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* f Eine Schrift der 1 genauern Kenntniß der Alpen 775 gewiedmet. N 1 Herausgegeben von Carl uliſſes von Salis in Mar ſch ins | ar MO und rm RER ) 2 f N Jebann Rudelub Stetvmüller / e

Pfarrer in Rheineck;

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0 Erſter Band.

Winterthur 1806, in der Steineriſchen Buchhandlung,

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Vorerinnerung.

Die Herausgeber des gegenwaͤrtigen Werks haben zwar in einer Ankuͤndigung, die ſchon im April 1805 in der Steineriſchen Buchhandlung in Winterthur erſchienen iſt, vorlaͤufig und kurz ihre eigentlichen Abſichten bey der Bekanntma⸗ chung dieſer Schrift eroͤffnet. Doch glauben ſie, daß es eigentlich hier der Ort iſt, ihren Plan deutlicher aus einander zu ſetzen, und die Lieb⸗ haber der Naturgeſchichte und der mit ihr ver⸗ wandten Wiſſenſchaften darauf aufmerkſam zu. machen.

Jene weitlaͤuftige Ausdehnung von Gebuͤr⸗ gen und dazwiſchen liegenden Thaͤlern, welche wir die Alpen nennen, verdient nicht nur wegen den auffallenden Naturſchoͤnheiten, mit denen fie fo reichlich prangt, bereiſet und bewundert zu werden, ſondern fie bietet auch einen fo reich⸗ haltigen Stoff dar, die menſchlichen Kenntniſſe bu erweitern, daß auch der forſchende Beobach⸗

ter Nahrung genug findet und durch ſeine Be⸗ ſchreibungen nicht nur Vergnügen, ſondern auch Nutzen verbreiten kann. Wir haben zwar ſchon

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verſchiedene Werke, in welchen man uͤber ein⸗ zelne Theile der Alpen ſehr intereſſante Nachvich⸗ ten findet, und es iſt nicht zu laͤugnen, daß manche Gegenſtaͤnde, die zur genauen Kenntniß derſelben fuͤhren, ſchon mit vielem Fleiß ſind be⸗ leuchtet worden. Wollte man es aber verſuchen, mit den vorhandenen Materialien eine vollſtaͤn⸗ dige Beſchreibung der Alpenkette zuſammen zu

ſetzen, ſo wuͤrde man erſt die vielen Luͤcken ge⸗

wahr werden, die noch auszufüllen ſind.

Wie wuͤnſchenswerth auch eine ſolche alles umfaſſende Darſtellung der Alpen ſeyn möchte, fo unmoͤglich iſt fie dermalen. Aber Materialien dazu ſammeln, ſie kuͤnftigen Zeiten moͤglich ma⸗ chen, moͤchte fuͤr einmal verdienſtlich genug ſeyn. Dahin geht die Abſicht der Herausgeber der Alpina, und ſie werden ſich in derſelben haupt⸗ ſuͤchlich mit folgenden Gegenſtaͤnden beſchaͤftigen:

Und zwar:

1) Mit genauern Beſtimmungen und Bezeich⸗ nungen des Laufes und der Lage, theils der gan⸗ zen Hauptalpenkette, theils einiger Theile und der Nebenketten derſelben. |

Wenn man bedenkt, wie wenig Geographen die Alpen ſelbſt bereiſen, den Lauf und die Lage derſelben an Ort und Stelle beobachten und auf⸗ nehmen, ſo muß man ſich nicht wundern, wenn man auf ſo wenig Charten dieſelben richtig be⸗

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zeichnet und in eben ſo wenig Buͤchern richtig beſchrieben findet. Dieſem Mangel wird man trachten durch genaue Unterſuchungen, die nur durch Augenzeugen gemacht ſind, nach und nach abzuhelfen. Bi

2) Mit Beſchreibungen wenig oder gar nicht bekannter Alpenthaͤler und Alpengegenden.

Wir gedenken nicht nur ganz neue Beytraͤge,

ſondern auch gediegene Auſſaͤtze dieſen Artikel bes treffend zu liefern, die in Werken verborgen ſind, wo man ſie gar nicht erwartet.

3) Mit Beſchreibungen zum erſtenmal erſtie⸗ gener, oder noch nicht genugſam bekannter ein⸗ zelner Berge.

Der Glockner und der Orteler koͤnnen als auffallende Beyſpiele dienen, wie wenig man bis vor wenig Jahren auch die hoͤchſten Berge in der Alpenreihe gekannt hat. Nehmen wir den. Gotthard und den Montblanc, nebſt ſeinen Um⸗ gebungen aus, ſo bleiben nicht wenige hohe, oder auch ſonſt merkwuͤrdige Bergkoloſſen uͤbrig, die eben ſo ſehr wuͤrdig ſind, genauer gekannt

zu werden.

0 Mit genauen Hoͤhenmeſſungen noch gar nicht oder nicht genau gemeſſener Bergſpitzen. Man wird den Herausgebern gewiß eben ſo vielen Dank wiſſen, wenn ſie unrichtige Meſſun⸗

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gen anzeigen und verbeſſern, als wenn fie die wahre Höhe nie gemeſſener Berge angeben. Es kann ihnen in beyden Ruͤckſichten an Matt nicht fehlen.

5 Mit Geographiſchen Ortsbeſimmungen ö

aus verſchiedenen Punkten innert den BUN Dir Alpenkette.

Eines der ſicherſten Mittel einmal eine. rich⸗ tige Charte vom Laufe der Alpenkette zu erhal⸗ ten, iſt wohl die Vervielfaͤltigung richtiger Orts⸗ Beſtimmungen innert derſelben. Man wird ſo⸗ wohl eine Ueberſicht der ſchon vorhandenen mit⸗ theilen, als auch Anſtalten treffen, daß neue vorgenommen werden, oder die anderswo neu gemachten ſogleich in der Alpina anzeigen.

6) Mit Gemaͤlden der Sitten, des Charakters und der Lebensart der verſchiedenen Alpenbe⸗ wohner.

Noch ſo manche Thaͤler, noch ſo manche wirk⸗ lich ein eigenthuͤmliches Voͤlkchen ausmachende

Bewohuer einiger Alpengegenden ſind ſo ganz

unbekannt, und verdienen doch die volle Auf⸗ merkſamkeit des Menſchen⸗Beobachters. Man wird den Herausgebern der Alpina gewiß Dank wiſſen, wenn ſie dann und wann ſolche Gemaͤl⸗ de, treffend und ungeſchminkt, liefern.

7) Mit Beytraͤgen zur Geologie und Geogno⸗ fie, fo wie zur Naturgeſchichte des Mineralreichs,

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des Thier⸗ und des Pflanzenreichs aus dem Ge | biete der Alpen.

Noch zu eingeſchraͤnkt find unſre Kenntniſſe, um Syſteme in der Geologie aufſtellen zu koͤnnen. Vermuthungen, Beytraͤge, auf genaue Beobach⸗

tungen gegründet, iſt alles, was wir zu liefern lachten wollen. 1

Etwas mehr können wir in Anſehung der Geognoſie verſprechen, da man ſeit einigen Jah⸗ ren angefangen hat, unſre Alpen in dieſer Ruͤck⸗ ſicht zu bereiſen, und genaue Unterſuchungen an⸗ zuſtellen. Schon der erſte Band wird Aufſaͤtze enthalten, welche die verdiente Aufmerkſamkeit erregen werden.

Wir duͤrfen auch hoffen die eigentliche Mine⸗ ralogie mit neuen Entdeckungen und wichtigen Beobachtungen bereichern zu koͤnnen. Wenn ſchon Neugierde und Eigennutz die Aufſuchung von Alpenmineralien ſeit einigen Jahren zur ei⸗ gentlichen Mode machten, ſo ſind noch zu viele Ge⸗ genden undurchforſcht, die Gebuͤrge zu wenig in ihrem Innern bekannt, um nicht auch hier ei⸗ nige Ausbeute erwarten zu duͤrfen, beſonders ſeit⸗ dem man in einigen Gegenden der Alpen anfaͤngt an Wiederanlegung von Bergwerken zu denken.

Hingegen ſcheint es beynahe unmöglich et⸗ was Neues aus dem Gebiet der Botanik zu ge⸗ ben. Es waͤre Vermeſſenheit ſo etwas zu ver⸗

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heißen. Vielleicht gelingt es uns eher Bemer⸗ kungen mitzutheilen, die zur Philoſophie der Gewaͤchskunde gehoͤren, und haben wir das Gluͤck die Menge der ſchon bekannten Arten, oder gar Geſchlechter vermehren zu koͤnnen, werden unſere Gaben deſto willkommener feyn,

Mit mehr Zuverficht koͤnnen wir unſere Le⸗ ſer auf die Beytraͤge zur Zoologie aufmerkſam machen, die wir in unſere Alpina einzuruͤcken gedenken. i

Sowohl die Naturgeſchichte der vierfüßigen: Thiere, der Voͤgel, der Fiſche, und der Inſekten war ſeit vielen Jahren ein Hauptgegenſtand un⸗ ſerer Nachforſchungen, und wir duͤrfen uns viel⸗ leicht ſchmeicheln, einige neue Bemerkungen ge⸗ macht zu haben. Wir wollen hoffen, daß wir bald auch Mitarbeiter finden werden, welche uns uͤber die bis itzt beynahe unbekannten Am⸗ phibien und Gewuͤrmer der Alpen ihre Beobach⸗ tungen zukommen laſſen werden.

8) Mit Beobachtungen und Verſuchen, die unſere Kenntniſſe in der Naturlehre berichtigen und erweitern koͤnnen.

In der Stadt Genf allein haben drey Ge⸗ lehrte die Phyſik zum Gegenſtande ihrer Nach⸗ forſchungen in den Alpen gewaͤhlt, und dieſe Wiſſenſchaft wirklich durch dieſelben bereichert. Doch hoffen wir noch Stoff genug zu finden,

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um auch in dieſem Fach e Scherflein bey⸗ zutragen.

9) Mit Verichtigungen der auffallendſten Irr⸗ thuͤmer in den ſchon herausgekommenen Beſchrei⸗ bungen und Nachrichten von den Alpen.

Es verſteht ſich, daß hier nur diejenigen Werke gemeynt ſind, die ihren anerkannten Werth haben, denn ſonſt muͤßte man nur die⸗ ſein Artikel gauze Baͤnde wiedmen.

10) Mit Anzeige aller neu herausgekommenen Schriften und Land⸗Charten, welche die Alpina intereßieren koͤnnen.

Da es die Abſicht der Herausgeber iſt, in dem angekuͤndigten Werke alles zu vereinigen, was die Kenntniß der Alpen auf irgend eine Weiſe betreffen kann, ſo werden nicht nur alle Werke und Charten angezeigt werden, welche dieſen Gegenſtand beruͤhren, ſondern man wird auch aus denjenigen, die vorzuͤglichen Inhalts 9 Hinſicht ſind, zweckmaͤßige Auszuͤge iefern

11) Mit Miszellen. Hierunter verſtehn wir alterley kleine Nachrichten, theils aus unſerm Briefwechſel, theils aber aus Journalen gezogen, die die Leſer der Alpina intereßieren koͤnnen.

Ohne Kupfer und Charten würde ein Werl wie die Alpina denjenigen Nutzen kaum ſtiſten

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koͤnnen, den man bey ſeiner Herausgabe beab⸗ ſichtigt. Allein es haͤngt ganz von der Auf nahme ab, die es bey dem Publikum finden wird, ob ein ſolcher nicht unbetraͤchtlicher Ko⸗ ſtenaufwand vom Herrn Verleger kann geforz dert werden, denn in dieſem Fall ſollen nur treu und ſchoͤn gezeichnete oder gemahlte Kupfer und der Bekanntmachung wuͤrdige Charten geliefert werden.

Die Herausgeber fuͤhlen nur zu ſehr, wie nothwendig ihnen die Huͤlfe mehrerer Mitarbei⸗ ter iſt um den vorgezeichneten Plan fo genug⸗ thuend als moͤglich auszufuͤhren. Sie haben ſich daher an verſchiedene Gelehrte der Schweiz gewandt, welche ihnen ihren Beyſtand verſpro⸗ chen haben. Sie duͤrfen hoffen, daß auch aus⸗ waͤrtige Gelehrte ſie mit Beytraͤgen unterſtuͤtzen werden; wofuͤr ſie ihnen die waͤrmſte Erkennt⸗ lichkeit zum voraus zuſichern.

ANAND RNNSAN NND NENNEN NEUE TINTE

In h a lt des erſten Bandes,

Seite

10 Verſuch einer Ueberſicht der beſten litterari⸗

ſchen Huͤlfsmittel zur bisherigen Kenntniß der Alpen. n *

2) Bemerkungen uͤber Herrn von Humboldts An⸗

zeigen das Streichen und Fallen der Felſen⸗

Schichten in den Alpen betreffend, nebſt einigen

Angaben uͤber das Profil der Granitſormation in der Gegend des Gotthards. a 35

3) Berichtigungen einiger Angaben die ſchweizeri⸗

ſchen Alpen betreffend, in der Abhandlung:

Von dem Streichen der Gebuͤrge aus der

Schweiz durch Tyrol und die inneroͤſterreichi⸗

ſchen Laͤnder bis nach Ungarn. In von Molls

Annalen der Berg: und Huͤttenkunde. Erſten Bandes, dritte Lieferung. 46

4) Die Landſchaft Davos von Carl Uliſſes von Salis Marſchlins. re nl 54

56) Bemerkungen über die Vegetation einiger Kalk⸗

gebürge in Buͤndten. Von Herrn Magiſter Nöſch in Marſchlins 7

6) Der angebliche Salmo Alpinus, oder aus eins

ander geſetzte Naturgeſchichte der Rothſorelle

Inhalt. g 5 Seite

und der Bachforelle. Vom Erziehungsrath

Hartmann in St. Gallen. 87 7) Gemeinnützige Beſchreibungen einiger Saͤug⸗

thiere und Voͤgel des Schweizerlandes als Probe

ſeines vollſtaͤndigen Werks hierüber, Von J.

R. Steinmuͤller, Pfarrer in Rheineck, im Kan⸗

ton St. Gallen. n „% „„

Bos Taurus ferus. 108

Taurus Domesticus. Bin, 112 Falco Barbatu .. 8... 169 Tetrao Lagopus. a een e Motacilla Alpina. » 9 227 Fringilla Citrinella. ts. 238

8) Geognoſtiſche Ueberſicht der Alpen in Helbe⸗ tien. » * » ; 5 » 244

9) Vitleratur , en , , 3

1.) Syſtematiſches Verzeichniß der Vögel, wel⸗

| che die Schweiz entweder bewohnen, oder

theils zu beſtimmten, theils zu unbeſtimmten

f Zeiten beſuchen , und ſich auf der Gallerie

. der Buͤrger⸗Bibliothek in Bern ausgeſtopft befinden. Von Fr. Meisner. ee

3.) Description abreg&e des salines du cy- devant gouvernement d’Aigle, und Fragmens sur la theorie des sources et ) zur son application à l’exploitation des sources salees, s 0 5 IN „2300

Inhalt 3 | Seite 3.) Itineraire des salines pour servir de suite A la description des salines du ey- devant gouvernement d' Aigle, und Memoires sur differens objets relatifs à la geologie, aux mines et salines. ıer Cähier. » »|\ » 0 . 5 304 4.) J. G. Edels Anleitung auf die nützlichſte und genußvollſte Art die Schweiz zu bereiſen. 311 58.) Iſis. Eine Wochenfchrift von deutſchen und ſchweizeriſchen Gelehrten. e188

ie , 57 Auszug aus einem Brief dom 27ſten Sept. 1805. Bemerkung uͤber die ſchlimme Witterung die⸗

mers... l e .

Ueber die neuen Bergwerks ⸗Anſtalten in Buͤnd⸗ ten. * » 0 4 2 > * + 398

Reiſe⸗ Bemerkungen phyſikaliſchen Inhalts aus dem Tagebuch des Herrn Doktor Caſtbergs. Quellen in Krain; Ventarolen am Comer⸗ See, Cleven, und inner der Alpenkette; Tem⸗ peratur des Silſer⸗ Sees. 392

Höhen in und längs der Alpenkette, welche Oeſterreich von Steiermark trennt, nach den Barometermeſſungen S. K. H. des Erzherzogs

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Erſteigung und Meſſung der Ortelesſpitze, der hoͤchſten in Tyrol, veranlaßt durch S. K. H. . Erzberzog Johann. 403

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Inhalt. Seite Aus einem Brief des D. Gebhard vom 14. Okt. 1804. Bemerkungen uͤber das Tyrol. Nach⸗ richten von der Beſteigung des Ortles. 412

Aus einem Schreiben des Herrn von Pfaundler. ueber Mineralien im Tyrol. e

Aus einem Schreiben des Herrn von Senger aus Innsbruck. Ueber einige Mineralien um | Brixen. + * > + > 1 » 420

1) Zuſatz. g a 421

Proſil des Alpengebürgs zwiſchen Wien und Trieft, und von Trieſt bis Salzburg. Aus den Reiſe⸗ Beobachtungen des Geh. Ob. Bergr. Karſten in Berlin im September 184. 442

Verſuch einer Ueberſicht der beßten litte⸗ rariſchen Huͤlfsmittel zur bisherigen f Kenntniß der Alpen.

Wean ſchon die Abſicht der Herausgeber dieſer Schrift mehr auf die Bekanntmachung neuer Beyträge zur Kennt⸗ niß der Alpenkette geht, fo moͤchte doch eine Mittheilung derjenigen Werke, welche etwas vorzuͤgliches von den Als pen enthalten, hier nicht am unrechten Orte ſtehen. Man wuͤrde dadurch in den Stand geſetzt werden, mit einem Blicke dasjenige zu uͤberſehen, was bis itzt von denſelben iſt geliefert worden, und was noch zu leiſten uͤbrig bleibt. Ich wage den Verſuch einer ſolchen Ueberſicht; denn eine vollſtaͤndige Darſtellung aller Schriften und Auſſaͤtze waͤre ich nicht im Stande zu geben. In einem Lande, in welchem ſich keine oͤffentlichen noch Privat⸗Bibliotheken befinden, wo alle Huͤlfsquellen abgehen, die in andern Ländern: fo reichlich gefunden werden, mußte ich mich behelfen ſo gut ich konnte, und darf alſo mit Recht auf die Nachſicht meiner Leſer hoffen.

2 < 5 8

Geographie der Alpen.

W.

Um fc einen allgemeinen Begriff der ganzen Reihe von den Gebirgen zu machen, die man die Alpen nennt, waͤre eine genaue Beſchreibung derſelben, von der Stadt Nizza am mittellaͤndiſchen Meere an, bis da, wo ſie ſich unweit den Grenzen Ungarns verlieren, ſehr wuͤnſchens⸗ werth geweſen. In dieſer Beſchreibung haͤtte ſowohl der Lauf des hoͤchſten Kammes, als die Richtung der davon

ausgehenden Nebenketten, nur in ſo weit ſie die von ihnen begrenzten Thaͤler bilden, beſtimmt werden ſollen.

Eine ſolche richtige Darſtellung dieſes ungeheuern Berg⸗ gerippes ſuchte ich vergebens, ſowohl in einzelnen Werken als in geographiſchen Woͤrterbuͤchern, oder in Handbuͤchern der Erdbeſchreibung. Dieſe bedeutende Luͤcke in der Lit⸗ teratur der phyſiſchen Geographie werden wir in dieſem Werke auszufüllen trachten, und in einem dazu gewied⸗ meten Aufſatz nicht nur die ſehr brauchbaren Materialien benutzen, welche Fr. Schulz in ſeiner Schrift uͤber den allgemeinen Zuſammenhang der Höhen auf der Oberfaͤche der Erde, nebſt einer Gebirgskarte von Europa, Weimar 180) gr. ato liefert, ſondern auch durch Anführung aller neuern geographiſchen Beſtimmungen innert den Grenzen der Alpenkette dieſe Beſchreibung ſo vollſtaͤndig als moͤg⸗ lich zu machen ſuchen.

Nachrichten von einzelnen Theilen der Alpenkette, die, wie bekannt, durch beſtimmte Benennungen unterſchieden werden, trifft man ſchon an, doch von der einen Strecke mehr als von der andern. N

Sehr aͤrmlich fallen fie von den Meeralpen aus, die beym Ausßuße des Var anfangen und bis zum Monte

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Viſo gehen ). fir iſt kein Werk bekannt, welches uns weder die geographiſche noch phyſiſche Beſchaffenheit dieſes Theils der Alpenkette, befonders in einiger Entfernung vom Meere, mittheilt. Auch in den beßten Reiſebeſchrei— bungen, wie z. B. im dritten Bande der Alpenreiſen des Herrn von Sauſſuͤre, Quart Ausgabe, Neuchatel 1779, 4 Theile, und in den Fragmenten uͤber Italien, aus dem Tagebuche eines jungen Deutſchen 1798, 2 Bände, kl. 800, kommen nur einzelne, freylich ſehr brauchbare Data vor, und mit Büchern, die die vollſtaͤndigſten Aufs ſchluͤſſe hoffen laſſen, wie mit der Geographie ünd Stati⸗ ſtik der fämtlichen Staaten des Königs von Sardinten vor dem franjöfifchen Revolutionskriege, aus dem hiſtori⸗ ſchen Werk des Abts Denina abgedruckt, Berlin 1882, ‘800; und Voyages dans le Departement des Alpes maritimes etc. par S. Papon, Paris 1804, 8vo; wird man in feiner Erwartung ganz betrogen.

Von den Cottiſchen und Griechiſchen Alpen, wovon jene vom Monte Viſo bis zum Mont Cenis, und dieſe som Mont Cenis bis zum Mont blanc reichen, beſitzen wir zwar wenig oder nichts von den erſtern, aber deſto mehr von den andern. Eine eigentliche, orographiſche Beſchreibung liefert weder der oben angeführte Denina noch Galanti in ſeiner Geographie von Italien. Ob man in Robilant essay géëographique sur les états de S. M. le roy de Sardaigne und in B. Breton voyage en Piemont, contenant la description topographique et pittoresque, la statistique etc, de ces états, Paris 1802, 8vo, glücklicher iſt, kann ich nicht ſagen, da ich

) Die von mir angenommene Begrenzung dieſer Benen⸗ nungen werde ich in einem eignen Aufſatz zu rechtfertigen trachten.

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dieſe Werke nicht bey Handen hade. Vielleicht hilft ein erſt kürzlich angekuͤndigtes Prachtwerk unſerm Mangel auf einmal ab, wenn es nicht fo vielen feiner Brüder aͤhnlich wird, die unter einem hochtoͤnenden Titel und in einem abſchreckenden Preiſe, den Kaͤufer, der Belehrung darin ſucht, ganz unbefriedigt laſſen. Es heißt: Description des Alpes grecques et cottiennes, ou tableau histo- rique et statistique de la Savoye etc. etc. par J. F. Albanis Beaumont. Première partie. Deux grands volumes in gto et un cahier de planches. Paris. Wenn ſowohl die Meeralpen als die Cottiſchen Alpen der Alpina ein großes Feld zu wichtigen Beytraͤgen dar⸗ bieten, ſo iſt bey den Alpes Grajae deſto mehr vorgear⸗ beitet worden. Im zweyten Theile des Herrn von Sauſſuͤre Reiſen in die Alpen von Seite 167 an, trifft man die intereſſanteſten Nachrichten über das Thal Mont» joye, den Bonhomme, den Col de la Seigne und die Gegenden an, die ſuͤdwaͤrts vom Mont blanc innert der Alpenkette liegen. Der dritte Theil enthält, von Seite 1. bis 123, die Erzaͤhlung ſeiner Reiſe uͤber den Mont Cenis auf Turin, und der vierte, von Seite 389 an, eine Schilde⸗ rung des Uebergangs über den kleinen St. Bernard, fo fachreich, wie man fie von dieſem unermüdeten Naturfor⸗ ſcher gewohnt iſt. Eben derſelbe meldet, daß der Ritter von St. Real eine ſehr umſtaͤndliche Beſchreibung des Mont Cenis und der zwölf Stunden in der Runde liegen⸗ den Gegenden herausgeben werde. Ob dieſelbe allein ers ſchienen, oder od fie in den Mémoires de l’academie royale des sciences à Turin, in welchen ſich auch an⸗ dere hieher gehoͤrende Aufſaͤtze befinden ſollen, augen men worden, iſt mir unbekannt. Penniniſche Alpen nennt man diejenige Strecke welche voin Mont blanc dis zum Mont Cervin geht. Vor uns

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gefaͤhr fünfzig Jahren war diefer Rieſe und feine Umgebungen ungefähr fo bekannt, als das Innere von Afrika. Unſterb⸗ lich hat ſich Herr von Sauffüre durch das Licht gemacht, welches er hauptſaͤchlich über dieſe fo merkwuͤrdigen Regio⸗ nen verbreitet hat. Siehe ſeine Reiſen im erſten, zwey⸗ ten und vierten Theil. * Nimmt man noch die Artikel dazu, die von dieſer Alpenreihe in J. G. Ebels Anleitung, auf die nuͤtzlichſte und genußvollſte Art die Schweiz zu bereiſen, Zuͤrich, 1804, 4 Thle. 800, ſich befinden, fo bleibt von wenigen Theilen der Alpen weniger zu wuͤnſchen übrig. Auch noch folgende Werke verdienen wenigſtens angefuͤhrt zu werden: J. A. de Luͤes Reifen nach den Gebirgen von Fau⸗ cigny in Savoyen. Aus dem Franz. Leipzig, 1777, 800. M. T. Bourrit description des glagieres, glagiers, et amas de glaces du duche de Savoye. Genöve, 1773, 8vo.

Beſchreibung der Penniniſchen u Rhaͤtiſchen Alpen, von M. T. Bourrit. Aus dem Franz. Zürich, 1782, 8. N. T. Böurrit nouvelle description generale et particulière des glagieres, vallees de glages et Slagiers qui forment la ae chaine des Alpes. 1785, 3 Vol. 8vo.

M. T. Bourrit description des eols ou pamages des Alpes 1804. Geneve, 8 vo, 2 Vol.

Sie enthalten, fo wie die Reiſebeſchreibungen der Herren Meiners und Core ), ſehr gute einzelne Nachrich⸗ ten. Wenn man annimmt, daß die Schweizer Alpen

(Briefe Über die Schweiz, von Herrn Prof. Meiners. 4 Tb. 800, 1788.

Voyage en Suisse par M. William Coe, trad. * Anglois. 3 Vol. Paris, 1790. gro.

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denjenigen Theil der Alpenkette andeuten, welche ſich vom Mont Cervin bis zum Muſchelhorn hinziehen, go begreifen fie den Mittelpunkt dieſer erhabenen Bergreihe in ſich, von welchem die ausgedehnteſten Rebenketten ausgehen. Von vielen Beobachtern und Neugierigen wurde er be⸗ ſucht und um einige Ordnung in die Aufzaͤhlung der Schriftſteller zu bringen, die davon handelten, muͤßen wir dieſe Abtheilung der Alpen nur Parthieenweiſe nehmen. Vom Mont Cervin bis zum Gotthard bildet fie eine Reihe von Koloſſen, die wir erſt durch den Herrn von Sauſſuͤre kennen lernten. Er handelt im vierten Theile feiner Reife vom Breithorn, vom Mont Cervin, vom Rothhorn, vom Mont Roſa und dom Simplon; er beſchreibt uns Thaͤler, von denen man zuvor wenig mußte, Val Formazza, Val d' Antigorio, Val Maggia im drit⸗ ten Theile, und Val d' Anzasca, Val Seria pigcola,

Val Seria grande, Val Leſa, Val d'Ayas, Val Tor-

nanche und Val d'Aoſta im vierten. Aeußerſt intereſſante Nachrichten uͤber verſchiedene Gegenden dieſer Alpenſtrecke erhalten wir von Karl von Bonſtetten in ſeinen Briefen auf mehrern Reiſen in der Schweiz geſchrieben und ab⸗ * gedruckt in Herrn von Eggers deutſchem Magazin, in den Jahrgaͤngen 1797 1798 und 1799, beſonders von den ſo unbekannt geweſenen Thaͤlern Verzasca, Maggia, Lavizzara, Onſernone, Centovalli und Vichezza. Sehr maleriſche und gefuͤhlvolle Schilderungen theilt und die ſo allgemein beliebte Schriſtſtellerin Friederike Brun in ihrem Tagebuche einer Reife durch die östliche, ſuͤd⸗ liche und Italieniſche Schweiz, in den Jahren 1798 und 1799, Koppenhagen, 1800, 800 , von einigen Thaͤlern und Gebirgen dieſer Gegenden mit. So kann man auch ſeine Kenntniſſe von dieſem Alpenſtrich im aten Theile von Norrmanns geographiſch⸗ ſtatiſtiſcher Darſtellung des

7 Schweizerlandes und in Ebels oben angefuͤhrter Anleitung anſehnlich vermehren. Vielleicht werden in den Topo⸗ graphien und Erdbeſchreibungen des vormaligen Herzog⸗ thums Piemont, ſo wie in den Schriften der Turiner koͤniglichen Geſellſchaft noch manche ſchaͤtzbare Beytraͤge enthalten ſeyn, die ich nicht kenne; gewiß iſt es aber, daß alle dieſe Gegenden, beſonders die Thaͤler, die von Val d' Aoſta in die Hauptkette hinaufleiten, noch man⸗ cher geographiſchen Berichtigung beduͤrfen. Das Wallis, welches im eigentlichen Sinne des Worts ein wahres Alpenthal iſt, indem es von beyden Hauptketten von der Furka an bis zum Dent duͤ Midi auf der einen, und Dent de Morcles auf der andern⸗ Seite eingeſchloſſen iſt , ward zwar ſchon von Simler, Fuͤßli und Faͤſi be⸗ ſchrieben: Norrman ſammelte mit Mühe und Kritik alles was von demſelben bekannt war. Sauſſuͤre, Beſſon in ‚feinem Manuel pour les savans et. les curieux qui ‚woyagent en Suisse. Berne, 1786, 2 Tom, 8vo. Wytenbach in feiner ‚Reife durch die Alpen und das Wal⸗ liſer Land, (im Archiv kleiner Reiſen, Th. 1. S. 57.) und vorzüglich Ebel in feiner Anleitung tragen alle dazu bey, dieſes merkwürdige Thal zu beleuchten. Nicht weniger ſprechen verſchiedene Reiſende, als Sinner voyage dans la Suisse occidentale. 2 Vol. 1787, 3vo, Core, Bourrit, Carl Graß und ein ungenannter in Faͤſis Biblio thek der Schweizeriſchen Staatskunde, Th. 1. S. 113. davon; dem allem ungeachtet fehlt noch eine genaue Be⸗ ſchreibung dieſes Thals. 65 * andere Hauptkette der Alpen von Dent de Morcles 12 Man wird in. der allgemeinen Beschreibung der Alpenkette f die Urſache finden, warum ich e zwey Hauptketten an- 7 nehme. 1

4 8 bis zur Furka, in welcher das Schreckhorn, die Jungfrau und das Finſteraarhorn ein wuͤrdiges Seitenſtuͤck zum Mont Cervin und Monte Roſa darſtellen, hat, beſonders was die Thaͤler und die Nebenketten anbelangt, die von derſel⸗ ben ausgehen, nicht wenige Beſchreiber gefunden. Ohne von den ſchon oben angezeigten Geographen der Schwetz zu reden, unter welchen Norrman immer das vorzuͤglichſte liefert, treffen wir in Ebels Anleitung einen wahren Schatz von Nachrichten uͤber dieſen Gegenſtand an. Auch hier bleibt von Sauffüre nicht zuruͤck, und macht uns mit Gegenden bekannt, die wenige andere beſuchen durf⸗

ten. Wytenbach, Coxe, Meiners, Earl Graß und Storr

geben uns in ihren Reiſen manchen brauchbaren Beytrag.

Die Thaͤler, die ſich von dieſer Hauptkette herunterſenken,

beſonders das Haslithal und der Grindelwald, find vielfäk tig geſchildert worden, am vorzuͤglichſten aber durch die Darſtellung des Grindelwalds in Hoͤpfners Magazin fie die Naturkunde Helvetiens, Zürich, 1787, 4 Bde. 8vo, im erſten Bande Seite x. Hieher gehört auch die uns nachahmliche Beſchreibung des Saanenlands, mit der uns Herr von Bonſtetten durch ſeine Briefe uͤber ein Schwei⸗ zeriſches Hirtenland, Baſel, 1782, 800, beſchenkt hat, fo wie die kleinen Aufſaͤtze des Herrn Bridel, die im Archiv kleiner Reiſen aufbewahrt ſind, naͤmlich eine Reiſe von Bex nach Sitten über den Berg Anzeindax, und eine andre auf den Berg Taveyannaz, und die uns über bis itzt ganz unbekannte Gegenden Aufſchluß geben.

Der von vielen Geologen als Mittelpunkt der ganzen Alpenkette angenommene Gotthardt iſt ſo oft beſucht und beſchrieben worden, daß man bald an der Moͤglichkeit zweifeln moͤchte, etwas neues auf demſelben entdecken zu können. Ohne ſo viele Schriftſteller anzufuͤhren, die ſei⸗ * Meldung thun, möchten hauxtſaͤchlich Schinz in

feinen Beyträgen zur nähern Kenntniß des Schweizerlandes, 4 Hefte, Zürich, 1783, 800, Sauſſuͤre im vierten Theil ſeiner Reiſen und Ebel in ſeiner Anleitung beynahe alles erſchoͤpft haben, was über dieſe Gebirgs maſſe zu ſagen iſt. Weniger durchſucht als der Gotthard ſelber ſind die Neben⸗ ketten und dazwiſchen liegenden Thaͤler, die ſich von dem⸗ ſelben gegen Süden herunterneigen. Zwar finden wir in dem oben gedachten Werke des Herrn Pfarrer Schinz die vollſtaͤndigſte Beſchreibung, die wir bis itzt vom Livnerthal und von der Italieniſchen Schweiz beſitzen. In den oben geruͤhmten Werken des Herrn von Bonſtetten und der Frau Brun finden ſich ſehr gute Nachrichten über dieſe Gegenden, doch haben alle dieſe Schriftfteller kuͤnftigen Reiſenden eine reiche Erndte zu Beobachtungen aller Art hinterlaſſen. Wenn ſchon die Bergketten, die ſich von der nördlichen Seite des Gotthards durch verſchiedene Kantone der Schweiz vertheilen, beſonders die dazwiſchen liegenden bewohnten Thäler, zu den gekannteſten Gegenden Helvetiens gehoren, davon man in unzaͤhlichen Buͤchern Schilderun⸗ gen findet, fo möchten dennoch verſchiedene Bergſtrecken,

nicht wenige Neben⸗ und Bergthaͤler einer genauern Be.

ſchtigung vollkommen wuͤrdig ſeyn. Wie wenig kennen wir noch die Nebenkette, ſamt den dazwiſchen liegenden Bergthaͤlern, welche Buͤndten von den kleinen Kantonen und Glarus ſcheidet. Wenn uns ſchoͤn Ebel in ſeiner Schil⸗ derung der Gebirgsvölker der Schweiz, Leipzig, 1800, 2 Thle. 800, und in feiner Anleitung, und Steinmuͤller in ſeiner Alpen⸗ und Landwirthſchaft des Kantons Glarus, 1802, 800, Winterthur, vortreffliche Beytraͤge zur Kennt⸗ niß des Kantons Glarus geben, fo möchten die Gegenden deſſelben, welche an Buͤndten und den dermaligen Kanton St. Gallen grenzen, noch mancher Unterſuchung bedürfen. Die Gebirge, innert welchen die kleinen Kantone und

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ein Theil des Kantons Luzern liegen, find zwar groͤßten⸗ theils auf dem Basrelief des General Pfifer unnachahmlich vorgeſtellt, allein eine allgemeine geographiſche Beſchrei⸗ bung derſelben fehlt noch, und man muß die Materialien dazu aus verſchiedenen Reiſebeſchreibungen, aus kleinen Aufſaͤtzen, die hin und wieder, unter anderm auch im Archiv kleiner Reiſen verſtreut ſind, zuſammenſuchen. Sehr brauchbar ſind dazu auch Balthaſars hiſtoriſche, topographiſche und ökonomiſche Merkwürdigkeiten des Kan⸗

tons Luzern, 3. Thle. Luzern 17851789, 800, und Be⸗

ſchreibung einiger Berge des Entlebucher Thales von Pf. Schnyder, Luzern, 1783, vo.

Wenn eigentlich ſchon die Schweizeralpen bis zum ur⸗ ſprung des Hinterrheins oder zum Muſchelhorn reichen ſollen, fo will ich die Reihe der Alpen, welche den Kan⸗

ton Graubündten durchſchneiden, zuſammen nehmen, weil

ſie durchaus beynahe unbekannt iſt. Was die aͤltern Geo⸗ graphen und Reiſenden davon geſagt haben, beſteht in einem Gewebe von Unrichtigkeiten. Die erſte, etwas be⸗ ſtimmte, doch von Fehlern auch nicht freye Nachricht giebt uns Hacquet in ſeinen phyſikaliſch⸗ politifchen Reifen, aus den Dinariſchen durch die Juliſchen, Carniſchen, Rhaͤ⸗ tiſchen in die Noriſchen Alpen, im Jahre 1781 und 1783 unternommen. Leipzig, 1785, 2 Thle. 8vo. Leider konnte

ſich dieſer aufmerkſame Alpenforſcher zu wenig Zeit in un⸗

ſerm Lande aufhalten. Nicht weniger ſchaͤtzbar iſt, was

wir über verſchiedene Theile dieſer Gebirge in Storr's ji

Alpenreiſe, Tübingen, 1786, ato, 2 Thle. antreffen. Das getreuſte Bild aber, das wir von denſelben erhalten, finden wir in dem Verſuch einer Beſchreibung der Gebirge

der Republik Graubuͤndten, im Großen gezeichnet von

Uliſſes von Salis, abgedruckt in Faͤſis Bibliothek Th. a, Seite 388. Sowohl Norrman, der von allen Erdbeſchrei⸗

11,

pern die richtigſte Darſtellung von Buͤndten geliefert hat, als Ebel in ſeiner Anleitung, haben dieſe eſchreibung 4

meines Vaters benutzt. Der letztere hat noch uͤber dieß

in jenem Werke einen ſolchen Schatz von Nachrichten über _ Buͤndten geſammelt, daß ich mich im höͤchſten Grade

verwundern muß, wie er ‘bey fo duͤrftigen Hilfsmitteln ſo wenig Fehlerhaftes ſagen konnte. Zerſtreute aber gute

Beytrage liegen in der von 1779 bis 1784 in Chur her⸗

ausgekommenen Wochenſchrift: der Sammler, verborgen ). Auch findet man in Höpfnerd Magazin, im vierten Theil,

Seite 1. eine vortreffiche Schilderung des Thals Bretti⸗

gau vom Pfarrer Pool, und in Faͤſt's Bibliothek, im zweyten Theile, Seite 389, vom naͤmlichen Pool eine Skizze des Thals Ferrera. Der neue Sammler, der feit

1805 von der ökonomiſchen Geſellſchaft des Kantons Grau -

bündten herausgegeben wird, enthalt auch ſchon mehrere

Aufſaͤtze, durch welche die Kenntniß dieſes Landes erwei⸗

tert wird. Allen dieſen Nachrichten ungeachtet giebt es

ganze Gebirgszuͤge in dieſem Land, die noch gar nie ſind

beſucht worden, und ſo viele nur füͤchtig beſchriebene Gegenden, daß es für die Alpina eine reiche Quelle der intekeſſanteſten Aufſaͤtze abgeben kann.

In Joſeph von Sperges Tyroliſcher Bergwerksge⸗ \

ſchichte, Wien, 1765, 800, möchte man wohl die erſten

richtigen Nachrichten von den Tyroleralpen ſinden. Eine

eee beſonders der Eisberge Tprold,

Bi = Ich Tage verborgen, denn dieſe Wochenfchrift Far nicht

eigentlich in den Buchhandel, und da man fie halbe Bogen⸗

* herausgab, ſo ſammelten ſie wenige zuſammen, und ganze Exemplare haben ſich ſehr ſelten gemacht, Wir wer⸗

den aber in dem gegenwaͤrtigen Werk alles dasjenige, was

10 hauchbar dl,

12

liefert Joſtph Walcher in ſeinen Nachrichten von den Eis⸗ bergen im Tyrol, Wien, 1773, 8vo. In des Ritters von Moll Annalen der Berg: und Huͤttenkunde, Salzburg, 1802 1806, 2 Bde. und des dritten Bandes erſte und zweyte Lieferung, 8vo; im erſten Band dritter Lieferung, Seite 1. verbreitet ein Aufſatz des Herrn Gubernialrath Karl Ployer: Von dem Streichen der Gebirge aus der Schweiz nach Tyrol und die inneroͤſterreichiſchen Laͤnder bis nach Ungarn viel Licht uͤber den Lauf und die Natur der Tyroler⸗Gebirge. Schade daß Herr von Buch nicht Gelegenheit gehabt hat, die ganze Kette dieſer Alpen ſo wie denjenigen Theil zu bereiſen, den er uns in ſeinen geognoſtiſchen Beobachtungen auf Reiſen durch Deutſch⸗ land und Italien angeſtellt, Berlin, 1802, 800, auf eine unnachahmliche Weiſe beſchreibt. Um eine vollſtaͤndigere Kenntniß über dieſe Gebirgsgegenden zu achat kann man auch folgende Werke benutzen:

Johann Karl Haukh, Leitfaden zu der Kenntuiß der gefürfteten Grafſchaft Tyrol. Insbruck, 1793, kl. 800%

Joſeph Rohrer, über die Tyroler. Wien, 1796, kl. 8.

Joſeph Rohrer, Abriß der weſtlichen Provinzen des oͤſterreichiſchen Staates. Wien, 1804, vo. f

So wie auch folgende zwey Auſſaͤtze:

Joſeph von Senger, Beſchreibung einer Wanderung nach dem Schneeberge. In von Moll's Jahrbüchern der Berg: und Huͤttenkunde, Salzburg, 1797-1801, 5 Bde. 300; im vierten Bande, Seite 156.

Alois Pfaundlers, uͤber die merkwuͤrdige Gegend von Faſſa in Tyrol, in des beſagten Herrn von Moll's An⸗ malen, im zweyten Bande, Seite 161.

Die meiſten der eben angeführten Schriften tragen auch zur naͤhern Kenntniß der großen Nebenkette der Alpen dey, welche unter dem Ramen der Noriſchen Alpen vom

13 Dreyherſpitz an das Tyrol in Süden durchſchneidet, hauptſaͤchlich aber wird ſie von Hacquet beſchrieben, theils in feinen oben benannten Reifen , theils aber in einem andern Werke: Reifen durch die Norifchen Alpen phyſika⸗ liſchen und andern Inhalts, unternommen in den Jahren 1784— 1786. Nuͤrnderg, 1791, 2 Thle. vo.

Wie wenig aber auch die Tyroleralpen durchgehends bekannt ſind, beweiſet unter anderm die erſt vor einem Jahre gemachte Entdeckung, daß ſie am Orteler einen der hoͤchſten Gipfel in Europa beſitzen, der bis damals noch nie erſtiegen worden iſt.

Unbekannt iſt die mit Gletſchern bepanzerte Gebirgs⸗ maſſe um dieſen Rieſen herum, undurchforſcht die Neden⸗ kette, die von demſelden gegen Weſten zieht, das Veltlin vom ehemaligen Venetianiſchen und Mailaͤndiſchen trennt, und beym erhabenen Riz Legnone am Comerſee aufhoͤrt. Wenig bereiſet wurde die Kette, die vom eiſigen Fermunt an Buͤndtens Grenze aus, gegen Oſten Tyrol von Schwa⸗ ben trennt und ſich in Baiern verliert. Doch bald wer⸗ den wir von allen dieſen Gebirgen die erwuͤnſchteſten Nach⸗ richten erhalten, denn ein aufgeklaͤrter Fuͤrſt, ein Erzher— zog Johann von Oeſterreich läßt fie auf feine Koſten durch den Profeſſor Gebhard bereiſen, um fie auf das genaueſte beſchreiben zu laſſen; ſo darf man alles fuͤr die Erweite⸗ rung der Wiſſenſchaften hoffen, wenn dieſelben Goͤnner ſinden, die Willen und Macht vereinigen.

Schwerlich würden wir ſchon fo viele Kunde von den Salzburgiſchen Alpen haben, wenn es ſich nicht ein Ge⸗ lebrter, wie der Ritter von Moll, ſchon lange zum Ge⸗ ſchaͤfte gemacht haͤtte, ſein Vaterland bekannter zu machen. Schon in den naturhiſtoriſchen Briefen uͤber Oeſterreich, Salzburg, Paſſau und Berechtsgaden von Franz vou - Yaula Schrank und Ritter von Moll, Salzburg, 1785,

* * Der

©

14

2 Thle. 805, und in den oderdeutſchen Beytraͤgen zun

Naturlehre und Oekonomie fuͤr das Jahr 1787; geſam⸗

melt und herausgegeben von Karl Ehrenbert von Moll, Salzburg, 1787, 800, und in den Abhandlungen einer Privatgeſellſchaft von Naturforſchern und Oekonomen in Oberdeutſchland; herausgegeben von Franz von Paula

Schrank, München, 1792, 800; hauptſaͤchlich aber in den oben angeführten Jahrbuͤchern und Annalen trifft man

verſchiedene ganze Aufſaͤtze und viele einzelne Bemerkungen

zur Kenntniß dieſer Gebirge an. Man kann dieſelbe vor⸗

zuͤglich durch folgende Werke vervollſtaͤndigen: Reiſen durch Salzburg; von Friedrich Michael Vier. thaler. Salzburg, 1799, 800.

In Leopold von Buch's geognoſtiſchen Beobachtungen, die dritte Abtheilung, welche die Reiſe durch Berechtsgaden

und Salzburg enthaͤlt.

J. A. Schultes Reiſe durch Salzburg und Berechts⸗ gaden. Wien, 1804, 2 Thle. Svo.

Benutzen kann man auch:

Reiſe durch Oberdeutſchland, in Briefen an einen ber⸗ trauten Freund. Ohne Druckort, 1801, 8vo.

Topographiſche Beſchreibung der Landſchaft Lungau im Fuͤrſtenthum Salzburg; von J. B. H. 1786, gvo.

Es moͤgen in Zeitſchriften und andern Sammlungen noch manche Beytraͤge enthalten ſeyn, die auch zur Beleuch⸗ tung dieſes Berggelaͤndes dienen können. Gewiß iſt es, daß die intereſfanteſten Parthien der Salzburgiſchen und der angrenzenden Oeſterreichiſchen Alpen, der Groß Glock⸗ ner und ſeine Umgebungen auch durch die großmuͤthigen Unterſtützungen und Bemühungen eines edel denkenden Fuͤrſten, des Fuͤrſtbiſchoffs von Gurk, der Nacht der Ver⸗ geſſenheit entriſſen, ja auf eine, bis itzt nie erhoͤrte Weiſe

15 Anſtalten getroffen worden ſind um die Nachforſchungen der Gelehrten auf Gebirgen zu erleichtern.

Wenn ſich ſchon oͤſterreichiſche Patrioten hin und wie⸗ der beklagen, daß ihre vaterlaͤndiſchen Gebirge von Einhei⸗ miſchen ſo wenig beſucht werden, während: dem ſie die zur Mode gewordenen Reiſen in die Schweizeralpen als eine Pflicht anſehen, ſo haben wir doch ſeit einigen Jahren gute Materialien zur Kenntniß des Theiles der Alpenkette, die zwiſchen Salzburg und Kaͤrnthen liegt, Steyermark durch» ſchneidet und ſich unweit Graͤtz verltert, bekommen. Auch von der andern Nedenkette der Alpen, die man von den Grenzen des Tyrols an die Karniſchen und Juliſchen nennt und eine Fortſetzung der obgedachten Noriſchen ſind, beit man vorzügliche Nachrichten.

In Anſehung der Haubtlette zeichnen fie folgende Werke aus: f Allgemeine Ueberſſcht des N RN Steyermark, in Rückſicht feiner geographiſchen und phyſiſchen Beſchaf⸗ fenheit ꝛc. Von Joſeph Freyherrn von Lichtenſtern. Bien, 4799 ı 800. Wan a

J. Karl Ungers Reiſe durch Oeſeretchiſch und Steyer fr Gebirgsgegenden. Wien, 1803 vo,” J. A. Schultes Reiſe auf den Glockner. Wien, 1804, 2 Theile, 8do. Jaoſeph Rohrers Abriß der weſlichen braven des Oeſterreichiſchen Staates. Wien, 1804, 8vo. f In den Werken, die eigentlich der Naturgeſchichte die⸗ ſer Gegenden gewiedmet ſind, findet man auch gute No⸗ tigen zur Geographie derſelben, fi e werden weiter unten vorkommen.

Ueber die Karniſchen und Juliſchen Alpen wuͤrde man vergebens feine Wifbegierde zu flillen ſuchen, wenn wir nicht des verdienſtvollen Hacquets Reifen und beſonders

46

feine Oryctographia - Carniolica, Wien und Leipzig, 1788, 4 Bde. 410, beſaͤſſen.

w

Raturgeſchichte der Alpen.

Die Herausgeber der Alpina wuͤnſchen beſonders die Naturgeſchichte der Alpen nach allen ihren Zweigen mit neuen Beytraͤgen zu bereichern. Sie glauben in dieſem Fache ein großes Feld vor ihnen geoͤffnet zu ſehen, in welchem, wenigſtens in einigen Theilen derſelben, noch wenig iſt vorgearbeitet worden.

Nicht einmal die vernuͤnftigen Bewohner der Alpen find durchgaͤngig mit der Genauigkeit beobachtet und be⸗ ſchrieben worden, die ſie doch in ſo vielen Ruͤckſichten ver⸗ dienen. Wenig oder nichts wiſſen wir von den Anwoh⸗ nern der Quellen des Varo und des Po, von den. Bes

ruͤhmt gewordenen Barbets und von den Hirten auf den

Cottiſchen Alpen. In von Sauſſuͤre Rei ſen werden wir zuerſt mit den Voͤlkchen bekannt, welche den nördlichen Theil der Griechiſchen Alpen, das Chamounithal und die

benachbarten Alpengegenden beleben. Auch er macht uns

auf die wilden deutſchen Aelpler aufmerkſam, welche die bey⸗ nahe unzugaͤnglichen Weiden des Monte Cervino, Monte Roſa und des Griesbergs benutzen. Erſt durch von Bons ſtettens Reiſen kann man ſich einen Begriff von den Ein⸗ woynern der Thaler machen, die aus dem Kanton Teſſin in die Hauptkette dringen. Wie viel aber iſt daſelbſt, und in allen Thaͤlern, die ſich fo raſch von den kaͤlteſten Regio⸗

nen in Italiens Elyſtum herunterſenken, zu beobachten?

Selbſt von den biedern Walliſern, dieſen wahren Soͤhnen der Freyheit, beſitzen wir noch ſo wenig, als von manchen weit entfernten Nationen; denn was uns Boutrit in feiner

17

HBeſchreibung der Penniniſchen Alpen und verſchiedene Reis ſende im Vorbeyeilen von ihnen melden, iſt dürftig genug. Keines unſerer Alpenvoͤlker wurde häufiger beſucht, als die Berner⸗Oberlaͤnder, und de L Gemaͤlde ihrer Sitten, in ſeinen Briefen uͤber die Berge und die Geſchichte der Erde, Leipzig, 1778, Soo, entzuͤckt jeden entfernten Leſer, allein aus ſeinen Schilderungen und aus denjenigen ſo vieler Reiſenden, die jene Gegenden beſucht haben, erhaͤlt man weder eine ſo vollkommene noch viel weniger eine ſo reizende Darſtellung, als uns Herr von Bonitetten in feinen Briefen uͤber ein ſchweizeriſches Hirtenland, uͤber die, wenigſtens damals ſo gluͤcklichen Bewohner des Sanen⸗ lands gegeben hat. Viel gute Materialien liefert Schinz in feinen ſchon arte „geführten Beytraͤgen zur Kenntniß der Transalpiniſchen Schweizer, und werden dieſe Gegenden in Hinſicht ihrer Bewohner von Ebel auf gleiche Weiſe bearbeitet, wie derſelbe ſchon die Appenzeller und Glarner in ſeiner Schil— derung der Gebirgsvoͤlker, Leipzig, 1798—ı802, 2 Thle. 8vo, gezeichnet hat, und hoffentlich auch die alten Söhne Tells und die Walliſer darſtellen wirb: ſo erhalten wir von den eigentlichen Schweizern ein Gemälde, wie wenige Laͤn— der ein aͤhnliches von ihren Einwohnern werden aufiveifen koͤnnen.

Wenn wir auch aus Campels Topographie Rhaͤziens, die

bis itzt nur noch in Handſchrift vorhanden iſt, ſehr ſchaͤtzbare Züge von den Bewohnern Buͤndtens zu Ende des ſechszehn— ten Jahrhunderts liefern koͤnnten; fo wuͤß ten wir dafuͤr deſto weniger Quellen anzugeben, woraus man die dermaligen Buͤndtner kennen lernen könnte. Lehmann hat zwar in ſeinen verſchiedenen Schriften, die von dieſem Lande han— deln, viel von deſſen Einwohnern erzaͤhlt, ſichtet man abes das Falſche von dem Wahren aus, ſo bleibt wenig Brauch⸗ 3

18

bares zuruͤck. Einige fehr gute und wahre Nachrichten hat Zſchokke in ſeinen hiſtoriſchen Denkwuͤrdigkeiten der helvetiſchen A e Winterthur, 1802, Bde. 800, im erſten Band vol Seite 53 bis 108 geliefert, und im obbemeldten neuen Sammler wird man ſchon in den drey erſten Heften mit den Eigenthuͤmlichkeiten einiger Buͤndtnervoͤlker bekannt, die man vergebens in andern Werken ſuchen wuͤrde.

Die Voͤlker der Alpen, welche innert den Grenzen der oͤſterreichiſchen Monarchie liegen, waren vor dreyßig Jah⸗ ren eben ſo unbekannt, und ſind es heut zu Tage zum Theil noch, als diejenigen, die nun unter dem Szepter eines italieniſchen Koͤnigs ſtehen. Ueber jene hat der ſchon oft geruͤhmte Hacquet angefangen, einiges Licht zu ver⸗ breiten, und Joſeph Rohrer hat die Zeichnung in folgenden drey Schriften weiter ausgefuͤhrt:

Ueber die Tyroler, Wien, 1796, 800; in feinem Abriß der weſtlichen Provinzen ꝛc. und hauptſaͤchlich in ſeinem Verſuch über die deutſchen Bewohner der oͤſterreichiſchen Monarchie, Wien, 1804, 8vo. Manches intereſſante Bruchſtuͤck kann man noch aus Haukhs Leitfaden und aus den Reiſen Carl Ungers, Vierthalers, Schultes und ande⸗ rer zuſammen ſammeln, und bey dem dermaligen Beſtre— ben jo vieler würdigen Gelehrten in den oͤſterreichiſchen Landen ihr eignes Vaterland kennen zu lernen, werden wir bald mit ihren Mitbuͤrgern in den entlegenſten Alps thaͤlern vertraut werden.

Mit den Alpenvoͤlkern in den Gebirgen, welche das italieniſche Koͤnigreich von Buͤndten und dem Tyrol tren⸗ nen, hat es nicht dieſe Bewandtniß. Wenn ſchon Leh⸗ mann die Bemerkungen anderer Beobachter, die er nicht nennt, gepluͤndert hat, um der Welt die Wormſer und Veltliner zu ſchildern; ſo hat er doch ſeinen Gegenſtand

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nichts weniger als erſchöͤpft, und bon den Bewohnern der Thaͤler Cammonica, Brembana, Seriana und Saſſina wiſſen wir gar nichts. Die Italiener waren zu bequem, um ihre Mitbuͤrger in den Gebirgen zu beſuchen, und fremde Reiſende haben ſich ſelten in wilde Gegenden ge— wagt, die bis itzt immer von Straßenraͤubern wimmelten und wo man keinen Begriff von Polizey hatte.

So wenig es bis daher jemandem in den Sinn gekom⸗ men iſt, eine allgemeine Naturgeſchichte der Alpen zu ſchreiben, eben ſo wenig ſind einzelne Theile derſelben be— handelt worden. In Anſehung des Thierreichs liefert Konrad Geßner in ſeiner Historia animalium, Tiguri, 1551, Fol. 4. Vol. als ein Alpenbewohner recht gute Beytraͤge dazu, und auch Scheuchzer in ſeiner Naturge— ſchichte des Schweizerlandes und in ſeinen Alpenreiſen hat von allen drey Reichen der Natur mehr geleiſtet, als man von den damaligen Zeiten erwarten konnte. Allein noch waͤren wir nicht im Stand, etwas Vollſtaͤndiges, weder von der Naturgeſchichte der Alpen überhaupt, noch von eins zelnen Reichen noch Klaſſen derſelben zu geben. Fangen wir bey der Zoologie an, verſuchten wir aus den koſtbar⸗ ſten und bewaͤhrteſten Schriftſtellern, aus des Grafen von Buͤffon und des Praͤſidenten von Schrebers Werken eine Naturgeſchichte der vierfuͤßigen Thiere zuſammen zu ſchrei⸗ ben, ſo wuͤrde dennoch eine ſehr unvollſtaͤndige Arbeit an den Tag kommen. Wahr iſt es aber, daß man in des Deutſchen ſehr ſchaͤtzbarem Werke unendlich mehr Zuver⸗ laͤßiges findet, als in jenem des Franzoſen.

Wenn man ſich vorſetzt, zu einer Zoologie der Alpen nur ſolche Schriftſteller zu benutzen, die entweder ſelbſt beobachteten, oder doch aus den zuverlaͤßigſten Quellen ſchoͤpften; ſo muß ich, ſo viel mir bekannt iſt, glauben, daß nur folgende Thiere der Alpen find beſchrieben worden;

20 Das Murmelthier, Arctomyx Marmota. Im

Sammler, einer gemeinnuͤtzigen Wochenſchrift für Buͤnd⸗

ten, im vierten Bande Seite 217 und folgende. Dieſe Beſchreibung wurde vom verdienſtvollen Herrn Doktor Am⸗ ſtein in Zizers, der auch um die Naturgeſchichte von Buͤndten ſich ſo viel bemuͤhet hat, aus den zuverlaͤßigſten Quellen für des Herrn von Schrebers Werk über die Saͤugthiere verfaßt, worin ſich auch, Tab. 207 eine vor trefſſiche Abbildung befindet, und in obige Wochenſchrift eingeruͤckt iſt. Was Herr Hofrath Girtanner von dieſem Thiere in Hoͤpfners Magazin, im vierten Theile Seite 370, meldet, iſt meiſtens aus obiger Abhandlung genommen.

Vom Berghaſen, Lepus variabilis, der unſtreitig eine eigne Art, und zwar eine Mittelart zwiſchen dem gemeinen Haſen und dem Kaninchen iſt, findet man in obbenann⸗ tem Sammler, im fuͤnften Theile, Seite 179 und 219, gute Nachrichten.

Herr Doktor Amſtein hat in den memoires de la société des sciences physiques de Lausanne. Lau- sanne, 17841790, 4to, trois Vol. im zweyten Theile, Seite 266, eine ſehr ſchoͤne Abhandlung ſamt Abbildung geliefert.

Vom Bär, Ursus Arctos, habe ich Beyträge zu deſ⸗ fen Naturgeſchichte in Hoͤpfners Magazin, im zweyten Theile, Seite 134, eingeruͤckt.

Der Luchs, Felis Lynx, iſt in Buͤndten auch ein⸗ heimiſch. Alle Nachrichten, die ich über feine Naturges ſchichte habe ſammeln koͤnnen, ſtimmen mit denjenigen uͤberein, die ich uͤber den Luchs in Abruzzo, in meinen Reiſen durch einige Provinzen des Koͤnigreichs Neapel de⸗ kannt gemacht habe.

Der Steinbock, Capra Ibex. Herr Berthout van Verchem hat uns mit vortrefflichen Beytraͤgen zur Natur⸗

d

21

gefchichte dieſes in der Schweiz ganz ausgerotteten Thiers und mit einer guten Abbildung deſſelben in den Mémoires de la société de Lausanne, im zweyten Theile, Seite 165, beſchenkt, woraus ſie vermuthlich Herr Hoͤpfner in ſein Magazin, Th. 4, Seite 334, aufgenommen hat. Herr Hofrath Girtanner hat in Roziers Journal de physique und in Hoͤpfners Magazin, Th. 4, Seite 381, dieſe Bey⸗ träge noch mit einigen Beobachtungen vermehrt, welche zu einem neuen Aufſatz des Herrn van Berchem im zgiien Theil des obgedachten Journal de physique Anlaß gege- ben haben, worin er einige Meinungen des Herrn Hofs raths beſtreitet, die aber derſelbe in einem der folgenden Theile rechtfertigt. Auch der Ritter von Moll giebt uns in ſeinen naturhiſtoriſchen Briefen, im zweyten Band, einige Nachrichten uͤber die Geſchichte dieſes Thieres im Salzburgiſchen, welches aber nun auch daſelbſt nicht mehr zu finden iſt. Core hat feine Beſchreibung von van Ber⸗ chem entlehnt ), woher er aber ſeine Abbildung, im zweyten Theile, Seite 48, hat, weiß ich nicht.

Die Gemſe, Antilope Rupricapra. In Hoͤpfners Magazin, im zweyten Theile, Seite 112. Ich habe aber ſeit dem Gelegenheit gehabt, das Thier in feinem Natur⸗ ſtand ſelbſt zu belauſchen, und mit ſehr erfahrnen Jaͤgern davon zu ſprechen; ſo daß ich im Fall bin, dem kuͤnftigen Monographen dieſes Thiers, manche Beytraͤge mitzu⸗ theilen.

Die Naturgeſchichte aller obbenannten Thiere mag, der ) Ich muß bey dieſem Anlaß bemerken, daß die Faunula

Helvetica, die Coxe in ſeinen Reiſen, Pariſer Ausgabe von.

1790, im dritten Theile, Seite 365, mittheilt, weder volle

ſtaͤndig noch richtig iſt. Man kann dieſes Verzeichniß kaum

als einen Leitfaden gebrauchen.

22.

angeführten Befchreibungen ungeachtet, noch mancher Bes richtigung beduͤrfen; derjenige der Gliren, Spitzmaͤuſe / Maulwuͤrfe und Frettarten ebenfalls. Und ſollten einmal die Maͤuſe, Fledermaͤuſe und Wieſelarten genau unter⸗ ſucht werden, ſo wird man noch wohl gar neue En deckungen zu machen haben.

Noch viel weniger als die vierfuͤßigen Thiere find dit Vogel der Alpen beobachtet worden.

Eine Art Ueberſicht der Voͤgel, welche innert den Gren⸗ zen der Schweiz gefunden werden, giebt uns Andrea in ſeinen Briefen aus der Schweiz nach Hannover geſchrieben, Zurich und Winterthur, 1776, gr. 4to, bey Anlaß der, Seite 186 u. f. enthaltenen Beſchreibung des Spruͤng⸗ liſchen Kabinets.

Der naͤmliche liefert uns eine Beſchreibung des Laͤmmer⸗ geyers, Seite 195, die frey lich ſehr unvollſtaͤndig iſt, und eine ziemlich gute Abbildung des Kopfs dieſes Raubvogels auf Tab. 12. a. und b. Wirklich intereſſant find feine Nachrichten von der Fluͤelerche, Seite 202, und nicht uͤbel die Abbildung, Tab. 13. N

Rur fuͤr den Kaͤufer iſt das Raͤzeriſche Verzeichniß ſchweizeriſcher ausgeſtopfter Voͤgel brauchbar und noch ſehr unvollkommen; Meißners Verzeichniß der Vögel in der Schweiz, 1804, 300. Was uns Core über die Ornitho⸗ logie der Schweiz mittheilt, hat er meiſtens aus Andreaͤ genommen.

Sowohl in Storrs Alpenreiſe, als in von Molls natur⸗ hiſtoriſchen Briefen, ſo wie in Scopoli Annus historico- naturalis, Lipsiae, 1772, 5 Theile, 8vo, im erſten Bande, treffen wir einzelne vortreffliche Beytraͤge zur Voͤ⸗ gelgeſchichte der Alpen an; allein nur Fragmente, denn dieſe öffnet uns ein großes Fach zu neuen Beobachtungen und Entdeckungen, und es freut mich, mit Zuverſicht

23

ſagen zu dürfen, daß einer der Hauptmttarbeiter an der Alpina die wichtigſten Beyträge zur Zoologie und Or— nithologie der Alpen liefern wird.

Es iſt mir kein einziges Werk bekannt, worin die Natur⸗ geſchichte der Amphibien der Alpen verhandelt wird. Eins zelne Bruchſtuͤcke mögen ſich wohl hin und wieder befinden, doch haͤtte ein Naturforſcher hier ein beynahe ganz unbe— arbeitetes Feld vor ſich. Ich muß hier nur beylaͤuſig be— merken, daß nach neuen Beobachtungen die Fabeln Scheuchs zers von Drachen und Baſilisken in den Gebirgen ihren Grund in dem Daſtyn außerordentlich dicker Schlangen⸗ arten haben, die dann und wann auf den Alpen angetrofs

fen werden. Erſt nach genauern Unterſuchungen kann

ich das Naͤhere daruͤber berichten.

Etwas mehr hat man ſich um die Ichtiologie der

Alpen bekuͤmmert. Ign der beliebten Zeitſchrift der Naturforſcher, Halle, 1774 bis 1804, 30 Stuͤcke, 8vo, im zıflen Stuͤck, Seite 213, und im zaſten, Seite 113, des Herrn Doktor Wartmanns von St. Gallen, Whand uns vom Fiſchbrod im Bodenſee.

In den Beſchaͤftigungen der Berliniſchen Geſellſchaft naturforſchender Freunde, im dritten Theile, Seite 184, des eben gedachten Doktor Wartmanns Beſchreibung und Naturgeſchichte des Blaufelchen, ſo wie auch einige Nach⸗ richten vom Weißfelchen, Salmo Lavaretus.

In den Beobachtungen und Entdeckungen aus der Naturkunde der obbemeldten Geſellſchaft, im zweyten Bande, Seite 297, Franz von Paula Schrank Beytraͤge zur Naturgeſchichte der Bergforellen, Salmo alpinus.

Im vierten Bande bemeldter Schriften, Seite 55 Doktor Wartmann von der Rheinanke, Salmo Illanca, und Seite 69 von der Alpforelle. 5

24

Im naͤmlichen Theile, Seite 427, Profeſſor Schrank über den Salmo Renke, und Seite 429, Nachtraͤge zu Salmo alpinus. Seite 429, Doktor Wartmanns Zuſaͤtze zur Naturgeſchichte des Weißfiſches oder Adelfiſches.

Kaum des Anfuͤhrens werth iſt, was Herr von Sauſ— ſuͤre in ſeinen Reiſen, im erſten Theil, Seite 15, von den Fefchen und Voͤgeln des Genſerſee's ſagt.

Und dieſes iſt auch alles, was mir uͤber die Naturge⸗ ſchichte der Fiſche in den Alpen vorgekommen iſt. Ver⸗ muthlich hat zwar Herr Baron von Meidinger auch ver⸗ ſchiedene Fiſche aus den Gewaͤſſern der oͤſterreichiſchen Als pen abgebildet in feinem Prachtwerke Icones piscium Austriae indigenarum decuriae V. Viennae, 179% Fol. Ich kenne aber dieſes Buch nicht.

Viel mehr Liebhaber fanden auch in den Alpen, ſo wie uͤberall, die Inſekten, obgleich auch bey denſelben noch manche Entdeckung zu machen ſeyn wird.

Beytraͤge zur Inſektenkunde der italieniſchen Alpen lie⸗ fern Carl Allioni Manipulus Insectorum Taurinen- sium in den Melanges de la societe royale de Turin 1762 1765, und Leonard de Prunner in Lepidop- tera Redemontana Augustae Taurinorum, 1798, 8vo.

Herr von Sauſſuͤre hat gelegentlich die Inſekten bes merkt, die ihm auf feinen Reifen durch die Alpen aufge ſtoſſen ſind. Viele Inſekten der Schweizeralpen hat Johann Caſpar Fuͤßlin in feinem Verzeichniß ſchweizeriſcher Inſek— ten, Zürich, 1775, 4to, einige Sulzer in feiner abgekuͤrz⸗ ten Geſchichte der Inſekten, Winterthur, 1776, 4to, und verſchiedene Liebhaber in J. C. Fuͤßlins Archiv der Inſek⸗ tengefchichte und in feinem Magazin für die Liebhaber der Entomologie, Zürich, 1778, 8vo, bekannt gemacht. Allein die reichhaltigſte Erndte wird uns wohl die helvetiſche Entomologie oder Verzeichniß der ſchweizeriſchen Inſekken,

25 Zuͤrich, 1798, 800, geben, davon aber nur noch der erſte Theil erſchienen iſt, und die Fortſetzung mit Ungeduld erwartet wird.

Von den Tyroleralpen hat uns Herr von gaicharting den Anfang einer Inſektenfaune, Zuͤrich, 1781, 2 Theile, Zvo, gegeben, die jeden Entomologen nach dem ganzen Werke ſehr luͤſtern machten, leider blieb es aber unvollendet.

In J. C. Fuͤßlins neuem Magazin fuͤr die Liebhaber der Entomologie finden wir im erſten Theile, Seite 370, den Anfang eines Verzeichniſſes der ſalzburgiſchen Inſekten von Ritter von Moll, welches im zweyten Theil, Seite 27 und 169 fortgeſetzt, aber nicht vollendet iſt. Auch Profeſ⸗ ſor Schrank zeiget im naͤmlichen Band, Seite 313, die berechtsgadiſchen Inſekten an.

Von den Inſekten, die ſich auf den oͤſterreichiſchen Als

pen aufhalten, handeln Scopoli Entomologia Carnio- lica. Vindobonae, 1763, 8 vo, Franc. de Paula Schrank Enumeratio Insectorum Austriae indigeno- zum. August. Vindel. 1781, 8vo. Reiner und von Hohenwart botanifche Reifen nach einigen oberkaͤrntneriſchen Alpen, 1792, 800, und Schultes Reiſe auf den Groß— Glockner, und verſchiedene in Journalen zerſtreute Aufſaͤtze. Auch die Entomologie der Alpen iſt bey weitem noch nicht erſchoͤpft, und bald jede bedeutende Bergreiſe giebt zu neuen Entdeckungen Anlaß.

Noch niemand hat ſich, ſo viel mir bewußt iſt, mit der Naturgeſchichte der Wuͤrmer, die innert den Grenzen der Alpenkette ſich aufhalten moͤgen, abgegeben, ſie erwartet noch einen Mann, der ſich der Aufſuchung und Beſtimmung

dieſer Thiere wiedmet.

Die Pflanzen waren unter allen Naturkoͤrpern die er⸗ ſten, die man mit einiger Aufmerkſamkeit betrachtete und zuſammen ſuchte. Daß wegen wäre es auch nicht fo ſchwer,

* \ 26

eine ziemlich reichhaltige Flora Alpina zu liefern. An vie⸗ len und guten Huͤlfsmitteln dazu fehlt es nicht. Ohne von einer Menge einzelner Abhandlungen zu reden, die in fa vielen Schriften vertheilt ſind, will ich nur die neuern und vorzuͤglichern Werke angeben, die dazu unentbehrlich waͤren.

Caroli Allioni flora pedemontana. 3 Tom. Fol. Aug. Taurin. 1785.

Alberti a Haller historia stirpium Helvetiae indi- genarum. Bernae, 1768, 3 Vol. Fol.

J. R. Suter flora helvetica. 2 Tom. Tiguri, 1802, 8vo.

Franz Xaver Schöpfer flora oenipontana. Inspruk, 1805, 8vo.

A. V. Braune ſalzburgiſche Flora. Salzburg, 1797, 3 Theile, 800.

N. J. Jacquin flora austriaca. Viennae, 1773, 5 Vol. Fol.

So wie auch des namlichen Collectanea. Vindobonae, 1786, 4 Theile, 4to, und feine Miscellanea austriaca. Windob. 1778, 2 Theile, gto.

N. T. Höstsynopsis plantarum in Austria provin- eiisque adjacentibus sponte crescentium. Vindobo- nae, 1797, Svo.

N. Cranz stirpium austriacarum fasciculi 6. Vin- dobonae, 1769, 4to, 2 Vol.

J. Ant. Scopoli flora carniolica. Viennae, 1772, 2 Tom. 8vo.

Hacquet plantae alpinae carniolicae. Viennae, 1782, 4t0.

Sehr wichtige Beytraͤge findet man in des eben benann⸗ ten Hacquets Reiſe auf den Terglon und in die Naͤhe des Glockners, in feinen übrigen Reifen, in den ſchon ange⸗ führten botaniſchen Reifen des Herrn von Hohenwart, in

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des naͤmlichen Reiſe, ſo wie in derjenigen des Herrn Schultes auf den Glockner.

Eine Menge wichtiger Beobachtungen wird die Flora Norica des fo berühmten Abts Wulfen enthalten, die er in Manuſcript hinterlaſſen hat, die aber vermuthlich bald an das Tageslicht treten wird.

Auch hat uns Herr von Sauſſuͤre in ſeinen Reiſen manche artige botaniſche Bemerkung mitgetheilt.

Das eigentliche Studium der Mineralogie iſt viel neuer als dasjenige der Gewaͤchskünde, und erſt ſeit wenig Jahren beginnt man daſſelbe wiſſenſchaftlich zu betreiben. Sammler von Steinen und Verſteinerungen gab es in der Schweiz ſchon vor ſehr langer, Zeit, allein achte Mineralogen nur ſeit ungefaͤhr dreyßig Jahren. Wenn ſchon waͤhrend dieſer kurzen Zeit daſelbſt und in den andern Alpenlaͤndern Rieſenſchritte gemacht wurden, ſo bleibt dennoch viel zu thun uͤbrig. Viele Gegenden kennt man noch gar nicht, und ſehr viele ſind nur ober⸗ ſaͤchlich durchſucht worden. 2

Die eigentliche Oryktognoſie der Alpen lernen wir in Anſehung desjenigen Theils derſelben, den man die Meer⸗ alpen, die Cottiſchen, Griechiſchen und Penniniſchen nennt, am beßten durch des Herrn von Sauſſuͤre Alpreiſen, der einen großen Theil derſelben durchwandert und mineralo⸗ giſch beſchrieben hat, kennen.

In den NMelanges de philosophie et de mathema- tique de la société royale de Turin ſollen auch wich⸗ tige Beytraͤge enthalten ſeyn.

Im neuen Bergmaͤnniſchen Journal, herausgegeben von Köhler und Hoffmann, Freyberg, 1799, im zwetten Band, Seite 310, und folgende, iſt ein aus dem Jour- nal des Mines uberſetzter Aufſatz, welcher die minera⸗

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logiſche Beſchreibung des Departement vom Montblanc enthaͤlt.

Sowohl in Berthout van Berchem excursion dans les mines du Haut Faucigny, Lausanne, 1787, 8vo, als in Ebels Anleitung kann man ſich Kenntniſſe von der Oryktognoſie dieſer Gegenden ſammeln.

Kein Theil der Schweiz aber iſt mit ſeltneren und vers ſchiedenartigern Mineralien begabet worden, als der Gott— hard. Daher iſt er auch von ſo vielen Mineralogen beſucht worden. Folgende Möchten wohl diejenigen feyn, deren Beſchreibungen nachgeſchlagen zu werden verdienen.

Andreaͤ in feinen Briefen aus der Schweiz nach Han⸗ nover geſchrieben: Besson manuel pour les savans et les curieux: De Saussure voyages dans les alpes, Tom. 4: Ermenegildo Pini memorie mineralogiche sulla Montagna di St. Gottardo, Milano, 1783, 8vo: Schinz Beytraͤge: Ebels Anleitung und Itineraire mine- ralogique du St. Gotthard, avec une carte petrogra- phique, Basle, 1795, 8vo.

Auch die andern Alpenketten der Schweiz find zum Theil von de Sauſſuͤre, Beſſon, Storr, als Mineralogen beſchrieben worden, und ſehr gute Beytraͤge dazu enthalten die Memoires de la société de Lausanne und Hoͤpfners Magazin, vermuthlich auch noch andre Schriften.

Storr in ſeiner Alpreiſe, in ſo weit man ihn verſteht, und Hacquet geben uns die erſten brauchbaren Berichte über die Mineralogie der rhetiſchen Alpen. Weit ſchaͤtz⸗ barer aber ſind die Artikel, die davon in Ebels Anleitung handeln, doch darf ich mit Wahrheit behaupten, daß der groͤßte Theil unſerer Gebirge auch in oryktognoſtiſcher Ruͤckſicht eine Terra incognita iſt.

Wer ſich eine mineralogiſche Kenntniß der Tyroleralpen verſchaffen will, kann ſich in folgenden Werken Raths erholen:

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In von Sperged tyroliſcher Bergwerksgeſchichte: in den Briefen, geſchrieben waͤhrend einer mineralogiſchen Reiſe durch Tyrol, welche in Molls Jahrbuͤchern, Th. 1, S. ı und folgende enthalten find: in Hacquets beyden Reiſen durch die noriſchen Alpen: in einer, in Scopoli annus histo- rico- naturalis, T. 1, ſich befindenden Reife ins Tyrol: in Joſeph von Segner Beſchreibung einer Reiſe auf den Schneeberg in den eben benannten von Molliſchen Jahr⸗ duͤchern: in Pfaundlers Bemerkungen uͤber die Gegend don Faſſa, in den von Molliſchen Annalen: hauptſaͤchlich aber in von Buchs geognoſtiſchen Beobachtungen. Die braven Männer, die uns den Schleyer, der noch die geo— graphiſche Kenntniß ſo vieler Tyrolergebirge und der davon aus gehenden Ketten bedeckt, lüpfen werden, werden uns auch die oryktognoſtiſchen Schaͤtze aufdecken, die noch daſelbſt verborgen ſind. Aehnliche Naturforſcher haͤtten wir auch in den Gebirgen des italieniſchen Koͤnigreichs nöthig, denn von denſelben wiſſen wir nichts, als was uns Ermenegildo Pini in den Memoires sur des nouvelles crystallisa- tions de Feldspath et autres singularites renfermees dans les granites des environs de Baveno, Milan, 1779, 8vo, Giovanni Maironi in feinem Buch Sulla storia naturale della provincia Bergamasca, Berga- mo, 1783, 8vo, und der Abbate Carlo Amoretti in ſei- nem Viaggio da Milano ai tre laghi, maggiore, di Lu- gano e di Como, 1794, 8vo, fagen.

Die ſalzburgiſchen Alpen find glücklicher geweſen. Wenig Theile der ganzen Alpenkette können ſich ruͤhmen mineralo⸗ giſch ſo bekannt zu ſeyn, wie es jene durch des Herrn Kaſpar Melchior Schrolls Grundriß einer ſalzburgiſchen Mineralogie, oder kurzgefaßten ſyſtematiſchen Anzeige der bis itzt bekannten Mineralien des Fuͤrſtenthums und Erz⸗ ſtifts Salzburg, in von Molls Jahrbüchern, Seite 95 und

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folgende, geworden find. Zwar ältere aber fehr gute mineralogiſche Bemerkungen findet man in den fchon ans gefuͤhrten Sammlungen des Ritters von Moll und des Profeſſors Schrank in Hacquets Reifen, im Bergmaͤnni⸗ ſchen Journal vom Jahre 1789, im erſten Band, wo ſich, Seite 60, eine geographiſch-mineralogiſche Ueberſicht der ſalzburgiſchen Berg- und Huͤttenwerke befindet. Er

iſt auch vom obbenannten Herrn Schroll. Neuere aber

in Herrn von Buchs geognoſtiſchen Beobachtungen und in Schultes Reiſen. N

Von den öfterreichifehen Alpen erhalten wir in den

verſchiedenen Reiſebeſchreibungen des Profeſſor Hacquet, beſonders aber in ſeiner Oryctographia Carniolica die beßten mineralogiſchen Kenntniſſe. Schultes und andere neuern Reiſende, die manchen neuen Beytrag dazu ſpen⸗ den, erſtaunen über die Genauigkeit, mit welcher Hac⸗ quet beobachtet hat. Die Salzlaͤger oder Salzquellen, welche ſich innert den Grenzen der Alpen befinden, find nicht alle gleich ges nau beſchrieben worden. Von denjenigen Quellen, ſo un⸗ weit Moutiers, im Departement des Montblanc, ent⸗ ſpringen, befinden ſich zwar artige aber unvollſtaͤndige Nachrichten, im zweyten Theile, Seite 330, des neuen Bergmaͤnniſchen Journals.

Die Salzwerke von Aigle, nun im Kanton Leman, haben mehr Beobachter gefunden. Mit dem beßten Werk daruͤber hat uns Herr Wild beſchenkt, durch feinen: Es- sai sur la montagne salifere du gouvernement d' Aigle, Geneve, 1788, 89%. Damit muͤßen die Bemerkungen des Herrn Oberbergraths Ferber uͤber dieſe Salzwerke, welche in von Molls Jahrbuͤchern, Th. 2, S. 1, ſtehen, verglichen werden. Von den tyrolifchen Salzwerken bey Hall iſt mir keine einzige neuere umſtaͤndliche Beſchreibung

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bekannt. Hingegen beſitzen wir von ſalzburgiſchen und berechtögadifchen Salinen vortreffiche Abhandlungen in von Molls Jahrbuͤchern, im erſten Band, Seite 199, ſo wie im dritten Band, Seite 94, und in Herrn von Buchs oft angezeigtem Werke wichtige Winke, Seite 193. Ueber die Salzwerke im oͤſterreichiſchen zu Iſchel, Hallſtadt und Auſſee ſteht in Herru von Buchs Beobachtungen, Seite 135, ein unvergleichlicher Aufſatz unter dem Titel: Geog— noſtiſche Ueberſicht des oͤſterreichiſchen Salzkammerguts, und einige gute Beytraͤge dazu in von Molls Annalen, im zweyten Theile, Seite 393. Die Mineralgeſchichte des oͤſterreichiſchen Salzkammerguts, in den Abhandlungen einer Privatgeſellſchaft, im dritten Theil, Seite 483, iſt mir nicht bekannt. a N Die Geognoſie iſt eine Tochter der aͤchten Mineralogie und konnte deßwegen erſt ſeit kurzer Zeit als Wiſſenſchaft auftreten, doch liegt ſie noch in ihrer Kindheit. Wir beſi⸗ gen zwar ſchon ein Lehrbuch der Geognoſie ), allein der wuͤrdige Verfaſſer deſſelben ſagt ſelbſt, daß man ſein Werk nur als einen Verſuch anſehen muͤße. Es iſt ein Verſuch, aber nur wenige hätten einen fo treffichen liefern koͤnnen. Unſtreitig tragen aͤußerſt genaue und anhaltende Beobach- tungen in den Gebirgen das meiſte zur wahren Begruͤn— dung der Geognoſie bey. Auf den Alpen ſind viele ſehr wichtige gemacht worden. Daß von Sauſſuͤre der erſte iſt, welcher brauchbare geognoſtiſche Bemerkungen geliefert hat, wird mir jeders mann einraͤumen. Er ermunterte durch ſein Beyſpiel ſo viele wuͤrdige Maͤnner in ſeine Fußſtapfen zu treten. Seine Alpreiſen legten den Grund zur Geognoſie der Alpen.

) Lehrbuch der Geognoſie, entworfen von Franz Ambrof Reuß. Leipzig, 1803, 809, erſter Band.

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Schaͤtzbare Veytraͤge dazu könnten in der Befchreibung des Mont Cenis enthalten ſeyn, die Herr von St. Real verſprochen hat; ob er ſie wirklich der Welt mitgetheilt hat, kann ich nicht ſagen.

Sehr intereſſant iſt des Herrn Carl Ployer Auſſatz von dem Streichen der Gebirge aus der Schweiz durch Tyrol und die inneroͤſterreichiſchen Lande, fo wie die zum Theil aus dieſem Aufſatz gezogenen, doch zum Theil auch eigenthuͤmlichen Vemerkungen Joſeph Rohrers, in ſeinem mehrmals benannten Abriß der weſtlichen Provinzen des oͤſterreichiſchen Staats.

Jeder Geognoſte ſollte Hacquets oft benannte Schrif⸗ ten, ſo wie die Sammlungen und Zeitſchriften des Herrn von Moll und Profeſſor Schrank und Schultes Reiſen ſtudiren, allein ſchlechterdings unentbehrlich find ihm fol gende Aufſaͤtze und Werke.

J. C. Eſchers geognoſtiſche Ueberſicht der Alpen in Helvetien, in Faͤſis Bibliothek, Th. 3, S. 857.

Des naͤmlichen geognofifche Nachrichten über die Alpen; erſter Brief, im neuen Bergmännifchen Journal, Band 1, Seite 116. Zweyter Brief, Band 2, S. 188.

Herrn von Buchs geognoſtiſche Beobachtungen, der zweyte und alle folgenden Abſchnitte.

Ebels Anleitung auf die nuͤtzlichſte und genußvollſte Art die Schweiz zu bereiſen. Alle geognoſtiſchen Artikel darin find von hohem Werth und berechtigen zur geſpan⸗ teſten Erwartung auf das von ihm verſprochene Werk.

Ueber den Bau der Erde in dem Alpengebirge zwiſchen fünf Graden der Länge und zwey Graden der Breite, mit einer allgemeinen geognoſtiſchen Karte. ;

Die Herausgeber der Alpina ſchaͤtzen ſich gluͤcklich, vers ſichern zu duͤrfen, daß wenigſtens einer der obgenannten Verfaſſer, Beytraͤge in dieſe Schrift liefern wird,

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Naturlehre auf den Alpen.

Aeußerſt merkwuͤrdige Erſcheinungen bieten die Alpen auch dem Liebhaber der Naturlehre dar. De Luc, Sauſ—⸗ ſuͤre und Trembley haben im weſtlichen Theile derſelben wohl die intereſſanteſten Beobachtungen gemacht. Der erſte giebt uns die Reſultate der ſeinigen in feinen Unter⸗ ſuchungen uͤber die Atmoſphaͤre, Leipzig, 1776, 2 Theile, 8005 der andere in feinen Alpreiſen durchgängig haupt⸗ fächlich aber im erſten Theil, S. 489, im toten Capitel, wel⸗ ches die Beobachtungen auf dem Gipfel des Buͤet enthalt; im zweyten Theile, S 202, im a28ſten Capitel, welches von der atmoſphaͤriſchen Elektrizität handelt; um z ſten Capi⸗ tel, uber die Urſachen der Kaͤlte, die auf den Ver gen herrſcht; im zöſten Capitel, uͤber die Schneelinie der Ge⸗ birge; im Saiten Capitel, meteorologiſche Beobachtungen am Fuße des Montblanc; im zten Theile, Seite 80, im sten Capitel, Verſuche, welche auf dem Gipfel des Roche⸗ michel angeſtellt worden ſind; im Aten Theile, S. 187, Capitel s und s, welche die auf der Spitze des Montblane angeſtellten Beobachtungen: erzählen; S. 217-318, wo die ſehr wichtigen Verſuche auf dem Col du Geant mitgetheilt werden. Manche ſehr intereſſante Aufſaͤtze von Herrn von Sauſſuͤre und von andern Gelehrten ſollen in Roziers journal de physique zerſtreut liegen, allein ich kenne dieſes koſtbare Werk zu wenig, um dieſelben näher beſtim— men zu können. Ob Herr Trembley in eigenen Werken ſeine auf den Alpen gemachten Beobachtungen bekannt ge⸗ macht hat, weiß ich nicht, an denjenigen, die in Herrn von Sauſſüre Reifen enthalten find, hat er vielen Antheil.

In manchen Werken, die mir nie zu Geſicht gekommen find, mögen Beytraͤge zur Phyſik der Alpen enthalten ſeyn, C

34 in den folgenden wenigſtens kann man ſich manchen wich. tigen Aufſchluß daruͤder holen: ? *

In von Molls oberdeutſchen Beytraͤgen; 91

Beytrage für die Naturlehre, Mathematik und Ge logie, vornemlich die Hoͤhenmeſſungen der Gebirge betref— fend; von Joh. Georg Tralles. Bern, 1802, 8vo;

In Schultes Reiſen auf den Groß Glockner; Und in Ebels Anleitung, hauptſaͤchlich im Artikel Alpen.

Die Gletſcher haben unter allen Phaͤnomenen der Alpen, die in das Gebiet der Naturlehre gehoͤren, am meiſten Lieb⸗ haber gefunden. Die eigentlichen Werke uͤber dieſelben fangen mit Joh. Georg Altmanns Verſuch einer hiſtori⸗ ſchen und phyſiſchen Beſchreibung der helvetiſchen Eisder⸗ ge, Zuͤrich, 1757, 800, an. Bald darauf folgte Gott⸗ lieb Siegmund Gruners, die Eisgebirge des Schweizerlandes, Bern, 1760, 2 Theile, 800. Nach dieſem erſchienen Jo⸗ ſeph Walchers Nachrichten von den Eisbergen im Tyrol, Wien, 1773, 800, und M. T. Bourrit description des gSlagieres; glagiers et amas de glages du Duchéè de Savoye, Geneve, 1773, Svo, beynahe zu gleicher Zeit.

Vorzuͤglicher als alle dieſe Werke ſind die im Jahr 1779, im erſten Theil, von Herrn von Sauſſuͤre Reifen, Seite 436, mitgetheilten Bemerkungen, uͤber die Eisberge uͤberhaupt, ſo wie alle in dieſem und den folgenden Theilen vorkommenden Beſchreibungen der Gletſcher, die er beſucht hat. Auch von den Gletſchern im Salzburgiſchen erhiel⸗ ten wir ſchon im Jahr 1785 angenehme Beytraͤge in den naturhiſtoriſchen Briefen des Ritters von Moll. 1188

Auch des Profeſſor Storrs Beobachtungen uͤber die Gletſcher, die er von Seite 70 an in der Vorrede giebt, ‚ind aller Aufmerkſamkeit würdig.

Bourrit gab im Jahr 1785 folgendes groͤßeres Werk

33 über die Gletſcher heraus, welches aber nur aus feiner oben benannten Werke und ſeiner Description des Alpes Pennines et Rhetiennes zuſammengeſetzt iſt:

Nouvelle description generale et particuliere des glagieres, vallees de glages et glaciers qui forment la grande chaine des Alpes. 3 Vol. 1785, $vo.

Oberfaͤchlich fcheinen die Bemerkungen des Heren Dok— tor Ploucquet über die Gletſcher, in feiner vertraulichen Erzählung einer Schweizetreiſe. Tübingen, 1787, kl. 800;

Für einen der gründlichſten Beytraͤge zur Kenntniß der Gletſcher, halte ich Bernhard Friedrich Kuhns Verſuch über den Mechanismus der Gletſcher, in Hͤpfners Magazin, im erſten Band, Seite 119, nebſt dem dazu gehörigen Ans hang, im zweyten Band, Seite 427.

Nicht weniger leſenswurdig iſt, was uns Ebel in feine Anleitung unter dem Artikel Gletſcher und in andern dazu gehoͤrigen fagt, und was Schultes in feinen Reifen, bey Anlaß der Gletſcher, die den Glockner umgeben, mit fehe feinen nnen durchwoben, anführt.

Carl Uliſſes v. Salis.

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11. Bemerkungen uͤber Herrn von Humbolds An⸗ zeigen das Streichen und Fallen der Felſen⸗ Schichten in den Alpen betreffend, nebſt einigen Angaben über das Profil der Granit⸗ formation in der Gegend des Gotthards. Ja Gaſparis und Bertuchs allgemeinen geographiſchen Ephemeriden, gten Bds. April und May⸗Stück, und in von Molls Annalen der Berg⸗ und Hüttenkunde, aten Bds,

3685 ' afte Lief, iſt ein Aufſatz von Herrn von Humbold enthal⸗ ten, der einige vorläufige geognoſtiſche Angaben über die Gebirge von Suͤdamerika, und einige Vergleichungen ihrer Verhaͤltniſſe mit den Gebirgen andrer Welttheile, beſon⸗ ders Europas liefert, die gewiß jeder Geognoſt und Geolog mit großer Begierde und Mattiedigung wird geleſen und überdacht haben.

Je groͤßer aber das Intereſſe iſt, welches ſolche ſeltne Ueberſichten der geognoſtiſchen Verhaͤltniſſe der Gebirge der Erde erwecken, und je allgemeiner die Autorität eines Geo lehrten anerkannt iſt, der mit ſo viel Sachkenntniß, unter fo günftigen Umſtaͤnden und mit fo viel Seldflverläugnung ſich den Unterfuchungen hingab, die zum Fundament dies ſer Ueberſichten dienen, je wichtiger iſt es, einzelne unrich⸗ tige oder wenigſtens unbeſtimmte Detail: Beobachtungen, die aber beſonders fuͤr die Geologie, wenn dieſelben als Vergleichungspunkte uͤber allgemeinere Verhaͤltniſſe dienen, von großem Einfuße ſeyn koͤnnen, zu berichtigen oder wenig⸗ ſtens die Zweifel mitzutheilen, welche uͤber aͤhnliche Anzei⸗ gen und die vielleicht zu voreilige Generaliſirung einzelner, uͤbrigens richtiger Beobachtungen herrſchen moͤgen: und da Herr von Humbold erſt noch mit der vollſtaͤndigen Ausar⸗ beitung ſeiner Beobachtungen und Syſteme, die er auf die⸗ ſelben bauen wird, beſchaͤftigt iſt, fo kann wohl einem Ges lehrten, der mit ſo viel Aufopferung die Wahrheit ſucht, die Mittheilung ähnlicher Berichtigungen und Zweifel ſelbſt nicht unwillkommen ſeyn; nur aus dieſen Ruͤckſichten fließt die Anmaßung eines beynahe unbekannten Detail« Beob« achters der ſchweizeriſchen Alpen, die Angaben eines von Humbold berichtigen zu wollen.

Humbold jagt in dem vorliegenden Aufſatz: „Was nun das Streichen und Fallen der Lager des urgebirgs betreffe, fo halte er ſich ſeit 1792 uͤberzeugt, daß dieſes

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Streichen einem allgemeinen Geſetze folge, und daß (ab⸗ geſehen von den Ungleichheiten, die durch unbedeutende Örtliche Urſachen, beſonders Erzgaͤnge und Floͤtze, oder durch ſehr alte Thaͤler hervorgebracht ſeyn koͤnnten) der geſchichtete grobkoͤrnige Granit, der blaͤttrige Granit, und vorzuͤglich der Glimmerſchiefer und Thonſchiefer in der Stunde 3 4/8 ſtreichen, indem fie mit dem Meridian des Orts einen Winkel von 32 / machen. Das Fallen der Schichten fen gegen Nordweſt gerichtet. Das Strei— chen ſey beſtaͤndiger als das Fallen, zumal bey einfachen Gebirgsarten, oder bey zuſammengeſetzten, mit weniger kryſtalliſirtem Korne. Die regelmaͤßige Schichtung am Fichtelberg und im Thüringer Walde habe ihn zuerſt auf die Idee des Streichungsgeſetzes gebracht. Seit, dem habe er die Winkel anderer Urgebirgsſchichten in an dern Theilen von Deutſchland, in der Schweiz, Ita⸗ lien, im mittäglichen Frankreich, auf den Pyre— naͤen und in Gallizien gemeſſen. Friesleben habe ihn bey dieſen Unterſuchungen unterſtuͤtzt, und ſie ſeyen uͤber die Gleichfoͤrmigkeit im Streichen und Fallen des Gebirgs, die ſie bey jedem Schritte auf einem der hoͤchſten Cordilleren der Erde, den Alpen von Savoyen, des Wallis und Milanais gefunden haben, erſtaunt geweſen. Die Meſſungen der Winkel, die er auf der Cordillere von Venezuela und Farima (in Suͤdamerika) ge⸗ macht habe, gaben das Reſultat ſeiner Beobachtungen in Europa wieder: uͤberall machen die Schichten einen Winkel von 50 mit dem Meridian, indem fie von Nord⸗ oft nach Suͤdweſt ſtreichen, und fallen um 60 bis 80 gegen Nordweſt.“ Die Wichtigkeit dieſer Beobachtungen zur Befdrderung der Geognoſie und Geologie iſt ſehr auffallend, allein gegen die Allgemeinheit ihrer Angaben muͤßen wir wichtige Zweifel.

38 aufſtellen, und zu dieſem Ende hin einige der bekanntern

Gegenbeobachtungen anführen, welche wir vorzüglich aus

ſolchen Gegenden hernehmen, die am eheſten von reiſen⸗ den Mineralogen beſucht werden, damit ſie uͤber den Werth dieſer Einwendungen gegen von Humbolds Darſtellung ſelbſt zu pruͤfen und alſo nicht auf Authoritaͤt hin, ſondern nach eigner Anſicht zu entſcheiden im Fall ſeyen.

Herr von Humbold fuͤhrt ſelbſt, im Verfolg feines wichtigen Aufſatzes, das Profil des Gotthards als eines der merkwuͤrdigſten Alpenprefile an, welches über die Be ſchaffenheit dieſer großen Cordillere Auskunft zu geben im Falle iſt. Wenn wir nun zur Unterſuchung dieſes ſchoͤ— nen Alpenprofils von Altorf am ſuͤdlichen Endgeſtade des Vierwaldſtaͤtterſees durch das Reußthal hin⸗ aufreiſen, fo finden wir ſchon 1 1/2 Stunden hinter Al: torf bey Ernſtfeld das anſtehende Granitgebirge am Tage, und zwar fo, daß die oberſte Abloͤſungs ſſaͤche des gneusartigen Granits mit dem unterſten auf dieſelbe auf— geſetzten Uebergangs-Kalkſteinlager unter einem Winkel von ungefaͤhr 25“ gegen Suͤden anſteigt, und alſo in der ſchroffen 9000 Fuß über Meer erhabnen Windgelle ſich ſo hoch erhebt, daß im Maderanerthal, welches ſich aus dem Reußthal von Amſtaͤg nach Oſten hin⸗ einzieht, das Granitgebirge ſchon ſo allgemein herrſchend

iſt, daß nur noch die oberſte Hoͤhe der Kuppe jenes Ge⸗

birgsſtocks aus Kalkſtein beſteht. Hier ſteigt alſo die oberſte Abloͤſungsflaͤche der Granitformation beſtimmt ſuͤdlich an, und ſenkt ſich alſo mit den auf ihr auſſiegenden Kalkſtein⸗ lagern nach Norden, oder vielmehr nach Herrn von Hum⸗ bolds allgemeiner Beobachtung nach Nordweſten, oder noch eigentlicher zu ſprechen nach Nordweſtnord, indem die Streichungslinie der Alpen hier von Oſtnordoſt nach Weſtſuͤdweſt ſich erſtreckte. Zu dieſer Einſenkung der oberſten

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Abloͤſungsſſaͤche der Granitformation kommen noch ziem— lich parallel untereinader fortlaufende Felſenabſäͤtze, welche ſich im Profil der Windgelle ebenfalls gegen Suͤden er— heben und dieſem Gebirgsdurchſchnitt ein taͤuſchendes Ans ſehen von allgemeiner nordweſtnoͤrdlicher Schichten-Einſen⸗ kung geben; dieſes Anſehen verleitete auch den Verfaſſer der geognoſtiſchen Nachrichten uͤber die Alpen, im ꝛten St. des rten Bos. des neuen Bergmaͤnniſchen Journals Pag. 151, eine allgemeine nordweſtnoͤrdliche Schichten: Einſenkung, ſowohl in der aufliegenden Kalkſteinfor mation, als in der unterliegenden Granitformation anzunehmen, und dieſelbe in der jenen Nachrichten beygefuͤgten Profils zeichnung der Nordſeite der Alpen anzugeben. Allein bey genauerer Unterſuchung fand felbit der Verfaſſer jener geog⸗ noſtiſchen Nachrichten, daß er durch den aͤußern Anſchein getaͤuſcht wurde, und daß freylich die oberſte Abloͤſungs⸗ faͤche der Granitformation nordweſtlich eingeſenkt iſt, daß aber die Schichten des Gneuſes allgemein unter einem Wins kel von 60 bis 70° nach Suͤdoſtſuͤd eingeſenkt find, und daß hieruͤber um ſo viel weniger Zweifel ſtatt haben kann, da die Flasrigkeit des Gneuſes mit dieſer Schichtenrichtung „völlig parallel lauft, und dieſe Schichten - Einfenfung ſich in dieſer ganzen Gegend an beyden Seiten des Reußthals durchaus allgemein gleichfoͤrmig zeigt. (Siehe hieruͤber den aten Brief der geognoſtiſchen Nachrichten über die Alpen, 5 im neuen Bergmännifchen Journal, zter Bd. ztes Stuͤck, Pag. 185). Dieſe ſteil ſuͤdoͤſtliche Schichten » Einſenkung der Nordſeite der Gneusformation, die ſich auch durch alle neuern Beobachtungen, beſtaͤtigt fand, iſt nicht bloß ein Lokalverhaͤltniß dieſes aͤußerſten noͤrdlichen Randes dieſer Formation im Profil des Gotthards, ſondern zeigt fi ſich unausgeſetzt anhaltend durch das lange Reußthal hin⸗ auf, ſetzt ſelbſt nech über das Urſelerthal hinüber, uo

do

der Gneus in Glimmerſchiefer uͤbergeht, bis an die Centrat⸗ kette des Gotthards fort, wo, an deren Nordſeite, in der Rotunderalp dieſe Schichten⸗Einſenkung nach und nach ſteiler wird, und ſich endlich mit einer ganz verticalen Stellung endigt. Alſo iſt der Querdurchſchnitt der ſuͤd⸗ öftlich eingeſenkten Granitformation an der Nordfeite der Alpen in dieſer Gegend volle 8 Stunden lang, und alſo ſchon in dieſer Ruͤckſicht nicht als eine bloß unbedeutende Aus nahme von der allgemeinen Regel zu betrachten. Allein nicht bloß im Profil der Nordſeite des Gotthards hat dieſe ſuͤdoͤſtliche Schichten ⸗Einſenkung der Granitforma⸗ tion ſtatt, ſondern ſie erſtreckt ſich in betraͤchtliche Entfer⸗ nung von dieſem Mittelpunkt der ſchweizeriſchen Al⸗ pen, unter ungefaͤhr aͤhnlichen Verhaͤltniſſen, ſowohl gegen Oſten hin durch Buͤndten bis ins Vorarlberg, als gegen Weſt hin durch Hasli und Wallis in Savoyen hinein, ſo daß in ſoweit als bisher dieſes geognoſtiſche Verhaͤltniß beobachtet wurde, angenommen werden kann: daß die Nordſeite der Granitformation in den ſchweize⸗ riſchen Alpen allgemein ſuͤdoͤſtliche Schichten » Einfens kung habe, und alſo ganz außer die allgemeine Regel hin⸗ austrete, welche Herr von Humbold in jenem Auſſatz über die Schichtung der Granitfprmation der hoͤchſten Cordille⸗ ren der Erde aufſtellte. f

Um dieſen wichtigen Gegenſtand der Geognoſie noch etwas umſtaͤndlicher zu entwickeln, wollen wir das Profil der Alpen in der Gegend des Gotthards noch weiter verfolgen, woraus ſich zeigen wird, mit wie viel Sorgfalt einzelne Beobachtungen in allgemeine Angaben umgeſchaf⸗ fen werden muͤßen.

Die ſuͤdoͤſtliche Schichten⸗Einſenkung der Granitfor⸗ mation geht alſo in der Rotunderalp zwiſchen Hoſpi⸗ tal und dem Hoſpitium auf der Gotthardsſcheid⸗

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ecke nach und nach in die verticale Stellung über; von da an, gegen Süden hin, fangen die Schichten des dick⸗ flasrigen grob» und ungleichkörnigen Gneuſes an, ſich nach und nach immer deutlicher gegen Nordweſt einzuſen⸗ ken, und lehnen ſich alſo auf die nahe ſich füdlich von ihnen durchziehende oberſte Kante der Centralkette der Alpen. Dieſer merkwürdige allmaͤhlige Ueber gang der ſüͤdoͤſtlich eingeſenkten Schichten, durch die verticale Stel lung in die nordweſtliche Schichten ⸗Einſenkung iſt wie⸗ derum kein iſolirtes Lokalverhaͤltniß des Gotthards, ſondern zeigt ſich gegen Oſten hin anhaltend fort, ſo daß derſelbe, beſonders im Thal des Mittlern Rheins, 1 ı% Stunden ob Medels, alſo an der Nordſeite des hier die Centralkette bildenden Lukmaniers, deutlich zu beobachten iſt. Auch gegen Weſten hin ſcheint ſich vom Gotthard aus dieſe Schichten⸗Abaͤnderung weiter fort⸗ zuſetzen, und Sauſſuͤre giebt einige Angaben, die ihr Das ſeyn ſelbſt in den ſavoyiſchen Alpen beweiſen.

Im Gotthardsprofil hat nun die oberſte Central⸗ kette der Alpen, von der Rotunderalp an, bis uͤber Airolo hinab, allgemein nordweſtnoͤrdliche Schichten⸗ Einſenkung, welche nach Herrn von Humbolds Angabe wirklich allgemein in der oberſten Kante der Centralkette

der Alpen ſtatt zu haben ſcheint, aber im Grad ihrer Einſenkung ſehr verſchieden iſt: am Gotthard verfaͤ⸗ chen ſich dieſe Schichten von der verticalen Stellung in der Rotunderalp an, immer mehr gegen Airolo hin⸗ ab, doch bleibt der Winkel, den ſie mit dem Horizonte machen, meiſt noch 40”. Man erſteige von der Gott hardſcheidecké aus, die noch 1880 Fuß über fie, alſo 827° Fuß über Meer erhabne ſchroffe Felſenſpitze des Fieu do, um ſich da die Richtung der Schichtung,

ſowohl der Centralkette als der Stellenweiſe noch hoͤhern

\ 0

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Parallelketten der Alpen in einer der lehrreichſten und in fo mancher andern Ruͤckſicht merkwuͤrdigſten Ueberſich⸗ ten zu verſchaffen. Dieſe nordweſtnoͤrdliche Schichten: Eins ſenkung des eigentlichen Gotthard bewirkt eine Erſchei⸗ nung, welche den bisherigen geognoſtiſchen Grundfägen geradezu zu widerſprechen ſcheint. Die oberſte Felſenkante der Alpenkette am Gotthard beſteht nemlich aus grob⸗ und ungleichkoͤrnigem Granit, der ſich Stellenweiſe dem Gneus naͤhert, ſo wie man aber an der Suͤdſeite des Gotthards herabſteigt, geht die Gebirgsart in beſtimm⸗ ten Gneus, tiefer in Glimmerſchiefer, noch tiefer in Horn⸗ blendeſchiefer und mannigfaltige Abaͤnderungen von ſchief⸗ rigem Sienit, mit buüſchelförmig zuſammengehaͤufter Hornblende und mit haͤufigen Granaten gemengt, uͤber, und dichte unterhalb Airolo koͤmmt eine koͤrnige, mit Glimmer gemengte Gipsformation zu Tag aus. Da nun die ſehr beſtimmten Schichten dieſes merkwuͤrdigen und ſehr deutlich aufgeſchloßnen Gebirgsprofis allgemeine nord, weſtnoͤrdliche Einſenkung haben, fo folgt hieraus, daß die unterſten Hornblendeſchiefer⸗Schichten bey Airolo uͤber den Gips hingelehnt ſeyn muͤßen; daß über dieſen Horn⸗ blendeſchiefer, der oft in Glimmerſchiefer uͤbergeht, ſich der ſchiefrige Sienit hinlehne; daß wieder hoͤher gegen die Gotthardſcheidecke hinauf, der Hornblende- und Glim⸗ merſchiefer mit ihren Schichten ſich uͤber jenen ſchiefrigen Sienit der mittleren Revier hinlehnen; daß noch hoͤher der Gneus auf den Glimmerſchiefer, und endlich zu oberſt der Granit auf den Gneus aufgelehnt iſt. Mit Sorgfalt iſt der Ausdruck Hinuͤberlehnen, dem zu bedeutenden Auf⸗ liegen, vorgezogen, indem wegen der ſteilern Stellung der oberſten Granit- und Gneuslager, wirklich kein un⸗ mittelbares Auffiegen auf den tiefern Hornblende- und Glimmerſchiefer⸗Lagen akt hat; indeſſen iſt doch nicht zu

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laͤugnen, daß, wenn dieſe Lagerung in umgekehrter Ord⸗ nung ſtatt haͤtte, wohl kein Geognoſt anſtehen wuͤrde zu erklären, daß wirkliches Nufiegen dieſer Gebirgsarten, fo wie fie ſich von der Gotthardſcheidecke herab über einander zeigen, auf den untern, die gegen Airolo hin⸗ ab zu Tage ausgehen, ganz unverkennbar ſtatt habe. Unterhalb Airolo, in der Felſenkluft von Stalve⸗ dro, welche die erſte ſuͤdliche Parallel-Gebirgskette der Centralkette der Alpen durchſchneidet, iſt die Schichtung der anſtehenden Gneusgebirgsart wieder ganz vertical ſtehend, und 2 Stunden tiefer im Livinerthal, wo der Teſſin die zweyte ſuͤdliche Parallel-Gebirgskette mit der Felſenkluft am Platifer bey Dazio grande durch⸗ ſchneidet, iſt der anſtehende meiſt grob- und Erumflasrige

Gneus wieder mit ſeinen ſteilen Felſenſchichten nach Nord⸗

weſtnord eingeſenkt; doch iſt dieſe R. W. N. Schichten⸗ Einſenkung in dieſer Gebirgskette keineswegs allgemein herrſchend; denn wenn man an derſelben von Dazio grande aus weſtlich nach der Campo Longo Scheid⸗ ecke zu, die ins Maͤynthal hinuͤber fuhrt, anſteigt, fo zeigt ſich in der Hoͤhe dieſer Gebirgskette wieder ſehr beſtimmte ſuͤdoſtſuͤdliche Schichten⸗Einſenkung, die in den oberſten Felſenfirſten dieſer Gegend allgemein ſtatt hat. Dieſe auch durch neuere Beobachtungen beſtaͤtigte Thatſache iſt ſchon im Bergmaͤnniſchen Journal, Oktober 1792, Pag. 334, aufgezeichnet, wo die merkwuͤrdigen, Tremolit haltenden Kalkſteinlager, die zwiſchen Glimmerſchiefer liegen, ſehr richtig von Herrn Fleurian de Bellevue beſchrieben ſind. Hieraus ergiebt ſich alſo, daß nicht einmal in einer und derſelben Gebirgskette die Schichten » Einfentung immerfort gleich ſey, ſondern daß die entgegengeſetzten Einſenkungen in denſelben vorkommen koͤnnen.

Eine dritte Hauptgebirgskette, die das Livinerthal

44.

ob Giornico durchſchneidet, zeigt ſich in dem ſogenann⸗ ten Irniſſerſtalden mit ſchroffen kahlen Felſenwaͤnden am Tage, aber nur in einem ſtumpfwinklichten Profile, daher auch die Schichtung der gneusactigen Gebirgsmaſſe nicht ſehr auffallend, doch noch ziemlich deutlich wieder nach Nordweſten ſteil eingeſenkt if.

Tiefer im Livinerthal iſt die Schichtung der beyd⸗ ſeitigen Gneus- und Glimmerſchiefergebirge nicht deutlich in die Augen fallend, meiſt ſteil eingeſenkt, dem Vertical⸗ ſtehnden ſich annähernd. Auch eine der aͤußerſten Hoch⸗ gebirgsketten, in deren Durchſchnitt Bellenz liegt, iſt mit ihren Schichten beynahe vertical, doch noch etwas gegen Nordweſten eingeſenkt.

Am Monte Cenere hingegen, links dem ſich nun in ein Laͤngenthal hinaus ziehenden und dem Langen⸗ fee zuſtromenden Teſſin, find die Glimmer- und Horn⸗ blendeſchiefer auch einzelne Gneuslager ſteil füdlich einge⸗ ſenkt, und durch das Thal des Agno herab herrſcht durchaus allgemeine ſuͤdliche Schichten-Einſenkung der Gneus⸗ und Glimmerſchiefer⸗ Formatfon, und zwar mit dem Umſtande, daß die Steilheit dieſer Einſenkung allmaͤh⸗ lig abnimmt, ſo wie ſich die anſtehenden Lager von den Alpen mehr entfernen. Dieſe ſuͤdliche Schichten-Einſen⸗ kung iſt nun ununterbrochen anhaltend, bis in dieſem Gebirgsprofil die Glimmerſchiefer-Formation ſich am Fuß des Monte Salvatore bey Lauis endigt, und von einigen Breccienlagern und dieſe von der dichten Kalkſtein⸗ Formation bedeckt iſt.

Verfolgt man von Bellenz aus den Lauf des Te ß ſins und das Profilthal des Langenſe es, ſo zeigt ſich jene ſteile, der verticalen Stellung ſich annaͤhernde nord⸗ weſtliche Schichten -Einſenkung, die bey Bellenz vos, kam, ſo lange bis man dieſe Gebirgskette verlaͤßt und an

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der Grenze zwiſchen Helvetien und Piemont in der von den Alpen entfernteren Gebirgskette, wie am Monte Cenere füdliche ſteile Schichten⸗Einſenkung vorfindet, die ſich gegen die Boromeiſchen Inſeln hin allmaͤh⸗ lig verflaͤcht. In dieſem Gebirgs profil aber iſt rechts dem Langenſee, eine halbe Stunde uͤber Arona, auf dem ſuͤdlich eingeſenkten Glimmerſchiefſer eine Porphyrforma⸗ tion ebenfalls mit beſtimmter ſuͤdlicher Schichten-Einſen⸗ kung aufgeſetzt: Dieſe Porphyr formation, die verhaͤrteten Thon zur Hauptmaſſe hat, zieht ſich an den Lago d' Orta gegen Welten hinüber, und liefert die einzige Stelle, wo ſich dieſe Gebirgsart in der Naͤhe der ſchweizeriſchen Alpen anſtehend zeigt; (ſiehe geognoſtiſche Ueberſicht der Alpen in Helvetien, in der roten Abth. d. Compend. Bibl. Heft 3— 5. Pag. 283.) auch auf dieſe ſuͤdlich eingeſenkten Porphyrlager iſt der aͤhnlich eingeſenkte Kalkſtein des it a⸗ lie niſchen Alpenabhangs aufgeſetzt.

Aus dieſer kurzen Darſtellung des Profils der Granit⸗, Gneus⸗, Glimmer- und Hornblendeſchiefer-Formationen der Alpen, in der Gegend des Gotthards, ergiebt ſich, daß die nordweſtliche Schichten -Einſenkung weder ganz allgemein, noch die allgemeinſt herrſchende iſt; ſon⸗ dern daß im Gegentheil die ſuͤdoͤſtliche Schichten = Einfene kung ſich in noch größerer: Ausdehnung vorfinde , indem ſie am noͤrdlichen Abhang des Gotthards von der Nordfeite der Centralkette an bis an die aͤußerſten Gren⸗ zen dieſer Formation allgemein herrſchend iſt, und eben ſo auch in den ſuͤdlichſten Parallelketten fich allgemein zeigt, und daß endlich ſelbſt in derjenigen Strecke der Centralkette und ihren naͤchſten ſuͤdlichen Parallelketten, wo die norde weſtliche Schichten⸗Einſenkung die vorwaltende iſt, doch noch Stellenweiſe wieder füdliche Schichten ⸗Einſenkung zum Vorſchein komme.

46 Andere Gchirgäprofle der Alpen, die aber noch weni⸗ ger zuſammenhaͤngend bekannt find, zeigen ungrfaͤhr aͤhn⸗ liche Abaͤnderungen der Fallungslinie der Schichten der Granitformation, deren Streichungslinie hingegen ziemlich gleichfoͤrmig durch die ganze ſchweizeriſche Alpen⸗ kette hindurch, ſich von Weſtſuͤdweſt nach re er⸗ ſtreckt. N E.

111. ö

Berichtigungen einiger Angaben die schee ſchen Alpen betreffend, in der Abhandlung: „Von dem Streichen der Gebirge aus der „Schweiz durch Tyrol und die inneroͤſterreichi⸗ ſchen Länder bis nach Hungarn.“ In von Molls Annalen der Berg- und Huͤtten⸗ kunde. iſten Bds. zte Lief.

Uederſichten der geognoſtiſchen Verhaͤltntſſe ganzer ban, der und ausgedehnter Gebirgszuͤge ſind von beſonderer Wichtigkeit fuͤr die Gebirgs- und Erdkunde, und Herr Hoyer, Verfaſſer der Abhandlung uͤber das Streichen der Gebirge durch Tyrol und Oeſterreich bis nach Hungarn, verdient daher den Dank jedes Geognoſten fuͤr dieſe beleh⸗ rende und wichtige Ueberſicht. Allein gerade des großen Intereſſes wegen, welches jene Abhandlung hat, wird es auch wichtig, mehrere Unrichtigkeiten, die ſich in dieſelbe, beſonders in Hinſicht auf die ſchweizeriſchen Alpen, einge⸗ ſchlichen haben, zu berichtigen, um dieſelben nicht verbrei⸗ ten und nach und nach das Anſehen von allgemein aner⸗ kannten Thatſachen annehmen zu laſſen. Die geognoſti⸗

AT

Ba Verhaltniſſe der ſchweizeriſchen Alpen ſind uͤberdem

loch ſo wenig bekannt, daß der Gebirgskundige meiſt jede

Angabe aus den ſelben begierig aufnimmt und fie zur Entwer⸗

fung ſeiner allgemeinen Ueberſicht der Gebirge mit benutzt,

wodurch ſich aͤhnliche irrige Angaben noch um ſo viel leich ter verbreiten und feſtſetzen.

* Dieſer Mangel von richtigen Darſtellungen der geogno⸗ tiſchen Verhaͤltniſſe der ſchweizeriſchen Alpen iſt auch aller⸗ dings der Grund jener Unrichtigkeiten, die ſich in die ange⸗

führte, ſchon in Borns phyſikaliſchen Arbeiten der eintraͤchtigen reunde in Wien, ztet Jahrg. ıted Quart. im Jahr 1786,

abgedruckte und nun mit einigen Zufägen aufs neue er- ſchienene Abhandlung eingeſchlichen haben; denn der fitte: kariſchen Quellen über die Geognoſie der Alpen waren

Aund 1786 noch zu wenige vorhanden, um aus denſelben ine gründliche Ueberſicht entheben zu koͤnnen; dagegen find

doc ſeltdem mehrere Abhandlungen in verſchiednen Wer:

ken erſchienen die, wenn fie dem Verfaſſer bekannt gewe⸗ en wären, zu weſentlichen Verbeſſerungen dieſer neuen

Ausgabe haͤtten benutzt werden koͤnnen; z. B. in Hoͤpfners

Magazin für die Naturkunde Helvetiens ar Bd. von Manuels

Abhandlung über die Berneriſchen Alpen; Tralles Beſtim⸗

mung der Höhe der Verneralpen; in Faͤſis Bibliothek

der ſchweizeriſchen Staatskunde zr Bd. von Salis Verſuch einer Beſchreibung der Gebirge Graubuͤndtens; im neuen

Bergmänniſchen Journal. ir und zr Bd. Eſchers geognoſtiſche

Nachrichten über die Alpen, und beſonders Eſchers geog⸗

voſiſche Ueberſicht der Alpen in Helverien, in der 19 teu

Abth. der kompendioͤſen Bibliothek, und mit Zuſaͤtzen in

a is Bibliothek der ſchweizeriſchen Staatskunde abgedruckt.

ieſe, nebſt einigen der beſſern Reiſebeſchreibungen durch die Schweiz, enthalten nicht unwichtige Angaben uͤber die geognoſtiſche Beſchaffenheit der Alpen, welche weſentliche

Berichtigungen zu jener Abhandlung hätten liefern koͤnnen.

48

Doch wir wollen trachten, jene Abhandlung, in Hln⸗ ſicht auf die ſchweizeriſchen Alpen, nach unſern eignen Beobachtungen zu ergaͤnzen und zu berichtigen. b

Der Gotthardsberg kann in Ruͤckſicht der Duck len, die er zu den groͤßten Fluͤßen, die aus der Alpen kette nach allen Seiten abfliefen, und in Ruͤckſicht ſeiner Lage in der Mitte der ganzen Alpenkette als der Mit⸗ telpunkt derſelben betrachtet werden; allein der hoͤchſta Gebirgsruͤcke der Schweiz iſt er durchaus nicht; denn wenn man auch auf die Höhe einzelner ſchroffer Fe⸗ ſeafirſten, die ſich mehr und minder iſolirt aus ihren Gebirgsrücken er⸗ heben, keine Ruͤckſicht neymen will, ſondern nur im Gans zen die Hauptmaſſe der Gebirgsruͤcken betrachtet, bleibt doch diejenige Gebirgskette, welche vom Simplon an bis zum Montblanc das Wallis von Piemont trennt, die größte Höhe in den Alpen, indem der Paß am Matterhorn 10416 Fuß, der Gotthards paß aber nur 6642 Fuß über Meer erhaben iſt, und der Mont Roſa, nur 120 Fuß niedriger als der Montblanc, erreicht mit feiner weit ausgedehnten Kuppe eine Hoͤhe von 14388 Fuß, wahrend dem der Fibia, die höͤchſte Spitze des Gotthards, ſich nur 9964 Fuß über Meer erhebt.

Die Augabe, daß der Gotthard nach allen Weltge⸗ genden Gebirge wie Strahlen von dem Mittelpunkte eines Cirkels abgebe, iſt ganz unrichtig und ruͤhrt zum Theil von den fehlerhaften Schweizerkarten her, die gerade in der Gegend des Gotthards bis zur Erſcheinung des Meperſchen Schweizeratlaſſes und der Katte des Theatre de la guerre d' Italie par Bacler d' Albe, am W waren. Nur der Rhein gegen Oſt und der Rhodan gegen Weſt fließen in Lan⸗ genthälcen vom Gotthard ab; der Teſſin nach Sud

49

und die Reuß nach Nord hingegen legen beynahe uns ausgeſezt in Querthaͤlern, welche die Richtung des Ges birgszuges der Alpen und ſomit auch die Richtung der mit jenem beynahe immer parallellaufenden Felſenſchichten in einer dem rechten Winkel mehr und minder nahe kom— menden Richtung durchſchneiden. Auch iſt die Gebirgs— maſſe des Gotthards gegen Sud durch das Arunker— und Bedretterthal, welche den oberſten Theil des Lis vinerthals ausmachen und durch das Canariathal von den Gebirgen abgeſondert, die das Livinerthal einſchließen, und welche, wuͤrden ſie mit dem Gotthard zuſammenhaͤngen, freylich zu jener Idee eines gemeinſchaft— lichen Centrums Anlaß geben koͤnnten: eben fo iſt der Gotthard noͤrdlich durch das Urſelerthal, und die von ihm ausgehenden Laͤngenthaler des Wallis und des Vorderrheins von denjenigen Gebirgen abgeſchnitten, welche das Reußthal einſchließen, und welche alſo Durchs aus nicht als vom Gotthard auslaufende Strahlen zu betrachten ſind. ö Die in den meiſten Gebirgsgegenden gemachte Beob⸗ achtung, daß fich zwiſchen der Granitartigen Gebirgsfor⸗ mation und der Kalkſteinformation eine Thonfchieferfors mation hinziehe, paßt nicht auf die fchweizerifchen . Alpen, in welchen die Hochgebirgs⸗Kalkſteinformation meiſt unmittelbar auf das Granit- und Gneusgebirge auf⸗ geſezt iſt, und die Thonſchieferformation ſich dagegen zwi⸗ ſchen den verſchiednen und beyweitem noch nicht hinlaͤng⸗ lich entwickelten Hochgebirgs⸗Kalkſteinformationen hinzieht. Bey einer Ueberſicht der geognoſtiſchen Beſchaffenheit der Alpenkette iſt vor allem aus der Umſtand als ei⸗ ner der weſentlichſten nicht zu vernachlaͤßigen: daß an der Nordſeite die Kalkſteinformation ſich ſo hoch auf die Gra⸗ nit formation aufſezt, daß fie bis auf 13000 Fuß hohe Ge⸗ f D

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birgskuppen bildet, da hingegen die Kalkſteinformation an der Suüͤdſeite der ſchweizeriſchen Alpenkette bey weitem nicht fo hoch anſteigt und auch nur eine bes trächtlich geringere Breite als die der nördlichen Seite einnimmt. Im Profil des Gotthards zeigt ſich das erſte Gneusgebirge erſt bey Ernſtfeld im Reußthal, zwey Stund hinter Altorf, und die darauf aufgeſezte Kalk- ſteinformation endigt ſich erſt bey Amſtaͤg an der Verei⸗ nigung des Maderanerthals mit dem Reußthal. An der Suͤdſeite dieſes Profils hingegen läuft die Granitfor⸗ mation mit den ihr verwandten Formationen nicht nur durchs ganze Livinerthal herab, ſondern ſezt bis in die Mitte der italieniſchen Seen, nemlich bis zu den boromaͤiſchen Inſeln im Langenſee und bis zum Monte Salvatore im Lauiſerſee fort; alſo nimmt die Granitformation in dieſem ihrem rechtwinklichten Quer⸗ durchſchnitte eine Breite von beynahe 30 Stunden oder einen ganzen Breitegrad der Erdoberfläche ein. Hieraus folgt ſehr auffallend, daß das Streichen dieſer Formation nicht in einer einzigen Gebirgskette angegeben werden koͤnne, ohne zu ganz unrichtigen Begriffen uͤber ihre Ausdehnung Anlaß zu geben, fondern in ihrer ganzen Breite angege⸗ ben werden muͤße. Z. B. die Granitformation, d. i. eine Gebirgskette derſelben biegt ſich freylich, wie die vorlies gende Abhandlung ſagt, durchs Calanker und Mie ſoxerthal um Chiavenna herum und nimmt dann ih⸗ ren Lauf der Maira und dem Inn nach gegen Oſt. Allein wie einſeitig dieſe Darſtellung ſey, zeigt ſich aus der Angabe, daß im Alpenprofil von Cleven nicht nur die beyden Gebirgsketten, welche das Thal der Maira einſchließen, ſondern gegen Suͤd hin auch noch diejenigen, zwiſchen denen das Veltlin gegen den Comerſee aus⸗ lauft, und gegen Nord die beydſeitigen Gebirgsketten des

a

A

Rhein waldes, des Hintergrunds des Petersthals, und ſelbſt noch alle Gebirgsketten, die die Thaͤler des Vorder-Rheins einſchließen, bis zum Toͤdiberg an der Grenze von Buͤndten, Uri und Glarus zur ſogenannten Urgebirgsformation gehoͤren. Mit einer un⸗ gefaͤhr aͤhnlichen Breite ſezt die ſogenannte Gebirgsfor— mation durch Bündten gegen Oſt längs den beydfettis gen- Gebirgsketten des Veltlins, mit allen feinen Ne— benthaͤlern, des ganzen Bregels und Engadins, des Ferrerathals, Oberhabſteinthals, der Thaͤler der Albula, in den Hintergrund des Prätigaus fort, und ſchließt ſich dann durch den ganzen obern Theil des Montafuns ebenfalls an die Tiroler Gebirge an; fo daß auch hier an der öftlichen Grenze der Schweiz und Vorarlbergs gegen Tirol das Granitgebitg mit den ihm verwandten Formationen, nicht in einer einzigen Gebirgskette, ſondern in einer Breite eines vollen Breite⸗ Grades ſich an die Tiroler Gebirge anſchließt. Am meiiſten irregefuͤhrt durch die unvollſtaͤndigen und unrichtigen geognoſtiſchen Angaben einiger Reiſebeſchreiber wurde der Verfaſſer der vorliegenden Abhandlung in Ruͤck— ſicht des Streichens der noͤrdlichen Kalkſteinformation der Alpen; denn nicht nur gehoͤren der Lukmanier und der Spluͤgen nicht in dieſe Formation, ſondern ſie bil— den im Gegentheil die vom Gotthard auslaufende oͤſt— liche Fortſetzung der Centralkette der granitartigen For⸗

mation der Alpen. Der hier zum Grund liegende Irr-

thum ruͤhrt von einigen Zwiſchen-Formationen, von Urs kalkſtein und Urgips her, welche ſich laͤngs der Central⸗ kette der Alpen meiſt in geringer Breite hinziehen, ſich ſowohl am Montblanc als am Gotthard vorfinden, und als koͤrniger Kalkſtein und lockerer koͤrniger Gips an

der Suͤdſeite des Lnkmaniers hinuͤberſetzen und auf

fe

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dem Paß des Splügen ſchoͤne Lager von weißem ſoge⸗ nanntem ſaliniſchem Kalkſtein bilden, der zwiſchen der Granitformation eingeſchloſſen iſt. Dieſe ſchmale Urkalk⸗ ſteinformation ſetzt auch noch weiter, oft nur mit einer

N

Breite von wenigen Klaftern, nach Oft zwiſchen der Gras .

nitformation durch, zeigt ſich deſonders auch auf dem Bernina und ſetzt dann ſelbſt ins Tirol hinuͤber. (Siehe v. Buchs geognoſt. Beob. I.)

Die eigentliche noͤrdliche Hochgebirgs-Kalkſteinforma⸗ tion, welche unmittelbar auf die Gneusgebirge aufgeſetzt

iſt, zeigt ſich noͤrdlich dem Gotthard, wie oben ſchon

bemerkt wurde, erſt in der Gebirgskette, die die Nordſeite des Maderanerthals bildet, (ſiehe neues Bergmaͤnn. Journ. ir und zr Bd.) in welcher die über 9000 Fuß

hohen Felſenfirſten der Windgelle, des Raͤuchi und

Scheerhorns aus Kalkſtein beſtehen, deſſen Aufliegen auf dem Gneusgebirge man langs der ganzen noͤrdlichen Seite dieſes engen wilden Thals unausgeſetzt zu beob⸗ achten im Falle iſt. In ihrer Breite lauft ſie bis zum Rigiberg herab, und ſetzt mit aͤynlicher Breite von 6 bis 10 Stunden nach Oſt durch die Cantone Uri, Schwyz und Glarus nach Buͤndten hinuͤber, wo fie den uns tern Theil der Thaͤler des vordern und hintern Rheins, des Praͤtigaus und des Vorarlbergs einnimmt, und ſich dann durch dieſes letztere an die Kalk⸗ ſteingebirge Tirols anſchließt.

Das Kalkgebirge endlich, welches ſich laͤngs der Suͤd⸗ feite der Alpen auf das Gneus-, Glimmerſchiefer-und Hornblendeſchiefer-Gebirge aufſetzt, hat eben ſo wenig als das jenſeitige feinen Urſprung am Gotthard, ſondern iſt von demſelben gegen 20 Stunden weit entfernt: es zieht ſich vom Lago d'Orta aus Piemont an den Langenſee hinuͤber, ſetzt zu beyden Seiten des Cu vio⸗

*

53

thals an den Rauiferfee fort, wo man im Monte Salvatore und Monte di Bre ſein Aufliegen auf dem Glimmerſchiefer ſehr gut beobachten kann; an Dies ſem See bildet es die beydſeitigen Gebirgsketten, die den Golfo di Porlezzo einſchließen, ſetzt dann uber den Comerſee und von da weiter nach Oft.

Aus dieſen kurzen Berichtigungen ergiebt ſich alſo, daß der Gotthard keineswegs als ein Centrum angeſe— hen werden koͤnne, von welchem die Gebirgsketten, und noch weit weniger die Gebirgsformationen als Strahlen nach allen Seiten auslaufen, ſondern daß am Gott— hard wie an den uͤbrigen Theilen der Alpenkette die gleiche Hauptſtreichung der Gebirgsketten ſowohl als der Gebirgsformationen von Weſtſuͤdweſt nach Oſtnordoſt ſtatt hat, daß alle Laͤngenthaͤler dieſer nemlichen Direction folgen, diejenigen Thaler aber, welche von dieſer Rich⸗ tung abweichen, die Gebirgsketten ſowohl als die Gr birgsſchichten in mehr oder minder rechtwinklichten Pro— filen durchſchneiden, und daß in dem Alpenprofil in: der Gegend des Gotthards die Granitformation mit ihren Nebenformationen eine Breite von 30 Stunden eis nimmt, und alſo die beydſeitigen Kalkſteinformationen hier in betraͤchtlicherer Entfernung von einander entfernt haͤlt, als wahrſcheinlich in keinem andern Theil der Alpen, und daß endlich die nördliche Kalkſteinſormation des Hoch- gebirges (alſo die Jura-Kalkſteinformation nicht mitge⸗ rechnet) eine Breite von 6 bis 10 Stunden einnimmt und Gebirge von s bis 13 taufend Fuß Höhe über Meer bil— det, waͤhrend hingegen die ſuͤdliche Kalkſteinformation der Alpen nur eine Breite von ungefaͤhr 2 Stunden hat und ſich nicht über 6000 Fuß über Meer erhebt.

Moͤchten dieſe Berichtigungen der ſo lehrreichen Ab— handlung des Hrn. Ployer über das Streichen der Gebirge

&4

aus der Schweiz durch Defterreich nach Ungarn, zu noch umſtaͤndlicherer Darſtellung dieſes Gegenſtandes An⸗ laß geben und dem Verfaſſer derſelben beweiſen, daß wir nur aus Intereſſe fuͤr die Geognoſie und aus gerechter Wurdigung ſeiner Arbeit dieſe Critik eines uns bekannten Thells derſelben unternommen haben. E.

IV. Die Landſchaft Davos.

Da, wo ein Hauptaſt der Alpenkette vom kalkartigen Albula bis zum mit Gletſchern umgebenen Fermunt, der den Eckſtein zwiſchen Tirol und Buͤndten ausmacht, von Suͤdweſten gegen Rordoſten lauft, liegt das tiefe Enga⸗ din rechts und die erhabene Landſchaft Davos auf der linken Seite. Sie bildet den obern Theil eines Laͤngen⸗ thals, das eine Viertelſtunde ob dem Davoſer-See be ginnt und zwiſchen der Hauptalpenkette und der Schalfik⸗ kernebenkette ſich allmaͤhlig drey Stunden lang herunter⸗ ſenkt, dann ſich ploͤzlich vertiefet und unterhalb verenget, drey Stunden weiter in der gleichen Richtung das Albula⸗ thal aufnimmt, dann ſich mehr gegen Weſten dreht, wie⸗ der etwas erweitert, bei Tiefenkaſten den Ausfluß des

Oberhalbſteiner-Thalwaſſers aufnimmt, ſich dann wieder in der Tiefe verengert, und zwiſchen Sils und Fuͤrſtenau ſeinen Waſſertribut dem Hinterrhein zufuͤhrt, und ſich ſelbſt ins Domleſchgerthal verliert. Die eigentliche Land⸗ ſchaft Davos nimmt nur den obern Theil dieſes beträcht- lichen Thales ein und erkennt ihre Grenzen ob Wieſen und Janisberg fünf Stunden von ihrem Urſprunge. Um ſich einen klaren Begriff von dem Berggerippe zu mas chen, innert welchem ſich dieſe Landſchaft ausdehnt / er⸗

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fleige man auf der nordweſtlichen Seite des Thals den Caſannaberg. Hier uͤberſieht man mit einem Blicke die majeſtaͤtiſche Hauptkette, welche das Engadin von der Land— ſchaft Davos trennt. Unwillkuͤhrlich wird das Auge vom pyramidenfoͤrmigen Fermunt angezogen, ſo wie von einer Reihe hoher Firſten mitten aus dem Selvretta-Gletſcher emporragend, unter welchen der Piz Linard ob Lavin wie die Tannenkoͤnigin ihre niedrigern Schweſtern alle andere uͤberſchaut. Allein erſt da, wo ein Arm des Verainathals aus einem Gipfel des Fluelenberges entſpringt, ſteht der Markſtein der Landſchaft Davos und der Nebenkette, die das Fluelenthal vom Verainathal, und dann vom Monch⸗ alpenthal, das zwiſchen beyde von Weſt gegen Oſten her⸗ eindringt, trennt, bezeichnet die Grenze unſerer Landſchaft und des Brettigaues. Dieſe Nebenkette ſenkt ſich vom Hauptkamme herunter, zieht etwas bogenfoͤrmig gegen Nordoſten, ob dem Davoſer-See durch und vertieft ſich ob demſelben zu einem niedrigen waldichten Bergruͤcken, fo daß man bey oberfächlicher Unterſuchung glauben ſollte, daß Davos nur ein Nebenthal des Brettigaues ausmachen könne. Allein er erhebt ſich jaͤhlings wieder und verbindet ſich mit der Schalfikker Nebenkette. Er macht die Waſſer⸗ ſcheidung aus, denn er beſtimmt die erſten Quellen des Davoſer⸗Landwaſſers nach Suͤdweſten zu laufen, ſo wie auf der andern Seite einen Bach gegen Nordoften in die Lanquart zu eilen. Hier alſo der freylich nicht hohe Ans. fang des Thals, wo man aber wieder ein Beyſpiel vor Augen hat, daß oft die erhabenſten Bergzuͤge durch ein ſehr niederes Band vereinigt find, und die allgemeine Ver kettung der Gebirge bewieſen wird. Hier laͤßt ſich eine gewaltfame Trennung nicht einmal denken. Von die ſem mit Lerchen bekleideten Urſprung zieht! ſich das ſchoͤne Wie, ſenthal ſanft herunterſteigend nieder. Auf der linken Seite

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iſt es von der mächtigen Hauptkette eingefaßt, welche große Thaͤler in daſſelbe hinunterſendet, und zwar zuerſt der ob⸗ bedeuteten Grenzkette nach das Fluelenthal drey Stunden lang; dieſes wird durch eine andere Zwiſchenkette, an deren Urſprung das zwar erſteigliche ſchwarze Horn als der hoͤchſte Gipfel der ganzen Gegend in die Wolken ſtrebt, vom Diſchmathal, welches vier Stunden von ſeinem Ur⸗ ſprunge bis zu feinem Auslauf mißt, getrennt. Bender Thaler innerſte Grenzen dienen als Durchpaͤſſe von der Landſchaft in das Engadin, und uͤber den Scalettaberg, der das Diſchmathal zu innerſt ſchließt, iſt dieſer Durch⸗ paß doppelt, obwohl ein betraͤchtlicher Gletſcher zwiſchen beyden liegt. Wie Couliſſen auf einem Theater folgt auf das Diſchmathal das ſchoͤne, Wiefen- und Alpenreiche Certigerthal, zwey Stunden lang, ſo lang es ungetrennt bleibt, dann in zwey Arme getheilt, davon der eine links, das Kuͤhalpenthal genannt, auch nach zwey Stunden ins Engadin führt, das andere aber unter dem Namen De⸗ kan auf die Gebirge und Alpen des Vergunner-Gebiets leitet, und zwar in dem gleichen Zeitraum. Hohe Kuppen unter dem Namen des Thaͤlihorns, des Mittaghorns, des ſchwarzen Horns und anderer mehr bekroͤnen dieſe verſchie⸗ denen Thaͤler. Endlich dringt eine gute Stunde weiter unten das bei weitem nicht ſo beträchtliche Monſteinerthal, das ſich in verſchiedene Arme theilt, auch gegen, allein nicht bis an den Hauptkamm der Alpen, indem ſich der⸗ ſelbe gegen Suͤden zuruͤckzieht und Thaͤler aus dem Ber⸗ gunner⸗Gebiete dazwiſchen hinanſteigen, und die Grenze der Landſchaft vom Hauptkamme entfernen. Dieſe ſteigt nun zwiſchen Monſtein und Jaͤnisberg bis in das ſehr tiefe Thal hinunter, und auf der andern Seite innert den Wieſen am Ende der fogenannten Zügen über die Schals filter Nebenkette herauf, wo fie längs dem ſuͤdweſtlichen

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Grat des Baͤrentobels auf dem Kamm dieſer Kette fort- geht und über den Grumberg, Kerchenberg, Straͤla, Se werberg und der todten Alp in Perſenna ſtill ſteht. Dieſe ſogenannte Schalfikker Nebenkette iſt weit niederer als die gegenuͤberſtehende Hauptkette. In ſehr vielen Orten kann man über dieſelbe ſetzen, und von ihr laufen keine Thäs ler, ſondern nur unbedeutende Töbel in das Hauptthal herunter. Betrachtet man dieſes ſchoͤne Thal uͤberhaupt, die ſanften Abhaͤnge auf deſſen beyden Seiten, den zwar ſchnellen, aber nicht brauſenden, noch über Felsſtuͤcke her⸗ unterſtuͤrzenden Lauf des betraͤchtlichen Flußes; ſo kann man ſich des Gedankens nicht erwehren, daß es noch un⸗ gefaͤhr und im Ganzen die nehmliche Geſtalt darſtelle, die es ſchon vor manchen tauſend Jahren gehabt haben mag, und daß es hier gar nicht noͤthig iſt, ſich den Kopf mit der Art der Revoluzion zu zerbrechen, die es erduldet ha⸗ ben muß. Hoͤchſtens koͤnnte der aͤuſſerſt tiefe und enge Kanal, den ſich das Landwaſſer von Monſtein an bis zu ſeiner Vereinigung mit der Albula ausgegraben hat, ſo wie die eher Aache Lage des Thales ob Glaris auf einen See ſchließen laſſen, der das ganze Thal ausgefüllt, deſ⸗ fen Ueberreſt noch jetzt am dermaligen Davoſer-See, der- eine halbe Stunde in der Laͤnge mißt, zu ſehen iſt, und deſſen Druck ſich endlich einen Ausffuß zu verſchaffen ges wußt hat. In unſern Alpengegenden tragen ſehr viele Thaͤler die unverkennbaren Spuren an ſich, daß ſie zuvor Seen gebildet haben, und vermuthlich hat das Waſſer, einige lokale Bergfaͤlle ausgenommen, die meiſten Veraͤn⸗ derungen in den bergichten Gelaͤnden hervorgebracht.

Wie gerne möchte ich die geognoſtiſche und mineralo⸗ giſche Beſchaffenheit dieſer Gegend ſo vollſtaͤndig als moͤg⸗ lich beſchreiben, die ſo ſehr merkwuͤrdig iſt, wie es auch Ebel in feiner Anleitung, auf die nüzlichkie und genußvollſte

ss

Art die Schweiz zu bereiſen, im zweyten Theil Seite 235

ſehr gut bemerkt, und das beſte geliefert hat, was bis jetzt uͤber dieſe Landſchaft iſt bekannt gemacht worden; allein weder meine Kenntniſſe noch die Beſchaffenheit des Wetters, ſo wie der noch tief herunter liegende Schnee,

erlaubten mir dieſes, ob ich gleich hauptſaͤchlich deswegen

dahin gereiſet war. Alſo nur Fragmente.

Der Caſanna macht den nordweſtlichen Grenzberg zwi⸗ ſchen dem Brettigau und Davos aus. Die ganze, zwar ſehr niedere Gebirgskette, welche das Brettigau von der Schloßbruck an bis zum Caſanna auf der Weſtſeite ein. ſchließt, beſteht aus Thonfchiefer, der bald mit Quarz⸗ adern ſtark durchzogen iſt, bald aber ſich in einem Zuſtand der Aufiöfung befindet, in Mergelſchiefer übergeht, und beſonders zwiſchen Conters und Serneus die ſogenannten faulen Gebirge bildet, die durch ihr Herunterſtuͤrzen die An⸗ ſchwellungen und Verheerungen der Lanquart verurſachen. Auf dem Caſanna aber kommt unter dem Thonſchiefer der Kalkſtein hervor, und die oberſte Kuppe deſſelben prangt mit den gewöhnlichen zackichten Kalkſteinſpitzen. Dieſer Kalkſtein aber lehnt ſich an den Serpentin an, denn gleich hinter dem Caſanna gegen Weſtſuͤdweſt erhebt ſich die todte Alp, ein Berg, der ganz aus ſchwarz⸗gruͤnem Ser⸗

pentin beſteht. Er heißt deswegen auch der ſchwarze Berg,

und wird in feiner ganzen duͤſtern Majeſtaͤt am beſten von

Fondey aus geſehen, einem Thale, welches ſich von oben

bemeldter Thonſchieferkette ob Conters gegen Suͤden ins Schallfick herunterſenket, und durch ein Nebenthal mit der hoͤchſten Spitze der todten Alp in Verbindung ſteht. Einige trichterfͤrmige Aushoͤhlungen und ziemlich tiefe runde Wafferbehälter, nebſt der ſchwarzen Farbe des Ge⸗ ſteins und dem ſcheinbar verbrannten Anſehen des ganzen Gebirges, hatten freylich nicht ſehr kundige Mineralogen

; N N

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auf den Gedanken gebracht, daß auch die Alpen einen er⸗ loſchenen Vulkan aufweiſen koͤnnten. Dieſer Serpentin zeigt ſich ſowohl an dem oͤſtlichen als ſuͤdoͤſtlichen Abhang des Caſanna. Auf dem erſten zeigen ſich Gruben, aus welchen man bor ein paar hundert Jahren Erze gefoͤrdert hat. Dieſe Erze, fo wie man fie jetzt findet, ein goldars tiger Schwefelkies, brechen in Serpentin mit glaͤnzenden Abloͤſungen, der hie und da in verhaͤrteten Talk mit Bit: terſpath übergeht *). Am füdöftlichen Abhange bricht hin und wieder ein rother Thonſchiefer zu Tag, der aber ſtark mit Kalkſtein gemengt iſt und mit Säuren ſtark aufbraus ſet. So wie man ſich der todten Alp naͤhert, erſcheint Serpentin in der Mengung; nach und nach bleibt der ros the Thonſchiefer aus, der Serpentin iſt nur noch mit Kal ſtein gemengt und endlich ganz rein. Ich darf mir alſo die Vorſtellung machen, daß der Serpentin den Kern des daſigen Gebirgs ausmacht; auch iſt wirklich die todte Alp oder der ſchwarze Berg die hoͤchſte Spitze in dieſem Theil der Kette. An dieſen lehnt ſich der Kalkſtein an, auf wel⸗

*) Da dieſe Gruben auſſert dem Gebiete von Davos liegen, ſo bemerke ich nur, daß ihr Daſeyn und die Benennung ei

nes Weges in dieſer Gegend, die Erzſtraße, fo wie die all- gemeine Volksſage, die einzigen Beweiſe ſind, daß ſie vor Zeiten bearbeitet wurden. Eigentliche Dokumente hat man feine darüber, Tief eingewurzelt iſt der Glaube bey un« ſern Landleuten, daß beſonders Italiener große Reichthuͤmer aus dieſen Gebirgen weggetragen haben, und hat ſchon manchen auch noch in neuern Zeiten vermocht, ſelbſt mit Gefahr ſeines Lebens daſelbſt Nachgrabungen anzuſtellen. Es iſt mir aber nie bekannt worden, daß es je mit Erfolg ge⸗ ſchehen, welches aber bey der Art, wie dieſelben vorgenom⸗ men, und bey der gaͤnzlichen Unknnde in Berswerksſachen, nicht anders ſeyn konnte.

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chen zuerſt der rothe, dann der grau- blaue Thonſchiefer folget. Doch kann ich dieſe Lagenfolge nicht als unumſtoͤß⸗ liche Wahrheit darſtellen, und eben ſo wenig die Richtung, Staͤrke und Neigung der Lagen beſtimmen. Auf die todte Alp ſelbſt konnte ich des Schnees wegen nicht kommen, und alſo daſelbſt die Beobachtungen mit dem Magnete nicht vornehmen. Sonderbar iſt es, daß der Ruͤcken und die Abhaͤnge um die Spitze der todten Alp zwar ziemlich eben, mit einer ſchwarzen Erde bedeckt, auch hin und wieder mit guten Quellen verſehen ſind, und doch nicht die geringſte Vegetation zeigen ). Der Serpentin ſetzt durch den Sewerberg und den Straͤla fort, ſo wie man es an den Baͤchen bemerkt, die von denſelben in das Da⸗ voſer Landwaſſer herunterfließen, denn auf den Bergen ſelbſt war ich nicht. Nur wird der Serpentin immer mat⸗ ter, ſchwaͤrzer und das Gruͤne verliert ſich.

Jenſeits der Straͤla verbirgt ſich der Serpentin wie⸗ der und es kommt ein feiner Hornblendeſchiefer zu Tag, der den Kircherberg auf einer Seite ausmacht, wie es der Bach des Albertstobel beweiſet, der von demſelben hers

*) Die heimiſche Sage erzaͤhlt, daß dieſe todte Gegend vor nicht ganz dreyhundert Jahren eine der milchreichſten Al pen des Landes geweſen, und durch die Verwuͤnſchung ei⸗ ner Elphe in dieſen unfruchtbaren Zuſtand verſetzt worden. Auf meine Frage, ob es Urkunden gebe, die den vormals bluͤhenden Zuſtand dieſes Berges beweiſen, konnte man mir keine befriedigende Antwort geben. Dergleichen verwuͤnſchte Alpen giebt es verſchiedene in unſern Gebirgen, denn daß entweder die Natur des Erdreichs ſelber, oder der gaͤnzliche Mangel an Waſſer, oder die einem ſtets kalten ſcharfen Winde ausgeſetzte Lage ſolche kahle Gefilde veranlaſſe, an das denkt man nicht, ſondern uͤbernatuͤrliche Urſachen muͤſſen da her⸗ halten.

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unterraſet und fo oft die ſchoͤnſten Wieſen verheert. Auf dieſen aberHfolget unmittelbar rothe und graue Grauwacke, aus welcher die Gebirge bis an die Grenzen der Landſchaft auf dieſer Seite beſtehen, wenn man nach den Baͤchen ur⸗ theilen ſoll, die von denſelben in das Davoſer Landwaſſer hinunterſtroͤmen. Dieſe Grauwacke iſt bald hochroth be— ſteint, klein und groͤblich⸗koͤrnigt untereinander, bald roth— grau, ziemlich kleinkoͤrnig und ganz kleinkoͤrnig, und bald wieder hochroth dem Porphyr und dem kleinkoͤrnigen Man⸗ delſtein ſich naͤhernd, endlich iſt ſie bald grau und roth geſtreift. So ungefaͤhr waͤre die Kette, welche Davos vom Schalſik trennt, beſchaffen; allein ich wiederhole, daß mir das Wetter nicht erlaubt hatte, dieſe Gebirgsarten in ih» ren Lagern ſelbſt zu beobachten, ich alſo meine ganze Bes ſchreibung als ſehr unvollſtaͤndig anſehe. Ueberhaupt ver⸗ dient die Gebirgsinſel, die auf der Oſtnordoſtſeite von dem Davoſer Landwaſſer, auf der Suͤdſeite von der Al— bula, auf der Weſtſeite vom Rheine und auf der Nordoſt⸗ feite von der Lanquart von den übrigen Bergzuͤgen abge— ſchnitten wird, von einem erfahrnen Geognoſten unters ſucht zu werden. Einige ihrer hoͤchſten Kuppen, wie die todte Alp und die Spitzen ob Aroſa beſtehen aus Ser— pentin; andere, wie der Hochwang und der Schaafberg aus Urthonſchiefer, wieder andere, wie die Caſanna und die Lenzen⸗Gebirge aus Kalkſtein, und endlich das rothe Horn ob Parpan und der Lenzer-Heide aus rothem Schie⸗ fer; hingegen ſind die niederen Gipfel zwiſchen dem Straͤla und dem Baͤrenthal, ſo wie diejenigen ob Churwalden aus Grauwacke zuſammengeſetzt. Dabey enthaͤlt dieſe Bergin— ſel nicht wenig Spuren von Erzen, und es entſpringen in ihr ſowohl Sauer⸗ als Schwefel-, wie auch muriatiſche

Waſſer.

Die Hauptkette der Alpen, nebſt den kleinen Nebenaͤſten—

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die fie gegen das Davoſer Thal ausſtreckt, beſteht von der ſuͤdlichen Grenze an bis an die ſuͤdlichen innern Gebirge des Certigerthals aus Kalkſtein, als einer Fortſetzung des maͤchtigen Albula-Kalkgebirges, und zwar in der Hoͤhe, wie man es beim Ausgang des Thales Dekan im Certi⸗ gerthal bemerkt, aus Urkalkſtein. Zwiſchen Monſtein und Jaͤnisberg aber, wo ſich die Gebirge der Ebene naͤhern, iſt ein ſchwarzgrauer harter Alpenkalkſtein. Dieſes ziem⸗ lich ſteile, doch meiſtens mit Holz bis unten an das in einer grauſenden Tiefe brauſende Landwaſſer bewachſene Gebirge, wird der Silberberg genannt, weil, vermuthlich am Ende des ſechszehnten und am Anfange des fiebens zehnten Jahrhunderts, ſehr viel Silber daſelbſt ſoll ges wonnen worden ſeyn. ier werden nicht nur verſchiedene, ſehr tief in den lebendigen Feiſen (man behauptet bey ei⸗ ner halben Stunde) eindringende Gruben, und Ueberreſte alter Gebaͤude, vermuthlich don Pochwerken und Woh⸗ nungen der Bergleute, noch heut zu Tage geſehen; nicht nur iſt im nur eine gute Stunde davon entlegenen Doͤrf⸗ chen Monſtein, ſondern in der ganzen Landſchaft Davos die Sage allgemein, daß dieſes Bergwerk ſehr im Großen betrieben worden ſey, ja wie einige behaupten, nament⸗ lich vor der traurigen Cataſtrophe, die den Flecken Plurs 1618 befiel, auf Rechnung der daſelbſt wohnenden Herren Wertemate Franchi *) ſey bearbeitet worden; ſondern

) Diefe Herren Wertemate Franchi ſollen nicht nur die reiche ſten Buͤrger von Plurs, ſondern der ganzen damaligen Schweiz geweſen ſeyn. Unverwerflich ſcheinende Urkunden beweiſen, daß fie in Buͤndten an verſchiedenen Orten Erze graben lieſſen. Beym Silberberg allein ſollen zweyhundert Knappen fuͤr fie gearbeitet, und ſechszehn Saumpferde das gewonnene Gilber über die Berge geführt haben. Nicht

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wohl Urkunden als Schriftfieller bezeugen es, daß wirk⸗ lich zu verſchiedenen Zeiten Erze, ſowohl hier als an an— dern Orten der Landfchaft Davos, an den Tag find ge foͤrdert worden. Als dieſelbe noch unter oͤſterreichiſcher He rrſchaft ſtand, war ein eigener fuͤrſtlicher Bergbeamter hier, der den Zehenten fuͤr ſeinen Herrn einzog. Der malen find die Gruben meiſtens zerfallen; was man noch in denſelben oder auf den Halden findet, beſteht in einem, in ermeldtem Kalkſtein brechenden, bald fein bald grobſpeiſigen Bleyglanz, des Baues nicht wuͤrdig, und man müßte ſehr große Unkoſten anwenden, wenn man dieſes Bergwerk wieder in Gang bringen wollte. Einige wollen ſowohl Kobolt als Galmei in der Gegend dieſer Gruben gefunden haben. Mir iſt dergleichen nichts vor⸗ 9 Auch im Certigerthal werden verſchiedene Gruben auf beyden Seiten des Thales und in den hoͤchſten Spitzen gezeiget, von welchen die eine Eiſen, eine andere Bley, eine dritte Kupfer und Silber geliefert haben ſoll. Auch will man auf einer der hoͤchſten Spitzen, auch hier das ſchwarze Horn genannt, aus ſchwarz⸗ blauem Kalk⸗ ſtein beſtehend, Spuren von Golderzen entdeckt haben. Ich habe nur Anzeigen von Eiſenſtein, von grobſpeiſi— gem Bleyglanz und von Kupferkies geſehen. Gewiß iſt es, daß noch vor dem Jahr 1762 die weitläuftigen Rui⸗ weniger ſollen fie die noch jetzt ſehr dauwuͤrdig ſcheinenden Silberadern in der Defpiner- Alp ob Zillis in Schams ha» ben bearbeiten laſſen. Man behauptet vielleicht nicht obne Grund, daß dieſe Familie einen großen Theil ihrer Reich— thuͤmer dieſem Gewerbe zu danken hatte. Man fann fie auch in dieſem Stuͤck wie in verſchiedenen andern Hinſich⸗ ten der Fuggeriſchen Familie vergleichen, nur wurde dieſe nicht durch einen einzigen Schlag ſo zu ſagen vernichtet.

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nen einer großen Schmelzhuͤtte mitten im Thale zu fehen waren, daß unter einer Spitze, das Thaͤlihorn genannt, Kupfererz vor ungefaͤhr 150 Jahren, und vielleicht auch noch fpäter muß gegraben worden ſeyn, daß ſich die Sage von ziemlich lebhaftem Bergbaue in dieſem Thale noch in ihrer ganzen Staͤrke unter den Bewohnern deß⸗ ſelben erhält, und daß es, wenn ſich dort wirklich reis che Erzadern noch ſinden ſollten, eine in jeder Hinſicht viel einladendere Lage dazu haͤtte, als der Silberberg. Uebrigens iſt, wie geſagt, das Gebirge im Certigerthal auf der Suͤdſeite kalkartig, auf der Nordſeite aber theils urthonſchiefer-, theils hornblendeſchiefer⸗ artig.

Im Diſchma- und im Fluelathal trift man bald nichts anders als Glimmerſchiefer, Gneus und Granit an, und desgleichen im Veraina- und Sardaskathale bis an den Fermunt. Haͤtte mir die Zeit erlaubt, alle dieſe Gebirge nach allen Richtungen zu durchſtreichen, ſo wuͤrde ich ohne Zweifel eine reiche Erndte von Mineralien jeder Art ge- macht haben. Dieß ſey kuͤnftigen gluͤcklichern Zeiten vor⸗ behalten.

Betrachten wir die Landſchaft Davos nach ihrer duf fern Oberflaͤche, jo bietet ſich vielleicht innert der ganzen Alpenkette keine ſo ſchoͤne und ſo beneidenswerthe wilde Ge⸗ gend an, wie dieſe. Von einer Grenze zu der andern wech ſeln ſowohl im Thal, als am Abhang der Gebirge die lachenden Fluren mit ſchoͤnen Nadelholzwaͤldern, ab, und wenn die fetteſten Wieſen die zaͤhmern Theile bedecken, ſo bekleiden die herrlichſten Weiden auch die hohen Nücken der Gebirge. Schon beym Urſprung des Thales malen ſich die wilden Reitze der Gegend auf dem glatten Spiegel eines kriſtalhellen Sees, und ein raſch das Thal durchei⸗

65 lender Fluß, in welchen ſich die rauſchenden Kinder der Gletſcher, und eine unzaͤhlige Menge der von allen Sei— ten herunterſtuͤrzenden Baͤche und dahermurmelnder Quel⸗ len ergießen, belebt das ganze Gemaͤlde. Da, wo ſich das Thal dem milden Himmelsſtrich zuneiget, ſind die gegen Suͤden gekehrten Abhaͤnge der Huͤgel mit relchen Korn⸗ erndten geſchmuͤckt, und das hellere Gruͤn der hin und wieder emporſtrebenden Laubbaͤume beſaͤnftigt die finſtern Tinten der Tannenwaͤlder, die ſich in die Höhe zuruͤckzie⸗ hen. Ueber die ganze Ausdehnung des lieblichen Gelaͤndes und der daſſelbe begrenzenden Huͤgel, ſind die Behauſun⸗ gen und Gebaͤude der Bewohner bald gruppenweiſe, bald einzeln ausgeſaͤet. Hier leben ſiebenzehnhundert Seelen im Schooße der Alpennatur. Ein Haus, ein nicht weit davon entfernter Stall voll großen und kleinen Viehes, ſamt einer rieſelnden Quelle daneben, um dieſe Gebaͤude herum ein eigenthuͤmliches Gut, und unfern davon ein eigener Wald, lieſern der Familie die erſten Beduͤrfniſſe des Lebens, auch im ſtrengſten Winter. Für den zwar kurzen, aber deſto angenehmern Sommer, beflst bald jeder Landmann in den mittlern Gebirgen feine Bergwie⸗ fen, die ihm das koͤſtlichſte Heu liefern, ſamt einem Haͤus⸗ chen und Staͤllen, und in den hoͤhern Alpen ſeine eignen Sommerweiden, hinreichend für fein Vieh, und unweit davon alle Bequemlichkeiten an Haus und Stall, um dasa ſelbe in der Nacht zu verwahren und ſeine Molken ſelbſt zu beſorgen. Unablaͤßig muß er zwar waͤhrend der blu⸗ migten Jahrszeit arbeiten, aber er thut es mit Freuden, und leicht geht daſſelbe von ſtatten, bey ſeiner kraftvollen Leibesbeſchaffenheit, in dieſer herrlichen reinen Luft, mit der geſunden nahrhaften Speiſe, im Kreiſe der Seinen und im Gefühl der Freyheit und des Bewußtſeyns, nur für ſich und feine Kinder den Schweiß zu vergleßen, ®

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Beſorgung des Heues iſt feine einzige Anſtrengung, denn Viehzucht iſt ſein einziger Reichthum. Vier bis ſechs ſchoͤne Kuͤhe und im Verhaͤltniß derſelben junges Vieh, Schaafe und Ziegen geben ihm nicht nur Molken und Fleiſch genug für feine Nahrung, ohne die Schweine zu rechnen, die er fuͤr ſich alle Jahre maͤſtet und ſchlachtet, ſondern aus dem Verkauf des Butters ), der ſchönen Zeitkuͤhe und der jungen Stiere, die er alle Jahre entbehren kann, ſchaft er ſich alle Beduͤrfniſſe an, die ihm ſein wildes Vaterland nicht liefern kann, und legt noch bey ſeiner maͤßigen, haus haͤl⸗ teriſchen Lebensart jaͤhrlich eine kleine Sparſumme bey Seite. Doch geitzet er nicht, denn er kleidet ſich gut, reinlich und warm; er ißt ſein gutes Stuͤckchen Fleiſch ſamt einem wohlzubereiteten Gemuͤſe bald taͤglich, und trinkt feine Milch. Auch ein Glaͤschen Wein von der herrlichſten Gattung, da der Veltliner in dieſem Klima, zum Nektar wird, findet ſich bald unter jedem Dache. Allein nicht zur Ueppigkeit, ſondern bey ſtrenger Arbeit die Kräfte zu erneuern. Mit allem nöthigen Hausrath verſehen, prangen die ſolid, aus viereckigten, meiſtens ler⸗ chenen Balken, gebauten Haͤuſer, davon einige ſchon meh⸗ rere Jahrhunderte der Witterung trotzen, und die fleißigen Bewohnerinnen derſelben ſorgen den ganzen Winter hin⸗ durch, um ſich und ihre Maͤnner mit Kleidern und genug⸗ ſamer Waͤſche zu verſehen, dazu ſie die Wolle ihrer Schaafe

*) Eine einzige Gegend der Landichaft Davos, das innerſte oder die Alpen des Thales Certig, welche hoͤchſtens 20 Kühe ſömmern, liefert jährlich 6odo Krinnen Butter, zu 36 Loth. Wenn man der ganzen Landſchaft 800 Kühe und 1800 Stuͤck Vieh giebt, ſo rechnet man eher zu wenig als

zu viel, und doch kann man ſich einen kleinen Begriff von der Menge Molken machen, die nur in dieſem kleinen Theile Bindtens gewonnen wird.

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und den theils eingetauſchten, theils ſelbſt gebauten Hanf verarbeiten. Im allgemeinen herrſcht in dieſem Laͤndchen kein großer Reichthum, allein auch keine Armuth, ſondern meiſtens die goldene Mittelmaͤßigkeit, das gluͤcklichſte Loos des ehrgeitzloſen Menſchen. Stark und eher groß iſt der Schlag dieſer Leute, ſchoͤn das andere Geſchlecht, nicht ohne viele weibliche Tugenden, Geſundheit ihr Erbtheil, gute Gaben und nicht ſelten feiner Mutterwitz. Wie glück lich muß dieſes Volk ſeyn, da es unter weiſen Geſetzen ſteht, guter Einrichtungen genießt, und eine wohl organi⸗ ſirte Regierung hat. Möchte es bey der Reinheit ſeiner Sitten, bey der den Alpbewohnern ſonſt eignen Biederkeit, bey der Aufrichtigkeit, die eines freyen Volkes wuͤrdig iſt bleiben. f Warum muͤßen ſich ſeine Maͤnner ſo viel mit dem Handel mit Wein und Brantwein abgeben? Warum wid⸗ / men ſich fo viele dem meiſtens zum Verderben führenden Leben des Saumers? Iſt es nicht zu befuͤrchten, daß die Leichtigkeit dieſe ſchaͤdlichen, dem Aelpler eigentlich unnuͤtzen Getraͤnke zu bekommen, Sitten und Geſundheit untergras ben werden? Warum wandern ſeine Juͤnglinge in das Ausland, um dort ihre ſchoͤnſten Jahre zu vergraben, fremde Laſter und ſchlechte Sitten in ihre fuͤr die Unſchuld geſchaffenen Gebirge zuruͤck zu dringen? Iſt es aus Mans gel an Arbeit und Verdienſt im Winter: was wollen ſie in finſtern Kaffeelaͤden und ſtaubigen Paſtetenbeckerbuden gewinnen? Warum legen fie fich nicht auf Induſtriezweige, die fie in ihrem Vaterlande ſelbſt betreiben, und dadurch gewiß eben ſo gut ihr Gluͤck machen koͤnnen, ohne von den Ihrigen zu weichen? Aus ihren herrlichen Holzarten lieſſen ſich allerley Holzfabrikate verfertigen, Die Natur gab ihnen einen Serpentinberg, warum benutzen ſie ihn nicht wie die Genueſer und die Sachſen die ihrigen? Ihn

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ſtarke Viehzucht liefert ihnen Felle aller Art, warum ders fertigen ſie nicht Leder aller Art daraus, da ihnen ſogar ihre Alpen Gerbermaterialien im Ueberfluß darbieten, und fie fo gut als Fremde Grolleder, Samiſchleder und Cor⸗ duane zubereiten koͤnnten? Sollten die Ergoͤtzungen frem⸗ der Laͤnder ſie mehr reitzen als diejenigen ihres Landes? Sollten ſie an den laͤndlichen Feſten, an den unſchuldigen Freuden, welche bey Anlaß der Einſammlung ihres Al⸗ penheues ſtatt haben, keinen Geſchmack mehr finden? Sollten ſie an den Beluſtigungen waͤhrend dem Winter an den raſchen Schlittenfahrten, an den muntern Taͤn⸗ zen, an dem traulichen Haͤngart, in der guten warmen Stube, wo unter ſuͤßem Geſchwaͤtze die langen Abende an der Seite des lieben aber unſchuldigen Maͤdchens dahin⸗ eilen, weniger Behagen empfinden. als an den Herz- und Sittenverderbenden Taumelſpielen der Städte? O dann ſind ſie zu beklagen!

Möchte doch ihre, um das Wohl ihrer Landfchaft ſonſt ſehr beſorgte Obrigkeit, etwas mehr auf die zweck— maͤßigere Einrichtung der Landſchulen bedacht ſehn. Man ſollte der Jugend nicht nur die dem Landmanne unent— behrlichen Kenntniſſe, ſondern auch Lebensphiloſophie bey⸗ zubringen ſuchen; ohne Zweifel wuͤrde ſie dann einſehen lernen, daß fie nirgends gluͤcklicher ſeyn, glücklicher were den kann, als bey ihrem Stand und in ihrem obgleich wilden Vaterland, und daß, ſo lange die Vorſehung ihnen die wahre Freyheit erhaͤlt, ſie wahrhaftig zu beneiden ſind.

So intereſſant es ſeyn moͤchte, von dieſer alpiniſchen Gegend ein genaues Verzeichniß der Thiere und Pfanzen, die daſelbſt vorkommen, dargeben zu koͤnnen, ſo unmoͤg⸗ lich iſt dieſes fuͤr denjenigen, der ſich nur kurze Zeit da⸗ ſelbſt aufgehalten hat. In den Faunen und Floren Buͤnd⸗ tens, die nach und nach in der Alpina erſcheinen werden,

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69 ſoll es bey den jeweiligen Produkten allemal angeführt werden, wenn ſie dieſer oder jener Gegend eigen ſind. Ich will inzwiſchen nur bemerken, daß in den ziemlich weitlaͤuftigen Waͤldern, welche ſich zwiſchen der Grenze von Kloſters und dem Davoserſee befinden, noch dann und wann Rehe, Luchſe und ſogar, doch ſeltner, Woͤlfe, ſehr oft aber Fuͤchſe und Haaſen angetroffen werden. Die hohen Gebirge, beſonders das Certigerthal, enthalten noch

viel Gemſe und Murmelthiere, und dann und wann ſtreift

aus dem Engadin ein Baͤr uͤber den Hauptkamm in die

Alben heruͤber, um Unheil anzuſtiften. Kein Ornitholog

hat ſich je lang genug in dieſer Landſchaft aufgehalten, um ein Voͤgelverzeichniß liefern zu koͤnnen. Nur Jaͤger verſichern uns, daß der Urhahn noch ziemlich oͤſters, der Spielhahn, die Pecniſe, das Haſelhuhn und das Schnee huhn aber gar nicht ſelten anzutreffen ſind; daß ſich auf den verſchiedenen Seen manchmal ſehr ſeltne Waſſervoͤgel

blicken laſſen, ſo wie ich ſelbſt eine Fulica aterrima in die

Hände bekam. Eben dieſe Seen naͤhren vortreffiche Fiſche. Der ſogenannte ſchwarze See im untern Laret, an den Grenzen von Kloſters, der ſeinen Namen von ſeiner dunkeln Farbe erhalten, die ſowohl die Serpentingeſchiebe als die ihn umgebenden Waͤlder, verurſachen, enthaͤlt Quappen oder Teuſchen, Gadus Lota, von einer ſeltenen Guͤte. Man hat auch Karpfen hineingeſetzt, ſie haben aber nicht gedeihen wollen. Der große Davoſerſee, beynahe am Urſprunge des Thales, eine halbe Stunde lang und eine Viertelſtunde breit, wimmelt von den vortrefflichſten Fo⸗

rellen, die, wie man behauptet, eine erſtaunliche Groͤße

erreichen ſollen. Man theilt fie in Goldforellen, Salme fario, Bloch Th. 1 S. 148. Tab. 22. und in Silberfo⸗ rellen vermuthlich, (doch kann ich es nicht mit Gewißheit ſagen,) Blochs Waldforelle ibid. Seite 187. Tab. 23.

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Ich zweiſſe gar nicht daran, daß ſowohl in dieſen beyden Seen, als in denjenigen, fo ſich im Certigerthal, auf Fluela, auf Aroſa und in dem Landwaſſer befinden, noch andere kleinere Fiſcharten antreffen lieſſen, allein keiner der Anwohner giebt ſich die Muͤbe dieſes zu unter⸗ ſuchen, und der Vorbeyreiſende hat nicht die Gelegenheit dazu. Seltene Inſekten aus jeder Klaſſe beleben auch hier die Natur, und ich habe meine Sammlung mit nicht wenig, wie ich dafuͤr halte, beynahe ganz unbekannten vermehrt. Nicht weniger ſammelte ich manche ſehr artige Erd: Fluß- und Seeſchnecke auf meinen Reiſen, und traf in den benannten zwey Seen die Helix tentaculata und Auricularia Linn. ſehr häufig an, hätte auch vers muthlich, wenn es mir die Zeit geſtattet haͤtte, weit felts nere gefunden.

Wie reichlich die Schaͤtze der Flora ſind, mit denen fie dieſe wildern Gegenden ausſchmuͤckt, glaubt nur der- jenige, der fie fleißig durchſuchet. Die Pracht einer in vol⸗ lem Flor ſtehenden Bergwieſe oder eines nicht ſehr hohen Berggipfels, der noch nicht vom Vieh iſt beſucht worden, und alſo noch mit dem Teppich der Alppflanzen bedeckt iſt, geht uͤber alle Beſchreibung. In Anſehung der Man⸗ nigfaltigkeit berufe ich mich auf die ſchon oben verſpro⸗ chene Flora Rhaetica, wozu die Landſchaft Davos mans chen ſeltnen Beytrag lieſern wird. Hier will ich nur noch zum Schluße anfuͤhren, daß die Pinus Cembra, beſon⸗ ders in Certig ganze Waͤlder ausmacht, und es ſchade iſt, daß die Einwohner die Frucht nicht zum Oelſchlagen des nutzen, da dieſes Oel ſeit einigen Jahren in den Apothe⸗ ken fehr . verbraucht wird.

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V. Bemerkungen uͤber die Vegetation einiger Kalk⸗ g gebirge in Buͤndten.

Die Gebirge, von denen hier die Rede iſt, liegen in dem noͤrdlichſten Theile Buͤndtens, und erheben ſich zu eb ner Höhe von 6— 9000 Fuß. Der Verfaſſer gegenwaͤrtiger Bemerkungen haͤlt ſich ſeit einigen Jahren in dieſem Theile Buͤndtens auf, und lernte erſt hier den herrlichen Zweig der Naturgeſchichte, die Botanik, kennen. Auf mehrern Wanderungen in die nahen Gebirge, in den lieblichen Zirkel der niedlichen Kinder der Alpenflora eingeführt, bes warb er ſich angelegentlichſt um die naͤhre Bekanntſchaft mit ihnen, und ſo glaubt er hier einige, vielleicht nicht uninte⸗ reſſante Bemerkungen darüber, aber nur als Neuling, dem: botaniſchen Publikum mittheilen zu koͤnnen. Auf Nach⸗ ſicht in Beurtheilung feiner Bemerkungen hofft er auch in. ſofern, als ſie aus einem Laͤndchen kommen, das, wie in jeder andern Ruͤckſicht, ſo auch in naturhiſtoriſcher, noch. unter die wenig gekannten gehoͤrt.

Die Vegetation auf obgenannten Gebirgen bein in gewohnlichen Jahren zu Anfang des Brachmonats, auf

den hoͤheren etwas ſpaͤter. Auf allen findet man beynahe

dieſelben Blumen, nur nicht zu gleicher Zeit. Was hier laͤngſt in Saamen geſchoſſen iſt, entfaltet oft dört erſt ſeine Bluͤthe, fo daß es ſcheint, jede Pflanze erfordere auf den Gebirgen eine eigene Temperatur, um ſich gehoͤrig zu entwickeln, die dann natuͤrlich auf den niedrigern Ge⸗ birgen viel fruͤher eintritt, als auf den hoͤhern.

Das erſte Alpenpfaͤnzchen, das ſchon unter dem Schnee ich entwickelt, iſt das Alpengloͤckchen, Saldanella alpina. Man findet es ſchon in einer Höhe von 2000 Fuß, alleits

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um ſo viel fruͤher. Iſt der Schnee duͤnn, ſo durchdringt es ihn, und bildet einen kleinen grunen Kreis um ſich her, wo nicht, ſo bluͤht es ſogar unter dem Schnee. Ich habt mich ſelbſt davon ganz augenſcheinlich uͤberzeugt, als ich auf einer nicht gar zu dicken Schneeflaͤche einige Stellen aushob, und immer einige bluͤhende Soldanellen darin verborgen fand.

Eine zweyte Pflanze, die dem ſchmelzenden Schnet auf dem Fuße nachfolgt, iſt Crocus vernus, flore albo und coerulęo, fie ſteigt aber auch ganz in die Ebenen herab, und bedeckt „gleich der Zeitloſe, ganze Wieſen.

Eine beſondere Merkwuͤrdigkeit bot ſich mir jüngft auf einer, Anfangs Junius unternommenen Bergwanderung dar. Eine der Mittagsſonne ganz ausgeſetzte, bis auf den Gipfel mit Gras bewachſene Hoͤhe, war von unten auf, etwa 1000 Fuß über der Ebene bis auf 3600 Fuß rela⸗ tiver Höhe mit Narcissus poeticus Stellenweiſe wie bes deckt. Unten ſtand ſie in voller Bluͤthe, oben rang ſie eben mit dem ſchmelzenden Schnee um ihre ſchmaͤchtigen Keime. Die Flora Helvetica, Vol. 1. pag. 188. citirt eine, Narciſſe Flore candido odoratissimo in montibus circa Curiam, ich finde aber wirklich nicht wodurch fie ſich von der gewöhnlichen Art Flore lacteo unterſchei den ſollte. Der Geruch iſt bey beyden derſelbe, und der Un⸗ terſchied zwiſchen candidus und lacteus iſt zu geſucht. Mir war nur auffallend, daß fie fo hoch auffleigt. Auf ahnlichen Bergen ſahe ich fie nicht. Auch im Thal fins det ſie ſich ſelten. |

Aus der Gattung der Anemonen fand ich folgende Arten auf allen Gebirgen: Anemone vernalis; flos ju- nior ex albo subescens, adultus obscure purpureus. Sie erhebt ſich zu gleicher Höhe, wie die folgende, ſteigt aber viel tiefer, bis in die Bergwieſen herab. Anemone

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alpina und apiifolia kann ich nicht von einander trennen. Der vorgebliche Unterſchied zwiſchen beyden Arten Flor.

Helv. pag. 328. Vol. 1. iſt gewiß nur zufaͤllig. Caulis foliaque hirsutiora der letzten Art koͤnnen nicht entſchei⸗

den, ich habe beyde Arten in die Ebene verpflanzt, und

fie haben ihre Haare beynahe ganz verloren. Zum Blüs hen brachte ich ſie jedoch nicht. Rubor in caule et pe- tiolis iſt wieder ſehr veraͤnderlich. Auch die Farbe von A. apiifolia möchte ich nicht luteus, ſondern blos pal- lide flavens nennen. Was mich aber am meiſten von der

Identitaͤt beyder Arten überzeugt, iſt flos utriusque

speciei extus cæsius (nicht violaceus). Auch findet

man beyde immer in Geſellſchaft, und der Uebergang von Weiß in Gelb geht durch alle Farbenſtufen. Erſt nach und nach wird die gelbe Farbe die herrſchende. Hoͤher

ſteht gewöhnlich A. alpina, tiefer A. apiifolia, Ane- mone Narcissi flora iſt auf Bergwieſen ſehr gemein, ſteigt aber nicht höher,

Unter die auf den hieſigen Kalkgebirgen am häufigfien vorkommenden Pflanzen gehören auch einige Primeln. Pri- mula inodora, wenn ich ſie ſo nennen darf, denn limbus

‚corolle iſt nicht planus, ſondern concavus; ſteigt von

einer geringen Höhe bis auf die Gipfel der Berge. Pri- mula integrifolia überzieht ganze Strecken des Gebirges mit ihren purpurnen Raſen. Allein in Anſehung der Be⸗ ſchreibung dieſes niedlichen Pfaaͤnzchens kann ich mit der Flora Helv. pag. 112. Vol. 1. nicht einſtimmen. Meine Beobachtungen dictiren mir folgende Kennzeichen: Folia zetusa, oblongas ciliatas concava; involucrum sub- biphyllum; scapus subuniflorus; dentes calycini ob- tusissimi; scapus calyxque purpurascentes. Und doch finde ich in gedachter Flora keine andere Species, fuͤr

welche meine Beſchreibung paffender wäre, Ich babe

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dieſe Primel noch auf allen Kalkgebirgen, in einer Hoͤhe von etwa 5000 Fuß, gefunden. Primula farinosa iſt unter allen die haͤuftgſte. Man trift fie auf ſumpfigen Wieſen in der Ebene ſo wie auf den Gipfeln der Berge an, nur daß ſie hier bisweilen ſich in die Farbe der Unſchuld kleidet. Primula minima habe ich zwar auch ſchon ge⸗ funden, niemals aber auf Kalkgebirgen, und ſowohl sca- pis subunifloris, als umbella nutante. Auf allen Kalk⸗ und Schieferfelſen, die ſich nur einigermaſſen uͤber die Ebene erheben, prangt früher oder ſpaͤter P. Auri- cula. Man findet ſie aber auf hohen Gebirgen, oft blos auf dichtem Wasboden. Daß aber die Blätter immer ges ſaͤgt ſeyen, wie der fpecififche Charakter ſagt, fand ich nicht. Sie waren meiſtens vollkommen ganz. An Felſen, ihrem eigenthuͤmlichen Wohnort, find die Bluͤthen bisweilen fo vollſtaͤndig, daß ich ſchon 26 28 an einer Dolde fand. Dann iſt aber scapus multiflorus, nicht circiter longi- tudine foliorum, ſondern faſt um die Hälfte größer als die Blaͤtter.

Ich komme nun auf eine andere, auf allen Alpen ſehr Häufige Pflanzengattung, nämlich Viola. Ich habe aber nur ſehr wenige Arten davon gefunden. Viola palustris iſt mir einmal vorgekommen, und ein davon in die Ebene verpflanztes Exemplar gedeiht ſehr gut. Viola biflora fins det ſich ſchon in einer maͤßigen Hoͤhe, gedeiht aber nur an ſchattigen Orten, unter Stauden und Baͤumen, daher ſie in den Gegenden uͤber dem Holz nirgends mehr zu finden iſt. Auch Viola canina iſt oft ihr treuer Begleiter. Sobald die Holzregion aufhoͤrt, wird ſie von der Viola srandiflora abgelöst, die ganze Bergebenen mit ihrer Pur⸗ purfarbe erheitert. Auch mit weiſſer Bluͤthe wird ſie bis⸗ weilen gefunden, jedoch nur ſelten. Uebrigens paßt auf die gewoͤhnliche Farbe dieſer Blume ganz daſſelbe, was

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die Flora Helvet. Vol. 2. pag. 211. von der Viola montana ſagt, die mir aber noch niemals vorgekommen iſt. Viola tricolor, die auch uni- und bicolor iſt, uͤbergehe ich als ſehr bekannt. Sie iſt das herrſchende Kraut auf den Bergwieſen.

Waͤre nicht der Durſt der Aelpler nach Enzian-Brannte⸗ wein fo groß, fo würden auch einige Gentiana unter die haͤufigſten Alpkraͤuter gehören, Gentiana lutea findet ſich ſchon auf Bergwieſen, hingegen Gentiana punctata iſt ſchon ſeltener, doch wird nicht leicht ein Kalkgebirg ſeyn, wo ſie nicht gedeiht. Ich habe ſchon einige Proben ges macht, ſie auch in die Ebene zu verpflanzen, war aber nie gluͤcklich damit. Gentiana asclepiadea, iſt auf fleis nen Anhoͤhen ſehr häufig. Gentiana purpurea iſt mir nur einmal beym Uebergang von den Schamſer-Alpen nach Savien, auf Savierſeite aufgeſtoßen. Die kleineren Enzianarten, Corollis infundibuliformibus, ſiehet man zum Theil ſchon in der Tiefe, z. B. Gentiana verna und acaulis. Beyde ſteigen bis auf die Gipfel der Ge⸗ birge; die letzteren habe ich auch ſchon weiß gefunden. Seltener ſind Gentiana bavarica und nivalis.

Ich glaube, diejenigen Pfianzengattungen der Alpen, die ganze Strecken einnehmen, mit Ranunculus ſchließen zu muͤßen; wovon aber nur zwey bis drey Arten unter die aller gemeinſten gehoͤren, und uͤberall fortkommen. Auf naſſen Bergwieſen trift man uͤberall den aͤſtigen Ranun— eulus platanifolius an. Haͤufiger als er iſt noch Ranun- culus nivalis. Zwiſchen Steinbaͤndern und Felſen ſproßt uͤberall in froͤhlichem Wachsthum Ranunculus alpestris. Ungeachtet man ihn nur in einer gewiſſen Hoͤhe in der Natur findet, ſo gedeiht er doch auch im Garten, ohne auszuarten, wie mir eine daruͤber angeſtellte Probe bewies. Er bluͤhte aber nur einmal, und zwar ſchon zu Ende Aprils,

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da man ihn auf den Bergen noch im Auguſt in der Bluͤthe findet. Nicht ſo gluͤcklich war ich mit Ranunculus gla- cialis, den ich nur einmal auf den Schamſer-Alpen fand. Die Beſchreibung davon in der Flora Helv. Vol. 1. p. 339. iſt ganz der Natur gemaͤß. Das Element, worin er gedieh, war N Kalkſtein, mit Schneewaſſer benetzt.

Von andern nicht in ſolcher Menge vorhandenen, mit⸗ unter aber auch ſehr gemeinen Alppfanzen find mir folgende vorgekommen: Veronica aphylla, foliis ovatis subhir- sutis, ciliatis, caule nudo erecto, Veronica saxatilis. Letztere iſt nicht ſehr haufig. Pinguicula vulgaris und alpina in Gemeinfchaft auf naſſem Grunde. Doch ſteigt letztere nicht wie die erſte, in die Thaͤler der Ebene herab. Globularia nudicaulis auf mittlerer Höhe, iſt ziemlich

haͤufig; die Flora Helv. ſagt von ihr: neque in plani-

tiem descendit. Das iſt wenigſtens hier nicht der Fall, man findet ſie an duͤrren, mageren Plaͤtzen, auch in der Tiefe. Galium saxatile bedeckt hie und da die 1 Abhaͤnge der Berge.

Alchemilla vulgaris, foliis reniformis quinque et septemlobis dentatis pubescentibus findet ſich, ſo wie in der Ebene, ſo auch auf den Alpen, jedoch mit obigem veränderten fpezififchen Charakter, häufig. Androsace villosa und laetea, flore alba et rubescente findet man zuweilen in Geſellſchaft, jedoch letztere ſeltener.

Azalea procumbens iſt auf einigen Alpen ungemein

häufig, fo daß fie den Boden raſenfoͤrmig bee auf

andern hingegen findet man ſie nicht.

Polemonium coeruleum iſt zwar eigentlich kein Al⸗ pengewaͤchs, weil es aber doch zu den Seltenheiten wal⸗ diger Berggegenden gehoͤrt, ſo fuͤhre ich blos an, daß ich es einmal in Innerfarrera oder Canicul auf den Wieſen

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fand. Es gedeiht übrigens auch in den Gärten ſehr gut. Eine Spielart davon hat weiſſe Bluͤthen.

Campanula pusilla, flore albo findet ſich hie und da, flore coeruleo hingegen häufig auch in der Ebene. Cam- panula cervicaria iſt ſelten, nur zweymal fand ich fie, Capitulum terminale floribus albidis lanatis tectum. Campanula barbata, flore coeruleo iſt mir nie vorge- kommen, wohl aber flore cæsio, und ſelten flore albo,

Phytevma hemisphærica, flore cyaneo iſt auf den meiſten Alpen nicht ſelten, ſteht aber immer nur einzeln.

Phellandrium mutellina macht in manchen Alpen die Hauptingredienz des gewuͤrzreichen Heues, und deutet immer auf eine vortreffliche Weide.

Sibbaldia procumbens iſt hier nicht fo ſelten, wie ſie nach Flor. Helv. Vol. 1. S. 186. in der uͤbrigen Schweiz zu ſeyn ſcheint. Schon auf Bergen mittlerer Hoͤhe findet man ſie haͤufig. Auch laͤßt ſie ſich in die Ebene verpflanzen. Zuweilen findet man die Blätter vier⸗ zaͤhnig.

SGalanthus nivalis findet ſich ſelten. Einmal traf ich ihn auf den Schalficker⸗ Alpen, 5 Ebpilobium angustifolium mit rother Bluͤthe, iſt zwar uͤberall ſehr haͤufig, bisweilen findet man es aber auch weiß.

FEpilobium angustissimum gehört unter die ſelteneren Alppflanzen, läßt ſich aber ohne Mühe verpffanzen, und gedeiht ſehr gut.

Auf allen Gebirgen, maͤßiger Hoͤhe, verbreitet auch Daphne Cneorum feinen angenehmen Geruch. |

So wie ich oben bemerkt habe, daß es manchmal Alp:

wieſen giebt, welche faſt ganz aus Mutternen, Phellan.

dium muttellina, beſtehen, eben fo bedeckt auch Poly

gonum bistorta die feuchten Bergebenen. Auf Davos

78 fieht man ganze Gelände, mit dieſen „Ochſenzungen“ de⸗ wachſen, (ſo nennen ſie die Einwohner.) Man rechnet es unter eines der milchreichſten Gefuͤtter, und giebt ihm unter andern auch die vorzuͤgliche Eigenſchaft, daß das Vieh durch ſeinen Genuß vor der Lungenkrankheit bewahrt werde. Neben dieſem Polygonum röthet auch Lychnis Flos Cuculi in der gleichen Gegend ganze Wieſen, und in den zahmeren Ebenen konnte ich noch keine entde⸗ cken, fo haufig auch ſonſt andere Arten von Lychnis ſind. Ein auf den Alpen hoͤchſt ungebetener Gaſt iſt hier Rhododendron ferrugineum, (hirsutum iſt feltener) er bedeckt ganze Strecken der ſchoͤnſten Weide mit ſeinem niedern, nutzloſen Gebuͤſch, und entzieht dem Boden die beßten Nahrungsſaͤfte. Wo dieſe einmal uͤberhand genom⸗ men haben, da hoͤrt die uͤbrige Vegetation ſo ziemlich auf. Man will hier auch ſchon welche mit weiſſer Bluͤthe ent⸗ deckt haben, ich kann aber nicht als Augenzeuge davon ſprechen. ' Das zahlreiche Gefchlecht der Steinbre che ſcheint auf den Kalkgebirgen feinen Lieblingswohnſitz anfgefchlas gen zu haben. Man findet da die verſchiedenſten Arten in niedlichen Raſen beyſammen, und ſie tragen nicht wenig zur Bekleidung der nackten Felsſpitzen bey. Die gemeinſte, und aller Orten am haͤufigſten vorkommende, Saxifragæ find Cotylidon und Aizoon, doch ſcheint letztere mehr eine Abart der erſten, als eine eigene Spe⸗ zies zu ſeyn, denn Caulis subnudus paniculatis, und racemosus foliosus möchten leicht in einander überges hen. Doch habe ich daruͤber noch keine Proben. Saxifraga androsacea gleicht von Ferne der Andro- sace villosa, und findet ſich auch gewöhnlich in ihrer Ges ſellſchaft. Den ſpezifiſchen Charakter foliis radicalibur

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lanceolatis pilosis finde ich zwar auch an einem Exem⸗ plar. Bey einem andern aber find die Wurzelblaͤtter ob- longa, interdum triloba, pilosa. Caulis simplex subnudus subbiflorus. Pedunculi axillares. Folia caulina lanceolata sessilia remota adpressa, ad radi- cem pedunculi. bina et terna. Caulis interdum simplicissimus, uniflorus. Die Bemerkung in Flor. Helv. Vol. 1. p. 244. Planta humilis könnte eben ſo⸗ wohl auch von Androsace villosa geſagt werden, denn dieſe ift beynahe noch niedriger. Folia caulina 1-2 iſt ganz richtig. Nur findet man oͤfter eines oder auch ein zweyfaches. Petala albida könnte ich nicht beſtaͤtigen. Ich fand ſie immer alba.

Saxifraga casia iſt mir nur einmal vorgekommen. In Anſehung der ſpezifiſchen Kennzeichen habe ich folgendes demerkt: Die Blätter möchte ich eher Iineari - lanceolata, als linearia nennen. Folia radicalia confertissima prasina carnosa, caulina linearia 3—5. adpressa, apiæ recurvata. Flores 4—5.

Saxifraga bryoides iſt etwas häufiger als die vorige; die Beſchreibung davon in der Flor. Helv. finde ich mei⸗ nem Exemplar ganz angemeſſen, daher ich nichts weiter darüber bemerke. Folia radicalia möchte ih noch glo- bosa nennen.

Saxifraga stellaris begleitet gewöhnlich die Alpen: daͤche. Die Beſchreibung davon giebt die Flor. Helv. ſehr gut.

Merkwuͤrdiger und ſeltener als ſie, iſt 8 op- Positifolia. In ihrer vollen Bluͤthe erheitert ſie die hohen Alpgipfel durch ihr lachendes Roth, und gewaͤhrt einen hoͤchſt vergnuͤglichen Anblick. Am beßten gedeiht fie, wenn ſie uͤber naſſe Felſen herabhaͤngt. So wie die Blüthe ſich entfaltet, ſind die Blumenblaͤtter der verhaͤltnißmaͤßig

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großen Blumen purpurroth, nach und nach aber gehen fie in violett uber. Auch die Blumenſtiele find nicht im⸗ mer einbluͤthig, zuweilen tragen ſie zwey Blumen. So gewiß es iſt, daß dieſe Pflanze nur auf hohen Alpen zu Hauſe iſt, ſo auffallend war es mir, ſie auch im Thale zu finden, freylich in einer ganz eigenen Expoſition. In einer finſtern Clauſe, welche nie von der Sonne beſchienen, wohl aber von den heftigſten Winden durchſchauert wird, haͤngt fie an Felſen nahe über der Ebene, und blüht ſchon in der Mitte Aprils, gerade zu der Zeit, wo der geſchmolzene Schnee uͤber das Geſtein rinnt.

Saxifraga autumnalis, foliis lineari - lanceolatis obtusis, ciliatis, radicalibus in globos aggregatis con- niventibus, flore flavo - virenti. Ich muß geſtehen, daß ſelten eine Beſchreibung von den Steinbrecharten mei⸗ nen gefundenen Exemplarien angemeſſen iſt. Ob meine eigene Ungeſchicklichkeit im Auffinden der Merkmale, oder die unbeſtimmte Angabe derſelben in den Lehrbuͤchern daran Schuld iſt, will ich nicht entſcheiden. So fand ich indeſſen obige Art auf einigen Gebirgen geſtaltet. Leich⸗ ter zu beſtimmen iſt Saxifraga rotundifolia, die ſich gar Häufig findet. Bey meinem Exemplar waren die Blumen⸗ blaͤtter ſehr fein, aber nur roth punktirt. Folia radi- calia reniſormia dentata nitida, villosa petioli cau- lisque villosi. ,

Endlich komme ich an Saxifraga muscoides. Foliis radicalibus in globos aggregatis, trifido - palmatis, obtusis, caule erecto, subbiflore. Sie läßt ſich ſehr gut verpflanzen, und tragt Bluͤthen und Saamen. Uebrigens ſcheinen mir alle Steinbrecharten der Gebirge noch einer ſehr genauen Unterſuchung von Kennern zu be⸗ duͤrfen. Es iſt unmoͤglich, ſich aus dem jetzigen, auf

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vagen Angaben beruhenden Labyrinth der verſchiedenen Spe⸗ zies dieſer Pflanzengattung ohne eigene Beſchreibungen her⸗ auszufinden.

Arenaria austriaca ſcheint nach der Flora Helv. in der Schweiz ziemlich ſelten zu ſeyn, ich habe ſie aber hie und da auf den hieſigen Gebirgen gefunden. Auf die Bea ſchreibung in gedachter Flora paßt mein Exemplar voll⸗ kommen.

Silene acaulis bedeckt ganze Felſenſtuͤcke mit ihren Pur⸗ purfarbnen Raſen. Eine ſeltene Abart davon hat weiße Bluͤthen. Auch dieſe fand ich auf der todten Alp im Hinaufſteigen auf die Scesa plana im Brettigau.

Sempervivum montanum iſt auf den Gebirgen ziem⸗ lich haͤufig, laͤßt ſich auch gut verpflanzen, iſt aber ſchwer zur Bluͤthe zu bringen. Seltener findet man arachnoi» deum. Nur einmal ſahe ich es auf der Spitze des Tas landabergs.

In der Flora helv. ſteht: Telæ cum matura planta evanescunt; was ich aber nicht nachbemerken konnte; vielmehr war das Gewebe vor und nach der Bluͤthe daſſelbe.

Geum montanum iſt hier auf den Bergen ſehr ges mein; ſeltener und nur auf hohen Gebirgen wächst Geum reptans, foliis uniformibus impari- pinnatis, folio lis sexlobis ad basin deerescentibus. Sie gedeiht auch

in der Ebene, bluͤht aber nicht. Sbo wie zwiſchen den meiſten Pffanzen der Alpen und der Ebenen eine ſcharfe Graͤnzlinie gezogen iſt, ſo daß man weder jene im Thal, noch dieſe auf dem Gebirge jemals findet, ſo giebt es doch welche, die beyde Clima ertragen. Darunter rechne ich z. B. Caltha palustris. Man fin⸗ det ſie faſt an allen Baͤchen auf den Alpen, ſo wie im Thal. Ebenſo Leontoden Tarazacum und Tussilago

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Farfara. Hingegen Bellis perennis, die gemeinſte Blu⸗ me der Ebenen, ſucht man auf dem Gebirge vergebens.

Aus der Claſſe der Didynamien fand ich bisher we⸗

nige Alpen⸗Gewaͤchſe. Bartsia alpina iſt uͤbrigens auch hier ſehr gemein. Nicht fo Torzia alpina, die mir nur zweymal bisher aufſtieß. Einmal in betraͤchtlicher Höhe uͤber der Holzregion zwiſchen Felſentruͤmmern; das andere Mal in einem niedrigen Bergwald. Aus der Gattung Pedicularis ſind mir drey Arten vorgekommen, nämlich: P. recutita ziemlich häufig; cau— lis subfoliosus, spica brevis non foliosa, calyces_co- lorati striis atropurpureis ; Flores just magnitudinis carnei striis purpureis. P. foliosa iſt ſchon auf nie⸗ dern Bergen ſehr gemein; P. flammea findet ſich nur⸗ hie und da.

Antirrhinum alpinum, zwar ein urſpruͤnglicher Al, penbewohner, koͤmmt aber oft mit den Bergbaͤchen bis in das Thal herab, und wuchert auch da auf trockenem Sande, hat aber doch bei weitem nicht mehr die lebhafte Purpur— farbe, wie in ſeiner Heimath.

Linnæa borealis, zwar kein Alpengewaͤchs, aber doch nur fchattichten Gebirgswaͤldern eigen, gehört in Buͤnden nicht unter die ſeltenen Pflanzen, allein nur an feuchten, mit Moos dichtbewachſenen Plaͤtzen. In der Beſchreibung dieſer Pflanze muß ich jedoch von der gewoͤhnlichen in ets was abweichen. Sie iſt generiſch nach meinem Exemplar folgende: Calyx duplex: fructus 4-phyllus, binis fo- tiolis oppositis revolutis, binis inflexis; Floris 5 par- titus superus. Corolla eyathiformis suo calyce multo major (gegen die Blume ift der Blumenkelch in Anſehung drr Größe ſehr unbedeutend, vielleicht 4fad) kleiner) etc. ſpecifiſch: Caulis Aliformis repens, glaber involucro ad petiolum geminatum diphyllo, stipalis infra ca-

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lycem fructus binis secundis; Folia ovata ad api- cem dentata, nitida, aspera hirsuta, subtus glabra. Flos nutans, albus, fauce villoso roseo,

Schöne niedliche Raſen bilden noch auf den Gebirgen zwey Arten von Draba. Nämlich Draba aizoides und ciliaris; erſtere iſt aber viel häufiger, Bei D. ciliaris muß ich noch bemerken, daß ich ſie nur am Rande gewim⸗ pert fand, vielleicht iſt es eine Abart von D. aizoides mit weißer Bluͤthe. An einem Schaft waren uͤbrigens oft 9 10 Bluͤthen, was bei D. aizoides nicht der Fall iſt.

Meine Bemerkungen über die folgenden Pflanzenklaſſen waͤren noch zu unvollkommen, als daß ich es wagen duͤrfte, fie öffentlich vorzulegen. Sollte indeſſen dieſer kleine Vers ſuch mit Schonung aufgenommen werden, ſo werde ich mir alle Muͤhe geben, auch fernerhin noch meine Beobach⸗ tungen der Alpengewaͤchſe zur Berichtigung mancher Bes ſchreibungen in Ordnung zu bringen. Auch wuͤnſchte ich ſehr, als Anfänger über die Art, botaniſche Aufſaͤtze ins Reine zu bringen, und uͤber das, was bei botan. Beſchrei⸗ bungen beſonders intereſſirt, von Kennern naͤher belehrt zu werden. Ich fuͤhle es nur zu ſehr, wie viel mir noch zu einem gruͤndlichen Studium der Botanik fehlt, und wie ſehr auch gegenwaͤrtiger Aufſaz der Feile eines Kenners bedarf.

Uebrigens hat die botan. Unterſuchung der Alppfaanzen ihre eigene Schwierigkeit. Geſchieht es nicht an Ort und Stelle, ſo geht ſchon manches charakteriſtiſche Merkmal verloren. Oft erkennt man eine Pflanze ſchon an ihren Nachbarn. Gewoͤhnlich aber muͤſſen Bergreiſen in kurzer Zeit gemacht werden, um den übrigen Gefchäften nicht zu großen Abbruch zu thun, und das einzige, was in dieſem Fall zu thun übrig bleibt, iſt, die Pflanzen mit der Wurs zel auszugraben, und nach Haufe zu bringen: wodurch fie

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aber freilich viel von ihrer natuͤrlichen Geſtalt verlieren. Iſt man fo glücklich, fie in einen Garten verpflanzt zu erhal ten, ſo laſſen ſich auch hier auf die Natur der Pflanze wich» tige Schluͤße machen. Gewoͤhnlich erfolgt eine Ausartung in höherem oder minderem Grad, je nachdem das neue Lo⸗ kal dem vorigen aͤhnlich iſt oder nicht. Allein wie ſehr koͤnnten nur durch Beobachtung der Ausartung die ſpeci⸗ fi ſchen Charaktere beſtimmt werden! Eine Species, die in eine andere bekannte ausartet, iſt doch nur eine Abart da— von. Beſonders unweſentlich iſt die aͤußere Bekleidung der Alppflanzen. Ich habe vor einem Jahr die Achillea nana, die ich auf dem Gebirge zwiſchen Schams und Sa⸗ vien, nebſt Artemisia glacialis las, mit der Wurzel nach Hauſe genommen und in einen Blumentopf verſezt. Der Stengel ſtarb aber ganz ab, und ich glaubte das Pfaaͤnz⸗ chen verloren. Allein nach einiger Zeit bemerkte ich neue Keime aus der Wurzel, doch fo verſchieden von der vori— gen Pflanze, daß ich ſie kaum mehr kannte. Bekannt⸗ lich ſind die Blaͤtter dieſer Achillea im Naturſtande in dich⸗ ten Filz gehuͤllt, der ihr ein ſilbergraues Anſehen giebt. Die neuen Keime kamen ohne alle Hülle ganz gruͤn zum Vor— ſchein, und ſchienen ſich dieſes in einem waͤrmern Clima ganz unnuͤtzen Schmuckes entledigt zu haben.

Gerne wuͤnſchte ich noch über die größte Höhe der Bes getazion auf Kalkgebirgen etwas Beſtimmtes angeben zu koͤnnen. Leider hat man aber bisher ſo wenige Berge in Buͤnden gemeſſen, daß man ſich vergebens um hinlaͤngliche Data umſieht. Unter den von Hr. Muͤller von Engelberg gemeſſenen Bergen, fo wie das Avertiſſement an die Sub» ſcribenten der Mayerſchen Charte fie angiebt, habe ich zwey beſtiegen, nämlich die Scesa plana im Brettigau, und den Calanda ob Chur. Die erſtere erhebt ſich obis ger Angabe zufolge zu 9120 Fuß über das Meer. In der

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Hofnung, wichtige Aufſchluͤße über die Grenze der Vegeta⸗ zion auf Kalkgebirgen zu erhalten, brannte ich vor Be⸗ gierde, dieſe hoͤchſte Spitze des Rhætico Mons zu beſtei⸗ gen. Es war Anfangs Auguſts, als wir uns in zahlrei⸗ cher Geſellſchaft auf den Weg machten. Der Weg führte in der Hoͤhe noch zwey Stunden lang durch Gebuͤſch und Wald. Allein noch ehe wir es vermutheten, fanden wir uns uͤber der wahren Holzregion in einem ſchoͤnen langen Alpthal, wo zwar hin und wieder noch einige Stauden, aber nur kuͤmmerlich, ihr Daſeyn fortſchleppten. Die lezten Stauden waren Betula viridis, Juniperus Sabina und Pinus montana. Unter den Laubhoͤlzern iſt unſtreitig erſtere das hoͤchſte. Man nennt ſie in der Landesſprache Trooß. Sie vermag ſich nicht mehr zu einem Stamm zu concentriren, ſo wenig als Pinus montana, mit der ſie gleiche Hoͤhe hat, ſondern bleibt bloße, noch ziemlich hohe Staude. Das lezte Nadelholz, aber nur in dieſer Gegend, war pinus montana, oder Krummholz. Man. will dieſe Zwergtanne nur fuͤr eine Abart von der Fichte anſehen, mit der ſie zwar in Anſehung der Charaktern faſt ganz uͤbereinkommt. Allein auffallend iſt doch, daß keine andere Tannenart auf den Alpen auf dieſe Art abaͤndert. Selbſt die Fichte, die man manchmal noch ſehr hoch fin» det, hat zwar in der Hoͤhe einen ſehr kruͤppelhaften Wuchs, aber man kann doch immer noch den Hauptſtamm deuk⸗ lich unterſcheiden, an deſſen Ende die Aeſte von der Laſt des Schnees niedergedruͤckt wagerecht im Zirkel auslaufen. Andere Arten noch weniger. Die Lerche z. B. iſt auf ei⸗ nigen Gebirgen viel höher als das Krummholz, ohne zur Staude zu werden. Der hoͤchſte Baum iſt die Zirbel⸗ tanne, und auch dieſe treibt einen geraden, 30 40 Fuß hohen Stamm. Das hohe Gebirg ſcheint uͤberhaupt Stau, den nicht ſehr zu beguͤnſtigen. Wo man weit unter fi

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noch keine Staude, ſelbſt pinus montana nicht erblikt, gedeiht noch die Zirbeltanne. Ich glaube daher, daß der ſtaudenartige Wuchs von P. montana nicht eine Folge des Clima, ſondern Natur des Baumes iſt. Auf unſerer Reiſe machte fie indeſſen die Grenze des Holzes. Die nies drige Flora war nicht beſonders merkwuͤrdig; nur daß ſich zu den gewöhnlichen Alppflanzen noch Gentiana nivalis geſellte. Wir kamen auf eine Hoͤhe, die todte Alp genannt, wo alle Vegetazion erſtorben ſchien. Außer Silene acaulis Hore albo und einigen Primula auricula war nichts zu finden. Wir mußten noch eine ſehr ſteile, faſt eine 9/2 Stunde hohe Anhoͤhe durch verwitterte Felſentruͤmmer hinanſteigen; zwiſchen dieſen gedieh in froͤhlichem Wuchſe Cerastium latifolium, Es war die lezte Pflanze an der Grenze des ewigen Schnees. Im feiner Geſellſchaft blick— ten noch hie und da Gentiana glacialis, Achilleæ atrata und moschata aus Felſenritzen hervor. Der Pfad auf die Spitze führte über eine ziemlich lange gefrorne Schneefläs che. Der Gipfel ſelbſt war zwar frey von Schnee, aber ganz verwittert. Nicht ein Graͤschen konnte ich entdecken. Kaum zooo Fuß war die Spitze über der Vegetazion er⸗ haben, und leztere reichte demnach auf alle Faͤlle über 8000 Fuß.

Das gleiche ſcheint bei der Spitze des Calanda der Fall zu ſeyn. Sie wird zu 8410 Fuß angegeben, und die Ve⸗ getazion reicht bis auf den Gipfel. Ich muß indeſſen ges ſtehen, daß mir dieſe Hoͤhen-Angabe zu groß ſcheint, wahr⸗ ſcheinlich würde aber auch die Vegetazion noch höher reis chen. Aster alpinus iſt auf dieſem Berge beſonders haͤu⸗ fig, fo wie antirrhinum alpinum, das auf andern Al- pen ſelten zu finden iſt. Eigenthuͤmlich ſcheint dem Ca⸗ landa Sempervivum arachnoideum, wenigſtens auf an⸗ dern Gebirgen habe ich es noch nie gefunden.

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Andere minderhohe Spitzen uͤbergehe ich, weil fie zu gegenwaͤrtigem Zwecke nichts beitragen koͤnnten, und ſchließe zugleich dieſen kleinen Aufſatz. Moͤchte doch Buͤn den, das in naturhiſtoriſcher Hinſicht ſo aͤuſſerſt merkwuͤrdig iſt, auch das Gluͤck haben, von Kennern bereiſet zu werden! Nur in der Botanik waͤren da gewiß hundert neue Entde— ckungen zu machen. Nichts als unvollſtaͤndige Fragmente ſind es, was ich in der Hinſicht geben kann.

8 Der angebliche Salmo Alpinus,

o der |

auseinandergeſezte Naturgeſchichte der RNoth⸗ forelle und der Bachforelle.

Von Erziehungsrath Hartmann in St. Gallen.

Ds es verdienfilicher fey, ein noch unbekanntes Thierchen aufzufinden von dem man nichts weiß, als feinen auf ſern Habitus zu beſchreiben und ihm einen Namen zu ges ben oder das Unbeſtimmte in der Naturgeſchichte eines Thieres dahin zu berichtigen, daß Spielarten zu der wah— ren Species gebracht und durch vergleichende Beobachtun⸗ gen über Naturell und Eigenheiten die Species ſelbſt ges nauer erkannt werde; dieß moͤgen andere entſcheiden. Zu beyden muß uns oft der Zufall verhelfen. Wenn aber in Betreff des erſtern die Betrachtungen nicht ſelten bey dem ſtehen bleiben koͤnnen, was der Zufall dargeboten hat, ſo iſt in Ruͤckſicht des leztern die blos anſchauliche Kenntniß nicht hinreichend genug, und man iſt allemal gezwungen, dem weiter nachzuſpuͤren, wofuͤr man zufaͤlliger Weiſe ei⸗ nen Fingerzeig erhalten hat.

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Wer die Geſchicklichkeit hat ſolche Fingerzeige zu ver, ſtehen, und die Neigung ihnen zufolge weiter zu ſpaͤhen, wird in den Buͤchern nicht nur ſehr oft Spielarten von der wahren Art getrennt, und als eigene Arten aufgeſtellt finden, ſondern ſo weit ſind wir bey aller Gelehrſam⸗ keit in dem wirklichen Naturſtudium noch zuruͤck er fin⸗ det auch, was noch viel auffallender iſt, bisweilen durch Vermiſchung zwoer verſchiedener Thierarten, eine dritte aufgeſtellt, die nirgends in der Natur exiſtirt. Auf dieſe Weiſe iſt in den neueſten Ichthyologien der Salmo Alpi- nus entſtanden.

Ich glaube, Artodi und Linne denn bey dem Mangel der gehörigen litterariſchen Huͤlfsquellen kann ich nichts zuverlaͤßig behaupten haben zuerſt Geß ners Röỹthele, Umbla minor ), die Benennung Salmo Alpinüs beigelegt; und obſchon keine Fiſchart die Alpen⸗ waſſer ausfchliegiich andrer bewohnt, fo wollte ich nichts dagegen haben, wenn der Trivialname der einzige wäre, mit welchem dieſe Art von obigen Naturforſchern bezeich⸗ net wird; aber beyde fuͤhren den naͤmlichen Fiſch auch noch mit einem andern Namen (Salmo Salvelinus) als eine beſondere Art an, und die folgenden Gelehrten ſchrieben ohne genugſame Vergleichung oder Selbſtpruͤfung nach; bis Schrank vermuthete und endlich zur Gewißheit ge⸗ langte, daß Linne's Salmo Alpinus und 8. Salveli- mus der naͤmliche Fiſch ſey ). 5

Waͤhrenddem Schrank die Natur ſtudierte und Bücher verglich, fiel es Herrn D. Wartmann ein, ein Fiſch, der ſich in den Alpſeen von Appenzell aufhaͤlt, konne nichts anders als der wahre Salmo Alpinus ſeyn. Anſtatt vorurtheil⸗ 5

) Fiſchbuch, Fol. Zürich 1563. S. 190. Schriften d. Berlin. Geſellſch. N. Fr. II, 297.

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frey ſich in der Natur umzuſehen, ob dieſer Alpenfiſch nicht auch oft ziemlich ferne von den Alpen in den Gewaͤſſern der Thaͤler wohne, dachte er gar nicht daran, daß dieß wirklich der Fall, und fein Fiſch als Salmo fario auch ſyſtematiſch bekannt ſey. Er wollte ihn nun einmal⸗ zum Salmo Alpinus ſtempeln, und wo er mit Linne's Kennzeichen deſſelben nicht zuſammentraf, da mußte es Abweichung vom ſchwediſchen Fiſche ſeyn.

Auf dieſe Weiſe konnte es nicht fehlen, Hr. Wart⸗ mann mußte bey ſeiner Beſchreibung der Seealper-Fo— relle “) des Syſtems wegen bisweilen etwas ſchief auf die Natur ſehen. Das Nachtheiligſte dabey bleibt immer, daß er andre Naturforſcher, die ſeinen Fiſch nicht ſelbſt zu ſe— hen und zu beobachten Gelegenheit hatten, irre fuͤhrte, ihn fuͤr eine Art zu halten, die er nicht iſt. Die Naturkennt⸗

niß hat alſo durch feine Beſchreibung nicht nur nichts ge—

wönnen, ſondern, anſtatt einer Verwirrung abzuhelfen, ward ſolche betraͤchtlich vergroͤßert; indem ohne ihn der ge— ſchickte und ſcharfſichtige Bloch den Salmo Alpinus des Linne ſicherlich zum Salmo Salvelinus deſſelben gezaͤhlt haͤtte, was er nun nach dieſem neuen Zeugniß fuͤr einen beſondern Alpenfiſch, mehr aus Beſcheidenheit als Ueber⸗ zeugung zu thun unterließ *), und aus Linne und Wartmann eine Beſchreibung zuſammenſezte, die den Irrthum einer eigenen Alpforellenart bis jezt fortpflanzte. Es iſt wahr, Salmo Salvelinus und Salmo fario bewohnen die Gebirgswaſſer, und in dieſer Ruͤckſicht koͤnnte jeder Alpinus genannt werden; aber beyde findet man auch da, wo von keiner Alpengegend mehr die Rede ſeyn

*) Sie ift abgedrukt in den Schriften d. Berlin Geſellſch. N. Fr. IV, 69— 77. 7) Oekon. Nat, Geſch. d. Fiſche Deutſchl. III, 160.

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kann: den erſtern Fiſch im Zuͤricherſee, Bodenſee und mehrern Seen in Bayern; den leztern faſt uͤberall wo nur Waldbaͤche mit kieſigtem Grund ſind. Der erſtere wohnt nur in Seen von betraͤchtlicher Tiefe, doch gerade in uns ſern hoͤchſten Alpſeen, wo man noch leztern findet, nicht, und eben fo wenig in den Fluͤßen; der leztere haͤlt ſich meir ſtens in Baͤchen und Fluͤßen auf, oder in ſolchen kleinen Bergſeen, die durch einen beſtaͤndigen Zu- und Abfluß des Waſſers als Flußquellen zu betrachten find; für dieſen iſt, im Deutſchen kein Name charakteriſtiſcher als Bach fo— relle und für jenen Rothforelle, weil er immer etwas von dieſer Farbe behält, Sonſt variren beyde Arten uns ter ſich, je nachdem fie da oder dort wohnen, in den Far— ben außerordentlich; und das mag die einzige Urſache ſeyn, warum die wahre Art oft mißkannt wurde.

„Nach dieſer vielleicht nur zu weitlaͤufigen Einleitung wird es Zeit ſeyn, zur beſondern Naturgeſchichte beyder Fiſcharten zu ſchreiten; ich folge dabey, ohne fie nicht ges hoͤrig zu ſchätzen und wo ich kann zu benutzen, weit we— niger einem Schriftſteller, als der bloßen Leitung der Na— tur. Aber eben darum kann ich meine etwanigen Behaup— tungen nur als lokalrichtig angeben, und es iſt was man heutzutage gern glauben wird nicht Schweizer— ſtolz, mich nur auf die Schweiz, oder vielmehr nur auf einen Theil derſelben beſchraͤnkt zu haben, ſondern Liebe fuͤr die Wahrheit im Ganzen, die nur dann uͤberall erkannt werden kann, wenn ſie erſt in einzelnen Theilen aufgefunden iſt, die hernach zuſammengeſtellt werden.

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J. Naturgeſchichte der Nothforelle, Salmo Sal-

velinus.

Kennnzeichen der Art.

Der erſte Strahl in der rothen oder roͤthlichen Bauch » und Afterſloße iſt weiß. Die Riemenhaut hat 10 bis 12 Strahlen. Die Bruſtſſoßen 12 bis 14; Bauchfloßen 8 bis 9; Af⸗ terfloße 11 bis 12; Ruͤckenſſoße 11 bis 14; und die Schwanz⸗ floße 20 bis 24 Strahlen ).

Beſchreibung.

Der Kopf iſt an den Seiten zuſammengedruͤckt. Die Mundoͤffnung weit, beyde Kinnladen, davon die obere et— was laͤnger als die untere iſt, mit kleinen ſpitzigen Zaͤhnen beſezt; die Zunge knorplicht, frey und nebſt dem Gaumen mit zwey Reihen ſpitziger Zaͤhne verſehen. Der Augenring ſilberfarb; die Pupille ſchwarz. Der Ruͤcken bis auf die Hälfte der Seiten herab ſchwarzbraun, olivenfaͤrbig unters miſcht, nach den Seiten zu heller, bey einigen etwas in's blaue ſpielend, und mit orangefarbnen Flecken, die in weiß⸗ lichen Kreiſen ſtehen, beſezt. Der Bauch hoch orangefaͤr— big. Die Seitenlinie zart, gerade und mehr oberhalb als in der Mitte. Die Schuppen uͤber den ganzen Koͤrper ſehr klein. Bruſt⸗, Bauch- und Afterſloßen roth; bey den

*) Dieſe Abweichungen in der Anzahl der Finnenſtrahlen ruͤhrt

nicht blos von der Varietaͤt in dieſem oder jenem Waſſer her, ſondern zeigt ſich bey Individuen aus dem naͤmlichen See, die ſich uͤbrigens ganz ähnlich ſind. Die Anzahl der Finnenſtrahlen iſt uͤberhaupt bey allen Fiſchen ein eben ſo truͤgliches Kennzeichen, als die Anzahl der Schilde und Schuppen bey den Schlangen.

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Bauchfoßen kleine Mittelſoßen; die Nücken⸗, die Fettſſoße und die etwas gabelfoͤrmige Schwanzfoße braun.

Dies it die genaue Beſchreibung des Winterroͤ— thels in dem Aegri- und Zugerſee; der Sommerrs— thel daſelbſt koͤmmt mit ihm groͤßtentheils uͤberein, nur daß ſein Bauch weiß, anſtatt orangefarbig iſt.

Das Roͤtheli im Bodenſee weicht, außer der Größe, von dieſen hauptſaͤchlich darin ab, daß bey den jüngern Fiſchen der Rücken blaßgrau, etwas ins orangefaͤrbig ſpie— lend und die Seiten lichtorangefaͤrbig find. Groͤßere hin» gegen ſind ſelbſt auf dem Ruͤcken hellorangefaͤrbig. Der Bauch iſt bey allen weiß. Die Bruſt-, Bauch- und Af⸗ terfloßen hochorangefaͤrbig; die Rücken- und Fettſſoße mis ſchen ſich aus dieſer Farbe in's graue und dieß noch mehr die Schwanzfoße.

Wer von dieſem Fiſche nur die beyden aͤußerſten Ab⸗ weichungen ſehen wuͤrde, koͤnnte wohl glauben, es moͤch⸗ ten zwo verſchiedene Arten ſeyn; aber ich habe ſie ſo durch alle Nuͤancen hindurch beobachten koͤnnen, daß mir auch nicht mehr der geringſte Zweifel gegen die bloße Abwei⸗ chung von ein und ebenderſelben Art uͤbrig bleibt.

Zergliederung.

Der Schlund und Magen find dick und inwendig fal tig; an dem untern Magenmunde, zu Anfang des Darm— kanals befinden ſich eine Menge Anhaͤngſel, die fo zuſam⸗ menkleben, daß ſie ſchwer zu zaͤhlen ſind. Die Schwimm⸗ blaſe ſteht mit dem Schlunde in Verbindung und iſt ein⸗ fach. Die Leber weißlicht und die Gallenblaſe groß. Der Fiſch hat 62 Wirbelbeine und auf jeder Seite 35 Ribben. Ich hatte hiebey nur Exemplare aus dem Bodenſee.

Aufenthalt. Die Rothforelle wohnt in der Schweiz in dem Aegri⸗

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fee, Zugerſee, Vierwaldſtaͤdterſee, Bielerſee, Zuͤricherſee, Wallenſtadterſee und Bodenſee. Geßner“) bemerkt, daß beſonders viele in dem Genferſee gefangen werden, ich ver— muthe aber, es finde hier eine Verwechslung mit dem Rit— ter (Salmo Umbla) ſtatt. Bridel, der zwar als Zoo— loge ſehr ſchwach und unzuverlaͤßig iſt, fuͤhrt wirklich un⸗ ſre Rothforelle unter den Fiſchen des Genferſees nicht an ).

Nahrung.

Beſteht meiſtens in der jungen Brut andrer Fiſche. Selten und nur in ihrer Jugend kommen ſie ſo hoch an die Oberflaͤche des Waſſers, daß fie auch Inſekten haſchen koͤnnen.

Fortpflanzung und Wachsthum.

Die Rothforellen leichen überall nur in den größten Tie⸗ fen; ihre Leichzeit dauert beynahe zwey Monate; im Bo⸗ denſee faͤngt ſie zu Ende Septembers, im Zuͤricherſee in der Mitte des Octobers und im Zuger» und Aegriſee Ans fangs Novembers an. An dem Bodenſee verſicherte man mich, daß ſie erſt im vierten Jahre ihres Alters Rogen be— kommen und der Fiſch dann ungefaͤhr 1/4 Pf. ſchwer ſey, im ſechsten Jahr koͤmmt er auf / Pf., welches feine ge- woͤhnliche Groͤße iſt. Aeuſſerſt ſelten wird ein apfündiger gefangen. Im Zuger» und Aegriſee werden fie erſt im fünften Jahr 1/4 Pf. ſchwer und bleiben gewöhnlich in dies fer Größe; doch bemerkt Scheuchzer ), daß emmal zu Anfang des vorigen Jahrhunderts einer 6 Pf. ſchwer in dem Zugerſee gefangen worden ſey. Eſcher t) ſagt, in

*) Fiſchbuch, S. 190.

**) Etrennes helvét. pour l'an 1799. S. 76 u. f.

+) Nat. des Schweizerlandes, ed. von Sulzer. II, 211. ) Beſchreib. des Züricherfeeg , S. 117.

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dem Züricherfee feyen fie gemeiniglich einer Spanne lang, doch gebe es auch zu Zeiten 2 und zpfuͤndige. Die Roth⸗ forelle gehoͤrt in den meiſten unſrer Seen zu den ſeltnern Fiſchen. Nur im Zuger- und noch mehr im Aegriſee fine. den ſie ſich häufig.

Naturell und Eigenheiten.

In dem Bodenſee halten ſich die dreyjaͤhrigen Rothfo⸗ rellen gewöhnlich in einer Tiefe von 30 bis 40 Klaftern auf; die groͤßern nur in den größten Seetiefen. In dem Zus gerſee leben die ſogenannten Sommerroͤthel in einer Tiefe von 10 bis 15 Klafter in dem See zerſtreut, und die Elch nen kommen bisweilen bis an die Oberfläche des Waſſers. Die Winterroͤthel halten ſich nur an dem Fuß des Rigibergs in einer Tiefe von hundert und mehr Klaftern auf, wo Kies oder Felſengrund iſt, wie ſchon Scheuchzer *) und Sulzer **) bemerkt haben.

Seitdem es Geßner +) geſchrieben hat, wird überall nachgeſchrieben, daß unſere Rothforelle ein ſehr zartes Les ben habe und wenn ſie aus dem Waſſer gezogen werde al— ſobald ſterbe. Mir ſcheint, es koͤmmt das meiſte darauf an, wie der Fiſch beym Fang behandelt wird; ein zaͤhes Leben haben ſie zwar nicht, doch bringen ihn die Fiſcher von Aegri in Zubern lebendig nach Zuͤrich und ſogar in Schnee gepackt ward er ſchon mehrere Stunden weit le— bendig verſandt. Im Jahr 1804 ſah ich in einem öffent: lichen Brunnen in Zug, der eben nicht reinlich gehalten wird, etwa ein Dutzend Stuͤcke ſehr munter, die fchon-

) Nat. Geſch. a. a. O.

**) Beſchreibung der Merkwuͤrdigkeiten auf einer 1742 gemach- ten Bergreiſe. S. 30.

+) Fiſchbuch. S. 19%

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beynahe ein Jahr darin gehalten wurden und fo zahm

f waren, daß ſie auch mir Regenwuͤrmer aus der Hand ab— nahmen. Es kömmt ganz ſicher weniger auf die Tempe> ratur des Waſſers an, in dem ſich dieſe Fiſche wohl be— finden ſollen, als daß es ein weiches Waſſer ſey; nur harte Waſſer vertragen ſie nicht.

Nutz en.

Das Fleiſch der Rothforelle iſt vortreſtich, zart und fett; aber des leztern Umſtandes wegen erhaͤlt ſich der todte Fiſch nicht lange ſchmackhaft. Auch find fie aus dem einen See weit ſchmackhafter als aus dem andern. Cyſat “) hat zuerſt die aus dem Zugerſee als die koͤſtlichſten der Schweiz angeruͤhmt, indem er die im Luzernerſee weniger lobt. Scheuchzer “) folgt feiner Aeuſſerung in Betreff des er— ſtern, und ſezt hingegen hinzu, daß die aus dem Aegriſee weniger ſchmackhaft ſeyen, welches aber gerade das Gegen— theil iſt; in Zug ſelbſt werden die aus dem Aegriſee fuͤr die koͤſtlicheren gehalten. Für 30 Stuͤck auf das Jahr gerech⸗ net, die dem Fraumünfteramt in Zürich aus dem Aegriſee geliefert werden, ſind die Waaren der Bewohner von Ober⸗ und Unter⸗Aegri im Kanton Zürich feit uralten Zeiten Zoll⸗ frey. Die Lieferung geſchieht alle 6 Jahre in lebendigen Fiſchen.

4

Schaden. dſchon fie zu ihrer Nahrung der Brut andrer Fiſche nachſtellen, fo iſt der Schade doch nicht fo beträchtlich, daß er ſich durch fie ſelbſt nicht wieder reichlich erſetzen ſollte.

) Beſchreib. d. Vierwaldſiaͤtterſee, S. 42. 99 Nat. Geſch. d. d. 8

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| Fang.

„In dem Bodenſee werden fie bey Ueberlingen und dieſer Stadt gegenüber, bey dem Dorfe Wallhauſen, vom Sep⸗ tember bis gegen das Ende Octobers ziemlich haufig gefan— gen. Im Winter und gegen den Fruͤhling faͤngt man ſie einzeln, mit Grundſchnuͤren, in der Gegend von Muͤnſter— lingen bis nach Rommishorn. Im Zuͤrichſee fängt man. ſie von Martini bis zum Neujahr neben dem Meilerfeld und bey der Au, über 20 Klafter tief in Schwebnetzen ). Im Zugerſee werden ſie nicht nur mit dem Angel, ſondern auch mit dem Garn in großer Tiefe gefangen. Im Aegri⸗ fee geſchieht ihr Fang von Martini bis Weyhnachten, oben am See, zo bis 40 Klafter tief, auf folgende Weiſe:

Die Fiſcher fuͤhren Anfangs October viele Kaͤhne voll Stein und Kies den See hinauf, und werfen es an ge— wißen Stellen in die Tiefe; innert Monatsfriſt uͤberſchlammt dieß Kies ein wenig und die Rothforellen ſetzen dann dar⸗ auf ihren Rogen ab. Ungefaͤhr um Martini macht jeder Fiſcher ſeinen Satz, d. h. es werden Nielen (Bryonia alba, L.) zuſammengebunden, an dem einen Ende ein großer Stein und an dem andern ein Baumſtrunk befeſti— get, dem Zwiſchenraum wird eine ſolche Laͤnge gegeben, daß wenn der Stein auf dem Grunde des Sees liegt, das Holz ſenkrecht uͤber ihm in etwas aus dem Waſſer empor— ragt. Zwey ſolche Satzzeichen werden, in der Entfernung von einem Klafter, und ungefaͤhr ein Klafter tief unter dem Waſſer, ebenfalls mit Nielen, aneinander gebunden. Der Fiſcher ſtellt dann feinen Kahn der nur aus dem, Stamme einer großen Tanne ausgehoͤlt iſt zwiſchen die- ſe Satzzeichen mitten ein, ſteckt großen Forellenrogen an den Angel, wirft ihn in die Tiefe und haͤlt die Angelſchnur

) Eſchers Beſchreib. des Zuͤricherſee s. S. 117.

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an einem Haſpel in der Hand. Sobald eine Rothforelle angebiſſen hat, wird ſie ſchnell heraufgehaſpelt, iſt dann aber allemal von Wind ſo aufgedunſen, daß ſie ſogleich ſtuͤrbe, wenn ihr nicht ſchnell ein Hoͤlzchen in den After geſteckt würde, wodurch ſich die Blaͤhung verliert.

Feinde. Der Varſch und die Quappe ſtellen beſonders ihrem Rogen nach.

Verſchiedenheiten und Namen.

Außer den bereits oben erwaͤhnten Abweichungen iſt noch zu bemerken:

Daß der Sommerroͤthel beſtaͤndig ohne rothen

Bauch iſt; . a Daß der Winterroͤthel erſt im fünften Jahre ſei⸗

nes Alters den fchönen orangerothen Bauch bekommt; Daß die Fiſther im Aegriſee behaupten, es gebe auch im eigentlichen Sinn Geſchlechtsloſe, in der Farbe ſollen ſie allemal denen im Bodenſee gleichen, und groͤßer als die übrigen 2 bis 3 Pf. ſchwer ſeyn. Ich glaube genugfam erwieſen zu haben, daß unter I Salmo Alpinus meiftens unfte Rothforelle, S. Sal- velinus, verſtanden wurde, und muß denen Naturforſchern gänzlich meinen Beyfall geben, welche behaupten, daß der Salmarin, 8. Salmarinus, nur eine Spielart von 8. Salvelinus ſey; auch ſcheint es mir, daß die ſogenannte pfenforelle, S. Carpio, hieher gehöre, und edens falls keine beſondere Art fuͤr ſich ausmache. 8 Unſre Rothforelle heißt an den metſten Seen der Schweiz Rothelt; am Luzernerfee das kleine Roͤ⸗ theliz am Zuger» und Aegriſee der Roͤthel, auch Sommer- oder Winter⸗Roͤthel; am Bielerſee Bon-

&

&

98

delle ). In Deutſchland war bisher der Name Salb⸗ ling der gewoͤhnlichſte.

II. Naturgeſchichte der Bachforelle, Salmo

fario.

Kennzeichen der Art. Der Körper iſt mit rothen Punkten, die in mehr oder minder hellen Kreiſen ſtehen, beſezt. Die Kiemenhaut hat 10 Strahlen. Die Bruſtfloßen zo bis 12; Bauchfloßen 8 bis 16; Af⸗ terfioße 11 bis 12; Ruͤckenſſoße 14, und die Schwanzfloße bis auf 30 und mehrere Strahlen.

Beſchreibung.

Der Kopf iſt ziemlich groß, die Mundoͤfnung weit; deyde Kinnladen, Gaumen und Zunge mit ſpitzigen Zaͤh⸗ nen beſezt. Die Augen groß, die Pupille ſchwarz, der Augenring ſilberfarb, doch naͤchſt an der Pupille ein gelber Rand. Stirne, Nacken und der ganze Ruͤcken ſind oliven⸗ faͤrbig, bald mehr bald minder dunkel, und bisweilen ſtehen auf dem Ruͤcken große ſchwarze Flecken. Unter der Seitenlinie verliert ſich die Olivenfarbe ins ſilbergraue und gelbliche, und ſpielt, gegen das Licht gehalten, in Gold

) In der Faunula Helvetiea, die dem dritten Band von C. Briefen uͤber die Schweiz angehaͤngt iſt, wird be merkt, daß van Berchem das Synonym zu dieſem Fiſch nicht habe auffinden koͤnnen; doch wußte ſchon der alte Con⸗ rad Geßner recht gut, daß es unſer Roͤtheli iſt. Sie⸗ he deſſen eutſche Namen der Fiſche und Waſſerthiere, im Anhang zu ſeiner Ausgabe von Ovidii Halieuticon, 8. Ti- guri, 1556,

iR

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und Silber; der Bauch iſt bey den einen weiß, ind graue ſpielend, bey andern gelblich. Der Ruͤcken und die Sei⸗ ten find mit ſchwarzen und blutrothen Punkten, ohne bee ſtimmte Zahl oder Standort, beſezt, wovon die leztern ges woͤhnlich in weißlichen Kreiſen ſtehen; doch ſind dieſe Kreiſe bisweilen fo ſchwach vorhanden, daß man fie kaum bemer— ken kann. Die Bruſt⸗, Bauch- und Afterſſoßen find ſchmu⸗ Big: orangefaͤrbig. Die Ruͤckenfſoße grau, obenher ins roͤth⸗ lich⸗gelbe und unten in's olivenfarbne uͤbergehend, auch

nicht ſelten mit ſchwarzen und rothen Punkten beſezt. Die

Schwanzfoße ſchmutzig- orangefaͤrbig und gegen den Grund immer mehr in's olivenfarbne uͤbergehend. Das Waſſer, in dem ſie ſich aufhalten, wirkt ſo ſehr auf ihre Farbe, daß einige Fiſcher behaupten, bloß an der Farbe zu erken⸗ nen, ob eine Forelle aus dieſem oder jenem Bach oder Bergſee ihrer Gegend her ſey.

Zergliederung.

Schlund und Magen find, wie bey allen Forellenarten, weit, dick und faltig; dieß iſt nach meiner eigenen Unter⸗ ſuchung auch, gegen Herrn Wartmanns Behauptung, bey den Individuen aus dem Seealperſee der Fall. Der Darmkanal hat nur zwey Beugungen, und iſt, gegen dem Magen zu, mit vielen Anhaͤngſeln verſehen. Die Schwimm⸗ blaſe iſt ungetheilt, groß, aber ſehr zart. Die Leber groß und die Gallenblaſe klein. Der Fiſch hat 60 Wirbelbeine und auf jeder Seite 34 Ribben.

Aufenthalt. Alle Bäche, die kieſigen Grund haben und nie an tes

waſſer verfiegen, find bey uns der Aufenthalt dieſes Fils

ſches. Man findet ihn in den Bergſeen und Alpenbaͤchen auf dem St. Gotthard, Rigi, in den Gebirgen von Wal⸗

100 .

lis, Bern, Buͤnden, Glarus und Appenzell, fo wie in den Thalbaͤchen von St. Gallen, Thurgaͤu ꝛc. Ich glaube Fuͤßlin ) hat zuerſt die unnuͤtze Frage aufgeworfen, wie dieſe Fiſche in die Alpenwaſſer gekommen ſeyen? Ließe ſich wohl minder auffallend fragen, wie Fiſche in die Ge⸗ waͤſſer uͤberhaupt gekommen ſeyen? Oder wiſſen wir denn beſtimmt, daß ſich dieſe Art urſpruͤnglich aus dem ebenen Land in die Gebirge gezogen, und nicht aus den Gebirgen herab in die Thäler verbreitet hat? Wenn auch das er⸗ ſtere ausgemacht waͤre, und wir dieſe Forelle gleichwohl in Bergſeen finden, deren Ausfuße nur über hohe Felſen⸗ waͤnde in die Thaͤler gelangen, wo ſelbſt dieſer geſchickte Springfifch vergeblich die Höhe. der Waſſerfaͤlle zu uͤber— ſpringen verſuchte, fo dürfen wir nur bedenken, daß Alps ſeen und Waſſerfaͤlle nicht immer gleich alt ſind, und eine hohe, ſteile Felſenwand vielleicht vor wenigen Jahren noch aus vielen ſchroffichten Abſaͤtzen kann beſtanden haben, über welche ſich die Forellen nach und nach bis oben hinauf ſchwingen konnten. Endlich iſt es ſehr gewiß, daß in ei⸗ nige entlegene Bergſeen auch Forellen abſichtlich getragen wurden, ſich dort zu vermehren, z. B. in den Oberblegi⸗ fee *) im Kanton Glarus.

>

Nahru ng.

Dieſe beſteht aus allerley Gewuͤrm, kleinen Schnecken, Inſekten, nach denen ſie oft große Spruͤnge aus dem Waſ— fer thun, Froͤſchen, Elritzen, Kaulkoͤpfen, oder was fie in dem Waſſer finden, wo ſie ſich aufhalten; ſie ſchonen wie alle andere Raubfifche ihrer eigenen Brut nicht. In Bruns nen werden ſie gewoͤhnlich mit Ochſenlebern gefuͤttert, koͤn⸗

a *) Schweiz. Erdbeſchreibung. I. Band, ©. 326. >) S. Steinmüllers Beſchreib. d. Alpenwirthſchaft, I. 250,

101 nen aber auch lange ohne Nahrung leben und ſich doch

ſehr wohl befinden, wenn nur das Waſſer beſtaͤndig fort quillt.

Fortpflanzung und Wachsthum. Die Leichzeit dieſes Fiſches faͤngt an einigen Orten ſchon mit dem October qu, an andern erſt gegen das Ende Novembers. Sie mift auch früher oder fpäter ein, je nachdem die Witterung iſt In zwey kleinen Bergſeen des Appenzellerlandes, die wenig uͤber 3 Stunden von ein⸗ ander entfernt liegen, zeigt ſich eine Verſchiedenheit von beynahe einem Monat: Im Saͤmtiſerſee ziehen ſie gewoͤhn⸗ lich Anfangs November in den Bach, der in denſelben fließt, um ihren Leich abzuſetzen; im Seealperſee begeben ſie ſich

erſt gegen das Ende dieſes Monats nach den' Sandhuͤgeln, die ſich nur an ein paar Stellen in dieſem See befinden, um dort zu leichen. In den Baͤchen ſuchen ſie ebenfalls

gerne eine Stelle aus, wo das Waſſer uͤber feinen Sand mit Kieſel vermiſcht rinnt, auch wenn es dort bisweilen fo untief it, daß ihnen die Ruͤckenfoße in etwas über die Oberflaͤche des Waſſers emporragt. Die Heihleit dauert bis Weihnacht, etwas vor oder nach.

Dieſe Forelle wird in den meiſten Baͤchen gewöhnlich 6 Loth ſchwer gefangen; ſelten 1 bis 1 1/2 Pfund ſchwer. Doch bekoͤmmt man bisweilen noch eine 2, 3 bis apfuͤn⸗ dige Forelle. In dem Seealperſee ſollen noch zu unſern Zeiten zehnpfuͤndige gefangen worden ſeyn: dieß iſt aber mehr unzuverlaͤßige Sage, als beſtimmte Angabe, und wenn der gute P. Clemens glaubte, daß man ſie in der Groͤße eines Saͤgenbloches geſehen habe, ſo wollen wir dieß ſeiner Zeit und ſeinem Stande zu gut halten.

He) Scheuchzers Oreographie „S. 256. 2

102 Naturell und Eigenheiten. Dieſe Forelle iſt einer der zaͤrtlichſten Fiſche, der nur

in einem weichen, beſtaͤndig ſießenden Waſſer leben kann.

In den Baͤchen halten fie ſich gerne bey unterhoͤhlten Ufern und im Winter in Vertiefungen auf. An warmen Som⸗ mertagen laſſen ſie ſich oft ziemliche Strecken weit, den Kopf ſtromaufwaͤrts gerichtet, von dem Waſſer forttreis ben. Sie ſind meiſtens ſehr ſchuͤchtern und entffiehen dem

Auge des Beobachters mit aͤuſſerſter Schnelligkeit; nur in

der Leichzeit ſind ſie oft ſo zahm oder gleichſam betaͤubt, daß ſie ſich mit Haͤnden greifen laſſen.

Es iſt bekannt, welche große Schnellkraft dieſer Fiſch beſizt, ſich über Waſſerfaͤlle hinaufzuſchwingen, und Inſek⸗ ten, die oft eine Elle hoch uͤber dem Waſſer ſchweben, mit einem Sprunge ſicher zu erhaſchen; allein es iſt auch bes merkenswerth, daß in den hohen Alpengegenden die foges nannte Sprungfiſcherey ) ſich nicht anwenden laͤßt, ins dem dort die Fiſche nicht nach den kuͤnſtlichen Muͤcken ſchnappen, weil, wahrſcheinlich der kalten Luft wegen, we⸗ nige Inſekten über den Alpenwaſſern ſchweben ).

Geßner ef) hat ſchon bemerkt, daß die Forellen von ſtarken Donnerſchlaͤgen erſchreckt und ganz betaͤubt werden, aber da er in ſeiner Beſchreibung die Lachsforelle (Salma Trutta) mit unſrer Bachforelle vermengt, ſo glaube ich kaum, daß dießfalls von der unſern die Rede ſeyn koͤnne, obſchon die meiſten folgenden Schriftſteller die naͤmliche Bemerkung bey dieſer Forelle machen; was aber vielleicht nichts als Nachſchreibung iſt. Ich habe wenigſtens nie gehoͤrt, daß bey uns, ſelbſt nach den heftigſten Donner⸗

*) Kruͤniz Eneyklopaͤdie, XIV. 462. *) Steinmuͤller, a. a. O. S. 201. +) Fischbuch, Fol. 173.

403

nettern, Bachforellen betaͤubt oder gar todt gefunden norden ſeyen; daß aber in den Alpen die Gewitter haͤufi⸗ ger, als auf dem flachen Lande, und die Donnerſchlaͤge weit heftiger ſind, iſt jedermann bekannt. Hingegen be⸗ haupten unſre Fiſcher, daß die Forellen am liebſten an, dan Angel anbeiſſen, wenn ein Gewitter aufzuziehen drohe, des unſchaͤdlich voruͤbergehe und am ſchwerſten zu fangen fegen vor Hagel: oder einbrechendem Schneewetter.

. Nuzen. Das Fleiſch dieſer Forellen wird fuͤr ſo koſtbar, als das der Rothforelle gehalten. Der Fiſch muß aber eben ſowohl als lezterer friſch zubereitet werden, wenn er am ſchmack⸗ hafteſten ſeyn ſoll; und auch bey unſrer Bachforelle koͤmmt es in Betreff der Schmackhaftigkeit ſehr viel darauf an, in welchem Waſſer fie gelebt hat. Bloch *) führt nach de Bomare an, daß die von der Quelle der Orbe alle uͤbrigen an Geſchmack uͤbertreffen ſollen. Bey uns werden die aus dem Seialperfee denen aus dem Semtiſerſee von den Leckermaͤulern weit vorgezogen. 5 Schaden. f Was ſie durch ihre Nahrung an kleinen Fiſcharten ſcha⸗ den, iſt zu unbetraͤchtlich, als daß es in Anſchlag gebracht werden koͤnnte, und ohne dies wuͤßte ich von keinem andern Schaden. f Fang. m Wo es die Tiefe des Waſſers zuläßt, faͤngt man fie mit arnen, die man des Abends ausſpannt, und worin fie ſich des Nachts, wenn ſie ihrem Fraß nachgehen, verwi⸗ ckeln, und dann des Morgens herausgenommen werden. Den Tag über fängt man fie am Angel, mit Regenwuͤr⸗

) Nat. Geſch. d. dice Orurſchlande, I. 25

404

| mern, Heuſchrecken, Inſektenlarven ꝛc., wornach fie mä⸗ ſtens begierig ſchnappen. Einige Fiſcher glauben auch be⸗ ſondere Lockſpeiſen zu beſizen, aus denen fie ein Geheimniß machen. Eine ſchaͤdliche Art fie zu fangen, iſt das Aus ſchoͤpfen einzelner Vertiefungen in Baͤchen, wo ſie ſich haͤufg aufhalten, und der Fang im Leich, zu welcher Zeit ſie nir nicht ga find.

Feinde.

Auſſer dem Menſchen iſt der Fiſchotter ihr gefährlich» ſter Feind. Raubfiſche, die ihr ſchaden konnten, giebt es gewöhnlich in den Baͤchen, wo unſre Forelle ſich aufhält, keine; in einigen Baͤchen findet ſich noch die Aeſche, die ihrem Leich nachſtellt; auch die Waſſeramſel ſchadet der fungen Brut.

Verſchiedenheit und drum kn.

Ich habe bereits oben bemerkt, wie ſehr das Waſſer, in dem ſie leben, auf die Farbe dieſer Fiſche wirke. So ſchoͤn wie ſie Bloch Taf. XXII. und XXIII. abgebil⸗ det hat, habe ich fie bey uns noch nicht angetroffen; wir haben aber die unverkennbarſten Uebergaͤnge zwiſchen dies fen und der Taf. CIV. abgebildeten ſogenannten Alpforelle. Je nachdem die Seiten mehr ins Gold ſpielen oder der Bauch gelblicher iſt, heißt ſie Goldforelle; die mit ganz weiſſem Bauch und hellen Seiten Weißforelle; und diejenigen, welche auf dem Ruͤcken ſehr dunkel find und ſtarke, ſchwarze Flecken haben, Schwarzforellen. ueberhaupt werden fie Bachforellen oder ſchlechtweg Forellen genannt; bisweilen auch nach dem Namen des Waſſers in dem ſie gefangen werden; ſo heiſſen z. B. in St. Gallen diejenigen, die in der Sitter gefangen werden

405

Sitterfiſche; der Zuͤricher ruͤhmt beſonders feine Nie⸗ der waͤſſlerforelle ) u. ſ. w.

Hiemit hoffe ich zur Berichtigung der Naturgeſchichte zweyer Fiſche einen nicht ganz unbedeutenden Beytrag ge— lie fert zu haben; iſt gleich die jedes einzeln noch nicht zur Vollſtaͤndigkeit gebracht, fo iſt doch das ein und andere bemerkt, was die Verwirrungen hebt und kuͤnftigen Beob— achtern die Ausfuͤllungen der Luͤcken erleichtern- wird. Mans ches, das mir noch zweifelhaft iſt, habe ich einſtweilen gar nicht angeführt, und wo an andern Orten die Beobach⸗

tungen wirklicher Naturforſcher von den meinen abweichen

ſollten was freylich in keiner Hauptſache geſchehen wird da muß ich fie nochmals erſuchen, nicht zu vers geſſen, daß ich nur fuͤr lokale Richtigkeit buͤrge, und nicht glaube, von dem Ganzen oder aller Orten her, ſchon eine Ueberſicht zu haben, um überall allgemeine Reſultate auf? ſtellen zu koͤnnen.

* Eicher Zuͤrichſee, S. 114.

4

106

VII. Gemeinnuͤtzige Beſchrei bungen

einiger

Saͤugthiere und Voͤgel

des Schweizerlandes als Probe ſeines vollſtaͤndigen Werks

bhieruͤber.

Von R Stein mii Pfarrer in Rheineck im Kanton St. Gallen.

Vorerinnerung.

Ich will hier keine umſtaͤndliche Vorrede zu meinen her» auszugebenden zoologiſchen Schriften, und noch vielweni⸗ ger eine vollſtaͤndige Geſchichte der ſchweizeriſchen Thierges ſchichte liefern; dieſes verſchiebe ich auf eine andere Zeit, und begnuͤge mich hier nur mit ein Paar kurzen Vorerin⸗ nerungen.

Es iſt gewiß kein Zweig im großen Reiche der Wiſen⸗ ſchaften, der ſchon ſeit Jahrhunderten mehr ſtille geſtanden iſt, als derjenige der Naturgeſchichte der Alpenthiere. Schon ſeit 10 Jahren fuͤhlte ich dieſe Luce, und arbeitete ans fangs mit meinem Freunde, dem Hrn. Erziehungsrathe Hartmann in St. Gallen gemeinſchaftlich, um wenig⸗ ſtens doch uͤber die Naturgeſchichte unſerer Saͤugthiere und Voͤgel mehrer es Licht zu verbreiten. Seit einigen Jahren

1

107

befchäftigte ſich dieſer mit der ſchweizeriſchen Ichtyologie, und ſeit dem lezten Jahre mit der Helminthologie, waͤh⸗ rend dem ich unaufhoͤrlich an der Raturaefchichte der Saͤug⸗ thiere und der Vogel der Schweiz arbeitete. Ich ſtudierte unſere alten zoologiſchen Claſſiker, die Schriften von Geß⸗ ner, Wagner und Scheuchzer; erhielt die hinterlafs ſenen intereſſanten Manuſcripte der zwey letztern; verglich die neuern Werke der deutſchen Zoologen mit dieſen und unter ſich miteinander; benutzte die ſchoͤnen Voͤgelſamm⸗

lungen in Bern, Aargau, Baſel, Zürich und St. Gallen,

und erhielt manche intereſſante Bemerkung von ihren ges ſchickten und freundſchaftlichen Beſſitzern; und war ſo gluͤck— lich, in den verſchiedenen Gegenden der Schweiz, vorzuͤg⸗ lich mit Religionsleyrern und Aerzten in freundſchaftliche Verbindungen treten, und ihre thaͤtige Unterſtuͤtzung gemeſ⸗ ſen zu koͤnnen. Und nun mit allen dieſen Huͤlfsmitteln ver⸗ einigte ich auch noch dieſes, daß ich mir ſelbſt nach und nach eine Naturalien-Sammlung verſchaffte, mittelbar und unmittelbar mit ſehr vielen Jaͤgern und Jagdliebha⸗ bern bekannt wurde, und auf meinen häufigen Exkurſtonen und Alpenwanderungen die Naturgeſchichte unſerer Saͤug⸗ thiere und Voͤgel in der Natur ſelbſt unterſuchte.

Ich glaube daher gegenwaͤrtig in den Stand geſezt zu ſeyn, dem Publikum eine vollſtaͤndige Naturge, ſchichte der ſchweizer'ſchen Saͤugthiere und Voͤgel ankuͤnden zu duͤrfen, welche die Reſultate meiner zojährigen angeſtrengteſten Bemühungen und Nachforſchun⸗ gen enthalten ſoll, und wovon das Manuſcript beynahe voͤllig ausgearbeitet iſt.

Allein anſtatt dieß mein Werk jetzo ſchon einem Ver⸗ leger zu uͤberlaſſen, übergebe ich dem Publikum lieber zuerſt die nachſtehenden Probebogen, mit der Verſicherung, daß ich jedes unparthepiſche Urtheil ſachkundiger Männer

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nach Verdienen wuͤrdigen, und ihre Winke daruͤber mit dem herzlichſten Danke benutzen werde.

Noch halte ich es für meine Pflicht, es dankbar öffent lich anzuzeigen, daß mein Freund Hartmann an meinen zoo logiſchen Arbeiten einen weſentlichen Antheil hat, ins dem er mir alle ſeine Bemerkungen und Beobachtungen hieruͤber uͤberließ. N

Rheinek den 26 Augſtm. 1805.

Pfarrer Stein muͤller.

Bos Taurus ferus (Urus).

S. Gmelin Syst. Nat. Linn. ed. 13. Tom. I. p. 202.

Benennung. Der Urochs.

1 Litteratur. 5

Conr. Gefsner de quadrupedibus p. 157. 159. de Uro; et appendix historiæ quadruped. Tig. MDLIIII. p- 2. de Uro. Und die Ueberſetzung von Conrad Fos rer. Heidelberg, MD CVI. S. 127. Von dem Au⸗ werochß oder Uriſtier. Iſt ſehr unbedeutend.

Walthers celtiſche Alterthuͤmer zur Erlaͤuterung der älteften Geſchichte und Verfaſſung Helvetiens. Bern, 1783. der um der roͤmiſchen Beſchreibungen willen ein beſonderes nun abgegangenes Geſchlecht daraus machen will.

Göße europaͤiſche Fauna III. 259 272. der Auer⸗ och ſe. N

8 109

Schrebers Saͤugthiere V. Taf. 295. Der Auen ochs. Schrebers Abbildung iſt zwar, wie Goͤze rich, tig bemerkt, die beſte, welche wir von dieſem Thiere bes ſitzen, nur faͤllt es mir dabey ſehr auf, daß die Hoͤrner an derſelben verhaͤltnißmaͤßig aͤußerſt kurz ſind.

Einige allgemeine kurze Bemerkungen uͤber den Auerochs, als Stammvater unſers Rindviehs, und uͤber ſeinen ehmaligen Aufenthalt in Helvetien.

Daß die Alplaͤnder wilde Ochſen genaͤhrt haben, bezeugt Strabo ); in Germanien waren damals die Auerochſen gemein, welche vorzuͤglich die Aufmerkſamkeit der Römer durch ihre Geſchwindigkeit, durch ihre Ele phantenmaͤßige Groͤße und Staͤrke, und durch ihre grauſa⸗ me und unbiegſame Wildheit auf ſich zogen. Dieſe Un⸗ geheuer waren keiner Zucht faͤhig; auch jung ließen ſie ſich durch keine Mittel zaͤhmen. Sie ſchonten keinem leben⸗ digen Geſchoͤpfe, das ſie erblickten. Die Einwohner gaben ſich daher viele Mühe, dieſes unbaͤndige und feindliche Ge⸗ ſchlecht in Gruben zu fangen und zu tödten. In dieſer ge> faͤhrlichen Art der Jagd pflegten ſich vorzüglich kuͤhne Juͤng⸗ linge abzuhaͤrten und zu üben. Wer am meiſten von dies ſen wilden Ungeheuern umgebracht hatte, trug das größte Lob davon). Zum Beweis der erlegten Anzahl wurden

) S. Strabo geograph, Libr. IV. p. 318.

**) S. Cœsar de B. G. Lib. VI. Cap. 21. Tertium est ge-

nus eorum, qui Uri appellantur; hi sunt magnitudine paulo infra Elephantos, specie et colore et figura Tauri : magna vis est eorum et magna velocitas: neque homini neque ſeræ, quam conspexerint, parcunt. Hos sturiose foveis captos interficiunt. Hoc se labore durant homi-

110 5

die Hoͤrner als Siegeszeichen oͤffentlich aufgewieſen, die durch ihre außerordentliche Größe und Geſtalt von den ge meinen Ochſenhoͤrnern unterſchieden waren.). Man ſuchte und behielt ſie ſorgfaͤltig auf, ließ den Rand mit Silber einfaſſen, und brauchte fie bey den feyerlichſten Gaſt⸗ maͤhlern als Trinkgeſchirre.

Der Auerochſe oder Urochſe iſt unlaugbar der Stammvater unſers zahmen Ochſen. Er hat zwar ein weit groͤßeres, wilderes und grimmigeres Anſehen, ganz mit Haaren bezottelte und bemaͤhnte Schultern, Genik und Bruſt, und ſeine Farbe iſt ſtandhaft, naͤmlich allezeit ſchwarzgraͤulich mit einem maͤuſefahlen Ruͤckenſtrich; als lein, wenn wir bedenken, was fuͤr Ausartungen Mangel der Frey heit oder Zaͤhmung, Verſchiedenheit des Klima und der Nahrung unter den Thieren zuwegebringen koͤn⸗ nen, ſo werden wir uns uͤber die jetzige Abweichung un⸗

——ñ—U— ( 6—Ü— ——

nes adolescentes, atque hoc genere venationis exercent;

et qui plurimos ex his interfecerunt, relatis in publicum

cornibus, quæ sint testimonio, magnam ferunt laudem. Sed assuescere ad homines et mansueheri, ne parvuli quidem excepti, possunt. Amplitudo cornuum et figura et species multum a nostrorum boum cornibus dJiffert. Servius machte ad Virgil. Georg. Libr. II. v. 374. fol gende Anmerkung: Sunt autem exceptis elephantis, c»- weris auimantibus majores dieti Uri dno say O i. e. montibus. *) Flinius ſagt in feiner bistor. nat. Lit. XI. ep. 37. Uro- rum cornibus barbari septentrionales potant, urnasque

binas capitis unius coraua implent. Eine Urna hat unge .

faͤhr s Maaß gehalten; allein dieſer angegebene Maaßſtaab der Hörner dieſes Thiers iſt gewiß übertrieben und unrichtig , das ohnehin bey den Angaben des Plinius ſehr oft der Fall iſt. Sog

{

411

ſers Rindviehs von dem ehmaligen Auerochſen fo ſehr nicht wundern. Ueberdieß vergleichen wir mit der gegebenen Beſchreibung einen großen gutgehaltenen Freyburger oder Emmenthaler Zuchtſtier, ſeine ſtarken Gliedmaaßen, und ſein wildes unbiegſames, trotziges und oft wuͤthendes und grauſames Benehmen, fo werden wir eine auffallende Aehn⸗ lichkeit zwiſchen beyden erblicken. Endlich wird dieſe Be⸗ hauptung durch die Etymologie ſelbſt beſtaͤtigt: Ur be deutet den Anfang; das erſte; Urochs ein alter Stamm⸗ ochs, Vater der Heerden.

Daß in Helvetien ehmals auch Urochſen gelebt haben, iſt theils an ſich nicht zu bezweifeln, da es an den Schwarz wald grenzte, der nach Caͤſars Berichten (J. c.) voll der⸗ ſelben war; theils iſt der Canton Uri ein unzweydeutiger Beweis daſuͤr. Das Urithal verdankt unſtreitig ſeinen Namen den Ur- oder Auerochſen, welche dieſe ehmals. entſezliche Wildniße bewohnten, daher heißt es in alten Dokumenten ad Uros, bey den Auerochſen, und war vor Carl dem Großen nur den Jaͤgern bekannt, ſo wie im Jahr 1030 Unterwalden Sylva, der Forſt hieß ). Das Landeswappen von Uri beſteht daher bis auf den heutigen

Tag in einem ſchwarzen Urochſenkopfe, mit einem rothen

Ringe durch die Nafe, in einem gelben Felde.

Das, was unſer beruͤhmte alte Geſchichtſchreiber Stumpf uͤber dieſen Gegenſtand ſchreibt, verdient hier auch noch eine Stelle. „Daß aber die aͤlteſten und erſten Urner von „den Tauriſcern abkommen, giebt zum Theil Anzeigung „ihr Wappen mit dem Stierkopf, darvon die alten Tau⸗ riſci ohne Zweifel vor Zeiten genennt find. Etliche alte „Chroniken wollen, daß dieſes Wappen von einem wilden

* S. Humaniora von Uſteri. 1796. 1s Stuck. S. 87. die Al merkung.

112

„Buͤffelskopf komme, das ich nicht acht, denn Julius Caͤ⸗ ſar im ſechsten Buch ſchreibt, daß bey den Germanis

„in dem Harzwald, yes Schwarzwald, wilde Stiere wer⸗

„den funden, etwas ringer, denn Elephanten, doch in » Farbe und Geſtalt ein Stier, die wurden genennt Uri, welches Geſchlecht der wilden Ochſen vielleicht in den Als

v piſchen Wildenen auch geweſen iſt. Es werden noch dies

„fer Zeit im Siebenthal und ctlichen helvetiſchen Gegen» „den die Stier Uren genennt, darum dies Landvolk, die 5 aͤlteſten von den Tauriſcern, den Stierkopf und Namen „Urner, das iſt Ochsner noch haben. In Kriegen „führen fie ein großes Horn mit, blaſen das zu einem Zeis z chen, als ein Trummeet. Ein ſonderlicher Landsmann, „zu dieſem Dienſt und Hornblaſen helf! wird dann genennt: Der Stier von Uri *),

Taurus did mest isse

S. Gmel. Syst. nat. 1 13, I. 305

Verſchiedene Namen in der Schweiz..

Augemein bekannt ſind die Namen Stier Ochs Kuh Kalb; allein je nach Verſchiedenheit des Alters, Geſchlechts, des Kantons ſind auch noch beſondere Benennungen eingefuͤhrt, von denen ich die mir bekannt gewordenen hier anzeigen will.

*) S. Stumpfs Schweizer -Chronik. Zuͤr. MDXXXVI. BS. CCCCL. Verglichen mit J. J. Scheuchzers Naturgeſch. der Schweiz, herausgegeben von Sun II. 87 9.

Be

413

Der Abbruͤchlig oder Abbruͤchling, ein jedes junges Stuͤck Vieh, das man aufziehen will. Daher der Abbruch, eine beliebige Anzahl jungen Viehs. Im Ent⸗ libuch.

Das Buuſcheli, ein großes Kalb im erſten Jah⸗ re. Im Urner und Glarnerland.

Ein Dubel, ein verſchnittener Stier, von Du b— le n, verſchneiden; im Entlibuchund Berngebiet.

Das Guſti, ein Kuͤhkalb, das man ſchon abgeſaugt hat. Ebendaſelbſt.

Der Galtlig, das einjährige Kuͤhkalb. Im Ap⸗ penzellerlande.

Eine Huͤdi, ein einjaͤhriges Kuͤhkalb. In Buͤn d⸗ ten.

Deer Heilſtier, ein als Saugkalb verſchnittenes Stierkalb. Im Glarnerlande.

Der Jaͤhrlig, ein Kalb im erſten Jahre. I m Glarner- und Urnerland. l

Das Kalb, ein maͤnnliches Kalb. Im Entli, buch.

Das Kalbeli, ein weibliches Kalb, ebenda ſelbſt. Und im Appenzellerland traͤgt dieſen Namen ein Kuͤhkalb, welches das erſtemal traͤchtig iſt.

Die Kalbe, oder Kalbeten, im Entlibuch , was im Appenzellerland Kalbeli.

Der Kalbſtier oder Kaͤlberſtier, ein einfährk ger Stier. Im Appenzeller- und Glarnerland:

Der Kolb, ein Ochs, der erſt nachdem er ein oder mehrere Jahre alt war, verſchnitten wurde. Im Glar— nerlande.

Der Muni. Der Zuchtſtier. Im Entlibuch und Berner Kanton.

5

114

Das Maißrind, ein weibliches Kalb von 1 bis 2 Jah⸗ ren. In Uri und im Entlibuch.

Das Maͤaͤßrind oder Maͤaͤßli, wie oben, im Glarnerland.

Die Maißkuh, eine Kuh die im sten Jahr ihres Alters traͤchtig iſt. Im Entlibuch.

Der Maißochs, ein ı bis 2 jaͤhriges Stierkalb, das verſchnitten iſt. Im Urnerland.

Der Maißſtier, ein ı bis 2 jaͤhriges Stier kalb, das unverſchnitten iſt. Eben daſelbſt.

Der Maͤäͤßſtier, ein 2jaͤhriges aa Stier⸗ kalb. Im Glarner land.

Ein Mut ſch, eine Kuh, die ihre Hörner verloren hat. Ebendaſelbſt.

Ein Milchheiler, ein Stierkalb, das waͤhrend dem Abſaugen verſchnitten wird. Eben daſelbſt.

Das Rind, ein weibliches Kalb, welches das etz ſtemal zur Befruchtung empfaͤnglich if. Im Entli⸗ buch.

Der Senntenpfaar oder der Pfaar, der Zuchtſtier. Im Glarnerland. In Buͤndten Pfarr.

Der Schellſtier, der Zuchtſtier. Eben daſelbſt.

Ein Stier, ein junger Ochſe. In Buͤndten, im Glarnerland u. ſ. w.

Der Urner, ein als Saugkalb verſchnittener 1 jaͤhri⸗ gen Stier. Im Glarnerlande. Und im Frutti⸗ gen, Sim menthal und Freyburg ein als Kalb vers ſchnittener zweyjaͤhriger Ochs.

Das Ueberoͤmd, ein weibliches Kalb, das erſt nach dem dritten Jahre traͤchtig wird. Im Entlibuch.

Das Uebergende (d. h. uͤbergehende) Rind. In der obigen Bedeutung in Uri.

Ein Waͤlſchländer, ein zweyjaͤhriger verſchnitte⸗

115 ner Stier, weil ſolche in großer Menge auf die Viehmaͤrk⸗ te nach der Italiaͤniſchen Schweiz zum Verkaufe 1 ben werden. Im Glarnerland.

Ein Werkerochs oder ein Werkerſtier, 5 alter Ochs oder Stier. Im Urner lande.

Der Zeitſtier, im urnerlande, ein im drit— ten Jahr noch unverſchnittener Stier, und im Glar⸗ nerlande ein dreyjaͤhriger verſchnittener Stier.

Der Zeitochs, ein im dritten Jahr verſchnittener Stier. Im Urnerlande.

Das Zeitrind, ein weibliches Kalb von 2 bis 3 Jah⸗ ren. Im Entlibuch und im Urnerlande.

Die Zeitkuh, ein Rind, das erſt im dritten Jahre ſeines Alters traͤchtig wird. Im Entlibuch und im Glarnerland.

Der Zwik, der Zwitter. Im Glarnerlande— im Entlibuch, in Baſel.

Litteratur.

C. Geſsneri de quadruped. P. 24 103, de bove et vacca; pag. 103 124. de tauro; p. 124 733. de vitulo. Die Ueberſezung von Conrad Forer S. 116 125. C. Geßner theilt uns hierin beynahe gar keine Nachrichten von dem mit, was vorzuͤglich auf das ſchweizerſche Rindvieh Bezug hat.

Medikus Bemerkungen uͤber die Alpenwirthſchaft auf einer Reiſe durch die Schweiz geſammelt. Lzg. 1795.

J. R Steinmuͤller Beſchreibung der ſchweizeri⸗ ſchen Alpen- und Landwirthſchaft, nach den verſchiede⸗ nen Abweichungen einzelner Kantone. Winterthur, ktes Bändchen 1802. 2ztes 1804.

Bechſteins gemeinnützige Naturgeſchichte Deutſch⸗ lands I, 673 708. Der Ochs, Stier, die Kuh.

U

416

Goͤze europaͤiſche Fauna, III. 272 306. Der ge⸗ meine Ochſe. Die übrigen benutzten und dahin einſchlagenden Schriften ſind hin und wieder in der Beſchreibung ſelbſt angezeigt.

Kennzeichen der Art.

Die Hörner rund und auswärts gekruͤmmt, und an der Kehle befindet ſich eine ſchlaffe Haut (Schlauch).

Beſchreibung.

Dieſe in allen Theilen von Europa ſo bekannten und nuͤtzlichen Thiere beduͤrfen fait keiner Beſchreibung, da auch der gemeinſte Knecht verſteht, was man durch Ochs, Stier, Kuh und Kalb meynt. Indeſſen giebt es wieder nach Verſchiedenheit der Laͤnder und Provinzen, und nach der ungleichen Behandlungsart des Rindviehs ſehr viele verſchiedene beſſere und ſchlechtere Ragen, ſo daß auch die Schweizeriſchen Kuͤhe ſich nicht nur in vielen Stuͤcken vor andern auszeichnen, ſondern daß man ſelbſt unter dieſen mehrere auffallende Abweichungen wahrnehmen kann.

Ich will mich nun bemuͤhen, das Eigene unſerer Schweizerſchen Rindviehzucht nach ihren verſchiedenen Abweichungen, ſo gedraͤngt als moͤglich heraus zu heben.

Indem die großen Naturforſcher Bechſtein und Götze die verſchiedenen Ragen des Rindviehs in Europa, und ihre charakteriſtiſchen Kennzeichen beſchreiben, fo ſagen fie von den Schweizerkuͤhen folgendes: „fie find „groß, lang und boch, mehrentheils ſchwarz „von Farbe, und werden vorzüglich gerühmt, »Sie weiden, wie in Steyermark, den gan⸗ „zen Sommer durch Tag und Nacht auf den

117

„Alpen.“ Allein dieſe allgemeinen Kennzeichen ſind ſehr ungluͤcklich gewaͤhlt; es giebt ja in der Schweiz ſehr große und ſehr kleine Kuͤhragen; ſerners iſt die Farbe ders ſelben ſehr verſchieden, und endlich weiden lange nicht in allen Kantonen die Kuͤhe Tag und Nacht auf den Alpen. Will man nur mit wenigen Worten die Schweizerkuͤhe im. allgemeinen beſchreiben, ſo druͤkt man ſich ungleich rich⸗ tiger aus, wenn man ſagt: „in denjenigen Kans „tonen, wo die meiſten Viehalpen fehr fteilr „hoch und zum Theil fogar über der Region „des Holzwuchſes liegen, wie z. B. in Unten. „walden, Uri, Glarus und einem Theil von „Buͤndten u. ſ. w. iſt die Rindviehart von ſehr „mittelmäßiger Große; in den flaͤchern Kan⸗ „tonen hingegen, wie z. B. in Zug, Simmen⸗ „thal, Emmenthal und im Freiburgiſchen „bon außerordentlich großer Art.“ Doch. ich will es verſuchen, von den verſchiedenen Schweizerra, gen hier eine jede beſonders ſo richtig als moͤglich zu be⸗ ſchreiben! f

Das Berner oberlaͤndiſche Vieh im Ober⸗ hafleland fo wie an den Ufern des Brienzer und Thuner ſees, iſt von kleinerm Wuchſe, gar nicht. wohlgeſtaltet; ſelbſt wenn es fett iſt, hat es ein mageres Ausſehen. Die herrſchende Farbe iſt ſchwarzgrau oder ſchwarzbraun, mit einem weißgrauen Strich über dem Ruͤken; ſo ſind auch die innern Seiten der Ohren, der. Naſe, der Bauch und die innern Seiten der Schenkel und Füße grau. Das Vieh von Oberhaſle iſt um etwas Weniges groͤßer als das von Brienz, und hat haͤufg klet— ne gegen einander ſtehende Gabelhoͤrner. Dem aͤußern An⸗ ſehen nach iſt das Vieh in dieſen Gegenden eine Abart von dem Unterwaldneriſchen, Urnerſchen ode“

418 »

Walliſervieh, und wiegt im Durchſchnitte nicht vier Zentner. Hr. Fruttiger zu Brienz bemerkt mir hier? uͤber, daß die dortige Viehzucht eine weitlaͤufige Miſchung des Viehs verſchiedener benachbarter Kantone enthalte; es werden nämlich alle Jahre nur von Brienz so bis 60 auch oft noch mehrere Kühe nach Entlib uch, En— gelberg, Ober- und Unterwalden verpachtet, wo dann die Kuͤhe zu den dortigen Zuchtſtieren gelaſſen wer— den, und die Kaͤlber, welche aus dieſer Vermiſchung ent— ſtehen, gleich einheimiſcher Art, ſowohl fuͤr Zuchtſtiere als zu Milchkühen groß gezogen werden.

Das oberlaͤndiſche Vieh aus dem Grin— delwalde unterſcheidet ſich ſchon merklich von dem von Dberhafle und Brienz. Obſchon es nur von kleiner Art iſt, ſo hat es doch eine ausnehmend ſchoͤne runde Geſtalt, kurze gegen einander ſtehende Gabelhoͤrnchen, und iſt von manigfaltiger Farbe; oͤfters geraͤhmt, d. h. mit ſchwar— zen Flaͤmmchen. Das gleiche kann auch mehr oder wes niger auf das Vieh im Lauterbrunner Thale angewendet werden, doch will man dem Grindelwalder den Vorzug geben. f

Da das oberlaͤndiſche Vieh aus den obigen Gegenden nicht groß, und folglich nicht ſo theuer, als das Simmen⸗ thaliſche, Saaniſche oder Freyburgiſche iſt, dabey aber vorzuͤgliche Milchkuͤhe giebt, ſo wird es von Haushaltern

im Lande und auch von minder vermoͤglichen Kuͤhern ges

ſucht und geſchaͤzt.

In den Gegenden von Unterſeen, Leiſigen, Krattigen, Beatenberg, Habkerenthal, Sie— grisweil verliert ſich allmaͤlig die eigentliche oberlaͤn⸗ diſche Viehrage. Hier trifft man ſchon Vieh an, das auf den Märkten zu Reichenbach, Aeſchi und Er- lenbach eingehandelt worden, doch iſt die eigentlich ober⸗ laͤndiſche noch die herrſchende.

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Die Viehrage der Landſchaft Fruttigen iſt ſehr ſchoͤn geſtaltet, groß, proportionirt und wohl beleibt, von mannigfaltiger Farbe; eben ſo verhaͤlt es ſich mit der des Adelbodenthals, nur daß dieſe ein wenig kleiner, als die von Frutigen und Reichenbach iſt, doch giebt man der Adelbodiſchen den Ruhm, daß fie jene an Schönheit uͤber⸗ treffe. i Die groͤßte und fhönfte Viehrage in der ganzen Schweiz iſt unſtreitig die im Simmentha— le, in der Landſchaft Saanen, und im Kanton Freyburg. Das Rindvieh in allen dieſen Gegenden iſt einander ſehr aͤhnlich, nur behaupten die Emmenthaler Kuͤher, daß das Freyburgiſche Vieh bey der Verſezung in eine andere Gegend am beſten gedeihe. Das Sim menthaliſche, Saaniſche und Freyburgiſche Milchvieh iſt von ſchoͤnem und großem Wuchſe, im Durchſchnitt 5 bis 6 Zentner ſchwer, und einzeln biswei⸗ len noch ſchwerer, vorzuͤglich roth und ſchwarzbraun von Farbe, mit verſchiedenartig geformten Hoͤrnern, und wird gut bezahlt und in Menge außer Lands verkauft, da hits gegen das oberlaͤndiſche, außer etwas Wenigem, das die Walliſer einhandeln, meiſtens im Land verbraucht wird.

Ich ſah Ao. 1803. im Schönenwalde, eine Alp im Emmenthale, ein Viehſenthum von 58 Kuͤhen, wels che vom 19 May bis Ende des Octobers auf derſelben blie— ben; dieſe gaben täglich ungefähr 300. Maaß Milch (r Maaß zu 4 Pfunden zu 32 Loth gerechnet) und aus dieſer Milch wird alle Tage ein Fettkaͤſe, der 1 Zentner ſchwer iſt, gekocht, ſo daß waͤhrend der oben angezeigten Zeit 150 Stuͤcke Zentnerſchwere Fettkaͤſe zubereitet werden. Dies fer reiche Senn hat Kühe aus dem Simmenthalis ſchen, und es iſt unmoͤglich, daß die Schweiz im Durch⸗ ſchnitte ein ſchoͤneres Kuhſenthum aufzuweiſen hat. Dies

420

fe Kühe haben kurze, dicke, völlig ochfenartige Köpfe, kaum ſpannenlange nur ein wenig gegen einander gekruͤmmte Hoͤrn⸗ chen, find meiſtens rothgelb, zum Theil weiß geflekt ulld wiegeu 5 1/2 bis 6 1/2 Zentner im Durchſchnitte. Bey dem großen Berner und Freyburger Rindvieh iſt dies vorzuͤg— lich auch ſehr charakteriſtiſch, daß an den hintern Fuͤßen die Kniee ſehr ſtark auswaͤrts, und der obere Theil der Schen⸗ kel und der untere Theil der Füße, eben fo ſtark einwaͤrtz gebogen find, und daß ſich daher bey dem Kniee innerlich ein ſtarker ſtumpfer Winkel bildet, da hingegen die Kühe in den kleinen Kantonen viel vertikalere Hinterfuͤße haben. Der Grund davon iſt auch ſehr leicht einzuſehen: in den zulezt genannten Gegenden hat man eigentlich keine alten bewaͤhrten Zuchtkuͤhe, ſondern dieſe werden nach Italien verkauft, und immer wieder junge Kühe zur Fortpflanzung gehalten; hingegen in den erſtern Kantonen hält man mei⸗ ſtens eigene alte Zuchtkuͤhe von vorzuͤglich großer und milch⸗ reicher Art.

Im Aar gaͤu und im Kanton Baſel werden auch ſehr viele Zugochſen erzogen, und die Vichmärktt zu Olten, Bremgarten, Aarau, Lenzburg und Brugg find fehr beträchtlich. Die Art iſt grof, hochbeinig, ſchlank von Körper, leicht von Füßen, unge ftaltet aber dauerhaft; fie ziehen faft fo geſchwind als Pfer⸗ de, aber fo ſtark nicht, als die Oberlaͤnder Ochſen, auch taugen fie in der Maſtung nicht fo gut, als dieſe. *)

(Im Kanton Solothurn hat man eine eigene Art Och? ſen, die außerordentlich dicke Schwaͤnze haben.)

Bey der Zählung des Rindviehs im ganzen ehma⸗

ligen Kanton Bern fanden ſich im Jenner 1797. übers -

) S. 1 und Beobachtungen durch die vekons⸗ miſche Geſellſchaft in Bern geſammelt 1771. S 187 188,

8 121

haupt 109839 Milchkühe, wovon im Ober⸗ lande 28610, im Emmenthale 8526, und im Welſchlande 30365. gezählt wurden. Neben dem fan, den ſich noch im ganzen Kanton 3686 Zuchtochſen, 18256 Zug: und Maſtochſen, 13011 Rinder über 2 Jahre, und 43444 Rinder und Kaͤlber von 2 Jahren und drunter Y. Es fan⸗ den ſich alſo damals nur im Kanton Bern an allen Arten von Rindvieh 188253 Stuͤcke.

» Im Emmenthal if keine eigene Viehrage, ungeach⸗ tet die Lage dieſer ſchoͤnen Alpengegend geeignet waͤre, eine ſchoͤne Viehzucht zu beguͤnſtigen und zu erhalten. Der vor⸗ treſiche Heuwachs, die wohlgelegenen Heimweiden, und die aͤuſſerſt fruchtbaren und zahmen Alpen waͤren ſehr ein— ladend dazu. Man erzieht zwar freylich auch junges Rind— vieh, aber lange nicht in ſo großer Anzahl, wie die Sim⸗ menthaler und Fruttiger, ja nicht einmal ſo viel, als man noͤthig hat, ſondern kauft alle Jahre eine Menge auf den Maͤrkten. Der junge Stier wird im Emmenthale, wenn

r das Alter von 4 bis s Wochen erreicht hat, als Schlacht»

alb an den Metzger abgegeben, da hingegen der Fruttiger⸗ Simmenthaler und Freyburger denſelben als Kalb verfchneis det, und als zweyjaͤhriger Ochs (Urner) in und auſſer Lands verkauft. In den berneriſchen Oberlaͤndern pflegt gemeiniglich der Guͤter⸗Beſizer eigenes Vieh an fein Futter zu ſtellen, und hält auf eine ſchöͤne und gute Zucht. Im Emmenthale uͤberlaͤßt der Bauer ſeinen Futterſtok einem Winterkuͤher, und haͤlt fuͤr ſich nur ſo viel Vieh, als er zu ſeinem Hausgebrauche nothwendig glaubt. Sehr ſelten triſt man im Emmenthal einen Viehſtall an, in dem nicht

) S. Gemeinnützige Nachrichten und Bemerkungen fuͤr Freun⸗ de der Naturgeſchichte und der Landwirthſchaft. Bern 1796 ster Ihrg. S 48.

122 u das darin befindliche Vieh von ganz verfchiedener Rage iſt, und auch hoͤchſt felten halt ein Bauer eine eigene Stamm⸗ art, weil er keinen Wucherſtier von gleicher Zucht beſizt, fordern feine wenigen Kühe beym naͤchſten beſten Stier bes fruchten laßt. Beſtimmt der Emmenthaler ein Kalb zum auferziehen, ſo iſt es ihm gleichguͤltig von was fuͤr einem Stier es abſtamme. Ungeachtet er die Erfahrung machen koͤnnte, daß das Kalb gemeiniglich weit mehr der Art des Stiers aͤhnelt, als der der Mutterkuh, ſo nimmt er doch dabey nur auf dieſe leztere Ruͤckſicht. Sey dieſe wohl oder übel geſtaltet, groß oder klein, wenn fie nur viel Milch giebtr fo iſt ſie ihm zur Zucht ſchon recht.

Obſchon übrigens der Emmenthaler eine Menge frem— des Vieh in ſein Land hineinzieht, ſo hat er doch gegen das Entlibucher Vieh und gegen das der kleinen Kantone eine auffallende Abneigung, und zwar vorzuͤglich, weil er die Farbe an dieſen welche die Italiener ſo hoch ſchaͤtzen und ſo theuer bezahlen, gar nicht gerne ſieht, ſondern das roͤthliche Vieh vorzüglich liebt. Indeſſen iſt die Frage noch lange nicht entſchieden, ob es für den Emmenthaler nicht vortheilhaft ware, wenn er die Entlibucheriſche Viehart ein» führte, und auch an dem italieniſchen Viehhandel Antheil nehmen wuͤrde. Man hat zugleich oͤfters bemerkt, daß die Baſtarden von einem Entlibuchiſchen Wucherſtier und einer hierlaͤndiſchen Kuh, oder umgekehrt, an Wuchſe und Far— ben ſo ſchoͤn ausfallen, daß ſie dem ſchoͤnſten Vieh im Kan⸗ ton Schwyz an die Seite geſezt werden duͤrfen.

Endlich fo verſchiedenartig ein Emmenthaliſches Senn; thum auch immer ſeyn mag, fo giebts doch einige Emmentha⸗ ler Kuͤher, die wie ich oben ein Beyſpiel von Schoͤnen⸗ wald anfuͤhrte von den ſchoͤnſten und vorzuͤglichſten Kuͤ⸗ hen in der Schweiz beſitzen, indem ſie dieſelben auf den Simmenthaliſchen und Freyburgiſchen Maͤrkten aufkauf⸗

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2

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fen. Ueberdies kauft der Emmenthaler bisweilen ſei— nem Winterkuͤher, der aus andern Gegenden herzieht, und das Heu weafuttert einzelne Kälber von einer ſchoͤnen und guten Mutter ab, die er dann aufzieht, und wobey er um ſo viel ſicherer auf ein gutes Gedeihen rechnen kann, weil dieſe immer die ſchoͤnſten Zuchtſtiere halten, die fie auf den beiten Viehmaͤrkten zu kaufen finden.

Das Entlibucher Vieh hat ſehr viel aͤhnliches mit demjenigen in den kleinen Kantonen; es iſt groͤßer als dasjenige am Brienzerſee, und kleiner, als das im Kan— ton Schwyz. Die Farbe deſſelben iſt durchgehends ſchwaͤrz— lich braun, mit weißgrauem Strich uͤber den Ruͤcken, und eben ſo ſind die Ohren, Naſen und innern Seiten der Schenkel; das iſt die Mode, oder ſogenannte Bergfarbe, welche die Maylaͤn der fo vorzüglich ſchaͤtzen, und mit 8 bis 10 Thalern hoͤher bezahlen, als anderes Vieh von gleichem Werthe, dem aber dieſe Farbe mangelt. Nur das Vieh von dieſer Farbe wird als eigentliche Kaufmanns⸗ waare uͤber den Gotthart verhandelt, und erhaͤlt daher den Namen Bergfaͤrbig. In Eſchholzmatt und Marrbach hingegen hat man auch hie und da ro— the oder roth und weiß gefleckte Kuͤhe, weil dieſe Farbe die Lieblingsfarbe des Emmenthalers iſt, und weil dieſe 2 Gemeinden als naͤchſte Grenzorte des Emmenthalers in

einem wechſelnden Verkehr mit einander ſtehen.

Das Hauptkennzeichen einer guten Milchkuh in Anfes hung der aͤußern Form ſezt übrigens der Entlibucher Kir her gerade in die entgegengeſezten Eigenſchaften, welche das Simmenthaler, Saaner und Freyburger Rindvieh beſizt. Je geſchmeidiger, lieblicher weiblicher von Koͤrperbau eine Kuh iſt, und je weniger ſie dem Wucherſtier in Ab⸗ ſicht auf ſeinen wildern Blick und auf ſeine plumpere und groͤbere Geſtalt aͤhnelt, deſto beliebter iſt eine ſolche Kuh im Entlibuch.

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Man behauptet allgemein, das Entlibucher Vieh ſey viel milchreicher, als das Emmenthaler Vieh, (nicht aber auch als das Milchvieh aus den Gegenden von Oberhasle, Brienz, Thun die, ungeachtet ihre Kleinheit, ungemein viel Milch geben:) hingegen ſoll in der Milch des leztern viel mehr butterige Subſtanz liegen. Mein Freund, Hr. Pfr. Engimann in Tſchangnau be weist dieß mit folgender Thatſache: „Im Winter 1789 war Nicklaus Loͤntſcher von Marrbach hier in der Siegentha⸗ lerſchen Scheurmatt, der mit feinem Milchvieh daſelbſt „das Futter benuzte; am naͤmlichen Futter ſtand auch „des Benedikt Siegenthalers Vieh. Des Loͤntſchers Vieh „war von der entlibucherſchen Art; des Siegenthalers „aber Emmenthaliſches. Beyde Vieharten gaben bey gleis „chem Futter und unter gleichen Verhaͤltniſſen eine unglei, „che Menge Milch. Dies veranlaßte, daß man auch uͤber den innern Gehalt der Milch Verſuche machte, und fand, „daß auf so Maaß Milch (das Maaß zu 4 Pfunden) die „Emmenthaler Viehart in Butter 5 1/2 Pfund und im Kaͤ⸗ „ſe 7 Pfund die Entlibucherſchen uͤbertraf.“

Ao. 1796 befanden ſich zur Sommerszeit überall 8883 Stuͤcke Kühe und Guſti auf den Entlibucher Alpen, Heim⸗ weiden und Hochwaͤldern, hingegen zur Winterszeit im gleichen Jahre 7113 Stucke eigenes inlaͤndiſches Rind⸗ vieh.) | ;

In den kleinen Kantonen haben die Zuger, und nach dieſen die Schwyzer das groͤßte Vieh, ſie wiegen 4 / , 5 bis 6 Zentner, haben längere und duͤnnere Haͤlſe, und lange nicht ſo ochſenartige Koͤpfe, wie die Simmenthaler und Freyburger Kuͤhe. Die Zugerkuͤhe ha⸗

ben auch hoͤhere Beine, als die Schwyzerkuͤhe. Dieſe ſind

*) S. Stalders Fragmente über Entlibuch I. 248, und 282.

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125

ſchwaͤrzlich oder ſchwarzbraun, und haben niedere Fuße, duͤnne Schwaͤnze und eine duͤnne Haut.

Das Rindvieh in den übrigen democrati, ſchen Kantonen, Appenzell ausgenommen, ift wegen ihren ſteilen gebirgigen Alpen im Durchſchnitte klein, und hat ebenfalls meiſtens die für Italien fo belieb— te oben beſchriebene ſchwaͤrzlich braune Farbe, ſo daß z. B. die Urner, Unterwaldner, Glarner Milchkühe 3. 4, bis hoͤchſtens 4 1 Zentner wiegen. Gegen dem Urferen Thale und gegen Livinen, und überhaupt; je näher den hohen Gebirgen, deſto kleiner find fie auch.

In den Glarneralpen finden mehr als 10,000 Stuͤcke Rindviehs ihr Sommerfutter, und bey der Zaͤh— lung der ganzen Anzahl deſſelben im Chriſtmonat Ao. 1796 zeigte es ſich, daß im ganzen Laͤndchen eigenes Rindvieh aller Art 9453 Stuͤck, und 770 Saugkaͤlber vorhanden waren.

Im Urnerlande kann man nad) meinen erhal tenen zuverlaͤßigen Berichten ungefähr eine eben fo ſtarke Zahl rechnen. In Unter walden hingegen findet ſich eine faſt noch größere Anzahl. Nach einer im Jahr 1794 Obrigkeitlich veranſtalteten Spezifikation zeigte es ſich, daß in Nidwalden, weil, wenn einer des Sommers die Ge— mein = Alpen benutzen will, er genug Heu für das Vieh zum Winterfutter haben muß 27714 Klafter Heu und 4993 Kuͤhe daſelbſt vorhanden waren; Und in Obwalden, z. E. in den Kernſer Alpen, und in denen am Melchſee ; bey Tannen u. ſ. w. werden jährlich das kleine Vieh ungerechnet über 4000 Stuͤcke Kühe erhalten. )

*) S. Zſchocke's Denkwürdigkeiten der helvetiſchen Staatsum⸗

waͤlzung, zter Band S. 287. und Wen Almanach fuͤr das Jahr 1805 S. 58 60,

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0

126

Im Kanton Zuͤrich iſt die beſte Viehzucht in den Gegenden am Zuͤrcherſee, vornehmlich in den Diſtrikten Horgen (wo man durch die Vermiſchung mit Schwyzer⸗ Kuͤhen vorzüglich großes Rindvieh, und namentlich auch 10 bis 13 Zentner ſchwere Ochſen erhaͤlt) und Mettmen⸗ ſtetten, auch in einigen Gegenden der Diſtrikte Fehraltorf, Gruͤningen und Uſter. Ueberhaupt aber hat man im Kan— ton Zuͤrich keine eigene, ſondern meiſtens eine vermiſchte Nindviehrage. Jenſeits des Albis wird auch eine betraͤcht, liche Menge Vieh zum Handel nach Italien gezogen, und vorzuͤglich auf dem großen Markte zu Lauis verkauft.)

Die eigentliche Stammrage des Appenzel⸗ lerviehs iſt von ſchwarzbrauner Farbe, und dieſe zaͤhlt der Senn zu den weſentlichſten Vorzuͤgen der Schoͤnheit ſei⸗ ner Kühe. Die Appenzeller Kühe find von mittlerer Größe, doch größer und ſchwerer als die Urner, Unterwaldner und Glarner Kuͤhe. In Anſehung der Form verlangt der Appenzeller: das der Kopf leicht und kurz, die Hörner gar nicht lang und ein wenig aufwaͤrts und gegen einander ge— kruͤmmt ſtehen, der Leib nicht eckig, ſondern rund, die Fuͤße kurz und gerade ſtehen; der Griff (Schlauch) ſoll am Kinn anheben, und bis zu den Knieen niederhangen. Je mehr ſolcher Vorzuͤge an einer Milchkuh gefunden wer— den deſto leidenſchaftlicher bezahlt ſie der aͤchte Senn. Die Farbe allein thut ſchon ſo viel, daß unter zwey gleich ſchoͤn geformten, aber an der Farbe von einander unter⸗ ſchiedenen Kuͤhen fuͤr die ſchwarzbraune 1 Louisd'or mehr bezahlt wurde, und daß mancher Senn darauf ſtolz It, wenn fein ganzes Sennthum von 30 bis 40 Kuͤhen ein⸗ zig aus ſchwarzbraunen beſteht.“)

*) S. Helvetiſcher Almanach vom Jahr 1905. S. 44. *) S. Hartmanns Bemerkungen in ein Paar Appenzeller

Be >

127

Der Appenzeller Senn behandelt das Vieh vorzüglich . im Thale und des Winters in den Staͤllen mit außeror— dentlicher Sorgfalt, ſtrigelt und waſcht es z. E. haufig, ' und haͤlt ſehr viel auf Reinlichkeit dabey: ſelbſt den Schwanz bindet er im Stalle an einer von der Wand herunterhangens den Schnur in die Höhe, daß er nicht befleckt werde. Sorgfaͤltige Sennen werden auch die auf der Weide uͤber— regneten und naſſen Kühe jedesmal mit einem Strohwi⸗ ſche abtrockren, woraus alsdann, wie aus einem Schwam— me, das Waſſer herunterrinnt, und wobey das zitteznde Vieh ganz ſtille ſteht, und ſich dadurch ſehr erleichtert

fuͤhlt.

In Appenzell Innerroden weiden alle Sommer wenig⸗ ſtens 14000 Stuͤcke Rindviehs, wovon ungefähr 6000 Stuͤcke auf den Alpen ihr Futter finden, des Winters aber kaum sooo eigene Innerroder Kühe benutzt werden. Hingegen zeigte es ſich Ao. 1796, daß in Auſſerroden nicht mehr als 8 bis 9000 Stucke Rindvieh aller Art gehalten wer— den, wovon nicht mehr als 3000 Stuͤcke auf den Alpen Auß⸗ und Innerrodens weiden, die uͤbrigen aber zu 2. 4 bis 8 Stuͤcken hoch auf den nahen Weiden und Wie— fen, bey den einzeln ſtehenden Baurenhaͤuſern, ihre Nah: rung finden.

Die Kuͤhe im Sarganſerlaͤndiſchen, im Werdenbergiſchen und in der Herrſchaft Sax ſind der angrenzenden kleinen Buͤndtner Art ſehr aͤhnlich.

Alpen: ſind abgedruckt in ſeinem Archive kleiner zerſtreuter Reiſebeſchreibungen durch merkwuͤrdige Gegenden der Schweiz II. 248 249. und Hr. Doctor Zellwegers Verſuch einiger phyſikaliſcher und mediziniſcher Betrachtungen, in den Abhandlungen der naturſorſchenden Geſellſchaft in Zürich. II. 349 358.

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In Buͤndten iſt die Viehzucht unſtreitig der wichtig⸗ 1 fie Nahrungszweig. Ein fo kleines Laͤndchen von 140 [] "Heilen ernährt 80, ooo Stuͤcke Vieh und gewinnt jaͤhr⸗ lich damit vermittelſt des Handels nach Italien uͤber 800,000 Gulden! Nur Schade, daß ſeit einigen Jah⸗ ren nicht mehr die ſtrenge Sorgfalt auf die Beybehaltung der ſchoͤnen Rage verwendet wird, wie zuvor; und daß man ſich zu wenig um ausgeſuchte Zuchtſtiere bekuͤm⸗ mert! f

In Anſehung der- Größe giebt es eigentlich zwey Ab⸗ arten in Buͤndten; eine ziemlich große und eine kleinere. Die erſte findet ſich im Braͤttigaͤu, wo das Rindvieh in

5 Vergleichung mit dem übrigen Schweizervieh von mittlerm Wuchſe iſt, die leztere hingegen iſt uͤberall im Lande zer⸗ ſtreut, und am kleinſten in Kleven anzutreffen.

Hingegen in Anſehung der Farbe giebt es drey dau> ernde Abarten: die ſchwarzbraune im Braͤttigaͤu; die graue und gelbliche im Oberlande; und die rothbraune hin und wieder im Lande zerſtreut. N

Hr. Pfr. Catani giebt hieruͤber in einem mir mitge⸗ theilten ungedruckten Aufſatze noch beſtimmtere Auskunft. Die Braͤttigaäuer, Davoſer, Schanfiker und Chur walder halten insgemein ein ſchwarzbraunes und et— was graues Vieh, meiſtens ſchoͤn und von großer Art, Die Herrſchaft-Leute bey den vier Doͤrfern, die Domleſchger, viele Oerter des Oberlan— des und die Unterengadiner halten Vieh von ak

* lerley Farben, meiſtens klein, doch gut zur Milch, uͤber⸗ haupt geſagt, in Orten des Oberlands ſiehet man

meiſtens hellbraunes aber auch kleines Vieh, wo man Stie⸗

re von den Tiroler oder Lauiſer Maͤrkten

*) S. Der neue Buͤndtneriſche Sammler 1 Jg. tr Bd. S. 197.

. . i 129 zieht. Im Ober⸗Engadin, Bergün, Schamms, Rheinwald, Heinzenberg und Safien wie auch im Bergell haͤlt man mittelmaͤßig ſchoͤnes Vieh an Farbe und Groͤße.

Das ſchoͤnſte Buͤndtner Vieh iſt alſo unlaͤugdar im Brättigaͤu anzutreffen, wo der Landmann hellgefaͤrbte Ochſen und ſchwarzbraune Kuͤhe zu bekommen ſucht, weil die Italiener, für die fie ihr Vieh eigentlich erziehen, dies ſe Farben gewaͤhlt haben; fie behaupten naͤmlich: dunkle Kuͤhe geben beſſere Milch, und helle Ochſen leiden weni⸗ ger von der Hitze. Die Gemeinde Seewis im Braͤtti⸗ gau zeichnet ſich vorzüglich durch ihr ſchoͤnes Rindvieh aus, das fie deſto leichter erhält, weil fie eine ſogenannte Ber hebalp beſizt, wo die Galten ohne Stier find, und alſo vor allzufruͤher Befruchtung, ſicher geſtellt werden. Fer⸗ ner wird das dortige Vieh dadurch verſchoͤnert, daß die Viehhaͤndler alle Jahre eine Anzahl ganzer unverſchnittener Stiere im Gaſter und in der March kaufen, (wo uͤberaus großes Vieh angetroffen wird) und ſie im Jaͤnner nach Italien treiben, zu der Zeit, wenn die frühen Kühe ans laufen; womit ſie auf dieſe Art, gleichſam im Durchreiſen, die Berfchönerung der eigenen Rage befördern, *)

Nach einer Angabe von Hr. Pol in Luzain is es ſich Ao. 19782 und 1783, daß ungefahr 4450 Stuck Kühe im Braͤttigaͤu (das damals 6955 Einwohner zaͤhlte) gehal⸗ ten wurde.““) Und Lehmann meldet, daß ſich nur in dem kleinen ae Er le 9 2 1

*) S. Den peru deen Sammler, 1 Jahrg. ir Band S. 249 250.

*) S. Pol Verſuch einer natuͤrlichen und bekonomiſchen Beſchreibung des Thals Braͤttigaͤu in Buͤndten. In Höpf- ners Magazin für die Naturkunde Helostiens. IV. 14 = 10

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lang, und da wo es am dreüteſten eine Stunde breit ii) Anno 1779 bey einer aufgenommenen Zaͤhlung einige zu 1000 Kuͤhen und über 1100 Stücke anderes Rindvieh vor⸗ fanden.)

Ueber den Viehzuſtand im Unter⸗Engadin giebt uns sebenfalls Herr Pfarrer Pol einige Nachrichten. Dieſen zufolge wuͤrden daſelbſt des Sommers ungefaͤhr 3165 Milchkuͤhe weiden; die Anzahl des Geltviehs koͤnnte man der Anzahl der Kuͤhe gleich ſetzen, und ſo kaͤmen als⸗ dann auf jede Haushaltung 2, oder auf einen jeden Eins wohner 1 Stuͤck Vieh heraus; ein Verhaͤltniß, das in Vergleichung mit andern Gegenden des Landes vortheilhaf⸗ ter ſeyn koͤnnte. Es iſt übrigens eine allgemeine Klage, ſowohl im obern als untern Engadin, daß das Vieh überall, in Vergleichung mit fruͤhern Zeiten, ſehr vermindert worden ſeye. ““)

Das Hornvieh in der italieniſchen Schweiz iſt von kleiner und magerer Art, beſonders die Kühe haben ein ſehr geringes Ausſehen und ſind meiſtens rothbraun von Farbe. Sie finden nur magere Weide, und die Alpen find im Durchſchnitte rauh. Die ſogenannten Schweizerkuͤhe, welche die deutſchen Schweizer auf der Lauiſer Meſſe an die Maylaͤnder verhandeln, ſind noch einmal ſo ſchoͤn und groß, als die Italieniſchen, daher dieſe aber auch kaum den halben Werth von jenen gelten. Nur in den noͤrdli⸗ chern und hoͤhern Bergthaͤlern iſt das Vieh anſehnlicher; je naͤher der deutſchen Schweiz, deſto ſchoͤner. Um Lauis herum iſt das Vieh am kleinſten, die Zucht am ge⸗

„) S. Lehm anns patriatiſches Magazin von und für Binde ten. S. 216 217.

) S. Der neue buͤndtneriſche Sammler ir Jahrg. ir Band S. 78 82.

131 *tingften; die gröͤßeſten Kälber, welche dort in die Metzg kommen, wiegen mit Haut und Haar nicht mehr als 40 große Pfund, fie find indeſſen wegen ihrem ſchmack⸗ haften Fleiſche von den Maylaͤndiſchen Metzgern ſehr ges ſucht; die aus dem Thale Verzasca ſtehen beſonders in gutem Rufe. Die Stieren oder verſchnittene Och ſen ſind verhaͤltnißmaͤßig groͤßer als die Kuͤhe, und meiſtens weiß oder grau, oder weiß und ſchwarz gefleckt von Farbe. Man hat Beyſpiele, daß ſie wenn ſie an gute Maſtung geſtellt wurden, auch ſehr gut gediehen. So wurde z. E. Ao. 1780, einer zu Lauis geſchlachtet, der 600 große Pfund wog, und 94 Pfund Talk gab; und Ab. 1779. wurde einem Lehenmann zu Boscarino so Zechis nen (eine ungefähr zu 5 ı/2 Gulden Keiche: Währung ) fuͤr ein Paar Zugochſen angeboten, der ſie noch hoͤher am Werthe ſchaͤtzte, und nicht erließ. 9

Aufenthalt und Nahrung.

Des Sommers weiden weit die meiſten Schweizer⸗Kuͤhe auf den Alpen, wo fie nicht ſowohl hohes und uͤppig ge- wachſenes, ſondern vielmehr kurzes und mager ſcheinendes aber aͤußerſt kraftvolles und butterreiches Futter genießen. Derjenige alſo, der ſich auf unſern Alpen das Gras ſo hoch vorſtellt, daß die Kuͤhe wenigſtens bis an den Bauch darin waden koͤnnten, irrt ſich ſehr, und ſeine Verwunderung ſteigt noch diel Höher, wenn er auf ſolchen Alpen Kuͤhe mit vollem Bauche und angeſchwollenen Eutern antrift, wo das Gras oft fo kurz iſt, daß es ihm beynahe unmöglich ſcheint, wie es die Kühe abbeißen koͤnnen. Je höher eine Alp ch der er 990 en legt, deſto nne

) S. Schinz Beytraͤge zur nähern Kenntniß des Schwei⸗ zerlandes. IV. 420 421. V. 615 618.

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aber auch deſto butterreicher ift das Gras, fo daß die das ſelbſt gewonnene Milch ganz verdickt, gelblich und wie Rahm wird, und wegen ibrer auſſerordentlichen Staͤrke und Fettigkeit gar nicht jedem Magen wohl bekommt.

Das Gelt- oder Maſtvieh und Pferde weiden nicht auf den gleichen Alpen mit den Kuͤhen, ſondern man haͤlt ſie entweder auf beſondern Alpbezirken, oder auf eigenen aus⸗ ſchließlich für dieſe Arten deſtimmten ſogenannten Ochſen⸗ Alpen.

Unter die beſten und butterreichſten Alpenkraͤuter die zum Theil auch im Thale aber viel groͤßer und waͤſſeriger wachſen zaͤhlen die Schweizerſennen folgende: die Murten, Muttern oder Mutteri (Phellandrium mutellina L.), unſerer lieben Frauen Maͤnteli, Sidern oder Haſenklee (Alchemilla vulgaris et alp. L.), Alpenwegerich oder Romeyen (Plan- tago alp. L.), Pimpinella alba L., Aretia helvet. et alp. L., Trifolium alp. L., Astragalus alp. L. u. a. m.

An einigen Orten hat man auf den Alpen Kuͤhſtaͤlle, um das Vieh des Nachts und in der heiſſeſten Zeit des Tags und bey Gewittern hinein zu binden, wie z. E. im Appenzellerland und in vielen Gegenden Buͤndtens; in andern Cantonen hingegen mangeln dieſe, zum großen Nachtheile des Rindviehs und zum Verluſte des Duͤngers, völlig , und daſſelbe lagert ſich zur Zeit, wo es Schuz bedarf, in den Waͤldern oder unter einzelnen großen Tannenbaͤumen, wie z. E. im Glarnerlande. 2

In ſchlechten Jahrgaͤngen kann Hunger auf den Alpen den Kuͤhen ſehr zuſetzen, aber erlittene Kaͤlte und Froſt iſt ihnen noch viel nachtheiliger. „Erhungerte Milch kömmt „wieder bey beſſerm Futter“ ſagt der Urnerſenn aber erfrorne nicht leicht.“

In verſchiedenen groͤßern Cantonen, z. B. in

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Zürich, Aargau, Bern u. ſ. w. iſt die nuͤtzliche Stallfüttes rung vermittelſt kuͤnſtlicher Futterkraͤuter eingeführt; und in den kleinern Bergkantonen ſieht man den großen Nachtheil des Weidens der Kuͤhe auf den Gemeinweiden oder Allmenten wo ſie einige Sommermonate hindurch auf duͤrrer Weide hungern muͤßen immer mehr ein, und trift andere vortheilhaftere Maaßregeln.

Im Appenzellerlande weiden einzelne Kühe, de ren Milch man fuͤr den taͤglichen Hausgebrauch benutzt, mitten im Sommer in abgezaͤunten kleinen aber fetten Wieſenplaͤtzen, wo ſie ſich ſehr gut naͤhren.

Des Winters rechnet man im Glarner lande vom Weinmonat bis zu Ende des Aprils im Durchſchnitte; bis 6 ½ Klafter Heu, (ein Klafter zu s Werkfuß gerechnet) zur Fütterung einer Milchkuh, das ungefähr so bis 60 Gul⸗ den koſtet; hingegen im Appenzellerlande 4 1 bis 5 Klafter (wöchentlich ı / Zentner); im Dom, leſchgerthale in Bündten 4 Klafter; und im Canton Bern ; Klafter, oder 40 bis 45 Zentner.

Das Wildheu, d. h. dasjenige Heu, welches der kuͤhne Aelpler mit der augenſcheinlichſten Lebensgefahr und mit Fußeiſen bewaffnet, auf denjenigen Felſenabſaͤtzen weg⸗ maͤhet, unter denen ſich die ſcheußlichſten Abgründe eroͤf⸗ nen, und wohin kein Alpenvieh, und oft nicht einmal die Schaafe hingetrieben werden koͤnnen iſt ein aͤußerſt geſundes, ſtaͤrkendes und butterreiches Futter für das Rind⸗ vieh, und wird oft ſo gut als das beſte Emd bezahlt.

Dem Schweizervieh wird vorzüglich zur Vorbeugung verſchiedener Krankheiten, welche zum Theil aus den ſchlech⸗ ten und zum Theil aus den allzufetten Weiden entſtehen konnten, faſt alle Tage eine Portion Salz gegeben.

In Anſehung der verſchiedenen Maſtungsmethoden, de⸗ ren man ſich hin und wieder in der Schweiz zur Fettma⸗

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chung des Rindbiehs bedient, muß ich die Leſer auf meine Beſchreibung der ſchweizerſchen Alpen- und Landwirth⸗ ſchaft verweiſen; nur bemerke ich, daß man auch hin und wieder mehrere Beyſpiele von auſſerordentlich fetten und ſchweren Maſtochſen aufzuweiſen hat. So wurde z. E. Anno 1611. ein Ochs im Wigerthale im Luzerni⸗ ſchen erzogen, und nach Uri gefuͤhrt, wohin man ihn um 100 Silberkronen verkaufte, der 14 Zentner gewogen hatte. Ein anderer ward Ao. 1659. im Kloſter zu Einſiedeln auf die Engelweihung geſchlachtet, der 2250 Pfund, alſo 22 ½ Zentner ſchwer war.) Auf das gleiche Feſt wurde in den neuern Zeiten, namlich Ao. 1755. zu Einſiedeln ein anderer Ochs geſchlachtet, der 25 Zent⸗ ner gewogen hatte, und in einem Kupferſtich abgebildet iſt; ») fo wie von einem Anno 1777. dort befindlichen 30 Zentner ſchweren Ochſen ebenfalls ein Kupferſtich ber, ausgekommen iſt.

Eigenheiten oder Naturtriebe, die ſich vor i züglich beym Schweizervieh finden. unter der gluͤcklichen Zuſammenwirkung ſo mancher Bes guͤnſtigungen, entwickeln ſich wirklich im Alpenvieh Natur⸗ triebe, die fonft in der Rindsgattung unentwickelt bleiben. Man kann es auf den Alpenweiden häufig bemerken, daß die Kuͤhe einen gewißen Rang unter ſich beobachten, den nur die Stärke beſtimmt, fo daß die fchwächerel der ſtaͤrkern allezeit weichen muß. Selbſt wenn eine fremde Kuh gekauft und zu den uͤbrigen gefuͤhrt wird, hat ſie nach

*) S. Cyſat Beſchreibung des Vierwaldſtaͤtter⸗ Sees. S. 157159.

) S. Monatliche Nachrichten ſchweiz. Neuheiten. Zurich. 1755. S. 130.

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und nach mit allen zu Lampfen, bis ihr Rang entſchieden iſt, und man kennt ſogar Beyſpiele, daß, wenn zwey gleich ſtarke Kuͤhe der Art zuſammen kommen, man durchaus ge⸗ ‚nöthigt war, fie von einander abzuſoͤndern, indem ſie ſonſt einander aufgerieben haben wuͤrden. Da ſich nun in der Schweiz viele große Alpen von s bis 900 Kuhrechten fin⸗ den, die verſchledenen Familien eigenthuͤmlich angehoͤren, und die daher von verſchiedenen einzelnen Kuͤhſennten oder Kuͤhheerden benutzt werden, welche alle ganz nach ih⸗ rem eigenen Antriebe unter einander laufen koͤnnen, ſo liegt jedem ſolcher Sennen ſehr viel daran, daß ſeine kleine Viehheerde eine gute Anfuͤhrerin oder ſogenannte Heerkuh habe, der dann die uͤbrigen alle nachfolgen. Sie iſt im⸗ mer an der Spitze der Heerde, erſcheint zuerſt bey der Sennhuͤtte zum Melken, und geht dann auch wieder zu⸗ erſt von der Huͤtte hinweg auf die Weide, wohin ihr eine nach der andern nachfolgt. Auf dieſe Weiſe weidet aber auch jedes Sennthum beyſammen auf eigenen Plaͤtzen, und es iſt recht bewundernswuͤrdig, daß ſich die Kuͤhe der verſchiedenen Sennereyen gar nicht unter einander vermi⸗ ſchen, ſondern jedes feine beſondern Weidplaͤtze wählt, die es nicht verlaͤßt, und allenfalls gegen die Eingriffe anderer muthig behauptet. Wuͤrde ein Sennten von ſeinem ſelbſt gewaͤhlten Weidſtriche verjagt werden, ſo lauft die Heerkuh mit ihrem ganzen Gefolge der Huͤtte zu, wo man ſie als, dann ſogleich in den Stall hineinbinden muß, worauf ſie den folgenden Tag wieder auf ihre vorigen Plaͤtze hinziehen; wuͤrde man fie aber nicht in den Stall binden, fo verließen ſie einander, und jede wuͤrde einzeln herumirren. Solche ſtarke Heerkuͤhe, die zugleich gute Weiderinnen find, d. h. die vorzüglich gute und fette Weidplaͤtze auswaͤhlen werden wenn ſie beſonders noch die beliebte Landes⸗ farbe beſitzen, immer mit x bis 2 Louisd'ors höher. bezahlt,

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als eine andere von gleicher Größe, der die Eigenfchaften mangeln.

Vorzuͤglich alsdann, wenn der Senn im Fruͤhjahre mit ſeiner Heerde auf die Weiden und Alpen zieht, oder im Herbſte wieder davon zuruͤckkommt, und im Winter von eis nem Heuſtalle in den andern, von einer Gemeinde in die andere zieht, um das gekaufte Heu zu benutzen, ſind die Kuͤhe am reinlichſten geputzt, und die ganze Heerde bezeugt auf ſolchen Zuͤgen durch Spruͤnge aller Art ihre eigentliche Freude und eine auſſerordentliche bey dieſen Thieren ungewoͤhnliche Lebhaftigkeit. Die ſchoͤnſten Kuͤhe gehen unmittelbar hinter dem feſtlich gekleideten Senn, und tra⸗ gen die groͤßern und kleinern Kuͤhglokken, Trichlen oder Trinklen, die oͤfters alle zuſammen fuͤr ein großes Sennten im Bernergebieth auf 3o0 Cronen, oder so Louisd'ors zu ſtehen kommen. In ſtolzem Selbſtgefuͤhle gehen alsdann die Heerkuͤhe der Heerde voran, und keine einzige Kuh ohne Glocke wird etz wagen, denjenigen mit den Glocken vorzu⸗ foringen, Gehts auf die hoͤchſten Alpen, wo das Vieh ſtark bergan ſteigen muß, und wo die groͤßern Glocken an den Felſenſtuͤcken Noth leiden müßten, fo tragen die Sennen dieſe voraus, aber diejenigen Kuͤhe, denen ſie an⸗ hiengen, werden dieſen dennoch unmittelbar auf dem Fuße nachfolgen, und den Rang Anführer der andern zu ſeyn, nirgends vergeben.

Man kann es auch im Fruͤhjahr häufig beobachten, daß, wenn ſolche Viehheerden mit ihrem Gelaͤute neben denjeni⸗ gen Weiden vorbeyziehen, worauf ſich Kuͤhe befinden, dieſe wie raſend hin und herſpringen, blöden und bruͤllen, und olle moͤglichen Verſuche wagen, zu entkommen, und ſich euch dem Reihen der wegziehenden Heerde beyzugeſellen.

Der Senn hat auch neben dem Kuͤbreihen-Geſang, wovon man nur noch einzelne Strophen kennt, das Ganze

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187 aber überall verloren hat, eine eigene Art, das Alpenvieh zuſammen zu rufen, oder wie ler ſagt: zu locken. Sein Lockgeſang fuͤr Kuͤhe iſt verſchieden von dem fuͤr Schaafe, Ziegen und Schweine, und beſteht nicht in Worten, ſon- dern nur in auf» und abſteigenden Tönen, wobey der Sänger nur von Zeit zu Zeit einen tiefen Ton lange aus⸗ haltet, und darauf wieder ſchnell durch einen hohen ſcharfen Ton abbricht, und vorzuͤglich von Zeit zu Zeit, und nament⸗ lich am Ende, die Stimme der Thierart, der gerufen wirds ſehr aͤhnlich nachmacht. Sobald das Vieh dieſen Ge⸗ fang hört, ſtutzt es augenblicklich, und kann vermit⸗ telſt deſſelben, von ſeinem Meiſter aus der Ferne hergerufen werden.

Man bemerkt es auch allgemein, daß der Eindruck, den ſolche Kuͤher-Geſaͤnge auf das Alpenvieh macht, ſogar unauslöfchlich iſt. Wenn z. B. Kühe von Alpenzucht aus dem Geburtslande entfernt werden, und von ungefähr dieſen Geſang hören, fo ſcheinen alle Bilder ihres ehmali⸗ gen Zuſtandes plotzlich in ihrem Gehirne lebendig zu wer⸗ den, und eine Art von Heimweh zu erregen; ſie werfen alsdann den Schwanz in die Höhe, ſchlagen mit ihren Fuͤßen zu allen Seiten aus, fangen an zu laufen, durch⸗ brechen die Zaͤune und gebehrden ſich wild und raſend. Das iſt der Grund, warum es ehmals in der Gegend von St. Gallen wo ſehr viele aus dem Appenzellerlande ge⸗ buͤrtige und angekauſte Kuͤhe weideten, verbotten war, den Kuͤhreihen zu ſingen.

Zu Anfange des Sommers aͤuſſert das Alpenvieh ein eigentliches Heimweh nach den Alpweiden, und es ſucht wirklich aus einem innern Naturtriebe, das Hochgebirg daher die Viehzucht in den Gebirgen auch uͤberall am beſten betrieben wird. Es kommt manchem Ausländer beynahe unglaublich vor, wenn man ihme ſteile Alpenwege uͤber

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ſcheußlichen Abgruͤnden zeiget, die er nicht betreten darf, und ihm dann erzaͤhlt, daß das Rindvieh auf denſelben in die hoͤchſten Alpentheile aus eigenem innerm Antriebe ungezwungen hinaufwandere; und es ſchwindelt ihm, wenn er ſieht, daß auf denjenigen Gebirgs-Abhaͤngen Kuͤhe weiden, die er auf keine Weiſe erklettern duͤrſte und konnte.

Jede Kuh in den Alpen hat auch ihren beſondern Na⸗ men, und der Senn kann ſie einzeln bey demſelben mitten aus der Heerde herausrufen. Um meinen Leſern einen eis welchen Begriff von den ſonderbaren Benennungen, welche die Kuͤher ihrem Rindvieh beylegen, zu verſchaffen, ſo ruͤcke ich hier ein ſolches Namenverzeichniß don einem Berner⸗ Sennten ein, das aus 31 Kuͤhen beſtand und das ich in Pfaffenmoos aufnahm. 1) Der Schnauz; a) der Leu; 3) die Froͤhden; 4) der Fleck; 5) der Muͤndel; 6) das Daͤchsli; 7) die Bruͤnen; 8) der Zingel; 9) das Moͤoͤſi; 10) der Stoffel; 11) der Bär; 12) das Spießli; 13) der Ochs; 14) der Tobel; 15) das Hirzli; 16) der Hoͤchgel; 17) der Kirſi; 18) der Buchs; 19) der Chleeb; 20) das Braͤntli; 21) der Rolli; 22) der Fuͤßi; 23) der Schwarz⸗ tſcheggen; 24) das Spechtli; 25) der Koͤngel; 26) die Wildi; 27) der Maͤder; 28) der Blaͤß; 29) der Venner; 30) der Vogel; 31) der Wolf.

So wie die Alpenkuͤhe durch freudige Spruͤnge und ein liebkoſendes Zudringen gegen ihnen bekannte und unbekannte Menſchen ſogar Gefuͤhle der vertraulichſten Zuthaͤtigkeit un⸗ verkennbar auszudruͤcken wiſſen, ſo zeigen hingegen vorzuͤg⸗ lich die Alpenkuͤhe, und namentlich die im Appenzeller⸗ lande einen auſſerordentlichen Widerwillen gegen Hunde. Sobald eine ſolche Kuh einen Hund erblickt, ſtellt ſie ſich gleich zur Gegenwehr, indem fie ihm ihre Hörner darbie⸗ tet,, und ſich damit nicht nur etwa ſtillſtehend zu verthei⸗

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digen ſucht, ſondern den Schwanz in die Höhe wirft, nat den Hinterfüßen um ſich ſchlaͤgt, auf den Hund zulaͤuſt, und ihn oft große Strecken weit verfolgt. Nicht ſelten kommt der Herr des Hundes dabey in Gefahr, indem der Hund zu ſeinem Herrn laͤuft, und bey ihm Schutz ſucht, die Kuh aber fortfaͤhrt, auf den Hund loszuſtuͤrmen, und oft von dem erſtern nur durch den heftigſten Widerſtand zuruͤckgetrieben werden kann. Iſt ein Hund groß oder hartnaͤckig, ſo vereinigen ſich nicht ſelten etliche Kuͤhe mit einander, ſchließen einen Kreis um ihn, und würden dens ſelben unfehlbar toͤdten, wenn er nicht beſchaͤmt ſeinen Schwanz zwiſchen die Fuͤße geſchlagen, und oft heu⸗ lend ſein Heil in der Flucht geſucht haͤtte, daher iſt es auch verbotten, Hunde in die Alpen zu bringen, da die Kühe durch fie leicht in Zorn und Wuth gerathen und krank werden koͤnnten.

Wenn eine Kuh in einer Alpweide an einem ſteilen Orte ſchlipft und ſich nicht mehr heraufhelfen kann, ſo laͤßt ſie ſich auf den Bauch nieder, ſchließt ihre Augen zu, uͤberlaͤßt ſich geduldig ihrem Schickſale, und gleitet langſam bergab, bis fie entweder in einen Abgrund ſtuͤrtzt, oder an irgend Etwas haͤngen bleibt und daran aufgehalten, oder durch die Dazwiſchenkunft des Sennen gerettet wird, welcher ſobald er den Sturz einer Kuh, die ſich noch einiger Maaßen halten kann, bemerkt, ihr ſchnell mit einem Speer und mit Seilern zu Huͤlfe eilt, ſie damit aufhaͤlt aufrichtet, und ſo gut er kann, an einen ſichern Ort zu⸗ ruͤckbringt.

Vorzuͤglich bey einem entſtehenden Ungewitter muͤßen die Sennen auf den Alpen das Rindvieh ſorgfaͤltig zuſam⸗ mentreiben, wo es ſich alsdann erſtellt, d. h. ganz un⸗ beweglich, mit ſtarren Augen und herabhaͤngendem Kopfe unter heftigem Zittern am ganzen Leibe ſtehen bleibt, und

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nicht mehr weicht, wenn es auch noch ſo ſtark blitzt und donnert und hagelt; im entgegengeſetzten Falle wuͤrden ſie bey entſtehendem Hagelwetter mit verſchloſſenen Au⸗ gen den Wind im Rüden und von dieſem getrieben, vor ſich hinrennen, und ſich in die ſcheußlichſten Abgruͤnde flürgen, wovon die Aelpler aller ſteilen Alpen mehrere traurige Beyſpiele anfuͤhren koͤnnen.

Fortpflanzung.

Die geſchickteſten und eigentlichen Schweizerſennen z. E. im Freyburgiſchen im Saanenlande u. ſ. w. ſehen bey dem Zuchtvieh mit Recht eben ſowohl auf die forgfältige Aus⸗

wahl eines ſchoͤn gewachſenen Zuchtſtiers, als einer wohl⸗

beleibten und milchreichen Mutterkuh. Zugleich traͤgt man auch dafuͤr Sorge, daß der Stier das Rind nicht beym erſten Erwachen ſeines Inſtinkts befruchte; auch laͤßt man einer Kuh nach dem Kalben den Stier meiſtens erſt alsdann wieder zu, wenn es ihr Inſtinkt das zweyte oder dritte Mal fordert.

In Anſehung der Zeit des Kalbens hat der Aelpler die⸗

jenigen Kuͤhe am liebſten, welche entweder zu Anfange des Hornungs etwa 4 Wochen vorher ehe die Kühe auf die Fruͤhlingsweide kommen oder um Martini, zu mel cher Zeit die Kuͤhe im Stalle gefuͤttert werden muͤßen, kal⸗ ben. Sie erhalten zu dieſen Zeiten das reichlichſte und beſte Futter, und werden dann auch am meiſten Milch geben.

Bisweilen fallen auch Zwillingskaͤlber.

Die Kunſt Kaͤlber groß zu erziehen, verſteht man in

der Schweiz im Allgemeinen ſehr gut. Sie werden ſo⸗

gleich nach der Geburt von der Mutter abgeföndert, und in einem eigenen reinen und trocken beſtreuten Stall gehal⸗ ten. Meiſtens traͤnkt man ſie taͤglich 2 bis 3 Mal ab, d. h. man läßt fie nicht am Euter der Mutter ſaugen

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die Paar erſten Male, fo lange die Bieſtmilch vorhanden iſt, abgerechnet, ſondern man milkt die Milch der Kalber⸗ kuh in den Melkkuͤbel, zwingt den Kopf des Kalbs, das man zwiſchen den Beinen feſthaͤlt in dieſelbe hinein, und haͤlt die Hand verkehrt darin, ſo daß der Daumen nur aus der Milch hervorragt. Wenn es dann an dem Daumen zu ſaugen anfaͤngt, ſo zieht man ihn nach und nach vollends in die Milch zuruck, nimmt darauf die Hand ganz heraus, und laͤßt es zuletzt allein ohne dieſe Nach⸗ hilfe trinken. Wuͤrde das Kalb im Anfange zu viel Milch trinken, daß fie ihm durch die Naſe und Luftroͤhre in die Lunge draͤnge, ſo muͤßte dies ihm auſſerſt ſchaͤd⸗ lich ſeyn.

Die Zuchtkaͤlber, welche man auferziehen will, werden im Anfange mit guter unvermiſchter Milch abge— ſaugt, nachher vermiſcht man ſie mit Molken, auf dieſes hin mit Waſſer, und ſucht ſie zugleich nach und nach an duͤrres und gruͤnes Heu und Gras zu gewoͤhnen, wo dann zuletzt ihr Getraͤnk nur in unvermiſchtem Waſſer beiteht. . Auf dieſe Weiſe werden ſie 7. 12 bis 14 Wochen behan— delt. Pfarrer Meyer in Kupferzell hat auch die Methode die Kaͤlber mit Heublumenwaſſer abzutraͤn— ken ſchon vor vielen Jahren unter dem Namen der Schweizermethode bekannt gemacht; und ſie wird in den Cantonen Bern, Solothurn und Zuͤrich mit dem beſten Erfolge benutzt. Bey dieſer Methode werden die Kaͤlber zwar anfangs nicht ſo ſchoͤn und glatt ausſehend, als wenn fie Milch zur erſten Nahrung erhielten; aber die Erfahe rung von mehrern Jahren hat gelehrt, daß auf dieſe Weiſe die ſchoͤnſten, milchreichſten und geſuͤndeſten Kühe erzogen werden, weil die Kaͤlber nachher, wenn ſie an das duͤrre Futter kommen, ſehr bald zu- und nicht abnehmen, wie es bey denen, welche lange mit Milch getraͤnkt wurden,

442 auf die zu ſchnelle Veränderung ihrer Nahrung zu erfolgen pflegt. *) |

Maſtkaͤlber erzieht man hin und wieder, und macht fie vorzuͤglich im Appenzellerlande, in kurzer Zeit auſſeror⸗ dentlich fett. In den erſten 3 Wochen uͤbertreibt man fie gar nicht mit fetter Nahrung, ſondern haͤlt fie ſchlech⸗ ter, als die Zuchtkaͤlber, man giebt ihnen nämlich nur abgerahmte oder aber gute mit Waſſer oder Schotten ver⸗ miſchte lauwarme Milch; nach Verfuffe dieſer Zeit ver⸗ beſſert man ihre Nahrung immer mehr, und vermiſcht gute unabgerahmte Kuͤhmilch mit Zieger; man bedient ſich dazu auch der aͤuſſerſt ſtarken fetten Ziegenmilch mit auffallen⸗ dem Vortheile. Auf dieſe Weiſe erhält man nicht ſelten hr 7 bis 8 Wochen 1 1/2 Centner und in 12 bis 15 Wochen

2 bis 3 Centner ſchwere Maſtkaͤlber, und zwar noch ſchwereſ Gewicht, das Pfund zu 40 Loth. Bisweilen vermiſcht ein Senn die fette Alpenmilch fuͤr Maſtkaͤlber, ſo gar noch mit Nideln, und obwohl ſelten mit dem feinſten, weiſſeſten Mehl (Schiltmehl), das uͤbernatuͤrlich maͤſtet. So maͤſtete z. B. letzthin ein Appenzell Innerroder⸗ Senn ein ſolches Kalb, welches dom Neujahrstage bis in die Mitte des Auguſts 446 ſchwere Pfund gewogen hatte. Damit die Maſtkaͤlber in den erſten Wochen keinen Ver⸗ ſuch wagen Heu zu freſſen, das ihnen ſchaͤdlich waͤre, auch keine Haare ablecken und verſchlingen, ſo legt man ihnen hölzerne Maulkoͤrbe an.

Die Stierkaͤlber, welche man zum Verkaufe

*) Siehe daruͤber mehreres: Anleitung, wie junge Kälber ab⸗ zuſaͤugen, von der naturforſchenden Geſellſchaft in Zürich, 4. 2 S. 1786. Und: gemeinnuͤtzige Nachrichten und Bemer⸗ kungen für Freunde der Naturgeſchichte und der Landwirtß⸗ ſchaft. Bern 1797. II. 117 126.

143 nach Italien auferzieht, muͤſſen um Maul, Augen, Horn und Krone und Fuͤße helle Haare haben, welches an⸗ zeigt, daß fie weißgrau oder gelb werden. Während der Saugenszeit verſchneidet man ſie, und dies, nebſt dem Umftande, daß man fie frühe zum Ziehen im Wagen, Schlitten und im Pfluge anhaͤlt, ſoll ihnen einen leichten Kopf, duͤnne weiſſe Hoͤrner und hellere Farbe machen; Ei⸗ genſchaften, die den Preis beym Italiener wohl um 1 Louis⸗ d'or erhöhen. *)

Krankheiten.

Ueber die verſchiedenen Epizotien und mehr oder min⸗ der gefaͤhrlichen Krankheiten, welche das Alpenvieh hin und wieder befallen, habe ich mehreres in meiner Befchreis bung der ſchweizerſchen Alpen» und Landwirth⸗ ſchaft geſagt; hier muß ich mich nur der gedraͤngten Kürze befleißen.

1. Die Hornviehſeuche oder Uebergaͤllegi hat auch ſchon hin und wieder in der Schweiz peſtartig um ſich gegriffen, und traurige Niederlagen unter dem Rindvieh angerichtet.

2. Eben ſo verheerend iſt die Lungenſucht, welche man in die ſchwarze, duͤrre oder trockene, und in die weiſſe oder naſſe eintheilet. Bey der erſtern Krankheit haben die Kuͤhe in der Lunge ſchwarze Verhaͤr⸗ tungen; bey der letztern iſt die Lunge mit einem zaͤhen Schleime umgeben. In bepden Faͤllen aͤuſſert ſich im Anfange ein ſtarkes Zittern an allen Gliedern und auf dieſes ein vermehrtes heftiges und ſchnelles Herzklopfen an der linken Seite. Naſſe und unreine Luft ſchaͤdli⸗

*) S. den neuen buͤndtneriſchen Sammler. S. 280 281.

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ches Thau verſumpftes Futter unreines Getraͤnke u. ſ. w. erzeugt meins dieſe anſtekende Krankheit. 5

*) Ueber dieſe beyden Krankheiten kenne ich nachſtehende Schweizer⸗ Schriften:

Walſer's Appenzeller⸗Chronik. S. 141. 184. 184. 644. 704. 713.

Tſchudis Glarner ⸗Chronik. S. 749. 882.

Truͤmpis Glarner-Chronik. S. 360. 377. 647.

Langens Beſchpeibung des Viehpreſtens, Luzern 1714.

Hallers Schweizerbibliothek. ir Band. S. 401.

Der buͤndtneriſche Sammler enthaͤlt ebenfalls hin und wieder manches Intereſſante über dieſen Gegenſtand.

Anleitung: wie man durch Verbeſſerung der Weidgaͤnge ... den Viehſeuchen vorbeugen könne. Auf Hochobrigk. Befehl gedruckt. Zuͤr. 1760. 4. 20 S.

Schinz beſchreibt auch in ſeinen Beytraͤgen zur naͤhern Kennt⸗ niß des Schweizerlands V. S. 617 618. eine ganz eigene Methode, welche in der italieniſchen Schweiz zur Heilung der Lungenſucht augewendet wird.

Eigentlicher Bericht und ſicher Recept uͤber den dlesmalen zu Interlakken und anderswo graſſirenden Viehpreſten. 1712. S. 8. in 4.

Ein Recept gegen eine in Interlakken graſſirende hitzige Vieh⸗ krankheit, das etlich hundert kranken Stuͤcken half, vom Sanititsrath in Bern. 1718. und erneuert 1736.

Eine Proklamatlon vom Landvogt zu Baden vom 23. October 1744. unter der Aufſchrift: Prafervativ oder Bewahrungs⸗ mittel wider den graſſirenden Viehpreſten von der Sani⸗ taͤts⸗Commiſſion des Stands Bern.

Nuͤtzliche Anleitung wie man bey graſſirenden Vie hyreſten ſich zu verhalten habe, ſamt kurzaefaßtem Unterricht, wie die Lungenſeuche zu erkennen und zu heilen ſey. Auf Hochobr.

8 ‚Ads

3. Die Latern oder der Zungenkrebs, oder

das fliegende Feuer, der fliegende Krebs iſt ebenfalls eine bekannte anſteckende Viehkrankheit. )

1

Befehl zum Druck befördert. 4. 2 Bogen. 1751. Vergleiche monatliche Nachrichten. Zuͤrich. 178 1. S. 27 und 41. und 1782. Seite 156.

Nachricht von dem Lungenpreſten unter dem Hornvieh, und von den Mitteln, dieſer Seuche vorzubeugen und dieſe zu kuriren. 4. 8 S. 4

Reglement die Bergfarth und das Vieh anſehend, in ihr Gna⸗ den deutſchen und welſchen Landen. Bern. in 4. Von Zeit zu Zeit erneuert.

Anleitung, wie man durch Verbeſſerung der naſſen Weidgaͤnge den Viehſeuchen vorbauen koͤnne; auf Hochobrigk. Befehl gedruckt 1760. Zuͤrich. 4. 20 S.

Abhandlung von der Viehſeuche, auf hohen Befehl verfaßt, und zum Beſten des Landes bekannt gemacht den 28. Sept. 1773. Bern. 47 S.

Inſtruktion fuͤr die Waſenmeiſter in Bern. 1786. 4. 6 S.

Verhalt fuͤr diejenigen, denen die Zeichnung des Viehs und die Ertheilung der Geſundheitsſcheine für daſſelbe anvertraut iſt. Bern. 1794 4. 4 S.

Ueber den gleichen Gegenſtand von der Canzlet des ehemaligen

Stifts St. Gallen. 1784. Unterricht uͤber die Viehſeuche von Müller Friedberg. St. Gallen. 1795. 56 S.

Anleitung für das Landvolk in Abſicht der an ſo vielen Orten unter dem Hornvieh herrſchenden peſtilenzialiſchen Seuchen. Trogen. 1796. 22 S. (In den monatlichen Nachrichten 1796. S. 170. iſt der Name des Verfaſſers unrichtig anges geben).

JS. Walſers Appenzeller⸗Chronik. S. der; . K

146

4. Der Milzbrand, die Milzſeuche, oder der gelbe Knopf, hat ſchon öfters, und vorzuͤglich im dies⸗ und jenſeitigen Rheinthale unter den Hausthieren aller Art, und hauptſaͤchlich unter dem Rindvieh und unter den Pfer⸗ den ſehr peſtartig gewuͤthet, und ſchroͤckliche Niederlagen angerichtet.“)

5. Die Klauenſeuche oder das Maul: und Fußweh iſt ebenfalls keine unbekannte Viehpeſt, und

man kennt ihre ſchaͤdlichen Folgen * auch im

Appenzellerlande. “) 6. Die Gelte oder der Milchpreſten iſt eine Ent⸗

Anleitung in Bezug auf die graſſirende Hornviehſeuche Zuͤr. 1796. 4. 15 S. und als Beylage: Obrigkeitliche Verord— nung wegen der Rindviehpeſt 1796. S. Monatliche Nach- richten 1796. Seite 173.

Verordnung zu Abhaltung der Viehſeuche Bern 1797. 4. 168 S.

Noth⸗ und Huͤlfstafel zu Verhütung der Rindviehpeſt oder Viehſeuche. Luzern 1798. 4. 8 S.

Polizeyverordnung der Central-Sanitaͤtskommiſſion des Can⸗ tons Bern, zu Verhuͤtung und Tilgung der Rindviehpeſt. Bern 1798. 4. 64 S.

Anleitung gegen die Rindviehpeſt von der Sanitaͤtskommiſſion des Cantons Zürich d. d. sten July 1799. Vergleiche damit woͤchentliche Nachrichten ſchweizerſcher Neuheiten. 1799. S. 133.

Gemeinnuͤtzige Nachrichten und Bemerkungen fuͤr Freunde der Naturgeſchichte und der Landwirthſchaft. Bern. ater Jahrg. 1797. 7tes Stuck.

) Die ſchweizerſchen Druckſchriften über dieſe Krankheit, wer⸗ den bey der Naturgeſchichte des Pferdes angefuͤhrt. *) Probe eines Wochenblattes fuͤr das öͤſtliche Helvetien. 8. St, Gallen 1799. S. 73 77.

1

u

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zuͤndungskrankheit in den Nieren und in det Ürinblafe, welche hin und wieder, und vorzüglich das Rindvieh im Glarnerlande ziemlich haufig überfaͤlt. Die Milch verliert

Hoͤpfners helvetiſche Monatſchrift. ztes Heft. Bern 1800. S: 104

Doktor Neff an feine Mitbürger. Altſtädten den 22 Jennet 1801. 8 S.

Aeby über die Viehſeuche, ihre Kennzeichen, Mittel derſel⸗ ben vorzubeugen und die Krankheit zu heilen, fuͤr Viehbe⸗ ſitzer und ungelehrte Aerzte. Bern 1801. 32 S.

Fliegender Zungenkrebs, eine Viehſeuche, welche Ab. 1732; die eidsgenoͤſſiſchen Lande ergriffen, beſchrieben von J. J. Scheuchzer. Zuͤr. 1732. 4. 60 S.

Kurzbegriffenliche Anleitung, wie die dißmalen unter dem Hornvieh und Pferdten graſſierende Seuche zu erkennen und zu heilen ſeye. Ao. 1732. 4. 4 ©.

Fernere Anleitung, wie der jetzo graſſierenden leidigen Vieh⸗ feuche mit dienlichen Heilsmitteln zu begegnen. 4. 4 S..

Dritte Nachricht, wie man ſich zu verhalten habe bey jetzt graſſierender Viehſeuche. Zuͤr. 4. 1752. 4 S.

Ordnungen, welche bey dem graſſierenden Zungenkrebs ſollen

beobachtet werden. Zuͤr. 1763. 4. 4 S.

Anleitung, wie man den unter den Pferden und Hornvieh graſſirenden Zungenkrebs erkennen und heilen koͤnne. 4. Zürs 1763. 8 S. Das gleiche in dem fuͤrſtlichen Stifte St. Gallen gedruckt ebenfalls 1763.

Recept wider die Viehkrankheit, ſo der fliegende Krebs oder der Zungenpreſten genannt wird, und fuͤrnemlich die Stiere,

Kuͤhe, Kälber ..... angreift. In Fol. 1 ©,

Bewahrungsmittel wider den Viehpreſten. In 4. 1 S.

Perneriſche Sammlungen von landwirthſchaftl. Gegenſtaͤnden 764. U. S. 194— 195,

148

fih in den Eutern der Kühe völlig, und diefe werden haͤufig angeſchwollen. Wenn dieſe Krankheit eine Kuh unter einer Heerde ergreift, ſo werden meiſtens mehrere da⸗ von krank, auf 10 Stucke immer 2, welches wirklich die Anzahl der Milchkuͤhe des Glarnerlandes ſehr verringert, indem die davon angegriffenen nachher ſelten wieder Milch geben, ſondern gemaͤſtet und geſchlachtet werden müfen, Im Appenzellerlande herr ſchr dieſe Krankheit weit ſeltener, und wird dort die Uterſtruchleten genennt.

7. Das Blaͤhen oder die Voͤlle (das Aufſaufen) herrſcht unter dem Rindvich des Frühlings und Herbſts ſehr haufig, und findet ſich oft unter ganzen Heerden. Dieſe Krankheit entſteht, wenn das Vieh auf den Wieſen im Thale entweder das erſte junge und fette Fruͤhlingsgras oder das letzte Herbſtgras mit gierigem Heißhunger weg⸗ frißt, welches in eine ſtarke Bahrung übergeht, im erſten Magen zuruͤckbleibt und es heftig aufblaͤhet. Je nachdem auf den Wieſen gewiße Pflanzenarten wachſen, ſoll dieſe Krankheit haͤufiger oder ſeltener ſeyn; auch wollen einige verſichern, daß ſie im Fruͤhling auf denjenigen Wieſen, auf denen im Winter dicke Eismaſſen lagen, viel gewoͤhn⸗ licher entſtehe. Man bedient ſich dabey häufig eines Stichs in den aufgedunſenen Leib auf der linken Seite zwi⸗ ſchen der letzten Rippe, und zwar in der oͤſtlichen Schweiz nur vermittelſt eines Meſſers, und in der weſtlichen ver⸗ mittelſt eines Trokars. *)

) Von den Huͤlfsmitteln gegen die Voͤlle des Viehs, von der naturforſchenden Geſellſchaft in Zuͤrich. S. Monatliche Nach⸗ richten Schweizerſcher Neuheiten 1733. S. 138 141. Und gemeinnuͤtzige Nachrichten und Bemerkungen für Freunde der Naturgeſchichte und der Landwirthſchaft. Bern 1796. I. S. 31 32. -

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3. Die Bauſeuche, das Boͤſe, der Koth, der fliegende Brand, das laufende Feuer oder das Viertel (das Lendenblut,) wo die Kühe Blut miften, raft hin und wieder viel Rindvieh weg. Sie iſt eine eigentliche Entzuͤndungskrankheit, der vorzüglich junge Kühe ausgeſetzt find, und die ohne ſchleunige Huͤlfe bald in Entzuͤndung uͤbergeht. Von 50 Stuͤcken, welche dieſe Krankheit haben, wird kaum ein einziges gerettet, indem man dieſelbe ges woͤhnlich erſt alsdann gewahr wird, wenn die Anwendung der Huͤlfsmittel zu ſpaͤt iſt. Sie entſteht auf einigen Al⸗ pen viel haͤufiger als auf andern, und vorzüglich ſoll fie bey demjenigen Rindvieh herrſchen, das im vorhergehens den Jahre in einer noͤrdlichen und im folgenden darauf in einer füdlich liegenden Weide ſich naͤhrte. Bisweilen aber zeigt ſich dieſe Krankheit auch aͤuſſerlich am Leibe, z. E. an dem Kopfe, worauf ſie nichts mehr ſehen, in den Zähnen alle Feſtigkeit verlieren und an der Naſe ſtark trie⸗ fen; oder am Euter, welche Geſchwulſten und Verhaͤrtun⸗ gen bekommen und oft ganz wegfaulen; oder an den Fuͤßen, ſo daß ſie an dem einen oder andern Fuße einen ordentlichen Schlagfluß erhalten, und lahm werden. Im Glarnerlande heißt man es auch: die Kuh iſt in eis nen boͤſen Wind gekommen, weil's der Aberglaube dem Einfuffe böſer Geiſter zuſchreibt; doch iſt es oft der Fall, daß der unwiſſende Senn jede Krankheit, die ihm unbekannt iſt, und deren Urſache er nicht kennt, mit die⸗ ſem Namen belegt.)

*) S. den buͤndtneriſchen Sammler. IV. 288 263. Auch iſt die Abhandlung von Hrn. Caplan Baͤrtſch zu Balls in Buͤndten über den Koth oder fliegenden Brand, Chur 1783. auf 86 Seiten, ſehr leſenswerth, woraus Herr Pfar⸗ rer Schneider im Entlibuch einen Auszug auf einen

!

458 -

9. Die fogenannte Plag oder der Angriff (die Knotenkrankheit) aͤuſſert ſich an verſchiedenen Theilen des Körpers, vorzüglich an den Füßen, und auf dem Rücken, und zwar meiſtens an jungem 1 ½ Jahr altem Rindvieh. Es entſtehen alsdann daſelbſt einige große Knoten, die eine gelbe Feuchtigkeit in ſich enthalten, und wenn man ſie nicht gleich im Anfange aufſchneiden und ſelbige heraus zie⸗ hen kann, ſo dringt ſie durch das ganze Glied, welches voͤllig ſchwarz wird, und in Zeit von 36 Stunden iſt das Thier todt. Ob dieſe Krankheit wohl durch den Stich oder Biß eines Thiers erregt werde, iſt noch nicht entſchie⸗ den; doch zweifle ich immer mehr daran. Im Glar⸗ nerlande bricht ſie im Auguſt aus, vorzuͤglich wenn die Witterung warm iſt, und wenn der Foͤhnwind wehet, auch iſt ſie in regneriſchen und rauhen Jahrgaͤngen weit ſeltener. Herr Caplan Zweyer von Ury beſchreibt mir

die gleiche Krankheit unter dem Namen Greis oder Brand, die in den Ochſen-Alpen, beſonders in Suͤrenen gegen Engelberg alle Jahre einige Stuͤcke toͤdtet. Er haͤlt fie fuͤr eine Folge der Entzuͤndung im Gebluͤte, und be⸗ merkt mir: daß das junge Rindvieh daſelbſt von dieſer Krankheit am oͤfterſten in den erſten 8 Tagen nach der Alp⸗ farth überfallen werde, da fich dieſe Thiere mit Gehen fehr. erhitzt, und mit Gatten Gletſcher⸗Waſſer wieder allzuſchnell abgekuͤhlt hatten.

10. Das Blutanſtoßen, das ſchießende Blut, das Gaͤheblut, Grippi, Ueberritt, auch der Mord (die Herzkroͤtte) verrathen die Kühe durch ein ſchroͤckliches Blocken. Wenn man ihnen nicht gefchwind. auf dem Schwanze oder hinter den Ohren eine Ader öffnet,

Bogen für das Landvolk drucken ließ. Beſiehe ferners Schneiders Geſchichte von Entlibuch. II. S. 110— 113,

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ſo fallen ſie nieder, und ſind wie vom Schlage ge⸗ ruͤhrt todt. f

11. Minder gefaͤhrlich iſt der Wurm (die ordentliche oder aͤuſſerliche Kroͤtte), wobey den Thieren der angegrif⸗ fene Theil, entweder der Kopf oder die Füge ſtark auf ſchwillen, daher man die Geſchwulſt öffnen, und das Uns reine darin herausziehen muß.

12. Die Darmgicht, oder die Darmwinde! oder Schmalweid nennt man auch hin und wieder das Wurmbeißen, weil man glaubt, die Inteſtinalwuͤrmer vers urſachen dieſes Uebel.

13. Die Blutſeuche, die Sieche, das Blut⸗ harnen, der Rothlauf, das Roth, die Harms winde, der Laͤßibrand ergreift vorzuͤglich diejenigen Kuͤhe, welche vorher an eine gute Weide gewoͤhnt waren, und von dieſer auf ſolche Plaͤtze verſetzt werden, die entwe⸗ der ſumpfig, oder aber mit Geſtraͤuchen und Erdbeerpflan⸗ zen überwachfen find. Kühe, welche auf dem dies- oder jenſeitigen ſumpfigen Rheinufer des Rheinthals erzogen wurden, werden an der Blutſeuche niemals leiden.)

14. Die Appenzellerkuͤhe bekonrmen obwohl ſelten, epileptiſche Zufaͤlle, die man das Boͤſeweh nennt, und welche ſich periodiſch wöchentlich oder monatlich, oder vier⸗ teljaͤhrlich einmal einfinden. Bey einigen verliert ſich dieſe Krankheit nach und nach wieder, bey andern bleibt fie le⸗ benslaͤnglich Im Krankheitszuſtande ergreift ſolche Thiere ein heftiges Zittern am ganzen Körper, fie haben ſtarre Augen, vor dem Maul Schaum, und fallen entweder hinter ſich auf den Ruͤcken, oder haͤngen ſich ruͤckwaͤrts in

) S. den Buͤndtner⸗ Sammler. IIter Jahrgang. S. I. und Adhaͤndlung der ——— Oeehſchaſt in Zürich. IA S. 354,

452

die Ketten, an der fie im Stalle angebunden ſind, und bleiben in dieſem Zuſtande eine oder mehrere Stunden. Solche Kuͤhe werden von den Alpen ſogleich weggefuͤhrt, indem fie ſich, wenn dies Uebel bey ihnen eintrifft, ruͤck⸗ waͤrts den Berg hinunterwaͤlzen und in den Abgrund ſtuͤr— zen wuͤrden.

15. Auch die Grasſieche, das allzuflüͤßige Mis ſten, oder die Horn fuhr (der Durchfall), wodurch der Körper geſchwaͤcht und die Milch vermindert wird, und welches vom uͤberfuͤſſigen Trinken herkommt, iſt uͤberall bekannt. )

16. Die Kalberſucht iſt vorzuͤglich im Appenzeller⸗ lande ſehr bekannt. Es iſt eine Art von Fieber, welches alsdann entſteht, wenn man entweder einer Kuh, bald nachdem ſie gekalbet, allzukaltes oder allzuviel Waſſer zu trinken giebt; oder wenn ſie in einen heftigen Zorn geraͤth, und entweder durch einen Hund, oder irgend auf eine ans dere Art gereitzt worden iſt. Iſt eine Kuh durch eine ſchwere Geburt ſehr entkraͤftet, ſo nennt man dies die Kalberlaͤhme, und giebt ihr ſtaͤrkende Mittel. Hat eine Kalberkuh aber innerliche Entzuͤndung, das man den Manigfaltbrand nennt, ſo werden kuͤhlende Mittel angewendet.

17. Mit der Kalberſucht iſt die Kalberraͤße nicht zu verwechſeln. Man nennt namlich diejenigen Kühe Kal⸗— berraͤß, die, nachdem ihnen kurz nach dem Kalben das Kalb weggenommen worden iſt, immer naͤch demſelben verlangen, deswegen anhaltend blöcken und ſich nicht zur Ruhe begeben wollen.)

*) S. Abhandlung der Naturf. Geſellſchaft in Zürich, II. 384. 2) Ueber die Kalberſucht und Kalberraͤße ſ. Wochenblatt für den Kanton Sänris für -das Jahr 1799, S. 164.

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4853

18. Wenn eine Kuh bey einer ſtrengen Geburt den Mut⸗ terleib ganz herausdruͤckt oder aͤu get, fo entſteht dann

oͤfters der Fall, daß er ihr nachher, gleichſam unwillkuͤhr⸗

lich, von Zeit zu Zeit wieder herausgeht. Er trittet bis⸗ weilen von ſelbſt wieder zuruͤck, aber oft muß man ihn auch wieder hineinſchieben. Solche Kuͤhe werden aber bis⸗ weilen mit einem langen Heuſeile auf eine kuͤnſtliche Weiſe gebunden, daß es ihnen unmoͤglich iſt, denſelben nachher wieder herauszudruͤcken. “)

19. Der Truͤmmel, der Truͤmmelwind, das Stuͤrmiſchſeyn, oder das Umgaͤnth (die Hirnwuth) iſt die gleiche Krankheit, welche man bey den Schaafen das Drehen nennt. Das Thier haͤngt den Kopf auf die eine Seite, und dreht ſich oft im Kreiſe herum, welches von den Blaſenwuͤrmern entſteht, die im Gehirne ihren Sitz haben. **)

20. Vorzuͤglich Alpenkuͤhe, die in ßache Thalgelaͤnde verſetzt werden, ſind bisweilen dem Heimweh unterwor⸗ fen, wo ſie, aus Sehnſucht nach ihrem vorigen Wohnorte, wenig freſſen, und oft viele Tage nach einander bruͤllen.

21. Die Un fraß igkeit wird meiſtens gehoben, wenn man dem kranken Vieh etliche Morgen nach einander eine Hand voll oder mehr Salz eingiebt.

22. Bisweilen kraͤnkelt eine Kuh auch deswegen, daß

ſie nicht gehörig wiederkauet.

23. Auch dem Scharbock ſind einzelne Kuͤhe unter⸗ worfen.

*) S. Abhandlungen der naturforſch. Geſellſchaft in Zürich. II. 353. Und den buͤndtneriſchen Sammler. II. 49.

*) S. Abhandlungen der naturforſch. Geſellſchaft in Zurich. II. 354. Und J. J. Scheuchzers Beſchreibung der Na⸗ turgeſch. des Schweizerlandes. I. 1706, S. 15.—16.

154

24. Es iſt ein viel haͤufigerer Fall, daß die Schwei zerkuͤhe finnig ſind, als die Schweine. )

25. Bey der Raud muß man das angeſtekte Thier ſogleich ſorgfaͤltig abſoͤndern, ſonſt theilt ſich dieſe Kranke _ heit ſogleich allen andern mit.

26. Die Entzündung des Euters, oder die ſoge⸗ nannten Hitzblattern auf demſelben und das Auf— ſpringen der Striche entſteht im Sommer hin und wieder bey dem Rindvieh; hingegen die Kuhpocken konnte ich bisdahin noch nirgends an unſerm Vieh entdecken. Der verdienſtvolle Herr Doktor Lavater in Zuͤrich ertheilt zwar Nachrichten, denen zufolge dieſe Krankheit ſchon oͤfters im Knonauer⸗Amte, beſonders im Fruͤhjahre, wenn die Kuͤhe ihr Winterfutter mit der gruͤnen Grasweide vertauſchen, oder wenn man das Melken uͤberhuͤpft hatte, ſich bey demſel— ben auf eine zwar milde Art, aͤuſſerte; allein auch das iſt viel zuwenig unterſucht worden, um etwas Gewißes daraus folgern zu koͤnnen. )

27. Die Warzen bindet man mit einem Pferdehaare weg, weil fie beſonders demjenigen Vieh, das nach Lauis zum Verkaufe ausgefuͤhrt wird, an aͤuſſerm Anſehen ſchaden.

28. Bisweilen finden ſich in dem Magen des Nindviehs Haarkugeln, welche aus den Haaren zufammengebalt find, die ſie ich ablecken und verſchlucken. Ich beſitze ſolche aus alten Kuͤhen, die in der Groͤße von einer Fauſt, leicht, ganz hart, und mit einer braunen oder ſchwarzen dichten und glaͤnzenden Kruſte uͤberzogen ſind. Ich erhielte aber auch ſolche aus Kaͤlbern, von verſchiedener Größe, die gar

*) S. Abhandl. der Nat. Geſellſchaft in Zürich, II. 352, und Wochenblatt fuͤr den Kanton Saͤntis 1799. S. 164.

**) D. H. Lavaters Abhandlung über die Milchblattern, oder die ſogenannten Kuhpocken, Zürich 1800, S. 18;

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nicht veſt zuſammengeballt find, ſondern woran die Haare zu allen Seiten, wie die Stacheln am Igel in die Hoͤhe ſtehen.“)) Goͤtze tadelt zwar den Bech ſte in deswegen, daß er dieſe Haaͤrkugeln bey dem Viehe als eine Krankheit angebe; allein ich denke, fie ſeyen dennoch etwas ſehr be— ſchwerliches für die Thiere, in welchen fie ſich befinden,

29. Man findet auch bisweilen in den Rindsnie⸗ ren kleine Steinchen, die mit einem gelben Anfuge, wie mit Schwefelkies uͤberzogen ſind. Wagner fuͤhrt auch ein Beyſpiel an, wo man in einer Rindsblaſe dreyeckige Steinchen in der Form von Buchnuͤſſen gefunden hatte.

30, Bisweilen wird die Lunge alter Kühe fo groß, daß fie beynahe erſticken, oder doch ſehr beſchwerlich Athen ® holen. So finde ich z. B. in Wagners Handſchriften die Nachricht: daß vor einigen Jahren in Zuͤrich ein Ochs geſchlachtet worden ſey, deſſen Miltz 30 Pfund gewogen habe; und in einem andern ein kaum Wallnuß großer Nieren gefunden wurde.

Maͤngel und Unarten des Viehes.

Unter den Vieh maͤngeln verſteht man in der Schweiz diejenigen Krankheiten oder Fehler des Rindviehs, die, wenn fie ſich innert einem veſtgeſetzten Zeitpunkt an eis nem als geſund und untadelhaft gekauften Stuͤck Vieh, befinden, den Kauf unguͤltig machen, oder wenigſtens zu einigem Schaden - Erfag verpflichten. Solche Viehmaͤn⸗ gel ſi l nd z. E. folgende:

Wenn eine Maſtkuh beym Metzgen inis o der Bu erfunden wird,

) Wagner beſchreibt auch mehrere ſolcher Haarkugeln. S. W agneri histor. hel vet. curiosa 169 17. |

156 .

2. Wenn fie Hirnwiüthig if,

3. Wenn eine Kuh dünn miſtet. 5

4. Wenn fie während Jahresfriſt aͤu get; das ſelbſt bey einer Maſtkuh gültig iſt, welches der Metzger am beſten er⸗ fahrt, indem, wenn eine Kuh gefchlachtet wird, die Dies ſem Uebel unterworfen war, ſie alsdann immer noch vor ihrem Tode den Uterus herausdruͤckt.

5. Wenn eine Kuh durchbricht. Es giebt naͤmlich Kuͤhe, die mit ihren Hoͤrnern jeden Zaun auf den Wieſen ausheben und aufreiſſen, oder uͤber einen niedern Zaun hinſpringen koͤnnen, und dadurch unerlaubte Streifereyen in anderer Eigenthum vornehmen. Dieſen bindet man

entweder ein Stuͤck Tuch, oder ein Brettchen auf die Stirne und ſo weit uͤber die Augen herunter, daß ſie einzig unter ſich auf die Erde hinſehen koͤnnen; oder man haͤngt ihnen

an einem Seile, oder an einer eiſernen Kette, die man ihnen um den Hals bindet, ein Stuͤck Holz an, das ſie auf dem Boden nach ſich ziehen, und mit dem ſie, wenn ſie uͤber einen Zaun ſpringen wollen, in demſelben hangen bleiben, wodurch ihnen nach und nach dieſe ſchlimme Ge⸗ wohnheit abgewoͤhnt wird.

6. Wenn eine Kuh ſticht, ſchlaͤgt, ſich ſelbſt oder andern am Euter ſaugt, muß der Verkaͤufer ſich eben⸗ falls mit dem Kaͤufer deswegen abfinden.

7. Eben dies Geſetz geht wenigſtens an einigen Or⸗ ten auch die bruͤllenden Kühe an, welche wie die Stiere oft anhaltend bruͤllen. Der Beſitzer darf ſolche Kühe nicht zu den andern auf die Weide führen, indem dieſelben durch fie wild gemacht, und zu einem ähnlichen Gebrülfe verleitet werden.

Hiezu kann man auch noch folgende Unarten zaͤhlen, die vorzüglich der Appenzeller⸗Senn verabſcheut:

1. Wenn eine Kuh mit den Zaͤhnen knirrſcht.

n

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2. Wenn ſie das Waſſer blaſet, d. h. 3 ſer trinkt, und zu wenig frißt.

3. Wenn ſie den Beyſtrod hat, d. h. an einem Striche aus zwey Oeffnungen Milch giebt; eine Oeffnung befindet ſich in der Mitte des Strichs, und wenn man milkt, ſo geht die Milch durch dieſe Oeffnung, wenigſtens zum Theil, uͤber den Eimer hinaus.

4. Wenn die Milch nicht buudrig iſt, d. h. wenn ſie ſich nicht leicht in Butter verwandeln laͤßt.

Mißgeburten.

Selten trägt eine Kuh ein ſogenanntes Speck- oder

Waſſerkalb, das eine monſtroͤſe Mißgeburt, von une natuͤrlicher Groͤße iſt, welche die Kuh nicht gebaͤhren kann, ſondern die ihr entweder von einem geſchickken Thierarzt im Leibe in Stucke zerſchnitten, und alſo Stuͤckweiſe her— ausgenommen werden muß, oder aber es zieht den Tod der Kuh nach ſich. ) Von allzugroßen und plumpen Stieren entſteht bisweilen eine ſolche Frucht.

Ao. 1653. hat eine Kuh im Entlibuch eine Mißge— burt geworfen, welche zur Hälfte einem Kalbe, und zur

Haͤlfte einem Hirſche aͤhnlich war.) Cy ſat bemerkt

noch dabey, der Eigenthuͤmer der Kuh, die mit dieſem Kalbe traͤchtig war, habe zur Zeit ihrer Befruchtung den Hirſch bey ihr angetroffen, aber demſelben wegen ſei— ner wilden Brunſt, entſiehen muͤßen. ***) Ein aͤhnli⸗ ches Beyſpiel führt Cyſat am gleichen Orte an, das ſich

*) S. Schneiders Geſchichte von Entlibuch. II. 112— 113,

*) S. Ebendaſelbſt S. 282. Und Wagneri histor. natur. helvet. curiosa. S. 188.

*) S. Cyſat Beſchreibung des IV Waldſtaͤdterſee's. S. 231.

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a uf dem Rigi zutrug; ſo wie ſich eben dieſer Vorfall zu Benken im Kanton Baſel ereignete.) Scheuch zer bemerkt auch 1684 eine folche Mißgeburt im Kran— kenhauſe in St. Gallen, und eine Abo. 1688 im Zurchergebiethe geſehen zu haben. In Doc— tor Wagners Handſchriften leſe ich, daß er Ab. 1649 auf dem Pilatusberge in einer Sennhuͤtte ein Kalb geſehen habe, welches hinten ausſahe, wie ein Rehe, und nach vornen, wie ein Kalb, und ſchreibt dies ebenfalls der Befruchtung eines Hirſchen zu, welches auf den Alpen und Wildnißen oͤfters geſchehe.

In den Breßlauer Sammlungen wird ein Kalb beſchrieben, das von einer Kuh im Bernergebiethe ges worfen worden iſt, deſſen zwey vordere Fuͤße denen eines Baͤren, und die zwey hintern Fuͤtze denen eines Pferdes aͤhnlich waren, mit einem langohrigen Eſelskopfe, am uͤbri⸗ gen Körper wie ein Kalb geformt, aber mit einem Schaaf ſchwanze, und mit Schaafwolle; auch ſtieß dies Thier mit

dem Kopfe gegen die Leute, vollig nach Art der Widder, **)

Scheuchzer führt ein Beyſpiel an, wo ein Metzger in einer geſchlachteten traͤchtigen Kuh ein Kalb mit zwey Koͤpfen, 4 Augen, 4 Hoͤrnern, und 3 Ohren auffand.

Daß in der Schweiz von der Vermiſchung eines Ochſen mit einem Pferde nachher eine Mißgeburt entſtan— den ſeye, die Pferde fuͤße hatte, und am ganzen übrigen Körper einer Kuh ähnlich war, ſchreibt Jacob Rueff. ) So wie auch Conrad Geßner (J. c.) meldet, daß

in Buͤndten unten an dem Spluͤgerberge ein

Pferd ſey geſehen worden, das von einer Stutte und einem

) S. Jol. Grofsius Annal. Basiliens. p. m. 234. N *) S. Breßlauer Sammlung. Verf, XXXII. p 527, ad ann. 1725.

+) S. I. R. De conceptione hominis C. 3.

5 159 Stier erzeugt wurde. Leger giebt uns folgende Befchrei- bung davon: ) Die obere Kinnlade iſt weit kurzer, als die untere, beynahe wie die der Schweine, aber ſo, daß die obern Vorderzaͤhne einen Daumen oder zwey Finger breit wei— ter nach hinten ſtehen als die untern. Das Thier kann nur auf denjenigen Wieſen weiden, wo das Gras ſehr hoch iſt / daß es daſſelbe mit der Zunge erreichen kann. Kopf und Schwanz iſt dem Ochſen ahnlich, der übrige Körper fchlägt in die Pferdeart. Solche Thiere ſollen eine uͤberaus große Staͤrke nach ihrer Groͤße haben, denn ſie ſind kleiner, als die Mauleſel, freßen wenig, und laufen ausnehmend ſchnell.

Ich beſitze eine ausgeſtopfte Haut von einer Kalbsmißge⸗ burt mit 2 Köpfen, 2 Vorderleibern, alſo mit 4 Vorderfuͤſ— ſen, einem Hiterleibe und 2 Schwaͤnzen, unter denen beyde After verſchloßen waren. Eine Kuh im Speicher im Ap— penzellerlande hat dasſelbe geworfen, doch ſo, daß da die Kuh bey der Geburt den einen Vordertheil heraus druͤckte, dieſer getoͤdtet, und die Haut geloͤßt und weggeſchnitten werden mußte, worauf man die Haut wieder in den Leib ſchob, und den andern Theil holte, und auf dieſe Weiſe den uͤbrigen Theil des monſtroͤſen Kalbes, der Kuh ganz unbeſchadet herausbringen konnte.

Eine aͤhnliche Mißgeburt wurde hier geboren, nur mit dem Unterſchiede: daß ſie nur einen Kopf und Vorderleib, hingegen zwey von einander getrennte Hintertheile hatte ⸗—

Feinde. 8

| Wölfe, Bären und Luͤch ſe ſtellen dem Rindvieh noch hin und wieder in den gebirgigen Alpengegenden auf

*) S. Legerus bistor. Pedemont. Pari I. C. I. und Wag⸗ ner hisor. nat. cur. helv. p. 188-190.

1 160 1

der Weide nach und machen oft grauſame Niederlagen un⸗ ter denſelben. -

Es war auch ſchon der Fall, obwohl felten, daß der Laͤmmergeyer (Gypätur alpinus mihi) und der ges meine Adler (Falco aquila L.) ein junges Kalb auf der Weide toͤdteten und auffraßen.

Unter den Inſekten werden ſie von mehr als einer Art geplagt; z. E.

1. von der eigentlichen Kuͤh- und Kaͤlberlaus (Pedi- eulus vituli et bovis tauri L.). Vorzüglich die Käls ber werden davon ſehr geplagt, denen fie oft ſchaͤdlicher als manche Krankheit ſind.

2. Zuweilen findet man auch an den Rindern die ſoge⸗ nannte Hundsmilbe, und die eigentliche Kuh milbe oder Zangen laus, (Acarus Reduvius L. et Acarus Ricinus L.). 1

3. Die meiſten Schweizerkuͤhe, und vorzuͤglich die auf den Alpen, erhalten des Sommers, meiſtens auf dem Ruͤcken, haͤufige Geſchwulſten, die von der ſich zwiſchen der Haut befindenden Larve der Ochſen-After-Bremſe ( Oestrus bovis L.) herruͤhren, und beſonders dem kraͤnk⸗ lichen Viehe ſehr nachtheilig ſind.

4. Die Viehfliege, deren Saugen dem Rindvieh ſehr empfindlich iſt, ſetzt vorzüglich dem Alpenvieh während der Mittags Hitze fo empfindlich zu, daß man deswegen an ſehr vielen Orten daſſelbe von 10 bis 4 Uhr in Staͤlle einbin⸗ det. *)

BR: 2 Su 2 z 2 *) Bechſtein nennt fie unrichtig die Musca nemorum L. das

Götze ſehr richtig mit Gründen beweißt. Ich bin vollig

uͤberzeugt, daß die Viehfliege nichts anders als die ei—

gentliche Pferdebremſe iſt, und alſs Tabanus bovinus -- ru-

sticus - cocuticus V. Gml. Syst. Nat. Linn. ed, 13, T.

2. p. V. p. 2882. Sp. 4. 11—17.—

161

Im Netze der Gedaͤrme haben die Rinder bisweilen den gewöhnlichen großen Bla ſen w urm, in der Leber die Egeln mit dem Doppelloch, Und in den Lungen Fa denwuͤrmer. Hingegen Bandwuͤrmer konnte Se nie keine beym Rindvieh entdecken. 9

Nutzen des Rindviehs in der Schweiz.

Der Nutzen, den der Ochs in der Landokono— mie gewährt, wenn man ihn an Pflug und Wagen ſpannt, iſt unbeſchreiblich groß *). Hen und wieder / z. E. im Kanton Zürich und anderswo bedient, man ſich auch der Milchkuͤhe und der Zeitkuͤhe auf eine ähnliche Weiſe. An einigen Orten des Kantons Bern, z. E. im Amte Schenckenberg und hie und da in der Schweiz ſpannt man die Ochſen und Kühe nicht Paar; weiſe ins Joch, ſondern man ſtellt ſie ins ſogenannte Joͤchlein, in welchem fie nicht mit dem Kopfe, ſondern wie in Italien, mit dem Nacken ziehen. Auf dieſe Art

geht das Zugthier freyer und geſchwinder, kann ſich ſelbſt helfen, und leidet weniger von den Fliegen und der Hitze, hingegen zieht es nicht mit gleicher Kraft, wie im Joche. Neben dem iſt das Geſchirr bey dieſer Methode wohlfeiler und dauerhafter, als das Joch und Kommet.

In Buͤndten wird das meiſte junge Vieh (zweyjaͤhri⸗

) S. Goͤtze Verſuch einer N. G. der Eingeweidewüͤrmer 91.

Tal, II. Fig. 6. 7. Fr. von Paula Schrank Verzeichniß der

bisher bekannten Eingeweidewuͤrmer nach dem Thierreiche. S“

56. IV. Pecora, Rind. No. 38. 56. 93.

) In den Abhandlungen der Landwirthſchaftlichen Geſell⸗ ſchaſt in Bern 1779. © 257 282. findet ſich eine vortref⸗ L

462

ge Stiere und Rinder) vom erſten Jahre an, bis man ſie nach Italien verkauft, im Zuge gebraucht, wobey ſie mehr Futter und Dcuerhaftigkeit erhalten, fo daß die Ochſen abgehaͤrteter zur Arbeit, und die Rinder weniger ermuͤdet von den Bergſtraßen, in Italien anlangen. )

Bisweilen wirft eine Kuh einen Hermaphroditen, welche meiſtens außerordentlich groß und ſtark werden. Ich ſah im Kanton Schwyz ein ſolches Thier, wovon mich der Eigenthuͤmer verſicherte, daß Fes vor einen Wa⸗ gen geſpannt, eine Laſt, die zwey Pferden ſchwer genug waͤre, wegfuͤhre.

Auch zum Hinuͤberbringen der Kaufmannswaaren uͤber den Gotthardsberg bedient man ſich am Fuße deſſelben im Winter der Ochſen, da zwey vor einen Schlitten ge⸗ ſpannte Ochſen, die Laſt von vier Saumroſſen, alſo zwölf Zentner führen. **)

Da auf der Hochgebirgsſtraße des Gotthards im Win⸗ ter der Schnee ſich öfters zu einer Höhe von 20 30, Schuh anhaͤufen wuͤrde, ſo erhalten die am Fuße des Berges liegende Dörfer den Weg immer offen. Die Ur, ſerer von ihrer und die Airoler von der andern Seite des Bergs treiben daher zu dem Ende beſonders ſtarke Bergs ochſen einen nach dem andern durch den tiefen Schnee⸗ berg auf und ab, treten den Schnee feſt, und wiederho⸗ len dies täglich bey jedem friſchgefallenen Schnee. Dafuͤr beziehen die Gemeinden von jedem Roß, welches im Win⸗ ter uͤber den Berg geht, 27 Kreuzer Bahngeld. *)

liche Abhandlung Aber den Gebrauch der Ochſen zum Land. baue. *) S. Den neuen Buͤndtner Sammler ı Jahrg. ir Bd. S. 250, *) S. Helvetiſcher Almanach für das Jahr 1805. S. 19. 7er) S. Zſchocke hiſtoriſche Denkwuͤrdigkeiten der helvetiſchen

7

\

| 163 Den allergrößten Nutzen verſchaft die Kuh dem Schweizer durch ihre Milch, und dieſe iſts, wodurch eigentlich die Schweizerkuͤhe in ganz Europa beruͤhmt ge⸗ worden find, Die beſten Schweizerkuͤhe, z. B. im Saas nenlande, geben zur Zeit, wo ſie am milchreichſten ſind, täglich 7 bis 8 Saanenmaaß Milch, wovon eine Maaß $ Pfund (zu 17 Unzen) wiegt, alſoi 35 bis 40 Pfund. Die Schweizer Butter des Sommers von den Alpen iſt völlig gelb, wie von Saſtan gefärbt; beſteht aus viel mehr fetten und oͤhligen Theilen, und iſt daher ſpeziſiſch leichter, als diejenige, welche man von der Milch in flachen Ländern gewinnt. N Die Kaͤſefabrikation und der Kaͤſehandet ins Ausland iſt für die Schweiz eine der reichſten Erwerbs⸗ quellen. Man wuͤrde erſtaunen, wenn man die unglaubs liche Menge von Kaͤſen, welche jaͤhrlich auf allen Alpen der Schweiz verfertiget werden, zuſammen unter eine Zahlen⸗ reihe bringen wollte. Ich darf hier zum Beweiſe fuͤr dieſe Behauptung nur ein Paar Beyſpiele anfuͤhren. In den Alpen des kleinen Engelbergerthals befinden ſich z Gemein⸗ Alpen. Auf jeder von dieſer wer— den des Sommers in einer Zeit von ungefaͤhr 13 Wochen 490 Zentner Fettkaͤſe verſertiget, alſo e | zuſammen: 1200 Zentner In der Kloſter⸗Alp Herrenreuti 100 In Togenſtolliens 70 uren 120 . dandeidin. ra In Aerni und Truͤbenſe . 80

E!

zuſammen: 2326 Zentnet⸗

f a N d

Staatsumwaͤlzung ir Th. S. 196 und 307. Und helseti⸗ ſcher Almanach für das Jahr 1805. S. 18.

464 5

(Von 60 Kuͤhen rechnet man 100 Zentner oder von einem Sennten von 25 Kuͤhen täglich) 60 bis 70 Maaß Milch oder 24 bis 30 Pfund Fettkaͤſe.)

Es ergiebt ſich alfo, daß waͤhrend. 13 Wochen in die⸗ fem Thale, 2320 Zentner Felt fe verfertiget werden. Alle dieſe kauft das Kloſter in Engelberg an ſich, und wenn es fuͤr den Zentner 15 Gulden bezahlt, ſo wirft es eine Summe von 34800 Gulden ab.

Ferner: Auf dem einzigen Rigiber ge weiden 180 Sennten, jedes zu 15 Kuͤhen gerechnet. Wenn man nun den Ertrag einer Kuh waͤhrend der Alpzeit auf 30 Kronen anſezt, fo kommt eine Summe von 72900 Kronen oder über 100,000, Gulden heraus. *)

Noch ein Beyſpiel: Nur in der einzigen Gemein⸗ de Tſchangnau im Emmenthale werden 443 Stuͤcke Rindvieh uͤberwintert, und 1352 Stuͤcke des Sommers unterhalten, von deren Milch wenigſtens 1400 bis 1509 Zentner Kaͤſe gekocht werden.

Im Glarnerlande, wo man auf den Alpen weniger Kaͤſe kocht, und mehr Butter verfertiget, und denn ſowohl die abgerahmte Milch, als aber die Buttermilch mit Schotteneſſig ſcheidet, gewinnt man eine Menge Zieger und dieſen vermiſcht man mit dem Schadziegerkraut (Trifolium, spicis oblongis, leguminibus feminudis, mucronatis, caule erecto L.) und verfertigt dar⸗ aus den in alle Welttheile verfandten grünen Kaͤs oder Glarneriſchen Schabzieger.

Das Kaͤſewaſſer und die Schotten oder Molken (der Abgang vom Kaͤſe- und Ziegermachen)

„) S. Cyſats Beſchreibung des IV Waldſtaͤtter- Sees S.

228. Und Fäſis Staats- und Erdbeſchreibung der Schweiz II. 266,

0 165

iſt die beſte Nahrung für die Schweine. Die folgende Be⸗ rechnung von meinem Freunde, dem Hr. Pfr. Stalder ann uns wenigſtens einen etwelchen Begriff von dem groſ— ſen Vortheil geben, den der Schweizer: Senn auch nur in dieſer Ruͤckſicht zu erhalten weiß. Auf vier Kühe ſagt er aus Veranlaßung der Entlibuchiſchen Alpenwirth⸗ ſchaſt) rechnet man 2 Schweine, ein großes und ein klei nes. Fuͤr ein großes Schwein fordert der Senn 20 fran zoͤſiſche Sous und für ein kleines etwa 12 Sous woͤchent, lich; alſo in Zeit von 20 Wochen erhaͤlt der Senn für 2 Schweine 33 Livres, hiemit aus der Schotten von 30 Kuͤ⸗ hen 240 Livres, und von den 4436 Kuͤhen, welche auf den Entlibuchiſchen Alpen weiden, 35488 Livres.)

Auch die Kuͤhmolke hat ihren weſentlichen medi⸗ ziniſchen Nutzen.

Eben fo hat der Milch- oder Schütte zücher ſeinen vielfachen mediziniſchen und oͤconomiſchen Vortheil, und man verfertigt denſelben hin und wieder mit dem be⸗ ſten Erfolge. So traf ich z. B. in der Unterwaldner Alp Sinsgaͤu einen Senn von Thalenweil bey Stanz an, der alle Molken, welche er von feinem Sennten’erhält, zu Zus cker einkocht, denſelben in ſchoͤne viereckige Tafeln formet, wo er rein, weiß und hart wie Zucker wird, und das Pfund für 6 Batzen verkauft. Nach ſeiner Angabe erhaͤlt er von 60 Maaß Schotten; bis 4 Pfund Zucker. **)

*) S. Stalders Fragmente über, Entlibuch I. 258 289.

*r) ueber den oͤkonomiſchen Nutzen des Schottenzuckers iſt der Aufſatz ſehr leſenswerth, in den gemeinnuͤtzigen Nachrichten und Bemerkungen fuͤr Freunde der Naturgeſchichte und Landwirthſchaft. Bern 1797. II. 182 188. Und mit eben der Gruͤudlichkeit ſchildert den mediziniſchen Nutzen deſſelben ein Aufſatz in den monatlichen Nachrichten ſchweizerſcher Neuheiten 1786. S. 73— 77.

1 .

466

Endlich bedient ſich der Schweizer der Milch in det Hausoͤkonomie zu unzaͤhlig vielen geſunde nn und ſchmak⸗ haften Speiſen. Der ſelige Hr. Pfr. Schneider im Entlibuch hat 124 Arten derſelben beſchrieben, die er pure Milchſpeiſen nennt, weil der fremdartige Stoff bey denſelben gegen dem Ganzen wie nichts zu rechnen ſeye.

Dien gewoͤhnlichen Gebrauch, den man in der Kuͤche vom Kind» und Kalbfleiſch und von den Ein gewei⸗ den dieſer Thiere macht den allgemeinen Nutzen ihrer Haare, ihrer Haͤute, ihrer Hörner, Klauen und Knochen, ihres Blutes, ihrer Galle, ihres Talgs, ihrer Blaſen und Gedaͤrme und ihres Duͤngers, u. ſ. w., will ich hier um der Kürze wilien nicht weitlaͤufig beſchreiben, da dieſe Dinge uͤberall auf vielfache Weiſe benutzt werden, und jedermann dadon Kenntniß hat.

Wenn man die Hoͤrner vom Rindvieh wie dies im Glar nerlande üblich iſt, an magern Hügeln auf den Wieſen in den Boden hineinſchlaͤgt und darin verfaulen läßt, fo duͤngen fie denſelben einige Jahre nacheinander außerordentlich.

In Appenzell Innerroden ſammelt man die Kno⸗ chen und kauft ſie von den Metzgern, die das Fleiſch zu Wuͤrſten davon hauen, doͤrrt fie auf dem Ofen, fo daß fie ſproͤde wie Glas werden, zerſchlagt fie mit einem Hammer in kleine Stucke, und mahlt fie dann in einer gewöhnlichen Mühle zu grobem Mehl. Man hat auch eine eigene Stam⸗ pfe, die einer Lohmehlſtampfe ähnlich iſt, worin die Kno⸗

*

*) S. Schneiders Beſchreibung etlicher Berge des Entli⸗ buchs I. S. 9. 2. S. 19. Und ſchweizeriſches Muſeum ater Jahrg. 1784. 28 Stuck. S. 133 145:

167

chen zu einem zarten Pulver verſtoßen werden. Dieſes Knochen: Mehls bedient man ſich zur Maͤſtung der Schwei⸗ ne, wovon ſie aͤußerſt fett werden ſollen. Auch die Huͤh⸗ ner freſſen es ſehr gerne, werden dabey fett, und legen viele Eyer.

Das ausgeſottene Fußklauenſchmalz dienet zum Beſtreichen eiſerner und ſtaͤhlerner Zaͤpfen (z. E. der Glocken auf Kirchthuͤrmen) damit fie ſich nicht abreiben, und deſto leichter umgedreht werden können. In einigen Ge genden von Appenzell Außerrooden ſiedet man die Fußkno⸗ chen und bedient ſich des erhaltenen Fettes zum Beſtreichen des baumwollenen Webergarns, weil daſſelbe dadurch weis cher als durch den Talg wird.

Schaden.

Die freye Weide des Rindviehs in Gemeinwaͤldern iſt aͤußerſt ſchaͤdlich, und verdient um fo eher immer allgemeis ner aufgehoben zu werden, je bemerkbarer der immer mehr um ſich greifende Holzmangel uͤberall wird.

Naturhiſtoriſche Irrthuͤmer.

Die vielen Vorurtheile, welche das Sennenvolk vorhin bey Viehkrankheiten unterhielt, wo fie ſogleich Hererey. ahndeten, und zu den elendeſten Huͤlfsmitteln, welche der Aberglaube und Bosheit erzeugten, ihre Zufucht nahmen, verſchwinden immer mehr, und bedürfen daher keiner Er⸗ waͤhnung mehr. b

unſers C. Geßners und Doktor Wagners Nach⸗ richten, die ſich jetzo noch hin und wieder unter den Sennen erhalten haben, find falſch: daß das Wieſel ( Mustela erminea L.) den Kuͤhen in die Euter beiße, und ihnen dadurch große Geſchwuͤlſte verurſache; und daß gegen dit⸗

468

} ſes Uebel das Reiben des kranken Theils mit einem Wie⸗ felbalg ein heilſames Mittel ſey. b

Die teutſchen Naturforſcher halten die Behauptung eins ſtimmig für einen Irrthum: daß die Spitzmaus (sorex araneus L.) den Kuͤhen in die Euter beiße, und fie giftig verwunde; allein ich moͤchte wenigſtens hieruͤber noch nicht ganz abſprechen.

Im Appenzellerlande behaupten die Sennen einſtimmig h

fie hängen ſich den Kuͤhen an den Bauch, und an die Er⸗ ter, beißen fie, und ſaugen ihnen Blut heraus, fo daß fe öfters lange davon krank ſeyn muͤßen.

Meine Freunde in Buͤndten melden mir: daß ſich dier Thiere gerne in Staͤllen aufhalten und das Vieh beißen.

Und einer meiner glaubwuͤrdigen Anverwandten in Gla— rus verſichert mich, Augenzeuge davon geweſen zu ſeyn, als eine Spitzmaus an den Bauch einer Kuh hingefprum gen und fie gebiſſen habe, fo daß die Kuh hoch vom Bo: den ſprang, an der verwundeten Stelle aͤußerſt geſchwollen wurde und eiterte, und nach ein Paar Tagen abgeſchlach⸗ tet werden mußte. N

169 Balicg’ ha nTua tie S. Smelin Syst. Nat, Linn, ed. XIII. T. I. p. 252. Sp. 38. Mit zwey Abanderungen: aureus,

‚et magnus.

Gypetus barbatus mihi. a.) Leucocephalus, der Weißkoͤpfige. 1 b.) Fuscus, der Schwarzbraune.

Anmerkung.

Ooſchon ſich unſer ſchweizeriſche Laͤmmergeyer vorzuͤglich durch den bis zu ſeiner Erhoͤhung geraden Schnabel der Geyer: Gattung nähert, fo unterſcheidet er fich doch von dies fer durch feinen befiederten Kopf und Hals, und durch feine ganze Lebensart, die der des Adlers viel näher kommt; und daher irrte ſich ſowohl Linne, der ihn zu den Geyern zählt, als Bechſtein, der ihn der Adlergattung beygeſellt. Er vers dient eigentlich wie ſchon Spruͤngli in Bern richtig bemerk⸗ te als eine Mittelgattung zwiſchen die ſen zweyen aufge— ſtellt zu werden und ebendeßwegen ſcheint mir die Benen⸗ nung Gypztus barbatus am zweckmaͤßigſten zu ſeyn.

Namen.

5 Dieſer Vogel hat ſehr viele Benennungen in der Schweiz. In Buͤndten heißt er gewohnlich Steingeyer; im

470

Glarner: und Gaſterlande und überhaupt in den meiften gebirgigern Gegenden des Schwei— zerlandes heißt er: Geyr, Bartgeyr, Goldgeyr, Laͤmmergeyr, Schaafgeyr, Jochgeyr, Adler, Goldadler, Stein ad ler zu welchen Benennun⸗ gen entweder die Farbe des Gefieders, oder fein Aufenthalt, oder feine Nahrung veranlaßte.

Litteratur.

0 Schweizerſche.

J. Stum pfs Schweizerchronik, Zuͤr. MDLXXXVI. S. 561. Unbedeutend.

Conr. Gessneri historiæ animalium liber III, qui est deavium natura. Tiguri apud Froschauerum anno MDLV. p. 778. De vulture aureo. Ueberſezt von Ru d. Heußlein. Frkfrt am Mayn MDC. p. 153. von dem Goldgeyr. Geßner hat einen vollkommenen Balg vor ſich gehabt, den er aus Buͤndten erhielt, und nach demſelben ſeine kurze, aber in allem, was er davon ſagte, getreue Beſchreibung verfertigte. Selbſt feine Ab, bildung ſo roh ſie auch ausgefuͤhrt iſt ſtellt doch die charakteriſtiſchen Kennzeichen der Art weit beſſer als alle andern Zeichnungen, die wir bisher von dieſem Vogel ha⸗ ben, vor.

Co ſats Beſchreibung des Vierwaldſtaͤtterſees. Luz. 1661. S. 183. Iſt mit vielem Fabelhaften vermiſcht⸗ indeſſen dennoch leſenswerth.

Königs Georgica helvetica curiosa, Baſel 1706, S. 865. Voͤllig aus Cyſats Beſchreibung entlehnt.

Die Breßlauer Sammlungen von Naturs und Medicin-Kunſt- und Litteratur-Geſchichten, Winterquar⸗ tal 1726. S. 35 bis 88. enthalten: Anatome Valturis

. 111 baetici, welches, nebſt der kurzen Beſchteibung eines weißkoͤpſigen Laͤmmergeyers ſehr befriedigend iſt.

Joh. Georg Altmanns Beſchreibung der helveti— ſchen Eisberge, Zurich 1753. 211218. Leſenswerth.

Andrea Briefe aus der Schweiz nach Hannover ges ſchrieben. Zürich und Winterthur 1776. S. 1958 202 Hr. Pfarrer Sprüngli in Bern iſt der Verfaſſer von dieſen Nachrichten, welche unſtreitig das Beſte enthalten, was wir bis dahin von dem Laͤmmergeyer gedruckt erhielten. Hingegen find die beygefügten Abbildungen aͤutzerſt ſchlecht.

Memoires de Monsieur le Baron de Faugeres sur le Læmmergeier, lu à la Soc. Roy. des sciences a Mont- pellier dans une de ses assemblees publiques 1774. Ebenfalls von Hr. Pfr. Sprüngli verfaßt, und iſt mit dem obigen von aͤhnlichem Inhalte.

G. K. Ch. Storrs Alpenreiſe vom Jahr 1781. Lpzg. 1784. ir Th. S. 68. 70. Meiſtens aus Andrea entlehnt.

W. Coxe Briefe über die Schweiz. Zürich. 1791 zr Band, S. 394 41 und zr. Band. S. 33 4. Ganz von Spruͤngli, nach obigen Werken.

Ramonds Anmerkungen und Zuſaͤtze zu Coxe's Reis gen; S. Schweizeriſches Muſeum 1784. II. Ihg. 38 St. ©. 210, Leſenswerth.

Hr. Heideggers Beytrag zum Handbuch fuͤr Reifen: de. Zürich 1792. S. 30:31. Von Altmann ausgezogen.

Meiſters Lexikon von der Schweiz. Ulm 1796. ir Th. S. 602 606, Ganz aus andern Schriften ent lehnt.

Meisners Alpenreiſe mit ſeinen Zoͤglingen. Bern 1801. Sie enthaͤlt nichts Neues hieruͤber.

An die Zuͤrcheriſche Jugend auf das Jahr 1805. von der naturforſchenden Geſellſchaft. VIIs Stuͤck. Mit einer Kupfertafel. Der Verfaſſer hat von den vorhandenen

172

* Nachrichten eine ſehr leſenswerthe Aus wahl getroffen, und theilt darin zugleich ein Paar noch nirgends abgedruckte Bemerkungen mit; nur iſt es dabey ſchade, daß die Abbils dungen ſehr nachlaͤßig ausgearbeitet, und namentlich in Ruͤckſicht des Schnabels ganz unkenntlich find.

Auslaͤndiſche Litteratur.

Buͤffon Naturgeſchichte der Voͤgel, uͤberſezt von Martini x. Bd. S. 196. Er Hält ihn für erne bloße Abaͤnderung des Greiffs, und kannte ihn nicht

Cetti Naturgeſchichte von Sardinien II. 17. Der Barigeyer, eine recht gute Beſchreibung mit einer elenden Abbildung.

Bechſteins gemeinnuͤzige Naturgeſchichte Deutſch⸗ lands II. 199. Der Bartgeyer.

Bechſteins ornithologiſches Taſchenbuch von und für

Deutſchland, 1802, I. 7 —8, Der Bartadler, mit einer ſehr ſchlechten Abbildung.

Goͤtze europaͤiſche Fauna IV. 43. Der Laͤmmergeyer. Naturhiſtoriſche Briefe uͤber Oeſtreich, Salzburg,

Paſſau und Berchtesgaden von Franz von Paula

Schrank und Karl Ehrenbert von Moll. 1785. I. S. 298 302.

Der weißköpfige oder goldbruͤſtige Laͤmmergeyer iſt in Pallas neuen nordiſchen Beytraͤgen IV. 64. genau be⸗ ſchrieben, wo Pallas ausdruͤcklich ſagt: er ſey mit dem Schweizerſchen Faͤmmergeyer und dem in Gmelins Reiſen III. 364. Taf. 38. angeführten einerley, und im Grunde nur eine Farbenſpielart des Vultur barbatus L. Eben fo iſt die Vermuthung von J. Sievers ganz richtig, daß derjenige, den er beſchrieb (Briefe aus Sibirien, 8, Der tershurg 1796) mit dem ERVHARETRUN einerletz

a m.

. 173

Mehrere Citate findet man in Donndorfs zoologi⸗ ſchen Beytraͤgen zur XIII Ausgabe des Linneiſchen Sy⸗ ſtems, II. S. 20 22.

Die beſte Abbildung, die wir bis dahin von una ſerm Laͤmmergeyer beſitzen, iſt in Edwards Hiſtorie der Voͤgel auf der 106, Tafel enthalten.

So ſehr uͤberhaupt die bisherigen Beſchreibungen der Raubvogel hoͤchſt unvollſtaͤndig und nicht ſelten unrichtig find, fo iſt dies beſonders bey dem König der Schweizer— ſchen Voͤgel, dem Laͤmmergeyer der Fall. Er iſt zwar ſchon ſeit Con r. Geß ners Zeiten den Naturforſchern bekannt, aber von keinem vollkommen beſchrieben wor⸗ den. Selbſt des Hr. Pfarrer Spruͤngli's Nachrich⸗ ten find noch unvollſtaͤndig. Buͤffon kannte dieſen Vo- gel gar nicht; meine Beſchreibung wird zur Genuͤge be— weiſen, daß er weder eine Abart von ſeinem Griffon, noch der beruͤchtigte Peruvianiſche Condor ſey (denn Briſſon und Buͤffon machten aus dieſen beyden, die nur unter ver— ſchiedener Benennung Eine Art anzeigen, faͤlſchlich zwey Arten;) welches Buͤffon von unſerm Laͤmmergeyer ver— geblich meitläufig zu beweiſen ſucht. Auf dieſe Weiſe wäre alſo unſer merkwuͤrdige Alpenbewohner noch ſo gut als nicht beſchrieben, und darum ſtudirte ich feine Natur— geſchichte mit verdoppeltem Fleiße, wozu es mir an Gele— gen beit nicht ganz mangelte, da ich ihn nebſt meinen Freun, den in Bundten, in der oͤſtlichen Schweiz beobachtete, und zugleich aus den Gegenden der weltlichen Gebirgskette eini ge ſehr intereſſante Berichte daruͤber erhielt. Nachſtehende Beſchreibung iſt die Frucht meiner zehnjaͤhrigen Beobach⸗ igen und Nachfragen; Kenner mögen über ihren Werth enticheiden! 2

474 *

Kennzeichen der Art.

An der untern Kinnlade des Schnabels iſt uͤber der Kehle ein ſchwarzer grobhaariger Bart befeſtiget, der mit dem Schnabel parallel laͤuft, jo wie die Naſenloͤcher und die Wachshaut ebenfalls mit aͤhnlichen Borſten (oder diel⸗ mehr borſtenartigen Federn) beſezt ſind, welche von der Stirne uͤber den obern und zum Theil noch untern Theil des Schnabels herunterhaͤngen. Der Schnabel iſt horn— farben mit etwas roͤthlichem vermiſcht, vom Kopfe bis

an den Hacken gerade, vom lezten erhoͤht er ſich aber auf einmal, ehe er ſich kruͤmmt, ſo daß er als ein beſonderer Theil an dem uͤbrigen Schnabel angeſezt zu ſeyn ſcheint;

der Kopf iſt mit laͤnglichen ſchmalen Federchen beſezt, und verhaͤltnißmaͤßig außerordentlich klein und ſpitzig auslau⸗ fend. ) 5

Beſchreibung.

Unſere Schweizerſchen Laͤmmergeyer theilen ſich durch die Farbe ihres Gefiederd vorzüglich in zwey Claſſen, nämlich in ſolche, mit weißem Kopfe, prangengelber Keh⸗ le und Bruſt, und glaͤnzend aſchgrauen Schwungfedern; und in ſolche, mit ſchwarzbraunem oder ganz ſchwarzem Kopf und Halſe, und ſchwarzbraunem Oberleibe; die Jaͤger in Buͤndten und Bern nennen daher die erſtern Weißkoͤpfe und die leztern Schwarzkopf. Aber wos her wohl dieſer Farbenunterfchied ? Im Zurcherſchen Neujahrsſtuͤcke von der naturforſchenden des

9) Storr ſagt: „Man konnte das Merkmal in Linneiſchet „Sprache kurz fo andeuten: Rostrum rectum, basi cera inſtructum, setis porrectis eonfertissimis barbalum, „Rpice auctum, unco suleato. Caput pennis tectum --

175

fellſchaft vermuthet der Verfaſſer, daß der leztere nur ein junger Vogel von der erſtern Art fen, und führt für dieſe Meinung einige Gründe und auch Bechſteins Urs theil an, der ſagt: „Variert in der Farbe, oben ſchwaͤrz— lich, graubraun oder dunkelbleyfarben.“ Allein dies als les befriedigt mich um ſo weniger, da ich, wie ich unten zeigen wer de beſtimmt junge weißkoͤpfige und ſchwarz⸗ köpfige Vögel der Art erhielte, welche ſich nur durch hel— lere Farbenmiſchung und durch ihren weichern Mufkeln⸗ und Knochenbau von den Alten unterſchieden. Herr Spruͤngli hingegen ſchrieb dieſen Unterſchied der Vers ſchiedenheit des Geſchlechts zu, und lange pflichtete ich auch dieſer Meinung bey, worin ich um ſo feſter beſtaͤrkt wurde, da ich nicht nur an zwey Schwar zkoͤpfigen und zwey Weißkoͤpfigen aͤhnliche Beobachtungen machte, ſon⸗ dern auch noch durch einen Freund die Nachricht von Hr, Profeſſor Jurine in Genf erhielt, daß dieſer s Laͤmmer, geyer zergliedert, und bey allen gefunden habe: Daß die dunklern am Kopfe Männchen, und die weißgelben „Weibchen waren.“ Allein ploͤzlich mußte ich im lezten Winter 1805. meine Meinung aͤndern, da ich einen klei⸗ nern und groͤßern weißkoͤpfigen Laͤmmergeyer, von hellerm und dunklerm Gefieder (alſo einen jungen und alten) erhiels te, und bey der Zergliederung zu meiner groͤßten Beſtuͤrzung fand, daß beyde maͤnnlichen Geſchlechts waren. Nach dieſen meinen Erfahrungen vermuthe ich: daß der weiß⸗ koͤpfige und ſchwarzkoͤpfige Laͤmmergeyer zwey ganz ver ſchiedene Arten ſeyen, die ſich nicht mit einander vernits ſchen. Vielleicht gelingt es mir oder irgend einem Natur⸗ forſcher in der Folge noch genauere Beobachtungen machen, und die Sache ins helle Licht ſetzen zu koͤnnen. Da dieſe zwey Vogel uͤbrigens in Anſehung ihrer Lebensart zechaus alles mit einander gemein haben, ſo beſchreibe

* 176

ich einzig das Aeußere ihres Gefieders von einander getrennt, da alles andere unausſchließlich beyde Arten betrifft.

Beſchreibung des weißkoͤpfigen Laͤmmer⸗ geyers. b (Gypætus barbatus leucocephalus mihi.) Der Laͤmmergeyer iſt unſtreitig der größte Schweizeriſche Raubvogel. Die Laͤnge von der Spitze des Schnabels bis zu dem Ende ves Schwanzes beträgt 4 Fuß 4 ıf2 Zoll; ) der Schnabel von den Winkeln des Mundes bis an die aͤußerſte Spitze des Hakens 6 Zoll; der rinnenfoͤrmige Unterſchnabel 4

Zoll 4 Linien; die Mundſpalte kann er ſtark 6 Zoll

weit oͤffnen; der Schwanz mißt 1 Fuß 10. Zoll; die mittlere Zehe ſammt der Kralle 4 Zoll s Linien; die Kralle 1 Zoll 3 Linien; die innere Zehe 4 Zoll mit der Kralle, die Kralle allein iſt die groͤßte, und mißt 2 Zoll; die aͤußere Zehe mit der Kralle 3 Zoll 2 Linien die Kralle 1 Zoll 2 Linien; die hintere Zehe mit der Kralle 3 Zoll 2 Linien, die Kralle 2 Zoll. Vom Knie bis an die Zehen (die Beine) 5 Zoll, vom Knie bis an die Huͤftgelenke (die Schenkel) 7 ½ Zoll, von demeinen Ende feiner ausgebreiteten Flügel bis zum andern netto Fuß, und die zuſammen⸗ gelegten Fluͤgel reichen bis an drey Viertheile des Schwanzes; das Gewicht war bey dem nun beſchriebenen 12 Pfund, er war fett aber nicht vollgefreſſen; oben rings um die ſleiſchige Bruſt herum 2 Fuß 2 ½ Zoll dick. *) Mein Maaßſtaab, deſſen ich mich bey allen meinen Meſ— ſungen bediene, iſt ein farter halder Zoll kuͤrzer als der Pa⸗ riſer; und zu einem Pfund rechne ich immer 36 Loth.

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)

Dieß ift die Beſchreibung von der Größe eines recht alten Weibchens, das des Winters auf dem Ammons⸗ gebirge uͤber dem Wallenſtatterſee in einer Fuchsfalle ges fangen wurde. Den ızten Hernung Ao. 1805. erhielt ich ein ſehr altes Maͤnnchen von dieſem Vogel, das im Prettigaͤu in Buͤndten geſchoſſen worden war, dem obigen in-Anſehung der Farbe des Geſieders ganz aͤhnlich, und nur ein wenig kleiner als dieſes iſt. Seine Laͤnge iſt 4 Fuß; feine Fluͤgelbreite 8 Fuß 7 ı% Zoll; die Dicke um die Bruſt herum 1 Fuß 10 Zoll; das

Gewicht 10 Pfund 20 / Loth. Ein ſehr erfahrner Wildſchuͤtz von Ammon, von dem ich zwey ſolche Vögel erhielte, hatte waͤhrend ı5 Jahren ſchon einige gefangen und geſchoſſen, und nach feiner Ausſage hatte der aller⸗ größte, den er je zu ſehen bekam 9 Fuß 4 Zoll Nuͤrnberger⸗ Maaß, (alſo ein bischen kuͤrzer als das Meinige) gemeſ⸗

ſen, und war 15 ½ Pfund 36 Loth) ſchwer; er hält daher nebſt mir alle Berichte derer, die ihn 12 bis 14 Fuß breit beſchreiben, fuͤr uͤbertrieben und erdichtet. )

*) Spruͤngli giebt ihn ganz richtig 4 Fuß lang“, s Fuß 9 Zoll breit, und 11 Pfund ſchwer an; hingegen der von Herrn Chorherr Geßner beſchriebene in Andreaͤ's Briefen, der im Glarnerlande gefangen wurde, und ein Weibchen war, ſoll 6 / Fuß lang, und nur 3 Fuß breit geweſen ſeyn; und Coxe ſagt: „Spruͤngli beſitze ein Weibchen, das 6 1/2 Pariſer Fuß lang ſeye.“ Ra mond giebt ihn in der gleichen Stelle für 18 16 Fuß breit an, und ſagt: Sprüngli widerlege ihn zwar, allein feinem Zeugniſſe ſetze er das des Herrn von Voltaire entgegen, der ihm ges

ſagt habe: daß er einen Laͤmmergeyer 3 Jahre lang in ſei— nem Hofe unterhalten, deſſen Ausdehnung 15 Fuß gemeſſen hatte; auch ſeye vor einigen Jahren durch einen Flinten- ſchuß einem ſolchen Vogel ein Fluͤgel zerbrochen worden;

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Der Schnabel iſt ganz anders gebildet als bey den übrigen Raubvögeln. Er iſt vorzüglich groß; vom Kopf bis an den Hacken gehet er 1 Zoll 5 Linien weit gerade fort; dieſer aber faͤngt nichd nach und nach an, ſondern erhoͤhet ſich zuerſt mit einem Mal, ehe er ſich kruͤmmet, ſo daß er als ein beſonderer Theil an den uͤbrigen Schna⸗ bel angeſetzt zu ſeyn ſcheint; zu beyden Seiten des Hackens zeigen ſich zwey obſchon gar nicht tiefe Furchen, eine oben, zunäͤchſt am Ruͤcken, die andere in der Mitte, welche beyde mit der Kruͤmmung des Hackens parallel laufen. Erfahrne Buͤndtner⸗Jaͤger verſichern: der herabhangende Hacken an dem obern Schnabel werde im Alter bey dieſem Vogel ſo groß, daß er bis gegen den Hals hinreiche, und ihn beym Freſſen ſehr verhindere.) Die Farbe des Schnabels iſt Hornfarben, mit etwas roͤthlichem vermiſcht; die Wachshaut, wie auch das Inwendige des Mun⸗ des blau; die Nafenlöcher find oval, groß, und nebſt der Wachshaut mit ſchwarzen, ſteifen, voͤllig borſtenarti⸗ gen Federn beſetzt, die von der Stirne uͤber den obern Schnabel herunter hangen; aͤhnliche Haare ſitzen auch an den Seiten der Wurzel der untern Kinnlade; vorzuͤglich aber haͤngt mitten an der untern Schnabel-Wurzel, oder vielmehr ganz oben an der Kehle ein drey Zoll langer

nach einem langwierigen Kampfe gegen 3 ſtarke mit Keulen bewaffnete Bauern habe er endlich nachgegeben und befugtes Maaß gehabt, und ſeye darauf lebendig nach Baſel verkauft worden. Allein alle dieſe Angaben von 6 / Pariſer Fuß Laͤnge und von 15 16 Fuß Breite, find mir unerklaͤrbar!

*) Goͤtze bemerkt in ſeiner Fauna J. o. S. 83. etwas aͤhn⸗ liches vom Goldadler, wenn er ſagt: „im Alter ſoll ihnen „der Schnabel zuletzt ſo krumm werden, daß ſie faſt gar „feine Nahrung nehmen können.“

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glaͤnzend ſchwarzer Haarbuͤſchel oder Bart herunter, worunter ein Paar ſilberweiße hervorſtechen. Dieſe Haare ſcheinen mit unbewaffneten Augen betrachtet, ganz feinen, ſchwarz glaͤnzenden Pferdhaaren aͤhnlich, allein ſie ſind nicht rund, ſondern zuſammengedruͤckt, und am Rande mit einer nur durch eine vergroͤßernde Linſe ſicht⸗ baren Fahne verſehen. Das Laͤmmergeyer-Weibchen, von dem ich oben ſagte: daß es 15 1/a Pfund ſchwer war, ſoll einen wenigſtens 5 Zoll langen ſteifen und dicken Bart gehabt haben. Conrad Geßner hat dieſen Bart,

deſſen Haare, wenn man daran reißt ſehr leicht aus—

gehen, ſchon angemerkt, der unſern Laͤmmergeyer vor allen andern Voͤgeln unterſcheidet, und ſelbigen deswegen fuͤr den Vogel Harpe und Ossifragum gehalten, welchem die Alten einen deutlichen Bart zuſchrieben.

Der Kopf iſt auf dem Scheitel gegen den Schnabel zu merklich in die Länge gezogen, fach, ſpitzig auslaufend, verhaͤltnißmaͤßig auſſerordentlich klein, und uͤberall mit klei⸗ nen ſchmalen und kurzen weißen Federchen welche mit einigen ſchwarzen vermiſcht find nicht dicht doch hin⸗ reichend, bedeckt. Ueber jedem Auge ſteht, nebſt den borſtenartigen Augbraunen ein großer ſchwarzer Fleck, der ſich von demſelben etwas nach hinten erſtreckt, aus feinen dichtſtehenden und glaͤnzenden haarfoͤrmigen ſchwarzen Federn beſteht, und oben auf dem Kopfe gleichſam einen Kranz bilden, daher die Beſchreibung

des Linné: „frons occulorumque regio atra. Von beyden aͤußerſten Enden der Mundſpalte (Mund⸗ winkel) zieht ſich auch nach dem hintern Halſe zu ein aus laͤnglichen haarfoͤrmigen Federn beſtehender ungefahr zwey Zoll langer Fleck. Die Augen ſind groß, auſſen mit einem breiten zinnoberrothen Ring eingefaßt, nach wel chem ein gelber folgt, welcher den ſchwarzen Stern um⸗

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giebt; ſie ſtehen aber nicht, wie bey den uͤbrigen Raub⸗ voͤgeln unter einer hervorragenden Bedeckung, ſondern der Flache des Kopfes gleich oder vielmehr etwas hervorſte⸗ hend. Der Hals hat eben ſo wenig eine nakte Stelle, als der Kopf, und iſt ganz mit langen ſchmalen zugeſpitz⸗ ten Federn bedeckt, die gegen dem Rumpfe zu ſich immer mehr verlängern; der obere Hals gegen dem Ruͤ— cken zu iſt ſchmutzig weiß, der untere hingegen von der Kehle bis zur Bruſt hellorangengelb, das ihn vorzuͤg— lich ſchmuͤckt, und ihm den Namen Goldgeyer erwor⸗ ben hat; nur an der Kehle ſtechen einige haarfoͤrmige ſchwarze Federchen unter den andern hervor; auch iſt noch zu bemerken, daß die Federn am Unterhalſe und an der Kehle immer viel kuͤrzer als die am obern Halſe gegen dem Ruͤcken zu, find. Von den beyden unterſten Theilen des Halſes laufen von den Seiten her einige große und breite Federn gegen die Bruſthoͤhle zu, die uns ten auf der Bruſt herzfoͤrmig zuſammengehen, und dunkler und heller orangengelb und ſchwarzbraun gefecft find. Die Bruſthoͤble ſelbſt hat keine Federn, ſondern einen auſſerordentlich weichen, weißlich orangengelben Flaum; eben ſo iſt die Haut unten am Bauche uͤber der Schwanzwurzel fein wollig; ſo wie uͤberhaupt der ganze Körper und ſogar die Flügel dieſes Vogels noch mit einem ſolchen weichen Flaum uͤberzogen iſt, der oͤfters unter den Federn hervorſticht. Der Bauch, die Seiten und Beine haben hellere Federn als die Kehle, weißlich gelbe, die am Ende meiſtens ſchoͤn orangengelb gerandet find, an den Seiten der Schenkel haben ſie am meiſten Weißliches; vorzuͤglich aber iſt die Kehle, der Unterhals und ganze Unterleib je nach dem Alter des Vogels verſchieden, je aͤlter je dunkler orangengelb, oder je jünger deſto heller oder weißlicher. Oben auf dem

*

181 Rücken find die Federn graubraun, breit glaͤnzend ſchwarz eingefaßt, aͤuſſerſt lang und ſchmal mit einem weißen Schafte, und an dieſem iſt der Laͤnge nach zu beyden Sei⸗ ten der Fahne ein kleiner weißer Fleck angebracht, der an der Spitze am breiteſten wird: Von der Wurzel bis auf die Hälfte find alle Federn rein weiß. Alle Schwungfedern, deren an der Zahl 29 bis 30 (und nicht wie Spruͤngli ſagt 24 28) find, find dunkelaſch⸗ grau, in der Mitte der innern Fahne heller, mit weißen Schaͤften; die zweyte Feder it die laͤngſte, und mißt 2 Fuß 8 Zoll, und die breiteſte an der Fahne 4 Zoll. Die Deckfedern oben und auf den Flügeln find wie die Ruͤ— ckenfedern gleich gefaͤrbt, nur daß ſie nicht ſo zugeſpitzt wie jene ſind, und daß die obern dicht in einander ſtehenden kuͤrzer als die untern werden; eben ſo ſind auch die innern Deckfedern der Flügel beſchaffen, und hellergrau mit gröfs ſern weißen Flecken an der Spitze und auf der Fahne, dem Schafte nach. Der Schwanz hat 12 Federn, in der Mitte grau, am Rande ſchwaͤrzlich, und der Schaft weiß; die zwey laͤngſten ausgenommen, ſind alle am Ende weiß eingefaßt. Er iſt nicht zugeründet, ſondern keilfoͤrmig; die zwey mittelſten ſind die laͤngſien, und meſſen 1 Fuß 10 Zoll, auch find fie an der Fahne zugleich die breiteſten, 3 17/2 Zoll breit, und bedecken alle übrigen darunter liegenden Schwanz⸗ federn. Die Fuͤße find mit laͤnglichen ſchmalen Federn. bis auf die Zehen dicht befiedert; von den Schenkeln hängen über die Zehen große Federnbuͤſchel herab, die ſehn dicht uͤber einander ſitzen (Hoſen) und zwey Zoll laͤnger als die Füge find, welche fie wider die Kälte ſchuͤtzen, der fie auf den Gebirgen fo ſehr auggefest find. Die Ze⸗ hen find ſtark ſchuppig und blaugrau oder bleyfarbig, und die aͤuſſere iſt mit der innern durch eine kleine Haut verbunden. Die Krallen ſind noch etwas ſchwaͤrzer als

* 482 der Schnabel gefaͤrbt, weniger gebogen als beym Adler, verhaͤltnißmaͤßig kurz, an der Spitze ſtumpf und abgefchlife fen, eine Folge der Felſen, auf denen ſie ſich aufhalten, hingegen dick und ſtark, und an den Raͤndern ſcharf und ſchneidend. N

Daß die juͤngern Voͤgel dieſer Art vorzuͤglich am Halſe, an der Bruſt, und am ganzen Unterleibe eine hellere, alſo viel weiſſere Farbe haben, und kleiner ſeyen, bemerkte ich ſchon oben.

So erhielt ich z. E. im Hornung dieſes Jahrs einen ſolchen Vogel, der dieſe Beobachtung völlig rechtfertigt und im Glarnerlande geſchoſſen wurde; und einen aͤhnlichen beſitzt Herr Doctor Zugenbuͤhler in Glarus, der ebenfalls in dieſem Lande ſterben mußte. Der Meinige hatte nur ganz kleine Teſtickel, waͤhrend dem dieſe bey dem andern zu gleicher Zeit in Buͤndten geſchoſſenen oben beſchriebenen in der Größe von Taubeneyern waren, auch konnte fein Fleiſch ſehr ſchnell weich geſotten werden. Er war 3 Fuß 8 ıf2 Zoll lang, 7 Fuß 10 Zoll breit, der Schwanz ı Fuß 7 1/2 Zoll lang, und obwohl ſehr mager 7 Pfund 11 Loth ſchwer. 0

Ich empfieng von meinem Freunde, dem Herrn von Salis in Marſchlins eine Zeichnung und einige Nach— richten von einem Laͤmmergeyer-Maͤnnchen, den der ſelige Herr Doctor Aınflein in Zizzers jung bekam, und 3 Jahre lang lebend unterhielt; und dieſer hatte an der Kehle, am Halſe, auf der Bruſt, und am ganzen Unter⸗ leibe durchaus nichts orangengelbes, ſondern er war das ſelbſt ſchmutzig weiß, am Oberleibe hingegen, wie die ab tern Voͤgel dieſer Art, ausgenommen an den Schwung: und Schwanzfedern blaͤſſer oder graulichbraun gezeichnet. *)

*) Unſers großen Scheuchzers Befihreibung, die er in die Breßlauer Sammlungen von einem weißkoͤpfgen Laͤmmer

Pe win

483 Beſchreibung des ſchwarzbraunen Laͤm⸗ N mergeyers. (Gypætus barbatus fuscus mihi.)

Ich beſitze in meiner Sammlung zwey Vögel von die fer Art, einen juͤngern und einen alten beyde mannlichen Geſchlechts. Hier folgt zuerſt die genaue Beſchreibung des letztern, der des Winters auf

dem Ammonsgebirge in einer eiſernen Fuchsfalle gefangen

wurde.

Der e oder ſchwarzkoͤpfige, Laͤmmergeyer, der die charakteriſtiſchen Kennzeichen des Schnabels und der Füße mit der vorhergehenden Art völ- lig gemein hat, iſt bisher noch nirgends beſchrieben oder abgebildet worden, daher meine Beſchreibung den Natur⸗ forſchern um ſo willkommener ſeyn wird.

Seine Länge beträgt 3 Fuß 11 Zoll, wovon der- Schwanz 1 Fuß 8 Zoll lang iſt, und feine Fluͤgel⸗

weite 8 Fuß 5 Zoll. Er war ziemlich mager, und

8 1/2 Pfund ſchwer. Die ſteifen borſtenartigen Haare, welche die Wachshaut und die Naſenloͤcher bedecken, find braͤunlich,

ſtehen duͤnner, und ſind ein wenig kuͤrzer, als bey der

weißkoͤpfigen Art, das auch bey dem herabhaͤngenden ſchwarzen Barte der Fall iſt. Der ganze Kopf und Hals iſt überall mit ſchwarzbraunen, ſchmalen, zugeſpitz⸗ ten Federn bedekt, die glaͤnzend ſchwarz ſind; oben auf dem:

geyer einruͤcken ließ, ſtimmt vollig mit meiner Beſchreibung überein, und wuͤrde es perdient haben, daß man bisher wegen ihrer Kuͤrze, Vollſtaͤndigkeit und Richtigkeit mehr auf fie Ruͤckſicht genommen hatte.

FIR

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Kopfe ſitzen fie am duͤnnſten; auch. ſtehen an beyden Seiten des Halſes und unmittelbar uͤber der Bruſt einige wenige laͤngliche Federn mit einem weißlichbraunen Schafte, und

an der Fahne mit Spitzen von ähnlicher Farbe, die aus

den uͤbrigen hervorſtechen. Die Federn der Bruſt, des Bauchs, der Seiten und der Beine ſind weiß— lichbraun, und am Ende ſchmutzig weiß geſſeckt; auf der Bruſt ein wenig dunkler, unter derſelben etwas heller. Der Oberleib iſt braun von hellern und dunklern Farben gemiſcht; von beyden Seiten des obern Halſes gegen dem Ruͤcken zu und auf dem Ruͤcken ſelbſt ſtehen lange braune und ſchwarze Federn, die einen weißen Schaft und an der Spitze einen großen weißen Fleck has ben, und den Vogel wirklich zieren. Die zwey aͤußer⸗ ſten Schwungfedern ſind an der Fahne und dem Schafte beynahe ganz ſchwarz, nur an der Wurzel braͤun⸗ lich; die übrigen, wie auch die aͤußern und ins nern Deckfedern ſind wie der Oberleib ſchwarz⸗ braun. Die Schwanzfedern haben einen weißen Schaft, und ſind von der Wurzel an bis uͤber Dreyviertheile nach vornen weiß und ſchwarz gefekt; der vorderſte Theil hingegen iſt braͤunlich ſchwarz. Der ganze Leib iſt dicht mit weichen aſchfarbenem und weißem Flaum bedeckt.

Ein anderes Maͤnnchen dieſer Art, das ich beſitze, wurde

den zten Merz Ao. 1804. von einem Fanaſer⸗Jaͤger in Buͤndten geſchoſſen, und war 4 Fuß lang, 8 Fuß 4 Zoll breit, 7 7/8 Pfund ſchwer, und oben um die Bruſt herum 1 Fuß so 1ſ½ Zoll dick. Ich ver muthe dieſer ſey ein juͤngerer Vogel als der vorhergehende, weil er von demſelben darin abweicht: daß die Farbe der Kopffedern matt ins ſchwarzbraͤunliche uͤbergeht; ferners an beyden Sei⸗ ten des Halſes viel mehr gelblichbraune Federn ſitzen; und

endlich daß die Federn oben am Halſe und auf dem Ruͤ⸗

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cken nur einige wenige ſchwaͤrzliche und gelbbraune Fle⸗ cken haben, und ſonſt beynahe uͤberall rein weiß ſind auch ſind die Deckfedern der Flügel mehr braͤunlich als ſchwarz, und haben hin und wieder ebenfalls einzelne weißgefleckte Federn.

Zerglie derung.

Wenn der Naturforſcher die abgezogene Haut des Laͤm⸗ mergeyers ausgeſtopft und ſich auf dieſe Weiſe ein ſeltenes Cabinetsſtuͤck zubereitet hat, ſo kehrt er gerne noch einmal zum beyſeitsgelegten Rumpfe zuruͤck, und macht ſich auch mit dem innern bewundernswürdigen Bau dieſes Vogels bekannt.

Die Bruſtmuskeln ſind auſſerordentlich groß, und zu ſeinem hohen Fluge in der Luft ſehr zweckmaͤßig einge⸗ richtet. Doch eben ſo vortheilhaft zu dieſem Zwecke iſt der ganze Knochen bau dieſes Vogels gebildet. Da mir Campers intereſſanter Aufſatz über dieſen Gegens ſtand *) bekannt iſt, fo freute ich mich ſehr, feine Entdeckun⸗ gen vorzuͤglich auch durch den Knochenbau unſers Laͤm⸗ mergeyers gerechtfertigt zu ſehen. Die Luft dringt vermit- teit des Einathmens in die dicken Knochen des Arms und des Oberſchenkels, des Bruſtbeins und der Schlüffel- beine, welche ganz hohl, zellig, ohne Mark und mit Luft angefuͤllt werden; dieſe dringt in die Bruſt und in den Bauch; und weil die, vorzuͤglich bey Voͤgeln ſehr ſtarke Erwaͤrmung, welche die Luft in dieſen inwendigen Theilen

*) S. P. Campers ſaͤmtliche kleinere Schriften die Arzney⸗ Wundarzneykunſt und Naturgeſchichte betreffend. iter Band. uͤberſetzt von Herbell. S. 94 122. und 151 157. Abs handlung über die Bildung der großen Knochen der Voͤgel, und deren Verſchiedenheit in beſondern Arten.

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empfängt, dieſelben nothwendig ausdehnt, und alfo leich- ter macht als die Luft des Dunſtkreiſes iſt, ſo wird der Vogel, der einen ſchweren Körper hat, dadurch fpezififch leichter, und kann ſich alſo auch bequemer in die Hoͤhe der Luft erheben.

Ebenfalls hoͤchſt merkwürdig iſt die aͤuſſere abe innere Beſchaffenheit des Auges eines Laͤm— mergeyers, das Scheuchzer ſehr befriedigend zerglies derte. An den innern Augenwinkeln bemerkt man weite Oeffnungen fuͤr die Thraͤnenkanaͤle, welche ſich bald in die weite Naſenhoͤhle endigen. Der Diameter der durchſichti⸗ gen Hornhaut iſt 5 Linien. Die Pupille iſt ſchoͤn ſchwarz und rund; ihr Diameter 3 Linien. Statt der ſehnigten Haut (Sclerotica) zeigt ſich eine 4 Linien breite Haut von ſehr ſchoͤner Orangenfarde; dieſe dient dem Auge zur Stuͤtze, um es in der Augenhoͤhle zuruͤckzuhalten. Sie iſt von merkwuͤrdiger innerer und aͤuſſerer Struktur. Gegen die Naſenloͤcher oder gegen den innern Augenwinkel zeigt ſich eine eckige knoͤcherne Hervorragung. Gegen die Ends cherne obere Augenhoͤhle, und ſtatt des untern Theils der— ſelben befindet ſich eine ſehr ſtarke, dicke, faſt ganz knorp⸗ lige Haut. Von jener orangenfarbigen Haut an geht un⸗ ter der Sclerotica ein ſtarker, knorpliger, an einigen Or ten knoͤcherner Ring um das ganze Auge. Durch alle dieſe Theile wird das Auge in der übrigens ſehr weiten Augen⸗ hoͤhle ſo feſt gehalten, daß es auf keine Seite ausweichen kann, und dieß iſt um ſo nothwendiger, weil ſich dieſe Thiere immer mit Ungeſtuͤmm aus der Höhe auf ihre Beute herunterſtuͤrtzen. Auch ſind die Augenmuskeln ver⸗ haͤltnißmaͤßig ſehr ſtark, da das Auge faſt die Groͤße des Kalbsauges hat. Da, wo die Scheidewand bey den Saͤuge⸗ thieren iſt, geht ein breiter Fleiſchwulſt nach dem aͤußern Augenwinkel hin, am Augapfel weg. Die Iris beſteht

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aus fehr zarten Fibern von hellgelber Farbe mit roͤthlichem Anſchein, welches von der tief orangenrothen ins purpur⸗ rothe übergehenden Netzhaut herruͤhrt, die durch den ſchwar⸗ zen Saft (pigmentum nigrum) durchſchimmert. Der fireifige Ring (corpus ciliare) iſt ſehr groß, und zierlich um die Kriſtalllinſe angelegt. In der Iris nimmt man ſehr deutlich Cirkularſibern wahr, und die Strahlen ſchei⸗ nen gefranſt. Unter dem Mikroſkop erſcheinen dieſe Frans ſen als Gefaͤßbuͤndel der zarteſten Lymphgefaͤſſe.

Herr Doktor Schinz in Zürich, der auch ein— mal einen Laͤmmergeyer zergliederte, ſchreibt mir folgen»

des daruͤber, das obige Nachrichten beſtaͤtigt: „Auf die

„Bildung des Auges war ich beſonders aufmerkſam, da „ſie mir ſehr auffiel. Bey andern Voͤgeln iſt nichts als „die Iris ſichtbar, bey'm Laͤmmergeyer hingegen bildet „die Sclerotica einen weiten Wulſt um die Cornea, deſ⸗ „fen Farbe fchön orangengelb iſt, fo daß man beym erſten „Blick die Iris fire fo gefärbt halten würde, Hinter dieſer Haut liegt die Iris, welche blaßgelb iſt, und ſich hinter „die Sclerotica zuruͤckziehen kann, wenn der Augenſtern ſich erweitert. Das Corpus ciliare iſt ſehr groß, zier⸗

„lich um die Cryſtalllinſe angelegt und bildet ein praͤchti⸗

„ges Netz. Die Netzhaut iſt tief orangenroth, und ſcheint durch das pigmentum nigrum durch, fo daß die Re genbogenhaut und der Augenſtern ſelbſt einen roͤthlichen Auſtrich erhalten.“

„Wozu wohl die wunderbare, dieſem Vogel meines Wiſſens ausſchließlich eigene Einrichtung des Auges? „Ich vermuthe darum, weil er beſtändig in den Schnee⸗

„Regionen lebt, oder über den Gebirgen in einer erſtaun⸗

lichen Höhe ſchwebt, fo werden durch dieſe Einrichtung „die Sonnenſtrahlen gemildert, und der Vogel iſt im „Stande, ohne geblendet zu ſeyn, von einer unglaubli⸗

188 i „chen Höhe feine Beute richtig zu bemerken. Warum aber „hat der Adler dieſe Einrichtung nicht ebenfalls noͤthig? „Vielleicht darum, weil der Laͤmmergeyer in noch hoͤhern „Gegenden lebt, und weit ſeltener niedrige Gegenden be— v ſucht, als der Adler.“

Die Zunge iſt klein, breit, rinnenförmig, an der Spitze hornartig, und hinten durch elaſtiſche Zugbäsder befeſtiget, welche gegen den Kopf hinauf gehen, wie dieß vorzüglich bey den Spechtarten der Fall iſt.

Anſtatt des Zwerchfells ſind verſchiedene haͤutige Behälter (cellule membranosæ) vorhanden; in eis nem derſelben ift das Herz, in einem andern der Magen, wieder in einem andern die Gedaͤrme eingeſchloſſen.

Das Herz und die Leber liegen auf der rechten Seite, und die letztere beſteht immer nur aus zwey laͤng⸗ lichen dicken gar nicht breiten Lappen.

Die Verdauungs werkzeuge dieſes Vogels verdienen endlich unſere ganze Aufmerkſamkeit. Der Schlund iſt von dem Mund bis in den Magen aͤuſſerſt weit, ja alles zuſammen ſtellt gleichſam nur einen Schlund vor, indem man durch die Schnabel-Oeffnung mit dem Arm hinuntergreifen kann, und der aufgeblaſen oder aus— gefuͤllt 4 Zoll im Durchmeſſer hat. Nichts deſto weniger muß man den Schlund, den Kropf und den Ma⸗ gen von einander unterſcheiden. Dieſer hat neben ſeiner gewoͤhnlichen ſchlauchfoͤrmigen Geſtalt (wie dies andern fleifchfrefienden Thieren auch gemein iſt) zirkelfoͤrmige, ſtarke, muskuloͤſe Faſern, und oben entweder gar keinen Magenmund oder einen ſolchen, der die gleiche Weite und Breite mit dem Kropfe hat, der ungefähr 4 Zoll lang If Vorzuͤglich bemerkt man innerlich uͤberall eine Menge zar⸗ ter und feiner Druͤſen, deren kleine Oeffnungen nur durch das Vergröͤßerungsglas wahrgenommen werden koͤnnen,

189 woraus unaufhoͤrlich eine Menge Verdauungsſaft herfließt,

der ſo ſcharf iſt, daß er die Knochen durchfrißt, und der

ihm daher bey feinen rohen Speiſen fo aͤuſſerſt nothwen⸗ dig if. So konnte ich z. B. bey einem ſchwarzkoͤpfigen Laͤmmergeyer, den ich im Merz Ao. 1804 zergliederte, die aͤtzende und verzehrende Verdauungskraft des Magenſaftes nicht genug bewundern. Hätte ich nicht alles ſelbſt ge⸗ ſehen und beobachtet, ſo wuͤrde ich mich ſchwerlich aus einer bloßen Beſchreibung von der Wahrheit deſſen, was ich fahe, überzeugen koͤnnen. Der Schlund und der Magen bildeten zuſammen nur Einen Sack, der ſich von der Bruſt bis in den Unterleib hinab erſtreckte, einen Fuß lang und von der Dicke eines ſtarken Manns-Armes war. In dieſem Behaͤlter fand ich nun 5 Stuͤcke 6 bis 9 Zoll langer, und 2 Zoll dicker und breiter Knochen, und namentlich Rippen⸗ Stucke von Rindvieh und Ziegen, einen Ballen Haare, (wahrscheinlich Ziegenhaare, die zuletzt vermuthlich ausge—

ſpieen werden,) und einen ganzen Fuß vom Kniee bis zum

Huff mit Haut und Haar, von einer jungen Ziege. Die Knochen waren überall durchloͤchert und durchfreſſen, fo daß man die aͤtzende und auföfende Kraft des Magenſaftes dabey deutlich einſah; auch find an den Rippenſtuͤcken eine Menge Haare angeklebt, und in die eingefreſſenen Def nungen und Loͤcher gleichſam wie hineingewachſen gewe⸗ fen, Nun wird es jedermann begreifen, wenn ich be merke: daß die Bauch- und Bruſthoͤhle von dieſer Mahl⸗ zeit voͤllig ausgefuͤllt war. Die Gedaͤrme ſind von dem Magen ganz in die unterſten Theile der Bauchhoͤhle hinab⸗ gedrängt worden, und hatten ganz die Form eines Pater⸗ noſters; da ich ſie oͤffnete, fand ich ſie von einer Menge kleiner Knochenſtuͤcke jedes von der Groͤße einer Haſelnuß angefüllt, welche zum Zerreiben muͤrbe, und nach den ei⸗

gentuchen Knochen-Beſtandtheilen völlig kalkartig waren.

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In dem Magen eines andern oben befchriebenen, fand ich einen Ballen Kalberhaare, und ungefahr den vierten

Theil von einem Kalberbein, woran noch der hornartige

Schuh befeſtiget war; der Knochen war ganz mit einem zaͤhen Schleim umgeben, und an den Ecken aller Orten abgerieben; hingegen der Schuh war nur noch duͤnne und der völligen Auflöfung nahe.

Herr Doktor Schinz fand in einem e Laͤm⸗ mergeyer den Magen mit drey ſo großen Knochen ange⸗ fuͤllt, daß fie bis in die Speiſeroͤhre hinaufreichten. Der Eine ſchien der Kopf des Huͤftknochens einer Kuh zu ſeyn, hatte wohl 3 ı/2 Zoll im Durchmeſſer, und 5 Zoll Länge, der zweyte hatte über 6 Zoll Länge und war die Schiene einer Ziege oder Gemſe; ein dritter Knochen war eine halb verdaute Ribbe des naͤmlichen Thieres, welche wahrſcheinlich auch ganz hinuntergeſchluckt worden war. Mehrere kleine faſt verdaute Knochenſtuͤcke, einige Haͤnde voll Thierhaare und ein Birkhahnsklauen waren auch noch vorhanden!

Die Zergliederung meines letzten weißkoͤpfigen Par geyers beſtaͤtigte endlich das Obige voͤllig. Da ich ihn unten am After druͤckte, fo bewegten ſich Knochenſtuͤcke im Halſe, und bey der Oeffnung fand ich dann ein fünfzehn Zoll lan⸗ ges Rüͤckgrath-Geripp von einem Fuchs, einen ganzen Fuchsſchwanz, einen ganzen hintern Lauf von einem Haſen

mit Schenkel, Bein und Fuß, mehrere kleine Schulterblaͤt⸗

terknochen, und einen Ballen Haare wahrlich! eine tuͤchtige Mahlzeit!

Endlich muß ich hier auch noch folgende Stele uͤber die ſchnelle Verdauungskraft des Laͤmmergeyers einrücken. Der Beſitzer jenes großen Vogels, von dem ich oben ſagte, daß er 15 ı/2 Pfund ſchwer geweſen ſey, ſagte mir: an

dem Tage, wo er ihn lebend in einer Eiſenfalle ſieng,

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habe er ihm einen Apfel, einen Stodzahn von einer Kuh, und ein beynahe ganzes Capitulum von einem Kuͤhfuß, woran noch ein wenig rohes Fleiſch gehangen, vorgewor⸗ fen, welches er alles verſchlang. Nach 14 Tagen habe er ihn getoͤdtet, und in ſeinem geoͤffneten Magen keine Spur mehr vom Zahne, hingegen noch einen Theil von jenem Knochen, der mit einem zaͤhen Schleime umgeden und ganz zerreibbar war, gefunden.

Verbreitung und Aufenthalt.

Der Laͤmmergeyer iſt in den gebirgigen Gegenden der

Schweiz nicht ganz ſelten.

In Wallis auf dem Gotthardt ) über haupt in den Gebirgen von Uri, Schwyz und Unter⸗ walden auf dem Rigi *) im Entlibuch, auf der Schratten““) auf der Furka, dem Cryſpalt, der Grimſel, dem Geltenberg, +) und uͤberhaupt im berneriſchen Oberlande auch hin und wieder im Kanton Teſſin f) if dieſer Vogel angeſiedelt. Im Canton Appenzell Innerroden ſoll er eh⸗ mals vorzüglich auf dem Hundsſte in gehaust haben; ++})

„) S. Schinz Beytraͤge zur nähern Kenntniß des Schweizer⸗ landes. I. S. 89.

**) S. Cyſat Beſchreibung des IV Balhfätterfees. S. 231, r) S. Schneiders Geſchichte von Entlibuch. II. 77. Und ſeine Beſchreibung etlicher Berge. I. 7. ) S. Bonnſtetten Briefe über ein ſchweizeriſches e, tenland. S. 37. 1) S. Schinz Benträge. U. 134 S. und IV. S. 418. Tr S. Walſers kurzgefaßte Schweizergeographie. Zürich 1770. S. 518. Und Abhandlungen der natur forſcheu⸗ den Geſellſchafa in Zurich. II. 349.—

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gegenwaͤrtig iſt er aber hoͤchſt ſelten, und wird daſelbſt von dem unkundigen Bergvolk faſt beſtaͤndig mit dem ge⸗ meinen Adler (Falco fulvus L.) verwechſelt. f

Wahrſcheinlich am haͤufigſten in der ganzen Schweiz findet ſich dieſer Raubvogel in den Gebirgen des Glarner⸗ und Buͤndtnerlandes, und in den daran grenzenden Alpenketten, z. E. auf dem Wiggis, im Freyberge, in der Limmern- und Sandalp; in den Alpen der Diſtrikte Utznach und Sargans; im Praͤttigaͤu, und auf andern Gebirgen Rhaͤtiens, kurz da, wo die Gemſen noch nicht felten find, und wo die Schaaf: und Ziegenzucht betraͤchtlich iſt. In derjenigen Gebirgskette, die ſich aus dem nordoͤſtlichen Ufer des Wallenſtatterſee's zwiſchen Weeſen und Wallenſtatt erheben, und die Weſner— Ammler⸗Quintner- und Wallenſtatter⸗Alpen heißen, haben ſich ſeit den uraͤlteſten Zeiten bis gegenwaͤr⸗ tig anhaltend einige Laͤmmergeyer aufgehalten.

Im Frühjahr leben fie in den mittiern Alpengebirgen, wo ſie niſten; im Sommer beziehen ſie die hoͤhern Gebirgs⸗ Regionen, wo das Rindvieh nicht mehr hinkommt, fons dern wo ſich die Schaafheerden und die Gemſen aufhal⸗ ten, und im kalten Winter noͤthigt ſie der Hunger und die Kaͤlte ganz tief ins Gebirge herunter bis zu den Berg— haͤuſern, wie z. B. bis in die ſonnigen Dörfchen Quinten, Ammon u. ſ. w. herabzufliegen. 4

Merkwuͤrdige Eigenſchaften.

Der Laͤmmergeyer hat alle Eigenſchaften grimmiger, grauſamer und furchtbarer Raubvoͤgel. Schnabel und Krallen find fuͤrchterlich anzuſehen; der Korper iſt unters‘ ſetzt; die Fluͤgel und. Beine ſind ſtark; die Knochen feſt; das Fleiſch und die Muskeln zaͤhe und hart; und die Stellung mit geradem Koͤrper, etwas eingezogenem Halſe,

a SE oe Ke

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und in die Höhe gerichtete Kopfe ſo, daß ich uͤberhaupt in Anſehung der aͤußern Form durchaus nichts plumpes und unedel geſtaltetes an ihm wahrnehme. Ahndet er ei⸗ nen Feind in der Naͤhe, fo dehnt er feinen Hals duseinans der, und ſchwingt ſich dann plößlich in die Höhe, Wenn ſie ſich auf den Boden niederlaſſen, oder wenn fie von dem Boden auffliegen, ſo entſteht ein Geraͤuſch durch die Luft, wie von einem niederſinkenden Blättervols len Baume; ſchlaͤgt man nur mit einer einzelnen ausge⸗

riſſenen Schwungfeder um ſich her, fo kann man ſich da-

von ſogleich uͤberzeugen und ihre Schwungkraft bewuns dern. Noch mehr als die Adler beſitzen die Laͤm⸗ mergeyer die Fertigkeit ſich ſo hoch in die Luft zu erhe⸗ ben, daß ein ſcharfes Menſchenauge ſie kaum mehr be⸗ merkt, und doch ungeachtet deſſen entgeht ihrem ſcharfen

Blicke, den kein Vogel⸗Auge in einem fo hohen Grade b&

ſitzt, die Gemſe oder das Lamm nicht, das in der Tiefe weidet, und ihre Raubgierde reitzt. Im Fluge laſſen fie ein langes durchdringendes Pfiyyy! Pfiyyy! von ſich Hören, das den meiſten beſiederten und vierfuͤßigen A ven⸗ thieren die Nähe ihres Feindes ankuͤndigt, und fie ſchon zum voraus mit Furcht und Schrecken erfüllt.

Der Laͤmmergeyer it Tyrannen gleich gar nicht geſellſchaftlich, ſondern lebt die Begattungszeit ausge— nommen meiſtens einzeln, das ſehr leicht zu erklaͤren ik. Eine Geſellſchaft, die nur aus einigen wenigen von dieſen Voͤgeln beſtünde, wuͤrde in kurzer Zeit den unge— heurſten Schaden anrichten, und dann gewiß dem 90 1 ſchen gefährlich werden. Nach der Ausfage der Ge ſenjaͤger ſollen fie ſich bisweilen zu Ende des ori auf den hoͤchſten Gebirgsgraͤthen (Rüden) in Geſellſch 0

gemeinen Adlers mehrfach verſammeln, fo daß ma

dann 10 bis 15 Stuͤck von beyden Arten in einem Kein en a N

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Kreiſe herumßiegen, auf den Felſenbloͤcken umſte ſe⸗ hen, und erbaͤrmlich gegen einander heulen hoͤren kann; ihr dumpfes Geſchrey ſoll alsdann dem Geheul eines großen Hundes ſehr aͤhnlich ſeyn wuuuu! wuuuu! wel ches die Jaͤger fuͤr einen untruͤglichen Vorboten von rauher und kalter Witterung halten.

Als ein blutduͤrſtiges Thier ſoll vorzüglich auch die ro⸗ the Farbe ſehr viel Anzuͤgliches fir dieſen Vogel haben, und ich erhielt mehrere voͤllig uͤbereinſtimmende Berichte aus

dem Berner Oberlande und aus Buͤndten, daß ſich Laͤmmer⸗

geyer auf Leute, die rothe Kleider trugen, herunterſtuͤrzten.

Derjenige, den der ſel. Hr. Doktor Amſtein in Zizers einige Jahre lebend unterhielt, beweist es hinreichend, daß er ſich jung ſehr leicht zaͤhmen laͤßt. So wie ſein Herr ſich zu ihm nahete, flog er ihm auf die Schultern, ſtreichelte ihm mit dem Schnabel die Backen, und ſtreckte alle Kral⸗ len jedesmal ſorgfaͤltig aus, damit er ihn nicht damit ver⸗ letze. Gegen Fremde war er fill, aber gar nicht zutraulich. Als der juͤngere Hr. Doktor Amſtein dieſen Vogel abbildete, und ihn auf den Boden neben ſich hinſetzte, ſo unterbrach er ihn häufig, flog zu ihm auf den Tiſch und auf feine Schultern und ſchmeichelte ihm. Er wurde meiſtens mit Knochen theils von rohem, theils von gekochtem Fleiſch gefüttert (ere ſteres war ihm lieber); die Knochen wurden auf die Groͤße einer Nuß und noch groͤßer zerhackt, und dann zerſtuͤckelte oder zermalmte er es wie Glas, und jeder, der es ſah, war unentſchieden: ob er mehr die Staͤrke des Schnabels, oder aber die verzehrende Kraft des Magenjaftes bewune dern ſollte. Defters verſchlang er aber auch große ½ Fuß lange Knochen unverſtuͤckelt, wobey es ſich dann bisweilen ereignete, daß wenn er ſchon mehrere Stuͤcke verſorgt, und den Magen bis an den Schlund hinauf angefüllt hatte, er dann noch ein Stuͤck nur bis auf die Haͤlfte hinunterſchluckte,

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und die andere Hälfte oft Stunden lange zum Schnabel hervorragen ließ, und dann ganz ſtille in dieſer Lage ſitzen blieb, bis das Ganze nach und nach den Rachen hinunter⸗ glitſchte. Schade, daß die Zeichnung, die ich von ihm beſitze, dieſen gefraͤßigen Nimmerſatt nicht in einer ſolchen drolligen Stellung vorſtellt! Vorgeworfene todte Voͤgel fraß er niemals.

Nahrung.

Unſer blutduͤrſtige Wuͤrger, der Laͤmmergeyer, naͤhrt ſich gewohnlich von lebendigen Thieren, welche die Alpen bewohnen, und namentlich von jungen und alten Gemſen, Ziegen und Schaafen, Murmelthieren u. dgl.

Die wirklich alten erwachſenen Gemſen mit ihren Jungen find eine wuͤrdige Beute fuͤr den fuͤrch⸗ terlichſten aller Vögel, und er bemaͤchtigt ſich dieſes unbe ſchreiblich ſchnellen und kraftvollen Thiers auf folgende aus⸗ gezeichnete Weiſe: Erblickt er eine einzelne Gemſe, fo fliegt er zuerſt in der Luft in einem Kreiſe über derſel⸗ ben hin und her, und ſtoͤßt darauf pfeilſchnell, nicht in ſenkrechter, ſondern in ſchiefer Richtung auf das Thier her— unter, ergreift es im Fluge mit feinen Krallen, und reißt es fliegend uͤber die Felſen hinaus, wobey er demſelben mit ſeinen Fluͤgeln, worin er ebenfalls eine ausgezeichnete Staͤrke beſizt, auch noch heftige Stoͤße verſezt; nach Dies ſem läßt er das Thier in den Abgrund fallen, fliegt zu dem⸗ ſelben hinunter, und verzehrt es dann, wobey er der Gemſe immer zuerſt mit dem Schnabel die Augen aus dem Kopfe reißt, dann den Bauch öffnet und die edlern Eingeweide herausfrißt, und erſt nach dieſem den ubrigen Korper zer» fleiſcht. Was er in einem Tage nicht auffrißt, das ge⸗ nießt er die folgenden Tage ſicher. Dieſe Nachrichten find zuverlaͤßig, da ich fie von Jaͤgern erfuhr, die Ooiges

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nicht nur ſelbſt beobachteten, ſondern ſich einigemal ſchon der Gemſen bemaͤchtigt hatten, die von dieſem gewaltigen Feinde heruntergeſtuͤrzt wurden; ia ſogar Geyer auf ſol— chen Gemſen ſchießen konnten. Der Laͤmmergeyer kann ſich uͤbrigens nur der einzeln ſtehenden Gemſen, auf die er ſich blitzſchnell und unverſehens herabſtuͤrzt, bemaͤchti⸗ gen; find mehrere Gemſen beyſammen, und wit⸗ tern fie ein ſolch gefluͤgeltes Raubthier in der Nähe, fo fprins gen ſie alle aͤngſtlich zuſammen, ſchließen ihre Jungen in ihre Mitte, und bewegen ſich unaufhoͤrlich in einem Ring herum; und auf dieſe Weiſe ſollen ſie ſich gegen jeden An⸗ griff ſichern. Die jungen Gemſen verzehrt er ent weder auf der Stelle, wo er auf ſie ſtoͤßt, oder aber er trägt fie in den Klauen durch die Luft, an einen ihm ges legenen ſichern Ort.

Vorzuͤglich den jungen und halberwachſenen ö

Laͤmmern und Ziegen iſt er ſehr aufſaͤtzig, daher die Aelpler ſelten ein Lamm lebend erhalten koͤnnen, das auf der Alp geworfen wird, indem diejenigen, welche den Rach⸗ ſtellungen der Fuͤchſe entgehen, ſicher eine Beute des Laͤm⸗ mer⸗ oder Schaafgeyers werden, der alſo dieſen Namen

mit Recht traͤgt. Auch in denjenigen Bergdoͤrfern, die

am Abhange eines Gebirges liegen, wie z. B. in Ammon, Quinten u. dgl. am Wallenſtatterſee, wo der Schnee im— mer wieder ſchnell wegſchmilzt, und wo man daher die Ziegen mit ihren Jungen in das Gebuͤſch treibt, damit ſie daſelbſt ihre Nahrung finden, werden alljaͤhrlich des Fruͤh⸗

lings bey Dutzenden vorzuͤglich Junge getoͤdtet und aufge⸗

zehrt. Ich kenne einzelne Bauern, die bey Bethlis und Quinten auf dieſe Weiſe in Einer Woche s bis 8 Zickgen verloren haben. {

Siöft der Laͤmmergeyer von ungefähr auf ein junges Kalb oder auf ein fettes Schweinchen, fo laͤßt er fi; duch dieſes un Abwechslung herrlich ſchmecken.

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Ich kenne auch fehr viele Beyfpiele, die mich davon überzeugen? daß feine Raubbegierde durch den Anblick eis nes Hundes ſeyr gereizt wird, und daß er dieſelben uns ter die beſſern Gerichte feiner Tafel zählt,

Alpen-Haaſen, Fuͤchſe, Murmelthiere und

die verſchiedenen Berghuͤhner-Arten ſind ihm ebenfalls eine willkommne Beute. Ein auffallendes Beyſpiel von der unbegraͤnzten Kuͤhn⸗ heit dieſes befiederten Raubthiers vernahm ich letzthin von einem glaubwuͤrdigen Augenzeugen aus Buͤndten, der es vor einigen Jahren auf einer hohen Alp ſelbſt beobachtete, daß ſich ein Laͤmmergeyer alle nur moͤgliche Muͤhe gab, ei— nen Ochſen uͤber eine Anhoͤhe hinunterzuſtuͤrzen, mehr als eine Stunde lang uͤber ihm im Kreiſe herumſchwebte, und einige Mal auf ihn herunterſtuͤtzte. Seine Mühe war zwar vergeblich; aber an Feſtigkeit des Willens fehlte es ihm doch nicht!

In Zeiten der Hungersnoth und Kaͤlte verachtet er auch das Aas nicht, und wird deswegen, beſonders des Wins ters, nicht felten durch die Lockſpeiſe gefangen. Vorzuͤglich durch Rinderblut, das man auf den Schnee ſchuͤttet, kann man ihn, ſo wie alle Raubvoͤgel, ſehr leicht anlocken.

Er trinkt auch bisweilen Waſſer, ſowohl in ſeiner Freyheit, als aber vorzuͤglich auch in ſeiner Gefangenſchaft, und benimmt ſich dabey völlig wie die Huͤhnerarten.

Daß der Laͤmmergeyer auch Tannenknoſpen freſſe, wie Hr. von Bonnſtetten verſichert “), ſcheint mir zwar nicht unmoͤglich zu ſeyn, allein ich erhielt dafuͤr keine Belege.

Daß dieſer Vogel im gefangenen Zuſtande alles, was man ihm von Saͤugthieren vorlegt, Todtes und Lebendes, Rohes und Geſottenes, Knochen und Fleiſch, Haut und

*) S. Briefe über ein ſchweizeriſches Hirtenland. S. 36.

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Haar verſchlinge, zeigte ich ſchon oben. Einer meiner Freunde ſah, wie man einem Vogel dieſer Art in Genf eine lebende Katze zuwarf, die er ſogleich mit dem einen Fuße oben auf dem Kopfe pakte, ihr die Augen und den Schädel zerdruͤckte, und dieſelbe darauf in wenigen Minus ten in Stuͤcke zerrieß und mit Haut und Haar verſchlang. Da unſer Vogel ſehr kurze Beine und aͤußerſt weite Flü« gel hat, ſo erhebt er ſich, ſelbſt ohne Beute, mit Muͤhe von der Erde in die Luft, und muß ſich daher immer zuerſt durch ein Paar Spruͤnge uͤber der Erde helfen; wuͤrde man daher ſogleich auf der Stelle ſeyn, wo ſie ſich mit Hitze auf einen kleinen Raub herunterſtuͤrzen, ſo koͤnnte man ſie todt ſchlagen; allein eben aus dieſer Urſache bedient er ſich des Vortheils, daß er ſich immer in ſchiefer Richtung auf feie nen Raub herunterſchwingt, und in dieſem Zuſtande iſt er dann, ohne niederzuſitzen, im Stande, eine ſchwere Beute mit ſich in der Luft wegzutragen. So iſt z. B. vor ei⸗ nigen Jahren auf der Muͤrtſchen⸗Alp im Glarnerlande ein Laͤmmergeyer auf einen jungen Fleiſcherhund herunter⸗ geſtuͤrzt, und trug ihn vor den Augen des Eigenthuͤmers und der Sennen auf einen nahe gelegenen Felſenabſatz, wo er ihn auch verzehrte. Zu Ennetmoos in Unterwalden, un⸗ weit dem ſogenannten Drachenloch, ſah man einen ſolchen Laͤmmergeyer mit einem lebenden Fuchs in den Krallen durch die Luft fliegen. Dieſer biß ihn aber ſo heftig in den Hals, daß er todt zur Erde niederſtuͤrzte und der Fuchs davon laufen konnte. Der Vogel wog 9 Pfund ). Ein glaubwuͤrdiger Buͤndtner-Jaͤger verſicherte mich, neben ei⸗ nem Laͤmmergeyer-Neſt, das er auf einem kahlen Felfene abſatze entdeckte, und in dem ſich zwey wollige Junge be⸗

*) S. Monatliche Nachrichten ſchweizerſcher Neuheiten 1783. S. 149. b

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fanden, ein ganzes todtes Schaaf angetroffen zu haben, aus dem nur hinten am Unterleibe etwas Weniges weggefreſſen wer; und es iſt hinreichend erwiefene Thatſache, daß Dies ſer Vogel nicht ſelten 20 Pfund ſchwere Buͤndtner-Schaͤf⸗ chen mit ſich in der Luft wegtraͤgt, wenn ſie einzeln ſtehen, und er fie liegend von der Erde heben kann ). Ein Glarner⸗Jaͤger bekam einmal eine 15 Pfund ſchwere ges toͤdtete Ziege, die ein Laͤmmergeyer aus Furcht vor feis ner Nabe aus der Luft herunterfallen ließ; und einem endern Glarner-Jaͤger auf Sool hatte einſt ein ſolcher Vo⸗ gel eine 27 Pfund ſchwere Eiſenfalle, in der er wahrſchein— lich an den Fuͤßen haͤngen blieb, auf ein hohes gegenübers. ſtehendes Gebirg getragen, nachdem er ſie vorher noch mit einer ungeheuern Anſtrengung aus einem Holze, in dem die Falle befeſtiget war, herausgeriſſen hatte. Er fand ſie erſt im folgenden Jahre von ungefaͤhr, und bemerkte keine Spur vom Vogel daran *). Die Art, wie unſer Held die groͤßern Knochen zerſtückelt und zur Mahlzeit zubereitet, iſt ebenfalls recht merkwuͤrdig,

) Enfat bemerkt: daß zu Morſach im Canton Schwyz ein Geyer auf ein Schaaf geſtoßen, und ſich in ſeiner Wolle verwickelt habe, ohne daß er ſtark genug war, es mit ſich in die Luft hinaufzutragen, oder es zu toͤdten. Das Schaaf ſey darauf mit dem auf ihm ſitzenden Feinde der Sennhuͤtte zugelaufen, und dieſer von den Aelplern daſelbſt erſchlagen worden. g

*) Ergreift die Tellerfalle den Laͤmmergeyer nicht beym Beine, ſondern nur bey den Zehen, fo laͤßt er dieſe eher zurucke, als daß er ſich gefangen giebt. Ich beſitze in meiner Samm- lung einen ſehr ſchoͤnen ausgeſtopften Vogel der Art, der am einen Fuße ganz verkruͤppelte Zehen hat, und an deſſen mittleren Zehe die Kralle ganz mangelt, und dieſes alles wahrſcheinlich auch einer Eiſenfalle zu verdanken hatte.

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und verdient hier auch noch Erwaͤhnung; er fliegt naͤmlich mit einem ſolchen Knochenſtuͤcke hoch in die Luft, und lägt ihn dann auf die Felſen heruntecfallen, daß er zerbricht und zerſplittert. Mein Gewaͤhrsmann verſicherte mich dieß oͤfters, fo wie einmal Nachſtehendes geſehen zu haben, daß ein Laͤmmergeyer einen Kaibskopf mehr als 16 Mal aus der Luft herabſchleuderte, bis er in kleine Stuͤcke zerfiel und für ihn genießbar war ). Aus dieſem Grunde kann ich es mir erklaͤren, warum ich die Nachricht: „Daß tes „ben und in ihren Neſtern aller Orten Knochen und Ge⸗ „tippe von getoͤdteten Thieren liegen“ von keinem Ja⸗ ger beftätigen hörte. Wegen dem Verſchlingen der Kno⸗ chen koͤnnte man ihn auch mit Recht den Ossifragum nennen. 5

Ob wohl der kuͤhne Laͤmmergeyer auch die Verwegenheit habe, den Menſchen anzufallen und zu tödten? Spruͤngli laͤugnet zwar die Mög lichkeit nicht, doch ſagt er: nach aller angewandten Muͤhe nur ein einziges zuverlaͤßiges Beyſpiel darüber aufzubrin⸗ gen, ſey es ihm dennoch unmoͤglich geweſen, und immer nur als ein bloßes von den Alpbewohnern erfundenes Maͤhrchen, ihre Kinder damit zu erſchrecken, erſchienen. Mir hinge⸗ gen ſcheinen die vielen ſchriftlichen und muͤndlichen Nach⸗ richten, die beweiſen: daß, obwohl hoͤchſt ſelten, auch ſchon der Fall eingetreten ſeye, wo Menſchen ein Opfer der Raub⸗ begierde dieſes Raubthiers wurden von einer ſolchen Art zu ſeyn, daß man dieſe Wahrheit unmoͤglich laͤnger be⸗

*) Cyſat hörte etwas Aehnliches; er ſagt nämlich: „Hs. Zim⸗ „mermann aus Weggis hat mir gezeigt, wo die Geyer in „dem Rigi ihre Wohnung haben, und dabey bezeuget, daß „er einen ſolchen Vogel geſehen ein groß Bein auf einen „Stein herabfallen laſſen, daß es zerbrochen, daruͤber der „Vogel hinabkommen, und die Stuͤcker gefreſſen.“

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zweifeln kann. Da es dem Muth und der Verwegenheit unſers Helden gleichſam noch die Krone aufſezt, wenn er es wagt, ſogar mit dem Menſchen einen Zweykampf zu beſtehen, ſo verdienen nachſtehende Thatſachen, zur Vervoll⸗ ſtaͤndigung feiner Naturgeſchichte, hier auch noch eine Stelle.

Thomas Platter erzaͤhlt in ſeiner Jugendgeſchichte, daß er als Ziegenhirte ein Paar Mal in Gefahr geweſen ſey, von einem ſolchen Vogel angegriffen und weggetragen zu werden ).

Ramond ſagt *): Vor an Jahren pakte ein Laͤmmergeyer ein dreyjaͤhriges Kind an, welches er wegge— tragen haͤtte, wenn nicht auf deſſen Angſtgeſchrey der Vater mit einem Pruͤgel herbeygeeilt wäre und den Räuber ges toͤdtet hatte.

Hr. Doctor Zellweger berichtet *): daß vor einiger Zeit ein ſolcher Vogel zu Hundweil ein Kind im Angeſichte ſeiner Eltern, welche auf dem Felde geardeitet, von der Erde aufgehoben und weggetragen habe, das jezt noch le— bende alte Leute als eine wirkliche Thatſache auch muͤndlich erzaͤhlen.

Ein anderer wahrhaft komiſcher Vorfall ereignete ſich vor 20 Jahren in Schuders, einem Dorfe zwey Stun⸗ den ob Schiers, in einer ziemlich wilden Gegend. Ein Bauer daſelbſt, Namens Schamaun Keßler, hatte des Fruͤhlings auf dem ſchon vom Schnee beſreyten Boden fein Vieh zur Traͤnke gefuͤhrt. Ein Steingeyer ſtuͤrzte unverſe⸗

*) S. Helvetiſcher Calender, Zuͤr. 1790. S. 51. und 58.

) Ramonds Anmerkungen und Zuſaͤtze zu Coxe's Briefen im Schweizeriſchen Mufeg 1. e.; und Dictionnaire d’hist. naturelle, Mot Aigle.

) S. Abhandlungen der Naturforſchenden Geſellſch. in Zürich,

II. 349.

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hens aus der Luft auf feinen etwa einjährigen Bock, und verſuchte ihn wegzutragen. Der Eigenthümer wollte ſich das nicht gefallen laſſen, ſchlug gegen ihn, und wurde mit ihm handgemeng. Allein der Vogel wandte nun ſeine Waf— fen gegen den Bauer, und ſchlug ihn endlich aus dem Felde, ſo daß der Bauer ſein Heil in der Flucht ſuchen und ſeinen Bock Preiß geben mußte. Siegreich flog nun der Laͤmmergeyer wieder auf den Bock zurück, hob ihn triumphirend vor den Augen ſeines Eigenthuͤmers in die Luft, und verſchwand mit demſelben im Gebirge. Seit— her wird jener Mann gemeiniglich nur das Geyrens maͤndli genennt.

Am deutlichſten wird meine Behauptung durch nachſte— hende traurige Thatſache bewieſen. Im Jahr 1778. wur⸗ de auf der Silbern Alp im Kanton Schwyz ein Hirtenbube, der auf einem hervorſtehenden Felſenkopf ſaß, und das Vieh bütete, unverſehens durch einen Laͤmmergeyer heruntergeſtuͤrzt, von ihm angefreſſen und von den Sennen dabey verjagt, weswegen man an den Ort, wo der Junge geſeſſen, und unten, wo fein Körper hinſiel, ein Kreuz hin⸗ ſteckte, welche in den neunziger Jahren noch geftanden find, Ein Freund, der die Ueberbleibſel des verungluͤckten Koͤr⸗ pers geſehen, und die naͤhern Umſtaͤnde von den Sennen, die Augenzeugen davon waren, auf der Alp ſelbſt vernom⸗ men, buͤrgt mir fuͤr die Wahrheit dieſes Vorfalls.

Fortpflanzung.

Alle bisherigen Naturforſcher behaupten, daß der Laͤm⸗ mergeyer in Felſenhohlen niſte, wohin kein Menſch kom⸗ men koͤnne, und daher ſey es unmöglich, umſtaͤndliche Nachrichten uͤber die Art ſeiner Fortpflanzung zu geben. In Nachſtehendem iſt das Reſultat meiner bisherigen Nach⸗ fragen enthalten.

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Der Laͤmmergeyer horſtet nicht in Felſenhoͤhlen, wohin kein Menſch kommen kann, ſondern im Mittelgebirge auf entlegenen ſteilen Felſenabſaͤtzen, die nur der kuͤhne Gemſen— jaͤger oder Aelpler mit großer Gefahr erklettern kaun. Ihr Neſt hat etliche Fuß im Umfange. Ganz unten beſteht es aus ein Paar Lagen kreuzweiſe übereinander gelegter Holz bengel; über dieſes koramt dann eine Menge altes Heu oder Stroh zu liegen; und erſt auf dieſem Fundamente ruht das eigentliche in die Runde gezogene Neſt, das von ferne einem runden u. ahnlich ſieht. Dieſes beſteht zu als lererſt aus zarten ineinandergeſteckten und geflochtenen Staus den, nach dieſem werden ſie mit Moos und Heu und zulezt erſt noch mit ihren eigenen Flaumfedern ausgefuͤttert. Die— ſes ſchoͤngebaute Neſt iſt fo geräumig, daß die Alten mit den Jungen bequem darin ſitzen koͤnnen, deswegen ſich nie⸗ mand daruͤber verwundern wird, wenn ich ſage: daß nur das obere runde Neſt, ohne ſein Fundament, mehr als ein großes Heutuch anfuͤllen würde. In dieſes Neſt legt das Weibchen 3 bis 7 Eyer, die noch etwas größer als Gaͤnſe⸗Eyer, weiß und braun gefteckt ind; allein es wer⸗ den davon nicht mehr als 2, 3 bis hoͤchſtens 4 Stuͤck aus⸗ gebruͤtet, die andern find unbefruchtete ſogenannte Wind⸗ eyer.

Es iſt ſehr merkwuͤrdig, daß unſer Laͤmmergeyer aufs ſerordentlich frühe brütet. Hr. Profeſſor Meisner in Bern zergliederte zu Anfange des Hornungs dieſes Jahrs einen ſolchen friſchgetoͤdteten Vogel, in welchem er ein vollkom— men zum Legen reifes Ey fand; daſſelbe iſt dey weitem groͤßer als ein Gaͤnſeey, ſehr laͤnglich und ganz weiß, (die Farbe hätte ſich gewiß noch geändert) ; die Schale iſt rauh, wie Chagrin anzufuͤhlen. Zur Beſtaͤtigung deſſen bemer⸗ ke ich noch, daß dieſe Vögel frühe im Fruͤhlinge wahr⸗ ſcheinlich um der Jungen willen den jungen Ziegen in

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Berggegenden weit am aufſaͤtzigſten find, und daß ein altes Maͤnnchen, das ich im Hornung öffnete, aͤußerſt ange— ſchwollene Teſtickel von der Groͤße wie Turteltauben⸗Eyer enthielte. ö

Die Jungen ſehen im Anfange unproportioniert aus, haben unfoͤrmliche Koͤpfe und Baͤuche, und ſind ganz mit weißem Flaum bedeckt; allein wie ihr Gefieder vor der er— ſten Mauſezeit ausſieht, habe bis jetzo noch nicht erfahren koͤnnen.

Die Eltern ſind fuͤr die Jungen ſehr 3 und wi⸗ derſetzen ſich dem, der ihnen dieſelben rauben will, mit Un⸗ geſtuͤm. Hievon zeugen folgende Belege:

Vor einigen Jahren entdeckte ein Harzer auf einem kah⸗ len Felſen im glarneriſchen Freyberge ein Laͤmmergeyer⸗ Neſt. Nachdem er mit großer Anſtrengung die Stelle, worauf es ſaß, erklettert hatte, fand er zwey halbficke Junge in demſelben, die gerade ein Eichhoͤrnchen verbiſſen hatten und mit Haut und Haar verſpeisten. Er band ſie an den Fuͤßen und Fluͤgeln zuſammen, haͤngte ſie an dem Ruͤcken herunter, und kehrte ſeinen Weg behutſam wieder zuruͤck. Allein ſogleich wurden die Alten durch das Geſchrey der Jungen herbeygelockt, und da fie den Diebſtahl ent> deckten, flogen ſie wuͤthend um den Mann und ihre Jun⸗ gen herum, und drohten alle Augenblicke ihn anzupacken, das auch gewiß geſchehen waͤre, wuͤrde er ſich nicht mit feiner Holzart unaufhoͤrlich gegen fie vertheidigt haben. Vier Stunden lange, bis in das Dorf Schwanden, ver⸗ folgten ſie ihn anhaltend.

Endlich führe ich noch ein Beyſpiel an, das ebenſowohl von der Kuͤhnheit des Jaͤgers, als aber von der Beherzheit des Laͤmmergeyers zeuget. Joſeph Scherer bey Am⸗ mon am Wallenſtatterſee wohnhaft, ein beruͤhmter Gemſenjaͤger, kletterte, mit feinem Jagdfintchen, das an

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feiner Achſel hieng, und ohne Schuhe und Strümpfe, um ſich mit den Zehen beſſer an die kurzen Felsvorſprünge hal— ten zu koͤnnen, auf einen Felſen hin, auf dem ein Laͤmmer— geyer⸗Neſt mit Jungen ſaß, nachdem er vorher das Maͤnn— chen mit einem Schuße getoͤdtet hatte. Er traf darauf vier unausgewachſene Junge im Neſte an, befand ſich aber ſo— gleich, als er oben war, in der allergroͤßten Verlegenheit; die Mutter von den Jungen ſtuͤrzte naͤmlich wuͤthend, wie eine Furie, auf ihn herunter, pakte ihn mit ihren ſcharfen Krallen um die Lenden herum, verwundete mit dem ſchnei— denden Schnabel ſeinen Arm, ſchlug mit ſeinen gewaltigen Fluͤgelknochen um ſich, und ſuchte ihn uͤberhaupt aus dem Gleichgewichte zu bringen, und über den Felſen berunters zuſtuͤrzen. Allein ungeachtet dieſer ſonderbaren Bewillkom⸗ mungsweiſe kam unſer Jaͤger dennoch nicht aus der Faf ſung; er ſtemmte ſich mit aller Gewalt recht feſt an die Felſenwand an, ſetzte mit der freyen Hand den Flintenlauf dem Vogel auf das Herz, ſpannte mit den Zehen ſeines nakten Fußes den Hahn, druͤckte denſelben auf eine aͤhnli— che Weiſe ab, und toͤdtete auf dieſe Weiſe feinen erbitter⸗ ten Feind der ihn auf dem einen Arme fo blutig verwun⸗ det hatte, daß er mir die Narbe ſeiner damaligen Wunde jezt noch zeigen konnte, obſchon ſeitdem ein Jahrzehend verfioffen iſt. Er trug darauf die alten und die jungen Raubvoͤgel nach Schennis, und bekam dafür vom damali— gen Untervogte 8 ½/ Gulden Schußgeld aus der oͤffentli⸗ chen Caſſe.

Feinde.

Der Laͤmmergeyer hat, neben dem Menſchen, wenig Feinde, weil er allen Thieren zu gewaltig iſt.

N Er iſt voll von einer Milbenart und von den Zangen—

laͤuſen, ſo wie dieß bey dem gemeinen Adler auch der Fall iſt.

x 1

206 x

Das was Ramond von den Verfolgungen der Ras ben, welche unſer Vogel auszuſtehen habe mehr ſchoͤn ſagt, als aber naturhiſtoriſch wahr erzählt, läßt fich eins zig auf die Huͤhner- und Gabelweihen anwenden.

Jagd und Fang.

Sie werden theils geſchoßen, theils im Winter und Frühling eben fo haͤuſig in eiſernen Fuchs fallen gefangen. Sie bleiben alsdann gewoͤhnlich nur an einem Fuße in der Falle haͤngen, und koͤnnen daher oͤfters wieder geheilt, und lebend in entfernte Laͤnder zur Schau herumgetragen werden. Rinderblut oder geroͤſtetes Fuchsfteiſch lockt ſie einige Stunden weit her.

Verordnungen fuͤr die Ausrottung des Laͤmmergeyers ſind wenige in der Schweiz bekannt. Wer irgend einen Raubvogel geſchoßen hatte, erhielt bisher im Glarnerlande 30 Kreuzer Schußgeld, und vorhin vor der Revolution im Gaſterland 20 Batzen. Gegenwaͤrtig iſt im ganzen Canton St. Gallen durch einen Regierungsbeſchluß auf jeden Bergadler oder Laͤmmergeyer, der im Canton ge

ſchoßen wird, eine Belohnung von 4 Franken geſezt ).

Ramond ſagt: im alten Canton Bern ſey von unſerm Vogel 1 Louisd'or Schufgeld, bezahlt worden; nach Berich⸗ ten, die ich aus Bern erhielt, beſtand es in 15 Cronen oder in 37 / Franken.

Der Schaden dieſes gewaltigen Raͤubers ergiebt ſich aus ſeiner Nahrung. Sein Nutzen.

Neben dem Schußgelde kann der Jaͤger die Schwung⸗ federn‘, als koͤſtliche Schreibfedern, theuer verkaufen.

*) S. St. Galliſches Cantons blatt 1803. II Heft. S. 120 121.

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Wird ein ſolcher Vogel nur verwundet gefangen, und nachher wieder geheilt, ſo wird er oft in den entfernteſten Laͤndern herumgetragen, ſo daß mancher damit ſein Brod verdient. Iſt er todt, fo wird er bisweilen an Natur- forſcher unverriſſen für 2 bis 3 Thaler verkauft, um aus⸗ gebaͤlgt im Naturalien-Cabinete aufbewahrt zu werden. Im Glarner» und Buͤndtnerlande tragen arme Kinder dieſe oder auch kleinere Raubvoͤgel von Haus zu Haus, und for⸗ dern ein kleines Schußgeld. In Buͤndten geben ihnen x

die Bauern alsdann auch Wolle zur Belohnung, weil ein ſo grimmiger Feind ihrer Schaafe getoͤdtet wurde.

Naturhiſtoriſche Irrthuͤmer.

Bechſtein irrt ſich unſtreitig ſehr, da er einen wollt: gen Kopf als charakteriſtiſch bey dieſem Vogel angiebt; ſo wie er ihn eben ſo unrichtig unter die Adler als unter die Geyer ſetzte. >

Buͤffon verwechſelt ihn faͤlſchlich mit dem Condor.

Es iſt ferners falſch: daß er in unzugaͤnglichen Felſen⸗ hoͤhlen niſte und weiße Eyer lege.

Eben fo iſt die Angabe zu übertrieben, wo man ihm eine Flügelweite von 15 1s Fuß zuſchreibt.

Altmann irrt ſich auch ſehr, wenn er ſagt: „Ihre Hoͤh⸗ len, in denen fie ſich aufhalten, ſeyen von den Gebeinen zerriſſener Thiere ganz angefuͤlt.“ Er frißt die Knochen 0 eben fo gerne als das Fleiſch. 1

208 | TRA LA EU BUS

S. Gmelin Syst. Nat, Linn. ed. XIII. T. II. P- 74% Sp. 4.

Benennung.

Im Canton Bern, Glarus, Appenzell: Schnee⸗ huhn, Wildhuhn, Steinhuhn; im Gaſter bey Ammon auch Schneegans; in Luzern Schratt— huhn (weil es dort das Schrattengebirg bewohnt); in Buͤndten mehr Weißhuhn als Steinhuhn.

it ter at e . a. Schweizeriſche. Conrad: Gefsneri historia avium. p. 554 557. De Lagopede. Die deutſche Ueberſetzung S. 450 - 453. von dem Schneehuhn. Seine Beſchreibung von dieſem Vogel iſt ganz richtig. Stumpf Schweizerchronik. Bl. S. DLXII. Unbe⸗ deutend. Joh. Jac. Wagneri historia nat. hel. curiosa. p. 200 202. Kurz aber meiſtens richtig. Heigelin Briefe uͤber Buͤndten. Stuttgardt. 1793. S. 201 204. Sehr leſens- und benutzenswerth.

b. Aus laͤndiſche Litteratur.

Die nichtſchweizeriſchen Ornithologen kannten die Na⸗ turgeſchichte dieſes Vogels gar nicht, und in ihren Beſchrei⸗ bungen von der Farbe ſeines Gefieders herrſcht hin und wieder noch manches Unrichtige.

Friſch Vogel Deutſchlands. 110 und 11 1e Platte. Man wundert ſich mit Recht, daß Friſch es nicht wußte,

509 daß unſer weißes Schneehuhn des Sommers ein buntes „Gefieder erhält.

Buffon planch: enlum. 129: 494, La 1 Die Ueberſetzung von Martini. V. Band. S. 101 114. Das Schneehuhn.

5 Bechſteins gemeinnützige Naturgeſchichte Deutſch⸗ lands. III. sog, Das Schneehuhn.

Bechſteins ornithologiſches Taſchenbuch. 239 240, Das haſenfuͤßige Waldhuhn.

Goͤtze's europaͤiſche Fauna. V. ze Abtheil. S. ie Das Schneehuhn.

Phyſikoteleologiſche Betrachtungen uͤber die weißen 98 fen in Lieffand von Fr. Chr. Jetze. Luͤbeck 1749, worin er auch einiges Leſenswerthes uͤber das Moraſthuhn das eden unſer Schneehuhn iſt bemerkt.

Donndorffs zoologifche Beytraͤge. II. 95 99.

Kennzeichen der Art.

Die ſechs erſten Schwungfedern haben ſchwarze Schaͤf— te / und die Schwanzfedern find ebenfalls ſchwarz, mit

groͤßern oder kleinern weißen Spitzen.

Beſchreibung.

Es hat die Große einer gemeinen Taube und das Anſehen und die Geſtalt eines Haſelhuhns. Seine Länge it 13 17, und feine Breite 22 28 Zoll. Der Schwanz it 4 ½ 5 Zoll lang, und die zu⸗ ſammengelegten Flügel reichen ſtark dis an feine Mitte. Dieſer Vogel iſt nach Proportion ſeiner Große ſehr ſchwer, und wiegt 24, 26 bis 33 Loth.

Der Schnabel iſt kurz und dick, kaum 4 Linien lang, deſſen obere Hälfte ſtark gebogen, der obere und wntere

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Theil aber von glänzend ſchwarzer Farbe. Die Berge haſenartigen Beine find 1 Zoll 4 Linien hoch, und uͤber die Zehen herab bis an die Naͤgel ſtark mit zarten haarartigen Federn bedeckt. Die mittlere Zehe mißt 1 Zoll 3 Linien, wovon der lange Nagel s Linien aus⸗ macht, und die hintere, welche hinten an den beſiederten Fuͤßen ganz verſteckt iſt, und deynahe nur aus dem Nagel beſteht, kaum x ½ Linien lang. Die Nägel find ſchwarzblau, breit, an beyden Seiten ſcharf, rinnenfoͤr— mig und hohl, die ſtumpf auslaufen, und zum Scharren in dem Schnee und in der Erde ſehr geſchickt ſind.

Dia dieſer Vogel alle Herbſt und Frühling eine neue Kleidung bekommt, ſo beſchreibe ich zuerſt ſein Ausſehen:

Im Sommer.

Ueber den Augen, die einen ſchwarzlich blauen Augenring haben, befindet ſich ein gelblich rother warziger in die Queer laufender halbzoll langer Fleck, in Geſtalt der Augenbraunen, und eine kurz befiederte weiße Schlafhaut umgiebt die Augen. Die Farben⸗ miſchung ihrer Federn veraͤndert ſich beynahe in jedem Fruͤhlings⸗ Sommer- und Herbſtmonate. Vorzüglich zu Anfange des Sommers und Winters, wo ſie noch nicht alle alten Federn verloren und die neuen noch nicht ihre voͤllige Groͤße erreicht haben, ſieht ihre Farbe ſehr bunt⸗ ſcheckig aus, und daher kommen auch die ſo verſchiedenen Beſchreibungen; in der Mitte des Sommers hingegen find . die Federn in ihrem ausgewachſenen Zuſtande. Auf dem Kopfe ſpielen bey beyden Geſchlechtern hellgelbe un⸗ ter einem ſtumpfen Winkel am Kiele zuſammenlaufende und ſchichtenweiſe hintereinander gereihte Linien, die ſich zuletzt in grauen Flaum verlieren. Auf den Backen ſind dieſe Federchen grauſchwarz und blaßgelb. Die

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Kehle iſt weißlich. Hals, Rüden, Schultern, die hintern Deckfedern der Flügel, und die obern Deckfedern des Schwanzes ſind mit breitern und ſchmaͤlern ſchwarzen, roſtfarbenen, aſchgrauen mit etwas weiß untermiſchten Baͤndern beſetzt, wobey einige mehr ſchwarzes, andere mehr hellroſtfarbenes haben. Die Fluͤ— gel, der Bauch, der After, und die untern Deck— federn des Schwanzes ſind weiß. Die Fahnen der 4 bis 12 erſten Schwungfedern find ſchwarz mit groͤßern oder kleinern, oder auch mit gar keinen weißen Endſpitzen, und die erſte bis ſechste von denſelben ſind kuͤrzer als die uͤbrigen, nur bey einigen wenigen finde ich in der Mitte des Schwanzes ı oder 2 weiße, oder weiß und roſtfarben und ſchwarzgeſſeckte Federn; er iſt kurz; abgeſtumpft, beſteht aus 14 Federn, auf welchem s brauns ſchwarze, durch graugelbe Linien unterbrochene Federn ru— hen; die Schenkel, Fuͤß e und Zehen find ſtark, weiß, und letztere bis auf die Nägel ſtark haarfoͤrmig beſiedert.

Bey dem Weibchen iſt der gelblich rothe warzige Fleck uͤber den Augen merklich kleiner und blaͤſſer, ſo wie ſeine uͤbrige Geſtalt ein bißchen kleiner als die des-Maͤnn⸗ chens iſt; auch find die ſchwarzen und roſtfarbigen Baͤn⸗ der nicht ſo groß, ſondern die Federn find am ganzen Koͤr⸗ per, alſo auch an der Kehle, am Bauche und unter dem Schwanze mehr aſchgrau.

Die ſchwarzen Zügel. fehlen im Sommer beyden Ges ſchlechtern.

Im Winter verändert das Schneehuhn feine Farbe ganz, und wird weiß, bis auf die Schwanzfedern, die ſchwarz find, einzig an der Wurzel und der Spitze weiß ge⸗ ſaͤumt, ausgenommen, die 3 4 mittelſten, die weiß git.

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ben, auch behalten die 4 10 erſten Schwungfedern die ſchwarzen Schaͤfte, und vom Schnabel bis zu den Augen ſtehen ſchwarze Zügel. Sie mauſern ſich alle Jahre zweymal, und bekommen dagegen neue weiße Fe⸗ dern, und dieſe Veränderung geht mit ihnen gerade zur gleichen Jahrszeit wie die Haarveraͤnderungen der Alpen Haaſen vor. Zu Anfange bis in die Mitte des Weinmo⸗ nats faͤllt ihnen ihr Sommerkleid aus, und aus der Wur⸗ zel einer jeden alten Feder ſproßt die Daunenfeder hervor, davon zum Schutz gegen die Kaͤlte eine jede doppelt iſt, ausgenommen die Flügel- und Schwanzfedern. Zu Ende des Weinmonats ſind ſie ſchon alle ohne Ausnahme weiß, je nachdem der Winter fruͤh oder ſpaͤth eintreffen will; ſo iſt es z. B. auch ſchon der Fall geweſen, daß man zu Ende des Augſtmonats ganz weiße Schneehuͤhner ge⸗ ſchoſſen hat, worauf dann aber ein fruͤher Winter folgte. Im Winter find ihre Füge und Zehen hauptſaͤchlich ſtark beſiedert, und haben daher ein ſehr dickes Ausſehen, fo daß ſie mit den Fuͤßen des weißen Alpenhaaſen aͤußerſt viele Aehnlichkeit haben. Von der Mitte des Aprils kommen die Sommerfedern zuerſt am Bauche und an der Bruſt, und dann am ganzen uͤbrigen Koͤrper in Geſtalt brauner Stoppeln, als die erſten Keime hervor, und dann wird jede Feder, der Jahrszeit angemeſſen nur einfach. Zu Anfange des Maymonats find alle Schneehuͤhner ſchon in ihrer Sommertracht.

Zergliederung. Der innere Bau unterſcheidet ſich durch nichts von den übrigen Berghuͤhner⸗Arten. Am Halſe ob der Bruſt haͤngt ebenfalls ein großer

haͤutiger Kropf herunter, und der Magen iſt der eigent⸗ liche muskuloͤſe Huͤhnermagen.

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Die Gedaͤrme find etwas über 4 Fuß lang; der Blind⸗ Darm iſt doppelt; die Leber vierlappig, und das Herz laͤnglich zugeſpitzt.

*

Beſondere Eigenſchaften.

Bey ſtarkem Nebelwetter, oder wenn die Witterung ab⸗ wechſeln, und Schnee oder Regen einfallen will, ſo gluck⸗ fen fie unaufhoͤrlich während des ganzen Tags kroͤgoͤgd oͤ⸗ groͤ! kroͤgoͤgoͤdgroͤ! und auch: oͤ⸗aͤb⸗goͤd! o⸗äd⸗ goͤd! Hingegen wenn fie ihre Jungen locken, oder eis nen Raubvogel erblicken, vor dem fie dieſelben warnen, fo; machen die Eltern mehr Gaͤ⸗gaͤ⸗gaggaͤaͤ! Wenn die Jaͤger dieſe letztern Toͤne nachmachen, ſo verhalten ſie mit den Fingern die Raſe. Wenn die Jungen den Alten rufen, ſo ſchreyen ſie Zip! Zip! Zip! Zip! das die Jaͤger eben⸗ falls nachahmen, wenn fie den Alten nachſtellen. Wenn man ſie aufjagt, ſo geben ſie keine Stimme von ſich.

Sie haben einen ſehr ſchnellen Gang und Flug, weil ſie aber ſchwer ſind und kurze Fluͤgel haben, ſo fliegen ſie gar nicht ſo hoch, und wenn es nicht kalte Witterung iſt, auch nicht weit weg, ſondern laſſen ſich in einer Entfer⸗ nung wieder auf den Raſen, oder zwiſchen Felſenſtuͤcken, oder in Steinriſſen nieder.

Bey neblichtem Wetter laufen ſie am meiſten auf dem Boden herum, und glauben ſich in dem Nebel vor allen feindlichen Nachſtellungen am ſicherſten; auch bey ſehr war⸗ mer Witterung und beym Sonnenſchein ſind ſie, wie alle übrigen wilden Hühnerarten ſehr zahm; hingegen je kaͤlter deſto wilder, aufmerkſamer und Menſchenſcheuer.

Ob ſich das Schneehuhn Gaͤnge in den Schnee ein⸗ grabe oder nicht: darüber find die Naturforſcher bisdahin ſtreitig geweſen, und ſelbſt die Angaben der Jaͤger weichen hierin von einander ab. So ſagte mir z. E. einer

214 N dieſer Vogel grabe ſich zu Anfange des Winters auf den

hohen Alpen in die ungeheuern Schneemaſſen ein, erſtarre und ſchlafe darin wie die Mur melthiere, und erwache gleich denſelben im Frühling wieder, worauf er aus ſei⸗ ner kalten Wohnung wieder unverſehrt herausſiege. Zu Bekraͤftigung feiner Behauptung ſagte er mir: daß er nicht nur auf den Gebirgen in dem Schnee an vielen Orten ſolche Höhlen und Löcher angetroffen, ſondern fogar vor einiger Zeit, in Geſellſchaft anderer, die mit ihm einſtimm⸗ ten, auf einer Glarner⸗Alv in einer Schneehoͤhle zwey ſolche erſtarrte Schneehuͤhner gefunden habe, die er als todt nach Hauſe trug, und welche daſelbſt in der Stubenwaͤrme wie⸗ der erwacht, und zum voͤlligen Leben zuruͤckgekommen ſeyen. Die meiſten hingegen behaupten, und zwar mit Grunde, (wovon ich mich ſelbſt überzeugte): ein Theil davon vers ſammle ſich unter hervorſtehenden Felſenwaͤnden, die den Windſtuͤrmen nicht ausgeſetzt und daher an ihrem Fuße mit wenigem oder keinem Schnee belegt ſind; ein anderer Theil halte ſich unter den niedern Geſtraͤucheartigen Al⸗ pentannen auf, deren Aeſte bis auf den Boden reichen; und noch ein dritter Theil fliege hin und her, im Freyen herum, und uͤbernachte oͤfters auf dem bloßen Schnee in offenem Felde. Dieſe alle laſſen ſich bey ungeſtuͤmmer Witterung, ſo lange ſie anhaltet oft 6, 7 bis 8 Tage lang uͤberſchneyen; in dieſem Zuſtande bleiben fie dann unbeweglich liegen, ausgenommen, daß ſie von Zeit zu Zeit den Kopf und die Fluͤgel um ſich werfen, den Schnee abſchuͤtteln, und ſich dadurch ein kleines Luftloch erhal⸗ ten, und gehen dann nicht eher wieder heraus, bis entwe⸗ der die Schnee⸗ und Windſtuͤrme nachgelaſſen haben, oder bis ſie der aufs hoͤchſte geſtiegene Hunger zum Hervorgehen noͤthigt. Auf ſolchen Stellen findet man dann immer eine grögere oder kleinere Menge von ihrer Looſung an

315

einem Haͤufchen liegen. In dieſem Zuftande geſchieht es aber auch bisweilen, daß hie und da einige von ihnen von herab- oder eingefallenem Schnee verfchüttet, oder von einer allzugroßen Schneemenge erdruͤckt werden, ſo daß ſie darunter erſtarren und ſterben müßen, welche, wenn man fie gerade im Anfange ihres verungluͤckten Zuſtandes finden würde, vermuthlich wieder zum Leben kaͤmen. Aus Buͤndten erfuhr ich: daß man daſelbſt des Fruͤhjahrs viele erfrorne oder verfaulte Schnecehuͤhner unter den niedern Tann⸗ baͤumchen finde, deren unterſte Aeſte durch die ſchwere Laſt des Schnees heruntergedruͤckt wurden, und daher die unter ihnen ſich befindenden Schneehuͤhner zerquaͤtſchten.

Verbreitung und Aufenthalt.

Dieſer eigentliche Alpenvogel iſt in allen gebirgis gen Kantonen der Schweiz einheimiſch, und in den⸗ ſelben überall, mehr oder minder haufig anzutreffen. Im Glarnerlande finden auch dieſe Voͤgel, von jeher bis gegenwaͤrtig eine ſichere Freyſtaͤtte, worin ſie ſich daher fo haufig aufhalten, daß ein Jaͤger in einem Tage davon mit leichter Mühe 10 bis 15 Stuͤck ſchießen koͤnnte; auch in den übrigen Berggegenden des Glarnerlands fins den fie ſich noch fo häufig, daß ein Jaͤger in Einem Herbſte und Winter 40 bis 60 Stud derſelben erlegen kann. Im Appenzellerlande trift man ſie auf dem hohen Meßmer, Soll, Sigel, Faͤhlen, Meglisalp und auf dem Kamor an. In Bündten werden am allermeiſten in Safnia und Valls geſchoſſen und gefangen. Auf dem St. Gotthards- Berge kommen ſie oft noch hoͤher, als bis an die Seen herauf, *) und auch im Kanton Teſſin find fie ſehr Häufig. )

) S. Schinz Beytraͤge zur nähern Kenntuiß des Schwei⸗ zerlands. IV. S. 418 und 428. *) S. Ebendaſ. S. 832.

216 | .

Im Sommer halten fle ſich in denjenigen Gebirgs⸗ Theilen auf, die naͤher oder entfernter uͤber der Region des Holzwuchſes, und mehr oder minder nabe bey Eis⸗ und Schneefeldern liegen. Sie ſcheuen die Sonnen- waͤrme und das blendende Sonnenlicht, und bewoh⸗ nen daher eben deswegen in warmen Sommertägen häufls ger die noͤrdlich liegenden Berggegenden, oder ſetzen ſich unter kleine Tannengeſtraͤuche oder unter die Alproſenſtaude, oder unter Felſenabſaͤtze, oder hinter Felſenſtücke; des Fruͤh⸗ lings auch unter Schnee-Firnen, die unten dem Bo» den nach geſchmolzen find, oben aber noch eine weit her⸗ vorſtehende Schnee⸗ und Eis⸗Rinde haben. Bisweilen ſollen ſie ſich auch wie viele Jaͤger verſichern im Schnee herumwaͤlzen, wie die Gemſen, und auf demſel⸗ ben ihre Federn abreiben und reinigen. Im Sommer⸗ Kleide ſind ſie einem ſchwachen oder ungeuͤbten Auge, wenn fie in einer Schutthalden ſitzen, eben fo unbemerk⸗ bar, wie in ihrem Winterkleide, wenn ſie auf dem Schnee liegen, ohne ſich zu bewegen. Eine Beobachtung, die ich ſelbſt haufig in den Alpen machte. N

Wenn des Sommers, während dem es im Thale reg» net, dem Aelpler Schnee bevorſteht, fo laſſen ſich die Schneehuͤhner in die tiefer liegenden Schutthalden herab; will ſich hingegen das Wetter wieder bald aufheitern, ſo fliegen ſie wieder allmaͤhlig hoͤher hinauf; ſie ſind daher den Sennen ſichere Wetterpropheten.

Im Herbſte begeben fie ſich von ihrem hoͤchſten Aufs enthaltsorte in das Mittelgebirg herab, das unmittelbar über den oberſten Hochwaͤldern liegt, wo fie während des Winters und Frühlings verbleiben.

Im Frühling und zu Anfange des Sommers, wenn ſie ſich paaren, trift man ſie nur Paarweiſe an; hingegen im Herbſte und Winter find ſie wie die Schneekraͤhen Schaarenweiſe bey einander.

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Nahrung.

Ihre Nahrung wählen fie ſich meiſtens aus dem Mans zenreiche, ſeltener findet man Inſekten bey ihnen; hinge- gen immer zur Beförderung der Verdauung eine Menge Quarzkörner und Kieſelſteinchen. Im Sommer, bey kalter oder neblichter Witterung weiden ſie den ganzen Tag auf dem Boden herum, gerade nach Art der zahmen Huͤh⸗ ner; hingegen an den heißen Sommertaͤgen verbergen fie ſich einige Stunden hinter herumliegende Steinſtuͤcke, oder unter hervorragende Felſenwäͤnde und uͤberhaupt an ſchattigten Orten.

Sie freſſen allerley Gebirgsbeeren, als Preiſelbeeren, Brommbeeren, vorzuͤglich Heidelbeeren, nebſt den Blaͤttern dieſer Pflanze, Alpengras, Heidekraut, die Knoſpen von der Alpenroſe (Rhododendron alpinum et hirsutum) und der niedern Alpentanne. Da ſie des Winters vor⸗ zuͤglich unter dieſen zwey letztern wohnen, ſo naͤhren ſie ſich alsdann auch am meiſten davon. Den 28. May Anno 1802, ſchoß ich ein Männchen auf dem obern Kamor, das in ſeinem Magen Knoſpen von der Alproſe, einige Blüthentnöpfe von einer Ranunkel-Art, 2 kleine Miſtkafer und dergleichen enthielt. Wagner fand das Polium mentanum und Chamedrin montanum, na- sturtium alpinum minus, Ranuneulus pratensis mi-

nimus u, a. m. darin. Auf dem Weißenſtein ob Ber⸗

günn, einem Berghauſe in Buͤndten, auf dem Albula kommen die Schneehuͤhner des Sommers und Winters an das Haus hin, und freſſen den unverdauten Hafer aus dem Pferdemiſt in der Straße.

Fortpflanzung. | Die Schneehuͤhner legen ihre 7, 8, 9, 12 bis 15 Eyer, die ein wenig groͤßer als Taubeneyer, gelblich weiß, und

9

218 8 KM. uͤberall ſchwarzbraun gedupft find, * in der Mitte und zu Ende des Brachmonats auf den Boden, in offene mooſige Plaͤtze, oder unter niedrige Geſtraͤuche der Alptanne oder Alproſe, wo ſie mit ihren Klauen zuerſt eine kleine gar nicht große Vertiefung einſcharren, und ſie mit Moos oder Gras ein wenig ausfuͤttern. Waͤhrend der Paarungszeit trift man dieſe geſellſchaſtlichen Vögel nur Paarweiſe an, und ſchießt man in der Brutzeit das Maͤnnchen vom Weibchen, ſo wird dieſes dennoch ſeine Eyer allein aus— bruͤten und ſeine Jungen auferziehen, und man ſieht dann die Mutter des Sommers als Wittwe mit ihren Jungen immer allein; (die Jäger in Buͤndten nennen fie Galthuhn ):

Wenn die Jungen nach 3 Wochen aus den Eyern ge⸗ ſchloffen find, fo verlaͤßt fie die Mutter gleichwohl noch einige Wochen nicht, ſondern begleitet ſie auf der Weide, und ſammelt fie von Zeit zu Zeit wieder in ihr Neſt, und ſchuͤtzt fie unter ihren Flügeln vor Kaͤlte. Dieſe aͤußerſt niedlichen im Anfange nur mit Flaumfedern uͤberwachſenen Thierchen ſcheinen zwar ſehr zahm, aber, wenn man ſie verjagt, ſo laufen ſie mit unglaublicher Schnelligkeit weg, und verbergen ſich in Höhlen und Löchern, wo man dann bisweilen eins mit den Haͤnden fangen kann, obwohl ſie in einem veraͤnderten Zuſtande fogleich ſterben. In der Nähe eines Raubthieres Miegt die Mutter aͤngſtlich davon, die Jungen hingegen laufen alle Pfeilſchnell aus einander, und in einem Augenblicke haben ſie ſich alle verkrochen

*) Ich beſitze in meiner Sammlung nebſt andern auch ein Schneehuhn-Ey, das die Henne noch nicht gelegt hatte, ſondern das ein Buͤndtner-Jaͤger bey einem gefchoffenen Vogel der Art in dem Leibe fand, wobey die ſchwarzbrau⸗

nen Flecken kaum merklich ſind.

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und unſichtbar gemacht. Sobald die erſtere gaubt, der Feind habe ſich wieder entſernt, ſo pfeift ſie ihre Kleinen wieder zuſammen, die ihren Ruf wie die Kuͤchlein zahmer Haushuͤhner erwiedern, und ſich unter den Flügeln ihrer Beſchuͤtzerin wieder einfinden. Man ſtoͤßt öfters auf den Alpen ganz unerwartet auf ein ſolches Neſt, das man nicht eher bemerkt, bis man die Mutter hart vor ſeinem Geſichte geraͤuſchvoll auffiegen ſieht, wodurch man nicht ſelten heftig erſchreckt wird. \

Als Belege zu dem Obigen ruͤcke ich noch folgende Nachrichten hier ein, die ich meinem Freunde, dem Herrn von Salis in Marſchlins verdanke.

„Den zoſten Juny fand ich,“ (dies find feine eis genen Worte) „auf einem mittelmaͤßig hohen Berge, doch eine halbe Stunde über der Region des Holz⸗ wuchſes auf einer abhängigen nicht ſehr ſteinigen Weide „ein Paar Schneehuͤhner. Sie arbeiteten vermuths 5 lich am Neſte, denn nach genauerer Unterſuchung ſah „ich / daß fie ſich unter einen Stein begaben, und als » wir dieſem Stein zueilten, fanden wir denſelben geräus „mig unterhoͤhlt, und in dieſer Höhle ein ziemlich unor⸗ 5 dentlich gebautes Neſt von Grashalmen, in dem noch N u keine Eyer waren, das ich Ihnen uͤberſchicke.“

„Den 31, July traf ich auf dem Grath (Ruͤcken) eis „nes andern gegen Suͤden ſehr graſigen, gegen Norden aber ſteil abſchuͤſſigen Bergs eine Schneehenne mit 8 oder „ro Jungen an, die kaum 8 Tage alt ſeyn mochten, „und ſich Pfeilſchnell verſtekten. Wir ſiengen 3 davon le⸗ bend. Die Mutter hielt ſich immer in der Naͤhe auf, 2 tief mit einem ganz eigenen Tone den Jungen, die Jun⸗ gen aber antworteten, wie die gemeinen Hühnchen. Ich hofte die gefangenen davon lebendig nach Haufe zu brin⸗ 1 gen, allein fie ſtarben unter Wegs.“

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So weit der Herr von Salis. Eine ganz ähnliche Ausbeute machte ich auf dem Pilatus. Als ich den 13. Heu⸗ monat 1803. mit zwey Zuͤrcherfreunden ganz oben auf dem Wiederfelde war, ſah einer davon zwey kleine Voͤgelchen im Geſtraͤuche von Heidekraut und von der Alpenroſe ſich bewegen, von denen er ein altes Schneehuhn weggejagt hatte. Ich lief eilend auf die Stelle hin, und konnte eins von den kleinen niedlichen Thierchen bekommen, vom an— dern hingegen war keine Spur mehr zu entdecken, ſo wie ich ebenfalls das Neſt nicht auffinden konnte. Das junge Schneehuͤhnchen, das ich ausgeſtopft beſitze, und von dem mir Herr Schellenberg in Winterthur eine ſehr ſchoͤne Abbildung verfertigte, iſt kaum ſo groß, als ein gemeiner Fink, und an dem Unterleibe und an den Füßen mit weiß⸗ gelblichem, am Oberleibe aber und auf dem Kopfe mit braunem, ſchwarzem und weißgelbem Flaum bedeckt. Die⸗ ſes junge, aͤuſſerſt lebhafte Voͤgelchen ſchriee nun in ſei⸗ ner Gefangenſchaft, wie zahme junge Kuͤchelchen thun, ihrer Mutter unaufhoͤrlich ihr aͤngſtliches Pip! Pip! Pip! entgegen, und waͤhrend dem einer meiner Freunde daſſelbe in ſeiner Hand veſt hielt, ſtund ich mit meiner Flinte ſchußfertig. Mit unglaublicher Schnelligkeit, und mit einer Art von Verzweiffung eilte die Mutter auf uns zu, ließ die Flügel hängen, drückte ihren Unterleib, Kopf und Hals verlaͤngert gegen die Erde zu, und wollte auf uns hineilen; vielleicht haͤtte ſie ſich um ihres Jungen willen, lebend von uns ergreifen laſſen, aber zu übers eilt, ſchoß ich mein Flintchen auf fie los und tödtete fi. Dieſe hatte in ihrem Magen Blumenknöpfe von einer Anemonen- und einer Potentillen-Art, am meiſten aber Knoͤſpchen von Heidekraut. Im Magen des Jungen fand ich 2 Fliegen und ſehr viele kleine Saͤmchen.

Ab. 1804. ſchreibt mir der Herr v. Salis in Marſch⸗

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fing uber den gleichen Gegenſtand' folgendes: „Ich war auf meiner diesjaͤhrigen Alpenreiſe wieder im Falle, und

v zwar den 19. July auf einem hohen Berge, der einen

*

„Theil der Aroſa-Alp ausmacht, eine Schneehenne mit „10 Jungen anzutreffen. Ein Mann, der mit mir gieng, 5 fieng ein kleines lebendig. Schon freute ich mich ſehr, es Ihnen ſenden zu koͤnnen. Ich trug es anderthalb Tage in der Taſche, und fütterte es mit Fliegen, die es be⸗ v gierig fraß, hingegen Würmer wollte es keine. Allein „nachher entkam es mir, durch ein Loch in einer Fen— 5 ſterſcheibe, das ich nicht beobachtet hatte. Es war halb ausgewachſen, hatte die wolligen Fuͤße, war überall grau und braun marmorirt, und um den Scheitel hatte es den ſchwarzen weiß eingefaßten Kreis.“

Es wurden auch ſchon mehrere Mal, und erſt kuͤrzlich wiederholt Verſuche gemacht, daß man Schneehuͤhner⸗ Eyer einer zahmen Bruthenne im Thale unterlegte, die ſie zwar alle lebendig ausbruͤtete, allein ungeachtet aller angewendeten Muͤhe und Sorgfalt ſtarben ſie in wenigen Tagen. Sie freſſen zwar Milch, Saamenkoͤrner, Brodt, und verſchiedene andere Milchſpeiſen, allein die zu ihrem Leben ſo hoͤchſt noͤthige reine und verfeinerte Alpenluft fehlt ihnen. j Die erſtjaͤhrigen Jungen ſehen gegen dem Herbſte zu in der Farbe des Gefieders völlig ihren Eltern aͤhnlich, nur find fie um ein Merkliches kleiner, daher die auffal— lende Verſchiedenheit ihrer Groͤße in den Beſchreibungen.

Feinde.

Ihre groͤßten Feinde außer den Men ſchen find die Fuͤchſe und Marder, die ſich im Sommer ganz oben auf den Alpen aufhalten, und daſelbſt auf alle Al—

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penhuͤhner-Arten, und vorzuͤglich auf ihre Eyer und Junge Jagd machen. N

Verſchiedene Falkenarten, und namentlich die Gas belweihe (Falco Milvus L.) ſind den Alten und Jun⸗ gen ebenfalls ſehr aufſaͤtzig; hingegen dem Laͤmmer⸗ geyer iſt unſer Schneehuhn meiſtens zu geſchwind und zu klein.

Die ſogenannten Schneebuhnläufe plagen fie auch; und in ihren Eingeweiden habe ich eine eigene lange Art Spulwuͤͤrmer aufgefunden.

Jagd und Fang.

Sie werden hin und wieder vorzuͤglich in Buͤndten des Herbſts und Winters haͤufig in Schlingen gefan— gen. Dieſe werden entweder aus Roßhaaren gemacht und mit Wachs gewichſt, oder aber fie beſtehen aus meffinge nem Drathe, der hauptſaͤchlich deswegen hiezu benutzt wird, weil alsdann ſicher kein Fuchs und Marder die Beute an— greift. Solche Schlingen werden dann entweder an die unterſten Aeſte der Tannen» oder der Arven⸗ (Pinus cem- bra) oder der Alproſe-Geſtraͤuche beveſtiget, ſo daß die offenen Schlingen auf dem Boden aufliegen; oder man macht da, wo man weiß, daß ſie oͤfters weiden, einen kleinen Haag von Zweigen, und laͤßt in der Mitte eine kleine Lucke offen; in dieſe werden Schlingen, die ſich in einem Holze befinden, das man unter dem Schnee ver: birgt, und im Boden feſt macht, hingelegt, worauf dann die Schneehuͤhner, wenn ſie in dieſer Gegend weiden, nicht über die niedere Verzaͤunung hinwegfiegen, fondern durch die offen gebliebene Stelle hinuͤberſchreiten und dann hangen bleiben. f

Eine noch größere Anzahl Schneehuͤhner wird geſchoſ—⸗ ſen, allein weil ſie beſonders des Winters, ſehr dicht

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uͤber einander ſtehende Federn haben, ſo bedoͤrfen ſie einen ſtarken Schuß mit grobem Schroote, daher ſteht wirklich in einem Glarner Rathsprotokoll vom Jahr 1559. der obrigkeitliche Beſchluß: „man fol die Schneehuͤhner nicht „mit feinem Hagelgeſchuͤtz ſchießen, weil mans ſo damit v nicht bekoͤmmt.“ Auf den Fluͤgeln prellen kleine Schrootkörner wie Kieſelſteine ab, wenn man nicht ſehr nahe iſt; und ſchießt man ſie nur mit einem Korn durch den Kopf, ſo zwirbeln ſie ſo lange auf dem Boden herum, bis ſie beynahe alle Federn verloren haben. In warmen und ngblichten Herbſttaͤgen, auch wenn es zu Anfange des Winters einen kleinen Schnee gelegt hat, trift man ſie ſchaarenweiſe bey einander an, und aldann ſind ſie am zaͤhmſten und am leichteſten zu ſchießen, fo daß ſchon man» cher Jaͤger mit Einem Schuſſe entweder auf dem Boden, oder im Fluge 2 bis 3 Sluͤcke erlegte.

Der Schaden. Das Schneehuhn ſchadet den Menſchen durchaus nichts; Wengen

»

der Nußen

dieſes Vogels befteht in feinem ſchmackhaften Fleiſche, das vorzüglich im Winter an Farbe, Geruche und Geſchmacke dem Fleiſch des Haaſen ſehr aͤhnlich, und einzig etwas hart zu ſieden iſt. Ein Stuͤck koſtet s bis 9 Batzen. Aus Buͤndten werden im Herbſt und Winter alle Wochen eine große Anzahl durch den Zuͤrcher⸗-Bott nach Zuͤrich geführt,

Irrthuͤmer und Vorurtheile.

Goͤtze's Bemerkung iſt falſch: daß fie je die Gröge eines Haushuhns erreichen.

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Bechſtein hat den warzigen Fleck uͤber den Augen ſcharlachroth, und alſo unrichtig angegeben.

Bechſtein irrt ſich ferners, wenn er ſagt: daß die Schneehuͤhner auf Bäume fliegen, und Birckenſchoͤßlinge freſſen; und Goͤtze laͤßt fie ebenfalls unrichtig in den Wäl- dern herumlaufen, weil ihr Aufenthalt uͤber der Region des Holzwuchſes iſt. a Es iſt falſch, wie Goͤtze mit dem Obigen wider ſprechend dem Büffon nachſchreibt, daß ſie auch des Sommers nur die mit unvergaͤnglichem Eis und Schnee bedeckten Gipfel bewohnen, und ſich alsdann in dem Schnee tiefe Löcher, oder eine Art unterirdiſcher Woh⸗ nungen eingraben, um vor den Sonnenſtrahlen geſichert zu ſeyn.

Es iſt falſch, was Buͤffon, Goͤtze und Bechſtein dem Conrad Geßner nachſchreiben: daß ihre weiße Farbe die Weiße des Schnees uͤbertreffe, und ihr Verraͤ— ther werde. Gerade dieſe ſchuͤtzt fie oft vor den Nachſtel⸗ lungen der Menſchen und namentlich auch der Raubvoͤgel, weil ſie mit dem Schnee einerley Farbe haben.

Falſch iſt es vorzüglich auch, was Buͤffon, Bech⸗ ſtein und andere dem Conrad Geßner nachſchrie⸗ den: „Uebrigens ſcheuen ſie auch aus angeborner Dumm— „heit die Gegenwart der Menſchen nicht, und um ſie zu „greifen, iſt oft weiter nichts noͤthig, als ihnen Brodt vorzuhalten, oder einen Huth vor fie hinzuwerfen, den fie vielleicht, wie die Rebhuͤhner für einen Raubvogel „anfehen, und alsdann Schlingen über fie zu ſchleudern, „oder fie mit Ruthen von hinten todt zu ſchlagen,. „Sie koͤnnen gar mit Steinen todt geworfen werden.“ Dieſes alles iſt ſehr uͤbertrieben und falſch, und der Jaͤger begnügt ſich gerne, wenn er ihnen nur in die Schußnaͤhe kommt.

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Falſch iſt es, was Bechſtein ebenfalls von unſerm Conr. Geßner entlehnte: „daß die Schneehuͤhner nach einigen dem Hohngelaͤchter ähnliche Tone von ſich hören laſſen; * nach andern wie Hirſche ſchreyen.“ Dieſes Geziſch in der Luft entſteht durch die ſchnelle Bewegung der Fluͤgel beym Fliegen. Auch bey dieſer Stelle erinnerte ich mich an Buͤffon, der irgendwo ſagt: „In der Naturge— v ſchichte giebt es Falle, welche beym erſten Anblick laͤcher⸗ „lich zu ſeyn ſcheinen, aber doch immer eine verborgene Wahrheit in ſich faſſen. Man muß dabey nur immer den Unterſchied machen: Was ein Menſch geſehen »oder gehört, und was er ſich dabey vorge ſtellt hat.“

Goͤtze irrt ſich endlich, wenn er fagt: „Ihre Neſter

haben fie im Schnee auf den hoͤchſten Felſen, wo nur * Menſchen hinkommen koͤnnen; das iſt die Urſache, warum wir von der Art ihrer Vermehrung fo wenig wiſ— „fen.“ Und Herrn Meisners Nachricht iſt eben ſo uns richtig, wenn er behauptet: „Das Schneehuhn lebt haͤufig in den Eisgebirgen, und haͤlt ſich im Sommer auf den hoͤchſten Alpen, wo ewiger Schnee und Eis iſt, auf.“

Varietaͤten.

Mein Freund, der Herr von Salis in Marſch— lins bemerkte mir vor einiger Zeit folgendes: „Nach der 2 Aus ſage eines ſehr erfahrnen Jaͤgers ſoll es zweyerley „Steinhuͤhner geben. Die einen, welches eigentliche „Steinhuͤhner find halten ſich mehr auf den wildeſten „Gipfeln auf, ſind kleiner, und allemal weißer, als die „andern; dieſe haben mehr ſchwarzes auf den Schwung⸗ federn. Schon lange hatte ich dieſe Verſchiedenheit ver⸗ muthet, da ich wirklich deyderley Arten angetroffen.“ Obſchon dies mehrere Jaͤger behaupten, fo find dieſe Ab⸗

P !

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weichungen hicht einmal Varietäten , ſondern nur zu ver⸗ ſchiedenen Zeiten gefangene Voͤgel, wovon das Gefieder von einigen noch nicht vollkommen ausgewachſen war.

Unſers Con r. Geßners Lagopus varia (das Steine huhn) iſt zuverlaͤßig keine Varietaͤt, ſondern ein Männchen vom fo eben beſchriebenen Tetrao Lagopus in feiner halb⸗ veraͤnderten Sommerkleidung, das der gleiche Fall iſt, bey ſeiner zweyten vermeinten noch kleinern Varietaͤt dieſer Art, die in der Groͤße einer Wachtel ſeyn ſoll, und nichts anders als ein junges Schneehuhn iſt.

Bechſtein beſchreibt auch ein Tetrao albus 1. (das weiße Waldhuhn), das er ebenfalls für eine eigene Art angiebt, und dabey bemerkt, daß fie oft mit dem Tetrao Tagopus (dem Schneehuhne) fen verwechſelt worden. Er weiſet dieſem auch die Schweiz zum Wohnorte an, da er bey dem Schneehuhn hingegen unbemerkt laͤßt, daß es ſich in der Schweiz aufhalte. Allein in Allem, was Bech⸗ ſtein davon ſagt, erkenne ich nichts anders, als unſer Schneehuhn, und bin nun voͤllig gewiß, daß beyde ange⸗ gebenen Arten nur Eine, naͤmlich: das Schneehuhn ausmachen.

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Motacilla alpina Linn. Auch Sturnus collaris L.

S. Gmelin Syst. Nat, Linn, ed. 13. Tom. II. p. 805. Sp. 163

*

Anmerkung.

Die altern Naturforſcher haben dieſen Vogel ſehr ver— ſchieden claffifiziet und nie beſtimmt feſtgeſetzt, in welche Klaſſe er gehoͤre. Er macht den ſchicklichſten Uebergang von den Motazillen zu den Lerchen. In ſeinem Koͤrperbau iſt er den Lerchen aͤhnlich, und lebt auch zum Theil von Saͤmereyen aller Art; hingegen ſein Schnabel, ſeine Füße, die oͤftere Bewegung feines Kopfs und Schwanzes und ſein aͤuſſerſt ſchneller Gang weiſen 15 in die Klaſſe der Motazillen.

Bechſtein macht nun aus dem Grunde mit Recht eine eigene Gattung aus dieſen Voͤgeln, und legt ihr den Namen Accentor (Flüevogel) bey, daher unfere Fluͤelerche in feinem ornithologiſchen Handbuche Accen- tor alpinus; der Alpenflüe-Bogel, oder Felſen⸗ vogel genennt wird.

Benennung.

In Buͤndten Blüttling; im Glarnerland Gadenvogel, weil er im Winter zu den Viehſtaͤllen oder Gaͤden fiegt; bey Weeſen und Ammon Bergers; ſtel; im Appenzellerlande Bergſpatz; im Lnzet⸗

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nergebiet Flüehſpatz; in der Stadt Bern Fluͤh⸗ Lerche; in der Gegend von Ablentſchen im Ber⸗ ner Oberlande Blumtvogelz in Sigriswyl Blumthuͤrlig oder Blumtuͤteli, weil fie des Winters die Heuſaͤmchen, das Bluͤmt heißt, ſehr gerne freſſen.

Litteratur.

Unſer Conrad Geßner hat zwar dieſen Vogel ſchon gekannt, und in dem Anhange ſeiner Ornithologie S. 725. Edit. Francofurt. einige Nachricht davon gegeben, und mit der Aufſchrift Avis Kyburgensis zwar ſchlecht, doch noch kennbar genug abgebildet. Nach dieſem herrſchet ein allgemeines Stillſchweigen, bis daß Scopoli deſſelben, un⸗ ter dem Namen Sturnus collaris in Ann, I. Hist. Nat. P. 131. deſſelben Meldung thut, dem nachher einige neuere Ornithologen folgten, doch ſo, daß alle ihre Nachrichten Davon ſehr unbedeutend waren.

Dem feligen Herr Pfarrer Spruͤngli gebührt das Verdienſt, dieſen Vogel zuerſt umſtaͤndlich und richtig

beſchrieben zu haben; hingegen uͤber die Naturgeſchichte

deſſelben ſind ſeine Nachrichten ebenfalls ſehr kurz und unvollſtaͤndig zum Theil auch noch unrichtig. Dieſe ſind enthalten in

Andreaͤ's Briefen aus der Schweiz nach Hannover geſchrieben, Zürich und Winterthur 1776. S. 202203. nebſt einer ſehr mittelmaͤßigen Abbildung. Abſchriften davon ſind enthalten in den neuen Mannigfaltig⸗ keiten. IV. 193 195.

Bechſteins Naturg. Deutſchlands. IV. 708 711. Die Alpengras mucke.

Bechſteins ornithologiſches Taſchenbuch. 191 192, Der Alpenflügvogel:

1

229

Goͤtze europ. Fauna. V. 1e Abtheilung. S. 72—73. Der Halsbandſtaar.

Kennzeichen der Art.

Die Kehle und ein Theil des Unterhalſes iſt glänzend weißlich ſilberfarbig und ſchwarz gefleckt, oder ſchoͤn klein muſchelſleckig.

Beſchreibung.

Dieſer ſchoͤne Vogel iſt 7— 8 Zoll lang, und 11—13 Zoll breit; der etwas geſpaltene Schwanz iſt 3 Zoll lang, und die gefalteten Flügel bedecken etwas mehr als Zweydrittheile deſſelben; und das Gewicht iſt 212 Loth.

Der Schnabel iſt beynahe einen halben Zoll lang, gerade, rund an den Seiten klein ausgeſchnitten; der Rand beyder Kinnladen etwas hineingedruͤckt; der Oberſchnabel ſchwarzbraun, an der Wurzel mit einem braungelblichen Rande; die Naſenloͤcher laͤnglich und liegen an der Wurzel in einer großen Haut; der Unters ſchnabel von der Wurzel bis zur Mitte ganz braungelb, an der Spitze dunkelbraun; an den Maulwinkeln und gegen den Augen zu ſtehen vorwaͤrts gerichtete feine Barthaare; die Zunge iſt braungelb und ein we⸗ nig geſpalten; die Regenbogenfarbe braungelb und die Pupille ſchwarz; die geſchildeten Fuße dun⸗ kelgelb; die Zehen etwas dunkler und die Krallen hornbraun; die Beine einen Zoll hoch, faſt eben fo lang: die Mittelzehe, und die hintere ſtark einen halben Zoll lang; die hintere Kralle iſt am ſtaͤrkſten und laͤngſten, doch nicht ſo lang, als bey den Lerchen, ſondern wie bey den Motazillen, und halbmondfoͤrmig gekruͤmmt.

Kopf, Ober- und Seitenhals ſind Hellafchgram

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oder weißgrau, auf dem Kopfe etwas dunkler und ſchwach braungrau geſſeckt; der Rücken ebenfalls aſchgrau, aber dunkelbraun gefleckt, und die Seiten des Ruͤckens noch überdies mit roſtfarbenen Flecken; der Steiß roͤth⸗ lichgrau, die letztern mittelmaͤßigen Federn deſſelben roſt— braun mit gruͤnlichgrauem Rand und roͤthlichen Spitzen; die Kehle und ein Theil des Halſes glaͤnzend weiß⸗ lich (Silberfarben) und ſchoͤn ſchwarz gefleckt (ſchoͤn klein muſchelfleckig); die Bruſt weißgrau; die Seiten der Bruſt, des Bauchs und unter den Fluͤgeln ſchoͤn braunroth, an letzterm Orte weiß gefleckt; der Bauch grauweiß mit verloſchenen dunkelgrauen Wellenlinien; der After dunkelbraun, mit großen weißen Einfaſſungen; die kleinen Deckfedern der Fluͤgel grau, die 2 großen Reihen und der Afterflügel braunſchwarz mit weißen Spitzen, daher auf den Flügeln 2 parallele Reis hen weißer Flecken ſtehen; die vier erſtern Schwung⸗ federn braungrau, inwendig heller, mit einem weiß⸗ grauen Saum an der aͤußern Fahne; die zehen fol— genden ebenfalls braungrau, mit gelbichweigen Spitzen, und die letzten davon an der aͤußern Seite roͤthlich ges raͤndet; die hinterſten Schwungfedern aber mit roſtgelbem Rande; die Schwanzfedern dunkelbraun, an der aͤußern Fahne olivengrau geſaͤumt, und an den Spitzen, beſonders der innern Fahne, mit einem roſtgel⸗ ben Fleck geziert.

Bechſtein ſagt zwar: das Weibchen unterſcheide ſich vom Maͤnnchen vorzuͤglich dadurch, daß die ſchoͤne Kehle bey demſelden wie verloſchen ſey, allein es iſt fo falſch, daß ich vielmehr geſtehen muß: es ſey mir bey meinen haͤufigen Vergleichungen unmöglich geweſen, nur eine einzige Abweichung zwiſchen beyden Geſchlechtern zu entdecken.

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Die jungen Voͤgel dieſer Art find im erſten Halbjahre bis zur erſten Mauſezeit am Ober- und Unter, leibe aſchfarben und überall dunkelbraun gefſeckt; und dies ſen fehlt die weiß und ſchwarzgefleckte Kehle ganz.

Das Gefieder dieſer Vögel iſt ſehr dicht und lang, urd ſie ſcheinen daher fliegend viel groͤßer, als fie wirklich find,

Zerglie derung.

Der Magen iſt, wie Spruͤngli ganz richtig bemerkt ſtaͤrker und muskuloſer, als bey den blos von Inſekten ſch naͤhrenden Voͤgeln. 5

Verbreitung und Aufenthalt.

Dieſer eigentliche Alpenvogel iſt in allen denje⸗ nigen hoͤhern oder tiefern Alpengegenden der Schweiz mehr oder minder haͤufig anzutreffen, die von Schnee und Eis frey ſind, und auf denen ſich kleinere oder groͤßere kahle Felſenmaſſen in die Höhe erheden. So hält er ſich z. E. im Appenzellerlande im Mittelgebirge beym Wild— kirchli, aber auch im Hochgebirge bey Roßmaad in der Meglis-Alp und auf der Wagenluͤcke des hohen Meß mers ziemlich zahlreich auf. Eben fo fand ich ihn ganz oben nahe bey dem Murtſchenſtock auf der obern Murtſchen-Alp im Glaruerlande und im Kanton Bern völlig auf dem Rüden der Emmenthaler Furka.

Zu Anfange des Winters laſſen ſich dieſe Vögel vom Gebirge etwas tiefer herunter, und in recht ſchnee⸗ reichen und kalten Wintern kommen ſie bis in die dewohn— ten Thaͤler herab, ſuchen vor den Staͤllen, Scheunen und. Haͤuſern ihr Futter, fliegen vor die Fenſter, auch gar

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in die Haͤuſer und Scheunen hinein, und find dann durch Hunger und Kälte ſo kirre gemacht, daß alsdann ſigar in der Stadt Bern und im Hauptflecken Gla— rus ſolche gefangen werden.

Ob Malans in Buͤndten halten ſich alle Winier, in einem Stalle, der eine Viertelſtunde über dem Schloſſe liegt, einige Zuchten, etwa ı5 bis 20 Stuͤcke auf, ind uͤbernachten bey einander unter dem Stall-Dache.

In einer der hoͤchſten Berner Oberkaͤnder Ge— meinde Ablertſchen, die unmittelbar am Fuße dis Hochgebirgs liegt, vereinigen fie ſich des Winters aus ver ſchiedenen Bezirken, und ſind daſelbſt in kleinen Schaaren ungemein haͤufig anzutreffen.

Merk wuͤrdige Eigenſchaften.

Unſer Felſenvogel iſt im Freyen ziemlich lebhaft, trägt den Körper ſehr ſchoͤn, und hat in der Bewegung deſſe⸗ ben ſehr viel aͤhnliches mit dem Rothſchwaͤnzchen (Mot. Phenicurus L.). Er zittert haufig mit dem Schwanz, und hebt ihn auf und nieder, indem er die Fluͤgel bewegt und ſich mit dem Kopfe und Halſe abwaͤrts buͤckt, und unmittelbar darauf laͤuft oder gleichſam huͤpft, doch ſo, daß er ſich auf einmal nicht weit entfernt, ſondern ſchnell wieder ſtille ſteht. Er ſitzt meiſtens auf dem Boden, auf den Dächern der Sennhuͤtten, auf einzelnen Felfenblöden, und auf niederm Alpengeſtraͤuche, ſelten auf niedern Alpens Baͤumchen. Im Winter ſetzen fie ſich auſſen an die Staͤlle und Scheunen, oder innwendig in dieſelben. Daß ſie ſich, um auszuruhen, in Hoͤhlen verbergen, iſt falſch, hin⸗ gegen ſitzen ſie öfters ziemlich lang auf einzelnen Felſen⸗ Abſaͤtzen, ohne ſich zu bewegen, wo fie dann ein ſtruppiges dickes Anſehen haben.

Seine Lockſtimme iſt in der Begattungszeit und im

4 ' 1

233

Herbſte, wenn fie fich ſammeln ein ſchnell auf einan⸗ der folgendes ömaliges gri-gri-gri⸗gri⸗gri⸗gri! und bisweilen hängt er ein Bachſtelzenaͤhnliches dirit! daran. Das Männchen aber ſingt auch mitunter obwohl et— was durch die Gurgel einige Strophen von der gemei— nen Lerche, und zwar noch viel melodiſcher als ſie; indeſ— ſen kommt ſein Geſang dem der gemeinen Lerche viel naͤher, als dem der Baumlerche, da er nicht ſo laut und durch die Luft ſchmetternd iſt. Zu Anfange des Sommers laͤßt ſich dieſer Vogel ſchon vor Tages Anbruch hoͤren.

Er lebt auf den Alpen bey weitem nicht ſo geſellſchaft⸗ lich und zahlreich, wie die Feldlerchen auf den Getraide⸗ feldern. Man trift nur kleine Heerden von; bis hoͤchſtens 10 Stuͤcken in einem Bezirke an, doch häufiger nur 2 bis 4, und ſelbſt im Winter naͤhern fie ſich den Bauernhuͤtten ſelten in großen, ſondern ſehr zertheilten Heerden, und gar oft nur paarweiſe.

Ueber ſein Benehmen als Stubenvogel erhielt ich ziem⸗ lich verſchiedene Berichte alle ſtimmen uͤbrigens darin überein, daß er eine ſehr forgfältige Pflege beduͤrfe. In meiner Jugend ſetzte ich einige des Winters gefangene in die eingeheitzte warme Stube, allein nach kurzer Zeit ſtar⸗ ben ſie, und ſpaͤtere Verſuche belehrten mich, daß ſie nur in kalten ungeheitzten Zimmern fortleben. Herr Vicarius Kuhn in Sigriswyl bemerkte mir, daß ſie zwar auch als Stubenvogel angenehme Saͤnger ſeyen, aber im Bauer ſehr wild und unruhig bleiben, welches letztere, bey einigen, die der Herr von Salis halte, nicht der Fall war. Doch beyde konnten ſie nicht laͤnger, als ein halbes Jahr am Leben erhalten.

Nahrung.

Die Nahrung unſers Felſenvogels beſteht eben ſowohl

in Inſekten, Kaͤfern, Muͤcken, kleinen Schneckchen u. dgl.,

234 : .

als aber in Saͤmereyen, Pfanzenwuͤrzelchen und Beeren, je nachdem ihm die Gegend und die Jahrszeit dazu behüͤlf— lich iſt. Ich ſchoß auf den hoͤchſten Alpen, die ich oben nannte, ſolche Voͤgel, welche entweder die Magen mit Ge⸗ ſaͤme von Grasarten und alsdann mit Kieſelſteinchen vers miſcht, angefuͤllt hatten, oder aber Kaͤfer, Fliegen oder einzelne Erdſchneckchen darin enthielten. Der Magen ei— nes jungen Voͤgelchens der Art, das ich auf der Hohganth oder Emmenthaler Furka geſchoſſen habe, war von Schil⸗ den und Füßen eines gruͤnglaͤnzenden Kaͤferchens ganz voll gepfropft. Ein anderes junges, das ich im Brachmonat beym Wildkirchli ſchoß , hatte Kieſelſteinchen und ſehr ſtark riechende Pflanzenwuͤrzelchen gefreſſen. Im Herbſte lieben ſie auch verſchiedene Beeren. Im Winter, wenn ſie ins Thal herunterfiegen, ſuchen fie ſogleich die Heuſcheunen und Staͤlle auf, und naͤhren ſich daſelbſt beynahe einzig vom Heubluͤmt, welches der Staub und die kleinen Saͤmchen find, die vom Heu, das dem Vieh vorgelegt wird, aba fällt. Herr Vikarius Kuhn in Sigriswyl berichtet mich, daß ſie des Winters daſelbſt auch ſehr gerne auf die Haufen ausgebrannter Treber ſitzen, und die verſchiedenen Saͤm— chen und Kerne herausſuchen.

Herr Pfarrer Spruͤngli in Bern erhielt im Fruͤhling 1784. drey lebendige Felſenvoͤgel vom Beatenberg, die tm vorhergehenden Winter gefangen worden waren. Einer davon lebte noch im Fruͤhling des Jahrs 1786. ganz mun⸗

ter in ſeinem Bauer. Sein Geſang welchen er beſon⸗ ders im Fruͤhling hoͤren ließ, war anfangs, um Lichtmeß herum, ſchwach und leiſe, wurde aber nachher viel lauter, doch nie fo ſtark, als des Schwarzkopfs oder Rothkehl⸗ chens, dennoch angenehm und dem des Muͤllrchens be— ſonders am Ende aͤhnlich (Mot. curruca L.). Er macht die Toͤne meiſt in der Gurgel, ohne helle Schlaͤge. Er

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naͤhrte ihn nur mit Grüß," und zuweilen mit Ameiſen⸗ Eyern, die er ſehr liebt. Er war ziemlich zahm, und gar nicht ſcheu noch wild, von ſtillem Temperament, und be⸗ wegte ſich nicht viel von einem Orte zum andern.

Im Bauer frißt er den Hanfſaamen und Hirs auch aͤuſſerſt gern, allein erſterer, allein und häufig genoſſen, vera ſtopft und toͤdtet ihn. Die Ameiſen-Eyer und das Nacıtis gallen⸗Uniwerſal-Fytter bekommen ihm am beſten.

Fortpflanzung.

Dieſer Vogel bruͤtet des Jahrs zweymal, zu Ende des May's das erſtemal, und in der Mitte des Heumonats das zweytemal. Den zoften Brachmonat ſchoß ich ſchon völlig ausgewachſene von der erſten Brut, und den z2flen Heu— monat Ao. 1805. fand ich, zu meiner großen Freude, ein Neſt mit 3 noch nicht ganz ausgebruͤteten Eyern auf dem obern Kamor. Er ſetzt es auf kleine Felſen-Abſaͤtze oder in Höhlen derſelben, und macht ein recht ſchoͤnes kuͤnſtli— ches Neſt. Das Meinige ſaß auf einem niedern mit Alpenroſen⸗Stauden bewachſenen Felſen, wo es gleichſam in einer kleinen niedlich behangenen Grotte ſtand, ſo daß ich uͤber die treffliche Auswahl der Stelle, die ſich dieſes Voͤgelchen fuͤr ſein Reſt waͤhlte, recht ſtaunen mußte. Es ſcheint dabey auch vorzüglich darauf Ruͤckſicht zu neh⸗ men, daß ſein Neſtchen entweder von uͤberhangendem Ge— ſtraͤuche oder von hervorragenden Felſen bedeckt, und gegen den Regen beſchuͤtzt werde, daher fand ich auch beym Wildkirchli in dem Felſen, der uͤber das Eremitenhaus haͤngt, in Löchern 2 alte halbverfaulte Neſter, die ebenfalls

vor dem Regen geſichert waren. Das Neſt ſelbſt iſt

mit ſehr vielem Kunftfleige verfertigt, bildet eine große ſchoͤne Halbkugel, welche inwendig 3 Zoll weit und bey⸗ nahe 2 Zoll tief iſt, und aͤußerlich aus Erdmoos und

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Grashalmen, woran ganz auſſen einige Zweige von der darüber hangenden Alpenroſe mit verflochten find, beſteht, innwendig aber mit dem allerfeinſten Mooſe und ein wenig Wolle ſehr niedlich und weich ausgefuͤttert war. Das Ey iſt laͤnglich, blaugruͤn, ohne einige Flecken, um ein merkliches größer als von dem braunkehligen Steinſchmoͤz⸗ zer. (Motacilla rubetra L.) nur noch etwas blaͤſſer von Farbe. Obſchon die Eyer in dem, obigen Neſte ſehr lange ſchon bebruͤtet waren, fo trug das Weibchen doch noch Materialien zur Ausbeſſerung des Neſtchens ein, und wurde dadurch mit dieſem verrathen. Vom Maͤnnchen konnte ich keine Spur erhalten, und kann daher noch nicht gewiß beſtimmen, ob es mit dem Weibchen das Geſchaͤft des Ausbruͤtens theilt, welches mir uͤbrigens doch wahr⸗ ſcheinlich if.

Im Kampultſchin (Campodolcina, Campdul- ein) auf dem Spluͤgen, wo man in das Veltlin hinuͤber⸗ geht, niſtet dieſer Vogel des Sommers unter den eis wie bey uns die Sperlinge.

Feinde.

Der Thurmfalke (F. Timunculus L.) und der Sperber (F. Nisus L.) find auch dieſem Voͤgelchen bisweilen ſehr gefaͤhrlich.

Den 25ſten Juny erhielt ich ein Männchen, das auf dem Kamor geſchoſſen wurde, deſſen Eingeweide ſehr viele von einer langen Art Bandwuͤrmer enthielt, die dem Kraͤ⸗ hen⸗Bandwurm ganz aͤhnlich waren, und, wie dieſer, in lauwarmem Waſſer ſogleich zerplatzten.

Jagd und Fang. Dieſer Vogel iſt zu keiner Jahrzeit wild, und kann da⸗ her mit der Flinte leicht gefchoffen werden. Strenge Win⸗

237

terkaͤlte und Hunger machen ihn aͤußerſt zahm, und als⸗ dann kann er in den Bergdoͤrfern entweder in Meiſenkaͤſten oder Pferdehaar-Schlingen gefangen, oder auf hingeſtreu— tem Heubluͤmte geſchoſſen werden.

Ihr Schaden, den fie einzig im Winter durch das Aufſuchen der Heublu⸗ men anrichten, iſt ganz unbetraͤchtlich; hingegen

Ihr Nutzen beſteht darin: daß ſie die einſame Gegend der Alpen bele— ben, als Stubenvogel dem Vogelliebhaber Vergnuͤgen ma— chen, und ein ſehr ſchmackhaftes Fleiſch haben.

Naturhiſtoriſche Irrthuͤmer.

Die Angaben von Spruͤngli und Bechſtein ſind in folgenden Stuͤcken unrichtig:

1. Daß er kein Alpen⸗ ſondern nur ein Bergvogel ſey.

2. Daß er im Sommer auf den Alpen faſt ſo haͤufig, als die Feldlerchen auf dem Felde lebe.

3. Daß er im Winter auf die Wieſen an warme Quellen und fließende Ströme fliege. Hier findet ſich eine Verwechs⸗ lung zwiſchen unſerm Alpenfelſen-Vogel und zwiſchen der Piplerche (Al. pratensis et triviatis L.)

4. Daß er ſich um auszuruhen in Höhlen verberge. Und endlich .

5. Daß dem Weibchen die weißgefleckte Kehle mangle.

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238 = s Fringitla.catrınells

S. Gmelin Syst. Nat. Linn. ed. 13. Tom. II. p. 908. Sp. 16.

Benennung.

Er heißt beynahe überall in der Schweiz Citroͤnli oder Eitröli in Bern nennt man ihn auch Schneevoͤgeli. Litteratur.

C. Geſsneri historia avium p. 248 249. De citri- nella. Die Ueber ſetzung S. 142 143. Von dem Ci⸗ trinlein. Die Abbildung iſt ziemlich kennbar. Bechſteins gemeinnützige Naturgeſch. Deutſchlands. IV. 480 481. Der Citronenfink.

Bechſteins Naturgeſch. der Stubenvoͤgel. I. 322 323. Ebenſo.

Bechſteins ornithologiſches Taſchenbuch 123 124. Fringilla citrinella et serinus.

Goͤtze europ. Fauna. V. ke Abtheilung 350, Der Zitronfink.

In der Naturgeſchichte dieſes Voͤgelchens herrſcht bis⸗ her eine allgemeine Verwirrung, und es iſt daher noch wie unbeſchrieben. Selbſt Bechſtein hat in ſeinem neueſten Werke aus dieſem Voͤgelchen und aus dem Girlitz ſehr unrichtig nur Eine Art gemacht; dieſen letztern kennt er ſehr gut, und hat ihn in feiner gemeinnuͤtzigen Natur- geſchichte Deutſchlands mit allem Rechte den Kernbeißern zugeſellt; hingegen der erſtere it ihm völlig unbekannt. Ich hoffe, meine in der Natur ſelbſt geſammelten Nachrich⸗

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239

o

ten und Bemerkungen werden jedem Freunde der Orni⸗

thologie willkommen ſeyn!

Kennzeichen der Art. Er iſt gruͤnlich; an den Seiten des Halſes graͤulich,

und auf dem Ruͤcken braun überlaufen und gefedt.

Beſchreibung.

Dieſes niedliche kleine Stubenvoͤgelchen hat ſehr

viel ähnliches mit dem Kanarienvogel, nur iſt es Eleis ner, als dieſer. Seine Länge beträgt 5 3/4 Zoll, feine Breite 9 Zoll, und das Gewicht ½ Loth. Der Schwanz iſt 2 Zoll lang und die Fluͤgelſpitzen be— decken denſelben bis auf einen halben Zoll. Der Schnabel iſt braun, nicht gar einen halben Zoll lang; die Regenbogenfarbe dunkelbraun; die Fuße braͤunlich heiſchfarben;z die geſchildeten Beine 2/3 Zoll lang.

Der Kopf iſt um in Schnabelwurzel herum uͤberall gruͤnlichgelb. Der uͤbrige Theil des Kopfs, der Oberhals und die Seiten des Halſes braͤunlich aſch— farben, kaum merklich ins gruͤne ſchimmernd; der Ruͤcken dunkelgruͤn, braun überlaufen und gefledt; der Steiß hochgruͤnlichgelb; Kehle, Bruſt und Bauch ſpielen ſehr ins gelbe; die kleinern Deckfedern der Fluͤgel ſind grünlich; die groͤßern dunkelbraun mit grünen Rändern; die Schwung⸗ und Schwanzfedern ſchwaͤrzlich mit grünlichen Rändern, und erſtere zugleich mit ſchmutzig weiſſen Einfaſſungen an der Spitze; der Schwanz et⸗ was gabelfoͤrmig.

Das Weibchen unterſcheidet ſich von dem Maͤnn⸗ chen auf eine auffallende Weiſe durch einen aſchgrauen

240

Kopf und Hals, welche Farbe bis auf die Bruſt herunter geht.

Verbreitung und Aufenthalt.

Unſer Citrinchen iſt des Sommers ein eigentlicher Al penvogel, der ſich zu dieſer Zeit immer in den tiefer und hoͤher ltegenden Berggegenden aufhaͤlt und daſelbſt bruͤtet. In der Mitte des Septembers rottiren ſie ſich in kleine Haufen zuſammen, und kommen ein wenig tiefer herab, und erſt ſpaͤth im Herbſte entſtehen aus dieſen kleinen Heer⸗ den große Schaaren, die ſich voͤllig ins Thal herabbege⸗ ben, und des Winters und Fruͤhlings als Strichvoͤgel in denjenigen Gegenden herumziehen, wo das Klima am mil⸗ deſten iſt, und wo es am wenigſten Schnee hat. Eben deswegen, weil ſie ſich erſt zu Anfange des Winters ins Thal herablaſſen, ſieht man fie in Bern für einen Vorbotten des Schnees an und nennt fie Schneevoͤgelchen. Im Fruͤhlinge fliegen ſie erſt, wenn die Fruchtbaͤume im Thale verbluͤht haben, in die hoͤhern. Alpengegenden, indem fie ſich von der Bluͤthe derſelben naͤhren, und damit gefuͤttert werden koͤnnen.

In den bergigern Schweizergegenden iſt das Citrinchen ziemlich haufig, z. E. in den Gurnigel-Bergen im Kanton Bern bruͤten alle Jahre viele, und ſtreichen auch im Fruͤhlinge bey Bern herum, und werden oft gefangen. Im Appenzellerlande niſten alle Jahre einige auf Gaiß, nicht weit vom Dorfe in der Gegend der Riedtler— und Schaͤchler-Allment, hart an einem Tannenwalde; den 9ten July Ao. 1802, traf ich auch 3 Paar alte Voͤgel⸗ chen der Art auf der Sigelalp an, die ſich hin und wieder auf den Boden ſetzten, und abwechslungsweiſe wie— der auf die Daͤcher der Sennhuͤtten flogen, und wahrſchein— lich unter denselben brüteten; auf dem obern Camor

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treffe ich auch alle Jahre einige Zuchten an, die bald auf dem Boden ſitzen, bald auf den dortigen geſtraͤuchartigen niedern Tannenbaͤumchen herumfiegen. Im Glarnerlande kom— men fie ſpaͤt im Herbſte ebenfalls ſehr zahlreich ins Thal hera unter. In den Alpen uͤber Pfeffers ſind ſie ebenfalls gemein. In Buͤndten trift man fie im Fruͤhlinge und Herbſte bey Malans, Marſchlins, Chur u. ſ. w., und im Sommer auf den hohen mit Tannen befchatteten Verg⸗ wieſen an; am gemeinſten in ganz Bündten findet er ſich im welſchen Emſerberge.

Merkwuͤrdige Eigenſchaften.

Die Zitroͤnchen fliegen in einer zitternden, aͤußerſt ſchnel⸗

len Bewegung. Wenn ſie auf dem Boden ſitzen, ſo fliegen

ſie gar oft in immerwaͤhrend zitternder Bewegung der Fluͤ— gel nur ein Paar Fuß uͤber der Erde hin, halten ſich eine oder zwey Minuten lang in dieſer Stellung, ſchreven ans haltend Ziib! Ziib! mit dem einige ſehr melodiſche Tril⸗ ler abwechſeln, und ſetzen ſich dann wieder auf der glei—

chen Stelle nieder. Wenn dieſes Voͤgelchen auf dem

Gipfel einer niedern Alpentanne ſitzt, ſo fliegt es, wie die Piplerche, ſingend in die Höhe, nur nicht fo hoch, wie dieſe, und ſetzt ſich dann auch wieder auf dem naͤmlichen Baume nieder. Von Natur iſt es außerordentlich leb— haft und unruhig, und Hält ſich mit dem Körper und den Flügein in immerwaͤhrender Bewegung. Vorzüglich während der Begattungs- und Bruͤtezeit ßiegt Männchen

und Weibchen gar oft auf den niedern Daͤchern der Bergs

und Sennhuͤtien herum, waͤhrend dem jedes im Auffiegen und im Fluge beſtaͤndig ein dreyfaches ſchnell auf einander folgendes Ziib! Ziib! Ziib! haͤufig hoͤren laͤßt, ſitzend aber nur ein langes Ziib! Es iſt ein niedliches Sing» und Stubenvoͤgelchen, das 2

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ſich wie der Zeiſig im Kefig ſehr gut erhält, Sein Geſang hat viel aͤhnliches mit dem Geſange des Canarien⸗ Vogels, nur iſt er nicht ſo ſchmetternd. Er ſcheint das Mittelding zwiſchen dem Canarienvogel- und Piplerchen⸗ Geſang zu ſeyn. Das Weibchen ſingt auch, aber leiſer und unregelmaͤßiger als das Maͤnnchen.

Vorzuͤglich alsdann, wann die Winde auf den Alpen recht ungeſtuͤmm toben, iſt dieſes Boͤgelchen am meiſten zur Munterkeit und zum frohen Geſange aufgelegt.

Nahrung.

Ihr Futter beſteht aus Saͤmereyen verſchiedener Art. Im Sommer ſuchen ſie allerley Gras- und Kraͤutergeſaͤme, und im Winter beißen fie auch verſchiedene Baum- und Staudenknoͤſpchen ab. Daß fie im Fruͤhlinge auf die Bluͤ⸗ then der Bäume ſehr erpicht find, habe ich ſchon oben gezeigt.

Im Bauer kann man ſie mit Sommer-Ruͤbſaamen, Hanfſaamen u. dgl. ſehr leicht erhalten.

Fortpflanzung.

Von der Art feiner Fortpfanzung haben uns bisher dit beruͤhmteſten Ornithologen Deutſchlands nichts ſagen koͤn— nen, Er bruͤtet in hoͤhern Berg- und Alpengegenden. Das Weibchen macht fein Neſt im May und noch ſpaͤter in klei⸗ nen Viehſtaͤllen oder Sennhuͤtten, innwendig unter dem Dache auf einem Balken, wie die weiße Bachſtelze dieß auch ſehr oft thuk. Das Neſt beſteht aͤußerlich aus feinen Gras: und Moosarten, die mit Puppenhuͤlſen an einan⸗ der beveſtiget ſind; innerlich bildet es eine regelmaͤßige Halbkugel, und iſt nach Art der Finken mit ſehr viel Roßhaaren und ein Paar Federchen aͤußerſt kuͤnſtlich

243 zubereitet. In dieſes Neſt legt es vier, gewoͤhnlich fuͤnf, ſelten ſechs Eyerchen, die unten dick und ſtumpf, oben dünn und zugeſpitzt, ſchmutzig weiß, ins Grüne ſchillernd, und vorzuͤglich gegen dem ſtumpfen Ende zu ſtark roͤthlich braun gefleckt find. Das Männchen iſt immer in feiner Naͤhe, theilt aber das Bebruͤtungsgeſchaͤft nicht mit ihm.

Nach den vielfachen Verſuchen, die der Herr v. Salis in Malans anſtellte, iſt es ausgemacht, daß dieſe Finken⸗ Art in einem Vogelhauſe im Freyen, ſich nie zum Niſten und Bruͤten verſtehen will.

Bisweilen mag dieſes Voͤgelchen auch auf Tannen— Baͤumchen bruͤten, das Herr Meisner von den Gurnigel— Bergen behauptet allein ich fand bisher nie ein Neſt

davon auf einem Baume.

Die jungen Voͤgelchen ſingen ſchon im erſten Jahre, aber viel leiſer, als ihre Eltern.

Jagd und Fang. Man fangt fie des Herbſts wie die Stieglitzen mit Leimruthen auf dem Boden. Schaden. Dieſer beſteht einzig darin: daß ſie oͤfters die Bluͤthen der Fruchtbaͤume benagen und beſchaͤdigen. Nutzen. Es iſt ein niedliches Stubenvoͤgelchen, und erfreut uns mit feinem melodiſchen Geſange. Naturhiſtoriſche Irrthuͤmer.

Bechſtein macht, ſehr unrichtig aus dem Loxia Serinur und Fringilla Citrinella Eine Art, da fie doch deſtimmt zweß von einander verſchiedene Arten ausmachen,

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Herr Meisner in Bern irrt ſich, wenn er in feinem Verzeichniſſe der Schweizervoͤgel zu Fringilla Citrinella als Synonym Buͤffons Venturon de Provence ſetzt. Buͤffon kannte die wahre Citrinella ſo wenig als Linné und andre.

Aus dem, was ich oben von dem Aufenthalte dieſes Voͤgelchens ſagte, iſt erwieſen, daß ſich Herr Meisner auch irrt, wenn er ſagt: ) „daß man es im Sommer nur au den hohen Bergen, bey Schnee und Eis antreffe.“

VIII.

Geognoſtiſche Ueberſicht uͤber die Alpen in Helvetien.

Im Oktoberſtuͤck der Iſis iſt eine uͤberaus intereſſante geognoſtiſche Ueberſicht der Alpen in Helvetien enthalten, welche, der allgemeinen Zeitung zufolge, von Herrn S. Gruner von Bern, geweſenem helvetiſchen Bergwerks— Direktor, herruͤhren fol, Wir glauben, fie unſern Leſern ganz mittheilen zu muͤßen, theils weil dieſelbe nicht ohne Schaden eines Auszugs fähig iſt, theils aber, weil dieſer Gegenſtand an ſich ſo neu und wichtig iſt, daß wir gerne unabgekuͤrzt alles zuſammen vereinigen, was hieruͤber ge— liefert wird, indem hiedurch die einzelnen mineralogiſchen Lokalbeſchreibungen weit groͤßeres Intereſſe erhalten, weil ſie nun als Beytraͤge zur geognoſtiſchen Kenntniß der Alpen ſogleich in ſolche Ueberſichten an ihre beſtimmte Stelle ein

*) ©, Meisners Verzeichniß ſchweizeriſcher Vögel, S. 19,

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getragen werden konnen. Dagegen enthalten wir uns aller kritiſchen Beurtheilung dieſer Arbeiten, indem die Geogno⸗ ſie noch nicht weit genug vorgeruͤckt iſt, um uͤber viele geog⸗ noſtiſche Thatſachen ſchon beſtimmt entſcheiden zu duͤrfen. Daher auch die Eintheilung der verſchiedenen Gebirgsfor⸗ mationen noch ſehr willkuͤhrlich iſt, und von den geologi— ſchen Syſtemen der Geognoſten abhangt; einzig werden wir da, wo uns Fehler in Lokalangaben beſtimmt bekannt ſind, dieſe in beygefuͤgten Noten kurz anzeigen, aber alle Zuſaͤtze zu dieſen Ueberſichten, die wir zu liefern im Falle waͤren, einſtweilen noch weglaſſen, in der Hoffnung, einſt dieſen wichtigen Gegenſtand der Alpen-Naturgeſchichte viel umfaſſender und befriedigender mittheilen zu koͤnnen.

Folgende Abhandlung iſt die Arbeit eines Mannes, welcher ſeit 15 20 Jahren die Ketten der Alpen als Mineralog bereiſete und unterſuchte; einige der hoͤchſten Bergſpitzen, wie z. B. die des ſelten beſtiegenen hohen Titlis, ſelbſt erſtieg; ein, in ſeiner Art vielleicht einziges Kabinet von Foſſilen ſammelte, die gleichſam ein faktiſches Beleg dieſer Abhandlung bilden; und feine, mit feiner Beobach— tungsgabe und Scharfſinn, geſammelten Erfahrungen zu einem Ganzen zu ordnen wußte. Er war ein unmittel⸗ harer Schuͤler Werners.

Anmerkung der Herausgeber der Iſis.

* * *

Geognoſliſche Ueberſicht der helvetiſchen Ge buͤrgs⸗ Formationen.

Jede Anhaͤufung von aufgeſtellten Thatſachen, wenn ſie nicht zu einem großen Ganzen zuſammengeordnet werden,

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um die Ueberſicht zu erleichtern, ſind, je mehr ihre Anzahl

ſchwillt, beſchwerlich, und bleiben mehr oder weniger im— mer ohne allgemeinen Nutzen. In dieſem Fall befindet ſich beſonders jede geographiſch-mineralogiſche Beſchreibung einer Gegend, wenn nicht endlich eine geognoſtiſche Ueber⸗ ſicht aufgeſtellt wird, worin, wie Theile vom Ganzen, jede mineralogiſche Ortsbeſchreibung im Zuſammenhang mit dem uͤbrigen geordnet erſcheint. 2

Ich fühle gar wohl, daß eine vollſtaͤndig ausgeführte geographiſch-mineralogiſche Darſtellung der Schweizerge— buͤrge nicht die Arbeit eines einzigen Mannes ſeyn kkoͤnne. Ich weiß aber auch, daß, wenn viele Beobachter, jeder nach feinem Syſtem, jeder mit feinen vorgefaßten Lieblings⸗ Ideen, beobachten, endlich ein Chaos von Widerſpruͤchen entſteht; da hingegen, wenn jede einzelne Beobachtung gleichſam in ein allgemeines Netz eingereihet wird, der Wiſſenſchaft weſentlicher Nutzen erwaͤchst.

Dieſe Hinſicht hat mich beſtimmt, meine Anſichten uͤber das gegenſeitige Verhalten der verſchiedenen Formationen des Alpengebuͤrgs in einem zuſammenhangenden Ganzen aufzuſtellen. Da dieſe meine Aufſtellung frey von Hypo⸗ theſen, die Natur, wie ſie iſt, dargiebt, ſo kann ſie zur Grundlage jeder weitern Bearbeitung des geographiſch— mineralogiſchen Theils der Schweiz, zu einem Syſtem des Zuſammentragens lokaler Beobachtungen, oder, als ein Leitfaden in geognoſtiſcher Hinſicht dienen. Mit dieſem geb ich alſo das Reſultat meiner geſammelten Anſichten und

Erfahrungen uͤber das gegenſeitige Verhalten der ſchweize⸗

riſchen Gebuͤrge, ihrer Lagen unter ſich, und des relativen Alters ihrer Entſtehung.

* * 5 * * 6

Die Entstehung einzelner Bergſtuͤrze, Schuttkegel von

|

247

Fluͤſſen oder Waldſtroͤmen, die Anfuͤllung von Seen mit Schlamm und Steinen u. ſ. w. ſind mehr oder minder ganz neu; haben keine allgemein wirkende Urſachen zum Grund, und können nicht in die Klaſſe von Gebürgsformas tionen geſetzt werden. Hieher mag gehören die Anfuͤllung des Thuner⸗Sees durch die Kander und Aar; des Genfer— Sees durch die Rhone; der Bergſturz von Pludenz, Weg⸗ gis, Plurs u. ſ. w. die Hemmung des Abffuſſes vom Wal lenſee u. dgl. m.

Ferner iſt auch hieher zu rechnen die Formation der Tuffſteinlager.

* * *

Die juͤngſte Gebuͤrgsformation iſt die Bildung der auf⸗

geſchwemmten Gebuͤrge, welche ſich nicht nur uͤber den Ads

chern Theil der Schweiz, ſondern über Höhen von 5 7000 Schuh erheben. *) Sie iſt zahlloſe Jahre neuer als die juͤngſten Floͤzgebuͤrge ſind. Sie erſtrekt ſich uͤber und beynahe ausſchließlich über die neuern Floͤzgebuͤrgs-For⸗ mationen, und beſteht aus Geſchieben von Sandkorngroͤße bis zu Felsbloͤcken von mehr denn 10/000 Kubikfuß. Sie iſt durchaus ohne die mindeſte regelmaͤßige Schichtung, und durch Lokalumſtaͤnde ſehr ungleich maͤchtig.

Zu dieſer Gebuͤrgsform gehören alle jene Geſchiebe und Sandlagen, welche beynahe durchgehends die jüngere Flöz- Formation ihrer Laͤnge nach von Genf bis Conſtanz und

*) Da noch in keinen Reiſebeſchreibungen von aufgeſchwemm⸗ ten Gebirgen die Rede war, welche ſich bis auf 7000 Fuß erheben, und da der Verfaſſer die Nagelfluhgebuͤrge nicht hieher rechnet, uͤberall keine ſolche bekannt ſind, ſo waͤre

eine nähere Angabe über das Daſeyn derſelben ſehr wuͤnſch⸗ bar.

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auf ihrer Breite vom Jura bis an die Kette des Moleſſon, Stockhorns, Rigi, Pilatus u. ſ. w. bedecken.

In den Thälern iſt ſolche beynahe durchgehends zufams menhaͤngend. Die Höhen bedeckt fie mit unzuſammenhaͤn⸗ genden Gruppen; bedeckt auch öfters die Höhen betracht licher Gegenden: wie z. B. die ganze Gegend um Muͤn⸗ ſter im Kanton Luzern, und andre mehr.

5 Zu dieſer Formation muͤßen wir noch jene mehr und minder großen Felsſtuͤcke zaͤhlen, die ſich einzeln fo häufig zerſtreut zeigen.

Die Geſchiebe und der Sand find, wenige Fälle aus⸗ genommen, ohne Bindemittel, loſe auf einander gehäuft, und wie die Geſchiebe eines Flusbettes, nicht als Conti— nuum geſchichtet. Da, wo ſie durch ein Bindemittel flözartig ſich in Maſſe verlängern, bildet nur dieſes Bin— demittel ein etwas continuirendes Lager; und hiedurch un⸗ terſcheiden fie ſich von den Geſchiebfloͤzen oder Nagelfuhla— gern, der juͤngſten Floͤzformation, unverkennlich. &

Etwas taͤuſchend, als Lagen, durch ein kalkartiges Binz demittel gefchichtet, zeigt ſich dieſe Formation am Ufer der Aar bey Daͤgerfelden, am Ufer des Rheins von Schafe hauſen gegen Baſel, und an andern Orten mehr.

Dieſe ganze Formation iſt von Kalk, Thonerde und Schlamm ſo zu ſagen, ganz gereinigt, welches auf eine zur Zeit ihrer Entſtehung heftige, weiter ſtroͤmende Waſſer⸗— Bewegung ſchließen laͤßt. Zuweilen findet man in ihr auch Goldſand, und ein, dieſes Gold ſtets als Sand be— gleitendes Columbiumſaures Eiſen, ganz dem von Hat— chett unterſuchten aͤhnlich. Ueber alle Vorſtellung uner⸗ meßlich groß iſt dieſe Maſſe, der in jener Epoche ihren natürlichen Lagerſtaͤtten entriſſenen Steine.

Und eben ſo auſſerordentlich und fortdaurend muß die

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Kraft geweſen ſeyn, um alle Bruchſtuͤcke zu abgerundeten Geſchieben zu bilden.

Nicht nur die Thaͤler aller Fluͤſſe, ſondern ſelbſt die erhabenſten Höhen der Sandberge der Rachen Schweiz find an einigen Stellen 40 100 Schuh hoch mit Sand und Geſchieben bedeckt, wie z. B. die ſchon oben angeführte Ges gend von Muͤnſter. Der Jura dagegen findet fich (ein zelne Steinbloͤcke ausgenommen) von dieſen Geſchieben ganz frey. Eben fo die höhern Regionen des Alpgebürges vom Moleſſon, Stockhorn, Rigi, Pilatus u. ſ. f. bis an ſeine ſuͤdliche Begraͤnzung iſt rein davon.

Die ungeheuren Reviere, durchs Rhonethal, durchs Rheinthal, letzteres von Baſel bis Holland und in feiner Breite von den Vogeſen bis Schwarzwald, ſind groͤßten⸗ theils mit Geſchieben vom Alpgebuͤrge angefuͤllt, und ges hoͤren zu dieſer Formation.

* * *

Die Floͤzgebuͤrge, welche, (einen Theil der hoͤchſten Als penkette ausgenommen), die ſchweizeriſchen Bergmaſſen bil den, beſtehen in zwey verſchiedenen, in einem unterbroches

nen Zeitraum entſtandenen Formationen.

Die identiſche Verſchiedenheit derſelben zeigt ſich ſowohl an der noͤrdlichen Gebuͤrgskette Helvetiens (dem Jura), wie an der ſuͤdlichen (dem hohen Alpengebuͤrge).

Daß ein unendlich langer Zeitraum zwiſchen der Ents ſtehung des letzten Lagers der aͤltern Formation, und dem älteften Lager der juͤngſten Floͤzformation, ſtatt gehabt ha- ben muͤße, dafuͤr zeugen unwiderſprechliche Thatſachen,

wie die Folge erweiſen ſoll.

Ihre Verſchiedenheit iſt an der nördlichen Gebuͤrgsreihe unverkennbar: an der füdlichen aber ſehr ſchwer zu ent> decken. Nur ein muͤhſames, ununterbrochenes, zweckmaͤßi⸗

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ges Beobachten laͤßt hoffen, auch hier die charakreriftifchen

Merkmale ihrer Verſchiedenheit einſt ganz aus einander ſetzen zu koͤnnen. .

Die jüngere Floͤzſormation bedeckt die ältere in dem ganzen Flaͤchenraum der Schweiz fo, daß vom Jura, feis ner ganzen Laͤnge nach bis an die hohe Alpenkette, keine Spur der aͤltern zu Tage erſcheint.

Ihre nördliche Begraͤnzung iſt der Jura, auf deſſen ſuͤd— lichen Kalklagern ſie ruht. Der Jura ſelbſt iſt nur unbedeus tend hin und wieder von ihr bedeckt, ſo daß ſeine ganze Breite nur hie und da aufliegende Gruppen von derſelben trägt.

Die ſuͤdliche Begraͤnzung iſt die allerhoͤchſte Alpenkette vom Montblanc bis zum hohen Saͤntis im Kanton Appen— zell. Die Gleichartigkeit der KalkAöze dieſer Formation mit den der aͤltern Formation macht hier die Graͤnzſchei⸗ dung ſehr ſchwer, und beynahe unmoͤglich.

Oeſtlich zieht ſie ſich nach Deutſchland hinaus; weſtlich in Frankreich. Noͤrdlich zeigt ſie ſich auch wieder jenſeits des Jura in den Vogeſen. (Ich halte ſie fuͤr identiſch mit der Baſaltformation von Hohentwiel in Schwaben, und viel⸗ leicht aller Baſaltgebuͤrge. Zu dieſer Muthmaßung fuͤhrte mich eine dem Baſalt ſich in etwas naͤhernde, eben ſo, wie derſelbe, zerkluͤftete Steinkuppe auf dem Pilatus, wel—

che zu dieſer juͤngern Formation gehört. Wuͤnſchenswerth

waͤre, ihre Erſtreckung durch Bayern, fortlaufend an dem noͤrdlichen Tyrol bis an die kayſerlichen Erblande zu un⸗ terſuchen).

Auf der noͤrdlichen Seite, laͤngs dem ganzen Jura, von Genf bis zum Bodenſee, zeigt ſich die Floͤz formation nur als Sandſtein und Mergellagen, welche bald mehr ins ſandige, bald mehr ins thonige uͤbergehen; nur ſelten finden ſich Thonlager. So verhält fie ſich auch in ihrer ganzen Breite, bis fie ſich der hohen Alpenkelte naͤhert,

*

251

wo fie allmaͤhlig größere Geſchiebe bildet, und als Ges ſchieblager mit Sandſtein und Mergellagen abwechſelt. Dies Verhalten zeigt ſich auf der ganzen ſuͤdlichen Laͤnge, wo dieſe Geſchieblagen ein Continuum bilden, ohne eben uͤber oder unter dem Sandſtein oder den Mergellagen zu lies gen. So wie nun die Sandſteinlagen nach und nach in Geſchieblagen uͤbergehn, fo erhebt ſich auch das Vorgebuͤrg der Alpkette an einzelnen Stellen allmaͤhlig, wie bey Sum— miswald, oder im Toggenburg, Entlibuch u. ſ. f., oder auf einmal ſehr fteii, wie bey Zug.

Dieſe Geſchieblagen (Provinzialausdruck Nagelfluh) ſind demnach aͤußerſt maͤchtig, indem ſie ſich dem ganzen noͤrdlichen Theil des Hochgebuͤrgs entlang, von Bonne— ville in Savoyen bis Lindau zu einer Hoͤhe von ungefaͤhr sooo Schuh erheben, und eine ununterbrochene Gebuͤrgs— Kette bilden, die das Vorgebuͤrge der ganzen Alpenlinie ausmacht. 5

Dies unermeßliche Floͤzgebirg, nur von Schlamm und Geſchieben zuſammengeformt, zeigt ſich, im Ganzen ge— nommen, in ſehr regelmaͤßigen Lagen von abwechſelnder, aber ziemlich anhaltender Maͤchtigkeit, wovon die Stein⸗ bruͤche bey Bern, Zürich u. f. w., beſonders aber der Rigi ein unbegreifliches Beyſpiel liefern. Wo Sandſtein, Ges ſchieb- und Mergellagen abwechſeln, findet man ihre Abs loͤſung beynahe ſtets eben, nicht (wie bey der aufge— ſchwemmten Formation,) neſterweis. Nirgend fand ich die Geſchiebe anders gekuͤttet, denn als eine feſte Felsmaſſe; nie waren ſie loſe auf einander liegend. Eben ſo fand ich den Sand nie anders als eine feſte Steinmaſſe, mehr oder minder hart, je nachdem mehr oder minder mergelartige Einmiſchung ſtatt fand.

Die Größe der Geſchiebe in der hohen Kette dieſer Formation iſt im Allgemeinen von Jatel Kubikfuß Inhalt,

a

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bis auf grobe Sandkoͤrner abwechſelnd. Ihre Zwiſchen⸗ raͤume ſind mit Sand ausgefuͤllt, und durch ein Kalkbin⸗ demittel aͤußerſt feſt.

Nordwaͤrts lehnt ſich, wie geſagt, dieſe Bebitasiaff an den füdlichen Abhang des Jura. Im Ganzen genoms men ſtoͤßt ſie eigentlich nur an den Fuß deſſelben; doch auch hier und da rührt fie ſelbſt bis an feine aͤußerſte Höhe.

Beynahe nirgends unmittelbar, ſondern durchgehends findet ſich zwiſchen der aͤltern und neuern Floͤzformation ein thonartiges Eiſenſteinlager, welches jedoch noch, ganz unzweydeutig, zu der neuern Floͤzformation gehoͤrt. Daß Letzteres der Fall ſey, dafuͤr buͤrgt die Beobachtung des unmittelbaren Uebergangs aus dieſem Eiſenſteinlager, und feinem, ihn ſtets begleitenden, wohl auch feifenartigen Thon⸗ lager; desgleichen auch die ſich unter dieſem befindlichen haͤu⸗ figen in einem Letten eingehülten Bruchſtuͤcke von zertruͤm⸗ merten Kalkſteinlagen der alten Jura Gebuͤrgsformation.

Dieſe Eiſenerzlage (die Scheidewand der neuen und al⸗ ten Floͤzformation) gibt ſich zu erkennen von Schafhauſen, uͤber Baden, Aarau, Solothurn; immer bald am Fuß, bald auf den erhabenſten Vorragungen des ſuͤdlichen Theils vom Jura. Wenn ſich von dieſem Eiſenerz je im darun⸗ ter liegenden Kalkſtein ſelbſt noch etwas befindet, ſo iſt es ſtets nur in den Kluͤften des Kalks.

Dieſes Eiſenerz ſcheint alſo der erſte Niederſchlag der neuen Floͤzformation, die wir kennen, geweſen zu ſeyn. ö

Bohnenerz iſt die einzige Gattung von Eiſenerz, welche vorkommt. Die Größe der Körner iſt von einer Achtelds Linie und noch kleiner, bis zu einem halben Zoll. Selten findet man ſie zwey, drey und mehr Zoll im Durchſchnitt, wo fie dann einen dichten, reichhaltigen, thonigen Eifens ſtein, (deſſen Unterart zwar eigentlich das Vohnenerz if) ausmachen. Zufällig finden ſich Spuren von Kobald, auch phosphorſaurem Eiſen, ſtets aber Feuerſtein mit ihm.

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Die Maͤchtigkeit dieſes Lagers iſt ſehr verſchieden, fo wie die Reichhaltigkeit des Eiſenerzes in ſelbigem, indem es nur Auferft ſelten ununterbrochen in großer Ausdehnung anhaͤlt, ſondern gewoͤhnlich neſterweiſe in dem Bolus und feifenartigen Thon, von dem es ſtets begleitet wird, liegt. In Bruntrut iſt die einzige mir bekannte regelmaͤßige und betraͤchtlich ausgedehnte Niederlage.

Dieſer Bolus und ſeifenartige Thon formt dagegen ein unabgebrochenes, wenn gleich in ſeiner Maͤchtigkeit unge— mein abwechſelndes Lager, deſſen weitere ſpecielle Verſchie— denheit, Güte der darin erſcheinenden Eiſenerze u. f w. aufzuſtellen, meine Abſicht nicht iſt.

Selten habe ich die jüngere Floͤzformation nördlich ans ders, als auf dem eben erwaͤhnten Lager, und nirgends anders, als auf dem juͤngſten Lager der altern Floͤzforma— tionen (Jura's) aufliegend gefunden. Mögen ſich immer hin und wieder, wie ich ſchon oben erwaͤhnte, mehr oder minder betraͤchtliche Gruppen im Innern des Jura ent— decken laſſen, (wie in Bruntrut, im Kanton Bafel,) fie ruhen ſtets auf dem jüngften Lager der Altern Floͤzforma— tion, das ſich durch feine Tendenz zu roggenartigem Kalt: ſtein und feine dicht kriſtalliniſche Veſchaffenheit unverkenn— bar karakteriſirt.

Die Juraformation erlitt Zerruͤttungen und Zerſtoͤrun— gen, und ward unendliche Zeit fruͤher geſchaffen, als die eben beſchriebene jüngere Floͤzformation. Von jenen Zer⸗ ſtoͤrungen ſprechen die Eiſenerzkeſſel in den Spalten des Jura bey Schafhauſen; die Keſſel und wie durch Strom— wirbel bewirkten Auswaſchungen des aͤußerſt harten Kalk, flöges, welche man zuweilen (in Bruntrut, im Aarauer— Eiſenwerk) unter den Bohnerzlagen entdeckt. Beſonders merkwürdige Anſichten gebuͤhren dem Bruntruter-Eiſen⸗ Bergwerke. N

t

254

In den Sandſtein-, Thon» und Mergellagern der juͤn⸗ gern Floͤzſormation bemerkt man ſelten Kalkſteine, oder Gyysſpuren; defto häufiger Steinkohlen, doch in unbedeu— tenden Lagen.

Kalkartige, ganz kleine Nieren kommen im ſandigen Mergel, in der Gegend von Mellingen, vor; kleine La- gen von merglichtem Stinkſtein am Uetliberg; ſtinkich— ter Mergel nah am Eiſenerzlager bey Aarau häufig. Ein wirkliches, einen halben auch einen Schuh dickes, auch noch maͤchtigeres Kalkſteinlager (Steinriegel) iſt oͤfters die Firſt des Eiſenfloͤzes bey Aarau und in Bruntrut, (doch hier ſeltener als dort,) und bey Ballſtall aber beſtaͤndig. So zei— gen ſich auch mehrere auf einander ruhende ziemlich maͤch⸗ tige Floͤze von einer Kalkſteinmaſſe, voll von Verſteinerun⸗ gen und eingemengten kleinen Geſchteben, der ganzen noͤrd⸗ lichen Laͤnge dieſer Formation nach, die nahe am Jura hie und da zu Tage gehn. Dieſe Kalkſteinlagen geben die beſten Bauſteine, Waſſerbehaͤlter u. ſ. w. Steinbruͤche davon ſind in Mellingen, Lenzburg, Entfelden u. ſ. f. Zu Tage ausgehend zeigen ſich ſolche noch in mehreren Ge— genden, gleichſtreichend mit und in ziemlich gleichen Ent: fernungen von dem Jura.

Steinkohlen finden ſich haͤuſige, doch durchgehends faſt unbauwüuͤrdige Floͤze.

Verſteinerungen findet man haͤufig. Bey Aarau viele Schildkroͤten nahe am Eiſenerzfoͤz.

Gyps und zwar fafrigen, in Adern nur bey Morges, Nyon, und nahe bey Genf, auch in Savoyen.

Die Verſchiedenheit der Geſchiebarten in der ſogenann⸗ ten Nagelſuhe iſt, nach unzähligen, oͤrtlichen Beobach— tungen, ungefaͤhr folgende. Man findet gewoͤhnlich drey Theile Sandſteingeſchiebe, zwey Theile Kalkſteine, ein Theil uranfängliche Gebuͤrgsarten. Daß dies Verhaͤltniß von

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Genf bis Lindan beträchtliche Abweichungen erleidet, vers

ſteht ſich von ſelbſt. Porphyrgeſchiebe fand ich in dieſer

Formation nur ſelten. Im Ganzen entdeckte ich wenige

Geſchiebe, deren Lagerſtaͤtte mir nicht bekannt war, und keine von ſeltenen Foſſilien. )

Eine oryktognoſtiſche, genaue Beſtimmung dieſer Ge— ſchiebe, und eine gleich genaue aller der vielen, mir zu Geſicht gekommenen Floͤzlagen des Gebuͤrgs mußte natuͤrlich vorangehn, um beſtimmen zu koͤnnen, welche Flözgebürge der helvetiſchen Alpenkette zu der neuern oder aͤltern For— mation gehören.

Der Sandſtein liefert zu der juͤngern Formation, deren Bau ich beſchreibe, die Hauptmaſſe, und zwar im flachen Theil der Schweiz, und der ganzen nördlichen Länge nach. Er zeichnet ſich durch einige karakteriſtiſche Beſchaffenheiten ſehr aus, und um fo mehr, da er ſich in Ruͤckſicht derfels ben überall gleich bleibt. Dahin gehoͤren feine grünlich graue Farbe, ſeine nierenartigen Verhaͤrtungen, welche, als Kerne, ſich neſterweiſe, jedoch in ſchichtenartiger Ten⸗ denz, in demſelben vorfinden und aͤußerſt hart ſind.

So fand ich den Sandſtein im Bruntrutiſchen uͤberall in iſolirten, einzelnen Gruppen auf dem Bohnerz, im Pays— de-Vaud, bey Bern, Sempach, Aarau, hinter Baden u. ſ. w. Die Inclination dieſer geſammten, den groͤßten Theil Helvetiens bedeckenden Sandſtein- und Geſchieblagen

*) Porphyrgeſchiebe in der Nagelfluh find im Kanton Appen⸗ zell ſehr haufig, gegen Suͤdweſt hin vermindern fie ſich all⸗ maͤhlig, fo daß dieſelben in der Nagelfluh am Genfer» Ste nicht mehr vorkommen: Die urſpruͤngliche Lagerſtaͤtte dieſer Porphyrgeſchiebe fo wie vieler Granit und andrer Geſchiebe der Nagelfluh duͤrfte nicht fe leicht beſtimmt anzugeben ſeyn.

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iſt im Allgemeinen ſehr regelmaͤßig „und dem Ceognofken von hohem Intereſſe.

Die mittlere und bey weitem groͤßte Flaͤche liegt hori⸗ zontal. Die noͤrdliche, ſich an den Jura lehnende Seite nimmt die Neigung der unter ihr ruhenden Juralager an, welche, wie ſich in der Folge zeigen wird, ihrer ganzen ſuͤd— lichen Länge nach, ſich unter einem Winkel von 30 90 Graden in die Tiefe gegen das Alpgebuͤrge neigen.

Ich habe ſchon oben geſagt, daß ſich das Sandſteinla— ger im Allgemeinen bis zum Fuß, oder bis zum Drittel der Hoͤhe der Jurakette erſtreckt. Nur an einzelnen Punk⸗ ten ſteigt es zu den erhabenſten Hoͤhen des Jura an ſeiner Miktagsſeite. Im Innern des Jura zeigt ſich dieſe For⸗ mation hinter dem Laͤgeri *) bey Baden, die Höhen des Gebuͤrgs bis an den Fuß bedeckend; und bis zur Aar (weniger zuſammenhaͤngend bis Daͤgerfelden) ſich ausdeh⸗ nend; im Frikthal, in den Kantonen Solothurn und Baſel ſelten, als unbedeutende Kuppen; in Bruntrut wies der haͤufiger und oͤfter an den noͤrdlichen Begraͤnzungen des Jura gegen Beſangon u. ſ. w.

Gegen Suͤden iſt dieſe Formation bis an die Hoͤhe der hoͤchſten Geſchieblagenkette (Roßberg, Pilatus fuß u. ſ. w.)

„ebenfalls horizontal.) Sobald ſich der Sandſtein aber

dem Hochgebuͤrg naͤhert, ſcheint er gegen daſſelbe etwas anzuſteigen, wenigſtens iſt bis hart an die Geſchieblagen—

) Dieſes Gebuͤrge heißt die Laͤgeren.

7) Die Lagerung der Schichten der Sandſtein-Formation iſt doch nicht ſo anhaltend horizontal bis in die Naͤhe der hoͤch— ſten Nagelfluhketten: Bey Baͤch am Zuͤrcherſee ſenken ſich ihre Lagen bis 40 Grad gegen Norden und dieſe Senkung zieht ſich gegen Nordoſt und gegen Suͤdweſt weit anhaltend fort.

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. ſeine Sinkung böchſt unbedeutend. Ploͤtzlich aber, wenn Sandſtein und Nagelduh dem mächtigen Kalkgebirge naͤher ruͤcken, fangen ſie an zu ſinken dem Hochgebuͤrge zu, und zwar ſo betraͤchtlich und im Allgemeinen ſo gleichfoͤr⸗ mig daß ſaͤmmtliche an die Alpen ſtoßende Geſchiebge— buͤrge, von Vevay bis Lindau, mit ihrem ſuͤdlichen Abs hang, da, wo ſie unter das auf ihnen liegende Kalkgebuͤrge ſtoßen, öfters beynah ſenkrecht auf dem Kopf ſtehen. Sie ſinken demnach gegen das Hochgebuͤrg ein, und laufen ganz parallel in ihrer ganzen Laͤnge mit der Sinkung der Suͤdſeite des Jura.

Auf den oberſten Lagen der Geſchiebgebuͤrge liegen be⸗ trächtliche Floͤſe von verwitterbaren Schichten, die aus merglichtem Thon und mergelartiger Kalkerde beſtehn. Und auf dieſen thuͤrmen ſich der Witterung trotzende ungeheure Kalkſteinlager empor in ſenkrechter Höhe, Ihr zu Tage⸗ gehen iſt gegen Norden. Ihre Inclination iſt mithin wie die der unter ihnen ruhenden Geſchieblager.

Ueber dieſen mehrere hundert Schuh mächtigen Kalk ſteinlagen breiten ſich minder maͤchtige Lagen ebenfalls von Kalkſtein aus, abwechſelnd mit Mergelſchiefern-, dem Thonſchiefer ſich naͤhernden Lagen.“) Ueber dieſen nun ſtehen wieder kleine Sandſteinlagen. So zeigten ſich auch roth und blaulichte thonfchieferartige Lager, an welche ſich ein betraͤchtliches, an einzelnen Punkten ſehr maͤchtiges Lager vom ſchoͤnſten, reinſten, dichteſten, graͤulichweißen Kalkſtein von kriſtalliſcher Fuͤgung, legt. Auf dieſem ruht dann eine anſehnliche Gyps formation, die, wo ſie den Ver⸗ heerungen der Natur entgangen, aus dichtem, weißem, ins feinkörnige uͤbergehendem, jedoch blaͤttrige Fügung verra⸗

m

*) Diefer Mergelſchiefer laßt ſich namlich im Waſſer gi ea 7 weichen. *

258 g | f

thendem Gyps beſteht, und mehrere hundert Schuh im ſenkrechten Durchſchnitt ſich an einzelnen Stellen maͤchtig zeigt. Dann folgen darüber mergelartige mit Stink- und Kalkſtein abwechſelnde Lagen, auf welchen die cornicule Lagen, (eine Art Truͤmmergeſtein mit Hoͤhlungen und kal⸗ kigem Bindemittel) von 30 bis 40 Schuh Maͤchtigkeit ge⸗ ſetzt ſind, die zu ihrer Decke noch einen, mehrere hundert Schuh maͤchtigen, blaͤulichgrauen Kalkſtein haben.

Dies iſt eine Folge der Lagen, aus welchen die neue Floͤzformation zuſammengebaut iſt, von Genf an, wo fie ſich in die Tiefe ſenkt, bis Lindau.

Das Einſinken der Schichten dieſer maͤchtigen Forma⸗ tion iſt alſo uͤberhaupt, (in ihrer ganzen Laͤnge von Mor— gen bis Abend,) da auf der Südfeite am ſtaͤrkſten, wo die Geſchieblagen ſich unter die ungeheuren Kalkſteinlagen der Alpkette ziehen. Im Durchſchnitt iſt die Inclination in dieſer Linie nie unter 40 Grad, wohl aber meiſtens bis 90 Grad; ihr Sinken gegen das Hochgebürg; ihr Ausgehn gegen Norden.

Das Aufiegen der Kalkſteintagen auf die Geſchieblagen konnte ich, wenige Stellen ausgenommen, in ſeiner ganzen Länge immer nur ſehr ſchwer beobachten. Einestheils macht die gewaltige Einſinkung, (wo an vielen Stellen Kalk und Geſchieblagen neben einander ſenkrecht auf dem Kopf ſtehen,) die Beſtimmung, welche von beyden oben oder unten gelegen, unmoͤglich; anderntheils verhindert eine ziemlich mächtige Reihe von verwitterbaren und fruchte baren merglichten Sand- und merglichten Kalkſteinlagen, die durchgehends zwiſchen dem Geſchieb und Kalkſtein hin— ſtreichen, das Erkennen. Von Bex bis Lindau iſt das zu Tage ausgehende dieſer Lagen bewachſen, und wegen der Verwitterbarkeit etwas tiefer liegend. Daher ſcheidet immer ein mit Gras oder Holz bewachſenes Thal, wel⸗

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ches in feiner geringſten Breite hundert Schuh, oͤfters viele tauſend Schuh ausgedehnt iſt, das Geſchiebgebuͤrge vom Kalkgebuͤrge.

Mehr gegen Suͤden nehmen die Floͤze dieſer Formation eine zunehmend veraͤnderte Lage an. Ihre Inclination iſt bald horizontal, beſonders auf dem Ruͤcken der Berge, bald nach allen Gegenden ſich mehr oder minder neigend. Im Allgemeinen iſt ihre Inclination der aͤußern Form der Gebuͤrge gleichlaufend, ſo daß ſolche, wie Schneelagen, ſich auf die Form der darunter befindlichen Berge ſchmiegen.

** * *

Die ältere Floͤzſormation muß unendliche Zeit geſtan⸗ den haben, ehe die Macht der Natur eine jüngere, auf

dieſelbe ſich lehnend, ſchuf.

Die ganze Kalk- Mergel⸗ Gyps⸗ Salz- und quarzige Sandformation, woraus die Gebuͤrgskeite des Jura bes ſteht, gehoͤren zu ihr. Wo ſie noͤrdlich zu Tage ſtreicht, liegt ſie unbedeckt von ihrer juͤngern Schweſter, und zieht ſich, an der füdlichen Seite, von Schafhauſen bis Genf unter die jüngere Flögformation hin; bleibt in ihrer gans zen Ausdehnung von ihr bedeckt, bis da, wo ſie am hohen Alpgebuͤrg wieder erſcheint, und anlehnend an das Urge⸗ buͤrge von feinem hoͤchſten Gipfel erreicht und verhuͤllt. Sie zeigt ſich als ungeheuer maͤchtiges Kalkſtein- und Thon⸗ ſchiefer⸗ und aller Zerſtoͤrung trotzendes Quarzſandſteinlager. Zu ihr gehört die Salzformation von Bex, Salzburg, Sulzthal im Aargau, zu Salins u. ſ. w.

Die Inclination des Jura iſt ſehr regelmäßig, und eben fo die Lage der Floͤze, oMfchon dieſe oft ſehr ungleich incli⸗ niren moͤgen. Die Floͤze der aͤltern Formation ziehen ſich auf der Suͤdſeite des Jura unter die juͤngern Sandſtein⸗ Lagen hin, fo daß ſich dieſe, im Durchſchnitt 3 3000

\ 250 Schuh über die Sandſteinformation erhebende, Bergkette unter 40 bis 90 Grad, (und zwar in ihrem ganzen Strei⸗ chen von Morgen bis Abend) gegen Suͤden einſenkt.

Es iſt dem Geognoſten hoͤchſt bedeutungsvoll, die regel⸗ maͤßige Einſenkung einer ſechzig Stunden weit ausgedehn⸗ ten Gebuͤrgslinie, wie die des Jura von Oſten bis Weſten, zu ſehen. In der mittlern Ausdehnung, ſo wie auch gegen Norden, zeigt ſich keine anhaltende Neigung der Floͤze mehr, ſondern ſie fallen und ſteigen, wie die Localuneben⸗ heiten des unter denſelben ſtehenden Urgebürgs, über welches ſich die Niederſchlaͤge, wie Schneeſchichten an legten, und ruhig die Form deſſelben annahmen. Merkwuͤrdige und uͤber allen Zweifel erhabene Beweiſe davon kuͤnftig, wo ſich zeigen wird, daß nur wenige Ausnahmen hierin ſtatt haben, und daß die fo allgemein angenommene Einſen⸗ kung in der Tiefe der Erde, die Zerberſtung von Gebuͤrgs⸗ Ketten u. dgl. m. richtiger Beobachtung ganz zuwider lau⸗ fen; wo ſich ferner die ſonderbaren Biegungen, und oft her und hin, wie ein zuſammengelegtes Tuch, über ein⸗ ander gezognen Lagen von ſelbſt erklaͤren.

Es erſtreckt ſich die Jura- oder aͤltere Floͤzformation gegen, auch uͤber den ganzen Schwarzwald, in einer und derſelben Continuation. Nur an einzelnen Stellen, wie bey Laufenburg, Waldshut, Seckingen, zeigen ſich Urge⸗ buͤrge, durch die freſſenden Fluͤthen des Rheinſtroms ent⸗ bloͤßt. An das vogeſiſche Urgebuͤrg lehnt ſich dieſe Forma⸗ tion ebenfalls, fie it aber durch die jüngere Floͤzformation der aufgeſchwemmten Gebürge in einem Zwiſchenraum von 5 12 Stunden bedeckt. Ihre Ausbreitung oͤſtlich über Schafhauſen, und weſtlich uͤber Genf hinaus kenne ich nicht.

Suͤdwaͤrts lehnt ſich dieſe Formation von Oſten nach Weſten durch ganz Helvetien an das Urgebuͤrg, und erſtreckt ſich bis auf die allerhoͤchſten Gipfel deſſelben, alſo bey

*

264

sooo Fuß höher als auf der Nordfeite. Sie bedeckt die Firſten der Jungfrau, der Wetterhoͤrner, des Titlis, des Toͤdibergs ꝛc., und bildet zum Theil die hoͤchſte noͤrdliche Kette der Alpen.

Die Floͤze dieſer und der juͤngern Floͤzformation leh— nen ſich ſo uͤber einander, daß es mehrentheils ſehr ſchwer iſt zu beſtimmen, was zur aͤltern, und was zur juͤngern gehoͤrt. Beſonders die Gleichartigkeit der Kalkſtein-Floͤze macht eine naͤhere oriktognoſtiſche Beſtimmung ſchwierig.

Ausharrende Beobachtung der Geſchiebe, vorzüglich eine genaue oriktognoſtiſche Beſtimmung und Aufſamm— lung aller Varietaͤten derſelben, verbunden mit dem fleißis gen Aus ſpaͤhen aller Flöge, und Vergleichung des Abge— riſſenen mit dem Stehenden in ſeiner Lagerſtaͤtte koͤnnen allein Sicherheit verleihn uͤber die Graͤnzlinie der aͤltern und neuern Floͤzformationen.

Dieſe ältere Floͤzformation beſteht aber auf ihrer ſuͤdli— chen Laͤnge aus ungemein maͤchtigen Kalkſteinlagen, mei⸗ ſtens mit weißen Kalkſpatadern durchzogen. Sie machen einen großen Theil der Formation aus, und wechſeln mit unbedeutenden merglichten Thonſchieferlagen ab.

Ein zweyter, eben ſo betraͤchtlicher Theil dieſer Forma— tion iſt wahrer Thonſchiefer *) von rother und graulich— blauer Farbe. Er wechſelt mit minder maͤchtigen Kalk ſteinlagen ab. j

Ein dritter, jedoch minder betraͤchtlicher Theil iſt ein auarziger Sandſtein, der ebenfalls mit unbetraͤchtlichen Kalkſteinlagen abwechſelt. Die außerordentliche Härte, dies ſes Sandſteins, ſo wie ſein beſtes Bindemittel, laſſen ihn zum Trotz der verwuͤſtenden Natur oft, als die ſteilſten und hioͤchſten Spitzen aus dem Eisgebuͤrg hervorgehn.

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*) Glarner Tafelſchiefer.

262

Nicht immer daffelbe Lager ruhet auf dem Urgebuͤrg, ſondern bald Kalkſtein, bald jener Sandftein. Im Urs bachthal findet man eiſenſchuͤßigen Kalkſtein. Auf dem Moteberg Kalkſtein von koͤrnigen, abgeſonderten Ruͤcken. Auf der Höhe zwiſchen Geſteln und Leuck einen Truͤm— merſtein, auch einen dichten Kalkſtein.

Alle Kalkſteine dieſer Formation ſind im Durchſchnitt ziemlich kriſtalliniſch, jedoch meiſt von unſichtbar abgeſon⸗ derten Stuͤcken, folglich ſehr dicht, beſonders in den als tern, minder maͤchtigen Lagen.

Erze führt der Jura in Lagern linſenfoͤrmigen, thonars tigen Eiſenſteins, hier und da ziemlich mächtig. Ein aͤhn⸗ licher linſen- auch roggenförmiger Eiſenſtein zeigt ſich auch in betraͤchtlichen Lagern am Alpengebuͤrg, (Muͤhlithal im Kanton Bern) von Morgen bis Abend. Alle Bohnerze, ſo ſich im Jura in Spalten, Gaͤngen finden koͤnnen, ruͤh⸗ ren offenbar von der juͤngern Floͤzformation her.

* * *

Das uranfaͤngliche Gebuͤrg beſteht unwiderſprechlich, eben fo wie die auf ihm liegenden Floͤzgebuͤrge, aus über einander ruhenden Schichten.

Die Verſchiedenheit zwiſchen dieſen und jenen iſt, daß die uranfaͤnglichen Gebuͤrgsſchichten felten lagerhaft von eins ander abloſen, ſondern conglomerirt und meiſtens in ein— ander uͤbergehend ſind. Zweytens ſind die Schichten der Urgebuͤrge im Durchſchnitt ungleich maͤchtiger und weniger abwechſelnd, wie die der Kalklagerfloͤſe. Dazu kommt, daß ihre Lage aͤußerſt ruhig und in ihrer Inclination hoͤchſt ein foͤrmig iſt, indem ſich bei ihrer ſtets kriſtalliniſchen Bil- dung, nirgends unregelmaͤßige, oͤrtlich abwweſchen ge⸗ waltſame Zerrüttung vorfindet.

263

Auch ihre Inclination iſt ſtets gleichfoͤrmig. In dem ganzen Raume vom Montblanc bis an die Graͤnzen Tyrols liegen beſtaͤndig die Schichten unter einem Winkel von uns gefaͤhr 60 Grad von der Horizontalflaͤche abweichend. Ihr Ausgehn oder zu Tageſtoßen iſt gegen Norden, oder vielmehr

gegen Nordnordweſt. In der Tiefe ſchießen ſie folglich gegen Suͤden oder Suͤdſuͤdoſt ein. An allen Stellen, wo ich be, obachten konnte, fand ich dieſe Lagen immer auf's ge⸗ nauſte gleich ). Auch das blaͤttrige Gefuͤg der talk» und glimmerartigen Lagen ſtimmt mit der Inclination des Ganzen uͤberein, und zeigt nirgends oͤrtliche Abwei⸗ chungen.

Außer der durchaus kriſtalliniſchen Bildung des Urge⸗ buͤrgs iſt alſo ein allgemein gleiches Streichen feiner Floͤze Hauptkarakter deſſelben, und nirgends findet ſich eine Spur von Niederſchlaͤgen auf unter ihnen liegenden Unebenhei⸗ ten, wie bey den Floͤzgebuͤrgen.

Die von Nordoſt nach Suͤdweſt laufenden Hauptthaͤler, pbelche das Urgebuͤrge nach der Streichungslinie ihrer Schich⸗ ten durchziehn, haben ihre Entſtehung leichten, in unermeß— lichen Zeitraͤumen verwitterten Schichten zu danken. Un⸗ zweifelhaft liegt auch die Grundurſache der mit den Lagen des Urgebuͤrgs parallel laufenden allgemeinen und großen Sinkungen der Floͤzgebuͤrge, fo wie ihre und ſelbſt des Jura fich parallel ziehende Kettenreihung, in der Auflöfung eines maͤchtigen Lagers im Urgebuͤrg.

N Die untern Lagen des Urgebuͤrgs haben nichts Eigenes, vor andern auf ihnen ruhenden. Die am noͤrdlichſten lie⸗

*

*) Daß das uranfaͤngliche Gebuͤrge nicht überall gleichfoͤrmig gegen Süden eingeſenkt ſey, zeigt der Aufſatz über v. Hum— bolds ähnliche Behauptung im gegenwärtigen Theil der Al

a pina Seite 35, ziemlich ausführlich

204

\ genden, fand ich ſehr talkartig, ſo wie die auf der Höhe des Furkagraths, durch das ganze Wallis: und das Urſe⸗ lenthal ſich erſtreckende.

Dieſe talkartigen Lagen zeigen ein blaͤttriges Gefuͤge und ziemliche Tendenz zur Verwitterung. Granit aus Quarz, Glimmer, Feldſpath, iſt ſelten ohne Schoͤrl oder talkige Theile; ſo wie Talk und Schoͤrl ſich mehr oder minder häufig eingemiſcht finden, nimmt die Tendenz zum blaͤttri⸗ gen Gefuͤge zu oder ab.

Den mehr ſuͤdlichen Theil des, jenſeits des Rhone⸗ und Urſelenthales liegenden Urgebuͤrgs habe ich blos an einzelnen Stellen bereist, ihn im Allgemeinen mehr glim, merartig, und Serpentingebuͤrge, auch ganze Gebuͤrge vom beſtimmteſten Glimmerſchiefer angetroffen. 5

Vom wahren Thonſchiefer fand ich im Urgebuͤrg keine Spur; eben fo wenig irgendwo Porphyr aufſitzend, ‚oder in Gaͤngen. N

Von Erzen ſcheint die Natur nur ſparſame, wenigſtent ſehr verborgene Niederlagen in die Gänge des helvetiiſchen Urgebuͤrgs geſchuͤttet zu haben. Obſchon daſſelbe ſich im Allgemeinen beynahe ganz entbloͤßt und unbedeckt zeigt, findet man dennoch nur ſelten Gaͤnge, und beynahe keine mit irgend einer Spur von Metall. Wiewohl die Aar oͤf— ters, beſonders bey Ueberſchwemmungen, Sand- und Ge⸗ ſchiebbaͤnke anlegt, die ſehr reichhaltig an Gold find, und woraus ſich auf beträchtliche Goldniederlagen in den Gaͤn⸗ gen des Urgebuͤrgs ſchließen laͤßt, entdeckt man doch, aus⸗ genommen im Wallis, kein Gold in ſeiner urſpruͤnglichen Lagerſtaͤtte.

* 41 **

Daß ſich aus dieſer Anſicht ganze Baͤnde von Theorien

i Aber Urfachen, Art und Weiſe der Entſtehung, Erklaͤrun⸗

*

*

W n 9

263

gen, beſonders unbegreiſlicher Erſcheinungen u. ſ. w. fpies lend ſchaffen ließen, verdient kaum geſagt zu werden. Da jeder vorurtheilloſe Beobachter, im Beſitz von allgemeinen Ueberſichten daſſelbe leiſten kann, mag ich niemandem in dieſem Vergnuͤgen vorgreifen.

Hauptanſichten getreu nach der Natur gezeichnet, die als Belege zu der obigen Abhandlung dienen ſollen, werde ich von Zeit zu Zeit in einer regelmaͤtzigen Folge nachligs fern, oder durch Freunde nachliefern laſſen ).

*) Die dieſer Abhandlung beygefuͤgte Charte der Schweiz zeigt durch Illumination die Graͤnzen und Ausdehnung der ver— ſchiedenen Gebuͤrgs formationen, wobey ſich aber viel Unrich⸗ tigkeiten eingeſchlichen haben, wovon nur einige bier kurz beruͤhrt werden ſollen.

In die Jura -⸗Kalkſteinformation find die Bezirke von Egliſau und des Kloſters Rheinau hineingezogen, welche ſchon ganz in die Sandſteinformation gehoͤren. Die Graͤnze zwiſchen der aͤlteſten Floͤzgebuͤrgs⸗ und der uranfaͤnglichen For⸗ mation ſteigt im Unter- Wallis bis nahe an St. Moriz her⸗

ab, da ſie in der Charte bey Martinach eingezeichnet iſt.

Im Ober⸗Wallis iſt dieſe Graͤnze rechts dem Rhodan bis auf Leuk hinaufgezogen, da in dieſer Gegend meiſt der Rhodan dieſe Gränze bildet. Vom Grimſel bis in's Reuß⸗ thal hinüber iſt dieſe Graͤnze zu weit ſuͤdöſtlich vorgeruͤckt, indem das uranfaͤngliche Gebuͤrg. den Hintergrund des Gad« menthales, das Magenthal und die linke Seite des oberſten Hintergrunds des Engelbergerthals einnimmt, die in der Charte noch der aͤltern Flögformation beyaeordnet find. Eben fo gehört der Criſpalt und die Gebuͤrge des Maderanthals in die uranfaͤngliche, nicht wie die Charte zeigt in die Floͤzfor⸗ mation. An der Bündtnergränge gegen Vorarlberg iſt in der Charte die Floͤßformation viele Stunden weit zu ſtark nach Suͤdoſt herausgeruͤckt, denn die Gebuͤrgskette des Slapiner⸗ Jochs und des Montafuner⸗Thals bis 1 1/2 Stund hinter

ih

266

Im dritten bis fünften Heft des Mineralogen in der 1 ten Abtheilung der compendioͤſen Bibliothek, Eiſenach und Halle 1796. iſt ſchon eine Johann Conrad Eſcher, Zuͤrich den ıften Julii 1796. unterzeichnete geognoſtiſche Ueberſicht der Alpen in Helvetien von Seite 283 297. bekannt ges macht worden, die wir woͤrtlich hier mittheilen, und noch einige Zuſaͤtze zu derſelben liefern, welche in Faͤſis Bib⸗ liothek der ſchweizeriſchen Erdbeſchreibung und Statiſtik enthalten find. Da dieſe Ueberſicht ſchon vor zehn Jah⸗

ren geſchrieben wurde, fo vermißt man in ihr natürlicher

Weiſe manche neuere geognoſtiſche Beſtimmungen, die erſt ſeit jenem Zeitpunkt die Geognoſie ſowohl, als die mines ralogiſche Geographie bereicherten.

* * *

Geognoſtiſche Ueberſicht der Alpen in Helvetien.

Das eigentlich ſogenannte Alpengebuͤrge, welches ſeinen Zug aus Frankreich durch Savoyen, Helvetien und Rhaͤ— tien nach Tyrol nimmt, beſteht in geographiſcher Ruͤckſicht aus drey Hauptabtheilungen. Der Mittelpunkt des erſten ſuͤdweſtlichſten Theils deſſelben iſt der Montblanc in Sa⸗ voyen, der zugleich die hoͤchſte bis itzt aufgefundene Alpen⸗ Spitze iſt. Den Mittelpunkt des aͤußerſten oͤſtlichſten Theils

Pludenz gehoͤren ſchon ganz der uranfaͤnglichen Gebuͤrgsfor⸗ mationen.

Die auf der Charte eingezeichneten Graͤnzen zwiſchen den neuern und aͤltern Floͤzgebuͤrgs-Formationen find ſchwer zu beurtheilen, weil der Verfaſſer in der Abhandlung ſelbſt die Begriffe, die er mit dieſer Unterabtheilung verbindet, doch nicht ganz beſtimmt entwickelt.

267

des Alpengebuͤrges machen die Julierberge aus. In der Mitte des ganzen ausgedehnten Gebuͤrgszuges iſt der St. Gotthardsberg, der, obgleich weniger hoch als die Ges buͤrgsſtoͤcke feiner beyden von ihm ausgehenden Hauptars me, doch in jeder Rückſicht als der Mittelvunkt des gan⸗ zen Alpengebuͤrges zu betrachten iſt; welches ſchon durch die von ihm nach allen Seiten abſtroͤmenden Fluͤſſe auf⸗ fallend bewieſen wird.

Der Montblanc iſt mit dem Gotthard durch die beys den hoͤchſten Gebuͤrgsketren der Alpen verbunden, zwiſchen denen das Thal des Rhodans oder das Wallis liegt. Die nördliche dieſer Gebuͤrgskette trennt den Kanton Bern von Wallis. Sie enthaͤlt in ihren oberſten Bergthaͤlern ewige Eisfelder, die ſich vom Grimſel bis an die Diablerets beys nahe ununterbrochen mehr als 30 Stunden weit ausdeh⸗ nen, und meiſtens 3, 6, auch bis auf 9 Stunden Breite haben. Die beruͤchtigten Grindelwald-Gletſcher ſind nur unbedeutende Eckchen dieſes großen Eisvorraths. Die ſuͤd⸗ lichere Gebuͤrgskette aber trennt das Wallis von Piemont, und enthalt noch höhere Gebürgsſtoͤcke und ausgedehntere Eisfelder als die nördliche Kette.

Die Julierberge find mit dem Gotthard durch noch mes nig bekannte Gebuͤrgsketten in Verbindung geſetzt; der Hauptarm iſt die füdliche Seite des Rheinwalds, in wel⸗“ cher die meiſt beſchneiten Rüden des Bernharndins, Spluͤ⸗ gen und Septimers die bekanntern Stellen ſind. Dieſe ausgedehnte Gebuͤrgskette hat gegen Suͤden hin eine hohe und ſehr betraͤchtliche Parallelkette, die mit ihr das En⸗ gadin einſchließt, und in welcher der Bernina mit ſeinen praͤchtigen Gletſchern am wenigſten unbekannt iſt.

Die allgemeine Gebuͤrgsart dieſes hoͤchſten Gebuͤrgszuges

vom Montblanc an, über den Gotthard, bis an die hoͤch⸗

ſten Arme des Juliers, iſt Granit, der aber ſehr viele Ab⸗

2175 NN

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263

änderungen dieſes großen Geſchlechts ausmacht. Am Gott hard iſt dieſer Granit meiſt grobkoͤrnig, beſonders zeichnet ſich in dieſer Ruͤckſicht der Feldſpath deſſelben aus; Quarz und Glimmer hingegen ſind kleinkoͤrniger, und haben noch immer, ſelbſt an den hohen Firſten des Luzendro und Grei— ſtocks, ein mehr oder minder blaͤttriges Gewebe, welches die Gebuͤrgsart in ihrem aͤußern Anſehen dem Gneiſe an— nähert. Bergkriſtall, Adularia und Chlorith kommen in Gängen, Strahlſtein, Cyanith und Tremolith *) aber in einzelnen Lagern an dem Gotthard und feinen Nachbarn vor. Gegen den Montblanc hin wird dieſe Granitformation meiſt kleinkoͤrniger, und geht oft in's Feinkornige über; auch hier noch naͤhert ſich oft ihr Gewebe, ſelbſt an den hoͤchſten Gebuͤrgsſtoͤcken dem Blaͤttrigen, fo daß ſelbſt die 13000 Fuß hohen Finſteraar- und Schreckhoͤrner, ſo weit ihnen beyzukommen iſt, groͤßtentheils aus Gneis beſtehen. Auch die oͤſtlich vom Gotthard ausgehenden Gebuͤrgsket⸗ ten, die freylich noch wenig beſtimmt beobachtet werden konnten, beſtehen aus einem oft ganz feinkoͤrnigen und meiſt in's Blaͤttrige uͤbergehenden Granit, der im Rheins walde an den Gletſchern des Hinterrheins in befiimmten duͤnn und geradflafeigen Gneis übergegangen iſt. Doch da „die hoͤchſten Alpfirſten noch felten erſtiegen werden konnten, fo möchte ſich wohl der gleichkoͤrnige beſtimmte Granit, der haͤufig als Geſchieb oder Wakken ſich in tiefern Gegen⸗ den zeigt, bey weitern Beobachtungen an dieſen ſcheußli⸗ chen Felſenpyramiden, die ſich über sooo Fuß hoch aus den fie umgebenden 9000 Fuß hohen Eisfeldern erheben, noch vorfinden. **)

*) Cyanith und Tremolith finden fich nicht am Gotthard ſelb⸗ ſten, ſondern in den ſuͤdlichen Gebuͤrgen des Livinerthals.

*r) In einem in Faͤſis Bibliothek der fehmeizerifchen Staats

u a

269

Am Jullierberg ſelbſt iſt der Granit in beſtimmten Sienit übergegangen, der weißen Feldſpath, grauen Quarz und

ſchwarzgruͤne Hornblende zu Beſtandtheilen hat. Zwar

ſpielt die Hornblende ſchon an der Suͤdſeite des Gotthards eine wichtige Rolle, indem ſie hier Hornblendeſchiefer und

eine aus Quarz, Granat und Hornblende gemengte Ge—

buͤrgsart bildet, die vom kleinkoͤrnigen bis in's groͤbſte Korn übergeht, ſo daß Quarz und Granat oft 2 und 3 Kubik⸗ Zoll ſtarke Koͤrner ausmachen, und die Hornblende das ganze Gewebe mit Strahlen durchzieht, deren Queerdurch—

ſchnitt bis auf einen Quadratzoll einnimmt, und die 4,

6, 8, auch bis auf 12 Zoll Lange haben. )

Deſſen ungeachtet erſcheint am Gotthand kein beſtimm⸗ ter Sienit, der dem Julierberg in den Alpen eigenthuͤm— lich zu ſeyn ſcheint. Dieſe hoͤchſte Gebuͤrgs formation der Alpen, welche uͤberall als Grundgebuͤrge, niemals als auf⸗

kunde befindlichen Abdruck dieſer Abhandlung findet ſich noch folgender Zuſatz: „Ungeachtet des beynahe immer etwas „blaͤttrigen Gewebes der Gebuͤrgsart der oberſten Gebuͤrgs— „ſtöcke des Gotthards wird dennoch kaum ein Geognoſt Bes „denken tragen, ſie dem Granit zuznordnen, wozu zum Theil ſchon der darin häufig ſich zeigende Feldſpath, der oft einen „Kubikzoll ſtarke Körner bildet, berechtigt; folglich dürfen

auch alle in dieſer Gebuͤrgsformation ſich zeigenden Um⸗ „fände, als der Granitformation angehoͤrig, ruhig betrach- „tet werden.“

) In Fafis Bibliothek iſt hier folgender Zuſatz; „Dieſe ſchoͤne

„Gebuͤrgsart, die ſich kleinkoͤrnig ſchon an der Suͤdſeite der

„Gotthard Scheidecke zeigt, aber grobkoͤrnig nur noch durch „Geſchiebe, die bey Airolo ſehr haͤufig vorkommen, bekannt war, ift, im Canariathal, das ſich von den Schattenſtoͤcken „ins Livinerthal herabſenkt, als allgemeine Gebuͤrgsart ſehr großkoͤrnig anſte hend.“

270

liegend erfcheint, und welche alſo hauptſaͤchlich aus einem bald mehr, bald weniger ſich dem Gneis naͤhernden Granit beſteht, zeigt beynahe noch überall Spuren von Schich— tung die aber wegen der haͤufigen Zerkluͤftungen, welche oft ganz parallel unter ſich fortlaufend die Gebuͤrgsſtoͤcke durchſtreichen, aͤußerſt undeutlich und ſchwer beſtimmbar gemacht wird. *)

Stellenweiſe iſt dieſes Urgebuͤrge bis auf eine außeror⸗ dentliche Hoͤhe durch die aufliegenden Formationen bedeckt, beſonders an der Nordſeite der Alpen bilden die aufgeſetz⸗ ten Gebuͤrgsformationen Gebuͤrgsſtoͤcke, die 10 12000 Fuß erhaben find; an der Suͤdſeite hingegen ſenkt ſich das Urge⸗ buͤrge unbekleidet bis in die tiefern Gegenden herab, und die auf daſſelbe aufgeſetzten Formationen bilden nur ſchwa⸗ che Gebuͤrgsketten. Das Zutagausgehen des oberſten Urs gebuͤrges zieht ſich vom Montblanc aus durch die ſuͤdlichen Walliſergebuͤrge durch, geht im Ober-Wallis auch an die nördliche Walliſer-Gebuͤrgskette über, und zieht ſich von

) In Faͤſis Bibliothek iſt folgender Beyſatz: „So undeutlich „die Schichtung dieſes Granits ſich oft zeigt, fo deutlich er- „ſcheint ſie hingegen an andern Stellen, wo man recht⸗ „winklichte Schichtenprofile beobachten kann, wie z. B. in „der Alp Rodunt an der Nordſeite der Gotthard - Scheidecke, „wo wohl auch die Ungläubigften von der Schichtung des „Granits überzeugt werden müßen, und ſich kaum mit dem „Vorwande, es ſey regenerirter Granit aus ihrer Hypo⸗ „theſe, der uranfaͤngliche Granit komme nie geſchichtet vor, „heraushelfen koͤnnen. Sollte denn der Mont Roſa zwi⸗ „ſchen Wallis und Piemont, der nur 20 Klafter niedriger „als der Montblanc it, deswegen, weil er geſchichtet iſt, „auch blos aus regenerirtem Granit beſtehen? Vide Berol- „dingens Zweilel und Fragen II. und Saussurs Voyages daus les Alpes WI

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da zu beiden Seiten des Urſelerthals nach Rhaͤtien her⸗ über, wo es aber bald an den nördlichen Gebuͤrgsketten verſchwindet, und ſich ganz ſuͤdlich nach dem Rheinwald, Julier und Bernina, bis an die Tyroler und venetiani⸗ ſchen Gebuͤrge heruͤberzieht.

Von der oberſten Hoͤhe dieſes uranfaͤnglichen Gebuͤrgs⸗ zuges an, leidet feine Gebuͤrgs formation, fo wie fie ſich gegen die Ebenen, ſowohl an der Suͤdſeite als auch an der

Nordſeite, herabſenkt, die gewöhnlichen Abanderungen in

Gneis, Glimmer-, Hornblende- und Chlonithſchiefer: fo zeigt ſich z. B. ſchon an der Furka zwiſchen dem Walligs und Urſelerthal eine beſtimmte Glimmerſchiefer-Formation.

Ueberhaupt aber leidet dieſes Urgebuͤrge an der Nordſeite

der Alpen weniger Adaͤnderungen als an der Suͤdſeite, welches natürlicherweife von dem dortigen hoͤhern Aufie⸗ gen der aufgeſetzten Gebuͤrgsformationen herruͤhrt. Im Ganzen betrachtet, ſind die Gneis- und Glimmerſchiefer⸗ Gebuͤrge, und überhaupt alle, welche noch gewöhnlich zur uranfaͤnglichen Formation gerechnet werden, und welche durch Aus witterung oder andern Verluſt des einen oder andern Beſtandtheils des Granits oder Sienits entſtanden ſeyn moͤgen, meiſt gegen das oberſte Granitgebuͤrge anſtei⸗ gend und beſtimmt geſchichtet.) Ihre Streichlinie geht *) Zufag in Faͤſi's Bibliothek: „Dieſe Beobachtung leidet ber „trächtliche Ausnahmen. So z. B. iſt das Gneisgebürge „an der Nordſeite des Gotthards allgemein gegen Suͤden „eingeſenkt, freylich meiſt fo ſteil, daß ſich die Einſenkung „dem Verticalen ſehr nähert; an der Suͤdſeite des Gotthards „hingegen find die Gneis und Hornblendeſchiefer-Gebuͤrge meiſt nördlich eingeſenkt, aber in einer ebenfalls ſehr verti⸗— „kalen Stellung, hingegen in größerer Entfernung von der „Centralkette mag jene Beobachtung allgemeiner ſtatt haben.“ Siehe hierüber den Aufſatz uber Humbolds Beobachtung.

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N

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alſo mit der ganzen Alvenkette von Weſt nach Oſt, und ihre Fallungslinie ſenkt ſich (an der Nordſeite meiſt aͤußerſt ſteil, oft vertical gegen Norden, die der Gebuͤrge an der Suͤdſeite aber gegen Süden ein; jedoch zeigen ſich nicht ganz ſeltene Ausnahmen hieruͤber. ) Häufige Erzanzeigen finden ſich in den, dem Granite zunaͤchſt liegenden Gneis⸗ gebürgen ; aber die Höhe ſolcher Erzgaͤnge und die Theure der Lebensmittel in dieſen kahlen Gebuͤrgen ſind neben dem Mangel an Induſtrie für die Benutzung des Mineralreichs / der den Helvetiern eigenthuͤmlich iſt, natürliche Hinderniſſe gegen den Bergbau; einzig im Loͤſcherthal im Wallis wird mit Vortheil auf derben Bleyglanz gebaut, und im Lau⸗ terbrunnerthal wird an der Nordfeite des gleichen Gebürs ges ein Gang von in Quarz und Schwerſpath eingeſpreng⸗ tem Bleyglanz, noch mit beſtaͤndiger Zubuße, aber voͤllig Bergmaͤnniſch betrieben. An der Suͤdſeite der Alpen in Piemont iſt hingegen häufiger Bergbau.

Beſonders auffallend iſt, daß in den 6—8o00 Fuß hohen Bergthaͤlern des Urgebuͤrges in den Alpen meiſt noch Zuͤge von Kalkſtein, der in deutlichen Schichten gelagert iſt, ſich vorfinden.

Bisher fand ſich in den Alpen, ungeachtet der häufigen Porphyrgeſchiebe in den vorderſten Bergthaͤlern derſelben, an einer einzigen unbetraͤchtlichen Stelle an der Suͤdſeite der Alpenkette, zwiſchen dem Lago maggiore, und dem Lago d'Orta im Piemont, eine Porphyrſormation, die auf einem Glimmerſchiefer-Gebuͤrge im Thale des Agogno⸗ Stroms aufſitzt: Ihre Hauptmaße iſt ein in Jaspis über:

*) In Faͤſi's Bibliothek findet ſich ſtatt der eingeklammerten, in Ruͤckſicht der Nordſeite der Centralkette unrichtigen Ane gabe einzig die Anzeige: Ihre Fallungslinie ſenkt ſich außers ſteil, oft vertikal ein.

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gehender verhärteter Thon, der Quarz und Feldſpathkriſtal⸗ len, vielleicht ſelbſt hier und da einige Trümmer einge ſprengt enthält. An der Nordſeite der Julierberge iſt eine ſchoͤne beſtimmte ſchwaͤrzlichgruͤne Serpentinſteinformation. An der Suͤdſeite der naͤmlichen Gebuͤrgskette in der Ges gend von Cleven, an der Nordſeite des Gotthards, ) und an der Suͤdſeite der oͤſtlichſten Walliſergebuͤrge, zeigen fich ausgedehnte Talkformationen, die durch' ihren Asbeſt, Gilt- und Lawezſtein bekannt ſind.

Die unmittelbar auf dieſes uranfaͤngliche, oder wenig⸗ ſtens nahe mit ihm verwandte Gebuͤrge aufgeſetzten Ge— buͤrgsformationen find nach den verſchiedenen Stellen der Alpen durchaus ganz verſchieden, und eben dieſer außer ordentlichen Verſchiedenheit wegen, bey weitem noch nicht allgemein gekannt: Dieſe ſo wichtige Kenntniß wird an der Nordſeite der Alpen durch die Höhe der dortigen aufs geſetzten Gebuͤrge betraͤchtlich erſchwert. Ueberhaupt aber iſt die Geognoſie beſonders in Helvetien eine fo neue und wenig bearbeitete Wiffenfchaft, daß hierüber noch während einem langen Zeitraume nichts als Fragmente erwartet werden duͤrfen.

An der Suͤdſeite der Alpen zeigen ſich die aufgeſetzten Floͤßgebuͤrgsformationen erſt in der Gegend der italieniſchen Seen, wo diejenigen Kalkſteingebuͤrge, welche die Ebene der Lombardie begraͤnzen, meiſt ziemlich unmittelbar auf den Glimmerſchiefer⸗Gebuͤrgen aufliegen, daher find auch jene Kalkſteingebuͤrge beynahe allgemein, fo wie die unter ihnen liegenden Glimmerſchiefer-Gebuͤrge gegen Süden eins

) Zuſatz in Faͤſt's Bibliothek: „An der Suͤdſeite des Urſe⸗ „lerthalts naͤmlich kommen ungeheuer große freyliegende Talk⸗ felſen vor, die eine nahe anſtehende Tall formation anzeigen / „welche aber noch nicht aufgefunden worden iſt.“

274

geſenkt. Oft liegen einige wenige Breccienlager zwiſchen dem Glimmerſchiefer und dem aufliegenden Kalkſtein, der bald koͤrnig, bald dicht iſt, und beynahe allgemein, wenig⸗ ſtens in denjenigen Kalkſteingebuͤrgen, die nicht die zunaͤchſt auf dem Glimmerſchiefer aufliegenden ſind, mit einer Art Feuerſteinlager abwechſelt, welche bald in Hornſtein, bald in Kiefelfchiefeg, und zuweilen ſelbſt, z. B. im Cuviothal, in Jaspis uͤbergehen. Die aͤußerſten Stellen dieſer Kalk gegen die Lombardie beſtehen aus Kalkſtein⸗ ſchiefer: z. B. am Sacro Monte di Varese. Bey Como aber iſt 175 eine Nagelfuhformation *) auf die Kalkſtein⸗ Formation aufgeſetzt, welche ebenfalls wie die ganze Suͤd⸗ teite der Alpen gegen Suͤden eingeſenkt iſt.

An der Nordſeite der Alpen zeigen ſich bis auf 12000 Fuß uber das Meer erhabene aufgeſetzte Gebuͤrge, welche alfo in ihrem Schoos noch betraͤchtliche Eisthaͤler enthalten. Wahrſcheinlich die hoͤchſten unter dieſen ſind die auf den Gneis aufgeſetzten Floͤzkalkſteingebuͤrge an der Nordfeite der nördlichen Walliſergebuͤrge; das berühmte Jungfrau⸗ horn, die Wetterhoͤrner u. ſ. w. gehoͤren in dieſe Klaſſe,

und beſtehen, ſo weit ihnen beyzukommen iſt, aus ganz

beſtimmten Kalkſteinſchichten, die dem Anſchein nach bis

an ihre oberſte Hoͤhe fortſetzen, daher ſie mit ihren 12000

Fuß hohen, mit ewigem Schnee und Eis beladenen Fel⸗ ſenfirſten ſo ſonderbare geognoſtiſche Erſcheinungen ſind, daß fie noch einer weit genauern Unterſuchung würdig blei—

ben, als ihre ſcheußlichen Felſenwaͤnde und ſchrecklichen

) Nagelfluh if eine ſchweizeriſche Provinzial» Benennung, und bezeichnet diejenigen Brecciengebuͤrge, welche große Ger ſchiebe von 6 Kubikzoll bis auf so Kubikfuß Koͤrperinhalt haben, und ſo feſt unter einander verbunden ſind, daß ſie eher ſpalten, als ſich aus dem Bindemittel abreißen.

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Abgründe bis itzt geſtatteten. ) Eben ſo liegt eine be⸗ ſtimmte Floͤzkalkſtein⸗Formation im Reußthal auf dem Gneis ſichtbar auf, und doch erhebt fie ſich noch 9-10 Fuß, um die aus Kalkſtein beſtehende Windgelle zu bil den, die gegen Oſten an dem Scheerhorn und Toͤdt noch hoͤhere aus Kalkſtein beſtehende Nachbarn hat. Zwiſchen dieſen beyden Stellen, an welchen fo hohe Kalkſteingebürge auf der Gneisformation aufiegend erſcheinen, liegt der Kanton Unterwalden, wo neben dem bald dichteren, bald koͤrnigen Kalkſtein eine ſehr große Verſchiedenheit von Sandſteinen ebenfalls 9 10% 00 Fuß hohe Gebuͤrge bils den, worunter ſich der Titlis mit ſeinem Gletſcher beſon⸗ ders auszeichnet.

Mehr oͤſtlich in Rhaͤtien erſcheint in der Naͤhe des Urge⸗ buͤrges eine graͤulichgruͤne Formation, die mit Thonſchiefer nahe verwandt iſt, aber doch wegen wahrſcheinlich beyge⸗

mengter oder wohl gar beygemiſchter Talkerde und nur ſehk ſchwacher Schiefrigkeit weſentlich von ihm verſchieden

iſt, und daher vielleicht am beſten mit Beroldingen (S.

ſeine Beobachtungen, Zweifel und Fragen II. pag. 50.)

Talkſchiefer benennt werden dürfte, Nur ſelten erſchejnen beſtimmte Thonſchieferformationen in unmittelbarer Nähe des Urgebuͤrgs; weit oͤfterer finden fie ſich zwiſchen den

*) Zuſaͤtze in Faͤſi's Bibliothek: „Geognoſten, die ſich nun eins „mal vorgeſetzt haben, daß ſehr hohe Gebuͤrge uranfaͤnglich „und ungeſchichtet ſeyn muͤßen, werden dieſe Kalkſteinge⸗ buͤrge gleich in die uranfaͤngliche Kalkſteinformation ein⸗ „ordnen wollen, allein wer den ſtolzen Fuß der 12000 Fuß „hohen unerſteiglichen Jungfrau erklettert hat, hier deutliche Floͤſe oder Schichten vorfindet, und in den vom Gipfel „herab ſich ſenkenden Schuttkegeln Verſteinerungen vorfin⸗ det, wird doch richtig dieſe Gebuͤrge der Floͤzkalkſte infor⸗ v mation beyordnen duͤrfen.“

276

verſchiedenen Kalkſteinformationen inneliegende, wie z. B. am Joch im Kanton Unterwalden und am Clauſen im

Kanton Uri *) der rothe Thonſchiefer, und am Blattens

berg im Kanton Glarus *) der ſchwarze Thonſchiefer, welcher ſich durch ſeine Fiſchabdruͤcke auszeichnet. (Im Kabinet der phyſikaliſchen Geſellſchaft in Zurich findet ſich ein ſolcher Schiefer mit dem deutlichen Abdruck einer Schildkroͤte. S. Andrea Briefe aus der Schweiz). * Im Lauterbrunnerthal findet ſich jedoch Thonſchiefer, der zu⸗ weilen dem Kieſelſchiefer ſich naͤhert, ziemlich nahe am uranfaͤnglichen. Am Nieſen, nicht fern vom Thunerſee, bricht ein gruͤnlichgrauer Thonſchiefer, der nun als Dach⸗ ſchiefer benutzt wird.

Dieſe zuweilen mit Sandſtein, zuweilen mit Thonſchie⸗ fer abwechſelnde Kalkſteinſormation, die meiſt ſchwaͤrzlich⸗ grau, mit etwas Thon und ſelbſt etwas Kieſelerde gemengt, vielleicht gar gemiſcht, und welche bald von koͤrnigem, bald von dichtem, auch wohl von ſchiefrigem Bruche iſt, dehnt ſich mit einer Breite von 10 15 Stunden längs der gan⸗ zen Nordſeite der Alpen aus, und enthaͤlt alſo viele Thaͤler,

*

) Zuſätze in Faͤſt's Bibliothek: „und an der Suͤdſeite des „Wallenſtadter Sees.“

**) Zufäge in Faͤſt's Bibliothek: „und in der ganzen Gebuͤrgs⸗ „kette von der das Calvenſer- und Weistannerthal noͤrdlich, „das Krauchthal aber ſuͤdlich ausgehen.“

*r) Zuſaͤtze in Faͤſi's Bibliothek: „Bey Pfefers kommen in dieſer ſchwarzen Thonſchiefer-Formation große ſchwarze, aͤußerſt feinkoͤrnige Sandſteinmaſſen, (vielleicht Lager) ein⸗ geſchloſſen vor, die haͤufige Numuliten-Verſteinerungen „enthalten. Dieſer Sandſtein mit Numuliten bildet an den beyden Auberigen im Kanton Schwyz eine eigentliche Ge⸗ buͤrgs formation.“

277 die bald parallel mit der Centralkette fortlaufen, bald in ſenkrechten oder ſchiefen Richtungen an dieſelbe hinfuͤhren.

Dieſe Formation iſt eben fo ſehr in Rückſicht der Einſen⸗ kung ihrer Schichten verſchieden, als in Ruͤckſicht ihrer Bes

ſtandtheile, und des dadurch bewirkten aͤußern Anſehens.

Beſonders merkwuͤrdig iſt, daß ſich in dieſer Formation immer mehrere unter ſich parallel laufende Thaͤler befins den, wovon die dem Urgebuͤrge zunaͤchſt liegenden durch Gebuͤrgsketten eingeſchloſſen werden, deren Fallungslinien von beyden Seiten her gegen dieſe Thaͤler gerichtet ſind, ſo daß ſich alſo die Suͤdſeite derſelben gegen Norden, wie das unter ihnen liegende Urgebuͤrge einſenkt, waͤhrend daß die Nordſeite dieſer Thaͤler gegen Suͤden eingeſenkt iſt; da hingegen das von der Centralkette entferntere, mit dieſem parallel laufende Thal don Gebuͤrgsketten eingeſchloſſen iſt, die gerade im ganz entgegengeſetzten Fall von der erſtern Art Thaͤler find: Hier nämlich zeigen dann die beyden Ges buͤrgsketten dem Thal das Ausgehende, oder die Escarpe⸗

menten der Schichten. Dieſe gegenſeitige Lage der parallel

unter einander fortlaufenden Gebuͤrgsketten iſt in den Alpen fo häufig, daß fie aͤußerſt wichtige Angaben für die Ents ſtehungsgeſchichte dieſer Gebuͤrge liefern kann, deren weitere Auseinanderſetzung aber fuͤr einmal nicht hieher gehoͤrt. Einzig iſt auffallend, wie abaͤndernd dieſer Erſcheinung we—

gen die Einſenkung der Nordſeite der Alpengebuͤrge ſeyn

muß: Auch zeigt ſich faſt uͤberall, daß der von der Cen⸗ tralkette entfernteſte Gebuͤrgszug dieſer grauen Kalkſteinfor⸗ mation gegen das Urgebuͤrge, alſo gegen Suͤden, einge⸗ ſenkt iſt: Auch iſt beſonders merkwuͤrdig, daß ſich in pie len Thaͤlern dieſer Formation Spuren von betraͤchtlichen Gypslagern zeigen, die ſich bis in die oberſten Thaͤler des. Urgebuͤrges heraufziehen. Auch zeigt ſich in dieſer erſten Abtheilung der Floͤzgebuͤrge, z. B. am Schwyzerhacken und

278

an den beyden Auberigen eine Sandſteinformation mit Chlo⸗ riterde Bindemittel und haͤufigen Verſteinerungen; die durch die Auswitterung einer weißen, haufig in dieſem felt» nen Sandſtein eingeſprengten Kalkerde bewirkte Poroſitaͤt deſſelben, brachte dem, von einer einzigen Seite kegelfoͤr— mig erfcheinenden Schwyzerhacken, der übrigens aus dich» tem grauen Kalkſtein beſteht, den Ruf eines Vulkans, (S. Beroldingen Beobachtungen, Zweifel und Fragen I. p. 299. Besson Manuel,) da doch dieſe wenigen unter dem Kalk⸗ ſtein liegenden poroͤſen Sandſteinlager immer Verſteinerun⸗ gen und oft ſelbſt ganz unverſehrte Auſterſchaalen enthalten. Erzanzeigen finden ſich in dieſen ausgedehnten Floͤzgebuͤr⸗ gen ſehr wenige, einzig zeigen ſich an mehreren Stellen betraͤchtliche Lager von Eiſenſtein, der z. B. in der Ge⸗ buͤrgskette zwiſchen dem Muͤlli- und Melchthal ſehr aus⸗ gedehnte Floͤzlager bildet; und an den Schreckhoͤrnern kommt dichter, brauner Eiſenſtein zwiſchen dem Urgebüuͤrge und dem aufgeſetzten Kalkſteingebuͤrge in Lagern vor: Ein ähnlicher bricht hingegen in einem dichten ſchwarzen Kalk⸗ ſtein als Gang am Gunzen bey Sargans.

Nördlich von dieſer erſten Abtheilung der Floͤzgebuͤrge an der Nordſeite der Alpen zeigt ſich eine ſehr ausgedehnte Nagelffuhformation, welche allgemein, wo fie ſchon bes kannt iſt, ſich mit ihren ſtarken beſtimmten Schichten ge⸗ gen Suden einſenkt: da aber die ihr zunaͤchſt liegenden Kalkſteingebuͤrge der innern alſo ſuͤdlicher liegenden erſten Abtheilung der Floͤzgebuͤrge eben falls gegen Süden cinges ſenkt ſind, ſo folgt daraus, daß dieſe der Centralkette naͤher liegenden Kalkſteingebuͤrge auf dem entferntern, aber gleich wie ſie ebenfalls gegen die Centralkette eingeſenkten Nagel⸗ fuhgebuͤrge aufiegen muͤßen.

Da ſich dieſe Beobachtung noch allgemein beſtaͤtigt fand, ſo ſind die Reſultate derſelben, deren weitere Auseinander⸗

279

ſetzung aber nicht hieher gehört, für die Geologie ſehr wich— tig. Dieſe Nagelfluhformation bildet eine ganze wenig una terbrochne, ungefähr sooo Fuß über die Meeresfaͤche er⸗ habene Gebuͤrgskette, die vom Genferſee an bis gegen den Bodenſee hin die ſchweizeriſchen Alpen gegen Norden ein⸗ ſchließt. Ihre Geſchiebe, die von der Größe einer Nuß an, bis auf so Kubikfuß Inhalt haben, find eben fo mannig⸗ faltig in Ruͤckſicht ihrer Beſtandtheile, als in Ruͤckſicht ih⸗ rer Größe, denn fie zeigen die haͤufigſten Abaͤnderungen von Granit, Porphyr, Gneis, Kieſelſchiefer, Hornſtein, Feuer— ſtein, koͤrnigtem und dichtem Kalkſtein, feinkoͤrnigem feſten Sandſtein, und ſelbſt Nagelffuh, welche alſo aus aͤltern zerſtoͤrten Nagelffuhformationen herkommen muͤßen. Viele dieſer Geſchiebe enthalten unverkennbare Merkmale ihres Geburtsortes in den hoͤhern Gebuͤrgszuͤgen der Alpen ſelbſt; eben fo viele aber, hauptſaͤchlich die Porphyr-»WHornſtein⸗ und Feuerſteingeſchiebe, muͤßen entweder aus ſehr entfern⸗ ten Gebuͤrgen, oder aber aus in den Alpen ganz zerſtoͤrten oder wenigſtens von neuern Gebuͤrgsformationen ganz vers deckten Formationen herruͤhren, indem ſich an der Nordſeite der Alpen bis itzt noch keine Spur von Porphyrgebuͤrgen oder beträchtlichen Hornſtein-und Feuerſteinlagern anſte⸗ hend zeigte.

Dieſe ganze große Kette von Nagelſtuhgebuͤrgen iſt gegen Norden längs ihrer Streichlinie mit einigen einſpringen⸗ den Winkeln ſehr ſteil eingeſchnitten, und bildet alſo ſteile Felſenwaͤnde. Erzanzeigen finden ſich in dieſer Formation nicht.

Unter dieſen gegen Norden ansteigenden Nagelfuhgebuͤr⸗ gen, kommen ebenfalls gegen Norden anſteigende, ziemlich grobkoͤrnige Sandſteingebuͤrge zum Vorſchein; folglich iſt auch hier wieder das naher an der Eentralfeite liegende Nagelfluhgebuͤrge auf das entferntere, ebenfalls gegen Si

4

6

280

den eingeſenkte Sandſteingebuͤrge aufgeſetzt. Dieſe Beobach⸗

tung iſt auch wieder an ſo vielen Stellen beſtaͤtigt worden,

daß die Geologie ihre Muthmaßungen ſicher auf dieſelbe

bauen kann. Dieſe Sandſteinformation enthaͤlt blos Quarz /

etwatz Feldſpath, Glimmer, ſchwarzen dichten Kalk- und

etwas Feuerſtein- oder Hornſteinſand zu Beſtandtheilen, und hat kalkartiges Bindemittel; fie bildet bis über 4000 Fuß uͤber das Meer erhabene Gebuͤrge, die nicht mehr in

ununterbrochenen Ketten da ſtehen, ſondern von den haͤuſt⸗

gen ausgeſchwemmten Thalern iſolirt werden, wodurch die

Kenntniß ihrer Verkettungen betraͤchtlich erſchwert wird,

beſonders da ſie nicht allgemein gegen Suͤden, ſondern meh⸗

rere von ihnen, die von der Nagelffuhformation entfernter

liegen, gegen Norden eingeſenkt ſind. Z. B. der hohe

Rhone im Kanton Zürich, Ueber Uznach am Hummel⸗

wald zeigt ſich in dieſer Formation ein betraͤchtliches Braun⸗ kohlenfloͤß, das noch ganz unverſehrte Baumſtaͤmme ent haͤlt: es liegt zwiſchen blaͤulichgrauen Thonlagern, die je⸗ doch vielleicht nur an dieſer Sandſteinformation angelehnt ſind, und alſo zu einer neuern aufgeſetzten Formation ge⸗ hoͤren moͤchten.

Nördlich dieſen Sandſteingebuͤrgen erſcheinen nun die flächern Gegenden des Pays-de-Vaud, Aargaus, Zurcher⸗ Gebiets und Thurgaus, in dieſen zeigt ſich eine beynahe horizontalliegende Gebuͤrgsformation, welche alſo neuer als alle jene gewaltſame Revolutionen ſeyn muß, welche ſo ausgedehnte und allgemeine Einſenkungen und Zerreißun⸗ gen in den hoͤhern Floͤzgebuͤrgen bewirkten. Dieſe horizon⸗ talliegende Formation beſteht theils, beſonders in der Naͤhe der Sandſteingebuͤrge, aus einer lockern Nagelfluh, in der weniger Granit und Porphyr, hingegen weit mehr Sand⸗ ſtein und Kalkſteingeſchiebe enthalten ſind, theils aus einer Abwechslung von bituminoſem feinkörnigem Sandſtein wit

5 281

5 © e beteächtlichen verſchieden gefärbten Mergellagern, die wegen

mehr und minder beygemengten Sandes ſich oft ganz dem mit ihnen abwechſelnden Sandſtein naͤhern, und in ihn übergehen. Dieſe Gebuͤrgsformation bildet Geburgsketten, z. B. des Albis im Kanton Zuͤrich, die über 3000 Fuß über die Meeresſlaͤche erhaben liegen, die der Sandſteinformation naͤher liegende Theile derſelben, wo die horizontale lockere Nagelſiuh häufiger iſt, bilden Gebuͤrge: z. B. das Hoͤrnli und Schnabelhorn im Kanton Zuͤrich, die bis gegen 4000 Fuß Hoͤhe uͤber das Meer haben. a In dieſer horizontalliegenden Formation ſind Steinkoh⸗ lenlager ſehr haͤufig, doch beträgt ihre Staͤrke ſelten über 6 Zoll, und vermuthlich find alle bisher vorgefundene Steinkohlen von einem einzigen Floͤz, wenigſtens zeigten ſich noch nirgends parallel über einander liegende Stein⸗ kohlenfſoͤze. Auf gleiche Art zeigt ſich auch ein Stinkſtein⸗ lager in dieſer Formation, das uͤber einer mit Turbiniten⸗ Schaalen ſtark gemengten bituminoͤſen Mergelerde liegt. Dieſe ausgedehnte, wahrſcheinlich neueſte Gebürgsfors mation der Nordſeite der Alpen iſt noch von der großen weitlaͤuftigen Kette des Jura umzingelt, die ſich von Genf aus laͤngs der Graͤnze Helvetiens bis nach Schafhauſen herauszieht, und welche hauptſaͤchlich aus dichtem gelblich» grauem Kalkſtein beſteht: Sie iſt beynahe allgemein gegen Suͤden, alſo gegen die Alpen, eingeſenkt, und an einigen Stellen z. B. bey Baden, iſt jene horizontalliegende Mer⸗ gel⸗ und Sandſteinformation unmittelbar auf fie aufgeſetzt. An andern Stellen hingegen finden ſich zwiſchen dem Kalk ſtein des Jura und der horizontalliegen den Formation ziem⸗ lich ausgedehnte Zwiſchenfoͤzgebuͤrge; z. B. bey Wuͤrenlos und bey Lenzburg im Aargau eine beynahe ganz kalkſtein⸗ artiger, ſehr verſteinerungsreicher Sandſtein in ſehr ſtar⸗ ken horizontalen Lagern; bey Aarau eine Sandſteinforma⸗

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© tion, die vom Kalkſteingebuͤrge noch durch eine eiſenſchuͤßige Mergelſchicht getrennt wird, in der gutes Bohnerz neſter⸗ weiſe bricht; bey Habsſpurg ein theils dichter, theils feins koͤrniger Gyps, deſſen Lager gegen das Kalkſteingebuͤrge aber noch unbeſtimmt iſt. Unter der Kalkſteinformation des Jura kommt bey Laufenburg am Rhein das Gneisge— buͤrge ſehr ſchoͤn und beſtimmt zu Tage aus, und beſtimmt alſo hier ſehr deutlich die Graͤnze der zur Alpenkette gehös rigen noͤrdlich aufgeſetzten Gebuͤrgsformationen, die eine Breite von 24 Stunden an dieſer Stelle einnehmen.

Hoͤher am Rhein aber, in der Gegend des Kantons Schafhauſen, tum die juraiſche Kalkſteinformation auch jenſeits dem Rheile vor, und verliert ſich bis tief ins Wir⸗ tembergiſche heraus. In dieſer Gegend zeigt ſich noch eine den Geognoſten der Alpen ſonſt voͤllig fremde Erſcheinung. Einige Stunden außerhalb dem Rhein, in den an Helve— tien zunaͤchſt angraͤnzenden, theils wirtembergiſchen, theils oͤſterreichiſchen Landen, erheben ſich einige coniſche, ſteile Huͤgel, die meiſt von Ruinen, einer von ihnen aber von der Feſtung Hohentwiel befrönt find. Dieſe ſeltſamen iſolirten Kegel beſtehen aus Baſalt und aus Porphyrſchiefer, wovon einiger ſchwarz und dicht, anderer aber braun und dicht, anderer aber poroͤs iſt, beſonders in dem braunen dichten Baſalt (oder eher Porphyrſchiefer) von Hohentwiel kommen ſtarke Gaͤnge von gelbem faſerigem, ſtrahlig aus einander laufendem Zeolith ) vor: Die Poren des braunen Baſalts von Hohentwiel hingegen find mit Kalkſpath überzogen und ausgefuͤllt. Auch Vülcaniſten, die dieſe baſaltiſche Gegend beſuchten, konnten keinen Krater auffinden.

Zürich, den ıflen Jul. 1796. ö H. C. Eſcher.

*) Der ſpaͤter genauer beſtimmte Natrolith.

*

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Der Verfaſſer diefer ſchon im Jahr 1796, erſchienenen geognoſtiſchen Ueberſicht der helvetiſchen Alpen bearbeitete dieſen wichtigen Gegenſtand aufs neue im Jahr 1802,

und theilte das Reſultat feiner Arbeit der naturforſchenden

Geſellſchaft in Zuͤrich mit: Ein kurzer Auszug aus den hieruͤber gehaltenen Vorleſungen findet ſich in der in Zuͤrich im Jahr 1804. herausgekommenen ſchweizeriſchen Natio— nalzeitung Nro. 4. und 6., die wir hier ebenfalls woͤrtlich beyruͤcken, um alles mitzutheilen, was uͤber dieſen Gegen⸗ ſtand bis itzt oͤffentlich bekannt gemacht wurde. Es bedarf beynahe keiner Erwaͤhnung, daß mehrere in dieſem Auszug enthaltene Umſchreibungen nothwendig waren, weil dieſe Vorleſungen nicht ausſchließend vor einem mineralogi⸗ ſchen Auditorium gehalten wurden. 2

Vorleſung den ıaten Junii 1802.

Geognoſtiſche, (geographiſch⸗mineralogiſche) An⸗ gaben uͤber die Alpen in Helvetien.

Das Alpengebuͤrge beſteht aus mehreren parallel, neben einander fortlaufenden Hauptgebuͤrgsketten, die durch ſoge⸗ nannte Laͤngenthaͤler von einander abgeſondert und von ſogenannten Querthaͤlern durchſchnitten ſind. Dieſe Haupt⸗ gebuͤrgsketten haben eine gleichfoͤrmige Richtung von Süd» welt nach Nordoſt, und dieſe Richtung befolgt auch unge faͤhr jede beſondere Gebuͤrgsart, (Steinart oder Felſen) aus denen die Alpen beſtehen, ohne ſich jedoch genau immer nur an die gleichen Gebuͤrgsketten zu halten, indem fie nicht ſelten von einer Gebuͤrgskette in die andere überziehen.

Die ganze Maſſe von Gebuͤrgen, die aus einer und der—

ſelben Gebürgsart beſtehen, heißt eine Gebuͤrgs formation:

ſolcher Gebuͤrgsformationen giebt es mehrere in den Alpen.

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7 —— er

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1. Die nordweſtlichſte Gebürgsformation der Alpen iſt die Trappformation an der rechten Seite des Rheins, in der Gegend von Hohentwiel; ſie beſteht aus Baſalt, Porphyrſchiefer und Traß, und bildet, wie gewohnt, kegel⸗ ſoͤrmige abgeſondert ſtehende Huͤgel.

2. Die Kalkſteinformation des Juragebuͤr— ges. Sie dehnt ſich in der Breite von mehrern Stunden, mit verſchiedenen parallel fortlaufenden Gebuͤrgsketten und einer Höhe von 2 sooo Fuß uͤber unſere großen Seen, von Genf an, laͤngs der weſtlichen Graͤnze der Schweiz, durch Neuenburg, den Kanton Solothurn, Baſel, Aar— gau, den weſtlichen Theil des Kantons Zürich und durch ganz Schafhauſen aus, und beſteht hauptſaͤchlich aus dich⸗ tem Kalkſtein von hellen gelblichen oder graͤulichen Farben. Gyps und Mergel kommen darin als Zwiſchenlager vor, und in der noͤrdlichen Schweiz iſt ſie zum Theil mit einem eiſenſchuͤßigen Thonlager bedeckt, in welchem viel vortreflis ches Bohnerz neſterweiſe vorkommt, und an einigen Stel⸗ len mit Vortheil gewonnen wird. Zwiſchen Laufenburg und Waldshut durchſchneidet der Rhein dieſe Kalkſteinfor— mation ſo tief, daß dort die Granitformation mit gneis⸗ artigem Gefuͤge am Tage ſich zeigt.

3. Sandſtein und Mergelformation. Sie nimmt den ganzen ebenen Theil der Schweiz, zwiſchen dem Jura und den Vorbergen des Hochgebuͤrgs, alſo die Waadt, das Uechtland, Aargau, Zuͤrich und Thurgau ein, und beſteht bald aus mehr und minder zerreiblichem Sandſtein, bald aus einer Abwechslung von Sandſtein und Mergellagern, die meiſt ganz horizontal liegen, und zuweilen ſchwache Zwiſchenlager von Steinkohlen enthal⸗ ten, die außer dem Kanton Zuͤrich wenig benutzt werden. In der Naͤhe des Jura liegt auf dieſer Formation ein Muſchelſandſtein, der häufige Fragmente von Muſchel⸗

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Schaalen enthält, und bey Wuͤrrenlos, Otmarſingen ꝛc.,

im Aargau einen guten Bauſtein, bey Ins im Kanten Bern einen Muͤhlſtein wegen häufig beygemengter haͤrteren Geſchiebe liefert. b

Gegen die Hochgebuͤrge hin liegt Nagelſſuh auf dieſer Formation, und wechſelt zum Theil mit ihren Sandſtein— lagern ab. Ihre Gebuͤrge erheben ſich bis 2500 Fuß über die Seen.

4 Eigentliche Sandſtein formation. Sie be⸗ ſteht aus einem guten Bauſandſtein, in welchem Quarz⸗

koͤrner durch ein kalkartiges Bindemittel vereinigt find,

Dieſe Formation verlauft ſich in der ſuͤdweſtlichen Schweiz in die vorherige Formation; in den Kantonen Luzern, Schwyz und St. Gallen aber iſt ſie von jener deutlich

abgeſondert, ihre Schichten haben meiſt ziemlich ſteile ſuͤd—

liche oder noͤrdliche Einſenkung, und ſie bildet 2500 Fuß hohe Berge. Gegen das Hochgebuͤrge hat fie immer ſuͤd— liche Schichten : Einfenfung.

5. Eigentliche Ragelfluhformation. Sie ent⸗ hält die mannigfaltigften Arten von Geſchieben (abgeruͤn⸗ dete Steine), die durch einen Sandſtein ziemlich feſt zu⸗ ſammen verbunden ſind, und meiſt ſuͤdlich eingeſenkte ſtarke Lager bilden, zwiſchen denen oft noch einzelne Sandſtein⸗ lager vorkommen. Sie zieht ſich von St. Saphorin am Genfer⸗See an, mit ſchwacher Breite und geringer Höhe, durch den Kanton Freyburg über Guggisberg, an den Thuner⸗See, durch Oder-Emmenthal ins Entlibuch, wo fie allmaͤhlig breiter wird; bildet den Rigi, der 5000 Fuß über die Seeſläche ſich erhebt, und zieht ſich von da unun— terbrochen durch Schwyz, Zug, den weſtlichen Theil von Glarus ins Toggendurg' und bildet den größten Theil des bewohnten Appenzellerlandes, von wo ſie ſich ins Rhein⸗ thal herabſenkt.

—B—

28 5 286 i N

5, Hochgebuͤrgskalkſtein- Formation. Sie nimmt der ganzen Laͤnge der Nordſeite der Alpen nach, eine Breite von 8 10 Stunden ein, und bildet mehrere durch tiefe Laͤngenthaͤler von einander abgeſonderte Ge— buͤrgsketten, die ſich in der Naͤhe der Centralketten der Al⸗ pen bis zur Höhe von 13000 Fuß über die Meeres ſaaͤche erheben, und daher bey dieſer Höhe groͤßtentheils verglet⸗ ſchert ſind. i |

Dieſe Formation fängt in der Schweiz in Oſten mit der 9000 Fuß (übers Meer) hohen Gebuͤrgsmaſſe des Saͤn⸗ tis an, zieht ſich durch das obere Toggenburg uͤber die Kuhfirſten an den Wallenſee und ins Glarnerland hinuͤber, wo ſich auch die buͤndtneriſchen Kalkſteinhochgebuͤrge, die mit den Vorarlberger und Tyrolergebuͤrgen in unmittel⸗ barer Verbindung ſtehen, an die Schweizeriſchen anlehnen, und ſich beym beynahe ro,ooo Fuß hohen Toͤdiberg mit dieſen unmittelbar vereinigen. Vom Glarnerland aus zieht fi) dieſe Gebuͤrgsformation durch den hoͤhern Theil des Kantons Schwyz und durch den tiefern Theil des Kantons Uri ins Reusthal und nach Unterwalden hinuͤber, bildet

den über gooo Fuß hohen Titlisberg und den beynahe

7000 Fuß hohen Pilatusberg als Graͤnzſtoͤcke ihrer Breite in dieſem Kanton. Von Unterwalden laͤuft ſie in den un— tern Theil des Haslilandes an den Brienzerſee und an den obern Theil des Thunerſees hinuͤber. Links der Aar bil⸗ det dieſe Gebürgsformation die hoͤchſten Gebuͤrge, die fie in der ganzen Alpenkette enthält: die 11ooo Fuß hohen Wetterhoͤrner, 12000 Fuß hohen Eiger und ſelbſt die 13000 Fuß hohe Jungfrau beſtehen noch aus Hochgebuͤrgs⸗ kalkſtein und alle oberlaͤndiſchen Thaler, Grindelwald, Lau— terbrunn, Frutigland, Simmenthal und Saanenland lie— gen in demſelden. Der oberſte Theil des Kantons Frey burg, der Bezirk von Aehlen und die Gebuͤrgskette laͤngs

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der rechten Seite des Wallis von der Altels an uͤber die

Gemmi, den Sanetſch und die Diablerets herab, enthalten die weitere weſtliche Fortſetzung dieſer Gebuͤrgsſormung, die ſich links dem Rhodan vom Unterwallis, noͤrdlich dem Montblanc durch Savoyen ins Dauphine hinuͤberzieht.

Dieſe ausgedehnte, aus Kalkſtein beſtehende Alpenſtrecke, theilt ſich aber in verſchiedene untergeordnete Gebuͤrgsfor— mationen ab, und enthaͤlt mehrere Zwiſchenformungen, welche wahrſcheinlich jene Abtheilungen bezeichnen, deren Ausdehnung, Richtung und Verhaͤltniße aber noch nicht beſtimmt genug entwickelt ſind, um dieſe Abtheilungen ſchon als Hauptformationen aufſtellen zu koͤnnen.

Dieſe Abtheilungen ſind folgende: N

a. Duarziger Sandſtein. Dieſer bildet den hoch» ſten Rücken eines Theils der aͤußerſten oder nordweſtlichen Kette der Hochgeduͤrgskalkſtein-Formation, vom Pilatus an bis zum Thunerſee: Dieſer Alpenſandſtein iſt haͤrter, grob und weniger rundkörnig als der Sandſtein der nord⸗ weſtlichen Vorberge der Alpen.

b. Alpenkalkſtein (der neueſten deutſchen Dineras logen). Er iſt dicht, von dunkelgrauen, zuweilen gefleckten Farben, bildet meiſt die erſten nordweſtlichen Ketten des Kalkſteinhochgebuͤrgs, und wird als Marmor benutzt. Lin⸗ ſen foͤrmige Eiſenſteinlager liegen zuweilen in dieſer Forma⸗ tion, ganz nahe an ihrer Graͤnze gegen die Nagelfuhfor⸗ mation, z. B. am Lowerzerſee im Kanton Schwyz. Ein gruͤner, dem Anſehen nach hauptſaͤchlich aus Chloriterde beſtehender, feinkoͤrniger Sandſtein von feſtem Zuſammen— hang, der nicht ſelten Verſteinerungen, beſonders Numu— liten und Pektiniten, ſelten Auſternſchaalen enthaͤlt, bildet in den oͤſtlichen Alpen oft ausgedehnte Zwiſchenlager in di » ſer Formation: z. B. bey Pfefers, am Saͤntis, an den beyden Aubrigen, am Schwyzerhacken, am Rozberg, und

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283 k

am Fluͤhli im Melchthal. Andere Zwiſchenlager dieſer Formation, die ſich am Pilatus vorzüglich befinden, des ſtehen aus einem Kieſelſchiefer, der ſich oft dem Hornſtein, oft aber dem Feuerſtein naͤhert. 5

c. Grauwacke, (ein meiſt thonartiger, grob und erkigkoͤrniger Sandſtein). Sie ändert vom feinften bis zum groͤbſten Korn ab, ſo daß ſie oft in eine eckigkoͤrnige Nagel⸗ fluh übergeht, fie findet ſich meiſt an der Suͤdoſtſeite der Alpenkalkſtein-Formation, und iſt am ausgedehnteſten in den Glarnergebuͤrgen des Murg- und des Sernftthales; bey Mels im Sarganſerland wird ſie zu Muͤhlſtein benutzt. Sie zeigt ſich an den grauen Hoͤrnern zwiſchen dem Weiß⸗ tannen⸗ und Taminthal. In den Kantonen Uri und Uns terwalden ſcheint fie unterbrochen zu ſeyn; zeigt ſich wieder beſtimmt am Nieſen links dem Thunerſee, und zieht ſich von da zwiſchen dem Frutigland und Simmenthal durch / nach Aehlen hinuͤber, wo ſie unter dem Alpenkalkſtein liegt.

d. Thonſchiefer. Er zieht ſich ungefaͤhr durch die Mitte der Breite der ganzen Hochgebuͤrgskalkſtein-Formung, aber oft unterbrochen in ſehr verſchiedener Breite hin. Im Glarnerland zeigt er ſich ziemlich ausgedehnt, im Krauch⸗ thal von perlgrauer Farbe; im Blattenberg von ſchwarzer Farbe mit Verſteinerungen und wird hier zu Tafeln- und Dachſchiefer benutzt. Auf dem Clauſen zwiſchen Glarus und Uri, iſt er roth, eben ſo auf dem Joch zwiſchen En⸗ gelberg und Hasli. Am Nieſen iſt er ſchwarz, und ward einige Zeit ſehr vortheilhaft zu Dachſchiefer benutzt. Im Simmenthal- und Saanenland iſt er bald roth, bald. ſchwarz, wechſelt nicht ſelten mit Kalkſtein ab, und geht durch Beymengung von Kalktheilen in Mergelſchiefer uͤber, welches auch im Grindelwald und Lauterbrunn ſtatt hat. In Aehlen enthaͤlt er die Salzquellen, welche ſchon lange mit viel Vortheil benutzt werden, und welche jaͤhrlich zwiſchen 12 32000 Zentner Kochſalz liefern.

* N 259

e. Gyps. Weißer oder graulichweißer, meift ſchuppig⸗ koͤrniger. Er ſcheint unter dem Thonſchiefer zu liegen und wird im Glarnerland auf der Alp Muͤllithal gebrochen und

benutzt. Sehr ausgedehnt zeigt er ſich bey Kratigen, links

am Thunerſee, und zieht ſich von da durch das ganze Sims menthal herauf über den Dungelberg ins Lauinenthal hin— uͤber, und aus dem Saanenland uͤber den Pillon in die Aehlergebuͤrge, wo er ſich in großer Ausdehnung in der Nähe der Salzquellen zeigt. Auch im Wallis bey Siders findet er ſich mit betraͤchtlicher Ausdehnung anſtehend.

f. Mit Thon⸗ und Kiefelerde gemengter, meiſt koͤrnigſchuppiger Kalkſtein. (Er wird von den beſten deutſchen Mineralogen Uebergangskalk⸗ ſtein genannt, weil er den Uebergang in das ſogenannte Urgebuͤrge zu bilden ſcheint.) In den ſchweizeriſchen Alpen iſt er in weit betraͤchtlicherer Ausdehnung vorhanden als der Alpenkalkſtein, und bildet ausſchließend die innerſten hoͤch⸗ fien Kalkſteingebuͤrgsketten. Gyps und Thonſchiefer fcheis nen auf ihm aufzuliegen, doch enthaͤlt er wenigſtens in den Aehlergebuͤrgen Verſteinerungen von Ammoniten: Er iſt von dunkelgrauer bis ins ſchwarze uͤbergehender Farbe, und uͤberall, wie alle bisher aufgefuͤhrte Gebuͤrgsarten, deut⸗ lich geſchichtet (in gleichförmige, unter ſich parallel lau⸗ fende Lager abgetheilt). Oft ſitzt er unmittelbar auf dem darauf folgenden Granitgebuͤrge auf, haufiger aber nähert er ſich demſelben allmaͤhlig durch den, ſeinen unterſten Schichten ſtark beygemengten, Quarz. Nicht ſelten ent⸗ Hält er in der Nahe der Granitformation ſtarke Eiſenſteinla— ger, die beſonders im Hasliland und Lauterbrunn ſehr aus— gedehnt ſind, und durch ganze Gebuͤrgsketten durch uͤber 100 Fuß ſtark find. An der Windgelli im Maderanerthal im Kanton Uri iſt dieſe Eiſenſteinformung ebenfaus ſehr ſtark; in den Glarnergebuͤrgen zieht fie ſich mehr in den

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290

Alpenkalkſtein heraus; am Glaͤrniſch, in den Flimſer Al pen, und am Gunzen bey Sargans, wurde Bergbau auf dieſem Eiſenſtein getrieben.

Die Schichten der Hochgebuͤrgskalkſtein⸗ Formation find in der aͤußerſten nordweſtlichſten Gebuͤrgskette meiſt nach Suͤden, die Schichten der hoͤchſten, zunaͤchſt am Granit liegenden Gebuͤrgsketten aber immer gegen Norden einge» ſenkt. In den Zwiſchengebuͤrgsketten hat ſehr verſchiedene Schichten⸗Einſenkung ſtatt, deren allgemeine Geſetze noch nicht hinlaͤngſich beſtimmt entwickelt find. ö

Die Hoͤhe der geöften Schweizer-Seen, welche im er— ſten Auszuge zu Beſtimmung der Gebürgshoͤhen angenom— men wurde, betraͤgt uͤber die Meeresflaͤche 12 1400 Fuß.

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N | * 294 | Litteratur

I. .

I, ö

Spstematisches Werzeichniss der Vögel, welche die " Schweiz entweder bewohnen, oder theils zu bestimm- ten, theils zu unbestimmten Zeiten besuchen, und sich auf der Gallerie der Bürger- Bibliothek in Bern ausgestopft befinden. Im Namen der Gesellschaft vaterländischer Naturfreunde in Bern ausgearbeitet von Friedrich Meisner, Vorsteher einer Lehranstalt und Mitglied der Sea Gesellschaft, Bern e

70 S.

—— ͤ —Wh——

Dein 1 vollſtaͤndige, ſehr ſchone Sammlung ſchwei⸗ zeriſcher Voͤgel des berühmten, vor ein Paar Jahren ver⸗ ſtorbenen Herrn Pfarrer Spruͤnglis von Bern befindet ſich nun daſelbſt auf der Gallerie der Bürgerbibliorhef, und hat durch den unermuͤdeten Eifer der Geſellſchaft berneriſcher Naturfreunde, unter deren Beſorgung fie ſteht, ſehr wefents liche Verſchoͤnerungen und Vermehrungen erhalten, ſo daß der ſchweizerſche Naturforſcher dieſe Sammlung mit Recht zu den merkwuͤrdigſten Naturſchaͤtzen ſeines Vater⸗ landes zahlt.

Herr Meisner macht uns mit der bor uns legen kleinen Schrift ein hoͤchſt willkommnes Geſchenk, indem wir dadurch ein getreues Namenverzeichniß von denjenigen Vögeln, die bisher im Kanton Bern aufgefunden wurden, erhielten, dem hin und wieder kurze Bemerkungen uͤder

den Aufenthalt, die Zeit des Durchzugs der Vögel u. dgl. beygefuͤgt find, Er arbeitet zugleich an einem groͤßern orni⸗

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thologiſchen Werke, dem ich ſehnſuchtsvoll entgegenſehe, und fordert alle vaterlaͤndiſchen Ornithologen auf, ihm ihre Bemerkungen und Berichtigungen uͤber dieß ſein Verzeich⸗ niß mitzuthffen..

Ich haͤtte gewuͤnſcht, Herr Meisner wuͤrde ſich fuͤr ein⸗ mal bey feinem Verzeichniße der Voͤgel nicht ſowohl auf die ganze Schweiz ausgedehnt, ſondern einzig auf den Kanton Bern eingeſchraͤnkt, ſich dann aber auch zugleich bemuͤht haben, uns hin und wieder vollſtaͤndigere und be⸗ ſtimmtere Nachrichten uͤber die Aufenthaltsorte derſelben mitzutheilen, oder da, wo er nicht gewiß war geradezu Fragen hinzuſetzen. So leſen wir in ſeinem Verzeichniße das unbeſtimmte Woͤrtchen ſoll ſehr oft; z. E. bey der Certhia muraria: „Im Sommer ſoll er die hoͤchſten „und wildeſten Bergfluͤhen beſuchen, und vermuthlich ss bruͤtet er auch daſelbſt. Benin Cor. Monedula: „doch zeigen ſie ſich zeitig im Fruͤhjahr wieder.“ Bey Fringilla citrinella: „In den Gurnigelbergen fob „len alle Jahre viele auf den Tannen niſten.“ Bey Sylvia luscinia: „Im Pays-de-Vaud ſollen fie ſich „bisweilen im Winter zeigen, u. ſ. w.“ Solche unbe⸗ ſtimmte Nachrichten dienen einzig zur Nachfrage, und dar⸗ uͤber haͤtte doch Herr Meisner leicht ins Reine kommen koͤnnen.

In einem ſyſtematiſchen Verzeichniße der ſchweizer⸗ ſchen Voͤgel, worin zugleich die Synonymen der claſſi— ſchen Ornithologen z. B. des Briſſons, Buͤffons, Linne's, Friſch, Bechſteins ſtehen, ſollten denn doch hin und wieder auch die unſerer ſchweizerſchen Ornithologen, des großen Conr. Geßners, Wagners, Scheuchzers, Joh. Geßners, u. a. m. nicht uͤbergangen werden, ſo wie uͤberhaupt Herr Meisner bey fleißigem Studium dieſer unſrer ſchwei⸗ zerſchen Naturforſcher manchen nicht unwichtigen Beytrag

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zu feinen Nachrichten über den Aufenthalt und die Zeit des Durchzugs der Voͤgel erhalten haben würde, Aber auch ſelbſt bey den angefuͤhrten Synonymen beduͤrfen ei⸗ nige noch der Berichtigung; z. B. bey dem Citronenfink (Fringilla citrinella) ſteht als Synon. Le ventu- ron de Provence des Buͤffons, allein dieſer Ornitholog kannte den wahren Fringilla citrinella eben ſo wenig als Linne u. a. m.

Ueber die Nachrichten vom Aufenthalte der Voͤgel u. f. w., welche uns Herr Meisner in feiner Schrift giebt, er» laube ich mir nur noch einige wenige Bemerkungen.

Falco aquila. Von dieſem Vogel hat Herr Meisner den Wohnort nicht angegeben, und doch iſt er auch in den bernerſchen, ſo wie in allen gebuͤrgigen Gegenden der Schweiz, das ganze Jahr hindurch nicht ganz ſelten.

Falco Buteo. Bey dieſem Falke ſteht: „überall ges mein“ hingegen unter dem Falco palumbarius, nisus, Tinnunculus die eben ſo gemein ſind, ſteht nichts be⸗ merkt. Eine ähnliche Unvollſtaͤndigkeit bey ganz gewoͤhn⸗ lichen Voͤgeln bemerke ich hin und wieder; ſo ſteht z. B. bey der Turdus Merula: „Sommer und Winter anwe⸗ ſend« und unter der eben fo gemeinen T. Viscivorus iſt nichts angemerkt. Von der Strix Bubo fagt Herr Meisner: daß ſie in allen bergichten Gegenden gemein ſey; hingegen bey der gemeinen Strix Otus, und bey der St. Aluco, die beſtimmt die haͤufigſte Eulenart iſt, welcht man in der Schweiz antriſt, bemerkt er ebenfalls nichts. u. ſ. w.

Picus trydactylus. „Außer den oberlaͤndiſchen Gebuͤr⸗ gen unbekannt.“ Dieß iſt unrichtig, denn ich erhielt ihn aus den Rheinthaler⸗ und Appenzeller⸗Waͤldern. Herr Meisner bemerkt ferners: „Scheint auch im Winter da zu bleiben;“ dieß iſt beſtimmt wahr, denn keine von un⸗ fen Spechtarten zieht des Winters weg.

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Yunz torquilla. „Im Winter feltener.“ In der oͤſt⸗ lichen Schweiz gehört er unter die Zugvoͤgel, der des Frühe lings mit der Mot. Erithacus anlangt, und des Herbſts früher, als dieſe wegzieht; wahrſcheinlich iſt dies übers all in der Schweiz der Fall.

Cuculus rufus. „Selten.“ Dieſer iſt keine eigene Art, ſondern nach meinen vielfachen Erfahrungen und Be⸗ Ha beſtimmt das Weibchen vom Cuculus cano- rus. Ich werde mit der Zeit in meiner Naturgeſchichte der l Voͤgel hinreichende Beweiſe dafuͤr anfuͤhren.

Corvus frugilegus. „Auf den großen Kornfeldern im Herbſte Schaarenweiſe.“ Herr Vikarius Kuhn in Sygris⸗ weil im Kanton Bern ſah ſie daſelbſt im Herbſte, Winter und Fruͤhlinge, und ich bemerkte ſie in unſern Gegenden nur einzeln in großer Winterskaͤlte.

Corvus graculus. Der ſelige Herr Pfarrer Sprüngli theilte mir hieruͤber folgende Nachricht mit: „Nach lan⸗ „gem vergeblichem Nachforſchen bekam ich dieſen Vogel »von den Ormonderbergen, auch nachher vom St. Berns »hardsberg, wo fie ſich zahlreich aufhalten, und dann wei— „ter weg, vermuthlich ins Aeugſtthal ziehen.“ Die An⸗ gabe der Orte, wo Saussure ihn in ſeinen Reiſebeſchrei⸗ bungen aufgefunden zu haben angiebt, waͤre in dieſem Verzeichniße auch am rechten Orte geſtanden.

Oriolus galbula. „Ziemlich ſelten bey uns, doch folk er in einigen Gegenden des Jura brüten.* Er bruͤtet eben ſowohl in dens flachen Gegenden des Kantons Zürich, Baſel, Aargau, als aber in den wilden Berggegenden bey Matt und Ellen im Glarnerlande.

Lanius ezcubitor. „Ziemlich gemein, doch mehr im Sommer, als im Herbſte.“ Im Rheinthal iſt er des Winters am haͤufigſten.

Lanius collurio rufus. „Ebenfalls ziemlich gemein.

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Dieſer zieht in der Schweiz ſchon zu Anfange des Herbſt⸗ monats weg, und kommt in den letzten Tagen des Aprils wieder zuruͤck.

Lanius spinitorguus. „Gemein.“ Dieſer iſt uͤberall in der Schweiz der gemeinſte Wuͤrger, und gehoͤrt eben⸗ falls unter die Zugvoͤgel.

Eoxia curvirostra. „Gemein in den Tannenwaͤldern.“ Dieß iſt bey weitem nicht uͤberall in der Sb wo Tan⸗ nenwaͤlder find, der Fall. 5

Loxia pyrrhula. Dieſer zieht nie von uns weg.

Fringilla nivalis. „In den Thaͤlern und Ebenen ift er ganz unbekannt.“ Des Winters zieht er bis in die Bergthaͤler. herab.

Fringilla eitrinella, „Wird im Sommer nur auf den hohen Bergen bey Schnee und Eis angetroffen.“ Dies iſt ſehr unrichtig; er niſtet ſogar ganz nahe beym Dorfe Gaiß im Appenzellerlande.

Turdus musicus. „Iſt bey uns im Sommer und Winter.“ Dieß iſt unrichtig; ſollte er auch im Kanton Bern des Winters verbleiben, fo weiß ich wenigſtens bes ſtimmt, daß er in der oͤſtlichen Schweiz zu den Zugvoͤgeln gehoͤrt. 5

Turdus pilaris. „Im Sommer iſt fie abweſend.“ Da ſie in den hoͤhern Appenzeller-Glarner- und Buͤndner⸗ Gegenden bruͤtet, ſo iſt ſie wahrſcheinlich des Sommers auch hin und wieder im Kanton Bern anzutreffen.

Turdus Tliacus. „Im Sommer ſpuͤrt man fie in den

Bergen.“ In welchen Bergen? Denn beſtimmt nicht in

allen Berggegenden der Schweiz. Ich traf ſie des Som⸗ mers bisher noch nirgends an.

Muscicapa grisola. „Sehr felten“ In der Gegend von Sekingen und Landshut iſt dieſer Vogel nicht ſelten, und im Rheinthale wirklich haͤufig. Er bruͤtet nur ein⸗ mal im Jahre, und zieht ſehr fruͤhe wieder weg.

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Muscicapa atricapilla. „Selten“ Im Rheinthale, im Glarnerlande und im Kanton Baſel gar nicht ſelten. Das Weibchen hat noch kein Naturforſcher bisher bes ſchrieben.

Motacilla boarula. „Ziemlich ſelten.“ Dieſe iſt uberall in der Schweiz des Sommers und Winters ſehr gemein, hingegen die M. Flava ſehr ſelten.

Sylvia Luscinia et P'ilomela. Ueberhaupt nicht felten, beſonders wo Buchhölzer find,“ Dieß iſt viel zu unbeſtimmt und zu allgemein geſagt. Auch beſtimmen ihs

ren Aufenthalt Baͤche, rauſchende Waͤſſerchen und Fluͤſſe

noch mehr, als Buchhoͤlzer.

Sylvia atricapilla. „Gemein, beſonders in den Buch— hoͤlzern, wo Gebuͤſche find.“ Der Standpunkt dieſes Vo— gels findet ſich meiſtens an Baͤchen und Waſſern, ohne Auswahl der Holzarten.

Sylvia einerea et Curruca. Da der Standpunkt dies ſer zwey Voͤgelchen, die einander im Aeußern ſehr aͤhneln, von einander unterſchieden iſt, ſo haͤtte es hier angegeben werden ſollen.

Sylvia suecica. „An waſſerreichen Orten.“ Dieß iſt viel zu unbeſtimmt geſagt. In der oͤſtlichen Schweiz ſel⸗ ten; in der Gegend von Baſel des Sommers ziemlich gemein.

Sylvia modularis. Dieſes Voͤgelchen fliegt ſehr hoch in die Alpen hinauf; ich habe ſie uͤber der Seealp auf dem Alpſiegel im Appenzellerlande und auf dem obern Camor Reſter mit Eyern und Jungen angetroffen.

Alauda campesiris. Dieſe koͤnnte eigentlich Alauda alpestris genennt werden. Sie fliegt hoch in die Alpen hinauf, und iſt des Sommers ſogar oben auf dem Albu⸗ laberg gemein. ä 8

Saæicola œnantſie. „Hält ſich auf den gemeinen Vieh⸗

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bergen auf.“ Sie wird freylich hin und wieder auf den Bergen angetroffen; ſo iſt ſie z. B. bey St. Mauritzen im

Engadin ſehr häufig, allein im Rheinthale und auf Gaiß .

hält fie ſich vorzuͤglich gerne auf Torffeldern auf, und Nis ſtet unter aufgethuͤrinten Torfſtuͤcken.

Hirundo riparia. „Selten. Sie findet ſich an den „Seen und Fluͤſſen, wo fie in den abgebrochenen, ſteilen, „ſandigen Ufern ihre krummen, gewundenen Höhlen oder Löcher machen, und in denſelben ihre Winterquartiere bes ziehen.“ In Zuͤrich in den Stadtgraͤben und hin und wieder am Rhein z. E. bey Seckingen, Rheinfelden u. ſ. w. ſind ſie gar nicht ſelten; ſie ziehen auch des Herbſts be⸗ ſtimmt aus unſern Gegenden weg, und ihre Ueberwinte⸗ rung bey uns iſt durchaus ungegruͤndet.

Tetrao tetriæ. „Im Winter ſollen fie ſich einſchneyen laſſen.“ Dieß iſt viel zu unbeſtimmt ausgedruͤckt; wenn

Herr Meisner darunter verſteht: daß ſie ſich des Winters

unter dem Schnee in einer Art von Erſtarrung oder Bes taͤubung befinden, und keine Speiſe beduͤrfen, ſo irrt er ſich ſehr. Sie laſſen ſich bisweilen uͤberſchneyen, ſchuͤtteln von Zeit zu Zeit den Schnee von ihren Flügeln, und blei- ben oft 2 bis 3 Tage auf einer Stelle, aber dann noͤthigt ſie der Hunger auch unwiderſtehlich, hin und her zu fliegen, und ſich die Nahrung aufzuſuchen. Auf dieſe Weiſe laſſen ſich des Winters die meiſten Alpenhuͤhner-Arten über ſchneyen.

Tetrao Lagopus. „Häufig in den Eisgebuͤrgen. Im

„Sommer auf den hoͤchſten Alpen, wo ewiger Schnee

„und Eis it, Im Winter kommen fie in die Thaler her⸗ ab.“ Dieß iſt alles ſehr unrichtig. Sie wohnen und ‚brüten des Sommers häufig an Orten, wo keine Eisge⸗ bürge find, z. E. auf dem Widerfeld des Pilatus, auf dem Camor und auf der Meglisalp im Appenzellerlande, hin

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und eder auf den Glarner⸗ und Buͤndneralpen u. ſ. w. Hingegen des Winters kommen ſie nie bis in die Thaͤler

herab.

Tetrao albus. Dieß iſt beſtimmt keine eigene Art, ſon⸗ dern Tetrao Lagopus im Winterkleide.

Perdiq einerea. „Im Pays: de- Vaud ſoll fi eine „kleinere, grauere Art aufhalten: Vielleicht Brissons „P. Damascena oder Montana? & Ich hätte gewuͤnſcht, Herr Meisner wuͤrde uns daruͤber beſtimmtere Auskunft gegeben haben.

Ardea minuta. „Bey Zürich ſoll er häufiger ſeyn.

Er iſt gewiß auch bey Zürich ſehr ſelten.

Numenius arquatus. „Es iſt unbekannt, ob er hier bruͤte.“ Auf den Rheinthaler Riedern bruͤtet er beſtimmt, und wahrſcheinlich auch auf den Berner Riedern. Eben ſo bruͤtet auch hin und wieder in der Schweiz die 8 rusticola, media, gallinago und gallinula.

Tringa hypoleucus. Er ift ſehr gemein in der Schweiz, und bruͤtet hin und wieder am Rhein in Buͤndten, im Rheinthale u. ſ. w.

Tringa Vanellus. „Einer der gemeinſten unter den durchziehenden Voͤgeln, doch mehr im Herbſt als im Fruͤh⸗ ling.“ Er bruͤtet zu Anfange des Sommers beſtimmt

hin und wieder in der Schweiz in großer Menge, und

vorzuͤglich auf den Riedern, die am Rheine liegen. Charadrius hiaticula. Soll im May hier durchzie⸗

ehen, und zuweilen den ganzen Sommer hier bleiben, i vielleicht auch hier niſten.“ Dieß iſt doch auch viel zu

unbeſtimmt ausgedruͤckt! Am Rheine, vom Rheinthale bis nach Chur bruͤtet er gewiß.

Coiymbus immer. „Wird ſelten auf den Seen ange⸗ troffen / und zwar nur im Winter.“ Dieſer iſt des Win ters auf dem Zuͤrcher⸗ und Bodenſee gar nicht ſelten.

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Sterna hirundo. „Wahrfcheintich brüten fie bey Nidau, wo fie des Sommers in Menge angetroffen werden.“ Hin und wieder am Rheine ſind ſie haͤufig und bruͤten daſelbſt, z. E. bey Malaus im ſchweizerſchen und oͤſterreichiſchen Rheinthale, bey Rheinfelden und Seckingen u. ſ. w.

Mergus merganser. „Nur bey großer Winterkaͤlte: „mit Anfang des Fruͤhlings find alle wieder fort.“ Dieß iſt nicht ganz richtig. Vom Zuͤrcher- und Bodenſee bes kommt man einzelne im warmen Fruͤhlinge. Herr Doktor Schinz in Zuͤrich erhielt vor ein Paar Jahren ſogar zu Anfange des Brachmonats noch einen ſolchen Vogel.

Anas clangula. „Bruͤtet nicht bey uns.“ Am Wale lenſtadterſee bruͤten alle Jahre einzelne Paare.

Anas ferina. „Nicht gar ſelten.“ Auf dem Bodens und Zuͤrcherſee beynahe ſo haͤufig, als die An. Boschas.

Anas rufina, „Selten.“ Auf dem Bodenke erſt ſeit etwa 20, Jahren ziemlich häufig.

Zur Vervollſtaͤndigung dieſes Verzeichnißes bemerke ich nur noch, daß die nachſtehenden Schweizervoͤgel TR in daſſelbe gehören: z. E.

Falco nevius L.

Strix brachyotos L. Motacilla hortensis L. Scolopax Calidris L. Tringa Gambetta L. Anas Circia-L.

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RE

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2.

Description abregee des salines du ci- devant gouverne ment d Aigle. Lausanne 1804. Und Fragmens sur la Tliéorie des sources et sur son application d Feæ- ploitation des sources salees. Lausanne 1804. 9)

Seitdem der Kanton Waadt durch die neue Verfaſſung der Schweiz unabhaͤngig geworden iſt, ward Herr Prof. Struve zum Inſpektor der Aehler Salzwerke ernannt, und die Beſorgung derſelben iſt dadurch einer der Haupt⸗ gegenſtaͤnde ſeiner raſtloſen Thaͤtigkeit geworden. Um nun ſeine Regierung in den Stand zu ſetzen, ſeine Vorſchlaͤge uͤber die Betreibung der Salzwerke mit Sachkenntniß zu beurtheilen, gab Herr Struve die obigen kleinen Schrif⸗ ten heraus. 5

In erſterer Schrift wird erſt die Merkwuͤrdigkeit dieſer Salzwerke ſowohl in geologiſcher als techniſcher Ruͤckſicht

dargeſtellt, dann ihre Lage beſchrieben, welches meiſt mit 1 Hallers Worten (aus deſſen kurzem Bericht über die aeh⸗

ler Salzwerke hergenommen) geſchieht, und die Anzeige gemacht, daß der Gyps hier, wie uͤberall, ſich in der Naͤhe der Salzquellen befinde, und zwar bald unter der Geſtalt eines vollkommenen Gypſes, bald aber als koͤrniger und blaͤttriger Muriacith. Ueber dem Gyps liegt derjenige

*) Da die nachſtehenden Rezenſionen der Struviſchen Schtife ten nur in einer Schweizerzeitung ſtuhnden, und daher nur einem kleinen Theil des Publikums zu Geſichte kamen ſo nehmen wir ſie, mit der Erlaubniß des Verfaſſers in unſere Alpina auf. Die Herausgeber.

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Thonſchiefer, welcher die Salzauellen ſelbſt enthält, und dieſer iſt von Grauwacke bedeckt, auf welcher Kalkſtein

liegt. Unter dem Gyyps liegt ein thonhaltiger Kalkſtein, der auf den Urgebuͤrgslagern ruht. Die Gebuͤrge dieſer Salzrevier haben verſchiedene Einſenkungen; diejenigen Ketten, welche näher am Urgebuͤrge liegen, haben nord— weſtliche, die entferntern aber ſuͤdoͤſtliche Schichten-Einſen— kung; doch ſollen ſich die Schichten uͤberhaupt nach einem gemeinſchaftlichen Centrum einſenken und anſcheinend Radit eines Zirkels bilden; eine Darſtellung, die wohl noch nähe rer geognoſtiſcher Unterſuchungen bedarf, ehe ſie als be— ſtimmte Thatſache angenommen werden darf.

Die Streichung der Schichten geht non Nordoſt nach Suͤdweſt, wie die der ganzen Alpenkette, und ſo auch, wie die beſondere Gypsformation. Allein auch in der Strei⸗ chungslinie der Schichten ſoll ſich eine Abweichung finden, deren zufolge dieſe eine eliptiſche Linie um die Salzrevier herum bildet, eine Vermuthung, die Folge von jener Dar⸗ ſtellung der Schichten-Einſenkung nach einem gemein— ſchaftlichen Centrum iſt, und daher erſt noch die Beſtaͤti— gung ader Widerlegung erwartet. Der Einſenkungswin— kel der Schichten ſoll im allgemeinen 40 bis 45 Grad be⸗ tragen, und mit der Annaͤherung zu der Stelle der Abaͤn— derung dieſer Einſenkung ſo zunehmen, daß in der Naͤhe von dieſer beynahe vertikale Stellung der Sckichten ſtatt haben ſoll; eine Angabe, die aber auch noch mehrere Be⸗ ſtaͤtigung zu erwarten hat.

Nach dieſer einleuchtenden Darſtellungsart er geogno⸗ ſtiſchen Beſchaffenheit der Salzgebuͤrgs-Revier beſchreibt Herr Struve die einzelnen bisher in derſelben vorgenom— menen Arbeiten, und weiſet jedem derſelben die Stelle in

8 Ruͤckſi icht der Hauptgebuͤrgsarten und ihre Lagerungsart

an, wodurch die bisher beobachteten einzelnen Erſcheinun⸗

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gen in dieſen Arbeiten, die oft zu fo ſeltſamen Darſtellungs⸗

Arten Anlaß geben, nun ſehr einleuchtend zur Beſtaͤtigung

jener beſtimmten geognoſtiſchen Angaben dienen. Das

Ganze wird noch durch mehrere beygefügte Profil: Aufriffe und einen Plan der Gegend ſehr deutlich gemacht, und iſt daher ein hoͤchſt wichtiger Beytrag ſowohl zur geognoſti— ſchen Kenntniß dieſer Gebürgs: Revier, als auch zur Ge ſchichte des Bergbaues in derſelben. So intereſſant auch die Anzeige von der Darſtellung dieſer Arbeiten waͤre, ſo muͤßen wir uns doch auf die Mittheilung einiger Angaben uͤber den Ertrag dieſer Salzwerke beſchraͤnken. Im Jahr 1778. find 8,505 Zentner Salz ausgeſotten worden; durch die Auffindung mehrerer neuer Quellen und durch den gluͤck— lichen Erfolg einiger Arbeiten ſtieg dieſer Ertrag betraͤcht— lich, fo daß er im Jahr 1795. 25,000 Zentner Salz bes trug, allein, wie es bisher immer der Fall war, ſo nehmen die Quellen allmaͤhlig wieder ab. Im Jahr 1802, wovon

Herr Struve den Detail giebt, betrug der Salzgewinn

16,927 Zentner, und 32 Zentner Glauberſalz; erſteres zu dem wohlfeilen Preiſe von 6 1/2 Schweizerfranken, letzteres zu 18 Franken gerechnet, bringt die ſchoͤne Summe von 110,604 Franken. Dagegen betrug die Summe der Auss gaben in dieſem Jahr 47,640 Franken; alſo blieb reiner Gewinn 62,964 Franken, wozu man auch noch denjenigen Gewinn rechnen koͤnnte, den die Regierung des Kantons auf dem Verkaufe dieſes Salzes macht, indem ſie daſſelbe weit höher verkauft, als ſie es aus den Salzwerken nach jenem Anfchlage zieht. Dieſe kleine Angabe zeigt die Wich⸗ tigkeit dieſes einzigen Salzwerks der Schweiz, und recht⸗ fertigt wohl hinlaͤnglich den Eifer, womit fchon viele auf geklaͤrte Vaterlandsfreunde die verſchiedenen ſchweizerſchen Regierungen auſſorderten, doch den Bergbau uͤberhaupt zu beguͤnſtigen; denn nicht Aehlen allein beſitzt dieſe meiſt ſalz⸗

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303 führenden Gebuͤrgsarten, ſondern dieſe ſtreichen durch das

Saanenlan® und Simmenthal an den Thuner-See, und

von da weiter in die oͤſtliche Schweiz: aber wer erndten will, muß erſt ſaͤen!

Eben ſo wichtig, aber ausſchließender in techniſcher Ruͤckſicht iſt die zweyte angezeigte Schrift, worin die Art, wie die Quellen uͤberhaupt, und beſonders die ge— ſalzenen Quellen in den Gebuͤrgen ſich vorfinden, angege— ben, und auf dieſes hin die Grundſaͤtze entwickelt werden, nach denen dieſelben aufgeſucht , geſammelt und zu Tage gefördert werden ſollen. Aus einem fo gedraͤngten Werk chen, in welchem auf 80 kleinen Oktapſeiten dieſe ganze Theorie entwickelt wird, laßt ſich kein gruͤndlicher und doch faßlicher Auszug liefern, beſonders da im Werke ſelbſt mehrere Angaben nur ſo kurz entwickelt werden konnten, daß zwar der Sachkundige das Ganze mit ſehr viel Befrie— digung ſo gedraͤngt zuſammen vereinigt vorfinden wird; daß aber der mit dieſen Gegenſtaͤnden weniger Vertraute, wenn er auch ſchon allgemeine phyſikaliſche Kenntniffe be> ſitzt, aber die Bildung der Gebuͤrge nicht deutlich kennt, hierin da mit Muͤhe dem Gange des Verfaſſers folgen wird. Wir theilen alſo nur noch dieſe wenigen Angaben aus dieſer intereſſanten Schrift mit. Die Quellen uͤber⸗ haupt haben ihre Entſtehung den Gewaͤſſern der Atmo— ſphaͤre zu danken; dieſe ziehen fich zwiſchen die Gebuͤrgsla— ger hinein, und folgen deren Richtung bis in große Ent⸗ fernungen; oft, wenn die Gebuͤrgslager, auf denen die Waſſer ſich hineinziehen, durch Spalten oder andere Um— ſtandel durchdringlich find, fo kommen dieſe Waſſer in art dere Lagen, denen fie urſpruͤnglich nicht angehörten, wo— durch die Waſſerquellen in urſpruͤngliche und ſecondaire ein getheilt werden; eine Unterſcheidung derſelben, die fir eimnung ſehr wichtig iſt. Hieraus folgt, daß alſo

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304 ' REEL die Aufſuchung der Quellen darin beſtehe: durch die aͤußern Gebuͤrgslager bis zu denjenigen hineinzudringen, auf denen die Gebuͤrgswaſſer liegen. Die Richtung dieſes Gebuͤrgs— lagers, und ſeine Beſchaffenheit ſowohl als die Art, wie daſſelbe das geſeihte Waſſer enthaͤlt, beſtimmt dann die Methode, nach der dieſe ganze Waſſermaſſe ſo viel moͤglich aufgeſpuͤrt und zu Tage geleitet werden muß. Bey den Salzquellen kommen aber dennoch mannigfaltigere Umſtaͤnde hinzu, denn allerforderſt muß dafuͤr geſorgt werden, daß ſich keine ſuͤßen Waſſer mit ihnen vereinigen und dieſelben ſchwaͤchen, und daß man dieſelben fo viel möglich an den— jenigen Stellen auffange, wo ſie am meiſten mit Salz be⸗ laden ſind.

3. N

Itineraire des salines pour servir de suite d la descrip- tion des salines du ci-devant gouvernement d'Aigle. Lausanne 1805. 8. S. 40. Mit einem Plane der Bergarbeiten. Und Memoires sur differens ob- jeis relatifs d la geologie, aux mines et salines. ıer Cahier. Lausanne 1805. S. 94. mit 2 Kupfer Tafeln.

Herr Profeſſor und Berg⸗ und Salzwerks⸗ Inſpektor Struve in Lauſanne theilt dem Publi- kum ſchon wieder zwey Schriften mit, die eben ſo ſehr von ſeinen gründlichen und ausgedehnten Kenntniſſen, als von ſeinem unermuͤdeten Eifer zeugen, womit er die Natur der waadtlaͤndiſchen Salzbergwerks-Revier unterſucht, und ſeine Kenntniſſe theils durch Verbeſſerung des dortigen

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Bergbaus, theils zur A wichtiger Anſichten über denfelben benutzt.

Die erſtere Schrift liefert eine umſtaͤndliche Befchreis bung der Wanderung von Bex, Devers, Bouillet in die

ausgedehnten Gruben der Fondemens, wobey beſonders

auf alle geognoſtiſchen Verhaͤltniſſe dieſer Gegenden Ruͤck— ſicht genommen wird, doch ſo, daß dieſe Beſchreibung je— dem Reiſenden, der jene ſchoͤnen Salz- und Bergwerke bes ſucht, ſehr willkommen ſeyn wird, um dadurch auf die wichtigſten Verhaͤltniſſe der Natur und Kunſt aufmerkſam

gemacht zu werden. Es iſt daher ſehr zu wuͤnſchen, daß

Herr Struve dieſen Weg weiter fortſetze, und denſelben auf

die übrigen merkwuͤrdigſten Gegenden der Aehler Salzge—

buͤrgsreviere ausdehne, wofuͤr ihm gewiß jeder Reiſende, und beſonders jeder Naturforſcher den ſchuldigen Dank zollen wuͤrde.

In dem erſten Hefte von Memoites sur divers objets

relatifs à la geologie, aux mines et aux salines— ſind neun fuͤr Geognoſie, Geologie und Bergbaukunde vor—

zuͤglich wichtige Abhandlungen enthalten.

Die erſte Abhandlung über das Ausgehen der Schich⸗ ten in den Gebuͤrgen, und die Stelle der Steinfalzformas tion in denſelben iſt von ganz beſonderm Intereſſe, weil der Verfaſſer darin zum Theil ſein geologiſches Syſtem über die Entſtebung der Gebuͤrge aufſtellt und daſſelbe durch verſchiedene geognoſtiſche Verhaͤltniſſe, die ihm die Salzgebürgs⸗ ⸗Revier von Aehlen liefert, zu unterſtuͤtzen / und ſelbſt ſchon gegen Einwuͤrfe zu vertheidigen ſucht, die ihm nicht öffentlich, aber wie es ſcheint, durch Private Cörreſpondenz, wider fein Syſtem gemacht wurden,

Wir geſtehen freymuͤthig, daß, fo lehrreich auch die Auf— ſtelung eines geologiſchen Syſtems von einem ſo gruͤndli— chen Beobachter der Gebuͤrge an ſich iſt, daß durch die

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Vermengung von geologifchen Ideen mit geognoſliſchen Darſtellungen der Gegenſtand nicht zu gewinnen, ſondern ſich ſehr zu verwickeln ſcheint, wodurch einerſeits die geog⸗ noſtiſche Darſtellung unbeſtimmt, und anderſeits die Ent⸗ wicklung des geologiſchen Syſtems undeutlich wird; daher wohl zu wuͤnſchen waͤre, Herr Struve moͤchte erſt ſeine geognoſtiſchen Beobachtungen ganz rein und fo vollſtaͤndig als moͤglich aufſtellen, und dann erſt aus dieſem getreuen Bild deſſen, was die Natur uns zeigt, ſeine Hypotheſen über die Entſtehungsart dieſer vorhandenen Gebuͤrgsver⸗ haͤltniſſe entwickeln, und zur Pruͤfung darlegen.

Seite 2 und 3. ſtellt der Verfaſſer einige Beobachtun⸗ gen uͤber die Lagerung der Schichten auf, welche in den Aehlergebuͤrgen gemacht wurden, die er aber etwas allge— mein auf die Alpenkette auszudehnen ſcheint: denn es iſt keineswegs der Fall, daß die Schichten der zunaͤchſt an der Urgebuͤrgsformation hinſtreichenden Floͤzgebürgskette ſich allein außer dieſelbe einſenken, und daß die übrigen Floͤz— gebuͤrge allgemein gegen die Centralkette eingeſenkt ſeyen: In den Glarner-, Schwyzer- und Urnergebuͤrgen u. ſ. w.

kommen nicht ſeltne von der Urformation entfernte Ketten mit nordweſtlicher, und alſo von der Centralkette abge kehrter Schichten Einfenkung vor. Noch weniger allge mein gültig iſt die zweyte Beobachtung, daß die Schichten» Einſenkung in der Abaͤnderung derſelben am ſteilſten ſey.

Merkwuͤrdig dagegen iſt die Beobachtung von Herrn Struve (S. 3.) daß das Steinſalz ſich in einer Thon⸗ ſchicht vorfindet, die auf Gyps ruhet, und welche von der Alpenkalkſteinformation bedeckt wird. Beſtaͤtigt ſich dieſe Beobachtung auch in andern Alpengegenden, befonders auch in Verbindung mit einer fruͤhern Beobachtung Herrn Struve: daß die Grauwackeformation ſich noch zwiſchen dem Salzthon und Alpenkalk befinde, fo koͤnnen aus derſel⸗

307 den ſehr wichtige geognoſtiſche und bergmaͤnniſche Reſultate gezogen werden. Die hauptſaͤchlichſte geologiſche Idee, die Herr Struve in dieſem Aufſatz aufſtellt, und überall zur Erklaͤrung der gemachten Beobachtungen anzuwenden ſucht, beſteht darin, daß die Gebuͤrgsketten da, wo das Ausge— hende ihrer Schichten (ihre Escargement) hingerichtet iſt, durch eine unterirrdiſche Kraft in die Höhe gehoben wor— den ſeyen. Dagegen ſucht er eine entgegengeſetzte Hypo⸗ theſe, welche annimmt, daß im Gegentheil die Gebuͤrgs— ketten an der Stelle, wo ſich die Schichten hinſenken, ein⸗ geſunken, und alfo vorher hier höher geweſen ſeyen, zu widerlegen. (S. 19.) bemerkt Herr Struve, daß zwey Nas turforſcher, welche hauptſaͤchlich die Einſenkungshypotheſe gegen ihn zu vertheidigen ſchienen, noch nichts über die Art dieſer Einſenkung dem Publikum mitgetheilt haben; aber wir koͤnnen uns nicht hinterhalten, Herrn Struve zu bemerken, daß, ſo viel uns bekannt iſt, jene Naturforſcher überhaupt ihre geologiſchen Ideen noch nicht der Welt mit⸗ getheilt haben, daher man ihnen die ganze Entwicklung derſelben noch nicht abzufordern das Recht hat. Da nun aber Herr Struve feine Erhebungshypotheſe wirklich oͤffent⸗ lich aufſtellt, fo iſt zu hoffen, daß er im aten Cahier ſeiner Aufſaͤtze unfehlbar die Art angeben wird, wie die Erhe⸗ bung von mehreren Duzend neben einander parallel mehs rere hundert Stunden weit fortlaufenden Gebuͤrgsketten, wie z. B. die Alpen von den Alpes maritimes an, durch die Schweiz und Tyrol bis in Ungarn und Dalmatien hinein, ſich fo ſorgfaͤltig und fo gleichfoͤrmig in den Erher bungswinkeln von einander abgefondert, ſollen erhoben ha⸗ ben, ohne daß dieſe ſo regelmaͤßig parallel neben einander ſortwirkende unterierdifche Erhebungskraͤſte ſich vermeng⸗ ten und gemeinſam und zerruͤttend wirkten. Wenn uns Herr Struve dieſes Raͤthſel feiner Hppotheſe löst, fe if

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zu hoffen, daß entweder jene Naturforſcher fich mit ihm vereinigen, oder ſich dann entſchließen werden, ihre Ge gengruͤnde ihrem Publikum gefaͤlligſt mitzutheilen. Ueber die zweyte Abhandlung dieſer Sammlung, welche die Bil⸗ dung dieſes Steinſalzes behandelt, moͤchte es ſchwer fallen, ſo viele Zweifel aufzuſtellen, als die erſtere veranlaßt, von denen wir nur einzelne wenige Proͤbchen aufzuſtellen wag— ten. Herr Struve ſucht hier zu beweiſen, daß das Steinſalz nicht durch langſame Abdunſtung von ehmaligen Murgruͤn— den, ſondern durch eine Kriſtalliſation, die von derjenigen, welche in unſern Werkſtaͤtten ſtatt hat, ganz verſchieden iſt, bewirkt worden ſey; die Reinheit des Steinſalzes und ſein Gefuͤge, wodurch es ſich von dem durch Abdunſtung Des wirkten Salz, fo weſentlich unterſcheidet, unterſtuͤtzen Herrn Struves Angaben, welche er mit eben fo viel Scharf fun als Kenntniſſen entwickelt.

Eben ſo wichtig iſt die dritte Abhandlung, welche uͤber die Entſtehung der fremdartigen Salze in den geſalzenen Qucllen der Salzgebuͤrge Auskunft giebt: Da namlich die Salzquellen wahrſcheinlich in der Aufoͤſung von Steinſalz⸗ Neſtern oder Lagern, durch das in die Gebuͤrge hindrin⸗ gende Waſſer ihren Grund haben, ſo iſt allerdings ſehr auf fallend, daß ungeachtet der Reinheit des Steinſalzes dieſe Salzquellen fo unrein und beſonders mit Salzarten belas den find, welche ſich im Achten blaͤttrigen Steinſalz nie vor, finden. Herr Struve zeigt auf eine ungemein befriedigende Art, durch. feine vorzuͤglichen chemiſchen Kenntniſſe, wie dieſe in den Salzquellen enthaltenen fremdartigen Beſtand⸗ there ſich aus dem Steinſalz ſelbſt und den daſſelbe umge: benden Gebuͤrgsarten entwickeln und bilden kann, ohne das zu irgend eine unbekannte Kraft noch einen ſich nicht wirklich ſchon vorfindenden Beſtandtheil mit zu Huͤlfe zu nehmen.

Die vierte und fuͤnfte Abhandlung dieſer Sammlung

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theilen eine neue leichtere Aufoͤſung zweyer Probleme der Marchſcheidekunſt (unterirrdiſche Geometrie) mit, durch welche die Richtung von unvollſtaͤndig erkannten Lagern oder Gängen leicht und beſtimmt aufgefunden und angege⸗ ben werden kann; dieſe Abhandlungen beweiſen, daß der Verfaſſer vermittelſt feiner mathematiſchen Kenntniſſe auch in dieſem Fach der Bergbaukunde vollſtaͤndig eingeweiht iſt.

Die ſechste Abhandlung giebt eine neue verbeſſerte For— mel an, die in einer Salzſole enthaltene Salzmenge aus der bekannten Schwere deſſelben durch Rechnung ausfuͤn⸗ dig zu machen, und liefert einen wichtigen Beytrag fuͤr die Salzwerkskunde uͤberhaupt.

Die ſiebende Abhandlung ſtellt den Waſſerheber, (der in einer gebognen Roͤhre mit ungleich langen Schenkeln beſteht) als ein zweckmaͤßiges Mittel auf, jede beliebige Salzwaſſerlage aus der Tiefe eines Schachts unvermiſcht zwiſchen den obern und untern Waſſerlagen weg aufzuhe⸗ ben; ſowohl das unentbehrliche Erforderniß, einen nahen Stollen oder Schacht, der tiefer als die aus zuhebende Waſſerlage und in einer Verbindung mit ihr ſteht, die durch keine viel uͤber 20 Fuß hohe Scheidwand von ihr getrennt ſey, als auch die Schwierigkeit der Verfertigung

ſolcher waſſer- und luftdichten Röhren und der erſten An-

ſaugung derſelben, dürften meiſt die Anwendung dieſes⸗ ſonſt an ſich guten Vorſchlags im Großen ſchwierig machen.

Die achte Abhandlung enthaͤlt einen neuen Vorſchlag zur Gradirung der Salzwaſſer, wobey die Waſſerverduͤn⸗ ſtung ſowohl durch die Sonnenſtrahlen, als den Luftzug bewirkt werden fol. Da bey der gewohnten Gradirungs— Art ſo viel Salz verlohren geht, ſo waͤre beſonders fuͤr die waadtlaͤndiſchen Salzwerke, die Mangel an Salzwaſſer haben, eine ſolche Gradirungsart, welche dieſen Nachtheil

vermeiden würde, ſehr wuͤnſchenswerth, wenn ihre Ans

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wendbarkeit durch die Erfahrung ſich beſtaͤtigt, welche Herr Struve hoffentlich anzuwenden trachten wird.

Der neunte kuͤrzeſte Aufſatz zeigt an, daß eine in Wal⸗ lis vorhandene Quelle, welche ſchon lange für ſalzig aus— gegeben wurde, wirklich einiges Salzwaſſer enthalte, da⸗ her naͤhere Unterſuchungen wuͤnſchenswerth waͤren.

Wir ſchließen dieſe Anzeigen der ſtruviſchen Schriften mit dem Wunſche, daß die Wirkſamkeit dieſes gelehrten, und in der Schweiz ſo verwaisten Wirkungskreiſes des Bergbaus moͤglichſt ausgedehnt und eingreifend werden koͤnnte; wir haben auch in Rückſicht auf die Produkte des Mineralreichs in un ſerm Vaterland bis jezt fo wenig Selbſt⸗ ſtaͤndigkeit zu bewirken gewußt, daß man einen Mann von ſo umfaſſenden Kenntniſſen und Erfahrungen nicht auf ei⸗ nen fo engen praktiſchen Wirkungskreis eingeſchraͤnkt, für die uͤbrigen Theile unſers aller ſelbſtſtaͤndigen Induſtrie⸗ Zweige fo bedürftigen Vaterlands, ſo unbenutzt laſſen ſollte.

E ſcher.

sil

4.

J. G. Ebels Anleitung auf die nützlichſte und genußvollſte Art die Schweiz zu bereiſen, mit drey geaͤzten Blättern, welche die ganze Alpenkette von dem Saͤntis im Kanton Ap⸗ penzell an, bis hinter den Montblanc dar» ſtellen, nebſt einem Titelkupfer, einer Schweizerkarte, einer Profilkarte und ei— ner Abbildung der beften Art Fußeiſen, auf Gletſchern zu gehen. Zweyte, ganz um⸗ gearbeitete und ſehr vermehrte Auflage. Zürich bey Orell, Füßli und Comp. 1804. 8. 4 Theile. f

NB. Der zweyte Theil enthaͤlt eine geognoſtiſche Karte

über den Profil⸗Durchſchnitt der Gebuͤrge von Zug, bis am Staͤg im Kanton Uri.

Der dritte Theil als Tittelkupfer: Der Rhone-Gletſcher.

Der vierte Theil als Tittelkupfer: Urſprung des Hinter⸗

Rheins.

Düne Zweifel iſt dieſes Werk, von dem wir ſo eben den Titel geliefert haben, ſchon in den meiſten kritiſchen Jour⸗ nalen und litterariſchen Zeitungen angezeigt, rezenſirt, und nach Verdienſt gewürdigt worden. Vermuthlich auch ſchon, wie biüig, allgemein bekannt. Da es unſre Abſicht iſt, alle Werke anzuführen, wodurch die Kenntniß der Alvenkette wirklich erweitert wird, ſo konnte dieſes um ſo weniger übergangen werden, da darin ein wahrer Schaz von neuen, und wichtigen Nachrichten über einen bedeutenden The der Alpenkette enthalten find. Alle dieſe neuen Bemerkun⸗

4 312

gen hier ausheben, können wir nicht, denn wir müßten einen guten Theil des Werks abſchreiben, und jeder Alpen. Forſcher wird ſich ohnedem daſſelbe anſchaffen. Aber wir halten es für unſere Pflicht, alle die kleinen Irrthuͤmer ans zuzeigen, die wir in Anſehung des Kantons Graubuͤndten bemerkt haben, auf daß in einer bald zu erwartenden neuen Auflage das Werk auch in dieſer Hinſicht diejenige Voll⸗ kommenheit erhalte, deren es fo wuͤrdig iſt. Erſter Theil.

Die Reiſerouten durch Buͤndten koͤnnten hin und wie⸗ der verbeſſert werden. Sie werden aber in dem Staats- Kalender des Kantons Graubuͤndten für 1806. fo vollftän: dig, nebſt andern wichtigen Nachrichten aus dieſem Kan⸗ ton erſcheinen, daß das Fehlende in dieſem Stuͤck daraus wird berichtigt werden koͤnnen.

Unter den Reiſebeſchreibungen fehlt folgendes wichtige und intereſſante Werk:

Viaggio da Milano ai tre Laghi Maggiore, di Lugano e di Como 1794. 8vo. Mit einer kleinen illu⸗ minirten Charte. ıfte Auflage.

Viaggio da Milano ai tre Laghi Maggiore, di Lugano e di Como, e ne Monti che li circondano da Carlo Amorette, Bibliothecario nell Ambrosiana di Milano, uno de 40 della Societa Italiana delle scienze di Milano, 180r. 8vo. zte Auflage. Mit 3 Kaͤrt⸗ chen von demjenigen Theile der italieniſchen Schweiz, den Ebels Plan auch umfaßt, kommen hier vortreffiche Nach⸗ richten vor. Ich werde aus dieſem Buche einen gedrangs zen Auszug im zweyten Theil der Alpina geben, und vers weiſe alſo dorthin.

Zweyter Theil. i

Seite 21. Artikel Albul a. Ueber ihn geht kein Paß von Davos ins Oberengadin, denn die Davoſer bedienen

, 313

ſich hiezu des nähern Scalettabergs. Die Albula ergießt ſich bey Filiſur in den Fluß des Hauptthals: naͤmlich in das Davoſer-Landwaſſer, behaͤlt aber ihren Namen.

Seite 41. Artikel Alweneu. Kurz vor Filiſur zwey Stund. Von Alweneu nach Filiſur iſt nur eine Stund.

Seite 49. Artikel Andeer.

Die Felsſpitzen des ſieben Stunden entfernten Averſer⸗ Thals gehoͤren nicht in die Gegend von Andeer, und dann liegen ſie gegen Suͤden oder Suͤdoſten, nicht Oſt. Hin⸗ gegen iſt der Fianell, auf dem ſich Eiſenerze befinden, zwi⸗ ſchen auſſer und inner Ferrera ſuͤdlich von Andeer zu bemerken. Ferner der Berg Cera öſtlich uͤber Andeer. Der Suretta, auch Hirliberg genannt, liegt gegen Suͤden zwiſchen Rheinwald, Emmet und Ferrera. Der Vizagn liegt von Andeer gegen Weſten, hinter ihm der Nezza.

Seite 51. Artikel Andermatt.

b Der reitbare Weg nach Diſentis führt über Ciamut chic est Mons) nicht Cima del Mont, Selva, Rueras,

Sadrun, nicht Padrun. Seite 74. Artikel Ardez. Ardez liegt zwar in Anſehung des Inns auf einer Anhöhe,

aber in Anſehung der Landſtraße eine Viertelſtunde abwaͤrts.

Fettan liegt noch eine Stunde unter der Tasnabruͤcke; eben fo der Fett ener Sauerbrunnen. Das Tasnathal theilt das Hochgericht Unterengadin in Civili in Ober- und unter⸗ Valtas na.

Seite 81. Artikel Averſathal.

Soll Averferthal heißen. Von Bivio bis Andeer find nicht 7—8; ſondern 11 12 Stunden.

Seite 128. Artikel Bernhardino.

Der Marſol ſoll vermuthlich das Muſchelhorn heißen.

Der Ramit iſt unter dieſem Namen nicht bekannt. &

2.

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Rheinwald iſt kein Dorf, ſondern der Name des Thals. Das Dorf heißt Hinterrhein.

Seite 129. Artikel Bernina.

Alle Beſchreibungen, die man bis itzt von dem großen Bernina⸗Gletſcher gegeben hat, find unrichtig. Man irrt ſich ſehr, wenn man glaubt, daß er ſo zuſammenhaͤngend und alſo an einem Stück fo weitläuftig ſen. Nein. In der Kette, welche das Veltlin zuerſt von Cleven, dann. vom Bergell, und endlich vom Engadin trennt, befinden ſich eigentlich drey Hauptgletſcher. Der erſte hat ſeinen Mittelpunkt ungefaͤhr ob Bondo im Bergell, und dem Maſinerthal, ſo ſich bey Ardenno ins Veltlin herunter⸗ ſeukt. Er ſchickt Strahlen gegen das Coderathal, gegen beſagtes Maſinerthal, gegen das Bondaskerthal, gegen die Alp Albigna ob Vicoſoprano, gegen den Muret oder dem Ordlegnathal, und gegen den weſtlichen Arm des Malenkerthals. Der zweyte Mittelpunkt muß zwiſchen dem Dorf Sils, zuoberſt im Engadin, und den Urſprung des oͤſtlichen Arms des Malenkerthals geſetzt werden. Von ihm laufen Strahlen in das Thal Feet, welches ſich un⸗ gefaͤhr gegen die Mitte des Silſerſees öffnet; in die Alp. Roſatſch ob St. Moriz; in den Urſprung des Pontreſi⸗ nerthals; gegen den weißen See auf dem eigentlichen Berninaberg, und gegen Poschiavo's hoͤchſte Bergthaͤler. Der dritte endlich liegt zwiſchen dem Urſprung des Gro⸗ ſierthals, welches ſich ins obere Veltlin, zwiſchen Tiran und Worms herunterſenkt und dem Val del Feen, das unweit den Wirthshaͤuſern auf dem Bernina ſich öffnet und gegen Worms heraufdringt. N

Ucberhaupt der Zug dieſer ganzen Gebuͤrgskette, die Richtung der Thaͤler, die Geſtalt der ſich darin befinden⸗ den Gletſcher, die geognoſtiſche und mineralogiſche Bes ſchaffenheit dieſer Gegenden, werden der Alpina den reich⸗

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lichſten Stoff darbieten, denn dieſes iſt eine Terra in- cognita.

Seite 145. Artikel Bivio.

In Bivio iſt auch ein ziemlich gutes Wirthshaus. Von Bivio bis Avers, das heißt bis Juch, das erſte Dorfchen in der Landſchaft Avers, 4 Stund, und von dort bis Andeer wenigſtens 7 Stund. Von Bivio kann der geographiſchen Lage nach unmöglich ein Weg über das Fuͤrklein gerade ins Rheinwald gehen. Man muß über Avers, Ferrera, und die Roflen ins Rheinwald.

Seite 154. Artikel Bregellthal. Val Bregaglia, (nicht Bragaglia) nennt man im Deutſchen Bergell. Ca⸗ ſaccia am Fuße des Septimers iſt nicht das Hauptort des obern Bergells, ſondern Vicoſoprano. Von Caſaccia nach Chur find 16 5/2 Stund. Von Maloggia bis Mars tinsbruͤck, der Graͤnze des Engadins 22 ıf2 Stund. Von Soglio gehen zwey Wege nach Awers, beyde fünf ſtarke Stunden lang, der eine durch das Thal Madris, der an⸗

dere durch das Thal Bergalga. Das Schloß bey Vicoſo⸗ prano heißt Castello di Sotto.

Seite 179. Artikel Cernez.

FR ein mittelmaͤßiges Dorf von 350 Einwohnern, alle nicht einmal ein großes, geſchweige dann eines der groͤßten Doͤrfer. Das Liwinerthal endigt ſich nicht in die zwey Nebenthaͤler Feen und Fedris. Erſteres öffnet ſich gegen Bernina, und iſt durch einen Bergkamm von Liwin ge⸗ trennt. Letzteres lauft dem Liwinerthal parallel von Suͤd⸗ weiten nach Nordoſten. Beyde Liwin und Fedris, fo wie Val Cluoza, das nach Cernez gehoͤrt, ergießen ihre Baͤche in das Thal Proſpoͤlg, das ſich gegen Cernez von Süden nach Norden offnet. Von Cernez nach Worms durch das Liwinerthal And 11 Stunden. Der Berg ob Scanf heißt Caſanna, nicht Ceſanna. Bon Cernez bis

17 *

316

auf den Ofen find 3 Stund, von da nach Cierfs 2, und

von da auf Santa Maria im Muͤnſterthal eine, alſo 6, nicht ro Stunden. 5

Seite 212. Artikel Chur.

Man geht von Chur nach Zizers nicht durch Trim⸗ mis. Nach Marſchlins ſind es von Chur uͤber Zizers und Igis 2 / Stund, und von da ins Brettigau nach Gruͤſch 1 1/2 Stund.

Seite 226. Artikel Comer-See.

Es iſt ganz recht, daß ſich der Piz Legnone auf dem öͤſtlichen Ufer des Comerſees erhebt, aber der Flecken Gras veddona liegt dieſem Berge gegenuͤber, alſo am weſtlichen, nicht am oͤſtlichen Ufer des Sees.

Seite 234. Artikel Cunters.

Reams iſt nicht der Hauptort vom Oberhalbſtein, fons dern Savognin. Von Cunters führt der Weg nach Bivio durch Savognin, Tinzen, als Molins, das aber nicht in einem grauſenden Schlunde liegt, und Marmorera im 5 Stunden.

Seite 235. Artikel Davos.

Unter den Thaͤlern, die ſich mit dem Hauptthal verei⸗

nigen, iſt das unterſte auf der Suͤdſeite das Thal Mon⸗

ſtein nicht aufgezaͤhlt, hingegen das Aroſterthal wohl, wels ches auf der andern Seite der noͤrdlichen Berge, im Schallfik liegt. Die Albula faͤllt vielmehr ins Davoſer⸗ Landwaſſer, welches größer iſt, allein keinen eignen Namen führt, daher der vereinigte Fluß den Namen Albula behaͤlt. Von Davos fuͤhrt eine Straße nach Kloſters ins Bretti⸗ gau in 2 Stunden, und ein Alpweg uͤber Perſenna auf Conters, ebenfalls im Brettigau, in s Stunden. Von Klo⸗ ſters bis Chur 11 Stund. Der Fuoclapaß ſoll wohl Fluela heißen. Von Davos bis zum Wirthshaus Tſchuggen, rech⸗ net man 2 Stund durch das Fluelathal, hingegen von Das

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dos bis zum duͤrren Boden im Diſchmathale 3 Stund.

Aus dem Certigerthal geht wohl (S. 237.) durch Decan ein Sommerweg, aber ein beſchwerlicher über Stulz (nicht Sulz) auf Berguͤnn.

Seite 244. Artikel Diſentis.

Ueberall ſoll es ſtatt Padrun heißen Sadrun.

Seite 267. Artikel Engadin.

Es befindet ſich im ganzen Engadin kein Dorf, mels ches dem Wort Falisci entſprechen koͤnnte. Den Namen des Dorfes Flaͤſch, unweit Mayenfeld, von den Faliskern abſtammen zu machen, iſt laͤcherlich. Ueberhaupt ſieht es um die aͤchten hiſtoriſchen Beweiſe, daß ſowohl Tuscier als

Campanier Buͤndten bevoͤlkert haben, mißlich aus, ob—

gleich die Uebereinſtimmung einiger Namen von Dörfern in Buͤndten, und von Völkern in jenen zwey italieniſchen

Provinzen auffallend find, Tuscia, Thuſis: Vettones,

zo

Vettan: Cernetani, Cernez: Lavinii, Lawin: Oeno- trii, Raͤnders: Sentinates, Seus: Suillates, Schulz. Populi de regione umbriae ſagt Plinus Lib. III. Cap. VI. quorum Oppida Tusci debellarunt.

Was bis itzt uͤber die romanſche Sprache, ihren Urſprung und ihre Geſchichte geſchrieben wurde, iſt ſehr oberfaͤch⸗ lich. Coxe im dritten Theile ſeiner Reiſe, den der wuͤrdige Pfarrer A Porta darüber belehrte, Joſeph Planta in fei- nem Verſuch einer Geſchichte der romanſchen Sprache, Chur 1776. 8., und der Pater Plazidus Speſcha in ſeinem Aufſatz über die rhaͤtohetruskiſche Sprache im erſten Stuͤck der Iſis, Seite 24. (Zuͤrich 1805. 8.) haben noch das leid⸗ lichte geliefert. Seit einigen Jahren ſchon angeſtellte Un: terſuchungen haben mir artige Reſultate gegeben, und ich werde ſie an einem ſchicklichen Orte der Welt mittheilen.

Sowohl in Anſehung der naͤhern Kenntniß des Unter— Engadins, als der Gemeinde Seewis und des Thales St.

*

318

Antonien verweiſe ich auf die in Chur, während dem

Jahr 1805. erſchienene Zeitſchrift: Der Neue Samm⸗ ler *), worin ſich ſehr vollſtaͤndige Nachrichten uͤber dieſe Artikel befinden.

Seite 291. Artikel Ferrainathal.

Ich weiß gar nicht, was der Verfaſſer mit dem Schlezi⸗ nathal will. Es exiſtirt kein ſolches in der Naͤhe des Salvret⸗ tagletſchers, und meont er das Slapinthal, welches Nord» oͤſtlich in's Montafun geht, fo gehört es gar nicht hieher.

Seite 298. Artikel Filiſur. |

Soll heißen, nicht weit vom Schloffe Greifenſtein, nicht Berguͤn. Daſelbſt wurde wirklich zu Anfang des ten Jahrhunderts auf Silber, Kupfer und Bley mit Nutzen Bergbau getrieben; allein wie es in Buͤndten mit derglei⸗ chen Unternehmungen immer gieng, bald wieder aufgeges ben. Der mit rothem Thonſtein eingeſprengte Granit und der ſogenannte Porphyr find nur verschiedene Arten von Grauwacke. ö |

Ich muß bey dieſer Gelegenheit bemerken, daß die ges» gnoſtiſchen und mineralogiſchen Angaben Buͤndten betref— fend, da, wo der Herr Verfaſſer ſelbſt ſah, oder fie aus Eſchers Aufſaͤtzen entlehnte, ſehr ſchaͤtzbar ſind, hingegen, wo er andere Quellen benutzte, mancher Berichtigung bes dürfen, die aber kuͤnftigen Aufſaͤtzen in der Alpina vorbe, halten werden.

Seite 391. Artikel Gotthard.

Es iſt noch gar nicht ausgemacht, daß die Römer nur den Paß über den Septimerberg durch Buͤndten kannten. Es iſt ſogar wahrſcheinlich, aber hier nicht der Ort aus einander zu ſetzen, daß ſie ſich ſowohl desjenigen uͤber den

) Iſt in der Steineriſchen Buchhandlung in Winterthur zu haben.

319 Spluͤgen, als des ſehr bequemen über den Luckmanier be⸗ dienten. 0

Seite 409. Artikel Graubündten.

Der Name Graubuͤndten kommt vermuthlich von der im obern oder grauen Bunde vor Zeiten uͤblichen, grauen Kleidung her. Auch iſt noch die Standes farbe dieſes Bun⸗ des grau und weiß.

Dritter Theil.

Seite 15. Artikel Jlanz. (Romaniſch Lgiont.)

Am Fuß des Mundaun. Der Berg heißt ſonſt ges woͤhnlicher der Karlisberg Wirthshaus bey Frau Rutli.

Seite 16. ſteht Pfleif ſtatt Pleif.

Seite 76. Artikel Lavinerthal.

Heißt eigentlich fo wie der Bach Lavinuoz.

Seite 77. Artikel Leithal. |

Von dieſem Thale wußte bis itzt kein einziger Gesgraph noch Topograph Buͤndtens rechten Beſcheid, auch iſt es in keiner Charte recht gezeichnet, in derjenigen ausgenommen, welche dem Schweizer-Almanach von 1806. (bey Orell, Fuͤßli und Comp. in Zürich) beygefuͤgt iſt. Dieſes 4 Stund lange Thal gehoͤrt zum Koͤnigreich Italien, ob es gleich dieſſeits der Alpenkette liegt, wie das Lavinerthal zwiſchen Worms und Cernez. Der Bach der es durchſtroͤmt, vers einigt ſich da mit dem Averſer-Bache, wo die Landſchaf⸗ ten Avers und Schams zuſammentreffen, wo jenſeits der Bruͤcke über den Leienbach ein Kreuz im Felſen die dreyfache Graͤnze bezeichnet. Dieſes Thal beſteht nur aus Alpen, und enthaͤlt 25 Sennthuͤmer, worin theils Kuͤhe, theils Schaafe beſorgt werden. Es wird alſo nur im Sommer bewohnt, waͤhrend welchem man in einer daſelbſt befind- lichen Kirche Gottesdienſt Hält. Der naͤchſte Weg dahin n Cleven iſt über Proſto und Savogn, dem hoͤchſten Dorf in der Landſchaft Plurs auf der noͤrdlichen Seite des

N

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Thals. Von dort uͤber einen hohen mit Gletſchern beſetzten Berg ins Val di Lei. Von dozt geht ein Weg dem Thal nach hinaus in Schams, und kommt unfern der Vereinigung des Leien- und Averſer-Baches zur Averſer-Landſtraße. Ein anderer Weg aber geht uͤber die Hoͤhe des Val di Lei in das mit ihm auf der Oſtſeite parallel laufende Val Ma- dris, welches ſich bey Crott in Avers oͤffnet, und dieſes ſehr ſteilen und beſchwerlichen Wegs bedienen ſich die Averſer als ihrer Landſtraße um alle ihre Beduͤrfniße von Cleven auf dem Rücken innert 8 Stunden zu holen.

Seite 126. Artikel Lugnezertha!

Die Diesruͤcker Furka ſoll vermuthlich der Uebergang La Graina ſeyn.

Der Weg von Ilanz nach Vals geht über Peiden, Furt, nicht Tuort, St. Martin und St. Peter, in allem 41/2 Stund. Von Zafreila in Vals fuhrt ein Weg nach Camp ins Polenſerthal, durch ein hohes aus Alpen beſte— hendes Bergthal, oder vielmehr durch eine Vertiefung der Alpenkette in 2 ½ Stunden. Gegen Süden von Camp liegt der große Hinterrhein-Gletſcher. Gegen Abend der Gletſcher des Criſtallinerthals. Bon Camp kann man rechts gegen Nordoſten uͤber einen nicht ſehr hohen Berg nach Vrin ins Lugnez, gegen Suͤdweſten auf einer reitba⸗ ren Straße in 7 Stunden nach Olivone und gegen Nord» weſt durch einen Fußweg auf den Luckmanier in 2 Stunden.

Seite 132. Artikel Luckmanier. 722

Vom Luckmanier nach Airolo geht man der einen Quelle des Mittelrheins nach durch Valle di Termini nach Aieint und Airolo in 4 Stunden.

Seite 202. Artikel Morbegno.

Vermuthlich iſt der wuͤrdige Verfaſſer nie im Veltlin geweſen, und hat ſich Lehmanns Schrift bedient, um die Artikel deſſelben auszuarbeiten, daher fo viele undeutlich: und unrichtige Angaben.

384 Wenn man von Morbegno auf Como oder Lecco will; ſo ſchifft man ſich entweder zu Collico am Fuß des Legnone ein, oder weil dort nicht immer Schiffe angetroffen wers den, fo geht man al Paſſo einem Zollhaus am Vereini— gungskanal des Clevner- und Comer-Sees gelegen, und laͤßt ſich von da auf Tommaſo führen, wo ſich immer Schiffe genug befinden. Der Weg ins Maſinerthal und Bad geht uͤber Ardenno, nicht uͤber Travona. Mir ſind keine Lawezſteinbruͤche im Maſiner-, wohl aber im Malen⸗ kerthal bekannt, das ſich bey Sondrio oͤffnet. Die Lands ſtraße durch das Veltlin herauf geht uͤber Ardenno, unter Berbenno durch der Ebene nach, und nicht durch die auf den Abhaͤngen der Berge liegenden Doͤrfer, alſo weder durch Berbenno noch Caſtione. Durch das Val del Bitt geht nur eine Hauptſtraße über den St. Mareusberg nach Bergamo.

Seite 209. Artikel St. Moriz. \

Dort ſteht: Hinter dem hohen Vergſtock Ros zatſch) an welchem der Sauerbrunnen quillt, zieht ein Alpenthal nach dem Albula hinauf— Der Sauerbrunnen quillt an der ſuͤdlichen das Engadin einſchließenden Bergkette, und der Albula liegt auf der noͤrdlichen, und 2 Stunden weiter unten. Soll wohl heißen Bernina.

Seite 263. Artikel Oberland.

Oberland nennt man in Buͤndten auch das Thal, das ſich von den Graͤnzen von Urſelen bis Chur hinunterzieht und nun die Landſchaften Diſentis, Lugnez, Gruob, Flims und Truns begreift.

Seite 313. Artikel Prettigau.

Wird auf Romaniſch Val Partenz das Wieſenthal ges kannt, und fo möchte wohl der deutſche Namen eden ie

*

382

0 f . gut daher, als von Rhetigovia, oder dem Rhetico Here kommen.

Seite 318. ſteht: Wo die Reſte des Schloſſes Frakſtein und höher das Dorf Seewis liegen. Letzteres liegt eine ſtarke halbe Stunde weiter oͤſtlich ob den Ruinen des Schloſſes Solavers. Pardisla gegenuͤber oͤffnet ſich erſt das Valzainerthal. Das Dorf Gruͤſch iſt nur durch den Ganyerbach von Schmitten getrennt, und liegt hart danan. Der Boͤſchisbach kommt vom Fanaſerberg herab, nicht aus dem Druſerthal, und zwar zwiſchen Gruͤſch und Schierſch. Bey Schierſch oͤffnet ſich das Druſerthal, aus welchem der Schrawbach hervorſtroͤmt. Die Landquart hat die ſchoͤnen Ebenen zwiſchen Gruͤſch und Schierſch meiſtens in eine Wuͤſteney verwandelt.

Seite 316. Der Tſchingel und die Scesa plauna ſind zwey ganz verſchiedene Bergſpitzen.

Vierter Theil.

Seite 12. Artikel Reichenau.

Der Weg nach Ilanz auf der rechten Seite führt durch Tamins, Trins, Waldhaͤuſer, nicht Fidaz, unter Flurs, Laax, Sagens und Schloͤwis.

Seite 13. Artikel Remus.

Die Nebenthaͤler ſind Val d'Aſſa, Raſenna und Val de Vna; hingegen Nufa, Grieuſch, Sentinatſch und Ten— gua find falſch angegeben. Das erſte exiſtirt gar nicht, das andere heißt Val da Vna, ſprich Fna. Das dritte ſoll vermuthlich Uinna ſeyn, gehört aber zu Sins. Tengua ſoll Tenga heißen, iſt aber kein Nebenthal von Remus, ſon⸗ dern liegt jenſeits der nördlichen Alpenkette.

Die Nebenthälet von Schleirs find nicht Faunes, das mir unbekannt iſt, Sempronia und Samnaun. Die beyden letztern laufen dem Thale, worin Schleirs liegt von Weſt nach Oſten parallel, und oͤffnen ſich gegen Tirol.

383 Sempronia heißt übrigens Sampnoik. Das Thal Sams ham gehört unter die ganz unbekannten, obgleich es ziem⸗ lich bewohnt iſt. Die Haͤlfte des Thals bis an die Muͤhle von Spiß gehört Oeſterreich. Der Schergenbach macht die Graͤnze gegen dem Tirol. Martinsbruͤck nennt man auf Romaniſch Pomartina, nicht Ponta martina.

Es verdient eine ſehr genaue Pruͤfung, ob es wirklich die Hauptalpenkette iſt, welche der Inn bey Finſtermuͤnz durchſchnitten hat, oder ob der Hauptkamm bey Maloja nicht auf die rechte Seite des Engaͤdins übergeht, Ich werde dieſes in einem kuͤnftigen Bande der Alpina naͤher beleuchten.

Seite 24. Artikel Rheinwaldthal. |

Slurella fol Suretta heißen, Tombo aber Tambo und Aport, Zaport, oder auch Lentahorn;

Seite 81. Artikel Schalfickerthal.

Es iſt ein ſchlecht bevoͤlkertes Thal, hat keine 1200 Ein- wohner. Auch hat die Natur nicht leicht ihre zerſtoͤrende Kraft ſo ſehr geaͤußert, als hier, denn der Weg durch das Thal führt von einem Schut-Tobel zum andern.

Seite 82. Artikel S chamſerthal. a

Es giebt kein Ort, welches Seſam heißt, hier If vet— muthlich Andeer gemeint, welches Dorf von den italienis ſchen Saͤumern aus Unwiſſenheit manchmal ſo genannt iſt. Die Eifengruben ob Ferrera find wohl 3 Stund von Ans deer, die Eiſenſchmelze aber eine Stunde von dieſem Ort entfernt.

Seite 90. Artikel Schuols, eigenklich Schuls.

Die Buchdruckerey iſt ſchon ſeit 8 Jahren an eine Fremden, der ſich in der Gegend von Chur angeſiedelt hatte, verkauft worden, und nun befindet ſich keine mehr im Engadin.

Die vierzehn minergliſchen Quellen möchten ſchwerlich

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zuſammen zu bringen ſeyn. Zu Schuls ſprudeln zwey Sauerquellen, in Fettan eine, und in Taraſp zwey Bitter⸗ ſalzquellen hervor, die ſehr ſtark gebraucht werden, beſon— ders von den Einwohnern Tirols. Dem allem ungeachtet beſteht nicht die geringſte Einrichtung deswegen daſelbſt. Auch auf der Schulſerſeite bemerkt man ein Paar bitters ſalzige Quellen. Ueberhaupt hat die Natur wenigen Laͤn⸗

dern in einem beſchraͤnkten Raume fo viel vortrefliche Mine⸗

ralquellen geſchenkt als Buͤndten, und doch werden ſie ent⸗ weder ganz oder doch ſehr vernachlaͤßigt. Man hat bis itzt ſehr wenig chymiſch unterſucht. 5

Val Minera ſoll Val Minger heißen.

Seite 98. Artikel Seglio.

An mehreren Orten wird in dieſem Werke geſagt: daß der Bach aus dem Thal Feet vom Muretgletſcher berfoms me. Dieſes iſt aber falſch, denn der Muret- und Feetglet⸗ ſcher ſollen gar keine Gemeinſchaft mit einander haben.

Seite 135. Artikel Splügen.

So ſtark iſt denn doch der Paß uber dieſen Berg nicht, daß täglich 4 soo Lafipferde darüber gehen, man kann dafür wöchentlich ſetzen.

Seite 147. Artikel Süß.

Der durchfiegende Bach heißt Suſasca, wovon ein Arm aus dem Val Tuorta kommt. Hier ſind die Namen der Nebenthaͤler auch unrichtig angegeben. Das Hauptthal, welches die Suſasca durchſtroͤmt, heißt Flüla, das eine Nebenthal gegen Nordweſt Grieleſch, das andere gegen Nordoſt Fleß, zwiſchen Suͤß und Lavin ſieht man die Muͤn⸗ dung des Thals Saglkaints, durch welches auch ein Weg uͤber Ferraina ins Brettigau geht. Zu Lavin, das Thal Lavinuoz; zwiſchen Ladin und Guarda das Thal Thuoi, das im Fermunt entſpringt. Auf der Suͤdſeite von Lavin, das Thal Zezning. Nach Lawin kommt man durch Guarda,

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wenn man den Inn aufivarts reiſet. Der Weg von Suͤß ins Brettigau führt zuerſt durch einen Theil des Thales Fluͤla, und dann erſt durch Fleß auf die Hoͤhe.

Seite 161. Artikel Tiefenkaſten.

Hat mit Alvaſchein nichts gemein, welches ein eigenes Dorf eine Stund weiter gegen Obervaz iſt. Auf dem Wege von Tiefenkaſten ins Oberhalbſtein ſieht man Praeſans auf der rechten, nicht auf der linken Seite.

Seite 168. Artikel Tomils.

Es iſt doch hart die Einwohner von Feldis, Scheid und Trans als die roheſten Menſchen in ganz Buͤndten zu bezeichnen. Sie ſind es weder weniger noch mehr als die Bewohner anderer abgelegener Bergdoͤrfer. Daß Lehmann uͤbel auf ſie zu ſprechen iſt, hat ſeinen ganz eigenen Grund.

Von Ortenſtein nach Reichenau über Rothenbrunnen kommt man nicht auf Rhazuͤns, weil es auf der andern Seite des Rheins liegt, und keine Bruͤcke über denfelben. führt, bis man auf Reichenau kommt.

Seite 174. Artikel Thuſis.

Mir iſt ganz unbekannt, daß am Heinzenberg ſowohl Kaſtanien, Mandeln, als Weinreben wachſen.

Zuoberſt auf dem Heinzenberg an dem Wege von Thu⸗ ſis in Savien liegt das Gericht und Dorf Tſchappina, in welchem man ausſchließend Deutſch ſpricht. Die Bewoh⸗ ner ſind ein ausgezeichnet merkwuͤrdiges Voͤlkchen.

Die abgeſchmackte Fabel, daß die Einwohner des Dor⸗ fes Tartar Abkoͤmmlinge von Hunnen ſeyen, iſt meiſtens durch Lehmann, nebſt vielen andern verbreitet worden, und hat nicht den mindeſten Grund.

Die Nonnen des Kloſters Kaͤzis ſind nicht Dominika⸗ ner⸗, ſondern Auguſtiner⸗Ordens.

Seite 256. Artikel Worms.

Bal del Feen, nicht Val di Fieni. Iſt kein Neben

386 N

thal vom Luvinerthal, ſondern der Urſprung beyder Thaͤler ſtoßt auf einem Bergjoch zuſammen, das eine geht gegen Suͤdweſt, das andere beynahe entgegengeſetzt.

ein

Eine Wochenſchrift von deutſchen und ſchwei⸗ zeriſchen Gelehrten. Erſter und zweyter Band. Zurich 1805. Bey Orell, Fuͤßli und Comp.

Folgendes find die Aufſaͤtze, welche zur Kenntniß der Al⸗ pen mehr oder weniger beytragen koͤnnen.

Seite 62. Beobachtungen uͤber die Vegetation in Hoch⸗ gebuͤrgen. Auf einer Alpenreiſe im Sommer 1803. Von Herrn Bergrath Zſchocke.

Hier trifft man manche ſehr artige Bemerkung uͤber den Geſang der Alpenhirten, uͤber die Vegetation mancher Baͤume und Geſtraͤuche auf den Bergen, Beſtimmung der Hoͤhe bis zu welcher ſie wachſen, der Zeit, wenn ſie bluͤ⸗ hen u. ſ. w. an.

Die Reife gieng durch das Muttathal über den Pragel auf Glarus, und durch das Kloͤnthal über die Alp Rieſe⸗ ten nach Sargans. Von dort dem Rhein nach herunter bis Sennwald, und dann auf den Kamor und hohen Saͤn⸗ tis. Der Botaniker wird dieſe Beobachtungen icht ganz

unbefriedigt aus der Hand legen.

Seite 229. Fragmente aus dem Tagebuch einer Reiſe ius berneriſche Oberland im Sommer 1804, Von ez Hegner in Winterthur.

Seite 333. Ueber den Pilatusberg. Der phpſkall

387

ſchen Geſellſchaft in Zürich vorgeleſen im September 1804. Von Herrn Meyer in Zuͤrich.

Seite 481. Reiſe von Genf auf dem See nach Vile⸗ neuve und Martigni im Wallis im May 1802. Von Friderike Brunn. *

Was aus der Feder dieſer gefuͤhlvollen Schriftſtellerin kommt, wird immer mit Vergnuͤgen geleſen werden. Ein Blümchen für den Kopf oder für das Herz iſt da immer zu pfluͤcken.

Seite 656. Ueber die Bergwerke des Kantons Aargau.

Dieſer gehaltvolle Aufſatz ſoll in einer Beſchreibung die— ſer Bergwerke, welche in einem der kuͤnftigen Baͤnde der Alpina erſcheinen wird, naͤher angezeigt werden.

Seite 808. Naturhiſt. Beſchreibung des welſchen Berg» ahorn, Acer epulifolium. Vom Bergrath Zſchocke.

Mit Vergnuͤgen theilen wir auch den Leſern der Alpina die Beſchreibung dieſes Baumes mit, und zwar woͤrtlich aus dem Aufſatze ſelbſt:

Dieſer Baum waͤchst an den füdlichen Berghalden in. der Waadt, (wo man ihn nur Erable printanier nann⸗ te, hin und wieder im untern Wallis, in einigen Thaͤlern Savoyens und Piemonss. Schleicher fand ihn haufig über Ber, Suter am Chemin: neuf zwiſchen dem Diableret und Aven: ich fand ihn an den Bergen zwiſchen Rolle und Nyon.

Die Bluͤthen erſcheinen im April mit den Blaͤttern zu— gleich. Die Blumen find weißgelblich, unterwaͤrts braͤun— lich, ſchmaͤler und länger als am Spizahorn (Acer pla- tanoides ), dem Anſehn nach Glockenfoͤrmig, mit an den Staubfaͤden weit heraus hangenden Staubbeuteln. Sie kommen Buͤſchelweis aus den Achſeln der Blattſtiele, im⸗ mer an einzelnen ungetheilten, feinen, roͤthlichen, faden⸗ foͤrmigen Blumenſtielen, die 1 bis 2 Zoll lang, und nie derhangend find. Ein ſolcher Buͤſchel kann 10 30 und 40 Blumen enthalten.

388

Der Saame iſt der kleinſte von den in Deutſchland und der Schweiz wild wachſenden Ahornarten, ſowohl in Ruͤck— ſicht des Kerns, als der Fluͤgel, welche, wie die des Spiz⸗ Ahorns, gekruͤmmt, aber ſchmaͤler und zaͤrter ſind. © Die Blätter des welſchen Ahorns find denen des ge⸗ meinen Ahorns aͤhnlicher, als denen des Spizahorns. Sie haben fuͤnf Lappen, von welchen jedoch die beyden zunaͤchſt dem Blattſtiele, kaum zu unterſcheiden find von den übris gen, wellenfoͤrmigen oder ſtumpfzaͤhnigen, meiſtens rechte oder ſtumpfe Winkel bildenden Ausſchnitten, die in lange Spitzen auslaufen. Der mittlere Lappen macht das Blatt dieſes Baumes deſonders kenntlich und auffallend, indem er meiſt auf jeder Seite einen groͤßern, vecht- oder ſtumpf⸗ winklichten Ausſchnitt, und der Untertheil dieſes Lappers meiſtens parallele Seiten hat. Die Oberfaͤche iſt hellgruͤn, die untere bleich oder gelblichgruͤn, mit ſieben aus dem Blattſtiele gehenden, behaarten Hauptſtrippen. (Der ge⸗ meine Bergahorn und Masholder haben nur fuͤnf, hinge⸗ gen der Spitzahorn hat ſieben ſolcher Hauptſtrippen.) Das Blatt iſt nicht, wie Wildenow ſagt, rund, ſondern breiter als lang. Ein groͤßeres iſt gemeiniglich 3 Zoll lang, 3 1/2 Zoll breit, (nicht lederartig,) ſondern von feinem Bau, halb durchſichtig.

Auch ſind die Blattſtiele kuͤrzer, als beym gemeinen und Spizahorn, und da, wo er dem Blatte eingefuͤgt iſt, bil⸗ det daſſelbe gegen ihn einen ſtumpfen Winkel. (Der Blatt⸗ Ausſchnitt der beyden andern genannten Arten iſt in dieſer Stelle ſpitzwinklicht.) Nur an küngern Zweigen find die Blattſtiele roͤthlich. Die Rinde junger Zweige iſt braͤun⸗ lichgrau; bey aͤltern grau, von oben nach unten fein aufge⸗ riſſen, dem Spitzahorn aͤhnlich. Das Holz iſt gelblich⸗ weiß, haͤrter, als das des gemeinen, weicher, als das des Spitzahorns, fe, elaſtiſch.

389

Die Wurzeln ſind ohne eigentlichen, tief gehenden Pfahl mehr flachlaufend. Sie fodern einen mit Kies vermiſch⸗ ten Leimengrund.

Uebrigens wird der welſche Ahorn nie ſo groß und ſtark, als der gemeine, oder als der Spitzahorn. Seine Stamm⸗ länge fand ich, von der Wurzel bis wo er ſich in ſperrige Aeſte verbreitet, gewoͤhnlich von 10 15 Schuh. Dann hatte der Stamm eine Dicke, von 8 Zoll im Durchmeſſer. Er wird bis zum Wipfel ſelten uͤber 30 Schuh hoch.

Von den wildwachſenden Ahornarten verdient er vor⸗ zuͤglich eine Stelle in den engliſchen Gartenanlagen, theils weil er nie einen allzugroßen Raum einnimmt, und mit ſeinem lieblichen Gruͤn das Auge ſchmeichelt, theils weil er ſich im Fruͤhling fruͤhzeitig belaubt und bluͤhet.

So weit Herr Zſchocke. Zum Ueberfuß ſetze ich noch folgende zwey Beſchreibungen hinzu:

Chriſtian Schkuhr botaniſches Handbuch. zter Theil. Seite 549. Nro. 1635.

Acer Opalus. Italieniſcher Ahorn, rundblaͤttrichter Ahorn; mit faſt runden, fuͤnf lappichten Blaͤttern, deren Lappen ſtumpf, und wenig ſtumpf gezahnt ſind, und ein⸗ foͤrmigen, aufrechten Saamen; waͤchst in der Schweiz und in Italien wild, und wird als ein baumartiger Strauch langſam, ungefaͤhr bis 20 Schuh hoch. Die jungen Zweige find roͤthlichbraun und weiß punktirt. Die Blattſtiele find oft doppelt fo lang als die Blätter. Die Blätter ſind le⸗

derartig, oben dunkelgruͤn, unten hell oder weißlichtgruͤn, und in fünf ſtumpfe, ſehr kurze Lappen getheilt. Die Blu⸗ men ſollen weißlich ſeyn, und im Fruͤhlinge wie bey der

vorigen Art, mit den Blättern erfcheinen. In der Berliner

Baumzucht hat dieſer Ahorn noch nicht gebluͤhet.

BE Dr. C. H. Persoon Synopsis Plantarum seu En-

chiridium Botanicum etc. Pars prima: Paris 1805

Pag. 417. Nro. 15.

et

390

Acer opalus, foliis rotundatis lobatis obtuse den- tatis subtus glaucis, caps. subglabris, alis semipaten- tibus, habitat in Italia. Frut. arborescens, ramosissi- mus, ram. junior. rubicundi. Flor. subeorymbosi, erectiusculi, albi. Caps. subglobosa.

Obs. Opuli folium foliis quinque lobis subrotun- dis, obtuse dentatis. Fruct, cymosis, alis approxi- matis. Vill. Dauph. pag. 802. C. Bauh. Rinax pag. 481. Habit. in Delphinat. Helvetiae montosis a priore forte non diversum. *)

Seite 457. Geognoſtiſche Ueberſicht der helvetiſchen Gebuͤrgsformationen. Mit einer Charte. Von Meyer von Aarau.

Wir haben dieſen intereſſanten Aufſatz oben ganz mit⸗ getheilt. .

Seite 957. Fragmente aus einer Reiſe durch die Kan⸗ tone Unterwalden, Bern, Luzern und Aargau. Im Jahr 1804. Von Meyer von Knonau in Zurich.

Seite 1054. Wanderung durch einige minder bekannte Hochthaͤler um den Gebuͤrgsknoten des St. Gotthards. Von Herrn Bergrath Zſchocke.

Wir warten auf die Beendigung dieſer Bemerkungen, um dasjenige daraus mitzutheilen, was unſere Alpina in⸗ tereſſiren kann. f

ͤ—

*) Ohne Zweifel gehört der Erable printanier, den Reynier in den Memoires de Lausanne. Tom. I. S. 21. beſchreibt, auch hie her.

391

Miszellen.

Auszug aus einem Brief vom 27ſten Septem⸗ ber 1805,

1 Ihre Bemerkung uͤber den Regen iſt ſo wahr, daß ich „auf dem großen St. Bernhard eine Proceſſion aus dem „» Val d' Aosta antraf, die dort um Regen bat, waͤh⸗ „rend wir Nordaͤlpler faſt ertranken.“

Auch die aͤlteſten Leute in Buͤndten wiſſen ſich eines ſo naſſen und unangenehmen Sommers und Herbſts, wie die diesjaͤhrigen waren, nicht zu erinnern. Auch nur mittel- mäßig hohe Berge waren beſtaͤndig beſchneyt, ja viele cts was wilde Alpen konnten gar nicht benutzt werden. In Buͤndten hat der Wein ganz gefehlt, und auch im Veltlin, welches doch auf der Suͤdſeite der Alpen liegt, konnte er wegen der kalten Witterung nicht den gewohnten Grad der Reife erreichen. Es ſcheint alſo, daß es daſelbſt nicht ſo

warm gemacht habe, wie in den piemonteſiſchen Thaͤlern.

* x *

Auf einmal faͤngt man in Buͤndten an wieder an den Bergbau zu denken, der ſeit mehr als 20 Jahren vollkom— men vernachlaͤßigt wurde. Sowohl aus der Geſchichte, als aus den noch ſehr haͤufigen Spuren von Schaͤchten und Stollen ſehen wir, daß in aͤltern Zeiten in vielen Gegen— den Buͤndtens Bergwerke im Gange waren, die aus ſehr verſchiedenen Urſachen wieder ins Stecken geriethen. Man it aus Mangel an geuugſamen Nachrichten noch nicht im

392

Stande, eine vollſtaͤndige Geſchichte des Bergbaues in Buͤndten zu liefern; dieſe gewiß ſehr intereſſante Arbeit kann aber mit der Zeit ausgefuͤhrt werden. Silber, Ku⸗ pfer, Bley und Eiſenerze wuͤrden am meiſten gewonnen. Am laͤngſten erhielt ſich das Eiſenbergwerk zu Ferrera im Schamſergebiet, welches erſt zwiſchen 1770. und 1780. vollends, und zwar aus der Urſache eingieng, weil es in jeder Ruͤckſicht unzweckmaͤßig eingerichtet war.

Wahrend dem Jahre 1805. hat die loͤbliche Landschaft Schams dieſe ſehr reichen Eiſengruben dem Herrn Venini von Lecco auf 24 Jahre verpachtet, und man darf nun ſicher hoffen, daß Buͤndten wieder vortrefiches und wohl⸗ feiles Eiſen ſelbſt, genug fuͤr ſeinen Gebrauch, und auch noch zum Ausführen erzeugen und nicht mehr gezwungen. ſeyn werde, ſchlechtes Eiſen aͤußerſt theuer aus dem Aus⸗ lande zu kaufen.

Ein gewißer Herr Landammann Demengha aus Buͤnd⸗ ten, der ganz von dem Wunſche beſeelt iſt, ſeinem Vater⸗ land zu nutzen, hat ſchon im Jahr 1804. vom Großen Rath des Kantons die Erlaubniß ausgewirkt, die Erzgaͤnge des Landes zu bearbeiten, in ſo fern er ſich mit den Hoch⸗ gerichten einverſtehen könne, innert welchen fie liegen. Er hat wirklich einen bedeutenden Anfang bey Tiefenkaſten auf Kupfererze gemacht, und hat im Sinn das ehedem ſehr beruͤhmte und eintraͤgliche Silberbergwerk ob Zillis in Schams wieder in Gang zu bringen. 6

Auch haben andere Vaterlandsfreunde, waͤhrend dem Jahr 1805. in verſchiedenen Gegenden des Landes ſchuͤrfen laſſen. Sie ſtießen auf reichhaltige Bleyerze, an einem andern Orte auf ſehr ſchoͤnen ſchwarzen Braunſtein, und an einem dritten auf Kupferanzeigen, die eine genauere Nachforſchung verdienen. Man wird in der Alpina von den Entdeckungen und Fortſchritten, die in dieſer Ruͤck⸗

393

ſicht in Buͤndten gemacht werden, von Zeit zu Zeit genaue Rechenſchaft geben.

* * *

Reiſebemerkungen phyſtkaliſchen Innhalts aus dem Tagebuch des Herrn Doktor Caſtbergs.

Aus Gilberts Annalen der Phyſik 18905, I. Seite 132.

Auf dem Wege nach Trieſt verweilte ich mich in Krain. Ich kenne kein Land, das in hydrogeologiſcher Hinſicht fo merkwuͤrdig waͤre, als dieſes. Es war mein Vorſatz, die Höhen der plotzlich aus der Erde hervor dringenden, oder in ihr ſich verlierenden Quellen der Fluͤſſe Krains und ihre Lage gegen den merkwürdigen Cirknizer-See, durch Bes obachtungen mit dem Barometer zu beſtimmen. Ich kam mit meinen Beobachtungen aber nicht weiter, als bis zur Quelle des Laybachfuſſes, da auf dem Wege nach Adelsberg das dritte Reiſebarometer, deſſen ich mich auf meiner Reiſe

bedient habe, zerbrach. Indeß hat Herr Neumann,

Profeſſor der Phyſik an dem Lycaͤum zu Laybach, ſich vorgeſetzt, alle dieſe Hoͤhen durch Nivellieren zu beſtimmen. Dieſes wird genauere Reſultate geben, und gewiß zu ſehr

intereſſanten Schluͤſſen führen.

Ebendaſelbſt. Seite 135. Ich verließ Como zu Schiffe um zu Maltraſſio, einem

kleinen Orte am weſtlichen Ufer des Comerſees, der durch ſeine Weinkeller berühmt iſt, und zu Chiavenna Unterſu⸗

chungen über die kalten Winde anzuſtellen, welche dort

aus Gebuͤrgskluͤften hervordringen, und in den Kellern,

394

womit fie überbaut find, ) ſelbſt in der heißeſten Som⸗ merszeit , eine außerordentliche Kaͤlte erhalten. Zu Mal⸗ traſſio liegt der unterſte und groͤßte dieſer Keller am Fuße einer ſteilen Felſenwand, etwa 150 Fuß über dem Comer⸗ See, und der kalte Wind ſtroͤmt im hinterſten Theil ders ſelben aus zwey Kluͤften mit ziemlicher Heftigkeit hervor. Ich ſtellte mein Thermometer in eine dieſer Oeffnungen, ſo, daß die Kugel den Felſen nicht beruͤhrte; es zeigte nach einer halben Stunde 8“ R., indeß die Temperatur außen im Schatten 20” R. war.

Eine noch groͤßere Anzahl von Kellern dieſer Art fand ich zu Chiavenna. Dieſe Stadt (eigentlich Marktſſecken S. M.“) liegt nordweſtlich von der aͤußerſten Spitze des Comerſees, an dem Mairafuſſe, in einem etwas engen Thale, das gegen Weſten, Suͤden und Oſten, von hohen, mit einigen Gletſchern bedeckten Gebuͤrgen eingeſchloſſen wird. Die Abdachung der weſtlichen und oͤſtlichen Kette gegen das Thal iſt ziemlich ſteil, und an dieſen Gebürgss haͤngen iſt es, wo die Ventaroli in unzaͤhliger Menge aus Kluͤften und Rißen hervorſtroͤmen. Der weſtliche Abhang iſt mit kleinen Huͤttchen wie beſaͤet, deren jedes ein Wein⸗ Keller iſt, und an einer ſolchen Kluft ſteht. Die Kaͤlte des Windes iſt in verſchiedenen Kellern ſehr verſchieden, wie ſich das ſchon bemerken laͤßt, wenn man nur die Hand vor das Schluͤſſelloch haͤlt. Ich unterſuchte an einem Tage drey dieſer Höhlen, welche man für die kaͤlteſten hielt, und fand die Temperatur der kalten Luft, welche aus den Kluͤften hervorſtroͤmte, in zweyen R., und in der dritten 5 R., indeß die Temperatur der aͤußeren Luft im Schatten 21 R. war. Theils waren es einzelne Klüfte

——ũ—y— —— ———

5) Catines in der italieniſchen Schweiz, Ventarele, auf der Inſel Ischia, Crotti zu Chiavenna genannt.

1 7 * .* g 5 . 4

395

0 in einer ſteilen Felſenwand, aus welchen die Ventaroli

blieſen, theils mehrere Kluͤfte, welche durch das Zu— ſammenſtuͤrtzen mehrerer Felſentruͤmmer gebildet zu ſeyn ſchienen. 2

Letzteres war befonders der Fall in den Höhlen, die ſich eine Stunde noͤrdlicher (eher oͤſtlicher S. M.) im Chia⸗ vennerthale, an unzähligen Truͤmmern des herabgeſtuͤrtzten Gebuͤrgsſtocks befinden, unter denen die alte Stadt Plurs

begraben liegt. Unter den dortigen Hoͤhlungen fand ich

mehrere, die noch nicht zugebaut waren: ihr Luftſtrom hatte eine Temperatur von bis 82 R. Sowohl dieſe Truͤmmer, als die ſteile Felswand bey Chiavenna, beſtehn aus verſchiedenen Gebuͤrgsarten. Die gewoͤhnlichſte iſt der Lawez oder Topfſtein. Unter letztern fand ich auch Truͤm⸗ mer von Granit- und von Glimmerſchiefer.

In Chiavenna zog ich von mehrern Einwohnern, welche Keller dieſer Art beſitzen, Erkundigungen uͤber dieſe kalten Winde ein, Alle Ausſagen ſtimmten in folgenden Haupt> punkten überein. 1) Daß dieſe Winde zu aller Zeit aus⸗ ſtroͤnen. 2) Daß die Staͤrke oder Geſchwindigkeit des Luftſtroms im Ganzen variirt, jedoch im Sommer ſtets größer als im Winter iſt, und 3) daß auch die Kälte des Windes im Sommer ſtets groͤßer als im Winter iſt. Daß dieſer Luftſtrom zu allen Zeiten aus den Klüften her- ausftrömt, widerſpricht den Nachrichten, welche Sauffüre uͤber aͤhnliche kalte Winde eingezogen hat, und ſeine Theo,

rie beſteht damm nicht, der zu Folge in Hoͤhlen eingeſchloſ—

ſene Luft, auf welche die aͤußere Temperatur allmaͤhlig einwirkt, fie erzeugen ſoll. )

*) Saufüre’s ſchaͤtzbare Nachrichten und Unterſuchungen uͤber

die Ventarole findet man in feinen Voyages dans les Alpes Tom- V. 8vo. Edition (gte Auégabe Tom. III. S. 209

\

396 1

Ich ſah mich daher nach einer ſtets gleichfoͤrmig wir⸗ kenden Urſache für dieſe kalten, beſtaͤndig aus den Klüften hervordringenden Winde um. Das große und offene Velt⸗ linerthal, welches oͤſtlich (ſuͤdlich? oder hoͤchſteus ſuͤdoͤſtlich) neben dem Chiavennerthal liegt, hat ziemlich einerley Rich⸗ tung mit dem Bett des Comerſees von Suͤd nach Nord; und da alle Winde in ſolchen Thaͤlern die Richtung des Thals nehmen, ſo ſind Nord- und Suͤdwind die beyden einzigen, welche man im Veltlinerthal verſpuͤrt. “) Koͤnn⸗ ten ſich nicht im Gebuͤrge, welches beyde Thaͤler trennt, Hoͤhlungen finden, die ſich im Veltlinerthale gerade nach Norden oder Suͤden oͤffneten, und aus denen ſich Klüfte in das Chiavennerthal zoͤgen, welches viel enger iſt, und

und daraus mit einigen Bemerkungen Nicholſons, in den Annalen III. 201. Gauffüre führt in der That nur von einer einzigen Ventarola, zu Ceſi im Kirchenſtaat, ein bes ſtimmtes Zeugniß an, daß die Luft nur im Sommer aus der Kluft dringe, im Winter dagegen ſich in fie hineinſtuͤrtze, und dieſes ſcheint auch durch die alten lateiniſchen Verſe fo gut beglaubigt zu ſeyn, daß man kaum daran zweifeln darf, Bey keiner der Übrigen Höhlen, die er unterſucht hat, be— ruͤhrt er dieſen Punkt; er hatte alſo ſicher, was ſie betrift, über dieſen Umſtand, der fuͤr ſeine Theorie ſo wichtig iſt, gar Feine Nachricht, und das wird noch durch den Grund beſtaͤtigt, warum er das von den Höhlen von Hergisweil (Aunalen III. 211.) vermuthet. Unter dieſen Umſtaͤnden scheint mir das Reſultat der Erkundigungen, welche ein fo aufmerkſamer und ſorgfaͤltiger Naturforſcher, als Herr Dr. Caſtberg, in Chiavenna eingezogen hat, von großem Gewichte zu ſeyn, obſchon auch Nicholſons ſehr einfache Erklärung des Phaͤnomens (Ann. III. 217.) mit dieſem Umſtande, wäre er in aller Strenge wahr, nicht zu vereinigen. 6——————TT—T—T——.. . ͤ ͤ —. TREE ET; ot *) Man ſehe den Zuſatz am Ende dieſes Artikels,

*

397 ſowohl gegen Suden als gegen Norden von ſehr hohen Gebuͤrgsketten, die quer vorliegen, geſchloſſen wird. Die Winde des Veltlinerthals würden dann ſtets in dieſe Hoͤh— lungen blaſen, und dadurch beſtaͤndige Ventarole im Chia⸗ vennerthale erzeugen, deren außerordentliche Kaͤlte ſich durch das Eis in den Hoͤhlen dieſes e erklaͤren ließ, deſſen Gipfel mit ewigem Eiſe bedeckt iſt. Doch beſſer, ich wage keine Erklaͤrung, da ſich auf 0 viele Fragen, die ſich thun laſſen, noch nicht recht antworten laͤßt. Im Monte Testacco bey Rom laſſen ſich doch gewiß keine Hohlen annehmen, da es ein von bloßen Topfſcherben ges bildeter Huͤgel iſt; und warum wuͤrden nicht aͤhnliche Ven⸗ tarole in andern Laͤndern, als blos in Italien gefunden? )

*) Sauſuͤre ſelbſt beſchreibt zwey, die er zu Hergisweil in Un⸗ terwalden an einem ſteilen Kalkberge fand, „die einzigen, „welche er auf der nördlichen Seite der Alpen ſah,“ und ſchon Nicholſon fügte dieſen die Höhle von Roqueſork int ſuͤdlichen Frankreich bey. Hier einige Ergaͤnzungen aus Chap⸗ tals Nachrichten von dieſen Höhlen, Roqueſort iſt ein klei⸗ nes Dorf, 2 Lieues von Rouergue und Milhau in Langue- doc, welches am nördlichen Abhange des Larzac, eines un⸗ geheuren, 8—10 Lieues im Durchmeſſer haltenden Plateaus von Kalkſtein, liegt, das ringsumher von tief eingeſchnitte⸗ nen Thaͤlern und Schluchten umgeben iſt, ſich über die Hauptthäler 5 600 Toiſen hoch erhebt, und ſo kluͤftig if; daß es ſelbſt großen Waſſermangel leidet, indeß es alle Thaͤ⸗ ler umher reichlich mit Quellen und Bächen verfi eht. Die „Häufer des Dorfs ſtehen zwiſchen ſchrecklichen Felſen, und ein gewaltiger Felſen zwiſchen ihnen und den Hoͤhlen ſcheint ſich ſelbſt ehemals vom Berge abgelöͤſet zu haben. Am Fuße dieſer Felſen ſelbſt hat man in den Schluchten und Höhlen, die ſich hier von Natur oder durch Kunſt befinden, die Keller angebracht, durch deren Huͤlfe man den herrlichen, ſchon vom Plinius geprieſenen Rogneforter⸗Käſe aus Schaaf. und

9

*

398

Ich bin mit meinem Thermometer die Hoͤhlen in Fran⸗ fen‘, in Krain, und im Genueſiſchen durchkrochen, und habe nichts aͤhnliches entdecken koͤnnen. Die Hoͤhlenluft ift natürlich kaͤlter als die aͤußere, welche die Sonnenhitze erwärmt; doch fand ich im vergangenen Sommer die Temperatur keiner dieſer Höhlen unter 14 R.

Auch in dem Oberengadinerthale, das gegen Nordnord⸗ Of von Chiavenna, und wie ich nach Barometerbeobach⸗ tungen ſchaͤtzte, 1090 Toiſen uͤder der Meeres ſaͤche liegt, habe ich mich mehrere Tage aufgehalten, und dieſe Zeit zum Theil mit Unterſuchung der Temperatur der Seen hingebracht, welche hier der Innfluß nicht weit von ſeinen Quellen bildet. Ich fand im Silſerſee die Temperatur in einer Tiefe von 128 Fuß unveraͤndert R., indeß die

Temperatur der Luft an dieſen Tagen von 145 bis ab-

wechſelte, und man in dieſem Thale, einem der hoͤchſten N 7

Ziegenmilch erhält. Es giebt ihrer größere und kleinere, und bey manchen iſt die vordere Mauer das einzige, was die Kunſt dazu gethan hat. In faſt allen ſind Felſenritzen, aus denen ein Strom kalter Luft blaͤßt, der die Eiskalte hervor⸗ bringt, die in dieſen Kellern herrſcht; und nur die Keller find gut, welche ſolche Luftſtroͤme haben. Dieſe Ströme blaſen von Suͤd, wenige von Oſten her, und Keller mit letztern ſind ſchlechter. Man hat bemerkt, daß, je waͤrmer die Luft iſt, deſto kaͤlter und ſtaͤrker der Luftſtrom iſt; ein Wachslicht, welches man vor die Oeffnungen haͤlt, blaßen -fie aus. Die Temperatur in dieſen Kellern iſt verſchie⸗ den nach ihrer Lage, nach der Waͤrme der Atmosphaͤre und nach dem Winde. Suͤdwind befördert die Kälte derſelben Jaͤhrlich bereitet man in ihnen ungefahr 10000 Kaͤſe, je⸗ der 6—8 Pfund ſchwer, die ihre Vortreflichkeit der niedern Temperatur und dem Luftzuge dieſer Keller verdanken. Auch hier wird, wie man ſieht, nicht geſagt, daß die Kluͤfte im Winter die Luft verſchlucken.

l 399 unter den bewohnten Thaͤlern der Schweiz, um dieſe Zeit innerhalb 8 Tagen des Julius) bald Regen, bald Schnee, bald Hagel hatte. Die Temperatur an der Oberfläche dies ſer Seen war ſehr veraͤnderlich. Volta hat aͤhnliche

Verſuche mit einem ſehr traͤgen Thermometer im Comer⸗

See angeſtellt, und fand, wenn ich nicht irre, die Tem peratur in Tiefen von 300 400 Fuß immer von ;“ ge⸗ rade wie Saufüre im Genferſee.

fn

Je willkommener die Bemerkungen find, welche Herr Caf

berg über die Ventarolen zu Cieven gemacht hat, deſto nothwendiger iſt es, die Irrthuͤmer zu verbeſſern, die dabey vorkommen, weil die Nachrichten eines ſolchen Gelehrten immer die ernſthafteſte Beherzigung verdienen. Er ſagt, das Veltlin habe ziemlich einerley Richtung mit dem Bette des Comerſees von Süd nach Nord,

da es doch im Gegentheil von Oſten nach Suͤden lauft:

Eben ſs unrichtig iſt alſo, daß der Nord- und Süd wind die beyden einzigen ſind, welche man im Veltlinerthale verſpuͤrt. Es wehen im Veltlin keine andere Winde, als der Oſtwind Mortirolo und der Weſt— wind la Breva, da der Nord- und Suͤdwind durch ſehr

N hohe Bergketten abgehalten werden.

Andere kleine Irrthuͤmer habe ich ſchon an ihrem Orte

durch eingeklammerte Berichtigungen angezeigt.

Die ſehr hobe Bergkette, welche das Veltlinerthal vom Clevnerthal trennt, enthaͤlt allerdings ſehr große Gletſcher,

wovon der weſtlichſte noch eine Stunde öſtlicher als Cleven

400 128

beym Urſprung des Coderathals anfaͤngt. Der Kern oder die hoͤchſten Spitzen dieſer Bergkette beſtehen aus Granit und Gneis, daran find an beyben Seiten Felfen von der Talkſchieferformation angelehnt. Auf der noͤrdlichen Seite, alſo am Abhange, der die Suͤdſeite des Clevnerthals aus- macht, muͤfen große Bergſtuͤrtze erfolgt ſeyn, und beſon⸗ ders bey Cleven beſteht der Fuß des Gebuͤrges aus nichts anders als ungeheuren Trümmern von Granit, Gneis- und Talkſchieferfelſen, unter welchen man auch Topffiein und Asbeſt findet. In dieſen Truͤmmern nun von über einan⸗ der liegenden Felsbloͤcken befinden ſich die Windkeller, und wenn man die Umgebungen derſelben genau unterſucht, ſo wird man bey Cleven keine ſehen, die im lebendigen Felſen angebracht ſind. i

Auch die Windkeller zu Caprino am Lauiſerſee find nach Saussure Tom. III. Seite 213. und Carlo Amoretti Viaggio ai tre Laghi S. 141. in den über einander gehäufs ten Truͤmmern von herabgefallenen Felsſtuͤcken angelegt.

Wir kennen nun innert dem Bezirk der Alpenkette fol⸗ gende Orte, an welchen ſich Ventarole befinden:

Caprino an Lauiſerſee, laut Sauffüre, Amoretti, am oben angefuͤhrten Stellen, und Ebels Anleitung Tom. III. Seite 116.

Moltraſio am Comerſee, laut Caſtberg.

Cleven, laut Caſtberg, Sauflüre ibid. S. 212.

Hergisweil, unweit Luzern. Sauſſuͤre ibid. S. 215.

In Anſehung der Temperatur des Silſerſees in einer Tiefe von 128 Fuß, muß ich doch bemerken, daß derſelbe kaum 3 Monate des Jahrs ganz aufgethauet iſt, und daß ſich Bäche in ihn ergießen, die kaum eine Stunde von ih⸗ rem Ausfuß in Denfeiben aus dem Gletſcher entſpringen.

401

*

Hoͤhen in und laͤngs der Alpenkette, welche Oeſterreich von Steiermark trennt, nach den Barometermeſſungen Sr. Koͤnigl. Hoheit des

Erzherzogs Rainer.

(Gilberts Annalen 1805. 68 Stuck Seite 212.)

Die folgenden Hoͤhenangaben ruͤhren von dem Herrn Ingenieurhauptmann Fallon in Wien, Adjutanten des Erz⸗ herzogs Johann, her, dem Sr. Koͤnigl. Hoheit der Erz, Herzog Rainer die Barometer» Beobachtungen, welche er auf einer Reiſe durch die noriſchen Alpen, laͤngs der noͤrd⸗ lichen Graͤnze von Steiermark, angeſtellt hatte, auf ſein Erſuchen zur Berechnung und Bekanntmachung mitgetheilt hat. Der Erzherzog trat feine Alpenreiſe am 21ſten Juli 1804. von Wieneriſch⸗Neuſtadt an, verfolgte die noͤrdliche Seite der Gebuͤrgskette bis in das Gebiet der Abtey Krems: muͤnſter, kehrte in der ſuͤdlichen Seite bis an die ungari⸗ ſche Graͤnze zuruͤck, und endigte hier mit der Hoͤhenbe— ſtimmung von Friedberg am raten Auguſt. Die ganze Zeit uͤber blieb die Witterung mit der in Wien ſtets gleich. Herr Fallon ſtellt in der monatlichen Correſpondenz des Freyherrn von Zach April 180 . S. 307. f. die Barometer⸗

Beobachtungen des Erzherzogs mit den gleichzeitigen auf

der Wiener⸗Sternwarte zuſammen, corrigirt beyde wegen der Waͤrme, und berechnet daraus die Hoͤhe nach Trem⸗ bley's Formel. „Mit dem mittlern Barometerſtande am Meere 28“, 184, und 8e R. Temperatur finde ich,“ ſagt

402

er, „fuͤr die Höhe der Wohnung des K. K. Aftronomen in Wien uber der Meeresfaaͤche 448“, und das iſt hier als Grundlage angenommen.“ In Herrn G. O. B. Karſtes Reiſebeobachtungen (die hernach folgen) wird dieſe Höhe zu 496, und die des Pflaſters von St. Stephan zu 451 Par. Fuß angenommen. Um ganz vergleichbar zu wer⸗ den, muͤßen daher die folgenden Hoͤhen alle um etwa 40 Fuß vermehrt, oder die corrigirten Hohen uber dem Meere, im vorigen Auffage, alle um 40 Fuß vermindert werden; wiewohl erſteres der Wahrheit naͤher kommen duͤrfte, da, wie Herr Fallon berechnet, aus Liesganig's Angabe fuͤr die Hoͤhe des hoͤchſten Gipfels des Wechſels zu 929 Wiener⸗ Klafter, (= 5424 Par. Fuß) eine Höhe von 516 Par. Fuß für die Wohnung des Wiener-Aſtronomen über der Meeresflaͤche folgen wuͤrde. Ich ſtelle hierher blos die Höhen uͤber dem Meere, in der Folge, wie die Punkte in, der Richtung von Oſt nach Weſt neben einander liegen.

In Steiermark.“

Pariſerfuß uͤber a dem Meere. Friedberg, ein kleines Städtchen an der ungariſchen Graͤnze, am ſuͤdoͤſtlichen Abe hange des Wechſelss. S Hoͤchſte Kuppe des Wechſels, eines Berge

ruͤckens, der hier die Graͤnze zwiſchen Oeſter⸗

reich und Steiermark macht, und ſich gegen Ungarn verläuft, (ſuͤdoſtlich von Semmering

Corr. Barometerſtand 23“ 1% . 5332, Glashütte am nördlichen Abhange des b Wechſels. 312482.

Senſenſchmiede im Thal Ratten an der Feiſtritz (füͤdweſtlich vom Wechſel ). „24.

403

Pariſerfuß über 2 dem Meere. Alpſteig, ein Bergruͤcken 3 dieſem Thale. iz DV HET, Und dem Dorf Rritdlah an er Mürz, im Mürzthale an der Poſtſtraße nach Trieſt,

0 zwiſchen Mürnuſchlag und Bruck. 1614.

In Oeſterreich. Schuſterhaus, mitten auf der Wand,

einer ſenkrechten Felſenwand, die einige

Stunden lang iſt, weſtlich von Wieneriſch⸗

Neuſtadt, deren viel höherer waldiger Gipfel,

der Brunnberg, weiter zuruͤcktritt. 37 Nas Markt Guttenſtein an der Schwarza. 1404. Gipfel des Rohrerberges, eines waldigen a

veſlich liegenden Bergruͤckens. e Pfarrhof im hochgelegenen Dorfe Rohr. 1975.0 Sattel des Hohenberger-Geſcheids, die

Graͤnze zwiſchen den Vierteln unter und ob

dem Wienerwalde. BIN le Hohenberg, ein von hohen Bergen ud

Alpen umgebener Marktſiecken . 1519.

Gipfel des Oetſchers, oſtwaͤrts vom Kreuze (corrig. Barometerſtand 22“ 4% . 3990. Dieſer maͤchtige, auf allen Seiten von

niedrigern Nachbarn umgebene Berg iſt ei⸗ "

ner der hoͤchſten in Oeſterreich, und liegt hart an der Steiermaͤrkiſchen Graͤnze, welt lich von Maria Zell. Die letzte menſchliche

) Nicht weit ſüdlich von benden Orten liegt der ſehr habe: Schneeberg,

den die Poſtſtraße geht. „5 7 °\

404 Pariſerfuß uber i dem Meere. Wohnung, (eines Holzknechts) von Hohen⸗ N berg her liegt 2783“, und der Pfarrhof im Doͤrfchen Laken am nördlichen Fuße des Oet⸗ l ſchers 2455 über dem Meere. »Dorf Lunz, unweit der Quelle der Ips ſuͤdlich von Gaming. 1 N 1926, Schütt ober dem Mitterſee, Berus hang ſuͤdlich von Lunz. 2 in

Der Oberſee, ein kleiner ee Al⸗

penſee am Fuße des hohen Duͤrrenſteins, an

der Graͤnze von Steiermark. K 3 2986. Hollenſtein, ein ſehr großes Dorf. e Waldhofen, eine Stadt an der Ips. 1000.

In Steiermark.

Sattel des Prenbuͤhel, eines hohen Ber⸗ ges zwiſchen Eiſenerz und Vordernberg uͤber

Dorf Hißelau an der Ens, wwiſchen

der hohen Alpenkette, oͤſtlich vom Stiſte

mon A Altenmarkt) ein kleines von hohen Alpen

umgebenes Dorf, an der Poſtſtraße zwiſchen

Eiſenerz und Ens. 2 N Schloß, weſtlich vom Dorſe Nadmar,

am Fuße des hohen Lugauer. 22873. Sattel im Waidboden ein Bergruͤcken,

der das vorige Thal vom ſuͤdlicher liegenden

Paltenthal trennt. 4798. Kahlwang, ein großer Flecken im Pal⸗

tenihg le

\ . z

\ 405 | 2

= u Pariſerſuß uber dem Meere.

Schloß Kaiſerau, Landhaus des Stifts Admont, nicht weit vom Gipfel des hohen

Lichtmeß berg. 5 3330. Lietzen, ein großes Dorf im Ensthale ' weſtlich von Admont. ee.

In Oeſterreich. 4

Clauß, ein Paß auf der Graͤnze von Steiermark und Oeſterreich. k 4% . Stiftſpital am Pyhrun „eine ganz hübsche Probſtei, noͤrdlich unter dem Paß, von hohen. Alpen umgeben. 1 1518. Eckelhauer, ein einzelnes eee af der Roſenleithen, einem noͤrdlichen hohen Auslaͤufer der Alpenkette, welche Oeſterreich

von Steiermark trennt. 8 Di dr a 2900, Pfarrhof in Hinterſtoder, am ee

des Steierfiuſſes. an, 1785. Des Priels hoͤchſter aa corrig. Bud

meterſtand 22“ 6565.

Der Priel liegt weſtlic von Hinterſtoden, und oͤſtlich vom Albenſee, nahe an der Graͤnze von Steiermark. Die Alpenkette erhebt ſich hier zu einer beſondern Höhe; ſuͤdlich von ihm ſtehen der noch höhere Graßenberg, die Spitz⸗ mauer 85 die Hochkaͤſten; oͤſtlich von der Steier der Wa⸗ ſchenegg, der Elmt u. a. m. Gipfel, die den Priel an Höhe uͤbertreffen, und zum Theil nicht zu erſteigen find. Jlach, einer alten Vermeſſung, die aber ſchwerlich viel Glauben verdient, iſt der Graßenberg 311, die Spitzmauer 154, der Waſchenegg 229 Klafter höher als der Priel; find

darunter Wienerklafter zu verſtehen, ſo gaͤbe das fuͤr dieſe

406

* 0 Bergſpitzen 3381, 7464, 7902 Pariſerfuß Höhe über dem Meere.) Die Alpenhuͤtte am ſuͤdlichen Abhang des Priels

liegt 4183 hoch.

Albenhaus am Albenſee, ein Landhaus des Stiſts Kremsmuͤnſter nahe an der Graͤnze

von Steiermark.

Pariſerfuß über 5 dem Meere.

+ 1721.

Schloß Claus ein altes Bergſ chloß⸗ a

lich vom Stodernthale an der Steier.

.

Gipfel des Kaͤsbergs, noͤrdlich vom Priel

und ſuͤdlich vom Dorfe Gruͤnau.

* * 5215.

Hoͤhe des Langgeſcheids, eines Bergruͤ⸗ ckens, der den Priel mit dem 5 ver⸗

bindet. 0 8

+

a 2344.

Schloß Scharſtein; unn e einem Dorfe an der Albe, dem Stifte Krems muͤnſter gehoͤ⸗ rig, und dem flachen Lande ſchon nahe. N 1676.

Auch liegt ſuͤdlich vom Priel und noͤrdlich von der Ens nach Viſchers und Homans Karte von Steiermark: Grim- ming Mons max. et altissimus Styriae. Herr D.

Schultes erwaͤhnt indeß in feiner Reife nach dem Glockner Tom. I. S. 40. eines noch ſuͤdlicher liegenden Berggipfels, des Beſenbergs, 5 Stunden von Rottenmanns Tauern, auf dem die Poͤls entſpringen, und von dem man weit

uͤber den Grimming wegſehen ſoll.

v Ich fand ihn, fügt

er hinzu, „auf keiner Charte und in keiner Geographie von Steiermark.“ Dieſelben Charten bezeichnen den Priel mit dem Zuſatze: Altissimus totius Austriae. Doch

.) Siehe die Anmerkung zulezt.

.

. 407

&

giebt Herr D. Schultes am angeflihrten Orte, Th. 2. ©. 20,, die Hoͤhs des Schneebergs, (wohin wir eine eigne Reife von ihm’ haben, und der weſtlich von Wieneriſch⸗ Neuſtadt zwiſchen Reichenau und Guttenſtein liegt,) zu 6600 Pariſerfuß an. „Von Wien bis Admont hatten. wir,“ ſagt Herr D. Schultetz, Th. 1. S. 30., in der ganzen Gebuͤrgskette an Steiermarks- und Oeſterreichs⸗ Graͤnzen nichts als Kalk, einige Schieferföge um Glockniz und Reichenau, den thonigen Erzberg zu Eiſenerz und ei— nige Schieferfoͤze an der füdlichen Seite des Ensthales aus⸗ genommen. (Die reichen, aber ungenutzten Salzquellen im Hall bey Admont enthalten außer 20 p. C. Kochſalz, auch ſalzſauren Kalk und Bittererde.) Die noͤrdliche Vor⸗ gebürgskette des ganzen Paltenthals bis hinab zu den Kahl— wanger Kupferwerken hielten wir fir Schiefergebuͤrge, doch mehr nach dem aͤußern Umriſſe der rundlichen Berge, welche hier auf dem ſuͤdlichen Fuße der Kalkalpen des Ens⸗ thales aufſitzen, als nach der Unterſuchung ihrer Gebuͤrgs— Arten. Auf der Höhe des Rottenmanns⸗Tauern ſticht wirk⸗ licher Granit hervor.

Von der Hoͤhe des Tauernhauſes darf man nur auf die breiten kahlen Gipfel hinblicken, die, hier und da mit Schneefeldern bedeckt, ſich uͤber ein Meer von Bergen emporheben, um ſich zu uͤberzeugen, daß man ins Granit⸗ Gebuͤrge gekommen iſt. Der Contraſt der Umriſſe dieſer Berggipfel mit dem ſchroffen, zackigen der Kalkgebuͤrge iſt auffallend; auch wird die Flor hier merklich aͤrmer. ©. 25. „Tauern nennt man von Rottenmann an, durch ganz Salzburg und Kaͤrnthen jeden hohen Berg, über weis chen ein betrettener Weg fuͤhrt. Die ſogenannten Tau⸗ ernwirthe, die auf dieſen Bergwuͤſten einen faſt ewigen Winter mit allen ſeinen Schreckniſſen durchleben, ohne durch hoͤhern Gewinn für ihre Auſopferungen belohnt zu

u * 408 EN 2 x werden, genießen allgemeine Achtung in der ganzen Ge⸗ gend umher. Die ſehr pragmatiſche Benennung Sonnenſeite und Schattenſeite, iſt in Steiermark in Gebuͤrgsgegenden allgemein, nicht blos bey dem Landmann, ſondern ſelbſt in den Conſcriptions⸗Buͤchern. “) A SG.

\

Erſteigung und Meſſung der Ortelesſpitze, der

hoͤchſten in Tyrol, veranlaßt durch S. K. H. den Erzherzog Johann.

ü Die folgende Nachricht iſt aus der Wiener-Hofzeitung,

Dezember 1804, entlehnt. Schon feit einigen Jahren laſſen S. K. H. der Erzherzog Johann, Hoͤchſtweſche mit fo vie⸗ lem Eifer, ſo vielſeitigen Kenntniſſen und ſo bedeutenden Aufopferungen die Vaterlandskunde befördern, durch den Bergoffizier, Doktor Gebhard, Tyrol nach allen Nichtun⸗ gen bereiſen. Eine der intereſſanteſten Folgen dieſer Unter⸗ nehmungen, welche fuͤr Geologie, Botanik, Mineralogie und die Naturkunde uͤberhaupt eine ſehr reiche Ausbeute verſpricht, iſt unſtreitig die vor kurzem erſt gelungene Er⸗ ſteigung der noch nie betrettenen oberſten Spitze des Orteles, des hoͤchſten Berges in Tyrol, der mit Gletſchern umge⸗ ben und mit ewigem Schnee bedeckt iſt. Nach dem Auf⸗ trage S. K. H. reiſete der Doktor Gebhard nach Glurns, im Vintſchgaͤu, und unterſuchte von da aus alle Thaͤler, welche ihre Waſſer von dem Orteles erhalten, um die vor⸗ theilhafteſten Punkte zur Erſteigung des Berges aufzufin⸗

„) Iſt auch in der Schweiz und in Buͤndten bekannt. Im Veltlin nennt man dieſe Lagen Parte soliva , Parte puriva..

*

409

den. Schon fieng er an, an der Möglichkeit der Ausfuͤh⸗ rung zu zweifeln, als ein Gemsjaͤger aus dem Paßeyer⸗ thale Namens Pichler, ein abgehaͤrteter, mit Gebuͤrgen und Gefahren vertrauter Mann, zu dem Wagſtuͤcke ſich an⸗ bot. Zu Gefaͤhrten gab ihm Gebhard zwey Bauern aus dem Zillerthale mit, die auch ihn auf feinen Bergreiſen bes gleitet hatten, und deren einer zur richtigen Beobachtung der beyden Barometer, welche fie mitnahmen, die noͤthi⸗ gen Kenntniße beſaß. Am 27ſten Sept. 1804. Morgens um halb 2 Uhr traten fie von Drofui aus ihre Reife an, und zwiſchen 10 und 11 Uhr hatten ſie die Spitze des hoͤch⸗ ſten Bergs erreicht. Allein kaum vier Minuten konnten ſie hier aushalten; dieſe benutzten ſie zur Beobachtung der Barometer, und Abends um 8 Uhr kamen fie nach Drofui zurück, halb erſtarrt, und anfangs ſelbſt der Sprache bes raubt. Ohne mehr als jene vier Minuten auszuraſten, waren ſie 17 volle Stunden uͤber Felſen, Schnee und Eis gewandert, auf manchen Punkten mit Gefahr des Lebens.

Beyde Barometer, die auf der Spitze beobachtet wur⸗ den, waren ſehr gut. Sie ſtimmten genau mit einander uͤberein. Correſpondirende Beobachtungen wurden in Mals angeſtellt. Die Hoͤhe des Bergs uͤber Mals iſt alſo durch

dieſe bekannt; aber die Hoͤhe von Mals uͤber der Meeres⸗

fläche wird erſt noch berechnet werden. Vorlaͤufig darf man annehmen, daß die Ortelesſpitze wenigſtens 14200 Pariſer⸗ Fuß uͤber das mittellaͤndiſche Meer erhaben iſt. S. K. H. laſſen jezt ober und unter dem Gletſcher Schutzſtellen und Huͤtten erbauen, Wege in die Waͤnde hauen, und Seile laͤngs denſelben ziehen, um Freunden der Geographie und des Erhabenen in der Natur einen gefahrloſen Zugang auf eine Bergſpitze zu eroͤffnen, die nach dem Montblanc die hoͤchſte in Europa iſt.“

Im Aprilſtuͤck der monatlichen Correſpondenz des Frey⸗

440

herr von Zach. S. 293. f. theilt Herr Hauptmann Fallon, Adjutant S. K. H. des Erzherzogs Johann, die Baro⸗ metermeſſung im Detail mit. Der Berg Orteles liegt im Tyrol, hart an der Graͤnze von Graubuͤndten und Veltlin, und erhebt ſein Haupt gewaltig uͤber alle nachbarliche Glet⸗ ſcher und beſchneite Gipfel. „Der Weg zu ihm hinauf iſt der gefaͤhrlichſte und ſchwierigſte, den' Bergſteiger vielleicht je verſucht haben, und nur der geuͤbteſte Gemſemjaͤger der Gegend hatte den Muth ſich ihn zu bahnen. Von den bey: den Barometern, welche mit hinauf genommen wurden, hatte das eine eine Scale, die in Viertellinien getheilt war, und um recht ſicher zu gehen, wurde der Stand des Queck⸗ ſilbers auf dem Gipfel mit einer ſehr feinen Spitze auf der Scale bezeichnet. Waͤhrend der Barometer-Beobachtung mußten ſich die drey Bergſteiger einer den andern halten, um nicht vom Winde heraͤbgeſtuͤrtzt zu werden. Folgen» des war am 27ſten September zwiſchen 10 und 11 Uhr Morgens der Stand des Barometers. Thermometers.

Auf der Ortelesſpize 16“ all : 37 R. Zu Mals 25 : 5 Zu Zell 261 Hl 3 12

Im Vicariat Gerlos 24“ 9% + 12

Zu Mals blieb der eee vom 2ö6ſten bis z9ſten September unverändert derſelbe (250, und auch das Thermometer zeigte immer Morgens + 11, Mittags + 15°, Abends T 12°, das Hygrometer 40°, Wahrſchein⸗ lich hat daher auch der Barometerſtand auf der Orteles⸗ Spitze an dem Tage nicht darlirt. Herr Hauptman Fallon berechnet hieraus nach Trembley's Formel die Hoͤhe der Ortelesſpitze über Mals auf 10930 Pariſerfuß, und, da nach einem Nivellement der mittlere Stand der Etſch un: ter der Bruͤcke von Glurns 420 Fuß unter Mals liegt auf 1135 Pariſerfuß uͤber der Etſch bey Glurns.

0 111

Nach einem Mittel aus 86 in Mals angeſtellten Bes obachtungen war dort der Barometerſtand 24" 985, und die Varometerveraͤnderung 6% ; wäre dieſes die wahre mittlere Barometerhoͤhe fuͤr Mals, ſo laͤge dieſer Ort 3074 Pariſerfuß über dem Meere, (den mittlern Baro— meterſtand am Meere 28“ 184 geſetzt,) und dies gaͤbe fuͤr den Orteles eine Hoͤhe uͤber dem Meere von 14004 Pariſerfuß. Auf Veranſtaltung des Erzherzogs Johann werden jezt in Glurns taͤglich Barometer- und Thermo— meterſtaͤnde beobachtet, um den mittleren Stand wenig⸗ ſtens aus den Beobachtungen für ein ganzes Jahr zu ba: ben. Aus dieſen Beobachtungen wird jene Hohe noch weis ter berichtigt werden; ſie iſt indeß ſchon hinreichend, der Orteles Spitze die zweyte Stelle unter den bisher erſtiege⸗ nen, und die dritte unter den gemeſſenen Bergen der al— ten Welt einzuräumen. Da die Hoͤhe

des Montblanc 14556 des Mont Rofa 143 80 des Mont Cervin 13860

und des Finſteraarhorns 13234 Pariſerfuß iſt.

Der Orteles ſcheint ein Kalkgebuͤrge zu ſeyn. Die Wildſpitze in der Gurgel iſt nach Pichlers Verſicherung lange nicht ſo hoch, und weit leichter zu erſteigen.

Der Scheidungspunkt der Gewaͤſſer auf dem Brenner liegt nach Leopold von Buchs barometriſcher Reiſe in den Jahrb. des Herrn von Moll 4375 Fuß uͤber dem Meere. Hacquet rechnet die Ortelesſpitze zur Kette der noriſchen Alpen. N iR

1.

m 412 f

Aus einem Briefe Gebhards von Imbſt den ı4ten Oktober 1804. f

S. Molls Jahrb. der Berg- und Huͤttenkunde. B. 3. S. 300.

—ͤ

Hate ich mir nicht vorgenommen, nicht eher etwas von dem Fortgange meiner heurigen Reiſe hoͤren zu laſſen, als bis die Verſuche, die Ortelesſpitze zu erſteigen, vollendet waͤren, ſo wuͤrde ich ſchon eher ſo frey geweſen ſeyn, E. E. mit einem Briefe zu belaͤſtigen. Nun iſt alles ja ſelbſt meine heurige Reiſe bald voüendet, da ſchon faſt täglich neuer Schnee auf den Gebuͤrgen fällt. Zu Sterzing beſchaͤftigte mich die Durchſuchung des dortigen traurigen Mooſes einige Tage. Zugleich machte ich auch Excurſionen in andere Seitenthaͤler. Aus dem Ratſchingerthale erhielt ich ſchoͤne Stuͤcke eines Granits, welcher aus vielem groß⸗ blaͤttrigem Feldſpath, ſilberweißem großblaͤttrigem Glim⸗ mer und wenigem Quarz beſteht; nebſt dieſen Beſtandthei⸗ len aber auch noch zollmaͤchtige Stangen von ſchwarzer Hornblende eingewachſen enthaͤlt. Daß in dieſem auch vor kurzem erſt artige Stuͤcke von Preznit mit zweyerley Kri— ſtallen entdeckt worden, iſt Ew. vermuthlich ſchon be kannt. Ich hatte das Glück nicht nur ein Stuͤckchen die⸗ ſes Minerals von Bedeutung erhalten zu koͤnnen. Rach geendeten Geſchaͤfften in dieſer Gegend erſtieg ich den raten Junii das Jaufengebuͤrg, über welches ein Saumweg nach Paßeyer führt. So ſchwuͤl dieſer Tag in der Ge gend von Sterzing war, ſo kalt hingegen fand ich die Luft auf dem Jaufen. Wir dankten fuͤr die geheitzte Stube,

413

weiche wir im Jaufenwirthshauſe fanden. Den folgenden Tag erſtieg ich die Jaufenſpitze und beſuchte die Gegend, wo nebſt den ſchoͤnen Anemone alpina, apiifolia, vernalis, etc. der ſeltene Ranunculus pyraeneus und Juncus luteus waͤchst. Den löten verließ ich den Jaufen, und flieg ins Paßeyerthal nach St. Leonard ab— waͤrts. Dieſer Weg iſt ungleich beſchwerlicher, als jener von Seite Sterzing. An den Porphyrfelſen bey Meran fand ich in ſchoͤnſter Bluͤthe Colutea arborescens und Coronilla Emerus in Geſellſchaft von Ononis Natrix und Digitalis lutea. Auf einer Excurſion nach St. Catharina in der Scharte ſah ich die verſchiedenen Bil⸗ dungen des Porphyrs; am Fuße des Berges ſteht dichter Felſen an; in einer Hoͤhe von einer Stund kommt das Gebuͤrg in See bis 2 Zoll maͤchtigen Lagen oder Schich⸗ ten, dann um eine ziemliche Stufe noch hoͤher, gar in Geſtalt eines wellenfoͤrmigen, kaum einen halben Zoll dicken Schiefers vor. Meine Reife gieng von Botzen nach Cala

ters, wo ich den ſchoͤnen Calterſer-See befuhr, und die

Gegend ſah, wo am Fuße hoher Porphyrfelſen der bes ruͤhmte Calterſee-Wein waͤchst. Von Calters fuͤhrte mich mein Weg uͤber Neumarkt, Salurn ꝛc., nach Trient. Nun ſah ich mich ſchon wieder aus den Porphyrgebuͤrgen entruͤckt: Kalkſtein iſt die Maſſe, welche von Neumarkt aus ſchon die Berge bildet, welche rechts und links die Graͤnzen des Thales machen. In Trient hatte ich noch um halb zwoͤlf Uhr Nachts bey meinem Wohlthaͤter des Erzherzogs Johann K. Hoheit eine mehr als anderthalb

Stund lange Hoͤchſtgnaͤdige Audienz. Da es die Tagsge⸗

ſchaͤffte S. K. H. nie erlaubten, mich unter Tage zu ſpre⸗ chen, ſo waren waͤhrend des achttaͤgigen Aufenthalts ſtets die

Mitternachtsſtunden zu unſern Unterredungen beſtimmt.

unvergeßlich werden mir dieſe Mitternachtgftunden bleiben /

414 0

ſie ſind zu merkwuͤrdig, waren zu intereſſant fuͤr mich. Von Trient machte ich eine Excurſion auf einen nordweſt⸗ lich liegenden Berg, Bondou genannt. Hier gerieth ich zum erſtenmal in Verlegenheit, mir zu erklaͤren, wie es moͤglich ſey, auf der Hoͤhe von mehr als fuͤnfthalbtauſend Schuhen, nebſt in dichten roͤthlichweißen, mit vielem dun⸗ kelrothen Hornſtein durchſetzten Kalkſtein eingewachſenen Am monshoͤrnern, Geſchiebe von grobkoͤrnigem Granit, und ziegelrothem Porphyr zu finden, da ich doch in der ganzen Gegend umher nichts als Kalkgebuͤrge zu erblicken glaubte. Daß mir zwey in der Gegend von Trient aͤußerſt ſehens— wuͤrdige Naturerſcheinungen bekannt worden, habe ich dem Domherrn Baron von Taxis zu danken. Er iſt ſelbſt Lied, haber der Naturgeſchichte, beſonders der Mineralogie, und beſitzt wirklich als Anfänger, wie er ſich nennt, eine artige Sammlung. Dieſer Freund der ſchoͤnen Ratur nahm ſelbſt die Muͤhe, mich zum ſehenswuͤrdigen Ponte alto, welcher über den Ferſinabach führt, und zur hoͤchſt interef ſanten Grotte al Maso Battaglia, nahe bey Ponte alto zu begleiten. Jede dieſer Naturſßzenen muß man geſehen haben, um ſich einen Begriff davon machen zu koͤnnen. Als ich von Prato, wohin ich von Madonna di Neve kam, nach Giacomo reiſete, gieng ich an den Grubenge— baͤuden vorüber, in welchen man auf Grünerde baut: Leider war kein einziger Arbeiter gegenwärtig, und ich mußte meine Neugierde ein Berggebaͤude befahren zu koͤn— nen, unbefriedigt laſſen. So wie man dieſe tiefliegende Gegend durchwandert hat, und jenſeits wieder bergan ſteigt, fo zeigen ſich Lager von grauroͤthlichem Porphyr, welche unter graulichweißem Kalkſtein durchzuſtreichen ſcheinen; nach dieſen Porphyrlagen, kurz bevor man auf St. Giacomo kommt, zeigt ſich Nagelffuh, aus welcher ſelbſt die Flaͤche zu beſtehen ſcheint, auf welcher jener Ort

7

4¹¹

ruhe. Von St. Giacomo aus beſtieg ich den ſogenann⸗ ten Altissimo, ein leicht zu befleigendes Kalkgebuͤrg. Hier habe ich die ſchoͤnſte Ausſicht über den Lago di Garda genoſſen. An eben dem Tage, als ich dieſen Berg beſtieg, (igten Julii) gieng ich nach Brentonico. Dieſe Gegend iſt in mineralogiſcher Hinſicht gewiß merkwuͤrdig. Das Hauptgebuͤrg iſt, wie bisher durch die durchreiſeten Gegens den unter Caltern, Kalkſtein von abwechſelnden Farben. Doch kann man in einem Umkreiſe von anderthalb Stuns den um Brentonico finden graulichrothen Porphyr, als Hauptmaſſe der den Kalkſtein durchſtreichenden Lager, in welche nun wieder eyfoͤrmig geſtaltete Maſſen von ein drittel bis 2 Zoll im Durchmeſſer, ein Zoll bis ein Schuh im Umkreiſe eingewachſen ſind, und welche ſich nach dem Lostrennen von der Hauptmaſſe in dünne Schaalen ablös ſen laſſen. Unweit dieſer Gebuͤrgsart trifft man in loſer, ſchwarzer Dammerde gegen Caſtion am Wege Exemplare von verſteinten Schnecken, und gegen das alte Schloß zu ein ganzes Feld (Pfenningfeld genannt) mit Nummismas lien bedeckt, an. Am Fuße des Berges, auf welchem

Brentonico ſteht, gegen Norden, findet ſich ſchwarzbrauner

Baſalt mit fehon weißem, buͤſchelfoͤrmig concentriſch ſtrali— gem Zeolit eingewachſen. Auch ſah ich die beruͤhmte Mar⸗ morbruͤcke von Brentonico, welche mehrere Saͤulen lies ferte, die ein engliſcher Biſchoff über Venedig nach Eng⸗ land ſchiffen ließ; noch liegen drey ſolche beſtellt geweſene Saͤulen unausgearbeitet da; denn waͤhrend des Krieges blieben die engliſchen Gelder aus, und die Steinmetzen lief ſen die Arbeit ruhen. Waͤhrend meines Aufenthalts in Brentonico war die Witterung ſo unfreundlich, daß man

es nie wagen konnte, eine recht große Ercurfion zu ma⸗ chen. In der Hoffnung es werde ſich das Wetter beſſern,

gieng ich von Brentonico nach Risa am Gardaſee. Die

416

Gegend dieſes Staͤdtchens iſt herrlich. Der fchöne See, umſchloſſen von mehrere tauſend Schuh hohen Kalkfelſen, gewaͤhrt den entzuͤckendſten Anblick. Aus Tion kam ich nach Pingal, wo ich nur uͤbernachtete, und dann den andern Tag ſogleich meinen Weg auf das Joch von Campillio fort— ſetzte. Da verlebte ich ruhig zufriedene Tage im Schooße der ſchoͤnen Natur erſtieg den Berg Spinal und uͤber demſelden den Ort, welchen die Bewohner der Gegend den Garten der Blumenkönige nennen. Die Vildung der Ge buͤrgsmaſſe, beſonders auf der zweyten Hoͤhe von Spinal, fo wie ſchon das amphitheatraliſche Anſehen der ganzen, aus graͤulich, roͤthlichweißem Kalkſtein beſtehenden Gebuͤrgs— reihe macht mich glauben, daß an dieſer Stelle einſt ein Ferner geweſen ſeyn muͤße, oder daß die Gegend einſt un⸗ ter Waſſer geſtanden habe. Woher ſonſt dieſe faſt parallel laufenden Schuh- und noch breitern Rinnen von verſchiede⸗ ner Tiefe? Woher die Kluͤfte mit den aus denſelben pyrami— daliſch emporſtrebenden Saͤulen von mannigfaltiger Hoͤhe und Durchmeſſer? und alles, alles, jedes Steinchen an den Kanten ſo ſchoͤn und glatt abgerundet, ſelbſt die wei⸗ tere Flaͤche ſo gewoͤlbt, ſo eben. Der noch auf den, dem Spinal benachbarten, Gebuͤrgen ruhende ewige Schnee möchte wohl meine Meynung beſtaͤrken. Vielleicht nur ei- nem Ungefaͤhr iſt es zuzuſchreiben, daß hier die Laſt des Schnees weichen mußte. Die Gebuͤrge, welche Campillio begraͤnzen, gegen Oſtſuͤden, beſtehen aus Kalk, und jene, die aus Norden nach Weſten ziehen, ſind Granit. Als ich Campillio verließ, wandelte ich über Male ins Rabbithal nach St. Bernard. In dieſem engen, von hohen Schies fergebürgen eingeſchloſſenen Thaͤlchen befindet ſich ein Ge⸗ ſundbad, welches von einer unglaublichen Anzahl Men⸗ ſchen jeder Art, und aus den entfernteſten Gegenden Tyrols beſucht wird. Bey meiner Ankunft alldort waren alle

417

Wirthshaͤuſer, deren doch mehrere find, fo beſetzt, daß es mir unmöglich war, ein Zimmer zu erhalten: ich mußte bey der unangenehmen Witterung, welche mich faſt waͤh⸗ rend meines ſiebentaͤgigen Aufenthalts in Rabbi ſtets vers

folgte, unter meinem Zelte wohnen. Das Gebuͤrg,

das ich beſtieg, beſteht aus Thonſchiefer, welchen Schuh und halbſchuhmaͤchtige Adern von weißem und graulich⸗ weißem Quarz durchſtreichen. Das Waſſer des Geſundba⸗ des ſcheint als einen Hauptbeſtandtheil Vitriol zu enthals ten. Es quillt aus der Erde gerade in die Höhe, und eine Menge Luftblaſen entwickeln ſich, bevor ein Schwall fri— ſches Waſſer kommt. Es herrſcht ein ſehr bemerkbarer Unterſchied zwiſchen dem Waſſer, welches ſchon laͤnger in dem laͤnglich viereckigen Behaͤlter ſtand, und jenem, wel⸗ ches in ſelbem friſch aufgefangen wird. Ich trank von beyden. Wenn man ein Glas mit dieſem Waſſer fuͤllt, und nur eine Stunde unbedeckt ſtehen laͤßt, ſo uͤberzieht die Dberdäche ein feines Haͤutchen, das mit allen Farben

des Regenbogens ſpielt; mitten im Glaſe zeigen ſich graͤu⸗

lichweiße Wolken; und Geruch und Geſchmack iſt, wit wenn man verduͤnnte Dinte traͤnke. Ueber den Urſprung des Badwaſſers konnte ich keine Nachricht erhalten. Der innerſte Theil des Thales, in welchem ſich die Quelle, und auch das Hauptbadehaus befindet, iſt fo eng vom Thons ſchiefergebuͤrg eingeſchloſſen, daß die beyden Seitengebuͤrge kaum 100 Schritte von einander ſtehen. An den von Steinen aufgefuͤhrten Mauern in Feldern und Wieſen ſah ich Granit, deſſen Hauptbeſtandtheil der ſchoͤnſte Feldſpath war; Serpentin mit labradoriſcher Hornblende: Vom lez⸗ tern konnte ich aber in der ganzen Gegend keine eigentli⸗ chen Anbrüche entdecken, obwohl die Geſchiebe ihrer Groͤße gemaͤß nicht aus zu fernen Gegenden hergekommen ſeyn koͤnnen. Endlich befand ich mich am Fuße des großen,

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für unerſteigbar erklaͤrten Ortles. Nichts war mir in dies fer Gegend wichtiger, als Aller Meynung zu erforſchen, ob und auf welche Weiſe dieſer Berg zu erſteigen waͤre. Leider ertoͤnte mir von allen Seiten her die traurige Sage: der Ortles ſey unerſteiglich. Durch Geld und gute Worte brachte ich es endlich doch dahin, daß es einige der Küuͤhnern wagten, mit meinen Leuten einen Verſuch der Be— ſteigung zu unternehmen fünf Verſuche mißlangen, und bey jedem zeichneten ſich meine Leute noch als die kuͤhnern Steiger aus. Schon war alle Hoffnung in mir erloſchen; ſchon ſchrieb ich eine Jeremiade nach Wien, als am z6ften September ein Maͤnnchen kam, Joſeph Pichler, ein Gems⸗ jaͤger aus Paßeyer, der mir ſchon in Sulden als der kuͤhnſte Steiger empfohlen wurde, den ich auch ſchon ſelbſt dort erſuchte, und mehrmal erſuchen ließ, einen Verſuch zu wa⸗ gen, aber vergebens. Dieſes Maͤnnchen kam nun den z6ſten September Vormittags ſelbſt, und ſagte: nun wolle er es wagen die Ortlesſpitze zu erſteigen: ich ſollte ihm nur meine Leute zur Begleitung mitgeben. Ich that es, und ſie folgten gern ihrem Fuͤhrer, ſelbſt dis auf die Spitze des 14466 Schuh hohen Ortles. Waͤhrend allen dieſen Verſuchen lag ich traurig krank zu Mals. Schon in Sul⸗ den, am Fuße des Ortles, nahe an dem Ende der Welt, (ſo heißt ein kleines Fernerthal unten am Ortles) erkrankte ich, und mußte durch vier Mann aus Sulden nach Agums gebracht werden. Ich war einer gefährlich hitzigen Krank⸗ heit nahe, nur die Thaͤtigkeit und der Fleiß meines Arztes rettete mich. Dort war ich vier Wochen lang zu Allem unbrauchbar wegen Schwaͤche des Korpers. Der Ortles iſt eine ungeheure Kalkmaſſe, welche aber faſt ganz mit ewi⸗ gem Schnee bedeckt iſt; nur auf der Seite gegen Suden ſteigt er faſt kahl, nur in den Schluchten Schnee enthals tend, aus dem Thale empor. Die Kalkmaſſe it graulich⸗

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schwarz, mit feinem Kalkſpath durchſchnuͤrt, und mit nur im naſſen Zuſtande dein Auge ſichtbaren weißen Punkten eingeſprengt. Doch aͤndert die Farbe des Gebuͤrgs auf der Höhe verſchiedentlich. Kalkſpathkriſtalle finden ſich nicht ſelten, aber nur von der gemeinſten Art. Der Wunſch S. K. Hoheit iſt nun wenigſtens zum Theil zu meinem innigſten Vergnügen erfüllt, Soll der Ortles für nicht zu kuͤhne, gewoͤhnliche Bergſteiger erſteigbar gemacht wer— den, ſo erfordert er betraͤchtliche Vorrichtungen, welche aber fuͤr dieſes Jahr nicht mehr zu bewerkſtelligen waren, indem es ſchon itzt vor Kaͤlte unmoͤglich iſt, auf demſelben zu arbeiten. Meine Beſteiger konnten es beylaͤuſig nur 3 dis 4 Minuten auf der hoͤchſten Spitze aushalten. Pichler brachte halberfrorne Füße, mein jüngerer Zillerthaler vor Kalte geſchwollene Finger mit zuruͤck. )

-

) Obgleich der Ortles fo nahe an Buͤndten und an der bis vor wenig Jahren dazu gehörigen Grafſchaft Worms liegt, ja deſſen weſtlicher Fuß vermuthlich ſchon dazu gehoͤrt, ſo habe ich doch in keinem unſerer Topographen auch nur das geringſte von dieſem feiner erſtaunenden Höhe wegen fo auf— fallenden Giganten unter den Bergen gefunden. Erſt fünfe tig vorzunehmende Unterſuchungen werden zeigen, ob er nicht von dieſer Seite zugaͤnglicher iſt, und es möchten in feinen. Umgebungen nicht weniger Entdeckungen als um den Mont⸗

blane zu machen ſeyn. So viel ſcheint indeſſen gewiß zu ſeyn, daß er nicht mehr zur Hauptalpenkette, ſondern zur Nebenkette der noriſchen Alpen gehoͤrt.

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Aus einem Schreiben des K. K. Kreisadjunkts Pfaundler von Sternfeld aus St. Lorenzen vom 26ſten Maͤrz 1803.

S. Molls Annal. Tom. III. S. 158.

Nun haben wir auch den gelben Bleyſpath im Tyrol. Juͤngſt erhielt ich ein Stück davon zur Probe, das zu Manns kenez im Unterinnthal vorkommen fol: Es bricht auf tho⸗ nigem Eiſenerz aufliegend in Tafelform. Im Eiſenthon ſelbſt iſt weißer Bleyſpath (kohlenſaures Bley) eingemengt. Leider habe ich kaum ſo viel, als zu einigen Proben noͤthig war, erhalten. Den Schwerſpath, Braunſtein und Ku⸗ pferorida fand ich bey genauerer Unterſuchung meiner Faſſa⸗ nerſtuͤcke nun auch in Faſſa einheimiſch. Viel, ſehr viel iſt noch in Faſſa zu entdecken uͤbrig.

Aus einem Schreiben des K. K. Oberoͤſterr. Gou⸗ bernialrath von Senger aus Innsbruck vom a3ften Februar 1804.

Ibid. Seite 309.

Die umliegende Gegend von Brixen habe ich durchſucht, aber außer den verſchiedenen Granitarten wenig Merkwuͤr⸗ diges gefunden. Das wichtigſte war ein Foſſil, das ich für Klingſtein halte, und zwey beſondere Arten von Serpentin. Eine hievon iſt ſchieferartig, und ſchielet, wenn ſie ange⸗ ſchliffen iſt. 5

42¹

TA

Aus Briefen des Herrn Kreisadjunkts Alois von Pfaundler aus Lorenzen und Bruneck

vom zoften Dec. 1803. und 24ſten Nov. 1804.

Ibid. S. 310.

Bey meinem kurzen Aufenthalt i in Faſſa in leztem Herbſte (1803.) fand ich ein Foſſil, das mir noch neu war, und vielleicht dem Natrolit verwandt ſeyn dürfte, Es beſteht aus kleinen, blos okkergelben (in Baſalt eingewachſenen) undurchſichtigen, halbharten Kuͤgelchen von erdigem, auch zu Zeiten ſchaligem Bruche. Den Prehnit fand ich dies⸗ mal auch getrauft roͤhrenfoͤrmig. In Faſſa war ich heuer (1804.) nur auf der Durchreiſe einige Stunden lang, wo ich nichts ſelbſt entdecken, nur einige intereſſante Stuͤcke erkaufen konnte. Dagegen war ich in Commißion in Bu⸗ chenſtein, wo ich die naͤmlichen Gebuͤrge, wie in Faſſa, un⸗ ter anderm Baſaltkugeln von ein bis zwey Schuh im Durch⸗ ſchnitte, und die deutlichſten Beweiſe von der Waſſerent⸗ ſtehung dieſer und verwandter Gebuͤrge antraf.

Zuſatz.

Nachſebender Aufſatz Hätte eigentlich unter den groͤßern Abhandlungen erſcheinen ſollen, allein ich erfuhr fein Da⸗ feon viel zu ſpaͤt, und wollte ihn, feines aͤußerſt wichtigen

Inhalts wegen, auch nicht auf den zweyten Band verſpa,

ren. Er folgt alſo hier als Zuſatz. Da ich denſelben bey

E u u Er

2

*

*

ne

422

meiner Abhandlung über den Lauf des Hauptkammes der Alpenkette vorzuͤglich benutzen werde, ſo enthalte ich mich hier aller Bemerkungen, die ich bey Durchleſung 9

zu machen Gelegenheit gefunden hatte.

Carl Ulißes von Salis.

Profil des ee RE zwiſchen Wien und Trieſt, und von Trieſt bis Salzburg.

Aus den Reiſebeobachtungen des Geh. Ob. Bergr. Karſten in Berlin, im Sept. 1804.

Wien. Höhe des Pfaſters vor der St. Stephanskirche uͤber dem Meere 451 Pariſerfuß, nach dem von Anton Pilgram angegebenen vieljaͤhrigen Mittelſtande des Baro⸗

meters 27“ 8", 1, und der von Toaldo und Chimi⸗

nello beſtimmten mittlern Höhe von 28“ //, 9 in den venetianiſchen Lagunen. j Nach correſpondirenden Beobachtungen des

Profeſſors Huth in Frankfurt liegt Par iſerfuß das zweyte Stock des weiſſen Ochſen

in Wien über Frankfurt. 366. Das Obſervatorium des Herrn Huth aber

Frankfurts Pflaſter. A k 3 54.

Das Pflaſter uͤber der Oſtſer. „„ Hoͤhe des weiſſen Ochſen uͤber dem Meer 540. Das zweyte Stock des weiſſen Ochſen iſt

aber uͤber dem Pfaſter von St. Stephan

etwa zwiſchen 40 und so Fuß erhoben. 2 . LE Daher das Pflaſter von St. Stephan über

dem Meere nach Frankfurter Beobachtungen 495»

y 433 Alſo 44 Fuß mehr als nach dem mittlern Barometer⸗ ſtande.

Wenn man hingegen, nach den in der Wienerzeitung fortdaurend bekannt gemachten meteorologiſchen Beobach⸗ tungen auf der Wiener Sternwarte, die dort angegebenen Barometerhöhen mit gleichzeitigen am adriatiſchen Meere vergleicht, fo folgt daraus die Höhe des Wiener Obſerva⸗— toriums uͤber dem Meere Pariferfuß 403, 5 und da man den Beobachtungsort auf der Sternwarte ebenfalls zwiſchen 40 bis so Fuß über dem Pflaſter von St. Stephan rech— nen kann, fo folgt hieraus Höhe des Pflaſters von St. Stes phan uͤber dem Meere Pariſerfuß 358, 3.

Offenbar viel zu wenig. 10 80

Es iſt aus dieſem Grunde zu vermuthen, daß die bey— den Barometer, das auf der Wiener Sternwarte, und das bey den folgenden Beobachtungen gebrauchte, nicht corre⸗ 0 ſpondirten; daß man daher allen gefundenen Hoͤhen unge— faͤhr 90 Fuß zuſetzen as, wenn fie unter Wu. und ab» nehmen muß, wenn fie über Oien liegen vu fie der Wahr⸗ heit naͤher zu bringen. Auf dieſe Vorausſetzung ſind die folgenden corrigirten Hoͤhen gegruͤndet.

Baden den 24ſten September 7 Uhr Abends.

f Correſp. Beob. Corrig.

Barom, freies auf der Wiener Höhe uber Höhe gorrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. Meere

327½%74 6% 330½7 3 232“ 728“ 6387

Voͤllige Ebene don Wien aus. Rechts die Moͤdlin⸗ gerberge. Der Calvarienberg dey Baden dichter lich⸗ ter gelblichgrauer Kalkſtein, faſt eben im Bruche; mit Kalkſpathtruͤmmern; Streichen h. 7.

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Pr

=—;

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42⁴

Bis Neuſtadt Ebene, am Fuße dieſes Gebuͤrges fort, und gleiche Ebene zwey Stunden weit uͤber Landskir⸗ chen und Walpersbach, nach Schauerleith. Rechts die hohen glaͤnzenden Kalkfelſen der Wand, in denen drey Fuß maͤchtige Pechkohlen gegraben und ſtark be⸗ nutzt werden. Nahe an Schauerleith ſtatt der vorigen Kalkſteine nur Geſchiebe von Urgebuͤrgsarten. Dann das mächtige Braunkohlenfoͤtz. Zuerſt unreiner grauer Letten, 3 bis 4, auch 6 bis 8, ja 13 bis 16 Lachter mächtig; dann das Braunkohlenfloͤtz 2 Lachter; dann die Sohle: dickfaſeriger Gneiß mit vielem Feldſpath, hier Gra⸗ nit genannt. So fruͤh kommen ſchon die Urgebuͤrgsarten unter der Kalkkette hervor!

Neunkirchen den 25ſten Sept. 8 Uhr Abends früh. Correſp. Beob. Corrig. Barom. freies auf der Wiener Höhe über Hoͤhe corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. Meere. 3259 7 34,38 8 656 1152 1062. Von Neuſtadt aus, Millionen Kalkſteingeſchiebe, un⸗ ter der Dammerde: Ragelfluh. Sie bildet die Felſen, auf denen Neunkirchen ſteht. Hoenbiendgefieine find unter den Kalkſteinen felten.

Schodwien den 2öffen Sept. 11 Uhr fruͤh.

319,69 9 334,95 9,5 1198 1694 1604,

Bis nach Glocknitz hin, mächtig anſtehende Nagel⸗ ffuh. In Glocknitz ſelbſt erſcheint Gneiß, in kaum 4 bis 6 Zoll mächtigen Schichten, h. 4, fallen 50“ gegen Nordweſt. Er giebt trefiche Platten. In den obern Banken ſind Quarz und Feldſpath überwiegend; in den untern Glimmer.

Zwiſchen Glocknitz und dem Blaufarbenwerk Schle⸗

5

425

gelmuͤhl an der Schwarzach, ein fplittriger Kalkſtein, mit kleinen Druͤſen und Quarzkoͤrnern.

Vor Schodwien treten hohe, pyramidale (Alpen-) Kalkſtein⸗Felſen nahe zuſammen. In der Nähe ſollen zwey Steinfohlenflötze zu Tage ausgehen, und liegt feinkoͤrniger weißer Gyps auf dem Kalkſtein.

Semmering, Paß, den z0ften Sept. 2 Uhr Abends. Correſp. Beob. Corrig. Baron. freies auf der Wiener Hoͤhe uͤber Hoͤhe corrig. Tberm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. Meere. 303,98 6,5 335,55 17, 25 2538 3034 2944. Am Fuße des Paſſes dichter Kalkſtein; dann Na⸗ gelfluh; dann dunkelblaulichgrauer Kalkſtein; dann auf der Hoͤhe des Paſſes weit ausgedehnt Quarz, auf den Abloͤſungen mit Glimmer; ein ſonderbares, aber wahrſcheinlich primitives Geſtein. Fallen gegen Nordweſt⸗ Muͤrzzuſchlag den 26ſten Sept. 4 Uhr Abends. 315 8 335% 2 11 1533 2029 1939. Vom Semmering herunter haufig wieder dichter Kalk⸗ ſtein am Wege.

Neuberg den zöften Sept. 7 Uhr Abends. 312,69 6,5 334,63 10 1798 2294 2204 zwey Meilen an der Mürzen höher hinauf. Im Muͤrzthale kommt der Gneiß haͤufig zum Vorſchein, wird aber gleich haͤufig von weißem, gelbem und grauem dichten Kalkſteine wieder verdeckt. Noch weiter gegen Mürz ſteig nur dichter Kalkſtein, iſabellgelb und ſchwaͤrz⸗ lichgrau; auch weiß und ockergelb geſtreift. Streichen 9. 6 bis 7. fallen bald nach Norden, bald gen Suͤden. Zur weilen im Kalkſtein Witherit und Lager von Spathei⸗

ſenſtein.

426 |

Bruck an der Muhr, den 28ſten Sept. 7 Uhr fruͤh. Correſp. Beob. Corrig. Barom. freies auf der Wiener Hoͤhe uͤber Hoͤhe

corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d.

Barom. Therm. Meere. 321,6 6 334, 8, 987 1483 1353.

Leoben im Muhrthale den 28ſten Sept. 11 Uhr früh. 319,79 9 334,58 9 1162 1658 1568. Im Thale herauf nur Geſchiebe von Urgebürgöarten , Granit, Gneiß, Hornblendeſchiefer.

Vordernberg den 28ſten Sept. 3 Uhr Abends. 308 86 6 334,9 10, 5 2090 2586 2496.

Nicht weit von Leoben bey dem Kapuzinerkloſter, der Muͤnzeberg. Sein Fuß iſt duͤnnſchiefriger Gneiß, aus ſchwarzem Glimmer, milchweißem Feldſpath und graulichweißem Quarz; dann dichter Kalkſtein; dann Conglomerat mit vielen Bruchſtuͤcken von Gneiß; Schie ferthon ſehr mächtig mit 3 bis 4 Lagen, innwendig grauem Thoneiſenſtein; daun ein Floͤtz von Pech⸗ kohle, ſehr verſchieden, 1 bis s Lachter mächtig, Strei— chen h. 5, fallen 43 Grad Nordweſt, dann Brandſchie, fer, grauer Schieferthon; endlich Lehm oder Sand.

Bis Vordernberg alle Spitzen dichter Kalkſtein, der ſtets nach Norden faͤllt. Am Bach ſcheint Thonſchie⸗ fer hervorzukommen. In Vordernberg ſelbſt, dem Leob— nerofen gegenuͤber, ſtreicht der graue ſplittrige Kalkſtein h. 8, 4; fallt 30 Grad gegen Nordoſt. -

Paß Prepihel den 28ſten Sept. s Uhr Abends. 294, 7 1 335,2 9,5 3230 53726 3636,

Ueberall Kalkſtein ausſtehend; Streichen h. 6, 4; fals len 40 Grad gegen Suden. Der Paß ſcheint höher, wit

*

427

die nördlich gelegene Schneealp. Der nördliche Abfall des Berges iſt viel ſteiler, als der ſuͤdliche. Eiſenerz den 28ſten Sept. 10 Uhr Abends. Correſp. Beob. Corrig. Barom. freies auf der Wiener Hoͤhe uͤber Hoͤhe corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. 8 Meere. 314,61 5 335, 96 8, 75 1670 2166 2056. Eiſenerz den 29ften Sept. 8 Uhr früh. 314,61 335,96 7,75 1646 2140 2050. Eiſenerz den ıftlen Oktober 10 Uhr Abends. nnn, e 0, / 1657 2151 2061. Der Erzberg dichter Kalkſtein mit maͤchtigen Lagern von Spatheiſenſtein. Immer noch h. 6 Streichen, aber das Fallen bald gegen Norden, bald ſuͤdwaͤrts. Gegen⸗

uͤber liegt der Thuleggerberg, an deſſen Fuß und im

Thale unter Eiſenerz, Glimmerſchiefer, von gruͤn— lichgrauem, fortſetzendem Glimmer, und weiſſem feins koͤrnigen Kalk. Darüber, und bis auf der Höhe des Berges Porphyr, von einer gruͤnlichgrauen feinſplittri— gen Hauptmaſſe von dichtem Feldſpath; darin Feld⸗ ſpath⸗ und Quarzkriſtalle.

Zwiſchen Eiſenerz und Hifelau an der Ens, uͤber⸗ all dichter Kalkſtein, mannigfaltig gefaͤrbt, an den hohen, ſteilen, faſt ſenkrechten Felſen. Der Leopold» fein, am See gleiches Namens, eine glatte Kalkſtein— wand von wenigſtens 300 Klaſter Höhe, Im Enstyale unter Reifling find die naͤhern Höhen unter den Fel-

fen, 100 bis 200 Klafter vom Strome in die Höhe, auf

Nagelfluh gebildet; Stuͤcke von Kopf- bis Haſelnuß⸗ Größe. Streichen des Kalkſteins zwiſchen Reifling und

Hifelan, h. 8, 4. fallen 30 bis 40 Grad gegen Nordoft,

Auch baſſathale bey Altenmarkt liegen hohe Sch! Nagelfluh an und auf dem Kalkſteine.

=

*

423

Hier iſt alſo die wahre, ausgezeichnete Kalk— kette, mit der Salzburger und der in Oberoͤſtreich zu⸗ ſammenhangend. Sie iſt bey Altenmarkt von der Ens durchbrochen, laͤuft dann Nordwaͤrts der Salza fort (Gams- und Zelleralpen), tritt, als Wienerwalden, in Un⸗ teroͤſtreich ein, und endigt ſich mit dem Callenberg. Das ganze Gebuͤrge zwiſchen der Muhr und der Ens, zwi⸗ ſchen der Muͤrz und der Salza iſt die Verbindung zwi⸗ ſchen der primitiven Centralkette und der Kalkkette: Ueber⸗ gangsgebuͤrgsarten, oder Thonſchiefer und Porphyr, hier auf den Hoͤhen noch vom dichten Kalkſtein bedeckt, der beynahe an die Centralkette vordringt, ſo wie auch die primitiven Gebuͤrgsarten in dieſem mittlern Gebuͤrgszuge haͤuſig wieder hervorkommen. Der Semmering fuͤhrt in der That über keine Gebuͤrgskette weg, ſondern es if ein Col, der die primitive Kette, ſuͤdlich der Muͤrz mit dem mittlern Gebuͤrge verbindet. Das primitive Cem tralgebürge zwiſchen Steyermark und Ungarn iſt von der Muhr zwiſchen Bruck und Fronleiten durchbro⸗ chen, und laͤuft ſuͤdlich der Muhr weiter gegen die Tauern.

Paß Prepihel den zten Oktober 7 Uhr frühe

Correſp. Beob. Corrig.

Barom. freies auf der Wiener Höhe über Hohe corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere üb. d. Barom. Therm. Meere.

294; 1 415 333, 41 10 3203 3699 3609.

Vordernberg, Löwe den aten Okt. 8 Uhr früh. 08,1 5,75 333,41 10 / 2020 2516 24265.

Leoben, Lamm, den zten Okt. 8 Uhr Abends. 318, 7 9 333, 65 13 1194 1590 1500.

Kraubat, Poſt, den zten Okt. 8 Uhr früh,

316 2 6 333,9 11/75 1399 1795 1703.

* * * 1 4 v 8 N 4 0 458 Am linten Ufer der Muhr kommt der Gneiß haͤußg hervor. Er iſt granitartig; ſchoͤner milchweißer Feldſpath, und blaßblaͤulichgrauer Quarz in Menge. Vor St. Mi⸗ chael und vor Kaiſersberg ſtreicht er h. 2, 4, fällt 20 Grad gegen Nordweſt. Kurz vor Kraubat iſt er Feldſpathrei⸗ cher, ſtreicht h. 3, und fällt nun 70 Grad gegen Nor dweſt. Judenburg den zien Okt. 3 Uhr Abends. a Correſp. Beob. Corrig. Barom. freies auf der Wiener Hoͤhe uͤber Hoͤhe corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. Meere. nn 3337 74 16 1862 2388 2268. Bey St. Lorenzen Felſen von gruͤnlichſchwarzem Serpentinſtein, mit ſehr viel eingemengtem, metal liſirenden Smaragdit. Weiterhin wird das Thal ſo breit, daß bis Judenburg anſtehend Geſtein im Thale ſelbſt nicht mehr vorkommt. Unzmarkt den zien Okt. 10 Uhr Abends. 310, 76 16 333,65 11,75 1832 2328 223% Wahrſcheinlich eine nicht hinlaͤnglich genaue Beſlim⸗ mung. Der Gneiß kommt wieder haͤufig hervor. Auf den Spitzen der Berge leuchtet Kalkſtein.

Klagenfurt 857 1353 Bey Scheifling am Unzenberge, noch im Mühr— thale, Glimmerſchiefer mit Granaten, mellenförmige ſchiefrig, aus vielem grauen Quarz, und breiten, gruͤnlich⸗

i größte Höhe der Straße fiber dieſe Kette. Jenſeits, dem

Eberlſchloß gegenuͤber, blaulichgrauer Thonſchie fer,

mit Chlorit gemengt, Ir zı, mit ſtarkem Fallen nach We⸗ a Aa

„„ Q

grauen Glimmerblätteen. Bey dem Dorfe Bergauf die

* S

Ku % 9 | * 4 1

N 1 N * * 430 j * ſten. Dieſer Thonſchiefer iſt durchaus fortſetzend, über Neumarkt bis nach Frieſach.

Bey Frieſach viel Glimmerſchiefer mit Spuren von Chlorit.

Bey St. Veit am Muͤhlgraben der Stahlhaͤmmer des Bar. v. Kaiſerſtein, duͤnnſchiefriger Gneiß, h. 1, mit 25 bis 30 Grad fallen nach Norden. Weiterhin Glim⸗ merfchiefer mit Chlorit.

Kirſchenteuer den sten Oktober 8 Uhr früh, Correſp. Beob. Corrig. Barom. freies auf der Wiener Hoͤhe uͤber Hoͤhe corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. Meere. 320 1 5/5 336,28 11,25 1788 1634 1594.

Paß Loibl den zten Oktober 1 Uhr Abends. 291 5, 5 334, 95 13 3624 4120 4030,

Am Paß herauf uber tiefen Thaͤlern, dichter Kalk⸗ ſtein, graͤulichweiß und blaßgelblichgrau, ſchoͤn ſplittrig, ſelten etwas ſchimmernd. Eichen gehen zwiſchen Lerchen und Fichten in Menge bis zur Hoͤhe des Paſſes.

St. Anna, ſüdwaͤrts des Loibl, d. 7. Okt. 3 Uhr Abends. 312, 97 6,5 334, 79 13, 75 1747 2243 2183.

Auf der füdlichen Seite der Kalkſtein in hohen Fels ſen, rauch» und blaͤulichgrau, feinſplittrig, ſelten mit Kalkſpathtruͤmmern; und hin und wieder mit Schwe⸗ felkiesgaͤngen.

Neumaͤrktl, Bol, den sten Okt. 8 Uhr fruͤh.

"319,65 9 333,49 10,5 1036 1532 144%,

Leybach, wilder Mann, 3 Trepp., d. 8. Okt. 10 U. Ab. 321,98 11, 5 337, 46 12 757 1253 1163. Die Spitzen der Berge von Crainburg bis Laybach im⸗

43

. mer dichter Kalkſtein; im Thale an der Straße und am

Sehange ſtarke Lager von Nagelfuh. Ge Oberlaybach den sten Oktober 9 Uhr üb.

. Correſp. Beob. Corrig. Barom. freies auf der Wiener Höhe uͤber Höhe corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere üb. d. Barom. Therm. Meere. 320,79: 11, 5 329, 92 11, 1 731 1227 1137 Ob in der That wohl der Unterſchied der Höhe ſo ge⸗ ring ſeyn mag, daß die Lage der verſchiedenen Beobach⸗ kungsorte eine größere Erhebung für Laubach geben kann? Auf der Chauſſee nur dichte graut Kalkſteine. Im Stein⸗ bruch entbloͤßt bey Loog vor Ober⸗Laybach, Streichen . h. 4 5 i * | 5 Hohe Wirthshaus oberhalb Idria den 9. Okt. 3 Uhr Abends. 1 10,5 330, 73 33,75 21 2506 2416. Grauer, beynahe ſchwarzer Stinkſtein mit ockergel⸗ den Abloſungen auf der Ehaufee. Bis zu zwey Dritthei⸗

dann wieder ſchwarz und nicht ſelten dem Mergelſchieſer ‚ähnlich. i

AJ bd ria den roten Oktober 7 Uhr früh.

318, 94 8,5 332, 19 8 1042 1538 1443. 2A wiſchen dem hohen Wirths hauſe und Idria tine große a ausgehender Klippen eines Kalkſtein⸗Conglo⸗ merats, viel ſeſter als die Nagelauh, eckiger, aus einer Kugeln von dichtem Kalkßein, vorzüglich von Eiergrößt beſtehend. Tr Die Queck abererze im Brandſchieſer, auf dem Kalk

len der Höhe iſt der Kalkſtein weiß und etwas feinkörnig, '

* ® nr

FE * w | En 9 «# 1 43² Ä . . Planina den-soten Oktober 3 Uhr Abends. Correſp. Beob. . Corrig.

Barom. freies auf der Wiener Höhe über Höhe corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. Meere. 319, 86 7% 332, 74 7 1006 1502 14132, Prewald den zıten Oktober 8 Uhr fruͤh. 315, 88 5 332,62 7,75 31298 1794 1704. St. Seſanna den ııten Oktober 12 Uhr früh." 319,97 8,5 332,3 8 976 1472 1382. Immer dichter Kalkſtein durchaus; hinter Pre⸗ wald deutlich geſchichtet, h. 7, mit Nord fallen; bey

Unter ⸗Senedolia ſenken ſich hingegen die Schichten

gegen Suͤden.

Auf dem Plateau von Santoria no zwiſchen Prewald und St. Seſanna, überall nur blaͤulichgraue nakte Klip⸗ pen, zwiſchen denen kaum ein Grashaͤlmchen Platz findet. Der Kalkſtein iſt oft innwendig weiß mit Entrochiten und Trochiten, und mit ſonderbaren, bald ovalen, bald plat⸗ ten, bald laͤnglichen Loͤchern in allen Richtungen durchzo⸗ gen, fo daß einige Schichten davon ein ganz knochenarti⸗ ges Anſehen erhalten. r

Karſtberg vor Trieſt den zıten Okt. 3 Uhr Abends. 318,79 11 332, 44 8,75 1080 1576 1486,

Bey Opſchina ſtehen mehrere hundert keſſelfoͤrmige Vertiefungen, Erdfaͤlle, die vielleicht den Lauf der vielen unterirdiſchen Fluͤſſe dieſer Gegend bezeichnen.

Trieſt, Meerufer, den ızten Oktober Mittags. 335, 84 14, 5 330,7 10 403 Wiener Sternwarte

5 2% U % c

Wi: a Aus 6% Auf dem Kaſtberge Felſen mit der Richtung der Berge gleich laufend; der Kalkſtein durchaus blaͤulichgrau;

bey dem Wirthshauſe h. 8 mit 35 Grad fallen gegen Suͤd⸗ % wet. Gleich unterhalb des Wirthshauſes erfcheint ein a blaͤulichgrauer, ſehr feinkoͤrniger, ins Splitterige uͤberge⸗ hender kalkiger Sandſtein, der ſich leicht in Platten ge⸗ . 4

winnen läßt; Streichen h. 11, fallen 20 Grad gegen Nor- den. Tiefer herab wird der Sandſtein koͤrniger, h. 6 Streichen, 30 Grad fallen gegen Suͤden, oder auch gegen Suͤdoſten, bis am Ende des Berges.

Nach St. Servola hin, gleich von der erſten Anhoͤhe bey der Altſtadt Trieſt aus, blaͤulichgrauer und brauner Kalkſandſtein; ſehr kleinkoͤrnig, fo daß die Quarzkoͤr⸗ ner oft ſptittrig ſcheinen; ſchlaͤgt Feuer am Stahl und braus * ſet heftig mit Saͤuren; ſtreicht h. 12, und faͤllt 80 35 "u Grad gegen Abend, einige Sättel und Mulden abgerech⸗ net. Hier und da im Geſtein ein ſtark glaͤnzendes Glim⸗ N inerblättchen, oder ein Korn von Kieſelſchiefer. Dieſer \ Sandſtein wird vorzugsweiſe zu Bauſteinen, der blaue auch zu Müͤhlſteinen benutzt. Ob die feit so Jahren bey Secorje an der Recca bebauten Steinkohlen in aͤhnlichem Sandſtein vorkommen moͤgen?

1 St. Seſanna den ızten Oktober fruͤh. Correſp. Beob. Corrig. Barom. freies auf der Wiener Höhe über Höhen corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d. Barom. Therm. Meere * f

315/88 11,5 32975 11 1122 1618 1528. Adelsberg den 1zten Oktober Abends.

313,97 11 329% 10 2753 2249 21659. Laybach, 3 Trepp., den raten Oktober Abends. |

319, 07 9,75 329,87 10 862 1358 1268. 1

1

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6 . 434 ER | 155

Schon bey Laſſé, unweit Planina Stinkſtein, blaßgrau, faſt eben im Bruch. Streichen h. 1, fallen

15—20 Grad gegen Abend. Ueber vier Meilen weit ver⸗ breitet.

Pirkendorf Ufer der Save, den ısten Oktober früh.

Correſp. Beob. 0 Corrig.

Barom. freies auf der Wiener Hoͤhe über Hobel

corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d.

Barom. Therm. Meere.

320,84 % 329% 9 730 1226 1136.

Vor Krainburg ausgezeichnete Nagelfluh, fogar mit

Hoͤhlen darin, bis Altack. Dort viel Stuͤcke von Man⸗

delſtein, der bey Rathmanns dorf anſtehend iſt. Alle Fenſtergeſimſe bis Asling ſind daraus verfertigt.

Asling, Poſt, den ısten Oktober Abends. 314, 21 975 329,85, 10 1276 1772 168% Dichter grauer Kalkſtein in beharrlicher Forts

ſetzung von Altack uͤber den Wurzenerberg bis gegen

Bleiberg. Bleiberg den ı7ten Oktober Mittags. 304 333, 25 2394 2890 2800.

Villach, 2 Treppen, den ızten Oktober Abends. 320%3 8,5 333,97 7 1036 1532 1442.

Von Bleiberg herab viel Kiefel- Conglomerat, das noch ausgedehnter im Thale der Kreuzen anſtehend ſeyn ſoll.

St. Paternion den 18ten Oktober fruͤh. 319 8 8 333,57 6, 5 1075 157 1481. Der Kalkſtein faͤllt von Villach aus, gegen Suͤden. Auf der Hälfte des Weges erſcheinen zuerſt wieder Stuͤcke von Gneiß und Hornblendſchiefer.

4 7 Rr ® N 1 | 1 438 Spithal im Drauthal den ısten Okt. Mittags. Correſp. Beob. R Corrig.

Barom. freies auf der Wiener Hoͤhe uͤber Hoͤhe

corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d.

Barom. Therm. Meere.

318, 4 12 33,9 10 1238 1734 1644. Dichter Kalkſtein kommt noch haͤuſig hervor.

Gmündt den ıgten Oktober Abends. a 312, 79 4, 5 334, 63 7, 25 1708 2204 2114.

Nicht weit im Thale der Liſer gegen Gmuͤndt hinauf erſcheint der Gneiß; arm an Feldſpath. In die Cen⸗ tralkette hinein.

Rennweg, Poſt, den ig9ten Oktober früh, 298,25 6,75 334,15 99 2908 3404 3314, Bey Eiſendraten ober Gmuͤndt liegt Glimmer— ſchiefer auf dem Gneiß, mit vielen Quarzlagern, h. 9 mit 30 Grad fallen Nordweſt. Bey Rauchenkatſch Granaten darin. ö

Katſchberger-Paß, Salzburger Graͤnze, den ꝛ9ten 8 Oktober Mittags. 280, 7 955 334, 38 9, 5 4489 4985 4895. Oberhalb Rennweg blaͤulichgrauer Thonſchie fer mit vielen Quarzlagern, mit Schichten von Zeichenſchiefer und gruͤn- und gelblichgrauem Kalkſtein. Streichen h. x, fals len 70 Grad gegen Weſt. Der Thonſchiefer ſetzt uͤber den Kaltſchberg fort.

St. Michael, Poſt, im Lungau d. 19. Oft. 3 Uhr Ab. 300, 4 7 334, 38 9,5 2735 3231 3141.

Der Thonſchiefer wird bey St. Michael Apfel⸗ und N Berggruͤn. f

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nn 6ͤ— , e 9 ® x ER . * a * 436 8 f =, Twengg, Poſt, den roten Oktober Abends.

Correſp. Beob. Corrig.

Barom. freies auf der Wiener Höhe über Höhe

corrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere uͤb. d.

Barom. Therm. Meere.

295,7 5, 75 334192 9, 25 3185 3581 3498,

Faſt ſchneeweißer Kalkſtein ununterbrochen zwi⸗ Mauterndorf und Twengg.

Paß auf dem Radſtadter Tauern, den zoſten Okt.

8 Uhr fruͤh. 278,3 2, 335, 06 9 4677 51773 Foz. Der Kalkſtein graͤulichweiß, feinkoͤrnig, fest am ſuͤdli⸗ chen Abhange herauf; je dunkler in der Farbe, um ſo fein⸗ koͤrniger. Streichen h. 8, fallen so Grad gegen Nordweſt.

Untertauern den zoften Oktober 11 Uhr fruͤh. 303, 76 8,5 334 76 11,5 2427 2923 2833. Einige hundert Fuß unter dem Paß Thonſchiefer zwiſchen dem weißen Kalkſtein, mit Quarzlagern. Jedoch kommt bald der Kalkſtein wieder. Er iſt bey dem Waſſer⸗ falle graͤulichſchwarz, mit weißem Kalkſpath durchzo⸗ gen, dem lydiſchen Steine ahnlich; Streichen h. 6, fallen 45 gen Nord. Radſtadt, Bolt, den 2often Okt. 12 Uhr fruͤh. 308, 82 11,5 334,76 11,5 2102 2498 2408. Der Kalkſtein ſetzt fort bis nahe an der Ens. Unten bei Radſtadt ſelbſt wellenfoͤrmig duͤnnſchiefriger Gneiß. Huttau, Poſt, den zoften Oktober 5 Uhr Abends. 314,5 8 334, 79 10 1652 2148 2058, Thonſchiefer uberall. Streichen h. 6, fallen 70 Grad nach Norden. 25 Werffen, Bol, den zoften Okt. 8 Uhr Abends, 320,3 6,5 334, 73 9 1126 1622 1532.

.

.

Golling ben ziften Okt. 8 uhr früh.

Eorrefv. Beob. Corrig.

Barom, freies auf der Wiener Hohe über Höhe

torrig. Therm. Sternwarte Wien. d. Meere üb. d.

Barom. Therm. Meere.

321, 9 7 334,58 5,25 1626 1522 1432.

Zwiſchen Werffen und Golling der furchtbare Durch⸗

der Salza durch die hohe und ſteile Kette des Als penkalkſteins.

Hallein, 2 Trepß., den 21ſten Oktober 12 Uhr fruͤh.

320,85 10,5 334, 13 9 1047 1543 145% Salzburg, Schiff,; Trepp., d. 23. Okt. 8 uhr früh. 318, 9 6 331,95 3 954 1450 1360;

Salzburg / Schiff den 25ſten Oktober 8 Uhr früh. 321,97 10, 5 333, 41 6,5 895 1392 1301,

Salzburg den 27ſten Oktober 9 uhr früh,

321, 6 7 333,25 7 902 1398 1389. Salzburg im Mittel 918 1413 1323. (Herr Prof. Schiegg beſtimmt die Höhe Salzburgs

über dem Meere nach der von ihm beobachteten mittlern

Barometer und Thermometerhöhe auf 1408, 8 Par. Fuß.) Man ſollte dem erſten Anblicke nach glauben, die Cen⸗

tralkette entferne ſich von den ſuͤdlichen Kalkketten, die aus

Krain ſich nach Dalmatien fortziehen, indem jene ſich

oberhalb Graͤß weg, zwiſchen Ungarn und Steiermark hin⸗

zieht, (S. 200.). In der That aber zertheilt ſich die vri⸗

mitive Kette bey den Judenburger⸗Alpen, in zwey

von einander divergirende Arme. Der ſuͤdliche Arm laͤuft den Kalkketten zu, und durch die Windiſche Mark in Croatien hinein; ihn bilden die Serbitz⸗Alpen, die Schwanberger⸗Alpen, hinter denen die Drau daß

5 R i 155 . \

Gebuͤrge durchſchneidet, und die A 95 zwi⸗ ſchen Feiſtriz und Windiſch-Graͤz, an deren Fuß Granit

. und Gneiß, und auf deren Hoͤhe die mannigfaltigen Ser⸗ 4 pentinſteine mit Smaragdit anſtehn. Der weitere Forte f lauf der Alpen durch Eroatien und Ungarn ift noch ganz unbekannt. Aber dieß wenige beweiſet ſchon hinrei⸗ . chend, wie ſehr der Lauf der Gebürge und der

*

Lauf der Waſſertheiler, (der Höhe) von einander verſchieden ſeyn koͤnnen, und in welche Irrthuͤmer man verſaͤllt, wenn man fie als gleichbedeutend annimmt. 5

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e 6 geile 16 und 17 von oben lies: er ha att: vi

13 16 von oben, lies: Piz ſt. 80 £ 24 12 von unten, Pedemontana fi, Redemon- . ta na

. - 26 3 - - Terglou ſt. Terglon 38 1 , erſteckt ſt. erſtreckte

4 10 —— AUuͤebergangs Kalkſtein⸗Forma⸗ 5 1 tion fi. Hochgebirgs Kalkſtein⸗ \ Formation * * é von oben, dieſe Gebirgs⸗ Formation fi, : A die fogenannte Gebirgs For⸗ 7 } x | mation 1 57 2 „» Käircherberg fl. Kercherberg *

4 - 7 - befimmt f. beſteint v von unten, Lenzer ſt. Lenzen

69 15 von oben, Perniſe fl. Peeniſe

10 von unten, Truͤſchen ſt. Teuͤſchen

73 ,- 5 -. Oblonga ciliara fi, Weener, ciliatas 74 11 von oben, - auch ſt. aber * 76 11 reniſormibus fi, reniformia 2 2 albo ſt. alba 76 zs von unten, - Cotyledon fi. Cotylidon 6 - paniculatus aun 79 14 von oben, Cæsja ſt. Ca 19 apiee fi, apiæ 5 30 z von unten, - subbifloro fi. subbiflore

82 17 von oben, iſt aber auszuſtreichen, 23 - - Und finder fich ft. allein nut

88 12 - Arxtedi fi. Artodi 911 6 Kiemenhaut ſt. Riemenhaut 2189 34 von unten, Saſien fi. Safnia 5 BIT. = 439 trivialis ſt. triviatis 268-2 Magyenthal ſt. Magenthal

2758 - Calveuͤſer ſt. Calvenſerthal 33 13 - bie und da ſt. hierin os es ik das guszuſtreſcheg

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2 5 5 gement * * 3717 N von unten, = enthalten 15 fi. enthalten 4 32 - Mit ſt. m 71 ET Fu oben, - Juff ſt. 858 5 * um 6 1 find 4 Stund 8 * 1 r 4 von unten, Praspoelg fi. Prospolg 8 - 316 1 —— Aroſerthal f. Aroſterthal - 317 s von oben, Stauders ſt. Raͤnders und Sins 4 5 ſt. Seuͤs

319 - 11 - Frau Stutli ſt. Rule 320 - 12 - - Diesrueker ſt. Diesrüker

384 10 von unten, Val Grielesch ſt. Val Tuorts 12 - Weſten fl. Süden 4 m ur = m 1783 fl. 1785

2 2 U

2 - v von unten, Quint ſt. Aicint N Hier ſpringt die Seitenzahl von 321 auf 3sn Ki „381 a4 von unten, Trins fi. Truns = 382 20 von oben, Flims ſt. Flurs ö - - 10 von unten, Val da Vna ſt. de Vna = = = 6% Fenga ſt. Tenga . 8 2 4 2 Schleins ſt. Schleiers g - 383 u von oben, Sampuoir fl. Sampnoir 14 iſt aber auszuſtreichen **