemeinſchaft⸗ liche Einwirkung großer Firſterne, die nahe in der Fläche der Mondbahnen liegen, bewirkt fein. Es ſei ja ſonderbar, daß Sirius, Beteigeuze, Capella, Wega, Atair und Canopus nahe in der Fläche der Uranus-Mondsbahnen liegen, und daß die Fläche der Milchſtraße nur wenig, und zwar bloß durch ihre Krümmungen davon abweicht. (Neue Anal. ites Hft. S. 41.)

Ueber Entſtehung und allmälige Ausbildung der Kometen und Herſchels und Laplace's Meinung hierüber vergl. Gehler's Wörterb.⸗ ster Bd. S. 954. In Bezug auf Entſtehung des Mondes machen

wir noch auf 2 Umſtände aufmerkſam. Vermöge der Rechtläuſigkeit der Planeten hat jeder Punkt der eben der Sonne zugekehrten Hälfte eines Planeten eine doppelte Bewegung. Einmal bewegt er ſich in der Bahn von W. nach O., dann bewegt ſich eben jene Hälfte durch die Rotation von O. nach W., alſo in entge⸗ gengeſetzter Richtung. Dieſelbe iſt um ſo größer, je weiter der

betrachtete Punkt von dem, in Rückſicht auf die Rotation ruhen⸗ .

den Mittelpunkte, z. B. der Erde entfernt iſt. Es muß daher

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 298

in dieſer der Sonne zugekehrten Hälfte auch irgend einen Punkt geben, deſſen jährliche öſtliche Bewegung genau gleich der täg- lichen weſtlichen iſt, und der daher während der doppelten Be⸗ wegung des Planeten, als gänzlich ruhend betrachtet werden kann. Dieſer Punkt heißt Mittelpunkt der freien Notation, und ſeine Entfernung vom Mittelpunkte des Planeten iſt gleich 0% dividirt durch die Entfernung des hypothetiſchen urſprünglichen Stoßes vom Mittelpunkt, durch welchen ein Planet ſeine Notation erhielt. Dieſe beträgt bei 300 Re 0/006 / die Diſtanz des ruhen⸗ den Punktes iſt alſo gleich = oder 66, Halbmeſſer der Erde, fällt alſo weit außer die Erde / ezwiſchen ſie und die Sonne. Beim Monde iſt fie gleich 200 feiner, oder etwa 60 Erdhalbmeſſer, alfo ſeiner mittlern Entfernung von der Erde. Dieſer Punkt fällt daher für den Mond etwa in den Mittelpunkt der Erde; eine tiefe und geheimnißvolle Beziehung deſſelben zu ihr. Daß der Mond

der Erde beſtändig ⸗dieſelbe Seite zukehrt, erklärt man daraus, daß zur Zeit ſeiner Entſtehung, wo er noch flüſſig war, die Erde den ihr nächſten Punkt unter allen am ſtärkſten angezogen, und ihn ſich mehr genähert habe, wodurch die Oberfläche des Mondes die Geſtalt eines Ellipſoids erhielt, deſſen kleinſte Are die Rotations⸗ axe, deſſen größte gegen die Erde gekehrt war. Hätte auch der primitive Stoß, welcher dem Monde ſeine Bewegung gab, ſeine drehende und fortſchreitende Bewegung nur nicht zu ſehr verſchie⸗ den gemacht, ſo würde durch die Anziehung der Erde die große Axe des Mondellipſoids, welche ſich jeden Augenblick von der Nichtung nach dem Erdmittelpunkte zu entfernen ſtrebt, immer wieder in ihre frühere Lage zurückgebracht, wie ein ſchwingendes Pendel, ſo daß alſo der Mond eine wahre Libration mache, die aber ſehr gering ſein muß, da ſie noch nicht beobachtet werden konnte. 5 Wir haben fchon einmal der merkwürdigen Zunahme der Planetenentfernungen von der Sonne nach einem beſtimmten Geſetz gedacht. Setzt man die Entfernung des

Merkur = 4, fo iſt jene von

Venus zii,

e r e 0 Mars =I ++3 X 4 16 Aſteroiden 4 3 & 8 28 Jupiter = 4 3 X 16 —= 32 Saturn = 4 + 3 X 32 100 Uranus = 4 3 X 61 1%,

Die Lücke, welche vor der Entdeckung der Aſteroiden zwiſchen Mars und Jupiter beſtand, fiel ſchon Kepler auf, und erweckte die Vermuthung, daß in jenem Naum noch einer oder mehrere Planeten vorhanden wären; eine ae die durch Ent⸗

296 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

deckung der 4 kleinen intermediären Planeten zur Wahrheit erhoben wurde. Schon oben theilten wir Comte's Beweis über die Nichtetiſtenz eines der Sonne noch nähern Planeten inner der Merkursbahn mit. Sollte über Uranus hinaus noch ein Planet vorhanden ſein, ſo müßte ſeine Entfernung nach der angegebenen Proportion des Wachſens, wenigſtens 776 Millionen Meilen fein, Die Kometen von Halley und Olbers haben nun ihre Aphelien in dem Naume zwiſchen der Uranusbahn und der Bahn, die ein noch entfernterer Planet beſchreiben würde. Der Komet von Holley iſt verkehrtläufig; alle Planeten und Monde find recht läufig. Littrow glaubt, daß dieſe beiden Kometen auch zur Zeit der Entſtehung des Planetenſyſtems ſich ſchon jenſeits der Grenzen der damaligen Sonnenatmoſphäre befunden haben, weil ſonſt die Bahn des Halley'ſchen Kometen eine rechtläufige geworden oder er verſchluckt worden wäre, daß er daher außer derjenigen Wirkungs⸗ ſphäre ſich befunden habe, in welcher Planeten entſtehen konnten, und daß deßhalb über Uranus hinaus kein fernerer Planet mehr exiſtire. (Wund. d. Himm. S. 362.) So wäre alſo nach unſern bisherigen Kenntniſſen das Syſtem unſerer pute als ein

Waffehloße n un wanne anzuſehen. 1 32

+ *

Wir verweilten vielleicht zu lange bei einem Ge⸗ genſtande, welcher von hohem Intereſſe, jedoch ſeiner Natur nach der Beobachtung mehr als andere entrückt iſt. Mehr als irgendwo tritt uns hier das Unendliche mit erſchütternder Gewalt, mit rieſenhaften Verhältniſſen in Maſſe und Zeit entgegen, und unſer Geiſt, zu wenig beachtend die Beſchränkt⸗ heit der äußern Mittel, wohl auch die Grenzen ſeines Er⸗ kennens, füllt die Lücken der Erkenntniß nur zu gerne, oft faſt unbewußt, mit Vermuthungen aus. Diejenigen, welche deßhalb zum Tadel geneigt find, welche immer eine Beſchrän⸗ kung auf das Erfahrungsmäßige, auf das ſinnlich ſtets Zu⸗ gängliche fordern, mögen ſich fragen, ob ſie denn im Bereich ihres engern Kreiſes bereits alle Tiefen erſchöpft, alle Zweifel gelöst, alle Hypotheſen aus ihren Erklärungen entfernt haben? Nach unſerer Meinung iſt dieſes keineswegs der Fall. Wenn wir einmal vermögen, die Bildung eines Kryſtalls, oder das Wachſen eines Grashalms, Verhältniſſe, die man doch ſeit Jahrhunderten beobachtet hat und alle Tage beobachten kann, ohne Vermuthungen zu erklären, und ſinnlich zu

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 297

demonſtriren, dann, aber nicht eher, wollen wir jene tadeln,

welche, wo uns mehr als irgendwo die ſinnliche Anſchauung

verläßt, zur geiſtigen ihre Zuflucht nehmen, und nach Denk⸗ geſetzen konſtruiren, wo keine mechaniſchen ausreichen wollen. Nachfolgende wenige Bemerkungen, welche wir nur als Anregung zur Forſchung aufgenommen ſehen möchten, ſollen dieſes Hauptſtück beſchließen. Wir haben im Sonnenſyſteme die merkwürdige Erſcheinung vor uns, daß 11 Planeten und 18 Monde, alſo 29 heterogene Individualitäten (von den Kometen nicht zu ſprechen) trotz aller ſpeziellen Verſchiedenheit zu einem harmoniſchen Ganzen vereinigt ſind. Während von Laplace nur die Erkaltung und Verdichtung, von Kant und Gruithuiſen nur Anziehung und Aggregation als Grund der Planetenbildung angegeben werden, möchten wir die Frage auf— werfen, ob dieſelbe nicht vielmehr als Produkt einer noth— wendigen Evolution der gleichartigen Sonnenmaſſe, als ein Differenziren derſelben anzuſehen ſei, welches auf ähnliche Weiſe erfolgte, wie der Keim eines ſekundären Organismus in beſtimmter Zeit der Entwicklung in ſeine Organenſyſteme auseinander tritt. Es iſt nicht nur möglich, ſondern höchſt wahrſcheinlich, daß ſich einmal vorhandene Weltkörper durch Aggregation vergrößern; nie wird aber das regelmäßige Wachſen der Entfernungen und Dichtigkeiten, wie man ſie in unſerem Syſteme bemerkt, aus bloßer Aggregation erklär— lich ſein. In den Diſtanzen der Planeten von der Sonne find Verhältniſſe ausgeſprochen, jenen der Schwingungsknoten einer tönenden Seite vergleichbar, in ihren Dichtigkeiten iſt im Ganzen genommen eine beſtändige Abnahme von den Sonnennächſten zu den Sonnenfernſten vorhanden. In der Entwicklung der ſekundären Organismen, z. B. der Thiere bemerken wir, daß der Keim zuerſt aus einer homogenen Maſſe beſteht, von all den verſchiedenen Organen und den meiſten Stoffen, welche ſpäter ſich entwickeln, nichts vorhanden iſt, und ſie erſt im Fortſchritt der Bildung, durch Wirkſamkeit der im Keime verſchloßenen geſtaltenden Seele immer deut— licher, geſchiedener und beſtimmter hervortreten. Wir denken, daß auf analoge Weiſe auch das Planetenſyſtem aus der

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298 Allgemeine Ratusgefchichte III. Buch.

urſprünglich gleichartigen Sonnenmaſſe ſich e habe. Es wird von den Gliederungsmomenten einer Sonnen⸗ urmaſſe abhängen, ob und in wie viele Planeten ſie zerfallen ſoll. So hängt es von den Gliederungsmomenten eines Thierkeimes ab, und von dem Reichthum von Ideen und Richtungen, welcher in ſeiner bildenden Seele verſchloſſen iſt, wie viele Organenſyſteme, Körperabtheilungen ꝛc. das aus ihm entwickelte Thier haben wird. Es kann auch Sonnen⸗ ſyſteme geben, welche aus viel zahlreichern Gliedern beſtehen, viel komplizirter find als das unſrige; es kann ſolche geben, wo nur ein einfacher Gegenſatz eingetreten iſt, daher 2 Kör⸗ per ein Syſtem bilden, wie wahrſcheinlich viele Doppel⸗ ſterne, während manche Sonnen für ſich allein exiſtiren, wenn es in der Urmaſſe, aus welcher ſie entſtanden ſind, zu keiner Differenzirung, zu keiner Gegenſatzbildung gekommen iſt. Man möchte ſagen, in unſerem Sonnenſyſteme hätten ſich von dem urſprünglichen Prinzipium, dem Heliodämon, untergeordnete Weltprinzipien als Hermodämon, Geodä— mon, Chronodämon u. ſ. w. abgelöst, die auch in ihrer Tren⸗ nung und ihrem Gegenſatze zur Sonne noch ihre Abhangigkeit und ihren gemeinſchaftlichen Urſprung offenbaren, wie denn in der Axendrehung und Bahnbewegung ein beſtändiges Suchen und Fliehen ausgedrückt iſt, Selbſtſtändigkeit und Abhängigkeit. Nach Laplace würde ſich die Zeit des Umlaufs nach der ehe— maligen Rotationszeit der Sonnenatmoſphäre richten, ſich

ſonach auf den allgemeinen Urſprung beziehen; die Rotations- zeit der Planeten, welche deſto langſamer wird, je ſchneller

die Bahnbewegung vor ſich geht, ſcheint ſich hingegen, wie wir glauben, mehr nach ihrer individuellen Natur regulirt zu haben. Bei den Aſteroiden, welche an der Grenze zweier ſehr verſchiedener Ordnungen von Planeten entſtanden ſind, traten 4 an Kraft faſt gleiche Prinzipien auf, weßhalb es zu

keiner Darſtellung eines bedeutendern Weltkörpers, ſondern

4 kleinerer kam. Bei der Bildung des Saturnsringes mochte die atmoſphäriſche Schichte, aus welcher ſich noch ein oder mehrere Monde hätten bilden ſollen, vielleicht in Folge der übermächtigen Anziehung des Hauptplaneten zu früh erſtarren,

Entſtehung, Entwicklung u. Untergang d. Weltk. 299

weßhalb ſie jetzt als Ring um ihn rotirt. Alles Angegebene

findet ſeine Anwendung eben ſo gut auf die untergeordneten Syſteme, welche die Erde, Jupiter, Saturn und Uranus mit ihren Monden bilden. Es ſcheint wirklich nach einigen merk würdigen von G. H. Schubert (Geſch. d. Nat. S. 191) her⸗ vorgehobenen Verhältniſſen, als wenn ſich die Monde gleichſam

als Gegenbilder der Sonne für ihre reſpektiven Planeten

entwickelt hätten. Von der Sonne aus geſehen erſcheinen alle Mondgebiete etwa gleich groß, als Kreiſe von nahe 17. Der Durchmeſſer aller Mondgebiete iſt S zoo des Durchmeſſers der Bahn des jedesmaligen Hauptplaneten. Unſer Mond, von der Erde aus geſehen, gleicht an ſcheinbarer Größe dem Sonnenbilde, iſt nahe eben ſo viele eigene Halbmeſſer ent⸗ fernt als die Sonne, und braucht eben ſo lang zu einer Axen— drehung als ſie. Auch die äußerſten Monde des Jupiter und Saturn erſcheinen von ihren Planeten eben ſo groß als die Sonne, und ſtehen ſo viele eigene Halbmeſſer von jenen ab, als die Sonne eigene Halbmeſſer von ihren Hauptplaneten. Die verſchiedenen Stufen und Weſen der Natur ſind ſtreng genommen nur ſich ſelbſt gleich, und können mit andern nicht in Parallele geſtellt werden. Wenn aber ein Paralleli- ſiren verſchiedener Dinge auch nicht ihr Weſen durchſichtig

macht, ſo erleuchtet es ſie wenigſtens. Sollen wir ein Gleich⸗

niß, eine Analogie in der uns näher liegenden Schöpfung

mit einem Sonnenſyſteme geben, ſo möchten wir als ſolches

die Familie bezeichnen. So ſind alle Planeten und Monde

unſeres Syſtems aus der Sonne hervorgegangen, aber nicht

aus der Sonne wie ſie gegenwärtig beſteht, ſondern aus der Sonnenurmaſſe, aus welcher ſie ſelbſt ſich erſt zu ihrer ge— genwärtigen Beſchaffenheit entwickelt hat. Die Sonne iſt daher das älteſte und das jüngſte Glied ihrer Familie; das

älteſte, weil von ihrer Maſſe ſich die Planeten ablösten, das

jüngſte, weil ſie ihre gegenwärtige Größe, Dichtigkeit und ihr intenſives Licht erſt erlangt hat, nachdem während ihrer all⸗ mäligen Verdichtung ſich die Planetenmaſſen abgelöst, Uranus

zuerſt, Merkur zuletzt, und zu ſelbſtſtändigen Weltkörpern

/

geſtaltet hatten. So wurde der Gegenſatz zwiſchen ihr als

300 Augemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

leuchtendem, und den Planeten als dunkeln Weltkörpern mit

der beiderſeitigen Ausbildung immer ſtärker, und ſie ſelbſt von

einem ausgedehnten trüben Nebelfleck zum glänzenden Stern.

Die Kometen ſcheinen keineswegs in einem ſo engen organiſchen Verbande, wie die übrigen Glieder des Syſtems

zu ſtehen. Die meiſten mögen wohl jünger als Sonne und

Planeten ſein, und ſchwerlich gleiche Dauer mit denſelben haben. Sollten Kometen von andern Sonnen in das Gebiet der unſrigen gekommen ſein (wie man wenigſtens den umge⸗ kehrten Fall wohl vorhanden glaubt), ſo wären ſie wohl unter den verfehrtläuftgen zu ſuchen, was eine genaue Bekannt⸗ ſchaft mit den Bahnen dieſer entſcheiden wurde. |

VI. Hauptftück Bedeutung und Beſtimmung der Weltkörper. In den Weltkörperſyſtemen, die in unermeſſener Ferne

und Zahl den Raum erfüllen, ſpricht ſich die Erhabenheit

und Unergründlichkeit des göttlichen Weſens auf eine Weiſe aus, die auch dem ſtumpfeſten Sinn einleuchtet. Denn die Menge vermag es nicht, die Tiefe geiſtiger Potenzen zu faſſen, wenn fie ſich nicht zugleich in Breite und Länge, in Maſſe

und Gewicht hinreichend offenbaren: ihr imponiren die Mil⸗

lionen der Meilen und der Jahre, als wenn nicht eben das das Größte wäre, was durch keine Zahl auszudrücken iſt.

Das dem Auge verſchwindende Thier, welches Leidenſchaften,

Gefühle und freiwillige Bewegung hat, iſt vollkommener, als die Sonnen und Planeten, welche ſich nach der Gravitation durch den Raum bewegen, deren Leben noch in Bewußtloſig⸗ keit und unabänderlichen Geſetzen gebunden iſt, und die nur als Grundlagen vollkommenerer Geſtaltungen dienen ſollen. Das, was den höhern Sinn bei der Betrachtung der Weltkörper erfreut und erhebt, iſt nicht die Endlichkeit und Starrheit, die nothwendig in Zahlen und Maaßen ſich aus⸗ drückt, ſondern die Harmonie und Zweckmäßigkeit und das Ineinandergreifen zu einem höhern Ganzen, welches wir frei⸗ lich mehr ahnen, als erweiſen können. Dieſe Ahnung aber

Bedeutung u. Beſtimmung d. Weltkörper. 301

entſpringt nur aus unſerem feſten Glauben an das Walten einer höchſten Vernunft, welche allenthalben, ſo weit unſere Wahrnehmung reicht, ſich offenbart und auch über dieſelbe hinaus ſich offenbaren wird. Wir ſehen nämlich in der uns zugänglichen Erſcheinungswelt Alles nach aufſteigenden Kate⸗ gorieen geordnet: jedes Einzelne zugleich als ein Ganzes für ſich und als Theil eines höhern Ganzen, das ſelbſt wieder mit andern nur ein Organ, ein Glied eines noch höhern dar- ſtellt und mit dieſem zu einer vollkommenern Harmonie zu⸗ ſammenwirkt. Wir ſehen die Gegenſätze ſelbſt als nothwen— dige Bedingung dieſer Harmonie, in deren gewaltigem Gang das Leben der Natur fortſchreitet: der Natur, die nur ſich ſelbſt, aber keinem ihrer Theile vergleichbar iſt. Unſere Erde mit ihrem Monde ſtellt bereits ein kleines Syſtem dar, das nur einen Theil einer höhern Kategorie, des Sonnenſyſtems bildet, welches nur eines der unzähligen Syſteme iſt, welche die Milchſtraße zuſammenſetzen. Die Milchſtraße ſelbſt verhält ſich wahrſcheinlich nur wie einer jener Tauſende von Nebel- flecken des Himmels, und ihre Millionen Sonnen mit ihrem ganzen Gefolge mögen dem beſtimmenden Zug eines uns un⸗ bekannten Centralkörpers gehorchen. So kreiſen im Welt⸗ organismus (uaxgoxoouos) in den mannigfachſten Bahnen Myriaden von Weltkörpern, wie in einem Menſchenleibe Ströme von Blutkörnchen umrollen, und ſo haben die Welt⸗ körper die Bedeutung, das unendliche Leben der Natur in den größten Dimenſionen des Raumes und in den. längſten Perioden der Zeit darzuſtellen. 3 Außerdem find aber die Weltkörper noch beſtimmt, zur Grundlage einer ſich auf ihnen entwickelnden ſekundären Organiſation zu dienen. Man möchte ſagen, in jedem von ihnen ſuche ſich das ganze Weltall gleichſam im Kleinen zu wieder⸗ holen und das Produkt dieſes Beſtrebens ſei die ſekundäre Organi⸗ ſation. Auf Bewohntheit der Weltkörper lüßt ſich daher aus dem allgemeinen Offenbarungsgange des Weltgeiſtes ſchließen,

nach welchem ſich aus den niedrigern Stufen ſtets höhere ent-

wickeln. Allerdings kann man ſich die Weltkörper auch ohne Pflanzen, Thiere oder intelligente Weſen denken, aber dann

302 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

wären die obern Stufen geiſtiger Offenbarung nicht erreicht, der Schlußſtein der Entwicklung nicht gegeben. Primäre und ſekundäre Organiſation gehören zuſammen letztere ift die höͤchſte Blüthe der erſtern. Die Weltkörper ſind deßhalb ohne Zweifel beſtimmt, ſich mit einem wimmelnden Heere von Lebendigen zu bedecken. Alles auf ihnen und ober ihnen ſtrebt dahin, den rohen Stoff zu zerſetzen und zu verwandeln, und den geiſtigen Prinzipien immer neue Maſſen zur Durchdringung und Geſtaltung darzubie⸗ ten. Die Bewohntheit der Weltkörper, ein nie zu löſendes Pro⸗ blem für die ſinnliche Erfahrung, muß nach Vernunftnothwendig⸗ keit als gewiß betrachtet werden. Da Mannigfaltigkeit eines der allgemeinſten Geſetze im Univerſum iſt, ſo darf man mit hoher Wahrſcheinlichkeit ſchließen, daß in den ſekundären Organi⸗ ſationen der Weltkörper ſich dieſelbe Verſchiedenheit finde, wie ſie in ihren abſoluten Größen, relativen Dichtigkeiten, Bewe⸗ gungen, Stellungen, ihren magnetifchen, elektriſchen, atmo⸗ ſphäriſchen Verhältniſſen ꝛc. ausgeſprochen iſt. Es mag viele

geben, auf welchen es noch nicht zur ſekundären Organiſatin

gekommen iſt, viele, auf welchen noch nicht ihre höchſten Stufen erreicht ſind, gleich der Erde zur Zeit, als der Menſch noch nicht erſchienen war während auf den letzten, ihrem Verfalle nahen, die ſekundäre Organiſation wie Früchte und Blätter eines abſterbenden Baumes ſchon wieder verſchwunden iſt. Geſchloſſen wird jede ſekun⸗ däre Organiſation nur ſein mit der Erſcheinung ver⸗ nünftiger Weſen, welche ſich und die Welt zu reflektiren vermögen; in ihnen kommt die Natur gleichſam zum Bewußt⸗ ſein. Vermuthlich erſcheinen auf Weltkörpern höherer Art, namentlich drn Firfternen, die vollkommenſten ſekundären Or⸗ ganismen: denn da allenthalben in der Natur eine genaue Uebereinſtimmung zwiſchen Mitteln und Zwecken herrſcht, ſo iſt es gar nicht denkbar, daß auf den dunkeln, relativ unbe⸗ deutenden Planeten (wie z. B. auf unſerer Erde, einem Atom im wogenden Meere der Welten) höher potenzirte Weſen vor⸗ handen ſein ſollten, als auf den ungeheuern, ſelbſtleuchtenden Centralkörpern, den Sonnen. Es mögen daher auf den Monden unvollkommenere Weſen vorkommen, als auf den

Bedeutung u. Beſtimmung d. Weltkörper. 305

Planeten, auf dieſen unvollkommenere, als auf den Sonnen, und es dürfte im Weltall viel zahlreichere Organiſationsſtufen geben, als auf der kleinen Erde, die zugleich zu einer Höhe. der Erkenntniß und Einſicht aufſteigen, für welche uns Be⸗ griff und Worte fehlen. Das hier Angegebene iſt nach Analogie und aus teleologiſchen Grundſätzen mit hoher Wahr⸗

ſcheinlichkeit vorauszuſetzen; mehr und Beſtimmteres auszu-

ſagen, wird man wohl nie im Stande ſein. Zwar haben manche Naturforſcher es verſucht, aus den höchſt dürftigen Erfahrungen, welche wir über die phyſiſche Beſchaffenheit der Weltkörper haben, mit viel Scharfſinn Schlüſſe auf die Art, Mannigfaltigkeit und Dauer ihrer ſekundären Organiſation zu ziehen, aber obſchon die Herleitung ihrer Angaben aus phyſi⸗ ſchen Prämiſſen oft ſehr richtig und ſomit ihre Möglichkeit nicht zu läugnen iſt, kann bei ihnen nie von Gewißheit die Rede ſein. Man geht bei ſolchen Operationen von den wenigſtens für die Planeten richtigen Grundſätzen aus, daß die Weltkörper (wie ihre ſekundären Organismen) aus gleichen Grundſtoffen gebildet ſeien und hierin nur proportionale Verſchiedenheiten zeigten, (wie ſich denn in den Meteormaſſen noch kein der Erde fremder Stoff gefunden hat), daß die Natur überall die Geſetze der Gravitation befolge, daß die Materie überall in ihren Grundformen, der gasförmigen, flüſſigen, feſten erſcheinen müße, daß ſonach gewiſſe Grund⸗ bedingungen der ſekundären Organiſation allenthalben gegeben ſeien. Dieſes zugegeben find jedoch, 1) wie geſagt, wegen der ſehr großen Entfernungen unſere Erfahrungen über die phyſiſche Beſchaffenheit der Weltkörper höchſt dürftig);

*) Die teleskopiſche Beobachtung, von welcher Unkundige Großes erwarten möchten, erweist ſich hierin ganz unzureichend. Be⸗ denkt man, daß z. B. auf den Mond, doch den allernächſten Welt⸗ körper, wegen der Bewegung und Dunſtigkeit der Luft, der

Doppelbewegung der Erde und des Mondes, es ſchon höchſt ſchwierig und nur ſelten möglich iſt, eine 1000malige Durchmeſſer⸗ vergrößerung anzuwenden, und dieſer Weltkörper von 100/000 Stunden Entfernung uns hiedurch doch nur auf etwa 100 Stunden genähert wird (was eben zur Erkenntniß ſeiner Struktur aus⸗ reicht), fo kann man leicht ermeſſen, was von allen angeblichen Nachrichten über Bewohner des Mondes und in noch höherem Grade der übrigen Weltkörper, ihre Beſchaffenheit ze. zu halten ſei.

304 Aare Naturgeſchichte. III. Buch.

2 wenden wir nie immer das auf der Erde Vorkom⸗ mende als Maaßſtab und Vergleichungsmoment auf jene Fernen an, was gewiß nicht weit ausreicht, da ſchon der Erdenmond ſich ſo verſchieden von der Erde ausweist; 3) würde ſogar eine genauere Kenntniß der phyſiſchen Beſchaffenheit der Welt⸗ körper uns in dieſer Beziehung nur wenig nützen, weil durch die Verſchiedenheit der Modalitäten auch die Zahl der möglichen Organiſationsweiſen unendlich vergrößert wird. Jedoch kann man, wie wir glauben, behaupten, daß die ſekundäre Organiſation eines jeden Weltkörpers einen eigen⸗ thümlichen Charakter tragen wird, weil ſie eben der höchſte Ausdruck ſeiner ſpeziellen Beſchaffenheit iſt. Dann wird man nach der Konformation der ganzen uns bekannten Natur ver⸗ muthen dürfen, daß, ſo wie die einzelnen Weltkörper in mannigfachen Verbindungen und Beziehungen die Welt bilden, auch ihre ſekundären Organiſationen ein Verhältniß gegen ein⸗ ander haben und alle zuſammen die ſekundäre Weltorganiſation darſtellen werden. Die Natur iſt wie geſagt, ein Organismus, welcher aus unendlich viel kleinern beſteht, und ihre einzelnen Glieder ſind ſtufenweiſe größern Kategorieen untergeordnet. Jeder Weltkörper gehört demnach einem nächſten Syſteme an, welches ſelbſt nur wieder ein Theil eines größern iſt, das ſeinerſeits zur Zuſammenſetzung eines noch größern beiträgt. Jedes Thier, jede Pflanze iſt ein Theil ihrer Species, dieſe ein Theil ihrer Familie, dieſe ihrer Klaſſe, letztere ihres Reiches. Die ganze ſekundäre Organiſation eines Weltkörpers dürfte als ein Theil der ſekundären Weltorganiſation anzufehen fein, wie er ſelbſt als ein Theil der primären. Man kann, denke ich, von einer Fauna oder Flora der Erde, des Mars, des Gas turn ſo gut ſprechen, als von einer amerikaniſchen oder au⸗ ſtraliſchen, und wie letztern beſtimmte Charaktere eigen fi ind, ſo wird auch der ſekundären Organiſation der Erde im Ver⸗ gleich mit andern Weltkörpern ein ſolch allgemeiner Charakter zukommen. Die Kategorieen der ſekundären Orga⸗ niſationen werden alſo in ähnlicher Art aufſteigen, wie jene der Weltkörper ſelbſt. Wie auf der Erde nichts gänzlich iſo⸗ lirt ſteht, ſo wird auch zwiſchen den Weltkörpern allgemeine

Bedeutung u. Beſtimmung d. Weltkörper. 303

Wechſelwirkung eigenthümlicher Art herrſchen und ein gemein⸗

ſchaftliches Band wird auch das Fernſte mit einander ver⸗ binden. Der vernünftige Plan, welcher dem Ganzen zu Grunde liegt, iſt ſeinerſeits auf allgemeine Konnerion und Harmonie gegründet. Da die Körperwelt nur die Hülle der Geiſterwelt iſt, ſo müſſen auch die Kategorieen der letztern ein ähnliches aufſteigendes Verhältniß zeigen. Wenn es auf der Erde dem Menſchen vergönnt iſt, von dem Bauplan des Uni⸗ verſums einige Linien zu enträthſeln, ſo erfreuen ſich vielleicht Weſen höherer Gattung des Vorzugs, dieſen Plan in ſtufen⸗ weiſe größerer Ausdehnung zu erfaſſen und die primären Organismen, welche das Weltall bilden, in vollkommener Weiſe zu ſtudieren, als es uns mit den ſekundären Organis⸗ men unſeres Planeten möglich iſt. Wenigſtens läßt ſich kein erhabeneres Schauspiel denken, als unzählige Welten in ryth⸗ miſcher Bewegung den Raum durchziehend zu ſchauen, unend⸗ lich verſchieden an innerem Weſen wie äußerer Erſcheinung, und erfüllt von wimmelnden Heeren Lebendiger, die eben ſo viele kleinere Welten Cıuxgoxoouoı) auf den größern dar⸗ ſtellen. Da Proportionen allenthalben die Grundbedin⸗ gung jeder Schönheit und Harmonie ſind, ſo dürften die gegen⸗ ſeitigen Stellungen und Bewegungen der Weltkörper auf eine höhere Anſchauung wie Muſik wirken und die „Harmonie der Sphären“, obwohl in anderem Sinne ſtatt finden, als ſie vielleicht manche Philoſophen des Alterthums angenommen haben. Hierin und in der Entwicklung der ſekundären Or⸗ ganiſation möchte Bedeutung vn Beſtimmung der Weltkörper zu ſuchen fein.

Huyghens in ſeinem Cosmotheoros, Fankegeike in ſeinen Entretiens sur la pluralité des mondes, 1680, überſetzt von Bode, haben über vorliegenden Gegenſtand Betrachtungen angeſtellt, die bei ungenügenden wiffenfchaftlichen Prämiſſen höchſtens eine flüch⸗ tige Unterhaltung gewähren können. Tiefſinnigere Konjekturen finden ſich ſchon in Kaſtner's Meteorologie, 2ter Band, lſte Ab⸗ theilung, an vielen Stellen, und Gruithuiſens Schriften, be⸗ ſonders in ſeinem Aufſatz: „Kann man denn gar nichts Gewiſſes von den Bewohnern anderer Welttheile wiſſen?“ in den neuen Analekten für Erd - und Himmelskunde, ir Bd. 3tes Hft. p. 30

20

306 Augemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

sd. Ates Hft. P. 40 sg. 2ter Bd. Aftes oft. p- 40 sg ꝛtes oft. p-. 60. sq-

Man hat z B. geſchloſſen, daß wenn hr Mond Bewohner habe, deren Seen entſprechend dem Lebensalter des Men⸗ ſchen im Mittel nur 7omal 28 Tage währen dürfte, weil die Zeit, in welcher der Mond einen Umlauf um die Erde vollendet, auch ſein Jahr iſt. Gäbe es dort Pflanzen, unſern einjäh⸗

rigen vergleichbar, fo müſſe ihr ganzer Entwicklungsgang aus

demſelben Grunde in weniger als 28 Tggen vollendet ſein. Kaſtner meint, da auf der Sonne von Wechſel des Tages und

der Nacht nicht die Rede ſein könne, würden ihre Organismen

auch nicht der Finſterniß zur Ruhe und zum Wachsthum bedürfen. So werden auch auf ihr keine ſolchen Extreme ihrer organiſchen

Schöpfung vorhanden ſein können, wie wir ſte auf der Erde an den Polen und unter dem Aequator bemerken. Der außerordent⸗

lichen Licht- und Wärmeentwicklung, welche auf alle Stoffe ver⸗ flüchtigend wirke, werde indeß durch die außerordentliche Schwer⸗ kraft entgegengewirkt, ſo daß doch tropfbar Flüſſiges auf der Sonne denkbar ſei und daher auch Organismen, in welchen Starres, Liquides und Gaſiges verbunden wäre, die ſich indeß durch ungewöhnliche Mannigfaltigkeit und Beweglichkeit aus⸗ zeichnen dürften. Bode, welcher glaubte, daß das Licht der Sonne ein elektriſches und durch ihren ſchnellen Umſchwung hervor⸗ gebracht ſei, gibt die Möglichkeit zu, daß fie Bewohner habe. Gruithuiſen hingegen, der das Licht der Sonne von dem in ihrer Wolkenſphäre verbrennenden Waſſerſtoffgas ableitet (Neue Anal. ir Bd, 3s Hft. p. 35), hält fie für durchaus unbewohnbar. Er glaubt überhaupt, die Sonnen zeigten alle denſelben Chemis⸗ mus und die Farben der Fixſterne deuteten nur die Chronologie ihres Brandes an. Von den Bewohnern der Kometen ſagt Lambert (Kosmol. Briefe über d. Einrichtung des Weltbaues S. 56): „Ihr Weg geht von Sonne zu Sonne, wie wir auf der Erde von Stadt zu Stadt gehen, und wie uns dabei einzelne Tage vorbeieilen, ſo zählen ſie Myriaden von unſern Jahren. Sie ſind beſtimmt, den Grundriß des Weltbaues zu bewundern und in ſeiner Grundlage und Anordnung die Neihen der göttlichen Nathſchlüſſe einzuſehen. Unſere größten Maaße find ihre Differen⸗ tialien und unſere Millionen mögen kaum ihr Einmaleins ſein. Sie kennen die Wärme und die Klarheit jeder Sonne und mit einem Schluße beſtimmen ſie die allgemeine Beſchaffenheit der Einwohner jedes Planeten, die in jedem Abſtande um dieſelben herum ſind. Ihr Fahr iſt die Zeit von einer Sonne zur andern. Ihr Winter fällt in die Mitte des Zwiſchenraumes oder des Weges, den ſie dahin machen und ſie feiern den Zeitpunkt, wo die vorige

Bedeutung u. Beſtimmung d. Weltkörper. 507

Bahn ſich in eine neue umwendet. Das Perihelium jeder Bahn iſt ihr Sommer. Ihr Wohnort iſt zu jedem Abſtande von den Son⸗ nen geſchaffen und die Wärme wirkt auf ihm das Hervorwachſen ſolcher Pflanzen, die ihnen zum Muſter derjenigen dienen, welche auf Planeten und Kometen bei gleichem Abſtande von den Sonnen

hervorkommen. Ihr Eintritt in ein neues Sonnenfyitem il ihr

Frühling und den Herbſt feiern fie, wenn fie eg wieder verlaſſen.“ Diefe faſt poetiſche Darſtellung des ſonſt ſtrengen Mathematikers möchte freilich phyſikaliſch und chemiſch ſchwer zu rechtfertigen ſein. Ueberhaupt kann man füglich nur auf konſolidirten Welt— körpern, wie Sonnen und Planeten eine ſekundäre Organiſation

annehmen, kaum aber auf den meteorartigen, ungemeinen Ver⸗

änderungen ausgeſetzten Kometen. Die untern Planeten, vor- züglich Merkur, zeichnen ſich bekanntlich durch große Dichtigkeit

aus. Die Atmoſphäre des Merkur iſt ſehr unbedeutend. Kaſtner

ſchließt daraus, daß die Oberfläche des Merkur ſehr arm an ver— dunſtbarer Subſtanz ſei, und Organismen, welche vorzugsweiſe des Waſſers bedürfen, auf ihm kaum denkbar wären; viel eher aber ſolche, welche eine reine und lichtreiche Luft nöthig haben. Die Dichtigkeit der dortigen Metalle müße außerordentlich ſein und manche dürften die Platina um das 2 und Sfache übertreffen. Die Metalle ſeien wahrſcheinlich meiſt edle, aber was bei unſern edeln nicht der Fall ſei, zugleich ſehr magnetiſch. Gruithuiſen glaubt, Merkur könne wegen der außerordentlichen Erhitzung durch die Sonne erſt vom 15 20. Breitengrad an bewohnbar ſein; die heiße Aequatorialzone wäre ganz unbewohnbar, ja nicht ein- mal zu paſſiren, ſo daß für die Bewohner der einen Halbkugel keine Möglichkeit vorhanden wäre, auf die andere zu gelangen. Die Organiſation auf dieſem Weltkörper müſſe der ſehr verdünn⸗ ten Luft wegen Alpencharakter zeigen, der Menſch, wenn er dort

vorhanden ſei, müſſe eine breite, gewölbte Bruſt haben. Die

Venus habe, wie die Beobachtung lehre, eine außerordentlich konſtante und weit verbreitete Wolkenbildung, die uns gewöhnlich nur an den aufgehellten Polen ihre wirkliche Oberfläche ſehen

laſſe. Hiedurch und durch die zahlreichen Binnenmeere würde

Hitze und Kälte ſehr vermindert, die Luft gleiche etwa jener in der Schweiz, und faſt allenthalben ſei Bewohnbarkeit möglich ge— macht. Das in der Nachtſeite der Venus ſelten und unverhofft eintretende Leuchten (von den Aſtronomen Mayer, Schröter, Harding beobachtet und immer die ganze Venusnacht durch dauernd) müſſe entweder ein kometariſches ſein, oder von Feuerfeſten ihrer Bewohner herrühren, worinn dieſe ſehr durch die üppige Vegetation begünſtigt würden. (Neue Anal. ätes Hft. p. 40 8g.) Man weiß, daß auf den untern Planeten das Dichte, BRUT

r

308 Allgemeine Naturgeſchichte. III. Buch.

Metallische, Magnetiſche, auf den obern das Luftige, Veräͤnderliche, Elektriſche vorherrſcht. Die Atmoſphäre z. B. des Saturns iſt, ſehr dicht, was ſeine Monde andeuten. Wenn ſie hinter ihn treten, ſcheinen ſte von der Erde aus geſehen, 1520 Minuten am Rande des Hauptplaneten zu hängen. Kaſtner hält es für wahrſcheinlich, daß leichte Metalloide zu den vorwaltenden Beſtand⸗ theilen der Materie des Saturn gehören. Ein faſt 15jähriger Polartag und eine eben ſo lange Polarnacht Saturns müſſe frei⸗ lich außerordentliche Wärmeextreme und Störungen des atmo⸗ ſphäriſchen Gleichgewichts hervorbringen, indeß würden letztere durch ſeine beträchtliche Umſchwungsgewalt mehr oder weniger geregelt, und erſtere weniger fühlbar durch die Dichtigkeit ſeiner Atmoſphäre, welche den Polargegenden durch Strahlenbrechung Sonnenlicht zuführt, und daher einen großen Theil der langen Polarnacht in Dämmerung verwandelt. Außerdem werde ſeine ſehr dichte Atmoſphäre nothwendig geringe Wärmekapazität haben, und daher viel freie Luftwärme vorhanden ſein. Dieſe und andere Verhältniſſe machten es wahrſcheinlich, daß wenigſtens in den Aequatorialgegenden des Saturns manche unſerer Polarorganis⸗ men beſtehen könnten u. ſ. w. Die ſinnreichen Konjekturen Kaſtner's und Gruithuiſen's regen wenigſtens zum Nachdenken an, und find daher beachtenswerth, nicht fo die mannigfachen, ſtets neu wiederholten Träume und Schwärmereien über dieſen Gegen⸗ ſtand, und eben ſo wenig jene trügeriſchen Produkte, welche auf Leichtgläubigkeit und Unwiſſenheit der Menge berechnet ſind, wie 3. B. die Darſtellung der vorgeblichen Entdeckungen im Monde und den übrigen Planeten 1836, wobei John DEN Name har \ braucht wurde.

ſenſyſtems, ithuiſen, Fiſcher . | Ä Zu Seite 308. J el... 1

5 Ban ber 0 Gefchminbigteit eine rizi⸗Vahn auf die ſteigender „Punktes des Aequator Gesenteigt Ebene des Knot. in ain ente bei der ſider. Rotation,

tät der Bahn.“ Sonnen- Ebene de tion. in 1 Stunde in geogr. Aquators, |Sonnenäg - Meilen, | Unber. . unbek. 5 T. 3 St. 992% e St. 8, h. 780 ooſ%es 409/2%% 2640 26/53 St. M. 22376 0,0344 70 30 / 2600 7/4% St. 56%, M.“ 223,

0% 50 49/54/00 2690 47/ 201 St. 40 M. 118, 0,1943 bea, 431830 19/9 Unbek. Unbek. 0,86 160277484 18 199044745: Unbek. Unbek. 0%½62 3043/28“ 0 8209/22“ Unbek. Aunbek. 0,833 3708/2“ 182 54/59, Unbek. i "Under. 0,102 60247 4541, 80 2560117 841.55 M. 21 S. 6321½3 0% 18s 50 57/ 27/6 2480 52/23 St. 30 M. 4861/58

0,0979

60 44/5/% 795 | 2600 57/52 Unbek. Unbek. | 5

Elemente des Sonnen ſyſtems,

nach Herſchel, Schröter, Struve, Beſſel, Littrow, Gruithuiſen, Fiſcher ꝛr.

Elemente der Sonne und der Planeten.

ö 0 Fall der Kör⸗ < Neigung der Ort des auf] Schei i Dauer eines Um-| Gefchwindigfeit i Dichte, died Hache in] een eee pe e delle 1 Exzentrizi⸗ Bahn aüf die ſteigenden en ie laufs um die der Bahnbewe- Maßen die maßen, die tagen Durchmeſ, Volumen in das der Exdeldie der Erde Abplgttung. Oberfläche in in Meilen N Ebene des Kno. in der Durchmeſſer gefehen zahnbew |! der Sonne ber Erde =. des Waſſers ſers in Mei⸗Kubikmeilen. "N Sek. in Pa r ; tätderBahn.| Sonnen⸗ Ebene des 3 Sonne in Exden-|gung in Meilen tion. len 05 = vifer Fuß. im Perihel.] im Aphel. dquators. Sonnenägu, v. der Sonneſpon der Erde zeit. in 1 Sekunde. 1 35493 17t 411000 3500 Bill. 4,447622 12000 Unbek. 420 = 5 Unbek. Unbek. 192241 % = Unbek. 25 T. 3 St. © Sonne. ; 5 17 an 104,000000 0% 0% Unbek. 14ůƹ 6,42966,, | 9,734529 Oysira | 20544 497,09 | 3290375177 | 4544 770 EZ 87 T. 23 St. 6% 24 St. 5, M. 8 116 7 5 8 2 ee nr 0% 5/2 1678 2280,00 00000 0% 0% 0 Unbek. 1% 44,9892 415/49 44½% bse | 40974277 264 26/53“ | 2247,90 38 224 T. 17 St. Ayo 23 St. M. E 5 1 a 1 Ay 1719 2660,000000 17/00 4700 Yo 45,1 20,505943 | 24/208073 0/0344 70 30/ 26007/ Ar 177715 365 T. 6 St. 47 23 St. 500: M. 3 m 5 258 0 373 1000 467,000000 07¹4 0ů7⁵³ẽę Ya 6,3 28,822773/% 34/7865 7% 0% 50 49/54/%/ 08 26947 20% 6% 753 15775 13.322 T. 17St. 3/4 24 St. 40 M. ars. Nes 13 2 0 0 8 Veſta ande Unbek. Unbek 59 104000 0% 0004 0,01 Unbek. Unbek. 44,920988,4 53/321185/ 0,1043 4027/3447 4 1880 49/ 9% 04 724 0% 535 3 8. 346. T. 27 Unbek. 2 Juno Unbek. Unbek. Unbek 308 14,560000 0,05 0,0 Unbek. Unbek. 44/4466 | 69,811093 Oyosos (6027/48/80 1990447 A347 U ya av 4 F. 126 T. 2,5 Unbek. Ceres. Unbek. Unbek. Unbek 350 2,2500000 0.048 0,%4 Unbek. Unbek. 53,197524 | 62,242054 0/1952 3043 / 28/ͤ h 8209/22/ 17—+.ᷓ20 175 ů0 4 FJ. 221 T. 275 Unbek. 2 Pall. 3 Unbek Unbek. Unbek. 452 44,600000 0/17 0% 7 Unbek. Unbek. 43,601598 | 741,902352 0,885 370 8/ 42/7 „%% 1820547 59/7 17/63 2 75 48.215 T. 275 Unbek. Fri 2 I Et 340 17 19980 Bill. 1333 121õ5 F 38/ 103,272002,051143/719553/05| Oo (60 24/5%ĩ 80 2560 14/8“ | 387,5, 39% „FY 18.814 T. 20St. 105 9 St. 5 M. 21 S. 5 0 vw 93 0% 16290 21% Bill 929 95% 722 45, 187,749120 | 210,249152 0/1189 15057/2777 7g3|2450 527 2277| 8/08 1877 129$.166%,196t. 175 4 St. 30 M. . 512 2 2 = 7 5 7 5 3 2 | 8 Uranus. 55 17 ip 7488 1204200000000) 76 17/9 Unbek. 1450 380233449 | 415,745061 O/ % 60 AAY 547 798 | 2600 577 5297 37776 3/% 484 J. 87 T. 18 St. 1 Unbef, SEE | . —— EL EIER —— ———ß—ꝛ . ———— ⁰Ft—

Elemente des Erdenmondes.

us ; ' igung der] Siderifche | Tropifche Scheinbarer mittlerer Durch- Sideriſche | Tropiſche 5 Exzentrizität! Wahrer Sbderiſche zropifihe ee, Een 92065 d. ae Umwälzung meſſer Umwälzung | Umwälzung et der Bahn in Durchmeſſer Umwälzung. Umwälzung. Umwälzung. Ekliptik. der Knoten. der Knoten. on der Erde. ſvon der Sonne.] der Apſiden. der Apſiden. geſehen. Meilen. in Meilen. in Erdhalbm

Tropiſche Umwälzung.

23 T. 7 St. 437199 M.

I. II. III. IV.

0 T. 22 St. 3 M. 1 T. 8 St. 53, M. 1 T. 21 St. 18,1 M. 2 T. 47 St. 44/ M. 4 T. 42 St. 25½ M. 15 T. 22 St. M. 70 T. 7 St. 53% M.

27 T. 7 St. 29 T. 43% 7s M.

Tropiſche Umwälzung.

1 T. 18 St. 27,5 M. 3 T. 13 St. 13% M. 7 T. 3 St. 4% M. 16 T. 46 St. 32/5 M.

44% r M.

7 12 St.

508/778

6793 T.

6 St. M. 4 St. 14½ M.

6798 T.

31/94

9705 3232 T. 3231 T.

13 St. 3% M. 11 St. 4, M.

Mittlere Entfernung vom Mittelpunkte der Erde

in Meilen.

Durchm. Oberflache. Volumen.

ate e eines Daue „Punktes des Aequators e e bei der fider. Rotation in 1 Stunde in geogr.

Zu Seite 308.

Meilen.

992,4 78/50 223/76 225,51 118,73 Unbek. Unbek. Unbek. Unbek. 632473 A6lysg Unbek.

Verhältniſſe des Mondes zur Erde in

Maße. Dichte,

Fall der Körper au des Mondes Ober⸗ fläche in 1 Sekund

in Pariſer Fuß.

3,185 Ayoss

Mittlere Entfernung vom Mittelpunkt

in Halbm. deſſelben.

5,008

9/05 147%

25/136

Jupiters

in Meilen.

| 54980 87470 139530 245400

Elemente der Saturns monde.

25081 32039 39853

Mittlere Entfernung vom Mittelpunkt Saturns

in Halbmeſſern deſſelben. in Meilen.

51058

71307

165302

481809

u anne oo EEE,

Neigung der

280 250 280 280 230 230 220

die Saturnsbahn.

5 Länge des aufſteigen⸗ Scheinb. Durchm. von Mittl. ſcheinb. Durch-Scheinb. Durchmeſſer 5 Neigung der e den Knotens in der Vahrer b Jupiters Mittelpunktſmeſſer von der Erdeldes Jupiters, von e Sa nge gegen d. Bahn Jupik. Ekliptik. ee, geſehen. aus geſehen. ihnen geſehen. 2 > 30 18/7 | 3140 407 560 | 337-4644 1 7*69 200 ½0 | 0,0002 0% 30 467 3130 A5/ 460 177 4304 17. f 130 71% 0/0002 F 1ůÆ⁴t 30 267 3140 247 81⁰ 19/7 0/% 2/60 8⁰ „5 0/0009 Ava 20 36/ 3160 39/ | 566 77 324 17 4 40 774 0/0000 Ir i . Elemente der Uranusmonde. Bahn gegen Scheinb. Durchm. des Sa- Wahrer 5 5 en : 3 f A > einb. Durchm. d. Uranus, von ihnen gefehen. turn, von ihnen geſehen.] Durchmeſſer in Meilen. Tropiſche Umwälzung Sch > h 4 geſeh 340 300 357 48/ Unbek. I. 5 T. 21 St. 25 M. 80 431 4871 347 240 44/ 10% Unbek. II. 8 T. 17 St. 1 M. 60 A3/ 364 34 200 51.4244 104 III. 40 T. 23 St. 4 M. 30 46/ 247 34% 150 44/32 104 IV. 43 T. 1 St. 5 M. 50 2,/ 674 347 410 487 3407 256 V. 38 T. 1 St. 49 M. 20 317% 8” 347 40.537 2447 680 VI. 107 T. 16 St. 40 M. 10 457 340 427 10 40/ 4247 388 5

die des

Fall der Körper auf der Oberfläche in 4 Sekunde in Par. Fuß.

Bewegung Bahn in 1 Stunde

in de

in Meilen.

8800 7000 5500 4200

Mittlere Entfernung v. Mittelpunkt d. Uranus.

in Halbmeſſern deſſelben.

137181 47/039 497561 22/76 Adys5o 89/43

in Meilen.

49123 641423 74302 85186 170383 340743

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Sete Buch. f Von der Erde.

Der Planet, ER wir Gin, iſt nach S. 226 der dritte unter den ſonnennähern, dichten Planeten. Die Erde hat eine elliptiſch⸗ ſphäroidiſche Geſtalt, und iſt nicht nur an den Polen, ſondern, wie aus der Vertheilung des Feſtlandes in 2 große Maſſen mit dazwiſchen liegenden Meeren zu folgen ſcheint, auch unter dem Aequator, obwohl ſehr wenig abge⸗ plattet, jo daß die große Axe der Aequatorialellipſe durch die Kontinente, die kleine durch den atlantiſchen und großen Ocean geht. Auch aus den Gradmeſſungen geht hervor, daß der feſte Erdkörper keine ganz regelmäßige Geſtalt hat, jener Ungleichheiten nicht 5 gedenken, welche durch die Gebirge veranlaßt werden. Wir ſehen die Erde aus feſten Maſſen gebildet, welche gegen ihren Mittelpunkt hin an Dichtigkeit zunehmen, und noch mehr zunehmen würden, wenn ſie nicht durch Centralwärme ausgedehnt wären, beinahe drei Vier⸗ theile ihrer Oberfläche vom Meere überfluthet, aus dem nur die höchſten Theile der Erdfeſte hervorragen, und das ganze Erdwaſſerſphäroid von einer Lufthohlkugel umgeben. Erdfeſte, Luft und Meer ſtehen in ununterbrochener lebendiger Wech⸗ ſelwirkung, jedes giebt und empfängt vom andern, jedes ſtellt in ſich ſelbſt eigenthümliche Produkte dar. In ihnen ſpricht ſich das Leben des Erdganzen aus, und man kann ſie als die Organe deſſelben anſehen. Beginnen wir, von außen nach 5

310 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

innen ſchreitend, mit der uns umgebenden Lufthülle di aber wie en unſeres heimathlichen Planeten, |

I. gauptſtück. Die Atmoſphäre.

Literat. Lehrb. über die phyſſche Geographie, Theorie der Erde und Meteorologie, von J. T. Mayer. Gött. 1805. Unterſuchung über die Wolken und andere Erſcheinungen in der Atmoſphäre, von Forſter. Lpzg. 1819. Handbuch der Meteorologie, von Dr. K. W. G. Kaſtner, tter und 2ter Bd. ite u. 2te Abth. m. K. Erlang. 1823—30. Handb. d. mathem. und phyſ. Geographie nebſt Atmoſphärologie, v. Dr. G. W. Muncke, mit Kupfert. Heidelb. 1830. Art. Atmoſphäre in Gehler's Wörterb. tter Bd. S. 439 ff. Handbuch der Me⸗ teorologie, von L. F. Kämtz. 1—2ter Bd. Halle 1831. Die Atmoſphäre und ihre vorzüglichſten Erſcheinungen nach den Grundſätzen dere neuern Meteorol., von Günther, mit 1 Taf.

Frankf. 1835. Abriß einer Geſchichte der neuern Fortſchritte und des gegenwärtigen Zuſtandes der Meteorol., von James Forbes. Aus dem Engl. von W. Mablmann, nut, ® PAR Berl. 1836.

Atmoſphäre nennt man bekanntlich die aus Luft und ſonſtigen erpanfibeln Flüſſigkeiten gebildete elliptiſch geformte Hülle, welche als Hohlkugel den Erdball umgiebt, als weſent⸗ liches Glied, ſchon durch die Schwere, nicht minder durch feine organiſche Beziehung an denſelben gebunden iſt, ſich mit, ihm um ſeine Axe dreht, und ihn auf der Bahn um die

Sonne begleitet. Die Erde ſchwebt alſo nicht etwa in einem

dem Weltraum angehörenden Luftmeere, ſondern die Atmo⸗ ſphäre ſelbſt iſt nur ein Theil von ihr, und ihre Höhe ſteht: auf jeden Fall in einem ſehr untergeordneten ee a Größe des Erdhalbmeſſers.

Unter den 3 Gliedern oder Organen des Erdganzen if die Atmoſphäre das beweglichſte und veränderlichſte. Als die äußerfte Hülle des Planeten iſt fie den kosmiſchen Einwir⸗ kungen vorzugsweiſe ausgeſetzt; Sonne und Mond bringen Ebbe und Fluth in 25 hervor, die Erde veranlaßt 755 an

Die Atmosphare. 611

Axendrehung Strömungen in ihr, und das Licht wird für ſie zu einer Quelle der mannigfaltigſten Prozeße und Verän⸗ derungen, indem es die Temperaturverhältniſſe regulirt, die wieder vielfache Bewegungen und Ausgleichungsverſuche her⸗ vorrufen, indem es die Elektrizität aufregt, welche ſo weſent⸗ lich in die Bildung der verſchiedenen Meteore eingreift, indem es den Magnetismus des Erdkörpers erweckt. Meer und Land ſenden unter dem Einfluß der Wärme gewaltige Maſſen dampfförmiger Subſtanzen in die Luft, welche dieſe in ſich aufnimmt, ſich zu aſſimiliren ſucht, und ihnen wieder als Niederſchläge der verſchiedenſten Art zurückgiebt. Vegetation und Thierwelt, welche nach den Jahreszeiten und der geo⸗ graphiſchen Breite ſich ſo abweichend geſtalten, greifen, obwohl ſie einerſeits in ſtrenger Abhängigkeit von der Luft, ihrem Drucke und ihrer Temperatur ſtehen, anderſeits mächtig in ihre Miſchung ein. Die Atmoſphäre iſt gleichſam das Triebrad des ganzen organiſchen Lebens auf der Erde, welches ohne ſie unaus⸗ bleiblich und ſchnell erlöſchen würde. Ihr Charakter ift beftäns - dige Veränderung, gegeben durch dynamiſche und chemiſche Prozeſſe, durch Bildung und Auflöſung von Meteoren und durch mechaniſche Bewegungen, die aus jenen hervorgehen. Man könnte ſie mit dem Gemüthe des Menſchen vergleichen: ſie iſt gleich indifferent, launig oder furchtbar, bald wie jenes durchſichtig und klar, das Licht der Sonne in ſich aufnehmend oder es zurückwerfend, bald mit leichtern oder dichtern Wolken bedeckt, die es vielfach brechen und zerlegen, bald dem Himmelslichte verſchloſſen, ſturm⸗ und gewittervoll. Wie das Gemüth in wechſelnder Erſchei⸗ nung unſer eigenes Innere, unſere Umgebungen, und das Un⸗ endliche ſelbſt abſpiegelt, und wir nach ſeiner Beſchaffenheit und ſeinen Zuſtänden hierüber urtheilen, ſo läßt die Atmoſphäre Meer und Erde, die unter ihr liegen, in düſterer oder freundlicher Be⸗ leuchtung erſcheinen, und verzerrt durch die Refraktion auf vielfache Weiſe das Bild der Himmelskörper. So umfluthet der Luftocean die unbewegliche Feſte; nach ſeiner Tiefe zu ent⸗ wickelt ſich immer reichlicher Licht und Wärme, und mit ihnen zahlloſes Leben, während ſeine Höhen in Eis erſtarren und ſchon in einer ee Erhebung über ſeinen Boden kein

312 gemein Satugefchichte. IV. Buch.

ſekundärer Organismus mehr gedeiht Gehen wir nach dieſen allgemeinen Reflexionen zu einer b Betrachtung der Atmoſphäre über. | re

Die Geſtalt derſelben iſt im Allgemeinen die eines Ellipſoids, N durch Umdrehung um die kleine Axe entſtanden. Sie iſt bedingt 5 durch die Notation der Erde und die um den Aequator hiedurch erzeugte größere Schwungkraft, wodurch die Schwere und Anzie⸗ hung der Erde gegen die Lufthülle daſelbſt vermindert wird, und dann durch die größere Erhitzung und Ausdehnung der Luftſchich⸗ ten unter dem Aequator. Hieraus folgt auch eine regelmäßige Strömung in der Atmoſphäre, indem die leichtern obern Luft⸗ ſchichten vom Aequator nach den Polen hin abfließen, und die ſchwerern dichtern von den Polen her nahe an der Oberfläche der Erde wieder zum Aequator ſtrömen. Die Exzentrizität des Luft⸗ ſphäroids iſt indeß nur gering, indem ſeine Abplattung nur zu %s angenommen wird. Um die Höhe der A. zu beſtimmen, hat man verſchiedene Wege eingeſchlagen. Die Aufgabe iſt um ſo ſchwieriger, weil fie nicht gleich dicht iſt, ſondern nach oben zu an Dichtigkeit abnimmt, da ihre untern Schichten durch den Druck der obern immer mehr komprimirt werden. Nach dem Ge⸗ ſetz von Mariotte und Boyle iſt die Dichtigkeit der Luft der zuſammendrückenden Kraft direkt proportional, und die A. müßte daher unbegrenzt ſein, da der Druck ſtets abnimmt, und hier⸗ nach die Schichten immer höher, bei unendlich geringem Drucke aber unendlich hoch werden müßten. Mariotte ſelbſt nahm indeß willkührlich an, daß die Luft nur A409 6mal dünner werden könne, als ſie an der Erde iſt, und ihre größte Höhe daher 15 Stunden, jede zu 12,000 Fuß betrage. Nach Laplace könnte fie auf keinen Fall höher reichen als bis zu dem Punkte, wo die mit der Höhe zunehmende Centrifugalkraft mit der Schwere ins Gleichgewicht kommt. Dieſer Punkt findet ſich in einer Höhe von 5682/ g. Meilen, wo ein Mond um die Erde in 24 Stunden laufen würde. Jedes Lufttheilchen über dieſer Höhe müßte wegen überwiegender Schwungkraft die Erde verlaſſen. G. Schmidt ging von dem Grundſatze aus, daß die Grenze der A. da liege, wo die ſpeziſiſche Elaſtizität der Luft mit der Schwere ins Gleichgewicht kommt. Die Höhe der A. wäre nach dieſem Geſetze unter dem Aequgtor für 230, R. mittl. Temp: 27,; Meilen; unter den Polen für 00 R. mittl. Temp. 2 M. Nach der Dämmerung wäre die Grenze der A. in einer Höhe, wo die Luft dünner iſt als fie durch eine gute Luftpumpe gemacht werden kann, nämlich bei 7 g. Meilen, wo ſie ſchon ſo dünn iſt, daß ſie kein Licht mehr reflektirt. Es iſt indeß ſehr wahrſcheinlich, daß die Höhe der Atmoſphäre höchſtens

Die Atmoſphäre. 313

30 g. Meilen betrage, denn in dieſer Höhe iſt die Luft ſchon N Billionenmal dünner als an der Oberfläche der Erde. Um die abſolute Menge der Luft zu beſtimmen, betrachtet man die Atmo- ſphäre als eine hohle Luftkugel von derjenigen Dichtigkeit, welche ihr im Niveau des Meeres eigen iſt. Ihre Höhe wird hienach bei gleichmäßiger Dichtigkeit zu 24,594 Fuß angenommen, wonach ihr kubiſcher Inhalt nahe eine halbe Trillion Kubiktoiſen und ihr Gewicht Trillionen Pfund beträgt. Die Atmoſphäre beſteht im Allgemeinen aus gasförmigen Subſtanzen, welche ſchwer und zu⸗ gleich expanſibel find, it an der Oberfläche der Erde am dichteſten, und nimmt mit zunehmender Höhe an Dichtigkeit ab. Ihre Tem, peratur wird hauptſächlich durch diejenige Wärme bedingt, welche die Sonnenſtrahlen auf der Oberfläche der Erde erzeugen, und nimmt daher mit der Erhebung über die Oberfläche der Erde ab. Die Luft beſteht nach dem Gewichte aus- 23/99 Sauerſtoff und 76,701 Stickſtoff, oder nach dem Volumen aus 78/999 Stickſtoff, 21 Sauerſtoff, 0/1 Kohlenſäure als weſentlichen Beſtandtheilen) da— neben aber aus einer wechſelnden Menge Waſſerdampf, aus einer unbeſtimmbaren Menge Waſſerſtoffgas, mechaniſch fortgeriſſenen Subſtanzen und den Miasmen. Die weſentlichſten Beſtandtheile Stickſtoffgas und Sauerſtoffgas bleiben ſich in ihren Verhältniſſen in allen Gegenden, Jahreszeiten, Höhen und Tiefen, im Freien wie in Theatern faſt gänzlich gleich. Die Frage, wodurch das von den lebenden Körpern verzehrte Sauerſtoffgas erſetzt würde, wurde von Prieſtley dahin beantwortet, daß die Pflanzen die Kohlenſäure zerlegen und durch den Einfluß des Sonnenlichts das Sauerſtoffgas aushauchen. Dieſer Meinung traten Ingenhouß, Bonnet und Senebier bei, während fie Sauſſure beſtritt. Munde, ſowie Davy erklären ſich für Prieſtley's Meinung. Berzelius führt gegen dieſelbe an, daß der Sauerſtoffgehalt der Atmoſphäre im Winter wie im Sommer, über Eisfeldern und Sandwüſten, wie über grünenden Feldern ſtets gleich ſei und Griſchow will durch Verſuche beweiſen, daß geſunde Pflanzen allerdings die Kohlen⸗ ſäure zerlegen, zugleich aber das am Sonnenlichte ausgehauchte Sauerſtoffgas bei Nacht wieder verſchlucken. Bedenkt man indeß die nothwendige Unvollkommenheit der Verſuche bei dem kleinen Maaßſtabe derſelben und die unzweideutige Beobachtung, daß Sauerſtoffgas oft in bedeutender Menge ausgehaucht wird, ſo wie daß Prieſtley's Theorie mit dem Miſchungsverhältniſſe der Pflan⸗ zen übereinſtimmt, ſo muß man ihr beipflichten. Daß das Miſchungsverhältniß im Sommer und Winter gleich bleibt, er— klärt ſich aus der jedesmaligen geringen Menge des verzehrten

Sauer⸗ und Stickſtoffs, und aus der ſteten Vermengung der |

Luft der verſchiedenen Gegenden, durch welche ſchon bei der

314 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Iangfamen Bewegung von 6 Stunden in 1 Stunde Luft vom Aequator und den Polen binnen 8 Tagen zuſammentrifft. Waſſerſtoffgas findet ſich in ſehr geringer Menge, ſicher unter 0/3 in der A. in welche es aus Sümpfen und Moräften, zerſetzten thieriſchen Subſtanzen, bei der Deſtillation des Holzes und deſſen Verkohlung, durch animaliſche Ausdünſtung und Blu⸗ menduft aufſteigt, und ſich vermuthlich durch den Einfluß des Lichtes mit dem Sauerſtoffgas der Luft langſafn zu Waſſer ver⸗ bindet. Die Kohlenſäure in der A. giebt Berzelius nur zu o/ t%. Anz an Orten, wo viele Menſchen beiſammen waren, kann fie indeß auf 0,01 ſteigen, in Kellern mit gährenden Subſtanzen, z. B. Weinen, Bieren, bis auf 0% wo dann die Luft irreſpirabel wird. Gay⸗Luſſac fand Kohlenſäure in der außerordentlichen, im Luftballon von ihm erreichten Höhe von 20,428 Par. Fuß. (Man giebt dieſe Höhe gewöhnlich als die höchſte an, welche Menſchen erreichten. Nach Einigen gelangten jedoch Robertſon und Lhoeſt 1808 in 3800 Toiſen Höhe. Höher zu ſteigen war ihnen wegen Gefahr zu erſticken unmöglich. Blanchard Toll zu Gent 20. Nov. 1785 in 5000 Toiſen Höhe gekommen ſein.) Das kohlenfaure Gas wird in großer Menge durch das Athmen, Verbrennen, die Gäh⸗ rung, Fäulniß ꝛc. entbunden, und müßte, da es wegen ſeines größern ſpez. Gewichts ſchwer in die Höhe ſteigt, bald die Luft irreſpirabel machen, wenn es nicht fortwährend durch die Pflanzen verzehrt würde. Zur Meſſung des Waſſerdampfes der Luft dienen die Hygrometer. Sauſſure beſtimmt im Mittel die Quantität des Waſſers in einem Kubikdezimeter Luft bei 190 C. auf 19 Milligrames. Nach Dalton wechſelt der Waſſerdampf der Atmoſphäre zwiſchen 0/466 und 0/0033 des Volumens der Luft. Der Grad der Sättigung der A. mit Waſſerdampf wechſelt von einem Maximum der Dichtigkeit, wobei alle Körper feucht werden, bis zum Minimum, wobei ſelbſt zerfloſſenes Weinſteinſalz und ſalzſaurer Kalk, welche ſo große Anziehung gegen das Waſſer haben, trocken werden. Die Trockenheit der Luft nimmt mit der Höhe zu. Der Luft nicht weſentlich angehörig, ſondern ihr vorzüglich in der Meeresnähe nur mechaniſch beigemiſcht ſind Salzſäure und ſalzſaure Salze. Muncke u. A. halten mit Recht dafür, daß die Miasmen, Krankheitsſtoffe, wie fie ſich in Spitälern, Sumpfgegenden, z. B. in der ſogenannten Campagna di Roma entwickeln, wirklich materielle, der Luft beigemengte Subſtanzen ſeien, welche Dupuytren, Thenard, Mosgati als flockige Niederſchläge dargeſtellt haben wollen. Man ſucht daher dieſelben durch Ventilatoren zu entfernen, oder durch Näucherun⸗ gen, z. B. mit Chlorgas zu zerſtören. Nach Boußingault entſte⸗ hen die Miasmen durch Zerſetzung der vegetabiliſchen Materie

| Die Atmofpbäre. | 3 315

unter dem Einfluß der Wärme und Feuchtigkeit 8 ſcheinen in der Luft ſuſpendirt zu fein. Nach ihm eriffirt in der Luft über großen Städten, z. B. Paris ein eigener hydrogeniſirter Stoff, vermuthlich Kohlenwaſſerſtoffgas, welches ſich entfernt von bedeu⸗ tenden Menſchenmaſſen nicht findet. (Institut 1834, p. 280.) Vogel in München unterſuchte die Luft feines Hörſaals, unmittelbar nachdem er von den Zuhörern verlaſſen war, und fand in derſelben eine organiſche Subſtanz, von welcher er glaubt, daß ſie durch die Hautausdünſtung, nicht durch die Lungen in die Luft komme. (Journ. de Pharm. Juin 1835. p. 319.) Nach Berzelius Meinung iſt die atmoſphäriſche Luft keine chemiſche Miſchung aus den bei- den oben angegebenen Luftarten, ſondern nur eine Mengung der- ſelben. Dalton, welcher nebſt vielen Andern dieſer Anſicht beitrat, glaubt dieſes Verhältniß durch ein eigenes Geſetz zu erklären, welches nach ihm das Dalton'ſche Geſetz genannt wurde. Die Erſchei— nung, daß verſchiedene Gasarten von ungleichem ſpezif. Gewicht auch in den höchſten Gefäßen, und ohne Rückſicht, ob man die leichtern oder ſchwerern anfänglich oben oder unten hinbringt, ſich gegen die Schwere und gegen die geroſtatiſchen Geſetze voll— ſtändig vermiſchen, und gleichmäßig unter einander vertheilen, glaubte D. nämlich nur dadurch zu erklären, daß er vorausſetzte, daß ihre Theilchen ſich gar nicht zurückſtoßen, mithin in ihren gegenſeitigen Beziehungen und Wirkungen ganz unelaſtiſch, und den Geſetzen nicht elaſtiſcher Körper unterworfen ſeien. Die mei⸗ ſten Phyſtker ſind aber dieſer Erklärung nicht beigetreten. Uebten die in einem Raume vorhandenen Gasarten gegen eine andere beigemiſchte wirklich keine Repulſion aus, warum breiten ſich dann Dämpfe und Gaſe ſo viel langſamer in lufterfüllten Räumen aus, als in luftleeren? Wie könnte z. B. Kohlenſäure in Kellern, Ziſternen ꝛc. bei mangelndem Luftzug ſo lange verweilen? Man iſt daher der Hypotheſe von Laplace beigetreten, welcher die Gas— arten aus Atomen beſtehen läßt, die von Wärmeatmoſphären um⸗ geben ſind, und wo aus der Anziehung der Atome gegeneinander, und gegen ihren Wärmeſtoff, ſo wie aus der Abſtoßung der Wärme— atmoſphären der einen gegen die der andern ſich alle Erſcheinungen beſſer erklären laſſen.

Wie im Meere, ſo bringen auch— in der A. Sonne und Mond Schwankungen, Fluth und Ebbe hervor, welche aber nach Laplace's Berechnung zu klein find, als daß fie am Barometer wahrgenom— men werden könnten, indem für den gemeinſchaftlichen Einfluß beider Weltkörper auf die A. unter dem Aequator die größte Differenz des Barometerſtandes nur 0% R% ill, was neuere 6jährige Beobachtungen zu Paris erfahrungsgemäß beſtättigten.

Die blaue Farbe der Luft (wodurch uns das Firmament

316 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

himmelblau erſcheint) leitet Newton davon ab, daß die feinen Theilchen der Luft blos die brechbarſten Strahlen, nämlich die blauen zu reflek⸗ tiren vermögen, nicht aber die übrigen farbigen. Nach Euler ſoll die Luft ſelbſt ſchwach blau tingirt ſein, und obgleich für kleinere Räume farblos, doch für größere blau erſcheinen. Nach neuern Phyſtkern iſt die blaue Farbe der A. blos ſubjektiv, wie die Farbe des Meeres und der gefärbten Schatten. Das Auge erhalte von der höchſt durchſichtigen, wegen des ſchwarzen Hintergrundes unge⸗ färbten Luft ſo viel weniger Licht, je geringer die Menge der Dünſte in ſelber iſt, und um ſo dunkler müſſe das Blau ſein. Dieſes erſcheine daher am reinſten, tiefſten und ſchönſten zwiſchen den einzelnen weißen Wolken, und werde grün bei dunkelrother Färbung der letztern, oder über röthlich ſtrahlenden Gletſchern. Wie das Blau des Himmels nach Newton aus den reflektirten Strahlen entſteht, ſo das Noth der Abendröthe nach Brandes aus den durchge⸗ laſſenen. (Gehl. Wörtb. Bd. 1. Abendröthe.) —-Nach Hugi (Alpenr. S. 183) tritt in hohen Regionen der A. über 7000 Fuß die Nacht früher ein, der Tag ſpäter. Im hohen Sommer iſt es ſchon um 9 Uhr ſchwarze Nacht, um 6 noch kaum Tag. Bekanntlich wird auf ſehr hohen Gebirgen bei gutem Wetter weder Morgen- noch Abendroth ge- ſehen. Die Sonne erſcheint und verſchwindet plötzlich, mit ihr Nacht und Tag. Auch am ſchönſten Tage herrſcht nach Sauſſure auf dem Montblanc ein gewiſſes unnennbar magiſches Dunkel; die Sonne erſcheint matt, ohne Kraft und mehr dem Monde ähn⸗ lich. Daß das Licht durch die Atmoſphäre bedingt ſei, weiß jeder. Wie aber größere oder geringere Dichtigkeit der Luft und ſelbſt das Geſchwängertſein mit Dünſten zum Licht ſich verhalte, iſt eine wichtige, aber durch Thatſachen noch nicht gelöste Frage. Hugi (a. a. O. S. 203) fand am Finſteraarhorn die Nacht ſo hell, daß er, wie am ſchönſten Tage, Bemerkungen aufzeichnen konnte. Schloß ſonſt auch an ſchönen Tagen in jenen Höhen der Geſtchtskreis um den Beobachter ſich enger zuſammen, ſo ſah man ihn jetzt beim Lichte des Mondes außerordentlich erweitert, eben fo ſehr, als er es in tiefen Regionen im Glanze der Sonne zu ſein pflegt. Sehr beſtimmt konnte man im fernen Wallis auch weniger auffallende Formen unterſcheiden. Sonſt vermochte man am Tage kaum hinunterzublicken zur oberſten Grenze der Holz⸗ vegetation, jetzt aber ſah man auch jenſeits des Wallis an den penniniſchen Alpen ſogar einzelne Hütten. Kurz, alle Formen

erſchienen in einiger Ferne weit beſtimmter im Mondenlicht als

bei gleich heller Atmoſphäre vor Untergang der Sonne. Bei aller Helligkeit konnte man aber nirgends eine Spur von einem Fir- ſterne erkennen. Verhält ſich alſo das Sonnenlicht, wie die e der Atmosphäre, Wah der Tiefe zu⸗ nach der W

Die Atmoſphäre. 317

abnehmend, ſo ſteht man das ſekundäre Mondlicht entgegengeſetzt ſich verhalten. Zur wiſſenſchaftlichen Begründung der Sache be⸗ darf es aber noch näherer Beobachtung. Daß die A. Licht reflektirt und nicht abſolut durchſichtig iſt, iſt für uns von höchſter Wichtigkeit. Ohne dieſen Umſtand nämlich würden wir nur die von Sonne oder Mond unmittelbar beſchienenen Gegenſtände erleuchtet ſehen, alle andern im tiefſten Schatten, und der grelle Abſtand zwiſchen dem abſoluten Schwarz des leeren Raumes und den hellen Lichtſtrahlen würde vielleicht die Sehkraft zerſtören. Eeinen Einfluß des Mondes auf Witterung und atmoſph. Zuſtände überhaupt nahm man ſeit den älteſten Zeiten an. Muncke erklärt ſich entſchieden gegen denſelben, ſo wie im Allgemeinen gegen kosmiſche oder planetariſche Einwirkung auf die A., und auch gegen Einfluß des Mondes auf die organiſchen Weſen der Erde. Schübler hingegen (Unterſuchungen über den Einfluß des Mondes auf die Veränderungen unſerer A. ꝛc. Lpzg. 1830) erklärt ſich ent⸗ ſchieden für einen Einfluß deſſelben. Eugen Bouvard hat dieſe wie alle frühern Beobachtungen zur Anfertigung von Tafeln benützt, welche genau die Exiſtenz einer barometriſchen Periode zeigen, deren Dauer mit dem Mondmonat zuſammenfällt. Die

Weite der Schwankung, die Maxima und Minimg derſelben find faſt ganz ſo, wie ſie früher ſchon Flaugergues beſtimmte, der für ſeinen Beobachtungsort Viviers fand, daß das Barometer im Mittel am 11. Tage des Mondwechſels am tiefſten, am 22. am höchſten ſtehe. Nach Schübler und Bouvard ſteht man die Regen⸗ menge und die Zahl der Negentage in Beziehung auf den Mond⸗ er, mit dem Gange des Barometers übereinſtimmen. (Ulastitut , b. 30 %% .

Brunnengräber zu Horehz machten im teten Kübebüündert den Verſuch, das Waſſer mittelſt einer Pumpe über 32 Fuß zu heben. Da hiebei zwiſchen dem Waſſer und dem Kolben der Pumpe ein leerer Naum entſtanden war, den das Waſſer doch nicht ausfüllen wollte, was es nach der Meinung der damaligen Zeit, (wo man der Natur noch einen horror vacui, einen Abſcheu vor dem leeren Naum zuſchrieb, und demnach ein Beſtreben, dieſen auszufüllen) hätte thun müffen, fo erholten fie ſich bei Galilei, obwohl vergebens Rath. Erſt fein Schüler Torriecelli fand 1643 den wahren Grund hievon. Er kam zuerſt auf den Gedanken, daß dieſelbe Urſache, welche das Waſſer nur 32/ hoch treibe, das tämal ſchwerere Queckſilber nur 27/ / hoch treiben und halten müſſe. Er ſchmolz eine 3 Fuß lange Glasröhre an einem Ende zu und füllte fie durchs andere offene mit Queckſilber, verſchloß letz⸗ terés mit dem Finger und kehrte die Röhre um, fie in ein Gefäß mit Queckſilber ſetzend. Das Queckſilber floß wirklich aus dem

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318 gemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

obern Theil der Röhre ab, und es blieb von ihm nur eine 27% Zoll hohe Säule in derſelben. Torricelli kam bald zur Ueberzeu⸗ gung, daß lediglich der Druck der auf das Queckſilber im Gefäß drückenden bis an die Grenzen der A. reichenden Luftſäule die Queckſilberſäule in der Nöhre auf 27/ erhalte. Wird dieſe Torrizelliſche Röhre ſtatt dem mit Duedfilber gefüllten Gefäße unten gekrümmt, ein rundes oder zylindriſches Gefäß angeſchmol⸗ zen, in welches das Duedfilber gegoßen wird, eine Skala beige fügt, und das Ganze auf ein Brett befeſtigt, ſo hat man einen Barometer, ein Inſtrument, deſſen Wichtigkeit von Tag zu Tag mehr hervortritt. Es iſt klar, daß die Queckſilberſäule in der Röhre fallen muß, wenn die Luftſäule, die von unten auf fie drückt, verkürzt wird, und ſteigen, wenn dieſelbe verlängert wird. Die Queckſilberſäule wird daher deſto niedriger ſtehen, je höher man ſich in die A. erhebt. Die ganze A. drückt mit einer Gewalt auf die Erde, jener gleich / welche ein 32/ hohes Meer auf dieſelbe ausüben würde, oder ein Queckſilberoeean von 2715 Zoll Höhe. Nimmt man die Oberfläche eines Menſchen zu 15 Quadratfuß, ſo drückt die Luft auf ihn mit einem Gewichte von 27214 Cent., welcher ungeheuere Druck nicht gefühlt wird, da er von allen Sei⸗ ten gleichmäßig wirkt, und die in uns eingeſchloßene Luft vermöge ihrer Elaſtizität einigen Gegendruck leiſtet. Das Gewicht der ganzen A. womit ſte demnach auf die Erde drückt, beträgt nach Baumgartner 96,480 Billionen Cent. Wiener Gew. Da wie bemerkt, die Dichtigkeit der Luft nach oben abnimmt, und zwar nach Mariotte in geometriſcher Progreſſion, wie die Höhen in arithmetiſcher zunehmen, die Queckſilberſäule im Barometer alſo nach einem beſtimmten Verhältniß in höhern Gegenden fällt, ſo folgt daraus, daß das Barometer ſich vortrefflich zu Höhen⸗ meſſungen eigne. Man bemerkt jedoch, daß das Barometer auch am ſelben Orte aufgeſtellt, beſtändigen Schwankungen aus⸗ geſetzt ſei. Einige dieſer kommen vom Wechſel der Temperatur, wodurch das Queckſilber fpezififch leichter oder ſchwerer wird; andere richten ſich nach der Höhe, geographiſchen Länge und Breite des Ortes und ſonſtigen Lokalverhältniſſen. Dann finden aber auch regelmäßig periodiſche (unter den Tropen deutlichere) Schwankungen ſtatt, nach welchen das Barometer täglich zweimal ſeinen höchſten, und zweimal ſeinen niedrigſten Stand erreicht, welche ihren Grund in der Anziehung der Sonne und des Mondes haben, die Ebbe und Fluth in der A. veranlaſſen. Andere unregelmäßige Schwankungen haben ihre Urſache in der erwärmenden Kraft der Sonne und im Dunſtgehalte der Luft. Das arithmetiſche Mittel aus einer großen Zahl von Barometerhöhen am ſelben Orte giebt den mittlern Luftdruck daſelbſt und den Barometerſtand, um

Die Atmoſphäre. 5 319 welchen die Schwankungen erfolgen. Da der Uebergang der Waſſerdünſte in tropfbaren Zuſtand eine Verminderung des Luft⸗ druckes erzeugt, weil die Regentropfen nicht wie die Dünſte zur Vermehrung des Luftdruckes beitragen, ſo deutet in der Regel, jedoch nicht immer, ein Sinken des Barometers auf ſchlechtes, ein Steigen deſſelben auf ſchönes Wetter, und hierauf beruht die ſekundäre Anwendung des Bardmeters als Wetterglas. Vor⸗ züglich hängt der Barometerſtand eng mit den Winden zuſammen. Südwinde erzeugen den tiefſten, Nordwinde den höchſten, Oſt⸗ und Weſtwinde einen mittlern Stand. Veränderliche Winde, und Gewitter veranlaſſen unregelmäßige Schwankungen, Stürme ein ungewöhnliches Steigen oder Sinken. |

Je dünner die Luft iſt, deſto weniger nimmt fie Licht auf und deſto weniger entwickelt fie Wärme. Die Temperatur der A. muß daher von unten nach oben abnehmen. Bis jetzt iſt man noch zu keinem ganz ſichern Geſetze gelangt, nach welchem die Temperatur der A. nach aufwärts abnehme, und es ſcheint ſogar, als wenn Lokalumſtände, Tages- und Jahreszeiten abweichende Geſetze der Wärmeabnahme veranlaßten. Man bemerkt, daß die Wärmeabnahme über großen Bergmaſſen und Bergebenen geringer iſt, als über einzelnen Bergſpitzen. Im Ganzen kann man eine arithmetifche Neihe der Wärmeabnahme für gleiche Söhenunter- ſchiede annehmen. Die Wärme muß vom Aequator an gerechnet nach den Polen hin auf gleiche Weiſe abnehmen, als wenn man ſich unter dem Aequator zu einer angemeſſenen ſenkrechten Höhe erhöbe, und man kann alſo von dort aus durch Erhebung in alle Klimate der Erde gelangen, wie z. B. A. v. Humboldt von Guayaquil aus gegen den Gipfel des Chimboraco alle Klimate ſchichtenweiſe übereinander gelagert und auf dem Rücken der Anden in 5000 / Höhe das Klima von Algier, in 84507 Höhe jenes von Florenz traff. Im Allgemeinen kann man behaupten, daß eine Erhebung von 600/ immer einer Verminderung von 10 des C. Thermometers entſpreche; doch ſchwanken die Zahlen zwiſchen den Extremen von 400 und 800 /. v. Zach erklärt ſich dahin, daß die Temperatur der A. in 5693 Toiſen Höhe über der ganzen Erde gleich ſei. d'Aubuiſſon nimmt an, daß im Durchſchnitt eine Er— hebung von 100 Meters einem Breitegrade mehr rückſichtlich der Demperaturverminderung entſpreche. Die Höhe, in welcher der Schnee nicht mehr wegſchmilzt, nennt man die mittlere Schnee⸗ grenze. Je geringer die Breite eines Ortes iſt, deſto bedeutender iſt dieſe Höhe, in der Nähe der Pole S 0, fo daß dort ſchon in der meeresgleichen Ebene ewiges Eis vorhanden iſt. Lokalverhält⸗ niſſe verändern aber die aus der geogr. Br. hervorgehenden Ver⸗ hältniſſe ſehr bedeutend. In den Kordilleren von Quito z. B.

320 Allgemeine Naturgeſchichte IV. Buch.

unter 11% f. Br. iſt die untere S in 2460, in denen von Bolivia bei 1617349 f. Br. bei 2670 Toiſen Höhe; am nörd⸗ lichen Abhang des e in 2600, am ſüdlichen ſchon in

1950 T.; am Kaukaſus in 1700, in den Pyrenäen in 1400, den Alpen in 1370, dem Altai in 1000, im innern Norwegen in 70140 n. Br. in 550, an den Küſten Norwegens i in 741,9 ſchon in 366 Toiſen Höhe.

Die mannigfachen Zerſetzungen und die ts wechſelnde peratur bewirken in der A. beſtändige Strömungen, welche man Winde nennt. Ihre Stärke und Geſchwindigkeit wechſelt von wenigen Fußen bis zu 70 Fuß, welche der Sturmwind in einer Sekunde durchläuft, ja bei den ſtärkſten Ouragans bis zu 120 140/. Gewöhnlich wird der Wind an denjenigen Orten zuerſt wahrgenommen, welche in feiner Richtung am entfernteſten liegen, wie man z. B. den Weſtwind in Finnland eher ſpürt, als in Schwe⸗ den. Die gewöbnlichſte Urſache der Winde find die TDemperatur⸗ unterſchiede entweder unmittelbar, oder in Folge der durch ſte verminderten atmoſphäriſchen Niederſchläge, und des ſomit ver⸗ minderten Volumens der elaſtiſchen Fluida. Die Winde ſind entweder regelmäßige oder unregelmäßige. Zu erſtern ge⸗ hört der Paſſatwind, welcher auf großen Meeren zwiſchen 5— 300 n. Br. und 1— 250 ſ. Br. ſtets aus Oſten weht. Ueber dieſe Grenzen hinaus wehen, jedoch ſchwächer, nördlich NO. ſüd⸗ lich SO. Dieſe Winde ſind bedingt durch die Notation der Erde, und Ausdehnung der Luft durch die Wärme. Die periodiſch wehenden Moußons werden vorzüglich im indiſchen Meere, den Küſtenländern Afiens und Weſt-Afrikas beobachtet, und erklären ſich aus der ungleichen Erwärmung der Luft über großen Land- ſtrecken nach dem verſchiedenen Stande der Sonne und wechſelnder Regenzeit. Die allenthalben unter den Tropen herrſchenden Land⸗ und Seewinde entſtehen durch ungleiche Erwärmung des Landes und Meeres. So fängt auf St. Domingo der Seewind in der Regel Morgens um 10 Uhr an, und dauert bis Abends 7 Uhr, worauf der Landwind beginnt. Vorzüglich in höhern Breiten herrſchen die veränderlichen Winde, die aus vielfachen ſpeziellen Urſachen entſtehen. Sie dauern kürzer als die beſtändigen, wech⸗ ſeln öfters, und üben öfters unglaubliche Gewalt. Die Stürme ſind am gewaltſamſten auf Inſeln, an Küſten und in Berggegen⸗ den. Auf den Antillen, dem Kap, Finnmarken, an den holländi⸗ ſchen Küſten, im Kanal la Manche ꝛc. übertreffen fie an Wuth faſt alle Vorſtellung und durchlaufen manchmal die ganze Wind⸗ roſe, oder ſetzen nach kurzer Windſtille in entgegengeſetzte Richtung um. Heiße Winde, welche erſtickende, tödtliche Hitze mit ſich b bringen, find der trockene, feinen Staub führende Harmattan,

Die Atmoſphare. 321

auf der Weſtküſte von Afrika, als deſſen Fortſetzung man den italiſchen Siroeceo (Miſtral in der Provence) anſehen kann, der noch in der Schweiz als Föhn gefühlt wird; der mit dem Staub der afrikaniſchen Wüſte geſättigte Chamſin in Aegypten, der Samum der Araber, Chäͤmielé der Türken, im Juni und Auguſt in den Wüſten Arabiens und am perſiſchen Meerbuſen bis Indien wehend, ſich durch röthlichen Schein am Himmel ankündi⸗ gend, und wie man fagt, Menſchen und Thiere tödtend, die ihn Keinathmen. Läſtige kalte und trockene Winde wehen oft in Tibet, den Hochebenen Aſtens, der Sandwüſte Gobi ze.

Die Wärme bewirkt ſtets Verdunſtung des Waſſers auf der Erde, und die Luft nimmt eine ihrer Temperatur proportionale Menge hiedurch erzeugten Waſſerdampfes begierig in ſich auf. Bei gewiſſer Abkühlung der Luft, wo der Waſſerdampf ſich nicht mehr vollkommen expandirt erhält, aber auch noch nicht genug verdichtet iſt, um herabzuſinken, entſtehen aus ihm Wolken. Die Quantität des in Dampf verwandelten Waſſers iſt ſehr groß, und ſoll nach Dodsley, Hales u. A. jährlich im Mittel über die ganze Erde 30 Zoll Waſſerhöhe betragen, was ohne Zweifel zur

Bildung der Hydrometeore hinreicht. Auch das Eis ſcheint bei jeder Temperatur zu verdunſten; doch wächst die Verdunſtung dem Aequator näher ausnehmend. Nur wenige Gegenden in mittlern und höhern Breiten haben einen ſtets heitern Himmel. Manchmal wird die ganze A. milchig und trüb, meiſtens aber bilden ſich ab- geſonderte Wolken. Howard unterſcheidet von dieſen 7 Arten: Cirrus, Locken⸗ oder Federwolke, Cumulus, Haufwolke, Stratus, Nebelſchichte; als Mittelformen Cirrocumulus und Cirrostratas, Cu- mulostratus, endlich Cirrocumulostratus oder Nimbus, die Regenwolke. Nach Humboldt beträgt die Höhe der niedrigſten Wolken 3690, der höchſten 10—11,000 Fuß; Schäfchenwolken bemerkte er aber noch in 24/624), Biot und Gay-Luſſae noch weit über 21,4767, Die Größe der Wolken wechſelt ſehr, ihre Farbe iſt weiß bis ſchwarz, oft durch Lichtbrechung bunt, ihre Bewegung richtet ſich nach dem Winde. Befindet man ſich in ihnen, ſo gleichen ſie mehr oder weniger dicken Nebeln. Wird der atmoſphäriſche Waſſerdampf mehr abgekühlt, ſo entſtehen unter verſchiedenen modiſtzirenden umſtänden die Hydrometeore. Unter ihnen iſt der Thau der feinſte Niederſchlag, welcher ſich Abends und Nachts vorzüglich an zarte Körper anhängt, und am reichlichſten in heißen Gegenden und bei heiterem Himmel fallt. Nach Kotzebue ſoll es auf den Südfeeinſeln gar nicht thauen. Der Thau beſteht nach Lampadius aus reinem Regenwaſſer mit etwas Kohlenſäure. Nach Wells ſoll die Wärmeſtrahlung von der Erde gegen den heitern - Himmel die eigentliche urſache des Thauens fein; Munde nimmt

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322 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

an, daß die Wärme der Körper und des Erdbodens durch die Sonnenſtrahlen aufgeregt wird, und an Waſſer oder Luft gebun⸗ den in die Höhe ſteigt, nach dem Aufhören der Aufregung aber nebſt dem Dampfe, woran ſie gebunden iſt, zur Erde wieder zu⸗ rückkehrt. Verwandelt ſich der feine Niederſchlag in Wolken, welche die Erde berühren, ſo nennt man dieſes Nebel. Am ſtärk⸗ ſten ſind die N. in Thälern, über großen Flüßen und an Küſten. Sie beſtehen gewöhnlich aus reinem Waſſerdampfe, und riechen nur dann, wenn mit ihnen Beſtandtheile zerſetzter Körper verbun⸗ den ſind. Wolken und Nebel entſtehen durch Abkühlung des in der A. befindlichen Waſſerdampfes, wenn kältere Luftmaſſen ſich mit wärmern miſchen, und werden beſonders an den Spitzen der Berge gebildet, welche hoch in die kalte Luft hinaufragend, den Luftſchichten leicht Wärme entziehen. Vereinigen ſich die kleinen Bläschen der Wolken zu dichten Maſſen, welche den Widerſtand der Luft leicht überwinden, ſo fallen ſie als Negentropfen herab. Hiebei vermindert ſich das Volumen der regnenden Luft⸗ maſſe, benachbarte Luftſchichten ſtrömen herbei, vermehren die Stärke des Negens und veranlaſſen Winde, faſt beſtändige Be⸗ gleiter deſſelben. Andererſeits werden die Regen wieder durch die herrſchenden Winde weſentlich bedingt; und z. B. für Deutſchland, wie überhaupt Mittel- und Nordeuropa haben die Regenwolken im atlantifchen Meere ihren Urſprung. Man unterſcheidet Staub- regen, Landregen, Strichregen, Platzregen und Dunſtregen. Der glatteifende Regen fällt aus wärmern Luftſchichten und kündet Thauwetter an. Die Größe der Negentropfen wechſelt von 1“ bis 1/7. Manche Regen treffen nur wenige Quadratruthen und dauern nur wenige Minuten; manche Landregen überziehen ganze Länder und dauern bis 60 Stunden ohne Unterbrechung. Die periodiſchen Regen der Tropenländer beſtehen aus mehreren ſtarken Gewittern jeden Tag, bei welchen unglaublich viel Waſſer nieder⸗ fällt. Nach den Gegenden iſt deren Negenzeit etwas verſchieden; in manchen finden 2 Regenzeiten ſtatt. Das Regenwaſſer im All⸗ gemeinen iſt rein, und enthält nur ſelten etwas Salpeterſäure und ſalzſauern Kalk, häufig auch zufällig beigemengte thieriſche, vege⸗ tabiliſche und mineraliſche Subſtanzen. Der ſogenannte Blut⸗ regen entſteht von zahlreichen zugleich und an einem Orte aus der Puppe kriechenden Schmetterlingen, deren jeder hiebei einige Tropfen rothen Saftes von ſich giebt. Häufig werden auch Saamen⸗ ſtaub von Pflanzen, vorzüglich Nadelhölzern (Schwefelregen), Inſekten, Raupen, Krabben, ja Fiſche und Fröſche durch heftige Wirbelwinde in die Luft geführt / und fallen an andern Stellen mit dem Regen wieder herab. Dergleichen Thiere erſcheinen dann an eee Stellen in ene Menge, und ſind alſo

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; Die Atmoſphäre. 325

nicht aus Ritzen, Löchern ic. hervorgekrochen. Dieſer Umſtand kam in den letzten Jahren in der franz. Akademie öfters zur Sprache, und iſt durch zahlreiche Zeugniſſe außer allen Zweifel geſetzt. Froſch- und Krötenregen wurden faſt immer im Sommer bei Gewittern oder Regenſchauern beobachtet vom Oberſten Mar— mier, einem Herrn Peltier bei Ham (EInstitut 1834, P. 346), einer Dame 1804 im Park zu Senlis (a. a. O.), einem Herrn Huard 1833 bei Verſailles, dem Kapitän Zickel 1808 bei Burgos, Herrn Gayet 1794 bei Lalain im Norddepartement, Herrn Duparque 1814 zu Fremons, 4 Stunden von Amiens (a. a. O. p. 35354). In einigen Fällen fielen die Thiere, welche fait nie ausgewachſen, ſondern klein, oft noch mit Schwänzen verſehen waren, haufenweiſe auf die Regenſchirme, Hüte, Kleider; in einem Falle wurden ſie durch ein offenes, in der Richtung des Gewitters liegendes Fenſter mit dem Regen in ein Zimmer getrieben. Pfarrer Maſſon zu Belligue, Departement Loire, ſah bei einem Sturm 1820 eine ungeheuere Menge kleiner Fiſche von 9—10/“ auf einem Wege von 400 Schrit- ten auf dem Graſe herumhüpfen (a. a. O p. 362.). In einem Briefe, eingerückt im Echo du monde savant, erzählt Herr v. Villiers, Con⸗ ſervator des Muſeums der Naturgeſchichte von Chartres, daß er im September 1834 nach einem Gewitter zu Montpellier einen ſehr reich— lichen Regen von Bulimus truncatus (decollatus?) fallen ſah. Der Reif iſt gefrierender Thau oder Nebel, und ſcheint die Anziehung der Wärme durch die Erde zu beſtättigen. Den Rauhfroſt oder Eisnebel, jene bei großer Kälte ſich bartartig anſetzenden Eisnadeln, leitet Wil⸗ fon ebenfalls von der größern Erkältung der davon überzogenen Kör— per ab. Gefriert der Niederſchlag der A. zu kryſtalliniſchen Figu⸗ ren, fo entſteht Schnee. Dieſe Figuren liegen vielfach übereinan- der und bilden dadurch die verſchieden geſtalteten Flocken, an denen aber die Kryſtallform der in Winkeln von 600 vereinigten Nadeln ſtets ſichtbar bleibt. (Ceoresby Account etc. Vol. 1. p. 425.) In der heißen Zone fällt Schnee nur in bedeutenden Höhen; ſo zu Paramos in Quito in 11,400“, in der Hochebene von Antiſana in 12,600 / Am meiſten Schnee fällt in den nördlichen Gegenden; in Geboſtadt 1807 gegen 20/ in Lenvig 12/, in Finnmarken bis über den erſten Stock der Häuſer, in Newyork 1741 16/ hoch. In Norwegen iſt das Schneien oft mit den heftigſten Stürmen verbunden, oder es herrſcht ein fei⸗ ner, alles durchdringender Schneenebel, oder es fällt feiner, den Au⸗ gen verderblicher, durch die kleinſten Nitzen dringender Staubſchnee. Nach Sedilean geben 5—6, nach la Hire 12, nach Muſchenbroek erſt 24 Zoll Schnee 1 Zoll Waſſer. Nach Corradori hat der Schnee durchaus keine befruchtende Eigenſchaft, ſondern befördert das Pflanzenwachsthum hauptſächlich nur durch den Schutz, den er als ſchlechter Wärmeleiter gegen die Kälte gewährt. Der Schnee

324 Allgemeine Naturgeſchichte, IV. Buch.

erſcheint, namentlich auf Alpen öfters rothgefärbt, durch eine kleine, in ihm wachſende Alge, Protococcus niyalis Agardh; ich fand der⸗ gleichen im Auguſt 1836 ziemlich häufig am Steinalpgletſcher vor dem Suſtenpaß. Honigthau und Mehlt hau ſind nur eine manch⸗ mal ſtattfindende tropfenweiſe Ausſchwitzung der Bäume und an⸗ derer Pflanzen, oder auch ein Sekretum der Blattläuſe. Der

Höhenrauch (Heerrauch, Heiderauch) vorzüglich Hark 1781, wo er ſich über Mittel- und Südeuropa bis Syrien und Afrika ver⸗ breitete, und über Bergſpitzen von 10,0007 ging, dann 1821 in England und Frankreich, 1819 über einigen Gegenden von Nord⸗ amerika, entſteht wenigſtens zum Theil durch das Moorbrennen, fo wie aus Subſtanzen, die aus Hochöfen und Hüttenwerken emporſtei⸗ gen. Aehnlichkeit mit dem Höhenrauch haben die, oft plötzlich über

großen Städten, z. B. Amſterdam, Paris, London entſtehenden Ne⸗ 0

bel. Der ſogenannte fliegende Sommer iſt kein ene en der A. ſondern unzähliger kleiner Spinnen.

Das Gewitter, das großartigſte und wichtigſte Phünomen in der A. entſteht aus ſtarker Anhäufung der Elektrizität in den obern Negionen, und aus einer Vereinigung beider Elektrizitäten beim Niederſchlag der Dämpfe. Nahe verwandt hiemit iſt das Wetterleuchten und das St. Elmsfeuer, wobei die Elektri⸗ zität leuchtend aus einer Wolke in die andere übergeht, oder an ſpitzen Körpern aus- und einſtrömt. Auch der Schnee leuchtet oft elektriſch. So ſah man am 10. Dez. 1836 in Dwann am Bielerſee bei ſtürmiſcher Witterung leuchtenden Schnee fallen, ſo daß man anfangs glaubte, es brenne in Gerlafingen. Auf einem Schiffe im See ſchien zuerſt die Kappe eines Schiffers, dann die Kleidung der übrigen, endlich das Stroh der Ladung zu brennen. Nach 5 Minuten hörte das Leuchten wieder auf. Beim Gewitter nimmt man nach Sauſſure an, daß die Elektrizität in den Wolken fortwährend durch Verwandlung des expandirten Waſſerdampfes in tropfbare Flüßigkeit erzeugt werde. Die im Dampfe enthal⸗ tene Elektrizität häuft ſich hienach in den Wolken an und kommt im Blitze wieder zur Erde. Je nachdem Waſſerdampf erzeugt oder niedergeſchlagen wird, iſt die Luftelektrizität bald + bald elektriſch, und geht oft in kurzer Zeit aus einem Zuſtand in den andern über. Durch den Blitz wird das geſtörte elektriſche Gleich⸗ gewicht hergeſtellt. Die meiſten Blitze fahren aus der Luft auf die Erde herab, doch kommen manche aus der Erde und ſteigen aufwärts in die Luft. Gegenſtände, welche vom Blitz getroffen wurden, mußten ſich ſchon vorher im elektriſchen Zuſtand befunden haben. Durch den heftigen Schlag des Blitzes und das Durch⸗ brechen der Luft entſteht der Donner, deſſen nachfolgendes Rollen einige aus Bebungen der Erde erklären wollen. Die mechaniſchen

Die Atmoſphäre. 325

Wirkungen des Blitzes, bei welchen er oft unglaubliche Gewalt übt,

oft ſcheinbar launig von einem Gegenſtande zum andern ſpringt, die feſteſten Gegenſtände zerſplittert, andere manchmal ſpurlos vernich⸗ tet, Metalle ſchmelzt, Menſchen und Thiere durch Ueberreiz lähmt

und tödtet, erklären ſich aus ſeinem Verhalten als ſtarker elektriſcher Funke. Durch Blitzſchläge in tiefen Quarzſand, Schmelzen und Zu⸗ ſammenſintern deſſelben entſtehen die ſogenannten, oft 10—12/ langen Blitzröhren. Die Gewitter find häufig von heftigem Regen, manchmal von Schloßen, Hagel, e unter den Tropen Tor⸗ 8 tromben und Waſſerhoſen, den fie einzelne Luftmaſſen in heftige kreiſende und fortſchreitende Bewegung verſetzt, durch welche fie furchtbare Wirkungen hervorbringen. Wir führen unter zahlreichen Beiſpielen nur eines der neueſten an: merkwürdig noch beſonders, weil die Trombe hier als Feuerſäule erſchien. Den 27. Juli 1835, gegen 6 Uhr Abends, ſah man ein feuriges Meteor am Himmel in der Gegend von Agen. Es war nach einem Ge⸗

witter, der Donner brummte noch, eine Feuerſäule, deren Balls

15 Fuß im Umkreis haben mochte, erfchien am Himmel, fich von der Erde zu einer mittlern Höhe über den Horizont erhebend. Bald ſetzte fie ſich in Bewegung, ſchnell von Südoſt nach Norweſt fortſchreitend, tauchte in die Gewäſſer des Darn, welche fie auf- brauſen und ſteden machte, erhob ſich dann, ſich gegen das Dorf Lizae wendend, wo ſie nahe bei einem Hauſe vorübergehend, mehrere Reihen Ziegel von einem Dache nahm; dann einem mehr als 100jährigen Nußbaum begegnend, zerbrach fie alle feine Aeſte, durchbohrte den Stamm wie eine Kanonenkugel und erloſch plötz⸗ lich, einen ausgedehnten Rauchwirbel nach ſich laſſend, der noch lange die Atmoſphäre wie ein dichter Winternebel verdunkelte. (Institut 1835, p. 288.) Die Waſſerhoſen fielen von der Luft zur Erde niederhängende Schläuche dar. Der Gewitterregen iſt gewöhnlich kalt, bald + bald elektriſch. Die Hagelwolken bilden meiſtens weiße Streifen in den dunkeln Gewitterwolken. Die kleinſte Art des Hagels unterſcheidet man als Graupeln, die aus zuſammengeſinterten Schneeflocken gebildet ſcheinen; der eigentliche Hagel beſteht aus verſchieden geſtalteten Eisſtücken mit weißlichem Kern, wenige Linien bis über Fauſtgroß, wie z. B. bei dem furchtbaren Hagelwetter in Frankreich 1788. Nur äußerſt ſelten hagelt es bei Nacht. Die Bildung oft ſo vieler tauſend Centner Eis beim Hagel und ihr Schweben in der Luft gehört noch immer unter die ſchwerſten Probleme. Muncke glaubt, der Hagelbildungsprozeß beruhe auf dem gerade in den heißeſten Som⸗ mertagen ſtattfindenden Aufſteigen der mit Waſſerdampf überla⸗ denen Luftſchichten, welche bei der vorhergehenden Windſtille bis

326 Allgemeine Naturgeſchichte. Iv. Buch.

zu Höhen gelangen, wo ihre Vermengung mit der tief unter dem Ge⸗ frierpunkte kalten Luft nicht bloß Niederſchläge erzeugt, ſondern auch ein Herabſtrömen jener ſehr kalten Luft veranlaßt. Die Hagelkörner bildeten ſich alſo in bedeutenden Höhen, und hiemit im Einklange ſtände, daß ſie oft heterogene Subſtanzen, vegetabiliſche Körper, Sand und vulkaniſche Aſche, Schwefelkiesoktaeder einſchlößen. (2) Nach Rüppel ſoll es in Abyſſinien oft hageln, doch nie während Gewittern. Dieß macht die Erklärung der Hagelbildung (wie Humboldt bemerkt) noch ſchwieriger, indem man bis jetzt die Elek⸗ trizität eine große Rolle bei ihr ſpielen ließ. Die meiſten Ge⸗ witter finden im Sommer ſtatt, ereignen ſich aber öfters im Winter, wenn unverhältnißmäßige Wärme herrſcht, oder auf Kälte oft plötzlich gelindes Wetter folgt. Der von Franklin zuerſt angegebene Blitzableiter ſchützt die Gebäude bis auf gewiße Weite ſo lange, als die Leitung ununterbrochen iſt. In der Mitte

geräumiger Zimmer iſt man vollkommen ficher, da der Blitz nie

eine trockene Luftſchichte von nur 3—6 Fuß durchbricht. Gegen den Hagel hat man bis jetzt noch keine Präſervative, denn die von Manchen ſehr empfohlenen Hagelableiter nützen nichts. Die Regenmenge iſt im Ganzen genommen an denſelben Orten alljährlich ziemlich gleich, und bedeutend genug, um die Quellen und Flüße zu bilden. In Aegypten regnet es ſelten, in Lima, in Fezzan nie, in Cayenne ſehr häufig. Sehr verſchieden iſt die Menge des jährlich fallenden Regens an verſchiedenen Orten, und beträgt z. B. in Bern 43, Zürich 32, Haag 27,6, Paris 20, Rom 20, Berlin 19,3, London 17, Petersburg 15, Wien 44/8, Algier 25/8 Bergen 73, Charlstown 47,3, Kalkutta 111, auf St. Do⸗ mingo 113 Zoll. Am größten find die Regenmengen in der Aequa⸗ torialzone. In Europa fällt mehr Regen am Tage, als in der Nacht; in den Goldminen von Marmato regnete es nach Douiim | gault öfter bei Nacht. (Institut 1836, p. 34.)

Die Morgen⸗ und Abendröthe entſteht durch Brechung und vielleicht auch Beugung der Lichtſtrahlen in den Dünſten der A., wo⸗ bei nur die ſtärkern rothen Strahlen die trübe Luft durchdringen; die einfachen und doppelten Regenbogen durch einfache oder doppelte Brechung des Lichtes in den Regentropfen; die Höfe, Kronen, Nebenſonnen und Nebenmonde durch Brechung des Lichtes in feinen Dunſtkügelchen, oder nach Fraunhofer und Brandes in Eis⸗ prismen. Dünſte und Nebel der A. reflektiren häufig auch die Bil⸗ der irdiſcher Gegenſtände. Hierauf beruht die Luftſpieg elung, Kimmung. Vermöge der Brechung der Lichſtrahlen in den über der Erdoberfläche ungleich erwärmten Luftſchichten erſchienen z. B. der franzöſiſchen Armee in Aegypten ferne Orte höher liegend und von Waſſer umgeben. Bisweilen ſieht man zwei Bilder von einem

Die Atmoſphäre. 1. 327

Gegenſtande/ ein aufrechtes und ein darüber ſtehendes verkehrtes. Man las in engliſchen Blättern 1835: Den 20. September gegen 5 Uhr Abends, als der Himmel mit ziemlich dicken Dünſten bedeckt

war, ſahen die Landleute in der Nähe des Agar, eines der Hügel

*

des Mendio, am Himmel ein ſehr ſtarkes Reiterkorps, welches bald im Schritt, bald im Trott zu deſiliren ſchien. Die Reiter,

Säbel in der Hand, waren alle gleichförmig uniformirt, und man

konnte Alles bis auf Zaum und Steigbügel unterſcheiden. Einige

Zeit ſah man fie 6 Mann hoch manövriren, dann bildeten fie ſich in Reihen. Das Schauſpiel dauerte, bis die Dunkelheit die Ge⸗

genſtände nicht mehr unterſcheiden ließ. Die Küſten Siziliens und Kalabriens, beſonders Meſſina und Reggio erſcheinen oft durch Spiegelung in beträchtlicher Höhe; ein unter dem Namen Fata Morgana bekanntes Phänomen.

Die ſogenannten FIrrlichter, welche noch nicht genügend unterſucht ſind, mögen, ſo weit ſte der A. angehören, Flämmchen von Phosphorwaſſerſtoffgas ſein. Wahrſcheinlich werden irrig manchmal Leuchtkäfer oder Flammen der Gasvulkane für Irr⸗

lichter gehalten. Die Meteore und Sternſchnuppen, welche von

Vielen unter den atmoſphäriſchen Gebilden aufgeführt werden,

haben wir bereits S. 255 ff. unter den kosmiſchen Körpern betrachtet.

Doch dürften jene Sternſchnuppen, von welchen man gallertartige, ſchleimige Neſtanzen fand, der A. angehören, ebenſo wie die

Staubniederſchläge. Von einem der letztern las man in öffent⸗

lichen Blättern von Kjachta aus: In der Grenzfeſte Zuruchajtu⸗ jewsk bemerkte man am 30. Oktober (11. Nov.) 1834 gegen 2 Uhr

35 Nachmittags eine Verdunklung der Luft, die nach und nach gegen

Abend ſo ſtark wurde, daß man weder die nächſte umgebung, noch

die Sterne ſah. Am folgenden Tag ſchien die A. mit geruchloſem

Rauch erfüllt; es blieb dunkel, wie in der Dämmerung, und die Luft wurde erſt gegen Mitternacht wieder rein. An den Ufern des Argun, wie auf dem Eiſe zeigte ſich ein ſchwarzbrauner, geruchlofer, bitterer, ſalziger Niederſchlag. Das Gras bedeckte ein rothbrauner ſtaubiger Miederſchlag, welcher aufgeſtört auf Naſe und Hals wirkte.

Wir fügen zu dieſer Ueberſicht der atmoſphäriſchen Erſcheinungen nur noch wenige Bemerkungen aus Forbes o. a. jüngſt erhaltenem

Werke. Allmälig tritt man nach F. Dalton's Anſicht bei, daß die

Beſtandtheile der A. bloß mechaniſch gebunden feien, und jeder ſt ch

genau in dem Zuſtande befinde, als wenn er allein für ſich eine A. bil⸗ dete. (Phil. Transact. 1826. Vol. II. p. 174.) Die Abnahme der Tem» peratur der Luft nach oben leitet man in neueſter Zeit nicht mehr

von ihrer geringen Lichtaufnahme und Wärmeentwicklung, ſondern von der mit der Luftverdünnung zunehmenden Wärmekapazität ab.

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328 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Die ©. 318 erwähnte tägliche Schwankung, wobei das Baro⸗ meter um 9 Uhr Vormittags und Abends fein Maximum, um 3 oder 4 Uhr Morgens und Nachmittags fein Minimum erreicht, beträgt nach Bouvard in Paris für die Morgenperiode von 9 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags 0%/j , für die Abendperiode, von 3 Uhr Nachmittags bis 9 Uhr Abends O/%v . Der Druck der Dämpfe auf das Barometer nimmt nach Daniell (Essay on the constitution of the A. p. 73.) vom Aequator nach den Polen

hin ab; während er dort etwa 10“ beträgt, ik er in unſern Breiten nur etwa 377, Nach Kämtz iſt die A. über den großen Meeren mit Dämpfen von Meerwaſſer geſättigt; je weiter man ins Innere der Kontinente dringt, deſto trockener wird bei gleicher Breite die Luft. Nach Forbes wäre es ausgemacht, daß in den höhern Regionen der A. ſehr große Trockenheit herrſcht. In der Höhe von ½ 1 Meile exiſtirt aber eine Luftſchichte, welche öfter als eine andere mit Dampf geſättigt iſt, und die Region der Wolken bildet. Kämtz erklärt ſich gegen die ziemlich allgemeine Annahme, daß die Luft in der Höhe trockener ſei, als in der Tiefe; er fand, daß die Luft bei trübem Wetter in der Höhe viel feuchter iſt, als in der Tiefe, bei heiterem Wetter finde das Ge⸗ gentheil ſtatt, was die Vorſtellung eines beſondern Vorgangs bei den Hydrometoren hervorruft. Die Verdunſtung iſt am gering⸗ ſten in der kältern Jahreszeit, nimmt im Frühling ſehr ſchnell zu, erreicht im Juli und Auguſt ihr Maximum und nimmt dann wieder ab. Im Sommer iſt fie oft 8-Imal fo groß als im Win⸗ ter. Nebel und Wolken ſind Niederſchläge des Dampfes in Form von Bläschen. Jene befinden ſich am Boden, dieſe höher; Wolken find lokale Regen, in einer Luftſchichte, an deren Grenzen der durch Vereinigung mehrerer Bläschen entſtandene Niederſchlag ſich wieder auflöst, und Regen iſt nur eine hohe auf dem Boden ruhende Wolke, welche unten durchſichtiger iſt wegen der Ver⸗ größerung und geringern Zahl der Tropfen. Die Nebelbläschen haben wohl nur wenige Zehntauſendtel eines Zolls im Durchmeſfſer, und die Dicke ihrer Hülle iſt wohl = 0/ %%. Dove ſagt treffend) eine Wolke ſei kein Produkt, ſondern ein Prozeß, ſie beſtehe nur, indem fie entſteht und vergeht. Innerhalb dem Nord⸗ und Südpaſſat liegt ein Gürtel der Windſtillen, deſſen Grenzen ſich mit der Abweichung der Sonne ändern und ihr folgen. Im atlantiſchen Ocean iſt die windſtille Gegend im Auguſt am breite⸗ ſten 9349, im Dez. am ſchmalſten 214%. Nach Schouw, Dove und Kämtz ergiebt ſich, daß im mittlern und nördlichen Europa vorzugsweiſe ſüdliche und weſtliche Winde herrſchen; im ſüdlichen Europa (Italien) die nördlichen das Uebergewicht haben, was nach Dove der zum Aequator zurückkehrende obere Luftſtrom iſt/

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Die Atmofphäre. | 329

der ſich hier in die Tiefe ſenkt. Nach Schouw und Kämtz iſt in Europa die Luftſtrömung im Winter meiſt ſüdlicher als im Durch- ſchnitt des Jahres; im Frühling erheben ſich häufig Oſtwinde, im Sommer wehen die Winde vorzugsweiſe aus Weſt und Nord, und im Herbſt nehmen die ſüdlichen Winde ſchnell zu. Nach Dove ſind die regelmäßigen Erſcheinungen der Winde zwiſchen den Tropen, der Paſſate und Mouſſons, und die verwickelten Verhältniſſe der gemäßigten und kalten Zone nothwendige und einfache Folgen derſelben phyſikaliſchen Grundbeſtimmungen. Aus der verſchiedenen Rotationsgeſchwindigkeit der einzelnen Punkte der Oberfläche der Erde folgt, daß auf d. n. Halbk. Winde, welche als Nordwinde entſtehen, bei'm allmäligen Fortrücken durch NO. immer mehr in O. übergehen. Treten nach einiger Zeit Aequa— torialſtröme ein, ſo wird der mehr oder weniger öſtlich gewordene Polarſtrom durch eine Drehung im Sinne O., SO., ©. ver drängt; dieſer Südwind geht allmälig durch SW. in W. über, und dieſe Richtung wird von neuen Polarſtrömen in NW. und N. verwandelt. Daher dreht ſich auf der n. Erdhälfte der Wind, wenn Polar- und Aequatorialſtröme mit einander abwechſeln, im Mittel im Sinne S. W. N. O. S. durch die Windroſe; er ſpringt häufiger zwiſchen S. und W. und zwiſchen N. und O. zurück, als zwiſchen W. und N. und zwiſchen O. und S. Auf d. ſ. Halbk. gehen Südwinde durch SO. in O. über. Aequatorialſtröme verwan⸗ deln dieſe Richtung aus O. durch NO. in N. und nach und nach durch NW. in W. woraus durch die Polarſtrömung die Richtung durch SW. in S. übergeführt wird. Daher iſt hier die Drehung entgegen- geſetzt im Sinne S. O. N. W. S. und der Wind ſpringt am häufigſten zurück zwiſchen N. und W. und zwiſchen S. und O. An dieſe Theorie knüpft Dove eine Menge Folgerungen, für welche wir auf feine. Abhandlungen (Poggend. Annal. Bd. 11— 36) oder auf Forbes S. 169 ff. verweiſen. In der Sahara, den Sand— ebenen Frans, des nördlichen Chile's, der Küſte Bolivia's und im ſüdlichen Peru regnet es gar nie; faſt eben ſo wenig regnet es da, wo der Paſſat zwiſchen den Tropen mit größter Regelmäßigkeit und Stärke auf dem Meere weht. In der veränderlichen Region der Windſtillen, wo die Erſcheinungen des aufſteigenden Stromes am entſchiedenſten hervortreten, regnet es faſt das ganze Jahr hindurch. An der Polargrenze der Paſſate regnet es nur, wenn ſich die Sonne in der entgegengeſetzten Halbk. befindet. Die Haupturſache der atmoſphäriſchen Niederſchläge führt Dove auf das gegenſeitige Verdrängen der beiden, in unſern Breiten beſtändig mit einander kämpfenden Ströme NO. und SW. zurück. Indem die Wolken und Dämpfe an den Gebirgen aufgehalten werden, fällt daſelbſt mehr Regen. Je mehr man im Allgemeinen im

350 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Gebirge hinaufgeht, deſto mehr nimmt ſein Uebergewicht zu, und die Regenmenge, welche auf Hochflächen und Berglandſchaften fällt, übertrifft die im Niveau des Meeres fallende. Ueber die Kryſtallformen des Waſſers, aus welchen der Schnee entſteht, f. außer Scoresby's oben angef. Figuren auch die Beobacht. von Marr in Schweigg. Jahrb. Bd. 54. S. 429. Die bedeutende Menge Elektrizität, welche unaufhörlich in der A. erzeugt wird, leitet Pouillet 1) aus der Vegetation her. Er fand durch Verſuche, daß die Verbindung des Sauerſtoffs mit den Beſtandtheilen der lebenden Pflanzen eine dauernde Quelle der E. abgiebt, indem das Erdreich dabei e. wird. 2) Aus der Verdunſtung. Nach Volta ruft die Aenderung des Aggregatzuſtandes E. hervor; chemiſch reines Waſſer zeigt bei'm Uebergang in Dampf zwar keine E.; nach Pouillet erregt aber die bei der Verdampfung ſtatt findende Abfon- derung der in der Flüſſigkeit aufgelösten feſten Stoffe, namentlich des Kochſalzes im Meerwaſſer, e. Spannung. Allgemein nimmt man jetzt an, daß die Elektrizität der Luft bei heiterem Wetter immer + iſt, und mit der Höhe an Intenſität zunimmt. Nach Dove, Schübler und Kämtz iſt die Elektrizität nicht, wie man gewöhnlich glaubt, die erſte. Veranlaſſung bei der Bildung der Gewitter, ſondern nur begleitende Erſcheinung derſelben. Bei'm Ausbruche eines Gewitters finden viele Schwankungen in 15 Stärke der anfangs + E. ſtatt, welche ſich oft plötzlich in verwandelt; eine e. Fluth und Ebbe zieht gleichſam an der ni oberfläche dahin.

II. Hauptftück. Das Meer und die Gewäſſer der Erdfeſte.

Das Meer iſt, wie geſagt, das zweite Organ des Erdganzen, und bedeckt faſt drei Viertheile des Planeten als unvollſtändige Waſſerhohlkugel, aus welcher die Kontinente und Inſeln emporragen. Der Ocean iſt alſo übermächtig auf der Erde, und ſcheint ſie unter den 4 ſonnennächſten Planeten beſonders zu cha⸗ rakteriſiren, denn weder auf Mars noch Venus noch Merkur iſt eine verhältnißmäßig gleich bedeutende Waſſermaſſe vorhanden.

Das Meer iſt gleichſam ein Gegenbild des Luftkreiſes ober ihm, und in letzterm liegen zahlreiche es bewegende Kräfte. Der Himmel ſpiegelt ſich in der Meeresfluth, und alle ſeine

Das Meer u. d. Gewäſſer d. Erdfeſte. 331

Zuſtände ſcheinen in dieſer wieder. Wie keine Beſtändigkeit in der Atmoſphäre herrſcht, ſo auch keine im Ocean, hier wie dort ein immerwährender Wechſel von feierlicher Ruhe zur wil— deſten Bewegung, von goldenem Sonnenlicht und buntem Far— benſpiel zu dunkeln Schatten und ſchwarzer Nacht. Die At: moſphäre wird für das Meer das vornehmſte Beſtimmende, tritt mit ihm und ſeinen Bewohnern in eine elektriſch organi— ſche Wechſelwirkung, und verhält ſich zu ihm im Erdorga— nismus, wie im thieriſchen die Lunge zum Herzen.

Auſſerdem nimmt das Meer an kosmiſchen Verhältniſſen Antheil, und wird durch den Schwerezug des Mondes und der Sonne zu Ebbe und Fluth beſtimmt. Die größten Strö— mungen in ihm erfolgen durch die Axendrehung der Erde und durch die Temperaturausgleichung der Polar- und Aequa- torialgewäſſer. In Folge der erſten entſteht eine ſcheinbare Strömung in den großen Meeren der heißen Zone von Oſt nach Weſt, alſo entgegengeſetzt der Rotationsbewegung, weil das Meer als Flüſſiges nicht mit gleicher Schnelligkeit dem Umſchwung der Erde zu folgen vermag, daher beſtändig etwas zurück bleibt. In Folge der zweiten ſtrömt von den Polen her fortwährend das kalte und ſchwere Polarwaſſer in der Tiefe gegen den Aequator, und von dieſem das warme, leich— tere Waſſer auf der Oberfläche gegen die Pole. Auſſer dieſen großen und allgemeinen Strömungen giebt es unzählige kleinere, welche theils ſekundär durch Ebbe und Fluth und Oſtweſt— ſtrömung, durch die Geſtalt der Küſten, durch die Richtung und Tiefe der Meerengen, in welche größere Waſſermaſſen ſich einzwängen, durch die Beſchaffenheit des Meeresbodens, örtliche Temperaturungleichheiten, und ganz ige durch die herrſchenden Winde bedingt ſind.

So iſt das Meer ein immer Bewegtes. Schwerlich würde demungeachtet dieſe rieſenhafte Waſſermaſſe, gegen welche alles Gewäſſer des Landes als unbedeutend verſchwindet, erfüllt wie ſie iſt, mit organifchen Stoffen aller Art, der fortwäh— renden Erwärmung widerſtehen, ohne in Fäulniß zu gerathen, wäre fie nicht mit Salzen geſchwängert, die in den heißen Regionen reichlicher als in den kalten vorhanden ſind. Sie

332 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

erhalten ſeine Miſchung gegen die Einwirkung der Sonnen⸗ gluth, und vermehren zugleich ſein ſpezifiſches Gewicht.

Das Entſtehen und Daſein des Meeres iſt räthſelhaft, und ſtammt aus uralten Zeiten des Erdelebens. Wahrſcheinlich erzeugte es ſich aus dem früher in der Atmoſphäre vorhandenen Sauerſtoff und Waſſerſtoff, und ſchlug ſich als tropfbare Maſſe nieder, als die Erkaltung der Erde bis auf einen gewiſſen Grad fortgeſchritten war. In ihm waren und ſind die mannigfachſten Stoffe aufgelöst, welche ſich als Nieder— ſchlage abſetzen; aus ihm giengen die erſten Lebendigen hervor. Auch jetzt birgt es in ſeinem Schooße eine unüberſehbare Fülle ſekundärer Organismen, und vielfache wunderbare Formen derſelben mögen wohl in ſeinen unergründeten und unergründ⸗ lichen Tiefen hauſen, welche nie ein Menſchenauge ſehen wird.

Im Menſchen erweckt das Meer den Gedanken des Un— ermeßlichen. Betrachtet man vom Ufer den endlos ſich aus⸗ breitenden Ocean, ſo bricht, wie das Geſtade am Meer, die alte Gedankenreihe ab, und eine Welt neuer Ahnungen ſchließt ſich auf. Jenſeits des trennenden Meeres liegt aber immer Land, und die Fluthen von jenem, welche in der Kindheit menſchlicher Kultur die Völker der Erde ſchieden, tragen jetzt unendlich mehr zu ihrem Verkehre bei, als ſelbſt das Land. So beweist auch das Meer, daß im Menſchen lauter Kräfte liegen, welche denen der Natur entſprechen. Je gewaltiger, je furchtbarer die letztern ſind, deſto herrlicher und fruchtbarer wird auch der Sieg über ſie. |

Alle Gewäſſer des Feſtlandes verdanken dem Meere ihren Fortbeſtand, und manche der größern ſtehenden Waſſer⸗ maſſen auch ihr Daſein. Die unter dem Einfluß der Wärme erfol⸗ gende Verdunſtung des Oceans bildet vorzüglich die Wolken, deren Dunſt ſich an den höchſten und kälteſten Theilen des Landes in tropfbarer Form niederſchlägt, oder in Hydrome⸗ teoren zu Boden fällt. Hiedurch werden die Quellen erzeugt, welche die Seen ſpeiſen, und die Flüffe bilden. So wie das der Tiefe zuſtrebende, allenthalben den Boden durchdringende Gewäſſer auf eine feſte Sohle ſtößt, welche ſeinem weitern Eindringen ein Hinderniß entgegenſetzt, ſo bricht es ſeitwärts

Das Meer. 3353

in Quellen aus. Die meiſten Quellen werden alſo durch atmoſphäriſchen Niederſchlag erzeugt, einige jedoch aus Vulkanen entſpringende durch Sublimation, indem unter irdiſcher Waſſerdampf in die Höhe ſteigt, und ſich an den kältern, obern Geſteinsmaſſen zu Waſſer verdichtet. Auch die aus dem granitiſchen Gebirge ſtrömenden heißen Quellen dürften auf dieſe Weiſe entſtehen: nur daß hier die Stelle des vulkaniſchen Feuers von der Centralwärme der Erde ſelbſt vertreten wird. Erfüllt mit den der Tiefe entführten Stoffen, und hiedurch heiffräftig treten viele von ihnen als Thermen oder Minerals wäſſer in eine ſpezielle Beziehung zum menſchlichen Organismus.

Geſtalt und Vertheilung des ganzen Syſtems der Süß— waſſer wird durch die plaſtiſchen Verhältniſſe der Erdober— fläche bedingt. Richtung und Form der Gebirgszüge beſtimmen jene der Gewäſſer, von den Quellen an, welche von den kalten Felswänden, oder unter den Gletſchern herabrinnen, bis zu den ſtolzen, Reiche trennenden Strömen, welche an ihrem Urſprung oft nur durch eine niedrige Wand geſchieden, ihr

Ende in weit von einander liegenden Meeren finden. Auch die

Geſchwindigkeit der Flüſſe, die Stürze, Seen, Sümpfe, die ſie etwa bilden, find durch die Geſtalt des Landes bedingt. Die Ge— ſchwindigkeit iſt im Allgemeinen das Produkt der Höhe der Quelle über der Mündung, dividirt durch die Länge des Laufes.

Die ſämmtlichen Gewäſſer der Erdfeſte eilen wieder der gemeinſchaftlichen Stätte ihres Urſprungs zu. So findet zwi⸗ ſchen Meer und Land ein beſtändiger Kreislauf des Waſſers ſtatt, das von jenem in Dampfform aufſteigt, von dieſem als Tropfbarflüſſiges die Tiefe ſuchend, wieder zum Ocean zurückkehrt.

Das Meer

nimmt beinahe 34 der Oberfläche der Erde und zwar deren tiefſte

Stellen ein. Nimmt man an, daß ſeine größten Tiefen ſo viel— mal bedeutender denn die höchſten Punkte des Landes ſind, ſeine mittlere Tiefe um fo viel größer, denn die mittlere Erhebung des Landes: als ſein Flächeninhalt den des Landes übertrifft, ſo würde die aus dem M. vorragende Erde nur etwa zu ausreichen, das

Becken des M. zu erfüllen, und dieſes müßte demnach die ganze

334 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Erdoberfläche bedecken. Wegen der ungleichen Erhebung des Landes tritt das M. ſtellenweiſe tief in das Innere deſſelben, und bildet zum Theil große faſt ganz von Land umſchloſſene Meere, wie das Mittel⸗ meer, rothe M. ꝛc. In einem Erdtheile, nämlich Aften find wahre Binnenmeere vorhanden, welche jetzt keinen Zuſammen⸗ hang mehr mit dem Ocean haben, aber aus Salzwaſſer beſtehen und Meeresorganismen nähren; fie find das Kaspiſche und das Aralmeer, die immer, jedoch ganz unrichtig unter den Seen aufge- führt werden. Das Niveau des Kasp. M. ſollte nach Parrot's und Engelhardt's Nivellement von 1812 (nebſt einem umliegenden Theile des bewohnten aſtatiſchen Kontinents) 300/ Par., nach Monteith 3667 Par. unter dem ſchwarzen M. liegen; das Aralmeer liegt nach Duhamel und Anjou 10934, Par. höher, als das Kaspiſche. Freilich hat Parrot nach einem neuern barometr. Nivellement

(Neiſe n. d. Ararat. II Thl. Berl. 1834) dieſes Reſultat wieder zurückgenommen. Im Allgemeinen iſt das Niveau der M. gleich; doch ſtehen einige eingeſchloſſene M. etwas höher, als offene, ſo fand man die Oſtſee 1782 um 8 Fuß höher als die Nordſee, und das rothe M. ſteht wegen der Weſtſtrömung des indiſchen Oceans, wobei das Waſſer im arabiſchen Meerbuſen zuſammengedrängt wird, höher als das Mittelmeer; wahrſcheinlich ſteht auch der atlantifche Oeean an der Landenge von Panama wegen der großen Weſtſtrömung höher, als das ſtille M.

Geographiſch unterſcheidet man 5 Hauptmeere: t) das nördliche Eismeer, innerhalb des Polarkreiſes, an der Nordküſte von Amerika durch die Baffinsbai mit dem atlantiſchen, durch die Behinrgsſtraße mit dem ſtillen M. zuſammenhängend. Das weiße und Kariſche Meer ſind Buchten von ihm. 2) Das atlantiſche M. zwiſchen den beiden großen Kontinenten von einem Eismeer zum andern reichend, über der Südſpitze von Afrika mit dem indiſchen, über jener von Amerika mit dem ſtillen Ocean zuſammenflieſſend. Arme oder Buchten von ihm ſind: die irländiſche See, die Nordſee, Oſtſee, das Mittelmeer; (Theile oder Buchten deſſelben ſind wieder das Baleariſche, Liguriſche, Tyrrheniſche, Joniſche, Adriatiſche, Aegeiſche Meer; durch die Meerenge der Dardanellen, das Meer von Marmora und die Meerenge von Konſtantinopel ſteht das Mittelmeer in Verbindung mit dem ſchwarzen Meere, deſſen größte Bucht das Aſow'ſche iſt. An Kleinaſtens Küſte liegen die Bucht von Skanderum, von Gaza; an der afrifanifchen Küſte liegen der Golf von Sidra, von Kabes und von Tunis.) Im ſüdweſtlichen Theil des Atlantiſchen M. liegt der Meerbuſen von Guinea; in Amerika dringen ein: die Hudſonsbai, Lorenzbai, der Meerbuſen von Mexiko (mit der Campechebai), das Karaibiſche Meer (mit den Buchten von Venezuela, Darien, Honduras) ai Allerheiligenbai/

Das Meer. 335

Bai von Nio Janeiro. 3) Das Indiſche M. nach Norden Weſt⸗— afrika und Südaſten beſpühlend, im Weſten mit dem atlantiſchen, im Oſten durch die Straße von Malakka und die Sundaſtraße mit dem großen Ocean, im Süden mit dem ſüdl. Eism. zuſammen⸗ fließend. Theile von ihm ſind: die Straße von Mozambique, der arabiſche, perſiſche und bengaliſche Meerbuſen. 4) der große Ocean, oder das ſtille Weltmeer, über 27 der ganzen Erdoberfläche (2,800,000 7] M.) bedeckend, im O. von Aſiens und Neuhollands, im W. von Amerika's Küſten begrenzt, im N. und S. mit den beiden Eismeeren zuſammenfließend. Der Buſen von Karpentaria, die Botanybai, das Chineſiſche, Molukkiſche, gelbe, Japaniſche, Ochotz— kiſche und Kamtſchatkiſche Meer ſind ſeine weſtlichen Buſen; in

ſeinem öſtlichen Theile, an Amerika's Weſtküſte liegen: das Weſt— kaledoniſche M., die Buſen von Kalifornien, Panama und Guaya- quil. Durch die Torres- und Baßſtraße fließt es mit dem indiſchen, durch die Magalhaensſtraße mit dem atlantiſchen M. zuſammen. 5) das ſüdliche Eism., arm an Inſeln, kein Feſtland beſpühlend.

Da der Meeresboden dieſelben Ungleichheiten wie das Land darbietet, ſo wechſelt die Tiefe des Meeres nothwendig außeror— dentlich. Will man auch nicht annehmen, daß die tiefſten Stellen die höchſten Punkte des Landes ſo vielmal übertreffen, als der Flächeninhalt des M. jenen des Landes, alſo bis 3 Meilen fenf recht betragen, ſo kann man doch behaupten, daß ſte mindeſtens denſelben gleichkommen, daher über eine deutſche Meile unter den Waſſerſpiegel hinabreichen, fo viel, als die Spitzen des Himalayah und der Kordilleren über denſelben emporragen. Kapit. Roß fand die Baffinsbai an verſchiedenen Stellen 100 1070 Klafter tief. Man will überhaupt bis 1200 Klafter gemeſſen haben, eine wegen der Strömungen und des geringen Eigengewichtes der langen Seile, vermöge welchem fie die Gewichte endlich ſchwebend erhalten, der großen Kompreſſton, alſo Dichtigkeit des Waſſers in bedeutenden Tiefen ꝛc. unſichere Operation. Die verſchiedenen Bathometer, Tiefenmeſſer, find nur bis auf einen gewiſſen Grad zuverläßig. Laplace berechnete die mittlere Tiefe des M. auf 12000 /; hiernach hielte der Ocean etwa 3,000,000 Kubikmeilen; eine Waſſermaſſe, gegen welche alle Gewäſſer des Landes völlig unbedeutend erſcheinen. Man berechnet die jährliche Waſſermenge, welche ſämmtliche Ströme dem M. zuführen, auf 75 U M., fo daß, wenn keine Verdunſtung ſtattfände, 40000 Jahre verfließen würden, bis die Flüſſe das leergewordene Meeresbecken wieder zu füllen vermöchten.

Das Meerwaſſer hat wegen ſeines Salz- und Kalkgehalts bitter⸗ſalzigen Geſchmack und größere ſpez. Schwere, als das Süßwaſſer. Die Meere der wärmern Zonen ſcheinen ſalzreicher, und vielleicht iſt der Salzgehalt ſogar zeitlichen Aenderungen unterworfen.

356 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Nach Vogel enthielten 1000 Th. Waſſer aus dem atlantiſchen Ocean nach dem Abdampfen 38 Th. feſter Subſtanzen: nämlich 0%½3 Kohlenſaures Gas, 3750 ſalzſaure Bittererde, 0,5 ſchwefel⸗ ſauern Kalk, 0,90 kohlenſaure Kalk- und Bittererde, 5½%8 ſchwefelſ. Bittererde, und 25/0 ſalzſaures Natron. Waſſer aus dem Mittelm. enthielt unter 1000 Th. 41 Th. feſter Subſtanzen, namentlich einen größern Gehalt von ſalzſ. und ſchwefelſ. Bittererde. Andere Ana⸗ luyſen in andern Gegenden weichen mehr oder minder ab; im Mittel iſt der Salzgehalt des Meerwaſſers 3,; Prozent. (Der größere Salz⸗ gehalt des Mittelm. ſoll die Keſſel der Dampfſchiffe viel leichter durch Salzanſatz verderben, als dieſes im atlantiſchen M. der Fall iſt. Eine regelmäßige 6monatliche Fahrt zwiſchen Falmouth und Liſſabon habe im Dampfboot Carrion keine größere Inkruſta⸗ tion gebildet, als eine Fahrt von Malta nach Vurla. Engl. Bl.) Außerdem, daß die Salze das Faulen des Meerwaſſers verhindern, verdichten ſie es, und reguliren dadurch das Maas der Verdunſtung. Zugleich umwickeln ſte die vielen organiſchen fettigen und öligen Stoffe, damit fie ſich nicht an der Oberfläche ſammeln, und die Verdunſtung hindern. Dann bewirken ſie auch als ſchlechte Wärme⸗ leiter einen höhern Grad der Temperatur. Zu den verſchiedenen Verſuchen von Irving, Wurzer ꝛc., das Meerwaſſer trinkbar zu machen, iſt ein neuer von C. F. Saltzer, (Verſuch zu einer Verdünſtung und deren Anwendung bei Salinen ꝛc. Heilbronn 1833) gekommen, nach welchem das Meerwaſſer mittelſt der Luft⸗ pumpe, durch Aufhebung des Drucks der Atmoſphäre verdunſten ſoll. Dieſer Dunſt entzieht dem zurückbleibenden Waſſer die Wärme, bleibt aber zum Theil als Dunſt, wiewohl ſehr expandirt, jedoch mit Wärmeſtoff beladen, auf der obern Waſſerſchicht ſitzen. Hin⸗ zukommende trockene Luft ſaugt den Dunſt vollends ein, wird durch die Pumpe wieder weggezogen, und das Waſſer alles ſeines Wärme⸗ ſtoffs beraubt, fängt an, zu kryſtalliſiren oder zu gefrieren. Der Salzgehalt des Meeres wurde ohne Zweifel mit ſeiner Bildung ſelbſt gegeben, und die Salzlager der Erdfeſte find nur Depoſitionen des fie ehemals bedeckenden Meeres. Das Waſſer des M. wie das ſüße iſt, jedoch nur wenig elaſtiſch, was ſchon früher 1777 79 W. Zimmermann durch Abichs Druckmaſchine bewieß, und ſeitdem die Verſuche von Pfaff, Perkins, Sturm ze. beſtättigten. |

Die in verfchiedenen Gegenden faſt gleiche fpez Schwere des Meerwaſſers kann man im Mittel zu 1½26 annehmen. Die Temperatur des M. iſt in tiefen Breiten gegen 20 höher, als die der Luft, und die mittlere Temperatur überall höher, als dien des angrenzenden Landes, in deſſen Nähe, ſo wie über Untiefen das M. kälter iſt. Das kältere Polarwaſſer ſtrömt wegen größerer Schwere in der Tiefe dem Aequator zu, weßhalb auch in den

Das Meer. Yin 337

tropiſchen M. das Waſſer in größern Tiefen bedeutend kälter iſt. Wanchope fand nahe an der Linie das Meerwaſſer an der Oberfläche 230, in 1000 Faden engl. nur 5%; Sabine in 200 n. B. an der Oberfläche 28%, in 3000 / Tiefe 9, und 7,5; Horner fand in 230, 270, 300 n. B. in 10 bis 120 / Tiefe eine beſtändige Wärme von 13 140; Kotzebue bei den Aleuten an der Oberfläche 180, in 200 Faden Tiefe 4%. Nirgends ſcheint der Meeresgrund gefroren zu ſein, und in ſehr großen Tiefen findet vielleicht ſogar wieder eine Zunahme der Temperatur ſtatt. In einem über dieſen Gegen— ſtand in der geogr. Geſellſchaft zu Paris 1833 geleſenen Memoire zieht d'Urville folgende Schlüſſe: In der ganzen Ausdehnung der freien Meere iſt 1) die allgemeine Temperatur der untern Schichten in 600 Faden und mehr Tiefe faſt gleich, zwiſchen 4 und 5%. 2) Dieſe Temperatur modiſtzirt ſich allmälig gegen die Oberfläche zu, deren Wärmegrad von der Jahreszeit abhängt. 3) Nahe am Glei— cher, zwiſchen 100. n. B. und 100 f. B. ſcheint eine beſondere Urſache in den tiefern Meeresſchichten unter 100 Klaftern eine ſchnellere Erkaltung zu bewirken. Im Mittelmeer ſcheint die Temperatur bis 150 Faden Tiefe noch von jener der obern Schich— ten abzuhängen, und die Schichten unter jener Diefe haben eine Temperatur von etwa 130. 4) In den Seen nimmt die Wärme nach der Tiefe zu ab, und das Maximum der Erkaltung iſt 4%. (Pla- stitut 1833. p. 198.) Die Verdichtung des Waſſers iſt nicht bei 00, ſondern bei 3% R. am ſtärkſten. Von dieſem Punkt aus dehnt ſich das Waſſer beſtändig aus, ſowohl beim Abkühlen, als bei der Er- wärmung. Wenn eine Waſſermaſſe bis auf + 30, erkältet iſt, kann nur noch die Oberfläche weiter erkalten. Daher behalten die Seen auf dem Grund ſtets 34 Wärme, wie die tiefern Flüſſe, Bäche, Teiche, welche daher felten bis auf den Grund gefrieren. Wäre das Waſſer bei 00, wo es gefriert, am dichteſten, ſo würde die ganze Maſſe bis zu 00 erkalten, und dann plötzlich erſtarren, was für die Waſſerthiere höchſt verderblich wäre. Wenn das Eis thaut, ſo entſtehen zuerſt auf ſeiner Oberfläche kleine Tröpfchen, die, weil ſie das Licht verſchieden brechen, das Eis undurchſichtiger und trüber machen. Sie vergrößern ſich, fließen zuſammen, und bilden Kanäle, welche die Maſſe immer mehr durchfurchen und gebrechlich machen. Die bei'm Gefrieren zuerſt entſtandenen Nadeln dauern meiſtens am längſten. Nach Parrot gefriert das Seewaſſer erſt bei 40 R. nach Marcet bei 5 bis 5% C. Bei'm Gefrieren des Polarmeeres bildet das ausgeſchiedene Salz feine Kryſtalle, welche der Wind in kleine Haufen zuſammenweht. Das nördliche Eism. gefriert oft ſehr ſchnell, und vorher wird das Gewäſſer plötzlich ganz ruhig. Das Meereis giebt bei'm Aufthauen ſüßes Waſſer, da im Ge⸗ frieren das Salz ausgeſchieden wird. Scoresby ſah im nördlichen

23.

338 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Eism. Eisfelder von 100 engl. M. Länge und 50 M. Breite; Ellis ſah Eisberge von 1500 1800 / Höhe, und einige in 60 80 Toiſen Tiefe auf dem Grunde feſtſitzende. Forſter zählte einſt vom Maſtkorbe aus 160 ſchwimmende Eisberge, zum Theil Meilen lang, an der Grenze eines unüberſehlichen Eisfeldes treibend. Solche

Maſſen erſchweren bei ihrer Bewegung (wobei fie gewöhnlich roti⸗

ren) die Schifffahrt zwiſchen ihnen außerordentlich, zerquetſchen die ſtärkſten Fahrzeuge wie Nußſchaalen, und bringen Kälte in die ſüdlichen Gegenden. Schon in großer Ferne kündet ſich das Po⸗ lareis durch einen eigenen (phosphoreszirenden?) Schein, Eis⸗ blinkern genannt an. Seine Farbe iſt bläulich oder grünlich, die Spitzen glänzen in der Sonne wie Gold, weßhalb der Himmel über ihnen grün erſcheint. Der Wind, welcher von ihm herkommt, iſt ſchneidend kalt, und ſeine einzigen Bewohner ſind Eisbären, Polarfüchſe und Sturmvögel.

Nach Davy iſt auch das reiuſte Waſſer nicht vollkommen farblos, ſondern ſchwach bläulich. Große Waſſermaſſen können durch vielfache Subſtanzen gefärbt fein; Süßwaſſerſeen erſchei⸗ nen durch vermoderte gelbe Pflanzentheile in Verbindung mit dem Blau des Waſſers grünlich. Das Seewaſſer erſcheint durch das in ihm enthaltene Jod und Brom grünlich gefärbt; wo⸗ raus ſich das Noſenroth erklärt, das Halley in der Taucher⸗ glocke beobachtete, und welches das in größere Tiefe dringende grüne Licht bei feiner Neflexion im Auge erzeugt. (Halley ſah nämlich tief unter dem Waſſer das Obertheil ſeiner Hand, worauf die Sonne durchs Waſſer, und durch ein Fenſter in der Glocke ſchien, roſenroth, das Untertheil grün.) Die Farbe des M. in größerer Ferne angeſehen wechſelt ſehr in grünen und blauen Nuancen nach Stand und Richtung der Sonne, Färbung, Zahl und Stellung der Wolken, Beſchaffenheit des Grundes ic. Seen und Meeresſtrecken erſcheinen öfters durch fremdartige Körper ge⸗ färbt. Das Nordmeer erscheint zur Zeit der Häringszüge herrlich ſilberglänzend. Tremarec fand das M. bei Norwegen von kleinen Fiſchen roth gefärbt. An den Küſten von Braſilien, der Mündung des Plata ꝛc. erſcheint das M. oft durch kleine Krebſe hell- oder dunkelroth, oder braun. Die dunkelrothe Farbe des Meerbuſens von Kalifornien (Purpurmeer) ſoll ebenfalls von unzähligen See⸗ krebſen herrühren. Im M. von Grönland ſah Scoresby manchmal olivengrüne Streifen von 10 15 engl. M. Breite und 130 200 M. Länge, gebildet aus unzählbaren nur ½ Zoll von einander entfernten kleinen Meduſen, welche ½0 Yo’ im Durchm. und 12 paarweiſe beiſammenſtehende braungrüne Flecken an ihrem durch⸗ ſcheinenden Körper haben. Ein Kubikzoll Waſſer enthielt 64; ein Kubikfuß demnach 110,592; eine 11 58 Kubikm. eee

Das Meer, % 359

Das rothe M. fol feinen Namen von den vielen rothen Blumen der Lotuspflanzen, das gelbe M. vom gelben eiſenhaltigen Thon des Hoangho haben. Die Durchſichtigkeit des Meerwaſſers iſt in verſchiedenen Gegenden verſchieden groß. Ein hinabgelaſſenes Brett wurde nach Freyeinet unſichtbar bei der Inſel Waigiou in 39/ 73/%3, bei Port Jackſon in 38%), bei Neuſeeland in 35/, bei Aszenſton in 28 —36/ Tiefe. Außerordentlich klar iſt das M. an den Weſtindiſchen Inſeln, und die in der Tiefe wimmelnden, wegen der Refraktion ganz nahe ſcheinenden Thiere gewähren den herrlichſten Anblick. In 20 Faden Tiefe iſt nach Horsbourgh da— ſelbſt weißer Meeresgrund noch ſichtbar. Bei Mindora im indiſchen M., erkannte Derſelbe fogar in 25 Faden Tiefe noch die gefleckten Korallen. Das Waſſer abſorbirt alſo das Licht nicht außerordent— lich ſtark, weshalb die Konverlinſen der Taucherglocken in 25/ Tiefe noch als Brenngläſer wirken. Das Leuchten des M. beruht auf verſchiedenen Urſachen. Meiſtens rührt es von phosphoresziren⸗ den Thieren ſehr verſchiedener Klaſſen aus den großen Abtheilungen der Gastrozoa und Thoräcozoa her, worüber im sten Buch das Nähere zu finden iſt. Nach Tileſius und Macartney kommt das Leuchten bloß von kleinen lebenden Thieren; nach Langsdorff, Peron, Oken, Bladh auch von faulenden, fettigen und ſchleimi⸗ gen Thierſtoffen. Oft iſt dieſes Leuchten ſo ſtark daß die ſegelnden Schiffe eine Feuerfurche nach fi ſich ziehen; vorzüglich lebhaft zeigt es ſich bei'm Wellenſchlag, wie denn überhaupt irgend ein Reiz, welcher die Thierchen zu beſchleunigten Bewegungen antreibt, das Licht verſtärkt. Ob nicht das Meerwaſſer auch elektriſch, ohne Vorhandenſein von Thieren leuchten könne, iſt noch nicht ausgemit⸗ telt, aber wahrſcheinlich. Vergl. über das Leuchten d. M. Labillar⸗ dieres, Kruſenſterns, Langsdorffs, Perons Reiſen; Schweigg. Journ. XII. S. 343 und LU. S. 316. Neue Schwed. Abhandl. Bd. 28. Gilberts Annal. IXI. S. 1, 113, 164, 324. Ehrenberg, über d. Leuchten d. M. Berl. 1835. 4. m. Abb. (Berl. Denkſchr. Jahrg. 1834.) Im M. finden vielfache regelmäßige und unregelmäßige Be⸗ wegungen ſtatt, wodurch (nebſt feiner Miſchung und dem höchſt regen Stoffwechſel in ihm) der Fäulniß deſſelben vorgebaut wird. Unter den regelmäßigen Bewegungen iſt die wichtigſte die Ebbe und Fluth. Durch die anziehende Kraft der Sonne und (vor- züglich) des Mondes wird das M., ſobald dieſe Himmelskörper durch den Meridian gehen, in die Höhe gehoben, und ſinkt nach dem Aufhören der Anziehung wieder. Es wird hienach eine täg— liche Periodizität eintreten; außerdem entſteht noch eine monatliche durch die relative Stellung des Mondes in den Quadraturen und Syzygien, und eine jährliche durch die Stellung der Sonne in den Aequinoktien und Solſtitien. Der Weben ne von Sonne und

340 f Allgemeine Naturgeſchichte. lv. Buch.

Mond erfolgt täglich 2 Mal, im obern und untern Meridian; daher muß (ſagt man) Fluth und Ebbe täglich 2 Mal wiederkehren. Etwa 6 Stunden des Tages währt die Fluth, wobei das M. ſteigt, die flachen Ufer überſchwemmt, die Flüſſe an ihren Mün⸗ dungen aufſtaut; nach Erreichung ſeines höchſten Standes, auf dem es einige Zeit verweilt, beginnt es nahe an 6 Stunden lang zu fallen, was die Ebbe iſt, wobei wieder ein tiefſter Stand erreicht wird, nach deſſen Aufhören abermal die 6 Stunden lange Fluth beginnt, welche einer neuen eben ſo lange währenden Ebbe weicht. Die ganze Periode, innerhalb der 2 Fluthen und 2 Ebben ſtatt finden, dauert 24 Stunden 50 Minuten, binnen welcher Zeit der Mond wieder zu ſeinem Meridian zurückkömmt; 2 hochſte Fluthpunkte werden daher immer um 12 St. 25 M. auseinander liegen, und von einer Morgenfluth oder Abendfluth zur andern werden 24 St. 50 M. verfließen, um welche Zeit jede Morgen⸗ oder Abendfluth immer ſpäter als die nächſt vorhergehende eintritt. Die Fluthen zur Zeit des Neu- oder Vollmonds ſteigen viel höher und heiſſen Springfluthen, und die der Quadraturen, Nip⸗ fluthen genannt, bleiben viel niedriger als die mittlern Fluthen. Alle Erſcheinungen der Ebbe und Fluth erfolgen in ganzer Neinheit nur in großen freien Meeren. In eingeſchloſſenen Meeren, in der Nähe des Landes werden ſie ungemein modiſtzirt; die Zeit des Hochmeeres wird verzögert, feine Höhe außerordentlich vermindert oder vermehrt. Von den Seen zeigen nur noch die größten Ebbe und Fluth. Manche große Seen mögen, wie der Ontarioſee, regel⸗ mäßige Ebbe und Fluth haben, die nicht von den Himmelskörpern, ſondern wie bei jenem von den wechſelnden See- und Landwinden abhängt. Für denſelben Hafen an der See ſind die Verhältniſſe zwar ſo beſtändig wie im offenen M., aber für 2 auch nahe aneinander gelegene Häfen können fie ſehr ungleich fein; fo tritt z. B. für Dünkirchen der Hochfluthpunkt erſt 12 Stunden nach der Kulmination des Mondes ein, in St. Malo 6 St. nach der⸗ ſelben, am Vorgebirg d. g. H. ſchon nach 17 St. Die Zeit nach der Kulmination des Mondes, wo das Hochmeer am Tage des Noviluniums für irgend einen Hafen eintritt, nennt man das

Etabliſſement deſſelben. Von dieſem Augenblicke aus werden alle folgenden Eintrittszeiten des Hochfluthpunktes für dieſen Monat berechnet. Für Hamburg iſt das Hafenetabliſſement 5 St., für Amſterdam 3, Calais 11 St. 40 M., Liſſabon 4, London 2 St. 45 M., Breſt 3 St. 45 M., Cadix 1 St. 15 M., Ports⸗ mouth 11 St. 40 M. ꝛc. Die halbe Summe von 2 nächſten Hoch⸗ fluthpunkten über dem Niveau der zwiſchen ihnen liegenden tiefſten Ebbe heißt Totalfluth. Man findet fie für jeden Hafen aus dem Mittel vieler Beobachtungen. In Frankreichs Häfen treten

55 N Das Meer. 341

die größten Fluthen immer 1% Tag nach dem Neu- und Vollmond ein, und man verdankt Laplace eine Formel, nach welcher man die Höhe der Fluth für alle Neu- und Vollmondstage berechnen kann, nachdem man die Totalfluth eines Hafens aus Beobachtungen kennt. Die Regelmäßigkeit all' dieſer Verhältniſſe erklärt man aus dem Gravitationsgeſetze, obſchon nicht zu läugnen iſt, daß noch nicht alle Umſtände hiebei vollkommen deutlich ſind; vor allem der, daß eine doppelte Fluth und Ebbe ſtatt findet. Die Anziehung, welche der Mond ausübt, ſagt man, muß für den Punkt der Erde, oder hier des Meeres, welcher ihm am nächſten ſteht, am größten fein, für den von dieſem um 1800 entfernten Punkt am kleinſten, und für nur 900 von jenem abſtehende Punkte etwa eben ſo groß, wie für den Mittelpunkt der Erde. Da alſo jener dem Monde nächſte Punkt ſtärker, als der Erdmittelpunkt angezogen wird, ſo wird derſelbe oder das ihn umgebende Waſſer ſich dem Monde nähern, alſo ſteigen. Auch der Erdmittelpunkt wird noch ſtärker vom Monde angezogen, als jener 1800 entfernte Punkt; dieſer letztere wird daher hinter dem Erdmittelpunkte zurückbleiben, ſich von ihm entfernen, und demnach gleichfalls ſteigen. (2) Alle Orte, welche mit den beiden Punkten, jenem dem Monde nächſten und dem von ihm fernſten im gleichen Meridian liegen, werden, obwohl in geringerm Grade dieſelben Erſcheinungen zeigen. Da aber Mond und Sonne fich nie ſehr weit von der Ebene des Aequators entfernen, ſo werden auch nach der Theorie jene beiden Punkte, der nächſte und entfernteſte, welche die höchſten Fluthen haben, im⸗ mer in die Aequatornähe, alſo die heiße Zone fallen, und die Fluthen werden deſto kleiner werden, je näher man den Polen kommt, womit die Erfahrung wirklich übereinſtimmt. Die 900 entfernten Punkte, welche den Mond in oder nahe im Horizonte ſehen, werden nur mit der mittlern Kraft des Mondes, wie der Erdmittelpunft angezogen; ihre Gewäſſer werden ſinken müſſen, weil ein großer Theil derſelben ver- wendet wird, jene im obern und untern Meridian zu erhöhen. Zwi⸗ ſchen 2 nächſten Kulminationen des Mondes muß alſo doppelte Ebbe und Fluth ſtatt haben; die Fluthen fallen für jeden Ort der Erde in die obere und untere Kulmination, die Ebben 6 Stunden vor und nach denſelben. Die Sonne verurſacht ebenfalls Fluth und Ebbe, aber wegen ihrer 400 Mal größern Entfernung viel gerin- gere. Die Sonnenfluthen fallen für jeden Ort in ſeinen Mittag und ſeine Mitternacht. Jeden Monat einmal, im Voll- oder Neumond fällt die Kulmination des Mondes mit jener der Sonne zuſammen, und die Fluthhöhe wird demnach vergrößert; in den Vierteln, wo Sonne und Mond 900 von einander entfernt ſtehen, hebt erſtere einen Theil der Wirkung des letztern auf, und die Fluthhöhe wird vermindert. Je näher Sonne und Mond eben der Erde ſtehen,

342 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

deſto höhere Fluthen, und alſo auch deſto tiefere Ebben veranlaſſen fie. Daß der Hochfluthpunkt nicht im Moment der Kulminatton, ſondern mehr oder weniger lange nach derſelben eintritt, rührt von der Trägheit des Waſſers und lokalen Hinderniſſen her, wegen welchen es erſt nach einiger Zeit dem Schwerezug zu folgen ver⸗

mag. Die Höhe der Fluthen kann im Mittel nur zu 387 _ angenommen werden. Bei Van Diemensland beträgt ſie indeß nur 187, zu Cumana 12—13/, zu Otahiti in den Quadraturen

12 14%, Wo aber das M. ſich an Küſten bricht, oder in gegen Oſten offenen Häfen zuſammengedrängt wird, kann ſte, wie an den Küſten der Südſee und des Indiſchen Oceans bis zu 30, ja 507 und mehr ſteigen. Auch zu St. Malo ſteigt die Springfluth bis 50%, zu Briſtol bis 45/, an der Weſtküſte von Nordamerika bis 70%,

Sturmfluthen entſtehen, wenn heftige Winde die Erhebung des

Meeres noch unterſtützen, wobei es dann manchmal verwüſtend

über hohe Ufer ſteigt, wie an den Nordſeeufern und um Peters⸗ burg im Winter 1824—25, oder die Flüſſe aufſtaut, wie z. B. den Ganges und Maranhon, in welchem letzterm fie noch 30 Meilen

landeinwärts merkbar iſt. Das Problem der Ebbe und Fluth löste zuerſt Newton nach der Gravitationstheorie, hierauf Dan. Bernoulli, Mac⸗Laurin, Euler, und der Jeſuit Cavalleri (letzterer nach der Wirbeltheorie des Carteſius); am vollſtändigſten Laplace in der Mecanique ccléste, vol. 2 p. 63 sq. et vol. 5 p. 145. Vergl. Art. Ebbe und Fluth in Gehlers Wörterb. n. Bearb. Bd. 3.

Die wichtigſte der regelmäßigen Bewegungen des M.“ nach Ebbe und Fluth iſt die große Oſtweſtſtrömung (Oſtſtrom,

Weſtſtrom, holl. Dienung) wobei ſich das Waſſer, am ſtärkſten in der Nähe des Aequators, von O. nach W. bewegt. Am auffallendſten iſt dieſe Bewegung wieder im großen indiſchen und atlantiſchen M. wo das Waſſer 2 3 Meilen in einem

Tage zurücklegt, und wird von wichtigen Folgen für Temperatur

und Klima der beſpühlten Kontinente und Inſeln. Beſchleunigt und mit hohem Wellenſchlag ſtrömt das M. beſonders in den Straßen, welche die einzelnen Oceane miteinander verbinden; fo in der Sunda⸗ und Magelhaensſtraße, und gegen die Küſten, welche ihm entgegenſtehen, beſonders gegen die Weſtindiſchen In⸗ ſeln. Unter dem Aequator geht die Strömung nach W., nördlich von ihm nach N. W. ſüdlich von ihm nach S. W. Ihre Urſachen ſind im beſtändigen Oſtwind der Aequatorialzone, der täglich zweimal wechſelnden Fluth, und vorzüglich der Rotation der Erde

zu ſuchen. Hinter dem fortrückenden Monde, welcher ſcheinbar

täglich einen Umlauf um die Erde macht, wird das Meer herge⸗ zogen, und erhält endlich vermöge ſeiner Trägheit eine eigene Bewegung von O. nach W. Die von den Polen nach dem Ae⸗

Das Meer. aan 545

auator ſtrömenden Waſſertheilchen folgen der Notation der Erde, welche ſich unter ihnen hinbewegt, nur zum Theil, und ſcheinen alſo, wenn fie vom Nordpol kommen, nach SW. wenn fie vom Südpol kommen, nach RW. verſetzt zu werden. Sehr viele der größten Meeresſtröme, (die Schifffahrt nach Umſtänden außer⸗ ordentlich hemmend oder fördernd) beſonders unter den regelmäßi⸗ gen, folgen aus der großen OW. Strömung. So der berühmte Golphſtrom. (Atlantiſche Wirbel.) Das Atlantiſche M. wird nämlich in ſeiner Bewegung von den Amerikaniſchen Küſten auf⸗ gehalten; ein Theil der Waſſermaſſe ſtrömt an Südamerika's Küſte nach der Magelhaensſtraße, ein anderer an der Küſte des Merikani- ſchen Meerbuſens hin, tritt durch die Bahamaſtraße aus und bewegt ſich rückwärts nach Europa's Küſten zu; nach Humboldt mit einer Ge⸗ ſchwindigkeit von 20 Meilen in 24 St. (bei den Bahamainſeln ſogar von M. in 1 St.) Nach Norden zu verliert der Golphſtrom feine hohe Temperatur und dunkle Farbe, wird kälter, breiter und lang⸗ ſamer. Bei Bahama iſt er fait 4 Meilen breit; gegen Charlestown ſchon 12, unter 400 n. B. 20 M. und noch 22% C. warm, während das Meer neben ihm nur 17% zeigt. Stets breiter werdend, ſtrömt ein Arm von ihm nach den Kanarien (wo er zur Zeit des Columbus 2 Leichen amerikaniſcher Wilden angeſchwemmt hat) der größere Theil aber nach den Färber, Irlands, Schottlands, Nor— wegens Küſten, Kokosnüße, amerikaniſches Dreibholz ꝛc. mit⸗ bringend, und durch die ungeheuere Menge ſeines warmen Waſſers die Kälte Nordweſteuropa's ungemein mildernd. Nach Sabine hängt die Witterung faſt ganz Europa's von ſeiner Temperatur und größern oder geringern Waſſermenge ab, wie dieſe wieder durch die herrſchenden Winde bedingt wird. Der Golphſtrom veranlaßt ſeinerſeits Strömungen an den Norwegiſchen Küſten hin zum Eismeer, und hiedurch wieder ſtarke Ströme aus dieſem durch die Behringsſtraße, aus der Baffinsbai ꝛc. Beſtändige Meeresſtröme ſind noch der von St. Catharina nach Braſtlien und von da zum Cap d. g. H.; ein großer 130 Seemeil. breiter St. an der Südweſt⸗ küſte Afrika's, der ſich dann gegen den Mexikaniſchen Meerbuſen wendet, und mit dem Golphſtrome zuſammmenfällt; einer vom Cap verde nach Fernando Po, einer an der Küſte von Peru zwiſchen Lima und Guayaquil ꝛc. Wechſelnde Meeresſtröme giebt es zwiſchen Malacca und Cochin, wo die Bewegung vom April bis September öſtlich, dann weſtlich iſt; bei Sumatra, bei Weſtwinden ſüdweſtlich, bei Oſtwinden öſtlich, ſonſt den herrſchenden Winden folgend. Das Mittelm. ſtrömt im Ganzen von O. nach W., in der Meerenge von Gibraltar tritt aber ein ſtarker Strom von W. nach O. aus dem atlant. M. in das Mittelm. Man leitet ihn von dem niedrigern Stande des Mittelm, her, bedingt durch deſſen

344 Allgemeine Naturgeſchichte. Iv. Buch.

ſtarke Verdunſtung. Mehrere nehmen aber in der Tiefe auch noch einen

ausführenden Strom aus dem Mittelm. in das atlantiſche an. Andere

eingeſchloſſene M. zeigen ähnliche Verhältniſſe. Reich an Strömun⸗

gen iſt die Oſtſee. Das ſchwarze M. ſtrömt durch die Meerenge von

Konſtantinopel nach dem Marmorm. und aus dieſem durch die Darda⸗ nellen in's Aegeiſche. Die veränderlichen Seeſtröme entſtehen durch periodiſche Winde, ungleiche Temperatur des M., Klippen

und Meerengen, Ungleichheit des Meeresbodens und Waſſerſtandes in Folge von Verdunſtung, Einmünden der Flüße, Ungleichheit des

Salzgehalts. Seeſtröme an Felſenküſten gebrochen erzeugen hie und

da Wirbel oder Strudel, wo das Waſſer in kreiſende Bewegung

kommt, und nach Ebbe und Fluth in entgegengeſetzter Richtung fließt; fo der Mal- oder Moskeſtrom an Norwegen, 2 Meil. lang, 4 breit, 12 Stunden von N. nach S., 12 von S. nach N. ſtrömend, nur kleinen Schiffen gefährlich; die den unvollkommenen Fahr⸗ zeugen der Alten ſo verderbliche Seylla und Charybdis, zwi⸗ ſchen Calabrien und Sieilien. Erſterer iſt gefährlicher, vorzüglich

dann, wenn der an Sieilien's Nordküſte hinfließende, mit dem

an der Küſte Italiens herabkommenden Strom nach Beſchaffenheit

des Windes ſtärker zuſammenſtößt, und hohen Wellenſchlag erzeugt. Seylla ſelbſt iſt ein Fels, in deſſen Höhlungen die einſchlagenden Wellen ein auf 2 Miglien hörbares Geheule verurſachen. Die Charybdis liegt bei Meſſina. Ein Theil des durch die Meerenge ſtrömenden Waſſers ſtürzt gegen den Fels des Leuchtthurms Calo⸗

faro, und begegnet andern Strömungen, wobei die reiſſenden

Wellen beſonders beim Sirokko ſehr gefährlich werden. Erfahrene Lootſen wiſſen die Schiffe meiſt glücklich durch Seylla und Cha⸗ rybdis zu führen. Sonſt hielt man die Strudel für Schlünde, durch welche ſich das Waſſer in die Tiefen der Erde ſtürze. Sie müßten aber nie aufhören, wenn dieſes der Fall wäre, während

fie doch zur Zeit der höchſten Fluth und tiefſten Ebbe verſchwinden.

Daß der Meeresboden durch ſtellenweiſen Einbruch momentane Strudel veranlaßen könne, iſt möglich, jedoch durch Beobachtun⸗ gen nicht erwieſen. Einen vielleicht hierauf bezüglichen Fall erzählt Reichenbach in ſeiner Vorleſuug über das M., S. 12, wo bei ganz ſtillem Wetter 10 Kriegsſchiffe mit ihrer Mannſchaft, 2 Per⸗ ſonen ausgenommen, plötzlich verſunken ſeien. Es wäre wünſch⸗ bar, die Quelle dieſer Angabe genannt zu ſehen, um die Glaub⸗

würdigkeit eines ſo auſſerordentlichen Falles bemeſſen zu können.

Vergl. über Meeresſtröme auch: De Oceani fluminibus specimen.

De momento Oceani fluminum in navigationes et physicas terræ rationes. 5

Dissert. serips. J. C. Wappzus. Gouing. 1836.

Faſt immer ſchlägt das M. Wellen, die durch den Widerſiahs

der Ufer Brandu ngen verurſachen. Bei der Fluth nn das M.

U

Das Meer. 34 den Küſten zu in einzelnen wellenartigen Strömungen, wirft vieler⸗ lei Gegenſtände auf die Ufer, und fließt bei der Ebbe wieder ab; Alles unter eigenthümlichem, von dem der Brandung leicht unterſcheibba⸗ rem Brauſen. Die Wellen hingegen ſind auf einander folgende Erhöhungen und Vertiefungen des Waſſers, durch eine Art Oszilla⸗ tion und ungleichen Druck des Windes auf deſſen Oberfläche ent— ſtehend. Zuerſt erzeugt dieſer kleine kräuſelnde Erhöhungen, ſtärker werdend immer höhere Wellen, welche noch eine Zeitlang nach ſeinem Aufhören dauern. Der Wind ſtößt nämlich ſchief auf die Waſſerfläche, und bewirkt durch ſeinen Druck eine Erhöhung, die er dann vor ſich her treibt, ohne die zuſammenhängenden Waſſer— theilchen über einander hin zu ſchieben. Eine fchon gebildete Welle bewirkt durch ihren Druck eine neue; verſchiedene Wellen ſchreiten nach verſchiedener Nichtung fort, durchkreuzen ſich, und erhalten hiebei ihre größte Höhe und ihr zerriſſenes Ausſehen. Je größer und tiefer die M., deſto höher und länger ſind die Wellen; im Mittelm., der Oſtſee kaum höher als 8 Fuß; im großen Ocean nach Horner 25 32/7 über das gewöhnliche Niveau; alſo die Diſtanz vom Grunde eines Wellenthales bis zur Wellenſpitze 50 64/. Nach Bergmann ſoll ſich die Wirkung der Wellen höchſtens bis 15 Klafter unter die Oberfläche erſtrecken, fo daß die Perlen— taucher bei heftig bewegter See ihrem Geſchäfte obliegen können. Nach Thomſon ſollen die Wellen in einer Stunde bis 29, engl. Meilen zurücklegen können. Die Breite der W. übertrifft ihre | Höhe bis zum 500fachen, was aber nur von einzelnen gilt, da mehrere einander folgende ſich gegenſeitig verſchmälern. Nach den Verſuchen der Gebrüder Weber bewegt ſich jede Welle mit ſtets erneuertem Waſſer auf der Oberfläche vorwärts, während gleichzeitig bis zu bedeutender Tiefe die Waſſertheilchen unter ihr eine umkreiſende Bewegung machen. Auf dem Waſſer ſchwimmende Körper werden hiebei am vordern Wellenende emporgehoben, und ſinken am hintern wieder- herab, ohne ihren Ort zu verändern. Nur lange Dauer der Wellen bewirkt ein langſames Fortſchreiten der obern Waſſermaſſe und hiemit der auf ihr ſchwimmenden Kör⸗ per. Schiffe alſo, die im Sturme verſchlagen werden, erfahren

dieſes durch Wirkung des Windes, nicht der Wellen. An flachen

Ufern verſchwinden die Wellen, immer abnehmend endlich ganz; über einzelnen Untiefen, über welche die Waſſermaſſe weggeſchoben wird, entſtehen aber die ſogenannten Waſſerwände, barres. Die in Flüſſe oder Kanäle eingezwängten Wellen erlangen oft auſſer⸗ ordentliche Gewalt und Höhe, worauf wir weiter unten zurück kommen. Die den Schiffen faſt immer verderbliche Brandung an den Uferfelſen entſteht, in dem die vorderſte Welle hieran aufgehalten, von der nachkommenden gehoben wird, bis ſte in kleinere rückwärts

346 Allgemeine Naturgeſchichte: IV. Buch.

rollende Wellen überſtürzt, den ſtets nachdrängenden alſo entgegen⸗ wirkt, wodurch eine mehrere Klafter vom Ufer fühlbare ſtürmi⸗ ‚Ihe Bewegung entſteht. (Vergl. über d. Theorie d. Wellen,

„Wellenlehre, auf Experimente gegründet ꝛc.“ von E. G. und W. Weber. Epzg. 1825, und Cauchy's Abhandl. in Memoires, pre- sent. par divers Savans. Par. 1827. T. 1. p. 1.) Die merkwürdige, Wellen beſänftigende Kraft des Oeles war ſchon den Alten bekannt. Durch ausgegoſſenes Oel wird die gekräuſelte Oberfläche des M.

*

ruhiger und daher durchſichtiger, weßhalb dieſes Mittel öfters

von Fiſchern angewendet wird; Schiffe, welche ſtranden oder eine Untiefe paſſiren wollen, gießen Oel aus, wobei das M. für einen Augenblick beſänftigt wird. Man erklärt jetzt dieſe ſonder⸗ bare Erſcheinung durch die Annahme, daß die Oberfläche des Waſſers durch das zähere Oel etwas gebunden werde, und MM Wind von der glättern Fläche deſſelben abgleite.

Die Gewäſſer des Landes.

Wir betrachten zuerſt die Quellen. Die meiſten entſtehen wie oben bemerkt, durch atmoſpäriſchen Niederſchlag, vorzüglich gerne an den Seiten bewaldeter, bemooster Berggipfel, welche die Feuchtigkeit der Luft anziehen, und in ihrem Innern feſte Widerlagen für die eindringenden Gewäſſer bilden, welche dieſe veranlaßen, zu Tage auszubrechen. Quellen kommen aus den verſchiedenſten Gebirgsarten hervor. Die Quellen, welche die Brunnen ſpeiſen, finden ſich in den Thälern und Ebenen meiſtens über Dhon- ſeltener über Urgebirgsſchichten. Die Arteſiſchen Brunnen (von Artois, wo ſie, wie auch in der Wüſte Gobi, in Modena ꝛc. häufig vorkommen, genannt) entſtehen in Thälern oder nicht zu weit von Bergen entfernten Flächen, wo ſich in der Erde oft in mehrern 100/ Tiefe Kieslager finden, welche auf Thonlagern ruhen, und von ſolchen bedeckt werden. Das Waſſer ſintert nämlich von den Bergen herab in das Kieslager, und ſtaut ſich in dieſem auf, da es weder nach unten noch nach oben durch die Thonſchichten entweichen kann. Durchbohrt man nun das obere Thonlager, und verſchafft hiedurch dem eingeſperrten Waſſer einen Ausgang, ſo ſteigt es mit großer Gewalt als ein immer laufender

Brunnen an die Oberfläche empor. Die Erde iſt faſt allent⸗

halben in der Tiefe mit Waſſer durchdrungen, und im Niveau benachbarter Flüſſe, Seen oder des Meeres findet man faſt im⸗

mer Quellwaſſer für Brunnen. Dieſe erhalten indeß ihr Waſſer nicht aus jenen größern Waſſermaſſen, obwohl fie häufig mit deren Niveau ſteigen oder fallen; ſondern ſind ebenfalls atmoſphäriſchen

Urſprungs, werden aber z. B. beim Höherſteigen der benachbarten

en Die Gewäſſer des Landes. 347

Gewäſſer, in welche fie ablaufen, mehr zurückgehalten, und daher ſelbſt erhöht. In Gegenden, wo eine ſehr hohe Sand- oder zer⸗ klüftete Kalkſteinlage auf den Thon⸗ oder Urgebirgsſchichten ruht, giebt es entweder keine Brunnen, und man muß ſich mit dem in Ciſternen aufbewahrten, aus der Atmoſphäre gefallenen Waſſer begnügen, wie z. B. in der rauhen Alp, an eiuigen Orten Bayerns ꝛc. oder fie werden nur in ſehr großer Tiefe gefunden. Quellen, welche aus niedergeſchlagenem Dampfe entſtehen, aber deßhalb nicht immer heiß find, find z. B. die von Dolomieun in einer Grotte auf Pantellaria entdeckte, eine auf Stromboli aus einem Schlacken⸗ und Aſchenhügel entſpringende, eine auf dem Berge Calogero auf Sizilien ze. alſo ſtets in vulkaniſchen Gegen⸗ den. Die Waſſermenge der Quellen iſt höchſt ungleich. Viele dringen nur in ſchwachen Strahlen hervor; der Herenbrunnen am Brocken liefert hingegen 1440, der Karlsbader Sprudel 8460 Kubikfuß täglich, die 16 Quellen zu Baden-Baden 70614 Fuder in einem Tage ꝛe. Das Quellwaſſer enthält meiſtens erdige, vegetabiliſche, animaliſche Subſtanzen, die theils mechaniſch ihm beigemengt (ſo erdige Theile, kohlenſaurer Kalk, Kalkſalze), theils in ihm aufgelöst ſind, wie Kochſalz, Salpeter, bisweilen etwas Alaun, oder ihm adhäriren, wie atmoſphäriſche Luft, kohlenſaures Gas ꝛc. Die Waſſer mit viel kohlenſaurem Kalk, Kalkſalzen und manchmal etwas Erdͤharz geben die ſogenann— ten harten, Pfannenſtein abſetzenden Waſſer; fo die meiſten Quellen um Bern. Ganz reines Waſſer iſt fade, und wird wohl⸗ ſchmeckender und gefünder durch etwas Kochſalz oder Kohlenſäu re. In den eigentlichen Mineralwäſſern ſind die anorganiſchen Stoffe reichlich vorhanden. Munde (phyſ. Geogr. S. 286 ff.) unter⸗ ſcheidet von ihnen 1) Kohlenſäuerliche; kalter Säuerling in Karls⸗ bad, Schwalheimer Waſſer, berauſchende Quellen auf Island. 2) Alkaliſche; zu Karlsbad, Eger, Töplitz, Pyrmont, Selters ꝛc. 3) Stahlwaſſer; Pyrmont, Span, Wildungen ꝛc. 4) Muriatiſche; Baden⸗Baden, Wiesbaden. 5) Salzquellen; ſehr zahlreich, erhalten ihr durch Sieden gewonnenes Kochſalz von mächtigen Salzlagern, zu denen das atmoſph. Waſſer herabſinkt, fie auflöst, und nach hydroſtatiſchen Geſetzen wieder emporſteigt. 6) Bitterwaſſer; Seid⸗ ſchützer, Elshamer in Surrey. 7) Schwefelwaſſer; Aachen, Ga— ſteiner Wildbad, Abacher, Baden bei Wien. 8) Salpetrige Waſ— fer; vorzüglich in Ungarn. 9) Seifenartige; bei Plombieres, Schlangenbad, Moſchinger Geſundbrunnen. 10) Kupferhaltige Cementwaſſer; Neuſohl, Altenberg im Erzgebirge, Fahlun, Lan⸗ kaſter in Penſylvanien ꝛc. 11) Alaunwaſſer; bei Bath und Krems. 12) Erd harzige; bei Baku, Kabul. 13) Inkruſtirende Quellen, Kalk⸗ und Kieſelſinter abſezend; Karlsbad, ſchon in einem Tage

348 Allgemeine eee IV. Buch.

beträchtlich viel Kalkſt nter nge Quelle bei Tours, Alaba⸗ ſterartigen Sinter liefernd; Teverone bei Tivoli, Abano im Paduaniſchen, Bäder von S. Filipe, Quelle von Villa Guaneg⸗ velica in Peru, und eine beim See Urmia in Perſten, deren in Blaſen aufſteigendes Waſſer eine zu Marmor erhärtende Kalkrinde bildet. 414) Verſteinernde Waſſer; bei Palimbuan auf Sumatra, ein Fluß in Chile; in Peru, der Bucharei, auf Island. Ein Pfahl der durch Trajan 404 erbaueten Donaubrücke wurde 1769 14 Zoll tief verſteinert gefunden. Die verſteinernde Kieſelſäure iſt hiebei chemiſch im Waſſer gelöst. 15) Schwefelſäurehaltige Waſſer; auf Island am erloſchenen Vulkan Idienne auf Java sc. Die zu Bad⸗ und Brunnenkuren gebrauchten Mineralwäſſer ſind neuerlich wieder in einer kleinen aber reichhaltigen Schrift betrachtet worden. Sie führt den Titel: „Geographiſche Tabellen der Mineralwäſſer und Bäder sc. mit einer Hydrakologie,“ von J. L. (Lavater) Zürich 1836. Die berühmteſten europäiſchen Bad- oder Trinkquellen find nach L.

in Tyrol: Gaſtein, Therme oder warme Quelle, alkaliſch, ſali⸗ niſch. Erzherzogth. Oeſterreich: Baden, Therme, Schwefelwaſſer, erdig, ſaliniſch; Iſchel, Soolbad. Böhmen: Töplitz, alk. ſal. Therme. Während dem Erdbeben von Liſſabon 1755 verſchwanden die Quellen mehrere Stunden lang. Karlsbad, Th. Glauberſalzw. alkal.; Marienbad, alkal. fal, Eiſenſalzw.; Franzensbrunn, wie voriges. Siebenbürgen: Mehadia, Th. erd. ſal. Schwefelwaſſer. Mecklenburg: Doberan, vorz. Meerbad, auch Stahl-, Schwefel» und Bitterſalzw. Lippe⸗Schaumburg: Pyrmont, erdig⸗ſalin. Eis ſenw., Soolbad und Sauerbrunnen. Naſſau: Schwalbach, Eifen- waſſer; Fachingen, Eiſenwaſſer; Ems, Schlangenbad, Th. alk. erd.; Wiesbaden, Therme, alkal. Kochſalzw.; Selters, alk. muriat. Weſt⸗ phalen: Driburg, erd. ſal. Belgien: Span, alk. erd. Eiſenw. Nhein⸗ preuſſen: Aachen, Therme, alk. muriat. Schwefelw.; Burtſcheid,

muriat. Schwefeltherm. und alk. Kochſalzth. Großh. Baden: Baden⸗

Baden, Th. Kochſalzw. alk. Würtemberg: Canſtadt, eiſenh. Koch⸗ ſalzw. Bayern: Bocklet, erdig ſaliniſch, wie Brückenau und Kißin⸗

gen; Nagozzi und Pandur an letzterm find Kochſalzw. mit etwas Jod und Brom, der Maximiliansbr. ein Säuerling; Kreuth, erd. ſal. Schwefelw. Schweiz: Pfäffers, erd. Glauberſ. Therme; Gais, alk.

erd.; Stachelberg, erd. ſal. Schwefelqu.; St. Moriz, fal. erd. Ei⸗ ſenw.; Baden, mur. Schwefelth. wie Schinznach und Leuk. Frank⸗ reich: St. Amand, ſal. Schwefelth.; Plombieres, fal. Eiſenw. und fal. Schwefelth.; Bourbons les Bains, heißes Kochſalzw.; Rennes, Eiſen- und Kochſalztherme; Bagneres d' Adour, ſal. Schwef. und Glauberſ. Therme; Bareges, ſal. Schwef. Therme; Dax / erd. Glauberſ. Therme; Bagneres de Luchon, ſal. Schwef. Therme; Bourbons d Archambault, ſal. eiſenh. Schw. Th. und Koch. Sb >

7

Die Gewäſſer des Landes. 349

Vichy, ſal. alkal. Th.; Chaudes aigues, erd. alk. Th. Stalien:

Abano, Acqui, beide erd. Schwef. Th., erſtere von 60 660 R.; Lucca, Piſa, erd. Glauberſ. Th.; Civita Vecchia, Kochſ. Th.; "Ischia, alk. ſal. Th. England: Cheltenham, Eiſenw.; Brigthon, Ei⸗ ſenw.; Bath, erd. Glauberſ. Th. Lavater ſtellt die beſten Ana⸗ lyſen der vorzüglichſten deutſchen und ſchweizeriſchen Mineralwäſſer zuſammen, und erläutert die Heilkräfte der verſchiedenen Quellen, wofür wir auf ſein Werk verweiſen. Die gewöhnlichſten in den Mineralwäſſern enthaltenen Subſtanzen ſind: kohlenſaures, ſchwefelſ. und ſalzſ. Natron, ſalzſ. Kali, ſalzſ. hydrothionſ. koh— leuſ. Talk, hydrothionſ. ſchwefelſ. kohlenſ. Kalk, ſalzſ. kohlenſ. ſchwefelſ. Magneſtia, kohlenſ. ſchwefelſ. Eiſenorydul, Mangan— oxydul, Kieſelſtoff, Thonerde, kohlenſ. Gas, hydrothionſ. Gas, Stickgas, Sauerſtoffgas, Kohlenſäure, Hydrothionſäure; manchmal finden ſich auch kohlenſ. Strontian und Lithion, Fluß- und phos— phorſ. Kalk, verſchiedene Extraktivſtoffe aus dem Pflanzen- und Thierreich. Eigenthümliche, Stickſtoff haltende Materien organiſcher Art, zum Theil dem Phytokoll und Osmazom verwandt, ſind das Baregin, Zoogene, Glairine. S. Gmelin's theor. Chem. 2. Bd. 2. Abth. S. 1062. Anabain nennt Monheim (in ſ. Werk

über Aachen, Burtſcheid ꝛc. 1829. S. 242) eine ſchleimige, grau—

weiße Subſtanz, die bei'm Kochen dem Waſſer ſchwachen Fleiſch⸗ brühegeruch mittheilt, getrocknet hornartig ausſteht, nach feiner

Meinung in allen Schwefelwaſſern vorkommt, fo wie nach feinen

Beweiſen in den konzentrirten Waſſerdämpfen der Vulkane vor⸗ handen iſt, täglich ſehr häufig aus der Erde zu Tage kömmt, und

von wahrer Thierſubſtanz ſich beſonders darinn unterſcheidet, daß

fie nie fault. Nach Voigt und Steffens könnte die Erde die ungeheuern Quantitäten der in den ſeit Jahrtauſenden flieſſenden

Mineralquellen enthaltenen Subſtanzen nicht liefern. Der Sprudel

in Karlsbad z. B. giebt jährlich 746884 @ Natron, 1132932 & Glauberſalz, 238209 9 Kochſalz, 86020 @ Kalkerde, 17369 @ Kieſelerde, 1240 & Eiſenocker, und 99539 Kub. Fuß Fohlenf. Gas. Die Berge ſollten daher gleichſam Volta'ſche Säulen bilden, und durch Potenzirung aus unbekannten Stoffen oder durch ſchaffende

Kraft den Gehalt der Quellen erzeugen. Humboldt u. A. erklärten ſich bald gegen dieſe Anſicht, zu deren Wiederlegung auch das Auffinden unermeßlicher Salzlager an verſchiedenen Orten, ſo wie die Kompoſttion künſtlicher Mineralwäſſer durch Dr. Struve

benützt wurde, woraus hervorgienge, daß die Mineralquellen durch

Auslaugen der in den Gebirgen enthaltenen Mineralien erzeugt werden. Wenn indeß künſtliche Zuſammenſetzungen auch bei der chemiſchen Analyſe dieſelben Reſultate geben, wie die natürlichen Quellen, fd folgt noch immer nicht daraus, daß fie in Beſchaffenheit

330 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

und Wirkung mit denſelben vollkommen identiſch ſeien; man müßte denn nur glauben, daß der Natur durchaus keine andern Kräfte mehr zu Gebot ſtänden, als die unſerer Laboratorien, und daß die Chemie ihre letzte Grenze erreicht habe, was aus andern Grün⸗ den gänzlich unwahrſcheinlich iſt. Die mechaniſchen Phyſiker und Chemiker werden aber, wie leicht vorauszuſehen iſt, wenn bei künſtlichen Mineralwäſſern nicht dieſelben Wirkungen eintreten, immer den Grund darin ſuchen, daß ein Atom irgend eines Stoffes zu wenig oder zu viel in die Miſchung aufgenommen wurde. Von dieſem Standpunkt aus, der mit dem jedesmaligen Zuſtand der Chemie ſteht oder fällt, find fie freilich nicht zu wiederlegen, und man muß daher von demſelben aus den Streit gar nicht eingehen. Bemerkt doch auch Lavater in der angef. Schrift S. 4, daß Gaſtein, wie Pfäffers, Wildbad, Schlangenbad und Luxville, vergleichungs⸗ weiſe mit andern Mineralwäſſern wenig fire und flüchtige Beſtand⸗ theile enthalten, auch keinen beſondern Hitzegrad zeigen, und daß alle dieſe mineralarmen Thermen, gleichſam im Wiederſpruch mit den chemiſchen Reſultaten, äußerſt heilkräftig find. Die Tem⸗ peratur der Quellen iſt in der Regel die mittlere ihres Ortes, und wechſelt mit den Jahreszeiten deſto weniger, je tiefer ſie liegen. Die Salzquellen ſcheinen mit dem Salzgehalte waͤrmer zu werden. Die warmen Quellen oder Thermen kommen vielleicht alle aus primitiven oder vulkaniſchen Gebirgen, und ihre Tempe⸗ ratur überſteigt manchmal ſogar die Siedhitze. Der Sprudel in Karlsbad hat 7500. Wiesbaden 660, Baden-Baden 70 - 750, Aachen bis 720, Leuk im Wallis 500, die Piscarelli des Agnanoſees 930.

Island hat außer vielen irdiſchen heißen Quellen, die meiſtens natürliche Springbrunnen darſtellen, eine untermeeriſche. In Japan finden ſich heiße Q. bei Urijino; auf Ceylon, auf Amſterdam trifft man ſolche von Siedhitze, am Cap eine ſehr ſtarke von 820 CJ. In Amerika giebt es dergleichen bei Nueva Barcellona, in den Thä⸗ lern von Turbaco, bei las Trincheras von 90%, in der Sierra Nevada de Merida. Auf Guadeloupe iſt eine, in welcher in Kurzem Eier hart fieden, auf Tanna ſolche von 88“, auf der azoriſchen Inſel San Miguel Quellen von 36 100. Manche heiße Q. ſtoſſen Gaſe aus, oder ſetzen Schwefel und kohlenſauern Kalk ab. Statt wie ſonſt anzunehmen, daß die heißen Q. durch Zerſetzung von Schwefelkieslagern oder durch elektriſche Einwir⸗ kung entſtänden, leitet man ihre hohe Temperatur einfacher aus der Centralwärme der Erde oder in ſeltenern Fällen aus Vulka⸗ nität ab. Das Intermittiren mancher Quellen, wobei fie in beſtimmten oder unbeſtimmten Perioden ausbleiben und wieder flieſſen, erklärt man aus unterirdiſchen ſich abwechſelnd mit Waſſer füllenden, und durch verborgene Heber wieder entleerenden Höhlen,

Die Gewäſſer des Landes. 551

aus der Verbindung mancher Quellen mit dem Meere, alſo mit deſſen Ebbe und Fluth, und dem Luftdrucke in den, Waſſer ent⸗ haltenden Höhlen, der durch ungleiche Temperatur verſchieden groß wird. Hieher gehören die ſogenannten Maibrunnen mancher Ge⸗ birgsgegenden, in manchen Jahren im Mai bis Mitte Juni flieſſend. Regelmäſſige intermittirende Q. find der Bullerborn im Pader⸗ born'ſchen, der im Sommer gewöhnlich in öſtündigen Perioden, manchmal auch gar nicht, in den 3 übrigen Jahreszeiten alle 4 Stunden ½ St. ſehr reichhaltig fließt. Munde beobachtete eine Q. bei Wallmoden im Hildesheim'ſchen, die Wochen, ſelbſt Monate lang trocken iſt, dann mehrere Wochen, gewöhnlich im Januar einen kleinen Bach bildet. Eine bei Kuhla unweit Eiſenach fließt vom Frühling bis Herbſt ſehr ſtark, und entzieht im Winter einem benachbarten Fluſſe das Waſſer. Der Engſtlerbrunnen im Thal dieſes Namens im Berneroberlande, deſſen Periodizität wohl aus dem Schmelzen des Schnees in den Mittags - und Nachmittagsſtunden herrührt, fließt vom Mai bis Auguſt von Abends 4 Uhr bis Mor⸗ gens 8 Uhr, ſonſt und im Winter bleibt er aus. Andere intermitti⸗ rende Q. find die bei Remus in Graubündten, die Q. Fonteſtorbe in Mirepoix, eine bei Fonſanche unweit Nimes, bei Colmar, bei Senez in der Provence, die Fontaine ronde unweit Pontarlier, 2 in Terra di Lavoro, wofür wir auf Muncke's phyſ. Geogr. S. 294 verweiſen. Der Schloßbrunnen in Karlsbad verſtegte am 2. Sept. 1809 plötzlich, und begann am 45. Oktob. 1823 wieder in früherer Stärke zu flieſſen.

Das Waſſer der Flüſſe enthält viel mehr erdige und organiſche

Theile als das der Quellen, welche fie als Schlamm abſetzen, und

zum Theil Delta's (dreieckige Landſtücke, in's Meer oder Seen hineinragend, deren Grundfläche dieſen, deren Spitze dem Fluſſe zugekehrt iſt) bilden. Der Nil fol ½32 / der Rhein 74 00 / der Hoangho 200 ſeiner Waſſermaſſe Schlamm enthalten. Einige kleine Flüſſe enthalten viel Salz, oder Kalk, der Rio Vinagre in Südamerika etwas Schwefelſäure, Salzſäure, Thonerde, Kalk und Eiſen. Die größten Ströme hat Amerika; hierauf folgen Aſien, Europa, Afrika, Neuholland. Keil und Buffon berech⸗ neten die Waſſermenge, welche alle Ströme jährlich in's Meer führen, auf 455 ½, de la Metherie auf 341 Kubikm.; die Neuern nur auf 75, ja nur auf 50 Kubikmeilen. Der Rhein führt jähr⸗ lich nach genauen Meſſungen nur 0/959 Kubikm. Waſſer in's Meer; das geographiſche Gebiet aller übrigen Flüſſe iſt 186 Mal größer, als das des Rheins, wonach nur 36,3, LJ? M. herauskämen. Die noch unbekannten Flüſſe, die bei manchen außerordentlichen Anſchwellungen veranlaßen die oben angegebene, etwa doppelt fo große Annahme. Setzt man die Länge des ee Themſe = 1,

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| 332 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

fo iſt die des Rheins 5/25 / der Donau 7, der Wolga 9,5, des Euphrat 8,57 Ganges 9,5, Oby 10,5, Hoangho 13,5, Nil 12,5, Miſſtſippi 8, Maranhont5% ;. Die Breite der, ſtarke Hochwaſſer habenden Ströme iſt ſehr ungleich; beſoͤnders bei den amerikaniſchen Strömen, dem Miſſiſtppi, und vorzüglich dem Oronoko, welcher letztere zur Zeit der Stromſchwellen mit dem Maranhon zuſammenfließt, und ein un⸗ geheures Gebiet mit einem Süßwaſſermeere bedeckt. Die Ge⸗ ſchwindigkeit der Fl. wird durch ihre Krümmungen und die Ad⸗ häſton des Waſſers ſehr gemäßigt, und häufig kleiner, als fie nach der Höhe des Falles fein ſollte. Werden fie zwiſchen Felſen zuſam⸗ mengedrängt, ſo nehmen ſie oft furchtbar ſchnelle Bewegung an, (wo⸗ bei das Waſſer in der Mitte höher ſteht, als an den Seiten) wie z. B. der Connektikut 200 engl. M. von der Mündung, und der Ma⸗ ranhon an der Stromſchnelle des Punto. Flüſſe, welche an den Nand von Gebirgsterraſſen und Felswänden treten, ſtürzen von dieſen in (oft ſehr ſchönen) Kaskaden herab. Die europäiſchen Gebirgsländer ſind reich an ſolchen; das Berneroberland hat ſeinen Staubbach, 1100 /, Reichenbach, 200 / hoch, Gießbach, den Aare⸗

fall bei der Handeck; Wallis die Piſſe vache, Schaffhauſen den allbekannten Rheinfall, ausgezeichnet nicht durch ſeine jetzt nur 30/ betragende Höhe, wohl aber durch die bedeutende Waſſermaſſe. In Italien bildet der Velino bei Spoleto Kaskaden, in Dalma⸗ tien der Cetino. Reich an Waſſerfällen iſt Skandinavien. Zwiſchen Bergen und Stavangre ſtürzt ein Fluß von wenig Waſſer 1600 / hoch herunter, ein anderer, mindeſtens von der Größe der Seine 945/. Ferner find berühmt der Waſſerfall Trollhätta, die Fälle der Dahlelbe, Lundelv, Niedelv, des Glomen, jene beiden zu Viigtil unter dem Polarkreiſe, wohl 1000 / hoch. Die Kaskaden Islands erhalten einen eigenthümlichen Neiz durch den Kontraſt des weißen Waſſerſchaumes mit der ſchwarzen Lava ſeiner Berge. In Spanien ſtürzen aus einem Amphitheater des Berges Marbore bei 12 Gießbäche von einer 1400/ hohen Wand. In Affen haben bedeutende Waſſerfälle und Stromſchnellen der Ganges, Tigris, Indus, ꝛc. Hochberühmt find die Katarakten des Nils bei Alata und Syene in Oberägypten, wenig bekannt die des Senegal und der Zaire bei Bellala. In Amerika find vorzüglich merkwürdig die Waſſerfälle des Potowmak, Connektikut, Rio Vinagre, Rio de Bogota, Niagara. Letzterer Fluß ſtürzt in 2 Armen, einem 1800 / breiten 1377 hoch, dem zweiten 1050 / breiten noch höher hinab, unter Donnergetöſe, das 4 Meilen weit hörbar iſt, und den Boden beben macht, und unter Dunſtwolken, in denen die Sonne Regenbogen bildet, und die im Winter an den Bäumen zu herrlichen Kryſtallen erſtarren. Die Ueberſchwem mungen der kleinern Flüſſe erfolgen unregelmäßig, die der größern in

Die Gewässer des Landes. 333

agelmütbiger Wiederkehr, in Folge periodiſcher Regen oder des ſchmelzenden Schnees der Hochgebirge. Zu den letztern gehören die jährlichen Hochwaſſer des Rheins, der Donau, Wolga, des Nils, Senegals, Euphrats, Ganges, Miſſiſtppi, Parana, Oro⸗ noko, la Plata, Maranhon ꝛc. Hiſtoriſch am merkwürdigſten ſind jene des Nils. Die im Mai beginnenden tropiſchen Negen ſchmelzen den Schnee der Mondberge, und Mitte Juni kommt das Waſſer in Aegypten an. Die größte Höhe, wobei die Waffer- maſſe 9 Mal bedeutender wird als gewöhnlich, fällt in die erſte Hälfte des Auguſt. Sonſt war ein Steigen von 19/ über den Null⸗ punkt des Nilometers hinreichend; jetzt bedarf Mittelägypten wegen größerer Erhöhung 24. In Oberägypten find bis 35/ nöthig, in Unterägypten nur 15/. Anfangs September beginnt das Fallen des Waſſers. Im überſchlammten Boden erndtet man 3 Mal; Ge⸗ müſe, Korn, dann wieder Gemüſe. Der Sandboden wird durch das von unten her dringende Waſſer zum Ertrag von Indigo, Zuckerrohr und Baumwolle geſchickt. Schöpfräder, Schleuſſen, Kanäle kommen der Ueberſchwemmung zu Hülfe. Der Nilſchlamm hat durch Bildung des Deltas den größten Theil Unterägyptens auf Koſten des Meeres erzeugt, und das ganze Land, wie das Bett des Fluſſes erhöht. Aehnliche Erſcheinungen bietet der Gan⸗ ges, und in noch größerm Maaßſtabe der Maranhon dar. Manche Flüße verlieren ſich unter der Erde und Felſen, um ſpäter wieder hervorzukommen; fo der Timavus der Alten bei Fiume, der Rhone beim Fort l'Eclüſe (Perte du Rhone), ein Fluß bei Gilleskaal in Norwegen ꝛc. Viele Fl. verſiegen im Sande; der Rhein in Holland theilweiſe, der Orangefluß nur zur Winters⸗ zeit, der Krooman in Afrika ganz; der Lachlan, Caſtlereagh und Macquarie (2) verlieren ſich in Sümpfen oder einem großen Bin⸗ nenſee Neuhollands. Die merkwürdige Erſcheinung, welche auf der Elbe Raſtern, der Dordogne Mascaret, dem Ganges Bore und Kenterung, dem Guama und Maranhon Pororoca genannt wird, und darinn beſteht, daß kleinere oder größere Waſſermaſſen äußerſt ſchnell, oft unter ſchrecklichem Getöſe, und Alles auf ihrem Wege zerſtörend ſtromaufwärts rollen, iſt ſchwerlich bloß aus beſondern Umſtänden der Fluth zu erklären, und vielleicht elektriſcher Art, den Tromben des Luftkreiſes vergleichbar. Moore, Brüche, Sümpfe, Moräſte entſtehen, wo die Waſſer keinen Abfluß finden. Sie werden in heißen Gegenden leicht der Geſundheit gefährlich, in ihnen erzeugt ſich öfters Torf, oder abgeriſſene Erdſtücke bilden ſchwimmende Inſeln, oder eine auf ihnen ſchwebende Erdſchichte, aus verwachſenen Pflanzenwur⸗ zeln beſtehend, trägt Gras und niedriges Buſchwerk, und iſt zur Weide tauglich. An Sümpfen und Torfmooren 15 vorzüglich der

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334 Allgemeine ne IV. Buch.

Norden beider großen Kontinente reich. Einige der letztern findet man im Kanton Bern noch zwiſchen 3000 und 4000 Meereshöhe. Das ſehr große Torfmoor zwiſchen Eupen und Malmedy liegt 28007 über dem Meere. Viele holländiſche liegen, wie das Land ſelbſt unter dem Meeresſpiegel. Norwegen „Norddeutſchland haben große Torfmoore, ebenſo Ungarn; ein ausgedehntes befindet ſich in Choraſſem in Perſten. Die Pontiniſchen Sümpfe, ſüdweſtlich von Rom, an Neapels Grenze, ſind 42000 Meter lang, aber viel ſchmäler. 420 Jahre nach Roms Erbauung wurde die Via Appia durch fie angelegt, 702 Jahre n. R. E. unternahm Corn. Cethegus ihre Austrocknung, Auguſtus legte Kanäle durch ſie an; die Aus⸗ trocknungsverſuche wurden wiederholt unter Theodorich und den Päbſten Leo X., Sirtus V. und Pius VI. Die Flüſſe Amaſeno und Uſens erzeugen dieſe Sümpfe, in welchen wenige arme und bleiche Fiſcher unter zahlloſen Inſekten und Fröſchen leben. Von ſchwimmenden Inſeln ſprechen ſchon Herodot und Seneka. Erſterer erzählt von einer, Chemnis genannt, welche bei Butus in Unterägypten in einem breiten und tiefen See ſich finde, einen Apollotempel und viele Bäume trage. Sie, wie jene in Lydien, von welcher Seneka ſpricht (der außerdem noch mehrere in Ita⸗ lien erwähnt) fol aus Bimsſtein beſtanden haben. Gay fand 1831 den See von Tagua-Tagua in der Provinz Colchagua in Chile mit ſchwimmenden Inſeln bedeckt, die ſich durch einen natürlichen Mechanismus bilden, ähnlich dem künſtlichen der Chineſen. Dieſe vereinigen mittelſt Bändern Schilfraſenſtücke, welche ſo leicht ſind, daß ſie Erdlaſten tragen ohne unterzuſinken, ſchneiden den Raſen vom Grunde ab, und binden das Ganze an Seile wie Flöße. Auf jenem See bewirkt die Natur daſſelbe durch biegſame Winden, welche die Stengel von Typha und Arundo verſchlingen, auf welchen dann andere Pflanzen ſcheitern, die den Grund der ſchwimmenden J. bilden. (blast. 1833. p. 67.) Martin beſchreibt in ſeiner History of the Colonies einen Asphaltſee auf Trinidad / von mehr als ½ Seemeile Länge, ſelbſt ein Bild des Todes, aber umgeben von der üppigſten Vegetation mit prachtvollen Schmetterlingen und Kolibris. Aus ihm tauchen hie und da Erdpechinſeln in die Höhe, um ſich mit reichem eee zu bedecken, und dann wieder verſchlungen zu werden. In Eu⸗ ropa finden ſich ſchwimm. F. im Gerdauer See im Oſtpreuſſen, feit 1510 bekannt, früher fo groß, daß 100 Stücke Vieh darauf weideten, ſpäter allmälig zerſtückelt; ferner im Ickerſee in Os⸗ nabrück, bei Rovigo zwiſchen Etſch und Po, im See Nalängen in Schweden / im See Nimmern in Oſtgothland, im See Der⸗ went in England. Mehrere find mit Bäumen und Gras bewachſen,

und dienen zur Weide; einige kommen nur von Zeit zu Zeit an die

Die Gewäſſer des Landes. . 5355

Oberfläche des Waſſers, wenn fie durch in ihnen entwickeltes Kohlenwaſſerſtoffgas ſpeziſſſch leichter geworden find, und ſinken dann wieder unter. Ein Theil der moraſtigen Gegend Holway⸗ Neß in England wurde einſt nach ſtarkem Regen mit Häuſern und Bäumen aufgehoben und fortgerückt; ehenſo 1745 in der irländiſchen Grafſchaft Galway eine Strecke Torfmoor. 5

Die Seen ſind vorzüglich der nördlichen Halbkugel der Erde eigen. Die ſehr hoch über der Meeresfläche liegenden entſtehen durch das in geſchloſſenen Thälern angeſammelte Waſſer, oder durch Anfüllung vulkaniſcher Krater. Sehr viele Berge der Schweiz und Piemonts haben Seen faſt auf der Spitze, ſo der Mont Cenis, der große und kleine St. Bernhard, die Grimſel, Gemmi ze. Die Stadt Mexiko liegt in einem 7000 / über. das Meer erhabenen See; der See Mica bei Antiſana befindet ſich in 12000 Höhe. Nordamerika hat die größten Seen. Der Ontario hat 180 engl. M. Länge, bei 40 M. Breite und 1000 / engl. Tiefe, der Erie iſt 270 M. lang, 60 breit, 400 / tief, der Huronſee 250 M. l., 100 M. b., 1900 / tief, der Superior 480 M. l., 109 M. b., 1800 / tief. Die meiſten Seen haben reines Waſſer; viele ſalzi⸗ ges, ſo daß aus ihnen viel Kochſalz gewonnen wird. Dergleichen giebt es am Vorgeb. d. gut. Hoffn., auf Araya in Amerika, in Siebenbürgen, einen im Mannsfeldiſchen, viele in Sibirien. Nach Pallas waren manche der letztern ſonſt ſüß, und ſind jetzt ſalzig; daſſelbe iſt mit dem See Möris der Fall; nach Strabo enthielten die jetzt bittern Seen der Landenge von Suez Süß⸗ waſſer. Einige Seen in Ungarn, Aegypten liefern Natron; einer in Thibet Dinkal und Natron. Das todte Meer in Paläſtina, 12 Meil. lang, 3 breit, in vulkaniſcher Gegend liegend, iſt ein Bild des Todes. Ein Salzthal mit vorragenden Salzfelſen (Loths Säulen) führt zu ihm; auf feiner Oberfläche ſchwimmt viel As- phalt, an ihm findet ſich etwas Schwefel. Nur eine Art kleiner Krebſe lebt in feinem klaren, warmen, geruchloſen, äußerſt fal- zigen Waſſer. An der Oſtſeite legt ſich das Salz in fußdicken Schollen an, und öfters ſteigen dichte Rauchwolken aus ihm auf. Frühere Beobachter wollen bei niedrigem Waſſerſtande noch Spu⸗ ren zerſtörter Städte in ihm beobachtet haben. Nach Hermbſtädt beträgt das ſpez. Gew. feines Waſſers bei 12% R. 1½4 und 100 Th. enthalten freie Salzſäure 0,07 ſchwefelſ. Kalt 0/04 / ſchwe⸗ felf. Natron 1/597 / Chloreiſen 0/35 / Chlorkalium 0%78 / Chlorna⸗ trium 4/8359 / Chlorkaleium 4/30 / Chlormagnium 15,75), zuſammen 27/584 feſter Beſtandtheile. Das Waſſer des aus ſchwefelhaltigen Quellen gebildeten Sees Sarnoje-Oſero iſt 370 C. warm, erzeugt Niederſchläge, und färbt den Fluß Surgut. Das Waſſer des großen fifchlofen Sees Urmia in den vulkaniſchen Gebirgen am

356 Allgemeine Naturgeſchichte. IV Buch.

Ararat in Aſerbeidjan hält in 100 Theilen 27 Proz. feſter Sub⸗ ſtanzen aufgelöst. Er gehört zu den Seen ohne Abfluß, obwohl ſich in ihn zahlreiche Flüſſe ergießen. Im ſelben Fall befindet fich das todte Meer, der See Titicaca, Tacarigua, das Aral und Kaspiſche Meer. In Bezug auf das Seite 336 berührte Ver⸗ hältniß des kasp. M. bemerken wir noch, daß nach öffentl. Bl. 1835 der Kaiſer v. Nußland d. Akad. z. St. Petersburg 50000 Rubel zu einer neuen trigonom. Vermeſſung der Gegenden zwi⸗ ſchen dem ſchwarzen und kaspiſchen M. angewieſen hat, wobei auch über das noch immer ungewiſſe Niveau des letztern entſchieden werden ſoll. Der Pberaſee in Amerika giebt vier anfehnlichen Flüſſen den Urſprung, obwohl er ſelbſt nur unterirdiſchen Zufluß, vermuthlich aus dem Parana erhält. Der Czirknitzerſee in Krain iſt wegen ſeines wechſelnden Waſſerſtandes merkwürdig. Nings von Bergen umſchloſſen, empfängt und giebt er durch verſchiedene Kanäle Waſſer, nimmt im Sommer namentlich in trockenen Jahren ſehr ab, vertrocknet wohl auf einige Zeit ganz und wird zum Anbau geſchickt, nimmt hingegen in naſſen Jahren ſehr zu, und war 1707 14 fortwährend gefüllt und ſehr fiſchreich. Der Jeſſeroſee auf Cherſo ſoll ſich alle drei Jahre mit Waſſer füllen, und wieder austrocknen.

Bereits S. 333 wurde angegeben, daß die Anordnung des ganzen Süßwaſſerſyſtems durch die plaſtiſchen Verhältniſſe der Oberfläche der Erdͤfeſte beſtimmt werde. Die Höhenzüge alſo, die Geſtalt, Nichtung, Neigung der Thäler, der Ebenen gegen andere, oder in letzter Inſtanz gegen das Meer, beſtimmen Lauf, Richtung, Fall der Flüſſe, Größe, Tiefe der Seen. Wir werden daher im nächſten Hauptſtücke, bei der Schilderung jener Verhält⸗ niſſe noch einmal is die Süßwaſſer zurück fonte N

III. Hauptſtück. N f Phyſiſche und plaſtiſche Verhältniſſe dis erd⸗

oberfläche. Literatur für dieſes und das ꝛte Naeh Phyſ. 1 7 v. Kant. 2te Aufl. umgearb. von J. J. Vollmer und F. Stiller.

2 Bde. Hambg. 1809 16. 8. 9 Lichtenſtern, Handb. d. math. und phyſ. Erdbeſchr. Zte Ausg. Chemnitz 1822. 8. m. 3 Ch. Miltenberg, die Höhen der Erde. 2 Abth. Frankf. a. M. 1815. 4. Hochſtetter, mathem. und phyſ. Erdbeſchr. 4 Th. Stuttg. 1820 24. Klöden, über die Geſtalt u. Urgeſch.

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 557

d. Erde. 2te Aufl. Berl. 1829. 8. m. K. Artikel „Erde“ in Gehlers phyſ. Wörterb. neue Bearb. Bd. 3. S. 944 ff. Munde, Handb. d. mathem. u. phyſ. Geogr. ꝛc. m. 2 D. Heidelb. 1830. Lehrb. d. mathem. und phyſ. Geographie, von E. Schmidt. Götting. 1829 30. m. K. Europa, ein Naturgemälde von Schouw. Kiel 1833. Sven Agrens phyſ. Erdebeſchr. Berl. 1832. Lehrb. d. allgem. Geogr. von K. v. Raumer. 2te Aufl. Lpzg. 1835. Nitter, die Erdkunde, im Verhältniß zur Natur u. z. Geſch. des Menſchen, od. allgem. vergl. Geogr. 1— 4 Bd. Berl. ſeit 1822. Handb. d. vergleich. Erdebeſchr., von Fr. v. Nougemont, überſ. von Ch. F. Hu⸗ gendubel. Bern ꝛc. 1835. In allen genannten Werken wird mehr oder minder auch die Naturgeſch. des Meeres behandelt; über dieſes iſt auch zu vergleichen: Tableau des vents, des marées et des courants etc., par Ch. Romme. 2 vol. Par. 1818. 8. v. Kruſenſtern, Beiträge zur Hydrographie der größern Oceane zc. 38. 1819. 4. m. e

Aus dem Meere ragen, gleichſam als Denkmale eines Wallet Kampfes der Unterwelt gegen die Oberwelt, der Kräfte des Erd— innern gegen jene des Meeres und der Atmoſphäre, die höchſten Theile der Erdfeſte, des dritten Organs des Erdganzen, hervor. Man kann annehmen, daß nach der Tiefe zu immer dichtere Schich⸗ ten folgen, die Erde daher aus jedoch nicht regelmäßigen konzentriſchen Kugelſchaalen gebildet ſei. Aus was für Subſtan⸗ zen das Erdinnere beſtehe, iſt natürlich unbekannt; wahrſcheinlich wird aber der großen Dichtigkeit derſelben durch die mit der Tiefe in gewaltigem Verhältniſſe zunehmende Temperatur, hiemit durch Expanſionskraft entgegengewirkt. L. Euler, Tob. Mayer und Andere (unter den Neuern wieder Breislack) glaubten, daß der Erdkern aus Magneteiſenſtein beſtehe, während Marſchall v. Bieberſtein und v. Zach die Erde überhaupt für ein Kon⸗ glomerat von Meteorſteinen hielten, der ſonderbaren Meinung Franklins nicht zu gedenken, der das Erdinnere aus Luft bes ſtehen ließ, welche freilich ebenfalls auf einen unglaublichen Grad komprimirt werden kann, aber dann ſchwerlich mehr Luft iſt. Der Druck, welchen die obern Schichten auf die untern aus⸗ üben, muß in der That in einem ſolchen Verhältniſſe zunehmen, daß keine uns bekannte Subſtanz, wenn ſie durch Wärme oder eine andere Repulſivkraft expandirt wird, ihm wiederſtehen

358 Alngemeine Naturgeſchichte. IV: Buch.

kann. Dieſer Umſtand brachte in neuer Zeit Leslie zur An⸗ nahme, daß das Licht die einzige Potenz von hinlänglicher Elaſtizität ſei, um einer vertikalen Säule von mehrern 100 Meilen das Gleichgewicht zu halten, ſo daß nach ihm im Erdinnern leuchtender Aether eingeſchloſſen iſt, welcher das heftigſte Beſtreben zeigt, die iu ihn er Bände zu durchbrechen.

Wie erwähnt, zeigen die Tbernerſte in den Tiefen, welche man erreichen kann, eine immer zunehmende Wärme, welche der Erde von ihrer Entſtehung an eigen, und ganz unabhängig von der Sonne iſt. Die Wärme der auffern Kruſte iſt hingegen Produkt der Sonne. Die geogra⸗ phiſche Breite, und die Erhebung über die Meeresfläche, dann noch manche örtliche Umſtände bedingen das Klima eines Ortes, welches wieder vom entſchiedenſten Einfluß auf die Organismen iſt, welche daſelbſt leben.

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Die allgemeine Geſtalt des Landes iſt gänzlich unre⸗

gelmäßig, und kaum iſt in ihr eine Spur von Geſetzmäßigkeit nachzuweiſen, wenn man nicht die Anhäufung des Landes in der nördlichen Halbkugel, und da wieder vorzugsweiſe in der

Oſthälfte hieher beziehen will. Die allgemeine Geſtalt der

Landmaſſen und die Richtung der Inſelzüge wird beſtimmt durch die Richtung der Gebirgsketten, welche das feſte Geäder

des Landes bilden, durch die Hoch- und Stufenländer, in wel⸗ chen letzteres gegen die Tiefländer und Ebenen abfällt, welche zum Theile die aus den Gebirgen kommenden Flüſſe an deren Fuß abgeſetzt haben. Andere Gebirgszüge ſetzen unter dem Meere

fort, aus dem dann ihre höhern Gipfel als Inſeln, Inſelzuͤge und Inſelgruppen hervorragen. Allmälig erhoben ſich Konti⸗ nente und Inſeln über den alles bedeckenden Ocean, der über viele

Länder wiederholt verwüftend hereinbrach, neue Hebungen

folgten, andere ſich ſenkende Stellen wurden vom Meere wieder

verſchlungen. Ohne Zweifel trugen auch Meteormaſſen, die auf die Erde fielen, zu ihrer Vergrößerung bei, und ſolchen

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Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 389

mögen vielleicht manche einzeln ſtehende Berge ihr Daſein verdanken. So iſt die ganze Geſtalt des Landes das Produkt eines ſich vielfach durchkreuzenden, lange dauernden, pau⸗ ſenweiſe ruhenden Kampfes. Man kann, ohne den wahren Standpunkt zu verrücken, deſſen Geſtalt nicht deuten, oder mit regelmäßigen Konfigurationen vergleichen. Das Land erhebt ſich in 2 großen, einem kleinern Kontinent, und unzähligen Inſeln aus dem Gewäſſer. Der öſtliche Kontinent bietet wieder eine öſtliche Centralmaſſe, und 2 ſeitliche dar, die eine nach Nordweſt, die andere nach Südweſt gelegen; der weſtliche zerfällt in eine große nördliche und ſüdliche Abtheilung. Bei'm Kontinent der öſtlichen Halbkugel überwiegt die Breitendimen⸗ ſion, die Richtung von Oſt nach Weſt, bei'm weſtlichen Kon⸗ tinent die Längendimenſion, die Richtung von Nord nach Süd: beide verbreiten ſich nach Norden in ungeheuern Landmaſſen, in welchen ſie ſich nähern und beinahe berühren, und laufen nach Süden in Spitzen aus. Das füdliche Amerika entſpricht Afrika, das nördliche Aſien mit Europa. Zwei gewaltige Oceane trennen die beiden großen Kontinente. Im Südoſten des öſtlichen erhebt ſich ein drittes kleines Feſtland von ziemlich abgerundeter Geſtalt, und öſtlich von ihm erſcheint über den großen Ocean ausgeſtreut, eine wunderbare Inſelwelt, aus un⸗ zähligen Eilanden beſtehend, zum Theil baſaltiſchen Urſprungs, zum Theil durch den Bau der Korallenthiere entſtanden, deren Wirkung noch beſtändig fortdauert. Während die Inſeln der übrigen Meere ſich an die verſchiedenen Theile der großen Kontinente anſchlieſſen, entbehren die unzählbaren Eilande des ſtillen Weltmeeres einen Kontinent, um welchen ſie gruppirt wären. Zwiſchen dem aſiatiſchen und auſtraliſchen Kontinent findet man wieder eine Maſſe von Inſeln vulkaniſchen Cha⸗ rakters, zum Theil von beträchtlicher Ausdehnung, welche ihrer innern Natur nach mehr zum einen oder andern Feſtland hinneigen, und den Uebergang zwiſchen beiden bilden.

Jede Landfeſte, jeder Erdtheil bietet wieder einen allgemei⸗ nen Charakter dar: durch äuſſern Umriß, durch geographiſche Lage, durch vertikale Erhebung, wonach er Gebirgsländer, Hechländer, Tiefländer darbietet, oder in Teraſſen vom

360 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Centrum aus zum Meere abfällt, hier in Steilküſten, dort in flachem Uferrande. Durch die Verhältniſſe ſeiner vertikalen Erhebung iſt wieder der Lauf und die Länge ſeiner Ströme

bedingt. Durch die Ausdehnung eines Erdtheils in verſchiedene

Zonen in Verbindung mit der Erhebung über das Meer werden die mannigfachſten Klimate, die größte Verſchiedenheit in ſeiner ſekundären Organiſation herbeigeführt. Iſt der äuſſere Umriß eines Erdtheils gegen das Meer abgerundet, die Landmaſſe

an Breite und Länge nicht ſehr ungleich, ohne tiefe Einbuchten,

ohne Binnenmeere, welche ſich zwiſchen die einzelnen Länder drängen, z. B. wie bei Afrika, bei Neuholland, ſo tritt der Landcharakter hervor; überwiegt hingegen die eine oder andere Dimenſion, tritt das Meer in tiefen Buchten in die Landmaſſe ein, gruppiren ſich zahlreiche Inſeln um ſelbe, wie es bei Amerika der Fall iſt, ſo wird für einen ſolchen Erdtheil das Meer beſtimmend, er wird zu einem Meerkontinent. Es iſt leicht einzuſehen, von welcher Wichtigkeit Grundverhältniſſe dieſer und verwandter Art, welche Karl Ritter zuerſt hervor⸗ gehoben, und eben ſo gründlich als glänzend durchgeführt hat, für die ſekundäre Organiſation und ganz beſonders für das Menſchengeſchlecht und ſeine Entwicklung haben müſſen. Während die Völker im Centrum großer Landmaſſen auf ſich ſelbſt und die ſie zunächſt umgebenden angewieſen ſind, ver⸗ mögen die an der See wohnenden in Verkehr mit den Nationen faſt der ganzen Erde zu treten, welcher um ſo mehr erleichtert wird, je buchtiger ihre eigenen Küſten ſind, je größer daher ihre Kuͤſtenentwicklung oder die Linie iſt, in welcher ſich Meer und Land berühren. Europa, (eigentlich nur die nord⸗ weſtliche Halbinſel Aſiens) mit ſeinen tiefen Binnenmeeren, dem mittelländiſchen, der Oſt- und Nordſee, dem bottniſchen Meer⸗

buſen ꝛc., die von Weſt nach Oſt in daſſelbe eindringen und ſeine reiche Küſtenentwicklung bedingen, die mehr als 6000

Meilen beträgt, faſt ganz in der gemäßigten Zone liegend, oſtwärts mit Aſien zuſammenhängend, woher es ſeine Bevöl⸗ kerung empfteng, wurzelt gleichſam im Orient, und breitet

feine Zweige gegen den wahren Decident, gegen Amerika aus. Trotz ſeiner geringen Größe iſt es von der Natur ſelbſt zur

8 u *

Phpſicche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberflache. 361

Gebieterin der ganzen Erde beſtimmt. Die hohe Kultur ſeiner Völker iſt eine Folge dieſer Umſtände, ſo wie ſeiner Frucht⸗ barkeit (da es ihm ganz an großen Wüſten fehlt), ſeiner zahl⸗ reichen Gebirgszüge, welche die Verbindung der Völker nur erſchweren, aber nicht aufheben, daher ſowohl Eigenthümlich⸗ keit als Verſchmelzung derſelben geſtatten, und von welchen unzählige Flüſſe herabkommen, die das Land befruchten, nach allen Meeren ſtrömen, und den lebendigſten Verkehr möglich machen.

Aſien, deſſen rieſige Landmaſſe von der Eiszone bis zum Gleicher reicht, das mit Kamtſchatka, ſeiner nordweſtlichen Halbinſel bei⸗ nahe Amerika berührt, während es im Weſten mit Europa ver⸗ fließt, bietet unter allen Erdtheilen den großartigſten Charakter und eine erſtaunliche Mannigfaltigkeit ſeiner kontinentalen Glie⸗ derung, ſeiner Völker und Produkte dar. Während ſein Norden in Eis erſtirbt, überſtrömt ſein Süden von Pracht, Größe und Reichthum. Aſien hat 2 ungeheuere Hochebenen, die Mongolei und Iran, und 6 Tiefländer: das ſibiriſche, chineſiſche, indo⸗ chineſiſche, indiſche, tartariſche und ſyriſche. Seine zahlreichen Gebirgszüge, zu welchen die gewaltigſten, über eine Meile hohen Gipfel der ganzen Erde gehören, fallen meiſt ſteil ab; es fehlen daher die Stufenländer, welche für Afrika ſo charakteriſtiſch ſind; hiedurch entſteht ein ſcharf ausgeſprochener Gegenfaß - zwiſchen den Hoch- und Tiefländern, und die Ströme, die

zum Theil paarweiſe zuſammengeordnet find, Hoangho und

DYanztfesfiang, Ganges und Burremputer, Euphrat und Ti gris, Obi und Jeniſei ꝛc.) erhalten im obern Theile ihres Laufes reiſſend ſchnelle Bewegung. Ein Hauptgegenſatz tritt zwiſchen Oſt⸗ und Weſtaſien hervor; erſteres iſt bei weitem erhabener, letzteres macht den Uebergang zu Europa. Bei Afrika, einer vollkommenen Inſel, wenn es nicht durch die Landenge von Suez mit Aſien zuſammenhienge, herrſcht der Kontinentalcharakter auf das entſchiedenſte vor. Ohne Binnen⸗ meere und Halbinſeln, mit äuſſerſt geringer Kuͤſtenentwicklung gleicht es einem Stamm ohne Aeſte. Seine Grundformen ſind Hochafrika und Tiefafrika oder die Sahara; um ſie her liegen Nabgeſonderte Hochländer, das des Atlas und das von Barka, und die Stufenländer Nigritien, und Habeſch

362 Allgemeine Haturgefchichte. IV. Buch.

mit Aegypten. Da Afrika faſt ganz innerhalb der heißen Zone liegt, ſo hat es keine Jahreszeiten; in ſeinen Klimaten, wie ſeinem glühenden, immer durſtigen Boden und feinen Produkten herrſcht Einförmigkeit. Seine Flüſſe ſind wenig zahlreich, und verſiegen häufig im Sande. Amerika erhebt ſich zwiſchen der Oſt⸗ und Weſtküſte der alten Welt mitten aus dem Ocean, wie ein rieſiger Damm. Bloß im höchſten Norden nähert es ſich der alten Welt, Aſien mehr, Europa weniger. Seine Landmaſſe ſteht der Aſiens kaum nach, erſcheint aber lang geſtreckt, faſt von einem Pole zum andern reichend. Wie im Allgemeinen in Afrika der trockene, ſo herrſcht in Amerika der feuchte Charakter vor. Dieſer Erdtheil zerfällt in 2 große Hälften; eine reiche Inſelwelt legt ſich vor den weiten Golf zwiſchen ihnen, der ohne Zweifel in Folge einer gewaltigen Kataſtrophe entſtanden iſt, und nur noch um 6 Meilen hätte erweitert werden dürfen, um die Landenge von Panama gänzlich zu durchbrechen, und Südamerika vom Norden loszureiſſen. Nordamerika zeigt eine reichere Entwicklung, durch Binnenmeere, tiefe Buchten, Halb⸗ inſeln, und verhält ſich zum Süden in gewiſſer Art, wie Aſien mit Europa zu Afrika. Wie eine Rippe durch ein Blatt, läuft durch den ganzen Erdtheil nahe an den Küſten des großen Oceans die ungeheuere 1900 Meilen lange Kette der Kordil⸗

leren, ihn in eine ſchmale weſtliche, und breite öſtliche Abs dachung ſcheidend, welche letztere in unermeßliche Ebenen gegen den atlantiſchen Ocean ausläuft, mit zahlreichen Vulkanen, beinahe Meilen hohen Gipfeln, außerordentlichem Mineralreich⸗ thum, und zwiſchen ihren Verzweigungen mannigfache Hochländer einſchließend. Amerika hat wenig große Ströme, aber die längſten und waſſerreichſten der Erde. Sie haben ein unge⸗ heueres Gebiet, und die größten ergießen ſich ſämmtlich in den atlantiſchen Ocean, gegen welchen überhaupt Amerika's Meer⸗ entwicklung gerichtet iſt, wodurch es in nächſte Beziehung zu Europa tritt, als deſſen größte Kolonie es erſcheint. Amerika iſt weniger warm als der öſtliche Kontinent, und feuchter, daher ſeine üppige Vegetation, ſeine unermeßlichen Urwälder, wie ſie kein anderer Erdtheil hat, und ſein Reichthum an Rep⸗ tilien und Inſekten, während Aſien die größten und edelſten

Phyſiſche u. plaftifche Berhältniffe d. Erdoberfläche. 363

Landthiere hervorbringt. Auſtralien's oder Oceanien's Kontinent, welchen nach Oſten und Norden unzählige Inſeln umgeben, ift nach feinem Innern (aus welchem manchmal glü⸗ hende Winde kommen,) noch unbekannt, hat eine ſehr geringe Küſtenentwicklung, wenig Reichthum in ſeiner ſonderbaren Or— ganiſation, darunter äußerſt wenige für menſchliche Subſiſtenz dienende Pflanzen. Der Archipel Notaſiens Cindifche Archipel) liegt im Nordweſten, ein anderer von Neuguinea bis Neuſee— land reichender im Oſten von ihm; beide find aus Urgebirgen und Reihenvulkanen gebildet. Die Inſeln des ſtillen Meeres hingegen ſind entweder baſaltiſche, welche in Gruppen um einen Centralvulkan liegen, (Marianen, Sandwichsinſeln, Geſellſchaftsinſeln ꝛc.) oder Koralleninſeln, (Fidjiinſeln, Freundſchaftsinſeln, gefährlicher Archipel ꝛc.) niedrig, ſumpfig, Häufig einen See einſchließend. |

Man ſieht aus dieſer nur in wenigen Zügen re Schilderung, wie verfchieden der Grundcharakter der einzelnen Theile der Erdfeſte iſt. Obwohl der Menſch nun bis auf einen gewiſſen Grad die Erde zu beherrſchen, und den Umſtänden zu gebieten vermag, fo iſt doch gleich die erſte Richtung der Ents wicklung eines Volkes durch ſeine äußern Beziehungen zum Boden, der es trägt, gegeben, nach welchen es zu einem Nomaden⸗ oder Ackervolk, zu einem Fiſcher- oder Jägervolk, einem Schiffer⸗ oder Handelsvolk wird. Selbſt die gewalt— ſamſten politiſchen Einwirkungen vermögen nie dieſe urſprüng⸗ liche, durch die Natur gegebene Beſtimmung ganz zu vernichten. Der eigenthümliche Zweck dieſes Werkes geſtattete übrigens nur eine Andeutung dieſer EN Wen OHNE,

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Was die vertikale Erhebung des Landes betrifft, ſo | ühterfehkibee: man im Allgemeinen Ebenen, Teraſſenländer, Berge. Erſtere können wieder Hochebenen oder Tiefebenen fein, ſtellen manchmal Sandwuͤſten, Grasfluren, Steppen und Haiden dar, oft von ungeheuerer Ausdehnung, wo ſie dann phyſiſch und politiſch merkwürdig werden. Die großen Sand⸗ wüſten, wie fie Afrika und Aſien beſitzen, bilden eine viel

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364 Allgemeine Naturgeſchichte, IV. Buch) 7

ſtärkere Scheidewand zwiſchen den Völkern, als ſelbſt die Meere. Teraſſenländer entſtehen, wo mehrere neben einander

liegende allmälig niedrigere Gebirgsketten Plateaus zwiſchen *

ſich haben, oder (viel ſeltener) wo die Abſätze einer Gebirgs⸗ kette ſich erweitern und verbreiten. Die Berge ſind in Zügen angeordnet, in deren Richtung und Vertheilung über die Erde man bis jetzt vergeblich nach feſten Geſetzen geforſcht hat. Mehrere von ihnen ſtehen auch ganz iſolirt. Wann die Berge die Schneegränze überragen, ſo ſtarren von ihnen öfters Gletſcher herab, und der Schnee ſtürzt von ihren obern Ab⸗ hängen in Lawinen herunter. Zwiſchen den Bergen finden ſich Thäler, welche Längenthäler oder Querthäler ſein können, und über fie führen Päſſe. Nach den Geſteinsmaſſen, aus welchen die Berge beſtehen, unterſcheidet man verſchiedene Klaſſen derſelben; eine eigene höchſt ausgezeichnete bilden die Vulkane. Im Innern der Berge finden ſich öfters Höhlen. Die Darſtellung mancher angeführten Verhältniſſe der Gebirge, gehört in einigen Rückſichten der phyſiſchen Geographie, in andern der Geognoſie an, und macht daher den Gegenſtand des gegenwärtigen wie des nächſten Hauptſtückes aus.

Zu dem über die Dichtigkeit der Erde S. 32 bereits hiſtoriſch erwähnten fügen wir bei, daß Carlini dieſelbe aus der Einwirkung des Mont Cenis auf die Schwingungen des Sekundenpendels = 4A½9 das Waſſer = 1geſetzt, abgeleitet habe. Am wahrſcheinlichſten iſt die mittl. Dicht. d. Erde nach Maskelyne A/ wonach ihr ganzes Gewicht 20345960 Trillionen Pfund, nach Gruithuiſen Anal. Hft. 2. S. 43. 485800 Trillionen Myriagraͤmmen wäre. Das Wachſen der konzentriſchen Kugelſchichten, welche die Erde bilden, an Dichtig⸗ keit bis zum Erdkern erfolgt natürlich nicht an allen Stellen gleich regelmäßig; theils wegen Ungleichheit der Materialien, theils wegen den innerirdiſchen Klüften und Höhlen. Diejenigen Felsarten, Me⸗ talle, Erden, Waſſer ꝛc., welche die Erdrinde bis zu einer Tiefe von 1500 / bilden, würden ein mittl. Gew. von nur 4,5 geben, ſo daß noth⸗ wendig das Erdinnere aus viel dichtern Subſtanzen beſtehen muß, als die Oberfläche. Woraus indeß der Erdkern beſtehe, iſt natürlich unbe⸗ kannt, da die tiefſte Stelle, bis zu welcher man jetzt gelangt ifk, nur 1513 engl. Fuß unter'm Niveau des Meeres liegt, alſo nur etwa 3000 des

Halbmeſſers der Erde beträgt. So weit geht nämlich das Kohlenwerk

von Monkwearmouth hinab. Noch vor kurzem war Pearce's Gruben⸗ ſchacht von 13388 / der tiefſte Punkt. (Geologie imSahr 1835. v. Laurance,

ER

| Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 365

S. 10.) Die Steinkohlengruben von Anzin gehen nur 900 / tief unter's Meer. Die Kupfergruben zu Kitzbühel in Tyrol gehen zwar 2764/, die Simſongrube zu Andreasberg im Harz 2230 /, die Bas leneianogrube zu Guanaxato in Mexiko 1770’ tief in den Berg; da aber die Taglöcher derſelben ſehr hoch liegen, ſo erreichen ſie nicht einmal das Meeresniveau. Nach Breislak, dem viele beiſtimmen, beſtände der Erdkern aus Magneteiſenſtein deſſen Dichte za iin: d

Temperatur der Erdfeſte. Der Wärmegrad der dußerſten Erdkruſte wird hauptſächlich durch die Sonnenſtrahlen beſtimmt, und wechſelt daher vorzüglich nach ihrer Menge und Nichtung; dann auch nach den Luftſtrömungen und Niederſchlägen aus der Atmoſphäre. In weniger als 100/ Tiefe hat keine äußere Bedin⸗ gung mehr Einfluß, wie das Thermometer unter dem Pariſ. Obſervatorium in 86 / Tiefe bezeugt, welches ſeit 1671 ſtets den nämlichen Grad zeigt. Die täglichen Temperaturveränderungen reichen nur bis 1½“ Tiefe, die monatlichen bis 37, die jährlichen bis etwa 30 /. Quellen, welche ſich tiefer als 30/ in der Erde befinden, nehmen die daſelbſt herrſchende Temperatur an, und man kann deßhalb aus dem Wärmegrad ihres Waſſers die mittlere Temperatur des Ortes finden. Daß die Temperat. der Erde nach der Tiefe zu ſtets wachſe, und ſchon nahe unter der oberſten Kruſte in wenigen 1000 / Glühhitze erreichen müſſe, erhellt aus den bereits S. 32 angeführten Meſſungen. Die wahrſcheinlich im Innern noch vorhandene ungeheuere Hitze mag dem Druck der obern Schichten entgegenwirken, indem ſie die untern und den Erdkern ausgedehnt erhält. Die Wärme eines Ortes auf der Oberfläche der Erde richtet ſich nach der geogr. Breite (ſo daß die mittl. T. dem Qua⸗ drate des Coſinus der Breite proportional geſetzt werden kann) und nach ſeiner Erhebung über die Meeresfläche. Zugleich iſt aber die ſüdliche Halbkugel der Erde viel kälter als die nördliche, die weſtliche als die öſtliche. Je gerader die Sonnenſtrahlen auffallen, deſto wirkſamer ſind ſie; ſtünde daher die Sonne ſtets im Aequator, und die Axe der Erde ſenkrecht auf ihrer Bahn, ſo würde nach der geogr. Breite eine regelmäßige Abnahme der Wärme gegen die Pole zu ſtatt finden, während bei den beſtehenden Verhältniſſen ein halbes Jahr abwechſelnd die nördliche und ſüdliche Halbkugel vorzugsweiſe erwärmt wird. Nach Tob. Mayers Formel iſt die jedesmalige Temp. eines Orts unter höhern Breiten der mittlern unter dem Aequator, weniger demjenigen Theile proportional, welcher wegen der ſchiefen Richtung der Flächen und des ſchiefen Stoſſes der Sonnenſtrahlen abgerechnet werden muß. Aus de Sauſſure's, Pictet's, d'Aubuiſſon's, v. Zach's, Horner's, Na⸗ mond's, v. ee Playfair's, Atkinſon's Beobachtungen

366 ulgenene Nakuegeſchichte IV. Buch.

geht als Mittel a daß man bei jeden 82 Toiſen Erhebung in die Luft mehr, 10 C. Verminderung der Wärme im Sommer erwarten könne, und nach d'Aubuiſſon korrespondiren auf der nördl. Halbk. 100 Meter Erhebung einem Breitengrade mehr. Nach Humboldt fällt der Nullpunkt d. mittl. Temp, in 650 n. B. Dort ſchneidet nämlich die Schneelinie, über welcher der Schnee das ganze Jahr nicht ſchmilzt, in das Erdellipſoid ein, ſte, welche unter dem Aequator 5200 Meter ſenkrecht über dem Meeresnivenu verläuft. Am Cotopaxi findet ſich die Schneegrenze in 152287, am Chimboraco in 14826/, um Mexiko in 14133 /, am nördl. Abhang des Himalayah (ſehr merkwürdig) in 15660 /, am ſüdl. ſchon in 11400 /, am Atlas in 11550/, am Aetna in 9900/, in den Pyrenäen in 8400 / 76927, den Alpen in 85207 8220/, den Karpathen 7998 / Snöhätta 56007, Island 28967, Nordkap 2200 / Höhe. Die Schnee⸗ linie bildet alſo ein Ellipſoid um die Erde, von größerer Erzen⸗ trizität als dieſe. Die nördliche Halbkugel iſt wegen der um 8 Tage längern Dauer des Sommers, und vielleicht der ungleich größern Landmaſſe viel wärmer als die ſüdliche; daher kommen die Grönlandsfahrer häufig bis 800 n. B., Scoresby einmal bis 810 30/, während Cook im Sommer der ſüdl. Halbk. unter 530 ſ. B. ſchon Eis und Schneegeſtöber traff, und unter 670 25/ vor Treibeis nicht weiter kommen konnte. Weddel, der unter allen am weiteſten vordrang, erreichte nur 740 15 / ſ. B. Feuerland, in gleicher (ſüdl.) Br. wie Preuſſen liegend, iſt mit ewigem Schnee bedeckt. Die Wärme nimmt zwar im Allgemeinen mit zunehmen⸗ den Breiten ab, aber nicht überall auf gleiche Weiſe, ſo daß bedeu⸗ tende Unterſchiede ſtatt finden, und ein für alle Meridiane gültiges Geſetz nicht exiſtirt. Linien, durch die Orte von gleicher mittl. Temp. gezogen, heißen iſothermiſche, und bilden eigenthümliche Curven. Nordweſteuropa, (Schottland, Island, Norwegen, Lappland) iſt verhältnißmäßig ſehr warm, vermuthlich wegen des, ungeheuere Maſſen warmen Waſſers zuführenden Golphſtroms, während Sibirien und vorzüglich Nordamerika ungemein kalt ſind. Das ſtete Aufſteigen der erhitzten Luft unter d. Aequator und ihr Abflieſſen nach den Polen mildert dort die Hitze und hier die Kälte. Die niedrigſte tägliche Temperatur tritt erſt nach Mitternacht, oder ſelbſt vor Sonnenaufgang „die größte Tages⸗ wärme um 2 bis Nachmittags ein. Unter niedrigen Breiten werden dieſe täglichen Unterſchiede immer geringer. Weil die Erde noch eine Zeitlang die Winterkälte und die Sommerwärme beibehält, fallen die größte Kälte und größte Wärme nicht auf den kürzeſten und längſten Tag, ſondern einige Zeit nach dem⸗ ſelben. Nahe am Aequator ſind die Temperaturunterſchiede des Sommers und Winters ſehr gering, t ge B. in Cumana

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 367

nur 30, während in Sibirien und Nordamerika das Queckſilber im Winter oft wochenlang gefroren iſt, und die Sommerwärme doch 300 R. erreicht. Die größte Kälte in Mitteleuropa fällt ge⸗ wöhnlich in die erſte Hälfte des Januar, die größte Wärme in die letzte Hälfte des Juli. Die mittl. Temp. von Guyana unter 00 Br. iſt 28%; Batavia 60 12/ ſ. B. 26%; Havannah 2309, n. B. 25%; Cairo 300 2/ n. B. 22%; Neapel 400 50/ n. B. 180; Mair land 450 29 / n. B. 13%; Newyork 400 43/ n. B. 12%; Pecking 390 547 n. B. 120%; Paris 480 50/ n. B. 11%; Wien 480 11/ n. B. 10%; Lon⸗ don 510 31/ n. B. 100; Berlin 520 32/ n. B. 9%; Stockholm 590 20 / n. B. 50%; Petersburg 590 56/ n. B. 3; Nordkap 710 10/ n. B. 00; Cumberland Houſe 54 n. B. 0%; Enontekis 680 17/ n. B. 2%; Fort Entreprife 640 30/ n. B. 9%; Melvilleinſel 750 n. B. 180%, Die mittl. jährl. T. eines Orts ſtimmt genau mit der mittl. des April und Oktober die tägl. mit der um Morgens 9 Uhr überein. Die höchſten Hitzegrade findet man in Afrika, wo die Hitze in den Sand⸗ wüſten ſelbſt im Schatten oft auf 430 C. ſteigt; während ſie z. B. in Amerika ſelten 380 C. erreicht, unter der Linie auf der See nicht über 300 C. ſteigt. Die größten Kältegrade hat man im Norden beider Kontinente beobachtet, wie z. B. zu Barnaul in Sibirien einmal 51 C., zu Nertſchinsk bis 620 C., wobei das Queckſilber längſt gefriert, und ſich hämmern läßt. Gegen die Pole zu finden ſich natür⸗ lich die größten Temperaturdifferenzen, ſo daß z. B. in Norwegen eine Sommerhitze von 260 C. eine Winterkälte von 280 C., in Torned unter dem Polarkreiſe 250 C. Hitze, 32, C. Kälte beob⸗ achtet wurden. Man⸗ſteht, daß auch im höchſten Norden eine Wärme erſcheint, welche für Entwicklung der üppigſten Vegetation hinreichte, wenn fie nicht fo kurz währte, und mit fo ſtrenger, alles höhere Pflanzenleben zerſtörender Kälte wechſelte. Dem Aequator näher werden die Ungleichheiten in der Temperatur der Jahreszeiten immer geringer.

Das Klima einer Gegend iſt das Produkt ihrer geogr. Breite und vertikalen Erhebung, ſo wie örtlicher Umſtände, beſonders des Feuchtigkeitszuſtandes, der Beſchaffenheit des Bodens, der herrſchen⸗ den Winde, der Umgebung. Theilt man die Erdoberfläche in 1000 Theile, fo kommen 398 auf die Aequatorialzone, in welcher die Sonne 2 Mal durch das Zenith geht, in der es daher 2 Winter und 2 Sommer giebt, wo die Tages länge nur zwiſchen 10,; und 15/5 Stunden wechſelt, die Demperaturunterſchiede gering find, und Winter und Sommer ſich nur durch Regen und Dürre ausſprechen. Auf die 2 gemäßigten Zonen kommen 520 Theile; in ihnen nimmt die Temperatur von der größten Hitze bis zur größten Kälte ab, die Tageslänge wechſelt von 8— 24 St., in ihrer Mitte herrſchen 4, gegen ihre nördliche Grenze wieder nur 2 Jahreszeiten. Den Reſt begreifen die Polarzonen, in denen eine

568 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch. iR.

6 monatlange Nacht mit eben ſo langem Tage wechſelt. Trockene uud feuchte Klimate gehören vorzugsweiſe der heißen Zone an. In erſtern verdorret oft jeder Halm; in letztern, die durch die periodiſchen Regen bedingt find, roſten die Metalle, ſchwellt alles Holz an, zerflieſſen die Salze ꝛe. Das Kontinentalklima iſt durch ſtarke Tageshitze und Nachtkälte charakteriſirt, welche Ex⸗ treme ſehr auffallend in der Wüſte Gobi, der Wüſte Sind, in Arabien, und mitten in Afrika in ganz geringer Erhebung über das Meer hervortreten, fo daß unter Anderm Dudney durch Nacht⸗ kälte an der Grenze von Bornu 130 n. B. kaum 1200 / Meeresh. umkam. Beim Inſel⸗ und Küſtenklima mildert das Meer Sommerhitze und Winterkälte; das Bergklima zeigt bedeutende Feuchtigkeit ſtarke Regen, ſchnellen Temperaturwechſel, alles in Folge der Anzie⸗ hung der Dünſte durch große Gebirgsmaſſen, von ihnen in die Thäler ſtürzende kalte Luftmaſſen ꝛc. Ein ſehr mildes Klima, mit immer glei⸗ i cher Temperatur haben die Inſeln des großen Oerans; am heißeſten ſind die Weſtindiſchen. Große Waldungen äußern den wichtigſten Einfluß auf das Klima; fie ziehen Feuchtigkeit an, und a die Luft ab. Länder ohne Wälder find. häuſig glühend heiß, und

ihre Flüſſe den größten Theil des Jahres ohne Waſſer; ſo ein Theil von Berfien, der Tartarei, Südafkika, dann Barbados, einige der Inſeln des grünen Vorgebirgs. Nahe an einander liegende Gegenden haben bisweilen in Folge örtlicher umſtände ſehr ver⸗ ſchiedenes Klima. So hat der weſtliche Theil einer Gegend im Süden des Mahrattenſtaats zwiſchen 44 20/ und 160 26 / n. B. nach Chriſtie ein ſehr feuchtes, der öſtliche ein trockenes Klima; an der Weſtküſte Indiens ſtürzt der Regen oft ganze Wochen ſtromweiſe herab, während die hinter dem Gautsgebirge liegenden Gegenden, weil dieſe die tiefgehenden Wolken nicht überſchreiten, eben deßhalb viel trockener ſind. Der amerikaniſche Norden iſt ungleich kälter als der europäiſche, (auf welchem z. B. nach v. Buch in Tromſbe unter 690 38 / n. B. noch Wieſen, auf dem benach⸗ barten norwegiſchen Feſtland 6004: über dem Meere noch Bäume vorkommen) und hat einen unbeſtändigen Winter; überhaupt iſt fein: Klima ſehr verſchieden von dem Europas, und die Witte⸗ rungswechſel ſind vorzüglich bedingt durch die kalten Luftſtrömungen aus dem eiſigen Norden des amer. Kontinents oder den heißen Tropen⸗ gegenden. Stürme find häufig, und erſcheinen bald als ſtarke, zer⸗ ſtörende, obwohl nur kurz dauernde NND. Stürme, Squalls, oder als weit verheerende Ouragansı Aüßerſt kalt iſt Spitzbergen / wo in der Regel die Temperatur nicht über 10% ſteigt. Nur einmal beobachtete Scoresby im Sommer daſelbſt 90 G. Doch überwin⸗ tern daſelbſt von der reichen Jagd gelockt, oft rußiſche Jager. = Das Klima eines Landes bedingt Zahl und Art der gehabt

*

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberflache. 369

Organismen aus dem Pflanzen- und Thierreiche, welche ſich in

ihm finden. Wie es ſelbſt hauptſächlich durch die horizontale und vertikale Erhebung, alſo durch geographifche Breite und Meeres-

höhe beſtimmt wird, ſo richten ſich auch die Pflanzen und Thiere nach ſelben. Die Zahl beider nimmt im Allgemeinen von den Polen gegen den Aequator, von der Schneegrenze gegen die meeresgleiche Ebene zu; im Speziellen treten aber unzählige, modiſtzirende Verhältniſſe ein. Das Hauptſächlichſte über die geographiſche Ver⸗ theilung der ſekundären Organismen werden wir bei deren Be⸗ trachtung, im 7ten und sten Buch mittheilen. |

Geſtalt und Vertheilung des Landes. Zu den oben ſchon angeführten Betrachtungen fügen wir noch bei, daß Einige den Flächeninhalt alles Landes (vielleicht zu groß) auf 3059675 EI M. angeben, wovon auf Europa 171834, Afien 641093, Afrika 631638, Amerika 572110, Neuholland 143000, alle Inſeln 1000000

kommen. (Man hält alles Land für Inſeln, wenn es weniger als

10 Längen- oder Breitengrade mißt, oder innerhalb einem Monat umſchifft werden kann.) Weniger als 14 hievon liegt auf der ſüdl. Halbkugel. Unbekannte Gegenden der Erde ſind nur noch die an den Polen, das mittlere Afrika und Neuholland. Ein früher am Südpole vermuthetes Feſtland exiſtirt ſchwerlich. Wahrſchein—

lich iſt, obwohl dieſes die neueſten mit ſo vieler Aufopferung

gemachten Expeditionen noch nicht unwiderſprechlich dargethan haben, der Norden Amerikas, wie jener Aſtens vom Meer beſpühlt, (welches aber faſt immer mit Eis bedeckt iſt, daher nie als Hans delsſtraße dienen könnte,) und am Nordpole fände ſich demnach keine größere Landmaſſe.

Betrachten wir die Beſchaffenheit der Ebenen (welche großen⸗

theils ehemaliger Meeresgrund waren) der verſchiedenen Erdtheile,

fo finden ſich 1) in Europa die ſogen. Haiden, (Erica vulgaris iſt die häufigite daſelbſt wachſende Spezies der Haidekräuter) beſonders in Norddeutſchland, mageres Weideland abgebend, hie und da Kieferwälder tragend, an fumpfigen Stellen viel Torf liefernd; dann die theils trockenen, theils fumpfigen Viehweiden in Un⸗ garn, mehrere U M. groß, zwiſchen Donau und Theis liegend, und in Südrußland zwiſchen Dniepr, Don und Wolga ſehr aus⸗ gedehnte Steppen. 2) Aſien hat im Norden zwiſchen Irtiſch und Obi zahlreiche ziemlich ſterile Steppen mit ſalzigem Bo⸗ den und vielen Salzſeen; im Centrum und im Süden ſehr große Sandwüſten. Die größte darunter iſt die Wüſte Gobi, (Kobi, Schamo, Khan-Hai) zwiſchen China, Daurien und Sibirien, aus einem kleinern öſtlichen und größern weſtlichen Theil beſtehend. Erſterer iſt nirgends über 100 Stunden breit, liegt hoch über dem Meere, iſt meiſtens mit grobem e bedeckt, in dem. fich

24

370 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

ſchöne Chaleedone und Karneole finden, mit Ausnahme einiger

Zwergakazien und Nadelbäume ohne allen Pflanzenwuchs, hat

wenige ſalzige Quellen. Die Karavanenſtraße von Peking nach

Kiachtha führt durch fie. Wie auf allen ausgedehnten, hochliegenden .

Kontinentalflächen herrſcht auf ihr bedeutende Tageswärme und

| empfindliche Nachtkälte, welche in Verbindung mit Hunger und

Ermüdung den Karavanen viele Thiere koſtet. Der weſtliche Theil der Gobi liegt tiefer und iſt wärmer, bei Turfan ſogar unerträg⸗ lich heiß, manchmal ſogar durch heiße Winde gefährlich; nirgends

unter 100 St., auf der Karavanenſtraße von Kiachtha oder Sele⸗

ginsk aus ſogar 450 St. breit, mit Flugſand bedeckt, der bald Spu⸗

ren und Pfade verwiſcht, und hat Waſſer auf verſchiedenen Stationen.

5 Tagreiſen von Kaſchgar liegt die Stadt Lop, ein wichtiger Nu⸗ hepunkt, von dem aus es 30 Tage ununterbrochen durch die große

Wüſte geht. Die mit Flugſand bedeckte Wüſte Sind, zwiſchen der Hochebene von Dekan, dem Ganges und Indus, 80 Meilen

breit, 100 lang, enthält viele Oaſen, (fruchtbare, angebaute Stellen); die Brunnen im Sande, welcher ſich oft zu 100/ hohen,

mit dem Winde wechſelnden Hügeln aufthürmt, ſind ſehr tief,

einige bis 300/. Die Wüſte Beludſchiſtan hat feinen rothen Sand, der ſich gleich Meereswellen erhebt, und um Mittag durch heiße Wirbelwinde gehoben als dichter Nebel aufſteigt. Auch in ihr iſt der Sand fo tief, daß manche Brunnen bis 1507 hinab reichen. 3) Afrika hat bei weitem die größten Wüſten. Sein ganzes nördliches Flachland von Aegyptens Grenze bis an

die Nordweſtküſte iſt eigentlich eine zuſammenhängende Wüſte,

Sahara genannt, in der ſich zahlreiche Oaſen, Inſeln im Sand⸗ ocean und fruchtbare Landſtrecken da finden, wo das atmoſphäriſche, in die Erde dringende Waſſer auf eine feſte Unterlage primitiver Gebirgsarten ſtößt, die es nicht verfiegen laſſen, und wo es demnach

Quellen und kleine Bäche bildet. An ſolchen Stellen entwickelt

ſich dann eine prachtvolle tropiſche Vegetation, fie find ſtark bes

wohnt, und dienen den Karavanen als Stationen. In andern Gegenden bilden ſich während der Regenzeit Seen und ſchiffbare

Flüſſe, welche in der heißen Jahreszeit gänzlich verſtegen. Die

große Sahara, eine Wüſte faſt von der Größe ganz Europas,

breitet ſich zwiſchen 15 und 300 n. B. aus, iſt nirgends unter 200

geogr. M. breit, und noch ungleich länger. Ihr öſtlicher Theil an

Aegyptens Grenze, welchen mehrere Gebirgszüge durchſetzen, heißt die Lybiſche Wüſte; durch ſie führen von Cahira aus 2 Karava⸗ nenſtraßen, eine nördliche über Mogarra Ummeſoghie nach Siwah

in der alten berühmten Oaſe des Jupiter Ammon; von da nach

Schiatha, Augila, durch die Sultinebene und über die Gebirgs⸗ ketten des ſchwarzen und weißen Haruſch nach Murzuk in Fezzan,

N

2:

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Phyſiche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberflache. 371

166 M. von Cahira; die andere nach Süden gerichtete Straße, auf welcher 2 Abſätze, der eine von 9, der andere von 16 Tagen ganz ohne Waſſer zurückgelegt werden müſſen, führt über die Dafe El Khibli nach Sheb, Leghea, nach Kobbe in Darfur. Ueber Fezzan hinaus beginnt die weſtliche, noch ödere und furchtbarere eigentl. Sahara, die ohne Gebirgszüge iſt, ſich von hier aus, vom 300 bis zum 10 w. L. erſtreckt, und unabſehbare Dünen und Sandbänke in's atlantiſche Meer hinein ſchiebt, welche ſelbſt große Flüſſe zur Aende⸗ rung ihres Laufes zwingen. „Die Oaſen,“ ſagt Nougemont in d. angef. Schr. S. 37, „ſind die Sufeln dieſes Sandoceans, welcher feine Sandatmoſphäre, feine Sandwellen und Sandſtürme hat; reich an Quellen, Weideplätzen und Dattelbäumen, geben ſie dem Handel, dem einzigen Lebens prinzip des nördlichen Afrika's, feine Richtung, und ſehen jedes Jahr die nämlichen Völker ſich an denſelben Standorten aufhalten, und die nämlichen Waaren weiter bringen. Das Kameel iſt das Schiff der Wüſte; ſeine Führer ſind die Steuermänner, und nennen ſich die Verſtändigen, die Weiſen (Chabris); ihr Kompaß find die Vögel, die Winde und Sterne.“ Die ſehr tiefen Brunnen werden wegen gänzlichem Mangel an Steinen mit Kameelknochen Hausgemauert und mit Kameelhäuten, bedeckt; verfehlt man fie, oder ſind ſie vertrocknet, ſo gehen die Karavanen zu Grunde, wie 1805 bei Tafſilalet, wo 2000 Menſchen und 1800 Kameele umkamen. Diſteln, Mimoſen, dürres Strauchwerk ſind das einzige Futter der Kameele; an Waſſerſtellen findet man Elephanten und Eber, beſtändig in der Wüſte leben nur Strauße und Antilopen, am weite⸗ ſten dringen in ſie noch ein Löwen und Panther. 4) Amerika hat keine Sandwüſten, aber einige ausgedehnte, ſterile, felſige, dürre Gegenden, Desiertos; ſo einen langen Strich zwiſchen Ametope - und Coquimbo in Peru, bei Sechura und Atacamez die an die Gobi erinnernden Campos de Parecis in Braſtlien. Ebenen ganz eigenthümlichen Charakters ſind die bei Varinas, Caracas, in Chaco, Tucuman ꝛc. vorkommenden Llanos, zum Theil von mehreren 1000 DU Lieues Ausdehnung, aus dem Niederfchlag der fie um- oder durchſtrömenden Flüſſe gebildet, mit Gras bewachſen, bei den großen Ueberſchwemmungen unter Waſſer geſetzt. In einer Aus- dehnung von vielen [J M. zeigen fie kaum Fuß hohe Flötzſchichten, welche doch die Waſſerſcheiden für die nach verſchiedenen Gegenden ſtrömenden Flüſſe bilden. Wie fie bieten auch die mit Hundert⸗ tauſenden von Nindern bevölkerten Grasfluren, Pampas von Buenos⸗ ayres, auf viele Tagreiſen eine meeresgleiche Fläche dar. Letztere reichen von der Palmenregion hinab gegen Patagonien bis zur Region des ewigen Eiſes, zeigen zur Regenzeit und an den Fluß— ufern friſches Grün, ſonſt die größte Dürre. Höchſt merkwürdig iſt auch die 60000 U M. große Waldregion am Maranhon, Bosques

372: Allgemeine Naturgeſchicht. V. Buch.

oder Selvas genannt, mit dichtem Urwalde bedeckt, eben, nur von kleinen Hügeln durchzogen. 5) Der Auſtraliſche Kontinent hat keine charakteriſtiſchen Ebenen, aber weit gedehnte ſandige Küſtenſtrecken, zum Theil mit aufgeſchwemmtem Boden, in S. und W. faſt ohne Quellen. Zum Begriff der gewöhnlichen Ebenen, welche überhaupt die fruchtbarſten, am ſtärkſten bebauten und bewohnten Theile der Erde begreifen, gehört auch ihre geringe, höchſtens einige 100/ betragende Erhebung über das Meer; Berg⸗ ebenen, Hochebenen, Plateaus hingegen liegen zwiſchen Ge⸗ birgsketten, und oft mehrere 1000 / über dem Meere; fo die erhabenſten

Hochländer der Erde, die Gobi, die große Bucharei und Tibet; in

Europa die Böhmiſche, die Bayer'ſche Hochebene, letztere 15697 über d. Mittelm., das Schweizerifche Hochland zwiſchen dem Jura und den Alpen, das Spaniſche Hochland, auf welchem Madrid liegt; die Hochländer von Quito und Mexiko ze. W

Der Meeresboden bietet dieſelben Erhöhungen nnd Ver⸗ tiefungen dar, wie die Erdfeſte, ſcheint aber im Allgemeinen weniger ungleich zu ſein. Er liegt weiter vom Land tiefer unter dem Waſſerſpiegel als nahe an ſelbem; die Tiefe am Ufer richtet ſich nach deſſen Geſtalt, ſo daß das Meer unmittelbar an ſteil und hoch aufſteigenden Küſten fogleich ſehr tief, an flachen Ufern ſeicht iſt. Bänke ſind ſchmale und lange Erhöhungen des Meeresbodens, ragen manchmal über das Waſſer hervor, und können Sand-, Auſtern⸗ oder Korallenbänke fein. Riffe find Reihen von felfigen Bänken an Küſten, an welchen gewöhnlich das Meer brandet. Die ſogenannten Fiords, tiefe Küſteneinſchnitte, be⸗ fonders häufig an Norwegens Weſtküſte, oft mit mehrern 10004 hohen Felswänden ſenkrecht aus dem Meere aufſteigend, vorzüglich da vorhanden, wo kryſtalliniſche Geſteine mit dem Meere in Be⸗ rührung ſtehen, ſcheinen durch horizontales Zerreißen und Berſten der Felsmaſſen entſtanden zu ſein.

Berge im weiteſten Sinn ſind Erhöhungen der Erdfläche, von wenigſtens 600/ Höhe über ihrer Grundfläche. Was darunter iſt, heißt Hügel. Der oberſte Theil eines Berges heißt Gipfel; wenn er ſehr ſteil, abgeſchnitten, ſpitzig iſt, Pik, Horn, Nadel. Zwiſchen dem Gipfel und dem unterſten Theile, dem Fuß eines Berges, liegt der Abhang, deſſen Neigung gegen den Horizont die Steilheit beſtimmt. Beträgt jene über 300, ſo iſt der Berg ſchon ſehr ſteil. Senkrecht oder faſt ſenkrecht abſtürzende Felsmaſſen heißen Wände, ſteil ſich über den Gipfel erhebende, Fels kämme, Gräthe, einzelne Erhöhungen an den Abhängen, Kuppen. Die

verſchiedenen Felsarten, aus welchen die Berge beflehen, geben f

ihnen beſtimmte, ſchwer zu beſchreibende, aber doch fo eigenthüm⸗ liche Geſtalten, daß ein geübtes - ſchon von ferne aus dem

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhaͤltniſſe d. Erdoberfläche. 373

Umriß, der Phyſiognomie eines Berges die ihn bildende Felsart erkennt. Der Phonolith z. B. bildet häufig einzelne, oft ſehr ſpitze Kegel, oder domähnliche Berge, gezackt, klippig, ſteil abſtür⸗ zend; die Berge des Trachyts find häufig ſehr hoch, glocken- oder domartig, entweder oben eben, oder eingeſenkt, oder mit thurm- ähnlichen Spitzen. Der Feldſtein-Phorphyr bildet meiſt zerſtückte, zerriſſene Gebirge, mit hohen, ſteilen, ſaſt unerſteiglichen, iſolirt ſtehenden Kegeln, die meiſtens in ſcharfen Rücken und zackigen Kämmen endigen. Ihre Abhänge ſind mit zahlloſen Porphyr— trümmern überdeckt. Die Grauwacke ſetzt meiſt breite, kuppige Gebirgsrücken zuſammen, welche ſich nach einer Richtung weit erſtrecken; der Thonſchiefer bildet wellenförmige, Kugelſchnitten ähnliche Berge mit ſanft gerundeten, gedehnten Rücken, ohne Felſenſpitzen; tiefe Thalwände jedoch und hohe Flußufer zeigen ſteile, hohe, ſeltſam geſchichtete Wände mit wilden, zackigen, oft überhängenden, klippigen Wänden. Der Muſchelkalk bildet nie drige Anhöhen mit gerundeten Gipfeln, die wie die Schichten gewunden ſind, oder Berge mit langen, ſchmalen, ſanft abfallenden Rücken. Hohe Granitberge haben einen großartigen, wilden ger: riſſenen Charakter; ſie ſind meiſtens ſchroff, ihre ſpitzen, zackigen, kahlen, vegetationsloſen, öfters mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel oft nadelförmig; ſie ſtehen einzeln oder in Gruppen und Reihen; die Kämme find gezackt, die Wände ſteil, die Thalge— hänge tief gefurcht. Niedrige Granitberge haben ſanft anſteigende, gerundete Höhen, ohne nackte Felſen, oft in Ebenen auslaufend, mit muldenförmigen Thälern. Die Berge des Gneiſes haben eine viel einförmigere Phyſiognomie, als jene des Granits; fie erheben ſich terraſſenförmig / ſelten mit ſchroffen, zeriſſenen Abhängen, ohne

wilde, gezackte Gipfel; ihre Schluchten ſind ſanft, die Thäler breit, in einander verflieſſend sc. (Vergl. v. Leonhard's Lehrb. d. Geogn. u. Geolog. S. 531. Gehl. Phyſik. Wörterb. 3. B. S. 1072. ff.) Gebirge ſind Gruppirungen von Bergen. Die einzelnen ein Gebirge bildenden Berge können nach einer Richtung verlaufen, Ketten bilden, wobei die Längendimenſton überwiegt, oder ſie ſtellen bei mehr Gleichheit beider Dimenſtonen Maſſen dar, wo dann die verſchiedenen Abfälle oder auch auslaufenden Ketten in einem Gebirgsſtock zuſammenlaufen, z. B. am Harz, am St. Gotthard. In's Meer hineinragende Berge heißen Vorgebirge, Cap's. Schluchten (Klingen, Tobel) find kurze, ſchmale, ſchroff anſteigende, rinnenförmige Vertie⸗ fungen. Thäler ſind vertiefte Räume, welche Höhen trennen, und die Waſſer ableiten; an ihrem obern Ende verflieſſen fie mit den Bergen, oder gehen in eine Schlucht aus, mit dem untern verbinden ſie ſich mit einem andern Thale, oder einer Ebene.

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374 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Die Seiten eines Thales heißen Gehänge, der Grund Thalſohle, Thalweg. Man unterſcheidet Haupt- und Nebenthäler, Queer⸗ und Längenthäler, Strom-, See- und Meeresthäler. Letztere find von einem Fluß⸗„See⸗ oder Meerestheil erfüllt. Die Längenthäler ziehen der Hauptkette eines Gebirges parallel; fo das Wallis, Innthal. Die Queerthäler find viel häufiger, machen mit den Haupt⸗ gebirgsketten faſt immer rechte Winkel, zuweilen durchſchneiden ſie ſie auch. (Thal von Aoſta, ſehr viele Thäler vom Monte Noſa bis Südtyrol.) Manche Thaͤler liegen ſehr hoch über dem Meere; fo das Engadin von Zernetz bis zum See von Sils 4400 56007, das Val d'Aoſta 1850 - 76007, das Thal vom Deſaguaderoffuſſe

bis zum Fllimaniſee in den Anden über 12000, das Thal von Spiti im Himalaya 10400/. Querſpalten der Bergrücken,

Einſenkungen im Laufe des Gebirgs geben die Päſſe. Der höchſte europäiſche Paß iſt der über den Mont Cervin von 10270 /; der Port d'Oo und die Nolandbreſche in den Pyrenäen liegen 9200, über d. M. Der Simplonsp. 61747, der große St. Bernhardsp.

7662/, der Gotthardsp. 6650 /, in den Peruaniſchen Anden der Paß

von Altos de los Hueſſos 4137 Meter, der Paß von Altos de To⸗

ledo 4783 M., der Manerang im Himalaya 17449 / Par. b Die höchſten Bergſpitzen ſind meiſtens nackte, zackige Felſen; Auf

ihnen und in den höchſten Thälern ſammelt ſich der Schnee, wird durch

Regen und Sonnenwärme bei nachfolgender Froſtkälte in Eis ver⸗

wandelt, und bildet Gletſcher, Ferner in Tyrol, deren Maſſe unten dichter, oben lockerer iſt, und nach oben oft in körnigen Schnee, Firn genannt, verläuft. Nach Sauſſure, dem Eſcher von der Linth beitratt, gleiten die Gletſcher durch ihre eigene Laſt in den ſtark geneigten Felsthälern allmälig tiefer herab, um ſo leichter, als der wegen innerer Wärme nicht gefrierende Boden unter ihnen den Gletſcher unten abſchmelzt, und dadurch ſchlüpfrig wird. Charpentier will hingegen das Fortrücken der Gl. aus der Aus⸗

dehnung des in ihren Spalten gefrierenden Waſſers erklären, und

Hugi (nach mündl. Mitth.) aus einer allgemeinen Ausdehnung der Eistheilchen des Gl. ſelbſt. Die Gl. wachſen fortwährend am

obern Ende, und werden am untern verzehrt, mehr in warmen

als in kalten und naſſen Sommern, weßhalb ſie in letztern mehr zu wachſen ſcheinen. Bei'm Vorwärtsrücken ſchieben die Gl. Erd⸗ und Geröllmaſſen vor ſich her, welche ſich vor ihrem untern Ende als Gletſcherwälle, (Moraines, Gandecken, Gufferberge) aufhäufen. Das Gletſchereis iſt häufig uneben, wellenförmig, von Spalten durchzogen, die mit lockerm Schnee bedeckt, dem Wanderer Ver⸗ derben drohen. Von den Gl. wehen kalte Winde (Gletſcherge⸗ bläſe) herab, unter ihnen bilden ſich Eisgewölbe, aus denen oft Gewäſſer hervorkommen. An ſteilen Sees zerbrechen die em

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Phyſiſche u. plaſtiſche Verbältniſſe d. Erdoberfläche. 375

und ihre Eismaſſen thürmen fich wild und phantaſtiſch übereinander. Gewaltige Felsblöcke ſtürzen von den Gehängen der Felsthäler auf ſie herunter, und bleiben oft auf einzelnen Eispfeilern ſtehen, nachdem alles Eis rings umher weggeſchmolzen iſt. Steine der verſchiedenſten Größe rollen und fliegen mit großer Kraft jeden Augenblick von manchen Gl. herab, ſo daß es gefährlich iſt, ſich ihnen zu nähern. Das Gletſchereis iſt grünlich, bläulich, röthlich, oft voll Luftblaſen, oft dicht, mehr oder minder durchſichtig, bes ſonders ſchön am Nhonegletſcher. Die Gl. machen die angrenzenden Gegenden unfruchtbar, und ſteigen manchmal weit in die bewohnten Gegenden herab, fo der Vieſchergl. zu 4154“, die Grindelwaldgl. ſogar zu 4000 und 3450 /. In den Savoifchen und Schweizeralpen zählt man an 400 Gl.; große zuſammenhängende Maſſen derſelben, wie am Montblanc, Aletſch ze. zum Theil mehrere [I] Lieues groß, nennt man wohl auch Eismeere. Die Tiefe des Gletſchereiſes, oder die Dicke der Gl. beträgt 50 - 600 /. Ob die Gl. in der Schweiz im Allgemeinen zu⸗ oder abnehmen, ift ſchwer auszumitteln, jedoch erſteres wahrſcheinlicher. In den Pyrenäen findet man wenige Gl., in Norwegen nur am Nande der größern Schneelager, in den Kor— dilleren keine. Lawinen nennt man den Gebirgsbewohnern häufig höchſt verderbliche Schneeſtürze, und kennt von ihnen mehrere Gattungen. Sie bilden ſich von der Geſtalt der Felſen begünſtigt vorzüglich, wenn friſcher, lockerer Schnee auf den ältern, glatten, harten fällt. Wenn erſterer dann über letztern hinabgleitet, entſtehen die Staub- oder Winterlawinen, die oft durch den erzeugten Sturmwind verderblich werden. Die Früh⸗ lingslawinen kommen auf ſehr hohen Bergen (Montblanc. Noſa, St. Bernhard, Jungfrau, von welcher ihr Sturz ſehr leicht auf der Wengernalp beobachtet wird) auch im Sommer vor, und bilden ſich, wenn ein Theil Schnee wegſchmelzt, auf welchem andere Lagen ruhten, die nun herabrollen, Stücke von Gletſchern, Felſen mit ſich reißen, ſich allmälig zu großen feſten Maſſen zuſammen⸗ ballen, und mit Donnergepraſſel in die Thäler ſtürzend, Bine zerſchmettern oder vergraben und Flüſſe zudämmen. In der Schweiz unterſcheidet man insbeſondere Staubl., Grundl., Glet- ſcherl., Suoggil. Andere unterſcheiden Staubl., wo große lockere Schneemaſſen wie ein ſilberner Regen niederſtürzen, nur im Som⸗ mer, auf ſehr hohen Gebirgen, bei warmem Wetter beobachtet; Windl., durch allmäligen Anwuchs eines Schneeballs entſtehend, der ſich bei der leiſeſten Luftbewegung, ſelbſt bei'm Sprechen, vom Gipfel losreißen kann, und aus denen oft noch Rettung möglich iſt; Schlagl., gewaltige Schneemaſſen, von hohen Felswänden herabhängend, vorzüglich im Frühling bei Thauwetter oft viele 1000 / tief ſtürzend, verſchüttend, zerſtörend, Flüſſe dämmend.

376 Allgemeine Naturgeſchichte. Iv. Buch.

In den Gebirgen (und ohne Zweifel auch im Erdinnern, wie es aus der Bildung der Erde folgt, und worauf nach Parrot auch die Erſcheinungen ungleicher Schwere an verſchiedenen Orten

deuten) finden ſich häuftg Höhlen, horizontale oder geneigte,

ſelbſt vertikale Räume von der verſchiedenſten Ausdehnung And Geſtalt. Man kennt dergleichen im Kalktuff, Grobkalk (H. von

Lunel bei Montpellier) „Jurakalk (H. von Adlersberg in Krain), Juradolomit (die meiſten fränkiſchen Höhlen), Gyps (ſogenannte

Kalkſchlotten, häufig in den den Harz umgebenden ältern Gyps⸗ bergen), ältern und neuern Sandſtein, volithiſchen Kalkſtein (Kirkdaleh.), Muſchelkalk, Zechſteindolomit, Bergkalk, Leber gangskalk (H. von Elbingerode, Baumannsh.), körnigen Kalk (Grotte von Antiparos). Die Urgebirge haben keine H., denn die ſogenannten Kryſtallgewölbe z. B. der Berneralpen ſind nur Ver⸗ einigungen mehrerer gangartigen Spalten, über welche durch umſtür⸗ zungen ꝛc. eine Art Decke ausgebreitet iſt. Die Grotten in Laven und

Trachyten, z. B. in Peru und Quito find. Blaſenräume, durch Dampf⸗

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entwicklung in der noch weichen Maſſe entſtanden. Eingänge, Größe,

Abtheilungen u. ſ. w. der Grotten ſind ſehr verſchieden. Die H. von Caripe iſt nach Humboldt 2800 / lang, manche H. des Harzes bis 600%,

manche fränkiſche über 350 /. Einige H. ſtellen tempelartige Ge⸗

wölbe dar, andere geräumige Hallen, noch andere nur Schluchten oder Spalten. Manche H. durchziehen als natürliche Stollen ganze Berge oder einzelne Felſen, und gehen auf beiden Seiten zu Tage aus; ſo die ſogenannten Felſenthore, wie das Prebiſchthor, der Kuhſtall in der ſächſiſchen Schweiz, Bidda vich Re Lochlin, Uamwill

im Baſalt der Inſel Mull. Oft finden ſich ganze Züge aufeinander

folgender H. Manche H. verzweigen ſich in Gänge, oder ſind in Kammern abgetheilt, wie die Kirkdaleh. Gewiſſe Stellen am Boden oder an den Wänden erſcheinen oft geglättet durch das Anſtreifen oder Aufliegen der die H. einſt bewohnenden Thiere. Boden, Wände, Decke ſehr vieler H. ſind mit Stalaktiten über⸗ kleidet, Tropfſteinen von der allerverſchiedenſten Form, häuſig menſchliche Kunſtgebilde nachahmend, entſtehend durch mechaniſchen Niederſchlag aus den in die Höhlen durchſinternden Kalkwäſſern, welche in ihrer Kohlenſäure Kalkerde aufgelöst enthalten, und

dieſe nach dem Verluſt der erſten fallen laſſen. Viele Höhlen des Kalkgebirges umſchließen zahlreiche Knochen vorweltlicher Thiere. In den Eisgrotten oder Eishöhlen ſchmilzt das Eis auch im Sommer nicht. Dieſes wird dadurch möglich, daß fie hoch liegen, wodurch im Winter mehr Eis entſteht, als im Sommer geſchmolzen wird, ferner tief in's Gebirg hinabreichen, weshalb die kalte Luft in ihnen ſich nicht in die äuſſere warme zu erheben vermag, und

daß ſie durch die Richtung ihrer Eingänge nach N. oder O. ii

W

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 377

warme und feuchte Winde geſchützt ſind. Eishöhlen finden ſich unweit Befanson , bei St. Georg im Waadtlande 281 Toiſen über dem Genferſee, auf dem Vergiberge in Faueigny, 462 Toiſen über dem Genferſee, Schafloch am Rothhorn im Kanton Bern, 3700/ über dem Thunerſee, in Italien ꝛc. (Ueber Eis, Eisberge, Gletſcher, Eishöhlen vergl. Art. Eis in Gehl. Wörterbuch n. B. Bd. 3 S. 99. ff.) Manche H. enthalten tiefe Waſſerbehälter, Flüſſe, Seen; jene in Gyps entwickeln nicht ſelten ſchädliche Gaſe. Auch aus H. in vulkaniſchen Gegenden ſtrömen mephitiſche, tödtliche Gasarten, beſonders ſchweflichſaures Gas. Mephitiſche G. find die Grotta del Cane bei Puzzuole, eine bei Nibar in Ungarn, auf der Inſel Milo, bei Pyrmont, am Laacherſee, der Eifel, im Berge Budoſch in Ungarn, auf Guadeloupe. Aus manchen Eis⸗ höhlen kommen kalte Luftſtrömungen; man nennt fie Aeolush., in Italien Ventarole's, dergl. finden ſich am Monte Aeolo bei Turin, am Monte Teſtaceo bei Rom, eine bei Roquefort. In der merkwürdigen G. von Seelieze in Ungarn gefriert das herab— tröpfelnde Waſſer im Sommer zu mannsdicken Eiszapfen, während die Wärme im Winter das Eis ſchmilzt, und viele Thiere hinein⸗ lockt. Aus ihren großen und tiefen Räumen ſtrömt im Sommer kalte, im Winter warme Luft. Die Entſtehung der H. ging auf verſchiedene Weiſe vor fih. Es konnten einmal durch gewalt⸗ ſame plötzliche Erſchütterungen Schichten eingeſunken, verſchoben und dadurch H. gebildet worden fein, die dann abgefchnittene, kantige, nicht abgerundete Wände zeigen werden. In leichten, zerſtörbaren, zerklüfteten Felsarten hingegen können H. durch Auswaſchung entſtehen, wie Veltheim von den Kalkſchlotten glaubt, wo ein meiſt zwiſchen Zechſtein und Gyps gelagertes Flötz von erdigem Mergel (oder nach Freiesleben von Steinſalz) die nächſte Veranlaſſung zu den Auswaſchungen gab. Die H. im Bergkalke, wo dieſer mit altem, rothen Sandſtein auftritt, find oft augen» ſcheinlich durch Emporhebung entſtanden, wie die Störungen, Biegungen und Aufrichtungen der Schichten beider Felsarten zeigen. Auch Meeresfluthen können durch Ausſpülung H. bilden, wie z. B. die Fingalshöhle im Baſalt auf Staffa. Die von Glimmer⸗ und Thonſchiefer umſchloſſenen Grotten in Griechen⸗ land waren nach Virlet urfprünglich nur Spalten, durch Vulka— nismus entſtanden, aus denen dann ſaure und heiße Dämpfe und Gaſe hervorbrachen, welche die Wände angriffen und den Waſſern vorarbeiteten, welche ſpäter die Erweiterung dieſer Spalten zu Grotten herbeiführten. Auch durch Ausgrabung des Menſchen find große Höhlen entſtanden, fo die von Wieliezka im Salzgebirge, Whitehaven im Kohlengebirge, die Steinbrüche im Montmartre bei Paris, die Räume im Stahlberge bei Siegen, die H. im

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378 Augemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Petersberge bei Maſtricht, die Katakomben bei Rom, Neapel ꝛc. Unter die merkwürdigſten H. gehören: die Baumannsh. am Harze, reich an Stalaktiten und ſonſt auch an Petrefakten; die Bielsh. am Harze, mit herrlichen Stalaktiten, aber ohne Verſteinerungen; die Scharz⸗ felderh. auch am Harze, aus welcher ſonſt viele foßile Thier⸗ knochen gewonnen wurden; die Klutherth. und Sundwich⸗ oder Prinzenh., beide in der Grafſchaft Mark: in letzterer wurde eine Blasſchnecke gefunden, wie ſolche heut zu Tage die Maronneger gebrauchen; die Muggendorferhöhlen im Bayreuthiſchen, unter

denen vorzüglich bekannt find die Gailenreuther- und Roſen⸗

müllerh., beide reich an Tropfſteingebilden und Petrefakten, beſonders Schädeln des Höhlenbären; die Adelsbergerh. im Kalk⸗ gebirge unweit Trieſt, mehrere Stunden lang, mit vielen tiefen Abgründen, mit vielen zum Theil gigantiſchen Stalaktiten, von welchen einige natürliche Brücken bilden und dem in ihr fließenden und dann verſinkenden Bache Piuka, der bei Planina, wo die H. auch ausmündet, als der Laibach wieder zu Tage kommt; eine H. bei Urach in Würtemberg mit einem See; die grotte des demoiselles in den Cevennen unweit Ganges, ſehr groß, mit den mannigfachſten Stalaktiten; die grotte de notre dame de Balme in Dauphiné; die H. im Berge Cintro in Eſtremadura, auf dem

Capo de Roca im ſogenannten Korkkloſter endigend; die Caſtletonh.

oder Devil's arse im Derbyſhire mit einem See und Bach; die Eldon ⸗„ Pools ⸗, Ochy⸗, Wokeyhöhlen, ſämmtlich in England,

letztere mit einem aalreichen Bache; die Höhle bei Kirkdale,

ungefähr 25 englifche Meilen von Vork, nebſt vielen Höhlen bei Kirby⸗Moorſeide von Buckland beſchrieben und reich an Petrefakten; die Kilkornyh. in Irland, merkwürdig durch die zuweilen aus ihr ſtrömende Menge Waſſers; die Dolſteenh. in Herroe, welche

tief unter das Meer, bis nach Schottland hinreichen ſoll; eine

H. bei Friedrichshall in Norwegen von 39,866 59/049 Tiefe, in welcher man hinabgeworfene Steine erſt nach —2 Minuten auffallen hört; die H. Piscabara, ſeit 1692 Veterani's H. genannt, weil ſie Graf Veterani, wie 1788 Major Stein gegen die Türken vertheidigte, im TDemeswarer Bannat, unweit Orſowa, ein Bataillon faſſend, die Donau beherrſchend; die H. von Antiparos mit herrlichen Tropfſteingebilden. In Amerika finden ſich die merkwürdige Wäkon-Tibe oder Wohnung des großen Geiſtes am Miffifippi, Maddiſon's H., Baker's H., Ward's H., Benjamin Adam's H., in welcher ſich viele Salze erzeugen, die H. Caripe oder Cueva di Guacharo bei Macarapana, in welcher Tauſende von Nachtvögeln, Guacharos, leben. Die vorher erwähnte

Fingalsh. auf Staffa, einer der Hebriden, liegt unmittelbar über dem

Meere, von dem ein Arm in ſie eintritt, und den Boden eines Raumes

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 379

bedeckt, der 250 / lang, vorn 117 hoch und 53 / breit, hinten 70 hoch und 20 / breit, und von koloſſalen Baſaltſäulen umſchloſſen iſt, an welchen das Meer brandet und brauſet. H. in Lava find: die Surth. auf Island, und eine auf St. Michael. (Vergl. über H. „Beſchreibung merkw. H. ꝛc. von Roſenmüller und Tileſius. Lpzg. 1799 und 1805. 2 Bde. 8. m. 10 und 8 Kpf. Beſchreibg. d. größt. u. merkw. H. von Nitter. Hamb. 1801. Buckland, reliquiae diluvianae, Lond. 1826. G. v. Cuvier, die Umwälzungen der Erdrinde ꝛc., deutſch bearb. von Röggerath. Bd. 1. Bei 322. Bd. 2. S. 294 ff. ) . %* | a,

Vertheilung und Anordnung der vorzüglichſten Ge—

birge und Gewäſſer der Erdfeſte. Wir beginnen die Betrach— tung derſelben mit Aſien. Die Oberfläche ſeines Feſtlandes bildet in der Mitte ein ungeheueres Hochland von 340,000 UM. Aus- dehnung, das von Nandgebirgen umkränzt wird, oder in weiten Teraſſen und Alpenländern zu den Tiefländern abfällt. Die äuſſerſten Grenzen Hochaſiens liegen ungefähr zwiſchen 250 und 530 n. B.; es beginnt ſchmal mit den Bergebenen Kleinaſiens und Armeniens, ſetzt über Frans ſterile Hochebenen durch die Mitte des Erdtheils fort, und fällt mit dem Oſtrande, wo es ſeine größte Breite von faſt 500 M. erreicht, ſteil zum chineſiſchen Tieflande und japaniſchen Meere ab. Hochaſien zerfällt in zwei Theile. Das weſtliche Hochaſten umfaßt die ſchmalen Berg— ebenen Kleinaſiens, das armeniſche Hochland, und die Scheitelflächen Irans, hat eine mittl. Meeresh. von 4/000 / und iſt mild und zugänglich, mit der rauhen Oſthälfte verglichen.

Den Oſtrand der Weſthälfte bilden die Soliman- und Brahoö⸗ gebirge, den Südrand von der Mündung des Indus an, der Taurus in weiteſter Bedeutung, (deſſen bedeutendſter Gipfel, der Ardſchiſch in Karamanien ewigen Schnee trägt, und daher wenigſtens 10,000 / hoch fein muß); den Nordrand der Paropami⸗ ſus, Elburz, (ſteil abfallend gegen das kaspiſche M., ſein höchſter Gipfel iſt der über 10,000“ hohe Vulkan Demavend oder Darmavend); Ararat (die Höhen des kleinen und großen Ararat giebt Parrot auf 12,000 und 16,200 an,) und Antitaurus, und der letzterem parallele, durch eine tiefe aber ſchmale Eine ſenkung von ihm getrennte Kaukaſus, 150 M. lang, 18 23 M. breit vom Fort Anapa am ſchwarzen M. bis zur Spitze der Halbinſel Abſcheron am kaspiſchen M. ziehend, aus einer centralen, ſchneebedeckten Granitkette, mit Gletſchern und nördl. und ſüdl. Thonſchiefer⸗ und Kalkketten beſtehend, im Elbrus von 16,800“ und Kasbek von 14/400 / feine höchſte Erhebung erreichend. Das

380 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

viel größere öſtl iche Hochaſien beſteht aus mannigfaltigen Hoch⸗ ebenen, Plateau- und Nandgebirgen, Teilen Abſtürzen, ſanften Abdachungen und Einſenkungen. Die Geſammterhebung ſteigt im

SH. bis auf 8 10,000 / und darüber. Eine unnahbare Steilküſte

bildet von der Mündung des Amur bis Korea den Oſtrand des öſtl. Hochaſiens; der ſchang⸗pe⸗Schan oder Schan⸗alin, ein hohes Schneegebirge, Stammland der in China herrſchenden

Mandſchuh, im Norden Koreas ſteigt hier als Grenzwall auf,

gegen das Tiefland Chinas der In-Schan, Holang⸗Schan, und Siue⸗ſchan. Die gewaltige Gebirgskette des Altai im weiteſten Sinne, mit zahlreichen untergeordneten Gebirgsgruppen

bezeichnet den Nordrand des Hochlandes, beginnt im W. am

Dzaiſangſee, endet im O. bei Ochozk am großen Ocean, und iſt 550 M. lang. Man unterſcheidet in ihm den eigentlichen Altai, zu dem ſehr reiche Erzgebirge gehören, und der ſich in den ulbinskiſchen Schneealpen bis 9/00 / erhebt; den Khanggai,

Mittelgruppe des ganzen Altaiſyſtems; und die Oſtgruppe, Kantei

und Khing⸗gan genannt, mit den hohen vulkaniſchen Ketten Kamtſchatkas in Verbindung tretend. Das Gebirgsſyſtem des Himalaya, das in weiterem Sinne von Südchina und den Gebirgen Siams bis zum obern Indus reicht, bildet den Süd⸗ rand Hochaſtens, und trennt Indien vom tatariſchen und mongo⸗ liſchen Hochlande. Es enthält die höchſten bekannten Schneegipfel der ganzen Erde, wie den Dhawalagiri 26,460 engl., Swe⸗

tagiri, Tſchandragiri, wenig niedriger, Dhaidun, 20,40%

die Rieſengruppe des Jawahir, mit 17 bis jetzt gemeſſenen

Piks, von welchen der Puncha-Chola 21/209 / der Jumla

21/3260 hat. Zwiſchen Altai und Himalaya, und ihnen parallel vorlaufen durch Hochaſten noch die aufgeſetzten mächtigen Plateau⸗

gebirge des Thian-Schan (Himmelsgebirge) und Küen⸗Lün.

Jener beginnt in W. unter 420 nördl. Breite mit dem Muz⸗ Dagh, ſetzt gegen O. S. O. als Pe-Schan, Bogdo-Oola 250 M. fort, und verliert ſich in die breite Steinwüſte der Gobi. Er ragt weit in die Schneeregion hinein, und ſcheint vulkaniſcher Natur; wenigſtens liegen die Vulkane von Pe⸗ſchan oder Ho⸗ ſchan und der von Hotſcheu in ihm. Zwiſchen ihm und dem Altai liegt die Dſungarei und das Thalbecken des JIli. Der Küen⸗Lün, ein ungeheueres Schneegebirge, unter 35 ½ n. B. heißt am Weſtende Thſung⸗Ling und verbindet ſich hier durch den Bolor oder Belur-Tagh mit dem Hindu Khu und Himalaya, wobei ſich im turkeſtaniſchen Alpenlande der Weſtabfall Hochaſtens bildet, ſtreicht an Tibets Nordgrenze oſtwärts bis in die chineſiſche Provinz Schanſt, bildet dort als Kulkun den

ungeheuern Gebirgsknoten, in dem die Quellen des Hoangho und

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Phyſi ſche u. laſtiſche eren d. ah. 381

Yang ⸗tſe⸗Kiang e und Wendet fh. mit dem Südoſt⸗ rande. Zwiſchen Küen-Lün und Himalaya liegt Oſt- und Weſt⸗ tibet mit H'Laſſa und Ladak; zwiſchen Thian-Schan und Küen⸗ Lün die kleine oder hohe Bukharei. Der vorher erwähnte Hindu⸗ Khu oder Hindu⸗Khuſch, das ſchneebedeckte Alpenland von Kabul vom Balkh und den Tiefebenen der Bukharei trennend, mit manchen feiner Schneehäupter vielleicht über 20,000 / anſteigend, vom Indus 88 M. lang gegen N. W. ziehend, iſt ein Ver⸗ bindungsglied zwiſchen dem nördl. und weſtl. Hochaſten. Kleinere abgeſonderte Hochländer ſind die Plateau's von Syrien, von Nadſched in Arabien, und die Halbinſel Dekan in Vorder⸗ indien, deren Nordrand das Vindhia gebirge, deren Weſt- und Oſtrand die Ghats bilden. Die Tiefländer Aſtens nehmen 284,000 EM ein, unter ihnen Sibirien, welches im W. durch den Ural von Europa geſchieden wird, und ſich öſtlich über den ganzen Erdtheil erſtreckt, allein 186,300 [M. Die bukhariſche Dief⸗ ebene um das Kaspi⸗ und Aralmeer, ein alter Seeboden, iſt eine ſandige, ſalzreiche , wüſte Steppe. Ihm zu Theil ähnlich iſt das meſopotamiſch-babyloniſche Tiefland. Die ſüd⸗ aſiatiſchen Tiefländer find hingegen äuſſerſt fruchtbar. Seen finden ſich in Aſten beſonders um den Nordrand des Hochlan—

des, theils Alpenſeen, theils ſehr ſeichte, ſalzreiche Step⸗

penſeen, theils wirkliche Binnenmeere, Reſte eines Oceans. Vorzügl. merkwürdig find: Wan und Urmia in Armenien, Kaspiſches Meer, 140 M. lang, 63 M. breit, 6,000 IM. groß, an 100 TDoiſen tief, ohne Ebbe und Fluth, mit vielen Fiſchen und (wie folgendes mit) Seehunden; Aralmeer, früher ohne Zweifel mit vorigem zuſammenhängend, 45 M. lang, bis 30 M. breit, 1124 IM. groß, Balkaſch, Iſſekul, Dſaiſang, Baikal, ein Alpenſee in Daurien, 84 M. lang, an 20 M. breit, gegen 500° Schuh tief, von ſenkrechten Felswänden und Schnee⸗ bergen umgeben, oft bei ganz mäßigem Winde aus innern Wallungen heftig tobend, mit großen Eisſäulen und Eisbergen im Winter. Im Südrande liegen der Khuku-Noor und Tengi⸗ Noor; zwiſchen dem Thian-Schan und Küen⸗Lün der Lop⸗ Noor, in Paläſtina das todte Meer. Von den Strömen gehen

zur nördl. Abdachung gegen das Eismeer: Qbi, mit einem Strom⸗

gebiet von 64,000 M., Länge des Laufes über 3000 Werft;

FJeniſei, Stromgeb. 47,000 [IM , Länge des Laufes gegen

4000 Werſt; Lena, Stromgeb. 36,500 M., Länge des Laufes

4230 Werft; Indigirka, gegen 1200 W. lang; Kolyma, gegen 1500 W. lang; zur öſtl. Abdachung in den ſtillen Oeean /

und gegen SO. in das chineſiſche Meer fließen: Anadyr, Amur, Hoangho, Länge des Stromlaufes etwa 430 M.; Yang -

382 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

tſe⸗Kiang, von mehr als 600 M. Länge; Cambodja oder Mai⸗Kiang, Menam. Zur ſüdl. Abdachung, in den indiſchen Ocean ſtrömen: Pegu und Jradwaddy, letzterer von 270 M. Länge, Ganges, 300 M. lang, Stromgeb. mehr als 20,000 M. und Brahma⸗putra, Sind oder Indus, und der aus dem Frat oder Euphrat und Tigris entſtehende Schat-el-Arab. Zum kontinentalen Tieflande, zur innern Abdachung Aſtens gehen die aus Europa kommende Wolga, 430 M. lang, mit einem Strom⸗ geb. von 30,100 M., der Ural, Länge 1500 Werſt, Kur; dieſe drei ſämmtlich ins kaspiſche M. Amu (Dihon oder Dſchi⸗ hon), Kiſil, Sir (Sihon) in das Aralm. Die zahlreichen Steppen⸗ - flüffe verfiegen zum Theil, oder fließen in die Steppenfeen. Europa zerfällt in ein ſüdweſtl. Gebirgs- und Hochland, und in ein nordw. Flach- und Tiefland. In erſterem dehnt ſich das Alpenland zwiſchen 44 480 n. B. und 22 340 6. L. in einem 150 M. langen, nach N. gekrümmten Bogen durch Frankreich, die Schweiz, Italien, Deutſchland, Kroatien, Slavonien bis zur türkiſchen Grenze hin: im W. an 20, im O. an 40 M. breit, 4,500 [M. groß. Im W. wird das Alpenland durch das tiefe Rhonethal, das Wallis begrenzt, an feinem ſüdl. Fuße liegt das lombardiſche Tiefland, das Pothal, am Nordabfalle das obere Donauthal, oder die bayer’fche Hochebene, im O. das Tiefland der mittlern Donau, oder die ungariſchen Ebenen. Das ganze Alpenland beſteht aus mehreren parallelen Ketten, (mit dazwiſchen liegenden Thälern) deren mittelſte die über 14/000 / anſteigenden Hoch- oder Uralpen ſind, an welche ſich in N. und S. die an 8,000 hohen Mittelalpen anſchließen, an die ſich dann die auf 5,000 / erhobenen Vor- oder Kalkalpen anlehnen. Centralalpen nennt man die Gebirgsregion, welche im W. vom Montblanc, im O. vom Großglockner begrenzt wird; die Berner⸗ alpen ſind ein Zweig hievon; in ihnen finden ſich die höchſten Gipfel, wie der Montblanc, 14,764, Mont-Cervin oder Matter⸗ horn 13/900 / Monte Noſa 14,222/, Jungfrau 12,851/ Finſteraarhorn 13,117’, Dödi 12,890/, Orteles 12,060“, Großglockner 14/737 ꝛc. Durch Mitteleuropa verläuft ein zweiter, großer bogenförmiger Berggürtel, die europäiſcheu Mittelgebirge, der am Golf von Marſeille beginnend, durch Südoſtfrankreich, die Mitte Deutſchlands und Ungarn bis zur Donaumündung reicht, und aus einer Menge beſonders benannter Bergzüge beſteht: als den Cevennen, Gebirgen von Auvergne, Vogeſen, Schwarzwald, Oden⸗ wald, Taunus, Speſſart, Rhöne, Thüringerwald, Harz, Fichtel⸗ gebirge, Böhmerwald, Erzgebirge, Sudeten, Karpathen, welche letztere allein die Schneegrenze erreichen. Der Kamm der un⸗ geheuern Granitmaſſe des Centralſtocks der Karpathen iſt im

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Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 383

Mittel 6,000 6,500/ hoch; über ihn erheben fich die Lomnitzer⸗ ſpitze von 8,1337, Eisthalerſpitze 8,100“, Wiszoca und Eſabi 7,8807 ꝛc. Die Gebirge der italiſchen Halbinſel hängen mit der weſtl. Abtheilung der großen Alpenkette zuſammen, jene der türkiſchen Halbinſel mit denen der öſtlichen. Die ſkandina— viſche Halbinſel ſtellt ein eigenes Gebirgsganze dar; fie erhebt ſich als Hochland ſteil aus dem Meere, auf breitem Felsrücken die nordiſchen Alpen und das Kjölengebirge tragend. Kein Gipfel ſteigt bis 8,000“ an; Mugnafield hat 7,400, die Skageſtöl⸗Dind 7/600 / und 7½100/, Snöhättan 7,100 /. Auch die pyrenäiſche Halbinſel iſt ein iſolirtes Ganzes, von zahlreichen netzförmig verzweigten Gebirgen durchzogen, welche aber mit dem nördlichen Grenzwall, den Pyrenäen zuſammenhängen, noch an Spaniens Südküſte, in der Sierra Nevada die Schneelinie überragen, und ſich im Innern zum kaſtiliſchen Hochlande, dem höchſten Europa's erheben. Die höchſten Gipfel der Pyre— näen überſteigen die Schneegrenze; fo der Pie d'Anethou 10,482, Marbore 10,374/ 1c. Im Innern erhebt fich die Sierra de Gua— darama bis 8,000, Die höchſten Gipfel liegen in der Sierra de Nevada; fo der Cumbre de Muleyhacem von 11,000 /. Auch die Gebirge Großbrittaniens ſtellen abgeſonderte Syſteme dar. Im Allgemeinen erhebt ſich dieſes Land von S. nach N.; die höch- ſten Spitzen erreichen nicht 55000 /. Das europäiſche Dief⸗ land, an 100,000 UM. groß, beginnt im Weſten bei Calais, Hund endigt im Oſten am Ural und im Kaukaſus. Es beſteht aus Diluvial⸗ und Alluvialland, iſt reich an Seen und großen Strö— men, und begreift die fruchtbarſten und zum Theil am ſtärkſten bevölkerten Gegenden des Erdtheils. Ein Steigen des Meeres von nur 1/000 / Fuß reichte hin, dieſe ungeheure Landſtrecke faſt ganz unter Waſſer zu ſetzen, und aus Skandinavien eine Inſel zu bilden. Die Richtung der europäifchen Flüſſe wird durch eine Hauptwaſſerſcheide beſtimmt, die beim Cap Tarifa an der Meerenge von Gibraltar beginnend, nordoſtlich über Hochgebirgs-, Mittelgebirgs⸗ und Flachländer bis zum Ural zieht. Durch fie entſteht eine große nordweſtliche Abdachung zum atlantiſchen Ocean und nördl. Eismeere, und eine ſüdöſtliche zum Mittel⸗ ſchwarzen und kaspiſchen Meere. Zur nordweſtl. Abdachung und zwar in's Eism. ergießen ſich Petſchora, Länge 143 M., Strom⸗ geb. 3,050 UM. und Dwina, L. 160 M., Stromg. 5,900 [M.; in's baltiſche M. Newa, der Abfluß aller Gewäſſer des Ladoga⸗ fees, Düna, L. 140 M., Stromgeb. 1,350 M., Niemen, Weiche fel, L. 130 M., St. 3,580 M., Oder, L. 134 M., Stromg. 2,400 [IM.; in die Nordſee: Elbe, L. 120 M., Stromg. 2,000 M., Weſer, Stromg. 875 UM. Rhein, L. 200 M., St.

364 Mlgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

3,598 M.; in den Kanal: Seine, L. 85 M., St. 1,240 M.; ins aquitaniſche Meer: Loire, L. 130 M., St. 2/380 UM. und Garonne, L. 80 M., Stromg. 1,440 M.; in den atlantiſchen Ocean: Duero, Tajo, Guadiana, L. 105 M., Stromg. 4,210 LIM., Guadalquivir, L. 65 M., St. 940 UM. Zur ſüdöſtl. Abdachung ſtrömen und zwar in das Mittelm.: Ebro, L. 80 M., St. 1,220 IM., Nhone, L. 100 M., St. 1,760. M., Po, L. 88 M., St. 1,800 M.; in das ſchwarze M.: Donau, L. 400 M., St. 14,23 M., Dnjeſtr, L. 110 M., St. 1,440 M., Dnjepr, L. 240 M., St. 8,350 UM. ins azow'ſche M.: Don, L. 195 M., St. 7,960 M.; in's kaspiſche M.: Wolga, der größte Strom Europa's, 430 M. lang, mit einem Stromg. von 30,100 [M., Ural. Die Flüſſe Großbrittaniens und Ir⸗ lands fließen theils zum atlantiſchen Ocean, theils zur Nord⸗ fee. Die Seen Europa's liegen in einer weiten Zone nord⸗ und ſüdwärts von den Kalkalpenketten, vorzüglich zahlreich an ihrem nördlichen Fuße, 1,200 2,3007 hoch; ſo der Genferſee, 1/226 / über d. M., 5% M. groß, 12½ St. lang, bis breit, 949 / tief; Neuenburgerſ., Bielerſ., Vierwaldſtätterſ., Züricherſ., Bodenſ., 1/233“ über d. Nordſee, UM. groß, 16 St. lang, 5 St. breit, 964/ tief; Ammerf,, Würmf., Chiemf., Traunſ. u. v. a. Die Seen des Südrandes find weniger zahl⸗ reich, und ihr Niveau nur 600 700 / über das M. erhaben; ſo der Lago maggiore, Lago di Lugano, di Como, d' Iſeo, d'Idro, di Garda. Eine Menge, doch nur kleine, Seen liegen auf der Gebirgskette ſelbſt, zum Theil bis 7/000“ hoch. Am Oſtfuße der Alpen liegen der Neuſtedel- und Plattenſee. In der ſkandinavi⸗ ſchen Halbinſel liegen der Mälar-, Hielmar-, Wener⸗ und Wetterſ. auf der ſüdöſtl. Senkung des ſchwediſchen Hochlandes. Im europäiſchen Tieflande liegen zahlreiche, meiſt kleine Seen um die Süd⸗ und Oſtufer des baltiſchen Meeres, meiſt höher als die benachbarten Stromthäler; die größten europ. S. finden ſich um den finnifchen Meerbuſen; fo der Ladoga, 292 IM. groß, 25 M. lang, 15 M. breit; Onegaſ., 30 M. lang, 10 M. n Seimaſ., Ilmenſ., Peipusſ., 12 M. l., 10 M. br.

In Afrika bildet der ganze Süden vom Kap bis gegen 80 n. B. ein zuſammenhängendes, noch wenig erforſchtes, ohne Zweifel ſtark bevölkertes Hochland von 2/000 / 7,000 Erhebung, welches zum indiſchen und atlantiſchen Ocean mit Terraſſen ab⸗ fällt, deren Gebirgszüge häufig der Küſtenrichtung parallel lau⸗ fen. Eine Vorſtufe des Südabfalls find die Kar roo's, gegen 3,000 / hohe Ebenen, welche nördlich durch die Schneegebirge, Nieuwevelds gebirge, die ſich gegen 10/000 / erheben, und Noggeveldsgebirge begrenzt werden, über welche man zum

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 385

eigentlichen Hochlande gelangt. Den Küſten Sofala's und Mo⸗ zambique's entlang läuft das Beth⸗, das Lupata- und Fura⸗ gebirge, innerhalb welchen wieder das Hochland liegt. Auf der Weſtſeite erheben ſich vom Cap Negro bis Cap Lopez in Nieder⸗ guinen die Stufenländer des Zaire ꝛc., zum Theil in erzreichen Gebirgszügen zum Hochlande. Am Buſen von Biafra ſteigt das Hochland der Amboſer zu Gipfeln von mehr als 13,000 / auf; nördlich von ihm findet ſich eine große und tiefe Senkung, das Deltaland des Quorra, und jenſeits derſelben nordweſtlich, erhebt ſich als getrennter Theil des Hochlandes der Hochſudan, ein weites Gebirgsland, welchem Senegal und Gambia nach RW. , der Djoliba nach NO. entſtrömen, das nach SW. mit dem Cap Sierra Leona in's Meer tritt, nach NW. mit der Terraſſe der Fulah's nach den Ebenen Senegambiens, nach O. und NO. durch die Mandigoteraſſen zu den Tiefländern Innerafrika's abfällt. In ihm erheben ſich die Küſtenländer Oberguineg's zu den Berg— terraſſen der Aſhantis und von Dahomey, und ſeine böchſten Theile heißen das Konggebirge. Der Verlauf des Nordrands Hochafrika's durch die Mitte des Erdtheils iſt faſt unbekannt. Sein Kern, die Mondgebirge, Gibbel el Komri, ſchließt ſich im Oſten an das nach N. abfallende Teraſſenland Habeſch an, aus dem der öſtliche Nilarm kommt; die Verzweigungen der Mondgebirge nach W. ſind unbekannt. Im vollkommnen Gegen⸗ ſatz zum hohen Südafrika ſteht das tiefe Nordafrika. Es zerfällt in die Stufenländer des Nil, Nubien und Aegypten, (die Gebirge, welche in ihm den Nil begleiten, heißen auf dem rech— ten Ufer Mokattam, auf dem linken lybiſcher Gebirgszug), den flachen Sudan oder Nigritien, vom Jjoliba durchſtrömt, mit großen Binnenſeen und den weſtlichen Quellſtrömen des Nils, das eigentliche Tiefland der Sahara, von kaum 500/ Seehöhe und

endlich in die getrennten Gebirgsländer, die Plateaus des Atlas und |

von Barka. Die Seen Afrika's find nicht zahlreich und wenig bekannt. In Sudan finden ſich: der vom Djoliba durchſtrömte Dibbie in der Nähe von Tombuktu, der Tſchad in Bornu, wel⸗ cher 900 UM. Flächeninhalt haben ſoll, der noch öſtlichere Fittre, und der große Sumpfſee Wangara; in Habeſch der 10 M. lange, inſelreiche Dembea oder Tſana, der große Alpenſee des öſtlichen Nil; in Südafrika auf der Weſtſeite der zweifelhafte Achelunda, welcher von S. nach N. 100 Stunden lang ſein ſoll; auf der Oſtſeite ein großer langer Sumpfſee, deſſen Nordtheil Zambre oder Zembere, deſſen Südtheil Maravi genannt wird. Die mer nigen großen Flüſſe Afrika's ſcheinen nicht auf dem Hochlande, ſondern auf den Vorteraſſen zu entſpringen, und erreichen nicht die Länge des Laufes, wie jene Aſten's oder Amerika's. Viele

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386 gemeine Batungefhihte IV. Buch.

Küſtenflüſſe verſiegen im Sande. Manche Flüſſe haben Barren, Riegel von Sand an der Mündung. Der Nil iſt der einzige größere Fluß, welche zur nördl. Abdachung, nach dem Mittel⸗ meere ſtrömt. Sein öſtlicher Quellſtrom, der Bahr el Azrek oder blaue Fluß kommt aus dem abyſſiniſchen Gebirge Gojam. Der weſtl. Quellſtrom Bahr el Abiad oder weiſſe Fluß kommt von W. aus unbekannten Fernen, vom Nordrande Hochafrika's oder vielleicht aus dem See Tſchad. In das atlantiſche M. von N. nach S. fließen Senegal, Gambia, Nio grande, Djoliba oder Quorra, (als erſterer vielleicht der Niger der Alten,) Zaire, Coanzo, Qranje⸗ Niver. Zum indiſchen O. gehen: Zambeſe, Quilimance. Zum See Tſchad: der Dean und Shary. Es iſt ungewiß, ob alle Ge wäſſer Tiefſudans in den großen Binnenſeen zuſammenfließen, und dort verdunſten, oder mit dem weſtlichen Nilarm oder dem Djioliba kommuniziren. Von den Flüſſen des eigentlichen Hoch⸗ landes iſt nichts bekannt.

Amerika tritt mit den durch Kontraſt von Hoch⸗ und Tief⸗ ländern ausgezeichneten Erdtheilen der Oſthälfte in Gegenſatz, und erhält ſeinen Charakter durch ein ungeheures Kettengebirge, die Cordilleras de los Andes von 1,900 M. Länge und einer mittl. Breite von nur 15 M., welches im W. zwiſchen ſich und dem Oceannur eine ſchmale Küſtenterraſſe von 10 15 M. Breite läßt, während im O. fich an daſſelbe unermeßliche Tiefländer von 400,000 IM. Flächeninhalt anſchließen. In Südamerika fallen die Andes gegen SO. zum Tieflande des la Plata, in der Nord⸗ hälfte zu dem des Maranon ab, und es laufen in dieſer Nic)» tung von ihnen vier Gebirgsjoche als Strebepfeiler aus: die Sierra de Cordova, Sierra de Salta, Sierra nevada von Cochabamba und Santa Cruz, und die Sierra von Beni. Von 180 ſ. B. bis 7e n. B. ſpalten ſich die Anden (höchſt eigenthümlich) neunmal in zwei, ſelbſt drei parallele Ketten, die ſich in Gebirgsknoten vereinigen, um ſich abermal zu trennen. 6,000 12/0007 hohe Plateau's, zum Theil mit mildem Klima, bis 14,000/ bebaut, mit Städten und Dörfern beſetzt, erfüllen den Raum zwiſchen dieſen von S. nach N. geſtreckten Ketten, die mit den ſchmalen von ihnen auslaufenden Seitenzügen herr⸗ liche Gebirgslandſchaften bilden. Etwa um 30 f. B. ſcheidet ſich das Alpenland von Peru von dem von Quito. Im erſtern finden ſich die höchſten gemeſſenen Schneepiks; fo der Nevado von Chu⸗ quibamba 20,640°, Illimani 22/940 /, Nevado de Sorata 23,640 /; im letztern iſt der Chimbora geo von 20,100/ der höchſte Punkt; die mittlere Höhe der Andes iſt 1/100 /. Faſt alle Schnee⸗ piks (Nevados) der Anden Südamerika's ſind erloſchene oder noch | thätige Vulkane; zerſtörende Erdbeben find ganz gewöhnlich.

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche, 387

Unter n. B. ſpalten ſich die Andes in drei Zweige, heißen Cordilleren von Neugranada, und vereinigen ſich nicht wie⸗ der, ſondern fallen in das Tiefland zum Meere und zur Land⸗ enge von Panama ab, deren ſchmalſte Stelle nur 600 / Meeres⸗ höhe hat, während ſich die Silla de Veragua zu 8,400 /, die Cor⸗ dillere von Nicaragua und Guatimala mit zahlreichen Vulkanen wieder zu 10,000 erheben. Die Cordillere von Mejiko dehnt ſich zu den 700“ hohen Plateaus von Anahuae und Guns naxuato aus, auf denen noch um 8 10,000 höhere Schnee— und Feuerberge ſtehen, fo der Sitlal tepetl 16,320/ Popoca tepetl, 16,626“, Iztae zihuatl 14,730 und von denen Terraſſen nach O. und W. abfallen. Das breite mejikaniſche Gebirgsganze theilt ſich unter 210n. B. in 3 Zweige: die gegen NO. bis zur Vereinigung des Miſſouri und Miſſiſtppi laufende Cordillere von Teras, die nach W. bis zum Nord⸗ ende des Buſens von Californien ziehende Cordillere von Sonora, und die Sierra Madre in der Mitte, deren Hoch— ebenen zum Plateau von Neumefiko fortſetzen, das weiter nach N. in die Nocky Mountains übergeht, die ſich in Gipfel bis 11,0007 erheben, und am Polarmeer enden. Abgeſonderte Gebirgs— glieder find in Nordamerika: das Küſtengebirge von Cali⸗ fornien, im Eliasberg bis 16,9007 anſteigend, und das Kettenſyſtem der Alleghanys; in Südamerika die Hochländer von Guyana (Gebirg von Parime) und von Braſilien. Die Flach⸗ und Tiefländer Amerikas find reich bewäſſert, fruchtbar, zum Theil mit unermeßlichen Urwäldern oder Grasfluren bedeckt, nur im äuſſerſten Norden ſehr kalt und ſteril. Amerika's Ströme find die längſten, waſſerreichſten der Erde, undam weiteſten ſtromaufwärts ſchiffbar. Die Hauptabdachung geht nach O., SO. und S., alſo nach dem atlantiſchen Oeean. Unter den Haupt: ſtrömen wendet ſich nur der Columbia, in Nordamerika das große Kettengebirge durchbrechend, zur weſtlichen Abdachung und zum ſtillen Ocean. Von großen Strömen hat Nordamerika (auſ— ſer zahlreichen aber wichtigen kleinen) noch den St. Lorenz, wel⸗ cher das Waſſer einer ganzen Kette von Seen in die St. Lorenz⸗ bai des atlantiſchen Oeeans führt, den Miſſiſippi (mit Ohio und Miſſouri) 640 geogr. M. lang, und Rio del Norte, die ihre Fluthen in den Golf von Mejiko wälzen. Noch größere Ströme hat Südamerika. Von O. nach W., dann nach N. hierauf nach O. geht der Oronoko, L. 320 M., Stromg. 17,600 U◻ M., der ſich durch den aus ihm kommenden, in den Rio del Norte einmündenden Caſſiquiare auf eine höchſt merkwürdige Weiſe mit dem Amazonas verbindet; von W. nach O. Maranon oder Amazonas (mit dem Rio Negro), der größte Strom der Erde, 730 M. lang, Stromg. 88,400 M.;

388 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

von N. nach SO. der Rio de la Plata, 460 M. lang, Stromg. 71,700 UM. An großen zufammenhängenden Seen iſt Nord⸗ amerika reich. Im W. von der Hudſonsbai liegen die kanadi⸗ ſchen Seen, die ſich gegen N. durch den Mackenzie und Kupfer⸗ minenfluß mit dem Polarmeere, gegen O. durch den Albany und Savern mit der Hudfonsbai verbinden. Zu ihnen gehören der Sklavenſ., 1,400 IM. groß, Athapescowſ., Winipegſ., Wäl⸗ derf. Im S. der Hudſonsbai liegen die Lorenzoſeen, zuſam⸗ men 4,600 UM. groß, deren Gewäſſer der St. Lorenz abführt. Sie find der Superiorſ., 360 engl. M. lang, 140 M. breit, gegen 1,200 / tief, 1,980 UM. groß, faſt ein Süßwaſſermeer, ſehr klar; Huronſ., 218 engl. M. lang, bis 160 M. breit, 766 A/ groß, an 900/ tief; Michiganſ., 64 M. l., nirgends über 10 M. breit, 900/ tief; Erieſ., 270 M. I., 63 M. br., 507 UM. groß; Om

tariof., 230 M. l., 60 M. br., 300 / tief, 582 UM. groß. In

Südamerika finden ſich nur zwei größere Seen, der Maracaybo

und der große Alpenſee Diticaca, 12,000 / über d. M., 250 IM. groß.

Die Kenntniß des Kontinents von Auſtralien beſchränkt ſich auf wenige Küſtenſtriche, beſonders an der Oſtſeite, und die Bo⸗ denverhältniſſe zeigen faſt allenthalben große Einförmigkeit; die Küſte iſt meiſt flach, ſandig, öde, nur hie und da ſehr fruchtbar,

die Landungsſtellen wegen vorliegenden Niffen und Inſelchen ſchwer

zugänglich. Parallel mit der Südoſtküſte ſtreichen die blauen Berge, ein Gebirge aus mehreren Ketten beſtehend, mit äuſſerſt wenigen Päſſen, voll ſteiler Abhänge und tiefer Schluchten, in einzelnen Gipfeln vielleicht an 7/000 / anſteigend. Am jenſeitigen Abhang deſſelben finden ſich ſchöne Thäler und Fluren, dann weite Ebenen, von etwa 1,5007 Meereshöhe, die fich aber nach dem Innern zu ſenken, und ſich in undurchdringlichen Sümpfen verlieren, wohin auch viele Flüſſe ſtrömen. Es ſind zahlreiche, jedoch nur kleine Seen vorhanden. In die Binnenſümpfe ſcheinen ſich zu verlieren der Caſtlereagh, Lachlan, Macquarie; von letzterm aber iſt es höchſt wahrſcheinlich, daß er durch die

Sumpfregion dem Meere zuſtröme. Der Morumbidgee entſpringt

nicht ferne von der SO.-Küſte, und mündet an der SW.⸗Küſte in den brakiſchen, 50 engl. M. langen, 40 M. breiten, ſehr ſeich⸗ ten See Alexandrina, der mit der Encounterbai in Verbindung ſteht. Der Brisbane und Tweed, deren Quellen noch unbekannt ſind, fallen an der Oſtſeite in's M. Küſtenflüſſe, welche durch Ueberſchwemmungen verheeren und befruchten, ſind der Endeavour, Hawkeesbury, St. Georgs- und Cookfluß, welche im O. Schwanenfl., Salzwaſſerfl., Wilhelmfl., Remiſſensfl., welche im W. in's Meer fallen; endlich der in den Meerbuſen von Kar⸗ pentaria mündende Caron. (ueber die vorſtehenden Verhältniſſe

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhäftnife d. Erdoberfläche. 889

vergl. Zeune's und Nitter's Werke. Eine fehr gute Zuſammen⸗ ſtellung hat auch Hörſchelmann in der von ihm bearbeiteten öten Aufl. von Stein's Handb. d. Geogr. u. Statiſtik gegeben). f

Es bleibt uns noch übrig, ein Wort über die Vertheilung der Feuerberge, Solfataren und Salſen (deren Charakteri⸗ ſtik jedoch erſt ſpäter zu geben iſt,) über die Erdfeſte zu ſagen. Die Vulkane ſind nicht ohne Zuſammenhang über die Oberfläche der Erde vertheilt, ſondern bilden Gruppen, Syſteme, und vul⸗ kaniſche Regionen. Namentlich umgiebt den ſtillen Ocean ein un⸗ geheurer Kreis von V. Die Oſtküſte des alten Kontinents, alſo Aſiens, iſt nämlich von Nord nach Süd von einer langen Kette noch brennender Vulkane begrenzt, (die malayiſchen Inſeln ent⸗ halten davon die meiſten) und die ganze Weſtküſte Amerika's von den Aleuten und dem Vorgebirge Alakſa bis Feuerland iſt mit ihnen beſetzt, während das amerikaniſche Feſtland auf feiner Oſt— küſte keinen einzigen hat. Sehr merkwürdig iſt es, daß man in den beiden Meeren zwiſchen dem Nord» und Südtheil des alten und neuen Kontinents, alſo im europ. Mittelmeer und Meer der Antillen ebenfalls Vulkane findet. Man kann überhaupt auf der Erde ſechs Re⸗ gionen noch jetzt thätiger V. annehmen. Die erſte und größte um⸗ faßt alle jene in Amerika und ſeinen Inſeln, welche den ſtillen Ocean begrenzen, ferner die der Oſtküſte Aſtens und ſeiner In⸗ feln an der Grenze desſelben Oceans und in ihm; die zweite be> greift die des europäiſchen Mittelmeers; die dritte jene des ame⸗ rikaniſchen Mittelmeeres; die vierte die V. Islands und Grön⸗ lands; die fünfte jene der Azoren und Kanarien; die ſechste die V. Centralaſtens. Leop. v. Buch hat bekanntlich vor längerer Zeit unter den V. Central⸗ und Reihenv. unterſchieden, eine Trennung, welche ſich jedoch kaum ſtreng durchführen läßt. Alle Centralv. bilden nach ihm den Mittelpunkt zahlreicher, um ſie her faſt nach allen Seiten gleichförmig wirkender Ausbrüche, und ſteigen aus baſaltiſchen Umgebungen empor, obwohl ihre Kegel faſt ohne Ausnahme durch Trachyt gebildet ſind. Von andern bes ſonders primitiven Geſteinen zeigt ſich kaum eine Spur, oder fie ſind doch ſehr entfernt, und mit ihnen in keinem unmittelbaren Zuſammenhange. Die Reihen vulkane hingegen liegen in Reihen hintereinander, wie Eſſen auf einer großen Spalte, und ziehen ſich zu 20, 30 und mehr über große Erdfireden hin. Sie erheben ſich entweder als einzelne Kegelinſeln aus dem Meeresgrunde, oder am Fuße großer Gebirgsketten, und dann läuft ſeitlich und pa⸗ rallel mit ihnen gewöhnlich ein primitives Gebirge, oder ſie ſtehen auf dem höchſten Rücken des Gebirges als deſſen Gipfel. So ſtei⸗ gen fie entweder aus dem Innern primitiver Geſteine empor, oder dieſe kommen in ihrer Nähe vor, je nachdem die Vulkanreihe am

390 Allgemeine Naturgeſchichte. IW. wuch.

Fuß von Gebirgsketten „oder am Saume von Kontinenten hin⸗ zieht. Centralvulkane wären demnach die lipariſchen In⸗ ſeln, der Aetna , der Veſuv mit den Phlegräiſchen Feldern, Bes land, die Azoren, Canarien, Inſeln des grünen Vorgebirgs, die Gallopagos, Sandwichinſeln, Marqueſas, Sozietätsinfeln, Freundſchaftsinſeln, Bourbon, die V. des aſtatiſchen und afrika⸗ niſchen Kontinents. Reihen vulkane find hingegen jene der griechiſchen Inſeln, Weſtauſtraliens, der -Sundainſeln, der Mo⸗ lukken und Philippinen, Japan's, der Kurilen, Kamtſchatka's, der Aleuten, Marianen, Chilis, Quitos, der Antillen, Guati⸗ mala's, Mejiko's. Huot giebt in feinem Nouveau Cours elemen- taire de Geologie, tom. I" Par. 1837, p. 123 sd. meines Wiſſens das vollſtändigſte Verzeichniß der noch jetzt thätigen V. und Solfataren der ganzen Erde. Er zählt deren 559 auf. Auf das europäiſche Feſtland kommen 4, auf die Inſeln 18; Gee das aſtatiſche F. 55, die J. dr auf Afrika's Kontinent 13, die J N. 12; Amerika's F. 144, die J. 80; Oceaniens F. keiner, die J. 182. Wir geben nach ihm folgende abgekürzte Ueberſicht, und fügen die Höhen der wich⸗ tigſten, bis jetzt gemeſſenen V. bei. Europa: 1. Veſuv, der höchſte, öſtl. Punkt, Rocca del Palo, 377 hoch. 2. Monte Nuovo. 3. Solfatare von Puzzuoli, ſämmtl. im Königr. Neapel. 4. Sol⸗ fat. von Budos⸗Hegy in Siebenbürgen. 5. Aetna in Sizilien, 10200/ hoch. 6. Epomeo auf Ischia. 7. Stromboli, höchſte, be⸗ ſtändig rauchende Spitze 2037’ über d. M. 8. Vulkano. 9. Vul⸗ kanello; letzte 3 auf den lipariſchen Inſeln. 10. St. Nicola, eine der Dremitiinſeln im adriatiſchen Meer. 11. Calamo, auf der Inſel Milo. 12. Santorin im griech. Archipel. 13. Savytcheff auf Neu⸗Semlia. 14. Vulkan der Inſel Fayal, einer der Azo⸗ ren, wie die folgenden. 15. V. d. J. Pico, bekannt unter dem Namen Pie der Azoren, 7300 / hoch. 16. V. d. J. St. Georg. 17 21. V. der J. St. Michael. 22. V. der J. Terceira. Aſien: 1— 3. V. Centralarabiens. 4 u. 5. Vulkane oder Solfataren bei Jok⸗ mali im afiatifchen Rußland. 6. Demavent, 7. Kophant, beide

in Perſten. 8 u. 9. Vulkane in Armenien. 10 12. V. in Be⸗ ludſchiſtan, wovon -vorzügl. der Kouhé-Nouchadir brennt, und ſich mit Effloreszenzen von Schwefel und Ammoniak bedeckt. 13. Abichtha, auf der Oſtküſte des Kaspimeers. 14 26. V. und Solfataren im chineſiſchen Turkeſtan, wovon beſonders der Tour⸗ fan oder Ho-DTcheou, und der Pechan oder Hochan merkwürdig find. 27 30. V. in Hindoſtan, darunter der Hayadong auf der Halbinſel Arakan mit einer Menge kleiner Kegel, von denen aber nur 2 Feuer und Schlamm ſpeien. 31 - 46. V. auf Kamtſchatka; darunter Kamtſchatkara, Avatſchinskoi, der gigantiſche Kliutſchefs⸗ kara, 18,805 / hoch 26. 47. V. von Djen⸗Kyeſt in Indochina. 48 51. V.

Phyſiſche u. plaſtiſche Verhältniſſe d. BEDDERAChE, 391

von Memboo. 52 35. Solfataren in China. 36 73. V. der Kuri⸗ len, in langer Reihe von Kunaſchir gegen Kamtſchatka'herauf liegend. 74 107. V. Japan's, beſonders bekannt find der Unſen, Bivo⸗ ⸗no⸗ Koubi, Fuſt auf Nipon, einer der erhabenſten der Erde, fo hoch wie der Pie von Teneriffa, der Alamo. 108. 114. V. oder Solfataren der Lieu⸗Kiuinſeln. 115. Pie der Inſel Quelpaert. 116 119, V. auf Formoſa. 120. Inſel Ormus, am Eingang in deu perfifchen Golf. 121. Inſel Larek, ebendaſelbſt. 122—124. V. und Solfa⸗ taren der Inſel Ramri, im Golf von Bengalen. 125. V. d. J. Diebel⸗Tar im arabiſchen Meerbuſen. 126. Solfatare der Inſel

Pogorilaia⸗Plita an der Mündung des Kur in's Faspifche Meer. Afrika: t. Djebel Koldagi in Nigritien. 2 4. Djebel Nou⸗ bah im Süden von Kordofan. 5. Diebelh Dokhan zwiſchen Nil und rothem Meer. 6. Djebel Kebrit, ebendaſelbſt. 7. Höhle von

Beniguazeval, an der N. O.⸗Küſte von Fez. 8 13. 6 V. von Pater Kircher erwähnt. 14. Pie de Teyde auf Teneriffa. 15. V. von Lavanda auf Palma. 16 19. V. von Lancerotte. 20. V. von Fuego oder Fogo über 7000 / hoch, auf der Inſel gleiches Na—

mens, einer der Cap Verdiſchen. 21. V. d. J. Aszenſton. 22. V.

d. J. Amſterdam. 23. V. d. J. St. Paul. 24. V. auf Mada⸗ gaskar, der ungeheure Säulen Waſſerdampf ausſtößt. 25. V. de la Fournaiſe auf Bourbon, einer der gewaltigſten der Erde, 7500/ hoch. Amerika: (feine Feuerberge find durch die fortlau— fende Kette der Cordilleren mit einander verbunden) 1. V. in der Cooksſtraße. 2. 3. V. auf der Halbinſel Alaska. 4. Eliasberg, im ruſſiſchen Californien, und noch 4 andere ebendaſelbſt. 10.

Tuxtla, 11. Pie de Orizaba, oder Cilaltepetl, 163027, 12, Po⸗ pocatepetl, oder V. von Puebla, 16626“, 13. een 14. Co⸗ Lima, ſämmtlich in Mejiko. 15 56. V. in Guatimala oder Central⸗ amerika. Die beiden Pies des ſpeziell ſo geheißenen V. von Guatimala find über 13000 / hoch. Der ſogenannte Waſſervulkan, V. de Agua, iſt 19860 / hoch. 57 78. V. in Columbien. Nach Humboldt bildet der ganze hochliegende Theil von Quito mit den angrenzenden Ber gen nur ein ungeheures vulk. Gewölbe, von mehr als 600 UM. der Cotopaxi, Tunguragua, Antiſana von 179567, Pichincha ꝛc. ſte⸗ hen auf demſelben Gewölbe. 79 82. V. in Peru. Der bekannteſte iſt der Miſti oder V. von Arequipa, von 16680/. 83 85. V. in Bolivia. 86 109. V. in Chili. 110 114. V. in Patagonien. 115. V. auf Grönland. 116. Beerenberg 6448, auf Jan May⸗ ensinſel. 17 145. V. auf Island; die ganze Inſel iſt gleich- ſam ein einziger, mächtiger Vulkan; am bekannteſten von ihren Feuerbergen find Hekla, 4795/, Kattlagia-Jökul, Oerösg-Jökul 55617, Krabla, Skaptaa-Jökul, Skeideraa-Jökul, Leirhnukr. 146 169. V. der Aleuten; etwas beſſer bekannt find die der Inſel um⸗

392 8 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

nak, Unimak, Unalaſchka; der V. auf Tanaga iſt wahrſchein⸗ lich der größte und ſchönſte, an Umfang beinahe dem Aetna gleich. 170 180. V. der Gallopagosinſeln. 181 184. V. auf Feuerland. 185 204. V. und Solfataren der Antillen. Sie ſcheinen mit der Grundgebirgskette von Caracas in Verbindung zu ſtehen. Keiner der Antillenv. mag 6000 / erreichen. Oeeanien: 1-6. V. auf Sumatra; der Gunong-Dempo nordöſtlich von Bencoolen ſoll 11200 / hoch fein. 7. V. der Inſel Sebeiru oder Si- biru. 8. V. der Inſel Salahat (nach dem arab. Geographen Edriſt). 9 58. V. auf Java. Die bekannteſten hievon ſind der Papandayang, Bunangrang, Idjen, (Idienne). 59. V. der Inſel Krakatoa in der Sundaſtraße. 60. Karan-Gaſſen auf der J. Bali. 61. V. d. J. Lombok oder Solampareng, 7,500 / hoch. 62. Tamboro, 63. Tam⸗ bora, beide auf Sumbava. 64 74. V. und Solfat. auf andern Sundainſeln. 75. Solfat. der Inſel Nila. 76 77. V. d. J. Borneo. 78 8t. V. von Lokang, auf der J. Celebes. 82 104. V. d. Molukken und Bandainſeln. 105 121. V. d. Philippinen; am öfteſten werden genannt der Sanguil auf Mindanao, der Mas jon oder Albay auf Lucon oder Manila, der Ambil auf Mindoro. 122. V. der Capinſel in der Torresſtraße. 123 127. V. auf und bei Neuguinea. 128 130. V. auf Neubrittanien. 131 134. V. des Salomons- wer 135, Matthiasinſel, im O. von Neu⸗ caledonien. 136. V. d. J. Volkano im Santa Cruz- oder Köni⸗ gin Charlotten- 15 137. V. d. J. Amrhym. 138. V. d. J. Tanna, mit voriger zu den neuen Hebriden gehörend. 139 144. V. der J. Tavai Poenammu (Neu Seeland) und benachbarter kleiner J. 145. V. van Wingen auf Neuholland. 146 150. V. der Freundſchaftsinſeln. Der V. Dofua iſt 3,000 / hoch. 151 160. V. der Marianen. 1671 166. V. des Magelhaen-Archipels. 167. V. d. J. Tanongula, Lord Anſons-Archipel. 168 182. V. der Sandwichsinſeln, darunter namentlich der Kuararai, Ki⸗ ranen, Mouna-Wororai, 12,693 hoch, Moung-Roa auf Hawaji.

Auſſer den vorſtehenden V., welche mehr oder weniger in Thä— tigkeit begriffen ſind, giebt es zahlreiche erloſchene. Zwiſchen beiden Klaſſen läßt ſich aber keine ſtrenge Grenzlinie ziehen, da V., welche ſeit Jahrhunderten ruhten, wieder thätig werden, und ſolche, die eben noch einen Ausbruch machten, vielleicht auf immer in Ruhe verfinfen können. Man hält jedoch diejenigen V. für dauernd erloſchen, von deren Thätigkeit weder Geſchichte noch Ueberlieferung etwas melden, welche aber durch ihre ganze geognoſtiſche Beſchaffenheit zc. unläugbar ihre ehemalige Thätigkeit beurkunden. Solche ſind die Puy's der Auvergne, unter ihnen der mächtige Puy de Döme, Puy de Sarcouy, Puy de Pariou. Dort erheben ſich dürr und öde über 60 Kegel auf

Geognoſtiſche Verhältniſſe d. Erdoberfläche. 393

2 Meilen Erſtreckung in langer Reihe hintereinander. Vom Puy de Gravenoire über Clermont ſtarren 3 Lavaſtröme in die Ebene herab, vom Puy de la Nugere, Puy de la Vache, Puy de las Solas einer. Mont Jughat ſtellt eine große Schlackenhalde vor. Aehnlich dieſen Ausbruchskegeln der Auvergne find mehrere erlo⸗ ſchene Kegel um Olot in Catalonien, darunter der Montaſcopa, Montolivet, Puig de la Garrinada, la Cot, la Erusck, la Cot Sainte⸗ Marguerite. Viel mehr durch Fluthen verwiſcht und ab⸗ gerundet erſcheinen die erloſchenen V. am Rhein und in der Eifel. Einer der höchſten Gipfel iſt der Hochſimmer. Die vie⸗ len Keſſelthäler der Eifel, der tieſe Laacherſee ſind vulkaniſche Einſenkungen. Die meiſten Erhebungsinſeln rechnet man zu dere Klaſſe der erloſchenen V. Zu ihnen gehört auf dem Kontinent der Kaiſerſtuhl im Breisgau. Ueber Vulkane vergl. Hamilton, observat. on mount Vesuvius Lond. 1772, et campi Phlegraei, Lond. 1779. Poullet Scrope, Considerations of Volcanos etc, Lond. 1825. L. v. Buch, Phyſtk. Beſchrbg. d. kanar. Inf. Berl. 1825. m. Atl. Ungern⸗ Sternberg, Werden und Sein des vulkan. Gebirgs. Karlsr. 1825. Poullet Scrope, memoir on the geology of central France, including the volcanic formations of Auvergne, the Velay and the Vivarais, Lond. 1827. 4. m. Atl. Van der Wyck, Ueberſicht d. rheiniſch. und Eifeler erloſch. V. ꝛe. Bonn. 1826. Daubeny, Description of activ and extinct volcanos. Lond. 1826. de By landt Palstercamp, Theorie de Volcans. 3 volum. Par. 1836. av. at. Al. de Humboldt Fragmens de Geologie et de Climatol. aslatiques, tom. J. p. 100 123. Auſſerdem zahlreiche Notizen in den Reiſebeſchreibungen, dem Ediab- phil. Journ., Annal. d. Mi- nes, Leonhards Taſchenbuch, Journ. de physique., Biblioth. univer- selle, Gilberts u. Poggend. Annal. ꝛc.

Hauptſtück. | Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde.

Literatur. Den bereits S. 4s angeführten allgem. ſyſtem. Werken über Geognoſte fügen wir noch bei: De Luc, phyſik. und moraliſche Briefe über die Berge und die Geſchichte der Erde a. d. Franz., von Gehler. 2 Bde. Epzg. 1781. Hut- ton, theorie of the earth. 2 vol. Edinb. 1795. Scipio Breislak, Introduzione alle Geologia, Milano 1811. G. v. Cuvier, die Umwälzungen der Erdrinde; deutſch bearb. von Nöggerath.

2 Bde. Bonn. 1830. A. de Humboldt, Essai geognosti- Aue sur le gisement des roches, edit. Par. 1826. Al. Brong- niart, Tableau des terrains, qui composent pecoree du globe.

394 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Par. 1829. We Cours enen de Geologie par Huot tom. ler av. pl. Paris. 1837. Höchſt wichtig find die Mono⸗ graphieen einzelner Gegenden, unter welchen wir nur Sauſſu⸗ re's und Ebel's Schilderungen der Alpen, Fr. Hoffmann's,

Keferſtein's und Bones geognoſtiſche Beſchreibungen Deutſch⸗

land's, Nöggerath's Gebirge in Rheinland-Weſtphalen, von

Buch's geogn. Beobachtungen auf Reifen durch Deutſchl. und

Italien, fo wie feine Reiſen durch Norwegen und Lappland, v. Hoff's Gebirgsformationen Thüringens, Klödens Mark Brandenburg, Beudant, Voyage mineralogique et geologique en Hongrie, G. Cuvier et Brongniart, descript. geolog. d. environs de Paris, Charpentier, Essai sur la eonstitut, geogn. des Pyrenées, Omalius d’Halloy, Memoire pour serv. à la deser. du Pays-Bas, Hausmann's Reiſe durch Skandinavien, Hiſinger's mineralog. Geographie v. Schweden, Conybeare and Philipps, outlines of the geology of England and Wales, Mantells, Geology of Sussex, Maclure, observations ou the geology of the nnited states, Al. v. Humboldt's Reiſe in die Aequinoktialgegenden des neuen Kontinents, ſo wie ſeine Fragm. z. Geol. u. Klimatol. Aſtens, Noger's Notiz. üb. d. Geol. v. Nordamer. (I' Inst. 1836. p. 14.) Thur⸗

mann's, Mandelsloh's, Greßly's Beſchr. des Jura ꝛc. aufführen.

Unſere Kenntniſſe der Struktur der Erde reicht nur bis

in eine ſehr geringe Tiefe. Nach S. 364 verhält ſich die

Diſtanz des unterſten Punkts, welchen bis jetzt Menſchen erreichten, nämlich das Kohlenwerk von Monkwearmouth,

zum Halbmeſſer der Erde nur = 1: 13,000. Wir kennen

alſo nur die ungemein dünne äuſſerſte Rinde des Erdkörpers, und ſind noch auſſerordentlich weit entfernt, auch nur dieſe an allen Punkten der Erdfeſte gründlich und vollkommen er⸗

forſcht zu haben. Wie allenthalben, ſo iſt aber auch hier wieder die Analogie die große Lehrerin, welche bei Erfor⸗

ſchung der Natur und Auffindung ihrer allgemeinen Geſetze

leitet. Indem man ihr mit Vorſicht folgte, iſt es möglich geworden, aus den bis jetzt geognoſtiſch unterſuchten Theilen der Erdrinde auf die noch unbekannten zu ſchließen. Um⸗

fände eigener Art, welche bald. näher erläutert werden ſol⸗ len, haben dieſen Unterſuchungen eine Sicherheit und Ueber⸗

einſtimmung gegeben, welche man früher für kaum denkbar

gehalten hätte. Um mit den 3 durch ſie gewonnenen Reſul⸗

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 595

taten zu beginnen, fo hat man allmälig erkannt, daß die

feſten Mineralmaſſen, aus welchen die Rinde des Erdförpers gebildet iſt, ſich in 2 Hauptklaſſen theilen, zwiſchen welchen eine dritte kleinere eingeſchoben iſt, und offenbar die großen Unterſchiede jener beiden in allmäligen Uebergängen vermit- telt. Die eine Hauptklaſſe nun begreift die geſchichteten Formationen, welche eine zuſammenhängende Reihe bilden, und in einer beſtimmten Ordnung übereinander abgelagert ſind; die andere umfaßt die ungeſchichteten maſſigen Formationen, welche allenthalben zwiſchen den erſten ver⸗ breitet find, häufig von ihnen bedeckt werden, aber keine be: ſtimmte Aufeinanderfolge zeigen. Die Geſteine der geſchich— teten Formationen, zu welchen die verſchiedenen Sand— ſteine, Konglomerate, die Thone, Sand und Grus, die ver— ſchiedenen Kalkſteine und mehrere Schiefer gehören, ſind meiſtens von einfacher Beſchaffenheit, durch mechaniſche Aggrega— tion gebildet, ihre Maſſe iſt in Platten abgetheilt, die unter ſich parallel laufen, und bei unbedeutender Mächtigkeit (Dicke) ſehr lang und breit find. Solche einzelne, von einander ge- trennte, manchmal nur wenige Ruthen, manchmal viele Stun⸗ den lange und breite Platten ſind eben die Schichten. Beſtände die Erdrinde bloß aus dieſen geſchichteten Formatio⸗ nen, ſo würde ſie gleichſam eine aus ungleich großen, über⸗ einander liegenden Schuppen gebildete Epidermis darſtellen. Man erkennt leicht, daß die geſchichteten Formationen durch langſamen Niederſchlag aus dem ehemals die Erde bedecken⸗ den Urmeere gebildet ſeien, alſo neptuniſchen Urſprung haben. Das Vorkommen zahlloſer Ueberreſte ſekundärer Or⸗ ganismen in ihnen erhebt dieſe Wahrſcheinlichkeit zur abſolu⸗ ten Gewißheit; Abdrücke von Pflanzen, Milliarden von Kon⸗ chylienſchaalen, Fiſche noch mit dem Raube im Rachen, Krebſe, Röhrenwürmer und Korallen, Knochen von Repti⸗ lien, und in den neueſten dieſer Schichten auch Skeletreſte von Vögeln und Säugthieren, ſehr häufig unter Umſtän⸗ den vorhanden, welche es im höchften Grade wahrſcheinlich machen, daß die Thiere da gelebt haben, wo ſich ihre Reſte finden, zeigen offenbar, daß das Element, in welchem

396 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

ſich dieſes wimmelnde Leben zum Theile bewegte und ſaͤmmt⸗ lich unterging, nur Waſſer geweſen ſein konnte. Die Ge⸗ ſteine der zweiten Hauptklaſſe, der maſſigen ungeſchich⸗ teten Formationen, die aus Granit, Porphyr, Syenit, Grünſtein, Serpentin, Gabbro ꝛc. gebildet werden, zeigen ſich, obwohl manchmal plattenförmtg, würfelförmig, parallelo⸗ pipediſch abgeſondert oder zerklüftet, doch nie geſchichtet,

find von vorherrſchend kryſtalliniſcher Bildung, und beſtehen

meiſtens aus mehreren gemengten, vollkommener oder unvoll⸗ kommener kryſtalliſirten Mineralien. Sie ſcheinen durch glühenden Fluß, oder durch Erſtarrung von Maſſen gebildet, die in geſchmolzenem Zuſtande, von innen heraus, an die Oberfläche getrieben wurden. Nie bedecken ſie die Oberfläche weiter und großer Gegenden in der Art, wie die geſchichte⸗ ten Formationen, ſondern ſcheinen, obwohl ſie in gewiſſer Tiefe vielleicht die Grundlage von dieſen ausmachen, gegen die Oberfläche zu vorzüglich das feſte Gebälke, das Ge⸗ zimmer der Erdfeſte zu bilden, an welches ſich die neptuniſchen Niederſchläge anlagern, es bedecken, häufig aber von den graniti⸗ ſchen Maſſen emporgehoben (manchmal faſt ſenkrecht aufgerichtet) wurden, welche ſich in einigen Fällen auch über und zwiſchen die geſchichteten Formationen ergoſſen haben, oder die Gänge und Spalten ausfüllen, welche letztern vermuthlich durch heftige Zer⸗ reiſſung der Schichten entſtanden ſind. Von organiſchen Re⸗ ſten iſt in den maſſigen, ungeſchichteten Formationen keine Spur zu finden; ſtatt ihrer tritt ein viel größerer Reichtum von Mineralgattungen auf; die ſchönſten Geſteine und man⸗ nigfachſten Metalle kommen in üppiger Fülle und in den vollkommenſten Kryſtallen vor. Dort finden ſie ſich beſonders in den nach Entſtehen und Bedeutung noch immer ſo räth⸗ ſelhaften Gängen; in Lagern, Stöcken, Neſtern ic. Die Wahrſcheinlichkeit, daß die maſſigen, ungeſchichteten Fels⸗ gebilde dem Feuer wenn auch einer beſondern Mo⸗ diftkation deſſelben ihren Urſprung verdanken, hat veran⸗ laßt, fie plutoniſche Formationen zu nennen, und wird zur Gewißheit geſteigert, wenn man ihren allmäligen Uebergang zu den noch unter unſern Augen ſich bildenden, in feurigem

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde, 397

Fluſſe aus dem Erdinnern hervortretenden vulkaniſchen Ge⸗ bilden betrachtet. Plutoniſche wie vulkaniſche Formationen treten in Schnüren, Trümmern und Gängen in die verſchie⸗ denſten geſchichteten Formationen hinein, dringen in Keilen, Stöcken, Kegeln in fie herauf, und haben an den Berüh— rungsflächen mit ſelben vielfache Veränderungen ihrer Ge— ſteine bewirkt. Beide haben zu den verſchiedenſten Zeiten die Schichtgebirge gehoben, und ſind durch ſie an die Oberfläche getreten. Bei der Verſchiedenheit, welche zwiſchen vulkani⸗ ſchen und plutoniſchen Geſteinen ſtatt findet, (indem letztere beſonders das ausgezeichnet Blaſige und Schlackige jener nicht zeigen,) fehlt doch keineswegs die Uebereinſtimmung. In bei⸗ derlei Maſſen ſind analoge Mineralien eingewachſen; dann haben von plutoniſchen Geſteinen die ſogenannten (durch Hornblende und verwandte Gattungen) charakteriſirten Trapp⸗ geſteine eine nahe Beziehung zu Baſalten und Doleriten, welche zu den vulkaniſchen Geſteinen gehören. So findet alſo zwiſchen plutoniſchen und vulkaniſchen Gebilden äuſ⸗ ſere und innere Verwandtſchaft ſtatt, und fie treten als maf- ſige, ungeſchichtete Formationen in einen Gegenſatz zur andern Hauptklaſſe, den geſchichteten Formationen. Beide würden

ſich ohne Beziehung und Zuſammenhang gegenüber ſtehen,

wenn nicht eine dritte untergeordnete Formationenreihe vor⸗ käme, deren Geſteine zwar geſchichtet ſind, welche aber keine organiſchen Reſte führen, und daher auf der einen Seite an die vulkaniſch⸗plutoniſchen Formationen grenzen, mit welch letztern ſie ſogar manchmal wirklich verfließen, während ſie andere Male über geſchichteten Gebirgsarten gelagert find, ohne aber wie dieſe aus dem Waſſer niedergeſchlagen zu ſein. Dieſes iſt der Fall beim Thonſchiefer, Wetzſchiefer, Kieſel⸗ ſchiefer, Glimmerſchiefer, Talkſchiefer, Gneis ꝛc. Man führt dieſe Gruppe als eine intermediäre unter dem Namen un⸗ tere geſchichtete oder verſteinerungsloſe Gebirgs— arten auf. Durch die verſchiedenen Schiefer ſchließen ſie ſich an die geſchichteten, verſteinerungführenden, durch den Gneis mittelſt des Granits an die verſteinerungsloſen, maſſi⸗ gen an. Dieſer Mittelzuſtand der geſchichteten verſteinerungs⸗

398 Augemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

loſen Formationen kann durch gewiſſe urſprüngliche Bildungs⸗ vorgänge herbeigeführt worden fein, oder es können wahre geſchich⸗ tete verſteinerungführende Maſſen (z. B. durch glühende Dämpfe) eine ſolche Umwandlung erlitten haben, daß zuerſt nur die organiſchen Ueberreſte in ihnen zerſtört wurden, und nur die Schichtung zurückblieb, endlich das Geſtein ſelbſt umgewan⸗ delt, und den kryſtalliniſchen ähnlicher wurde, zuletzt die Schichtung ſelbſt verloren gieng, wie es z. B. bei der Um⸗ wandlung des Kalks in den Dolomit erfolgte. In der That haben viele ſchon gebildete Gebirgsmaſſen Veränderungen ſol⸗ cher Art erfahren, neue Beſtandtheile traten dazu, andere giengen verloren, die zurückbleibenden traten in neue Verbin⸗ dungen, alles fo, daß die Maſſe nicht ganzlich umgeändert, und daß ihre räumlichen Verhältniſſe beibehalten wurden. Keine Formationsreihe zeigt in der Miſchung und Zuſammen⸗ ſetzung ihrer Geſteine fo viel Uebergänge, fo viel Mannig⸗ faltigkeit und Geſetzloſigkeit, als die geſchichteten verſteine⸗ rungsloſen. Während man bei den geſchichteten Gebirgd- maſſen in Rückſicht auf ihre Entſtehung die unten liegenden Schichten nothwendig für die ältern, die auf ihnen liegenden für jünger, die oberſten für die jüngſten, am letzten gebilde⸗ ten halten muß, findet weder bei den maſſigen Gebirgsarten noch bei den intermediären, geſchichteten, verſteinerungsloſen eine ſolche chronologiſche Altersfolge ſtatt; für ſie gilt nicht, daß das unten Liegende das Aeltere ſein müſſe. Die plutoni⸗ ſchen, wie die vulkaniſchen Gebirgsarten kommen zwiſchen und auf den älteſten, wie den jüngſten geſchichteten Geſtei⸗ nen vor, obwohl fie zum Theil auch die älteſte Grundlage der Erdfeſte bilden mögen, welche vorhanden war, ehe noch eine geſchichtete Formation beſtand. Auf dieſe Weiſe läßt ſich wohl Werner's Anſicht, daß der Granit die älteſte Gebirgs⸗ art ſei, rechtfertigen; er iſt die älteſte, indem er die Grund⸗ lage aller übrigen ausmacht; nicht aller Granit iſt aber die ältefte Gebirgsart, da Maſſen von ihm häufig auf und zwi⸗ ſchen ſehr neue Schichten gelagert, ſie überſtrömend und ſich zwiſchen ſie drängend gefunden werden, welche alſo erſt fach deren Bildung hervorgetrieben ſein kante

Geognoſtiſche Verhältnifie der Erdrinde. 399

Die Hauptmomente nun, welche bei der geognoſtiſchen Betrachtung berückſichtiget werden, find: die Natur der Ger ſteine, aus welchen eine Formation beſteht“), ihre wech ſelſeitige Anordnung im Großen und Aufeinander— lagerung, und die organiſchen Ueberreſte, welche ſich etwa in ihnen finden. Welche Wichtigkeit die Unterſuchung der Felsarten habe, leuchtet ſchon aus der oben angeführ- ten Verſchiedenheit der Geſteine der geſchichteten, plutoniſchen, vulkaniſchen Formationen ein. Das allerwichtigſte geognoſti⸗ ſche Moment find aber die Lagerungsverhältniſſe der Gebirgsmaſſen, die Folge der aufeinanderliegenden Schich— ten, ihre gegenſeitige Verbindung, Geſtalt, Krümmung, Un— tertäufung ꝛc. Faſt eben fo wichtig find die foffilen Uebers refte organiſcher Weſen. Sehr viele Lagen der Erdkruſte ſchließen nämlich eigenthümliche organiſche Ueberreſte ein, die nur in ihnen vorkommen, und werden alſo durch fie charaf- teriſirt, und allenthalben, wo man fie auch an den entferntes - ſten Orten findet, wird man hiedurch eine Identität dieſer Lagen erkennen, ſobald nicht die Lagerungsverhältniſſe widers ſprechen. Nun bemerkt man aber eine beſtimmte Stufenfolge dieſer organiſchen Ueberreſte von den unterſten, älteſten Schichten zu den neueſten. Betrachten wir z. B. Bronn's vortreffliche Ueberſichtstabelle in ſeinen Lethaea geognostica, ſo ſehen wir, daß in den älteſten, geſchichteten Maſſen, nämlich im Uebergangskalk und Thonſchiefer ſich noch keine phanerogamiſchen Pflanzen, ſondern nur agamiſche finden; in der

*) Die Felsartenlehre wird immer in der Geognoſte abgehan⸗

delt, obwohl fie nach einem logiſchen Syſtem der Naturwif⸗ ſenſchaften in die Mineralogie gehört, die dann weſentlich aus der Oryktologie und Petrologie beſtehen würde. Be⸗ trachtet man den Erdkörper als ein Ganzes, ſo verhielten ſich die einfachen Mineralien etwa zu ihm, wie die Stoffe und einfachen Gewebe zum menſchlichen Leihe, und die Fels⸗ arten, wie die zuſammengeſetzten Gewebe. Man beſchreibt in der Geologie auch nicht die foßilen Pflanzen und Thiere, ſondern überläßt dieſes der (paläontologiſchen) Botanik und Zoo⸗

logie, und führt bei den einzelnen Formationen dann bloß ihre Namen, als etwas Gegebenes auf; gerade ſo muß man es mit den Felsarten machen, deren Charakteriſtik in die Mineralogie ge⸗ 5 10 von denen indeß ebenfalls die Geognoſte Gebrauch

0 + 11

400 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch. N

Grauwacke und dem Grauwackenſchiefer zeigt ſich nun auch bald eine ſehr große Anzahl von Gefäßkryptogamen oder

Farrnkräutern, während die Mono- und Dikotyledonen erſt vom

Kohlenſandſtein an erſcheinen. Von thieriſchen Ueberreſten findet Bronn in der ganzen erſten Periode oder Formation, welche man unter dem Namen der Kohlengebirge zu⸗ ſammenfaßt, nur Ueberreſte von Zoophyten, Mollusken, Fiſchen der Ordnung Gonilepidoti, und krokodilartigen Rep⸗ tilien. In der zweiten Formation, den Salzgebirgen, zei⸗ gen ſich auch ſchon Knorpelfiſche; in der dritten, den Oolith⸗

gebirgen, werden dieſe zahlreicher, es erſcheinen die erſten

Ueberreſte von Spinnen und Inſekten, von Froſch- und Eidech⸗ ſenartigen Thieren, und von Schildkröten; in der vierten Periode, jener der Kreidegebirge, geſellen ſich zwar keine neuen Familien zu denen der ſchon vorhandenen Organismen, aber viele bereits vorhandene werden zahlreicher, und es erſcheinen manche neue Sippen; erſt in der fünften Periode oder Formation,

den Molaſſegebirgen, oder den Schichten, welche auf der Kreide

liegen, treten die höhern Cephalozoa oder Wirbelthiere, nämlich Vögel und Säugethiere auf, während Ueberreſte des Menſchen, des Schlußſteins der ganzen Schöpfungsreihe, nur wenig über die oberſten, geſchichtlichen Straten hinaufreichen. Was nun dieſe Folge beſonders intereſſant macht, iſt die Vorſtellung, die man vom produktiven Gang der Natur hegt, welcher

mit einfachern Geſchöpfen begonnen habe, zu immer zuſam⸗ mengeſetztern fortgegangen ſei, und mit den vollkommenſten und zuſammengeſetzteſten geendet habe: ein Fortſchreiten,

das in den Reſten der aufeinanderfolgenden Reihe der ge— ſchichteten Formationen dokumentirt iſt. Bei allem Dem darf man den Petrefakten keinen zu großen Einfluß auf die Geognoſie einräumen. So dürfen z. B. Maffen mancher Lagerung, von denen die eine Verſteinerungen, die andere keine einſchließt, nicht zu verſchiedenen Formationen gerechnet werden. Sogar eine kleine Abweichung in den Petrefakten

mineralogiſch gleich beſchaffener, weit von einander entfernter Formationen, hebt ihre Identität nicht auf, da in der Ur⸗

zeit eben ſo gut klimatiſche Einflüſſe auf die Organismen

N 4 N)

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 201

verändernd einwirkten, als heut zu Tage ie.) Sobald eins mal die Wichtigkeit der foßilen, organiſchen Reſte für die Erkenntniß der Identität beſtimmter Schichten in den verſchie⸗ denen Gegenden erkannt war, bemühte man ſich, ſorgfältig die jeder Schicht angehörigen Pflanzen, Korallen, Ringel würmer, Mollusken, Wirbelthierknochen ꝛe. zu ſammeln, zu beſtimmen, und genaue Verzeichniſſe von ihnen anzuferti⸗ gen. Die Reſultate dieſer Arbeiten ſind indeß noch nichts we⸗ niger als vollkommen klar und zuverläßig; theils wegen den unvermeidlichen Verwechslungen, wegen den unrichtigen Be— ſtimmungen und verſchiedenen Nomenklaturen der organiſchen Reſte, theils weil aequivalente Gebirgsarten verſchieden be—⸗ ſtimmt und benannt, und über einander liegende Schichten bald in mehrere Glieder geſondert, bald als einem Gliede ange— hörig betrachtet wurden. Man ſieht leicht, daß analoge Umſtände dem Durchdringen zur Wahrheit und der Vereini— gung zu einem beſtimmten Syſtem der geognoſtiſchen Forma⸗ tionen ſich entgegenſtellen, wie etwa bei der botaniſchen und zoo⸗ logiſchen Syſtematik. Nichts deſto weniger iſt man in den Hauptgruppen ſchon ziemlich einig und auch die Anordnung der ſpeziellen Schichten zeigt bei den verſchiedenſten Autoren

*) Gray bekämpft (in einer in der Royal Soc. 18. Juni 1835 geleſenen Abh.) die Meinung der Geologen, daß alle Kon⸗ chylienſchaalen von gleicher Geſtalt und gleichen Charakteren von Thieren derſelben Sippe bewohnt ſeien; daß alle Gat⸗ tungen einer Sippe unter gleichen Verhältniſſen leben; daß alle Gattungen foßiler Konchylien, welche zu einer lebenden

Sippe zu gehören ſcheinen, durch Thiere gebildet ſeien, welche im Leben die nämlichen Sitten hatten, wie die am häufigſten beobachteten Gattungen dieſer Sippe; und will zeigen; 1) daß Schalen, die zur ſelben natürlichen Sippe zu gehören ſcheinen, manchmal von ſehr verſchiedenen Thie⸗ ren bewohnt ſind; 2) daß manche Mollusken, in Verhältniſ⸗ ſen leben oder doch leben können, die von jenen der meiſten andern Gattungen ihrer Sippe verſchieden ſind. Die Thiere

von Patella und Lottia ſind ſehr unähnlich, die Schalen generiſch kaum zu unterſcheiden. Manchmal weichen die Thiere

ſehr ab, die Schalen bieten nur unzureichende fpeziftfche UAUnterſchiede dar. Bei foßilen Schalen müſſen alle Schwie⸗ rigkeiten zunehmen. Gattungen einer Sippe leben öfters in dee Erde, im füßen und Salzwaſſer, manche Gattungen im ſüßen, Salz⸗ und Brackwaſſer ꝛc. |

26

N 402 | Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

eine überraſchende Aehnlichkeit. Wir geben im Folgenden eine Ueberſicht der geognoſtiſchen Formationen; die Beſchränkt⸗ heit des einmal beſtimmten Raumes erlaubt aber nur, die weſentlichſten Merkmale und die en, N Petrefakte anzugeben.

I. Klaſſe. Abgeſetzte, See Formationen.

I. Periode. Neue Formationen oder Bildungen,

: welche noch jetzt fortdauern. c

Hieher gehören alle noch jetzt in der Fortbildung begriffenen Schichten von Schutt, welche durch Regen, Land - und Meer⸗ waſſer, und durch Gletſcher aufgeſchwemmt und angehäuft werden. Große Ströme, z. B. der Miſſtſippi, führen alljährlich eine Menge Geſteine, Sand, Schlamm, Bäume, Geſträuche, Thier⸗ überreſte herab, welche zum Theil im Strome ſelbſt Inſeln bilden, zum Theil, an der Mündung liegen bleiben, oder in's Meer übergehen. Kleinere Gewäſſer bringen oft bedeutende Maſſen Geſteins von

den Gebirgen herab; vorzüglich beim Anſchwellen, und bei ſtarkem

Fall. Die Flüſſe bilden öfters an der Mündung in Landſeen und Meere Delta's, in welchen Land- und Süßwaſſergeſchöpfe, Land- und Meerwaſſergeſchöpfe, oder alle zugleich eingeſchloſſen vorkommen. So bildet der Rhone beim Einfluß in den Genferſee, und in's Meer Delta's, ſo auch der Nil, der Ganges (das Delta dieſes iſt faſt 50 geogr. M.

lang, u. an der Baſts wenigſtens 40 M. breit). Die Seen, die Gas⸗As⸗

phalt-Mineralquellen bilden ebenfalls Ablagerungen. (Cteſtas erzählt in feiner Geſch. v. Indien, daß es daſelbſt eine Quelle von Gold⸗ ſand gebe, den man mit Krügen ſchöpfe, und der an der Luft verhärte. Dieſes Faktum erklärt v. Paravey durch den ſogenann⸗ ten Strudelſand (sables bouillans), welcher namentlich in Belgien, vorz. an der Schelde die Grabarbeiten fo ſchwierig macht, indem er die Ausgrabungen in wenig Augenblicken anfüllt. Dieſer Sand ſpringt mit den Quellen hervor, und führt in Indien wahr⸗

ſcheinlich Goldflimmern mit ſich. Institut, 1834. p. 418). Merk⸗

würdige Verſandung en ſonſt fruchtbarer Gegenden kommen in Aegypten und auch in Schottland vor. (Vergl. über letztere Cu⸗ vier⸗Nöggerath, Bd. 2. S. 178. ff.) Am Meeresufer thürmen ſich Sandbänke und Dünen auf, welche oft kleinere Waſſer⸗ maſſen vom Meere abſchließen, deren Waſſer dann durch die in

fie fallenden Landgewäſſer halb ſalzig, brackiſch wird und zugleich

Süß⸗ und Salzwaſſermollusken nährt. Ueber merkwürdige, von

Peron und Leſueur an den neuholländiſchen Küften, ‚beobachtete, ſtets noch fortdauernde Sandſteinbildungen, in welchen eine Menge Thier⸗ und Pfanzenreſte eee werden, fi a man Cuvier⸗

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 403

Nöggerath, Bd. 2, S. 73. Ein ſtaubartiges Kalkquarzeement / dort aus zerriebenen Konchylien und Meerſand entſtehend, inkruſtirt ſelbſt die lebenden Bäume an der Küſte, tödtet fie, und verwandelt Alles in eine Sandſteinmaſſe. Auch an der Küſte von Tranquebar und bei Meſſtna bilden ſich noch immer neue Sandſteine, ſ. a. a. O. S. 78. Durch Ebbe und Fluth werden die an der Küſte durch die Landgewäſſer aufgehäuften Materialien weiter in's Meer ge⸗ führt, und bilden dort mit den in ihnen eingeſchloſſenen organi⸗ ſchen Reſten Depoſitionen in dem tiefern Meeresbecken. Zu den neuen Formationen tragen auch die noch jetzt thätigen Vul⸗ kane viel bei durch Auswürfe von Aſche, Bimsſtein, Laven, Ob⸗ ſidian ꝛc. Um erloſchene von noch thätigen Vulkanen, die alſo den neuen Formationen angehören, zu unterſcheiden, muß man

auf die Verſteinerungen der zwiſchen den Laven vorkommenden

Schichten Rückſicht nehmen. Man überzeugt ſich z. B. aus ihnen, daß die Laven der euganeiſchen Berge in Oberitalien zu einer Zeit ausgeſtoßen wurden, als das Mittelmeer noch von ganz andern Thierarten bewohnt war, als jetzt, während die Laven von Ischia in einer ſpätern Zeit offen, wo es ſchon die noch jetzt lebenden Schal⸗ thiere nährte. An den noch jetzt thätigen Vulkanen bilden Sand, Schlacken, Lava, Aſche verſchiedene, ſich durch Farbe, Größe und Härte des Korns, Mächtigkeit ꝛc. von einander trennende Schichten. Die meiſten Laven werden durch Safe und Atmofphä- rilien leicht wieder zerſetzt und zu weichen, thonartigen Maſſen. Vulkaniſche, ins Meer geführte Materien bilden mit den Muſcheln, Korallen ꝛc. daſelbſt eigenthümliche Schichten, Tuffe, Peperino,

vulkaniſche Konglomerate. Heftige Regengüſſe geben mit der vulk. Aſche und den leichten Schlacken Schlammſtröme, welche ſpäter zu vulk. Alluvionen erhärten. Feldſpath und Albit bilden im Allgemeinen mehr als die Hälfte von der Maſſe der neuern Laven. Walter der Feldfpath vor, fo nennt man die Laven trachytiſch, herrſcht Augit vor, baſaltiſch. In vielen Laven, den ſogenann⸗ ten Grauſteinen, treten beide Gemengtheile in gleichen Verhält- niſſen auf. Gas⸗ und Schlammvulkane oder Salſen, ſtrömen Gas und Schlamm (Thon häufig mit Kochſalz und Asphalt durch⸗ drungen) aus den ſelbſtgebildeten, koniſchen Thonhügeln aus; Zu den neuen Formationen gehört auch die Korallenbil⸗ dung. Sie geht in den tropiſchen Meeren, etwa bis zum 340 n. B. vorzüglich in der Südſee, dem arabiſchen und perſtſchen Golf und bei Bourbon vor ſich. Nicht aus dem Meeresgrunde herauf, ſondern auf untermeeriſchen, nur einige Klafter tiefen Berggipfeln (Kraterrändern, Felszacken,) führen die Polypen gewiſſer Steinkorallen, vorz. der Madreporen, ihre Kalkmauern auf, und die aufeinander folgenden Generationen erhöhen fie über

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40 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

den Meeres ſpiegel doch nur bis zur höchſten Fluthhöhe. Auf die auf dieſe Weiſe entſtandenen Korallenriffe, werfen die Wogen Meerthiere, Sand, Bruchſtücke vom Korallenbau ſelbſt, welches Alles ſich nach und nach zu feſter Maſſe verbindet. Die Korallenriffe des ſtillen Meeres ſind häufig kreisförmig, (vermuthlich weil ſie auf Rän⸗

dern von zum Theil ſehr großen, aus dem Verſinken eines Theils

vom Vulkan entſtandenen Kraterrändern ſtehen) und ſchließen im Anfange einen See ein, in deſſen ruhigerm Waſſer andere Koral⸗

lenthiere bauen, ihn endlich anfüllen, und eine niedrige Inſel

herſtellen. Durch den Koth der Seevögel entſteht auf dieſer ale

mälig eine dünne Schicht Dammerde, in welcher zuerſt kleinere,

dann größere Pflanzen, endlich Bäume gedeihen, und das neue

Land zum Aufenthalte des Menſchen geſchickt wird. (Vergl. Cu⸗ vier⸗Nöggerath, Bd. 2, S. 82. Neſums von Forſter's, Flinder's, Chamiſſo's, Quoy's und Gaimard's Beobachtungen.) Ferner ge⸗ hören zu den neuen Formationen die untermeeriſchen Wälder

und die Torfmoore. Erſtere finden ſich nicht ſelten an Groß⸗

brittaniens und Nordfrankreichs Küſten, beſtehen aus Anhäufungen noch jetzt dort wachſender Bäume und Kräuter und ſind in Folge von Erdbeben mit dem Lande unter Waſſer geſunken. Untermee⸗ riſche Torfmoore finden ſich hie und da an den Oſtſeeküſten. In ihnen kommen Land ⸗„ Sumpf-, Süßwaſſerpflanzen, in ihrer

Mitte auch Eichen- und Fichtenſtämme mit den Wurzeln, unter

- ihnen Süßwaſſermuſcheln vor. Torfmoore auf dem Lande kom⸗ men häufig in der norddeutſchen Niederung, Dänemark ze. vor; ſo wie auf Gebirgsplateau's, wo den Waſſern auf einer undurch⸗

dringlichen Unterlage der Abfluß fehlt; ſo auf der Granitfläche

des Brocken im Harz, rheiniſchen Schiefergebirge, den Ardennen, Vogeſen, Schottland, Schweiz, Irland. Die Torfbildung iſt auf

ſumpfige Orte von niedriger Temperatur beſchränkt, wo ſich Waſ⸗ ſerpflanzen, (beſonders das Torfmoos, Sphagnum palustre) ohne zu faulen, zerſetzen können. Der Torf, auch weggeſchafft, er⸗ zeugt ſich wieder; man findet in Torfmooren Kunſtprodukte, Menſchenleichen noch mit der Kleidung, verarbeitete Hölzer ꝛc. von Mineralien beſonders ſolche aus der Eiſenreihe: phosphor⸗ ſaures, kohlenſaures Eixenoxydul, phosphorſ. Eiſenoryd, Eiſen⸗

vitriol, Eiſenkies, Naſeneiſenſtein. Auch der Eisfels (von

v. Meyer mit Recht unter die geognoſt. Straten eingeführt,) der Alpen⸗

gipfel und Polarregion (f. Cuvier⸗Nöggerath Bd. 2, S. 12.) gehört zum Theil zu den neuen Formationen. Ebenſo auch die Salzbil⸗

dungen, Ablagerungen, Bänke von Kochſalz in manchen Seen und

im Meere. Auch manche Knochenhöhlen und Knochenbreceien

gehören zu den ganz neuen Bildungen. Durch Erdbeben entſtehen Riſſe

und Spalten, emporgehobene Gebirgsmaſſen werden zerriſſen und

Geognoſtiſche Verhältniffe der Erdrinde. 403

zerklüftet. Dieſe Spalten werden durch Waſſerſtröme / welche durch ſie |

gehen, und Gaſe, welche ihre Wände zerfreßen, erweitert. Wie noch jetzt die Kalkſteinhöhlen von Morea durch Gewäſſer mit Schlamm und Geſchieben erfüllt werden, und im Sommer, wenn die Ströme verſiegt ſind, Füchſe und Schakale daſelbſt leben und ihre Beute verzehren, deren Ueberreſte dann in der rothen, ſchlammigen Ochererde zuweilen mit Menſchenknochen gefunden werden, ſo gieng es auch mit den Knochen-Höhlen älte⸗ rer Zeiten. Den Boden mehrerer H. und die daſelbſt befindl. Lage von knochenführendem Schlamm bedeckt oft eine Lage von Stalagmit. (So nennt man die am Boden befindlichen Tropf— ſteine, die an der Decke hangenden heißen Stalaktiten.) Noch jetzt lebende Thiere ſtürzen in Felsſpalten, z. B. des Felſens von Gibraltar, Nizza, Sardinien, und ihre Knochen werden durch ein Cement rother Erde zu einer Knochenbreccie verbunden, wie fie ſich häufig an verſchiedenen Punkten der Küſte des Mittel⸗ meeres finden. In durch ſehr lange Zeiträume offenen Schlün— den können ſich daher Thiere der Urwelt mit ſolchen der neueſten Zeit und mit Menſchenknochen zuſammenfinden. Wo Exkremente von Thieren mit vorkommen, muß man annehmen, daß ſie in den Höhlen gelebt haben; wo Menſchenknochen mit antidiluvia⸗ ſchen Thieren zuſammen vorkommen, konnten fie möglicherweiſe auch von Menſchen herrühren, welche in der poſtdiluvianiſchen Zeit in ihnen lebten, oder begraben, oder durch einbrechende Waſſer dahin geſchwemmt wurden. Durch Emporhebung von Gebirgsmaſſen konnten nach vorausgegangener Ablagerung noch ge— genwärtig lebende Mollusken hoch über das jetzige Meeresniveau ge— langen, wie bei Uddevalla in Schweden, Küſte des Mittel- und kasp. Meeres, Weſtküſte Südamerika's, Oſtküſte Nordamerika's. Organiſche Neſte der neuen Formationen. Sie wer: den meiſtens noch jetzt lebenden Thieren und Pflanzen angehören; (ſo dem Menſchen ſelbſt, wozu die im Geſtein aus Korallen und kleinen Stücken dichten Kalkſteins auf Guadeloupe gefundenen Skelete, Hausthiere tc.) dann einigen früher an gewiſſen Orten leben⸗ den, jetzt von da verdrängten Thieren (foßiles Elenn, foßiler Hirſch), endlich einigen ganz vertilgten oder ausgeſtorbenen, darunter auch Thieren der heißen Zone (foßiles Pferd, Cervus eurycerus, Bos primi- genius, Elephas? Mastodon maximus, Megatherium, Megalonyx?) Das Vorkommen von Elephanten iſt, wie man ſteht, noch. zwei- felhaft. Zwar wurde 1834 in der Societé geologique von Lajoye der untere Theil einer foßilen Elephantenmaxille vorgelegt, der aus den neueſten Schichten der Rheinufer bei Mannheim ſein ſoll. Die Spezies, welcher er angehört, wäre nicht größer geweſen/ als ein Stier. Nach 1 Prevoſt befänden ſich in einer

106 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

engl. Sammlung mehrere Theile eines foßilen Elephantenffelets von den Küſten von Norfolk, deren Dimenſtonen auf ein Thier von der Größe des Büffels ſchließen ließen. Nach Fairholme ſoll in Indien noch eine Elephanten-Nace (2) von ſolcher Klein⸗ heit exiſtiren. Institut 1834. P. 371. Ueber Anthropolithen ſ. Buch IX.

II. Periode. Tertiäre Formationen, Lyell. (Gruppe über der Kreide, de la Beche; Izémiens thalassiques, Alex. Brongn.)

Sie ſind jünger als die ſekundären, reichen aber kaum bis zu jener Zeit herab, in welcher der Menſch entſtanden iſt. Lyell führt die europäiſchen tertiären F. auf 4 Gruppen zurück, von denen jede durch ein ſehr verſchiedenes Verhältniß foßiler, aber noch gegenwärtig lebender Molluskenſpezies charakteriſirt iſt. In den ältern Perioden treten nur ſehr wenige mit jetzt lebenden identiſche Gattungen auf; in den neuern nehmen aber dieſe im⸗ mer mehr zu. |

1) Neuere plivcenifhe Schichten, Lyell. Beſonders mächtig in Sizilien, wo ſie im Notathale 42,000 hohe Berge bilden. In den Neptuniſchen Straten kommen ſehr häufig die Konchylien des Mittelmeers vor; die feurigen Maſſen ſind ſehr oft die Produkte auf einander folgender untermeeriſcher Eruptionen. Zu dieſen Bildungen gehört auch der größte Theil der Maſſe des Aetna, die Maſſe des Monte Somma, mehrere Kegel in den phlegräiſchen Feldern, einige Schichten in der Bai Concep⸗ tion in Chile, auf St. Vincent, Guadeloupe, auf Madeira; ein Lager von feinem Sand bei Grosvbeil mit noch jetzt im ber nachbarten Meere lebenden Konchylien, eben ſo der alte Strand an der ſkandinaviſchen Küſte, deſſen foßile noch jetzt lebende Kon⸗ chylien eine Hebung deſſelben um einige 100 / feit der neuen plio⸗ ceniſchen Periode beweiſen. Meſſungen lehrten, daß Schweden und Norwegen unmerklich langſam, aber fortwährend, etwa 2— 37 in einem Jahrhundert gehoben werden. Von Süßwaſſerfor⸗ mationen gehören alle hieher, die in den Becken jener Seen gebildet wurden, welche vor dem Daſein des Menſchengeſchlechts exiſtirten; fo das nun trockne Elſathal zwiſchen Siena und Flo: renz. Ferner gehören hieher die Travertine und Kalktuffe der obern Schichten der Hügel Rom's, der Löß oder Lehm im Nheinthale, die Knochenbreccien in mehreren Höhlen auf Si⸗ eilien. Lyell ſpricht ſich dagegen aus, daß die meiſten Geolo⸗ gen in ihrer Klaſſiſikation eine Alluvialepoche einführten, da ja die Fortſchaffung der loſen Materien von einem Theil der Ober⸗ fläche des Landes zur andern das Werk keiner beſondern Periode geweſen ſei. Alluvialformationen hätten zu jeder Periode entſte⸗ hen können, beſonders dann, wenn Land unter ſein früheres

Geognoſtiſche Verhältniſe der Erdrinde. 207

Niveau gedrückt, oder über dasſelbe emporgehoben wöotben wäre. Die Verbreitung der ſogenannten Findlinge, iſolirten Granitblöcke, blocserratiques, ſteht mit den Alluvionen wahrſchein⸗ lich im Zuſammenhang. Man findet nämlich zerſtreute Granitblöcke jeder Größe von 1 bis 40,000 Kubikfuß und mehr, zum Theil noch mit ganz ſcharfen Kanten an weit von ihrem Urſprung entfernten Stellen, wohin ſie nur durch gewaltige Kataſtrophen gelangen konnten. So liegen tauſende dieſer Granitblöcke der Alpen auf dem den Alpen zugekehrten, von ihnen durch eine weite Hoch— ebene getrennten Südabhang des Jurakalkgebirges, bis in bedeu- tende Höhen des letztern; tauſende um die großen Seen Nord⸗ amerika's; Millionen von Granitblöcken der ſkandinaviſchen Ges birge finden ſich um den Südrand des baltiſchen Meeres, auf den Anhöhen und großen Sandebenen zerſtreut, von den Küſten der Nordſee bis zu den Vorbergen des Ural. Es mußten gewaltige Kräfte fein, welche dieſe Blöcke aus ihren unverkennbaren, ur- ſprünglichen Lagerſtätten losrißen, und ſie an ſo weit entfernte Orte führten. Fluthen allein ſind es ſchwerlich geweſen, da die Blöcke ohnſtreitig ſich ſonſt abgerundet und ohne ſcharfe Kanten zeigen würden. Wahrſcheinlich wurden ſie bei der Erhebung der Gebirgsketten losgeriſſen und dann durch Gletſcher, oder ſchwimmende Eisberge (welche letztern noch immer Felsblöcke, zum Theil von ungeheurer Größe aus dem höchſten Norden den ſüdl. Meeren zuführen) an ihre jetzigen Fundörter gebracht. (Vergl. hiefür Cuvier⸗Nöggerath Bd. t., S. 22, 2. S. 15 —Ar. Anzeige eines der wichtigſten Ergebniſſe der Unterſuchungen des Herrn Venetz über die Walliſergletſcher v. Charpentier in Fröbel's und Heer's Mitth. a. d. Gebiet d. theor. Erdk. Bd. 1, S. 482.) Ritter (Erdkunde ꝛc. Th. 5, Buch 2., 2 te Aufl., S. 401) er zählt, daß unweit des Garo-Bergdorfes Robagiri, öſtlich von Butan, 6— 7 geogr. M. landeinwärts, alle Sandſteinhöhen mit großen Granitblöcken beſtreut ſeien. Nach Gruithuiſen ſtammen dieſelben aus den Gebirgshöhen der öſtl. Fortſetzung des Hima⸗ laya. G. verfichert, es fer ihm bekannt, daß auch in den Ebenen Turkeſtans und Dekans eine Menge Findlinge beobachtet worden ſind. In Nordamerika finden ſte ſich am Erieſee, am Ohio, ſelbſt in Virginien, in Afrika in den Ebenen Marokko's, öſtlich von Saffi. Nur in der Nähe des Aequators ſcheinen fie zu fehlen, weil es dort keine Gletſcher giebt. G. ſtellte ſchon 1809 die An⸗ ſicht auf, daß die auf die Gletſcher herabgeſtürzten Felsblöcke bei großen Fluthen nach andern Gegenden fortgeführt wurden, und durch Schmelzen oder Umwälzen der ſchwimmenden Gletſcher im Waſſer zu Boden ſanken. Später zeigte er die Möglichkeit, daß dieſe Felsblöcke in großen Waſſertiefen ebenfalls frei ſchweben

408 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

können, und auch auf ſolche Weiſe transportabel waren, denn der Granit gehe im Mittelmeere in 4/000 / Par Tiefe nicht mehr unter. Die Fluth, welche die Findlinge transportirt habe, ſei eine allgemeine geweſen, und habe erſt nach geendeter Alluvial⸗ zeit ſtattgefunden. (Neue Anal. 2r Bd., 28 Hft., S. 72.)

2) Aeltere plioceniſche Schichten, Lyell. . i Hieher gehören einmal die ſubapenniniſchen Schichten. Sie

begleiten öſtlich und weſtlich die ſekundäre Hauptkette der Apenni⸗ nen, und beſtehen aus lichtem, braunem oder blauem Mergel, von gelbem, kalkigem Sand und Grus bedeckt. Der Mergel ent⸗ hält zahlreiche Muſcheln, von denen viele das tiefe Meer bewoh⸗ nen, dann auch Braunkohlen- und Gypslager. Auch bei Genua, Savona, Albenga und Nizza, am Oſtende der Pyrenäen, bei Malaga und Granada, und auf Morea finden ſich ältere plioceni⸗ ſche F. Auch der ſogenannte Crag in Norfolk, Suffolk und Eſſer gehört zu ihnen. An einigen Punkten find ihre Konchylien in Feuerſteine, an andern in Kalkſpath verwandelt. Man findet in ihnen Meer⸗ und Süßwaſſerkonchylien, Blöcke von Apenninen⸗ kalkſteinen, von Lithodomen angebohrt, Reſte von Korallen, Ft ſchen, Krebſen, Cetaceen, Landſäugethieren. Charakteriſtiſch für die jüngern und ältern plioceniſchen F. ſind Turbo rugosus Linn., Trochus magus Linn., Solarium variegatum Linn., Tornatella fasciata Lam., Pleurotoma vulpecula Broc., Fusus crispus Br., Buccinum prismaticum Br., Pleurot. rotata Broc., Buccin. semi- | striatum Broc., Mitra plicatula Broc., Cassidaria echinophora Lam., Cytherea exoleta Lam. var. Mehrere von ihnen leben noch jetzt. Von vulkaniſchen Geſteinen gehören den Altern plioceniſchen F. an: die in Florenz, in der Campagna di Roma und wahrſchein⸗ lich auch die erloſchenen Vulkane am Niederrhein und in Catalo⸗ nien. Letztere ſind aus ſekundären Felsarten hervorgebrochen, die wahrſcheinlich der Kreidefoörmation angehören; I Grundgebirge der Eifel iſt Grauwackenſchiefer.

3) Mio ceniſche Schichten, Lyell. 1 Sie kommen vor in der Touraine, im Loirebecken zwiſchen den Pyrenäen und der Gironde, bei Turin und im Bormidathal in Piemont, bei Wien und in Steyermark, bei Mainz, in Weſt⸗ phalen, in einigen Theilen Ungarns, in Volhynien und Podolien. Vorzüglich charakteriſtiſch ſind für die an Konchylien ſehr reichen mioceniſchen Sch. Voluta rarispina Lam. , Mitra Dufrenei Bast., Pleurotoma denticula Bast., Nerita Plutonis Brongn., Turritella Proto Bast., Fasciolaria turbinelloides Desh., Pleurotoma tuberculosa Bast., Cardita Ajar Brongn. Letztere kommt noch lebend am Senegal vor. Die mioceniſchen Sch. des Loirebeckens liegen auf vielen ältern

Gevanofifche Verhältniſſe der Erdrinde. 409

Gebilden von der Kreide bis zum Gneis, beſtehen beſonders aus quarzigem Grus, Sand und zerbrochenen Muſcheln. Meiſtens ſind dieſe Materialien loſe, zuweilen durch einen Kitt verbunden, dann zu Bauſteinen dienend, und unter dem Namen Faluns be⸗ kannt in welchen Neſte von Mastodon, Rhinoceros, Hippopotamus mit Meerkonchylien, Serpulis, Flustris, Balanis vorkommen. Sehr ausgedehnt ſind die mioceniſchen Sch. zwiſchen der Gironde und den Pyrenäen. Wahrſcheinlich gehört auch die Schweizer Mo— laſſe hieher, ein weicher grauer, blaulicher oder grünlicher Sandſtein, der in der nördlichen Schweiz in den mächtigſten Lagen vorkommt. (Bern iſt z. B. aus ihm gebaut.) In den ſehr ausgedehnten und mäch⸗ tigen mioceniſchen Sch. von Wien und Steyermark kommen noch die charakteriſtiſchen Mytilus Brardii, Cerithium pictum, pupaeforme, plicatum und Braunkohlenlager vor. In den mioceniſchen Allu⸗ vionen, wie fie ſich z. B. am Mont Perrier in der Auvergne finden, kommen in Süßwaſſerablagerungen zwiſchen trachytiſchen Breccien und Baſalt Knochen von Maſtodon, Mammuth, Nils pferd, Nashorn, Tapir, Schwein, Pferd, Ochs, Hyäne, meh⸗ rern Hirſchen und Nehen, Hund, Otter, Biber, Haſe, Waſſer⸗ ratte vor, welche einſt dieſe Gegend bewohnten. Zu den vul⸗ kaniſchen Geſteinen der miocenifchen Periode gehören die erlo⸗ ſchenen V. in Ungarn (reich an Opal, Hornſtein, Chalzedon, Obſidian, Perlſtein) Siebenbürgen „Steyermark und im Velay.

4) Eoceniſche Schichten.

Bei ihrer Bildung waren die Meere nur von wenigen der jetzt noch lebenden Konchylienſpezies bewohnt, Aber die Klaſſen, Ordnungen, Familien des jetzigen Thierreichs waren fchon alle vorhanden. Zu ihnen gehören die Süßwaſſerformationen bei Aurillge am Cantal, bei Puy im Velay, und in den Becken des Allier und der Loire. Sie beſtehen aus Sandſtein und Konglo⸗ meraten rothem Mergel und Sandſtein, grünem und weißem blättrigem Mergel, (mit unzählbaren Schälchen von ſubmikroskopi⸗ ſchen Süßwaſſerkrebſen der Sippe Cypris) Kalkſtein, Travertin ze. Letztere wurden in der Auvergne wahrſcheinlich aus den, zuweilen warmen Mineralquellen abgeſetzt, die aus dem Granit empor⸗ ſtiegen. Nachdem ſich im alten See der Limagne mächtige Sand⸗ ſtein⸗ und Mergelſchichten abgelagert hatten, erfolgten vulkaniſche Ausbrüche. Die Bildungen des Pariſerbeckens (einer alten Meeresbucht, in welche Flüſſe mündeten) haben mit mehrern der oben genannten Lokalitäten große Aehnlichkeit. Daſſelbe bildet eine Vertiefung in der Kreide, von NO. nach SW. 40 geogr. M. lang, von O. nach W. etwa 20 M. breit, von eoeeniſchen F. ausgefüllt. Unmittelbar auf der Kreide liegt ſehr häufig ein La ger von Feuerſteinbruchſtücken, auf dieſem plaſtiſcher Thon und

N 410 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Sand (mit Süßwaſſermuſcheln und Treibholz), auf dieſem Kieſel⸗ kalkſtein (mit nur wenigen Land⸗ und Süßwaſſerkonchylien), Gyps (mit Land⸗ und Flußkonchylien, Stücken Palmenholz, zahlreichen Skeleten von Säugthieren, Vögeln, Flußſiſchen,

Land⸗ und Süßwaſſerreptilien, die ohne Zweifel durch das ſchwe⸗ felſaure Waſſer eines Fluſſes in den alten Golf geführt, und dort mit dem Gypſe niedergefchlagen wurden), Grobkalk (auf ſerſt reich an foßilen Konchylien des Landes, Süß⸗ und Meer⸗ waſſer, ſo daß man zu Grignon allein 400 Spezies fand; darun⸗ ter auch ſubmikroskopiſche Cephalopoden); hierauf folgt eine obere Meeresablagerung (mächtige Schichten glimmerigen Sandes und Sandſteins) und zu höchſt liegt eine obere Süßwaſſerformation (mit Süßwaſſerorganismen, vorzüglich häufigen Gyrogoniten oder Samenkapſeln der Chara). Charakteriſtiſch für die ebeeniſche Bes riode find Voluta costaria Lam., Pleurotoma clavicularis Lam., Cassi- daria carinata Lam., Nerita tricarinata Lam., Calyptraea trochiformis Lam., Turritella imbricataria Lam., Voluta digitalina Lam., Natica epiglottina Lam., Solarium canaliculatum Lam., Cardita planicosta Desh. Das Pariſerbecken iſt bekanntlich durch Brongniarts und Cuviers Forſchungen äuſſerſt lehrreich und wichtig geworden, und giebt ein ſchönes Beiſpiel einer Gegend, die abwechſelnd von Meer⸗ und Süßwaſſer bedeckt wurde. Die Zahl der foßilen Säugethiere in ihm beträgt 50 (ſämmtlich ausgeſtorben, meiſtens Pachydermen, dann ein Fuchs und eine Genettkatze, eine Haſelmaus, ein Eich⸗ horn, eine Fledermaus, ein Opoſſum), der Vögel 10, gleich den Reptilien und Fiſchen ſämmtlich ausgeſtorben. Von 1122 Spe⸗ zies foßiler Mollusken des Pariſerbeckens eriffiren nur noch 38. Von vulkaniſſchen Felsarten gehören dieſer Periode mehrere Ausbrüche der Auvergne an, während andere, wie oben bemerkt, erſt in der mibeeniſchen Periode ſtatt fanden. Mehrere 100 vul⸗ kaniſche Kegel in der Auvergne, im Velay und im Vivarais wa⸗ ren offenbar nie der Einwirkung heftiger Waſſerfluthen ausgeſetzt, und mußten daher, wenn man die moſaiſche Fluth als allgemein annimmt (was Lyell nicht thut), poſtdiluvianiſch fein. Zu den eoceniſchen Schichten gehören auch noch die grobkörnigen Kalk⸗ Heine im Becken des Cotentin, die Meeresſchichten bei Nonnes, der größte Theil von den tertiären Formationen Belgiens und der Niederlande, die tertiären Schichten von Air in der Provence, der Kalkſtein und Baſalttuff mit eoceniſchen Petrefakten nördlich von Vizenza, bei Noncg ꝛc. und die Becken von London und

Hampſhire. Letztere beſtehen hauptſächlich aus Meeresbildungen; ve

zu unterſt liegt plaſtiſcher Thon und Sand (zuweilen 4— 5007 mächtig, mit wenigen Konchylien, Pflanzenabdrücken, foßilem Holz und Braunkohlen), auf dieſem ſogen. Londonthon (manchmal

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. AM

bis 500 / mächtig, mit nerenförmigen / Septarien genannten Maſſen von thonigem Kalkſtein, welchen Kalkſpathſchnüre durch⸗ ſetzen; mit vielen Konchylien, Schildkröten, und holzartigen Samenkapſeln tropiſcher Pflanzen), zu oberſt Bagſchotſand (kie⸗ ſeligem Sand und Sandſtein und einigen Mergellagern mit we⸗ nigen Muſcheln). Im Norden der Inſel Wight und in Hamp⸗ ſhire liegen auf dem Londonthon Süßwaſſerſchichten, mit Schild⸗ kröten, Krokodilzähnen, Reſten von Anoplotherium, Palacotherium, Moschus. Mineral» und warme Quellen fehlen in den tertiären Formationen Englands, welche faſt ausſchließlich ee

Urſprungs ſind.

III. Periode. Sekundäre Formationen. (Flötz⸗ und Ueber⸗ a gangsgebirge Werner's; Roches izemiens et hemylisiens Bash: 4

Terrains ammoneens ei hemilysiens Omalius d'Halloy. 4

Sie liegen unter den tertiären Schichten (wo dieſe vorhan⸗ den ſind), enthalten beſtimmte organiſche Reſte und gehen zu- weilen in die primären Schichten über.

1. Kreidegruppe. Sie hat ihren Namen von dem weichen, erdigen, weißen, reine Kreide genannten KA, In der engl. Kreide, auch auf Rügen, in Volhynien ꝛc. finden ſich, durch Erd⸗ pech meiſt ſchwarze Feuerſteinknollen, in parallelen Linien vor⸗ kommend, und mehrentheils um organiſche Reſte (Alcyonien ?) gebildet. Die Kreidegruppe iſt in England, Norddeutſchland, Frankreich, bis nach Volhynien hinein, ſehr verbreitet; doch herrſcht nur ſelten die weiße, ſchreibende Kreide vor, ſondern feſtere Kalkſteine, die nach unten in Grünſand (von ſehr viel grünen, aus Eiſenſtlicat beſtehenden Körnern ſo benannt) über⸗ gehen. Im Allgemeinen iſt die Kreidegruppe oben und in der Mitte eine kalkige, unten eine ſandige, mergelige, thonige Bil⸗ dung. Bei Valenciennes liegt fie 150 5007 auf dem Stein⸗ kohlengebirge. An der Nidda, im Krakau'ſchen, im Becken von Galizien und Podolien iſt in der obern Abtheilung eine Gypsbil⸗ bildung von 100 / Mächtigkeit eingelagert, und bei Czarkow liegt zwiſchen dieſem Gyps und dem Kreidemergel ein Schwefellager. Auch auf Morea iſt die Kreidegruppe ſehr entwickelt, ferner in der pyrenäiſchen und apenniniſchen Halbinſel; in Dalmatien und Croatien bildet ſte hohe, an Nummuliten reiche Berge. Bei An⸗ trim in Nordirland liegt ſte unter einem großen Baſaltplateau. In den vereinigten Staaten ſind die Schichten dieſer Gruppe fein und zerreiblich, bläulich und grünlich, grau, ſandig und eiſen⸗ ſchüſſig, mit Thonlagern, Gerölleſchichten und Mergeln, denſelben Sippen von verſteinerten Konchylien, aber keiner eigentlichen weißen Kreide. In Entſtehung und Verbreitung der Kreide

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212 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

gruppe iſt viel Räthſelhaftes. Die ſandigen und thonigen untern Schichten dieſer Gruppe find wohl durch Zerſtörung vorher epiſti⸗ renden Landes entſtanden, und aus Gewäſſern mechaniſch nie⸗ dergeſchlagen worden. Die oberen Theile der Gruppe, darunter die eigentliche Kreide, ſcheinen hingegen aus chemiſch aufgelös⸗ tem kohlenſaurem Kalk und Kieſel gebildet zu ſein. Kreide von gleichem mineralogiſchem Charakter bedeckt in Schweden den Gneis, in Südengland die Wealdgruppe. In den Alpen trifft man ſehr feſte Kalk- und Sandſteine, die man wegen ihrer Ver⸗ ſteinerungen zur Kreidegruppe rechnet, obwohl ſte mineralogiſch ſehr davon abweichen. Die Kreide des Centralplateau's von Frank⸗ reich enthält hie und da Steinkohlen, und zeigt, wie in den Py⸗ renäen, kryſtalliniſche Beſchaffenheit. In Spanien kommt bei Cordova und Monreal im obern Theil der Gruppe Steinſalz vor; an andern Punkten Steinkohlen, und an Orten, wo die Schich⸗ ten Störungen erlitten haben, Salzquellen von Gyps, Trapp⸗

geſteinen und Dolomit begleitet. Am rechten Elbeufer, nahe bei

Meißen tritt (höchſt merkwürdig) aus der Quaderſandſtein- und Plänerkalkebene faſt plötzlich ein, zuſammenhängendes Granit - und Syenitgebirge auf. In dem Steinbruch von Weinböhle da⸗ ſelbſt fallen die ſonſt horizontalen Kreideſchichten in der Nähe des Syenits allmälig ab, und unterteufen ihn, ſo daß ſte von ihm gleichförmig bedeckt werden. Bei Niederwarta, am linken Elbeufer, ſteigen die durch den Granit emporgehobenen und zerriſſenen Schichten in ſteilen Bergen über die Kreideformation empor. In Nückſicht der organiſchen Reſte iſt die Kreide ſcharf von den tertiären Formationen getrennt. Im Ganzen kommen in der Kreidegruppe von thieriſchen Ueberreſten vor 155 Genera, 751 Spezies; von Pflanzen 5 G., 17 Sp. Säugethiere und Vögel fehlen in ihr; dagegen kommen Reptilien von bedeutender Größe vor; ſo große Schildkröten, dann Mosasaurus, Crocodilus. Die Zähne von Squalus und Gaumenſtücke von Muraena, Zeus, Salmo? Amia f Esox find ſehr Häufig; von Cruſtazeen kommen vor Spezies von Astacus, Pa- gurus, Scyllarus, Eryon, Arcania, Elyaea, Corystes, Orythia; von Cirr- hipeden Pollicipes; von Ringelwürmern Serpula 30 spec; von kopftragenden Mollusken Dentalium, Patella, Emarginula, Pileopsis, Helix, Auricula, Paludina, Ampullaria, Nerita, Natica, Vermetus, Delphinula, Solarium, Cirrus, Pleurotomaria, Trochus, Turbo, Turri- tella, Cerithium, Pyrula, Fusus, Murex, Pterocera, Rostellaria, Strom- bus, Cassis, Dolium, Eburna, Nummulites, Lenticulites, Lituolites, Planularia, Nodosaria, Nautilus 7, Belemnites 7, Scaphites, Ammoni⸗ tes 50, Turrilites, Baculites, Hamites 21 (die 6 letzten Sippen ind in den tertiären Schichten nicht beobachtet und kommen hier zu⸗ erſt vor,); von kopfloſen Mollusken: Najas, Thecidea, Terebratula

Geognoſtiſche Verhaͤltniſſe der Erdrinde. 415

54, Crania 8, Orbicula, Hippurites 8, Sphaerulites 15, Ostrea 22, Exo- gyra, Gryphaea 8, Sphaera, Podopsis, Spondylus?, Plicatula, Peeten 28, Lima, Plagiostoma 15, Avicula, Inoceramus 19, Pachymya, Me- leagrina, Gervillia, Pinna, Mytilus, Modiola, Chama, Trigonia u. Nucula 12, Pectunculus, Arca, Cucullaea, Cardita, Cardium, Venericar- dia, Astarte, Thetis, Venus 9, Lucina, Tellina, Corbula, Crassatella, Cytherea, Lutraria, Pano paea, Mya, Pholas?, Teredo, Fistulana. Von Nadiarien: Apiocrinites, Pentacrinites, Marsupites, Glenotremi- tes, Asterias, Cidaris 9, Echinus, Galerites 9, Clypeus, Clypeaster, Echinoneus, Nucleolites 12, Ananchytes 8, Spatangus 29. Von Zoo⸗ phyten: Achilleum, Manon 7, Scyphia 12, Spongia 12, Spongus, Tragos, Aleyonium, Choanites, Ventriculites, Siphonia, Halirrhoa, Serea, Gorgonia, Nullipora, Millepora, Eschara 10, Cellepora 7, Cos- einopora, Re tepora, Flustra, Coeloptychium, Ceriopora 21, Lunulites, Orbitulites, Lithodendron, Caryophyllia, Anthophyllum, Turbinolia, Fungia, Chenendoporä, Hippalimus, Diploetenium, Maeandrina, As- traea 15, Pagrus. Von Pflanzen: Conſervites. beides 9 Baer rites, Cycadites, Thuites.

2. Die Wealdgruppe. (Wälderthon/ Wealdclay, Haſtings⸗ fand, Stonfand, Purbekkalk ꝛc.) Sie tritt im SO. Englands un⸗ ter dem untern Grünſande auf, und iſt reich an Reſten von Land⸗ und Süßwaſſergeſchöpfen. Der Wälderthon, Wealdclay hat feinen Namen vom Walde von Suſſer, iſt an der Oberfläche braun und zäh, darunter blau, ſchiefrig, Eiſenſteinnieren ent⸗ haltend, 150 2007 mächtig, im untern Theile mit Kalkſteinſchich⸗ ten voll von Paludina vivipara; auf der Inſel Wight enthält die⸗ ſer Thon unzählige Schalen von Cypris faba Desm. Im eiſen⸗ haltigen Haſtingsſande von Sufer finden ſich dünne Lagen von Braunkohle, und unzählige Bruchſtücke verkohlter Vegeta⸗ bilien. Die Pur bekſchichten beſtehen aus verſchiedenen mit Mergel abwechſelnden Kalkſteinen mit Süßwaſſer⸗ oder Küſten⸗ konchylien, wie Ostrea, Cardium. Auf der Inſel Portland findet ſich unmittelbar auf den Oolithgruppen eine braune, erdige Schicht mit vielem verſteinertem Holze, auf ihr ſchiefriger Kalk⸗ ſtein mit verkieſelten Baumſtämmen und Cycadeen, ein ſprechen⸗ der Beweis, daß hier ehemals trockenes Land mit tropiſchen Pflanzen vorhanden war, welches ſpäter ſank, und von neuen neptuniſchen Niederſchlägen bedeckt wurde. In den großen Sandmaſſen der mittlern und obern Theile der Formation fin⸗ den ſich viel Land⸗ und Süßwaſſerſchiloͤkröten, Krokodile, Plesio- raurus, Megalosaurus, der große Iguanodon, gigantiſche Reptilien; in den obern Thonlagern nur Süßwaſſerverſteinerungen. Gleich der Wealdformation ruhen ebenfalls auf der oberſten Oolithgruppe mehrere, jedoch im Meere, gebildete Schichten; ſo die ausgedehnte

7

414 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Eiſenſteinbildung (Bohnerz) im Dep. d. obern Saone, Kanton Baſel, Jura, an den weſtlichen Vorbergen des Schwarzwaldes; ferner Mergellager auf der Inſel Nie und an der Mündung der Charente, mit Bernſtein und foßilem Holz; endlich das polniſche Thoneiſenſteingebirge, mit vielen jenen des Jurakalkſteins ent⸗ | ſprechenden Verſteinerungen.

3. Die Oolithen- und Liasgruppe. (Jurakalk, Holith⸗ formation.) Sie hat ihren Namen von der vorherrſchenden golithifchen Struktur (wie Fiſchrogen, daher Rogenſtein), beſteht aus Kalkſtein, Thon, Mergel und Sandſtein, und kommt in einem bedeutenden Theil von England, wo ſie ſehr ausgebildet iſt, Frankreich und Deutſch⸗ land vor. Die Zahl und Art der einzelnen Schichten, aus wel⸗ chen die Formation beſteht, weicht in den verſchiedenen Gegenden ſehr ab, worüber man die Monographieen nachſehen kann. In der für die Oolithformation typiſchen Gegend von Bath zerfällt fie 1) in Kimmerjdgethon, 2) Coralrag, 190 - 230 / mächtig, 3) Ox⸗ fordthon, 4) Cornbraſh, 5) Forestmarble, 100 / mächtig, 6) Bradforoͤthon, 40 60/ mächtig, 7) großen Oolith, 40 1257, 8) Walkererde, 140 /, 9) untern Oolith, 130/, 10) Mergelftein, 11) Lias, 280 290 / Aehnliche Verhältniſſe finden ſich in der Normandie und am Südrande der Ardennen, ſo wie im Dep. der obern Sapne, und im Jura. Im Südweſten Frankreichs find die Unterabtheilungen weniger zahlreich, als in England; die Kohlenflötze im Lozeredep. vergleicht man mit denen in Vorkſhire. Die Oolithengruppe Norddeutſchlands nähert ſich in ihrer Zuſam⸗ menſetzung jener in Borkſhire und einigen Theilen Schottlands; in ihr herrſchen Thöne, Mergelſchiefer und Sandſteine (mit mäch⸗ tigen Steinkohlenflötzen) vor, und die bolithiſchen Kalkſteine find auf untergeordnete Lager beſchränkt. Die Oolithengruppe Süd⸗ deutſchlands bildet die nordöſtl. Fortſetzung des ſchweizeriſchen Jura, welchen bei Schaffhauſen der Rhein durchbricht. Jenſeits deſſelben bilden die Oolithſchichten das große Plateau, ſchwäbiſche Alp genannt. Ueber der Donau iſt der Lias vollſtändig ent⸗ wickelt, und dem engliſchen ganz ähnlich. An der Stelle des Kimmeridgethones finden ſich in Bayern die lithographiſchen Schiefer, eine nicht weit verbreitete Bildung mit vielen und höchſt verſchiedenen Petrefakten. Unter ihnen liegen von der Donau bis Koburg, mächtige, meiſt verſteinerungsloſe Dolomitmaſſen. Während die Verhältniſſe der Oolithgruppe in allen genannten Ländern ſich ähneln, weicht ſie in Polen durch ganz andere mi⸗ neralogiſche Struktur ſehr ab, iſt jedoch durch ihre Petrefakten mit jenen identiſch. Auf den untern weißen und mergeligen Schich⸗ ten ruht daſelbſt Dolomit, oben mit Eiſenoolith; der obere Theil der Gruppe beſteht aus grauem / volithiſchem Kalkſtein und Kalk⸗

> Otostoflifche Verhältniffe der Erbrinde. 213

konglomeraten; die ganze Gruppe ift dem Steinkohlengebirg und Muſchelkalk ungleichförmig aufgelagert. In den Alpen, den Karpathen und Italien giebt es ſehr ausgedehnte Bildungen von verwickelten Lagerungsverhältniſſen, die ſtatt der weichen Mer⸗ gel⸗„ Thon ⸗„ Sand⸗ und hellen Kalkſteinſchichten der engliſchen Oolithe dunkle Marmore, Dolomitmaſſen, Gyps und Schiefer zeigen (welche letztere den Talk⸗ und Glimmerſchiefern ähnlich ſind), aber durch ihre Verſteinerungen zur Oolithgruppe gehören. Auf dem Gipfel des Buet in Savoyen kommt in 9700 / ein grauer, kalkiger Schiefer mit Belemniten vor. Die Kalkſteine der Berner⸗ alpen zwiſchen dem Dent de Morele und der Jungfrau gehö⸗ ren größtentheils der Oolithgruppe an. Weiter nach Oſten beginnen die zur Kreide gehörigen Schichten zu überwiegen. In dieſen und den vorigen Straten herrſcht großer Mangel an Petre⸗ fakten, und ſie ſind daher wahrſcheinlich in einem tiefen Meere gebildet worden. Da die Oberfläche, auf welcher die Oolith⸗ gruppe abgeſetzt wurde, wahrſcheinlich in verſchiedenen Tiefen un⸗ ter dem Meeresſpiegel lag, ſo deuten die organiſchen Reſte bald auf ein tiefes Meer, bald auf die Nähe von Küſten oder Land hin. Wahrſchein⸗ lich herrſchte in Bezug auf den großen Dolithb— imſteinkohlenreichen Nordeuropa trocknes Land, in Südeuropa tiefes Meer vor, zwiſchen beiden ſeichtes Gewäſſer mit einzelnen Inſeln. Man hat in der Oolithgruppe bis jetzt 191 Sippen und 1182 Spezies von Thies ren, 17 S. und 51 Sp. von Pflanzen gefunden. Von Säugthieren kom⸗ men vor: Didelphis, nur zu Stonesſield in England; von Nepti⸗ lien: Testudo; dann eine ganze Reihe jener wunderbaren Eidech— ſenformen der Vorwelt, wie Pterodactylus 7 sp., zu Solenhofen, Lyme Regis; Macrospondylus, Crocodilus überall, Teleosaurus, Megalosau- rus, Geosaurus, Lacerta, Racheosaurus, Aelodon, Pleufosaurus, Plesio- saurus, Ichthyosaurus, beide letztere ſehr weit verbreitet. Die Ich- thyosauri mochten im Meer leben, die langhälſigen Plesiosauri in ſeichten Buchten, die fliegenden Pterodactyli auf Bäumen am Ufer; von Fiſchen: Dapedium, Clupea, Esox, Uraeus, Sauropsis, Ptycholepis, Semionatus, Lepidotes, Leptolepis, Tetragonolepis ; von Cruſtazeen: Pagurus, Ergon, Scyllarus, Palaemon, Astacus; von Arachniden: Solpuga? Von Inſekten: Iäbellula, Aeshna, Agrion, Myrmeleon? Sirex? Von Ningelwürmern: Lumbricaria, Serpula 53.

Von Mollusken: Sepia, Onychotheutis, Aptychus, Ammonites 173, Scaphites, Hamites, Nautilus 10; Orthoceratites, Belemnites 65, Tere- bra, Buccinum , Actaeon, Pterocera , Rostellaria, Murex, Cerithium, Nerinaea, Maui Phasıanella, Turbo 8, Rissoa, Trocids 21, Pleuro- tomaria, Cirrus, Solarium, Delphinula, Vermetus, Natica, Nerita, Am- pullaria, Paludina, Melania, Auricula, Helicina, Bulla, Pileolus, Emar- sinula, Patella 8, Dentalium, Pholas, Panopaca, Pholadomya 20,

*

416 gemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Mya 8, Gastrochaena, Lutraria, Amphidesma, Nach Gas Banguit nolaria, Lucina, Psammobia, Tellina, Corbis, Donax, Bullastra, Cythe- 2 rea, Venus, Crassina 7, Astarte 9, Myoconcha, Cardium 11, Cardita, _ Isocardia 11, Hippodium, Cucullaea 14, Area 7, Pectunculus, Nucula 18, Trigonia 15, Unio, Chama, Lithodomus, Modiola 22; Myitilus, Pinna 7, Trigonellites, Crenatula, Perna, Gervillia 7, Inoceramus, Avicula 12, Lima, Posidonia, Plagiostoma 18, Monotis, Pecten 28, Plicatula, Gryphaea 15 (E. virgula charakteriſtiſch in Frankreich, G. dilatata charakteriſtiſch in England und Frankreich, 8. incurva charakteriſtiſch für den Lias), Exogyra, Ostrea 28 (darunter O. del- toidea charakteriſtiſch in England), Lingula, Orbicula, Terebratula 59, Spirifer (Sp. Walcotii charakter. für den Lias). Von RNadiarien: Asterias 8, Ophiura, Comatula, Rhodocrinites, Solanocrites, Pentaeri- nites 14 (weit verbreitet im Lias), Apiocrinites 8 (beſonders häu⸗ fig im großen Oolith), Eugeniacrinites, Encrinites, Clypeus, Spatan- gus, Ananchytes, Nucleolites, Clypeaster, Galerites, Echinus, Cidaris 18. Von Zoophyten, welche hie und da fo häufig find, daß fie ganze Felsmaſſen zuſammenſetzen, wie im Coral rag Englands, der ganz den heutigen Korallenriffen analog iſt, im Polypenkalkſtein der Normandie 26; ı Intricaria, Sar einula, Cellaria, Terebellaria, Bere- nicea, Alecto, Idmonea, Theonoa, Chrysaora, Eunomia, Spiropora, Fa- 1 vasites, Entalopora, Aulopora, Th amnasteria, Astraea, Maeandrina, Cya- thophyllum, Turbinolopsis, Turbinolia, Cyelolites, Fungia, Anthophyl- lum, Caryephyllia 7, Lithodendron , Agaricia, Ceriopora 9, Flustra, Retepora?, Cellepora, Madrepora, Millepora, Gorgonia, Myrmecium, Siphonia, Limnorea, Cnemidium 9, Alcyonium, Spongia, Tragos 9, Scyphia, Manon, Achilleum. Von Pflanzen: Mammillaria, Bucklan- dia, Taxites, Thuites, Zamites, Zamia 11, Pterophyllum, Lycopodites, Neuropteris, Glossopteris, Cyclopteris, Taeniopteris, Sphenopteris, Pteropteris, Pachypteris, Equisetum (in Horkſhire ſenkrecht ſtehende Stämme von E. columnare), Fucoides. Das damalige Pflanzen⸗ reich war ganz ungemein vom gegenwärtigen verſchieden.

4. Gruppe des rothen Sandſteins. (Keuper, bunter Mergel, Marnes iriseés. Bunter oder Vogeſenſandſtein, Gres bi- Br Zechſtein, Kupferſchiefer, Alpenkalk, Magnesian Limestone. RNothliegendes, rothes Todtliegendes New red Conglomerate.) Das oberſte der 5 Glieder dieſer aus Konglomeraten, Sand⸗ ſtein / Mergel und Kalkſteinen beſtehenden Gruppe, der Keuper ſcheint in das unterſte der Oolithengruppe, den Lias über zu ge⸗ hen. Keuper nennt man gewiſſe Mergel von grünlicher, röth⸗ licher, bläulich⸗grauer Farbe, manchmal mit Lagern von ſchwar⸗ zem Schieferthon, Sandſtein (in beiden letztern find Pflanzen⸗ abdrücke, Steinkohlen und Anthrazit enthalten), Dolomit, Stein⸗ ſalz, Gyps und Kalkſteinlagern mit Muſcheln. Der Keuper kommt

N

ö 4 g

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 217

an verſchiedenen Punkten Norddeutſchlands und Frankreichs vor, und bildet um das Thal von Pyrmont die Gipfel ausgezeichneter Berge. Muſchelkalk iſt ein gewöhnlich grauer und dichter, zuweilen dolomitiſcher, ſelten volithifcher Kalkſtein. Manchmal um⸗ ſchließt er zahlreiche Nefte von Enerinites moniliformis Mill. Bis⸗ weilen iſt er auſſerordentlich reich, öfters aber ſehr arm an Kon⸗ chylien. Der bunte Sandſtein iſt noch weiter verbreitet als der Keuper und Muſchelkalk und kommt vom Norden Schottlands bis in die Mitte Englands, um die Vogeſen, in es im Schwarzwald, in Schleſten, Polen und mittlern Rußland vo

Er beſteht oben aus thonigen, rothen und bunten Mergeln mit Dolomit, Gyps, Petrefakten des Muſchelkalks und vielen Pflan⸗ zenabdrücken, unten aus ſtarken geſchichteten Bänken von Quarz⸗ körnern, mit Nieren von Thon, Eiſen, kugligen Zuſammenzie⸗ hungen von Kalkſpath, mancherlei Metallen, Lagern von Nogen⸗ ſtein, faſt ohne alle Verſteinerungen. Die rothe Farbe herrſcht vor, wechſelt aber in Streifen, Flecken und ganzen Maſſen mit hellgelblichgrauen und weißen Färbungen und Streifen. Unter dem bunten Sandſtein liegt der Zechſtein, eine Kalkſteinbildung von ſehr mannigfachem Charakter, Eiſen- und Kupfererze, Rogen⸗ ſtein einſchließend, vorzüglich um den Harz, im Thüringerwald, voigtländiſchen Schiefergebirg, den Fulda- und Werragegenden, der Oſtſeite des weſtphäliſchen Gebirgs bis nach dem Speſſart und der Wetterau verbreitet, aber auch in Frankreich und England vorkommend. Im Mannsfeldiſchen unterſcheidet man bei ihm folgende Lager: Aſche (zerreiblicher Mergel), Stückſtein, Rauch⸗ wacke (Dolomit), Zechſtein und Kupferſchiefer oder bituminöſer Mergelſchiefer. Im engl. Zechſtein überwiegt der Dolomit ſo ſehr, daß man davon die ganze Bildung Magneſta-Kalkſtein genannt hat. Unter dem Zechſtein liegt das Rothliegende, eine Bildung von rothem, aus zerſtörten unten liegenden Gebirgs⸗ arten entſtandenen Konglomerat und Sandſtein. Seinen bberſten Theil bildet am Harz das Weißliegende; hierunter liegt rother Schieferletten und thoniger, feinkörniger Sandſtein, dann ein Porphyrkonglomerat; auf dieſes folgen ſchmale Kalkſteinlager, dann ein Konglomerat mit fauſtgroßen Hornquarzkugeln. Die meiſten Schichten find Firfch- und violettroth gefärbt. Die ganze Bildung iſt vorzüglich in Thüringen entwickelt; ein Sandſtein⸗ gebilde von etwas verſchiedenem Charakter tritt in England als Aequivalent auf. Die unter der Gruppe des rothen Sandſteins ruhenden Schichten ſind in Folge heftiger Störungen vielleicht Hervorbrechens plutoniſcher Gebirgsmaſſen)/ die der Bildung des rothen Sandſteins vorher giengen, meiſtens ſtark geneigt, ge⸗ wunden und Wera Von ihnen wurden die Bruchſtücke der

27

413 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

unterſten Schichten des Todtliegenden abgeriſſen, durch Gewäͤſſer weiter verbreitet, und ſpäter durch einen Kitt von rothem Sand⸗ ſtein, Thon oder Kalk zu Konglomeraten verbunden, wie man namentlich in Devonſhire nachweiſen kann. An einigen Punkten

Europa's gehen die untern Theile der Gruppe des rothen Sand⸗

ſteins in die obern Theile der nächſtfolgenden, des Kohlengebirges über. Man erklärt auch die verſchiedenen Bildungen der rothen

Sandſteingruppe durch mechaniſche Niederſchläge aus dem Meere

von ſehr abweichender Beſchaffenheit, welche zum Theil ſehr ſchnell

erfolgen mußten, wie namentlich die Fiſche des Kupferſchiefers

zu beweiſen ſcheinen, deren gekrümmte Lage auf einen gewaltſamen und plötzlichen Dod deutet, nach welchem fie bald in den fein zertheilten Schlamm eingeſchloſſen wurden. Relative Aenderungen im Niveau des Meeres und Landes würden hinreichen, dieſe Ueber— fluthungen und Niederſchläge zu erklären, fo wie fie andererſeits bins reichten, die Natur der damals lebenden Organismen bedeutend zu ver- andern, oder fie gänzlich zu zerſtören. Mancherlei Bedingungen

mochten das organiſche Leben jener Zeit bald mehr, bald weniger

begünſtigen, wie der ſehr ungleiche Reichthum von Verſteinerun⸗

gen der verſchiedenen Glieder dieſer Gruppe beweist. Man hat in ihr bis jetzt von Pflanzen gefunden 23 Sippen, 42 Spezies,

von Thieren 93 S., 189 Sp. Im Keuper kommen vor von Nep⸗ tilien: Plesiosaurus, Ichthyosaurus, Mastodonsaurus, Phytosaurus. Fiſche: zur Zeit noch unbeſtimmte Neſte. Mollusken: Buccinum, Saxicava, Lingula, Venericardia, Modiola, Posidonia, Avicula, Mya, Trigonia, Cardium, Plagiostoma. Nadiarien: Ophiura. Pflanzen: Pterophylluuu, Marantoidea, Filieites, Taeniopteris, Pecopteris, Equise- tum. Im Muſchelkalk. Reptilien: Chelonia, Crocodilus, Nothosaurus, Ichthyosaurus, Plesiosaurus. Fiſche: zur Zeit noch

unbeſtimmt. Cruſtazeen: Palinurus. Ringelwürmer: Serpula.

Mollusken: Ammonites (A. nodosus iſt eine charakt. Spez.), Nau- tilus, Turbo, Natica, Strombus, Buceinum, Turritella, Trochus, Calyp- traea, Capulus, Dentalium, Cueullaea, Mactra?, Venus, Mya, Cardium, Arca, Trigonia, Mytilus, Avicula, Plagiostoma, Pecten, Gryphaea, Ostrea 9, Lingula, Spirifer, Terebratula. Nadiarien: Pentacrinites, Enerinites, Encrinus (charakter. iſt E. liliiformis), Asterias, Ophiura, Ci daris. Zoophyten: Astraea. Pflanzen: Mantellia, Neuropteris. Im bunten Sandſtein; Mollusken: Buccinum, Turritella, Na- üca, Mya, Trigonia, Mytilus, Avicula, Plagiostoma. Pflanzen:

Aethophyllum, Echinostachys, Palacoxyris, Convallarites, Voltzia, Fili-

cites, Sphenopteris, Neuropteris, Anomopteris, Calamites, Equisetum.

Sm Zechſtein; Reptilien: Monitor. Fiſche: Palaeothrissum 8 (ſehr charakteriſtiſch für den Kupfer- oder den ihm äquivalenten

Mergelſchiefer), Stromateus, Clupea. Mollusken: Ammonites,

Geognoſtiſche Verhältniffe der Erdrinde. 419

Melania? Pleurotomaria ? Turbo? Venus? Astarte? Cucullaea , Arca, Modiola, Mytilus, Avicula, Plagiostoma? Pecten, Ostrea, Axinus, Or- bicula, Producta 7, Terebratula 9, Spirifer, Nadiarien: Cyathocrini- tes, Encrinus. Zoophyten: Retepora, Calamopora, Gorgonia. Pflan⸗ zen: Asterophyllites, Lycopodites, Pecopteris, Fucoides. Im Noths liegenden; Mollusken: Mya? Mytilus? Terebratula. Pflanzen: Lepidodendron, Stigmaria, Endogenites, auſſerdem petrifigirte Stücke von Palmen und Farren. Weite Züge von rothen Sandſteinen und Konglomeraten kommen auch in Mexiko, Südamerika und auf Jamaika vor.

5. Die Kohlengruppe (Steinkohlengebirge/ Kohlenſand⸗ ſtein, Terrain houiller, Coal measures; Bergkalk, jüngerer Ueber— gangskalk, Calcaire carbonifere, de e Carboniferous, Mountain Limestone; alter rother Sandſtein, jüngeres Grauwackengebirge Gres rouge intermediaire, old red sandstone),

Dieſe Gruppe beſteht aus verfchiedenen ohne beſtimmte Ord⸗ nung abwechſelnden Schichten von Sandſtein, Schieferthon und Steinkohle, hin und wieder mit Konglomeratſtraten und ſehr vielen Pflanzenreſten. In ihr finden ſich die ungeheuern Flötze von Steinkohlen (oft mit dazwiſchen gelagerten Schieferthon— und Sandſteinſchichten), welche die Meiſten was übrigens noch nicht als ausgemacht gelten kann nur für gewaltige Anhäu— fungen verkohlter Pflanzenſtoffe halten. Im Steinkohlengebirge von Newceaſtle find die Kohlen ſchlecht, wenn das Hangende (die obere Lage, das Dach) aus Sandſtein, gut, wenn fie aus Schie- ferthon beſteht. Chemiſche und phyſiſche Beſchaffenheit der Stein—

kohlen wechſeln ſehr; doch findet ein allmäliger Uebergang von dern

Braunkohle bis zur Steinkohle ſtatt. Der Kohlenſtoffgehalt wech— ſelt bei den Steinkohlen von 76 bis 97, der Sauerſtoffgeh. von 3 bis 21, der Waſſerſtoffgeh. von ½ bis Prozent. In den mei⸗ ſten Steinkohlengruben entwickelt ſich gekohltes Waſſerſtoffgas, ſogenannte ſchlagende Wetter. Das Steinkohlengebirge erfcheint ſehr häufig in ſteil abfallenden Schichten, gebogen und zerriſſen, und umſchließt hauptſächlich Landpflanzen, wenige Süßwaſſer⸗ und gewiſſe Seekonchylien. Der Kohlenkalkſtein kommt ſehr gleichartig in Südengland, bei Boulogne, in ganz Belgien, bei Aachen und dem weſtphäliſchen Schiefergebirge vor, enthält an einigen Punkten keine organiſchen Nefte, während er an andern fait ganz aus ſelben zu beſtehen ſcheint (z. B. der ſogen. Enkrini⸗ tenkalkſtein), wechſelt vom Dunkelſchwarzen bis Hellgrauen, kommt auch roth und bunt vor, enthält oft Bleierze, Kalkſpath⸗ adern, Lager von Schiefertbon, Sandſtein. Der alte rothe Sandſtein if hauptſächlich aus feinkörnigen, thonigen, dunkel- rothen Sandſteinen zuſammengeſetzt, wechſelt an Mächtigkeit

420 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch. von wenigen ſchwachen Konglomeratſchichten bis zu mehreren 1000 /, und umſchließt wenig organiſche Reſte. Von ſolchen kommen über haupt in den Steinkohlen vor: Von Pflanzen 53 Sippen,

310 Spez.; von Thieren 12 S. 31 Sp.; namentlich Fiſche:

Palaeothrissum, Acanthessus: Die Gaumenſtücke der Steinkohlen⸗ fifche enthalten 24/1 Proz. phosphorſauren Kalk, die der Kreide nur 18/3 Proz. Mollusken: Ammonites, Orthoceratites, Bellerophon, Turritella, Mya, Nucula, Unio, Latricola, Mytilus, Pecten. Von Pflan⸗

zen: Polyporites, Cyperites, Volkmannia, Sigillaria 37, Cardiocarpon,

Lepidophyllum, Alodendron, Lepidodendron, Selaginites, Eycopodites 8,

Caulopteris, Schizopteris, Lonchopteris, Pecopteris 62, Odontopteris,,

Neuropteris 17, Cyclopteris 9, Sphenopteris 32, Calamites 13, Equise- tum, Musocarpum, Trigonocarpum, Poacites, Sternbergia, Cannophyl- lites, Noeggerathia, Flabellaria, Bechera, Asterophyllites 12, Annularia 7, Sphenophyllum 10, Peuce, Pinites, Stigmaria 9. Die Pflanzenreſte des Kohlenkalkſteins ſtimmen mit den oben angegebenen im Allgemeinen überein; von Thieren kommen in ihm vor: Fiſche:

Ichthyodorulites und Kiemen. Cruſtaceen; Asaphus und andere

Drilobiten. Ningelwürmer: Serpula. Mollusken: Ammonites,

Nautilus 9, Orthoceratites 13, Conularia, Bellerophon 12, Phasian ella,

Buccinum, Turritella 10, Helix? Rotella, Turbo, Trochus 7, Euompha- lus 12, Delphinula, Nerita, Ampullaria, Melania, Pileopsis, Solen, Sanguinolaria, Lucina, Cardium, Isocardia, Arca, Nueula, Megalodon- Pecten, Inoceramus, Crania, Producta 29, Atripa, Terebratula 21, Spirifer 29. Nadiarien: Cyathocrinites, Rhodoerinites, Melocrinites, Actinoerinites, Platycrinites 7, Poterioerinites, Pentremites. Zoophy⸗ ten: Lithostrotion, Favosites, Aulopora, Calamopora,“ Syringopora, Tubipora, Astraea, Cyathophyllum, Caryophyllia, Retepora, Cellepora, Gorgonia, Im alten, rothen Sandſtein: Orthoceratites, Nau- tilus, Producta. (Nach Jameſon find gewiſſe Schichten der Stein⸗ kohlenformation Schottlands fo reich an Koprolithen (petriſtz. Thiererkrementen), daß man fie Koprolithenſchichten, andere an

Schuppen, daß man fie Fiſchſchuppenſchichten nennen könnte.

Die Koprolithenſchichten ſind nicht auf den Farrnkrautkalkſtein [Fern-Limestone] beſchränkt, ſondern man findet fie noch, obwohl minder haufig im Korallen- und Muſchelkalkſtein der Kohlenforma⸗ tion. Die ungeheuern, jenen der Krokodile ähnlichen Zähne die⸗ ſer Formation gehören wahrſcheinlich einer ausgeſtorbenen Fiſch⸗ ſippe an. IIastit. 1835, p. 253.) In einigen Gegenden Europa's geht das Rothliegende in das Steinkohlengebirge über, an andern, z. B. unweit Halle an der Saale, iſt das Steinkohlengebirge dem Rothliegenden untergeordnet, bei Waldenburg und Neurode in Niederſchleſten in den rothen Sandſtein eingelagert. Nach Einigen entſpricht der Old red der Engländer head untern Theil des .

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 421

liegenden der Deutſchen, und die Kohle wäre kein nothwendig konſtantes Glied in irgend einem Theile der Formation. Gegen den Norden Englands hört die Trennung zwiſchen dem Kohlen—

kalkſtein und Kohlengebirge ganz auf, und beide Felsarten u. Ä

in einander über. In Nordengland iſt das Rothliegende offenba auf den Kohlenkalkſtein und das Kohlengebirge abgeſetzt; in einem Theile Schottland's ſcheinen aber feine Grenzlinien zwiſchen dem obern Theil des Kohlengebirges und dem untern Theil der rothen Sandſteingruppen vorhanden. Im ſüdweſtl. England geht der alte rothe Sandſtein unmerklich in die unter ihm liegende Grau—

wacke, und mittelſt wechſellagernder Sandſteinſchichten nach und . nach auch in den Kohlenkalkſtein über. In gewiſſen Zügen daſelbſt liegt

die Kohlengruppe unmittelbar und ungleichförmig auf der Grauwacke;

*

vermuthlich indem vor der Periode des Old red die ältern Gebirgs-

arten in Nordwales ſtark bewegt wurden, wodurch der Boden des benachbarten Meeres den Urſachen entzogen wurde, wodurch der Old red entſtand, der daher als Liegendes des Kohlenkalkſteins in jenen Zügen fehlt. Ein großer Theil Srland’s wird von der Kohlengruppe, beſonders dem Kohlenkalkſtein bedeckt. Die Koh— lengruppe Nordfrankreichs und Belgiens ſtreicht, von Kreide und neuen Schichten bedeckt, von ORO. nach WSW. , von Aachen bis jenſeits Valenciennes, und verlängert ſich in den Kohlenkalkſtein und das Kohlengebirge von Boulogne. Im Allgemeinen ſind das eigentliche weiche Kohlengebirge und der Kohlenkalkſtein in dieſen Gegenden ſcharf getrennt. In Weſtphalen wurde bisher noch kein Old red erkannt; der mächtige Kohlenkalkſtein Weſtphalens ruht unmittelbar auf der Grauwacke. Kohlengebirge finden ſich auch zu Seefeld in Sachſen; ferner zu Wettin, nördlich von Halle, bei Saarbrücken. Die obern Theile des letztern bilden anſcheinend einen Uebergang aus dem Kohlengebirge in das Nothliegende. Im Steinkohlengebirge von Oberſchleſien bei Hultſchin an der Oder fehlt Kohlenkalkſtein und Old red, und es geht in die Grau⸗ wacke über, auf welcher es liegt. In Südrußland findet ſich eine

ſehr reiche Kohlenablagerung in den Gebirgen am rechten Ufer

des Donetz. Das Kohlengebirge in Mittelfrankreich ruht unmit—

telbar auf Granit, Gneis, Glimmerſchiefer ꝛe. Die Kohlenablas

gerungen der vereinigten Staaten Nordamerikas gehören theils zum Thonſchiefer, theils zum eigentlichen Kohlengebirge; einige auch zu neuern Bildungen. Die Kohlenablagerung Indiens ſoll auf Gneis und ähnlichen Geſteinen ruhen, und dehnt ſich von W. nach N. mehrere 100 Meilen aus. De la Beche zweifelt nicht daran, daß mit Ausnahme der Kalkſteinlager dle Kohlengruppe mechaniſch entſtanden, und von Gewäſſern abgeſetzt ſei, welche verſchiedene Fortſchaffungskraft auf die zerriebenen Theile älterer

222 Algemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

zerſtörter Gebirgsarten ausübten, und wie die ſo verſchieden mächtigen Zwiſchenmittel zwiſchen den Kohlenflötzen zeigen, ſehr unregelmäßig wirkten. Je heftiger fie wirkten, deſto größer wer⸗ den die Konglomeratablagerungen ſein. Beſondere Umſtände führ⸗ ten eine Vermengung von Organismen des Landes mit jenen des Meeres herbei. Je länger die Periode währte, inner welcher ſich eine Landſtrecke mit Vegetation bedecken konnte, deſto mächtiger werden die Steinkohlenflötze, wenigſtens nach der Meinung Jener ſein, welche ſie durchaus aus ehemals wirklich lebenden Pflanzen entſtanden anſehen. Während die Kohlengruppe an manchen Punk⸗ ten nur wenige Lachter mächtig iſt, zeigt das eigentl. Kohlengebirge des Forest of Dean an der Severn eine Mächtigkeit von 3,000 / der Kohlenkalkſtein von 700 /. Bei Wettin, Löbejün kommen mit den Kohlengebirgen Quarzporphyre, bei Saarbrücken, im Plauen⸗ ſchen Grund, bei Zwickau Melaphyre, bei Waldenburg beide vor,

Mineralien, die nicht als weſentliche Glieder der Kohlengruppe, ſon—

dern als ſpäter eingedrungene plutoniſche Maſſen zu betrachten find. Die Pflanzenreſte des Steinkohlengebirges, welche zum Theil auſſerordentlich gut, bis in die feinſten Theile erhalten find, deu⸗ ten auf eine ziemlich gleichförmig tropiſche oder ſogar ultratro⸗ piſche Vegetation faſt durch ganz Europa. Die gute Erhaltung, die Richtung der Wurzeln nach unten (fo bei den Sigillarien⸗ ſtämmen von Saarbrücken, Eſchweiler, in Durham, bei Neweaſtle, zu Killingworth, St. Etienne) beweiſen, daß fie nicht herges ſchwemmt, ſondern an den Fundſtellen gewachſen, überhaupt den unterirdiſchen Wäldern an Englands, Norddeutſchlands ꝛc. Küſten analog ſind, wie dieſe langſam unter Waſſer geſetzt, hier⸗ auf zum Theil mit über ihnen ſich anſtedelnden Korallen und an⸗ dern Meerthieren bedeckt, und allmälig in Sand, Schieferthon, Kalkmaſſen begraben wurden. Dieſe Umſtände gelten für die auf⸗ rechtſtehenden Stämme; gewiſſe Ablagerungen ſind wohl auch durch Zuſammenſchwemmung vegetabiliſcher Nette entſtanden; ob aber die Steinkohlenmaſſe im Allgemeinen gleiche Entſtehung habe, iſt mindeſtens zweifelhaft. Nach Witham und den beiden Brong⸗ niarts verdanken die Kohlenflötze Torfmooren ihren Urſprung. Die Pflanzenreſte des Steinkohlengebirgs ſind oft bedeutend groß; viele Sigillarienſtämme halten 2 3/ im Durchm., Lepidodendra in Nordengland 20—45/ Länge, und bis Dicke; Stämme im weſtphäliſchen Gebirge find bis 60 / lang, flach gedrückt, den Schich⸗ ten parallel; ein Stamm im Craigleith Steinbruche bei Edinburg (im Kohlenſandſtein daſelbſt fand man 1826 auch einen Monokotyle⸗ donen von 36/ Länge und 3/ Dicke.) iſt vom Wipfel bis zur Wur⸗ zel 47/ lang und feine Rinde verkohlt. (Philos. Magaz. Jan. 1830 p. 23.) Beſonders charakteriſtrt war die Flora jener Periode

Geognoſtiſche Berhättniſe der Erdrinde. 423

durch das Vorherrſchen der Gefüßkryptogamen, welche zugleich an Größe bei weitem die jetzt lebenden übertreffen, und beſonders heiße und feuchte Klimate lieben. Nach Faleoner kommen im Burdwan-Kohlenlager in Oſtindien viele Pflanzen vor, wovon

man in Europa keine, in Neuholland einige findet; mehrere Ge⸗

ſteine ſchloſſen aber auch europäiſche Produkte ein, z. B. mehrere Monokotyledonenblätter und eine Cyclopteris.

IV. Periode. e Die Grauwackengruppe (Traumate, Grauwackeſchiefer,

Grauwacke schistoide, Schiste traumatique, Grauwake slate, Silurian and Cambrian Group Murchiſons u. Lyells; Grauwackenkalkſtein, Ueber⸗ gangskalkſtein ꝛc.) iſt die einzige, welche hieher gehört, obwohl Einige auch ſchon die Kohlengebirge zu den Uebergangsformatio— nen rechnen. Sie enthält die erſten, alſo älteſten Petrefakte, geht auf der einen Seite unmerklich in den Old red über, und zeigt auf der andern auch ſchon kryſtalliniſch-primitive Schichten. Im Allgemeinen beſteht dieſe Gruppe aus weitverbreiteten, geſchich— teten, mechaniſch gebildeten Maſſen von Sandſteinen und Schie fern mit Kalkſtein, deſſen mechaniſcher Urſprung noch zweifelhaft iſt. Die Sandſteine und Schiefer (welche letztern man aus den feinſten ſchlammigen, nachher erhärtenden Theilchen gebildet glaubt) ſcheinen meiſt langſam und ruhig abgeſetzt zu ſein. Beim Schiefer dieſer Gruppe fallen die Schieferungsflächen häufig nicht mit den Schichten zuſammen, ſondern durchſchneiden dieſelben rechtwinklig. Der mineralogiſche Charakter der hieher gehörenden Geſteine wechſelt oft ſehr auf geringe Strecken. In Devonſhire z. B. beſtehen die Schichten zuerſt aus feinkörnigem Thonſchiefer, ½ oder % Stunden weiter werden fie ſandſteinartig, es erſcheint allmälig ein wirklicher Sandſtein, der immer inniger verbunden endlich zu Quarzlagern wird, die kaum mehr mechaniſcher Ent— ſtehung find. Weiter hin wird das quarzartige Geſtein wieder ſandſteinartig und dieſes zuletzt wieder ſchiefrig. Die Kalk— ſteine bilden gewöhnlich im Grauwackengebirge dem Hauptſtreichen der Schichten parallele Züge. Wo ſie auftreten, werden gewöhn— lich organiſche Reſte häufiger. Einige leiten den Kalk der Grau— wacke, wie überhaupt allen Kalk, durchaus von organiſchen Weſen, namentlich von Schalthieren her, welche ihn zur Bildung ihrer Schalen urſprünglich aus dem Meere entnommen hätten; Andere laſſen ihn aus dem Innern der Erde hervortreten, durch das Ge— wäſſer über eine gewiſſe Fläche allmälig verbreitet und allmälig abgeſetzt werden. Der hie und da in der Grauwacke vorkommende Kieſelſchiefer wurde vermuthlich aus Waſſer niedergeſchlagen in welchem die Kieſelſäͤure aufgelöst war. An einigen Punkten wird

424 Augemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

M 2 * die Grauwacke mitten in den gewöhnlichen grauen und braunen Schichten roth, und gleicht dann ganz dem Old red. Gewiſſen ältern Theilen der Grauwacke find öfters Geſteine eingelagert, - die den im Feuer gebildeten Grünſteinen, Hornſteinen ꝛc. ganz gleichen, und vermuthlich lavenartig durch Ueberſtrömung in ſie gelangt ſind. Andere Grünſteine und Porphyre kommen auf Gängen, in Maſſen und Tafeln vor. Im untern Theile der Grauwackengruppe wer⸗ den die kryſtalliniſchen Geſteine häuſtger, treten gewöhnlich als ſehr mächtige Thonſchiefer auf, und die Petrefakte verſchwinden. Der Thonſchiefer wird immer mehr chloritiſch und geht endlich in Chlo⸗ ritſchiefer über. Talk und andere Schiefer mengen ſich ein, grani⸗ tiſche Geſteine treten als Gänge in die Grauwacke, oder wechſel⸗ lagern ſogar mit ihr; kurz, Alles deutet auf die Grenze hin, in welcher ſich neptuniſche und plutoniſche Bildungen berühren. Organiſche Reſte der Grauwackengr. Man nimmt von Pflanzen 9 Sippen, 12 Spezies, von Thieren 117 S., 5355 Sp. an, näm⸗ lich: Fiſche: 2—3 noch unbeſtimmte Sp. Cruſtazeen: der größte Theil der merkwürdigen Familie der Trilobiten, die ſchon zur Zeit des Steinkohlengebirges wieder ausgeſtorben waren; näm— lich Isotelus; Agnostus, Ampyx, IIlaenus, Nileus, Paradoxydes 9, Ogygia, Asaphus 21, Calymene 72 Ningelwürmer: Serpula. Mol⸗ lusken: Aptychus, Ammonites 15, Nautilus 9, Lituites, Spirula 7, Cyrtoceratites, Orthoceratites 30, Conularia, Bellerophon 9, Phasianella, Buccinum, Morex, Pleurotoma, Turritella 7, Turbo, Rotella, Trochus, Euomphalus 16, Pleurotomaria, Cirrus, Delpbinula, Nerita, Natica, Melania, Pileopsis, Patella, Pholadomya, Sanguinolaria 8, Cythere 8, Corbula, Cy prina, Lucina, Venericardia, Isocardia, Cardita, Cardium g, Crassatella, Mytilus, Modiola, Megalodon, Trigonia, Nucula, Arca, Posidonia, Pterinaea 9, Avicula, Inoceramus, Plagiostoma, Pecten, Gryphaea, Crania, Orbicula; Producta 22, Atripa 14, Calceola, Strygo- cephalus, Terebratula 31, Spirifer 44, Gypidia, Pentamerus, Thecidea. Nadiarien: Sphaeronites, Eucalyptocrinites, Eugeniacrinites, Cupres- socrinites, Melocrinites; Rhodocrinites, Platyerinites, Cyatboerinites, Actinocrinites 7, Pentacrinites, Pentremites; Apiocrinites? Die Familie der Crinoidea lebt jetzt noch. Zoophyten: Cyclolites, Pleurodyctium, Amplexus, Mastrema, Favosites, Aulopora, Calamopora 9, Syringo- pora, Catenipora, Coscinopora, Sarcinula, Columnaria, Astraea, Strom- bodes, Cyathophyllum 20 (C. turbinatum iſt charakteriſtiſch für die Grauwacke), Turbinolia, Aethophyllum, Fungi tes, Caryophyllia, Li- rhodendron, Agaricia, Glauconome, Ceriopora, Flustra, Retepora, Mil- lepora, Madrepora, Stromatopora, Gorgonia, Tragos, Scyphia, Manon. (Mehrere Sippen leben noch; namentlich die durch alle Perioden hindurch vorkommenden Astraea und Caryophyllia,) Pflanzen; Aste- rophyllites, Stigmaria, Lepidodendron, Sigi Pecopteris, Cyclo-

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 425

teris, Sphenopteris, Calamites, Fucoides. Die meiſten J Individuen gehören Orthocera, Producta, Terebratula und einigen Trilobiten an. Die Pflanzenreſte gleichen ſehr denen in der Kohlengruppe; auch ſind in der Grauwacke Kohlenflötze und Anthrazitlager vor— handen. Die Grauwackengruppe kommt in Norwegen, Schweden, Rußland, Süddeutſchland, Weſtengland, Wales, Irland, der Nor⸗ mandie und Bretagne, den Ardennen, der Eifel, dem Taunus, Harz, bei Magdeburg, und in Nordamerika vor. Sie bildet das Verbindungsglied der verſteinerungführenden und verfleinerungs- loſen Gebirgsarten, zwiſchen welchen aber keine feſte ae zu ziehen iſt.

Keferſtein (Katurgeſch. des Erdkörpers 2 Bd.) zählt über⸗ haupt von foßilen Organismen aus den verſteinerungführenden Formationen auf: 1075 Sippen mit 9629 Speziebus; nämlich Pflanzen 130 S. 803 Sp.; Thiere 945 S. 8826 Sp.; darunter: Zoophyten 113 S. 907 Sp. Radiarien 38 S. 41 Sp. Mollus⸗ ken 332 S. 6056 Sp. Anneliden 4 S. 214 Sp. Inſekten 152 S. 247 Sp. Cruſtazeen 57 S. 211 Sp. Fiſche 104 S. 386 Sp. Amphibien 40 S. 104 Sp. Vögel 20 S. 20 Sp. Säugthiere 85 S. 270 Sp.

II. Klaſſe. Untere geſchichtete oder verſteinerungsloſe Ge— ; birgsarten. (Metamorphiſche Gebirgsarten Lyell's.) Zur Zeit ihrer Bildung waren weder Pflanzen, noch Thiere, noch Menſchen auf der Erde vorhanden. So ſchließt man wenig— ſtens aus dem Umſtande, daß ſich keinerlei Petrefakten in ihnen finden. Sie haben ſehr verſchiedenartige Gemengtheile, gehen auf das Vielfachſte in einander über, und ſcheinen zwiſchen mechaniſcher und chemiſcher Entſtehung zu ſchwanken, indem ſie verworren kryſtalliniſch ſind. Zu ihnen gehören: der Thonſchiefer, eine ſchiefrige, thonige Felsart, häufig Schwefelkieskryſtalle ein⸗ ſchließend, durch ſtufenweiſe Aufnahme anderer die Thonſchiefer— ſubſtanz erſetzender Mineralien in Chloritſchiefer, Talkſchiefer ꝛc.

übergehend. Dann der Chloritſchiefer, weſentlich aus Chlorit bes |

ſtehend, manchmal mit Quarz, Feldſpath, Hornblende oder Glim⸗ mer; er geht einerſeits in den Thon, andererſeits in den Glim⸗ merſchiefer über. Der Thonſchiefer tritt auch durch allmälige Aufnahme von Talkblättchen in den Talkſchiefer über, welcher ganz aus ſolchen beſteht, oder Quarz, Feldſpath oder beide in ſein Gemenge aufnimmt, und manchmal in den Glimmerſchiefer übergeht. Der Quarzfels dieſer Periode iſt gewöhnlich dem Gneis, Glimmerſchiefer ꝛc. eingelagert, entweder körnig oder dem gemeinen Quarz ähnlich, durch Aufnahme von Glimmer oder

426 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Feldſpath in jene beiden Felsarten übergehend. Er kommt in Schottland, ſehr mächtig in den Kordillern und Braſilien vor, wo er goldhaltig iſt. Hornblendegeſtein und Hornblende⸗

ſchiefer ſind alle den Geſteinen, mit welchen ſie vorkommen, gleichzeitigen, bald derben bald ſpaltbaren Gemenge, von denen

die Hornblende den herrſchenden Beſtandtheil bildet. Viele von

ihnen beſtehen aus Hornblende und Feldſpath, und heißen Ur⸗

grünſtein und Grünſteinſchiefer. Manchmal tritt Glim⸗

mer theilweiſe an die Stelle der Hornblende; ein andermal geht das Geſtein in Chloritſchiefer über, oder es ſind in ihm Magnet⸗

und Titaneiſenſteinkörner eingeſprengt. Das Hornblendegeſtein tritt beſonders mächtig auf im indiſchen Centralgebirge und Hi⸗ malaya. Der Kalkſtein dieſer Periode iſt oft weiß, kryſtalliniſch, und liefert die Statuenmarmore Italiens und Griechenlands. Manchmal iſt er grobkörnig, durch Talk- oder Glimmerblättchen

ſchiefrig, oder er nimmt Hornblende, Augit, Quarz auf, oder

wird zu kryſtall. Dolomit. Weißſtein beſteht hauptſächlich aus dichtem Feldſpath, und iſt dem Gneis und Glimmerſchiefer untergeordnet. Letzterer wird aus Glimmer und Quarz zuſammen⸗ geſetzt, enthält häufig Granaten, bildet zum Theil mächtige Ge⸗ birgsmaſſen, und geht in mehrere andere Felsarten über. Der Gneis beſteht aus Quarz, Feldſpath, Glimmer und Hornblende, iſt entweder ſchiefrig oder in Lager getheilt. Bald fehlt dieſer oder jener Beſtandtheil, bald treten andere Mineralien dazu, oft iſt der Gneis, abgeſehen von ſeiner Schichtung, ganz dem Granit gleich. Protogyn, das granitiſche Geſtein des Montblanc, unter⸗ ſcheidet ſich vom Gneis darin, daß er ſtatt Glimmer Talk oder

Topfſtein enthält. Er geht in Gneis, dieſer in Granit über.

Die ſo vielfach in einander übergehenden untern geſchichteten Ge⸗ birgsarten ſind in keiner beſtimmten Ordnung abgelagert; man kann in allen Schichten daſſelbe Geſtein antreffen, doch liegt der Gneis am häufigſten unten. In ihnen bilden Gneis und Glim⸗

merſchiefer die Hauptmaſſe und ſte beſtehen weſentlich aus denſel⸗

ben Mineralgattungen, wie die maſſigen Formationen, nämlich aus Quarz, Feldſpath, Glimmer und Hornblende, in verſchie⸗

denen Proportionen. Von den chemifchen Elementen iſt Sili⸗

etum vorwaltend; hierauf folgt Thonerde, dann Kali, Talkerde, Natron, Kalkerde, Flußſäure. Untere geſchichtete und maſſige Formationen ſcheinen in ihrem Urſprung verbunden zu ſein, während ſekundäre Urſachen bei den einen Schichten, bei den an⸗ dern Maſſenbildung veranlaßten. Die untern geſchichteten Ge⸗ birgsarten bilden einen bedeutenden Theil der Erdrinde, kommen in Skandinavien, im nördl. Nußland, Irland, nördl. Schott⸗

land vor, bilden in den Alpen und anderwärts die Centralketten,

| Geognoſtiſche Verhaͤltniſſe der Erdrinde. 427

find Häufig in Braſilien und Nordamerika, ſehr mächtig in In⸗ dien, Ceylon, in Afrika vorhanden, und zeigen in Aſien, Europa und Nordamerika ſo gleichförmigen Charakter, daß man gemein« ſchaftliche Vorgänge bei ihrer Bildung vorausſetzen darf.

III. ale Ungeſchichtete oder maſſige Gebirgsarten. (Hypo- gene Rocks Lyell.)

Sief 0 ſehr verbreitet über die Erdoberfläche, kommen faſt mit allen geſchichteten Bildungen vor, und ſcheinen von unten nach oben hervorgetrieben, übergreifen die Schichtgebilde, oder füllen Gänge und Spalten aus. Anſehen, Textur, Mengung ſind ſehr verſchieden. Plutoniſche und vulkan. Geſteine gehen allmählig in einander über.

1. Granitiſche und mit ihnen vorkommende Geſteine. Hieher gehören: der Granit, ein verworren kryſtalliniſches Gemenge von Quarz, Feldſpath, Glimmer und Hornblende, oft auch nur aus 2 oder 3 dieſer Subſtanzen beſtehend. Die herrſchenden Beſtand⸗ theile find Quarz, Feldſpath, Glimmer; erſetzt letztern die Horn⸗ blende, ſo heißt die Felsart auch Syenit. Manchmal wird der Granit durch eingeſprengte große Feldſpathkryſtalle porphyrartig. Gabbro beſteht aus Bronzit oder Schillerſpath und Feldſpath, und geht vollſtändig in den Serpentin über, der theils ein ein⸗ faches Mineral iſt, theils Schillerſpath aufnimmt, und zum Theil große Maſſen bildet. Gabbro und Serpentin gehen in die Grün⸗ ſteine über. Der Grünſtein (Diabase) und die andern Drapp⸗ felsarten beſtehen bald aus verhärtetem Thon oder Wade, Thonſtein oder Klingſtein oder dichtem Feldſpath, zuweilen noch mit andern Mineralien vermengt, und gehen ſehr in einander über. Porphyre entſtehen, wenn in die angegebenen Maſſen Quarz oder Feldſpathkryſtalle eingemengt ſind, und man kennt nach dem Teige Thonſtein⸗, Feldſpath⸗, Hornſtein⸗, Klingſtein⸗ Porphyre. Werden dieſe Geſteine blafig, wobei fie in den Bla- ſenräumen Körner oder Geſchiebe von Kieſeln, Agaten, Kalken, Zeolithen einſchließen, fo heißen fie Mandelſteine. Augit und Hyperſthen bilden im Gemenge mit dem gemeinen dichten oder glaſigen Feldſpath den Augit- und Hyperſthenfels. Bafalt nennt man bald ein ſehr feines Gemenge von Augit und dichtem Feldſpath oder von Hornblende und dichtem Feldſpath, oder einen dunkeln verhärteten Thonſtein, am häufigſten ein Gemenge von Feldſpath, Augit und Titaneiſen. Die Baſaltgebilde, welche man ebenfalls aus Erdfpalten oder Schichten durchbrechend in feurigem Fluſſe aus der Erde gekommen glaubt, erheben ſich in Kämmen und Mauern, in gerundeten Kuppen oder ſteilen Kegeln, ſelten in langgezogenen Rücken oder Plateaus. Baſaltberge ſtei⸗ gen meiſt iſolirt, inſelartig auf. Feſte Baſalte und feinkörnige

428 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch. 0

dichte Dolerite find häufig in Säulen (von wenig Zoll bis meh⸗ rere Fuß Dicke, und bis 200 / Höhe) zerſpalten. Nach G. Watt's Experimenten und Folgerungen entſtehen die prismatiſchen ſechs⸗ ſeitigen Säulen des Baſalts aus aufeinander liegenden undurch⸗

dringlichen Sphäroiden, die auf derſelben Ebene in Berührung kommen, und bei der Erhärtung nach einem mechaniſchen Geſetz

Hexagone bilden müſſen, welche, da eine widerſtrebende Wirkung von oben nicht vorhanden iſt, in Säulen oder Prismen in die Höhe ſteigen werden. (Laurance, Geologie im Jahr 1835. S. 83.) Der Anblick der hohen, oft auf weite Strecken dicht zuſammen⸗ gefügten, wohlgeordneten Reihen der Baſalt- und Doleritſäulen iſt wunderbar. Wir erinnern nur an die herrlichen Bildungen dieſer Art im Norden von Irland, auf einigen Hebriden, (Vor— geh. von Fairhead und Borgue, Giant's Cauſeway) Staffa (Fin⸗ galshöhle) ze. „Im äuſſerſten Theile Irlands, von deſſen Küſten kein Land mehr bis Amerika ſich findet, und an deſſen ſteilen Felſen ſich die Wogen des großen Oceans brechen, erhebt ſich in hoher Majeſtät ein Baſeltgebirge, wundervoll, wie vom kühnſten Meiſel gehauen. Dieß iſt der Giants Causeway (Rieſenweg), der ſich, ein hundertarmiger Briareus, gleich einem aus Tauſenden aneinander gereihter Säulen gebildeten Damme weit in's Meer ſtreckt, und durch welchen, der ſchönen Sage nach, Rieſen Irland und Schottland zu verbinden ſuchten. Baſaltbildungen ähnlicher Art tauchen häufig aus ſtiller See auf, und alle dieſe Ramiſika⸗ tionen breiten ſich von der Inſel Staffa aus. Herrliche Höhlen vom Meere erfüllt, bis 100/ lang, liegen in lautloſer Oede in dieſen hohen Felſen“ sc. Allgem. Ztg. 2. Sept. 1836. Auſſerord. Beil. Kieſelerde bildet den weit vorwiegenden bis 75 Proz. be⸗ tragenden Beſtandtheil der granit. Geſteine; dann folgen Thon⸗ erde, Kali, Natron, Talkerde, Kalkerde, Eiſenoryd, Manganoxyd, Flußſäure, Borſäure, Waſſer. Mit den granitiſchen Geſteinen

kommen auch vor der aus Quarz und Schörl gebildete Schörl⸗

fels, Trachyt, vorzüglich aus Kieſelerde, dann aus Kali und

Natronfeldſpath beſtehend, Pechſtein auſſer den gewöhnlichen

Beſtandtheilen der gran. Geſteine 8,50 Bitumen enthaltend; der Obſidian, wahrſcheinlich nur der glaſige Zuſtand verſchiedener geſchmolzener Geſteine.

Man nimmt, wie geſagt an, daß die maſſigen Geſteine im flüſſtgen Zuſtande unter den geſchichteten emporgetrieben worden ſeien, giebt aber zu, daß einige auch aus geſchmolzenen ge⸗ ſchichteten entſtanden ſein können. Die Petrefakten führenden Felsarten ſeien, mit Ausnahme einer großen Menge von Kohlen⸗ ſtoff und Kalk durch die Zerſtörung oder chemiſche Zerſetzung der untern geſchichteten und ungeſchichteten Maſſen entſtanden.

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 429

Nach der chemiſchen Beſchaffenheit der Geſteine müſſen gleiche Hitzegrade verſchiedene Wirkungen äuſſern. So iſt der Bims⸗ ſtein eine ſo ſtark erhitzte ſchieferige Gebirgsart, daß ſie blaſig wurde, ohne vollſtändig zu ſchmelzen. Der Granit bedeckt öfter geſchichtete Bildungen; fo in der Tarentaiſe in den Gebir⸗ gen des Montblanc ; in den Gebirgen von Oiſans bedeckt er Lager der Oolithgruppe, am Bützberg in der Schweiz Kalkſtein und Schiefer des Lias, an der Jungfrau Kalkſtein und Schiefer der Oolithformation. Ein höchſt wichtiger von Hugi zuerſt beob— achteter Punkt iſt der Sattel zwiſchen dem Urbachthale und dem Roſenlawigletſcher. Dort greifen an der ſenkrechten Wand des Gſtellihorns die keilförmigen, mehrfach über einander liegenden Endigungen des Gneiſes und Kalks völlig deutlich in einander und ſind vom Thalgrunde bis zu den höchſten Spitzen blosgelegt. (In manchen Fällen können aber auch ſcheinbare Bedeckungen durch Ueberſtürzung entſtanden fein.) Bei Predazzo in Oberitalien, auf Brora, an der Nordküſte von Caithneß, unfern Harzburg am Harz, hat der Granit Kalk oder Grauwackengeſteine durchbrochen, und erſcheint ihnen aufgelagert. Granitgänge, wo Granit und Gneis mit Thonſchiefer, Grauwacke, Glimmerſchiefer ꝛe. in Verbindung tritt, kommen ſehr häufig vor; ſo in Schottland, Cornwallis, am Harze; fie ſtreichen theils mit dem Hauptgeſtein, theils durchſchneiden fie dasſelbe, und ſchließen häufig ſehr viele fremdartige Mineralien ein. An den Grenzen ſolcher Granit— gänge find Thonſchiefer und Grauwacke oft verändert, wer den manchmal zu Grünſtein, Hornfels oder ſelbſt granitartig.

IJn der Oolith- und Kreidengruppe hat man noch keine Granit- gänge gefunden, obwohl nach ihnen noch Granite an die Ober⸗ fläche gekommen ſind. Vulkane und verſchiedene maſſige Gebirgs⸗ arten, ja Granit ſelbſt durchbrechen den Granit, ſo daß man in ihm Gänge und Lager von Granit, Syenit, und den verſchieden⸗ ſten Porphyren und Trappgeſteinen häufig findet. Der Feld- ſpathporphyr durchbricht in einzelnen Kuppen auch den Thon- ſchiefer, das Kohlengebirge, und bildet auch ſelbſtſtändige Berge. Die Trappgeſteine durchſetzen vom Gneiſe und der Grauwacke an, alle Schichtgebilde wenigſtens bis zur Gruppe der Oolithe einſchlüſſig. Die Kohlengruppe wird häufig von den ſchwarzen Porphyren (Augitp., Melaphyren), durchbrochen; eben ſo vom Hyperſthen, Gabbro und Serpentin. Letztere durchbrechen auch den Oolithenkalkſtein und die Kreide, wie z. B. bei Steier am nördl. Abhange der Alpen; Gänge von Serpentin kom⸗ men im Lias, der Grauwacke und im ältern Theil des Kohlen- gebirges vor. Der Pechſtein bildet auf der Inſel Arran Gänge in Granit und bunten Sandſtein. Pechſteinporphyr dringt auf

430 Allgemeine Naturgeſchichte. IV Buch.

der Inſel Eigg in einem gewaltigen Gange aus Drappgeſteinen hervor. Kalkſtein- wie Kieſelſchichten zeigen an den Berüh⸗ rungsſtellen mit Maſſengeſteinen Schmelzung, Kryſtalliſation; Kreide, Kalkſteine wurden daſelbſt in weißen, körnigen Marmor umgewandelt, und auch ganz neue Mineralien gebildet. Die Dolomit maſſen Südtyrols und der Alpen Italiens z finden ſich nahe bei Melaphyren, und ſind mit dieſen zugleich ans Kalkſtein⸗ ſchichten hervorgebrochen. Am Lago di Lugano ſteht man höchſt deutlich die Kalkſteinmaſſen gegen die Klüfte zu in maſſigen Do⸗ lomit übergehen. An vielen Punkten iſt dieſer gewaltig zerriſſen, und mit primitiven Geſteinen vermengt. Gyps kommt in den ältern Schichten nur ſelten und zweifelhaft yor; im rothen Sand⸗ ſtein hingegen iſt er ſehr mächtig und verbreitet, und findet ſich von da in allen Schichten bis zu den tertiären herab. Den ſo⸗ genannten Schlottengyps (im Zechſtein des Harzes) begleitet ge⸗ wöhnlich Dolomit. Andere Gypsmaſſen finden ſich zwiſchen dem bunten Sandſtein und dem Muſchelkalk, noch andere im Keuper. In größern Tiefen wird der Gyps zu Anhydrit, und nach Man⸗ chen wäre ein großer Theil des Gypſes erſt aus jenem durch Ein⸗ wirkung der Luft entſtanden. Oft hat der Gyps die ihn umge⸗ benden Schichten verwirrt. Selten ſchließt er Petrefakten ein, doch enthält mancher tertiäre Gyps, wie z. B. am Montmartre, Knochen von Landthieren. Steinſalz kommt gewöhnlich mit Gyps, beſonders mit Anhydrit vor. Die Gypslager der rothen Sandſteingruppe ſind ſelten frei von Steinſalz. Bei Gera kommt es auch im Schlottengyps vor; ſehr viele unmittelbar unter dem bunten Sandſtein hervorbrechende Salzquellen deuten auf Salz⸗ lager unter ihm; auch mit dem Gypſe zwiſchen dem bunten Sand⸗ ſtein und Muſchelkalk ſind Salzlager verbunden. Im Gypſe des Muſchelkalks finden ſich mächtige Salzlager in Schwaben und Thü⸗ ringen; unter dem Gyps und Anhydrit des Keupers liegt das mächtige Salzlager in Lothringen und zu Long le Saulnier; im Gyps des engl. new red Sandstone liegen ebenfalls gewaltige Salzmaſſen. Das Steinſalz Bayern's und Oberöſtreich's mit großen Thonmaſſen und Anhydrit liegt wahrſcheinlich im Oolith;

das am Nordfuße der Karpathen bis Siebenbürgen hinein entwe⸗

der in den jüngern Kreide- oder vielleicht gar in den tertiären Schichten. Dieſe Maſſen und der mächtige Salzgang mit Anhy⸗ drit zu Ber im Pays de Vaud find wahrſcheinlich erſt ſpäter in das Nebengeſtein eingedrungen. Steinſalz und Gyps kommen mit Schwefel auf Sizilien in der Nähe von Vulkanen vor. Auſſer⸗

dem findet ſich Steinſalz häufig an der Oberfläche der Erde, z. B.

in Aſten und Afrika. Bei Bochnia und Wieliezka ſind durch das ſeit mehrern Jahrhunderten währende Ausgraben des Steinſalzes ſehr

Geognoſtiſche Verhältniſſe der Erdrinde. 431

große Höhlen entstanden. (S. Muncke's phyſ. Geogr. S. 236). Ueber ein ungeheures Steinſalzlager im Flußgebiete des Huallaga in Peru giebt Pöppig Nachricht. a

BE) Dieeigentlichenvulkaniſchen Gebirgsarten ſind theils im erweichten und geſchmolzenen, theils im feſten Zuſtande, mehr oder we⸗ niger durchglüht, zerſtoßen und zerrieben, von innen an die Oberfläche gehoben, darüber ergoſſen oder ausgeworfen worden. Die Höhe der Vulkane ändert von niedrigen Hügeln bis 18,000“ Höhe. Auf ihrem Gipfel befindet ſich der Krater, eine keſſel-trichter- oder becherförmige Vertiefung nach unten in einen Schlot verlaufend, durch welchen der unterirdiſche Feuerheerd mit dem Luftkreiſe in Verbindung ſteht. Das Innere iſt mannigfach zerriſſen und zer. klüftet, die Wände mit Sublimaten (von Salmiak, Kochſalz, waſſerfreiem Gyps, einfach Schwefelkupfer, Alaun, Schwefel, Chloreiſen, Chlorkupfer, Clormangan, Chlorkalium, Chloreiſen— ammoniak, Borſäure) bekleidet, die Auſſenſeite mit Schlacken, Auswürflingen, und den verſchiedenſten geſchmolzenen Materien, Laven bedeckt. Leop. v. Buch unterſcheidet zwiſchen Aus- bruchsfratern und Erhebungskratern oder Erhebungs⸗ inſeln. Letztere beſtehen aus baſaltiſchen und doleritiſchen Ge— ſteinen, Konglomeraten und Tuffen; Trachyt, welcher z. B. in Amerika die Vulkane bildet, iſt in ihnen ſelten. Bei den Erhe⸗ bungsinſeln L. v. Buch's findet man keine von einem Mittelpunkt ausgehenden Lavaſtröme, keine Rapilli, keine Aſche, wie bei den Ausbruchskratern, ſondern von allen Seiten erheben ſich über ein» ander befindliche Lagen gegen die Mitte herauf, ſteigen vom Um⸗ kreiſe bis zum höchſten Punkte an, und ſchließen eine keſſelför⸗ mige Vertiefung ein, an deren ſteilen und hohen Abſtürzen im Innern des Keſſels die Köpfe der über einander liegenden, aufſteigenden Schichten hervortreten. Daſelbſt ſind dieſe von einer hebenden Kraft emporgetrieben, und in der Mitte durchbrochen worden, wg» bei ihr Inneres aufgeſchloſſen wurde. Der Keſſel erſcheint als Krater, und iſt durch Erhebung des Bodens um ihn gebildet. Die Schichten, welche gegen die Mitte emporgehoben wurden, mußten am Umfange zerreiſſen, und Spalten zurücklaſſen, welche als enge ſchluchtige Thäler zum Krater führen. (Beſonders deut- lich auf Palma.) Zu den Erhebungsinſeln gehören nach v. Buch unter andern Gran Canaria, Lanzerote, Fortaventura u. Madera, der Cirkus um den Pik von Teneriffa, Barren Island, St. Helena, Inſel Amſterdam, Albe Marle in der Gruppe der Gallopagos, Manroo, eine der Sandwichinſ., Columbretes, Deception-Island, das 1831 erſchienene, 1832 verſchwundene Eiland Ferdinanden 36, Nach S. 291 hält Gruithuiſen dieſe Kratere für Rindenringe in die Erde eingeſtürzter Weltkörper. (Graf Vargas de Bedemar

232 Allgemeine Raturgeſchichte. IV. Buch.

fand auf der Inſel Gracioſa und Flores Urthonſchiefer in hori⸗ zontalen Schichten, und folgert daraus, daß nicht alle dieſe In⸗ ſeln Erhebungsvulkane, ſondern Reſte eines großen untergange⸗ nen Kontinents ſeien. Resumo de Observagoës geologicas feitas n'hua viagim as Ilhas da Madeira, Porto Santo e Acores, nos annos de 1835 e 1836. Lisboa 1836.) Nach v. Buch ordnen ſich die Schich⸗ ten aller erhobenen Inſeln ſo: Unten von der Erhebungsurſache durchbrochene Primitivſchichten, dann Drachytmaſſen; darüber und auch darunter eckige Trachytkonglomerate, dann Dolerit mit Feldſpath, dann Mandelſtein, zu äuſſerſt Baſalt. Ausbruchs⸗ kratere nennt v. Buch die mit beſtändig offenen Kratern ver⸗ ſehenen trachytiſchen Feuerberge, die mit der Atmosphäre in Ver⸗ bindung ſiehen, und aus welchen Lavaſtröme, Aſche, Rapilli ꝛc. hervorkommen. Sie find (nach S. 390) wieder Central- oder Reihen⸗ vulkane. Auch auf den baſaltiſchen Inſeln (von welchen viele nie einen offenen Krater hatten) ereignen ſich vulkaniſche Ausbrüche, aber die Ausgangskanäle erhalten ſich nicht fortwährend offen. Con⸗ ſtant Prevoſt ſpricht ſich entſchieden gegen die Kratererhebungs- theorie v. Buchs aus. Die koniſche Form der Vulkane aller Epochen iſt nach ihm das nothwendige Reſultat der Ablagerung der ausgeworfenen Stoffe in Form von Böſchung. Nichts in der Anordnung und dem Stand der gegenwärtig die vulkaniſchen Kegel bedeckenden Terrains, nichts in den vulkaniſchen Aus⸗ brüchen kann im Heerd der Vulkane eine Kraft vermuthen laſſen, welche nur zuſammenhängende Schichten von einigen Dezimeter Dicke, geſchweige dann die ganze feſte Erdepidermis zu erheben vermöchte. (Sitzg. d. franz. Akad. v. 25. Nov. 1833 und 7. Dez. 1835.) Auch Virlet verwirft die Erhebungstheorie. Was die (zur Unterſtützung beigezogenen) Ningbildungen des Mondes be⸗ treffe, ſo müßte man zuerſt beweiſen, daß er Bulkane habe; wis ren fie Erhebungskratere, fo müßten fie in ihrer Integrität ihre Abſonderungsthäler zeigen, welche nach Lohrmann's und Caſſini's Karten keinesweges vorhanden ſcheinen. (Institut 1833 p. 64.) Nachträglich führen wir noch an, daß man für den Bau und die Umgebung des Veſuv auch Dufrenoy's in der franz. Akad. 15. Nov. 1835 geleſene Abhandl. vergleichen könne. (Plast. 1835.

p. 373.) Unterſuchungen über den Bau und die Entſtehung des Set hat Elie de Beaumont den 30. Nov. 1835. vorgetragen. Unter den Vulkanen Owaihis iſt der Kirauea der merkwürdigſte. Ehe der engl. Miſſionär Ellis feinen Krater erreichte, kam er auf ein Glasmeer, wo es ausſah, als wären die ſtürmiſchen Wogen der glaſtgen Lava in einem Augenblick erſtarret. Vom Kraterrande ſah er ſchaudernd in 800/ Tiefe ein ſtrudelndes Feuermeer, über welches 51 kleine Schlünde vorragten, wovon

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22 entweder glühende Lava oder Feuer ausſpieen. Der Popo- catepetl wurde 1828 durch 3 Engländer von Mexiko aus erſtiegen. Wie ſie an die Wolken kamen, wurden ſie von ihren indianiſchen Führern aus Furcht verlaſſen. Doch vollendeten fie auf ſchauder⸗ haften Wegen ihr Werk. Der Vulkan bellte und krachte fort⸗ während, wobei etwas Rauch aufſtieg, und Laven ausgeworfen wurden, die aber nicht über den ungeheuern Krater hinausge— langten. Grenze der Coniferen 11,766/, des ganzen Pflanzen⸗ reiches 16/906“, Höhe des Kraterrandes 16,775/%3 Par. Maß. v. Leonhards Zeitſchr. 1828. S. 805.

Wir werfen noch einen Blick auf die Lokalitäten, in welchen die Metalle und Erze vorkommen. Die Gänge behaupten hierunter wohl den erſten Rang. Sie ſind Klüfte, Spalten oder Riſſe in verſchiedenen Geſteinen, welche ſich auf größere oder geringere, meiſt unbekannte Länge und Tiefe er⸗ ſtrecken, und von Mineralſubſtanzen erfüllt werden, die von den einſchließenden Gebirgsarten mehr oder weniger verſchieden ſind. Nach den Neptuniſten waren die Gänge offene, leere Spalten, meiſt von Einſenkungen der Felsmaſſen herrührend, welche durch wäß— rige Auflöſungen theils von oben her, theils auch durch innere Kanäle oder Einſeihungen quer durch die Maſſe ausgefüllt wur⸗ den. Nach den Vulkaniſten wären die Spalten beim gewaltſamen Emporheben der Felslagen entſtanden, und das Gangmaterial wurde feurig flüßig oder durch Sublimation von unten her ein⸗ getrieben. Nach einer dritten Meinung, welche indeß nichts er⸗ klärt, wären die Gangformationen gleichzeitig mit den Geſtein⸗ maſſen, und ſpätere Kataſtrophen, welche Niffe und Spalten ver⸗ urſachten, oder Stoffe in ſelbe führten, hätten nicht ſtatt gefun⸗ den. In neueſter Zeit haben ſich Philipps und Taylor wieder mit der Geneſts der G. beſchäftigt, und ihre Anfichten in den Verſamml. d. britt. Gefellfch. für Beförd. d. Wiſſenſch. 1834 und 35 mitgetheilt. Die G. in England (wie auch in Mexiko) haben die Hauptrichtung von O. n. W. Die Meinung, daß die Elek⸗ trizität auf die Anordnung der Metallgänge influenzirt habe, ge⸗ winnt mehrere Beſtättigung. Ueber die Beziehungen zwiſchen den G. und den Elevationslinien, dann zwiſchen den letztern und den iſodynamiſchen Linien des Erdmagnetismus, hat Chriſtie berichtet. Die Mächtigkeit der G. wechſelt oft auf demſelben G. von eini⸗ gen Zollen bis zu mehrern Klaftern; (die Veta madre zu Gua⸗ naruato in Mexiko iſt 154 168 / mächtig) in weichen Geſteinen werden fie oft „verdrückt“, d. h. zu kaum fichtbaren Klüften, und thun ſich (erweitern ſich) erſt in feſten Lagen wieder auf. Man kennt Gänge von 4— 5 Meilen Länge. Das wahre Untere, das Tiefſte“ iſt vielleicht noch bei keinem G. ermittelt, obwohl manche ſchon

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434 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch. |

mehrere 100 Lachter tief bearbeitet wurden. Sie „gehen nieder“ zu unbekannten Tiefen. „Auskeilen“ nennt man, wenn G. im⸗

mer ſchmäler werden, „Abwerfen“, wenn ſich ein Gang plötzlich verliert, „Zertheilen“ oder „Zertrümmern“, wenn ſich ein Gang verzweigt, und die einzelnen Aeſte ſich nach und nach im Geſtein verlieren. Den an der Erdoberfläche fichtbaren Theil eines G. nennt man „Ausgehendes“, „Ausbeißendes,“ Man kann ſich die

G. als tafelartige Maſſen von verhältnißmäßig geringer Stärke

denken; Streichen eines G. nennt man die Richtung deſſelben nach irgend einer Himmelsgegend, und beſtimmt daſſelbe mittelſt des Bergkompaſſes, nach Stunden durch den Winkel, in welchem die Richtung von der Mittagslinie abweicht. Fallen eines G. iſt deſſen Neigung gegen eine horizontale Ebene. Es wechſelt bei demſelben Gange häufig. Die gewöhnlichſten Gangarten, welche die Gänge erfüllen und die Erze begleiten, ſind Quarz, Hornſtein, Jaspis, Kalkſpath, Bitterſpath, Braunſpath, Fluß⸗ ſpath, Schwerſpath, Thon, von welchen bald die, bald jene vor⸗ herrſcht. Die Metalle (im engern Sinn) finden ſich auf G. ge⸗ diegen, legirt, oxydirt, oxydulirt, geſäuert, geſchwefelt. Bald überwiegt ein Metall, bald kommen mehrere in etwa gleicher Menge vor. Die Erze ſind in der Gangmaſſe eingeſprengt, oder wechſeln ſtreifenweiſe mit derſelben ab. Kryſtalliſtrte Mineralien finden ſich auf Gängen ſehr häufig, namentlich in gewiſſen Höh⸗

lungen der Gangmaſſen, den Druſenräumen. Taube ©. find

die ganz erzloſen, faule die von Thon, Letten und dergl. zer⸗ ſetzten und aufgelösten Geſteinmaſſen erfüllten. Hangendes iſt die einen Gang oder überhaupt eine Schicht bedeckende Gebirgs⸗ art, Lie gendes, jene, auf welcher er ruht. Die Gangmaſſe iſt entweder mit dem Nebengeſtein unmittelbar verwachſen, oder von ihm durch eine dünne Lage einer beſondern Steinart, das ſogen. Sahlband getrennt, welche Beſteg heißt, wenn fie aus einer dünneu Lage von Thon oder weicher Erde beſteht. Spiegel, Harniſche, Nutſchflächen ſind theils glatte, theils parallel gereifte oder gefurchte Flächen, welche mit der Ebene der Gangmaſſen, ſeltener mit den Sahlbändern fortlaufen, und

beſonders an Stellen vorkommen, wo ſich das Fallen der Gänge

plötzlich ändert. Man glaubt ſie durch Reibung gewaltſam aufgetriebe⸗ bener oder ſich ſenkender Maſſen entſtanden. Das Nebengeſtein zeigt ſich nahe an den G. oft etwas verändert, zerklüftet oder aufgelöst, enthält Theile der Erze des G., welcher ſeinerſeits auch Bruch⸗ ſtücke des Nebengeſteins in ſeiner Maſſe eingeknetet enthält. Die G. ſind Zerreißungen und Zerſpaltungen der Erdrinde, in ver⸗ ſchiedenen Perioden entſtanden; ältere haben Störungen durch jüngere erlitten, werden oft von ſolchen durchſetzt. Meiſtens

U

Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verſchied. Aeuſſerung. 435

find mehrere Gänge in einem Gebirge enthalten, welche ein er Hauptrichtung folgen. Solche Züge laufen oft viele Stunden weit, durch ganze Gebirge hin. Berührt ein Gang den andern nur, ohne ihn zu durchſetzen, und verläßt ihn dann wieder, ſo ſagt man, die G. ſchaaren oder ſchleppen ſich; ein G. ſetzt in Klüften über, wenn ſich die Lagen des durchſchneidenden G. am Durchſchnittsorte des andern fo verlieren, daß fie nur einige zarte, bald ganz verſchwindende Klüfte in letzterem zurück⸗ | laſſen; ein G. hat übergeſetzt, hat ſich gekreuzt, wenn er beim Durchſchneiden ſeine Beſchaffenheit durchaus nicht geändert hat; ein G. wird abgeſchnitten, wenn er beim Zuſammen⸗ treffen mit einer andern ganz aufhört. Das Durchſetzen der G. iſt meiſtens mit Verſchiebungen und Verwerfungen begleitet. Die baſaltiſchen und doleritiſchen G. ſcheinen ſpäter entſtanden, als die erzführenden. Lager find plattenförmige Mineral- maſſen, welche in den Schichtgebirgen eigene Schichten, in den Maſſengebirgen befondere Abtheilungen bilden, im Flötzgebirge Flötze genannt werden. Im Streichen und Fallen ſtimmen die L. mit den einſchließenden Schichten überein. Mit der Sohle ruht ein Lager auf dem untern Gebirge, Decke oder Dach iſt feine obere Grenze. Neigung, Geſtalt, Erſtreckung, Mächtig⸗

keit der L. wechſeln ſehr. Ihre Maſſe beſteht theils aus Erzen, theils aus nicht metalliſchen Mineralien. Oefters werden ſie von Klüften, Adern, oder Gängen durchſetzt. Viele Lager dürften gleichzeitig mit dem umſchließenden Gebirge entſtanden ſein; ſolche in Maſſengebirgen ſind aber als flach fallende Gänge anzu⸗ ſehen, und haben mit G. gleiche Entſtehung. Liegende Stöcke ſind Lager von ſehr großer Mächtigkeit, ſtehende Stöcke wei⸗ chen von den G. nur durch ihre geringere Erſtreckung ab, und keilen ſich gegen die Tiefe aus; Stockwerke beſtehen aus zahl⸗ loſen / kleinen, zuſammengehäuften Gängen, die in Etagen ab- gebaut werden; Putzenwerke oder Butzen ſind regellos ver⸗ breitete, jedoch nach allen Richtungen ziemlich gleich ausgedehnte, erzerfüllte Räume; Neſter und Nieren nennt man kleine, knol⸗ lige, ſphäroidiſche oder ellipſoidiſche, iſolirt oder reihenweiſe im Gebirge vorkommende, aus a und Steinarten gebildete Maſſen.

V. Hauptſtü ck. Vom eigenthümlichen Leben der Erde, und deſſen verſchiedenen Aeuſſerungen. Literatur. Die Naturgeſchichte des Erdkörpers ꝛc., darge—

ſtellt von Ch. Keferſtein, After Bd. se Abth. Die Phyſiolo⸗ gie der Erde, S. 1 122. 5

436 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Der uralten Anſicht, daß die Erde ein lebendiger Orga⸗ nismus ſei, ſind wir bereits nach S. 117, 119, 190, 309 beigetreten. Es folgt nun eine nähere Entwicklung der eigen⸗ thümlichen Vorgänge im Leben der Erde, die zum Theile denjenigen analog find, welche bei den ſekundären Organis⸗ men vorkommen, denen man ſonſt allein organiſchen Charak⸗ ter zuſchreiben will. Was einmal die Verhältniffe der Erde zu andern Weltkörpern betrifft, ſo tritt dasjenige, in welchem ſie zu ihrem Centralkörper, der Sonne ſteht, ungemein überwiegend hervor. Die Sonne wird hienach zum oberſten Regulativ des Lebens der Erde, beſonders für die vom Ae⸗ quator entlegenen Gegenden, in welchen der Wechſel der Jahreszeiten ſich fchärfer ausſpricht. Daß aber der Verkehr zwiſchen Erde und Luft ſich wieder ganz anders geſtalten müſſe, je nachdem die erſtere mit Eis und Schnee, oder üppiger Vegetation bedeckt wird, je nachdem die Atmoſphäre heftig erwärmt, ausgedehnt und zu elektriſchen Produkten an⸗ geregt oder durch Wärmemangel zu kryſtalliniſchen Bildungen veranlaßt wird, leuchtet von ſelbſt ein. Wie durch den Umlauf um die Sonne die Phaſen des Jahres gegeben wer⸗ den, ſo erzeugt die (vielleicht auf Elektromagnetismus bes ruhende) Axendrehung den Wechſel zwiſchen Tag⸗ und Nacht⸗ leben, wobei nacheinander alle Punkte dem nahen glänzenden Firxſtern, zu deſſen Syſtem die Erde gehört, bald zu bald von ihm abgewendet werden. Wie aber im Leben eines ſekundären Organismus keine beſtimmten Abſchnitte vorhanden ſind, ſon⸗ dern jenes als eine ſtätige Linie erſcheint, in welcher die wunderbarſten Abwechslungen, ja ſcheinbar widerſprechende Erſcheinungen, unmerklich in einander verfließen, ſo auch in den Erſcheinungen, welche die doppelte Bewegung der Erde zur Folge hat. Während die eine Halbkugel in Eis und Schnee erſtarrt, erfreut ſich die andere der belebenden Son⸗ nenkraft mit ihren Lichtmaſſen, ihrer intenſiven Wärme, ihren Gewittern und Meteoren; im Winter bereitet ſich unmerklich der Frühling, in dieſem der Sommer und wieder der Herbſt vor, in der Nacht dämmert der Tag auf, und aller Wider⸗ ſpruch, alle gegenſeitige Ausſchließen jener Erſcheinungen

Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verſchied. Aeuſſerung. 437

findet nur ſtatt, wenn ſie fortwährend von einem beſtimm⸗ ten Standpunkte aus betrachtet werden, während ſie im Großen und Ganzen alle zugleich vorhanden ſind, und in rythmiſcher Folge ſtets nur Ort und Zeit wechſeln. Dieſes Verhältniß allein, wenn auch keine andern bekannt wären, würde Denjenigen genügen, die Erde für einen Organis⸗ mus zu halten, welche das in Rythmus und Metamorphoſe begründete tiefere Weſen eines ſolchen begriffen haben.

Die Gravitation iſt, wie S. 272 dargeſtellt wurde, durchaus kein mechaniſcher, ſondern ein rein geiſtiger, ein Lebensakt. Wie ſie die Erde mit der Sonne verbindet, ſo feſſelt ſie auch den Mond an die Erde. Ob er nur hiedurch und durch die Beleuchtungsverhältniſſe, oder auch durch Einflüſſe auf die Atmoſphäre, auf das Wachsthum der Erdorganismen ꝛc. wie es wahrſcheinlich iſt, mit der Erde in Verbindung trete, wird die Zukunft entſcheiden. Daß Kometen und auch Meteorku⸗ geln von bedeutender Größe bei ſtarker Annäherung nicht ohne Einfluß auf das Leben der Erde ſein werden, Aenderungen in den gegenſeitigen Spannungsverhältniſſen der Elektrizität und des Magnetismus, ſtürmiſche Bewegungen in Luft und Meer, Aufregen der vulkaniſchen Thätigkeit, Schwankungen in der Miſchung der Luft bewirken werden, iſt a priori ges wiß. So partizipirt die Erde, ihr eigenes beſonderes Leben bewahrend, doch vom Leben des Univerſums. Nur im Ganzen und durch das Ganze iſt Fortdauer des Lebens möglich; das Iſolirte ſtirbt. Was das Leben der Erde in ſich ſelbſt be⸗ trifft, ſo zeigt ſie ſich einmal als ein elektromagnetiſcher Körper. Der Magnetismus der Erde möchte auf einem Te bendigen Wechſelverkehr der Sonne und Erde beruhen. Da die Deklinationsveränderungen auch in den größten Tie⸗ fen erfolgen, wo weder Sonnenlicht noch Sonnenwärme hin⸗ dringt, ſo ſcheint er nicht bloß dem Luftkreiſe, ſondern vor⸗ züglich dem feſten Erdkörper anzugehören. Mit dem Erd⸗ magnetismus dürften, wie man jetzt anzunehmen anfängt, die Polarlichter (Nord- und Südlicht) in naher Beziehung ſtehen. Dann wurde ſchon früher der Wechſelwirkung ge⸗ dacht, in welche die einzelnen Erdorgane, die Atmoſphäre,

138 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

das Meer und die Erdfeſte gegen einander treten. Es ſcheint, daß auſſerdem im Erdinnern noch eine expandirende Kraft eigentlich organiſcher Art vorhanden iſt, der man das Auf⸗ ſteigen der Quellen, das zeitenweiſe Hervorbrechen gewalti⸗ ger Waſſermaſſen aus dem Innern (ſo bei den großen hiſto⸗ riſchen Fluthen, und vielleicht auch bei den Ueberſchwemmun⸗ gen des Jahres 1824) die intermittirenden und Springquellen ıc. zuſchreiben muß, und deren eine Seite uns als Central⸗ wärme erſcheint. Von den drei Erdorganen ſind die Luft und die Erdfeſte die beiden wichtigſten, und ſtehen ſchon dem Aggregatzuſtande, noch mehr aber der Funktion nach im lebendigſten Gegenſatz, während das Meer als Zwiſchen⸗ und Verbindungsglied auftritt. Alle drei ſind aber nicht bloße todte Aggregate von feſten, flüſſigen und gasförmigen Theil⸗ chen, ſondern wahre Organe, die im Verkehr mit den andern ihre Selbſtſtändigkeit, ihre Weſenheit, und ihre Miſchung be⸗ haupten, indem ſie das, was ſie von den andern empfangen, in ſich aufnehmen, ſich ſelbſt gleichartig ſetzen, ſich aſſimili⸗ ren. Steffens, Winterl, Hugi, Keferſtein u. A., welche zum Theil eine Umwandlung der Stoffe in einander annehmen, und die 54 Elemente unſerer Chemie nur als eben ſo viele Firirungsmomente, als eben ſo viele Zuſtände einer homoge⸗ nen Urmaterie anſehen, in welche Alles reduzirt und aus welcher Alles abgeleitet werden könne, behaupten, auf unten näher bezeichnete Verſuche geſtützt, daß die Schichten der Erd⸗ rinde aus ſich ſelbſt durch Metamorphoſe Waſſer und die ver⸗ ſchiedenſten Stoffe erzeugen können, und daß der Gehalt der Mineralquellen, die eine beſtimmte Individualität zeigten, hierauf und nicht auf mechaniſcher oder chemiſcher Auflöſung der von ihnen durchfloſſenen Straten beruhe. Durch eigen⸗ thümliche Aſſimiliſationskraft metamorphoſire die Erde die an allen Punkten mit verſchiedener Energie eingeathmete reſpirable atmosphäriſche Luft, den Sauerſtoff in ſich aufnehmend, in irreſpirable, an Kohlen, Schwefel und Waſſerſtoff reiche Gas» _ arten ꝛc., welche fie ausſtößt, und in Waſſer, während die Atmo⸗ ſphäre ſehr bald, nachdem dieſe Stoffe in ſie getreten ſind, dieſel⸗ ben differenzirt, und ge die ihr entſprechende en des

Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verſchied. Aeuſſerung. 439

Stickſtoffs und Sauerſtoffs zurückführt. In der Erde werde

nirgends reſpirable Luft gefunden, fo viel auch in fie eintre⸗ ten mag, mit einem Schlage werde ihre Qualität vernichtet; eben ſo bleibe ſich die Miſchung der Luft immer gleich, ſie ſei überall reſpirabel, fo große Maſſen von Kohlenſäure u. ſ. w. in fie treten, welche ſehr bald ſpurlos verſchwänden. Der Quellenbildungsprozeß ſei das Vermittelnde der Inhala⸗ tions⸗ und Erhalationsthätigkeit der Erde und der Luft, die ſich entgegenſtänden, wie Waſſer- und Sauerſtoffpol, und erſcheine als eigentliche Funktion der Erde. Das ſchnelle Trocknen der Erde im Frühjahr im Gegenſatz zum Herbſte deute auf Energie des Erdlebens, auf kräftigern Inhalations⸗

prozeß. Kann man auch der Anſicht einer Umwandlung der

Stoffe, wobei durch organiſche Thätigkeit der Erdorgane, wie im thieriſchen Leibe Feſtes, Flüſſiges, Gaſiges und alle Stoffe in einander umgewandelt, und in jedem Organ des Erdganzen eigenthümliche Produkte, Sekreta erzeugt werden, wornach auch die Geſteine aus ſchleimigen Subſtraten ent⸗ ſtehen und feſt werden, dann regelmäßige Kryſtallformen anneh⸗ men, und endlich verweſen ſollen, nicht unbedingt beiſtimmen, ſo

muß man einen Athmungsprozeß von Atmoſphäre und Erd—

feſte unbedenklich zugeben. Er erfolgt rythmiſch, mit Ueber⸗

=

wiegen bald des einen, bald des andern Faktors, durch aufs

ſteigende und abſteigende Ströme in der Atmoſphäre, und

wird ſchon durch die regelmäßigen und unregelmäßigen Ba⸗ rometerſchwankungen angedeutet. Je ſtärker die Exhalation der Erde, deſto kräftiger die Gegenwirkung der Atmoſphäre, und der Barometer fällt. Je geringer die Exhalation der

Erde, deſto ſchwächer der Gegendruck der Atmoſphäre, ſie

wird erpandirter, trockner, und der Barometer ſteigt. Stürme, Erdbeben bringen außerordentliche Schwankungen hervor; die regelmäßigen täglichen (Vergl. S. 318) zeigen gleichſam den

Pulsſchlag der Erde an. Sauſſüre und Alex. v. Humboldt,

Boekmann, Ruhland und Schübler haben aus zahlreichen

Verſuchen über das Verhalten von Thon, Letten, Steinſalz

und vielen andern Geſteinen zur atmoſphäriſchen Luft er⸗

mittelt, daß die Geſteine mit einer abgeſperrten Menge Luft

440 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

in Verbindung gebracht, auf dieſe einwirken, und ihr Volu⸗ men vermindern, wobei der Sauerſtoff verſchwindet, und ſich Kohlenſäure bildet. Verſchiedene Geſteinarten verſchlucken hiebei wohl das 10fache ihres Volumens Luft. (Vergl. Hum⸗

boldt's Werk über d. unterird. Gasarten, Journ. d. Phys. 4. et 5. Biblioth. brittan. t. 49. Gilbert's Annal. Bd. 1, S. 501. Band 8. Band 47. S. 113. Schweigger's Jour⸗ nal 1816, S. 30. 1817, S. 204.) Die Luftmaſſen, welche über Meer und Erde ſtreichen, müſſen Friktions⸗ Elektrizität aufregen; die ſo verſchiedenen Maſſen, aus wel⸗ chen die Erdrinde beſteht, durch ihr bloßes Aufeinanderlie⸗ gen Kontaktelektrizität. Auch die ungleiche Erwärmung von Luft, Meer und Erde wird elektriſche Phänomene hervorrufen. Welches auch die nähern Urſachen der Erdbeben und des Vul⸗ kanis mus ſein mögen, ob elektriſche Ausgleichungen, Schwan⸗ kungen einer unterirdiſchen Atmoſphäre, chemiſche Bindungen und Zerſetzungen, das Centralfeuer, oder begleitende Erfcheis nung organiſcher Umbildungsprozeſſe, nie können dieſe furchtbaren Vorgänge als bloß phyſiſche oder chemiſche, ſon⸗ dern fie müſſen als zum Kreis des Erdlebens gehörig be— trachtet werden. Der Kreislauf des Gewäſſers, von dem ſchon früher gehandelt wurde, verbindet die drei Erdorgane zu einem Ganzen. Wenn nun die Erde, wie man nicht bezweifeln kann, ein Organismus iſt, ſo muß ſie im Gan⸗ zen, wie ihre Organe im Einzelnen, veränderliche Stim— mungen annehmen können, fie muß pathologiſche Zus ſtände zeigen, die in ihrem eigenen Entwicklungsgang begrün⸗ det ſind, oder ihr von auſſen herbeigeführt werden. In ſolchen Verhältniſſen werden wir die Urſache abnormer Jahre, ſo wie des Charakters der Jahrgänge überhaupt, auſſerordentlicher Vermehrung mancher Thiere und Pflanzen, und jener großen Epidemieen zu ſuchen haben, welche von Zeit zu Zeit die Völker heimſuchen. Wir erblicken auf der Erde unzählbare ſekundäre Organismen. Sie gehören ihr an, find ihr ent ſproſſen, ſtehen mit ihrem ganzen Weſen, vom Allgemeinen bis zum Speziellſten hinab, in genaueſter Beziehung. Daß ſo N Leben aus der Erde hervorgehen konnte, wuͤrde

Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verſchied. Aeuſſerung. 441

allein wieder beweiſen, daß die Erde kein todter Felsklumpen.

ſein könne. Dieſes Verhältniß aber iſt ſo groß, ſo wunder⸗ bar, daß ſeiner Ergründung einige beſondere Hauptſtücke des ſechsten Buches gewidmet ſind, in welchem vom Leben der ſekundären Organismen überhaupt 1 wird, und auf das wir hiemit verweilen,

1 „% Die ſchon von Kepler und Aeltern ausgeſprochene Anſicht, daß die Erde ein Organismus ſei, hat auch Patrin in mehrern Artikeln des Nouv. diction. d’hist. nat. vertheidigt. |

Nach den S. 32 angeführten Unterſuchungen nimmt die Tem⸗ peratur des Erdinnern nach der Tiefe ſtets zu, in einem Verhältniſſe von IR auf 80 120 /. Würde dieſe Zunahme in bedeutenden Tiefen im ſelben Grade fortdauern, als in den den Menſchen erreichbaren, ſo müßte die Temperatur des Erdinnern ſchon in wenigen Meilen Tiefe jene des glühenden Eiſens übertreffen. Einige von Jenen, welche die Erde für einen Organismus anſe— hen, halten dieſe Wärme für eine durch deſſen Lebensprozeß er> zeugte; die Meiſten betrachten fie als einen Keil der hohen Tem- peratur, welche die Erde zur Zeit ihres feurigflüſſigen Zuſtandes hatte. (Vergl. Cordier, in Schweigg. Jahrb. LII. 365. Arago, Annuaire pour l'an 1834. p. 171. Annuaire de Chimie, 13. p. 283. Poggend. Ann. Bd. 31. S. 365. 32. S. 284. 34. S. 191. 35. S. 109.) Nach Poiſſon (vergl. ſeine Theorie der Wärme) hätten die kosmiſchen Regionen, in welchen ſich das Sonnenſyſtem bewegt, eine eigenthümliche Temperatur, welche in verſchiedenen Punkten des Weltraum's verſchieden ſein kann; die Erde bedürfe einige Zeit, um die Temperatur jeder Gegend anzunehmen, welche ſich dann allmälig von der Erdoberfläche in ihr Inneres fortpflanze. Wenn nun das Sonnenſyſtem eine wärmere Gegend verläßt, um in eine kältere einzutreten, wird das Erdinnere noch Spuren dieſer frü— her erhaltenen höhern Temperatur zeigen, welche aber durchaus nicht zur Annahme einer gegen das Centrum beſtändig wachſen⸗ den Wärme berechtigen. Offenbar ſetzt P. an die Stelle beſſe⸗ rer Hypotheſen nur eine viel ſchwächere. Es iſt ohne Zweifel ge⸗ rathener, die Quelle der innerirdiſchen Wärme in der Erde ſelbſt zu ſuchen; ſie könnte ja auch auf chemiſchen oder galvaniſchen Kraftäuſſerungen beruhen.

Magnetismus der Erde. Die magnetiſchen Kräfte, welche die Erde unzweifelhaft beſitzt, bewirken für jeden Punkt eine be⸗ ſtimmte reſultirende Kraft, deren Nichtung die Magnetnadel an⸗ zeigt. Um magnetiſche Inklination und Deklination (vergl. S. 187) an jedem Punkte der Erde zu beobachten, bedient man ſich

42 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

komplizirter Inſtrumente, Deklinatorien und Inklinatorien, und um die Stärke des Erdmagnetismus an verſchiedenen Punkten kennen zu lernen, ſtellt man Verſuche mit Schwingungsmagneten an. Zahlreiche Beobachtungen der Deklination durch Humboldt, Hanſteen, Arago, Herrman beweiſen, daß ſie nicht an allen Orten der Erde gleich groß ſei, an manchen gar nicht ſtatt finde (wo dann der Nordpol der Nadel genau nach dem der Erde ge⸗ richtet iſt), daß jetzt in ganz Europa die D. weſtlich, an Ameri⸗ ka's Weſtküſte öſtlich iſt. Iſogoniſche Linien ſind die durch Orte von gleicher Abweichung gehenden. 1829 gab es auf der Erde nur zwei Linien von 00 Abweichung, jede mit mehrern Zweigen, wovon eine durch Niſchnei-Nowgorod, das Meer von Ochotzk, den ſtillen Ocean und auſtraliſchen Kontinent zum terre⸗ ſtriſchen Südpol, die zweite vom Südpol aus über das ſüdl. at⸗ lantiſche Meer laufend, über Rio-Janeiro in den amerik. Kon⸗ tinent tritt und Nordamerika durchſchneidet. Beide Linien ſind nicht von einfacher Krümmung und ſich keineswegs gleich. Sehr verſchieden find die iſogoniſchen L. von andern Werthen der Ab⸗ weichung. Erman führt von ihnen geſchloſſene an, welche in ſich ſelbſt rückkehren, ohne einen der Erdpole zu erreichen, kreu⸗ zende, von einem Pole zum andern gehend, geſpaltene, die ſich in einen rückkehrenden und kreuzenden Zweig theilen. Alle ſind mit der Deklination ſelbſt veränderlich. Vor Anfang des 19. Jahrh. nahm in ganz Europa die Dekl. nach W. zu, wurde bald nach dem Anfang deſſelben ſtationär, nimmt nun wieder ab, und wird, nach erreichter größter Abweichung nach O. wieder weftl, werden. Die Bewegung geſchieht aber nicht bloß in jähr⸗ lichen, ſondern auch in tägl. Oszillationen. In der nördl. Erd⸗ hälfte hat der Npol der Nadel zwiſchen 6 9 Morg. die größte öſtl. Abw., bewegt fich dann bis gegen 2 Nachm. nach W., kehrt bis gegen 2 Morg. wieder nach N. zurück, und beginnt eine 2fe unregelmäßige unbedeutende Schwingung. In der jährl. Oszill. hat die Nadel im Nov. die größte weſtl. Abw., und erreicht von da aus im Mai die größte öſtl. In der ſüdlichen Halbk. erfolgt Alles umgekehrt. Die größte weſtl. Abw. tritt in den Sommer⸗ monaten früher ein, als in den Wintermonaten. Die Oszillatio⸗ nen rücken, umgekehrt wie die Erde, von O. nach W. vor. Alle Veränderungen der D. erfolgen nicht nur auf der Erdoberfläche, fondern auch in den größten Tiefen. Nordlichter, Eroͤbeben, ſtarke Schneefälle bewirken unregelmäßige Störungen. Die Inklination iſt an einigen Orten (ſo in ganz Europa) nörd⸗ lich, an andern ſüdlich, und fehlt an manchen ganz. Die durch

die letzten gehende Linie heißt der magnetiſche Aequator, 5

ſchneidet nach Duperrey den geogr. Aequat. im atlant. und großen

Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verſchied. Aeuſſerung. 443

Ocean und erreicht ihre größte nördl. und füol.: Aw. von etwa 150 in den beiden großen Kontinenten. Die J. nimmt vom Ae⸗ quator gegen die Pole zu, und ändert ungemein. Sfoklinifche Linien nennt man die durch Orte von gleicher Neigung gehenden. Die Intenſität des Erdmagnetismus wird beurtheilt nach der Schnelligkeit der horizontalen ſowohl als vertikalen Schwin— gungen der Nadel an verſchiedenen Orten, und wächst im Allge— meinen mit der geogr. Br., alſo vom Aequator gegen die Pole. Linien, welche durch Orte von gleicher magnet: Intenſität gehen, heißen iſodynamiſche. Es ſind geſchloſſene Linien, weder un— ter ſich, noch mit dem magnet. oder geogr. Aequator parallel. Ihre Geſtalt ſcheint auf 2 magnet. Npole zu deuten, einen weſtl. intenſivern in der Hudſonsbai, einen öſtl. ſchwächern in Sibirien. Allerdings wächst nord- und ſüdwärts die Intenſität des M., doch ſcheint größere nach milderer Temperatur eintretende Kälte dieſelbe zu ſchwächen. Die magnet. Pole find gleichſam Konver- genzpunkte der magnet. Kraft. Bewirkte die magnet. Kraft der Sonne allein den Erdmagnetismus, ſo müßte der nördl. M. in der nördlichen, der ſüdl. in der ſüdlichen Halbkugel wachſen, was nicht der Fall iſt; es iſt alſo eine korrespondirende Kraft⸗ äuſſerung der Erde ſelbſt vorhanden, welche an verſchiedenen Punkten verſchieden intenfiv wirkt. L. Euler, geſtützt auf Hal⸗ ley's Beobachtungen, und nach ihm Mollweide nahmen nur eine magnetiſche Are im Innern des Erdkörpers an. Steinhäuſer nahm zur Erklärung der Deklination und ihrer periodiſchen Ver— änderungen einen Magnet im Erdinnern an, welcher als ſelbſt— ſtändiger, Planet 172 Meilen tief unter der Erde, binnen 440 Jah⸗ ren in ſelber einen Umlauf beendigen ſoll. Nach Hanſteen's, des eigentl. Schöpfers der Lehre vom Erdmagnetismus, neueſten Un⸗ terſuchungen hat die Erde 4 magnet. Pole, welche in Perioden von 4600, 1740, 1300, 850 Jahren eine Umwälzungsbewegung in der Nähe der geogr. Pole haben. Aus Beobachtungen Tasman's von 1642 43 ſchließt Ed. Rudge, daß man den magnet. Südpol gegen 430 ſ. Br. und im SO. von Madagaskar finden müſſe. (Sitzg. der Royal Society, 19. Febr. 1835. I'Inst. 1835. p. 174.) Peltier theilte Anfangs 1837 der franz. Akad. mit, daß wenn man eine Kupferplatte in den magnet. Meridian bringe, und mit einer andern Kupferplatte reibe, ſich + oder E. entwickle, je nachdem die Reibungen von N. nach S. oder von S. nach N. gemacht würden; in der Ebene des magnetiſchen Aequators hat das Neiben keinen Erfolg. (Vergl. über dieſen Abſchn. Horner's Art. Magnetismus in Gehl, phyſ. Wörterb. 6 B. 2 Abth.) » Das Polarlicht zeigt ſich nicht zu weit von den Polen ent⸗ fernt, bei uns alſo als Nordlicht, am Himmel als eine dunkle

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441 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Wolke, in Form eines kreisförmigen vom Horizont begrenzten Segments, deſſen Centrum wahrſcheinlich im magnet. Meridian liegt, umgeben von einem hellen Ringe, aus welchem pauſen⸗ weiſe häuſtge, verſchiedenfarbige Lichtbüſchel ausſtrahlen, die manchmal bis zum Scheitelpunkt reichend, an ſelbem eine Art

Krone bilden, deren Mitte in der verlängerten Axe einer Magnet⸗

nadel gegen S. hin zu liegen ſcheint. Einige wollen bei beſon⸗ ders ſtarken Nordlichtern ein Geräuſch, wie Windesrauſchen ge⸗ hört haben. In höhern Breiten, beſonders zwiſchen 600% und dem Polarkreiſe, gewahrt man die Nordlichter häufiger und ſchöner, als bei uns; ſüdwärts von 370 Br. ſtieht man keine mehr. In gewiſſen nördl. Gegenden, z. B. in Sibirien und Nordamerika zeigen fie ſich wieder häufiger, als in andern von gleicher geogr. Br. Sie umlagern die magnet. Pole. Das prachtvolle N. vom 7. Jan. 1831 wurde zwiſchen Orenburg und dem Erieſee, alſo in mehr als 130 Längengraden Ausdehnung beobachtet. Auch manche Jahrgänge ſind reicher an ihnen; ſo das an Erdbeben ſo reiche Jahr 1837. Schon im Oktob. 1836 begannen fie zu erſcheinen. Schiffer, welche in neueſter Zeit um die Südküſte Neuhollands ſegelten, ſahen das Südpolarlicht nordwärts von ſich. Das Nordlicht muß in der Atmoſphäre ſeinen Sitz haben, und mit der Erde rotiren, da es nicht wie die Sterne eine tägl. Bewe⸗ gung von O. nach W. zeigt. Oft wirkt es auf die Magnetnadel, deren Nordende abſtoßend. Nach Hanſteen hat kurz vor einem N. der Erdmagnetismus ungewöhnliche Shtenfität, die bald nach deſſen Beginnen unter die gewöhnliche ſinkt. Gerade wo die wenig⸗ ſten Gewitter vorkommen, ſind N. am häufigſten, und nach Thiene⸗ mann und Schübler ein Stellvertreter derſelben. Die größte Höhe eines N. fol 75,000 / fein. Nach Farquharſon reichten fie nicht über die Wolkenregion hinaus, was ihr Sichtbarſein in großen Fernen unbegreifllich machte. Schwabe ſah mitten in den hellſten und dichteſten Lichtwolken eines Nordlichts feine Doppel, ſterne, faſt eben ſo deutlich, wie in ganz reiner Luft. Das Feld des Fernrohrs zeigte keine Trübung, ſondern war nur ſchwach, wie von gleich ſtarkem Mondlicht erhellt. Ihm ſcheint demnach das Nordl. nur aus höchſt feiner Lichtmaterie, vielleicht elektriſchem Lichte zu beſtehen, wofür auch die auſſerordentlich ſchnelle Bewe⸗ gung und Verbreitung vieler Nordlichter ſprechen möchte. Gruith. Anal. 7. Hft. S. 88. Wir abſtrahiren von den ältern Meinungen über das N. von Euler, Mairan, Franklin, Halley ꝛc.

Man hält es jetzt allgemein für ein elektriſches, oder elektroma⸗

gnetiſches Phänomen. Forbes nennt es ein magnet. Gewitter.

(Meteorologie a. d. Engl. von Mahlmann, S. 230 ff.) Fisher glaubt, daß das N. ſich hauptſächlich am Nande des Eismeers,

Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verf chied. Aeuſſerung. 448

oder wo ſonſt ſich viel Eis anhäuft, entwickle. Es entſtünde durch die + E. der Atmoſphäre, welche die ſchnelle Verdichtung des Dampfes im Gefrierungsakt veranlaßt, und die E. der umge⸗ benden Lufttheilchen hervorruft; es ſei unmittelbare Folge der Herſtellung des el. Gleichgewichts mittelſt der Eistheilchen, welche als unvollkommene Leiter die E. durchlaſſend, leuchtend werden. Das N. fehle in den gemäßigten und der Tropenzone, weil da— ſelbſt das el. Gleichgew. ſich mittelſt wäßriger Dämpfe herſtellt, was Donner und Blitz, aber kein N. verurſacht, das nur bei reinem, trocknem, kaltem Himmel entſtehen kann. (Royal Society 19. Juni 1834. I Inst. 1835. p. 154.) Sowohl nach dem N. vom 18. Okt. 1836, als nach dem vom 18. Feb. 1837 trat in Bern einige Tage ſpäter kaltes Schneewetter ein. Das im Febr. 1837 erfolgte ganz plötzlich in der Nacht vom 23 24. Der 23. war der wärmſte einer Reihe gelinder und ſonniger Tage; Mittags hatte man im Schatten 7OR. Nachmittags bewölkte ſich der Himmel, Abends und Nachts folgte ſtarker Sturm aus W. mit Regen; am Mor⸗ gen des 24. war alles mit Schnee bedeckt; am Mittag ſtand das Thermom. nur auf 20 R. Die Erde war während der Nacht gefroren. Erſcheinungen des Vulkanismus. Die Vulkane ſind nicht immer thätig, und können Jahrhunderte lang ruhen. Von Ausbrüchen des Veſuv vor 79, des Aetna vor 40 n. Ch. weiß man nur aus unſichern Traditionen. Die V. Amerika's haben ſelten mehr als eine Eruption in einem Jahrh. v. Buch unterſcheidet bei den vulk. Ausbrüchen (wobei er vorzüglich den Veſuv als Beiſpiel im Auge hatte) 4 Perioden. Die erſte ſind die Vorboten. Die Erde ſchwankt und bebt oft nur leiſe, oft bis zum gänzlichen Umſturz der Gegenſtände auf ihrer Oberfläche; manchmal nur von Geräuſch, manchmal von lautem Rollen und Donnern be⸗ gleitet. Die Schwingungen des Erdbebens find in der Nähe des V. am ſtärkſten, wirken oft auf die entlegenſten Punkte, ſtürzen ganze Städte nieder, erheben das Meer oft mehrere Klafter hoch, und machen es gegen das Land ſtrömen, wo es furchtbare Ver— wüſtungen anrichtet. Manchmal verſiegen Quellen, ja ganze Flüſſe, es eröffnen ſich durch die heftigen Stöße in den Bergen mit Waſſer erfüllte Gewölbe, und ergießen mit dieſem z. B. in Südamerika Schlammſtröme und unzählige Fiſche, Pimelodus Cy- clopum. Endlich zerreißen die Dämpfe, welche dem ungeheuern Druck der im Innern kochenden Lava nicht mehr widerſtehen können, den Berg an ſeinem Abhang oder am Fuß des Kegels, immer eine ſenkrechte, nie eine horizontale Spalte in ſelbem be⸗ wirkend. In der zweiten Periode bricht nun aus dieſer Spalte die Lava als glühender Strom hervor, und hellleuchtende Flam— men, welchen ein erſchütternder Knall vorhergeht, erheben ſich

426 Allgemeine EEE IV. Buch.

über den Krater. Oft bilden ſie eine Feuerſäule 7 welche glühenden Sand, Steine, Aſche bis 3000 / ſenkrecht in die Höhe treibt, und ſich ſelbſt vor Stürmen nicht beugt: Mit dem Laven⸗ erguß hören gewöhnlich die Erdbeben auf. Dichte ſchwarze Wol⸗ ken umhüllen in der Regel den Lavaſtrom, weißer Waſſerdampf, der bisweilen ſchwefelige Säure, Salzſäure, Kochſalz führt, er⸗ hebt ſich von ſeiner Oberfläche. Oefters ſteigen nach furchtbaren Donnerſchlägen Feuerwolken aus dem Krater, die im Verſchwin⸗ den zuweilen unter heftigem, höchſt unangenehmem Geruch glühen⸗ den Sand- und Steinregen fallen laſſen. Seltner wird die flüſ⸗ ſige Lava bis über den Kraterrand emporgehoben, und fließt in kleinen Bächen am Kegel herab, oder ſte wird von den Dämpfen in die Höhe geſchleudert, und nimmt, ſich im Fluge abkühlend, die ſonderbarſten Formen an. Der Berg tobt hiebei fortwährend und erzittert unter Donnerſchlägen. Nachdem dieſe Erſcheinun⸗ gen nachgelaſſen, Flammen und Rauch ſich vermindert haben, er- hebt ſich nun, oft unter neuen Erſchütterungen, in der dritten Periode eine majeſtätiſche Rauchſäule in der erhabenen Geſtalt einer Pinie (Pinus Pinea). Flammen erſcheinen ſelten, aber Waf- ſerdämpfe in ungeheurer Menge ſteigen in der Nauchſäule empor, die nach oben ſich in dunkles Gewölk ausbreitet, aus welchem auf den Abhang des Berges die ſchweren trockenen Napilli, weit über Land und Meer aber graue, leichte Aſche geſtreut wird, die den Himmel verfinſtert, den Tag in ſchauerliche Nacht verwan⸗ delt, und z. B. beim Ausbruch des Veſuvs von 1822 12 Tage nach einander fiel, wobei die Aſchenſäule ſich in 9000 Höhe erhob. Das dunkle Gewölk erzeugt elektr. Spannung, heftige Blitze und Donnerſchläge, endlich durch Anziehung aller Wolken der weiten Umgegend wolkenbruchartige Regen, die entweder mit der Aſche vermengt als verheerende Schlammſtröme allerſeits vom Gipfel niederſtürzen, oder ſich mit jener zu zähem Teig verbinden, der Alles zu zerdrücken droht, und einſt Herkulanum und Pompeji begrub. Hat ein Vulkan lange geruht, ſo erfolgen die Aſchen⸗ regen wohl ſchon im Anfang einer neuen Eruption, wie beim Ve⸗ ſuv 79 n. Ch. und 1759 im Sept., als der neue Vulkan Jorullo in Mejiko ſich plötzlich in der Ebene erhob, aus Syenit- und Trachyt⸗ ſchichten hervorbrechend. In der vierten und letzten Periode (Wochen, oft erſt Monate nach den Ausbrüchen) ſtrömen nun die Mofet⸗ ten hervor, Quellen und Ströme von kohlenſaurem Gas, die 6 8 Wochen lang im ganzen Umfang des Veſuvs, in Gärten Feldern, Kellern ausbrechen und die Luft verderben. v. Buch nennt alles Lava, was im Vulkan fließt, und hiedurch neue Lagerſtätten einnimmt. Aus der Schmelzung des Trachyts, der alle wahren Vulkane bildet, entſteht der Obſtdian, eine Maſſe,

4 3 Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verſchied. Aeuſſerung. 447

klingend und ſchneidend wie Glas, von welchem ganze Ströme am Pie von Teneriffa, in Island, auf Lipari und in Mejiko vor⸗

kommen. Bimsſtein wird von manchen V. (ſo 1815 vom

großen V. auf Sumbava) in ſo ungeheurer Menge ausgeworfen, daß er ganze Inſeln bildet. Oben iſt die Lava immer porös, gegen die Tiefe des Stroms dicht; die Ströme flieſſen meiſt lang- ſam, höchſtens bis 40 Minuten in einer Stunde. Die ergoſſenen Lavamaſſen ſind oft unglaublich groß; ſo ſoll der Lavaſtrom von 1783 in Island 20 Meilen in der Länge und 8 in der Breite er⸗ reicht haben. Bald erhärtet an den Lavaſtrömen die Oberfläche zu feſter Rinde, die von der tiefen noch flüſſigen Maſſe in Stücke zerbrochen wird; ſehr hohe Ströme bleiben mehrere Wochen lang flüßig. Dickere Ströme zeigen manchmal eine prismatoidiſche Struktur, oder kuglige Abſonderung. Durch Anſchwemmung und Abſatz entſtandene vulkaniſche Produkte ſind der vulk. Tuff und Peperino. Die ſog. Moya, eine erdige, breiartige Maſſe, ſtürzt bei ſtarken Erdbeben mit den Prenadillas (Pimelodus Cyelo- pum) aus dem Innern einiger V. in Quito, und beſteht wohl aus zerriebenem kohligem Trachyt. Viele Stücke brennen ſo gut, daß fie zum Kochen dienen. Viele feſte vulkaniſche Materien ge— ben, im zerriebenen mit Kalkbrei vermengten Zuſtande, einen hydrauliſchen Mörtel, Pozzuolana. Der TDraß beſteht aus einer Anhäufung gebrannter, aſchenartiger Subſtanzen mit viel Bimsſtein. Solfatara (Soufriere) nennt man einmal alle Gaſe, Waſſer- und Schwefeldämpfe ausſtoßenden vulkaniſchen Oerter und Anſammlungen vulkaniſchen Schwefels, dann die Vulkane ſelbſt, welche lange keine wahren Eruptionen gemacht haben, ſondern nur noch Rauch, Waſſerdämpfe und Gaſe aus⸗ ſtoßen. Bei mehrern ſolchen Vulkanen vernimmt man im Krater— grunde ein Geräuſch, wie von Maſſen kochenden Waſſers (ſo auf der Inſel Volcano), und heiße Quellen entſpringen an ihrem Fuße. In den innern Spalten und an den Wänden des kalten Kraters ſublimirt ſich der Schwefeldampf, oder bildet, ſich im Waſſer des Schlundes niederſchlagend, einen kochenden Schwefel- pfuhl, wie an einem der Kratere des Azufral in Quito, oder im großen Krater des Taal auf den Philippinen. Auſſer Schwefel ſublimirt ſich auch Salmiak als feſte Rinde; ſo am Peſchan in fo großer Menge, daß er dem Kaiſer von China als Tribut ent⸗ richtet und in Menge nach Sibirien verkauft wird. Die mit den Schwefeldämpfen ausſtrömende ſchwefelige Säure macht das Ge⸗ ſtein mürbe und bleich, und bildet im V. Taſchem auf Java mit dem Waſſer des Kraters eine Lagune von wäßriger Schwefelſäure. Solfataren im Grunde ſchlummernder V. finden ſich am Jorullo, Rucg Pichincha, auf Tanna, der Schwefelinſel (Lochbo -Gruppe),

4246 Allgemeine Raturgeſchichte. IV. Buch.

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auf Montferrat, St. Vincent, Dominica, Guadeloupe, Kanaga

(Aleuten), Voleano (Lipar. Inſ.). An mehrern diefer Orte ſub⸗ blimiren ſich ſehr bedeutende Mengen Schwefel, welche ausgebeu⸗ tet werden. Der Schwefel erfüllt alle Spalten und bildet ſo am Azufral wahre reiche Gänge. Die Solfatare von Pozzuoli und andere liegen nahe an thätigen Vulkanen, und wechſeln mit dieſen in der Thätigkeit ab. Die größte bis jetzt bekannte S., die vor Urumtzi, liegt am Fuße des gewaltigen Bogdo-Oola, hat s geograͤphiſche M. im Umfang, iſt wie mit Aſche gefüllt, bedeckt ſich im Win⸗ ter nie mit Schnee, raucht und flammt, wenn in ihren Keſſel ein Stein geworfen wird. Auch die S. haben bisweilen Ausbrüche, wobei ſie unter Gebrülle Bimsſtein und Aſche, aber keine Lava auswerfen. Salſen ſind kleine Ausbruchskegel, die Schlamm,

Naphtha, irreſp. Gaſe, manchmal auch, aber nur kurze Zeit -

Feuer, Dämpfe und Blöcke ausſtoßen. Man nennt ſie wohl auch

Koth-⸗Naphtha-Luftvulkane. Sie kommen in vulk. Gegenden vor, und ſtehen in Beziehung zu den eigentl. V. Die merkw. Macalubi befinden ſich unfern Girgenti, in einer aus Kalkſtein beſtehenden, oben mit Kreidemergel, in dem Kieſelknauer, Gyps⸗ kryſtalle und Schwefelkies umherliegen, bedeckten Gegend, mit einigen Steinölquellen. Anhaltender Regen erhebt das Ter⸗ rain, und bildet mit dem Kreidemergel einen Schlammſee, aus welchem überall Luftblaſen aufſteigen, die Waſſer und Schlamm emporwerfen. In der heißen Jahreszeit berſtet und zerreißt der Schlamm nach allen Richtungen, die trockene, durch Luft erho-

bene Erdrinde ſpaltet ſich, es erſcheinen runde Löcher von etwa

17 Durchmeſſer, aus denen die Gasſtröme Schlammfäulen von aufgeweichtem Kreidemergel, bisweilen unter Gebrüll und Beben der Umgegend hervortreiben. Der Schlammvulkan auf Tas man im ſchwarzen Meere zeigt auſſerdem auch noch Feuererfcheis-

nungen. Die Volcanitos bei Turbaco in Columbien ſtoßen

Ströme von beinahe reinem Stickgas aus. Die Salſen bei Saßuolo in Italien geben Boraxſäure. Die Landenge zwiſchen

dem ſchwarzen und kaspiſchen Meere und die Halbinſel Abſcheron ſind reich an Naphthaquellen, Kothvulkanen, Salzſeen und Gas⸗

ausſtrömungen. Die Naphthagruben von Baku, im tertiären

Kalkſtein, liefern nach Eichwald jährlich an ſchwarzer Naphtha

243,600, an weißer, reiner 800 Bud. Das berühmte „ewige Feuer“ daſelbſt (von frommen Indiern angebetet) wird durch, aus Klüften tertiären Kalkſteins aufſteigendes, gekohltes Waſſer⸗ ſtoffgas gebildet, welches bei Annäherung einer Flamme ſich ent⸗

zündet und dann fortbrennt. Dieſe Gegenden ſind innerlich ent⸗

zündet, haben bisweilen Feuereruptionen, wahre Naphthavulkane und kleine Naphthabäche. Hervorbrechende Erdfeuer kommen

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Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſen verfchied. Aeuſſerung. 449 auch bei Pietra mala in Sizilien, Naphthaquellen auch bei Amiano in Parma, am Monte Zibio in Modena, bei Girgenti, bei Grosnaja am Kaukaſus vor. Asphalt findet ſich auch in dem durch Erdbeben ſeit uralter Zeit ſo furchtbar heimgeſuchten Syrien und Paläſtina, beſonders um das todte Meer, wo einſt Sodo⸗ ma, Gomorrha ꝛc. untergiengen. Der S. 354 erwähnte Aßphaft⸗ ſee auf Trinidad iſt ebenfalls vulk. Abkunft. d Die Erdbeben ſtehen wohl häufig, jedoch nicht immer mit dem Vulkanismus im Zuſammenhang. Die einzelnen vulk. Er⸗ ſcheinungen, welche ſich in einer Gegend ereignen ſind ſehr oft

mit einander verbunden, und finden in einem mehr oder minder

geſchloſſenen Umkreiſe ſtatt. Es giebt auf der Erdoberfläche eine Anzahl ſolcher Bezirke, in deren jedem die vulk. Erſcheinungen

und Erdbeben näher unter ſich, als mit denen anderer Gegenden zuſammenhängen. v. Hoff nennt fie Erſchütterungskreiſe.

In Europa hat man z. B. die vulk. Erſcheinungen rings um das Mittelmeer als einem gemeinſamen Erſchütterungskreiſe angehörig erkannt; der Mittelpunkt eines andern, nördlichen, iſt Island. In Aſten unterſcheidet v. Humboldt 3 große Erſchütterungskreiſe: einen im W. um Azerbeidjan, die Halbinſel Abſcheron und den Kauka⸗ ſus; im Centrum jenen der Vulkane des Himmelsgebirges, und den letzten in Oſtſibirien, deſſen Mittelpunkt Irkutzk und das

Becken des Baikalſees iſt. Daß die Erdbeben mit dem Vulkanis—

mus zuſammenhängen, beweist das ſchon öfter beobachtete Auf—

ſteigen von Feuerbergen und die Bildung von neuen Schlünden

während denſelben, ſo wie, daß Erdbeben nach den vulk. Eruptio— nen häufig aufhören. Einwirkungen auf die Magnetnadel wur— den bei Erdbeben öfter wahrgenommen. Das ihnen vorhergehende Geräuſch gleicht bald dem Raſſeln ſchwer beladener Wagen oder dem Brauſen des Sturmwindes, bald Kanonenfchüſſen oder Donner- ſchlägen. Die Stöße ſind bald horizontal, bald vertikal, (dieſe find meiſt von gewaltigen Exploſtonen und furchtbarem Getöſe

begleitet) bald rotirend. Manche Erdbeben wirken in ungeheuern

Entfernungen, wie das von Liſſabon 1755, welches in Bayern (wo der Walchenſee bei ganz ruhiger Luft in furchtbare Wallung gerieth) und Weſtindien, in Cadix und an der engl. Küſte ver⸗ ſpürt wurde. Ein Inſtrument, um ferne Erdbeben wahrzunehmen, und die Intenſität aller zu beurtheilen, hat Gruithuiſen unter dem Namen Elkysmometer angegeben. Es beſteht aus einem

in einem Schacht oder Gewölbe an einem möglichſt langen Drath

aufgehängten Bleiloth, deſſen Schwankungen an einer Mikrome⸗

tervorrichtung gemeſſen werden können. (Lieblingsobjekte im Felde

der Naturf. S. 128. Analekt. 1s Hft. S. 30.) Ein Herr Coulier nennt ein von ki zu gleichem Zwecke erfundenes Inſtrument

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450 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch. Sersmometer. (Instit. 1834. p. 125.) Ob gewiſſe, ſeit langem bekannte, wellenförmige Bewegungen des Meeres an Nordchili und Peru etwa doch auch auf Erdbeben beruhen, iſt noch zweifelhaft. Meyen erzählt in feiner Reiſe um die Welt, daß er ſich bei Nacht und bei vollkommner Ruhe, vor Anker im Hafen von Copiapo befand, als plötzlich und ohne Windſtoß ungeheure Wellen ſein Schiff aufhoben, und ihm unerträgliche Stöße verſetzten. Ander⸗ wärts, im Süden von Arica, bei heiterm ſtillen Wetter und kaum fühlbarer Briſe, ſah er vom offenen Meer 30 40/ hohe Wogen

herankommen. Doch iſt auf der Weſtküſte von Südamerika Ebbe und Fluth kaum wahrnehmbar; man kann alſo die Erſcheinung

nicht der periodiſchen Wiederkehr der Flut beimeſſen. Man glaubte ſte dem Vollmond zuſchreiben zu können, aber nach M. zeigt ſich dieſes ſogen. „Rollen“ an manchen Punkten der Küſte heftiger im letzten Viertel, woraus er ſchließt, daß der Mond nicht urſache ſei. Er meint, man könne dieſe vielleicht im auſſerordentlichen Zufluß kalter Waſſer von SO. ſuchen, welche in der ganzen Ausdehnung von Arequipa an die peruaniſche Küſte ſtürzen. (Memoir. encyel. octob. 1835.)

Die vulk. Erſcheinungen und Erdbeben leiteten die Alten vom Pyriphlegeton, dem feurigen Fluſſe der Unterwelt ab; Neuere bald vom Centralfeuer, bald (Lemery, v. Hoff) von brennen⸗ den Schwefelkieſen, bald (Werner) von tiefen brennenden Steinkohlenflötzen. Die beiden letztern Anſichten erfaſſen aber nicht die Großartigkeit und weite Verbreitung der vulk. Phänomene. Be⸗ kanntlich iſt ganz Quito ein einziger vulk. Heerd, und das unter⸗ irdiſche Feuer bricht bald aus dieſem, bald aus jenem Gipfel her⸗ vor; ſeit 300 Jahren findet in den Anden eine fortſchreitende Bewegung des Feuers von N. nach S. ſtatt. Weit entfernte Feuerſchlünde ſtehen durch unterirdiſche Kanäle mit einander in Verbindung. Die Rauchſäule, welche der Vulkan von Paſto 1797 drei Monate lang ununterbrochen ausgeſtoßen hatte, ver⸗ ſchwand im ſelben Moment, als 60 Meilen davon das große Erd- beben von Niobamba und die ausbrechende Moya 30 40,000 In⸗ dianer tödteten. Im erſten Augenblick des Ausbruchs des V. von St. Vincent (Antillen), 30 Tage nach der Zerſtörung von Caracas, am 11. April 1811, ſpürte man in einer Strecke von 2200 UM. des Kontinents, ein ſchreckliches unterirdiſches Ge⸗

töſe. Solche Erſcheinungen deuten auf allgemeine, ſehr tief

unter der Oberfläche des Planeten liegende Urſachen. Nach

Humphry Davy beſtünde das Innere der Erde aus Metallen der

Erden und Alkalien, die äuſſere Rinde aus deren Oxyden; kämen ihre metalliſchen Grundlagen mit Waſſer und Luft in Berührung, ſo entſtänden vulk. Kraftäuſſerungen. Auſſer dieſer hat man auch

nn

Vom eigenthüml. Leben d. Erde u. deſſt en verſchied. Aeuſſerung. 454

noch andere, weniger haltbare chemiſche Hypotheſen zur Erflä- rung des Vulkanismus und der Erdbeben. Keferſtein will ſogar die Lava nicht einmal als geſchmolzenes Produkt gelten laſſen, läugnet überhaupt das Daſein beſonderer Hitze im vulk. Heerd, und ſieht die Lava und andere derlei Geſteine durch eine Art Gährungsprozeß aus neptuniſchen Straten entſtanden an, der in der Erde ſelbſt feinen Sitz habe, jedoch durch die Sonne und fich ſtarknä⸗ hernde Kometen beſonders aufgeregt werde. (i. a. W. Bd. 2. S. 140 ff.)

Die hohen, oft wochenlang aus dem Krater aufſteigenden Feuerſäulen, die ſtets den großen vulk. Regengüſſen vorhergehen, ſind wohl nichts anders als brennendes Waſſerſtoffgas. Der aus weiter Ferne hörbare Wiederhall des unterirdiſchen Donners möchte für das Daſein großer Höhlen in der Nähe der V., namentlich um den Veſuy ſprechen. Dieſe verbinden ſich ohne Zweifel mit dem Innern ſeiner Solfatara, welche nur raucht und Schwefel ſublimirt, ſobald der V. ſchweigt; aber ruht, und in deren Schlot dann ein niederſteigender Luftſtrom hinabſteigt, wenn der Berg in Aufregung kömmt. Verbindung mit der Luft iſt überhaupt un- umgängliche Bedingung für die Thätigkeit der Vulkane; ſonſt hielt man auch Waſſer hiefür nothwendig, da die meiſten Vulkane wirklich am Nande der Kontinente oder auf Inſeln liegen; die Entdeckung von Feuerbergen in Centralaſten hat jedoch dieſes Geſetz beſchränkt. Das in den thätigen V. vorkommende Eiſen⸗ oxyd iſt wohl aus dem flüchtigen ſublimirten Chloreiſen durch Zerſetzung mittelſt Waſſerdämpfen entſtanden; der Salmiak durch Zerſetzung von ſtickſtoffhaltigem Bitumen, und Zutritt von Salz ſäure; das kohlenſaure Gas theils durch Einwirkung von Waſſer auf erhitzte Kalkſteine, theils durch Aufeinanderwirkung von heißem Waſſer, Kieſelerde oder Biſtlicaten und kohlenſ. Kalk; der Schwe- fel wenigſtens zum Theil aus Zerſetzung der Schwefelmetalle. Man kann nicht läugnen, daß durch Annahme eines Gentral- feuers die vulk. Erſcheinungen und die mit ihnen gewiß eng ver— bundenen Erdbeben einfach erklärt werden, und als Folge der Wechſelwirkung zwiſchen dem feurigen Erdkern und der Atmo- ſphäre erſcheinen, welche die äußere, erkaltete, oxydirte, verhär⸗ tete Rinde umgiebt. Die ſchmelzenden Metalle des Innern wer— den bei Zutritt von Waſſer und Luft durch eine niederſetzende Spalte, oxydirt und ihre Sulphurete zerſetzt; hierauf durch die ſich entwickelnden elaſtiſchen Dämpfe heraufgedrückt, als Lava, Steine, Blöcke herausgeſchleudert, während jene, zum Theil glühend in die Luft ausſtrömen. Die in der Nähe der Vulkane und der gra— nitiſchen Geſteine ſo zahlreichen heißen Quellen dienen als Stütze dieſer Erklärung. Wenn wir nun auch das Daſein einer Gen- tralwärme für höchſt waheſchennlich, und für ziemlich erwieſen

452 Allgemeine Naturgeſchichte. Iv. Buch.

halten, ſo muß dieſe doch von dem ohne nähere Beſtimmung an⸗ genommenen Centralfeuer ſehr verſchieden ſein. Die gewöhnlichen Feuer brennen nur bei Zutritt der Luft; das Innere der Erde, welches von ihr ziemlich abgeſchloſſen iſt, und doch in den von Menſchen bis jetzt erreichten Tiefen immer höhere Wärme zeigt, kann dieſe nur durch innere lebendige Kraft entwickeln, welche ſich zugleich durch ſtete chemiſche Umbildungen kund giebt, die (oft unter heftigen Erſchütterungen) unter ihrer Epidermis vor ſich gehen, und be⸗ ſtimmte Sekreta durch die Vulkane ausſcheidet. Dieſe würden ſich daher ſo verhalten, wie die Puſteln, die öfters auf der Haut des Menſchen entſtehen, und durch welche entzündete, und in Eiter übergegangene Stoffe entleert werden. Nimmt man auch un, daß zutretende Waſſerſtröme oder auch anhaltend naſſe Wit⸗ terung, alſo eine äuſſere Urſache, den Vulkanismus aufregen könne, und daher gleichzeitige Kataſtrophen in nicht weit von einander entfernten Gegenden auf dieſem gemeinſchaftlichen Moment be⸗ ruhen können, ſo ſcheinen doch die in ſehr großen Entfernungen gleich⸗ zeitig eintretenden Erdbeben auf Aufregungskräften ganz anderer Art zu beruhen, die nach Weiſe der Elektrizität oder des Magnetis- mus ungeheure Räume in der kürzeſten Zeit zu durchlaufen ver⸗ mögen. Da im Erdleben, obwohl einem organiſchen, doch die chemiſch-phyſtkaliſche, und elektro- magnetiſche Seite vorwiegt, fo bedarf es zur Erzeugung der Erdwärme keineswegs jenes zufam- mengeſetzten Apparats von Nerven und Gefäſſen, wie z. B. im thieriſchen Organismus; ihre Stellen vertreten in dieſer Rückſicht die zur Erregung von Galvanismus angeordneten verſchiedenarti⸗ gen Maſſen des Erdkörpers. Das Spiel aller Thätigkeiten wird ſtets von innen heraus durch jene immaterielle Kraft erhalten, welche jeden Weltkörper, ſo lange er lebt, durchdringt. (Vergl. über dieſen Abſchnitt auch Steffen's Beitr. z. innern eee

d. Erde. Freiberg, 1801.) - |

VI. Hauptſtück. Entſtehung und Bildung, Veränderungen und Zu⸗ kunft der Erde.

Literatur: Klöden, Geſtalt und Urgeſchichte 900 Erde. 2te Aufl. Berl. 1829. v. Hoff, Gefch. d. durch Ueberlieferung nachgewieſ. natürl. Veränderungen d. Erdoberfläche. 3 Thle. Gotha, 1822 1834. Elie de Beaumont, Extrait d'une serie des recherches sur quelquesuns de revolutions de la surface du globe. 8. Par. 1835. Tableau de l’etat du globe à ses differens ages, p. Nercée Boubee. Fol. 4.edit. Par. kan

Entſtehung u. Bildung, Veränderung, u. Zukunft d. Erde. 453

Die Entſtehung des von uns bewohnten Planeten hat feit den älteſten Zeiten die Philoſophen und Phyſiker befchäf- tigt, und die zahlreichen Theorieen hierüber richteten ſich mehr oder minder nach der jedesmaligen Einſicht in die Natur⸗ kräfte, und in die der Beobachtung zugänglichen Wirkungen derſelben. Zu allen Zeiten hat es Solche gegeben, welche ſich zur wahren Idee jedes ſchöpferiſchen Hergangs als eines geiſtigen Aktes erhoben haben, während Andere das Entſte— hen der Erde aus mechaniſchen Vorgängen, wie ſie zum Theil bei deren Veränderungen jetzt noch erfolgen, zu erklären ver⸗ meinten. Seit die Kenntniß des Baues der Erdrinde ſich mehr und mehr entwickelte, glaubte man durch ihren Beſitz ſich auch berechtigt, die große Frage der Geogeneſis zu ber antworten, obwohl die Geognoſie ſich nur mit Erforſchung der äuſſerſten Rinde des Planeten beſchäftigt, gleichſam nur eine Hiſtologie ſeiner Epidermis iſt. Alles, was möglicher⸗ weiſe jemals durch ſie erreicht werden dürfte, kann nur eine genaue Erkenntniß des Baues derſelben in den verſchiedenſten Gegenden der Erde, und vielleicht auch noch derjenigen Kräfte ſein, welche bei demſelben wirkſam waren. So groß und vor⸗ trefflich dieſe Reſultate ſind, berechtigen ſie doch nicht, über die Erdgeneſis zu entſcheiden; nicht viel weniger vermochte der Anatom, welcher nur den Bau der Haut, und der oberflächlichſten Theile an einem menſchlichen Körper er- kannt hätte, über die Entſtehung deſſelben zu ſprechen. Wenn jemals über die Entſtehung der Erde etwas Erfah— rungsmäßiges ausgemacht werden ſollte, ſo wird es durch die beobachtende Aſtronomie geſchehen. In den weiten Räumen des Himmels werden ſtets noch neue Weltkörper erzeugt; Jahrhunderte lang fortgeſetzte Beobachtungen müſſen endlich annähernde Schlüſſe auf die Beſchaffenheit der äuſſern Erſcheinung hiebei geſtatten. Eine Haupt⸗ bedingung eines vernünftigen Fortſchreitens auf dieſer Bahn iſt, daß die Wiſſenſchaft nicht durch fremdartige Hemmniſſe in ihrem Gang und ihrer Entwicklung geſtört werde. Jede Einmiſchung orthodoxer Elemente, jedes Aufſtellen eines Dog⸗ mas oder einer Tradition muß, ſchon als etwas Feſtgeſtelltes,

I

ABA Allgemeine Haturgefhiäe Iv. Buch.

Unbewegliches die Forſchung gefährden, deren Charakter Entwicklung und Metamorphoſe iſt. Die religiöſen Intereſſen bedürfen ſolcher Stützen nicht; ſie haben ihre Wurzeln in ganz anderm und tieferem Grunde, als daß ſie durch Ver⸗ hältniſſe der Erſcheinungs welt ernſtlich berührt und erſchüttert werden könnten. Nach der Anerkennung des Kopernikaniſchen Weltſyſtems ſollten Maßen dieſer Art au mehr erneuert werden.

Nach unſerer ad Einft cht müſſen wir (mit Beziehung | auf das fünfte Hauptſtück des dritten Buchs) glauben, daß unſere Erde einem individuellen Kraftweſen ihren Urſprung verdanke, welches mit jenen der übrigen Weltkörper unſeres Syſtems, zu denen es in genetiſcher Beziehung ſteht, in der⸗ ſelben Gegend des Raumes thätig war, die es umgebende

Materie anzog, und vermöge der von der ſchöpferiſchen Ally

macht jedem Einzelweſen verliehenen ſpezifiſch modiſtzirten. Kräfte ſie zum Erdſphäroid geſtaltete. Die einzelnen Maſſen mochten ſich nach ihren größern odern geringern Dichtigkeiten und chemiſchen Verwandſchaften, alſo polar iſch anordnen, die einzelnen Organe des Erdganzen traten aus einander, und unter ſich in Wechſelwirkung. Hält man nun mit den Vul⸗ kaniſten dafür, daß die Erde ſich anfangs in feurigem Fluß befand, und das Meer in Dunſtgeſtalt mit der Atmoſphäre verbunden war, aus der es ſich in einem gewiſſen Stadium der Erkaltung niederſchlug, oder, was noch wahrſcheinlicher iſt, daß die in der Urzeit größere Erdwärme nur auf einem lebendigern elektro-galvaniſchen Prozeß beruhte, wobei durch zahlreichere Vulkane und kräftigere Erdreſpiration eine lebhaftere i Wechſelwirkung mit der Atmoſphäre unterhalten wurde, als jetzt immer wird man eine höhere Temperatur der Erde in jener fernen Periode annehmen müſſen, und hiedurch noch am leichteſten mehrfache geologiſche Probleme zu löſen vermögen. Vermuthlich bedeckte das Meer, ſodald es ſich von den übrigen Maſſen geſchieden hatte, zuerſt die ganze Oberfläche der Erde, ohne daß es hiezu einer größern Waſſermaſſe bedurfte, als gegenwärtig noch vorhanden iſt: indem, wenn alles Land in

das Becken des jetzigen Oceans geworfen würde, es nur ein

Entſtehung u. Bildung, Veränderung. eu. 1 d. Erde. 455

Dritttheil deſſelben auszufüllen vermöchte. Aus dem Meere erhob ſich allmälig das Land, hier ſchneller, dort langſamer, in den verſchiedenſten Abſtufungen: zuerſt nur in einzelnen Spitzen, die als Inſeln hervorragten, ſpäter in größern Flächen, die allmälig Zuſammenhang gewinnend die Konti⸗ nente darſtellten. Die Erhebung des Landes und der Ge— birgsketten (mit abwechſelnden Senkungen), wenn auch nicht durch das Centralfeuer unter allverheerenden Umſtürzungen, doch durch organiſch⸗plaſtiſche Thätigkeit der Erde, neben fortdauernden chemiſchen und mechaniſchen Wirkungen, welche ja in der ganzen Schöpfung nirgends fehlen, dürfte ſtets geeigneter zur Erklärung wichtiger, geognoſtiſcher That⸗ ſachen erſcheinen, beſonders des augenſcheinlichen Durch⸗ brechens und Aufrichtens neptuniſcher Straten als rein chemiſche und phyſikaliſche Anſichten. Die Bildung graniti⸗ ſcher Felsmaſſen unter Einwirkung ſehr großer Wärme möchte ebenfalls keinem Zweifel unterworfen und die chronologifche - Folge der neptuniſchen Straten, wie ſie im vierten Haupt⸗ ſtück dargeſtellt wurde, in der Hauptſache richtig fein. So lange das Meer den ganzen Erdball bedeckte, konnten wahrſcheinlich nur waſſerathmende Organismen des Thier⸗ und Pflanzenreiches vorhanden fein; wie Land über den Sees ſpiegel hervortrat, begannen ſich luftathmende Thiere und hö⸗ here Vegetation zu entwickeln. Es ſcheint, daß der Planet im Verfolge der Zeiten (deren Dauer nach Jahren ſich nie wird angeben laſſen) allmälig auf den Gipfel der Pro⸗ duktionskraft gelangte, gleichſam auf die Akme ſeiner Ent⸗ wicklung, und daß die Erreichung derſelben erſt vor weni⸗ gen Jahrtauſenden durch das Erſcheinen des höchſten und vollkommenſten Geſchöpfes, des Menſchen bezeichnet wurde. Ihr mochte jenes Nachlaſſen der üppigen Produktionskraft folgen, welche früher ſo manche ſtürmiſche Veränderungen veranlaßt, aber auch gewaltige Thier- und Pflanzenformen in jetzt beeisten Gegenden hervorgerufen hatte, ein Nach⸗ laſſen, das ſich unter Anderem auch durch eine ziemlich ſchnell eintretende Verminderung der Temperatur der Erde kund gab. Mit dem Daſein des Menſchen ſcheint relative

456 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Ruhe im Erdleben erfolgt zu ſein; die Gebirgsketten wa⸗ ren ſchon alle erhoben, Meer und Land hatten die jetzige Ver⸗ theilung, was von Erhebungen und vulkaniſcher Thätigkeit jetzt noch ſtatt fand und findet, iſt nur ein ſchwacher Nachhall der fruͤ⸗ hern Zeit, in der organiſchen Natur iſt Stabilität eingetre⸗ ten, kurz, jene Kraft, welche früher der Oberwelt zu⸗ ſtrebend, das Land über das Meer erhob, es wieder man⸗ nigfach veränderte, zum Theil umſtürzte, und ſich in Pro⸗ duktionen gewaltiger organiſcher Weſen gefiel, ſcheint immer mehr zur Klarheit durchdringend, im Menſchen endlich das

Ziel ihres Strebens gefunden zu haben, und nur noch in der

Menſchheit als Streit und Ringen um das höchſte und letzte Verſtändniß fort zu dauern. Nur noch eine große Kata⸗ ſtrophe, beſtehend entweder in einer ungeheuern Fluth,

oder einer Periode großer weitverbreiteter, ziemlich gleich⸗

zeitiger Fluthen iſt noch nach dem Daſein des Menſchen eingetreten.

* * 9

Was die jetzt noch fortdauernden Veränderungen der Erdoberfläche betrifft, fo bezeichnete ſchon G. v. Cuvier 4 Ur⸗ ſachen derſelben: den Regen und das Eis- und Schneewaſſer, welche die ſteilen Gebirge zerſtören und ihre Trümmer an den Gehängen aufhäufen; die fließenden Gewäſſer, welche

jene Trümmer mit ſich fortreißen, und ſie dort niederlegen, wo ihr Lauf gemäßigt wird; das Meer, das die hohen Kir

ſten unterwühlt, um ſie in Klippen zu verwandeln, und auf den flachen Ufern Sandhügel aufwirft; endlich die Vulkane, welche die feſten Schichten durchbrechen und hier ihre Aus⸗ würfe aufthürmen „oder umher verbreiten. Nothwendig müſſen hiedurch Seen ausgefüllt, der Boden des Meeres erhöht, der Lauf der Flüſſe verändert, Land- und Meeresboden mit vulkaniſchen Maſſen bedeckt werden. Man muß dieſen Ur⸗ ſachen wenigſtens noch 2 beifügen: einmal die auch jetzt noch fortdauernden Erhebungen und Senkungen, wodurch Land über den Meeresſpiegel erhoben oder unter ihn herabgedrückt

wird, und dann die Entſtehung neuer Inſeln und Bänke durch die

4

Entſtehung u. Bildung Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 437

Korallen⸗ und Schalthiere, wie durch den fers e 1 * 5 * |

Wer vermag di Zukunft der Erde zu enträthſeln! Ein dichter Schleier ſenkt ſich vor das ſterbliche Auge, das nur wenig unter die Oberfläche des tiefen Oceans der unbegrenz— ten Naturkraft zu ſchauen vermag. Wenn es uns vergönnt iſt, auch hier der Analogie zu folgen, ſo muß dieſe reiche und ſchöne Erde, wie Alles, was in Zeit und Raum erſcheint, ihr Ende finden, wie ſie ihren Anfang gefunden hat: erfolge nun dieſes durch einen Zuſammenſturz mit der Sonne (vergl. S. 283), oder durch ein Nachlaſſen jener geiſtigen Kraft, durch welche ſie die Materie zur Vereinigung bewogen, und bis jetzt zuſammengehalten hat. Auch ſchon ein Uebergewicht der einen oder andern Potenz in ihrem Leben vermag Zer: ſtörung und Untergang herbeizuführen: ſei es nun, daß noch einmal gewaltſame Hebungen und Senkungen der Erdober⸗ fläche erfolgen, oder daß Luft oder Erdfeſte vermöge krank⸗ haft erhöhter Exhalation nicht mehr vermögen, das chemiſch in ihnen gebundene Waſſer feſt zu halten, und es in gewalti⸗ gen Fluthen über die Länder ergießen, alles Leben erträn⸗ kend, oder daß (nach der Edda) die Erde im Feuer unter⸗ geht, um ſchöner oder nie wieder zu erſtehen.

Dem S. 41 hiſtoriſch Angeführten und der im V. Hauptſtück Buch 3 gegebenen Darſtellung der Entſtehung und Bildung der Weltkörper fügen wir nur noch Weniges bei. Zu den neueſten Theorieen der Erdbildung gehört die chemiſche von Prof. u. Akad. Fuchs in München. Herr F. ſpricht ſich ſowohl gegen die Neptuniſten, als Vulkaniſten aus, neigt ſich aber doch ſtark zu erſtern hin, und nimmt einen urſprünglich flüſſigen Zuſtand der Erde an. Wäßrigflüſſig könne dieſer nicht geweſen ſein, da die verſchiedenen Beſtandtheile der granitiſchen Felsarten ſo Auf ſerſt ſchwer im Waſſer löslich wären, und überdieß verſchiedene Auflösbarkeit und Kryſtalliſationsfähigkeit hätten, daher ſich in

Schichten, und nicht unter einander hätten abſetzen müſſen. Feurigflüſſig könne er auch nicht geweſen ſein, weil Mineralien von der verſchiedenſten Schmelzbarkeit nicht blos neben einander, ſondern häufig in⸗ und durch einander gewachſen vorkommen, alſo

4258 Allgemeine Raturgeſchichte. IV. Buch.

gleichzeitig entſtanden ſind. Wäre der Granit geſchmolzen gewe⸗ ſen, ſo hätte zuerſt der Quarz, und erſt lange nachher der Feld⸗ ſpath und Glimmer kryſtalliſiren müſſen. Es wäre aber nun nicht nothwendig, daß Körper aufgelöst oder überhaupt flüſſig ſeien, um kryſtalliſtren zu können. F. habe bereits in ſeiner Abh. „über den Amorphismus feſter Körper“ dargethan, daß auch amorphe feſte Körper unmittelbar kryſtalliſtren können, vorzüglich, wenn fie unter Waſſer, oder von ihm durchdrungen, daher feſtweich feien. Alle kryſtalliniſchen Körper müßten daher amorph geweſen ſein, ohne flüffig geweſen fein zu müſſen. Im Anfang war die Erde vermittelt des Waſſers theils in feſtweichem, theils in flüffigem oder aufgelöstem Zuſtande. Silicium: und Kohlenſäure ſeien von allen Beſtandtheilen der Gebirge die wichtigſten. Die Kieſel⸗ ſäure bildete theils für ſich als eine gelatinöſe Subſtanz, theils mit Thonerde, Kali, Bittererde, den Eifenoeyden ꝛc. die (im Waſſer) unauflösliche Maſſe der Gebirge. Die Kohlenſäure bildete mit dem Kalk nebſt einem großen Theile der Bittererde die Hauptmaſſe des aufgelösten Theils. Der neutrale kohlen⸗ ſaure Kalk der Gebirge iſt im Waſſer jedoch nur ſehr wenig lös⸗ lich; es mußte daher ein größerer Ueberſchuß von Kohlenſäure da geweſen ſein, als die Gebirge jetzt noch enthalten. Die Atmo⸗ ſphäre beſtand urſprünglich vermuthlich bloß aus Stickgas, koh⸗ lenſaurem Gas und Waſſerdämpfen ohne Sauerſtoff: Durch jene beiden ſich ausſchließenden Säuren entwickelten ſich zwei große Formationsreihen, welche in jedem Zeitalter ungeſtört nebenein⸗ ander hergehen: ſie ſind die Kieſel⸗ und Kalkreihe, zu wel⸗ chen ſich in ſpäterer Zeit noch die Kohlenſtoffreihe geſellt. Die Gebirgsbildung begann 1) mit der Kieſelreihe, welche ſich bis in die neueſte Zeit erſtreckt. Bei der Kryſtalliſation ſo großer Maſſen wurde Licht und Wärme frei; letztere konnte ſich bis zur Gluth ſteigern, und den vulkaniſchen ähnliche Wirkungen hervor⸗ bringen. Aus dem feſtweichen amorphen Zuſtand wird auch die Bildung gemengter Gebirgsarten begreiflich. Während ſich aber hier Granit bildete, entſtanden dort Syenit, Glimmerſchiefer, Grünſtein ꝛc., kurz die granitartigen Gebilde. Je nach der Ruhe oder Bewegung des Gewäſſers wurden die Gebirgsmaſſen entwe⸗ der geſchichtet oder nicht. Nachdem ein großer Theil der feſt⸗ weichen Maſſe kryſtalliſirt war, wurde das Gewäſſer freier und unruhiger, beſonders in der neuern Zeit, weßhalb ſich da die Glieder der Kieſelerde nicht mehr ſo vollkommen ausbildeten. Sand, Sandſtein und Thon ſeien, der gewöhnlichen Anſicht ent⸗ gegen, nicht durchgängig mechaniſche Sedimente, ſondern der größere Theil ſei auf ähnliche Weiſe, wie die ältern Gebirge der Kieſelreihe gebildet worden; daher gehe der Sandſtein in Granit

Entſtehung u. Bildung, Veranderung. u. Zukunft d. Erde. 439

über, ſchließe bisweilen Feldſpathkryſtalle ein, und der Glimmer fehle felten. 2) Die Kalkreihe beginne bereits in Urgebirgen, und gehe gleichzeitig mit der Kieſelreihe durch alle Epochen bis in die neueſte Zeit, wo fie, während die Kieſelreihe abnimmt, ihre größte Ausdehnung erlangt. Wäre der kohlenſ. Kalk feurig flüſſig geweſen, fo müßten wir ſtatt kohlenſ. Kalks, bloß kieſel⸗ ſauren haben, da in ſtarkem Feuer der Kalk ſich nicht mit der Kieſelſäure vertrage, ſondern zerſetzt werde, indem ſich dieſe mit. dem Kalk vereinige, und die Kohlenſäure austreibe. Der kohlenſ. Kalk habe ſeine kryſtalliniſche Beſchaffenheit daher durch das Waſ— ſer erlangt, in welchem er mit einem Ueberſchuß von Kohlen— ſäure aufgelöst war. 3) Die Kohlenſtoffreihe beginnt mit dem Graphit in den Urgebirgen, zeigt ſich im ſchwarzen Urkalk, Thonſchiefer, Zeichen- und Alaunſchiefer, lydiſchen Stein, ſetzt mit dieſem und dem Anthrazit in das Uebergangsgebirge fort, erlangt ihre größte Mächtigkeit in den Steinkohlen, (die alſo nicht aus dem Pflanzenreiche ſtammen) und endet in den Braun⸗ kohlen. Zu ihr gehören auch die Erdharze. Aller Kohlenſtoff ſtamme von der freien Kohlenſäure. Dieſe mußte gleich von An— fang den neutralen kohlenſauren Kalk bis zu einer gewiſſen Zeit aufgelöst erhalten, die Atmoſphäre mit Sauerſtoff verſehen, und für die Steinkohlen und Organismen den Kohlenſtoff liefern. Bei Zerſetzung der Kohlenſäure entſtanden wahrſcheinlich bitumi— nöſe Produkte mit ſtarkem Waſſerſtoffgehalt, und humusartige, nebſt Waſſerſtoff viel Sauerſtoff enthaltend: durch Vereinigung beider wurden die verſchiedenen Steinkohlen erzeugt. Zu den Braunkohlen möge das Pflanzenreich das Hauptmaterial geliefert haben. Nicht bloß aus organiſchen Körpern kann Humus gebil— det werden: kohlenſtoffhaltiges Eiſen in Salzſäure aufge. löst, giebt nicht blos humusartige Subſtanz, ſondern auch ein Oel, ganz vom Geruch des Bergöls. Viel Sauerſtoff der Kohlen- ſäure ſei auch zur Bildung des Gypſes verwendet worden. Die Gänge ſeien Klüfte und Spalten, entſtanden bei der Kryſtalliſation, wo die feſtweichen Maſſen auf einen kleinern Naum zurück kamen; in fie drang die noch vorhandene amorphiſche Maſſe ein, und kryſtalliſirte ungeſtört. Auf ähnliche Weiſe entſtanden große Höhlen. In Folge des Zuſammenziehens ſenkten und ver⸗ ſchoben ſich auch die Schichten. Während der Erdbildung drangen auch die Elektrometeore tief in die Erde ein, und brachten Wire, kungen hervor, die man gerne dem unterirdiſchen Feuer zuſchrei— ben möchte. F. glaubt, daß feine Theorie nicht, wie die vulka— niſche, den Geſetzen der Chemie widerſpreche, und die ſchöne Ord— nung und Geſetzmäßigkeit der Schöpfung zerrütte. Allgem. Zeit. Auf-

ſerord. Beil. 10 und 11 Sept. 1837. Was letztern Grund betrifft, fo

460 Algemetne Raturgeſchichte. Iv. ud bing

iſt freilich zu berückſi chtigen, daß Das, was uns als Zerſtörung und Un⸗ ordnung erſcheint, im Gang der Natur oft nur eine Durchgangs⸗ ſtufe, und eine Bedingung höherer Entwicklung ſei. Die Sündfluth, welche die Neptuniſten vertheidigen, mußte ja eben ſo die Ord⸗ nung und Geſetzmäßigkeit der Schöpfung zerrütten. Abgeſehen

davon iſt es gewiß ſehr verdienſtlich, daß Hr. Bergrath Fuchs dem

viel zu ſehr vernachläßigten Chemismus, der gewiß eine ſehr große Rolle bei Bildung der Erde ſpielte, ſeine Rechte vindizirt. Es frägt fich aber, ob einige der wichtigſten Probleme, um welche ſich der Streit ſeit langem hauptſächlich dreht, hiedurch gelöst werden können. Einmal ſchweigt Hr. F. über die nach unten unläugbar zunehmende Temperatur der Erde. Dann wird das Vorhandenſein tropiſcher Organismen der Vorzeit in den Polar⸗ gegenden nicht berührt. Wollte man dieſes auch ohne Central wärme mit H. F. bloß durch die bei der Kryſtalliſation freiwerdende Wärme erklären (obſchon organiſches Leben neben ſo gewaltigen Prozeſſen kaum denkbar iſt), wie ſollten denn die Gebirge entſtan⸗

den ſein, mit ihren kühn aufſtrebenden Gipfeln, mit der wilden

Zerſtörung, die fie fo häufig darbieten, mit dem augenfälligen Durchbrechen und Emporheben der anerkannt neptuniſchen Schich⸗

ten? Vielleicht werden dieſe Verhältniſſe in der Abhandl. ſelbſt ihre Würdigung finden, was in obigem Auszuge nicht geſchehen

iſt. Zu Jenen, welche die Bildung (der Oberfläche) der Erde ganz aus noch jetzt wirkenden Urſachen erklären, hiezu aber un⸗ geheure Zeiträume fodern, gehören vorzüglich Lyell (Lehrb. d. Geol. überf. von Hartmann, ster Bd.) und v. Hoff / (Geſch. d. natürl. Veränd. d. Erdoberfl. 3ter Bd. S. 290 ff.). Eine Auf⸗ zählung der geologiſchen Syſteme überhaupt findet man in Cu⸗ vier's Umwälz. d. Erdrinde Bd. 1. S. 40 ff., Lyell's Lehrb. d.

Geol. Bd. 1. Kap. 2, 3, 4, Gehler's phyſik. Wörterb. neue Be⸗

arb. Bd. 4. S. 1238 ff., Keferſtein, Naturgeſch. d. Erdkörp. Bd. 2. S. 125 ff. Die Urſache der auſſerordentlichen Abweichungen in

dieſen, wie in allen Syſtemen der Wiſſenſchaft und des Lebens,

rührt davon her, daß zufolge der menſchlichen Beſchränktheit

nur immer ein Prinzip, eine Kraft, ein Moment einſeitig hervor⸗ gehoben, durchgeführt, und ihnen alle andern untergeordnet oder gänzlich verneint werden, während in der Natur die verſchieden⸗ ſten, zum Theil gleichberechtigten Prinzipien pee, und neben⸗

einander auftreten. f isn,

Man hat in neueſter Zeit die Verwitterung des Granits be⸗ achtet, um hiedurch Schlüſſe auf das Alter der granitiſchen Ge⸗ ſteine zu ziehen, und etwa im Verfolg dieſer unterſuchungen Anz

haltspunkte für Schlüſſe auf das Alter der Erde ſelbſt zu er⸗

halten. In der Schlußſitzung v. 1836 d. franz. Ale theilte

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Entſtehung u. Bildung / Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 461

Becquerel eine hierauf bezügliche Notiz mit. Die Kathedrale von Limoges iſt 400 Jahre alt, und aus in der Nähe anſtehendem Granit gebaut. Auſſen an der Wetterſeite iſt deſſen Verwitterung mehr oder weniger bedeutend, und beträgt im Mittel etwa acht Millimeter. Im Steinbruch dagegen zeigt ſich die Granitmaſſe 1 Met. 62 Millim. tief ausgewittert. Iſt der Gang der Zer⸗ ſetzung der Zeit proportional, ſo hätte dieſe vor mehr als 50,000 Jahren begonnen. Ohne Zweifel iſt aber die Granitwand an⸗ fangs viel ſchneller verwittert, als ſpäter, wo die obern über⸗ hängenden Theile die untern ſchützten, ſo daß eine noch längere Zeit herauskäme. (Vergl. Huot, Cours elem. de Geol. t. 1. p. 71 8d.) Henri Reboult (Geol. de la periode quaternaire, Par. 1834) geht ſo weit, zu behaupten, daß die engſte Grenze der quaternären Zeiten nach den geologiſchen Monumenten wenigſtens auf 40/000 Jahre geſetzt werden könne. Wir erinnern hier nur noch an die Jahrmillionen der indiſchen Mythologieen, an das über⸗ trieben hohe Alter, welches man dem Thierkreis von Denderah (Ventyris), den Eiſenbergwerken von Elba ꝛc. zugeſchrieben hat, worüber man Cuvier's Unterſuchungen (Umwälz. d. Erdr. überſ. v. Nöggerath Bd. 1. S. 152 262) nachleſen kann. C. kommt, über das Alter der Erde nicht entſcheidend, mit de Luc und Dos lomieu zur allgemeinen Schlußfolge, daß die Oberfläche unſerer Erde eine große und plötzliche Umwälzung erlitten habe, deren Epoche nicht viel über 5— 6000 Jahre hinausreichen kann, und durch welche jener Theil des Feſtlandes, auf welchem vormals die Menſchen und die jetzt bekannteſten Thiere wohnten, verſun⸗ ken und ganz verſchwunden iſt, der Boden des vorigen Meeres hingegen auf's Trockene geſetzt, und hiedurch das jetzige Feſtland

gebildet wurde; daß ſeit dieſer Revolution die wenigen ihr ent⸗

gangenen Individuen auf dem neuen trockenen Lande ſich verbrei⸗ tet und vermehrt haben, und daß folglich erſt nach ihr die menſch⸗ lichen Geſellſchaften ſich wieder ausgebreitet, Staaten gegründet, Denkmale errichtet haben ꝛc. Aber die jetzt bewohnten Länder, welche durch die letzte Revolution auf's Trockene geſetzt wurden, waren ſchon vordem bewohnt, wenn auch nicht von Menſchen, doch wenigſtens von Landthieren; folglich hatte dieſes Land min⸗ deſtens bei einer vorgängigen Umwälzung ſchon unter Waſſer ges ſtanden, und wenn die verſchiedenen Folgen von Thieren, deren Ueberreſte man darin findet, zu einem Schluſſe berechtigen, ſo hatte daſſelbe vielleicht ſchon 2 3 Meeresirruptionen erlitten. Littrow ſpricht ſich ſür ein ſehr hohes Alter der Erde aus, und führt als Beweiſe die Thierkreiſe von Esne und Denderah und die Paläſte, Tempel und Ruinen auf, mit welchen Indien nach John Call vom Ganges bis zum Cap Comorin bedeckt iſt; ſo wie

462 Allgemeine Naturgeſchichte. IV Bucht.

den in einem dieſer Tempel gefundenen Thierkreis, 658 das Som⸗

merſolſtitium im Sternbilde der Jungfrau zeigt, wo es vor 10,000 Jahren ſtand. Auch Humboldt fand auf den Felſen im Norden der Ruinen von Canur in Amerika, unter 70 n. B. Zeich⸗

nungen und Inſchriften eines vor undenklichen Zeiten daſelbſt le⸗

benden Volkes. Nordöſtlich vom Baikalſee giebt es nach Pallas

ähnliche, viele Meilen fortlaufende, mit Charakteren und Zeich⸗ nungen bedeckte Felſen. Der urſprüngliche Stoß, welcher die

Bewegung der Erde um die Sonne in der Ebene der Ekliptik er⸗

zeugt hat, muß nothwendig mit der Ekliptik ſelbſt parallel und

wegen der geringen Exzentrizität der Erdbahn nahe ſenkrecht auf

die urſprüngliche Entfernung der Erde von der Sonne geweſen

ſein. Da jener Stoß aber auch die Rotation, welche in der Ebene des Aequators vor ſich geht, erzeugt haben ſoll, ſo muß

ſeine Richtung auch der Aequatorebene parallel geweſen ſein. Bei

ihrer Entſtehung muß die Erde daher in einem ihrer 2 Solſtitien,

weil nur da die Ekliptik dem Aequator parallel liegt, und zugleich

in einer ihrer zwei Apſiden geweſen ſein, weil nur in dieſen die

Erdbahn auf der Entfernung von der Sonne ſenkrecht ſteht. Die

Erde ſcheint daher in der Nähe eines der beiden Solſtitien, und

zu einer Zeit entſtanden zu ſein, wo mit dieſen die Apfiden der

Erdbahn zuſammen fielen. Das Perihelium der Erdbahn fiel nun

zuſammen 3978 v. Ch. mit dem Frühlingspunkt (dieſes würde

ziemlich mit der moſaiſchen Tradition übereinſtimmen), 9024 v. Ch. mit dem Winterſolſtitium, 14,430 v. Ch. mit dem Herbſtp.

19,656 v. Ch. mit dem Sommerſolſt. ꝛc. (Wund. d. Himm.

2 Aufl. S. 604)

Einige haben, um das Vorkommen tic Organis- men um den Nordpol zu erklären, auch eine Verrückung der Lage der Erdaxe auf die Bahnebene, alſo eine Aenderung der Ekliptik angenommen, wogegen ſich indeß, weil es gegen das Gravitationsgeſetz ſtreitet, ſchon Laplace ausgeſprochen hat. Man findet foßile Elephanten⸗ oder Mammuthsknochen in unge⸗ heurer Menge im Eiſe Sibiriens, Novaja Semlias, der Eſch⸗ fcholgbai an der RW. Amerikas, öfter noch mit Fleiſch- und Hautlappen. 1771 wurde ein ganzes Rhinoceros mit Haut, Fleiſch und Haaren am Willujifluſſe gefunden, ſpäter ein Elephant am Ufer des Alaſeia mit langen Haaren; 1799 ein anderer an der Lena, ſehr gut erhalten, von Adams nach Petersburg geſendet. (Cuvier-Nöggerath Bd. 2. S. 3 ff.) Unſeren Aequatorialpflan⸗ zen ähnliche fand man neuerlich in den Steinkohlenlagern an der Baffinsbai und in Canada. (Institut 1835 p. 14 8.) Sind die Pole, in Folge allmäliger Erkaltung der Erde mit Eis be⸗ deckt, ſo muß doch dieſe ſehr langſam fortſchreiten, indem man

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Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 463

ſeit Hipparchs Zeiten, keine Verkürzung der Tageslänge beobach⸗ tet hat. Da ein erwärmer Körper an Volum zunimmt, ſo mußte die Erde bei viel höherer Temperatur nothwendig einen größern Naum einnehmen, und ſich langſamer um ihre Axe bewegen, weil dieſelbe Kraft z. B. ein größeres Nad langſamer als ein kleineres zu bewegen vermag. Mit der Erkaltung mußte ſie kleiner werden, und ſich ſchneller drehen. Würde die Temperatur der Erde ſeit 2000 Jahren nur um ½% R. abgenommen haben, fo müßte die Tageslänge um oo Sekunde kürzer geworden fein, was nicht der Fall iſt. Nach Fourier beträgt der Beitrag, den das Centralfeuer zur Temperatur der Erdoberfläche liefert, gegenwärtig nur ½0 R.; fo daß jene faſt ganz als Reſultat der Sonnenwärme erſcheint und eine weitere Erkaltung der Erdoberfläche von jener Seite aus nicht möglich wäre. v. Humboldt hat bei ſeiner letzten aſtatiſchen Reiſe die Entdeckung gemacht, daß der Königstieger noch heute bis in die Kirgiſenſteppe vordringt, während des fibirifchen Som- mers bisweilen Streifzüge noch 100 Lieues weiter nordwärts macht, und daß der ſchöne Irbispanther von Kaſchgar bis zur Mittellena lebt. Walchner (Geognoſte, S. 1012) meint nun, es könne kaum bezweifelt werden, daß die erwähnten dickhaarigen Pachydermen meiſt in nördlichen Gegenden heimiſch waren, im Sommer an den Willuji und gegen die untere Lena vorrückten, und hier bei einer der letzten Erdrevolutionen, z. B. bei Erhebung einer ſehr jungen Gebirgskette, wie des Ural, getödtet wurden. Ihre Kadaver kamen durch Erſchütterungen und Spaltungen in mächtige, ſtets gefrorene Erdſchichten, wo fie mit allen Weich- theilen Jahrhunderte lang erhalten wurden. Mit Cuvier eine plötzl. Erkältung der Erdrinde anzunehmen, fei nicht nothwendig. (S. 1010.)

Gruithuiſen ſpricht ſich durchaus gegen ein Centralfeuer, und die vulkaniſtiſche Theorie der Erhebung der Gebirgsketten aus. Eine Anfangs glühende Erde hätte kein Meer haben können, in wel⸗ chem die Mineralſubſtanzen aufgelöst geweſen wären, denn der Waſſerdampf dehne ſich in den Himmelsraum ohne Ende aus, ver⸗ liůere ſich in dieſem, nnd es bleibe bei der Erde nur fo viel dampf- förmiges Waſſer, als fie bei einer beſtimmten Temperatur, ſei⸗ nem Gewichte gemäß, bei ſich zu behalten vermag. Auch fragt er, ob eine ſo geringe Abplattung einer glühenden, fließenden und nachher erkaltenden Erde, und die Hochländer und tiefen Meeres⸗ becken möglich geweſen wären, und wie ſich mit der ungeheuern Gluth die große Dichtigkeit des Erdkerns vertrage? (Anal. Hft. 4. S. 24 ff.) Hebungen ganzer Gebirgszüge bis auf 12/000 und mehr vertrügen ſich nicht mit der Phyſik und Chemie, obwohl der⸗ gleichen in niedrigen Gegenden nicht zu läugnen wären. (Neue

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264 Allgemeine Naturgeſchichte. W. Buch fe

Annal. Hft. 1. S. 20 ff.) Die meiſten neuern Gaben nach Leop. v. Buch ꝛc. an, daß die Erhebung der Gebirge

mit der Erkaltung der Erde zuſammenhänge. Ungeheure Spal⸗

ten hätten die äuſſere erkaltete Kruſte durchſetzt, durch dieſe her⸗

aus ſtiegen die glühenden Maſſen, welche die feſten Ränder auf⸗

gerichtet, verändert, zerriſſen, bisweilen zu rauhen Kämmen er⸗

hoben haben. Die Richtung der gehobenen Schichten ſei auch die

Nichtung der Spalten. Den Umſtand, daß weiter von einem

Gebirge entfernt, die rückſichtlich ihres relativen Alters bekannten neptuniſchen Straten horizontal liegen /in feiner Nähe aber ſich aufrichten, an die Abhänge anlehnen, und aufgerichtet öfters bis zur Höhe des Gebirges anſteigen, hat Elie de Beaumont zur Be⸗

ſtimmung der relativen Zeitfolge der Erhebungen ſelbſt

benützt. Nach ihm find: die verſchiedenen Gebirgsſyſteme durch von einander unabhängige Erſcheinungen hervorgebracht, und alle

Hebungen gleichen Alters befolgten die gleiche Richtung. Er hat

nach dieſen Grundſätzen in Europa bis jetzt 12 Gebirgsſyſteme be⸗ ſtimmt, welche von den älteſten angefangen, ſo aufeinander fol⸗ gen: 4) Syſtem von Weſtmoreland und vom Hundsrück. 2) S.

der Belchen (in den Vogeſen), und der Hügel im Bocage (Calva-⸗

dos). 3) S. v. Nordengland. 4) S. der Niederlande und von Südwales. 5) S. des Rheins 6) S. des Böhmerwaldes, Thü⸗ ringerwaldes und des Morvan. 7) S. des Erzgebirges, der Cöte d'or und des Pilas. 8) S. des Mont Viſo. N S. der Pyre⸗ näen und Apenninen. 10) S. von Corſika und Sardinien. 11) S. der weſtlichen Alpen. 12) S. der Hauptkette der Alpen, von Wallis bis Oeſterreich. Die Hauptalpenkette ſtreicht zwiſchen O. gen W. und OND. gegen WSW.; gleiche Richtung haben die Kette der Balearen, die Sierra Morena, der Atlas, Gebirge Candiens, Kleinaſiens, der Kaukaſus, Himalaya. Die Allegha⸗ nys und Ghats haben die Richtung der Pyrenäen. Die Richtung der Weſtalpen von Marſeille bis Zürich iſt parallel einem größten

Kreife durch das Nordeap bis zum Cabo blanco in Marokko; mit

dieſer Richtung, der allgemeinen Küſtenrichtung des alten Konti⸗ nents fallen das Gebirge von Norwegen und die braſtliſchen Kor⸗ dilleren zuſammen. Die Andeskette und der Ural ſind wahrſchein⸗ licher noch jünger als das 12te Syſtem. Auch jetzt kennt

/

man noch Hebungen und Senkungen ganzer Länder, welche

jedoch äuſſerſt langſam und ruhig erfolgen. So beobachtet man ſeit Celſtus, daß die ſkandinaviſche Halbinſel in einer langſamen

Erhebung begriffen iſt. Man findet dort Bänke jetzt noch im Nordͤmeere lebender Konchylien in Höhen von 10 200/, oft 50

engl. M. tief im Lande. Dieſe Erſcheinung läßt ſich nur durch Erhebung des Landes erklären, da fich das Niveau des Oceans

Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 463

nicht verändert haben kann, indem dieſes an den verſchiedenſten Punkten bemerkbar wäre. Lyell, welcher dieſe Verhältniſſe neuer⸗ lich unterſucht hat, nimmt an, daß ſich Schweden und Norwe— gen in 100 Jahren um 2—3“ erheben; Andere ſetzen 4/. (Inst. 1835 p. 56.) Nach der Mittheilung eines Lieut. Freyer an Lyell 1335 deuten gewiſſe Erſcheinungen an der Weſtküſte Südamerikas auf Erhebung. Um Arica, der Inſel San Lorenzo in der Bai von 5 Callao und Valparaiſo, finden ſich zahlreiche Schalen noch jetzt das ſelbſt lebender Mollusken, zum Theil 50/ und mehr über dem Niveau des Meeres. Caldeleugh, der in der Sitzung der Royal Society 26. Nov. 1835 über das furchtbare, Chili verwüſtende Erdbeben vom 20. Febr. 1835 berichtete, führt an, daß nach demſelben die Inſel St. Maria in der Bai von Conception um 10/, das Land um 3/ höher geworden ſei. Nach Aliſons Mittheilung in der Geol. Soc. v. London finden ſich bei Valparaiſo Bänke jetziger Seekonchylien 1400 / über d. Meere. Ein Fels in der Bai, über den man 1817 mit Kähnen fuhr, iſt jetzt, die Zeit der höchſten Fluth ausgenommen, trocken. Auch dieſe Erhebungen betrach— tet man als Folge der allmäligen Erkaltung der Erdkruſte, die Zuſammenziehung und Druck verurſacht, und die Oberfläche an den Punkten erhebt, wo fie am wenigſten Widerſtand findet. Ein Theil der Weſtküſte von Grönland hingegen ſinkt. Arktan⸗ der bemerkte ſchon zwiſchen 1777 79 in der Meerenge IJgalliko 600 43/ n. B. eine kleine, niedere Felſeninſel, einen Kanonen⸗ ſchuß vom Ufer, welche bei den höchſten Fluthen faſt ganz unter Waſſer ſtand, obwohl ſie die Ruinen eines Hauſes trug. Doktor Pingel von Kopenhagen fand ½ Jahrhundert ſpäter die Inſel ganz unter Waſſer, nur die Mauern noch hervorragend. Die Kolonie Julianahaab wurde 1796 am Eingang der Meerenge ge⸗ gründet, und heute ſieht man beim ſogenannten Schloßfelſen nur bei der tiefſten Ebbe noch die Grundmauern eines Magazins. Um die Kolonie Frederikehaab 620 n. B. lebten ſonſt Grönländer; von ihren Häuſern ſind nur noch Steinhaufen übrig, über welche das Meer bei hoher Fluth geht. Beim wohlbekannten Gletſcher, der den Diſtrikt Frederikehaab von jenem von Fiskenaß trennt, liegen die nun verlaſſenen Inſeln Fulluartalik; an ihrem Ufer ſteht man noch oft von den Wogen bedeckte Winterwohnungen. 75 Meile weſtlich vom Dorfe Fiskenaß gründeten die mähriſchen Brüder 1758 Lichtenfeld; in 30 oder 40 Jahren mußten fie 1 oder 2 mal ihre Anländeplätze weiter zurück verlegen. Nordööſtlich von der Mutterkolonie Godthaab, 61% 10/ n. B. iſt die vom heiligen Egede benannte Spitze Vildmannsnaß. Zu feiner Zeit 1721—36 war ſie von mehreren Familien bewohnt, deren verfallene Häu⸗ fer nun von den Wellen bedeckt find. Dr. Pingel, der 1835 dieſe

30

466 allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Thatfachen der Geol. Soc. v. London mittheilte, hat alle genann⸗ - ten Punkte ſelbſt beſucht. Nach Ausſage eines Eingebornen ge wahrt man zu Nepparſok, 45 engl. M. nördlich von Nyſukkertop, 650 20/ n. B. bei niederm Meer die Ruinen eines däniſchen Hau⸗ ſes. Dr. P. glaubt, daß das Sinken ſich mindeſtens bis in die Bai von Diseo, etwa 690 n. B. erſtrecke. (Inst. 1836. p. 86.) Die Hebungen von Ländern und Gebirgen ſind gewiſſermaſſen ein Erſatz für die Zerſtörung des Feſtlandes durch die atmoſphä⸗ riſchen Waſſer, welche ſtets die vorragenden Spitzen angreifen, zerſtören und Gleichheit im Niveau des Landes herbei zu führen ſuchen. Zum Ganzen des Erdkörpers haben übrigens auch die höchſten Berge nur ein ſehr geringes Verhältniß. Auf einem Erdglobus von 10/ Durchm. würde der Montblanc nur 147, der Chimboraco /“, der Dhawalagiri 5“ hoch fein.

Die Bildung der Thäler darf jetzt nicht mehr als das einſeitige Reſultat von Strömungen und Auswaſchungen gelten. Es giebt überhaupt verſchiedene Arten von Thälern: oeeaniſche, noch vor Erhebung der Kontinente auf dem Meeresboden gebildet

(nach Sedgwick z. B. der große caledoniſche Kanal); Aus⸗

waſchungsth., durch lang fortgeſetzte Auswaſchung der noch jetzt vorhandenen Flüſſe gebildet; (tiefe, ſchluchtige Thä— ler in den höhern Gegenden der Auvergne). Entblößungsth. ſind theils von einer einzigen ſtarken Fluth des ſich zurückziehen⸗ den Waſſers während einer Erhebung (viele Kreidethäler in Eng⸗

land), theils durch wiederholte Strömungen bis auf die feſten

Geſteine ausgeſpült. Viele Längenthäler des Jura und der Alpen find nur durch Erhebung der Schichten entſtanden; andere find nur Spalten, Spaltenth. (Sarenth., Eiſackth.) Bei den King» oder Erhebungsth. ſenken ſich aus der Mitte einer Keſſelumgebung die Schichten nach allen Richtungen auswärts, wie bei Erhebungskratern. (Th. von Kingselere, Ham und Bew» ſey in der engl. Kreideformation; von Driburg; Pyrmont.) Die Keſſelländer, wie Böhmen und die große aſtatiſche Erdſenkung erinnern an die Ringgebirge des Mondes. Die Veränderungen, welche die ſekundäre Organiſation der Erde erlitten hat, werden ihre Betrachtungen am betreffen⸗ den Orte, nämlich im ten und sten Buch finden. Huot hat hie⸗ von einen Eintheilungsgrund für ſein Syſtem der neptuniſchen

Straten hergenommen⸗ indem er für ihre Bildung fünf Epochen

aufſtellt: eine der Trilobiten, die zweite der Megaloſaurier, die dritte der Paläotherien, die vierte der Elephanten, die fünfte des Menſchen. (J. e. Tabelle zu S. 304.) he

Wir kommen zu jener merkwürdigen großen Fluth, von

N 0 die Traditionen ſehr vieler Völker ſprechen. Die ganze a

5 * 5 >

Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 467

jetzige Geſtalt des Feſtlandes wäre nach Jenen, welche fie annch- men, deren Neſultat; nach ihr habe ſich das Klima bedeutend. verändert, und die jetzigen Flüſſe hätten ihren Lauf begonnen.

Die ſchönſte und klarſte Darſtellung der Sündfluth (nach Einigen beſſer Sinfluth, vom altdeutſchen Sinfluot, d. h. große Fluth), welche nach der hebr. Chronologie im Jahr der Welt 1656, 2327 v. Ch. nach Petav, 3547 nach Joh. v. Müller eingetreten iſt, hat bekanntlich Moſes in den heiligen Schriften des alten Teſta⸗ ments gegeben. Indiſche Schilderungen findet man in F. Bopp's „Die Sündfluth, nebſt drei andern der wichtigſten Epiſoden des. Mahs Bhaärata.“ A. d. Urſprache überſ. Berlin, 1829. 8. und hieraus in Cuvier-Nöggerath Bd. 2. S. 219. Der Noah der heil. Schrift heißt bei den Indiern Menu oder Nuh, ſeine Söhne Sem, Cham und Japhet, Scherma, Chama, Jyapeti. Eine andere indiſche Schilderung nennt die Hauptperſon Satjawratas.

In der Geſch. des Xiſuthrus bei den Chaldäern, des Deukalion und Ogyges bei den Griechen, treten wieder die Hauptzüge der Noagchiſchen unverkennbar hervor; auch in den Sagen der Aegyp— ter, Perſer und Chineſen iſt nicht alle Verwandſchaft verſchwun— den; ſogar bei den Mexikanern wiederholt ſich der Noah der Bi— bel als Coxcox und Teocipaftli, bei den Cubaneſen als ein von der Taube (oder dem Kolibri) und dem Raben begleiteter Greis. De Lue vertheidigt die allgemeine Fluth; eben fo Buckland in den Reliquiis diluvianis; Cuvier ſpricht ſich entſchieden für fie aus, und hält die verſchiedenen traditionellen Fluthen für zuſam⸗ menfallend mit der Noachiſchen (i. a. W. Bd. 1. S. 159 ff.); Schubert vertheidigt fie gleichfalls (Geſch. d. Nat. Bd. 1. S. 551ff.), eben ſo Keferſtein (i. a. W. B. 2. S. 76 ff.) Gegen die Sünd⸗ fluth als allgem. die ganze Erde treffende Kataſtrophe haben ſich Gatterer, Cramer, Link, Lyell, v. Hoff, Nöggerath u. A. er⸗ klärt. Nach ihnen weiſen die geognoſtiſchen Thatſachen wohl auf ein abwechſelndes Steigen und Sinken der Gewäſſer, nicht aber auf gewaltſame Umwälzung, oder plötzliche und univerſelle Ein⸗ brüche der Meere hin; die traditionellen Fluthen ſeien lokal geweſen; die Wirkungen beim Ausbruch eingeſchloſſener Seen ſtänden mit den, in den Ueberlieferungen der Völker erwähnten Verwüſtungen nicht auſſer Verhältniß. (Cuvier⸗Nöggerath Bd. 2. S. 191 ff.; v. Hoff i. a. W. Bd. 3. S. 165 ff.; Lyell, Geol. B. 1. Kap. e Man hat für die allgem. Fluth verſchiedene Urſachen angegeben:

Veränderung der Erdate, wodurch die Meere aus ihrem Gleich—

gewicht traten, und ſich über die Länder ergoſſen; eine früher vorhandene, viel größere Waſſermaſſe, die auch größere Ueber- ſchwemmungen verurſachen konnte, und ſich ſpäter in das Erd- innere oder den Weltraum verlor; (nach Whiſton) einen Kometen,

468 1 allgemeine Naturgeſchichte. * Buch.

welcher ſich der Erde ſehr näherte, und gewaltige Waſſerſtröme auf ſie ſchüttete; (nach de Luc) Einſinken eines großen Feſtlan⸗ des (wie dieſes die Alten von ihrer Atlantis behaupteten) und Erhebung eines andern (z. V. Amerikas); (nach Schubert) Ent⸗ bindung eines Theiles des Waſſers, welches mit dem Eiſen, aus dem der Erdkern beſtände, zu Oxydͤhydrat verbunden wäre; (nach Parrot) Hervortreibung der in den Höhlen des Erdkörpers ent⸗ haltenen großen Waſſermaſſen durch Gaſe oder geſteigerte Wärme :e. Pietet und der jüngere de Luc glauben aus der geringen Aus⸗ dehnung des Alluviums in Seen und im Meere beweiſen zu kön⸗ nen, daß die jetzigen Flüſſe ihren Lauf vor nicht mehr als 4000 Jahren begonnen haben.

Ab⸗ oder Zunahme des Meeres. Cuvier ſowohl (i. a. W. Bd. 1. S. 34. Bd. 2. S. 11) als v. Hoff (in ſ. oft angef. klaß. W. Bd. 1. S. 474, Bd. 3. S. 316) erklären nach ſorgfäl⸗ tiger Prüfung aller Thatſachen, daß das Meeresniveau beſtändig ſei, und daß ſich weder eine allgemeine Abnahme, noch ein allge⸗ meines Steigen des M. ſeit der geſchichlichen Zeit erweiſen laſſe. Die Schriftſteller, welche das Eine oder Andere behaupten, wider⸗ ſprechen ſich auch ſehr im anzunehmenden Maßſtabe: ſo daß Mail⸗ let ein Fallen des M. in 1000 Jahren um 11% franz. Elle, Cel⸗ ſius um 22½ ſchwed. Ellen, Manfredi ein Steigen des Spiegels in der gleichen Zeit um 34 Ellen, Hartſoeker um 5 Ellen annimmt. v. Hoff glaubt übrigens, daß durch die Einſchwemmungen und das organiſche Leben, namentlich durch die Rinden-, Knochen⸗, Schal- und Korallenthiere ein Vorrücken der Küſten und eine Erhö⸗ hung des Meeresbodens nothwendig erfolgen müſſe, und wundert ſich darüber, daß trotz dieſer richtigen Theorie die Erfahrung doch kein Steigen des Meeresniveau's nachweiſe. Wir möchten

aber fragen, ob auf Erhöhungen durch ſolche Prozeſſe bei der

Entſcheidung der Frage im Allgemeinen ein großes Gewicht zu legen ſei? Was beſonders das organiſche Leben betrifft, fo wer— den ja alle Stoffe für die Korallenbänke und Molluskenſchalen aus dem Meere ſelbſt genommen. Offenbar findet nur ein ſteter Formenwechſel ſtatt, wobei der im Meerwaſſer chemiſch oder mecha⸗ niſch enthaltene kohlenſaure und phosphorſaure Kalk hier in feſte Bildungen übergeht, an andern Stellen in dieſen wieder zer⸗ brochen, zu Staub zerrieben und aufgelöst wird, um nach dem amorphen Zuſtand abermal zu konkreten Geſtalten verwendet zu werden. Wie ſollte hiedurch ein Steigen erfolgen? Etwas An⸗ deres iſt es freilich mit den feſten Beſtandtheilen, welche dem M. durch die Flüſſe zugeführt werden. Als wenigſtens theilweiſe Kompenſation hiefür ſind aber die Dünen zu betrachten, welche

das Meer an ſo vielen Punkten auf dem Lande aufwirft, R

Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde, 469

die Geſteinbänke, die es bei Meſſina und anderwärts bildet, die Inkruſtationen, welche man an Neuhollands Küſte beobachtet; durch die Stürme werden zugleich mit dem Meerwaſſer auch ſeine Salze und übrigen feſten Beſtandtheile oft weit ins Land ge— führt; nicht unbedeutende Maſſen von Konchylien werden zu Kalk gebrannt. Wir ſehen auch hier wieder nur einen Stoffwechſel, einen Austauſch zwiſchen Meer und Land. Sollte aber ſelbſt das Meer noch in geringem Vortheil bleiben, ſo bedenke man, daß (vergl. S. 335) die Flüſſe dem M. jährlich nur 75 Kubikmeilen Waſſer zuführen, fein leeres Becken daher, die Verdunſtung ab⸗ gerechnet, erſt in 40,000 Jahren anfüllen würden, und daß ſich in dieſem Waſſer höchſtens 1 Proz., alſo eine UM. feſter Be⸗ ſtandtheile befindet, und man fieht wohl, daß ſelbſt ohne alle vorher angeführten Abgänge zu rechnen, viele Jahr⸗ tauſende verfließen können, ehe die geringſte allgemeine Erhöhung des Meeresniveaus merkbar wird. Oertliche Anſchwemmungen, Deltabildungen ꝛc. werden durch Zerſtörungen kompenſirt, welche das Meer anderwärts auf das Land ausübt; anſcheinendes Stei⸗ gen und Sinken in manchen Gegenden entſteht durch Hebungen und Senkungen des Landes. Beiſpiele hiefür wurden bereits oben ange⸗ führt. Rach Robert Stevenſon ſoll das Niveau der Nordſee und der Kanal, nach Fortis das adriatiſche Meer ſich an einigen Or⸗ ten erhöht haben: Erſcheinungen, welche vorzüglich auf Senkung der angrenzenden Länder beruhen. Merkwürdige Verhältniſſe bie tet der ehemals prachtvolle F el von Pozzuoli dar, Stunde vom Montenuvo, ½ von der Solfatare des Veſuvs entlegen. Unter ſeinen mer fiehen noch drei Marmorſäulen ſenkrecht auf der urſprünglichen Bauſtelle. Ihr unterer Theil, von dem 15/ über der Meeresfläche gelegenen Boden an bis zu 127 Höhe, iſt völlig unbeſchädigt; ſodann find ſte aber s / weiter hinauf rings⸗ um von Bohrmuſcheln (Mytilus lithophagus) bis zu 4“ Tiefe zerfreſ⸗ ſen; höher hinauf wieder frei. V. Goethe deutet dieſe Verhält⸗ niſſe ſo, daß im Mittelalter durch vulkan. Aſche und ſonſtigen feurigen Auswurf hier das Becken zu einem Teiche gebildet wor- den ſei, in deſſen Mitte die großen Säulen des Portikus ſtan⸗ den, und ſelbſt auf 127 Höhe in vulkan. Auswurf vergraben wa— ren. Der etwa 5/ hohe, die Säulen des Portikus beſpühlende Teich ſei durch einen Bach gebildet worden, welcher zur Reinigung durch den Tempel geführt, ſtockte; in ihm entſtanden die Bohr⸗ mufcheln und fraßen die Marmorſäulen ringsum im Niveau des Waſſers an. Bohrmuſcheln, deren Wirkung man hier mehr als 30/ über dem Meeresſpiegel findet, müßten nach v. G. auch im ſüßen oder durch vulk. Aſche angeſalzenen Waſſer entſtehen und leben können, was nach vielfachen ähnlichen Erfahrungen aller⸗

470 | Allgemeine Naturgeſchichte. Iv. Buch.

dings nicht zu läugnen iſt. Früher erklärte man die Erſchei⸗

nungen des Serapistempels durch abwechſelnde Senkung und Hebung des Bodens. (Vergl. Cuvier⸗Nöggerath Bd. 1. S. 35.

Bd. 2. S. 127 ff. Lyell Geol. Bd. 1. Titelk.) Gruithuiſen

bemüht ſich, eine Verminderung der Waſſermenge auf unſerer Erde zu erweiſen. Die Atmoſphäre der Erde könne von jener der Sonne, die nach Balz und Enke fich über das ganze Sonnen⸗ ſyſtem erſtrecke (2), keinen Zuwachs von Waſſer erhalten. An den Erdpolen ſtröme aber ſtets trockene Luft aus der Sonnen⸗ atmoſph. ein, um den Aequator herum ſtröme von der feuchten

Erdenluft eben ſo viel aus, und werde immer wieder aus den

Gewäſſern erſetzt; die Erde müſſe daher nothwendig eine unbe⸗ ſtimmbare Quantität Waſſer verlieren, und ſonach ihre Waſſer⸗ menge allmälig abnehmen. Hinſichtlich der von G. für dieſe An⸗ nahmen angeführten Gründe müſſen wir auf 0 Neuen An nal. Hft. 4 . S. 31 ff. verweiſen.

Was die erfahrungsmäßigen, noch gegen w ärtig fort⸗ dauernden Veränderungen der Erde betrifft, ſo ſind ſte ſehr verſchiedener Art. Die Gewalt, welche die Landgewäſ⸗ fer auf die Erdoberfläche ausüben, wird, wie Brongniart (Die- tion. du scienc. natur. t. XIX, p. 49 62) nachweist, häufig viel zu groß angeſehen. Der Einfluß der Bergwaſſer kann ſich begreif- licherweiſe nur auf kleine Flächen erſtrecken; fie können nur kurze und enge Schluchten hervorbringen, und unterwärts Felsmaſſen

und Gerölle anhäufen. Große, ſchnellbewegte Waſſermaſſen haben

eine bedeutende fortſchaffende Gewalt, wie fich bei Deich- und

Seebrüchen zeigt. Als 1818 mittelſt Aufſtauung der Dranſe durch

Gletſchermaſſen im Bagnethal im Wallis ein See von 29,000,000 Kubikmeter entſtand, von welchem 73 nach Zerſprengung des Eis⸗ dammes, mit einer Anfangsſchnelligkeit von 33/ in der Sekunde in's Thal ſtürzten, wurden Bäume, Häuſer, Maſſen Landes und ſchon losgelöste Felſen mit ungeheurer Kraft in den Rhone und ſein Thal geſchwemmt. Die Bildung der unzähligen großen und langen

Thäler der Erdoberfläche konnte aber nie durch die jetzigen Gewäſſer ge⸗

ſchehen. Was die Flüſſe und Ströme betrifft, ſo waren ſie nach Brongniart nicht im Stande, jene tiefen Kanäle auszuhöhlen, in welchen ſte jetzt fließen, wenn man ihnen auch eine tomal größere

Waſſermaſſe gäbe; obwohl ſie Waſſerfälle durch Ausſpülung der

Felſen, Anhäufung von Gerölle unterhalb erniedrigen können, wie man namentlich am Niagarafall bemerkt, der durch Ausfref-

ſen der Felſen, über die er herabſtürzt, ſeit der Ankunft der

Europäer ſchon über 12,000 Meter zurück gegen den Erieſee ge⸗

ſchritten iſt. Auch die Seebecken ſind keineswegs durch die Flüſſe

ausgehöhlt. De Luc, Dolomien, Ramond und Brongniart find

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Entſtebung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 471

darinn einverſtanden, daß auch die Waſſerſtrömungen, welche im Grunde der Thäler mit reiſſender Gewalt an die Felſenwände ſchlagen, gar keine Veränderung im feſten Geſtein, das nicht weichere Theile einſchließt, oder durch Froſt, Witterung, Säu⸗ ren angegriffen iſt, hervorbringen; eben ſo wenig die großen Ströme, welche öfters durch Felſenwände auf's äuſſerſte eingeengt werden. Nur mit Hülfe von Steinen, Blöcken ꝛc. vermögen Ge⸗ wäſſer feſte Felſenwände abzureiben und Furchen in ſſte zu graben. Die großen Ströme haben wegen ihrer langſamen Bewegung, doch nur geringe fortſchaffende Kraft, und vermögen auch kleine Geſchiebe nicht mehr wegzuführen. Sie wühlen alſo nicht ihr Bett aus, ſondern erhöhen es vielmehr. Die gewaltigſte Bewe⸗ gungskraft unter den heutigen Gewäſſern hat das Meer, indem es die ſtärkſten Dämme zerſtört, und ungeheure Steinmaſſen mit fortreißt. Ihre Oberfläche anzugreifen vermag es aber auch nur, wenn es Sand oder Geſchiebe führt; im entgegengeſetzten Falle erzeugen ſich, auch an ſtets von den Fluthen gepeitſchten Stel⸗ len zarte Waſſergewächſe. Für fich allein vermag auch das M. nur Thon⸗ und Kalkmergel, Kreideufer, oder zwar feſte, aber doch zerklüftete oder verwitterte Geſteine zu zerſtören. Die Meeres⸗ ſtröme vermögen eben fo wenig die Felſen auszufurchen, als die Strö⸗ me des Landes. Weit entfernt, daß die heutigen Waſſer alſo im Stande geweſen wären, Thäler zu bilden, beſchränkt ſich ihre Wirkung vielmehr darauf, fie auszufüllen, die Oberfläche der

Erde gleich zu machen, Anſchwemmungen, Ablagerungen aus den | verſchiedenſten Stoffen an den Ufern und der Mündung zu bil- den. (Cuvier⸗Nöggerath Bd. 2. S. 48 72. S. 76.) Die At⸗ moſphäre arbeitet den Gewäſſern in der Zerſtörung der Erdfeſte vor. Die Hydrometeore peitſchen vom Sturme getrieben die nackten Felſenwände, dringen in die Ritzen ein, und werden in der Zerſtörnng durch den Froſt unterſtützt, der das eingeſchloſſene Waſſer gefrieren macht, und dadurch die Geſteine zerſprengt, ſo wie durch die Pflanzenwelt, welche ihre Wurzeln in die Spalten des Geſteins treibt. Abwechſelnd der Kälte und Hitze, der Feuch⸗ tigkeit und Trockenheit ausgeſetzt, verwittern im Lauf der Jahr- tauſende endlich die härteſten Geſteine. So erſcheinen Meer, Luft und Süßwäſſer gegen die Erdfeſte verbündet; fie arbeiten daran zu nivelliren, was die unterirdiſche Kraft über die Fläche er⸗ hoben hat.

Dünen bilden ſich durch Aufhäufungen des Sandes an flachen Meeresküſten, unter Beihülfe des Windes. Sie ſind häufig an den franzöſiſchen, holländiſchen und deutſchen Küſten; ſtellen manchmal Hügelreihen dar, die bis auf 600 / Höhe erreichen, und kleine Thäler einſchließen, in welchen ſich Pfützen von Regen⸗

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472 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

waſſer durch die von den Hügeln kommenden kleinen Bäche bil. |

den. In dieſen Pfützen oder kleinen Seen entſteht öfter Torf. Wenn kein Hinderniß im Wege ſteht, dringen die Dünen in der

Richtung des herr ſchenden Seewindes ſtets tiefer in das Land

hinein, Wald und Feld, Dörfer und Städte verheerend und be⸗

deckend, wie z. in der Gascogne, manchen Gegenden Schott⸗ lands. Nur die Fitirung des Landes durch Bepflanzung (vor⸗

zügl. mit Arundo arenaria) und nachmaliger Kultur vermag die⸗ ſem drohenden Vorſchreiten Einhalt zu thun. Die Sahara (mit der lybiſchen Wüſte, welche oſtwärts und weſtwärts mit ihren Sandwogen vordringt, hat bereits viele Dörfer und alten Städte Aegyptens bedeckt, und nur an der am linken Nilufer ſich erhe⸗ benden lybiſchen Kette eine Schranke gefunden. Weſtwärts gegen den atlantiſchen Ocean bilden ſich aus den von Meer und Win⸗ den zurückgeworfenem Sand ausgedehnte Dünen. Merkwürdig iſt das eigenthümliche Tönen des Sandes von Nakuhs am Sinai. Es fol anfangs dem Tone einer Aeolsharfe, dann dem eines Hohl»

kreiſels ähnlich ſein, und zuletzt ſo ſtark und laut werden, daß

die Erde bebt. Seetzen und Ehrenberg erklären es durch das Herahrollen von Sandmaſſen; es möchte ſich daher, wie wir glau⸗ ben, am eheſten mit dem Lawinendonner der Schweizeralpen ver⸗ gleichen laſſen. Von den feſten Meeresgebilden, die aus dem durch einen Kitt verbundenen Sand an manchen Küſten entſtehen, war bereits S. 402 die Rede. Der Torf, welcher hauptſäch⸗ lich aus Humusſäure (Moder) und der Holzfaſer abgeſtorbener Pflan⸗ zen beſteht, und häufig vegetabiliſche und animaliſche Reſte der quaternären oder jetzigen Bildungen, Werke der Menſchenhand, nebſt mehreren Mineralien einſchließt, erzeugt ſich fortwährend, wie z. B. an dem der Stadt Hannover gehörigen Theile des Alt⸗Warmbrüchermoores mit Beſtimmtheit beobachtet wurde. Daſelbſt hat ſich ein abgeſtochener Torfgrund binnen 30 Jahren mit

neuer 4—5 / hoher Torfmaſſe bedeckt. Die irländiſchen Torfmoore erheben ſich bisweilen durch innere Gährung über die Umgegend,

oder es ſammeln ſich unter ihnen Waſſermaſſen an, die ſie unter⸗

graben, lüpfen, und öfters Alles durch einander werfen. Auch der Raſeneiſeſtein, der in Bänken, Knauern, Schalen, Körnern

in Torfmooren, und auf dem Grunde vieler Seen vorkommt, bildet ſich, obwohl langſam fort. l

Durch die vulkaniſchen Ausbrüche und Erdbeben wird ebenfalls die Erdoberfläche fortwährend, jedoch nur an einzelnen Punkten verändert. Der Boden wird durch letztere erhoben und geſenkt, oder zerreißt in oft weite, tiefe und lange Spalten; Gewäſſer werden im Laufe gehemmt, oder zur Aenderung ihrer Richtung gezwungen; es ee neue Seen; burch Anhäufung

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Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 473

vulkan. Auswurfsmaſſen bilden ſich Hügel und Berge, es erheben ſich neue Inſeln aus dem Meere und Lavaſtröme verbreiten ſich über größere und kleinere Strecken. Alle dieſe Wirkungen ſind aber nur gering im Verhältniß zu jenen der außerordentlichen Kräfte, welche die Berge erhoben, die Thäler gebildet und der ganzen Erdoberfläche ihre dermalige Geſtalt gegeben haben. Erd— brände entſtehen, wenn ſchwefelkieshaltige Stein- und Braun⸗ kohlenflötze unter Zutritt der Luft in Entzündung gerathen. Dieſe erfolgt meiſtens von ſelbſt, und fie brennen dann lange fort. Der ſo gefürchtete Grubenbrand der Steinkohlenflötze hat zur wahren Urſache die Zerſetzung des in ihnen nie fehlenden Schwefelkieſes. Dieſe erfolgt unter Einfluß von Luft und atmoſphäriſcher Feuch⸗ tigkeit, durch welche ſich der Schwefelkies in ſchwefelſaures Eiſenorydul verwandelt; die Kohlenflötze erwärmen ſich hiebei ſehr, dünſten ſtark aus, und gerathen beſonders in den untern Schichten oft in Brand. Unverritzte Kohlenflötze kommen höchſt ſelten in Brand; abgebaute aber leicht unter den angegebenen

Umſtänden. Der Grubenbrand nimmt allmälig an Stärke zu,

und vereitelt oft alle Geſchicklichkeit und Ausdauer des Berg⸗ manns. Die bei dieſen Bränden erzeugten Produkte, (gebrannte Sandſteine, Schiefer, verſchlackte Mergel ꝛc.) führen leicht zur Ueberzeugung, daß die vulkan. Erſcheinungen nicht auf Stein⸗ kohlenbränden beruhen können, bei welchen niemals Lava erzeugt wird. Ein ſchönes Beiſpiel eines Erdbrandes iſt der fog. bren⸗ nende Berg, bei Duttweiler. Aus Alaunſchiefer mit einzelnen Kohlentrümmern beſtehend, ruht er auf Kohlenflötzen, von welchen ſich vor etwa 125 Jahren eines freiwillig entzündete, nach andern Angaben ſchon vor 175 Fahren durch ein Hirtenfeuer entzündet wurde. Dieſer Brand dauert im Innern des Berges hie und da noch jetzt fort. Aus den Spalten ſtrömen heiße Dämpfe, ſchwe⸗ felige Säure aus; in ihnen ſetzen ſich Schwefel, Salmiak, Alaun ab; unter der Oberfläche hört man beſtändig ein dumpfes Brauſen. Im Winter ſind die erhitzten Punkte ſchneefrei und ſchön grün; im Sommer ſtirbt auf ihnen die Vegetation ab. Bei Planitz, unweit Zwickau, findet man die mannigfachſten Produkte eines Steinkohlenbrandes beiſammen. Die Erdbrände bei Teplitz und Bilin in Böhmen, zu Epterode unweit Caſſel, auf dem Weſter⸗ walde, find durch Selbſtentzündung von Braunkohlen bewirkt. Aber auch kies reiche bituminöſe Schiefer der juraßiſchen Bildungen und des Lias können ſich ſelbſt entzünden, wofür Gegenden bei Boll in Würtemberg, bei Hildesheim, bei Lyme in Dorſetshire, bei Charmouth ꝛc. Beiſpiele geben. Bergſtür ze, Erdfälle, Felſenbrüche entſtehen durch eindringende Gewäſſer, welche untere Geſteins⸗ und Erdmaſſen untergraben, ausſpülen, und

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474 > Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Bucht.

endlich die obenliegenden herabſtürzen machen. Bei Erdfällen ſenkt ſich der Boden mehr vertikal, ſo daß an der Oberfläche (meiſt trichterförmige) Vertiefungen entſtehen. Bergſtürze ereignen ſich häufig im ſüdweſtl. Theil der Dauphin, durch die dortigen geo⸗ gnoſtiſchen Verhältniſſe begünſtigt. Bei einem Sturz vom Rufſt⸗ berg im Kanton Schwyz 1353 wurde das Dorf Röthen größten⸗ theils zerſtört. Im Juli 1795 ergoß ſich an der Weſtſeite des Rigi ein ½ Stunde breiter, viele Klafter mächtiger Schlammſtrom, aus der aufgeweichten rothen Sandſteinſchichte gebildet, ſehr lang⸗ ſam in den Vierwaldſtätterſee. Furchtbar war der Bergſturz am 2. September 1806 von der Südweſtſeite des Ruffiberges. An⸗ haltende Regengüſſe hatten eine mächtige Schicht grobkörnigen Sandſteins unter dem oberſten Nagelfluhlager des Spitz-Buels vollends zerſtört; ſie ergoß ſich als Schlammſtrom gegen das Dorf Lowerz und den Lowerzerſee, und die Nagelfluhbänke, ihrer Unterlage beraubt, ſtürzten hierauf in das Thal von Goldau, es in wenigen Augenblicken 1 Stunde breit und lang, mehrere 100 hoch mit Trümmern bedeckend, 4 Dörfer und viele einzelne Häu⸗ fer mit 4 500 Menſchen begrabend, den Lowerzerſee zum Theil ausfüllend. Felſenſtürze haben öfters in hohen Gebirgen ſtatt, wo Geſteinmaſſen durch Eiskeile geſprengt und verrückt nach⸗ geben, und ganze Felshörner zuſammenbrechen. Wir verweiſen für detaillirte Angaben auf v. Hoffs W. und beſchließen dieſes Buch mit einer kurzen chronologiſchen Ueberſicht der hauptſächlichſten Kataſtrophen durch Erdbeben, vulkan. Ausbrüche und Fluthen. Im Jahre 17 n. Chr. bis 23 verheerte ein Erdbeben Klein⸗ aſien und ſtürzte 13 Städte um; darunter Sardes, Magneſta, Apollonia, Epheſus. 58 Laodieea in Syrien zerſtört. 75 Laodicea⸗ Hiergpolis, Coloßus umgeſtürzt. 114 Antiochien, Syriens Haupt⸗ ſtadt verwüſtet; 121 Nicomedia in Kleinaſten; 131 Nicopolis, Tyrus, Cäſarea, Coloßus, Hierapolis, Laodicea; 315 Acropolis. 342 wurde Antiochia zum zweitenmal zerſtört, 40,000 Menſchen gingen zu Grunde; die Stöße dauerten ein Jahr und erſtreckten ſich bis Dalmatien u. Italien. 353 Nicomedia in Bythinien zerſtört. 359 Nicomedia und Aeropolis von neuem niedergeſtürzt; ein großer Theil Syriens am Mittelm. erſchüttert. 417 furchtbares Erdbeben im ganzen Orient, vorzüglich zu Konſtantinopel. 447, 478 und die nächſten Jahre wurden Konſtantinopel und Antiochien aufs neue ver⸗ wüſtet, mehrere 1000 M. getödtet. 518 Thracien und Obermöſten erſchüttert; die Stadt Skupi verſchlungen. 522 furchtb. Erdbeben, Erhebung mehrerer Berge in Meſopotamien. 526 und 528 Antio⸗ chien aufs neue zerſtört. 534 Pompejopolis in Kleinaſſen niederge⸗ ſtürzt, ganz Griechenl. erſchüttert. 555 Konſtantinopel erſchüttert, wo das Meer 2000 Schritte zurückwich; die Stöße in Syrien und

Entſtehung u. Bildung, Veraͤnderung u. Zukunft d. Erde. 475

Aegypten fühlbar. 565 furchtbares Erdbeben in Antiochien und Aegypten. 588 Antiochien nochmals verwüſtet; 30,000 Menſchen zu Grunde gegangen. 740 Konſtantinopel, Nicomedia ꝛc. verheert. 742 gewaltige Erſchütterungen in Syrien, welche die Bewohner von 600 Orten zur Verzweiflung brachten, und bis nach Aegypten merk— lich waren. 789 Konſtantinopel erſchüttert; in Rom durchbrach die Tiber alle Kai's. 1034 40tägige Erdbeben in ganz Griechenland und Syrien; eben dort auch 1057; 1147 Aotägige Erdbeben in Italien, wobei Cremona, Verona, Venedig viel litten; bis nach Deutſchland fühlbar. 1135 Zürich ſtark erſch. 1169 Amonatl. Erdb.kin Syrien, Kalabrien, Sieilien. 1170 eines der ſchrecklichſten Erdbeben im Orient, vorzüglich in Syrien verheerend, bis nach Sieilien und der Schweiz merkbar. 1199 Konſtantinopel verheert; Stöße in England. 1202 Erdbeben in Aegypten; es folgte auf große Hun⸗ gersnoth und Peſt; ihm ging eine ungewöhnl. kalte Nacht vor— aus. (Wilken, Geſch. d. Kreuzzüge. Bd. 6. S. 5.) 1244 Frank⸗ reich erſchüttert; in Bourgogne gingen 5000 Menſchen zu Grunde. 1248 Erdb. in England, Piemont, Savoyen, wo 9000 M. um⸗ kamen. 1348 4otägige Erdb. in allen Ländern, nordwärts der Alpen, von Schwaben bis Ungarn, ſehr verwüſtend. 1356 furchtb. Erdb. in der Schweiz; Baſel u. 84 Burgen zerſtört, der Boden bebte ein Jahr lang. 1427 in Spanien 20 Städte befchädigt, 1456 heft. Stöße in der Schweiz und Italien, wo 100,000 Perſonen umkamen. 1490 Erdb. in Italien; Avano verwüſtet, 30,000 M. umgekommen. 1507 43,000 M. in Konſtantinopel zu Grunde gegangen. 1510 Erdb. in Nördlingen in Bayern, wobei 2000 M. ihren Tod fan- den. 1538 Erdb. in Kalabrien und zu Neapel. Erhebung des Monte nuovo. 1555 Erdb. in China, wobei 8000 M. umkamen. 1586 Erdb. in Peru, wo Lima unterging (das in den ſpätern Jahren. immer wieder aufgebaut, noch mehrmal zerſtört wurde); heftige Stöße in Java und Makao. 1601 heftiges Erdb. faſt im näm⸗ lichen Augenblicke in ganz Europa. 1627 heft. Erdb. in Apulien; unter andern Städten wurde Severo von Grund aus umgeſtürzt, und 47,000 M. gingen dafelbſt zu Grunde. 1638 Erdb. in Kala⸗ brien, wobei 60,000 M. umkamen; viele Städte erſchüttert, Lopez verſchlungen. 1641 heft. Erdb. in Perfien. 1646 Erdb. zu Kon⸗ ſtantinopel, wo durch das plötzlich aufſteigende Meer 136 Schiff auf den Strand geworfen wurden. 1656 Erdb. in Syrien den Peru; 1662 auf Candia und in Japan; es zerbrach zu Miyako, im berühmten Tempel des Fo⸗ko⸗ si die vergoldete Broneeſtatue des: Buddha. 1663 furchtb. Erdb. in Nordamerika; 1666 in Syrien; 1667 in Dalmatien. 1672 heftige Erdſtöße auf Inſeln im griech. Archipel; Stamichio mit allen Einwohnern verſchlungen. 1692 2monatl. Erdb. auf Jamaika; der höchſte Berg der Inſel wurde

476 Augemeine Naturgeſchichte. Iv. Bucht

in's Meer geſtürzt. 1693 furchtb. Erdb. in Sizilien und Kala⸗ brien, welche 100,000 M. zum Opfer foderten. 1703 in Italien, vorzügl. im Kirchenſtaat, eben ſo verderblich. Im gleichen Jahre wurde Jeddo. in Japan umgeſtürzt, wobei 200,000 M. umkamen. 1706 in den Abruzzen 36 Städte verheert. 1715 E. in Nordafrika; Algier litt viel; die Stöße waren auch in Friaul fühlbar. 1727 Tauris in Perſten verwüſtet; 77,000 M. kamen um. Im ſelben J.

Erdb. zu Martinique; ein bedeutender Hügel wurde vollkommen der

Fläche gleich. 1729 Miyako in Japan mit 1 Mill. Einw. großenth. verſchlungen. 1738 Miyako abermals zerſtört, wobei 200,000 M. umkamen. 1746 ſchreckl. Erdb. in Peru; vom 28. Okt. 1746 bis 27. Febr. 1747 zählte man 451 Stöße; das Meer zog ſich 2mal zurück, um mit Wuth wiederzukommen; Lima und Callao zerſtört; 19,000 M. getödtet; ein Theil der Küſte Callaos in eine Bai ver⸗ wandelt. 1749 Valencia in Spanien hart getroffen. 1750 Con⸗

ception in Chili zerſtört; der Platz auf dem es ſtand, wurde vom

Meere bedeckt, und die Einwohner bauten eine andere Stadt, 10 Meilen von der Küſte. 1751 heftige Stöße auf den Antillen; St. Domingo verwüſtet, Port au Prince von Grund aus umgeſtürzt. 1754 furchtb. Erdb. in Konſtantinopel, wo 50,000 M. umkamen; es erſtreckte fich bis Aegypten. 1755 Tauris in Perfien faſt ganz

zerſtört; 40,000 M. getödtet. 1755 1. Nov. merkw. Erdb. zu

Liſſabon. 1757 Erdb. auf den Azoren; 9 neue Inſeln wurden erhoben. 1759 in Syrien zahlreiche Städte umgeſtürzt; nur in Balbeck kamen 20,000 M. um. 1760 Erdb. in Chili. Während der Vulkan von Peteroa wüthete und einen neuen Krater bildete, bewirkten die Erdſtöße eine mehrere Meilen lange Spalte in einem benachbarten Berg, und erhoben eine große Landzunge, die 10 Tage lang den Fluß Lontun aufhielt, der einen beträchtlichen See bil⸗ dete. 4774 furchtb. Stöße auf St. Domingo und auf Java. 1783 in Ungarn. 1786 in Java, 4 Monate dauernd, mit einem vulkan. Ausbruch endend. 1790 Erdb. in der Provinz Caracas, wo ſich im granitiſchen Boden ein See von 220/ Länge und 200 250 / Tiefe bildete. 1796 Erdb. in Canada; ein Theil der Felſen, welche den Niagarafall bilden, ſtürzte ein. 1797 ſchreckl. Erdb. in Quito; 40,000 M. kamen dabei um; auf den öſtl. Antillen fühlte man Erdſtöße, die erſt nach 8 Monaten aufhörten, als der Vulkan von Guadeloupe einen Ausbruch machte. Im näml. Jahre auch Cumana, Hambato, Tacunga niedergeſtürzt. 1799 Erſchei⸗ nung einer neuen Inſel im Azow'ſchen Meere. 1804 heftige Erdb. in Spanien. 1808 in Piemont und dem Mailändiſchen. 1810 Erdb. zu Langres in Frankreich, und am gleichen Tage auf Can⸗ dien. 1811 heftiges verwüſt. Erdb. in Südearolina; im Miſſiſippi⸗ thal bildeten ſich zahlreiche Seen und Inſeln, und viele von

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Entſtehung u. Bildung / Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 477

SD. nach NW. gerichtete Spalten, über welche die Einwohner kreuzweiſe verbundene große Baumſtämme legten und ſich hierauf begaben, um nicht verſchlungen zu werden. 1812, 26. März wurden Caracas und viele andere Städte faſt gänzlich zerſtört und 80,000 M. gingen zu Grunde. Die Verwüſtung traf die Provinzen Ve⸗ nezuela, Varinas, Maracaibo; am furchtbarſten waren die Stöße in den Cordilleren; während derſelben ergoſſen ſich ungeheure Waſſermaſſen aus mehreren Spalten bei Valencia und Puerto Cabello. 1819 Erdb. an der Weſtküſte Indiens; die Stöße dauer⸗ ten 4 Tage, wo ihnen der Ausbruch eines 30 Meilen von Bhondj entfernten Vulkans ein Ende machte. 1822 Erdbeben in der wel. Schweiz, dem angrenzenden Frankreich und Savoyen. Fel- ‚fen ſpalteten ſich, Quellen wurden trübe. Im ſelben Lahre heft. Erſchütterungen in Syrien, bei welchen nur in Aleppo 40,000 Häuſer niedergeſtürzt wurden und 20,000 M. umkamen; und weit verbreitete Erdb. in ganz Chili. 1824 heftige Stöße zu Harden⸗ berg in Holland, in mehreren Orten Böhmens und im Erzge- birge, Im gleichen Jahre Manilla auf Lucon zerſtört. 1825 ver» derbliche Erdbeben in Algier, Belida und Schiras in Perſten. 1826 furchtb. Erdb. auf Cuba; voraus ging ein Lärm, wie von vielen ſchwer beladenen, über ein Gewölbe fahrenden Wägen; hierauf folgte eine Exploſion wie von einer ungeheuern Zahl Kanonenſchüſſen; Santiago wurde zerſtört. 1828 Erdb. in Chili und Peru. In einigen Sekunden waren die meiſten Gebäude in Lima geborſten; Lambayeque und Chiclayo in Trümmer verwan⸗ delt, über welche ſich der ausgetretene Fluß ergoß; Maſſen hers abgeſtürzter Felſen und aus der Erde dringende Gewäſſer unter⸗ brachen die Verbindungen. Im gleichen Jahre Erdb. im Kauka⸗ ſus; ſtarke Quellen brachen aus der Erde hervor; es öffneten ſich Spalten von 30% Breite und ½ Stunde gt, welche bei Nacht leuchteten, als wenn Blitze aus ihnen kämen. In Spanien wur⸗ den in dieſem Jahre Murcia, Lorca, Orihuela, Torre Vieja ſchwer beſchädigt; in Columbia wurde Popayan größtentheils zer⸗ ſtört; große Spalten öffneten ſich daſelbſt, und alle Flüſſe traten aus. 1829 Erdb. in Sibirien; ein Felſen ſtürzte ein und feine Trümmer wurden herum geſchleudert; die Eisdecke des Baikal zerbrach. Im gleichen Jahre Erdb. in Neuſüdwallis, von hef⸗ tigem Sturm begleitet; der Boden warf wie ein Meer Wogen, die ſich ſchloſſen, oder verderbliche Schlünde bildeten. 1830 viele Gebäude in Manilla zerſtört; der Fluß Manilla ſchwoll an und trat mit Heftigkeit und plötzlich von einem Ufer zum andern über. In China verderbl. Erdb.; im Dep. Yo⸗Dcheou der Prov. Hou⸗Nan öffnete fich eine ungeheure Spalte von 6 Stunden Länge, 15/ Br. und dem Auge unerreichbarer Tiefe. 1832 Erh. d. Inf. Ferdinanden,

476 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Bucht.

1833 wurden Arica und Taena in Peru zerſtört; das liebliche Thal von Zapa verwüſtet; der wohlbekannte, White⸗Bluff gen. Hügel am Eingang des Hafens von Arica wurde von 200“ Höhe zum Mee⸗ resniveau erniedrigt, 2 kleine Inſeln verſchlungen, und das Meer flieg 30 / über feinen gewöhnlichen Stand. 1834, 20. Januar, wurde Pasco in Columbien zerſtört. Zugleich gerieth der Boden auf mehreren Antillen in wellenförmige Bewegung, wie ein Meer; in Chili wurde Santiago nieder geworfen, und in deſſen Nähe verſchwand eine Strecke Land, 3 Lieues lang u. 2 breit, mit dem Walde darauf. 20. Februar viele Städte in Chili gänzlich zerſtört. 28. Juni bis 19. Juli Erdb. in China, wobei 100,000 Häuſer niedergeſtürzt wurden. Im Arrondiſſement von Tfe-Tcheon kam aus einer ungeheuern Spalte ein Strom ſchwarzen Waſſers, der auf ſeinem Wege Häuſer, Maierhöfe, Menſchen und Thiere mit ſich riß. 1835, 13. Aug. bis 1. Sept. Erdb. in der aſtat. Türkei. Kaiſarieh zerſtört, viele Orte beſchädigt. Vor den erſten Stößen erhob ſich vom Fuße des Berges Ardgeh dicker Rauch,

aus dem mit ſchreckl. Donner Feuerſäulen brachen. 12. Oktober

Caſtiglione und Coſenza im Königr. Neapel zerſtört. Gewaltiger Ausbruch des Veſuv. Vor dem furchtb. Erdb. vom 20. Febr. in Chili zogen ungeheure Schwärme Seevögel von der Küſte gegen die Cordilleren. Vor und während demſelben waren alle

Vulkane der ganzen Kette ungemein thätig. Conception wurde

zuerſt niedergeworfen, dann vom Meere überfluthet, welches 28° über die höchſte Fluth ſtieg. Schiffe im ſtillen Ocean, 100 engl. M- von der Küſte, fühlten die Stöße ſehr ſtark. Auf der bafalt. Inſel Juan Fernandez, 360 engl. M. von der Küſte, ſtieg das Meer einmal 15/ über feinen gewöhnl. Stand und zog ſich bei einer ſeiner Schwingungen ſo weit zurück, daß der Grund weit entblößt wurde. Eine Stunde von dieſer Inſel ſchien das Meer zu kochen. Außer Conception wurden noch 20 kleinere Städte und unzählige Landwohnungen zerſtört (Instit. 1836 p. 86). 1837 am Neujahrstage Tabarieh und Safed in Syrien nebſt allen um⸗ liegenden Dörfern von Grund aus zerſtört. Akre, Seyda, Sur, Tripoli, Bairut erſchüttert und beſchädigt. Man ſchreibt dieſe Wirkungen dem unterirdiſchen Vulkan zu, der das Erdpech aus dem todten Meere auswirft. Im ſelben Monat Januar Jaffa in Schutt verwandelt, wobei von 45,000 M. 13,000 umkamen. Am

11. Jan. Tiberias und mehrere andere Städte verwüſtet. Der

See von Tiberias kam in Aufruhr. In der Nacht vom 23.—24. Jan. 1837 hatte man (doch nur geringe) Erderſchütterungen in der Schweiz. Der erſte Stoß geſchah in Bern um 2 Uhr? Min. Mor⸗ gens und dauerte etwa 40 Sekunden, 2 andere ſchwächere, kürzer währende, ſchnell ſich folgende, gleich nach 3 Uhr. Die Stöße

Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 479

erfolgten in Bern von S. nach N. / in Luzern, Burgdorf u. a. O. von O. nach W. In Solothurn wurden die Vögel in den Kä⸗ ſigen von ihren Sitzen geworfen. In Bern erzitterten die Häuſer, die Fenſter klirrten, das Getäfel der Wände krachte und kniſterte, die Bettſtellen ſchwankten, Gläſer fielen um, Haus- und Thurm⸗ glocken erklangen, Thüren wurden aufgeriſſen. Die Pferde im Hauſe des Verfaſſers waren ſehr unruhig. In der Luft ließ ſich nach Einigen ein Brauſen, wie vom Sturmwind vernehmen. Das Thermometer ſtand 10 unter 0 R.; der Barometerſtand war bloß 17,114 tiefer als am Abend vorher, wo man 26’ 4½%% , alſo etwas unter veränderlich hatte. Nachts leuchtete der Mond, viele Wölk⸗ chen waren am Horizont ſichtbar. Die Luftelektrizität war ziem⸗ lich angehäuft, es blitzte wiederholt des Nachts, die Atmoſphäre war mit Feuchtigkeit überladen. Im Freien erzitterten Bäume und Gebüſche, die Vögel flogen auf, die Raben krächzten nah und fern. In Kanderſteg (Bern. Oberl.) wurde ein Felsſtück losgeriſſen. In Meyringen hörte man ſtarkes unterirdiſches Getöſe. Das Erdbeben wurde faſt in der ganzen Schweiz ver- ſpürt, vom Bodenſee bis zum Leman, auch im angrenzenden Elſaß, Schwaben, Lindau im ſüdweſtl. Bayern. Im Reußthale machte man Verſuche mit frei an der Luft hängenden Magnet- ſtäben, welche in eine Schwingung kamen, die nach 30 Stunden noch nicht aufhörte. Alle vibrirten aus dem magnet. Meridian nach O. höchſt ſelten einige Grade nach W. Am 24. zwiſchen 1 und 2 Uhr Mittags waren ihre Vibrationen merklich ſtärker und ſchnel⸗

ler; der am 23: friſch beſtrichene wendete ſich mehreremale über

1200 nach S. (nach O. 2), aber bei feiner Rückkehr nie 109 gegen W. Bei allen bemerkte man etwas ſüdliche Inklination. Seit 2 Monaten und auch ſchon früher (ſo wie ſpäter) ſah man in der Schweiz und einem großen Theile Europas Nordlichter, Feuer⸗ kugeln; es fielen große Schneemaſſen, zum Theil mit Donner⸗ ſchlägen und Gewittern verbunden. Am Bielerſee fiel leuchtender Schnee; an Menſchen und Thieren zeigte ſich elektriſches Feuer. (Im März und April brach im Solothurniſchen eine Peſt unter den (wilden) Vögeln aus, worüber Hugi im „Solothurner Blatt“ berichtet hat. Die Vögel flatterten zuerſt verwirrt umher, rann— ten ſtumpfſinnig gegen Mauern und ſtarben zu Hunderten erſt nach mehreren Tagen. Nahrungsmangel war durchaus nicht die Urſache. Die Sektion wies entzündliche, zum Theil brandige Alteration in den Verdauungs- und gallbereitenden Organen nach.) Im Verlauf des Jahres 1837 folgten noch zahlreiche Erderſchüt⸗ terungen in den verſchiedenſten Orten Süd⸗ und Mitteleuropas, von Ungarn bis Frankreich, in Italien und im griech. Archipelag, doch nur in Südeuropa verderblich. Nach dem engl. Standard

480 Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch. ng

(Juli) wäre in dieſem Jahre auch die liebliche Inſel Juan Fer⸗ nandez, auf welcher Ale. Selkirk ausgeſetzt wurde und fo der weltbekannten Novelle Robinſon Cruſoe ihren Urſprung gab, ver⸗ ſchlungen worden.

Viele der angeführten Erdbeben hingen enge mit vulkaniſcher Thätigkeit zuſammen, und hörten z. B. auf, wenn dieſe eintrat; bei andern läßt ſich kaum ein Zuſammenhang zwiſchen beiden Er⸗ ſcheinungen nachweiſen. Die Wirkungen des Vulkanismus ſtehen zwar an Bösartigkeit und Furchtbarkeit jenen der Erdbeben nicht nach, ſind aber auf noch kleinere Theile der Erdoberfläche einge⸗ ſchränkt und tragen daher noch weniger zu deren Veränderung bei. Es folgen nur noch wenige Angaben hierüber. Der Veſuv ruhte während der ganzen Dauer der römiſchen Republik; 79 n. Chr. erfolgte ſein erſter hiſtoriſch erwieſener Ausbruch, wobei Herku⸗ lanum, Stabiä und Pompeii unter dem fallenden Aſchenteige begra⸗ ben wurden. 1631 richtete ein aus ihm kommender Waſſerſtrom große Verwüſtungen an; 1779 wurde die Aſche 23 Meilen weit fortge⸗ führt, und Steine von 100° Umfang weit umher geſchleudert. Bei dem furchtbaren Ausbruch von 1794, der nach Hamilton ſolche Veränderungen hervorbrachte, wie 1000 Menſchen in 10,000 Jah⸗ ren nicht hervorzubringen vermöchten, brachen unter der feinen Aſche Dächer und Bäume, und ſte wurde bis Tarent getrieben. Ein Lavaſtrom zerſtörte Torre del Greco und bildete, ſich ins Meer ergießend, ein neues Vorgebirge. Die Ausbrüche von 1805 und 1822 waren von ſehr ſtarken Aſchenauswürfen begleitet. Der Aetna tobte ſchon in der vorchriſtl. Zeit; dann beſonders 1169, 1284, 1408, 1444, 1536, 1556, 1633, 69, 93, wo ein großer Theil von Sieilien und Calabrien verwüſtet wurde und bei 100,000 M. umkamen; 1747, 55, 66, 69, 75, wo viel Waſſer ausgeworfen wurde; 80, 87, wo die Aſche bis Malta flog; 99, 1805, 11, 12, 19. Der Pico de Teyde ſchleuderte 1793 haushohe Felſen bis 4000 / hoch und bedeckte mit ſolchen und Bimsſteinen eine Fläche von 3 [ M., die zur pflanzenloſen Einöde wurde. Die Erup⸗ tionen der großen und zahlreichen isländiſchen V. der älteſte bekannte erfolgte im 9. Jahrh. ſind um ſo ſchrecklicher und verwüſtender, als ſich hier das Feuer mit dem Waſſer verbindet. Die vulkaniſche Gluth ſchmikzt unglaublich ſchnell die Gletſcher und Eismaſſen auf ihnen, wodurch verheerende Fluthen entſtehen. Nach den Erderſchütterüngen und dem Toben des Oräfa-Yökul 1727 ſtürzten Waſſerſtröme herab, dann folgten die noch übrig geblie⸗ benen Eismaſſen, zuletzt wurden glühende Subſtanzen herabge⸗ ſchleudert, und ein 3 Tage dauernder Aſchenregen verwandelte den Tag in Nacht, die nur vom Lichte des Vulkans erhellt wurde. Beim Ausbruch des Kattlegiaa 1755 bedeckte eine aus geſchmolzenem

Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 481

Eiſe entſtandene, 4 Meilen breite Fluth, mächtige Eisblöcke mit

Felsſtücken fortwälzend, das Land bis zum Meere. Aus der dich⸗

ten Rauchwolke kamen Aſche, Bimsſtein, gewaltige Blitze und

zahlreiche Feuerkugeln, welche platzten und Steine fallen ließen;

hierauf hagelte es, und in jedem Hagelkorn war ein Steinchen oder Aſchenkern. Der Himmel über dem V. bildete ein rothes Feuergewölbe voll ſeltſamer Figuren. 1783 warfen mehrere V. ſammt den Thälern zwiſchen ihnen Feuer aus. Der Fluß Skapta verſchwand am 11. Juni binnen 24 Stunden, und eine 4 Meilen lange, 400 / tiefe Kluft, durch welche er ſonſt floß, ſchien ausge⸗ trocknet. Nach einigen Tagen entzündete ſie ſich, ein Feuermeer brach aus ihr hervor, welches die ganze Gegend unter Lavawellen begrub, ſich in einem Keſſelthale zu einem See aufſtaute und endlich ins niedrigere Land herabfluthete. Man berechnete den Gehalt dieſes unermeßlichen Lavaſtromes zu 86,640 Millionen Kubiktoiſen, eine Maſſe, groß genug, um 6 Montblanc's aus ihr zu bilden. Wäh⸗ rend der Eruption ſtieg 16 Meilen von der Küſte entfernt, eine Inſel aus dem dort 800 Klafter tiefen Meere, ſpie Feuer und Bims⸗ ſtein aus, verſchwand aber ſchon 1784 wieder. Island, der Sitz alter Kultur, ſonſt blühend und fruchtbar, iſt durch die vereinten feindlichen Wirkungen der Vulkane, Erdbeben und des Polareiſes immer mehr zur unwirthbaren Wüſte geworden. Mehrere V. auf Kamtſchatka, namentl. der Kamtſchatkaia überdecken bei ihren Eruptionen das Land weit umher mit Aſche. Der V. Majonga auf Luzon dient durch ſein beſtändiges, meiſt ruhiges Feuer als Leuchtthurm. Beim Ausbruch von 1766 kamen aus ihm Waſſer⸗ ſtröme mit viel Sand hervor, der das Land bis an die Wipfel der Palmen überdeckte. In der Provinz Taal verſchwand ein Berg; an ſeine Stelle trat ein See, aus dem Feuer hervorbrach. Beim Ausbruch von 1814 wurde der Boden 5—6 Klafter hoch mit Sand und Aſche überdeckt. Auf Java ſtürzte der Papandayang 1772 größtentheils ein, wobei 40 Dörfer verheert und ihre Bewoh— ner getödtet wurden. Der Tamboro auf Sumbava ſtreute b. Ausbr. v. 1815 ſeine Aſche 1000 engl. M. weit aus, verbreitete 300 M. um⸗ her Nacht, und von 12,000 Bewohnern ſeiner Umgegend retteten ſich kaum 10. Der Gipfel eines Vulkans auf Mindanao wurde 1640 abgehoben und 2 M. weit fortgeſchleudert, die Aſche bis nach Borneo geführt, ein neuer See gebildet. Beim Ausbruch des Cotopaxi von 1803 hörten Humboldt und Bonpland im Hafen von

Guajaquil, 250 franz. M. in gerader Richtung vom Kraterrande

das unaufhörliche Brüllen und Donnern. Der Nevado del Abtas oder Kapac⸗Urku, ſonſt höher als der Chimborago, ſoll durch

| eine 7jährige Eruption im 16. Jahrh. an Höhe 700 Toiſen vers

loren haben. Beim furchtbaren Ausbruch des Tunguragua 1797 5 j 31

232 Augemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

ſtürzten die Felſen in die Thäler, der Boden zerriß und entblößte

ſchauerliche Höhlen, aus dem Innern der Berge ergoſſen ſich Moyg⸗ ſtröme, breite? Thäler 100 Klafter hoch anfüllend, dann zu Stein verhärtend und die Flüſſe dämmend, fo daß die weitläufige Ge⸗ gend zum See wurde. Gleichzeitig entzündete ſich der See Qui⸗ rotoa und;derähohe Berg La Moya bei der Stadt Pelileo ſtürzte zuſammen; aus feinen, Trümmern brachen verheerende Ströme ſchmutzigensund ſtinkenden Waſſers. Als der Pik von Carguai⸗

razo am 19. Juni 1698 einſtürzte, überdeckte eine Thonmaſſe mit

zahlloſen Prenadillas eine Strecke von 8 UU M. Die Eruption des V. von Bourbon von 1824 verheerte einen großen Theil de Inſel. i Von großen Fluthen, welche die Erdoberfläche veränder- ten, berichtetsdie Geſchichte der Völker ebenfalls. An den Küſten der Niederlande findet ein beſtändiger Kampf des Menſchen mit dem andringenden Meere ſtatt. Auſſer mehrern Zerſtörungen des Landes von untergeordneter Bedeutung wurden erſt im 13. Jahrh. die Seen, um welche nach Tacitus die Frieſen wohnten, in die

Zuyderſee verwandelt und der Meerbuſen des Dollart gebildet, |

wobei zahlreiche Ortſchaften und fruchtbare Gegenden vom Meere verfchlungentwurden. Auch der Jahdemeerbuſen iſt durch Ein- bruch des Meeres entſtanden. Helgoland, vor 800 anfehnlich groß, iſt durch wiederholte Einbußen in den Jahren 800, 1300, 1500, 1649, 1770 auf feinen jetzigen geringen Umfang herabgebracht worden. Eine große Fluth im Jahre 1240 ließ von Nordfriesland nur die Inſel Nordſtrand über, welche 1634 mit 6804 Menſchen und 50,000 Stücken Viehes gleichfalls bis auf 3 kleine, jetzt ihre Stelle andeutende Inſeln verſchlungen wurde. Auch an den Küſten der Oſtſee übt das Meer vielfache Eingriffe und ſtete Be⸗ ſchädigungen am Lande aus. England ſoll einſt mit Frankreich zuſammengehangen haben, wofür allerdings die geognoſtiſche

Aehnlichkeit der Küſten beider Länder zu ſprechen ſcheint. Der

zerriffene Höhendamm, über welchem das Meer nur ſeicht iſt,

während es zu ſeinen beiden Seiten beträchtlich tief wird, wird

durch eine Linie dargeſtellt, die man von Dover und Folkſtone auf der engliſchen Küſte nach Cap Blanenez auf der franzöſiſchen

zieht. An beiden Enden dieſer Linie iſt das Ufer abgebrochen und

ſteil, während eine mit ihr parallel von Sandwich nach Calais gezogene Linie auf flachen, ſandigen Strand trifft. Viele Städte in der Umgebung des Mittelmeeres ſind verſchlungen worden, oder mußten weiter in's Innere verlegt werden. Problematiſcher Art ſind die bereits erwähnten Fluthen des Ogyges, Deukalion;

das Durchbrechen des ehemals das Keſſelland Böhmen erfüllenden Landſee's, welches Einige, kaum mit Recht mit der eimbri⸗

Entſtehung u. Bildung, Veränderung. u. Zukunft d. Erde. 483

ſchen Fluth in Verbindung ſetzen wollen, welche um 644 n. Roms Erb. eintrat. Strabo erzählt, daß ihrer Ephorus, ein Zeitgenoſſe von Alexander M., als eines hiſtoriſchen Faktums gedenke, findet aber die Sage keineswegs wahrſcheinlich, daß die Anwohner der Meeresküſte durch jene Fluth aus ihren Wohnfisen ſollten ver⸗ trieben worden ſein. Florus erwähnt die eimbriſche Fluth auch. Werner und mehrere ſeiner Schüler waren es, welche durch geo⸗ gnoſtiſche Thatſachen zu erweiſen ſuchten, daß der das Keſſelland von Böhmen einſt erfüllende See zwiſchen Lobeſitz und Tetſchen, fo wie ein zweiter, kleinerer bei Meißen in das breitere Elbthal durchgebrochen ſeien. Der Durchbruch des ſchwarzen Meeres in den thraziſchen Bosporus, wird bei Strabo, Diodor von Sizilien, Dionyſtus von Halikarnaß erzählt. Nach beiden letztern wäre mit dem Durchbruch des ſchwarzen Meeres durch den Bosporus und das ägäiſche Meer eine große Ueberſchwemmung eingetreten, welche das umliegende Land bis nach Arkadien überfluthet hätte. Dardanus, welcher ſich hiebei nach Samothrake flüchtete, war Zeit- genoſſe des Deukalion, Ceerops und Cranaus, und das ihn treffende Ereigniß würde hienach zwiſchen 1548 24 v. Ch. fallen, wenn nicht wichtige Gründe gegen die Annahme deſſelben überhaupt fprächen. Der Durchbruch des Mittelländ. M. bei Gibraltar, bei den Säulen des Herkules, vom atlantiſchen Ocean her, ein Ereigniß, von welchem gleichfalls die Alten ſprechen, hat hingegen viel mehr Wahrſcheinlichkeit. Hoff erklärt fich enſchieden gegen Hum— boldts Anſicht, daß der Durchbruch der Landenge vom Mittelmeer her erfolgt ſei; nur der atlantiſche Ocean habe bei feiner be— kannten Bewegung gegen die europäiſchen Küſten (vergl. S. 343) die hiezu nöthige Kraft gehabt und wurde vielleicht auch noch durch Erdbeben unterſtützt. Aeber alle dieſe Fluthen kann man v. Hoff's Unterſuchungen in ſ. W. Bd. 1. u. Lyell Geol. Bd. 1. S. 246 ff. nachleſen. Ein Blick auf die Karte lehrt indeß, daß es eine Menge großer Fluthen auf der Erde gegeben habe, von welchen Geſchichte und Tradition ſchweigen. Der mejtfanifche Meerbuſen und das caraibiſche Meer find ficher durch einen ge— waltigen Meereseinbruch von O. her gebildet, und die Bahama— inſeln, die großen und kleinen Antillen, ſtellen die letzten Neſte einer ehemaligen Terra firma dar. Aehnliche Ueberreſte eines durch Fluthen zerſtörten Feſtlandes möchten die Sundainſeln, die Mo⸗ lukken, Amboinen, Suluinſeln und Philippinen, der griechiſche Archipel, die Inſeln im Kattegat ꝛc. darſtellen. Wie viel bei der Bildung dieſer und anderer Archipelage auf Rechnung von Senkungen und Erhebungen des Landes zu ſetzen ſei, wird viel— leicht erſt eine ferne Zukunft entſcheiden.

* ER *

ABA | Allgemeine Naturgeſchichte. IV. Buch.

Mit Beziehung auf das bereits S. 195, 221 ꝛc. rückſichtlich der eigenen Bewegung unſeres Sonnenſyſtems, u. S. 283, 457 über die Zukunft der Weltkörper Geſagte, gedenken wir noch einer in jüngſter Zeit bekannt gewordenen wiſſenſchaftlichen Entdeckung. Hr.

Argelander ſoll nun nach einer der Petersburger Akad. 1837 vorgeleg-

ten Abhandl. mit aller Gewißheit dargethan haben, daß die Sonne mit ihrem Syſtem ſich nach einem Punkte bewege, der faſt in der Mitte zwiſchen den Sternen A und 0 im Herkules liegt und 2600 50 / ger. Aufſt. und 310 17 / nördl. Abw. hat. Die Sterne werden alſo daſelbſt auseinander, in der entgegengeſetzten Richtung zu⸗ ſammen zu rücken ſcheinen. Außerdem haben ſte aber, wie unſere Sonne, noch eigene wahre (nicht bloß ſcheinbare) Bewegungen nach den verſchiedenſten Richtungen. Unter 560 Sternen, die A.

ſorgfältig beſtimmt und mit Bradley's Beobachtungen ver⸗

glichen hatte, fanden ſich 390, bei denen von 1755 1830 ſicht⸗ bare Ortsveränderungen erfolgt waren. Unſere Sonne gehört zu den ſtärker bewegten Firſternen, und ihre Bewegung verhält

ſich zur mittlern Durchſchnittsbeweguug der unterſuchten 390 St.

312. Ein vermuthlicher Centralkörper dürfte nach Argelander in der Gegend des Perſeus liegen; da aber in deſſen Nähe beſon⸗ ders ausgezeichnete Fixſterne fehlen, fo müßte er ein dunkler fein; daher ſcheinen bloß gegenſeitige Bewegungen in der Fix⸗ ſternenwelt wahrſcheinlicher zu ſein, und nur etwa einzelne Anhäu⸗ fungen wie die Plejaden ſcheinen wahre Syſteme zu bilden. . Ztg. 10. Juli 1837. Außerord. Beil. S. 1321. 0

n

Sachverzeichniß.

Seite

b 326 Abhänge d. Berge 372 / Es des Lichts 266 Abſtoßung 140 Adhäſton 440 Aequator 263 magnetiſcher 187, 442

Höhe 264 Aequinoktien 228, 263 Aequivalente, e 166 Aerolithen 256 nn, 284 176

Afftnität, chemische 445 ruhende 146 Afrika 361, 370 Aggregationstheorie 289 zuſtand 141

Alchemie 14 Alexandriniſche Schule 21 Alluvialepoche 406 Almageſt 22 Aluminium f 150 Amerika 362, 371 es Entdeckung 34

Analytiſche Seite d. Welt 103 Anatomie, mikroskopiſche 74 Anatomiſche Entdeck. Galens 73 Anhydrit 430 Anleitung zur Naturgeſch. 95 Anomalie, wahre 268

ä nd Ba v. Thierorg. 13 B

Ant 5 ase ce MER 16 Anziehun 4, 139 Apheltum 20868

Apft den i Argument d. Breite Arfenif Aſche, vulkan. Aſten 361, Ame tmoſphäre Deſtandtheile Druck

Elektrizität erreichte pen Geſtalt

Höhe 5 Schwankung Temperatur ' des Mondes Atome

Atomengewichte

Attiſche Schule Aufſteigung, gerade Augitfels

Ausbrüche, vulkan. Ausbruchskrater 431

EE

Auſtralien 363,

Bänke

Barometer Barometerſtand

bildungen

aſts 165, Bathometer

Begriff 0 Natur

Belud ſchitan

allg. Naturgeſch. 1

486 | Seite Berge 364, 372 Geſtalten der 43752 Bergebenen 372 Bergſtürze 473 Beryllium 150 Beſteg 434 Bewegung, 7 97, 111 d. Plan. 266 276 Bildung d. Sonnen. 287 Bimsſtein 429, 447 2 Binnenmeere 334 lei a 157 Blitz 183, 324 Blitzröhre 325 Blutkreislauf, Entdeck. 76 Boron 4154 Bosques a 371 Brandungen 344, 345 Brom 153 Brüche 353 Brunnen, arteſtſche 346 Calorieum 177 Campos de Pareeis 371 Cap's N 373 Centralvulkane 389, 390 Centralwärme 438 a 191 eres 231 Cerium 157 Chämiele 321 Chamſin 321 Charybdis 34⁴ Chlor Schule d. Mineral. 15 3 Chrom chiefer -425 155 Cirkumpolarſterne 264 oluren 264 Coralrag 416 Crag 408 ach 435 Dämmerungsgrenze 312 Decke 435 Deflagrator 184 Deklination d. Magnetnadel 187 eines Geſtirns 264 Deklinationskreis | 264 Delta’s 351 Denkſchriften gel. ehh. 91

Deſtertos 371

Snäverzeiniß.

Seite Diatherme Körper ' 179 Dolomitmaſſen 430 Donner 324 Doppelnebel 207 een 201 Bahnen 202 = Farben 203 Druſenräume 434 Dualiſten 186 Dünen 471 Ebbe 339 1 369 Mondes 242 Einf. Bi Mondes 40 1 Witter. 317 Eisberge 338 Eiſen 159 Eisfelder 338 Eisfels 40⁴ Eisgrotten 376 Ekliptik 227, 263 Aenderung der 462 Elektriſcher Strom 183 Elektriſirmaſchine 184 Elektrizität 1717 181 Elektrochemiſches Syſtem 17 Elemente ein. Weltkörperb. 268 unveränd. d. Sonnenſ. 278 Elkysmometer 449 Ellipſe 268 Entfernungen d. Weltk. 265 Entſtehung d. Mondes 294 e ee, u. i d. Menſchheit 131 d. Weltkörper 287 Erdbeben 449 Uoeberſicht 47⁴ Wirkung 472 Erdbrände 473 Erde 226, 309 Alter 4 Bildung 454, 457 Bewegung tägl. 262 Dichtigkeit 32, 364 Entſtehung 158, 462 Gewicht 364 Magnetismus 441 Erdfälle 473 Erhebung, Da d. Land. 353 Gebirge 6⁴ Erhebungsinfel 393) 431 kratere 431 ſyſteme 44, 464

*

Sachverzeichniß. 487 Seite a . Seite Sibebengerbeorie 432 Ahnen hiſtoriſche 482 Erdfeuer 448 Föh 321 Erdoberf, 41355 Vhältn. 356, 364 1 flanzung 121 laſtiſche 356, 379 Format., geit bee 395 erinnern 456, 470 402 Erſchütterungskreiſe 449 plutoniſche 396 Erſtarren . 179 ſekundäre 411 Europa 360, 369 tertiäre 406 Evektion 277 ungeſchicht. 395, 396 | verſteinerungsloſe 397 Farbe „blaue d. Luft 315 vulkaniſche 431 Farben 174 Freiheit in d. Natur 126 enten 174 Frühlingspunkt 263 Farbenbild 17⁴ Ae ebene 267 25 Morgana 327 Fuß d. Berge 372 Feldſpathporphyr 429 1 Felſenbrüche 473: Gabbro 427% 429 Felskämme 372 Gangarten 437 Ferner 374 Gänge a 433 Fernröhre 24 Fallen der 434 Feſter Zuſtand 142 Streichen 433 Benerugeln 256 Gärten, botanifche 58 Bedeutung 258 Gaſe 141 Urſprung 261 Gebirge f 373 Findlinge | 407 Afrika's 384 Fiords 372 Amerika's 386 Firn 37⁴ en 379 Fixſterne 194 Auſtralien's 388 Entfernung 198, 199 Europa's 382 ſcheinbare Größe 197 des Mondes 241 wahre 197, 200 Gebirgsart., maſſige 427 Verzeichniſſe 198 metamorphiſche 425 Zahl. a 98 ungeſchichtete 427 Flamm 180 untere geſchicht. 425 b be Mondes BAT verſteinerungsl. 425 Flö 435 Gebirgsketten 373 Sie Afrika's 385 maſſen 373 Amerika's 387 fo ck 373 Aſtien's 381 Gesch. d. Anat. d. Menſchen 72 Auſtralien's 388 u. Phyſ. d. Th. 68 Breite 352 Agtbrobelegl 9929 Europa's 383 Aſtronomie 18 Geſchwindigkeit 352 Botanik 49 Länge 351 Chemie 14 ſich verlierende 353 Geol. u. Geogn. 41 verſtegende 353 eg u. phyſ. Mae e 352 Geogr. 29 Waſermen 354 we N 45 affermenge d. men u. g Stuff gkeitszuſtand 142 0 75 Flu 154 Na ec 3 Fluth 339 Phyſik 10 große 460 Zoologie 59

4388 Sachverzeichniß. 5 85

Seite Seite Ga weben. s. Erde 393 Höfe 326 We 5 315 Höhenkreis 264 e 25 Höhenparallaxe 265 Mariottes u. Boyles 312 Höhenrau N Geſetze Kepler's 24, 269 Höhlen 364, 376 Geſtalt, allg. d. Landes 358, 369 Entſtehung 377 Gewäſſer des Landes 322, 346 Honigthau 324 genot. Vertheil. 379 en 8 265 Wirkung 470 372 Gewicht d. Körper 275 Sornpfendegefein 426 Gewitter g 324 ſchiefer 426 a 372 Hüg el 372 Gla 152 Snreinthium 150 Gleichgültigkeit, 157 145 Hydrate 166 Gleichung, jährl. d. Mondes 277 Hydrometeore 321 Gletſcher 2 364, 5 Hyperſthenfels 427, 429 Glimmerſchiefer 426 Jatromathematik i 76 Gnomon 19 Imponderabilien N 168 Gobi 369 Indifferente Stoffe 165, 166 Gold 163 Individualität 103 Golohſtrom 343 Inklination 187, 442 Gradmeſſungen 31 Inſeln, ſchwimmende 354 Gräthe 372 Intelligenz 123 Granit 427 Intenſität d. Erdmagnet. 443 1 1 407 Jod | 153 429 Ne 162 Granitiſche Geſteine 427 Friſire 175 Graupeln 325 Irritabilitatstheorte f 77 Grauwackengruppe 423 Irrlichter 327 Gravitation 139, 272 Fſodynamiſche Linien 443 Gravitationsgeſetz 275 Iſogoniſche 1 442 1 kraft 273 Fſokliniſche 443 Grünſand 411 Iſolatoren | 181 Grünſtein 427 Fſomorphismus 146 Grünſteinſchiefer 426 Fſothermiſche Linien 366 Grundſtoffe 143 en d. Windſtillen 328 Jahr, bürgerliches 267 Gyp 430 großes platoniſches 271 tropiſches 10 Sake 340 Jahreszeiten 263 325 Juno 231 Sagelwolken 325 Jupiter 232 Haiden 369 g = Hangendes 434 Kadmium 158 Harmattan 320 Kälte 180 Harniſche 434 grade 367 Haſtingsſand 413 Kaleium 151 Hauptmeere 334 Kalium 152 Sag de d. Länder 464 Kalkerdemetall 151 Herbſtpunkt 263 Kalorimotor 184 Hitzegrade 367 Kapillarattraktion 140 Hochebenen 372 deyreſſion 440

Sachverzeichniß. : Seite Kaskaden 352 Landtromben Kataſtrophen 114 Laven 431 Kauſalität 98 Lawinen 364, Kernnebel 207 Leben | Kieſelſtoff 3 10 8 d. Natur Kimmung 326 Er lima 367 Er 8 Anſichten d. Berge 368 Schellings d. Kontinente 368 Lebenskraft d. Küſten 368 Leiter d. Elektriz. Knochenbreecien 404, 405 Liasgruppe höhlen | 404 Libration d. Mondes i Knoten 267 Licht linie 267 Beugung Kobalt Ra. Brechung 173, Kochſalz 152, 133 Inflexion Koerzitivkraft 187 FJnterferenz Kohäſton 139 polgriſirtes Kohlengruppe 419 Reflexion kalkſtein 419 Zerſtreuung ſäcke 209 Lichtnebel „ͤ RE 149 hellglänz., unaufl. Komet v. Biela 253 planet. 205, 207, Enke 253 Lichtzerſtreuungsvermögen 5 Salley 252 Liegendes Olbers 253 Literatur, allgemeine der 3 Kometen 247 Reiche * ern 249 ns Schwei 215 115 biſc 5 249 Lit gap iſcher iefer Konformation d. Naturreiche 124 a Konjunktion d. Planet. 267 Luftſptegelung Koprolithen 420 Lybiſche Wüſte Korallenhildung 403 Kräfte, ihr urgrund 97 a allgemeine 167 Macalubi kosmiſche 167 Magellanswolken polariſche 171 Magneſtum Krankheit 106 Magnetismus 171 Krater 431 Magnetnadel Kreidegruppe 411 Mal» od. Moskeſtrom Krötenregen 322 Range a 326 in Neal 5 ryſtalle 115 9 5 altigkeit der Natur⸗ Kryſtallographie 47 dinge > ? Küſtenentwicklung 360 Mars Kupfer 160 Mediziniſche ale, Kuppen 372 Meer | Ab⸗ od. Ne Bewegungen Länge d. Firxſterne 2711 Salzgehalt d. Planeten 267 Temperatur Lager 435 Tiefe

490 Sachverzeichniß.

a Seite 5 Seite Meeresboden 8 372 Natron 132 ſtröme 343, 344 Naturformen, akt 118 an 335 ſynthetiſche 116 N chtigkeit 339 Naturphiloſophie 78 Far 339 ee Werke 90 Gefrieren 337 Nebel 322 Schwere 336 Nebelflecke 200 Mehlthau 324 E ſterne 205 Melaphyre 429 ſtoff 284 Menſchheit i 128 Nebenmonde 326 Meridian 264 planeten 238 magnetiſcher 187 ſonnen 326 Merkur, Grundſtoff 5 Neptuniſten 42 Planet Neſter 435 Durchgänge 224 Neumond 269 Metallität 143 Neutraliſtren 144 Metameriſche Stoffe 167 Nicke 161 Meteorkugeln 255 Nieren 435 Meteorologie 14 Nipfluthen 340 Methode, natürl. Jußieus 55 Nordlicht Aug Miasmen 314 Nordweſtliche Durchfahrt 39 Mikroskope ; 52 Nothwendigkeit ind, Natur 127 chase, 194, 198 Nutation 271 d. ſüdl. Kine 210 a = Mineralkörper 115 | Mineralwaſſer— 347 Oaſen f 370 eg Subſtanzen d. 349 Objektive Seite d. Welt 138 | Miſchungsgewichte 147 Obſervatorien, aſtronom. 28 9 Mittagskreis 264 magnet. 188 | Mittelpunkt der freien Ro⸗ Obsidian 428 | tation 295 Oolithengruppe 444 ' Moffetten 446 Organ. Ueberreſte 309, 405 —424 Molekule R. Brown's 138 Organismen 116 Molekularkraft 142, 272 d. Intelligenz; 123 olybdän 156 primäre 118, 119, 189 Monaden d. Pythagoras 11 e 122 Monde 238 D. Plaſtizität 122 d. Erde 239 Senſtbilität 122 d. Jupiter 245 Jufeunegg e N Saturn 246 heit d. höhern 125 Uranus 246 Oppoſt tion d. Planeten 267 Moore 353 d. Mondes 269 Moräſte 353 Ort geocentriſcher e. u 268 Morgenröthe 326 helioeentriſcher 268 Mouſſons 320 Osmium 162 Moya SDHC. 39 Muſchelkalk 417 Oſtweſtſtrömung 3242 Nachtgleichenpunkte 263 Päße 364, 374 Nadel 372 Palladium ene Nadir 262 Pallas 5 2332 5

Natrium : 1.52 Parallate 265

491

Seite

330

350

347

Sachverzeichniß. 52 © - Seite Paſſatwind 320 Quellen, intermittirende Pechſtein 428, 429 Temperatur Peperino 447 Quellwaſſer Perihelium 268 Perturbationen 276 5 Petrefaktologiſche ren Radius vektor Cuviers pit! Pflanzen 122 Raſeneiſenſtein anatomie 56 Ra 10 geographie 56 Nau Boa ologie 56 Kefraktion im Luftkreis eich 122 Regen Phgfen d. Mondes 269 Wenmenz 326 Phlogiſton 15 Reihenvulkane 389, Phosphor 154 Reiſen in Afrika Photoſphäre d. Sonne 216 Amerika Phyſikaliſche Schule d. Mi⸗ Aſien neralogie 47 Auſtralien Pik 372 Reiſewerke Planeten g 221 Rektaszenſton L intermediäre 230 Repertorien obere 228 Reſpiration d. Erde ſonnenferne 232 Rhodium ſonnennahe 222 Riffe untere 222 Rothliegendes Plaſtizität 122 Rückwärtsgehen des Früh⸗ Plateau's 372 llingspunktes Platin 162 Nutſchflächen Plutoniſten 42 Polarkreiſe 264 licht 4⁴3 Sattigungspunkt reiſen 39 Säule, Voltaiſche ſtern 264 Säure 165, Poldiſtanz 264 Sahara ö Pole, magnetiſche 187 Sahlband Polhöhe 264 Salſen | ne Stoffe 167 geogr. Verth. Porphyre 427 Salz 5, Ben 447 Anger räzeſſion 271 Simmlungen gallen Abh. Prinzipien u 4 57 298 zoologiſche roblem d. 3 Körper 277 Samum Prosektionsebene 267 Sandſtein alter rother ape 413 bunter utzenwerke 435 rother Puys d' Auvergne 392 Sandwüſten Sankt Eliasfeuer Saturn Quadratur, erſte 269 tf s zweite 270 Sauerſt Quarzfels 425 Schadellchre Gall's Queckſilber 161 Schichten, eoceniſche Quellen 346 en mioceniſche

268 446

292 | Sachverzeichniß.

Seite 5 f Seite Schichten, plioceniſche an 408 Stalaktiten ee .406 Gtearinium 1451 fübapehnniſche 408 Se eee 6954 0 Schluchten 5 3273 Steinſalz 430 Schmelzen 179 Steppen ln Ta Schnee 323 Steinbieer | 102 leuchtender 5 324 Sternbilder i 296 an rare 319, 366 Sterne mit Nebelſtrahlen 208 Schörlfels 428 neu entſtandene 205 Schwefel 155 veränderliche 204 Seylla 34⁴ urch nn 205 Seden; der Stoffe - 103 vielfache 201 intelligente 103 Sterngruppen 205 obrganiſtrende 103 auflösbare 206 een 355 teleskopiſche 206 Afrika's 2385 Sternnebel 199, 205, 208 Amerika's 388 ringförmige 208 Aſien's 381 Sternſchnuppen 256 Auſtralien's 388 Bewegung 237 Europas 381 Stickſtoff 149 Seismometer 450 Stockwerke | 4135 Selen 155 Stöcke 8 435 Selvas 372 Stoffe 114 gen d, Länder 464, 465 Störungen, ie 7227 Senſibilität 122 ſäkulär 277 Serapistempel v. Pozzuen 469 Stenhfenbrechung, doppelte 175 Serpentin 429 Se 151 Serualſyſtem Linne's 54 Strudel 344 Siedepunkt 178 eine Seite d. Welt 128 Silber 163 Sümpfe 353 Silicium 67 150 Sündfluth 476 Sind 370 Sh ö 427 un 321 Syl 157 Soh 9 66435 Sole, anten e 16 Solfataren 447 d. Kopernikus 23 geogr. Wh 389 phlogiſtiſches 15 Solſtitien 8, 263 phyſtolog. Stahls 76 Sommer, fliegender 324 Syſteme und große beſchrei⸗ Sonne N 214 bende Werke 89 fortſchreitende Be⸗ Syzyg ien 0 wegung 221, 484 Notation 220 5 Sonnen 195 Thaler f 364, 373 fackeln 215 Bildung 466 flinſterniß | 270 verſchiedene Arten 466 1 215, 217 Tafeln für die Orte der licht, Entſtehung 215 Himmelskörper * ſyſtem 213 Talkerdemetall 1 151 Spektrum 1174 Talkſchiefer : 425 Spiegel 434 Tantal 4 156. Spießglanz 156 Tellur 157 Springfluthen 340 Temperatur d. Erd feſte 365 Stalagmiten 405 d. Erbinner n32, 441

Sachverzeichniſt. Seite Temperatur d. eee 177 Vollmond Derminologieen 95 Vulkane hau | 99321 Afrikas Sbermoelektrizität * 183 Amerika's Thiere 2422 Aſien's phosphoreszirende 339 erloſchene Reich der 122 Europa's Thiergefchichted. Ariſtoteles 60 geogr. Verth. Büffon 64 Oceaniens Thierkreis 230% 267 Vulkanism. „Erſcheinungen Thierſyſtem d. Cuvier 65 Wirkungen Linné 63 Dfen 65 Thonerdemetall 50 Wälder, untermeeriſche Thonſchiefer | 155 Wälderthon Thorium 5 Wände f 1 erreichte in d. Erde 10 Wärme 140, 169, Tit L erzeugung Tod | In freie 179 Torf f 472 gebundene 179, bildung 4044 Kapazität moore i 404 polgariſtrte Dornados A ‚0325 1 Btke Totalfluth 340 Trachyt 428 ſteühtende Trägheit | 140 Wahrnehmung, ſinnliche e 427, 429 Waſſer Traß 447 hoſen 1 Trogapparat ö 1684 ſtoff Tuff / e 447 Wegldgruppe 5 m 5 . ellen 3 r 423 Weltkörper 117 119 Umlauf ſideriſcher 267 Bedeutung ſynodiſcher 267 Beſtimmung kropiſcher 267 Bewohner Unitarier 186 Bewohntheit Uran 157 Erntſtehung Uranus 238 Entwicklung 192, Urgrünſtein 426 Untergang 279, Urmaterie 284 ſeelen 121 ö . Wendekreiſe f ö Wetterleuchten a Vanadium 158 Winde | 320, Variation c 277 Wirbel Ä Venus : 224. Wismuth Durchgänge 150 Wörterbücher, naturhiſt. Verbrennen Wolfram eech 135, 140 Wolken chemiſche 142 ſüdliche 209, Zerfandungen 402, 255 Wüſten in Afrika i N Ameri autos 448 LEN

F Alien

494 t Sachverzeichniß.

5 6 Seite Yttrium 151

112

Zahl Zahlen, ſtöchiomet. 164, 5

Zechſtein

Beichen 5 Grundſtoffe 164 Zeit EL ehren - 92 Zen 262

ith Saaknastheivie Harvey's 76

Seite

Zink e Zinn ie 158 Zirkonium 150

Zodiakallicht 221 e (Thierkreis) 230, 267 6

Zon 8 Sontomifche Arbeit, Cuvier' s 68 Zündkörper g 180 Zukunft d. Erde 457

Zunahme d. Planetenentf. 295

Berbefferungen

Seite 2 Zeile 3, ſo wie noch einigemale ſpäter leſe man mannig⸗ fachen ſt. manigfachen. 29 22 l. Schumacher's ſt. Schuhmacher's. 43 22 l. Brongniart ſt. Brongniard. 5 l. 3 vol. ſt. 2 vol. f %%ͤð⁰] 202001 und Tregl pvrwv ſt. i0oglag und reg pvrwv. 53 31 l. Kollektiv fi. Objektiv. k. Lamavck ſt. Lamark. „2k. Briſſeau⸗Mirbel ſt. Brißeau, Mirbel. % 22 f. im 2 ten ſt. im aten. 67 „B 2 nach Leſſon iſt einzuſchalten: Die medizi⸗ 4 15 niſche Zoologie wurde von Brandt und a Ratzeburg bearbeitet. 77 24 l. Autenrieth ſt. Authenrieth.

„29 l. auch ſt. nothwendig.

105 24 l. räumlicher Ausdehnung und zeitlicher Be⸗

- | ſchränkung fl. Raum und Zeit.

n l. maßiger ſt. mäßiger

119 10 l. iſt einmal die ſt. iſt die.

125 13 ſind nach „Plaſtizität“ die Worte einzuſchal⸗

a ten: „und Senſtbilität, dem Menſchen

Plaſtizität“.

126 16 l. Organ zwiſchen ihr und der Leiblichkeit ſt. Organ derſelben.

126 33 l. zeigt ſich fi. erſcheint.

Auf der Tabelle zu S. 132, mittl. Kolumne, Rubrik Weltkör⸗ perſeelen, l. bewegen ſich nach Gravita— tionsgeſetzen ſt. bewegen ſich nach mecha⸗ niſchen Geſetzen.

äußere rechte Kol. unten l. Attraktion,

Aggregation, Gravitation ſt. Aggregation.

ganz unten, vorletzte 3. l. dem gewöhn⸗ lichen ſt. den gewöhnlichem.

Seite 164 in der Tabelle l. Kadmium ſt. Cadmium. 8 ö Kaleium ſt. Calkium. 5 Strontium fl. Strantium. „„ Baryum ſt. Balyum. Seite 240 Zeile 40 l. Bouguer's ſt. Boguer's. „306, Die Aufſchrift des III. Hauptſtück's ſoll heißen: Phy⸗ ſiſche u. plaſtiſche Berhältniſſe der Erdfeſte. 413 Zeile 10 [, Diploctenium ff, Diploctonium.

Einige andere, minder bedeutende Druckfehler beliebe der ge neigte Leſer zu Wanken 9755 | x

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