ee ET 2 Bea enneine em rerge ge ©: oe las, 5 I ei AMTLICHER BERICHT ÜBER DIE DREI UND DREISSIGSTE VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE ZU BONN IM SEPTEMBER 1857. HERAUSGEGEBEN VON DEN GESCHÄFTSFÜHRERN DERSELBEN J. NOEGGERATH unD H. F. KILIAN. (MIT II TAFELN.) "BONN. DRUCK VON CARL GEORGI 1859. f ER Bi ER er ” AMTLICHER BERICHT ÜBER DIE DREI UND DREISSIGSTE VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE ZU BONN IM SEPTEMBER 1857. HERAUSGEGEBEN VON DEN GESCHÄFTSFÜHRERN DERSELBEN J. NOEGGERATH unD H. F. KILIAN. (MIT II TAFELN.) BONN. DRUCK VON CARL GEORGI. 1859. er etlae f KR EL al SU TE Fr di N, BUN WER übern Bir Die Sammlung, Anordnung und der Druck des Materials für den amtlichen Bericht der XXXIII. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte hat mancherlei Behinderungen unterlegen, welche nicht überall bald zu beseitigen waren, und daher haben wir zunächst seine so spät erfolgende Erscheinung zu entschuldigen. Wir hatten alle Verhandlungen und Aktenstücke während der Versammlung, so weit es thunlich war, fleissig gesammelt, und auch später diejenigen Herren Mitglieder, welche Vorträge gehalten hatten, brieflich ersucht, uns solche zum Zwecke des Druckes ein- zusenden. Unsere bezüglichen Wünsche sind vielfach erfüllt worden, jedoch nicht allgemein, und dadurch sind wir in den Fall gekommen, Manches nach den Protokollen und den gedruckten Tageblättern der Versammlung ergänzen zu müssen, wobei wir für die Vollständigkeit und völlige Genauigkeit der Mittheilungen nicht einstehen kön- nen. Wir vermogten mehr nicht zu geben, als uns zu Gebote stand! Ebenso können wir die ganz durchgreifende Correctheit der Namensverzeichnisse der Herren Mitglieder und Theilnehmer der Versammlung nicht verbürgen. Einige Namen waren so undeutlich geschrieben, dass sie nur unsicher gelesen werden konnten. Bei dem Drange der Geschäfte zur Zeit der Inseriptionen kann es sich auch ereignet haben, dass sich einige Herren, ohne unser Verschulden, in die Matrikel der Theilnehmer eingetragen haben, welche in diejenige der Mitglieder gehörten, und ebenso umgekehrt, welches zu berichtigen wir eben so wenig überall im Stande gewesen sind, als den möglichen Fall zu vertreten, dass Inseriptionen gar nicht stattgefunden hätten. Es hatte, bei der Ent- fernung der Herren Verfasser, besondere Schwierigkeiten, die Handschriften so sehr vieler Personen über Gegenstände aus mancherlei Fächern im Drucke herauszugeben, und daher müssen wir im Allgemeinen bitten, unsere Zusammenstellung mit Nachsicht für V die etwa darin vorhandenen Irrungen beurtheilen zu wollen. Wir haben nach besten Kräften gesammelt und referirt, wie es allein unsere Aufgabe war. So wäre dieses also der Schlussstein der uns so wohlwollend und vertrauensvoll übertragen gewesenen Geschäftsführung der XXXII. Versammlung deutscher Naturfor- scher und Aerzte! Wir können aber bei dieser Gelegenheit nicht umhin, unseren ehrer- bietigsten und innigsten Dank gegen Alle zu erneuern, welche diese Versammlung in ihrer Durchführung zu unterstützen und zu fördern die Gnade und Gewogenheit hat- ten, vor Allen gegen Seine Majestät unseren Allergnädigsten König und Herrn, und die verehrlichen Behörden, Corporationen und Personen, welche in jener Beziehung in dem historischen Theile der Verhandlungen näher bezeichnet sind, sowie endlich auch nicht minder gegen unsere verehrten Collegen und Freunde, welche durch ihre Theilnahme und fleissige Mitwirkung die wissenschaftliche Bedeutung der Ver- sammlung allein geschaffen haben. Bonn. Die Geschäftsführer der XXXII. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Noeggerath. Kilian. Inhalt. I. Geschichte der Versammlung . U. Die allgemeinen Sitzungen III. Seetionssitzungen 1. Sektion für Geologie, Mineralogie und Paläontologie 2. Sektion für Botanik und Pflanzenphysiologie 3. Sektion für Zoologie 4. Sektion für Physik 5. Sektion für Chemie 6. Sektion für Agronomie und Forstwissenschaft (vergl. Anmerkung auf Seite 306) 7. Sektion für Astronomie und Mathematik 8. Sektion für Anatomie und Physiologie 9. Sektion für praetische Mediein 10. Sektion für Chirurgie und Ophthalmiatrik 11. Sektion für Gynäkologie 12. Sektion für Psychiatrie j a rauen rl RE a a 2 PATER he) an ü en Ä er a > Ri ARE rain tee uam « - F ERDE HE 22 | - Nager E2 Huzrünefl ba e Fu Ku hi B H A mE” gnscH Km ' Bi a Fu ihre Seht Re ST. „Id ‚a: En, 5 ee aa u ee RERON it ra Blue Fr Ar, atrsluir ae Anptnfl, ARE ‚0 R 3 sinoldos u se 2 N ““ Au i I“ a } PIao ar ol a4 | “ Bun: old) a uiid: 2 F \ m ‚am 0 R E ) . . u RN r ”r var c ” so ‚inE + Ehe an } nme bau ashilaadte fi wis u a AN ae Ather ar mein Sr u Er “ e % 8 © - ” un . Be A lalerti bw vlmoramd, St wie, ! / Er ze 7 M Fr ß n Er erg En BR. Blink, alte] fe nut MU \ x ze ‚“ N » E PT bie okgraticdd ee a R 4 KOM: = : LEE ie j I; i E2 ” >." 5 [2 2 i PM a ale BI, j . 2 ee re EN - 4 TI, D “ j r Er ‘ er x 7 u - . f » e: F > * a1 bh > ‘ f ? 9 ”%“ n f) \ £ b I Br EA * ü f ’ IT «c % De T rn ih © = ir en - - - f % 4 > " “ 2 N I. Geschichte der Versammlung. In der zweiten und dritten allgemeinen Sitzung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien am 19. und 22. Sept. 1856 wurde Bonn durch Stimmenmehrheit zum Ver- sammlungsort des Jahres 1857 und die Herausgeber dieses Berichtes durch Acclamation zu den Geschäftsführern erwählt und proklamirt, wovon sie, zum Ausgangs- und Anhaltspunkt der über- nommenen Geschäftsfülrung unterm 23. Sept. durch folgenden Auszug der Sitzungsprotokolle in amtlicher Weise benachrichtigt wurden. a An die hochverehrten Herrn Mitglieder der 32. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte: Herrn geheimen Bergrath Noeggerath, und Herrn geheimen Medicinalrath Kilian, als einstimmig gewählten Geschäftsführern der 33. Versammlung im Jahre 1857 zu Bonn in Rheinpreussen. Die Unterzeichneten beehren sich, Ihnen, Hochverehrte Herrn, als ersten Ausgangs- und Anhaltspunkt Ihrer freundlichst übernommenen Geschäftsführung, folgenden Auszug aus dem Protokolle der dritten öffentlichen allgemeinen Sitzung der deutschen Naturforscher-Versammlung zu Wien, am 22. Sept. 1856, ergebenst im amtlichen Wege zuzustellen: „Die durch Stimmenmehrheit auf Bonn, als nächsten Versammlungsort gefallene Wahl, „wurde durch den ersten Geschäftsführer proklamirt, und durch denselben der von allen stimm- „fähigen Mitgliedern mit Acclamation begrüsste Vorschlag: den H. geh. Bergratı Noeggerath „zum ersten, und den H. geh. Medieinalrath Kilian zum zweiten Geschäftsführer zu wählen, „vorgetragen. Hr. geh. Bergrath Noeggerath drückte in seinem und seines Amtskollegen „Namen die Versicherung aus, dieses Ehrenamt zu übernehmen, mit Freuden bereit zu sein. „Lauter Zuruf der Versammlung schloss und besiegelte diesen Wahlakt.“ Zugleich erklären die Unterzeichneten, dass 1. ihnen keine Protokolle und Akten früherer Versammlungen zugekommen sind; dass 2. die Akten der Wiener-Versammlung im Archiv der kais. Academie niedergelegt werden, und 3. dass sie immer bereit sind, durch ihre hier ge- machten Erfahrungen ihren Nachfolgern inı Amte zu Diensten zu stehen. Wien, am 23. Sept. 1856. Professor Hyrtl. Schrötter. Nach Bonn zurückgekehrt wandten sie sich demnächst an das Königl. Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, um von Sr. Majestät, unserm allergnä- digsten König, Friedrich Wilhelm IV., die Genehmigung der Zusammenkunft und die Bewilli- gung der übrigen Wünsche der Geschäftsführung zu erlangen. Die Versammlung wurde Allerhöchsten Ortes genehmigt, die beantragte Summe für wis- senschaftliche Zwecke unverkürzt bewilligt und Seitens des K. Ministeriums das Curatorium der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zur Gewährung verschiedener Anliegen veranlasst. A 2 Der letzterwähnte Punkt betraf namentlich die Beschaffung eines ausreichend grossen und würdigen Saales für die allgemeinen Sitzungen und die Ueberlassung von Auditorienräumen für die Sectionssitzungen in den Universitätsschlössern zu Bonn und Poppelsdorf. Die zweck- entsprechende Umgestaltung der früheren Reitschule im Universitätsgebäude zu Bonn, eines Saales von 165 FussLänge, 43 Fuss Breite, aber von geringer Höhe und unscheinbarem An- sehen, wurde bewilligt und dadurch ein ebenso schöner wie passender Sitzungssaal gewonnen. Der Universitätsbaumeister, Herr Dieckhoff, behielt den früheren Eingang unter dem Co- blenzer Thore bei, legte den Boden beträchtlich tiefer, erbaute am gegenüberstehenden Ende eine Estrade für das Büreau, und für die Zuhörer und öffnete für die letzteren Ein- und Aus- gang durch den Durchbruch zweier neuen Thüren nach verschiedenen Seiten. Für die Dauer der Sitzungen waren die anliegenden Strassen für Fuhrwerk von Polizeiwegen gesperrt. Der Inspektor des botanischen Gartens, Herr Sinning, schmückte den Saal mit Gruppen ' und Gewächsen und Schlingpflanzen, so wie mit schwarzen Lavablöcken vom Roderberg bei Rolandseck. Zwischen den Fenstern, deren die Front 12 zählte, wurden die Büsten berühmter Naturforscher, Aerzte und Philosophen aufgestellt. Der schönste Schmuck des Saales war aber das lebensgrosse von Krüger gemalte Bildniss Sr. Maj. des Königs, das auf unsere Bitte von Berlin aus dem köngl. Residenzschlosse herbeigesandt worden war, und von Palmen und Oy- cadeen umstellt, den Augen der Versammlung gegenüber aufgestellt war. Den Gliedern der Versammlung standen durch die gefällige Anordnung der einzelnen Herren Vorsteher, die sämmtlichen akademischen Anstalten zur Besichtigung und Benutzung offen, so die Bibliothek, die Museen, Cabinete, Laboratorien, Kliniken, die Sternwarte, das Lese- zimmer u. s. w., und ebenfalls die höhere landwirthschaftliche Anstalt zu Poppelsdorf. — Gele- genheit genug zur Belehrung in speciell wissenschaftlichen, und allgemein interessanten Fragen. Da sich für das gegenseitige Kennenlernen die gemeinschaftlichen Ausflüge so passend erwiesen, so bemühten sich die Geschäftsführer solche Gelegenheiten herbeizuführen und fanden sich durch die Liberalität der Vorstände der betreffenden Gesellschaften in den Stand gesetzt eine grosse Festdampfschifffahrt nach Coblenz und Stolzenfels, und eine Festfahrt nach Köln ins Programm aufnehmen zu können. Die Stadt Bonn verhiess ein grosses Concert, die Lese- und Erholungsgesellschaft stellte ihre Räume zur Disposition zu geselligem Verkehre und zu einem grossen Festball. Nachdem so die hauptsächlichsten Fragen für die Aufnahme der Versammlung erledigt waren und die Eigenthümlichkeit des im regsten Fremdenverkehre stehenden Bonn, die Menge guter Gasthöfe, die Zahl disponibler Wohnungen im Monat September u. s. w. das Unter- kommen auch einer sehr grossen Zahl Besuchender verbürgte, so konnte am 1. Juli nach- stehende Einladung, und darauf am 21. August das weiter unten folgende Programm ver- öffentlicht werden. Die Universitätsstadtt Bonn ist im verflossenen Jahre in Wien zum Sitze der 33. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte erwählt und die Unterzeichneten sind einstimmig zu Geschäftsführern dieser Versammlung ernannt worden. Die Sitzungen beginnen statutenmässig am 18. September d. J. und enden mit dem 24. desselben Monates. Bonn, an einem der günstigsten Punkte des vaterländischen Rheinstromes gelegen, ver- diente um so mehr den Vorzug, zum zweiten Male ausersehen worden zu sein, um in seinen gastlichen Räumen die Cultoren der Natur- und Heilwissenschaft aus allen Gauen des gebildeten Europa’s aufzunehmen, als kaum ein anderer Ort glücklichere und leichtere Verbindungswege für alle diejenigen bietet, welche in den von Oken zum Dasein gerufenen Vereinen eine reiche Gelegenheit zu finden glauben, Eindrücke und Anregungen für den Beruf zu sammeln, die ge- rade durch den persönlichen Verkehr und durch den zündenden Austausch des Wortes Tiefe und Leben empfangen und dem Naturforscher wie dem Arzte, nach einem Jahre voll Arbeit und Streben, eine willkommene Zeit gewinnreicher Erholung bieten. Die Unterzeichneten haben es sich angelegen sein lassen, mit jeder Strenge und Sorgfalt Alles nach ihrem besten Wissen und Können anzuordnen, was zur Förderung des wissenschaft- liehen Lebens während der Zeit der Versammlung dienen kann, und sie haben neben dieser ihrer jedenfalls ersten und wichtigsten Sorge, es auch nicht übersehen, die Stunden der Musse in würdiger Weise zu füllen. Diese Zeilen aber sollen als amtliche und angelegentlichste Einladung gelten, der 33. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Bonn anwohnen zu wollen. Bonn, den 1. Juli 1857. Die Geschäftsführer der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte: Dr. Nöggerath, Dr. Kilian, Geheimer Bergratli und Professor. Geheimer Medicinalrath und Professor. IACOBVS NOEGGERATH HERMANNUS KILIAN PROFESSORES BONNENSES BORVSSORYM REGI A CONSILIIS INTINIS BAMESERTE STVDIORVM PHYSICORVM MEDICORVMQVE CVLTORIBVS AC FAVTORIBVS VNIVERSIS. Novistis, quos superiore anno sinu suo inclita Vindobona recepit, proximi conventus sedem hanc esse Bonnam urbem omnium consensu delestam atque constitutam, curatores autem eius conventus nosmet designatos, qui nomina nostra supra scripsimus. Cui officio honorificentissimo ut pro virili parte satis faceremus, cum cura ac fide nihil earum rerum omittendum putavimus, quae aliquid posse conferre viderentur ad communium artium socios atque collegas commode hospitaliterque exeipiendos, mutui commercii suavitate recreandos, in nobilissima augendarum litterarum concertatione adiuvandos atque sublevandos. Qui si non poterimus cum magnifico splendore lautaque affluentia Caesareae metropolis nostras copiolas contendere, at vel sic spera- mus fore ut et caeli elementia regionumque amoenitas ‚quas ‘vada caerula Rheni’ alluunt, et facilis undique commeandi opportunitas, et ipsius urbis nostrae cum grata simplicitate iunctae blanditiae vitaeque academicae tralaticia hilaritas vim suam diutino usu comprobatam non de- stituant, sed illecebrarum suarum dulcedine litteratorum hominum e cultioris Europae terris uni- versis eam huc multitudinem convocent, qua nec indignus illustris conditoris. consiliis felieissimis, nec publica exspectatione inferior hie physicorum medicorumque conventus tertius et trigesimus evadat. Itaque quicunque et communibus litteris et nobis atque adeo sibi bene volunt, solenniter invitatos omnique qua decet observantia rogatos volumus, uti physicorum medicorumque acroases Bonnenses, quarum initium die X VIII. mensis Septembris huius anni fiet, finis autem eiusdem mensis die XXIV, praesentia sua exoptatissima iuvent, ornent, condecorent. Datum Bonnae Kalendis luliis anni MDCCCLVNL. 4 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte ın Bonn. Programm. Die Versammlung beginnt anı 18. September und wird am 24. geschlossen. Vier öftent- liche Sitzungen in einem neu geschaffenen Saale finden statt und zwar: am 18., 21., 22. und 24. September. In der zweiten öffentlichen Sitzung wird der Ort der nächsten Versammlung bestimmt, in der 3. die zweckmässigste Verwendung der im vorigen Jahre reservirten Eintrittsgelder, im Betrage von circa 8700 Fl. C.M., debattirt und beschlossen, über welche an erster Stelle die Propositionen der Kaiserl. Königl. Akademie der Wissenschaften n Wien zu vernehmen sein werden. Mitglied kann statutenmässig nur ein Schriftsteller im naturwissenschaftlichen oder ärztlichen Fache werden, Theilnehmer Jeder, der sich wissenschaftlich mit der Natur- kunde beschäftigt. Die Theilnehmer haben ebenfalls das Recht, den öffentlichen wie den See- tionssitzungen und sonstigen Zusammenkünften beizuwohnen. Die Sectionssitzungen werden täglich von 8 Uhr Morgens an in besonderen Hörsälen der Universität abgehalten. Vorläufig sind folgende 12 Sectionen festgestellt: 1. Geologie, Mineralogie und Paläontologie. — 2. Botanik und Pflanzenphysiologie. — 3. Zoologie. — 4. Physik. — 5. Chemie. — 6. Agronomie und Forstwissenschaft. — 7. Astro- nomie und Mathematik. — 8. Anatomie und Physiologie. — 9. Praktische Mediein. — 10. Chi- rurgie und Ophthalmeatrik. 11. Gynäkologie. — 12. Psychiatrik. Es ist in Folge liberaler Bewilligungen gegen die Versammlung in Aussicht genommen: eine grosse gemeinschaftliche Festdampfschifffahrt auf dem Rheine zum Besuche von Stolzenfels und Apollinarisberg, ein festlicher Besuch der Stadt Cöln und ihres Domes, sowie ein von der Stadt Bonn veranstaltetes Concert unter der Leitung von Ferdinand Hiller. Für Diejenigen, welche eine Reise nach Paris oder Brüssel beabsichtigen sollten, ist eine sehr wesentliche Reduction des Fahrpreises erwirkt worden. Der berühmte chirurgische Instrumentenmacher Charri&re aus Paris wird anwesend sein und ein Lager seiner Instrumente und Bandagen in einem geeigneten Locale der Univer- sität aufstellen. Die Inscription der Mitglieder und Theilnehmer beginnt am 15. September. Das Aufnahme-Bureau befindet sich im hiesigen grossen Rathhaussaale und ist Morgens von 10—1 Uhr, Nachmittags von 3—6 Uhr geöffnet. — Ebendaselbst sind auch, den ganzen Tag hindurch, die bereits bestellten, wie die sämmtlichen noch freien Wohnungen zu erfahren. Der Plan der Tageseintheilung wird bei der Inscription vertheilt werden. Es ergehet hiermit zugleich an’ alle verehrlichen Zeitungs -Redactionen die ergebenste Bitte, durch Aufnahme dieses Programms in ihre Spalten zur möglichsten Verbreitung geneigtest beitragen zu wollen. Bonn, den 21. August 1857. Die Geschäftsführer der 33. Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte: Dr. Noeggerath, Dr. Kilian, Geheimer Bergrath und Vrofessor. Geheimer Medieinalratlı und Professor. 5 Als die Zeit der Versammlung heranrückte, setzten die Geschäftsführer jede Mühe daran, ihre Einrichtungen so zu treffen, dass sie dem in sie gesetzten Vertrauen entsprechen und zur vollen Befriedigung der werthen Gäste ausfallen möchten. Unser reichster Lohn waren die in den weithin meisten öffentlichen Beriehten den von uns getroffenen Anordnungen gespendeten freundlichsten und anerkennendsten Worte, gegen welche freilich der sehr gehässige Ton be- sonders zweier Berichte absticht, bei welchen sogar handgreifliche Unwahrheit in das Bündniss gezogen wurde, um die prämeditirte Verunglimpfung um so sicherer zu erreichen. Die fol- genden amtlich festgestellten Thatsachen werden hinreichen, das unwürdige Verhalten jener Berichterstatter zu kennzeichnen. Die Geschäftsführer liessen es eine ihrer ersten Pflichten sein, ein hinreichendes Maass hülfreicher Kräfte zu gewinnen, um durch deren Beistand ihre eigene Wirkungsfähigkeit zu vervollständigen und zu erweitern. In dankbarster Rückerinnerung an die grossen, der Ver- sammlung und uns selbst geleisteten Dienste, gedenken wir hier aus dem Kreise unserer nächsten Collegen der Herren Professoren Helmholtz, Troschel, Albers, Schaaffhausen, ©. ©. Weber und des Herrn Docenten Dr. Üaspary, (jetzt Professor’s der Botanik in Königsberg) aus dem Kreise der Herren praktischen Aerzte des in allseitigster Thätigkeit uns unterstützen- den Herrn Sanitätsrathes Dr. Nettekoven und ausser den Genannten des in aufopfernder Mühewaltung hochverdienten Stadt-Beigeordneten Herrn Gerhards, des Herrn Kanzleiraths Ingenmey und der beiden Bergexpectanten Herren Zirkel und Vogelsang. Um eine hinreichende Anzahl von Wohnungen in Bereitschaft zu haben, wurden schon frühzeitig schr umfassende Vorbereitungen getroffen und es gelang auch in der That, bei der grossen Bereitwilligkeit der Bewohner, eine weit mehr als zulängliche Auswahl von Localitäten zu ermitteln, wobei für die verschiedenartigsten Anforderungen gesorgt worden war, indem, je nach der Eleganz der Einrichtung, die Preise, wohlverstanden incl. Frühstück, von 1 Thlr. 10 Ser. täglich bis herab zu 15 Sgr. schwankten. — Nicht genug kann bei der Regulirung dieses mühevollen Geschäftes die äusserste Thätigkeit unseres ersten Stadt-Beigeordneten, des Herrn Gerhards, gerühmt werden, der auch ausserdem während der ganzen Versammlung, namentlich aber in den ersten Tagen, den ganzen Tag hindurch auf dem Rathhause, unmittelbar neben dem Inseriptions-Zimmer der Ankommenden, weilte, um ihnen die grösste Auswahl von Zim- mern anheim zu stellen und sodann den ausschliesslich zu diesem Zwecke angestellten Dienern die Weisung zu ertheilen, mittels besonderer Zettel die Fremden ihren temporären Hauswirthen zuzuführen. Ebenso hatten die Geschäftsführer eine Zusammenkunft aller derjenigen Wirthe, die darauf Anspruch machen konnten, veranstaltet, um die Preise der einzelnen Mahlzeiten festzustellen, wobei sie von dem Grundsatze ausgingen, dass auch hier, je nach den verschiedenen Wünschen und Anforderungen, die verschiedensten Preise stattfinden müssten, was um so unbedenk- licher geschehen konnte, da eine Theilung der Gäste stattfinden musste, indem es keinen Saal in der Stadt gab, der auch nur nahezu geräumig genug gewesen wäre, um die ganze Gesell- schaft aufzunehmen. Die Wirthe fügten sich ohne Anstand unseren Vorschlägen und es war sowohl der Mittags- wie der Abend-Tisch zu den verschiedensten Preisen in den ein- zelnen Hötels zu finden. Um die aus den vielfachsten Richtungen ‘zu uns kommenden Gäste: der Versammlung nach jeder denkbaren Möglichkeit zu orientiren, waren auf allen benachbarten Eisenbahnstatio- nen und auf sämmtlichen Rhein-Dampfschiffen grossgedruckte Ankündigungen, mit jeder erfor- derlichen Hinweisung versehen, aufgchängt und an allen Ankupfts-Punkten der Stadt, beson- ders an den Dampfschiffen, waren Personen zum Zurechtweisen für die Ankommenden an- gestellt. Die Inseriptionen derjenigen, welche der diesjährigen Versammlung angehören wollten, fanden im grossen Saale des Rathhauses statt. Dieses eignete sich vorzüglich zu diesem Ge- schäfte, da es mitten in der Stadt‘, gleich weit von den Eisenbahnen, wie von den Dampf- schiffen entfernt ist und daher von allen Seiten gleich leicht zu erreichen war. Zwei Tage vor dem Beginnen der Sitzungen war das Anmeldebüreau eröffnet und dafür gesorgt, dass in den darauf folgenden fünf Tagen den ganzen Tag über, bis Abends 10 Uhr, die Einzeich- nungen statt finden konnten, indem stets entweder die Geschäftsführer in Person oder ein- zelne Comite-Mitglieder zu jeder Auskunft bereit zugegen waren. Den H.H. Professoren Helmholtz, Troschel, Albers, Schaffhausen und Sanitätsrath Nettekoven lıaben wir ganz besonders für ihre Mühewaltung den wärmsten Dank auszudrücken. Den sehr geschmackvoll ausgeführten Legitimations-Karten (blau für die Mitglieder, grün für die Theil- nehmer) waren in Form eines kleinen Portefeuilles angefertigt und brachten gleichzeitig man- nigfaltige Notizen über die Sehenswürdigkeiten Bonn’s, den Gang der Communikations-Wege, Briefzeiten etc. etc. Der Preis für jedes einzelne Exemplar war auf drei Thaler normirt und soviel es irgend erreichbar war, wurde dahin gestrebt, nur Berechtigte in den Besitz der Karten kommen zu lassen. Hier ist aber eine der am schwersten zu umschiffenden Klippen: mit der Bestimmung der Mitglieder geht es noch so ziemlich leicht, aber für die Theilneh- mer weiss man gar keine praktisch ausführbare Massregel aufzufinden, daher auch an allen früheren Sitzungs-Orten, ohne jede Ausnahrne, hierin die mannigfaltigsten, jedoch unver- meidlichen,, Ueberschreitungen vorgekommen sind. Wie das gedruckte Namens-Verzeichniss nachweisen wird, haben wir vollständig die in Wien während der Naturforscher - Versamm- lung innegehaltenen Gränzen beobachtet und haben nach Kräften nicht dahin gehörige Personen abgewehrt, freilich aber lassen sich manche Leute gar nicht abweisen oder vermeiden und andere schlüpfen unbemerkt hindurch. Manche Schuld an Verwirrungen ähnlicher Art tragen indessen, man darf es nicht leugnen, auch Einige selbst, die im legitimen Besitze ihrer Karten sind: theils aus Vergessenheit, theils, und wir haben darüber Erfahrungen, aus Uebermuth, um gelind zu reden, werden die Legitimationspapiere allerhand Fremden geliehen, oder bei frühzei- tiger Abreise dem ersten Besten geschenkt, oder auf dem Tische liegen gelassen, wo sie dann in die unrechten Hände gerathen ete. ete. Es ist daher ein Gemisch von üblem Willen und von Geschäftsunkenntniss, wenn darüber bittere Klagen geführt werden, dass sich zuweilen an den Versammlungsorten der Gelehrten Personen blieken lassen, die nichts weniger als in diese Gesellschaft gchören. Wo aber ist die Möglichkeit, dergleichen Kleinigkeiten zur Unmöglich- keit zu machen ? Um die Tagesereignisse so wie Notizen jeder erspriesslichen Art zur schleunigen Kennt niss der versammelten Gäste zu bringen, wurde ein jeden Morgen pünktlich erscheinendes Tageblatt begründet, dessen genaue Redaction wir der besonderen Güte der H.H. C. O. Weber und Caspary verdanken. Die Schlösser in Bonn und in Poppelsdorf, so wie die K. Sternwarte und die höhere landwirthschaftliche Anstalt zu Poppelsdorf nahmen die verschiedenen Sectionen des Gelehrten- Vereines in ihren geräumigen Localitäten auf. Das folgende Verzeichniss giebt Nachrichten über das specielle der Einrichtung. 7 ee Section für: Einführender Präsid.: Seeretär: Ort: Lo] BR 4. 5. T. 12. so an, wie sie nachstehend wiedergegeben ist: « Geologie, Mineralogie und Paläontologie. Von 9—11 Uhr. Botanik und Pflanzenphysiologie. Von 8—10 Uhr. Zoologie. Von 10—12 Uhr. Physik. Von 8—10 Uhr. Chemie. Von 10—12 Uhr. », Agronomie und Forstwissenschaft. Von 8—11 Uhr. Astronomie und Mathematik. Von 12—2 Uhr. Anatomie und Physiologie. Von 8—10 Uhr. Praktische Mediein. Von 12—2 Uhr. Chirurgie und Ophthalmiatrik. Von 10—12 Uhr. . Gynäkologie. Von 9—11 Uhr- Psychiatrik. Von 9—11 Uhr. ! Geheimer Bergrath und Prof. Dr. Nöggerath. Oberst Dr. von Siebold. Prof. Dr. Troschel. Prof. Dr. Plücker. Prof. Dr. Bergemann. Director Professor Dr. Hartstein. Prof. Dr. Argelander. Prof. Dr. Helmholtz. Prof. Dr. Naumann. Prof. Dr. Busch. Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Kilian. Prof. Dr. Albers. Dr. vom Rath. Dr. Caspary. Dr. Sonnenburg. Dr. Eichhorn. Apoth. Wachendorf. Dr. Sopp- Dr. Schönfeld. Prof. Schaffhaausen. Prof. Dr. Albers. Prof. Dr. Otto Weber. Dr. Nettekoven. Prof. Schaffhaausen. Mineralogisches Auditorium im Poppelsdorfer Schloss. Universität, Auditorium Nro. IV. Universität, Auditorium Nro. VI. Univers., Auditorium Nro. XIV, Chemisches Auditorium im Pop- pelsdorfer Schloss. Höhere landwirthschaftl. Lehr- anstalt in Poppelsdorf. Sternwarte. Gebäude der Anatomie. Aula der Universität. Chirurgie: Univ. Audit. Nro. XI. Ophthalmiatrik: Univers. Audi- torium Nro. X. Univers., Auditorum No. XVII. Universität, Auditorium No. XI. Ein besonderes jedem Mitgliede und Theilnehmer der Versammlung bei seiner Inseription eingehändigtes Programm gab die während der Sitzungszeit projectirte Ta gesordnung ganz Donnerstag den 17. September. Vorversammlung Abends 8 Uhr im Gasthofe zum goldenen Stern. Gemeinsames Frühstück im Garten des Hötel Royal um 9 Uhr. Freitag den 18. September. Erste allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale in der Universität Morgens 11 Uhr. Nach Schluss derselben Einführung der verschiedenen Sectionen in ihre Sitzungslokale. Wahl des Präsidenten für den folgenden Tag. Die Secretäre sind perpetuell. Feierliches Eröffnungs-Essen im Gasthofe zum goldenen Stern um 3 Uhr Nachmittags. Abends von 8 Uhr ab Reunion im grossen Saale der Lese- und Erholungs-Gesellschaft, wo die vielgekrönte „Bonner Üoncordia“ zu Ehren der Versammlung offene Liedertafel halten wird. Sonnabend den 19. September. Sections-Sitzungen hier und in Poppelsdorf von Morgens $—'/,2 Uhr. = 1 8 Von '%,12—12 Uhr kaltes Frühstück in den unteren Räumen der Lese- und Erholungs-Ge- sellschaft und im Poppelsdorfer Schlosse. Mittagsessen um '/,2 Uhr im grossen Saale der Lese- und Erholungs-Gesellschaft. Um 3 Uhr gemeinsame Fahrt nach dem Drachenfels und Besteigung desselben. Rückfahrt Punkt 7 Uhr. Abends Reunion im grossen Saale des Gasthofes zum goldenen Stern. Sonntag den 20. September. Grosse Festfahrt auf den durch die Freigebigkeit der vereinigten Rhein-Dampfschiff- fahrts-Gesellschaften zur Disposition gestellten drei Schiffen nach der Burg Stolzenfels, nach Coblenz und der prachtvoll erleuchteten Kirche auf dem Apollinarisberge bei Remagen. Ein kaltes Diner findet in Coblenz statt, wozu die dortige Casino-Gesellschaft geneigtest ihre geräumigen Gärten und Locale zur Benutzung gewährt hat. Die Karten dazu A 15 Ser. werden hier gelöst. Abfahrt von Bonn Morgens 7 Uhr. Se » wien Montag den 21. September. Sections-Sitzungen von S—11 Uhr. Zweite allgemeine Sitzung inı grossen Sitzungssaale um 11 Uhr. Mittagsessen im Grand Hötel Royal um 2 Uhr. Nachmittags 4 Uhr gemeinsame Fahrt mit der Eisenbahn nach Rolandseck. Besteigung des Rolandseck und des alten Vulkans Roderberg. Rückfahrt 7 Uhr 15 Min. Abends '%9 Uhr Ball in den Sälen der Lese- und Erholungsgesellschaft. Dienstag den 22. September. Sections-Sitzungen von 8—11 Uhr. Dritte allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale um 11 Uhr. Mittagsessen im Hötel Kley um '/.2 Uhr. Fahrt mit einem gemeinsamen, von der Liberalität der Rheinischen Eisenbahn gewährten Zuge zur festlichen Begrüssung wie zum Besuche Cöln’s und seiner grossen Sehenswürdigkeiten. Abfahrt genau um 3 Uhr. Bei der Ankunft auf dem Cölner Bahn- hofe sammeln sich daselbst alle Gäste und verfügen sich m einem einzigen Zuge nach dem Rathhause, ‘wo der Herr Oberbürgermeister mit dem versammelten Stadtrathe die Kom- menden erwarten wird, um sie von da aus an die verschiedenen Orte ihrer Bestimmung geleiten zu lassen. Abends wird eine Beleuchtung der prachtvollen Nordseite des Domes stattfinden. Rückfahrt /,11 Uhr. Mittwoch den 23. September. Seetions-Sitzungen von 8—2 Uhr. Von '%12—12 Uhr kaltes Früstück in den unteren Räumen der Lese- und Erholungs-Ge- sellschaft und des Poppelsdorfer Schlosses. Abschieds-Essen im Gasthofe zum goldenen Stern um 2 Uhr. Grosses Fest-Concert, von der Stadt Bonn zu Ehren der versammelten Naturforscher und Aerzte veranstaltet, Abends '/,7 Uhr. — Die Herren erscheinen im Frack. Nach dem Concert Versammlung im grossen Saale der Lese- und Erholungs-Gesellschaft. 9 Donnerstag den 24. September. 1. Sections-Sitzungen von 8—11 Uhr. 3. Vierte und letzte allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale um 11 Uhr. 3. Schluss-Essen im Grand Hötel de Belle Vue um 2 Uhr. 4. Letzte gemeinsame Eisenbahnfahrt nach Godesberg um 4 Uhr. Rückfahrt 6%, Uhr. 5. Letzte Reunion in dem Hötel Kley um Y,9 Uhr. Allgemeine Bestimmungen. I. Es ist die Anordnung: getroffen, dass erst nach dem Schlusse der allgemeinen und der Seetions-Sitzungen das Mittagsessen in den verschiedenen Hötels der Stadt für die Herren Mit- glieder und Theilnehmer der Versammlung aufgetragen werden wird. I. Die im Programm angezeigten Mittagsessen sind solche, denen die Geschäftsführung präsidiren wird. II. Zu den allgemeinen Sitzungen und zu allen gemeinsamen Ausflügen, für welche be- sondere Karten ausgegeben werden, so wie zu den Diners und R&unions, sind auch dieDamen der verehrten Mitglieder und Theilnehmer auf das Freundlichste eingeladen. IV. Die Vertheilung der Karten zu der grossen Dampfschifffahrt, dem BesucheCöln’s und dem Fest-Ooncerte derStadtBonn findet statt imgrossen Rathhaussaale, am Sonnabend den 19.,, am Montag den 21. und am Dienstag den 22. September jedesmal von 8&—'/,10 Uhr Morgens. V. Es wird dringend gebeten, die Stunde der Ab- und Rückfahrten der Eisenbahn sowohl, wie der Dampfschiffe genau zu merken, da dieselben pünktlich inne gehalten werden müssen. . Indem wir uns nun zu einem kurzen geschichtlichen Abriss der Versammlung wenden, bemerken wir zuvörderst, dass kein Punkt der festgestellten Tagesordnung brauchte abgeändert zu werden, und dass die Umstände die 33. Zusammenkunft unsrer Wissenschaftsgenossen und Freunde ausserordentlich begünstigt haben. Die Wahl Bonns zeigte sich als eine gelungene und gewiss die Meisten werden eine angenehme Erinnerung an die rheinische Musenstadt in die Heimath mitgenommen haben. Die erste allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale in der Universität fand am Freitag den 18. September früh 11 Uhr statt. Die Herren Professoren Helmholtz und Troschel hatten für diese Sitzungen die Mühe der Protokoll-Führung bereitwilligst übernommen. Der erste Geschäftsführer eröffnete die Sitzung, und der zweite theilte sodann, nach üblicher Ver- . lesung der Statuten, die eingelaufenen Begrüssungsschreiben und Anträge mit, worüber in einem folgenden Theil ausführlich berichtet wird. An die Begrüssungsrede des Bürgermeisters der Stadt Bonn, HerrnKzufmann, reihten sich wissenschaftliche Vorträge und zwar des Prof. Schultz-Schultzenstein aus Berlin über den Werth der Naturwissenschaften für die mensch- liche Bildung; des Staatsraths Prof. Mädler in Dorpat über Fixsterne, des Staatsraths Ham el über den Erfinder der elektrischen Telegraphie, woran sich verschiedene diesen Punkt betreffende Bemerkungen mehrerer Redner anschlossen. — In den Seetionen fand darauf die Wahl der 2 Z Präsidenten für die nächste Sitzung um die endgültige Bestimmung. der Zeit für die Zusam- menkünfte statt, worauf einige der Sectionen sofort ihre wissenschaftliche Thätigkeit begannen. Das Eröffnungsessen im Stern verlief in der erfreulichsten Weise und vereinigte die Ge- sellschaft bis zum späten Abend. Die musikalischen Leistungen der „Bonner Concordia“ schlossen den Abend in würdiger Weise. — Der zweite Tag, der 19. Sept., sah die sämmt- lichen Sectionen in voller Thätigkeit, während am Nachmittag, beim schönsten Wetter, die Fahrt nach dem Drachenfels, mittels Extrazugs der Rheinischen Eisenbahn, angetreten wurde. Auf diesem schönen Punkte des nachbarlichen Siebengebirges, den mehrere hundert Personen besuchten, hielt der erste Geschäftsführer eine erklärende Anrede über Geschichte, Natur und Gegenwart der vorliegenden Landschaft. Der darauf folgende Sonntag, der 20. Sept., brachte die Festfahrt nach Coblenz, Stolzenfels und Remagen, welche allerorten die Huldigung gegen die Pflege der Natur- und Heilkunde bei den Anwohnern des Rhein- stroms hervorrief. Drei festlich geschmückte Dampfer fuhren unter frohen Musikweisen am schönsten Herbsttag den Rhein hinauf, wo von jedem Örte herüber Flaggen, Böllerschüsse und Hurrahruf grüssten und von den Schiffen fröhlich erwiedert wurden. In Stolzenfels, einem der schönsten Königssitze am Rhein, waren sämmtliche Räume des Schlosses geöffnet, und nach kurzer Besichtigung begab sich die Flotille nach Coblenz, wo an der Landungs- brücke die Versammlung vom Regierungspräsidenten Herm Kühlwetter, damaligen Ver-. treter des unpässlichen Ober-Präsidenten der Provinz, von dem Herrn Bürgermeister und Stadtverordneten, Namens der Stadt, und dem Vorsteher des Coblenzer naturhistorischen Vereins, Herrn Dr. Wirtgen, ehrend begrüsst wurden. Näch dem Danke seitens der Ge- schäftsführer begab sich der Zug, einer schmeichelhaften hohen Einladung folgend, nach dem Residenzschlosse Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen von Preussen, wo höchst dessen Gemahlin, die Frau Prinzessin von Preussen, Kg]. Hoheit, in höchst eigner Person die Versammlung beehrte und sich die hervorragendsten Anwesenden vorstellen liess. Ein kaltes Diner in den Räumen des Casino, das nach 4 Uhr eingenommen wurde, vermochte die höchst abgespannten Gemüther der Festfahrenden nicht ganz zu stärken und zu befriedigen. Der Geschäftsführung war es weder bei dieser Fahrt, noch bei dem Feste in Cöln vergönnt, den mindesten Einfluss auf die getroffenen Anordnungen zu üben, da sich in beiden Städten die Festordner dieses Recht allein vorbehalten hatten. Wenn aber in einem der gehässigen Berichte die Insinuation laut wird, es seien in Bonn für mehr Personen Diner-Karten ausgegeben worden, als in Co- blenz hätten anwesend sein können, so diene bierauf die officielle Mittheilung, dass die Geschäfts- führung nach ihrer Vorausbestellung eine bedeutende Anzahl Diner-Billete mehr bezahlt hat, als in Bonn eingelöst worden waren. Man trat die Rückfahrt an, und langte gegen 5 Uhr Abends bei einbrechender Dunkelheit inRemagen an, wo der Herr Graf von Fürstenberg- Stammheim die schöne Appollinariskirche hatte festlich erleuchten lassen, den Zug der Gäste am Eingange zu seiner Besitzung in eigener Person und mit den freundlichsten Worten em- pfing und nach der Besichtigung der wahrhaft blendenden Schönheiten des Tempels, in den Garten geleitete, wo ein reicher Imbiss der Ankommenden harrte. Als aber die Festgenossen den Rückweg; antraten und die am Rheinesufer ihrer harrenden Dampfschiffe bestiegen, sollte ihnen noch die schönste Ueberraschung den heute so genussreich verlebten- Tag zum unvergesslichen machen. Plötzlich nämlich erglänzte in die tief dunkle Nacht hinein im prachtvollsten, benga- lischen Feuerscheine das zierlich gebaute Gotteshaus auf des Berges Spitze und in wechseln- der Farbenpracht wiederholte sich das unvergleichliche Schauspiel, welches die ganze Versamm- lung zu begeisterten Rufen des Dankes für den kunstsinnigen Grafen stimmte. Abends nach 10 Uhr erreichte man das in reicher Uferbeleuchtung weithin glänzende Bonn, erfüllt von den verschiedenen tiefen Eindrücken die der Tag gebracht hatte. — Am 21. Sept. war die 2. all- gemeine Sitzung, nachdem die Stunden zuvor die Sectionen versammelt gewesen waren. Die statutengemäss vorgenommene Wahl des nächsten Versammlungsortes fiel auf Karlsruhe; es folgte die Verlesung mehrerer Schreiben an die Versammlung, und die Vorträge des Herrn Dr. Schwartz (Sigmaringen) über Seelenheilkunde, des Prof. Helmholtz über die Merkmale, durch die wir die Entfernungen der Objekte beurtheilen, des Dr. Schimper (Schwetzingen) über die Struktur der pflanzlichen Zellhaut. — Daran schloss sich Nachmittags die Fahrt nach dem wundervoll gelegenen Rolandseck am Rhein, und die Besichtigung des alten Vulkans Roderberg, und am Abend der Festball in den Räumen der Lese- und Erholungs-Gesellschaft. — Dienstag den 22., mit Sectionssitzungen eröffnet, brachte die 3. allgemeine Sitzung, deren Hauptgegenstand der Beschluss über die Verwendung der aus der vorjährigen Ver- sammlung in Wien zur Verfügung stehenden Summe von S707 Gulden war. Nach einigen Debatten wurde die Summe, nach dem Vorschlag der k. k. Akademie in Wien, der Leopol- dina-Carolina ohne Vorbehalt überwiesen. Nachmittags 3 Uhr fand die grosse Eisenbahn- Festfahrt nach Köln statt, wo ein imposanter Zug von über 1000 Personen sich nach dem Rathhaussaale begab und daselbst von dem Oberbürgermeister Herrn Stupp und den Stadt- verordneten der Stadt festlich begrüsst wurden. Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden sollen am Schlusse des Berichts über die allgemeinen Sitzungen mitgetheilt werden. Es wurde der Dom, an dessen Eingang der Dompfarrer, Herr Domeapitular Dr. Will, den Zug be- grüsste, und der Dombaumeister, der Geh. Baurath Herr Zwirner die Leitung und Erklä- rung übernahm, in Allen seinen Theilen, die Dom-Schätze, die Dombauhütten, das vaterlän- dische Museum Wallrafianum, u. s. w. besichtigt, wobei leider die Dämmerung dem Genuss Ab- bruch that. Darauf nahm der botanische Garten die Versammlung auf, wo die künstlichen Mi- neralwasser frei gespendet wurden, bis nach 8 Uhr die Erleuchtung der Nordseite des Domes einen kurzen,saber hohen Genuss darbot. In den gastlichen Räumen des Casino erwartete. eine reiche Abenderfrischung. die Gesellschaft, gastfrei gespendeter Wein belebte die Geister, und in grösster Heiterkeit blieb man versammelt bis die Zeit der Abfahrt von Köln gekommen war, dessen Vertreter Alles gethan hatten, um die in Bonn tagende Versammlung deutscher Gelehr- ten zu ehren. Um so schmerzlicher ist es zu beklagen, dass die Unbescheidenheit der An- forderungen so weit gehen konnte, darüber Unzufriedenheit zu äussern, dass nicht alle Eisen- bahnwagen erster Klasse waren. Am 23. Sept. waren Sectionssitzungen, das Abschiedsessen im goldenen Stern, und am Abend das grosse Fest-Concert, das die Stadt Bonn der Ver- sammlung, zu Ehren veranstaltete. Gefeierte Künstler waren zur Leitung und Ausführung be- rufen, und die reichen Kräfte Bonns und Kölns trugen dazu bei, die Aufführung mehrerer der erlesensten Schöpfungen Beethoven’s, dessen Wiege Bonn gesehen, zu einer sehr gelungenen zu machen. — Am Donnerstag endlich, den 24. Sept., versammelten sich die Sectionen zum letzten Male, und war die letzte allgemeine Sitzung, in welcher, nach den Vorträgen des Prof. Schaaffhausen über die Entwicklung. des Menschengeschlechts, des Dr. Bialoblotzky über die jetzt allein empfehlenswerthe Art und Weise Afrika zu erforschen, des Oberst von Sie- bold über verschiedene Japan betreffende Punkte, die üblichen Abschiedsreden und Dankworte gehalten wurden. — Unter geringer Betheiligung ging die Fahrtnach Godesberg vor sich und der eintretende Witterungswechsel verscheuchte sehr schnell die Mehrzahl der zur Ver- sammlung Eingetroffenen. Die Geschäftsführer erliessen nunmehr, wie schon mündlich in der 4. allgemeinen Sitzung 12 geschehen war, eine gedruckte Aufforderung die Manuscripte zu den gehaltenen Vorträgen einzusenden, die hier mitgetheilt wird: i „Die verehrten Herren Mitglieder und Theilnehmer der in Bonn abgehaltenen XXXIN. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, welche in den allgemeinen und Sections- Sitzungen Vorträge gehalten haben, und wünschen, dass darüber eine ausführlichere Notiz in den von uns herauszugebenden „Verhandlungen“ jener Versammlung abgedruckt werde, als diejenige ist, welche die Sitzungsprotocolle enthalten, werden hiermit ganz ergebenst ersucht, dieselbe an die Adresse des mitunterzeichneten ersten Geschäftsführers bis zu Anfang des nächsten Jahres franco oder durch Buchhändler-Gelegenheit einzusenden. Grössere Abhand- lungen, deren Inhalt sich weiter als der gehaltene Vortrag verbreitet, können nicht aufgenom- men werden. Bonn, den 28. October 1857. Die Geschäftsführer der XXXIII, Versammlung deutscher Naturforscher und Aeızte: Dr. Noeggerath. Dr. Kilian.“ und übersandten schliesslich, als letzte Amtshandlung, den Geschäftsführern der folgenden Natur- forscherversammlung nachfolgenden Protokoll-Auszug: Den hochverehrten Herrn Mitgliedern der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, Hofrath Professor Dr. Eisenlohr und Medizinal-Rath Dr. Voltz, beide zu Carlsruhe, beehren sich die Unterzeichneten, folgenden Auszug aus dem, bei der genannten Versammlung in der 2. allgemeinen Sitzung am 21. September 1857 abgehaltenen Protokolle als ersten Aus- gangs und Anhaltspunkt der nächstjährigen Geschäftsführung officiell mitzutheilen, und gleich- zeitig die allerbesten Wünsche für das Gedeihen der Geschäftsführung im Jahr 1858 und da- durch auch für den Glanz dieser Versammlung selbst auszusprechen: „Der erste Geschäftsführer eröffnete die Sitzung, deren Gegenstand zunächst nach Vor- schrift der Statuten die Wahl des Versammlungsortes für das nächste Jahr war, gegen '/,12 Uhr. Von der Stadt Ems war eine schriftliche Einladung eingegangen. Prof. Schrötter aus Wien schlug Karlsruhe vor, welchem Antrage Berghauptmann v. Carnall das Wort redete. Auch Hofrath Eisenlohr aus Karlsruhe sprach warm für Karlsruhe und brachte die officielle Einladung seines Fürsten. Sanitätsrath Dr. Ruer aus Düsseldorf lud im Namen des Magistrats von Düsseldorf für das nächste oder eines der nächsten Jahre ein. Bei der Abstimmung wurde fast einstimmig Karlsruhe zum Versammlungsort erwählt. Zum ersten Geschäftsführer für das kommende Jahr wurde Hofrath Prof. Dr. Eisenlohr, zum zweiten Medizinal-Rath Voltz durch Accelamation erwählt.“ Bonn, den 8. November 1857. Die Geschäftsführer der XXXIH. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte: Dr. Noeggerath. Dr. Kilian. Es verdient erwähnt zu werden, dass zur Zeit der Versammlung der Naturforscher und Aerzte Sitzung hielten: 1) Der Verein für gemeinschaftliche Arbeiten zur Förderung der wissen- schaftlichen Heilkunde (21. Sept.) 2) Die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und ge- richtliche’Psychologie am 19. Sept. 3) Die deutsche geologische Gesellschaft, in den Räu- men des naturhistorischen Museums zu Poppelsdorf. Ferner hatten zur Ansicht ausgestellt die Herren Beneche von Berlin und Nachet aus 15 Paris ihre Microscope, Uharriere aus Paris, und Bandagist Mies in Cöln ihre chirurgischen Instrumente. Herr Dr. Krantz empfahl seine so reiche Mineraliensammlung zur Besichtigung und Auswahl aus seinen Verkaufs-Vorräthen. Der Oonservator des naturhistorischen Museums, Herr Dickert, stellte das von ihm verfertigte grosse Relief des Mondes im Poppelsdorfer Schlosse aus, über welches der Staatsrath Professor Dr. Mädler sich erklärend und sehr an- erkennend in einem besondern Vortrage aussprach. Es ist noch zu erwähnen, dass Herr Berghauptmann von Dechen während der ganzen Dauer der Versammlung alle Abende, sehr anregende Gesellschaften in seiner Wohnung, beson- ders für die Mitglieder der Sektion für Geologie, Mineralogie und Paläontologie gegeben hat, wozu aber nicht allein diese, sondern auch noch so viele andere Mitglieder der Versammlung eingeladen waren, als die gastlichen Räume fassen konnten. Wir schliessen hieran die alphabetisch geordneten Verzeichnisse der Mitglieder und Theil- nehmer diesjähriger Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. A. Mitglieder. Abich, Hermann, Dr., Akademiker aus Petersburg. Mineralogie und Geologie. Abe, Friedrich, Dr. und k. k. Medieamentenofficial aus Rastatt. Chemie, Zoologie, Botanik. Achenbach, A., Bergreferendar aus Bonn. Geologie. Albers, Professor der Medicin in Bonn. Psychiatrie und Medicin. Althans, ©. L., Oberbergrath von Saynerhütte. Geologie und Astronomie. Andrae, Carl, Dr. phil. und Docent in Halle a. S. Mineralogie. Appia, L., Dr. med. in Genf. Mediein. Arsgelander, Fr., Professor in Bonn. Astronomie. Arnoldi, Karl Wilhelm, Dr., Distriktsarzt in Winningen. Psychiatrie (Paläontologie). Bach, M., Lehrer in Boppard. Zoologie und Botanik. Bärensprung, F. von, Dr. med., Professor in Berlin. Mediein. Bary, A. de, Professor in Freiburg i. B. Botanik. Baum, Hofrath und Professor in Göttingen. Chirurgie. Baumhaus, E. W. von, Professor in Amsterdam. Chemie. ' Baur, Bergmeister in Eschweiler. Geologie. B&court, G., Dr. med. und Epidemiearzt in Paris. Chirurgie. Beer, Professor in Bonn. Physik und Mathematik. Beneden, van, Professor in Löwen. Zoologie. Beneke, F. W., Hofrath, Dr. med. in Marburg. Medicin. Bergemann, Professor in Bonn. Chemie. Bernhardi, Wilhelm, Dr., Arzt in Eilenburg. Chirurgie und Geburtshilfe. Bialloblotzky, Friedrich, Dr. in Göttingen. Geologie. Bieger, Dr., Arzt in Mülheim a. R. Birnbaum, Fr., Dr., Direktor der Hebammenlehranstalt in Trier. Gynäkologie. Blanchard, Emile, Prosektor am Pflanzengarten in Paris. Zoologie. Blasius, Geheimer Medicinalrath und Professor in Halle. Chirurgie. Bleibtreu, H., Dr., Bergwerks-Direktor von der Alaunhütte auf der Hardt bei Bonn. Geologie. Bley, L. F., Dr., Medieinalrath in Bernburg. Chemie. Bluhme, Bergreferendar in Olpe. Mineralogie. Blum, R., Dr., Professor in Heidelberg. Mineralogie. 14 Boeck, W., Professor in Christiania. Chirurgie. Boecker, Wilhelm, Kreisphysikus in Bonn. Medicin. Boenninghausen, E. W., Regierungsrath a. D. in Münster. Botanik und Agronomie. Boettger, Rud., Dr., Professor der Physik und Chemie in Frankfurt a.M. Physik u. Chemie. Bolzani, Joseph, Magister der Mathematik in Kasan. Mathematik und Physik. Borne, v. d., Bergreferendar in Bochum. Geologie. Borsche, J., Dr. phil. in Leyden. Physik. Boschan, Friedrich, Dr. med. und Brunnenarzt in Franzensbad. Medicin. Bonredon, Jules, Dr. phil. in Lüttich. Zoologie. Brandt, Staatsrath aus St. Petersburg. Mediein. Brandt, Partieulier in Bremen. Mineralogie. Brassai, Samuel, Mitglied der ungar. Akademie in Pesth. Botanik. Brassert, H., Oberbergrath in Bonn. Geologie. Braun, Alex., Professor der Botanik in Berlin. Botanik. Braun, Max, Oberingenieur in Altenberg bei Aachen. Mineralogie und Geologie. Breslau, Bernhard, Dr., Privatdocent und prakt. Arzt in München. Gynäkologie. Bromeis, C., Docent in Marburg. Chemie. Bronner, Oekonomierath in Wiesloch. Botanik. Brosius, Dr., Direktor einer Privatanstalt in Bendorf. Psychiatrie. Bruch, C., Professor der Anatomie und Physiologie in Giessen. Anatomie und Physiologie. Brinkhorst, van, Jonkh. van den Brinkhorst, Rentner in Maestricht. Geologie. Büchner, E., Dr. med. in Darmstadt. Mediein. 3 Burkart, J. W., Dr., Oberbergrath in Bonn. Mineralogie. Busch, Wilhelm, Professor in Bonn. Chirurgie. Butlerow, Alexander, Professor an der Universität in Kasan. Chemie. Buys-Ballot, Dr., Direktor d. Kg]. Niederl. Meteorol. Instituts in Utrecht. Physik u. Meteorologie. Candöze, Doctor in Lüttich. Zoologie (Entomol.). Cantor, Moritz, Dr. und Privatdocent der Mathematik in Heidelberg. Mathematik. Carnall, von, Dr., Berghauptmann in Breslau. Geologie. Carnap-Bornheim, Frhr. v., K. P. Kammerherr, Burg Bornheim. Landwirthschaft. Carus, J. Viktor, Professor in Leipzig. Zoologie und vergleichende Anatomie. Caspary, Robert, Dr., Privatdocent der Botanik in Bonn. Botanik. Cienkowsky, Dr., Professor in St. Petersburg. Botanik. Claus, C., Dr. in Cassel. Zoologie. Oohn, Ferdinand, Dr., Professor in Breslau. Botanik. Cop, M. J., Dr. phil., Professor in Deventer. Chemie. Cornaz, Dr. med., in Neuenburg (Schweiz). Mediein. Couperus, G. G., Rentier in Bonn. Chemie. Crede, Professor in Leipzig. Gynäkologie. Curtmann, Seminardirektor in Friedberg. Physik. Czermak, Joh., Professor in Krakau. Physiologie. Daub, H., Berginspektor in Carlsruhe. Geologie. Daubr&e, Dekan der Fakultät der Wissenschaften in Strassburg. Geognosie. Davidson, Anselm, Dr. med. in Breslau. Medicin. Dawosky, S., Dr. med. in Celle. Prakt. Medicin. Dechen, H. von, Berghauptmann in Bonn. Geologie. 15 Deiters, Prof. Dr., d. Z. Rektor der rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. in ‚Bonn. Diehl, W., Dr. Gymnasiallehrer in Giessen. Zoologie und Botanik. Döring, Dr., Sanitätsrath in Remscheid. Botanik. Donders, H. C., Professor in Utrecht. Anatomie und Physiologie. Dorl, Bernhard, Dr. med. und Bataillonsarzt in Gotha. Medicin. Dove, Professor in Berlin. Physik. Drescher, Emil, Dr. phil. in Frankfurt a. M. Geologie. Droste, Aug., Dr., Sanitätsrath in Osnabrück. Psychiatrie und Medicin, Dunker, Oberbergrath in Cassel. Geologie. Eichhorn, H., Dr. phil. in Poppelsdorf. Physik. Eisenlohr, W., Dr., Hofrath und Professor in Karlsruhe. Physik. Elie de Beaumont, L. Professor in Paris. Geologie. Enders, Dr., Arzt in Lengsfeld. Medicin. Engelmann, George, Dr. med. und praktischer Arzt in St. Louis in Missouri. Botanik. Engstfeld, E., Gymnasiallehrer in Siegen. Botanik. Erhard, Dr., Otologe in Berlin. Chirurgie. Erlenmeyer, Dr., Arzt in Bendorf bei Coblenz. Psychiatrie. Esmarch, Dr., Direktor der chirurgischen Klinik in Kiel. Chirurgie. Ettingshausen, Andreas, Ritter von, Dr., k. k. Regierungsrath und Direktor des physikali: schen Instituts der Universität in Wien. Physik. Eulenberg, Dr., Medicinalrath in Coblenz. Psychiatrie, Eulenburg, M., Dr. med., prakt. Arzt und Operateur, Königl. Sanitätsrath, Direktor des In- stituts für Schwedische Heilgymnastik und Orthopädie in Berlin. Chirurgie. Eversmann, Eduard, Wirklicher Staatsrath in Kasan. Zoologie. Ewich, Dr., Arzt in Cöln. Medicin. Faber, Charles, Direktor der Ackerbauschule des Staats in Echternach, Grosshzgth. Luxemburg: Agronomie. Fallati, Dr., Arzt in Tübingen und Wildbad. Physik. Feist, Dr., Arzt in Boppard. Medicin. Feldmann, Franz, Dr., Arzt in Solingen. Mediein. Fick, Adolf, Professor in Zürich. Physiologie. Fick, Ludwig, Dr., Professor der Anatomie in Marburg. ‚Anatomie und Physiologie. Filipuzzi, Franz, Dr., Chemiker in Venedig. Chemie. Fleitmann, Dr., Chemiker in Iserlohn. Chemie. Focke, G. W., Dr., Arzt in Bremen. Physiologie. Förster, Dr., Professor in Aachen. Zoologie. Förster, W., Dr. phil. und Assistent der Kön. Sternwarte in Berlin. Mathematik und Astro onomie. For nen P. W., Dr., Professor in Kiel. : Geologie. Francke, August, Gen eralanak a. D. in Breslau. Medicin. Fresenius, R., Dr., Geh. Hofrath und Professor in Wiesbaden. Chemie. Freytag, M., Lehrer der Naturwissenschaften in. Cöln.- Chemie. Friekhöffer, C., Dr. med. in Weilmünster (Nassau). -Mediein. Friedlieb, Dr., Medieinalrath in Homburg. Mediein. Friedreich, N., Professor der Mediein in Würzburg. Pathologie und pathologische Anatomie. Fuchs, C. J., Professor in Carlsruhe. Anatomie und Physiologie. 16 Fuchs, C. F., Dr., Medicinalrath in Schmalkalden. Physik und Mediein. Fürstenberg-Stammheim, Graf von, Kammerherr in Stammheim. Garms, Dr., Arzt in Soest. Medicin. Gasparrini, Guillaume, Professor in Paris. Botanik. Genth, E. A., Dr. med. in Wiesbaden. Medicin. Gerhard, Wilhelm, Legationsrath in Leipzig. Geologie. Gerlach, J., Professor in Erlangen. Anatomie. Germann, Friedrich, Dr. und Privatdocent in Leipzig. Geburtshilfe. Gerolt, Frd., Königl. Gesandter bei den vereinigten Staaten in Washington. Geologie. Geuns, J. v., Professor in Amsterdam. Mediein. Geyer-Schweppenbursg, Freiherr von, Vicepräsident der Rhein. Eisenbahn.-Direktion in Köln. Glösener, Professor in Lüttich. Physik. Glenck, A., Bergrath in Gera. Mineralogie. Gordon, Alexander, Privatmann in Bonn. Geologie. Gorski, ee Mag. phil. Privatmann in Russland. Zoologie und vergleichende Anatomie. Gräfe, C., Dr., Arzt in Halle a. S. Mediein und Physiologie. Grätzer, De Sanitätsrath in Breslau. Mediein. Greiss, B. B., Dr., Professor in Wiesbaden. Physik. Grube, Ed., Dr., Professor in Breslau. Zoologie. Günther, Dr., Generalstabsarzt in Dresden. Chirurgie. Gurlt, E., Dr. med., Privatdocent der Chirurgie in Berlin. Mediein. Gutberlet, W., Realschulinspektor in Fulda. Geologie. Hamel, In., Akademiker, Wirklicher Staatsrath in St. Petersburg. Physik und Chemie. Harley, Georges, Docent der Physiologie in London. Naturgeschichte und Physiologie. Harting, P., Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie in Utrecht. Zoologie. Hartmann, Carl, Gewerbeschuldirektor in Trier. Physik. Hartstein, Dr., Professor in Poppelsdorf. Agronomie. Hartung, Dr., Stadtphysikus in Aachen. Mediein. Hauchecorne, Generalagent der Eisenbahnen in Köln. Hebert, E., Professor in Paris. Geologie. Hecker, Dr., Privatdocent und prakt. Arzt in Berlin. Mediein. Heimsoeth, Friedrich, Professor in Bonn. Physik. Heinen, F., Dr., Direktor der Realschule in Düsseldorf. Physik. Heis, E., Dr., Professor in Münster. Astronomie und Mathematik. Helmholtz, Hermann, Dr., Professor in Bonn. Anatomie und Physiologie. Henry, Aime, Bibliothekar der Leop. Carol. Akademie in Bonn. Botanik. Hertz, Carl, Dr., praktischer Arzt und Vorsteher einer Privatirrenanstalt in Bonn. Psychiatrie. Heusinger, Otto, Dr. med. in Marburg. Mediein. Heynsius, A., Dr. med. et phil. nat. in Amsterdam. Anatomie und Physiologie. Hingenau, Otto, Freiherr von, k. k. öst. Bergrath und Professor in Wien. . Geologie. Hittorf, Wilhelm Professor in Münster. Physik. Hövel, von, Berghauptmann in Halle... Mineralogie. Hörnig, Emil, Professor der Chemie in Wien. Chemie und Physik. Hoeven, J. van der, Professor in Leiden. Zoologie. Hoffmann, H., Professor in "Giessen. Botanik. 17 Hoffmann, G., Dr. med. in Greifswald. Mediein. Hoppe, F., Privatdocent in Berlin. Medicin. Hosius, Aug., Dr., Gymnasiallehrer in Münster. Geologie. Huyssen, Kgl. Bergamtsdirektor in Düren. Mineralogie: Jäger, Eduard, Dr., Professor in Wien. Chirurgie und Augenheilkunde. Jäger, Obermedicinalrath und Professor in Stuttgart. Mineralogie, Zoologie und. Botanik. Jansen, Ed., Dr., Professor in Wien. Chirurgie und Augenheilkunde. Jones, Sekretär bei dem geologischen Museum in London. Geologie. Jung, Wilhelm, Oberbergrath in Bonn. Geologie. Jung, W., Medicinalassessor in Hochheim. Chemie und Botanik. Junge, Eduard, Arzt in Moskau. Anatomie. Kalt, Dr., praktischer Arzt in Bonn. Mediein. Karsch, Prof, Dr., prakt. Arzt und ausserord. Professor in Münster. Mediein, Botanik, Zoologie. Karnes, Dr. med. in Prag. Prakt. Mediein. Kaufmann, Professor in Bonn. Agronomie. Keber, F., Dr., Kreisphysikus in Insterburg. Mediein und Physiologie. Keller, Jos., Dr., Chef-Arzt der k. k. österr. Staats-Eisenbahngesellschaft in Wien. RER Kelp, Dr., Medicinalrath in Oldenburg. Psychiatrie. Kenngott, A., Dr., Professor in Zürich. Mineralogie. Kesselkaul, Dr. med. in Aachen. Mediein, Kilian, H. F., Dr., Geheimer Medicinalrath und ‚J’rofessor in Bonn. Gynäkologie. Kirschbaum, C. L., Professor und Museumsinspector in ‘Wiesbaden. Zoologie. Klaus, Oarl, Berg- und Hüttendirector in Mannheim. Klipstein, Dr., Professor in Giessen. Mineralogie. Klob, Julius, Dr., I. Assistent an der el für pathologische Anatomie in Wien. Rn tomie und Physiologie. Knabbe, H., Dr., Direktor der Provinzial-Irrenanstalt zu Marsberg in Westphalen. Psychiatrie. Knop, A., Professor in Giessen. Mineralogie. Knüttel, J., Privatgelehrter in Amsterdam. "Botanik und Pflanzenphysiologie. Königsfeld, G. A., Dr., Kreisphysikus in Düren. Chirurgie. Königshöfer, 'Theodor,, Dr., k. bayr. Militärarzt in Aschaffenburg: Chirurgie ERr Ophl thalmologie. Kokscharow, N. de, Obristlieutenant und’Mitglied der kais. Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Mineralogie. Kolb, Dr., Arzt in Soden. Mediein. WW Krantz, G., Dr. phil. in Berlin. Zoologie. f Krantz, A., Dr. phil. in Bonn. Mineralogie. Krause, @., Dr., Arzt in Düsseldorf. Mediein. Krauss, Professor in Stuttgart. Zoologie und Mineralogie. Kremers, P., Privatmann in Bonn, Physik und Chemie. Kreutzer, Carl, k.k. Bibliotheksbeamter in Wien. Botanik. Krieger, F. W., Professor der Mediein in Leiden. Chirurgie. Krohn, August, Dr. in Hamburg. "Zoologie. Krüger, A., Dr. phil. in Bonn. Astronomie. Kruse, C., Dr., Oberlehrer in Elberfeld. Geologie. I (ee) 18 Kubinyi, August von, k.k. Rath und Direktor des ungarischen Nationalmuseums in Pest. Zoo: logie und Mineralogie. Küchler, H., Dr. med. in Darmstadt. Operative Chirurgie. Kuhlmann, Frederic, Professor der Chemie in Lille. Chemie. Kupffer, C., Dr. med. in Dorpat. Anatomie. ; Kussmaul, A., Professor der Mediein in Heidelberg. Pathologie. Lafresnaye, Bar. de, Naturhistoriker in Falaise. Naturgeschichte. Lamby, Dr., Sanitätsrath in Iburg. Mediein. Langenbach, Prof., Dr. med., in Hannover. Mediein. Lawrence, J. Z., Mitglied des Royal-College in London. Anatomie und Chirurgie. Lehmann, L., Dr., Arzt in Bad Oeynhausen. Mediein (Balneologie). ; Lenhossek, Joseph von, k. k. Professor der Anatomie in Klausenburg. Anatomie und Physiologie. Lenz, Eduard, Dr., Arzt in Cöln. Mediein. Leo, Ludwig, Dr. med. in Bonn. Mediein. Leonhardi, H., Dr., Professor der Philosophie in Prag. Botanik und Psychiatrie. Le Roy d’Etiolles, Professor in Paris. Mediein. Lersch, B. M., Dr., Arzt in Aachen. Mediecin. Leubuscher, R., Professor in Jena. Mediein. Leuekhardt, Dr., Professor in Giessen. Zoologie. Litzmann, Dr., Professor in Kiel. Mediein. Löffler, F., Dr. med., Oberstabsarzt in Frankfurt a. d. O. Chirurgie. Löhr, M. J., Apotheker in Oöln. Botanik und ‚Chemie. Löwe, Lucius, Dr., Chemiker in Frankfurt am Main. Chemie. Löwenthal, Adolph M., Besitzer'ieiner galvanoplastischen Anstalt in Cöln. Physik. Lohmeyer, C. F., Dr. med., Privatdocent in Göttingen. Chirurgie. Lorent, Ed., Dr., Arzt der Krankenanstalt in Bremen. Medicin. Lorinser, Friedrich, Dr., k.k. Primarwundarzt in Wien. Chirurgie. Lucae, Joh. Christ. Gust., Dr., Lehrer der Anatomie am Senckenbergischen Institute in Frank- furt a. M. Anatomie und Physiologie. Ludwig, Dr., Director der Gr. hessischen Landes - Irrenanstalt in Hofheim. Anatomie und Physiologie. Mädler, Dr., Staatsrath und ordentl. Professor in Dorpat. Mathematik. Mahr, Dr., Regimentsarzt in Wiesbaden. Mediein. Maifels, Ferdinand, Naturforscher in Coblenz. Anatomie und Physiologie. Mansfeld, Medicinalrath in Braunschweig. Psychiatrie. Marbach, Oswald, Hofrath und Professor in Leipzig. Physik. Marbach, Woldemar, Dr. med., practischer Arzt in Schmiedeberg in Schlesien. Naturgesch. Marbach, Hermann, Docent an der k. Universität in Breslau. Physik. Marck, Wilhelm von der, Apotheker in Hamm. Mineralogie und Geologie. Marenbach, Bergmeister in Siegen. Geologie. Marquart, L. C., Dr., Fabrikinhaber in Bonn. Chemie. Mayer, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor in Bonn. Anatomie und Physiologie. Mayer, Dr., Arzt in Mainz. Mediein. Meidinger, H., Dr., Privatdocent in Heidelberg. Chemie. 19 Mellen, H., Dr., Assistent des Professor Donders in Utrecht. Physiologie. Merian, P., Rathsherr in Basel. Mineralogie. Merrem, Dr., Geh. Medieinalrath in Cöln. Medicin. Metz, Dr., Sanitätsrath in Aachen. Mediein und Chirurgie. Mevissen, Präsident der Rheinischen Eisenbahn-Direction in Köln. Meyer, Hermann von, in Frankfurt a. M. Geologie. Meyer, Hermann, Dr., Professor in Zürich. Anatomie. Meyer, Fr., Dr. med. in Eitorf. Psychiatrie. Meyer, Jürgen B., Dr. phil. in Hamburg. Zoologie. Meyerstein, Inspektor in Göttingen, Physik. Mitscherlich, Oskar, Forstkandidat in Berlin. Agronomie und Forstwissenschaft. Möbius, K., Dr. phil. in Hamburg. Zoologie. Möller, von, Präsident der Königl. Regierung zu Oöln. Mohr, Dr., Medicinalrath in Coblenz. Chemie. Moll, Hugo, Kaufmann in Bonn. Chemie. Moll, C. L., Ingenieur in Cöln. Physik. Moll, Christian, Sanitätsrath in Andernach. Morren, Ed., Professor in Lüttich. Botanik. Moser, Ludwig, Professor in Königsberg. Physik. Mühlhauser, Dr., Arzt in Speyer. Mediein und Chemie. Müller, Louis, Dr., Privatdocent in Berlin. Chemie. Müller, J., Dr., Öberlehrer in Aachen. Geologie. Müller, H., Professor in Würzburg. Anatomie. Müller, Professor in Freiburg i. B. Physik. Müller, J. B., Dr. phil., Medicinalrath in Berlin. Chemie. Müller, ©., Ds med., Sanitätsrath in Hannover. Chirurgie. Murchison, Sir Roderick J., Generaldirektor und Präsident in London. ' Geologie. Musset, C., Hofgerichtsassessor in Dillenburg. Mediein. Naegeli, C., Professor in München. Botanik. Nauck, Dr., Direktor der Königl. Gewerbschule in Crefeld. Chemie und Mineralogie. Naumann, Dr., Professor der Medicin in Bonn. Mediein. Naumann, (. F., Professor in Leipzig. Mineralogie und Geologie. Nettekoven, Mich. Jos., Dr. med., prakt. Arzt, Sanitätsrath in Bomn. Gynäkologie. Neubaur, ©., Dr., Chemiker in Wiesbaden. Chemie. Neumann, Salomon, Dr., prakt. Arzt in Berlin. Mediein und Pathologie. Nöggerath, Dr., Geh. Bergrath und Professor in Bonn. Geologie. Nörrenberg, J. G. C., Professor in Stuttgart. Physik. Nuhn, A., Professor der Mediein in Heidelberg. Anatomie. Oechsner, G., Gewerbschuldirector in Aschaffenburg. Geognosie, Botanik, Zoologie. d’Oench, Harry, Apotheker in Vlotho in Westphalen. Geologie. ÖOesterlen, F., Dr. med. in Stuttgart. Mediein. Oettinger, Carl, Dr., Ordinarius im k. k. Krankenhause Wieden in Wien. Mediein. Parow, Dr., prakt. Arzt in Bonn. Chirurgie. Peipers, Dr. med. und Kreisphysikus in Solingen. Medicin. Pelissen, Eugen, Professor und Medicinalrath in St. Petersburg. Physiologie. 20 Peters J. H., Dr. med. in Kempen. Mecdicin. Pfuel, von, General a. D. in Berlin. Physik. Picard, Paul, Dr. und Redakteur der Gazette hebdomadaire in Paris. Gynäkologie. Pichler, Adolf, Dr. med., Fachdirektor des Ferdinandeum in Insbruck. Geognosie. Pistoln, Rudolf, Dr. med. Medicin. Plieninger, Th., Professor in Stuttgart. Geognosie und Botanik. Plücker, Julius, Professor in Bonn. Mathematik und Physik. Prestel, M. A. F., Dr. phil. in Emden. Physik und Astronomie. Prillieux, Ed., in Paris. Botanik. Pringsheim, Dr., Docent in Berlin. Botanik. Pulasciaro, J., Professor der Chirurgie in Neapel. Chirurgie. Radicke, Professor in Bonn. Physik. Ranke, H., Dr. med. in London. Prakt. Mediein. Rath, G. vom, Dr., Privatdocent in Bonn. Geologie. Reclam, C., Dr., Redakteur des. „Kosmos“ in Leipzig. Physiologie und gerichtliche Medicin. Redenbacher, Bezirksgerichtsarzt in Hof. Mediein und Geologie. Reichenbach, Hans, Dr. medie. in Altona. Mediein. Rennen, Landrath und Special-Direktor an der Rheinischen Eisenbahn in Cöln. Reumont, Dr., Arzt in Aachen. Medicein. Reusch, E., Professor der Physik in Tübingen. Physik. Reuschle, G., Professor in Stuttgart. Mathematik. Richarz, Dr., Irrenarzt und Vorsteher einer Privatanstalt in Endenich bei Bomn. Psychiatrie. Riemsdyk, A.W. G. van, Generalprobirinspektor der Münze in Utrecht. Mineralogie und Geologie. Riese, von, Dr., Professor in Bonn. Physik und Mathematik. Riess, Peter, Professor in Berlin. Physik. Ritz, Oberregierungsrath in Aachen. Botanik. Röckling, Hofrath, Dr. med. in Neuwied. Mediein. Römer, Ferdinand, Dr., Professor der Mineralogie in Breslau. Geologie. Römer, Fr. Adolph, Bergamtsassessor in Clausthal. Mineralogie. Römer, Hermann, Senator in Hildesheim. Geologie. Rose, G., Professor in Berlin. Mineralogie. Rosenthral, Jac., Dr., praktischer Arzt in Würzburg. Mediein. Rossander, Carl J., aggregirter Professor der Chirurgie in Stockholm. Chirurgie. Rothmund, A., Privatdocent in München. Chirurgie und Ophthalmologie. Ruer, Dr., Sanitätsrath in Düsseldorf. Psychiatrie. Ruete, Ü. G. Theod., Hofrath und Professor in Leipzig. Medicin. Sack, A. L., Mineralog in Halle. Mineralogie. Sack, Dr., Arzt auf Marienberg. Prakt. Mediein. Saemann, L., Naturforscher in Paris. Geologie. Samaretti, N., Dr. med. in Neapel. Chirurgie. Schäfer, Phil., Dr. med. in Königswinter. Medicin. Schäffer, Dr., prakt. Arzt in Bonn. Chirurgie. Schaaffhausen, Hermann, Dr., Professor der Mediein in Bonn. Anatomie und Physiologie. Scharff, Fried., Dr. jur. in Frankfurt a. M. Mineralogie. 21 Schauenburg, Dr. med. in Bonn. Chirurgie, Sehaum, H., Professor in Berlin. Zoologie. Scheidel, Seb. Alex, Mitglied der Senckenberg: naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt a. M. Zoologie. x Schelske, Rudolph, Dr., Assistent des physiol. Instituts in Göttingen. Anatomie und Physiologie. Scherer, Dr., Professor an der Universität zu Würzburg. , Chemie und Physiologie. Scheuten, A., Rentner in Bonn. Geologie. Schiltz, prakt. Arzt in Cöln. Mediein. Schimper, Karl Friedrich, Dr., Naturforscher in Mainz. Botanik. Schimper, W., Dr., Professor in Strassburg. Botanik und Geologie. Sehischkoff, Leon, Lieutenant der Garde und Professor in St. Petersburg. Chemie. Schlossberger, Professor in Tübingen. Chemie. Schmidt, Jenner, Dr. med., Direktor in St. Petersburg. Mediein. Schmitt, F., Dr., dirigir. Sanitätsoffizier in Batavia. Chirurgie, Ophthalmologie und Physiologie. Schnabel, Dr., Direktor der Real- und höheren Bürgerschule in Siegen. Mineralogie. Schneemann, Dr., Hofrath in Hannover. Mediein. Sehneevogt, G. E. V., Professor der Mediein in Amsterdam. _Medicin. Schnepf, B., Dr., Redakteur der Gazette medicale in Paris. Mediein. Schnitzler, Hermann, Dr., Lehrer an der höheren Bürger- und Provinzial-Gewerbeschule in Trier. Mineralogie und Geologie. Schödler, F., Dr., Realschuldirektor in Mainz. Chemie. Schönfeld, E., Dr., Privatdocent in Bonn. Astronomie und Mathematik. Schotten, L., Dr. med. und Hofmedikus in Hessen-Cassel. Chirurgie. Schröder van der Kolk, J. L. C., Professor in Utrecht. Anatomie und Physiologie. Schrötter, Anton, Professor in Wien. Chemie. Schultz-Schultzenstein, Dr., Professor in Berlin. . Botanik und Physiologie. Schwartz, Kreisphysikus und dirigirender Arzt des Landesspitals in Sigmaringen. Psychiatrie. Schwarzenbach, Dr., Docent in Würzburg. Chemie. Schwarzenberg, A., Oberbergrath in Cassel. Geologie. Schwerd, Professor in Speyer. Physik. Sedillot, O. C., Dr., Professor in Strassburg. Chirurgie. Segelken, Dr., prakt. Arzt in Bremen. Mediein und Chirurgie. Semper, C., Dr. phil. in Altona. Zoologie. Senft, Dr., Professor der Naturwissenschaften in Eisenach. Geologie. Serre d’Uz&e, Dr. med. in Alais. (Dpt. Gard-Tirane). Chirurgie. Siebold, Ph. Fr. von, Obrist in Bonn. Botanik. Simon, Dr., pharm. Apotheker in Berlin. Chemie. Sinning, W., Inspektor des botanischen Gartens der Universität in Poppelsdorf. Botanik. Sonnenburg, Gymnasiallehrer in Bonn. Zoologie. Spengler, L., Dr., Hofrath in Bad Ems. Mediein. Spiegelberg, Otto, Dr., Privatdocent in Göttingen. Geburtshilfe. Spiess, Dr., prakt. Arzt in Frankfurt a. M. Physiologie und Mediein. Stahl, Friedrich Carl, Direetor der Irrenanstalt in St. Georgen bei Bayreuth. Psychiatrie, Stein, W., Bergwerksbesitzer in Darmstadt. Geologie. Sthamer, W., Dr. med., Kreisphysikus in Wismar. Mediecin. 2 Stöber, N., Professor in Strassburg. Mediein. Stöss, Dr. med. in Strassburg. Mediein und Chirurgie. Strantz, von, Geheimer Ober-Finanzrath in Berlin. Physik. Strebel, Betriebsdirektor der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft in Cöln: Strempel, Dr., Professor und Obermediecinalrath in Rostock. Chirurgie und Augenheilkunde. Strombeck, A. von, Kammerratli in Braunschweig. Geologie. Stromeyer, Dr., Generalstabsarzt in Hannover. Mediein. Stromeyer, Dr., Militärarzt in Hannover. Medicin. Stucke, Arzt in Cöln. Mediein. Tasche, Salinen- und Berginspektor in Salzhausen in der Wetterau. Mineralogie. Tenore, J., Dr. med. in Neapel. Mediein. 5 Trautwein, L., Königl. Badearzt in Kreuznach. Medicin. Troschel, F. G., Dr., Professor in Bonn. Zoologie. Ule, Otto, Dr. phil. in Halle a. d. S. Physik. Ulrich, August, Dr., Geheimer Medicinalrath in Coblenz. Mediein, Anatomie und Physiologie. Ungar, Dr., prakt. Arzt in Bonn. Mediein. Unna, Dr., prakt. Arzt in Hamburg. Mediein und Augenheilkunde. Upmann, Dr., Landesphysikus in Birkenfeld an der Nahe. Mediein. Uslar, L. von, Dr., Privatdocent in Göttingen. Chemie. Vanzetti, J., Professor der Chirurgie in Padua. Chirurgie. Velten, Dr., Sanitätsrath in Bonn. : Medicin. Velten, H., Dr. med. in Aachen. Mediein. Verloren, M. C., Dr. philos. in Utrecht. Zoologie. Verneuil, Ed. de, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris. Geologie. Vogler, H., Dr. med. in Ems. Medicin. Vogler, H., Dr., Hofrath in Bad Soden. Praktische Mediein. Voigt, Christian August, Dr. med., Professor der Anatomie in Krakau. Anatomie und Physiologie. Volger, G.H. Otto, Dr., Docent am Senckenbergischen Museum in Frankfurt a. M. Geologie und Mineralogie: Vrolik, W., Professor in Amsterdam. Zoologie. Warnatz, Dr., Medicinalrath und Arzt der K. Blinden-Anstalt in Dresden. Chirurgie und Augenheilkunde. Weber, Ü. Otto, Dr., Professor in Bonn. Chirurgie. Webe#,M. J., Professor in Bonn. Anatomie. Wegeler, Dr., Medicinalrath in Coblenz. Medicin. Weiss, Adolf, Dr., Professor in Nürnberg. Mathematik und Physik. Weiss, Dr., Professor an der k. Thierarzneischule in Stuttgart. Anatomie und Zoologie. Weisse, Joh. Friedr., Dr. med. in St. Petersburg. Medicin und Zoologie. Welcker, H., Dr., Professor in Giessen. Anatomie und Physiologie. Weltzien, Hofrath und Professor in Carlsruhe. Chemie. Weyhe, Landesökonomierath, Mitglied des Landes-Oekonomie-Collegiums, in Bonn. Agronomie. Wiedemann, Gustav, Professor in Basel. Physik. Wieler, Dr., Arzt in Bonn. Medicin. Willebrand, Felix von, Professor in Helsingfors. Mathematik. Wilms, Med.-Assessor in Münster. Botanik. 23 Winnecke, A., Dr. phil. in Bonn. Astronomie. Wirtgen, Ph., Dr., Lehrer in Coblenz. Botanik. Wittelshöfer, L., Dr., Redakteur der Wiener Medieinischen Wochenschrift in Wien. . Mediein. Wittich, Professor in Königsberg in Pr. Physiologie. Witting, jun., Dr., Apotheker in Höxter. Chemie. Wolff, Julius, Dr., Arzt in Bonn. Prakt. Mediein. Wolff, S., Dr., Arzt in Bonn. Prakt. Medicin. Wöllner, Christian, Dr. der Philosophie und Chemiker in Cöln. Chemie. Wuth, L., Dr. med., in Hannover. Mediein. Wutzer, Professor und Geh. Medieinalrathı in Bonn. Chirurgie. Zech, J., Professor der Astronomie und Mathematik in Tübingen. . Astronomie. Zech, P., Dr. phil. in Stuttgart. Physik: Zehenden, W., Dr. in Neustrelitz. Chirurgie und Augenheilkunde. Zeppharovich, V., Ritter von, k.k. Professor der Mineralogie in Krakau. Mineralogie und Geologie. Zervas, L., Chemiker in Brohl. Chemie. Ziegeler, H., Dr., Ober-Medieinalrath in Stuttgart. Mediein und Geologie. Zimmermann, K. G., Dr. med. in Hamburg. Mineralogie. Zopp, Ed., Apotheker in Deutz. COhemie. Zwirner, Geheimer Regierungs- und Baurath in Cöln. B. Theilnehmer. Alkock, Alex., in Irland. Agronomie. Adamowicez, Dr. med., Professor und Staatsrath in Wilna. Medicin. Alefeld, Bataillonsarzt in Wiesbaden. Medicin. Alfter, Theodor, Posthalter in Bonn. Agronomie. Arntz, Wilhelm, Dr. med. in Cleve. Medicin. Augustin, Apotheker in Remscheid. Chemie. Baal, Arzt in Coblenz. Chirurgie. Bachofen von Echt, Assessor in Bonn. Backes, Dr., Direktor der Provinzialgewerbschule in Cöln. Physik. Badorff, Dr. in Cöln. Physik. Bädeker, Buchhändler in Essen. Geologie. . Barron, J. A., Clergyman in Bath (England). Geologie. Barthels, Apotheker in Bonn. Chemie. Baudouin, M., Wundarzt und Geburtshelfer in Cöln. . Psychologie. Bausch, Ed. Dr., Apotheker in Düsseldorf. Chemie. Bayer, A., in Heidelberg. Chemie. Bebby, John, Chemiker in Liverpool. Chemie. Behr, Dr., Arzt in Aachen. Medicin. Beissel, Ignaz, Rentner in Aachen. Geognosie. Bender, R., Dr. phil. und Apotheker in Coblenz. Chemie. Be&nöche, L., Optiker in Berlin. Botanik. Berg, Dr. med. in Neuenburg. Mediein. 24 Berghausen, J., Cand. med. in Bonn. Mediein. Berghes, Fr. M. de, Dr. med. in Honnef. Mediein. Bertrand, August Emil, Dr. med. in Coblenz. Anatomie und Physiologie. Beyer, A., Kreisphysikus in Oleve. Mediein. Beyer, Ed., Dr., Direktor der Privatirrenanstalt in ‘Meurs. Psychiatrie. Biermanns, Oberförster in Königsberg bei Aachen. Agronomie. Binz, C., Dr. med. in Bonn. Medicein. Bippen, W. von, Arzt in Lübeck. Klinik. Bismarck, von, Physiker in Stettin. Bitter IL, Landgerichtsreferendar in Bonn. Zoologie. Bitter I, Landgerichtsreferendar a. D. in Bonn. Zoologie. Blangquet, Stud. phil. in Bonn. Chemie und Physik. Blass, Hermann, Dr. med. in Bonn." Mediein. Bleekmann, Kaufmann in New-York. Bleibtreu, Gustav, Bergwerksbesitzer in der Alaunhütte auf der Hardt bei Bonn. Geologie. Blessig, R., Dr. med. in St. Petersburg. Mediein: Bluhme, Geheimer Justizrath in Bonn. Geologie. Bock, H., Gerichtsdirektor in Hagen. Physik. Bodenheim, J., Dr. phil. in Bonn. Chemie. Bödeker, J., Hüttenbesitzer in Godesberg. Chemie. Böhmer, Dr. med. in Cöln. Mediein. \ Böttcher, Arthur, Dr. med. in Dorpat., Anatomie und Physiologie. Bohn, Fr., Bergexpektant in Coblenz. Geologie. Borchardt, Dr., Arzt in Manchester. Medicin. Brahms, Johannes, Musiker in Hamburg. Brandis, J. B., Arzt in Aachen. Brandis, Privatdocent in Bonn. Botanik. Brandt, J. G. W., Naturalist in Hamburg. ° Brassert, Gustav, Berggeschworner in Königswinter. Geologie. Braun, Heinrich, Dr. med., Sanitätsratlı und K. Kreisphysikus in Wevelinghoven. Heilkunde. Brendel, Hugo, Bankier in Berlin. Geographie. Brühl, Dr., Kreisphysikus in Siegburg. Mediein. Bruininger, Baron, Landwirth in Livland. Chemie. Busch, Dr., Gymnasiallehrer in Cöln. . Physik. Busch, Dr. med. in Bremen. Mediein. \ Busch, Ed., Dr., Arzt in Limburg (Nassau). Mediein. Bylandt, v., Dr. med. in Haag. Mediein. Bysterbor, J. L., Mitglied der Staatendeputation von Oberyssel in Kampen. Chemie. Caesar, Rittergutsbesitzer in Rothenhoft. Zoologie. Cahn, Hugo, Kaufmann in Bonn. Geologie. Camphausen, Wirkl. Geh. Rath in Cöln. Astronomie. Carius, L., Privatdocent in Heidelberg. Chemie. Charriere, J., Chirurgische Instrumentenmacher in Paris. Chirurgie. ' Chauffeur, Advokat in Colmar. Mediecin. Christin, Dr. in Christiania. Physik. 2 Claer, A. de, in Bonn. Physik. Clason, N., Physiker in Bonn. Physik. Cohen, Maximilian, Buchhändler in Bonn. Geologie. Colmant, George, Cand. med. in Bonn. Mediein. Crämer, Friedr., Dr. phil. in Barmen. Physik und Mathematik. Cramer, Wilhelm, Cand. phil. in Erfurt. Botanik. Cramer, H., Cand. med. in Eichberg. Psychiatrie. Cruchen, von, Major in Bonn. Physik und Chemie. Cunz, Heinrich Carl, Kaufmann in Viersen. Mathematik und Astronomie. Curtius, F., Fabrikant in Duisburg. Chemie. ÜCzarnowsky, O. von, Prem.-Lieutenant a. D. in Bonn. Botanik. Czech, C., Dr. phil. in Düsseldorf. Zoologie. Daub, O., Tillm. , Repräsentant mehrerer Gruben in Siegen. Geologie. Deane, Dr. iur. civ. in London. Dechen, Th. von, Generalmajor a. D. in Cöln. Deichmann, A., Kaufmann in Amsterdam. Geologie. Deichmann, Geh. Commerzienrath in Cöln. Mineralogie. Deiters, Max, Bergexpektant in Bonn. Geologie. Delken, J. vom, Bürgermeister von Hardenbergt in Holland. Physik. Dern, Dr. med. in Biebrich. Medicin. Dernen, Juwelier in Bonn. Mineralogie. Dewalque, G., Docteur ds sciences in Lüttich. Geologie. Dickert, Th., Conservator in Bonn. Zoologie und Mineralogie. Dieckhoff, Aug., Bauinspektor in Bonn. Diergardt, Kaufmann in Viersen. Landwirthschaft. Diergardt, Geh. Commerzienrath in Viersen. Chemie. Dietrich, A., Architekt in Bonn. Geologie. Dietzer, Dr. med. in Bonn. Mediein. Disch, J., Rentner in Cöln. Geognosie. Disse, Andreas, Dr. med. in Brakel. Mediecin. Dönhoff, E., Arzt in Orsoy. Mediein. Dördelmann, Dr. phil. in Bochum. Physik. Döring, Joh., Oekonom in Bonn. Agronomie. Dörstling, Direktor in Gotha. Chemie und Physik. Dorn, Dr. med. in Bonn. Medicin. Donutrelepont, J., Cand. med. in Berlin. Geburtshilfe. Drevermann, Dr. phil. in Hörde. Chemie. Drinhaus, J. F., Dr., Direktor einer Handelsschule in Bonn. Physik. Droop, S., Stud. med. in Göttingen. Mediecin. Dücker, F. F. von, Oberbergamtsreferendar in Bochum. Geologie. Dümpelmann, Rendant in Poppelsdorf. Geologie. Dünkelberg, E., Apotheker in Bonn. Chemie. Dyekhoff, Dr. med. in Rekum. Mediein. Eich, Alex., Apotheker in Beuel. Chemie. Eichelberg, Dr. med. in Wesel. Mediein. 26 Eltze, Cand. med. in Bonn. Chirurgie. Engelhardt, Eduard, Arzt in Paderborn. Mediein. Erlenmeyer, E., Privatdocent in Heidelberg. Chemie. Esch, Partikulier in Heidelberg. Geologie. Eschbaum, Instrumentenmacher in Bonn. Chirurgie. Eschweiler, Direktor der Realschule in Cöln. Astronomie und Physik. Esselbach, Ernst, Dr. phil. in Schleswig. Physik. Etter, Mechanikus in Bonn. Physik. Eversmann, J., Rentner in Bonn. Eversmann, A., Collegiensekretär in Kasan. Mathematik. Fabricius, Oberbergamtsreferendar in Bonn. Geologie. Fastenrath, Partikulier in Bonn. Chemie. Feist, Dr., Arzt in Cöln. Medicin. Fenge, F., Rittergutsbesitzer in Rietberg. Zoologie. Fessel, F., Mechaniker in Cöln. Physik. Fircks, F. von, Baron in Russland. Landwirthschaft. Fischer, Dr. med. in Bonn. Mediein. Fischer, Otto, Arzt in Magdeburg. Chirurgie und Ophthalmologie. Fleischer, W., Dr. med. in Bonn. Medicin. Flicker, Adolf, Kreisphysikus in Euskirchen. Medicin. Fonck, Leonhard, Arzt in Büllingen. Medicin. Franck, Eduard, Musiker in Cöln. Franck, A., Kaufmann in Bonn. Physik. Franegq, Baron F. de, in Dyck. Geologie. Frank, C., Referendar in Bonn. Mineralogie. Frank, F., Bergexpectant in Bonn. Geologie. Franke, Arzt in Wesseling. Medicin. Franque, von, Dr. med. in Ems. Mediecin. Fromm, J., Forstverwalter und Parkmeister in Ehreshofen. Forst- und Landwirthschaft. Fuhrmeister, Carl, Dr. med. in Cleve. Mediein. Gallo, Th., Dr. med. in Nieder-Lahnstein. Mediecin. Gamowsky, Hermann, praktischer Arzt in Soest. Mediein. Gardiner, Geo. G., Lehrer der englischen Sprache in Bonn. Geologie. Geissler, H., Mechaniker in Bonn. Physik und Chemie. Geissler, Apotheker in Nastätten. Chemie. Geller, Wilh., Dr. med. in Ahrweiler. Medicin. Georgi, Carl, Buchdruckereibesitzer in Bonn. Physik. Gerhards, Beigeordneter in Bonn. Geologie. Gerhardy, Arzt in Düsseldorf. Medicin. Gerlach, Chemiker in Cöln. Chemie. Geske, Bernhard, Apotheker in Altona. Chemie. Gesterding, C., Dr., Arzt in Greifswald. Medicin. Geuns, E. A. W. vom, Dr. phil. in Utrecht. Mineralogie und Geologie. Gierlings, Franz, Kaufmann in Dülken. Botanik. Goldschmidt, Ph., Techniker in Amsterdam. Geologie. 27 Gosebruch, Cand. med. in Oberlahnstein. Mediein. Gottschalk, Dr., Arzt in Düsseldorf. Klinik. Gräfinghoff, J. C., Bauinspektor a. D. in Bonn. Geologie. Gräser, Dr., Direktor der Heil- und Pflege-Anstalt in Eichberg. Psychiatrie. Grätzel, Adolf, Bergwerksbesitzer in Oöln. Geologie. Graf, Dr. med., prakt. Arzt in Ronsdorf. Chirurgie. Grahe, Ferdinand, Magister der Pharmaeie, kaiserlich russischer Collegiensekretär und Assi- stent des chemischen Laboratoriums an der Universität in Kasan. Chemie und Pharmaeie. Gran, E., Bauführer in Bonn. Physik. Grimm, Chr., Dr. phil. in Biebrich a. Rh. Chemie. Grohe, L., Dr. philos. in Mannheim. Mathematik. Gronert, Ferdinand, Dr., Stabs- und Bataillonsarzt in Siegburg. Mediein. Grotjahn, Heinrich Christoph, Dr. med. in Schladen bei Goslar. Mediein. Grubbe, Samuel Thomas, Rentner in Bonn. Geologie. Grube, H., Gärtner in Bonn. Botanik. Gruetmann, Fr., Dr. med. in Amsterdam. Medicin. - Güthing, Tillm., Repräsentant mehrerer Gruben in Siegen. Geologie. Haag-Rutenberg, Dr., Advokat in Frankfurt a. M. Entomologie. Haas, Th., Chemiker in Esslingen. Chemie. Habicht, T., Buchhändler in Bonn. Geologie. Haedenkamp, Doktor in Hamm in Westphalen. Physik. Hagen, Carl, Gutsbesitzer in Bonn. Landwirthschaft. Hagen, J., Pharmaceut in Aachen. Pharmacıe. Hamecher, C., Med.-Assessor in Cöln. Botanik. Hampton, Thomas, in London. Chemie. Harder, A. v3 Mineralog in Dorpat. Mineralogie. Harling, Dr. med. in Benzheim. Psychiatrie. Hasencelever, Dr., Generaldirektor in Aachen. Chemie. Hauchecorne, W., Grubendirektor in Honnef. Geologie. Haumann, A., Polytechniker in Carlsruhe. Geologie. Haun, C., Cand. med. in Bonn. Medicein. Hauptmann, Peter, Rentner in Bonn. Chemie. Hecker, C., Kaufmann in Bonn. Geologie. Hecking, Kaufmann in Düsseldorf. Hees, Georg van, Apotheker in Barmen. Chemie. Heilmann, E., Dr. med. in Crefeld. Chirurgie und Geburtshülfe. Heimann, J. B., Kaufmann in Bonn. Bergfach. Heinrich, J., Kaufmann in Bonn. Chemie. Hellersberg, Arzt in Neuss. Medicin. Henneberg, Dr. med. in Magdeburg. Medicin. Hensel, C., Buchhändler in Wiesbaden. Geologie. Herrmann, prakt. Arzt in Carlsruhe. Gynäkologie. Hertel, Peter, Kaufmann in Bonn. Chemie. Hemken, Wilhelm, Dr. med. in Düren. Medicein. Heuser, Pastor in Wupperfeld. 28 Heusler, Oberbergamts-Referendar in Bonn. Geologie. Heymann, B., Kaufmann in Bonn. Chemie. Heymann, Hermann, Bergwerkspraktikant in Bonn. Geologie. Hilgers, Dr., Prof, Oberlehrer an der Realschule in Aachen. Physik. Hiller, Ferd., Kapellmeister in Cöln. Physik. Hirsch, August, Arzt in Danzig. Medicin. Hörschelmann, Ed., Dr. med. in Dorpat. Chirurgie. Hoffmann, Reinhold, Dr. philos. in Darmstadt. Chemie. Hoffmeister, August, Rentner in Bonn. Geologie. Hoffmeister, L. G., Assessor in Bonn. Physik. Hofmann, Joseph, Kaufmann in Bonn. Geologie. Homburger, Dr., Arzt in Carlsruhe. Medicin. Hopmann, Carl, Advokatanwalt in Bonn. Geologie. Huecke, H., Hüttendirektor in Duisburg. Bergbau. Hülsmann, Richard, Dr. med. in Dortmund. Heilkunde. Hunzinger, A. P., chir. Instrumentenmacher in Cöln. Chirurgie. Hupertz, F. W., Berggeschworner in Stolberg. Geologie. Jacobs, Dr., Kreisphysikus in Eupen. Mediecin. Jänger, Arzt in Colmar. Mediein. Jäsche, Arzt in Russland. Mediein. Iltgen, Joseph, Cand. med. in Cöln. Praktische Medicin. Ingenmey, Kanzleirath in Bonn. Ingenohl, Friedensrichter in Bonn. Agronomie. Joachim, Joseph, Musiker in Hannover. Jüttner, Markscheider in Saarbrücken. Mineralogie. Jung, Dr., Arzt in Kreuznach. Praktische Mediein. Jungbluth, B., Dr., praktischer Arzt in Aachen. Mediein. Kämmerer, Partikulier in Livorno. Physik. Kämpfer, G., Dr., Arzt in Vaels. Mediein. Kallenberg, R., Rentner in Bonn. Geologie. Kaltenbach, J. H., Lehrer an der Bürgerschule in Aachen. Botanik. Katz, Kaufmann in Bonn. Geologie. Kauerz, Dr., Kreisphysikus in Kempen. Mediein. Kauerz, J., Oekonom in Kempen. Agronomie. Kaufmann, Bürgermeister in Bonn. Geologie. Kaysser, A., Bergmeisterei-Accessist mn Dillenburg. Mineralogie. Kekule&, August, Privatdocent in Heidelberg. Chemie. Kerkhoven, Johannes, Gutsbesitzer in Twelle (Niederlande). Physik. Kilian, Paul, Dr., praktischer Arzt in Bonn. Medicin. Kirchheim, Apotheker in Cöln. Chemie. Klein, Dr., praktischer Arzt in Bonn. Klein, Notar in Ründeroth. Geologie. Klipstein, L. v., Dr., Hüttenmann in Giessen. Philosophie. Knipping, Ed., Privatlehrer in Bad Oeynhausen. Geologie. Knoblauch, Geheimer Finanzrath in Berlin. Physik. 29 Köhler-Bockmühl, Rentner in Friesdorf. Chemie. Königs, Handelskammer-Präsident in Cöln. Geologie. Köppel, Stud. med. in Bonn. Botanik. Köppel, C. D., Dr. med. und Grossherzogl. Mecklenburg-Strelitzscher Rath in Neustrelitz. Kohnitkin, Stud. in Göttingen. Physik. Koldeweg, G., Apotheker in Königswinter. Chemie. Kortegarn, Arthur, Stud. math. in Bonn. Kotthaus, Ernst, Bergwerksbesitzer in Cöln. Geologie. K ottwitz, Baron von, Stud. in Bonn. Chemie. Krahmer, L., Prof. der Heilmittellehre in Halle a. S. Mediecin. Kramer, Dr., Brunnenarzt in Lippspringe. Mediein. Kratz, F. J., L.-G.-Rath in Cöln. Botanik. Krause, Bergamtsdirektor in Saarbrücken. Geologie. Krich, Dr. med. in Dorpat. Mediein. Kruse, J. F., Apotheker in Cöln. Geologie. Kühtze, Apotheker in Crefeld. Chemie. Kyllmann, G., Rentner in Bonn. Geologie. Lamberz, Kammer-Präsident in Bonn. Geologie. Lampe, Ernst, Stud. med. in Bonn. Anatomie und Physiologie. Lander, Joseph, Kaufmann in Bonn. Chemie. Lange, Otto, Dr. med. in Bonn. Medicin. Langen, Em., Hüttenmann an der Friedrich-Wilhelmshütte bei Siegburg. Bergbau. Langen, A., Jurist in Gratz. Chemie. Lanser, August, Notar in Blankenheim. Laufenberg, Fr., Adv.-Anwalt in Bonn. Mineralogie. Lehmann, D.z Advokat in Cöln. Chemie. Lent, C., Stud. med. in Dortmund. Levinstein, G., Dr. phil. in Heidelberg. Chemie. Levison, Dr. med. in Siegburg. Medicin. Lexis, E., Dr. med. in Eschweiler. Astronomie. Löhnis, H., Kaufmann in Bonn. Naturgeschichte. Leo, van de, Dr., Arzt in Venlo. Chirurgie. Lübbers, Dr. med. in Neustadt. Medicin. Maassen, J. P., Controlleur in Aachen. Zoologie. Magarly, Graf, Dr. med. in Livland. Praktische Mediein. Maipisch, Ed., Dr. med. in Luxemburg. Chirurgie. Mallinckrodt, Felix, Bergmann in Düren. Geologie. Mandl, Arzt in Oberlahnstein. Chirurgie. Mannes, W., Apotheker in Wesel. Chemie. Marcus, Gustav, Buchhändler in Bonn. Zoologie. Marx, August, Berg-Ingenieur in Berlin. Marx-Hansemann, Kaufmann in Bonn. Matthäi, C., Landphysikus in Gronau. Praktische Medicein. Mayer, Advokat-Anwalt in Bonn. Physik. Me ngelberg, Carl, Apotheker in Bonn. 30 Merrem, Landgerichtspräsident in Bonn. Messow, Dr. med. in Aachen. Medicin. Metz, Dr., Arzt in Aachen. Medicin. Metzler, A., Dr. med. in Petersburg. Meyer, Th., Stud. philos. in Bonn. Physik. Meyer, Stud. math. in Bakum. Physik. Meyer, J. H. C. A., Kaufmann in Hamburg. Mineralogie. Meyer, J. A. F., Kaufmann in Hamburg. Chemie. Meyer, K. L., Sanitäts-Officier 2ter Klasse in Batavia. Heilkunde. Miller, Bergwerksbesitzer in Bonn. Mithoff, Th., Stud. math. in Göttingen. Physik. Mönnig, J., Dr. med. in Rees. Medicin. Mörsen, J., Cand. pharm. in Bonn. Pharmacie. Mohr, Carl, Chemiker in Coblenz. Chemie. Moll, J., Cand. med. in Bonn. Medicin. Monschaw, v., Notar in Bonn. Geologie. Mooren, Alb., Dr. med. in Oedt. Ophthalmologie. Morsbach, Th., Institutsvorsteher in Bonn. Chemie. Müller, Joseph, Stud. med. in Aachen. Anatomie und Plıysiologie. Müller, Hugo, Dr. phil. in London. Chemie. Münch-Bellinghausen, Baron von, Kammerherr und Geh. Rath in Cöln. Agronomie. Mund, J. E., Dr., praktischer Arzt in Duisburg. Medicin. Nachet, Optiker in Paris. Physik. Nacken, Arthur, Advokat-Anwalt in Cöln. Geologie. Nadenigck, Dominik, Dr., praktischer Arzt in Tyrnau (Ungarn). Naegele, Arzt in Düsseldorf. Mediein. Nebe, Fr., Apotheker in Düsseldorf. Mineralogie. Nettekoven, Bergbeflissener in Bonn. Geologie. Nettekoven, F., Maschinenbau-Eleve in Sayn. Physik. Neufville, W. von, Gutsbesitzer in Medinghoven. Agronomie. Neuhäuser, J., Dr. uäd Privatdocent der Philosophie in Bonn. Anatomie. Neumann, K., Gymnasiallehrer in Burgsteinfurth. Physik. Nieland, Joh. Jos., Dr., prakt. Arzt und Geh. Sanitätsrath in Düsseldorf. Medicin. Nienhaus, Fr., Chemiker in Coblenz. Chemie. Nockher, Ferdinand, Dr., prakt. Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer in Siegburg. Mediein. Nöggerath, Max, Oberbergamtsreferendar in Creuznach. Geologie. Noisten, Dr., Kreisphysikus in Cöln. Mediein. Nosuanski, Franz von, Dr. med. in St. Petersburg. Pathologie. Oelbermann, Kaufmann in Bonn. Geologie. Olbertz, Georg, Landwirth in Schneppesheim. Oppenheim, H., Kaufmann in Bonn. Chemie. Oppenhoff, Universitäts-Sekretär in Bonn. Geologie. Oppenhoff, Franz Joseph, Gruben- und Hütten-Verwalter in Siegen. Mineralogie. Oster, Alexander, Fabrikant in Bonn. Chemie. Osterroth, Privatmann in Bonn. Physik. 3 Oswalt, Alfred, Stud. philos. in Frankfurt a. M. Geologie. Otto, C., Apotheker in Herchen. Physik. Overbach, Gerichtsschreiber'in Bonn. Mineralogie. Overbeck, Dr., Arzt in Detmold. Medicin. Pagenstecher, Dr., Arzt in Wiesbaden. Mediein. Panhuys, vom, Kgl. Niederländischer General-Major in Frankfurt a. M. Geologie. Pascal, Heinrich, Rentner in Bonn. Geologie. Peine, Dr. med. in Nieheim. Medicin. Pieper, Fr. Wilh., Dr. med. in Paderborn. Mediein. Pelizaeus, Richter in Iburg. Zoologie. Pellmann, Dr. phil. in Bonn. Physik. Penge, Rittergutsbesitzer in Schloss Holte. Geologie. Peters, L., Rentner in Bonn. Botanik. Peters, Eberhard, Dr. med. in Endenich. Mediein. Petri, Bergwerks-Wundarzt und Geburtshelfer in Heiligenkreuz in Steiermark. Medicin. Pfeffer, Adolf, Dr. med. in Düsseldorf. Mediein. Pfeiffer, Emil, Rübenzuckerfabrikant in Cöln. Chemie. Pfeil, Gustav, in Milwaukie. Geologie. Pieper, Heinrich, Dr. phil. in Bonn. Chemie. Pingsmann, Wilhelm, Caplan in Dottendorf. Astronomie. Pletzen, H., Dr., Arzt in Bremen. Mediein. Plieninger, J., Stud. jur. et cam. in Stuttgart. Geologie. Porcher, Jos., Architekt in Bonn. Physik. Porz, Dr., Arzt in Aachen. Medicin. Pottgiesser, Wilh., Kaufmann in Elberfeld. Physik und Zoologie. Praessar, Dr.,” Arzt in Ahrweiler. Mediein. Preyer, Th., Partikulier in Manchester. Geologie. Prieger, H., Dr. med. in Creuznach. Medicin. Proff-Irnich, C. L., Freiherr von, Dr. med. und L.-G.-Rath in Elberfeld. Mediein. Prückner, Chr., Chemiker und Fabrikbesitzer in Hof in Oberfranken. Chemie. Pütz, Franz Joseph, Hauptsteueramts-Rendant in Bonn. Geologie und Chemie. Pütz, J., Kaufmann in St. Louis. Geologie und Chemie. Pung, P. C., Grubendirektor in Bonn. Geologie. Quantius, Adolf, Architekt in Bonn. Geologie. y Ramaer, P. G., Dr. med. in Zwolle (Niederland). Medicin. Rapp, E., Rentner in Bonn. Naturgeschichte. Rath, Ernst, Adv.-Anwalt in Bonn. Geologie. Rath, J. Peter vom, Kaufmann in Cöln. Landwirthschaft. Rath, R. vom, Kaufmann in Cöln. Mineralogie. Rath, Jakob vom, Kaufmann in Cöln. Geologie. Rathlef, E., Arzt in Russland. Mediein. Rausche, Dr., Arzt in Neustadt-Magdeburg. Mediein. Reinhard, Dr., Arzt in Bochum. Mediein. Reiniger, Joh. Georg, Apotheker in Sachsenberg. Botanik. Remacly, C., Stud. med. in Bonn. Medicin. 32 Remacly, Gymn. Oberlehrer in Bonn. Physiologie und Psychologie. Rentzing, Dr., Hüttendirektor in Stadtberge.‘ Mineralogie. Reuss, Carl Fr., Fabrikant in Heilbronn. Chemie. Reuss, Dd, Grubenbesitzer in Frankfurt a. M. Mineralogie. Rhodius, Rudolf, in Linz. Chemie. Richard, Hypothekenbewahrer in Bonn. Physiologie. Rieth, Reiner, Stud. in Bonn. Rigal-Grunland, Frhr. von, Gutsbesitzer in Godesberg. Chemie. Ritter, Dr. med. in Ochtendung. Gynäkologie. Ritz, Fr. C., Apotheker in Wesel. Chemie. Röder, G., Apotheker in Frankenthal. Botanik. Rolffs, Ernst, Fabrikbesitzer in Siegfeld bei Siegburg. Chemie. Rospatt, Jos., Dr., Prof. in Münster. Mathematik und Astronomie. Rühle, Dr., Arzt in Canstadt am Neckar. Psychiatrie. Ruer, Hermann, praktischer Arzt in Ramsbach. Mediecin. Ruer, H., Apotheker in Düsseldorf. Chemie. Ruys, W., Naturforscher in Rotterdam. Ruys, Wm., Partikulier in Rotterdam. Salm-Horstmar, Fürst Friedrich, in Varlau. Chemie. Sandt, von, Landrath in Bonn. Physik. Sasse, Carl, Dr. med. in Dortmund. Mediein. Savelsberg, J., Dr., Gymn. Oberlehrer in Aachen. Botanik. Schäfer, $., Dr. med. in Bonn. Mediein, Schallenberg, J. G., Photograph und Maler in Bonn. Chemie. Schasching, M., Dr. med. et chir. in Linz an der Donau. Psychiatrie. Scheck, Baumeister in Honnef. Geognosie. Schell, A., Departements-Thierarzt in Bonn. Agronomie. Schervier, Religionslehrer in Aachen. Geologie. Schildesheim, H., Kaufmann in Bonn. Chemie. Schiellerup, Tycho, Stud. chem. et cand. pharm. in Göttingen. Chemie. Schilling, H., Dr. med., Partikulier in Livland. Schillings, C., Bürgermeister in Gürzenich. Agronomie. Schlönbach, A., Salineninspektor in Liebenhalle. Geognosie. Schloss, E., Dr. med. in Paris. Mediein. Sehmidt, Moritz, Stud. med. in Frankfurt a. M. Entomologie. Schmidt, Peter Ludwig, Fabrikant in Elberfeld. Schmitt, Dr. phil. in Cöln. Chemie. Schmitz, P., Dr., praktischer Arzt in Bonn. Schmitz, Jakob, Hotelbesitzer in Bonn. Agronomie. Schmitz, Georg, Cand. med. in Bonn. Medicin. Sehneider, Dr., Arzt in Crefeld. Praktische Medicin. Schnelle, R., Dr., prakt. Arzt in Witten a. d. Ruhr. Mediein. Sehödler, F., Dr., Realschuldirektor in Mainz. Chemie. Schon, Architekt in Bonn. Mineralogie. Schramm, Dr., Arzt in Sobernheim. Psychiatrie. 33 Schrey, Johann, Lehrer in Solingen. Physik. Schubert, Dr., Architekt und Docent in Poppelsdorf. Agronomie und Mathematik. Schübler, Reallehrer in Bad Ems. Physik. Schüller, Gastwirth in Bonn. Botanik. | Schüz, Emil, Dr., Arzt und Botaniker in Calw. Mediein und Botanik. Schulz, B., Stud. med. in Bonn. Medicin. Schumacher, Apotheker in Bauheim. Chemie. Schwarze, Oberbergrath in Bonn. Geologie. Schwarze, Bergwerksdirektor in Neuwied. Geologie. Schwickerath, Apotheker in Solingen. Chemie. Seebeck, B., Stud. med. in Jena. Anatomie. i Segelcke, Thomas, cand. polyt in Kopenhagen. Chemie. Seifert, Dr., Arzt in Dresden. Psychiatrie. Sell, Carl, Dr., Geheimerath und Professor in Bonn. Physik. Sieveking, J. P., Dr. phil., Studiosus in Altona. Mineralogie. Sievers, Herm. D., Kaufmann in Bonn. Geologie. Simrock, P. J., Musikverleger in Bonn. Physik. Simrock, Dr. med. in Bonn. Medicin. Sinning, B., Königl. Bergmeister in Düren. Geologie. Sinsheim, Dr.,, Arzt in Ober-Ingelheim. Klinik. Slabyhoudek, Franz P., Apotheker in Olmütz. Chemie. Sopp, Versuchschemiker in Bonn. Chemie. Spohr, Steuer-Oontroleur in Bonn. Landwirthschaft. Sprengler, J., Dr., Dirig. Oberarzt im Krankenhause in Augsburg. Chirurgie. Steeg, Dr., Arzt in Zülpich. Mediein. Stein, Rich., Bergexspektant in Rheydt. Mineralogie. Steiner, Dr., Arzt in Dülken. Mediein. Steinmeier, Dr., Arzt in Jülich. Mediein. Stephen, Dr., Arzt in Aachen. Mediein. Sterhorst, Dr. med. in Ryssen. Medicin. Stifft, Dr., Arzt in Bad Weillach. Mediein. Stöss, H., Chemiker in Kray bei Andernach. Chemie. Stolzenberg, Freiherr von, Gutsbesitzer in Coblenz. Geologie. Stommel, Friedensrichter in Burtscheid. Physik. Strauss, Bernhard, Dr. med. und praktischer Arzt in München. Chirurgie. Strauven, H., Oekonom in Bonn. Landwirthschaft. Sybel, Alexander von, Regierungsassessor in Düsseldorf. Geologie. Thelen, Math. Jos., Dr. med. in Eilendorf. Mediein. Thelen-Petazzi, G., Kaufmann in Bonn. Geologie. Themmen, C. J., Dr. med. chir. et artis obstet. in Deventer,(Holland). . Medicin. Thiel, Wilhelm, Rechnungsrath in Bonn. Thilmany, Gen. -Sekretär in Bonn. Agronomie. Thomann, Stadtbaumeister in Bonn. Geologie. Tietz, Arn., Pharmaceut in Bonn. Pharmacie. Tigges, Dr., Arzt in Gelsenkirch. Mediein. 34 Töpffer, Gust. Ad., Vorstands-Mitglied der pomm. ök. Gesellschaft in Stettin. Physik. Top, W. G., Mitglied (des Medieinaleollegiums für Overyssel in Kamssen (Holland). Botanik. Trellenkamp, W., Maler in Düsseldorf. Physik. Trompetter, B., Bergbeflissener in Bonn. Mineralogie. Upmann, J., Stud. med. in Heidelberg. Mediein. Vanderbank, Dr., Arzt in Zülpich. Mediein. Velten, R., Student in Aachen. Geologie. Versmann, Fred., Chemiker in London. Chemie. Völmeke, L., Rentner in Düsseldorf. Geologie. Vogel, Julius, Dr., Professor in Halle. ' Medicin. Vogel, C., Dr., Gymnasiallehrer in Duisburg. Geologie. Vogelsang, Hermann, Bergexspektant in Bonn. Geologie. Vogelsang, Stud. med. in Bonn. Anatomie und Physiologie. Vogelsang, Dr. med., Arzt in Hannover. Ophthalmologie. Vollmeyer, Joseph, Kaufmann in Crefeld. Geologie. Wachendorff, Th., Apotheker in Bonn. Chemie. Wacker, H., Gymnasiallehrer in Cöln. Botanik. Weber, E., Buchhändler in Bonn. Geologie. Weber, P. Fr., Dr. med. in Siegburg. Prakt. Mediein. Weber, Fr. W., Dr. med. in Driburg. Mediein. Weber, H., Dr. med. in London. Mediein. Weerth, Ernst aus’m, Dr. phil. in Kessenich bei Bonn. Zoologie. Wenckenbach, F., Bergmeisterei-Accessist in Dillenburg. Mineralogie. Wendelstadt, F., Kaufmann in Cöln. Chemie. Wentz, Guts-Administrator und Landwirthschaftslehrer in Poppelsdorf. Agronomie. Werner, K., Major a. D. in Bonn. Geologie. Westphal, W., Apotheker in Düsseldorf. Chemie. Wichelhaus, Joh., Prediger in Bonn. Wichmann, @., Dr. med. in Wolfenbüttel. Mediein. Wiedemeister, Fr., Dr., Hospital-Assistent in Göttingen. Medicin. Wiesmann, W., Fabrikbesitzer in Bonn. Chemie. Wiesmann, A., Fabrikbesitzer in Bonn. Chemie. Willems, A., Dr. med. in’ Meckenheim. Mediecin. Winnertz, J., Partikulier in Crefeld. Geologie und Botanik. Winter, G., Grubenbesitzer in Limburg a.’d. Lahn. . Mineralogie. Witt, A., Dr. med. in Grevenbroich. Mediein. Wittgenstein, von, Regierungspräsident a. D. in Cöln. Geologie. Wolferz, Julius, Arzt in Kasan. Mediein. Wolff, J., Dr. in Elberfeld. Chemie. Woodman, Cyrus, Advokat in: Bonn. Geologie. Wrede, M., Apotheker in Bonn. Chemie. Wrede, ©. A., Rentner in Bonn. Pharmacie, Wrede, J. J., Apotheker in Cöln. Pharmacie. Wulff-Ronneburg, von, Agronom in Livland. Geologie. Zachariae, Grubendirektor in Baden. Geologie. 35 Zander, L., Apotheker in Asbach. Chemie. Zapp, Fr., Dr. med. in Hilden. Mediein. Zartmann, A.L., Dr. med. in Bonn. Medicin. Zartmann, Kreisphysikus in Rheydt. Mediecin. Zervais, Dr. med. in Eupen. Medicin. Zirkel, Ferd., Bergexspektant in Bonn. Geologie. Zirkel, Oberlehrer in Bonn. Physik und Mathematik. Zündorff, W., Chemiker in Deutz. Chemie. Hiernach beträgt die Zahl der Mitglioder \ £ : : 9409 Die Zahl der Theilnehmer : B : : : 2 : : 525 Zusammen 964 Auf die einzelnen Staaten vertheilen sich die Mitglieder und Theilnehmer folgendermassen : Mitglieder. Theilnehmer. Auf Preussen und zwar: 1) auf die Rheinprovinz . 122 340 2) auf Westphalen x l 23 30 3) auf die übrigen Theile . 44 15 Summa 189 385 Auf Nassau, Hessen, Frankfurt , Thüringen . 1. i - i 51 25 Königreich Sachsen 2 : : 10 a! Königreich Bayern R : - 16 4 Baden . & 2 al i 19 14 Würtemberg . . : 14 5 Hamburg, Lübeck, Ben Be schweig, Meklenburg, Hannover, Kippe 33 19 Schleswig und Holstein . 4 Luxemburg . ? 2 a] 1 Oesterreich 24 5 Holland 21 19 Schweiz 7 1 Belgien 4 2 Dänemark _ 1 Frankreich 19 5 Russland 16 18 Skandinavien 3 at Grossbritannien 5 10 E Amerika | 2 3 Italien 3 „ Batavia 1 1 Zusammen wie oben 439 525 II. Die allgemeinen Sitzungen. 1. Sitzung: Freitag, den 18. September 1857. Vor einer sehr zahlreichen Versammlung von Herren und Damen eröffnete der erste Geschäftsführer, Geh. Bergrath Professor Dr. Nöggerath, die 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte durch nachfolgende Begrüssungs- und Einleitungsrede: „Hochverehrteste Versammlung! „Als vor Jahresfrist der Ruf von Vindobona mit Bonna am Rheinstrom wiederhallte, — als in der glänzenden Kaiserstadt von Ihnen das bescheidene Bonn zu der heutigen Versamm- lung und mein lieber Freund, Herr Geh. Ratı Kilian, mit mir zu Ihren diesmaligen Geschäfts- führern gewählt wurden: damals wogten in mir die einander widerstrebenden Gefühle der hohen Freude und der eingreifenden Niedergeschlagenheit. Einerseits war ich durchdrungen von der Ehre, welche meiner lieben Vaterstadt zu Theil werden sollte, die Wissenschafts-Ge- nossen so bald wieder in ihren Mauern vereinigt zu sehen: eine Ehre, die um so höher zu schätzen war, als weder die Stadt, noch irgend eine Corporation in ihr es hatten wagen kön- nen, Sie schon nach 22 Jahren zum zweiten Male einzuladen; nicht minder fühlte ich tief den hohen Werth des grossen und wohlwollenden Vertrauens, welches Sie mir durch die Wahl meiner Person zugewendet hatten. „Andererseits drückte mich aber die Betrachtung , ob die kleine Stadt, welche so Vieles entbehrt, was Wien und andere Hauptstädte in reichster Fülle darbieten, im Stande sein würde, die Versammlung ihrer würdig in sich aufzunehmen; und ganz insbesondere konnte ich mir persönlich im weiter vorgerückten Alter kaum die Kraft zutrauen , ebenfalls zum zweiten Male das fürsorgende Amt eines Ihrer Geschäftsführer zu übernehmen. „Ich that, was ich nicht lassen konnte, — ich fügte mich dankbar Ihrem Beschlusse, ver- trauend auf den hohen Sinn für Wissenschaft und Kunst, welcher unseres Königs Majestät beseelt, auf die mir genau bekannten wohlwollenden Gesinnungen meiner lieben Mitbürger, auf die von einsichtsvollem Bestreben geleitete Thatkraft des mir zur Seite stehenden Collegen. „Ich habe nicht auf Sand gebaut, die Schwierigkeiten, welche mich in Wien gedrückt hat- ten, sind in Rücksicht der getroffenen Einrichtungen überwunden, und der Himmel wird uns hoffentlich hold bleiben, damit das begonnene Werk eben so glücklich und ausgiebig seiner Vollendung zugeführt werde. Wir haben durch die Munificenz Sr. Majestät des Königs einen neu geschaffenen schönen Raum gewonnen, in welchem wir uns, unseren Zwecken angemes- sen, versammeln können. Allerhöchstdieselben haben sogar auf die Bitte der Geschäftsführer zu genehmigen geruht, dass unser Versammlungs-Saal mit dem vortrefflich gelungenen Bild- niss Allerhöchstihrer Person geschmückt werde, welches aus den Schlössern von Berlin nach Bonn gesandt worden ist, und eben so kam unser allgeliebter Königlicher Herr und Landes- 37 vater allen anderen Wünschen huldreichst entgegen, welche die Geschäftsführer für die Ver- sammlung gehegt hatten. „Von dem Herrn Minister von Raumer Excellenz, ‘welchem die Leitung der geistlichen, Unterrichts- und Medieinal-Angelegenheiten in dem preussischen Staate anvertraut ist,‘ waren unsere vor dem Throne niedergelegten Bitten und Wünsche gewogentlich befürwortet und unterstützt worden. Die königliche Universität öffnete, uns ihre Hallen und Institute, und gestattet, ‘dass wir, sie während der Dauer unserer Versammlung als die unsrigen betrach- ten dürfen. { „Die Stadt Bonn empfängt uns freundlich und bereitet uns unter Anderem den hohen Ge- nuss tonkünstlerischer Bestrebungen vor. Durch die freigiebigen Bewilligungen der verehrli- chen Directionen der vereinigten Rheinischen Dampfschifffahrt und der Rheinischen Eisenbahn ist,es möglich geworden, eine freie Fahrt auf unserem schönen Strome nach dem königlichen Schlosse Stolzenfels zu machen, zu dessen Besuche des Königs Majestät ebenfalls die Aller- höchste Genehmigung zu ertheilen geruht haben, und die Rückkehr zu benutzen, um die herrliche Kirche zu Apollinarisberg zu beschauen, im Voraus willkommen geheissen yon dem für alles Schöne und Gute empfänglichen Bauherrn und Besitzer derselben, Herrn Grafen von Fürstenberg-Stammheim; — sowie eine Festfahrt nach der ehrwürdigen Stadt Köln, zu- gleich um ihr grossartiges nationales Bauwerk, den hehren:Dom mit all seinen Merkwürdigkeiten, unter der sachkundigsten Leitung des verdienstlichen Dombaumeisters, Herrn Geh. Rath Zwir- ner, in Augenschein zu nehmen. Das hochwürdige Metropolitan - Domeapitel hat freundlich- willfährig die Einrichtung getroffen, dass die Kirchenschätze des Domes ebenfalls besichtigt werden können. „Bei diesen und anderen Vorbereitungen, die noch näher den Zweck unserer Zusammen- kunft berühren, kann ich Sie, hochverehrte Herren und geliebte Collegen, eben so. ehrerbietig als herzlich willkommen heissen in unserer Universitätsstadt. „Die Räume sind eingerichtet und geöffnet, welehe Sie. zur Arbeitstheilung der Sectionen in den Universitätsschlössern zu Bonn und Poppelsdorf,. in-der Sternwarte und’ in dem: land- wirthschaftlichen Institute ebenfalls zu Poppelsdorf aufnehmen werden. „Ehe wir aber unsere gemeinschaftlichen und getheilten Arbeiten beginnen, drängt es mich, noch den Ausdruck des vollsten Dankes allen darzubringen, welche liebevoll dazu beigetragen haben, dass wir in dieser Stadt in Behaglichkeit und in schönem Zusammenleben unsere seit- herigen Forschungen und Erfahrungen einander mittheilen können. Der erste Dank gebührt, eben so ehrfurchtsvoll als herzlichst an den Tag gelegt, dem erhabenen Monarchen, dem Aller- gnädigsten Könige von Preussen, meinem heissgeliebten Landesherrn, der nicht bloss die Ge- nehmigung zu unserer Versammlung in der hiesigen Stadt zu ertheilen geruhte, sondern auch in seiner hohen und liebevollen Fürsorge für die Wissenschaft daen die von den Geschäftsführern erbetenen Mittel Allergnädigst verlich. „Im Verlauf unserer Versammlungen werden die verehrten Herren N Made und Theil- nehmer noch näher durch die Verwirklichung erfahren, als es diese Worte schon anzudeuten sich erlaubten, wie freundlich von vielen Seiten zur besten Erreichung unserer, Zwecke gewirkt worden ist. Der fernere und zweite Dank gebührt im vollsten Masse den verehrungswürdigen Corporationen und Personen, welche sich dabei betheiligt haben, und ich: erlaube mir, ‚densel- ben hiermit und im. Namen meiner unbezweifelt gleichgesinnten Herren Collegen ebenfalls aus- zusprechen. Den dritten, eben so herzlichen Dank'bringen aber die'Geschäftsführer Ihnen selbst, verehrteste Herren Collegen, für die nicht bloss in.der..Zahl'grosse, sondern auch in 38 wissenschaftlich hervorragenden Männern reiche Theilnahme dar, welche Sie auf die ergangene Einladung der Universitätsstadt Bonn geschenkt haben. Es ist dies ein überreicher Lohn, den wir nicht hoch genug zu schätzen wissen. „Es möge mir aber noch gestattet sein, bei dieser feierlichen Eröffnung denjenigen um unsere Wander - Gesellschaft besonders verdienten Männern ein Wort des Andenkens zu wei- hen, welche in dem letzten Jahre durch den Tod unserer Mitte entrissen worden sind. Unter ihnen nenne ich zunächst den wissenschaftlich hochverdienten Mineralogen und Krystallographen Christian Samuel Weiss, und beinahe gleichzeitig mit ihm starb der wackere Vorstand des wiener Hofmineralien-Cabinets Paul Partsch. In den letzten Tagen waren es der ver- dienstliche hallenser Physiker J. S. ©. Schweigger, einer der Männer, welche in geringer Anzahl 1822 unsere Gesellschaft gründeten und ihr die noch bestehenden Statuten gaben, und der vielseitig thätige und viel gereiste Zoologe Lichtenstein, zweiter Geschäftsführer der berliner Versammlung vom Jahre 1828, welche zuerst einen grossartigen Aufschwung gewann. Alle diese heimgegangenen ÜOollegen waren rastlose Förderer und Theilnehmer unseres Ver- eins. Sie leben fort in ihrem hervorragenden Verdienst und ganz besonders im Andenken unserer Gesellschaft. „Möchten die wenigen Tage, welche Sie, hochverehrte, geliebte Herren bei uns zubrin- gen, ergiebig sein für die vielverzweigten Wissenschaften, deren ‘Cultur Ihr Ziel und Ihre Freude ist — möchten sie freundlich sich gestalten für das Leben, für das nähere Kennenler- nen der Fachmänner unter einander, nach Oken’s ausgesprochenem Sinne bei der Stiftung der Versammlung! „Und hiermit eröffne ich die Sitzung.“ Der zweite Geschäftsführer, Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Kilian, schritt hierauf zur Verlesung der Statuten der Versammlung und hob dabei einige Punkte derselben besonders hervor, namentlich den Hauptzweck der Versammlungen, das Sichkennenlernen, und ferner, (in Bezug auf einen in der nächsten Sitzung zur Verhandlung kommenden Gegenstand) den Nutzen der Besitzlosigkeit. Derselbe verlas hierauf mehrere Schreiben, die an die Versammlung eingelaufen waren, und zwar: 1) ein Schreiben des Herrn Regierungspräsidenten Kühlwetter zu Coblenz im Auftrag Ihrer Königl. Hoheit der Frau Prinzessin von Preussen erlassen, worin Höchstdie- selbe die Versammlung aufforderte, das Königliche Schloss zu Coblenz zu besuchen und es von Höchstihrem Befinden abhängig machte, ob sie selbst der Versammlung begegnen würde. 2) Ein Begrüssungsschreiben desselben im Namen des Königl. Oberpräsidiums der Rheinprovinz, welches folgendermassen lautete: „Mit Sr. Majestät des Königs Allerhöchster Genehmigung beginnt am 18. d. Mts. die 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in der Rheinischen Universitätsstadt Bonn zu tagen. „Die Bestrebungen deutscher Männer für den geistigen Fortschritt, wie solche sich in den Versammlungen der verflossenen Jahre kund gethan, sind anerkannt im weitern wie im engern Vaterlande, ja selbst über die Grenzen deutscher Zunge und deutscher Gesittung hinaus. Was. in jenen Versammlungen gedacht und gesagt worden ist, das sind Saatkörner der Civilisation, deren innerer Gehalt Bürgschaft dafür leisten muss, dass sie zur fröhlichen Saat erstehen und die gedeihliche Erndte nicht entgehe. 39 „Die Länder, Provinzen, Städte, in denen die Koryphäen deutscher Forschung sich ver- sammeln, haben es sich stets zum Ruhm und zur Ehre gerechnet, in gewissem ‘Sinne die Träger des geistigen Lebens zu sein, welches in ihrer Mitte sich concentrirt. Das Licht äus- sert die stärkste Wirkung in seiner nächsten Umgebung. „Aus freudigem Herzen heisse ich die Männer willkommen, welche aus Nah’ und Ferne sich auf Rheinischer Erde versammelt haben, und ersuche Ew. Hochwohlgeboren, diesen Aus- druck meiner lebhaften Theilnahme in geeigneter Weise zur Kenntniss der Versammlung brin- gen zu wollen. Coblenz, den 13. September 1857. Der Ober-Präsident dr Rheinprovinz. In. Vertretung, Kühlwetter. An die Geschäftsführer der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, Herrn Geheimen Bergrath und Professor Dr. Nöggerath, Ritter ete. und Herrn Geheimen Medieinalrath und Professor Dr. Kilian, Ritter ete. Hochwohlgeboren No. 7591. zu Bonn.“ 3) Nachstehende zwei Schreiben des Königl. Preuss. Rheinischen Öberberg- amts zu Bonn: „Es ist zu vermuthen, dass manche Mitglieder der diesjährigen Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte ein besonderes Interesse an den berg- und hüttenmännischen und salinistischen Etablissements des Rheinischen Haupt-Berg-Distriets nehmen und vielleicht einige derselben vor oder nach der Zusammenkunft in Bonn besuchen werden. Um in dieser Rück- sicht den möglichen Absichten dieser Herren willfährig entgegen zu kommen, haben wir durch eine heutige an die Königlichen Berg - Aemter zu Siegen, Düren und Saarbrücken, das Hüt- ten -Amt zu Sayn und die Salinen-Verwaltung zu Münster am Stein gerichtete, Cirkular-V erfü- gung angeordnet, dass die Reisenden bei diesen Behörden und ihren Mitgliedern eine freund- liche, den Zwecke entsprechende Aufnahme finden, und ihnen auf Verlangen alle gewünsch- ten Auskünfte ertheilt werden; zugleich haben wir die genannten Behörden angewiesen, in gleicher Weise die ihnen untergeordneten Revier -Beamten zu instruiren, welche ihrer Seits ebenfalls Sorge tragen werden, dass der Besuch der Werke keine Schwierigkeit finde. „Euer Hochwohlgeboren beehren wir uns, von dieser getroffenen Anordnung ergebenst zu benachrichtigen. ‘Bonn, den. 13. Juni 1857. König]. Preuss. Rheinisches Ober-Bergamt. Dechen. Burkart. Schwarze, An die Vorsteher der XXXIU. Versammlung u. s. w.“ 40 „Wir glauben annehmen zu können, dass es für viele Naturforscher, welche in diesem Herbste die hiesige Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte besuchen, willkommen sein dürfte, hier eine Anzahl interessanter Mineralien aus dem rheinischen Haupt-Berg-Distrikt zur Auswahl vorzufinden. Für diesen Zweck haben wir in die Reviere den Auftrag ergehen lassen, geeignete Einsammlungen zu veranstalten und diese an das naturhistorische Museum der Rhein - Universität einzusenden.: Von dem Königlichen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Herrn von der Heydt Excellenz, ist uns auf unseren Antrag der Betrag von zweihundert Thalern zur Disposition gestellt worden, um daraus die Kosten für das Aus- schlagen, die Verpackung und die Fracht jener den Naturforschern zum Geschenke anzubie- tenden Mineralien zu bestreiten. „Euer Hochwohlgeboren beehren wir uns, von dieser Veranstaltung ergebenste Kenntniss zu geben und hoffen dadurch schon vorläufig einigermassen das Interesse zu bethätigen, wel- ches wir an der diesjährigen Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in hiesiger Stadt nehmen. Dasjenige Mitglied von uns, welches zugleich eines der Vorsteher der gedach- ten Versammlung ist, hat die Leitung der Vertheilung der Mineralien unter den zu erwarten- den Gästen, welche darauf Werth legen, übernommen. Bonn, den 30. Mai 1857. König). Pranss, Rheinisches Ober-Berg-Amt. Dechen. Burkart. Schwarze. An die Herren Vorsteher der XXXID. Versammlung u. s. w.“ 4) Das Antwortschreiben Alexander von Humboldts auf die an ihn gerichtete Ein- ladung, der Versammlung beizuwohnen: „Ich bin tief, aber ich muss auch hinzufügen, schmerzhaft gerührt durch. die Worte herz- lichen Wohlwollens und mich ehrender Anhänglichkeit, mit dem Sie, hochverehrter Herr College, mich im Namen meiner Freunde zu Bonn zu ihrem schönen Feste der 33. Versamm- lung deutscher . Naturforscher und Aerzte einladen. Nicht der Ruhe erheischende Zustand mei- ner schwindenden Kräfte allein, nur die Nothwendigkeit, am nahen Abschied des Lebens durch angestrengte, ununterbrochene Arbeitsamkeit der Vollendung näher zu bringen, was mit Un- vorsicht zu spät unternommen worden ist, fesselt mich an mein Studirzimmer. Der Schmerz über die Entbehrung, die ich mir auflege, kann allein gemindert werden durch die Hoffnung grossmüthiger Nachsicht, dem verliehen, der, wie ein edler Mann (der alte Stolz unseres Va- terlandes) sich ausdrückte, „„es für seine Pflicht hält, aufzuräumen, wenn das Ende irdi- scher Dinge näher rückt.““ Mit inniger Verehrung und Freundschaft Euer Hochwohlgeboren gehorsamster A. v. Humboldt. Berlin, 14. Juli 1857.“ Hierauf erhob sich die Versammlung, auf den Antrag des Prof. Nöggerath, zum Zeichen der Ehrerbietung gegen den Altmeister der Naturwissenschaften von ihren Sitzen und gab diesen Akt durch den Telegraphen dem fernen Forscher kund in nachstehendem Grusse: „An Herrn A. v. Humboldt Excellenz zu Berlin. „la der ersten allgemeinen Sitzung der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte 4l haben die sämmtlichen Anwesenden durch Erhebung von ihren Sitzen die ausgezeichnetste Ehrerbietung und Anerkennung für ihren Altmeister Herrn A. v. Humboldt zu erkennen gege- ben, und beschlossen, solches im Blitzesfluge mit der herzlichsten Glückwünschung an Se. Excellenz abzusenden.“ Bonn, 18. September 1857. Nöggerath. Kilian. Dieser Gruss wurde von zwei Mitgliedern der Versammlung sofort nach dem Telegra- phenamte befördert, und der 89jährige Forscher antwortete in seiner Freundlichkeit mit einem längeren höchst interessanten Schreiben, das wir am Schlusse dieses Berichts mittheilen werden. 5) Ein gleiches Antwortschreiben von Sr. Kaiserlichen ‚Hoheit dem Erzherzog Stephan zu Schaumburg folgenden Wortlautes: Meine Herren! Sie haben mir durch Ihr Einladungsschreiben aus Bonn vom 31. Juli l. J. eine grosse Freude bereitet, da daraus Ihre Ueberzeugung hervorgeht, dass ich mit dem regsten Interesse den Verhandlungen beiwohnen würde, welche die Repräsentanten naturhisto- rischer und medicinischer Intelligenz zum Nutzen der Wissenschaft zwischen dem 18. und 4. Sept. 1. J. abhalten werden. — Wo ein Geheimerath Nöggerath, ein Dr. Kilian an der Spitze steht, ist das Gelingen der Unternehmung nicht zweifelhaft. Um so mehr bedaure ich, dass gerade für den September mir schon seit lange Rufe nach dem äussersten Norden Deutschlands zu meinen oldenburgischen Verwandten geworden sind, denen ich um so mehr nachkommen muss, als es auch auf eine Zusammenkunft mit meiner Cousine, der Königin von Grie- chenland, abgesehen ist, die bei der Entfernung von ihrem Vaterlande nur selten herüber kommen, somit aber auch ihre festgesetzte Rückkehr nicht leicht aufschieben kann. Dennoch werde ich wenigstens trachten, bis 24. oder 25. Sept. in Schaumburg zurück zu sein, um, falls eine oder die andere der in Bonn anwesenden Notabilitäten meine botanischen oder oryktogno- stischen Sammlungen besichtigen wollten, ihnen als Führer dienen zu können. Sollte aber auch dieses unmöglich sein, so wird jedenfalls mein Bibliothecar und Custos der Sammlungen, Georg Siemang, die Weisung erhalten, alle jene Herren bei mir willkommen zu heissen, die den Umweg nicht scheuen sollten, um — ich schmeichele mir Einiges für ihr Fach Interessan- tes besichtigen und für die Wissenschaft benutzen zu können!! — So viel ist aber gewiss, meine Herren, dass mich Ihr Ausspruch, mich zu den gründlichen Kennern und Förderern naturwissenschaftlicher Kenntnisse zählen zu wollen, wahrhaft eitel machen könnte, wüsste ich nicht recht gut, dass es ein allzu mildes Urtheil ist, das Sie über mich gefällt! Das steht übri- gens fest, dass ich mit dem regsten Interesse, wenn auch nur von fern, an den Verhandlungen Theil genommen habe, die Sie verflossenes Jahr in Wien abgehalten, und dass auch in diesem Jahre ich mit Aufmerksamkeit all dasjenige verfolgen werde, was Sie Ihren wissenschaftlichen Zielen näher bringt. — Mit aufrichtiger Hochachtung Schaumburg, 9. August 1857. \ Erzherzog Stephan. 6) Ein Schreiben der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammteo Na- turkunde nachstehenden Inhalts: 6 42 Die Wetterauische Gesellschaft für die gesammte Naturkunde an Se. Wohlgeboren Herrn Professor Dr. Nöggerath zu Bonn. Wohlgeborner, hochzuverehrender Herr! „Aus dem grossen Gebiet der hochverehrlichen Societät deutscher Naturforscher und Aerzte, welche demnächst zu Bonn in wissenschaftlicher Form tagen werden, wird auch die Wetteräuer Gesellschaft, einer der ältesten naturhistorischen Vereine Deutschlands, seine Ver- treter senden; namentlich gedenkt unser Direktor, Herr Carl Rössler von Hanau, der Ver- sammlung in Bonn beizuwohnen. Unabhängig von diesem Vorhaben möchte jedoch die Wetterauer Gesellschaft die freund- liche Intercession Ew. Wohlgeboren, zu einer Mittheilung an die Naturforscher - Versammlung sich erbitten und hat mich beauftragt nachfolgende Bitte an Sie zu richten. Im August 1808, in einer stürmischen Periode, hatte eine Anzahl eifriger Freunde der Naturforschung zu Hanau und in dessen Umgebung den Muth die Gesellschaft zur wissen- schaftlichen Erforschung der Natur und zu gemeinnütziger Belehrung zu stiften, welche seit- dem unter dem Namen der „Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde“ mit Erfolg und nicht ohne belebenden Einfluss auf ihre Umgebung fortbestanden und zeitweise ihren Bei- trag für die Naturwissenschaft der Neuzeit geleistet hat. Von ihren Stiftern leben noch Einige, namentl'ch dieHerren Dr. vonLeonhard zuHeidelberg, Dr. Carl Ritter zu Berlin und der als Arzt bekannte Dr. Kopp zu Hanau. Viele von den zu Bonn zusammentretenden Gelehr- ten dürften unserm Vereine als Mitglieder angehören. Obschon von jüngern Vereinen und Societäten in Arbeitsthätigkeit, Leistungen und literarischem Rufe überflügelt, hält sich gleich- wohl der Verein der Wetterauer Societät nach Kräften auf der Höhe der vorwärtsschreitenden Forschung, hat sich jedoch vorzugsweise auf die naturwissenschaftliche Erforschung. des Gebiets der Wetterau in der bescheidenen, aber gewiss begründeten Beschränkung zurückgezogen, um das gesammte Naturleben des engern Kreises um so erfolgreicher aufzudecken, je con- centrirter die Thätigkeit seiner Mitglieder auf ein enges, aber reichhaltiges Gebiet sich aus- dauernd wirksam erwiese. Ob und wie weit ihr das gelungen, müssen wir anderm Urtheil anheimstellen. Diese Gesellschaft hat die Hoffnung und das Vorhaben, im August des kommenden Jah- res 1858 das Jubiläum ihres 50jährigen Bestands festlich zu feiern und würde sich in ihrem Streben schr aufgemuntert fühlen, wenn recht Viele ihrer verehrlichen Mitglieder und Freunde oder auch befreundete Vereine und wissenschaftliche Societäten auf irgend eine Weise ihre Theilnahme bezeigen und uns mit persönlicher Anwesenheit erfreuen und beehren wollten. Aus diesem Wunsche fliesst, hochverehrender Herr! die Bitte an Ew. Wohlgeboren: Es möchte der Vorstand der allgemeinen Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte die bei der Versammlung zu Bonn anwesenden Herren von unserer bevorstehenden Jubilarfeier durch eine einfache Anzeige in Kenntniss setzen und in unserm Namen die Mittheilung machen: der Vorstand der Wetterauer Gesellschaft lade seine verehrlichen Mitglieder und Freunde zu der beabsichtigten Festfeier ihres 5Ojährigen Bestandes auf den zweiten Mittwoch im Monat August 1858 ergebenst und freundlichst ein. Genehmigen Sie, hochverehrter Herr! die Versicherung unserer dankbaren und hochach- 43 tungsvollen Ergebenheit, womit wir uns Ihrem Wohlwollen und der Theilnahme der hochach- tungswerthen Versammlung bestens empfehlen. Hanau, 12. Sept. 1857. Im Namen und Auftrag der Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde. Der erste Sekretär 6. W. Roeder, Schulinspektor- 7) Gruss und Nachrieht von der definitiven Constitution der Geographischen Ge- sellschaft in Wien, wie folgt: Eure Hochwohlgeboren! Ist auch in dem Programme der: 33. Versammlung, deutscher, Naturforscher‘ und Aerzte die Erdkunde nicht durch eime eigene Section vertreten, so. dürfte sie doch kaum aus der Reihe der dort vertretenen Wissenschaften ausgeschlossen sein. ' Mit besonderer Freude ergreift daher unsere neue k. k. geographische Gesellschaft die ihr dargebotene Gelegenheit, ihre Bereitwil- ligkeit an der Theilnahme der 33. Versammlung an den Tag zu legen. Als die 32. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte im vergangenen Jahre in Wien tagte, war die k. k. geographische Gesellschaft gerade in ihrer Gründung begriffen; als ein günstiges Wahr- zeichen kann sie es betrachten, dass die Allerhöchste Sanction ihrer Statuten von Seiner k. k. Apostolischen Majestät unserem Allergnädigsten Kaiser gerade in die Zeit der Versammlung, auf den 21. September 1856 fällt; mit besonderer Befriedigung kann ich nun der diesjährigen 33. Versammlung die erfolgte Oonstituirung der Gesellschaft mittheilen. ‘ Kann sich der Kreis ihrer Thätigkeit mit jenem der gleichartigen Gesellschaften zu London, St. Petersburg, Paris und Berlin nicht messen, so fehlt es doch auch uns hier nicht an dem besten Willen, nach allen Kräften das Möglichste zur Förderung dieser Wissenschaft beizutragen. , Betrachten Sie das mitfolgende 1. Heft von Mittheilungen als einen schwachen Ausdruck der innigen Theil- nahme, den unsere Gesellschaft an den Arbeiten der 33. Versammlung nimmt. Hr. Professor E. Hornig, selbst ein sehr thätiges Mitglied der k. k. Geographischen Gesellschaft, wird die Güte haben Eurer Hochwohlgeboren dieses Exemplar zu übergeben und zugleich unsere Gesellschaft bei der 33. Versammlung zu vertreten. Genehmigen Eure Hochwohlgeboren den Ausdruck meiner besonderen Hochachtung und Verehrung mit dem ich die Ehre habe zu sein Eurer Hochwohlgeboren ergebenster Diener Wien am 14. September 1857. ETT Fz. Foetterle , I. Sekretär der k. k. geographischen Gesellschaft. 8) Das Schreiben des Chefs des Stabes des Kais. Russischen Bergingenieur- Corps Herrn Samarsky: An die Herren Geschäftsführer der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. In Bezug auf das von Ihnen, als den berufenen Geschäftsführern, ergangene gedruckte Einladungs-Schreiben vom 1. Juli 1857, beeilt sich der Stab des Kaiserl: Russischen Berg- Ingenieur-Corps hiemit die Meldung zukommen zu lassen, dass dem auf Allerhöchsten Befehl gegenwärtig im Auslande sich aufhaltenden Berg-Ingenieur-Obexst-Lieutenant v. Kokscharoff der Auftrag. ertheilt worden, an der diesjährigen 33. Versammlung. deutscher Naturforscher 44 und Aerzte in Bonn Theil zu nehmen. Es ist Hr. v. Kokscharoff derselbe junge Gelehrte, dem es durch seine Beiträge zur Kunde der Mineralogie Russlands und der Krystallographie insbesondere bereits gelungen, auch im Kreise ausländischer Fachgenossen sich _ einen ehren- vollen Ruf zu erwerben. Es darf sich daher der Stab der Kaiserl. Russischen Berg-Ingenieure mit Recht der Hoffnung hingeben, dass die seinerseits getroffene Wahl, für den Betheiligten vor Allem vortheilhaft und erspriesslich, auch der Versammlung selbst vielleicht von Nutzen sein dürfte. Der General-Major und Chef des Stabes des Kaiserl. Russischen Berg Ingenieur-Corps Samarsky. 9) Es ist hier der Ort einen Gruss des gefeierten Haidinger einzuschalten der in der Sitzung, wegen der drängenden Zeit, nur in einem längeren Auszuge mitgetheilt werden konnte. Er folgt hier wörtlich abgedruckt: Festgruss an die hochverehrte 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Bonn. Sendschreiben an Herrn Geheimen Bergrath Dr. Jacob Nöggerath von Wilhelm Haidinger in Wien. Mit grösster Theilnahme gedenken wir in Wien der hochverehrten Freunde, welche sich im gegenwärtigen Jahre in der Königlichen Rheinstadt versammeln, und wünschen ihnen den lebhaftesten, befriedigendsten Erfolg. Einer einzelnen Section der vorjährigen Versammlung angehörend, würde ich es nicht gewagt haben, der ganzen, der Gesammt-Versammlung einen innig tief gefühlten Festgruss darzubringen, wäre nicht die Veranlassung vorhanden, einen Gegenstand zu berühren, der gewiss eben so tief wie das meine, alle Herzen der in Bonn versammelten Naturforscher bewegt, das achtundachtzigste Geburtsfestunsers Alexander von Humboldt, das den heutigen Tag für immer auszeichnet. Meine Mittheilung bezieht sich in erster Linie auf den gleichen Tag des vergangenen Jahres 1856. Manches lässt mich erwarten, dass gewisse Ereignisse aus der Geschichte unserer vorjäh- rigen ewig unvergesslichen glänzenden Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien in der über dieselbe gegenwärtig in Wien in der Vorbereitung begriffenen Druckschrift mit Stillschweigen übergangen werden dürften. Aber sie gehören der Geschichte der Wiener Versammlung an, und da die Versammlung von 1856 nur eine aus der Reihe war, so gehö- ren sie auch zur Geschichte der Versammlungen überhaupt. Mir aber sind diese Thatsachen werth und theuer, sie gehören zu den schönsten meiner Erlebnisse, ich bin dem hohen Geiste, der mir und meinen Bestrebungen durch dieselben die schönste Weihe verlieh, so grossen und innigen Dank schuldig, dass ich wünschen muss, sie mögen wenigstens in dieser Geschichte der Versammlungen überhaupt nicht fehlen, wenn sie auch aus der Versammlung von 1856 in Wien ausgeschlossen worden sind. Darum bitte ich Sie, mein theurer Freund, der Sie denselben Quell hohen Wohlwollens gleich mir verehren, die gegenwärtigen Zeilen der diesjährigen hochverehrten Versammlung zu freundlicher Aufnahme vorzulegen. Die Herren Geschäftsführer der 32. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in E 5) ‘Wien, Herren Professoren Hyrtl und Schrötter hatten dem Vernehmen nach eine specielle Einladung an Freihereın Alexander von Humboldt gerichtet. Ein Brief Humboldt's’an mich vom 6. September enthält-folgende Stelle: „Ich' bleibe jetzt gern an, einem ‚Orte, und muss daher mit: schmerzlicher Entsagung Sie bitten, mich ‘bei den Herren Geschäftsführern der wichtigen 32. Naturforscherversammlung gütigst zu entschuldigen, bei-den. Herren Professoren Hyrtl und A. Schrötter. Wenn die Kräfte sinken, ist es rathsamer zu der häuslichen Unruhe, wie schon die meinige ist, nicht Aufregungen von aussen hinzufügen.“ Den Brief selbst erhielt ich durch Herın Georg Tickner aus Bosten am 29. Septem- ber, also schon nach dem Schlusse.der Versammlung. Wer der dritten allgemeinen Versammlung im k. k. Redoutensaale in Wien beiwohnte, gedenkt mit Freude der Augenblicke, wo auf den Antrag des Herrn Dr. Hermann Beigel aus Wien unter freudigem Zuruf die Sendung eines telegraphischen Festgrusses an Alexan- der von Humboldt, der so eben das 87. Lebensjahr, am 14. September vollendet, beschlos- sen und ausgeführt wurde. Das Tagesblatt No. 8, bezeichnet mit dem 3. Oktober, sagt in einer Note: „Alexander von Humboldt beantwortete diesen Gruss in einem Schreiben an Sec- tionsrath Haidinger, welches dieser in No. 225 der Wiener Zeitung veröffentlicht hat.“ Aber der schöne erhebende Inhalt des Schreibens wurde in dem Tageblatte nicht mitge- theilt. ‘Es ist der folgende: „Ich bin tief gerührt von dem Andenken und dem Glückwunsche, der telegraphisch mir von meinen hochverehrten Collegen, der in der grossen Kaiserstadt ‘versammelten Naturfor- schern zugegangen ist. Ich wende mich an Sie, mein edler Freund, um die Huldigung der tiefsten Dankgefühle den Gebern darzubringen, weil ich die Freude, die mir bereitet worden ist, gewiss wieder grösstentheils Ihrer so wnaussprechlich &ütigen Nachsicht schulde. Das Höchste was man im Leben, auf dem Wege einernten kann, auf dem Sie und ich und die Unsrigen wandeln, ist (in treuer Anhänglichkeit an das deutsche Vaterland und in unerschüt- tertem Glauben an den freien Fortschritt und die allgemeine Verbreitung der Intelligenz) sich durch kräftige Bestrebungen, einen wichtigen‘ Theil des National-Beifalls, ich sollte bescheide- ner sagen, des National-Antheils, zu erwerben. Berlin, den'24. September 1856. Alexander von Humboldt.“ Es ist wahr, ich hatte ‘es in jener Nummer: der 'Wiener Zeitung mitgetheilt, aber ich hatte noch etwas gethan, was’ aus jener Note nicht ersichtlich ist. Ich hatte Humboldt’s Schreiben am 26. erhalten. Ich gab gerade zu dem Zwecke, um. den Inhalt noch in die letzte Nummer des Tageblattes zu bringen, sowohl von diesem als auch von dem Abschnitte in dem Briefe vom 6. September Nachricht an meine hochverehrten Freunde die Herren Geschäftsführer, und zwar an Herrn Professor Hyrtl, und als ich in Erfahrung brachte, dass er von Wien abwe- send sei, so liess ich meinen’ Brief wieder abholen und schickte ihn zur Beschleunigung der Mittheilung unmittelbar an Herrn Professor Schrötter, der den Schluss des Tageblattes lei- tete. Es war diess noch vor dem Abdrucke des Blattes. Von meinem Briefe behielt ich keine Abschrift, aber ich erinnere mich gut, dass ich die ‚Erklärung beigefügt hatte, dass ich selbst nicht in jener Sitzung. gegenwärtig, und unseres grossen Meisters Voraussetzung, ich habe zu dem Ergebnisse beigetragen nicht gegründet ‘war. Ich schliesse mich ganz dem Ausdrucke der Verehrung 'an, aber es war die Versammlung, die auf. Herrn Dr. Beigel’s Antrag beschloss. 46 Ein drittes Schreiben Alexanders von Humboldt, das sich auf die Versammlung namentlich aber auch auf unsere k.'k. geologische Reichsanstalt bezieht, gab die Oesterreichisch- Kaiserliche Wiener Zeitung vom 7. November in folgendem Artikel: „Bei Gelegenheit der Vertheilung der'Medaillen, welche die Stadt Wien’ zur Me an die 32. Versammlung; deutscher Naturforscher und Aerzte’ ausprägen liess, übersandte der Bürgermeister ‘von Wien, Herr Dr. Ritter von Seiller, ein Exemplar derselben auch Herrn Freiherrn Alexander von Humboldt, um dem'ruhmwürdigen Nestor deutscher Wissen- schaft einen Beweis der ungeheuchelten Verehrung von Seiten der Oesterreichischen Metro- pole zu geben. Auf das dieser Sendung beigeschlossene Begleitungsschreiben erhielt der Herr’ Bürger- meister von Freiherrn vom’ Humboldt nachfolgende Antwort: Hochwohlgeborner Herr' Bürgermeister der Kaiserstadt Wien, Hochzuverehrender Herr Ritter ! | Mit dem tiefsten Gefühle der Dankbarkeit habe ich das schöne, ehrenvolle Geschenk empfangen, welches der, Herr Bürgermeister der grossen kaiserlichen‘ Residenzstadt Wien, Herr Ritter von Seiller, die Gewogenheit gehabt hat, mir in seinem Namen und:der hoch- verehrten Kommune der Stadt Wien zufertigen zu lassen. Es ist ein Erinnerungszeichen — in hohem Kunstgefühle sinnig erdacht und mit technischer Vollkommenheit ausgeführt, durch das’ der’ Gemeinderath seinen edlen Antheil an der Belebung wissenschaftlicher Institute‘, sein Wohlgefallen an der geistigen Vereinigung des gemeinsamen deutschen Vaterlandes auf. eine würdige Weise hat bezeugen wollen. Ich habe es um so inniger bedauert, mich meinen Kollegen in ‘der Versammlung der Naturforscher und Aerzte in der österreichischen Reichshauptstadt wegen meines Uralters- und Gesundheitszustandes nicht haben anschliessen zu können, als (dass, was ich zur Vorbereitung meiner. Reiseunternehmungen einem langen Aufenthalte in den Gärten von Schönbrunn und der Hauptstadt — belehrt und angeregt von Jacquin dem Vater, und dem grossen Peter Frank verdanke, — an Ermuthigung und Ausbildung zu: den isahakten Erinnerungen meines vielbewegten Lebens gehört. An diese Jugend-Erinnerungen von’ mehr 'alseinem. halben Jahrhundert knüpft sich jetzt die Bewunderung der von so reichem Erfolge allgemein gekrönten Bestrebungen und gross- artig wohlthätigen Aufopferungen Ihrer Regierung zur Förderung und Verbreitung aller Theile des Naturwissens. j Die geologische Reichsanstalt steht als ein schwer zu erreichendes Muster da. Empfangen Sie ‚ hochverehrter Herr Bürgermeister, und durch Ihre ‚freundliche Vermitt- lung der hohe Gemeinderath von Wien, den erneuerten Ausdruck der .dankbaren und ausge- zeichnetsten Hochachtung mit der ich zeichne Potsdam, Stadtschloss 3. November 1856. Euer Hochwohlgeboren gehorsamster A: v. Humboldt“ Sie schen, hochverehrtester Freund, wie sehr ich wünschen muss, dass die mir von unse- rem Humboldt anvertrauten Antworten aus Veranlassung der Versammlung in Wien doch dem Kreise, in welchem sie die meiste Theilnahme finden werden, nicht entzogen bleiben sollten. Es gelang mir nicht selbe in unser eigenes Tagesblatt zu bringen. Vielleicht gewährt ihnen Herr Professor Schrötter ein Plätzchen in dem von ihm vorbereiteten Berichte. Aber die Wahrscheinlichkeit ist ntır dafür gering, und so glaube ich, eine wnabweisliche Pflicht des 41 Dankes gegen unsern wahren Vater Humboldt ‘zu erfüllen, wenn ich Sie bitte, hochver- ehrtester Freund, die gegenwärtige Mittheilung der unvergesslichen und erhebenden Briefe unseres Humboldt, in der Gestalt eines Festgrusses an die hochverehrte, gewiss auch höchst wichtige 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Bonn, als Zeichen dankba- rer Erinnerung an die Hochgenüsse des verflossenen Jahres mit dem Ausdrucke meiner gröss- ten Ehrfurcht darzubringen. Dornbach, am 14. September 1857. Treu ergeben W. Haidinger. 10) Dr. €. H. Sehultz, Bipontinus, Hospitalarzt in Deidesheim, stellt brieflich den An- trag: den in der 1. allgemeinen Sitzung der 29. Versammlung. deutscher Naturforscher und Aerzte zum Beschluss erhobenen Antrag desselben: „weder in den allgemeinen, noch in den „Sektionssitzungen darf ein Vortrag gehalten werden, der schon gedruckt ist,“ — als Zusatz- artikelin die Statuten aufzunehmen. Der Gegenantrag des Prof. Nöggerath dage- gen, „an den Statuten nichts zu ändern,“ ward mit allgemeiner Akklamation zum Beschluss erhoben. 11) Ein zweiter Antrag des Dr. Schultz, als Adjunkten der Kaiserl. Leopold. Carolin. Akademie der Naturforscher , des Inhalts: „Dass die in Wien deponirten Einlagegelder zur 32. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Wien der Kaiserl. Leopoldinisch- -Oa- lien Akademie übergeben werden möchten, um dieselben zu einem rein wissenschaftli- chen Zwecke zu verwenden,“ — wird zur bezüglichen Verhandlung in der dritten allgemei- nen Sitzung zurückgelegt. 12) Einen Antrag desselben Inhalts stellt 'brieflich Dr. Kieser in Jena, als Director ephemeridum der L. C. Akademie, indem er noch besonders auf die finaneielle Bedrängniss und die möglicher Weise eintretende Entziehung der Postfreiheit im Preussischen Staate hin- weist, wodurch die Herausgabe der Verhandlungen unterbrochen, oder die Uebersiedlung nach einem süddeutschen Staate nöthig würde, was beides dem Blühen ‘der Akademie nur nachtheilig sein könne. Zugleich übersandte Dr. Kieser eine gedruckte Nachricht über die Enthüllung des Oken-Denkmals mit herzlichster Begrüssung zur Vertheilung an die Glieder der Versamm- lung, um dadurch in ihr das Andenken ‘an ihren Stifter zu erneuern. 13) Ein Schreiben des Vorstandes: von dem'Vereine der Aerzte des Düsseldor- fer Regierungsbezirks meldet die von ihnen entsandte Deputation zur Begrüssung der gegenwärtigen Versammlung an und berichtet zugleich, dass dieselbe vom’ Magistrate der Stadt Düsseldorf mit dem ‚Vorschlage an die Versammlung committirt ist, die letztere möge in einer der nächsten Sitzungsperioden in Düsseldorfs Mauern tagen, — welcher Antrag für die bezüg- liche Verhandlung in der 2. allgemeinen Sitzung in Berücksichtigung genommen wird. Geh. Rath, Kilian’ schliesst diese Mittheilungen ' mit der Verlesung‘ der (schon früher abgedruckten): Eintheilung der Sektionen‘, die open der freien ee der Versammlung gänzlich überlassen bleiben solle: 48 Nach einem alten Brauche begrüsst der Bürgermeister des Versammlungsortes, diesmal der Stadt Bonn, Herr Kaufmann, die Versammlung, und zwar mit nachstehender Rede: Hochgeehrte Versammlung! Ein ‚durch langjährigen Gebrauch geheiligtes Recht verschafft mir die hohe Ehre, unter den Ersten zu sein, die Sie, geehrte Anwesende, nach Eröffnung ihrer XXXII. Versammlung begrüssen. Im Namen der Stadt Bonn, die ich zu vertreten habe, heisse ich Sie hier herzlich willkommen und spreche den aufrichtigsten Dank dafür aus, dass unsere Stadt zum zweiten Male von Ihnen auserkoren worden ist, in ihren Mauern den Congress der Männer der Wis- senschaft, der Natur und der treuesten Freunde der leidenden Menschheit versammelt zu sehen. Zwar überschleicht mich ein Gefühl der Furcht in.dem. Gedanken, dass Sie im letzten Jahre in der prächtigen Kaiserstadt Wien, in der grossen Hauptstadt Oesterreichs getagt haben, als sei die unserer Stadt erwiesene Ehre nicht ungefährlich und könne es nur schwer gelingen, Ihnen den grossen Abstand zwischen dem was Sie hatten und dem was Ihnen jetzt geboten wird, weniger erinnerlich zu machen. Doch Ihre wiederholte Wahl unserer Stadt ermuthigt mich und gibt, mir den Beweis, dass Sie zufrieden waren mit dem, was Ihnen hier bereitwillig und aus gutem Herzen gege- ben wurde. Sie haben durch Ihre Wahl in Bonn, dem. Sitze der Rheinischen Friedrich - Wilhelms- Universität, den geistigen Brennpunkt der schönen Rheinlande erkannt. Mitten in dem Herzen unserer Provinz, wie in einem blühenden Garten liegt unsere Stadt an dem mächtigen Rhein- strome, der’ im Wettstreite mit dem schnaubenden Dampfrosse, der Eisenbahn, Sie in kurzer Zeit zu den schönsten Gebilden der Natur, zu unserm Siebengebirge, und zu dem erhabensten Denkmale der Kunst, zum Kölner Dome zu führen bereit ist. Der Geburtsstadt des grossen Beethoven schien es auch nicht unwürdig, Ihnen die Werke ihres berühmten Sohnes als Gastgeschenke anzubieten. Natur und Kunst werden wetteifern, Ihnen durch genussvolle Ruhestunden die fördernde Frische und Heiterkeit des Geistes bei Ihrer Arbeit zu verschaffen, damit auch die diesjährige Versammlung, wie die vorhergehenden, in reichlichem Masse dazu beitragen werde, die hohe Bedeutung der Naturwissenschaften um die ganze Menschheit immer mehr zu verbreiten und zur verdienten Anerkennung zu bringen. Die Früchte Ihrer Studien geben dem Menschen- geiste die Kraft, die Segnungen der Kultur in raschem Laufe über das ganze Erdenrund zu verbreiten, sie führen die Nationen näher zusammen, als politische Bündnisse und drücken unserm Jahrhundert den ihm eigenthümlichen kosmopolitischen Charakter auf. „Schneller als das Licht trägt in die weiteste Ferne Gedanken und Willen der geschlos- sene eleetrische Strom, Raum und Zeit verkürzt die Kraft des Dampfes und selbst die Sonne leiht dem Künstler ihre Strahlen, um in wenigen Augenblicken ein Bild zu schaffen, das nicht übertroffen werden kann.“ Mit diesen klassischen Worten Ihres Altmeisters schliesse ich meinen aufrichtigen Gruss und heisse Sienochmals herzlich willkommen. Für die nun eröffneten wissenschaftlichen. Vorträge und Verhandlungen ergriff‘ zuerst das Wort Dr. Schultz-Schultzenstein, Professor der Mediein in Berlin, und sprach „über die Verjüngung der Wissenschaften“ folgendermassen : 49 Hochgeehrte Versammlung! Die Naturwissenschaften können sich der hohen Bedeutung in der Geschichte des Men- schengeschlechts rühmen ‚, Träger der allgemein ersehnten Bildung zu sein, welche als reale zur Lebenspraxis befähigt, daher denn die Naturwissenschaften das wesentliche Lehrmaterial in Realschulen bilden. Es wird an der idealen Bildung getadelt, dass sie, als eine formale, unpraktische, abstrakte Menschen macht. Seitdem Rousseau das Mittel, eine natürliche Erzie- hung zu bewirken, in den’ Naturwissenschaften suchte; haben die grossen Pädagogen Campe, Basedow, Pestalozzi in diesen die wahre Nahrung für den Realunterricht erkannt, wie denn auch das neuere Unterrichtssystem in Frankreich dahin strebt, dem unpraktischen Ideal einer abstrakt formalen Menschenbildung gegenüber, die Naturwissenschaften zum Hebel einer zur Lebenspraxis befähigenden für Kunst und Industrie brauchbaren Bildung zu machen. Der Streit des Idealismus mit dem Realismus im Unterricht hat immer zu dem Ergebniss geführt, dass man die Naturwissenschaften als Geistesnahrung für moderne Bildung nicht hat entbehren können. So haben die Naturwissenschaften der Menschheit grosse Dienste geleistet; sie tragen die Keime der Veredlung des Menschengeschlechts; die Civilisation hält gleichen Schritt mit den Fortschritten der Naturwissenschaft. Die‘’Wirkung der Naturwissenschaft auf die Bildung hat sich seit Baco’s Zeiten darin gezeigt, dass sie die Quelle der Aufklärung geworden ist, aus der die Rationalität und Intelli- genz geflossen ist, welche sich die Vertilgung des Mystizismus, des Obscurantismus und des Aberglaubens zum Ziel gesetzt hat. Der Kampf der Rationalität gegen Mystizismus und Aber- glauben ist von der Naturwissenschaft getragen. Seit Montesquieu die Sitten und das Recht der Völker aus der Natur aufzuklären suchte, hat man nicht bloss Naturrecht und Na- turreligion, sondern auch eine Naturgeschichte des Volks und seiner Familien, eine Staats- physiologie mit Hülfe der Naturwissenschaften zu bilden gesucht, und diese sind zum Vorbild aller Weisheit geworden. Die Fähigkeit der Natwwissenschaft, Führerin der Aufklärung zu sein, ist indessen zwei- felhaft geworden durch die neueste Richtung derselben , welche sie als Materialismus einge- schlagen, und unter den verschiedenen Namen der physikalischen Physiologie, Jatrochemie, Jatromechanik verfolgt hat. Der Materialismus ist zunächst mit der Moral in Widerspruch gerathen, weil er die Handlungen der Menschen auf einen naturgesetzlichen, naturnothwendigen Mechanismus zurückführen, alle Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen läugnen will, wodurch er der Kultur und Veredlung auf allen Gebieten einen eisernen Riegel vorschiebt. Aus diesem Grunde hat er die Naturwissenschaften mit Schule und Kirche verfeindet, und sich auch unbefriedigend gezeigt die Lebensfragen in der Heilkunst zu lösen, vielmehr hier, wie auch im Feld- und Gartenbau, zu den grössten Irrthümern geführt. Ueber den Materialismus hinauszukommen ist also eine wichtige Aufgabe in der Naturwissenschaft selbst, da seine Kritik durch die Moralisten nur sehr einseitig und unvollkommen geblieben ist. Um den rechten Weg zur Beurtheilung des Materialismus zu finden, haben wir uns die Frage zu beantworten: was ist der Materialismus? Er selbst giebt sich für eine Aufklärung aus, welche. die sinnliche Gewissheit zur Grundlage hat, insofern die Materie nur sinnlich erkennbar ist. Indessen darf man die sinnliche Empirie keinesweges als das Wesentliche des Materialismus betrachten, der vielmehr von Grundanschauungen ausgeht, die durchaus keinen sinnlichen Ursprung haben , wie die ganz abstrakten Ideen der Weltvernunft, des Weltkreis- laufs der Stoffe, der Ewigkeit der Stoffe, die Niemand jemals gesehen hat; wie denn auch der Materialismus selbst sich über die Schwäche der Sinne beklagt, die ‚Schuld daran sein - 7 50 soll, dass wir von vielen Dingen z. B. der Lebenskraft nichts wissen, die aber der Materialis- mus dennoch mit seiner Gelehrsamkeit aufklärt. Vielmehr liegt das Wesen des Materialismus darin, dass er im Prineip Leben und Tod nicht unterscheidet, sondern auf ein abstrakt Allge- meines, auf sogenannte allgemeine Naturgesetze, als welche er die physikalischen und chemi- schen betrachtet, zurückführt; dann aber den lebenden Menschen zum Gegenstand der Auf- klärung macht, und ihn und seine Thätigkeit aus todten, physikalischen und chemischen Natur- gesetzen aufklären will. Dadurch reduzirt der Materialismus das Leben auf den Tod; die Phy- siologie auf Physik und Chemie; er giebt eine todte Aufklärung lebendiger Dinge, wodurch er die Lebenswissenschaft, die Physiologie, so gut als das Leben, als organisches Leben, zernichtet. Indem er die Lebenskraft leugnet, leugnet er das Leben selbst, und wür- dist den Menschen zu einem wandelnden Ofen oder einer Dampfmaschine herab. Die Behaup- tung, dass alles in der Welt lebe, dass es nichts Todtes gebe; dass auch Erden und Steine leben und Menschenrechte haben, ändert in der Sache nichts, und es kann dem Menschen wenig Trost gewähren, ihm ein Leben zuzuschreiben, das ihm keine Vorzüge vor den Erd- schichten und Steinen giebt, und eine Wissenschaft, die weiter nichts kann, als den Menschen zu Staub und Asche zu erniedrigen, darf sich des Fortschritts der Civilisation nicht rühmen. In dieser todten Aufklärung lebendiger Dinge liegen die Irrnisse des Materialismus. So lange dieser sich mit seiner Aufklärung auf das Gebiet der todten Natur beschränkt hat; so lange er die Winde, Gewitter, Klimate, das Maschinenwesen aufgeklärt hat, ist er nicht in Irrthümer verfallen; diese fangen erst da an, wo er das Leben des Menschen aus todten phy- sikalischen Ursachen aufzuklären, die todten Naturgesetze zu allgemeinen Naturgesetzen und zur Herrschaft über das Leben zu erheben begonnen hat. Hier verwechselt der Materialismus überall das Leben mit seinen Lebensbedingungen, er hält den Process der Lebensbedingungen für das Leben selbst; er erkennt nicht, dass das Leben des Menschen seine Lebensbedingungen verarbeiten und beherrschen, dass er die todten Naturgesetze überwinden muss, wenn er nicht darin ersticken will. Nach dem Materialismus wäre der Mensch ein Naturprodukt, das nur durch Aussenverhältnisse bedingt ist, wie eine Maschine. Mag es nun auch theoretisch noch hingehen, den Menschen für eine Maschine zu erklären, so ist in der Praxis damit nicht durchzukommen, wo man den Menschen, moralisch wie therapeutisch, als eine todte Maschine behandeln musste; was sich die Materialisten selbst kaum möchten gefallen lassen wollen. Der Materialismus ist ohne Lebenskraft; er zerstört die Frei- heit, die’er sucht, und begiebt sich in naturgesetzliche Knechtschaft; er führt zum Aberglauben zurück, den er vertilgen will; die in den Händen des Materialismus befindliche Naturwissen- schaft kann die Mission der Veredlung menschlicher Bildung, welche ein Werk des Lebens ist, nicht erfüllen. Der Materialismus macht die Naturwissenschaft krank und ohnmächtig; er leidet an schwachem Magen und Indigestion, weil er die todten Naturgesetze nicht verdauen kann. Der gesunde Menschenverstand verlangt Leben und Organisation in allen menschlichen Dingen; er will das Todte und Kranke vermeiden und sucht Gesundheit in allen menschlichen Werken; die Einrichtungen sollen Lebenskraft besitzen, um sich fortschreitend zu entwickeln; man will organisiren, nicht physikalisiren oder astronomisiren. Der Materialismus, nachdem sich die Materie im todten Kreislauf der Stoffe abgeschlossen dreht, widerspricht allem Fort- schritt, aller Veredlung und Kultur des Lebens. Darum ist er für die Lebenspraxis unbrauch- bar. Seine Neigung das materielle Wohl fördern zu wollen, ist eitel und fruchtlos; weil das wahre Wohl die Gesundheit, und die Gesundheit das Leben ist, was er leugnet oder auf phy- sikalische Naturnothwendigkeit zurückführt, in der es keine Kultur und Förderung der Gesund- al heit giebt. Der Materialismus nimmt nicht bloss zur Moral, sondern auch zur Medien und zu aller Lebenspraxis eine schiefe, unhaltbare Stellung ein. Es würde aber nicht viel’ nützen den Materialismus zu tadeln, ohne etwas Besseres an seine Stelle zu setzen. Zu dem bisherigen, antiken Idealismus zurückzugehen, würde nichts helfen, da dieser über- sinnlich und abstrakt denselben Weg der Welteinheit, der Leben und Tod nicht unterscheidet, nimmt, wie der Materialismus, und es kein wesentlicher Unterschied ist, ob man den Menschen für eine ideelle, oder eine materielle Maschine erklärt, ob man ihn auf Weltseele oder auf Weltstoffe reduzirt. Das Prinzip, was wir in der organischen Naturwissenschaft durchzuführen haben, ist also das Prinzip des Lebens, welches höher steht, als der abstrakte Unterschied von Geist und Materie; indem der höchste Geist selber vor allen als lebendiger Geist erfasst sein, das Leben also zur Voraussetzung erhalten muss, wenn seine Schöpfungen lebendig werden sollen. Die Naturwissenschaft muss sich also zum Fortschritt verjüngen, wenn sie zur Grundlage einer lebendigen Bildung werden soll. Sie muss vor allen Dingen als Lebenswerk, auch mit organischem Leben und Lebenskraft begabt werden. Diess kann nur geschehen, indem sie dahin gelangt Leben und Tod in der Natur, als sich selbst unterscheidend, grundaus verschie- den zu erkennen, und den todten Naturgesetzen gegenüber, lebendige Natur- gesetze, die Gesetze der Verjüngung des organischen Lebens, als Ursache und Quelle der Lebenskraft aufzustellen; worin die höhere, das Todte überwin- dende und beherrschende, die todten Naturgesetze verarbeitende Macht begründet ist. Nur dadurch kann die Naturwissenschaft mit Verdauungskraft begabt und mit einem starken Magen versehen werden, der stärker ist, als man ihn der Kirche hat zuschreiben wollen. Eine Na- turwissenschaft ohne Lebenskraft ist noch keine wahre Naturwissenschaft; todte Kräfte verste- hen mit dem Leben nicht umzugehen. Es ist der Weg der Natur; aber nur der lebendigen, organischen Natur, den wir hier zu verfolgen haben. Wir müssen natürlich in der Naturwissenschaft zu Werke gehen. Diess ist jedoch eine grosse Kunst, der wir uns zu befleissigen haben; die Kunst der Natur zu fol- gen. Wir können hier von dem natürlichen Gefühl für Wahrheit und Schönheit, welches die Frauen leitet, viel lernen. Was kein Verstand der Gelehrten sieht, das übt in Unschuld ein Frauengemüth, indem es den inneren Maassstab seiner selbst, seiner Individualität und seines Bildungstriebes an die Dinge ausser sich legt. Das Leben geht überall den Weg der Verjüngung ; es wächst und vervollkommnet sich; es zeigt seine Schöpferkraft auf diesem Wege; nicht auf dem Wege des naturnothwendigen, materialistischen Maschinenthums, gegen den sich das Leben vielmehr wehrt. Der Weg der organischen Verjüngung ist daher auch der Weg der Veredlung des Menschen, seiner Wissenschaft und Kunst, der Weg der Kultur und Civilisation, der allein zur Wahrheit und Freiheit, als lebendigen Schöpfungen führt, und wodurch in der Mediein die Gesundheit erhalten und veredelt werden kann. Die Wissenschaft als eine organische Schöpfung, muss wie alles Lebendige ihre organischen Entwickelungsstufen durchlaufen, wenn sie zu höherer Vollendung fortschreiten will; sie muss sich von den Eihäu- ten abgelebter Perioden befreien, um im Wachsthum ihrer Lebenskraft nicht behindert zu sein; sie kann sich nur durch Verjüngung aus dem Aberglauben an die Allmacht todter Natur- kräfte im Leben, aus dem Mystizismus nebelhafter Ahnungen des abstrakten Dynamismus, aus den Irrthümern und Vorurtheilen einer todten Weltanschauung früherer Jahrhunderte, wodurch der Geschmak an gesunder Geistesnahrung verdorben und die kranke Richtung der Bildung verewigt wird, zum wahren Fortschritt erheben. 32 Staatsrath Prof. Mädler aus Dorpat, beim Besteigen der Rednerbühne mit lebhaftem Beifall begrüsst, hielt über das System der Fixsterne nachstehenden Vortrag: Das System der Fixsterne. Als ich im Jahre 1844 die Ehre hatte, vor dieser damals in Bremen tagenden Versamm- lung über meine Forschungen im Gebiete der Fixsternkunde öffentlich zu reden, konnte ich zwar meine Ueberzeugung dahin aussprechen, dass wir es hier nicht mit einem blossen Aggregat, sondern mit einem innerlich verbundenen Ganzen, einem Organismus, zu thun haben; jedoch die Art und Weise dieses Organismus näher zu bestimmen, war damals noch nicht möglich. Wenn sich mir in der Zwischenzeit Resultate in dieser letztern Beziehung ergaben, wenn ich versichert zu sein glaube, dass wir hier nicht mehr eine absolute terra incognita vor uns haben, sondern eine allgemeine Bestimmung der innern Form des Systems der Fixsterne wagen dürfen, so genügt es an diesem Orte nicht, diese Resultate blos dogmatisch hinzustellen und etwa ein oder das andre dafür sprechende Einzelmoment aufzuführen, es wird vielmehr eine pragmatische Darstellung des gesammten Ganges der Untersuchung erforderlich, eine Darstellung, die den Zuhörer in den Stand setzt, Schritt vor Schritt mit dem Verfasser vorzudringen und an das Ziel zu gelangen. Nur bei einem solchen Verfahren wird es möglich sein, Gründe wie Gegen- gründe richtig zu würdigen und gegen einander abzuwägen, die Grenze zu ziehen zwischen dem, was der Gegenwart erreichbar ist und dem, was einer Zukunft vorbehalten bleiben muss, und so ein sichres Urtheil zu erlangen über den wahren Inhalt dessen, was eine solche For- schung als Bereicherung der Wissenschaft in Anspruch zu nehmen berechtigt sei. Es wird sich dabei zeigen, dass der Verf. nicht im Entferntesten daran dachte, cin eignes Naturgesetz für die Welt der Fixsterne aufzustellen und sie dadurch vom System unsrer Sonne der Art noch zu unterscheiden; vielmehr hat grade diese Untersuchung seine schon früher gehegte Meinung, dass das Newtonsche Gesetz auch über die Grenzen des Planeten- und Kometengebietes hinaus seine ausschliessliche Gültigkeit habe, zur festen Ueberzeugung erhoben. Nur eine neue Anwendung des alten und ewigen Gesetzes, das nicht auf partikuläre Fälle beschränkt ist, habe ich versucht, eine Anwendung, zu welcher bei den bekannten Gliedern des Sonnensystems und seiner einzelnen Gruppen keine Veranlassung gegeben ist, und welche zu machen ich un so weniger Bedenken tragen konnte, als bereits die Doppelsterne uns mit Combinationen bekannt gemacht hatten, zu dem unser Sonnensystem kein Analogon bot, die aber gleichwohl dem Newtonschen Gesetz sich fügten. Die ältere Vorstellung war die einer Masse, die zu den einzelnen Fixsternen eine ähnliche Stellung einnahm wie die Sonne zu den Planeten. Wir finden sie am bestimmtesten bei Lam- bert formulirt, der sich nicht begnügte, eine derartige Uentralsonne für die Fixsterne zu setzen, sondern auch ähnliche Massen höherer Ordnungen für immer grössere und umfassendere Oom- plexe annahm. Wir vermissen in diesen und andern gleichzeitigen Versuchen eine Grundlage, deren Mangel heutigen Tages allein schon genügte, über jede derartige Hypothese den Stab zu brechen. Man ging nicht von den Bewegungen aus, und gleichwohl sind es diese allein, die uns ein Recht geben von einem System im astronomischen Sinne überhaupt zu sprechen. Nur die damals noch Statt findende Unkenntniss dieser Bewegungen kann einem Lambert, Mitchell, Wright zur Entschuldigung gereichen, allein eben dies berechtigt die Gegenwart, von jenen Conceptionen keine andre als historische Notiz zu nehmen. Anders bei Kant, der in der That schon Bewegungen der Fixsterne kennt und anwendet, und nur in ihrer Deutung nicht besonders glücklich ist. Niemand wird nach dem, was wir jetzt 53 über Sirius wissen, es noch für möglich halten, dass er die ihm von Kant zugedachte Stelle einer Oentralsonne einnehme. Dass auch mir anfänglich die Idee einer prädominirenden Masse vorschwebte, stelle ich nicht in Abrede. Ich glaubte sie unter. den Doppel- oder vielfachen Sternen suchen zu müssen, allein eine Durchbeobachtung fast sämmtlicher Struve’scher Doppelsterne zeigte, dass sie hier nicht zu finden sei. Auch die rascheste der Umlaufsbewegungen, die bei diesen Begleitern vorkommen, war langsamer als die Eigenbewegung des Hauptsterns und als die durchschnitt- liche anderer Sterne. In keinem dieser Hauptsterne konnte also die fragliche Masse gesucht werden. Aber vielleieht in einem einfachen? Wohl fanden sich einzelne, die wie z. B. Fomalhut (« Piseis austrini) eine Eigenbewegung zeigen, die der Richtung 'nach eine ziemlich genaue Abspiegelung der Sonnenbewegung ist, und bei denen also ein Stillstand möglicherweise an- genommen werden kann. Allein dann hätten sich in physischer und folglich auch optischer Nähe eines solchen Sternes die raschesten, und in weiterer Entfernung langsamere Bewegungen zeigen müssen. Hier könnte nun zwar eingewandt werden, wir seien wegen Unkenntniss der Entfernung nicht im Stande, über das absolute Mass der Bewegungen ein Urtheil zu fällen, und bei einer sehr grossen Entfernung unsrer Sonne von dieser Masse könnten Bewegungen, die uns klein erscheinen, gleichwohl sehr grosse sein. Allein nach Argelanders sinnreicher Bemerkung lässt sich über die verhältnissmässige Grösse der Bewegungen auch aus der Grösse des Abweichungswinkels von der durch die Sonnenbewegung bezeichneten Richtung ein Urtheil fällen, wenn man eine hinreichende Anzahl von Sternbewegungen vergleicht. Ar- gelanders ausgezeichnete Arbeit über die Bewegung unsrer Sonne ermöglichte eine solche Vergleichung, es zeigte sich aber, dass keine einzelne Region am Himmel zu finden sei, wo diese Winkel ein deutliches Maximum zeigten, ein Satz, der sich jetzt, nach Ermittlung so vieler Bewegungen, mit noch grösserer Bestimmtheit behaupten lässt. Alle diese Vergleichungen bestätigten also nur, was schon der blosse Anblick des gestirnten Himmels vermuthen lässt: dass kein einziger Körper in der Fixsternwelt Centralsonne im Lambert’schen Sinne sei. Vielleicht aber haben wir es hier gar nicht mit Einem System, sondern mit Partialgruppen zu thun, die neben einander bestehen. Da aber Partialsysteme, wenn sie als solche selbstständig bestehen sollen, gegenseitig grosse Zwischenräume bedingen (in unserm Sonnensystem beträgt der geringste Zwischenraum das Hundertfache des Durchmessers eines Partialsystems), so leuchtet ein, dass schon der blosse Augenschein einer solchen Zerfällung in Partialsysteme, die sich über das Ganze der Fixsternwelt erstrecken sollte, entschieden widerspricht, und in noch höherm Grade die Vergleichung der Bewegungen. Nur als Ausnahme kommen in der Fixsternwelt Partialsysteme vor: es sind die Doppel- und vielfachen Sterne, so wie einige we- nige eompactere Sterngruppen. Die Zahl der Doppel-, drei- und vierfachen Sterne verhält sich zu der der isolirten etwa wie die Zwillings-, Drillings- und Vierlingsgeburten zu den einfachen. Wären ihrer aber auch noch weit mehrere, die der Zukunft zu entdecken vorbe- halten blieben, sie würden dennoch die Regel nicht bilden, das Allgemeine nicht umfassen. Oder sollen wir noch weiter gehen und auf jeden allgemeinen Zusammenhang verzichtend, nur etwa die einander nächst stehenden Sterne gegenseitig auf einander wirken lassen, um die Bewegungen zu erklären ? Untersuchen wir die wenigen Beispiele, die uns zu Gebote stehen, diejenigen Fixsterne nämlich, deren Parallaxen bekannt, und deren scheinbare Bewegung also in eine absolute (wenn gleich noch immer zusammengesetzte) verwandelt werden kann. Es zeigt sich, dass millionen- 54 fach grössere Massen, als unsrer Sonne und jenen Sternen möglicherweise zugeschrieben werden können, zur Erklärung dieser Bewegungen nöthig wären, wenn sie von der Attraktion einer oder einiger wenigen einzelnen herrühren sollten. Um beispielswe’se die Bewegung von 61 Oygni zu erklären, indem man die Anziehung, welche unsre Sonne auf ihn ausübt, be- rechnet, so findet sich, dass er jährlich ”/.., Sekunde fortrücken müsste. Allein er rückt 5 Se- kunden fort, und diese 2000mal grössere Bewegung bedingt eine 4 Millionen mal stärkere Masse als unsrer Sonne zukommt, und wollte man sie in grösserer Entfernung suchen, so müsste sie noch beträchtlicher angenommen werden. Also auch diese Annahme, die man über- dies eine Hypothese der Verzweiflung .nennen müsste, da mit ihr jede Ordnung im Grossen und Ganzen, jede Einheit der Schöpfung aufgegeben wäre, ist unstatthaft. Die negativen Resultate, auf welche wir hier überall gestossen sind, können nicht als un- wichtig gelten. Es ist schon viel gewonnen, wenn man weiss, was man nicht zu suchen, und wo man etwas nicht zu suchen habe. Was wir nicht in einem einzelnen Sterne, nicht in wenigen einzelnen, überhaupt nicht in der Vereinzelung gefunden haben — die gewaltige Kraft, welche Bewegungen wie die wahrgenommenen erzeugen kann — wo anders können wir sie noch suchen als in dem grossen Gesammtcomplexe selbst, nach seiner Totalität aufgefasst? Nach dem Newton’schen Gesetz, oder wenn man selbst dieses hier als noch nicht be- wiesen betrachten wollte, nach dem noch allgemeineren des Gleichgewichts muss sich zwischen je zwei Körpern ein Schwerpunkt bilden, in dem die Masse beider als vereinigt und gleich- sam Einen Körper bildend, gedacht werden kann. Folglich giebt es auch einen Schwerpunkt zwischen drei, vier oder jeder beliebigen Anzahl von Körpern, folglich auch zwischen den Millionen, die wir als Fixsterne bezeichnen. In unserm Sonnensystem ist Ein Körper so massenhaft, dass der Schwerpunkt sich nie weit von ihm entfernen kann (höchstens 120000 Meilen von seinem Mittelpunkte und 24000 von seiner Oberfläche). Noch näher liegen verhältnissmässig die übrigen partiellen Schwerpunkte zwischen Erde und Mond, Jupiter und seinen Trabanten u. s. w. den Mittelpunkten der Haupt- körper: sie erheben sich nie bis an deren Oberfläche. Aber durch kein Gesetz wird dieses nahe Zusammenfallen des Schwerpunktes mit einer der Massen allgemein und nothwendig bedingt, er kann vielmehr, bei einer andern Massenvertheilung, in jedem Punkte des leeren oder äthererfüllten Raumes gedacht werden, und bei den Doppelsternen scheint der Fall, wo er ohngefähr in der Mitte zwischen beiden Sternen liegt, sogar sehr häufig vorzukommen. Um diesen Schwerpunkt aber werden die Einzelmassen sich bewegen, getrieben von derselben Kraft, welche unser Sonnensystem uns kennen gelehrt hat. Einen solchen Schwerpunkt, und zunächst nichts weiter, haben wir für die Gesammtheit des Fixsterneomplexes aufzusuchen, ein Schwerpunkt, der sowohl im leeren Raume liegen als auch mit einem oder dem andern ein- zelnen Sterne zusammenfallen kann, ohne dass im letztern Falle für diesen Stern ein Massen- übergewicht nothwendig bedingt wäre. Das zweite Kepler’sche Gesetz in der Vollständigkeit und Allgemeinheit ausgedrückt, wie die Gravitationstheorie es bedingt, ist bekanntlich 1) M.T2 R3 Wir haben demnach zu untersuchen, welche Masse M in einem nur auf seinen Schwer- punkt basirten System auf einen in der Entfernung R' gegebenen Körper wirke. Die äussere Form des Fixsternsystems wie die Vertheilung der Massen innerhalb desselben ist uns allerdings nicht mit der Genauigkeit bekannt, welche hier zu wünschen wäre. Allein —Conss 5 wir werden der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man die erstere sphäroidisch und die letztere im Allgemeinen als gleichförmig annimmt, denn dass sie an einzelne Punkte geknüpft ist, kann bei der in die Millionen reichenden Anzahl dieser Punkte im Wesentlichen nichts ändern. Im sphärischen massenerfüllten Raume wirkt auf jeden Punkt P innerhalb dieses Raumes die Attraktion derjenigen Massen, welche innerhalb einer vom Centralpunkte © mit dem Radius OP beschriebenen Kugel enthalten sind, während die Anziehung aller übrigen ausser- halb liegenden sich gegenseitig aufhebt. Die für P in Betracht kommenden Massen stehen also im Verhältniss von CP?=R*. Im sphäroidischen Raume wird innerhalb einer Entfernung, die der halben kleinen Axe gleich ist, dasselbe Verhältniss völlig und selbst für die weiter entfernten Punkte noch nahezu gelten. Setzen wir aber M proportional R*, also 2) = —.Const; so folgt aus 1) und 2) T = Const; oder alle Umlaufszeiten in einem solchen System sind einander gleich. Wenn wir nicht annehmen können, dass unsre obigen Voraussetzungen der Natur völlig entsprechen, so werden wir auch keine völlige Gleichheit der Umlaufszeiten anzunehmen haben, nichtsdestoweniger aber berechtigt sein, in der Nähe des Centralpunktes langsamere, in grösserer Entfernung raschere lineäre Bewegungen anzunehmen, da die Winkelbewegung von Ü aus gesehen ganz oder nahezu gleich sein muss; und fällt irgend ein Stern mit dem Schwerpunkte zusammen, so ist dessen lineäre Bewegung, bezüglich auf das Fixsternsystem, gleich Null zu setzen. | Dass unser Sonnensystem diesen Centralpunkt nicht einnehme, glaube ich als eine schon durch Herschel’s und Anderer Untersuchungen bewiesene Thatsache setzen zu können. Dass sie jedoch diesem Punkte näher als etwa den äussersten Grenzen des gesammten Complexes stehe, mindestens so nahe, dass die obigen Relationen auch für sie als gültig betrachtet werden können, scheint schon allein der Anblick des Himmelsgewölbes und namentlich der von einem grössten Kreise nur wenig abweichende Zug der Milchstrasse zu bestätigen. Dies also war die Grundlage, auf welche die weiteren Forschungen basirt werden mussten. Durch die gänzliche Beseitigung jeder nähern Analogie mit unserm Sonnensystem war auch der Gang der Untersuchung ein wesentlich andrer, als früher eingeschlagen worden war. Namentlich aber stellte sich die grössere oder geringere Helligkeit der Sterne dabei als ein. ganz untergeordnetes Moment heraus, dessen Beachtung vorerst unterbleiben konnte mit dem- selben Rechte, womit Argelander sie bei seiner Bestimmung der Sonnenbewegung unbe- nutzt gelassen hatte. Aber ist auch die Zeit schon gekommen, die sich eine solche Frage stellen darf? Sind wir schon im Besitz von Daten der Beobachtung, um mehr als die obigen negativen Aus- sprüche wagen zu dürfen? Und ist es nicht gerathener, eine besser gerüstete und gründlicher vorbereitete Zukunft abzuwarten, statt jetzt schon eine Aufgabe zu behandeln, die allem An- schein nach unsre Kräfte übersteigt ? Gewiss, wenn uns unser Vertrauen auf die Nachwelt nicht gänzlich täuscht, wird man in Zukunft besser gerüstet sein. Die numerischen Daten werden genauer, die von unsrer Beobachtung umfassten Zeiträume grösser, die jetzt noch fühlbaren Lücken weniger werden. 56 Die selbst jetzt noch Statt findenden Zweifel über den numerischen Werth manches Reduk- tionselements werden geschwünden sein. Allein wird je eine Zukunft erscheinen, die von der ihrigen nicht Aehnliches zu erwarten berechtigt ist? Oder hätten Copernieus, Kepler und Newton warten sollen, bis unser oder ein noch späteres Jahrhundert die Data, welche sie be- durften, in äusserster Schärfe darbieten konnte ? Wenn man die Bahn eines Fixsterns um das allgemeine Centrum 'nach ähnlichen Formeln wie die eines Planeten oder Kometen um die Sonne, berechnen will, so wird man nach 10000 Jahren noch immer nicht genügende Data besitzen, und selbst eine zehnfach grössere Genauigkeit und Sicherheit, als jetzt die besten Instrumente gewähren, wird zur Beschleunigung dieses in grauester Ferne liegenden Zeitpunktes wohl nur wenig beitragen können. Davon also konnte keine Rede sein. Vielmehr redueirt sich die Hauptfrage dahin: ob es möglich sei eine Region des Himmels zu ermitteln, in welcher möglicherweise der Centralpunkt gesucht werden kann und in der sich ein Minimum der durchschnittlichen eignen Bewegungen bestimmt nachweisen lässt. Bahnberechnungen im eigentlichen Sinne sind hierzu glücklicherweise nicht erforderlich, wohl aber eine möglichst scharfe und über viele Sterne des gesammten Firmaments sich erstreekende Untersuchung der Eigenbewegungen selbst. Ist die jetzt erreichbare Schärfe zu dieser Auf- gabe genügend ? Die Reduktionselemente der Gegenwart haben sich bei Aufgaben bewährt, die zuverlässig die schärfsten Prüfsteine darboten. Fixsternparallaxen sind ermittelt und die Eigenbewegung unsres Sonnensystems bestimmt worden, was unmöglich gewesen wäre, wenn man nicht über kleine Bruchtheile einer Secunde genügende Sicherheit hätte erlangen können. Umlaufsbe- wegungen einzelner Sterne um unsichtbare in ihrer Nähe befindliche Centra sind mit glück- lichem Erfolge ermittelt worden, obgleich diese sich nur auf die Variationen der Eigenbe- wegung gründen konnten, also auf Grössen einer niedrigern Ordnung als die bei unsrer Auf- gabe in Anwendung kommenden. Endlich aber, und dies ist wohl das Entscheidendste, erstreckt sich der Zeitraum, für den uns hinreichend verbürgte Beobachtungen zu Gebote stehen, auf ein volles Jahrhundert, und die Anzahl der vergleichbaren Bewegungen auf 3222, die Zahl der Sterne des Bessel-Bradley’- schen Catalogs. Die durchschnittliche seculäre Eigenbewegung ist für diese Sterne 11 Sekunden. — Erwägt man alles dieses, so erscheint es mir als unmöglich, dass ein kundiger Astronom alles Ernstes den Einwurf machen könne, die Zeit sei zu Vergleichungen, wie die von mir in Anwendung gebrachten, noch nicht gekommen. In der Fixsternwelt kennen wir, so weit die Parallaxe nicht erforscht ist, zunächst nur optische Distanzen. Man könnte versucht sein, aus dem verschiednen Glanze der Sterne die physischen annähernd abzuleiten, allein ich erkannte bald, dass dies absolut unstatthaft sei, dass Sterne jeder scheinbaren Grösse in jeder Entfernung viel zu - häufig vorkommen, um diese Fälle als blosse Ausnahmen ansehen zu können. Mit Sicherheit war dagegen anzunehmen, dass die Gesammtheit derjenigen Sterne, welche die einem gegebenen Punkte optisch näher liegende Region einnehmen, ihr durchschnitt- lieh auch in Wirklichkeit näher liegen; dass also auch, wenn um den Oentralpunkt herum concentrische Regionen in bestimmter Reihenfolge am Himmel beschrieben wurden, sich rück- sichtlich der Quantität und Richtung der Eigenbewegung gleichfalls diejenigen Reihenfolgen ergeben müssten, welche man aus den gleichen (oder nahezu gleichen) Winkelbewegungen um den Centralpunkt herum zu schliessen berechtigt ist. 37 Jede von unserm Standpunkt aus wahrgenommene Eigenbewegung eines Fixsternes ist die Resultante zweier Projectionen, eine der wahren Bewegung des Sterns im Weltenraume, die andre unsrer Sonnenbewegung in entgegengesctzter Richtung. Diese beiden Projectionen (e' und 0’) so wie der von ihnen eingeschlossene Winkel v‘, bestimmen nun nach der be- kannten Formel = Ee2 2,8 T'coso’ + 0% sowohl Quantität als Richtung der von uns wahrgenommenen Eigenbewegung, erstere noch überdies von der Entfernung des Sternes abhängig, letztere unabhängig. Mit jeder Zu- und Abnahme einer der drei Veränderlichen muss auch, ceteris paribus, die Resultante g zu- oder abnehmen. Wachsen folglich die #, so werden auch durchschnitt- lich die sg wachsen, und sie werden ein Minimum haben für ® = o. Noch bestimmter, weil unabhängig von der Distanz zwischen Erde und Stern, wird die Richtung der Eigenbewegung uns leiten können. Je kleiner nämlich « gegen 0‘, desto näher muss jede Richtung derjenigen liegen, welche die Sonnenbewegung für sich allein bei einem ruhenden Sterne bedingt. Nennen wir den Unterschied beider Richtungen w, so wird y mit &, zugleich Null, und nimmt durchschnittlich mit ihm zu und ab. Namentlich kann y den Werth 90° in keinem Falle übersteigen, wo nicht gleichzeitig &' > o’ Statt findet. Da wir bei allen hier in Anwendung kommenden Vergleichungen nur aus den Durch- schnittswerthen, nicht aus den Einzelwerthen als solchen, Schlüsse zu ziehen berechtigt sind, so kommt es darauf an, Durchschnittswerthe zu erhalten, in denen für alles andre, auf unsre Relationen nicht Bezügliche, Ausgleichung stattgefunden hat. Dahin gehört unter andern auch der Umstand, dass sowol €’ als o‘ nur Projectionen sind, und wir zwar bei dem zweiten, nicht aber bei dem ersten dieser beiden Werthe den Sinus des Projeeiionswinkels in Rechnung bringen können, folglich auch hier nur in den Durchschnittswerthen eine Ausgleichung er- wartet werden kann. _ Somit ergiebt sich, dass nur sehr zahlreiche Einzeldata zu der Hoffnung berechtigen, guie und zuverlässige Durchschnittswerthe, wie sie hier erforderlich sind, zu erhalten. Wenn vor zehn Jahren, bei der ersten Veröffentlichung eines Fixsternsystems, sich entschiedene Stimmen dahin aussprachen, meine Vergleichungen seien noch nicht zahlreich und umfassend genug, so habe ich durch meine gegenwärtig vorliegende Arbeit die relative Berechtigung dieses Ein- wurfes thatsächlich anerkannt, und darf jetzt keine Wiederholung desselben fürchten, wohl aber hoffen, dass fortgesetzte Forschungen kommender Jahrzehende nicht allein neue Bestätigungen für das vorliegende Theorem, sondern auch die Lösung mancher andern, sich daran knüpfenden wichtigen Frage herbeiführen werden. Nur das Eine kann nicht oft genug wiederholt werden: die Sternhelligkeiten, wenn gleich ihre Beachtung in andern Beziehungen interessant und lehr- reich sein mag, können direkt zur Erforschung der Verhältnisse des Fixsternsystems eben so wenig beitragen, als die Beobachtung der Planeten-Oberfläche zur Ermittelung der Constitution des Sonnensystems beigetragen hat. Auf ganz andern Wegen sind die das System betreffenden Fragen zu entscheiden. Am wünschenswerthesten ist vor allem die Ausfüllung einer Lücke, welche nicht weniger als den vierten Theil des gesammten Himmelsgewölbes begreift: die Sterne jenseit des 300 südlicher Deklination. Wir kennen aus jenen Regionen noch viel zu wenig gut bestimmte Eigenbewegungen, und werden auch, da Lacaille’s Oerter sich viel weniger als die Bradley’- schen bewähren, und die des Brisbane-Catalogs leider als ganz unbrauchbar bezeichnet werden müssen, noch manches Jahrzehend zu warten haben, bevor wir unsere Vergleichungen auch 8 58 über diese Regionen ausdehnen können. Doch haben wir glücklicherweise in jüngster Zeit so schöne Proben des Eifers der südlich situirten Astronomen erhalten, namentlich derer am Cap und in S. Jago de Chili, dass wir sicher sein können, noch vor Ablauf des 19. Jahrhunderts das gesammte Firmament in ähnlicher Vollständigkeit zu umfassen, wie jetzt drei Viertheile desselben. Doch ich kehre zu meinem Thema zurück. Um bei den durchzuführenden Vergleichungen einen Punkt nicht blos aufs Gerathewohl hin am Firmament anzunehmen, mussten andre Er- wägungen zu Hülfe kommen. Die Milchstrasse, möge sie von dem innern Fixsterncomplex durch einen sternleeren Zwischenraum getrennt sein »oder nicht, muss zum Gesammtsystem eben so nothwendig gehören wie der Saturnsring zum Saturnssystem. In die Ebene der Milchstrasse, von der freilich bei der Breite und der Unregelmässigkeit dieses Gürtels nur sehr im Allgemeinen die Rede sein kann, muss der Schwerpunkt gesucht werden; folglich für jeden in dieselbe Ebene fallenden Standpunkt sich auf der Milchstrasse projieiren. Da aber diese Milchstrasse ihrem mittlern Zuge nach einem grössten Kreise der Himmelskugel nicht entspricht, vielmehr beide von ihr aus genommene Himmelsseiten sich wie 8 : 9 ver- halten, so steht unsre Sonne nicht in dieser Ebene, und folglich kann, von ihr aus gesehen, der Centralpunkt sich nieht auf der Milchstrasse projieiren, sondern muss in die kleinere Himmelsseite fallen. Es ist die der Frühlingsnachtgleiehe. Vom geometrischen Centrum der Milchstrassenebene wird der fragliche Punkt sich der Wahrscheinlichkeit nach nicht erheblich entfernen. Da wir nun von unserm Standpunkte aus die Theile der Milchstrasse, welche in den Scorpion und das südliche Kreuz fallen, breiter, glänzender und bestimmter gegliedert erblicken als die entgegengesetzten, vom Perseus durch den Stier gegen Orion ziehenden, so stehen wir jenen Theilen näher als diesen; die Linie von unsrer Sonne zum Centralpunkte ist also nicht zur Grundebene normal; wir schauen von Süden her und es muss also die Projection des Centralpunktes an unserm Firmament dem bezeichneten schwächeren Theile der Milchstrasse am nächsten liegen. Der ungleiche Glanz und die damit zusammenhängenden Verschiedenheiten beider oben erwähnten Strecken der Milchstrasse sind viel augenfälliger als ihre im Ganzen nur geringe Abweichung von einem grössten Kreise, woraus wir folgern, dass die Projecetion des Centralpunktes dem Zuge der Milchstrasse merklich näher falle, als dem Pole derselben. Sonach ist die Region, in welcher nach überwiegenden Wahrscheinlichkeitsgründen der Schwerpunkt für uns zu suchen ist, durch die Sternbilder Perseus, Zwillinge, Orion und Widder begrenzt, welche Constellationen den Stier umschliessen. i Es bleibt noch ein Moment, das uns bei dieser Wahl leiten kann. Die Tangente der Sonnenbahn ist vom gegenwärtigen Orte der Sonne aus bekanntlich nach dem nördlichen Theile des Herkules zu ziehen (nach meinen Untersuchungen liegt dieser Punkt Q in 261° 30° und -+ 39 52%). In einer Kreisbahn müssten die Projectionen des Radius und der Tangente am Himmel 90° aus einander liegen, mithin von Q aus ein grösster Kreis gezogen werden können, in den der Üentralpunkt fallen muss. Wir kennen die Form der Sonnenbahn nicht, es bleibt demnach ungewiss, ob beide Richtungen einen rechten Winkel einschliessen. Nehmen wir ihn indess als wahrscheinlichste Hypothese an, so findet sich, dass jener grösste Kreis aller- dings die oben bezeichneten Gegenden durchschneidet. Wir haben durch alles dieses nichts weiter beabsichtigt, als von solchen allgemeinen Be- trachtungen erwartet werden kann; wir haben das Feld der nähern Untersuchungen möglichst beschränkt und können uns für überzeugt halten, dass in den vom Sternbilde des Stieres weit entlegenen Regionen der gesuchte Punkt nicht liegen könne. 59 Es galt nun, diejenigen Sterne der bezeichneten Gegend auszuwählen, deren Ortsver- änderungen allein durch die Richtung der Sonnenbewegung erklärbar sind. Nur unter diesen kann begreiflicherweise sich ein ruhender Punkt befinden. Denn angenommen, dass er mit keinem einzelnen Sterne zusammenfalle, so wird er doch’einem derselben näher als jedem andern liegen und diesem wird dann eine so geringe wirkliche Eigenbewegung zukommen, dass sie verglichen mit der Sonnenbewegung nahezu Null gesetzt werden kann. Der hellste Stern dieser Gegend, Aldebaran, so wie die sämmtlichen Hyaden waren so- gleich auszuschliessen, die Abweichung ihrer Richtung ist entschieden zu stark. Ein kleiner Stern im Widder stimmte besser überein, allein die weiteren Vergleichungen entschieden nicht für ihn. Die beste Uebereinstimmung ergab der Hauptstern der Plejadengruppe und eben so die ganze Gruppe selbst, wenn man aus ihren Einzelbewegungen einen mittleren Durchschnitt zieht. Bekanntlich giebt es am ganzen Firmament keine dieser ähnliche Gruppe und sie hat bereits in den ältesten Zeiten (Hiob, Homer) die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Und da sich sehr bald herausstellte, dass keiner der übrigen Punkte dieser Region den Bedingungen Genüge leistete, welche aus den-vorhin entwickelten Relationen gefolgert werden müssen, so versuchte ich es mit der Plejadengruppe. Wenn man um den durch Aleyone bezeichneten Mittelpunkt derselben concentrische Kreise von 10° zu 10° Abstand zieht und diese über das gesammte Himmelsgewölbe fortsetzt, so er- hält man 18 Regionen. Allein nur 5 derselben sind vollständig, d. h. ihrer ganzen Er- strekung nach, aus Bradley’s Catalog zu entnehmen. Bereits die 6te reicht mit einem kleinen Theile in Gegenden, die für Greenwich zu südlich liegen, und für die folgenden Regionen von der 7. an ist dies in immer höherm Grade der Fall. Wir werden deshalb, wie sich auch immer die numerischen Ergebnisse für die Regionen 7. bis 18. gestalten mögen, doch nur die vollständigen als solche betrachten können, aus denen bündige Schlüsse abzuleiten uns gestattet ist. Die Beweiskraft der übrigen ist jedenfalls eine geringere, erst die Zukunft wird es möglich machen, auch sie mit Sicherheit zu vergleichen. Uebrigens sind die 6 ersten, bis zu 60° Abstand reichenden Regionen für unsere Zwecke auch an sich die wichtigsten. Jenseit dieses optischen Abstandes werden nemlich nur noch wenige Sterne vorkommen, deren Abstand vom Centralpunkte etwas kleiner als der unsrer Sonne ist, vielmehr werden fast alle, und von der 9. Region an ausnahmslos, einen grössern Abstand als unsre Sonne haben. Auch wird dieser wahre Abstand von C immer unabhängiger vom optischen: die verschiedenen Regionen werden sich also in allen Beziehungen, welche hier zu betrachten sind, immer weniger unterscheiden, folglich werden auch die sich etwa erge- benden Unterschiede uns weniger Sicherheit bieten. Ich nehme deshalb für jetzt nur Bezug auf die 6 ersten, als die wesentlich entscheidenden, und führe die übrigen nur auf, um zu zeigen, dass aus ihnen kein Widerspruch gefolgert werden kann. In den 6 ersten Regionen aber zeigt sich, und zwar ohne irgend eine Unterbrechung: 1) eine durchschnittliche Zunahme der Quantität der Eigenbewegungen; 2) eine durchschnittliche Zunahme des Winkels zwischen der Richtung der Eigenbe- wegung und der rückwärts verlängerten Sonnenbewegung;; 3) eine durchschnittliche Zunahme der Einzelfälle, in denen der erwähnte Winkel einen rechten übersteigt. *) *) Die hier zum Grunde liegenden Mittelzahlen sind: ad 1) 7Tı; 84.205, 9,785 9,795 10%,415 114,97. 2) 39%,95; 460,43; 550,155 560,86; 610,72; 62,59, 3) 31; 114; ll; 26,85 29,85 29,6. Diese Relationen aber sind es hauptsächlich, auf welche ich meine Schlussfol ;erung früher basirte, zu einer Zeit, wo weder eine so umfangreiche Region, noch eine solche Zahl von Beobachtungen wie jetzt verglichen werden konnte. Wenn sich nun jetzt dieselben Reihen- folgen, nur vollständiger und besser verbürgt als früher ergeben haben, so wird ein Recurs auf eine blos zufällige Gestaltung dieser Reihenfolge jetzt noch weniger als früher statthaft sein. Mit Recht aber fordert man überall, wo eine bestimmte Thatsache der Beobachtung vorliegt, auch eine genügende Erklärung derselben. Mein Theorem, dass die Plejadengruppe die dynamische Centralgruppe der gesammten Fixsternwelt bilde und in ihr der allgemeine Schwerpunkt zu suchen sei, erklärt alles, ja fordert es mit Nothwendigkeit, und es ist ein- leuchtend, dass ich an diesem Satze so lange festhalte, bis eine bessere und genügendere Erklärung vorliegen wird, und eine solche zu geben, fordre ich diejenigen auf, die sich auch jetzt noch durch die meinige unbefriedigt fühlen. Nur die Hauptsache habe ich hier darstellen, nur diejenigen Beweise für sie anführen wollen, welche ich für entscheidend halte. Zur Aufzählung alles desjenigen, was noch ausser- dem darauf bezogen werden könnte, eignet sich weder Zeit noch Ort, und halbe Beweise sind oft schlimmer als keine, zumal wenn sie nur flüchtig berührt werden können. Indem ich mich auf Darlegung der Momente beschränke, die mir selbst eine volle Ueberzeugungskraft darbieten, wird man erkennen, dass es mir nicht um Rechthaben, sondern um Erforschung der Wahrheit zu thun ist — das einzige Ziel, das wir uns zu setzen haben, die einzige Weise, wie wir dauernd zu wirken vermögen. Es folgte nachstehender Vortrag des Kais. russ. Wirkl. Staatsraths und Akademikers Hamel aus Petersburg über die Erfindung des elektro-magnetischen Tele- graphen durch Baron Schilling von Canstatt und die Ueberführung des neuen Apparates nach England und Amerika: Während der letztverflossenen 50 Jahre sind bekanntlich drei höchst merkwürdige tech- nische Neuerungen aufgekommen und weit verbreitet worden, nämlich: 1) die Anwendung der Dampfkraft zur Schifffahrt, 2) die Benutzung derselben Kraft zum Fahren auf Eisenbahnen und 3) die Kunst: vermittels des Elektro- Magnetismus die Gedanken und den Willen. eines Menschen mit wundervoller Schnelle in weite Fernen hin mitzutheilen. Die schönste und interessanteste Frucht der Wissenschaft ist die zuletzt gen“nnte. Keine Anwendung der Ergeb- nisse wissenschaftlichen Forschens zum allgemeinen Nutzen ist in ihren Folgen von solch gros- ser. Wichtigkeit und so schr Staunen erregend, wie die des Elektro-Magnetismus zur Telegra- phie. Ich habe m’r, sowchl in Europa, als in Amerika, Mühe gegeben, die Entwicklung die- ser Telegraphie genau kennen zu lernen. Da man sich in Amerika erlaubt hat, Europa die Priorität zu Gunsten des dortigen Malers Morse streitig zu machen, so beabsichtige ich, ehe- stens das Unwahre der Behauptungen in diesem Bezug: mit /der erforderlichen Umständlichkeit zu beweisen. Gegenwärtig aber wünsche ich bloss kurz zu erzählen, wie es sich gefügt hat, dass eine, der diesjährigen ähnliche, Versammlung deutscher Naturforscher in Bonn die Ver- mittlung zur Einführung: der elektro-magnetischen Telegraphie in England wurde, von wo aus iu derFolge die bekannten grossartigen Anwendungen derselben, sogar durch Meere hindurch, Statt fanden. Bei der Beschreibung des Herganges wird sich zeigen, dass Russland sich schon früh ein Verdienst um diese Sache erworben hat. Der erste, durch Galvanismus wirkende telegraphische Apparat war unstreitig der, wel- chen Sömmerring am 29. August1809 der münchener Akademie der Wissenschaften in ihrem 61 Versammlungssaale vorzeigte und eıklärte. Da zu jener, durch Humphry Davy’s grosse Entdeckungen illustrixten Zeit die chemische Wirkung des Galvanismus vorzugsweise studirt ward, so benutzte sie auch Sömmerring zur Hervorbringung in der Ferne von Signalen, nämlich die Entwicklung von Gasbläschen aus Wasser in neben einander gereihten Glasröhrchen, deren jedes einen Buchstaben des Alphabetes, so wie die Ziffern u. a. m. bezeichnete. München kommt also die Ehre zu, den ersten galvanischen Telegraphen in die Welt geliefert zu haben. In Petersburg aber wurde der zweite Telegraph, und zwar ein elektro-magnetischer durch den Baron Schilling von Canstadt hergestellt. Schilling war inMünchen durch Sömmerring für die Telegraphie gewonnen worden. Er war zwei Jahre früher als Sömmerring, nämlich 1803, nach München ‘gekommen, wo er zur russischen Gesandtschaft gehörte. Sömmerring’s Vorliebe für Russland (es war im Jahre 1805 nahe daran, dass er Mitglied der petersburger Akademie der Wissenschaften, statt der zu München, geworden wäre) machte, dass er dem Baron Schilling, in welchem er ganz besonders viel Sinn fürs technisch Nützliche bemerkt hatte, sehr gewogen ward. Letzterer war oft bei Sömmerring, als dieser 1307 und 1808 seinen galvanischen Telegraphen combinirte Als nun 1820 Oersted in Kopenhagen seine wichtige Entdeckung machte, so sann Schilling alsbald darauf, die augenblickliche Abweichung der Magnetnadel von der ihr eigenen Richtung, sobald galvanische Strömung durch eine sie um- gebende Drahtwindung hindurch Statt findet, auf die Fernschreibekunst zu applieiren, Ampöre in Paris hatte zwar gleich im Herbst des Jahres 1820 eine Nutzung des von Oersted neu er- kannten Elektro-Magnetismus zur Telegraphie, als vielleicht möglich, erwähnt, der Baron Schilling in Petersburg war aber der Erste, der sie praktisch ausführte und wirklich einen elektro-magnetischen Telegraphen herstellte, der ohne Vergleich einfacher war, als jener, wel- chen Ampere sich gedacht hatte. Schilling brachte nach und nach eine Vorrichtung zu Stande, mit welcher er durch Draht, der eine Linge von mehreren Meilen, gleich der Entfernung zwischen Petersburg und dem kaiserlichen Lustschlosse Zarskoe-Selo hatte, sicher und bequem elektro-magnetisch telegraphirte, auch vorläufig, wenn es nöthig war, ein Alarum, einen Wecker, in Thätigkeit setzte. Seine Reise in die Mongolei, welche vom Mai 1830 bis zum März 1832 dauerte, hatte ihn für die Zeit‘ von den Beschäftigungen mit der Telegraphie abgehalten; er kehrte aber, obschon beladen mit reichen, an der chinesichen Grenze gesammelten literarischen Schätzen, bald mit dem früheren Eifer zu derselben zurück. Ich brauche nicht an das zu erinnern, was der Professor Weber zu Göttingen 1833 geleistet hat. Sein grosses Verdienst ist Jedermann bekannt. Im Mai 1835 trat der Baron Schilling von St. Petersburg aus eine Reise nach Deutschland, Frankreich und Holland an, und im September wohnte er der Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte in Bonn bei. In der am 23. des genannten Monats unter dem Vorstande des Geh. Hofrathes Muncke Statt gehabten vierten Sitzung der Section für Physik und Chemie zeigte Schilling seinen aus St. Petersburg mitgebrachten telegraphischen Apparat vor und erklärte denselben. Muncke fand Schilling’s Einrichtung zweckmässig und einfach. Er ermangelte nicht, sie nach seiner Zurückkunft nach Heidelberg daselbst vorzuzeigen und, sie lobend, von ihr zu sprechen. Am 6. März erklärte er sie einem Engländer, William Fothergill Cooke, der damals mit Herrn Prof. Tiedemann’s Bewilligung im anatomischen Institut zu Heidelberg Wachs-Prä- parate für seinen bei der neuen Universität in Durham in England als Lector angestellten Vater anfertigte; denn jene Universität besass noch kein anatomisches Cabinet. Cooke, der in Indien bei der Armee gedient, sich aber nie weder mit dem Studium der Physik überhaupt, noch mit dem der Elektrieität insbesondere abgegeben hatte, war von dem, was er bei Muncke sah, so 62 ergriffen, dass er auf der Stelle beschloss, seine bisherige Beschäftigung aufzugeben, um zu suchen, elektro-magnetische Telegraphen bei den Eisenbahnen in England einzuführen. Schon am 22. April langte er zu diesem Zwecke in London an. Dort ward er am 27. April 1837 mit dem Professor der Physik in Kings College, Hın. Wheatstone, bekannt, und beide Herren beschlossen Anfangs Mai, gemeinschaftlich auf die Einführung von Telegraphen in England hinzuwirken, was denn auch geschah. Am 12. Juni kamen sie wegen des Caveats zur Erhaltung eines Patents bei der betreffenden Behörde ein, und am 25. Juli ward am londoner Terminus der Nordwest-Bahn ein erster Probeversuch mit elektro-magnetischem Telegraphiren durch Draht, der 1, Meile lang war, gemacht. Ungefähr 14 Tage vor dem hatte Steinheil in München das Gebäude der Akademie der Wissenschaften mit der Sternwarte bei Bogenhausen, so wie später auch mit seinem Observatorium in der Lerchenstrasse telegraphisch verbunden, und Stein- heil verdient für seine im folgenden Jahre gemachte Entdeckung der Möglichkeit, den galvani- schen Strom beim Telegraphiren durch die Erde zur Batterie zurückkehren zu lassen, bei Weitem mehr Dank, als ihm bisher gezollt worden ist. Der von seiner Reise nach St. Petersburg zurückgekommene Baron Schilling war nun noch mehr als früher thätig, dem Telegraphen nützliche Anwendungen zu geben. Nach vielem Probiren glaubte er, eine für die Durchführung durch Wasser genügende Isolirung der Lei- tungsdrähte ermittelt zu haben, und hegte den Wunsch, Kronstadt mit St. Petersburg über Oranienbaum unterseeisch in galvanisch-telegraphische Verbindung zu bringen. Schon liess er zu diesem Zwecke auf einer Tau-Fabrik ein Seil mit mehreren nach seiner Angabe isolirten Kupferdrähten anfertigen, als am ‘7. August 1837 der Tod seinem eifrigen und nützlichen Wirken ein Ende machte. Wäre ihm vergönnt worden, länger zu leben, so würde in Russland früher als irgendwo anders eine, wenn auch wegen undauerhafter Isolirung — denn ohne Gutta-Percha, die Europa damals noch nicht kannte, war keine solche möglich — nur tem- poräre, .unterseeische telegraphische Durchleitung zu Stande gekommen sein. In Bezug auf die Prätention des Amerieaners Morse wäre zu bemerken, dass im Verlauf des Sommers 1837 auf verschiedenen Wegen Kunde von’ dem, was man in Deutschland und in England Behufs der elektro-magnetischen Telegraphie gethan hatte, nach Amerika gelangt war. Dies spornte Samuel F. B. Morse, der zweimal in Europa gewesen war, um sich als Maler auszubilden, und der während der letzten Zurückfahrt von dort (1832) auf dem Schiffe Sully durch den D. Jackson aus Boston auf die Möglichkeit von elektro-magnetischer Telegraphie aufmerksam gemacht worden war, an, mit Hülfe des Professors der Chemie D. Gale, welchen er sich associirt hatte, eine Vorrichtung zu Stande zu bringen, mit der er hoffte, telegraphiren zu können. Am 4. September — also vier Wochen nach Schilling’s Tode — machte er einen, wie er ihn bezeichnete, „gelungenen Versuch“. Ich besitze eine, auf mein Gesuch von Herrn Morse selbst für mich im vergangenen Jahre gezeichnete Skizze seines Apparates, mit welchem er den erwähnten ersten, von ihm als einen gelungenen erklärten, Versuch gemacht hat. Durch eingeschobene flache gezahnte Typen, von welchen er mir einen Satz gegeben hat, wurde be- wirkt, dass auf einem Papierstreifen, welcher sich über eine Walze horizontal dahin bewegte, ein Stift Ziekzacks, gleich Sägezähnen, zeichnete, die Ziffern ausdrückten. So wurden Zahlen- Nummern dargestellt, deren jede ein gewisses Wort oder Zahl bedeutete, welche der Empfänger der Depesche in einem hierzu numerirten voluminösen Dietionäre aufzusuchen hatte. Der am 4. September 1837 angefertigte Papierstreifen stellte in Form von dem Buch- staben V ähnlichen Zähnen folgende Nummern dar: 215, 36, 2, 58, 112, 04, 01837, welche nach dem Dicetionäre Successful experiment with Telegraph September 4. 1837 ausdrückten. 63 Morse’s hier angedeutete ganz unpraktische Vorrichtung vom September 1837 ist natürlich nie in Gebrauch gekommen. Dessen ungeachtet aber nennt sich Morse dreist den Erfinder der Telegraphie und datirt seine sogenannte Erfindung vom Jahre 1832. Auch hat ihm die höchste Gerichtsbehörde in den Vereinigten Staaten 1854 die Priorität vor allem in Europa in Bezug auf elektro-magnetische Telegraphie Geleisteten zugesprochen. Es möchte nöthig sein, zu bemerken, dass Morse keineswegs, wie man immer zu glauben scheint, ein Professor der Physik sei. Er sollte zu New-York in der „Universität“ genannten Lehranstalt die Literatur der zeichnenden Künste vortragen und ward daher 1835 „Professor of the literature of the arts of design“ benannt. Er hat aber nicht ein einziges Mal eine Vorlesung für Studirende gehalten. Das jetzt unter Morse’s Namen bekannte gute Instrument ist erst gar lange nach 1837, nachdem Morse von Neuem zwei Mal in Europa ge- wesen war, allmählich entstanden. Im November 1837 schlossen Oooke und Wheatstone in London einen Compagnons-Contract ab, und am 12. December reichten sie die zur Gültig- machung ihres Patentes gesetzmässig erforderliche specifieirte Beschreibung ein. Die Vor- riehtung war im Wesentlichen auf demselben Principe wie die Schilling’sche begründet, nur hatte man den Nadeln, statt der horizontalen, eine verticale Stellung gegeben. Es war auch ein Alarum angedeutet. Zum August 1839 waren bereits dreizehn Meilen einer Telegraphen -Linie längs der da- mals im Bau begriffenen Great-Western- Eisenbahn von Paddington bei London bis West- Drayton beendigt. Es erfolgten nach und nach andere Anwendungen, und im Jahre 1845 be- kam Cooke auf einmal nach allen Riehtungen hin im Lande eine Menge Linien zu besorgen; denn am ersten Tage des Jahres hatte der Telegraph gedient, John Tawel, den Vergifter seiner früheren Geliebten Sarah Hart, die damals bei Slough einlogirt war, zu entdecken, ob- gleich er nach Verübung der abscheulichen That mit der Eisenbahn nach London geeilt war Dieses Ereigniss machte den Telegraphen auf einmal über ganz England populär. Im Jahre 1846 kam in London, durch Cooke’s Bemühungen die Electric Telegraph Compagny zu Stande, die sich später mit der International Telegraph-Compagny amalgamirt hat und daher jetzt the Electric and International Telegraph-Compagny heisst. Sie hat seit 1848 ihre Central-Station in Lothburg in der Nähe der Lodoner Bank sowohl, als der Börse. Die meisten der hier ge- brauchten Instrumente sind immer noch die nach dem ursprünglich vom Baron Schilling, ange- wandten Prineip construirten, jedoch von Wheatstone nach und nach sehr bedeutend verbesserten Nadel-Apparate. Von den Instrumenten gehen nicht weniger als anderthalb Hundert verschiedene Draht-Leitungen unter dem Strassenpflaster hinweg nach vielen Orten hin. Aus dem Vorgetragenen ergibt sich, dass der Baron Schilling von Canstadt der früheste Anwender der elektro-magnetischen Telegraphie war und dass das von ihm in Russland Ein- geleitete über Bonn und Heidelberg nach England übergeführt worden ist, wo die aus Peters- burg; erhaltene telegraphische Saat in London Wurzel geschlagen hat und wo daraus ein Baum erwachsen ist, der jetzt so mächtig gross geworden, dass er — zusammen mit den neben ihm emporgekommenen Schösslingen — seine höchst nützliche Früchte tragenden Zweige nicht nur über die grossbritannischen Inseln, sondern sogar über die anliegenden Meere verbreitet. Herr von Siebold bemerkte hierzu selbst Zeuge der Versuche des Baron von Schilling im Jahre 1834 gewesen zu sein. Daran schloss sich ein denselben Gegenstand betreffender Vortrag des Dr. Drescher aus Frankfurt am Main: 64 Unvorbereitet über den in Rede stehenden Gegenstand das Wort erbittend, 'ersuche ich die hochverehrte Versammlung vor allen um gütige Nachsicht. Die hier vindicirte Priorität für den Herrn Baron von Schilling beabsichtige ich nicht zu bestreiten. Die Sachen mögen sich damals auf der Naturforscherversammlung hier in Bonn (1835) allerdings so verhalten haben. Seit Oersted’s Entdeckung (Spätjahr 1819) beschäftigten sich bekanntlich mehrere tüchtige Köpfe mit deren praktischer Verwerthung. Herr von Schilling ebenfalls, der insbe- sondere die Leitung vereinfachte und den elektrischen Telegraphen in Russland einzubürgern versuchte. Aber es blieb noch ausserordentlich Viel zu thun übrig und ich berufe mich mit dieser Behauptung auf das rühmlich bekannte Werk des Herrn Dr. Schellen (der vielleicht in unsrer Mitte ist): „der elektrische Telegraph in den einzelnen Stadien seiner 'Entwickelung“*). Und sogar als, — wie uns erzählt worden, — die deutsche Erfindung in Heidelberg von einem Engländer als gute Beute nach Hause getragen und von englischer Fama beflügelt vervollkommnet in die Welt trat (obgleich Weber, Gauss, Steinheil, sodann Fardely in Mann- heim, Kramer u. A., die ich nicht alle nennen kann, sich sehr ernst mit dem Problem der praktischen Anwendung beschäftigten und es für nicht genügend gelöst hielten); als 1845 ein Wheatstone-Cook’scher Apparat vom Professor Gerling in Marburg von England her aecquirirt worden war, also zehn Jahre nach Schilling’s Versuchen dahier: erschien derselbe, streng ge- nommen, immer noch unbrauchbar. Nur Eins: ein ganz geringfügig zu starker Strom bedingte ein Trägheitsmoment, wodurch der Zeiger — es war damals überhaupt nur von Zeigertelegraphen die Rede — weit über das Ziel hinausging. ‘Er bedurfte einer ganz wesentlichen Verbesserung, gewichtiger Empfehlung und der Einführung ins praktische Leben. Jene Verbesserung wurde von den Gebrüdern Drescher (einem jüngern Bruder und mir) erzielt und die Verdienste der Herren Professor Bunsen, damals in Marburg, und Buff in Giessen fühle ich mich hierbei na- mentlich gedrungen zu nennen. (Man vergleiche des letztern „Grundzüge der Experimental- physik“ S. 407 u. £) Bunsen insbesondere förderte die Sache ebensowol durch seinen scharf- sinnigen Rath, wie durch peeuniäre Opfer. Nächstdem waren es Henschel in Kassel, Breit- haupt daselbst und die Direktion der eben im Bau begonnenen Kurhessischen Nordbahn, welche die ersten Versuchs-Anlagen im Grossen wesentlich unterstützten. Das war 1846 und 1847. — Jene Verbesserung des Apparates bestand ausser einem ganz selbstständigen Arrange- ment der Theile vorzugsweise in einer in der Mitte des Ankers befestigten Gabel, welche mit den zwei Zinken ihres untern Endes in ein doppelt gezahntes Kronrädchen eingreift und dem an dessen Axe befestigten Zeiger einen ganz bestimmt geregelten Gang verlieh: (In Buft’s erwähntem Werke abgebildet und in einer eignen Schrift genau beschrieben und versinnlicht**). In Kassel, Eisenach, Gotha, Weimar und Berlin machte der Apparat in dieser Form mit zu- verlässiger Leistung nicht unbedeutendes Aufsehen, woselbst er von meinem Bruder im Gang aufgestellt und erläutert wurde. Ganz besonders interessirten sich auch die Herren Siemens und Halske dafür. Dass aber weiterhin die herrliche Erfindung zwei Marburger Studenten, die Alles daran gesetzt hatten, sie im Vaterlande einzubürgern, in eine sehr trübe Lage ver- =) Es ist vielleicht angenehm, das, was im Vortrage nicht verbotenus angeführt werden konnte, zu lesen, wie es Dr. Schellen S. 76. a. O.'sagt: „Schilling hat zwar mit diesen Apparaten vor dem Kaiser Alexander und später vor Nicolaus experimentirt, aber er ist nicht im Stande gewesen, die'mit der Ausführung seiner Ideen im Grossen verbundenen Schwierigkeiten zu überwinden. ##) Drescher, die elektromagnetische Telegraphie ete. und die Anwendung derselben in der Praxis. Cassel, Th. Fischer. 2te Auf. 1349. | 65 setzte, — dass es gerade die ersten Wochen des verhängnissvollen Märzes 1848 waren, in denen Se. Königl. Hoheit, der Prinz von Preussen seine warme Theilnahme ihrem Bemühen zuzuwenden begann und die Apparate im Gang zu sehen bereits von Hochdemselben bestimmt war, — dass es nicht dazu kam und mein Bruder am 18. März kaum Zeit fand, seine Sachen zu packen, um — sich in New-York zu etabliren: das erlauben Sie mir, hochverehrte Herren, nur anzudeuten als accessorale Momente in der Geschichte unserer in Rede stehenden so glor- reichen und mit Recht auch heute dahier gefeierten Erfindung der Neuzeit. Epochemachend für Preussen und ‚einige Nachbarländer wurden bald darauf Siemens und Halske; für Baiern und die Schweiz: Steinheil. — Sollten sie dazu wohl Viel von dem Baron Schilling benutzt haben? — Was man sonach im Jahr 1835 bereits hatte: es'sei bereitest anerkannt. Aber der Engländer, welcher den guten Heidelbergern erschien und den auch Herr von Schilling nicht gehindert hat die Sache mitzunehmen, wiederholt sich später im Amerikaner Morse, nur mit dem Unterschiede, dass dieser unbestreitbar mit den schreibenden s. g. Drucktelegraphen ein ganz neues und zwar höchst praktisches System schuf, alle vorigen zu Momenten herabsetzend: es ist dies dasselbe, meine Herren, das soeben ihre Grüsse nach Berlin beförderte, dasselbe, dem jetzt alle Welt huldigt. Nachdem Staatsrath Hamel noch Zeichnungen der ersten Telegraphen-Apparate, so wie Stücke des submarinen Telegraphendrahts zwischen England und Amerika vorgelegt hatte, wurde die Sitzung, nach einigen Bemerkungen über die Sektionssitzungen und die Festfahrt nach Stolzenfels, gegen 2 Uhr vom Prof. Nöggerath geschlossen. Die Sektionen begaben sich von hier, die einführenden Präsidenten an der Spitze, in ihre resp. Sitzungslokale. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Die zweite allgemeine Sitzung, in der nach Vorschrift der Statuten die Wahl des nächst- jährigen Versammlungsortes vorgenommen wurde, eröffnete der erste Geschäftsführer gegen 11'/, Uhr, indem‘ er zunächst im Allgemeinen auf den üblichen. Wechsel der Versammlungs- örter zwischen Nord- und Süddeutschland ‚hinwies. Prof. Schrötter aus Wien schlug Karlsruhe vor, das schon im vorigen Jahre mit Bonn coneurrit hatte. Berghauptmann von: Carnall aus Breslau unterstützte des Vorredners Antrag. Hofrath Eisenlohr, eingedenk der bestimmten Einladung und des speciellen Wun- sches Sr. Königl. Hoheit des Grossherzogs von Baden, welcher sich, wie überhaupt für die Pflege der Wissenschaft, so im Besondern für die Wahl seiner Residenz zum Versammlungs- ort der deutschen Naturforscher und Aerzte aufs Lebhafteste interessirte, — sprach mit warmen und beredten Worten für Karlsruhe, ‘weshalb. die Simisung der Versammlung, wie'zu er- warten war, diesem Vorschlag sehr zuneigte. Der Sprecher der Deputation des Vereins'.der Aerzte des Regierungsbezirks Düsseldorf, Dr. Ruer aus Düsseldorf, betritt auf die Aufforderung des zweiten Geschäftsführers die Redner- bühne um seines Auftrages: im Namen des Stadtvorstandes von Düsseldorf die, Versammlung für eines der nächsten Jahre nach Düsseldorf jeinzuladen, — sich zu entledigen. Da die gün- stige Stimmung‘ für Karlsruhe unverkennbar war, schlug er um so dringender Düsseldorf für 1859 'vor. Von. Ems war ebenfalls ein Einladungsschreiben des dortigen. Gemeinderaths'einge- laufen, dem aber unter, obwaltenden Umständen keine. Folge gegeben werden konnte. 9 Ebenso trat Rostock, woher schon vor circa 6 Jahren eine Einladung gekommen war, gegen Karlsruhe in den Hintergrund, so dass bei der Abstimmung beinah sämmtliche Stimmen der letztgenannten Stadt (nur 4 waren Andersmeinende) zufielen, und Karlsruhe demnachals nächster Versammlungsort proklamirt werden konnte. Zu Geschäftsführern werden, nach dem Vorschlage der Vorsitzenden, durch allge- meinen Zuxruf Hofrath Professor Eisenlohr und Medieinalrath Voltz gewählt. . Der erste Geschäftsführer bemerkte hierauf, dass Schreiben von Sr. Excellenz dem Herrn Minister von Raumer, Sr. Eminenz dem Herrn Cardinal-Erzbischof von Geissel in Köln, und von Sr: Durchlaucht dem Prinzen Max von Wied eingegangen seien, welche das Bedauern der Absender aussprechen, den Sitzungen nicht beiwohnen zu können. Hierauf machte der zweite Geschäftsführer die Versammlung auf die morgen nach Köln zu unternehmende Festfahrt aufmerksam, der Stadt, „die jeder geistigen Bewegung, jedem Fortschritte in der Intelligenz von ganzer Seele ergeben“, deren Bevölkerung eine „rheinische“ sei, „gemüthlich, bieder, frei, dem Lichte hold“, und schloss mit einem „Alaf“, das in der Ver- sammlung. den lebhaftesten Beifall fand. Es wurden nun drei wissenschaftliche Vorträge gehört: der erste vom Kreisphysikus Schwartz aus Sigmaringen, ‘handelte „über die Stellung der Seelenheilkunde (Psyehiatrie) zur Naturforschung, und insbesondere zur praktischen Medien“ folgendermassen: Wenn ich mir erlaube, in der heutigen Plenarsitzung Ihre Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand zu lenken, welcher eigentlich die Section für Psychiatrie am nächsten betrifft, so liegt ‘darin auch zugleich meine Ueberzeugung. ausgesprochen, ‘dass die von mir zur öffent- lichen Erörterung herbeigezogene Frage ihre endgültige Lösung nicht von der Psychiatrie allein, sondern von der Naturforschung und Heilkunde als Gesammt-Wissenschaft erwarte und erwarten muss. — Werfen wir, meine Herren, einen Rückblick auf die jüngste Geschichte der Heilkunde, so finden wir, dass einzelne Fächer derselben, welche sich früher als Specialzweige von der innern Mediein abgesondert und ein für sich abgeschlossenes Dasein geführt hatten, durch die fortschreitenden ‘Bedürfnisse der Wissenschaft und des praktischen Lebens genöthigt wurden, ihre isolirte Stellung aufzugeben, und sich inniger und unzertrennlicher an den ver- lassenen Mutterstamm der allgemeinen Heilkunde 'anzuschliessen. Es ist dies bei der Chirurgie, der Geburtshülfe und bei der Augenheilkunde der Fall gewesen, so dass die ältern Herren von Ihnen sich noch alle der Zeit erinnern, wo man bei einem einzigen Krankheitsfall oft dreierlei verschiedene Species von Medieinalpersonen requiriren musste, um geeignete Hülfe zu erlangen. — Gottlob ist zum Wohle der Wissenschaft und der leidenden Menschheit diese unnatürliche Trennung überwunden und es giebt fast keinen deutschen Staat mehr, wo man nicht von dem angehenden Arzte eine vollständige medieinische, chirurgische und geburtshülfliche Bildung verlangte, ehe demselben die Berechtigung zur Krankenbehandlung ertheilt wird. — Die Psychiatrie allein, d. h. derjenige Theil der Heilkunde, welcher sich mit den Krankheiten des menschlichen Geistes befasst, welcher‘ grade das edelste und vornehmste menschliche Organ zum Untersuchungsobjeete gewählt hat, welehe berufen ist, dem Menschen in seiner traurigsten Lebenslage helfend und rathend zur Seite zu stehen, ‘die Psychiatrie allein hat bis jetzt noch die 'stiefmütterliche Behandlung erfahren und ist‘ eigentlich nur von den hinter den Mauern der Anstalten wirkenden Irrenärzten «9° &&647v kultivirt worden. Fragen Sie z. B. die an- gehenden Aerzte, welche noch heutigen Tages die Staatsprüfungen verlassen, um ins practische Leben überzugehen, was sie denn für Studien über den gesunden und kranken menschlichen Geist gemacht, ob 'sie psychische Krankheitsprocesse beobachtet und behandelt, ob sie 67 psychiatrischen Anforderungen genügende Krankheitsgeschichten verfasst, sich mit den Einrich- tungen und dem Heilapparate der Irrenanstalten vertraut gemacht hätten, so werden Sie fast immer verneinende Antworten erhalten. — Ebenso wie nun die Psychiatrie bei der ärztlichen Bildung und Prüfung vernachlässigt wird, so erfährt sie auch meist eine gleiche Vernachlässi- gung; im spätern praktischen Leben. Die meisten Aerzte glauben einmal nicht, dass die Gei- steskranken in ihr Ressort‘ gehörten und ich selbst habe: es noch kürzlich ‚erfahren, dass das Halten psychiatrischer Zeitschriften in ärztlichen Vereinen aus dem Grunde sollte beanstandet werden, weil sich kein Mitglied vorfinde, welches sich für Geisteskrankheiten interessire. Die noth- wendige Consequenz der geschilderten Verhältnisse ist nun, dass die praktischen Aerzte mit geringen Ausnahmen keine psychiatrische Bildung besitzen und also auch nicht zur Beurtheilung und Behandlung psychischer Krankheitsprocesse qualificirt sind. Denn die ‚Geisteskrankheiten sind Naturerscheinungen, wie alle andern Krankheiten und oft gerade die dunkelsten und schwierigsten derselben, welche ohne wiederholte eigene, selbstständige Beobachtung und sorgfältiges Studium der Beobachtungen Anderer weder beurtheilt noch behandelt werden können. Es kann also auch/niemals genügen, irgend einen Geisteskranken vorübergehend durch die Vogel-Perspective betrachtet oder flüchtig die Gänge einer Irrenanstalt durchschritten zu haben; denn die psychischen Krankheitsprocesse, welche in der’ Regel Monate und Jahre lang dauern, wechseln oft binnen einer Stunde ihre proteusartigen ‚Erscheinungen und 'es ist unum- gänglich nothwendig, dass der Arzt, welcher sie beurtheilen ‘oder. .behandeln will, entweder selbst längere Zeit mitten zwischen Geisteskranken in den Anstalten’ gelebt habe, oder wenig- stens von solchen Aerzten unterrichtet sei, welche die psychischen Krankheiten zu ihrem Spe- cialstudium gemacht haben. — Ich will mir nun erlauben, mit kurzen Worten, wie es die mir heute gebotene Gelegen- heit nothwendig macht, nachzuweisen, dass die Vernachlässigung der psychiatrischen Studien, welche bei dem grössten Theil des heutigen Medicinalpersonals factisch besteht, sowohl den billigen Anforderungen der Heilkunde’ als Gesammtwissenschaft nicht entspricht, als auch im Widerspruche steht mit den dringendsten Bedürfnissen des praktischen Lebens und der staat- lichen Gesellschaft. Was zunächst die wissenschaftlichen Rücksichten betrifft, so hat die Heil- kunde bekanntlich den ganzen Menschen, wie er von Gott mit Geist und Körper in unzer- trennlicher Verbindung hier auf Erden geschaffen ist, zum Objecte ihres Studiums, und es ist desshalb unmöglich, die kranke Seele den Irrenärzten und den kranken Körper ‘den übrigen Aerzten anzuvertrauen. Wenn man also zu allen Zeiten von den Irrenärzten mit Recht verlangt hat, dass sie die körperlichen Verhältnisse des menschlichen Organismus genau studiren und kennen sollen, so muss man auch an'alle"anderen Aerzte die unerlässliche Anforderung stellen, das Geistes- und Gemüthsleben in seinen mannigfachen Abweichungen und nothwendigen Wechsel- beziehungen zu den körperlichen Functionen ‘niemals zu ignoriren. ‘Denn, ‘was dem Einen recht ist, ist dem Andern billig. — Sehen wir uns'nun ferner die scharfe Scheidewand, welche die Psychiatrie von der sogenannten inneren Mediein trennen soll, etwas genauer an, so verschwin- det sie bei näherer Betrachtung immer mehr und man ı kommt zuletzt zu dem Schluss, dass sie. vorzugsweise in der Phantasie derjenigen Aerzte ihren Sitz ‘habe, welche aus nahe liegenden Gründen keine sonderliche Lust! verspüren, sich mit Geisteskranken zu beschäf- tigen. Ich erinnere hier nur an die mannigfachen in das Gebietder Hypochondrie und Hysterie gehörenden Krankheitszustände, an. die aufi/Entwickelungszuständen, krankhafter Blutbildung beruhenden Geistes- und Gemüthsleiden, an’ den Wahnsinn der Wöchnerinnen, den Säuferwahn, die mannigfachen akuten Delirien, ‚an. die; auf anatomisch nachweisbaren Hirnleiden beruhenden, 68 mit Epilepsie complieirten Geisteskrankheiten, und ich frage Sie, wo hört denn hier das Gebiet der Psychiatrie auf und wo fängt das der innern Mediein an? Will man alle Kranke, welche in die Irrenanstalten geschickt werden, der Psychiatrie zuweisen, die übrigen nicht, so ist zu bemerken, dass der Krankheitsprocess dadurch, dass man ihn in die Anstalt schickt, kein andrer wird und sich auch nach statistischen Aufnahmen der bei weitem kleinste Theil der wirklich Geisteskranken in den Anstalten aufhält und aufhalten kann. Einzelne Geisteskranke kommen bekanntlich niemals zur Anstaltsbehandlung, weil der Arzt zu Hause genügende Mittel zur Heilung zu finden glaubt oder sie auf’s Land, in die Bäder oder auf sonstige Reisen schickt. Die Anstaltsbehandlung kann also, wie Sie sehen, hier ein stichhaltiges Criterium nicht abge- ben. Dass überhaupt eine scharfe Trennung der Psychiatrie von der innern Mediein nicht haltbar ist, geht auch daraus hervor, dass es schon lange hervorragende Aerzte gab, welche beide Theile mit gleicher Liebe umfassten und in beiden Vorzügliches leisteten, wie Reil, Nasse, Horn, Berndt, Pinel und Andre, dass ferner in dem neuesten Handbuche der Pathologie von Prof. Wunderlich in Leipzig die Geisteskrankheiten mitten zwischen den übrigen Hirn- und Nervenkrankheiten abgehandelt werden. Wer also beim Studium der Medicin das umfassende Capitel der psychischen Krankheiten überschlägt, der behält in seinem Wissen eine empfindliche Lücke, welche ihm vielleicht für immer bei Auffassung und Behandlung aller Krankheitszu- stände eine verkehrte Richtung geben kann. Prof. Burdach sagt in seinem Organismus mensch- licher Wissenschaft in dieser Beziehung sehr treffend: Derjenige Arzt, welcher am Kranken- bett nur den Körper im Auge hat und auf das Geistes- und Gemüthsleben keine Rücksicht nimmt, kommt mir vor, wie ein Kind auf dem Platze eines Wagenlenkers, ‘welches zwar im Wagen sitzen, aber die Rosse nicht bändigen und lenken kann. — Weit mehr, als durch wis- senschaftliche Rücksichten, werden die Aerzte durch die Bedürfnisse des praktischen Lebens auf die Psychiatrie hingewiesen. Wem fallen denn die Geisteskranken gerade in der wichtigsten und am schwierigsten zu erkennenden Periode ihrer Krankheit, im Anfangsstadium, wo oft allein noch schnelle und zuverlässige Hülfe geleistet werden kann, zunächst in die Hände? Nicht den hinter den Mauern ihrer Anstalten wirkenden Irrenärzten, sondern den schlichten Haus- ärzten in Stadt und Land. Die Anstaltsärzte mögen im Interesse der Heilung noch so viel auf baldige Ablieferung der Geisteskranken in die Anstalten dringen, ihren Wünschen wird nie- mals vollständig genügt werden. Denn der Transport eines Kranken in eine oft weit entlegene Irrenanstalt aus dem Schoosse seiner Familie hinaus ist keine Massregel, wozu man sich schnell entschliesst, die mannigfachsten Rücksichten und Bedenken treten entgegen und in der Regel verstreichen Monate und Jahre, ehe der Entschluss gefasst wird. Also gerade in der’ bekannt- lich zur Erzielung von Heilresultaten günstigsten Zeitperiode”befinden sich die Geisteskranken unter den Händen von Aerzten, welche, wie wir gesehen, keine psychiatrische Bildung be- sitzen. Wem wird ferner der aus der Anstalt als geheilt -oder gebessert entlassene Kranke wieder überwiesen, wer soll die Nachkur leiten und dem Genesenen beim Wiedereintritt in’s bürgerliche Leben rathend zur Seite stehen, damit alle Schädliehkeiten vermieden werden und keine Rückfälle eintreten? Wer anders, als der Hausarzt? Und wie kann er diesen wichtigen Pflichten nachkommen, wenn er sich niemals um Psychiatrie gekümmert hat noch auch küm- mern will? Die Anstaltsbehandlung, meine Herren, kann überhaupt, nach meiner Ueberzeu- gung und Erfahrung, nur als ein nothwendiges Zwischenglied der praktischen Psychiatrie betrachtet werden, welche, wenn sie ein vollständiges Ganzes werden will, mit Nothwendigkeit durch eine kunstgerechte und angemessene Behandlung in häuslichen Verhältnissen completirt werden muss. Nicht minder grosse Uebelstände entstehen, wenn die Geisteskranken, wie sol- 69 ches so häufig geschieht, im bürgerlichen Leben Veranlassung zu gerichtlichen Verhandlungen geben, wenn über ihre Dispositions- und Zurechnungsfähigkeit sachkundige Gutachten abgege- ben werden sollen. Es kann hier der sonderbare Fall eintreten, dass Männer als Sachverstän- dige über eine Sache fungiren, von welcher sie im eigentlichen Sinne des Wortes wenig oder gar nichts verstehen. Daher denn die auffallende Erscheinung, dass, wenn praktisch ausge- bildete Irrenärzte gleichzeitig mit andern Aerzten vor Gericht Gutachten abgeben müssen, diese sich oft diametral widersprechan, wo der eine Krankheit, der andere Verbrechen und Verstel- lung sieht, und umgekehrt. Dass man in dem benachbarten Kaiserstaate in dieser Beziehung dieselben traurigen Erfahrungen macht, wie bei uns, geht aus einer Aeusserung des erfahren- sten jetzt lebenden französischen Irrenarztes, des Dr. Fabret in Paris, hervor, die in einer Denk- schrift, auf die ich. später zurückkomme, abgedruckt ist. Es heisst dort wörtlich: Malheureusement les medeeins qui n’ont pas fait d’6tudes speciales voient la folie I& oü elle n’est pas et plus fr&quemment encore ne la voient pas lorsqu’elle existe d. h. zu deutsch: Unglücklicherw. . .. Wie wichtig aber die gerichtsärztlichen Gutachten über Geisteskrankheiten sind, wie oft Glück und Ehre, ja Leben und Tod von ihnen abhängt, ‚brauche ich nicht weiter auseinander zu setzen. — Nicht allein bei der Rechtspflege, sondern auch bei allen Verwaltungsbehörden bis in die Staats-Ministerien hinauf sollen oft die wichtigsten und für das Allgemeinwohl ein- flussreichsten Fragen über öffentliche Irrenpflege gelöst, die Anstalten selbst sollen von oben herab eontrollivt und regiert werden und wie ist das Alles möglich, wenn die betreffenden Referenten keine praktisch psychiatrische Ausbildung erhalten haben ? Alle die genannten Uebelstände, meine Herren, welche ich hier nur kurz andeuten, nicht weiter ausführen kann, verlangen dringend Berücksichtigung und es kann sich nur darum han- deln, wie man hier die geeignete Abhülfe schaffen soll. Einzelne deutsche Regierungen, na- mentlich die des Grossherzogthums Baden, sind bereits mit der Massregel vorgegangen, dass sie nur denjenigen Aerzten, welche längere Zeit in grössern Irrenanstalten practieirt haben, Staatsstellen übertragen. Aber diese Massregel, wenn sie sich auch durch das augenblicklich vorliegende, schnelle Befriedigung erheischende Bedürfniss rechtfertigen lässt, erreicht das ge- steckte Ziel doch immer nur unvollkommen, da die Geisteskranken nicht nur von Medieinalbe- amten, sondern von allen Aerzten beurtheilt und behandelt werden. Die Aufnahme der Psy- chiatrie in unsern staatlich medicinischen Bildungs- und Prüfungs-Cursus kann desshalb nach meiner Ueberzeugung nicht länger umgangen werden und die Errichtung einer besondern Professur für Psychiatrie, sowie die Einrichtung nicht nur nominell, sondern faktisch bestehender Kliniken für psychische Krankheiten an unsern Hochschulen ist eine Nothwendigkeit geworden. Dr. Fabret in Paris übergab mir bei meiner letzten Anwesenheit daselbst eine von ihm ver- fasste Denkschrift: De l’enseignement clinique des maladies mentales, in welcher alle die von verschiedenen Seiten gegen psychiatrische Kliniken gemachten Einwürfe auf die überzeu- gendste Art widerlegt und vom Standpunkte der reichhaltissten Erfahrung die vortrefflichsten Winke zur speciellen Organisation derartiger Kliniken geseben sind. Ich bin gern bereit, die genannte Denkschrift, welche im deutschen Buchhandel vielleicht nicht zu haben ist, der psy- chiatrischen Section dieser Versammlung zur nähern Beurtheilung zu übergeben. Ich weiss vorher, dass sich auch bei uns eine Menge von Einwendungen und Schwierig- keiten gegen die allgemeine Einführung psychiatrischer Kliniken an unsern Hochschulen erheben werden; aber ich glaube auch, dass mit der Zeit die Schwierigkeiten zu überwinden sind. Man hat namentlich eingewandt, dass unsre Studirenden bereits so sehr mit Bildungs- und Prüfungs- Material überladen seien, dass ihnen gar keine Zeit mehr für das Studium der 10 psychischen: Krankheiten übrig bleibe. Wenn eine derartige Ueberladung besteht, was ich nicht beurtheilen will, so könnte ich nur rathen, dass die Heilkunde manchen abgelebten und un- brauchbaren Ballast von sich abwerfe, sich in andrer ‚Weise purificire, aber vor allen. Dingen den Studirenden den Kopf frei lassen möge, dass sie im Stande sind, den menschlichen Orga- nismus in.seiner Totalität aufzufassen, d.h. mit Geist und mit Körper, zu welcher Auffassung die psychischen Krankheitszustände einen unentbehrlichen Beitrag liefern. Viele von den. anwesenden Herren haben in den verschiedensten Staaten einflussreiche Stellungen im.Rathe der Fürsten, Regierungen und Faeultäten, und an sie ergeht namentlich meine Bitte, die von miv heute angeregte Frage: vorurtheilsfrei.zu prüfen und ihren Einfluss zu Gunsten der Psychiatrie,und der hülfsbedürftigsten, unglücklichsten aller Kranken geltend machen zu wollen. Gerade unsere Zeit scheint dazu noch eine besondere Veranlassung zu bieten, da bekanntlich die Zahl der Geisteskrankheiten und der mit ihnen in nächster Verbindung stehenden Selbst- morde nach statistischen offieiellen Angaben, in erschrecklichen Progressionen überall zunimmt. Der Selbstmord, meine Herren, ist aber nicht nur eine unchristliche, sondern auch die natur- widrigste Handlung, die existirt; denn, lässt sich etwas Unnatürlicheres denken, als wenn der edelste und vollkommenste Organismus sich ‚selbst vernichtet, während im ganzen übrigen Reiche der organischen Natur. Alles für Erhaltung seines individuellen Daseins kämpft und für, diesen Kampf vom allweisen Schöpfer auf’s zweckmässigste organisirt ist. Der Selbstmord ist desshalb der grösste Feind aller Naturforschung ; denn mit ihm hört überhaupt alles Forschen von selbst auf. Die deutsche Gesellschaft für Psyebiatrie hat sich desshalb um die Naturforschung und also auch um diese geehrte Versammlung ein Verdienst erworben dadurch, dass sie im vorigen Jahre ‚eine Preisfrage stellte, welche dahin ging, die Gründe anzugeben, wesshalb die Selbst- morde in unserer Zeit sich so sehr vermehrt und gleichzeitig Mittel ausfindig zu machen, wie diesem Unwesen gesteuert werden könnte. Meine Herren, ich will hier der glücklichen Lösung, der gedachten Preisfrage nicht vor- greifen; aber ich möchte als Mitglied der geehrten Versammlung ergebenst vorschlagen, alle diejenigen, welche unter Ihren Bekannten an Melancholie, Weltschmerz und Selbstmordgedan- ken leiden, bei unserm allverehrten Geschäftsführer, dem Herrn Geh. Rath Nöggerath in die Schule zu schicken, der, wie wir uns täglich überzeugen, als ächter Naturforscher bis in sein höheres Alter hinauf, frischen Humor und jugendlichen Lebensmuth sich erhalten 'hat. Prof. Helmholtz sprach hierauf über die Merkmale, vermittels deren wir die ver- schiedene Entfernung der Gesichtsobjeete beurtheilen; er bezeichnete den Einfluss der Luftperspective, der Schlagschatten, und ging näher ein'auf die Verschiedenheit der An- sichten, welche uns unsere beiden Augen von dem Gesichtsfelde liefern, als ‘des wichtigsten Hülfsmittels um die körperliche Gestalt naher Gegenstände zu erkennen. Für ferne Gegen- stände sind die Ansichten beider Augen nicht verschieden genug, um dazu auszureichen. Um diesem Mangel nachzuhelfen,, hat der Vortragende das Telestereoskop eonstruirt, dessen wesentlicher Zweck ist, die Distanz der Augen künstlich zu vergrössern. Es wurde ein älteres, schon früher 'beschriebenes Instrument vorgezeigt, ohne Vergrösserung, und ein neu construirtes von 16maliger Vergrösserung, welches die Vortheile des Teleskops und Stereoskops verbindet. Dr. Schimper in Mainz hielt einen Vortrag über die Structur der vegetabilen Zellhaut, und die Mittel, wodurch diese erkannt wird. | In der Botanik seien viele Dinge unbekannt, die doch ‚leicht und ohme Mikros- a kop zu beobachten seien. Die Moose und ihre Blätter kenne man gut, dagegen Bäume mit ihrer Verzweigung, ihren eigenthümlichen Wachsthuniserscheinungen nicht. Verschiedene Gewebslagen, ringförmig abgesetzt, fänden sich nicht bloss im Stamme der dicotyledonen Bäume, sondern auch bei einjährigen Wurzeln (der Runkelrübe) und im Stamme einjähriger krautartiger Pflanzen (Chenopodium album). Der Rettig und die Rübe haben oben auf der Verdiekung zwei Schuppen. Die Embryobildung sei vielfach mit dem Mikroskop erforscht; aber die Geschichte des Embryums, verbunden mit der Erzeugung der Frucht, d. h. der Rei- fungsprocess, sei wenig untersucht, verdiene es aber sehr. Es fände auch ein Reifungsprocess ohne Embryobildung bei Trauben und Mispeln (im Schwetzinger Garten), bei Pisang und Birnen statt. Bei der Erdbeere entwickelt sich.in der Frucht die Axe fleischig, die sonst oft trocken und dünn bleibt, bei Paris dagegen das Fruchtblatt. Der Aesculusstrauss fällt ab nach der Fruchtreife; er hat eine Holzbildung in den zusammengesetzten Achsen der Wickel, die bloss bei der Fruchtbildung stattfindet. Die Befruchtungsgeschichte sollte daher Fruchtge- schichte sein. Der Redner macht besonders auf eine bisher 'wenig beachtete Erscheinung auf- merksam, die über den Bau der Zellwand wichtige Aufklärung geben könne, nämlich die, dass alle Zellen eine Drehung, besonders nach der Trocknung hätten. Der Bast dreht grösstentheils links. Alle Pflanzen zeigen im Bast eine konstante Drehung *). Auch die Haare haben Drehung nach dem Trocknen, und zwar stets konstante; die der Pulsatillen drehen links Bei Luzul@ drehen sich die Haare, indem sie bei Tage trocknen, stets zusammen, bei Nacht im Thau wieder auf. Auch die Coxolle hat bei vielen Pflanzen eine Drehung, oft eine konstante. Die der Malvaceen dreht unbestimmt links oder rechts. Bei Nerium dreht die Co- rolle immer rechts, bei Vinca immer links. Zu den Pflanzen mit konstanter Drehung gehören auch die Riedgräser; ihre Blätter sind getrocknet stets links gedreht. Holzspähne, die man verbrennt, haben eine konstante Drehung. Die hölzernen Fidibus, die man in München ge- braucht, drehen konstant links; der Redner habe viele hundert verbrannt, um dies zu unter- suchen. Die Moose drehen die Stengel und Blätter links, so wie sie getrocknet werden, nur einige Jungermannien drehen rechts. Bei Carlina drehen die Involukralblätter links. Unter den Basten drehen nur einige wenige rechts, so der von Parietaria. Pflanzen, jung unter- sucht, drehen bisweilen rechts, alt erst links. Viele Grannen der Gräser drehen verschieden, oben rechts und unten links, z. B. bei Andropogon. Die beiden Hülsenklappen der Leguminosen drehen entgegengesetzt und somit symmetrisch. Es fragt sich, wie diese durch Eintrocknung, verursachte Drehung zu erklären sei. Tritt Drehung durch Volumensverminderung ein, so können die kleinsten Theilchen nur von rhombischer Gestalt sein, und müssen auf der äussern Seite der Zellen dichter liegen, als auf der innern, Die Physik möge das näher nachweisen. 3. Sitzung : Dienstag, den 22. September. Nach Vorlesung der Adressen von Briefen, die für Mitglieder der Versammlung einge- laufen waren, theilt der erste Geschäftsführer der Versammlung die durch den Ober- *) Dr. Schimper zeigte später privatim seine Art, dies Phänomen zu untersuchen. Er schneidet die Rinde einer Pflanze bis aufs Holz schief ein, reisst das so einseitig gelöste Rindenstück ab und damit zugleich eine Menge von Bastzellen, schabt darauf auf einem kleinen Brett als Unterlage mit einem Taschenmesser vom Bast des so abgerissenen Rindenstücks die oberen Gewebstheile der Rinde ab und nun fängt der trocknende Bast so- gleich an sich zu drehen. 2 bürgermeister der. Stadt Köln, Herrn Justizrath Stupp, übersandte und von der Geschäfts- führung angenommene Einladung nit, wonach zum Schlusse der für diesen Tag bestimmten Festfahrt nach Köln in den Räumen des dortigen Casino eine Reunion gehalten werde, und bringt sodann eine gedruckte Einladung zur Subseription auf die photographische Ab- bildung des: Oken-Denkmals zu Jena von Seiten des Kunsthändlers Reinhard Irlich daselbst zur Kenntniss. Es, erfolgt die Vorlesung nachfolgenden Schreibens der naturforschenden Gesellschaft zu Emden: Die naturforschende Gesellschaft in Emden beehrt sich, durch die Person ihres Mitgliedes, des Herın Dr. Prestel, der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte bei Gelegenheit Ihrer 33sten Zusammenkunft in Bonn, ihre glückwünschende Theilnahme zu erkennen zu geben. Sie lebt der sicheren Hoffnung, dass das grosse Werk, die Verbreitung und Belebung der Naturkenntniss unter allen Schichten der menschlichen Gesellschaft, dem sie nun schon 43 Jahre lang ihre unermüdete Wirksamkeit gewidmet hat, auch durch die Vereinigung der vornehmsten Vertreter der Wissenschaft seiner dereinstigen Vollendung immer näher gerückt werde; und lebhaft ergriffen von der hohen Bedeutung dieser erleuchteten Versammlung, lässt sie der fruchtbringenden Thätigkeit Derselben Heil und Gedeihen wünschen. Emden, den 17. September 1857. Die Direction der naturforschenden Gesellschaft. H. Wegemann, Netger, Dr., z. Director. Secretär. Hierauf werden vom 1. Geschäftsführer die Verhandlungen über die Verwendung der im vorigen Jahre durch die Munificenz des Kaisers von Oesterreich der Gesellschaft erhaltenen Einlagegelder durch kurze Darlegung des Sachverhalts eröffnet, welche Prof. Schrötter, erster Sekretär der k. k. Akademie in Wien, durch Mittheilung des in erster Reihe zu berücksichtigenden Beschlusses der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Akademie über diesen Punkt vervollständigt. Dieser Beschluss vom 16. Juni 1857 lautete: An die Herren Geschäftsführer der 32. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, die H. H. Professoren Dr. J. Hyrtl und Dr. A. Schrötter. Die mathematisch-naturwissenschaftliche Classe der kais. Akademie der Wissenschaften hat dem Wunsche der 32. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte entsprechend — in Berathung gezogen, wie die Einlagsgelder jener Versammlung, dem von Sr. k..k. Apostolischen Majestät allergnädigst genehmigten Vorschlage des zweiten Geschäftsführers, Hrn. Professor A. Schrötter gemäss, zu wissenschaftlichen Zwecken zu: verwenden seien. Die Classe hat, nach Anhörung des Berichtes der, dieses Gegenstandes wegen ernannten Commission in der Sitzung am 22. Mai d. J. einstimmig ihre Ansicht dahin ausgesprochen: „dass die ganze Summe — welche’ bei der niederösterreichischen Exeompte - Gesellschaft gegen alsogleiche Behebung zu 5 %, Zinsen fruchtbringend angelegt ist — und bis gegenwärtig den Betrag von 8707 A. CMze. erreicht „der Academia Oaesarea Leopoldino-Carolina naturae curiosorum“ als Stiftung ohne weitere Beschränkung über die Verwendung der Interessen zu übergeben wäre.“ Indem Sie, hochgeehrte Herren, von diesem Beschlusse verständiget werden, wollen Ew. Hochwohlgeboren die diesjährige 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte von dieser Wohlmeinung der kais. Akademie gefälligst in Kenntniss setzen. Die kais, Akademie sieht, 73 seiner Zeit einer Mittheilung der Herren Geschäftsführer ‘dieser Versammlung entgegen, um hierauf die entsprechende Verfügung mit der deponirten Summe vornehmen zu können. Wien, den 16. Juli 1857. Die mathematisch-naturwissenschaftliche Classe der kais. Akademie der Wissenschaften. Baumgarten. In der darauf folgenden Debatte schlug Prof. Helmholtz, unter Hervorhebung der Er- folge der mit Geldmitteln unterstützten British Association, in tadelnder Hinweisung auf die Organisation der Leopoldina und in der Hoffnung, die Betheiligung der Forscher an den jähr- lichen Versammlungen dadurch zu vermehren, vor: die Verwaltung des Capitals einem Aus- schusse der Naturforscher-Versammlung zu übergeben, die Zinsen nicht hinreichend unter- stützten, wichtige Erfolge verheissenden Forschungen oder Preis- Aufgaben zuzuwenden, wel- chem Vorschlage Prof. Braun mit dem 18. Paragraphen der Statuten („Die Gesellschaft hat ausser dem Archiv keinen Besitz)“, den unabsehbaren Schwierigkeiten der Verwaltung bei nicht ständigen Beamten und der dankbaren Hervorhebung der Verdienste der Leopoldina um junge, in die. Oeffentlichkeit tretende Gelehrte entgegentrat. Auf den Vorschlag des Geh. Medicinal- raths Dr. Wutzer, die Verwaltung der Wiener Akademie zu übertragen, die Verwendung der Naturforscher - Versammlung vorzubehalten, und nach der Replik des Prof. Helmholtz, der mit Recht die Bemerkung Braun’s: unbemittelte Gelehrte könnten ja die Unterstützung der Versammlung nachsuchen, als eanz unthunlich hinstellte, erhob die Versammlung, nach nochmaliger Verlesung. des Vorschlages der Wiener Akademie, denselben mit 178 gegen 58 Stimmen pure zu ihrem Beschlusse, der demnächst durch die Geschäftsführer urkundlich der Akademie übersandt werden sollte. Nachdem Professor Schrötter seinen Dank für diese Entscheidung ausgesprochen hatte, wurden noch einige Bemerkungen über den bereits zum Abschluss gekommenen Gegenstand von verschiedenen Seiten her gemacht und die Versammlung votirte gegen 1 Uhr den Schluss, mit Vertagung eines eben angemeldeten Vortrages des Prof. Schaaffhausen. Anmerkung. Auf die sofort nach Breslau an den Präsidenten der Leopoldina-Carolina telegraphisch gesandte Kundmachung des Ausfalles der Verhandlungen ging desselben Tages b innen einer Stunde diese Antwort von dort ein: „An Professor Nöggerath in Bonn. Dank und treueste, Verwaltung für die Akademie. Der Präsident Nees von Esenbeck.“ ’ 4. Sitzung: Donnerstag, den 24. September. Geheimrath Professor Nöggerath verliest die oben mitgetheilte Antwort des Professor Nees von Esenbeck; darauf die Adressen der eingegangenen noch nicht abgeholten Briefe, und ersucht die Redner, welche in den allgemeinen oder Scektions- Sitzungen gesprochen, die Manuscripte über die gehaltenen Vorträge an die Geschäftsführer jetzt abzuliefern oder später einzusenden. Professor Schaaffhausen hielt über die EntwickelungdesMenschengeschlechts und die Bildungsfähigkeit seiner Rassen folgenden Vortrag: 10 74 „Die Natur ist das All! Darum gibt es keinen Gegenstand, der nicht in den: Kreis der Naturforschung gezogen werden kann. ‚Auf so viele Siege stolz, mit denen sie Irrthum und Vorurtheil niedergeworfen hat, zieht sie erobernd über fremde Gebiete hin, und wenn man ihr den Weg vertritt, so kann sie sich auf ihr altes Recht berufen, denn alle Wissenschaft des Alterthums ist aus ihr hervorgegangen. So gibt es denn neben der Geschichte, die den Lauf der Zeiten an den Namen grosser Könige, Kriege und Schlachten abrollen lässt, oder das Aufblühen und den Verfall der Künste und Wissenschaften schildert, eine Naturgeschichte des Menschengeschlechts, die das Treiben und Drängen der Völker, die verschiedenen Stufen der Gesittung als eine naturgemässe Ent- wickelung zu verstehen sucht, der man das Bild des einzelnen Menschenlebens als ein Gleich- niss entgegenhalten kann. Auch die Völker haben ihre Lebensalter. Wie das organische Leben überhaupt von Natureinflüssen bestimmt wird, so zeigt sich der rohe Mensch auf das innigste mit der Natur verknüpft: aber auch der gesittete wird nicht unabhängig von ihr, son- dern er lernt nur ihre Gesetze nutzen zu seinen Zwecken. Auch ist es geglückt, an der Be- schaffenheit der Erdoberfläche den grossen Zug der Weltgeschichte aufzuklären; und seit eine neuc Wissenschaft, die Statistik, die verwickeltesten Culturverhältnisse moderner Völker der strengen Forschung unterzogen hat, haben wir erfahren, dass die menschliche Gesellschaft überall von- Naturgesetzen abhängt, dass Ereignisse, die wir für die zufälligsten halten, Sterb- fälle, Geburten, Zahl der Ehen, der Verbrechen vorausberechnet werden können. Das unge- löste grosse Räthsel, dass neben der Freiheit der menschlichen Handlungen eine Naturnothwen- digkeit derselben da ist, tritt uns auch hier entgegen. Für den Naturforscher haben die verschiedenen Culturzustände des Menschengeschlechts, wie sie sich in der Zeit gefolgt sind, einen besondern Reiz, weil er in den verschiedenen Menschenrassen dieselben gleichsam nebeneinander sieht. Nicht genug werden manche Züge aus den Sitten wilder Völker benutzt, um uns ein lebensvolles Bild von den Anfängen unserer eigenen Cultur zu geben. Wie man die Stärke des Lichts an der Schwärze des Schattens misst, so schätzen wir erst die Höhe unserer Bildung , wenn wir in die Tiefe blicken, aus der rohe Völker oft vergeblich sich emporzuringen streben. Das Urtheil über den Zustand wilder Rassen fällt verschieden aus, jenachdem eine Gleich- heit menschlicher Anlage in allen oder eine ursprüngliche und wesentliche Verschiedenheit derselben behauptet wird. Nach der letztern Ansicht sind gewisse Rassen der Cultur geradezu unfähig und sie werden und müssen verschwinden wie die Bären und Wölfe der Wildniss. „Es lohnt gar nicht der Mühe, einen Blick in die Seele des Negers zu thun“, sagt ein Natur- forscher unserer Tage '). „Es ist nur ein Gottesurtheil, das vollzogen wird, wenn vor dem Nahen der Civilisation der wilde Mensch zu Grunde geht.“ Die Sklaverei hat man mit solchen Grün- den nie so lebhaft zu beschönigen gesucht als gerade in dieser Zeit, welche jede andere Meinung gern als philantropische Schwärmerei verspottet und das Zeugniss zahlreicher Rei- senden und geachteter Männer der Wissenschaft dafür aufzurufen pflegt, dass der Neger zur Bildung des Europäers sich nie erheben werde und könne, dass er in der Abhängigkeit ‘von diesem seine Bestimmung erfülle und sein bestes Loos gefunden habe. An dieser Stelle möchte ich Verwahrung einlegen gegen die Berechtigung solcher Behauptungen und im Namen der Wissenschaft für alle Rassen die gleichen Menschenrechte proclamiren im edelsten Sinne des 1) H. Burmeister „der schwarze Mensch“ in den geolog, Bildern. 2ter B. Leipzig. 1853. 75 Wortes!‘ Hat auch einmal ein Präsident der Vereinigten Staaten ausgerufen: „Die rothen Streifen in unserer Flagge, das sind die blutigen Striemen der Peitsche auf dem Rücken unserer Sklaven!“ so wird die sittliche Entrüstung aus solchem Munde jetzt selten gehört, ja man sucht sie, wo sie laut geworden, auf jede Weise zu beschwichtigen. Alexander von Hum- boldt, der in seinem „Kosmos“ sich entschieden gegen die Annahme höherer und niederer Menschenrassen ausspricht und sie alle für die Freiheit bestimmt sein lässt, dem wir es auch verdanken, dass erst vor kurzem aus unserer preussischen Gesetzgebung der letzte Rest einer Anerkennung der Sklaverei geschwunden ist — Humboldt hatte im Jahre 1526 gesagt, dass die alten spanischen Gesetze über die Sklaverei weniger grausam seien als die der Sklaven- staaten auf dem amerikanischen Festland, im Juli 1856 aber musste er eine öffentliche Er- klärung gegen die in Neuyork erschienene Uebersetzung seines Werks abgeben, in der man den betreffenden Abschnitt weggelassen hatte. Es ist indessen unverkennbar eine bessere Ueberzeugung in das Volk gedrungen. Der unglaubliche Erfolg, den der Roman der Miss Beecher-Stowe gehabt, sagt das „Quarterly-Review“, hat dem Gesetze gegen die flüchtigen Sklaven den Todesstoss versetzt. Als man in Boston vor zwei Jahren einen entlaufenen Sklaven auslieferte, musste die ganze bewaffnete Macht von nah und fern, der zehnte Theil der Unionsarmee, aufgeboten werden, um einen Aufruhr zu verhindern. Wollte man auch zugeben, dass mancher Neger in der Sklaverei ein besseres Loos gefunden habe, als ihm in der Heimat beschieden war, so bestätigen doch alle neuern Reisenden, dass der Sklavenhandel für Afrika selbst eine verheerende Pest geworden ist; denn die Sklavenjagd hetzt die fried- lichsten Hirtenstämme gegeneinander auf und ist fast die einzige Ursache beständiger blutiger Kriege. Die schauderhafte Abnahme der Bevölkerung der Südsee, der die Europäer ihre Laster und Gifte beigebracht haben, wird als unwiderlegbarer Beweis dafür angeführt, dass der Untergang wilder Völker unvermeidlich sei. Reicht man aber dem Wilden in der einen Hand die Bibel, in der andern die Branntweinflasche, so greift er freilich nach der letztern. Und haben die nordamerikanischen “Wilden Unrecht, wenn sie glauben, der grosse Geist habe ihnen das Land geschenkt, das der Weisse ihnen entrissen hat? Bei einem gesitteten Volke be- wundern wir die Vaterlandsliebe, bei einem rohen rührt sie uns nicht. Nach neuern Ermitte- lungen sind diese Stämme aber noch lange nicht ausgerottet, vereinigt würden sie 200,000 Krieger stellen, die in ihren Wäldern und Gebirgen immer im Vortheil sind. Ein Amerikaner schlägt darum, von der Unausführbarkeit eines Kampfes mit ihnen überzeugt, als sicherstes Mittel, sie allmälig zu vernichten, den Branntwein und den Hunger vor. Schon mit dem Lichten der Wälder schwinden die Büffelheerden, ihr unentbehrlicher Lebensunterhalt; geübten Schützen würden sie in kürzerer Zeit erliegen. Es ist nur ein Schein von Gerechtigkeit, wenn die nordamerikanische Regierung seit einigen Jahren den Indianerstämmen für Abtretung grosser Gebiete ein Spottgeld zahlt: denn durch den Verkauf dieser Ländereien in Washington macht sie die glänzendsten Geschäfte. Man nimmt in diesem Rassenkampfe gern Partei für die civilisirten Völker, weil man denkt, dass sie doch am Ende die Sache der Cultur und Menschlichkeit gegen Barbarei und Grau- samkeit vertreten. Aber die Gerechtigkeit verlangt, dass man auf die Schandthaten hinweist, mittels deren der golddurstige Europäer sich in den Besitz solcher Länder gesetzt hat und der Würger oder Peiniger seiner Brüder geworden ist. Auf Cuba hat man die Bluthunde auf die armen Neger losgelassen und die ersten englischen Ansiedler in Australien machten auf die Wilden Jagd, um Fleisch für ihre Hunde zu gewinnen. „Ueberhaupt wird der Indianer“, so schreibt ein deutscher Reisender in Californien, „hier sowol als in ganz Amerika nicht als 76 Mensch, sondern nur als jagdbares Unthier. betrachtet, dessen Leben zu nehmen. nicht allein, ein jeder berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist. Der Skalp von den Pawnees- und Apaches- Indianern wird von der Regierung Mexicos mit 50 Dollars bezahlt‘), weshalb die Indianerjagd ein Hauptvergnügen der Rancheros ist.“ Was die Schlechtigkeit der Menschen vollbringt, das nenne man aber nicht ein unerbittliches Naturgesetz. „Das Vertilgen ist nur leichter und sagt der menschlichen Trägheit und Roheit mehr zu als das mühsame Geschäft der Erziehung lauten die treffenden Worte, mit denen ein Schriftsteller seine Betrachtungen über das Schicksal der Eingeborenen Amerikas schliesst. Unter den berühmtesten Reisenden, nennen,.wir) nur Forster und le Vaillant, Livingstone und Barth, hat es nie an solchen gefehlt, die an der- guten Anlage der Wilden nicht zweifelten und die Ueberzeugung aussprachen, dass in,den meisten Fällen die Grausamkeit der Wilden gegen die Europäer durch die schimpfliche Behandlung, die sie zuerst von diesen erduldet, hervorgerufen worden ist. In den meisten lebt das Gefühl der Rache oder die Furcht vor Verrath. Wie die Frage, ob der Mensch überhaupt ursprüng- lich gut oder böse sei, verschieden gelöst wird, so macht auch der eine aus dem Wilden einen Teufel, der andere sieht ihn im Zustande der Unschuld. In der That gleicht er bald dem Kinde, bald dem wilden Thiere. Bei dem oft sich widersprechenden Urtheile der Reisenden über dieselben Völker erwäge man, wie viel von der Gemüthsbeschaffenheit des Beobachters selbst abhängt. Was dem Menschen in der eigenen Seele fehlt, das vermag er auch in andern nicht zu erkennen; der gutmüthige Schwärmer sieht Tugenden, wo keine sind, und wird das Opfer der List und Schlauheit, während der in seinen Handlungen nur von selbstsüchtigen Trieben bewegte Mensch diese auch bei jedem andern stets voraussetzt... Es sollte uns nicht überraschen, auch in der rohen Seele des Wilden Züge edler Gesinnung zu finden, indem das Gefühl für Recht und Unrecht gerade keinen Aufwand höherer Geistesthätigkeit verlangt und in den einfachsten Menschen oft am lebendigsten gefunden wird. Bei der Frage nach der Bildungsfähigkeit‘ wilder Rassen vergesse man nicht, dass; der, Natur selten ein Sprung gelingt, auch’ nicht der aus der Rohheit in die Cultur: _, Darum ‚hat, auch die aufopfernde Thätigkeit der Missionäre nicht immer den; gewünschten: Erfolg gehabt, Gewiss säet das Christenthum Keime der Bildung aus, aber seinen vollen Segen hat es nur da entfaltet, wo seine Lehre auf den Boden der Uultur gefallen ist. Seit 300, Jahren: sind. die Bewohner Central-Amerikas zum Christenthum bekehrt, aber noch komnit es vor, in den Dör- fern des Gebirges, dass sie hinter den christlichen Altären heimlich ihre Götzen aufstellen und ihre heidnischen Priester haben, die jedem Kinde zu dem christlichen Namen, den es in der Taufe erhalten hat, auch einen heidnischen Namen geben. In dem Hochlande von Guatemala sollen vor wenigen Jahren noch, um den Vulkan Attitang' zu beschwichtigen, nach alter Sitte neugeborene Kinder geopfert worden sein!) Und doch räumt selbst Priehard ‚ein, dass die Erfolge der katholischen Missionäre in Südamerika, wo von den Eingeborenen 1,6U0,000 Chri- sten und nur noch 94,000 Heiden sind, viel grossartiger seien als die der englischen inı Nor- den, welche mit puritanischer Strenge ‚unter den Wilden einen; Gottesdienst stiften wollen, während jene, wenn es sein muss, sie tanzend in die Kirche führen. Wie das Christenthum die Gleichheit aller Menschen lehrt, so: muss die Wissenschaft es anerkennen, dass bei aller Verschiedenheit der Bildungsstufe die gleiche Anlage und Natur allen Menschenstämmen innewohnt und eine jede Rasse das Recht zu leben und die Fähigkeit sich zu entwickeln hat. Auch die niederste Rasse ist nicht so verwahrlost von der Natur, dass *) Vgl. J. Gregg, commerce of the prairies. New-York 1844. Vol. I. p. 299. ?) Vgl. „das Ausland“. 1856. No. 18. h [rl sie\nicht in ‚gewissen: körperlichen Fertigkeiten selbst den Europäer überträfe ‚oder, ein uner- warteter- Lichtbliek der Seele uns'ein tiefes menschliches Gefühl verriethe. . ‚Der ‚Australier wirft seinen Bumarang, mit einer bewundernswerthen Geschicklichkeit, sodass diese Waffe un- verhofft den Vogel im Fluge trifft,.und zu dem Werfenden zurückkehrt ; ohne sich von der Stelle zu bewegen, weicht dieser Wilde‘ durch blosse Biegung seines Leibes sechs rasch .nach- einander auf ihn geworienen Speeren aus. Hat auch seine Sprache, wie uns Gerstäcker ') er- zählt, für die Liebe kein Wort, so übt er doch eine tiefe Trauer um. die Verstorbenen. Kinder unter vier Jahren werden erst mehrere Monate nach dem Tode begraben, vorher sorgfältig ein- gepackt und den Tag über von der Mutter auf dem Rücken herumgetragen, des Nachts als Kopfkissen 'gebräucht. Sind sie ganz trocken und mumienartig geworden, so. werden sie be- graben oder in einen Baum gelegt. Noch viele Monate, nach der; Beerdigung, sitzen die Frauen an den Gräbern und wehklagen und zerschneiden sich die Lenden und; die Brust mit Feuersteinen. Sind das nicht Keime der Bildung, die einer sorgfältigen Pflege werth wären? Aber sie konımen nicht zur Entwickelung, weil ihnen diese fehlt. Die glücklichen Völker, die nun ein- mal durch das Zusammentreffen der günstigsten Lebensbedingungen ‚seit Jahrtausenden die Träger und Förderer der menschlichen Cultur geworden sind, nicht durch: sich‘ selbst allein, sondern durch jene von Geschlecht zu Geschlecht, von’ Volk zu Volk, von Welttheil zu Welt- theil fortgepflanzte Erbschaft von Geistesschätzen, sie sind schon darum nicht berechtigt, ‘die höchsten Güter der Menschheit für sich allein in, Besitz zu nehmen, weil die Erfahrung; gelehrt hat und die Zukunft es immer wieder lehren wird,, dass die menschliche Cultur einen umso höhern Aufschwung nimmt, jemehr sie Gemeingut aller Völker. der Erde wird. Wenn man die Rassen als im Wesen verschiedene \enschenstämme ansieht, so zerfällt die ganze Geschichte in eine Reihe unzusammenhängender, nacheinander ablaufender Schau- spiele; jede Rasse vollbringt, was sie kann, und tritt dann von..der-Bühne ab. Von Gobineau ?) hören wir sogar, dass unsere Bildung keinen Vergleich mit der der alten, Welt aushält, .die Geschichte ' und das Menschengeschlecht also nicht vorwärts-, sondern rückwärtsgehen. So kündigt man uns den nahen Untergang des deutschen Volks an, das reif gefunden wird, eine Beute der Slawen zu werden. Das ist eine traurige Weltansicht, die vergisst, dass mit der höhern Lebensentwickelung auch die Lebensfähigkeit steigt, und noch kein christliches Volk untergegangen ist oder in einem Zustande des Verfalls sich findet, aus dem ein Erheben nicht möglich wäre. Und wie sieht es aus mit den Beweisen für die Unveränderliehkeit der Rassen? Nie ist ein‘ Neger weiss geworden, heisst es; aber seine schwarze Haut wird blasser in. kalten Kli- maten, und wer will den Grad der Veränderung bestimmen, welcher eintritt, wenn Jahrtausende lang andere Natureinflüsse auf die Rasse gewirkt haben? Haben in der That die Juden, wie man so häufig anführt, ihren asiatischen Typus auch uster uns unversehrt erhalten? Wie un- wahr das ist, trotz der für die Erhaltung desselben so günstigen Abschliessung des Stammes, wird jeder finden, der die Israeliten des Orients mit den in den ‚gebildeten Ländern Europas lebenden Juden verglichen hat. Kopf und Gesichtsbildung der Sklaven Westindiens veredelt sich schon in der nächsten Generation; und der in Amerika geborene Neger. steht höher im Preise, als der afrikanische, weil er unter dem Einflusse der Cultur sich körperlich wie geistig 1) F. Gerstäcker. Reisen. Ar. Band. 1854. I ?) Gobineau, essai sur linögalit© des races humaines, Paris 1853. 18 besser entwickelt hat. Wenn von Tschudi') sagt: „Die Neger werden als Volk auch bei der, sorgfältigsten Erziehung sich nicht auf eine hohe Stufe der Cultur schwingen können, weil’sich der Bau ihres Schädels und die dadurch bedinete Entwickelung des Gehirns: zu sehr der thie- rischen Form nähert“, so wäre erst gu beweisen, dass diese ungünstige Form des Schädels und Gehirns für alle Zeit starr und unveränderlich sei, während sie doch, "wie unzweifelhafte 'Er- fahrungen lehren, gerade durch geistige Cultur bildsam ist. Die Unveränderlichkeit des Rassentypus ist nicht erwiesen, sie kann deshalb auch nicht gegen die Einheit des Menschen- geschlechts geltend gemacht werden, deren Möglichkeit die‘ Naturforschung nieht in Abrede: stellen kann. Aber abgesehen von der körperlichen Bildung, wo ist jene Starrheit ‘der geistigen An- lage, die einer jeden Rasse als unveränderliches Zeichen aufgeprägt sein soll? Schon Blu= menbach hat eine Reihe ven Negern aufgeführt, die sich durch hervorragende Geistesbildung ausgezeichnet haben. Auch Muth und Tapferkeit fehlt den Negern nicht. Wie heldenmütbig haben sie sich bei der Erstürmung von Palmares durch die Portugiesen gezeigt, wo ihre An- führer den freiwilligen Tod der Knechtschaft vorzogen und von der Spitze eines Felsens über die Stadt sich hinabstürzten! Bei dem Befreiungskriege von Fernambuco gegen die Holländer 5 erwarb sich Henriquez so grossen Ruhm, dass noch jetzt brasilische Regimenter seinen Namen führen.?2) Dasselbe Lob der Tapferkeit geben die Holländer den Negerresimentern in ihren indischen: Besitzungen. Bei dem Aufstand auf St. Domingo haben Sklaven mit hingebender Treue ihre Herren gerettet, namentlich wurden die spanischen Familien geschont, weil sie eine mildere Herrschaft geübt hatten. Wir kennen jetzt afrikanische Märchen und Lieder von tief poetischem Gefühl; und von den friedlichen Hirtenvölkern südlich von Benguela ist es bekannt, dass, wenn sie als Sklaven weggeführt werden, sie am Heimweh sterben. Ja die Sucht zum Selbstmord wird bisweilen unter Negersklaven epidemisch, weil sie den Glauben haben, nach dem Tode nach Afrika zurückzukehren. Diesen Glauben zu hindern, lassen dann die Sklaven- besitzer den Leichen die Hände abschneiden und auf das Grab pflanzen. Carus ®) der den verschiedenen Stämmen der Menschheit eine ungleiche Befähigung für höhere geistige Entwickelung zuschreibt, beruft sich darauf, dass nie ein Neger 'auf' sich allein, auf seinen Stamm beschränkt, bedeutend geworden sei, und lässt für das Schicksal ganzer Völker den Ausspruch gelten: „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“. Auf Gobineau’s ähnliche Erklärung: „Weil sie, die Neger, so viele Jahrhunderte man von ihnen weiss, nichts durch sich, kaum durch Anstoss von andern etwas geworden sind, sokann auch in alle Zukunft nichts aus ihnen werden“, erwiedert Pott®): „Wo lebt denn der Mann, welcher, ohne von Sprachen, die man entweder noch garnicht oder erst seit gestern flüchtig kennt, die allergründlichste Einsicht genommen zu haben, sich berühmen dürfte, in die dunkeln Geistestiefen der Völker bis zu ihrem letzten Grunde hinab das Senkblei geworfen und deren Maass und Art ergründet zu haben?“ „Hier in der Sprache“, setzt er später hinzu, „trotz ihrer tollen Buntheit und Mannig- faltigkeit, thront über allen Menschen ein, wenn auch je nach den Völkern verschiedener, doch in sich einiger, der eine und allgemeine Menschengeist!“ Unzweifelhaft steht die Menschheit auf verschiedenen Stufen der Gesittung. Dass aber die Völker kaukasischen Stammes die höch- sten Leistungen in Kunst und Wissenschaft aufzuweisen haben, dafür ist nicht die Rasse der t) J. v. Tschudi, Peru. Iter Bd. St. Gallen 1846. 2) Rugendas, Reise in Brasilien. Paris 1835. 3) C. G. Carus, über ungleiche Befähigung der verschiedenen Menschheitstämme. Leipzig 1859. *%) A. F. Pott, die Ungleichheit menschlicher Rassen. Lemgo und Detmold 1856. 79 Grund: denn Peruaner und Mexicaner, Chinesen und Japaner‘ hatten, vor Jahrhunderten schon eine ungleich höhere Cultur erreicht, alsımanche Völker ‘des kaukasischen Stammes, als Tscher- kessen, Kroaten, Berbern und andere heute aufzuweisen im Stande sind. Auch kann ‚keine der europäischen Nationen von sich rühmen, dass sie ihre Oultur nur sich. selbst, nur ihrem Stamme zu danken habe. Einen grossen Theil unserer Bildung haben wir von den Römern und Griechen empfangen, diese aus Asien und Acgypten; den Anfang der Cultur kennen wir nicht, wissen nicht, welcher Rasse er angehört. Erst durch ihre, Bildung sind die Oulturvölker des indogermanischen Stammes die edelsten und schönsten‘Zweige am Baume der Menschheit geworden, ‚nicht weil ihnen eine bessere Naturanlage von Anfang angeboren war. Was man den Charakter eines Volkes nennt, der durch Jahrhunderte oft sein ganz. bestimmtes Gepräge bewahrt, 'so. ist auch er nicht eine angeborene Eigenthümlichkeit, sondern nur die aus frühern und tief eingesogenen Einflüssen erworbene Richtung des geistigen Lebens, die eben so zähe festgehalten werden kann, wie ein oder das andere körperliche Merkmal. So verrathen nicht selten dunkles Haar und Auge in gemässigten Klimaten noch nach Jahrtausenden die südliche Abkunft, in unseren rheinischen Städten das römische Blut. Man gebe den Völkern andere Lebensbedingungen, und sie werden oft unkenntlich. ver- ändert. Als die Bewohner des neuen Welttheils die ersten spanischen Reiter sahen, erstaun- ten sie, 'aber sie erschraken, als die Reiter abstiegen, denn sie hatten. Ross und Mann für ein Wesen gehalten. So unbekannt war ihnen das Pferd. Jetzt sind die Patagonen berittene No- maden, welche die Pampas durchstreifen wie die Nomaden Hochasiens ihre Steppen und die Indianer des Nordens jagen bis an das Felsengebirge auf wilden Pferden den Bison. Die men- schenfressenden Caraiben sind jetzt christliche Ackerbauer, die aus ihrem fruchtbaren Hügel- lande von den Ansiedlern. des Cap vertriebenen Hottentotten aber sind aus friedlichen ‚Hirten elende Wilde geworden. Ein Botokude wurde der Apostel seiner Landsleute, die es in der Abschafiung der Todesstrafe weiter gebracht haben als wir; ein Cherokese ist, der Erfinder einer Buchstabenschrift für sein Volk, das nach Catlin schöne Meiereien, geschriebene Ge- - setze, gute Schulen und Wohlthätigkeitsanstalten besitzt.') Wer sieht es den Ungarn an, dass sie Finnen sind, wenn die Sprache es nicht verriethe! Die armen Irländer, von denen seit zehn Jahren ein ganzes Viertheil die europäische Heimath ‘verlassen hat, sind in dem neuen Welttheil ein Heissiges, mässiges und reinliches Volk geworden, das Gegentheil von dem, was sie in der alten Heimath waren. Wir sollten es doch nie vergessen, dass die Geschichte der am höchsten gebildeten Völ- ker immer auf Zeiten der Rohheit zurückweist, dass die Spur des Menschenopfers sich bei Homer wie im Alten Testamente findet und dass auch die frühesten Bewohner Europas Wilde gewesen sind. Stand auch der Germane auf höherer Stufe, so hätten die Römer, auf deren Sklavenmärkten Celten und Germanen verkauft wurden, wie Neger auf den unsrigen, doch mit grösserm Rechte, als wir es thun, sagen können: „Diese Barbaren sind der Qultur unfähig.“ Zu Julian’s Zeit trugen deutsche Stämme noch Thierfelle oder gingen nackt, die Hereuler er- schienen noch im 6. Jahrhundert ganz nackt in der Schlacht, und bis ins 9. opferten unsere Vorfahren ihre Gefangenen. Wenn Strabo erzählt: „Die Belgier haben den Gebrauch, wenn sie aus einem Kriege zurückkehren, die Köpfe ihrer erschlagenen Feinde'an dem Nacken der Pferde aufzuhängen und sie zur Schau über ihren Hausthüren anzunageln. Posidonius sagt, 1) J. C. Prichard, Naturgeschichte des Menschengeschlechts, herausgegeben von R. Wagner uni F. Will. 4. Band. Leipzig 1848. ; 0 ‘& habe dies oft gesehen." Die Köpfe der getüdteten Vornehmen bestreichen sie mit 'Ce- dernöl und: bewahren sie auf. Sowohl diese als andere Gebräuche haben die Römer‘ abge- schafft. Die Einwohner von Irland snd- Mensehenfresser, ihre verstorbenen Aeltern . aufzu- zehren, halten sie für löblich“ — ist es da nicht, als hörten wir das Leben von Indianern oder von Wilden der Südsee schildern? Was in jenen Zeiten der römischen Bildung gelang, sollten wir das von der unsrigen nicht erwarten dürfen ? Ein grosses Mittel, das Geschlecht zu veredeln, wendet die Natur in der Vermischung der Rassen an. So entstand nach Eroberung der römischen Länder durch die Germanen eine Verjüngung fast aller europäischen Völker. In Bezug auf England sagt Dahlmann: „Unser Glaube an den geistigen Vorzug der reinen ungemischten Abstammung ist ein werthloser Aberglaube. Schon Attika und Rom widerlegen ihn.“ Und sind in unserm Vaterlande die am meisten gemischten Stämme des südwestlichen Deutschland etwa die schlechtesten an kör- perlicher und geistiger Begabung ? Was einst Krieg und Eroberung vollbrachten, welche oft entnervten, hinsiechenden Nationen die rohe Kraft eines unverdorbenen Naturvolks wie einen neuen Lebenskeim einimpften, das schafft jetzt der friedliche Verkehr der Völker in allen Ländern, auf allen Meeren. Und was wird die Zukunft des Geschlechtes sein? Ein stets tiefer sinkender Verfall, wenn Gobineau Recht hätte, der in der Mischung der Völker den Grund ihrer Entartung findet. Wir aber dürfen vermuthen, dass ein gleichartigeres, ein reineres und vollkommeneres Bild der Menschheit daraus hervorgeht. Die Menschenrassen werden darum nicht verschwinden: denn, wiewol die Cultur auszugleichen sucht, was die Natur geschieden hat und schon jetzt zum Beispiel in allen Hauptstädten Europas die gebildete Gesellschaft sich weit ähnlicher sieht, auch in körperlicher Hinsicht, als die ländliche Bevölkerung der verschiedenen Länder, so wird doch die Cultur die kosmischen Gesetze nicht ändern können, und die von diesen abhängigen klimatischen Lebensbedingungen werden fortbestehen, und eine reiche Mamnichfaltigkeit auch der menschlichen Bildung erhalten. Wir betrachten Cultur und Civilisation als die natürliche Entwickelung unseres Geschlech- tes, ändere stellen Civilisation und Natur feindlich gegeneinander. Man denkt sich aber viele Eigenschaften und Fähigkeiten mit dem Menschen geboren, ihm natürlich, die erst durch die Geschichte, die Erziehung erworben worden sind. Einen Menschen ohne alle Cultur gibt es nicht; dann würde es eben kein Mensch mehr sein. Auf der tiefsten Stufe der Wildheit hat der Mensch Waffen und Geräthe aus Stein oder Knochen, ein Fell oder eine Matte. Es war ein Irrthum Rousseau’s, wenn er in seinem Eifer gegen die Auswüchse einer verweichlichten Cultur, als keine Mutter ihr Kind mehr säugte, und das Neugeborene in festen Binden seine Glieder nicht regen konnte, zur rohesten Natur zurück- kehren wollte. Er hätte den Menschen wieder zum Wilden gemacht. Nannte er es doch eine Misshandlung der Natur, wenn der Gärtner den Obstbaum beschnitt; er wusste nicht, dass jede edle Frucht erst durch den Menschen das geworden ist. Selbst die Pfirsiche ist, wo sie in Persien wild wächst, saftlos und bitter, und so sind von Natur ale Wurzeln und Kräuter, die uns zur täglichen Speise dienen. Nicht die Natur, der Mensch hat die gefüllte Rose gemacht, eine gefüllte Georgine, jetzt der gewöhnliche Schmuck unserer Gärten, gab es vor 50 Jahren noch nicht. Aus seiner bildenden Hand ging: das arabische Pferd hervor und, wie es scheint, hat nur die menschliche Pflege aus den unansehnlichen Samen der Gräser die Getreidekörner entstehen lassen, die wieder selbst die Saatkörner der Cultur geworden sind. Freilich hat der Mensch nach seiner Laune auch vielfach die Natur verunstaltet, aber in tausend Fällen hat er 8 sie verschönert, wo wir sie für ursprünglich halten. Auch die Schönheit des Menschen ist nicht zu trennen von’ seiner Bildung. Die geistig hervorragendsten Völker sind auch immer die schönsten gewesen. Bodenstedt!) hat neuerdings, wie schon andere vor ihm, sich be- müht, die übertriebene Vorstellung von der Schönheit der Bewohner des Kaukasus zu berich- tigen und gibt, zumal was das weibliche Geschlecht betrifft, der europäischen Schönheit, welche die körperlichen Reize mit dem Zauber geistiger Anmuth umgibt und allein des tiefern See- lenausdrucks fähig ist, den höchsten Preis. Auch die blendende Weisse und Zartheit der Haut verdankt dasselbe erst der durch die Sitte vorgeschriebenen Bedeckung und den kleinen wohl- gebildeten Fuss, den leichten schönen Gang zum Theil den ebenen Strassen unserer Städte. Man denke an den Einfluss der Reinlichkeit, der so gross ist, dass Liebig meint, man könne die Culturstufe der Nationen nach der Menge der Seife bestimmen, die sie verbrauchen. ‘So zeigt sich die Cultur als die zweite und schönere Natur des Menschen. Worin wird nun aber die Bildung ganzer Völker, die wir ihre Civilisation nennen, am deutlichsten sich kundgeben? In der Herrschaft des Menschen über die Natur, in der allge- meinern Verbreitung von Kenntnissen, in dem blühenden Zustande der Gewerbe, Künste und Wissenschaften, in der Feinheit der Sitten, in der Milde der Gesetze, in dem Maasse der per- sönlichen Sicherheit und Freiheit, in der hohen Stellung der Frauen, endlich in der Anerken- nung des Menschenwerths. Mit der Bildung steigt das Leben im Preise! Und die grossen Mittel, einen solchen Zustand zu erreichen, sind das dem Geschlechte jetzt unverlierbare Erb-' theil geistiger Errungenschaften, die Freiheit der Forschung, die Theilung der Arbeit, die ungehinderte Entwickelung der gesellschaftlichen Zustände, der nie geahnte Verkehr der Men- schen und Völker und Gedanken, der eine Gemeinsamkeit aller menschlichen Interessen her- vorgerufen hat, welche sicherer wie alles andere die Zwecke der Humanität fördert und den gesitteten Ländern den friedlichen Besitz und das Wachsthum ihres. Wohlstandes verbürgt. Und wenn Jemand trotz alledem an dem Fortschritte des menschlichen Geschlechts zwei- feln wollte, den würde die Naturforschung allein Lügen strafen, welche die Mythen der Vor- zeit.in ‘Wahrheit gewandelt zu haben scheint. Ist sie es nicht, die mit ihrer Wünschelruthe die Schätze verräth, welche das Innere der Erde birgt? Ist sie es nicht, die an den Felsen klopft, bis die warme Quelle aus der Tiefe hervorsprudelt? Hat sie nicht den Schmerz ge- bannt und das menschliche Leben verlängert? Statt der mythischen ’Zahlen des Pythagoras hat sie das geheimnissvolle Gesetz der Zahlen gefunden, welches die‘ Elemente aller Körper - verbindet. Und 'wenn Sokrates es eitle Mühe nannte, den Himmel’ zu : erforschen, so messen wir den Weg des Lichts von fernen Gestirnen, wägen die Sonne und'berechnen den seheinbar irren Lauf des Wandelsterns. Wo die Rechnung den unbekannten Planeten voraussetzt, da findet ihn das Fernrohr, das uns die Berge des Mondes genauer zeigt, als wir die, der Erde kennen, das den schwachen Lichtnebel in Sternenhaufen auflöst und uns die Richtung weist, in der die Sonne mit uns’ durch den Raum dahinschwebt. Nur‘jene'Thoren, welche: Alles’ wissen möchten, für welche das Hinausrücken der Grenz- pfähle unseres Wissens’ keinen Sinn und keinen Werth hat, bleiben unbefiiedigt. Das Beste aber, was wir wissen können, ist die Ueberzeugung, dass in die menschliche Natur ein Keim unendlicher Vervollkommnung gelegt ist, an der mitzuarbeiten wir alle beru- fen sind. Die Natur ist nicht starr, sie ist bildsam, sie ruht nicht, ihr Wesen ist Bewegung; aber nicht nur die Schwere ist das herrschende Gesetz, die edlern, organischen Bildungen suchen das Licht! Auch das Menschengeschlecht folgt diesem Zuge“. ‘) Fr. Bodenstedt, die Völker des Kaukasus. 1855. 11 82 Nach diesem Vortrage folgte der frische und von persönlichen Erfahrungen ‚ wiederklin- gende Vortrag des Dr. Bialloblotzky aus Göttingen, über die Entdeckungsreisen in Afrika. Redner suchte zunächst über das Schicksal des Dr. Vogel mit Beziehung auf die neuesten Entdeckungen in Central-Afrika dem Publicum noch Hoffnungen zu erhalten, dass der muthige Reisende vielleicht noch wohlbehalten wiederkehre, stellte sodann, wenn dessen Aus- gang wirklich dunkel bleiben sollte, die Wiederholung solcher Nachsuchungen und Expeditionen als psychologisch gewiss hin, wie man sie zur Erforschung des Schicksals von Sir John Frank- lin angestellt habe, für die er aber, wie überhaupt für alle Reisen ins Innere Afrika’s in den nächsten Jahrzehnten nach der trefflichen Unterscheidung zwischen Priestern und Propheten der Wissenschaft, wofür einerseits Alexander von Humboldt, der mit dem Verkaufspreise eines Rittergutes, den kostbarsten Apparaten und den respectirten Empfehlungs-Schreiben der mäch- tissten Fürsten Europa’s sich versah, andererseits ein Burckhardt, der nichts. hatte als Uhr und Compass, als Beispiel angeführt wurden, nur Propheten verlangte, begeisterte, jugendkräftige Propheten, welche zunächst nur äussere Beobachtungen machen dürften, um nicht das Auf- sehen der abergläubisch argwöhnischen Eingeborenen zu erregen oder durch grossen Reise- Apparat deren Habsucht zu reizen. Oberst von Siebold aus Bonn erwähnte einige von ihm nach Europa gebrachte Pflanzen und sprach sodann über die Bevölkerung von Japan. Es sind durch Meeresströmungen und Stürme Schiffe und Menschen weit fortgetrieben worden. Es liegen Zeichen davon vor, dass die kultivirten Bewohner Mexiko’s aus Asien stammen. Aztekische Bildwerke erklärten Japanesen für Symbole und Kostüme ihrer alten Zeit. Schliesslich las der Redner aus einer gedruckten Uebersetzung eines japanesischen Buches über Erziehung und Tugenden der Frauen vor, indess zur selben Zeit die gedruckte „Arzneimittellehre von Strempel zusam- mengestellt“ zur Vertheiluug kam. Hierauf ergriff der zweite Geschäftsführer, Geh. Rath Dr. Kilian, das Wort und leitete den nahen Abschied also ein: „Es ist, meine verehrten Herren, dahin gekommen, Ihnen die letzte geschäftliche Mit- theilung zu machen. Herr Professor Schrötter hatmir heute die erste Lieferung der gedruckten Verhandlungen des vorigen Jahres in 27 Bogen übergeben. Die noch übrigen 20 werden in den nächsten Wochen folgen. Die prachtvolle Ausstattung ist Wiens ganz würdig. „Wenn ich nun, meine Herren, diese Wiener Acten Ansehe, so fällt mir die 32. Versamm- lung deutscher Naturforscher und Aerzte aus dem vorigen Jahre ein; ich sehe den prächtigen Saal vor mir, sehe den trefflichen Hyrtl und höre seine begeiterten wehmuthsvollen Worte, die er an die Versammlung sprach. Ich höre, meine Herren, den donnernden Applaus, der ihn begleitete und, wie man zu dem Saale hinausging, von allen Seiten die freudigen Worte: »„Es war doch wirklich schön in Wien!“ Möge es nun geschehen, dass, wenn mein geliebter College, der erste Geschäftsführer, Herr Geheimerath Nöggerath, die Abschiedsworte sprechen wird, auch Sie Sich von Bonn mit dem Gefühl trennen, dass von Seiten der Geschäfts- führung mit dem redlichsten Willen alles geschehen ist, was geschehen konnte von unserer Seite, um Ihnen den Aufenthalt angenehm und werth zu machen. „Möge dieser kleine Fehler, jener Verstoss, der unvermeidlich war, unwillkürlich vorge- kommen ist, in Ihrer Seele keinen, auch nicht den leisesten Anklang zurücklassen, und mögen 85 Sie, meine theuren Herren, das Andenken an Bonn tief und werth in Ihren Herzen halten für alle Zeiten. Das ist der höchste, das ist der theuerste Wunsch der Geschäftsführung !“ Nachdem der allgemeine Beifall vorüber war, betrat Geheimerath Nöggerath die Red- nerbühne und hielt nachstehende Abschiedsrede: „Die Zeit ist gekommen, wo ich das wehmüthige Geschäft vollziehen soll, den Schluss unserer Versammlung auszusprechen. An dieser Stelle könnte man von mir fordern, eine Uebersicht zu liefern, ein Resum& dessen, was geleistet ist. Unmöglich ist das. Die Vielsei- tigkeit der wissenschaftlichen Branchen, die hier behandelt worden sind, gestattet es schon nicht, dass ein einziger Mann, der einer einzigen Wissenschaft angehört, sich über das Geleistete in einem grösseren Umfange aussprechen kann. Ueberblicke ich aber den Inhalt der Tage- blätter, so vermag ich doch zu erkennen, dass viele ältere Fragen in den Zweigen der Natur- wissenschaften und der Heilkunde gelöst oder ihrer Lösung näher geführt sind. Blättere ich weiter in diesen Tageblättern, so fällt es mir in die Augen, wie eine Menge von neuen Fragen und Anregungen sich aus den älteren beantwortet, aus den älteren entwickelt haben, die für die kommende Zeit zur Beantwortung offen liegen, so können wir sagen, dürfen es uns selbst gestehen, wir dürfen mit Befriedigung auf das, was geschehen, hinschauen. „Es war aber nicht allein der Zweck unseres Zusammenseins, dass Einer den Anderen belehre und aufkläre, sondern der zweite Zweck, den die Statuten im Auge haben, den unser Oken aussprach, das Näherkennenlernen, auch dieser ist ausgiebig erfüllt worden. Die Gelegenheit war reichlich dazu geboten. Es haben sich Vereinigungen zu manchen gemein- schaftlichen Arbeiten entwickelt die Früchte tragen werden in den verschiedenen Zweigen, welche der gemeinschaftlichen Bearbeitung vorliegen. Und gerade dieses Näherkennenlernen ist begünstigt worden, indem wir dieses als das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden gestrebt haben. Ich erinnere an die Festfahrt nach Coblenz, Stolzenfels, Apollinariskirche, Köln; vor Allem fällt mir in den Sinn der vortreffliche, liebreiche Empfang, welcher unseren Collegen geworden von Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin von Preussen, wie die hoch- edle Frau Prinzessin die verschiedensten Zweige des Wissens in dem Zwiegespräche mit den ihr vorgestellten Personen zu würdigen, zu achten verstand. „Die Geschäftsführer haben manchen Dank, meine Herren, in Ihrem Namen auszusprechen. Der erste gebührt Sr. Majestät dem Könige von Preussen, unserem allergnädigsten Lan- desherrn, nicht bloss für die Genehmigung, dass wir hier tagen durften, sondern auch für die grossartige Gewährung der Mittel zu diesem Zwecke. Der Saal, in dem wir tagen, ist aus diesen Mitteln hervorgegangen, und wir dürfen hoffen, dass niemals mehr die Zeit kommen wird, wo dieser Saal, der die Weihe der Wissenschaft empfangen, von den Pferden betreten wird. Wir haben zu danken der Stadt Bonn für ihre gastfreie Aufnahme, für die Genüsse der Kunst, welche sie gewährt hat; der Königlichen Universität für die freiwillige Ueberlassung all ihrer Räume, all ihrer Institute während der Dauer unserer Versammlung. Nicht minder hervorragend muss unser Dank sein für die Stadt Köln. Ich wage es nicht zu schildern, noch einmal es in Worte zu kleiden, was uns dort Angenehmes und Eırfreuliches zu Theil geworden. Und wie freundlich war nicht die Aufnahme des Herrn Grafen von Fürstenberg-Stammheim! auch ihm sei noch ein besonderer Händedruck gebracht. Und endlich den vereinigten Rhein-Dampfschifffahrts- und den Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaften, durch deren Freigebigkeit wir im Stande waren, die für uns so erfreulichen, so angenehmen Ausflüge in die Nachbarschaft zu machen. 84 „Aber auch Ihnen, meine Herren, habe ich einen besonderen Dank zu bringen im. Namen der Geschäftsführer. Sie haben Sich nicht bloss in einer sehr bedeutenden Frequenz versammelt, sondern wir haben auch in unserer Mitte hervorragende Koryphäen, nicht nur aus allen Gauen Deutschlands, sondern aus dem fernen, selbst übermeerischen Auslande. „Der Stundenweiser zuckt, um uns anzudeuten, dass der Augenblick der Trennung nahe’ ist. Es wird nicht viele Stunden währen, wo ein grosser Theil von uns schon: in: die Heimath zurückgekehrt ist; bei einigen mögen Tage hingehen, und nur die Zeit von ‚Wochen wird es erfordern, ehe andere zu ihrer Heimath zurückgekehrt sind, zu ihren Familien, in ihre Studir- stuben, Sammlungen, zü ihren Patienten, zu ihren Knochen, Muscheln, Steinen und A und zu allem, was uns lieb und erfreulich ist. | „Wir haben die Residenz Karlsruhe zu unserem nächsten Versammlungsort gewählt; Ich darf hier den Wunsch aussprechen und die Hoffnung, dass kein theures Haupt uns fehlen möge, wenn wir in Karlsruhe im kommenden Jahre uns wiederfinden, „Ehe ich aber die Versammlung schliesse, fordere ich Sie auf, meine Herren, ein Hoch darzubringen dem erhabenen Monarchen, dem Schützer, Schirmer und Förderer aller Wissen-, schaft und Kunst, dem speciellen Begünstiger unserer Versammlung, Sr. Majestät dem Könige Friedrich Wilhelm IV. Erlebe hoch!hoch!hoch“ Indem die Versammlung sich von ihren Sitzen erhob, ging ein Zug freudiger Anerken- nung, für Preussens hohen Monarchen durch Aller Herzen, und mit Begeisterung wurde dası Hoch! des ersten Geschäftsführers aufs Kräftigste erwiedert. E10) Nach dem hierauf proclamirten Schlusse der Versammlung betrat Herr Professor Schrötter aus Wien, General-Secretär der k. k. Akademie, aus der Corona die Bühne und richtete folgendes Schlusswort an die Versammelten: „Hochverehrte Versammlung! Ich trete unvorbereitet vor Sie, um dem Drange meines Herzens zu folgen, um Ihnen den Dank auszusprechen für den herzlichen Empfang, welchen, wir.hier genossen. Wenn ich meinem Herzen folge. dieses zu thun, drängt es mich zu aller- erst, nochmals den Dank auszusprechen dem erliabenen Monarchen, Friedrich Wilhelm IV. von Preussen, der in seinen Staaten auf so freundliche Weise nichts sparte, uns den Besuch zum angenehmsten zu machen, der ‘uns stets in Erinnerung bleiben wird, in dessen Staaten. die Wissenschaft überall blüht, die Bildung tiefer eingedrungen und weiter verbreitet ist, 'als in irgend einem Staate der Welt. Ich muss noch einmal der edlen Frau gedenken, die uns in Coblenz empfing und an die Einzelnen Worte richtete, die tief zum Herzen sprachen. Lassen Sie uns ‚der. erhabenen Dynastie, die so viele Sterne zählt, !ein dreimaliges, donnerndes Hoch bringen !“ Nachdem dies geschehen, fuhr er fort: „Zunächst drängt es mich aber, unseren hochrerehrten Geschäftsführern, welche die Last ein ganzes Jahr vorgefühlt haben und noch tragen werden, unsern tiefgefühlten Dank auszusprechen, dass Alle die Ueberzeugung hinnehmen, wie wir diese beiden verdienstvollen Männer, und was sie für uns gethan, nie vergessen werden, wie weder eine vorhergehende, noch folgende Feier je die Erinnerung innigsten Dankes und herzlicher Anhänglichkeit ver- wischen wird. Sie leben hoch!“ Nach der allgemeinen Zustimmung der Anwesenden schloss der Redner mit einem Hoch auf die Naturwissenschaft also: „Wenn es mir nun nicht vergönnt ist, der einzelnen Institute, und Männer zu gedenken, die uns jeden Augenblick aufs Freundlichste verschönten, nicht zu erwähnen der’ Städte, die 85 in den mannigfaltigsten Genüssen sich überboten haben, nicht des herrlichen Schauspiels, :das uns Köln in der Erleuchtung des erhabenen Bauwerkes bot; wenn ich nicht der Gesellschaften gedenke, die gewetteifert haben, uns den Aufenthalt zu verkürzen, so schliesse ich mit einer Erinnerung an mich selbst. „Lassen Sie uns nicht vergessen, dass das, was wir hier erlebten und was uns unver- gesslich bleiben wird, nicht unseren Personen, sondern unserer erhabenen Wissenschaft gegolten hat, deren Träger wir eben jetzt in dieser Zeit sind. Sie ist es, welche die Stärke und Macht eines Volkes bildet, und was sie errungen hat, das ist, wieunser Humboldt sagt, das Eigenthum eines Jeden! „Es leben die Naturwissenschaften, die uns hier zu einem so schönen Bunde ver- einigt haben!“ Dass hiermit in Aller Brust die lebhafteste Zustimmung rege ward, weiss Jeder, der gesehen hat, dass zu dieser Wissenschaft, zu diesem Berufe nur die innere Neigung, die Liebe zur Sache, die Liebe zur Wahrheit führt und leitet. Ja: hoch lebe die Natur- wissenschaft! Zusätze I. Programm der Festfahrt nach Köln und Wortlaut der daselbst gehaltenen Reden. (Vergl. v. Geschichte der Versammlung.) Programm. Festlicher Besuch der Stadt Köln am Dienstag, 22. September 1857. Gegen 4 Uhr Nachmittags mit einem besonderen, Punet 3 Uhr von Bonn abgehenden Conyoi auf dem Rheinischen Bahnhofe an Pantaleon eintreffend, werden sich die geehrten Gäste in einem Zuge nach dem Rathhause begeben, um dort die feierliche Begrüssung des Öberbürgermeisters, der Beigeordneten und sämmtlicher Stadtverordneten 'entgegen zu nehmen und in deren Begleitung die Raths-Capelle (auf dem Rathhausplatze) mit dem römischen Mosaikboden, die Sammlung der Boisser®schen Glasmalereien (gegenüber dem Rathhause), die städtischen Sammlungen im Wallrafianum (Trankgasse), vorzüglich aber den Dom, die Domschätze und die Dombauhütten zu besuchen, welche durch die zuvorkommende Güte des hochwürdigen Dom-ÜOapitels, so wie des Dombaumeisters Herrn Geheimen Regierungsrathes Zwirner zugänglich sein werden. Gegen Abend wollen sich die geehrten Gäste im botanischen Garten (Zugang gegen Vorzeigung, der Mitglieder-Karten einzig von der Trankgasse her) einfinden, wo ihnen Seitens der Stadt ein kleiner Imbiss ge- boten wird. Um halb 8 Uhr findet die auf städtische Kosten veranstaltete Beleuchtung der Nordseite des Domes Statt; nach derselben stehen den geehrten Gästen durch Güte des betreffenden Gesellschafts-Vorstandes dieunteren und oberen RäumerdesQasino (am Augustiner-Platze) bis zur Rückfahrt zu Gebote, die mit besonderem Conyoi der Rheini- schen Bahn (am Pantaleon) um halb 11 Uhr Abends erfolgt. a. Rede des ersten Geschäftsführers, Geh.Bergrath Prof. Dr. Nöggerath: „Die 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte giebt sich die Ehre, die alte ehrwürdige Stadt Köln in ihrer persönlichen Repräsentation der Hochverehrten Herren Ober- 86 Bürgermeister und Stadtverordneten, auf das Freundlichste zu begrüssen, und den innigsten Dank auszusprechen für die wohlwollende Aufnahme in ihren Mauern. — In der unmittelbaren Nähe zur Zeit tagend, hielt die Versammlung die Heimsuchung der hohen Metropole der Provinz eben so sehr für eine erfreuliche Pflicht, als für eine interessante Erweiterung ihrer naturwissenschaftlichen Erkenntniss. „Die Entwicklung und Fortbildung der menschlichen Gesellschaft ist ein gewiss sehr wür- diger Stoff der Forschung. Kaum eine andere Stadt in den weiten deutschen Gauen bietet dazu so vielseitiges und reiches Material dar, als Köln. Köln unter den Römern, Köln im Mittelalter, Köln in der Zeit der blühenden Hansa, das heutige hoch empor sich hebende Köln. Aus allen diesen Zeiten schauen wir in seinen erhaltenen Monumenten und Denkwürdigkeiten die Zeugen der Geschichte der Cultur in seinen Mauern erhalten und aufbewahrt, das weltbe- rühmte nationale architektonische Denkmal, den Dom, welcher für sich allein eben so sehr der Bewunderung, als des tiefen Studiums eines jeden Wissenschaftsmannes im höchsten Grade werth ist. So viel als:uns die kurze Zeit unseres hiesigen Aufenthalts zulässt, bitten wir die hochverehrten Väter der Stadt uns davon die belehrende Einsicht zu gestatten. „Mich selbst hat mehr das Glück und der Zufall, als Verdienst als Sprecher an die Spitze der grossen Versammiung gestellt, welche sehr zahlreiche Koryphäen der Naturwissenschaften und der Heilkunde des In- und Auslandes in sich schliesst. — Es gereicht mir diese hohe Ehre zur grossen Freude. Bin ich doch selbst fast eben so viel ein Kölner, als ich meiner eigent- lichen Vaterstadt Bonn angehöre. Meine Richtung für das Studium der Naturwissenschaften empfing ich in Köln. Ich weiss aus alter und neuer Zeit, dass die Liebe dafür, so wie für die Bestrebungen der Wissenschaft und Kunst jeglicher Art tief in den Bewohnern Kölns wurzelt! Und liegt der Beweis nicht schon allein in der freundlichen Weise, wie wir hier empfangen, aufgenommen werden? Ich bitte meine verehrten Herren Collegen mit mir dankerfüllt aus- zurufen: Alaaf Köln“ b. Rede des zweiten Geschäftsführers, Geh. Medicinalrath Professor Dr. Kilian: „Gestatten Sie, hochverehrte Herren! auch dem zweiten Geschäftsführer, seinen tief empfundenen Dank, seine volle Anerkennung für Ihre grosse Bereitwilligkeit, uns zu empfangen, auszudrücken, und glauben Sie nicht, dass er, weil er an zweiter Stelle kommt, weniger innig und tief gefühlt sei. Es geht ihm wie der sich fort entwickelnden Natur: je weiter sie sich entfaltet, um so vollendeter, um so edler erscheint sie. — Sie erweisen Ihre grosse Güte nicht alten Bekannten, denn nur die Wenigsten haben die Ehre, Ihnen bekannt zu sein, sondern Männern, in denen Sie den Sinn für geistiges Streben, die Liebe zur Wissenschaft werth halten. Es gilt daher, was Sie für uns thun, nicht den Personen, sondern der Wissenschaft selbst. Daher bringe ich Ihnen, hochverehrte Herren! in ihrem Namen die wärmste Huldigung und rufe von ganzer Seele: Alaaf Köln“ @ RededesOberbürgermeistersder Stadt Köln, Herrn JustizrathsStupp: »Hochgeehrte Herren! Im Namen der Stadt Köln heisse ich Sie willkommen, im Namen der Stadt: des grossen Albertus, jener Leuchte und Zierde Ihrer Wissenschaft, jenes grossen und genialen Geistes, in dem das. gesammte Wissen seiner Zeit mit der Naturkunde vereinigt war, jenes zweiten Aristoteles, des Aristoteles des Mittelalters. „Wenn Sie, m. H., diese uralte Stadt heute durchwandern, so werden Sie in: ihr den grossen und mächtigen Ring erblicken, welcher die Civilisation der alten Welt mit einem grossen 87 Theile des neueren Europa verbindet; Sie werden in ihr.die Wiege sehen, aus welcher die Gesittung und alle Künste des höheren Lebens für den Norden hervorgegangen; die grossen Gestalten römischer Imperatoren und Cäsaren, die vor Jahrhunderten in diesen Strassen ge- wandert, die selbst hier, vielleicht an dieser Stelle, mit dem Purpur und der Herrschaft der Welt bekleidet worden, werden in Ihrer Erinnerung heraufsteigen; Sie werden die herrlichen Zeiten des freien Städtelebens, ‘ihre und der Hansa goldenen Früchte durch das Dunkel der Jahrhunderte herüberschimmern sehen. Aber was jene hohe Wissenschaft betrifft, deren Pflege, Fortbildung und Glanz Sie Ihre Kräfte widmen, so gehört diese Stadt nicht zu den von der Natur bevorzugten. Anderswo haben Sie die Höhen und Berge bestiegen, auf denen der freie Athemzug uns in eine andere, leichtere Welt versetzt; anderswo haben Sie auf den Felsen gestanden, die wie ungeheure Denkmale von den gewaltigen Kämpfen, die in dem Innern unseres Planeten vor Jahrtausenden gestritten, emporgetrieben worden sind; anderswo sind Sie in die tiefsten Schichten, in die geheimen Werkstätten der unterirdischen Mächte herabge- stiegen, um die Natur an ihrem eigenen Heerde zu belauschen, um ihre geheimnissvollen Wir- kungen am Lichtscheine des heiligen Feuers der Vesta zu erspähen. Hier, m. H., betreten Sie eine andere, eine höhere Welt, wo nicht die Gesetze der anziehenden und abstossenden Kräfte walten; Sie betreten einen Schauplatz, auf dem die Natur des freien Geistes ihr Reich in den grossartigsten Schöpfungen entfaltet und in Erzeugnissen ausgestellt hat, welche auf ewig unwandelbaren Ideen beruhen, auf Ideen und Ueberzeugungen, zu deren Grundlage die Sonde des Naturforschers nicht hinabreicht, wo die Zunge in seiner prüfenden Wagschale stummen wird, welche zu Höhen und Entfernungen hinaufreichen, in welche das materielle Auge mit all seinen Verschärfungen nicht einzudringen vermag. Blicken Sie, m. H., auf die Denkmale der erhabensten aller Künste, auf die Denkmale der Architektur, in welchen der menschliche Geist seine Schöpferkraft entfaltet, jene erhabene Kraft, die nicht bloss wägt, trennt und zersetzt, sondern auch ihrer Natur nach verbindet, eint und schafft, die sich über dem Reiche der Natur und ihren unfreiwilligen Gestaltungen erhebt, wie die Freiheit über der Nothwendigkeit, und die in freier Machtfülle eine neue Welt des Schönen und Erhabenen, den Stolz und den Ruhm des endlichen Geistes schafft, — so mag kaum eine andere Stadt sich nach dieser Seite hin mit der unsrigen vergleichen, die fast aus allen Jahrhunderten ihrer Civilisation und für die verschiedenen Entwicklungs-Perioden der Baukunst unvergängliche Muster liefert, bis alle diese einzelnen herrlichen Strahlen sich in jener grösseren Strahlen- garbe sammeln, die wir in dem künstlichsten, reichsten und erhabensten Denkmale der Christen- heit, wie von einem höheren Genius zum vollendeten Ganzen geordnet, erblicken. Treten Sie in diesen herrlichen Steinwald, lassen Sie sich von dem Schauer des Erhabenen, der Sie in demselben von allen Seiten umgibt, durchdringen, berechnen Sie, was nicht zu berechnen, sondern nur zu empfinden ist, diese bewunderungswürdigen Ebenmaasse, diese Grossheit und diese Leichtigkeit, dieses Gewaltige und Kühne, dieses Einfache und Sanfte —, Sie werden Sich überzeugen, dass, wie die Natur ihre heroischen Zeiten, so auch der freie menschliche Geist seine Heldenzeiten gehabt, in welchen derselbe seine Schöpfungen hingestellt hat, die uns heute mit Bewunderung und Staunen erfüllen. „Meine Herren! Der grosse Gedanke dieses Denkmales ist noch nicht verwirklicht; aber unter dem Vortritt eines erlauchten, hochsinnigen Monarchen schreitet dasselbe seiner Vollen- dung 'entgegen, und während wir Anderen diesem erhabenen Werke unsere Sorgfalt widmen, fahren Sie fort, das Gebäude der Wissenschaft unseres Jahrhunderts zu errichten und zu voll- enden, jenes Gebäude, dem Sie mit so glänzendem Erfolge Ihre Thätigkeit widmen. Diese 88 Wissenschaft hat in einen: halben Jahrhundert grosse und ungeahnete Fortschritte gemacht, ein überaus reiches Material von Erfahrungen ist gesammelt, Resultate von: weltumgestaltender Be- deutung sind ins Leben übergetreten. Aber der Ausbau dieser Wissenschaft in ihrem unab- weisbaren Zusammenhange mit dem Unendlichen,, die Vollendung dieses grossen Gebäudes ist eine grosse Aufgabe. Der Moment, sie zu lösen, ist gekommen; möge der grosse Versuch glücklich gelingen, möge das Gebäude auf dem tiefen Grunde aufgeführt werden, welcher jen- seits aller materiellen Erfahrung liegt, auf jenem grossen, unwandelbaren Grunde, auf dem die Erde und die Welt ruhen, möge der universale Geist eines neuen Aristoteles, indem er die Natur in allen ihren Erscheinungen erfasst und durchdringt, sie in jenem Lichte darstellen, zu welchem vorzudringen die nie zu verläugnende Prärogative der menschlichen Vernunft ist. „Und so, m. H., wollen wir uns der herrlichen Hoffnung hingeben zur Ehre des deutschen Geistes, für deutschen Ruhm ‘und für deutsche Grösse, dass, wenn diese Stadt noch einmal das Glück haben wird, Sie in ihren Mauern willkommen zu heissen, jener grosse Bau Ihrer Wissenschaft auf festen, unwandelbaren Gründen vollendet, und dass das hehre Denkmal, welches jetzt. Ihres Besuches harrt, Ihnen dann in seiner vollendeten Grösse und Erhabenheit entgegenstrahlen wird. Dazu bedürfen wir der Segnungen des Friedens, und darum mögen die Fürsten und Völker Europa’s vom Geiste des Friedens beseelt bleiben, und wie in Ihrem hochverebrten Vereine Mitglieder der verschiedensten Völker und Stämme einmüthig und ohne Rücksicht auf’die Nationalität zusammenwirken, so mögen die Völker Europa’s unter dem Vorantritte ihrer erlauchten Fürsten friedlich zusammenwohnen und unter den Segnungen des Friedens jedes seinem Ziele ohne Hass und ohne Feindschaft entgegen streben. „Um diesen Wünschen einen Ausdruck zu geben, lade ich Sie ein, m. H., auf das Wohl des Fürsten, unter dessen Schutz und Schirm Sie diesmal versammelt sind, des Fürsten des Friedens, des grossen Beförderers der Wissenschaft und Kunst, ein dreifaches Hoch er- schallen zu lassen: „Seine Majestät unser König lebe hoch!“ 2. Die Geschäftsführer haben inder Kölnischen Zeitung Nachstehendes veröffentlicht: A. von Humboldt. In der ersten allgemeinen Sitzung der dreiunddreissigsten Versammlung deutscher Na- turforscher und Aerzte (18. Sept.) hatten die sämmtlichen anwesenden Mitglieder und Theil- nehmer durch Erhebung von ihren Sitzen die ausgezeichnetste Ehrerbietung und Anerkennung für ihren Altmeister, Herrn A. von Humboldt, zu erkennen gegeben und beschlossen solches im Blitzesfluge mit der herzlichsten Glückwünschung an Se. Excellenz abzusenden. Die auf diese telegraphische Mittheilung eingegangene erfreuliche Antwort bringen wir um so lieber hiermit zur Offenkunde, als sie nicht allein für die dabei unmittelbar Betheiligten, sondern selbst für alle Freunde der Naturwissenschaften von eingreifendem Interesse ‘ist. Bonn, 27. September: 1857. Die Geschäftsführer der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Dr. Nöggerath. Dr. Kilian. Ich habe auf telegraphischem Wege durch Ihre Güte, verehrter Freund und bergmänni- scher College, einen neuen ehrenvollen Beweis des Wohlwollens des schönen wissenschaft- lichen Vereins deutscher Naturforscher und Aerzte erhalten, dem Sie vorstehen. Indem ich s9 Sie gehorsamst bitte, in Gemeinschaft mit dem Herrn Geh. Medicinalrath Kilian es zu über- nehmen, den Ausdruck meines tiefgefühltesten Dankes der hohen Versammlung darzubringen, wünschte ich noch, dass Sie in einer der Ausschuss-Conferenzen gütigst erklären wollten, dass im Laufe des nächsten Monats ein neuer vollendeter Band meines Kosmos (des vierten und letzten Bandes. letzte Abtheilung) ausgegeben werden. wird. Es enthält diese an 40 Bogen starke Abtheilung, als Gegenstück des dritten Bandes (specielle Darstellung der Urano- logie), die Einleitung zur speeiellen Darstellung der tellurischen Erscheinungen. Buch I. Grösse, Gestalt, Dichte der Erde. Innere Erdwärme. Magnetische Thätigkeit der Erde. Intensität, Steigung, Abweichung. Magnetischer Aequator. Vier Punkte der grössten, aber unter sich verschiedenen Intensität. Uurve der schwächsten Intensität. Ausser- ordentliche Störungen. Magnetische Gewitter. Polar-Licht. Buch II. Reaktion des Innern der Erde gegen die Oberfläche, sich offenbarend a) bloss dynamisch durch Erschütterungs-Wellen; b) durch die den Quellwassern aus der Tiefe mitge- theilte höchste Temperatur, wie durch die Stoffverschiedenheit der beigemischten Salze und Gasarten (Thermal-Quellen); e) durch Ausbruch elastischer Flüssigkeiten, zu Zeiten von Er- scheinungen der Selbstentzündung begleitet (Gas- und Schlamm-Vulkane, Naphta-Feuer, Salsen); d) durch die grossartigen und mächtigen Wirkungen eigentlicher Vulkane, welche (bei perma- nenter Verbindung durch Spalten und Berggerüste unter dem Luftkreise) im tiefsten Innern geschmolzene Erden theils nur als glühende Schlacken ausstossen, theils, gleichzeitig wechseln- den Processen krystallinischer Gesteinsbildung unterworfen in langen schmalen Strömen er- giessen. Geographie und Zahl der jetzt thätigen vulkanischen Berggerüste. Vermuthungen über die ungleiche Dicke der festen (starren) Erdrinde. Association bestimmter Mineralspecies. Classification der Trachyte.e Wesentliche Verschiedenheit der trachytischen Gemenge in geographisch sehr nahen Vulkanen und mineralogische Uebereinstimmung in grossen Ent- fernungen von einander im alten und neuen Continent. Wahrscheinlichkeit von alten Aus- brüchen vulkanischer (basaltischer, phonolithischer, selbst trachytischer) Gebirgsarten aus der vielfach gespaltenen Oberfläche der Erde ohne Erhebungen. Aufbau von Gerüsten mit Gipfel- und Seiten - Kratern. Der zunächst folgende Band des Kosmos, des vierten Bandes zweite Abtheilung, welcher das ganze Werk der physischen Weltbeschreibung vollendet, wird enthalten: Eintheilung der Gebirgsarten ‚und Altersfolge nach Vermuthungen über ihre verschiedenen Entstehungsprocesse. Gestaltung der Oberfläche von horizontaler Ausdehnung nach Gliederungsverhältnissen und ihre senkrechte Erhebung nach hyphometrischen Schichten. Flüssige und luftföormige Um- hüllung der starren Erdrinde. Das Meer und seine Strömungen; der Luftkreis. Klimatische Betrachtungen nach Richtungsbestimmungen. Die Isothermen. Organisches Leben. Geographie der Pflanzen und Thiere. Ich hätte gewünscht die beiden Abtheilungen des vierten Bandes gleichzeitig erscheinen zu lassen, in der Hoffnung, sichrer auf die wohlwollende Nachsicht des Publikums, mit dem ich nun schon fast 60 Jahre in ununterbrochenem wissenschaftlichen Verkehr stehe, rechnen zu können, wenn die Grösse und Schwierigkeit des gewagten Unternehmens vollständiger überschen würde. Möge bei Veränderung des Entschlusses, welche mein hohes Alter ge- bietet, der so unvollkommenen Frucht meiner Arbeitsamkeit doch ein Theil dieser Nachsicht geschenkt werden und es dem Leser erinnerlich bleiben, dass nach der Form meines Werkes nur einzelne Theile des in dem ersten Bande dargestellten allgemeinen Naturgemäldes, 12 des uranologischen und tellurischen, haben einer speciellen Ausführung sollen unter- worfen werden. Mit Erneuerung der Ihnen seit so vielen Jahren gewidmeten Freundschaft Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster Berlin, den 23. September 1857. A. v. Humboldt, 3. Von Seiten der naturforschenden Gesellschaft in Görlitz war als Ver- treter geschickt und mit Sammlung der zur Vertheilung kommenden Schriften beauftragt Professor Adolph Pichler in Insbruck. II. Sektionssitzungen. 1. Sektion für Geologie, Mineralogie und Paläontologie. In der einleitenden Sitzung am 18. Sept. wurden 3 Tagespräsidenten gewählt und die Vorträge für die nächstfolgende erste Sitzung angemeldet. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Tages-Präsident: Rathsherr Merian aus Basel. Derselbe legt die Schrift von Friedr. Scharff „der Krystall und die Pflanze“ vor. Auf Vorschlag des Geh. Rath Nöggerath werden zu den gestern gewählten 3 Tages- präsidenten noch Prof. Rose und Dr. Hermann v. Meyer hinzugewählt. Geh. Rath Nöggerath macht Mittheilungen über das Denkmal Leopold von Buch’s zeigte ein Bild desselben vor und ersuchte die Versammlung um Beiträge für diesen Zweck. Sodann legt Derselbe mehrere eingegangene Bücher vor. Ober-Medizinalrath Dr. G. Jäger aus Stuttgart sprach über die Entstehung regel- mässiger Formen der Gebirgsarten und ihre Zurückführung auf krystallinische Wirkungen in den abgesetzten Massen. Sie erweist sich in der Bildung einzelner regelmässiger Krystalle im Jurakalke, in dem Feldsteinporphyr und gibt sich auch in der Bildung rhombischer Massen im Grossen zu erkennen, wovon der Redner mehrere Beispiele von dem Keupersandsteine an- führte, bei welchem übrigens, wie bei den rhombischen Formen des Jura-, Lias- und Muschel- Kalks die Winkel der rhombischen Formen wechseln, wodurch sich die betreffenden Formen von den eigentlichen Krystallen unterscheiden. Der Redner wirft die Frage auf, ob auf ähn- liche Weise wie bei den sogen. Sandstein-Krystallen von Fontainebleau eine verhältnissweise sehr geringe Menge aufgelösten Kalks den Quarz in eine regelmässige Form ordnet, und wohl auch das Wasser häufig als bei seinem Festwerden in der Masse der Gebirgsart als for- mend auf diese einfliesse. Der Redner zeigt zugleich aus seiner Sammlung von regelmässigen Formen einige als Belege für seine Mittheilungen vor. Dr. Otto Volger aus Frankfurt a. M. zeigt der Sektion eine Reihe von Stufen vor, welche den Beleg zu einigen von demselben in verschiedenen Schriften bereits veröffent- lichten Ergebnissen seiner Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Mi- neralkörper und die Entstehungsweise der Felsarten zu dienen geeignet sind. Es handelt sich zunächst um die Entstehung der Gesteine, welche aus Kieselsäure (Quarz) und verschiedenen Silikaten, zumal aus Feldspath bestehen. Ganz entgegen der früher “allgemein gehegten Ansicht, als seien die Silikatgesteine Urbildungen, jedenfalls durch- gängig die aus Silikaten und Kieselsäure bestehenden Felsarten älter als die Karbonate, insbesondere der Kalk, haben die Untersuchungen des Vortragenden vielmehr ergeben, dass die genannten Gesteine mindestens eben so allgemein, als man ihnen bisher ein höheres Alter zuschrieb, jünger sind als die Karbonate, ja, dass die Karbonate als die nothwendigen Vorgänger und Bedingungen der Entwicklung der Silikate betrachtet werden müssen. 9% Die vorgelegten Stufen bestehen theils aus Kalksteinstücken und Kalkspathtafeln, an welchen Adular-Feldspathe angeschossen sind und grossentheils wahre Ueberzüge über dieselben bilden, theils aus Feldspathgesteinen, an welchen die dentlichsten Spuren von verschwundenen Kalkspathkrystallisationen zu erkennen sind, deren Abformun g durch den Feldspath das spätere Entstehen des letzteren beweisen, während zugleich die treff- liche Erhaltung mancher wasserheller und dabei papierdünner Kalkspathtäfelchen im Feldspathe selbst entschieden beweist, dass bei der Bildung des Feldspathes mindestens keine höhere Temperatur mitgewirkt haben kann, als eine solche, “welche’mit' der unversehrten Erhaltung der Kalkspathkrystalle vollkommen vereinbar war. — Ganz analoge Nachweisungen wurden auch an Kieselsäure-Krystallen geliefert. Somit wurde gezeigt, dass die beiden wichtigsten Bestandtheile derjenigen Gesteine, deren feuerflüssige Entstehungsweise die Grundlage des sogenannten plutonistischen Lehrgebäudes bildet, nimmermehr zu einer solchen Grundlage sich eignen, sondern vielmehr durchaus neuen und dem Plu- tonismus entgegengesetzten Anschauungen die sichersten Anh altspunkte darbieten. Dr. Adolph Pichler aus Insbruck besprach eine geognostische Karte, welche die nördlichen Kalkalpen Tirols von der Grenze Vorarlbergs bis zur Grenze Salzburgs umfasst. Die westliche Hälfte Tirols verzeichnete Herr von Hauer und Baron Richthofen, die östliche ich selbst. Die Formationen sind von den ältesten bis zu den jüngsten sehr reich entwickelt: eine ‚ kleine Parthie Verrucano steht im Lechthal an; der bunte Sandstein-Werfener Schiefer zieht sich aus Salzburg in das Unterinnthal und kommt parthieenweise in sehr eigenthümlichen Ver- hältnissen bei Insbruck vor, er enthält keine Petrefakten; über ihm folgt der Guttensteinerkalk, der sich durch Petrefakten z. B. Spirifer Menzelii von Hauer entdeckt als Muschelkalk cha- rakterisirt. Ich habe dafür die Namen unterer Alpenkalk beibehalten. Darüber folgen sehr dünn geschichtete schwarze Schiefer mit Halobia Lommeli Münster und Bactryllium Schmidti Escher, welche Herr von Hauer als Partrachschiefer bezeichnet. Diesen lagern mächtig entwickelt die weissen Kalke, für die ich den Namen oberer Alpenkalk beibehielt, auf, sie sind identisch mit den Hallstätter Schichten, welche der Paläontologe als Fundstätte prachtvoller Cephalopoden kennt. In'Tirol befinden sich diese Petrefakten sehr selten, nur bei Innbach waren vereinzelte Blöcke mit Orthoceratiten und Ammoniten zu finden, und ein Orthoceras bei der Coplerscharte. Als Leitfossil dieser Schichten mag man Chemnizia Rosthorni Hörner und Nullipora annulata Schafh. betrachten. Die Trias wird nach oben durch einen sehr scharfen geognostischen Horizont getrennt: Die Carditaschichten, welche mit dem vielbestrittenen St. Cassian von Südtirol identisch sind. Mehrere neue Arten von Petrefakten wurden darin von mir entdeckt, darunter eine sehr schöne Crania. Interessant ist der Fund eines Ichthyosaurus-Wirbels im Kaisergebirge. Nun beginnt der Lias mit einem Dolomite, dessen Stellung lange Zeit zweifelhaft war, in neuester Zeit jedoch durch Entdeckung des Megalodus sceutatus, den Hauer im Oberinnthale fand, sicher gestellt ist. Ich möchte diesen Dolomit als Mitteldolomit bezeichnen. Aufgelagert, wahrscheinlich auch eingelagert z. B. am Salzberge sind die Kössenerschichten, welche mehrere sehr bestimmte Petrefakten des Lias, so Lima gigantea enthalten. Entschieden eingelagert ist auch hier der Fischschiefer von Seefeld. “ Zum untern -Lias gehören auch die Dachsteinkalke bei Lofer und die Lithodendronkalke, welche zu den.Adnether Schichten, dem obern Lias überleiten. Diese Adnether Schichten enthalten sehr ‘viele Cephalopoden. Zum. obern Lias a 9% gehören auch durch ihre Petrefakten die Fleckenmergel, welche besonders in der Westhälfte unseres Gebietes entwickelt sind. Der obere Jura ist durch die theilweise bedeutend entwickelten Aptychenkalke, dem ge- sehichteten sehr hornsteinreichen Kalke mit Aptychus lamellosus H. Meyer vertreten; zu- nächst dem obern Lias ist er roth, wird aber dann grau und geht über in die sehr thonigen Mergel des Neocom, welches ausser Aptychus Didayi auch noch Ammonites Grascenus d’Orb. und mehrere Belemniten führt, die auch anderwärts vorkommen. Die mittlere Kreide fehlt, dafür finden wir stellenweise die obere, das Turonien oder die Gosau mit denselben Petre- fakten wie anderswo; der östliche Punct dafür ist der hohe Mutterkopf bei Imst. Ein Harz, das die Analyse von Hlasireez als dem Bernstein sehr ähnlich auswies, trifft man in schwarzen Letten des Brandenberg, jedoch sehr selten. ‘Die Eocänförmation ist durch Kohlenbau bei Häring und Kufstein erschlossen; sie enthält die bedeutenden Pflanzenabdrücke, ausserdem ‚auch Zähne von Squalus und eine Salmaeis F. v. der Heckei. Die jüngeren Glieder der Tertiärformation sind mehr zerstreut und selten. Miocän ist wohl das Conglomerat nördlich von Insbruck, wo im Laufe des letzten Sommers Pflanzenabdrücke gefunden wurden. Vielleicht gehört auch das Braunkohlenlager von Hopfgarten hieher, welches noch nicht näher untersucht ist. Das Diluvium ist wie überall in den Alpen massig verbreitet, doch fand man darin auf unserem Terrain bis jetzt nur einen Zahn von Equus fossilis bei Innbach. Es ergibt sich fol- gende Reihe von Formationen in dem vorliegenden Gebiete: Trias untere: Verrucano. bunter Sandstein = Werfener Schiefer. Muschelkalk — Guttensteiner Schichten = unterer Alpenkalk. obere: Partrach Schiefer. Hallstätter Kalk = Lichte Kalke der Alpen = oberer Alpenkalk. Cardita Schichten = St. Cassian. Lias unterer: Mitteldolomit — Hauptdolomit Gümbels. Kössen = Gervilliaschichten. Dachstein- oder Megaloduskalk. Lithodendronkalk. oberer: Adnether Kalk. Fleckenmergel. Jura oberer: Aptychenkalke. Kreide untere: Neocom. obere: Gosau = Turonien. Tertiär: Eocän. Miocän. Diluvium. Alluvium. Zum Verständniss der älteren geologischen Karte Tirols bemerke ich, dass auf ihr Car- ditaschichten, Kössenschichten, Jura und Neocom unter dem gemeinsamen Namen des mittleren Alpenkalkes zusammengefasst sind, desgleichen ist der lichte Kalk nicht überall ausgeschieden z. B. im Kaisergebirge. Berghauptmann Dr. von Dechen gibt Aufschlüsse über die geognostische Karte von Rheinland-Westphalen, wovon bisher bereits 11 Sektionen. erschienen, 9 andere vorbereitet seien. Ind Jahren sei Hoffnung, das Werk zu vollenden. Derselbe legt ferner die von der mittelrheinischen geologischen Gesellschaft herausge- gebenen 3, Karten vom: Grossherzogthum Hessen, deren 'Maasstab '/40,000 ist und die geogno- stische Karte von Europa von Andre Dumont vor. 94 Professor Plieninger spricht über. den Unterschied des Deutitior von Microlestes antiquus Pl. aus der „oberen Grenzbreccie“ (zwischen Keuper und Lias) in- Württemberg und den 2 hinteren Backenzähnen von Plagiaulax Falconi, welche kürzlich im Purbeck-Oolith in einigen unteren Maxillen aufgefunden und von Ch. Lyell in dem neuesten Supplement: zu seiner Elementary Geology bekannt gemacht worden sind. ‚Letztere verrathen durch die Ver- hältnisse der Dimensionen der Zahnkronen und die Bildung. stark abgenutzter concaver Kau- flächen den Charakter von pflanzenfressenden Marsupilien;- Mierolestes weist gar keine Kau- tläche nach, und die zu zwei und drei stehenden Kronzacken berühren sich an ihren zusam- menhängenden Basen in einem sehr spitzen einwärtsgehenden Flächenwinkel und trägt hiermit sowie in seinen nicht abgenutzten Kronzacken den Charakter eines von thierischer Nahrung lebenden Thierchens. Hiermit erscheint die in England versuchte Zurückführung der beiden Microlesteszähne auf die zwei hinteren (von den im Ganzen sechs) Backenzähne von Plagiaulax als eine sehr unwahrscheinliche Hypothese ebensowohl in zoologischer wie in geologischer. Beziehung. von dem Borne hält einen Vortrag über die Geologie von Pommern, indem er das Alluvium, das Diluvium, die Tertiärschichten und die Jurabildungen bespricht. Durch Wir- kung der Winde und Wellen werden an der sandigen Küste Pommerns die sogenannten Riffe und Sandbänke gebildet. - Zwischen den Riften, die der Küste parallel laufen, finde — der Rich- tung des Windes folgend — Strömung statt, ‚die den aufgewühlten Sand weit transportire, Sie veranlasse bei Weststurm ein Abspülen auf der Poimmerschen Küste, und Absätze in der Danziger Bucht (in der Halbinsel Hela und die Versandung an der Preuss. Küste). Bei Ost- stürmen kann wegen /des Vorspringens der Hela ein Rücktransport des Sandes nicht Statt fin- den, so dass fortwährend an der pommerschen Küste ab- und an der preussischen angespült werden muss. An den Flussmündungen bilden sich die Hafte und Nehrung, die wir in Pommern weit verbreitet finden. Obgleich ein Senken des Landes schwer nachgewiesen werden kann, so scheint dasselbe doch für die Pommersche Küste aus der Versumpfung des Landes hinter den Dünen gefolgert werden zu können. An mehreren Punkten, namentlich bei Schmoldin, Leba und an der Rega-Mündung richtet der Flugsand grosse Verheerung an. An der Rega-Mündung und bei Pillau ist historisch nachgewiesen, dass die Versaudungen durch unvorsichtige Zerstö- rungen der Strandwaldungen veranlasst worden sind. In dem Torfmoor von Carolinenhort:hat man unter dem Torf häufig bedeutende Ansamm- lungen von Sumpfgas gefunden, die auf die Erscheinung des Emportauchens von Torfinseln in den norddeutschen Landseen Licht verbreiten. Wiesenkalk ist in den Hinterpommerschen Torfmooren weit verbreitet. Diluvium. Es lassen sich eine sehr gestörte Jüngere, und eine regelmässig gelagerte ältere Diluvialbildung unterscheiden. Das Vorkommen von isolirten grossen Kreidemassen ist namentlich bei Finnewalde, Häringsdort, Staartz beobachtet worden. Tertiär-Schiehten. Die Septaria-Formation ist in der Umgegend von Stettin an der Oder schön aufgeschlossen; sie besteht aus abwechselnden Lagen von Septaria-lhon und San- den, welche im Allgemeinen nördliches Einfallen besitzen. In den hangenden Schichten herrschen die Sande, in den liegenden Thon vor. In den hangendsten Parthieen enthalten die Sande Lagen von Sandsteinen, die reich an Versteinerungen des Septariathons sind. Darunter finden sich im Sande Kugeln, die als Kern Versteinerungen führen. Der Bernstein findet sich im östlichen Theil Hinterpommerns auf tertiären Lagerstätten, in einem feinen glimmerreichen ee 9% Sande. Die Braunkohlen-Formation ist wahrscheinlich über den grössten Theil Hinter- pommerns verbreitet. Schöne Braunkohlenflötze ‚sind, in der Gegend von: Stettin, ‚Piritz, Stargard, Polzin, und Lauenburg aufgefunden. Die Schichten sind zum Theil steil aufgerich- tet, ja am Strande von Jershöft und Schönwald zum Theil überstürzt, so dass Diluvium unter Braunkohlen gebildet liegt. In den Jura-Schichten bei Cammin sind bedeutendere Aufschlüsse zu hoffen, da Techniker die in dem Soltiner und ‚Camminer Gestein vorkommenden Sphärosiderite auszubeuten be- absichtigen. Freiherr v. Hingenau, k. k. Bergrath und Professor von Wien machte eine Mittheilung über ein Vorkommen von Sandsteinveränderungen in den mährischen Karpathen, und zwar in nächster Nähe der un Luhatschowitz aufsprudelnden Gesundbrunnen (alkalinischer Säuerlinge). Die wegen Mangel an Petrefakten noch nicht fest bestimmten Sandsteine und mergeligen Zwi- schenlagen derselben enthalten — sowohl in dem analogen Sandstein des Wienersandsteins bei Weidhofen in N.-Oesterreich und bei Bajatz in Siebenbürgen, als auch besonders um Luhat- schowitz herum wulstartige Bildungen, welche ihrer Gestalt nach vor. Jahren für Chelonier- fährten gehalten wurden. Bei mehrerem Vorkommen derselben schwand zwar diese Ansicht, allein sie sind noch immer nicht völlig erklärt. Beimerkenswerth ist, dass in der Nähe der Quellen von Luhatschowitz solche Wulste in den Klüften des Sandsteins gar nicht vorkommen, sondern dass der Sandstein vielmehr in der Nähe der 5 Hauptquellen bei Luhatchowitz so- wohl als der minderen Quelle um Posnodoro, bei Poslewitz in Malenisko — wie durch Hitze verändert erscheint, so zwar, dass der anderwärts mergelige und hier und da eisenschüssige Sandstein oft ganz rothgebräunt erscheint, und Achnlichkeit mit den bei Ziegelöfen veränder- ten Gesteinen hat, welche durch die Hitze des Ofens halb gebräunt werden. Ueberall, wo diese Veränderung sich zeigt, ist der Sandstein hart und wie gespalten und enthält keine Wülste. Diese treten aber ausserhalb des Quellengebietes insbesondere hinter dem Schlosse Luhatschowitz und südlich davon in langen Platten-Klüften auf, stets wulstiger nach einer und langgezogen nach der andern Richtung der Platte und niemals beim Auseinanderbruch eines Blockes, sondern stets an offenen Flächen desselben. Noch dürfte es zu früh sein, Erklärungen dieser Thatsachen zu versuchen, und es dürfte nicht vergeblich sein, jene Fachmänner, welche — wie hier am Rheine — in der Nähe von Mineralquellen und trachytischen Bildungen leben, zum Besuche dieser Erscheinung an Ort und Stelle aufzufordern. Uebrigens werden die Ar- beiten des Werncr Vereines in 1—2 Jahren auch über jene Gegend mehr Licht verbreiten. Dieser Verein im Jahre 1850 an Werners 100jährigem Geburtstage gegründet und 1851 ins Leben getreten, hat sich mit 100—150 Mitgliedern und durch Unterstützung des mährischen Handels- Ausschusses und andere hohe Gönner zu einem recht thätigen Leben entwickelt und unter anderm schon 250 Quadratmeilen fertig aufgenommen, die sich an die Aufnahmen der geologischen Reichsanstalt anschliessen und durch Commissäre derselben in Uebereinstimmung gebracht werden. Die Berichte des Vereins werden von der geolo- gischen Reichsanstalt gedruckt, und der Verein wird nach Vollendung der Arbeiten an die Herausgabe der Karte gehen und sie in möglichst kurzem Zeitraume publieiren. Director Nauck aus Crefeld erklärt den befremdenden Zinngehalt eines Brauneisensteins durch darübertliessende zinnhaltige Gewässer aus Färbereien. Kammerrath A. von Strombeck aus Braunschweig trug über die Gliederung des Plä- ners im nordwestlichen Deutschland nächst dem Harze vor. A. Unterer Pläner. 1. Tourtia. Grüne thonige Sande und thonige Mergel. Nautilus elegans Sow.; Ammonites varians Sow. (s), Mantelli Sow. (s), Mayoria- nus (s); Turrilites tuberculatus Bose. (= Essensis Geinitz) (s); Pleurotomaria sp. (h); Turbo sp. (h); Lima cf. Hoperi Sow.; Avicula gryphacoides Sow. Fitt. (unten h); Tnoceramus striatus Mant.d’Orb.; Janira qwinguecostata d’Orb. ; Spondylus striatus Goldf. ; Ostrea carinata Lam.; Khynchonella latissima Sow. (Ch), Mantellianz Sow. Davids., paucicosta Roem.; Terebratula Tornacensis d’Arch. Davids. typ. et var. erassa d’Arch. (h), depressa Lam. Davids. (‘Nerviensis var. E. d’Arch.); Terebratula (Meger- lea) pectoralis Roem.; Terebratulina aurieulat« Roem. (= striata Wahlenbg. Da- vids.); Caratomus pulvinatus Des. (s); Hemiaster bufo Des.; Discoidea subueulus Klein (s); Psewdodiadema ornatum Goldf. (5). Zwischenschiehten zwischen No. 1 und 2 voll von: Ammonites Mantelli Sow.; Holaster earinatus d’Orb.; Hemiaster Griepenkerli sp. nov. 2. Varians-Schichten. Feste, graue Kalke mit Neigung zur ungradschiefrigen Ab- sonderung, abwechselnd mit grauen, bröcklichen Mergelbänken. Selten grauweisse, massige Kalke von erdigem Bruche. Ammonites varians Sow. (h), falcatus Mant. (s), Mantelli Sow. (h), latı- elavücs Sharp. Mayorianıs d’Orb.; Scaphites aequalis Sow. (s); Buculites baculoides Mant.; Turrilites tuberculatus Bose. (h); Scheuchzerianus Bose. d’Orb.; Lima carinata Goldf.; Inoceramus striatus Mant. d’Orb. Ch); Peeten Beaver! Sow. (Ch); depressus Münst.; Plicatula inflata Sow. (h); Khynchonella latissima Sow., Man- telliana Sow. Davids.; Terebratula biplieats Brochh. Day.; Megerlea lima Defv. Da- vids.; Holaster carinatus d’Orb. (h), subgloboszs var. alta Ag. (s); Discoidea subu- culıs Klein; Salenia petalifera Ag. (s), elathrata Ag. (s); Diadema Michelini Ag. (5); Diplopodia (Diadema) KRoissyi Ag. (s); Cidaris vesiculosa Goldf. (8). 3. Rhotomagensis-Schichten. Gesteinbeschaffenheit wie bei den Variansschichten. Ammonites Mayorianus d’Orb., varians Sow. (s), rhotomagensis Defr. (h); Turrilites costatus Lam.; Pleurotomaria perspeetiva Mant.; Lima carinata Goldf.; Inoceramus striatws Mant. d’Orb. (h); Plieatula inflata Bow. (h); Khyn- chonella_ latissima Sow., Mantelliana Sow. Davids.; Terebratula biplicata Brocch. Davids. (h); Megerlea lima Defr. Davids.; Holaster subglobosus Ag. (h), ca- rinates d’Orb.; Disceoidea eylindrica Ag. (h), subuculus Klein; Salenia petah- fera Ag. (5). 4. Arme Rhotomagensis-Schichten. Grauweisse massige Kalke, meist fest und von muschligem Bruche, selten milde und dann von erdigem Bruche. Organische Reste wie in No. 3, jedoch stets sehr selten. B. Oberer. Pläner. 5. Rothe Brongniarti-Schichten. Fleischrother mergeliger Kalk, ziemlich fest, zum Theil von muschligem Bruche. Bänke 1 bis 2 Fuss mächtig. Meist sehr zerklüftet. Or- ganische Reste der Specieszahl nach selten, der Individuenzahl nach ungemein häufig. Inoceramus Br ongniartiGoldf. ch); mytiloides Mant. (problematicus Schl.) (h); Iihynchonella Cuvieri d’Orb. (h), Mantelliana Sow. (h) ; Terebratula semiglobosa Sow. (h). 6a. Weisse Brongniarti-Schich- ®6b. Galeriten- Schichten. Ge- ten. Grau- und schneeweisser Kalk, fest steinsbeschaffenheit wie bei No. 6a. und dann von nmiuscheligen Bruche, oder Inoceramus Brongniarti Goldf. milde und kreideartig. Bänke von 1 bis 3 (h); Kihynchonella Cuwieri d’Orb. (h), Man- Fuss Mächtigkeit. telliana Sow.?; T’erebratula semiglo- Inoceramus Drongniar I Goldf. bosa Sow. (hY), carnea Sow. (h), Becksi (h) ; Rhynechonella Cuvieri d’Orb. (h), Man- Roem. (h); Terebratulina striatula Mant. telliana Sow.?; Terebratula semiglo- (= striata Wahlenb. Davids.); Ananelıytes bosa Sow. (h), carnea Sow.; Ananchytes ovatus Lam. (s); Holaster sp. nov. (wie in ovatus Lam. (s); Micraster coranguinum 6a); Micraster coranguinum Lam. (5); Ga- Lam. (5); Infulaster sp. (9); Holaster lerites albogalerus Lam. (+ conica sp. nov. (h). Ag.) (Ch), szbrotunda Ag. (+ globulus Des.) (hi; Oidarıs Sorigneti Des. 7. Scaphiten-Schichten. Gesteinsbeschaffenheit im Allgemeinen wie bei No. 6a, zum Theil mit Fucoiden (?) durchwebt. Hin und wieder geringe Ausscheidungen von Feuerstein. Ammonites peramplws Mant. (h), Neptuni Geinitz; Scaphites Geinitzi d’Orb. Prodr. (h); Hamites elliptieus Mant.; Helicoceras (Hamites) plicatilis Roem. (h) und sp. noy. cf. Trurrilites polyplocus Roem.; Nautilus elegans Sow.?; Lima Hoperi Mant.; Inoceramus latus Sow. ch), cf. euneiformis d’Orb. (h), undulatus Mant.; Spondylus spinosus Sow., lineatus Goldf.; Rhynchonella Mantelliana Sow.? plicatilis Sow. Davids. typ. et var. octoplicata Sow.; Terebratula carnea Sow. (h), semiglobosa Sow.; Terebratulina striatula Mant. (= striata Wahlenbg. Da- vids.), gracilis Schl.; Ananchytes ovatus Lam.; Holaster sp. nov. wie in 6a; Infu- laster sp. desgl.; Mieraster coranguinum Lam. 8. Cuvieri-Schichten. Unten graue mergelige Kalke mit Bänken von grauem, bröck- lichem Mergel abwechselnd. Daselbst hin und wieder einige Lagen grünen Sandes, auch von Kalkconglomeraten mit grünen Punkten (Harlyberg bei Vienenburg), voll von Haifischzähnen. Nach oben walten die Mergel vor. Zu oberst allein milde, graue, thonige Mergel von massiger Schichtung. Ammonites peramplus Mant. (5); Scaphites Geinitzi d’Orb. (8); Inocer amus Ouvieri Goldf. (h); Khynchonella plicatilis Sow. Davids. typ.; Terebratula carnea Sow. (h), semiglobosa Sow.?; Ananchytes ovatus Lam. (h); Cardiaster anan- chytis d’Orb.?; Micrastercor angwinum Lam. (h), Leskei d’Orb. und verschiedene Amorphozoen. Bemerkungen. a. In der vorstehenden Uebersicht sind lediglich die charakteristischen Mollusken aufgeführt. Es bedeutet dabei h = häufig, s = selten; die vorwaltenden unter jenen sind durch gesperrte Schrift bezeichnet. b. Die Brachiopoden bedürfen zum Theil noch der weiteren Untersuchung. e. Die Absonderung des unteren Pläners vom oberen ist ungemein scharf, so dass wenig oder gar keine Species von hervorstechendem Aeussern gemeinschaftlich auftreten. d. Die übrigen Abtheilungen können als verschiedene Glieder betrachtet werden. Scharfe “ Grenzen finden bei ihnen nicht Statt, vielmehr bilden, wo die Entwiekelung vollständig ist, 13 98 Zwischenlagen, dio sich auf 1 bis 10 Fuss Mächtigkeit zu beschränken pflegen, wahre Uebergänge. e. Die Galeriten-Schichten, No. 6b, sind synchronistisch mit den weissen Brongniarti-Schichten. Wo die einen vorkommen, fehlen die anderen. Jene ersetzen hin und wieder auch einen Theil der Scaphiten-Schichten, so am Fleischercamp bei Salzgitter und zwischen Weddingen und Beuchte unweit Goslar; dann umschliessen sie auch einige der Species aus den Sca- phiten-Schichten, obwohl immer als Seltenheiten. Ahaus in Westphalen gehört den Gale- riten-Schichten an. f. Der untere Pläner ist d’Orbigny’s Cenomanien. Von dem oberen Pläner haben die rothen und weissen Brongniarti-Schichten, wie auch die Scaphiten-Schichten das Niveau von d’Or- bigny’s Turonien; die Cuvieri-Schichten gehören entschieden zu d’Orbigny’s Senonien. In England werden als Aequivalente des unteren Pläners der Upper Green Sand, Chloritie Marl und Chalk Marl, und des oberen Pläners der Lower Chalk nebst einem Theile des Upper Chalk zu betrachten sein. g. D’Orbigny’s Turonien bildet freilich ein Niveau von bestimmter und völlig constanter Lage, darf aber nach den Erfunden im Pläner — da die Mehrzahl der Species im wahren Senon wiederkehrt — von diesem als besondere und selbstständige Etage nicht abgetrennt werden. h. Das tiefste Glied des unteren Pläners, die Tourtia, (welche hier eine mindere Mannichfal- tigkeit der Formen als bei Essen zeigt), ruht auf dem zum Gault gehörigen Flammenmer- gel. Ueber dem jüngsten Gliede des oberen Pläners, den Cuvieri-Schichten, folgt zunächst die Kreide mit Belemnitella quadrata, zum Theil aus thonigen, zum Theil aus kalkigen Bänken bestehend, und dann die eigentliche weisse Schreibkreide mit Belemnitella muecro- nata. Die Lage des Pläners zwischen jenem und dieser ist unzweifelhaft. i. Der sächsische Unter-Quader — verschieden vom subhereynischen Unter-Quader, welcher letztere dem Gault zugehört, — scheint eine tiefere Entwickelung der Tourtia zu sein. Der Pläner, welcher bei Strehlen unweit Dresden gewonnen wird, besteht aus Scaphiten-Schichten. k. Welchen Horizont die im nordwestlichen Deutschland nicht vorkommenden Bänke mit An- häufungen von Gryphaea colımba einnehmen, ist noch zweifelhaft. Es scheint fast, dass sie ein Aequivalent der unteren Touıtia sind. Rathsh. Merian bemerkt zu dem Granitblock vom v. Buch’schen Denkmal, wie auf- fallend gleichartig die dem Flysch angehörigen Granitfündlinge in den Alpen sind. Freiherr v. Hingenau kennt ähnlichen Granit anstehend bei Amstätten in der Nähe von St. Pölten. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Tages-Präsident: Prof. G. Rose. Prof. G. Rose trug einige Beobachtungen vor über den den Granitit des Riesengebirges nordwestlich begrenzenden Gneiss und den darin aufsetzenden Granit, und knüpfte daran Be- merkungen über das Verhältniss des Granits zum Gneiss im Allgemeinen. Die Grenze zwischen beiden lässt sich im Riesengebirge durchaus scharf ziehen. Dr. C. F.R. Sehimper aus Schwetzingen trägt sein „morphologisches System der Fluss- geschiebe nach seiner rhoodynamischen und eigengeschichtlichen Begründung oder Podis- matik“ vor. Dr. Drescher aus Frankfurt macht im Auftrage des hannöverschen Majors Papen Mit- theilungen über dessen Schichtenkarte. Diese Karte steht im Prinzip gewissermassen zwischen den geographischen und geognostischen Karten, ein Prinzip, welches von Gauss zuerst ange- geben wurde. Der Redner fügt den Wunsch hinzu, dass das grosse Werk dem Vaterlande erhalten werde. Sir Roderick Murchison legte der Gesellschaft die neuesten Publikationen der „Geo- logical Survey of the British Isles“ vor, bestehend aus Karten, Durchschnitten u. s. w. zur Er- läuterung der silurischen oder älteren paläozoischen Gesteine, des Kohlengebirges und der sekundären und tertiären Ablagerungen, und ausserdem aus beschreibenden Werken über den- selben Gegenstand, namentlich den „Records of the school of mines“, den „Decades of organic remains“, deren Verfasser die verschiedenen ausgezeichneten Männer sind, welche der Redner nannte und deren Arbeiten zu leiten er sich zur Ehre rechnete. Geh. Noeggerath zeigte aus der Kgl. Universitäts-Sammlung eine ausgezeichnete Reihe von Belagstücken zu seinen früher publieirten Abhandlungen über die Theorie der Mandelbil- dungen in den Melaphyren und andern Gesteinen vor, und gab dazu die nöthigen Erklärungen. Ed. de Verneuil ergriff das Wort um hervorzuheben, dass Sir Roderick Murchison nur von den Verdiensten seiner Mitarbeiter geredet und sich selbst vergessen habe. Er wies nach, wie Sir Roderick durch seine eigenen grossen Arbeiten ebensowohl als durch die Art seiner Leitung der wesentlichste Antheil an der Ausdehnung und den schon gewonnenen grossen Er- folgen des genannten Instituts gebühre. Berghauptmann v. Carnall legt Exemplare der neuen Auflage seiner geognostischen Karte von Oberschlesien vor, und erläuterte die Abweichungen von der 1, Auflage. Insbesondere machte derselbe auf die neuen Aufschlüsse im Steinkohlengebirge aufmerksam, nach denen man die Lagerung der Steinkohlenflötze in den Hauptzügen vollständig. darstellen kann, was in einer Spezialkarte geschieht, während die vorliegende Karte nur die Hauptrichtung der Flötze an- deuten konnte ; ferner bemerkte der Redner, dass von dem oberschlesischen Eisensteingebirge nur ein Theil für mitteljurassisch anzusprechen ist, während die Partieen dieser Bildung, welche nördlich und westlich von Oppeln liegen, sowie diejenige von Kybnik und Ratibor für Tertiär- miocän gelten müsse. Unter diesen Schichten liegt das oberschlesische Gyps- und Mergelge- birge (Tegel) mit seinen Salzspuren, welche weiter untersucht werden. Der Redner besprach die Art wie das Diluvium angegeben, und erläuterte endlich die der Karte beigefügten Profile und ein grosses Tableau, welches jene 12 Gebirgsdurchschnitte in Sfach vergrössertem Mass- stabe enthält. Geh. Rath Noeggerath zeigt Krystallmodelle aus der Fleischmann’schen Papier- mache-Fabrik vor, welche sich durch Vortrefflichkeit und Billiekeit (1'/, Sgr. das Stück) em- pfehlen. Derselbe legt das Buch von Senft: Klassification und Beschreibung der Felsarten (welches den Demidoff’schen Preis errungen), und Ankündigungen vom Verkauf der Hardt'- schen Mineralien-Sammlung zu Bamberg vor. O. Med. R. Jäger zeigt die Abbildung von Sauriern aus dem Bausandstein von Heil- bronn und Stuttgart vor, die er vorläufig Hyperotrema Keuperianum und Gavialis Keuperianus genannt hat, unter Beifügung einiger Bemerkungen über die von ihm früher aufgestellte Gat- tung Phytosaurus, welche Prof. Plieninger unter der Gattung Beladon Plien. begreift, worüber sich der Vortragende die gelegentliche nähere Prüfung vorbehält, sodann legt er noch die Zeichnungen einiger Pflanzen aus dem Bausandstein von Stuttgart nebst derjenigen eines Equi- setum aus Chili, welcher dem Eq. limosum sehr ähnlich ist, aber wegen seiner Grösse besser „100 zur Erläuterung der Form der Calamiten dienen dürfte. Derselbe spricht noch über einen durch ringförmige Erhöhungen ausgezeichneten höchst wahrscheinlich fossilen Stosszahn des Elephanten. Prof. v. Zepharovich aus Krakau besprach die Fortschritte der Kenntniss österreichi- scher Mineralien in der letzten Zeit, und wies auf das Bedürfniss hin, die Resultate der For- schungen in einer längern Periode zum Ueberblick zu sammeln und zu ordnen. Derselbe legte die ersten Druckbogen einer solchen grössern Arbeit für den Kaiserstaat Oesterreich vor, deren Ausgabe im nächsten Jahre erfolgen dürfte. — Der Redner übergab dann dem Tagespräsidenten fossiles Eisen von Chotzen in Böhmen, welches für denselben von Hrn. Neumann nach Wien gesandt worden war. Dr. O. Volger erwähnt betrefis der Entstehung des Eisens auf nassem Wege, der That- sache, dass von Hrn. von Bär in einem fossilen, den Torf eingelagerten Baumstamm auf einer schwimmenden, zuweilen nur auftauchenden Insel Schwedens gediegenes Eisen als Ausfüllungs- massc der Pflanzenzellen gefunden worden sei. Dir. Nauck legt eine grosse Anzahl merkwürdiger Bruchstücke vor, welche in dem ter- tiären Sande von Crefeld sich nicht selten finden. Dieselben zeigen in ihrer ganzen Struktur die grösste Aehnlichkeit mit Bruchstücken von Belemniten, sind aber an beiden Enden gleich dick. Der Redner bemerkt, dass er weder eine Spitze noch eine Alvcole jemals gefunden und bedauert, die schönsten und grössten Belegstücke nicht vorzeigen zu können, da sich dieselben seit 2 Jahren in den Händen des Prof. A.Reuss befinden, der sich über die Natur dieser räth- selhaften Körper noch nicht geäussert hat. Er fordert die anwesenden Autoritäten der Paläon- tologie auf, das Räthsel zu lösen, und theilt mehrere von diesen Bruchstücken mit. Schliess- lich sprach Prof. R. Blum über die Ursache der Bildung von verschiedenen Krystallkombinationen bei ein- und derselben Mineralspezies. 3. Sitzung: Dienstag, den 22. September. Tages- Präsident: Berghauptmann v. Carnall. Prof. Daubr&e aus Strassburg: Ueber die Bildung des Schwefelkupfers und des Apo- phyllits aus den Thermen von Plombieres. — Bei den Grabungen, welche die Fassung jener war- men Quellen zum Zwecke hatten, fand Redner zwei neugebildete Substanzen, welche wegen ihrer Aehnlichkeit mit gewissen Mineralien für die Geologie von Interesse sind. An einem bronzenen Hahn, römischer Arbeit, welcher mehr als 15 Jahrhunderte unter den Trümmern alter Bauten ver- schüttet war, hatte sich Schwefelkupfer in schönen Krystallen gebildet. Sie gehören dem hexa- gonalen Systeme an, und können von den natürlichen nicht unterschieden werden. Von der gleichen Zusammensetzung hat man bereits künstliche Krystalle erhalten, die in das reguläre System gehören. Die Verhältnisse, unter denen sie gebildet, scheinen abzuweichen von denje- nigen, unter welchen die Bildung derselben in Gängen geschehe. Der alte Mörtel, in welchen das warme Wasser einsickert, umschliesst in seinen Höhlungen kleine, farblose Krystalle, welche in Form und Zusammensetzung identisch sind mit dem Apophyllit. Ihre Bildung erfolgt durch Einwirkung des Kalisilicats der Thermen auf den Kalk des Mörtels. Die Bildung des Apo- phyllits wie. des hexagonalen 'Schwefelkupfers erfolgte hier in Gewässern, deren Temperatur 70° C. nicht übersteigt. 101 Dr. Otto Volger trägt vor über Erdbeben und besonders über dasjenige von Wallis im Jahre 1855 und erkennt den Grund desselben nicht sowohl in vulkanischen Vorgängen als viel- mehr in Auswaschungen, wodurch die überliegenden Schichten ihre Unterlage verloren. Dr. H. Abich sprach über Schlammvulkane und ihre Bedeutung. für die Geologie. Er gründete diese Bedeutung auf eine Analyse der Entwicklungsgeschichte dieser Gebilde, wie sie sich in der Umgebung des Kaukasus, insbesondere auf den beiden kaukasischen Halbinseln Ta- man und Apscheron vorfinden. j Abich formulirte seinen Vortrag hauptsächlich durch die Beweisführung folgender Sätze: 1. Die stratigraphischen Thatsachen an den genannten Lokalitäten liefern den Beweis, dass der Bau der in Rede stehenden Gebilde obnerachtet der neptunischen Herkunft der sie zusam- mensetzenden Massen ganz von denselben Gesetzen bestimmt wird, welche den mannigfaltigen Bergformen zu Grunde liegen, die aus ächtyulkanischen, auf feurig flüssigem Wege entstandenen Gesteinen zusammengesetzt sind. 2. Die Vertheilung dieser kleinen selbstständigen Bergsysteme ist auf das Schärfste jenen grossen, einfachen Linien untergeordnet, welche die Richtung der Gebirge und in denselben die fundamentalen Grundzüge unsrer Uontinente bedingen. 3. Die lineare Gruppirung und Aneinanderreihung jener Bergformen in dem Sinne dieser Erhebungslinien erfolgte nach denselben Gesetzen, wonach die Gründung und suecessive Aus- bildung der Gebirgssysteme und Gebirgszüge aller Theile der Erdoberfläche vor sich gingen. Dem Vorstehenden zufolge hält Abich dafür, dass jede Vorstellung abzuweisen ist, welche geneigt sein könnte, die eruptiven Phänomene, die noch jetzt ihren fortdauernden Sitz in dem Schoosse jener Bildungen behaupten, auf (sogenannte secundäre d. h. hier) andere als durch Vulkanismus bedingte Ursachen zurückzuführen, d. h. in der Tiefe verborgene Kohlenlager oder dergl. IgnazBeissel: Schilderung der Kreideablagerung um Aachen. Zu diesem Zwecke ward eine geognostische Sammlung vorgezeigt. 1. Des grossen Friedrichsbergs, ein SW. von Aachen von N.n.S. streichender Rücken. Es ist kein Mergel mit Feuersteinen, sondern es finden sich nur dislocirt Feuersteine. 2. Des Willkommsbergs, Berg an der Stadt, von O.n. W. streichender Rücken. Es sind da vorzüglich Bänke des Grünsandes und eines mergeligen Uebergangsgesteins zwischen Grünsand und Mergel und Mergel mit Feuerstein entwickelt. — Da es bis in der jüngsten Zeit für einen Unterschied zwischen der Aachener und Böhmischen und Westphälischen Kreide- ablagerungen galt, dass erstere steinige Polythalamien und Cirrhipedien enthielten, so lege ich eine Sammlung vor, welche durch Ausschlemmen der Mergel ohne Feuersteine gewonnen wurde und wodurch erwiesen wird, dass dieser Unterschied wegfallen muss. Redner zeigte bezüg- liche Stücke und Zeiehnungen vor, und gab darauf sein Urtheil über die Entdeckung Ehren- berg’s über das Bestehen des Mergels aus Organismen in zustimmender Weise. Er brachte nun folgenden Punkt zur Erwähnung. Schon beim Betrachten des allmäligen Uebergangs der Grünsande in die Mergel drängte sich ihm die Ueberzeugung auf: 1. dass der Grünsand aus einem mergelartigen Gestein durch Wegführung des kohlensauren Kalkes entstanden ; 2. dass sich die Mergel auch jetzt noch durch Einwirkung der Tageswasser zu Sandlagern umwandeln. In folgendem gab er den Beweis dieser Behauptungen: A. Die mittlern Abtheilungen der Aachener Kreideablagerung sind durch bestimmte Petrefacten den obern gegenüber charakterisirt wie Dr. Müller bestimmte. Nun finden sich aber diese den Grünsand bezeichnenden Fossilien nicht nur in sandigen Ablagerungen, sondern in vollständig alles Kalks beraubten: a. cemen- tirten, b. gefritteten Sandsteinbänken, c. in kalkhaltigen Sandsteinbänken, sodann d. in Bänken, % 102 welche Dumont Psammite glauconifere nennt, die ganz alles Kalkes beraubt sind und aus Mer- gelablagerung mit Foraminiferen, grössern und kleinern (mikroskopischen) bestehen. So an der Schafkule in der Grube im Wege, am Weg nach dem Gemmenicher Loch ete., wie die vorgezeigte geognostische Sammlung dies beweist. B. Die die oberen Abtheilungen der Aachener Kreideablagerung charakterisirenden Fossilien, als Terebratula Hagas ete. sind von mir in staubigen Grünsandablagerungen aufgefunden worden. (Ebenfalls mit Fossilien belegt.) C. Das Auffinden von Glaueolithkörnern verdient erwähnt zu werden, welche wohl sicher in den meisten Fällen das Resultat einer Steinkernbildung in Polythalamienschalen ete. waren. D. An geschützten Stellen des Grünsandes, wo verkieselte Fossilien auftreten, finden sich grössere Polythalamien ähnlicher Art wie die, welche den Kreidefelsen bilden, in vollständig verkieseltem Zustande. E. Auflösen der Mergel durch HCl. giebt Grünsand als Residuum. 1. Es folgt die Beschreibung desselben: a. es ist Mulm wie Lehin; b. grobe Sandkörner, aus deren Vermischung sich die verschiedenen thonigen und sandigen Grünsandablagerungen machen lassen. 2. Ver- schiedene Mergel geben den verschieden gefärbten Grünsandschichten gleiche Residuen. 3. Der Sand lässt sich durch Einwirkung von HCl. entfärben; durch Einwirkung der Luft anders färben (gelb). (Vorzeigung verschiedener Stücke.) Sollte es auffallen, dass gerade die untern Particen der Kreide die entkalkten sind, so ist auf Folgendes zu verweisen: a. an geschützten Stellen ist oft eine untere Partie noch. ziemlich kalkhaltig, während die obere ganz vonı Kalk frei ist; b. die untern Partieen sind: 1. die ältesten, 2. die zuletzt aus dem Meer herausgehobenen,, in beiden Beziehungen also dem auflösenden Einfluss des Meerwassers am längsten ausgesetzt gewesen; c. kommen in ihnen die den Mergelfelsen durchsickernden Meteorwasser zum Stehen che sie auf den Thonschichten des Aachener Sandes abfliessen, wovon alle Quellen abfliessen mit Ausnahme der von Siffenthal, und treten daher wohl Verhältnisse ein, wie im Trachyt- und Basaltgebirge, wo auch die untern Partieen faul sind, während die Köpfe wohlerhaltenes Material haben. (Bischof Bd. I. pag. 236.) Wenn die Höhen erst genauer bestimmt sind, wird sich auch aus den merk- würdigen Stürzen und Zertrümmerungen des Mergelgebirges manches diese Meinung unterstüt- zende ergeben. — Die Residuen der Mergel und der Grünsande wurden einer mikroskopischen Untersuchung unterworfen. Sie bestehen danach 1. aus zweifach lichtbrechenden Kieselsplittern; 2. aus-einfach lichtbrechenden Glaucolithkörnern; 3. aus zweifach liehtbrechenden Spongiolithen (Nach Ehrenberg’s Untersuchungen.) (Abbildung wird gezeigt.) Es drängt sich die Frage auf: I. Woher rühren die Kieselsplitter? A. Aus der allmäligen Zertrümmerung der im Mergelgebirge enthaltenen Spongiolithe und ihrer Steinkerne eben durch die Umwandlung aus amor- pher Kieselerde in krystallinische. (Mit Abbildungen und einem Spongiolithen belegt.) B. Durch das Zertrümmern der weissen Steinkerne, die eigentlich nur aus einer überaus dünnen Schicht kleiner Quarzkrystallchen bestehen, die sich an die innere Wand der Polythalanienkammern an- setzen, grade wie bei Calopygus im Feuerstein. ©. Fernere Erklärung gibt die Entfärbung und das Zerspringen des leichtzertrüimmernden Glaueolitlikerns und die Umwandlung seiner einfach lichtbrechenden Masse in zweifach lichtbrechende, wie bei den Spongiolithen. (Die entfärbte Masse wird vorgezeigt.) D. Polythalamien mit Schalen aus kohlensaurem Kalk und eben diesen krystallinischen Kieselsplittern sind aufgefunden (werden vorgezeigt, abgebildet und in na- tura.) Die Vermehrung zweier Arten ist auch sonst bei Polythalamien bemerkt. Es wird Spirolina grandis, Lituola und Triplasia rundgegeben, darauf aufgelöst, und dann wieder umhergereicht. Redner warf die fernere Frage auf: Wie kommt dieser Quarz in die Schale? und beant- wortete sie dahin, dass 1. alle diese Schalen mehr oder weniger kohlensauern Kalk enthalten. 103 Ist dann der Quarz in denselben etwa das Resultat einer Verdrängung des Kalkes durch Kie- selerde? Dies scheint nicht wahrscheinlich: denn die wirklich verkieselten Polythalamienschalen im Feuersteinpulver zeigen oft noch die Struktur, was denn wohl daher kommt, dass sich zwischen den Arragonitstäbchen der Schale, gerade wie bei den Belemniten Kieselerde absetzt, die von den Seiten den Kalk allmälig verdrängt, sonst wie bei eben diesen Belemniten Warzen, Ringe, nie aber irgend solche eckige Splitter bildet. (Es werden Tafeln und Kieselstäbchen zwischen Arragoniten gezeigt. Ebenso Belemniten ‚rundgegeben.) 2. Wahrscheinlich ergriff das Thier die Quarzstückchen und verkittete sie durch kohlensauren Kalk, den es organisch abschied ; so bei Spirolina grandis, wo die Innenwände glatt sind. So bei einer (vorgezeigten) Abbil- dung, wo oftenbar ein Muschelstück eingekittet worden ist. 3. Endlich ist es möglich, dass gewisse dieser Thiere durch ihren eigenthümlichen Organismus, Kieselerde (oder selbst Kieselerde und kohlensauren Kalk) aus dem Meerwasser abscheiden, die, wenn amorph, durch die Tageswasser, in krystallinische verwandelt wurde. Max Schultze beschreibt eine solche Polymorpbhie, und ich selbst sah solche Rotalien im Meerwasser von Boulogne. Wie sich dies verhält, so gibt es jedenfalls eine grosse Klasse Polythalamien im Kreidemergel, die nach ihrer Zerstörung Quarz- stückehen liefern, welche von denen des Grünsands und Mergel-Residuums nicht zu unterschei- den sind. Damit wird nicht gesagt, dass kein Trümmersand darunter wäre. Aber man erwäge, wieviel die Polythalamien ertragen künmen; offenbar geht es ihnen wie den Bryozoen, mit denen sie gemeinschaftlich vorkommen. Dies gäbe eine Grenze für die Masse des Trümmer- sandes, die man annehmen darf. 1 Redner besprach nun das Glaucolithkorn. Das Vorkommen ist'1. im Aachener Sand (obere Partie); 2. in Grünsand, nach Oben am häufigsten; 3. in Mergel ohne Feucrsteine, nach Unten am häufigsten ; 4. in Mergel mit Feuersteinen selten (bei Feuersteinen selbst nicht) ; 5. in uncementirten Spongiolithen, häufig. Durch sorgfältiges Auflösen der Mergel lassen sich schöne Steinkerne darstellen. Wie dies geschieht, wurde auf einer Tafel gezeigt, und nach einer andern Reihe von Abbildungen und Objekten wird die Entstehung solcher ungestaltigen _ Körner zur Anschauung gebracht. Fasst man die bis jetzt von mir beobachtete Steinkernbil- dung in Polythalamien zusammen, so gibt es: 1. Steinkerne aus krystallinischem Kalkspath ; 2. aus grünem Eisensilikat (Glaueolith); 3. aus schwarzem Eisensilikat; 4. aus rostrothem Ei- senoxyd; 5. wasserhell, grün, braunroth, schwärzlich gefärbte Steinkerne aus Kieselringen und Warzen. In gleicher Weise werden die Spongiolithe besprochen. Ihr Vorkommen ist 1. im Aachener Sand, obere Partie; 2. im Grünsand. Grünsand bei Vaels. Aus beiden Fundorten werden Exemplare vorgezeigt; 3. in Mergeln ohne Feuerstein; a. in den meisten sind sie vereinzelt von den Residuen abzuheben ; b. in einzelnen eigenthümlichen Stengeln und lappigen Verästelungen, die leicht aus demMergel herauszuschlemmen sind ( Vorzeigen dieser Stengel); 4. in den fossilen und anstehenden Feuersteinen. (Vorzeigen von Tafeln.) Nur in dem eigentlichen Hornstein Deb. und einem häufig vorkommenden weissen Kieselgestein (verhärteten Kreidemergel) fand ich nichts, wohl aber in letzterm Amethystkrystalle. Es tritt Hornstein und Feuerstein auf der- selben Lagerstelle auf und enhält diese dann Fossilien. Redner kennt Hornstein- und Feuer- steinpetrefacte. Hornstein und Feuerstein an einem Handstück, Hornsteinröhren im schwarzen Feuerstein; 5. es finden sich Spongiolithknollen in allen Stufen der Üementation, sowie unce- mentirte Spongiolithe. Die Lagerung ist in der Schafkule so: a. Mergel mit Grünsand- petrefacten, etwas weiter zu Kieselgestein (Psammite glauconifere) umgewandelt; b. es folgen Glaucolithschichten circa 6 Fuss und c. eine Thonschichte, darin ist eine Schmitze 104 schwimmsteinartigen Materials, in dem einzelne Partieen und Knollen wohlerhaltener Spongio- lithe sind. (Vorzeigen der Sammlung über uncementirte Spongiolithe.) Abschwemmen des Materials ergibt die sandige glaucolithische Schicht und Mulm. (Vorzeigen der betreffenden Tafeln.) Ich fand in den Knollen Feuersteinpetrefacte und zwar Burgeton ellepticus, Avicula Beisseli M., Pecten, und beobachtete Verwitterung derselben zu thonigem Mulm und eine all- mälige Cementation, welche stattfindet durch die Umwandlung der amorphen Kieselerde in die krystallinische. Redner schilderte schliesslich den Zustand der Spongiolithe und ihrer Steinkerne. Die Sektion schenkte den Sammlungen des Vortragenden, namentlich den mikroskopischen Präparaten der feinsten Organismen ihre volle Bewunderung. Dir. Nauck bemerkt, dass die Entstehung des untern Sandes aus dem darüber lagernden Mergel deshalb unwahrscheinlich sei, weil die Umwandlung der Gesteine durch die Atmosphä- rilien naturgemäss von aussen nach innen fortschreitet, also die oberen Schichten dieser Um- wandlung früher unterliegen müssen, als die untern. Leg. Rath. Gerhard aus Leipzig spricht über die Bildung von Dolomit, Gyps und Stein- salz. In die geheimnissvollen Räume des Erdinnern zu schauen und den wogenden Kampf dort waltender Elemente zu belauschen, hat die Natur dem sterblichen Menschen versagt. Mag er sich an den hypothetischen Glauben halten: der grosse Gasball, nach Milliarden von Jahren zu einer kleinen Kugel, Erde genannt, verdichtet, sei vom Schöpfer uranfänglich mit Allem ausge- stattet worden, was zu seiner Bewohner Leben und Wohlfahrt nöthig war. Gleichwohl sei es, auch dem geringsten Adepten der Wissenschaft nicht bloss gestattet, sogar geboten, dass er unablässig, wenn er ihn auch nicht zu heben vermag, an dem Schleier der Isis zupfe, und von der Erscheinung auf die Kraft, von der Schale auf den Kern schliessend, der strengen Göttin mindestens einige Geheimnisse abzustehlen versuche. Dies erwägend dürfte es kaum vermessen genannt werden, wenn ich über eine vor mir oft berührte, geologische Frage, nämlich die von dem Entstehen dreier wichtiger Glieder unserer Gebirgswelt, Dolomit, Gyps und Steinsalz, auch meine individuelle Meinung vor diesem gechrten Kreise auszusprechen wage. Haben Mineralogen früherer Zeit sich weniger als jetzt um die Metamorphose der Fels- arten bekümmert, so darf es nieht Wunder nehmen, dass dies lange Zeit auch in Bezug auf den Dolomit der Fall gewesen. Erst 1779 erkannte der italiänische Geolog Arduino bei Beobachtung der Dolomite von Lavina die metamorphische Natur des Gesteins. Er hielt es für einen durch vulkanisches Feuer zu Marmor gebrannten Kalkstein. In den neunziger Jahren stellten Dolomieu und Saussüre weitere Forschungen über die charakteristische Felsart an; ihr Magnesiagehalt ward durch chemische Analysen erörtert und Saussüre gab ihr (1792) den Namen Dolomit. So eifrig nun auch spätere Forscher sich mit dem Gegenstand beschäftigten, Wenigen ge- lang es, gründlich zu erörtern, auf welchem Wege die Umwandlung des magnesiahaltigen Kalksteins geworden. Die von Heim 1806 in seiner „Geologischen Beschreibung des Thüringer Waldgebirges® gegebene Ansicht weicht wenig von der Arduinschen ab. Auch er nimmt an, aus der Erde raketenartig aufsteigende, die Kalkschichten darum weniger verletzende elastische Dämpfe hätten ihre Gipfel am stärksten getroffen und in Rauhkalk umgewandelt. Leopold v. Buch, der Gelegenheit gehabt hatte, die Wirkungen vulkanischer Kräfte auf seinen vielseitigen Reisen zu studiren und bei einem Besuche des südlichen Tyrols 1824 mit Forscherblick die Felsenzacken der Dolomite des Fassathales betrachtete, gab über deren 105 Entstehen die Erklärung ab, man müsse sie in kohlensauern Magnesiadämpfen suchen, welche sich beim Durchbruch des Augitporphyrs, der selbst Magnesia enthalte, entwickelt, den Kalkstein durehdrungen und in Dolomit'verwandelt. „Wer möchte“ — sagt der geistreiche Forscher in seinen geognostischen Briefen über das südliche Tyrol — „nicht gerne in dieser ganzen Erschei- nung eine Wirkung der hohen Temperatur sehen, 'mit welcher der Augitporphyr unterliegende Schichten durehbrieht, den Dolomit zu senkrechten Säulen, Thürmen und Pyramiden in die Höhe stösst, die dichten Gesteine’ zu körnigen umändert, dadurch 'alle Spur von Schichtung vernichtet, Versteinerungen zerstört, und Zusammenziehungen, Klüfte und Zerberstungen bildet, in welchen Drusen hervortreten“? — So scharfsinnig die neue Hypothese war, sie fand den- noch ihre Gegner. Manche wiesen nach, dass Dolomite auch da vorkommen, wo keine Augite vorhanden, Andere, dass in vielen Dolomiten die organischen Stoffe keineswegs zerstört, vielmehr in wohlerhaltonem Stande gefunden werden; noch Andere, die Erklärung des Meisters vielleicht missverstehend, mochten fragen, wie es möglich, dass von unten durch die Kalkschichten auf- steigende Dämpfe sie erst oben und nicht ‘schon ‘unten dolomitisirt haben? Indess traten v. Strombeck bei Beobachtung eines zwischen Göttingen und Braunschweig gelegenen Dolo- mitberges, v. Klippstein bei Prüfung der Dolomite in den Lahngegenden, Coquand bei Auffindung eines Punktes; wo der Muschelkalkstein ‚durch Contact mit Basalt dolomitisirt ist, und Andere der v. Buch’schen Ansicht bei. Gollegno versuchte eine Erklärung auf hydrochemischem Wege (1834). Auf die häu- fige Zusammenlagerung von Gypsen mit Dolomiten hinweisend, sprach er die Vermuthung aus, dass beide Naturkörper metamorphisch seien, und wohl schwefelsaure Quellen ‚diesen doppelten Metamorphismus bewirkt haben möchten. W. Haidinger, — welcher lange vorher durch Pseudomorphosen die Wahrheit ausser Zweifel gesetzt, dass Dolomit nichts weiter sei als umgewandelter Kalkstein — ergriff unter ana- logen eignen Beobachtungen über die häufige Nachbarschaft von Gyps und Dolomit, Collegno’s Idee, und stellte, sie weiter ausführend, den Satz auf, das Agens, welches beide Naturkörper gebildet, könne kein anderes als Bittersalz (schwefelsaure Magnesia) gewesen sei. Dieses im Meerwasser wie in Quellen enthaltene Salz habe die Metamorphose bewirkt, indem die Mag- nesia einen Theil des kohlensauern Kalkes in Dolomit, die Schwefelsäure einen andern Theil desselben in Gyps umgewandelt; letzterer sei, als leicht löslich von jenem ausgeschieden, durch den Strom der Gebirgsfeuchtigkeit weiter geführt worden. Die gegen diese Erklärung von Seiten einiger Chemiker gemachten Einwürfe scheint Morlot durch angestellte Versuche und dureh Abbildungen von Dolomit-Handstücken, deren Drusenräume noch Reste nicht völlig aus- geschiedenen Gypses zeigen, entkräftet zu haben. Studer stellt die Frage auf, ob nicht vielleicht Caleium und Magnesium isomere Modifi- kationen eines und desselben Gegenstandes seien, und ohne Zuthun eines fremden Körpers aus Kalkstein Dolomit entstehen könne ? Nauck versuchte die dolomitisirten Kalksteine von Wunsiedel durch Einwirkung kohlen- saurer Magnesia-Solution zu erklären: Virlet und nach ihm Faver hielten Chlormagnesium für das Agens der Umwandlung, und Marignac versichert, dass auf dem Wege des Experimentirens Kalkstein und eine Auf- lösung von Chlormagnesium bei einer Temperatur von 200° ©. und einem Drucke von 15 At- mosphären wirklich Dolomit erzeugt haben. Nun stimmen zwar alle diese Erklärungen darin überein, dass Dolomit nichts anderes sei, als umgewandelter Kalkstein; aber keine derselben sagt zur Genüge, wie er es geworden. 14 106 Soll nun der richtige Weg zu diesem Wie ermittelt werden, so dünkt mich, wir finden ihn, wenn wir die geistreiche Hypothese unsers Altmeisters Leopold v. Buch mit der Theorie des erfahrnen Mineralogen W. Haidinger, unter Hinblick auf die Beobachtungen einiger anderer Geologen, in Einklang bringen. Das Resultat dieser Combination würde etwa so lauten: Wenige Kalksteine mag es geben, welche vor ihrer Submersie in Dolomite umgewandelt wurden, höchstens die, wo das Vorhandensein und die örtliche Lage bittersalzhaltiger Quellen die Möglichkeit der Metamorphose gestattet. In allen andern Fällen fand der Umwandlungs- process untermeerisch statt. Magnesiadämpfe dolomitisirten den Kalkstein, da wo neben dem Dolomit Gypse lagern, schwefelsaure, wo sie fehlen, kohlensaure Magnesia- dämpfe. Diese Dämpfe stiegen abyssodynamisch aus vulkanischen Spalten der Erdkruste, entweder im Gefolge magnesiahaltiger Eruptivmassen, (Basalte, Augitporphyre ete.) oder ohne diese, als mehr oder minder tief, heiss und heftig emporschiessende Gassäulen. Sie lagerten sich wolkenartig über ein Kalkgebirge, verwandelten seine obern Schichten bis zu gewisser Tiefe hinab in Dolomit, und wirkten bald stärker, bald schwächer den Kalk durchbeizend, bald mehr, bald minder zerstörend auf vorgefundene organische Reste. Bald öffnete sich die Erup- tionsspalte unmittelbar neben oder selbst unter den Kalkbergen, in welchem Falle die Gase so heftig waren, dass sie die Felsen trennend der Dampfsäule freien Durchgang liessen, und die Seitenwände der getrennten Felsen nicht von ihr berührt wurden; bald lag sie entfernter, doch immer nahe genug, dass die sich ausbreitende Wolke den Gipfel der Kalkberge bequem und ohne ihre Intensität zu verlieren erreichen konnte. — Ausgeschiedene schwefelsaure Kalke weiter zu führen, bedurfte es bei untermeerischem Umwandlungsprocess keines Gebirgsfeuchtig- keitsstromes; mit grösserer Leichtigkeit konnte es durch die Bewegung der Wellen geschehn.“ Weil nun aber nicht nur in der Nähe von Dolomiten, sondern auch als Begleiter von Steinsalzen, Gypslager angetroffen worden, so führt dieser Umstand auf die Doppelfrage: Sind beide Arten von Gypsen gleichen metamorphischen Ursprungs? und: wie hat man sich die Genesis des fast allen Geschöpfen unentbehrlichen Minerals, des Steinsalzes, zu denken? Der erste Theil der Frage dürfte unbedingt zu bejahen sein; über den zweiten herrschen divergirende Meinungen. Einige halten die Steinsalze für Reste ausgetrockneter, vorweltlicher Meere oder Seen, Andere für aus dem Chaos des Erdinnern gequollene Substanzen. Der letzten Ansicht kann wohl unbedenklich beigetreten werden. Denn wenn auch Kochsalz an den Ufern salziger Seen und auf dem mit Meerwasser getränkten Boden mancher Steppenländer efflorescirt: so sind darum nicht alle Steinsalze Parzellen verdunsteter Meere. Die neueste Hypothese hat Dr. Meye gegeben; sie lautet so: Das Chlornatrium entquoll, wie jede andere Eruptionsmasse, dem Erd- innern. Einverstanden! dem Erdinnern entquoll es und entquillt ihm vielleicht noch heute: ob aber als compacte feuerflüssige Masse, oder in Form von Dämpfen, steht noch zu erörtern. Wäre die Eruptivmasse ein heisser Brei gewesen, dürfte man sich kaum erklären kön- nen, wie es möglich, dass in vielen Steinsalzlagern Polythalamien, Muscheln, Schnecken, Braun- kohlenstücke, Coniferenzapfen, Zähne von Carcharodon megälodon, ohne durch die Glut zer- stört zu sein, in unversehrtem Zustande gefunden wurden. — Wir müssen also vermuthen, das Chlornatrium sei zwar untermeerischen Spalten und Kratern entstiegen, aber nicht feuerflüssig, sondern in der mildern Form von Dämpfen. Diese Dämpfe wurden, wie es scheint, gleich- zeitig von Schwefelwasserstoff begleitet, der, wo er kohlensaure Kalke vorfand, auf metamor- phischem Wege Anhydrit und Gyps erzeugte, und wo dies nicht der Fall, Lager von gediege- nem Schwefel bildete. 107 Das Chlornatrium hingegen — vielleicht bei seinem ersten Erscheinen bestimmt, dem durch urweltliche Regengüsse erzeugten Meere den grössten Theil seines Salzgehaltes zu geben — drang, bei durch alle Formationen hindurch wiederholtem Aufquellen dampfend in Höhlen und Gänge mariner Sedimente und schuf in ihnen auf dem Wege der Sublimation Stöcke und Lager von Steinsalz, wie noch heute in Laven uud Kratern unserer Vulkane Kochsalz neben Schwefel sich auf ähnliche Weise zu bilden scheinen. Dass Gypse und Steinsalze häufig durch Thon, Mergel, Bitumen ete. verunreinigt sind, mag der vereinten Wirkung beider Gase zugeschrieben werden, welche entweder mechanisch aufge- wühlten Meeresschlamm oder aus vorhandenen Gesteinen chemisch geschiedene Substanzen zum Theil den metamorphosirten, zum Theil den sublimirten Massen beimischten. Derselbe Redner macht auch Mittheilung von einer Auffindung von Schichten des Rothliegenden bei Leipzig. Leipzig steht auf einer Alluviumdecke, unter welcher Braunkohle lagert. Von ältern marinen Sedimenten war bisher in seiner Nähe nichts weiter bekannt als eine, seit vielen Jahren durch eine halbe Stunde Weses westlich von der Stadt bei dem Dorfe Gross-Zschocher befindlichen Steinbruch blosgelegte Parzelle von versteinerungsleerer, devoni- scher Grauwacke. Während dem Graben eines Kanals, welcher dereinst die Elster mit der Saale verbinden soll, ist aber seit vorigem Sommer auch Rothliegendes nachgewiesen. Der Punkt, wo man es zuerst entdeckte, liest der Stadt einige hundert Schritte näher, bei dem Dörfchen Plagwitz. Dieses Rothliegende ist von bläulich - mattrother Farbe, lagert 16 bis 25 Fuss mächtig, unmittelbar auf Grauwacke, deren hora 9 geneigte Schichten von 'N.-W. nach 8.-O. streichen, und besteht aus einem Conglomerat von elliptisch abgerundeten Thonschieferfragmenten ver- schiedener Grösse, untermischt mit kleinerm Geröll und faustgrossen Kieselschiefern von knol- liger Form. ‘Schlägt man mit dem Hammer auf einen der elliptischen Steine, so spaltet er sich in zwei und bei wiederholten Schlägen in mehrere vollkommen ebene, innen wie aussen röthlich gefärbte Hälften. Der Teig, in welchen die Steine gebettet, ist ein ziemlich fester sandiger Thon, hie und da mit Schnüren von Eisenstein durchwoben. Man dürfte wohl nicht ohne Grund vermuthen, dass die rothe Substanz, welche jenes Conglomerat cementirte, zur Zeit des Ausbruchs der rothen Porphyre, vielleicht der Porphyre von Halle und Giebichen- stein, dem Erdinnern entquollen. “Jedenfalls muss zu jener Zeit das Meer, dessen Wogen die Bruchstücke der Schiefer so gg dass sie die glatte elliptische Form bekamen, in wildester Bewegung gewesen sein. Geh. Rath Prof. Nöggerath vertheilte Probenummern' der Zeitschrift „Der Berggeist“. Dir. Schnabel zeigte eigenthümliche Absonderungsformen von Schmiedeeisen vor, von der Sieghütte bei Siegen. Auf den ersten Blick erinnerten dieselben an pyritoedrische Kry- stallgestalten. G. Rose erklärt die Natur der Formen als blosse Absonderungsgestalten. Dir. Schnabel zeigte vor und besprach noch eine Sammlung von Glas-Krystallmodellen, welche nach seiner und des Oberlehrers Kysäus Angaben von F. Thomas in Siegen gefertigt und käuflich bei demselben zu haben sind. Sie sind vorzüglich zum Unterrichte geeignet, und bereits früher von Nöggerath in mehrern wissenschaftlichen: Zeitschriften in der Methode ihrer Herstellung näher geschildert worden. x 108 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages-Präsident: Dr. Hermann von Meyer. General v. Panhuys erläuterte eine kleine, von ihm im Jahre 1850 im Auftrage des Königlich-Niederl. Kriegsministeriums verfertigte geognostische Karte des südlichen Theils des Herzogthums Limburg. Diese Arbeit hatte zum Zweck die muthmaassliche Ausdehnung des Steinkohlengebirges auf Niederländischem Gebiete zu untersuchen. Referent suchte die Ansicht zu begründen, dass das Bardenberger Revier nördlich von Aachen mit der Lütticher Steinkoh- lenmulde zusammenhängt, einen Theil derselben ausmacht. Wäre dies der Fall, welches sich nur durch Bohrungen vollkommen beweisen lässt, so befände sich Limburg im Besitze von 2 D Stunden Steinkohlengebirge; wovon die eine Hälfte nur vom Grünsand, die andere jedoch von Grünsand und Kreide überdeckt ist. Bei der meistens nicht bedeutenden Mächtigkeit dieser Gebilde glaubt Ref., dass der Ausbeutung der Steinkohlen in jener Gegend auch in Berücksich- tigung der natürlichen, guten Abwässerung jedenfalls keine besonderen Schwierigkeiten entge- genstehen dürften. v. d. Marck sprach über einige Versteinerungen der Westphälischen Kreidebildungen und legt eine Reihe neuer oder besonders gut erhaltener Fossilien vor, unter denen Reste grosser Saurier aus dem Gesteine des Schöppinger Berges bei Münster, sowie vollständige Ab- drücke grösserer Fische aus den Plattenkalken von Sendenhorst besonders hervorzuheben sind. Ausser diesen wurden die verschiedensten Kreide-Belemniten Westphalens, einige Rhyncholithen und Korallen vorgelegt, und schliesslich Notizen über die Verbreitung der Polythalamien inner- halb des münsterschen Kreidebeckens mitgetheilt. Ref. ermittelte, dass in 1 Pfund des oberen Kreidemergels von Hamm 6'/, Million Polythalamien Individuen enthalten sind; deren viel mehr noch enthält der Thonmergel vom Hellwege. — An einigen Exemplaren der Belemnitella mu- eronata d’Orb. waren deutlich sowohl die Kammern der Alveole, wie auch der schraubenför- mige Sipho zu erkennen. Dr. Sehnitzler spricht über die Veränderung des spezifischen Gewichts bei der Krystall- Bildung. Nach vielfacher Vergleichung des direkt beobachteten spezifischen Gewichts und des- jenigen, welches er durch die Berechnung des Gewichts der einzelnen Bestandtheile ermittelt hatte, fand er bei allen Silikaten das beobachtete Gewicht höher, als das berechnete. Es musste also eine Verdichtung der Masse bei der Krystallisation stattgefunden haben. Hermann Heymann erläutert, unter Vorzeigung von Belegstücken, die Umwandlung von einzelnen Bestandtheilen in trachytischen und basaltischen Gesteinen des Siebengebirges: Die Zahl der dort vorkommenden Pseudomorphosen war bisher auf zwei. beschränkt, und ge- hörten dieselben, wie uns die rühmlichst bekannte „Geognostische Beschreibung des Siebenge- birges von Herrn Berghauptmann v.Dechen“ lehrt, nur den wesentlichen Gemengtheilen der Trachyte an. Die erste vorwaltende Pseudomorphose ist die Umwandlung des glasigen Feldspaths und des Oligoklases (wo letzterer im Trachyte auftritt, wie am Drachenfels und Röttchen ete.) in eine kaolinartige Masse, welche bei dem Trachyteonglomerate, sowie bei dem verwitterten Trachyte deutlich zu beobachten ist. Die zweite Umwandlungspseudomorphose, welche durch einige charakteristische Stücke repräsentirt ist, ist diejenige der Hornblende in ‚eine specksteinartige Masse von gewöhnlich gelber Farbe. Die Anzahl der Fundpunkte dieser letztern Pseudomorphosen war nicht sehr 109 gross, hat sich jedoch in der letzten Zeit um einen hübschen Fundpunkt vermehrt, welcher in der Nähe des Oelberges liegt. Die vorliegenden Stücke rühren von diesem neuen Fundpunkte her. Eine dunkler gefärbte ähnliche Substanz, welche im Trachyte der Hohenburg bei Berkum vorkommt, und wohl ebenfalls ein Umwandlungsproduct der Hornblende sein dürfte, ist von Geheimerath Gust. Bischof analysirt worden, und gab sich als Steinmark mit einem kleinen Magnesia-Gehalte zu erkennen. Weitere Pseudomorphosen kommen in den hiesigen Trachyten nicht vor, doch verdient noch bemerkt zu werden, dass der Ansicht Gustav Bischof’s gemäss der Magnesiaglimmer in den Trachyten ein Umwandlungsprodukt der Hornblende sei. Durch eine deutliche Pseudo- morphose hat dies bis jetzt nicht festgestellt werden können, und Herr Berghauptmann v. Dechen hat daher in seinem oben bemerkten Werke diese Ansicht bekämpft. — Wir dürfen uns dennoch aber nicht verhehlen, dass stellenweise eine Verknüpfung zwischen Hornblende und Glimmer, namentlich in den Trachytvarietäten vom Stenzelberg und der Wolkenburg statt findet. In dem Trachyte des Stenzelbergs finden sich Hornblendeparthien von über 1 Fuss Durch- messer, welche in ihrem Innern zerfressen sind, und gleichsam kleine Drusenräume zeigen. Der bisweilen in der Nähe solcher Stollen vorkommende Kalkspath lässt schliessen, dass der- selbe aus der Zersetzung der Hornblende hervorgegangen sei, bei welchem Zersetzungsprocesse bekanntlich kohlensaure Kalkerde ausgeschieden wird. Ein Mineral, welches sich auf nassem Wege bilden kann, in einem Drusenraume vorkom- mend, lässt aber den Schluss zu, dass selbiges durch Zersetzung der den Drusenraum umge- benden Masse entstanden sei. — Von Glimmer ist eine Bildung auf nassem Wege dargethan durch das Vorkommen von Pseudomorphosen des Glimmers nach Feldspath, und noch einige andere Thatsachen. Nun finden wir aber in solchen Drusenräumen der Hornblende hübsch auskrystalli- sirte Glimmertäfelehen, aufrecht auf deren Wände sitzen. Eine von Herrn Berghauptmann v. Dechen angeführte Thatsache ist ferner, dass die Drusenräume im Trachyte der Wolkenburg, welche ausgeschiedenen Kalkspath enthalten, mit Streifen von hornblendereicherm Trachyte umzogen sind, in deren Nähe sich auch der Glimmer in grösserer Menge findet. Eine hier ebenfalls vorliegende Stufe von der Wolkenburg zeigt weniger Kalkspath, doch ist der Drusen- raum mit einer dünnen blauen Rinde überzogen (ganz analog derjenigen mit welcher sich die Hornblende vom Stenzelberg an zersetzten und zerfressenen Stellen überrinden), auf welcher eine Menge Glimmertäfelchen in der oben angeführten Stellung hervorragen. Rührte dieser Drusenraum von einer Auslaugung des früher dort vielleicht anzunehmenden glimmerreichen Trachyts her, so würden die zurückgebliebenen Glimmerblättchen gewiss nicht in dieser Stellung angetroffen werden, und spricht diese daher für eine spätere Entstehung an Ort und Stelle. In diesen beiden Fällen ist wohl der Schluss, dass hier der Glimmer ein Umwandlungsproduct der Hornblende sei, nichtzu gewagt. GustavBischofsagt Band II seiner Geologie p. 1092: „Wird in einer thonerdehaltigen Hornblende Kalk durch Kali verdrängt, so erhält man die Mischung des Magnesiaglimmers“. Thonerde enthalten aber sämmtliche basaltische Hornblenden, und Kali werden die durchsickernden Wasser ohne Zweifel durch die in den obern Theilen des Trachyts von Statten gehende Umwandlung des Sanidins in Kaolin aufnehmen. Bischof sagt ferner: „Das Vorkommen des Glimmers auf zerfressenen Stellen der Hornblende, der so häufige Uebergang des Hornblendeschiefers in Glimmerschiefer, der Uebergang Syenits in Gra- nit u. s. w. deuten auf Umwandlungen der Hornblende in Glimmer“. . Doch wir wollen erfahr- nern Männern der Wissenschaften das Urtheil überlassen und, begnügen uns einige charakteri- 10 stische Stücke, mit Glimmer in Höhlungen der Hornblende und mit ausgeschiedenem Kalk- spath, den verehrten Herren vorzulegen. Das letzte bekannte Umwandlungsproduct im Trachyt ist der Ehrenbergit, welcher am Fuss des Drachenfels, sowie an den Steinbrüchen der Wolkenburg schmale Klüfte ausfüllt, und dessen Uebergang aus Oligoklas, wie einige Stücke hier zeigen, deutlich beobachtet werden kann. In den doleritischen und basaltischen Gesteinen des Siebengebirges und Umgebung waren wirkliche Pseudomorphosen bisher unbekannt, doch hat Herr Dr. Krantz hierselbst itn ver- flossenen Frühjahr ein neues Mineral, welches er Gramenit nach seiner grünen Farbe benannte, in einem völlig zersetzten Basaltgange ohnweit Menzenberg aufgefunden, welches wohl als ein Zersetzungsproduct des Hornblende- und augitischen Antheils des ehemaligen Basalts ange- sehen werden kann. Ausserdem kommt noch in einem Basaltgange, welcher in der Kupfererzgrube St. Josephs- berg bei Rheinbreitbach den Erzgang durchquert, Speckstein als ein Umwandlungsprodukt des Olivins und der Hornblende vor. Durch eine deutliche Pseudomorphose kann dies wohl schwerlich nachgewiesen werden, da sämmtlicher Olivin im Basalt nicht in Krystallen ausge- bildet ist, sondern sich in körner- und tafelartigen Gruppen findet, ähnlich so ebenfalls die Hornblende. Aus der Vergleichung des unzersetzten Basalts vom Ausgehenden des Ganges mit dem in einer Teufe von 50 bis 60 Lachter vorwaltenden Basalttuff, geht aber zur Genüge hervor, dass der grüne Speckstein ein Umwandlungsprodukt des Olivins, und wohl theilweise auch der Hornblende ist. - Dies ist die Summe desjenigen, welches bis jetzt über Umwandlungen im Trachyte und Basalte hiesiger Gegend bekannt geworden ist. Ich erlaube mir nun, die Aufmerksamkeit der verehrten Herren noch auf eine neue Pseudomorphose zu lenken, welche ich vermuthe durch vorliegende Stücke begründen zu dürfen. Es ist dies eine Pseudomorphose von Speckstein nach Mesotyp. Sie rührt aus dem Basalte des durch seine schöne Siulenabsonderung weitbekannten Mendeberge oder Minderberg bei Linz her, welcher viele Mesotype sowie von andern Zeolithen hauptsächlich noch Kalkkreuzstein liefert. Kalkkreuzstein oder Philippsit bildet auch in vorliegender Stufe die erste Lage in dem Drusenraume, auf ihm befinden sich die Büschel des Mesotyps, von denen einer ganz in Speck- stein umgewandelt ist. Der Basalt vom Minderberg ist reich an Olivin. Das häufige Vorkommen von Philippsit in Concretionen von Labrador im Basalt, lässt schliessen, dass der Philippsit aus der Zersetzung des Labradors entsteht. Mesotyp und Mesolith sind sich so nahe verwandt, dass fast kaum eine Trennung möglich is. Nach Gustav Bischof ist aber’ der Mesolith nichts weiter ‘wie wasserhaltiger Labrador, und lässt sich daher vom Mesotyp annehmen, dass er ebenfalls ein Zersetzungsprodukt des Labra- dors sei. Dann muss also der labradorische Gemengtheil des Basaltes zuerst einer Zersetzung unterlegen haben, und wirklich spricht auch die Umgebung der Mesotypdrusen durch die ver- änderte Färbung der Grundmasse bei vollkommener Erhaltung des eingesprengten Olivins, der Hornblende ete. sehr dafür. Durch die später eintretende Zersetzung des Olivingehalts, werden die durchsickernden Wasser Magnesiasilicat auflösen, welches durch Austausch gegen den Natron- und. Kalkgehalt des Mesotyps als die Ursache der Umwandlung m Speckstein gedacht werden kann, m Nach Bischofs Geologie Bd. II p. 676 wird durch Zersetzung des Olivins im Basalt dem- selben Magnesia entzogen, und kann in einer gewissen Tiefe zugeführt, von demselben wieder aufgenommen werden. Es können auf diese Weise hier Umwandlungen der Kalksilicate des augitischen und labradorischen Antheils des Basalts, im Magnesiasilicate entstehen. Wir sehen wie diese Behauptung 'G. Bischof’s so schön auf vorliegenden Fall passt, nur mit dem Unterschiede, dass wir anstatt umgewandelten Labrador ein umgewandeltes Zer- setzungsproduct desselben beobachtet, also eine Mittelstufe kennen gelernt haben, durch welche der Labrador in Magnesiasilicat umgewandelt werden kann. Eine zweite Stufe, welche aus dem Basalte der Gierswiese bei Honnef herstammt, zeigt ebenfalls die Umwandlung des Mesotyps, jedoch in eine steinmarkähnliche Masse. Wir be- merken noch, dass in diesem Basalte Olivin fehlt, derselbe daher als Anamesit betrachtet werden kann. Die Umwandlung des Mesotyps würde ich hier auf die später eingetretene Zersetzung des Hornblende- und augitischen Antheils des Basalts beziehen. Dass dieser Antheil schon in der Zersetzung begriffen ist, beweist der daselbst vorkommende Chabasit, welcher erwiesen ein Zersetzungsprodukt der Hornblende ist. Schliesslich erlaube ich mir noch die Bemerkung, dass Herr Professor Blum aus Heidelberg, der berühmte Pseudomorphosenkenner, die Gefälligkeit hatte, die beiden Stücke während dieser Tage näher in Augenschein zu nehmen, und anerkannt hat, dass hier eine wirkliche Um- wandlung vorliege. Geh. Rath Nöggerath bezweifelt die Ansicht, dass der schwarze Glimmer in den Trachyten auf Kosten der Hornblende entstanden sei. Director Max Braun bemerkt, dass das Vorkommen der Blende am Wetternsee in Schweden ein ganz anderes ist, als das in unsern bekannten Gängen und Lagern der Rheingegend. In Schweden bildet die Blende Lagerstätten, welche dem Gneiss eingelagert sind, die mit gleichem Streichen und Einfallen den Gneissschichten auf bedeutende Ausdehnung und mit einer Mäch- tigkeit von 15—20 und mehr Met. folgen. Die Blende ist meist feinkörnig und immer mit mehr oder weniger Feldspath innig gemengt. In diesen Blendelagerstätten finden sich Aus- scheidungen von grünem Feldspath und von Quarz, der einzelne krystallinische Blende-Partien einschliesst. In unmittelbarer Berührung mit der Blende enthält der Gneiss eine Einlagerung von körnigem Kalk, welcher Granat, Pistazit und dünne Lagen von Wollastonit einschliesst. Parallel mit diesen Blende-Lagern findet sich ein Lager von Eisengranat, welches Glimmer und Cordierit enthält und ebenfalls dem Gneiss untergeordnet ist; ausnahmsweise findet sich auch hier etwas Zinkblende. Braun bemerkt noch, dass diese Erzlagerstätte nicht die einzige dieser Gegend Schwedens ist, und dass in ähnlichen Lagerungsverhältnissen Kobaltglanz, Kupferkies in quar- zigem Glimmerschiefer eingesprengt, vorkommen, und dass bedeutende Eisensteinlagerstätten in der Gegend bebaut werden. Alle diese Lagerstätten bilden demnach parallele von Nord nach Süd, oder Nord nach Südost streichende, den Schichten der krystallinischen Gesteine untergeordnete Lager, wovon das der Zinkblende wohl das wichtigste und um so interessanter sein mag, als dieses Vorkommen eigenthümlich und nicht mit unseren gewöhnlichen An- sichten über Erzbildung im Einklang zu sein scheint. Sir R. Murchison legte der Versammlung die Abbildungen vor, welche zu der erschei- nenden neuen Ausgabe seiner „Siluria@ gehören, und erläuterte die wichtigsten Fortschritte unserer Kenntnisse von den silurischen Gesteinen in den letzten drei Jahren. Er betonte, dass es jetzt bewiesen sei, sowohl durch physikalische als durch zoologische Thatsachen, dass die Bala- Schichten von Wales mit den Caradoc-Schichten identisch sind und ebenso über der 12 Liandeilo-Bildung liegen, in deren unterer Abtheilung vorzüglich in der Nähe der Stiper Stones viele neue fossile Arten entdeckt worden sind. Die Mehrzahl derselben wurde in zahl- reichen neuen Arten dargestellt. Dann wurde die Aufmerksamkeit gelenkt auf die Gruppe der Llandovery- Gesteine in Süd-Wales (mit Pentamerus oblongus), welche zwischen dem Unter- und Obersilur liegt, und mit beiden enge verbunden ist. Endlich wurden Abbildungen riesiger Crustaceen (Pterygotus) gezeigt, welche in den obersten .Silur-Schichten sich gefunden, und welche von Hrn. Salter in den Decades of the Geol. Survey veröffentlicht werden. Ch. St. Claire-Deville zeigt die von ihm angefertigte topographische Karte der Insel Guadeloupe vor. In der Mitte derselben hebt sich der Kegel der Soufriere hervor, von einem Erhebungskrater umgeben. Der letztere besteht aus Dolerit, der centrale Kegel aus einem Trachyt, dessen Feldspath sich in der chem. Zusammensetzung dem Labrador nähert. Die Soufriere ist ein erloschener Vulkan. Der Redner knüpft hieran (auf SirMurchisons Bitte) Mittheilungen über die. Vulkane Italiens und die Weise ihrer Wirkung. ' Er hält fest an der v. Buch’schen Lehre von der Erhebung, legt indess besonderen Nachdruck ‘auf das Etoilement. Vesuv und Aetna als Centralvulkane sollen die Schnittpunkte ausstralilender Spalten sein, in denen vulka- nische Thätigkeit hervorbricht. Die phlegräischen Felder, die Rocca monfina, der Lago d’Amsanto, Ischia u. a. Punkte sollen auf diesen Spalten liegen. Berghauptmann v. Carnall legt eine geognostische Karte von dem russ.-poln. Steinkohlen- gebirge und den darüber liegenden Formationen vor. Dieselbe ist von Hrn. Hempel bearbeitet und für Rechnung der kaiserl. russ. Regierung gestochen und herausgegeben worden; ihr Maassstab ist "/uu00, wobei sie ein grosses Detail enthalten konnte. Hierauf legt derselbe Redner die neue geognostische Karte von Niederschlesien: vor, woran seit JahrenBeyrich, Rose und Roth ge- arbeitet haben. Sie besteht aus 9 Sectionen, einschliesslich Titel und Farbentafel im Maassstabe von 1: 100,000. Ferner erläuterte Redner zwei grosse Profile, die im Sitzungssaale ausgehängt, die Lagerungs-Verhältnisse der Gebirgsmassen Niederschlesiens anschaulich machen. Director Nauck erstattet mit'Rezugnahme auf die von Prof. Blum angeregte Frage nach den Bedingungen, unter denen dasselbe Mineral an verschiedenen Fundorten mit ganz ver- schiedener Flächenausbildung vorkommt, Bericht über eine Reihe von Versuchen zur willkür- lichen, Erzeugung secundärer Flächen an künstlichen Krystallen. Derselbe beschrieb die von ihm angewandte Methode, durch welche er fand, dass der Flächenreichthum desto grösser wird, jelang- samer die Krystallisation von statten geht und erläuterte dies durch Anführung einiger Beispiele mit dem Bemerken, dass die auf diesen Gegenstand gerichteten Versuche fortgesetzt werden sollen. Prof. Ferd. Roemer theilte ‚die wesentlichen Ergebnisse einer Untersuchung des jurasischen Wesergebirges zwischen Hameln und Osnabrück mit. "Er machte besonders auf die sehr auffallenden Aenderungen, welche die einzelnen, den Höhenzug zusammensetzenden Glieder der Juraformation in ihrem Fortstreichen erleiden, aufinerksam. Zufolge einer solchen erscheint z. B. der Oxford in den westlichen Ausläufern der Kette als ein fester Quarzfels, der in dem Profil der Porta Westphalica als eine Schichtenfolge ganz loser an der Luft zerfallender sandiger Mergelschiefer entwickelt ist. Als durchaus eigenthümlich für das Wesergebirge und ab- weichend sowohl von dem Verhalten in anderen Theilen Norddeutschlands, als auch aller anderen Gegenden ist ferner das Auftreten von mächtigen Bünken braunen: Sandsteins, in dem vorzugsweise durch Exogyra virgula bezeichneten obersten Gliede, dem in Norddeutschland bisher gewöhnlich als Portland bezeichneten, aber richtiger Kimmeridge zu nennenden Gliede. Namentlich in der Nähe von Lübbecke und preuss. Oldendorf sind solche Einlagerungen von Sandstein deutlich zu beobachten. 113 5. Sitzung: Donnerstag, den 24. September. Tages-Präsident: Berghauptmann von Dechen. Es fand zunächst die allgemeine Versammlung dev Mitglieder der deutschen geologischen Gesellschaft statt. Das betreffende Protocoll ist bereits in der Zeitschrift dieser Gesellschaft, IX. 4. abgedruckt. Wir übergehen dieses Protocoll daher, in soweit es die innere Verwaltung der Gesellschaft betrifft, und entnehmen aus ihm blos den folgenden Schluss von allgemeinerem Interesse: Der Vorsitzende berichtete nunmehr über den Fortschritt der Arbeiten ander geologischen Uebersichtskarte von Deutschland. Die beiden Blätter, welche als Grundlage der Karte zu dienen bestimmt waren, wurden vorgelegt. Die Mittheilungen zur Ausführung des den österreichischen Kaiserstaat betreffenden Theils sind von Herrn Ritter v. Hauer dem vorsitzenden Herrn v. Dechen zugegangen; indessen erscheint es vor einer end- gültigen Colorirung der Karte nach denselben angemessen, in Erwägung der jetzt ungehenden Untersuchungen in den betreffenden Gegenden, sowie im Hinblick auf anderweitig noch in Aussicht stehende Resultate neuerer Untersuchungen mehrerer Gegenden, auch dieses weitere Material noch abzuwarten, um dann erst ein neues Exemplar der Karte zu zeichnen, welches die Grundlage für die Ausführung im Farbendruck abgeben würde. Es erscheint dies auch nothwendig, um die von dem Kupferstecher auszuführenden Arbeiten auf der topographischen Grundlage der Karte in der wünschenswerthen Weise vervollständigt zu erhalten. In Betreff Schlesiens wären überdies die neueren Arbeiten des Herrn v. Carnall, sowie der Herren Beyrich, G.Rose und Roth, in Betreff Sachsens des Herrn Ewald, Niederdeutschlands der Herren v. Strombeck, H. Römer u. A., zu erwarten, welche die heute anwesenden der ge- nannten Mitarbeiter ebenso zusagten wie die Revision und Reduction der für die verschiedenen Gegenden von ihnen gemachten Beobachtungen und Arbeiten. Da erst nach diesen Vervoll- ständigungen die Colorirung der ganzen Karte durch Herrn v. Dec.hen vorgenommen werden kann, so steht nicht in Aussicht, schon in der nächstjährigen allgemeinen Versammlung voll- ständig colorirte Exemplare der Karte vorliegend zu haben. Der Vorsitzende richtete noch an die Anwesenden das Ersuchen, Beiträge, welche für die Karte und deren Vollständigkeit von Nutzen sein können, zu liefern. Für die grossen Bemühungen, welche der Vorsitzende Herr v. Dechen bisher auf die Karte verwendet hat und ferner verwenden zu wollen zusagte, sprach die Versammlung dem- selben ihren wärmsten Dank aus. Berghauptmann v. Dechen spricht nach dem Schluss jener besonderen Verhandlung an Stelle des abwesenden Dr. Ewich über den Heilbrunnen im Brohlthal und seine Bedeu- tung für die Zukunft. Daran schloss er einen kurzen Bericht über die durch den Geh. Rath Prof. G. Bischof vor Kurzem aufgefundenen Thermen von Neuenahr bei Beuel im Ahrthal und die Geschichte ihrer Entdeckung. D.H.Abich sprach über die neue geognostische Karte von Europa von Dumont, soweit sie den Kaukasus betrifft. Prof. G. Rose legte das Werk des Hrn. v.Kokscharow in Petersburg „Materialien zu einer Mineralogie Russlands“ vor, welches sich durch genaue Messungen und Zeichnung der beschriebenen Mineralien auszeichnet, aber im Buchhandel nicht erschienen ist. Ferner ein Modell vom Zobtengebirge von Oscar Mitscherlich, auf welchem auch die geognostischen 15 114 Formationen nach den noch nicht bekannt gemachten Karten der Preussischen geognostischen Landesuntersuchung, namentlich nach den Beobachtungen des Redners eingetragen sind. General M. von Panhuys erläuterte eine von ihm als Officier des Generalstabes in den Jahren 1825 bis 1830 verfertigte geognostische Karte der ohngefähren Hälfte der Provinzen Hennegau und Namur, sowie auch eines sehr kleinen Theiles der Provinz Lüttich, und legte einen Durchschnitt zu dieser Karte vor. Er vertheidigte die vor ihm von Hrn. Boisnel aufge- stellte Ansicht, dass das grosse Steinkohlengebirge von dem Namurer Kalke vollkommen unab- hängig sei. Dagegen wies Referent nach, dass an der Grenze des Kalkes von Dinant und der südlicheren kleinen Steinkohlen-Mulden, die von diesem Kalke umgeben werden, ein wirklicher Uebergang von der einen Formation in die andere bestehe. Diesem Kalke gebühre jedenfalls die jetzt für den jüngsten Uebergangs-Kalk angenommene Benennung Steinkohlen - Kalk; während dieser Name, nach seinem Dafürhalten, dem viel älteren Namurer Kalk wohl nicht bei: zulegen wäre. Derselbe Redner äusserte den Wunsch, dass diese in geognostischer Hinsicht nicht un- wichtige Frage in nähere Erwägung gezogen werden möge. von Oarnall legte Stücke von dem Steinsalz aus den Schächten zu Stassfurt'bei Magde- burg vor und erläutert die Schichtenfolge der dortigen Ablagerung. Hauchecorne legte eine ausgezeichnete Pseudomorphose von gediesen Kupfer nach Rothkupfererz vor, in Krystallen von fast 2 Linien Grösse. Auf denselben hatten sich wieder sehr kleine Octaeder von Rothkupfererz gebildet. Dr. Otto Volger hielt schliesslich einen Vortrag über die Bildung des Kalksteins, ins- besondere wies er auf die Kalkstein-bildende Kraft der Thiere und der Algen hin und legte schöne Stücke vor, welche gleichzeitig die Thätigkeit von Pflanzen und Thieren bewiesen, indem sie theils aus verkalkten Algen, theils aus verkalkten Muscheln bestanden. 2. Sektion für Botanik und: Pflanzenphysiologie. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Tages- Präsident: Oberst Dr. v. Siebold. Professor ©. H. Schultz-Schultzenstein zeigt einige Präparate von. „Lebenssaftge- fässen“, in Glycerin aufbewahrt, unter dem Mikroskop vor und spricht über dieselben. Die Prä- parate, worunter besonders das der „Lebenssaftgefässe“ aus der Stipula von Freus elastica die Aufmerksamkeit auf sich zieht, zeigen dieselben als ein Netzwerk mit zahlreichen Anastomosen, ohne dass sich Zellen darin unterscheiden lassen, und waren durch Maceration in Wasser ge- wonnen. Die Dauer der Maceration ist für verschiedene Pflanzen verschieden, und es erfordert Aufmerksamkeit, um den Zeitpunkt aufzufinden, in welchem die Anfertigung des Präparats am besten gelingt. Bei einigen Pflanzen behalten die „Lebenssaftgefässe“ ihre natürliche Farblosig- keit, bei anderen werden sie im Laufe der Maceration braun. Die Pflanzen böten einen grossen Vortheil in der Darstellbarkeit der Gefässe vor den Thieren dar; es sei viel schwieriger ein Präparat von thierischen Oapillargefässen, als von vegetabilischen Lebenssaftgefässen zu machen. Der Grund, weswegen durch Maceration sich die Lebenssaftgefässe leicht darstellen liessen, sei der, dass sie eine grosse Contraktilität besässen und sich deswegen von dem sie umgebenden 15 Gewebe leicht ablösen. Bei den meisten Pflanzen biete erst die Maceration ein Mittel dar, sie genauer zu untersuchen. Nur bei einigen wenigen Pflanzen, wo sie sehr alt würden, liessen sie sich auch im frischen Zustande leicht zeigen, so bei den Cacteen und einigen Euphorbien (Buph. canariensis, purpurea). Die Lebenssaftgefässe seien keine Intercellulargänge: die In- tercellulargänge kämen überhaupt viel seltner vor, als man meine; nur bei Wasserpflanzen fän- den sie sich. Die Lebenssaftgefässe hätten drei Alterszustände, die der Vortragende mit beson- dern Namen belegt habe. In der ersten Altersstufe nenne er sie: vasa contracta; der Saft fliesse aus ihnen sehr leicht aus, da sie sehr kontraktil seien und die Wände noch nicht den höchsten Grad der Verdickung erreicht hätten; in den vasis contractis eirkulire der Saft am lebhaftesten. Die 2. Altersstufe bezeichne er als vasa expansa; die Wandungen seien viel dieker und zeigten sich bisweilen auf dem Querschnitte deutlich geschiehtet, so bei Euphorbia- ceen, und der Inhalt bewege sich nicht mehr so schnell als in den vasis contraetis. Die Lebens- saftgefässe seien keine Bastzellen, wie einige gemeint haben. Schon die Stelle, wo die Lebens- saftgefässe liegen, die z. B. in den Stipulis von Fieus elastica überall ein Netz bilden, beweise, dass sie keine Bastzellen seien, da diese in der Rinde lägen. Die Bastzellen hätten ferner keinen gekörnten Inhalt, wie die Lebenssaftgefässe; auch seien die ersteren weisslich und glän- zend und hätten geschlossene Enden, die bei den Lebenssaftgefässen nicht vorhanden seien. Verzweigte Bastzellen seien auch nicht mit den Lebenssaftgefässen zu verwechseln, denn die letzteren bildeten Netze mit Maschen, was weder die Bastzellen thäten, noch irgend eine andere Art von Zellgewebe. Die Lebenssaftgefässe seien nicht aus Zellen, die mit einander sich durch Anastomosen verbunden hätten, entstanden. Die Lehre von der Metamorphose der Zellen und Gefässe sei schädlich, weil man mit der Metamorphose der Form auch eine der Funktion an- nehmen müsste. Die Funktionen aber seien fest und an verschiedene Organe gebunden und ein Organ könne seine Funktion nicht wechseln. Dafür lieferten Bäume, denen man ringförmig die Rinde genommen habe, den besten Beweis, denn sie stürben. Wäre es richtig, dass ein Organ seine Funktion ändern könne, so müsste man in diesem Falle fordern, dass das Holz seine Funktion ändere, neue Rinde und Cambium an der geringelten Stelle bilde und dass der Baum fortlebe; was jedoch nicht einträfe. Die 3. Art von Lebenssaftgefässen seien die vasa articulata, diese seien die ältesten und gegliedert, indem das Gefäss sich hie und da einschnürt und Absätze bildet. Diese Absätze seien jedoch nicht mit Zellen zu verwechseln; es sei an einer Zusammenschnürung keine Querwand zu finden. Aus dieser 3. Art von Gefässen verliere sich im Alter der Milchsaft, sie würden dann leer und seien nun Bastzellen sehr ähnlich. In der 3. Art von Lebenssaftgefässen hat die Saftbewegung aufgehört. Die Haare der Pflanzen seien sehr merkwürdig gebildet; sie enthalten auch Lebenssaftgefässe, indem die Wand der Zellen der Haare doppelt sei und sich zwischen den doppelten Wänden die Milchgefässe befänden ; diese doppelte Wandung in den Zellen der Haare fehle nie; sie sei besonders schön bei den Campanula-Arten zu sehen; in den Haaren derselben könne man den Milchsaft sogar deutlich mit blossen Augen wahrnehmen; schneide man ein solches Haar durch, so trete der Milchsaft her- aus. Er habe sich jedoch vergebens bemüht das Netz der Lebenssaftgefässe aus den Haaren dar- zustellen; es liesse sich nicht herauspräpariren. Dr. Caspary bemerkt in Bezug auf einige von Prof. Schultz angeregte Fragen theils Bestätigendes, theils Verneinendes. Was die Hauptfrage anbeträfe, die Cirkulation in den so- genannten Lebenssaftgefässen, so sei nach den Untersuchungen von Treviranus, v. Mohl und And. die Sache als erledigt zu betrachten. Die in Rede stehenden Organe seien als Milchsaftge- fässe zu bezeichnen, indem sie höchst wahrscheinlich aus Zellen entständen, die mit einander 116 auf der Querwand anastomosirten, obgleich die Anastomose nicht immer einträte, sondern die Zellen bisweilen als solche Milchsaft führten; im letztern Falle sei von Milchzellen zu reden. Dass sie keine Enden besässen, müsse er entschieden in Abrede stellen; bei Euphorbia Tiru- call! habe er nach Maceration in chlorsaurem Kali und Salpetersäure die Milchgefässe isolirt und hie und da blinde Enden gesehen; im Rhizom von Nuphar luteum habe er die Milchsaft führenden Zellen nach Maceration in Wasser mit der Nadel isolirt und erkannt, dass sie Zellen sind, die nur 4—10mal so lang als breit sind und die eine deutliche Querwand zeigen. Ihre Dicke sei hier überall gleich. Er stimme Prof. Schultz daher darin bei, dass die Milchsaftgefässe und Zellen keine Intercellularräume seien. Ihre Wand bestehe aus Uellulose;. denn sie würde bei den isolirten durch Chlorzinkjod oder Jod und Schwefelsäure schön blau. Dass bei keiner andern Art von Zellgewebe innerhalb der Pflanze Anastomosen vorkämen, sei nicht richtig. Im Rhizom von Cyper«s Papyrus anastomosirten die porösen Gefässe nicht bloss auf der Quer- wand, sondern auch seitlich auf der Längswand, indem sie durch kurze hohle Aeste mit ein- ander verbunden seien. Dass die Lehre von der Metamorphose der Zellen in Gefässe schäd- lich sei, sei nicht möglich, denn sie sei wahr. Die Spiral-, Poren-, Tüpfel- und Leiter-Gefässe entständen zweifelsohne aus Reihen von Zellen, deren Querwand erst später durchbrochen würde und deren Seitenwand anfangs ganz einfach ohne Verdünnung und Verdickung sei. Am schönsten könne man die Entstehung der Leitergefässe aus Zellen in der Basis des Luftstamms von ÜUyperus Papyrus verfolgen. In den Milchsaftzellen des Blattstiels von Vietoria regia, die er nach Maceration in Wasser isolirt habe, hätte er die lebhafteste Molekularbewegung des kör- nigen Inhalts wahrgenommen, sonst habe er keine Molekularbewegung in den isolirten Milch- zellen bei Nuphar luteum und advena, Nymphaea alba, adorata, ampla und coerulea und bei Nelumbium speciosum gesehen. Was die Milchgefässe der Haare anbeträfe, so seien. das, was Prof. Schultz dafür hielte, ganz veränderliche Protoplasmaströmchen, deren Bewegung als Centralpunkt den Zellkern habe, wie diess die Haare der Stamina von T’radescantia sehr deut- lich zeigten, und weder diese Strömehen hätten Wandungen, noch sei eine doppelte Wand der Zellen vorhanden, wie hinlänglich ebenfalls von Andern dargethan sei. Es sei ferner nicht richtig, dass geringelte Bäume immer stürben; den besten Gegenbeweis liefern der berühmte Kastanienbaum von Fontainebleau, den Tr&cul zuletzt beschrieben habe, und selbst wenn solche Bäume stürben, so wäre damit nicht bewiesen, dass keine Metamorphose der Funktion der Zellen überhaupt existire. Dr. Carl Schimper hebt ebenfalls hervor, dass entrindete Bäume nicht immer sterben, Eine entrindete Aecsculus carnca hat im Garten von Schwetzingen sogar geblüht. In Heidelberg war 1827 eine ringsum entrindete Linde, welche fortwuchs. Ja es träte sogar ein, dass theil- weis entrindete Bäume wieder neue Rinden bilden und zwar indem von den Markstrahlen aus auf der Wundfläche Zäpfchen neu gebildeten Gewebes, das sich mit Rinde bedeckt, hervor- treten und allmählig die ganze Wunde mit neuer Rinde überziehen. Bei Leontodon Taraxacum bilde sich in der Wurzel oft jenseits der Rinde eine Holzschicht und darüber wieder Rinde. Professor v. Leonhardi erwähnt, dass auch bei Prag einige entrindete Bäume seien, die weiter fortlebten. Professor Schultz erwidert, dass die Rinde auf entrindeten Bäumen auf der Wundfläche nur dann von Neuem entstünde, wenn noch Cambium, welches er Periblastem nenne, auf. der- selben zurückgeblieben sei. Auch hinge die Neubildung der Rinde von der Jahreszeit ab, ın welcher der Baum entrindet sei. Oekonomierath Bronner bemerkt, dass es den Weinzüchtern wohl bekannt sei, dass 17 geringelte Rebstöcke nicht nur nicht stürben, sondern dass unfruchtbare durch den Ringelschnitt sogar fruchtbar gemacht würden. Auch bewirke der Ringelschnitt frühere Reife und grössere Trauben, aber sie seien doch von geringerer Qualität, als bei nicht geringelten Stöcken. Professor Hoffmann wendet dagegen ein, dass in Griechenland die Ringelung der Ko- rinthen verboten sei, weil sie nachtheilige Folgen habe. ÖOeconomierath Bronner spricht dann über die wilden Trauben des Rheinthals und ver- theilt einige Exemplare seiner Schrift „Die wilden Trauben des Rheinthales, von Oekonomierath Bronner. Heidelberg 1857.“ Der Vortrag wird durch grosse, nicht veröffentlichte Abbildungen der von Bronner unterschiedenen 36 wilden Traubensorten des Rheinthals erläutert. Ihre Blätter waren zum Theil in Naturdruck dargestellt. Der Vortrag lautete: Diese wildwachsende Schlingpflanze, welche in den Marschländern der grösseren Flüsse unseres südlichen Continentes an geeigneten Stellen so häufig vorkommt, hat schon früher meine besondere Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, weil sie (in das Gebiet der Oenographie gehörend) noch in keiner önologischen Schrift erwähnt, vielweniger speciell bezeichnet worden ist. Das häufige Vorkommen dieser Schlingpflanze, die zu Tausenden in den Wäldern des Rheinufers, wo Marschland ist, wächst, und zwar hauptsächlich in den Bezirken zwischen Mannheim und Rastatt hat mich besonders angesprochen, weshalb ich mich einer genaueren, viele Jahre hindurch andauernden Prüfung derselben unterzog, um die näheren Eigenschaften dieser unserer Waldbewohner genauer kennen zu lernen. Solche Beobachtungen erfordern Zeit und Jahre. Glücklicherweise wurden meine Bemühungen mit dem besten Erfolge gekrünt, denn ich habe Eigenschaften in ihnen aufgefunden, die bisher, so viel mir bekannt ist, noch von Niemanden aufgefasst worden sind. Auffallend ist es, dass die älteren Botaniker diesem Ge- genstande nie ihre Aufmerksamkeit zuwendeten und die Sache schlechtweg mit vitis vinifera bezeichneten, in dem nur zu allgemein verbreiteten Glauben, diese wilden Reben stammen noch yon den früheren römischen Ansiedelungen am Rheine her, die durch die Zeit verwildert seien, oder es seien Sämlinge von unsern zahmen Trauben, die eine andere Gestalt angenommen hätten. Erst Gmelin in der Flora badensis fasste den Gegenstand näher ins Auge, und führte darin an, dass die wilden Reben oft als getrenntes Geschlecht vorkämen, er beschrieb sie nach gewöhnlicher Art botanisch, und nahm sie als »itis sylvestris in seine Flora auf. . Die physio- logisch önologische Seite dieser Pflanze blieb ihm natürlich fremd, denn sie gehörte damals nicht in den Bereich seiner Forschungen. Alle später erschienenen Floren nehmen die vitis sylvestris als Citate von Gmelin auf, jedoch immer mit der Bemerkung, dass diese nur verwil- derte Trauben seien. \ Nachdem ich, wie bereits angegeben, die verschiedenen Varietäten dieser Pflanze erkannt, aufgesucht und gehörig bezeichnet hatte, nahm ich von jeder Sorte Schnittlinge, und pflanzte sie in meinen Garten, um ihren Culturstand zu beobachten. (Es waren 36 Sorten.) Im Jahre 1842 als einem sehr günstigen Weinjahre hatte ich die Freude, sie meistens mit den bestens ausgebildeten Früchten und in möglicher Reife zu sehen, wobei ich fand, dass viele ihren ur- sprünglichen Charakter durch die Kultur nicht abgelegt hatten, mehrere dagegen in einen solchen Kulturstand übergingen, dass ihre Früchte füglich in die Reihe der Weinbergs-Trauben aufgenommen werden konnten. Um die gelungene Production getreu zu erhalten, bestellte ich mir einen Maler, der die Früchte getreu nach der Natur in Form und Grösse malen sollte. Schon während der Blüthezeit nahm ich mir von jeder Sorte einen Zweig mit Blüthen, Blättern und Endspitzen, welche ich nach eigener Art, noch in grünem Zustande, als Naturdruck auf 18 einen Realbogen abdruckte, wodurch ich nicht allein von dem Ganzen richtige Conturen, sondern sogar jede Nerve und Zelle der Blätter so genau auf das Papier brachte, wie es nur die Natur zu geben vermochte; die Blätter und Spitzen wurden nun nach der Natur colorirt, so dass ich mit diesen und mit den Früchten das naturgetreueste Bild meiner Reben erhielt. Hierauf beschrieb ich nach genauer Diagnose jede Sorte botanisch, entwarf mir ein eigenes Erkennungssystem auf Blüthenbau und Fruchtbildung gegründet, und versah jede Sorte mit einem angemessenen lateinischen Namen. Bei genauer Untersuchung des Blüthenstandes dieser Waldbewohner fand ich drei ver- schiedene Formen. - 1) Ein grosser Theil der vorkommenden Reben zeigen einen blos männlichen Blüthenstand, ohne befruchtungsfähige Narbe, die sonst den Staubfäden als Basis dient, deren Stelle aber hier ein gelbes Honigbehältniss vertritt, woran die Staubfäden sitzen. Der Rebstock bringt eine überschwängliche Menge von Blüthensträussen von mehreren Zoll Länge, die mit ihren langen gelben Staubfäden und aufsitzendem Staubbeutel einer kleinen Glasbürste ähnlich sehen und dabei einen sehr angenehmen Geruch verbreiten. In Blattform zeigen die verschiedenen Rebstöcke ebenfalls Verschiedenheit, so dass es den Anschein hat, als seien diese zur Befruchtung der ihr bestimmten Sorte angewiesen, 2) Ein anderer Theil der vorhandenen Reben hat genau den Blüthenstand, wie unsere zahmen Reben. Es sind Zwitter mit lang vorstehenden gelben Staubfäden und Staubbeuteln und einer befruchtungsfähigen Narbe, die Blattformen weichen auch wenig von unseren ab und nur die Früchte haben andere Form und anderen inneren Gehalt, viele sind sauer, oft ganz ungeniessbar. 3) Der bei weitem grösste Theil unserer Waldreben hat dagegen einen ganz eigenthüm- lichen Blüthenstand, der von den zwei bereits aufgeführten völlig abweicht. Wenn man nämlich von diesen in einiger Entfernung eine blühende Blüthentraube sieht, so glaubt man, die Blüthen seien noch unentwickelte Knospen, die gewöhnliche Blüthendecke, die losgeschobene Blumenkrone oder die sogenannten Käppchen seien noch nicht abgeworfen, wie dies bei unsern zahmen Reben beim Blühen der Fall ist; allein dem ist nicht so, bei näherer Betrachtung wird man sogleich enttäuscht und man sieht gleich, dass diese ebenfalls mit den andern Reben blühen, nur unter andern Umständen. Bei der gewöhnlichen Traube stossen die sich entwickelnden Staubfäden, die sie um- schliessende fünftheilige Blumenkrone an der Basis des Fruchtbodens los, die dann bei der Ausstreckung der Staubfäden zu Boden fällt. Bei unseren wilden Reben verhält es sich anders, die Staubfäden, die um die Hälfte kürzer sind als bei den zahmen, stossen die Decke ebenfalls los, allein dass sie sich gerade ausstrecken wie eine Bürste, ist hier nicht der Fall, sondern wie die Staubfäden entblösst sind, biegen sie sich schnell zurück unter die Basis des Fruchtbodens, wo früher die Blumenkrone angewachsen war, sie sind nur, wie der Botaniker sich in der Kunstsprache ausdrückt, wirkliche Stamina recurvata, während die zahmen nur Stamina ereeta haben. Bei erster oberflächlicher Betrachtung glaubt man, die Staubfäden 'seien bereits abgefallen, indem das nackte Beerchen mit seiner Narbe blos dasteht, untersucht man aber die Sache näher, so findet man, dass die trocken scheinenden Staubbeutel unter den Rand des Fruchtbodens sich versteckt haben, gleichsam als schämen sie sich ihrer Impotenz. Es ist nun die Frage aufzuwerfen: 1) Warum verbergen sich die Staubbeutel so schnell unter den Fruchtboden ? EEE > 19 2) Haben sie'ihr Befruchtungsgeschäft im Momente ihrer Entwiekelung verrichtet, noch ehe sie zurückgetreten sind? Oder 3) sind sie nur sterile Körper, die eine gewisse Form erfüllen, ohne selbst befruchtend sein zu können, wie man dies bei vielen Syngenesisten antrifft? Diese Staubfäden sehen auch nie saftig, sondern mehr vertrocknet aus, gleichsam als ob sie keiner Zeugung fähig wären. 4) Oder haben vielleicht die männlichen Pflanzen nur allein das Befruchtungsrecht ‚auszu- üben auf diese vermeintlichen Zwitter? Dies näher zu erforschen, habe ich, durch Zeitverhältnisse gehindert, bis jetzt unterlassen. Ein Pflanzenphysiolog mag später meine bisherigen Forschungen und Erfahrungen ver- folgen und diese bis jetzt dunklen Verhältnisse ins Klare bringen. Ebenso möchte er bestimmen, ob nach der Linn&’schen Qlassification die wilden Reben in die fünfte Klasse (mit fünf Staubfäden) oder in die 22. oder gar 23. Klasse gehören ; jedenfalls ist es nur allzu wahrscheinlich, dass die männlichen Blüthen die Aufgabe haben, diese sterilen Zwitter zu befruchten, denn zu welchem Zwecke sollten sie vorhanden sein? Die fruchtbaren Zwitter, wie unsere zahmen Reben bedürfen bekanntlich keiner männlichen Reben zur Befruchtung. Um den ganzen Complex meiner Sammlung, die aus 36 verschiedenen Sorten besteht, in eine gewisse Ordnung zu bringen, habe ich wir, ein eigenes kurzes System entworfen, wonach ich dieselben eintheile. Die männlichen Pflanzen habe ich dabei ganz ausser Acht gelassen, weil ich sie nur für Coadjutoren von untergeordneter Bedeutung halte. Ich habe deshalb nur die zwei Formen der Zwitterblüthen in meinen Bereich gezogen und diese als Basis für mein System angenommen, das ich in einer eigenen Schrift über die wilden Trauben ausführlich beschrieben habe und dieselben mit bezeichnenden lateinischen Namen versehen. Hierbei muss ich folgendes bemerken: Nicht eine Traube habe ich gefunden, die mit einer Sorte unserer zahmen Trauben zu vergleichen wäre. Dies ist wohl der sprechendste Beweis, dass sie nicht aus Samen unserer zahmen Trauben gefallen sind, denn wäre dies der Fall, so müssten unter Tausenden doch welche der Mutterpflanze ähnlich sehen. Findet sich auch einmal eine Blattform, die unseren zahmen ähnlich ist, so ist die Traube wieder himmelweit von @er zahmen Traube verschieden, die eine ähnliche Blattform hat. So habe ich eine Blatt- form, die dem Habitus des Traminers aufs Haar ähnlich ist, und jeder, der den Rebstock siehet, erkennt an ihm einen Traminer, sogar die Spitzen sind wie Traminer röthlichweiss, allein die Traube ist ganz schwarz. Ich habe sie desshalb auch Gokia erescentifolia genannt, indem der Traminer von Burger in Oesterreich erescentia nobilis benannt wurde. Betrachten wir die habituellen Formen der ganzen Collection , so finden wir eine ausser- ordentliche Mannigfaltigkeit in Blatt, Blüthen, Früchten und Geschmack derselben. Im ersten Anblicke hält man sie für zahme Reben, bei genauerer Betrachtung aber siehet man gleich, dass man ein anderes Ding vor sich hat; gehet man ein Bisschen ins Detail ein, so überzeugt man sich gleich, dass man eine andere Pflanze vor sich hat. Glaubt man den Stock am Blatte zu erkennen, so ist die Traube ganz verschieden, und dünkt man sich eine bekannte Trauben- form zu finden, so zeigt sich Blattform und Blüthenstand von der gehofften wieder ganz ver- schieden. In der Regel sind die wilden Trauben meistens schwarz, nur drei weisse habe ich unter so vielen Tausenden gefunden, wovon die eine ganz sauer, die andere ziemlich süss, die dritte 120 aber eine köstliehe Traube war. Die zwei ersten haben zottliche Trauben mit kleinen läng_ lichen Beeren. Die dritte ist eine gedrungene mittelgrosse Traube mit runden Beeren, die in ihrer vollen Reife ganz gelb und sehr süss sind, und einen unverkennbaren Geschmack nach Orangeblüthe haben, weshalb ich sie auch Orangetraube, und im Systeme Zaehringia nobilis, unserem Zähringer Stamme zu Ehren benannte. Die übrigen Sorten sind alle schwarz, und nüaneiren vom Rothblauen bis zum dunkelsten Schwarzblau. In Form der Traube und der Beeren sind sie ebenfalls sehr verschieden. Manche sind ganz klein, nur 1 bis 2 Zoll gross, andere von 2 bis 3 Zoll, und einige haben sogar 4 bis 5 Zoll Länge, so dass sie sich ganz unseren zahmen Trauben nähern. Die Form der Blätter ist eben so verschieden wie die Trauben selbst. Wir treffen hier die tiliaefolia mit ganz ungetheilten Blättern, welche Form oft bei ver- schiedenen amerikanischen Traubensorten vorkommt, bis zur Zertheilung des Blattes in sieben Lappen und grossen Blattbuchten. Eine Form, die bei zahmen Trauben noch nie vorgekommen ist. Dann haben wir wieder die Form des geschlitztblättrigen Gutedels (aber mit schwarzen Trauben). Andere Blätter sind ungetheilt und unbewehrt. Das Blatt ist fast nierenförmig, aber die Blattränder sind eingebogen, wie bei manchen Pflanzen die Blattläuse eine solche Einbiegung hervorrufen, andere Blätter sind kaum 3lappig bis zu der ausgedrücktesten 5lappigen Form. Manche haben tiefe Buchten zwischen den Lappen, andere haben gar keine Buchten. Von manchen sind die Blattränder fast unbewehrt, manche haben stumpfe, manche scharfe Zähne, wovon die eine Noachia macrophylla mit grossem Blatte und auffallenden Zähnen bewaffnet ist. Die sämmtlichen Reben habe ich mit vielem Zeitaufwande, in den Marschländern des Rheinthales selbst gesammelt, wozu mehrere Jahre verwendet werden mussten. Dann musste ich mir die Blindreben von allen Sorten sammeln, diese hierauf in der Rebschule zu zwei- jährigen Wurzelstöcken erziehen, und dann erst sie neben einander in einem Garten verpflanzen, um eine vergleichende Uebersicht mir zu verschaffen. Erst nach 5 Jahren Erziehung und Cul- tivirung im Garten durch passenden Schnitt wurde ich in Stand gesetzt, reife Früchte zu be- kommen, die ich mir durch einen Maler nach der Natur zeichnen und malen liess. Blätter, Blüthen und die Blüthen-Stengel mit ihren Blättern habe ich selbst nach der Natur so genau abgedruckt, dass nicht allein die Contouren der Blätter und Zweige, sondern die kleinste Blatt- nerve, die Traube und alles so in natürlicher Grösse abgebildet ist, wie sie nur die Natur selbst zu geben vermag. 2 So habe ich mir eine Collection der wilden Reben in einem grossen Realfoliobande ver- schafft, wie sie nirgends existirt, zumal diesen Gegenstand so noch Niemand aufgefasst und in Betracht genommen hat. Hierbei muss ich noch einschalten, dass die jungen wilden Trauben mit langen Staubfäden mehrfach eine günstigere Oultur annehmen, als die mit den kurzen Staubfäden, welche meistens ihren wilden Charakter beibehielten. Ich komme nun zu einer wichtigen Aufgabe, die in mehrere Abtheilungen zerfällt, nämlich I. Den hier allgemein verbreiteten Glauben zu widerlegen, dass die am Rheine vorkom- menden wilden Reben noch von alten römischen Ansiedelungen am Rheine herstammen.- I. Den Glauben zu bekämpfen, dass unsere allgemeinen deutschen Weinbergstrauben von Asien über Griechenland nach .Italien gewandert, und von da durch die Römer nach Deutschland verpflanzt worden seien. IM. Darzuthun, dass die meisten unserer Weinbergstrauben Kinder aus eigener oder 121 nahe gelegener Umgebung sind, und nicht aus südlicheren Gegenden abstammen, wie so viele Autoren bisher sich nachgeschrieben haben. Bisher war in unserer Gegend allgemein der Glaube vorherrschend,, die in der Nähe der Rheinufer sich vorfindenden wilden Reben seien noch Rückbleibsel früherer römischer Ansied- lungen, wo Trauben erzogen worden seien, diese hätten sich nach und nach verwildert, und seien so als unsere Waldbewohner eingepflanzt worden. Wer mit einiger Unbefangenheit die Sache auffasst, wer die Beschreibung der vorhan- denen wilden Trauben mit einiger Aufmerksamkeit lesen wird, der wird schon im ersten Augenblicke von solchem Glauben abstehen. Man glaube doch ja nicht, dass ein Gewächs wie der Rebstock sich im Laufe so vieler Jahre so deformire, dass er sogar seine Inflorescenz, seine Zeugungsverhältnisse verändere. Wer freilich dem alten Glauben fröhnt, dass unsere europäischen Trauben von Asien herüber gebracht worden seien, dem ist nicht zu verdenken, wenn er sich solchen Ansichten anschliesst, denn wo sollten sonst die Waldreben herkommen? in einem Klima konnten doch keine Trauben gedeihen, das früher so rauh war, dass es nur Bären und Wölfen zuträglich sein konnte? Es ist nämlich noch allgemein der Glaube vorherrschend, Deutschland, als es noch mit Wald bedeckt war, habe ein rauhes unfreundliches Klima gehabt, im Vergleiche zu unserem jetzigen, das durch Lichtung der Wälder, durch Cultur ete. weit gemässigter geworden sei. Letzteres will ich noch zugeben; allein dass früher unser Klima rauher und kälter war, das widerlegen Thatsachen, die nicht zu verkennen sind. Fassen wir die Geschichte unseres Erdballes ins Auge, so gibt uns die Folgenreihe der allmähligen Erkältungen der Oberfläche die deutlichsten Winke, dass ein allmähliges Abkühlen unserer Oberfläche stattfinden muss. Wir wollen die ersten Perioden unserer Erde übergehen, wo Feuer und Wasser im mäch- tigen Kampfe standen, und wollen auf die Perioden der Vulkane übergehen, die alle jetzt er- loschen und erkaltet sind. Sicherlich muss zu jener Zeit ein weit wärmeres Klima geherrscht haben, indem viele Thiere des Südens bei uns einheimisch waren, die jetzt nicht mehr bei unserer Temperatur leben könnten. Beweise davon sind die Ueberreste des Mammuth,, die man so häufig längs dem Rheinstrome noch nahe an der Oberfläche in unseren Gegenden findet. Dass sie hier gelebt haben, beweiset der Umstand, dass man noch ganz vollständige Gerippe dieses Thieres vorgefunden hat. Verlassen wir jene Periode, nach welcher die Vulkane allmählig erloschen sind, durch- gehen wir im Fluge die Veränderungen auf unserem Erdballe während vieler Jahrtausende, in welchen eine neue Schöpfung begann, und nehmen wir für unseren Zweck unseren Aus- gangspunkt auf mehrere Jahrhunderte zurück, wo im tiefen Norden Weinbau getrieben wurde, während man heute keine Spur mehr davon siehet, und kaum mehr eine Traube reif wird. Dort findet man in alten Lagerbüchern Distrikte auf Gemarkungen mit Reben bepflanzt, wovon man heute keine Spur mehr findet. An anderen Orten triiit man auf Benennungen, die deutlich genug ‚anzeigen, dass da vor Jahrhunderten Weinbau getrieben wurde. Dieser Uebergang ziehet sich bis in neuere Zeit deutlich genug von Norden her gegen die südlichere Weingränze. Wir finden nämlich an der Elbe, an der Saale, am Main, am Neckar noch eine Menge Stellen, theils im waldigen Gebüsche, theils in sterilem Zustande, eine Menge terrassirter Stellen, die alle vor Jahrhunderten mit Reben bepflanzt waren, die aber verlassen worden sind, weil sie kli- matischer Verhältnisse wegen keinen Ertrag mehr lieferten. Sie sind alle bemooste Zeugen einer günstigeren Periode des Weinbaues als der jetzigen; denn damals gab es Wein genug 16 122 und in grosser Fülle, weil es jedes Jahr Wein genug gab, und nicht wie jetzt 7 und sogar 10 Fehljahre dazwischen treten. Damals bauete man die Weinberge nicht so sorgfältig wie jetzt, wo man die Güte der Trauben nach dem Quadrate der Entfernung vom Boden bemisst, man wendete keine Bodenmischungen an, um Fruchtbarkeit hervor zu bringen. Die Rebe wuchs von selbst freudig und fruchtbar heran, weil das Klima ihr günstig war. Gehen wir auf 50, auf 100 Jahre zurück, welche Masse von Weinbergen traf man dain Ebenen und auf Bergen an, die jetzt alle verschwunden sind. Damals waren sie noch nützlich, weil sie fast jedes Jahr Wein brachten. Man denke sich nur die alten Herrschaftskeller mit ihren Fassriesen, die jedes Jahr nur mit Zehentwein gefüllt wurden, sie sind die besten Zeugen damaligen Wein- Ueber- flusses. Fast jeder Bauer hatte seine Fässer im Keller, die gefüllt wurden. Kam die Zeit des Weinablasses, so wurde die Nachbarschaft und jeder Vorübergehende eingeladen in den Keller zu kommen, zu trinken, und einen Imbiss zu nehmen. Man erinnere sich nur an den früheren ungeheuren Verbrauch des Weines bei Kindtaufen, Hochzeitsfesten, bei Begräbnissmahlen, bei Kauf und Verkauf als Weinkauf, bei Versteigerungen, welche Masse Wein wurde da verbraucht. Ja vor mehreren Jahrhunderten war oft solcher Ueberfluss an Wein, dass man beim Bauen den Kalk damit ablöschte, im Glauben, der Mörtel werde dauerhafter. So geschah es nicht selten, dass man 2 bis 3 Ohm Wein für ein Ohmfass gab, nur um den neuen aufheben zu können.*) Diess ist jetzt alles anders, der Bauer verkauft seine Fässer, weil er keinen Wein mehr bekommt, und desshalb sie nicht mehr braucht als höchstens zu Obstwein. Er ladet keine Nachbarn mehr ein, weil er nichts mehr zu spenden hat. Wir schen also aus dem Ange- führten, dass unser Klima in Bezug auf den Weinbau sich allmählig mehr verschlimmert, finden aber auch damit den Beweis, dass früher unser Klima günstiger und wärmer gewesen sein muss, wenngleich Tacitus — ein Südländer — der die Culturverhältnisse Deutschlands beschrieb, unser Klima als sehr rauh und wild darstellte. Dem Südländer musste natürlich unser Klima unfreundlich vorkommen, und er vermuthete sicher nicht, dass in solchem Klima Reben wachsen würden, wie es doch damals der Fall gewesen sein muss. Ich gehe nämlich von der Ansicht aus, dass unsere wilden Reben nichtaus den Samen unserer cultivirten Reben hervorgegangen seien, sondern, dass sieKinder unserer Flora sind, und dass sie als natürliche Schlingpflanzen unserer Vegetation angehören und von jeher angehört haben. Wenngleich Tacitus sie nicht unter seinen Waldbewohnern aufgeführt hat, so ist diess kein Beweis, dass sie nicht seiner Zeit existirten. Linn € hat ebenfalls das Pflanzenreich beschrieben, wollte man aber behaupten, die Pflanzen, die nach Linn& entdeckt wurden, seien zu seiner Zeit nicht da gewesen, so würde man sich eines grossen Unsinnes schuldig machen. Dass unsere wilden Reben nicht aus den zahmen entstanden, deren Samen durch Vögel oder Menschen in die Wälder getragen worden seien, widerlegt sich schon dadurch, dass die Stellen, wo diese wachsen, oft mehrere Stunden von den Rebbergen entfernt sind, während man in den an die Rebberge anstossenden Wäldern gewiss keine wilde Rebe finden wird, wo doch sicher Vügel und Menschen schon oft deren Samen abgesetzt haben. Wohl trifft man manchmal verwilderte Trauben an, die etwas kleiner als die der Weinberge sind, die aber immer ihren ursprünglichen Charakter beibehalten; solche findet man gewöhnlich an den Weinberge begränzenden Hecken. Nimmt man davon Reben zum Einlegen, so erhält man die ursprüngliche Sorte wieder. *) Siehe Stolz über den Rebbau im Elsass. R3 Eben so verhält es sich mit den Samen-Reben. Pflanzt man diese aus Samen, so erhält man immer Pflanzen derselben Sorte, die man ausgesäet hat. Dass die wilden Reben nicht aus den Samen der zahmen erzeugt werden, erhält auch seine Bestätigung dadurch, dass erstere nur auf dem ihr von der Natur angewiesenen Stand- orte vorkommt, während an der Saale, am Main, am Neckar, an der Tauber etc., wo doch seit 500 Jahren Reben gepflanzt werden, und während welcher Zeit doch schon manche Gelegen- heit sich darbot, fortgepflanzt zu werden, gewiss keine wilde Rebe gefunden wird, und zwar weder am Ufer noch in den Höhen. Warum findet man denn von Mannheim abwärts bis nach Düsseldorf keine wilden Reben mehr, da doch längs dem Rheine von Worms bis nach Bonn so viele Reben gepflanzt sind. Aus allem diesem geht hervor, dass unsere wilden Reben Kinder unserer Vegetation sind, denen die Natur ihre besondern Standorte angewiesen hat, wie es bei so manchen Pflanzen der Fall ist. Nicht ohne Gründ entstand schon bei den Alten das Sprichwort: Quaelibet terra plantam suam alit, zu deutsch: „Jeder Boden trägt seine eigenthümliche Pflanze.“ (Auffallend bleibt es aber immer, dass die wilde Rebe nur die Marschländer der Flüsse bewohnt, während die zahmen mehr an den Hügeln gedeihen, worauf auch das lateinische Sprüchwort Virgils hindeutet: Bacchus amat colles. 'Dieses Verhältniss des Standortes findet auch in allen Welttheilen statt, worauf ich später zurückkommen werde. Ich will nun das Rheinthal verlassen, und auf andere Länder übergehen, wo ich theilweise selbst als Augenzeuge das Vorhandensein wilder Reben bestätigen kann. Gehen wir an die Donau, so finden wir schon in Vorder- Oesterreich viele wilde Reben an deren Ufern. Unterhalb Wien gegen Pressburg sichet man wieder viele derselben. Jaquin hat schon in österreichischen landwirthschaftlichen Annalen darauf hingewiesen, dass es auf den Donau -Inseln eine Menge wilder Reben gebe, welche kleine schwarze Trauben trugen, allein nıan würdigte sie sonderbarer Weise keiner weiteren Aufmerksamkeit. Von Ofen gegen das Banat und Siebenbürgen hin treten die wilden Reben sehr häufig hervor, und es giebt sehr viele an der Theiss. Besonders stark vertreten fand ich sie an den Ufern der Save, wo sie an der Gränze von Croatien sehr zahlreich anzutreffen sind. Ferner traf ich an der Etsch in Tyrol gegen Verona hin ganze Strecken mit wilden Reben übersponnen, die sich über niederem Gesträuch von Rus cotinus (unser Perrückenbaum), und über wilde Feigen, die daselbst häufig wachsen, hinzogen. An der ganzen Thallinie von Meran bis Roveredo, Trient und weiter hinab sah ich keine wilden Reben, erst wo die Etsch das Ge- birge verlässt und ein ebenes feuchtes Land, Marschland durchziehet, da wachsen die wilden Reben in grosser Fülle. Crescentius, der im 13. Jahrhundert in Bologna in Italien lebte, und ein umfassendes Werk über die italienischen Trauben schrieb, berührte auch in seinem Werke, dass er viele wilde Reben gefunden hätte. Sonderbarer Weise berührte er sie nur vorübergehend, ohne sich um die näheren Verhältnisse dieser wilden Wesen zu bekümmern, wie es bis heute noch allenthalben der Fall ist. Während dieser Schriftsteller mit aller nur möglichen Sorgfalt die eultivirten Trauben beschrieb. Nicht weniger fruchtbar an wilden Reben sind die Ufer der Saone in Frankreich, welche Burgund durchziehet, dort siehet man im Herbste die Ufer stellenweise ganz mit rothen Blättern bedeckt. 124 Wie viele Flüsse, die ich bei meiner Bereisung von Frankreich nicht zu Gesicht bekam, mögen an ihren Ufern Reben bergen, die bisher unbetrachtet geblieben sind. Wie reich an Reben mögen nicht die Flüsse in Spanien und Portugal sein, wo ohnehin das Klima deren Fortpflanzung begünstigt. Wer aber hat sich noch je um diese entarteten Gewächse bekümmert? Selbst Clemente Roxas, der das classische Werk über die spanischen Traubensorten schrieb, und sich durch seine genauen Beschreibungen der 110 Trau- bensorten Spaniens einen unsterblichen Namen verschaffte, widmete den daselbst häufig vor- kommenden wilden Reben keine schriftstellerische Aufmerksamkeit, obgleich er sie als prä- existirend anerkannt, und sehr die Ansicht der Botaniker bekämpft, die nur eine »itis vinifera annehmen und alle andern Erscheinungen und Vorkommnisse als Naturspiele erkennen. Desshalb sagt er auch in dem angeführten Werke „Die wenige Aehnlichkeit der wilden Reben von Algaida mit den angepflanzten des Landes schliessen die Idee aus, däss die ersten Kerne aus nachbarlichen Weingärten in einer minder entfernten Zeit durch Vögel, Menschen oder durch andere bekannte Vermittelung hierher gebracht worden seien.“ Verlassen wir Europa, wo noch so Vieles verborgen liegt und so Vieles noch unbekannt ist, was den späteren Generationen zu erforschen vorbehalten bleibt, und wenden wir unsern Blick in die neue Welt, wo noch die Thüren mit aufgesperrten Flügeln für uns ‘offen stehen. Welche Massen von wilden Reben finden sich da nicht an den Flüssen Nordamerikas, wo bereits so viele unserer deutschen Brüder ihre Heimath gefunden haben. Auffallend ist es, dass die dortigen Reben ganz andere Charaktere haben als unsere Reben, sie sind eigenthümlicher Art, so dass sie nicht die entfernteste Aehnlichkeit mit den Euro- päischen Reben haben, und doch sind es Reben, die oft schr gute und geniessbare Früchte liefern. Gerade dieser Umstand ist ein Beweis für meine Behauptung, dass es überall wilde Reben gibt, die als Kinder ihrer Vegetation ihre klimatische Eigenthümlichkeit haben. Von allen Staaten der älteren Union besitzen wir bereits Exemplare ihrer Waldreben, die uns nur mit Bewunderung erfüllen, weil sie so ganz abweichende Formen und Charaktere von den Trauben des alten Continentes zeigen. Sind diese wohl auch vom Öriente dahin gebracht worden? Aber nicht allein Nordamerika, sondern auch Südamerika birgt an seinen Flüssen wilde Reben. Gerstäcker, welcher von Buenos-Ayres durch die Pampas über die Cordilleren nach Chili und Californien reiste, gibt in seinen Reiseberichten an, dass in Chili viele wilde Reben an dem Hauptflusse des Landes wachsen. Von Californien berichtet er, dass er den Sacramento hinaufgefahren,, wo er stellenweise am Ufer unter einem wahren Laubdache von wilden Trauben gefahren sei, welche das Gebüsch am Ufer ganz übersponnen hatten. Diese wenigen Belege für meine Angabe, die ich bis jetzt gewinnen konnte, beweisen mir zu deutlich, dass fast auf der ganzen Welt die wilde Rebe verbreitet ist. Sogar an dem Flusse Amur ‘im südlichen Sibirien, wo Russland in neuerer Zeit bedeutende Werfte und Befesti- gungen aufführen lässt, tragen, nach Zeitungsnachrichten über die dortigen Verhältnisse , die Ufer ‘bedeutende Mengen wilder Trauben. " Dass also die wilden Trauben nicht durch Menschenhände fortgepflanzt oder verbreitet wurden, beweist zur Genüge ihr allseitiges Vorkommen, und zwar an Orten, die nie ein mensch- licher Furss betreten hatte. - Nach allen Traditionen sollen die Phönicier die ersten gewesen sein, welche die Weineultur 125 nach Griechenland, nach Italien, nach Spanien und nach Afrika, besonders nach der jetzigen Provinz Algier gebracht haben. Folgerecht müssen sie auch die Traubensorten des Orients dahin gebracht haben, und folge- recht müssten auch in diesen Ländern gleiche Traubensorten sich vorfinden, denn der Weinstock verändert auch in Jahrhunderten nicht seine Eigenschaft, er bleibt immer dieselbe Sorte, zumal er nur durch Schnittlinge, nicht durch Samen fortgepflanzt wird. Wie erklärt es sich aber, dass bei der Beständigkeit’der Rebe sich nicht zu verändern, dennoch in jedem Lande verschiedene und so vielartige Traubensorten anzutreflen sind, und auch nicht ‘gedeihen, ebenso wie die letztgenannten im erstgenannten nicht gedeihen. Z. B. die Traubensorten von Griechenland sind sehr verschieden von denen Oberitaliens, und diese wieder von denen Sieiliens. Die Trauben des Jura und die des Rhonethales sind sehr ver- schieden von denen des südlichen Frankreichs und diese sind wieder ganz andere Trauben als die von Bordeaux und der Charente, so dass man mit einigen Ausnahmen in. dieser Provinz keine Trauben der andern Provinz findet, und umgekehrt in dieser keine Traubensorten der andern antrifft. Auch in Spanien ist derselbe Fall, wo in den nördlichen Provinzen andere Sorten gebaut werden als in den südlichen. Pflanzt man eine Rebsorte aus einer andern Provinz in diese oder jene Provinz oder in dieses oder jenes Land, so gedeihen mit wenigen Ausnahmen die Reben nicht; sie wachsen wohl, bringen auch anfangs gedeihliche Früchte, allein dies hört bald auf, die Früchte be- kommen nicht die gewünschten Eigenschaften, sie werden allmählig unfruchtbar, und prospe- riren nicht, d. h. sie entsprechen nicht ihrem Zwecke, sie fühlen sich nicht heimisch in anderem Klima und anderem Boden, und nach Verlauf von Jahren, oder durch Frost oder zu viele Hitze gehen sie wieder aus, ohne nutzbringend gewesen zu sein. Jch habe mir aus allen Gegenden des südlichen Frankreich, Spaniens und Italiens Reben kommen lassen, und sie hier verpflanzt. Sie bringen wohl Blätter und Stengel, aber nur wenige Trauben, die ganz 'entartet sind, und bei weitem nicht den Charakter ihres Heimathlandes an sich tragen, folglich für uns unbrauchbar sind. Dass südliche Reben in nördlicheren Gegenden nicht gedeihen, ist wohl 'einleuchtend, wenn aber Rebsorten von zwei in Klima sich gleich- stehenden Ländern nicht gedeihen, dann ist es wirklich auffallend, und spricht deutlich genug für die Annahme, dass die meisten Rebsorten ihrem eigenen Vaterlande angehören, in dem sie geboren sind. So hat Oesterreich 4 eigenthümliche Rebsorten, die wir in Deutschland nicht kennen, die aber ohne Zweifel Kinder der Donauufer sind, welche Burger ganz richtig mit, folgenden Namen bezeichnet hat. 1) Plinia rubrivenna — der Rothgipfler in Vorder- Oesterreich, 2) Plinia austriaca — grüner Muskateller in Vorder- Oesterreich, 3) Virglia austriaca — die weisse von Grinzing bei Wien, 4) Herera austriaca — der rothe Zierifandler bei Vöslau. Ich lernte diese Rebsorten bei meiner Bereisung von Oesterreich genauer kennen, und war sogleich bedacht, eine Anzahl Reben dieser Sorten kommen zu lassen, um-sie auf meinem Weingute zu verpflanzen. Besonders hoffte ich sehr vielen Nutzen aus’ der Plinia austriaca zu ziehen, weil ich sie an Ort und Stelle in solcher Fruchtbarkeit sah. Mit, den. besten Hoft- nungen sah ich der Zeit entgegen, wo die Tragbarkeit eintreten. werde. Wer wird. nicht staunen wenn ich sage, dass ich in’ 10 Jahren noch keine Traube davon zu schen. bekam, und dass ich’ nach‘ 10 Jahren kaum noch einen Stock davon hatte, weil. alle. kränkelnd | dahin 'ge- storben sind. Giebt uns dieser Fall nicht den genügenden Beweis, dass diese Traubensorten nur in ihrem Vaterlande fortkommen, und dass das Sprüchwort wahr ist: Quaelübet terra plantam suam alüt. Wenn also jede. Gegend ihre eigenthümlichen Rebsorten hät, die nur in ihrer Gegend ge- deihen, und in andern nicht, wie kann man an dem veralteten Gedanken festhalten: Unsere Trauben seien aus dem Orient zu uns verpflanzt worden, da doch die Reben aus denı Oriente und aus den südlichen Gegenden bei uns durchaus nicht gedeihen. Ich will wohl annehmen, dass in einigen südlichen Ländern einige Traubensorten aus einem ähnlichen südlichen Klima sich angesiedelt haben, aber im Allgemeinen können wir dies nicht annehmen, denn warum haben Italien, das südliche Frankreich und Spanien jedes seine eigenen Traubensorten, die man umgekehrt in keinem der Länder antrifft, obgleich sie so ziemlich gleiches Klima haben. Wie viele Traubensorten giebt es nicht auf dem Continente, sollten diese alle von den Phöniziern herüber gebracht worden sein? Oder wollen wir dem Aberglauben der Botaniker fröhnen, die nur eine vitis vinifera als Stammpflanze annehmen, und alles andere für Varietäten erklären. Ich möchte sie vorerst auf die Beständigkeit der Rebe aufmerksam machen, die in Jahrhunderten nie ausartet, und dann fragen, ob es für möglich gehalten werden kann, dass ein Riessling sich in einen Trol- linger, ein Sylvaner sich in einen Traminer, ein Burgunder sich in einen Muskateller, eine kleine Marsalatraube mit langen Beerchen sich in eine nussgrosse Cibebe und dergleichen mehr verwandeln kann. Mit den Worten vitis vinifera ist man gleich fertig. Mit dieser kurzen botanischen Abfertigung ist aber der Wissenschaft nicht gedient, sie be- weist nur, welches Feld ihr noch zu bearbeiten offen steht, zumal wenn sie die Pflanzen-Phy- siologie mit in den Bereich ziehet. So könnte man viele Pflanzen auf ein einzelnes Genus redueiren, und die Species als Spielarten erklären, mögen sie in Europa oder in Indien oder in Australien vorkommen, allein (die Bo- taniker lassen die Species als selbständige Wesen fortbestehen. Wenn also, wie eben bemerkt ist, die Rebe Jahrhunderte sich constant bleibt, und jeder bestimmte Bezirk seine eigenthümlichen Traubensorten hat, die nur in ihm gedeihen und in andern Bezirken nicht, so frage ich jeden denkenden Menschen, ob er noch dem Glauben hul- digen kann, unsere europäischen Trauben seien aus Asien zu uns herüber gebracht worden? Müssten denn in solchem Falle nicht in jedem Lande gleiche Traubensorten angetroffen werden ? was aber nirgends der Fall ist. ‚ Kann es wohl nach solchen Darstellungen noch jemand aus der wissenschaftlichgebildeten Welt geben, der an eine Mutterpflanze — die vitis vinifera — glauben kann, aus welcher die kleine Korinthe von der Grösse einer Erbse die grosse Cibebe mit nussgrossen Beeren, die grosse Arramonttraube, und die schwarze Burgundertraube, die verschiedenen Muskatellersorten, die Riesslinge, die Traminer, und so hundert andere verschieden geformte Traubensorten ent- standen sein sollen ? . Wohl haben mehrere der angegebenen Traubensorten Neigung zu Variationen gezeigt, indem sie anders gefärbte Beeren, und eben so ganze Trauben an eimem Stocke hervorbrachten, die durch ‘die Kunst aufgefasst, als constante Abweichungen sich theilweise als eigene Varietät er- halten haben, anderseits aber wieder durch Zurückgehen auf die Urform, sich blos als Variation charakterisirt haben. So zum Beispiel geht die schwarze Burgundertraube manchmal in eine röthliche Rulandertraube, und ‘diese wieder in 'eine weisse Burgundertraube über, und umge- 127 kehrt geht die Rulandertraube gar leicht in ihre ursprüngliche schwarze Burgundertraube zurück; andere Sorten machen ähnliche Variationen, die aber constanter bleiben, und sich dann als Varietäten der weissen Urtraube qualifieiren, wie zum Beispiel der rothe Gutedel, der rothe Sylvaner, der rothe Riessling, der rothe Elbing, der rothe Heunisch, der vothe Traminer ete. ete. ; aber alle diese Gebilde und Varietäten haben sich seit Jahrhunderten inımer in gleicher Eigenschaft erhalten und es wird noch Niemand gesehen haben, dass irgend eine Traubensorte je in eine andere Traubensorte überging, sondern der Urtypus blieb immer beibehalten, mögen auch Naturspiele Ver- änderungen hervorgebracht haben, welche es sein mögen, immer wird Gutedel etc. etc. Gutedel bleiben. Wenn also die Traube so hartnäckig ihren Urtypus beibehält, wie sollen dann die vielen Varietäten, die so himmelweit in sich verschieden sind, aus einer Mutterpflanze entstanden sein ? Aus den angeführten Beweisgründen wird es sich leicht ergeben, dass wir mit den bereits bestehenden Ansichten über Entstehung und Fortpflanzung der wilden und zahmen Trauben nicht mehr durchkommen, und dass derjenige, welcher noch die bisherigen Begriffe vertheidigen wollte, sich einer grossen Unkenntniss mit dem Wesen der Reben schuldig geben würde. Wenn also jede Gegend ihre eigenthümliche Rebsorten hat, die in anderen Gegenden nicht gedeihen, so entstehet die natürliche Frage: Woher mögen diese Rebsorten in diese oder jene Gegend gekommen sein ? Nach der bisherigen Ansicht lässt sich diese Frage nicht beantworten. Denn würden unsere Reben lediglich aus Asien zu uns herüber gebracht und dann weiter verbreitet worden sein, so müssten in Griechenland, Italien und Spanien die gleichen Rebsorten vorhanden sein, was doch der Fall nicht ist. Wir müssen also tiefer in die Sache eingehen, und den Weg der oberflächlichen Tradi- tionen verlassen, die wohl einige Andeutungen geben, allein keinen wissenschaftlichen Halt- punkt bieten, woraus man eine sichere Schlussfolge ziehen könnte, wesshalb sie nur die Be- griffe irre führen. Ich will nun meine eigenen Ansichten über diesen Gegenstand, wie sie sich nach lang- jährigem Nachdenken gebildet haben, hier niederlegen. Sie sind zwar auch nur Hypothese, weil uns historische Gewissheit fehlt; allein ich glaube doch, dass sie mehr Wahrscheinlich- keit für sich haben als die früheren Erklärungen. Wie ich von vorn herein bemerkte, müssen wir vor vielen Jahrtausenden ein weit milderes Klima gehabt haben, was natürlich von besonderem Einflusse auf die Vegetation gewesen sein muss. Denken wir uns in jene Zeiten zurück, die natürlich ausser aller Zahlenberechnung liegen, wo alles noch mit Urwald bedeckt war, wo noch keine menschliche Hand irgend eine Bodenkultur vornahm, wo unsere Flüsse ein weit ausgedehnteres Flussbett hatten als jetzt, wo durch Menschenhände denselben ein geregelter Lauf angewiesen wurde. Denken wir uns die Vegetation in ihrem Urzustande, wie wir sie noch jetzt in Amerika antreffen, wo an den Ufern der Flüsse ganze Strecken mit wilden Reben übersponnen sind. Können damals die Fluss- thäler, die feuchteren und sumpfigeren Boden hatten, als jetzt, nicht ebenso gut wie in Amerika mit Reben bewachsen gewesen sein? Dass sie es waren, beweisen die noch wenigen Stellen, die der Cultur entgangen sind, und die jetzt noch eine Menge wilder Reben bergen. Man ‚denke sich das grosse‘ Flussbett ‘des Rheines von Mannheim bis Basel. ‘Wie, viele dem Rebenwuchs günstige Stellen mögen da ‘gewesen sein, ehe die Cultur sie zu: gebauetem Lande umschuf? Wenn nicht auf dem Continente' die verschiedenen Rebsorten in: ihren verschiedenen ‚Ge- 128 genden freiwillig sich vorgefunden hätten, wo sollten denn die vielerlei specifisch eigenthüm- lichen Trauben hergekommen sein, die nur in ihrer Gegend gedeihen, wo sie die Natur er- schaffen hat. Wir können freilich nicht auf die Schöpfungsakte der Natur zurückgehen, aber so viel steht doch fest, dass die Natur die Rebe auf der ganzen Welt verbreitete, mit Ausnahme der Klimate, die ihr nicht zusagen. Sie ist eine Gabe, die allenthalben zum Nutzen der Menschen und Thiere gespendet ist. Dass aber jede Gegend ihre besonderen Traubensorten hat, das spricht sich in dem Gange und in dem Wirken der Natur allgemein aus. Hat doch jede Gegend ihre besondern Pflanzen, die sich je mehr und mehr von einander unterscheiden, je verschiedener das Klima ist, in welchem sie vegetiren. Ebenso ist es mit den Trauben. In den sitdliehen Klimaten gedeihen hauptsächlich grosse hartfleischige Trauben, die durch die höhere Einwirkung der Sonne sich zu Rosinen bilden, weil ihr Saft in dichten Zellen ein- geschlossen ist, während in nördlichen Gegenden die Trauben kleiner und weicher sind und keine so feste Zellen haben, desshalb auch eher faulen, als austrocknen. So hat jedes Land, jede Gegend seine Eigenthümlichkeiten, die von dem Klima abhängig sind. Verlassen wir den gedachten Urzustand unseres Erdballs, worüber wir natürlich keine Urkunden besitzen und denken wir uns in eine Zeit, wo allmählig Menschen sich ansiedelten, so kann man den Gedanken nicht unterdrücken, dass sie nicht von denen, ihnen von der Natur gebotenen Früchten sich auch die beste ausgewählt, und zum sicheren Genusse in ihrer Nähe angepflanzt hätten, wie es in Asien früher ebenfalls geschah, wo sie die köstlichsten Früchte wild hatten, es aber doch vorzogen, dieselben in eigene Grundstücke zu verpflanzen. Von diesem ursprünglichen Zustande mögen Jahrtausende hingegangen sein, bis die Menschen sich vermehrt haben und somit die Cultur sich erweitert hat, wodurch nach und nach die Stellen, wo noch wilde Reben vorhanden waren, in Culturfeld sich verwandelt, während die einzeln gebauten Rebstücke sich erhalten haben, die später vermehrt wurden; und als man die Bereitung des Weines kennen lernte, und die Genusssucht der Menschen sich er- weiterte, da begann der Weinbau in Aufnahme zu kommen, der sich allmählig zu so bedeu- tendem Umfange verbreitete, wie wir ihn vor mehreren Jahrhunderten noch aus den Chroniken kennen. So denke ich mir die Uebergänge aus dem Urzustande in den Culturzustand. Es sind natürlich unvollkommene Bilder, die blos der schaffenden Phantasie angehören, weil sie sich nicht auf Urkunden stützen können. Allein wie wollen wir uns anders die beregte Sache erklären, als auf diese Art, dass unsere Voreltern aus der Menge der im Urzustande wachsenden wilden Reben sich die brauch- barsten auswählten und zum Genusse anpflanzten, bis später bei höherem Culturzustande diese Rebsorten zur Weinbereitung in grösserem Maassstabe angepflanzt wurden. Wenn wir gleich keine Nachweise über die Thätigkeit unserer Voreltern in diesem Cultur- zweige besitzen, so beweist uns doch das Vorhandensein der Thatsachen, dass sie nicht so un- wissend und unthätig waren, wie es Manche glauben, weil sie nichts Näheres von ihrer Thätig- keit wissen. Kann es früher nicht auch eine Zeit gegeben haben, wo man eben so eifrig bemüht war, die Culturen zu verbessern, wie es jetzt von unsern landwirthschaftlichen Vereinen geschieht. Dass wir darüber keine Traditionen oder wenigstens nur mangelhafte haben, gibt uns keinen Beweis, dass es nicht vorhanden war. Ich will hierfür nur ein, Beispiel anführen. 129 In: Bordeaux und Medoe liefern die Traubensorten Carmenet, Carmenere, Malbeck etc. den berühmten Bordeauxwein. Nun ist aber bekannt, dass diese’ Traubensorten nur in dem Gebiete von Bordeäux, und sonst nirgends vorkommen und auch nicht fortkommen, wenn sie in andere Länder verpflanzt werden, wofür ich mehrere Beispiele anführen kann. Ist der Fall nicht möglich, dass das ganze Flussbett der Garonne im Urzustande eine Menge wilder Reben trug, aus denen man die einzelnen Rebsorten auswählte, sie nach und nach. (vielleicht in Jahrtausenden) in dem Maasse vermehrte, als der Culturfortschritt die Ur- reben verminderte, so dass diese allmählig ganz ausgerottet wurden. Denn die jetzige starke Population hat alle diese Stellen eultivirt, und nur noch wenige Stellen, die sogenannten Palus (Sümpfe), längs dem linken Ufer der Garonne, welchem entlang das Land der Medoes sich hinzieht, "bergen 'noch einige wilde Reben, die aber durch den öfteren Holzhieb sehr vermindert worden sind . Jetzt sind die wilden Reben freilich aus diesem Flussbette verschwunden, allein nach Ana- logie von anderen Ländern und nach dem günstigen Klima zu urtheilen, müssen sie früher hier stark vertreten gewesen sein, aus welchen die jetzt noch vorhandenen genommen worden sind; denn wo sollen denn diese hergekommen sein, da sie sich nirgends anders vorfinden und auch nirgend anderswo gedeihen. Ich’glaube aus dem Vorangegangenen hinreichend dargethan zu haben, dass die meisten unserer Trauben, die zur Weingewinnung angepflanzt sind, aus den wilden Reben der be- treffenden Gegend gewonnen, und aus diesen später weiter verpflanzt worden sind. Dass später gar viele unserer Trauben von Aussen eingewandert sind, will ich damit durchaus nicht in Abrede stellen. Ich verstehe unter den obigen nur diejenigen Trauben, welche den Haupt- Weinrebensatz bilden, und in jeder Gegend eigenthümlich einheimisch sind. (Die Abbildungen, welche zu dem vorstehenden Vortrage gehören, befinden sich am Schlusse des ganzen Berichts.) Professor Al. Braun bemerkt, dass es unwahrscheinlich sei, dass die wilden Trauben ur- sprüngliche seien und nicht vielmehr verwilderte, weil sie in der Regel keine reifen Früchte bringen, folglich sich wie Fremdlinge verhalten. Auch sei die Annahme, dass die Weinbergs- trauben von den wilden abstammten, mit historischen Belegen zu versehen; vielleicht liesse sich über sie geschichtlich etwas Genaueres ermitteln. Er kenne die wilden Trauben des Rhein- thals und halte sie für verwildert. In der Tertiärzeit habe es in Deutschland zwei Arten Reben gegeben, die jedoch von den jetzigen verschieden seien. Oberst Dr. v. Siebold bemerkt, dass man in Japan auch unsere Trauben cultivire; sie seien, historisch nachweisbar, durch christliche Missionäre dort eingeführt ; vielleicht wären unsere Weinbergstrauben auf ähnlichem Wege nach Deutschland gelangt. © Dr. Carl Schimper erklärt sich bereit, einige mitgebrachte Pflanzenarten (von Schwet- zingen: Eragrostis megastachia, Peplis Portula ß. callitrichoides, Corispermum marschallianum, Setaria decipiens Schimp., Borrera chrysophthalma, Lolium italicum, Elatine Alsinastrum ; von Heidelberg: Symphytum bulbosum Schimp.; von Mainz: Phleum arenarium, Sisymbrium Loeselüi, Erysimum strietum) zu vertheilen und von Setaria decipiens Schimp. ein Paquet von 112 Exemplaren ‚an einen Botaniker, der Sammlungen edirt, gratis abzulassen. Auch zeigt derselbe an, dass er’ einige morphologische Merkwürdigkeiten passend zu vertheilen wünsche und übergiebt als eine Festgabe den anwesenden Scktionsmitgliedern 2 Druckschriften: einen Auszug aus seinem noch ungedruckten Mooslob und ein Blatt, betitelt: Mecho, oder die wich- tigsten, überaus zahlreichen baulichen Veränderungen, welche die Pflanze auf mechanischem Wege an ihrem eignen Organismus hervorbringt, entweder rein durch sich selbst oder mittelst eines fremden Elements. Septbr. 1857. Darauf theilt Dr. C. Schimper eine grosse Zahl von 17 morphologischen Erscheinungen mit, als: nützliches Allerlei: von’ der ganzen. Pflanze; Auswahl förderlichster Thatsachen aus der Morphologie. — 1) Die Blüthe. Prismatocarpws' hat’ auf dem Kelche in der Achsel eines kleinen Tragblatts ‚einen Ast: — Echium vulgare und wiolaceum haben eine Gipfelblüthe, ‘ebenso oft: Aeseulus Hippocastanım. Bei ‚Salvia findet sich eine regelmässig gewordene Gipfelblüthe. Bei Salvia pratensis ‚ist sie: meist 4-zählig und regel- mässig in Kelch 'und Corolle. Auch bei Mentha ‚aquatica (findet ‘sich «eine. orthotype Gipfel- blüthe, die entweder 4-, 5- oder 6-zählig ist und dann respective 4,5. oder. 6.'Kelchzähne, Co- rollenlappen und’ Stamina ‚hat. — Die Corolle von Ajuga fällt-nicht ab und macht«auf solche Weise eine Ausnahme unter den Labiaten. — Bei‘ den 'Papilionaceen bleiben einzelne Theile der Corolle in bestimmter Weise bei der Fruchtreife auf dem Germen sitzen. ‚Bei Ornithopus haftet die Carina auf der Frucht‘; "bei Genista tinctoria bleibt: das Vexill auf der Frucht:sitzen, der Kelch fällt ab. — 2) Das Blatt. Uebergreifen: der: Blattbasen »bei\"Eryngium campestre. — Hiyosceyamıs hat Blätter, deren Basen einseitig hinablaufen bis zum» nächsten. Blatte. — Bei Alisma setzen sich die Sekundärrippen bisweilen: schief fort über. die Primärrippen hinaus, — Bei Hydrocharis gehen die Sekundärrippen in. schiefem geradlinigem Verlauf über «mehrere Primärrippen fort. — Genista germanica hat auf dem Blatte oben erhabene; und unten vertiefte Rippen, also ein echt deutsches verkehrtes Blatt. — Bei Allium ıwrsinum ist das« Blatt oben bleich und unten grün; Festuca sylvatica, Brachypodium sylvatieuwm;,;Melica. uniflora , Milium effusum, Setaria kehren auch die untere bleiche Seite des Blattes;nach ‚oben ‚und die,.obere grüne nach unten. — Knickt man einen Zw eig nach ‘oben um yıohne'ihn sabzureissen ‚so dass der obere umgeknickte Theil noch am Leben bleibt und weiter wächst, so haben‘ die,Blätter einiger Pflanzen die Fähigkeit, sich umzudrehen, und. die untere ‘Seite ‚die. durchs Umknicken nach oben gekehrt ist, wieder nach unten zu wenden; aber Taxus baccata.hat die Fähigkeit nicht, die alten Blätter des umgeknickten Theils bleiben umgekehrt «und erst die Blätter der neueren Triebe kehren sich um (Präparate, werden vorgezeigt). — 8) Der‘ Stamm. »Wenn'bei Pinus Abies der Gipfeltrieb weggenommen. wird, richten ‚sich die Zweige auf. — Bei Prunus spinosa stehen die Aeste ungefähr horizontal, bricht man aber. die: Gipfelknospe des: Stammes ab, so richten sich die Zweige, und zwar "Borg die alten: auf: (die F Uirisikenng des MenEE wird wegen Zeitmangel aufgeschoben). ach Der Vorsitzende, Oberst v. Siebold, legt der. Versammlung - eine ‚Einladung! En Herm Engels in Cöln, seinen Garten zu besichtigen, vor, die mit Dank angenommen wird. Professor Nees v. Esenbeck hatte ein Exemplar der Schrift von Jessen: Ueber die Lebensdauer der Gewächse 1855; ferner eins von Lehmann: Revisio Potentillarum..1856 zur Ansicht und eine beträchtliche Zahl von Exemplaren der letzten De mi doff’schen ee Preisfrage zur Vertheilung an die botanische Sektion eingeschickt. yo Professor Al. Braun wird, auf Vorschlag des Oberst Dr. vı Siebold, zum Fon sikrendkie für die Sitzung am Montag, den 21. Septbr. gewählt. . Edouard Prillieux spricht (in französischer Sprache) über die Dehiscenz: der Kapseln der Orchideen und zeigt zahlreiche Präparate vor. Die Dehiscenzi'der Orchideenkapseln- ist nicht so einförmig, als man bisher gemeint’ hat. Es sind’ 7 Arten »des'Aufspringens zu unter- scheiden: char 1) Die Kapsel öffnet sich mit 6 Klappen, "die'am Gipfel nn bleiben ; drei davon sind Rippen ohne Placenten und schmal, 3 sind breit und: tragen in.\derı'Mitte: die Placenten; Ansellia africana, Phajus Wallichii und der grössere Theil der Orchideen, | 2) Die Kapsel öffnet sich vom Gipfel her mit 6 Klappen, die»oben nicht zusammenhängen; 15H drei sind schmale, placentenlose: Rippen und ‘drei breit und: in der Mitte die Placenten tragend: Leptotes ıbieolor, Mawillarıa punctulata, Eulophia (guyanensıs. 3) Die ‘Kapsel öffnet‘ sich mit 3 Klappen, die am Gipfel verbunden bleiben und in der Mitte die Placenten Thunia alba, Epidendrum patens und eamphiglottium‘, Cattleia Mossiae. 4) Die Kapsel öffnet‘ sich mit’3 Klappen vom Gipfel’ her, die oben nicht zusammenhängen und in der'Mitte die Plaeenten führen: Fernandezia puwlchella und acuta. 5) Die Kapsel öffnet sich mit 2 ungleichen Klappen, die auf der Spitze verbunden bleiben und von denen die eine schmal ist mit einer Placenta, die anderen doppelt so breit mit 2 Pla- centen: Restrepia vittata; Pleurothallis clausa, racemiflora, obtusifolia; Bolbophylhum oceultum ; Angraecum eburneum; Epidendrum macrochilum. 6) Die Kapsel öffnet sich mit 2. Klappen, die beschaffen sind, wie bei der 5. Art, jedoch an der Spitze nicht zusammenhängen: Vanilla. 7) Die Kapsel öffnet sich durch einen einzigen Längsriss und mit einer Klappe, welche drei Placenten trägt: Angraecum pusillum und reeurvum. Nach der Pause fährt Dr. C. Schimper in seinem Vortrage fort. 3) Der Stamm. Dass der Stengel sich nach Anlage der Organe streckt, ist etwas ganz Bekanntes; dem Baumstamme schreibt man keine Streckung zu, aber auch hier tritt .sie theilweise ein; bald sind es die äusseren Holzlageh, bald die inneren, die sich strecken. Bei Populus pyramidalis haben die äusseren Schichten starkes Streckbestreben; diess sieht man daran, dass Astlöcher ihre oberen und unteren Ränder annähern und sich lippenartig schliessen. Das Gegentheil, dass die inneren Schichten zu wachsen sich bemühen und die äusseren widerstreben, sieht man an den Wurzeln von Pinus und bei Pinus sylvestris am Stamme in dem Falle, dass das Gipfelauge wegge- nommen ist und ein Ast sich wie ein Krummstab in die Höhe biegt, bis er später, mit plötz- liehem Absatz senkrecht aufwärts wächst und so die Stelle der Hauptachse übernimmt, an der Krümmung werden die äusseren Holzlagen durch das Streckbestreben der innern schief nach der innern Seite ‘des Bogens gezogen, so dass sie in diesem eine Sehne bilden (Präparate werden vorgezeigt). — Ein auffallendes Factum im Bau der Kohlrabi- und der Selleriewurzel wird erwähnt, worüber sich Dr. C. Schimper selbst anderwegen noch einmal aussprechen und durch Präparate eine. Erläuterung geben möge. —- Wenn man einem Baume (z. B. einer Buche)''ein fast vollständig ringförmiges Stück Rinde nimmt, jedoch einen schmalen senkrechten Verbindungsstreifen zwischen der obern und untern Rindenbekleidung des Stammes stehen lässt, so bildet sich unter diesem Streifen neues Holz und seitlich auch neue Rinde, beide sind aber 'undulirt "oder im Ziekzack gebogen (Präparat vorgezeigt). — 4) Die Wurzel. Wie tief gehen die Wurzeln? Von Thymus Serpyllum gehen sie 6-8’ tief. Ononis procurrens Wallr. 9. repens L.) hat in Sandboden 14’ lange Wurzeln. Silaus pratensis hat sehr lange Wurzeln. Die Tauwurzeln (Suchwurzeln C. Schimp.) gehen 'sehr weit fort. Ein Baum, der auf der Mitte 'eines Hügelabbanges steht, z. B. eine Pappel, treibt seine Tauwurzeln 50’ weit hinauf und "hinab." Wenn “in'der Nähe eines Baumes ein Düngerhaufen liegt, so wachsen die Wurzeln in den letzteren hinauf. — Bei Echium vulgare und Cymoglossum wird der Stamm allmählig durch die Wurzeln in die Erde gezogen, d. h. scheinbar, eigentlich durch die Neben- wurzeln die Erde über den Stamm emporgehoben. — Die Nebenwurzeln stehen in Zeilen. Es giebt Wurzeln mit 2, 3, 4, 6 und mehr Zeilen. Die Linien, in welchen die Wurzeln stehen, bleiben im Dickenwachsthum zurück, daher wird‘ eine runde Wurzel bei vier Zeilen viereckig, z. B. die von Thalictrum. Wo die Nebenwurzeln 2 Zeilen bilden, bilden sich zwei Thäler 132: (Fumaria, Urtica dioica); die Wurzel sieht im Durchschnitt dann achtförmig aus; es kommt vor, dass sich die Ränder der beiden sich verdickenden Hälften über den beiden Furchen be- rühren und so zwei Kanäle entstehen ; ja diese Ränder können ganz verwachsen, es bildet sich ringsum wieder neues Holz und neue Rinde, und die Reste der, Rinde der beiden Kanäle zeigen sich im Querschnitt als 2 braune Punkte, so bei allen Pinusarten. — Einige Wurzeln haben der Länge nach Löcher 'bei Fumaria, Aconitum. Lycoctonum und besonders bei Papaver orientale. — Wie ist die Wurzel gerichtet? Die Suchwurzeln sind horizontal und oft sehr lang (Chenopodium album, Polycenemum). — Wenn eine Pflanze auf einem Bergabhange steht, so wächst ein Theil der zum Boden parallellaufenden Wurzeln den Berg hinauf. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Tages-Präsident: Prof. Alex. Braun. Dr. ©.H. Sehultz-Bip. hatte der botanischen Sektion unter dem 4. Septbr. 1857 von Dei- desbeim folgende Zuschrift über „parasitische Cassiniaceen“ zugehen lassen. Die erste mir bekannte parasitische Cassiniacee ist mein Liabum platylepis Sz.-Bip. ı Linden! exsic. n. 1236, welche vielleicht mit Sinelairia discolor Hook & Arn. bot. Beech. voy. p-433. — Walp. rep. p. 103 ein und dieselbe Pflanze ist und dann Liabum incanum heissen müsste. Mein Freund C. Sartorius, auf dessen Gute Mirador Linden im März 1839 diese schöne Pflanze gefunden und von welchem ich sie selbst (wie auch von Schaffner von ÖOrizaba) besitze, schreibt mir von derselben: „Parasitischer Strauch, vorzüglich auf alten ‚Eichen, Mai, Juni blühend. In Flora B. Z. 1856 p. 160 habe ich diese wichtige Notiz. bereits .mitgetheilt. Diese Pflanze gehört wie alle Liabeen nicht zu den Vernoniaceen, sondern zu. den Heliantkeen. Eine zweite ebenfalls strauchartige zu den Senecionoideen gehörende parasitische Cas- siniacee — Cacalia parasitica Sz.-Bip. in litt. ad el. Schaffner hat der verdienstvolle Wilh, Schaffner im October 1855 im Val d. Orizaba in Mexico entdeckt und dazu bemerkt; Para- sitica, ramosissima, folia carnossa, flores Havo crocei. Eine dritte Cacalia epidendron Sz.-Bip. in litt. ad cl. Meisner, hatMüller ebenfallsum Orizaba entdeckt aber keine Notiz beigeschrieben. Aus der Wurzel. dieser kleinen krautartigen Pflanze und der grossen Aehnlichkeit mit der vorhergehenden Art, 'bin.ich jedoch Ubersbmgt dass wir es hier mit einem Parasiten zu thun haben. Eine vierte strauchartige parasitische Cassiniacee hat ebenfalls C. Sartorius,'auf seinem Gute Mirador in Mexico entdeckt und mir ein halbes Dutzend Exemplare geschickt, von’ welchen ich eins fürs Herbar der K. Universität Bonn beizulegen die Ehre habe. In dieser Pflanze erkannte ich sogleich Eupatorium araliaefolium Less.! — DC. pr. V..p. 165 u. 166, da ich aus SprengelsHerbar ein Autor-Exemplar besitze. Zu seiner Pflanze schreibt C. Sartorius: „Parasitische Cassiniacee, bildet riesige Sträucher, hängend, senkt armsdicke Luftwurzeln bis zum Boden, oft 50 Fuss lang. Mirador 3600 Fuss über dem Meere.“ - Mit unseren europäischen, an Viscum hängenden Ansichten sind wir kaum im Stande 'eine so Brosarüge Erscheinung zu begreifen. InB.Seemann’s Bot. of Herald p. 142. tab. XXIX hat mein Freund Dr. Steetz eine neue zu den Eupatoriaceen gehörende Gattung Tuberostylis Rhizophora beschrieben und abgebildet, welche in Süd-Darien (Panama) auf den Wurzeln der .Khizophora wächst. 133 Ich bin’ überzeugt, dass es ein ganzes; Heer parasitischer Üassiniaceen giebt, welche bisher mit Unrecht für Schlingpflanzen gehalten wurden. Die 4 von mir untersuchten Arten gehören Mexico an und sind mit Ausnahme der Cacalia epidendron strauchartig. Alle haben fleischig-ledrige Blätter, welche ganz kahl und glatt sind mit Ausnahme des Liabum, dessen Blätter unten schneeweiss filzig sind. Blätter und BISBER fallen bei dem’ Liabum und Ewpatorüum leicht ab. Möchten die Reisenden auf die biologischen Verhältnisse dieser merkwürdigen Pflanzen mehr Rücksicht nehmen und mir von den Mitgliedern der Sektion Notizen zukommen über andere mir unbekannte hierher gehörende Arten. Professor Naegeli spricht ‚über ‚die ‚neue‘ Krankheit der Seidenraupe ‚und verwandte Organismen: Die Krankheit hat sich verheerend in Frankreich und ‚Italien unter. den, Seiden- zaupen gezeigt; sie wird verursacht durch kleine, ‚längliche ‚oder ovale Zellen, die dem Hefen- pilze in der Bierhefe nicht unähnlich sind und sich in alien Theilen der Raupen finden. Die Zellen sind meist einzeln, selten in Theilung, jedoch. kommen. Exemplare in Theilung begriffen auch vor; nach der Theilung fallen sie sogleich auseinander... Die. Zellen sind farblos, . Jod färbt den Inhalt braun, die Membran wird durch Jod und Schwefelsäure nicht blau. Naegeli nennt dies Krankheitsgebilde: Nosema bombycis, rechnet es zu den Pilzen und stellt ‚es mit anderen ähnlichen Formen: Umbina aceti, Dacterium, Vibrio, Spirillum, Hygrocrocis, Sarcina in eine Gruppe zusammen, die er als Schizomyeetes bezeichnet. Umbina aceti, die Essigmutter, ist mit Nosema sehr verwandt, jedoch fallen: die Zellen nicht aus einander , sondern. bleiben vereinigt. Bei Sarcina ventrieuli geht die Theilung in mehreren Richtungen des Raumes vor sich. Ueber die Bedeutung der Gruppe Schizoinycetes, ob es Pflanzen, Thiere oder, krank- hafte thierische oder vegetabilische Elementartheile seien, darüber giebt die anatomische Struktur keinen Aufschluss, dass es Pflanzen und keine Thiere sind, dafür liegen wenig Gründe vor. Die Einen der Gruppe sind bewegungslos, die Anderen haben Bewegung, wie wir sie auch bei Pflanzen kennen, z. B. Vribrio; die Bewegung ist bei Fibrio nicht schlängelnd „sondern spiralig, nicht die einer Schlange, sondern: die eines: Schraubenziehers. Deutlicher. als bei Vibrio tritt diese Art der Bewegung bei Spirillum und. -Bacterium hervor. Sind ‚diese Gebilde als Pflanzen zu betrachten, so fragt sich, ‘ob es Pilze oder Algen sind ; mehrere ‚Gebilde ‚der Gruppe sind oft zu den Algen gerechnet worden, ja.mit Algenarten in gleiche Gattungen! zu- sammengestellt, z. B. Hygrocroeis mit Leptothrix; Spirillum hat, Aehnlichkeit 'mit Spirulina. Diese Achnlichkeiten mit Algen beziehen sich aber auf die Form, nicht. auf die Lebensweise, Pilze treten in grosser Menge auf organischer ‚Unterlage auf, scheiden keinen Sauerstoff. 'aus und besitzen ‚keinen Farbstoff. Die Algen ‚scheiden ‚dagegen ‘Sauerstoff aus und besitzen Farbstofi. Professor Hoffmann spricht über Keimung: der Pilze.’ Es ist bisher nicht mit Sicherheit ausgemacht, dass man Pilze im Grossen aus Sporen erziehen kann; z.B. Agarieus calipestris. Professor Hoffmann hat im botanischen: Garten in Giessen einige 20 Arten im Freien ohne Erfolg ausgesäet; ebenso missglückten Aussaaten in Töpfen. Es entsteht daher 'wohl die Frage: sind ‘die Sporen überhaupt zur Keinung bestimmt? Sie keimen leicht im "kleinen Raum, wenn auch Aussaaten im Grossen ‘nicht gelangen. Verschiedene Apparate zur Keimung von Pilzsporen werden besprochen; der von Tulasne angegebene wird verworfen und ein neuer eigener Erfindung, in dem die Keimungsversuche stets glücken, vorgezeigt. Nur die Sporen von Uredo (arieis keimten auch in diesem Apparat nicht. Vor Täuschungen hat man’ sich zu hüten. 134 Cystopus candıidus'schien in dem Hoffmiann’schen’ Apparat zu keimen, aber bei genauerer Unter- suchung zeigte sich, dass ein anderer Pilz, der-einen langen Faden hatte und oben eine An-, schwellung, auf, der, Sporen, ‚die denen des COystopus sehr ähnlich waren, sassen, schmarotzend in die Sporen des, C'ystop«s mit seinem Faden eingedrungen war. Jod deckte dies Verhältnis durch ‚verschiedene. Färbung : der Sporenmembran des ('ystopxs und des Fadens des Schma- rotzers auf, Pilzsporen, die nach 2 Tagen nicht keimen, keimen überhaupt nicht. Bei Tricho- basis linearis hat die Spore im Aequator, einige. Poren. Viele Sporen haben keine dünnen Stellen. Bei Phragmidium trennen sich die Sporenzellen nicht, sondern keimen zusammen. Form der Keimung. Der Keimschlauch tritt aus einem Loch oder an beliebiger Stelle hervor, und zwar einer oder mehrere. Wo kein Loch ist, entsteht ein Riss, der Primordialschlauch bricht‘ durch, kutikulivt' sich und Protein - Substanz tritt ein; der Schlauch theiltsich oft durch Querwände und verzweigt sich. Bei Otdium momiliozdes:\treten aus der Spore einige Fäden aus, die dreilappig anschwellen; der mittlere Lappen ist der längste. — Die spores secondaires von Tulasne bilden sich schlauchartig' fort; sie sind jedoch als Abnormitäten, die ins Reich der‘ Oidienbildung gehören, zu betrachten. ‚Solche Oidienbildung kommt z. B. vorbei Pem-. eillium glaueum im Wasser; ein Zweig besteht rosenkranzartig aus kugligen Gliedern , in die er später zerfällt. — Bei Peronospora ist das Myeelium unseptirt, auch im Innern. des Krauts; Sehacht’s Abbildung (Sehacht, Bericht über die Kartoftelpflanze ‘und deren Krankheiten, 1856. Taf. VI. Fig. 6.) ist falsch, denn :sie stellt Septa dar. — Bisweilen tritt Kopulation bei den Fäden keimender Pilze ein, so bei Penieillium glaucum; ‘aus. einem Faden wächst ein Ast heraus, dieser begegnet einem 'gegenüberstehenden, fliesst mit ihm zusammen und zwischen beiden’ bildet sich ein Septum.'' Solche kopulirte Fäden bilden bisweilen ganze Leitern. — Bis zu neuer Frucht- und Sporenbildung geht die Keimung selten; jedoch sicher bei Trichothecium roseum. — Professor Hoffmann beschreibt die auffallende Beobachtung, dass sich aus den Sporen von Uredo Carieis Amöben entwickelten. Die Sporen von Uredo Caricis keimten nicht, zeigten aber auf dem Umfange eiförmige 'gallertartige Austrittsmassen des Inhalts; die hervorgetretenen (aber nicht abgelösten) Auftreibungen enthielten Sporenplasma. Endlich tritt der Inhalt der'Spore aus, sieht aus wie eine Amöbe und bewegt sich; ihre Gestalt ist "bis- weilen Jachtförmig, in der Mitte eingeschnürt, aber auch oval: Hoffmann theilt die’ Ansicht Ehrenberg’s,'dass Amöben absterbende Infusorien seien, und richtete seine besondere Auf merksamkeit darauf, zu ermitteln, ob die'aus .den 'Sopren von Uredo. Carieis entstandenen Ge- bilde: Primordialschläuche oder Amöben seien? Zu dem Ende entfernte er ‚durch ‚leichten Druck die Schale der Sporen; das Plasma 'trat als formlose Gallerte aus;) diese wurde sorg! fältig' längere Zeit beobachtet, und zwar indem (die einzelnen fraglichen Körper mittelst eines besondern Finde- Apparats stets fixirt und immer ‘wieder dieselben untersucht wurden; sie bil- deten Vakuolen, erlangten aber nie Bewegung und wurden nie Amöben. Die fraglichen Ge- bilde, ‚sind ‚daher nicht für Primordialschläuche, ‚sondern, für, Infusorien zu halten, | Physiologische Bedingung der Keimung. -Ucber, den; Einfluss, der. Farbe. des Lichts, .der Helligkeit und Dunkel. heit, hat, Professor. Hoffmann, Botan. Zeitg. 1854. p..252.' bereits ‚gesprochen. Die Temperatur darf nicht in den Vordergrund gestellt werden; die ungekeimte ‘Spore kann starken Frost ohne Schaden ‚aushalten ‚die. ‚gekeimte ‚stirbt ‘beim. geringsten ‚Frost. , Uredo..destruens keimt nicht mehr bei + 3°, ‚wohl aber. bei höherer, Temperatur; . Uredo) segetum var./ Hordei keimt noch bei + 114%, ebenso Penieillium glaueum und Trichotheeium roseum. Dieselbe Art zeigt in der Keimung keine Verschiedenheiten beisverschiedener Temperatur: ‚Die trocknen, ‚nicht keimenden Sporen können: bis weit über, den Siedpunkt erhitzt werden, ohne getödtet zu werden. Ureda B5' segetumkeimt 'noch, nachdem’ die Sporen bis auf + 150% erwärmt sind. Der Kulminations- punkt der Temperatur, welcher die Sporen’ tödtet, ist :bei- verschiedenen Arten verschieden. Chemische Bedingungen. ' Wasser ist zur Keimung nöthig; feuchte Luft reicht bei einigen zu, andere müssen wenigstens bethaut sein; untergetaucht'in Wasser keimen 'vielernicht. Ein 'ge- ringer Zusatz von Säuren befördert das Keimen nicht; stärkere Beimengung von Säuren:hindert dasselbe. Beizen mit gesättigten Lösungen von Arsenik und: Kupfervitriol 'tödtet. ‚die Sporen von Uredo segetum und destrwens; auch ‘eine Lösung’ von 1 Theil der ‚genannten Salze’ und 10 Theilen Wasser vernichtet die Keimung; verhalten sich .die' Gemengtheile jedoch wie.1:50, 86 findet Keimung statt, und zwar wie 'in“reinem ‘Wasser. Die Giftigkeit ‘der ‚erwähnten Lö- sungen 'ist nicht ‘für 'alle Pilze eine gleiche." 'Pemiciltium glaueum wächst. auf gesättigter Arseniklösung sehr gut in dichten Rasen. ." Austrocknung. Eine angekeimte ‚Spore, welche trocknet, keimt nicht mehr. (Die Fortsetzung des) Vortrags’ wird verschoben.) Professor Cohn spricht über die Entwickelung "einer Volvoeinee. ‘Die Volvocineen weichen dadurch von den meisten Algen, die Schwärmsporen haben, 'ab,,' dass sie sich während. des grössten Theils ihres Lebens bewegen; sie sind daher oft als 'Thiere betrachtet ‘worden, jedoch den Algen einzureihen. Sie haben stets Bewegung, nur im Sporenzustande ‘Ruhe. ‘) Die Spo- renbildung der Volvocineen ist in‘vielen Fällen bekannt, und zwar wird die Spore (durch Be- fruchtung mittelst Samenfäden gebildet, Der Keimungsproeess der ‚Spore ist von Wichtigkeit, weil nur durch 'ihn die Zellenfamilien’ der'erwachsenen Pflanze-ihre Erklärung finden. ‚Die Keimung der' Sporen von Volsox ylobator ist bisher "nicht. beobachtet; bei Sitephanosphaera pluvialis Cohn ist es dem Redner jedoch ' gelungen , sie zu. verfolgen. Stephanosphaera pluvialis besteht aus einer kugligen Zelle, deren’Membran Zellulose ist, mit einem Gürtel von 8 grünen Zellen (Schwärmsporen), welche im Aequator 'der‘ Mutterzelle liegen, und von denen jede ihre 2 Schwärmfäden durch die Membran’ der Mutterzelle' hindurch hinausstreckt.. Jede der 8 grünen Schwärmspören wird in eine ruhende Spore umgewandelt, dies geschieht, indem die Wimpern verschwinden und sich 'um eine jede eine neue zellulose Membran bildet. ‚So entstehen aus einer Familie 8 Sporen. Ob ein geschlechtlicher Befruchtungsakt dabei statt- findet, hat Cohn nicht ermittelt” Sind’ die’ Sporen entstanden, so löst sich die Mutterzelle auf, die Sporen werden frei, wachsen noch und werden allmählig roth. 'ProfC ohn hat im Sommer 1856 die Sporenbildung verfolgt. ”Auch Wichurä'hat auf einer) Reise in Lappland überein- stimmend mit Cohn sowohl die Sporenbildung' als die Anfänge der Keimung. beobachtet. Die Sporen haben, wie die von Ohlamsydoeoccus plwwalis, die Eigenthümlichkeit, dass sie nicht keimen, wenn sie nicht zuvor ausgetrocknet sind: Cohn hat Sporen von "Stephanosphaer@ lange, Winter und Sommer hindurch unter verschiedenen Verhältnissen in Wasser aufbewahrt, 'sie haben nicht gekeimt; lässt man sie jedoch "äustrocknen, wenn auch nur einen Tag, 'so keimen sie nach einem’ Tage schon, wenn man Wasser darauf giesst: ' Bei der Keimung,' die wenige Stunden nach dem Uebergiessen mit Wasser schon eintritt, theilt sich ‘der Inhalt der Spore in 2 Zellen, diese, senkrecht auf die vorige Theilungsrichtung, wieder in 2, so dass 4 Zellen da sind. Nun fängt der Inhalt vom Rande hier an grün zu werden; nur in der Mitte bleibt noch rother Farbestoff. Därauf verwandeln’sich die 4 gebildeten Zellen in Schwärmsporen; die Membran der Mutterzelle wird’in Gallette ‘verwandelt, es gehen 4 zweiwimperige Sporen her- vor, die aussen grün, im Centrum voth sind und keine Membran besitzen.‘ Bald bildet sich aber eine farblose zellulose Membran, die wie ein weites Hemde den grünen Inhalt umgiebt; so sind die Schwärmsporen von denen des Chlamydococeus pluvialis nicht zu unterscheiden. In diesem Zustande bleiben sie einen Tag; gegen Abend theilt sich der grüne Inhalt in 4 in 136: einer 'Ebene’liegende' Zellen, wobei sich .die Membran: nicht 'betheiligt;; jede ‚derselben. theilt sich radial in 2, so dass nun 8 da sind; noch ist immer Bewegung. der Urgrossmutterzelle' da. Nach ‘der Entstehung‘ der 8 Zellen verschwinden jedoch die Wimpern der Urgrossmutterzelle, und ‘die Theilung hört auf. Die Theilung beginnt des Abends gegen 8 Uhr und ist des Morgens 'gegen‘4 oder 5 Uhr vollendet. Cohn beobachtete dies in Breslau und Wichura in’ Lappland, wobei das Merkwürdige war, dass die Zeit der Theilung dieselbe blieb, obgleich die Beobachtung in Lappland zur Zeit der Sonnenwende geschah, in welcher die Sonne nicht untergeht: — Um die in 8 Zellen zerfallende Zelle bildet sich eine neue Membran innerhalb der alten, durchbohrt von 8 Wimperpaaren, die von den einzelnen Zellen ausgehen, die alte Membran löst sich auf und die junge Familie der Stephanosphaera tritt heraus. Aus jeder ruhenden Spore entstehen mithin 4 Zellenfamilien. Professor de Bary spricht über die Copulation der Desmidiaceen, Zygnemaeeen und Pilze (Syzygites), über die Keimung der Copulationsprodukte und die Ansichten über die Bedeu- tung der Copulation. Zahlreiche Abbildungen erläutern den Vortrag. — Desmidiaceen. Durch Ralfs, Focke und Hofmeister wissen wir, dass das fertige Copulationsprodukt, die soge- nannte Spore, zwischen den leeren Schalen der beiden Individuen liegt, welche copulirt haben. Die ‘näheren Umstände bei Bildung der Spore hat de Bary bei Cosmarium und Staurastirum beobachtet. Jedes der beiden einander gegenüberliegenden Individuen öffnet sich in der Mitte durch einen Riss; der Inhalt‘ tritt ‚bei beiden ‚nach der Seite des gegenüberlie- genden Individuums als halbkugliger Fortsatz hervor, die beiden Fortsätze berühren sich, die Scheidewand schwindet und der Inhalt beider fliesst in einem Augenblick zu einer Masse zu- sammen, die von einer weiten Membran blasenartig umgeben ist. Die Stacheln der Desmidia- ceensporen entstehen nicht als Verdickungen dieser blasenartigen Haut, sondern als Ausstül- pungen einer darunter sich bildenden Cellulosemembran. Die Blase, die erste Membran, ver- geht dann. Ein höchst ähnlicher Process der Sporenbildung kommt bei Olosterium vor, be- obachtet bei Closterium parvulum Naeg., welches zu der Gattung Stauroceras Kg. gehört; hier tritt nur die Modification ein, dass die glatte Spore viereckig ist, indem ihre Aussensceiten sich als scheinbar direkte, geradlinige Fortsetzung zwischen die Hälften der beiden Closterien- Individuen einschieben. ‘ Behandelt man sie. mit Jod und Schwefelsäure, so, werden die + Hörner tief blau, während: die die Sporen umschliessende Membran viel: heller bleibt und sich als spätere, eingeschobene Bildung zu erkennen giebt. Bei Gonatozygon spirotaenium und monotaenium de Bary (Rabenhorst’s Hedwigia No. 16.) wird die Spore in schr ähn- lieher Weise gebildet, wie bei Cosmarium und. Olosterium. Die spirogyrenartigen Fäden der genannten Algen zerfallen vor der Copulationszeit in die einzelnen Zellen, die sich einander gegenüber legen, sich knieförmig biegen, auf der einander zugekehrten Seite einen Fortsatz treiben, der endlich kugelig anschwillt, den ganzen. Inhalt aufnimmt und frei daliegt. Die beiden Kugeln werden nach einander von den copulirenden Zellen gebildet, endlich verschmelzen sie.in’einem Augenblick zu einer glatten. Spore. — Bei Palmogloca und Cylindrocystis fliessen nach Alex. Braun 2 Zellen zu einer Spore zusammen, wie 2 Tropfen Wasser. De Bary hat den Akt der Copulation bei Palmogloea macrococca, und chlamydospora (vertheilt in den Algen Sachsens und Mittel- Europa’s von Rabenhorst) wie bei den Desmidiaceen gefunden, und rechnet, Palmogloea daher zu dieser Algenabtheilung. Die Schalen der Zellen, welche copulirt; haben, sind nicht immer vorhanden; wahrscheinlich quellen sie zuert gallertartig auf und lösen sich. dann auf; bei Palmogloea Brebissonii sind sie immer da. — Die Keimung der Desmidiaceensporen ist, bisher noch wenig bekannt gewesen; Hofmeister hat sie, kürzlich 137 von Cosmarium abgebildet. De Bary hat bei Cosmarien- Sporen wenig Erfolg gehabt, konnte dagegen die Entwiekelung der Spore von Penium Brebissonüi Kg. verfolgen. Der Inhalt theilt sich im Winter in 4 in einer Fläche liegende Tochterzellen; die 4 Tochterzellen, anfangs so lang als breit, dehnen sich zu länglichen Cylindern aus, sprengen die Haut der Spore, treten ohne Bewegung aus und sind fertig. Bei Palmogloea theilt sich die Spore in 4 Zellen, die als fertige Palmoglöen-Individuen austreten. — Bei Gonatozygon spirotaenium wird der Inhalt der Spore während des Winters ganz farblos; im Frühjahr tritt jedoch wieder Färbung ein, und aus einer Spore entwickelt sich nur eine einzige lange, eylindrische Zelle, die erste des zukünftigen Fadens. — Bei Stauroceras Acus Kg. (Closterium rostratum Ehrenb.) hat de Bary nur eine unvollständige Beobachtung gemacht. Die Primordialzelle trat durch einen Querriss aus der Spore aus und bildete eine kuglige Blase, welche Chlorophyll enthielt; ihr Inhalt theilte sich n 2 Massen, die sich an die Pole der elliptischen Zelle zurückzogen. Da hörte die sichere Beobachtung auf, jedoch wird wahrscheinlich direkt ein neues Individuum aus der elliptischen Zelle. — Die Copulationsvorgänge bei den Spirogyren werden kurz dargelegt (ef. Berichte der naturf. Ges. zu Freiburg i. B. 1857. p. 327 f£) — Die Mesocarpeen de Bary d. c. p- 332.) haben lange cylindrische, fadenförmige Zellen. Bei Mesocarpxs schwillt der Querbalken zwi- schen den copulirenden Zellen etwas an, das Chlorophyll mit Zellkorn, Stärke und Oel tritt in den Kanal aus beiden Zellen ein und zieht sich zu einer Masse zusammen; in dem Kanal bilden sich dann drei Tochterzellen, deren mittlere die Spore enthält. Bei Staurospermum ist das Verhältniss etwas verschieden; die Spore bildet sich so, dass die Schenkel der copu- lirenden Zellen zum Theil ihre Begrenzung bilden. — Bei der Keimung entwickelt sich die Spore der Mesocarpeen durch Verlängerung zum Faden. Bei Craterospermum A. Br. zeigt sich die Spore als kurzer eylindrischer Körper. Der Inhalt dehnt sich zu einem retortenartigen, unten angeschwollenen Schlauch aus, dessen oberer Theil eylindrisch ist; das Chlorophyll bildet in dem eylindrischen Theil einen Strang, der auch noch in den untern angeschwollenen hineinragt und in 4 Theile zerfällt; durch die Mitte jedes dieser 4 Chlorophyllistränge bildet sich eine Scheidewand und somit 5 Zellen; die erste und letzte haben nur einen, die zweite, dritte und vierte zwei Uhlorophylikörper. Jede Zelle mit 2 Chlorophylikörpern theilt sich wieder in 3 Zellen, indem je eine Wand durch einen Chlorophylikörper geht; die Spitzen- zelle die nur einen Chlorophylikörper hat, dagegen nur in 2 Zellen. Dies Theilungsver- hältniss bleibt auch in Zukunft. (Der Vortrag konnte wegen Zeitmangel nicht zu Ende ge- führt werden.) i 3. Sitzung : Dienstag, den 22. September. Auf Vorschlag des Vorsitzenden des vorhergehenden Tages, Prof. Alex. Braun, wird Prof. Naegeli zum Vorsitzenden der gegenwärtigen Sitzung gewählt. Dr. Carl Sehimper spricht über die Wurzel. — Mnium rostratum, Leskea sericea, Grimmia pulvinata treiben unter Umständen Wurzeln nach oben, ebenso Hedera Helix und Viscum. — Grimmia pulvinata biegt sich unter Umständen in der Seta nicht zurück. — In der Festgabe: Mooslob, Stück 96 heisst es: „Wenn, trifft es, Moos und Flechten Sich treffen, gilt die Leiter, Scharf mit einander fechten, Nach der in Fehd’ um Fehde Stets wird die Flechte siegen, | Genau sich richtet jede: Das Möschen unterliegen. | Die Kette von Erweisen Wo Flecht’ und Flechte breiter Mag Härteskala heissen.“ 18 138 Zur Erläuterung dieser Zeilen führtDr.Schimperan, dass er das Verhalten der Moose zu Flechten und der Flechtenarten unter einander beobachtet habe, wenn sie zusammen und neben einander wuchsen. Die Flechten verdrängen allmählig die Moose, und unter den Flechten unterläge im Streite ums Gebiet und Dasein Parmelia saxieola allen andern und Variolarıia communis über- winde alle andern. Der Grad des Unterliegens und Siegens lasse sich in einer Skala darstellen. (Härteskala.) — Die Moose führten Feuchtigkeit nicht im Innern des Stengels in die Höhe, sondern aussen durch die Capillarräume, welche die dem Stengel anliegenden Blätter bilden. Moose mit abstehenden Blättern, z. B. Mnium undulatum, in Wasser gestellt, vertrocknen daher, so weit sie darüber hinausragen. Sphagnum dagegen, mittelst seiner anliegenden Blätter, hebt Wasser, und ist für Wasserhebung und Führung vorzüglich geeignet. Auf diese Eigen- schaft der dem Stengel anliegenden Moosblätter bezieht sich Stück 125 des Mooslobs. Prof. Wilhelm Schimper fügt hinzu, dass ein Sphagnumstengel von 2 Fuss Länge, 2 Zoll tief eingetaucht in ein Gefäss mit Wasser und mit der Spitze in ein anderes Gefäss übergebogen, einen Schoppen an Maass in zwei Stunden emporpumpe und hinüberführe. Prof. Schimper macht auf die grosse Bedeutung aufmerksam, welche wegen dieser Eigenschaft die Sphagneta auf Feuchthaltung der Oberfläche eines Sumpfes ausübten, und legt dar, wie mittelbar durch die Verdunstung, welche sie fortwährend bewirkten, die Fäulniss in der Tiefe gehindert und dadurch die Luft frisch und gesund in ihrer Nähe erhalten würde. Deswegen eigneten sich die Sphagnum-Arten auch ganz vorzüglich dazu, um Sumpfpflanzen, die sonst wegen Fäulniss des Bodens leicht zu Grunde gehen, darin gut zu kultiviren. Dr. Carl Schimper fährt fort. — Dieranum glaucum sei immer feucht, indem dies Moos stets ebenfalls Wasser aufpumpe. — Die Wurzel der Pflanzen vermöge mittelst einer Ausscheidung, welche auflösend wirke, tief gefressene Spuren ihres Verlaufs auf Steinen zurück- zulassen. (Steine der Art werden vorgezeigt.) Mehrere Pflanzen haben gar keine Wurzeln, so Ceratophyllum und Corallorhiza, auch Utrieularia. Auch Moose ohne oder mit selten ent- wickelten Wurzeln gäbe es. Hypnum Schreberi und rwgulosum haben selten Wurzeln; Hypnum perum hat nur in jungen Eichenwäldern Wurzeln, sonst nicht. — Ort der Wurzeln. Bis- weilen finden sie sich unter dem Blatte: Hypnum cordifohum, wo sie unter der Spitze hervor- brechen. Polygonum orientale hat bis zu einer Höhe von 4 Fuss über dem Boden unter jedem Knoten einen Kranz von Wurzeln, welche weiter wachsen, so wie sie Gelegenheit dazu haben. Solanum Dulcamara hat Wurzeln überall auf dem ganzen Stamme; solche Wurzeln, die auf günstige Verhältnisse zur Entwickelung warten, nennt der Vortragende: Säumwurzeln oder Wartewurzeln. — Bei Serophularia aquatica wachsen die Wurzeln in Gräben bisweilen gegen den Strom und örtlich auch gegen die Sonne, sind also nicht lichtscheu. P/atanzs hat licht- scheue Wurzeln, steht ein P/atanzıs an einem Teich, wie in Schwetzingen, so gelangen die Wurzeln ins Wasser, wachsen aber da nicht weiter, sondern machen in der Erde, abgewandt vom Lichte, Büschel von bogigen Wurzeln, Bogen auf Bogen; der bogige Wurzelast steht jedoch stets auf der convexen, nicht auf der concaven Seite des vorhergehenden. — Bei Fieus repens bilden sich auf einer beleuchteten Wand, abgewandt vom Lichte, kleine, hinter dem Stamme versteckte Wurzeln, welche lang, breit und dünn, wie Tang, werden, wenn sie reich- liche Feuchtigkeit erlangen. — Aus dem horizontalen Stengel von @lyceria faritans wachsen ringsum Wurzeln hervor, die der obern Seite sogar ganz aufrecht in die Höhe. — Die Wurzel von Alnus incana macht im Wasser schöne, 4-zeilige pyramidale Seitenwurzeln; Pyramide auf Pyramide. Aussen sind die Wurzeln schwarz, innen weiss, getrocknet die leichteste vegeta- bilische Substanz, viel leichter als Kork. 139 Dr. Focke spricht dann über die Copulation der Bacillarien und Desmidiaceen. Die Copulation von Surirella wird kurz besprochen. Bei Hyalotheca dissiliens sind ruhende Sporen, einzeln in den Gliedern liegend, von Ralfs beobachtet. Dr. Focke vermuthete, dass solche auch bei anderen Desmidiaceen vorkämen, und untersuchte aus diesem Gesichtspunkte eine der grössten Arten: Brastrum Kota Ehrenb. das ganze Jahr hindurch von demselben Fundorte, und verfolgte auf solche Weise die Entwickelung der Form und die Theilung in zusammenhängender Reihe. Euastrum Rota wird in sehr verschiedene Verhältnisse von Licht und Temperatur gebracht; die grössten Exemplare zeigen keine Entwickelung. Euastrum KRota Ehr. (Micrasterias Rota Menegh., Micrast. rotata Ralfs) ist als synonym mit Micrast. dentieulata Brebis, und nur als grössere Form betrachtet. Beide sind jedoch wirklich speeifisch verschieden; der Unterschied liegt in der wesentlich von einander abweichenden Zahnung des Randes. Bei Micrasterias zeigt sich Bewegung der Plasmaschichten, die Dr. Focke Wimpern zuschreibt, welche er jedoch bei allen Exemplaren nicht direkt beobachtet hat. Die Funktion der Chlorophylikugeln ist bisher unermittelt. Die Theilung des Euastrum geschieht des Morgens. Die Chlorophylikugeln treten zum Theil in die neu gebildete Hälfte über; die Zähne entwickeln sieh erst allmählig. Wenn die neue Hälfte auch schon so lang; als die alte ist, so sind beide doch noch an Form sehr verschieden. In einer neugebildeten Hälfte hat Dr. Focke Nachmittags gegen 4 Uhr einmal mit Sicherheit Wimpern beobachtet als Organe der Bewegung des Plasma. Die neugebildeten Hälften sind anfangs ganz blass; in den Zähnen bilden sich neue Chlorophylikugeln, die zuerst sehr klein sind, aber allmählig an Grösse zu- nehmen. Zwisehen den grünen Kugeln entwickeln sich hier und da abgegränzte Hohlräume. In der Mitte bildet sich im- Herbste oft ein grösserer, der sich in beide Hälften des Euastrum ausdehnt, fadenartige Fortsätze nach dem Rande entsendet, sich mit einer Membran bekleidet und die grünen Kugeln von ihrer Stelle verdrängt, die endlich zu verschiedenen um die Schläuche gelagerten Massen gerinnen; die Schläuche gliedern sich. Die Bedeutung dieser eigenthümlichen Bildung, die vielleicht eine geschlechtliche ist, ist unermittelt. Dr. Focke spricht die Vermuthung aus, dass mehrere als Species betrachtete Formen nur die Entwicke- lungsstufen einer seien, dass vielleicht Buastrum ansatum Ehrb. in Euastrum gemmatum Breb., diess in Euastr. Peeten Ehrb. im Laufe der Entwickelung überginge, und dass die Euastren nach jeder Copulation einen Lappen mehr bekämen. Medicinalrath Jäger sprieht über fossile Pflanzen aus dem Keuper und deren lebende Analoga in Chili. Er legt Abbildungen von Meniseium giganteum und Egwisetum giganteum, von Lechler in Chili gesammelt, vor, welche grosse Aehnlichkeit mit Fossilien aus dem Keupersandstein haben, „indess das Exemplar von Meniscıum vermöge einer monströsen Gabe- lung an die früher von dem Redner untersuchten Doppelmissbildungen von Pilanzen und auch von Thieren, so wie an Doppelbildungen von Mineralien erinnert.“ Dr. Schüz legt eine Varietät von Atropa Belladonna mit hellgelber Blüthe und hellgelber Frucht, ursprünglich vor einigen Jahren irn Schwarzwalde in einem Exemplare gefunden, vor. Die Pflanze wird von Dr. Schüz in Calw in Würtemberg kultivirt, hält ihre Varietätsunter- schiede fest und hat sich über seinen ganzen Garten verbreitet. Samen davon werden vertheilt. Prof. Alex. Braun spricht über die Keimung von Coelebogyne ilieifolia in Beziehung auf die Behauptung der Bonplandia (1857 No. 14 u. 15), dass der ohne Befruchtung gebildete Same von Coelebogyne kein Embryum, sondern eine Knospe (Laubspross) enthalte, die mit der Basis von der Chalaza ausgehe und aus einem Convolut blattartiger Organe bestehe. Prof. Braun zeigt Keimlinge vor, welche die Angabe der Bonplandia widerlegen, indem sie eine 140 höchst deutlich entwickelte Pfahlwurzel besitzen, welche jene vermeintliche Knospe nicht haben könnte und zwei eiförmige, grosse Cotyledonen, auf welche dann die gewöhnlichen Blätter von bekannter Form am Stamme folgen. Oberst Dr. v. Siebold spricht dann über den Zustand der Naturwissenschaften, besonders über die Pflanzenkunde bei den Japanern. Der Vortrag enthielt eine solche Fülle von inter- essantem Detail, erläutert durch höchst gelungene und mit überraschender Geschicklichkeit von Japanern ausgeführte Pflanzenabbildungen, dass eine nähere Darstellung unausführbar ist. Aus Allem ging hervor, dass die Japaner an Pflanzenkenntniss, Benennungsweise und Kunst, Pflanzen zu malen, eine überraschende Höhe erreicht haben. Die Fortsetzung des Vortrags wurde aus Zeitmangel verschoben. Auf Antrag des Professors Freiherrn v. Leonhardi beschliesst die Section, dem in Bonn anwesenden General-Secretair der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien, Herrm Pro- fessor Schrötter, ein Schreiben zu überreichen, worin sie im Interesse der Botanik ihre Theilnahme an dem Geschicke des Dr. Carl Schimper ausspricht, ihre Freude darüber dar- legt, dass die Akademie der Wissenschaften sich neulich zu Gunsten dieses Naturforschers ver- wandt habe, und die Zukunft desselben ihr angelegentlichst empfiehlt. Das Schreiben wurde später, unterzeichnet vom Tagespräsidenten Prof. Dr. Naegeli und dem Sekretär der Sektion Dr. Caspary, dem Herrn Prof. Schrötter eingehändigt. Auf Vorschlag des Vorsitzenden, Prof. Naegeli, wird Professor Wilhelm Schimper zum Vorsitzenden für den nächsten Tag erwählt. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages - Präsident: Professor Wilhelm Schim per. Professor Gasparrini spricht in französischer Sprache über die Wurzelhaare und die Ausscheidungen der Wurzel, indem er den Inhalt seines letzten Werks: Ricerche sulla natura dei suceiatori e la eserezione delle radiei ed osservazioni morfologiche sopra taluni organi della Lemna minor; Napoli 1856, darlegt. Die Wurzelhaare sind immer einzellig bei den Phanero- gamen; bei den Lebermoosen ist die Membran oft doppelt (Lunularia vulgaris). Die Spitze der Wurzelhaare schwitzt eine schleimige körnige Substanz aus; bei Poa annua und Poly- podium vulgare öffnen sie sich zuletzt auf der Spitze mit einem Loch u. s. w. Dr. Wirtgen spricht darauf über die pflanzen - geographischen Verhältnisse des Koblenz- Neuwieder Beckens, indem er die Karte von der Umgebung des Laacher See’s von v. Oeyn- hausen dabei zu Grunde legte. Die Vulkanität jener Gegend hat auf die Pflanzen wenig Einfluss ausgeübt; die höchsten Punkte des Löss sind reich an Kalkpflanzen, und Wirtgen ist zu dem Resultate gelangt, dass der chemische Gehalt des Bodens in dem angegebenen Ge- biete keinen Einfluss auf die Vegetation habe. Löss und Bimstein wirken mit einander ge- mengt, wahrscheinlich physikalisch, sehr günstig auf die Culturpflanzen, so dass der Landbau beide zusammen gerne als Ackererde verwendet. — Die Höhenverhältnisse der Gegend werden besprochen. Einer der höchsten Punkte ist der Kühkopf bei Koblenz; 1230°— 1800‘ hohe Berge vulkanischer Art umgrenzen das Mayenfeld, ein Gebiet von 3 Meilen Länge und 3 Meilen Breite, ausgezeichnet durch Reichthum an Pflanzenarten, durch Wechsel der Formen und durch eine grosse Menge von Bastarden. — Das in Rede stehende Gebiet enthält 1200 Pflanzenarten ; die Rheinprovinz im Ganzen hat nicht volle 1600. Die mittlere Jahrestemperatur ist + 8,5°R. 14 das Maximum nieht über + 29, das Minimum nicht unter — 29° R. An der Mosel und am Rhein wird in den Grenzen des Gebietes viel Wein gebaut; Riessling und Burgunder haupt- sächlich. Verbascum- und Menthenbastarde sind zahlreich. Die Bastarde von Verbascum nigrum L. und Hoccosum W. Kit. sind am häufigsten. Im Lahnthal fehlt Verbascum floccosum. Das Nettethal liefert hauptsächlich Menthen, %, von Wirtgen’s Herbarium der rheinischen Menthen stammen von dort her. In der Mosel kommt Naias maior vor; in der Rheinprovinz sonst nicht vorhanden. Datrachrum Huitans findet sich in der Mosel und zwar in der Form Lamarekii Wirtg. mit grossen lang gestielten Blüthen, während in der Sayn die Form Bachü Wirtg. mit kurzgestielten, kleinen Blüthen vorkommt. Dietamnus Fraxinella kommt im Lahn- thal vor und Wirtgen hat, an warmen Gewitterabenden besonders, das ausgehauchte Gas oft anzünden können. Das Mayenfeld wird von der Nette in 2 Theile getheilt und liefert mehrere seltene Pflanzen, als (alepina Corvini, Ervum monanthos, Wicia lutea. Im Saynthale kommt Rumex aquatieus häufig vor. Was den Reichthum an Arten der einzelnen Familien betrifft, so stehen die Compositen mit 124 Species oben an; es fehlen nur 12 Species der rhein. Flora; dann folgen die Gramineen mit 93 Arten (105 in der Rheinprovinz); die Leguminosen mit 54 Arten (ausserdem werden 21 kultivirt und 6 sind verwildert); die Cruciferen mit 62 Arten (68 in der Rheinprovinz). Es finden sich in dem Gebiete die letzten Ausläufer der süd- deutschen Flora, die keineswegs durch den Rhein dorthin gebracht sind, denn sie finden sich auf Feldern und Felsen, z. B. Acer monspessulanum ist an der Moselmündung reichlich; Do- ronicum Pardalianches endigt am Laacher See, Sisymbrium austriacum bei Hammerstein, Bromus patuhıs bei St. Goarshausen; Grammitis Ceterach, welches bei Linz aufhört, ist in dem angegebenen Gebiete häufig. Dr. Debey hält darauf einen Vortrag über die fossile Flora der Aachener Kreide. Die Aachener Flora ist vielleicht auf einer Insel oder Halbinsel am Meeresstrande gewachsen ; die abgelagerten Pflanzenreste sind meist sehr gut erhalten, obgleich oft zerrissen; der untere vor- züglich Pflanzen. führende Theil der Kreide, über dem Gault liegend, gehört zur Turongruppe. Es finden sich einige, aber nur wenige Algen. Die Farın finden sich in etwa 40 Arten, die meist neuen Gattungen angehören und am meisten mit neuholländischen Arten übereinstimmen. Didymosurus Debey ist ‚wahrscheinlich eine Gleicheniacee. Es finden sich viel Koniferen ; Uycadopsis Debey, woran Zapfen mit Samen vorhanden sind, scheint eine Seguoia zu sein. Eine grosse Zahl von Proteaceen kommt vor, auch von Quercusformen. Ueber den Abdrücken ist die Epidermis mit den Spaltöffnungen auf dem Thone oft sehr gut erhalten; jedoch ist dies vielleicht nur Cuticula, wie Bornemann diese oft bei Pflanzen der Lettenkohle in Thüringen fand. Dr. Debey legt sehr gelungene Zeichnungen der besprochenen fossilen Pflanzenreste vor, die er mittelst einer sehr empfehlenswerthen eigenthümlichen Methode angefertigt hatte. Spiegelglas mit einer Mengung von Mandelöl und Terpentinöl bestrichen, wird über das Objekt gelegt und dieses auf dem Ueberzuge des Glases mit einem Bleistift durchgezeichnet. Das so gewonnene, naturgetreue Bild kann nun mittelst Oelpapier abgezeichnet und weiter benutzt werden. Oberst v. Siebold giebt dann die Fortsetzung seines Vortrags über den Zustand der Natur- wissenschaften und insbesondere der Pflanzenkunde auf Japan. Das Detail ist wieder so reich, dass nur wenig davon wiedergegeben werden kann. Zahlreiche Abbildungen japanischer Pflanzen werden vorgezeigt. Aucuba japonica hat folia variegata erst nach Frost in Europa bekommen, und ist im Vaterlande gleichförmig grün; überhaupt sprieht Oberst v. Siebold die Ansicht aus, dass Frost panachirte Blätter verursache. Es werden japanische Bücher vor- 142 gezeigt mit Pflanzenabbildungen in Naturselbstdruck; eine japanische Monographie der Kirschen mit zahlreichen Abbildungen der Blüthen erregt Aufmerksamkeit. Oberst v. Siebold hat unter den Japanern eine naturwissenschaftliche Gesellschaft gestiftet, welche publieirt; Publikationen derselben, darunter ein Verzeichniss japanischer Giftpflanzen, werden vorgezeigt. Ein japa- nisches Herbarium, welches nur die Blätter von Acer-Arten enthielt, und ein sehr reiches umfassendes Herbarium eines japanesischen Botanikers, eine grosse Zahl von Pflanzenabbil- dungen der Flora von Jesso, die noch ganz unbekannt ist, von Japanern gemacht u. s. w., werden vorgelegt. Oberst v. Siebold theilt mit, dass er im Frühjahr 1859 wieder im Auf trage der holländischen Regierung nach Indien gehen werde. Dr. Pringsheim theilt dann die Ergebnisse eigener Untersuchungen über den Werth der Florideenfrüchte mit. Es sind dreierlei Früchte da. 1) die Antheridien, 2) die Vierlings- früchte und 3) die Kapselfrüchte. Die ersten werden meist als männliche Geschlechtsorgane betrachtet, jedoch ohne Beweis. Antheridien sind bei mehr als SO Arten von Algen bekannt; die Zellen der Antheridien haben weder einen Spiralfaden, wie Nägeli angiebt, noch Bewe- gung und Schwärmfäden, wie Derb&s und Solier zu finden meinten. Wiederholte von Pringsheim angestellte Versuche haben gelehrt, dass sowohl die Vierlings- als Kapsel- früchte ohne Hinzuthun der Antheridien keimen und zwar sehr leicht, schon nach 24 Stunden. Es kann also eine äusserliche Befruchtung nicht stattfinden; aber auch keine innerliche. Die Vierlingsfrucht entsteht aus einer Zelle des Stamms, über die oft eine Schicht anderer Zellen gelagert ist. Wäre ces auch denkbar, dass durch die Zwischenräume dieser hindurch auf die Mutterzelle der Sporen ein befruchtender Einfluss ausgeübt würde, so hat die Mutterzelle doch keine Oefinung, durch welche die befruchtende Zelle eintreten könne. Die Kapselfrucht unter- scheidet sich nicht wesentlich von der Vierlingsfrucht; sie ist eine solche mit vorgeschrittener Theilung; bei Ptilota plumosa lässt sich der Uebergang von einer Fruchtart zur andern ver- folgen. Es kommt oft vor, dass die Sporen noch in der geschlossenen Kapsel keimen: dann ist Befruchtung um so weniger denkbar. Was die Keimlinge anbetrifft, so ist es zwar bisher nicht gelungen, sie bis zum Stadium des Fruktifieirens zu verfolgen, aber ihre Wachsthumge- setze sind denen der Frucht tragenden Pflanzen ganz gleich. Bei Ectocarpus hat Prings- heim eine 3. Sporenart aufgefunden, nämlich antheridienartige Anhäufungen von kleinen Zellen, welche eine Schwärmspore enthalten. Pringsheim betrachtet Ptx/opteris mit ruhender Spore als Ectocarpus, und zeigt die ruhende Spore und deren Keimung von einer neuen Art von Ptilopteris, die er Pt. acrospora nennt, in Abbildungen vor, wie auch die Antheridien von Dasya eoceinea, die im Bau denen von Polysiplonia gleichen. Callithamnium Daviesii hat einzeln liegende, kuglige, ausschlüpfende Sporen und ist keine Floridee, sondern gehört zu Trentepohlia oder Chantransia. Prof. Nägeli bemerkt, dass er damit einverstanden sei, dass die Vierlings- oder Kapsel- früchte nicht befruchtet sind oder werden, findet es aber wahrscheinlich, dass die Sporenmutter- zelle befruchtet wird; sie könnte ein Loch haben, das man nicht sieht und die zwei Zellen, welche nach aussen vor der Sporenmutterzelle liegen, könnten vielleicht einen Intercellularraum bilden und für die Befruchtung Durchgang gestatten. Er habe Callithamnium Daviesil und Verwandte als besondere Gattung: Trichothamnium hingestellt. Dr. Caspary zeigt einige Früchte von Pfirsichbäumen mit gefüllter Blüthe vor, bei denen die ledrige, dieke, unschmackhafte Schaale nach Art einer Mandel geplatzt war. Sie waren ihm vom Herrn Geheimrath Bluhme übergeben und in dessen Garten in Bonn reichlich in 143 diesem Jahre zum Vorschein gekommen. Da dies Faktum auf eine Identität von Pfirsichen und Mandeln gedeutet werden könnte, so fragt Caspary an, obi. nicht einer oder der andere der Anwesenden nähere Erfahrungen darüber besässe. Prof. Braun spricht sich gegen die Annahme der Identität der Mandeln und Pfirsiche aus und führt die Ansicht des Dr. Klotzsch an, dass dergleichen zweifelhafte Pflanzen Bastarde zwischen Mandel und Pfirsiche seien. Dr. Caspary theilt dann mit, dass die Gattung Chroolepus Zoosporen hat und zu den Algen gehört. Caspary hat bei (hroolepus aureus Zoosporen beobachtet, die aus sehr ver- dickten, kugligen Spitzenzellen oder seltener aus einer angeschwollenen Zelle in der Mitte des Fadens hervorbrechen, mit 2 Wimpern versehen sind, lebhaft umherschwimmen, und nach- dem sie niedergefallen sind, ohne sich festzusetzen, keimen. Ruhende Sporen ist Caspary nicht im Stande gewesen bei Chroolepus aureus aufzufinden. Die Beobachtung von Zoosporen bei Protococcus erustaceus, die Cohn machte, wird bestätigt. Die Zoosporen sind hier eiför- mig, platt auf einer Seite und zweiwimperig. Die Zellwand sowohl von Chroolepus als Pro- tococcus erustaceus färbt sich durch Jod und Schwefelsäure blau. Chroolepus und Protococeus crustaceus sind von einigen, wie Kützing und Rabenhorst, zwar richtig zu den Algen, von anderen dagegen, wie von Körber zu den Flechten, und von noch anderen, wie Wall- roth, Nägeli zu den Pilzen gerechnet worden. Prof. Nägeli bemerkt, dass er schon längst C'hroolepus nicht mehr zu den Pilzen, sondern zu den Algen zähle und Prof. Braun fügt hinzu, dass Ohroolepus der Cladophora sehr nahe zu stehen scheine. Prof. Braun spricht dann über die neueren Ergebnisse seiner monographischen Bearbei- tung der Charen, setzte die Eintheilung der Familie in Gattungen und Sektionen auseinander und zeigte einige seltene, erst in neuerer Zeit entdeckte deutsche Arten vor, als Chara strigosa, durch Monöcismus von Ch. aspera unterschieden, aus dem Königssee von Berchtesgaden ; kommt auch im Jura im See von d’Etalliöres vor; (harw tenwissima von Georg Engel- mann am 11. Aug. 1827 zwischen Oberhausen und Rheinhausen gesammelt; Braun hatte sie seitdem nicht wieder zu Gesicht bekommen, bis sie bei Schwetzingen von Dr. Carl Schimper von Neuem (als Ohara belannophora Schimp.) gefunden ist; ferner C'hara jubata A. Br., die einzige Art, die nach Braun’s Wissen als neu in den letzten 10 Jahren in Deutschland ge- sammelt wurde und zwar vom Pharmaceuten Hertzsch im Parsteiner See (Provinz Branden- burg) und von Sanio in Masurischen Seen. Auch ist sie von Gorski schon in früheren Zeiten in Lithauen gefunden , jedoch nicht Ban charakterisirt worden. Auf Vorschlag des Vorsitzenden Prof. Wilh.Schimper wird Dr. Georg Engelmann zum Vorsitzenden für den nächsten Tag erwählt. 5. Sitzung: Donnerstag, den 24. September. Tages-Präsident: Dr. Georg Engelmann. Dr. Caspary verliest einen Brief des Dr. Dietrich Brandis aus Rangoon, einige Vegetations - Schilderungen von seiner diesjährigen Reise in Pegu und die Beschreibung der Gewinnung des Tooddy enthaltend. Prof. Cienkowski spricht dann über Pseudogonidien. Die beweglichen Sporen, welche 144 Pringsheim (Algologische Mittheilungen. Flora 1852.) beobachtet hat, sind schmarotzende Infusorien. Monadenartige Gebilde setzten sich bei mehreren Spirogyren an die Wand aussen fest, durchbohrten dieselbe und drangen in die Zelle ein. Monas Globulus Dujardin sieht ihnen sehr ähnlich; sie haben einen einzigen Schwingfaden. In der Zelle fing die Monade an zu kriechen wie eine Amöbe; ihre Conturen wurden schwarz und zuletzt kaum sichtbar ; anfangs war sie farblos, als sie aber längere Zeit zwischen dem Inhalte der Spirogyrenzelle sich auf- gehalten hatten, hatte sie sich mit Chlorophyll erfüllt und war grün geworden. Die Pseudo- gonidien haben ruhende Zusätze: Cysten, zweierlei Art. Die Monas nimmt einen kugligen Zustand an und ihr Inhalt sondert sich in einen gelbbräunlich gefärbten kugligen Theil und in einen, worin sich mehrere kleine Zellen bilden; diese kriechen aus, haben eine Cilie, schwär- men umher und dringen endlich durch die Wand der Spirogyra hinaus ins Freie. Oder — der 2. ruhende Zustand — der der ruhenden Spore vieler Algen zu entsprechen scheint, ent- wickelt sich so, dass der Inhalt der kugligen Zelle in 2 Zellen zerfällt, in eine gefärbte braune und in eine ungefärbte. Die letztere bewegi sich um die erstere. Die Entwiekelung der zweiten Art von Cysten hat Prof. Cienkowski noch nicht weiter verfolgen können. Inspektor Sinning übergiebt der Versammlung einige getrocknete Blüthenexemplare von Laurus Camphora aus dem botanischen Garten in Bonn zur Vertheilung und zeigt einen Zweig von Pinus sylvestris aus der Nähe von Dortmund in Westphalen vor, dessen Gipfelknospe abge- schnitten war und der oben nebst einem normalen Astquirl die gewöhnlichen mit 2 Nadel- blättern versehenen verkümmerten Zweige trug, deren einige jedoch sich zu verlängerten Zweigen entwickelt hatten, unten aber statt ihrer eine sehr bedeutende Zahl von Zapfen (42) ringsum zeigte. Professor Cohn spricht über einen auf einer lebenden Alge schmarotzenden Kernpilz. Lemania hat ausser der gewöhnlichen perlschnurartigen’Fruchtbildung in anderen Exemplaren ein Gebilde, dessen Verhältniss zur Lemania von Cohn nicht ermittelt werden konnte. Es fanden sich nämlich in einigen Zellen schwarze Körper, die ganz einen sphärienartigen Pilz darstellten; es waren Schläuche mit 8 Sporen darin; die 4-zelligen Sporen keimten, brachten es aber über Fäden nicht hinaus; ein Mycelium war nicht nachweisbar. Wahrscheinlich ist dies sphärenartige Gebilde ein Schmarotzer und keine Frucht der Lemania, obgleich auf einer lebenden Alge kein Schmarotzerpilz bisher beobachtet ist. Zur Ermittelung seiner Natur thut Prof. Cohn 2 Fragen an die Anwesenden; 1) Ist an einer Wasserpflanze eine parasitische Sphäre gefunden, oder 2) specieller an einer Alge? j Dr. Pringsheim bemerkt, dass er das sphärenartige Gebilde auch bei Lemania gefunden habe, jedoch ohne zur Entscheidung gekommen zu sein. Prof. Nägeli hat dasselbe auch beobachtet ohne Aufschluss geben zu können, Prof. Nägeli hält die rosenkranzartigen Sporen nicht, wie Prof. Cohn muthmasslich aussprach, für Gonidien. Professor Nägeli spricht dann über Drehungen im Pflanzenreich mit Bezugnahme auf den von Dr. Carl Schimper in der allgem. Sitzung vom 24. Septbr. gehaltenen Vortrag. Es sei zu unterscheiden zwischen Drehung von Zellen und Drehung von Organen. Der einfachste Fall ist die Drehung eines soliden Cylinders; die äussersten Lagen drehen an ihn am stärksten, die zwischen Centrum und Peripherie gelegenen weniger, die Achse gar nicht. Wie ein ge- drehter Cylinder sich verhält, so auch eine gedrehte Zelle, ein Band, ein Oylinderausschnitt und ganze aus Zellen zusammengesetzte Organe. Es giebt keinen andern Grund für die Drehung, als dass die äusseren Zellenlagen sich stärker ausdehnen als die inneren. Denkt 145 man sich zwei der Länge nach auf einanderliegende Zellen, die in gleicher Richtung drehen, so heben sich die Drehungskräfte auf den einander zugekehrten Seiten auf, dagegen auf den einander abgewandten tritt Drehung ein, was von 2 Zellen gilt, gilt von vielen mit einander verbundenen, d. h. von Organen. Der Bast dreht, indem er austrocknet; die Drehung kommt daher, dass jede einzelne Bastzelle sich drehen will und dadurch das Ganze gedreht wird. Die Grundvoraussetzung dabei ist die, dass die äusseren Zellschichten weniger als die inneren sich verkürzen. Beim Bastbündel kommt noch dies hinzu, dass die äusseren Lagen weniger Wasser enthalten als die inneren. Die Form der Theilchen sei von untergeordneter Bedeu- tung; die Drehung müsse erfolgen bei jeder Gestalt der kleinsten Theilchen. Dr. Carl Schimper erwidert, dass er darauf beharren müsse, dass die Theilchen rhom- bische Gestalt und keine andere hätten, und zwar aus zwei Gründen: 1) Wäre die Ursache der Drehung nur die Verkürzung der inneren Schichten im Unterschied von den sich weniger verkürzenden äusseren, so müsste Querrunzelung, aber nicht Drehung eintreten. Die Drehung bewiese eine rhombische Einrichtung der Theilchen. 2) Wenn man eine Talgkerze oder einen morschen Baumast an ihren Enden ergriffe und beide Enden in derselben Richtung rechts oder links drehte, so zeigte die ganze Kerze oder der Ast spiralige Drehung und rhombische Gestalt der Bruchstücke, was sich aus keiner andern Gestalt der Theilchen, als der rhombischen er- klären lasse. Prof. Nägeli theilt dann seine Beobachtungen über den: Gefässbündelverlauf in den Stamm- theilen der Gefässkryptogamen, Gymnospermen und Dikotyledonen mit. Die Bestandtheile der Gefässe sind Holz-, Spiralfaser-, Cambium- und Bastzellen. Das Collenchym, das langge- streckte Gewebe der Moose und Flechten ist kein Gefässbündel. Die Moose haben keine Ge- fässbündel, wie sie auch keine Wurzel haben. Die Gefässbündel sind anfangs getrennt, später verschmelzen sie zu einem Holzeylinder; das Dickenwachsthum beginnt von einem peri- pherischen Punkt. Schleiden hat zwischen simultanen und succedanen Gefässbündeln unter- schieden; der Redner kenne nur suceedane. Das Dickenwachsthum kann nach 2 Richtungen stattfinden: 1) von Aussen nach Innen, centripetales Wachsthum, bei den Lykopodiaceen und Wurzelfasern der höheren Pflanzen ; 2) von Innen nach Aussen, centrifugales Wachsthum beim Stamm der meisten Dikotyledonen und einiger Monokotyledonen. Wenn die Gefässe bei cen- tripetalem Wachsthum im Kreise stehen, so verschmelzen sie endlich in einen marklosen Holz- eylinder: wachsen sie dagegen centrifugal, so bilden sie einen Holzeylinder, der Mark enthält. Der Verlauf der Gefässbündel in den Stammtheilen hängt mit dem Eintritte der Gefässbündel in die Blätter zusammen; für die Monokotyledonen ist dies durch Mohl bekannt, aber es kommt auch, wie der Redner schon früher nachgewiesen-habe (Schleiden und Nägeli botan. Zeit- schrift 3. u. 4. Heft p. 129 ff.), den Gefässkryptogamen und Dikotyledonen zu. Unger und Schacht haben dies ignorirt und nehmen an, dass die Gefässbündel des Stammes in die Länge wachsen und in die Blätter eintreten ; dies ist unrichtig; die Gefässbündel verzweigen sich nicht nach oben. Der Redner habe 73 Pflanzen (Dikotyledonen und Gefässkryptogamen) untersucht und bei allen diesen, mit Ausnahme von drei Gattungen, das Angegebene gefunden. Hanstein habe sich angeschlossen, behaupte indessen unrichtig, dass alle Gefässbündel des Stammes in die Blätter ausgingen; nur die ursprünglich am Entstehungspunkt des Blattes an- gelegten gehen in dasselbe, der Stamm habe ausserdem noch oft Gefässe, die nicht in die Blätter gingen und ihm eigenthümlich seien. Die Gefässbündel beginnen immer an der Stelle, wo das Blatt anfängt, und gehen von da später im Stamme hinunter, nicht aber umgekehıt. In die Blätter treten mehr oder weniger Gefässbündel ein; sie verhalten sich auf zweierlei 19 146 Weise: 1) Wenn ein Bündel in ein Blatt ausgeht und sich in einem darüberstehenden Blatte ein Bündel bildet, so kann das Gefässbündel des obern Blattes aussen von dem Gefässbündel des untern Blattes in den Stamm hinabsteigen; so bei den Monokotyledonen; oder es kann: 2) nach innen und unten seinen Verlauf nehmen, so bei den Dikotyledonen. Der Sprecher habe Dikotyledonen hauptsächlich untersucht. Es gebe eine ganze Reihe von Typen der An- ordnung: 1) Typen, verschieden nach der Zahl der Gefässbündel, die in ein Blatt ausgehen; 2) Typen, verschieden nach der Stelle des Umfangs, von welcher die Gefässbündel entspringen, kreuzten sie sich oft und verliefen auch in verschiedene Tiefen. — Die Methode der Unter- suchung sei dabei zweierlei gewesen. Der Verlauf der Gefässbündel sei 1) durch Querschnitte, 30—40 und mehr, die mit einander verglichen wurden und 2) durch Längsschnitte ermittelt worden. Längsschnitte wurden nur bei dünneren Stengeln gemacht, indem sie gehälftet wurden. Die beiden Hälften wurden durch Anwendung von Kali durchsichtie gemacht und neben ein- ander gezeichnet. Schematische Darstellungen wurden dann entworfen, entweder in con- eentrischen Kreisen oder auf ein System gerader Linien, indem der Stamm als aufgerollt ge- dacht wurde. — Es giebt einige Pflanzen bei denen die Gefässbündel des Stammes in die Blätter ausgehen, nur 3 unter 73 untersuchten: Selaginella, Callitriche und Hippuris; diese Pflanzen haben auch kein Mark, sondern einen centralen Holzeylinder, der Stamm von Lyeo- podium hat nur Anfangs Mark, später jedoch nicht. — Die Gefässbündel gehen in verschiedener Zahl in die Blätter; oft nur eins: Alsine, Hypericum, Thuja, Egwisetum, Galium, Rubia. Bei Jasminum und Sarothammıs haben die Gefässbündel deutlich einen schiefen Verlauf. Das obere Blatt setzt sich mit seinem Gefässbündel schief an das darunter stehende (bei 4 Stellung bei Sarothamnus) an. Zwei Bündel gehen aus in ein Blatt bei den Labiaten: Salisburia, Ephedra, Anagallis; drei bei Erythrina, Acer, Phuladelphus, Euphorbia, Latlhyrus, Passi- Hora, Centranthrus, Amelopsis, Lathyrus, Medieago. Bei Sambucus und Virtis gehen 5 Bündel in ein Blatt, bei Menyanthes 1—13. Nach Hanstein soll die Anordnung der Gefässbündel mit der Blattstellung übereinstimmen, was voraussetzen würde, dass die Gefässe senkrecht ver- laufen ; dies ist jedoch nicht der Fall. Unter 73 Pflanzen hat der Redner keine der Art ge- funden. Die Gefässbündel legen sich stets schief an die unteren an und haben einen selbst- ständigen Verlauf. Dr. Caspari theilt dann einige wenige Bemerkungen über den Bau des Stammes der Nymphaeaceen mit, indem die Kürze der Zeit ausführliche Erörterung nicht zuliess. In meh- reren Gattungen ist das Feld des Blattes mit den ihm zugehörenden Wurzeln, wie auch das Feld der Blüthe, in der sehr dieken, schwammigen Rinde durch Streifen dichten Parenchyms scharf begrenzt und abgetheilt, so bei Victoria, Euryale, Nymphaea. Bei Nuphar, Nelumbium und den Cabombeen ist dies nicht der Fall. Im mittleren Gefässbündelsystem des Stammes sind die Gefässe nicht in einen einfachen Kreis gestellt, sondern zerstreut; in den äusseren Theilen dieses mittleren Gefässbündeleylinders anastomosiren die Gefässbündel in kurzen, dichten Maschen über und hinter einander, lassen jedoch für die Bündel, welche in bestimmter Zahl nach den Blättern, Wurzeln, Stipulis und Blüthen gchen, regelmässige Lücken. Dem Redner ist es jedoch bisher nicht möglich gewesen, ein aussprechbares Gesetz der Verzweigung und des gegenseitigen Verhaltens der Gefässbündel über einander liegender Blätter in dem Anasto- mosengewirr aufzufinden. Der Bau trägt mehr den Charakter der Monokotyledonen, z.B. von Stratiotes, als der Dikotyledonen. Die Unterschiede von Nymphaea alba und odorata, welche der Stamm bietet, werden dargelegt. Bei Nymphaea alba und Nuphar Iuteum geht die Blatt- stellung bei %;, %,, ohne Prosenthese auf den Ast über, ein Fall der bei Blattstellungsverhält- 147 nissen so hoher Zahlen bei keiner andern Phanerogame bekannt ist; bei Nymphaca alba ist die Blattstellung der Aeste bald antidrom, bald homodrom mit der des Stammes, bei Nuphar luteum stets homodrom. Die Blüthen stehen ohne Gesetz bei den meisten Arten von Nymphaca und bei Nuphar, bei Nymphaca gigantea dagegen bilden sie regelmässige Reihen. Es werden Stämme der erwähnten Nymphaeaceen und Abbildungen vorgezeigt. Prof. Naegeli bemerkt, dass von den 5 Gefässbündeln, die bei Nymphaea alba in jedes Blatt eintreten, die beiden seitlichen Paare im Innern des Stammes nach dessen Rande zugingen, das mittlere jedoch einen Zweig nach Innen entsende, um einen centralen Strang zu bilden, und nur in diesem letzteren Punkte weiche der Bau von Nymphaea alba von dem Charakter des Dikotyledonenstammes ab. Prof. de Bary spricht über die Fruktification der Hymenomyeeten. Nyetalis Asterophora besitzt in einem und demselben Hute Basidien und einsporige, sternförmige Schläuche. N. para- sitica zeigte die Schlauchfructifikation allein. In den alten Lamellen von Agarieus melleus bilden sich viersporige Schläuche in grosser Menge. Diese Facta deuten auf eine Duplicität in der Fructifikation der angeführten Pilzklasse hin; es spricht dabei Manches für die Vermuthung, dass die Species der Hymenomyceten nur einen Fructifikationszustand von Ascomyceten vorstellen. 3. Sektion für Zoologie. In der einleitenden Sitzung am Freitag den 18. Sept. hielt der einführende Professor Troschel eine Begrüssungsrede an die Anwesenden, welche darauf zum Tages- Präsidenten für die nächstfolgende Sitzung Professor van Beneden wählten. Die Sitzungsstunden waren immer früh von 9 bis 11 Uhr. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Tages - Präsident: Prof. van Beneden. Dr. Reichenbach aus Altona reichte für die Ausländer der Sektion eine Anzahl von Exemplaren seiner kleinen Schrift; „Ueber die Entstehung des Menschen, ein kleiner Beitrag zur Anthropologie und Philosophie“ ein, die der Präsident zur Vertheilung brachte. Dr. Verloren aus Utrecht zeigte eine grosse Menge als vortrefflich anerkannte Zeich- nungen, meist die Entwickelung der Nematoideen betreffend, welche von Schubart, früher Prosector zu Utrecht, verfertigt waren; bespricht die Umhüllung von Flimmer - Epithelium bei den Embryonen von Botlryocephalus latus; erwähnt eine besondre Art der Entwickelung, die er an Ascaris megalocephala beobachtet zu haben glaubt; spricht über das Vorkommen von Oxyuris bei Hydrophilus pieeus, und zeigt viele Abbildungen zur Entwickelungsgeschichte von Chironomıs plumosus. Prof. Leuckart aus Giessen zeigt Eier von Ascarıs lumbricoides und bespricht die daran beobachteten Bewegungen der Embryonen. Hofrath Kubinyi aus Pesth theilt Bemerkungen über die Einrichtung zoologischer Gärten und ähnlicher Institute in Deutschland, Belgien und Holland mit, die er auf seiner Reise durch diese Länder gesammelt hat. 148 Dr. Sonnenburg aus Bonn spricht über die Zoologie des Aristoteles und vertheilt seine diesen Gegenstand betreffende Schrift. Prof. Forchhammer aus Kiel und Prof. Grube aus Breslau machen einige Be- merkungen zu dem Vortrage des Dr. Sonnenburg. Prof. Troschel macht in Vertretung des Präsidenten van Beneden einige geschäftliche Mittheilungen: Er verlas ein an ihn eingegangenes Schreiben des Prof. Jan in Mailand, worin derselbe alle diejenigen Zoologen, welche einem Museum vorstehen, oder selbst eine Samm- lung besitzen, bittet, ihm Schlangen zur Ansicht zu schicken, um sie für eine grössere Arbeit studiren und zeichnen zu können. Derselbe erbietet sich zum Bestimmen von Schlangen und ist zum Tausche bereit. Darauf zeigte er auf den Wunsch des Vorstandes des Vereins für. Rheinland und West- phalen ein an dasselbe eingegangenes Geschenk, „Baedecker, Die Eier der europäischen Vögel, nach der Natur gemalt, mit einer Beschreibung des Nestbaues von Brehm. 2Lieferungen.“ Ferner legte derselbe auch die beiden ersten Hefte seines Werkes „Das Gebiss der Schnecken, Berlin 1856—1857* zur Ansicht vor und forderte diejenigen Mitglieder, welche sich für diesen Gegenstand näher interessirten, auf, in einer besonderen Sitzung, Montag, den 21. Sept., Morgens von S—9 Uhr, im Poppelsdorfer Schlosse, weitere Mittheilung darüber zu vernehmen, sowie die Präparate zur Erläuterung dieses Gegenstandes zu besichtigen. Prof. van Beneden (in Bezug auf die von Dr. Verloren vorgelegten Zeichnungen) glaubt im Namen der Sektion für Zoologie und besonders auch im Sinne aller Helminthologen zu sprechen, wenn er das Bedauern ausdrückt, dass die schönen Untersuchungen des Dr. Schubart über die Eingeweidewürmer noch nicht veröffentlicht worden sind. Diese Veröffentlichung würde viele mühsame seither angestellte Untersuchungen überflüssig gemacht haben. Die Section beschloss, ihre nächste Sitzung Montag von 9—11 zu halten und von I9— 10 die systematischen, von 1D—11 die zootomischen Vorträge anzunehmen. Der Präsident be- schloss die Sitzung und schlug Staatsrath Eversmann aus Kasan zum Präsidenten vor, der die Wahl annahm. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Tages - Präsident: Staatsrath Eversmann. Prof. Förster aus Aachen sprach über parasitische Hymenopteren, deren Verbreitung und Lebensweise und zeigte zugleich einige Familien derselben vor. Prof. Grube aus Breslau hielt folgenden Vortrag: Wenn es mit ein Zweck unserer Sectionssitzungen ist, Gegenstände, die eine mehrseitige Auffassung zulassen, zur Sprache zu bringen und dadurch einen lebhaften Austausch verschie- dener Ansichten herbei zu führen, so erlaube ich mir die Aufmerksamkeit der geehrten Ver- sammlung auf den Deckel der Schnecken zu lenken, nicht auf jenen periodisch erzeugten, mit dem die Helices zum Winter oder der heissesten Sommerzeit ihr Gehäuse verschliessen, sondern auf den mit dem Körper verbundenen, dauernden und mit ihm sich vergrössernden, der frei- lich kein Gemeingut aller Gasteropoden, aber doch bei sehr vielen, ja wohl entschieden bei der Mehrzahl zu finden ist. So weit die bisherigen Untersuchungen reichen, fehlt derselbe im er- wachsenen Zustande allen Prlmonata apomata, Üyclobranchien, Cirribranchien, einzelnen Familien aus allen Gruppen der Ütenobranchien, wie den Involuten, Capuloideen u. A., selbst einzelnen Gattungen aus solchen Familien und einzelnen Arten aus solchen Gattungen, die zu den deckeltragenden gehören, er ist überhaupt nicht vorhanden wo es keine äussere Schale Eye 149 gibt. Dagegen wissen wir seit Sars, van Benedens und ihrer Nachfolger Entdeckungen, dass vielen nackten und mit inneren Schalen versehenen Meerschnecken, wie den Gymnobranchien und Pomatobranchien , auch manchen weiterhin bloss mit einem äusseren Gehäuse ohne Deckel versehenen, wie die Carinarien, in der ersten Jugend ein Gehäuse mit einem Deckel zukommt. So gewissenhaft nun auch in den verschiedenen zoologischen und malacologischen Handbüchern bei den einzelnen Gattungen seine, An- oder Abwesenheit angegeben, in letzteren seine Gestalt beschrieben wird, so wenig scheint mir im Allgemeinen seine Bedeutung berücksichtigt, und die darüber aufgestellten Theorien haben unter den deutschen Forschern weder warme Verthei- diger noch lebhafte Angriffe erfahren. Ich will hier eine derselben, die sich bei der Verglei- chung von Muscheln und deckeltragenden Schnecken leicht aufdrängt, die auch Gray wieder- holt hervorgehoben hat, näher auseinandersetzen und beleuchten: als Ueberzeugung kann ich sie nicht aussprechen, da ich bisher noch nicht so vielseitige Untersuchungen angestellt, als zur Begründung erforderlich sind. Die beiden Mantelhälften und die ihnen entsprechenden Schalen der Muscheln i. e. S. sind bekanntlich eine rechte und eine linke, der Eingeweidesack oder eigentliche Leib, von dessen Rücken sie herabhängen, erfüllt beim Schliessen beide Schalen- hälften gleich, wenn beide, wie gewöhnlich, gleich gewölbt sind. Wird aber die eine von beiden flach, wie bei manchen Pectenarten, so beherbergt natürlich den ganzen Leib die andere Schale, und die flache dient nur als Deckel der tieferen und ihres Einschlusses. Denkt man sich nun den meist seitlich zusammengedrückten Leib der Muschel, von oben nach unten niedergedrückt und zugleich nach vorn und hinten verlängert, so wird seine unterste, besonders muskulöse Partie zur platten Sohle, sein Vordertheil, in dessen Inneres sich der Oesophagus nach vorn fortsetzt und zur Mundhöhle erweitert, und dessen Wandungen die Träger von Sinnesorganen werden, gestaltet sich zum Kopf um, und wie sich alle Ernährungs- und (Generationsorgane nach einer Seite hin drängen und entwickeln, während die andere leer ausgeht, verschwinden auf dieser auch die Athmungsorgane, und es bleibt ihr nur ihre äussere Bedeckung. Es ist dies eine blosse Vorstellung, welche in der Natur durch keine Reihe entsprechender Mittel- bildungen bezeichnet wird, bezieht sich auch nur auf gewisse Schneckenformen und enthält daher keine Nöthigung zur allgemeinen Annahme; sie will nur die so auffallende Asymmetric erklären, und den Deckel auf eine Bildung zurückführen, die in einer anderen und zwar nie- driger stehenden Classe desselben Kreises allgemein vorkommt. Inzwischen lässt sich doch noch Manches anführen, was vielleicht in diesem Zusammenhange nicht so benöthet ist. So finden wir die spirale Aufrollung der Wirbel schon sehr entschieden bei manchen Muscheln, namentlich den Isocardien, und die innige Verbindung der beiden Schalstücke, die sich in Schloss und Ligament ausspricht, lockert sich allmählich, indem Schlosszähne und Gruben schwinden, und selbst das Ligament fehlen kann, freilich bei Formen, die unter eigenthüm- lichen Verhältnissen leben, alsdann bleibt nur die Verbindung durch Muskeln übrig, wie sie bei Schnecken besteht. Andrerseits scheint mir dadurch, dass man so häufig den Deckel der Schnecken als ein Fussgebilde, die Muschelschalen aber als ein Mantelgebilde darstellt, die Möglichkeit einer Vergleichung erschwert. Ich kann unter dem Ausdruck Fuss nur die be- sonders muskulöse, mehr oder minder zum Kriechen und Anheften ausgebildete Bauchpartie des Sackes verstehen, der die Eingeweide der Mollusken enthält und ihren Leib bildet, während der Mantel, wie A. Leuckart wiederholt hervorgehoben, eine lappenförmige Wucherung an der Rückenseite des Leibes ist. Den hintern über das Gehäuse hinausragenden Theil des Sehneckenkörpers nehme ich nicht als blosse Verlängerung des Fusses, sondern betrachte ihn als Fortsetzung des Leibes; er ist nicht wie dieser ursprünglich hohl zu denken mit musku- 150 lösen Wandungen. Indem nun aber bei den Gehäusschnecken das Eingeweide in einen Bruch- sack der Oberseite hineingedrängt wird, verkümmert die Höhle in jener hintern Partie, ihre Bauchwand bildet die Fortsetzung der Sohle, an ihrer Rückenwand kann durch mehr oder minder umfangreiche Wucherung ein Mantellappen und ein Schalstück entstehen: man erkennt dann den Mantellappen an dem das Schalstück rings umgebenden Saum, und kann sich am leichtesten die Aehnlichkeit mit dem Mantel des Gehäuses vor Augen führen, wenn man an einer Schnecke Gehäuse und Deckel ablöst. Dass aber jene hintere Partie des Schnecken- körpers sich auch mit Eingeweiden füllen kann, lehrt die Entwickelung der Gymnobranchien, bei welchen mit dem Schwinden des Gehäuses auch der Bruchsack sich ausgleicht, und dann ein Theil der Eingeweide (zum Theil neu sich bildende) in jener hintern Partie zu finden ist. Nicht minder kommt der ursprüngliche Hohlraum jener Partie bei den Schneckenembryonen zur Anschauung, bei denen man ein Hinüber- und Herübertreten von Flüssigkeit zwischen ihr und dem Eingeweidesack wahrnimmt. Bei den Atalanten endlich trennt sich von dieser hinteren, oft schlechtweg als Fuss betrachteten Partie die besonders muskulöse und zur Loeomotion ver- wandte Bauchschicht durch einen tiefen Einschnitt und es wird zur Flosse, während auf dem Rücken des Restes Mantel und Deckel bieiben. Dennoch steht einer völligen Identifieirung des Schneckendeckels mit einer der Muschel- schalen manches entgegen, wenn man sich auch über das mitunter weite Auseinanderrücken der Mantellappen bei den Schnecken hinwegsetzte. Es weicht die Structur des Deckels von der Structur des Gehäuses ab. Letzteres besteht aus Kalkschichten, die oberflächlich mit der sogenannten Epidermis bekleidet sind, der Deckel dagegen scheint wesentlich ein hornartiges Gebilde (im weitern, nicht im chemischen Sinn), ist es häufig nur ein solches, und wenn er ausserdem Kalk enthält, so lagert sich dieser oberhalb ab, so dass wenn man seine hornige Substanz mit der Epidermis der Schnecken- und Muschelschale gleich stellen will, das Ver- hältniss der Kalkschichten zu ihr beim Deckel gerade das Umgekehrte ist. Man müsste ferner erwarten, dass wie die Schalenhälften der Muscheln, so auch Gehäuse und Deckel der Schnecken gleichzeitig entstehen, dies geht aber aus den Untersuchungen .über die Entwickelung keines- weges entschieden hervor, vielmehr wird von mehreren Beobachtern die Entstehung des Ge- häuses als die frühere angegeben, von andern wenigstens die gleichzeitige Entstehung des Deckels nicht ausdrücklich hervorgehoben; gewiss ist nur, dass beide Momente nicht weit aus- einander liegen, und wahrscheinlich, dass die ersten Anfänge des Deckels, wegen seiner grossen Dünnheit und Flachheit, sich leicht der Beobachtung entziehen, zumal wenn man sich nicht von vorn herein die Entscheidung jener Frage zur Aufgabe gemacht. Endlich ist die Lage der verglichenen Theile gegen die Hauptachse des Moluskenkörpers nicht dieselbe: denn während die Klappen der Muschelsehale rechts und links von ihr liegen, werden Schneckengehäuse und Deckel von ihr durchschnitten und verhalten sich wie die Klappen der Brachiopodenschale, wie Vorder- und Hintertheil zu einander, wobei denn freilich der Vordertheil, das Gehäuse, sich noch insbesondere nach rechts oder links entwickelt. Prof. Leuckart aus Giessen bestreitet die Richtigkeit der Grube’schen Annahme und sucht seine Opposition durch eine morphologische Analyse der Gasteropoden und Labelli- branchiaten zu begründen. Prof. van Beneden stellt die Frage, in wie weit diese Theorie mit den durch die Ent- wickelung des Embryo bei den Gasteropoden und Acephalen gegebenen Thatsachen überein- stimmt; er ist der Ansicht, dass die zu diesem Zwecke angestellten Untersuchungen der An- nahme des Prof. Grube widersprechen. 51 Es entsteht eine Discussion über diesen Gegenstand, an welcher sich auch die Herren: Staatsrath Eversmann und Dr. Semper betheiligen. Staatsrath Eversmann spricht über den geographischen Charakter der verschiedenen Steppen des südlichen asiatischen Russlands und über die Verbreitung der Pflanzen- und Thierwelt in denselben. Hofrath Kubinyi aus Pesth fügt zu diesem Vortrage einige vergleichende Bemerkungen, ähnliche Erscheinungen in Ungarn betreffend, hinzu. Prof. van der Hoeven aus Leyden knüpft an den Vortrag des Staatsrath Eversmann die Bemerkung, dass aus den Forschungen, welche Lichtenstein, dem er zugleich Worte des Andenkens widmet, am Cap der guten Hoffnung vor 50 Jahren im Auftrage des nieder- ländischen Gouvernements angestellt hat, auffallende Uebereinstimmung der beiden erwähnten Länder in Bezug auf die besprochenen Verhältnisse hervorgeht. Am Schlusse ‘der Sitzung forderte Prof. Troschel zu einer Besichtigung des natur- historischen Museums zu Poppelsdorf am Nachmittage desselben Tages auf, woran sich denn fast die ganze zoologische Sektion betheiligte. Zum Präsidenten für die nächste Sitzung wurde Prof. van der Hoeven gewählt. 3. Sitzung: Dienstag, den 22. September. Tages - Präsident: Professor van der Hoceven. M. Bach aus Boppard sprach über das Verhältniss der Inseeten zur Pflanzenwelt und wies nach, dass bei Aristolochia elematitis die Befruchtung nur durch Vermittlung eines Zwei- flüglers geschieht, Ceratopogon plumicornis L. Er erklärte die Einrichtung der Blüthe dieser Pflanze, die der Art ist, dass das Insect gefangen gehalten wird, bis die Befruchtung der Pflanze statt gefunden hat; dies geschieht durch Haare, die sich in der Blüthenröhre befinden, und sich, sobald wie die Befruchtung geschehen, so an die Wand legen, dass das Thier wieder entkonımen kann. Dr. Moebius aus Hamburg sprach über die Entstehung und Structur der Perlen, an denen man, wie bei Muschelschalen drei Systeme von Schichten unterscheiden kann, und er- klärte die Erscheinungen des Glanzes und der Farbe an denselben. In 59 Perlen, die von ihm vorsichtig geschliffen worden waren, fand sich kein Quarzkorn als Kern, sondern thierische oder faserige Kalkkerne. Die Säulenschicht der Muscheln und Perlen hat keine durch Mole- eularbewegung hervorgebrachte Structur, doch fanden sich auch Perlen, die krystallinische Kalkfasern enthalten. Unter den von v. Siebold abgebildeten künstlich erzeugten Buddha- Perlen fand er eine concav-convexe Zinnform. Der Perlenmutter -Ueberzug ist nur 0.1 -- 0.2 mm. dick. Dr. Keber aus Insterburg hielt über den Bojanus’schen Körper der Najaden folgenden Vortrag: Meine Herren! Erlauben Sie mir Ihrer Aufmerksamkeit einen Gegenstand von Neuem zu empfehlen, welcher in früheren Jahren vielfach und auch in neuester Zeit öffentlich besprochen worden ist, ohne jedoch bis jetzt zu einem allgememgültigen definitiven Abschlusse gebracht zu sein, ich meine das Bojanus’sche Organ bei den Najaden. Nachdem die von Bojanus auf- gestellte und lebhaft vertheidigte Ansicht, dass dieses Organ die Bedeutung einer Lunge habe, 12 mit Recht keinen allgemeinen Anklang gefunden hatte, einigte man sich in neuerer Zeit darüber, demselben ebenso, wie den Venenanhängen anderer Weichthiere, die Bedeutung einer Niere zu vindieiren, wobei jedoch mehrere anatomische Verhältnisse unbeachtet geblieben waren, welche ich in einer im Jahre 1851 herausgegebenen Schrift (Beiträge zur Anatomie und Phy- siologie der Weichthiere) ausführlich und genau beschrieben und abgebildet habe. Ich wies darin ausser andern bis dahin unbekannten Thatsachen namentlich nach: 1) dass die von Poli und Bojanus zuerst beschriebene Oeffnung am Vorderende des innern Kiemenganges nicht, wie man bisher allgemein angenommen hatte, in’s Innere des Bojanus’schen Organs führt, sondern vielmehr in einen Blindsack, in welchem dasBojanus’sche Organ flottir, ohne mitihm zu communiciren. Ich benannte diesen Blindsack Vorhöhle der Schalendrüse, indem ich wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit nachwies, dass das Bojanus’sche Organ den zur Bildung der Schale bestimmten Stoff secernire und mithin mit Recht den von Poli ihm zuerst beigelegten Namen Viscum testaceum verdiene. Ich hatte näm- lich ferner gefunden 2) dass das Bojanus’sche Organ einen sehr deutlich wahrzunehmenden Ausführungs- gang nach dem Herzbeutel besitzt; 3) dass aus dem Vorderende des Herzbeutels feine netzförmige Eingänge in ein, bis dahin von Niemandem beschriebenes, in die Substanz des Mantels eingebettetes, rothbraunes Organ führe, wodurch sowohl dieses Organ, als auch der grösste Theil des Mantels, sowohl mittelst des Tubulus mit Luft aufgeblasen, als auch mit Quecksilber injieirt werden kann. Die vorstehenden sowie mehrere andere, in meiner Schrift enthaltene Beobachtungen haben durch spätere Beobachter ihre volle Bestätigung erhalten. Ich nenne darunter namentlich die Inaugural-Dissertation von A. von Rengarten in Dorpat und die Abhandlung über das Ge- fässsystem der Teichmuschel von Prof. Carl Langer in Wien, welche erst vor wenigen Monaten erschienen ist. So willkommen mir aber diese Bestätigungen sein mussten, so habe ich doch mit Erstaunen in beiden Abhandlungen eine Angabe gefunden, welche meinen eignen Wahrnehmungen in einem wesentlichen Punkte widerspricht, nämlich die Angabe, dass aus der oben sub 1. erwähnten Vorhöhle eine Oeffnung ins Innere des Bojanus’schen Organs führe. Ich gestehe, dass ich selbst nach dieser Oeffnung sehr eifrig gesucht und meine übrigen Be- obachtungen grösstentheils desshalb lange nicht veröffentlicht habe, weil es mir nicht gelang, eine Communications-Oeffnung zwischen Vorhöhle und Bojanus’schem Organ zu finden. Ich habe auch nach dem Erscheinen der Langer’schen Abhandlung in den letztverflossenen Monaten den Gegenstand nochmals verglichen, bin aber bis jetzt durchaus ausser Stande gewesen, die auf seiner Taf. I. Fig. 3. mit dem Buchstaben b. bezeichnete Oeffnung aufzufinden. Wenn mithin Langer in seiner Abhandlung S. 6 sagt: „Durch diese, von Keber schon bemerkte, aber für ein Artefakt gehaltene Oeffnung communicirt die Vorhöhle mit den Abtheilungen des Kolbens vom Bo- janus’schen Körper; so muss ich, so weit meine eigenen Beobachtungen reichen, diesem Ausspruche Langers durchaus widersprechen. Zugleich spreche ich mein Bedauern darüber aus, dass sowohl von Rengarten als auch Langer diese angebliche Oeffnung nicht hinsichts ihrer Grösse, Gehalt und sonstigen Beschaffenheit nach näher beschrieben haben, wie ich es doch bei allen von mir zuerst geschenen Punkten gethan. — Sollte nun einer der ge- ehrten Anwesenden den erwähnten Gegenstand selbst durch Autopsie genauer erfasst und na- mentlich die von Langer behauptete Communications - Oeffnung wieder aufgefunden haben, so würde ich mich sehr freuen, dadurch eines Besseren belehrt zu werden. lch habe eine 153 Anzahl in Spiritus erhärteter Anodonten mitgebracht, an welchen der thatsächliche Nachweis geliefert werden könnte. Hierauf erhob sich Prof. Leuckart aus Giessen und erklärte, dass er den besprochenen Gegenstand selbst untersucht, jedoch überall die Darstellung Kebers bestätigt gefunden habe, und dass namentlich jene Communications - Oeffnung zwischen Vorhöhle und Bojanus’schem Organ bei der Teichmuschel nicht existire. Dr. Claus aus Cassel sprach über den Bau und die Organisation der Cyclopslarven und suchte aus der Entwickelung der Gliedmassen die morphologische Uebereinstimmung im Bau der Copepoden und Phyllopoden nachzuweisen. Prof. Leuckart aus Giessen sprach über Drohnenbrütigkeit und erörterte die verschie- denen Arten derselben bei Königinnen und Arbeitern. Prof. Carus aus Leipzig lenkte die Aufmerksamkeit der Sektions- Mitglieder auf seine Icones Zootomieae, die er zur Ansicht vorlegte. Zum Präsidenten für die folgende Sitzung wurde Prof. Grube und zugleich für die darauf folgende Prof. Leuckart gewählt. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages-Präsident: Prof. Grube. Medieinal-Ratlı Jaeger aus Stuttgart trug über die das Absterben der Zähne bei ver- schiedenen Thieren begleitenden Veränderungen der Zähne und der Kiefer vor. Prof. Schaum aus Berlin sprach über den Generationswechsel der Blattläuse und hob namentlich die Thatsache‘ hervor, dass dasselbe Individuum im Verlaufe seiner Entwickelung ohne Befruchtung lebendige Junge gebiert und am Schlusse derselben Entwickelung als Weibchen fungirt. Prof. van Beneden aus Löwen spricht über die Entwickelung von Lumbriconais. Diese marinen Würmer tragen in der Jugend zwei Wimperkränze und Augen, welche Charaktere Schlüsse auf die noch so wenig bekannten Verwandtschaften gestatten. — Derselbe thut ferner eines Distoma Erwähnung, welches sich in Bxceinum undatum entwickelt, ohne durch die Cer- earienform zu gehen. —- Er legt der Sektion eine Reihe von Tafeln vor, welche die ganze Entwickelung von Mysis darstellen und legt dabei besonders Gewicht auf die allmähliche Ent- wickelung der Anhängsel. — Prof. van Beneden trägt darauf einige an Polypen gemachte Beobachtungen vor, nach welchen zum Verwechseln ähnliche Polypen so verschiedene Medusen hervorbringen, dass sie verschiedenen Gattungen oder Familien angehören; einige Polypen entwickeln sich fast vollständig, andere halb, noch andere endlich, mit männlichen und weib- lichen Geschlechtsorganen, entwickeln sich‘ so wenig, dass beide Geschlechter im sackförmigen Zustande verharren. Dies ist der Uebergang zwischen Organ und Individuum. Dr. Kraatz aus Berlin macht der Versammlung Mittheilung von der Gründung eines entomologischen Vereines in Berlin, welcher hauptsächlich durch die Herausgabe umfangreicher Vereinsschriften die Entomologie zu fördern bezweckt und hebt hervor, dass für die kritische Besprechung der Fachliteratur sofort nach dem Erscheinen der einzelnen Werke die geeigneten Kräfte zum grössten Theil gewonnen sind. 20 154 Gust. Ad. Toepfer, Kaufmann und Vorstandsmitglied des pommerschen ökonomischen und des Seidenbau- Vereins in Stettin hielt nachstehenden Vortrag: Meine Herren! Zuvörderst erlaube ich mir zu bemerken, dass durch einen Irrthum des Secretariats der Sektion meinem Namen der Titel „Doctor“ in der gedruckten Tagesordnung angefügt worden ist. — Ich bin Kaufmann und als solcher bitte ich die sehr gelehrte Versamn- lung, zu entschuldigen, wenn mein Vortrag von den Formen abweichen sollte, welche in Ihren gelehrten Kreisen üblich sind. — Ich würde es auch kaum gewagt haben, Ihnen die folgenden Mittheilungen zu machen, wenn nicht einige Gelehrte, welche meinen Vortrag über Seidenbau in der Plenar-Sitzung der Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe in Coburg gehört haben, mich dıingend dazu aufgefordert hätten, diese Mittheilungen, als ganz hierher passend, zu machen. — Hiernach also nun zur Sache. Seit vielen Jahren geschäftlich zu Reisen in Frankreich genöthigt, erregte der Seidenbau daselbst meine volle Aufmerksamkeit und zugleich das Bestreben in mir, diese Öultur- und In- dustriezweige in unserem Vaterlande ausbreiten zu helfen. Zu diesem Zweck habe ich nun seit 6 Jahren nächst einer kleinen Park- Anlage, worin ich viele Sorten Maulbeeren anpflanzte, auch einige Morgen Maulbeer- Plantagen angelegt, in welchen ick Versuche mit dem Anbau dieser nützlichen Pflanze in ihren verschiedenen Varietäten angestellt und mancherlei Erfolge damit erzielt habe. Hier betreibe ich nun auch seit 6 Jahren praktisch den Seidenbau, und werden meine Einrichtungen und Betriebs-Arten von dem hiesigen Seidenbau-Verein als Muster aufgestellt. Dem Publikum gewähre ich in der Betriebszeit freien Zutritt zu meinen Anlagen und die von mir gehaltenen Vorträge informiren den Wissbegierigen auf das Umfangreichste über alle den Seidenbau betreffenden Verhältnisse. Mir scheint dies der praktischste Weg zu sein die Kenntniss über diesen eben so werthvollen wie nützlichen und rentablen Culturzweis populär zu machen und die möglichste Ausbreitung desselben herbeizuführen. Ich schicke diese Eıklärungen voran, um Ihnen den Standpunkt anzudeuten, auf welchem ich mich zu dem Gegenstande meines heutigen Vortrages befinde. Unter Berücksichtigung der Wichtigkeit, welche der Seidenbau durch den enorm gestiegenen Verbrauch der Seide und die sehr hohen Preise dieses schönen Products erlangt hat, wird es von Interesse sein, wenn ich Ihnen die Mittheilung mache, dass es mir gelungen ist, eine neue Gattung Seidenraupen zu züchten, welcher man in neuester Zeit in Frankreich und andern Seidenbau-Ländern grosse Aufmerksam- keit widmet, und wenn meine ersten Versuche sich bewähren, einen bedeutenden Beitrag zur Production des Seidenbedarfs in Deutschland liefern könnte. Nach mannigfach misslungenen Versuchen, einige Graenes von der Ricinus - Seidenraupe (Bombyx eymthia) zu bekommen, ist es mir endlich gelungen, dieselben durch den Acclimati- sations- Verein in Berlin, dessen Mitglied ich bin, zu erhalten. Um Erfahrungen über das Wachsthum der Ricinus-Pflanze zu machen, hatte.ich schon seit mehreren Jahren dieselbe cultivirt und sowohl den von diesen Pflanzen gewonnenen Samen, als auch die mir von dem Acclimatisationsverein gelieferte französische Samen des KRieinus communis hat besonders in diesem Jahre, wo die Temperatur in Pommern sehr heiss und trocken war, ein vortreffliches Wachsthum gezeigt. Die Pflanzen sind 6 bis 7 Fuss hoch ge- worden und:«haben ausser einem grossen Blätter-Reichthum eine bedeutende Menge reifer Samen, besonders an denjenigen Standorten geliefert, welche eine Neigung nach Süden haben, und ist dies günstige Resultat wohl dem Umstande zuzuschreiben, dass ich die zum Samenge- 155 winn bestimmten Pflanzen im Mistbeet-Kasten angezogen und dann erst ausgepflanzt habe, als die Nachtfröste aufgehört hatten. Bei der Aussaat in freies Land entwickeln die Pflanzen zwar auch ein bedeutendes Wachs- thum, doch kommen alsdann bei uns nur selten die Samenkapseln zur vollständigen Reife, welches jedoch ohne nachtheiligen Einfluss auf die Ernährung des Rieinus -Seidenwurms ist. Unterm 12. Juli d. J. erhielt ich die Graines der Bombyxz eynthia in einer Federspule von Berlin. Gegen Ende Juli kam etwa der 4. Theil der Graines aus und lieferten 14 gesunde Räupchen, wovon jedoch 4 Stück sich in dem Glase mit Wasser ersäuften, worin ich die jüngsten Blätter des Rieinus gestellt hatte um sie längere Zeit frisch und schmackhaft zu er- halten. — Dieser Verlust mahnte mich zu grösserer Vorsicht und sorgteich dafür, dass weder Mäuse noch Wespen, Spinnen, Ameisen und andere Thiere den Raupen Schaden zufügen konnten. Ich hatte nun die grosse Freude, dass die mir gebliebenen 10 Raupen gesund und kräftig durch alıe Häutungen kamen und sie in jeder Beziehung gedeihen zu sehen. Dieselben erlangten eine Länge von 3'/, Zoll rheinländisch und-eine Stärke von ‘/, Zoll und färbten sich kurz vor der Spinnreife am untern Theil ihres Körpers hellblau grün und ihr stachliger Oberkörper bedeckte sich mit einem losen weissen puderartigen Staube. Nach Entleerung eines Saftes von der Farbe des Madeira- Weines spannen die Raupen sich ein, doch liessen sie die hellbraunen Cocons an einer Seite etwas offen, um ohne Ver- letzung desselben als Schmetterlinge auskriechen zu können. Drei Wuchen nach dem Einspinnen der Raupen, in Mitte Septbr., krochen dann auch 8 Schmetterlinge von untadelhafter Schönheit und Vollkommenheit aus, wobei 3 Männchen und 5 Weibchen sich befanden, welche sich alsbald paarten und eine bedeutende Anzahl Eier legten. Die Schmetterlinge haben nur einen kleinen Körper, doch grosse breite Flügelpaare, welche ausgespannt 4\/, Zoll Breite haben. Sie sind von brauner Farbe und auf den Flügeln mit sogenannten Augen gezeichnet. Da ich so viele Eier erzielt habe, dass ich davon einige kleine Partien ablassen kann, so ersuche ich diejenigen Herren der Versammlung, welche sich meinen Versuchen zur Aceli- matisation und Züchtung dieses Insects anschliessen wollen, mir ihre Adressen aufzugeben, um ihnen ein kleines Quantum Graines, und wenn es gewünscht wird, auch Ricinus-Samen senden zu können, und stelle ich nur die Bitte, mir dann später jedenfalls Kenntniss von den damit erzielten Resultaten zu geben, da durch den Austausch der bei den Züchtungen gemachten Erfahrungen die Erfolge erleichtert werden. Anmerkung der Redaction. In Folge dieses Vortrages ersuchten die Herren Prof. Leuckart aus Giessen und der Herr Dr. Verloren aus Utrecht sogleich den Redner um Zusendung von Graines der Bombyx cynthia um ihrerseits Versuche mit Acelimatisirung und Züchtung dieses: werthvollen Insects zu machen und sind, wie wir erfahren haben, auch in den Besitz derselben gelangt- Dr. Dönhoff aus Orsoy erklärt, dass nach den von ihm angestellten Versuchen, alle kaltblütigen Thiere, in Haufen zusammengedrängt, Wärme entwickeln. In Bezug auf diese Wärmeproductionskraft erhält man folgende Reihe: Insectenlarven, Fische, Amphibien, ausge- bildete Insecten. Während die Insectenlarven nur eine Wärme von Y,"R. erzeugen, bringen Bienen eine Wärme von 30° R. hervor. An dieseu Vortrag knüpfte sich eine Diseussion, an welcher sich die HH. Kraatz, Leuckart, Schaum, Eversmann, van der Hoeven betheiligen und woraus her- vorzuheben ; dass Prof. Leuckart die Ursache der höhern Wärmeproduction bei ausge- 156 bildeten Insecten in die viel bedeutendere Entwickelung des Tracheen- Systems und der Athmung setzte. Prof. Harley aus London zeigte einige Exemplare von Pentastoma vor, von denen er zwei, aus der Lunge einer egyptischen Schlange (Naja Haje) für eine neue Art hält, weil sie langstreckig und stark geringelt sind. Prof. Leuckart berichtet über die von ihm mit Pentastoma denticulatım angestellten Fütterungsversuche und weist nach, dass diese Art den (geschlechtslosen) Jugendzustand von Pentastoma taenioides des Hundes darstellt. Zugleich schildert derselbe einige interessante Verhältnisse der Structur und die embryonale Entwickelung. Prof. Troschel verlas eine Abhandlung des Prof. Kotzubowski aus Krakau über den männlichen Apus caneriformis. Da die Männchen dieses Thieres bis jetzt unbekannt waren, so hat die Auffindung derselben ein besonderes Interesse. Unter den Exemplaren die Verfasser untersucht hatte, fand er etwa zehn Procent Männchen. Eingesandte Exemplare, die Verfasser für das Poppelsdorfer Museum bestimmt hat, wo sie jetzt aufbewahrt werden, wurden zur Erläuterung vorgezeigt; ebenso Abbildungen der männlichen und weiblichen Geschlechts- organe. Wegen dieser Abbildungen, die in den Amtlichen Bericht nicht aufgenommen werden konnten, wünschte Verfasser die Abhandlung im Archiv für Naturgeschichte mitgetheilt zu sehen, wo sie bereits erschienen ist. Prof. Troschel sprach dann über den Werth der Deckel der Gasteropoden für die Classi- fieation. Er hob hervor, dass die Verschiedenheiten dieses Organes sich nicht eignen um da- nach die oberen Abtheilungen zu begründen, ja dass nicht einmal überall die Familien durch den Deckel zu unterscheiden wären, sondern dass sich in verwandten Familien zuweilen gewisse Reihen von Verschiedenheiten wiederholen. So z. B. wenige Windungen, mehrere Windungen, schnell zunehmend oder eng. Das kommt in der Melanienfamilie, Littornienfamilie, Uerithien- familie vor; so dass hier die Verschiedenheiten des Deckels sich nur zur Unterscheidung der Gattungen zu eignen scheinen, wofür sie aber auch ganz besonders wichtig sind. Bei den spi- ralen Deckeln muss es auffallen, dass sie bei jeder Grösse, bei jungen und alten Thieren, in der Schalen-Apertur relativ dieselbe Lage haben, und daher offenbar während ihres Wachs- thums einer Drehung unterworfen sind. Die durch die Wachsthumsstreifen angedeuteten neuen Schichten scheinen sich an einer bestimmten Stelle des Fusses des Thieres abzulagern und die älteren Schichten aus ihrer Lage zu verdrängen. er 5. Sitzung:” Donnerstag, den 24. September. Tages-Präsident: Prof. Leuckart. Der Präsidirende vertheilte eine Anzahl der von Dr. Herrich-Schaeffer zu diesem Zwecke eingesandten Druckschriften an die in der Sektion anwesenden Entomologen. Prof. Grube machte hierauf folgende Mittheilung: Für die Klasse der Anneliden galt bisher als allgemeines Gesetz, dass, indem der Darmkanal die ganze Länge des Körpers, d.h. alle vollständigen Segmente durchläuft, die Mundöffnung vom ersten derselben oder von diesem und den nächstfolgenden, die Endöffnung des Darms vom letzten gebildet werde. Nur bei den mit Haftscheiben versehenen Apneliden zeigte sich ein anderes Verhältniss, indem hier der Darm oberhalb der Endscheibe, an ihrer Wurzel mündet. Man könnte, da in dieser Abtheilung der Würmer die Segmente aus mehreren Ringeln bestchen , und mitunter ziemlich gestreckt 157 erscheinen, geneigt sein, die ganze betreffende hintere Partie als ein Segment aufzufassen, und so auch die Discophoren jenem allgemeinen Gesetz unterzuordnen. Allein die grössere Länge und der ansehnlichere Umfang des hier liegenden letzten Ganglions des Bauchstranges, wie die grosse Zahl der aus ihm strahlenden Fäden scheinen auf eine Verschmelzung zweier Ganglien hinzudeuten. Es würden also zwei Segmente anzunehmen sein, und die starke Einschnürung, durch welche die Scheibe entsteht, ihre Grenze bezeichnen, oder man könnte höchstens gegen die Bezeichnung der Endscheibe als vollständiges Segment protestiren und sie nur dem Kopflappen der Anneliden vergleichen. In beiden Fällen hätten wir eine Abweichung von dem obigen Gesetz, indem das den After enthaltende Segment nicht das Ende des Körpers bildete, und man konnte für die Discophoren die Afteröflnung so lange als dorsual angeben, bis ich bei der Gattung Acanthobdella nachwies, dass dieselbe hier in der Höhlung der Scheibe oder vielmehr des Haftnapfes selbst liege. Seitdem habe ich. einen zweiten Fall der Art unter den von Herrn Dr. A. S. Oersted in Üentralamerika gesammelten Anneliden kennen gelernt, einen Blutegel, der in seiner Gestalt einem Antacostomum gleicht, auch am Vorderende eine scheibenartige Ausbreitung trägt, und nicht mit hakenförmigen Stachelchen wie Acanthobdella bewaffnet ist, dessen Hinterende aber gleichfalls in einen schief abgestutzten, vom After durch- bohrten Napf ausläuft, weshalb ich für diese neu zu errichtende Gattung den Namen Centro- pygos vorschlage. *) Beide würden eine Ausnahme von den Discophoren bilden und sich den übrigen Anneliden anschliessen, bei denen entschieden der After im letzten Segment liegt. Sehen wir auch an diesem letzten Segment der borstentragenden Anneliden zuweilen die Bauchwand sich verlängern, so dass es eine Schaufelform annimmt, wie bei manchen Opheliaceen, und namentlich bei Proto digitata, so rückt doch die-hintere Darmöfinnng nicht in die Wan- dung des Körpers selbst hinein. Aber auch hier kennen wir jetzt bereits einige Ausnahmen. Bei mehreren hochnordischen Sabellen wird der After, wie Kroyer nachgewiesen, wandständig und zwar liegt er entschieden an der Bauchseite bei Sabella analıs Kr., 8. rigida Kr., S. tubereulosa Kr. und tenzissima Kr., während Kroyervon Chone fabelligera nur angiebt, dass er eine längs der Oberfläche (superficies) des plattgedrückten Endtheils sich hinziehende Spalte bildet. Ebenso auffallend ist die sehr bestimmt ausgesprochene Rückenlage dieser Oeff- nung bei ein paar andern Anneliden, in denen sie zugleich durch mehrere Segmente vom Körperende getrennt wird. Hierauf hin hatte ich schon in meinen Versuch über die Familien der Anneliden unter den Amphinomeen eine neue Gattung Notopygos aufgestellt, nicht ohne Bedenken, da mir nur ein (freilich gut erhaltenes) Exemplar einer Art zu Gebote stand, und die Möglichkeit einer zufälligen künstlichen Afterbildung nicht unleugbar schien. Allein unter den von Herrn Dr. Versted mitgebrachten Sammlungen aus Centralamerika entdeckte ich eine andere Art desselben Genus in mehreren Exemplaren, die alle dieselbe Eigenthümlichkeit zeigten. Bei Notopygos ornata nämlich, deren unterscheidende Charaktere von N. erinita, der ersten Art, in den Meddelelser fra den Naturhistoriske Forening 1856 auseinandergesetzt sind, sah ich bei 3 Exeniplaren, obschon die Zahl ihrer Segmente zwischen 29 und 32 schwankte, *) Centropygos, Gr.etOersd. Corpus elongatum, antrorsum sensim, postice minime attenuatum, disco antico Hirudini simili, postico acetabulum referente, ab ano perforato. Oculi haud visi. C. Jocensis (aleohole servata) corpore nigrieante carneo, paulisper iricolore, vermiformi, subtereti, lum- brieiformi, antrorsum sensim attenuato, postice erasso, diseo antieo oblongo, acetabulo postieco al basin haud eoarctato, haud ampliore quam annulo proximo, ab ano perforato, aperturis genitalibus inter annulum 27mum et 28vum et sub 30mo sitis, margine acetabuli quantum videre lieuit, spinulis aliquot minutissimis obsito. — San Jooe. 158 durchweg den After auf dem Rücken des 23ten. — So ständen denn, was die Lage dieser Oefl- nung betrifft, auch die Sipunkeln, deren Stellung bei den Anneliden, nach M. Müllers Unter- suchungen über ihre Entwicklung, kaum noch zweifelhaft ist, nicht mehr so vereinzelt da, wenngleich unter ihren nächsten Verwandten, den Terebellaceen, Pheruseen und Telethusen keine einzige Form etwas Aehnliches aufzuweisen hat. Prof. Leuckart knüpft hieran einige weitere Bemerkungen über das Verhältniss der Echinodermen zu den Anneliden. Dr. Moebius legte einige neue Asteriden des Hamburger Museums vor und theilte sodann Bemerkungen über die Verbreitung der Perlenfischerei aus seiner Abhandlung: „Die echten Perlen, ein Beitrag zur Luxus-, Handels- und Naturgeschichte. Hamburg 1857“ mit. Die H. H. Eversmann, Grube und Oechsner besprachen sodann das Vorkommen der Perlen erzeugenden Süsswassermuscheln. n Prof. Leonhardi aus Prag sprach über Rhoographie als Hülfsmittel der systematischen Forschung. Dr. Krohn aus Bonn sprach über Actinotrocha und ihre Metamorpkose. Bei meinem letzten Aufenthalte in Messina ist es mir geglückt, einiges Licht über die Herkunft jener bisher noch so räthselhaften Thierform, welche seit ihrer Entdeckung durch J. Müller den Namen der Actinotrocha führt, zu erhalten. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass sie die Larve eines Wurmes ist, dessen weitere Entwickelung indess nicht über den ersten Jugendzustand hinaus zu verfolgen gewesen ist. Von den äussern Organen der Actinoirocha schwinden bei der Metamorphose der soge- nannte Schirm oder Deckel und das Räderorgan spurlos, während die Cimen oder Tentakel auf den Wurm übergehen. Der Wurm hat einen drehrunden, hinten angeschwollenen, gegen das Vorderende hin allmählich sich verschmächtigenden Körper. Im Umkreise des wie abge- stutzten Vorderendes, in dessen Mitte der Mund, fallen sogleich die frühern, jetzt verkürzten und zu einem geschlossenen Kranze gruppirten Tentakel in die Augen. Der After liegt muth- masslich dem Munde gegenüber, im Centrum des angeschwollenen Hinterendes. Im Innern des Leibes unterscheidet man ausser dem Nahrungsschlauche, an dem noch die frühere Gliede- rung in Schlund, Mittel- und Enddarm zu erkennen, noch zwei rothes Blut führende Längs- gefässe, von denen das eine über, das andere unter dem Nahrungsschlauche verläuft. Die rothe Farbe des durch abwechselnde Contraction und Expansion der Gefässe fortwährend oscilli- renden Blutes hat ihren Sitz in zahlreichen rundlichen Blutkörperchen. Der Wurm ändert die Gestalt nicht selten, indem er den Leib bald verkürzt, bald stellenweise einschnürt, wobei die Gegenden zwischen den eingeschnürten Stellen sich sichtlich auftreiben. Was aus dem Wurme später wird, ist nicht leicht vorauszusehen. Nach der Anwesenheit eines Tentakelkranzes aın vordern Leibesende möchte ich vermuthen, dass er in eine zur Familie der Terebellaceen Gr. gehörende Annelide auswächst. Prof. Blanchard aus Paris legie der Sektion sein Werk: „L’Örganisation du Rögne animal“ vor und erklärte den Plan seines Unternehmens. Die Vollendung des Theils über die Arachniden verspricht er nach Ablauf eines Jahres. Er besprach den Zustand der Ülassi- fication der Vögel, von denen er eine möglichst grosse Zahl von Arten genau untersucht hat. Zum Schlusse machte er auf sein landwirthschaftliches Werk: „La Zoologie agricole“ auf merksam, welches er zur Ansicht vorlegte. Prof. Troschel machte eine vorläufige Mittheilung über die Verschiedenheiten der Arten in der Gattung Lithophagus. Er hatte Gelegenheit gehabt, eine Anzahl derselben in Wein- — 159 geistexemplaren zu untersuchen, namentlich aus der Sammlung, welche Peters in Mossambique zusammengebracht hatte, und legte die Zeichnungen vor. Auch zeigte er mehrere neue Arten, deren Schalen sich durch die eigenthümliche Struetur der ‘äusseren Kalküberzüge auffallend unterscheiden. Leider hat man bisher eine genügende Erklärung über die Entstehung dieser seltsamen Kalkablagerungen noch nicht finden können. Prof. Leuckart schliesst die Sitzung, indem er die Hoffnung und den Wunsch aus- spricht, die Mitglieder der Sektion sämmtlich im nächsten Jahre wieder in gleicher Weise vereint zu finden. 4. Sektion für Physik. In der einleitenden Sitzung vom 18. Septbr. wurde der Präsident für die folgende Sitzung gewählt, und die Anmeldung von Vorträgen entgegengenommen. l. Sitzung: Sonnabend, den 19, September. Tages- Präsident: Prof. Dove. Prof. Böttger sprach über den durch Eleetrolyse von Chlorantimon an der Kathode resultirenden interessanten Körper. Der sich bildende scheinbar metallische Körper explodirt sowohl beim Ritzen, als auch beim Erwärmen bis zu 160° C.; desgleichen beim Durchgang eines mässig starken electrischen Stromes. Er ist, nach den angestellten Versuchen, höchst wahrscheinlich eine chemische Verbindung von metallischem Antimon mit Antimonchlorid, Andere Antimonsalze, sowie eine möglichst neutrale Auflösung von Chlorantimon geben diesen Körper nicht. Prof. Beer theilte die Resultate seiner theoretischen Untersuchungen über die statischen und dynamischen Erscheinungen einer der Schwerkraft entzogenen Flüssigkeit mit und ver- theilte Exemplare seiner jüngst erschienenen Schrift: Traetatus de theoria mathematica phae- nomenorum aectioni gravitatis detractis observatorum. Prof. Reusch besprach einige mechanische Vorrichtungen zur beliebigen Combination gal- vanischer Elemente. Er erläuterte zwei Anordnungen, wovon die eine: Schienencombinator, darauf beruht, dass passend zerschnittene Schienen mit Federn in Berührung konımen, welche mit den einzelnen Elementen in Berührung sind;- die andere aber, der Kurbelcombinator, aus einem System drehbarer elastischer Kurbeln besteht, deren verschiedene Anordnung jede Combination zulässt. Inspector Meyerstein zeigte das von ihm erfundene und inPoggendorf’s Annalen be- schriebene Spectrometer vor und besprach das Princip näher, worauf dasselbe beruht. Prof. Dove zeigte dann die Entstehung des Glanzes bei Betrachtung farbiger Zeichnungen durch farbige Gläser. Zum Präsidenten der Montags- Sitzung wurde erwählt: Prof. v. Ettinghausen. 160 . 2. Sitzung: Montag, den 21. September. , Tages - Präsident: Prof. von Ettinghausen. Theod. Meyer gab, nach kurzer Andeutung der Veranlassung zu einer Reihe von Be- obachtungen, die in einer am heutigen Tage erscheinenden Broschüre enthalten sind, eine Uebersicht der wichtigsten derselben, nämlich der Phänomene der Schichtung des electrischen Lichtes in verdünnten Medien, der grossen Ablenkbarkeit desselben und der Wirkung des Ma- gneten auf dasselbe. Ferner theilte der Redner das besondere Verhalten einer electrisch ge- ladenen Röhre und die Benutzung einer solchen als electrische Flasche mit. Prof. Weiss theilte verschiedene von ihm auf analytischem Wege gefundene Resultate aus dem Gebiete der elementaren Optik mit, wie dieselben in einer von ihm in neuester Zeit erschienenen Schrift enthalten sind. Prof. v. Ettinghausen bemerkte hierzu, dass die von der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien veranlassten umfassenden Arbeiten in diesem Felde, von Prof. Petzval in der nächsten Zeit bald sämmtlich veröffentlicht sein werden. Dr. Prestel hielt folgenden Vortrag: Ueber die geographische Verbreitung der Gewitter in Mittel-Europa im Jahre 1356, sowie über die gegenseitige Beziehung zwischen dem Auftreten der Gewitter, der Windrichtung und dem Barometerstand. Von den vielen Vorgängen in der Atmosphäre, von welchen noch, einerseits der Verlauf, andererseits die Ursachen erforscht werden müssen, ist unzweifelhaft die Windrichtung, oder genauer ausgedrückt, die Bahn der Luftströme, für das Leben, sowie für die Wissenschaft selbst, einer der wichtigsten. Für die Wissenschaft ist die Kenntniss des Verlaufs der Luftströmung so höchst belangreich, weil wir erst dann, wenn wir diese erlangt haben, hoffen dürfen, eine Einsicht in den Verlauf und die gesetzmässige Aufeinanderfolge der übrigen atmosphärischen Erscheinungen zu erhalten. Durch die geniale Entdeckung des Gesetzes der Drehung des Windes von Hrn. Prof. Dove, durch Maurys umfassende Untersuchungen, welche die Feststellung der in den ein- zelnen Monaten über dem Meere vorherrschenden Windrichtung bezwecken, und welchen in neuerer Zeit die Arbeiten des unter der Direction des Herrn Prof. Buys-Ballot stehenden meteorologischen Instituts zu Utrecht erweitert sind, hat das Kapitel der Meteorologie, welches von den Winden und den Luftströmen handelt, eine Basis erhalten, auf welcher, fortbauend und anknüpfend, das Gebäude seiner Vollendung näher gebracht werden kann. Vorzugsweise sind es die Luftströmungen über den unter niedern und mittlern Breiten liegenden Theilen des atlantischen und indischen Oceans, für deren Auftreten und Aenderung Anhaltepunkte gefunden sind. Die Kenntniss nicht nur des Wechsels, sondern selbst der Richtung der Luftströmungen für unsere in der Zone der veränderlichen Winde liegenden Gegenden aber, kann man zur Zeit nicht wohl anders als unvollständig und höchst ungenügend nennen. Stellt man die gleichzeitige Windrichtung einer grössern Reihe von Orten bildlich dar, so weichen die Rich- tungen so sehr von einander ab und gehen so durcheinander, dass selbst ein geübtes Auge eine bestimmte Norm in diesen Erscheinungen nicht aufzufinden vermag. Und doch liegt hier nur eine Seite der Erscheinung vor, nämlich die durch die Windfahne angezeigte, horizontale Bewegung der Luftströmungen unmittelbar an der Erdoberfläche. Da aber zu gleicher Zeit an vielen Stellen eine Bewegung in schräger oder vertikaler Richtung, ein Auf- und Absteigen der Luftströme stattfindet, so wird hierdurch die Erscheinung noch verwickelter. Die Bestim- mung des Einflusses dieser letztern Bewegung auf jene horizontale, ist um so schwieriger, als es zur Zeit noch ganz unmöglich ist, die auf- und absteigende Bewegung durch Beobachtung festzustellen, indem hierfür all und jeder feste Anhaltpunkt fehlt. Diese Schwierigkeiten dürfen indess nicht abschrecken, die Erscheinung aufmerksam zu verfolgen. Um bei diesen Beobach- tungen aber eine sichere Grundlage zu finden, müssen wir uns nach solchen Erscheinungen um- sehen, welche gleichzeitig mit dem Wechsel des Windes auftreten, und deren Verlauf verfolgt werden kann. Eine solche Erscheinung ist bekanntlich das Steigen und Fallen der Quecksilber- säule im Barometer. Diese wechselseitige Beziehung des Barometerstandes und der Wind- richtung hat bereits indem, was mit „Barometrische Windrose“ bezeichnet wird, ihren Ausdruck gefunden. Ein Mittel aber, die Grenzen der Betten zu erkennen, in welchen sich die Luftströme über die Erde fortbewegen, giebt uns die Beobachtung der Oertlichkeit, wo gleichzeitig Ge- witter auftreten, an die Hand. Dass die Gewitter, welche nicht blos local auftreten, sondern eine weitere Verbreitung haben, immer als Begleiter des Zusammentreffens der nordöstlichen und südwestlichen Luftströmung sich zeigen und eben hier- -. dureh nieht ideelle, sondern reelle Marken für die Grenzen der Betten werden, in welchen Jene atmosphärischen Ströme sich fortbewegen; ferner: Dass sie anzeigen, wo sich die Luftströme in ihrem Laufe verändern und gegenseitig verschieben und vordrängen, habe ich in einer im vorigen Jahre er- schienenen Abhandlung, welche den Titel führt „Die Gewitter des Jahres 1855® auf dem Wege der Induction nachgewiesen und gezeigt, dass, wenn man die Orte, an welehen gleichzeitig Gewitter auftreten, durch Linien verbindet, diese die Gegend bezeichnen, wo jene Luftströme fliessen. Ich habe diese Unter- suchung, fortgeführt und die eben ausgesprochenen Sätze auch durch das Auftreten der Gewitter des Jahres 1856 bestätigt gefunden. Hierbei hat sich zugleich ein neuer Satz herausgestellt. Es ist offenbar, dass, wenn das durch die barometrische Windrose ausgesprochene Gesetz innere Wahrheit hat, d. h., wenn die Windrichtung bei ihrer Aenderung eine bestimmte Veränderung im Barometerstande zur Folge hat, wenn andererseits zwischen der Drehung des Windes und dem Auftreten der Gewitter ein bestimmter Zusammenhang statt findet, o muss sich auch zwischen der Aenderung des Barometerstandes und dem Auftreten der Gewitter ein solcher herausstellen. Dieses ist nun thatsächlich der Fall und es zeigt sich als ganz allgemein, dass die Gewitter an einem Orte allemal dann zum Ausbruch kommen, wenn der Barometerstand bei seinem Uebergange von einem Maximum zu einem Minimum, oder umgekehrt, von einem Minimum zu einem Maximum nahezu mit dem mittlern Barometerstande desOrts derBeobachtung übereinstimmt. Geht das Barometer von einem Maximum zu einem Minimum über, so pflegen die Gewitter auf- zutreten, wenn die Quecksilbersäule etwas unter das Ortsmittel gefallen, geht es aber von einem Minimum zum Maximum über, wenn sie etwas über das Ortsmittel gestiegen ist. Eine Abwei- ehung von dieser Regel kommt dann vor, wenn das Gewitter nur local, oder von beschränkter Verbreitung ist, oder auch, wenn es als Begleiter eines Sturmes auftritt. Bei Einwirkung solcher Störungen und localen Einflüsse treten Gewitter auch dann auf, wenn das Barometer noch 2 Linien über und ebenso, wenn es noch mehrere Linien unter dem Mittel steht. Diese Sätze wurden durch die, auf die Gewitter der beiden letztverflossenen Jahre, sowie 21 durch die auf die letztere begleitenden atmosphärischen Erscheinungen gerichteten Beobach- tungen als allgemein gültig nachgewiesen. J. Bosscha aus Leyden theilte, nach einer kurzgefassten Mittheilung über eine Arbeit, welche im Septemberhefte der Annalen von Poggendorf erscheinen wird, und in welcher er die mechanische Theorie der Electrolvse experimentell zu bestätigen gesucht hat, einige Folge- rungen mit, welche sich für die Erklärung der galvanischen Polarisationserscheinungen aus dieser Theorie ergeben. Er suchte dabei zu beweisen, dass der Werth der electromotorischen Kraft bei der Wasserzersetzung nur durch die Annahme zu erklären sei, dass der Werth für die Verbrennungswärme der eleetrolytisch, im activen Zustande, abgeschiedenen Gase ein höherer sei, als der des gewöhnlichen Wasserstoffs und Sauerstoffs. Prof. Buys-Ballot gab praktische Regeln für den Zusammenhang der gleichzeitigen Ab- weichungen des Barometers mit dem Regen, der Richtung und der Stärke des Windes. Zum Präsidenten für die nächste Sitzung wurde erwählt: Prof. J. Müller. 3. Sitzung : Dienstag, den 22. September. Tages -Präsident: Prof. J. Müller. Prof. Dove sprach über die Abstumpfung des Ohres für die Eindrücke, welche es längere Zeit hindurch erhält. Prof. Böttger zeigte das optische Bild eines Gegenstandes durch die Cornea von Aeschna grandis mittelst eines Mikroskopes. Mechaniker Geissler sprach über die Einrichtung eines neuen von ihm selbst erfundenen Barometers, und zeigt ein solches vor. J. Bosscha gab eine Fortsetzung über die mechanische T'heorie der Electrolyse. Er hob besonders die Folgerungen hervor, die sich aus dieser Theorie für die Bestimmung der electro- motorischen Kraft einer Kette ergeben. Dr. Prestel theilte folgende Beobachtungen über die Regenmenge in verschie- denen Höhen mit. Unter den verschiedenen Faktoren, welche das Klima einer Gegend bestimmen, sowie die Entwicklung des Thier- und Pflanzenlebens bedingen, ist das Quantum des atmosphärischen Niederschlags, vorzugsweise des Regens, einer der wichtigsten. Nachdem die Sätze, dass die Masse des Gesammtniederschlages des atmosphärischen Wassers einerseits nit der wachsenden geographischen Breite, andrerseits mit der zunehmenden Entfernung vom Meere abnimmt, durch die Beobachtungen als allgemein gültig sich herausge- stellt haben, muss mehr ins Einzelne eingegangen werden. Hierbei stellt sich dann sogleich heraus, dass die Regenmenge landeinwärts mit der Erhebung des Bodens über dem Meeres- niveau wächst. Hierdurch, sowie durch den Einfluss mancher örtlichen Einflüsse, wird die Untersuchung über die Vertheilung der Regenmenge sehr verwickelt. Nichtsdestoweniger dürfen wir hoffen, dass die sich täglich mehrenden Beobachtungen es bald möglich machen werden die hier obwaltenden Gesetze aufzufinden. Für Deutschland liegt bereits eine solche Reihe von Beobachtungen vor, dass eine auf die Vertheilung der Regenmenge gerichtete Untersuchung schon jetzt aufgenommen werden könnte. Dazu kömmt, dass durch die von dem Major Pape entworfene, jetzt erscheinende „Höhen- 163 schichten-Karte von Central-Europa“ die Untersuchung eine Grundlage erhalten wird, auf welcher fortzubauen eine sehr leichte Arbeit ist. Durch diese Karte sind nämlich die Bodenerhebungen durch Kurven gleicher Höhe veranschaulicht. Da auf der Karte bei dem Verhältniss von Eins zu einer Million bis zu 500 Fuss Meereshöhe von 100 zu 100 Fuss und von da bis zu 5000 Fuss, von 500 zu 500 Fuss, von hier aber weiter aufwärts von 1000 zu 1000 Fuss Kurven gleicher Höhe gelegt werden konnten, so würde nur nöthig sein, in die Karte die durch Beobachtungen gefundenen, die Regenmenge bezeichnenden Zahlen gehörigen Orts einzutragen, um zu finden, ob und in welchem Verhältniss die Regenmenge eines Orts zu seiner Höhe über dem Meeres- niveau steht. Erschienen bei der Entwerfung der „Höhenschichten-Karte“ die Anzahl der bis jetzt be- kannt gewordenen hypsometrischen Bestimmungen gross genug, so würde man sich der ange- deuteten Untersuchung zu vergewissern haben, einmal, ob dieses auch mit der Beobachtung der Regenmenge der Fall sei, andrerseits, ob auch diese sämmtlich zu dem genannten Zwecke brauchbar seien. Schon ein flüchtiger Blick auf die vorliegenden, die Regenmenge bezeich- nenden Zahlen lässt manche Anomalieen gewahr werden. Von diesen dürften aber mehrere in der Aufstellung des Regenmessers den Grund haben. Wird dieser nicht auf ebener Erde aufgestellt, sondern in der Höhe, etwa auf einem Dache, wie dieses nicht selten in grössern Städten geschieht, so sind die Beobachtungen, welche ınan erhalten hat, ohne die gehörige Cor- rection gar nicht brauchbar. Mit der Höhe eines Ortes über dem Meeres- Niveau wächst das Regenquantum, andrerseitts ist aber bekannt, dass an ein und demselben Orte mit der Höhe über dem Boden die Regenmenge abnimmt. Meine, auf diese Abnahme der Regenmenge mit der Höhe, seit Juni vorigen Jahres bis Jetzt gerichteten Beobachtungen an zwei Regenmessern, von welchen der eine auf ebener Erde, mitten in einem Garten, ganz frei, 12 Fuss über dem Wasserspiegel des Dollart, der andere auf dem Dache meines Hauses, in einer Höhe von 38,4 Par. Fuss oder 42,2 Hannov. Fuss über der Mündung jenes Regenmessers aufgestellt ist, haben folgendes Ergebniss gehabt. Regenmenge in Kubikzoll. 1856. auf ebener Erde, U Fe er, von Verhältnis. Juni 133 103 129: 100 Juli 356 248 143 : 100 August 490,5 333 147 :100 September 172 100 113: 100 October 55,5 39,75 139 : 100 November 529 414 125 : 100 December 324 258 125 : 100 1857. Januar 337,5 238,5 141: 100 Februar 45 27 166 : 100 März 231 145 159 : 100 April 243 145 168: 100 Mai 156 101,5 151 : 100 Im Jahre 142 :100. In dem 1856 veröffentlichten zehnten Jahresberieht des Smithsonian Instituts ist dieser Gegenstand ebenfalls zur Sprache gebracht. Die in Newyork unter 40° 42‘ Breite, 164 an zwei Regenmessern, von welchen der obere 85 Fuss über dem untern aufgestellt war, haben ein gleiches Resultat ergeben. In eine Erörterung derselben, oder auch in das Einzelne der obigen Beobachtungen einzugehen, würde weder der Zweck dieser Versammlung, noch die Zeit erlauben. Ich beabsichtigte nur den Gegenstand aufs Neue in Anregung zu bringen und darauf aufmerksam machen, wie wichtig es für die Meteorologie ist, das bei der Abnahme des Regenquantums in vertikaler Richtung herrschende Gesetz durch neue Beobachtung festzustellen. Prof. Buys-Ballot hält über das Wesen der Electrieität und Wärme nach- stehenden Vortrag: ' Als ich 1846 an der Universität zu Utrecht über theoretische Chemie las, habe ich mich immer zu zeigen bemüht, dass die heterogenen Theilchen der verschiedenen Elemente oder auch der zusammengesetzten Stoffe, wenn sie sich wieder zu einem mehr complexen Körper chemisch verbinden, gegen einander in Gleichgewicht gehalten werden durch die anziehenden und abstossenden Kräfte, welche man allgemein annimmt, in soweit man sich zur atomistischen Ansicht bekennt, welche noch neuerdings so vorzüglich in der ersten Hälfte von der Ato- mistik des scharfsinnigen Trechners vertheidigt worden ist. Zwischen je zwei Stoffen findet nach meiner Hypothese eine Function der Wirkung statt, abnehmend mit dem Abstande zwischen den Atonıen und entwickelbar nach den Potenzen dieser Abstände (x). Es ‚sei, y(x) = 3 + Er + =# + = usw. (A die Constanten der Schwerkraft.) gleichwie zwischen den homogenen Atomen eines jeden Körpers. Die Constanten sind ver- schieden für verschiedene Stoffe, nahe oder ganz die nämlichen für streng isomorphe Stoffe, in dem Grade, wie wir sehen, dass für diese das Atomvolumen, d. h. der Abstand, worin sie gegenseitig im Gleichgewicht sind, das nämliche ist. Die Constante halte ich also von der Form der Atome bestimmt und die Form der Atome mit der chemischen Natur der Elemente verschieden, die letztere durch die erste bedingt. Es giebt natürlich mehrere Abstände der Atome, wofür y(x) = o wird, und die ab- wechselnd einem stabilen und einem labilen Gleichgewichtsabstande entsprechen. Wenn nun aber ein Körper im Gleichgewichte ist, was nothwendig, (denn sonst wäre er in Aenderung begriffen, in Ausdehnung oder in Zusammenziehung, in chemischer Wechsel- wirkung im Augenblicke des Werdens oder des Verschwindens), so sind darum noch nicht die Atome in Ruhe, nicht immerfort in den jedesmaligen Gleichgewichtsabständen, sondern sie oscilliren um diese her, oder bewegen sich vielleicht nach Clausius in Flüssigkeiten, Planeten ähnlich, nach mir nur in Gasen in dieser letztgenannten Weise, nicht aber geradlinig, wie ich wider Clausius und Krönig behaupten muss. Der hochverdiente Prof. Clausius möge diesen meinen Zweifel nicht einer unvollkommenen Herabschätzung zuschreiben, wie er mir denn auch auf meine Briefe sehr verbindlich geantwortet hat. Jede Ursache nun, welehe diese oseillatorische Geschwindigkeit, die Amplitude der Schwin- gung mehrt, kann eine Auflösung, eine Trennung der verbundenen Atome hervorbringen, wenn die Atome auch nur für einen Augenblick über den labilen Gleichgewichtsabstand hingebracht werden, und auf der andern Seite eben so eine Verbindung von bisher noch geschiedenen Ele- menten, wie etwa von Bromium und Phosphorus, wenn ein Atom Br. innerhalb der labilen Gleich- gewichtsabstände ‚schwingt, welehe es mit Ph. haben kann, oder beides kann zugleich nach ein- ander stattinden, wenn man zu Br. Kalium auf Wasser wirft. 165 So müssen denn Wärme, Electrieität, Magnetismus, und welche Art von Erscheinungen man sonst noch auffinden mag, diese Wirkungen fördern. Auf diese Art müssen ihre Einflüsse auf den Chemismus gedeutet werden, wie ich in diesem Aufsatze kurz nachzuweisen beabsichtige. Denn Wärme, Electrieität u. s. w. sind Zustände von Bewegung der Atome und wohl von oscillirender Bewegung um den Gleichgewichtsabstand. Die Wärme stellte ich vor durch die transversalen, die Electrieität durch die longitudinalen Schwingungen; der Magnetismus mag in circulären Schwingungen bestehen. Dass bei den Körpern, wenn sie wärmer werden, die Oscillationen transversaler Natur sind, oder dass sie doch jedenfalls stärker werden, ist gegenwärtig wohl anerkannt. Bereits findet man Andeutungen, z.B. vonKirchhoff, Pogg. Ann. C. S. 193 ff., dass die Electrieität wenigstens, wenn in Be- wegung als longitudinale Schwingungen kann gedacht werden; nur für den Magnetismus fehlt uns noch ganz die Erfahrung, jedenfalls scheint mir doch diese Hypothese bestimmter als die von Ampere, aber wie die Schwingungen auch seien, dieses steht fest, dass sie mit stei- gender Wärme, Eleetrieität, Magnetismus grösser werden, und das ist eben nur, was ich zur Deutung ihrer Einflüsse brauche. Die Gründe und Belege sind von mir näher angeführt vor der Naturforscher- Versammlung in Aachen 1847, in meiner Rede, welche ich als Professor der Mathematik in Utrecht hielt (Nov. 1847,) in einer eigenen Schrift: „Physiologie van het oubewerkluigde Regle de Natuur 1859, in den Fortschritten der Physik in Auszug und in einer Abhandlung vor der Königl. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam. Hier, wo es sich nur darum. handelt, Gesichts- punkte zu eröffnen, weise ich nur darauf und führe ich an, wie wirklich diese Ansichten mehr oder weniger von den meisten Physikern längs so wahr getheilt werden. Man lese nur die Arbeiten von Ranhine, von Clausius, der in seinem Aufsatze in Pogg. ©. S. 355 bei vielem Abweichenden doch auch so viel Uebereinstimmendes hat, und z. B. die Verdampfung gerade so vorstellt, wie ich in meiner Physiologie, so dass dieser $ 7 für eine Uebersetzung gelten könnte. Ich weise noch auf Williamson; insbesondere auf Grove, der in der dritten Edition von seiner Correlation of forces, vom Abbe Moigne übersetzt (und mit Anmerkungen von S&guin bereichert; der in Frankreich schon längst ähnliche Lehre ver- kündigt hat), diese Ansichten, die noch in der ersten Ausgabe fehlen, aufgenommen hat. Die Chemiker sind noch nieht so weit gekommen, und gerade durch die Chemie bin ich mehr darin bestärkt worden, weil mir die Wirkungen, die Schwankung der Affinität und deren scheinbare gänzliche Umkehrung unerklärlich ist, ohne diese Darstellung der Schwingungen und der Verstärkung der Schwingungen durch Wärme und Electrieität und auch noch, wenn ein zweites System von Atomen, d. h. ein anderer chemischer Stoff hinzu- gebracht wird, und also das Gleichgewicht gestört wird, weil keins von beiden Systemen für sich, sondern nur durch Mitwirkung der Umgebung im Gleichgewichte ist, das somit noth- wendig gestört werden muss, sobald die Umgebung sich ändert. (Vergl. Kösen Pogg. Ann. ©. 1. 8. 401 ff.) Um nicht von der prädisponirenden Verwandtschaft zu reden, von dieser ungereimten Idee, so ist es ganz unerklärlich, wie ein Atom seine Verwandtschaft so ganz ändern kann, dass es z. B. das Quecksilber, das Osmium, in einer Temperatur Oxygenium aufnimmt und wieder bei einer höheren fahren lässt, aber ganz wohl versteht man es, wenn die Schwingungen von gewisser Stärke ein Theilchen O von auswärts über den labilen Gleichgewichtsabstand bringen, es also leichter an den Hg oder Os hinanrückt und um den stabilen Gleichge- wichtsabstand oseillirt, dagegen eben diese Schwingungen aber, wenn ihre Amplitude bei 166 steigender Temperatur grösser geworden ist, die Theilchen successive wieder von inwärts nach aussen über den labilen Gleichgewichtszustand zurückbringen, so dass es nur entweicht. In gleicher Weise ist es unerklärlich, wie immer die auflöslichen Salze geformt werden, wobei also die Basen nun diese, dann wieder eine andere Säure praeferiren, welches Praeferiren schon ein Unding ist. Wie kann denn doch z. B. ein Atom BaO sagen: ich werde mich mit dem SO? verbinden, so gehe ich zu Boden. Wie kann KaO das ac. Acetium praeferiren, wenn es sich in Wasser, und die Kohlensäure, wenn es sich in Alcohol befindet. Wie überhaupt kann eine einzige Verbindung wieder aufgelöst eutbunden werden, wenn die Atome fest an- und ineinander liegen, dass sie keine gegenseitige Bewegung mehr gestatten. Wenn aber die Stoffe, welche in einander nahe gebracht werden (einander berühren wie wir sagen) durch Wärme und Electrieität in Bewegung sind und die Atome also Osecillationen gegen einander machen, welche noch vermehrt werden, oder auch sichtbar werden können, wenn heterogene Stoffe einander berühren, so wird die Amplitude der Schwingungen so gross werden können, dass sie bei Zeiten über den weiter gelegenen labilen Gleichgewichtsabstand geführt werden und sie also entbunden sind, und auf der andern Seite werden um dieselbe Ursache auch Stoffe so entbunden und sich mit dem andern gegenwärtigen Elemente verbinden und ein Austausch Statt finden. Wenn in einer Auflösung zwei Salze zugegen sind, so wird das Gleichgewicht in beiden gelöst, in beiden Serien von Atomen mehrt sich die Amplitude, von beiden Arten von Atomen kommen einige frei, (was nach aussen nicht sichtbar sein wird, wenn man nur eine homogene Flüssigkeit hatte, und diese verbinden sich dann mit den Atomen von dem andern Stoffe; wenn nun aber einmal in dem Beispiele von SO’ KaO und NO> BaO ein Atom So* sich mit einem BaO verbunden hat, so fällt es nieder und wird der weitern Wirkung entzogen. Man weiss, wie Rose dargethan hat, dass man umgekehrt selbst SO’, BaO mit CO® KaO kochen, so dass die Flüssigkeit immer wieder abfliesst oder entfernt wird, auch wieder entbinden kann. Nun findet das Umgekehrte statt, und man entzieht jedes- mal ein geformtes SO‘ KaO der Einwirkung des Barytsalzes; so ist es mit HO aber Fe mit H, aber Fe? OÖ? und in unzähligen Fällen, Noch viel leichter kommen dergleichen Wirkungen vor, wenn Wärme und Electrieität die Schwingungen grösser gemacht haben und so die Theilchen leichter über den Gleichgewichts- abstand hingeführt werden. Aber auch die nämliche Bedingung kann darum verbundene Atome leichter trennen. Ich fürchte nicht zu gewissen Zeiten, dass in sehr grosser Kälte die chemische Wirksamkeit nahe ganz aufhört und durch grosse Wärme die festverbundensten Atome sicherlich getrennt werden. Schon hat man KaO und NaO entbunden, und. vielleicht nur die werden lange verbunden bleiben können, welche wie NO gasförmig sind und aus Elementen von nahe gleichem Atom- gewichte bestehen, denn je ungleicher das Atomgewicht der constituirenden Elemente ist, z. B. bei Ag und O in AgO, im Allgemeinen bei den Oxyden der edeln Metalle, desto ungleicher ist auch die Schwingungs-Amplitude der Atome um den gemeinschaftlichen Schwerpunkt bei der nämlichen Temperatur, weil für jeden Atom in der nämlichen Temperatur mv? gleich ist, also v grösser, wenn m kleiner; und daher bringt die gleichzeitige Schwingung grössere re- lative Entfernung an. Es hängt in jedem Falle die Leichtigkeit der Entbindung von den Coef- fieienten der Potenzen von (x) und (x) ab, denn diese bestimmen die Lage und somit den Unterschied der Wurzeln, d. h. die Entfernung der labilen und stabilen Gleichgewichts- abstände. 167 Für Electricität findet das nämliche statt, und es ist wohl überflüssig, an die mannichfaltigen Wirkungen der Electrieität zu erinnern. Nur führe ich das Experiment von Grove an, wo die durch Eleetrieität geschiedenen H und O unmittelbar nach der Trennung sich wieder ver- einigen, augenblicklich mit Knall, oder allmählich, je nach der Stärke der angewandten Electrieität. Ich möchte nur das Prineip anführen, als für die Erklärung des Chemismus höchst be- deutend. Wie gesagt, kann man nur in ruhiger Besprechung die Bedenken und Einwürfe lösen und beseitigen, welche sich bei Einem oder dem Andern vielleicht zeigen. Oberbergrath Althans theilte sodann nachstehende Andeutung einiger Resultate aus etwa 20jährigen Arbeiten mit. (Sie enthalten ganz neue Beiträge zum Kosmos, oder zur physischen Astronomie, zur‘allgemeinen Meteorologie und Physiologie. Die dazu erfundenen und eigenhändig ausgeführten ganz neuen Instrumente sollen in einem be- sonderen Werke, durch viele Zeichnungen, Beschreibung und Gebrauchsanweisung, wie auch die Zeichnungen etc. zu den Entwickelungen mit diesen, ausführlich veröffentlicht werden.) Unzählige wissenschaftliche Enthüllungen liegen vereinzelt in vielen naturwissenschaftlichen Zweigen und werden mit Riesenschritten immer weiter und unübersehbarer vermehrt. Sie für den Ueberblick des grossen Ganzen richtig zu benutzen und in manchen Lücken zu erweitern, ist die Aufgabe der gegenwärtigen und kommenden Zeit. Besonders dann, wenn der Ursprung und das Walten der inponderabeln, eleetro- motorisch sehr beweglichen Elemente, als Geist in der Natur, und als sehr ver- änderliche Bewohner der Materie, im grösseren Zusammenhange näher erkannt worden, dürfen wir hoffen, dass unglaubliche Dinge entschleiert und grosse wissenschaftliche Fortschritte gewonnen werden. Zunächst muss unsere Sonne aus ihrer mysteriösen Hülle hervortreten. ein wissenschaft- liches Licht über das ganze Schöpfungswerk verbreiten, und sie wird uns darin einen klareren Ueberblick verschaffen, und die allmächtige Vorsehung näher verehren und bewundern lehren. In der Sonne liegen die wichtigsten Naturgeheimnisse verborgen, welche die Grund- lagen der früheren Urbildungen, unseres Daseins und der Unterhaltung des ganzen organischen Lebens ete. enthalten. Sie zu enthüllen ist die wichtigste Aufgabe für die Fortschritte der Naturwissenschaften, wie auch für die helleren Rückblicke in die Vergangenheit und für die Fernsichten in die Zukunft. Meine in diesen Richtungen mehr als 20jährigen beharrlichen Bemühungen bringen Re- sultate, welche zu unglaublich, auf Einmal viel zu grossartig erscheinen. Das Vorgefühl vom naturgesetzlich Nothwendigen, von den mathematischen Ver- hältnissen in den physikalischen Eigenschaften der Sonne, welches durch meine ersten Wärme- messungen erregt wurde, liess keine Ruhe, bis nach vieljährigen, oft vergeblich wiederholten Versuchen der Weg zum Ziele geöffnet war. Diese oft wiederholten Umwege zu zeigen ist unnöthig, zu zeitraubend und langweilig — wenn sie auch dem letzten kurzen Wege, oder den darauf gefundenen Resultaten das Auffallende, das Unglaubliche, etwas nehmen würden; weil die Lösung der unmöglich scheinenden Aufgabe — die qualitativen Verhältnisse des Sonnenkörpers betreffend — in einer so kurzen und bündigen Darstellung zusammen- gefasst ist. Damit wird aber keineswegs gesagt, dass hiermit die Sache, in Betreff der nöthigen Messungen, schon abgeschlossen sei; sondern es soll hiermit nur der gesetzliche Weg gezeigt werden, welcher weiter zu verfolgen nothwendig ist, um nach vielen hundert Jahren die Re- 168 sultate immer vollständiger berichtigen zu können. Die Kepler’schen und Newton’schen Ge- setze bedurften, wegen ihrer rein mathematischen Natur, keine Berichtigung durch Messungen, und doch haben sie bis zur jetzigen Ueberzeugung lange Zeit bedurft. Anders und viel schwieriger ist das Verhalten dieser verwickelten chemisch-physikalischen Gesetze verbunden mitjenen. Sie müssen durch und miteinander geordnet und nach späteren Messungen nach und nach berichtigt werden. Nach den bisherigen Wärmemessungen ist schon z. B. ein Proportional-Coeffieient P (wie die Entwickelungen zeigen werden) berichtigt worden. Die gefundene Berichtigung beträgt nur einen sehr kleinen Theil des eingeführten Werthes, aber gerade deshalb ist dieser Fund um so wichtiger. Der Werth war von der Qualität des Platins aus der Erfahrung entnommen, weil die Wärmemessung eine solche Qualität verlangte: nämlich für diespecifische Wärme des Sonnenkörpers wie die des Platins, = 'r W + P. Z’, worin Z’ die durchschnittliche Temperatur des Sonnenkörpers bezeichnet, nach welcher die speeifische Wärme zum Theil pro- portional veränderlich ist. Für Platin sollte erfahrungsmässig P — 0,00001 sein. Die übrigen gesetzlichen Verhältnisse verlangten aber schon, dass P auf den Werth P = 0,00000999772 Beriehiöt werden musste, um den anderen Gleichungen zu entsprechen, welche auf den bis- herigen Wärmemessungen und den astronomischen Angaben beruhen. Es wird aber gezeigt, dass die astronomischen Angaben noch nothwendige Berichtigungen bedürfen, wenn auch meine besten in Anwendung gebrachten Wärmemessungen später unverbesserlich gefunden würden. Nämlich: Die astronomischen Angaben sind inEnke’s astr. Jahrbuche der unveränder- lieh angegebene Sonnen- Radius, welcher in der mittleren Sonnenferne bisher derselbe blieb; so dass auch die davon abhängige Dichtigkeit der Sonne jetzt unveränderlich betrachtet wird. Früher hatte der Herr von Lindenau aus 4000 Beobachtungen, welche in 33 Jahren gemacht waren, eine Abnahme des Sonnen-Radius berechnet. Nach meinen Wärmemessungen und der daraus hervorgehenden Abkühlung, beträgt in jenen 33 Jahren die Abnahme noch nicht ganz '/, jener berechneten Radius-Abnahme. Auf jeden Fall muss eine Abnahme erfolgen. Auch fand Herr von Lindenau jährlich noch viel grössere Veränderungen, nach den verschiedenen Jahreszeiten; auch den Pol-Radius grösser als den vom Aequator — und es blieb dieses unerklärlich, weil der Pol-Radius, wegen der Pol-Abplattung durch Rotation noth- wendig kleiner sein muss, und nach dem Aequator-Radius und der Rotation berechnet werden kann. Diese nur scheinbaren Verschiedenheiten der Radien sind optische Täu- schungen, welche die sehr verschiedene Dichtigkeit der Sonnen-Atmosphäre, am Aequator und an den Polen, durch die Strahlenbrechung verursacht. Dazu sei noch beiläufig bemerkt, dass die Sonnen-Atmosphäre ihre grösste Dichtigkeit (— jede besondere Zone für sich betrachtet —) nicht unten auf der Oberfläche, sondern in einer bedeutenden Höhe über der Sonne besitzt, welche Höhe zum Aequator hin bedeutend wächst. Dieses wird später bei der speciellen Entwickelung der Sonnen-Atmosphäre und dem Zodiaeallichte näher nachgewiesen, nachdenı die Ermittelungen über den Sonnenkörper selbst vollendet sind. Jene optischen Täuschungen sind die Ursachen, weshalb die bisherigen Messungen des Sonnen -Radius so unsicher waren. Nur zwei Jahreszeiten sind zur richtigsten Messung des Aequator-Radius geeignet, nämlich um den 8. Juni und den 9. Decbr. Alsdann ist die Strah- lenbrechung der Sonnen - Atmosphäre in der Aequatorzone am geringsten, aber zugleich für die Pol-Radien am grössten. Sowohl die Berichtigung der astronomischen Angaben, als auch die durch spätere Wärme- messungen, verursachen weitere gesetzliche Veränderungen im Werthe P und in einigen 2.5 0 169 anderen Elementen, die sich in der Folgezeit ergeben müssen; womit man nach und nach die wahren Qualitäten des Sonnenkörpers immer genauer kennen lernt. Dazu wurden die nöthigen Vorbereitungen gemacht und die Wege angedeutet, welche zu verfolgen sind. Es hat sich aus meinen bisherigen besten Wärmemessungen für das Jahr 1850 ergeben, dass fol- gende Haupt -Qualitäten des Sonnenkörpers einstweilen anzunehmen sind: I) Der innere Kernkörper hat eine durchschnittliche Temperatur (1850) ze — © - 78:104,19 Cels re & ä 2) n Jahre nach 1850, also 1850 + n, ist 1,70 — albe d=b) 3) n Jahre früher, oder 1850 —n, war H a? —n 70 _ Br): NB. Bei Z® ist n oder —n nur ein Zeichen für das betreffende Jahr, also kein Coefficient. 4) Der innere Kernkörper (im heissflüssigen Zustande) besitzt durchschnittlich die gleiche Qualität des nicht ganz reinen (rohen) Platins von einem specifischen Gewichte — 20 bei 0° Oels. 5) Der (mach Mädler’s Angabe) 300, bis 500, etwa 400 geogr. Meilen dicke Gas- oder Dunstmantel muss meist aus metallischen Dämpfen bestehen, welche aus dem heiss- flüssigen edleren und strengflüchtigeren Kernmetalle sublimirt wurden, und welche 6) den Lichtmantel schwimmend tragen, der nur Kohlenstoff sein kann, welcher bei der successiven Abkühlung des inneren Kernmetalles nach und nach ausgeschieden wurde — wie der Kohlenstoff (als Graphit) aus heisstlüssigem Eisen. Beiläufig sei hier nur noch gesagt: dass der Liehtmantel mit den dortigen mächtigen Passatwinden, nicht wie auf der Erde gegen die Rotation geht, sondern umgekehrt der Sonnen- Rotation voreilt; dass die Sonnenflecken in demselben und ihre etwa 10 bis 11jährige Periode von der heissesten Sonnenseite und von den sublimirten metallischen Dämpfen abhängig sind ; welche bei totalen Sonnenfinsternissen nur manchmal sichtbar) als rothe Protuberanzen in die Sonnen - Atmosphäre übergehen, mit den Passatwinden zum Acquator kommen und von da im mächtigen Aufstrome des Zodiacallichtes, als sehr erhitzte und ausgedehnte Dämpfe — mit sehr viel gebundener Wärme —, fortgerissen und endlich (zum Theil) oben hoch als Dunst- wolken seitlich ausgestossen werden, sich im Sauerstoffe unserer Atmosphäre entzünden und uns die Schauspiele der Sternschnuppen und Feuermeteore liefern. 7) Vor etwa 36'268 Jahren war die Temperatur "ZI = 2. 2° = 156‘208°,38 und 8) nach etwa 36268 Jahren wird dieselbe nur noch "Z° = !/. Z° = 390520,09 sein. 9), Diese Abkühlung verursacht eine Verminderung des Sonnen-Radius, welcher von 1850 an rückwärts und vorwärts nach Gleichungen berechnet werden kann. Mehrere Beispiele sind berechnet. 10) Eine der besten Messungen der Art hat gezeigt, dass sich die strahlende Wärme von der heissesten Sonnenseite zur entgegengesetzten verhält wie 9:7. * Nach den Messungen ist der durchschnittliche Wärmeverlust (pro 1850) a°= 1,°49179;5 b = 0,9999309 ; und (1—b) = 0,0000191. 22 10 Nämlich diese partielle Wärmemessung, oder eigentlich die sorgfältige Verfolgung der heissesten Sonnenseite ist von der grössten Wichtigkeit für andere Oorreetionen. Durch die richtige Verfolgung der heissesten Seite kann in umgekehrter Weise die Voreilung (durch genaue Versuchmessungen) ermittelt werden, wodurch alsdann die Abnahme des Sonnen-Radius wohl sicherer zu berechnen sein wird, als diese durch directe Messungen mit dem Heliometer zu bestimmen möglich ist. Wenigstens können sich beide Messungs-Methoden gegenseitig unterstützen und controlliren. Die erforderlichen neuen Instrumente, ihre genaue Anfertigung und Behandlung, und die Gebrauchsmethoden werden durch gute Zeichnungen, vollständige Beschreibungen und Tabellen ausführlich angegeben. Eine Menge andere Ermittelungen auf solchen naturgesetzlichen Wegen folgen alsdann nach, indem aus den angedeuteten Resultaten manche Anwendungen hervorgehen. Der Aberglaube, ein Glaube, der über das vernünftig Glaubwürdige hinausgeht unddurch nichts begründet werden kann, wird zum Theil besser durch nähere Erkenntniss mancher Dinge beleuchtet werden. Darunter wird auch Manches, was vom wissenschaftlichen Stand- punkte aus (wenigstens von einigen Gelehrten) als Aberglaube verworfen wurde, weil bisher noch kein wissenschaftlicher Grund dafür gefunden war, jetzt als wohlbegründet wieder aufge- nommen werden müssen und im berichtigten Zustande erscheinen — wogegen manche andere Ansichten fallen werden. Der Geist in der Natur (in der Materie) ist näher aufzusuchen, und wenigstens mit dem geistigen Auge von der Materie abgesondert zur reineren Anschauung zu bringen, um richtige Begriffe davon zu gewinnen. Das Wort Kraft (statt Geist) verdunkelt, indem manche Kraft ohne Materie nicht existirt, nur Eigenschaft der Materie is. Z. B. der Mond hat die materielle Kraft die Ebbe und Fluth im Weltmeere hervorzubringen. Auch verursacht dieselbe Kraft die (von mir entdeckte) Ebbe und Fluth in unserer Atmosphäre, welche das Barometer nicht anzeigen kann. Statt der zwei bekannten im Weltmeere entgegengesetzt liegenden Fluthwellen, hat unsere Atmosphäre nur eine Fluthwelle gegen den Mond ge- richtet. Davon liegt die Ursache in einer rein materiellen Kraft. Denken wir uns in unserer Atmosphäre die nach oben abnehmenden Dichtigkeiten, und betrachten für jede gleiche Dich- tigkeit eine besondere Sphäre, so erheben sich diese Sphären in einer Fluthwelle gegen den Mond so bedeutend, dass z. B. in 10 geogr. Meilen mittlerer Höhe diese gleiche Dichtig- keit in der Fluthhöhe 12,9 geogr. Meilen und in der entgegengesetzten Ebbehöhe nur 7,7 geogr. Meilen beträgt. Der Unterschied zwischen Fluth und Ebbe beträgt 12,9 — 1,7 = 5,2 geogr. Meilen, also mehr als die Hälfte der mittleren Höhe derselben Dichtigkeit, welche zwischen Ebbe und Fluth befindlich ist. Solche Verschiedenheiten der darin enthaltenen Luft- massen haben sicherlich einen bedeutenden Einfluss auf die meteorologischen Verhältnisse, welche bisher noch gar nicht berücksichtigt werden konnten. Dieser Einfluss durch die rein materielle Kraft des Mondes ist aber ein ganz anderer, als derjenige, welcher von rein geistigen Kräften abhängig ist, und sowohl auf die Atmo- sphäre als auf die organischen Thätigkeiten ausgeübt wird. Nach meinen Beobach- tungen am Steigen und Fallen des Saftes im Bambusrohre (und in anderen Pilanzenzellen fand ich den Einfluss des Lichtphasenwechsels ganz unabhängig von jener mecha- nischen (materiellen) Wirkung des Mondes. Die Stellungen desselben — oben oder unten, östlich oder westlich — zeigten gar keine Veränderungen. Genau zur Zeit des Neumondes stand der Saft am tiefsten, er stieg bis etwa einen Tag nach dem Ersten Viertel und 1 fiel wieder langsamer genau bis zum Neumond. Die Ursache muss hauptsächlich in den bedeutenden Temperatur - Verschiedenheiten liegen, welche die Mondoberfläche von der Sonne bekommt und der Erde zugekehrt sind. Der höchste Saftstand trifft genau auf den Tag, an welchem der Mond-Aequator (auf der uns zugekehrten Seitenmitte) am kältesten (— 2", 39 Cels.) ist; wogegen die uns zugekehrte Seitenmitte etwa drei Tage vor dem Letzten Viertel am heissesten (+ 232,688) gefunden wurde. Von der Zeit an bis zum Neumond streicht das uns zukommende reflectirte Lieht immer an der heissesten Seite ‘des Mondes vorbei; aber gleich nach dem Neumonde bestreicht das uns zukommende refleetirte Licht die kälteste Mondseite; worin die Ursachen des plötzlichen Saftwechsels liegen müssen. Dieses sind nur einige wenige Andeutungen von den bisher gefundenen Resultaten, welche ausführlich nachgewiesen werden und sich mit vielen anderen Ermittelungen im gesetzlichen Zu- sammenhange befinden. Vor vielen Jahren wurde mein Haus oft von einem Mondsiichtigen besucht, welcher zur Zeit eines gewissen Mondlichtes sehr leiden musste und Nachts keine Ruhe hatte, worüber er sich offen sehr beklagte und über seinen Plagegeist sehr unzufrieden war. Damals kannte ich die vorerwähnten Eigenschaften des Mondes noch nicht und hatte die von ihm gemeinten Liehtphasen-Epochen auch nicht beachtet, welche ihm die Qualen verur- sachten. Später wünschte ich die Epoche zu erfahren, konnte aber bisher noch keine Auskunft darüber bekommen. Medicinische Werke gaben keine Notiz darüber — wahrscheinlich, weil solehe Mondwirkungen für Aberglauben gehalten wurden. Sie müssen aber doch mit jenen Wirkungen auf die Organe der Vegetabilien in einem gewissen Zusammenhange stehen, wess- halb es der Mühe werth wäre, solche Fälle besser zu beachten und den Zusammenhang mit den Lichtphasen genau zu ermitteln. Auch die hier angegebene heisseste Mondseite hatte Dr. Buys-Ballot ebentalls, aber auf ganz anderen Wegen als ich, gefunden. Es ist sehr zu wünschen, dass viele Freunde der wissenschaftlichen Fortschritte sich für diese auf viele hundert Jahre zielende Entwickelung interessiren und eine beharrliche Fortsetzung soleher Bemühungen nicht scheuen, und dass sie die Verbreitung der neuen Instrumente und ihre Anwendung unterstützen, welche ich (wie gesagt) ausführlich mitzutheilen beabsichtige. Es werden sonst meine vieljährigen Bemühungen für die Wissenschaft verloren gehen. Meiner Mittheilung liegen hauptsächlich die Schwierigkeiten der Druckkosten im Wege, welche die zu den verständlichen Erklärungen unentbehrlichen vielen genauen Zeichnungen, Formeln und Tabellen verursachen werden. Die Ausführung muss der Sache wegen in gross Quart geschehen, und die meisten Tabellen und die Zeichnungen werden am besten in dem- selben Format, besonders gebunden, um dadurch den Gebrauch zu erleichtern. Auch muss die Mittheilung in einem besonderen Werke geschehen, welches Jedem beliebig brauchbar ist. Eine grosse Gebrauchs- Tabelle, welche bei den partiellen Wärmemessungen unentbehr- lich ist und viel Zeit zur Berechnung erfordert, kann leider immer nur für eine bestimmte Breite (Zone) benutzt. werden. Jeder andere Beobachtungs-Ort, welcher einer anderen Breite angehört, bedarf eine dafür besonders berechnete Tabelle: nämlich für einen gewissen sehr veränderlichen Winkel am Instrumente zur Stellung desselben, welcher von 10 zu 10 Zeitminuten verändert wird und für jeden anderen Tag im Jahre wieder ein anderer Winkel sein muss. Meine bisherigen Arbeiten sind für den Druck noch zu ordnen. Die noch vorliegende 172 Vollendung soll, nach Zeit und Kräften, in abgetheilten Bänden geschehen, und das Erscheinen derselben wird von der Theilnahme abhängig sein. Die Vorbereitungen zu weiteren Fortschritten sind gemacht; ob zur Vollendung meine Lebenskräfte ausreichen werden, steht in Frage. Die Arbeiten bestehen zunächst in specielleren Entwickelungen der physikalischen Verhältnisse der Sonne, der Planeten und Monde ete. und ihre Entstehung (durch Sublimation) aus der ersten Vereinigung ihrer Massen mit der Masse der Sonne; der Entwickelung ihrer Körper aus kleineren Theilen durch Vereinigung; der Darstellung der Ursachen ihrer Vertheilung im Raume; der Entstehung ihrer inneren Hitze; der Entwickelung ihrer Bewegungen in ihren Bahnen und in ihren Rotationen, und warum diese Bewegungen nicht anders entstehen konnten. Die Haupt-Ursachen liegen in den gefun- denen Qualitäten der Sonne. Darf ich noch weitere Andeutungen machen und auszuführen hoffen, so finden wir in den gefundenen Sonnen-Qualitäten auch noch die Bildungs-Ursachen für’s grosse Ganze, über unser Sonnengebiet hinaus, in vielen Sonnengebieten, oder im Milchstrassen-Systeme; wie auch in dergleichen Systemen mehr im unermesslichen Raume. Darunter ist nothwendig die Nachweisung enthalten, wie die Sonnen selbst entstanden, und wie sie ihre grosse Hitze bekamen — aus der gebundenen Wärme des sehr dünnen Ur- Chaosdunstes, und wie sich solche als freie Wärme daraus entwickeln musste. Heben wir endlich etwas specieller aus unserm Milchstrassen -Systeme ein gesetzliches Verhältniss der Sonnenbewegungen heraus, um es nur kurz anzudeuten, so finden wir darin keinen grössten Centralkörper, wohl einen gemeinschaftlichen Schwerpunkt. Dieser ist aber kein gemeinschaftlicher Centralanziehungspunkt für alle Sonnen- bewegungen. Deren giebt es viele Punkte in der Umgebung jenes Schwerpunktes — und streng genommen, für jede Sonnenbewegung ist ein besonderer Centralanziehungspunkt vor- handen, welcher veränderlich ist. Die Centralkräfte dieser Punkte sind ebenfalls ver- änderlich, und auf die Sonnenbahnen reducirt, verhalten sie sich in den Bahnen (generell) wie die zugehörigen Radien und verändern sich mit diesen im geraden Verhältnisse — also nicht umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen vom Anziehungs-Punkte, wie solches nach den bekannten, Gesetzen der Planeten-Bewegungen um einen grossen Oentral- körper der Fall ist. — Ein solches Gesetz, welches mit dem gemeinschaftlichen Schwerpunkte eben so wie ein grosser Centralkörper wirkt, tritt erst dann ein, wenn eine von den vielen Sonnen aus der ganzen Milchstrassen-Sterngruppe hinaustritt; alsdann wirkt auf diese eine Sonne der gemeinschaftliche Schwerpunkt wie ein Centralkörper auf die Planeten. Das Nähere kann erst in einem specielleren Beweise entwickelt werden, indess ist hier schon kurz anzudeuten, dass der Hauptgrund dieser besonderen Verhältnisse in dem Gesetze der hohlen Kugel liegt. Das hier angedeutete innere Gruppen-Gesetz wird bei näherer Prüfung auch zeigen, warum die Sterne im grossen Umfange am dichtesten zusammen gedrängt sind, und warum die Sterne und Schwerpunkte der Doppelsterne fast unbeweglich (als Fixsterne) erscheinen. Der nähere inductive Zusammenhang des Ganzen wird alsdann hoffentlich auch zur Genüge zeigen, wie es möglich ist, auf naturgesetzlichen Wegen eine vernünftige Kosmogenie zu entwickeln, welche sich auf wissenschaftliche Gründe stützt — wie noch keine ähnlicher Art da war. Der erste Theil wird in mehreren Abtheilungen die Beschreibung und Dar- stellung der neuen Instrumente und Hülfsvorrichtungen zu den verschiedenen Wärme- und 173 Licht- Messungen; die Messungs-Methoden; die Entwickelung der Gesetze, Gleichungen und Resultate für die physikalischen Qualitäten des Sonnen-Körpers allein enthalten. Weitere Anwendungen davon auf die Sonnen-Atmosphäre, auf den Mond und andere Entwickelungen werden für die folgenden Theile aufbewahrt. *) Zum Präsidenten für die Mittwochs-Sitzung ‘wurde erwählt: Prof. Eis enlohr. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages- Präsident: Prof. Eisenlohr. Prof. Dove sprach über die in den meteorologischen Stationen des preussischen Staates eingeführten Heber-Barometer und erläuterte den capillaren, vermittelst einer Feder erfol- genden Verschluss derselben. Prof. Plücker gab: 1. eine kurze Andeutung über die Theorie des magnetischen Verhaltens der Krystalle und führte diese auf die Poisson’sche Theorie des Magnetismus zurück. 2. eine mathematische Bestimmung der magnetischen und optischen Axen der Krystalle. C. Moll theilte Einiges über wichtige Punkte der Mechanik mit. Er schlug besonders voı das Produkt /, Mv2 das Wegarbeit- Vermögen und das Produkt Mv das Zeitarbeit- Vermögen zu nennen. Prof. Gloesener hielt folgenden Vortrag: Sur un ehronoscope et sur l’application du renversement du courant voltaique dans les horloges, les t&l&graphes avec lettres, dans les relais etles translateurs des t6l&graphes A &crire. Dans la scance de la section de Physique du. 23 septembre dernier, Mr. Gloesener fit, voir: A) Une photographie, repr&sentant un chronoscope, dans lequel il remplace les &lectro- aimants par des rh&ometres ä une seule aiguille, fix&s sur une planchette parallölement les uns aux autres, devant un cylindre, long de 10 centimetres, divise en 600 parties egales et faisant uniform&ment 4 & 5 tours par seconde. Ües rheomdtres peuvent tre avane&s ou recul&s chacun d’environ deux millimötres A l’aide d’une vis ü pas tr&s court. Chaque aiguille porte pres de son extremit& voisine du eylindre, un style en acier recourbe, ä angle droit; elles sont toutes maintenues par l’action du courant, dans une position horizontale, s’appuyant contre une lame d’arret en laiton. Les pointes des styles se trouvent A environ deux millimetres au-dessus du plan qui passe par les axes des aiguilles et celui du cylindre; de telle sorte que si les aiguilles tombent simultanement, les pointes des styles touchent le cylindre sur la m&me ligne parallle ä son axe. Lorsque le eylindre couvert de noir de fum&e ou d’un vernis gras est en mouvement, et que la chüte des aiguilles est produite par des &vönements successifs, chaque style fera une marque ou un point sur le cylindre et s’en &loignera instantantement sans le retoucher. Le temps Ecoul& entre les moments, ou deux marques consecutives ont £t& faites, est pr&cis&ment egal au temps &could entre les moments oü les deux &vönements correspondants ont produit la chüte des styles, c’est-a-dire la rupture des courants qui soulevaient les aiguilles portant ces styles. *) Wir theilen diesen Vortrag hier vollständig mit, obwohl er erst in der Donnerstags-Sitzung beendet worden ist. Anm. d. Red. 174 On peut aussi fixer les rheomötres au-dessus du eylindre divis6; leurs aiguilles sont alors munies de styles verticaux pesant un ä deux grammes, fix&s ä &gale hauteur au-dessus de la möme (division parallöle & l’axe du eylindre. Au pied de chaque rh&om£tre et au-dessous de son aiguille on adapte une lame-ressort, trös elastique, de facon que frapp&e par l’ajguille tombant, elle plie un peu, permette au style de faire une marque et le relöve ensuite subitement. Les organes de l’appareil dont je me sers, sont comme on voit, r&duits au plus petit nombre possible. J’ai soumis les deux proc&d&s qui viennent d’etre exposds, tr&s britvement, A des epreuves multiplices, et j’ai reconnu qu’ils ne laissent rien & desirer, si le mouvement du eylindre est uniforme; comme il peut l’&tre d’aprös les experiences de Mrs. Breguet, Morin et les miennes, surtout lorsqu’il s’agit de temps si courts que les durdes des experiences faites avec des chronoscopes. Ici les irregularites des actions, je dirai presque les caprices des &lectro-aimants, sont entierement &cartes et ils le sont de la maniere la plus simple possible. Par ces proc@d&s on elimine &galemment l’'influence de toutes les autres causes retardatrices, telles que la r&sistance de air & la chüte des aiguilles et des styles, la resistance des fils ä rompre par le projectile, le manque d’instantandit@ dans le jeu des aiguilles et la dur&e de leur chüte. L’intensit& des courants n’ä-pas besoin d’etre regl&e et celui d’une seule pile agissant par derivation suffit pour deux, pour trois et en general pour tous les rheomötres qu’on veut employer, lorsqu’on ne se sert pas de compteur-electro-magnetique. Mon appareil convient pour mesurer les temps qu’a mis un projectile pour decrire plusieurs arcs de trajectoire. Si le temps &eoul& entre les chütes con- secutives de deux styles, correspond A un are plus grand qu’une eirconference entiere, on le reconnait facilement en comptant le nombre de tours deerits pendant ce temps. B) Mr. Gloesener montra aussi un dessin photographique, representant un tel&graphe du syst&me Morse &crivant sans ressort de rappel, sans pile locale et avec renversement du courant. Le manipulateur ou clef est dispos& de la maniere suivante: 1) Il renverse le courant alternativement en sens contraire. 2) La pile est isol&e lorsqu’il est au repos, et l’on peut recevoir des depeches d’une station &loignde. 3) Lorsque l’on transmet des communications, le courant passe directement de la pile, par le fil d’une boussole et le fil de ligne dans l’appareil A €erire de la station avee laquelle on est en correspondance; l'instant d’apr&s le courant par- court le möme chemin en sens inverse et ainsi de suite. La course du levier du manipulateur est tr&s courte et trös facile ä manier. L’appareil & &erire se compose, entre le systöme de rouages pour mouvoir le papier: de deux palettes aimantees A et D recourbees, relides entr’elles dos-A-dos et mobiles autour d’un axe horizontal; de deux &leetro-aimants A’ et B’ munis chacun de beaucoup de fil fin et plae6s, Yun (44) sous la palette A, l’autre (B’) sous la palette B. Le circuit &tant &tabli, la palette A est attirge de haut en bas, par l’&lectro-aimant 4‘, tandis qu’en m&me temps la palette B est repoussee de bas en haut par l’&lectro-aimant 5’, ou reeiproquement. Le levier-plume est fix sur l’axe des palettes et sa course est regl&e au moyen de deux vis. j Oet appareil est convenable pour &crire & de grandes distances sans pile locale, & l’aide d’enere ordinaire, la plume &tant un cöne en cnir ou un fil de platine envelopp6 d’un fil de eoton plong& dans !’encere & environ deux millimötres pres. Si l’on se sert d’un relais, les electro-aimants de l’appareil & &erire devront ötre construits avec du fil court et gros. Le relais que repr&sente la photographie, montree & la seance de la section de physique, se compose: d’un @leetro-aimant & deux branches et d’un petit barreau d’acier aimante, oscillant 175 autour d’un axe horizontal au-dessus de deux pöles homogönes de l’aimant temporaire, lorsque le eourant passe alternativement en sens contraire par le fil de ce dermnier. Pour faire de ce relais un translateur, on enchasse sur la planchette du relais deux petites, colonnes 'en laiton A et B, hautes de 8 centimötres; sur l’une on adapte une tige horizontale en argent M, €paisse de deux millimötres et sur l’autre on fixe une palette en ivoire sur laquelle on visse deux lames-ressorts en argent trös @lastiques A’ et D’; l’une de ces lames communique par son bout fixe avee le fil de ligne et l’autre avec le fil de terre d’une station &loignde; tandis que par leurs bouts libres, elles touchent l’une la face superieure et ’autre la face inferieure de la tige M. Cette tige est relige metalliquement au pöle negatif d’une batterie voltaique dont le pöle positif communique avee la palette aimantde, munie ä une de ses extremit6s d’une goupille en or C; celle-ci se trouve entre les deux lames A’ et D’, sans toucher la tige M, de telle sorte que, pendant que la palette oseille, la goupille @loigne alter- nativement les lames-ressorts A’ et B’ de la tige M. On voit, que par cette disposition le courant de la batterie est transmis alternativement en sens contraire dans le relais d’une station &loignee. Pour isoler la batterie pendant que l’appareil est au repos, ilfaudra se servir d’un interrupteur qu’on tourne A la main, ou bien on devra, eomme l’indique la photographie, &quilibrer la palette aimantde au moyen de deux ressorts, de maniere que si la palette aimantde est en repos, la goupille O, soit isol&e des lames-ressorts A’et B’. La course de la palette estreglee aumoyen de deux vis d’arret. Elle prend successivement trois positions differentes: chaque fois que la goupille € vient en contact avec l’une ou l’autre des lames-ressorts A‘ et BD‘, le courant de la batterie est transmis et par suite Ja communication des signaux devient beaucoup plus prompte que dans le systeme ordinaire. On obtient encore ce dernier resultat si l’on remplace la palette aimantee munie de deux ressorts par une palette de fer armee d’un seul ressort, et qu’on substitue ä l’eleetro-aimant & pöles homogenes un autre A pöles de nonı contraire, dont un porte une piece de fer recourbee au-dessus de la palette, de sorte que, si celle-ei est attirde de haut en bas, par une de ses extremites; elle ’est en m&me temps de bas en haut par l’autre extremite. Pendant que le courant est renverse, la palette dont la course estregl&e par des vis d’arret, est ramenee A sa position de repos par le ressort et elle est de nouveau attirde par l’electro- aimant, aussitöt que les pöles contraires de celui-ei, sont suffisamment developpes. ©) Enfin, Mr. Gloesener a signal& les avantages que l’on peut retirer de l’application du renversement du courant voltaique dans les horloges, dans les telegraphes et en general dans outes les applications de l’action du courant &lectrique. Il a en m&me temps indique les con- ditions de construction de ses appareils: Mr. Gloesener supprime le ressort derappel, remplace la palette de fer de l’ancien systöme par une palette d’acier semblable, tremp&e dur et aimantee ä saturation; il dispose cette palette mobile, de telle facon, que chacun de ses pöles, se trouve plac& symetriquement entre deux pöles de nom contraire, de deux &lectro-aimants. S’il n’emploie qu’un seul &lectro-aimant recourb& ou rectangulaire, il augmente sa masse & la courbure, de- veloppe deux pöles homogenes A ses deux extr&mites et fixe une palette aimantee droite, sur un axe horizontal au-dessus et tres pres de V’electro-aimant, de facon que les pöles de eelui-ci se trouvent direetement au-dessous des pöles de la palette. La disposition ei-dessus, qu’on peut varier de plusieurs manieres, conduit au prin- ape suivant: . Produire dans les t@l&graphes, les horloges et autres appareils @lectriques, le mouvement 176 de la palette aimantee par des attractions et des r&pulsions simnltandes et conspirantes, d’&leetro- aimants fixes, ou d’un &lectro-aimant fixe sur la palette mobile; et r&eiproquement produire le mouvement d’un &lectro-aimant tr&s mobile, par des attractions et des r&pulsions simultandes et conspirantes d’un aimant fixe ou d’aimants fixes sur l’&lectro-aimant mobile. Le magnetisme de la palette se conserve tr&s longtemps, sans qu’elle ait besoin d’etre r&aimantee, co qui s’accorde avec la theorie, avec les observations faites depuis 1851 sur. les lignes tel&graphiques de Belgique, ainsi qu’ avec toutes mes nombreuses exp6riences de cabinet. Les avantages de ce systöme sont: 1) I n’y-a-pas & vaincre la resistance du ressort de rappel, ni a perdre du temps pour son r&glage, lorsque l’intensit€ du courant varie, ce qui est surtout important dans les horloges. 2) La puissance motrice est, si l’on emploie deux &lectro-aimants, toutes choses &gales d’ailleurs, double de celle que produit dans les m&mes ceirconstances le systeme d’un seul electro -aimant avec ressort de rappel: ce qui permet d’employer des courants relativement plus faibles et par suite d’attönuer la perte de courant due aux derivations. 3) On paralyse, ou du moins on attönue beaucoup le courant de retour et l’effet si nuisible de l’electrieit& d’induction, ä la surface exterieure de l’enveloppe isolante des conducteurs, comme dans les tel&praphes sous-marins et dans les fils sous terre; aussi emploie-t-on aujourd’hui partout le renversement du courant dans les tel&graphes sous- marins. Pendant que je parlais, Mr. Dove, professeur et membre de l’Academie de Berlin m’a interrompu, en pretendant que le renversement du courant dans les tel&graphes n’etait pas nouveau; il disait qu’il existait A Berlin dans un cabinet de physique, un tel&graphe fonctionnant avec renversenient du courant. Dans un entretien partieulier, il affirmait que dans le Nord de l’Allemagne et en Crimde le courant &tait renverse dans les relais des tel&graphes & &erire. L’honorable professeur r&elamait Ja priorite de cette application en faveur du savant ing@nieur W. Siemens. Je ne puis &tre de l’avis de l’honorable membre de l’Acad&mie de Berlin et voici pour quels motifs: 1) On emploie en tel&graphie des courants d’induction qui sont diriges alternativement en sens contraire suivant le mode m&me de leur developpement; on se sert aussi et pres- qu’exclusivement des courants hydro- @leetriques, par exemple des courants de la pile de Daniell. Ö’est du renversement des courants hydro-@lectriques dans les relais du t@legraphe a Ecerire, dans les telögraphes ä cadran et dans les horloges &lectriques, dont j’ai parl& dans la seance du 23 septembre de la section de physique. MM. Gauss et W. Weber, ont les premiers employ& en 1833, une machine magneto- electrigue pour &tablir leur tel&graphe entre l’observatoire et l’Universit& de Goettingue. Puis MM. Steinheil, Masson, Stoehrer, Dujardin, ont fait fonctionner leurs telegraphes, au moyen d’un eourant d’induction. Moi-m&me j’ai construit en 1848 un telegraphe et une horloge fonctionnant par l’action d’un courant d’induction. (Voir le comptes-rendus du 7 Avril 1848, de l’Institut de France; — l’ouyrage sur la telegraphie de l’abbe Moigne 1849 — mon me&moire depose A l’Institut de France le 24 Juin 1848 — mon ouvrage: „Recherches sur la tel&graphie“, publi& en 1853). Je rapporte m&me page 105, que j’ai fait fonctionner un telegraphe au moyen d’un courant d’induction developp6 par un et par deux &l&ments Bunsen. Mr. Siemens a le grand merite d’avoir employ& le courant d’induetion sur de grandes lignes et d’avoir construit des telegraphes magneto -&lectriques plus parfaits que ceux qui existaient avant les siens. Mais: 2) Je r&clame la priorite de lid&e et de l’application du renversement du courant hydro- 177 electrique et de la suppression du ressort de rappel dans les tel&graphes, les horloges electriques et autres appareils d’application du courant voltaique. Les titres que j’invoque entre autres sont: A) Dans mon me&moire depose A Y’Institut de France, le 24 Juin 1848, je signale les incon- vönients du ressort derappel dans les telögraphes et horloges &lectriques; je propose et deve- loppe le moyen de le remplacer et jindique les avantages qui r&sultent de ce systeme. B) Voir mes brevets du 14 feyrier 1851 et du 4 juillet 1851. C) Les tel&graphes avec lettres qui fonctionnent en Belgique depuis 1851 sont construits d’aprös un de mes appareils et en 1852, j’ai fourni moi-m&öme de mes appareils au gouverne- ment belge. D) Voir mon ouvrage pr£eit&: „Recherches sur la tel&graphie“, publie en 1853 et envoy& aux Acad&mies des sciens, de Paris, de Berlin, de Vienne, de Munich et & plusieurs savants. ÜOet ouvrage contient de longs developpements sur mes appareils et les exp6eriences que J’ai faites avec des tel&graphes A lettres, des tel&graphes A &crire et des horloges. E) Mes telegraphes exposds & Paris en 1855 et qui m’ont valu une medaille de l&re classe, bien que par suite de diverses eirconstances je n’aie pu exposer mes appareils que vers le 15 Aoüt. Ils sont deerits dans trois articles du journal la Science du 4 novembre 1855 edition hebdomadaire; et du 24 et 26 novembre &dition quotidienne. F) Depuis 1553 des horloges Electriques construites d’apr&s mon systöme par les horlogers Binch de Louvain et Kammerer d’Ostende, fonctionnent & Louvain et‘ Ostende. Aprös ma r&ponse ä& Monsieur Dove, qui justifiait mes droits ä la priorit&-que je r&clame, P’honorable Monsieur P. Riess, a declare en prösence de plusieurs personnes, notamment de MM. Reusch et Eisenlohr, que ni lui, ni Mr. Dove, n’auraient pris la parolel, si j’avais d’abord dit, que j'avais signal& dans un m&moire depos& & l’Institut de France en 1848, Vappli- cation du renversement du courant dans les tel&graphes. Je me permettrai de faire observer ici, que je n’ayais point termine l’expos& de mon sujet, lorsque ces Messieurs ont pris la parole et que par consequent je me suis trouv& dans l’impossibilit& de eiter tout d’abord les titres que jinvoque & P’appui de mes droits de priorite. l L’honorable et savant Mr. Reusch a bien voulu affirmer que, lors du congres des Na- turalistes & Tubingue en 1853, j’avais d&jä communiqus mes iddes & son preparateur qui les a mises depuis en pratique. L’honorable Mr. Eisenlohr, a rappel& de son cöt&, que mes appareils exposes & Paris en 1855, etaient construits d’apres le syst&me dont je parlais. J’espere que d’apres ce qui pr6cede, le savant professeur Dove, sera aussi convaincu, qu’avant les &pojues que je cite, l’application que je r&clame, n’a &t& faite par personne- La Prusse du reste peut s’enorgueillir de tant de gloires scientifiques, que le patriotisme le plus zel& ne peut souffrir de la modeste part que je revendique. Prof. Dove bemerkte hierzu, dass: dieses Verfahren von Siemens und Halske schon seit einigen Jahren in Anwendung gebracht würde. Prof. Plücker zeigte Versuche, betreffend die Stratifieation des eleetr. Lichtes und die Moditfication desselben unter Einwirkung des Magneten. Zum Präsidenten für die Donnerstags-Sitzung wurde erwählt: Prof. Buys-Ballot. 23 178 5. Sitzung: Donnerstag, den 24. September. Tages-Präsident: Prof. Buys-Ballot. Prof. Dr. Greiss sprach über die Coereitivkraft verschiedener Eisen- und Stahlsorten. Die folgenden Versuche sind angestellt worden, um zu schen, ob Gusseisen dem Magne- tismus gegenüber sich mehr wie weiches Eisen oder wie Stahl verhalte, und ob das Vermögen bleibenden Magnetismus anzunehmen etwa mit dem Kohlengehalt zusammenhänge oder nicht. Ich liess mir 6 Cylinder, jeden von 16 cm. 8 mm. Länge und 1 cm. 4 mm. Durchmesser an- fertigen, 2 von verschiedenen Stahlsorten, 2 von verschiedenen weichen Eisensorten, 1 von Gussstahl und 1 von Gusseisen. Sie waren mit den Zahlen 1, 2 u. =. w. bis 6 bezeichnet; Nr. 1 war Gussstahl von Sanderson, No. 2 Rasselsteiner Rundeisen, Nr. 3 Tannenstahl aus Steyermark, Nr. 4 Federstahl von W. Herberg zu Hatven in der Grafschaft Mark, Nr. 5. Beizen- hainer Schmiedeeisen und Nr. 6 Gusseisen von Zintgraff zu Wiesbaden. Ihre absoluten Ge- wichte betrugen der Reihe nach 191,8 gr., 195,28, 189,48, 191,16, 189,21 und 181,5. Zum Behufe meiner quantitativen chemischen Analyse hatte ich mir von jeder Sorte noch eine Probe verschafft, die bei der Bearbeitung der einzelnen Oylinder unmittelbar von denselben abgedreht worden war. An diesen Proben konnte auch das Korn bestimmt werden, es fand sich vom feinsten an in folgender Ordnung an den verschiedenen Stückchen Nr. 1, 3, 4, 6, 2 und 5. Zunächst wurden nun vorläufige Versuche gemacht, um zu untersuchen, ob nicht etwa einer oder der andere Cylinder schon bei der Bearbeitung magnetisch geworden sei, und Polarität angenommen habe. An einer gewöhnlichen, auf einer Spitze schwingenden Magnetnadel war von Polarität nichts zu bemerken. Als dagegen meine bei meinen Untersuchungen über den Magnetismus der Eisenerze gebrauchte astatische Nadel angewandt wurde, zeigten sich sämmt- liche 6 Oylinder polar. Sie hatten alle an dem bezeichneten Ende einen Süd- und an dem anderen einen Nordpol, und nur in der Intensität der Polarität schienen Unterschiede stattzu- finden. Diese Unterschiede zu constatiren und dem Grade nach mit einander zu vergleichen, wurde folgendermassen verfahren. Es wurde zuerst auf dem Experimentirtische der Umriss des Fusses der auf einer Spitze schwingenden Magnetnadel abgerissen, dann die beiden Enden der Nadel bei der Ruhelage derselben auf den Tisch abgesenkelt, die dadurch entstehenden beiden Punkte durch eine grade Linie verbunden, darauf wurden auf diese in ihren Endpunkten lange senkrechte grade Linien gezogen, und in diesen die cylindrischen Stäbe der Nadel ge- nähert, jedoch in einer solchen Höhe von dem Tische, dass die Achsen der Cylinder in die Ebene der Nadel fielen. Nr. 1 wirkte mit seinem bezeichneten Ende anziehend auf den Nord- pol der Nadel in einer Entfernung von 5 em. und 4 mm., Nr. 2 von 11 cm. 1 mm., Nr. 3 von 8 cm. 1 mm., Nr. 4 von 9 em. 8 mm., Nr. 5 von 8 cm. 4 mm. und Nr. 6 von 10 cm. 1 mm. Dasselbe Ende stiess den Südpol der Nadel ab, und diese Abstossung ging erst in Anziehung über für Nr. 1 in einer Entfernung von 2 em. 9,,; mm., für Nr. 2 in einer Entfernung von 1 cm. 3 mm., und so der Reihe nach für die folgenden in 0 cm. 8 mm., 0 em. 7 mm., Ö cm. 9 mm., O0 cm. 5 mm. Entfernung. Als hierauf das nicht bezeichnete Ende ebenso unter- sucht wurde, so ging bei der beobachteten Reihenfolge an dem Nordpol der Nadel die Ab- stossung in Anziehung über in folgenden Entfernungen: 3 em. 3 mm., 1 em., 1 cm. 7 mm,, l cm. 3 mm., 1 cm. 2 mm. und 0 cm. 0 mm. An dem Südpol erfolgte eine Anziehung auf folgende Entfernungen: 5 cm. 'Y, mm., 12 cm. 5 mm., 7 cm., 10 em. 9 mm., 7 cm. 7 mm. 11 em. 1 mm. Das Gusseisen hatte also durch die Bearbeitung entschieden den stärksten, der 179 Gussstahl den schwächsten Magnetismus angenommen. Nun nahm ich aus meinem Neeff’schen Apparate die Spirale des Nebenstromes, die bei demselben anderer Zwecke wegen auf einer eigenen Holzspuhle aufgewickelt ist, und in die Inductionsspirale eingesteckt wird, verband die Enden derselben mit einem gewöhnlichen Galvanometer, und untersuchte, ob der schwache in den Cylinderstäben aufgefundene Magnetismus kräftig genug wäre, in der Spirale einen durch das Galvanometer nachweisbaren Strom zu induciren. Das Resultat war bei sämmtlichen Cy- lindern negativ. Nun wurde durch die Spirale der Strom von 2Bunsen’schen Elementen ge- leitet, in dessen Schliessungsbogen ich eine Tangenten-Boussole eingeschaltet hatte, um mich zu überzeugen, ob der Strom während der Dauer des Versuches constant blieb. Durch diesen constanten Strom wurden die Stäbe nach einander magnetisirt. Etwa Y, Stunde nach der Ma- gnetisirung wurde dann dieselbe Spirale angewandt, um in ihr durch den hervorgerufenen Ma- gnetismus einen Strom induciren zu lassen, dessen grössere oder geringere Stärke an der Ab- lenkung der Multiplicatornadel beobachtet wurde. Nr. 1 indueirte einen Strom, der die Nadel um 8° ablenkte, Nr. 2 kaum eine Spur, Nr. 3 6°, Nr. 4 3—4°, Nr. 5 kaum eine Spur, Nr. 6 9—10°. Das Gusseisen hatte also abermals den stärksten Magnetismus unbestritten ange- nommen. Als ich die Stäbe nach 2mal 24 Stunden abermals in Beziehung auf ihre inducirende Wirkung untersuchte, fand sich, dass die Multiplicatornadel bei Nr.2 und, den beiden weichen Eisensorten, gar nicht mehr abwich, bei Nr. 1 nur noch um 5, bei Nr. 3 um 41%, bei Nr. 4 um 1 und bei Nr. 6 um 7; Grad. Die 4 letzteren hatten also bezüglich 37,, 25, 71’, 212/59 Procent und also das Gusseisen wieder von allen am wenigsten verloren. Abermals 3 Tage später hatte bei keinem Stabe eine weitere Abnahme stattgefunden, und nach einem weiteren Zwischenraume von 17 Tagen verhielten sie sich noch ebenso. Jetzt wurden die Stäbe in der Spirale einem Strome von 4 Bunsen’schen Elementen ausgesetzt, doch so, dass keine Umkehrung der bereits vorhandenen Pole stattzufinden hatte. Hierauf inducirte Nr. 1 einen Strom, der die Nadel um 12° ablenkte, während die Ablenkung bei den folgenden der Reihe nach betrug 2°, 6°, 8", 2>und 14. Abermals zeigte also das Gusseisen den stärksten Magnetismus. Nach zweimal 24 Stunden hattenoch kein Verlust stattgefunden. Nach weiteren 3 Tagen jedoch betrug der Verlust bei Nr. 1 12'/,, bei Nr.2 100, bei Nr. 3.0, bei Nr.4 37'/,, bei Nr.5 0 und bei Nr. 6 7%, Procent. Bei ferneren Unter- suchungen in Zwischenräumen von 4 und 5 Tagen traten keine weiteren Verluste ein. Als hierauf die Stäbe noch einmal einem Strom von 6 Bunsen’schen Elementen ausgesetzt wurden, doch abermals mit der Vorsicht, dass keine Umkehrung der Pole stattzufinden hatte, riefen sie der Reihe nach Inductionsströme hervor, die von folgenden Ablenkungen der Galvanometer- nadel begleitet waren: 15'/,°, 3°, 10°, 9°, 21/,0 und 15°. Hier sehen wir zum ersten Male das Gusseisen erreicht und sogar etwas übertroffen von dem Gussstahl. Nach Verlauf von 5 Tagen war ausser bei den beiden weichen Eisensorten nur noch ein Verlust eingetreten bei dem Federstahl. Auf diese Erfahrungen gestützt hielt ich mich zu dem Schlusse berechtigt, dass sich aus Gusseisen Lamellen dürften anfertigen lassen, die eines ebenso starken Magnetismus fähig wären, wie die gewöhnlichen Stahllamellen. Ich liess mir daher in der Eisengiesserei von Zintgraff eine solche Lamelle giessen und dann von dem Mechaniker die Pole abschleifen, und einen Anker von weichem Eisen dazu anfertigen. Als ich diese Lamelle jedoch an einem Stahlmagnet von 4 Lamellen strich, wurde sie zwar schon bei dem ersten Striche so magnetisch, dass sie ihren Anker, der etwas über /, Kilogramm wiegt, und ausserdem "/, Kilogr. trug, bei weiterem Bestreichen konnte aber ihre Tragkraft nicht wesentlich gesteigert werden. Die quan- titative Analyse der untersuchten Eisen- und Stahlsorten wird in dem Laboratorium des Herrn geheimen Hofrath Fresenius gemacht, ist jedoch noch nicht beendigt. 180 Director Schnabel lud die Anwesenden zur Besichtigung der im Poppelsdorfer Schlosse aufgestellten Glaskrystallmodelle ein und bemerkte dabei, dass solche käuflich durch den Pedell der Realschule in Siegen zu beziehen seien. Prof. Reusch machte einige kleinere Mittheilungen, und zwar: 1. über ein Polarisations - Focometer ; 2. über einen einfachen Apparat zur Demonstration der Anziehung und Abstossung electrischer Ströme; 3. über eine Vorrichtung zur Erzeugung von Ringen mit Tabakrauch. Dr. Prestel sprach über die Windrichtung in der Zone der veränderlichen Winde. Um eine Antwort auf die Frage zu finden: Liegt in den scheinbar sehr unregelmässigen Veränderungen, welehe der Wind bei uns in seiner Richtung zeigt, etwas Normales und Con- stantes? habe ich die mühsame Arbeit nicht gescheut, aus einer Reihe von Beobachtungen, welche 19 Jahre umfassen, die mittlere Windrichtung für jeden Tag im Jahre zu berechnen. Indem ich die Ehre habe, Ihnen die Resultate der Rechnung vorzulegen, erlauben Sie mir gütigst einige Worte zur Erläuterung hinzufügen zu dürfen. Man hat auf die obige Frage eine Antwort dadurch zu gewinnen gesucht, dass man in ersterer Stelle die mittlere Windrichtung für das Jahr und dann auch für die einzelnen Monate berechnete. Dieses Verfahren würde richtig sein, wenn nachgewiesen werden könnte, dass die für das Jahr berechnete Windrichtung das Normale, die für die einzelnen Monate berechneten mittlern Windrichtungen nur Abweichungen von jener seien. Dieses ist aber bis jetzt für die Winde in der gemässigten Zone noch nicht, nachgewiesen und wenn ich nicht sehr irre, so wird es auch hier nie nachgewiesen werden. Die mittlere Windrichtung des Jahres hat für die heisse Zone allerdings einige Bedeutung, aber schon für die Region der periodischen Winde, die der Monsune etc. verliert die mittlere Windrichtung des Jahres ihre Bedeutung. Ich habe nach den n Kämtz Meteorologie enthaltenen Angaben die Windrichtung in Caleutta graphisch dargestellt. ‚Dabei stellt es sich heraus, dass die mittlere Windrichtung für das Jahr ganz ausserhalb der südlichen Winde liegt und eine den nördlichen fast wider- streitende Richtung hat. Berechnet man hingegen die mittlere Windrichtung für den Zeitraum von October bis Februar, und dann von März bis September, so erhält man zwei Richtungen für welche die mittlere Windrichtung der übrigen Monate nur als Abweichungen erscheinen, wie dieses die Figur ganz deutlich zeigt. Ganz anders verhält es sich aber für die Orte in der Zone der veränderlichen Winde. Hier treten selbst die Monatsmittel gegen die Windrichtung der einzelnen Tage als ohne be- sondere Bedeutung zurück. Um zu erfahren, ob sich auch hier irgend eine Noım in der auftretenden Richtung herausstelle, habe ich die mittlere Windrichtung für Emden für jeden einzelnen Tag berechnet; um dann aber zu entscheiden, ob die gefundene Grösse nur locale Bedeutung habe, oder ob sie mit der Luftströmung an einem anderen entfernteren, demselben atmosphärischen Gebiete angehörenden Orte correspondire, habe ich aus den mir von Hrn. Dr. Zimmermann in Hamburg angestellten Beobachtungen, ebenfalls die mittlere Windrichtung für jeden einzelnen Tag berechnet. Die graphische Darstellung der für Emden und Hamburg erhaltenen Resultate, die ich mir Ihnen vorzulegen erlaube, lässt nun eine ge- wisse Uebereinstimmung in der Drehung des Windes nicht verkennen und ich verspreche mir von einer noch für mehrere andere Orte auf gleiche Weise durchgeführten Untersuchung 181 für die Erkenntniss einer der Drehung des Windes in der gemässigten Zone zum Grunde lie- genden Norm bedeutende Resultate. ' Ober-Bergrath Althans machte weitere Mittheilung von seinen Untersuchungen über die Temperatur des Sonnenkörpers. (Vergl. oben.) Dr. Silbermann beschrieb einen von ihm selbst erfundenen Hahn für Luftpumpen, ferner einen Apparat um die Tiefe des Meeres zu messen, und einige andere Vorrichtungen zu verschiedenen Zwecken. Prof. Helmholtz sprach über die objeetive Natur der Combinationstöne. 5. Sektion für Chemie, In der einleitenden Sitzung am 18. Septembur wurde Prof. Schrötter aus Wien zum Präsidenten gewählt, und die chemische Sektion mit der physikalischen versuchsweise in soweit verbunden, dass die beiden Sektionen in demselben Auditorium XIV. des Universitäts- Gebäudes nach einander ihre Zusammenkünfte haben sollten. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Tages - Präsident: Prof. Schrötter. Prof. Schischkoff sprach über einige neue Derivate aus der Knallsäure, nämlich das Nitroform, und über zwei gemeinschaftlich von ihm mit Herrn Rosing entdeckte Körper, bei den Zersetzungen des Aceto-bi- nitroamonils. Prof. Weltzien über die Einwirkung der wasserfreien Phosphorsäure auf Harnstoff. Der Redner, welcher im Harnstoff das Ammoniummolecül aus Gerhard’s Formel der Cyansäure nach dem Typus Ammoniak N 4 annimmt, stellt somit für denselben die 2()2 1 N od Formel N H auf. Er versuchte nun, ob nieht durch die Einwirkung von wasserfreier H Phosphorsäure durch Wasserentziehung aus dem Harnstoff Cyanamin oder ein damit polymerer Körper sich bilden würde. ng NH + He O2. IH Es bildet sich aber phosphorsaures Ammoniak, Cyansäure, Cyanursäure und eine Substanz, welche dieselbe Zusammensetzung wie die Cyanursäure besitzt, aber eine andere Krystallform und grössere Löslichkeit in Wasser. Vielleicht ist diese Säure Liebig’s Oyanilsäure. Sie geht auch wie diese in Cyanursäure über. Endlich ein dritter Körper, welcher dieselbe Zusau:- mensetzung: besitzt, wie die Oyanursäure, von dieser sich aber dadurch unterscheidet, dass er nicht verwittert. In 2 Fällen wurde eine Bildung von ganz kleinen Mengen von Blausäure beobachtet. Das Entstehen dieses Körpers ist vorerst schwer zu erklären, doch macht der 182 Redner darauf aufmerksam, dass Blausäure und Oyansäure sich wohl gegenseitig zersetzen wie unterchlorige Säure und Chlorwasserstoff. Prof. ©. H. v. Baumhauer theilte das Resultat seiner Untersuchung über die Einwir- kung der Salpetersäuse auf Chlormetalle und die der Salzsäure auf salpetersaure ‚Salze mit. Er fand, dass Kali- und Natronsalze sich dabei ganz verschieden verhalten. Med.-Rath Dr. Mohr knüpfte eine kurze Bemerkung daran. Carl Mohr sprach über die Einwirkung des Eisenchlorids auf Jodwasserstoff. Die in eoncentrirter Lösung sich regelmässig zersetzenden Körper zeigen Abweichungen in verdünnter Lösung. Mehrere Versuchsreihen zeigten die Richtigkeit der Annahme. In einer Lösung von 1 cEisenchlorid) zu 14700 zeigte sich die Einwirkung erst nach mehreren Minuten. Eisen- oxydulsalze werden in der Verdünnung ebenso oxydirt, wie durch Chlor. Dr. Witting jun. über das Blut der Urustaceen und Mollusken. Das Blut einiger dieser Thiere, z. B. das des Krebses (Astacus Auviatilis) verhält sich nach den Untersuchungen des Dr. Witting ausserhalb des Organismus, ähnlich wie das der Wirbelthiere, es gerinnt näm- lich gleichfalls und bildet 2 getrennte Körper, welche sich wie Serum und Fibria verhalten, Uebrigens färbt es sich kaum bemerkbar an der Luft. Die unorganischen Bestandtheile des Blutes dieser Thiere enthalten wenig phosphorsaure Alkalien, und merkwürdigerweise Kupfer. Chlornatrium findet sich darin in fast eben so grosser Menge wie im Blute der Wirbelthiere. Es folgte darauf nachstehender Vortrag des Dr. Wöllner in Cöln: Ueber die Fa- brication des Kalisalpeters aus salpetersaurem Natron. Der Chili-Salpeter oder das salpetersaure Natron ist erst im Anfange dieses Jahrhunderts in ausserordentlich mächtigen Lagern in Chili und Peru entdeckt worden und kam erst seit dem Jahr 1820 in grösseren Quantitäten in den Handel. Allein auch damals legten nur Wenige grossen Werth auf den Chilisalpeter. Zuerst wurde der ostindische Salpeter damit verfälscht, was man aber bald entdeckte, indem die Pulverfabrikanten mit so verfälschtem Salpeter ein Pulver fabrieirten, welches viel schwächer abbrannte und bei Weitem nicht so kräftig auf die Pulverprobe wirkte, wie das Pulver aus reinem ostindischen Salpeter. Erst gegen 1827 bis 30 wandte man den Chilisalpeter zur Erzeugung der Salpetersäure mit Glück an. Seitdem hat sich dieser Handels- Artikel in bedeutendem Maasse über ganz Europa verbreitet. Im Jahre 1832 wies O. Henri darauf hin, wie man aus dem Chili-Salpeter Kali-Salpeter bereiten könne, Das Verfahren war aber so höchst unvollkommen beschrieben und so wenig praktisch ausführbar, dass man es nur als eine einfache Andeutung betrachten konnte. Seitdem und zwar vor 1845 ist meines Wissens weiter nichts mehr darüber öffentlich bekannt geworden. Ich gab mir damals Mühe, ein Verfahren zu ermitteln, den Kali-Salpeter aus dem Chili- Salpeter praktisch und mit Vortheil zu bereiten. Dazu musste ich meinen eigenen Weg ein- schlagen, weil bis dahin nichts über diese Fabrikation erschienen war, was mir irgendwie zum Leitfaden dienen konnte. Das von mir ermittelte Verfahren ist das bisher einzig richtige und praktisch ausführbare geblieben. Die Kunst, den Kalisalpeter aus dem saltpetersauren Natron darzustellen, beruht auf ge- wissen Eigenschaften, welche die verschiedenen Salze vor einander voraus haben, die in den Kreis unserer Operation gezogen werden müssen: Die Eigenschaft der Pottasche, (wenn sie frei von Natron ist) dass bei einer gewissen concentrirten Lösung in Wasser das schwefelsaure Kali ausgeschieden wird; dass der Chilisalpeter in seiner concentrirten Lösung in Wasser be- ständig gleiches specifisches Gewicht und fast genau gleichen Gehalt hat; dass das kohlen- saure Natron bei einer gewissen Concentration und Wärme aus der Salpeterlauge gefällt wird; 183 dass eine über 80° R. warme kohlensaure Natronlauge ein ganz verschiedenes specifisches Ge- wicht von der Salpeterlauge von gleicher Temperatur hat, dass das salpetersaure Kali in der Kälte viel unauflöslicher ist als alle Salze, welche noch mit diesem im Confliet sind, dass endlich auch diese Salze in der Salpeter- Auflösung löslich sind, das sind alles Eigenschaften, welche in ihren vortheilhaftesten Verhältnissen zu einander ermittelt werden mussten, um auf dieser Grundlage ein praktisches und ökononmisches Verfahren aufzubauen. Mit dem Thermo- meter und der Senkwaage zur Hand und allen Hülfsmitteln zur Seite gelang es mir nunmehr in der Ausführnng im Grossen aus 100 Pfund OChili-Salpeter durchsehnittlich 110 Pfd. Kali-Sal- peter zu erzielen. Ich legte hierauf im Frühjahr 1845 eine Salpeter-Fabrik im Grossen mit der sogenannten Bleiweiss- Gesellschaft in Stettin und ein Jahr später eine zweite Salpeter - Fabrik in Gesellschaft mit den Eigenthümern der Sodafabrik in Ruckar bei Magdeburg an. Als in dem Kriege mit Russland die Ausfuhr des ostindischen Salpeters aus England verboten war, gingen ausserordentliche Massen dieses künstlichen Kali-Salpeters von Stettin nach Russland. Indem ich mich bemühen werde meine Methode möglichst genau zu beschreiben, werden Sie denken, dass es mein Vortheil als Fabrikunternehmer nicht ist, wenn ich die Geheimnisse meiner Fabrikations-Methoden veröffentliche. Ich glaube aber der Wissenschaft und der In- dustrie einen wesentlichen Dienst zu leisten, was mich veranlasst, mein eigenes Interesse hintenan zu stellen. Es ist dieses in diesem Augenblick von besonderem Interesse für die Salpeter-Industrie, wo das Beziehen des ostindischen Salpeters durch den indischen Krieg in Frage steht. Alles Andere was bisher über diesen Gegenstand geschrieben wurde, rührt mehr oder weniger von gelehrten Männern, nicht aber von Besitzern von Salpeter- Fabriken aus Ohili-Salpeter her und hat mit meiner Methode keinerlei Aehnlichkeit, daher ich auch die nach 1845 erschienenen Schriften nicht weiter berühre. In allen Lehrbüchern der Chemie liest man, dass die beiden Salze, „Salpeter“ und „Soda“ durch Krystallisation von einander geschieden werden und dass der Salpeter zuerst heraus krystallisiren müsse, und alsdann die Soda. Das ist aber gerade das Gegentheil von der richtigen Methode: die zur Krystallisation gegebene Lauge darf keine oder doch nur noch so wenig Soda enthalten, dass die Lauge selbst bei grosser Kälte keine Sodakrystalle abgiebt. Mit andern Worten: die Soda muss beinahe vollständig aus der concentrirten Salpeterlauge heraus geschieden sein, bevor letztere zur Krystallisation gebracht wird, wie ich später näher zeigen werde. Nun zur Sache. Um im Grossen die Fabrikation des Kali-Salpeters aus salpetersaurem Natron auszuführen, werden zuerst grosse runde Kasten von Eisenblech, welche etwa 5 Fuss im Durchmesser und 4 Fuss Höhe haben auf eine etwas der Länge nach geneigte von Oement gemauerte Bahn gestellt. Diese Kasten dienen dazu, um Pottaschenlauge von 42? Baum& (sp. Gew. 1, 4) zum Klären aufzubewahren. Durch die geneigte muldenförmige Bahn fliesst die Pottaschenlauge beim Ablassen in ein Reservoir, in welchem eine Pumpe steht. Zweitens wird in einem Sou- terrain ein grosser Bottig so aufgestellt, dass ein zweiter Bottig mit doppeltem Boden auf dessen oberem Rande ruht. Der obere Bottig steht etwa drei Fuss über der Sohle des Fabrik- locals hervor. In den obern Bottig bringt man etwa 100 Centner Chilisalpeter und lässt be- ständig einen Strahl Wasser darauf laufen. So wie die Masse in diesem Bottig allmählig sinkt, wird stets neuer Chili-Salpeter beigegeben. Dieses kann man 14 Tage bis 3 Wochen lang fortsetzen, bevor man nöthig hat den Bottig zu reinigen. In den untern Bottig fliesst be- ständig Chili-Salpeterlauge von 42° Baume ab, welche mittelst einer in dem untern Bottig be- findlichen Pumpe aufgepumpt wird. Man berechnet nun das stöchiometrische Verhältniss beider Laugen zu einander und bringt diese in grosse eisenblecherne Pfannen, welche 15 Fuss lang 184 und 6 Fuss breit sind. Diese Pfannen müssen im Boden glatt sein. Man concentrirt die Lauge bis auf ein specifisches Gewicht, etwa 48% bis 50° Baum, während dessen stets kohlensaures Natron niederschlägt, welches ununterbrochen vom Boden der Pfanne frei gehalten werden muss. Die niedergeschlagene Soda wird stets nach der hintern Seite der Pfanne hin gezogen und daselbst so lange an der heissen Lauge liegen gelassen, bis sich so viel angesammelt hat, dass ein Filtrirkasten voll wird. In der Regel bringt man die Soda aus zwei Pfannen in einen Filtrirkasten. Dieser Filtrirkasten besteht in einem eylindrischen Gefäss aus Eisenblech von 9 Fuss Durchmesser und 2!‘ Fuss Höhe, ist mit einem durchlöcherten zweiten Boden versehen und unter diesem durchlöcherten Boden befindet sich ein eiserner Hahn. Dieser Filtrirkasten hat einen drei Zoll breiten Rand, worauf ein eiserner Deckel passt. Zwischen Rand und Deckel wird ein Kranz von dicker Leinwand gelegt, und mit eisernen Keilen, welche leicht zu handhaben sind, möglichst dampfdicht aufgekeilt. Unmittelbar unter dem obern Rande be- findet sich ein Dampfhahn. Dieser Filtrirapparat ist der wichtigste Theil bei der ganzen Sal- peterfabrikation und so viel ich weiss, noch nicht bekannt- Vermöge der specifischen Gewichte beider Laugen, der Salpeter- und der Sodalauge, ist es durch diesen Filtrirapparat ermöglicht, die Soda von dem Salpeter gänzlich zu befreien. Hierbei ist Folgendes zu bemerken: eine cencentrirte Sodalauge hat bei einer Wärme über 30° R. ein specifisches Gewicht von 1,31 bis 1,32 oder 35° nach Baume. Dagegen hat die siedendheisse Salpeterlauge 50° bis 438° Baume. Lässt man nun Wasserdämpfe mittelst des unter dem Rande befindlichen Dampfhahns ein, so wird so viel Dampf zu concentrirter Sodalauge condensirt, als dieser Soda aufnehmen kann. Am untern eisernen Hahn fliesst nun zuerst concentrirte Salpeterlauge ab und so wie die Sodalauge die Salpeterlauge von der Stelle treibt, fliesst stets schärfere Salpeterlauge ab, und wenn endlich Lauge abfliesst, welche blos 35% am Aräometer zeigt, so kann man gewiss sein, dass die Soda keinen Salpeter mehr zurückgehalten hat. Auf diese Weise ist es allein möglich, aus 100 Theilen 95 Theile reines salpetersaures ‘Natron haltenden Chili- Salpeter 110 Theile Kali-Salpeter zu erlangen. Der oben beschriebene Filtrir- Apparat steht auf zwei über das hintere Ende der Pfanne gelegte eiserne Tragebalken, damit die ablaufende Salpeterlauge, gemengt mit Sodalauge, in die Pfanne zurückfliesst. Man fährt fort abzudampfen und entleert noch ein oder zwei Mal die Soda auf beschriebene Art. Alsdann wird die Salpeterlauge zur Krystallisation in eiserne Pfannen gegeben und die zurückbleibende Mutterlauge bei neuem Ansetzen wieder beigegeben. Das fernere Verfahren richtet sich nach der bekannten Reinigungs-Methode und braucht hier nicht ferner beschrieben zu werden. Ich erwähne blos noch, dass die Chili- Salpeterlauge durch angebrachte Maasse in dem untern Bottig gemessen wird und beim Herauspumpen diese Maasse beobachtet werden. Ebenso wird bei der Pottaschenlauge verfahren. Auf diese Weise hat man einmal für allemal die richtige Zusammenstellung, da man beide Laugen stets von einerlei Gehalt bereitet. Wenn durch die Zeit von dem einen oder andern der beiden Salze ein Ueberschuss ist, was zu ermitteln allerdings Sache eines Chemikers ist, so setzt man von dem Fehlenden das Nöthige zu. Um den Gehalt der ‘Soda an Salpeter zu prüfen, ‘habe ich mir ein eigenes Verfahren erdacht, was ich mich beehre Ihnen noch mitzutheilen. Es beruht nämlich dieses Verfahren auf der Zerstörbarkeit des Indigo durch Salpetersäure. Ich mache eine Auflösung von reinem Indigo — am besten Indigoblau — in Schwefelsäure, verdünne hiervon mit viel Wasser und bereite mir so eine Titrirflüssigkeit, wovon dem Gewichte nach 10. Theile einen Theil‘ Salpeter anzeigen. Demnächst werden 100 Theile (etwa 6 Grm.) der auf Salpeter zu prüfenden Soda abgewogen 185 und salpetersaure freie Schwefelsäure in Ueberschuss zugesetzt und gekocht. Hierauf setze ich von der Titrirflüssigkeit so lange hinzu, bis die blaue Farbe ins Violette und Orange übergeht und zähle die verbrauchte Titrirflüssigkeit. soo Salpeter ist durch dieses Reagenz nachzu- weisen. Die Prüfungsmethode von Jalouze, welche darauf beruht, dass Salpeter eine Lösung von Eisenchlorür in überschüssiger Salzsäure in Chlorid zu verwandeln im Stande ist und demnächst ein Theil Eisen durch 0,608 Theile reinen Salpeter beim Kochen in Eisenchlorid verwandelt, kannte man damals noch nicht. Auch dürfte dieses Verfahren durch nöthig wer- dendes Rücktitriren mittelst übermangansaurem Kali zum technischen Zweck zu umständlich sein. Der chemische Fabrikant muss vor allen Dingen dahin trachten, sowohl in seinen Apparaten als in seinen Verfahrungsweisen Einfachheit zu beobachten. Dr. Abl hielt endlich einen Vortrag über comprimirte Arzneikräuter, und theilte sein auf 50 Versuche begründetes Gutachten über Qualität, Verpackung und Versendung mit. Ver- schiedene Proben solcher comprimirter Arzneikräuter legte er vor. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Früh 8 Uhr. Tages-Präsident: Prof. Fresenius. Prof. Böttcher trägt auf Aufforderung des Präsidenten auch in der chemischen Sektion über den bei der Elektrolyse des Chlorantimons an der Cathode sich ausscheidenden inter- essanten Körper vor, und wiederholte gleichzeitig einige hierher gehörende beweisende Versuche. Dr. Marquart sprach über die Bereitung des Phosphorsuperchlorids. Er theilte mit, wie er durch Einwirkung von Chlor auf in Schwefelkohlenstoff gelösten Phosphor leichter und schöner dieses Präparat darstellt, als es ihm nach den früheren Methoden möglich war. Das so erhaltene Phosphorsuperchlorid zeigte derselbe vor. Prof. Böttcher theilte ein neues sehr einfaches Verfahren mit, Zink intensiv schwarz zu färben und dasselbe hoch zuätzen. (2 Theile crystallisirtes salpetersaures Kupferoxyd, 3 Theile erystallisirtes Kupferchlorid in 64 Theilen Wasser gelöst, dem man noch 8 Theile Salzsäure @p- sp- 1,10) zusetzt, stellen eine Flüssigkeit dar, mit der man auf blank gescheuertem Zink- bleche momentan sammetschwarze Schriftzüge hervorbringen kann. Legt man das beschriebene und mit Wasser abgespülte Zinkblech in eine Mischung von 1 Theil Salpetersäure (1,20) und 8 Theile Wasser und lässt es hierin einige Zeit liegen, so wird die Oberfläche des Zinks nach und nach aufgelöst, während die schwarzen Schriftzüge (bekanntlich eine Zinkkupferlegirung) als elektronegativer nicht verändert werden. Der Redner empfiehlt die genannte Flüssigkeit auch, um Zinkblech behufs der Dachbedeckung sammetschwarz zu färben. Dr. ©. Neubauer sprach über Oxydation des Leucin’s, der fetten flüchtigen Säuren (Cha Hr Ox) etc. durch übermangansaures Kali. Es bildet sich dabei aus dem Leuein: Vale- rianasäure, Ammoniak, Kohlensäure und Oxalsäure. Baldriansäure, Buttersäure etc, lassen sich durch dasselbe Oxydationsmittel in andere Glieder derselben Säurenreihe überführen und zwar unter gleichzeitiger Bildung von Oxalsäure. Prof. Schlossberger trägt über das Blut des Fötus, das wasserärmste Gewebe desselben, vor. Die Eihautflüssigkeiten, sowohl die Amnios- als die Allantois-Flüssigkeit enthalten Zucker, 24 186 wahrscheinlich Traubenzucker. Die stickstoffhaltigen Materien der Eiflüssigkeiten sind theils Proteinkörper, theils Peptone. Das Fötusblut enthält sogenanntes spät gerinnendes Fibrin, wahrscheinlich wegen seiner geringen Respiration. Prof. Fresenius sprach über den Niederschlag, der bei der Einwirkung von reinem Üyan- kalium auf eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul entsteht. Derselbe ist bei Luft- abschluss hervorgebracht, hochroth und wird bei Luftzutritt zuletzt blau. Er enthält auf 1 Aegq. Eisen 1 Aequiv. Cyan und ist somit in der That Eiseneyanür, welches Resultat durch eine eigenthümliche Untersuchungs- Methode festgestellt wurde. Dr. Schwarzenbuch theilte das Resultat einer Untersuchung von Hiaenanche globosa mit, die von Herrn Henkel in seinem Laboratorium ausgeführt worden. (Jene Pflanze enthält nebst Gerbstoff, Wachs, Chlorophyll, braunem Harze und apfelsaurem Kalk-Kali eine giftige Substanz, die man in Form einer firnissartigen Masse erhält, die in Wasser und Alkohol löslich und völlig indifferent ist. Der Redner theilte dann noch die physiologischen Versuche mit diesem Gifte mit.) Prof. Sehlossberger wird zum Präsidenten für die nächste Sitzung gewählt, lehnt die Würde jedoch ab. Die Wahl fiel hierauf auf Prof. E..H. von Baumhauer. 3. Sitzung: Dienstag, den 22. September. Tages-Präsident: Prof. v. Baumhauer. Dr. Mohr aus Coblenz sprach vergleichsweise über die Genauigkeit der Gewichts- und Maassanalyse und die Mittel, beide bis zu ihrem höchsten Maasse ihrer Genauigkeit zu erhöhen, Er zeigte die im letzten Jahre an den maassanalytischen Instrumenten gemachten Verbesse- rungen an vorgelegten Instrumenten vor. Dr. Neubauer und Prof. von Baumhauer fanden Veranlassung, Bemerkungen daran zu knüpfen. Letzterer machte darauf aufmerksam, dass bei Bestimmung des Chlors mittelst salpetersaurem Silberoxyd und chromsaurem Kali die Flüssigkeiten ganz neutral sein müssen und dass die Zufügung von etwas Lakmustinktur, um die Neutralität zu erkennen, ganz zweck- mässig sei, da dadurch das Chlorsilber bläulich wird und der Uebergang ins Rothe so schärfer zu beobachten sei. Dr. Witting jun. sprach über die chemische Zusammensetzung einiger See-Algen. Der- selbe theilte mit, dass er bei Untersuchung dieser Pflanzengruppe zu denselben Resultaten gelangt sei, wie er sie schon bei Untersuchung der Asche von Pflanzen aus den Familien der Cyperoideen, Fuceen etc. erhalten habe. Es steht nämlich die Zusammensetzung dieser Pflanzen-Asche nicht nur in einem gewissen unabhängigen Verhältnisse zu der des Bodens, resp. zu der des Seewassers, sondern die einzelnen Pflanzen-Species differiren auch unter ein- ander in der Zusammensetzung ihrer Asche. Witting machte noch darauf aufmerksam, dass er es für nothwendig halte, die See-Algen vor der Analyse mit destillirtem Wasser zu reinigen, indem man andern Falls Resultate erhalte, die für physiologische Folgerungen werthlos seien. Namentlich erhält man sonst einen zu hohen Chlornatrium - Gehalt. Prof. von Baumhauer zeigte seinen neuen Kali- Apparat für die organische Analyse vor, bei welchem kein Druck Statt findet und durch den der mitgeführte Wasserdampf absorbirt werden kann. Auch beschrieb er seinen geruchlosen Apparat für Schwefelwasserstof. Dann 187 sprach er über die Umwandlung des rothen Phosphors in gewöhnlichen Phosphor; über die Reducir- barkeit der Phosphorsäure und phosphorsauren Salze durch Wasserstoff und über die eigen- thümliche grüne Färbung der Wasserstofflamme durch Phosphor. Dr. Fleitmann sprach über eine neue Quelle des Sauerstoffs. Er zeigte durch gleich- zeitige Anstellung des Experimentes, wie sich aus der Lösung des Chorkalks auf Zusatz von nur '/non Cobaltoxydhydrat bei einer Temperatur von 50—60° in einem constanten Strome sämmtlicher in dem unterchlorigsaurem Kalk enthaltene Sauerstoff entwickelt. Der Redner em- pfiehlt diese Methode der Sauerstoff- Entwieklung als bequem und wohlfeil. Prof. Böttger bemerkte hierauf, wie er vor längerer Zeit schon ähnliche Beobachtungen über die Einwirkung von Chlorkalk auf verschiedene Oxydhydrate der schweren Metalle ver- öffentlicht habe. Zum Präsidenten der nächsten Sitzung wurde Herr Med.-Rath Dr. Mohr gewählt. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages-Präsident: Dr. Mohr. Prof. Sehrötter theilte die Methode mit, welche er zur Darstellung des Casein’s befolgt und führt einige Versuche über dasselbe an. Dann knüpft der Redner noch einige Bemer- kungen an den früheren Vortrag des Prof. von Baumhauer über die Umwandlung des rothen Phosphor in den gewöhnlichen. Er glaubt nicht diese Umwandlung annehmen zu können. Prof. Schrötter erinnerte dann an seine schon vor längerer Zeit gemachte Mittheilung, dass kein Phosphoroxyd existire und begründet dieselbe nochmals. Endlich gab er den Grund an, weshalb er den rothen Phosphor lieber amprphen Phosphor nennt. Prof. Böttger wiederholte die Versuche des Herrn Grafen von Schaffgotsch mit der sogenannten chemischen Harmonika und zeigte dann eine neue Methode solche Töne her- vorzubringen. Dr. Otto Volger sprach über die Entwickelungs -Geschichte der Mineralien als Grund- lage einer wissenschaftlichen Geologie und einer rationellen Mineralchemie. Er begründete seine Mittheilungen durch Demonstrationen an einer Reihe von Stufen. Zum Präsidenten der nächsten Sitzung wurde gewählt Herr Prof. Bergemann, der aber die Wahl ablehnen musste. Es wurde dann Herr Prof. Kuhlmann aus Lille gewählt. 5. Sitzung: Donnerstag, den 24. September. Tages-Präsident: Prof. Kuhlmann. Grahe zeigte, wie echte Chinarinde für sich und ebenso die Basen: derselben nach Zusatz einer organischen Säure, der trockenen Destillation unterworfen, ein. charakteristisch rothes Destillat geben, das sie von allen falschen Rinden unterscheiden lässt. Ueber die Producte des Destillats gab derselbe nähere Mittheilungen. Prof. Böttger zeigte dann, wie eine farbig brennende Flamme einer farblosen Flamme ihre Farbe mittheilt, sobald dieselbe, wenn auch: in grosser Ferne in den Luftzug jener ge- bracht wird. 188 Prof. Kuhlmann und Dr. Mohr knüpften Bemerkungen daran. Prof. Kuhlmann aus Lille theilte seine Versuche über die Fixation der Farben auf Zeugen und bei der Malerei mit. Er sprach davon, wie gewisse Säuren die Leinen- und Baumwollenfaser geeigneter zur Annahme der Farben machen. Er zeigte, wie Albumen, Casein, Leim mit grossem Erfolge zur Fixation der Farben auf Zeugen benutzt werden können; ebenso in der Malerei, zur Darstellung der Appretur und beim Zeugdrucke. Solche An- striche können mit Wasserglaslösung vollkommen unauflöslich gemacht werden, jedoch dürfen die dabei angewendeten Farben nicht durch Alkalien modifieirbar sein. Zuletzt sprach der Redner über die vortheilhafte Anwendung des künstlichen schwefelsauren Baryts statt des Blei- weisses etc. Durch Auftragen desselben mit Stärke und nachheriger Behandlung mit Kalk- oder Barytwasser erhält man eine sehr gute Farbe, die zuletzt noch mit einer dünnen Lösung von Wasserglas überstrichen wird. 8. Sektion für Anatomie und Physiologie. In der einleitenden Sitzung, am 18. September wird zum Vorsitzenden für die Sektions- sitzung am Sonnabend Prof. Schröder van der Kolk per Acclamation gewählt und ein Beschluss über die Zeit der nächsten Sections - Sitzung getroffen. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. (Von 9 bis 11 Uhr.) Tages-Präsident: Schröder van der Kolk. Nach einer kurzen Ansprache des Präsidirenden, spricht Gehr. Prof. Dr. Mayer über den Schädel eines Botokuden und den eines Chinesen. Beide Völkerstämme, der Botokude und der Chinese können fast als Antipoden, den Graden der Breite und Länge nach auf unserem Erdglobus angesehen werden und eine Vergleichung des Schädels von Beiden möchte vielleicht einiges Interesse gewähren. — Es wird nämlich diese Vergleichung eine dem räumlich entgegengesetzten Standorte beider Völkerstämme ähnliche entgegenge- setzte Kopf- und Gehirnbildung nachweisen, woraus sich wohl ergeben möchte, dass unter den Südamerikanern wenigstens der Botokude nicht wohl von eingewanderten oder durch Seeströ- mungen an die Westküste Amerikas verschlagenen Chinesen herstammen dürfte. Die Strö- mungen im stillen Ocean sind vielleicht eher geeignet, das entgegengesetzte Ergebniss, oder eine Volksströmung von der westlichen Küste Nord- und Südamerikas gegen Asien und Australien hin zu begünstigen, wie es z. B. aus Sprachverwandtschaft erweislich scheint, dass solche Volksströmung, wenn auch nur in einzelnen Piroguen, von Australien gegen Madagaskar oder das östliche Ufer Afrika’s stattgefunden haben. Es liegt aber überhaupt hierbei die beschränkte Ansicht zu Grunde, jedem Landstrieh sein Recht, menschliche Eingeborne, Autochtonen seit der Schöpfung, wie jeder andere der Erde, gehabt zu haben, eine Bevölkerung von Aussen her zuzuführen, was eben so wenig naturge- setzlich ist, als wenn man solche Autochtonen für die einheimische Thier- und Pflanzenwelt 189 läugnen wollte. Geologisch-geschichtlich fand eine gleichförmige allgemeine Verbreitung der Thiere und Pflanzen nur noch in den Schichten der Erde, die der Uebergangsformation ange- hören, statt, und erst in der Tertiärformation und in den Diluvialbildungen trat die Begrenzung besonderer Typen der Thiere und Pflanzen auf einzelne Distrikte oder solcher Partikularismus der Bildung der Organismen ein. Es liegen nun hierzu Behuf unserer Vergleichung die Larven und Schädel beider Köpfe vor. An der Larve des Botokuden bemerken wir die schmutzig graue, nicht kupferrothe, Farbe, die sparsamen Barthaare, das schwarze straffe Haupthaar, das kleine tiefliegende, halb- geschlossene Auge, die kaum etwas eingedrückte, gegen die Spitze hin aber bucklige und breit- flüglige Nase, die aufgeworfenen Lippen, das kurze zurückweichende Kinn, endlich den Kork- eylinder von Bombax ventricosa in der Unterlippe und die dicke derbe Hautschwarte. — An der des Chinesen: die gelbe Hautfarbe, die sparsamen Barthaare, den gelbbraunen Zopf des Haupthaares, die nach auswärts aufsteigenden Augenbraunen und Augenlidspalten mit schiefer Falte am äussern Augenwinkel, (ohne übrigens schiefe Stellung des Augapfels selbst). Die stark seitlich prominirenden Wangen, die eingedrückte Nasenwurzel, die wulstigen Lippen, das Kinn etwas zurückgehend, die Hautschwarte dünn. Der Schädel des Botokuden klein, Stirne niedergedrückt, nur Parietal-Wölbung markirt. Der des Chinesen gross, Stirn etwas zurückweichend, aber sonst schön gewölbt. Die Durch- messer entscheiden. Der Längendurchmesser des Kopfes dort 8% 2%, hier 8% 6. Der gerade Durchmesser des Schädels dort 5 8, hier 6°. Der Höhedurchmesser 5’ und ziemlich gleich; der vordere quere Durchmesser dort 3 6°, hier 3 10, der hintere quere dort 4 8%, hier 5%. Die Circumferenz des Schädels dort 17 6%, hier 19. Es gehört daher der Chinesenschädel zu einem der schönsten und gewölbtesten unserer Schädelsammlung. Auch Morton sagt von seinem Chinesen - Schädel, er sei „the most beautiful“ Doch giebt es Ausnahmen wie bei allen Völkern. Tiedemann giebt einem solchen nur 45 innere Capaeität. Dieser war aber wohl nicht der des Nachkommen des Erfinders des Pulvers, der Typen und des Blitzableiters! Ueberhaupt trägt nicht jedes Individuum einer Race oder eines Menschen - Stammes den specifischen oder eigenthümlichen Charakter ausgeprägt an seiner Körper- und Kopfbildung, und es giebt bei derselben Race Varietäten und Uebergriffe in ver- wandte Racen und Stämme. Morton stellt den germanischen Schädel, in Betreff der Capacität, mit 92 oben an. Auch macht uns Deutschen noch C. G. Carus (Symbolik der menschlichen Gestalt) ein nicht gerade sehr schmeichelhaftes Compliment, indem er uns wegen unserer vorgeblichen Grossköpfigkeit zum ersten Rang kaukasischer oder intelligenter Kopfbildung erhebt; bloss wieder Masse und Umfang im Auge habend, und nicht einmal berücksichtigend, was schon Blumenbach (Nov. Pentas Cr. an. LXL.) dagegen nach seinen ausgegrabenen germanischen Schädeln erinnert. Der Schädel des Botokuden ist fest, hart, diekwandig, mit Diplo& versehen, der des Chi- nesen dünn, zerbrechlich, die Wandung ohne Diploe. Festigkeit, Steinhärte der Schädel- knochen macht meines Erachtens erst die unedle Race zum Wilden, wie bei uns zum Maniacus oder Cretin. Den Gesichtstheil betreffend erwähne ich nur die platten Flügel der Nase des Botokuden, die Schmalheit des Gaumens, Kleinheit der Choanen, die mässige Negerähnlichkeit der Kiefergebilde und der Zähne. Die untern Schneidezähne hier noch ganz und ohne die ge- bräuchliche Lücke. Bei den Chinesen ist auffallend, wohl charakteristisch und mongolisch-ma- layisch, die eingedrückte Nasenwurzel und bie daselbst und am Rücken sehr schmalen aber langen Nasenbeine. Die mittelmässig gebildeten hintern und die vordern obern convex über- stehenden, Zähne (Duhalin), der parabolische Gaumen und Unterkiefer, die weiten Choanen, die Negerabdachung des Oberkiefers. Vergleichen wir beide Schädel mit dem des uns zunächst stehenden Affengeschlechts, so finden wir den Schädel des Botokuden mehr dem des Cynocephalus, den des Chinesen, sowie schon den des Malayen und Mongolen, mehr dem des Orang-Outang nachgebildet. Glauben doch auch die Tibetaner, wie noch mehrere unserer Naturforscher, sie stammen vom Affen, als ihrem Protogonus oder Adam ab. Es mögen vielleicht einst noch unedlere, noch mehr affenähnliche Menschenracen existirt haben, die ausstarben, wie jetzt allmählig die meisten far- bigen Urstämme; aber nie geht ein Genus, eine Species der Thierwelt aus dem einen oder aus dem und der andern hervor; sondern jedes Geschöpf ist individuell ursprünglich vorhanden gewesen, so dass selbst geringe Blendungen der Varietäten der Menschenstäimme nicht mehr fruchtbar, zeugungsfähig sind. Ueberhaupt stehen Kreuzungen der Racen und Zeugungskraft im umgekehrten oder oppositionellen Verhältniss. Das Gehirn unsers Chinesen entsprach der schönen Form des Schädels. Es war zwar schon ganz verkrümmelt, aber wog dennoch 3 Pfd. 10 Unzen Medieinal - Gewicht. Ich lege allerdings auf Maass und Masse kein grosses Gewicht, mehr auf feine Organisation der Markkörner und Markfasern der weissen Substanz. Die graue Masse ist mir aber blos eine interponirte oder interstitiale und peripherische, zur Spannung und Vibration der Markfasern bestimmte Substanz, Neben-Organ der Seele, das allein die weisse Substanz ist, die ja überall, auch der grauen einwohnt. Freilich, wenn wir zwei Seelen hätten, so könnte man die graue Substanz als Organ des obscuren Köhlerglaubens, die weisse Substanz als das Organ der Vernunft und Forschung anschen. Aber der Köhlerglaube ist eine negative geistige Operation! Ich möchte hierbei aber doch auf eine bisher wohl nicht beachtete Erscheinung oder viel- mehr Beschaffenheit der Häute und Gefässe des Gehirnes der farbigen Racen, welche mir zuerst an den Häuten der Schädelhöhle des Botokuden auffiel, aufmerksam machen, welche sich wohl auch beim Neger und nicht blos an den Häuten des Gehirnes, sondern wohl auch an und in dessen Gehirn wieder finden möchte, nämlich darauf, dass bei dem Botokudenkopfe unseres Museums die harte Hirnhaut der Schädelhöhle mit schwarzen Pigmentflecken übersäet war und so bläulich aussah. Eben so schwarz gefleckt erschien auch die äussere Haut der Gefässe der dura mater. Das Gehirn war leider früher ausgeleert worden. Zweifelsohne wird auch die graue Substanz des Gehirnes von reichlicherm schwarzen Pigmente dunkler gefärbt gewesen sein. Tiedemann, der liebenswürdige Advokat des Negerstammes, fand dieses jedoch beim afrikanischen Mohren nicht. Merkwürdig bleibt immer die reichliche schwarze Pigment- Ansammlung, welche ja Epi- dermis und Corium des Negers durch und durch sättigt, auch in den fibrösen Ueberkleidungen der innern Höhlen und in den Gefässhäuten, mit diesen ins Parenchym eintretend und sich verbreitend. ‘ Ich knüpfe an diese Vergleichung der Schädel der beiden Völkerstimme zugleich eine Vergleichung der Organe der Sprache beider. Es fehlt uns noch eine comparative Anatomie der Sprachorgane der Menschenracen, sowie überhaupt eine Physiologie der Sprache. Die Elemente der Sprache des Menschen sind die Laute, die Selbstlaute, die Halbselbstlaute (den Halbtönen der Tonleiter entsprechend), die Doppellaute und die Mitlaute. Dass die Vocale auch schon Consonanten seien, habe ich früher erwiesen. (Salzb. in der chir. Zeitung 1814.) Das Vorherrschen der Vokale macht die Sprache weich, das der Consonanten, namentlich 191 der harten, bemerkt man dagegen in der Sprache wilder Völker, selbst noch in den slavischen Sprachen. Die Ajetas in Neu-Guinea zwitschern blos wie die Vögel. Die Säugethiere haben alle Vokale und Diphtongen, sowie die Doppellaute, z. B. das ia des Esels, das oui der Schweine etc. wie der Mensch. Sie haben viele unserer Consonanten, als: den Hauchlaut, Stosslaut, Zitterlaut (r), aber nicht merklich den edlen Wellenlaut (L). Auch fehlt ihnen der Accent, der Spiritus asper und lenis nicht. Was aber die Sprache der wilden Völker be- sonders charakterisirt, ist ebenfalls das Vorherrschen der harten Consonanten, während jedoch der weiche Wellenconsonant, das (L), meistens fehlt, oder heftig, zum Beispiel beim Schnalzen des Hottentotten, erklingt, dafür das harte r, p, selbst das Lippen -r, Brr, vorkömmt: ferner die heftige Aspiration, der starke rauhe Ton, der bis zum Heulen sich steigert, überhaupt, was Alles einen stärkern, gröbern Bau der Knorpel, Bänder und besonders der Muskeln des Larynx und eine heftigere Contraction dieser letztern bei der Aussprache bedingt. Und so sehen wir auch an dem Sprachorgan des Botokuden eine mehr thierische oder affenähnliche Bildung, eine dicke, vorn stunipfe Zunge, dicke Papillae fungiformes, lange Uvula, die grosse Epiglottis, Weite des Larynx, Dicke der Knorpel des Larynx, namentlich starke Cartilagines arytaenoideae , Dicke der Stimmbänder, Grösse des Ventrieulus Morgagni (8°), (der an dem Larynx des Chinesen um 4 misst) und beim Heulaffen bekanntlich sackartig sich erweitert; endlich Engheit der Choannae. Beim Chinesen dagegen sehen wir eine platte dünne Zungen- spitze, die Höhle des Larnyx zwar relativ enger, aber die Knorpel desselben, besonders die Giesskannenknorpel viel dünner, zarter, ebenso die Stimmbänder. Die Choannae viel weiter. Diesem verschiedenen Baue des Sprachorganes der beiden Völkerstämme entspricht auch die Sprache oder Aussprache derselben. Die Sprache des Botokuden ist voll von rauhen, harten Consonanten und rauhen heftigen Aspirationen. Die Sprache des Chinesen mit seinen kleinen einsilbigen Artikulationen, schon feiner, zarter, und es besonders durch die mannigfachen dem europäischen Ohre selbst schwer vernehmbaren, leisen und fast unnachahmbaren Aspirationen der Chinesen. Vom physiologischen Standpunkte oder von dem des höhern geistigen Sprachorganes aus, unterscheidet sich die Sprache barbarischer Völker von der der intelligenten Nationen durch Armuth an Lauten und Worten, wegen ihres beschränkteren Vorstellungs- Vermögens, über- haupt durch Mangel an Vervielfältigung eines Wortes vermittelst der Sach- und Zeitbeugung (Declination und Conjugation), durch Armuth an Zusammensetzungen der Stammwörter, (Haus- thüre, porte de la maison) etc. ete. und steht in dieser Beziehung die deutsche und griechische Sprache am höchsten. Alles dieses liegt jedoch unserm physiologischen Standpunkte ferne. Ein zweites Organ, welches bei der Bildung der Sprache in‘Betracht kömmt, ist das Ge- hörorgan. Es fehlt uns ebenfalls noch eine vergleichende Anatomie des Gehörorganes, wie die des Gehirnes und des Auges der Menschenracen. Es möchte schon bemerkungswerth sein, dass das äussere Ohr oder die Ohrmuschel bei dem Neger (Afrikaner) charakteristisch klein ist, ebenso der äussere Gehörgang meistens enger sich zeigt, als beim Europäer. Auch Waterton giebt noch neuerlich als Kennzeichen einer voll- oder reinblütigen Negerbildung Kleinheit der Ohrmuschel an. Selbst bei einem Kakerlaken, von einem Negerpaar erzeugt, fand sich dieses charakteristische Zeichen vorhanden. Es wäre vielleicht noch interessanter, eine Vergleichung des Baues der Gehörknöchelchen, welche nach meiner Ansicht die Bildung artikulirter Töne bedingen, vorzunehmen und liessen sich daraus vielleicht Ergebnisse über Tonsprache und Wortsprache ableiten. Bei den fleischfressenden und grössern Säugethieren sind im Durchschnitt die Gehörknöchelchen dicker und gröber gebaut. Auch .der Musculus 192 stapedius, so zart beim Menschen, ist ein dicker harter Knollen bei jenen. Die vorliegenden Gehörknöchelehen des Botokuden sind kleiner als beim Europäer, die des Chinesen gleich gross, wie die des Europäers gebaut. Ich bemerke schliesslich noch, dass ich die Chorda Tympane beim Botokuden sehr kurz und schon weit oben in den Ramus lingualis N. V. ein- ‚ tretend antraf. Prof. Harley theilt seine Erfahrungen mit über Exstirpation der Nebennieren an Thieren. Katzen und Hunde leben nach der Operation oft nur 2 bis 3 Tage, oft 5 bis 6 Wochen. Brown Sequard verlor die so operirten Thiere in weniger als 48 Stunden; er fand schon einen Einstich in die Nebennieren tödtlich, während Harley auf Zerquetschung derselben keine schädliche Einwirkung sah. Am leichtesten wird die Operation an Ratten geübt. Schon nach 8 Tagen sind die Thiere ganz wohl. Der Redner zeigt zwei vor mehr als einem Monat operirte weisse Ratten vor. Eine Farbenveränderung tritt bei diesen Thieren nicht ein, wie man nach dem von Addison behaupteten Zusammenhang einer dunkleren Hautfarbe mit Krankheit der Nebennieren vermuthen konnte. Eins der beiden Thiere ist von einer Ratte ge- boren, welcher Nebennieren und Milz exstirpirt waren. Dr. Klob berichtet von einen Falle krankhafter Entartung der Nebennieren bei einem Menschen, dessen weisse Haut und blondes Haar keine Veränderung erlitten. Prof. A. Fick aus Zürich spricht über Endosmose. Unter den bisher mit dem gemein- samen Namen des Endosmose bezeichneten Vorgängen sind zu unterscheiden: 1) Die Diffusion durch eigentlich poröse Scheidewände, und 2) die Ausgleichung heterogener Flüssigkeiten durch die Molekularinterstitien strukturloser Scheidewände. Im letztern Falle, bei Anwendung von Collodiumhäuten, findet sich, dass unter dem Einfluss der damit in Berührung stehenden Salzlösungen die Membran für den Durchgang des Wassers zwar constant bleibt, für das Salz aber immer durchdringlicher wird. Die Intensität des Wasserstroms ist nahezu der Concen- tration (Procentgehalt) proportional, wenn Lösung von Wasser geschieden ist. Die Intensität des Salzstromes wächst nicht so rasch als die Concentration. Bei porösen Scheidewänden (Thon) ist der Salzstrom der Concentration genau proportional; der Wasserstrom wächst mit zuneh- mender Concentration, Anfangs nur bis zu einem Maximum (für etwa 3 per Mille), dann nimmt er ab bis zu einem Minimum (für etwa 3 Procent), dann nimmt der Wasserstrom wieder stetig zu. Prof. Helmholtz macht auf den Einfluss der chemischen Beschaffenheit der Membran bei diesen Erscheinungen aufmerksam; er glaubt, dass die Erfahrung Graham’s, nach der schwache Lösungen des Kali causticum stärker endosmotisch wirken als concentrirte vielleicht in Beziehung stehe mit dem Einflusse der Lösungen des kaustischen Kali auf die Bewegung der Samenkörperchen und Wimperfäden haben. Prof. v. Wittich empfiehlt das Amnion zu endosmotischen Versuchen. Prof. Donders erwähnt, dass Durchschnitte von Hornhaut, Sklerotika u. A. mit verdünnter Säure verschiedener Ooncentration behandelt bald grössere, bald kleinere Mengen hindurchlassen ; es sei erst festzustellen, wie viel von der Flüssigkeit die Membran selbst aufnehme. Er hält die Erscheinungen bei thierischen Membranen für sehr zusammengesetzt. Bei Anwendung der Essigsäure auf Horngewebe finde eine Ausdehnung derselben statt, dünnere Lösungen zeigen das Gegentheil. Prof, Helmholtz hebt hervor, dass die Cohäsionsverhältnisse einer Thonscheibe unver- ändert bleiben, was bei thierischen Substanzen nicht der Fall ist, wo eine Imbibition in die Molekularinterstitien stattzufinden scheint. 195 Prof. Gerlach spricht über das Imbibitionsvermögen thierischer Membranen für Farbstoffe. Dünne alkalische Lösungen von Karmin färben die Kerne der Zellen stärker roth, als diese selbst, am stärksten das Kernkörperchen; doch zeigt sich das nur an den todten Geweben; Thiere, die in solchen Farbelösungen leben, zeigen keine Absorption der Farbe in ihre Ge- webe. Dr. Welceker glaubt, dass die mehr körnigen Gewinde auch am liebsten Farbe aufnehmen. Prof. Schaaffhausen empfiehlt die Anwendung der Farbstoffe zur Aufklärung schwie- riger mikroskopischer Verhältnisse, er glaubt mittelst derselben ein höchst feines aus wieder- holter Verästelung der Nervenprimitivfasern hervorgehendes, die Muskelprimitivbündel gleichsam umspinnendes Netz als letzte Endigung der Nervenfasern in den Muskeln erkannt zu haben. Prof. Donders glaubt mit Prof. Schaaffhausen, dass das Durchschwitzen des Gallen- farbestoffs durch die umliegenden Gewebe in der Leiche wohl nicht allein auf der Abwesen- heit der während des Lebens in den Geweben stattfindenden Absorption, sondern auch auf einer verschiedenen endosmatischen Eigenschaft todter und lebender Gewebe beruhe. Donders rühmt die von Meissner mittelst Holzessig dargestellten Nervenvertheilung des tractus intestinalis. Prof. Czermak sprach über die verschiedenen Stellungen des weichen Gaumens beim Hervorbringen der reinen Vokale und demonstrirte dieselben mit seiner durch die Nase einzu- führenden, Gaumensonde. Diese zeigt durch den immer stärker werdenden Ausschlag ihrer vorderen Krümmung, wie beim Sprechen der Vokale a, e, o, u, i, der weiche Gaumen stets höher hinaufsteigt. Prof. Bruch findet, dass beim Sprechen der Vokale in der Reihenfolge o, a, u, e, i, eine stets stärkere Hebung des Kehlkopfes erfolge. Geh.-R. Mayer bemerkt dagegen, dass, eine Hebung des Kehlkopfes bei der Aussprache der Vokale a, e, o, u, i nur dann erfolge, wenn dabei die Stimme in gleichem Grade erhöht werde, ohne solche Erhöhung der Stimme aber, oder wenn die Vokale in gleichem Tone ausge- sprochen werden, keine Erhebung des Larynx dabei erfolge: diese also blos allein der Er- höhung der Stimme zuzuschreiben sei. Darauf hält Prof. H. Müller einen Vortrag über das Verhältniss der Knochensub- stanz zum Knorpel. , Die ächte Knochensubstanz entsteht überall auf dieselbe Weise, durch Einschliessung strahlig auswachsender Zellen in eine mehr oder weniger lamellöse Grundsubstanz. Dies ist auch da der Fall, wo die Knochensubstanz direet aus Knorpel hervorzugehen scheint. Bei dem intra- eartilaginösen Knochen-Wachsthum schmilzt nämlich die in der Regel zuvor ver- kalkte Grundsubstanz des Knorpels ein und von den Markräumen her lagert sich die Grund- substanz des Knochens als eine neue Bildung ab. Die von derselben eingeschlossenen strah- ligen Zellen sind zum Theil wenigstens Abkömmlinge der Knorpelzellen. Das erste Auf- treten ächter Knochensubstanz geht an den langen Knochen von der äusserem Um- hüllung des Knorpels aus, bei den im Innern des Knorpels erscheinenden Knochenkernen aber, (Wirbelkörper, Epiphysen) von den Knorpelkanälen, in welchen sich eine weiche, ostmide, durch Kalkablagerung direct in Knochen übergehende Substanz entwickelt. Bei Rachitis ist die Ossification so abweichend, dass ein Rückschluss auf das normale Verhalten nicht zulässig ist. Es findet neben der unvollkommenen Verkalkung des Knorpels die Bildung einer knochenähnlichen, aber kalkarmen , osteogenen Substanz statt, welche in grosser Ausdehnung auch in den Markräumen der schon formirten Knochen vorkommt. Ausser- 25 194 dem treten aber noch andere Transformationen des Knorpels ein, welche bei der normalen Ossification fehlen (Schichtenbildung um strahlig auswachsende Zellen in geschlossenen Knorpel- höhlen; unvollkommene Markraumbildung). Aus den angegebenen Thatsachen ergeben sich nachstehende Folgerungen: 1) Die Knochensubstanz ist als eine selbstständigere Form der Bindesubstanz aufzufassen, als dies bisher geschah, namentlich dem Knorpel gegenüber. 2) Eine Umwandlung von chondringebender Masse in glutingebende ist bei der Ossification nicht anzunehmen, da die Knochensubstanz sich an die Stelle der geschwundenen Knorpel- substanz setzt. 3) Die Lehre vom Primordialskelet erhält eine andere Auffassung, indem der histologische Unterschied der knorpelig präformirten und der sogenannten secundären Knochen ganz weg- fällt. Dagegen tritt die bedeutsame Verschiedenheit hervor, dass die präformirten Skeletstücke ein provisorisches Stadium besitzen, welches den anderen fehlt, indem sie durch einen fast durchaus wieder einschmelzenden Knorpel vorgebildet sind. 4) Bei der Zählung der Knochenkerne bei der Entwickelung der einzelnen Skeletstücke sind nieht nur die bisher vorzugsweise berüchsichtigten Knorpel- Verkalkungen, sondern auch die Anfänge der ächten Knochensubstanz ins Auge zu fassen. Nach Beendigung der Vorträge zeigen Prof. Gerlach und Dr. Weleker mit Carmin gefärbte Ganglienzellen und deren Ausläufe unter dem Mikroskope vor. Für die nächste Sitzung wird Herr Geheimrath Mayer zum Vorsitzenden erwählt. z 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Tages- Präsident: Geheimrath Mayer eröffnet die Sitzung mit Dank für seine Wahl, kündigt der Versammlung den kürzlich in Brighton erfolgten Tod Marshall Hall’s an und bittet dieselbe, sich in Anerkennung der Verdienste des Verstorbenen von ihren Sitzen zu erheben und ihm ein „Sit ei terra levis“ nachzurufen. h Prof. Kussmaul zeigt einen Versuch am Kaninchen, der den Einfluss der Blutströmung im Kopfe auf die Bewegungen der Iris anschaulich macht. Er lässt sich sodann über die Ursache dieser Bewegungen aus, die er, auf verschiedene Versuche und Beobachtungen sich stützend, in den veränderten Ernährungs- Verhältnissen des Gehirnes findet, und spricht über den Mechanismus des Zustandekommens dieser Bewegungen, der noch nicht vollständig er- mittelt ist. Geh.-Rath Mayer macht eine kurze Mittheilung über eine neue Methode M. Halls zur Rettung der Ertrunkenen. Prof. Schaaffhausen macht auf die Aufstellung der Racenbüsten des Herrn von der Launitz in einem besondern Zimmer des anatomischen Museums aufmerksam, und bringt ein von demselben verfasstes Programm „über den Nutzen der Plastik im Dienste der Naturwissen- schaften“ zur Vertheilung. Sodann spricht derselbe über den bei Elberfeld gefundenen angeblich fossilen Menschenschädel und legt ein bei Plau im Mecklenburgischen gefundenes Schädelfragment von derselben unge- wöhnlichen Bildung vor, durch welches seine Ansicht, dass diese bisher unbekannte Schädel- 195 form einem Nordeuropa vor der germanischen Einwanderung bewohnenden Urvolke ange- höre, befestigt wird. Zur Vergleichung hebt er einige charakteristische Kennzeichen der niedersten Menschenschädel an dem des Australnegers und an einem von Herrn von Bibra aus Bolivia mitgebrachten Peruanerschädel hervor. Prof. Lenhossek erläutert durch Zeichnungen, dass sowohl die hintern als vordern Spinal- wurzeln theilweise aus den Gangliengruppen der entgegengesetzten Seite entspringen; daher vor und hinter den Rückenmarkskanal sich kreuzen. Man hat die Hörner der med. spin. als Colonnen zu betrachten, und das centrale Verhalten der Cerebrospinalnerven bleibt sich gleich, so dass die rein motorischen aus den motorischen Colonnen, die sensitiven aus den sensitiven und die gemischten aus beiden ihren Ursprung nehmen. Die Faserbündel sämmtlicher Nerven drängen die Fasern der weissen Substanz nur ausemander, ja sie laufen in 8 Touren um die Nervenwurzeln herum. Ein Umbiegen der Längsfasern der med. spin. in die Nervenwurzeln findet nirgends statt. Schliesslich führt er eine centrale Doppelbildung der med. spin. an; ein Zoll über und unter dieser Stelle ist die med. wieder einfach; in den übrigen Körpertheilen wurde nicht die mindeste Andeutung einer Doppelbildung gefunden. Die entsprechenden Präparate werden vorgezeigt. Prof. Schröder van der Kolk legt Zeichnungen der med. oblong. vor. Die vordern Stränge gehen als corp. pyram. ins Gehirn, die andern Fasern der med. obl. steigen meist vom Gehirn herab, und verlaufen, sich umbiegend, an die Kerne der Nerven, welche von der med. obl. entspringen. Lange Faserbündel an der Aussenseite des accessorius und Vaguskerne sind die Enden der Seitenstränge. Von der halbseitigen Lähmung sind Brust, Bauch und Zwerchfell ausgeschlossen, weil ihre Nerven schon in der med. obl. endigen, in welcher die durch Quer- fasern verbundenen und desshalb für beide Seiten gleichzeitig wirkenden Oentralorgane der unwillkührlichen Athmungen liegen. Die Wurzeln des auditorixs, die zum septum gehen, sind Reflexnerven für motorische Theile. Ebenso verbinden Reflexnerven die Kerne des awdit. mit denen des facialis für Bewegungen des stapediws des Ohrs und Gesichts. Auch die corp. oliv. sind querverbunden, von ihnen gehen Fasern zum hypoglossus; beim Menschen sind sie grösser als bei den Thieren, wegen der artikulirten Sprache. Bei 2 Idioten, denen die artiku- hirte Sprache fehlte, fand sich eine Verkümmerung der corp. oliv. Die Raubthiere haben die e. oliv. sup. gross, wegen des starken mimischen Ausdrucks; die corp. oliv. inf. mit dem hypoglossus und accessorius verbunden, stehen dem Schlingen vor. Der gwintus zeigt sich schon durch seinen Verlauf von oben nach unten, wodurch er mit vielen in querer Richtung entspringenden Nerven in Berührung kommt, als Reflexnerv. Der Redner hat nachträglich noch folgende Mittheilungen darüber eingesandt: De Heer Schroeder van der Kolk biedt ter plaatsing in de werken der Akademie eene verhandeling aan, onder den titel van Anatomisch, physiologisch en pathologisch onder- zoek over het fijnere zamenstel en de werking van het verlengd ıuggemerg, als ook over de naste oorzaak van epilepsie en hare rationale behandeling. — Hij licht haar door medege- bragte en ter uitgave aangeboden teekeningen toe, als ook dor schetsen op het bord, en doet opmerken: f 1. Dat de meerdere dikte, waardoor het verlengde merg boven het ruggemerg uitmunt, het gevolg is van het toekomen van vele deelen en van vezels, welke deze nieuwe deelen met de hersenen verbinden. In de eerste plaats wijst hij daaromtrent op kernen, waaruit de ze- nuwen ontspringen, liggende op den bodem der vierde hersenholligheid, en wel die der be- weegzenuwen nabij de raphe van Stilling, en die der gevoelszenuwen weer buitenwaarts. 196 De kernen dezer laatste komen in het ruggemerg niet voor, maar bevorderen hier de meerdere dikte van het verlengde merg. — Ook moeten daaromtrent dec.c. olivaria en andere ganglien- groepen, als ook de nervus trigeminus, die door het geheele verlengde merg in schuinse rig- ting heengaat, in aanmerking komen. 2. Dat de c. ec. pyramidalia de dragers zijn van de indrukken van onzen wil voor de be- weging der extremiteiten, en dat zij doorgaan tot aan de ec. c. striata. 3. Dat de zijstrengen van het ruggemerg voor de beweging van den tronk en voor de ademhaling dienen en niet door het verlengd merg naar de hersenen gaan, maar bij den oor- sprong van den nervus vagus eindigen, waarmede zij door middel van eenige vezels in gemeen- schap staan. Hieruit leidt Spreker af, hoe de vagus werkt op de ademhaling, en dat, bij hemi- plegie, alleen de spieren van de eene zijde van het hoofd, van de bovenste en onderste lede- maten verlamd worden, maar niet die van den tronk, d.i. de tusschenribbige spieren, de buik- spieren en het middenrif. De naam van halfzijdige verlamming is dus minder juist. Omtrent den oorsprong der zenuwen van het verlengd merg, doet S. zien, dat de zenuw- stammen zelve niet in decussatie overgaan; maar dat van uit hunne kernen vezels ontspringen, die zich naar de overzijde begeven, om dan maar boven te gaar en dus eene decussatie vormen, Dit verklaart de verschijnsels van overkruising, waarop de pathologie wees, maar welke de anatomie tot heden niet wist te verklaren, en dit te minder, omdat zij komen uit dat gedeelte des verlengden mergs, dat boven de plaats van de overkruising der pyramiden gelegen is. Wat de fin verdeelde overlangse vezelbundels betreft, die het grootste gedeelte van het ruggemerg uitmaken en overal doorsneden worden met dwarse en straalswijze vezels, — zij zijn, naar Sprekers overtuiging, althans voor het grootste gedeelte, geene verlengsels van de witte strengen uit het ruggemerg, zoo als Stilling meent, maar veeleer nieuwe vezels, welke uit, de hersenen afdalen, deels om als dragers van den wil over te gaan in de dwarse vezels naar de kernen voor de beweegzenuwen, deels om zich met de c. c. olivaria te verbinden en met andere gangliengroepen, waarop de wil invloed kan uitoefenen. Voor een ander deel schijnen zij uit de kernen voor de gevoelszenuwen naar boven te gaan, om den indruk van het gevoel naar de hersenen te brengen. — Er is hier eene ware overkruising. Wat de zenuwen betreft, doet Spreker opmerken, dat de nervus facialis voor cen gedeelte in de kern van het verlengd merg overgaat, voor een ander gedeelte er over heen gaat naar de overzijde. Tusschen deze vezels zijn ganglencellen in gestrooid. Deze meerdere zamen- hang van de beide nervi faciales heeft invloed op de meer bilaterale werkingen der zenuw. De nervus abducens onderscheidt zich, doordien hij zich van de raphe bij het centrum af- buigt en zich gekromd naar buiten begeeft, um waarschijnlijk op den bodem der vierde her- senholte zich in overlangse rigting naar boven te buigen en bij de kern van de derde hersen- zenuw te ontspringen. De nervus abducens is de eenige zenuw, welke zich niet schijnt te overkruisen. De gehoorzenuw gaat in zeer groote gangliencellen en in eene kern over. Achterwaarts verlengen zich vele vezels der gehoorzenuw tot in de kleine hersenen. Vezels uit de kern van de gehoorzenuw gaan in de kern der aangezigtszenuw over. — Hieruit verklaren zieh de reflexbewegingen van den m. stapedieus, en ook die der spieren van het uitwendig oor, bijv. bi) schrik, door sterke geluiden. De kernen der beide gehoorzenuwen hangen door dwarse vezels te zamen. Hierdoor ver- klaart zich de zamenwerking der beide gehoortoestellen. Langs de kern, waarmede de vagus verbonden is, gaat een langwerpigronde bundel van 197 overlangse vezels, waarin eenige vezels van den vagus overgaan. Uit deze zijdelingsche streng ontspringen de tusschenribspieren, de lendenspieren, de middenrifzenuw. Hieruit verklaart zich, waarom en waardoor prikkeling van den n. vagus eene terugwerking doet ontstaan in al de spieren, welke tot de ademhaling dienen. Hoogstgewigtig is de loop van den wortel van het vijfde zenuwpaar. In plaats van, zooals al de andere zenuwen, dwars door het ruggemerg heen to dringen, gaat deze wortel schuins naar beneden, en eindigt met de onderste wortels van den hypoglossus. Door dezen schuinsen loop gaat deze wortel langs al de centraaluiteinden der zenuwen van het verlengd merg heen en staat deor vezels, welke hij uitgeeft, met hen in verbinding. Hieruit verklaart zich de wer- king van den trigeminus bij eene menigte van reflex verschijnsels. Aan dit alles knoopt Spreker zijne beschouwingen omtrent de bij- of hulpganglien. Hij rigt hiertoe de aandacht in de eerste plaats op de tegenwoordigheid van tweevoudige corpora olivaria bij de Zoogdieren, uitgezonderd de Mensch en de Apen. Hiervan ligt het bovenste paar op de hoogte van den n. facialıs, het onderste op de hoogte van den hypoglossıs. Het bovenste paar is door vele vezels verbonden met de kern van den facialis en schijnt als gan- gliengroep voor de mimiek te dienen. Het is althans bij de Carnivoren sterker ontwikkeld dan bij de Herbivoren. Ten onregte meent men, dat de corpora olivaria bi) de Vogels ontbreken. De bovenste zijn er, hoewel in geringen omvang. Spreker althans vond ze bij den haan, ver- eenigd met de kern van den nervus facialis, en brengt zulks in verband met de werking der huidspier bij hartstogtelijke beweging der vederen aan het hoofd en aan den hals. De onderste corpora olivarıa verschillen bij de verschillende diersoorten veel minder in grootte den de bovenste. Zij liggen overal juist naast de wortels van den nervus hypoglossus met wiens kern zij door vele straalswijze verdeelde vezels in verbinding zijn. Zij schijnen het beheer over de slikking te voeren. Ook bij de Vogels ontbreken zij niet, hoewel zij er zeer klein zijn. Bij den Mensch ent bij de Vierhandige zoogdieren zijn de bovenste en onderste corpora olivaria ineengesmolten. Bij den Mensch dienen de corpora olivarıa buitendien voor, de bilaterale werking op de tong bij de articulatie der spraak. Ten slotte handelt Spreker over bijkomende ganglien in het verlengd merg, verbonden met den n. trigeminus zoo wel als met den n. facialis. Hij verklaart daaruit verschijnsels bij het knippen der oogleden, als ook van bilaterale werking bij de mimiek, de slikking enz. Dr. Böcker findet bei Fettgenuss weder die Menge des Harns, noch dessen feste Be- standtheile, noch den Harnstoffgehalt vermindert, wie Bischoff angegeben. Aus einer 72tägigen Versuchsreihe schliesst er, dass durch das Fett die Assimilation der proteinhaltigen Nahrungs- mittel vermehrt werde; die faeces werden quantitativ und qualitativ verändert. Zucker vermindert die Harnstoffmenge und wird nicht in Fett umgewandelt. Prof. Czermak fand, dass, wenn der Nerv des stromprüfenden Froschschenkels in dem Stadium, wo das einfache Auffallen desselben auf den Längsschnitt des Muskels keine Zuckung mehr giebt, auf den Wulst eines im idiomuskulären Contractionszustande (nach Schiff) be- findlichen Muskels und auf einen nicht contrahirten Theil desselben auffällt, nur eine Schliessungszuckung eintritt. Er giebt eine Erklärung der Erscheinung, welche bestätigt, dass die Veränderung des eleetro-motorischen Zustandes einer gereizten Muskelstelle sich nicht nach den Seiten hin fortpflanzt, wie dieses in den Nerven der Fall ist. Prof. L. Fick hat durch das Experiment den Einfluss der Muskeln auf die Knochenformen zu bestimmen gesucht und gefunden, dass nach Abtragung eines Theils der die tibia be- deckenden Muskeln, der Knochen in die Lücke, nach dem locus minoris resistentiae, gleichsam 198 hineinwächst. Nach Wegnahme des mittleren Theils des m. temporalis tritt eine Verdickung der entsprechenden Schädelhälfte ein, nach Wegnahme des masseter eine solche des Kiefers. Zum Präsidenten für die nächste Sitzung wird Herrn Prof. Vrolik gewählt. 3. Sitzung : Dienstag, den 22. September. Tages - Präsident: Dr. J. Vrolik. Prof. H. Müller aus Würzburg spricht über die Persistenz der Chorda dor- solis bei Menschen undihr Verhältniss zu den Gallertgeschwülsten des Clivus. Deutliche Reste der ('horda dorsalis finden sich, der allgemeinen Annahme entgegen, noch nach der Geburt: 1) Im Steissbein, wo ein Streifen mit spindelförmigen Anschwellungen an den Intervertebral-Stellen zu schen ist. 2) Im Epistrophäus, wo zwischen Körper und Zahn ein Rest zelliger Chorden- Substanz liegt, während durch den ganzen knorpeligen Theil des Zahns ein weisslicher Streifen die ehemalige Lage der Chorda anzeigt. 3) In der Synchondrose des Keil- und Hinterhauptbeins. An allen diesen Stellen finden sich die eigenthümlich blasigen Zellen der Ohordensubstanz. An der spheno-oceipitalen Synchondrose aber kommen Ueber- gänge zu den von Virchow und Luschka beschriebenen Gallert-Geschwülsten vor, welche denselben histologischen Bau zeigen. Die Chorden -Substanz ist den anderen Hauptformen der Binde - Substanz (Knorpel, Knochen etc.) gleichzusetzen. Sie kommt normal nur in der Chorda vor, kann aber abnormer Weise zu eigenen Geschwülsten auswachsen ((Chordoma). Wie es scheint, können ähnliche Ge- schwülste auch an anderen Stellen entstehn, wobei wahrscheinlich die chordenähnliche Masse aus anderen Formen der Bindesubstanz hervorgeht. Hierdurch würde sich die Verwandtschaft der C'horda mit diesen anderen Gewebsformen bestätigen. In den regenerirten Schwänzen von Eidechsen, deren Bau der Vortragende früher be- schrieben hat (Würzburger Verhandlungen 1851, S. 66) schliesst das neugebildete Knorpelrohr nicht eine C'horda ein, sondern einen hohlen Strang, der aus dem Rückenmark hervorwächst, so dass hier eine mehr oder weniger vollkommene Regeneration des Rückenmarks vorliegt. Dr. Klob spricht über Foramen ovale cordis. Unter 500 Leichen findet man es 200mal offen. An der Diseussion über den Vorgang des Verschliessens des Foramen ovale bethei- ligen sich Prof. Kramer aus Halle, Bruch aus Giessen. Prof. Ruete spricht über ein neues Ophthalmotrop und erläutert dessen Construction. Prof. Bruch spricht über die Stellung des Kehlkopfs bei dem Sprechen der Vocale. Ferner über Veränderungen in der Structur einzelner Linsen, welche durch Chromsäure be- sonders deutlich werden. Auch Prof. Müller theilt ähnliche Erfahrungen mit. Dabei macht Unna aufmerksam auf die Angabe von Huschke über die Entwicklung der Linse. Prof. Voigt legt lebensgrosse Abbildungen für die Verbreitung der Nerven in der Haut vor und demonstrirt sein System neu entdeckter Linien an der Oberfläche des menschlichen Körpers, welche die Verästelungsgebiete der Hautnerven begränzen. Prof. Gerlach theilt die Resultate seiner Beobachtungen über die Wirkungen deskleinen Gehirns an mit Carminlösung gefärbten Präparaten mit. Während die weisse Fasersubstanz vom Farbstoffe Nichts aufnimmt, ist, wie die vorgelegten Abbildungen zeigen, die graue Sub- stanz intensiv gefärbt. Er spricht sich weiter über das Verhalten der Fasern der weissen Sub- 199 stanz, ihre Theilungen, den feinern Bau der Körnersubstanz, deren Zusammenhang mit den Fasern, der Communication der Körner durch feine Fasern unter einander (ähnlich den Körnern der Ketina), ihren bisher zwar nur einmal bestimmt beobachteten Zusammenhang mit den grossen vielstrahligen Nervenzellen der oberflächlichsten Schichten. In genauer Beziehung zu diesem Bau des kleinen Gehirns ist die Gefässverbreitung in demselben, das bei Weitem engste Capillarnetz findet sich in der Gegend der Körnerschicht. Heynsius, Director des physiolog. Instituts in Amsterdam, spricht über Harnsecretion und erörtert vor Allem die Frage über das Fehlen des Albumins im Harn. Er theilt das inter- essante Resultat mit, dass bei Diffusions- Versuchen mit Eiweisslösung und Harn, oder schwach angesäuertem Wasser wenig Eiweiss in die letzteren übergehe. Auch der Harn von Herbi- voren in der Niere reagirt sauer, kann also keinen Einwand gegen diese Ansicht bieten. Als den Heerd für die Formation der grössern Mengen Harnstoff bei reichlicher Zufuhr von Eiweiss sieht der Redner die Leber an. Prof. Nuhn bemerkt zu dem früheren Vortrage des Prof. Gerlach, dass er einigen Zweifel über den Zusammenhang der centralen Ausläufer der Nervenzellen mit den Gehirn- fasern hege. Prof. Gerlach macht auf das periphere Umbiegen der der Oberfläche zugehenden Zellen- ausläufer aufmerksam, ein Verhalten, das Prof. Gerlach jedoch, gestützt auf eine grosse Reihe von Beobachtungen, durchaus bestreitet. An der weiteren Debatte betheiligen sich Prof. Bruch, Prof. v. Lenhossek, Dr. Marfels. Zum Vorsitzenden für die nächste Sektions- Sitzung wird auf Vorschlag des Präsidirenden Prof. Helmholtz einstimmig erwählt. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages - Präsident: Prof. Helmholtz. Prof. Ozermak theilt mit, dass während electrische Reizung des Drüsenastes vom n. hn- gualis die Speichelseceretion minutenlang energisch anregt, durch Reizung des sympathicus am Halse die Speichelsecretion zwar eingeleitet werde, nach kurzer Zeit aber in der Regel aufhöre. Bei gleichzeitiger Reizung beider Nerven wird die Speichelsecretion mächtig eingeleitet, nach 10 bis 30 Sec. tritt Verlangsamung, endlich Stillstand derselben ein, also zu einer Zeit, wo Reizung des lingnalis allein noch eine Steigerung derselben veranlasst haben würde. Es er- innert an die Aehnlichkeit dieser Erscheinung mit der Hemmungswirkung des vagus auf die Herzbewegung. Prof. Donders theilt nach Versuchen eines seiner Schüler am Ohr des Kaninchen mit, dass Durchschneidung der Empfindungsnerven nicht den geringsten Einfluss auf den Verlauf der Entzündung hat, nach Durchschneidung des sympathieus aber der ganze Entzündungs- process schneller verläuft, wohl in Folge der stärkern Blutanfüllung. Nach Durchschneidung des trigeminus wird das Auge zwar trübe; aber wenn es vor mechanischer Reizung durch Reiben oder fremde Körper, die bei fehlender Thränensecretion nicht ausgespült werden, ge- schützt wird, tritt die Entzündung viel später und kein Durchbruch der Hornhaut ein. Wurde das empfindliche Ohr über das Auge des Thieres gelegt und an die Haut festgenäht, dann blieb das Auge gesund. Ob der trigeminus vor oder hinter dem Ganglion durchschnitten wird, ist gleichgültig. 200 Prof. Baum erwähnt, dass schon Strohmeyer bei Entzündung des Auges nach Läh- mung des trigeminus vorgeschlagen das Auge zu schliessen. Er glaubt indess, dass die Rei- zung nicht allein Ursache der Entzündung sei, weil in einem Falle von fractura basis eramı und Verletzung des trigeminus Vereiterung des Unterkiefers und spätere Vernarbung einge- treten sei. Dr. Esmarch giebt nähere Auskunft über den Fall mit Strohmeyer, den er mit be- obachtet hat. Prof. Donders giebt an, dass die langsame und rotirende Bewegung der Lymphkugeln im strömenden Blute am Rande des Gefässes Folge eines hydraulischen Gesetzes sei, indem nah am Rande eine ruhende Schicht der Flüssigkeit liege, von dieser aber gegen die Mitte hin werde die Strömung immer stärker. Dass die rothen Blutscheiben in der Mitte strömen, hänge wohl zum Theil von der grösseren specifischen Schwere derselben ab. Es folgt Dr. Keber’s Vortrag über das Verfahren, um die Dotterrotation am Säugethier-Eistundenlang beobachten zu können. „Meine Herren, der Gegenstand, welchen ich heute vor Ihnen zu erörtern beabsichtige, ist von mir schon bei einer andern Gelegenheit, in meiner Schrift „De spermatozoorum introitu in ovula“, besprochen worden, hat jedoch meines Wissens bis jetzt in Deutschland nicht einmal soviel Beachtung gefunden, dass Jemand es der Mühe werth gehalten hätte, meine Beobach- tungen zu wiederholen. Desshalb benutze ich die heutige Gelegenheit, um meine durchaus thatsächlichen Wahrnehmungen nochmals Ihrer Beachtung und eigenen Prüfung durch Autopsie dringend zu empfehlen und Sie zu bitten, bei Gelegenheit der von Ihnen so häufig unternom- menen Sektionen von Kaninchen auch die von mir beschriebenen, bisher unbeachtet gebliebenen Thatsachen zu constatiren. Um Ihnen aber zu beweisen, dass es sich bei meinen Beobach- tungen in der That um Objectives handelt, erwähne ich zuerst Dasjenige, was vor mir über denselben Gegenstand beobachtet und geschrieben worden ist. Vor Allem hat Martin Barry in der zweiten Reihe seiner embryologischen Untersuchungen, Tab. IX, Fig. 151 ein ’/‘ im Durchmesser haltendes, im Eileiter eines Kaninchens aufgefundenes, und in dessen Schleimhaut eingebettetes, durchsichtiges Bläschen abgebildet und ebendaselbst $ 251 — 286 ausführlich be- schrieben, in dessen Innern er die Drehung eines maulbeerförmigen Körpers ‘/, Stunden lang beobachtete. Indem ich auf seine eigene Beschreibung verweise, führe ich daraus blos an, dass nach Barry’s Worten es nicht leicht gewesen.sein würde, jenen sich um ‚seine Achse, dre- henden maulbeerförmigen Körper von demjenigen zu unterscheiden, welcher in gewissen Stadien den Mittelpunkt des Säugethieres einnimmt (vergl. Barry’s Taf. VI, Fig 109 — 112). Ich übergehe, was Barry an der erwähnten Stelle über die Bedeutung jenes Bläschens anführt, als rein hypothetisch und heutzutage unhaltbar, indem ich blos darauf aufmerksam mache, dass die obige Beobachtung Barry’s in ihrer Art durchaus vereinzelt dasteht, indem derselbe zwar mehrmals ähnliche, in die Uterusschleimhaut des Kaninchens eingebettete Bläschen wahrge- nommen, jedoch nicht näher untersucht hat. Ebenso hat Bischoff sich in seiner Entwick- lungs - Geschichte des Kanincheneies (S. 58) in Bezug auf die obige Beobachtung Barry’s auf den Ausspruch beschränkt, dass jenes Bläschen mit dem rotirenden maulbeerförmigen Körper wahrscheinlich kein Ei war, später dagegen (Müllers Archiv 1841, S. 15 oder S. LIX) darüber Folgendes gesagt: „Diese Mittheilung Barry’s veranlasst mich nun vorläufig folgende Beobachtung bekannt zu machen, in welcher ich die Drehung des Dotters des Kanincheneies im Ei- 201 leiter ganz unzweifelhaft gesehen habe und die mich kaum zweifeln lässt, dass auch Barry ein Ei gesehen, ohne esals solches erkannt zu haben“ Ich führe das bisher Mitgetheilte besonders deshalb an, um Ihnen zu zeigen, dass zwei der grössten Sachkenner geneigt waren, ein Gebilde für ein Ei zu halten, welches doch aus man- cherlei andern Gründen nicht füglich ein Ei sein konnte. Soviel existirt meines Wissens in der Literatur über diesen Gegenstand, woraus Sie we- nigstens entnehmen werden, dass meine eigenen Beobachtungen sich ebenfalls auf Objectives beziehen, mithin wohl einer Beachtung und Wiederholung durch Andere werth sein dürften. Ich habe nämlich bei Gelegenheit meiner zu einem andern Zwecke unternommenen Unter- suchungen theils in der Bauchhöle des Kaninchens, auf dem Ovarium, an der Aussenseite des Eileiters, des Uterus, sowie in Innern des letztern, in dessen Schleimhaut eingebettet, durch- sichtige Bläschen von V- — 11/,“ im Durchmesser aufgefunden, in deren Innern sich ein maul- beerförmiger Körper stundenlang unter meinen Augen drehte. Ich habe ferner bei weiterer Verfolgung dieses Gegenstandes gefunden, dass diese Bläschen aus dem Ovarium herstammten, und dass bei Kaninchen, die man vom Männchen getrennt hält, sich Graaf’sche Follikel, ohne zu bersten, vom Ovärium ablösen, in deren Innerm das darin enthaltene Ei den anderweitig bekannten Furchungs-Process durchmacht und selbst die Dotterrotation einstrickt, — kurz, ich habe durch mehrjährige, mit Ausdauer fortgeführte Untersuchungen festgestellt, dass jene Bläschen, deren ich im Ganzen über hundert untersucht habe, in der That nicht Anderes sind, als vom Ovarium abgelöste Graaf’sche Follikel. Ich habe diesen Ablösungsprocess durch alle Stadien verfolgt und muss mich auf Grund meiner Untersuchungen dahin aussprechen, dass diejenigen, an der Aussenseite des Eileiters beim Kaninchen vorkommenden Gebilde, welche man bisher Wimper-Blasen nannte, ebenfalls nichts Anderes sind, als vom Ovarium abgelöste Graaf’sche Follikel. Bekanntlich hat Remak (Müller’s Archiv 1841, S.446—50; 1843 S. 483 und 1865 S. 184) in Bezug auf diese auch von ihm beobachteten Wimperblasen die Hypothese aufgestellt, dass dieselben sich bereits im Fötalzustande durch Abschnürung aus dem Darmrohre bilden; indess ist dies, wie ich ausdrücklich hervorheben muss, nur eine Hy- pothese, wogegen meine Behauptung, dass jene Blasen aus dem Ovarium herstammen, sich auf objective Wahrnehmungen und auf vielfältig wiederholte "Untersuchungen stützt. Ich füge näm- lich dem Obigen hinzu, dass ich ganz dieselben Beobachtungen auch beim Schweine gemacht habe, wo sie schr leicht zu constatiren sind, wenn man vom Fleischer gemästete weibliche Schweine unmittelbar nach dem Schlachten untersucht. Hier sind jedoch die abgelösten Follikel bedeutend grösser, und es gelingt desshalb nicht leicht, den maulbeerfömigen, in ihrem Inhern enthaltenen Körper in den Fokus einzustellen. Wohl aber kann man sich nach Eröffnung der Blasen von dem Vorhandensein des maulbeerförmigen Körpers überzeugen. Ich spreche nun schliesslich meine Ansicht über diesen Gegenstand dahin aus, dass die Ab- lösung Graaf’scher Follikel vom Säugethier-Eierstocke, wie ich sie Stufe für Stufe beobachtet habe, nicht etwa den normalen Vorgang repräsentirt, wohl aber ein bei weiblichen Kaninchen nicht selten vorkommender physiologischer Process ist, der seine Analogie mit dem bei Vögeln, z. B. dem Haushuhne vorkommenden Eierlegen ohne Begattung darstellt. Sowie beim Huhne auch ohne Vereinigung mit dem Hahne sich Eierstocksfollikel ablösen, ebenso geschieht das- selbe auch bei weiblichen Säugethieren, besonders beim Kaninchen. Ich empfehle Denjenigen, welche geneigt sein sollten, meine Beobachtungen durch Autopsie zu prüfen, besonders junge weibliche Kaninchen von 4'/, bis 5 Monaten. Man öffne bei ihnen unmittelbar nach der Töd- tung die Bauchhöhle und besichtige letztere genau in der Gegend der Ovarien oder der Ei- 2 202 leiter. Ich habe in solchen Thieren, die sich noch nie begattet hatten, fast jedesmal 1 bis 2, mehrmals selbst 3—4 derartige Bläschen vorgefunden. Man präparire die Bläscheu sorgfältig heraus und bringe eins derselben ohne irgend einen Zusatz, blos mit einem Deckgläschen be- deckt, unters Mikroskop bei 200maliger lineärer Vergrösserung. Alsbald erkennt man im Innern der Bläschen eine sehr lebhafte Flimmerung, sieht aber in der Regel anfangs keinen maulbeer- förmigen Körper. Sobald jedoch das Bläschen sich durch den Druck des Deckgläschens etwas abgeflacht hat, erscheint in den meisten Fällen in der Tiefe an irgend einer Stelle jener Körper, an welchem man mithin die Dotterrotation stundenlang beobachten kann. Es hält nämlich dieses schöne Phänomen, welches von Bischoff nur einmal im Eileiterei des Kaninchens beobachtet worden ist, in jenen Bläschen 1'/, bis 2 Stunden an. Man braucht sich daher mit der Beobachtung gar nicht zu übereilen, vielmehr können an einem und demselben Objekte viele Personen nach einander die Wahrnehmung machen. Ich bemerke endlich, dass ich diesen Gegenstand nicht blos in meiner Schrift „De sper- matozoorum introitu in ovula“, sondern auch in meinen „Mikroskopischen Untersuchungen über die Porosität der Körper“ und in einer im Jahre 1855 unter dem Titel „Martin Barry’s Bestä- tigung einiger neuern mikroskopischen Beobachtungen“ herausgegebenen Broschüre besprochen habe, und dass Barry die Objectivität meiner Beobachtungen vollständig bestätigt und darüber im Jahre 1854 im Edinburgh New Philosophical Journal eine grössere Abhandlung veröffent- licht hat, welche den Titel führt: „On Vesieles in the Abdominal Cavity and Uterus, contai- ning a Mulberry-like Body rotating on its Axis, and on the Expulsion of the Ovisac from the Ovary.“ Sollten Sie in Folge dieser nochmaligen Anregung sich bewogen fühlen, den Gegen- stand selbst zu prüfen, so würden Sie die darauf zu verwendende geringe Mühe durch einen interessanten Anblick belohnt sehen. Prof. von Wittich findet es auffallend, dass die Dotter ohne Befruchtung die Maulbeer- form annehmen sollen. Prof. Bench erinnert an mögliche Oystenbildung mit Flimmerentwicklung. Prof. Schaaffhausen findet einen Widerspruch darin, dass hier die Follikel selbst das Ovarium verlassen sollen. Prof. L. Fick zeigt aufgeblasene und getrocknete Präparate der Milz vor, die durch Aus- waschen einer durchschnittenen Milz, und nachdem die Wunde zugeklemmt, durch Aufblasen von den Venen und Arterien aus, angefertigt sind. Prof. Helmholtz spricht über die Bewegung der Gehörknöchelehen und zeigt dieselbe an Präparaten, die in einer Lösung von schwefelsaurem Zink aufbewahrt sind. Prof. von Lenhossek beschreibt einen Fall, in dem beide Hoden durch den linken Leistenkanal hinahgestiegen und in derselben Seite des serotum liegen. Das Präparat wird im Pesther Museum unter Nr. 177 aufbewahrt. Er bespricht die Bildung der Schleimhäute und die eigenthümliche Gefässvertheilung. Zum Vorsitzenden für die nächste Sitzung wird Prof. Donders gewählt. 203 5. Sitzung: Donnerstag, den 24. September. Tages-Präsident: Prof. Donders. Prof. Helmholtz erläutert die einzelnen Theile des von ihm zur Messung der Fortpflan- zungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven construirten Apparates; der durch die letzten Verbesserungen auch die Arbeiten selbst ausführt, die bisher noch der Hand des Experimen- tators überlassen waren. Sodann werden die entsprechenden Versuche selbst gezeigt. Diese Untersuchungsmethode wurde auch angewendet, um den Eintritt der Reflexkrämpfe an mit Strychnin vergifteten Fröschen, sowie den der secundären Zuckung zu bestimmen. Ausserdem erläutert Prof. Helmholtz an einem Versuche den von Dr. Heidenhain zuerst beobachteten und beschriebenen mechanischen Tetanus. Geh. Med.-Rath Mayer legte zuerst das Thränenbein des Elephanten vor und stellte dann drei Thesen über die Structur und Function des Rückenmarkes auf. Die über diesen Gegenstand meines Vortrages vorausgegangenen, in den vorhergehenden Sitzungen mitgetheilten, Untersuchungen über den mikroskopischen Bau des Rückenmarkes und des Hirnknotens, von den Gelehrten Schröder van der Kolk und Lenhossek, welche unstreitig zu den Glanzpunkten unserer anatomisch-physiologischen Arbeiten gehören, haben auch mein Interesse in hohem Grade in Anspruch genommen. Der Nachweis insbesondere einer esoterischen Anastomose der Nerven- Wurzelfäden im Innern des Hirnknotens, ent- sprechend wohl den exoterischen Anastomosen der Nerven ausserhalb des Hirnknotens und des Rückenmarkes, beide die somatische Ursache der Erscheinungen von Sympathien zwischen den bezüglichen Nerven gehört zu den zartesten und feinsten Autopsien, welche die mikroskopische Anatomie zu liefern im Stande ist. Es möchte daher nach diesen gediegenen Arbeiten fast überflüssig sein, noch aufs Neue in den mikroskopischen Bau des Rückenmarkes einzugehen, und will ich daher dieses im Lebensprocesse so wichtige Organ, diese Chorda vitalis mit ihrem Nodus vitalis, von einem andern Standpunkte als von dem mikroskopischen aus, nämlich mehr von Seite seines Baues im Ganzen, oder vom makroskopischen Standpunkte aus und von Seiten der Function seiner Hauptstränge betrachten. 1) Die erste meiner Thesen über die Struktur und Funktion des Rückenmarkes betrifft daher dessen Zusammensetzung aus Hauptsträngen, Synthesis funiculorum med. spin., und ihre Bedeutung bei Anstellung von physiologischen Experimenten an dem Rückenmark. Es bezieht sich diese erste Thesis auf die Frage: aus wie vielen Hauptsträngen das Rücken- mark bestehe, (vom Hinterhauptsloch an bis an das Ende der Cauda equwina). Die Antwort darauf ist bekanntlich verschieden, indem in den beiden, pyramidalisch nach unten sich zu- spitzenden zweien seitlichen Halbeylindern des Rückenmarkes bald 2, bald 3, ja 4, im Ganzen also sodann acht Stränge angenommen werden. So der Anatom. Nun kommt aber der Punkt, welchen ich glaube, um einer physiologischen Zweideutigkeit endlich ein Ende zu machen, besonders moniren und hier vor den bewährtesten Vertretern der Physiologie des Rückenmarkes besprechen zu müssen, nämlich der, dass die Physiologen sich bis jetzt nicht an die Lehren der Anatomie halten, sondern nur obenhin von einem vordern und hintern Strange des Rückenmarkes, welchen sie durchschneiden oder reizen, sprechen, un- bekümmert darüber, ob solche Theilung in einen vordern und hintern Strang auch wirklich in natura stattfinde. Es ist dieses nun aber in der That nicht der Fall und das Experiment des Physiologen beruht somit auf einem Grundirrthum anatomischer Anschauung. 204 Es besteht nämlich erstens das Rückenmark, (resp. jeder pyramidalische Halbeylinder desselben), nicht aus so zwei gleichen Strängen, einem vordern und einem hintern, wie der | Physiologe ganz roh annimmt (BD oder es giebt anatomisch keine Grenze, keine Spalte seitlich am Rückenmark, indem sich hier nur der Saum der mit dem Ligamenticulatum zusam- menhängenden pia mater befindet. Es durchschneidet oder reizt der Physiologe somit auf diese Weise nur das Rückenmark vorn oder hinten, aber nicht den vordern oder hintern Strang zar &Soyw. Es besteht aber auch zweitens jede Rückenmarkshälfte nicht aus drei Strägen, einem = vordern, seitlichen und einem hintern Strange. (BR Ein vorderer Einschnitt, welcher den vordern Strang » von dem seitlichen s trennen sollte, ist nicht zugegen und die vordern Wurzeln der Rückenmarksnerven treten durch kleine Ocffnungen und Kanäle bis in das Innere des grauen Centrums der Marksäule.. Und nach hinten ist zwar eive, jedoch kaum bei den grössern Säugethieren eine Linie tiefe Spalte, durch welche auch die hintern Wurzeln der Rückenmarksnerven eintreten, vorhanden. Es sind ferner drittens auch nicht, wie mehrere Autoren annahmen, vier Stränge an jeder Seite des Rückenmarkes zugegen, indem auch der seitliche Strang s als noch getheilt, v als vorderer seitlicher und hinterer seitlicher Strang, angesehen wird P= ; wie dieses aus h den beiden vorhergehenden Sätzen sattsam erhellt. Dagegen besteht das Rückenmark in der Wirklichkeit nur aus zwei Strängen, aber in der Art, dass nach vorn, nach der Seite und äusserlich nach hinten, ein grosser — vorderscitlich- hinterer und ein schmaler hinterer innerer Hauptstrang vorhanden sind. NY.) Der. letztere bildet ',, des vordern an Masse. Er ist, wie gesagt, nicht durch tiefe Furche vom Vordern getrennt, lässt sich zwar von jenem oberflächlich ablösen, aufheben, hängt aber in der Tiefe mit jenem innig zusammen. Ein geflechtartiges Ineinandergreifen beider findet sich beim Kaninchen deutlich. Jener grössere Strang oder die vordere Marksäule hat ibr Kapital im grossen Gehirn, dieser schmälere Strang oder die hintere Marksäule hat ihr Kapital im kleinen Gehirn, daher jener die Grosshirnsäule,. dieser die Kleinhirnsäule bildet. Es ergiebt sich aus dieser Darstellung, das die physiologischen Experimentatoren, wenn sie vorgaben, den vordern Strang des Rückenmarkes durchschnitten oder gereizt zu haben, sie zugleich auch den hintern Strang angegriffen, und wenn sie den. hinteren Strang zu durch- schneiden oder zu reizen behaupteten, sie zugleich den vordern Strang mit ihrem Tastrumente trafen, verletzten oder durchschnitten. Da der anatomische Bau aber das Regulativ für die physiologischen Versuche, wie überall so auch am Rückenmark enthält, so ist klar, dass die bisherigen Experimente am Rückenmarke nach diesem anatomischen Regulativ oder gemäss dex anatomischen Angabe der Structur des Rückenmarkes wiederholt werden müssen, um ein sicheres und für die Function des Rückenmarkes, in Beziehung auf seine beiden Hauptstränge beweiskräftiges Resultat zu erzielen. 205 Ich füge noch eine Bemerkung hinzu oder ein Monitum, das ebenfalls beim Experimentiren am Rückenmark zu beobachten sein möchte. Bei Verletzung und Durchschneidung einer Rücken- markshälfte vorn oder hinten, wird meistens der vordere Strang der Nervenwurzeln oder der hintere derselben verletzt und es complieirt sich dadurch die Folge der Verletzung. Um ein reines Resultat zu gewinnen, hat man also sorgfältig in dem freien Zwischenraum zwischen zweien Nervenwurzelsträngen zu operiren und wird so erst auf die dem Rückenmark exclusive zukommende Fünktion einen Schluss zu bauen wagen dürfen. So zweigetheilt verhält sich jeder seitliche Rückenmarks-Cylinder aber nur von der Mitte des Halses ab bis nach unten an sein Ende. Von da nach aufwärts tritt deutlich ein mar- kirter, wenn auch nicht getrennter, vorderer inner Strang, der noch am Boden des vierten Ventrikels sichtbar verläuft, zu Tage, während der seitlich-hintere Theil dieses Stranges in dem verlängerten Marke in zwei Schenkel sich äusserlich abgränzt, die durch starke Querbündel zusammengcehalten, die Olive zwischen sich nehmen. Auch der hintere Strang zeigt im Auf- steigen zum kleinen Gehirn eine doppelte Contour, jedoch ohne eigentliche Trennung der Masse. II. Die zweite Thesis, welche ich in Betreff der Structur und Formation des Rückenmarkes aufstellen will, ist in dem Satze ausgesprochen, dass zwar das Rückenmark aus zweierlei Sub- stanzen bestehe, einer äussern weissen und centralen grauen Substanz (es liegt jedoch auch nach meiner Beobachtung ein grauer Streifen zwischen den Längenbündeln der äussern weissen oder Schalen-Substanz), dass aber nur die weisse Substanz allein die wesentliche Substanz, die Trägerin der dynamischen Thätigkeit des Rückenmarkes sei, die graue Substanz nur peri- pherische oder auch interstitiale Füll- Substanz, accessorische Substanz sei, wahrscheinlich blos die Vibration der Markfasern der weissen Substanz vermittelnd, diese Fasern, gleich einer Ge- lenk- Feuchtigkeit, geschmeidig erhaltend und ein Medium ihren Schwingungen darbietend. Ich unterscheide nämlich die graue Substanz zur’ ££0/7» von den grauen Centralsäulen im Innern des Rückenmarkes, der vordern und hintern; diese bestehen nach mir aus einer vordern und hintern Kette weisser Markfasernetzen von unten nach aufwärts, und diese Netze sind der wesentliche Charakter des Centraltheiles jeder seitlichen Rückenmarksäule. Die graue Substanz ist blos interstitiell in den Räumen dieses Netzes und besteht nicht aus Markfasern, obwohl die feinsten weissen Markfasernetze noch enthaltend und umspinnend, sondern blos aus schwarzen Pigmentmolekülen zwischen jenen unorganisch eingelagert. Man hat der grauen Substanz bald das Vermögen der Empfindung ausschliesslich zuge- schrieben, bald bloss das Vermögen der Fortleitung derselben (Brown-Sequard), aber hier- bei nicht die graue Masse, sondern den weissen Markfasercomplexus selbst damit inbegriffen und fälschlich dafür gehalten. Nur die weisse Markmasse, bestehend aus den ovalen Mark- körnern und den daraus erwachsenden Markfasern, sind das organische Element der Neiven- thätigkeit überhaupt und die graue Masse ist ein fast unorganisixter Brei von grauen Molcküls, und fehlt sie ja gerade in den wichtigsten Partien des Nerven-Systemes, im Sch- und Hör- nerven und in dem peripherischen Nervensysteme der Willensthätigkeit fast vollständig. Diese müssen daher ohne sie oder ohne graue Substanz wirksam sein können. Dass ich von dieser grauen Substanz noch die Ganglienkörper, welehe in so grosser Zahl in den innern grauen Üentralsäulen des Rückenmarkes vorkommen, unterscheide, will ich sogleich näher angeben. 3) Die dritte Thesis, welche ich hier zur Discussion vorlegen möchte, ist die, dass der Nervus sympathicus, welcher mit wenigstens ebensoviel Fäden als Rückenmarks-Nervenpaare 206 sind, mit dem Rückenmark in Verbindung tritt, daraus, ut vulgo dieitur, entspringt, auf drei- fache Weise diese Verbindung vermittelt oder erstens mit einem oder mehreren Fäden in jede vordere Wurzel jedes Rückenmarks- Nerven sich einsenkt, zweitens in jede hintere Wurzel so eingeht, endlich drittens direct mit einem oder zwei Fäden in die Masse des Rückenmarkes eindringt. (Hierauf bezügliche Präparate werden vorgezeigt.) Wohin gehen nun diese drei Arten von Fäden? Unstreitig dringen sie, ohne Verzwei- gungen abzugeben, wie die sensitiven und motorischen Nervenwurzelfäden, bis zu den grauen Centralsäulen, respective bis in Längennetze oder Ketten von Markfasern darin; aber sie von den sensitiven und motorischen Fasern zu unterscheiden, möchte selbst ausser den Grenzen des Mikroskopes liegen. E Es sind aber bekanntlich noch andere Organisationen in den grauen Centralsäulen des Rückenmarkes vorhanden, und zwar in sehr grossen Haufen und untereinander durch un- regelmässige Ausläufer zusammenhängend, nämlich die sogenannten Ganglienkörper oder Ganglienzellen. Diese Ganglienzellen bilden mit ihren Ausläufern zahlreiche Geflechte, die oft in Haufen oder Flecken zusammenliegen. Ihre Verbindung durch solche und zwar zahlreiche und un- regelmässige Ausläufer nach allen Seiten hin, so dass nicht von unipolaren, bipolaren, von centralen und peripherischen Ausläufern die Rede sein kann und die darauf gebaute Theorie der Fortleitung durch sie zu und von dem Centralgebilde, dem Gehirne, leer und unbegründet ist, indem dieselben alle multipolar sind, oder weil dieses ein Widerspruch, viele Ausläufer besitzen. Ueber den weiteren Verlauf dieser Fortsätze der Ganglienzellen, abgesehen von deren Anastomosen unter einander, ist keine sichere Thatsache bekannt, oder es ist noch nicht ana- tomisch erwiesen, und unstreitig gesehen worden, dass ein oder mehrere solcher Ausläufer der Ganglienzellen in weisse Nervenfasern, in sensitire oder motorische Nerven, übergehen, und namentlich, dass diese Letztern aus den Ganglienzellen entspringen. Die Entstehung, der Ur- sprung, die Fortwachsung und Ernährung dieser weissen Nervenfasern ist auch nicht in diesen Ganglienzellen zu suchen, sondern wie gesagt in den ovalen Markkügelchen, welche letztere in Fasern sich fortspinnen. , Es kommen daher äuch die Ausläufer der Ganglien nur unter sich zusammen. Ich habe früher die Ganglienzellen für blosse Attribute der grauen Substanz gehalten. Ihre grosse Verbreitung und ihre zahlreichen Geflechte stellen sie aber höher als diese Substanz, welche nur Molekular-Substanz ist. Dagegen macht eben diese Molekular -Substanz einen grossen Theil ihrer Masse aus, sowie sie die Ausläufe anfüllt und ihre graue Farbe bewirkt. Ihr Wesen selbst ist Plasma- Substanz, mit feinsten Kügelchen eingemengt, wie jene auch in den weissen Nerven, namentlich in den varikösen Gebilden, und beide in dem Axen-Cylinder zu Tage treten. Dies erhellt daraus, dass man die Auslaufer 'der Ganglienzellen nur in den soge- nannten Axencylinder sich fortsetzen sieht, was auch im Grossen sein Analogon findet, z. B. bei dem Eintritt (oder Austritt) sympathischer Fäden aus dem Ganglion cerivicale infimum in das Innere der Zweige des Plexus axillaris. Es gehen daher wahrscheinlich die Ausläufer der Ganglienzellen nicht in die weissen Nervenfasern selbst über, sondern laufen zwischen ihnen nach aussen. Sie können aber nur zu solchen Nervengebilden hingehen, welche ihrer Natur nach eine Ganglienbildung zeigen, d.h.: diese Ausläufer sind graue oder sympathische Nervenwurzeln und Nervenenden, welche im 207 Rückenmark die Plexus exoterici, aussen die Plexus exoterici bilden und in die Ganglienge- flechte der Brust und des Unterleibes eingehen. Diese inneren kleinen Ganglienkörper- Geflechte sind es nun, welche jene ausser der Brust und des Unterleibes mit dem Gehirn und Rückenmark verbinden. Es. sind auch an verschie- denen Stellen oder Regionen des Rückenmarkes solche Haufen von Ganglienzellen angesammelt, welche zu jenem grössern, äussern Ganglieneomplexus, z. B. zu dem Plewus cardiacus, pul- monalis, caliacus, mesentrieus, uterinus ete. in Beziehung stehen. Es sind also Vermittelungs- Organe des Ner»us sympathiceus im Rückenmarke, in dessen ganzem Verlauf, ebenso im grossen und im kleinen Gehirn vorhanden, oder der Nervus sympathieus ist in diesem esoterischen oder Wurzelgeflecht repräsentirt und vertreten. Diese mikroskopischen Geflechte gehen aber nicht eigentlich in die Substanz des Rückenmarkes und Gehirnes ein, sondern liegen ausgeschieden, grösstentheils in der Centralaxe der Seiteneylinder des erstern und des Hirnschenkel-Systemes der letzteren in besondern Provinzen oder Haufen, entsprechend den grossen äussern Brust- und Abdominal-Geflechten, blos juxtaponirt. Die gegenseitige Wirkung des Rückenmarkes und Gehirnes einerseits und dieser mikroskopischen Gangliengeflechte andrerseits ist wohl durch Contact vermittelt. Daraus erklärt sich auch, dass weil die Fortleitung der Empfindungen durch die Geflechte von dem grossen plewus exoterici zum Rückenmark und Gehirne keine continuirliche, sondern abgebrochene ist, die Empfindung eine bewustlose, sowie dass auch die Fortleitung der Willensaction vom Gehirn und Rückenmarke aus zu ibnen und durch sie zu dem plexus majores exwoteriei eine willenlose oder sogenannte Reflexbewegung geworden ist. Solche Action der Nerven aufeinander bei blosser Juxtaposition, aus Leberspringen der Nerven- Dynamie erklärbar, oder solche Contactwirkung habe ich schon früher zu erweisen gesucht (8. Mayer, Ueber Reflexbewegung ohne Rückenmark). Dr. Keber spricht über die mikroskopisch wahrnehmbare Porosität der Körper. Meine Herren! In einer Zeit, wo von vielen Seiten nach mikroskopischen Poren gesucht wird und zahlreiche Abhandlungen darüber erscheinen, sei es mir gestattet, an meine eigenen über denselben Gegenstand angestellte Untersuchungen zu erinnern, worüber ich im Jahre 1854 eine besondere Schrift (Mikroskopische Untersuchungen über die Porosität der Körper) ver- öffentlicht habe. Um sie nicht mit Wiederholungen zu ermüden, mache ich hier blos darauf aufmerksam, dass ich in allen von mir untersuchten Körpern, besonders allen organischen Ge- bilden, kleine mikroskopische Lücken von Ya — "/sooo Linie im Durchmesser wahrgenommen habe, deren Objectivität mittelst eines vorzüglichen Mikroskops und bei günstiger Beleuchtung sicher festzustellen ist. Dass es sich aber hierbei um präformirte Lücken und nicht um Kunstproducte handelt, die etwafdurch die Operation des Schabens hervorgebracht sind, folgt aus dem Umstande, dass man ebenso beschaffene mikroskopische Lücken auch in solchen fein zertheilten Gegenständen wahrnimmt, mit denen man nichts der Art vorgenommen hat. Das Feinste, was uns die Natur in dieser Hinsicht darbietet, sind die sogenannten Sonnenstäubchen, welche in unsern Zimmern in der Luft schweben und sich überall absetzen. Lässt man ein Objeetglas im Zimmer 12 Stunden unbedeckt liegen, so setzen sich auf ihm regelmässig einige feine Stäubchen ab, die man nur mittelst der Loupe wahrnehmen kann, und die nichts Anderes sind, als durch Verwitterung entstandener Detritus von den im Zimmer befindlichen Gegen- ständen. Betrachtet man dieselben aber unter dem Mikroskope bei 200maliger Vergrösserung und günstiger Beleuchtung, so erkennt man, dass die kleinsten derselben keineswegs völlig homogen sind, sondern aus feinsten Fäserchen und Plättchen bestehen, die sich unter ein- 208 ande? mehr oder weniger decken, jedoch theils zwischen einander, theils in ihrer Substanz äusserst zarte Lücken wahrnehmen lassen, wodurch sie durchaus porös erscheinen. Ganz die- selbe Beschaffenheit zeigt der künstlich durch Schaben, Reiben oder Klopfen gefertigte Detritus aller organischen und unorganischen Körper, sofern man nur die Vorsicht gebraucht, stets den feinsten Detritus zur Beobachtung auszuwählen und ihn ohne Wasserzusatz zu be- trachten. Der Gegenstand ist aber zu fein, um auf den ersten Blick von Jedermann wahrge- nommen zu werden; das Auge muss sich so zu sagen, erst an die Betrachtung dieser Objecte gewöhnen; auch gehört eine sorgfältige Beachtung der Beleuchtung und der Stelle, wo man das Mikroskop aufstellt, dazu. Ich habe theils auf meiner Reise hierher, theils selbst hier mit Verwunderung wahrgenommen, dass man mit den beiden zuletzt erwähnten Punkten sehr wenig sorgfältig zu verfahren scheint. Ich selbst habe meine Untersuchungen nur in einem ganz nach Norden gelegenen, hellen, jedoch von keinem einfallenden Sonnenstrahle ge- troffenen Zimmer angestellt; ich habe Monate lang diesen Gegenstand Tag für Tag bei durch- fallendem und auffallendem, ganzem und halbem Lichte untersucht und kann nicht daran zwei- feln, dass andere Beobachter, wenn sie sich entschliessen, meine Beobachtungen in der von mir angegebenen Art zu wiederholen, zu demselben Ergebnisse kommen und zugestchen werden, dass die Porosität aller Körper nicht, wie man bisher annahm, unsichtbar, sondern sichtbar und sogar messbar ist, dass es mithin zur Erklärung der Endosmose und anderer Vorgänge nicht der Annahme einer hypothetischen molekulären Porosität bedarf, dass vielmehr ausser den zwischen den Atomen und den Molekülen angenommenen Zwischenräunien, welche unsern optischen Hülfsmitteln wohl immer unzugänglich sein werden, noch gröbere Lücken in der Substanz aller Körper existiren, welche wohl geeignet sind, um den Mechanismus der Im- bibition ete. genauer aufzuklären. Ich halte mich für verpflichtet, die hier anwesenden be- rühmten Anatomen und Physiologen nochmals auf die von mir aufgefundenen Thatsachen auf- merksam zu machen, muss jedoch darauf verzichten, heute durch Demonstrationen die Objeeti- . vität meiner Wahrnehmungen nachzuweisen, denn das mir hier zur Disposition gestellte Mi- kroskop hat, wie ich mich überzeugt habe, nicht die zu diesem Zwecke unentbehrliche Licht- stärke und Schärfe der optischen Bilder, obwohl es sonst zu den bessern ältern Instrumenten Schieks gehört. Das von mir bei meinen Untersuchungen benutzte Mikroskop ist ein neuer grosser Schiek Nr. 1. und übertrifit, soweit ich darüber zu urtheilen vermag, die mir ander- weitig bekannten Mikroskope bei Weitem. — Die von mir bei meinen Untersuchungen befolgten Manipulationen sind in meiner oben citirten Schrift ausführlich beschrieben, weshalb ich darauf verweise. — Dr.Fuchs spricht sich über die Bedenken aus, die sich ihm über die Durchschneidung des Vagus bei einigen Thieren, besonders beim Hunde eingestellt haben, da besonders beim Hunde, wie das ja auch längs bekannt ist, Vagus und Sympathieus communieiren. Dr. Garms spricht über das gleichzeitige Fehlen des septum narium bei dem Fall von A. Groux (fissura stermi). Prof. Harley: Bei galvanischer Reizung des peripheren Endes des vorher durch- schnittenen Fagzs wird die retardirte Respiration wieder beschleunigt. An der darauf folgenden Debatte betheiligen sich Geh.-Rath Mayer, der bereits vor vielen Jahren alle die erwähnten Erscheinungen nach Vagus-Durchschneidung gesehen hat. Ferner die Prof. Donders, Czermak, Wittich. Prof. Donders spricht über die Natur der Vocale, die Constanz derselben in demselben Dialekt bei der Flüsterstimmung, deren physikalische Bestimmbarkeit aus der letztern. Er be- 209 merkt weiter, dass unter den Consonanten sich die sogenannten Reibungslaute gleichfalls physi- kalisch bestimmen lassen. } An der Discussion hierauf betheiligen sich Prof. Bruch, Czermak, Dr. Neuhäuser. Geh. Med.-Ratı Mayer bemerkt zu dieser Discussion, dass er früher die Vocale Con- sonanten der Glottis, Stosslaute der Stimmritze genannt habe, indem sie bei der gewöhnlichen Aussprache durch eine kurze, gleichsam stossweise erfolgende Contraction der Muskeln der untern Stimmbänder hervorgebracht und sodann durch verschiedene Verengung des Sprach- kanales, rima glottides selbst, Gaumen — Mundhöhle und Mundspalte modificirt werden. Bei der Aussprache von o und u sei die Verengung der Mundöffnung nicht nothwendig, sondern o und u können auch hörbar durch Verengung der Gaumenhöhle ausgesprochen werden. Kaum vernehmbar vermag es selbst die Stimmritze, oder es findet ähnliche Verengung der- selben gleichzeitig dabei statt. Die Vocale werden jedoch nicht immer als Stosslaute der Glottis ausgesprochen, sondern kommen schon als Hauchlaute vor. Die Hauchlaute sind die einfachsten, daher in mehreren Sprachen nicht als Buchstaben, sondern gar nicht, oder blos durch Punkte oder durch Accente bezeichnet. Sie sind einfache Spirationen, Athmungen, entweder Inspirationen, spiritus lenis, oder Exspirationen, Spiritus asper. Auch die Stosslaute der Glottis, die gewöhnlichen Vocale, können inspirando und ex- spirando ausgesprochen werden. Mit diesen In- und Exspirationen verbindet sich eine geringere oder grössere Verengung der Stimmritze, jene bei a, o, u, diese bei e und i. Inspirando ent- steht so das ah, exspirando das ha. Nach der Stärke der Ein- oder Ausathmung als Spiritus lenis dort, hier spiritus asper. Die Adspirationen oder Accente sind daher accessorische Laute und lassen sich sehr variiren, wie besonders in der Aussprache der Chinesen, deren Accen- tuirung, wie oben erwähnt, so mannigfach und so unnachahmlich für Uns ist. Exspirando entsteht das o, u mit Verengung der Stimmritze, mit noch grösserer das . e und i mit gleichförmiger Verengung der Gaumenhöhle. Inspirando geschieht dasselbe, nur leiser und unmerklicher. Das bei der Aussprache der Hauchvocale hörbare Geräusch wird also darnach verschieden sein. — — Die Benennung Selbstlauter und Mitlauter ist unrichtig. Es sind die Vocale eigentlich keine Lauter für sich, sondern nur verschiedene Verengungen des Sprach- oder Stimmrohres, der Stimmritze oder Kehlkopfspalte, der Zungenwurzel-Gaumen- spalte, der Zungenrücken - Gaumenspalte und der Lippenspalte, bei a, e, i, o, u. Leise können diese Vocale, wie schon gesagt, schon durch alleinige Verengung und Schliessung der Stimm- ritze hörbar gemacht werden; e und i werden nur deutlicher durch Verengung der Gau- menspalte, o und u durch Verschliessung der Mundspalte. Eigentliche Lauter oder Selbst- lauter sind nur allein die Consonanten. Spricht'man aber die Vokale als Stosslaute der Stimm- ritze aus, so werden sie zu Üonsonanten. Jeder Lauter setzt entweder eine Erschütterung der tendinösen, oder eine Selbstbewegung der verschiedenen muskulösen Organe des Sprachrohres voraus. Bei einfacher Erschütterung jener Organe des Sprachrohres, durch Anstoss oder Reibung der exspirirten oder inspirirten Luft an denselben, entsteht der Hauchlaut oder Zischlaut. Durch selbstständige Contraction und Expansion der Muskeln dieser Theile der Stosslaut. Durch zitternde Contractionen der- selben der Zitterlaut. Der Ausdruck Zitterlaut wurde von mir zuerst l. c. 1814 gebraucht. Im Jahre 1824 auch von Chladni; sowie das Wort Hauchlaut, Stosslaut, d. i. theilweise als Ver- schlusslaut (v. Gilberts Annalen Bd. 76. S. 187). Durch wellenförmige Bewegungen der- selben, der Wellenlaut. Diese vier sind die einzigen und ausschliesslichen Bewegungslauter oder Selbstlauter. Sie sind verschieden nach den verschiedenen Organen des Sprachrohres. 27 210 Die ersten oder die Hauchlauter sind es nach den verschiedenen Stimmritzen oder Stimm- spalten: der Kehlkopfspalte, der Gaumenbogenspalte, der Zungenwurzel- Gaumenspalte, der Zungenrücken-Gaumenspalte, der Zungenspitzen-Zahnspalte, der Lippen-Zahnspalte, der Lippenspalte, und so entstehen: h, x, ch, sch, s, ph, f. Alle diese Hauchlaute können inspirando und exspirando ausgesprochen werden. Der zweite Laut oder der Stosslaut ertönt als Stosslaut der Glottis in den Vokalen, wie wir sie gewöhnlich aussprechen (denn ein Vocal allein ist kein Laut, sondern eine stumme Oeffnung). Man überzeuge sich davon! Man lege beim Ansprechen der Vocale a, e, i, 0, u, den Finger in den Einschnitt des Schildknorpels des Kehlkopfes und man wird die stossende Zusammenzichung der Stimmbänder (der untern) dabei deutlich fühlen. Es folgen nun nach oben der Stosslaut des Gaumenbogen, k, der der Zungenwurzel q, der des Zungenrückens g, der Zungenspitze am Gaumen d, Zungenspitze am Zahnrücken t, am Zungenspitzen- Zahnrand in th übergehend, der Stosslaut der Lippenspalte b und w. Zwischen dem Hauchlaut der Stimmritze und dem Stosslaut derselben, steht der Tonlaut (Vibrationslaut) in der Mitte, der ja in allen Vocalen tief oder hoch angeschlagen werden kann. Diese Laute können öffnend und schliessend die Stimmspalte hervorgebracht werden und modifieiren sich dadurch als g und eng, d und n, b und m. Der dritte Laut ist der Zitterlaut. Der Zitterlaut der Glottis inspirando beim Bauchredner und im Röcheln; exspirando im Triller, der des Gaumensegels im Schnarchen, der Zitterlaut der Gaumenbögen im ge, der des Zungenrückens im r, der Lippen im brr, wie wir es beim Verscheuchen von Vögeln etc. ansprechen. Der vierte fast ausschliesslich der Zunge angehörige Laut ist der Wellenlaut L. Er wird, dieser Laut, nicht, wie Brücke (Physiologie der Sprachlaute, Wien 1856) behauptet, einfach durch blose Herstellung einer Enge im Mundkanal gebildet «l. c. p.30). Das L der Glottis im Triller, auch im Lachen, das der Gaumenbogen im Gurgeln der Tyroler- und Schweizer-Sänger, das reine L der Zunge, welleuförmig sich anschliessend an den Gaumen, abstossend von ihm im L beim Schnalzen, oder im Hottentotten-L. Das L der Lippen weicher als dessen r. Auf das mir wichtig scheinende Moment, dass man die Hauchlaute und die Stoss- Vocale, so wie selbst den Zitterlaut und Wellenlaut der Stimmritze inspirando und exspirando an- sprechen kann, hat keiner der Grammatologen bisher Rücksicht genommen. Noch wären die sogenannten Nasenlaute zu besprechen. Es werden solche aber nicht in der Nasenhöhle gebildet, es sind nur Nasentöne, angeboren bei Verengerung der hintern Nasenöffnungen (Choanae) oder willkührlich, wenn die Gaumenbogenspalte so verengt wird, dass der Laut der Stimme in dem hintern Raum der Nase ertönt. Eigentliche Nasenlaute giebt es nicht, weil in der Nasenhöhle keine beweglichen Stimmbänder sind; mit Ausnahme etwa der Nasenflügel. An diesen könnte eine Art Nasenlaut, Nasenhauchlaut oder auch Zitterlaut, 2. B. beim Nüstern (der Pferde), im Niesen, mit jedoch undeutlichem r stattfinden. (8. Mayeı, über die Bildung der Sprache. Bern 1814 bei Stämp fli.) Bei den Hauchlauten überhaupt ist noch der dabei stattfindende Respirations-Grad oder die Hauchstärke, wie erwähnt, zu berücksichtigen. Sie bildet den sogenannten Accent, entweder als Spiritus asper beim starken Ausathmen, oder Spiitus lenis beim leisen Ausathmen und beim Einathmen, sodann die Accentuirung mit verschiedener Tonhöhe der übrigen Hauchlaute, wovon das s und f die meisten Modificationen erlaubt. 21 9, Sektion für praktische Medicin. In der einleitenden Sitzung fand die Präsidentenwahl statt. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Tages -Präsident: Dr. Spiess aus Frankfurt. Geh. Kilian legt Exemplare einer Schrift des Herrn Geh. Rath Bischoff: Das Be- dürfniss und die Grundzüge der Arzneimittellehre 1856, sowie des Herrn Dr. Weidgen: Das Mineralbad Neuenahr im Ahrthal, Coblenz 1857, zur Vertheilung vor. Auf Antrag des Dr. Dawowsky wurden als Zeitmaass für die einzelnen Vorträge 20 Mi- nuten festgestellt. Hofrath Dr. Beneke macht der Versammlung Mittheilung über den Inhalt seiner im Laufe d. J. erschienenen Schrift „Mittheilungen und Vorschläge in Betreff der Anbahnung einer wissenschaftlich brauchbaren Morbilitäts- und Mortalitäts-Statistik für Deutschland“ und beantragt, da es an der zur Discussion in der Versammlung selbst nothwendigen Zeit fehle, eine Com- mission zu wählen, welche die vorgelegten Vorschläge einer sorgfältigen Prüfung unterziehe und die Resultate derselben wo möglich noch im Laufe der nächsten Tage der Versammlung vorlege. Die Versammlung genehmigt den Antrag, und es werden in die Commission gewählt die Herren: Prof. Schneevoigt aus Amsterdam, Dr. Spiess aus Frankfurt a. M., Prof. Jul. Vogel aus Halle, Hofrath Dr. Baum aus Göttingen, Prof. Dr. Cred& aus Leipzig. (Vergl. oben den Auszug aus dem Correspondenzblatt.) j Dr. Lehmann aus Rehme hielt einen Vortrag über die verschiedene Einwirkung, welche Bäder von gewöhnlichem und solche von Rehmer Thermalsool- Wasser auf den Stoffwechsel seines Körpers gehabt hatten, Diese Arbeit ist eine Controlle seiner, bereits 1855, in einer besonderen Broschüre „Das Thermalbad zu Bad Oeynhausen und das gewöhnliche Wasser“ veröffentlichten, über denselben Gegenstand. Diese Wiederholung geschah, weil die in jener Schrift begründeten Resultate öffentlich angegriffen und geradezu negirt worden waren. (Of. „Deutsche Klin.“ Nr. 10 und 11.) Es wurden daher nochmals 30 Tage, und zwar 10 als Normal-, 10 als Thermalbade- und 10 als Badetage in gewöhnlichem Wasser verwandt, das Verhalten der Ausscheidungen und des Körpergewichtes zu beobachten. Die gewonnenen Zahlen wurden unter Auctorität eines Mathematikers von Fach verwerthet. Das auch durch diese wiederholten Beobachtungen gewonnene Resultat lautet: 1. Nach Bädern wird die Urinquantität vermehrt, jedoch nach gewöhnlichen Wasser- bädern constanter und intensiver, alsnach Thermalbädern. — Diese Vermehrung des Urines bezieht sich jedoch nicht auf die 24stündige Periode, während welcher die Harnquantitäten wenig beeinflusst erscheinen, aber um so deutlicher auf die dem Bade folgende Stunde. 2. Während 24 Stunden scheinen nach gewöhnlichen Wasserbädern die grösseren Mengen Harnstoff ausgeschieden zu werden, während dieselben nach Thermalbädern nicht vermehrt wurden. 212 os . Die Ausscheidung des Cl. Na. erschien nicht vergrössert. 4. Phosphorsaurer Kalk und phosphorsaure Magnesia schienen nach Thermalbädern in geringerer Quantität ausgeschieden zu werden. . Das Körpergewicht schien unter dem Gebrauche des Thermalbades am wenigsten einzubüssen. 6. In Bezug auf die Menge der gasigen Ausscheidung lässt sich wegen sehr wandel- barer Witterung (April) kein Schluss machen. Die betreffende Arbeit ist unter Beifügung der zum Grunde liegenden Zahlen in extenso abgedruckt worden im „Arch. d. Vereins z. Förder. d. wissensch. Heilk. von Vogel, Nasse und Beneke IV. I. Staatsrath Dr. Weisse aus St. Petersburg giebt einen Rückblick auf den Gebrauch des geschabten rohen Rindfleisches in der Diarrhoea ablactatorum. Es sind bereits siebenzehn Jahre verflossen, seitdem ich das ärztliche Publikum zuerst auf dieses unschätzbare Heilmittel in der oben genannten Krankheit aufmerksam gemacht;*) indess fand dasselbe erst grösseren Eingang, nachdem derselbe Gegenstand fünf Jahre später von mir ausführlicher besprochen ward.**) Jetzt ist die Fleischkur fast überall acceptirt und ihre Nützlichkeit von vielen Seiten bestätigt worden. Bei uns in St. Petersburg hat sich dieselbe so zu sagen eingebürgert, und zwar mehr durch mündliche Tradition und die günstigen Erfolge, als dureh öffentliche Blätter, indem ich darüber nie etwas daselbst habe drucken lassen. Die meisten Collegen in der russischen Hauptstadt bedienen sich derselben schon seit Jahren in dieser so mörderischen Kinderkrankheit, und sie alle versichern, sehr erfreuliche Resultate er- zielt zu haben, selbst in solchen Fällen, wo von der Anwendung der sonst gerühmten Arznei- mittel nichts mehr zu erwarten stand. Ich selbst habe das rohe Rindfleisch bereits wohl bei zweihundert Kindern anwenden sehen und in der Mehrzahl mit erwünschtem Erfolge, wenn man nur rechtzeitig, seine Zuflucht zu demselben genommen. Ist nämlich das Uebel schon so weit gediehen, dass es das Ansehen der sogenannten Gastromalacie gewonnen, so wird man nur noch ausnahmsweise Heilung bewirken. Jedenfalls ist aber kein Mittel so im Stande, das quälendste Symptom, den tantalischen Durst, und auch das Erbrechen der Armen zu stillen, als das rohe Fleisch. Schon nach einigen Mahlzeiten tritt diese wohlthätige Wirkung ein. In neuerer Zeit hat sich nun aber bei uns, wie ich schon öffentlich berichtet, ***) heraus- gestellt, dass sich bei vielen der durch das rohe Fleisch geretteten Kindern später der Band- wurm gezeigt habe, und wohl zu merken, stets Taenia Solium, gerade die Species, welche in St. Petersburg nicht einheimisch ist. Ein Herr Dr. Braun hat sich veranlasst gefühlt, diese Thatsache in Zweifel zu ziehen. ****) Indessen ist zwei Jahre später eine nicht abzuweisende Autorität in dieser Angelegenheit, Herr Prof. Dr. v. Siebold in München, zu Gunsten des von mir berichteten Factums aufgetreten. *****) Derselbe macht ganz besonders auch darauf aufmerksam, dass es in allen Fällen Taenia Solium gewesen, was abgegangen war, und spricht seine Meinung dahin aus, dass uns diese Bandwurm- Species wahrscheinlicher Weise in unent- or *) Oppenheim’s Journal f. d. gesammte Mediein. Hamburg 1840. Bd. 13. pag. 393. **) Journal f. Kinderkrankheiten. Berlin 1845. Bd. IV. pag. 99 — 104. *#*) Journal. f. Kinderkrankheiten. 1851. Bd. XVI. pag. 381. »eek) Ebend. 1852. Bd. X VIII. pag. 78; auch in Froriep's Tagesberichten von 1852. ##rr) Ueber die Band- und Blasenwürmer. Leipzig 1854. pag. 113. 213 wickeltem Zustande in dem Muskelfleische der aus Tscherkassien und Podolien kommenden Rinder zugeführt werde. Nur wenige Wochen vor meiner Abreise aus St. Petersburg, im Juni d. J., ward mir abermals von einem Collegen, dem ich die Fleischkur bei einem von ihm behandelten 18monat- lichen Kinde, welches an der in Rede stehenden Diarrhoe litt und bereits sehr von Kräften gekommen war, 'warm empfohlen hatte, ein über 4 Fuss langer Bandwurm zugeschickt, welcher dem erwähnten Kinde auf den Gebrauch des Oleum aethereum jilieis maris abgegangen war. Dieses Mittel ward gereicht, weil sich mehrmals, nachdem schon seit mehreren Monaten kein rohes Fleisch mehr gegeben worden, einzelne sich noch bewegende Bandwurm-Glieder in den Stuhlausleerungen vorfanden. Der College selbst, welcher mich zugleich benachrichtete, dass das Kind überaus gut gedeihe, hatte bereits den Wurm richtig als Taenia Solium erkannt. Ich fand, dass derselbe mit dem Kopfe, an welchem die Saugmündungen unter dem Mikroskope deutlich wahrgenommen werden konnten, abgegangen war. Anmerkung. WVorstehendes ist nur ein Auszug aus des Redners Vortrage. Er beabsichtigt das Ganze in dem Berliner Journale für. Kinderkrankheiten abdrucken zu lassen. Dr. Dawowsky aus Oelle sprach über die Heilung inveterirter und complieirter Syphilis mittelst des Ligwor arseniei und hydrargyri jodati (Liquor Donovani). Meine Herren! Es ist nicht selten, dass Fälle in der Praxis vorkommen, wo die Syphilis theils durch ihr langes Bestehen, theils durch Complicationen, namentlich mit Seropheln und Herpes eine Hartnäckigkeit zeigt, die selbst den sonst bewährten Mitteln; Mercur, Jod, Zitt- mann etc. widersteht. Es sind dieses namentlich die von Ricord als tertiäre Syphilis bezeich- neten Formen, welche hauptsächlich in den Knochen, häufig aber auch als tiefe Tuberkeln der Haut und der Schleimhäute (Lupus syphilitieus) auftreten. Die Therapie schreibt hier freilich das: Divide et impera! vor, das heisst, man sollte erst die Complication beseitigen und dann zur Cur der Syphilis schreiten; allein wie so häufig in der Praxis ist dies eher gesagt als ge- than. Ich wenigstens habe früher den Erfolg dieser meiner Bemühungen in der Praxis nicht besonders loben können, bis ich in dem Liguor arseniei et hydrargyri jodati ein Mittel kennen lernte, mit dem ich ganz eclatante Heilungen vollbracht habe. Das Mittel ist nicht neu, allein ich halte mich für überzeugt, dass einestheils seine nicht ganz regelgerechte Zubereitung, anderntheils und hauptsächlich seine nicht vorsichtig genug geschehene Aufbewahrung, wie ich gleich zeigen werde, der Grund ist, warum es nicht die verdiente Aneıkennung gefunden. Die Bereitung dieses Ligwor Donovanı, oder wie er seiner Zusammensetzung nach heisst: Liquor arseniei et hydrargyri jodati ist folgende: Man nimmt 6,08 Gran fein zerriebenes, metallisches Arsen, 15,38 Gran Quecksilber und 50 Gran Jod, reibt diese in einem Porcellan- Mörser unter Zusatz von einer Drachme Alkohol so lange, bis die Anfangs braune Masse eine blassrothe Farbe angenommen hat und trocken ist. Dänn wird diese Masse mit destillirtem Wasser und einer Drachme Jodwasserstoffsäure, welcbe 2 Gran Jod enthält, einige Minuten gekocht, nach dem Erkalten filtrirt und so viel destillirtes Wasser zugesetzt, dass das ganze Gewicht 8 Unzen beträgt. Der chemische Process ist folgender: Es verbindct sich das Arsen mit dem Jod zu Jodarsen oder Arsensuperjodür und ebenso verbindet sich das Quecksilber mit dem Jod zu Quecksilberjodid und es entsteht somit ein Doppelsalz von Quecksilberjodid und Arsensuperjodür. Was den Zusatz von Jodwasserstoflsäure anbelangt, so geschieht das zu dem Zwecke, um das bei dem Arsen stets vorhandene Arsensuboxyd zu zersetzen, welches hiermit in Wasser und Arscensuperjodür zerfällt, indem sich der Wasserstoff der Jodwasserstoffsäure mit dem Sauerstoff des Arsensuboxyds zu Wasser und das Jod mit dem Arsen zu Arsen- 214 superjodür verbindet; der Zusatz von Alkohol geschieht, damit die Verbindung; ‚nicht so energisch vor sich gehe, indem sonst ein Theil Jod sich verflüchtigen würde. Das so bereitete Präparat stellt eine farblose Flüssigkeit dar, sieht dasselbe bräunlich getrübt aus, dann ist ge- wöhnlich durch längeres Aufbewahren und Zutritt des Sauerstoffs der Luft das Arsensuper- jodür zersetzt in arsenige Säure und Jodwasserstoff, und dieser wieder durch den Sauerstoff der Luft in Wasser und freies Jod, welches die bräunliche Trübung hervorruft. Es ist klar, dass ein so zersetztes Präparat den Namen Ligxwor Donovanı nicht mehr verdient, sowie, es einleuchtend ist, dass man bei der Anwendung sich zuvor von der Echtheit des Mittels zu überzeugen hat. Cooper, welcher in der Med. Pim. von 1851 den Liquor besonders in den Fällen empfiehlt, wo bei längerem Gebrauche der Jodpräparate. die Symptome der Syphilis eher zu als abnehmen, giebt folgende Mischung zu seiner Anwendung an: Rec. Lig. Donovani 38 Extr. sassapar. 3) Deeoet. spec. lignor. vjj). Mss. 3 Mal täglich 1 Esslöffel voll und ‘Abends gr. 8 opiü. Ich habe mich anfangs ebenfalls dieser Mischung bedient, das Opium aber, von dem ich glaube, dass es Cooper nur der nächtlichen Kopfschmerzen wegen verabreichte, da wegge- lassen, wo diese Schmerzen nieht vorhanden waren. Später habe ich den Liquor allein, nur mit destillivtem Wasser verdünnt, verabreicht und von ihm die nämlichen glücklichen Erfolge gesehen. Wie schon erwähnt, sind es Fälle von inveterirter Syphilis, welche jeder kunstgerechten Behandlung widerstanden, namentlich die so hartnäckigen, äusserst widerwärtigen Formen von verschwärenden Hauttuberkeln, Lupus syphilitieus, gegen welche der Liquor sich ganz vor- züglich bewährt hat, und mag es auch unpassend erscheinen, hier Krankengeschichten anzu- führen, so kann ich es doch nicht unterlassen, zwei Fälle, wo er sich als ultimum remedium zeigte, in Kürze zu berühren. Der erste betraf einen jungen Menschen von 24 Jahren, welcher an verschwärenden Hauttuberkeln, die sich über beide obere Extremitäten, Hals und einen Theil der Brust ausgebreitet hatten, litt, und wo das Secret einen solchen Gestank verbreitete, dass ihn Niemand mehr beherbergen wollte. Er war aus der Hand des einen Collegen in die des andern gewandert, hatte die verschiedensten Curen ohne Erfolg gebraucht und sah sich endlich genöthigt, in dem unter meiner Leitung stehenden Armen-Krankenhause ein Asyl zu suchen. 18 Drachmen Lig. arsen. et hydrarg. jod. haben ihn vollkommen geheilt, seit 4 Jahren ist er, der Ausgestossene, der menschlichen Gesellschaft zurückgegeben, er ernährt sich als Musikus und Cigarren- Arbeiter, und sein freudiger Blick, wenn er mir begegnet, beurkundet deutlich seine Dankbarkeit. Der zweite Fall, dessen Cur ebenfalls im Armen-Krankenhause, und zwar vor einigen Monaten vorgenommen wurde, betrifft eine Frau von 50 Jahren, wo die verschwärenden Haut- tuberkeln Kopf und Gesicht in solcher Weise befallen hatten, dass letzteres förmlich unkennt- lich geworden war. Auch hier war vorher schon Manches ohne Erfolg in Anwendung ge- bracht worden, ich griff sofort zum Lig. Donovanı und habe mit 16-Drachmen die Cur mit Erfolg vollendet. ‘In Hinsicht der Diät will ich noch bemerken, dass ich in allen Fällen, da die Patienten heruntergekommen waren, eine nährende Fleischkost vorgeschrieben habe. Ich bin kein Freund der Hungerkuren, und habe mich in meiner Praxis sattsam überzeugt, dass Mercur, Jod und Arsen sich mit Entziehungscuren nicht gut vertragen. Schliesslich ‘erlaube ich mir noch über die Stärke der einzelnen Dosen Folgendes mitzu- 215 theilen. Verabreicht man die von mir angegebene Mischung (3j$ Lig. auf zvjj) Agqu. destil I.) so ist der Gehalt des Arsen’s darin %, Gran, des Merkurs ®/,‘Gran und des Jod’s 1''/,, Gran. Es enthält mithin der Kranke in 3 Esslöffel voll täglich (3j%) Arsen #/\,; Gran, Mercur 1/4, Gran und Jod '%,, Gran. Zum Präsidenten der nächsten Montags - Sitzung wird Prof. J. Vogel ausHalle erwählt. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Tages - Präsident: Prof. Dr. Jul. Vogel aus Halle. Ueber die schriftliche Aufforderung des Dr. Winter aus Lüneburg zu entscheiden, ob der Nutzen der Vaceination anzuerkennen sei, wird zur Tagesordnung gegangen. An einer kurzen Discussion betheiligen sich Dr. Jacobs aus Eupen und Dr. Dawowsky aus Celle. Herr Sanit.-Rath Dr. Graetzer aus Breslau legt eine Anzahl von Exemplaren seiner Schrift „Beiträge zur Bevölkerungs-, Armee-, Krankheits- und Sterblichkeits - Statistik der Stadt Breslau“ der Section vor. Dr. Pozansky aus Wien sprach über ein neues Sphygmometer, welches in natura von ihm vorgelegt wurde. Die von ihm gemachte Modification des Sphygmometers besteht in der Anwendung eines Haars, welches die capilläre Kraft des Glasröhrchen beseitigt und macht das Instrument ausser- ordentlich empfindlich — die da angebrachte Sanduhr dient zur Berechnung der Frequenz der Pulsschläge. — Derselbe sprach über Prophylaxis in der Cholera. Cholera -Epidemien sind der Condensation der Luft proportionell. Das pathognomische Zeichen der Cholera-Imminenz ist in der Verlangsamung des Pulses bis auf 40 Pulsschläge per Minute begründet. Es liegt der Staats-Hygiene ob, die praedisponirten Subjecte während der Cholera- Epidemie unter Gesunden aufzusuchen und durch die Beschleunigung der Circulation, den Cholera- Anfällen vorzubeugen. Prof. Naumann sprach über die Anwendung verschiedener Eisen-Praeparate in der tu- berkulösen Lungenschwindsucht, nach den Erfahrungen, die in der hiesigen medici- nischen Klinik über diesen wichtigen Gegenstand gewonnen worden sind. Die Eisen- mittel wurden als diejenigen Arzneien bezeichnet, zu deren Gunsten vorzugsweise Thatsachen sprechen, so dass fortgesetzte Mittheilungen über dieselben schr wünschenswerth sind. Die Präsidentenwahl fiel auf Professor Naumann. 3. Sitzung: Dienstag, den 22. September. Tages-Präsident: Prof. Naumann. Nach Eröffnung der Sitzung kamen zur Vertheilung: Dr. Mare. d’Espine. Esquisse geographique des invasions du cholera en Europe. Paris 1857. — W. Bucck, ved. Klinik over Hudsygdommene og de syphilitische Sygdomme i 1852. Sodann sprach Prof. W. Boeck aus Christiania über die Syphilisation als Kur- methode gegen constitutionelle Syphilis. 216 Wenn man uns ein neues Mittel gegen irgend eine Krankheit anbietet, so fragen wir zuerst, ob wir auch dessen bedürftig sind, oder ob wir etwa gegen diese Krankheit schon sichere und unschädliche Mittel besitzen. Wenn das Letztere der Fall ist, dann sind wir nicht besonders eifrig, mit dem neuen Heilmittel zu experimentiren. Wenn dasselbe dazu noch ge- fährlich oder ganz unsinnig scheint, dann ‘bedanken wir uns sehr und behalten das alte ge- prüfte Mittel. Ich werde ein Beispiel nehmen: Bietet man uns gegen einen gewöhnlichen Febris intermittens ein dem Ansehen nach gefährliches Mittel an, dann würden wir sehr unrecht handeln, wenn wir damit experimentirten, da wir im Chinin ein geprüftes, ein sicheres, ein unschädliches Mittel besitzen. Auzias Turenne und Sperino haben uns die Syphilisation gegen Syphilis angeboten. Lasst uns denn in möglichster Kürze die angezeigte Untersuchung hinsichtlich der Mittel an- stellen, die wir gegen diese Krankheit besitzen. Das Hauptmittel ist immer Merkur gewesen und bei diesem werde ich mich aufhalten; ich werde die Frage aufstellen, ob wir auch mit dem Mereur die Syphilis heilen? Die ersten Syphilidologen beantworteten diese Frage mit Nein, man drängt die Phänomene zurück und nach kürzerer oder längerer Zeit kommen sie wieder, oder wenn auch das Individuum, das behandelt worden ist, frei bleibt, so können doch seine Abkömmlinge syphilitisch werden. Da ich in einem engeren Kreise wirke, wo es mir einigermassen möglich wird, diese Ver- hältnisse zu controlliren, habe ich gesucht, für eine längere Reihe von Jahren (30. Jahre) die Resultate der Mercurialbehandlung gegen Syphilis in den Hospitälern Christianias zu sammeln. Ich habe dadurch gefunden, dass die Anzahl der Recidive ungefähr 27 Proc. ausmacht. Kommt nun dazu, dass viele mit ihren Recidiven anderswo Hülfe suchen, dass einige in andere Abthei- lungen des Hospitals eingelegt werden, indem die Recidive unter der Form chirurgischer und medicinischer Krankheiten (z. B. Krankheiten des ossösen Systems, Paralysen und Geistes- krankheiten) auftreten, so wird man mir gewiss einräumen, dass die Mereurialbehandlung nicht sehr sicher ist und auch nicht unschädlich. — Und doch darf ich sagen, dass die Behandlung, der Kranken während der Jahresreihe die ich angegeben habe, mit Sorgfalt und Geschicklich- keit geleitet worden ist. (Ich muss hinzufügen, dass nur ein geringer Theil der Observationen von meiner eignen Klinik sind.) Nach der Erfahrung, die ich in meinem Kreise von der Mercurialbehandlung hatte, habe ich nicht gezögert, als die Syphilisation mir bekannt wurde, damit Versuche zu machen. Ich fing damit am Ende des Jahres 1852 an und bin seitdem immer damit fortgefabren, indem ich in den letzten 3 Jahren den Mercur gänzlich verlassen habe. Von dem ersten Augenblick habe ich nur die Syphilisation durchgeführt bei Denen, die an constitutioneller Syphilis gelitten haben, denn ich habe mich unberechtigt angesehen, ein Virus in den Organismus hineinzu- bringen, wenn ich nicht mit Sicherheit wusste, dass dieses schon da war. Es ist zwar so, dass nach dem indurirten Chanker die constitutionelle Syphilis folgt, aber es ist möglich, sich in seinem Urtheil über die Induration zu irren, darum warte ich bis die constitutionellen Symptome ausgebrochen sind. Die Art und Weise in welcher ich die Syphilisation ausführe, ist folgende: Ich nehme Materie von einem primairen Geschwür und mache damit drei Inoculationen in jeder Seite; nach drei Tagen nehme ich Materie von den durch die zuerst gemachten Inoculationen hervor- gebrachten Pusteln und mache damit drei neue Inoculationen in jeder Seite. Auf diese Weise fahre ich fort alle drei Tage in die Seiten zu inoucliren, indem ich immer für die neue In- oculation die Materie von den zuletzt entwickelten Pusteln nehme. 217 Es ist bei der fortgesetzten Inoculation ein interessantes physiologisches Phänomen zu be- obachten. Während die Pusteln und Geschwüre nach den ersten Inoculationen gross werden und alle die Charaktere eines syphilitischen Geschwürs annehmen, werden sie nach den fol- genden Inoculationen immer kleiner und kleiner, bis zuletzt die Wirkung der Inoculation ganz negativ ist. Und doch darf man nicht glauben, dass die Materie von diesen letzten abortirenden Pusteln absolut schwach ist, im Gegentheil, wenn man mit dieser Materie Inoculätionen macht bei einem Individuum, bei dem die Syphilisation erst angehen soll, sieht man sie wieder Pusteln und Geschwüre hervorbringen, die eben so gross sind, wie die nach den ersten Inoculationen bei dem ersten Individuum. Ein anderes nicht weniger merkwürdiges Factum zeigt sich, wenn man, nachdem die erst angebrachte Materie nicht länger anschlägt, eine neue Materie nimmt, es sei nun von einem primairen Geschwür auf gewöhnliche Weise entstanden, oder von einem andern syphilitischen In- dividuum. Dann wird diese Materie anschlagen, aber die ersten Pusteln und Geschwüre, die damit hervorgebracht werden, sind bei weitem nicht so gross wie diejenigen, die bei der ersten Materie hervorkommen. Ich fahre nun wieder in derselben Weise: fort, wie mit der ersten Materie, ich inoculire aller drei Tage, und nehme immer die Materie von den zuletzt ent- wickelten Pusteln, und ich komme zu demselben Resultat wie nach der ersten Materie: meine Inoeulationen bleiben zuletzt ohne Resultat. Hier ist nur der Unterschied, dass die Reihe von Stufen, welche die zweite Materie hervorbringt, bei weitem nicht so zahlreich ist wie diejenige nach der ersten Materie. Könnte ich z. B. mit dieser durch 20 nach einander folgenden Glie- derstufen inoculiren, so werde ich mit der zweiten nur durch ungefähr 10 Glieder- Stufen in- oculiren können. Will ich nun eine dritte Materie nehmen, so wird diese noch schwächer und noch kürzer wirken, und so eine jede folgende, bis ich endlich von einer ganz neuen Materie gleich ein negatives Resultat erhalte. Diese Facta kommen nicht bei einem Individuum vor und bleiben bei einem andern weg, sondern sie kommen bei Allen vor; es giebt keine Ausnahme, sie sind constant, wir haben hier ein Naturgesetz vor uns. Indessen bin ich nicht mit der Syphilisation zu Ende, weil die Materie nicht mehr in den Seiten wirken will, ich führe sie alsdann zu den Armen über, wo ich wieder in derselben Weise fortfahre wie in den Seiten. Doch bemerkt man leicht die Einwirkung der in den Seiten vorher gemachten Inoculationen auf dem ganzen Organismus, die Materie wird nicht lange anschlagen und die Wirkung im Ganzen schwach sein. — Ich bringe endlich die Materie zu den Schenkeln, wo die Empfänglichkeit sich am grössten zeigt. Es ist zwar ein grosser Unterschied, wenn ich zuvor in den Seiten und an den Armen inoculirt habe, oder ob ich meine Inoeulationen gleich an den Schenkeln anfange, aber ich kann dort doch immer noch recht grosse Pusteln und Gesehwüre hervorbringen und die erste Materie wird nicht so ganz wenige Stufen geben. — Hingegen, wenn ich die Inoculationen an den Schenkeln anfange, so werden die Pusteln und Geschwüre sehr gross und die Inoculationsreihe wird sehr lang. Ich habe früher immer gleich an den Schenkeln angefangen, jetzt aber fange ich am öftersten in den Seiten an, vermeide dadurch die grossen Geschwüre, und glaube, dass man auch auf diese Weise nicht so leicht Phagedonisme sehen wird. Unter allen Umständen fange ich in meiner Privat- Praxis die Inoculation in den Seiten an, meine Patienten können dann immer während der Behandlung, es sei Winter oder Sommer, in’ der freien Luft sein und alle ihre Geschäfte besorgen, in welcher Stellung sie auch sein mögen. Nachdem ich die Phänomene erwähnt habe, die sich bei der Syphilisation zeigen, komme 28 218 ich zu ihrem Einfluss auf die constitutionelle Syphilis. — Hier muss man gleich zwischen zwei Klassen von Kranken unterscheiden: nämlich diejenigen, die früher mit Mercur behandelt worden sind, und diejenigen, die früher keiner Behandlung unterworfen gewesen, oder wenigstens nicht mereurialisirt worden sind. Für diesen letzteren ist die Syphilisation eine sichere Curmethode, und nur bei diesen können wir ihre wahre Wirkung beobachten, denn sie ist das Heilmittel gegen die Syphilis, aber nicht gegen Syphilis und Merkur. Unter der fortgesetzten Inoculation bei diesen Individuen sehen wir die gegenwärtigen Phänomene nach und nach verschwinden, bis sie nach 3 bis 4 Monaten ganz weg sind. Doch finden sich nicht selten während dieser Zeit neue Eruptionen ein, was aber durchaus nichts schadet. Man braucht sie gar nicht zu berücksichtigen, sondern fährt nur fort unausgesetzt zu inoculiren. Man kann sich bei diesem Verfahren darauf verlassen, dass die neuen Eruptionen mit den alten verschwinden. Und dies gilt nicht allein von einzelnen neuen Phänomen, es gilt allen, es gilt sogar dem während der Syphilisation nicht selten eintretenden Irit. Selb»t diesen lasse ich hingehen, ohne irgend ein Mittel dagegen anzuwenden. Die Kranken haben keine Decke vor den Augen, sie können ausgehen, essen und trinken, und ihr Gesicht wird nach der Krankheit wieder eben so gut wie vorher. Es muss noch für diese Klasse von Kranken bemerkt werden, dass im Allgememen sich nach beendigter Syphilisation, und nachdem alle Symptome verschwunden sind, eine neue Eruption einfinden wird, am öftersten Excoriationen an verschiedenen Stellen der Schleim- membrane im Munde; auch diese kann man unbemerkt lassen, sie verschwinden nach Verlauf von einigen Wochen. Es ist meine Schuldigkeit zu bemerken, dass von den 100 Individuen von dieser Classe nach meiner Behandlung 3 Recidive waren. Es wäre zu weitläufig, hier alle die speciellen Um- stände dabei zu entwickeln, man muss sie als gewöhnliche Recidive nehmen, und ich meine das Resultat genügt doch vollkommen. Nicht so verhält es sich, wenn die Syphilisafion bei denen angewandt wird, die früher mercurialisirt wurden. Die Inoculations-Phänomene zeigen oft nicht den regelmässigen Gang, den ich oben beschrieben, die Immunität kann zuweilen bald eintreffen, und nach kurzer Zeit kann man wieder, besonders wenn man einige Dosen Jod giebt, mit einem guten Resultat inoculiren. Zu andern Zeiten gehen die Inoculationen ihren regelmässigen Gang und die Ge- schwüre können sogar ungewöhnlich gross werden. Vorzüglich übt die vorherige Mercurialbehandlung ihren Einfluss auf die Heilung der Krankheit aus. Wir sind nicht ganz überzeugt, mit der Syphilisation allein unser Ziel erreichen zu können, wir müssen oft zu gleicher Zeit Jod eingeben. Ferner sind wir auch nicht vor Recidiven gesichert. Sie treten nicht selten ein, wo Mercur früher angewandt worden ist, aber auch in diesen Fällen können wir nie eine wohlthätige Wirkung der Syphilisation verkennen. Viele werden geheilt, beinahe mit derselben Regelmässigkeit, als wenn kein Mercur angewandt wäre, nur wird dazu gewöhnlich längere Zeit erfordert. Diejenigen, die früher vergebens mit Mercur und Jod behandelt worden sind, werden mit Syphilisation und Jod geheilt, und wenn bei den mercunialisirten Individuen, die der Syphilisation unterworfen werden, späterhin Re- eidive eintreten, dann sind diese immer unter einer milderen und unbedeutenderen Form als die vorher existirende; ich bringe niemals meine Patienten bei der Syphilisation tiefer und tiefer hinunter, ich helfe ihnen doch immer hinauf. Den Recidiven behandle ich wieder mit Syphi- 219 lisation und bin auf diese Weise ganz gewiss, die Heilung zu erzielen, während ich bei fort- gesetzten Mercurialcuren zuletzt meinen Patienten vernichte. Das Befinden des Kranken ist im Allgemeinen während der Syphilisation gut, die Ge- schwüre können zwar zuweilen etwas schmerzen und während einiger Wochen seinen Schlaf stören, aber daraufist auch Alles beschränkt. — Wenn sein Befinden vor der Syphilisation, dem constitutionellen Leiden zufolge, weniger gut war, wenn Schwierigkeit im Körper, Abgeneigtheit zu Geschäften, traurige Gemüthsstimmung etc. vorhanden war, so wird man immer sehen, dass er während der Syphilisation ganz und gar den normalen Zustand zurückgewinnt, und es ist ganz alleemein beobachtet, dass der Kranke, während der Syphilisation an Wohlbeleibtheit zunimmt. Was ich hier, hinsichtlich der Syphilisation, angeführt habe, gilt sowohl für die Anwendung dieser Methode bei Erwachsenen, wie auch bei Kindern. Die Anwendung der Syphilisation bei dem Kinde ist, wenn möglich, mit noch weniger Schwierigkeit verbunden wie bei dem Erwachsenen, die Pusteln und Geschwüre werden kleiner und die Behandlung dauert gewöhn- lich nicht so lange. Es sind dabei einzelne Umstände von weniger Bedeutung zu observiren, aber die Zeit erlaubt mir nicht, hierauf einzugehen; ebenso muss ich bemerken, dass, was ich hier habe anführen können, nur eine kurze Skizze der Syphilisation ist. Ich muss im Uebrigen hinweisen auf das, was ich in verschiedenen Schriften über diesen Gegenstand publicirt habe, und schliesse mit der Bemerkung, dass, wenn meine Auffassung von der Syphilisation richtig ist, die Entdeckung Turennes und Sperinos eine Wohlthat für das Menschenge- schlecht zu nennen ist. Bei der Debatte hebt Prof. v. Baerensprung die Unannehmlichkeiten der Syphilisation für Kranke und Aerzte hervor, da doch trotz Impfung von etwa 1000 Schankern Recidive vor- gekommen. Auch fehle eine Parallele zwischen dieser Methode und andern Heilverfahren. Dr. Damowsky rechtfertigte die Anwendung des Quecksilbers in der Syphilis. Jean d’Isombert fragte wie lange die Immunität nach der Syphilisation dauere. Darauf erwiederte Boeck: Es ist mir sehr lieb zu hören, dass der Herr Professor Baerensprung meine Ansichten von der Unsicherheit der Mereurialmittel gegen Syphilis theilt, und nichts würde mir lieber sein, als wenn wir durch die von Herrn B. angegebene Behandlung eine vollständige Heilung der Syphilis erreichen könnten, — was aber meiner Meinung nach nicht der Fall ist. Herr Baerensprung sagt, dass ich nur eine Parallele zwischen den Mercurialmitteln und der Syphilisation gezogen habe und nicht zwischen dem Mercur und andern Behandlungs-Methoden, namentlich der Diätcur; das ist ganz richtig und die Ursache davon ist die, dass es mir an selbstständiger Erfahrung hinsichtlich der Diätcur, als eines ersten und einzigen Mittels gegen die Syphilis, fehlt, oder vielmehr meine Erfahrung davon so gering ist, dass ich davon hier nicht Gebrauch machen konnte. Ich muss hier die historischen Data, die ich gesammelt habe, zu Hülfe nehmen, ich weiss, dass man während langer Zeit diese Behandlung in Schweden in grosser Scala getrieben, aber so viel ich weiss, ist sie dort schon beinahe verlassen. Ich glaube darum, Herr Baerensprung wird auch nicht lange mit dieser Behandlung zufrieden sein, wir werden dadurch das syphi- litische Virus in dem Organismus nicht vernichten können. — Wenn Herr Baerensprung anführt, dass man bei der Syphilisation bis auf 1000 Chanker anbringt, dann ist es auch ganz richtig, dass ich bei einem einzigen Kranken diese Anzahl habe anbringen können, aber die gewöhnliche ist 3 & 400, wenn man auf die von mir angegebene Weise inoeulirt, und von 220 dieser grossen Zahl werden nur 30 & 40 ziemlich gross und verursachen Narben, die übrigen werden klein und in keiner Hinsicht beschwerlich. Wenn Herr Dr. Damowsky seine 2jährigen Erfahrungen von den glücklichen Resul- taten des Mercurs gegen Syphilis aufstellt, dann habe ich dazu nichts anders zu antworten, als auf die Resultate hinzuzeigen, die wir bei uns durch die Mercurialbehandlung erreicht haben, und die schon von mir erwähnt sind. Was die zweite Einwendung betrifft, so muss ich bitten zu bemerken, dass ich von der Dauer der Immunität gar nicht gesprochen habe, ich weiss nicht, ob die Syphilisation für die Zukunft gegen Syphilis schützt. Für’s erste ist es mir an- gelegen, denjenigen zu heilen, welcher an der constitutionellen Syphilis leidet. Mag er nach der Heilung sich ein neues Contagium zubringen, — so kann dies nach meiner Meinung keine Verkleinerung für die Syphilisation sein. Dr. Marquart hielt einen Vortrag über Chinidin und Cinchonidin. Schon im vorigen Winter erwähnte ich in einem Vortrage, welcher in der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde von mir gehalten wurde, dass, nachdem die peruanische Re- gierung den Chinarinden-Handel monopolisirt habe, man eine Menge anderer Rinden, aus dem Geschlechte Cinchona nach Europa führe, und dass diese Rinden bedeutend wohlfeiler seien als echte Calysaga, aber auch neben nur wenigem, Chinin zwei neue Basen enthielten, das Chinidin nur Cinchonidin. Das Chinidin wurde von Winkler in der Bogota China entdeckt, welche Zimmer auf Chinin bearbeitet hatte und das Cinchonidin von Pasteur unterschieden. Es hat lange gedauert, bis man über die Existenz dieser verschiedenen Alcaloide ins Reine gekommen ist, da ihre Trennung von einander sowohl, als vom Chinin einige Schwierigkeiten bietet, und bei aller Verschiedenheit der einzelnen Körper doch ihre Aehnlichkeit mit einander sehr gross ist. Wenn also in früheren Zeiten ärztliche Versuche mit Chinidinsalzen am Krankenbette ge- macht worden sind, so darf man wohl annehmen, dass diese Körper Gemische waren von Chinidin und Cinchonidin, wie Pasteur dies 1853 nachgewiesen hat, welcher fand, dass das- jenige Product, welches im Handel als Chinidin vorkomme, aus zwei verschiedenen Alcaloiden bestehe, von welchen er dem einen den Namen Chinidin, dem andern den Namen Cinchonidin beilegte. Er fand ferner, dass das Chinidin dem Chinin und das Cinchonidin dem Cinchonin isomer sei. Diese Ansicht Pasteurs ist mehrfach in Zweifel gezogen worden; ich glaube aber durch die Mittheilung des mir befreundeten Chininfabrikanten Koch in Oppenheim Einiges zur Bestätigung der Ansicht Pasteurs mittheilen zu können. Nach den Erfahrungen Koch’s zeigte sich bei der Bereitung des schwefelsauren Chinidins ein so verschiedenartiges Verhalten, dass man die Gegenwart zweier Alcaloide durchaus nicht bezweifeln konnte. Es gelang Koch auch dieselben zu trennen, und ich bin im Stande, Ihnen dieselben vorzulegen. Unter den 3 Salzen, das schwefelsaure Chinin, schwefelsaure Chinidin und schwefelsaure Cinchonidin ist das erstere am schwerlöslichsten; dann folgt das schwefelsaure Chinidin und am leichtesten löst sich das schwefelsaure Cinchonidin. Dennoch lässt sich das schwefelsaure Chinidin auf diese Weise nicht vom schwefelsauren Cinchonidin trennen, denn beide schwefelsauren Salze haben die Eigenthümlichkeit, dass, wenn sie zusammen in Lösung vorhanden sind, diese Mischung ungleich löslicher ist, wie jedes Salz für sich allein. Aus einer concentrirten heissen Lösung von ',, scheidet sich das schwefelsaure Cinchonidin in eine dem Chinidinsalz ähnliche Form ab; die Kıystallmasse lässt das Wasser aber nicht fahren, schrumpft nach dem Trocknen zusammen und wird unanschnlich und hart. 221 Aus einer noch concentrirteren Lösung scheidet sich das schwefelsaure Cinchonidin in einer Form ab, welche nieht zusammenschrumpft und das leichteste Chinarinden-Präparat dar- stellt. Nach Entfernung der äussern Kruste ist es weich, fühlt sich zart an und ist der kohlen- sauren Magnesia sehr ähnlich; bildet grössere zusammenhängende Stücke, zeigt im Bruche ein zusammenhängendes Gefüge und besitzt einen sehr bittern Geschmack. Es soll nach den Erfahrungen von Dr. Locherer und Dr. Frank in Oppenheim sehr gut vertragen werden, in gleicher Gabe, wie das Chinin wirken, die Wechselfieber ohne Rückfälle beseitigen u. s. w. Da das schwefelsaure Cinchonidin nur 75 Procent vom schwefelsauren Chinin kostet, so mochten vergleichende Versuche in einer klinischen Anstalt sehr wünschenswerth sein, und zu diesem Zwecke übergebe ich Herrn Prof. Naumann eine Quantität schwefelsaures Cinchonidin mit der Bitte, diese Versuche anstellen und die Resultate veröffentlichen zu wollen. Der Vortragende übergab Herrn Prof. Naumann gleichzeitig ein Kistehen Jodeigarren aus der Fabrik von W. Eckert & Comp. in Frankfurt a. M. und bat Herrn Prof. Nau- mann, auch mit diesem in neuerer Zeit empfohlenen Mittel Versuche veranlassen zu wollen. Prof. Naumann gab eine kurze Nachricht von dem mit diesem Mittel gewonnenen Re- sultat, welches doch an Wirksamkeit dem Chinin nicht ganz gleichkomme. Prof. Schulz-Schulzenstein theilt seine vor Kurzem im südliehen Frankreich ange- stellten Versuche über die Electrieität der Zitterroggen, mit Beziehung auf die Electrieität in Krankheit mit. Die Electrieität der Fische ist nach ihm das Product eines alkalischen Secrets in den electrischen Organen. Prof. von Baerensprung theilt seine Beobachtungen über den Weichselzopf mit, die ihn zu der Ansicht geführt haben, dass der Weichselzopf nur Product eines eingewurzelten Vorurtheils sei. Hierauf bemerkte Prof. Adamowicz aus Wilna, dass er die Existenz der plica polo- nica als einer besonderen Dyskrasie in Schutz nehme. Er erwähnt, dass von der Kais. med. Gesellschaft zu Wilna eine Prämie von 500 Silber-Rübel für die Auffindung der Ursachen dieser Krankheit ausgesetzt sei, und fügt, (nachträglich für diesen Bericht) noch folgende prak- tische Bemerkungen hinzu, die eine besondere Dyskrasie zu bestätigen scheinen. Das Trichoma (plica polonica) ist von Acltern und Grossältern erblich; kommt sowohl bei Kindern als bei wohlhabenden und vorurtheilsfreien erwachsenen Menschen vor, lässt sich bei untrichomatösen gar nicht oder nur mit der grössten Schwierigkeit erzeugen und bildet dann eine nur falsche extricable Verfilzung von gesunden Haaren. Aber auch bei allen Zeichen: der latenten Dyskrasie geschieht es, dass trotz aller Kunsthilfe das Trichoma sich auf den Haaren nicht entwickelt und die Krankheit oft unheilbar wird. Zu- weilen aber entsteht wieder das Trichoma in einer 24stündigen Frist und ist dann gewöhnlich kritisch, öfters macht es doch wiederholte Iydische Bestrebungen, unter der Form neuer stufen- weiser wiederholter Verfilzungen, mit grossen Absätzen von normalen Haaren, oder mit viel- facher neuer Entstehung einer immer frischen Verfilzung, nach jedem Abtragen des alten früheren schon ganz trockenen Zopfes. Bei kurz geschorenen und rein erhaltenen Haaren entsteht doch manchmal eine theilweise kleine Verfilzung, die sich nach und nach vergrössert und bei langen weichen geraden Haaren des Kopfes ein sehr regelmässiges strangförmiges Trichoma bildet. Im Allgemeinen scheint mir die Krankheit seit 40 Jahren viel seltener bei Menschen und Thieren vorzukommen, indem die Cultur des Landes sich hebt und die Hygieine vervollkommnet. 222 Die dem Trichoma eigenthümlichen Symptome sind: gelblicher Anstrich des Gesichts und der Conjunctiva, Ohrensausen, Magenschmerz, Rauhigkeit und Tinea der Nägel, Gryphosis, oder wieder Schwäche und leichte Entzündung der matrix unguwium, daher oft beinahe perio- dische Panaritien; Stocksehnupfen oder membranöse Nasenerusten, saure oder übelriechende Exhalation und Transpiration, Empfindlichkeit der Kopfhaut, passive Blutwallungen nach dem Kopfe, Symptome von Hypochondrie, Hysterie und Herzaffectionen, Canceroide, eigenthümliche Geschwüre des Rachens, der Nase, der Genitalien und Füsse. Alle diese Symptome weichen manchmal nach einer kritischen Evolution des Trichoms. Endlich will ich noch bemerken, dass die oft vorkommenden Schweisse der Trichomatösen nicht contagiös sind, weder die ganze Krankheit ein Contagium enthält; doch tragen die Schweisse zur ersten Verfilzung der Haare vieles bei. — Das Krankheitsprineip scheint viel- leicht in einem Uebermaasse der Säuren, vorzüglich im Lymphsysteme zu stecken; Gemüths- affecte excitiren gewöhnlich die latente oder geerbte Krankheit. Die Anfüllung der Haarbälge mit einem gelblichen Exsudate, könnte vielleicht nur in frischen acuten Fällen vorkommen; die Trichomaphyten kommen nur bei alten vorzüglich ab- geschorenen Pliken vor und sind Folgen, aber nicht Ursachen der Krankheit; die Bifurcation der Haarspitzen und die kleinen schuppenförmigen Abspaltungen des Haarschaftes verdienen noch weitere mikroskopische Forschungen. Um 7'%, Uhr am Morgen hatten sich die Mitglieder der Section sehr zahlreich im Locale der medieinischen Klinik eingefunden, woselbst bis um 9 Uhr der Director des Instituts, Prof. Dr. Naumann, die einzelnen Patienten seinen Collegen vorstellte, was zu vielfachen inter- essanten Besprechungen Veranlassung gab. Für die Mittwochs-Sitzung, welche von 12— 2 Uhr stattfand, wurde Prof, Leubuscher aus Jena zum Vorsitzenden erwählt. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages -Präsident: Prof. Dr. Leubuscher. Dr. Ewich aus Cöln beschreibt die, das Quellengebiet des Brohlbaches und den Laacher- See umgebenden Vulkane hinsichtlich ihrer Gruppirung und verschiedenen Eruptions-Producte, welche den Thonschiefer durchbrochen haben und circa '/, der Bodenoberfläche dort bedecken. Die amosphärischen Niederschläge verbinden sich bei ihrem Niedersinken mit den massenhaften Kohlensäureströmungen, zersetzen und extrahiren hierdurch diese verschiedenen Steinarten und erhalten in Folge dessen eine ganz verschiedene Concentration von Alkalien, alkalischen Erden, Eisen, Kochsalz und Glaubersalz, wodurch sich die merkwürdige Thatsache erklärt, dass die süssen Quellen dort Raritäten, dagegen die Mineralquellen äusserst zahlreich (20 derselben von G. Bischof analysirt) sind. Das kohlensaure Natron erreicht in einzelnen einen Höhegrad, der in Europa nur von Vichy, Bilin und Fachingen übertroffen wird, die Kohlensäure nur von Homburg. Die kohlensaure Magnesia erreicht das Maximum aller bekannten Quellen und das Eisen den 5—6fachen Gehalt von Schwalbach, Pyrmont und Driburg. In 10,000 Theilen ent- halten die Quellen in allmähligen Abstufungen 4—53 Theile feste Bestandtheile oder 3—41 Gran in 16 Unzen. Der Kohlensiuregehalt beträgt durchschnittlich das 1'/,-fache Volumen des Wassers; eine Quelle hat davon 44%/, Cubikzoll in 16 Unzen oder 33 Gewichtstheile in 10,000. Was diese Quellen an Kohlensäurereichthum voraus haben, muss ihnen nothwendig an Erd- wärme abgehen, die dennoch nicht geringer ist als in Bilin, Marienbad, Eger, in den Eisen- 223 quellen, und überhaupt in vielen von europäischem Rufe. Wasserreichthum unerschöpflich. Verschiedene Zusammensetzung bedingt verschiedene Wirkungsweise. Daher dieser Heilapparat beispiellos umfassend und der im Brohlthale projectirte Curort von höchster Bedeutung. Der, seiner grössern Ausdehnung wegen, nur nach seinen Hauptzügen angedeutete Vortrag, wurde demnächst in Göschen’s „Deutscher Klinik“ Nr. 49 u. 50, Berlin 1857 bei G.Reimer voll- ständig mitgetheilt. Der übrige Theil der Sitzung wurde mit den Verhandlungen über die einzuführende Krankheits- und Sterblichkeits - Statistik ausgefüllt. Wir theilen nachstehend das kurz gefasste Protokoll derselben mit und verweisen im Uebrigen auf den bezüglichen Bericht in dem „Cor- respondenzblatte des Vereins für gemeinschaftliche Arbeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde, Nro. 29, 1857“ welchen wir der Vollständigkeit wegen am Schlusse der Verhand- lungen der Sektion für praktische Mediein wieder abdrucken lassen. Dr. Bencke hielt Vortrag über das Commissions-Gutachten ler von den Regierungen angefertigten Mortalitätslisten. Der Vorsitzende schlug vor, das Gutachten im Allgemeinen zu berathen und sodann dem Verein für wissenschaftliche Arbeiten zu überweisen. Hr. Dr. Neumann erhielt das Vorwort. Er achtet in Bezug auf die Sterblichkeits- Statistik die Beschlüsse des Wiener Congresses für unbedingt maassgebend, auch wenn sie vorläufig nicht vollkommen sind. Die Krankheits- Statistik müsse vorläufig auf locale Gebiete sich beschränken, nur soweit man die Bevölkerung kenne und ihre Erkrankungs- Verhältnisse könne von einer allgemeinen und gemeinschaftlichen Arbeit die Rede sein. In jedem Falle sei er bereit, mit den genannten Herren gemeinschaft- lich für die Sache der Wissenschaft zu wirken. Dr. Ungar sprach gegen einzelne Punkte der Commissions-Gutachten, um die praktischen Aerzte gegen den Zwang für Berichte aller Art zu verhüten. Dr. Beneke nahm das Wort, um das Gutachten auch von der praktischen Seite zu recht- fertigen, wegen der Wichtigkeit der Mortalitäts- Verhältnisse für die Pathologie. Hierauf er- wiederte zwar Dr. Neumann, dass er gegen einen Beschluss sei, welcher die speciellen Vor- schläge des Commissions - Gutachtens approbire, wohl aber sei er für die allgemeine Empfeh- lung der Bestrebungen der Krankheits Statistik. Ur. Dr. Grätzer wünscht, um einmal den An- fang zu machen, dass das vorgelegte Gutachten durch Abstimmung zur Empfehlung gelange. Dr. Spiess sucht das Gutachten zu rechtfertigen. Dr. Ungar machte darauf aufmerksam, dass man den Commissions-Bericht noch nicht genau kenne, und was er davon kenne, sei doch nicht so unverfänglich. — Der Vorsitzende gab ein Resum& der Debatte, und brachte darauf Folgendes zur Abstimmung: Beabsichtige die Versammlung, dass der Verein für wissenschaftliche Arbeit als Mittel- punkt und die Commission aus den Herren DDr. Beneke, Neumann und Haller anzunehmen sei. Prof. Schncevoogt wurde zum Präsidenten für die nächste Sitzung vorgeschlagen, Ichnte aber, sowie Prof. Oesterlen und Prof. Albers den Vorschlag ab. Prof. Schneevoogt wurde eventuell gewählt. 5. Sitzung: Donnerstag, den 4. September. Tages-Präsident: Prof. Schneevoogt aus Amsterdam. An Schriften waren eingegangen: 1) Bertrand, das endermatische Heilverfahren, Bonn 1856. — 2) Arzneimittellehre, zusammengestellt von Carl Strempel, cine Tabelle. Arzneimittellehre zusammengestellt von Garl Strempel. A. Allgemeine. Die Mittel nach ihrer Wirkung auf die allgemeinen Vorgänge im Körper. Die Functionen beschränkende Mittel, Die Functionen steigernde Mittel. — R r 3 € icchtige. ixe, Mittel mit vorwiegender | M. m. vorw. Wirkg. | M.m. vorw. Wirkg. ee. | a = Rs Wirkung aufd. chylopoet. | auf d. Gefässsystem auf das M. vorw. W.a.d.| M. vorw. W auf | M. vorw. W.|| M. vorw. W.auf| M. vorw. W. | M. vorw. W, auf System u. die Ernäl . | u. d. Blutbildung. N „ [ehylopoät. Syst.) Gefässsystem auf das |chylopo&t. Syst. | a.Gefässsyst das y m aTUnE es a u. d. Ernährung | u. Blutbildung. | Nervensyst. | u. Ernährung. |u. Blutbildg. | Nervensystem. Gummosa: G. Arab. Fruchtsäfte: Rub.Id.|Nareotica. Flor. Chamom.|Calami. Artemisia. |Nutrientia. Querecus. Cort. Chin. (fuse. =; Tragae. 5 Citrus ‚med. a. Auf das ganze| vule- Mentha piper. | Valeriana. |Amara. Tannin. fl., rubr.) Mucilaginosa: Althaea u.|Salia antiphl.: Nervens; wirken: |Sem. Anisi. Camphor. Arnica. a. Am. pura: Gallae ture. | Chininum. Amygdalae. Kali eitrat. ae Angelica. Serpentar. Moschus. Quassia, |Ratanhia. |Cinchoninum. Oleosa: Ol. Oliv. - acet. vo AYaTocyar-| Tmperatoria. Oi. Caiep. Phosphor. £ “ [Monoesia. |Chinoidin, Mucilaginoso-Oleosa: Ly- Tart. depur. | b. Auf das Gehirn :|Yort. Cinnam.|Bals Copaiv. Electric. b. Salso.-am.: |Acid. miner. | Indigo. copodium. Tart. natron. | Opium. acut. Ierebinth. Card. bened| _ phosph.| Bismuth. Sapones: $. virid. u. Tart. borax. Morphium. Vanilla. Creosöt. Chelidon. - muriat. | Zineum medic. 4 Natr. sulph. c. Aufd. Gehirn u.[Piper Hispan. inum. e. Mucil.- am.: = hitk. - oxyd. alb. Terrae Alc. u. Alcali Natr. nitric. | d. Ganglien: Castoreum ca-|Spir. reetificatiss. Lich. isl. - sulph. | - acet. Magnesia, (Tart. emet. u. Ca- nad. et sibir. | Acther. Colombo. |Alum. cerud. | - muriat. = Belladonna. 5 Calcaria, lomel). 1 Ammonium. Plumb. acet.| - sulph. r Strammon. d. Aromat.- am.: i i pP Baryta, Vesieat. A. carbon. s : Ferrum Cuprum Natr. Kalı. Fonticuli. d. Auf d. Rücken- Liqu. Ammon. ee - pulv. | = acet. .1Kohle: C. veget. und|Hirudin. mark: caust. er | 08, Sdarkon.| ® sulph. 3 : Venaesect. 3 nu® - muriat. | - sulph. amm. chwefel. 2 = " . nitr. s 2 Siam. mie sulph. |Argent. nitr 2 Gold: Aur. muriat. e. Auf Herz und Mereur: Ung- ciner. Calomel, Sublim., Hydr. Jod. Antimon: Tart. emet., Sulph. aur., Chlor. ant. Arsenical. Acid. nicos. ause- Nieren: Digitalis. f. Auf d. Uterus: Secale corn. g- Auf d. Haut: Dulcamara. Aeconit. 225 223uoay "OH "woang sardızs "erpenärce :ojpreyos oırdwoj 'z ejurd) vos umory270) :OFIBos YoRjui "T zoyosymadg 'o "S2U0704,) 70 :ojeyos yurmıpdwo) 'z XI '& »ddoypr "wnaloT 1W19ZEN 'MOJ "qyurgeaeL, "TO REF vwIzwy unonloung "ul09 999g daung DT :BOnsBIdg "O0 :ojeoIpey 0 ml mdvssug‘ :9J.1wyos Jıroıydwoj) 'z 23pyongd "1 "oruuoT [04 vonswucl :ojaeyos Yorjumg °T purgdgs :opuayımıg "4 yy 'peu maus "Jeuum] :oyosymodg '0| :ojıwyos yorsurg "I “ usom ydıns "use "oyosyoadg 'o :orjosıuwyoo ‘q ZI] 'Z zoosymedg 'o u ON ydins & apuayırıs Xi '& osenoJF IunyonLd I II uU DT “ydsoyd «yen opuoy neurin) 'pwı MO) :opuayımıg "q Syyongd "I “u2DN UoyBU "mL, “ydpns adng-ams Ayyong "T sow way 1990 “ :apuayırıg "4 “29090 JDy7 :eyueding 'q| "ydins oulz :opuayımıg "q auu) "wası nu "uowup "DAT UD, 40Wa4) zung 10 TOD IA | ENT SHORT Y :oyusyloadg "e :opuoyogayog = :opuayoganog "w| :opuoyogamag "© wuusxe] ‘»wsody| :Opuoyormmog "® "BOUgUanyuy. “eonoıoyderg "edosruounug "Bonaanıı eyueding wog eyugıopadxf -uo1pejtuor) wagsägoyosy |. a "HUBSIOSUONRL -Jueyuy ‘ne o10ssng Ip Juy Teueouegg 'n voduy zuy uoyorqiom op zuy -9odoan sep JnY “ıdsoy oıp my 2 -sıadıoy sap Auedıg uaujozurs oIp Jne Sumyarıy doagt yoeu [on Old pppadg *q 0 ee 29 226 Die Reihe der Vorträge stand bei Dr. Appia aus Genf, welcher herzliche Begrüssungen aus dieser Stadt der Versammlung zu überbringen hatte. Indess hatte er bei seiner bereits gestern erfolgten Abreise der Versammlung seine Mittheilungen schriftlich übersendet, welche sich vorzugsweise auf die Verhältnisse der Stadt Genf und ihre Bestrebungen in medizinischer Hin- sicht bezogen. Prof. Albers theilte das Wichtigste aus diesem Schriftstücke mit, unter Be- dauern, dass der Verfasser, ein College von Combord und Billiet dieses selbst auszu- sprechen ausser Stande sei. Dr. Dawosky aus Celle hielt sodann einen Vortrag über eine Methode zur schnel- len Heilung alter atonischer Beingeschwüre. Mein Verfahren zur schnellen Hei- lung alter atonischer Beingeschwüre, welches ich, meine Herren,zu Ihrer Kenntniss hiermit zu bringen beabsichtige, habe ich in dem unter meiner Leitung stehenden Armen - Krankenhause zu Öelle schon seit einer Reihe von Jahren mit glücklichem Erfolge zur Anwendung gebracht. Es fehlt uns freilich nicht an Methoden zur Heilung dieser Beingeschwüre, allein da ich die - meisten davon versucht, halte ich mich zu dem Ausspruche berechtigt,. dass sie zu langsam das Ziel erstreben. Schnellheilen ist nun aber die erste Bedingung in der Arbeiter - Praxis, und deswegen eben glaube ich meiner Methode den Vorzug geben zu müssen. Hebt man als das Charakteristische eines atonischen Geschwürs hervor, dass man in ihm die Tendenz zur Vernichtung des organischen Gewebes erblicke, dass in ihm die fundamentalen Bedingungen der organischen Plastik so umgeändert sind, dass der Secretionsapparat in der Geschwürsfläche keinen Bildungsstoff, sondern ein Fluidum absondert, welches oft von der schlechtesten Be- schaffenheit ist, und aus welchem keine neue organische Masse hervorgehen kann; rechnet man hierzu noch die in der Umgegend sich bildende Callosität, das Zeichen bedeutender Ady- namie an der cergriffenen Stelle, so ergeben sich die Bedingungen zur Heilung hieraus von selbst: Beseitigung dieser Störung des naturgemässen Zusammenhanges und Zurückführung der Reproduction zur normalen Thätigkeit. Unbekümmert, ob die Veranlassung eine allgemeine,, in der Constitution begründete, oder örtliche gewesen, habe ich es mir zur Aufgabe gestellt, an die Stelle der Ulceration die Suppuration zu rufen, und die Geschwürshaut, diese Quelle der Verjauchung, und Ursache der so nachtheiligen Rückwirkung auf den Organismus zu entfernen. Ich weiss, dass mir der Einwand gemacht werden kann Geschwüre, welche bereits lange bestanden, und gewissermassen in die Reihe der natürlichen Absonderungsorgane über- gegangen sind, können nicht ohne Gefahr für den Kranken geschlossen werden; allein ich erwiedere hierauf, dass die Hebung der verschwärenden Aufsaugung, die Entfernung der Jauche absondernden Geschwürsmembran diese Gefahr nicht einschliesst, und dass dann wenn eine gesunde Suppuration erreicht, und Symptome sich einstellen, welche eine Ableitung von einem edlen Organe erheischen, diesen durch Legen eines Fontanells entgegen getreten wird. Mein Verfahren besteht in Folgendem. Nachdem die kranke Extremität durch ein Seifen- bad sorgfältig gereinigt worden, wird Patient wie bei Knochenbrüchen der unteren Extremität gelagert. Dem kranken Gliede wird eine Unterlage gegeben, und das Aufstehen selbst bei nothdürftigen Verrichtungen nicht gestattet. Ich lasse aldann von den Spec. aromat. Pharm. Hannov. (Hb. majoran. = menth. pip. = rorismar. = serpyll. Flor. lavendul. aa 3jj Caryophyllor. Cubebar aa 3j M.f. pulvis grossiusculus) einen Thee bereiten, und diesen mittelst Flanell- oder Friess-Stücken, von der Länge, dass sie rings um die Extremität reichen, und von Breite, dass sie die geschwürigen Stellen oben und unten überragen, so heiss als es der Kranke anfangs vertragen kann, auflegen. Um die zu rasche Abkühlung zu verhüten, wird ein zwei- tes Flanellstüick um das mit dem Thee getränkte geschlungen. Anfangs vertragen die Patienten a u 227 zwar noch keinen sehr hohen Wärmegrad, allein es ist zum Erstaunen wie bald sie sich daran gewöhnen, wie sie sie selbst immer heisser verlangen, so dass sich diese Umschläge mit Recht den Namen der: heissen aromatischen Theeumschläge in meiner Praxis erworben haben. Unausgesetzt, sowie sie sich abkühlen, werden diese Umschläge erneuert, und nur während der Nacht dem Patienten die nöthige Ruhe gestattet. Der Erfolg ist schon nach einigen Tagen überraschend. Das schmutzige Aussehen, der stinkende, Luft verpestende Geruch ist geschwunden,, die oftmals enorme Absonderung beschränkt, reges Leben giebt sich sowohl in dem Geschwüre, als in dessen Peripherie kund, in den callösen Rändern wird es lebendig und der Regenerationsprocess ist wie hergezaubert, ja nicht selten muss sogar zur Beschränkung der üppigen Granulation geschritten werden. Je nach der Grösse und dem Umfange der Geschwüre ist die Cur nach einigen Wochen vollendet. Innerlich reiche ich mei- nen Patienten dabei nichts, denn ich habe gefunden, dass die sogenannten Ouren ihnen nur den Appetit verderben. Die Diät ist dabei eine nahrhafte, gute Bouillon, ein gutes Stück Braten müssen das nöthige Material zum Wiederersatz darreichen. Ist die Reproduction zu üppig , und wird die Schliessung des Geschwürs dadurch verzögert, so wird der Höllenstein in Gebrauch gezogen. Hat die Untersuchung die Nothwendigkeit einer Ableitung ergeben, so habe ich das Fontanell wo es anging, oberhalb der Wade angelegt, oder auch wohl unter Umständen ein Eiterbändchen auf die Brust applieirt. Nach vollendeter Heilung lasse ich noch längere Zeit die krank gewesene Extremität mit einer Binde umwickeln, oder wo@die Um- stände es erlauben, einen elastischen Schnürstrumpf tragen, und verbiete in der ersten Zeit jede zu starke Anstrengung, namentlich das zu anhaltende Stehen, welches arm häufigsten Riickfälle veranlasst. Die Heilung geht jedoch nicht immer so ungestört vorüber, zuweilen wird sie durch ery- sipelatöse Zufälle begleitet. Diese entstehen oft rasch , breiten sich weit aus, und verursachen durch ihre Spannung und Anschwellung dem Patienten oftmals nicht geringe Schmerzen. Dann sind Scarificationen reichlich und ziemlich tief gemacht das sicherste und schnellste Heilmittel, indem sie Spannung und Zerrung, die Ursachen des Schmerzes, am schnellsten heben. Uebri- gens muss ich bekennen, dass so unangenehm diese Zufälle für den Patienten auch sind, ich sie grade nicht als böse Gäste betrachte; denn ich glaube die Beobachtung gemacht zu haben, dass nach ihrer Beseitigung die die Geschwüre umgebende Geschwulst rascher verschwindet, und die Heilung rascher von Statten geht. Ein anderer Zwischenfall, der weit häufiger sich einstellt, ist das Auftreten von rasch sich bildenden Abscessen. Sie erscheinen in der Umgebung der Geschwürstellen, und schliessen sich, nach der vorgenommenen Entleerung eben so rasch wieder. Mir sind Fälle vorgekom- men, wo ich bei Patienten mehrere Morgen hintereinander solche Abscesse zu öffnen hatte, welche eine nicht geringe Menge Eiters entleerten, ohne dass der Heilungsprocess dadurch im Geringsten beeinträchtigt wurde; ja mir schien es auch hier, als wenn die Anschwellung um die Geschwürsfläche sich schneller als sonst verlor. Schliesslich wollte ich noch erwähnen, dass ich, um mich zu überzeugen ob der hohe Wärmegrad, oder das Theearoma die schnelle Heilung veranlasse, heisses Wasser allein und ebenso auch die Theeumschläge in der Form der bekannten warmen aromatischen Fomenta- tionen gemacht habe. Allein ich habe vom Ersteren gar nichts gesehen und bei Letzterem die Beobachtung gemacht, dass die Wirkung viel zu langsam vor sich gehe und sehe mich somit zu dem Ausspruche berechtigt, dass nur durch die Anwendung der heissen aromatischen Fomentationen eine so rasche Heilung alter atonischer Beingeschwüre zu erzielen sei. — 228 Dr. Strempel rühmte die Pflastereinwickelungen in diesen Geschwüren. Dr. Pistol aus Wien berichtete über die Resultate der Heilversuche mit dem jetzt so häufig angewandten Wiener Pepsin, das er in Magenkatarrh, Erbrechen der Kinder, und zur Hebung der Verdauung in derReconvalescenz nach Typhus, Dyspepsie und gastrischen Leiden sehr wirksam erfunden hatte. Eine kleine Schrift, so wie zahlreiche Schachteln mit Pepsin wurden vertheilt. Prof. Schneevoogt zeigte einen elastischen, tragbaren Spirometer von Varnout und Galante in Paris angefertigt, und erläuterte dessen Gebrauch , Vortheile und: Nachtheile. Der diagnostische Werth desselben in der Praxis wurde vorhin besonders hervorgehoben. Prof. Albers legte der Versammlung den bisher in der arzneilichen Praxis noch nicht gebrauchten Fucus amylaceus, das indische Moos vor. Er zeigte dasselbe im rohen und ge- mengten Zustande, nicht minder seinen Unterschied von rad. anatheri musicati, womit es so häufig verwechselt wird. Der Fucus amylaceus giebt beim Kochen eine völlig festwerdende Gallerte, die viel besser schmeckt als die, welche man von dem irländischen Perlmoos, Chon- drus crispus erhält. Sie enthält die gewöhnlichen Bestandtheile der Meerpflanzen nur in geringem Maasse. Es ist ein vortreffiches Mittel bei den Reizungen und Entzündungen der Schleimhaut, des Halses und des Magens und Darmes, wie sie im Verlauf der Tuberculose und anderer dyscrasischer Leiden vorkommen. Der Vortragende bezog sich hierauf auf meh- rere Heilungen von Brustleiden, die durch die Mitwirkung dieses Mittels erzielt wurden. Prof. Strempel erhob sich hierauf, und sprach über die Verzweifelung, der jüngern Aerzte in therapeutischen Heilungen, zu denen auch nicht die geringste Berechtigung vorliege. Heilungen geschehen durch die Natur oft genug, aber nicht minder stände die Heilung durch Arznei, selbst in grossen Gaben fest. Die jüngere ärztliche Generation möge der Erfahrung; vertrauen, und nicht den Prüfungen der Arzneien an Gesunden, welche nie zur Heilung durch Arzneien irgend etwas beitragen konnten. Die ganze Versammlung erhob sich, diesen Aus- sprüchen Beifall spendend. Dann erhielt Prof. Naumann das Wort und sprach in einigen herzlichen Worten den Scheidegruss in der mit dieser Sitzung endenden Zusammenkunft. Mögen die herzlichen Worte Wiederhall und Beherzigung finden. Wir veröffentlichen das wegen Mangels an Zeit nicht zur Verlesung gekommene Schrei- ben des Dr. med. J. Gumprecht, Herzogl. S. Cob. Goth. Hofraths in Hamburg. Ueber die Benutzung des Aufgusses von schwarzem Thee zum Arzneigebrauch. Es wird vielleicht auffallend sein, dass ich behaupte, dass man ein Genussmittel, den Auf- guss von schwarzem Thee, bei einigen Krankheitszuständen entweder ohne weiteren Arzneige- brauch, oder als ein kräftiges diaetetisches Adjuvans anderer Mittel mit glücklichem Erfolg an- wenden könne, und doch ist dieses der Fall, wie die Erfahrung gelchrt hat. Namentlich hat sich nach meinen Beobachtungen der Aufguss von schwarzem Thee bei den im Frühjahr und Herbst so häufig vorkommenden. catarrhalischen und rheumatischen Durch- fällen, sowie bei dem ruhrartigen Durchfall heilsam erwiesen. Um den Nutzen, welchen der Thee bei diesen Krankheitszuständen gewährt, würdigen zu können, muss man die in den T'heeblättern enthaltenen wirksamen Stoffe in Erwägung, ziehen, nämlich das stickstoffreiche Alcaloid, das Thein, die Gerbsäure, beide im Thee nach Müller's Untersuchungen als gerbsaures Thein verbunden, die vonMochleder in den Theeblättern ge- fundene Boheasäure, und das aetherische Theeöl. Ferner muss man den Zustand erwägen, in welchem sich die Schleimhaut des Tractus in- testinorum bei der catarrhalischen Affection, dem Durchfall befindet. Erstere ist im Zu- stande der Congestion und der catarrhalischen Reizung. Diese ist es, die in neuerer Zeit zur Behauptung der Identität mit Entzündung Veranlassung gab, was aber ‘nicht der Fall ist, obzwar nieht in Abrede zu stellen ist, dass der Uebergang von catarrhalischer Reizung zur Ent- zündung statt finden kann. Das Secret beim Durchfall ist quantitativ und qualitativ verändert, und das Nervensystem des catarrhalisch affieirten Gebildes wird in Mitleidenschaft gezogen; seine Theilnahme zeigt sich durch erhöhete Reizbarkeit der Schleimhaut des Darmcanals. Der Aufguss des schwarzen Thees, mit Zucker versüsst, ohne Milch eignet sich daher, nach meinen Beobachtungen in leichten Fällen allein, in schwereren Fällen als ein gutes Ad- juvans anderer Mittel, ganz besonders zweckmässig zur Beseitigung der genannten Krankheits- zustände. Das gerbsaure Thein scheint gelind adstringirend und umstimmend auf die afficirte Darmschleimhaut und das Theeöl beruhigend auf die erhöhete Reizbarkeit der Schleimhaut zu wirken. Moleschott stimmt dieser Ansicht bei, indem erin dem Werk „Lehre der Nahrungsmittel“ in dem Artikel Thee ausdrücklich bemerkt, dass das Theeöl beruhige. Pereire in der Schrift „on food and diet“ erwähnt ebenfalls des directen Einflusses des Thees auf die Gefässnerven und dadurch auf die Herz- und Pulsaderwände, und dass der Thee eine beruhigende Wir- kung auf das Herz und die Blutgefässe äussere. Betreffend die Dosirung des schwarzen Thees bei catarrhalischen und rheumatischen Durchfällen, reiche ich denselben nüchtern zum Frühstück zu 1 bis 2 Tassen voll, mit Zucker versüsst ohne Milch, ferner um 11 Uhr Vormittags und um 4 Uhr Nachmittags 1 Tasse voll. Wenn im Laufe des Tages Durst sich einstellt, so wird ebenfalls Thee in kleinen Portionen genossen. Ich bediene mich aus dem Grunde des schwarzen Thees, weil solcher weniger Theeöl, weniger Gerbsäure und weniger grünen Farbstoff enthält als der grüne, und daher besser als der letztere sich dazu eignet um in grösseren Quantitäten genossen zu werden. Seit bereits 4 Jahren wende ich den Thee gegen die obenerwähnten Krankheitszustände mit stets glücklichem Erfolg an. Einer meiner hiesigen Collegen, welchen ich auf die Wirk- samkeit des Thees gegen die obenerwähnten Krankheitszustände aufmerksam machte , bedient sich desselben ebenfalls seit einiger Zeit bei seinen Kranken zu seiner grossen Zufriedenheit. Man kann von diesem Mittel mit Recht sagen, dass es das Utile cum dulce verbinde. Es scheint mir, dass der schwarze Thee wegen der darin enthaltenen Stoffe als ein gutes diaetetisches Nittel so wie als Adjuvans anderer Mittel auch bei der Dyssenterie und bei dem Durchfall im Typhus abdominalis zweckmässig benutzt werden könne. Durch die Anwendung des warmen Aufgusses des Thees bei Diarrhoen kann auch der Indicatio causalis Genüge ge- leistet werden, wenn die letzteren, wie dieses bei der Diarrhoca catarrhalis und rheumatica der Fall ist, von Hautstörungen herrühren, da der Theeaufguss bekanntlich wie alle warmen Ge- tränke schweisstreibend wirkt. Medieinische Statistik. (Vergl. S. 222.) Die Schrift desDr. Beneke: „Mittheilungen und Vorschläge zur Anbahnung einer wissenschaftlich brauchbaren Morbilitäts- und Mortalitätsstatistik für Deutschland, als eines Mittels zur wissenschaftlichen Begründung der Ae- tiologie der Krankheiten. Oldenburg bei Ferd. Schmidt 1857“ schliesst mit dem Wunsche, „dass’ dem angeregten Gegenstande auf der diesjährigen Versammlung deutscher Na- turforscher und Aerzte in Bonn eine eingehende Berücksichtigung , geschenkt und dort eine endgültige Beschlussfassung Seitens der Aerzte erzielt würde.“ Zufolge dessen erbat sich der Verfasser des bezeichneten Schriftchens in der ersten Sitzung der praktisch-medieinischen Sektion der Versammlung (19. Sept.) das Wort, gab eine kurze Inhaltsübersicht über seine Arbeit und wiederholte mündlich die Bitte, dass die gegenwärtig tagende Versammlung die in dem Schrifichen niedergelegten Vorschläge einer sorgfältigen Prüfung unterziehen, event. einen endgültigen Beschluss über dieselben fassen wolle. Gleich- zeitig machte er die Mittheilung, dass ihm so eben durch die Güte des Herrn Dr. C. Haller in Wien die Beschlüsse des jetzt in Wien abgehaltenen statistischen Congresses und zwar in specie die der Abtheilung für medicinische Statistik zugegangen seien und dass dieselben der Versammlung zur Benutzung bei den etwaigen Berathungen zu Gebote stehen. Bei dem Umfange und der Schwierigkeit des Gegenstandes schien es dem Verf. jedoch nicht wohl thunlich, denselben in der Versammlung selbst mit all den Details zur Verhandlung zu bringen; er beantragte deshalb die ganze Angelegenheit einer besonderen Commission zu überweisen und diese Commission bestehen zu lassen aus den Herren: Prof. HofrathBaum aus Göttingen (Chirurgie), Dr. Spiess aus Frankfurt a. M., Prof. Vogel aus Halle, Prof. Schnee- voogt aus Amsterdam (innere Medicin) und Prof. Cred& aus Leipzig (Geburtshülfe). Der vorstehende Antrag wurde von dem Tagespräsidenten, Dr. Spiess aus Frankfurt a.M, der Versammlung vorgelegt und ohne Einrede acceptirt. Die bezeichnete Commission trat darnach zur Berathung und Begutachtung des fraglichen Gegenstandes in mehreren Sitzungen unter dem Präsidium des Hofrath Prof. Baum zusammen und das Resultat ihrer gesammten Erwägungen wurde in einem besondern „Commissions-Gutachten“ zusammengestellt. Bevor wir zur Mittheilung dieses Gutachtens übergehen, bedarf es einer Angabe der Vor- lagen, welche der Commission von dem Antragsteller unterbreitet wurden. Es waren dies folgende: 1. Ein Exemplar des oben bezeichneten Schriftchens „Mittheilungen und Vorschläge u. s. w.“ selbst. 2. Eine Mittheilung von Herrn Dr. Küttlinger in Erlangen in, Betreff der medicinisch-stati- stischen Bestrebungen in Bayern und der bezüglichen Beschlüsse des „Kreis - Vereines mittelfränkischer Aerzte“ (Vgl. Aerztl. Intelligenz-Blatt. Organ für Bayerns staatliche und öffentliche Heilkunde. Nr. 13 1855 und Nr. 14 1857. München bei Christ. Kaiser). 3. Eine Privatmittheilung des Herrn Dr. C.Haller in Wien, betr. die Beschlüsse der ersten Section des internationalen statistischen Congresses in Wien. 4. Verschiedene Mittheilungen deutscher Regierungen oder Medieinalbeamten,, welche in Folge einer Einsendung der „Mittheilungen und Vorschläge u. s. w.“ im Laufe des Som- mers bei dem Antragsteller eingingen, und zwar: a) ein Schreiben des Herrn O.-M.-R. von Franque aus Wiesbaden d. d. 3. Mai 1857, in welchem es heisst: „Ich werde veranlassen, dass Ihren zweckmässigen Vorschlägen Folge gegeben wird und Ihnen das Resul. tat s. Z. mittheilen.“ b) Ein Schreiben des Ministerii des Innern in Carlsruhe d. d. 19. Juni 1857: „Man ist diesseits nicht abgeneigt, die Bestrebungen hinsichtlich der Anbahnung einer Morbilitäts- und Mor- talitäts-Statistik zu unterstützen und sieht deshalb s. Z. der Mittheilung des Ergebnisses der hierwegen auf der diesjährigen Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Bonn zu pflegenden Berathung entgegen.“ c) Ein Schreiben des grossherzogl. schwerinschen Ministeriums d. d. 4. Juli 1857 nebst Gutachten der Medieinal-Commission in Rostock: „In Betrachtnahme unserer vaterländischen Verhältnisse sind wir schliesslich zu der Ansicht gelangt, dass ein Weiteres und Befriedigenderes, als bisher in gedachter Beziehung seit einer Reihe von Jahren regierungsseitig geleistet worden, überhaupt gar nicht oder nur unter verhältnissmässigen Anstrebungen zu erreichen sein. dürfte. — — — Inzwischen dürfte die Einführung der ärztlielien Sterbescheine wenigstens für die Städte und Flecken und diejenigen Ortschaften, an welehen oder in deren Nähe eine Medicinalperson ihren Wohnsitz hat, allerdings zu versuchen und durch allgemeine landespolizeiliche Verfügungen zu unterstützen sein.“ d) Ein Schreiben des Herrn Ministers Pierer aus Altenburg d. d. 7. Juli 1357, wonach „sämmtlichen Bezirksärzten des Herzogthums je ein Exemplar des Schriftehens „Mittheilungen und Vorschläge u. s. w.“ zugefertigt und ihnen hierbei empfohlen werden soll, zur Erreichung : der darin gestellten Aufgabe, namentlich durch genaue Feststellung der Orts- und Lebensverhältnisse der Bewohner ihrer Bezirke, so wie der Mortalitäts- und Morbilitäts-Verhältnisse, nach Kräften mitzuwirken.“ e) Ein Schreiben aus der Kanzlei des Senats der freien Hansestadt Hamburg , d..d. 31. Juli 1857: „Der Senat ist gern bereit, die Bestrebungen von hieraus, so weit an ihm liegt, zu fördern. Derselbe hat zu dem Ende die Sache zunächst in die Hände des hiesigen Gesundheitsrathes gegeben, welcher die nöthigen Vorbereitungen zu treffen beauftragt ist, und es versuchen wird, die hiesigem Privatärzte, auf deren freiwillige Mitwirkung es namentlich in Beziehung auf die statistischen Morbilitäts-Verhältnisse wesentlich ankommen wird, für das Unternehmen zu interessiren. Um übrigens diejenigen Verfügungen, welche zur Unterstützung dieser An- gelegenheit hierselbst thunlich sein werden, in zweckentsprechender Weise zu treffen, hält der Senat es gerathen, das Ergebniss der Berathungen abzuwarten, welchen auf der diesjährigen Versammlung der deutschen Naturfor- scher und Aerzte in Bonn die Vorschläge unterzogen werden sollen.“ f) Ein Schreiben fürstlich waldeckischer Regierung d. d. 3. August 1857: „Wir sind zur Mittheilung der sich auf die Mortalitäts-Statistik beziehenden Aufschlüsse, insoweit sich solche aus den vorhandenen amtlichen Notizen ergeben, gern bereit, und wollen auch ausserdem den hiesigen Aerzten die Förderung der Interessen des Vereins bezüglich der Morbilitäts-Statistik anempfehlen.“ g) Ein Schreiben des k.statist. topograph. Bureau’s in Stuttgart d. d. 13. August 1857. Dasselbe lautet folgendermassen: „Von dem k. Ministerium des Innern mit Erwiederung Ihres an dasselbe unterm 30. April d. J. gerichteten Schreibens hinsichtlich. Ihrer Vorschläge betreffend die Anbahnung einer wissenschaftlich brauchbaren Morbilitäts- und Mortalitäts-Statistik beauftragt, beehren wir uns, Sie zu benachrichtigen, dass ein grösserer Theil der von Ihnen in Vorschlag gebrachten Einrichtungen wenn auch nieht in dem ausgedehnten Massstabe, in dem Sie die- selben wünschen, in Württemberg bereits besteht. Meteorologische Beobachtungen werden seit mehr als 30 Jahren von dem durch Prof. Plieninger dahier ge- gründeten Beobachter-Verein an verschiedenen Punkten des Landes angestellt und von Plieninger theils in den von dem statistisch-topographischen Bureau herausgegebenen Würt. Jahrbüchern, (jährlich zwei Hefte) theils in den von dem Verein für vaterländische Naturkunde jährlich in 3 Abtheilungen ausgegebenen Würt. naturwissen- schaftlichen Jahresheften veröffentlicht. Zudem sind auf Veranlassung des statistisch-topographischen Bureaus 5 Telegraphenstationen mit vollständigen Apparaten zu meteorologischer Beobachtungen ausgerüstet und werden die Ergebnisse dieser Beobachtungen von Dr. Plieninger gleichfalls bei seinen Veröfentlichungen benutzt. 232 Was sodann die Sammlung von Materialien zu Erforschung der stabilen Orts- und Lebensverhältnisse der Bevölkerung betrifft, so werden Sie in den bis jetzt erschienenen 37 Heften der ebenfalls yon uns amtlich her- auszugebenden Beschreibung des Königr- Württemberg hierüber manche brauchbare Notizen finden, welche um so eher für die Zwecke, welche Sie verfolgen genügen dürften, als exakte statistische Aufnahmen in diesen Richtungen nicht möglich sind. Für die dritte Aufgabe, welche Sie stellen, ist in Württemberg längst die Einrichtung getroffen, dass den Jahresberichten der Oberamtsärzte Uebersiehten über die Sterblichkeits-Verhältnisse beigelegt werden, welche sich auf die Listen der Leichenschauer gründen. Die hiebei in Anwendung kommenden Formulare sind abgedruckt bei Dr. V. A. Rieke, das Medieinalwesen des Königreichs Württemberg. Stuttgart 1856. ; Eine Zusammenstellung der oberamtsärztlichen Uebersichten für die Jahre 185# wird in einem der nächsten Hefte der Würt. Jahrbücher veröffentlicht werden. Die oberamtsärztlichen Uebersichten enthalten allerdings nicht vollständig das, was sie nach Ihren Vorschlä- gen enthalten sollten, allein nach unserem Dafürhalten können Materialien zu einer wissenschaftlich brauchbaren Morbilitäts- und Mortalitäts-Statistik überhaupt nur in Städten mit zureichendem ärztlichen Personal aufgebracht werden, indem auf dem flachen Lande bei der Bildungsstufe der Leichenschauer, welche zum grössten Theile Nichtärzte sind und wo nach unseren Notizen in den 10 Jahren 18$$ exel. der Todtgeborenen 58. 14$ der Ge- storbenen in ihrer letzten Krankheit keine ärztliche Hülfe genossen haben, über Todesursachen keine Notizen gesammelt werden können, welche eine ernstliche wissenschaftliche Verwerthung zulassen. Der Vorschlag, über- haupt nur Aerzten die Ausstellung von Leichenscheinen zu gestatten ist in Württemberg auf dem Lande völlig unausführbar. Aus diesem Grunde ist bei uns auch nur im Allgemeinen vorgeschrieben, dass die Oberamtsärzte in ihren Jahresberichten über die vorherrschenden Krankheiten nach Quartalen eine allgemein gehaltene Ueber- sicht zu geben und hiebei besonders auch die epidemisch verbreiteten Krankheiten zu besprechen haben, so dass aus denselben leicht eine Uebersicht über die Epidemien zu erlangen ist. Indem wir schliesslich Ihren Bemühungen, den statistischen Forschungen in den verschiedenen Ländern gleichmässigere Grundlagen zu geben, im Allgemeinen unsere Anerkennung zollen, können wir nicht umhin auf die Erfahrung hinzudeuten, wonach amtliche Instruetionen, welche zu weit in das Detail eingehen, in solchen obligaten Arbeiten verwirrende und illusorische Resultate hervorbringen; derartige Arbeiten können vielmehr füg- lich auf kleinere Bezirke, namentlich Städte mit der Grundlage einer zuverlässigen allgemeinen Sterblichkeits- Statistik beschränkt und, wo sie nicht zur Aufgabe der Behörde für Statistik gehören, dem freien Willen Einzel- ner, welche durch ihre äussere Stellung hiezu befähigt sind, überlassen werden. h) Ein Schreiben des grossherzogl. sächs. weimar’schen Staats - Ministeriums d. d. 18. Au- gust 1857: „Man wird die fraglichen Zwecke thunlichst stets gern fördern.“ ji) Ein Schreiben der Medieinal-Commission des Senats der freien und Hansestadt Bremen d. d. 25. August 1857: „Der Gesundheitsrath hat mit triftigen Gründen dargelegt, dass, wiewohl er in der Erreichung des in’s Auge gefassten Zieles einen grossen Nutzen nicht allein für die Arzneiwissenschaft, sondern auch für das ganze Staatsleben sieht, dennoch, wie die Verhältnisse zur Zeit bei uns sind, von Staatswegen nichts für die Errei- chung Ihrer Wünsche gethan werden könne. Denn so viel 1) genaue Mortalitätslisten betrifft, so würden hin- sichtlich der Todesursache Ihren Wünschen, wie überhaupt den Anforderungen einer medieinischen Statistik nur solche Listen entsprechen können, die auf Grund einer ärztlichen Angabe der Todesursache entworfen wären, wofür bei uns noch keine Einrichtung besteht, indem mit der Anzeige eines Todesfalls bei der Civilstandsbe- hörde zwar auch die der Todesursache verbunden ist, beide aber nur von Laien verfügt werden und daher Letztere ohne allen wissenschaftlichen Werth ist. Zur Anfertigung 2) von Morbilitätslisten kann aus dem Grunde von Seiten des Staats nichts geschehen, weil er die Aerzte nicht wohl zu dergleichen Arbeiten zu ihm selbst ganz fremden Zwecken zwingen kann. Hier würde nur die freiwillige Thätigkeit der Aerzte in Anspruch zu nehmen und dazu vielleicht der hiesige ärztliche Verein, wenn Sie denselben deshalb angehn wollten, das angemessene Organ sein können. 3) Zuverlässige Witterungsbeobachtungen, wie sie Ihrem Zwecke zu entsprechen vermöchten, würden nur durch vom Staate errichtete meteorologische Beobachtungsinstitute zu liefern sein, woran es bei uns noch fehlt. Der hiesige Physicus und Mitglied des Gesundheitsraths Dr. Heineken hat seit einer Reihe von 28 Jahren drei ZI un Mal täglich möglichst genaue Witterungsbeobachtungen angestellt, auch deren Resultate in öffentlichen Blättern bekannt gemacht, und hat sich derselbe gern bereit erklärt, sie Ihnen zur Benutzung zu stellen, wiewohl er bezweifelt, dass sie ganz Ihren Wünschen gemäss sein werden. Soviel endlich 4) die Schilderung der Orts- und Lebensverhältnisse der Bewohner angeht, so wird auch dies nur Privatsache sein können, wegen deren Sie die Beihülfe eines der hiesigen Aerzte privatim möchten anzu- gehen haben. Die von dem Physieus Dr. Heineken verfasste Topographie von Bremen wird Ihnen bekannt, aber nach dem eignen Urtheile des Verfassers schwerlich ausführlich und umfassend genug sein, um Ihnen zu genügen.“ k) Ein Schreiben des grossherzogl. strelitz’schen Ministeriums: „Das hiesige Gouvernement wird dem Unternehmen in Erwartung weiterer Mittheilung [der aus den Bera- thungen der im künftigen Monat in Bonn sich versammelnden deutschen Naturforscher und Aerzte sich ergeben- den Resultate, unter möglichster Berücksichtigung der letzteren, gern die den diesseitigen Verhältnissen entspre- chende Unterstützung angedeihen lassen.“ 1) Ein Schreiben des herzogl. braunschw. lüneb. Ministeriums d. d. 31. August 1857: „Wir geben unsere Bereitwilligkeit, die Vereinszwecke thunlichst zu fördern, hierdurch zu erkennen. In welcher Weise wir diese Bereitwilligkeit werden bethätigen können, wird sich erst auf Veranlassung speecieller Anträge, zu denen sich der Verein veranlasst sehen wird, beurtheilen lassen. Da wir auch im eigenen Interesse die Herstellung einer brauchbaren Morbilitätsstatistik wünschen, so wird unser statistisches Bureau sich eine dem Zwecke entsprechende Mitwirkung angelegen sein lassen und wir halten es um so mehr für empfehlenswerth, sich mit letzterem in unmittelbare Communication zu setzen, als es wünschenswerth ist, hinsichtlich der Erhebungen für Morbilitäts- und Mortalitäts-Statistik ein den desfallsigen Beschlüssen des jetzt tagenden statistischen Con- gresses in Wien thunlichst conformes Verfahren auch hier eintreten zu lassen und unser statistisches Bureau die geeigneteste Station sein dürfte, die Erreichung dieses Zweckes zu vermitteln.“ 5. Ein Exemplar der „Beiträge zur Statistik der innern Verwaltung des Grossherzog- thums Baden.“ Zweites Heft. Bewegung der Bevölkerung in den Jahren 1853 bis mit 1855 und medicinische Statistik. Wir lassen nunmehr das oben erwähnte Commissions- Gutachten folgen. Seine wörtliche Fassung ist die nachstehende: Nachdem die Unterzeichneten von den Mitgliedern der medicinischen Section der in Bonn tagenden Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte aufgefordert worden sind, die „Mittheilungen und Vorschläge zur Anbahnung einer: wissenschaftlich brauchbaren Morbilitäts-" und Mortalitäts- Statistik für Deutschland vom Med.-R. Dr. Beneke“ einer Prüfung und Begut- achtung zu unterwerfen, haben sich dieselben solcher Aufgabe unterzogen und legen der Ver- sammlung nunmehr das folgende Gutachten zur Genehmigung vor. Die Commission wünscht zunächst statt der Ausdrücke Morbilitäts- und Mortalitäts-Statistik die deutschen Bezeichnungen: Krankheits- und Sterblichkeits-Statistik gesetzt zu sehen, und geht darnach zuerst zur Berathung der die Sterblichkeitsstatistik betref- fenden Fragen über. In Bezug auf dieselbe ist die Commission der Ansicht, dass den sämmtlichen deutschen Regierungen die Pflege der Sterblichkeitsstatistik im Interesse der Humanität sowohl, als in dem der Wissenschaft so dringend als möglich empfohlen werde und dass dieselben eben so dringend ersucht‘ werden, der weiter unten näher zu bezeichnenden „Commission für medici- nische Statistik“ baldmöglichst Auskunft darüber zu geben, in wie weit sie der Ausführung der nachfolgenden Propositionen förderlich zu sein gesonnen sind oder bereits förderlich sind und waren. 30 234 Zur Erhebung eines wissenschaftlich brauchbaren Materiales für die Sterblichkeitsstatistik empfiehlt dabei die Commission den Regierungen die Annahme der Beneke’schen Vorschläge, d. h. sie wünscht die Regierungen zu veranlassen, sämmtlichen Aerzten des betreffenden Lan- des aufzugeben, über jeden in ihrer Behandlung Verstorbenen einen ärztlichen Todesschein auszustellen, und in Fällen, wo ein Todesfall ohne vorhergehende ärztliche Behandlung ein- trat, ein für allemal den Physikus oder eine andre ärztliche Person mit der Oonstatirung der Todesursache zu beauftragen. Die Commission will dabei die Regierungen ersucht wissen, mit dieser Maassnahme so weit als möglich vorzuschreiten und ist der Ueberzeugung, dass damit brauchbarere Resultate erzielt werden, als durch eine allgemeine, viele Kosten verursachende, aber in den Händen von der Mediein Unkundigen befindliche Todtenschau. Zur Ausführung dieses Vorschlags empfiehlt die Commission den Regierungen, einem jeden Arzte eine Anzahl Formulare für Todesscheine zuzustellen, und zwar sollen diese For- mulare nach dem Vorschlage der medieinischen Section des statistischen Congresses in Wien ausgefertigt werden. Bei Ausfüllung der Formulare sollen sich aber die Aerzte, bei Bezeich- nung der Todesursachen, streng an die Nomenclatur halten, welche ebenfalls von der bezeich- neten Section dem statistischen Congresse in Wien vorgeschlagen und von demselben adoptirt wurde. Es erscheint der Commission in dieser Beziehung eine möglichst genaue Bezeichnung der Todesursachen eben so nothwendig, wie eine allgemeine Einheit des Arbeitsplanes und sie erklärt sich aus diesen Gründen gegen Vorschläge, wie sie von andern Seiten, u. A. von Küttlinger und Escherich in Baiern gemacht worden sind. Die sämmtlichen so ausgefüllten Todesscheine sollen sodann, je nach Belieben der einzelnen Regierungen, von den betreffen- den Kirchen - oder Ortsyorständen oder von den Civilstandsämtern gesammelt und von diesen an eine näher zu bezeichnende Behörde, die mit der Verarbeitung des Materiales zu beauf- tragen ist, geleitet werden, und es müssen die Kirchenvorstände oder Civilstandsämter gehal- ten sein, keinen Beerdigungsschein auszustellen, bevor nicht der ärztliche Todesschein bei ihnen eingegangen ist, abgeschen von solchen Fällen, wo die Erreichung des letzteren gera- dezu eine Unmöglichkeit ist. Was zweitens die Krankheitsstatistik anbetrifft, so erkennt die Commission zunächst im Allgemeinen an, wie wünschenswerth es sei, auf die Herbeiführung einer solchen nach Kräften hinzuwirken und ist der Ansicht, dass man sich in diesem Bestreben selbst durch an- fängliche, wenig fruchtbare Versuche nicht abschrecken lassen dürfe. Die Commission ist ferner der Ansicht, dass behufs Herbeischaffung einer wissenschaftlich brauchbaren Krankheitsstatistik nicht nur jeder wissenschaftlich strebsame Arzt zur Beihülfe aufgefordert werden solle, sondern dass es auch den einzelnen Regierungen Deutschlands auf das Dringendste empfohlen werden möge, auf die Erreichung jenes Zieles, so weit es die Verhältnisse gestatten, hinzuwirken. Es sollen die Regierungen insonderheit ersucht sein, zu veranlassen, dass aus allen öffentlichen Krankenanstalten, Instituten u. s. w. eine genaue mo- natliche Krankheitsstatistik geliefert werde, und wo möglich dahin zu wirken, dass Armenärzte, Physici, — und letztere wo möglich in Verbindung mit den Aerzten ihres Distrikts, — mo- natliche statistische Ausweise über die behandelten Krankheiten an eine näher zu bezeichnende Behörde einsenden. Die Commission wünscht dabei die Regierungen zu ersuchen, der „Com- mission für medicinische Statistik“ mitzutheilen, was sie in dieser Beziehung zu leisten versu- chen wollen, resp. bereits geleistet haben. Zur statistischen Aufzeichnung der Krankheiten empfiehlt die Commission die Tabelle, welche auf pag. 122 der Beneke’schen Schrift entworfen ist, da sich dieselbe in der Nomen- 235 elatur der Krankheiten der Wiener Nomenclatur für die Todesursachen anschliesst und für die Einfügung jedweder, nicht speciell bezeichneter Krankheit, hinreichenden Spielraum lässt. Die Commission ist nicht der Ansicht, dass man sich auf die Aufzeichnung von nur einzelnen, genau und leicht diagnosticirbaren Krankheiten beschränken solle. Auch ist die Commission damit einverstanden, dass jeder Tabelle eine Notiz über die für den jedesmaligen Beobach- tungsort maassgebenden meteorologischen Beobachtungen, eventualiter solche Beobachtungen selbst hinzugefügt werden, so wie damit, dass die Tabellen für etwaige epidemische Krankhei- ten eine Verzeichnung des täglichen Zuganges von Erkrankungsfällen gestatten. Die Commission erachtet es ferner für nothwendig, dass die Krankheitstabellen allmonatlich ausgefüllt werden, und zwar der Art, dass für den Monat Januar eines jeden Jahres der ge- sammte Krankenbestand, für jeden folgenden Monat aber nur die neu zugehenden Krankheiten notirt werden. Ueber weitere Einzelnheiten wird sich eine den Mitarbeitern neben den Tabellen einzuhändigende und von der „Commission für medieinische Statistik“ auszuarbeitende Instruc- tion auslassen. In Betreff der Organisation der fraglichen Arbeiten ist es erforderlich, dass eine Üentral- stelle existire, von welcher aus dieselben eingeleitet und geleitet werden können. Für die Verhandlungen mit den Regierungen und Aerzten, die Besorgung des Druckes der Tabellen, die Vertheilung derselben, die Verarbeitung des eingesammelten Materiales ist eine solche Centralstelle zunächst ein Bedürfniss. In so fern nun aber von dem „Vereine für gemeinschaft- liche Arbeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde“ die in Frage stehenden Arbei- ten bereits seit einigen Jahren betrieben werden, billigt die Commission den Vorschlag, dass der Verein resp. dessen Vorstand vorläufig als solche Centralstelle betrachtet werde, und proponirt, einstweilen dieHerrn Hofr. Beneke, Primararzt Dr. Haller in Wien und Dr. Neu- mann in Berlin aufzufordern, sich der Leitung der Angelegenheit gemeinschaftlich anzuneh- men. Die genannten Herrn würden als „Commission für medicinische Statistik“ zusammentreten müssen und die Befugniss haben, sich je nach Bedürfniss und eigenem Ermessen anderweitige Kräfte zu adjungiren. Zur möglichst weiten Verbreitung des ganzen Unternehmens endlich erscheint es der Com- mission wünschenswerth, sowohl directe Aufforderungen zur Theilnahme an die Regierungen, bekanntere Aerzte u. s. w. zu erlassen, als auch durch die gelesensten medicinischen Journale zur Theilnahme in weiteren Kreisen einzuladen. In so fern die Commission nun weiter anerkennt, dass für eine wissenschaftliche Verwer- thung einer Sterblichkeits- und Krankheitsstatistik eine genaue Kenntniss gleichzeitiger meteo- rologischer Verhältnisse, so wie eine genaue Kenntniss der topographischen Verhältnisse der verschiedenen Beobachtungsorte erforderlich ist, erklärt sie sich fernerhin damit einverstanden, dass sämmtliche deutsche Regierungen, in deren Staaten bis dahin keine nach einem bestimm- ten Muster und Seitens der betreffenden Behörden überwachten Beobachtungsstationen existiren, ersucht werden mögen, solche Stationen zu errichten, und dahin zu wirken, dass an sämmt- liehen Stationen des ganzen Deutschlands mit unter einander verglichenen normirten Instru- menten beobachtet werde. Zugleich aber unterstützt auch die Commission den Vorschlag, dass das jüngst vom Prof. Buys-Ballot in Utrecht gegründete „Journal meteorologique“ in jeder Beziehung als ein Sammelplatz sämmtlicher meteorologischer Beobachtungen des europäischen Continentes unterstützt werden möge, bis etwa die Zahl der meteorologischen Stationen Deutsch- lands: gross: genug ist, um’ die Gründung eines besonderen Journal’s für die meteorologischen Beobachtungen in Deutschland zu veranlassen. Die Commission geht bei diesem Vorschlage 236 von der Ansicht aus, dass es nothwendig sei, die vielfach zerstreuten, für die Verwerthung der Krankheits- und Sterblichkeitsstatistik aber erforderlichen meteorologischen Beobachtungen in einem Werke zusammengefasst zu sehen, mit andern Worten, bei der Theilung der Arbeit die Ordnung nicht zu versäumen. In Bezug auf die topographischen Aufzeichnungen und Sammlungen er- kennt es die Commission als nothwendig an, dass jeder Mitarbeiter der Krankheits-Statistik ein für allemal eine möglichst genaue topographische Skizze für seinen Beobachtungsort einsenden muss und wünscht diesen Aufzeichnungen das vom Verein für gemeinschaftliche Arbeiten adop- tirte Schema zum Grunde gelegt zu sehen. Wo mehre Mitarbeiter an ein und demselben Orte wohnen, bleibt denselben die Verständigung über eine etwaige gemeinschaftliche Ausarbeitung einer solchen Skizze überlassen. In Betreff schliesslich der Publication des gesammelten statistisch-medicinischen Materiales, so glaubt die Commission, in dieser Beziehung vorläufig alles Weitere der oben erwähnten „Commission für medicinische Statistik“ überlassen zu müssen. Bonn, den 21. September 1857. Die Commission der medicinischen Section für medicinische Statistik. Baum. Crede. Dr. Spiess. Dr. Schneevoogt. Dr. Julius Vogel. Dieses Gutachten wurde nunmehr der Section der Naturforscherversammlung für praktische Mediein am 23. Sept. vorgelegt und von derselben nach einer längeren Discussion über ver- schiedene Punkte mit grosser Majorität in seiner ursprünglichen Fassung angenommen. Die Punkte um welche sich die Debatten drehten, waren insonderheit folgende: 1) Unzu- länglichkeit und Unbrauchbarkeit des in der bisherigen Weise vom Verein für gem. Arb. erho- benen morbilitäts - statistischen Materiales. 2) Befürchtung einer amtlichen Verpflichtung der Physici zu monatlichen statistischen Krankheitsberichten. 3) Frage, ob der private Verein für gem. Arbeiten zur Förderung der. wissenschaftlichen Heilkunde als Centralpunkt für die ein- schlägigen Bestrebungen adoptirt werden könne? Ad 1) wurde erwiedert, dass es niemals und nirgends möglich sein werde, das Verhältniss der Krankheitszahlen zur Volkszahl zu ermitteln, da immer und überall eine grosse Anzahl von Krankheiten gar nicht zur ärztlichen Wahrnehmung gelange und eine Anzahl von Aerz- ten sich doch nimmer zur Aufstellung von Krankheitstabellen verstehen werde. Es scheine demnach geeignet, sich zunächst auf die Angabe der Krankheiten in Procenttheilen sämmtlicher beobachteter Krankheiten zu beschränken. Die Angaben einzelner Aerzte seien aber in dieser Beziehung nichts weniger als unwichtig; es liefern im Gegentheil die bisherigen Angaben z. B. einzelner Landärzte sehr wesentliche Resultate für die medicinische Statistik, und was die Städte anbetreffe, so seien in einzelnen Städten, wie z. B. in Lüneburg, bereits die rühm- lichsten Anfänge gemeinschaftlicher Arbeiten gemacht. Im Allgemeinen sei aber zu bemerken, dass man sich überhaupt von den Ergebnissen der einschlägigen. Arbeiten in den ersten 8—10 Jahren noch nicht viel versprechen dürfe und wolle; die Arbeitselbst sei zu gross und schwierig, als dass sie nicht; eine lange Zeit der Reife bedürfe, der Anfang müsse aber‘ dennoch doch einmal gemacht werden. Ad 2) wurde erwiedert, dass das Commissions-Gutachten keineswegs die- Regierungen zu veranlassen suche; die Physici zu statistischen monatlichen Krankheitsberiehten zu verpflich- 237 ten. Die Regierungen werden nur ersucht, womöglich dahin zu wirken, dass die Physici, Armenärzte u. s. w. solche Berichte mit Zugrundlegung unserer Tabellen einsenden. Ein ‘Wunsch, eine Empfehlung Seitens der Regierung sei noch kein Befehl, und es stehe zu hoffen, dass die Physici, so wie andre Aerzte, auch ohne solchen Befehl und im Interesse der Wis- senschaft sich den fraglichen Arbeiten unterziehen. Ad 3) wurde entgegnet, dass es sehr zu bedauern sei, wenn man die Ansicht hege, als ob’ der Verein für gemeinschaftliche Arbeiten in der betreffenden Angelegenheit irgend ein particulares Interesse verfolge. Der Verein habe sich die Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde nach allen Seiten hin zur Aufgabe gestellt und seine bisherigen Arbeiten und Be- strebungen bürgen wohl dafür, dass er diese Aufgabe mit Ernst und Eifer verfolge. Der Ver- ein übernähme die Leitung der fraglichen Arbeiten nur aus dem Grunde, weil bis dahin kein anderer Centralpunkt in Deutschland für derartige Arbeiten existire und weil in seinem engen Kreise dieselben schon seit 3 Jahren in Angriff genommen seien. Bei der grossen Menge der ihm vorschwebenden Aufgaben wünsche er jedoch nichts mehr, als dass sich alsbald ein ander- weiter Centralpunkt zur Leitung und Sammlung der einschlägigen Arbeiten finden möge. Soviel in Kürze über die wesentlichen Punkte der erwähnten Debatten, die wir den Ver- einsmitgliedern nicht vorenthalten zu dürfen glaubten. Wir schliessen aber den vorstehenden Bericht mit dem Wunsche, dass sich das junge Unternehmen der regsten und vielseitigsten Theilnahme erfreuen möge und werden s. Z. die Ergebnisse weiterer Verhandlungen mit den hohen Regierungen, so wie die etwaigen Maassnahmen zur Ausführung unserer Zwecke zur Mittheilung bringen. 10. Sektion für Chirurgie und Ophthalmiatrik. Auf den Vorschlag des einführenden Präsidenten, Prof. Dr. Busch, wird Geh. Med.-Rath Professor Dr. Wutzer zum Präsidenten der folgenden Sitzung ernannt. Zu permanenten Secretären werden die Herren Prof. Dr. ©. Weber und Dr. Fleischer aus Bonn bestimmt. Die Debatte über eine etwaige Trennung der Ophthalmiatrik wird 'auf die nächste Session verschoben. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19, September. Tages- Präsident: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Wutzer. Geh.-Rath Dr. Wutzer begrüsst die Versammlung und stellt ein Kind mit Fungus me- dullaris bulbi vor. John Zachariah Lawrence spricht über: Die Natur und chirurgische Behandlung des Epitheliomas. Da ich mich \seit mehreren Jahren dem Studium der krebsigen Geschwülste gewidmet habe, benutze ich diese Gelegenheit einige! Bemerkungen über eine Art Krankheit dieser ehrenvollen Versammlung vorzulegen , über deren eigentliche ‘Natur die 'ausgezeichnetsten Chirurgen und Pathologen noch uneinig sind, wiewohl es vielleicht keinen wichtigeren Punkt gibt, über den es zu wünschen wäre, dass sie übereinstimmen sollten. Die Krankheit, worauf sich meine Bemerkungen beziehen, isthäufigen Erscheinens, schauer- 233 voller ‚Mortalität — diese Mortalität, die Belohnung einer Reihe menschlichen Leidens, schwer sich vorzustellen, noch schwieriger übertroffen zu werden. Schuh und Paget haben diese Krank- heit Epithelialkrebs genannt. Lebert und Bennet, augenscheinlich über ihre krebsartige Natur noch im Zweifel Cankriod, während Hannover ihre krebsartige Natur gänzlich abläugnend, sie Epithelioma genannt hat. Die zwei ersten Namen sind meiner Meinung nach höchst irrig, in- dem sie einen unmittelbaren Einwurf gegen die Heilbarkeit der Krankheit andeuten. Der letztere Name dagegen scheint mir sehr passend zu sein, indem er ohne irgend eine Theorie zu behaupten, sich auf einen wohl erwiesenen anatomischen Charakter gründet. — Mit der allgemeinen Pathologie des Epithelioma’s ist die gegenwärtige gelehrte Versammlung wohl vertraut: ich werde mich daher in den folgenden Bemerkungen auf die Lösung zweier Fragen beschränken. Diese sind erstens: was ist die eigentliche Natur des Epithelioma’s? zweitens: was ist demnach seine rationelle Behandlung? Was die erste Frage betrifft, so ist der wich- tigste Punkt: Ist das Epithelioma eine constitutionelle bösartige Krankheit? Ist es in einem Worte eine Art Krebs oder ist es bösartig nur durch seinen lokalen Einfluss auf die Gesundheit, in demselben Sinne als das Enchondroma und andere Geschwülste bösartig werden können? Als den Prüfstein meiner Meinung werde ich die Kennzeichen des Krebses die ich in meinen „Ilustrations of the Pathology of Cancer“*) angegeben habe, annehmen. Diese Kenn- zeichen sind: 1. Ihre Mortalität ist oft keinem lokalen Einflusse zuzuschreiben, wodurch Tod herbeige- führt werden könnte. 2. Ihre vegetative Eigenthümlichkeit: die Wiedererzeugung ähnlicher Geschwülste in ver- schiedenen Theilen des Körpers. 3. Ihr fast beständiges Wiederwachsthum nach den vollkommensten chirurgischen Ope- rationen. 4. Ihre Zerstörung aller Gewebe ohne Unterschied, sowohl gesunder als krankhafter, die ihr bei ihrem fortschreitenden Wachsen begegnen. Am ersten Punkte, unterscheidet sich das Epithelioma gänzlich vom Krebse. Ich habe sehr viele Fälle des Epitheliomas beobachtet, nie aber einen einzigen Fall gesehen, wo der Tod nicht gerade ihren lokalen Folgen zuzuschreiben wäre — entweder dem Drucke und dem Angriffe der Lebensorgane; oder Eiterungen,, welche das Leben auf zwei Arten durch die Erschöpfung der Kräfte und durch eine Art chronischer Pyämia zu vertilgen scheinen, oder erschöpfenden Blutverlusten, oder einem rastlosen Schmerze, oder was am häufigsten ist, einer Combination aller dieser lokalen Ursachen zusammen genommen. Ehe ich weiter gehe, werde ich mir hier erlauben einige Worte über die anatomische Zu- sammensetzung des Epithelioma’s zu sagen. Während es anatomisch betrachtet im Wesentlichen gänzlich von den wohl anerkannten Arten des Krebses — dem Seirrhus und dem Encephaloid) — abweicht, stimmt es im allgemeinen ziemlich genau mit den warzigen Geschwülsten über- ein. Ich habe diese Bemerkungen hauptsächlich als die Einleitung zu einer sehr interessanten und praktisch wichtigen Beobachtung gemacht — nämlich dass die warzigen Auswüchse in ihrem ersten Wachsthum guter Natur sein können, aber dass, besonders wenn sie häufig durch Aetzmittel gereizt werden, sie sich zu Geschwülsten verwandeln können, die wahre Krebse sind. Der folgende Fall ist ein Beispiel davon. *) „Ilustrations of the. Pathology of Cancer“. London 1856. 239 Charles Wedell alt 62 Jahre fragte mich zuerst letzten Sommer um Rath. Er hatte eine flache Geschwulst an der Schleimhaut der rechten Backe. Diese Geschwulst bestand aus einer diehten Masse papillenförmiger Auswüchse ganz den Warzen, die man so oft an glans penis trifft, ähnlich. Diese Geschwulst hatte zwei Jahre existirt. Sowohl ehe, als nachdem er mich eonsultirte wurde seine Geschwulst mit Argent. nitrat. behandelt. — Ich sah ihn in ungefähr zwei Monaten wieder in einem der London-Hospitäler. Die Geschwulst hatte nun ein ganz und gar anderes Ansehen erhalten. Sie zeigte eine brandige Eiterung; alle die Gewebe der Backe im Umkreise des Geschwüres waren geschwollen und verhärtet. Die Unterkieferdrüsen der rechten Seite waren gross und hart. Der Patient starb in zwei Monaten. Man fand die Geschwulst der Backe aus Encephaloid - Krebsen zusammengesetzt und in der Lunge waren zahlreiche Geschwülste von der Grösse einer Erbse bis zu der eines Taubeneies von derselben Art Krebses. Vor nicht langer Zeit habe ich in meiner Praxis einen ganz dem obigen ähnlichen Fall getroffen, wo ich die Abnahme durch das Messer als den einzigen Schutz gegen krebsige Aus- artung rieth. Der Herr Buteler von Dublin hat in dem Dubliner Quarterly Review eine Reihe ähnlicher Fälle zusammengestellt. Ich weiss wohl, dass die ersten Pathologen Europa’s die Möglichkeit einer solchen krebsigen Entartung verläugnet haben: diese mögen nur als Beispiele der Komplikation eines gutartigen und bösartigen Wuchses betrachtet werden. Erkläre man sie aber, wie man nur will, so folgt dennoch die praktische Regel: solche Geschwülste immer völlig mit dem Messer auszurotten. Ich möchte gern diese Bemerkungen noch einen Augen- blick fortsetzen, indem ich auf eine Art des Epithelioma’s aufmerksam mache, die höchst selten ist und von der ich nur den folgenden Fall je gesehen habe. Herr Arnott wurde von einer ledigen Dame, alt 68 J. im Juni 1856 wegen einer gros- sen harten Geschwulst um Rath gefragt, die sie nur vor kurzer Zeit in der Brust beobachtet hatte. - Im October sah er sie wieder; die Geschwulst war nun merkwürdig weicher geworden. — Kurz nachher wurde die Geschwulst herausgeschnitten. Ich bekam sie zu untersuchen. Sie war ungefähr vonder Grösse einerOrange und bestand aus einem Balge von einer bröckli- chen Masse Epithelium’s gefüllt — welches an einigen Stellen als kleine Büsche steifer Aus- zweigungen geordnet war. Die Geschwulst war völlig isolirt. Als ich den Inhalt der Cyste näher untersuchte, so fand ich, dass er aus lauter Epithelialschuppen bestand. Die Cyste selbst bestand aus ähnlichen Zellen, enthält aber auch viele Brutzellen. Die Dame hat bis zum heutigen Tage keine Recidive gehabt. Ich habe diese Geschwulst „das eingebalgte Epithelioma“ zu nennen gewagt. In anatomischer Beziehung also zeigt das Epithelioma sehr wenig Aehnlichkeit mit dem Seirrhus oder dem Encephaloid. — Ich weiss wohl, dass man das Epithelioma und den wah- ren Krebs in einer und derselben Geschwulst zusammenwachsen gesehen hat. Aber dies be- weist nichts. — Ich habe öfters die Knorpel in krebsigen Geschwülsten gesehen; man würde demnach doch nicht schliessen, dass die Knorpel im gewöhnlichen Sinne bösartige Geschwülste bildete. Was man von einem Uebergange der Epithelial-Zellen in die Krebszellen gesprochen hat, beruht auf einer falschen Deutung der Formen. Manche Epithelialzellen, besonders in ihren ersten Entwickelungsstufen,, haben eine grosse Achnliehkeit mit den Krebszellen. Ich kann die Beobachtungen Virchows in dieser Hinsicht durch eigene Untersuchungen bestätigen. Das zweite Kennzeichen des Krebses, das ich oben angeführt habe, ist ohne Zweifel Eins der bestimmtesten Merkmale einer krebsigen Geschwulst. — Wenn wir nun dies Kenn- zeichen auf das Epithelioma anwenden, so finden wir, dass der pathologische Beleg dafür 240 gänzlich fehlt. Wiewohl das Epithelioma selbst am: häufigsten vorfällt, sind doch die’ Fälle seiner secundären Verbreitung höchst selten. Velpeau hat das Epithelioma in der Substanz des Unterkiefers sich wieder erzeugen ge- sehen;im Oberkiefer und in der Leber; Paset in den Lungen und im Herzen; Rokitansky in der Leber. Die meisten dieser Fälle sind wahrscheinlich Einwendungen offen, da, wie ich vorher erwähnt habe, das wahre primäre Epithelioma einer encephaloiden Ausartung, fähig ist, und auf diese Weise zu secundären Anlagerungen — nieht des Epitheliomas — sondern des Encephaloids — in den Eingeweiden führen kann. Aber nehmen wir auch die oben- erwähnten Fälle als echte Beispiele der secundären Verbreitung des Epitheliomas an, so müssen wir sie bloss als höchst seltsame Ausnahmen einer allgemeinen Regel betrachten, in derselben Weise als das Enchondroma und die plastischen Geschwülste sich vervielfältigen können. Eheich diesen Theil meiner Erörterung verlasse, möchte ich auf die ausserordentliche Neigung des Epitheliomas sich in den lymphischen Drüsen zu verbreiten, aufmerksam machen. ‘Das merk- würdigste Beispiel, das ich je beobachtet habe, ist das Folgende: Thomas Lake war ungefähr dreissig Jahre alt, als er zuerst eine Warze an seinem Hodensacke bemerkte: diese schwärte und vor einem Jahre fingen die Leistendrüsen an sich zu vergrössern. Er hatte sein Lebenlang das Geschäft eines Schornsteinfegers getrieben. Es existirte keine erbliche Anlage zum Krebse. Als ich ihn zum ersten Male sah, war in der Mitte des Hodensackes ein thalergrosses flaches Geschwür; in der rechten Leistengegend war eine harte Masse Drüsen, in der linken eine ähnliche noch grössere und theilweise geschwärt. Ich sah ihn erst im December 1856. Er starb im Februar 1857. In der Leiche fand ich alle die Lymphdrüsen längs des Rückgrats ohne irgend eine Ausnahme von Epithelial- Anlagen ausserordentlich geschwollen und verhärtet — aber noch ferner sogar alle die Halsdrüsen der linken Seite waren in ähnlicher Weise angegriffen und ich bemerkte, was ich früher nie gesehen habe, dass die Iymphatischen Gefässe selbst von Epithelial-Elementen gefüllt waren. Unter dem Brustfelle waren mehrere knotige Anlagen von Epithelioma nahe dem Rückgrate, die auch Iymphatische Gefässe zu sein erschienen. Ich kann jedoch diese Neigung zur Iymphatischen Absorption nicht als Beweis der krebsi- gen Natur des Epitheliomas gelten lassen, so wenig als für die krebsige Natur der Syphilis oder der Pest. Dagegen betrachte ich es vielmehr als einen zweiten Beweis seiner Tendenz sich zu lokalisiren. Im Bezuge auf das dritte Kennzeichen des Krebses — seiner, Neigung zur Recidive nach chirurgischen Operationen, stimmt das Epithelioma nur scheinbar ein. Wirklich glaube ieh, dass es davon ganz und gar abweicht. Dass das Epithelioma der Zunge und der Lippen so häufig nach Operationen zurückkehrt, macht uns nicht staunen. In der That, Jedermann der diese Geschwulste näher untersucht und bemerkt, wie sie im hohen Grade alle die Gewebe mit ihrer Substanz durchdringen, würde: vielmehr erstaunt sein,; wenn. sie nicht zurückkehrten. Wenn es dagegen bewiesen werden könnte, dass das Epithelioma der Extremitäten nicht zurückkehrt, wenn die Amputation. frühe und vor aller ‚Ansteckung der Iymphatischen Drüsen practieirt wird, so ist es die Frage, ob nicht die totale Amputation der Zunge und der Lippe, obgleich Operationen der höchsten Strenge, mehr mit‘ den Grundsätzen der Chirurgie übereinstimmen, als irgend eine partielle Operation an diesen Organen. ö Vor drei Jahren sah ich eine Dame, 71 Jahre alt, (die ein Beispiel vom, was die‘ Deut- schen Pathologen nennen würden, „exguisiten“ Epithelial-Krebs am Fusse hatte. — Die Am- putation wurde vorgenommen. — Ich habe diese Dame neuerdings gesund gesehen. — In einem Epithelioma des Hodensacks, welches ohngefähr zur selben Zeit operirt, wurde, hat ebenfalls 24 keine Reeidive stattgefunden. Mein Freund, Professor Quain, hat vor sechs Jahren eine Am- putation der Ruthe für Epithelioma gemacht. Bis jetzt ist keine Reeidive. Die grösste Aehn- lichkeit, die das Epithelioma mit dem Krebse zeigt, ist seine Anlage alle Gewebe zu durch- dringen, denen es in seiner Entwickelung begegnet. Ich kenne keine krankhafte Bildung, die sich breiter und mit weniger Schonung fortpflanzt. So habe ich das Epithelioma im Backen- knochen anfangen, durch das Stirnbein dringend, die harte Gehirnhaut infiltrirend, alle diese Gewebe sich völlig ins Epithelialgewebe verwandeln gesehen. Aus allen den obigen Thatsachen und ihren Folgen kommen wir auf den äusserst wichtigen Schluss, dass das Epithelioma eine wahrhafte lokale Krankheit ist und dass seine Mortalität durch Infiltration der Gewebe und Angriff des drüsigen Systems folgt — und ferner, dass seine rationelle chirurgische Behandlung in seiner frühen nnd völligen Ausrottung mit dem Messer besteht und dass in Uebereinstimmung mit der Anatomie dieser Geschwülste, das Messer so weit alsmöglich von der erscheinbaren Geschwulst geführt werden soll — viel weiter als es bis jetzt der Fall ist. Erlauben Sie mir noch, ehe ich ende, Ihre Aufmerksamkeit auf eine neue Methode zu lenken, welche man letzlich in London vielfältig angewandt hat, um sowohl krebsartige als auch andere Geschwülste zu entfernen. Die Haut, die die Geschwulst bedeckt, wird zuerst durch Salpetersäure entfernt und die sonach erhaltene nackte Fläche mit einer Schicht von Zinkehlorid behandelt. In dem dünnen Schorf, der durch dieses Verfahren entstanden ist, werden nun ein halb Dutzend Einschnitte gemacht, die nur ein ganz wenig tiefer als die Dicke des Schorfes beträgt eindringen. In den sonach gebildeten Furchen werden Stücke von Char- pie gelegt, die man früher in die Zinkchlorid-Salbe getaucht "hat. Das Resultat ist ein noch tieferes Eindringen des Schorfes in das Innere der Geschwulst. Die Einschnitte in den Schorf werden jeden andern Tag wiederholt, aber jedesmal ein wenig tiefer, und nach jeder solchen Operation werden frische Streifen Charpie in Zinkchlorid getaucht in die Furchen eingelegt. Das endliche Resultat dieser Behandlung ist eine allgemeine Nekrose der Geschwulst, wodurch nach den Gesetzen der pathologischen Metamorphose sich ihre Theile trennen. Die grössten Vortheile dieser Methode bestehen darin, dass sie in Fällen anwendbar ist, welche nicht für das Messer passen und dass sie ohne Blutverlust vorgenommen werden kann. Prof. Dr. Otto Weber vindieirt der Deutschen pathologischen Anatomie das Verdienst, zuerst von dem echten Epithelialkrebse die Papillargeschwülste und die Hypertrophieen der Haut- und Schleimhautdrüsen gesondert zu haben, deren Unterschiede in Bezug auf ihren Verlauf durch eine grössere Anzahl sorgfältiger klinischer Beobachtungen erst festgestellt wer- den müssen, ehe man die Frage über den Epithelialkrebs abschliesst. Dr. Erhard aus Berlin spricht über Diagnose der Krankheiten des Gehörorgans. Erlauben Sie mir gütigst, meine Herren, Ihnen aus der pathologischen Anatomie und Physio- logie des Gehörorgans einige Mittheilungen machen zu dürfen, die meines Erachtens für die Diagnostik desselben von Interesse werden könnten. Ich gestehe ganz frei mit Ihnen die bis- herige Sterilität der Otiatrik ein, möchte aber die Ursache derselben nicht in der aus Bequem- lichkeit angenommenen Unzugänglichkeit des Organes selbst, sondern in der geringen wissen- schaftlichen Theilnahme, die wir Alle dem Ohre angedeihen liessen, suchen. Bisher beruhte die ganze Diagnose auf diesem Felde lediglich in der Handhabung des Ohrenspeculums und des Catheters; diagnostische Hülfsmittel, deren Nothwendigkeit ich zwar anerkenne, obschon sie uns nur sehr wenig Aufschluss geben können! 31 242 Mit der bestmöglichsten Speculation können wir immer nur den Zustand des äusseren Ge- hörganges, des Trommelfelles und in seltenen Fällen bei Defecten des letzteren einzelne Theile der Trommelhöhle überschauen; die beste Lage des Catheters kann uns immer nur die Weg- samkeit der Tuba und den Inhalt der Trommelhöhle, ob er luftig oder Hüssig ist, vorführen; Structurveränderungen der Trommelhöhlenniembran selbst, Beeinträchtigung der freien Be- weglichkeit der Gehörknöchelchen, unterbrochene Leitung derselben, ihre Dislocation und eine Ankylose des Steigbügels, des physiologisch wichtigsten Theiles der ganzen Trommelhöhle, alles pathologisch-physiologische Zustände, deren häufiges Vorkommen die pathologische Anatomie so glänzend constatirt, liegen ausser dem Bereiche der bisherigen Diagnose, und von den verschiedenen Ursachen einer nervösen Taubheit, dass diese bald am Ursprunge der Nerven, bald in seinem Verlaufe, bald endlich in den verschiedentlichsten Structurveränderun- gen im Labyrinthe selbst zu suchen seien, hatte man keine Ahnung. Aus alledem ist es denn auch erklärlich, dass die Herren Otologen die äusseren unwichtigen Theile so sehr über- schätzten und da sie den Sitz des Uebels nicht kannten, nun auch ihre therapeutischen Resul- tate so sehr viel zu wünschen übrig lassen mussten. Mir ging es nun zunächst darum, einmal das pathologisch -physiologisch Wichtige von dem Unwichtigen zu trennen und zu diesem Zwecke nicht nur Schwerhörige, sondern auch Normal- hörende per Speculum zu untersuchen. Durch diese Methode überzeugte ich mich bald davon, dass alle pathologischen Prozesse des äusseren Öhres innerhalb der Breite des normalen Ge- höres liegen, denn ich fand keine Abnahme desselben bei theilweisem und ganzem Verluste der Ohrmuschel; ferner, dass auch der äussere Gehörgang sehr unwesentlich sei: dem fehlen- den und dem normalen Cerumen ist gar kein Einfluss zuzuschreiben, denn ich fand Normal- Hörende ohne Spur von Cerumen und sehr Taube aus verschiedener Ursache mit der normal- sten Secretion, Entzündungen des Gehörganges, Catarıhe, Exostosen, Verengerungen desselben bis zur Stecknadelknopfgrösse, fremde Körper u. s. w. sind ganz ohne Bedeutung, denn in solchen Fällen fand ich noch ausreichendes Gehör; — nur ein hermetischer Verschluss durch Verwachsungen oder durch vermehrte Absonderung des Oerumen mit gleichzeitiger Ablösung der Epidermis stört das Gehör, aber doch nicht in dem Maasse, wie man gemeinhin glaubt, denn ich fand z. B. einen Knaben, dessen beide Gehörgänge von Geburt durch den Tragus luftdicht verschlossen, verwachsen waren und der dennoch eine Oylinderuhr vor dem Gehör- gange hörte und ganz gut sprechen und verstehen erlernt hatte. Auch das gefürchtete Trom- melfell musste seinen Nimbus einbüssen; denn dasselbe hat ja nur den einen Zweck, Luftschall- wellen des Gehörganges als eine schwingbare Membran auf feste Körper ( Gehörknöchelchen ) ohne Verlust zu übertragen und dieser Zweck wird mehr beeinträchtigt durch Entzündungen, Catarrhe, Indurationen und Continuitätstrennungen; denn ein kleiner Saum desselben hat die- selbe acustische Eigenschaft, und so fand ich denn alle als pathologisch wichtig beschriebenen Prozesse im Trommelfelle auch bei Normalhörenden gleich wie bei Schwerhörigen. So Per- foration, Trübungen, grössere Concavität, verticale Lage, lang andauernde Oatarrhe u. s. w. und kam somit zu dem Resultate, dass Schwerhörigkeit wohl immer mit Veränderungen im Gehörgange und Trommelfelle, aber nie durch dieselben auftrete. Die Ursache der Schwer- hörigkeit musste also tiefer liegen. Aehnlich verfuhr ich nun mit der Tuba und ersah bald, dass von diesem Abzugskanale der Trommelhöhle dasselbe gelte, was bereits vom Zuflusskanale von dem Gehörgange erwähnt worden, nämlich, dass nie Strieturen, Verengerungen, sondern nur ein hermetischer Verschluss derselben das Gehör beeinträchtige; die pathologische Anatomie aber beweist, dass Verschluss 243 der Tuba durch eine Krankheit ihrer Wandungen nur äusserst selten vorkommt, denn Togubee fand unter 1149 Sectionen von Schwerhörigen nur 3mal eine Atresie und 13mal nur Schleimanhäufungen,, und in Uebereinstimmung damit fand ich am Lebenden, dass der Verschluss derselben, den ich zwar auf 1137 Patienten scheinbar widersprechend 67mal be- obachtete, nicht durch ein Leiden der Tuba selbst, sondern nur durch einen Catarrh des Pharynx, indem sich Schleim in der Tubamündung ansammelt, bedingt sei; wie denn auch in diesen Fällen das einfache Wegblasen des Schleimes mittelst der Luftdouche genügt, sofort das normale Gehör herzustellen. Freilich sind alle diese rein mechanische Verstopfungen für pathologische, für Catarrhe der Tuben und der Trommelhöhle angesehen und behandelt wor- den. Es erging hier der Trommelhöhle wie weiland der Gallenblase; jeden Icterus führte man auf Catarıh der Gallenblase zurück, bis die pathologische Anatomie zeigte, dass bei nor- maler Gallenblase jeder Catarırh des Duodenum durch Verschluss der Gallenwege allein schon Icterus bewirke. Fast alle Schwerhörigkeit musste demnach durch ein Leiden der Trommel- höhle oder des nervösen Apparates bis zum Ursprunge des Nerven bedingt sein. Die Trommelhöhlenauskleidungsmembran ist eine eigenthümliche Haut, die gewissermaassen bald Schleimhaut bald seröse Haut spielt. In der Kindheit ist sie mehr eine Schleimhaut, son- dert constant eine seröse albuminöse Flüssigkeit ab, wie die Anfüllung des processus mastoideus mit einer Sulze und der Trommelhöhle mit flüssigen Exsudaten, als etwas Normales zeigt; mit der Ausbildung der lufthaltigen Sinus des processus mastoideus und dem Verschwinden des flüssigen Exsudates nimmt sie den Character einer serösen Haut an, wie die Pathologie beweist, denn ihre Entzündungen führen nur zu Indurationen und zu Adhäsionen zwischen den ver- schiedenen Theilen, beispielsweise des Promontorium mit dem Trommelfell und mit dem Steigbügel oder sie arten in der Ulceration des Trommelfelles in jene pathologisch - flüssige Absonderung aus, die zwischen Schleim und Eiter die Mitte hält und uns Allen aus der Blenorrhoe der Trommelhöhle nach febris scarlatina nur allzu bekannt ist. Und was folgt hieraus ? Dass flüssige Exsudate in der Trommelhöhle das Gehör nicht stören, denn unsere Kinder hören mit ihrem constanten Exsudate im proc. mastoideus und der Trommelhöhle recht gut, ferner: dass pathologisch-Hüssige Exsudate, wenn sie flüssig bleiben, stets zur Perforation des Trommelfelles führen um sich einen Ausweg zu bahnen, wie wiederum die Blenorrhoea scar- latina bestätigt, und ich dem analog unter 1100 Schwerhörigen 157mal einen Catarrh der Trom- melhöhlenmembran mit Perforation des Trommelfelles beobachtete; endlich folgt hieraus, dass die Annahme von Schleim in der Trommelhöhle ohne Perforation des Trommelfelles als ca- tarrhalisch vermehrte Secretion bei Erwachsenen uastatthaft ist, höchstens im Kindesalter vorkommen kann. ; Statt dessen finden wir aber alle jene pathologisch -physiologischen Prozesse in der Trom- melhöhle, die ich bereits anfangs erwähnte. Nach vielen Irrthimern komme ich daher zu der Ueberzeugung, dass jede acustische Schwerhörigkeit, d. h. eine solche, die durch irgend welchen pathologischen Prozess im Leitungsapparate also vor dem Labyrinthe bedingt wird, ihre physiologische Ursache nur haben kann „entweder in verhinderter Zu- und Ableitung der Schallwelle durch hermetischen Verschluss des Gehörganges und der Tuba oder in einer Beeinträchtigung der freien Beweglichkeit und ununterbrochenen festen Leitung der Gehörknöchelchen im Allgemeinen, des Steigbügels im Besonderen, eine Thatsache, die vollkommen mit der Müller’schen Physiologie Hand in Hand geht.“ 244 Auch die Wirkung des musculus tensor tympani und des stapedius ist, nach pathologi- schen Beobachtungen zu urtheilen, bei weitem überschätzt worden; sie sind weniger als ein Accommodationsapparat, als vielmehr lediglich als ein Sicherheitsventil zu betrachten gegen zu starken Schall und ihre Contraeturen und Lähmungen beeinflussen das Gehör nicht wesent- lich. Um zu starken Schall abzuhalten, contrahirt sich der musculus tensor tympani, weil das dadurch mitgespannte Trommelfell dann schwerer in Mitschwingungen geräth und gleichzeitig der stapedius, damit der Steigbügel etwas vom Vorhofe abgelenkt werde, also weniger Schall- welle demselben übertrage. Hierfür spricht die interessante Thatsache, dass bei einigen Läh- mungen des nervus facialis, der bekanntlich den stapedius versorgt, eine unangenehme Em- pfindung bei starken Geräuschen (fälschlich Oxyo&eoia genannt) eintritt, indem durch Läh- mung des Musculus stapedius das Sicherheitsventil gegen starke Geräusche beeinträchtigt wird. Gehen wir nun zur sogenannten nervösen Schwerhörigkeit über, die wir also bei Inte- grität des acustischen Apparates auftreten sehen, so beweist die pathologische Anatomie, dass in der Mehrzahl der Fälle als Ursache sich eine Structurveränderung im Labyrinthe Gn der peripherischen Nervenverbreitung) oder am Ursprunge des Acusticus nachweisen lässt. Wir müssen bedenken, dass der nervus acusticus sich gleich dem Opticus in ein Bindegewebe, in eine tunica nervea verästelt; (als solche ist beim Acusticus die Tonula membranacea der Schnecke und die Säckchen des Vorhofes, beides Träger der Nervenenden zu betrachten) und dem analog finden wirnun Hyperaemien dieser tunicanervea, Haemorrhagien mit Pigmentablage- rungen und acute sowie chronische Exsudationen auf und in ihr als wahre Ursachen gestörter Innervation auftreten. Ueber die Structurveränderungen bei central nervöser Schwerhörigkeit fehlen zwar noch genauere Sectionen, die topographische Anatomie aber, sowie clinische Beobachtungen sprechen dafür, dass Extravasate und Exsudate im 4ten Ventrikel und in dessen nächster Umgebung dieses Symptom bedingen. Nun ging es mir darum, diese durch pathologische Anatomie und Untersuchung normaler Hörender gewonnenen Ursachen der Schwerhörigkeit, so die acustische und nervöse Form derselben, schon bei Lebzeiten zu diagnosticiren und hielt ich es zu die- sem Behufe für gemessen einmal, ähnlich den diagnostischen Hülfsmitteln anderer Organe, die Functionsstörung derselben, also hier die verschiedenen Hörerscheinungen Schwer- höriger, als Diagnosticon zu benutzen. Zwar ist es schwierig, den Grad der gestörten Fune- tion exact zu ermitteln, doch ist für practische Zwecke die Messung mit mehreren: Uhren aus- reichend und bediene ich mich dazu dreier Uhren, einer Oylindertaschenuhr, deren Ton ein Normalhörender 4 Fuss und darüber vernimmt, ‘einer Nürnberger Sackuhr mit 40 Fuss und einer Repetiruhr mit 80 Fuss Intensität, d. h. deren Schläge 40 Fuss respect. 80 Fuss weit von einem Normalhörenden gehört werden, Als für die Diagnose wichtige und nutzbare Hörerscheinungen habe ich nun bis jetzt, ob- schon sehr lückenhaft, ermittelt: 1) das Hören durch den Kopfknochen; 2) den Grad der Schwerhörigkeit; 3) das Verhältniss der Hörkraft für Töne im Vergleich zum Verstehen der Sprache ; 4) die stabile und die wechselnde Hörkraft, woran sich dann das Besserhören bei Geräuschen und das subjective Gehör anschliessen. Die gewonnenen, durch tausendfältige Beobachtungen bestätigten Resultate will ich hier kurz mittheilen: 245 1) Normal Hörende vernehmen den Ton einer Cylinderuhr sowohl in bestimmter Entfer- nung vor dem Gehörgange mittelst der Trommelhöble, äls auch beim Verschluss des Gehörganges beim festen Andrücken auf den Kopfknochen direct durch Uebertragung der Schallwelle auf die Enden des nervus acusticus. Nicht so Schwerhörige; bald ver- nehmen diese den Ton von dem Gehörgange und nicht von dem Kopfknochen, bald umgekehrt. Es folgt hieraus: „Doppelseitig Schwerhörige, die bei fest verschlossenen Gehörgängen den Ton einer Cylinderuhr beim festen Andrücken auf die Kopfknochen klar und deutlich hören, können nie und nimmer nervös taub sein, d. h. bei ihnen muss der nervöse Apparat (das Labyrintlı) integer sein, sondern sie können nur acustisch taub sein, d. h. bei ihnen muss die Ursache des Uebels vor dem Labyrinthe liegen.“ „Einseitig Schwerhörige, die bei fest verschlossenen Gehörgängen den Ton einer Cylinderuhr beim festen Andrücken auf die Kopfknochen rings um das leidende Ohr nicht hören, während sie denselben von den Knochen der anderen Seite per- eipiren, müssen auf dem leidenden Ohre nervös taub sein, das Labyrinth kann sich nicht integer verhalten.“ 2) Der Grad der gestörten Kopfknochenleitung, also der Grad der Anaesthesie des n. acusticus ist ein verschiedener, aber auch ein messbarer, denn ich habe gefunden: a) solche, die nicht meine Cylinderuhr, wohl aber meine Kastenuhr durch die Kopf- knochen hörten; b) solche, die weder die erstere noch die letztere, wohl aber die Repetiruhr vernehmen; ce) solche, die auch selbst diese nicht hörten, aber nie ist mir ein Fall, nie selbst ein Taubstummer vorgekommen, der nicht den Schlag der Repetiruhr von den Finger- spitzen aus fühlte, wo ist also die Grenze von Gehör und Gefühl?! Jeder einzelne Theil des Leitungsapparates hat einen bestimmten Antheil an dem normalen Hörvermögen; derselbe lässt sich genau ermitteln durch die Hörkraft von Schwerhörigen, in denen mur ein Theil des Leitungsapparates in seiner Function ge- stört ist; dieses ist wichtig um eine einfache von einer complieirten Schwerhörigkeit zu unterscheiden. So habe ich z. B. constant bei Schwerhörigkeit „bedingt durch mechanischen Verschluss der Tuben“ in Folge eines Catarrhus pharyngis eine Hör- weite von 30—40 Zoll für meine Kastenuhr beobachtet. Jede acustische Schwerhörigkeit kann nie und nimmermehr über eine bestimmte Grenze hinausgehen, kann nie und nimmermehr Ursache einer Taubstummheit sein; in allen Fällen, in denen die Cylinderuhr von den Knochen gehört wurde, habe icli immer noch gefunden, dass die Kastenuhr ohne Berührung des Organes vor dem Gehörgange und die Repetiruhr mindestens 1 Fuss weit gehört wurde. 3) Aeusserst interessant sind nun die Beobachtungen des Verhältnisses der Hörkraft der Töne zu dem Verständniss der Sprache. Ich habe folgende Gesetze gefunden: „Das Verstehen der Sprache steht in keinem nachweisbaren Zusammenhange mit der Hörkraft für die Uhren.“ „Im höheren Alter leidet bei auffallender Abnahme der Hörkraft für die Uhren das Verständniss für die Sprache sehr wenig. Ebenso wie wir in der Kindheit 246 sprechen und Sprechen verstehen erlernen, müssen wir im hohen Alter beides erst allmälig verlernen.* „Jeder pathologische Prozess innerhalb des Labyrinthes manifestirt sich sofort durch eine bedeutende Abnahme für die Hörkraft gegen Uhren, aber erst später und dann fortschreitend ohne Zunahme des pathologischen Prozesses für das Verstehen der Sprache.“ Dies ist leider die gewaltige Schranke für eine otiatrische Therapie, denn das Publikum hältsich nur für schwerhörig, wenn es die Sprache nicht versteht, die pathologischen Prozesse im Gehörorgane, welche meist schmerzlos anschleichen, werden daher immer erst später, also mit schlechterer Prognose zur Behandlung kommen. Betrachte ich im Allgemeinen acustisch Schwerhürige im Gegensatz zu nervös Schwerhörigen in Bezug auf das Sprachver- ständniss, so habe ich gefunden: „Dass bei gleicher Hörkraft für die Uhren unter gleichen Umständen nervös Schwerhörige die Sprache ungleich besser verstehen als acustisch Schwer- hörige, und letztere in dem Maasse schlechter, als die Ursache in einer beeinträchtigten Schwin- gung des Steigbügels beruht.“ Unter den nervös Schwerhörigen sind mir nun aber einige interessante Fälle vorgekom- men, in denen sich das Sprachverständniss antagonistisch verhält, nemlich einerseits solche, die bei einer erstaunlich geringen Hörweite für die Uhren etwa bei 6 Zoll für die Kastenuhr mit 40 Fuss Intensität das leiseste Geflüster aus einer Entfernung von 12 Fuss vernehmen, ohne sich umzuschen, andererseits hingegen solche, die bei derselhen Hörweite für die Uhr gegen die Sprache, paradox gesprochen, sich tauber als Taubstumme verhalten, die nicht im Stande sind, in nächster Nähe ein lautes a, o, u zu vernehmen, während sie das leiseste Klopfen, das Schreiben mit einem Griffel u. s. w. deutlich merken. Die Anamnese und die Complicationen der Fälle letzterer Art machen es mir wahrschein- lich, den Satz aussprechen zu dürfen: „Je mehr bei einer einfach nervösen Schwerhörigkeit das Sprachverständniss im Verhält- niss zur Hörkraft für die Uhren abnimmt, je rapider sich gleichzeitig das Stimmorgan ver- ändert, desto mehr Grund ist vorhanden, eine centrale Paralyse des nervus acusticus anzu- nehmen, während das Gegentheil für eine peripherische spricht.“ Ebenso habe ich zwar auch ein relativ besseres Auffassungsvermögen für hohe respective tiefe Töne, so wie für einen besonderen Klang beobachtet, ohne aber recht exacte Schlüsse über den Sitz dieser Verschiedenheiten daraus ziehen zu können. Wichtiger hingegen ist 4) das Verhältniss der stabilen und der wechselnden Hörkraft, vor- ausgesetzt, dass letztere in der That existirt und demnach mit einer Uhr messbar ist. Wir müssen dabei unterscheiden, ob ein wechselndes Gehör bei acustisch oder bei nervös Schwer- hörigen beobachtet wird. Bei acustisch Schwerhörigen beweist die wechselnde Hörkraft ent- weder ein gleichzeitig durch das Speculum diagnostieirbares freies bewegliches acustisches Hin- derniss im äusseren Gehörgange, als Cerumen-Ansammlung, pathologische Exsudate und fremde Körper daselbst oder ein gleichzeitig durch den Catheter erkennbares freies bewegliches Hin- derniss in der Tuba, wie Schleimanhäufung beim Catarrh des Pharynx, oder aber es be- weist eine zeitweise unterbrochene Leitung durch die Gehörknöchelchen, eine Dislocation derselben, die der bisherigen Diagnostik entgehen musste. Das stabile acustisch schwere Gehör hingegen beweist, dass seine Ursache nur in einem festen unbeweglichen Hindernisse, in einer festen Exsudation innerhalb der Trommelhöhle liegen kann, welche physiologisch betrachtet, die Beweglichkeit der Gehörknöchelehen beeinträchtigt. 247 Wenn sich hingegen bei nervös Schwerhörigen ein nachweisbar wechselndes Gehör her- ausstellt, so können wir daraus folgern, dass die Ursache nicht in einer Structurveränderung im nervösen Apparate liegt, sondern nur in einer fehlerhaften Bluteireulation oder Innervation ge- sucht werden kann. Dem analog treffen wir ein solches bei Individuen an, die an Congestionen leiden, und am auffallendsten bei hysterischen. Das sogenannte „besser Hören bei Geräuschen“, „beim Fahren“ stellt sich nach meinen Beobachtungen als reine acustische Täuschung ohne jeglichen diagnostischen Werth heraus; denn ich fand, dass ich meine Sackuhr, die ich im Zimmer gut 400 Zoll weit vernehme, im Wagen nur 7 Zoll weit hörte, während die Messungen bei einer schwerhörigen Dame er- gaben, dass selbige beim Fahren diese Uhr eben so weit als im Zimmer hörte; also nicht besser, obgleich sie solchesbehauptete. Hierzu kommt nun noch, dass wir alle nolens volens bei Ge- räuschen lauter sprechen und so hat denn der Schwerhörige den doppelten Vortheil, dass ihm lauter zugesprochen und er weniger durch den Lärm betäubt wird. Was nun endlich das „subjebtive Hören“ (Ohrensausen, -brausen, -rauschen, -tönen, -klin- gen u. s. w.) betrifft, so kann eben jeder Reiz irgendwo im Organismus solches bedingen; hieraus folgt von selbst, dass es auf Prognose und Diagnose von gar keinem Werthe ist und auch mit dem Grade des Uebels in keinem nachweisbaren Zusammenhange steht. Nur soviel ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es bei Hyperaemien des nervösen Apparates bei Exsuda- tionen daselbst durch die dadurch hervorgerufene Reizung nie fehlen kann. Ich darf wohl zum Schluss noch einmal meine innerste Ueberzeugung aussprechen: legen wir die ewig grünen physiologischen Wahrheiten eines Johannes Müller und die pa- thologisch-anatomischen Beobachtungen eines Toynbee unserem Systeme einer rationellen Otiatrik zu Grunde, bedenken wir, dass das ganze Gehörorgan lediglich nur ein Leitungs- apparat ist, der nervus acusticus hingegen der einzige Nerv, der aus einem Ventrikel entspringt und mit den Mennigeen in innerster Beziehung steht, sowie sich gleich dem Optieus in ein Bindegewebe verästelt; beobachten wir nun auf solcher Basis in jedem einzelnen Falle von Schwerhörigkeit den Zustand des Gehörganges und des Trommelfelles, sowie der sichtbaren Trommelhöhle per speculum, prüfen wir ferner die Wegsamkeit der Tuben und den Inhalt der Trommelhöhle mit dem Catheter, untersuchen wir dann die Functionsstörung, die Kopf- knochenleitung, den Grad der Schwerhörigkeit, ob selbige stabil oder wechselnd auftritt und wie sich das Sprachverständniss verhält; berücksichtigen wir endlich noch die Anamnese, die Entstehung des Uebels, ob dieses rapid oder chronisch, schmerzhaft oder schmerzlos sich ent- wickelte, und es wird uns nicht schwer fallen, in jedem einzelnen Falle eine Diagnose stellen zu können, die, wenn auch nicht unfehlbar, so doch den Diagnosen in anderen Organen wür- dig an die Seite treten darf. Dr. Parow aus Bonn sprach über die habitwelle Scoliose und derenBehand- lung mittelst der Selbststreckungs-Meth ode. Meine Herren! Es ist bekanntlich von jeher eine Streitfrage gewesen, ob die sogenannte habituelle Scoliose, d. h. diejenige seitliche Rückgrats-Verkrümmung, die ohne bestimnit locali- sirte Krankheitsprozesse in die Erscheinung tritt, und die allmählich zur Ausbildung kommt, ohne dass ein anderes pathologisches Phänomen, als eben die Gestalts- Abweichung der phy- sikalischen Diagnose zugänglich wird, ihre primäre Begründung in den Muskeln, oder in den passiven Bewegungsorganen, den Knochen, Knorpeln und Bändern finde. Die Ansichten hier- über haben zu verschiedenen Zeiten immer sehr geschwankt und diese Schwankung der An- 248 sichten führte sehr natürlicher Weise auch eben so zu einer Schwankung in den gegen diese Scoliose angewandten Heilmitteln. — Aber auch umgekehrt haben wir beobachten können, dass die Ansichten über die Entstehungsweise der Scoliose wesentlich beeinflusst wurden von der Herrschaft dieser oder jener, auch in anderer Beziehung gerade beliebt gewordenen Heil- methode. So begann man, als die subeutane Tenotomie eine grössere Ausbreitung gewann und man, in Folge der Wirkung derselben, in den Gelenkverkrümmungen vorzugsweise muskuläre Erkrankungen erkennen zu dürfen glaubte, diese Ansicht auch mehr auf die Scoliose zu über- tragen und dem entsprechend die Rückenmuskeln zu durchfleischen; und seit nun die schwe- dische Heilgymnastik ihren Rundgang macht, da versteht es sich ganz von selbst, dass die Sco- liosen vorzugsweise muskulären Ursprungs sein müssen und man construirt die herrlichsten Theorien, von ganz verschiedenen, ja von ganz entgegengesetzten Fundamenten ausgehend, die aber doch alle friedlich in dem einen Punkte zusammen treffen, dass sie die muskuläre Natur der Scoliosen beweisen und demgemäss die schwedische Heilgymnastik als die wahre und alleinige Panacee dagegen anpriesen. Diese Theoretiker scheinen dabei vollkommen un- zugänglich für die Wahrnehmung der statischen Verhältnisse zu sein, die nach den vortreff- lichen Untersuchungen der Gebr. Weber, H. Meyer u. a. bekanntlich eine so. wesentliche und hauptsächliche Rolle bei der aufrechten Stellung des Körpers spielen, so völlig verschlossen für die Würdigung der mechanischen Lageverhältnisse der die Gelenke constituirenden Theile und die natürliche Accommodation ihrer Form und Structur an jene, dass einer derselben (Eulenburg) es unternommen hat, ‘die trefflichen anatomisch - pathologischen Untersuchun- gen, die Leopold Dittel in Wien über verschiedene Formen der Gelenkverkrümmungen, wie über Scoliose geliefert hat, in einer Special-Kritik anzugreifen, ohne im Stande zu sein, jene nothwendige Folge der mechanischen Lageverhältnisse irgend wie wahrzunehmen und zu- zugestehen, selbst wenn sie mit so deutlichen Worten vorgeführt werden, dass wir ihre Wir- kung gleichsam vor Augen sehen. Die Erwähnung des Namens „Dittel‘“, den ich nicht mit Dietel in Krakau zu ver- wechseln bitte, führt mich sogleich zur Anführung einer für unsere Frage sehr wichtigen Thatsache, welche von diesem eruirt worden ist. Die bisherigen anatomisch - pathologischen Untersuchungen über Scoliose waren wenig oder gar nicht geeignet über die primäre oder se- cundäre Betheiligung der dabei interessirten Muskeln, Bänder, Knorpel und Knochen wesent- liche Aufschlüsse zu geben. Diese Untersuchungen bezogen sich vorzüglich auf veraltete Fälle, bei welchen man alle diese Theile in mehr oder weniger ausgedehntem Grade ergriffen fand, und setzten uns daher ausser Stand zu entscheiden, was primär, was secundär affieirt sei. Dittel hat nun in dieser Beziehung einen sehr wichtigen Fund gethan, den er leider nicht in einer seiner grösseren anatomisch-pathologischen Arbeiten mittheilt, sondern nur beiläufig in einer Kritik der Werner’schen Arbeiten erwähnt und der deshalb noch nicht die Beachtung gefunden zu haben scheint, die seine Bedeutung verdient. Dittel fand nämlich bei 50 an- scheinend geraden Leichen über 7 Jahren, die er untersuchte, die linke Hälfte des Körpers des dritten bis sechsten Brustwirbels abgeflacht gegen die rechte, und ausser bei zweien, eine sanfte Biegung dieses Theils der Wirbelsäule nach rechts, und muss ich besonders hervor- heben, dass er bei seinen Messungen mit solcher Genauigkeit verfuhr, dass er Rokitansky entscheiden liess, wo er irgendwo zweifelhaft war. — Also nicht etwa bei diagnostieirter Sco- liose, nein, bei jener schwachen, normalen Abweichung der Brustwirbel nach rechts, die so ge- ring ist, dass, obgleich sie von mehreren ältern und neuern Beobachtern behauptet worden, doch von andern sorgfältigen Beobachtern im Leben nicht wahrgenommen werden konnte, wird 249 bei 50 beliebigen Leichen, wie sie gerade im anatomischen Saale vorkommen, eine geringere Höhe der linken Körperhälfte mehrerer Brustwirbel gefunden und dieser Fund eines Beobach- ters, dessen ganze Darstellungsweise uns die Genauigkeit seiner Beobachtungen verbürgt, wird zugleich durch einen zweiten bestätigt, dessen zuverlässige, Beobachtungsgabe über allen Zwei- fel erhaben ist. Kann nun bei einer solehen Thatsache, die uns die Mitbetheiligung der Knochen schon an der, im Leben gar nicht, oder kaum erkennbaren seitlichen Abweichung der Wirbelsäule nach- weist, noch irgend ein Zweifel übrig bleiben, dass auch bei den allergeringsten Graden der im Leben erkennbaren Scoliosen bereits eine Betheiligung der passiven Bewegungsorgane in specie der Knochen, als deren Grundlage vorhanden ist. Ich glaube wir sind genöthigt den Zweifel schwinden zu lassen. — Aber gestehen müssen wir, auch selbst durch jene wichtige Thatsache, die Dittel eruirt hat, ist die Frage, ob die Knochen nun bei den seitlichen Krüm- mungen der Wirbelsäule die primär affieirten Organe seien noch keineswegs definitiv entschie- den, sondern nur immer erst die der sofortigen Betheiligung derselben. So wichtig diese Entscheidung an sich ist, so bleibt doch immer noch die Frage offen, ob nicht durch die, mit dem gewohnheitsgemässen Mehrgebrauch des rechten Arms verknüpfte Mehrübung der rechts- seitigen Rückenmuskeln erst jene gefundene Ungleichheit in der Configuration der Rücken- wirbel bedingt se. Durch die Ansicht, welche nach dem Vorgange von Martin deSt. Ange jene geringe normale Abweichung der Brustwirbel nach rechts, der Lage der Aorta an der linken Seite der Wirbelsäule zuschreiben will, kann die Frage nicht entschieden werden, da diese Ansicht jedenfalls nur als Hypothese sich geltend machen kann. Wir müssen zur Be- antwortung jener Frage uns die andere stellen, ob es möglich sei, dass eine Abschwächung der linken Körperhälfte der Brustwirbel, eine Abweichung der Wirbelsäule convex. nach rechts durch eine Mehrwirkung der rechtsseitigen Rückenmuskel bedingt werde. Ich halte es nicht für möglich, denn alle Muskeln, welche auf die seitliche Biegung der Wirbelsäule wirken, welche die Querfortsätze einer Seite und damit auch deren Wirbelkörperhälften einander nähern, dem gemäss eine Zusammendrückung und Abschwächung derselben verursachen könnten, liegen an der Seite, wo diese Annäherung stattfindet, in unsrem Falle also an der linken Seite und hier müsste also ein Uebergewicht der Muskelwirkung stattfinden. Ich glaube deshalb zu dem Schluss gelangen zu müssen, dass, wenn der Mehrgebrauch des rechten Arms die Abweichung der Brustwirbel nach rechts verursacht, dies nur indirect durch die Stellung geschehe, welche wir zum bequemeren Gebrauch des rechten Arms einnehmen; und-in der That sind auch diejenigen Beschäftigungen, welche orzugsweise als begünstigend für die Ausbildung einer Scoliose angesehen werden, wie das Schreiben, Zeichnen, Nähen, Sticken u. s. w., we- niger solche, die eine besondere Anstrengung der rechtsseitigen Muskeln erfordern, als sie sich vielmehr nur durch eine ein Zusammensinken der linken Wirbelsäulenseite begünstigende Körperhaltung auszeichnen. Sieht man die Sache so an, so erklärt sich damit zugleich auch die Thatsache, dass auch bei linkshändigen Menschen, die doch die Beschäftigungen der be- zeichneten Art meist mit der rechten Hand verüben, oft genug rechtsseitige Scoliosen beobachtet werden. Wir sehen überhaupt bei den, mit jenen Beschäftigungen verbundenen Stellungen, kein actives Verhalten der betreffenden Rückenmuskeln, sondern vielmehr ein passives dersel- ben; wir sehen sie den Körper lediglich den Gesetzen der Schwere überlassen und in Folge dessen ein Zusammensinken der linken Seite des Rumpfes. Demnach wird es höchst wahr- scheinlich, dass die Schwere, die fortwirkende Last der an der Wirbelsäule aufgehängten Kör- pertheile das Moment ist, welches am Meisten zur Ausbildung der Seoliose beiträgt. — Keines- 32 wegs aber kann es dazu den Grund für sich allein hergeben, denn sonst müssten alle Menschen, die sich vorzugsweise in jenen Stellungen beschäftigen, eine auch im Leben erkennbare Ab- weichung der Brustwirbel nach rechts erwerben und Scoliosen zur Schau tragen. Dem ist aber nicht so, denn wir finden bekanntlich Scoliosen ungleich häufig nur bei dem überhaupt zarter organisirten weiblichen Geschlecht und unter diesem wiederum vorzüglich nur bei sol- ehen Individuen, die durch Abstammung oder in Folge einer, schwächenden Einflüssen unter- worfenen Lebensweise, eine minder feste Structur der organischen Gewebe besitzen. Bei dem männlichen Geschlecht findet man überhaupt ungleich seltener Scoliose, häufiger nur, wie Little beobachtete, bei solchen rasch aufgewachsenen Knaben, die den schwächenden Ein- flüssen einer einseitigen Beschäftigungsweise in Fabriken unterworfen sind. Auch bei Schnei- dern und Schuhmachern findet man Scoliosen verhältnissmässig häufig; doch müssen wir uns, um nicht diese Beschäftigungsarten allein anzuschuldigen, erinnern, dass vorzüglich nur schwäch- liche Individuen, die man für andere Arbeiten nicht stark genug hält, diese Professionen er- greifen. — Allgemein zeigte sich, wohin wir unsere Beobachtungen auch richten, dass eine zartere, schwächere Organisation erst als Bedingung hinzukommen muss, um jene Abschwächung der Wirbelkörperhöhe bis zu dem Grade zur Ausbildung kommen zu lassen, der als Scoliose in die Erscheinung tritt, und unter dem .Vorgange dieser Bedingung scheint es, dass jene zur bequemeren Benutzung des rechten Arms inne gehaltenen Körperstellungen, die den Druck der auflastenden Körpertheile vorzugsweise auf die linke Hälfte der Brustwirbel übertragen, einen solchen Einfluss gewinnen, dass eine wirkliche Seoliose sich ausbildet, die bekanntlich bei weitem am häufigsten eine Convexität des Dorsaltheils nach rechts zeigt. — Ich substituire für den allerdings sehr unbestimmten Begriff der Schwäche der Organisation kein bestimmteres Wort, weil wir etwas wirklich Bestimmtes über die Natur dieses Schwäche-Zustandes nicht wissen, und ich bemüht bin, Hypothesen möglichst aus meinen Anschauungen zu verbannen. Will man mit Little, Bishop, Lorinser u. A. jenen Schwäche-Zustand als in einem niedern Grad rhachitischer Weichheit der Gewebe, namentlich der Knochen, in einem Mangel an Kalk- salzen in denselben begründet ansehen, so habe ich nichts dagegen, wenn man sich dabei be- wusst bleibt nur auf einer Hypothese zu fussen. Als Thatsache worauf wir mit Bestimmtheit weiter fussen können, bleibt für uns die Beobachtung Dittel’s und Rokitansky’s bestehen, wodurch schon in den allergering- sten seitlichen Abweichungen der Wirbelsäule, eine Betheiligung der Knochenformation nach- gewiesen wird, und mit der Constatirung dieser Thatsache wollen wir unsere pathologischen Betrachtungen über die Scoliose schliessen, da sie für unsre weiteren Erörterungen genügt und alles übrige mehr oder weniger ins Bereich der Hypothese fällt. Wir wollen desshalb hier auch nicht ausführlicher eingehen’ auf eine Erörterung des Begriffs des sogenannten Muskel- Tonus, als einer permanenten vitalen Contraktions- Tendenz des Muskelgewebes, die zu der Anschauung führt, als wenn sich die antagonistischen Muskeln durch unausgesetzte vitale Trac- tionen einander in Schach hielten. Diese Anschauung, die es besonders ist, auf welche die- jenigen fussen, welche für die Scoliosen vorzugsweise den muskulären Ursprung vindieiren, gehört sicher mindestens noch ins Bereich der Hypothese und würde, wie Valentin sehr richtig sagt, eine Verschwendung der Muskel-Energie voraussetzen, die allen physiologischen Erfahrungen widerspricht. Auch Eduard Weber, den wir wohl als den Hauptvertreter exac- ter Beobachtungen auf dem Gebiet des Muskellebens betrachten dürfen, kennt einen solchen Muskeltonus nicht. Vergleiche hierüber eine Abhandlung: „Ueber die Anwendung der Selbst- 251 streckung bei Gelenkverkrümmungen als Ersatz der Tenotomie. Prayer, Vierteljahrsschrift für praktische Heilkunde 1857. Bd. IV. Um mich vor Missverständnissen zu schützen, hebe ich indess nochmals hervor, dass ich keineswegs die Mitbetheiligung der Muskelwirkung bei der Ausbildung der Scoliose läugne, aber eben nur die Mitbetheiligung halte ich für erwiesen, für unerwiesen dagegen die primäre ursächliche Bedeutung derselben, eben so erwiesen, wie die des Muskelsystems halte ich die Mitbetheiligung des Knochensystems, der auch die der Knorpel- nnd Band-Massen sich noth- wendig anschliessen muss. Alle die Wirbelsäule constituirenden und ihre Bewegungen vermit- telnden Theile sind daher, so viel wir bis jetzt wissen gleichzeitig bei der Ausbildung der Sco- liose betheiligt. Die Schwäche der Organisation aller dieser constituirenden Theile scheint die innere Bedingung für die Scoliose herzugeben, die Schwere der an der Wirbelsäule aufge- hängten Körpertheile das äussere Moment, welches unter der Voraussetzung jener Bedingung die Scoliose zur Ausbildung bringt, und wenn hierbei das Muskelsystem eine besondere Rolle spielt, so scheint diese vielmehr eine negative zu sein, die die Haltung und Balancirung der Wirbelsäule vorzugsweise den Gesetzen der Schwere überlässt, statt sie, wo sie diesen in ano- maler Richtung anheim zu fallen droht, in die normale zurück zu führen. Ist aber die Ab- weichung der Wirbelsäule von der normalen Richtung des Schwerpunktes erst stabil geworden, so müssen sämmtliche constituirenden Theile sich dieser Abweichung organisch accommodiren und es erscheint eine Verkürzung der Muskeln und Bänder, eine Abschwächung der Höhe der Wirbelkörper auf der am meisten belasteten Seite, eine Ausdehnung jener und grössere Höhe dieser auf der entgegengesetzten Seite als nothwendige Folge. — Dies sind die Anschauun- gen, worauf ich meinen Kurplan basire. Hiernach erachte ich als erste Indikation für die Behandlung der Scoliose die möglichste Beseitigung derjenigen Momente, welche jenen allgemeinen Schwächezustand der Organisation herbeiführten und unterhalten, den wir als die Grundlage für ihre Entstehung bezeichneten, Es bietet sich hier uns die Aufgabe, allen irgendwie in die Erscheinung tretenden Störungen der verschiedenen Iebensfunctionen auf diätetischem, wie auf arzneilichem Wege zu begegnen. Im Allgemeinen ergibt sich als zweckmässig, die Versetzung des leidenden Individuum in eine gesunde, reine Luft, diätetische Pflege in jeder Beziehung, der Gebrauch von Bädern und die Benutzung einer Gymnastik, welche besonders auf allgemeine Kräftigung berechnet ist und wo- bei man vorzüglich darauf zu achten hat, dass in keiner Weise eine Ueberanstrengung der Muskelkräfte aufgeboten werde und desshalb Ruhe in angemessener Weise der Uebung nachfolge. Die zweite Indikation für die Therapie der Scoliose fordert die möglichste Beseitigung des äusseren Momentes, von welcher wir aunehmen, dass es unter der Voraussetzung jenes con- stitutionellen Schwächezustandes die Seoliose zur Ausbildung bringe, nämlich der Schwere der Wirbelsäule als solcher und der an ihr aufgehängten Theile, so wie der Neigung zu Stellun- gen, welche jene von der Wirbelsäule zu tragende Last auf die concave Seite verlegen. Da die Mittel zur Erfüllung dieser Aufgabe einen integrirenden Theil der sogleich von mir für die dritte Indikation zu erörternden Methode ausmachen, so werde ich sie mit unter dieser abhandeln. Als dritte Indikation ergiebt sich nämlich aus unsren obigen Erörterungen, die Reduk- tion der inihrer Form und Structur alterirten activen und passiven Bewegungs-Organe, welche die Wirbelsäule und den Brustkasten constituiren, zu ihren normalen Verhältnissen, oder mit andern Worten, die Herstellung der Bedingungen für normale Haltungenund Bewegungen der Wirbelsäule und ihrer annexen Theile. Für die Erfüllung dieser Indikation kann die Gymnastik für sich unmöglich ausreichen, selbst dann nicht, wenn man sich, während man die Betheiligung der passiven Bewe- gungsorgane zugestehen muss, dennoch berechtigt halten dürfte, den Muskeln die primäre Schuld an der Entwickelung der Scoliose aufzubür- den, denn die Muskeln haben keine andere Function als die, dass sie bei ihrer Contraction ihre beiden Ansatzpunkte einander nähern; — die Rich- tung, in welcher dies geschieht wird lediglich durch die Stellung der bei- den Ansatzpunkte zu einander, und dureh die Conformation der sich dabei übereinander verschiebenden Gelenkflächen bestimmt. Der Muskelzug kann daher nur dann normale Richtungen zu Wege bringen, wenn diese Be- dingungen dazu in den passiven Bewegungsorganen vorhanden sind. Ich habe meine Bestrebungen für die Heilung der Scoliose mit der Anwendung der schwedischen Heilgymnastik begonnen, und nachdem ich mich hier genöthigt sah, es als ein ganz resultatloses Beginnen aufzugeben, durch Berechnung der Muskelwirkungen die zweck- gemässen Uebungen zu finden, in der Art weiter experimentirt, dass ich in den individuellen Fällen von Seoliose bei entblösstem Oberkörper die Stellungen und Uebungen herauszufinden suchte, die eine möglichste Ausgleichung der Krümmung herbeiführen möchten; aber ich habe bei irgend complicirten und ausgebildeten Fällen nur wenig Uebungen auffinden können, welche dem Zweck genügend entsprachen. Zugleich begriff ich, dass, wenn ich einmal die Einwirkung auf die alterirten Form- und Structur-Verhältnisse der passiven Bewegungs-Organe als haupt- sächliches und nächstes Kurobject erkenne, ohne dessen Verfolg eine Einwirkung auf die Muskeln wenig oder gar nichts fruchten könne, die von dem Muskelzuge auf jene ausgeübte indirekte Wirkung mehr gesichert werde durch oft wiederholte Uebung bei geringerem Kraft- aufwande der Muskel, als durch die energischeren aber selten wiederholten Muskelübungen der schwedischen Gymnastik; — es sei denn, dass man die widersinnige Hypothese eines dynami- schen Ueberströmens der Muskelenergie auf dieKnochen- und Bandmassen gelten lassen wollte. Aber die Formveränderung in den passiven Bewegungsorganen, die sich als Mangel der mechanischen Bedingungen für die normale Wirkung des Muskelzuges darstellt, bedarf me- chanischer Hülfsmittel zur Ergänzung jenes Mangels! — Das war der Schlussstein meiner Anschauungen, auf denen ich vor allen meinen Kurplan basiren zu müssen glaubte und diese Forderung habe ich daher durch eine Methode zu realisiren gesucht, welche in prinzi- pieller Weise eine unmittelbare Verbindung der von den exclusiven schwedischen Heilgymna- stikern für unvereinbar erklärten orthopädischen Gymnastik und Mechanik darstellt, und welche ich, zumal in der Ausdehnung, die ich ihr gegenwärtig durch ihre Anwendung nicht bloss gegen die Rückgratsverkrümmungen, sondern auch gegen die meisten andern Gelenkverkrüm- mungen gegeben habe*), nicht besser, als mit dem Namen der Selbststreckungs-Methode bezeichnen zu können glaube. Denn ihre wesentliche Eigenthümlichkeit ist die, dass der Kranke selbst es ist, der die Wirkung des mechanischen Apparates zur Anwendung bringt und den Mechanismus desselben beherrscht, und wenn irgends die Contractionsfähigkeit der bethei- ligten Muskel es gestattet, diese selbst die Hauptwirkung bei der Ausführung der ausgleichen- den Bewegungen übernehme und ihre Wirkung nur in eben dem Maasse von den mechani- schen Apparaten unterstützt wird, wie der Mangel an eigner Energie oder der an den normalen mechanischen Bedingungen es fordert. *) Vergl. den bereits oben citirten Aufsatz, Prayer, Vierteljahrsschr. 1857, Bd. IV. 253 Die zur Ausführung dieser Methode bei Scoliosen bis jetzt von mir benutzten Apparate sind folgende *): I. Ein Selbst-Extensions-Apparat mit dessen Anwendung mehrere ganz speziell der schwe- dischen Heilgymnastik angehörende, die Scoliose mehr oder weniger ausgleichende und na- mentlich die seitliche Neigung aufhebende Bewegungen in Verbindung gesetzt werden, die derselbe durch fast völlige Abhebung der Körperlast von der Wirbelsäule wesentlich unter- stützt. Dieser Apparat findet sich in Frorieps Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heil- kunde, 1856 Bd. II. No. 12 abgebildet. II. Eine Modifikation einesvon Bonnetangegebenen Apparats, die ich Rotationsstuhl nenne. Bonnet hat das Verdienst zuerst überhaupt Bewegungsapparate in die Behandlung der Verkrüm- mungen eingeführt zu haben. Seine Apparate vermitteln indess durchaus nur passiveBewegungen der verkrümmten Gelenke, während die meinigen, wie bereits erwähnt, überall eine möglichst active Be- theiligung derbetreftenden Muskeln in Anspruch nehmen. In eben dem Sinne ist die von mir benutzte Modifikation des Bonnet’schen Stuhls ausgeführt, während ich zugleich noch mehrere Pelotten für die Gegenkrümmungen habe anbringen und alle Apparatstäbe verstellbar habe machen lassen, dass der Apparat für verschiedene Kranke, sei es mit rechts- oder linksseitigen Krümmungen benutzt werden kann. Dieser Apparat, der, wie sein Name andeutet, vorzugsweise der, mit der seitlichen Neigung verbundenen Rotation der Wirbelsäule und der an ihr befestigten Rippen entgegen wirkt, wird entweder für sich und dann meist unmittelbar nach der Anwendung des, seine Wirkung vortheilhaft vorbereitenden Selbstextensionsapparates oder in gleichzeitiger Ver- bindung mit demselben angewandt und zeigt namentlich dann eine ungemein mächtige und doch dem Kranken in keiner Weise lästige, vielmehr selbst seinem Gefühl wohlthuende Wirkung. Die ferner von mir benutzten Apparate sind vorzüglich für die Erfüllung der zweiten von mir aufgestellten Heil-Anzeige berechnet, also dafür, die Wirbelsäule, namentlich die concave Seite derselben von der Last, der auf ihr ruhenden Körpertheile möglichst permanent zu befreien, zugleich aber durch entsprechende stetige Druck- und Zugwirkungen die Wirbel- säule und Rippen immer mehr und mehr der normalen Richtung entgegen zu führen und darin zu erhalten. Es sind: III. Verschiedene Apparate für die horizontale Lagerung mit seitlich wirkenden Pelotten, die mehr oder weniger fest gegen die nach hinten rotirten Rippen und Querfortsätze der Wir- bel angedrückt werden können und dadurch zur Ausgleichung der Krümmung während der Ruhe beitragen. Einige Orthopäden haben die Benutzung seitlicher Pelotten bei der horizontalen Lagerung für nutzlos erklären und behaupten wollen, dass durch eine solche auf einer ebnen Fläche das- selbe erreicht werde. Es hat dies offenbar nur geschehen können, indem sie sich bei ihrem Urtheile durch vorgefasste Meinungen, statt durch Beobachtung leiten liessen, denn der Unter- schied in der geraderen Richtung der Wirbelsäule sowohl, als in der Verbesserung der gan- zen Configuration des Thorax, je nachdem man die Patienten bloss auf einer ebnen Fläche lie- gen lässt, oder gleichzeitig zweckentsprechende Pelotten dabei benutzt, lässt sich durch die Beobachtung so unzweifelhaft constatiren, dass darüber gar kein Streit stattfinden kann. Jeder Zeit ist aber vollkommene Ruhe, sowohl nach den, mit den oben angegebenen Apparaten an- gestellten Uebungen, wie nach denen der schwedischen und deutschen Gymnastik unumgäng- lich nothwendig und zwar für mehrere Stunden auch des Tages, wenn nicht die ermüdeten *) Die Apparate wurden nach dem Vortrage von dem Vortragenden in seinem Institute vorgezeigt, und ihre Anwendungsart und Wirkung genau an bezüglichen Kranken demonstrirt. 254 Muskeln die verkrümmte Wirbelsäule noch mehr den Gesetzen der Schwere anheim- und in die anomale Richtung hineinfallen lassen sollen. — Einer dieser Apparate ist aber auch zu- gleich so eingerichtet, dass die Kranken selbst während der horizontalen La- gerung, oder einer solehen auf dem planum inclinatum, wie ich sie öfter vorziehe, ab- wechselnd Bewegungen ineben dem Sinne und mit eben derselben mechanischen Unterstützung ausführen können, wie sie mit dem Rotationsstuhl ausge- führt werden. IV. Stütz-Apparate für die aufrechte Stellung und für die freie Bewegung des Patienten. Mit der Construction dieser Apparate habe ich eine unendlich mühevolle Reihe von Versuchen durchgemacht bis ich zu einem Schluss derselben gelangt bin, auf dem ich im Wesentlichen stehen bleiben darf. Die hauptsächlichen Schwierigkeiten, woran sonst fast immer die zweck- mässige Construction solcher Apparate scheitert, sind besonders die Gewinnung eines festen unverrückbaren Stützpunktes auf den Hüften und die Erfüllung der Auf- gabe, dieinihrer Entwickelung zurückgebliebenen Theile, namentlich die abgeflachtevordere Hälfte derrechtsseitigen Rippen bei der gewöhnlichen rechts- seitigen Dorsalscoliose vor jeder Druck- und Zugwirkung (unbeschadet der ander- weitig angemessenen Wirkung des Apparats) zu schützen. Die Tragapparate, die ich jetzt construiren lasse, sind daher vor Allem auf Ueberwindung dieser Schwierigkeiten berechnet. ‘Sie bestehen aus einem genau der besondern Körpergestalt angepassten Gestell von mehr oder weniger starken (d. h. immer nur solche leichter Art, wie sie zu Corsetten benutzt zu werden pflegen) Stahlfedern, die in ihrer Federkraft sehr sorgsam gegen einander abgemessen werden müssen. Wirbelsäule und Brustbein werden durch je zwei unverschiebbar mit einander verbundenen Längsfedern repräsentirt, deren hintere auf dem Kreuzbein, deren vordere auf der Schambeinfuge ihren festen Stützpunkt finden. Querfedern, welche die Rippen repräsentiren, laufen den Brustkasten umgebend von den hintern zu den vordern Längsfedern. Dieses Gestell bildet die Grundlage des Ganzen und wird mit Corset- Zeug überzogen, das indess verschiedene Stellen frei lässt, und das die Hüften umfassend, hier an mehreren verschiedenen Stellen mit Schnür-Oeffnungen verschen ist, deren mehr oder weniger festes Zuschnüren den Hüften eine normalere Stellung giebt und dem Ganzen einen festen unverrückbaren Stützpunkt verschafft, der nur in seltenern Fällen noch durch einen Schenkelgurt gesichert zu werden braucht. Von den Längsfedern aus verlaufen verschiedene gekrümmte Federn, die in verschieden geformte Pelotten endigen, welehe ihre Druckwirkung, deren Grad durch Schräubchen regulirbar ist auf beliebige Stellen des Thorax mehr oder weni- ger verbreiten, und dadurch eben so sehr der seitlichen Neigung der Wirbelsäule, als der Ro- tation derselben und der Vorbiegung der Rippen entgegen wirken, während die abgeflachten und eingebuchteten Theile des Thorax durch die die Rippen repräsentirenden Querfedern vor jedem Druck geschützt werden. Bei aller Mächtigkeit und Sicherheit der Wirkung sind diese Apparate zugleich so leicht, so bequem und zierlich, dass die Patienten nicht Anstand nehmen dürfen, sie noch lange Zeit nach der vollendeten Kur bis zum völlig vollendeten Wachsthum zu benutzen, was ich bei irgend ausgebildeten Fällen der Scoliose durchaus für nothwendig erachte, um Recidiven vorzubeugen. In leichtern Fällen von Scoliose erreiche ich dieselben Wirkungen , wie mit dem oben beschriebenen Stützapparate durch blosse Corsets, die an viel- fachen Stellen des Thorax und Beckens mit Schnür-Oeffnungen, an andern mit Gummi-Gewebe versehen sind, welches letztere nach der der Bewegung der Rippen beim Einathmen entspre- chenden Richtung vollkommen nachgiebig ist. 255 Ich darf diese Stütz-Apparate als intregirende Theile der Selbststreckungsmethode betrach- ten, weil es ebenso wie bei den andern Gelenkverkrümmungen auch bei den Sceoliosen Bedin- gung ihrer Wirksamkeit ist, dass die verkrümmten Theile nach Anstellung der Uebung mit den betreffenden Apparaten jedesmal in dem Grade der darnach zu erreichenden Normalrichtung festgestellt werden, weil ferner die Unterstützung der durch die Uebung ermüdeten und ohne sie geschwächten Muskeln bei der Balaneirung der Wirbelsäule nothwendiges Desiderat der Restauration ihrer Kraft ist und die unausgesetzte Benutzung der horizontalen Lagerung zu diesem Zweck dem allgemeinen Gesundheitszustand des leidenden Individuums um eben so viel Nachtheil bringen würde, als sie die Gradrichtung der Wirbelsäule befördert, dann aber end- lich noch, weil diese Appärate durch Abhaltung jedes Drucks von den, in Folge ihrer Ab- Nlachung und Erschlaffung ihrer Intercostalmuskel beim Einathmen am wenigsten gehobnen Rippen einerseits, andrerseits aber durch angemessene Beschränkung der Hebung der Rippen der entgegengesetzten Seite, ersteren gleichsam eine unausgesetzte Gymnastik auferlegen, die zur freien Hebung der betreffenden Rippen und Contraction der Intercostal-Muskeln dieser Seite führt. Mit diesen Mitteln nun, denen man, wenn die Bedingungen für normale Muskel-Wirkun- gen hergestellt sind, noch specifische rein active oder schwedische Widerstandsbewegungen hinzu fügen kann, vor allem aber durch eine sorgfältig den einzelnen Fällen angepasste Anwendung und unausgesetzte Ueberwachung der Wirkung jener Mittel, um ja recht zeitig die nöthige Modifikation der Behandlung eintreten zu lassen, kann man bei jüngern Individuen, so lange das Wachsthum derselben noch nicht vollendet ist, oft sehr erfreuliche Resultate erzielen; aber diese Mittel so wenig wie irgend welche andere mit so grosser Sorgsamkeit und Mühe man sie auch handhabt, schützen uns vor dem Misslingen der Kur in noch gar manchen Fällen; denn die ausgebildete Scoliose ist und bleibt ein trauriges Uebel, das häufig genug allen Kurver- suchen spottet. Das wird Jeder begreifen, der sich einiger Maassen die Anatomie der betref- fenden Theile und die complieirte Gestalt und Verbindung derselben vergegenwärtigt und sich die unendlich vielfache Möglichkeit der hier vorkommenden Gestalt- und Lageveränderungen zur Anschauung bringt, die uns ausser Stande setzt dieselben jederzeit genau zu überblicken und ihnen sachgemäss zu begegnen. Nur in früheren Stadien der Entstehung des Uebels und im jungen Alter der leidenden Individuen ist die Prognose im Ganzen günstig zu stellen, aber auch dann schon die grösste Sorgfalt und Ausdauer in der Kur nothwendig. Niemals, auch in den anscheinend geringfügigsten Fällen sollte man eine Scoliose leicht nehmen. Dr. Parow ladet mit Rücksicht auf diesen Vortrag die Herren Mitglieder und Theilneh- mer der Sektion zum Besuch seines orthopädischen Instituts auf Dienstag früh S Uhr ein. Hofrath Dr. Ruete aus Leipzig zeigt sein neu erfundenes Ophthalmotrop oder Myo- meter zur Demonstration‘ der Bewegungen des Auges. Dasselbe erläutert besonders das Gesetz, dass beim Blicke gerade nach oben und gerade nach unten, so wie gerade nach rechts oder links keine Abweichung in den horizontalen und verticalen Meridianen Statt findet, wäh- rend beim Blicke schräg nach oben eine Wendung des vertikalen Meridians nach der ent- sprechenden Seite, beim Blicke schräg nach unten eine Wendung desselben im entgegenge- setzten Sinne Statt findet. Zum Vorsitzenden für die nächste Sitzung Montag Morgen um 10 Uhr wird Generalstabs- arzt Stromeyer aus Hannover gewählt. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Tages - Präsident: Generalstabsarzt Dr. Stromeyer. Prof. Busch ladet zum Besuche der chirurgischen Klinik auf Montag Nachmittag um 4 Uhr ein. Sanitätsrath Dr. Eulenberg spricht über Luxatio congenita patellae, wobei er nach Er- wähnung der bisherigen Beobachtungen, zwei von ihm bei jungen Mädchen gesehene Fälle mittheilt, in deren einem zugleich eine Winkelstellung, der Kniee vorlag, so dass die Kranke nur mit gebeugten Knieen zu gehen vermochte. Dr. Rothmund theilt den Fall eines jungen Mannes mit, welcher an Strieturen der Ure- tra leidend, zugleich bei Untersuchung vom Mastdarm aus einen Tumor zu haben schien. Nach Beseitigung der Strietur wurde ein Stein diagnostieirt, der durch den Seitensteinschnitt entfernt wurde. In demselben fand sich ein Stück Draht und eine Bougie, um welche sich das Con- erement gebildet hatte. Der Fall beweist, wie Körper ohne zu heftige Reaction zu erregen in der Blase längere Zeit verweilen können, warnt aber zugleich vor Lithotriphie unter ähnlichen Umständen. Ein zweiter Kranker hatte sich, um sich zu tödten, ein Stück Eisen von 1 Fuss Länge und einem halben Zoll Dicke in den Magen hinabgestossen. Nach Durchwanderung des ganzen Darmkanals musste es in der Nähe des Afters, wo es perforirtshatte, excidirt werden. Bei der Section des später an Tubereulose gestorbenen Menschen liess sich ausser der Schnitt- wunde keine Narbe entdecken. Derselbe zeigt ein pincettenförmiges Instrument zur Fixation des Bulbus mit gekreuzten Branchen und nach aussen gerichteten Häkchen. Le Roy d’Etiolles spricht über die Instrumente, welche Bezug haben auf die Krank- heiten des Urogenitalsystems. Er zeigt die Entwicklung des Dupuytren’schen Lithotome double an Originalexemplaren und beginnt die Erörterung des Lithotriptischen Apparats, deren Fort- setzung auf die nächste Sitzung verschoben wird. Die nächste Sitzung sollte unter dem Vorsitze des Hofrath Prof. Dr. Baum stattfinden. 3. Sitzung: Dienstag, den. 22. September. Tages-Präsident: Hofrath Dr. Baum. Le Roy d’Etiolles bespricht und zeigt vor seine sehr sinnreichen Instrumente zur Extraction fremder Körper aus der Blase, z. B. von Haarnadeln, Bougies ete., ferner ein Ure- trotom zum Einschneiden, ein anderes zum Zerreissen von Strieturen. *) Dr. van de Loo las über den Gypsverband wie folgt: Ich habe die Ehre, die hochgeehrte Versammlung über den Gypsverband, womit die Aca- demien, die gelehrten Gesellschaften und die medieinischen Journale sich in der letzten Zeit vielfach beschäftigt haben und worüber die günstigsten Berichte abgestattet wurden, zu unterhalten. Da es viele Chirurgen giebt, welche diesen Verband noch nicht in die Praxis aufgenom- men haben, weil sie ihn, und hauptsächlich dessen Verbesserungen und verschiedene Abände- *) Herr Le Roy d’Etiolles bemerkte in einem Privatbriefe an einen der Geschäftsführer, dass er die Ma- nuscripte zu seinen Vorträgen absenden wolle; sie sind leider nicht in Bonn eingetroffen. Anm. d. Red. 257 rungen nicht genau kennen, so hoffe ich der leidenden Menschheit nützlich zu sein, wenn ich ihn der Versammlung aus einander setze und in Ihrer hochverehrten Gegenwart anlege. Der Gypsverband, meine Herren, wie Sie wissen, war schon den arabischen Wundärzten bekannt; in diesem Jahrhunderte machte Hendrix in Schweden, Dieffenbach inBerlin einen Gyps- guss; Hübenthal gebrauchte einen Teig aus Gyps und Löschpapier; ÖOloquet füllte den Gyps in einen Sack, durchfeuchtete ihn gänzlich und umhüllte dann damit das gebrochene Glied; Lafargue de St. Emilion machte einen Gypsbrei von Gyps und Kleister und gab diesem Mastie den Vorzug, weil nach ihm der Gyps allein sehr leicht zerbröckelte, und die Binden nicht an einander klebte (wahrscheinlich machte Läfargue den Gyps nicht nass ge- nug). Endlich kam Herr Mathysen, der irgend einen Stoff mit Gypspulver imprägnirte, daraus Rollbinden oder Compressen schnitt, und diese im Momente der Anlegung durchfeuchtete. Ungefähr gegen Ende des Jahres 1352 machte Herr Mathysen mich durch eine kleine Brochure: Nieuwe wyze van aanwending van het Gypsverband, mit dieser seiner Erfindung be- kannt; ich fasste aber dessen Wichtigkeit nicht, bevor Mathysen ihn im Januar 1853 in mei- ner Gegenwart anlegte, und ich von der Vortrefllichkeit desselben dergestalt 'ergriffen wurde, dass ich es mir von der Zeit an zur Hauptaufgabe stellte, diese Verbandmethode zur verdien- ten Geltung zu bringen. In der Sitzung der „Societe des sciences medicales et naturelles“ zu Brüssel am 6. Deeem- ber 1851 wurde von den Herren Joly, Crocq und Martin über den in Rede stehenden Verband ein Bericht erstattet, welcher durchaus nicht günstig war (zu lesen in dem Journal die- ser Gesellschaft, Februar 1853); ich liess mich durch diesen Bericht nicht einschüchtern, und wurde dadurch im Gegentheil nur noch mehr in meiner Ueberzeugung bestärkt, ich wurde ein eifrigerer Anhänger dieser neuen Methode als der Erfinder selbst; wir müssen mit Fleiss und Eifer an das Werk, sagte ich sodann zu Mathysen, denn dieser Verband hat so vor- zügliche Eigenschaften, dass er alle anderen verdrängen wird; es geschah; in kurzer Zeit wurde derselbe bedeutend verbessert, und mir gelang es, ihn amovo-inamovible zu machen. Den 7. April 1853 schon begab ich mich auf die Reise, um diesen Verband in Belgien und Frankreich bekannt zu machen. Am 12. April überreichte ich der „Societ& des sciences medi- eales et naturelles“ zu Brüssel meine Widerlegung jenes früher erwähnten ungünstigen Berich- tes, welche Widerlegung in dem Mai-Hefte 1853 des Journals dieser gelehrten Gesellschaft ab- gedruckt wurde. Ich demonstrirte den Gypsverband in den Spitälern zu Lüttich und Brüssel vor den Herren Anciaux, Seutin, Uyterhoeven und deren Schülern, so wie auch vor jenen Herren, welche den obgedachten ungünstigen Bericht erstattet hatten, und diese Bericht- erstatter fanden sich veranlasst, ihren Irrthum einzugestehen, was sie auch in den Sitzungen am 4. Juli und 5. August thaten (August- und September-Heft 1853). Den 15. April überreichte ich der Königlichen Academie der Mediein zu Brüssel mehrere Modelle und ein Manuscript über diesen Verband. Den 18. begab ich mich nach Paris und überreichte dort auch mehrere Modelle der Kai- serlichen Academie der Medicin und später ein Manuseript über denselben Gegenstand. Inden Spitälern von Paris legte ich den Gypsverband vor den Herren Nelaton, Roux, Velpeau, Larrey, Gerdy, Miehon und vor den Schülern des Herrn Malgaigne an, und zwar überall mit dem glänzendsten Erfolge. : Auf meiner Rückreise nach Holland producirte ich am 30. April diesen Verband in der Königlichen Academie der Medicin zu Brüssel, welche eine eigene Commission, bestehend aus den Professoren Michaux, H&rion und Didot, zur Berichterstattung über diesen Gegen- 33 258 stand ernannte. Herr Didot erstattete im Namen der gewählten Commission in der Sitzung vom April 1854 einen glänzenden Bericht von nicht weniger als 120 Seiten; aus diesem Be- richte, welcher äusserst günstig war, kann ich nicht unterlassen die grossherzigen Worte zu eitiren: „dass die Wissenschaft nicht begrenzt sei durch die Zollschranken eines Landes und dass die Humanität uns die Pflicht auferlegt, selbst unsere nationalen Vorurtheile zu vergessen und bereitwillig alle Verbesserungen aufzunehmen, welche zum Wohle unserer Mitmenschen dienen.“ — Der Schluss dieses Berichtes ist: 1. D’adresser des felieitations A M. M. Mathysen et van de Loo pour l’heureuse appli- cation qu’ils ont faite du plätre ä la therapeutique chirurgicale ; 2. D’adresser des remereiments speciaux & M. le docteur van deLoo pour le zele et le desinteressement qu’il a montres en se faisant le propagateur de l’invention qui lui doit d’utiles perfectionnements; 3. D’inscrire les noms de ces deux honorables praticiens sur la liste des candidats & pre&- senter opour obtenir le titre de membre correspondant &tranger. Im November 1853 adressirte ich an die königliche wissenschaftliche Deputation für das Medicinalwesen in Berlin ein Manuscript, von welchem dem Herrn Doctor Grimm, erstem Arzt von S. M. dem König von Preussen und General-Inspector, und dem Herrn Geh. Ober- Med.-Rath Doctor Jüngken die nähere Prüfung und Begutachtung anempfohlen wurde. — Diese Celebritäten veröffentlichten schon den 23. Mai 1854 in den Annalen der Charite den gün- stigsten Bericht und erkannten sogar alle Vorzüge an, welche ich in meinem Manuseript über diesen neuen Verband darstellte; auch wurde dieser Verband in der Preussischen Armee ein- geführt. Unterm 20. December 1853 überreichte ich der Kaiserl. Königl. Gesellschaft der Aerzte zu Wien ein Manuscript. Die in dieser gelehrten Gesellschaft gewählte Begutachtungs-Commis- sion bestand aus den Herren Prof. Schich, Prof. von Dumreicher, Dr. Hassinger, Dr. Lorinser, Dr. Ulrich und dem Berichterstatter Docenten Dr. Cessner. Dieser Be- richt ist auch sehr ausgebreitet und äusserst günstig ete. ete. Auf diese Weise sodann war es mir nach Ueberwindung der mannigfaltigsten Hindernisse und Schwierigkeiten, welche mir von Januar 1853 bis October 1854 von verschiedenen Seiten in den Weg gelegt wurden, gelungen, den Gypsverband über alle anderen Verbände den Sieg davon tragen zu lassen. Nach allem diesem erst protestirte Herr Mathysen, der mir früher nie Einwendungen gemacht hatte, und mit Allem was ich that, sehr wohl einverstanden war, gegen den mir in Betreff der Ver- besserung ete. des Gypsverbandes von der Belgischen Academie zuerkannten Antheil, und diess in so wenig gemessenen Ausdrücken, dass er sogar jede Gemeinschaft mit mir verwarf. : Nach gründlicher Widerlegung dieser Protestation, erwiederte der Berichterstatter Herr Didot in der Sitzung vom 28. October 1854 unter anderem Folgendes: „Comprenez-vous, apr&s cela, Messieurs, que M. Mathysen ait le triste courage de r&pu- dier une association qui lui fut si utile, si profitable, et qui surtout lui &tait si necessaire? Pour ce qui me concerne, Messieurs, j’ai cru, je le confesse, poser un acte qui serait agreable aA M. Mathysen lui meme, en accordant une part & son ami, ä son compagnon de travaux, dans la designation des appareils que leurs mains unies ont amen6 A l’&tat de quasie perfection: je me suis tromp6, car la fable de Bertrand et Raton restera une immuable verite, & la honte du coeur humain.“ Auch die ganze Academie hat in der Sitzung vom December 1854 mit Verachtung die Pro- testation des Herrn Mathysen verworfen und den oben angeholten Schluss einstimmig an- genommen. 259 Meine Herren, ich will Sie weiter mit der Auseinandersetzung hiervon nicht belästigen, weil diese Persönlichkeiten Sie nicht interessiren werden, viel weniger der leidenden Mensch- heit nützen können; nur erlaube ich mir zu sagen, dass diese Trennung mich schmerzte. Das Wesen dieser glücklichen Erfindung, welches in seinem Prineipe so einfach, und in seinen Folgen doch so äusserst reich ist, besteht allein darin, dass, wie oben gesagt, man irgend einen Stoff mit Gypspulver imprägnirt, daraus Binden, Bindenstreifen oder Compressen bildet und sie während der Anwendung durchfeuchtet. Die verschiedenen Arten der Anwendung dieser neuen Methode sind folgende: A. der Verband mit Rollbinden; B. der Verband mit Bindenstreifen nach Seultet; C. der Verband mit zwei Klappen (bivalve) ; D. der Verband mit Compressen (cataplasme). A. Verband mit Rollbinden. (Bei diesem Verbande, so wie bei den folgenden wurde angenommen, als seien sie ber einem Bruche des Unterschenkels anzulegen.) Man breitet auf einem Tische ein Stück gewaschenen, ungestärkten (appreturfreien) Baum- wollstoffes oder alter Leinwand, oder Flanell aus, welches 1 bis 1'/, Mötre lang und '/, Mötre breit ist. Sodann schüttet man über dieses Stick mindestens '/, Kilogramme trockenes Gyps- pulver aus, und lässt möglichst viel in den Stoff eindringen, indem man mit der flachen Hand reibt. Nachdem hierauf der überflüssige Gyps entfernt wurde, kehrt man den Stoff um und behandelt dessen andere Fläche ebenso wie die erste. Sobald die beiden Flächen des Stoffes gehörig mit Gyps imprägnirt sind, schneidet man ihn, während er noch auf dem Tische liegt, in Binden von 4, 5 bis 6 Centimetres Breite, was sich um so hübscher ausführen lässt, wenn man sich früher die Richtung und die gleichen Abstände durch Linien bezeichnet, die man sich durch eine feine über den Stoff gespannte und dann losgeschnellte Schnur bildet. Sodann rollt man die Binden über den Tisch auf, indem man sie weniger spannt als die gewöhnlichen Binden. Man kann auch bereits zugeschnittene Bindenstreifen und selbst Rollbinden auf die eben beschriebene Weise mit Gyps imprägniren, was vorzuziehen ist. Die gegypsten Binden lassen sich recht gut in einer geschlossenen Büchse aufbewahren. Um sie anzuwenden, wickelt man das Glied zuerst mit einer gewöhnlichen Binde oder mit Watte ein; nimmt hierauf eine der begypsten und aufgerollten Binden, befeuchtet sie wohl mit Hilfe eines Schwammes (man lässt das Wasser auf beiden Seiten der Binde eindringen); es ist aber viel besser, dass man sie einige Zeit in Wasser taucht, bis sie durchfeuchtet ist, und legt sie wie eine gewöhnliche Binde an, mit dem Unterschiede, dass sich die einzelnen Bindenzüge zu ®/, oder */, ihrer Breite decken müssen. Auf diese Weise wird eine zweite, dritte ete. Binde befeuchtet und angelegt mit der Vorsicht, dass man den Anfang der nächsten Binde stets unter das Ende der früheren legt, weil sich dann der Verband leichter wieder ablösen lässt. Will man die Binde nicht umschlagen, so durchschneidet man sie jedesmal, als man genöthiget wäre eine umgeschlagene Tour / Fascia reversa) zu bilden. Zur Schönheit des Verbandes trägt es bei, wenn man einen Schwamm leicht darüber gleiten lässt, sobald 2 bis 3 Binden angelegt sind. Um im Verbande Oeffnungen frei zu lassen, verfährt man auf folgende Art: Sobald man z. B. an eine Wunde kommt, durchschneidet man die Binde, beginnt sie wieder jenseits der 260 Wunde und. fährt so fort, bis man über die Wunde hinausgekommen ist. Will man den Ver- band zum Oeffnen einrichten, so durchschneidet man ihn mittelst der Scheere von Seutin. Beim Entfernen des Verbandes ist es vortheilhaft ihn früher zu durchnässen. Die einzelnen Bindengänge brauchen sich nur zu ’, oder '/, ihrer Breite zu decken, statt zu %/, oder ’/,, wenn man nach ihrer Anlegung auf die innere, äussere und hintere Fläche des Verbandes noch 2 oder 3 begypste Bindenstreifen der Länge nach zur Verstärkung anlegt. — Auf diese Art kann der Verband verrückbarer gemacht werden. B. Verband mit Bindenstreifen nach Seultet. Man bereitet auf einem Kissen, welehes mit einem Tuche bedeckt ist, nach Art des Seultet’- schen Verbandes 25 bis 30 begypste Bindenstreifen, welche sich zu ®,, ihrer Breite decken müssen. Auf diese bringt man eine Lage von gewöhnlichen Bindenstreifen und legt darauf die gebrochene Gliedmasse. Nachdem hierauf die gewöhnlichen Bindenstreifen angelegt sind, be- feuchtet man 1, 2 bis 3 begypste Streifen mit einem Schwamme, legt sie unmittelbar darauf an und fährt so fort, bis alle angelegt sind. : Um diesen Verband zu fensteren oder zeitweilig abnehmbar zu machen, verfährt man eben so wie bei dem Gypsverbande mit Rollbinden. Der auf diese Weise angelegte Verband ist an seiner vorderen Partie viel fester alsan der hinteren, weil sich die Seultet’schen Streifen vorne kreuzen; daher braucht man bei diesem Verbande statt 25 bis 30 nur 12 bis 15 Streifen, wenn man bei der Anordnung nach Seultet, nach der Länge des Verbandes an dessen hintere Seite begypste Bindenstreifen legt. C. Verband mit zwei Klappen (bivalve). Man bereitet auf einem Kissen, welches mit einer Compresse bedeckt ist, 25 bis 30 mit Gyps imprägnirte Streifen, ebenfalls 5, 6 bis 7 Centimötres breit, von welchen die längsten 26, die kürzesten 16 Centimötres lang sein müssen (diese Länge entspricht im Allgemeinen je- dem Unterschenkel, wenn derselbe nicht aussergewöhnlich ist). Auf die begypsten Streifen legt man gewöhnliche Streifen und bringt sodann die gebrochene Gliedmasse auf die herge- richteten Verbandstücke. Zuerst werden nun die gewöhnlichen Bindenstreifen angelegt, dann die nach der Reihe vorgerichteten 25 bis 30 mit Gyps imprägnirten Streifen durchnässt und angelegt und man beendet den Verband mit drei langen begypsten Streifen, 4,5 bis 6 Centi- metres breit, an der Aussenseite vom oberen Ende des Verbandes bis unterhalb der Fusssohle und ebenso an der inneren Seite des Gliedes, indem man zwischen diesen einen Zwischenraum von 1 oder 2 Querfinger Breite lässt. Um diesen Verband unverrückbar zu machen, legt man 3 oder 4 begypste Streifen quer über den freigelassenen Zwischenraum, oder wohl auch 2 oder 3 Streifen nach der Länge dieses Zwischenraumes und deckt diesen somit gänzlich zu, Indem man die zuletzt erwähnten Streifen wieder wegnimmt, macht man den Verband neuer- dings verrückbar. Soll dieser Verband an der, ganzen Extremität angelegt werden, so braucht man noch einige zwanzig Streifen mehr, von denen die längsten 42, die kürzesten 26 Centimetres lang sein müssen, und ausser diesen noch 6 lange Streifen, welche sich vom Knie bis zum oberen Ende des Verbandes erstrecken. (Es versteht sich von selbst, dass man auch bei diesem Ver- bande dessen hintere Seite durch lange Streifen fester machen kann.) Bei diesem Verbande kann man statt der mit Gyps imprägnirten 25 bis 30 Bindenstreifen eine aus 2 gleichen Blättern von Flanell bestehende Form anwenden, von denen das innere Br 261 Blatt auf beiden Seiten, das äussere nur an der inneren Fläche begypst ist. Hierbei bedarf man statt 6 nur 4 Längenstreifen, von denen die beiden äusseren ebenfalls nur an ihrer inneren Fläche mit Gyps imprägnirt sind. D. Verband in Form von Cataplasmen. Man schneidet sich aus einer alten wollenen Decke eine Form genau nach der Länge und dem Umfange der Gliedmasse; man lässt in das geschnittene Modell so viel als möglich Gyps- pulver eindringen, indem man mit der flachen Hand reibt, und entfernt das überflüssige Pulver. Hierauf wird diese Form befeuchtet, bis der Gyps gehörig vom Wasser durchdrungen ist; dar- über wird eine Lage von Watte gelegt und dieser ganze Apparat auf ein Kissen gebracht, wel- ches mit einer Schichte von gewöhnlichen Seultet’schen Bindenstreifen bedeckt ist. Auf diese so hergerichteten Verbandgeräthe legt man das gebrochene Glied, hüllt es mit dem Gyps-Um- schlage (Cataplasme) allseitig ein und befestigt diesen mittelst der Seultet’schen Streifen. Statt einer einzigen Form aus einer Wolldecke kann man zwei Modelle aus Flanell nach der Länge und dem Umfange des Gliedes schneiden. Diese beiden Stücke werden auf einer Seite gehörig mit Gyps imprägnirt, jedes einzeln hinlänglich durchfeuchtet und mit den be- gypsten Flächen auf einander gelegt. Auf diesen Apparat wird das gebrochene Glied gela- gert und damit umhüllt, indem man zuerst ein Flanellblatt von einer Seite, dann von der ent- gegengesetzten Seite und eben so das zweite Blatt des Flanells in der Aıt anlegt, dass sich deren Ränder vorne 1 oder 2 Querfinger breit kreuzen. Auf diese Weise hat man weder nö- thig, die Gliedmasse mit gewöhnlichen Binden oder mit Watte einzuhüllen, noch .braucht man zuletzt die Seultet’schen Streifen, um den Verband zu befestigen. Die Verbände, welche eben beschrieben wurden, können leicht zum Abnehmen eingerich- tet werden, um sich von dem Zustand der verbundenen Gliedmasse durch den Augenschein zu überzeugen. Uebrigens können sie auf eine leichte und sehr einfache Weise noch mehr ver- rückbar (amovible) gemacht werden, wenn man an dem Verbande unmittelbar nach seiner An- legung mit dem Rande eines Spatels, mit dem Rücken eines Messers u. dgl. eine Furche (Falz) bildet. Für die untere Gliedmasse braucht man dann zwei solche Furchen, während für die obere Gliedmasse eine einzige genügt. Auf diese Art angelegt, lassen sich die beiden Klappen wie in Charnieren bewegen. Verband zum Zwecke, das Hüftgelenk unbeweglich zu machen /Spica cozae). (Die hierzu gehörigen Abbildungen folgen am Schlusse des Bandes.) Man ordnet auf einer gut abgenähten und mit einem Tuche bedeckten Matratze 24 bis 30 mit Gyps imprägnirte Bindenstreifen von 6 bis 7 Centimötres Breite. Die S—10 ersten Strei- fen, welche oben liegen, müssen das Becken umfassen und werden von einem Ende her etwas aufgerollt (Fig. 1a—a'). Die 8—10 folgenden (b—b!) dienen zur Umhüllung des Gelenkes und müssen sich vom hinteren Rande des grossen Gesässmuskels bis zum Schambein erstrecken. Mit den 8 bis 10 letzten (c—c'!) wird der obere Theil des Schenkels umfasst. Um jene Streifen, welche dem hinteren Rande des grossen Gesässmuskels entsprechen, zu unterstützen, muss man daselbst einen begypsten Streifen der Länge nach anlegen (d). Alle diese Streifen müssen sich zu ®%, oder #, decken. Auf die mit Gyps imprägnirten Streifen legt man gewöhnlich Bindenstreifen und auf den 262 so hergerichteten Verbandapparat den Kranken. Man applizirt zuerst die gewöhnlichen, so- dann die begypsten Bindenstreifen, welche letztere wohl durchfeuchtet werden müssen, damit das Wasser hinlänglich nach rückwärts zu jenem Theile der Streifen dringe, auf welchem der Kranke liegt. Man kann diesen Verband auch folgendermaassen anlegen: Man schneidet sich zwei Stücke Flanell von der Form wie Fig. 2. und imprägnirt jedes auf einer Fläche gehörig mit Gyps. Hierauf werden sie — jedes für sich — wohl durchtränkt, mit den begypsten Flächen auf ein- ander gelegt, und auf einer guten mit einem Tuche bedeckten Matratze ausgebreitet. Auf diesen Apparat wird sodann der Kranke gelegt und verbunden wie oben angedeutet ist. Verband zum Behufe, das Schultergelenk unbeweglich zu machen. (Spica humeri.) Nachdem man die Kornähre der Schulter mit einer gewöhnlichen Binde ausgeführt, legt man eine mit Gyps imprägnirte Binde oder derlei Bindenstreifen am Oberarme bis zur Achsel- höhle an. Hierauf bringt man den Arm in die zweckmässige Stellung zum Stamme, und setzt den Verband fort, indem man unter der gesunden Achselhöhle hindurch wieder auf die kranke Schulter kommt, ohne unter die Achselhöhle dieser letzteren zu gehen. Man bildet auf diese Art statt der gewöhnlichen Achtertour einen liegenden Achter, dessen eine Nulle nicht ganz geschlossen ist (>). So fährt man fort, bis der ganze Verband vollendet ist. — Diesen Appa- rat kann man auch noch auf verschiedene andere Arten anlegen. Bei allen Verbänden, welche mit mit Gyps imprägnirten Binden oder Bindenstreifen an- gelegt werden, ist es bedeutend besser, nach der Anlegung einer gewöhnlichen Binde oder eines Bindenstreifen jedesmal unmittelbar eine mit Gyps imprägnirte Binde etc. anzulegen; auch ist es nothwendig, diese angelegten Verbände hinten und an den Seiten durch Längsbinden zu verstärken. h Auf diese Weise sind die Verbände sehr leicht und äusserst regelmässig anzulegen, und entsprechen allen Anzeigen. Eine sehr einfache Methode beim Bruche des Unterschenkels ist folgende: Man reibt den Strumpf, der am gebrochenen Bein ist, gut mit Gypspulver ein, durch- feuchtet ihn und lässt ihn erstarren; oder man nimmt einen zweiten Strumpf, den man gut mit Gyps imprägnirt und sodann über den ungegypsten Strumpf anzieht und dann durchfeuchtet ete. Meine Herren! Diess sind verschiedene Anwendungsarten des Gypsverbandes; ich könnte Ihnen deren noch mehr beschreiben, allein ich glaube dass diese genügen, um Ihnen zu be- weisen, dass man mit diesem Verbande machen kann was man will, und ich bin überzeugt, dass ein Jeder von Ihnen, je nach seiner Erfindungsgabe dessen Anwendungsweise noch viel- fältig zu modifiziren wissen wird. Ich wage es somit laut auszusprechen, dass dieser Gypsverband unendlich hoch über dem Kleisterverbande und über jedem anderen — verrückbaren oder unverrückbaren — Verbande steht, und zwar: 1. Wegen seiner schnellen Erstarrung, denn er wird fest im Augenblicke seiner Anle- gung. Die daraus entspringenden Vortheile sind unermesslich! Wie soll man einen anderen 263 unbeweglichen Verband sichern vor seinem Erstarren? Welcher Kranke ist so gelehrig, um seine gebrochene Gliedmasse lang genug in der gewünschten Stellung zu halten, damit die Bruchstücke sich gehörig entsprechen. Mit dem besten Willen kann man diess oft nicht; bei Aufgeregten, Delirirenden, Geisteskranken und bei Kindern ist es vollständig un- möglich. Man braucht daher noch einen provisorischen Verband und dieser kann nicht ange- legt werden, ohne dass der erste mehr oder weniger entstellt werde. Welche Leichtigkeit und Beruhigung für den Beinbruchkranken, dass er sogleich nach der Anlegung dieses Gyps- verbandes ohne Furcht sich bewegen, sich sorglos dem Schlafe überlassen kann u. s. w. Welche Beruhigung für den Chirurgen, dass er von seinem so verlässlich besorgten Kranken sich so bald entfernen kann; er ist sicher, dass mit diesem Gypsverbande, wenn er gut angelegt ist, unmöglich eine Verrückung der Bruchstücke eintreten kann, während er bei jedem anderen Verbande stets in der Furcht sein muss, ob die Bruchstücke in der entsprechenden Stellung verblieben sind. Es ereignet sich nur zu oft, dass die eingerichteten Bruchstücke vor dem Fest- werden des Verbandes sich verschieben, worauf stets eine grössere oder geringere Difformität, oft sehr gefährliche Zufälle u. s. w. erfolgen. Wenn überdiess die Vortheile des schnellen Festwerdens schon gross sind für die Civil- praxis, wie bedeutend müssen dieselben erst sein für Beinbruchkranke auf dem Schlachtfelde, welche man unmittelbar nach dem Verbande auf holperigen Wegen und mittelst mehr oder we- niger roher Transportmittel fortschaften soll. Man ist hier somit in die unvermeidliche aber traurige Nothwendigkeit versetzt, solche Unglückliche den heftigsten Schmerzen preisgeben zu müssen, welche oft gefährliche, selbst tödtliche Folgen haben; während man im Gegentheile mit dem Gypsverbande, dessen Geräthe man im Voraus bereiten und in einer kleinen Büchse un- terbringen kann, und welcher sich vermöge seiner Einfachheit viel leichter und schneller als jeder andere anlegen lässt, den Kranken unmittelbar nach dem Verbande, da dieser so schnell fest wird, zu Pferde oder auf was immer für einem Wagen transportiren kann, und zwar ohne den geringsten Schmerz zu veranlassen. — Ich erlaube mir daher, meine Herren, diesen grossen Vorzug Ihrer reiflichen Beachtung zu empfehlen. Es wurde mir nur von einem Chirurgen ein Einwand gemacht, dass es nämlich Fälle ge- ben könne, wo das schnelle Festwerden unzweckmässig sei, und dieser war gegen meine Er- wartung Herr Baron Seutin, welcher doch sonst so sehr um diese schnelle Erstarrung be- strebt war, welcher sich so viele Mühe gegeben und so viel fruchtlose Versuche gemacht hatte sie zu erreichen, welcher dem Erfinder eines solchen Verbandes einen silbernen versprochen hatte, welcher sogar die Segel streichen wollte vor Demjenigen, der einen Verband erfände, welcher augenblicklich trocknet und zugleich die Eigenschaften des Kleisterverbandes besitzt (man sehe Trait& du bandage amidonne, 1840, S. 186, wo er sagt: „Soll ein Verband sehr grosse Vorzüge vor dem Meinigen darbieten, so müsste er erstarren im Augenblicke der An- legung selbst und zugleich die Eigenschaften des Kleisterverbandes besitzen. Ein solcher Ver- band würde mich unbestreitbar zwingen, die Segel zu streichen (baisser pavillon) und anzuer- kennen, dass der Meinige unter ihm stehe. Ich fordere die Fachgenossen, welche sich mit Beinbrüchen beschäftigen, neuerdings zu Nachforschungen auf, ein Mittel zu finden, welches mir diese Anerkennung seiner Ueberlegenheit abzwingt.“ Und Seite 148: „Aber es ist be- greiflich, dass diese Verbandmittel auf Schlachtfeldern und bei Gelegenheiten, wo man die Beinbruchkranken unmittelbar nach dem Verbande transportiren muss und zwar auf holperigen Wegen und mit mehr oder weniger rohen Transportmitteln, nicht immer jene Vortheile bie- ten, welche man wünschen möchte. Die Vollkommenheit in dieser Beziehung bestände in der 264 Auffindung eines Mittels, welches fähig wäre, die Theile des Verbandes augenblicklich fest zu machen. Der Alaun mit Kleister, der fandrische Leim, das Mehl, das Pech, welches ich der Reihe nach in Anwendung brachte, besitzen diese Eigenschaften nicht. Meine Herren, ich nehme dazu die Hilfe Ihrer Talente in Anspruch!“). Ja, Herr Seutin, der Erfinder des Rlei- sterverbandes ist es, welcher sich jetzt erlaubt, das schnelle Festwerden als eine Unzweck- mässigkeit anzuführen und noch dazu in Fällen, wo man es am wenigsten erwarten konnte, z. B. bei Brüchen, welche schwer einzurichten sind, wo er den Kleisterverband anlegen und die Einrichtung des Bruches nach der Anlegung seines Verbandes ausführen will. (Man sehe das September-Heft der genannten Zeitschrift, Sitzung am 1. August, S. 287 u. d. £.) In der That, ich weiss nicht, was ich davon denken soll. Ich würde mich wohl hüten einen Kleister- oder Gypsverband, so wie es Herr Seutin will, bei einem nicht eingerichteten Bruche anzulegen. Ich würde wenigstens jedenfalls lang genug zu warten haben, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass jeder Versuch der Einrichtung fruchtlos sei, und ich glaube, meine Herren, dass Sie meine Ansicht theilen werden. Indessen könnte man in solchen Fällen den Gypsverband in Form einer Rinne anlegen und ihn an der vorderen Seite offen lassen, damit er nur sanft zusammenhalte. (Der Verband in Form eines Cataplasme aus einer alten Wolldeeke mit untergelegter Watte würde für diese Fälle passen.) Auf diese Art könnte man auch sehr gut einen Verband mit permanenter Ausdehnung und Gegenausdehnung anwenden. Es versteht sich übrigens von selbst, dass man nach gelungener Einrichtung einen neuen Ver- band anlegen würde. Ueberdies entgegne ich Herrn Seutin noch weiter: Wenn es Fälle geben sollte, wo das schnelle Festwerden unzweckmässig wäre, obwohl diese Fälle mir vollkommen unbekannt sind, so kann die Erstarrung des Verbandes gleichfalls verzögert werden, indem man bei der An- legung dieses Gypsverbandes dem Wasser etwas Milch beimengt. Je mehr Milch man zusetzt, desto später erfolgt die Erstarrung. 2. Der Vorzug dieses Gypsverbandes vor jedem andern ist ferner begründet in seiner Einfachheit, denn die hiezu benöthigten Geräthe sind blos entweder ein-Baumwollenzeug, Lein- wand, Flanell oder irgend ein anderer Stoff und Gyps; man braucht weder Schienen noch Pappe, noch irgend etwas anderes. Das „quo simplieius eo melius“ ist also auf diesen Gypsverband sehr en In der That, es ist eine grosse Wahrheit, je einfacher die Dinge sind, desto grösser sind auch ihre Vorzüge und sie bleiben gewöhnlich sehr lange unbekannt, weil man sie in der Ferne sucht. Man ist gemeinhin geneigt zu glauben, dass das Gute complizirt sein müsse, und doch beleh- ren uns die Gesetze der Natur täglich vom Gegentheil. Wie nahe der Idee dieses Verbandes waren bereits der berühmte Dieffenbach in Berlin und Herr Cloquet, Professor von grossem Ruf in Paris! Besonders der Letztere, welcher schon vor 20 Jahren Gyps in einen Sack füllte, ihn gänzlich durchfeuchtete und dann das gebrochene Glied damit einhüllte. Es war nur ein Schritt weiter zu thun und doch hat ihn dieser talentvolle Mann nicht gethan, es blieb diess somit Herrn Mathysien überlassen. 3. Der Vorzug dieses Verbandes erhellt aus der Leichtigkeit seiner Ausführung. Gehen wir nicht oberflächlich über die leichte Ausführbarkeit eines Verbandes hinweg, die daraus entspringenden Vortheile sind gleichfalls unermesslich. Dieser Gypsverband ist vermöge seiner Einfachheit so leicht anzulegen, dass man ihn nur einmal zu sehen braucht um ihn zu erlernen und zu würdigen; während die anderen Verbände, wie der Kleisterverband u. A., viel Zeit und viele Uebung erfordern, bis man sie gehörig anzulegen versteht. Gewöhnlich verstehen sich nur die Aerzte grosser Städte und die Subalternen in Spitälern, welche sich täglich mit dem Verbinden beschäftigen, gut auf.die Verbände. Wenn die Beinbruchkranken sich bekla- gen könnten über die Schmerzen, welche sie ertragen müssten, und über die üblen Ereignisse in Folge schlecht angelegter Verbände, so bin ich überzeugt, dass — vorausgesetzt sie könn- ten die Ursache ihrer Leiden durchblicken — ihre Zahl sehr gross sein würde. Die Aerzte und Chirurgen in kleinen Städten und auf dem Lande sind im Allgemeinen nicht so geschickt als jene in grossen Städten und Spitälern (Sie müssen täglich diese Erfahrung machen, meine Herren); und doch ist die Summe derer, welche jene zu behandeln haben, die grösste. Die Leichtigkeit, womit ein Verband angelegt werden kann, muss daher für einen grossen Vortheil angesehen werden. 4. Dieser Verband ist deshalb allen andern vorzuziehen, weil man bei seiner Anwendung weniger Gehilfen braucht. 5. Weil er in viel kürzerer Zeit ausgeführt werden kann. 6. Weil man bei seiner Anlegung je nach den verschiedenen Indicationen kaltes oder warmes Wasser, ja in dessen Ermangelung selbst Urin benutzen kann, 7. Wegen seiner Unverrückbarkeit, denn er ist viel fester und man kann ihn so fest machen als man ihn braucht; während die andern Verbände in dieser Beziehung häufig etwas zu wün- schen übrig lassen. 8. Wegen seiner Verrückbarkeit, denn der Verband kann schon ursprünglich in zwei Klappen (bivalne) angelegt werden und ist somit unmittelbar nach seiner Anlegung zum zeit- weiligen Oeffnen eingerichtet, was von hoher Wichtigkeit ist; denn auf diese Art braucht man ihn später nicht aufzuschneiden, welche Operation sehr schwierig und, was man auch sagen mag, für den Kranken stets unangenehm, oft sogar sehr schmerzhaft ist. 9. Wegen seiner Fähigkeit, die Gliedmasse leicht in Ausdehnung und Gegenausdehnung zu erhalten, wo man es braucht, z. B. beim schiefen Bruche des Schenkelbeines, oder von des- sen Halse. In der That ist nichts leichter, denn man darf nur das Glied während der An- legung des Verbandes in der Ausdehnung festhalten; später braucht man keinen andern Appa- rat mehr und man kann bei allen übrigen Stellungen, welche man den Gliedmassen, deren Knochen gebrochen sind, geben will, auf dieselbe Weise verfahren, z. B. beim Bruch des Vor- derarmes, des Schulterblattes, des Schlüsselbeines, der Kniescheibe u. s. w. ‘Welcher Vortheil für den Bruch der Kniescheibe, denn man braucht nur ihre Bruchstücke während des Verbindens einander genähert zu erhalten. Welcher Vortheil für die Anwendung der Kornähre der Schulter, dass man dem Ärme die gewünschte Stellung zum Stamme geben kann, nachdem man den Verband am Arme angelegt hat, und dass man nicht nöthig hat, die Binde unter der Achselhöhle durchzuführen, um den Verband zu vollenden! Dergestalt wird dieser Verband sehr leicht ertragen, weil jeder Druck vermieden ist, er legt sich leicht an und entspricht vollkommen den Anzeigen; während man beim Kleisterverbande, ausser ‘der Nothwendigkeit von Pappschienen, häufig die Binde durch die Achselhöhle zu führen hat, es bildet sich daselbst sein dickes Bündel von Binden, welches nothwendigerweise die Arterien etc. eomprimiren muss; er ist daher schwer anzulegen, sehr schwer zu ertragen und wird oft un- erträglich. T Meine Herren, welche Verbände und zusammengesetzte Apparate wurden nicht erfunden für die ‚Schiefbrüche des Schenkelbeines und besonders für die Schenkelhalsbrüche? Welch’ grosse ‘Autoritäten haben sich Mühe gegeben, wie complizirt sind ‚alle diese Apparate und wie wurden sie von den unglücklichen Beinbruchkranken ertragen? Ist es nicht wahr, . dass meh- 34 . 266 rere ausgezeichnete Aerzte lieber alle diese Methoden aufgaben und die Kranken ohne Verband liessen, indem sie es vorzogen, die Kranken mit Verunstaltung zu heilen, als sie einer sölchen Folter zu unterwerfen? Betrachten wir nun, meine Herren, für solche Beinbrüche. den Gyps- verband, wie einfach ‘er ist und wie leicht er ertragen wird, wie er den Anzeigen entspricht! Schätzen wir uns daher glücklich, endlich für diese Beinbrüche ein Mittel: zu besitzen, wel- ' ches eben so leicht als schnell ausfübrbar und wirksam ist. ar 10. - Weil dieser Verband ganz vorzüglich contentiv ist, er bleibt so, wie: ‚er angelegt wurde, er erweitert oder verengt sich durchaus nicht beim. Festwerden, ‚weder wenn er von selbst trocknet, noch bei’der künstlichen Austrocknung ; er erhält somit die ‚gebrochenen Kno- chen in der passenden Stellung, ohne die Weichtheile zu drücken. Meine Herren, bleiben wir bei dieser Eigenschaft stehen, sie verdient es, denn sie ist von der höchsten. Wichtigkeit; ich halte sie für eben so hoch im Werthe, wenn nicht höher, als die schnelle‘ Erstarrung.' Er ist contentiv im höchst möglichen Grade der Vollkommenheit und, wenn man will, auf die sanf- teste, gleichmässieste und regelrechteste Weise kreisförmig comprimirend, und:dies Alles kann man so augenfällig beweisen, dass ich jeden, wer es immer sei, herausfordere, dies: zu wider- legen. Um sich davon zu überzeugen, meine Herren, legen sie einen anderen Verband an irgend einem Unterschenkel vom Fussgelenke bis zum Knie an und Sie werden: den Fuss an- schwellen sehen; legen Sie auch nur eine gewöhnliche Rollbinde an, und der Fuss wird an- schwellen;; legen Sie nun diesen Gypsverband an, so werden Sie keine Anschwellung haben, und warum das? — Weil’man bei jedem andern Verbande, wie bei dem Kleisterverbande, Pappschienen braucht, man kann ihn daher nicht soregelmässig anlegen; weil ferner die Pappe, wenn sie nass ist, sich erweitert und beim Trocknen sich wieder zusammenzieht. Selbst die gewöhnliche Rollbinde kann nicht so regelmässig angelegt werden, weil sie in Folge ihrer Elasticität und Biegsamkeit stets mehr oder weniger die Wirkung einer um das Glied geschlun- genen Schnur ausüben wird, so dass sie immer an einer Stelle stärker als an der andern ein- schnüren wird. Die mit Gyps imprägnirten Binden und Bindenstreifen bleiben, da sie sich weder erweitern noch verengern, so wie sie angelegt wurden, sie bilden einen vollkommenen Abguss der Gliedmasse, es ist daher — wenn sie anders gut angelegt sind ein schädlicher Druck un- möglich. Wenn also dieser Verbandin Beziehung auf Contention und Compression jeden andern über- trifftin jenen Fällen, wo der Knochenbruch ohne Anschwellung besteht; so muss dies aus denselben Gründen auch bei jenen Brüchen der Fall sein, wo diese Complikation stattfindet u. s.w. Ich hoffe, dass ich mich deutlich genug ausdrücke, um verstanden zu werden; jedenfalls, meine Herren, machen Sie zum Beweise die oben angeführten: Versuche. Indem Sie diesen Verband an einem Cy- linder von Glas oder Holz anwenden, werden Sie gleichfalls den Beweis finden, dass er sich weder erweitert noch verengt, und dass er sich im höchsten Grade regelmässig und 'gleich- förmig anlegt. Meine Herren, ich kann Ihnen daher nicht genug empfehlen, sich diese Eigen- schaft tief einzuprägen, um deren hohe Wichtigkeit gehörig beurtbeilen und würdigen zu können. 11. Wegen seiner Porosität: denn nicht blos die Transpiration kann durch diesen Verband hindurch ungehindert von Statten gehen, sondern in jenen Fällen, welche mit Wunden, Ge- schwüren oder Brandschorfen complicirt sind, dringen deren flüssige Produkte durch den Ver- band und zeigen das Vorhandensein dieser Complikation an. 12. Weil er ein guter Wärmeleiter ist, denn eine kleine mit Aether getränkte Compresse auf den Verband gelegt, macht in wenigen Minuten die Temperatur der Gliedmasse merk- lich sinken. 267 13. - Weil er’ so leicht ertragen wird, was ich insbesondere ‚den ‚drei eben zuletzt genann- ten Eigenschaften zuschreibe. Um sich zu überzeugen, meine Herren, legen Sie bei demselben Menschen an einem Unterschenkel den Kleisterverband, am’ anderen den Gypsverband an, und er wird es Ihnen bestätigen. (Es versteht sich von selbst, dass beide Verbände gleich gut an- gelegt sein müssen.) Wollen Sie an sich ‘selbst einen solchen Gypsverband anlegen lassen und Sie werden erstaunt sein, wie leicht Sie ihn ertragen. - 14. Weil er so leicht gefenstert werden kann, und weil vermöge seiner vorzüglich con- tentiven Eigenschaft an der Stelle des Fensters nur sehr selten eine Anschwellung entsteht, was ebenfalls von höchster Wichtigkeit ist. 15. Weil keine Feuchtigkeit, weder Urin noch starke Eiterung, deren dünnere Bestand- theile den Verband durchdringen, schaden kann; man kann daher, wo es angezeigt ist, Eis- blasen, in kaltes Wasser getränkte Compressen oder irgend ein anderes topisches Mittel auf- legen, was nicht minder von hohem Werthe ist. 16. Wegen des Herumgehens; denn fast unmittelbar nach seiner Anlegung können die Beinbruchkranken auf Krücken herumgehen. 17. Wegen seines mässigen Preises, denn unter allen Verbänden ist er der wenigst kost- spielige, Man kann selbst bereits gebrauchte Binden und Bindenstreifen neuerdings mit Gyps imprägnirt anwenden, wenn man sie nur früher ‚einige Zeit im Wasser durchweichen lässt und dann wäscht. 18. Weil er leicht erneuert werden kann; beachten Sie wohl, meine Herren, dessen hohe Wichtigkeit. Denn nehmen wir an, der Beinbruchkranke fühle sich durch seinen Verband be- lästigt, so ist nichts leichter als ihn abzunehmen und einen neuen anzulegen, welcher unmittel- bar den Anzeigen entspricht: während bei den andern Verbänden, wie bei dem Kleisterver- bande, dies unmöglich ist, weil hier die Erstarrung und Austrocknung zögert und weil man daher die Kranken neuerdings allen Gefahren dieser Zögerung und den Unannehmlichkeiten aussetzen muss, welche mit dem Festwerden und mit der Austrocknung selbst verbunden sind. 19. Wegen seiner Schönheit und Regelmässigkeit. Da das Aussehen nicht zu missachten ist, so können wir erklären, dass er unendlich schöner und regelmässiger als der Kleister- oder Dextrinverband ist. Er bildet einen Abdruck der Gliedmasse und zeichnet sich daher nicht nur durch Schönheit aus, sondern — was noch mehr werth ist — er gestattet, sich beim ersten Anblicke zu überzeugen, ob die Einrichtung der Bruchstücke gelungen ist und ob sie in der entsprechenden Stellung erhalten wurden. 20. Weil endlich die mit diesem Gypsverbande behandelten Knochenbrüche schneller heilen, als mit jedem anderen Verbande. In der That, welche sind die Indicationen, denen der Verband nach der Einrichtung eines Knochenbruches entsprechen soll? Ist es nicht wahr, dass jener Verband, welcher die Bruchstücke in passender Stellung erhält, ohne die Weichtheile zu drücken und überdiess alle möglichen Uebelstände vermeidet, am besten den Anzeigen ent- spricht, und habe ich nicht augenfällig bewiesen, dass der Gypsverband diese Eigenschaften im höchsten Grade besitzt? Es müssen daher die Beinbrüche mit Hilfe dieses Verbandes schneller als mit jedem anderen heilen. — Auch die Erfahrung hat bereits vollständig diesen Erwartun- gen entsprochen. In Bezug auf die praktische Anwendung sprechen alle Beobachtungen, welche in den ver- schiedenen Berichten und Zeitschriften der Medicin mitgetheilt wurden und von denen manche sehr complieirte Knochenbrüche betreffen, so wie meine eigenen Erfahrungen laut zu Gunsten dieses Gypsverbandes. Diess die Auseinandersetzung der grossen Vorzüge, welche ich diesem Gypsverbande zuschreibe und welche diese Erwähnung wohl verdienen. Jeder dieser Vorzüge, die ich eben beschrieben habe, ist an und für sich gross und mehrere unter ihnen sind von der höchsten Wichtigkeit; ich frage Sie daher, meine Herren, was sie in ihrer Vereinigung sein müssen. Alle Vortheile, welche der Gypsverband bei Knochenbrüchen darbietet, besitzt er ebenso in jenen Fällen, wo die Fixirung einer Gliedmasse oder eines Gelenkes, wo eine sanfte und gleich- mässige Compression angezeigt ist, wie bei Verrenkungen, Verstauchungen, weissen Gelenk- ' geschwülsten, varicösen Geschwüren, bei Tenotomie, bei dem Verbande nach Amputationen, Resectionen u. s. w. In allen Fällen, wo der Kleisterverband erfolgreich angewendet werden konnte, ja in allen diesen Fällen, wie bei den Knochenbrüchen, bewährt der Gypsverband dieselben Vorzüge vor den anderen Verbänden. Auch als eine Eroberung im Gebiete der Chirurgie für Thiere muss man diesen Ver- band ansehen. Ich erlaube mir daher zu behaupten, wie ich schon bei andern Gelegenheiten behauptet habe, dass dieser Gypsverband — einmal seinem wahren Werthe nach anerkannt — der einzige sein wird, den man in ganz Europa anwendet! Zuerst werden ihn Jene alsogleich annehmen, welche an keiner Methode besonders hängen, dann werden die Anhänger des Dextrin- und Kleisterverbandes kommen und zuletzt werden ihn gleichfalls die Anhänger der alten Schule annehmen, welche unveränderlich waren gegen- über den unverrückbaren Verbänden. Meine Herren, wollen Sie eine so kühne Sprache nicht missdeuten; der heisse Wunsch, von der Unübertrefflichkeit dieses Verbandes, welche für mich eine ausgemachte Wahrheit ist, auch Sie zu überzeugen und Jene zu bekehren, welche in Vorurtheilen befangen sind, zwin- gen mich, im Interesse der leidenden Menschheit, so wie im Interesse der chirurgischen Wissenschaft solche Ausdrücke zu gebrauchen. Ich fühle, es ist nicht genug zu sagen, dass dieser Verband in ganz Europa angenommen werden wird; sondern ich muss noch weiter gehen, obwohl ich Anstand nehme, es zu thun. Da es jedoch meine innigste Ueberzeugung ist und da ich nichts zurückhalten will, so spreche ich meine Meinung dahin aus, dass dieser Verband nicht nur in Allem und überall angewendet werden wird, sondern auch, dass die Chirurgie in Bezug auf die Verbandarten der Knochenbrüche bei diesem Gypsverband stehen bleiben wird und dass diese Methode, wenn sie gleich in der Ausführung verändert und ver- vollkommnet werden kann, nichts mehr zu wünschen übrig lässt, daher auch nie durch eine andere verdrängt werden wird. — Das ist meine Ueberzeugung !“ Dr. Gurlt legt zahlreiche Zeichnungen zu seinem nächstens erscheinenden Werke über Knochenbrüche vor. Mr. Sedillot sprach über die Nachtheile des gewöhnlichen Verfahrens bei Operation des Embryons; es komme darauf an, die eiternde Membran in eine vernarbte zu verwandeln, was bei dem gewöhnlichen Punctiren mit sorgfältigem Ausschlusse der Luft nicht geschehen könne. Er perforirt mit einem in eine Rinne auslaufenden Bohrer eine Rippe, und legt eine offenblei- bende Canüle ein. In 5 Fällen habe er Heilung erzielt. Derselbe legt ein neues Uretrotom vor. Prof. H. Müller spricht über Excavationen an der Eintrittsstelle der Seh- nerven. Es lassen sich wesentlich verschiedene Formen der Grubenbildung an der Eintritts- stelle der Sehnerven anatomisch nachweisen. 1) Durch blosse Atrophie der Sehnerven- und Ganglienzellenschicht in der Retina mit Integrität der übrigen Retinaschichten, sowie aller übri- 269 gen‘ Membranen des Auges entsteht eine flache Grube, welche nicht über das Niveau, der Cho- rividea hinausgeht (s. H.Müller in Gräfe’s Archiv Bd. III. S. 9). 2) Bei glauconıatösen Ver- änderungen des Auges kommen viel stärkere Ausbuchtungen zu Stande, von welchen der Vor- tragende bereits in einem früher beschriebenen Fall (Würzb. Verhandlungen Bd. VII. S. XXV]) angegeben hat, dass sie sich auf den interocularen Druck zurückführen lassen, dessen Vermeh- rung durch Glaukom durch v. Gräfe hervorgehoben worden ist. Diese Ansicht hat sich durch neue anatomische Untersuchungen bestätigt. Es wird dabei das Niveau der Eintrittsstelle bis weit hinter die Chorividea verdrängt und indem die Theilungen der Centralgefässe mit her- ausgedrückt werden, entsteht die eigenthümliche Formation, dass die Aeste derselben bereits getrennt am Rand der Grube hinaufsteigen, wobei sie stets nur von einer Seite ganz gesehen werden können. Es tritt allerdings bei diesen Formen Atrophie der Retina und dadurch noch stärkere Vertiefung der Eintrittsstelle ein, aber in Fällen wo Atrophie der Retina (mehr oder weniger aller Schichten) ohne sonstige Druck-Phänomene vorhanden ist, fehlt auch die tiefe Excavation und die atrophische Retina bildet dann bisweilen eine ziemlich plane oder nur we- nig concave Fläche. Prof. ©. Otto Weber bespricht die Veränderungen der Knorpel bei Gelenkentzündun- gen, namentlich die Neubildung in die zerfallenden Knorpel hineinwachsender Gefässe (theils Sprossenbildung solider Zellenhaufen, theils Canalisirtung anastomosirender Bindegewebs-Kör- per) und die Umbildung der Knorpelzellen zu Höhlen, die mit den Eiterkörpern ganz analo- gen Zellen gefüllt sind. Ebenso erläutert er in der Kürze die bekannteren Vorgänge bei chro- nischer Gelenkentzündung unter Vorlegung genauer Zeichnungen. Vorsitzender für Mittwoch: Geh. R. Prof. Blasius. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages-Präsident: Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Blasius. Prof. Pallasciano spricht über Verengerungen der Eingeweide bei eingeklemmten Hernien. Messieurs ! Je desire fixer pour un moment l’attention de mes honorables collegues de l’Allemagne sur le retreeissement de l'intestin dans la hernie &tranglöe et sur la maniöre de le dilater par invagination. Dans le siöcle pass6 Ritsch ayant constate ce retrecissement apr&s la mort, en avait pro- pos& l’ablation et la suture. ‚ Richter quelque temps apres ayait accept l’ablation pour certains cas seulement, et pour les autres avait propos6 l’enterotomie et la dilation par le moyen des bougies. I n’est pas connu si quelque chirurgien a jamais mis en pratigue l’une ou l’autre de ces deux methodes, parceque en general les chirurgiens modernes contre les cas de retrecissement employent la reduction pure et simple, en &sperant la dilation spontane par la seule force des matiöres f&cales. Cependant, Messieurs, ces r6treeissements loin d’&tre rares sont beaucoup plus frequents qu’on ne pense. Dans l’&space de sept mois j’en ai rencontre quatre cas, dont trois dans des hernies f6morales et un dans la hernie inguinale qui ‚etaient &trangl&es apr&s avoir et& mal eontenues depuis plus ou moins longtemps. Ils sont m&me constants dans toutes les hernies &trangl&es par le collet du sae herniaire, parceque pendant tout le temps n&eessaire, A la trans- 270 formation 'du collet du sac en organe d’etranglement, l’intestin ne pouvant pas se soustraire & T’action du sac, en subit lentement les effets, qui ayant &t6 lentement produits, ne sont De capables de finir par l’action seule des matieres intestinales aprös la r&duction. Ma premiere observation a &t& d’une femme ä 60 ans portant une hernie f&morale A droite qui avait &t@ mal contenue pendant deux ans. Je l’ai oper6e 36heures apres ]’&tranglement. L’il&on &trangl& n’&tait pas en mauvaises conditions, mais il &toit r&treci au quart de son calibre dans l’endroit de l’&tranglement. Je pratiquai la reduction pure etsimple: le cours des matieres ne se retablit pas et l’autopsie vint me prouver que le retrecissement n’avait &t& pas franchi et qu’un €panchement s’etait form& au dessus de lui. Du reste l’anotomie pathologique parait ne pas autoriser ä& attendre la dilatation spontanee d’un retreeissement chronique, parceque de toutes les l&sions organiques, dont l’intestin soit capable dans la cavit& abdominale la coarctation est la plus fr&quente dans l’ouvrage de Morgagni et parmi les deux cent soixante dix sept histoires de l&sions intestinales relatees par Lieutaud il y en aquarante quatre de r6&treeissement et six ä& peine de dilatation; meme parmi ces six i] n’yena pas une seule dans la quelle soit prouv& que la dilatation n’etait pas produite par un retrecissement inferieur. Quoiqu’ il en soit, le. proc&de de dilatation par invagination que j’ai l’honneur de vous proposer est une pratique extrömement facile et parfaitement süre pour ne pas craindre de l’em- ployer dans des cas de r6treeissement qui pourraient &tre detruits par la force seule des matiöres intestinales. Pour cela il suffit que le chirurgien dans le troisitme temps de la eelotomie, ayant tire en dehors l’intestin et reconnu le retreeissement, par le moyen de son doigt renverse la partie superieure de l’intestin dans le r&treeissement et avec l’autre main en pratique la distention comm’ on ferait d’un gant dtroit qu’on voudrait mettre & sa main. Pour le gros intestin il pourrait introduire deux doigts au lieu d’un, et obtenir la dilatation en les &cartant entre eux. Comme tout cela se passe sous les yeux de chirurgien, il est tr&s facile de saisir le point ou il faut s’arreter, et finir l’operation comm’ & l’ordinaire. Trois fois j’ai employ& ce proc&d& et toujours avec succees. 1. Femme de 76 ans portant une hernie f6morale A droite qui n’avait pas öt€ contenue par le braver pendant deux ans et demi. Le taxis ayant plusieurs fois &choug, j’ai oper624 heures apres l’etranglement. Ayant retire lintestin apr&s le debridement, je le reconnus retreei au tiers de son calibre ä Pendroit de l’&tranglement. ‚en pratiquai la dilatation par invagination: et la r&duction faite, la guerison ne se fit pas attendre plus qu’ä l’ordinaire. 2. Femme de 55 ans portant une hernie f&morale ä droite qui ne datait que d’un jour se- lon lereeit de la malade. Cependant le taxis &chona malgr& l’application de la neige, des sangsues, de la belladonna et usage du bain, des lavements de tabac et de la position. J’operai 26 heures apr&s l’&tranglement, l’intestin &tait noir et presque ramolli. Il &tait retreei & la moitie de son calibre dans l’espace d’un pouce. Je pratiquai la dilatation par invagination et apres la reduction tout suivi vers la guerison sans aucune diffieulte. 3. Homme de 30 ans portant une hernie inguinale irreduetible qui datait de trois ans. La saignede, les sangsues, le bain, la belladonna, l’etherisation et le taxis ayant &t& inutiles, j’operai 30 heures apr&s l’&tranglement. — L’intestin A l’androit ordinaire &tait retreei ou tiers de son n volume et l’&piploon hypertrophie enormement. Je dilatai le retreeissement par invagination et je fis l’exeission de l’Cpiploon. Apres la reduction, la guerison suivi sans la moindre difficulte, quoique pendant la dilatation il.y avait.eu un ‚peu d’£raillement de la sereuse de lintestin. Maintenant, ‚Messieurs, je me permets de croire que.le r&trecissement de l’intestin dans la hernie &traugl&e, une fois reconnu, non seulement aura une grande importance pratique : dans l’op£ration pour. amoindrir ‚ces enorme chiffre de morts (que donne la c&lotomie, ‚mais .qwil pourra. ınettre un terme ä toutes les questions doctrinales sur le, siege de l’ätranglement entre Yanneau aponevratique, le collet du sae et la pretendue inflammation de l’intestin ‚hernieux. Prof. Vanzetti aus Padua theilt seine Erfahrungen über den Erfolg der blossen ma- nuellen Compression bei Aneurismen mit. In einem Falle hörte die Pulsation bereits nach 12 Stunden auf und das Aneurisma ursprünglich von der Grösse einer Citrone reducirte sich all- mählich auf die Grösse einer Haselnuss.. Ein anderes kleineres gleichfalls in der Kniekehle schwand ebenso nach der von Gehülfen ausgeführten Compression der eruralis in noch kür- zerer Zeit. Derselbe empfiehlt ferner bei Lithotriphieen keine Injectionen in die Blase vorher- zuschicken. Geh. R. Prof. Wutzer erzählt einige Beispiele aus seiner reichen Erfahrung, wie wenig man sich für längere Zeit auf die Hände der Gehülfen verlassen könne. Ober-Med.-R. Prof. Strempel bemerkt, dass bereits Koch: 1823 in München sich nach Amputationen der manuellen Compression angtatt der Unterbindung bedient habe. Generalstabsarzt- Dr. Stromeyer bemerkt, dass, es bekannt sei, wie die Assistenten Kochs nach einigen Stunden stets der’ Compression ‚die Unterbindung substituirt hätten. Ober-Med.-R. Strempel beruft sich dagegen auf.die noch lebenden Herren, Dr. Held und Ulensberger als Zeugen der Wahrheit, seiner Behauptung, während Herr Geh. Rath Wutzer dagegen einen Fall erzählt, der Kochs eigenem Sohne bei solcher Gelegenheit in Berlin unter der Hand gestorben sei. Herr Prof. Busch theilt seine interessanten Beobachtungen über die Reihenfolge in der Wiederherstellung der Nervenleitung in gelähmten Theilen mit, und erwähnt namentlich einige Fälle, in denen zuerst die motorische, dann die Thätigkeit der Hautnerven und endlich erst das Muskelgefühl sich herstellte. Prof. O. Weber legt der Section zwei Dissertationen: Geller descriptio tumoris coceygei foetus rudimenta continentis, feliciter exstirpati und Zervais: de Foetus nephrocystidibus uropheris, vor. Der Präsident der Section legt einige Hefte der Zeitschrift l’&cho medical von Dr. Cornaz und die Abhandlungen und Notizen über P. A. Groun’s fissura sterni congenita zur Einsicht auf. Derselbe schliesst darauf, da weiter keine Vorträge angemeldet sind, die Sitzungen der chirurgischen Section. Nach der Sitzung zeigt Prof. Busch in der chirurgischen Klinik die Anlegung des Gyps- verbandes an einem Unterschenkelbruche nach seinen Grundsätzen. Prof. OÖ. Weber zeigt daselbst eine Reihe von Knochenpräparaten und Geh. Rath Wutzer demonstrirt seine höchst eonstructiven Bruchpräparate. 272 11. Sektion für Gynäkologie *). In der einleitenden Sitzung, Freitag, den 18. September, wurde Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Kilian zum permanenten Präsidenten der Sektion und zu seinem Stellvertreter für die nächste Sitzung Prof. Dr. Zitzmann aus Kiel, zum Secretär Privatdoc. Dr. Spiegelberg aus Göt- tingen erwählt. Sanitätsrath Dr. Nettekoven hatte das letzte Geschäft wegen Ueberhäufung mit andern Arbeiten für die Versammlung ablehnen müssen. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Tages-Präsident: Prof. Dr. Zitzmann. Vortrag des Dr. Küchler aus Darmstadt über die Wirkung der Doppelnaht zur Sicherung der Herstellung eines soliden Dammes und Scheidenein- ganges bei der Episiorraphie. „Es scheint mir nicht die Aufgabe einer kurz dauernden Versammlung, Zeit und Kräfte durch ausführliche Erörterungen zu erschöpfen, welche die Literatur ersetzen kann, sondern durch die belebende Eigenschaft der mündlichen Mittheilung Gedanken zu erwecken, welche am heimischen Heerd Jeder selbst weiter ausspinnen kann. „Fricke hat 1833 durch den genialen Gedanken seiner Episiorraphie eine Schöpfung zu Tage gefördert, die zwar in ihrer ersten Gestalt nicht lebenskräftig genug war, der aber meh- rere tüchtige Geburtshelfer so viel Leben eingehaucht haben, dass an ihrer Erhaltung nicht mehr gezweifelt werden kann. i „Ausgehend von der richtigen Idee, dass die durch Geburten u. s. w. bodenlos gewordene Gestalt des kleinen Beckens die wichtigste Quelle der Gebärmuttervorfälle ist, hat Fricke zur Aneinanderlegung und Schliessung der Weichtheile am Scheidenausgange eine (brückenförmige) Naht der grossen Lippen vorgeschlagen und vielfach ausgeführt, auch primär in den meisten Fällen ein schönes Resultat erlangt. Er vermochte zwar gewöhnlich nicht, die hintere Commissur der Scheide zum Schluss zu bringen, vermochte nur, eine schmale häutige Vereinigung zu erzielen, die brückenförmig von einer Schamlippe zur andern reichte. und beide verband; aber er hat, indem er die grosse Spaltöffnung, der äusseren Genitalicn aufhob, auch die inneren zurück- und in die Höhe gedrängt, und es war nur bedauerlich, dass sich kein Mittel fand, sie in dieser Lage, wenigstens in der Regel zu erhalten. Waren aber auch die Mittel unzulänglich, so war doch die leitende Idee gewiss richtig, und die meisten Einwendun- gen (wie die Unmöglichkeit des Coitus, der geschlechtlichen Functionen überhaupt, selbst der Geburt) ganz unhaltbar. Ohne alle Verletzung der gebildeten Brücken hat man nämlich eine *) Es ist hierbei, neben den von den Rednern eingegangenen schriftlichen Mittheilungen, vorzüglich der sehr ausführliche Bericht benutzt worden, den der Sekr. der Sektion in „Üred&’s, von Ritgen's und von Sie- bold’s Monatsschrift I.“ geliefert hat. 213 Menge Geburten beobachtet, und zwei derselben in guten Zeichnungen vorgelegt (Fälle von Plath und Leopold). Nur die Unmöglichkeit der Vermeidung der Fistelbildung, das häu- fige Vorkommen von Hernien und selbst von Recidiven des Uterinvorfalls haben zur Verwer- fung der Operation geführt. Busch, dem viele Dissertationen hierüber ihren Ursprung ver- danken, und nach ihm Cred& haben ihr erneute Aufmerksamkeit zugewandt. Vor Allem wurde die Schnittführung verbessert, und dazu haben Kieter, Busch und Cred& das Ihrige beigetragen. Aber mehr Schwierigkeit bot noch immer die Wundheilung. Soll ein gehörig fester Damm gewonnen werden, so ist die Wunde zu breit und zu tief gehend, die Wund- ränder zu nachgiebig, um mittels gewöhnlicher oder der Keilnaht genau zu coaptiren und bei der Durchtränkung mit den Scheidenflüssigkeiten einfach, sicher und total zu heilen. Ich habe deshalb geglaubt, zwar eine kleine, aber in ihrem Resultat erheblich gefundene Verbesserung einzuführen, indem ich vor der Schliessung der nach bestimmten und scharfen Regeln angelegten Totalnaht die ungeheuer klaffende und den Damm (in der Rückenlage) von vorn nach hinten penetrirende Wunde (die Abbildung am Schlusse dieses Werkes Fig. I. a) in eine nicht penetrirende, leicht zu coaptirende und leicht p. prim. reunionem zu heilende kleinere Wunde durch eine durch die Schleimhautränder der Wunde geführte in- nere Naht (Fig. 2 x) vereinigte, che die Totalnaht geschlossen wurde. Es ist mir die Heilung der auf diese Weise ausgeführten Nähte bis jetzt nie misslungen in einer Statistik von 12—14 Fällen, und hat die Naht auf diese Weise in der Regel den genü- gendsten Einfluss auf die Reposition der innern Beckeneingeweide geübt. Ich bin veranlasst zu bemerken, dass ich bei der Einführung dieser Idee unter keinem Ein- fluss, als dem meiner eigenen Beobachtung gestanden habe. Da es aber bei diesen Unter- suchungen vorläufig gar nicht darauf ankommt, welche glänzenden Resultate ich selbst durch die Art und Weise der Ausführung gewonnen habe, oder welchen glänzenden Antheil ich an künftigen Resultaten haben kann, sondern blos darauf, Ihnen die Möglichkeit eines glücklichen Resultats so anschaulich zu machen, dass die halb vergessene und in Missachtung gerathene Episiorraphie von Ihnen wieder in Angriff genommen und der Operativchirurgie erhalten werde — so werde ich deshalb auf einige Anfechtungen, die ich von einer Seite her erfahren habe, hier gar keine Rücksicht nehmen. Dieselben sind noch zur Zeit Gegenstand einer privaten Polemik, und wer sich dafür interessirt, wird die Thatsachen sonnenklar kennen lernen. Die Wirkung einer so ausgeführten Episiorraphie, oder wenn man will, Episio-Elythrorra- phie ist zunächst die Herstellung eines soliden Dammes und Scheideneinganges, das Hinauf- drängen der Beckeneingeweide und besonders des Uterus in seine natürliche Lage, die secun- däre Wiedergewinnung der Elastieität der Bänder und zelligen Verbindungen des Uterus und die Verminderung der Hypertrophie dieses Organs durch Aufhebung der reizenden und schnü- renden Einflüsse, die es ausserhalb des Beckens erfahren muss. Es bleibt also nur übrig, für die nächste Zeit nach der Heilung ein Regimen einzuleiten, wodurch unnöthige und übertrie- bene geschlechtliche Berührung und Alles vermieden wird, was die Eingeweide gewaltsam in das kleine Becken hineintreibt, damit die Mutterbänder erstarken und eine dauernde Heilung des Vorfalls als gewöhnliches Resultat erreicht werden kann. Die Zufälle der Operation sind wenig bedeutend. Sie sehen wohl, dass die leitende Idee dieser Art von Naht die ist, eine penetrirende ‘Wunde einer offenen Höhle oder eines Canals in eine nicht penetrirende zu verwandeln, ehe sie definitiv geschlossen wird. Die nothwendige Bedingung scheint zu sein, dass die Höhle 3 274 oder der Canal, in welchem sie angelegt wird, einen Ausgang nach aussen habe, der das Ab- spülen der Fäden gestattet, und dann, dass die innere Naht nicht breiter angelegt werde, als ihr temporärer Zweck erheischt, um ohne Beleidigung der Wunde von der Natur abgestossen werden zu können. Beachten Sie dies, so können Sie diese Naht auf die gewöhnliche Dammnaht, die Mast- darmscheidenfistel, die Blasenscheidenfistel, den hohen Steinschnitt, die Lippennaht bei Krebs und Hasenscharte anwenden, wie ich theilweis wenigstens mit dem besten Erfolg thue *). Hofrath Dr. Schneemann aus Hannover fragt den Redner, ob die von ihm operirten Fälle alle solche gewesen, welche nothwendig zu einem blutigen Eingriff aufforderten, und ob bei ihnen nicht palliative Mittel, besonders der Hysterophor von Zwanck versucht wären. Denn die Operation müsse die letzte Zuflucht bilden, zumal auch sie nicht in allen Fällen eine Radikalheilung herbeiführe. Dr. Küchler bemerkt hierauf, dass er sich zu der Operation durch die Lage seiner Kranken gedrängt fühlte. Dieselben gehörten alle der arbeitenden Klasse an, und bei solchen halte er eine palliative Hülfe nicht für zureichend. Dr. Spiegelberg kann in letztere Ansicht nicht einstimmen; auch ihm ist eine grosse Anzahl von Uterusvorfällen vorgekommen, die alle, wie dies gewöhnlich der Fall, den armen Theil der weiblichen Bevölkerung beträfe. Er hat immer das Zwanck’sche Instrument, wenn nur ein passendes ausgesucht war, äusserst nützlich gefunden. Die betreffenden Kranken waren so gut wie radikal geheilt, da sie alle Arbeit verrichten konnten, ohne dass beim Tra- gen des Hysterophors der Prolapsus sich wieder einstellte. Prof. Dr. Crede& aus Leipzig bemerkt in Bezug auf Dr. Küchler’s Naht, dass ihm der herzförmige Schnitt überflüssig erscheine, so lobenswerth auch eine besondere Schleimhautnaht sein mag; denn er hat nie beobachtet, dass eine Kerbe nach der Vernarbung bei der gewöhn- lichen Schnittführung, entstehe. Privatdoc. Dr. Breslau aus München theilt im Anschluss an Küchler’s Vortrag seine „neue Methode der Episiorraphie“ mit. Bei Gelegenheit eines Falles, in welchem es sich darum handelte, wegen einer grossen, nicht verschliessbaren Blasenscheidenfistel durch gänzliche Obliteration der äusseren Genital- öffnung mit Ausnahme der Urethra eine Continenz des Urins wieder herzustellen, habe ich dem gütigen Rathe des eben damals in München anwesenden Prof. ©. Thiersch aus Erlangen folgend, eine bisher nicht übliche Methode von Episiorraphie in Anwendung gebracht, welche sich mit einer geringen**) Modification mehr zu einer theilweisen Verschliessung der Vulva und der untern Partie der Vagina, als zu einer gänzlichen zu eignen scheint, indem es mir trotz einer ämaligen Operation an demselben Individuum nicht gelungen ist, eine kleine Fistel hinter der Harnröhre, also eine zwischen Blase und Vulva bestehende Communication zur Heilung zu bringen. Wenngleich es mir bisher an Gelegenheit fehlte, die Ihnen, meine Herren, vorzuschlagende Methode der Episiorraphie gegen Vorfall der hintern Wand der Vagina und ‘. *) Erklärung der Figuren: Fig. 1 a. Die angefrischte Wunde der grossen Lippen bis tief in die Scheide. Bei o findet man die Stellen für die Schleimhautnaht, bei e die Ausgangspunkte der Totalnaht. — Fig. 2 zeigt den Moment, wo die Schleim- hautnaht geschlossen ist, und die Totalnahtfäden noch herabhängen. **) Die queren Schnitte sind bei der Episiorraphie gegen Prolapsus tiefer zu führen, als bei der zur gänz- lichen Obliteration geübten. 275 des Uterus thatsächlich zu erproben, so erlaube ich mir doch, sie Ihnen für vorkommende Fälle zu gefälliger Beachtung anzuempfehlen, weil ich aus theoretischen Gründen sie nicht für ganz werthlos halte. Die bisherigen Erfolge der Episiorraphie sind grossentheils an der verhältniss- mässigen Dünne und der dadurch bedingten Dehnungsfähigkeit und Nachgiebigkeit der Narbe gescheitert. Je dicker und straffer dieselbe ist, desto kräftigeren Widerstand wird sie dem immerfort von oben dagegen andrängenden Uterus leisten. Durch die zu beschreibende Schnitt- führung mit darauf folgender doppelter Naht wird man indess eine widerstandsfähige Vereini- gung des hintern Theils der Schamlippen und der seitlichen Scheidenwände erhalten können. Man bringt die zu Operirende in die Steinschnittlage, lässt die Schamlippen durch die Hände der Assistenten von einander entfernen und durchschneidet dann, sei es rechts oder links, in einer beliebigen nach dem individuellen Falle sich richtenden Höhe aussen an der Umschlags- stelle der Schleimhaut zur äussern Haut beginnend, grosse und kleine Schamlippen bis in den Scheideneingang ungefähr in querer Richtung und in solcher Tiefe, dass man bis auf die untern Lagen des submucösen Bindegewebes dringt. Man setzt hierauf diesen Schnitt in der Rich- tung gegen den Anus und im Scheideneingang verlaufend, rechtwinklig bis zur hintern Com- missur der Schamlippen oder, wenn diese fehlt, bis an die vom Damme noch übrige Brücke fort, und kann hier den Schnitt wieder nach aussen je nach Bedürfniss weit verlängern. Auf der andern Seite geschieht ganz dasselbe, indem man oben beginnt. Man richtet einen Schnitt auch gegen den Anus hin, so dass er mit dem auf der andern Seite convergirt, und unten, d. h. in der Gegend der hintern Commissur zusammenstösst, worauf man dann noch einen von hier auslaufenden queren, wie zuvor, machen kann. — Der 2. Act der Operation besteht in der Präparirung zweier durch die genannte Schnittführung zu gewinnender Lappen, die man nach aussen wie geschlossene Läden eines Fensters zurückschlägt, ohne sie an ihrer äussern Anheftungsstelle abzuschneiden. Hierin liegt das Wesentliche dieser Operations- methode, worin sie sich von den bisher gebräuchlichen auszeichnet, dass man die durch die Anfrischung erhaltenen Lappen nicht als etwas Un- brauchbares abschneidet, wie dies z. B. bei einer ganz ähnlichen Sehnittführung Ba- ker Brown thut (s. dessen Werk: „on some diseases of women admitting of surgical treat- ment“ p. 74), sondern dass man sie erhält und verwerthet. — Der 3. Act der Operation besteht nun darin, dass man die runden Flächen der Schamlippen und die zurückgeschlagenen Lappen gegen einander bringt, in der Tiefe der- selben Fäden durchsticht, um sie nach aussen an Zapfen zubefestigen, und dass man die schnabelförmig sich an einander legenden äussern wunden Ränder durch Knopfnähte mit einander vereinigt. Man erhält hierdurch zwei sich einander berührende wunde Flächen, die doppelt so breit sind, als wenn man die Lappen nach der Anfrischung nach aussen abgeschnitten hätte, und folglich, vorausgesetzt, dass die Verwachsung gelingt (was bei Theilen, die so leicht zu Oedemen und gangränösen Zerstörungen geneigt sind, immer problematisch bleibt), eine dicke feste Brücke, eine Artneuen Damm und erreicht hiermit Alles, was man überhaupt von der Episiorraphie als von einem Mittel zu erwarten berechtigt ist, welches in der Regel keine radikale Heilung des Uterus- und Scheidenvorfalls, sondern nur eine Besserung dieses qualvollen Zustandes zur Folge hat, indem die früher allen möglichen äussern Beschädigungen ausgesetzten Theile nun wie durch ein gutes Pessarium geschützt und zurückgehalten werden. Es versteht sich von selbst, dass man während der Operation die Blutung zu stillen und abzuwarten hat, dass man die Nähte nicht zn fest anlegen darf, dass man die Nachbehandlung gehörig leite. Alles das 216 richtet sich nach den bekannten Regeln der plastischen Operationslehre. Schliesslich will ich mich von vorn herein gegen den Vorwurf verwahren, als ob ich etwas noch nicht Erprobtes anpreise. Ich thue dies nicht, sondern überlasse es der Zukunft.darüber zu richten. *) Hofrath Schneemann, an Breslau’s Vortrag über die Dammnaht anknüpfend, schlägt das Dammschutzverfahren und die Behandlung der Dammrisse zur Be- sprechung vor. Er hebt hervor, wie ihm in früherer Zeit viel mehr Dammrisse vorgekommen, als in seiner spätern Praxis, und glaubt die günstigeren Resultate letzterer der mit der Zeit erlangten grössern Vorsicht und Ruhe zuschreiben zu müssen, besonders aber dem Umstande, dass er in Folge davon gegenwärtig viel weniger zur Zange greife, als früher, sondern selbst solche Fälle, wo die Natur ihre Dienste zu versagen scheine, ihr doch noch überlasse, und das mit glücklichem Erfolge. Der Vorsitzende, Prof. Litzmann, hält indess nicht das seltnere Anlegen der Zange, sondern nur die grössere Ruhe und Vorsicht für die Ursache des seltneren Eintretens von Rissen. Die Zange gehörig gebraucht, und besonders dem Baue des Beckenkanals gemäss ge- führt, könne keinen Dammriss veranlassen; trete ein solcher ein, so hätte er auch ohne Zan- genanlegung stattgefunden. Im Gegentheil sei in manchen Fällen die erwähnte Operation ein vorzügliches Mittel, Zerreissungen der äussern Genitalien zu verhüten. Hofr. Schneemann erklärt nun weiter, dass er frühe Operation eines Dammrisses trotz der eingewandten Nachtheile für das beste Verfahren halte, welcher Ansicht, da sie ja auf Erfahrung basire, Med.-Rath Dr. Friedlieb vollkommen beistimmt. Privatdoc. Dr. Germann aus Leipzig hebt noch besonders hervor, dass ihm die An- legung nur einer Naht, nämlich eines Fadens, gewöhnlich vollkommen ausreichend gewesen sei; es sei dies gewiss das schonendste Verfahren für die Frau, und wenn es gleich nach der Geburt geschähe, auch vollkommen seinem Zweck entsprechend. Dr. Davidson aus Breslau macht bei Gelegenheit der vorstehenden Debatten die Bemer- kung, wie schnellin den äussern Genitalien und imZellgewebedes Beckens überhaupt, besonders nach Verletzungen der ersteren, sich Oedeme und Exsudate ausbildeten. Es sei ihm oft vorgekommen, dass er bei der ersten Untersuchung Nichts Derartiges gefunden, und wenn er einige Stunden nachher dieselbe wiederholt habe, an den hintern oder den seitlichen Beckenwänden einen mehr oder weniger grossen elastischen Tumor angetroffen habe, der ebenso schnell, oft ohne alles Zuthun der Kunst, verschwunden sei. Gleiches habe er auch hin und wieder im nicht puerperalen Zustande, besonders zur Catame- nialzeit beobachtet. Er glaubt, dass diese rasche Entstehung von Exsudationen, so wie ihr rasches Schwinden in einer besondern Eigenschaft des Beckenzellgewebes seine Ursache haben müsse. Spiegelberg kann in jenem Umstande keine Eigenthümlichkeit erkennen. Solche Ex- sudationen entstehen auch an andern Stellen, wo, wie im Becken ein weitmaschiges Zellgewebe sich finde, wo der Rückfluss des Venenblutes durch die entfernte Lage vom Centrum des Kreislaufs, durch Fascien und Muskeln mehr oder weniger gehemmt sei, und wo die Venen und Lymphgefässe so starke weitmaschige Netze bilden, wie um die Scheide, Blase und den Mastdarm herum. Im Uebrigen sei die Beobachtung des Dr. Davidson gewiss richtig. Dem stimmen auch Prof. Litzmann, Prof. Cred& und Dr. Breslau bei, und hebt *) Fig. 3 zeigt schematisch die Schnittführung mit Punkten bezeichnet; Fig. 4 das Aussehen der Theile nach vollendeter Naht, von der Seite gesehen. 277 der Vorsitzende noch hervor, wie viel häufiger man die genannte Erscheinung antreffen würde, wenn man bei den verschiedenen Beschwerden der Frauen im Puerperium und zur Menstrual- periode häufiger untersuchen würde. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Tages -Präsident: Geh. Rath Dr. Kilian. Der Vorsitzende, Geh. Med.-Rath Dr. Kilian, eröffnete die Verhandlungen mit der Mit- theilung, dass ihm vom Dr. Seutin (chirurgien en chef) zu Brüssel brieflich der Wunsch aus- gesprochen sei, dessen „neue“ Methode zur Stillung von Uterinblutungen in der letzten Geburtsperiode in der Section zur Discussion zu bringen. Dr. Seutin sei überzeugt, dass in seiner Methode, nämlich in der Compression der Aorta abdominalis, einunfehlbares Mittel gegeben sei, jenex Blutungen Herr zu werden, und dass dieselbe ebenso leicht auszuführen, und deshalb vom grössten praktischen Werthe sei. Hofrath Sehneemann bemerkt zunächst, dass dieses Mittel durchaus kein neues, sondern ein sehr altes sei, das schon von R. Lee in seinem Buche über die Krankheiten der Wöch- nerinnen (übers. von Sehneemann), und vor ihm von vielen Andern empfohlen und ge- würdigt sei. Im Uebrigen halte er es durchaus nicht für ein Gebärmutterblutungen stillendes Mittel, wie ihm lange Erfahrungen gezeigt; höchstens bewirkt das Aufsuchen der Aorta durch Berührung der Uterinwandungen Contractionen derselben und somit Blutstillung. Auf der andern Seite können aber, wie dies R. Lee hervorgehoben, die Blutungen nach der Com- pression noch stärker werden. Diese Methode des Dr. Seutin sei deshalb zu verwerfen. Spiegselberg erklärt die Aortencompression für vollkommen unniütz aus physiologischen und practischen Gründen und deshalb für werthlos. Er dedueirt wie folgt: Die erste Frage, die man sich bei dem in Rede stehenden Vorschlage zu beantworten hat, ist die: Kann die Compression der Aorta Uterinblutungen stillen, und im Bejahungsfalle, wodurch bringt sie dies zu Wege? Den ersten Theil dieser Frage muss ich bejahen, wie mich vielfache Versuche gelehrt. Man denkt nun gewöhnlich in Bezug auf den zweiten Theil der Frage, dass die Blutung sistire, weil nach Compression der zu- führenden Arterien kein Blut mehr zum Uterus dringen könne. Allerdings ist dies der Fall, nur muss man sich nicht denken, dass die Blutung aufhöre, weil Nichts da ist, was ausfliessen kann. Der Grund ist nämlich ein ganz anderer. In dem Augenblicke, wo die arterielle Zufuhr dem Uterus abgeschnitten wird, ziehen sich seine Muskelfasern zusammen, das ganze Organ verkleinert sich, und dass dessen Contraction die Blutung stillt, ist bekannt. Ich habe mich von diesem anscheinend auffallenden Resultate sehr häufig an trächtigen und nicht trächtigen Thie- ren überzeugt (man vergleiche „Zeitschrift für rationelle Mediein. Neue Folge. 1857. Bd. II“) und denselben Erfolg von einfacher Compression, wie von Unterbindung der Aorta abdom., da wo sie aus dem Zwerchfell tritt, gesehen. Ich muss deshalb behaupten, dass allerdings die Compression der Aorta die Uterinblutungen stillen kann und stillt, weil sie energische Oontractionen des Organs erregt. — Von dieser Seite aus wäre also der Methode nichts einzuwerfen. Aber der hinkende Bote kommt nach. Denn es genügt zur Stillung von Uterinblutungen eine kurz dauernde Contraction nicht; sie muss, soll sie ihren Zweck erreichen, eine anhaltende sein. Dasist sienun, wie ich mich 278 experimentell wenigstens überzeugt habe, nicht, wenn die Compression keine an- dauernde ist. Sowie das Lumen der Arterie frei wird, dehnt sich der Uterus wieder aus. Nun kann man aber am lebenden Weibe die Aorta nicht so anhaltend comprimiren, als zur Erzielung von andauernden Uterincontractionen noth ist, und dadurch verliert der prac- tische Werth der in Rede stehenden Methode. Er verliert noch mehr, wenn man bedenkt, dass man .die Aorta einer lebenden Frau, selbst gleich nach der Geburt, doch nicht so vollkommen comprimiren kann durch die Bauchdecken hindurch wie an einem Thiere, dem die Unterleibshöhle geöffnet ist. Es ist als gewiss anzunehmen, dass noch immer etwas Blut durch die Arterie hindurch geht, wenn man noch so sicher die Compression mit der Hand auszuführen glaubt. Dazu kommt nun als dritter Einwurf hinzu, dass man die Aorta dochnicht, wie ich es bei Thieren gethan, unterhalb des Zwerchfells verschliessen kann, dass dies beim Weibe wohl immer nur unterhalb der Abgangsstellen der grossen Gefässe des Darmes, und auch wohl der A..renalis und spermatica möglich ist. Der Uterus bekommt alsdann von diesen Gefässen noch Blut genug, Einen vierten Einwurf finde ich nun schliesslich darin, dass man bei der gedachten Compression zugleich die Vena cava inf. mit verschliessen wird, da es wohl nicht einzusehen ist, wie man bei der Nachbarschaft dieser und der Aorta so etwas vermeiden will. Nun haben mich aber meine Versuche und Beobachtungen gelehrt, dass in einem solchen Falle die erwähnte und erwünschte Uterincontraction ausbleibt. Das Organ strotzt von Blut und erscheint ganz schlaf. Es ist auch a priori einzusehen, dass wenn man die Cava schliesst und dem Blute den Rückfluss aus dem Uterus abschneidet, dessen Gefässe stark gefüllt werden und da ihre Lumina nach der Geburt geöffnet sind, viel von ihrem Inhalt verlieren müssen. Darin wohl findet die von Lee gemachterund von Schneemann hier erwähnte Beobachtung der Verstärkung des Blutflusses nach der Compression ihre Erklärung. Ich resumire schliesslich meine Deduction dahin, dass die Compressionder Aorta abdominalis dureh Hervorrufung von Contraetionen des Uterus Blutun- gen aus letzterem stillen wird, dass also der Seutin’sche Vorschlag phy- siologiseh begründetist. Soll aber die Oontraction eine anhaltende und- ausgiebige sein (und das muss sie, falls die Blutung nicht fortdauern oder wiederkehren soll), so muss die Compression der Aorta 1) eine anhaltende, wenigstens eine länger andauernde, 2) eine vollkommene, 3) am rechten Orted.h. über dem Abgang der Gefässe für die Unterleibsorgane, angebracht sein, und 4) darfsie nicht zugleich die Vena cavainf. treffen. Da nun diesen Bedingungen am lebenden Weibe practisch nicht genügt werden kann, so fallen damit auch die physiologisch für das Verfahren sprechenden Gründe. Mit kurzen Worten: weil eine genügende Compression nicht ausführ- bar, hat ihre etwa vermuthete Wirkung auf den Uterus auch keine phy- siologische Basis, wird sogar gleich Null. Wenn man hin und wieder nach Compressionsversuchen Contraction des Uterus eintreten sieht, so ist, wie Hofr. Sehneemann schon bemerkte, daran die stattfindende Reibung und vielfache Berührung der Gebärmutter wohl hauptsächlich Sehuld. indem Kilian sich den gemachten Bemerkungen des Vorredners vollkommen anschliesst, macht er darauf aufmerksam, wie mangelhaft bis jetzt noch immer alle Beschreibungen und Darstellungen der feineren Circulationsverhältnisse in der Abdominalhöhle, und besonders der- 279 jenigen des Gebärorgans und seiner Adnexa seien. Er ist ganz der Ansicht, dass die gewich- tigsten Gründe, welche dem von Seutin wieder gemachten Vorschlage entgegenstehen, ana- tomische sind, indem wegen der vielen Anastomosen zwischen den verschiedenen Aesten der Aorta und Cava es gar nicht möglich sei, den Blutstrom vollkommen vom Uterus abzuschliessen, wenn man nicht die Aorta da, wo sie eben in die Unterleibshöhle tritt, comprimirt. Im Uebri- gen stehen der Methode auch viele bekannte praetische Gründe entgegen. Mit der Bemerkung des Dr. Davidson, dass Seutin’s Compressionsmethode deshalb schon unpraktisch sei, weil man ausser seinen eigenen Händen noch eine fremde zu ihrer Aus- führung brauche, schliesst diese Debatte, die somit ein einstimmiges Verwerfen der von Seutin so angepriesenen Blutstillungsmethode zum Ergeb niss hatte. { Es folgte hierauf der Vortrag des Dr. Spiegelberg: über dieChloroformanästhe- sie während der Geburt. Es kann nicht meine Absicht sein, Ihnen, meine Herren, hier die Vortheile und möglichen Nachtheile der Chloroformirung während der Geburt auseinander zu setzen. Sie sind Alle hin- länglich mit dem Thema bekannt, und die Zeit ist vorüber, wo blosses Vorurtheil hinreichte, ein Verfahren in die Acht zu erklären, das in seinen Folgen nach meiner Ansicht vom grössten Segen ist. Indess die Entscheidung hierüber lautet noch immer nicht überall gleich; die Einen, und wie ich hoffe die Mehrzahl sind für, die Andern gegen die Methode. Ich sehe von einer Anzahl Entgegnungen ab, die zu beachten kaum die Mühe lohnt, sondern habe besonders die 2 Haupteinwürfe im Auge, welche am meisten Gewicht, wenn bestätigt, in die Wagschale wer- fen würden — ich meine den, dass Chloroform die Uterinthätigkeit schwäche oder gar aufhebe, und den, dass es andere nachtheilige Folgen für die Mutter nach sich ziehe. Auf diese beiden Behauptungen erlaube ich mir, Ihre Aufmerksamkeit für einen Augenblick zu lenken. Verlangsamt, schwächt oder beseitigt gar Chloroform die Wehen? Ich muss dies entschieden verneinen, denn sowohl Physiologie, wie die Erfahrung der Praxis spre- chen dagegen. — Sie wissen, dass das Chloroform zunächst und überall nur seine Wirkung auf das Nervensystem äussert; zuerst auf das Gehirn, dann das Rückenmark und die sogen. Reflexthätigkeit und zuletzt auf die Medull. oblong. und das sogen. sympathische System, auf die unwillkührlich sich bewegenden Organe. Unter diesen werden indess nach meinen Beob- achtungen Darm und Uterus gar nicht influirt, höchstens nur auf indirectem Wege. Ihre Be- wegungen zeigen sich noch im höchsten Grade der Narkose, wo dasLeben nur noch an einem Faden hängt; allerdings erscheinen sie geschwächt, weil die Thätigkeit ihres Nervencentrum, des Rückenmarks, aufgehoben ist, aber nur kurze Zeit hindurch. Alsbald werden sie stärker und gehen regelmässig fort, wie ich diesim Darm und Uterus trächtiger, tief narkotisirter Thiere oft gesehen. Es kann uns das auch nicht wundern, denn die Bewegung dieser Organe scheint in gewissem Grade ganz unabhängig vom Nervensystem zu sein, dagegen vom Blute aus be- dingt zu werden. Statt weiterer Auseinandersetzungen, für die hier nicht der Platz ist, nur noch die Frage: Wie würde man über die Bewegung des Uterus experimentelle Untersuchun- gen unter dem höchsten Grade der Narkose anstellen können, wenn Aether und Chloroform seine Thätigkeit aufhöben ? So wenig demnach von physiologischer Seite her jener Einwurf der Wehensuspendirung begründetist, sowenig durch die Erfahrungen aus derPraxis. Niemand, der das Anästhetieum richtig angewandt und mit Ruhe beobachtet hat, hat einen solchen Erfolg gesehen. Wie wäre dies auch möglich, da zur Beseitigung des Wehen- 280 schmerzes so geringe Dosen ausreichen? Allerdings, und das gebe ich zu, erscheinen die Wehen, wenn man die Narkose bis zur vollständigen Aufhebung der Sensibilität und willkühr- lichen Motilität führt, momentan etwas seltener und schwächer, weil die Reizempfänglichkeit des Nervensystems und viele andere Erregungsmomente der Uterincontractionen beseitigt sind. Aber letztere kehren nach mehreren Minuten ganz regelmässig wieder. Wer indess so lange zu warten nicht Geduld hat, für den allerdings ergiebt sich das Resultat der Wehenschwächung. Er entzieht der Anästhesirten das Chloroform, weckt sie gewaltsam auf, und hat nun die Er- fahrung gemacht, dass Chloroform die Wehen aufhebe oder schwäche. Ich muss hier bemer- ken, dass leider manche Geburtshelfer den Grad der Wehenthätigkeit aus den Klagen und den Bewegungen der Kreissenden beurtheilen; und da diese verschwinden, so glauben sie auch die Wehen verschwunden oder wenigstens sehr schwach. (Gegen eine solche Beobachtungs- methode habe ich keine Gründe. Dass die willkührliche Thätigkeit der Bauchpresse schwinde, gestehe ich zu; aber nicht die unwillkührliche derselben, welche allein nothwendig ist; wenigstens kann jeder Fall dies täglich zeigen. — Die richtig angestellte Beobachtung spricht demnach nicht für den gemachten Einwurf. Noch weniger aber lässt sich der andere von mir angedeutete halten, dass nämlich nach- theilige Folgen der Mutter aus der künstlichen Anästhesie entspringen. Es werden allerdings unglücklich verlaufene Geburten nach dem Chloroformgebrauch diesem oft genug zugeschrieben, und der grosse Haufe stimmt gern in solche Lieder ein; ist es mir doch selbst begegnet, und zu meinem Nachtheile, bei einer Frau, welche ich nach einer schwe- ren Entbindung, bei der ich Chloroform in ausgiebigem Maasse angewandt, an bösartigem Puer- peralfieber verlor. Aber nun zeigt sich dem. unbefangenen Sinne gerade das Gegentheil von einer solchen Chloroformwirkung, und die Praxis der Freunde des Mittels hat hinlänglich gün- stigere Resultate, als die seiner Feinde aufzuweisen. — Den Vorwurf der grössern Nei- gung zu Nachgeburtsblutungen weise ich mit denselben Gründen, wie den der Wehen- suspendirung zurück. Ein Todesfall hat sich durch die geburtshülfliche Anästhesie glück- licherweise noch nicht ereignet. In dieser Hinsicht scheint dieselbe vor der chirurgischen sehr bevorzugt zu sein, und wenn es mir erlaubt ist, einen Grund dafür anzugeben, der allerdings nur eine Hypothese ist, so halte ich dafür folgendes: die Todesfälle durch Chloroform gehen alle von der Medull. oblong., vom Herzen aus; nun haben wir aber durch Martin und Mau- rer erfahren, dass mit den Wehen die Herzthätigkeit steige und falle. Es scheint mir dem- nach nicht unmöglich, dass durch jede Wehe die Med. obl. und das Herz von Neuem zu stärkerer Thätigkeit angeregt und so Asphyxie und Syncope verhütet worden. So sprechen also Theorie und Praxis gegen jene Einwürfe. Und ich sehe deshalb keinen Grund, warum ein so segensreiches Mittel nicht allgemeiner anzuwenden. Ich halte es für erlaubt in ganz normalen Fällen, obgleich nicht nothwendig und schreite nur auf Wunsch der Kreissenden selbst dazu. Dagegen erachte ich die Anästhesie in passenden abnor- men Fällen, und besonders in operativen für dringend indieirt, wenn ihr nicht andere, der Sache selbst fremde Umstände entgegentreten. Gewiss hat keine Neuerung in der Praxis von so bedeutender Tragweite einen so schnellen Erfolg gehabt und so schnell günstige Aufnahme gefunden, wie der geburtshülfliche Gebrauch des Chloroforms. Es hat auch viele Entgegnun- gen hervorgerufen und nicht wenigen Antheil daran hat der mit dem Mittel getriebene Miss- brauch, die falsche Anwendungsweise gehabt. Deshalb will ich zum Schluss noch bemerken, dass ich für die Bedingungen eines guten Erfolges halte, 1) dass vollkommene Ruhe um die 281 Kreissende herrsche; 2) dass man sie gleich in eine ziemlich tiefe Anästhesie versetze (denn beide Bedingungen verhüten, wenn erfüllt, den Eintritt eines Aufregungsstadium); 3) dass man alsdann nur während der Wehen inhaliren lasse, und nur in solehem Grade, als zur Be- seitigung des Schmerzes nothwendig ist; und 4) dass man den einfachsten Apparat zur Inhala- tion wähle, nämlich ein einfach oder konisch gefaltetes Taschentuch. Schneemann erklärt, dass er, obgleich den so eben angebrachten Ansichten ganz bei- pflichtend, doch von dem häufigen Chloroformiren zurückgekommen sei, und zwar besonders in gewöhnlichen Geburtsfällen, weil er keine Gründe für die Narkotisirung vorhanden sche, weil er oft üble Nachwirkungen und besonders Störungen des Nachgeburtsgeschäftes beobachtet, und weil die Einleitung einer zweckmässigen Anästhesie schwierig und zeitraubend sei, wenn man keine Assistenz um sich habe. Dr. Birnbaum aus Trier hat dagegen weder diese, noch überhaupt andere Nachtheile von der Chloroformirung gesehen. Er wendet das Mittel in operativen Fällen vielfach, und auch in dynamischen Störungen an, aber nur in solchen, die von einem erhöhten Erregungs- zustande des Nervensystems abzuhängen scheinen. Breslau verwirft die Verabreichung des Chloroforms mittels eines Taschentuches, weil bei langer Anwendung auf diese Art zu viel verbraucht, das Zimmer zu sehr mit Chloroform- dunst geschwängert wird. Er nimmt gewöhnlich einen Cautschoukbeutel, der einen mit Chlo- roform getränkten Schwamm enthält und Nichts entweichen lässt. Birnbaum verwirft alle solche Hülfsmittel, denn das Verdampfen des Chloroforms könne man durch Zusammenfalten des Tuches und durch Aufmerksamkeit verhüten. Spiegelberg: Obgleich zugegeben werden muss, dass man mit einem Taschentuche mehr Chloroform als auf jede andere Anwendungsweise verbraucht, so verdient es doch den Vorzug. Hinsichtlich des Verdampfens hat Herr Birnbaum schon die passende Antwort ge- geben; ein Hauptnachtheil eines Cautschoukbeutels oder Inhalor’s ist aber, dass man damit dem Gesichte der zu Anästhesirenden nicht folgen kann, wie mit einem Taschentuche; und wie sich die Kreissenden durch Hin- und Herbewegen des Kopfes den Inhalationen oft zu entziehen suchen, ist bekannt. Dann haben alle diese Apparate etwas Unappetitliches, so wie man sie bei mehreren Individuen gebraucht, und es ist umständlich, sie immer mit sich zu führen. Vor Allem aber haben sie den Nachtheil, dass sie wenigstens den Mund (wenn nicht auch noch die Nase) der Kreissenden bedecken müssen, was entschieden gefährlich ist, während man dies mit einem Taschentuche nicht nöthig hat. | Kilian: In normalen Fällen wende ich das Chloroform nur bei sehr unruhigen und em- pfindlichen Personen, besonders im letzten Geburtsstadium an, wenn der Damm durch die Un- ruhe in Gefahr kommt. In operativen Fällen, ausgenommen den Kaiserschnitt, wo Erschlaffung des verletzten Uterus und Blutung zu fürchten — und auch bei dynamischen Störungen mache ich gegenwärtig einen ziemlich ausgedehnten Gebrauch von der Anästhesirung. Auch ich führe nur den sogenannten 1. Grad der Narkose herbei, indem ich mit einem Taschentuche die das Gesicht der Kreissenden umgebende Atmosphäre gleichsam mit Chloroform parfümire, und dies während der Wehen wiederhole. Eine Aufhebung der Wehenthätigkeit, Nachgeburts- störungen habe ich nie davon gesehen. 36 282 3. Sitzung: Dienstag, den 22. September. Tages -Präsident: Geh. Rath Prof. Dr. Kilian. Der Vorsitzende, Geh. Rath Kilian, hatte diese Sitzung zur Besichtigung seines Instituts und seiner ausgezeichneten Beekensammlung bestimmt. Er demonstrirte eine interessante Reihe von rhachitischen, osteomalaeischen Becken und Skeletten; auch die von ihm geschilder- ten Stachelbeeken wurden vorgezeigt. Diese Demonstration hatte um so mehr Werth, als der Vortragende jedem Becken seine Geschichte beifügte. Länger verweilte er sich bei den osteo- malacischen Präparaten und hob den Unterschied zwischen Osteomalacie und Rhachitis, von denen die erstere eine wahre Salzberaubung (Halisteresis) ist, treffend hervor. Die Krank- heit erreicht in der Schwangerschaft gewöhnlich ihren höchsten Grad, wie das weibliche Becken in der Gravidität überhaupt einen grösseren Säftereichthum und grössere Weichheit der Knochen und ihrer Verbindungen zeigt. Die osteom. Becken werden dann sehr nachgiebig, und schei- nen nur aus festem Bindegewebe zu bestehen (Osteomalacia cerea). Bisweilen entwickelt sich diese hochgradige Weichheit auch erst während der Wehen, und die Dehnbarkeit des Beckens wird so bedeutend, dass der unbedingt nothwendig erscheinende Kaiserschnitt umgangen und die Frucht auf normalem Wege nach aussen gefördert werden kann. — Ein solches nachgie- biges in Spiritus aufbewahrtes Becken ward der Versammlung vorgezeigt. — Der Redner er- wähnte zugleich noch der so mangelhaften diagnostischen Anhaltspunkte zur Erkenntniss wahrer Knochenerweichung der Frauen, die bis jetzt nirgends scharf hervorgehoben sind. Zu den allgemeinen Kennzeichen der Osteomalacie müsse noch etwas entscheidend Pathognomonisches hinzukommen, um eine feste Diagnose stellen zu können. Dieses Pathognomonische seien aber allein die Veränderungen am Becken, und zwar 1) die grosse und eigenthümliche Schmerzhaftigkeit der Schenkel des Schambogens, wenn man sie mit dem Finger drängt, und der Schamfuge in ihrer ganzen Ausdehnung, wenn man sie von der Vagina aus mit dem hakenförmig gekrümmten Zeigefinger gegen sich anzieht; 2) die bei weiterem Fort- schritt der Krankheit unverkennbare Anlage zur Schnabelbildung an der Schamfuge und den Horizontalästen der Schambeine; und 3) im höchsten Grade des Leidens die auch für den Halbgeübten unverkennbare, bekannte eigenthümliche Beekendefiguration. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages-Präsident: Geh. Rath Prof. Dr. Kilian. Dr. Birnbaum, Director der Hebammen-Lehr-Anstalt zu Trier, sprach über Lordosis lumbalis in geburtshülflicher Hinsicht. Wenn es als ein sehr wesentliches Verdienst des verstorbenen Kiwisch geltend gemacht werden muss, zuerst in schlagender Weise auf den Einfluss der Verbiegungen der Wirbel- säule auf die Räumlichkeit des Beckens hingewiesen zu haben, so muss es als nicht weniger erhebliches Verdienst Kilians hervorgehoben werden, diesem Einflusse in der Aufstellung der Spondylolisthesis eine thatsächlich bestimmte Ausdrucksform gegeben zu haben, die eben darin, Schlussglied einer Kette von Entwickelungen zu sein, ihre wohlberechtigte Eigenthümlich- keit findet. en a Ka 283 Es treten aber dem praktischen Geburtshelfer eine ganze Reihe, durch solche Vorgänge erst näher beleuchteter Zwischenformen entgegen, die bisheran weniger beachtet, seine Auf- merksamkeit im höchsten Grade in Anspruch nehmen, und lassen sich für die indirecte Becken- beschränkung durch: Vor- und Einragung der obern Wirbelparthieen in das Becken dieselben gradweisen Nuancen darlegen, wie für die directen Beckenbeschränkungen. Die hohe Bedeutung dieser Zwischenglieder tritt uns in einem von mir in der Entbin- dungsanstalt zu Trier beobachteten Falle schlagend entgegen, und mag derselbe, auch wenn ihm keine Section bestätigend zur Seite steht, als möglichst genau durch Untersuchung der Lebenden constatirtes Beispiel solcher Störung nicht unbeachtenswerth erscheinen Er betraf eine mit Wehen eintretende 33jährige Erstgebärende, welche, kaum 4 Fuss gross, eine eigenthümliche Verkriüppelung des Körpers zeigte. Der Oberkörper erschien bei ihr ver- hältnissmässig am meisten verkürzt, mit sehr breiten Hüften, wie wir dieselben bei Buckligen mit niedriger Bauchhöhle zu finden gewohnt sind. Der ungleiche, schwankende Gang zeigte eine auffallende Bewegung, namentlich des ziemlich stark rückwärts gehaltenen Oberkörpers, wie wenn derselbe zu lose im Kreuze eingefügt wäre. Die Beine zeigten keine bestimmten Spuren rhachitischer Verkümmerung. Die Hüften ragten in ihrem ganzen hintern Umfange ungewöhnlich stark nach hinten und aufwärts vor, indem das Kreuzbein fast horizontal lag und die sehr langen, stark entwickelten Schamtheile stark nach hinten gezogen waren. Das Becken machte den Eindruck, wie wenn es nach vorne herüber und herabgesunken wäre, wodurch der eigenthümlich schaukelnde Zu- stand des Oberkörpers hinreichend erklärt wurde. Dicht über dem Kreuzbein war die Wirbelsäule in einem Bogen von beiläufig 2“ Spann- weite, %," Tiefe knieförmig eingedrückt, so dass der obere Theil des Kreuzbeines und der über diesem Bogen befindliche Stachelfortsatz des dritten Lendenwirbels stark vorragten, der vierte und noch mehr der fünfte Lendenwirbel mehr zurückwichen. Das Vorspringen des hin- tern Hüftumfangs und die Spannung der untern Rückenmuskeln liessen die Vertiefung auch für den Anblick auffallend erscheinen. Die Hauptcompensation dieser Lumbarlordose lag in der Zurückbiegung des Kreuzbeines, sie wurde aber unterstützt durch eine geringe, sehr weit ausholende hyphotische Verbiegung vom dritten Lendenwirbel an bis zur Mitte des Dorsaltheiles, ohne dass doch die Compensation dadurch vollständig geworden wäre. Das Kreuzbein war etwas nach links abgewichen und der linke Hüftraum stand so etwas mehr nach’ hinten vor und etwas höher bei geringem Zurück- weichen des Trochanter, während die rechte Hüfte mit Trochanter etwas flacher abfiel. Die Lendenwirbelsäule bot in ihrer knieförmigen Einknickung eine geringe Neigung nach rechts hinüber. Der stark ausgedehnte, in anhaltender Spannung begriffene Uterus war breit, stark und vorne übergeneigt, etwas über die Schambeine herabhängend. Der Mutterhals war '/;“ lang, stark nach hinten, der untre Abschnitt vom Fruchtwasser tief herabgedrängt, liess einen grossen runden, ballotirenden Theil durchfühlen. Der Beckenkanal erschien in seinen untern Räumen weit und geräumig, und liess im Eingang nur eine geringe, höchstens bis zu 3%,“ gehende Beschränkung mit Mühe erkennen. Die Wehen waren bis auf grosse Schmerzhaftigkeit völlig regelmässig in langsamer Steigerung, und brachten im Laufe des 4. August den Mutterhals allmählig zum Verstreichen, und bei rechter Seitenlage den Kopf voller auf den Beckenein- gang; bei noch stehender Blase aber trat schon am Abend ein heftiger Drang gegen das Kreuz hin hervor, weleher die Empfindlichkeit der Person bei übrigens gleichmässiger Formung und 284 Verkleinerung des Uterus der Art steigerte, dass zu Chloroformeinreibungen und vin. stib. mit tra thebaica übergegangen wurde. Gegen Mitternacht sprang die Blase, der Muttermund legte sich 10 Groschen weit eng an den breit aufliegenden Kopf an, war aber sehr dehnbar. Die Wehen steigerten sich nun in rascher Progression, bald heftig drängend werdend und trieben den Kopf von links her tiefer in das Becken hinab, jedoch mit stärker geneigtem hinterm ‚Scheitelumfange, so dass die Pfeil- naht mehr durch die vordre Beckenhälfte ging. Um den seit Tagesanbruch am 5. August sehr heftigen Wehendrang zu mildern, und dem gereizten Zustande der fieberhaft erregten Kreissenden entgegen zu wirken, wurde um 9 Uhr zur grossen Beruhigung derselben ein warmes Bad gegeben, welches aber die starre nnd grosse Energie der Wehen nicht minderte, nur erträglicher machte. Der Muttermund ging danach langsam mehr und mehr auseinander, war um 1 Uhr nach hinten verstrichen, nach vorne leicht zurückschiebbar. Nach links war der Kopf tiefer getreten, nach rechts aber hoch oben zurück- geblieben, so dass nun die Stirnnaht bis zur Augenbraugegend und um 2 Uhr die Stirne voll eingetreten war, mit leichter Erkennbarkeit des linken Auges. Dabei hatte die Stirne eine ent- schiedene Neigung nach hinten angenommen, stand aber eigenthümlich zugespitzt in auffallend isolirter Weise im Becken. Das Herzgeräusch des Kindes war nicht mehr zu hören, da die ganz geregelte aber äusserst energische, stark pressende Wehenthätigkeit seit mehr als 11 Stunden mit unveränder- ter Ausdauer bis zum Verstreichen des grössten Theiles des Muttermundes angehalten hatte. Ich wartete daher noch bis gegen 3'/, Uhr, aber da nun doch endlich die gequälte, in Schweiss gebadete Kreissende zu ermatten anfing, und nur die so eigen isolirte Stirne noch zugespitzter herabgedrängt war, während der breit auseinandergedrückte Scheitel mit stark vorspringender Schuppennath von rechts her immer auf dem Eingang zurückgehalten erschien, beschloss ich, einen Versuch mit der Zange zu machen. Die Anlegung ging mit Benutzung der Synchon- drosen leicht von Statten. Die Tractionen aber blieben, trotz starken Kraftaufwandes mit star- kem abwärts gerichteten Drucke auf das Schloss von fremder Hand und mit Ablösung durch frische Kräfte bei %,stündiger Dauer ohne jeden Erfolg, und nachdem ich nochmals mich über- zeugt hatte, dass kein Herzgeräusch vernehmbar sei, vertauschte ich sie mit dem Kephalotribe, der auch vollständig wirkte, aber auf die Stirne nach vorne gekehrt blieb, trotz Ablaufen des Hirnes durch einen in die Stirngeschwulst gemachten Einschnitt, immer noch grossen Kraftauf- wand zu Hervorleitung des Kopfes erheischte. Der Rumpf folgte leicht. Nach der einfachen Entfernung der Nachgeburt aber trat eine heftige atonische Blutung ein, die nur auf Unter- stützung der Reibungen durch kalte Injektionen gestilli werden konnte und durch Secale co- mutum mit Zimmmet ganz beseitigt wurde. Die Wöchnerin erholte sich im Uebrigen rasch und leicht, behielt aber heftige neuralgische Beckenschmerzen in Anfällen wiederkehrend, wohl von schleichender Entzündung der Synchondrosen, noch für Wochen zurück. Das Mädchen wog noch volle 8 Pfund. Die Wirkung des Instrumentes war eine sehr voll- ständige gewesen. Zahlreiche eechymotische Flecken aber auf der Thymus, dem Herzen, den Lungen, der pleura costalis wiesen auf ursprünglich durch Stagnation des Kreislaufes bewirk- tes vorheriges Absterben des Kindes. Noch mehr ergab sich dies aus dem Zustande der Leber, welche an ihrer ganzen Oberfläche zahlreiche Blutblasen zeigte, an der concaven Seite so dicht gedrängt, dass diese ein ganz schwarz-blau, drusigunebenes Aussehen hatte. Bei- läufig sei hier bemerkt, dass auch nach den Ergebnissen früherer Untersuchungen Gesichts- lagen zu dieser wohl von der bei Strieturen entstehenden Sprengung und Blutblasenbildung 285 getrennten eigentlichen Zermalmung der Leber ein besonders begünstigendes Moment zu bieten scheinen. Zur Aetiologie des Falles giebt die Person bestimmt an, dass sie als Kind ganz gesund gewesen sei, aber man sie einmal habe hintenüberschnappen lassen, worauf sie die Fähigkeit zu gehen für lange Jahre verloren habe und immer kränklich geblieben sei, bis sie mit dem 21sten Jahre menstruirt worden. Sie habe immer viel Kreuzschmerz gehabt und ein eigen- thümlich construirtes Corset tragen müssen. In wie weit die vorhandene Lumbarlordose für sich Ursache solchen Leidens geworden oder aber nur auf die gegebne Veranlassung aus einer schon vorhandenen Krankheitsanlage sich nun erst recht entwickelt habe, ist aus ihren Anga- ben nicht bestimmt festzustellen. Die Aetiologie bleibt demnach nicht unbestreitbar, dass aber die Geburt vorwiegend und allein mechanisch gestört war und dass Lumbarlordose diese Störung veranlasste, erhellt aus dem Geburtscharakter, den Untersuchungsmomenten und den gleich noch zu erwähnenden Messungen. Für den praktischen Zweck bleibt die Aetiologie nur in sofern wichtig, im einzelnen Falle, als sie diagnostische Momente ergiebt. Dass bei rhachitischen Becken die Lumbarlordosis in den verschiedensten Graden, selbst bis zur Spondylolisthesis schr häufig vorkommt, im Gegen- satze zu der nicht minder häufigen Streckung der Lendenwirbel, steht fest, und ergiebt die- selbe dann auch eine sehr bedeutende Erschwerung der Prognose. Für sich vorkommend ist sie dagegen eine grosse Seltenheit, aber nicht weniger wichtig, und wenn sie, wie immer ver- anlasst, im weitern Verfolge anderweitige Beckenbeschränkungen und Verbildungen erregt, wie bei weniger starkem Hervortreten des Uebels mehrfach möglich ist, so erschwert dies die Prognose noch beträchtlicher. Die direkte Beckenbeschränkung lässt den Gang der Geburt lediglich von dem Verhält- nisse des Beckenraumes zum Umfang und der Bildung des Kopfes abhängig sein, und hier gerade sehen wir oft bei sehr grosser Enge noch unerwartet günstigen Verlauf der Sache. Die indirekte Beckenbeschränkung wirkt vorwiegend durch Beeinträchtigung des intrauteri- nalen Mechanismus und dadurch bedingten ungünstigen Eintritt des Kopfes mit ungünstiger Wirkung des Rumpfes auf denselben beim Vorrücken in das Becken und ergiebt darum oft ganz unerwartet bedeutende Störungen des Geburtsgeschäftes, der Weite des Beckenraumes in keiner Weise entsprechend. Es ist darum vollkommen einleuchtend, dass die genaue Feststellung des Verhältnisses der untern Lendenwirbel zum Becken sowohl für die eigentliche Lumbarlordose, als auch für alle andern Beckenabnormitäten ebenso wichtig ist, als bisher zur Sicherung der Diagnose wenig Haltpunkte vorliegen. Die Messung der Diagonalconjugata hat in den Fällen von Spondylolisthesis kein Resultat geliefert. Es mag dies darin seinen Grund haben, dass bei dem tiefen Herabgesunkensein des fünften Lendenwirbels dieselben vom Stachelfortsatze des vierten ausgehen mussten. Auch mag dies den Umstand erklären, dass Kilian gegen Kiwisch die Annäherung der Stachelfort- sätze der Lendenwirbel an einander in Abrede stellt, die sonst, da der Raum für die betreffen- den Lendenwirbel kleiner wird, unfehlbar entweder in dem Abstande oder der Breite der Stachelfortsätze eintreten muss. Diagnostisch wichtig würde aber eine Aufstellung einer Scala der Vergrösserungen der Abstände sein, wenn man die Messung der Conjugata externa auf die Stachelfortsätze der übri- gen Lendenwirbel ausdehnte. 286 Dass auch hier ein bestimmtes Gesetz obwaltet, ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass auch sehr grosse Schwankungen sich ergeben müssen, ist nicht minder einleuchtend, und dass in diesen Schwankungen mannigfache diagnostische Momente liegen müssen, wird mir aus den Resultaten der Messung in dem eben geschilderten Falle unumstösslich klar, um deren Willen ich die Aufmerksamkeit der sehr geehrten Versammlung darauf hinzulenken mir erlaubte. Bei den Messungen, welche ich an regelmässig gebauten Schwangern von der Schossfuge aus bis zu den Stachelfortsätzen der drei untersten Lendenwirbel machte, fand ich bei je einem höher gelegenen Stachelfortsatz ziemlich regelmässig einen Abstandszuwachs von Y,“, eine Scala von 7“, 7'/,“, 8“ oder 7%, *, 8“, 8V,“.- Der von mir geschilderte Fall ergab. fol- gende Maasse: Abstand von der Symphyse bis zum proc. Spin. vertebr. saeral. primae 61, *; der proc. spinos. vertebr. Jumb. quint. war durch Versenkung des Wirbels versteckt. Abstand von der Symphyse bis zum proc. Spin. vertebr. lumb. quartae 7“ dieser wurde in der Mitte jenes knieförmigen Eindruckes gefühlt. Abstand von der Symphyse bis zum proc. Spin. vertebr. lumb. tertiae 9“, Abstand der beiden Spinae anteriores superiores von einander . . 10%, Abstand derselben vom process. Spinos. vertebr. lumb. quartae rechts 6'/,“, links 7“, 5 " vom„pxrocess..ziphoid.Sternir. mals sehn 10. ga zrlOYEhe Es fand sich hier demnach ein höchst auffallender Unterschied dieser Seala, 6, u, 74.198 von der oben erwähnten, in theilweiser starker Verringerung der Abstände (%“ für den Ab- stand zwischen erstem Kreuzwirbel und viertem Lendenwirbel), theilweise überrascher Zunahme (2“ für den vierten und dritten Lendenwirbel). Dass hier noch eine bedeutende Lücke in der geburtshilflichen Beckenmessung auszufüllen sei, ist einleuchtend. Den aufgeführten Fall habe ich als beweisendes Beispiel und Andeutung dieser Lücke aufgefasst, und werde nachKräften in dem gegebenen Wege weiter forschen. Da mir aber in einer sehr isolirten Stellung die Gelegenheit zu sehr abgeht, endgültig entschei- dende Beobachtungen in entsprechender Zahl selbst anzustellen, habe ich mir erlauben müssen, die Aufmerksamkeit der geehrten Herren Fachgenossen auf diese Lücke und ihre entsprechende Ausfüllung hinzulenken. Ich halte die Sache für bedeutungsvoll genug, um sie der Beachtung empfehlen zu können, wenn auch nur, wie es die Kürze der verliehenen Zeit fordert, in all- gemeinen Andeutungen, die positive Durchführung meiner Ideen einem geeigneteren Orte für eingehende Besprechung vorbehaltend. Kilian hält die von Birnbaum gemachte Mittheilung für sehr wichtig. Die Lordose der Lendenwirbel erschwere die Geburt sehr, wie man dies besonders bei rhachitischen Becken beobachte, welche hauptsächlich durch die Verbiegung der Wirbelsäule den Eintritt des Kopfes so schwierig machten. Steige bei ihnen letztere mehr gerade auf, so wäre dadurch der Ge- burtsverlauf ein viel rascherer und leichterer, 1 Sanitätsrath Dr. Eulenburg aus Berlin knüpft hieran die Frage, in welchem Alter und an welchen Symptomen man im einzelnen Falle den rhachitischen Process für beendigt an- sehen könne — worauf indess Keiner der Anwesenden sich auszulassen einging. Dr. Sack, Arzt der Wasserheilanstalt Marienberg bei Boppard, über de Anwendung des Sitzbades bei Frauenkrankheiten. Nachdem Dr. Sack mit einigen einleitenden Worten darauf hingewiesen hatte, wie durch die physiologische Richtung in der Mediein, mit der Lokalbehandlung der Krankheiten über- haupt, auch der Gebrauch des Sitzbades bei vielen Krankheiten in allgemeine Aufnahme ge- Bee 287 kommen sei, wies er es von der Hand hier speciell auf die Indicationen des Sitzbades einzu- gehen (was der Redner sich für eine andere Gelegenheit vorbehielt), sondern hob ungefähr mit folgenden Worten. die Unzweckmässigkeit der bisher allgemein gebräuchlichen Sitzwannen bei Frauenkrankheiten hervor, indem er zugleich eine von ihm angegebene, neue Sitzwanne der Versammlung vorstellte: „Die Gynäkologen stimmen alle darin überein, dass bei der gröss- ten Zahl der Uterinleiden alle Bewegungen und Positionen zu vermeiden seien, bei welchen das Diaphragma und die Abdominalmuskeln in starke Spannung versetzt werden, weil dadurch die Beckenorgane herabgepresst und die freie Cireulation des Blutes in ihnen gehemmt wird. Unter diesen Contraindicationen nimmt der Gebrauch der bisher üblichen Sitzwannen eine der ersten Stellen ein. Alle unsere Sitzwannen, mögen sie auch verschieden sein nach Form und Material, haben den Ucbelstand mit einander gemein, dass man bei ihrem Gebrauche, wie auf den flachen Boden sich niedersetzen, — dass man während des Bades in gekauerter, gezwun- gener Position verharren muss und endlich nur mit grosser Anstrengung sich aus denselben erheben kann. Solche Unbequemlichkeiten, welche hauptsächlich den Unterleib treffen, müssen bei uterinkranken Frauen von der allerentschiedensten, üblen Einwirkung sein. Schon bei einer gesunden Frau, wenn man sie während des Sitzbades untersucht, findet man‘ das Mittelfleisch vorgedrängt, die Vaginalwand zusammengeschoben, den Uterus und seine Adnexa tieferstehend. Bei weitem mehr treten solche und ähnliche unerwünschte Erscheinungen hervor bei, Frauen mit Erschlaffung der Bänder und Muskeln, bei Rupturen des Mittelfleisches, bei Vorfall des Mastdarms oder der Blase, bei Hernien, bei Lageveränderungen des Uterus ete. Der descensus wird zum prolapsus, die reclinatio zur retroversio und bei den hypertrophischen und entzünd- lichen Zuständen der Gebärmutter, bei Ovarialleiden, Hernien kann der Gebrauch eines ge- wöhnlichen Sitzbades die bedenklichsten Erscheinungen hervorrufen. Ich muss daher vor der Anwendung der gewöhnlichen Sitzbadewannen bei den meisten Unterleibsleiden dringend warnen, empfehle dagegen mit vollster Ueberzeugung die von mir construirte Wanne, da ihr die genannten Uebelstände gänzlich abgehen, wie mir ein jahrelanger, steter Gebrauch bei den verschiedensten Unterleibsleiden hinlänglich bewiesen hat. Diese Sitzbadewanne, welche ganz aus Zink verfertigt ist, und beiläufig gesagt, überall für 6 Thaler angefertigt werden kann, gleicht aufrechtstehend einem Sessel, in welchen sich die zu Badende setzt. Indem nun die Wärterin die Wanne beider Rückenlehne sanft hintenüber legt, kommt die zu Badende in eine bequeme halb liegende Position ohne einen Muskel in Contraction versetzt zu haben. Das Wasser, welches in dem Raume A (siehe die Abbildung am Schlusse des Werkes) unter dem Sitze sich befand, ist dabei durch die zu dem Zwecke ge- lassene Spalte ff in das Niveau mn getreten und umgiebt die Badende von der Hälfte der Oberschenkel bis an die Brustwirbel. Nach beendeter Badezeit richtet die Wärterin die Wanne bei der Rückenlehne ohne irgend nennenswerthe Kraftanstrengung wieder auf und die Kranke verlässt das Bad, wie von einem Stuhle aufstehend. (Mit allgemeinem Beifall wurde darauf die Sitzwanne von der Versammlung näher in Augenschein genommen und Dr. Sack von vielen Anwesenden gebeten, ihnen Exemplare der- selben zu besorgen.) Kilian spricht sich auch für die Nothwendigkeit von Sitzbädern in der Behandlung von Uterinkrankheiten aus, da sie durch andere Anwendungsweisen von Heilmitteln auf die Scheide und Gebärmutter nicht ersetzt werden könnten. Injectionen reichen nicht aus; etwas mehr er- reicht man dadurch, dass man vor den Injectionen einen Charpietampon in die Vagina führe, damit die injieirten Arzneien längere Zeit mit den Genitalien in Berührung bleiben. Kauf- 288 mann’s Methode, mittels Salben die Medicamente an den Uterus zu bringen, passt nur für we- nige Fälle. Alle diese Methoden werden von dem Sitzbade übertroffen; ein besonderes Bade. speculum aber in die Vagina einzuführen, um das Hervortreten der Flüssigkeit an die Schei- denwände und den Uterus zu ermöglichen, sei vollkomnıen unnütz und überflüssig, da das Wasser nach bekannten Gesetzen von selbst in die Vagina so hoch als möglich hinaufsteigt. Das Sitzbad erziele ganz die Wirkung einer lange dauernden anhaltenden Injection, und des- halb müsse er (Kilian) Sack’s Vorrichtung dringend empfehlen. Den Schluss der Verhandlungen bildete der Vortrag des Dr. Breslau aus München über das Ecrasement lin&aire des Cervix uteri. Seit vielen Jahrhunderten ist es, meine Herren, ein eifriges Bestreben der Chirurgie ge- wesen, Instrumente zu erfinden, mittels welcher man auf eine unblutige Weise Theile des Kör- pers und insbesondere Geschwülste zu entfernen im Stande sein könnte. An der Stelle der mannigfaltigen äusserst langsam wirkenden Unterbindungsapparate sind in neuester Zeit der Middeldorpf’sche galvanokaustische Apparat und Chassaignace’s Keraseur getreten, welche beide in verhältnissmässig kurzer Zeit gefässhaltige Theile mit geringer oder ohne alle Blutung durchtrennen. Letzteres Instrument hat vor seinem Rivalen den Vorzug der Einfachheit und geringerer Kostspieligkeit, und hat schon deshalb mehr Eingang in die gynäkologische Praxis gefunden. Ausser einer Abtragung einer hypertrophirten Clitoris und einer hypertrophischen Schamlippe habe ich den Eeraseur in 4 Fällen zur Entfernung des Mütterhalses angewandt und will, indem ich mir die ausführliche Beschreibung für später vorbehalte, Ihnen nur ein ganz kurzes Resum& derselben geben und einige Bemerkungen daran knüpfen. Ich habe das Ecrase- ment des Cervix, resp. der Scheidenportion, 3 Mal wegen Oareinoms und 1 Mal wegen chro- nischer Hypertrophie und Induration gemacht. Unter den 3 ersteren Fällen waren 2, bei wel- cher ich beide Lippen ecrasirte; in dem 3. entfernte ich nur die vordere Lippe, weil die hintere bereits so bedeutend zerstört und erweicht war, dass sie, so wie ein grosser Theil des auf die hintere Scheidenwand übergegangenen Epithelialeareinoms mit den blossen Fingern weggenom- men werden konnte. Zwei der wegen Krebs operirten Frauen befinden sich bis dato vollkom- men wohl, ohne dass sich irgend eine Spur einer örtlichen Recidive oder allgemeiner Ausbrei- tung des Leidens gezeigt. Die eine Beobachtung datirt vom April 1856, die andere vom Sep- tember desselben Jahres. In dem 3. Falle, der sich eigentlich nicht zu einer Operation eignete, weil man auf keine Weise im Stande gewesen wäre, alles Krankhafte zu entfernen, und in welchem ich nur zur Operation schritt, weil die manuelle Untersuchung wegen der durch sie bedingten sehr heftigen, schwer zu stillenden Blutung ein zweifelhaftes Resultat über die Grenze des Uebels ergab — ist zwar eine momentane entschiedene Besserung, ein Stillstand der Blu- tungen und des serös-jauchigen Ausflusses erzielt worden; allein gleichwohl lässt sich die Tödtlichkeit des Leidens über kurz oder lang mit Bestimmtheit voraussagen. — ‚Seit der Opera- tion im letzten Falle sind erst zwei Monate verstrichen. — Die wegen Hypertrophie und In- duration der Vaginalportion Operirte ist vollkommen genesen und befindet sich zur Zeit (7 Monate nach der Operation) ganz wohl. Ich habe in diesem Falle die P. vanin. ecrasirt, obwohl ich im Allgemeinen die Operation dieses Leidens wegen nicht für gerechtfertigt halte, weil die Kranke, vom Lande nach München gekommen, ihrer Beschäftigung halber (als Bäuerin) sich keiner lange dauernden Our unterwerfen konnte. In allen 4 Fällen war die Blutung eine sehr geringe, und ist keine Nachblutung erfolgt. In 2 Fällen ist beim Zuziehen der Eera- seurkette ein Stück der vordern Scheidenwand mitgefasst und abgequetscht worden. Durch 289 diese unwillkührliche Abtragung fiel in dem einen Falle eine Darmschlinge durch das zwi- schen Blase und Uterus im vorderen Scheidengewölbe entstandene Loch in die Vagina vor; im andern trat dieses fatale Ereigniss nicht ein, indem nur das die hintere Wand der Blase be- grenzende Bindegewebe blosgelegt war. Die Vernarbung der verletzten Scheide erfolgte in kurzer Zeit. Es wäre verfrüht, wollte ich auf die eben kurz erwähnten 4 Fälle Erfahrungssätze bauen; meine Absicht ist nur, einige epikritische Bemerkungen ua Urtheile zu unterwerfen: 1) Die pathologische Anatomie fordert uns auf, die carcinomatös erkrankte Vaginalportion zu exstirpiren, weil a) die Degeneration in der grossen Mehrzahl der Fälle am äussern Mutter- munde beginnt und von unten nach oben steigt, deshalb durch eine rechtzeitig unternommene Operation in ihrem Fortschreiten zu hemmen ist. b) Weil eine allgemeine Infection des Kör- pers bei Uteruscarcinom verhältnissmässig selten, jedenfalls seltner, als bei Krebs anderer Or- gane ist; daher man mit mehr Wahrscheinlichkeit eines bleibenden Erfolges ein Car- cinom des Uterus exstirpiren kann, als ein solches eines anderen Organs. 2) Der Ecraseur ist bei der Exstirpation des an und für sich blutreichen und in patholo- gischen Fällen durch Erweiterung und Neubildung von Gefässen noch blutreicheren Cervix uteri dem Messer und der Scheere vorzuziehen, weil die Blutung bei dem Ecrasement eine äusserst geringe ist und es bei den gewöhnlich durch ihr Leiden an und für sich sehr her- untergekommenen Kranken darauf ankommt, möglichst viel Blut zu sparen. 3) Die Anwendung des Eceraseurs ist bei Carein. cerv. uteri streng nur dann indicirt, wenn man zwischen dem erkrankten Gewebe und dem Scheidengewölbe eine wenigstens 1‘ breite gesunde Stelle findet. 4) Man muss die Schlinge des Instruments über die kranke Partie, welcher man sich durch Anziehen mittels Haken und Zange zu nähern sucht, hinaufschieben, aber nicht höher, als absolut nothwendig, weil bei dem Zuziehen immer die zunächst angrenzenden Partien von oben herab mit in die Schlinge gezogen werden, wodurch leicht eine Verletzung der benachbarten Organe entstehen kann. 5) Man kann sich in manchen Fällen mit Vortheil eines gehogenen Ecraseurs bedienen. Die convexe Seite desselben kommt aber dann nicht gegen die Kreuzbeinaushöhlung zu stehen, sondern ist der Schambeinverbindung zugekehrt. 6) Die Schwierigkeit der Anlegung des Instrumentes liegt in dessen mehr oder weniger gestrecktem Verlaufe. Man würde mit grosser Leichtigkeit operiren können, wenn sich ein Ecraseur fabrieiren liesse, bei welchem die Schlinge mit dem Stiele einen rechten Winkel bildet. Prof. Cred& bestätigt die vom Redner gemachten Mittheilungen, indem er die betreffen- den Kranken in München selbst geschen hat. Auch er hat mehrere Kranken mit Uterincareinom operirt und ist hinsichtlich der lange andauernden Lokalisirung des Krebses auf den Uterus mit B. gleicher Ansicht. Diese Thatsache berechtige deshalb zur Operation. Verletzungen des Pe- ritonäums, wie sie B. begegnet und auch ihm selbst vorgekommen, scheinen nicht so gefährlich wie in andern Fällen zu sein, und wie man a priori wohl befürchten könne. Dr. Schmidt aus Petersburg, Gebärhansdirector, hat in seiner Heimath die in Betreff der Lokalisation des Uterincarcinoms und seiner Heilbarkeit mitgetheilten Erfahrungen nicht ge- macht; so viel ihm bekannt, verlaufen die dort zahlreich vorkommenden Fälle sehr rasch tödtlich. Kilian bemerkt noch, dass er das Ecrasement in einem sehr festen, wenig nachgiebigen 37 290 Gewebe nach den von ihm bei Herrn Chassaignac gemachten Beobachtungen für sehr schwierig halte — worüber er sich indess kein vollgültiges Urtheil gegenwärtig erlauben wolle. 12. Sektion für Psychiatrie. Die einleitende Section am 18. September wurde von dem einführenden Präsidenten mit einigen einleitenden Worten eröffnet. Er schlug sodann den Medicinalrath Mannsfeld aus Braunschweig zum Präsidenten für den morgenden Tag vor, womit die Sectionsmitglieder ein- verstanden waren. Es wurde ferner beschlossen, die Sectionssitzung auf eine Stunde, und zwar auf die Stunde von 10 bis 11 zu beschränken. Es werden Vorträge angemeldet. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Tages-Präsident: Dr. Mannsfeld. Dr. Richarz hielt einen Vortrag über Melancholie mit Aufregung, für welche Art von psychischer Störung er den Ausdruck: Melancholia agitans, am bezeichnendsten fand. Zuvörderst hob derselbe hervor, dass das von ihm vor zehn Jahren (Naturforscherversammlung in Aachen) aufgestellte Unterscheidungsmerkmal der Manie von dieser Form der Melancholie, die Flucht der Vorstellungen nämlich, trotz einiger scheinbar entgegenstehenden spätern Be- obachtungen, im Wesentlichen unverändert bleibe. Wenn auch in der Depression mit Reizung sich oft ein rascher Wechsel der Vorstellungen ihrem Inhalte nach, ein Ueberspringen dersel- ben von einem Gegenstand zum andern, zeige, so fehle dabei doch die ausgiebige Production von Vorstellungen und vorzüglich die Reihenbildung nach den Gesetzen der Association und Reproduction, welche immer und allein die Exaltation charakterisire. Das pathognomo- nische Kennzeichen der Melancholie mit Aufregung dagegen sei grade im Gegentheil bei aller Wechselhaftigkeit des Vorstellungsinhalts das Unvermögen zur Bildung fortlaufender Vorstel- lungsreihen, indem der stets neu ansetzende Versuch dazu immer wieder missglücke, so dass nur ein zusammenhangloses Gewirre von kurz abgerissenen Gliedern entstehe. Die be- ständige Abgebrochenheit der Vorstellungsentwickelung und ihr völlig desultorisches Verhalten kennzeichnen diesen Zustand. Der Melancholia agitans bleibe der Grundcharakter einer jeden Melancholie: Armuth an Vorstellungen und Neigung derselben zum Beharren, unverloren. Trete zu der ursprünglichen Verlangsamung der Vorstellungsbewegung in der Depression die Reizung hinzu, so entstehe nicht sowohl Vorwärtsbewegung, als Umherdrehen der Vorstellun- gen in engem Kreise, mehr Unruhe, als fördersames Streben, mehr seitliche Vibration, als Lo- comotion in linearer Richtung. Fürs Gefühl gebe sich diese Verfassung der Vorstellungsthä- tigkeit als Angst kund. Deshalb klage denn auch der aufgeregte Melancholiker über den Zustand seiner Vorstellungsthätigkeit, über diese Zerrissenheit und Vorworrenheit seines Ge- dankennetzes, während dem Exaltirten seine Vorstellungsflucht eine Lust sei. Ja, die rasche Fortbewegung mit üppiger Erzeugung der Vorstellungen in der Exaltation sei an und für sich Heiterkeit, sei erhöhtes Selbstgefühl, ebenso wie die Stagnation der Vorstellungen in der einfachen Melancholie Traurigkeit sei und wie in der agitirenden Melancholie die Verbin- 291 dung der Vorstellungsträgheit mit der Angeregtheit zur schleunigern Bewegung, ohne ihr folgen zu können, Angst sei. Der Vortragende erklärte es demnach für unstatthaft, zu sagen, eine angeblich sich stets gleich bleibende Erscheinung, die sogenannte „Ideenflucht“, sei der Melancholie mit Aufregung und der Manie gemeinsam, und nur die „Stimmung“ unterscheide beide. Denn das unbestimmte Wort „Ideenflucht“ umfasse, wie gezeigt, in seiner vulgären Anwendung zwei grundverschiedene Arten des Verhaltens der Vorstellungen zu einander, und der freilich wenig exacte Ausdruck: Stimmung, könne auch nur eine gewisse vorwiegende Art des Sichbeziehens der Vorstellungen auf einander bedeuten; die Vorstellungsflucht im wahren Sinne des Wortes sei also auch eine Stimmung, nämlich die der Heiterkeit, welche mit ihrem Gegensatze, der Traurigkeit und Angst, wie sie die gereizte Depression bezeichnen, nicht in gleicher Zeit zusammen vorkommen könne. Im zweiten Theile seines Vortrages sprach Dr. Richarz über die Grundsätze der Be- handlung der Melancholia agitans und erklärte die Entfernung des Reizes für die erste, weil eausale Indieation. Der Reiz liege aber in der Mehrzahl der Fälle in mangelhafter Ernährung und Verarmung des Blutes. Zufuhr kräftiger Nahrung und unter den Arzneien vorzüglich des Eisens diene daher zu dessen Beseitigung, zur Beruhigung. Seine auf der Naturforscher- versammlung in Wiesbaden vorgetragene Empfehlung des liquor cupri ammoniato - muriatic. Köchlini in allen Fällen, in welchen die Esslust gemindert sei oder die vorhandene von dem Kranken nicht befriedigt werde, könne er hier nur auf das Triftigste wiederholen, Das Mittel diene nicht nur zur Ueberwindung schon weit vorgerückter hartnäckiger Nahrungsverweigerung, sondern, frühzeitig gereicht, auch zu deren Verhütung, und es sei eben im Vertrauen auf die wachsende Anerkennung, welche sich dasselbe voraussichtlich verschaffen werde, dass er dies schreckliche Uebel unter den Geisteskranken immer seltener werden und den ganzen Apparat zur gewaltsamen Fütterung, die jedem humanen Gefühl widerstrebe, in die Rumpelkammer ver- wiesen zu sehen hoffe. Unter gleichzeitiger Erfüllung der Causal-Indication dürfe man den Erscheinungen der Reizung auch direct durch geeignete Mittel entgegentreten. Als solche seien kalte Bäder bei erhöhter Hauttemperatur, Chinin bei Herzerethismus und zur Beruhigung der ‘Wein am meisten zu empfehlen. Schliesslich sprach der Vortragende über die um sich greifende Anwendung des Opiums bei der Melancholie mit Aufregung, die er zunächst unvereinbar fand mit aller unserer wohl- begründeten Kenntniss der Natur des vorliegenden Krankheitszustandes und der Wirkungsweise des Mittels. Das Opium könne in diesen Fällen nur die Symptome beschwichtigen, aber für Entfernung der Ursache, des Reizes nämlich, nichts thun, dagegen als narcoticum den Grund- zustand, die Depression, nur steigern. Das Verfahren sei also nicht blos ein symptomatisches, sondern ein durchaus irrationelles, möge das Mittel in kleinen oder in grossen Gaben ange- wandt werden. Bei solcher Bewandtniss der Umstände halte er selbst die Anstellung von Ver- suchen mit denselben für unerlaubt. Denn von einem jeden therapeutischen Versuche müsse man verlangen, dass er mit bereits feststehenden Naturwahrheiten nicht in grellen Widerspruch trete und dass ihm wenigstens eine Art von Theorie des zu bekämpfenden Zustandes und der Wirkung des zu erprobenden Mittels zu Grunde liege. Die Möglichkeit einer solchen theore- tischen Begründung vermisse man aber hier gänzlich. Den angeblichen Erfahrungen für die heilsame Wirkung des Opiums aber stehen andre durchaus entgegen, welche darthun, dass häufig dadurch Verschlimmerung oder im günstigen Falle nur Scheinheilung erreicht werde, eine stumpfsinnige Abschwächung und Stupefieirung, wobei die Ruhe auf Kosten der geistigen Kraft erkauft sei. Im Uebrigen gebe er vollkommen zu, dass unter dem Gebrauche des Opiums 292 Genesungen vorkommen. Alle von ihm angeführten Gründe aber machen es höchst wahr- scheinlich, dass dieselben nicht durch, sondern trotz des Opiums zu Stande kommen, gerade so wie früher unter der Herrschaft der Blutentziehungen deren beobachtet wurden, welche man damals dem Heilmittel zugeschrieben, von denen aber nun allgemein angenommen sei, dass es Naturheilungen trotz des entgegenstehenden Einflusses der ärztlichen Behandlung gewesen. Dass es sich mit dem Opium ähnlich verhalte, werde fast zur Gewissheit, wenn dabei kräftige Nahrung gereicht und Mittel von entgegengesetztem Wirkungscharakter, wie das kalte Wasser angewandt werden, die für sich allein im Stande seien, die Krankheit mitsammt der Opium- wirkung zu überwinden. Aus Zeitmangel ‘wurde die voraussichtlich längere Discussion über diesen Vortrag auf Mon- tag in die Stunde von 11 bis 12 Uhr verschoben. Prof. Dr. Albers sprach sodann über seine mit Digitalis und Digitalin gemachten Ver- suche. Als feste Ergebnisse derselben habe sich herausgestellt: 1). Quantitative Vermehrung des Harnes in den meisten, Vermehrung des specifischen Gewichtes des Harnes in allen Fäl- len, 2) Ausgleichung der Körperwärme, 3) Verlangsamung, Leere und Grösserwerden des Pulses, 4) gleichmässige Andauer der Respiration, auch wenn die Wirkung des Mittels bis zum Stillstehen des Herzens vordringt. —- Die allgemeine Wirkung der Digitalis ist also nicht blos eine die Reizbarkeit des Herzens vermindernde, sondern auch eine das Blut verarmende. Bei Gehirnkranken finde es passende Anwendung bei entzündlichen Zuständen nach erster Anti- phlogese. Die Wahl des Präsidenten für die Sitzung am Montage fiel auf Prof. Albers. 2. Sitzung: Montag, den 2]. September. Tages-Präsident: Prof. Albers. Dr. Hertz stellte einen Gehirnkranken vor, wobei er nach Mittheilung der Krankenge- schichte und Demonstration des gegenwärtigen Standes der Krankheit die Frage aufwirft, ob der Ursprung und Sitz des pathologischen Prozesses mehr in der Peripherie oder im Centrum des Gehirnes zu suchen sei. Sprechende Symptome besonders in der Function der Augen- muskulatur machten den Fall besonders instructiv. An der Besprechung betheiligten sich be- sonders Professor Ruete, Dr. Arnoldi, Dr. Richarz, Prof. Albers, Dr. Erlenmayer und Prof. Schneevogt. Es nahm diese Verhandlung die anberaumte Zeit ganz in Anspruch. Die noch übrigen Vorträge sind deshalb auf morgen 10 Uhr vertagt. — Zu den bereits ange- zeigten ist noch eingeschrieben: Ueber embolisch-trombische und Obliterations -Apoplexie bei allgemeiner Lähmung. Zum Präses der morgigen Sitzung wurde gewählt der Geh. Med.-Rath Dr. Merrem. 3. Sitzung: Dienstag, den 22. September. Stellvertretender Tages- Präsident: Dr. Ruete. Prof. v. Leonhardi entwickelt die Unterscheidungsmerkmale des materiellen Stoffes und des Stoffes, worin die Seelenthätigkeiten arbeiten, hervorhebend, dass letzterer nicht minder Ansprüche auf Realität habe, als ersterer. 293 Dr. Richarz hält einen Vortrag über Verschiedenheit der Grösse der Pupil- len aus centraler Ursache. . Um das Verhältniss bei Verschiedenheit der Grösse der Pupillen in Krankheiten der Cen- tralorgane des Nervensystems, namentlich bei allgemeiner unvollständiger Paralyse, zu bezeich- nen, machen die meisten Aerzte die weitere Pupille namhaft. Man hört bei gleichem Sach- verhalt häufiger die eine Pupille weiter, als die andere enger nennen. Insoferne dieser Gewohnheit kein vorgefasstes Urtheil zu Grunde läge, wäre nichts dagegen einzuwenden. Ich glaube aber, dass dabei die mehr oder minder dunkle Ansicht unterliegt, als ob erstlich ver- schieden grosse Pupillen immer nur durch ein Leiden einer Iris hervorgebracht würden, als ob ferner die Erweiterung der Pupille eher und häufiger ein krankhafter Zustand sei, als ihre Verengerung, und endlich als ob die Erweiterung immer auf Relaxation, resp. auf Lähmung, und die Verengerung immer auf Contraction beruhe. Deshalb wird die Iris mit der weiteren Pupille öfter als die leidende, und zwar als an Lähmung leidend, angesprochen, denn die mit der engeren. Man findet ganz gewöhnlich Pupillenerweiterung als Beispiel und peremptorisches Zeichen von Lähmung einzelner Muskeln angeführt. Die genannten, freilich nicht immer klar bewussten Voraussetzungen sind aber sämmtlich falsch. Zuvörderst hat man zu bedenken, dass sowohl die abnorme Weite als auch die abnorme Enge einer Pupille von zwei ganz verschiedenen Zuständen der Iris ausgehen kann: die Weite nämlich ebensowohl von einer Lähmung ihrer eireulären, als von einem Krampf ihrer radialen Muskelfasern, und die Enge sowohl von einer Lähmung der radialen, als von einem Krampf der circulären Fasern. Sodann können bei Pupillenverschiedenheit beide Regenbogenhäute afficirt sein, obschon dies in der Regel nur cine ist. Ob aber beide leiden oder nur eine, und im letzten Falle, welche, kann nur eine sorgfältige Untersuchung lehren. Ich habe nämlich die Beobachtung gemacht, dass der Unterschied der Fupillen aus Krankheit der Centralorgane des Nervensystens gewöhnlich nicht unter allen Lichtverhältnissen relativ gleich gross ist, auch dass dieser Unterschied nicht etwa bei mittlerm Grade der Beleuchtung, sondern bei einem Extrem derselben, entweder bei dem stärksten oder schwächsten Lichteinflusse, am grössten ist, beim entgegengesetzten Extrem aber sich auf ein Minimum reducirt findet, ja oft verschwindet. Ich spreche hier natürlich nur vom relativen Unterschied, nicht vom absoluten: denn dieser muss Ja bei Verengerung der Pupillen geringer erscheinen, als bei deren Erweiterung. Das er- wähnte gewöhnliche Verhalten des Pupillenunterschieds beim Wechsel des Lichtreizes kann nur dadurch erklärt werden, dass nur Eine Iris leidet, und beweist eben, dass dieser Zustand der gewöhnliche ist. Die künstliche Herbeiführung einer raschen Aufeinanderfolge beider äussersten Grade von Beleuchtung, emes sehr hohen und eines so niedrigen, dass dadurch nur eben noch die Untersuchung ermöglicht wird, bietet daher ein sehr geeignetes und sicheres Verfahren dar, um zu ermitteln, ob beide Irides krank sind oder nur eine, und letztenfalls welche. Bei diesem Experiment ergeben sich, wenn man auch ein meist nicht pathologisches Ver- hältniss hinzunehmen will, folgende mögliche Fälle: I. Bleibt beim Wechsel der Beleuchtung der verhältnissmässige Pupillenunterschied sich gleich, während zugleich die absolute Grösse beider Pupillen proportional dem Lichteinflusse varjirt, so hat man es mit gesunden Regenbogenhäuten zu thun, bei denen die Verschiedenheit in der Grösse der Pupillen als ein bloses vitium besteht, wenigstens nicht central und nicht durch Lähmung oder Krampf bedingt ist. II. Findet man ferner bei jeder Stärke des Lichteinflusses sowohl das Verhältniss des Un- terschieds der Pupillen, als auch ihre absolute Grösse ganz oder beinahe unverändert, so hat 294 man beide Irides für sehr krank und für gleich krank zu erklären: und zwar die mit der weitern Pupille entweder durch Lähmung der eireulären oder durch Krampf der longitudinalen Fasern und die mit der engern Pupille entweder durch Lähmung der longitudinalen oder durch Krampf der cireulären Fasern. Durch Combination entstehen hier 4 mögliche Fälle, nämlich: 1) Lähmung der circulären Fasern an der weitern Pupille mit Lähmung der radialen an der engern (am häufigsten) ; 2) Lähmung der circulären Fasern an der weitern Pupille mit Krampf der circulären an der engern; 3) Krampf der radialen Fasern an der weitern Pupille mit Lähmung der radialen an der engern; 4) Krampf der radialen Fasern an der weitern Pupille mit Krampf der cireulären an der engern. III. Der letzte und häufigste Hauptfall endlich ist der, dass entweder beim stärksten oder beim schwächsten Lichteindrucke die Pupillenverschiedenheit ganz oder fast ganz schwindet. Hier ist nur Eine Regenbogenhaut krank. 1) Schwindet die Verschiedenheit beim stärksten Licht, so kann dies nur ge- schehen durch Verengerung der weitern Pupille, während zugleich die engere durch Verstär- kung des Lichts gar nicht oder doch nicht in gleichem und gehörigem Maasse zur Verengerung veranlasst worden ist. Es gehört also hier die weitere Pupille einer dem Lichtwechsel gehor- chenden, d. h. einer gesunden Iris an, die engere starre oder wenig bewegliche Pupille aber einer kranken Iris, und zwar entweder a) einer in ihren radialen Fasern gelähmten, wobei die antagonistischen, die Verengerung bewirkenden Circularfasern das Uebergewicht erlangen, oder b) einer in ihren Circularfasern von Krampf ergriffenen. 2) Schwindet hingegen die Pupillenverschiedenheit beim schwächsten Licht, so kann dies nur bewirkt werden durch Dilatation der engern Pupille, während dabei die weitere durch Abnahme des Lichtes gar nicht oder doch nicht in gleichem und gehörigem Maasse zur fernern Erweiterung veranlasst worden ist. Es gehört also hier die engere Pupille einer dem Lichtwechsel gehorchenden, d. h. einer gesunden Iris an, die weitere, starre oder wenig bewegliche Pupille aber einer kranken Iris, und zwar entweder a) einer in ihren Circularfasern gelähmten, wobei deren Antagonist, die erweiternden Ra- dialfasern, das Uebergewicht erhält, oder b) einer in ihren Longitudinalfasern krampfhaften. Im Ganzen also gibt es bei Pupillenverschiedenheit 9, und wenn man den ersten (nicht pathologischen) Hauptfall ausschliesst, 8 mögliche Fälle. Wo die Verschiedenheit sich mit einer gewissen Constanz behauptet, wird wohl meist von Krampf nicht die Rede sein können. Bei Regenbogenhäuten indessen, welche gleichmässig in derselben Weise affieirt sind, wird ein an- dauernder Krampf nicht selten beobachtet. Die beständige Erweiterung der Pupillen bei Hel- minthiasis und ähnlichen krankhaften Unterleibszuständen kann nicht wohl aus Lähmung, sondern nur aus Krampf erklärt werden, und zwar aus einer krampfhaften Contraction der longitutinalen Fasern der Iris durch Reizung des n. sympathic. Seltner schon wird die Verbindung eines Krampfes der radialen Fasern der einen Iris mit einem Krampf der cireulären Fasern der andern und eine daraus hervorgehende Pupillenverschiedenheit sein. Am seltensten aber findet sich wohl als Ursache der Pupillenverschiedenheit die Combination verschiedenartiger Zustände in beiden I:ides, einer Lähmung nämlich auf der einen mit Krampf der gleichnamigen Muskelfasern der andern. 295 Zieht man von jenen 8 Eventualitäten alle Fälle mit Krampf ab, wie es bei allgemeiner Paralyse meistens geboten ist, so bleiben nur 3 Möglichkeiten noch übrig, nämlich: 1) Lähmung der radialen Fasern der mit der engern Pupille versehenen Iris; 2) Lähmung der eirculären Fasern der Iris mit der weitern Pupille; 3) eine Verbindung von 1 und 2 mit einander. Bei Paralysis generalis incompleta ist von diesen 3 Fällen der letzte der seltenste. Es leidet dabei viel häufiger nur Eine Iris an Lähmung als beide, so dass auch hier meist die eine Seite nicht in demselben Grade geschwächt ist, als die andere, sondern ausser der allge- meinen Schwächung noch etwas Hemiplegisches obwaltet. Ferner habe ich beobachtet, dass unter den Fällen, in welchen die Pupillenverschiedenheit bei einem Extrem der Beleuchtung schwindet, diejenigen häufiger sind, bei denen dies beim stärksten Lichte geschieht, als diejeni- gen, beidenen es beim schwächsten geschieht, d. h. also, dass nieht der gewöhnlichen Annahme gemäss die weitere, sondern die engere Pupille öfter die krankhafte durch Lähmung ist. Es steht dies ganz in Uebereinstimmung mit der physiologischen Beobachtung Budge’s (Bewe- gung der Iris. S. 72 u. 85), dass von den beiden Antagonisten der Iris der nerv. oculomoto- rius, welcher bekanntlich den musc. sphincter irid. anregt, mehr Nervenkraft entwickelt und durch eine bei Weitem geringere Reizung in Thätigkeit versetzt werden kann, als der n. sym- pathie., welcher dem m. dilatator vorsteht. Es wird demgemäss bei einer allgemeinen paraly- tischen Schwächung in der Iris unter sonst gleichen Umständen die Lähmung weit eher in dem der Erweiterung der Pupille dienenden Nerven- und Muskelapparat hervortreten müssen, als in dem für die Verengerung bestimmten. Es verhält sich in dieser Beziehung der m. dilatator zum m. sphincter iridis, wie bei den Muskeln der Gliedmassen die Extensoren zu den Flexoren. Uebrigens ist im Allgemeinen bei einer aus central begründeter Lähmung entspringenden Pupillenverschiedenheit die Erkenntniss, ob beide Regenbogenhäute leiden oder nur eine, und in letzterm Falle, welche — ob nämlich die vom n. sympathic. versorgten longitudinalen Fasern der einen Iris gelähmt sind oder die vom n. oculomotor. versehenen circulären Fasern der an- dern — für die Diagnose des centralen Sitzes der Ursache nicht unwichtig. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Tages-Präsident: Prof. Dr. Schröder van der Kolk. Auf allgemeinen Wunsch beginnt der Präsident mit seinem Vortrage über Epilepsie, deren pathologische Grundlage und rationelle Behandlung. — Der Anfang desselben macht die Schil- derung der medulla oblongata. Sie enthält ihre Bestandtheile aus dem Rückenmarke, wie aus dem Gehirne, ist überaus gefässreich, zeigt in den von ihm entspringenden Nerven bilaterale, in kurzen Accessen thätige Wirkung, und ist der vorwaltende Träger der Reflexactionen. Die Epilepsie könne nur in pathologischer Beschaffenheit der medulla oblongata ihren nächsten Grund haben. Hierfür sprächen unter Anderm die Versuche von Brown Seguard, die bi- lateralen Krämpfe bei der Epilepsie, die krampfhafte Störung besonders im Kehldeckel und der Zunge, die Sektionsergebnisse: als Gefässerweiterung ohne und mit Verdiekung der Gefäss- häute, albuminöse Ausschwitzungen in die Faserung, Ergreifung, Fettentartung in der medulla oblongata. Die Reizung der in grösserm oder geringerm Grade krankhaft disponirten medulla oblongata gehe oft von sehr entfernten Reizpunkten aus: Würmer, Obstruktion, Strikturen im 296 Colon, Nervenleiden, Onanie, Wunden u. s. w. seien entfernte stimuli. Die Kur müsse beide Pole im Auge behalten. Der überaus anziehende, von vielen practischen und interessanten Einzelheiten begleitete Vortrag kann hier mur diese kurze Andeutung finden. Insbesondere durch die Güte des Vor- tragenden war Dr. Hertz in den Stand gesetzt, denselben erschöpfender und zwar in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie so bald, wie möglich, mitzutheilen. Dr. Arnoldi hält einen Vortrag über die melancholische Angst und ihre so- matische Begründung. Wenn der einfache practische Arzt es wagt, Ihnen über einen so viel besprochenen Ge- genstand etwas Neues zu bieten, so hat er vollen Grund, Ihre Nachsicht in Ansprisch zu neh- men, insoferne das Neue zum Theil in einer einfacheren, practischen Verbindung bereits be- kannter Thatsachen besteht, anderntheils aber auch eine Reihe minder bekannter Thatsachen umfasst, die mir auf dem Gebiete der Psychiatrie die zuverlässigsten Wegweiser und Führer geworden sind, und mitten aus dem Leben geschöpft, gewiss auch in weiteren Kreisen ihren Werth documentiren werden. Was mich zu ihrer Feststellung geführt hat, war einmal die Gewohnheit, den genetischen Gang alles Erkrankens zu verfolgen, dann aber auch die günstige Gelegenheit, den Wahnsinn, insbe- sondre aber die Melancholie in allen ihren Bildungsperioden und Abstufungen innerhalb meines Wirkungskreises — mitten im Weinlande an der Untermosel — häufig zu beobachten, wo der Selbstmord nicht selten vorkommt, und sich vor wenig Jahren einmal zu einer Art Epidemie gesteigert hat. Die Elementarformen des psychischen Erkrankens, so einfach und natürlich, wie sie die Natur selbst giebt, findet man häufiger auf dem Felde der freien Praxis als in den Irrenanstal- ten, wohin die Kranken selten gelangen, bevor mannigfache vergebliche Kurversuche, Miss- handlungen und Fehlgriffe von Seiten der Angehörigen und Aerzte das ursprüngliche Krank- heitsbild vielfach verändert haben; wird ja doch die Medieina vapulatoria, wo das Zureden nicht hilft, von Seiten der Laien, und irgend eine Art von Exoreismus von geistlicher Seite gewiss versucht, bevor man an den Arzt sich wendet. Und dennoch bewahrt das Uebel, wie eine ge- nauere Untersuchung es nachweist, auch in veralteten Fällen seinen ursprünglichen Charakter, mag nun der Kranke ganz in sich versunken, dem Blödsinn nahe, oder durch die Steigerung seiner Angst auf kürzere oder längere Zeit der Raserei verfallen sein. Die ersten Anfänge dieser Leiden liegen auf dem Gränzgebiete des psychischen und so- matischen Erkrankens, zwischen denen ja doch eine wirkliche Gränzscheide noch nicht aufge- funden ist, da beide auf die mannigfaltigste Weise in einander übergehen; sie liegen speziell auf dem Gebiete der localen Nervenkrankheiten, direct zugänglich für die Diagnose, wie für die Behandlung, und gehören zunächst der so häufig übersehenen, noch häufiger missverstan- denen und falsch behandelten Spinal-Irritation an, die auch auf dem Felde der Psychiatrie nicht selten genannt wird, aber durch die Verschmelzung heterogener Krankheitsbilder zu einem vielgestaltigen Leiden des Rückenmarks, zu einer wahren Chimäre geworden ist, ‚während dieses Uebel nach meinen Untersuchungen immer nur ein Leiden der Wirbelsäule darstellt, und auf Grund des günstigen Erfolges vieler tausend Fälle nur ein Rheumatismus genannt werden darf, weil es an sich immer die genaueste Uebereinstimmung mit dem Rheuma der Extremitä- ten bewahrt, nur dass dieses Rheuma bei Schwächlichen, durch Blut- oder Säfteverlust, durch Kummer oder Nachtwachen Angegriffenen vorzugsweise die Gelenke der Wirbelsäule direct ergreift, oder dahin von den äusseren Gelenken übergeht, hierbei aber immer nur die zwischen 297 den Wirbeln hervortretenden Nerven in den Kreis des Leidens hineinzieht, und somit, bei dem mannigfaltigsten Symptomeneomplex dennoch den Charakter. eines localen Nervenleidens be- wahrt. Ich darf mich in dieser Beziehung auf eine ältere, umfassendere Arbeit, auf meine „Beobachtungen und Bemerkungen über den Wirbelgelenkrheumatismus“ in von Graefe und Walther’s Journal für Chirurgie und Augenheilkunde, im 2. und 4. Heft des 30. Bandes vom J. 1841 (S. 259—286 und 573—639) berufen, in welcher ich auch schon auf das Vorkommen und die praktische Wichtigkeit des Wirbelleidens bei psychischen Störungen, namentlich me- lancholischer Art, aufmerksam gemacht, und einzelne Fälle von psychischer Depression, von Präcordialangst und religiöser Melancholie angeführt habe. Es stand schon damals bei mir fest, dass jede ausgeprägte melancholische Verstimmung von einer durch das Spinalrheuma bedingten Beschränkung des Athmens ausgeht. Ich habe seither nicht blos in einer sehr grossen Anzahl von Fällen diese bestimmte Auffassung der Spinalirritation als Spinalrheuma durch das entschei- dende Experiment des ärztlichen Verfahrens bestätiget gefunden, sondern auch das Vorkommen desselben bei den psychisch Kranken, und zwar jedesmal an der, den vorwiegenden Symptomen genau entsprechenden Stelle der Wirbelsäule regelmässig wieder aufgefunden, und bin voll- kommen überzeugt, dass der günstige Erfolg des eingeschlagenen Verfahrens von der sorgfäl- tigen Berücksichtigung dieses so versteckten Uebels wesentlich bedingt ward, weil schon die Ermittelung desselben auf jeden Kranken, der von einer Krankheit überhaupt Nichts wissen will, den stärksten Eindruck macht, und ihn zwar von der irrigen Erklärung seines Uebels nicht augenblicklich abbringt, aber ihn doch die Möglichkeit des Irrthums von seiner Seite ahnen lässt, und ihn jedenfalls mit seinem Arzte bald in einen passenden Rapport versetzt. Die Diagnose des Spinalrheumas hat bei den Irren keine besondere Schwierigkeit, voraus- gesetzt, dass der Arzt einige Uebung in der Untersuchung der kranken Wirbelsäule besitzt und mit den Irren umzugehn, den in sich Versunkenen zur Aufmerksamkeit anzuregen, den Aufge- regten hinreichend zu beschwichtigen versteht, um eine möglichst bestimmte Auskunft zu er- halten. Es zeigt sich hierbei der günstige Umstand, dass die Irren im Durchschnitt empfind- licher sind gegen einen mässigen Druck auf die kranke Stelle der Wirbelsäule, als die psychisch Gesunden: die Fieberkranken ausgenommen. Sprechen sie auch nicht in Worten aus, was sie dabei empfinden, so zeigen sie es doch deutlich in Miene und Geberden, wenn man die kranke Stelle aufgefunden hat. Es bedarf keines heissen Schwammes und keiner anderen Vorrichtung bei der Untersuchung; ein gleichmässiger Druck mit den Fingerspitzen auf die Dornfortsätze lehrt hinreichend die kranken Stellen unterscheiden. Dabei sind die mittleren Cervical- und Brustwirbel, wenn sie den Sitz des Uebels bilden, meist tiefer eingesunken und geben dem Drucke leichter nach. Nur der processus epistrophei ragt stärker nach hinten vor, und ist oft bedeutend angeschwollen. Nur ein Punct verdient hierbei noch hervorgehoben zu werden: die Nothwendigkeit nämlich bei der Untersuchung der Halswirbel die Stirne des Kranken mit einer Hand zu unterstützen, um das ligamentum nuchae zu erschlaffen, indem sonst der Druck auf die Dornfortsätze der kranken Halswirbel kaum ein entsprechendes Resultat gewähren würde. Es ist gewiss, dass nur die Unterlassung dieser Vorsichtsmassregel die Ermittlung des Spinal- rheumas bei so vielen Uebeln, die den Kopf betreffen, so lange hintertrieben hat, während eine genaue Untersuchung der Cervicalgegend bei vollständiger Erschlaffung des Nackenbandes dar- über keinen Zweifel gelassen hätte. Während nun das Spinalrheuma in der Manie gerade in den obersten Oervicalgelenken seinen Sitz aufgeschlagen hat, finden wir bei der Melancholie constant die Brustregion der Wirbelsäule, seltener die mittleren und unteren Cervicalwirbel gegen Druck empfindlich, und 38 298 zwar anatomisch genau der Gegend entsprechend, welche der Kranke als den Sitz seiner Ath- mungsbeklemmung bezeichnet. So finden wir denn bei der einfachen melancholischen Depres- sion meist den öten bis zum Öten Brustwirbel, bei vorwiegender Angst entweder den 6ten Brust- wirbel, oder die untersten Cerviealwirbel, und bei der Melancholie mit Anfällen von Tobsucht die mittleren Brust- und die Halswirbel zugleich affıcirt. Bei vorwiegenden gastrischen Stö- rungen, Neuralgien der Oberbauchgegend, und anhaltender Stuhlverstopfung leidet meistens der Tte oder Ste Brustwirbel; bei Neuralgien anderer Regionen jedesmal das Wirbelgelenk, durch welches der entsprechende Hautnerve aus dem Wirbelkanale hervortritt; so wie denn alle Neu- raleien ohne Ausnahme, von dem leichtesten Prickeln und Kriebeln, bis zu den heftigsten Schmerzanfällen des Tie douloureux, auch die nervösen Schmerzen bei Markschwamm und Krebs, die Cardialgie und Ischias erfahrungsgemäss nur spinale Affectionen der betreffenden Hautnerven sind, selbst die Kopfschmerzen nicht ausgenommen, welche immer mit einem Rheuma epistrophei verbunden sind, gleich dem Schwindel, der nach meinen zahlreichen Be- obachtungen immer aus derselben Quelle abstammt, und deshalb mit Unrecht bisher noch zu den pathognomonischen Gehirnsymptomen gezählt wurde. Dieses constante Vorkommen eines der Diagnose und der Behandlung direkt zugänglichen somatischen Leidens bei der melancholischen Angst schneidet die schwierigsten theoretischen Fragen, mit denen man sich bisher beschäftigt hat, geradezu ab; es handelt sich jetzt nicht mehr darum, ob diese Angst eine reine Neurose, ob sie eine Affection des N. vagus, der medulla oblongata, oder des Gehirns sei, der factische Grund des Leidens ist gefunden. Zur Erläute- rung des inneren Zusammenhangs der Erscheinungen bedarf es keines der weit ausgesponnenen Theoreme der Nervenphysiologie, sondern nur der einfachen Uombination der nächsten physio- logischen Elemente. Wir betrachten zu diesem Zweck: 1) die Störung der Hautthätigkeit als Grundlage des Spinalrheumatismus; 2) das gestörte Athmen, als Folge der Spinalaffection ; 3) die Sinnestäuschungen, die aus derselben Quelle stammen, und 4) die secundären Störungen der Baucheingeweide. 1. Die Störung der Hautfunction. Das völlige Darniederliegen der Hautthätigkeit in der Melancholie spricht sich deutlich aus in dem verminderten Turgor derselben, ihrer trockenen und rauhen Beschaffenheit, durch ihre Blässe und livide Färbung. — Wir haben ein Analogon davon schon in der gestörten Haut- und Lungen-Ausdünstung in Folge deprimirender Gemüthsaffecte, und in dem schon den Alten bekannten Auftreten von Angst und Schwermuth in Folge der gestörten Hautausdünstung. Wir erinnern in dieser Beziehung nur an Sanctorius, der in dem Tten Abschnitt seiner Medieina statica den wechselseitigen Einfluss des Gemüthszustandes und der Haut pragmatisch auseinan- dersetzt. Er sagt im Sten Aphorismus: Moestitia et timor impediunt perspirationem erassorum excrementorum perspirabilium: et perspiratio impedita a quacumque causa moestitiam et timo- rem facit. Ferner im 17ten: Melancholia duplici via superatur, vel libera perspiratione, vel aliqua continua animi consolatione; und im 22ten: Timor et moestitia per evacuationem exere- mentorum erassorum perspirabilium auferuntur. Wir haben unter diesem diekeren, auf der Haut als Schmutz zurückbleibenden Theile der Hautausdünstung wohl vorzugsweise die salinischen und extractiven Residuen des Schweisses und das Product der Hauttalgdrüsen zu verstehen. In dieser von Aerzten und Laien zu wenig beachteten Perspiratio insensibilis liegt der versteckte Grund von vielen sonderbaren Erscheinungen. Sie erklärt allein, woher es kommt, dass an 299 manchen Tagen, in mancher Jahreszeit oft so viele Menschen an übler Laune und Missstimmung leiden, weshalb Personen, die eine gar zu zarte und zu dünne Haut besitzen, an einer über- mässigen Empfindlichkeit, an einem gar zu raschen Wechsel der Stimmung leiden. Schon eine leichte Störung der unmerklichen Ausdünstung, mag dieselbe durch die Einwirkung der Kälte direkt gestört, durch einen unruhigen Schlaf um ein Drittel, durch übermässigen Geschlechts- genuss um ein Viertel redueirt, oder durch einen deprimirenden Gemüthsaffeet direkt vermin- dert werden, bewirkt bei Jedem ein Gefühl von Müdigkeit und Schwere in den Gliedern, eine Missstimmung des Gemüthes, die erst durch eine vermehrte Ausdünstung gehoben wird. Eine wesentliche Störung des Hautlebens kann ohne schweren Nachtheil für das psychische Befinden nicht fortdauern, und es darf uns nicht wundern, dass eine plötzliche Abkühlung bei erhitztem Körper, die Störung der Wochenschweisse, der Fieberkrisen plötzlich Wahnsinn bringt, dass so viele chronische Hautübel, Lepra, Pellagra, die asturische Rose ete. bei uns das Erysipelas in allen seinen Formen so häufig psychisches Erkranken, insbesondere Melancholie in ihrem Gefolge haben. Ich erinnere hier nur an den Ausspruch Esquirol’s: „Die Unterdrückung der Transpiration, die durch Affecte bewirkt wird, muss hoch unter den Ursachen der Geistes- krankheiten angeschlagen werden. Die atmosphärischen Veränderungen, die Feuchtigkeit des Bodens, die Excesse im Regimen, die Leidenschaften bringen die Geisteskrankheiten hervor, indem sie die Transpiration unterdrücken.“ (Die Geisteskrankheiten, übers. von Bernhardi I. p. 43, 228, 273.) Das vermittelnde Glied zwischen. dieser Störung der Hautthätigkeit und dem psychischen Leiden bildet eben das Spinalrheuma, welches immer eine Folge der unterdrückten Hautaus- dünstung ist. Um dieses zu erhärten, führe ich nur die Thatsache an, dass ich unter den vie- len Tausend Fällen von diesem Uebel keinen einzigen gefunden habe, bei welchem nicht eine ungewohnte Kälte der Füsse dem Eintritt der vielfachen Seeundär-Erscheinungen vorausgegan- gen wäre und meist noch fortbestand, wenn auch der Kranke Nichts davon wusste, da eine intensive Kälte auch bei Gesunden das Gefühl der Kälte in den Füssen unterdrückt, vielmehr die Kranken oft nach dem Aufhören der gewohnten Schweisse an den Füssen häufig über ein Gefühl von Hitze oder Brennen in den Fusssohlen klagen, ohne dass die Wärme derselben wesentlich erhöht wäre, und gerade hieraus entsteht jene Unruhe in den Beinen, welche die Arthritiker so schwer belästigt, aber auch im Nervenfieber die Kranken am Schlafen hindert, und ohne Zweifel bei psychisch Kranken jenes rastlose Umherwandern ohne Ziel und Zweck, jene namenlose Unruhe erzeugt, welche nur durch Gehen oder Laufen gemildert, und durch die Wiederherstellung des Schweisses an den Füssen gründlich gehoben werden kann. Das Gefühl von innerer Hitze bei kühler, trockner Haut, das oft die Kranken unwillkührlich in das Wasser treibt, ist ganz desselben Ursprungs, das Product der unterdrückten perspiratio Sanctorii. 2. Das gestörte Athmen und die eng damit verbundene Herzaffection bildet das zweite somatische Element der melancholischen Angst. Auch in dieser Beziehung besteht eine genaue Analogie der Melancholie mit den deprimirenden Gemüthsaffeeten ; in bei- den ist das Athmen schwach, oberflächlich, selten, manchmal wie stillestehend, bis ein tiefer Seufzer das Versäumte nachzuholen strebt, indem er gewaltsam die grösste Menge Luft in die Lungen führt, auch auf die Herzfunetion belebend einwirkt, den Puls beschleunigt und verstärkt, so dass er, wie bekannt, selbst an den Spitzen der Extremitäten fühlbar wird. Es ist das ein kritischer Act, der das Gefühl des lastenden Druckes auf der Brust für einen Augenblick be- seitigt, und mit dem Weinen und Schluchzen die deprimirenden Gemüthsaffecte löst, indem er 300 nach Prout’s direkten Versuchen die Menge der ausgeschiedenen Kohlensäure erhöht, die durch jede herabstimmende Leidenschaft, überhaupt durch Alles, was die eigenthümliche Em- pfindung hervorbringt, woraus Gähnen, Seufzen und sonst tiefes Einathmen entsteht, vermindert war. So fand auch Ad. Hannover die relative Menge der ausgeathmeten Kohlensäure ge- ringer bei deprimirenden Gemüthsbewegungen, die relative und absolute geringer bei Mangel an Körperbewegungen. Die vitale Capaeität der Lungen wird durch fortdauernden Trübsinn entschieden herabgesetzt. Von Vering, Esquirol und viele andere Psychiatriker haben den schlimmen Einfluss des gestörten Athmens anerkannt, und namentlich leitet Griesinger davon den gehemmten Abfluss des venösen Blutes aus den Jugularen und’ die venöse Stase in der Schädelhöhle ab, auf die er in der Pathogenie der psychischen Krankheiten ein so grosses Gewicht legt. Diese venöse Hyperämie theilt indess das Hirn mit vielen anderen Organen, und die Functionsstörungen, welche daraus resultiren, dass das Hirn, das Herz, die Leber, Milz, die Nieren und selbst die äussere Haut nicht die genügende Menge des belebenden arteriellen Bluts empfangen, sind augenscheinlich die Folge einer Affection, die das Einathmen beschränkt und nur bis zu einer gewissen Extension gestattet. Diese Dyspnoe, mag man sie als Krampf oder Lähmung der Bronchialmuskeln bezeichnen, oder von einer Functionsstörung der Inspira- tionsmuskeln, des Zwerchfells u. s. w. ableiten, entspricht (nach Henle) der Last der Atmo- sphäre, gegen welche die Respirationsmuskeln vergeblich ankämpfen, und ist in allen Fällen, wo sie über die Zeitdauer eines einfachen Gemüthsaffeets hinausreicht, oder durch ihre Intensität Gefahr erregt, immer mit einer Spinalaffeetion verbunden. Henle selbst hat dieses in einem Falle der Art constatirt, wo das Asthma mit einem Schmerz in den untern Halswirbeln verbun- den war. Ich habe die Dyspnoe schon viele hundertmal mit der entsprechenden Spinalaffection verbunden angetroflien, und kenne keinen andern Fall; ich habe sie in Folge deprimirender Affecte, vor Allem des Verdrusses, den höchsten Grad der Athmungsnoth erreichen, und ein paarmal selbst den Tod bewirken sehen, und bin der vollen Ueberzeugung, dass dieses Wirbel- leiden nicht blos sehr oft die Folge deprimirender Affecte ist, sondern dass es seinerseits den- selben auch den hohen Grad der Schädlichkeit verschafft. Bemerkenswerth ist vorzugsweise die Dyspnoe mit Palpitationen, die eigentliche Herzens- angst beim Rheuma des 6ten Brustwirbels, — seltner bei dem Rheuma der untern Cervical- gelenke, wobei ein Druck auf diese Stellen die Beschwerden manchmal bis zur Ohnmacht steigert. In einem Falle sah ich völlige Manie, als Ausdruck der Verzweiflung, darauf folgen. Es ist wohl ausser Zweifel, dass das Spinalrheuma den Uebergang der deprimirenden Gemüths- affeete, so wie der Herzaffection in die psychische Krankheit vermittelt. Dass bei diesem Uebergang der Ausdruck des Leidens ein ganz andrer wird, dass mit dem Ausbruch einer Seelenstörung die martervollen Erscheinungen der Herzkrankheit wie weggeblasen sind, fällt dem erfahrnen Arzt nicht auf, der häufig jedes Schmerzgefühl und auch die schwerste Athmungsnoth beim Aus- bruch der Delirien alsbald verschwinden sah. Dyspnoe und Husten hören auf, sobald der Phthi- sische in Wahnsinn fäll. Dahin gehört nun auch der Trieb zum Selbstmord im ersten, wie im letzten Stadium der Schwindsucht. So sah ich mehrere Personen, die früher an schweren An- fällen von Dyspnoe gelitten hatten, durch Selbstmord — das Erhängen — untergehen. Ich bewunderte in diesen Fällen (mit Klein, Schallgruber, Hinze, Krügelstein u. A.) den Mangel aller Suffocationserscheinungen; das Gesicht war bleich, die Gesichtszüge sehr ruhig, sanft, ja freundlich, als wenn die Verstorbenen im Augenblick des Todes sich frei von allen Mühen und Beschwerden des Lebens gefühlt hätten. Es bedurfte, wie es scheint, nur einer sehr BAYER U 301 geringen mechanischen Beihülfe, das schwache Athmen ganz zu sistiren, und die Erzählungen, dass tief betrübte oder heimweh-kranke Sclaven durch das absichtliche Aussetzen des Athmens sich das Leben genommen, haben darnach nichts Auffallendes. 3. Die Sinnestäuschungen bilden ein nicht minder wichtiges somatisches Element der melancholischen Angst. Man pflegt die sogenannten Hallueinationen entweder als die Spiele einer kranken Phantasie für leere Ein- bildungen zu erklären, oder sie als excentrische Erscheinungen von einem präsumirten Hirn- leiden abzuleiten; beides mit Unrecht, und mit unglücklichem Erfolge. Denn, indem man diesen Täuschungen, als leeren Einbildungen, jeden somatischen, und somit jeden factischen Grund abspricht, thut man den Kranken Unrecht, und versucht es vergeblich, dieselben durch Vernunft- gründe, durch Drohungen, durch Strafe oder Ueberlistung von ihrem Irrthum abzubringen. Auf der anderen Seite giebt man durch die Voraussetzung eines zu Grunde liegenden Gchirnleidens mit Unrecht jede Hoffnung einer Heilung auf, weil man ein Leiden postulirt, das weder nach- gewiesen, noch erkannt, noch weniger geheilt werden kann. Die genauere Betrachtung führt zu einer andern Ansicht, die für die Behandlung zuverlässi- gere Anhaltspuncte bietet, obschon die Heilung immer schwierig bleibt; diese Sinnestäuschun- gen sind nämlich somatisch bedingte krankhafte Sensationen, und somit wirkliche Empfindungen, die dadurch nur zu Hallueinationen werden, dass ihnen der Verstand verkehrte, das heisst un- richtige Ursachen, unterlegt, weil er ihren eigentlichen Ursprung in dem versteckten Wirbel- leiden nicht erkannt hat. Die somatische Grundlage der Sinnestäuschungen im Wahnsinn ist in der That keine an- dere, als bei psychisch Gesunden, die durch irgend welche Schädlichkeiten, meistens aber in Folge von Erkältungen in Verbindung mit Nachtwachen und erschöpfenden Strapatzen oder durch die Formumwandlung bereits vorhandener Rheumatismen von Sinnestäuschungen befallen werden. — Man hat dagegen eingewendet, dass die Sinnesorgane während solcher Vorgänge ganz unverletzt erscheinen, ja dass sie schon seit längerer Zeit, wie bei Blinden oder Tauben, ganz vernichtet sein können, dass folglich die Hallucinationen nur auf falschen Ideen beruhen, oder centralen Ursprungs sein müssen. Dieser Grund ist indessen nicht stichhaltig, da derartige Erscheinungen auch bei psychisch Gesunden, wo von einem Hirnleiden nicht die Rede sein kann, eben nicht selten sind; ich erinnere nur an den bei Witterungsveränderungen wieder- kehrenden Schmerz bei Amputirten, an die ludibria optica bei Staarblinden, selbst nach der Exstirpation des bulbus, ganz analog der völligen Gefühllosigkeit der Haut bei schweren Neu- ralgien am Fusse, im Gesicht, und sonst, wo überall der Schmerz nicht an der Stelle, wo ihn der Kranke fühlt, sondern immer da, wo der betreffende Nerve aus der Wirbelsäule hervor- tritt, seinen eigentlichen Sitz und Ursprung hat. Das Gehirn, indem es diese Sinnesperceptionen zum Bewusstsein bringt, fungirt durchaus normal, und ist nicht krank, weil mit dem wirklichen Erkranken des Gehirnes alle Sinnesthätigkeit erlischt. Die irrige Gedankenreihe, das falsche Urtheil, welche sich auf Sinnestäuschung gründen, sind wesentlich durch letztere bedingt; das Urtheil ist als solches vollkommen richtig, und jeder Irrenarzt wird Gelegenheit genug gefun- den haben, die logische Üonsequenz der Irren, ja ihren Scharfsinn in den Deductionen an- erkennen zu müssen, durch welche der Geist des Irren seine eigene Integrität documentirt. Freilich ist der Einfluss, den eine Sinnestäuschung auf das gesammte Seelenleben ausübt, ein sehr verschiedener, je nach der Charaktereigenthümlichkeit, dem Grad der Bildung und der Selbstbestimmung. Wir sehen sie manchmal eine Zeit lang ohne Nachtheil fortbestehen, wir 302 sehen sie manchmal plötzlich durch ihre Combination mit psychischen Affeeten, mit Vorurthei- len oder abergläubischen Ideen ihre ganze verwirrende Macht entfalten. Nur das Bewusstsein, dass sie körperlich bedingt sind, macht den Unterschied, macht sie unschädlich, während ein dumpfes Brüten, oder eine krankhaft aufgeregte Phantasie die subjeetive Erscheinung phanta- stisch deutet, sie in ihrer Art ausschmückt oder umgestaltet. Die Phantasie ist überhaupt geschäftiger bei Schwächlichen, durch Säfteverlust, durch Strapatzen, Gemüthsaffeete, durch Hunger, ja auch blos durch längere Entbehrung des gesun- den Schlafs Erschöpften. Unser eisenstarke E. M. Arndt hatte Visionen am hellen Tage, als er durch weite Strecken Landes vor den Franzosen flüchtete; auch Luther, als er sich längere Zeit ohne Nahrung eingeschlossen. Die Visionen Jean Paul’s, seine „wunderbare Gesell- schaft in der Neujahrsnacht“, die er ganz treffend als grössere Mouches volantes bezeichnet, leitet er selbst von dem Einfluss der Winterkälte auf seine empfindliche Haut, von seiner Brust- beklemmung, der Migräne und von der Einsamkeit ab. Ebenso waren die Visionen des 78jäh- rigen Pfarrers Voigt zu Danzig die Folge seiner übermässigen Anstrengungen und der Winterkälte; nicht minder die Phantasmata et optica et acustica, die Eschenbach von Rostock im Jahre 1769 erzählt hat und einen 5Ujährigen sonst heitern Mann betrafen, der wegen seiner krampfhaften Erstickungsanfälle ganze Nächte hindurch in den Monaten December und Januar schlaflos auf seinem Stuhle sitzend zubringen musste. Der Kranke Haindorf hatte seine Visionen im Januar des Jahres 1812. Die Gesichtshallueinationen Blinder sind nach Zeune abhängig vom Wetter, ja ihre Wetterverkündiger. (Belisar p. 25.) Ich habe die Visionen unter sehr verschiedenen Verhältnissen, im Gefolge schwerer Ner- venfieber, nach Wochenbetten, nach Unterdrückung der Menses, aber auch in einem Falle ehronischer Melancholie, die jährlich im Mai wiederkehrte, mit Farbensehen verbunden beob- achtet, wobei Personen und Sachen hin und her zu schwanken und blau, seltner gelb gefärbt erschienen, aber alle diese Fälle constant mit einem Rheuma des Epistropheus und der Brust- wirbel verbunden gesehen, und auf ein vesicatorium nuchae, wenn aber dieses nicht hoch oben im Genick zum Ziehen kam, durch eine Einreibung des Ung. tartar. stibiati im Genick ver- schwinden sehen. Desselben Ursprungs sind die Gehörhallucinationen, die häufiger als die Gesichtstäuschun- gen die Melancholie begleiten, aber ebenso constant mit einem Rheuma epistrophei verbunden sind, als die Gehörtäuschungen psychisch Gesunder, deren Abstammung aus unterdrückter Haut- thätigkeit von allen Autoritäten anerkannt ist. Lentin leitete sie speziell von unterdrücktem Fussschweisse ab. Das Doppelhören ist nach allen Beobachtern rheumatischen Ursprungs. Das Stimmhören ist nicht selten das Ueberbleibsel gastrisch-nervöser Fieber, aber auch in diesem Falle in einem Spinalleiden begründet. Die Sinnesstörungen der Haut, auch abgesehen von den Tastempfindungen und dem Ge- fühl für Wärme, umfassen eine grosse Zahl von subjectiven Beschwerden, die den Neuralgien zugezählt werden können, weil zwischen dem Gefühl von Spannen, Drücken, Kriebeln, Jucken und den eigentlichen Schmerzen, dem Brennen, Stechen, Schneiden, Reissen keine Scheide- gränze gefunden wird, und bei allen diesen lästigen Empfindungen die Sensibilität der Haut vermindert, ja erloschen ist. Sie stehen unverkennbar mit der gestörten Hautausdünstung in Verbindung. So unbestimmt und flüchtig sie auch sind, so werden sie doch doppelt lästig, weil sie hauptsächlich Nachts exacerbiren, den Schlaf verhindern, oder beunruhigende Traumbilder veranlassen, die den Kranken häufig aus dem Schlaf aufschrecken lassen. — Die Hallucinationen des Gemeingefühls beziehen sich fast ohne Ausnahme gleichfalls auf die Störungen der Haut, 2 303 und stehen deshalb mit dem Rheuma in genetischer Beziehung. Wir nennen beispielsweise das Gefühl von innerer Hitze bei kalter Haut, den Frost bei kopiösen Schweissen, den Schweiss auf einer Körperhälfte. Ich behandelte im April 1838 eine Frau, die in Folge schwerer Sorgen und Erkältungen aus einem gastrisch-rheumatischen Fieber das Gefühl von Kälte in einer Kör- perhälfte zurückbehielt, während sie in der andern Hälfte über Hitze klagte. Sie glaubte des- halb, einerseits aus Eis und andrerseits aus Feuer zu bestehen, die sich bekämpften; selbst am Kopfe, — ohne dass man äusserlich einen Wärmeunterschied bemerken konnte, nur dass der eine Fuss entschieden kälter als der andere war. Die Kranke, anfangs stärker aufgeregt, be- durfte strenger Aufsicht, da sie unvorsichtig mit dem Feuer umging und sich mehrmals in die Mosel zu stürzen suchte. Sie genas indessen glücklich beim Gebrauch von Abführungsmitteln, der Flussbäder und der Application von Vesicantien auf die kranken Stellen der Wirbelsäule im Genick und zwischen die Schulterblätter, unter reichlichen Schweissen. Wir gedenken noch des Myrmatismus, der immer mit dem Gefühl von Taubsein in der Haut verbunden ist und oft sich nur auf eine beschränkte Körperstelle, einen Arm, oder auf den Kopf verbreitet. Ich sah ihn einmal auch auf einer Körperseite — aber immer mit dem Spinalrheuma verbunden. Man kennt die Anästhesie der Haut als Folge eines starken Temperaturwechsels; man kennt auch ihre wichtige Bedeutung für den Wahnsinn. Mit dem Gefühl der Haut geht das Gefühl der eigenen Persönlichkeit verloren; die Kranken glauben stellenweise abgestorben, ja ganz todt zu sein. 4. Die Störung der Baucheingeweide als Element der melancholischen Angst ist durchaus secundärer Art, veranlasst durch die Stö- zungen der Haut- und Lungenthätigkeit. Besitzt sie nun auch in pathogenetischer Beziehung keineswegs die Wichtigkeit, die man ihr früher zugemessen hat, so verdient sie doch in therapeutischer Beziehung die sorgfältigste Beachtung, indem die Unruhe, welche meistens mit diesen gastrischen Beschwerden verbunden ist, die Hautausdünstung schwer zu Stande kommen lässt und so die Krisis des rheumatischen Krankheitsprozesses verzögert und erschwert, Wir nennen hier vorzüglich a) den gastrischen Zustand, vom einfachen Katarıh der Gastro- Intestinal - Schleimhaut bis zu den tiefern Secretionsanomalien derselben, immer mit einer verdrüsslichen Gemüthsstimmung verbunden, überall abhängig von der Störung der Hautthätigkeit, das Kopfweh in der Regel mit Rheuma epistrophei, der Magenschmerz constant mit dem Rheuma des Tten Brustwirbels verbunden; b) die Unterleibsplethora als Folge des gestörten Athmens, die Störungen der Gallen -Se- und Exeretion mit Icterus und dem bekannten Jucken, oft auch mit Brennen in der Haut, auch meist die Folge eines Rheuma des Tten oder Sten Brustwirbels; . e) die Stuhlverstopfung ist in der Regel bei den Melancholikern durch das Rheuma der mittleren Brustwirbel bedingt, und zwar zunächst durch Störung der Thätigkeit des Zwerchfells und der Bauchmuskeln, die den motus peristalticus anzuregen und zu unterhalten haben. Es giebt bei dieser hartnäckigen Obstipatio alvi keine kräftigere Beihülfe für die Wirkung der ab- führenden Mittel, als ein Vesicator auf die empfindliche Stelle der Wirbelsäule zwischen den Schulterblättern, und seit ich dieses erfahren, habe ich nie mehr die Drastica in so ausserordent- lichen Dosen anzuwenden nöthig gehabt, als im Anfang meiner Praxis, 'wo ich bei einem Kran- ken, der seit mehreren Wochen kein Essen anrühren zu können behauptete, „weil der Teufel davor sitze“, über eine Drachme Alocextract in einem Senna-Infusum selber reichte, bevor ein 304 gelindes Abweichen zu Stande kam, worauf dann der messerrückendicke Zungenbeleg verschwand und der Kranke einen ungewöhnlich starken Appetit bekam, aber dabei versicherte: „es sei nun viel schlimmer, der Teufel esse jetzt mit!“ — Das Herabsinken des Colon’s, im Leben durch eine hartnäckige Verstopfung und durch das Gefühl eines beengenden Bandes um die Hypo- chondrien bezeichnet, ist sicher nur die Folge einer Erschlaffung der Bauchmuskeln in Folge jenes Spinalleidens. d) eine besondere Berücksichtigung verdient aber unter den Ursachen der melancholischen Angst die Helminthiasis, namentlich die Gegenwart von Oxyuriden wegen des unruhigen Schla- fes und der schreckhaften Träume, mit der Vorstellung des Herabfallens in einen Abgrund. Wo das Aufschrecken im Schlafe habituell wird, fehlt selten eine eigenthümliche Schreckhaftigkeit des Gemüthes im Wachen, meist mit heftigen Palpitationen, die bei dem Neuling am Kranken- bette den Verdacht eines organischen Herzleidens erwecken — aber mit Spinalaffection in den mittleren Brustwirbeln, namentlich dem 6ten, verbunden sind. Das Spinalrheuma spielt demnach in der Pathogenie des Wahnsinns, und in specie der melancholischen Angst eine vielfältige und wichtige Rolle; erschwert aber in keiner Weise die Prognose, vielmehr gewährt die Ermittelung desselben bei psychisch Kranken auch dann noch Hoffnung, wenn nach jahrelangem Leiden bereits völlige Unheilbarkeit eingetreten zu sein scheint, insofern das Fortbestehen dieses pathogenetischen Momentes eine Rückbildung des Uebels möglich macht, die nicht mehr zu erwarten steht, wenn mit der Ausbildung secundärer Ent- artungen der Krankheitsprozess sich in seinem Product erschöpft hat, und damit gleichsam die Brücke abgebrochen ist, auf welcher der pathische Prozess auch seinen Rückzug nehmen könnte. Aüf der andern Seite ist keine Heilung eines psychischen Leidens vollendet zu nennen, so lange noch eine merkliche Empfindlichkeit der Wirbelsäule an der entsprechenden Stelle fort- besteht; sie ist in der That nichts weiter, als ein lucidum intervallum — und kein psychisch Kranker ist vor Rückfällen sicher gestellt, so lange nicht die Anlage zu Rheumatismen durch eine sorgfältige Behandlung und durch eine methodische Abhärtung der Haut beseitigt ist. Bei der Behandlung der melancholischen Angst kommt es hauptsächlich darauf an, dass der Kranke möglichst bald seines somatischen Leidens sich bewusst werde, und es ist schon viel geschehen, wenn der Kranke auch nur die Möglichkeit zugiebt, dass seine Angst und Schwer- muth von einem körperlichen Uebel ausgehen könne. Jedenfalls muss er entschieden als Kran- ker, und in Bezug auf seine Leiden nicht als ein mit leeren Einbildungen Behafteter behan- delt werden. Man hat hierbei die schwierige Aufgabe, einen mehr oder minder eingewurzelten Rheuma- tismus zu heilen und die Neigung zu Recidiven zu beseitigen, fest im Auge zu behalten. Die Kur des Wirbelrheumas hat aber vor Allem zwei Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, bevor die Application der entsprechenden Hautreize und anderer Speeifica eine ent- scheidende Wirkung ausüben kann, und diese Schwierigkeiten bestehen: 1) in der fortdauernden Kälte der Füsse, und 2) in der gastrischen Complication. Die Kälte der Füsse erfordert eine nachdrückliche Anwendung scharfer und heisser Fuss- bäder, wie der Kranke sie eben ertragen kann, am besten aus einer Natronlauge (Holzasche mit etwas Kochsalz gekocht) und mit Senfmehl geschärft, so dass sie die Haut an den Füssen etwas röthet; öfter wiederholt, aber immer nur von kurzer Dauer, bis die Füsse warm bleiben und die Fusssohlen bei dem allgemeinen Schweisse eleichfalls feucht werden. Diese Fussbä- der erweisen sich bald darin wohlthätig, dass sie den Kranken beruhigen, ihm einigen Schlaf FE EEE WE BEWERBER 305 verschaffen, und eine wohlthätige Ausdünstung einleiten. Sind dabei habituelle Fussschweisse unterdrückt, so erheischt deren Herstellung eine besondere Sorgfalt. — Sehr wohlthätig wirken auch die ganzen Bäder, wie es die Erfahrung von jeher gelehrt hat; sie müssen aber bei Con- gestionen nach dem Kopf mit kalten Uebergiessungen desselben verbunden werden. In Fällen grosser Aufregung, wo die grosse Angst in völlige Manie übergeht, dienen kalte Uebergiessungen über Kopf und Rücken nachdrücklich fortgesetzt, bis der Kranke zu frösteln und zu frieren anfängt und sich so weit seiner wieder bewusst geworden ist, dass er die Angehörigen erkannt, und Föolgsamkeit verspricht, worauf man ihn abtrocknet, ihm am besten sogleich ein tüchtiges Emeticum verabreicht, und wenn dieses hinreichend gewirkt hat, ihn sei- nen Schweiss abzuwarten anhält. Diese kalten Uebergiessungen bei neuen Paroxysmen der tobsüchtigen Aufregung nöthigenfalls wiederholt, müssen, um zu heilen, nothwendig Schweiss zur Folge haben. So dienet auch die Wirkung der Emetica nicht blos zur Beseitigung von Schleim und Galle aus den ersten Wegen, sondern vorzugsweise auch zur Einleitung der kri- tischen Schweisse, da wohl kein anderes Mittel so zuverlässig die Hautausdünstung wieder her- zustellen im Stande ist, als die Emetica. Das fernere Verfahren gegen die gastrische Complication erheischt den umsichtigen Ge- brauch gelinde abführender Mittel, um die eigenthümlichen kritischen Stühle hervorzurufen und zu unterhalten, die anfangs sparsanı und oft wässerig, dann fäculenter, meist dunkel gefärbt sind, allmählig heller werden und dann auch den penetranten ammoniakalischen Geruch verlie- ren, bis die belegte Zunge rein zu werden anfängt, wo dann die Harn- und Hautkrisen bemerk- licher hervortreten.. Sehr wohlthätig wirkt’ dann die Verbindung gelinde erregender Mittel mit den, abführenden, ein Zusatz von Valeriana, Arnica, Senega und dergleichen zur Senna, um die übrigen Secretionsorgane in reger Thätigkeit zu erhalten, so wie, je nach Bedürfniss, die Ver- bindung aromatischer und bitterer Mittel. Es ist erstaunlich, welche Menge übler Stoffe manch- mal entleert werden, wie sehr der Kranke sich dadurch erleichtert und erheitert fühlt, während der abnorme Umfang der Baucheingeweide allmählig abnimmt. Es fällt nicht auf, dass diese sedes (die in ihren äussern Merkmalen durchaus den kritischen Darmentleerungen in dem ga- strisch-nervösen Fieber gleichen,) zur Lehre von der Atra bilis und von den Infareten Anlass geben konnten. Auch der Schweiss ist anfangs von specifischem üblen Geruch; er bringt den ruhigen, weniger durch Träume unterbrochenen Schlaf, und mit diesem die völlige Genesung. Wahrhaft specifisch wirken indess, in Verbindung mit den genannten Mitteln, passende Hautreize auf die kranken Stellen der Wirbelsäule applieirt, mit Ausschluss aller Blutentziehun- gen, die nur vorübergehende Erleichterung bringen, aber dafür das Uebel in die Länge ziehen und zu Reeidiven Anlass geben. Es ist bemerkenswerth, wie anregend auch kleine Vesicantien auf die ganze Hautoberfläche wirken, und nicht selten einen allgemeinen Schweiss veranlassen. Man soll sie jedenfalls nicht grösser machen als es nöthig ist, um alle kranken Wirbel damit zu bedecken, jedenfalls nicht breiter; aber für ihre Befestigung muss man genügend sorgen. In schweren Fällen muss man sie nicht selten mehrmals wiederholen, und wenn der Kranke sie nicht liegen lässt, durch die Brechweinsteinsalbe ersetzen. In frischen Fällen thut bei zarter Haut ein scharfes Liniment schon gute Dienste; ich gebrauche meist zu diesem Zwecke ein scharfes Oel (Ree. Ol. crotonis 3jj. Ol. sinap. aeth. gr. V. D.), von welchem 6 bis 7 Tropfen auf die kranken Stellen eingerieben werden. Ich kann dies Mittel den Hypochondristen unter meinen Herren Collegen, aus eigener Erfahrung, als das trefflichste Solamen dringend an- empfehlen. Es nimmt die centnerschwere Last, die auf der Brust gelegen, sanft hinweg, ver- scheucht die Grillen und erhellt das düstre Bild der Situation, besonders wenn noch fleissige 39 Bewegung in der freien Luft dazu kommt, oder dafür wenigstens ein heisses Fussbad genom- men wird. Bei tiefer Melancholie darf man allerdings so überraschend schnelle Resultate nicht erwar- ten, die Fälle etwa abgerechnet, die durch übermächtige Einwirkungen vor Kurzem erst ent- standen sind; — die Mehrzahl der Fälle gründet sich auf tiefere Störungen im inneren Haushalte des vegetativen Lebens, oder hat dieselben durch längere Dauer nachträglich herbeigeführt, die‘ bei dem gesunkenen Stand der Kräfte, zugleich Ausdauer und Schonung bei der Kur erhei- schen. Bei der gichtischen Anlage und bei gesunkener Ernährung thut der Leberthran vor- treffliche Dienste. | Von Nareoticis habe ich bei der melancholischen Angst nie irgend eine günstige Wirkung gesehen; auch sind sie überall entbehrlich, wo man den Ausgangspunct der Schmerzen kennt, und sie direct zu heben im Stande ist. In diesen psychischen Affeetionen gilt es vorzugsweise, nicht etwa durch Betäubung ein vorübergehendes Vergessen der Leiden zu bewirken, sondern das klare Bewusstsein wach zu halten und wieder herzustellen. Dr. Erlenmeyer zeigt eine neue Zeitschrift vor, die auch Beiträge zur Psychiatrie ent- halte: L’&cho medical, journal Suisse et &tranger p. Dr. Cornaz. 6. Sektion für Agronomie und Forstwissenschaft *). Auf Vorschlag des Einführungs-Präsidenten, Director Dr. Hartstein in Poppelsdorf, wird die Wahl eines definitiven Präsidenten auf die nächste Sitzung verschoben, und der fol- gende Tag, 19. September, zur speciellen Besichtigung der Einrichtungen der höheren land- wirthschaftlichen Lehranstalt in Poppelsdorf bestimmt. 1. Sitzung: Montag, den 21. September, früh 10 Uhr, im grossen Hörsaale der höheren landwirthschaftlichen Anstalt zu Poppelsdorf. Auf Vorschlag des Directors Dr. Hartstein wurde Director Carl Faber zum Vor- sitzenden der Sektion gewählt. } Dr. Sopp aus Bonn sprach sodann über ein modificirtes Verfahren, die‘ Phosphorsäure durch essigsaures Eisenoxyd zu bestimmen, und über zwei neue Methoden der Phosphorsäure- bestimmung durch molybdänsaures Ammoniak. Er hob ferner hervor, wie man mit Hülfe des Geissler’schen Vaporimeters genaue Ammoniakbestimmungen ausführen könne, und wie sich dieses Instrument zu einfachen Werthbestimmungen des Guano’s, der Ammoniaksalze ete. etc. vortrefflich eigne. *) Bei den zahlreichen einzelnen Blättern des Manuscripts sind durch Versehen beim Absetzen die nach- stehenden Verhandlungen von zwei Sektionen in der Reihenfolge des Programms übergangen worden. Es müssen daher die Sektionen 6. für Agronomie und Forstwissenschaft und 7. für Astronomie und Mathematik Seite 188 vor den Anfang der $. Sektion für Anatomie und Physiologie eingeschaltet werden. Das Inhaltsverzeichniss stellt die richtige Anordnung wieder her. 307 2. Sitzung: Dienstag, den 22. September, früh $'/. Uhr. Departements-Thierarzt Dr. Sch ell sprach über die Castration der Kühe nach der Charlier’- schen Methode, und erläuterte den Gebrauch der dazu nöthigen, von UÜharlier erfundenen, von Eschbaum in Bonn angefertigten Instrumente. Redner führte an, wie diese früherhin durch einen Bauchschnitt in die linke Flanke ausgeführte Operation als ein Unternehmen von zweifelhaftem Erfolg bald der Vergessenheit anheimgefallen sei, wie dagegen nach den bis- herigen Erfahrungen eine Castration nach der Charlier’schen Methode als eine gefahrlose Operation betrachtet werden könne. Sodann sprach der Redner die Ansicht aus: dass bei einer sorgfältigen Auswahl der Kühe durch die Castration sowohl eine grössere Mastungsfähigkeit als auch eine länger andauernde, bis zu einer gewissen Gränze gesteigerte Milchsecretion erzielt werden könne, dass endlich die Möglichkeit gegeben sei, krankhafte Degenerationen der Ova- rien, mithin auch Stiersucht ete. zu beseitigen. Garten -Inspector Sinning theilte seine Erfahrungen über die Cultur der Chinesischen Yamswurzel mit und zeigte schöne, von ihm selbst gezogene Wurzeln vor. Seine Versuche haben ihm ergeben, dass ein Ertrag von 32,400 Pfund Knollen per Morgen erzielt werden kann, woraus er schliesst, dass der Oultur dieser Knollen eine bedeutende Zukunft gesichert sei. Oekonomierath Bronner aus Wiesloch hält einen Vortrag über die wilden Trauben, welcher im Bericht über die botanische Sektion enthalten ist. Director Dr. Hartstein wird zum Tages-Präsidenten für Mittwoch gewählt. 3. Sitzung : Mittwoch, den 23. September. Tages-Präsident: Dr. Hartstein. Prof. Fuchs aus Karlsruhe hielt einen Vortrag über den Einfluss des Pferdefleischessens auf die Civilisation und die Pferdezucht. Die Ergebnisse desselben gingen dahin, dass die rücksichtslose und allgemeine Verbreitung des Pferdefleischessens nicht allein der Oi- vilisation und der Entwickelung der Humanität, sondern auch der Pferdezucht, auf welcher in Deutschland ein grosser Theil der Wehrkraft bestehe, gefährlich werden könne; auch bestritt der Redner die Unterstützung, welche die Vereine gegen Thierquälerei in der allgemeinen Verbreitung: des Pferdefleischessens zu finden hoffen, und empfahl daher, zur Zeit nur die Hindernisse wegzuräumen, welche sich dem Pferdefleischgenusse entgegenstellen, alles andere aber der Zukunft zu überlassen. Prof. Kaufmann aus Bonn erörtert die agronomische Bedeutung des Weinbaues in Rhein- preussen. Er giebt den Ertrag der Weinerescenz für den Rhein sowohl als für Nahe, Mosel, Saar und Ahr an, und beschreibt die an diesen Strömen gebauten Rebenarten mit ihren Vor- theilen und Nachtheilen. Sodann spricht er von den Vorzügen der Cultur von Frühburgunder- trauben, und schliesst,mit einer Angabe des Unterschiedes zwischen der Chaptal’schen und Gall’schen Weinverbesserungsmethode. Dr. Bialloblotzky gab sein Urtheil über arabische Pferdezucht. Er bewies, wie unge- gründet es sei, den Adel und Stammbaum einzelner arabischer Pferde verfolgen zu wollen, wie alle Araberpferde Pferde der Wüste, Vollblutpferde seien, und wie leicht es sei, in den Besitz solcher Pferde ächter Rage ohne Stammzettel: zu. gelangen. 7. Sektion für Astronomie und Mathematik. Der einführende Präsident, Prof. Argelander, eröffnete die einleitende Sitzung am 18. September mit der Anzeige der neuesten Planetenentdeckung am 15. September durch Dr. R. Luther in Bilk bei Düsseldorf. Die Wahl des Präsidenten auf den folgenden Tag fiel auf Staatsrath Mädler. 1. Sitzung: Sonnabend, den 19. September. Prof. Heis sprach über die Sternschnuppen der letztverflossenen Augustperiode. Um über die Erscheinungen, die die Sternschnuppen darbieten, sichere Aufschlüsse zu erlangen, hat der Vortragende seit mehreren Jahren um die Zeiten der grössten Häufigkeit derselben correspon- dirende Beobachtungen an verschiedenen Punkten, besonders im westlichen Deutschland, einge- leitet, an denen sich in diesem Jahre eine erfreuliche Theilnahme kundgab. Es wurden an verschiedenen Orten eine grosse Anzahl von Sternschnuppen beobachtet, zum Theil von frühe- ren Schülern des Vortragenden. Auch in diesem Jahre zeigte sich deutlich das Abnehmen der Zahl der Sternschnuppen im Anfange des August, und dann: erst wieder ein rasches Steigen dieser Zahl bis zum 10. oder 11. August, wie dies schon früher beobachtet worden war. Unter den beobachteten Sternschnuppen waren viele gemeinschaftlich an mehreren Orten gesehene, auch eine grosse gleichzeitig in Prag und Kassel beobachtete. Der Vortragende zeigte dann, wie man die Identität zweier an verschiedenen Orten zu derselben absoluten Zeit gesehenen Sternschnuppen dadurch constatiren könne, dass die Punkte, an denen die Sternschnuppe beiden Orten verschwand, und der Punkt, an dem sich ein rt vom’ andern aus gesehen am Himmels- gewölbe projieirt, in einem und demselben grössten Kreise liegen müssen. Hierauf gründet sich die vom Vortragenden angewandte Constructionsmethode zur Darstellung der Oerter der Sternschnuppen im Raume, aus dem sich dann ihre Höhen und Bahnen ergeben — Bestimmun- gen, deren Genauigkeit wesentlich von der Genauigkeit der Beobachtungen abhängt, die be- kannter Ursachen halber kaum innerhalb eines Grades sicher sind. Dr. Cantor hielt einen geschichtlichen Vortrag über die drei grossen Mathematiker des 16. Jahrhunderts, welche in Frankreich, Deutschland und Italien glänzten, über Petrus Ra- mus, Michael Stifel und Hieronymus Cardanus. Der Vortragende begann mit bio- graphischen Notizen über Petrus Ramus, denen sich Berichte über seine mathematische Richtung anschlossen. Dieselbe stellte sich im Wesentlichen als eine durchaus praktische her- aus. Die Beendigung des Vortrages wurde auf die nächste Sitzung verschoben. Zum permanenten Präsidenten für die folgende Sitzung wurde Staatsrath Mädler gewählt. 2. Sitzung: Montag, den 21. September. Anf Vorschlag des Vorsitzenden wurde beschlossen, dass bei der Kürze der Zeit diejeni- gen Vorträge, die länger als 20 Minuten dauern sollten, besonders als solche vorher angezeigt werden sollen. E ) 309 Dr. Cantor setzte seinen begonnenen Vortrag fort; er gab Untersuchungen über Michael Stifel und Hieronymus Cardanus. Ihre Charakteristik ergab für jenen eine wesentlich sanguinische Richtung, die sich vorzüglich in voreiligen und zu kühnen, häufig unrichtigen Inductionsschlüssen documentirte, und die Stifel, wenn sie sich auf praktische Fragen einliessen, häufig in Verlegenheit versetzte (z. B. bei einem angekündigten Weltuntergange, wobei er nur durch Luthers persönliche Dazwischenkunft gerettet wurde). Diese Richtung führte als Ueber- gang von der praktischen des Petrus Ramus zu der rein wissenschaftlichen Natur des Car- danus, ein Debergang, der besonders in zahlentheoretischen und algebraischen Sätzen, nament- lich in den Formeln für die vollkommenen Zahlen, gezeigt wurde. Prof. Argelander legte die erste Lieferung der von Prof. Frisch in Stuttgart ver- anstalteten neuen Ausgabe von Kepplers Werken vor. Die Wichtigkeit des Unternehmens fand der Vortragende ausser in dem inneren Werthe der Werke hauptsächlich in der, ‘oft selbst erfahrenen Schwierigkeit, einzelne Hauptwerke sich zu verschaffen; in dem schlechten Druck und dem schlechten Papiere wieder der ältern Ausgaben; endlich in der mangelhaften Auswahl der Briefe, die veröffentlicht worden sind. Prof. Zech fügte noch einige Bemerkungen über die Herausgabe hinzu. Es wird nämlich der ersten Lieferung nur dann die zweite u. s. w. folgen können, wenn die Kosten durch Sub- scription gedeckt sind, und forderte der Vortragende zu thätiger Unterstützung des Unter- nehmens auf. 3. Sitzung: Dienstag, den 22. September. Prof. Zech sprach über die Mittel zur Erleichterung der mehr und mehr anwachsenden Berechnungen der speziellen Störungen für die kleinen Planeten. Da ein Theil dieser Rech- nungen nur von den Oertern der störenden Planeten abhängig ist, nicht von denen der gestör- ten, so wird dieser Theil für alle Rechner gemeinschaftlich ausgeführt werden können, wenn eine Einigung darüber stattfindet, auf welches Coordinatensystem die betreffenden Oerter bezogen, und von welchem Anfangspunkte an und in welchen Intervallen die Störungswerthe berechnet werden sollen. Eine solche Einigung hat zwischen dem Vortragenden, Dr. Förster, Dr. Win- necke, Dr. Krüger und Dr. Schönfeld stättgefunden; dieselben haben beschlossen, ihren Störungsrechnungen die Ekliptik und das dazu gehörige rechtwinklige Coordinatensystem zu Grunde zu legen, und hierbei folgende spezielle Punkte festgesetzt: 1) Das zu Grunde gelegte Aequinoctium soll das des Jahresanfangs der Zehner der Jahre sein, so dass also alle 10 Jahre die Fundamentalebene geändert wird und die Rech- nungen 5 Jahre vorber und nachher auf ein und dasselbe Aequinoctium bezogen werden. 2) Für diese Fundamentalebene sollen die reehtwinkligen Coordinaten der Planeten Jupi- ter, Saturn und Mars auf resp. 5, 4 und 4 Deeimalen in Intervallen von 20 Tagen, am Anfangspunkt 1855 Jan. 0, Ou Berliner Zeit, an berechnet werden. 3) Die hiernach zu bildenden Tafeln sollen demgemäss enthalten die Coordinaten x’ y’ z’ und ihre ersten Differenzen, die Grösse 1600. u .x‘ etc. etc. nach den bekannten Bezeichnungen in den Encke’schen Formeln, den Betrag der Präcession bis zum Anfangspunkte. 310 4)'Es ‚sollen Mittel ergriffen. werden (um die übrigen Astronomen, die ‚sich. mit diesen Rechnungen beschäftigen, zu. veranlassen, dieselben Zahlen zu benutzen), diese Tafeln. frühzeitig genug bekannt zu machen, Profi Zech rechtfertigt speziell die Wahl der in diesen Punkten festgesetzten. Bestimmun- gen. Das Nähere musste für spätere Mittheilungen am geeigneten Orte verspart werden. Prof. Mädler sprach über Mondkugeln, und namentlich über die der neuesten Zeit) angehörenden Versuche, die Mondoberfläche im Relief darzustellen, und führte an, dass er bereits im Jahre 1839 der Pyrmonter Versammlung. deutscher Naturforscher: und Aerzte die von der Hofräthin Witte in Hannover nach seiner Mondkarte verfertigte Reliefkugel des Mondes vorgezeigt und erläutert habe, diese Arbeit mithin die Priorität vor der Diekert’schen beanspruchen könne. Es schlossen sich hieran Besprechungen über die Möglichkeit der Ver- vielfältigung solcher Mondmodelle. Prof. von Riese sprach über gewisse Abänderungen in der Anordnung der magnetischen Declinationsbeobachtungen. Die Mängel der Aufhängefäden im Gauss’schen Declinations- apparate werden beseitigt, wenn man mehrfache Fäden oder umgedrehte Fadenstränge, wie die Posamentirer sie liefern, mit aufgelöster Guttapercha zweimal bestreicht und in das Aufhänge- stäbchen festleimt. Bei den Azimuthbestimmungen wird hier ein Fernrohr mit zwei Faden- kreuzen für Sterne und Mire, um die Veränderung der Collimation durch Verschiebung des Oculars zu vermeiden, angewandt. Vorzüglicher möchten zwei Fernröhre sein, wobei. die Stützen der Querachse am Theodoliten viel niedriger sein könnten. Einige Bemerkungen wur- den noch über Vereinfachung bei Bestimmung des Nullpunktes der Torsion, sowie über Vor- theile der Glasscalen vor den gewöhnlichen gedruckten hinzugefügt. 4. Sitzung: Mittwoch, den 23. September. Vorträge wurden nicht gehalten, sondern die Sternwarte besichtigt. 5. Sitzung: Donnerstag, den 24. September. Vor Beginn der eigentlichen Sektions-Sitzung erklärte Prof. Mädler in Poppelsdorf das dort aufgestellte, von Diekert verfertigte Mondrelief. Nach einer allgemeinen Schilderung dessen, was auf dem Monde, und wann dieses wahrgenommen werden könne (wobei beson- ders Niveaudifferenzen, Lichtreflexe von verschiedener Stärke in einzelnen Gegenden, eine schwache Färbung von Bedeutung sind), ging er auf die wahrscheinlichste Entstehung des Mon- des über, und zeigte, wie seine Oberfläche mindestens von vier selenologischen Perioden deut- liche Spuren trage; in den grossen Ringgebirgen, den Kratern, den Bergarten und Rillen, endlich die räthselhaften Lichtstreifen, rücksichtlich welcher er die Vermuthung aussprach, dass sie in einer durch erhitzte. Gase von innen heraus veränderten Struktur des Mondbodens, durch welche dessen Reflexionsthätigkeit erhöht werde, ihren Grund habe. Prof. Argelander sprach über den veränderlichen Stern im Sobieski’schen Schilde, mit Vorausschickung allgemeiner Bemerkung über Veränderliche überhaupt. Trotz der grossen Mannichfaltigkeit der Erscheinungen zeigt..sich doch, bei den meisten Veränderlichen eine Ana- . = all logie der Lichtkurve darin, dass nach dem eigentlichen Lichtmaximum eine Einbiegung der Kurve, gewissermassen als Bestreben, ein zweites Maximum: zu erreichen, stattfindet. Bei ß Lyrae kommt dies zweite Maximum wirklich zu Stande. Zur Erklärung kann man annehmen, dass zwei Ursachen wirken, von nahe gleicher Stärke, aber ungleichen Perioden, die bei # Lyrae im Verhältnisse von 1 zu 2 stehen müssten. Vor Kurzem hat Schmidt bei dem Stern im Schilde (R Seuti) dieselbe Erscheinung gefunden; der Vortragende fand dies nach seinen Beob- achtungen für eine Reihe von Jahren wirklich bestätigt, aber auch nur in gewissen Perioden; zugleich fand er in ihnen eine successive Aenderung der Abwechselung zwischen helleren und schwächeren Minimis angedeutet, so dass nach mehreren Jahren die helleren Minima in die schwächeren, und umgekehrt, übergegangen waren. Seine Erklärung stellte diesen Uebergang mit Rücksicht darauf, dass die Maxima keine ähnliche Schwankung zeigten, vollständig dar. Der Grund davon müsste zum Theil darin liegen, dass die Periode der beiden Ursachen nicht vollständig commensurabel wären. Bei der Unregelmässigkeit in den Perioden selbst müsste der Stern eigentlich unausgesetzt das ganze Jahr hindurch verfolgt werden, was in unsern Breiten möglich, aber mit Aufopferungen verknüpft ist. Hierauf sollte ein Vortrag von Prof. v. Riese folgen über die Ersetzung der gewöhnlichen Stahlmagnete bei den Declinations- und Inclinations-Beobachtungen durch Eleetromagnete, und zwar vorzüglich: 1) über die zweekmässigste Einrichtung derselben besonders in Bezug auf Verminderung des Gewichtes und Vergrösserung ihrer Stärke (schwächere Fäden und daher schwächere Torsion) und in Betracht der Beseitigung der Wirkung des magnetischen Rückstandes nach Oeffnung der Kette; 2) über die bedeutend grössere Genauigkeit und Leichtigkeit, welche diese Einrichtung bei der Bestimmung der beiden schwierigsten Reductions-Elemente: Nullpunkt der Torsion (Gaussens r) und Verhältniss der Torsionskraft zur magnetischen gewährt; sowie 3) über den Einfluss der Aenderung der Sternstärke auf die Declinations- und Inclinations- Beobachtungen und die Beseitigung dieser Aenderungen ünd ihrer Nachtheile. Wegen Mangel an Zeit konnte dieser Vortrag jedoch nicht stattfinden; der Vorsitzende schloss daher die Sitzungen. Bonn, Druck von Carl Georgl. > PT deriskläl: ih erlt i en: gr md.» MOB uodsionbsu man re, 0 Nee 2 CR wii aulb hust ekirgemeısl. Me £ aih vr ga oe ph aräcee üee Par} h ‘ anearh: legen I.0, 77) Eee En G BR SE er ST SE ee | 5 Alatey nebenbei ob. bernd nib ra 8 ii Sr nspkilehtacon hie nahe ak sie ige ab Fate a ee Vak wiche RN BPABERNG ERBE. =, ern er IRTBREN ee laien ae Fame e + Vorl Et 4 In RE ar! jr a +% # » 1. r} yz * En 5 FR Sl LG a rin f a E47 Kt: N u. e v ir fi; Er rn 2 R x D a Me 1 APR IR Ku a2 2 ar x N = Er 7) u u. } x Fl ö e Tata. — =—— 4 r . Y [Y -, 2 G € DIR hans like n WER I IE Doachens EIER IE en ar der 4 He? t Seite 129. zu Seite 261. zw Seite 262. EL. Tith. Inst von Henry & GoheninBonn .. Fig $. zu Seile 267 Tafel Lifn. Instvon Henry & lohen in Bonı 7 F} xXXXu. Versammlung deutfcher Maturforfcher und Acrzte in Bonn. min aan 1897. ie — Programm der Tagesordnung. Donnerstag den 17. September. Vorversammlung Abends 8 Uhr im Gasthofe zum goldenen Stern. Freitag den 18. September. Gemeinsames Frühstück im Garten des Hötel Royal um 9 Uhr. Erste allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale in der Universität Morgens 11 Uhr. Nach Schluss derselben Einführung der verschiedenen Sectionen in ihre Sitzungslokale. ‘Wahl des Präsidenten für den folgenden Tag. Die Secretäre sind perpetuell. Feierliches Eröffnungs-Essen im Gasthofe zum goldenen Stern um 3 Uhr Nachmittags. Abends von 8 Uhr ab Reunion im grossen Saale der Lese- und Erholungs - Gesellschaft, wo die vielgekrönte „Bonner Concordia“ zu Ehren der Versammlung offene Liedertafel halten wird. Sonnabend den 19. September. Sections-Sitzungen hier und in Poppelsdorf von Morgens 8— 'Y,2 Uhr. Von %,12—12 Uhr kaltes Frühstück in den unteren Räumen der Lese- und Erholungs- Gesellschaft und im Poppelsdorfer Schlosse. Mittagsessen um '/,2 Uhr im grossen Saale der Lese- und Erholungs-Gesellschaft. Um 3Uhr gemeinsame Fahrt nach dem Drachenfels und Besteigung desselben. Rückfahrt Punkt 7 Uhr. Abends Reunion im grossen Saale des Gasthofes zum goldenen Stern. Sonntag den 20. September. Grosse Festfahrt auf den durch die Freigiebigkeit der vereinigten Rhein- Dampfschifffahrts- Gesellschaften zur Disposition gestellten drei Schiffen nach der Burg Stolzenfels, nach Coblenz und der prachtvoll erleuchteten Kirche auf dem Apollinarisberge bei Remagen. Ein kaltes Diner findet in Coblenz statt, wozu die dortige Casino-Gesellschaft geneigtest ihre geräumigen Gärten und Locale zur gen a Benutzung gewährt hat. Die Karten dazu, ä 15 Sgr., werden hier gelöst. Abfahrt von Bonn Mor- s 7 Uhr. Montag den 21. September. Sections-Sitzungen von 8—11 Uhr. Zweite allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale um 11 Uhr. Mittagsessen im Grand Hötel Royal um 2 Uhr. Nachmittags 4 Uhr gemeinsame Fahrt mit der Eisenbahn nach Rolandseck. Besteigung des Ro- landseck und des alten Vulkans Roderberg. Rückfahrt 7 Uhr 15 Min. Abends ,9 Uhr Ball in den Sälen der Lese- und Erholungsgesellschaft. Dinstag den 22. September. Sections-Sitzungen von 8—11 Uhr. \ Dritte allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale um 11 Uhr. Mittagsessen im Hötel Kley um /,2 Uhr. Fahrt mit einem gemeinsamen, von der Liberalität der Rheinischen Eisenbahn gewährten Zuge zur festlichen Begrüssung wie zum Besuche Cöln’s und seiner grossen Sehenswürdig- keiten. Abfahrt genau um 3 Uhr. Bei der Ankunft auf dem Cölner Bahnhofe sammeln sich daselbst alle Gäste und verfügen sich in einem einzigen Zuge nach dem Rathhause, wo der Herr Ober- bürgermeister mit dem versammelten 'Stadtrathe die Kommenden erwarten wird, um sie von da aus an die verschiedenen Orte ihrer Bestimmung geleiten zu lassen. Abends wird eine Beleuch- tung der prachtvollen Nordseite des Domes stattfinden. Rückfahrt Y,11 Uhr. Popp Mittwoch den 23. September. 1. Sections-Sitzungen von 8—2 Uhr. 2. Von %,12— 12 Uhr kaltes Frühstück in den unteren Räumen der Lese- und Erholungs-Gesellschaft und des Poppelsdorfer Schlosses. 3. Abschieds-Essen im Gasthofe zum goldenen Stern um 2 Uhr. 4. Grosses Fest-Coneert, von der Stadt Bonn zu Ehren der versammelten Naturforscher und Aerzte veranstaltet, Abends '/,7 Uhr. — Die Herren erscheinen im Frack. 5. Nach dem Concert Versammlung im grossen Saale der Lese- und Erholungs-Gesellschaft. Donnerstag den 24. September. Sections-Sitzungen von 8—11 Uhr. Vierte und letzte allgemeine Sitzung im grossen Sitzungssaale um 11 Uhr. Schluss-Essen im Grand Hötel de Belle Vue um 2 Uhr. Letzte gemeinsame Eisenbähnfahrt nach Godesberg um 4 Uhr. Rückfahrt 6%, ‚Uhr. . Letzte Reunion in dem Hötel:Kley um 1/,9 Uhr. de Allgemeine Bestimmungen. 1. Es ist die Anordnung getroffen, dass erst nach dem Schlusse der allgemeinen und ‚der Sec- tions-Sitzungen das Mittagsessen in den verschiedenen Hötels der Stadt für die Herren Mitglieder und Theilnehmer der Versammlung aufgetragen werden wird. U. Die im Programm angezeigten Mittagsessen sind solche, denen die Geschäftsführung präsi- diren wird. IH. Zu den allgemeinen Sitzungen und zu allen gemeinsamen Ausflügen, für welehe besondere Karten ausgegeben werden, so wie zu den Diners und R&unions, sind auch die Damen der verehrten Mitglieder und Theilnehmer auf das Freundlichste eingeladen. IV. Die Vertheilung der Karten zu der grossen Dampfschifffahrt, dem Be- suche Cöln’s und dem Fest-Concerte der Stadt Bonn findet statt im grossen Rath- haussaale,am Sonnabend den 19, am Montag den 21. und am Dinstag den 22. September jedesmal von 8—'/,10 Uhr Morgens. Y. Es wird dringend gebeten, die Stunde der Ab- und Rückfahrten der Eisenbahn ‚sowohl, wie der Dampfschiffe genau zu merken, da dieselben pünktlich inne gehalten werden müssen. -— DER Bonn, gedruckt bei Carl Georgi. Das große Mondrelief. Das vor mehreren Jahren von mir angefertigte grosse Relief der sichtbaren Monds- hälfte, welches bereits mehrfach in wissenschaftlichen Zeitblättern besprochen worden ist, war im Auslande aufbewahrt. Ich glaubte aber, dass die Herren Mitglieder und Theil- nehmer der in Bonn in diesem Monate September tagenden Versammlung deutscher Na- turforscher und Aerzte Interesse an dessen Beschauung nehmen könnten ‚ liess solches daher nach Poppelsdorf kommen und stellte dasselbe im dasigen Universitäts-Schlosse in dem Kuppelsaale auf dem ersten Stocke zur allgemeinen Besiehtigung auf. Indem ich zur Beschauung dieses Werkes ganz ergebenst einlade, enthalte ich mich jeder eignen Anpreisung desselben. Ueber dessen Werth liegen mir indessen sehr viele Zeugnisse und gedruckte Aufsätze vor, von welchen ich nur ein Attest des hiesigen Di- rektors der Sternwarte und Professors der Astronomie, Herrn Dr. Argelander, näch- stehend lediglich zu dem Zwecke abdrucken lasse, um denjenigen Herren und Frauen, welche sich dafür interessiren möchten, eine Andeutung der Strebepunkte zu geben, welche ich durch diese Arbeit zu erreichen gesucht habe. Zur Deckung der Transport- und Aufstellungs-Kosten bestimme ich den Eintrittspreis zu fünf Silbergroschen für jede Person. Universitäts-Schloss Poppelsdorf bei Bonn, 1. September 1857. Thomas Dickert, Conservator des naturhistorischen Museums der rheinischen Friedrich - Wilhelms- Universität. Attest. Die grossen Arbeiten über den Mond von Lohrmann einerseits ‚ andrerseits von Beer und Mädler haben uns eine Kenntniss der Oberfläche dieses ıunsres Satelliten geschafft, wie sie dem jetzigen Zustande der Wissenschaft entspricht, eine Kenntniss, die wohl erst nach längerer Zeit und durch die vereinten Anstrengungen Vieler bedeutend vervollkommnet werden kann. Die nach diesen Untersuchungen von ihren Urhebern selbst gezeichneten Charten geben ein klares Bild von der Mondoberfläche, aber erst nach sorg- fältigem Studium, nur demjenigen, der die conventionellen Zeichen für Gebirgsdarstellun- gen und Farbentöne zu lesen versteht. Für das grosse Publikum und selbst für den Mann von Fach, wenn er diesem Gegenstande nicht gerade besonderes Studium gewidmet hat, haben die genannten Darstellungen nur untergeordneten Werth. Es war daher eine glück- liche Idee von Herrn Conservator Diekert ‚ Jene conventionellen Zeichen in eine Jedem verständliche Form zurück zu übersetzen, indem er die Mondhöhen als Relief nach ihren wirklichen Dimensionen auf einer grossen Kugel, die ganze Fläche nach ihren na- türliehen Farben darstellte. Der Durchmesser dieser Kugel von 18 Fuss ist gross genug, um alle wichtigeren Gegenstände, die ein gutes Fernrohr auf dem Monde zeigt, in. hin- reichender Grösse und Deutlichkeit dem unbewaffneten Auge vorzuführen, zumal der Massstab für die Höhen der dreifache der Distanzen ist. Ueber die Treue, mit welcher die einzelnen Partien dargestellt sind, traue ich mir kein Urtheil zu, weil mir einmal die hierzu nöthige ins Detail gehende Kenntniss der Mondober- fläche abgeht, dann auch mir die Zeit zu einer sorgfältigen Vergleichung mit den Charten gefehlt hat. Bekanntere Gegenden, wie die Apenninen, die Ringgebirge Tycho, Plato und andre habe ich mit überraschender Wahrheit wiedererkannt. Aber auch für die Treue der übrigen Darstellungen bürgt mir die Sorgfalt des Herın Schmidt, der die ganze Arbeit, so weit sie das Wissenschaftliche betrifit, geleitet hat, und dessen genaue auf lang- jährige Anschauung gegründete Bekanntschaft mit dem Monde. Was aber den Totalein- druck betrifit, so kann ich diesen aus voller Ueberzeugung nur als einen höchst günstigen und naturgemässen erklären, sei es, dass man in der Nähe einzelne Partien betrachtet, sei es, dass man aus grösserer Ferne das ganze Modell überblickt. Bedient man sich zu dem letztern Zwecke eines mässigen Fernrohrs, in dem man durch das Objectiv hinein- bliekt, so erhält man ein verkleinertes aber desto schärferes Bild, welches selbst bei der mangelhaften Beleuchtung, in welcher das Modell hier aufgestellt war, auf eine überra- schende Weise den Eindruck wiedergiebt, den der Mond selbst bei schwachen Vergrös- serungen, wenn er voll ist, darbiete. Werden durch eine vortheilhaftere Beleuchtung . diese Vorzüge noch mehr hervorgehoben, und wird dieselbe namentlich so eingerichtet, dass sie die wechselnden Phasen zeigt, so bin ich überzeugt, dass Niemand ohne die höchste Befriedigung zu empfinden, diesen Anblick geniessen wird. Auf den Wunsch des Herrn Diekert nehme ich keinen Anstand, dieses mein Urtheil öffentlich auszuprechen und jede beliebige Benutzung desselben zu gestatten. Sternwarte Bonn, den 26. April 1853. Der Director derselben - Fr. Argelander. Auf Bestellung verfertige ich noch folgende naturgetreue orographisch- und geogno- stisch bedeutungsvolle Relief-Modelle von- verschiedenen Punkten der Erde: das Sieben- gebirge, den vulkanischen Mosenberg in der Eifel, die vulkanische Gegend von Bertrich an der Mosel, den See von Uelmen in der Eifel, die Steinkohlengrube Wellesweiler bei Saarbrücken, den Vesuv, die Insel Teneriffa, die Insel Palma, so wie auch von einzelnen Mondsgegenden, und sind von allen diesen Reliefen Exemplare in dem hiesigen natur- historischen Museum aufgestellt einzusehen. Thomas Dickert. \4 au ge “r Bonn, gedruckt bei Carl Georgi. en N on TAGEBLATT. mono: > DER 33. VERSAMMLUNG DEUTSCHER: halloaon) et: UND ÄRZTE IN BONN IM JAHRE 1857. Herausgegeben von den Geschäftsführern der Versammlung, Nöggerath und Kilian. - (Unter Mitwirkung des Herrn Professor Dr. 0,0.Weber und des Herrn Docenten Dr. R. Caspary.) Haren In er „tl Das Redaktions-Bureau 'ist Franziskanerstrasse] No;\ 1013.04, „ri - Das TAGEBLATT wird täglich, mit Ausnahme Sonntags, „vor Beginn, ‚der Sitzungen beim Herrn Oberpedell Odenkirchen j im Universitäts-Gebilide Unten, "links, Ausgegeben werden. Freitag, den 18 Saplember _ 1857.) ıt) Statuten der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte. E 1. Eine Krach deutscher Naturforscher und Ärzte ist am 18. September 1822 in Leipzig zu einer „Gesellschaft ‚zusammengetreten, welche den Namen: führt: aGenellschaft deutscher Naturforscher nd Ärzte.“ igoloieyı u .$ 2, Der Hauptzweck der Gesellschaft ist, den Naturforschern und Ärzten” Derkachidtde Gele- g senheit zu verschaffen, sich persönlich kennen zu lernen. 71x 83... Als. Mitglied wird jeder «Schriftsteller im -naturwissenschaftlichen und irztlichen Fache ag . Eine ‘besondere Ernennung zum Mitgliede findet nicht Statt, und Diplome werden nicht $. 6. Beitritt haben Alle, die sich wissenschaftlich mit Naturkunde oder Medicin "beschäftigen. $. 7. Stimmrecht besitzen ausschliesslich die bei den Versammlungen a Mitglieder. 88: Alles wird durch Stimmenmehrheit entschieden.» | 8. 9. Die Versamnilungen finden jährlich, und zwar bei offenen Thüren Statt, ‚fangen jedesmal it dem. 18. September an, und dauern mehrere Tage. , 51) 5 10. Der Versammlungsort wechselt. Bei jeder Zusammenkunft wird derselße: für nächste i äufig. bestimmt. BERBREROET pn » Ein ‚Geschäftsführer und ein Seeretär, welche im Orte der Versiminlnag: wohnhaft . issen, Kahl, die’ Geschäfte -bis »zur nächsten Versammlung» „u $. 12. Der Geschäftsführer bestimmt Ort und Stunde der‘ Vehsshmlung, und‘ öräner di Arbeite halb jeder, der etwas vorzutragen hat, es demselben anzeigt. ae ) 8.13. Der Secretär besorgt das Protokoll, die Rechnungen und den! Br reehsels 8. 14. Beide Beamten unterzeichnen allein im Namen der Gesellschaft. 4, Sie, setzen; erforderlichenfalls, und zwar. |zeitig genug, die. betreffenden Behörden von der ächst bevorstehenden Versammlung in, Kenntniss, ‚und , machen sodann den dazu bestimmten Ort ntlich bekannt. 2 $. 16. In jeder Versammlung werdendie Beamten für das nächste Jahr gewählt. Wird die Wy3hl ni t angenommen, so schreiten die Beamten zu einer andern; auch wählen sie nöthigenfalls Geissler, Heinrich, Mechaniker. Bonn. Chemie. Geller, W.,Dr. Med. Ahrweiler. Achterstrasse 47. Mediein. Gerhards, Beigeordneter. Bonn. Geologie. Georgi, C., Buchdruckereibesitzer. Bonn. Physik. Gronert, Ferdinand, Dr., Stabs-Bataillonsarzt. Siegburg. Bonngasse 515. Medicin. Gräfinghoff, J. C. Bauinspector. Bonn. Geologie. Grauer, A., Director einer Heilanstalt. Eichberg. Mediein. Gosebruec Hr Stud. Med. Oberlahnstein. Mediecin. Haas, Th., Chemiker. Esslingen. Chemie. | } Hirsch, A. Dr., Arzt. Danzig. Haumann, A., Polytechniker. Haedenkamp, Dr. Hamm. Bei Hecker. Physik. Hensel, C©., Buchhändler. Wiesbaden. Geologie. Hörschelmann, Ed., Dr, Med. Dorpat. Trierscher..Hof. Chirurgie. Henseler, Oberbergamtsreferendar. Hagen, J., Pharmaceut. Aachen. macie. Münsterplatz 134. Mediein. Carlsruhe. ‚Chemie. Bonn. Geologie. = Maargasse 401. Phar- Harder, A. v., Mineralog. Dorpat. Geologie, Hilgers, Dr. Professor, Oberlehrer. Aachen. Bridergasse: Physik. Hoffmeister, Landgerichtsassessor. Bonn. Weberstr, 1. Physik. Hagen, Carl, Gutsbesitzer. Bonn. Maargasse. Agronomie. Haun, C., Cand. Med. Bonn. Mediein, Hopmann, C., Advooat-Anwalt. Bonn. 279: Geologie: Hecker, C., Kaufmann. Bonn, Coblenzer Strasse. Geologie. Heinrich, J., Kaufınann,. . Bonn. ‚Sandkaule. Chemie. Heymann, .J. B.,-Hüttenbesitzer., Bonn. . Geologie. Habicht, Tobias, Buchhändler... Bonn. ‚Geologie. Heymann, Hermann, Bergwerksexpect. _ Bonn. strasse 641. . Geologie, Hoffmeister, August, Rentner. Hauptmann, Peter, Rentner. Chemie. Ingenohl, Friedensrichter. Bonn. Weberstrasse. Agronomie. Ingenmey, Canzleirath. Bonn, Joseph- Bonn. , Geologie. Bonn. ‚ Poppelsdorfer Allee; Iltgen, Joseph, Cand. Med. Cöln. ‚Mediein. Kayser, Bergmeister. Dillenburg. Geologie. Krich, @. F., Dr. Med. Dorpat. Trierscher Hof., Medicin, Katz, Kaufmann. Bonn. Geologie. Kaufmann, Bürgermeister. Bonn. (Geologie. Königs, Fr. W,, Handelskammer-Präs. Cöln. Geologie. Kyllmann, &., Rentner- Bonn. Geologie. Köhler-Bockmühl, Rentner. Friesdorf. Chemie. Kallenberg, R., Rentner. Bonn. Geologie. Kötteritz, Baron von, Stud. Bonn. Achterstrasse 13% Chemie: Klein, Dr., praktischer Arzt. Kohnchkin, Stud. Göttingen. Kratz, F. J., Landgerichtsrath. Botanik. Kühtze, Apotheker. Crefeld. Hötel Royal. Köppel, Stud. Med. Bonn. Rheingasse 913. Lewinstein, G., Dr. Heidelberg. Chemie. Lampe, C., Stud. Med. Mannheim. Meckenheimer Strasse. Anatomie. Laufenberg, Fr., Advocat-Anwalt. Bonn. Geologie. Löhnis, H., Kaufmann. Bonn. Coblenzer Strasse. Geologie. Lange, Otto, Dr. Med., Bonn. Clinik. Mediein. Mandt, Dr., Arzt. Oberlahnstein. Chirurgie. Mohr, Carl, Chemiker. Coblenz. Chemie. Mayer, Advocat. Anwalt. Born. Wilhelmstr. 15. Physik. Matthäi, Landphysikus. Gronau. Markt bei Hüsgen. Mediein. Mengelberg, Apotheker. Bonn. Pharmaeie. Mönnig, J., Dr. Med. Rees. Medicin. Meyer, J. 3 F., Kaufmann. Hamburg. Im goldnen, Stern Chemie. Meyer, J.H.C. A., Stern. Geologie. Magarly, Graf, Dr. Med. Livland. Medicin. Bonn. Medicin. Hötel Kley- Cöln. Physik. Sternstrasse 300. Chemie. Botanik. Kaufmann. Hamburg. Im goldnen Merrem, Landgerichtspräsident. Bonn. Michels, Louis, Dr. Med. Creuznach. Remigiusstrasse bei Gerhards. Mediein. Münch-Bellinghausen, Baron von, Kammerherr und Geheimerath. Cöln. Agronomie. Müller, Joseph, Stud. Med. Aachen. Anatomie. Marx-Hansemann, Kaufmann. von Monschaw, Notar. Bonn. M u, Th., Stud. phil. Bonn. Moll, „ Cand. Med. Bonn. Mediein. M eyer, "Stud. Math. Bochum. 1274G. Physik. Mörsen, J., Cand. Pharm. Bonn. Endenicher Strasse. Botanik. Bei Hoffstätter. Bonn. Geologie. Physik. Marcus, Gustav, Buchhändler. Bonn. Zoologie. e Morsbäch, Th., Institutsvorsteher. Bonn. Weberstr. 24. Chemie. . R 7 Neumann, K., Gymnasiallehrer. _Burgsteinfurt. Physik. Nienhaus, Fr., ‘Chemiker. Coblenz. Chemie. . Nacken, Arthur, Advocat-Anwalt. Cöln, Geologie. Neufville, W.: v., Gutsbesitzer. Medinghofen. Agtonomie. Nettekoven, Bergbeflissener. Bonn. Geologie. Nockher, Ferdinand, Dr., praktischer Arzt und Geburts- helfer. Siegburg. Mediein, Neuhäüser, J., Dr. und Privatdocent. Bonn. Anatomie. Oppenhoff, Universitäts - Secretair.” Bonn. Wenzelgasse. | Geolögie. Oyerbach, Geiichtsschreiber. Bonn. Coblenzer Strasse 7. ‚si@eologie. ! Oster, Alex., Fabtikant. Bonn. Breitengrabenweg. Chemie. Oppenhoff, F. J., Hüttenverwalter. Siegen. In Godes- berg bei Blinzler. _ Geologie. Pfeiffer, Emil; Fabrikant. Cöln. Pirgemann, Caplan. Dottendorf, Astronomie, : Plieninger, Stüd. jur. Stuttgart." "Hötel Kley.' Geologie. Pritekn er, Chr.,"Chemiker. "Hof. ' Giergasse. Chemie, Pütz, J., Kaufmann. St. Louis. Cölnthor 4. Geologie. Poznanki, Franz’Y., Dr. Med. St. Petersburg, Mediein. Pörcher, Joseph, Architeet. Bonn. Weberstr. 50. Physik. Pascal, H,, Rentner. Bonn. Weberstrasse 9. Geologie. Peters, Eberhard, Dr. Med. Endenich. Mediein. Peters, L., Rentner. Bonn. Pütz, F. J., Hauptsteueramts - Rendant. A.130. Geologie. Pellmann, A., Dr. Bonn. Meckenheimerstrasse 31, Physik. Pieper, Heinrich, Dr. Bonn. Chemie. " ; : Petri, G., Wundarzt. Heiligenkreuz in Steiermark. Pletzer, H., Dr. Arzt. "Bremen. ' Mediein. > Prieger, H., Dr. Med. Kreuznach. Medicin. Rath, R. vom, Kaufmann. Cöln. Reininger, J. G., Apotheker. Sachsenberg. Botanik. Ruys, M., Natürforscher.. Rotterdam. Hötel Royal. Rieth, Reiner, Stud. Bonn. Geologie. Rapp, E., Rentner. Bonn. Weberstrasse 20. Rutenberg, G. H., Dr., Advocat. Chemie. Bonn. Cölnthor Medicin. Geologie. Frankfurt a.M. Stern- strasse bei Lanser 129. Anatomie. vom Rath, J. ?., Kaufmann. Cöln. Agronomie. Remacly, Oberlehrer.. Bonn. Physiologie, Rath, E., Advocat-Anwalt. Bonn. Geologie. Remacly,C., Stud. Med. Bonn. Chemie. Rospatt, Joseph, Dr., Professor. Münster. Maargasse. Astronomie. - Richard, Hypothekenbewahrer. Bonn. Giergasse 952. Physiologie. j Rolffs, Ernst, Fabrikbes. _Siegfeld bei Siegburg. ' Chemie. Rödder, Kaufmann. _ Cöln. i Sopp, Versuchschemiker. Bonn. Schallenberg, J. G., Maler. Chemie. Sieveking, J. P., Dr. phil. logie. “3 Schell, A., Departements-Thierarzt. Agronomie. Bonn, Münsterplatz 132. Altona. Hötel Royal. ‚Geo- Fu EA Bonn. Agronomie. Schulz, B., Cand. Med. Bonn. Medicin. Simrock, P. J., Musikverleger. Bonn. ‚Physik. Simrock, Dr., Arzt. ‚Bonn. Medicin. Schubert, W., Architect. Poppelsdorf. Astronomie. " 5 a .nıgdaotl M build „waroHh ao. I | | Fortsetzung folgt in Nro.'%. ı Wenckenbach, F., Bergmeister. Sträuven, H., Oekonom- Bonn. Agronomie. Schüller. Bonn. Baumschule. Botanik. Schmidt, M., Stud. Med. Frankfurt a. M. bei Lanser 129. Anatomie. Sievers, H. D., Kaufmann. Bonn. Geologie. i Sell, Carl, Dr., Geheimerath und Professor.’ Bonn. Physik. Schilling, H., Dr. Livland. Schmitz, P. Dr., praktischer Arzt. Bonn. Schwarze, Oberbergrath. Bonn. Geologie Schwärze, Bergwerksdirector. Neuwied. Geologie. Schmitz, Joseph, Hotelbesitzer. Bonn. Im Stern. nomie., i Sehmitz, Georg, ‘Candidat der Mediein. Bonn. Achter- strasse 218. Mediein. . Schrey, Jöhann. Lehrer. Solingen. „Physik. | Sandt, v., K. Ländrath. Bonn. Physik. Schlass, E., Dr. Med. Paris. Mediein. Te Schütz, Emil, Dr. Arzt, "Calw. Medicin. ai Schlönbach, A., ‚Salineninspector. Liebenhalle. Bei Po- ‚lizeiinspector Schlönbach. "Geologie- : Schasching, Dr. Med. Linz an der Donau. Viehniarkt 164. Psychiatrie. ; " e Schüllerup, Tycho, Stud. Gerhards. Chemie. ‚ me Thiel, W., Rechnungsrath. "Bonn. Mn " Be" Thelen-Petazzi, G., Kaufmann. Bonn. Geologie. Thelen, M. J., Dr. Med. Eilendorf. Clinik. Mediein.. Tietz, Arnold, Pharmaceut. Bonn. Coblenzer Strasse 11, Botanik. . \ Trompetter, G., Bergbaubellissener. Bonn. Meckenhei- er Strasse 28. Geologie. sy Rn Trellenkamp, W., Maler.. Düsseldorf. Physik. Vogelsang, Hermann, Bergwerksexpectant. Bonn. logie. R j Vogelsang, Stud. Med. Bonn. Anatomie. Weerth, Ernst aus’'m, Dr. phil. _Kessenich. Woodman Cyrus, Advocat. Bonn. Geologie. Wiesmann, ‚Fabrikbesitzer. Bonn. Chemie. Werner, K. ‚ Major a. D. Bonn. Vor dem Cölnthor. "Geologie. Wachendorf, Th., Apotheker. Bonn. Belderberg. Chemie. Wentz, Administrator. Poppelsdorf. Agronomie. Wolferz, Jul., Arzt. Kasan. Markt. Mediein. - Wrede, C. A., Rentner. Bonn. Vor dem Coblenzer Thor. Pharmacie. 7 Sternstrasse Agro- Markt bei Winnertz. j Göttingen. Römerplatz bei Geo- Zoologie. Wiesmann, W., Fabrikbesitzer. Bonn. Chemie. Weber, E., Buchliändler, Bonn. Geologie. Wrede, M., Apotheker. Bonn. Chemie. Dillenburg. _ Geologie. Winter, G., Grubenbesitzer. Limburg. Geologie. Wichmann, G.,. Dr. Med. Wolfenbüttel. _Hötel Rheineck. Medizin. - ee: . Wendelstadt, Kaufmann. Cöln. Chenie. Winnecke, Dr. phil. Bonn. Astronomie, tn] Zartmann, A. Z., Di. Med. Bonn, Medicin: a Zirkel, Oberlehrer. Höhn. 464. ‚ Physik. er "Zirkel, Ferdinand, Bergwerksexpectant. Bonn. Geologie. Z,aghariä,, Grubendireetor, „Baden. Im goldnen Stern. “ Geologie. - ii Be Zündoprff,.W.,, Chemiker. Deutz. Chemie. imo) i nen Al isis19osmain: ‚binarl "; 1%) nold« .nuok „u ur 4.6 ri) ianstoll ‚na hä S dual imad“ sau sadia denn io») sisibsM .Tt } ! ' 1sH 93) i { Rs 105» PAUDECT is ort xamoil ‚sigolos!) ‚anod ot: i eito wis mioibolt ‚wiodloit i it „A .190sıB 5 ‚a9arül nivibe! “ti lad) eli ‚Duiä „d 03) Bonnsigedruckt bei Carl Georgi. ») suouailasi iimad) „dA 2+;H “ Ta a nn. on TAGEBLATT DER 33. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN BONN IM JAHRE 185%. Herausgegeben von den Geschäftsführern der Versammlung, Nöggerath und Kilian. (Unter Mitwirkung des Herım Professor Dr. 6.0. Weber und des Herrn Docenten Dr. R. Caspary.) Das Redaktions-Bureau ist Franziskanerstrasse No. 1013. Das TAGEBLATT wird täglich, mit Ausnahme Sonntags, vor Beginn der Sitzungen beim Herrn Oberpedell Odenkirelien im Universitäts- Gebäude unten, links, ausgegeben werden. NM 2. Samstag, den 19. September 1857. Protocolil der ersten allgemeinen Sitzung am 18, September 1857. - Um 11 Uhr, wurde die Sitzung durch Herrn Professor Dr. Nöggerath eröffnet, und hielt derselbe die Begrüssungsrede. * Darauf schritt Herr Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Kilian zur Vorlesung der Statuten, nachdem er auf die Bedeutung einzelner Puncte. derselben aufmerksam gemacht hatte. Derselbe verlas ver- schiedene Schreiben, welche an die Versammlung eingelaufen waren, unter diesen 1) ein Schreiben des Herrn Regierungspräsidenten Kühlwetter zu Coblenz im Auftrag Ihrer Königl. Hoheit der Frau Prinzessin von Preussen erlassen, worin Höchstdieselbe die Versammlung aufforderte, das Kö- nigliche Schloss zu Coblenz zu besuchen, und es von Höchstihrem Befinden abhängig machte, ob sie selbst der Versammlung begegnen würde; .,2) ein Begrüssungsschreiben desselben im Namen des Kö- lichen Oberpräsidiums der Rheinprovinz; 3) ein eben solches des Königlichen Ober bergamtes zu Bonn, worin die Mitglieder der Versammlung zum Besuch der bergmännischen Institute der Rheinprovinz aufgefordert wurden. 4) Ein Antwortschreiben des Freiherrn ae v. Humboldt auf die an ihn gerichtete Einladung zum Besuch der Versammlung, welches mit lebhaftem Beifall ge- hört wurde. Daran schloss Herr Professor Nöggerath den Antrag, dass die Gesellschaft als Ehren- bezeugung für den verehrten Briefschreiber sich allgemein erhebe, und ihm durch den Telegraphen sogleich Kunde von dieser Ehrenbezeugung gegeben werde. Beides wurde ausgeführt. 5) Ein. gleiches Antwortschreiben von Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Stephan zu Schauenburg. Daran schlossen sich Begrüssungsschreiben der geographischen Gesellschaft in Wien und der Pollichia. Dr. ©. H. Schultz Bispontinus aus-Deidesheim stellte brieflich den Antrag an die Statuten dem Gesellschaft die Bestimmung aufzunehmen, dass keine gedruckten Abhandlungen in den Sitzungen vorgelesen werden dürften. Der Gegenantrag des Herrn Professor Nöggerath in dieser Beziehung, an den Statuten Nichts :zu ändern, ‘wurde mit Acelamation angenommen. ‘Herr Geh.-Rath Kilian schloss mit ‚einigen geschäftlichen Bemerkungen. Herr Bürgermeister Kaufmann begrüsste die Versammlung im Namen der Stadt Bonn. Herr Prof, Schultz-Schultzenstein sprach über den Werth der Natur - Wissenschaften für die menschliche Bildung, und sprach seine Ueberzeugung, dahin aus, dass eine Verjüngung dieser Wis- Senien eintreten müsse, indem man es aufgebe de organische Leben auf todte Kräfte zurückführen zu wollen. Prof. Mädler sprach über Fixsterne. Die Bewegungen der einzelnen Fixsterne sind nicht im solcher Weise geordnet, dass man sie mit der Annahme einer Centralsonne vereinigen könnte. Auch die Annahme von Partialsystemen erscheint unstatthaft, weil für die, Erklärung der Grösse gemessener Bewegungen einzelner Fixsterne die Centralmassen, wenn solche existirten, eine unglaublich grosse Masse haben müssten. - Man müsste vielmehr ‚den Schwerpunet' des Fixsternsystems als; Centrum der Bewegung betrachten, welcher auch im leeren Raum ‚liegen könne. Wenn das System eine Kugelform az mit nahehin gleiehmässiger. Vertheilung der Massen im Innern der Kugel hat, so würde die Umlaufs- zeit der einzelnen Massen nahehin gleich gross werden, so dass das Ganze von einem der mitbewegten Sterne gesehen, fast unbewegt erscheinen muss. Eine bestimmtere Entseheidung ist erst von späteren Jahrhunderten zu erwarten, denen längere Beobachtungsreihen vorliegen. Der Vortragende suchte es wahrscheinlich zu machen, dass der Centralpunet in der Gegend des Stieres liege, vielleicht in der Ple- Jadengruppe, da deren scheinbaren Bewegungen am besten mit dieser Annahme zu stimmen schienen. Damit stimmen. die Durchschnittszahlen für die Grösse und Richtung der Sternbewegungen in den ent- fernteren Zonen des Sternhimmels. Herr Hamel hielt einen Vortrag darüber, wie die früher in Bonn abgehaltene Naturforscher- Versammlung Veranlassung geworden sei, die in Russland von Baron Schilling von Canstadt aus- geführte eleetro-magnetische Telegr: hie nach England zu übermitteln. Vorher hatte nur der Sömme- ringsche electro-chemische Telegraph in München existirt. Der Vortragende schloss daran eine Ge- schichte der weiteren Entwickelung der elektrischen Telegraphie. Heır v. Siebold erwähnte, dass er selbst Zeuge der Versuche des Herrn Baron Schilling im Jahre 1834 gewesen sei. Dr. Drescher aus Frankfurt erwähnte einige Deutsche, welche um die practische Ausbreitung der Telegraphie verdient sind, insbesondere die Namen Bunsen und Gerling. Einleitende Sections - Sitzungen. Botanische Section. Oberst v. Sieb old zum Präsidenten für Samstag, ernannt. Angemeldete Vorträge: Prof. Schultz-Schultzenstein: über Lebenssaftgefässe. ” Oeconomie-Rath Bronner, aus Wisloch: über die wilden Trauben. Dr. K. Fr. Schimper, aus Mainz, nach Vertheilung einer gedruckten Festgabe an sämmtliche Anvwesende:; nützliches Allerlei von der ganzen Pflanze; Auswahl förderlichster Thatsachen aus der Morphologie. Prillieux sur la dehiscenee de la capsule des Orchidees. Zoologische Section. Nach einer Begrüssung der Anwesenden durch Herrn Professor Troschel, schritten ee © zur Wahl des Präsidenten für den folgenden Tag. Dieselbe traf Herrn Professor van Beneden, würde von diesem angenommen. N i R Angemeldete Vorträge: Dr. Verloren: Woalakung einiger Zeichnungen von Eingeweidewürmern. Hofiath Kubinyi: zoologisehe Bemerkungen auf einer Reise durch. Deutschland, Belgien und Holland. : ; Dr: Sonnenbur g: über Aristoteles als Zoologen. Physicalische Sectiom Zum Präsidenten für die erste Sitzung, Samstag den 19. Sept., wurde erwählt Prof Dove. Angemeldete Vorträge: 5 kiss] Prof. Böttger: über den dureh Electrolyse von Chlorantimon an der Kathode resultirenden interessanten Körper. . k Dr. Fuchs: über den Einfluss der Meteorologie auf epidemische Krankheiten. ne Inspeet. Meyerstein: über das Speetrometer, Instrument zur Bestimmung der Brechungs- ‘und Zerstreuungs-Verhältnisse verschiedener Medien. ö \nande Ober-Bergrath Althans: neue Beiträge zum Kosmos. .i Chemische Section. Für die nächste Sitzung ward zum Präsidenten erwählt: Hr. Prof. Schrötter aus Wien \ Es wurde beschlossen, die chemische Section mit der physicalischen versuchsweise in so weit zu > 2 TERBELTLOEETEZLER WE u 7 — IV — vereinigen, dass beide in demselben Loeale (Audit. XIV.) nach emander ihre Sitzungen Kälten und der Anne der Vorträge der chemischen Section auf Sonnabend den 19. Septbr. um 10 Uhr festgestellt. . Angemeldete Vorträge: Dr. Abl, k. k. Official der Militär-Medieamenten Branche: ‚Originalvortrag über comprimirte Arzneikräuter. \ Schieschkoff: über Knallsäure und ihre Derivate. _ Weltzien: über Einwirkung der wasserfreien Phosphorsäure auf Harnstoff. Carl Mohr: über das Verhalten des Eisenchlorids zum Jodwasserstoff. Dr. Witting, jun.: über das Blut der Crustaceen und. Mollusken. E. H. v.Baumhauer: über die Einwirkung von Salzsäure auf salpetersaure Salze und von Sal- petersäure auf Chlormetalle. j f 3 Dr. Wöllner: über Fabrikation des Kalisalpeters aus salpetersaurem Natron. Agronomische Section. Auf Vorschlag des Einführungs-Präsidenten des Hm. Direetors Dr. Hartstein wird die Wahl eines definitiven Präsidenten auf die erste Sitzung, Samstag den 19. Septbr. verschoben. Ausserdem wird beschlossen, den morgenden Tag zur speciellen Besichtigung der Einrichtungen der höheren land- wirthschaftlichen Akademie in Poppelsdorf zu benutzen. Maihematisch - astronomische Section. Prof. Argelander eröffnete “die Sitzung mit- der Anzeige der neuesten Planetenentdeckung am 15. September durch Dr. R. Luther in Bilk bei Düsseldorf. : Sodann wurde zur Wahl des Präsidenten für morgen geschnitten ; die Wahl fiel auf Hexın Staatsrath Mädler. Angemeldete Vorträge: „Prof. H eis: über die, Steraschnuppen der letzten Augustperiode. Dr. Cantor: über einige Mathematiker des 16. Jahrhunderts. Anatomische und physiologische Section. Zum, Vorsitzenden für die Sectionssitzung am. Sanıstag wird Prof. van der Kolk per Accla- mation gewählt. u Auf Prof. Helmholtz’s Vorschlag wird der Anfang der Sectionssitzung am Samstag wegen Collision mit der Kartenvertheilung. zur Festfahrt auf dem Rathhause auf 9 Uhr festgestellt. Chirurgische Section "Auf den Vorschlag des einführenden Präsidenten des Herrn Prof.'Dr. Busch wurde der. Geh, Med.-Rath, Professor Dr. Wutzer zum Präsidenten der folgenden Sitzung ernannt. «“° Zu permanenten Secretären werden die Herren Prof. Dr. 'C. ©. Weber und Dr. Fleischer aus-Bonn bestimmt. Die Debatte über eine etwaige Trennung der Ophthalmiatrik wird auf die morgende Session verschoben. Angemeldete Vorträge: 1) Sur, la part de la Mecanique dans les progres recents de la Chirurgie. Dr. Le Roy d’Etiolles aus Paris. 2) Ueber den sogenannten Epithelialkrebs. John Zach. Laurence aus London. 3) Zur Diagnostik der Krankheiten des Gehörorganes. Dr. Erhard aus Berlin. 4) Ueber Scoliose und deren Behandlung durch die Selbststreckungs- Methode. Dr. Parow aus a) oben Luxatio congenita patellae. Sanitätsrath.Dr. Eulenburg. in Berlin. 6) Sur l’emploi chirurgical du: Bandage platre., Von:Dr. van de Loo aus Venlo. Mit Demon- ' strationen. 7) Hofrath Prof. Dr. Ruete aus Leipzig: über ein neues Ophthalmotrog oder Myometer. 8) Dr. Rothmund: Mittheilung einiger Beobachtungen. Von diesen Vorträgen wird der des Herın Dr. Le Roy erst am Montage gehalten werden können. Gynäkologische Section Auf den Vorschlag des Einführenden, Herrn Geh. Med. -Rath Prof. Dr. Kilian, wurden die Stunden von 9—11 Uhr Morgens als Versammlungszeit bestimmt. Ferner wurde Geh. Rath Dr. Kilian zum BEFmaneReR, Präsidenten der Section und zu seinem Stellvertreter für die nächste Sitzung Herr Prof. Dr. Zitzmann aus Kiel, zum Secretär der Herr Privatdocent Dr. Spiegelberg aus Göttingen erwählt. . { Nächste Sitzung am Samstag den 19. Angemeldeter Vortrag: Dr. Büchler aus Darmstadt: über die doppelte. Darmnath. Psychiatrische Section. Die Section wurde.von dem Einführenden mit einigen einleitenden Worten eröffnet; er schlug sodann den Med.-Rath Mansfeld aus Braunschweig zum Präsidenten für den morgenden -Tag vor, womit ‚die Sections-Mitglieder einverstanden waren. Es wurde ferner beschlossen: die Seetions- Sit- zung auf eine Stunde, und zwar auf die Stunde von 10—11 zu beschränken. An Vorträgen waren angemeldet: j n Dr. Richarz: über das Wesen und die Behandlung der Melancholie mit Aufregung. 2) Derselbe: über die verschiedene Beschaffenheit der Pupillen bei Irren. * 3) Prof. Dr. Albers, über die physiologische und therapeutische Wirkung und: Anzeige des Gs- ‘/ brauchs der Digitalis und des Digitalins bei Irren. Reise nach Paris. Der Geschäftführung ist es gelungen, durch Unterhandlungen mit den verschiedenen Eisenbahnen für alle diejenigen Mitglieder und Theilnehmer der 33ten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, welche eine Reise nach Paris beabsichtigen, eine höchst ansehnliche Reduction des Fahr- preises zu erwirken. Es werden Reise-Billets zu Wagen I. Klasse ausgegeben erden und zwar nicht früher, als vom 22. September an. DI. Dieselben gelten für die Hin- und Rückreise uud kosten 59 Fres. oder 15 Thlr. 27 Sgr. — Einzel-Billets bloss für eine Hin- oder eine Rückreise werden nicht verabfolgt. III. Die gelösten Billets haben Gültigkeit vom 22. September an.bis zum 12. October inel. IV. Das erste Billet, dasjenige zur Hinreise nämlich, berechtigt zum beliebigen Aufenthalte in Brüssel und wird zu Paris abgenommen. Das zweite Billet gilt zur Rückreise von Paris über Erquelines. V. Die ausgegebenen Billets sind, wohlgemerkt, Personalkarten und können hier in Bonn beim Bahnhof-Inspector Herrn Hoffmann gegen Vorzeigung der Naturforscher - Karte und eigen- händige Quittung in Empfang genommen werden. 7 VI Auch die Damen, welche in Begleitung, der Herren Naturforscher und Ärzte hier anwe send sind, können auf eine gleiche Reisebegünstigung Anspruch machen. 7 VI. Da der Preis von 59 Fres. für die Fahrt von Cöln aus berechnet ist, so müssen diejenigen, welche ihre Billets hier nehmen, noch ausserdem eine Karte für die Reise von hier nach Cöln lösen. ,, ANZEIGEN. ® Die statutenmässige Generalversammlung der Mitglieder des „Vereins für gemeinschaftliche Ar- beiten zur Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde“ findet am Montag, den 21. Septbr., Morgens 10. Uhr, im Sitzungslocale der Section für praetische Mediein Statt. Die anwesenden Mitglieder, so wie diejenigen Herrn, welche sich für den Verein interessiren, werden dazu ergebenst eingeladen. h Beneke, Dr., d. z. Secretär des Vereins. Die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und gerichtliche Psychologie hält ihre Sitzung nach der psychiatrischen Section, also Samstag von 11-12, in dem Sections-Loeale für Psychiatrie. Der I. Secretär. er ‘ % — 13 — Erste Ankündigung des Cyclus organisch verbundener Lehrbücher sämmtlicher medicinischen Wissenschaften. (Verlag von M. Schauenburg & Comp. Lahr.) Im Einverständniss mit den Herrn Mitarbeitern des obengenannten umfangreichen Werkes, dessen Aufgabe es ist: in klar und bündig, nach gemeinsamem Plane und im Sinne der exacten Naturforschung verfassten Einzelwerken den gegenwärtigen Standpunkt der Gesammtmediein zu bezeichnen, darf ich miv um so eher erlauben, der 33. Versanımlung; deutscher Naturforscher und Aerzte die erste Anzeige von dem Erscheinen dieses Lehrbücher-Cyelus zu machen, als den Männern und Mäcenen der Wissenschaft nicht bloss deren Pflege und Bereicherung, sondern auch ihre Lehre und Verbreitung als Gewissenssache obliegt. Der Cyelus strebt beiden, gleicherhabenen Zielen nach, obgleich die Lehre der medieinischen Döctrinen sein Hauptziel ist. Denn er steht nicht nur auf dem Boden der neuesten Errungenschaften, er stellt weitere Förderung der Wissenschaft auch dadurch in Aussicht, dass er den Lernenden die Wege anweist und durch seine Eigenthümlichkeit die Verfolgung derselben erleichtert. Umständliche und zumal hypothetische Detailerörterungen bleiben dieser Tendenz wegen ausge- schlossen. Sie müssten. es erschweren, dem ‘Werke seinen einheitlichen Charakter zu erhalten und es überhaupt in plangemässer Weise zu Ende zu führen. Bereits ist es gelungen, von den verschiedensten Punkten Deutschlands her die geeigneten Spe- cialisten zur Bearbeitung der Einzeldoctrinen-zu gewinnen. Der Druck mehrerer Werke hat begonnen und wird unausgesetzt gefördert.. Für typographisch schöne und: durch. bildliche Beigaben ‚angemessen illustrirte Ausstattung ist jede Sorge getragen, wie aus den inmeiner Wohnung (Neuthor 55 parterre) zur Ansicht vorliegenden Probebogen der zuerst erscheinenden Werke ersichtlich ist. . Hier ist es nicht statthaft, auf die Einzelheiten des Werkes eines Näheren einzugehen, wozu Pri- vatzusammenkünfte die bessere Gele&enheit ‚bieten. Zum Behuf genauerer Kenntnissnahme dienen übrigens auch die Prospeete des Cyelus. - Dieselben werden am Tage ihres Eintreffens mit dem Ta- geblatte ausgegeben werden. Ich füge nur noch bei, dass die Ausgabe der ersten eneyklischen Werke sehr bald erfolgen wird und dass es Absicht ist, den Gesammt-Cyelus im Laufe der nächsten 2—3 Jahre vollendet zu haben. Wegen seines Zweckes, in Betracht der für seine innere und äussere Zweckmässigkeit getrage- nen Sorge und mit Hinweis auf die Leichtigkeit, mit der er ganz oder theilweise Jedermann zugängi ist, wird der Cychus schon jetzt der gütigen Aufmerksamkeit der versammelten Naturforscher un Aerzte wie des medieimischen Gesammtpublikums auf das Angelegentlichste empfohlen. Bonn, 15. Sept. 1857. Herausgeber des Oycelus Dr Schauenburg. Um jede Irrung zu vermeiden, halten es die Unterzeichneten für Pflicht, noch besonders darauf aufmerksam zu machen, dass sämmtliche vertheilte Karten durchaus Personal-Karten sind, und dass in jedem abweichenden Falle die vorgefundene Karte vernichtet werden wird. Bonn, den 15. Sepbr. 1857. Die Geschäftsführer der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte: Dr Nöggerath. Dr Kilian. Die auch im Auslande wohl bekannte Mineralien-Sammlung des Dr. Chr. A. Zipser zu Neusohl in Ungarn, wird aus freier Hand zum Verkaufe angeboten. Sie besteht aus mehr denn 3000 Exemplaren, enthält grösstentheils Hungariea in möglichst gleichem Formate und guter Auswahl, und ist ganz geeignet für ein Gymnasium ‘oder eine höhere Lehranstalt. — ‚Nähere Auskunft ertheilt auf portofreie Anfrage D" Chr. A. Zipser, Professor zu Neusohl in Ungarn. Die Herren Mitglieder und Theilnehmer werden darauf aufmerksam gemacht, dass die Vertheilung der Karten zur Festfahrt nach Stolzenfels und zurück nur aım Samstag den 19. d. WM. von Morgens S—ı10 Uhr auf dem Rathhause stattfindet, und dass Niemand ohne eine besondere Karte Zutritt auf den Dampfschiflen erhalten kann. 14 B. Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Freitag den 18. Abends erklärt haben. Mi Arnoldi, K. W., Bialloblotzky, Fr, Dr. Göttingen. Deutscher Hof; Geologie. ' Borsche, J., Dr., Dr. phil. Leiden. Bei Clason. Physik. Beneke, F. W.,:Dr. Med. und Hofrath. Marburg. Bei C. Hecker. Medicin. Braun, A., Professor der Botanik. Berlin. Poppelsdorfer Schloss. Botanik. t Braun, M., Oberingenieur. Altenberg. Poppelsdorfer Schloss Geologie. Breslau, B., Privatdocent. München. Brüdergasse 1004. Gynäkologie. Bönninghausen, ©, W,, Regierungsrath- a. D;; Münelen. Cölntbor bei Edelbruck. Botanik, Blasius, Geheimer Medieinalrath und Professor. Halle. Bei Geheimerath Wutzer. Chirurgie. Brassai, $S., Mitglied der ungarischen Academie. 'Pesth. Hötel Royal. Botanik. Bley, LE. F., Medieinalrath. Bernburg. Hötel Rheineck. Chemie. Brosius, Dr., Direetor. Bendorf. Brüdergasse b. Fleischer. Psychiatrie. Bronner, Oekonomierath. Wiesloch. Botanik. Boschan, Fr., Dr. Med. und Brunnenarzt. Franzensbad. Im Stern. Mediein. Baur, Bergmeister. Eschweiler. Oberbergamt. Geologie. Boeck, Professor. Christiania. Im goldnen Stern. Chirurgie. B&court, Dr. Med. Paris: Iın goldnen Stern. Chirurgie. Blum, R., Dr., Professor. Heidelberg, Bei Gordon. Geo- logie. Borne v. d., Bergreferendar. Bochum. Bei Sopp. Geologie. Baum, Hofrath und Professor. Göttingen. Im Stern. Chi- rurgie. Beneden van, Professor. Löwen. Zoologie. Bary de, A., Professor. Im Stern. Botanik. Buysballot, Dr., Director des Meterol. Instituts. Hötel Kley. Physik. Freiburg im Breisgau. Utrecht. Bruckhorst van, Rentner. Mästrieit-. Im goldn. Stern. Geologie. Baumhauer von, E. H., Professor. Amsterdam. Münster- platz 102. Chemie. Camdess, Dr. .’Liege. Zoologie. Claus,:C., Dr. Cassel. Zoologie. Carnall von, Dr., Berghauptmann. Breslau. Geologie. Czermak, J., Professor. Oberbergamt. Krakau. Im Stern. Physiologie. Cop, M. J., Dr., Professor. Deventer. Belle Vue. Chemie. Cohn, F., Dr., Professor. Breslau. Josephstr. 613. Botanik. Döring, Dr., Sanitätsrath. Rerascheid- Botanik. Dove, Professor. Berlin. Professor Helmholtz. Physik. Davidson, Anselm, Dr. Med. Breslau. Im goldnen Stern. Mediein. Drescher, Emil, Dr. phil. Erlenmeyer, Dr., Arzt. Psychiatrie. Fuchs, €. F., Dr., Medieinalratı. Schmalkalden. Rheineck. Physik. Frankfurt a. M. Geologie. Benndorf. Hötel Rheineck. Hötel Dr., Distrietsarzt. Winningen. Psychiatrie. | | , Fick, L., Dr., Professor. tglieder Forehhammer, P. W., Dr., Piofessor, Kiel. Im goldn. Stern. Geologie, Marburg, Anatomie. Förster, Professor. Aachen. Poppelsdorfer Schloss. Be logie. Gerlach, J., Professor. Erlangen. Im goldnen Stern. Anatomie; j Günther, Dr., Generalstabsarzt. Dresden. Eisenbahnre- stauration. Chirurgie, Geuns, J. von, Professor. Amsterdam. Hotel -Royal. Mediein. ; - Glenck, A., Bergrath. Gera. Mineralogie. Gorsk, C,, Magist. Philos. Russland. Trierscher' Hof Zoologie. Grätzer, Dr., Sanitätsrath. Breslau. Cölnstrasse,, 25. Medicin. 2.0.6 Grube, E, Dr., Professor. Breslau. Zoologie. Hartmann, C., Director. Trier. Physik. Heiss, Dr., praktischer Arzt. Frankfurt a. M. Im Stern. Medicin. ; Hörnig, E., Professor der Chemie. Wien. Hötel Kley. Chemie. Heynsius, A., Dr. der Mediein und Philosophie. Amster- . dam. Hotei Royal. Anatomie. Huyssen, Bergamtsdireetor. Düren. Oberbergamt. Geologie. Jung, W., Medieinal-Assessor. Hochheim. Chemie. Jansen, E., Dr., Professor. Wien. Im goldnen Stern. Mediein. Klipstein, Dr., Professor. Giessen. Bei Schumacher. Geologie. " Knabbe, H., Direetor der Irrenanstalt. Marsberg. Prof. Ritter. Psychiatrie. Karich, Dr., Professor. Münster. Botanik: Kriege, F. W,, Professor. Leyden. Chirurgie. Kelp, Dr., Medieinalrath und Director. Oldenburg. Rhein- gasse 912. Psychiatrie. Klob, J., Dr., Assistent. Keber, F., Dr., Kreisphysieus- Mediein. Kussmaul, A., Professor. Heidelberg. Pathologie. Königshöfer, Theodor, K. Bair. Militairarzt. Aschaffen- burg. Eisenbahnrestauration. Chirurgie. Knüttel, $., Privatgelehrter. Amsterdam. Hötel Royal., Botanik. Kenngott, A., Dr., Professor. Zürich. Geologie. L Küchler, H., Dr. Med. Darmstadt. Neugasse- bei Napp«'r Chirurgie. Wien. Hötel Kley. Anatomie. Insterburg. Brüderg. 1097. Knop, A., Professor. Giessen. Im Stern. Geologie. Löhr, M. J., Apotheker. Cöln. Botanik. Leuckart, Dr., Professor. Giessen. Poppelsdorfer Schloss. Zoologie. Löffler, F., Dr. Med. und Oberstabsarzt. Frankfurt a. M. Im Stern. Mediein. Ludwig, Dr., Direetor. Hofheim. Hötel Rheineck. Ana- tomie. Marbach, H., Docent. Breslau. Physik. Marbach, W., Dr. Med. Schmiedeberg. Physik. Marbach, Oswald, Hofrath und Professor. Leipzig. Physik, Faber, Ch., Director. Echternach. Hötel Kley. Agronomie, , Mark, v. 4, Apotheker. Hamm. Bei Dünkelberg. Geologie. Mayer, Dr., Arzt. Mainz. Im goldnen Stern. Mediein. Merrem, Dr., Geheimer Medizinalrath. Cöln. Mediein. Müller, ©., Dr. Med. und Sanitätsratı. Hannover. -Hötel Royal. Chirurgie. j Müller, J. B., Dr., Medieinalrath. Berlin. Hötel Rheineck. Chemie. Mühlhäuser, Dr. med. Speyer. Trierscher Hof. Mediein. Meyer, H., Dr., Professor. ‚Zürich. Im goldnen Stern. Anatomie. Meidinger, H., Dr., Privatdocent.. Heidelberg. Nr. ‘1. Chemie. Moll, H., Kaufmann. Bonn... Stiftsplatz. Chemie. Mohr, Dr., Medieinalrath. Coblenz. Hündsgasse 1058. Chemie. ‚Morren, Professor. Liege. Botanik. Merian, P., Rathsherr. Basel. Hötel Kley. ‚Geologie. Nauck, Dr., Director der K. Gewerbeseliule. ÜCrefeld. Jo- sephstrasse 764. Chemie. Nuhn, A., Professor. Heidelberg. Anatomie. Nägeli, C., Professor. München. _ Brüdergasse 1040. Botanik. Pichler, Ad., Dr. Med. Inshbruck. Geologie. Pfuel, Exe., Generallieutenant a. D. Berlin. Physik. Pelissen, A., Professor und Medieinalratl. Münster. Trier- scher Hof. Botanik. Prillieux, E. Paris. Poppelsdotfer Schloss. Pulasciaro, J., Professor. Neapel. Chirurgie- Rössler, Direetor. Hanau. Trierscher Hof. Geologie. Rothmand, A., Privatdocent. München. Eisenbahnrestau- ration. Chirurgie. Rossander, C. J., Chirurgie. Ritz, Ober-Regierungsr. Aachen. Römer, H., Geologie. Redenbacher, Bezirksgerichtsarzt. Mediein. Schlossberger, Professor. Chemie. Sedillot, €., Dr., Professor. Chirurgie. chotten, L., Dr. Med. und Hofmedicus. Chirurgie. ‚Schäfer, Ph., Dr., Arzt. Königswinter. Schmidt, Jam., Dr. Med. Petersburg. Mediein. . Simon, Apotheker. Botanik. Professor. Stockholm. Belle- vue. Bei Nöggerath. Botanik. Hof. Triersch. Hof. Tübingen. Posament. Nestle. Strassburg. Imgoldn. Stern. Hessen-Cassel. Mediein. Im goldnen Stern. Berlin. Hötel Royal. Chemie. Senator. Hildesheim: Im goldnen Stern. | 15 Schönfeld, Dr., Privatdocent. nomie. Stremipel, Professor Dr., Chirurgie. Schiltz, Dr. Med. Cöln. Bei Dr. Simrock. Mediein. Sehrötter, Pröfessor. Wien. Poppelsd. Schloss. Chemie. Schwarzenbuch, Dr., Docent. Würzburg. Im goldnen Stern. » Chemie. _Siebold von, Ph. Fr., Obrist. Bonn. Schnabel; Dr., Direetor. Siegen. logie. Schneemann, Dr., Hofrath. Hannover. Spengler, L., Dr., Hofrath. Bad Ems. Medicin. Samarelli, N., Dr. Med. Neapel. Schwann, Arzt. Mediein. Bonn. Sternwarte. Astro- Ober-Medieinal-Rath.. Rostock. Botanik. Weberstrasse 16. G&o. Mediein. Hötel Rheineck: Chirurgie, Bad Oeynhausen. Kreisphysicus Böcker. Schwartz, Kreisphysikus. Sigmaringen. Römerplatz bei Berghausen. Medicin. Schwerd, Professor. Speyer. Trierscher Hof. Physik. Stöber, N., Professor. Strassburg. Im goldnen Stern. Mediein. Tasche, Salinen- und Berg -Inspector. Sachsenhausen. Im goldnen Stern. Mineralogie. Tenore, J., Dr. Med. Naples. Chirurgie. Ulrich, A., Dr., Geheimer Medicinalrathı. Coblenz. Deut- scher Hof. Medicin. Unna, Dr., praktischer Arzt. Hamburg. Mediecin. Verlorn, M. C., Dr. phil. Utrecht. Hötel Kley. Zoologie. Theilnehmer. Alefeld, Bat.-Arz. Wiesbaden. Am Bahnhof. Medicin. Bock, H., Gerichtsdireetor. Hagen. Physik. Blecekmann, Kaufmann. Newyork. Rheineck. Backes, Dr., Director der Gewerbeschule.. Cöln. Physik. auwduin, Wundarzt. Cöln. Mediein. de Berghes, Fr. M-, Dr. Med. Honnef. Bei Clouth. _. Meliein. ‘ Brühl, Dr., Kreisphysikus. Siegburg. Bei Kreisphys. Böcker. ... Mediein. Brandis, J. B., Arzt. Jung. Mediein. ” Bachofen von Echt, Assessor. Bonn. Boehmer, Dr. Med. Cöln. Mediein. Bayer, A., Heidelberg. Im Stern. Chemie. v. Bippen, W., Arzt. Lübeck. Mediein. Bender, R., Dr., Apotheker. Coblenz. Chemie. Beyer, A. E., Director. einer Irrenanstalt. Meurs. Psy- chiatrie-. Carius, L., Privatdocent. Chemie. Aachen. ” Poppelsdorfer Allee bei | Doering, Joh., Oekonom. Bonn. Vrolik, W., Professor. Amsterdam. Münsterplatz 271. Zoologie. Verneuil de, Ed., Membre de l’Institut. Paris. Hunds- gasse 1058. Geologie. Weiss, A., Dr., Professor. Nürnberg. Hundsgasse 1058. Mathematik. Wöllner, Ch., Dr. Med. Cöln. Chemie. Wilms, Medicinal- Assessor. Münster. Trierscher Hof. Botanik. Welcker, H., Dr., Proseetor. Giessen. Prof. Welcker. Mediein. Warnetz, Dr., Arzt. Dresden. Eisenbahnrestauration. Chirurgie. Zeparovich von, K.K. Professor. Krakau. Fränziska- ner 1013. Geologie. Zopp, Ed., Apotheker. Deutz. Chemie. Zehender, W., Dr: Med. Neustrelitz. Chirurgie. Czech, C., Dr phil., Düsseldorf. Zoologie. Crämer, Friedr., Dr. phil, Barmen. Kortegarn’sches In- stitut. Physik. Cremeyer, Privatdocent. Heidelberg. Im Stern. Chemie. Colmant, G., Candidat der Mediein. Bonn. Stockenstrasse 999. _Mediein. Chauffier, Advokat. Colmar. Hötel Royal. Geologie. Christin, Dr. Med. Christiania. Brüdergasse. Physik. Dördelmann, Dr. phil. Bochum. Physik. Agronomie. Diekmann, Geh. Commerzienrath. Cöln. Geologie. "Dro/op, S., Stud. d. Med. Göttingen. Mediein. “ Disse, A., Dr. Med. Brakel. Deutscher Hof. Mediein. van Delken, J., Bürgermeister. Harderberg. Im Stern. Physik. von Dücker, F. F., Referendar. eck. Geologie. Bochum. Hötel Rhein- Heidelberg. Im goldnen Stern. | Engelhardt, E., Arzt. Deichmann, A., Kaufmann. Amsterdam. GEologie. Paderborn. Deutscher Hof. Me- diein. Feist, Dr., Arzt. Cöln- ' Mediein. +’ bi Frank, F., Bergexpectant. Bonn. Geologie. Fischer, Otto, Arzt. Magdeburg. Oberbergamt. Chirurgie. Fessel, F., Mechaniker. Cöln. Physik. Frank, © ‚ Kanfmann. Bonn. Physik. Frank, C., Referendar. ‘Bonn. Mineralogie. Grimm, a ‚ Dr: phil. Biebrich. Chemie. Gallo, Th., Dr. Med. Nieder-Lahnstein. Medicin. Grotjahn, H. Ch., Dr. med. Goslar. Gesterding, C., Dr., Arzt. Allee bei Hofmann. ‚Mediein. Wittwe Ruland. Mediein. Greifswalde. Poppelsdorfer Geissler, Apotheker. Nastätten. Bei Kemmerer. Chemie. Grätzel, Ad., Bergwerksbesitzer. Cöln. Zoologie. Gauwerky, H., praktischer Arzt. Soest. . Mediein. Graf, Dr. Med. Ronsdorf. Rheineck.'' Chirurgie. Gruetmann, Fr., Dr. Med. Amsterdam. Trierscher Hof. Mediein. Gerlach, Chemiker. Cöln. Chemie. v. Hiees, G-, Apotheker. Barmen. Im Krahnen. Chemie. Haue hecorne, W., Grubendireetor.. Honnef. Geologie. Hamecher, O., Med.-Assessor. Cöln. Botanik. Heilmann, Dr., Arzt. Crefeld. Chirurgie. Hecking, Kaufmann. Düsseldorf. Hoffmann, R., Dr. phil. Darmstadt. Herrmann, prakt. Arzt. Carlsruhe. näkologie. Hertel, P., Kaufmann.‘ Bonn. Hueck, H., Hüttendireetor. Duisburg. Rheineck. . Geologie. Im Stern. Chemie. Wwe. Ruland. Gy- Jun g:.J. C., Rentner. Bonn. Geologie. Jacobs, Dr., Kreisphysikus.. Eupen. Achterstrasse bei Graaf. Mediein. Jaenger, Medieiner. Colmar. Hötel Royal. Mediein. Jzesche, E., Arzt. Russland. Mediein. Kortegarn, A., Stud. math., Bonn. Kekute, A., Privatdocent. Heidelberg. Im Stern. Chemie. Kaltenbach, I. H., Lehrer der Bürgerschule. Aachen. Botanik. Kottha us, E., Bergwerksbesitzer. Klipstein, Hüttenmann. Giessen. Ka empfer, '&, Arzt. Vaels. Kauerz, Dr., Kreisphysikus. Mediecin. Kauerz,F., Oekonom. Kempen. Hötel Rheineck. Agronomie. Cöln. ‚Geologie. Markt. Geologie. Hötel Rheineck. Mediein. Kempen. Hötel Rheineck. 16 Nadenigk, D., Dr., Arzt. "Jyrnen in Ungarn. Noisten, Dr., Kreisphysikus.! Cöln. Mediein. Otto, C., Apotheker. Herchen. | Markt 101. BEE, Privatier. Bonn. £ Pottgiesser, W., Kaufmann. Physik. Proff-Irnich, Freiherr von, Dr. Med. rath. - Elberfeld. Mediein. Physik- Elberfeld. Rheinischer Hof. und Landgerichts- Pfeil, Gustav, Milwaukie. Geologie. Pagenstecher, Dr., Arzt. Wiesbaden. Im Stern. Me- diein. E Peine, :W., Dr. Med. Nieheim. ' Deutscher Hof... Mediein. Peiper, Fr. Mediein. W., Dr. Med. Paderborn. Deutscher Hof. -Preyer, Th., Partieulier. Manchester. Hötel Royal. Geologie. Quantius, Aralitedt: Bonn. Geologie. Roeder, G., Apotheker. "Frankentlal. Botanik. Ritter, Fr., "Dr. Med. Achtendung. Botanik- Ruer, H., praktischer Arzt. Ramsbeck. Medicin. Rathlef, E,/Arzt. Russland. Rheineek. Medicin. Rentzing, Dr., Hüttendirector. Stadtberge. Im goldnen Stern. Geologie. e : Ritz, Fr. C., Apotheker. ‚Wesel. Chemie: vom Rath, Jac., Kaufmann. ' Cöln. Geologie. Ramaer, P. G,, Dr. Med. Zwolle. Belle Vue. ' Mediein. Ruys, W., diein. Dr., Partieulier. Rotterdam. Hötel Royal. Me- Schneider, Dr., Arzt. Anhold: Bei Imler. ' Mediein. Savelsberg, J., Dr., Oberlehrer. Aachen. ' Cölnstrasse, Botanik. i Schon, Architekt." Bonn. Geologie. \ Schumacher, Apotheker. Bornheim. Chemie: Schneider, Reütner. Bonn. Sterhorst, Dr. Med. 'Ruyssen. Belle Vue.. Mediein. Stephen, Dr., Arzt. Aachen. Mediein. j Schervier, Religionslehrer. Aachen. | Geologie. Spohr, Steuer-Controlleur. Born. Agronomie. | Stein, R.,.Bergwerksexpectant. Rheydt.. . Wwe- Sandol. Geologie. Salm-Horstmar, Fürst Friedrich, Dürehlaucht, Var- laz. Chemie. Strauss, B., Dr. Med. ‘München. Im Schwanen. rurgie. ? Schildesheim, H., Kaufmann. Bonn., ‘Markt 13. Chemie. Kir chheim; Apotheker. Cöln. Chemie. Sprengler, J.,' Dr, Director im Krankenlıause. ‚Augsburg. Krusey,sd.P;,\Apotheker., - Cöln: Geologie. Neugasse 393. Chirurgie. Kaemmerer, C., Partieulier-. _Livorno. Hötel Royal. | Themmen, C. J.,» Dr. Med. «Deventer. Belle-Vue. -Me- Physik. diein. Knipping, Psivatlehrer. Bad Oeynhausen. Geologie. Thomann, Stadtbaumeister. Bonn. Geologie. v. Kerkhoven, Joh., Gutsbesitzer. Twelle.. Im Stern. | Top, W. G@., Dr. Med. Kampen. Belle-Vue. Botanik. Physik. Toepffer, G. A., Vorstandsmitglied der ökonom. Gesell- La mberz, Kammerpräsident. Bonn. Geologie. schaft. Stettin. Physik. L ent, Carl, Stud. der Mediein. Dortmund. Poppelsdorf. | Thilmany, Gen.-Seeretär. Bonn. Weberstrasse. Agro- Moediein. nomie, Langen, E., Hüttenmann. Friedrieh-Wilhelms Hütte. Geo- | Upmann, J., Stud. Med. Heidelberg. Mediein. logie, V.ölmneke, S., Rentner. Düsseldorf. Trierscher Hof. Geo- Langer, C., Priyvatier-. Gratz. _ Chemie. logie. Au j Be Maassen, J. P., Controlleur, "Aachen. Zoologie. Vogel, Jul., Dr., Professor. _ Halle. _Im Stern. Mediein. Maipisch,. E., Dr. med. Luxemburg. Chirurgie. _ Wadorff, Cöln. Capuzinerstrasse. Physik. y Müller, H., Dr. phil., London. Im Stern. Chemie. Wiedemeister, Fr.,.Dr., Assistent. Göttingen. Mediein. Metzler, A., Dr. med. Petersburg. Witt, A., Dr. Med. Grevenbroich. Im Stern. Mediein. Mund, Dr., Arzt. Duisburg. Dreieck 212. Medicin. Wrede, 7 J., Apotheker. Cöln. Pharmacie. Marx, A., Bergingenieur. Berlin. Bei Dr. Wolff. Wankhuus, 'c. A., Dr. phil. Utrecht. Hötel Royal. Geo- Mitthoff, Stud. d. Med. Göttingen. Physik. logie. Nieland, J..J., Dr., prakt, Arzt und Geh. Sanitätsrath. MV innertm. J., Crefeld. Geschwister Hoffstätter. Zoologie. Düsseldorf. _Rheineck. Mediein. Wacker, H , Gymnasiallehrer. Cöln. Botanik. Fortseizung folgt in Nro. 3: Druskfehler. * Tageblatt No. 1. n n n n n n n nr: Seite $ Seite 4, 2. Spalte, Zeile 3 von unten lies: Seite 4,1. Spalte, Z. 9 y.unt. lies: Abl, Phil. Friedr., Dr., K. K. Official der Militär. Medicamenten-Branche. Seite 5, 2. Spalte, Zeile 12 von oben, sep; . 1. Spalte, "Zeile 22 von unten lies: Bernhard Doel für Bernhard, Dr. Med., Gotha. TER R, u. 8. Wu Haag- REN Dr. u. 8. w. Bonn, gedruckt bei Carl Georgi. NULL TAGEBLATT DER 33. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN BONN IM JAHRE 185%. Herausgegeben von den Geschäftsführern der Versammlung‘, Nöggerath und Kilian. (Unter Mitwirkung des Herrn Professor Dr. 0.0. Weber und des Herrn Docenten Dr. R. Caspary.) Das Redaktions-Bureau ist Franziskanerstrasse No. 1013. Das TAGEBLATT wird täglich, mit Ausnahme Sonntags, vor Beginn der Sitzungen beim Herm Oberpedell Odenkirchen im Universitäts- Gebäude unten, links, ausgegeben werden. NM 3. Montag, den 21. September 1857. Berichte über die Sectionssitzungen am 19. September. Mineralogische Section Präsident Herr Rathsherr Merian legt die Schrift von Friedr. Scharff:,,Der Crystall und die Pflanze“ vor. Auf Vorschlag des Geh.-Rath’s Nöggerath werden zu den gestern gewählten 3 Tages- präsidenten noch Prof. Rose und Dr. Hermann v. Meyer hinzugewählt. Geh.-Ratıı Nöggerath macht auch einige Mittheilungen über das Denkmal v. Buch’s und legt mehrere eingegangene Bücher vor. 2 Ober-Medieinalrath Dr. G. Jäger aus Stuttgart sprach. über die Entstehung regelmässiger For- hen der Gebirgsarten und ihre Zurückführung auf krystallinische Wirkungen in den abgesetzten Massen. Dr. Otto Volger aus Frankfurt a. M. zeigt der Section eine Reihe von Stufen vor, welche als Beleg zu einigen von demselben in verschiedenen Schriften ‚bereits veröffentlichten Ergebnissen seiner Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der.Mineralkörper und die Entstehungsweise der Felsarten, geeignet sind. Dr. Ad. Pichler aus Innsbruck zeigt eine gevgnostische Karte der nördlichen Kalkalpen Tyrols von der Gränze Vorarlbergs bis zur Grenze Salzburgs vor, deren westliche Hälfte von den Herren von Hauer und von Richthofen, deren östliche vom Vortragenden selbst gefertigt ist; und. spricht aus- führlich über die verschiedenen dort reich entwickelten Formationen. { Berghauptmann Dr. v. Dechen gibt Aufschlüsse über die. geognostische Karte von Rheinland- Westphalen, wovon bisher bereits 11 Sectionen erschienen, 9 andere vorbereitet seien. In 5 Jahren sei Hoffnung, das Werk zu vollenden. Derselbe lest ferner die von der mittelrheinischen geologischen Gesellschaft herausgegebenen 3 Karten vom Grossherzogthuni Hessen, deren Maasstab 1:50000 ist und die geognostische Karte von Europa von Andre Dumont vor. Prof. Plieninger spricht über den Unterschied, der Zahnbildung von Microlestes antiquus aus der obern Grenzbreceie (zwischen Keuper und Lias) in Würtemberg und derjenigen von Plagiaulax aus dem Purbeck-Oolith. von dem Borne hält einen Vortrag über die Geologie von Pommern, indem er das Alluvium, das Diluvium , die Tertiärschichten und die Jurabildungen bespricht. Das Alluvium bildet vorzugs- weise die sandigen Küsten , vielfach durch Strömungen verändert. _Es findet eine Fortspülung von den Pommern’schen und eine Hinspülung des Alluvium zu den Preussischen Küsten statt. In Betreff des Diluyium lassen sich eine gestörte, jüngere und eine regelmässig gelagerte ältere Bildung un- terscheiden. Das Tertiär ist in der Septarien-Formation bei Stettin, in der Braunkohlenformation über den grössten Theil Hinterpommerns verbreitet. In den Jura-Schichten bei Cammin sind bedeutende Aufschlüsse zu hoffen, da die einlagernden Sphärosiderite ausgebeutet werden sollen. Freiherr von Hingenau, k. k. Bergrath und Professor, machte Mittheilungen über ein Vorkommen von Sandsteinveränderungen in den mährischen Karpathen und zwar in der nächsten Nähe der um Luhatschowitz aufsprudelnden Gesundbrunnen. Director Nauck aus Crefeld erklärt den befremdenden Zinn-Gehalt eines Brauneisensteins durch darüber fliessende zinnhaltige Gewässer aus Färhereien. In STEHER . FR . . .. A. von Strombeek aus Braunschweig trug über die Gliederung des Pläners am Harze vor. Der Pläner zerfällt in untern und obern. Jener formirt folgende Glieder: 1. Tourtia; 2. Varians- Schichten; 3. Rhotomagensis-Sch. ; 4. Arme Rhotom.-Sch. ; 5. rothe Brogniarti-Sch.; 6a. Weisse Bro- gniarti-Sch. ; 6b. Galeriten-Sch. ; 7. Scaphyten-Sch. ; 8. Cuvier’s-Sch. Rathsherr Merian bemerkt zu dem Granitblock vom Bu ch’schen Denkmal, wie auffallend gleich- artig die dem Flysch angehörigen Granitfindlinge in den Alpen sind. Von Hingenau kennt ähnlichen Granit -anstehend bei Amstätten in der Nähe von St. Pölten. Angemeldete Vorträge: Prof. G. Rose: über seine Beobachtungen in Schlesien. Berghauptm. von Carnall wird erläutern: a. eine geognostische Karte von Oberschlesien mit Profilen. b. eine geognostische Karte von den Steinkohlen Becken in Russisch Polen von Hempel. ce. eine geogn. Karte von Niederschlesien. d. Profile von Niederschlesien. e. Darstellung der juras- ‘sischen Eisensteine in Oberschlesien. Geh.-Rath Prof. Nöggerath: über Achatbildungen. Prof. v. Zepharowich aus Krakau:.über topographische Mineralogie im Kaiserstaate Oesterreich. Director Nauck aus ÜOrefeld über muthmassliche tertiäre Belemniten. Otto Volger]: über Erdbeben, insbesondere das in Wallis 1855. Ignaz Beissel, Zusammensetzung und Umwandlung des Mergelgebirges bei Aachen. Staatsrath H. Abich aus St. Petersburg. über Manifestationen der Vulkanität im Gebiete der jüngern Tertiärbildungen des Kaukasus. Prof. R. Blum aus Heidelberg: über die Ursachen der Bildung von verschiedenen Krystalleom- binationen bei ein- und derselben Mineralspecies. Botanische Section, Prof. Schultz-Schultzenstein: über Lebenssaftgefässe. Es wurden neue Präparate von Lebenssaftgefässen, die durch Maceration abgesondert und in Glycerin aufbewahrt sind, vorgelegt, um die Organisation derselben durch unmittelbare Anschauung kennen zu lernen. Diese Präparate wurden durch einen Vortrag erläutert. Es entsteht eine Diseussion über die „Lebenssaftgefässe“, an der sich die Herren Dr. Caspary, Dr. Carl Schimper, Oekonomierath Bronner und Prof. Hoffmann betheiligen. Oekonomierath Bronner: über den wilden Wein. Derselbe legt dar, dass die wilden Trauben theilweise Zwitter mit fünf langen Staubfäden, also Pentandristen seien; viele derselben sind bloss Männchen, die meisten derselben sind Zwitter mit unfruchtbaren Staubfäden, welche sich sogleich nach dem Abstossen der Blüthenkrone unter den Fruchtboden zurückziehen, so dass man diese beiden letz- ten als Dioecisten erkennen kann. ‘Da die wilden Trauben bloss in den Marschländern der Flüsse vor kommen, so schliesst er, dass unsere gewöhnlichen Weinbergstrauben nicht aus Asien herüber zu uns gebracht sind, sondern dass sie früher aus den heimischen Wilden genommen worden sind. — Zur Erläuterung des Vortrags werden vortreffliche Abbildungen vorgezeigt. Dr. Carl Schimper giebt eine mannichfaltige Reihenfolge morphologischer Thatsachen, wozu die factischen Belege ihm zur Hand sind. Das Blüthenauge axillär aus einem Blatt, das auf Kelch und Frucht bei Prismatoearpus steht; die Gipfeiblüthe bei Mentha aquatica ganz normal orthotyp, 4- oder 5-zählig,; die Gipfelblüthe von Salvia offieinalis beobachtet mit unter sich gleichen schaufelförmigen Sta- minibus. Die Pflanzen mit verkehrten Blättern. 1. Verkehrte Plastik bei Genista germanica. 2. Ver- kehrte Lage der Flächen bei Allium ursinum, Brachypodium sylvaticum und vielen andern Gräsern. Die Berippung des Blattes bei Alisma, wo einzeln Ueberlaufen der Seitenrippen, bei Hydrocha- 2is, wo regelmässig vollständige Vergitterung stattfindet. Die Aufrichtung der Zweige bei Pinns abies u. 5. w., nicht bloss in vertikaler Riehtung, sondern auch in horizontaler, wenn dass betreffende Gipfel- auge getödtet wurde. Aehnliches bei Prunus spinosa &. — Auch erbistet sich Dr. Sch. mehrere seltene Pflanzen an die Anwesenden zu vertheilen und übergiebt ihnen zwei gedruekte Festgaben. Der Tagespräsident Oberst v. Siebold theilt eine Einladung des Hrn. P, Th. Engels in Cöln, seinen Garten in. Augenschein zu nehmen, mit, welche die Versammlung mit Dank aufnimmt. Professor Alex. Braun zum Präsidenten für Montag; erwählt. - Se \ Mr. Prillieux parle sur la dehiscenee de la capsule desOrchidees. La capsule des Orchidges a six modes du dehiscence: ‘ 1) les; fruits souyrent en 6 valves soud&es par le sommet: Ansellia africana, Phajus Wallichii ete. La plupart des Orchidees. Size 2) les f. souyeent,en 6 valvesi partiv du sommet: Leptotes bicolor, Maxillaria punctulata, Eulophia ete. 3). les fruits souyrent ew3 valves soudees par le sommet: Thunia alba, Cattleya Mossiae, Epidendrum patens. 4) I fruits souyrent en 3 valves & partir du sommet: Fernandezia acuta, F. pulchella. s 5). les fruits souvrent en 2 valves inegales, I’une simple, l’autre double, soudees par le sommet: Restrepia vittata, Pleurothallis, Bolbophyllum occultum ete. Ar: 6), les fruits, souyrent A partir du sommet en 2 valves inegales Tune simple, Vantre double: Vanilla. 7) les fruits souvrent par une fente longitudinale en une seule yalve triple portant 3 lignes de placentas: Angraecum pusillum. i ni IR Wr Um u u Dr. Carl Sehimper. Streckbestreben in der äussern Holzlage des Stammes von Populus, wo- durch die Hohlväume abgestorbener Acste lippenförmig: verdrückt werden, entgegengesetzt dem Fall von Pinus sylvestris, wo ein kämpfendes Streckbestreben der nächstinnern Holzschicht zukommt ; hier- aus der Stelzenbogen bei Abtödtung des Gipfeltriebes. Wurzeln von ausserordentlicher Tiefe; wachsen weitaus den Berg hinan. Lange Suchwurzeln bei einjährigen Gewächsen. Radix aemula bei Iris, Lysimachia nummularia, Veronica 'seutellata, Cynodon dacty on, Carex hirta u. s. w. wächst horizontal in der Richtung des kriechenden Stengels und oftmals diesem selbst voraus. Angemeldete Vorträge: Dr. Carl Schimper: über die Wurzel. Med.-Rath Jäger: über Pflanzen aus dem Keuper und ihre Analoga in Chili. Prof. Nägeli: über die neue Krankheit der Seidenraupe und verwandte Organismen. „ Hoffmann: über Keimung der Pilze. » A. Braun: Keimung von Caelebogyne. » Cohn: Keimung einer Volvoeinee. „ de Bary: Copulation der Desmidiaceen, Sygnemeen und Pilze. Dr. Focke: über die Copulation. Dr. Schüz: über eine Varietät der Atropa Belladonna. Zoologische Section. Dr. Verloren, aus Utrecht, zeigte eine grosse Menge als vortrefflich anerkannter Zeichnungen, meist die Entwickelung der Nematoiden betreffend, welche von Schubart, früher Prosector zu Ut- recht, N waren, vor; bespricht die Umhüllung von Flimmer-Epithelium bei den Embryonen von Bothryocephalus latus; erwähnt eine besondere Art der Entwickelung, die er an Ascaris megalocephala beobachtet zu haben glaubt; spricht über das Vorkommen von Oxyuris bei Hydrophilus pieeus, und zeigt viele Abbildungen zur Entwickelungsgeschichte von Chironomus plumosus. Prof. Leuckart, aus Giessen, zeigt Eier von Ascaris lumbricoides und bespricht die daran beobachteten Bewegungen der Embryonen. Hofrath Kubinyi, aus Pesth, theilt Bemerkungen über die Einrichtung zoologischer Gärten und ähnlicher Institute in Deutschland, Belgien und Holland mit, ‚die er auf seiner Reise durch diese Iänder gesammelt hat. Dr. Sonnenburg, aus Bonn, spricht über die Zoologie des Aristoteles und vertheilt seine die- sen Gegenstand betreffende Schrift. Prof. Forchhammer aus Kiel und Professor Grube aus Breslau‘ machen einige Bemer- kungen zu dem NErIORR des Dr. Sonnenburg. Prof. Troschel, macht in Vertretung des Präsidenten van Beneden, einige geschäftliche Mittheilungen und fordert die Herrn Malacozoologen auf, Montag, den 21., Morgens von 8-9 im Pop- pelsdorfer Schlosse von seinen mieroscopischen Präparaten Einsicht zu nehmen. ä Mr. le Prof. van Beneden, dit, quil tait &lu l’organe de la Section de Zoologie et parti- eulierement de tous les Helminthologistes en exprimant le regröt, que les belles recherches sur les vers intestinaux du Dr. Schubart n’aient pas &t& publides cette publication eut &vit& bien de recherches laborieuses faites depuis. Die Section beschloss ihre nächste Sitzung, Montag von'9—11 zu halten und von 9—10 die systematischen, von 10—11 die zootomischen Vorträge anzunehmen. Der Präsident beschloss die Sit- zung und schlug Herrn Staatsrath Eversmann aus Kasan zum Präsidenten vor, der die Wahl annahm. Angemeldete Vorträge: Prof. Förster, aus Aachen: über Entomologie. Prof. Leuckart, aus Giessen : über Drohnenbrütung und. Parthenogenesis. Prof. Grube, aus Breslau: über die Bedeutung des Operculum bei den Schnecken. Prof. Caruß über seine Icones zootomicae. Staatsrath Evrersmann, aus Kasan: über die russischen Steppen. Physicalische Section, Prof. Böttger: über den durch Electrolyse von Chlorantimon an der Kathode resultirenden interessanten Körper. Der sich bildende scheinbar metallische Körper explodirt sowohl beim Ritzen, als auch beim Erwärmen bis zu 160° ©. ; desgleichen beim Durchgang eines mässig starken electrischen Stromes. Er ist, nach den angestellten Versuchen, höchst wahrscheinlich eine chemische Verbindun von metall. Antimon mit Antimonchlorid. Andere Antimonsalze, sowie eine möglichst neutrale Auf lösung von Chlorantimon, geben diesen Körper nicht. : - Prof. Beer theilte die Resultate seiner theoretischen Untersuchungen über die statischen und dynamischen Erscheinungen einer der Schwerkraft entzogenen Flüssigkeit mit und vertheilte Exem- plare seiner jüngst erschienenen Schrift: Traetatus de theoria mathematica phaenomenorum actioni gravi- tatis detractis observatorum. — 99) — Prof. Reusch besprach einige mechanische Vorrichtungen zur beliebigen Combination galvani- scher Elemente. Er erläuterte zwei Anordnungen, wovon die eine: Schieneneombinator, darauf beruht, dass passend zerschnittene Schienen mit Federn in Berührung kommen, welche mit den einzelnen Ble- menten in Berührung sind; die andere aber, der Kurbeleombinator, aus einem System drehbarer ela- stischer Kurbeln besteht, deren verschiedene Anordnung jede Combination zulässt. Inspector Meyerstein zeigte das von ihm erfundene und in Poggendorf’s Annalen beschrie- bene Speetrometer vor, und besprach das Prineip näher, worauf dasselbe beruht. Prof Dove zeigte dann die Entstehung des Glanzes bei Betrachtung farbiger Zeichnungen durch farbige Gläser. Angemeldete Vorträge: Dr. Garthe: das gleichzeitige Telegraphiren auf ein und demselben Leitungsdrath nach dem Gintl’schen Prineip in seiner Verbesserung mittelst eines von dem Vortragenden construirten Appa- rates, erläutert durch den Apparat selbst. Theod. Meyer: über das Princip einer neuen electrischen Batterie. Prof. Weiss: über einige neue F ormeln aus den Elementen der analytischen Dioptrik. Dr. Prestel: über die ‚gegenseitigen Beziehungen zwischen dem Auftreten‘ der Gewitter, der Windesrichtung und des Barometerstandes. Zum Präsidenten der Montags-Sitzung wurde erwählt: Prof. v. Ettinghausen. Chemische Section. Professor Schischkoff sprach über einige neue Derivate aus der Knallsäure, nämlich das Ni- troform und über zwei gemeinschaftlich von ihm mit Herın Rosing entdeckte Körper, bei den Zer- setzungen des Aceto-bi-nitroamonils. Prof. Weltzien über Einwirkung von wasserfreier Phosphorsäure aufHarnstoff. Der Redner, welcher im Harnstoff des Ammoniummalieül aus Gerhards Formel der Cyansäure nach dem Typus Ammoniae: N N I annimmt, stellt somit für denselben die Formel H? auf. Er versuchte nun, ob nicht durch die B: Be! Einwirkung von wasserfreier Phosphorsäure durch Wasserentziehung aus dem Harnstoff Cyanamin oder NO: ein damit polymener Körper sich bilden würde. su +H0’. Es bildet sich aber phosphorsaures H Ammoniak, Cyansäure, Oyanürsäure. und 'eine Substanz, welche dieselbe Zusammensetzung wie die. Cyanürsäure besitzt, aber eine andere Krystallfornı und grössere Löslichkeit in Wasser. Vielleicht ist diese Säure Liebig’s Oyanilsäure. Sie geht auch wie diese in Cyanürsäure. Endlich ein dritter. Kör- per, welcher dieselbe Zusammensetzung besitzt, wie die Oyanürsäure , von dieser sich aber dadurch unterscheidet, dass sie nicht verwittert. In 2 Fällen wurde eine Bildung von ganz kleinen Mengen von Blausäure beobachtet. Das Entstehen dieses Körpers ist vorerst schwer zu erklären, doch macht der Redner darauf aufmerksam, dass Blausäure und Cyansäure sich wohl gegenseitig zersetzen wie. unterehlorige Säure aus Chlorwasserstoff. Prof. C. H. v. Baumhauer theilte das Resultat seiner Untersuchung über die Einwirkung der Salpetersäure auf. Chlormetalle und die der Salzsäure auf salpetersaure Salze mit. Er fand, dass Kali- und Nätronsalze sich dabei ganz verschieden verhalten. Med.-Rath Dr. Mohr knüpfte eine kurze Be- merkung daran. | Hr. Carl Mohr sprach über die Einwirkung des, Eisenchlorids auf Jodwasserstoff, die in con- eentrirter Lösung sich regelmässig zersetzenden Körper zeigten Abweichungen in verdünnter Lösung: Mehrere Versuchsreihen zeigten die Richtigkeit der Annahme. In einer Lösung von 1 (Eisenchlorid) zu 14700 zeigte sich die Einwirkung! erst'nach' mehreren Minuten.‘ Eisenoxydulsalze waren in der Ver- dünnung ebenso»oxidirt, wie durch‘Öhlor: ' Dann theilt Dr. Meidinger einen entsprechenden Fall der Einwirkung von Jodkalium auf Kupferoxydsalze kurz mit. . Dr. Witting, jun.: über‘ das Blut der’ Orustaceen ‘und Mollusken. Das Blut einiger dieser Thiere, z.B. das des Krebses (Astacus, fluviatilis) verhält sich nach den Untersuchungen des De Wit- ting ausserhalb des Organismus ähnlich wie das der Wirbelthiere; es gerinnt nämlich gleichfalls und bildet zwei getrennte Körper „welche sich, ‘wie ‚Serum 'und-Fibrin verhalten. Uebrigens färbt es sich kaum ‚bemerkbar: an. der.;Luft.. » Die ‚unorganischen besten Theile des Blutes dieser Thiere enthalten wenig -phosphors. . Alkalien, und. merkwürdigerweise Küpfer:-Chlornatrium findet sich darin in’ fast eben so: grosser Menge, wie im Blute ‚der, Wirbelthiere: Prof. Schlossberger knüpft ‘eine kurze Bemerkung. daran. Dr. Wöllner sprach über die Fabrikation. des Kalisalpeters aus 'salpetersaurem Natron und theilte die Fabrikationsweise vollständig, mit „ wieisie, in seiner b abrik in Stettin und Buckau bei Mag- deburg ‚befolgt. wird. ’ Dr. .Abl hielt. endlich einen. Vortrag über: ecomprimirte Arzneikräuter, und theilte sein auf 50 Zn DER, u Versuche begründetes Gutachten über Qualität, Verpackung und Versendung mit. Verschiedene Pro- ben soleher ecomprimirter Arzneikräuter legte er vor. Prof. Fresenius wurde zum ‚Präsidenten für die nächste Sitzung gewählt, die Montag, den. 21. Septbr. um 8 Uhr Morgens im Audit. Nr. XV (demselben wo die einleitende Sections-Sitzung ab- gehalten worden), statt finden wird. Angemeldete Vorträge: Prof. Böttger: über das Hochätzen und Färben des Zinks. Dr. Mar quart: über die Bereitung des Phosphorsuperchlorids. Herr Neubauer: über Oxydation des Leueins etc. durch übermangansaures Kali. Prof. Schlossberger, über die Eihautflüssigkeit und das Blut des Fötus. Prof. Fresenius: über das Eiseneyanür. Agronomische Section. | Die Sitzung findet um 10 Uhr in dem grösseren Hörsale der landwirthschaftlichen Academie zu Poppelsdorf statt. : Angemeldete Vorträge: i Departements - Kreisthierarzt Schell: über das Verfahren und die Erfolge der Castration der Kühe, ‘unter Vorzeigung der dazu erforderlichen Instrumente. Dr. Sopp: über die Bestimmung der Phosphorsäure durch molybdänsaures Ammoniak und über die Anwendbarkeit des Geisslerschen Vaporimeters zu Ammoniakbestimmungen. Mathematisch - astronomische Section. Prof. Heis berichtete über die Resultate der von ihm in verschiedenen Theilen Deutschlands eingeleiteten correspondirenden Sternschnuppenbeobachtungen zur Zeit der diesjährigen Augustperiode, mit Auseinandersetzung der von ihm angewandten constructiven Methode zur Darstellung der Bahnen und Höhen der Meteore. , Dr. Cantor machte biographische Mittheilungen über Petrus Ramus, woran sich Berichte über seine mathematisch-practische Richtung anschlossen. Die Beendigung des Vortrages wurde auf die nächste Sitzung verschoben. Für die nächste Sitzung wurde zum Vorsitzenden Staatsrath Mädler wiedergewählt. Angemeldete Vorträge: Dr. Cantor: Fortsetzung des begonnenen Vortrags. Prof. Argelander und Staatsrath Mädler versprachen kleinere Mittheilungen. 26 .. 'Anatomische und physiologische Section. Das Protokoll der Sitzung vom 19. wird im nächsten Tageblatte mitgetheilt werden. Angemeldete Vorträge für die nächste Sections - Sitzung am Montag um 8 Uhr Morgens: A. Kussmaul, ein Versuch über den Einfluss der plötzlich eintretenden Gehirnanämie. — Schaaff- hausen, zur Kenntniss der Schädelbildung der ältesten Raeen.— Lenhossek: über das Verhalten der Nervenwurzeln zur weissen Substanz des centralen Nervensystems. --Derselbe:über eine Doppelbildung des Rückenmarks. — Schröder van der Kolk: über die medulla oblongata. — Böcker: über die Wirkung des Fettes auf die Harnausscheidung. — Ruete: über ein neues Ophthalmotrop oder Myo- meter der Augen. j a Section für praktische Medicin. Vorsitzender Dr. Spiess aus Frankfurt. Geh,-Rath Kilian legt Exemplare einer Schrift‘ des Hrn. Geh.-Rath. Bischoff: das Bedürfniss und) die Grundzüge der Arzneimittellehre 1856, sowie (des Hrn. Dr. Weidgen: das Mineralbad Neuen- ahr im Ahrthal. Coblenz 1857 zur Vertheilung vor. h Pak Antrag des Hrn. Dawosky wurden als Zeitmaass für die einzelnen. Vorträge 20 Minuten festgestellt. " Hofrath Dapen ek macht. der Versammlung Mittheilung über den Inhalt seiner im Laufe d.J. erschienenen Schrift: „Mittheilungen und: Vorschläge in Betreff der Anbahnung einer wissenschaftlich brauchbaren Morbilitäts -und Mortalitäts-Statistik für Deutschland“ und beantragt, da es an der zur Discus- sion. in der Versammlung, selbst nothwendigen Zeit fehle, eine Commission zu wählen, welche die vor- elegten Vorschläge einer sorgfältigen Prüfung, unterziehe und die Resultate derselben womöglich noch im Laufe der, nächsten Tage der Versammlung vorlege. — ‚Die Versammlung genehmigt‘ den Antrag, und es werden in die Commission, gewählt‘.die Herren: Prof. Schneevoogt aus Amsterdam, Dr. Spiess aus Frankfurt a. M., Prof: JuliViogiel aus Halle, Hofr. Dr. Baum aus Göttingen , Prof. Dr. Cred& aus Leipzig. Hr. Dr. Lehmann sprach über. die physiologische Wirkung der Thermalquellen zu Rehme und die Resultate seiner Versuche damit. Staatsrath Dr. Weisse ans St. Petersburg. berichtete über den medicinischen Gebrauch .des ro- hen Rindfleisches bei der Diarrhoe entwöhnten Kinder. Doch zeige ‚sich nach demselben nicht selten Taenia solium. Als Heilmittel bei der Lienterie empfiehlt er den Gebrauch der Austern. 3 Dr. Dawosky aus Celle sprach über die Heilung inveterirter Syphilis durch Lig. Donovani, selbst in verzweifelten Fällen. Nur das reine und unzersetzte Präparat zeige jedoch diese Wirkung. Zum Präsidenten der nächsten Sitzung um 9 Uhr wird H. Prof. Vogel aus Halle erwählt. Angemeldete Vorträge: Dr. F. Posnansky aus Wien: über den Sphygmometer und über den Einfluss des athnıosphä- rischen Druckes auf die Cireulation. — Prof. Dr. Naumann über Anwendung des Eisens in der Tubereulose. — Hr. Fuchs wird seine electro-magnetischen Apparate vorzeigen. — Prof. Boeck aus Christiania: über Syphilisation. — Hr. Dr. Marquart: über Cinchoninum sulphuricum. — Hr. Prof. v. Bärensprung: über den Weichselzopf. Chirurgische Section. Das Protocoll der Sitzung vom 19. wird im nächsten Tageblatte erscheinen. Zum Vorsitzenden für die nächste Sitzung Montag Morgen um 10 Uhr wird Herr Generalstabsarzt Stromeyer aus Hannover gewählt. = Angemeldete Vorträge: Le Roy d’Etiolles: sur la part de la me&canique dans les pro- gres recents de la chirurgie. — Sanitätsrath Dr. Eulenburg aus Berlin: über Luxatio congenita patellae. — Dr. van de Loo aus Venlo: sur ae chirurgical du bandage platre. — Dr. Aug. Rothmund aus München: Vorzeigung zweier fremder Körper aus der Hamblase und dem Magen; sowie eines Instruments zur Fixirung des Bulbus. — Dr. Gurlt aus Berlin: Vorzeigung von Zeich- nungen über Fracturen. — S&dillot: Communications sur l’uretrotomie et sur l’empyeme. — Prof. Otto Webor: über Veränderung der Knorpel bei Gelenkentzündungen. — Prof. Palasciano aus Neapel: sur le retreetissement de l’intestin dans la hermie £trangl&e et sur la maniere de la dilater dar invagination. — Dr. Gauwerky aus Soest: über freiwilligen Abgang von Harnsteinen. "Gynäkologische Section. Präsident: Prof. Dr. Litzmann aus Kiel. Seeret.: Dr. Spiegelberg. Dr. Küchler aus Darmstadt hält einen Vortrag „über die Wirkung der Doppelnath zur Sicherung der Herstellung eines soliden Damm- und Scheideneinganges.“ Dexselbe Smplehle die primäre Schliessung einer Schleim- hautnath, neben einer sorgfältig ausgeführten Totalnath, um die grosse penetrirende Wunde in eine nicht penetrirende zu verwandeln. — In der folgenden Debatte kamen auch die Behandlung frischer Damm- risse, so wie die Exsudationen ins Beckenzellgewebe zur Sprache. — Nächste Sitzung Montag den 21. Angekündigter Vortrag des Dr. Spiegelberg: „über die geburtshülfliche Anästhesie.“ Section für Psychiatrik. Präsident: Dr. Mansfeld, Sekretair: Dr. Hertz. Auf Montag, den 21. Sept., wurden als Vorträge angekündigt : 1. Versuch einer exacten Unterscheidung vom physischen und psychischen Stoffe, von Dr. Leon- hardi, Professor: der Philosopbie von Prag. 2,.Ueber die Diagnose bei einem vorgestellten Gehirnkranken, von Dr. Hertz. 3. Ueber die Anämie in ihrer Beziehung zu den Neurosen und in specie den Psychosen von Dr. Erlenmeyer aus Bendo«f. 4. Ueber melancholische Angst und ihre somatische Begründung, von Dr. Arn oldi aus Winningen. Dr. Richarz hielt den angekündigten Vortrag: Ueber Melancholie mit Aufregung , deren Dia- gnose und Behandlung. Es bestehe ein psychisches Unterscheidungsmittel zwischen Melancholia agi- tans und Manie. In dieser ist eine flüchtige Reihenbildung der Vorstellungen vorhanden mit dem Ge- fühle des Könnens ; in jener sind die Vorstellungen abgebrochen, in einem engen Kreise sich drehend und verbinden sich mit dem Gefühle der Unlust. — Die Therapie habe zunächst die Aufregung zu beseitigen. Die Erscheinungen des Reizes seien oft nur die der Anämie. Eisen sei hier die Arznei. Bei Hungergefühl lasse man die Kranken gut essen. Fehle der Hunger, so gebe man liq. cupri Köchlini. Kalte Bäder passten bei erhöhter Hauttemperatur, Chinin bei Herzerethismus, Wein sei hier ein viel besseres Mittel, als Opium. Opium sei in dieser Anwendung irrational, werde es in kleiner oder osser Gabe gegeben. Aus Zeitmangel wurde die voraussichtlich längere Discussion über diesen ortrag auf Montag in die Stunde von 11 bis 12 Uhr verschoben. , Prof. Dr. Albers sprach sodann über seine mit Digitalis und Digitalin gemachten Versuche. Als feste Ergebnisse habe sich herausgestellt: 1. Quantitative Vermehrung des Harnes in den meisten, Vermehrung des''specifischen Gewichtes des Harnes in allenFällen, 2. Ausgleichung der Körperwärme, 3. Verlangsamung, Leere und Grösser werden des Pulses, 4. Gleichmässige Andauer der Respiration, auch wenn die Wirkung des Mittels bis zum Stillstehn des Herzens vordringt. Die allgemeine Wir- kung der Digitalis ist also nicht bloss eine die Reizbarkeit des Herzens vermindernde, sondern auch eine das Blut verarmende. Bei Gehimkranken findet es passende Anwendung bei entzündlichen Zu- ständen nach erster Antiphlogose. Die Wahl des Präsidenten für die Sitzung am Montage fiel auf Prof. Albers. = mo Die deutsche Gesellschaft für Psychiatrik und gerichtliche Psychologie hielt um 11 Uhr ihre Versammlung unter dem Vorsitze des Präsidenten Mansfeld aus Braunschwei und verhandelte folgende Gegenstände: 1. Es wurde zunächst die Mittheilung gemacht, dass die Gesell. schaft im Stande sei, wieder. die Summe von 100 Thlr. für eine Preisfrage auszuschreiben. Aus den dem Vorstande und Ausschuss vorgelegten Fragen wurde die folgende nach längerer Discussion ausgewählt: „Wiesind beginnende Seelenstörungen zu behandeln?“ x Die Arbeiten müssen mit Motto und versiegeltem Namenszettel bis zum 31. December 1858 an Dr. Eulenmeyr in Bendorf bei Coblenz eingeschickt werden. — 2. Dann wurden die DDrr. Cornaz zu Neuchatel, Donkersloth zu Amerongen und Prof. Huss. zu Stoekholm zu .corresp. Mitgliedern er- Po 3. wurde beschlossen, mit‘ dem Correspondenzblatt ein „Archiv“ für grössere Arbeiten zu verbinden. Diejenigen Mitglieder der deutschen Gesellschaft fürPsvehiatrik und gerichtliche Psychologie, welche zur Bildung eines Comite@s für die Errichtung einer Idioten-Anstält in der Rheinprovinz eingeladen worden sind, werden gebeten, am 21. September Morgens 8 Uhr sich im Hörsal Nro. XI. (Psychiatrik) einzufinden, um das Nähere zu berathen. Der I. Secretär. ei u ANZEIGEN. Dr. Parow ladet die ‚Herren Mitglieder und Theilnehmer mit Rücksicht auf seinen in der chi- rurgischen Section gehaltenen Vortrag zum Besuche seines Orthopädischen Instituts auf Diens- tag früh 8 Uhr ergebenst ein. Das akademische Lesezimmer im Universitätsgebäude ist den Versammelten von Morgens 9 Uhr bis Abends 7 Uhr geöffnet, nur werden die Besuchenden gebeten, ihre Namen in das aufliegende Fremdenbuch einzutragen. Briefe an die Herren Wittelshöfer, Leubuscher, Schischkoff, Kelp, Chelias, Hoff- mann, Harder, Schaum, Vogler, Schenkenberg, Oechsner sind in Händen des Herrn Geh.-Rath’s Nöggerath und überall bei ihm in Empfang zu nehmen, da er sie bei sich führt. In der Sectionssitzung für Kyahkelbgie vom 19. ist eine Zeichnung abhanden gekommen, um deren Rückgabe bittet Dr. Küchler aus Darmstadt. ©, Verzeichniss der 2 Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Samstag den 19. Abends erklärt haben. . Mitglieder. Appia, L., Dr. med. Genf. Mediein. | Frichhöffer, C., Dr. med. Weilmünster. Brüderg. 1103. Abich, H., Dr., Akademiker. Petersburg. Trierscher Hof. | Mediein. Geologie. Friedlieb, Dr., Medieinalrath. Homburg. Triersch. Hof. Arntz, W., Dr. med. Cleve. Belle Vue. Mediein. Mediein. ‘Augustin, Apotheker. Remscheid. Belle Vue. Chemie. Fuhrmeister, C., Dr. med. Cleve.. Belderberg 1014. Me- Bach, M., Lehrer. Boppard. Bei Herrn von Siebold. diein. Zoologie. Fallati, Dr., Arzt... Tübingen. Rheinischer Hof. Birnbauın, Fr., Dr., Direetor der Hebammenanstalt. Trier- Gutberlet, W., Realschulinspeetor. Fulda. Trierscher Coblenzer Strasse. Gynäkologie. Hof. Geologie. Braun, H., Dr., Sanltätsrath und Kreisphysikus. Weveling- | Gierling, F., Kaufmann. Dülken. Rheinischer Hof. Botanik. hoven. Kaufmann Hertel. Mediein. Gläsener, Professor. Liege. Physik, Bromeis, C., Docent. Marburg. Hötel Royal, Chemie, | Gräfe, C., Dr., Arzt. Halle. Bonngasse 510. Mediein. Carnap-Bornheim Freiherr von, Königl. Preuss. Kam- | Heinen, F., Dr., Director. Düsseldorf. Bei Professor Beer. merherr. Burg Bornheim. Agronomie. Physik. Curtman, Seminardirector. Friedberg. Physik. Höbel,' Berghauptmann.' Halle. Trierscher Hof. Geologie. Cornaz, Dr. Med. Neuenburg (Schweiz.) Hötel Rheineck..) Huweny, vanıder, Professor. Leiden. Im goldn. Stern. Mediein. “ Zoologie. Donders, H. C., Professor. Utrecht. Im: goldnen Stern. | Hülsmann,.R.,. Pro‘ med. Dortmund. Trierscher Hof. Anatomie. Mediein.o. Diehl, M., Dr., Gymnasiallehrer. ‘Giessen. Rheingasse 942. | Hofmann, Joseph, Kaufmann. Bonn. Geologie. Zoologie. \ Hannes, Apotheker, Wesel. Chemie. Drevermann, Dr. phil. "Hörde. Triersher Hof. Chemie. | Heusinger, Otto, Dr. Med. Marburg. Brüdergasse 1103. Droste, A., Dr., Sanitätsrath. Osnabrück. Sternstrasse bei Mediein. i Velten. Mediein. Karrer, Dr. med. Prag. Hötel Kley. Mediein. Ewich, Dr., Arzt. Cöln. Bei W. Wiesmann. ‚hKıesselkaul,;Dr. med. Aachen. Trierscher Hof. Mediein. Esmarch, Dr., Director der chirurgischen Clinik. Kiel.) Kruse, C., Dr., Oberlehrer. Elberfeld. Im goldnen Stern. Chirurgie. er Geologie. Eulenburg, M., Dr. med., Sanitätsrath und Director. |'Loo v. d., Dr., Arzt. Venlo. Rheinischer Hof. Chirurgie. Berlin. Chirurgie. Lanser, A., Notar. Blankenheim. Sternstrasse 200. Dünker, Oberbergrath, Cassel. Geolögie. Duster Krause, Dr., Arzt. : Düsseldorf. Freytag, Lehrer ‚der Naturwissenschaft. pelsdorfer Academie. Feldmann, F., Dr., Arzt. Solingen. Mediein. Jäger, Obermedieinalrath. Stuttgart. Medicin. Leonhardi, H., Dr., Freiherr, Professor der Philosophie. Prag. Poppelsdorfer Schloss. Botanik. Lersch, B. M., Dr., Arzt. Aachen. Josephstrasse. Mediein. Leubuscher, Prof. Jena. Neugasse, b. Haubrich. Mediein. Löwe, L, Dr., Chemiker. Frankfurt a. M. Ch emie. Wen Se E., Dr., Arzt. Cöln. Mediein. Meyer, J. B., Dr. phil. Hamburg. Zoologie, Möbius, K., Dr phil. Hamburg. Zoologie. Marenbac ” We zmeister. Siegen. Geologie. Mellen,H,, Dr. ‚Assist. d. Prof. Donders. Utrecht. Physiologie. Meyer, Fr, Dr. med. Eitorf. Psychiatrik. Neumann, S., Dr., Arzt. Berlin. ‘Mediein- Noll, C. L., Ingenieur. Cöln. Physik. Peipers, Dr., Arzt und Kreisphysikus. rock. Medicin. Medicin. Cöln. ‚Poppels- Solingen. "N. Sim- 'Prestel, M. A. F., Dr. phil. Emden. Markt bei Dewald. Physik. Ranke, H., Dr., Arzt. London. Hötel Kley. Mediein. Radicke, Professor. Bonn. Physik. Le Roy d’Etiolles. Paris. Mediein. Stromeyer, Dr., Generalstabsarzt. Hannover. Mediecin: Scherer, Dr., Professor. Würzburg. ‚Hötel Royal. Chemie. Schwarzenberg, A., Oberbergratl- Stromeyer, Dr. see Hannover. Medicin. Schimper, W. J., Dr., Professor. Strassburg. Hötel Ro- yal. Botanik. Segelken," Dr., Arzt. Bremen. ' Im goldnen Stern. Me- diein. Senft, Dr., Professor. Eisenach. Josephstrasse bei \Veber. Geologie. Schaum, Professor.“ Berlin. Upmann, Dr., Landphysikus. Zimmermann, K. G., „Hof. Geologie- Im. goldnen Stern. Zoologie. Birkenfeld. Medicin. 4 Dr:, Arzt. Hamburg.- Rheinischer Theilmehmer. Beissel, J., Rentner. Aachen. Geologie. Bausel,E., Dr., Apoth. Düsseldorf. Markt b-Röttgen. Chemie. Bohn, Bergexpeetant, Coblenz. Im Engel. Geologie, Borcehardt, Dr-, Arzt. Manchester. Hötel Royal- Mediein. Berg, Fr., Arzt. Neuerburg- Mediein. Beyer,:A,, Kreisphysikus. Cleve. Hundsg. 1054. Mediecin. Cohen, Max, Kaufmann. Bonn. Geologie. Daub I., T., Grubenrepräsentant. Siegen. Disch, J., Rentner. Cöln. Geologie. Dörstling, Baudireetor. Gotha. Hötel Kley. Physik. Eschbaum, Instramentenmacher. Bonn. Chirurgie. Gottschalk, Dr., Arzt. Düsseldorf. Mauspfad. Medicin. Güthing, T., Grubenrepräsentant. Siegen. Geologie. Goldschmidt, Techniker. Amsterdam. Geologie. Huntzinger, J. P., Chir. Instrumentenm. Cöln. Chirurgie. Henneberg, Dr., Arzt. Magdeburg. Hötel Kley. Mediein. Homburger, Dr., Arzt. Carlsruhe. Mediein. Heymann, B., Kaufmann. Bonn. Ghemie. Hasenclever, Dr., Generaldirector. Aachen. theker Bartels. Chemie. Hupert,'F. W., Berggeschworner. Heusler. Geologie. Jungbluth, Dr., Arzt. Aachen. Josephstr. b. v. Broich. Mediein. Geologie. Bei Apo- Stolberg. Bei Referendar Jüttner, Markscheider. Saarbrücken. Rheineck. Geologie. Koldeway, G., Apotheker. Königswinter. Chemie. Lander, Kaufmann. Bonn. Chemie. Lehmann, Advokat. Cöln. Coblenzerstr. b. Brassert. Chemie. Lisner, Dr., Arzt. Ruhrort-. Medicin. Metz, Dr., Arzt. Aachen. Rheineek. Mediein. Mallinckrodt, F., Bergmann. bei Deichmann. Geologie. Mooren, A-, Dr. med. Oedt. Düren. Coblenzer Strasse Allee bei Hofmann. Mediein. Müller, Th., Bergwerksbesitzer. Bonn. 'Weberstrasse 29. Meyer, K. L., Sanitätsoffizier. Batavia. Bei Kaufmann Mertens. Medicin. Nettekoven, F., Maschinenbauer. Sayn. Physik. Nebe, Fr., Apotheker." Düsseldorf. Im Stern.. Mineralogie. Oswald, A., Stud. phil. Frankfurt a. M. Josephstr. 764. Geologie. Overbeck, Dr.,Arzt. Detmold. Brüdergasse 1105. Mediein, ro elbermann, Kaufmann. Bonn. Weologie. Oppenheim, H., Kaufmann. Bonn. Chemie. Pfeffer, A., Dr. med. Düsseldorf. Poppelsd. Allee II-Mediecin. Rühle, Dr., Arzt. Cannstadt. Cölnstr. 391. Mediein. * Ruer, H., Apotheker. Düsseldorf. Markt bei Röttgen. Chemie. Reuss, C. F., Fabrikant. Heilbronn. Im Stern. Chemie. Reuss,A., Örubenibesitzer. Frankfurt a.M. Im Stern. Geologie. Reinhar a, Dr., Arzt. Bochum. Mediein. Rausche, Dr., Arzt. Neustadt-Magdeburg.. ' Hötel Kley. Mediein. Steiner, Dr., Arzt. Dülken. Sybel v., Regierungsassessor. Düsseldorf. Belle Vue. Sinning, L., Bergmeister. Düren. Geologie. Stifft, Dr., Ka Bad Weilbach. Rheinischer Hof. Mediein. Scheck, Baumeister. Hennef. Geologie. Seifert, Dr., Arzt. Dresden. Psychiatrik. Stolzenberg, Freiherr von, Gutsbesitzer. Coblenz. Geologie. Rheinischer Hof. Mediein. Segelcke, Th., Polytechniker, Copenhagen... Bonngasse bei Schorn. Chemie. Steinmeier, Dr, Arzt. Jülich. Mediein. Steinmeier, Hundsgasse bei Köttgen. Seelbeck, B., stud. med. ‚Jena. Im Engel. Anatomie. Seliwelle, R., Dr., Arzt. Witten a. d. R. Mediein. Sinsheim, Dr., Arzt. Ober-Ingelheim. Hundsg- 1058. Mediein. vw. 'Tanhuys, General-Major. Frankfurt a. M. Geologie. Vollmeyer, J., Kaufmann. Crefeld. Im Stern. Geologie. Versmanny, F., Chemiker. London. Rheineck. Chemie, Vogelsang, Dr. ‚Arzt. Hannover. Bei Prof. Vogelsang, Münsterplatz- Medicin. Westphal, Apotheker. Düsseldorf. Marktbei Röttgen. Chemie. Weber, P.. Er,.Dr. med.. Siegburg. Mediein. Wulf-Ronneburg, von, Agronom. Livland. Belle Vue. Geologie... Hu Fortsetzung, folgt in Nro. 4. j Druckfehler. Tageblatt No. n n Seite 7. Zeile 20 von oben lies: Seite 10. Zeile 11 von oben lies: Seite 11. Zeile 7 von unten lies: Seite 12. Zeile 2 von oben lies: Seite 12. Zeile 5 von oben lies: Seite 15. Zeile 16 von oben lies: Seite 15. Zeile 17 von unten lies: Seite 15. Zeile 23 von oben lies: Seite 16. Zeile 4 von unten lies: Seite 16. Zeile 36 von oben lies: 2 rn n n n nn Dr. n n n n n n n n n ” 4 3 303,3 a ıBe3 n Cruchem statt Crucherd. Vor Schillings statt Vorher. Ophthalmotrop. Professor Litzmann. Küchler und Dammnath. Lehmann, Dr. statt Schwann. Erlenmeyer statt Cremeyer. Tasche aus Salzhausen statt Sachsenhausen. Dorl für Doel. Kekule statt Kekute. Im Namensverzeichnisse der Mitglieder fehlt: Dr. Spiess aus Frankfurt. Physiologie. ® Bonn, gedruckt bei Carl Georgi. An die Herren Mitglieder der Naturforscher-Versammlung in Bonn. Erste Mittheilung über den LYCLUS ORGANISCH VERBUNDENER LEHRBÜCHER SÄMMTLICHER MEDICINISCHEN WISSENSCHAFTEN, BEARBEITET VON Prof. Dr. Albers in Bonn, Dr. Albrecht in Berlin, Hofrath Dr. Beneke in Marburg, Prof. Dr. C. Bödeker in Göttingen, Dr. Caspary in Bonn, Prof. Dr. v. Dusch in Heidelberg, Dr. Dursy in Tübingen, Dr. Eimer in Langen- brücken, Dr. Eisenmann in W ürzburg, Dr. Erlenmeyer in Bendorf, Dr. Langenbeck in Göttingen, Prof. Dr. R. Leuckart in Giessen, Dr. €. F. Loh- meyer in Göttingen, Prof. Dr. Planer in Lemberg, Dr. Reil in Halle, Dr. C. H. Schauenburg in Bonn, Prof. Dr. Schiff in Bern, Dr. 0. EPezeiherg in Göttingen, Dr. C. Stammer in Cöln, Prof. Dr. C. Textor jun. in Würzburg, Prof. Dr. J. Vogel in Halle, Prof. Dr. Welcker in Giessen, ete. ete. HERAUSGEGEBEN VON DR. C. H. SCHAUENBURG. E LAHR. ü VERLAG VON M. SCHAUENBURG & C. | 1858, E ee — u Zn use ins ie Die unterzeichnete Verlagshandlung ist in Verbindung mit Herrn Dr. C.H. Schauenburg, Docenten in Bonn , mit Herausgabe des „Cyelus Organisch verbundener Lehrbücher sämmtlicher medicinischen Wissen- schaften” beschäftigt, in denen anerkannte Specialisten in einer grössern Reihe von Einzelwerken von je e. 20 Bogen gr. 8. das Gesammtmaterial der Mediein vom Gesichtspunkte der exacten Naturforschung und mit steter Berücksichtigung der Empirie bearbeitet haben oder bearbeiten. Die Namen der Herren Autoren, welche zur Theilnahme an diesem zeit- und zweckgemässen Unternehmen gewonnen sind und bezüglich der organischen Verbindung der Einzeldoctrinen zu einem einheitlichen Ganzen unter einander und mit der Redaction in Conferenz stehen, bür- gen für die streng wissenschaftliche Haltung und vollständige Brauch- barkeit dieser Lehrbücher, welche allen entbehrlichen Wortreichthum sowie hypothetische Excurse ausschliessen, die Thatsachen der Wissen- schaft aber, wie dieselbe für die Gegenwart in Kraft sind, in mögliehster Verständlichkeit und Kürze zum Vortrag bringen. Es wird durch diese Werke sowohl dem Bedürfniss der praktischen Aerzte, welche es verschmähen, sich mit der Nutzbarmachung früher er- worbener Kenntnisse befriedigt zu erklären, als auch besonders dem Be- dürfniss der Studirenden Rechnung getragen. „Seit geraumer Zeit schon ist es unzweifelhaft geworden, dass sich für die Mehrzahl dieser letzteren die Mittel des mediemischen Studiums zu der grossartigen Entwicklung und Neugestaltung der medieinischen Wissenschaften in einem Missverhältnisse befinden, das bisher nirgendwo den sachgemässen Ausdruck gefunden hat und gegen welches sich des- halb das Verlangen nach Abhülfe nur unbestimmt oder bei Einzelnen zu spät fühlbar machen konnte. Wenn auch eine Minderzahl der Studiren- en dem vorschriftsmässigen Quadriennium ein oder mehrere Semester zusetzen konnte, so ist doch aus natürlichen Gründen die auf das Studium zu verwendende Zeit im Allgemeinen auf die bisherigen Grenzen be- schränkt geblieben, ein Umstand, dem gegenüber nicht der Wissenschaft, wohl aber den Lehrern derselben Pfliehten erwachsen, die mit täglich gebieterischerer Nothwendigkeit zur Berücksichtigung zwingen. Die Wissenschaft und die Anwendung derselben, die Praxis, haben sich, wie es in der Natur der Sache liegt, unausgesetzt umfangreicher Traditionen entäussert, die zu ihrer Zeit mit Recht als erhabene Wissens- schätze galten, für die Gegenwart aber nur den Werth bahnbrechender Vorarbeiten beanspruchen dürfen und dem ersten Studium deshalb als Hemmnisse erscheinen müssen. Es würde eine Unbesonnenheit sein, ihrer mit Missachtung zu erwähnen, aber es muss gesagt werden, dass sie auf Lehrkanzeln und in Lehrbüchern meisthin in grösserer Ausführ- lichkeit noch zur Behandlung kommen, als es die bestehenden Verhält- ” nisse statthaft erscheinen lassen. Be , Diesen Entäusserungen gegenüber haben sich durch die naturwissen- schaftlich exaete Methode der orschung und durch entsprechende Com- bination eorrespondirender Doctrinen neue Quellen für die Gesammt- mediein in einem Grade aufgeschlossen, dass sie sich mit gerechtem Stolze gehaltvollerer Bereicherungen rühmen darf, als ihre Annalen aus“ irgend einer früheren Periode aufzuweisen vermögen. So hat, um das Gesagte an einem Beispiele klar zu machen, die Physiologie in dem Zeitraum von wenigen en. einen durchaus anderen Inhalt gewon- nen und muss Lehrbücher, die vor einem Menschenalter als epoche- machend galten, bereits in das Gebiet ihrer Geschichte verbannen. Und gerade aus diesem Umstande, dass die Lehre von den Functionen der Organe im Normalzustande eine so wesentlich andere geworden ist, lässt sich auch am deutlichsten erkennen, wie unumgänglich alle übrigen Doctrinen sich reorganisiren mussten und müssen. 1 Das ist geschehen und geschieht. Jeder Sachverständige hat es zu- gegeben, doch ist hier nicht der Ort in die beweisenden Einzelheiten eines Näheren einzugehen. Hier ist nur Absicht, auf die Thatsache hin- x gewiesen zu haben, in welehem Grade zu diesen grossartigen und neu- estaltenden Bereicherungen der medieinischen Wissenschaft die Mittel res Studiums des angemessen richtigen Verhältnisses entbehren. Um dem Missverständniss vorzubeugen, als solle durch beihelfende Lehrmittel für einzelne Neuerungen ein Vorrecht auch über unbestreit- bare Wahrheiten der alten Schulen beansprucht werden, sei hier die Bemerkung am Platze, dass es vielmehr gilt, die alten Wahrheiten, die ja auch die ewig neuen und durch alle Jahrhunderte bleibenden sind, von den vergänglichen Eigenthümlichkeiten der Schulen zu reinigen und ihnen in dieser gereinigten Herstellung und in ihrer heutigen Vollständig- keit einen dergestalt sleiechmässigen Ausdruck zu verschaffen, dass sie übersichtlich und in sachlich genügender Verständlichkeit dem Stu- direnden vorliegen. An dieser Gleichmässigkeit ist vorzugsweise ein entschiedener Mangel nachweisbar und er musste zu den Uebelständen hinführen, die das Studium erschweren und die praktische Thätigkeit benachtheiligen. — Bemerkt mag nur werden, dass das ausgesprochene Verlangen mancher der hervorragenden Lehrer, aus ihren Schülern Speeialisten ihres Faches zu bilden , zum Theil die Ineonvenienzen herbeigeführt hat, von denen diese selbst später als Praktiker und noch mehr das auf sie hingewiesene Publikum leiden. Die gerügten Uebelstände und ebenso die Schwierigkeit, ihnen an- emessen zu begegnen ‚sind unläugbar. Aber es gibt ein Mittel zur Ab- ilfe und zwar besteht es unseres Erachtens in der Herstellung einer sachlich entsprechenden und streng durchgeführten Gleichmässigkeit, gewissermassen in der Organisation des häuslichen Studiums der einzelnen medieinischen Wissenschaften. Für dieses Ziel tritt der Cyelus organisch verbundener Lehr- bücher für jede einzelne Doctrin in’s Leben, die unter einheit- lieher Leitung von denselben Grundsätzen ausgehend, den erforderlichen Grad von Vollständigkeit mit bündiger Kürze und Verständlichkeit verbinden. Jedes für sich ein streng wissenschaftlich gehaltenes Ganze ist für einen geringen Preis käuflich. Die ganze Sammlung kann von dem einzelnen Studirenden im Verlaufe seines Quadrienniums ohne sonderliche Unbequemlichkeit an- eschaflt werden und wird, dem Studium, nieht mit ausdrücklicher Pe- anterie jedem Lehrvortrage, zum Grunde liegend, den Inhalt sämmt- licher dem jungen Medieiner vorgeschriebenen Doctrinen, also der Ge- sammtmediein repräsentiren. Die Lehrbücher, möglichst unmittelbar aneinander anknüpfend, werden den Studirenden durch seine ganze Studienzeit und bis in die Praxis begleiten, sie werden in fortschreitender Stufenreihe in seine Hände kommen, unausgesetzt in seinem Gebrauche verbleibend, ihren Inhalt von Semester zu Semester deutlicher und im Zusammenhange begreiflicher ihm einprägen und so jene Gleichmässig- keit in seinen Studien und Kenntnissen ermöglichen, deren Mangel oben gerügt wurde.“ — Als vorstehendes Bruchstück der den Cyelus skizzirenden Denk- schrift seit Anfang des Jahres 1857 durch Cireular in weiteren Kreisen ‚bekannt gemacht wurde, durfte trotz der wohlbegründeten Ueberzeugung von der Richtigkeit der leitenden Ideen doch kaum gehofft werden, dass schon bei den ersten Mittheilungen die Zeit- und Zweekgemässheit des _ Unternehmens in dem Grade von den eompetentesten Seiten Anerken- nung finden würde, wie es wirklich geschehen ist. Diese Anerkennung ‚wurde bald eine so allgemeine und vollständige, dass es den Bemühun- gen .der Redaction ohne erhebliche. Schwierigkeiten gelingen konnte, ie geeigneten Speecialisten zur Ausführung der eneyklischen Werke zu gewinnen. Von dem ursprünglichen Entwurfe wurde nur in einzelnen unwesentlichen Punkten abgegangen, was man bei der Vereinigung vieler Gelehrten zu einem Zwecke als selbstverständlich einräumen wird, was aber auch, da es von dem grossen Interesse der Herren Mitarbeiter an dem Gesammtwerke Zeugniss liefert, auf die Einheitlichkeit und Güte desselben in förderlichster Weise einwirken musste. Auf mehrseitigen Wunsch und um den Gesammteyclus den Einzelnen zugänelicher zu machen, ist von der Einfügung mehrerer Werke (so einer Philosophie, Thierheilkunde, medieinischen Gesetzeskunde, einer Musterlese ärztlicher und gerichtsärztlicher Gutachten u. a.), entgegen dem ursprünglichen Entwurfe, einstweilen Abstand genommen. Da wir aber mit gewissem Rechte einer allgemein günstigen Aufnahme des Unternehmens entgegensehen, so hoflen wir mit Bestimmtheit, auch diese Seitendiseiplinen demnächst doch wieder in den Cyelus einreihen zu können. Schon jetzt ergibtsich aus nachfolgender Uebersicht der Einzelwerke, dass dieser Cyelus dasjenige sein wird, was ähnliche Unternehmungen nieht mit demselben Rechte von sich aussagen durften, eine voll- ständige medieinische Bibliothek. Das Bedürfniss, dem wir im vollsten Sinne des Wortes Rechnung zu tragen beabsichtigen, soll allein hinsichtlich späterer Ergänzungen des Cyclus als maassgebend gelten. Indem wir nunmehr das Publikum und die Kritik auf die von jetzt ab in stetiger Folge erscheinenden Werke selbst hinweisen, fügen wir nur noch die Bemerkung eines unserer Mitarbeiter bei, dass „es gut und wünschenswerth ist, durch den Cyelus die von Tag zu Tage sich häu- fenden Einzelarbeiten im Gebiete der Mediein zu prüfen, zu sichten und übersichtlich, d. h. nach einer gewissen, möglichst wissenschaftlichen Anordnung zusammenzustellen.“ Durch die Weise, in der dies geschieht, kommt die Gesammtmediein der Gegenwart derart zur organischen Darstellung, dass die Canstatt’schen Jahresberichte und ähnliche Referate als fortlaufende Supplemente des Cyclus dienen können. Es bedarf kaum der Erwähnung, dass an xylographischen Abbil- dungen (ausgeführt in der bewährten Anstalt von Allgaier $ Siegle in Stuttgart), und Lithographien, soweit beide wirklich lehrreich sind, überall kein Mangel sein wird. Ausserdem steht ein das Bedürfniss des Gesammt- Cyelus umfassender, aber auch heftweise für die Einzelwerke käuflicher Atlas für spätere Zeit in Aussicht, zu dessen artistischer Herstellung das rühmlichst bekannte Institut Arnz & Comp. in Düsseldorf seine Bereit- williekeit bereits erklärt hat. m die Anschaffung des ganzen Cyclus zu erleichtern, erlaubt sich die Verlagshandlung zur Subscription auf denselben aufzufordern. Preis des Bandes im Cyelus e. 1%, Thlr. (1°4 Sgr. per Bogen.) | Preis des Bandes im Einzel-Ankauf e. 1°, Thlr. (2", Sgr. per Bogen.) Bildliche Zugaben werden bei diesen Preisen keine nennenswerthe Aenderung verursachen. Um Diejenigen vor den Einzelabnehmern zu begünstigen, welche sich nieht zur Abnahme des ganzen Cyelus, doch aber zur Anschaffung eines grösseren Theiles entschliessen, werden bei sofortiger Bestellung von 8 verschiedenen Bänden 1 neunter, bei 14 Bänden 2, Se: 20 Bänden 4 weitere unberechnet gegeben. | Satz, Druck und Papier wie dieser Prospeet. Probe der Holzsehnitte siehe letzte Seite. M. Schauenburg 8 €. in LAHR. ÜBERSICHT der Einzelwerke des Cyclus organisch verbundener Lehrbücher sämmt- licher medicinischen Wissenschaften. 1. Eneyelopädie u. Methodologie 14. Pathologische Anatomie. der Mediein. 15. Chirurgische Anatomie. 2. Botanik. 16. Diagnostik. 3. Mineralogie. 17. Pharmakognosie. 4. Zoologie. 18. Pharmakodynamik und For- 5. Physik. 2 Bde. mulare. 6. Chemie. 2 Bde. 19. Spee. Pathologie u. Therapie: a. Infectionskrankheiten. 7. Allgemeine und specielle Ana- tomie, 20. b. Constitutionelle Krankhei- ten. 8. Allgemeine u. specielle Histo- logie. 21. e. Krankheiten des Nerven- apparates. 9. Physiologie. 2 Bde. 22. d. Krankheiten d. Cireulations- ee und Physiologie Ye und Respirationsapparates. Sinnesorgane. 23. e. Krankheiten des Digestions- k 11. Anthropologie. apparates. 12. Physiologie und Pathologie der 24. f. Krankheiten des Urogenital- Generation. apparates und Syphilis. 3. Allgemeine Pathologie. 25. g. Kinderkrankheiten. 26. 27. 29. 3. 32. Allgemeine und speeielle Chi- rurgie. 2 Bde. Gesammte chirurgische Ope- rationslehre. . Feldärztliche Medicein. Gynäcologie. . Geburtshülfe. Ophthalmiatrik. Spee. Pathologie u. Therapie d. Gehör- u. Sprachwerkzeuge. 33. 41. Zahnheilkunde. . Orthopädie. . Hygieine und Sanitätspolizei. . Balneologie. . Medicinische Chemie. . Toxikologie. . Geographische Pathologie. . Staatsarzneikunde. Geschichte der Mediein und medıein. Literaturgeschichte. —n 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Bonn. fi Vuuwv Seftlicher Gefud) der Stadt Köln am Dinstag, 22. September 1857. —uV Gegen 4 Uhr Nachmittags mit einem besonderen, Punet 3 Uhr von Bonn abgehenden Convoi auf dem Rheinischen Bahnhofe an Pantaleon ein- treffend, werden sich die geehrten Gäste in einem Zuge nach dem Rathhause begeben, um dort die feierliche Begrüssung des Oberbürgermeisters, der Beigeordneten und sämmtlicher Stadtverordneten entgegen zu nehmen und in deren Begleitung die Raths-Capelle (auf dem Rathhausplatze) mit dem römischen Mosaikboden, die Sammlung der Boisseree’schen Glasmalereien (gegenüber dem Rathhause), die städtischen Sammlungen im Wallrafianum (Trankgasse), vorzüglich aber den Dom, die Bomfchäße und die Dombauhütten zu besuchen, welche durch die zuvorkommende Güte des hochwürdigen Dom-Capitels, so wie des Dombaumeisters Herrn Geheimen Regierungs- rathes Zwirner zugänglich sein werden. Gegen Abend wollen sich die geehrten Gäste im botanischen Garten (Zugang gegen Vorzeigung der Mitglieder-Karten einzig von der Trankgasse her) einfinden, wo ihnen Seitens der Stadt ein kleiner Imbiss geboten wird. Um halb 8 Uhr findet die auf städtische Kosten veranstaltete Beleuchtung der Nordseite des Domes Statt; nach derselben stehen den geehrten Gästen durch Güte des betref- fenden Gesellschafts-Vorstandes die unteren und oberen Aäume des Cafino (am Augustiner-Platze) bis zur Rückfahrt zu Gebote, die mit besonderem Convoi der Rheinischen Bahn (an Pantaleon) um halb 11 Uhr Abends erfolgt. 05T Der Zutritt zum botanischen Garten wird nur gegen Vorzeigung der Mitglieder- Karten gestattet, welche beim Zugange an der Trankgasse geschieht. Druck von M. DuMont-Schauberg in Köln. TAGEBLATT DER 33. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN BONN IM JAHRE 185%. ’ Herausgegeben von den Geschäftsführern der Versammlung, Nöggerath und Kilian. (Unter Mitwirkung des Herrn Professor Dr. 0.0. Weber und des Herrn Docenten Dr. R. Caspary.) Das Redaktions-Bureau ist Franziskanerstrasse No. 1013. Das TAGEBLATT wird täglich, mit Ausnahme Sonntags, vor Beginn der Sitzungen beim Herrn Oberpedell Odenkirchen im Universitäts- Gebäude unten, links, ausgegeben werden. NM 4. Dienstag, den 22. September 185%. Protocoll \ der zweiten allgemeinen Sitzung am 21, September 1857. Der erste Geschäftsführer eröffnete die Sitzung, deren Gegenstand zunächst nach Vorschrift der Statuten die Wahl des Versammlungsortes für das nächste Jahr war, gegen halb 12 Uhr. Von der Stadt Ems war eine schriftliche Einladung eingegangen. Prof. Schrötter aus Wien schlu Karlsruhe vor, welchem Antrage Berghauptmann von Carnall das Wort redete. Auch Hofrat Eisenlohr aus Karlsruhe sprach warm für Karlsruhe und brachte die offieielle Einladung seines Fürsten. Sanitätsrath Dr. Ruer aus Düsseldorf lud im Namen des Magistrats von Düsseldorf für das nächste oder eines der nächsten Jahre ein. Bei der Abstimmung wurde fast einstimmig Karlsruhe zum Versammlungsort erwählt. Zum ersten Geschäftsführer für das kommende Jahr wurde Hofrath Prof. Dr. Eisenlohr, zum zweiten Medicinalrath Voltz durch Acelamation erwählt. Der erste Geschäftsführer machte hierauf die Anzeige, dass Schreiben von Sr. Excellenz dem Herrn Minister v. Raumer, Sr. Eminenz dem Herrn Kardinal-Erzbischof von Geissel in Cöln, und von Sr. Durchlaucht dem Prinzen Max von Neuwied eingegangen seien, welche das Bedauern der Ab- sender aussprechen, den Sitzungen nicht beiwohnen zu können. Der zweite Geschäftsführer machte noch eine geschäftliche Mittheilung in Betreff der morgenden Festfahrt nach Cöln, ‘und dann wurde zu den wissenschaftlichen Vorträgen geschritten. Kreisphysieus Schwartz las über die Stellung der Seelenheilkunde (Psychiatrik) zur Natur- forschung und insbesondere zur practischen Mediein. Ti ‘Prof. Helmholtz sprach über die Merkmale, vermittels deren wir die verschiedene Entfernung der Gesichtsobjeete beurtheilen ; er bezeichnete den Einfluss der Luftperspective, der Schlagschatten, d ging näher ein auf die Verschiedenheit der Ansichten, welche uns unsere beiden Augen von dem Gesichtsfelde liefern , als des wichtigsten Hülfsmittels um die körperliche Gestalt naher Gegenstände zu erkennen. Für ferne Gegenstände sind die Ansichten ‚beider Augen nicht verschieden genug, um dazu auszureichen. Um diesem Mangel nachzuhelfen, hat der Voitragende das Telestereoskop con- struirt, dessen wesentlicher Zweck ist, die Distanz der Augen künstlich zu vergrössern. Es wurde ein älteres, schon früher beschriebenes Instrument vorgezeigt, ohne‘ Vergrösserung, und ein neu con- struirtes von 16maliger Vergrösserung, welches die Vortheile des Teleskops und Stereoskops verbindet mi Dr. Schimper hielt darauf einen Vortrag über die Structur der vegetabilen Zellhaut, und die "Mittel, wodurch diese bewiesen wird. Nach Anführung mehrerer Beispiele von constanten Drehungen im Pflanzenreiche, erklärte er dieses Drehen, das durch Volumenminderung entsteht, und das in irgend einer Weise an jeder Pflanze der höheren Abtheilungen vorkommt , als das sichere, physicalische und mathematische Klarheit gewährende Mittel, die Struktur und Be Porosität der Zellhaut wissen- schaftlich sicher zu stellen, da nur eine An Dez rhombischer Körperchen, deren grösste Dichtigkeit aussen ist, solche Erfolge bei Trocknung und Wiedernetzung geben kann. En rer . > . NS . . Berichte über die Sectionssitzungen am /2178eptember. . j BE \ e PA E\ Ja Mineralogische Section. Tages-Präsident: Prof. G. Rioisie trug einige Beobachtungen’ vor über den den Granitit des Rie- sengebirges nordwestlich begrenzenden Gneiss, und den darin aufsetzenden Granit und knüpfte daran Bemerkungen über das Verhältniss ‚des Granit ‚zum, Gneiss, in-Allgemeinen.; Die Grenzen zwischen beiden lässt sich im’ Riesengebirge durchaus seharf ziehen. a4 | Dr. ©. E.R. Schimper aus Schwetzingen trägt sein „morphologisches System der Flussge- schiebe nach seiner rhoodynamischen und eigengeschichtlichen Begründung oder Podismatik“, vor. Dr. Drescher aus Frankfurt. macht ini Auftrage des hannöverschen Majors Papen Mittheilun- gen über dessen Schichtenkarte. Diese Karte steht im Prinzip gewissermassen zwischen den geogra- Dhischen und: geognostischen Karten, ein. Prinzip, welches; von'G@auss, zuerst ‚angegeben, wurde. Der edner fügt den Wunsch hinzu, dass das grosse Werk dem Vaterlande erhalten werde. Sir Roderick Murchison legte.der Gesellschaft die neuesten Publikationen der Geological Survey of the British Isles vor, bestehend aus Karten, Durchschnitten u. s. w. zur Erläuterung der silurischen oder älteren paläozojschen Gesteine, des Kohlengebirges und der secundären und tertiären Ablagerungen, und ausserdem aus beschreibenden Werken über denselben Gegenstand, namentlich den „Records of the school of mines“, den „Decades of organie remains“, deren Verfasser die verschiedenen ausgezeichneten Männer sind, welche der Redner nannte wnd deren Arbeiten zu leiten er sich zur Ehre rechnete. — Heır Ed. de Verneuil ergriff das Wort um hervorzuheben, dass Sir Roderick Murchi- son nur von den Verdiensten seiner Mitarbeiter geredet und sich selbst vergessen habe. Er wiess nach wie Sir Roderiek durch ‘seine eigenen grossen Arbeiten ebensowohl als durch die Art-seiner Leitung der wesentlichste Antheil an der IRRE und den schon gewonnenen grossen Erfolgen des genannten Instituts gebühre. . Berghauptmann v. Carnall legt Exemplare der neuen Auflage seiner geogn. Karte von Ober- schlesien vor und erläuterte dierAbweichungen: von der 1. Aufl»ge. "Insbesondere machte derselbe auf die neuen Aufschlüsse im Steinkohlen-Gebirge aufmerksam, nach denen man die Lagerung der Steinkohlenflötze in den. Hauptzügen! vollständig. darstellen kann, was, in. einer Spezialkarte geschieht, während die vorliegende. Karte, num. die, Hauptrichtung der. Flötze, andenten. konnte; fernen bemerkte, dev Redner,’ dass von dem obersehlesischen. Eisensteingebirge' nur‘ ein’ Theil fir mitteljurdssisch‘ anzu- sprechen ist, während. die, Partieen | dieser Bildung, welehe. nördlich. und Avestlich von Oppeln liegen; so, wie diejenige! von Rybnik' und Rattibor für. tertiär — miocen — gelten wüsse, ‚Unter. diesen Schich+ ten. liegt das obexschlesische: @yps- und Mergel-Gebirge (Tegeh)' mit seinen Salzspuren, welche. weiter untersucht. werden.'; Der Redner. besprach die Art, wie. das Diluvium angegeben, und‘erläuterte end- Hebudie der. Karte beigefügten Profile und. ein grosses) Tableau, welches jene Gebirgsdurchschnitte in Sfach grösserem Maassstabe enthält. Kr G.-R. Prof. Nöggerath zeigt Krystallmodelle aus der Fleischmann’schen. Papiermach6-Fabrik vor, welche sich durch Gortrefflichkeit und Billigkeit (11/,. Sgr. das Ba empfehlen. .Derselbe legt das Buch von. Senft: Klassification und Beschreibung der Felsarten (welehes den Demidoff’schen Preis errungen) vor, und kündigt den Verkauf der Hardt'schen Sammlung zu Bamberg an. O.-Med.-R. Jäger zeigt die Abbildung von Sauriern aus dem Bausandstein von! Heilbronn und Stuttgart vor, die er vorläufig Hyperotrema Keuperianum und Gavialis Kemperianus, genannt. hat,, un- ter Beifügung: einiger eephirgbs über die von ihm früher aufgestellte Gattung Phytosaurus, welche Prof. Plieninger unter der Gattung Beladon Plien. begreift, worüber. sich. der, Vortragende die ;elegentliche nähere Prüfung. vorbehält, sodann. legt ‘er noch die Zeichnungen einiger Pflanzen aus dem ER von Stuttgart nebst derjenigen. eines Equisetumaus Chili, vor, welches dem Eg. limosum sehr ähnlich ist, aber wegen seiner Grösse besser zur Erläuterung der Form der Calamiten (dienen dürfte. _Derselbe spricht noch. über einen dureh ringförmige Erhöhungen ausgezeichneten hüchst wahr scheinlich, fossilen Stosszahn des Elephanten. | fe ff Prof. v. Zepharovich aus Krakau besprach ‚die Fortschritte. der Kenntniss , östenreiehischer Mineralien in. der letzten Zeit, und wies auf das Bedürfniss, hin, die Resultate (der Forschungen in‘ einer längern Periode zum Ueberblick zu sammeln und zu ordnen.| Derselbe legte die‘ ersten Druckbogen einer: solchen. grössern Arbeit für den Kaiserstaat Oesterreich vor, deren. Ausgabe im. nächsten Jahre erfolgen dürfte, — Der: Redner übergab’ dann dem. Tagespräsidenten. fossiles Eisen von Chotzen in Böhmen, welches: für denselben von Hrn. Neumanim näch Wien gesendet worden war. ; Dr..©. Volger erwähnt betreifs der Entstehung des Eisens auf nassem; Wege, die Thatsache,; dass von 'Hın. von Bär in einem fossilen. dem Torf, eingelagerten Baumstamnmi auf, einer schwimmen- den zuweilen nur auftauchenden Insel Schwedens: gediegenes Eisen als Ausfüllungsmasse. der Pflan- zenzellen gefunden worden: sei. ! I Dir. Nauck legt, eine grosse, Anzähl merkwürdiger| Bruchstücke! vor; welche. in. ‚dem. tertiären Sande von Ürefeld sich nicht selten finden. Dieselben zeigen in ihrer ganzen Struktur die srösste Achnlichkeit mit Bruchstücken von Belemniten, sind aber an beiden Enden gleich dick. Der Redner bemerkt, dass .er weder eino.Spitze noch eine Alreole jemals gefunden und bedauert die ‚schönsten und.grössten Belegstücke nicht vorzeigen zu können. Er fordert die anwesenden Autoritäten der' Pa- liontologie auf, das Räthsel.zu lösen und theilt mehrere von diesen Brüchstücken mit. '1q 1.1 !o.Schliesslich sprach. Prof. R.: Blum ‚über die Ursache der Bildüng von verschiedenen Krystall- eombinationen bei ein wid, lerselben Minerälspezies. | \ Angemeldete Vorträge: & - Reg.-R. W. Gerhard, aus Leipzig: über Dolomit und Steinsalz und über das rothliegende » Conglomerat bei Leipzig, ein- für diese Gegend neues Formationsglied. — Dir. Schnabel, aus Sie- gen: über Krystalle von Eisen, und über eine neue Darstellung der Krystallformen aus as. — Kgl niederl. Gen.-Major van Panhuys:; ‚Erläuterung einer ‚kleinen geognost. Karte des südl. Theils des Herzogth. Limburg. — Dr. Debey, aus Aachen: über fossile Insekten der Kreide , und über die fos- sile Flora .der Aachener Kreide. — Dr. Schnitzler, aus Trier: über das speeif. ‚Gewicht der Kry- stalle. — Bergbaubetlissener,H. Heymann, aus Bonn : über Pseudomorphosen aus’ den Siebengebirge: Botanische Section Präsident Prof. Braun legt eine Zuschrift von. Dr. €. H. Schultz-Bipeont. vorüber parasiti- sehe Compositen, begleitet von einen getrockneten Exemplar; von Eupatoriumaraliaefolun ausMexico: Prof Naegeli: über die neue Krankheit der Seidenraupen und verwandte Organismen. Die Gebilde, welche die Seidenraupe zerstören, ‚sind ein einzelliger.P'ilz, welcher ‚sich durch, 'Fheilung. ver- mehrt und als Nosema bombycis mit Ulvina aceti, Hygrocrocis, Bacterium, Spirillum, Vibrio und Sar- eina die neue Pilzgruppe Schizomycetes begründet. Prof. Hoffmann spricht über Keimung der Pilze. Er zeigte einen Apparat, welcher für die Einleitung: der Keinning geeignet scheint. Es wurden dann die bei diesen, Untersuchungen unterlau- fenden Täuschungen erörtert; der Bau der Sporen, die Form, in welcher. die Keimfäden vortreten, besprochen ; endlich die physikalischen Bedingungen der Keimung in Betracht gezogen. .. Prof. Cohn spricht über Keimung einer Volvocinee: ‚Stephanosphaera yluvialis. Die Sporen keimen) nicht eher, als: bis sie einer Austrocknung unterworfen sewesen sind. Wenige Stunden nach dem Uebergiessen mit Wasser zerfällt der Inhalt der Spore in 4 Partieen, die als einzellige, zweiwim- erige.ehlamydocoeeusähnliche Schwärmzellen austreten, im Laufe. des Tages eine weitabstehende ‚Cel- ‚Sr tar ach bilden, ‘gegen Abend sich in 8 Abtheilungen theilen, von. denen jede 2 Wimper,. alle zusammen aber eine gemeinschaftliche Cellulosehülle entwickeln, und nach Durchbrechung der Mutter- hüllzelle als junge bewegliche Zellenfamilien frei werden. Fer Prof. de Bary über die Copulation der Desmidiaceen und Zygnemeen. Die Spore der. meisten Desmidiaceen (Cosmarium,* Phycastrum) entsteht durch Zusammenfluss der, Primordialzellen des copu- lırenden Paares innerhalb eines blasigen Mittelraumes zwischen den leer werdenden klaffenden Mem- branen. Der Mittelraum ist derbhäutig: (Stauroceras u. a.), oder bei den meisten Formen sehr ver- Hinelich- „Der Bau der Spove ist stets wesentlich der gleiche. Ihre Keimung ‘Zeigt bei’ Palmogloea Theilung in 4 Tochterzellen ‚die; als fertige Palmogloeaindividuen 'austräten. Bei’ Gonatozygon dehnt sich die Innenzelle zu einer den Eltern ähnlichen Zelle aus. -"Bei'Glosterium'tostratuni tritt die In- nenzelle gleichfalls ungetheiltaus ‚ler Aussenmembran rasch ‚aus; ihre weiteren Veränderungen konnten nicht beobachtet ‚werden. Die Mesocarpeen (Staurospermum ,‚ COraterospermum , Mesacarpus) bilden bei der Copulation eine Doppelzelle m Form eines H. Der Chlorophyllinhalt wandelt,|in das Mättel- stück, die Doppelzelle theilt sich in 5 oder.5, von denen die mittlere zur Spore wird. Auch ‚bei der Keimung von Uraterospermum tindet.sich ‚normaler Weise Drei- und Fünftheilung.bestiminter Zellen. f Angemeldete Vorträge: Dr. C. Schiup er: über die Wurzel. — Med.-Rath Jäger: über Pflanzen aus deu Keuper und deren Analoga in Chili. — Prof. Hoffman: über Keinrung der Pilze (Schluss). — Prof. A. Braun: über Keimung von Celebogyne. — Dr. Focke: über die, Copulation. — Dr. Schüz: über eine Va- rietät der Atropa Belladonna. — Prof: Plieninger: über autographische Corespondenz 'Linn@s,' Hal- #. “und Steller’s mit Joh. Gg. Gmelin. — Oberst v. Sie bold:-übor (len: Zustand der Naturwissen- Chaften, besoiders der Pflanzenkunde, beiden. Japanern. — Prof. «A. Bra un:tiber ‘einige seltenen Characeen Deutschlands. — Dr. Caspary: die Gattung. Chroolepus hat Sporen‘ und gehört zu der Algen. — Prof. .Ereiherr v. Le pnhardi: über Rhoographie,' als 'Hülfsmitteb der systematischen For- schung. Zoologische Sectiom Das, Protokoll vom 21. wird im nächsten: Tageblatt mitgretheilt werden. _ Für ‚die nächste Sitzung wurde die Stunde von 9—11 beibehälten und zum Präsidenten für die-. selbe gewählt Prof. van der Hoeven. ‚Es wird erinnert, dass der Vortrag, des Prof. van Beneden in der letzten Sitzung sich an (lie von Dr. Verloren vorgelegten Zeiehnungen, anschloss, "und dass der Anfang der Mittheilung über denselben sein sollte: dit, qu’il exoit &tre Vorgane etc... Irene U | und ‚ Angemeldete Vorträge: M. Bach: über das Verhältniss der Inseeten zur Pflanze, an einem besondern Beispiele erläutert. — Dr. Moebius: über die Structur und Entstehung der Perlen, mit Vorlegung microscopischer es Präparate. — Dr. Keber: über den. Bojanus’schen Körper der Najaden. — Medicinal-Rath Jäger: über die das Absterben der Zähne. begleitenden Veränderungen. — Dr. Claus: über die Metamor- phose der Cyelopiden. — Professor Leuckart: Entwicklungsgeschichte und Wanderungen der Penta- stoma taenioides (Pentastoma denticulatum). — Professor Schaum: über den Generationswechsel bei den Blattläusen. — Professor Van Beneden: über Lumbriconais und Mysis. — Professor Carus: über seine Icones zootomicae. Professor Leuckart: über Drohnenbrütigkeit und Parthono- genesis. Physicalische Section, Das Protokoll der Sitzung vom 21. wird im nächsten Tageblatte mitget.:eilt werden. Angemeldete Vorträge: Dr. Garthe: das gleichzeitige Telegraphiren &e. (siehe das Tageblatt vom 21. Sept.) — Herr Bosscha aus.Leiden: über die mechanische Theorie der Electrolyse (Fortsetzung). — H. Geissler: über ein neues Barometer. — ‘Prof. Böttcher: Anstellung eines Versuchs das optische Bild ‘eines Gegenstandes durch die Cornua von Aeschna grandis mittelst eines Mikroscops vorzuführen. — Dr. Prestel: Bemerkungen über die Regenmengen in verschiedenen Höhen. — Prof. Buys-Ballot: über die Einfüsse der Bewegungen, welche wir Wärme und Electrieität nennen. — Öberbergrath Althans: Beiträge zum Kosmos. — Herr C.L. Moll: Mittheilungen über verschiedene Punkte der Dynamik. [ “ Zaum Präsidenten für die nächste Sitzung wurde erwählt: Prof. J. Müller. Chemische Section. Prof. Böttcher trägt auf Aufforderung des Präsidenten auch in der chemischen Section:,über den bei der Electrolyse des Chlorantimons an der Cathode sich ausscheidenden interessanten Körper“ vor. Dr. Marquart sprach über die Bereitung, des Phos horsuperchlorids. ee Prof. Böttcher theilte ein.neues sehr einfaches Verfahren mit, Zink intensiv schwarz: zu färben und dasselbe hoch zu ätzen. ’ Dr. C.Neubauer sprach über Oxydation des Leuein’s, der fetten flüchtigen Säuren (C® Hs“ Ox) &e. durch. übermangansaures Kali. Prof. Schlossberger trägt über Blut des Fötus, das wasserärmste Gewebe ‚desselben, vor. | Prof. Fresenius sprach über den Niederschlag, der bei der Einwirkung von reinem ‚Cyankalium auf eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul entsteht. 1 - Dr. Schwarzenbuch theilte das Resultat einer Untersuchung von ‚Hyaenanche. globosa mit, die von Hrn. Henkel in seinem Laboratorium ausgeführt‘ worden. ; j Prof Schlossberger wird zum Präsidenten für..die nächste Sitzung* gewählt, lehnt die Würde jedoch ab, und die Wahl fiel hierauf auf Prof. E. H. v. Baumhauer. \ Angemeldete Vorträge: ER. . „Dr. Fleitmann: über eine neue (Quelle des Sauerstoffs. — Dr. Witting jun.:; über die che- mische Zusammensetzung einiger See-Algen. — Prof. Schrötter: über Casein. — Prof. v. Baum- hauer: einige kleinere Mittheilungen. Agronomische Section. Auf Vorschlag des Director Dr. Hartstein wurde Direetor Carl Faber zum Vorsitzenden der Section gewählt. Dr. Sopp sprach sodann über ein modifieirtes Verfahren, die Phosphorsäure durch essigsaures Eisenoxyd zu bestimmen, und über zwei Methoden der Phosphörsäure-Bestimmung durch molybdänsau- res Ammoniak. Er hob ferner hervor, wie man Hülfe des Geissler’schen Vaporimeters genaue Am- moniakbestimmungen ausführen könne, und wie sich dieses Instrument zu einfachen Werthbestimmungen des Guano’s, der Ammoniaksalze &e. vortrefflich eigne. | 4 Angemeldete Vorträge: \ -i 11. Departements-Thierarzt Schell: über das Verfahren und die Erfolge der Castration der Kühe, unter "Vorzeignng der dazu‘ erforderlichen Instrumente. — 2. Garteninspector Sinning: über die Gultur der Yamsfrucht. — 3) Oeeonomierath Bronner: über wilde Trauben. — 4) Prof. Kaufmann: über die agronomische Bedeutung des Weinbau’s in der Rheinprovinz. Nächste Sitzung: Dienstag 8, Uhr in|dem grössern Hörsaale der landwirthschaftlichen Akademie zu Poppelsdorf. Mathematisch - astronomische Section. Auf Vorschlag des Vorsitzenden Staatsrath Dr. Mädler wurde beschlossen, dass bei der Kürze der Zeit diejenigen. Vorträge‘, die länger als 20 Minuten dauern sollten, besonders als solche vorher angezeigt werden sollen. Li ‘ Dr. Cantor knüpfte an den ersten Theil seines Vortrages noch Untersuchengen über Michael Stifel und Hieronymus Cardanus. Ihre Charakteristik ergab für jenen eine wesentlich sanguinische Richtung, die als Uebergang zur reinwissenschaftlichen Natur des Cardanus führen musste. Nament- lich wurde dies an zahlentheoretischen und algebraischen ‚Sätzen ‚gezeigt. Prof. Argelander legte die erste Lieferung der.,yon Prof. Frisch. in Stuttgart veranstal- jr . teten neuen Ausgabe!von Kepplers Werke vor, mit!Bemerkungen »über die ‘Wichtigkeit des Un- ternehmens, denen Prof. Zech noch einige. Details in Bezug auf die Herausgabe hinzufügte. Nächste Sitzung: Dienstag um halb 10. Uhr: 1, ah, Angemeldete Vorträge: Prof. Zech: über einige Punkte in Betreff der Störungsreehnungen für die kleinen Planeten, besondere Verabredungen zur Erleichterung dieser Rechnungen angehend. — Staatsrath Mädler ver- schob seine Mittheilung für morgen. — Prof. v.: Riese: über magnetische Beobachtungen. Anatomische und physiologische Section. Sitzung am 19. September: von 9— 11 Uhr. Vorsitzender Herr Schröder van der Kolk. Geh.-R. Prof. Dr. Mayer sprieht‘über den Schädel eines Botokuden und über den eines Chinesen; er findet bei diesen Antipoden auch einen ‚Gegensatz in der Bildung des Kopfes und weist die Ver- schiedenheit an den vorliegenden. Schädeln naelı,» die sehr günstige Gehirnentwickelung des Chinesen besonders ‚hervorhebend.| , Daran. knüpft: er ‚eine Vergleichung der Sprachorgane, der Zunge und des Larynx heider Köpfe, sowie der Gehörknöchelchen und empfiehlt den jüngern Physiologen die’ Bear- beitung einer komparativen organischen Sprachlehre der Menschenracen. Prof. Harley theilt seine Erfahrungen mit, über Exstirpation. der Nebennieren an Thieren. Katzen und Hunde leben nach der Operation oft nur 2 bis 3 Tage, .oft.5 bis 6 Wochen. Brown-Sequard verlor die so operirten Thiere in weniger als 48 Stunden; er fand schon einen Einstich in die Neben- nieren tödtlich, während Harley auf Zerquetschung desselben keine, schädliche Einwirkung sah. Am leichtesten. wird ‚die Operation an Ratten geübt. Schon nach 8-Tagen sind. die Thiere ganz. wohl. Der Redner zeiet 2 vor mehr als einem Monat ‚operirte weisse Ratten vor. Eine Farbenveränderung tritt bei diesen Thieren nicht ein, wie man nach dem von Addison behaupteten Zusammenhang einer dunk- Ieren Hautfarbe mit Krankheit. der Nebennieren vermuthen konnte. Eines der beiden Thiere ist von einer Ratte geboren, welcher. Nebennieren und Milz exstirpirt waren. Dr. Klob berichtet von einem Falle krankhafter Entartung der Nebennieren bei einem‘ Men- schen, dessen weisse Haut und blondes Haar keine Veränderung, erlitten. Prof. A. Fick aus Zürich spricht über Endosmose.: Unter den. bisher mit, den gemeinsamen Namen der Endosmose ‚bezeichneten Voreängen sind zu unterscheiden; 1) die Diffusion durch eigentlich poröse Scheidewähde und 2) die Ausgleichung heterogener Flüssigkeiten durch. die Molekularinterstitien strukturloser Scheidewände. Im letzten Falle bei Anwendung, ron Collodiumhäuten, findet'sich, dass unter dem Einfluss der damit in Berührung, stehenden Salzlösungen die Membran für, den.Durchgang des Wassers, zwar konstant bleibt, für das Salz aber inmer durchdringlicher wird. . Die, Intensität des Wasserstroms ist nahezu der Concentration (Procentgehalt) proportional, wenn: Lösung von Wasser ge- schieden ist. Die Intensität des Salzstroms wächst nicht so,rasch als die Ooncentration. Bei porösen Scheidewänden (Thon) ist der Salzstrom der Concentration genau proportional ; der Wasserstrom wächst mit zunehmender Concentration, Anfangs nur bis zu ‚einem Maximum (für etwa 3 per mille), dann nimmt er ab bis zu einem Minimum. (für etwa 3Procent), dann nimmt der Wasserstrom wieder stetig zu. Prof. Helmholtz macht auf den Einfluss, der chemischen ‚Beschaffenheit der Membran bei diesen Erscheinungen aufmerksam; er slaubt, dass die Erfahrung Grahams, ‚nach, der, ‚schwache Lösungen des kali causticum endosmotisch. stärker wirken. als konzentrirte, yielleieht in Beziehung stehe mit dem Einflusse,. den, Lösungen des, kaustischen Kali auf die Bewegung ‚der Samenkörperchen und Wimper- fäden haben. GT RER Prof. v. Wittich empfiehlt das Amnion zu endosmotisehen Versuchen. Prof. Donders erwähnt, dass Durchschnitte von Hornhaut, Sklerotika u. a. mit verdünnten Säuren verschiedener Coneentration behandelt bald kleinere bald grössere Mengen hindurchlassen ;. es sei erst festzustellen, wie viel von der Klüssigkeit die Membran selbst aufnehme. Er hält die Ercheinungen bei thierischen Membranen für sehr zusammengesetzt. _Bei Anwendung der Essigsäure auf Horngewebe finde eine Ausdehnun;s derselben statt, dünnere Lösungen zeigen das Gegentheil. Prof. Helmholtz hebt hervor, dass die .Cohäsionsyerhältnisse einer Thonscheibe unverändert bleiben, was bei thierischen Substanzen nicht der Fall ist, wo eine Imbibition in die Molekularinterstitien Statt zu finden scheint. eh ar Prof. Gerlach spricht über das Imbibitionsvermögen thierischer Membranen; für Farbstoffe. Dünne alkalische Lösungen von Karmin färben die. Kerne der Zellen stärker roth als: diese selbst, am stärksten das Kernkörperchen ; doch zeigt sich das nur an den todten Geweben; Thiere, .die in solchen F,arbe- lösungen leben, zeigen keine Absorption der Farbe. in ihre Gewebe. Prof. Dr. Welcker glaubt ‚dass die mehr körnigen Gebilde’ auch am. leichtesten Farbe aufnehmen. Prof. Schaaffhausen empfichlt die Anwendung der -Farbstoffe zur Aufklärung schwieriger mikroscopischer Verhältnisse; er glaubt mittelst derselben ein höchst feines aus wiederholter Veräste- lung der Nervenprimitivfasern hervorgehendes die Muskelprimitivbündel umspinnendes Netz als letzte Endigung der Nervenfasern in den Muskeln erkannt zu haben. Prof.Donders glaubt mit Prof. Schaaffbausen, dass das Durchschwitzen des ‚Gallenfarbstoffs durch die umliegenden Gewebe in der Leiche wohl nicht allein auf der Abwesenheit der während des Eebens in den Geweben stattfindenden Absorption, sondern auch auf einer verschiedenen endosmotischen. Eigenschaft» tedter! nnd lebender Gewebe beruhe. Don ders Yihmt die, von Meissner mittelst Holz- essig dargestellten Nervenvertheilungen des’ traetus imtestinalis, dort I Prof. Czermak sprach über die verschiedenen Stellungen des weichen Gaumens beim Hervor- bringen der reinen Vokale und demonstxirte, dieselben mit seiner ‚durch die Nase einzuführenden Gau- mensonde. _ Diese. zeigt durch den immer stärker werdenden ‚Ausschlag ihrer vorderen Krümmung, wie beim; Sprechen, der. Vocale a, €, 0, u,.i.der weiehe Gaumen stets höher hinanfsteigt. Prof. Bruch ‚findet, dass beim ‚Sprechen „der: Vocale..in der, Reihenfolge a, 6,1. 0, u ‚eine ‚stets stärkere Hebung des Kehlkopfs erfolge. Nach einigen kurzen Erörterungen der Herın Geh.-R. Mayer und Prof. Donders über die Bildung der Vokale hält Prof. HM. Müller einen’ ausführlichen Vortrag über die. Entwickelung, der Knochensubstänz. Die ächte Khochensubstanz entsteht nicht durch 'directe Metamorphose ‚des Knorpels, sondern ist auch bei der intra=cartilaginischen Entstehung derselben eine neue Bildung. Die erste Entstehung derselben "geht bei’ den im Innern des‘ Knorpels auftretenden Kernen von den Knorpelkanälen aus, bei andern Knochen vom 'Periost. Nach Beendigung, der Vorträge zeigen Prof. Gerlach: und Dr. Welcker mit Carmin gefärbte Ganglienzellen und deren Ausläufer unter dem Mikroscope vor. i Sitzung am 21. September. Geheimerath Mayer eröffnet die Sitzung. mit Dank für seine Wahl, kündiet der Versammlung den kürzlich in Brighton erfolgten Tod Marshall Halls an und bittet. dieselbe sich in Anerkennung der Verdienste des Verstorbenen von ihren Sitzen zu erheben und ihm ein sit ei terra levis nachzurufen. Professor Kussmaul zeigt einen Versuch an Kaninchen, der den Einfluss der Blutströmung im Kopfe auf die Bewegungen der Iris anschaulich macht. Er lässt ‘sich sodann über die Ursache dieser Bewegungen aus, die er, auf verschiedene Versuche und Beobachtungen sich stützend, in den veränderten Ernährungsverhältnissen des Gehöres findet, und spricht, über ‘den Mechanismus des Zu- standekommens dieser Bewegungen, der noch nicht, vollständig ermittelt ist. Geheimerath Mayer macht eme kurze Mittheilung über eine neue Methode. M. Halls zur Rettung der Ertrunkenen. IS N Professor Schaaffhausen macht auf die Aufstellung, der Racenbüsten des Herrn von der Lau- nitz in einem besondlern Zimmer des ‚anatomischen Museums aufmerksam, und bringt ein-von demselben verfasstes Programm: „über den Nutzen der Plastik im Dienste der Naturwissenschaften“ zur Vertheilung. Sodann spricht derselhe ‘über den bei Elberfeld gefundenen angeblich ; fossilen. Menschenschädel und legt ein bei Pau im Meklenburgischen gefundenes Schädelfragment von derselben ungewöhnlichen Bildung vor, durch welches seine Ansicht, dass diese bisher unbekannte Schädelform einem Nordeu- ropa vor der germanischen Einwanderung bewohnenden Urvolke angehöre, befestigt wird. Zur Vers gleichung hebt er ‘einige charakteristische Kennzeichsn der niedersten Racenschädel an : dem. «e- Australnegers und an einem von H. von Bibra aus Bolivia mitgebrachten Peruanerschädel hervor. Prof. Lenhossek erläutert. durch Zeichnungen, dass sowohl die hintere als vordere Spinal- wurzeln theilweise aus den Gangliengruppen der entgegengesetzten Seite -entspringen, daher vor und hinter dem Rückenmarkskanal sich kreuzen. Man hat die Hörner der med. spin, ‚als Colonnen zu be- trachten, und das tentrale Verhalten der Cerebrospinalnerven bleibt sich gleich, so dass die rein ‚mo- torischen aus den motorischen Colonnen, die sensitiven aus den sensitiven und die gemisehten aus bei- den ihren Ursprung nehmen. “Die Faserbündel sämmtlicher Nerven drängen die Fasern der weissen Substanz nur auseinander, ja sie laufen in 8 Touren um die Nervenwurzeln herum. Ein Umbiegen der Längsfasern der med. spin. in die Nervenwurzeln. findet nirgends statt, Schliesslich führt er eine cen- trale Doppelbildung der med. .spin. an; ein Zoll über und unter dieser Stelle ist die med. wieder ein- fach; in den übrigen Körpertheilen wurde nicht die mindeste Andeutung, einer Doppelbildung gefun- den. Die entsprechenden Präparate werden vorgezeigt. - ar dar t Pröf. Schröder van der Kolk leot Zeichnungen der med. oblong. vor. Die ordern Stränge gehen als eorp. pyram, ins Gehirn, die khdlein Fasern der med. ‚oblong. steigen, meist, vom Gehirn herab, und verlaufen sich umbiegend, an die Kerne der Nerven, welche von der med. ubl. entspringen. Lange Faserbündel an der Aussenseite .der Accessorius ‚und Vaguskerne sind. die Enden der Seiten- stränge. Von der halbseitigen Lähmung sind Brust, Bauch und Zwergfell ausgeschlossen , weil ihre Nerven schon in der. med. obl. endigen, in welcher die durch Querfasern verbundenen und. desshalb für beide Seiten gleichzeitig wirkenden Centralorgane der unwillkührlichen Athembewegungen liegen. Die "Wurzeln des auditorius, die zum septum gehen, sind Reflexnerven fiir motorische Theile. Ebenso, verbinden ‘Reflexnerven die Kerne des audit. mit: denen des facialis für. Bewegungen des .stas pedius des Ohrs und Gesichts. Auch die corp. oliv. ‚sind quer. verbunden , ven ihnen gehen Fasern zum hypoglossus; beim Menschen sind sie grösser als bei den Thieren wegen der artik. Sprache. Bei 2 Idioten, denen die artikul. Sprache fehlte, fand sich eine Verkümmerung der.eorp. oliv. Die Raub- thiere haben die ce. oliv. sup. gross, wegen des starken mimischen Ausdrucks; ‚der. corp. oliv. inf. mit dem hypoglossus und accessorius verbunden, stehen dem Schlingen vor. Der quintus zeigt sich schon durch seinen Verlauf von oben nach unten, wodurch er mit vielen in querer Richtung entspringenden Nerven in Berührung konmt, als Reflexneyv. Dr. Böcker findet bei ee weder die Menge des Harns, noch dessen feste Bestandtheile, noch den Harnstoffgehalt vermindert, wie Bischof angegeben. Aus einer 72tägigen Versuchsreihe . schliesst:'er, dass dureh das! Fett die‘ Assimilation der proteinhaltigen Rechnungsmittel' vermehrt werde ; die faeces werden quantitativ sund' qualitativ verändert. Zucker vermindert‘'die' Harnstöffmenge, “und wird nicht in. l'ett: ugewändelt. | Professor Czermak fand, dass, wenn der Nerv des stromprüfenden Frosehschenkels in dem Stadium , wo. das einfache‘ Auffallen'' desselben auf den Längsschnitt des Muskels' keine" Zuekung mehr giebt, auf den Wulst’eines in idiomuskulären Contraktionszustande (nach Schiff) befindlichen Muskels und! auf einen nicht kontrahirten Theil desselben auffällt, nur eine Schliessungszuckwng eintritt. Er giebt eine Erklivung: der Erscheinung; welche bestätigt, ' dass die Veränderung‘ des eleetromotorischen Zu- standes einer gereizten Muskelstelle sich nicht nach den Seiten hin fortpflanzt, wie dieses in den Nerven der Fall ist. Professor L. Fick hat durch das Experiment den Einfluss der Muskeln ‚auf die’ Knöchenformen zu bestimmen gesucht und gefunden, dass nach Abtragung einestheils der die tibia- bedeekeiden Mus- keln, der Knochen in die Licke, nach dem locus minoris resistentiae, gleiehsam. hineinwiichst. Nach Wegnahme des mittleren Theils des m. temporalis tritt eine Verdiekung der entsprechenden‘ Sehädel- hälfte ein, nach Wegnahme:.des masseter eine solche des Kiefers. Zum Präsidenten für die nächste Sitzung wird Professor Vrolik gewählt. Angemeldete Vorträge: Klob: Beitrag |zur Anatomie; des foramen ovale. — Donders: über die Netur der Vocale. — Derselbe: über die'Bewegung der Blutkörperchen im strömenden Blute. — Derselbe:- ber den Einfluss der Nerven auf die Entzündung. — Knete; über ein neues Ophthalmotrop. — Bruch: über Struktur der Linse. — Müller: über chorda dorsalis und Chamäleonaugen. — Derselbe: über Re- eneration des Rückenmarks bei Eidechsan. ung iec bie Section. Sitzung Sonnabend, den 19. um 10 " Morgens, im Auditorium .Nr. IX. Vorsitzender Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Wutzer. Geh. Rath Dr. Wutzer begrüsst die Versammlung und stellt ein Kind mit fungus medullaris bulbi vor. J. Z. Lauwen ee'sprieht über. Epitelialkrebs;' für welchen erden Namen Epitelioma als den pas- senderen beibehält. Seine Ansicht, dass idasselbe eine, wahrhaft löcale Krankheit sei, dass seine Tödt- lichkeit, von. seiner Eigenschaft, siek durch Infiltration ‘der Gewebe und! uf dem Wege des. Lymphge- fässsystems; zu verbreiten, . abhinge, (dass eine: rationelle ‚chirurgisehe Behandhing in seiner’ frühen und völligen Ausrottung mit dem Messer bestehe , und endlich dass in Uebereinstimmwmg: mit der Anato- mie dieser Geschwülste , das Messer; sol weit als möglich von‘ der äusserlich sichtbaren Masse geführt werden solle, viel weiter als es bis jetzt der Fall gewesen — erläutert er.durch einige interessante Beobachtungen. | Derselbe theilt die’ Abbildungen: zweier von ihm öperirten Fälle vom Encephalocele mit. Prof. Dr. Ottov Weber vindieirt der deutschen pathologischen Anatomie das Verdienst, zuerst von. dem echtei' Epitelialkrebse‘ die Papillargeschwülste und die. Hypertrophieen der Haut- und Schleim- hautdrisen gesondert zu haben ‚deren Unterschiede in Bezug auf: ihren Verlauf durch eine grössere Anzahl: sorgfältiger klinischer Beobachtungen erst festgestellt‘ werden müssen, ehe man die Frage über den Epitelialkrebs abschliesst. Dr. Erhard aus Berlin spricht über Diagnostik des Gehörorgans. Die bisherige Unfruchtbar- keit der Ohrenheilkunde sei die Folge mangelhafter pathologisch-anatomischer Kenntnisse und diagno- stischer Hülfsmittel. Die Untersuchung habe besonders ins Auge zu fassen den Grad der Schwerhö- rigkeit; die Hörbarkeit von Tönen bei gleichzeitigen Geräuschen ; von hohen oder tiefen Tönen ; den Wechsel in der Schwerhörigkeit. Ohrensausen -sei ohne diagnostischen Werth. Die Lähmung des musculus stapedius scheine die Ursache der bei; Lähmungen des facialis beobachteten Oxycoia. Die Chorda tympani habe keinen Einfluss auf Gehörerscheinungen. Dr. Parow aus Bonn sprach über die. habituelle Scoliose und deren Behandlung durch Selbst- extension. Die Entstehung des Leidens sei wesentlich auf eine ursprüngliche Betheiligung des Kno-, chensystems, und erst in zweiter Reihe auf Betheiligung des Muskelsystems zurückzuführen. _Durch seine, Methode der, Selbstextension erreicht er eine Vereinigung der orthopädischen. Gymnastik. und Mechanik. Er ladet, zum Besuche: seines Instituts auf Dienstag den 22. Morgens 8 Uhr ein, um dort seine Apparate zu zeigen. Hofrath ‘Dr. Rwete aus Leipzig zeigt sein neuerfundenes Ophthalmotrop oder Myometer zur Demonstration der Bewegungen des Auges. Dasselbe erläutert besonders das Gesetz, dass beim Blicke gerade nach oben und gerade nach unten, so wie gerade nach rechts oder links keine: Abwei- chung in den. horizontalen at verticalen Meridianen: Statt. findet, während: beim‘ Blieke schräg nach oben eine Wendung des vertiealen Meridians nach der entsprechenden Seite, beim Blicke schräg nach unten eine Wendung desselben im entgegengesetzten Sinne Statt findet: Ueberhatipt ist es zu De- monstrationen und selbst Untersuchungen über die Wirkung der einzelnen Muskeln z. B. bein Schielen trefflich geeignet. Sitzung Montag den 21. September. Vorsitzender Herr Generalstabsarzt Dr. Stromeyer. Hr. Prof. Busch ladet zum Besuche der chirurgischen Klinik auf Montag Nachmittag um 4 Uhr ein. .-1. Hr. Sanitätsrathı Dr. .Eulenburgisphicht über Luxätio'congenita patellae, wobei er nach Erwäh- nung der,bisherigen ' Beobachtungen, zwei:von ihm bei, jungew Mädchen gesehene Fälle mittheilt, »in deren einem zugleich eine Winkelstellung der Kniee vorlag, so dass’ldie' Kranke nur mit gebeugten Knieen zu. gehen vermochte. | Hr. Dr. Rothmund theilt-den Fall eines jungen: Mannes mit, welcher an Strieturen der Urethra leidend zugleich bei Untersuchung vom: Mastdarme aus ein Tumor zu haben schien. Nach Beseitigung der Strietur wurde ein Stein diagnostieirt; «der durch den Seitensteinschnitt entfernt wurde. In dem- selben fand sich ein- Stück Draht und. ein Bougie, um welches sich das Conerement gebildet hatte. Der Fall beweist, wie Körper ohne zu heftige ‘Reaction zu erregen, in’der Blase längere Zeit verweilen können, warnt aber zugleich vor Lithotriphie unter ähnlichen Umständen. Ein zweiter Kranker hatte sich, um sieh zu tödten, ein Stück Eisen von 1 Fuss Länge und einem halben Zoll Dicke in den Ma- gen hinabgestossen. Nach Durchwanderung des ganzen Darmkanals musste es in der Nähe des Afters, wo es perforirt hatte, exeidirt werden. Bei der Section des später an Tubereulose gestorbenen Men- schen liess sich ausser der Schnittnarbe keine Narbe entdecken. Derselbe zeigt ein pincettförmiges Instrument zur Fixation des Bulbus mit gekreuzten Branchen und nach aussen gerichtetenn Häkchen. Herr Le Roy d’Etiolles spricht über die Instrumente, welche Bezug haben auf die Krank- heiten des Urogenital-Systems. Er zeigt die Entwickelung des Dupuytren’schen Lithotome double an Original-Exemplaren, ‘und beginnt die Erörterung. des Lithotriptischen Apparats, deren Fortsetzung auf die nächste Sitzung verschoben wird. 1 Die nächste Sitzung unter dem Vorsitze des Hrn. Hofrath Prof. Dr. Baum findet Dienstag Morgen um 9 Uhr statt. — Es sind keine weiteren Vorträge als die bereits angekündigten (s. Tageblatt No. 2) angemeldet. Section für Psychiatrik Das Protokoll erscheint in der nächsten Nummer des Tageblattes. Zum Präsident der morgenden Sitzung. wurde gewählt der. Geh. Med.-R, Dr. Merrem. Gynäkologische Section. Das Protokoll der Sitzung vom 21. wird im'nächsten Tageblatt mitgetheilt werden. Angemeldete Vorträge: } Geh.-R. Kilian: über die Diagnose der Osteomalacie, und Vorzeigung' von Becken. — Dr. Birn- baum aus Trier: über ee in geburtshülflicher Beziehung. — Dr. Sack: über das Sitzbad in Frauenkrankheiten. Section für praktische Mediecin. Das Protokoll vom 21. wird im nächsten Tageblatt mitgetheilt werden: Für die morgende Sitzung wird Prof. Dr. Naumann zum Präsidenten vorgeschlagen und gewählt. Angekündigte Vorträge: 1. Dr. Appia aus Genf überbringt Grüsse der medic. Gesellschaft daselbst und berichtet über die Wirksamkeit derselben. — 2) Prof. Boeck: über Syphilisation. — 3) Dr. Marquart: über Cinchonin. sulphurie. — 4) Prof. Bärensprung: über Weichselzopf. — 5) Prof. Friedrich aus Würzburg: über Brönchiectasie und Favus bei Thieren. — 6) Dr. Welcker: über Sareine im menschlichen Urin. — 7) Dr. Dawosky: eine Methode zur raschen Heilung alter atonischen Beingeschwüre. — 8) Prof. Krahmer in Halle: über Brüche der Knochen bei Leichen. ©. Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Samstag den 21. Abends erklärt haben. Ei i Mitglieder je Bluhme, Bergreferendar. Olpe. Cobl. Strasse 5. Mine- Fleitmann;:Dr., Chemiker. Iserlohn. Belle Vue. Chemie. ralogie. ee Guillaume, G., Prof. Pavia. E Brandt, Particulier. Bremen. Rh. Hof. Geologie. "'Gerolt, Königlich. Gesandter bei den vereinigten Staaten. Bourdow, J., Doctor. Liege. Brüdergasse 1105. Zoologie! Blanchard, E., Prosector. Paris. Brüdergasse 1107. Zoologie. , Corinser, F. Dr.,K. K. Primär-Wundarzt., Wien. Trier Hof., Chirurgie. Daub, H., Berginspektor. Carlsruhe. Trier. Hof. Geologie! Eulenberg, Med.-Rath. Coblenz: Rheineck. Psychiatrik. Enders, Dr., Arzt. Lengsfeld. Kaufm. Weiss. Mediecin. Feist, Dr:, Arzt. Boppard. Bei Dr. Herz. Medicin. Förster, W., Dr. phil. Berlin. Sternwarte. Mathematik. Francke, A., Generalarzt a. D. Breslau. Bei Geh. Rath. Wutzer. Washington. Hötel'Royal. Geologie. Hoppe, F., Privatdocent. ‘Berlin. Med. Heck.eir,. Dr., Privatdocent.. 'Berlin. ‚Med. | Kau fmann, Prof. Bonn. ‚Baumschulenallee 5. Agronomie. ' Keller, .J. Dr. , Chef-Arzt d. K. K. Eisenbahnen. Wien. Trier. Hof. Chirurgie. Kolb, Dr., Arzt. ‘Soden. Hötel Royal. Mediein. A Kupffer, C., Dr., Arzt. Dorpat. Rh. Hof. Anatomie. ‘ Königsfeld, @., Dr.,;Kreisphysikus. Düren. Bei Gehei- ı .merath: Mayer. , Chirurgie. ! Kreuser, K., K. K. Bibliotheksbeamter. Wien. Im goldn, | Stern. Botanik. ä Fortsetzung folgt in Nro. 5. “Bonn, gedruckt bei Carl Georgi. TAGEBLATT DER 33. VERSAMMLUNG :DEUTSCHER . . NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN BONN IM JAHRE 185%. m Herausgegeben’ von den Geschäftsführern ‘der Versammlung, Nöggerath und Kilian. (Unter Mitwirkung a Herrn Profe&or Dr. 0,0. Weber und des Herin Docenten Dr.R. Caspary") F Das Redaktions-Bureau ist Franziskanerstrasse No. 1013, Das TAGEBLATT wird täglich, mit, Ausnahme Sonntags, vor Beginn der Sitzungen beim Herrn Oberpedell O,denkirchen j im Universitäts - Gebäude unten, links, ausgegeben werden. r W535. Mittwoch, den 23. September 1857. Protocoli ®» der dritten allgemeinen Sitzung am 22, September 1857. u Der erste Geschäftsführer. eröffnste, die Sitzung mit einer geschäftlichen Mittheilung in Betreff der heutigen Fahrt nach Cöln, und einer Subscription. für eine Photographie des Oken-Denkmals. Eingegangen war eine Begrüssung der naturforschenden Gesellschaft zu. Emden. ' Der Hauptgegenstand der heutigen Sitzung bildete der Beschluss über die Verwendung der aus der vorjährıgen Versammlung in Wien zur Verfügung stehenden, Summe 'von 8707: Gulden. Nach einer Einleitun des ersten Geschäftsführers betrat Professor Sehrötter, Generalsecretär: der Wiener Academie die Bedinzihnhae, um ‚die Vorschläge der genannten. Academie auszusprechen, die dahin ge- hen, dass die ganze Summe der Leopoldinisch-Karolinischen Academie- als Stiftung übergeben werden möge, zur Verwendung -der Zinsen nach ; eigenem, Ermessen. '; Dagegen‘ mächte Prof. Helnıholtz den Vorschlag, dass die Gesellschaft selbst_die ‚Verwaltung. übernehmen ‚möge ‚und wünschte: nament- lich, dass die Zinsen des Kapitals dazu ‚bestinmmt ‚würden, jwissenschaftliche: Untersuchungen, die grös- sere Mittel erfordern, zu unterstützen, und Preisaufgaben zu stellen. Er schlägt.-vor, jedesmal für die- ses Geschäft eine Commission von je einem Mitgliede Jeder Section. zu- ernennen, = Prof» Braun aus Berlin erinnerte an die Schwierigkeiten der Verwaltung, und ‚erklärte sich für den Vorschlag der „ Wiener Academie. Geh. Med.-Rathı Wutzer unterstützt den Helmholtzschen Antrag, und modificirt ihn dahin ,.die. Wiener Academie |sei zu ersuchen ‚ die Verwaltung ‘des Geldes‘ zu übernehmen, und die Naturforscherversammlung möge Preisaufgaben: stellen‘" Arm! der ferneren Discussion betheilisten sich| Prof. Helmuhio 1t2, Dr.-Erlenmeyen»; Prof. Dr. Ucwbwseher. "Bei der Abstimmung wurde der, Vorschlag der )Wiener Acaderiie ohne Vorbehalt angenommen; woftr Prof. Sehrötter den Dank aussprach. und ermächtigt wurde, das eld der: Leopoldinischen: Aeademie zu übergeben. Schluss .der Sitzung, um, 12%/, Uhr. indeel 19 Jenni ya Ir) Asia asdarı ib ad 2 ri ie. Sectionssitzungen am: 22, September. 5L enb {] Jon. samt od tur; d, AlbiwenelosunV Mineralogische ‘Section his | Das Protokoll der Sitzung vom 22. Sept.; folgt im nächsten Tageblatt. { Angemeldete. Vorträge: | Hr. vanıder Mar ek: über fossile Fische aus "Westphalen.!—- Ob.-Ingenieur Max Braun: über Blendelagerstätten Schwedens. — Dir.»Nau ck: willkührliche Erzeugung, secundärer Flächen an künstlichen Krystallen.‘ — Prof. Röhl er: über das Jurassische‘ Wesergebirge n. ©. a. i Tadines Botanische, Section. Prof. Naegeli wird zum Präsidenten für die gegenwärtige Sitzung gewählt Dr. Carl Schimper: über die Wurzel. Wurzellose Pflanzen. Schwer und selten wurzelnde, . Berichte. über: besonders unter den Moosen. Wurzelung aus der Blattspitze bei Hypnum eordifolium. Wurzelwirtel am Stamm des Polygonum orientale a allen Knoten: haehrhinauf. bis in dielfflorescenzen hinein, näm- lich Siumwurzeln ; dies reichlich ab über das Ganze: der Stämme ye. breitete Vorkommen von Säum- wurzeln, bei Solanum Dulcamara. ızeltm& nach oben bei Leskea arten, Mnium rostratum, Grimmia nlvinata; bei Hedera bei Viscum. Declination durch den Lichtstral beiFieus repens, bei Platanus, wenn die Wurzeln in stehendes Wasser! 58hhken: "Bögen auf!Bögen Aus Bögen! Die concave Seite ohne Nebenwürzelchen. Me aquatica im strömenden Wasser gegen den Strom und (örtlich) zu- rgleiehwgegen „die Mi agssopne wawzelnd. — Schönste Wurzel, viereekige,Spitzpyranıide atis Yieteckigen En rafeächen xon Astgruppen und Zeilen, bei, Alnus, Diese ist zugleich aussen schwarz iunen “weiss, der leichteste vegetabilische Körper des Inlandes, — leichter als Kork! Wurzelausschläge ; volle Pflanzen, Stengel und lätter selbst aus dünnen Zasern : Viola, ylvestris, Senecio Jacobaea. Daraus rosse Hofinungen für die (Praxis ‚. Landwirths&haft/und Gäftnetei Erörterungen über die äussere Vasserführung der Moose, namentlich über Sphagnum. Medizinalrath, ‚Jäg.eı, ‚legt, eine, Zeichmung| von -Meniseium ‚giganteum, und einem: Equisetum von Lechler aus Chili mitgebracht vor, welche grosse Aehnlichkeit mit fossilen Farren aus dem Keuper Sandsteine haben. „ Indess das Exemplar ‚von.Meniseium , vermöge, seiner, Theilung’ an die früher von dem Redner untersuchten Doppelmissbildungen von Pflanzen und auch von Thieren, so. wie an Dop- pelbildungen von Mineralienierinhertnnianusne 1 32i osornd-anoitishef 25A Dr. Focke: über Copulation. Die Vorgänge-bei den Bacillarien leiten auf die Vermuthung, dass ein ähnlicher Vorgang bei Jen Desmidiaceen zu beobachten sei. Die Untersuchung einer der.‚grössten Formen,'von demselben Fundorte wiihrend aller Jahreszeiten, lieferte Aufschlüsse über den Bau, die äussere Form und die Theilungsprocesse, wonach endlich ım Herbste die Bildung von Körpern im Imern stattfindet, welche eine den geschlechtlichen adäquate Fortpflanzung zu bedingen scheinen» Die Grösse dieser Keime im Verhältniss zu den entwickelten Organismen "bedingt eine Entwickelufgsreihe, sielche bisher.unbekannt -in-den- begleitenden ähnlichen Formen verborgen sein muss, und wortber bisher nur einige Vermuthungen erlaubt sind, deren flüchtige Andeutung nur als eine vorläufige be- trachtet werden darf. 3 Dr. Schüz über eine Varietät der Atropa belladonna, mit: gelber ‚Corolle und Frucht, gefunden . 1851 bei Calw im nördlichen’Schwarzwald auf rothem Sandstein, seither in grosser Zahl eultivirt und. constant geblieben. Samen davon werden vertheilt. _ 215 Prof., Au'iBraun über 'Keimung''von' Celebogyne. Prof. Braun zei ingc vor, welehe: die )2- fast elliptischen “Cotyledoneh Anl'sich "tragen und‘ eine deutliche . Pfahlwurzel haben Die Behauptung der Bonplandia, dass der ‘ohne Befruchtung entstandene Same, kein Emibryum, son- ‚dern; eine: Knospe> enthält, wird dadurch widerlegt. " EEE ı1n. ‚Oberst' v. Siebold über den ‘Zustand der Naturwissenschaften, besonders der rent bei den Japanern. Der|sehr interessante Vortrag wird durch zahlreiche Abbildungen, von Japanern ver- fertigt, «erläutert; er wird in den’ Verhandlungen der Versammlung ausführlicher erscheinen; der Raum erlaubt nicht hier Details zu geben. s su Auf Antrag des Professor Freiherrn v. Leonhardi sprach die Section im Interesse der, Wis- senschaft ihre 'Theilnahme: an dem Geschicke des Dr. Carl Schimper aus, und beschloss auch dem anwesenden General-Secretär der k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien, Herrn Prof. Schrötter ihre Freude darüber schriftlich auszudrücken, dass die. Akademie der Wissenschäften sich neulich zu Gunsten jenes Naturforschers verwandt habe. I i z gt Keimlinge 1 Jahr alt ) Angemeldete Vorträge: phische Correspondenz Linn€’'s, Hallers und Stellers mit Joh. Gg. Gmelin.‘ — Oberst v. Siebold: iber den Zustand ‚der Naturwissenschaften, besonders der Pflanzenkunde bei den Japanern. -— Prof. „Braun: über einige ‚seltene ‚Oharaceen Deutschlands. — ‘Dr. Caspary: die Gattung Chroolepus t Zoosporen und, gehört zu den.„Algen. —: Prof. Freiherr v. Leonhardi: über Rhoographie als ilfsmittel der systematischen Forschung. — Dr. Pringsheim: Ergebnisse einiger Untersuchungen über den Werth der Florideenfrüchtee — Dr. Debey: über die fossile Flora der Aachener Kreide. — Dr. Wirtgen: über die pflanzengeographischen Verhältnisse des Coblenz-+Neuwieder Beckens. — Prof. C. Naegeli:\über Dr&hungen'im Pflanzenreiche! — Prof. Gasparr ini aus Pavia: tiber Saugwurzeln und Wurzelauswüchse. Bemerkungen über Lemna minor. Teber das Embryum .von Zanichellia. Zum Präsidenten für Mittwoch Prof: Dr. Schim per Aus Strass ig erwählt. HaldayıT nid EEE ee er Sitzung vom '21.' September: Prof. Förster aus Aachen sprach, über ’parasitische IHyimenopteren:: deren Verbreitung und Le- bensweise und zeigte zugleich ‚einige, Familien‘ derselben wor‘! — nr steranalabnsiäl “ Prof. Grube, aus ‚Breslau, wiess, auf. .die Aehnlichkeit ii des: Deckels der Gasteropoden und der weniger entwickelten Schale mancher Bivalven hin, und meinte, dass sich beide auf dieselbeWeise aus einem Mantellappen bilden, der jedöch mit dem der entwickelten Schale ebenso wenig als die Schalen selbst ein Continuum .darstelltins in. sel imnouoe oil wi unbrent aus biw 1laas A Jor dar i ; nd fi‘ g i ‚eh loss stlsz bh 19% Prof, Hoffmann: über, Keimung.der Pilze (Schluss). — Prof. Plieninger: über autogra- Er an Prof. Leuckart aus Giessen bestreitet dieRichtigkeit der Grubeschen Annahme’ und sireht seine: Opposition duxch. eine: morphologische Analyse der Gasteropoden und Lamellibranchiaten: zu begründen. Prof Van Beneden ‚stellt die Erage, ‘in: wie- weit diese: Theorie mitten durch dievEutwickes’ lung des Embryo, bei.den Gasteropoden und|.Acephalen gegebenen» Thatsachen übereinstimmt} erist'! der ‘Ansicht, dass.die zu diesem Zwecke angestellten Untersuchungeni>der Annahme: des Prof. |Grube widersprechen. ‚— Es entsteht ‚eine Discussion süber diesen Gegenstand, än welcher" sich auch die HH. Staatsrath; Eyersm ann.und Dr. Semp er betheiligen. j Staatsrath Eversmann aus Kasan : über den: geographischen Charakter der verschiedenen Step- pen des südlichen asiatischen Russlands und über die Pflanzen- und Thierwelt in derselben. € Hofrath Kubinvi aus Pesth fügt zu. diesem Vortrage. einige vergleichende Bemerkungen, ähn- liche Erscheinungen in Ungain. betreffend hinzn. one Professor Van der Hoeven aus Leiden knüpft an den Vortrag des Staatsraths Eversmann einige Bemerkungen mit Bezug auf die Forschungen Lichtensteins, dem er zugleich Worte des Andenkens widmet. Prof. Troschel forderte zu einer Besichtigung. des. hiesigen naturhistorischen ‘Museums am Nachmittag desselben Tages um 41/, Uhr auf. Sitzung vom 22. September. € M. Bach aus Boppard sprach über das.Verhältniss der Insecten zur PflanzenweltZund wies nach, dass bei Aristolochia celematitis die Befruchtung nur durch Vermittelung eines. Zweiflüglers, geschieht: Ceratopogon plumicornis L. Er erklärte die Einrichtung der Blüthe dieser Pflanze, die .der Art ist, dass das Be gefangen gehalten wird, bis die.Befruchtung der Pflanze stattgefunden hat; dies geschieht dureh Haare, die sich in der Blüthenröhre befinden, und sich, sobald die Befruchtung geschehen, so an die Wand legen, dass das Thier wieder entkommen kann. u: Dr. Moebius aus Hamburg ‘sprach über die Entstehung und‘ Structur der Perlen,.an denen man, ‘wie bei Muschelschalen, drei Systeme yon Schichten unterscheiden kann. In 59 Perlen, die yon ihm ‘vorsichtig geschliffen worden waren, fand sich kein Quarzkorn als Kern, sondern thierische oder serige Kalkkerne. Die Säulenschicht der Muscheln und Perlen hat keine durch Moleeularbewegung ‚heivorgebrachte Structur, doch fanden sich auch Perlen, die krystallinische Kalkfasern enthalten. Unter den von v. Siebold abgebildeten künstlich erzeugten Buddha-Perlen fand er eine concav- convexe Zinnform. Der Perlmutterüberzug ist nur 0.1—— 0.2mm dick. Dr. Keoyber aus Insterburg ‚ sprach über den Bojanus’schen Körper der Najaden. AT Dr. Claus ,aus Cassel sprach über den Bau und die Organisation der Cyclopslarven und, suchte aus ‚der; Entwickelung, der Gliedmassen die morphologische Uebereinstimmung in Bau der Copepoden und Phyllopoden nachzuweisen, Kap ee RATES 1 „Prof. Lieuckart aus Giessen ‚sprach über Drohnenbrütigkeit und erörterte die, verschiedenen Arten derselben bei. Königinnen „und -Arbeitern. ., 4 ala: ' ır ungloei . al „ „Prof. Carus ‚aus, Leipzig. lenkte, die Aufmerksamkeit der Sections - Mitglieder auf; seine, Icones Zootomicae, die er zur Ansicht vorlegte. ' Wr Für die nächste Sitzung, wurde die, Stunde, von,..9 — 11,beibehalten ‚zum, Präsidenten: für dieselbe Prof. Grube und zugleich für die darauf folgende Prof. Leuckart gewählt. Angemeldete Vorträge: Br Prof. Schaum: über den Generationswechsel bei den Blattläusen.— Prof. van Beneden: über Lumbriconais und Mysis. —Dr.Kraatz: eine entomologische Mittheilung.— Dr. Töpffer: über Züch- tung der Bombyx 'Oynthia. — Dr. Dönhoff::über Wärimeproductionskraft der kaltblütigen Thiere. — Dr. Harley aus London: über einige’ Arten von Peitastomum. — Prof. Leuekart: Entwickelungs- geschichte und Wanderungen der: Pentastoma) taenioidesi — uPxof. Troschel: über den Werth der Deckel der Gasteropoden für. die, Qlassification, „, ..,. ; Bi at Physisalische, Section, u ve # . Sitzung ‚vom 21. September. I, N 1 Präsident: ‚Prof. iv. Ettinghausen.ili,Vozitr äge: .Thead.iMeyer: gab, nach. kürzer Andeutung der Veranlassung zu einer Reihe von Beobachtungen, die in einer am: heutigien- Tage ‚erscheinenden Broschüre enthalten sind, eine Uebersicht ‚der wichtigsten derselben, nämlieh: die Phänomene der Schich- tung des elecetrischen Lichtes in verdünnten Medien , seiner grossen. Ahlenkbarkeit der Wirkung des‘ Magneten auf dasselbe. Ferner theilte der Redner das besondere Verhalten einer electrisch gela- denen Röhre und die Benutzung einer solchen als electr. Flasche mit. Prof. Weiss theilte verschiedene von ihm auf analytischem Wege gefundene Resultate aus dem Gebiete der elementaren Optik mit, wie dieselben in einer von ihm in neuester Zeit erschienenen Schrift enthalten sind. Prof. v. Ettinghausen bemerkte hierzu, dass die von der kaiserlichen Akademie der - Wissenschaften zu Wfen veranlassten umfassonden Arbeiten -in diesem Felde, von Prof. Petzval in der nächsten Zeit bald sämmtlich veröffentlich sein werden. | \ Dr. Prestel: über den Zusammenhang, der zwischen dem Auftreten der Gewitter 5 der Windes- richtung und dem Barometerstande stattfindet. Er hob besonders hervor, wie ein durch ein Umsetzen —u Bo — des Windes hervorgerufenes Gewitter immer anch von einem Durchgange des Barometers durch den mittleren. Stand: desselben /begleitet sei.) - ig i f i n J.Bosscha aus Leyden theilte, ‚nach einer kurzgefassten Mittheilung über eine'Arbeit, welche’ im Septemberhefte der Annalen von“ Poggendörft' erscheinen. wird, und in welcher ‘er ‘die mechanische Theorie der: Eleetrolyse experimeütell' zu bestätigen gesucht‘ hat,‘ einige Folgerungen mit, welche sich für. die Erhlärung der. galvanischen Boliee iirschkisran en aus’ dieser Theorie ergeben. Er suchte dabei zu beweisen). dass der Werth‘ der electromötorischen Kraft bei der Wasserzersetzung nur dureh die Annahme zu erklrären sei, dass der Werth für’ die Verbrennungswärme der 'electrolytisch im activen Zustande, abgeschiedenen Gase ein; höherer‘ sei, als der des gewöhnlichen Wasserstöffs und Sauerstofts. = | Prof. Buys-Ballot gab praetische Regeln für den Zusammenbang der &leichzeitigen Abweichun- gen des Barometers mit dem Regen, der Richtung und. der Stärke des Windes. Sitzung vom 22. September. Präsident: Prof..)J. Müller. Prof. Dove sprach über die Abstumpfung des Ohres für die Eindrücke, welche es längere Zeit hindurch erhält. Prof. Böttger zeigte das optische Bild eines Gegenstandes durch die Cornea von Aeschna gran- dis mittelst eines Mikroskonpes. Hr. Geissler sprach über die Einrichtung: eines neuen,'won ihm selbst erfundenen Barometers, und zeigt ein; solehes vor. J. Bosscha gab eine Fortsetzung über die. mechanische Theorie der:Electrolyse. Er hob be- sonders die Folgerungen ‚hervor, die ‚sich_ ‚aus dieser Theorie für die Bestimmung der electremotori- schen Kraft einer Kette, ergeben. “_ Dr. Prestel theilte Beobachtungen über die Unterschiede der Regenmenge mit, die sich bei schon. geringen Höhenunterschieden an einem und demselben Orte ergeben. ; Prof. Buys-Ballot meint, dass der von ihm schon im Jahre 1849. geäusserte Gedanke aufs Nene. in Erinnerung; gebracht werden muss, dass: die Electricität,so wohl, wie die Wärme, einBewegungszustand ist, und dass dadurch die Theilchen in Schwingung gebracht | werden,, |: wodurch sowohl chemische Verbindungen ‚hergestellt als gelegt werden können. ale Oberbergratı Althans sprach, über die Temperatur . des Sonnenkörpers und. einige andere. kosmische Wärmeverbältnisse. Win Angemeldete Vorträge: . Dr. Garthe: das gleichzeitige Telegraphiren &e. (s. das Tageblatt vom 21. Sept.).— C.L.Moll: Mittheilungen über verschiedene Punkte’der Dynamik. — Prof. Plücker:\1. Allgemeiner. Umriss der Theorie des magnetischen Verhaltens der Krystalle. 2. Ueber die 'Stratification des 'eleetrischen Lichts und die Modifieation desselben unter der Einwirkung des Magneten. 3. Ueber die Beziehung zwischen dem magnetischen Verhalten der Körper und ihrer ehdinidckeh Zusammensetzung: 4. Ueber die Bestim. mung der Lage der optischen und magnetischen Axen im Innern der Krystalle. — Prof. Helmholtz: über die objecetire Natur der Combinationstöne. — M. Glaesencer, professeur de Liege: sur la tele- graphie et les horloges @lectriques. - ° Zum Präsidenten für die Mittwochs-Sitzung wurde Prof. Eisenlohr erwählt. Chemische Section. Das Protokoll der Sitzung vom 22. wird im nächsten Tageblatte mitgetheilt werden. Angemeldete Vorträge: Prof. Schrötter: über Casein. — Prof. Böttger: Anstellung einiger Versuche bezüglich ‘der sogenannten chemischen Harmonika, nach Beobachtungen des Herrn Grafen von Schaffgotsch. Agronomische Section. Das Protokoll der Sitzung vom 22. wird im nächsten Tageblatte erscheinen. Angemeldete Vorträge: Dr. Bialloblotzky: über Seidenbau in Syrien und über arabische Pferdezucht. — Professor Fuchs: über den Einfluss des Pferdefleischessens auf die Civilisation und die Pferdezucht. — Docent . gehubert: über Conservirung des Holzes. ? £ Mathematisch - astronomische Section. . Prof. Zech machte Mittheilungen über eine Verabredung ‘zwischen ihm selbst, Dr. Förster, Dr. Winnecke, Dr. Krüger und Dr. Schönfeld, betreffend die Festsetzung gemeinsamer Epochen und. Intervalle bei der Berechnung der speciellen Störungen der kleinen Planeten, um auf diese Weise eine Reduction derjenigen Arbeiten zu ermöglichen, welche für alle Planeten gemeinschaftlich ein für alle Mal ausgeführt werden müssen. Das Nähere wird am geeigneten Orte veröffentlicht werden. Prof. Mädler sprach über Mondkugeln und namentlich über die der neuesten Zeit angehörenden Versuche, die Mondoberfläche im Relief darzustellen, und führte an, dass er bereits im Jahre 1839 der Pyrmonter Versammlung der Naturforscher und Aerzte die von der Hofräthin Witte in Hannover nach 2 seinen Mondkarten verfertigte Reliefkugel des Mondes vorgezeigt und erläutert habe, diese Arbeit mithin die Priorität von der Dickert’schen beanspruchen könne. : Es schlossen sich daran Besprechungen über die Möglichkeit der Vervielfältigung solcher Mondmodelle. 5 Brot von Riese sprach über gewisse Abänderungen in der Anordnung der magnetischen De- elinationsbeobachtungen. Die Mängel der Aufhängefäden: im Grussischen Declinationsapparate werden. beseitigt, wenn ‚man, mehrfache Fäden, oder ungedrehte Fadenstränge, wie die:Posamentirer. sie liefern, mit aufgelöster Gutta percha zweimal bestreicht und in das Aufhängestäbchen festleimt. Bei den: Azi- mutbestimmungen wird hier ein Fernrohr mit, zwei ladenkreuzen für Sterne und Mire, um die Ver- änderung der Collimation durch Verschiebung des Oculars zu vermeiden, angewandt. „Vorzüglicher. möchten zwei Fernröhre sein, wobei die Stützen der Querachse am Theodolithen: viel niedriger sein könnten. Einige Bemerkungen wurden noch über Vereinfachung bei Bestimmung des Nullpunktes der Torsion, sowie über Vortheile der Glassealen vor den gewöhnlichen gedruckten hinzugefügt. h Nächste Sitzung ‚morgen um 10 Uhr; die Sitzung, wird zur Besichtigung der Sternwarte angewandt werden. Anatomische und physiologische Section. Prof. H. Müller aus Würzbur& spricht über die Persistenz der Chorda dorsalis,, welche noch bei dem Neugebornen und in den ersten Lebensjahren vorkomme, 1. in dem Steissbein, 2. in dem Epi- stropheus (Proc. dent.) und an der Schädelbasis. “ Dr. Klob spricht über Foramen ovale .cordis; unter 500 Leichen finde man es 200 mal offen. An der Discussion über den Vorgang des Verschliessens des For. ovale betheiligen sich Prof. Kramer aus Halle, Bruch aus Giessen. Prof. Ruete spricht über ein neues Ophthalmotrop und erläutert dessen Construction. Prof. Bruch spricht über die Stellung des Kehlkopfes bei dem Sprechen der Vocale. Die Rei- henfolge ist nicht wie im letzten Tageblatt angegeben a, e, i, 0, u, sondern o0,.a, u,e,i. Ferner über Veränderungen in der Structur einzelner Linsen, welche durch Chromsäure besonders deutlich werden. Auch Prof. Müller theilt ähnliche Erfahrungen mit. Dabei macht Unna aufmerksam auf die Angaben von Huschke über die Entwicklung der Linse. "Prof. Voigt legt lebensgrosse Abbildungen für die Verbreitung der Nerven in der Haut vor und demichstrirt ein System neu entdeckter Linien an der Oberfläche des menschlichen Körpers, welche die‘ Verästelungsgebiete’der Hautnerven begränzen. I Prof. Gerlach theilt die Resultate seiner Beobachtungen über die Windungen ‘des "kleinen Ge- hirns an mit Oarminlösung gefärbten Präparaten mit. "Während die weisse Fasersubstanz vom -Farb- stoffe Nichts aufnimmt, ist, wie die vorgelegten Abbildungen zeigen, die graue Substanz! intensiv ge- färbt. Er spricht sich weiter über das Verhalten ‘der Fasern der weissen Substanz j!ihre Theilungen, den feinen Ban der Körnersubstanz, deren Zusammenhang mit den Fasern, der Communication der Körner durch feine Fasern untereinander (ähnlich den Körnern der. Retina),: ihren bisher zwar’ nur eininal bestimmt beobachteten Zusammenhang mit den grossen vielstrahligen Nervenzellen der ober- flächliehsten Schichten aus. In genauer Beziehung zu diesem’ Bau des kleinen Gehirns ist die Gefäss- verbreitung in demselben. Das bei weitem engste Capillarnetz findet sich in der Gegend der Körnerschicht. Heinsius, Direetor des physiolog. Instituts in Amsterdam, spricht’ über Harnseeretion und er- örtert vor Allem die Frage über das Fehlen des Albumins im Harn. Er theilt das interessante Resultat mit, dass bei Diffusionsversuchen mit Eiweisslösung und Haın, oder schwach angesäuertem Wasser wenig Eiweiss in die letzteren übergehe. Auch der Harn von Herbivoren in der Niere reagirt sauer, kann also keinen Einwand gegen diese Ansicht bieten. Als den Heerd für die Formation der grössern Mengen Harnstoff bei Feich licher Zufuhr von Fiweiss sieht der Redner die Leber‘ an. Gerlach macht auf das periphere Umbiegen der der Oberfläche zugehenden Zellenausläufe auf- merksam, ein Verhalten, das Prof. Gerlach jedoch, gestützt auf eine grosse Reihe von Beobachtungen, durchaus bestreitet. An der weitern Debatte betheiligen sich Prof. Bruch, Prof. von Lenhossek, Dr. Marfels. Zum Vorsitzenden für die nächste Sectionssitzung. wird auf Vorschlag des Hrn. Vorsitzenden Prof. Helmholtz einstimmig erwählt. | Angemeldete Vorträge für Mittwoch: . F.Keber: Verfahren, um die Dotterrotation am Säugethier-Ei stundenlang beobachten zu kön- nen. — Prof. Czermak: Zur näheren Kenntniss der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion. — Prof. Mayer: Drei Thesen über das Rückenmark. Angemeldete Vorträge für Donnerstag: Prof. Helmholtz wird Versuche mit dem Myographion über Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizung in den Nerven zeigen. Chirurgische Section. Vorsitzender Hofrath Dr. Baum. £ Le Roy d’Etiolles bespricht und zeigt vor seine sehr sinnreichen Instrumente zur Extraction N fremder Körper aus der Blase, 2. ®B! "von Hasinädeln, Bougies ete., ferner ein Uretrotom zum. Ein!® schneiden, ein anderes zum Zerreissen’von Strietüren., en er SR 10 _ Dr. van de Loo las über die Geschichte des Gypsverbandes, besprach kurz die Methoden der’ Application und (die Vortheile der ganzen Erfindung. Näch der Sitzung demonstrirte er sie in der chi-, rutsischen Klinik insbesondere an einer complieirten Fraktur. RBruld Dr. Gurlt legt zahlreiche Zeichnungen 'zu ‚seinem nächstens erscheinenden Werke über Kno- chenbrüche vor. Su Sedillot sprach über die Nachfheile der gewöhnlichen Verfahren bei Operation des Empyenis 5 es komme darauf: an, die eiternde Membran in eitie vernarbte zu verwandeln, was bei dem &ewöhnlichen Punctiren mit sorgfältigem Ausschlusse der Luft’ nicht geschehen könne. Er perforirt mit einem m eine Rinde auslaufenden Bohrer eine Rippe, und legt eine offenbleibende Öunüle ein. In 5 Fällen habe er Heilung erzielt. Derselbe legt ein neues Uretrotom vor. Prof: H.'Müller zeigt, dass bei 'Glaucon eine Atrophie der Nerven und Ganglienschicht der Retina bei sonst normalem Verhalten der Häute vorkommt, dass dadurch eine grubenförmige Einziehung ' der Eintrittsstelle der Sehnerven entsteht, oder bei: Atrophie der’ ganzen Retina eine fast ebene Fläche zu ‚Stande komnit. - Es war. auch die. Retina ‚herausgedrückt worden. Die Gefässverzweigung. erscheint dann trichterförmig schon ausserhalb des Niveaus der Selera, an die letztere meist angewachsen. Druck und Atrophie sind die Ursachen dieser Vortreibung. N Prof. C. Otto Weber bespricht die Veränderungen der Knorpel bei Gelenkentzündungen, namentlieh die Neubildung- in die zerfallenden Knorpel hineinwachsender Gefässe (theils Sprossenbildun solider Zellenhaufen, theils Canalisirung anastomosirender Bindegewebskörper) und die Umbildung, der : Knorpelzellen zu Höhlen, die mit den Eiterkörpern ganz analogen Zellen gefüllt sind. Ebenso erläutert er in der Kürze die bekannteren Vorgänge bei chronischer Gelenkentzündung unter Vorlegung ge- nauer Zeichnungen. . Vorsitzender‘ für, Mittwoch: Geheimerath Professor Blasius. Seetion-fün Psychiatrik, Sitzung vom 21. September. Präsident: Professor Dr. Albers. Faov Dr..Hertz stellte einen ‚Gehirnhranken, vor ;iwobei, er nach Mittheilung, ‚der Krankengeschichte und ‚Demonstration,ides gegienwärtigen Standes der-Krankheit;die Frage aufwirft, ob der Ursprung und. Sitz des ee Prozesses mehr in der Peripherie. oder im Centrum des. Gehirnes zu suchen, sei.,;| Sprechende ‚Symptome; besonders’ in. der ‚Funktion. der Augenmuskulatur machen den Fall besonders instruktiv. An der Besprechung -betheiligten ‚sich besonders Prof. Ru ete, Dr. Arnoldi, Dr. Richarz, Prof.» Albers; Dr. Erlenmeyer und ‚Prof. Sehne evoogt. Es nahm diese ‘Verhandlung die an-,,. beraumte ‚Zeit ganz in Anspruch. Die noch übrigen Vorträge sind deshalb ‚auf morgen 10 Uhr vertagt: — Zu. den'bereits, angezeigten ist noch einzusehreiben: über embolisch - trombische und Obliterations- |, Apoplexie ‚bei allgemeiner‘ Lähmung. x [ \.Sitzumg-am 22. September. Stellvertretender Präsident Dr. Ruer. Prof v. Leonhardi entwickelt die Unterscheidungsmerkmale des materiellen Stoffes ‚und ‚des Stoffes, worin. die Seelenthätigkeiten-. arbeiten, hervorhebend, dass letzterer nicht minder Ansprüche aut Realität “habe, als ersterer! Dr. Rieharz- erinnert ‚an das mangelhafte Verfahren, was gewöhnlich bei der Untersuchung der Pupille bei»Gehitnkranken beobachtet: werde, indem man ‚bloss inach der erweiterten, als der ‘kran- ken, forsche,und.6s übersehe, dass die 'engere’auch krankhaft sein.könne. Es sei darum nothwendig, beide Pupillen im Vergleiche zu einander, sowohl bei grellem, als auch bei verdunkeltem Lichte zu untersuchen, um zus finden, ‚ob.eine, wie\ beide, oder eine einzige, krank oder gesund seien. Zu den 'noch ‚westirenden. Vorträgen sind gekommen; Prof. Schröder von der Kolk: über Wesen. nnd ‚rationelle -Behandlung..der Epilepsie nach' praktischen Erfahrungen. — ‚Dr. Erlenmeyer: neue Beiträge zur Lehre von den somatischen und psychischen Reflexerregungen. \ ıegynaäkbhogische Ssectiom Sitzung vom 21. September. Herr Geh. -Rath Dr. Kilian eröffnete (die Sitzung, und brachte! auf: |! den Wunsch des Dr. Seutin:von- Brüssel dessen. Methode der Stillung von Gebärmutterbletungen in der letzten Geburtsperiode,, die in der Compression der Aorta abdom. besteht, zur Discussion. Herr Hofrath Schneemann aus Hannoyer elaubte (diese Methode aus praktischen Gründen’ verwerfen zu müssen. Dr. Spiegelberg aus Göttingen basirt seine &leiche Ansicht auf Beobachtungen über den Einfluss des Blutlaufes auf die Uterinbewegungen die ef an trächtigen Thieren anstellte, und auf ana- tomische Thatsache. Ebenso verwirft Hr. Geh.-R. Kilian 'Seutin’s Vorschlag ‘aus anatomischen Gründen. Dr. Spiegelberg hebt sodann in seinem: Vorträge ‚über. die Chloroformanästhesie bei Geburten die Unschädlichkeit der Narkose im Allgemeinen und besonders in Bezug auf die Wehentbätigkeit her-; vor. Die an der Debatte sich hauptsächlich botheiligenden Herren Schneemann, Birnbaum, Breslau und Kilian stimmen dem Redner bei. Sitzung vom 22. September. Geh.-Rath Dr. Kilian zeigte nach einigen Bemerkungen über die Diagnose der Osteomalacie eine Anzahl von osteom., rhachitischen und anderweitig erkrankten Bek- ken aus seiner Sammlung vor, und knüpfte daran eine kurze Mittheilung der betreffenden Geburtsge- schichten. — Angemeldete Vorträge: Dr. Birnbaum: über Lumbarlondose in "geburtshülflicher®Beziehung. — Dr. Sack: über, das Sitzbad in Frauenkrankheiten mit Vorzeigung eines» neuen Apparats. — Dr. Breslau: über das Eera- Section für praktische Medicin: Sitzung vom 21. Septemper. Präsident: Prof. Dr. Jul. Vogel aus Halle. Seeretär: Prof. Dr. Albers und Hofrath Beneke. £ Ueber die schriftliche Aufforderung ‚des. Dr. Winter aus Lüneburg zu entscheiden, ..ob der Nutzen der Vaccination anzuerkennen sei, wird zur Tagesordnung‘übergegangen.'An einer kurzen Disctission .betheiligen sich. Dr. Jacobs aus Eupen und'Dr. Dawosky aus elle. Sanitäts-Rath Dr. Graetzer aus Breslau legt eine-Anzahl von Exemplaren seiner. Schrift: Beiträge zur Bevölkerungs-Armen-Krankheits- und. SterBlichkeits-Statistik der Stadt Breslau“ ‚der Section. vor. Dr. Poznansky aus Wien sprach über ein neues Sphygmometer, welches in natura: vorgelegt ‘wurde. Die, von ihm gemachte Modification des Sphygmometens: besteht in: der Anwendung eines. Staars welches: die; capilläre Kraft ‘der ‚Glasröhrchen ibeseitigt und macht das Instrument ausserordentlich 'em- findlich — die da angebrachte Sanduhr dient zur Berechnung der In Pulsschläge. — Derselbe spraeh über Pro hylaxis in der Cholera. : Cholera-Epidemieen sind ‘der Condensation der Luft Propor- tionell. Das pathognomonische Zeichen der, ‘Cholera, Imminenz jst in der Verlangsamung . des .Pulses (bis auf, 40 Pulsschläge per Minute). ,: Es liegt der Staats-Hygiene ob, die prädisponirten 'Subjeote während oder ’Cholera-Epidemie witer gesunden ‚aufzusuchen, und dureh die Beschleunigung der Oireulation ‘den Choleraanfällen vorzubeugen. Prof. Naumann sprach über die Anwendung verschiedener Eisenpräparate in der tuberkulösen Lungenschwindsucht, nach den Erfahrungen die in der hiesigen medieinischen Klinik über diesen wich- fügen. Gegenstand gewonnen worden sind. Die Eisenmittel wurden als diejenigen’ Arzueien bezeichnet, zu.deren Gunsten vorzugsweise Thatsachen sprechen, sodass foxtgesetzte'Mittheilungen über dieselben sehr wünschenswerth sind... bl lee Sitzung vom 22. September. Vorsitzender; Prof. Naumann. — Nach Eröffnung der Sitzung kamen zur Vertheilung: Dr. Mare d’Espine, Esquisse geographique des invasions du cholera en Europe. Paris 1857. — W. Bueck, ved, Klinik over Hudsygdommene og de syphilitische Sygdomme 1852. — Sodann sprach Prof.,W. Bueck über die Syphilisation ‚als Kurmethode.gegeu' constitutionelle Syphilis und "betrachtete diese Syphilisation als .ein sicheres Heilmittel, wenn Mereur nicht gegeben ist. Bei der Debatte hebt‘ Prof. v. Baerensprung die Unannehmlichkeiten”der Syphilisation für Kranke und Aerzte hervor, da-doch trotz Impfung von etwa 1000 Schankern Recidive vorgekommen. "Auch fehle eine Parallele zwischen dieser Methode und andern Heilverfahren. rue 5 "Di. Dawosky rechtfertigte die Anwendung des Quecksilbers in. der Syphilis. . Jean d’Isem- bert fragte, wie lange die Immunität nach der: Syphilisation .dauere. ; """Bueck stellte die Unannehmlichkeit der Syphilisation in Abrede. Sie würde von den Kranken ' häufig selbst verlangt, wenn sie an. andern die Leichtigkeit des Heilverfahrens geseheu hätten. Man müsse vorher nur'kein Quecksilber angewendet haben. _ "Dr. Marquart empfahl die Fortsetzung der Heilversuche mit schwefelsaurem Cinchonidin. Prof. Naumann gab eine kurze Nachrieht yon dem, mit diesem Mittel gewonnenem Resultat, welches dech an Wirksamkeit dem Chinin. nicht. ganz gleichkomme. | „.Brof. Schultz-Schultzenstein.theilt seine vor Kurzem im südliehen Frankreich angestellten Versuche über die Electrieität der Zitterrochen mit Beziehung auf die Electrieität in Krankheiten mit. Die Eleetrieität derFische ist nach ihm das Produkt eines alkalischen Seeretsin den.electrischen Organen. Prof. v. Baerensprung theilt seine Beobachtungen über den Weichselzopf mit, die ihn zu der Ansicht geführt haben, Ei der Weichselzopf nur Produkt \eines eingewurzelten. Vorurtheils sei. Hierauf, bemerkte Dr. Adamowiez.aus Wilna, dass er das Vorkommen des Weichselzopfes als eines entschiedenen pathologischen Zustandes in Schutz nehmen müsse. Um halb 8'Uhr hatte 'man unter der Veitung, des Prof. Naumann.die medic. Klinik hesucht. Für die Mittwochssitzung, welche, von 12—2 stattfindet, wurde Prof. Leubuschher aus.Jena zum Vorsitzenden erwählt. hr vr " Angemeldete Vorträge: Commissionsgutachten in Betreff der medieinischen‘ Statistik: —'Prof.! Siohn eeroigt über An- wendung des Spirometers, — Albers: über Fucus amylaceus. - tt — D. Verzeichniss Herren Mitglieder und Ein derkmer; welche ihren Beitritt bis Dienstag den 22. Abends erklärt haben. Mitglieder. I » Bieger, Dr. Arzt. Mülheim a. R. I Saetnann, Naturforscher. Paris. Geologie. Gärms,’Dr., Arzt. Soest. (Rheinischer Hof. Mediein.’ Sack, Dr., Arzt, Marienburg. Im goldenen Stern. Mediein. Klaus, C., Berg- und Hüttendireetor. Mannheim: Geologie. Sehnepif, B., Dr’, Redacteur d. Gazette med. Paris. Bel- Lorent, De Arat, Bremen... Medicin. levue. Medion. { ae Dr-, Sanitätsrath. Iburg, Im Stern... Mediein.- S:;ehoeder, F., Dr., Realschuldirector,....Mainz.. Im gol- Loewenthal, A. M., Besitzer einer galvanopl. Anstalt. . denen Stern. Chemie. Cöln.! Physik. - S tahl, F.XK., Dir., d. Irrenanstalt. Georgen bei ‚Bay- Mahr, Dr‘, Regierungsarzt. Wiesbaden. Hötel Royal. 'Me-'| reutl. Bei Schmidt, Sternthor. AA, nn dieim. [+ j Stein,‘ W., 'Bergwerksbesitzer. Darmstadt. "Trier. Hof. Metz, Dr., Sanitätsrath‘ Aachen, Theineck. . Mediein. Geologie, Mitsche rlieh, ©., Forst- Cand. Berlin. - Bei Prof.: Busch.“| Striantz, v., Geht Ober-Finanzrath. ‚Berlin Cobl. Strässo.44, "Agronomie. Physik. r Murchison, Sir Roderick, Direetör. London. Im goldn. Stern Geologie. d’Oenceh, H,, Apotheker. Vlotho. Trierscher ‘Hof. Geologie. Oettinger, Pe Dr. , Ordinarius im EB: K.. Krankenhause. Wien.. Trier. Hof. Medicin. Pistoln, R., Dr. ned. Rheingasse 916. Mediein. Pringsheim, Dr., Docent in Berlin. Rewmont, Dr., Arzt!‘ ,Aachen. Mediein. Böchlinlg; Hofratb, Arzt. Neuwied. KRheineck. Mediein. Bubzn; Dr., Sanitätsrath. Düsseldorf. Rheineck. Psychiatrik. Stucke, Art. Cöln. Mediein. . Trautwein, Dr, K. Badearzt Creuznach. Belle Vue, Mediein. ° - Ule,:Dr. phil. Halle. ‘Im goldenen Stern. Physik. 9 Vo ahond H., Dr.,.Hofrath. . Bad. Soden. Bei Dr. Netteko- ven. Mediein. Velten, H., Dr. med. Aachen. Mediein. , "Vanzettt, F, Professor der Chirurgie. Padua. Chirurgie. Wirtgen, Ph, Dr., Lehrer. Coblenz- Engel. Botanik, | Wittelshöfer, Dr., Redaoteur. "Wien. Mediein. . e Pr Kheilnenmer. 0. |. .agommd Adamowichy, 'Dr.,. Professor ‘und Sanitätsrath. NaeE Messow, Dr. ., Dr. med! Aachen. Mediein. ern Im ‚goldnen, Stern.‘ Mediein. um. mn ‚| Vaegel6, Arzt. Düsseldorf. Mediein. a Wr Behr, Dr., Arzt. Aachen, - Mediein. E ‚| Nachet; Optiker. "Paris: Physik. oh II Bylandt von, Dr. Dr.med. ‘Haag. Gräfin Styram. Medicin. Olbertz, @., Oekonom:; ‚Sahbeppesteim. Beat I bes Bismarck, Physiker. Stettin. Physik. Porz, Dr, Arzt. -Aachen,., Hötel-Kley.|| Medicin.! Curtius, F., Fabrikant. Duisburg. Hötel Royal. Penge, C., Rittergutsbesitzer. Schloss Holte. ' Geologie. Caesar, Rittetgutsbesitzei. Rothenhoff. Zoologie... . Bella aus, Richter. Iburg. Zoologie. - Cunz, H. C., Kaufmann. Viersen. Matliematik. Rigal-Grunland, Freiherr von, Aepositker. ee Dern, Dr. med., Biebrieh.,, Mediein. Chemie. Dyekhoff, Dr. med. _Reckum. Mediein. Rhodiws, R., Linz. “Im ie Chemie: Zissul Dümpelmann, Rendant. Poppelsdorf, Geologie. S ehmidt, P..L.,.Fabrikant. ( Elberfeld: ii Eichelberg, Dr. med. Beul. Oberbergamt. Mediein. Siabyhoudeck, F.ı Pi, / Apotheker. ., Olmütz./ Chemie. Etter, Meehanikus. Bonn. Physik. ° Steeg, Dr., Arzt. Zülpich. . Mediein. 2 Fenge, F., Rittergutsbesitzer. Rietberg. Zoologie. Stöss, H., Chemie. Kray ‚bei Andernach. Chemie. Franeq F. de, Baron. Dyck. Hötel Royal. Geologie. - Schüler, Reallehrer. Bad Ems. Physik. Francke, Arzt. ' Wesseling... Medicin. Sasse, 0.5 Dr. aa Dortmund. Bei Oberbergrath Burkard. Firchs, F Baron yon, Studiosus: _Curland. . Deutscher Madiäin; Hof. Agrohömie, \ : Schödler, , CR Benlsehukdiredär, Mainz. ‚Im golden Flicker, A.,'Kreisphysikus. Fuskirähbn. Medicin. ‚Stern. Chemie, Gesko, B, 'Xpotheker. Altona. 'Im’goldn. Sern. Chemie. | Schwamm, Dr., Artz. Sobernheim, Hötel Rheineck. Psy- H euser, Pastor.) : Wupperfeld. » Poppelsdorfer Sehloss! . ehiatrik. Har ling, Dr.,mied./ Benzheim: ‚Psyehiatrik. ‚001 'Schwickerath, Apöthökosi | Sölingen. Chemie. Hellersberg, Arzt. Neuss. Mediein. \ N Tigges, Dr,i nützt: Gelsenkirch. ‘; Medicin: Hiller, F., Capellmeister:; Cöln, Physik. { (, „Vanderbankyiärzt., „Zülpich: | | Mediein: Heuken, W., Dr. med.‘ Düren., Mediein., a - N "Velten, R, Student. Aachen. ‚Endenicli. .‚(eologie. Jorck, Arzt." Büllingen. 'Mediein. q ""T Vogel, C., Dr., "Gymnasiallehrer. Duisburg. Am Hof 59. Jung, Dr., Arzt. Creuznach. Mediein. Geologie. e- Knoblauch, Geheimerath. Berlin. ‚Im. goldnen \Stern..|! Weber. H., Dr., Dr. med. London. Mediein. Physik. Wolff, J., Dr. Chemiker. Elberfeld. k XKrahmer, l.y Professor. Halle, Im goldner Stern! Mediein: | Weber, P. W., Dr.’ med. Driburg. Mediein‘ Klein, Notar. Ründeroth. Geologie. Wittgenstein; om, -Regierungspräsident a. D.' Cölm Kramör ‚ H., Lippspringe. Im goldren Stern. Mediein. Geologie. Lübbers, Dr. med. Neustadt. Mediein. Zervais, Dr. med. Eupen. Mediein. Levison, Dr. med. Siegburg. Mediein. Zartmann, Kreisphysikus. Rheyt Mediein. Lexis, E., Dr. med. Eschweiler. Josephstrasse 613. Astro- | Zapp, Fr., Dr., Dr. med. Hilden. Triersch. Hof. Mediein. nomie. Zander, L., Apotheker. Asbach. Chemie. Fortsetzung folgt in Nro. 6 Bonn, gedruckt bei Carl Georyi. nn OP AGEBLATT NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN BONN IM JAHRE 185%. Herausgegeben von den Geschäftsführern der Versammlung, Nöggerath und Kilian. (Unter Mitwirkung des Herrn Professor Dr. (0.0. Weber und des Herrn Docen’en Dr. R. Caspary.) Das Redaktions-Bureau ist Frarziskanerstrasse' No. 1013. er f | } - tl ’ . Das TAGEBLATT wird täglich, imit Ausnahme Sonntags, vor Beginn‘ der ‘Sitzungen: beim Herrn Oberpedell Odenkirchen im Universitäts - Gebäude unten, links, ausgegeben werden. : M 6. Donnerstag, den 24. September) 1857. Berichte über die Sectionssitzungen am) 23. September. Mineralogische Section. Sitzung vom 22. Septbr.: Tages-Präsident Hr. Berghauptmann v. Carnall. Prof. Daubr&e, aus Strassburg: über die Bildung des Schwefelkupfers und des Apophyllits aus den Thermen von Plombieres. — Bei den Grabungen, welche die Fassung jener warmen Önellen zum Zwecke hatten, fand Redner zwei neugebildete Substanzen, welche wegen ihrer Aehnlichkeit mit gewissen Mineralien für die Geologie von Interesse sind. An einem bronzenen Hahn, römischer Ar beit, welcher mehr als 15ten Jahrh. unter den Trümmern alter’Bauten verschüttet war, hatte sich Schwe- felkupfer in schönen Krystallen gebildet. Sie gehören dem hexagonalen Systeme 'an, und'können von den natürlichen nicht unterschieden werden. Von der gleichen Zusammensetzung hat 'man'bereits künst- liche Krystalle erhalten, die in das reguläre System gehören. Die Verhältnisse, unter denen sie ge- bildet, scheinen abzuweichen von denjenigen, unter’ welchen die Bildung ‘derselben in.Gängen ge- schieht. Der alte Mörtel, in welchen das warme Wasser einsickert, umschliesst in seinen. Höhlungen kleine farblose Krystalle, welehe in Form'und Zusammensetzung identisch: sind mit’ dem Apophyliit. Ihre Bildung erfolgt durch Einwirkung des 'Kalisilieats der Thermen auf den Kalk’ des’Mörtels. Die Bildung des Apophyllits wie des hexagonalen Schwefelkupfers erfolgte"'hier in Gewässern, deren Tem- peratur 70°C nicht übersteigt. Dr. Otto Volger trägt vor über Erdbeben und besonders über dasjenige von Wallis im J. 1855 und erkennt den Grund desselben nicht sowohl in vulkanischen Vorgängen als ‘vielmehr in Auswaschungen, wodurch die überliegenden Schichten ihre; Unterlage; verloren. Dr: A bich sprach über. Schlammyulkane und ) ihre Bedeutung; für die ‚Geologie... Er gründete diese Bedeutung, auf eine. ;Analyse der Entwicklungsgeschichte dieser Gebilde, wie. sie sich in. der Um: gebung; des Kaukasüs, insbesondere auf, .den beiden kaukasischen Halbinseln Taman und, Apsoheron vorfinden., Abich formulirte‘ seinen ‚Vortrag, hauptsächlich ‚durch die Beweisführung, folgender Sätze. 1, Die»stratigrapbischen Thatsacken an den genannten, Lokalitäten liefern den Beweis, dass der Bau_ der in Rede‘ stehenden. Gebilde ; ohnerachtet der ‚neptunischen Herkunft der sie zusammenset- zenden Massen ganz von denselben Gesetzen bestimmt wırd, welche den mannigfaltigen Bergformen zu Grunde-liegen. (Die aus)recht vulkanischen, auf feurig, flüssigem; Wege entstandenen Wege zusam- mengesetzt; sind. u 02%. Die’ Vertheilung, (dieser 'kleinen selbständigen Bergsysteme. ist ‚auf das Schärfste jenen. gros- sen einfachen Linien untergeordnet; ‘welche ‘die ‚Richtung der. Gebirge und in denselben die funda- mentalen. Grundzüge unserer. Continente ‚bedingen. . 00.8. Die lineäre Gruppirung und Anzinanderreihung, jener: Bergformen in dem Sinne dieser Er- hebungslinien ‚erfolgte nach denselben Gesetzen, wonach die Gründung und suecessive Ausbildung der een, Gebirgszüge aller. Theile,.der Erdoberfläche vor sich gingen: 0/0. Dem: Vorstehenden zufolge hält Abich.dafür,, dass, jede Vorstellung abzuweisen ist, welche ge- neigt sein könnte, die 'eruptiven Phänomene , die noch jetzt. ihren fortdauernden Sitz in dem.Schosse EI jener Bildungen behau ' age nnte secundäre 4 - hier) andere urch Vulkanismus be- dingte Ursachen zrüce hr in der Tiefe er Kohlen] Narr dergl. r = Hr. Ignaz Beissel trägt seine “Arbeiten über das Mergelgebirge-von Aachen vor. Es wurde eine geognostische Sammlung vom Friedrichsberg und vom Willkommsberg bei Aachen vorgelegt. Der bisher angenommene Unterschied zwischen ‘deroAachener undrder böhmischen Kreidebildung einerseits, und der andererseits, der sich auf das Vorkommen von Polythalamien und Cirrhipeden in denyersteren. gründete, muss wegfallen. — Ehrenberg’s Entdeckung, dass .der-Mergel, aus Or gaemen bestehe, bestätigt sich.” Der Grünsand ist aus eiuem En arte teih urch Wegführung des kohlensauren Kalks entstanden. Noch jetzt wande der Mergel unter Einwirkung der Tageswasser in Sandlager um. Beweise: a. die den Grünsand bezeichnenden Fossilien finden Ak in vollständig (älles Kalks beraubten, Sandsteinbän- ken, in kalkhaltigen Sandsteinbänken, in den Bänken von Dumont’s Psammite glaueonifere. b. In stau- bigen Grünsand-- Ablagerungeu fand ‚Redner die die ob. Abth. der Aachener Kreide bezeichnenden Fossilien. c. Das Glaucolitikorn ist in den meisten Fällen das Resultat einer eeinkere Bildung in Polythalamienschaalen. d. Bei Auflösung, des Mergels in Salzsäure erbält man Grünsand als Rückstand. Dass die untern Partieen der Kreide gerade die "entkalkten sind, "erklärt sich “wohl daraus, dass die untern ältern Particen zuwletztuaus2demd leere: sherausgehoben,sind,y daher dem Einflusse des Meer- winssers an längsten ausgesetzt waren, ferner fliessen _die Meteorwasser über den Thonschichten des Aachener Sandes ab, erfüllen daher die untere Abtheilung, während sie durch die obere nur hindurch- Sickern. — Dann wurde das Residüum "der Mergel und Grünsander 1. ‘die zweifäch liehtbrechehden Kieselsplitter, 2. die einfach lichtbrechenden Glaueolithkörner, 3. die zweifach lichtbrechenden Spon- sale näher erörtert. Die Kieselsplitter rühren 1. von Spongiolithen, welchebei Umwandl ayipmphen! Kieselerde in kryställinisehe (zerfallen , "2 von "der Zertiümmierung der weissen Stein ine von-Volythalamien, 3:-von-entfärbten-und-zersprungenen Glaucolithkörnern,. nz Kieselerde sich in Wen ie Bi en - 2 N Reduerserörtert, die Frage, wie den Quarz .in die Polyth.-Schaale; kommt, | Endlie :ach@ er noc über die Bildung des a und a Produkt de oben an bang" Mr Die Section schenkte den Sammlun en „des Vortragenden, namentlich den mikroskopischen Präparaten der feinsten Organismen ihre volle Beufderhd. A Te Leg.-Rath Gewhard aus,‚Leipzig. spricht über. die; ‚Bildung, von .Dolomitound Steinsalz., : Er baut weiter. auf/die Ilieorie. Haidin-g,ers, ‚dass.durch | wechselseitige, ‚Zersetzung von,schyefelsaurer Mag- nesia, und, kohlensaurem. Kalk, Gyps und, Dolomit entstanden jseien; und.gl Bit dass ‚die Umwandlung der Kalksteine Auntermeeriseh geschehen... „Sehr -heissej Dämpfe von SehhweleHllagness‘ ‚müssen es ge- wesen. sein, die, naehrdem ‚sie duzch, yıllkane Spalten -untermecrisch dem End Innern: Enttwollen, sich, wol- kenartig überndie Kalkberge, lagerten, .sie..von ‚oben. herab. bis. ‚zu einer gewissen "Tiefe; in olonut, und einen, andern Theil.än-Gypse-verwandelten. — In Betreff des Steinsalzes glaubt der Redner, dass seine Bildungyiin-Lagern und. Stücken ‚auf. ähnliche Weise, geschehen ‚wie an,;den Kraterrändern ;, durch die Sublimation wulkanischer. Dämpfe; ; ’ TER abe An: 8 BSR s.. Redner macht aueh Mittheilung vyon.einer Auffindung. von, Schichten des Rothliegenden ei Leipzig...‘ zailda: In; rd f klasıa Geh. Prof.. Nöggeriath vertheilt „einige. Exemplare .des Berggeistes, Nro 37, I. Jahrgg.# f Die. Schnabel zeigt ‚eigenthümliche‘, Absonderungsformen von ‚Schmiedeeisen vor von der Sieghütte, bei. Siegen. ‚Auf ..den. ersten Blick, erinnerten dieselben ‚an _pyritoedrische Krystallgestalten. G. Rose bestätigte die Natur der Formen als blosse Absonderungsgestalten. , bi, Derselbe,.besprach ‚darauf noch eine,Sammlung, von. Glas-Krystallmodellen, welche Burn. ER und des’ Oberlehrers Kysäus’s Angaben von: F. Thomas’ in, Siegen. gefertigt waren, at Ba u "Botanische Section. l Ibanwaı A Vorsitzender; Prof. W. Sich ian per.’—Prof. Gas parrini?über Saugwurzelnund Wurzelauswüchse. Es werden‘ die Resultate: &rösserer Untersuchungen ‚mitgetheilt (6. Gasparrini: Rieerche sulla struttura dei suediatori © Iaeserezione delle radiei ed'osservazioni morfologiehe sopra taluni-organi dellaLenina minor. "Napoli’1856). Die Wurzelhaare sind immer einzellig bei den Phänerogamen. Bei den Leber- moosen ist die Membran oft doppelt (Lunularia vulgaris). Die Spitze der Wurzelhaareschwitzt eine schleimige, körnige Substanz Aus. Bei Poa annua und Polypodium vulgare' öffnen sie sich zuletzt mit einer Loch ü. 8. w: j Bi tHesK) 19euob Er I nabrax © Br’Wirtgen: über die pflanzengeographischen Verhältnisse des’ CoblenztNeuwieder! Beckens. Er legte die schöne Karte der ng des Laacher Sees von H. v. Oeynhausen dabei’ zuniGrunde, erläuterte im Allgemeinen die geolog. und orographischen Verhältnisse, den Einfluss des Bodens auf die Vegetation und insbesondere auf die landwirthschaftlichen Produkte, 'die-elimatischen Zustände, ging auf die Betrachtung der ‚Flussthäler und der wichtigsten Höhenpunkte über und schloss mit dem'Zah- Tenverhältnisse der wichtigeren Familien tind ‘mit Bezeichnung der charakterisirenden'Pflänzenspecies. Dr. Deb’e y gibt eine Uebersicht der fossilen Flora der Aachener Kreide. Nach kurzer Darle ung der geognostischen ‚Verhältnisse, wobei der untere vorzugsweise pflanzenführende Theil dieser Schich- ten der Kreide über dem Gaub, im besonderen der ee zugewiesen ‘wird, erläutert derselbe die Ablagerungsstäften’der Pflanzenreste und stellt dieselben als "einen Kreidemeeresstrand’veines Insel- BEREERBEEEIE EEE ET —— U ‚kardes oder: einer Halbinsel’ dar. Ueber den Charakter der Flora theilt "er mit, dass Gleicheniaceen und Proteaceen' der Flora hauptsächlich den’Charakter der lebenden’ neuholländischen Flora geben. ‘Unter den Coniferen hebt(er die der lebenden californischen Sequoia sehr hahe stehende‘, vielleicht mit ihr identische als 'Oycadopsis- beschriebene Gattung hervor. und erläutert'sie durch Vorzeigung von Zapfen und Früchten 'sderslebenden’Sequoia. Ferner wies er auf eme grosse Zahl von Dieotyledonen hin) zeigte fernerveine‘ Anzahl ‘von wohlerhaltenen Oberhautresten dieser Pflanzen und theilte endlich mit, ‚dassı er die !bis jetzt aufiietwa/350 Arten gebrachte Flora’ mit Dr. C. von Ettingshausen in Wien bearbeiten werde. | Oberst v. Siebold spricht über den Zustand der Naturwissenschaften und besonders der Pflan- zenkunde in Japan. - Ein ungemein reiches Material von Pflanzenzeichnungen, von Japanern verfertigt, wird'ivorgelegt. Jedoch gerade der Reichthum macht ein näheres Eingehen hier unmöglich und es muss auf die später erscheinenden Verhandlungen der Gesellschaft hingewiesen werden. Dr. C.Schimper vertheilt in der Pause einige süddeutsche seltene Pflanzen. Dr. Pringsheim: Ergebnisse einiger Untersuchungen über den Werth der Florideenfrüchte. Er gelange in ‘seinen Untersuchungen bisher zu dem Resultate, dass die Sporen der Vierlinssfrüchte sowohl wie die der Kapselfrüchte regelmässig und leicht ohne Hinzuthun der Antherideen keimen und zu ganzen‘der'Mutterptianze: im Wachsthume gleichen Gewächsen anwachsen. Wenn diese Thatsache die Vermuthung einer äusseren Befruchtung beider Sporen-Arten ausschliesst, so schliesst anderseits der Mangel eines jeden sichtbaren Apparates, welcher einen Eingang in die Früchte ‘gestätten würde, auch ‘die Annahme "einer innern Befruchtung aus. Es lässt sich für eine Erkennung der eigenthümlichen weiblichen Geschlechtsorgane ‚daher nur noch von der weiteren Verfolgung «der Keimlinge' etwas er warten. ' Zugleizh zeigte er die ruhende Spore und deren Keinmng von einer neuen Art von Pilopte- ris, die er P. acrosporum nennt, und die Antheridien von Dasya coceinea, die im Bat’ denen von Po: ‚Iysiplohia gleichen. j ü = ı\ Dr: Oaspary: Die (Gattung Chroolepus hat Zoosporen und gehört zu den Algen.’ Caspary' hat bei Chrbolepus'aureus Zoosporen beobachtet, die aus sehr verdickten Spitzenzellen ‘oder seltener aus einer angieschwollenen Zelle des: Fadens hervorbrechen, mit 2 Winipern versehen sind‘, lebhaft herum schwimmen und nachdem sie niedergefallen sind, ohne sich fest'zu setzen, keimen. "Die Beobachtung von Zoosporen bei Protococcus crustaceus, ‚die Cohn beobachtete, bestätigt. Die Zoosporen sind hier eiförmig, platt auf,einer Seite und zweiwimperig.., ” s ‘Prof. Braun sprach über die neueren Ergebnisse seiner monographischen Bearbeitung der, Oha- raceen, setzte die Eintheilung der Familie in Ga { attungen und Sectionen auseinander und zeigte einige _ seltnere, neulich erst entdeckte deutsche Arten vor. Auf Vorschlag des Vorsitzenden Prof. SeKimper wirdDr.'G’ Engelmann aus St. Louis zum Präsidenten für Donnerstag gewählt. ., f 11 5 brru - doiwar) Angiemeldete Nörträge: "Prof. Freiherr von Leowhardi:'über Rhoograplie als Hilfsmittel der systematischen Forschung, — Prof 0. Naagelt:über die Anordnung der Gefässbündel in den Stammtheilen. — Dr. Caspary: über den Stamm der Nymphaeaceen. —- Prof. Cienkowsky: über Pseudogonidien. — Prof! Oohn: ‘über einen auf’ einer Alge'schmarotzenden Kernpilz. = Prof. de Bary: über die Fruetification der Hymenomyeeten. 9b 7 A 1 Zoologische Section. Medieinal-Rath Jäger aus Stuttgart: über die das Absterban der Zähne bei verschiedenen Thieren begleitenden Veränderungen der Zähne und der Kiefer. - «Prof. Schaum aus Berlin sprach über den Generationswechsel der Blattläuse und hob nament- jeh die Thatsache hervor, dass. dasselbe Individuum im Verlaufe seiner Entwickelung ohne Befruchtung leben ige. Junge. ebiert, und am Schlusse derselben Entwickelung als Weibchen fungirt. ; ui ...Erof van,Beneden aus Löwen spricht über die Entwickelung, von Lumbriconais, Diese. ma- zinen Würmer tragen in der Jugend zwei Wimperkränze und: Augen, welche -Oharactere Sehlüsse auf die ‚noch so wenig, bekannten Verwandtschaften gestatten. — Derselbe thut ferner eines Distoma Er- wähnung, welches sich in Buceinum undatum entwickelt, ohne dureh die Cerrarienform zu gehen. — Er legt der Section eine Reihe von Tafeln vor, ‚welche die ganze Entwickelung von Mysis darstellen und legt dabei besonderes Gewicht, auf die allmäliche Entwickelung. der Anhängsel. — Prof. van B. trägt darauf einige an Polypen gemachte Beobachtungen vor, nach welchen: zum Verwechseln ähnliehe Polypen so verschiedene Medusen hervorbringen, dass sie verschiedenen Gattungen oder Familien ange- hören; einige Polypen entwickeln sich fast vollständig, andere halb, noch Klum endlich, mit mäan- lichen und weiblichen Geschlechtsorganen, entwickeln sich so wenig, dass beide Geschlechter im sack- förmigen Zustande verharren. Dieses ist der Uebergang zwischen Organ und Individuum. Dr. Kraatz macht der Versammlung Mittheilung von .der Gründung eines entomologischen Vereines in Berlin, welcher hauptsächlich durch die Herausgabe umfangreicher Vexeinsschriften die entomologische Wissenschaft zu fördern bezweckt und hebt hervor, dass für die kritische Besprechung der Fachlitteratur sofort nach dem Erscheinen der einzelnen Werke die geeigneten Kräfte zum grössten Theil gewonnen sind. En Gust. Ad. Töp ffier, Kaufmann aus] Stettin,; sprach über die nach vielen misslungenen: Versuchen, -ihm in diesem Jahre geglückte Züchtung. des.iin Deutschland neu eingeführten Seilenspinniers- Bombyx eynthia. ‚Die Ernährung (dieses .Thieres ‚durch. die ‚Blätter des bei uns gut gedeihenden Ricinus’ com- munis wird keine Schwierigkeit, haben. "Er hofft, dass die von ihm erzielten. schönen und festen Cocons in diesen "Tagen ;auskriechen ‘und. gute „Graines liefern: „werden, in ‚welchem Falle er'zu: weitern Ver- suchen davon ‚abzugeben ‚erbötig‘ ist. — Bei Bombyx Mori muss, !um Krankheiten. zu ‘vermeiden; die Fütterung der Raupen, welche ‚zur Fortpflanzung benutzt werden, mit Laub, von älteren Maulbeerbäumen, welche einen nicht feuchten Standort haben, geschehen. 193 ad Dr. Dönhoff aus Orsoy. erklärte, . dass nach den von ihm angestellten ‚Versuchen valle'kaltblü- tigen Thiere, in Haufen zusammengedrängt, Wärme entwickeln. In Bezug aufdiese Wärmeproductions- kraft erhält man folgende Reihe:! Insectenlarven, Fische, ‚Amphibien, ausgebildete Insekten. . Während die Insectenlarven nur eine Wärme von! ," R. erzeugen, bringen: Bienen eine Wärme; von 30° R. hervor. An diesen Vortrag knüpfte sich eine Discussion, an welcher sich die H.H.Kraatz, Leuckart, Schaum, Evrersmann, Vanider'Hoeven betheiligen, und woraus. hervorzuheben, dass Professor Lewcekart die Ursache der höhern 'Wärmeproduetion bei ausgebildeten Insecten in: die viel 'bedeuten- dere Eakwipkeluse des /Tracheensystems und der Athmung setzte. Prof. Harley aus, London zeigte einige Exemplare von Pentastoma vor, von denen|er. zwei, aus der Lunge einer ägyptischen Schlange ‚(Naja Hage) für eine neue, Art hält, weil sie langstreckig und stark geringelt wird. ’ Prof. Leuckart berichtet über die von ihm mit Pentastoma denticulatum angestellten Fütterungs- yersuche und weist nach, dass diese Art -den, (geschlechtslosen) Jugendzustand von Pentastoma taeni- oides des Hundes darstellt: , Zugleich schildert ‘derselbe ‚einige interessante Verhältnisse der Structur und die embryonale Entwickelung. Or | Prof. Troschel verlas eine Abhandlung des Prof. Kotzubowski aus. Krakau: über ‘den männlichen Apus cancriformis, welche. durch eingesandte Exemplare erläutert wurde. — Prof. Tr o- s.chel sprach ‚ferner über den, Werth ‘der Deckel der Gasteropoden für. die Classifieation und: machte darauf aufmerksam, dass die spiralen: Deckel beim Wachsthum einer! Drehung, ‚unterworfen sind. ie ,,. Nächste, Sitzung, von 9—11.. ‚Präsident‘ Prof! L.euckart: i f i Angemeldete Vorträge: en Prof. Leonhardi: üher. Bhoograpbie als. Hülfsmittel. der systematischen Forschung. — Prof. Grube: über, die Lage der ‚hihteren., armmündung bei, den Anneliden. I nil ST war Por ‚Chemische, Section Sitzung am 22. September. abıeit] Dr. Mohr aus Coblenz sprach vergleichsweise über die 'Genauigkeit der Gewichts- und Maass- analyse und die Mittel, beide bis zu ihrem. höchsten Maasse ihrer (Genauigkeit zu, erhöhen. ‘Er zeigte die im letzten Jahre an den maasanalytischen |. Instrumenten ‚gemachten‘, Verbesserungen ‚an vorgeleg- ten Instrumenten vor. : Dr. Neubauer und Prof. von,Baumhauer. fanden Veranlassung Bemerkungen daran zu knüpfen. Letzterer machte darauf aufmerksam , dass bei Bestimmung des Ohlors mittelst salpetersau- rem Silberoxyd und chromsaurem Kali die Flüssigkeiten . ganz neutral sein müssen, und dass die Zu- fügung von etwas Lakmustinctur,, um die Neutralität zu erkennen, ganz zweckmässig sei, da dadurch das Chlorsilber bläulich wird und der Uebergang insRothe um so schärfer zu beobachten sel. Dr. Witting jun. sprach über die chemische Zusammensetzung einiger See- Algen. Derselbe theilte mit, dass er bei Untersuchung dieser Pflanzengruppe zu denselben RT gelangt sei, wie er sie schon bei Untersuchung der Asche von Pflanzen aus den Familien. der Cyperoideen, Junceen etc. erhalten habe. Es steht nämlich die Zusammensetzung dieser Pflanzen - Asche nicht nur in einem ewissen unabhängigen Verhältnisse zu der des Bodens, ‚resp. zu der des Seewassers, sondern die einzelnen Pflanzen-Species differiren auch untereinander in der Zusammensetzung ihrer Asche. Wit fing machte noch darauf aufmerksam, dass’er es für nothwendig halte, die See-Algen vor der Ana- lyse mit destillirtem Wasser zu reinigen, indem man anderenfalls Resultate erhalte, die für ;physiolo- gische Folgerungen werthlos seien. Namentlich erhält man sonst einen zu hohen Chlornatriumgehalt. “ Prof. von Baumhauer zeigte seinen neuen Kaliapparat für die organische Analyse vor, bei welchem kein Druck Statt findet und durch den der mitgeführte Wasserdampf absorbirt werden kann. Auch beschrieb er seinen geruchlosen Apparat für Schwefelwasserstoff. Dann sprach er über die Um- wandlung des rothen Phosphors in gewöhnlichen Phosphor; über die Redueirbarkeit der Phosphorsäure und phosphorsauren Salze durch Wasserstoff und über ‚die, eigenthümliche grüne Färbung der Was- serstofflamme durch Phosphor. Dr. Fleitmann sprach über eine neue Quelle des Sauerstoffs. Er zeigte durch gleichzeitige Anstellung des Experimentes, wie sich aus der Lösung des Chlorkalks auf Zusatz von nur '/ıooo CO- baltoxydhydrat bei einer Temperatur von 50—60° in einem .constanten Strome sämmtliche indem un- terchlorigsaurem Kalk enthaltene Sauerstoff entwickelt. Der Redner empfiehlt diese Methode der Sauer- stoffentwickelung als bequem und wohlfeil. i 22 —- #5 — Prof. Böttger bemerkte hierauf, wie.er vor längerer Zeit schon ähnliche Beobachtungen: über die Einwirkung von; Chlorkalk auf verschiedene Oxydhydrate der schweren; Metalle veröffentlicht habe. Zum ‚Präsidenten der, nächsten ‚Sitzung, wurde. Herr Med.-Rath Dr. Mohr. gewählt. 19 Sitzung vom 23. September. Prof. Schrötter theilte die Methode mit, welche er zur’ Darstellung des Casein’s befolgt und führt einige Versuche über dasselbe’an. ! Dann knüpft der Redner,noch einige Bemerkungen an den früheren "Vortrag. des Prof. von: Baumhauer über die Umwandlung, des, rothen Phosphor: in den ge- wöhnlichen. Er glaubt nicht diese Umwandelung annehmen zu können. Prof. Sehrötter erinnerte dann an seine schon vor längerer Zeit gemachte Mittheilung, dass kein Phosphoroxyd existire und be- gründet dieselbe nochmals. Endlich gab er den Grund an, weshalb er den rothen Phosphor lieber amorphen Phosphor nennt. Prof. Böttger wiederholte die Versuche des Herrn Grafen von Schaffgotsch mit der soge- nannten chemischen Harmonika und zeigte dann eine neue Methode solche ‚Töne horvorzubringen. “Dr. Otto Volger sprach über die Entwickelungs- Geschichte der Mineralien als :Grundlage einer wissenschaftlichen Geologie und einer rationellen Mineral - Chemie. Er»begründete seine: Mittheilungen durch Demonstrationen an einer Reihe von Stufen. Zum Präsidenten der nächsten Sitzung wurde gewählt: Herr Prof. Bergemann, der aber die Wahl ablehnen musste. Es wurde dann Hr. Prof. Kuhlmann aus Lille gewählt. e Hat Angemeldete Vorträge: Grahe, Magister der Pharmacie ; 1. über eine neue Reaction der echten Chinarinde und China- , basen; 2. über die Producte der trockenen Destillation des Chinin’s. 4 Physicalische Section, .. ‚Prof. Dove sprach über die in den meteorologischen Stationen des Preussischen Staates einge- Er Heberbarometer und erläuterte den capillaren, vermittelst emer Feder erfolgenden Verschluss erselben. i e „Prof. Plücker gab: 1. eine kurze Andeutung über die Theorie des ‚magnetischen Verhaltens ‚der Krystalle und führte diese auf die Poisson’sche Theorie des Magnetismus zurück; 2) eine ma- ‚thematische Bestimmung der magnetischen und optischen Axen der Krystalle, 10 ;. ©,,Mo1l theilte Einiges über wichtige Punkte der Mechanik mit. Er schlug! besonders vor, das Produkt '/, Mv? das Wegarbeit-Vermögen.und das Produkt Mv das Zeitarbeit-Vermögen zu nennen. ‘ Prof. Glaesener, sprach über Telegraphie und electrische Uhren; er’ bemerkte, dass er bei einem von ihm construirten Apparate statt der Anwendung .einer Feder zum Unterbrechen 'des Stro- mes, eine Vorrichtung zum TERäRIeh desselben angebracht habe, und Letzteres ‚sehr viele Vortheile habe. . Prof. Dove bemerkte hierzu, dass dies Verfahren von Siemens und Halske schon seit eini- gen Jahren in Anwendung gebracht wurde. Prof. Plücker zeigte Versuche betreffend die Stratifiation des electrischen Lichtes und die Mo- difieation desselben unter Einwirkung des Magneten. \ sl: Angemeldete Vorträge: = SOberbergrath Althans:'Beiträge'zum Kosmos (Fortsetzung). — Dr. Garthe:' das gleichzeitige Telegraphiren &c. (s. Tageblatt v. 21. Sept.) — Prof. Helmholtz: über die objeetive Natur der Com- binationstöne. — Zum Präsidenten für die Donnerstags-Sitzung wurde Prof. Buys-Ballot erwählt. Agronomische’Section. Sitzung vom 22. September. Departementsthierarzt Schell sprach. über ‚die Castration der Kühe nach der Charlier’schen Methode und erläuterte den Gebrauch der dazu-nöthigen, ‚von Charlier erfundenen: von Eschbaum in Bonn angefertigten Instrumente. Redner führte an, ‚wie diese früherhin durch einen Bauchschnitt in die linke Flanke ausgeführte. Operation als ein. Unternehmen. von zweifelhaftem ‚Erfolg bald der Vergessen- heit änheimgefallen 'sei,, wie dagegen‘ nach... den‘, bisherigen Erfahrungen; eine, Oastration nach der Charlier’schen Methode’ als eine gefahrlose Operation ‚betrachtet werden könne. Sodann sprach der Redner‘ die Ansicht aus: dass bei einer sorgfältigen Auswahl-der Kühe durch. die Castration: sowohl eine grössere Mastungsfähigkeit als auch eine länger andauernde bis zu einer gewissen Gränze Bester gerte Milchsecretion erzielt werden könne, dass endlich die Möglichkeit gegeben sei, krankhafte Dege- nerationen der Ovarien, mithin auch Stiersucht etc. zu beseitigen. N Garteninspeetor Sinning theilte seine Erfahrungen über die Cultur der chinesischen Yams- wurzel mit und zeigte schöne, von ihm selbst gezogene Wurzeln vor. Seine Versuche haben ihm ergeben,, dass ein Ertrag von 32400 Pfd. Knollen pro Morgen erzielt werden kann. Oekonomierath Bronner trug über wilde Trauben vor. Director Dr. Hartstein wurde zum Tagespräsidenten für Mittwoch erwählt. — Sitzung 8 Uhr. dü wogamdondood adojlads Angemeldete Vorträge: Lord FESTER AST: m Prof.'Katfmann? über die agronomische Bedeutung‘ des 'Weinbatis ‘in der Rheinprot 2. ab Dr. Bialloblotzky: tiber Seidenbau in ykten und über arabische Pferdezucht. — Prol: Fuchs: über den Einfluss des Pferdefleischessens, auf die Civilisation. und die Pferdezucht. — Docent Schu- bert: über Conseryirung des, Holzes. ! u Mathematisch - ästrenomische Section. Hain tedi Vorträge würden nicht gehalten, sondern die Sternwarte besichtigt. — "Nächste Sitzung “morgen, Donnerstag 10 Uhr. vw ges Anatomische und physiologische Section. Das Protokoll der Sitzung vom 22. wird im nächsten Tageblatte mitgetheilt werden. da Prof: Helmholtz: über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in den Nerven nebst‘ Vorzeigung des ‚Apparats.— Prof. Mayer: über das Rückenmark. — Prof. Donders: über die ‚Natur der Vokale. — Dr. Fwehs': «über die‘ Vorsichten 'bei,der Durchschneidung der n. vagi der Haussäugethiere. — Profi Weber: über die mikroskopisch‘ wahrnehmbare 'Porositit der Körper. A A Chirurgische Section Inb Vorsitzender: Herxı Geh, Med. Rath Prof. Dr: Blasins. Prof. Palasciano spricht über. Verengerungen' der, Eingeweide bei eingeklemmten Hernien, Ritsch hatte sie zuerst an der Leiche nachgewiesen, Richter theils die Abtragung theils die Entero- tomie und die Erweiterung durch Bougies vorgesehlagen., _Der Redner behauptet ein sehr häufiges Vorkommen der Einschnürung, welche er dreimal bei Schenkel-, einmal bei Inguinalbrüchen gesehen, und dagegen die Seltenheit einer spontan "eintretenden Dilatation.. „Ihre Beseitigung besteht in einer künstlichen ‚Einstülpung ‚des yorgezogenen Darmes mittelst des eingeschobenen Zeigehngers und. Erwei- terung der Strietur ‚mit demselben. Er, hält diese Stwieturen ‚für. sehr, häufige Ursachen der -Peritonitis nach Herniotomien, und ihre Beseitigung während der Operation für ein Hauptmittel zur Verringerung ‚der; Gefahr ‚der Operation.,ı, .; En BEIN... f Prof. V.un;zetti, aus Padua theilt seine Erfahrungen. über ‚den Erfols der blossen "manuellen Compression bei Äneurismen mit, In einem Falle hörte, die Pulsation bereits nach 12.Stunden auf, und ‚das Aneurisma, ursprünglich vonder Grösse ‚einer Citvone, redueirte sich allmählich auf die,Grösse einer Haselnuss. En a kleineres ebenfalls in der-Kniekehle schwand ebenfalls nach der von. Gehülfen ausgeführten Compression der Cruralis in noch kürzerer Zeit. , Bo ae Deerselbe empfiehlt ferner bei Lithotripsieen k eine Injeetionen in die Blase vorherzuschicken, . 3] Geh. R. Prof, Wutzer erzählt ‚einige Be aus seiner reichen, Erfahrung, wie.‚wenig man sich für längere Zeit auf die Hände der Gehülfen verlassen könne. Br in ar Herr, Ob. Med. Rath Prof. Stremp el,bemerkt, ‚dass, bereits Koch 1823 in München sich nach Amputationen der manuellen Compression anstatt der Unterbindung bedient habe. _ N 7 oh. Ei. ‚Generalstabsarzt Dr: .Strıomey er bemerkt, dass es bekannt sei, wie die Assistenten Kochs nach einigen Stunden stets der Compression die Unterbindung: substituirt hätten. en Gr. Ob. M. R. Strempel beruft sich dagegen auf die noch lebenden Herren Dr. Held und Ulensberger als Zeugen der Wahrheit seiner Behauptung, während Hr. Geh. R. Wutzer dagegen einen Fall erzählt, der«K'ochs eigenem‘ Sohne bei solcher. Gelegenheit: in.Berlin unter der Hand ge- storben' sei. 0 i | Hro Prof! Bu-s ch heilt: seine interessanten. Beobachtungen über. die Reihenfolge in der, Wieder: herstellung der Nervenleitung in gelähmten Theilen mit, und erwähnt namentlich einige Fälle, in de- nen zuerst die motorische, dann die Thätigkeit der’Hautuerven und sendlich erst das Muskelgefühls sich herstellte. \ Prof. OÖ. Weber legt der Section zwei Dissertationen: Geller descriptio tumoris coceygei foe- tus rudimenta continentis, feheiter exstirpati, und'’Zervais: de Foetus nephroeystidibus uropheris, vor. Der Hr. Präsident der Section legt einige Hefte ‘der Zeitschrift L’&cho medical von Dr. Cornaz und die Abhandlungen und Vorträge über E. A. Groux’s fissura sterni eongenita zur Einsicht auf. Derselbe schliesst darauf, da weiter keine Vorträge angemeldet sind, die Sectionssitzungen. Nach der Sitzung zeigt Eh. Prof. Busch'in der chirurgischen Klinik die Anlegung des: Gyps- verbandes an einem Unterschenkelbruche "nach seinen Grundsätzen. Prof. ©. Weber zeigt daselbst eine Reihe von Knochenpräparaten, und Herr Geh. R. Wutzer demonstrivt seine ‘höchst mstructiven Bruchpräparate. Section für Psychiatrik Präsident: Prof. Schröder van der Kolk. \ ) Auf allgemeinen Wunsch beginnt der Präsident mit seinem Vortrage über Epilepsie , deren pa- thologische Grundlage und rationelle Behandlung. Den Anfang desselben macht die Schilderung der medulla oblongata. Sie erhält ihre Bestandtheile aus dem Rückenmarke, wie aus dem Gehirne, ist überaus gefässreich, zeigt in den von ihr entspringenden Nerven bilaterale, in kurzen Accessen thä- —_ AN. .. tigel Wirkung, und! ist der 'vorwaltende Träger .deriReflexaetion. Die Epilepsie. ‚könne „nur-in. patho- logischer. Beschaffenheit. ‚der! medulla.oblongata ihren (nächsten. Grund. haben.’ Hierfür -sprächen ‚unter Anderni, die Versuche | von Brown’ -Dequard, (die bilateralen 'Krämpfe beider Epilepsie, die- krampfhafte Störung besonders im Kehldeckel und der Zunge ; die Sectionsergebnisse: als Gefässerweiterung. ohne und mit: Verdiekung der Gefässhäufe, albuminöse Ausschwitzungen«in die, Faserung,/ Eitweichung, Fett- entartung'in der med. ‚oblongata.! |Die Reizung“ der, in grösserer| oder. geringerer Guöske. (ktankhaft disponirten medulla'oblongata gehe | oft von ‚sehr entfernten Reizpunkten: aus: ‚Würmer ‚| Obstruktion, Strikturen im Colon; Nierenleiden, Onanie, Wunden u. s. w.’'seien. entfernte ‚stimuli. - Die Cım müsse beide Pole im Auge behalten. e Puh Der überaus anziehende , von vielen praktischen und interessanten Einzelheiten begleitete Vor- trag kann hier nur diese kurze Andeutung finden. — Insbesondere durch die Güte des Herrn Vor- tragenden bin ich in den Stand gesetzt, denselben-erschöpfender und zwar in der allgemeinen Zeit- schrift für Psychiatriez‘so bald wie möglich mitzutheilen.. — Dr. H eritz. ». ) | 14 - Dir Alrinoil divhaties' mehrfach bestätigt gefunden, (dass: bei melandholischer Angst» die, mittlern Brüstwirbeb und die 'letzten..Halswirbel .enipfindlich seien. '-Mah nemie. diesen Zustand -Spinalimitation. und ierosei (oft weiter Nichts; als em vheumatisches! Leiden; das ..den»Wirbelkörpern- nadhgehe. Viele, andere Erscheinungen'aus!den Brust- und |Unterleibsorganen » seien! auf dieses „primäre, Leiden: zutück-, zaführen.» Diebörtliehe und antimleumätische «Behandlung -heilten' jenen ahe strdlbamı Zustand) oit in kurz; zer Zeikisdil sob ondlowad Arb 1% I Suio Asılsasilhlse bass trhmeib imbloR) yar - Dr. Erlenmeyerzeigt eine neue Zeitschrift vor, die auch ‚Beiträge zur Psychiatrie enthalte; L’&cho medical, journal Suisse & £tranger p. Dr. Cor ki Director Knabbe aus Marsb@&- wit! zum )Präsidientenpfür die morgende Sitzung ernannt. a REN ENTER Section. Ir. an Moasitzei 4 YEIELSN Kilian. ı,, TER PORT EEE ST > in oo Br AR IM aus Trier sprach über äle Lumbarlordose und “hren Einffass- atf deh Vera der Geburt. Er glaubt, dass «eK Uekergängsfofitien‘ vonder einfachsten Lordose zum spondylolisteti- schen Becken giebt, dass die Lordose durch Veränderung der Beckenneigung störend auf die Geburt influire und. dass man durch Berücksichtigungy,der Abstände der proc. spinos. der Lumbarwirbel von der.Schamfuge,,die Vorwärtsbiegung auch in leichtern Fällen erkennen könne. An diese, emerkun, gen: knüpfte ‚Sanitätszath Dr. Eulenburg aus Berlin einige Worte über die Schwierigkeit der Be- stimmung der Zeit, in welcher im einzelnen/Falle der'rhachitische. Process: geschwunden sei... 100.02 “Dr Sack demonstrivete ‘nach einigen «Mittheilungen über die Anwendung des Sitzbades' bei-Ute- rinkrankheiten eine neue Sitzbadewänne, welche allgemeinen 'Beifall fand, und'@eh.-Rath Kilian’ Gel legenheit gab, die örtliche Anwendung von Arzneien auf die innern Genifälien Zu besprechen. : Dr. Breslau aus München sprach darauf über das Eerasement lin&aire des Mutterhalses unter Schilderung von 4 solchen von ihm mit Glück "ausgeführten ‘Operationen und knüpfte hieran Bemer- kungen über die Indikation zur Exstirpation des ‚entarteten Uterinhalses.. Die ‚Prof. Cred& und Geh.- Rath Kilian stimmen: mit dem Redner in.das Lob des Ecraseurs ein und heben besonders den selte- zen "Eintritt allgemeiner Dyskrasie bei‘ Utermearcinomen hervor, "welcher Umstand um so mehr zur Se auffordere, womit freilich Gebärhausdirector Dr. Schmidt aus Petersburg nach seinen»Er- fahrungen nicht übereinstimmen kann. Geh.-Rath Dr. Kilian schloss darauf mit einigen dankendeh Worten die Sitzungen. \ Section für praktische _Medicin. , Präsident: Professor Dr. Leubuscher. Secretär: Prof. Albers. Den ersten Vortrag hielt Dr. Ewig aus Cöln über die Brohlthalquellen, deren Wichtigkeit er in belehrender! Weise, dlarthat.' Leider konnte der ‚Vortrag nieht zu Ende, geführt, werden, wegen (der vie- len noch angemeldeten Vorträge. 3 iz Hierauf hielt Hr. Dr. Beneke einen, Vortrag über, das Commissions-Gutachten der von den Regierungen angefortigten Mortalitätslisten. i Der Vorsitzende schlug vor, das Gutachten inı Allgemeinen zu berathen “und sodann dem'Verein für wissenschaftliche Arbeiten zu überweisen. N iR Hr. Dr. Neumann erhielt das Vorwort. Er achtet in Bezug auf die Sterblichkeits- Statistik die Beschlüsse des Wiener Congresses für unbedingt; maassgebend, auch wenn sie. vorläufig nicht voll- kommen sind. Die Krankheitsstatistik müsse vorläufig auf: locale' Gebiete: sich‘ beschränken, nur soweit man die Bevölkerung kenne und ihre Erkrankungs -Verhältnisse’"könne’ von: einer allgemeinen und gemeinschaftlichen Arbeit die Rede sein. In jedem. Falle sei er bereit, mit den g#nannten Herren ge- meinschaftlich für die,Sache der Wissenschaft zu wirken. . A = Dr. Ungar sprach ‚gegen. einzelne: Punkte der Commissions- Gutachten, um die praktischen Ärzte gegen den Zwang für Berichte ‚aller Art zu verhüten... £ je 4% Dr. Beneke nahm das Wort, um das’Gutachten’ auch’ vonder praktischen Seite zu ‚rechtfertigen, wegen der Wichtigkeit der Mortalitäts - Verhältnisse für die Pathologie. ‘Hierauf erwiderte zwar Dr. Neumann, dass er gegen einen Beschluss sei, ‘welcher die speciellen Vorschläge des "Commissions- Gutachtens approbire, wohl aber sei er für! die allgemeine Empfehlung der Bestrebungen der Krank- heits-Statistik. Hr. Dr. Grätzer wünscht, um einmal den Anfang zu machen, dass das vorgelegte Gutachten durch Abstimmug zur Empfehlung gelangen. Pe "Dr.'Spiess sucht das’ Gutachten zu rechtfertigen. Dr. Ungar machte darauf’ aufmerksam,/ dass! man''den Oommissiönsbericht noch nicht) genau kenne , undwas er davon kenne, sei doch nicht so-un-! verfänglich. — Der‘ Vorsitzende 'gab‘\'ein Resume der Debatte, und brachte (darauf folgendes zur. Abstimmung : i | er Beabsichtige die Versammlung, dass der Verein für wissenschaftliche Arbeit als Mittelpunkt und die: Commission aus’den Herren DDr. Beneke, Neumann und Haller anzunehmen sei. Prof. Schneevooet wurde zum Präsidenten vorgeschlagen, lehnte aber, sowie Prof. Oesterlen. und Prof. Albers den Vorschlag’ab. Prof. Schneevoogt wurde eventuell gewählt. j n ANZEIGEN. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und gerichtliche, Psychologie. | "Nachdem der ‘Gesellschaft ein namhaftes Geschenk zur-Errichtung einer Heil- und: Pflege - An- stalt für Idioten in der Rheinprovinz in Aussicht 'gestellt worden, vereinigten sich 25 rheinische Mitglie- der der Gesellschaft'zu einem Comite. - Zum Vorsteher derselben: wurden gewählt Geh.-Rath Merrem als Ehrenpräsident, Med. -Rath Eulenberg und Sanitäts -Rath Ruör als Präsidenten, Dr. Erlen- meyer und Dr. Arnoldi als Seeretäre. Es wurde über die Einrichtung der Anstalt die weitere!Be-: schaffung der Geldmittel discutirt und schliesslich eine Ansprache an die Bewohner der Rheinprovinz. redigitt. - F Verzeichniss der ° 2 & 4 Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Mittwoch lol den 23. Abends erklärt haben. CR RR EI u il b Mitglieder rk Elie de Beaumont, Professor. . Paris. ‚Hötel. Royal. | Kuhlmann, F., Professor. Lille. Hötel Royal. Chemie: " Geologie. Lafresnaye, Baron de, Naturforscher. Falaise. Hötel Kley: Engelmann, ‘G., Dr.med. St. Louis (Missouri). Im goldn. |) "Geologie. : Da Stern» .' Botanik. Naumann, 'C. F., Professor.‘ Leipzig. Bei Professor Nau- Hattung)} Dr!, Stadtphysikus. Aachen. Mediein. | . mann. Geologie. - Junge, E., Arzt. Moskau. , Anatomie, | - Tach, mo Tusıab & Theilnehmer. Biermann, Oberförster. Königsberg bei Aachen. Agro: ! Fuch, Dr. med. Mediein. \ nomie. | Krause, Bergwerksdireetor. Saarbrücken. Geologie. Bleibtreu, G., Bergwerksbesitzer. Alaunhütte a..d. Hardt. | Praesar, Dr, Arzt. Ahrweiler. 'Trierscher Hof. , Mediein. -1.Geolvgie- | Sehillings, C., Bürgermeister. Gürzenich., Trierscher Hof, Diergardt, Geh. :Commerzienrath. Viersen. Im;goldnen | Agronomie. f { Stern. Chemie. Sehmitt, Dr. phil. Cöln. Chemie. Er Stom mel, Friedensrichter. Burtscheid. Hampton, Th-, Londor. Markt 25. Chemie. Zusatz: \ Die Seite.'29 mitgetheilten Experimente sind von H. Harley gemeinschaftlich mit Dr. Philip- peau angestellt. - ' Druckfehler. Tageblatt No. 1. Seite,6., Spalte 2. Zeile 25} von oben lies: Witting jun, Dr, Apotheker. Höxter. Seite 8. Zeile 22 von oben lies: Schielerup aus Oelensee in Dänemark. n n n r nn, Seite 14. Spalte 1. Zeile 4, von oben lies:; Bosscha, J., Dr., statt Borsche. Re 7 n. 2. Seite 14. Spalte 2. Zeile 8 von unten lies: _ Frankfurt a. O. statt Frankfurt a. M. s „ '» Seite 14. Spalte 1. Zeile 17 von unten lies: Candeze statt Camdess. | hi Br 7," Seite (15.Spalter2. Zeile 41'vom'oben lies: Warnatz statt Warnetz. { ” 186 Seite, 20., Zeile .7;von unten/:: |hinter. Kupfer ein Pünkt., | R - ” nn. Seite 23: Spalte 2: Zeile 14 von unten lies: Hoeven yan der, etc. ı:_ r, f “ » n Seife 24. Spalte 1. Zeile 24 von oben lies: Baus ch statt, Baussel. r a = “4: Seite 24. Spalte 2. Zeile 43 von oben lies: Steinbicker ‚statt Steinmeier. Be “ „ Seite 24. Spalte I. Zeile 38 von unten lies: Hunzinger Statt Huntzinger. ‘ re E =» „» Seite 24. Spalte 1. Zeile 2 von obenlies: Krauss, Gustav statt Duster' Krause. f -, 4,14. © Seite 32. Spalte 2. Zeile 14 lies» Gasparrini, Guillwume, ete. statt -Guilaume. G; etc. Pr „1. Seite 8. Spalte 1. Zeile 37. von oben lies:,J.:G. Reinige &e. - er E „ 4 Seite 30. Zeile 23. von oben lies: Gehirn statt Gehör. ö ne , Fortsetzung folgt in Nro. 7. { MM) E “Bonn, gedruckt bei, Carl Georgi, ne h 7 " up m) © MAGBEBEATT DER 33.: VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN BONN IM JAHRE 1857. Herausgegeben von den Geschäftsführern der Versammlung, Nöggerath und Kilian. (Unter Mitwirkung des Herrn Professor Dr. 0.0. Weber und des Herrn Docenten Dr. R. Caspary.) Das Redaktions-Bureau ist Frarziskanerstrasse No. 1013. EL. Das TAGEBLATT wird täglich, mit Ausnahme Sonntags, vor Beginn der Sitzungen beim Herrn Oberpedell Odenkirchen im ‚Universitäts- Gebäude unten, links, ausgegeben werden. MT. Freitag, den 25. September 1857. Protocoli der vierten allgemeinen Sitzung am 24, September 1857. Herr Geheimerath Professor Nöggerath verlas die Adressen der eingegangenen Briefe und forderte, auf, die Manuscripte über die gehaltenen Vorträge an; die Geschäftsführer jetzt abzuliefern oder später einzusenden. F Professor Schaaffhausen sprach über die Entwicklung des Menschengeschlechts, die er mit Rücksicht auf den verschiedenen körperlichen und psychischen Zustand der Menschenrassen als eine allen in ‘gleicher Weise zukommende Bestimmung hinstellte, indem er zugleich die vielverbreitete Ansicht von einer wesentlichen und unabänderlichen Verschiedenheit der Rassen zu widerlegen suchte. Dr. .Bialloblotzky sprach, über die vielen Reisenden, die im inneren Afrika umgekommen seien, führte aus, dass vor allen Dingen grosse Apparate und Zurüstungen vermieden werden müssten, welche. die Habgier und das Misstrauen der Einwohner erregen, was jetzt bei einer vielleicht stattfin- denden Aufsuchung des Reisenden Vogel zu berücksichtigen sein würde. Oberst von Sieb:old sprach über die Bevölkerung von Japan. Es werden durch die Meeres- strömungen ‚dort häufig Schiffe, und Menschen weit fortgetrieben. E liegen vielfältige Beweise dafür vor, dass die cultivirten Bewohner Mexico’s aus Asien gekommen sind. In Aztekischen Bildwerken erkannten die Japaner Kostüme und Symbole ihrer alten Zeit. Er:las schliesslich eine Uebersetzung einer ‚japanischen Stelle über die Tugenden der Frauen vor. eheimerath Kilian.machte die Mittheilung, dass so eben ein Abdruck des bereits theilweise vollendeten Generalberichts ‚der vorigjährigen Versammlung angekommen sei, und sprach die Hoffnung aus, ‚dass. die, Mitglieder zufrieden mit den stattgefundenen Anordnungen Bonn verlassen möchten, was mit Beifall erwiedert: wurde. Geh. Bergrath Nöggerath sprach den Dank aus gegen alle, welche die Versammlung begün- stigt haben, und,schloss mit einem Hoch auf Sr. Majestät den, König. Professor Schrötter sprach den Dank gegen die Geschäftsführung aus, welcher von der Ver- sammlung mit einem- dreifachen Hoch begleitet wurde, und schloss mit einem Hoch auf die Natur- wissenschaften. Berichte über die Sectionssitzungen am 24. September. Mineralogische Section. a 23. September. Tages-Präsident: Dr. Hermann von Meyer. IR General v. Panhuys erläuterte eine kleine von ihm im Jahr 1850 im Auftrage des Königlich- Niederländischen Kriegsministeriums verfertigte geognostische Karte des südlichen Theils des Herzog- thums Limburg. Diese Arbeit hatte zum Zweck die muthmassliche Ausdehnung des Steinkohlengebir- es auf niederländischem Gebietewzu untersuchen. ‚Referentssuchte die Ansichtszu be gründen, dass das ED eheree Revier nördlich von Aachen mit der Lütticher Steinkohlenmulde zusam menhängt,, einen "Theil desselben ausmacht. Wäre dies der Fall, welches sich nur durch Bohrungen vollkommen be- weisen lässt, so befände sich Limburg im Besitze von 27] Stunden Steinkohlengebirge , wovon die eine Hälfte nur vom Grünsand, die andere jedoch von’ Grünsand und Kreide überdeckt ist. Bei der nicht bedeutenden Mächtigkeit dieser Gebilde glaubt Ref., dass der Ausbeutung der Steinkohlen in jener Gegend 'atich in Berücksichtigung; dery natürlichen guten ‚Abwässerung,, jedenfalls keineribesondergg Schwierigkeiten entgegenstehen dürften.) “ n:8 RAY v. d. Marck sprach über einige Versteinerungen der westphälischen Kreidebildungen und eot eine Reihe neuer oder besonders gut exhaltener „Fossilien vor, unter denen Reste grosser Saurier aus dem Gesteine des Schöppinger Berges: bei Münster, sowie vollständige Abdrücke grösserer Fische aus den Plattenkalken von Sendenhorst besonders hervorzuheben sind. Ausser diesen wurden die ver- schiedensten Kreide-Belemniten: Westphalens, ‚einige Rhyncholithen und Korallen vorgelegt und schliess- lich Notizen über die Verbreitung der Polythalamien innerhalb des münsterschen Kreidebeckens mit- getheilt. Ref. ‚ermittelte, dass in 1 Pfund des oberen, Kreidemergels von Hamm. 6:/, Million Polytha- lamien-Individuen enthalten seien; deren viel mehr noch enthält der Thonmergel von Hellwegen. — An einigen Exemplaren der Bilemmitella' mueronata/d’Orbs‘ waren‘ deutlich sowohl die Kammern der Alveole, wie auch der schraubenförmige Sipho zu erkennen. Dr. Schnitzler sprieht über die Veränderung des specifischen Gewichts bei der Krystall-Bil- dung. Nach vielfacher Ver EABpnE des direct beobachteten specifischen Gewichts und‘ desjenigen, welches er durch die Berechnung des Gewichts der einzelnen Bestandtheile ermittelt hatte, fand er bei allen .Silikaten das beobachtete Gewicht höher als das berechnete. Es müsste also eine Verdichtung der‘ Masse bei der Krystallisation stattgefunden haben. GET; — Hr. Heymann erläutert unter Vorzeigung von Belegstücken..die-Umwandlung-von.. einzelnen Bestandtheilen in trachytischen und basaltischen nen des Siebengebirges. In Kaolin und rothen sog. Ehrenbergit umgewandelter Oligoklas ; in»Speekstein unfgewandelte Hornblende; veränderter Augit und Olivin im Basalt des Menzenberges bei Honnef; strahliger Mesotyp aus dem Basalt des Minder- berges war zum Theil in eine specksteinähnliche Masse zersetzt. G.-R. Prof. Nöggerath widerspricht, der Ansicht, dass der schwarze Glimmer in den Trachy- ten auf Kosten der Hornblende entstanden sei. } dar) vıall Hr. Max Braun bemerkt, dass das’ Vorkommen der‘ Blende am Wetternsee: im’ Schweden ein! anz anderes ist, als das in unsern bekannten Gängen und Lagern „der Rheingegend In" Schweden: bildet die Blende Lagerstätten, welche dem Gmeiss eingelagert sind , die’ ‘mit gleiehem 'Streichen ua Einfallen der Gneissschichten auf bedeutende Ausdehnung und mit einer Mächtigkeit von 15-20 u mehf met. folgen. Die, Blende ist meist feinkörnig und immer mit' mehr oder' weniger Feldspath Innigi' emengt. In diesen Blendelagerstätten finden. sich Ausscheidungen von’ grünem Feldspäth ünd’von’ Gare der einzelne krystallinische Blende-Partieen einschliesst. In unmittelbarer Berührung mit der Blende enthält der Gneiss eine Einlagerung von körnigem Kalk , welcher Granat wand Pistazit-eim-* schliesst, und dünne Lagen von Wollastonit. Parallel den Blende-Lagern findet sich ein Lager von’ Eisengranat, welches Glimmer und Oordierit enthält und ebenfalls dem Gneiss untergeordnet ist. "Ro. bältglanz und Kupferkies bildete, im quarzigen Glimmerschiefer emgesprengt, ähnliche Lägerstätten. — Dies Vorkommen der Zinkbleude ist eigenthümlich, und scheint nicht wohl in Einklang zu stehen mit unsern gewöhnlichen Ansichten über Erz-Bildung. \ N ir R. Murchison legte der Versammlung die Abbildungen vor, welche zu der erscheinenden neuen ‚Ausgabe seiner „Siluria® gehören, und erläuterte die wichtigsten Fortschritte unserer Kenntnisse’ von den silurischen Gesteinen in den letzten 3 Jahren. Er betonte, dass es jetzt bewiesen sei sowohl durch physicalische als duch zoologische Thatsachen, dass die Bala-Schiehten von Wales mit den Ca- radoc-Schichten identisch sind und ebenso über der Llandeilo-Bildung liegen,'in deren unterer-Abthej-' lung vorzüglich in der Nähe der Stiper Stones viele neue fossile en entdeckt worden sind. Die Mehrzahl derselben wurde in zahlreichen neuen Arten dargestellt. Dann wurde die Aufmerksamkeit gelenkt auf die Gruppe der Llandovery - Gesteine in Südwales (mit Pentamerus oblongus), welche zwi- schen dem Unter- und Obersilur liegt, und mit beiden enge verbunden ist. Endlich wurden Abbil- dungen riesiger Orustaceen (Pterygotus) gezeigt, welche in den obersten silur. Schichten sich gefun- den, und welche von Hrn. Salter in den Decades of the Geol. Survey veröffentlicht werden. r Ch. St. Claire-Deville zeigt die von ihm angefertigte topographische Karte dor Insel Guadelupe, vor.,., In. .der Mitte dexselben hebt ‚sich ıder Kegel der Sonfiere hervor, von einem Erhe- bungskrater umgeben. Der letztere besteht aus Dolerit, der centrale Kegel aus einem Trachyt, des- sen Feldspath sich in der chemischen Zussmmensetzung dem Labrador nähert. Die S. ist ein erlo- schener Vulkan. Der Redner knüpft hieran (auf Sir Murchison’s Bitte) Mittheilungen über die Vulkane Italiens und die Weise ihrer Wirkung. Er hält fest an der'w. Buch’schen Lehre von der Erhebung, Ist indess besonderen Nachdruck auf das Etoilement. ‘Vesuv und Aetna als Centralvulkane sollen die Sehnittpunkte' ausstrahlender Spalten sein, in denen vulkanische Thätigkeit hervorbricht. Die. phlegräi- en elder der Rocca monfina, der Lago d’Amsanto, Ischia u. a. Punkte sollen: auf diesen: Spalten iegen. Wr a “ = A gehwon Caarn.all legt eine geographische Karte: von/ demiussisch - polnischen "Steinkohlengebirge ‚und den darüber liegenden Formationen ‚vor. ‚Dieselbe. ist von Herrn Heimpel‘ bearbeitet und für ‚Rechnung den kais. rüıss. Regierung ‘gestochen und herausgegeben worden‘; 4 hr Maassstab ist Yacado, ‚wobei 'sie IseinI;giosses Detail) enthalten konüte. Hierauf legt derselbe ‚Redner. die neue‘ geographische Karte von Niederschlesien‘ vor, woran seit Jahren ‚Beyrich ‚ı Rose ‘und Röth gearbeitet haben. Sie be- steht aus 9 Sektionen,.ieinschliesslich Titel und ‚Farbentafel-im »Maassstabe von 100,000 zu 1.. Ferner er- klärte. Redner"zwei grosse Profile, ‘die im 'Sitzungssaale' ausgehängt waren und. die Lagerungsverhält- nisse deim@ebirgsmassen Niederschlesiens anschaulich machen. 2 4 -Dir.. Naucck ‚erstattet mit Bezugnahme auf die von Herrn Prof. Blum angeregte Frage nach den ‚Bedingungien ‚ unter denen (dasselbe Mineral an verschiedenen Fundorten mit ganz versthiedener Fli- chenausbildung vörkomant), “Bericht: über ‘eine Reihe von Versuchen zur willkührlichen a ir se- cundärer-Flächen. an „künstlichen Krystallen. . Derselbe "beschrieb die.“von ihm‘ angewandte Methode, durch welche er fand, dass der Flächenreichthum desto grösser wird, je langsamer die Krystallisätion von- Statten geht und erläuterte, dies durch ‚Anführung einiger Beispiele, mit denı Bemerken, dass die ‚auf diesen 'Gegenstand gerichteten Versuche fortgesetzt werdem'sollen. j lu mProfo/F. Röm er Itheilte) «die, wesentlichen Ergebnisse: einer) Untersuchung des’ jurassischen Weser- sergehmges-Zwischen «Hameln und Osnabrück mit. _Er:machte besonders auf dieosehr auffallenden Aen- ‚derungen, welche „die einzelnen, -den' Höhezug zusammensetzenden ‚Glieder der )Juraformation in ihren Fortstreichen erleiden, aufmerksam. Zufolge einer solchen erscheint z. B. der Oxford in den /westlichen ‚Ausläufetn.der Kettesals vein|fester-Quarzfels, der-indem Profil-der Porta 'guestphalica sals eine Schich- tenfolge>-gannzin loser, .\än. der Luft \zerfallender (sändiger'(Mergelschiefer entwickelt ist. Als durchaus ‚eigenthünilich “für .däas Wesergebirge und.’ abweichend . sowohl won ‘dem: Verhalten in «mderen Theilen von Norddeutschland, als auch aller anderen Gegenden ist ferner das Auftreten von mächtigew'Bänken braunen :Sändsteins; iin, dem vorzugsweise durch Exogyra'virgula "bezeichneten ‚obersten Gliede, dem ai, Norddeutschland; bisher. (gewöhnlich als Portland bezeichneten, aber richtigeiKimmeridge zu nennenden Gliede,ı, Namentlich iin der|Nähe von Lübbecke und Preuss. Oldendorf:sind solche Einlagerungen von Sandstein deütlich zu beobacliten: i ne ons ob 2anagA Sib zent Sitzung vom 24. September. ; Tagespräsident Hr. Berghauptmann v. Dechen. Es fand zunächst eine Besprechung der Mit- glieder der deutschen geologischen Gesellschaft statt. Hr. v. Dechen berichtet über die Fortschritte in der Anfertigung der geognostischen Karte Deutschlands. ı Um ihren Dank für seine Mühewaltung bei dieser Arbeit auszusprechen, erhob sich die Versammlung von ihren Sitzen. — Derselbe_ spricht ann'an Stelle des abwesenden Dr. Ewich über den Heilbronn im Brohlthal und seine Bedeutung die Zukunft. Daran schloss er ’einen kurzen Bericht über die durch den G. R. Pröf. G.’ Bischof vor Kurzem jaufgefundenen "Thermen von Neuenahr bei Beuel im Ahrthal und die Geschichte ihrer Entdeckung. fun ° he spru BREMEN. DutD „air > D% Botanische Section no . salyortteod Fein Vorsitzender: Dr. Engelmann. rt zoll 3 Dr. Cla spary. verliest, einen Brief des Dr. Brandis) aus Rangoon in Hinterindien. " Prof. Cienkowski aus Petersburg: über! Pseudogonidien.. Die monadenartigeh Gebilde, die'man in verschiedenen Gonferven findet, sind nicht: :Umbildungen des Conferveninhaltes, sondern. stellen pa- rasitische Monaden dar, die von Aussen in die Conferve hineinkriechen und der Monas globulus Ehr. sehr. ähnlich ‚sind.ı: Diese Gebilde! nehmen Amoebenform' an,’ verkriechen sich nm den Zelleninhalt und ohne ‚einen Mund zit besitzen, eighen sie sich !durch Einsaugung ‘den Zelleninhalt an. Die hier 'be- schriebene Monade hat zweierlei Cysten.. Inden einen; ‚die dünne Wände besitzen, sondert sich /der farblose, Inhalt,der: Monade / von, dem gefärbten und zerfällt‘ in viele kleine farblose Zellehen, die aus der Cyste heraustreten. Die anderen Öysten haben dicke Wände, der farblose Inhalt sondert sich auch hier ‚von.dem kefänbten, zotirt.lum»den' letztörenreine Zeit herum, "und scheidet an seiner. Oberfläche eine doppelte Membran aus; diese Zustände stellen ruhende Cysten der hier besprochenen Monade dar. «1. / Inspector Sinning legtveimen Zweig von Pinus 'sylvestris'aus der Nähe von Dortmund vor, an dem. die sonst: verkümmernden' Areste der Nadelblätter ‘oben entwickelt waren und’ unten statt ihrer sehr zahlreiche Zapfen rings ‘um den Zweig auftraten. Dieser war oben beschädigt. Auch übergiebt Hr. Inspector ‚Sinning einige getrocknete‘ Blüthen -Exemplare von Laurus camphora zur Vertheilung. nr „Biof. ‚Cohn, über einen auf einer lebenden Alge schmarotzenden Kernpilz. An den Fäden von. Lemania, finden isichischwärzliche Punkte, welche die Struktur einer Sphaeria besitzen, ünd wahr- anelplich prasitische Pyrenomyceten sind, obwohl dergleichen bisher auf Algen noch nicht gefunden wurden. : bu © Prof. ©. Naegeeli macht mit Rücksicht auf den Vortrag von Hrn. Dr. Carl Schimper (ge- halten in ‚der 3. allgemeinen Sitzung) einige Bemerkungen über Drehungen 'im Pflanzenreiche. einem homogenen soliden Cylinder, sowie an jeden Theil eines solchen (Zellmembran, Spiralfaser &e.) erfolgt die Drehung, ‘wenn das Längenwachsthum in’den äussersten concentrischen Schichten am stärk- sten ist, und ne nach der Drehungsachse hin abnimmt, wodurch ein schiefer Verlauf der Längs- = AO) u - reihen kleinster Theilchen| entsteht... ‚Beim Austrocknen tritt ebenfalls Drehung &im, ‘wenn in’ entspre- chender Weise. die Verkürzung‘ aussen Abi) als innen. Organe, welche aus’Zellgewebe bestehen, können die nämliche Drehungsursache haben. Es kann bei ihnen aber auch das Bestreben der einzelnen Zellen, sich zu,drehen, zugleich ‘oder allein wirken. — Eine bestimmte’ (etwa rhombische) Gestalt.der Theilchen ist nieht erforderlich, wohl aber. eine etwelche Verschiebbarkeit derselben. I Dr. Carl Sehimper erwidert leinige Worte zu Gunsten seiner Ansicht. AI Prof. ©, Naegeli theiltseine ‘Beobachtungen über den Gefässbündelverlauf in den’Stammtheilen der Gefässeryptogamen Eiyzaspepeunmen und Dicotyledonen mit. Mit Ausnahme: von Selaginella, Galli- triche und Hippuris gehen bei ‘allen: 73: untersuchten Gattungen von Gefässeryptogamen und.Phanero- gamen die Hauptbündel ‘des Stammes unmittelbar‘ in die Blätter aus. Sie sind in den Stämmen’ nach bestimmten Typen angeordnet.» Die'Anordnung ist 'bis auf einen gewissen Grad selbstständig und un- abhängig von der:Blattstellung. Während Nymphaea sich dem Typus ‚der Monocotyledonen nähert, verhält sich (dagegen Dioseorea wie eine Dieotyledonenpflanze. tsrh Dr. Caspary spricht über den Bau des’ Stammes der Nymphaeaeeen. Er legt: dar,’ dass der sehr verwickelte Verlauf der zerstreuten) ‚Gefässbündel das Gesetz ihrer Anordnung nieht erkennen lasse und spxieht über die Unterschiede: des Stammes der Nymphaea alba’ und :odorata. . BeiiNymphaea alba und Nupphr luteum geht: die ‚Blattstellung (5/2, ®%,,) ohne Prosenthese‘ auf: den ‚Ast über. Die blüthen stehen ‚ohne Gesetz beiNymphaea und Nupphr; aber bei Nymphaea gigantea bilden. sie: regel- mässige Reihen. biräl. ‚la ' I Prof. Naegieli' bemerkt)! dass! die! Anordnung. der Gefässbündel"im "Stanime von«Nymphada ‚alba nicht ‚abweiche; von ‚derjenigen! den /Dieotyledonen überhaupt ; mit Ausnahme der Erscheinung, ‚dass. das: Medianbündel ‚gewisser: Blätter !einen- Zweig nach‘innen entsendet, um einem'centralen.Strang zu bilden. ti ls „basldsetrabbrodnnov Prof. de Barry spricht‘ über die Fructification (der Hymenomyceten..Nyctalis asterophora besitzt in ein und demselben: Hut Basidien «und einsporige , sternförmige Schläuche. N: parasities zeigte die Schlauch.- Fruetification.- allein. «> In ‚den altenLamellen' von Agerieus'inelleus bilden!i'sich' Kiersporig& Schläuche in grosser Menge. Diese Facta deuten auf eine Duplieitätinder Fructificätion deränge- führten Pilzelasse hin. Es spricht dabei manches. für die „Vermuthung, dass die Species der Hymeno myceten nur einen Fructificationszustand von Ascomyceten darstellen. LAN. : ’ A9NDT ( { 13 Zoologische Secetion."- STAR LIÄLE „Ah DE Prof. Leuckart alsPräsident vertheilte eine Anzahl der von Dr. Herrich-Schäffer zu die- sem Zwecke eingesandten Druckschriften an die Entomologen in ‚der Section. he. il Prof. Grube machte die Mittheilung, dass jetzt bereits. ein paar Ausnahmen von.dem. für die Anneliden mit Ausschluss der Hirudineen allgemeingültigen Gesetze, wonach der Darm am. Ende’ der Längsachse mündet, entdeckt seien, und dass in diesen Fällen die Oeffnung , vom Ende des Körpers abgerückt, auf dem Rücken liege. Unter den Hirudineen hingegen, ; wo diese Oeffnung eine dorsale zu sein pflegt, giebt es Ausnahmen in der Art, dass bei einigen Gattungen dieselbe am Ende der Längs- achse liegt. Dies findet bei Acanthobdella und Centropygos statt. Ausnahmen der erst besprochenen Art aber bieten einige Sabellen und die Gattung Notopygos dar. ‘Sonach stehen auch die Sipunkeln unter ihres Gleichen nicht mehr so isolirt, als es bisher der Fall war. ) h Prof. Leuckart knüpft hieran’ einige weitere Bemerkungen über das Verhältniss der Echinoder- men zu.den Anneliden. i Hart Dr. Moebius a einige neue Asteriden des Hamburger Museums vor ‘und theilte sodann Bemerkungen über die Verbreitung der Perlenfischerei aus seiner Abhandlung: „Die echten Perlen, ein Beitrag zur’ Luxus-, Handels- und Naturgeschichte. Hamburg 1857“ mit. \ vdde £ Die HH. Eversmann, Grube und’Oechsner besprachen das Vorkommen der Perlen’ 'er- zeugenden Süsswassermuscheln. ter Yan kah Prof. Freiherr von Leonhardi aus Prag sprach über Rhoographie als Hülfsmittel der systemati- schen Forschung. 7 RL ; Dr. Krohn aus Bonn sprach über Actinotrocha und ihre Metamorphose. '' Sie wandelt sich in ein wurmförmiges Wesen um, das sich wahrscheinlich zu einem den tubicolen Anneliden zugehörenden Gliederwurme ausbildet. \ 2 | Prof. Blanchard aus ‚Paris legte der ‚Section sein Werk :„L’organisation du regne animal“ vor und erklärte den Plan seines Unternehmens. ‘Die Vollendung des« Theils über die 'Arachniden ver- spricht er nach Ablauf eines Jahres. Ex besprach. den Zustand der Classification der'Vögel, 'von denen er’ eine möglichst grosse! Zahl von Arten: genau ‘untersucht hat. Zum'Schlusse machte er auf sein land- wirthschaftliches Werk: „La Zoologie agricole“ aufmerksam, welches er zur Ansicht vorlegte. » Prof. Trosch el’machte eine; vorläufige Mittheilung über die. Verschiedenheiten an -Schale und Thier bei den Arten der ‚Gattung Lithophagus und zeigte einige neue Arten vor, die sich durch eigen- thümliche Bildung des: Kalküberzuges auszeichnen. bil Prof. Leuck art schliesst die Sitzung, indem er die’Hoffnung und den’ Wunsch 'ausspricht, ‘die Mitglieder. der Section sämmtlich im nächsten Jahre wieder in gleicher Weise wereint:zu finden: ja hai 1 Phbysiroalische Section, 0" Präsident Prof. Buys-Ballat. “ı . Prof, Greis, sprach über Coereitivkraft verschiedener Eisen- und Stahlsorten. Das ‚Gusseisen zeigte sich nach der Magnetisirung vermittelst ‚eines eleetrischen Stromes am stärksten magnetisch, ebenso war auch der Verlust des Magnetismus nach einiger ‚Zeit bei dem Gusseisen am geringsten. Nur bei stärkeren zur Magnetisirung verwendeten Strömen, erreichte der Gussstahl das, Gusseisen in seiner Coercitivkraft. f Direct. Schnabel lud die Anwesenden zur Besichtigung der im Poppelsdorfer Schlosse aufge- stellten Glaskrystallmodelle ein und bemerkte dabei, dass solche käuflich durch ‚den Pedell der Real- schule in Siegen zu beziehen seien. - Prof. Reusch machte einige klemere Mittheilungen, und zwar: 1. über ein Polarisations-Foco- meter, 2. über einen einfachen Apparat zur Demonstration der Anziehung und Abstossung electrischer Ströme, 3. über eine Vorrichtung zur Erzeugung von Ringen mit Tabaksrauch. - : r Dr, Prestel sprach über die Bedeutung der mittleren Windesrichtung des Jahres’, und führte dabei aus, dass dieselbe für die Meteorologie von keinem. besonderen Werthe sei. > ..ı . Ober-Bergrati Althans machte weitere Mittheilung von seinen Untersuchungen über die Tem- peratur des Sonnenkörpers. - Dr. Silbermann beschrieb einen von ihm 'erfundenen Hahn für Luftpumpen, ferner einen Apparat um die Tiefe des Meeres zu messen, und einige andere Vorrichtungen zu verschiedenen Zwecken. Prof. Helmholtz sprachrüber"die' objective "Natur der Combinationstöne. Chemische Section a Grahe zeigte, wie echte Chinarinde für sich und ebenso die Basen derselben-nach Zusatz einer organischen Säure, der trockenen Destillation unterworfen, ein charakteristisch rothes Destillat geben, das sie von allen falschen Rinden unterscheiden lässt. Ueber ‚die Produkte des Destillats gab, derselbe nähere Mittheilungen. lerne 35 - ö . z "Prof. Böttger zeigte dann, wie eine ‘farbig ‚brennende Flamme einer farblosen Flamme ihre Farbe mittheilt, sobald dieselbe, wenn auch in grosser Ferne in den Duftzug jener gebracht wird. } Prof. Kuhlmann und Dr. Mohr knüpften Bemerkungen daran. Prof. Kuhlmann aus Lille theilte seine Versuche .über die Fixation der Farben auf Zeugen, ünd bei der Malerei mit. Er zeigte, wie Albumin, Casein, Leim mit grossem Erfolge, zur Fixation der Farben auf Zeugen benutzt werden können ; ebenso in der Malerei, zur Darstellung der Appretur und. beim ‚Zeugdrucke. Solche Anstriche können mit Wasserglaslösung, vollkommen unauflöslich ‘gemacht werden, jedoch dürfen die dabei angewendeten Farben nicht durch Alkalien modificirbar sein. Zuletzt shtäch der Redner über ‚die vortheilhafte Anwendung des künstlichen schwefelsauren Baryts statt des eiweisses etc. Durch Auftragen desselben mit Stärke und nachheriger Behandlung mit Kalk- oder Ba- rytwasser erhält man eine sehr gute Farbe, die zuletzt noch mit einer dünnen Lösung von Wasserglas überstrichen. wird. : : ; zeS51 u | | Agronomische Section 1.3, ‚Prof. Fuchs aus Karlsruhe hielt einen Vortrag über‘, ‚den Einfluss des Pferdefleischessens ‚auf die Civilisation und die Pferdezucht. Die Ergebnisse , desselben; gingen dahin,‘ dass die rücksichtslose und allgemeine Verbreitung des Pferdefleischessens nicht allein der Crrilisation und der Entwickelung der Humanität, sondern zuch der Pferdezucht, auf weleher in Deutschland ein grosser Theil der Wehr- kraft bestehe, gefährlich werden könne; auch bestritt der Redner die Unterstützung, welche die Ver- eine, gegen ‚Thierquälerei in der allgemeinen Verbreitung. des Pferdefleischessens zu finden hoffen und, empfahl daher zur Zeit nur die Hindernisse wegzuräumen, welche sich dem Pferdefleischessen entge- genstellen, alles Andere aber der Zukunft zu überlassen. 10 Prof. Kaufmann aus Bonn erörtert die agronomische Bedeutung des Weinbaus in Rheinpreus- sen." Er gibt’ den Ertrag‘der Weincrescenz für den Rhein sowohl als für Nahe, Mosel, Saar und Ahr an und‘ beschreibt die’ an diesen ‘Strömen "gebauten Rebenarten mit ihreu: Vortheilen und Nachtheilen. Sodann spricht er ’von den Vorzügen ‘der’ Oultur von Frühburgundertrauben und schliesst mit einer Angabe des Unterschiedes zwischen der: Ohaptal’schen und 'Gall’schen Weinverbesserungsmethode. = ©Dr.'Bialboblotzky' gab sein‘Urtheil über arabische Pferdezucht. Er bewies wie ungegründet es sei den Adel und Stammbaum einzelner arabischer Pferde verfolgen zu wollen, wie alle Araber: ferde, Pferde der Wüste, Vollblutpferde seien, und wie»leicht «es sei in den Besitz solcher Pferde ächter aee ohne ‚Stammzettel zu gelangen. hir Mathematisch - astronomische Section. = 7 Vor Beginn der eigentlichen Sectionssitzung. erklärte Prof. Mädler in Poppelsdorf das dort auf- a von Diekert verfertigte, Möndrelief. Nach einer allgemeinen Schilderung .dessen, was auf em Monde, und wenn dieses wahrgenommen werden könne (wobei besonders Niveaudifferenzen, Licht- a reflexe von verschiedener Stärke, ini inzelnen Gegenden: kineoschiwache“Färbung, von Bedeutung sind), ging er auf die wahrscheinlichste Entstehung des Mondes über, und zeigte, wie seine Oberfläche. minde- stens von vier selenologischen Perioden deutliche Spuren trage; in den grossen Ringgebirgen, den Kratern, den Bergadern und Rillen, endlich den räthselhaften Lichtstreifen, rüeksichtlich welcher er die Vermuthung aussprach, ‚dass sie. in einer durch erhitzte Gase von innen heraus veränderten Struetir des Mondbodens, durch’ welche dessen Reflexionsfähigkeit erhöht werde, ihren Grund haben). ae Prof. Argelander sprach über den veränderlichen Stern im Schilde ; nachdem er zuerst die Erscheinungen, die Veränderliche überhaupt darbieten, besonders die scheinbaren Unregelmässigkeiten derselben hervorgehoben hatte, ging er zu der Bemerkung des Hrn. Sehmidt über, dass bei ,den Veränderlichen im Schilde die Helligkeit im Minimum einer regelmässigen Abwechselung unterwo sei. Er fand.nach seinen Beobachtungen diese Abwechselung, wenn. auch nur in gewissen Perioden bestätigt, und fand in ihnen eine suecessive 'Aenderung dieser Abwechselung, sodass nach mehreren Jahren die hellen Minima in die schwiichere, und umgekehrt übergegangen. waren, angedeutet. Mehrere Umstände erschweren die Erklärung ‚dieser Erscheinung, die ihren Grund in der Einwirkung der zwei Ursachen von naher commensyrabeler Periode haben könnte, Umstände, .die-zum Theil durch die Ver- vielfältigung ‚der Beobachtungen zu heben wären. ; $ a Ein Vortrag von Prof. von Riese über die Ersetzung der gewöhnlichen Stahlmagnete bei, den‘ magnetischen Beobachtungen durch ‚Electromagnete konnte wegenMangel an Zeit nicht mehr gehalten werden. Hicrauf schloss der Vorsitzende, Prof. Mädler, die Sitzungen. Ä are, c - FAbe = ur Anatomische und physiologische Section: Sitzung vom 23. Sept. Vorsitzender Prof. Helmholtz. | | Prof, Czermak theilt mit, dass während eleetrische ‚Reizung, des, Drüsenastes vom; n. lingualis die Speichelsecretion minutenlang energisch anregt, durch Reizung des sympatbicus am Halse die: Spei- chelsetretion zwar eingeleitet werde, nach kurzer Zeit aber in der Regel aufhöre, . Bei, gleichzeitiger Reizung beider Nerven wird die Speichelsecretion mächtig eingeleitet, nach 15—30. Sec.: tritt, Verlang- samung, endlich Stillstand derselben ‚ein, also zu einer, Zeit, wo Reizung des ‚lin ualis allein noch eine Steigerung derselben veranlasst haben würde. Er erinnert an die Aehnliehkeit Ge Erscheinung mit der Hemmungswirkung des varus auf die Herzbewegung. Eur iS Prof. Donders theilt nach Versuchen eines ‚seiner Schüler am ‚Ohr des Kaninchens mit, dass Durchschneidung der Empfindungsnerven nicht den geringsten Einfluss auf den Verlauf der Entzün- dung hat, nach Durchschneidung des sympathicus aber der ganze Entzündungsprozess schneller ver läuft, wohl in Folge der stärkern Blutanfüllung. Nach Durchschneidung des trigeminus wird, das Ange zwar trübe, aber wenn es vor mechanischer Reizung durch Reiben oder fremde Körper , die bei feh- lender Thränensecretion nicht ausgespült werden, geschützt wird, tritt die Entzündung viel später und kein Durchbruch der Hornhaut ein. . Wurde das empfindliche Ohr über das Auge des Thieres gelegt und an die Haut festgenäht, dann blieb das Auge gesund. Ob der trigeminus vor oder hinter dem. Ganglion durchschnitten wird, ist gleichgültig. : in .- Prof. Baum erwähnt, dass schon Strohmeyer bei Entzündung des Auges näch Lähmung des trigeminus vorgeschlagen, das Auge zu schliessen., Er glaubt indess, dass die Reizung nicht allein Ursache der Entzündung sei, weil in einem Falle von fractura 'baseos eranii und Verletzung des trige- minus Vereiternng des Unterkiefers' und’ spätere Vernarbung eingetreten sei. Dr. Esmarch. giebt nähere Auskunft über’ den Fall'von Strohmeyer, den er mit beobachtet hat. Prof. Donders giebt an, dass die langsame, und, rotirende, Bewegung der Lymphkugeln im strömenden, Blute am Rande des ‚Gefässes Folge ‚eines hydraulischen Gesetzes sei, indem nahe am. Rande eine ruhende Schicht der Flüssiekeit sich befinde, von dieser gegen die, Mitte, hin werde die Strömung immer stärker. Dass die rothen Blutscheiben in der Mitte strömen, hänge wohl zum Theil von der grösseren specifischen Schwere derselben ab. : mer Dr. Keber theilt, Bezug nehmend auf, die ‚Arbeiten. von,Baxrry und Bischof, mit, dass er sowohl an.der Seite! ’des Eileiters (angeheftete-als auf dem .ovarium.'des Käninchens in’; verschiedenen Zuständen der. Ablösung. befindliche, Bläschen „gefunden habe ‚welche ‚einen rotirenden‘ maulbeerförmi- gen. Körper. enthalten, und..als ‚Ei-Follikel mit‘ rotirendem Dotter zu. deuten ‚seien. . Noch nicht befruch- tete Kaninehen von 4—4'4 Monat ‚seien die; geeignetsten Thiere für diese Beobachtung. | adden Prof..von Wittich findet es ‚auffallend, ‚dass der:Dotter,..ohne Befruchtuug die Maulbeerform annehmen soll. : ; a) OuE Prof. Brueh erinnert ‘an mögliche 'Cystenbildung ‚mit Flimmerentwieklung. Prof. Schaafhausen findet einen Widerspruch darin, dass hier der Follikel selbst das ovarıum verlassen soll. 19 Prof. L. Fiek zeigt aufgeblasene und getrocknete Präparate der Milz vor, 'die durch Auswa- schen einer durchschnittenen Milz und nachdem die Wunde, zugeklemmt, durch. Aufblasen von den Venen und Arterien aus, angefertigt sind. _ we: | i | = In de -Profi Helm höiktiz spricht über die Bewegung der ‘Gehörknöchelchen ‘und zeigt dieselbe an Präparaten, die in einer Lösung.von'sehwefelsaurem Zink! aufbewahrt sind. u lPeof.\von'ELenhossiekıbeschreibt einen Fall, indem! beide‘ Hoden: durch dem linken Leistenka- nal hinabgestiegen und in; derselben Seite: des scrotum liegen.‘ Das Präparat wird ‘im Pesther' Museum unter Nro..177 aufbewahrt. Er bespricht die Bildung. ‚der 'Scheidenhäute und die eigenthümliche Ge- fässvertheilung. ) | [x f - Sitzung vom 24. September. » „Präsident Professor Donders. 1.19 5 Prof. Helmholtz erläutert, die. ‚einzelnen Theile des von ihm: zur Messung der Fortpflänzungs- geschwindigkeit der Reizung in/ den ‚Nerven 'construirten Apparates, der durch die letzten | Verbesse- rungen auch die Arbeiten selbst,"ausführt, ‘die bisher noch (der Hand des Experimentators überlassen waren.‘ Sodann ‘werden die jentsprechenden Versuche selbst: gezeigt. . Diese Untersuchungsmethode würde ‚auch angewendet, um;ideii Eintritt der Reflexkämpfe an mit Strychnin vergifteten Fröschen,so- wie, den; der, sekundären Zuekung zu. bestimmen. -.31 Ausserdem erläutert, Prof. Helmholtz an einem Versuche den von Dr. Heidenh arn zuerst beobachteten und beschriebenen mechanischen Tetanus. Ir -ahinı Geh. Medizinalrath. ‚May er. zeigte zuerst das Thränenbein des: Eleplıanten vor. Sodann: stellte er in.Betreff der Structur des Rückenmarkes drei Thesen auf. 1. Thesis: Das Rückenmark besteht‘ m jedem Halbeylinder aus einem grossen und kleinen oder schmalen Strange. ."Die Anatomie hat: dem Experimentator an dem Rückenmark genau die Zahl und Gränzlinien der Stränge desselben anzugeben, damit dessen ‘Experimente 'schlussfähig werden. 2. Thesis: Nur die weisse Substanz des Rücken- märkes ist der Sitz’der dynamischen Thätigkeit desselben, die sraue Substanz zur’ .e&07nv ist blos inter- stitiale oder peripherische Füllsubstanz, ‘wahrscheinlich zur Erleichterung der Vibration der weissen Markfasern: » 3. Thesis: Der Nerv. sympath. communieirt nicht nur mit der vordern und hintern Wurzel der Spinalnerven, sondern auch durch 1—2 Fäden unmittelbar mit dem Rückenmark. Präparate werden vorgezeigt. r. Keber spricht über mieroscopische Poren in Objeeten, die er von sogenanntem Sonn enstaub und vom Detritus anderer Objecte gewonnen. - .,2Dr;i Eue his;spricht; sieh. über die Bedenken aus, die sich ihm iiber) dieDurchschneidung des Va- gus bei einigen Phieren, besonders’ beim! Hunde eingestellt haben, ‚da! besonders! beim‘ Hunde, wie das Ja auch längst bekannt ist, Vagus und Sympathicus communieiren... = =; Dr. Garms spricht über das gleichzeitige Fehlen des Septum narium bei dem Fall von A. Groux (fissura sterni). & Prof. Harley: bei galvanischer Reizung des peripheren Endes des vorher durchschnittenen Va- gus wird’ die vetardirte' Respiration "wieder beschleunigt. | y i An der darauffolgenden Debatte betheiligen sich Geh. Mayer, der bereits vor vielen Jahren alle die erwähnten Erscheinungen nach Vagus Duxchschneidung gesehen hat; ferner die Professoren Don- ders, Czermak, v. Wittich. Prof. Donders spricht über die Natur der, Vocale, die Constanz derselben in demselben Dialekt bei der Flüsterstimme, deren physikalische Bestimmbarkeit aus der letztern. Er bemerkt weiter, dass unter den Consonanten sich die sogen. Reibungslaute gleichfalls physikalisch bestimmen lassen. An der Diskussion hierauf betheiligen sich Prof. Brueh, Czermack, Dr. Neuhäuser. Geheimerath Mayer bemerkt, er habe schon vor langer Zeit die Vocale Stosslaute des Larynx genannt. # 2 Section -für praktische: Medicin. Präsident: Prof..Schneevoogt aus Amsterdam. An Schriften waren eingegangen 1. Bertrand, das endermatische Heilverfahren. Bonn 1857. — 2. Arzneimittellehre, zusammengestellt von © Strempel. Eine Tabelle. Die Reihe der Vorträge stand bei Dr. Appia aus Genf, welcher herzliche Begrüssungen aus dieser: Stadt der ‘Versammlung zu überbringen: hatte, ‚indess bei seiner bereits ‘gestern erfolgten Abreise seine Mittheilungen der Versammlung sehriftlich übersendet, welche sich vorzugsweise theils auf die Verhältnisse der Stadt Genf und’ihre Bestrebungen in medieinischer Hinsicht beziehen. Prof. Albers theilte das Wichtigste aus diesem Schriftsticke mit, unter Bedauern, dass der Verfasser, ein College von Lombard und Rilliet, dieses selbst auszusprechen ausser Stande sei. Dr. Dawosky aus Celle hielt ‘sodann einen Vortrag über die Vortrefflichkeit der heissen. aro- matischen Umschläge 1a veralteten atonischen Fussgeschwüren. Das aromatische Infusum wird inFlanell aufgetragen. — Dr. Strempel rühmte die Pflastereinwickelungen in diesen Geschwüren. Dr. Pistol aus Wien berichtete über die Resultate der Heilversuche mit dem jetzt so häufig angewandten Wiener Pepsin, das er bei Magenkatarrh, Erbrechen der Kinder, und zur Hebung der Verdauung in der Reconvalescenz nach Typhus, Dyspepsie und gastrischen Leiden sehr wirksam er- funden hatte. Eine kleine Schrift, sowie zahlreiche Schachteln mit Pepsin wurden vertheilt. Prof. Schneevoogt zeigte einen elastischen, tragbaren Spirometer von Varnout und Galante in Päris‘ verfertigt), und erläuterte: ‘dessen Gebrauch, 'Vortheile und'Nachtheile. Der diagnostische Werth desselben in der Praxis wurde von ihm'besonders hervorgehoben... .| i tert Prof. Albers legte: der Versammlung den »bisher ‘in. ‘der arzneilichen Praxis noch nicht ge- brauchten Fucus amylaceus, das indische.Moos, vor. ‘Er zeigte dasselbe in’rohem und örsinigeenn an stande, nicht minder seinen Unterschied von‘rad..anatheri murieata,> womit -es 'so haufg: \verwechselt wird. Der Fucus amylaceus giebt beim Kochen eine völlig festwerdende Gallerte, dieiviel besser schmeckt als die, welche man von dem isländischen Perlmoos, Chondrus crispus, erhält. Sie enthält die gewöhnlichen Bestandtheile der Meerpflanzen nur in geringem Maasse. Es ist ein vortreffliches Mittel in den Reizungen und Entzündungen der Schleimhaut des. Hälses,' desMagens und Darmes, wie sie. im Verlauf der Tuberculose und anderer Dyserasien vorkonimen.'” Der Vortragende bezog sich auf mehrere’ Heilungen' von Brustleiden, die durch die Mitwirkung‘ dieses Mittels erzielt wurden. Prof. Strempel erhob sich hierauf und sprach‘ über die Verzweiflung der jüngeren Aerzte im therapeutischen Verfahren, zu der auch nicht "die geringste’ Berechtigung vorliege. ‘Heilungen geschehen durch die Natur oft genug, aber nicht minder stände die Heilung durch Arzneien, selbstin cossen Gaben, fest. Die jüngere ärztliche Generation möge‘der' Erfahrung vertrauen, und nicht den Prüfon en der Arzneien an Gesunden, welche nie zur Heilung durch Arzneien etwas beitragen könn- ten. Die ganze Versemmlung erhob sich, diesen Aussprüchen Beifall spendend. ö Dann erhielt Prof- Naumann das Wort und sprach in einigen herzliehen Worten den Scheide- gruss in der mit dieser Sitzung endenden Zusammenkunft. Mögen die herzlichen Worte Wiederhall und Beherzigung finden. Se re en 2 Da uns der Sections-Bericht der mineralogischen Section vom 24. Septbr. und der Schluss’ der, gestrigen nicht zugekommen ist, so. bedauern wir dieselben ‘nicht mittheilen zu können ‚- und’ müssen: auf den General-Bericht verweisen, indem zu einen ‘folgenden Blatte kein Material weiter vorliegt. Die Redaction. | ANZEIGEN. 4 Im. Verlage von Duncker und Humblot in Berlin ‘ist so eben erschienen und in Bonn durch A. Marcus, T. Habicht, Henry & Cohen und Ed. Weber zu beziehen: SirCharlesLyells “ | Geologie. Mi ) Nach der 5. Auflage des Originals vom Verfasser umgearbeitet.| Die‘ Uebersetzung durchgesehen . und eingeführt von e“ Bernhard Cotta. ! ) ir Band. Mit 332 Abbildungen des Originals. er gr. 8. geh. Preis Thlr. 2. 20 Sgr. Die so eben erschienene grosse Geologische Karte von Europa von A. Dumont, a 3 4 Blätter prachtvoller Farbendruck, ist vorräthig n A. Marcus Buchhandlung. Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche’ ihren Beitritt bis Donner- stag Morgens den 24. erklärt haben. a nalärken Theilnehmer. Brahms, J., Musiker. Hamburg. Joachim, J., Musiker.. Hannover. Franck, E., Musiker. Cöln. Wichelhaus, J. Prediger. Bonn. Druckfehler. Tageblatt No. 4. Seite 32. erste Spalte. Zeile 12 lies: Bourdon. ” » 6. Seite 46. Zeile 13 lies: Dr. Keber für Professor Weber. Bonn, gedruckt bei Carl Georgi. u Preisfrage der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher. Ausgeselzt von dem Fürsten Anatol von Demidoff, Mitglied der Akademie, cogn. Franklin, zur Feier des Allerhöchsten Geburtsfestes Ihrer Majestät der Kaiserin-Mutter Alezandra von Aussland, am 13. Juli 1858. Bekannt gemacht den 1. April 1857. Die Akademie der Naturforscher wünscht als Preisaufgabe: eine vergleichende Darstellung der in den jüngeren Schichten vorkommenden fossilen Crustaceen aus der Gattung der Malacosiraca podophthalma und hedrio- phthalma und der besonderen Verhältnisse ihrer Ver- steinerung. Die im Programm weiter folgende Betrachtung über diesen Gegen- stand bezeichnet noch näher den Geist, in welchem die Arbeit auszuführen wäre, und die Bedingungen und Grenzen, innerhalb welcher sich die Bear- beitung zu bewegen hat. 2 Der Termin der Einsendung ist der 1. April 1858; die Bewer- bungsschriften können in deutscher, französischer, lateinischer oder ita- lienischer Sprache abgefasst sein. Jede Abhandlung ist mit einem be- sonderen Motto zu bezeichnen, welches auf einem beizufügenden, versie- gelten, den Namen des Verfassers enthaltenden Zettel zu wiederholen ist. Die Publikation über die Zuerkennung des Preises, welcher von Sr. Durchlancht auf 300 Thaler Preuss. Courant erhöht ist, geschieht in der „„Bonplandia‘‘ vermittelst einer Beilage vom 13. Juli 1858 und durch Versendung eines von der Akademie der Naturforscher an demsel- ben Tage auszugebenden besonderen Bulletins, so wie später in dem lau- fenden Bande der Verhandlungen der Akademie, worin auch die gekrönte Preisschrift abgedruckt werden wird. Programm. Die Gesammterscheinung der Entwicklung, welche unser Erdkörper während der vergangenen Epochen durchlaufen hat, setzt sich aus der Kenntniss derjenigen Bildungen zusammen, deren Bestandtheile allein den unbelebten Massen unserer Erdrinde angehören, und aus der gründ- lichen Bekanntschaft mit dem Wesen der belebten Natur, von welcher wir die Spuren in den Lagern nicht organisirter Anhäufungen zu erkennen vermögen. Die Beweise von der Existenz organisirter Wesen und die Kenntniss ihrer Eigenthümlichkeiten führen uns dazu, die Bedingungen zu ermitteln, unter denen sie entstanden sind und gelebt haben, so wie das Verschwinden ihrer Gestalten und das Auftreten neuer Formen uns wie- der Anhaltspunkte giebt, um die Ursachen zu beurtheilen, welche solche Veränderungen hervorgerufen haben. Die Kenntniss der Gesteinsbildun- gen einerseits und die Kenntniss der Versteinerungen andererseits sind daher die einzigen Elemente, aus denen wir unsere Ansichten über den Entwicklungsgang unseres Erdkörpers schöpfen können und dürfen. Insbesondere geben uns die Reste organischer Wesen eine Menge von Andeutungen über die Zustände an der Erdoberfläche, welche wir aus dem Studium der Gesteine allein nicht entnehmen könnten, und die Ei 4 sorgfältigste Untersuchung dieser Reste bietet daher den doppelten Nut- zen, uns sowohl über die historische Reihenfolge, in der die Pflanzen und Thiere sich entwickelt haben, aufzuklären, als auch auf die Umstände hin- zuweisen, welche während ihrer Existenz in Bezug auf den Ort, wo sie lebten, auf die Zusammensetzung des Gewässers oder der Atmosphäre, worin sie sich befanden, auf die Temperatur, die sie umgab, auf die Licht- menge, die ihnen zuströmte, auf die Geschöpfe, mit denen sie zusammen exislirien und in Bezug auf noch manche besondere Umstände stattfanden. Zwar haben sich nicht in allen Gesteinen Reste belebter Geschöpfe erhalten, denn es bedurfte günstiger Bedingungen, um ihre Spuren zu be- wahren; zwar finden wir, selbst in dem besten Falle, Pflanzen und Thiere stets zerstört und nur mehr oder weniger deutliche Ueberreste von ihnen: zwar sind es vorwaltend Ueberbleibsel von Wesen, die im Wasser und besonders im Meere ihr Leben verbracht haben; aber dennoch geben uns diese Reste, da sie sehr viele Küstenbewohner enthalten und einzelne Landgeschöpfe sich auch zwischen ihnen verstreut finden, neben den Nachrichten über den Zustand der damaligen Meere, auch mancherlei An- deutungen über die Festländer. an deren Rändern die Gesteinsbildungen jener Zeiten vor sich gingen. Verschiedene Abtheilungen der Pflanzen- und Thierwelt haben hier verschiedenen Werth für die Erweiterung unseres Blickes. Wenn das Leben der zahlreichen Weichthiere, von denen wir an vielen Orten Reste vorfinden, uns bestimmte Anhaltspunkte giebt zu Schlüssen über die Zu- stände des Gewässers, in denen sie lebten, so bleibt doch unser Horizont gewissermaassen beschränkt, dadurch, dass wir es vorwaltend mit Ge- schöpfen der niedrigsten Ablheilungen der Thierwelt zu thun haben, und er müsste sich wesentlich erweitern, wenn wir ebenso umfangreiche Nach- 5 richten über die Entwicklung der höheren zoologischen Abtheilungen be- sässen. Nun haben wir zwar einige detaillirte Kenntniss von den Resten der Wasser-Wirbelthiere aus den verschiedenen geologischen Epochen, aber unsere Bekanntschaft mit den Gliederihieren früherer Perioden ist bisher eine verhältnissmässig nicht umfassende geblieben. Die Landgliederthiere, von denen einzelne Spuren hin und wieder mit anderen Land- und Wassergeschöpfen zusammen vorkommen, haben zwar in neuester Zeil besondere Aufmerksamkeit erregt, wie auch von den Meeresbewohnern die ältesten der Gliederthiere, die eigenthümliche Gruppe der Trilobiten, grosse und umfassende Bearbeitungen gefunden haben, aber die Betrachtung der in jüngeren Schichten vorkommenden Meeresformen, insbesondere der Crustaceen, hat bisher zwar einzelne höchst schätzenswerthe Beiträge, wie die Arbeiten von H. v. Meyer, Graf Münster, Germar u. A. hervorgerufen, aber in neuerer Zeit keine allgemeinere Bearbeitung gefunden. Es erscheint daher der Akademie vom allgemeinen naturwissen- schaftlichen, wie vom speziell geologisch-zoologischen Gesichtspunkte aus höchst wünschenswerth, zur Beschäftigung mit diesem Gegenstande anzuregen, da es zunächst sehr nützlich sein würde, über die nach dem Verschwinden der Trilobiten zuerst sich entwickelnden Crustaceen Aus- kunft zu erhalten, sodann über die Fortentwicklung dieser Formen in jün- geren Epochen belehrt zu werden, und endlich über ihr Vorkommen in gewissen Gesteinen und deren geologischen Charakter Folgerungen ge- macht zu sehen. Von besonderer Wichtigkeit würde daher das zahlreiche Vorkommen von Crustaceen-Resten in den Schichten der lithographischen Schiefer von Franken und Schwaben sein, welche, dem Alter nach ungefähr in 6 der Mitte zwischen der Steinkohlen-Formation (d. i. dem Untergange der Trilobiten) und der Jetztzeit stehend, vorzüglich geeignet erscheinen, einen bestimmteren’Blick in die Entwicklungs-Geschichte dieser Abtheilung zu » eröffnen. Da aber das ganze Gebiet der Crustaceen zu ausgedehnt erscheint, um seine verschiedenen Gruppen zugleich einer Bearbeitung für diesen Zweck unterwerfen zu lassen, so hat die Akademie geglaubt, eine Ein- schränkung treffen zu müssen, indem sie nur die Orustacea malacostraca podophthalma und hedriophthalma auswählte, weil diese bei der festeren Beschaffenheit ihres Panzers sich häufiger als andere Gruppen mit wei- cherer Schale versteinert finden. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, stellt daher die mit der Wahl einer allgemeinen naturwissenschaftlichen speziell geologisch-zoo- logischen Preisfrage betraute Kommission für das Jahr 1858 die For- derung: „Einer vergleichenden Darstellung der in den Schichten, jünger als das Steinkohlengebirge, vorkommenden Cruslaceen aus der Ab- theilung der Malacostraca podophthalma und hedriophthalma, so wie einer geologischen Untersuchung über die Eigenthümlichkeit der Schichten, in denen ihre Reste sich finden, und die besonderen Verhältnisse, unter denen diese Thiere gelebt haben und verstei- nert worden sind.‘“ Es ist der spezielle Wunsch des durchlauchtigen Preisspenders, dass nicht blos die Beziehungen zu einer der naturwissenschaftlichen Diszipli- nen festgehalten werden sollen, sondern dass nach den verschiedenen Seiten hin ein aufklärender Nutzen aus der Beantwortung dieser Preis- 7 frage hervorgehe, und es wird daher dieser Gesichtspunkt für die Be- handlung des Gegenstandes unerlässlich sein, wenn eine Bearbeitung des Preises würdig erkannt werden soll. Der vorstehende Entwurf für eine allgemeinere naturwissenschaft- liche Preisaufgabe ist von den unterzeichneten Mitgliedern der Kommis- sion verfasst und von dem Stifter des Preises, Sr. Durchlaucht dem Für- sten Anatol Demidoff (genannt Franklin), genehmigt worden. Halle, den 28. Juli 1856. Dr. Heinrich Girard, Dr. Hermann Burmeister, ö. o. Professor der Mineralogie und Direktor des ö. o. Professor der Zoologie u. Direktor des naturhist. mineral. Museums an d. verein. K. Friedrichs- Museums an der K. verein. Friedrichs-Universität Universität Halle-Wittenberg als Verfasser. Halle-Wittenberg. Dr. Wilhelm Haidinger, Dr. Gustav Carus, K. K. Sektionsrath und Direktor der K. K. K. Sächsischer Geh. Hof- u. Medizinalrath, K. Leibarzt geologischen Reichsanstalt in Wien. und Professor der Medizin zu Dresden. sb wi nrgehdoienn tasaihı odalenbnie # 2 F } ” Fi u dor nasser nit yibaknlek oe. ‘ -; s - n 4 “. N i -Nshöaaseeirmrnien Sroniomsglle Anis aM Fran, 9basılaıor 130: - imo ab mrhatgi MEET EEE 7 ao ao Midinlunaierg adai } > ho au rail: ih sorliae siyh.uechas Jaustıam, aole ri BE... te A nor tsidendesturikaasH inciag) No hr lo kan. nole ESS GET Re Io N, Kalte 5 eg « ) olaisarınd aasarısl „ıH hun darınich aa Druck von nass, ae & COMP. 0. PRIEDRICH) in Breslau.) nr), in, ron Br ara en Ju anlin vor an BT FAR N j ia lg PET uf y | unser Ba = arrıs9 valed 1Ü * lsguihinl a 6 ki a Reha a ee Roh ae 200 mini her re a are ih in Are ee AMTLICHER BERICHT ÜBER DIE VIER UND DREISSIGSTE VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IM SEPTEMBER 1858. HERAUSGEGEBEN VON DEN GESCHÄFTSFÜHRERN DERSELBEN EISENLOHR unn VOLZ. MIT 5 TAFELN UND 16 HOLZSCHNTITEN. CARLSRUHE. CHr. Fr. MÜLLER’SCHE HOFBUCHHANDLUNG. 1859. Da Se 1 a ee re = ” nr h BT TER vi Em RE AMTLICHER BERICHT VIER UND DREISSIGSTE VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE CARLSRUHE IM SEPTEMBER 1858. VON DEN GESCHÄFTSFÜHRERN DERSELBEN EISENLOHR unn VOLZ. MIT 5 TAFELN UND 16 HOLZSCHNITTEN. CARLSRUHE. CHur. Fr. MÜLLER’SCHE HOFBUCHHANDLUNG. 1859. Inhalt. Einleitung Programm : Tagesordnung - z . a . 5 2 - . . I. Allgemeine Sitzungen. Erste Sitzung. Eröffnungsrede von Hofrath Eisenlohr . R E Verlesung der Statuten und Begrüssungsrede von Medieinalrath role Bewillkommnung der Versammlung durch Oberbürgermeister Malsch Vorlesung eines Schreibens A. v. Humboldt’s von Hofrath Eisenlohr . . Telegraphische Begrüssung Humboldt’s durch die Versammlung . b Ueber die Bedeutung des Menschengeschlechtes in den Werken der Schöpfung. von Geh. Hofrath ren Ueber das Verhältniss der naturwissenschaftlichen Forschung zum religiösen Glauben von Prof. Erdmann n E Ueber die Seelenstörungen in ihrer Beziehung zur Strafrechtspflege von Geh. Hofrath Roller ö 6 5 . Zweite Sitzung. Schriftliche Einladung der Stadt Königsberg Wahl des Ortes und der Geschäftsführer der 35. Versus. £ Ueber die Entwicklung der organischen Schöpfung von Hofrath Bronn . Ueber die Ergebnisse der neueren Witterungskunde von Prof. Dove Ueber die Bedeutung der Mathematik in den Naturwissenschaften von Prof. Petzv = Ueber den Zusammenhang der Natur- und Lebenserscheinungen von Prof. Schaafhausen 2 - £ - Ueber die historisch -naturwissenschaftliche Heilkunde im Gegensatze zu den medieinischen Irrlehren unserer Zeit von Kreisphysikus Schwartz . Dritte Sitzung. Danksagungsdeputation an Seine Königliche Hoheit den Grossherzog Ueber die mechanische Auffassung der Lebensvorgänge von Prof. Virchow Ueber das Gottesbewusstsein in der Naturwissenschaft von Badarzt Eimer 2 8 & . E - E Ueber die Dauer und Forterbung der Krankheiten und über die etwaige a echkrrar und Verbesserung des Men- “ sehengeschlechtes in körperlicher Beziehung von Hoppe . Ueber die Bedeutung der altgermanischen Volksheilkunde von Moll Ueber die Emaneipation der Irren von Brosius Ueber Myodynamik des Herzens von Cohn “ Ueber die ursprüngliche Entstehung des HE Echengerchlekid von Huchs e ® . . . & Ueber die körperlichen Bedingungen und die Bedeutung des Nachahmungstriebes von Behnlise . A - & R Einladungsschreiben des Congres seientifique de France an die deutschen Naturforscher . a : 2 ‘ . Abschiedsworte von Hofrath Eisenlohr IV II. Sitzungen der Sectionen. I. Section für Mineralogie und Geognosie. Geologische Ausstellung : 5 = a B = 2 5 - - . . . = R H a Erste Sitzung. Ueber die geologische Bedeutung der Crystallisationskraft von Obermedieinalrath v. Jäger Ueber Brauneisenstein-Gänge im Badischen Kinzigthal von Bergratı Walchner . . E Ki 7 R 5 Fr Ueber die oflieiellen geologischen Aufnahmen Badischer Bäder von Prof. Sandberger . r e R £ H Ueber die fossilen Vogelreste des Canstatter Sauerwasserkalkes von Hofrath Veiel e e B R a RN Formation contemporaine des zeolithes von D aubree : = ® 3 : ä a 5 Ueber Pseudomorphosen von Kalkspath nach Feldspath und Augit von Prof. Bien Beiträge zur physikalischen Geologie des Schwarzwaldes von Julius Schill. Ueber die Deutung der Schädelknochen der fossilen Sirenen von Prof. Krauss 2 5 & ö 5 2 Zweite Sitzung. Ueber das Stauroskop von Prof. v. Kobell 5 a & L 5 R Ueber die Bohrung auf Kohlensäure-haltiges Soolwasser zu er im en Sn von Prof, Sandberger Geognostische Karte von Oberschlesien von Berghauptmann v. Carnall. 2 = Ueber einen fossilen Hirsch von Prof. Beyrich Ueber die Hügel bei Sitten im Wallis von Prof. Studer. F 5 Ueber einige neu gebildete Mineralien aus einer römischen Düngergrube von Bee 2 2 - 5 = a Ueber Melaphyr von Prof. Girard Dritte Sitzung. Ueber Knochen-Ablagerungen in Kalkstein von Staatsrath Nordmann A Ueber Silurische Spongien aus dem Staate Tennessee von Prof. Ferdinand Bose Theorie der Gebirgsbildung und Schichtenfaltung von Otto Volger £ E Geognostische Mittheilungen über einen Theil des Schwarzwaldgebirges von Platz . Ueber die Land- und Süsswasserfauna des Mainzer Tertiärbeekens von Prof. Sandberger Vierte Sitzung. Ueber die Gleichstellung der Gesteinsmassen in den nordöstlichen Alpen mit ausseralpinischen Flötzschichten von Berg- meister Guembel B = A Ueber die Beziehungen der Porphyre 6: unteren Brasanee im Schw en zu den Seitenthälern and de a as tretenden Erzgängen von Bergrath Walchner - Gliederung des westphälischen Schiefergebirges von Prof. Girar Zi 2 A 4 . s B Ueber die Jura-Versenkung von Langenbrücken von Oscar Fraas 5 2 n Lagerungsverhältnisse der Tertiär- und Quartärbildungen am nördlichen Bodensee a im Höhgan von 7. Schill Fünfte Sitzung. Ueber erystallinische Gesteine des Schwarzwaldes von Prof. Fischer Zur Entwicklungsgeschichte der Mineralien von Otto Volger. Ueber das Galmeivorkommen bei Wiesloch von Berginspeetor Daub Ueber Erhebungen in Torfmooren von Prof. Wiebel Relief von Heidelberg von Georg Bauerkeller II. Section für Botanik. Der botanische Garten in Carlsruhe . a & R 3 r ? 3 B & ö . 2 \ 4 E 5 Erste Sitzung. Betrachtungen und Demonstrationen von K. F. Schimper 5 £ & Ueber die verschiedenen Formen des luftführenden Zellgewebes bei a von Beae Mottenins & Ueber epiphytisch wachsende Cassiniaceen von G. H. Schulz Bip... s 5 a = . Bemerkungen über die Zygomorphie seitlicher Blüthen von Geh. Hofrath D ou Ueber verschiedene Arten von Sempervivum von Schnittspahn Seite 49 50 51 52 60 61 62 63 63 63 64 66 66 66 68 69 69 69 70 74 76, 80 88 89 89 90 93 93 94 97 98 99 99 99 100 100 103 { V Seite Ueber Crystalle proteinartiger Körper pflanzlichen und thierischen Ursprunges von L. Radlkofer € 5 s 5 104 Einige Beobachtungen aus der Flora von Baden-Baden von Prof. Fr. Kirschleger h R £ 2 h R r 104 Zweite Sitzung. Mittheilung über die Wurzelausscheidung von G. Herth . 5 - Ze . . - . r s > 7 105 Ueber zwei interessante Bürger der deutschen Flora von Franz Buchenau. d E 3 E 5 i 6 5 106 Die chemische Verwandtschaft von zwei Gliedern der Familie der Cueurbitaceen: Bryonia und Cucumis Colocynthis von Privatdocent Walz . B B a 7 2 R e Q : 3 - R x 109 Sur la Morphologie de la fleur de Iris von 1 Prof. Fee = e 5 = 5 , 5 E c > 5 e 109 Sur les arilles et les arillodes von Prof. Fee . F - 3 3 B . B > a B & : B 5 112 Sechs Hybride von Hieracien prenanthoides. Gn. aphalien. Ueber Wanderpflanzen. — Von €. H. Schultz. a - 114 Erechtites valerianifolia von Hasskarl . x B e s 3 e ? 5 a > = - - 5 - 114 Galinsoga und Impatiens parviflora von K. F. Schimper : E 3 y z 2 z z k S - E 114 Burnias orientalis von Wigand. 5 B - B . . # 2 . & ? = 5 . - - - 114 Ueber mikroskopische Probeobjecete von Hasert 5 5 B ß 114 Ueber das Vorkommen von Früchten an männlichen Stöcken von Palkus BI enege von Oben” v. Jäger 114 Ueber Injeetion der Holzgefässe von Prof. A. Wigand . . a e E . E B 5 e 5 . 5 114 Dritte Sitzung. Ueber Ligular- und Stipularbildungen bei den Gräsern von K. F. Schimper E B = 5 2 ; z 2 115 Ueber Pflanzengestaltungen von Wigand . = ; F e 2 E 2 b a - = B 3 E a 115 Ueber mechanische Ursachen zur Pflanzenbildung von Buchenau . 5 £ - 5 - - a 5 & E 115 Ueber Zea Mays und Taxus von K. F. Schimper . = R . 5 R 2 - - . E a 3 - 115 Ueber Mentha von F. Schultz. 5 a e c . - q 2 - 115 Bemerkungen über Befruchtung der Pflanzen nad Befruchtungsfähigkeit dee Pollens von w. Nerbe = 5 . . 116 Ueber Bastarderzeugung von Fr. Schultz - ä & s © . & 6 - H & ö R R . 118 Ueber die Myxomyceten von Prof. de Bary . - . r - . n E - : - - . £ B 118 Ueber die Organisation der Trichiaceae von Prof. Wigand . - . } - E - - e £ & 2 119 Vierte Sitzung. Ueber das Geigen-Resonanzholz von v. Martius B 3 n - - 2 - E E s e - - - 121 Ueber die Verwandtschaft der Gattungen Hernandia Plum. und Inocarpus Forst. von Prof. C. J. Meissner . - 121 Ueber die Verbreitung der Sphagna auf der Rheinfläche von F. Schulz. e 2 e N ö c 2 B 3 122 Das Herbarium normale von F. Schultz . , : 2 - = 5 5 : 2 z E : e s R 123 Ueber Leceythideenfrüchten von v. Martius E t r - . . . - = > e > 5 123 Ueber die Entwicklung der leeren Fruchtknotenfächer von Yalenanelia von Buchenau. 5 R & 2 = . 123 Ueber ungleichzeitige Ausbildungen von Döll . 5 A . 5 ’ . 5 ke . 5 a E 5 a 124 Ueber Didymium, Trychia und Lycogala von de Bary . - B £ 5 n . e A = z 3 E 124 Ueber Ueberwallungserscheinungen von Prof. Wigand . 5 6 2 5 z - 5 z i R a r 124 Fünfte Sitzung. Ueber das Diekenwachsthum des Dikotyledonen-Stammes von L. Radlkofer . F E E . - 124 Ueber Lemna minor, welche ungefähr 1200 Jahre sich unter der Erde frisch erhalten hatte von Be s P F 128 Ueber schraubel- und wickelartige Sprossketten von Prof. Wigand. B 5 5 E h E 0 © & 6 129 Ueber den Blüthenbau der Napoleona imperialis von Prof. Seubert z & £ e - 2 a B b 5 129 Ueber Carex physodes Marschall a Bieberstein von Prof. Veesenmeyer & a e 2 . . . 5 . 129 Einfluss der Ackerkrume auf die Alkalien von v. Liebig. E & . ö 5 B - E a £ 3 c 130 Ill, Section für Zoologie. Ausstellung badischer Vögel 5 B e e E - o > 6 2 = e s 3 e B 9 5 130 Erste Sitzung. Ueber das Nisten des Seidenschwanzes von Prof. Nordmann : . n - . ä B e ’ . . 130 Ueber die Entwicklung des Amphioxus lanceolatus von Prof. G. Meissner . E > 5 . s . . . 130 Ueber den Jugendzustand des Amphioxus lanceolatus von H. A. Pagenstecher . e R ’ a 5 £ s 131 Ueber Sagitta germanica von H. A. Pagenstecher - . - 132 Ueber Organisation und Entwicklung einiger frei lebender und ren Würmer von . g° Bareukeanen E - 133 vI Ueber ein neues Thier von van Beneden a 7 . . B 2 . P & . Ueber das Anheftungsorgan der jungen Lernäaden von Prof. v. EN or ” mann. & 2 . r : IV. Section für Mathematik, Astronomie und Mechanik. Erste Sitzung. Zur ältesten Geschichte der Zahlzeichen von Privatdocent Cantor . : 3 s : h r Zweite Sitzung. Ueber die Tafeln von W olfers zur Reduction der Oerter der Sterne von Prof. Argelander 2 5 : e r Ueber den Flächeninhalt der Kugelzone von Privatdocent Paul Escher Dritte Sitzung. Ueber die verschiedenen Krümmungen in einem Punkt einer Fläche zweiten Grads von Prof. Zech 2 a z R Ueber seine Ausgabe der Werke Kepler’s von Prof. Frisch . 2 : & e Ueber die Reduction der partiellen Differentialgleichung der ersten Ordnung mit n—-1 Veränderlichen auf eine Differen- tialgleichung der n“" Ordnung mit nur zwei Veränderlichen von Weiler Y. Section für Physik. Erste Sitzung. Ueber die Beziehungen zwischen Magnetismus, Torsion und Wärme von Prof. Wiedemann. - 5 Ueber Vergleichung des elektrostatischen Grundgesetzes mit dem elektrodynamischen von Prof. v. Heilitusck 5 : Polarisationsapparat von Nörrenberg . . u - ß 3 3 B 2 5 q Messung der Wellenlänge der unsichtbaren Tiehitrählen von Prof. wissnlah: s & : Ri r f Ei Zweite Sitzung. Ueber Anhäufung der Elektrieität an den Enden einer Induetionsspirale von Prof. Böttger . = R R 2 t Ueber die Molekularbewegungen in gasförmigen Körpern von Prof. R. Clausius Vierte Sitzung. Ueber magnetische Adhäsion und neue Electromagnete von Prof. J. Nickles. Ueber ein elektrochemisches Chronoscop von Prof. Ferd. Hessler.. : B = s A e . : 5 . Ueber einen elektrischen Apparat von Prof. Belli . E - B B R € 5 n k Ueber plıysikalische Ursache der Harmonie und Dysharmonie von Prof. Hein h oltz A ’ e 3 x 3 Photometer für die Bestimmung der Lichtstärke von Fixsternen von Prof. Schwerd - > fi 1 e z Ueber die Wärmeintensität im Spectrum eines Glas- und Flintglasprisma von Prof. Müller . . 5 ’ ’ . Fünfte Sitzung. Ueber Objective zu photographischen Zwecken von Prof. Müller . R ; Ueber Linsen und Linsensysteme zur Beobachtung der Farbenringe im polarisirten Lichte von Prof. Henke a = Photographische Abbildungen von Hartnack . . R ä o : P : 5 £ - » R . E Photographien von Th. Engel. 5 B - 5 z 2 5 5 s 5 © - 5 5 2 Nachsitzung. Grosser Inductionsapparat von Ruhmkorff 5 2 S a 5 4 - 2 ; e k a b e o VI. Section für Chemie. Erste Sitzung. Ueber die Unterscheidung des Fibroins von der Substanz des Badeschwamms, dann: über die Unlöslichkeit der Seide in kohlensaurem EEE endlich: über die Trennung von Seide, Baumwolle und Wolle von Professor Schlossberger B E e R 5 e B R B 5 . - a 6 Ueber die Nachweissung des Einer von Prof. Nickles Ueber denselben Gegenstand von Privatdocent Schneyder h Ueber den scharfen Stof’ von Ranunculus sceleratus von Prof. Erdmann A E 4 . Bildung von Kupferoxydul von Prof. Erdmann 5 n E B c r x & E H e E - Fluorescenz des Blattgrün von Prof. Erdmann 5 . . n Löslichkeit des schwefelsauren Baryts in salpetersaurem ee a ng von Prof. Erd mann ; - Seite 134 134 135 143 143 145 145 146 149 vi Seite Ueber die Wirkung einiger Metallsalze auf die Holzfaser von Prof. Erdmann ? 3 n - E e E 168 Ueber die Darstellung des Ozons von Prof. v. Babo 3 . 5 - Ö - - N < E 3 - : 168 Zweite Sitzung. Ueber feste Kohlenwasserstoffe, ferner: über die Isonitrophensäure von Staatsrath Fritsche . e 3 F 170 Ueber zwei Gruppen sauerstoffhaltiger Verbindungen und ihre gegenseitige Zersetzung von Prof. Schön ar ! ? 170 Ueber die Barytindustrie von Fr. Kuhlmann. . c . 2 - : c - . - - 5 3 ; 171 Dritte Sitzung. Ueber das Verhalten der Hornsubstanz zu Wasser und Wasserdampf von Prof. Boettger z 173 Ueber die aus Manganchlorür, Schwerspath und Kohle erhaltenen Producte von Prof. Kuhlmann - E = ü 173 Ueber die Darstellung und die Eigenschaften des Silieiumwasserstoffgases von Prof. Wöhler . : 173 Ueber die Verbrennung des Eisens von Prof. Magnus . e e a - E - - a ä 5 174 Ueber das Spectrum des elektrischen Lichtes in Geissler’schen Röhren von Pineker & E " . & : ; 175 Vierte Sitzung. Ueber Convallaria majalis Lin., deren Bestandtheile von G. F. Walz 3 2 a 2 B & 6 h ; 175 Ueber Gratiola ofhieinalis, deren Bestandtheile und einige Zersetzungspunkte derselben von F. G. Walz . R 5 179 Ueber Digitalis purpurea von G. F. Walz - = - - r : “ E e c . 3 & : . 185 Verschiedene Notizen von Privatdocent Schneyder. F : F 5 e a 2 i 5 e n 2 190 Ueber das Pigment in den Eischalen der Vögel von Prof. Wicke 2 2 5 5 5 191 Ueber Crystalle proteinartiger Körper pflanzlichen und thierischen Ursprungs von Pinsel! Radikofer e h ; 192 Beobachtungen über Filtration der Luft in Beziehung auf Gährung und Fäulniss von Prof. Schröder . 5 3 e 192 VII. Section für Anatomie und Physiologie. Erste Sitzung. Ueber das Receptaculum seminis der weiblichen Wirbelthiere von Prof. v. Siebold 3 2 . B s 3 a 194 Ueber Galleneinflössungen in’s Blutgefäss-System grösserer Haussäugethiere von Prof. Fuchs. P n . R r 195 Aeusserung darüber von Prof. Kölliker . s 5 x ° E e : e : F n 3 198 Ueber das Blut beim Milzbrande der Thiere von Prof. Harder = = a r . = 5 . 2 e = { 198 Zweite Sitzung. Ueber die Function der hintern Stränge des Rückenmarks von Prof. Schiff . s E € S B . 198 Ueber plastische Darstellungen aus der Entwicklungsgeschichte des Menschen von Prof. Breker S & R 5 e 199 Ueber die Entwicklung der Herzkammerscheidewand beim Menschen von Prof. Ecker . a 2 199 Von der Ueberwanderung des menschlichen Eies als einer Ursache der Eileiterschwangerschaft von "Prof. en 3 200 Ueber den Verlauf idiomuskulärer Zusammenziehungen von Privatdocent W. Wundt R h 5 1 3 x 2 200 Aeusserungen darüber von Prof. Kölliker e - & e o - 5 E > - £ ß 5 202 Ueber einen merkwürdigen Polypenstock von den Parade v. Siebold und v. Nordmann . - e > S 202 Ueber einen neuen Pentacrinus von Prof. Sigmund Schultze 3 & 5 : 5 a B - 2 ‚ : 203 Dritte Sitzung. Ueber primordiale und secundäre Knochentheile von Prof. Bruch . E & R 5 7 : 5 ; B ß 203 Ebendarüber von Prof. Virchow & . 4 1 h . B ; £ 203 Ueber die Structur von Cylinder- und Flimmerepithelien von Prof. Frledreich ’ n 2 h 2 S 2 203 Ebendarüber von Prof. Kölliker 3 E 5 B 205 Ueber Epithelialzellen und Parenchimzellen von Prof. Beriseh E 5 5 - : e a ? 5 B - 205 Ueber Gallenblasenfistel und totale Transposition von Prof. Friedreich. > 205 Ueber die Gewichtsverhältnisse des Urins, der Perspiration und der Fäces von einer Volz 205 Ueber Entozoen von Pagenstecher 210 Desgleichen von v. Bender E e 210 Ueber Monas Okenii von Prof. Sch Behsreen B s E . 210 Aus dem Leben der Insecten von Prof. Carl v. Siebold 211 Ueber fossile Eingeweidewürmer von Prof. van Beneden = 212 Ueber die wahre Gestaltung der microscopischen Probe-Objecte von Prof. B. Haneri 212 Ueber die Hinterstränge des Rückenmarks von Prof. Schiff 214 Durchschneidung einer Seitenhälfte des Rückenmarks von Prof. Schiff 215 Idiomuskuläre Contraetion von Prof. Schiff 216 VIII Seite Vierte Sitzung. Ueber den feineren Bau der Schnecke im Ohre von Prof. Kölliker 4 R 5 - o . e e - 216 Ueber Zonula eiliaris von Prof. Nuhn o ; E 5 5 2 - 5 & - 5 E a - - s 216 Ebendarüber von Kölliker . a E E & . ß 2 c c S R 2 h . B 217 Ueber Seythenschädel von Staatsrath v. BER n ? & 2 & ® 5 = 5 e c a & A : 217 Ueber celtische Schädel von Prof. Virchow . 5 B & . A & 5 5 B % ö 5 A . 217 Ueber Rassenschädel von Prof. Schaaffhausen . a : = 3 3 s A a 5 ö e e 5 217 Ueber den Bau der Ohrquallen von Prof. Virchow. . R + 5 B £ 5 ö a < A B B 217 Ebendarüber von Kölliker : £ . ® 5 3 & a - e e & = o & 218 Ueber Osteologie von fossilen Bären von Prof. N En E E E E : b A B & 7 5 a 218 Ueber Schlangen von Prof. Jan. - 8 . > . & E £ B 5 E 3 2 218 Ueber Kopfkiemer mit Augen an den ee von Prof. Kölliker. 5 & R z B ® = 5 2 . 218 Ebendarüber von van Beneden n E 2 . . : © & 2 . - 3 = B 218 Einige Worte über die Familie der Affen von w. DE; r x 218 Fünfte Sitzung. Ueber eigenthümliche Drüsen in der Conjunetiva bulbi einiger Thiere von Wilh. Manz . n g = x . 220 Ueber Temperaturverhältnisse am Ohr nach der Sympathieus-Durchschneidung und über die Messung derselben von Pri- vatdocent C. Voit . B 5 0 - a o e 5 E e 3 . - 2 e 5 - 221 Ebendarüber Prof. Schiff . : . 5 s B - . ® R B - 2 ö : E - 224 Ueber Nachbilder von Prof. Helmholtz . . = P K B c h ö 5 5 = e ! : 5 225 Ueber die Verdauung der Eiweisskörper von Prof. Meissner. . - = E s B - - E x k 226 Ueber die Bindegewebsfrage von Prof. Virchow P 226 Ebendarüber von Kölliker ® : 5 227 VII. Section für Mediein. Erste Sitzung. Ueber die syphilitischen und blennorrhagischen Erosionen an der Pars vaginalis uteri und deren Behandlung von Sani- tätsrath Dawosky P & = 227 Ebendarüber von Prof. Griesinger.. z F : < 229 Ueber die Arzneiwirkungen des Kochsalzes, Vlermcht an en Eeieen "Thätigkeiten von Dora Bu Hoppe n 3 229 Ueber das Verhalten des Vagus Recurrens zu den Tracheal- und Bronchialdrüsen in Krankheiten der Kinder von Friedleben a . a 3 E . . D e 2 3 232 Zweite Sitzung. Ueber polizeiliche Untersuchung der Milch von Prof. Fuchs . . = ” e a ® e = - . = 235 Ein Fall von Situs transversus completus von Sanitätsrath Dawosky . > 5 £ 5 - ä . & . 237 Verlagerung des Uterus zwischen Blase und Bauchwand von Prof. Hoppe . F - = a . ° 237 Dritte Sitzung. Ueber die einhörnige Gebärmutter ohne und mit verkümmertem Nebenhorne von Prof. Kussmaul 3 3 5 £ 237 Ueber Gehirntuberkeln von Landphysikus Kirchhoff . J ‘ F 240 Ebendarüber Friedreich, Kussmaul, Köhler, Kuchen meter: Erieatsben, Bee En Vırebah : 242 Ueber Resultate einer Untersuchung des Eiters von Prof. Weber . E £ - 5 5 - . 242 Vierte Sitzung. Beitrag zur Lehre von der Honigharnruhr des Menschen von Moos £ ä - u 3 . e . < 242 Ebendarüber Lichtenstein, Virchow und Schiff . e : s 243 Ueber die Resultate der seit 1853 in Russland ausgeführten Fumökgerfinpfangen von Prof. © essen 5 E g £ 245 IX. Section für Chirurgie und Ophthalmologie. Erste Sitzung. Ueber Glaskörperstich von Prof. Langenbeck « - 2 = 250 Ueber Tracheotomie bei Croup von Leisinger 2 3 r 5 E A & . - - . N . 252 Ueber die Tracheotomie bei Croup von Friedrich Pauli 3 E . = 5 & E . 5 - x 5 258 Ueber Tracheotomie beim Croup von Prof. Roser . 5 5 © - . n e - n 2 5 2 > 264 N Katheterismus der Trachea von See . - . a 5 & > - - & Ueber das Wesen und die Arten der Einklemmung bei Tinterleibahrächen von Bar Beck. Rr P B Zweite Sitzung. Ueber die Gestaltung des Lappens, und die Wahl des Ortes, dem er zu entnehmen, bei Nasenbildung aus der Stirnhaut von Battlehner c o 5 3 . . - 3 5 B a Ueber den Klappenmechanismus bei a BD nerelsanıe Mes einigen über Verengungsklappen von Prof. Roser u . Ebendarüber von een Ber x Ueber die perpendieuläre Zahnextraction von Bruck . - Ueber ophthalmoscopische Transparentbilder von Prof. Adelmann. a Ueber eine Fistel zwischen Hüfte und Rachen von Prof. Langenbeck . 5 , - - k = = N . Dritte Sitzung. Ueber die Zerreissung der Harnröhre von Prof. Hecker . > 5 De la perforation de !’unguis comme moyen de parvenir ala en E Ge pes = ei base din eräne von Pa an Der stumpfe Haken als Wendungsmittel in schwierigen Geburtsfällen von Battlehner Ueber differentielle Diagnose der Scoliose von Sanitätsrath Eulenburg.. Vierte Sitzung. Ueber eine eigenthümliche Art von Harnverhaltung von Mercier Ueber Gypsverband von Prof. Adelmann Ueber Scoliose von Hofrath Heine Fünfte Sitzung. Ueber die Ineision der Schaamspalte von Schultz . - B . . 5 n x . . . - Ueber Heftpflaster von Battlehner . 5 - Ueber eine angeborne cavernöse Geschwulst ad deren ersten von Dt K N nigs hö öfer Aeusserungen darüber von Schär, Otto Weber und Adelmann } € - B - . B . Ueber Anwendung des Collodiums in besonderen Fällen von Oberarzt Königs 1 ö fe x Ueber das Collodium rieinatum von Prof. Otto Weber Ueber die Folgen der Iridectomie und die Anwendung der My arlakion von one Königs h 0 fe: r X. Section für Psychiatrik. Erste Sitzung. Was heisst „Fortschritt in der Psychiatrie“, und welches ist sein Weg? von Geh. Medicinalrath Flemming . Psychiatrische Vorschläge für die Criminalgesetzgebung von Obermedicinalrath Zeller . = R : . 2 . Zweite Sitzung. Aufstellung von 20 Thesen für gerichtliche Psychiatrie von Geh. Medieinalrath Flemming Dritte Sitzung. Ueber das Verhältniss der Pädagogik zur Psychiatrie von Direetor Kern B S e 5 = - . Ueber das Non-Restraint-System von Brosius Vierte Sitzung. Vorzeigen zweier Modelle von Betten für unreinliche Seelengestörte von Director Lähr . Erfahrungen darüber von Erlenmeyer e Besuch der Grossherzoglichen Heil- und Pflegeanstalt Illenau SROTZGARLIIEDE, 20 re re Verzeichniss der Sammlungen, Anstalten und Schenswürdigkeiten Verzeichniss der Mitglieder und Theilnehmer DD vw I ” 289 290 RT i a I DZ a0 “A hat ws Bi ARTE TE RT CN SER 2 r e- we 2. auL Ken. 2 % DEU DI 1 CE Dun en Pr er Te TE or hu >» J Einleitung. Die Versammlung der deutschen Na- turforscher und Aerzte in Bonn hat in ihrer zweiten allgemeinen Sitzung am 21. September 1857 zum Orte der 34. Versammlung die Stadt Carls- ruhe gewählt, und Hofrath Dr. Eisenlohr und Medieinalrath Dr. Volz mit der Geschäftsführung betraut. Carlsruhe hatte schon seit einigen Jahren sich mit der Hoffnung getragen, diese wissenschaft- liche Versammlung in seinen Mauern beherbergen zu können, und nahm desto freudiger die getroffene Bestimmung auf. Seine Königliche Hoheit der Grossherzog ertheilte alsbald die Geneh- migung durch die grossherzogliche Staatsregierung dazu und hiess zur Bestreitung des Aufwandes einen Zuschuss von 5000 fl. auf das ausserordentliche Budget des Ministeriums des Innern anweisen. Der Präsident dieses Ministeriums, Freiherr von Sten- gel, förderte die Zwecke der Versammlung auf die eingehendste rascheste Weise, wofür wir auch hier unsern geziemendsten Dank auszusprechen uns ver- anlasst fühlen. Das Ministerium ernannte aus sei- ner Mitte einen Ministerialeommissär in der Person des Herrn Ministerialraths Baer, welcher in persön- lichem Verkehre mit den Geschäftsführern die Ver- mittlung leitete. Mit der Kasse- und Rechnungs- führung wurde der Grossherzogliche Herr Rech- nungsrath Fesenbeckh vom Ministerium beauftragt. Die Gemeindebehörde ihrerseits ernannte eine Com- mission aus dem Herrn Oberbürgermeister Malsch und mehreren Gemeinderäthen, um die Betheiligung der Stadt in geeigneter Weise zu vertreten. Die ernannten Geschäftsführer trachteten, sich mit emem Kreise von Männern zu umgeben, um, durch deren Rath unterstützt, die Geschäfte besser leiten zu können. Dieses Comite bestand aus den Herren Hofräthen Redtenbacher und Weltzien, den Professoren M. Seubert, Sandberger und Dienger, Medieimalrath Schweig und Hofphy- sikus Zollikofer, Ehe wir die übliche allgemeine Einladuns durch die öffentlichen Blätter in Deutschland, England und Frankreich verbreiteten, richteten wir beson- dere Einladungen an eine grosse Zahl bekannter und befreundeter Gelehrten und Männer der Wis- senschaft und gleichzeitig an sämmtliche Univer- sitäten des In- und Auslandes und die angeschen- sten wissenschaftlichen Gesellschaften zur Theil- nahme an der hiesigen Versammlung. Das erste Einladungsschreiben fühlten wir uns gedrungen, an ALEXANDER VON HUMBOLDT zu sen- den. Dasselbe lautete: Euer Exeellenz ! Nach dem Beschluss der XXXII. Naturforscher- Versammlung in Bonn soll in diesem Jahre Carlsruhe der Ort der Versammlung sein. Wir, die unterzeichneten Geschäftsführer, haben für ihren Anfang den 16. Sep- tember als zweckmässig erkannt und festgesetzt. Mit den Gefühlen der höchsten Ehrfurcht und dem darauf gegründeten Gefühl der innigsten Liebe und Dankbarkeit geben wir Euer Excellenz Nachricht hie- von. Welche Art von Wünschen dabei in unseren Her- zen rege wird, das ahnt jeder, der denken und fühlen gelernt hat. Wenn sie auch nicht alle in Erfüllung ge- hen, so soll wenigstens der eine höher stehen als alle andern, dass nichts Ihre Gesundheit stören, Ihr geistes- frisches Wirken und Schaffen und damit Ihre eigenen Wünsche hindern möge. Unter dieser Voraussetzung nur wagen wir die Bitte Sie um Ihre Theilnahme an der Naturforscher - Versammlung anzugehen. Es gibt manchen freundlichen Anhaltspunkt für Sie in unserer Stadt — wir führen nur einen an, der dem Freunde des Königlichen Hauses, aus dem unsere geliebte und den Naturwissenschaften so freundlich gesinnte Fürstin, die Grossherzogin Luise, entsprossen ist, nicht fremd sein kann. Gerne möchten wir Dieser und ihrem erhabe- nen Gatten es danken, dass unserer Versammlung so hohe Ehre wiederführe.. Aber auch dem langen Be- stehen einer Association, die auf die Fortschritte der Na- turwissenschaften sicher erfolgreich gewirkt hat, möchten wir den Anblick des ersten und grössten Mannes der- selben verschaffen. Nehmen Sie darum unsere Bitte mit Wohlwollen und Güte auf und zugleich als Zeichen der innigsten Verehrung eine Arbeit des einen von uns und genehmigen ete. etc. Die hierauf erhaltene Antwort wurde in der 1.all- gemeinen Sitzung mitgetheilt und ist dort zu lesen. Da nach unserer Privateorrespondenz voraus- sichtlich eine sehr grosse Betheiligung an der Ver- sammlung zu erwarten stand, so hatten wir um- fangreiche Anordnungen zu treffen, um in einer Stadt, welche weder auf grossen Fremdenzufluss, noch mit grossartisen öffentlichen Räumlichkeiten eingerichtet ist, dem bevorstehenden Bedürfnisse zu genügen. Die Sorge für einen Saal zu den öffentlichen allgemeinen Versammlungen nahm uns huldvollst Seine Königliche Hoheit der Grossher- zog selbst ab, welcher in seinem hohen Interesse für die Wissenschaft und ihre Vertreter wollte, dass sie in Seinem eigenen Hause sich zusammenfin- den sollten. Sonach wurde das grosse Orangerie- gebäude des botanischen Gartens zum Locale für die allgemeinen Versammlungen bestimmt. Da es aber zu andern Zwecken gebaut ist, so mussten grossartige Vorkehrungen und Einbauten gemacht werden, um sowohl den akustischen Bedingungen zu genügen, als auch dem Publikum einen ange- messenen Raum zu beschaffen. Zu den Sektionssitzungen boten sich die Säle im Polytechnikum wie im Hause der landständi- schen Kammern dar, welche auch sowohl von der Direction der polytechnischen Schule wie von Gross- herzoglichem Finanzministerium bereitwillig uns zur Verfügung gestellt wurden. Zum Aufnahmsbureau wurden zwei Säle des Lyceums gewählt und von der Direetion freundlichst zugestanden. Zu geselligen Zusammenkünften boten die Ge- sellschaften des Museums, der Eintracht und des Bürgervereins ihre Räumlichkeiten gastfreundlich zur Benutzung an, sich besondere Festlichkeiten noch vorbehaltend. Zur Ermittlung und Bereithal- tung einer genügenden Zahl von Wohnungen bil- dete der städtische Gemeinderath eine eigene Woh- nungscommission, bestehend aus den Herren Ge- meinderäthen Roos, Ziegler, Reble, W. Müller und Rupp, welche mit unermüdlicher Ausdauer sämmtliche verfügbare Wohnungen auf- nahm und später den Fremden nach Bedürfniss anwies. Da wir bestrebt waren, der Versammlung ihren wissenschaftlichen Charakter zu erhalten, so gingen unsere Anordnungen darauf hin, Alles, was unsere Stadt und ihre Umgebung von wissenschaftlichem Werthe und Interesse besitzt, zur Anschauung zu bringen, und selbst was in weitern Kreisen das Land in naturgeschichtlicher Beziehung hervor- bringt, hier in engerem Rahmen zu sammeln. Hiezu wurde veranlasst, dass sämmtliche Sammlungen und Anstalten nicht nur dem freien Zutritte geöffnet, sondern in den möglich besten Stand gesetzt wur- den, dass einzelne Sammlungen zu diesem Zwecke eigens erst veranstaltet und zusammengetragen wur- den, um sie zur Benutzung der einzelnen Sectionen aufzustellen. Der Grossherzoglichen Regierung, so- wie vielen Privaten sind wir für deren bereitwillige Beihülfe zu grossem Danke verpflichtet. Einen Besuch des nahen Baden, abgesehen von seinen Eigenschaften als Versammlungsort der europäischen vornehmen Welt, hielten wir wegen seiner Naturschönheiten, seiner geologischen und botanischen Verhältnisse, und wegen seiner Therme von hohem Interesse. In gleichem Grade mussten die Aerzte einen Besuch der in Bau und Leitung als ein Muster geltenden Staatsirrenanstalt Illenau wünschen. Die Direction derselben kam diesem Wunsche selbst entgegen, die Grossherzogliche Kreisregierung gestattete das Gesuch. Ebenso be- eiferten sich Herr Stadtdireetor Kuntz und die städtischen Behörden von Baden, die Naturforscher dort gastlich zu empfangen, und das Grossherzog- liche Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten gewährte freigebigst durch Schreiben Sr. Exe. des Herrn Ministers von Meysenbug vom 19. August 1858 zu diesen Besuchen besondere Freizüge der Eisenbahn. Ausserdem ermässigte dasselbe auch auf unsere Bitte, um den weiterher kommenden Fremden die Rückreise zu erleichtern, die Rück- fahrten nach Basel, Waldshut und Kehl um die Hälfte der Preise, und die Grossherzogliche Di- rection der Verkehrsanstalten erwirkte dieselbe Ver- günstigung von den französischen Bahnen bis Paris. Auch die Stadt Durlach wollte, als sie von einem beabsichtigten Ausfluge der Gäste dorthin EEE u, EN. vernommen, durch ein ländliches Fest in den Wein- bergen des Thurmberges dieselben ehren. Die Stadt Carlsruhe aber wünschte noch be- sonders durch eine geeignete Festgabe den Natur- forschern eine freundliche Erinnerung an ihren hie- sigen Aufenthalt zu überreichen und liess zu diesem Zwecke eine Beschreibung der Stadt verfassen mit besonderer Berücksichtigung der wissenschaftlichen Seite. Dieselbe darf um so mehr auf bleibenden Werth Anspruch machen, -als die Beschreibung sämmtlicher Anstalten, Institute, Sammlungen ete. nach den eigenen Aufzeichnungen der betreffenden Directoren, Vorsteher oder Leiter gegeben sind. Wir sind dafür, dass diese Herren so bereitwillig auf unser desfallsiges Gesuch sich dieser Arbeit unterzogen und Herr Archivrath Dr. Bader die Redaction des Werkes mit grosser Liebe übernom- men, insgesammt dankbarst verpflichtet. Das Werk wurde seiner Zeit in freundlicher würdiger Aus- stattung sämmtlichen Naturforschern und Aerzten überreicht. Es trägt den Titel: „Die Residenzstadt Carlsruhe, ihre Geschichte und Beschreibung. Festgabe der Stadt zur 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte.“ Am 1. Juli erging nun durch die öffentlichen Blätter die allgemeine Einladung, welche die Ver- sammlung auf den 16. bis 22. September festsetzte. Um die mannigfaltigen Geschäfte bewältigen zu können und unseren Gästen überall ein gastliches Entgesenkommen und eine stete Hülfe bereit zu halten, hatten wir uns bemüht, ausser den Mitelie- dern des engern Comites, zur Theilung der Arbeit uns mit weitern Kräften zu umgeben. Eine grössere Zahl älterer und jüngerer der Wissenschaft befreun- dete Männer, darunter sämmtliche Aerzte der Stadt, hatten es freundlich übernommen, in bestimmten ihnen zugewiesenen Functionen der Sache und den Fremden dienlich und nützlich zu sein. Sie waren durch eine Bandschleife in den badischen Landes- farben ausgezeichnet, welche in fremden Blättern als Orden der Wachsamkeit benannt worden. Nur auf diese Weise war es möglich, bei allen Gelegen- heiten und aller Orten, beim Empfange auf dem Bahnhofe, im Empfangs-, im Wohnungsbüreau, in den Sitzungen, in den Anstalten und Sammlungen, auf den Strassen und Gesellschaftslocalen, bei den Festfahrten, in den Theatern, kurz bei der Arbeit wie beim Vergnügen Führer bereit zu haben, 3 welche nach allen Richtungen für die Gäste das thaten was dem Hausherrn und Wirthe ansteht, und was die Geschäftsführer nicht überall selbst thun konnten. Wir können diese Einrichtung nicht erwähnen, ohne diesen sämmtlichen Herren hier nochmals un- sern Dank auszusprechen. Wir erlauben uns dess- halb, ihre Namen in diesen Bericht aufzunehmen. Das weitere Comite bildeten die Herren Geh. Hofräthe Dr. Baur, Dr. Buchegger und Döll, Oberschlosshauptmann von Kettner, Medieinal- rath Dr. Molitor und Bibliothekar Dr. K. Seu- bert, deren jeder bestimmte Functionen über- nahm; die Aufnahmscommission die Herren Hof- rath Gockel, Professor Böckh, Oberamtmann Bausch; andere Theile der Geschäftsführung über- nahmen- die Herren Domänenräthe Abesgg und Stüber, Advocat Krämer, Hofbuchhändler Bie- lefeld, Berginspector Daub, Hofeärtner Meyer, Münzrath Kachel, Professoren Fuchs und Ditt- weiler, Dr. Kusel, Hofzahnarzt Dr. Loudet, Hofapotheker Sachs, Bankier Koelle; die Füh- rer waren die Herren Aerzte Dr. Homburger, Herrmann, Picot, Dambacher, von Cor- val, Schuberg, Widmann, die Herren Profes- sor Dr. Hauser, Lehrer Dr. Grohe, Dr. Spitz, Dr. Löhlein, Dr. Platz, die Herren Ingenieure Bahnhofinspeetor Bürklin, Gustav Schmidt, Herr Ministerialseceretär von Stösser, Referendär von Reck, Seceretär Vierordt, Apotheker En- gelhard, Architekt Williard, die Assistenten Dr. Petersen, Traub, Meyer, Risse. Den genauern Einblick in den Plan, der zur Abhaltung der Versammlung entworfen wurde, und in die Art seiner Ausführung bietet das Programm dar, welches, in folgender Weise festgestellt, den Mitgliedern und Theilnehmern bei ihrem Einschrei- ben eingehändist wurde. Programm. Erster Geschäftsführer: Hofrath und Professor Dr. Ei- senlohr. Zweiter Geschäftsführer: Medieinalrath und Amtsarzt Dr. R. V olz. Erster Secretär: Medieinalrath Dr. Schweig. Zweiter Secretär: Professor Dr. Dienger. $. 1. Diese Versammlung beginnt mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs am 16. September und endigt am 22. 1* $. 2. Statutengemäss werden als Mitglieder nur Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und ärztlichen Fache aufgenommen; als Theilnehmer nur solche, die sich wissenschaftlich mit Natur - oder Heilkunde beschäftigen. $.3. Das Aufnahmsbureau befindet sich auf dem Wege von dem Bahnhofe nach der innern Stadt in dem südlichen Lyceumsflügel zu ebener Erde am Marktplatze und ist vom 14. September an von Morgens 8 bis Abends 7 Uhr geöffnet. Die Aufnahmskarte wird nur auf persönliche Anmeldung gegen Erlegung von vier Gulden ertheilt. Es soll Jeder dieselbe immerwährend bei sich führen; denn sie allein berechtigt den Besitzer zum Eintritt in die allgemeinen Versammlungen , Ausstellungen und Sehenswürdigkeiten und zur 'Theilnahme an den nach- stehend bezeichneten Festlichkeiten und Eisenbahnfahr- ten, sowie zum Empfang der von der Stadt Carlsruhe dargereichten Festgabe, dieses Programmes und der Tagblätter. Für die mitgebrachten Damen seiner Familie er- hält Jeder zugleich eine besondere Eintrittskarte zu den allgemeinen Versammlungen. Bis zum 16. September Morgens kann in dem Auf- nahmsbureau auch die Karte für das Festessen im Museumssaale (mit einem Schoppen rothen oder weissen Wein) gegen Erlegung von zwei Gulden und 42 kr. in Empfang genommen werden. $. 4. Nach der Aufnahme meldet man sich in dem gegenüber von dem Aufnahmsbureau befindlichen W oh- nungsbureau, in welchem von der dort befindli- chen Commission nach ertheilter Auskunft Karten mit Bezeichnung und dem Preise der Wohnung gegeben werden. Es sind auch beständig daselbst Führer vorhan- den, welche als Glieder der Versammlung zu jeder Aus- kunft bereit sind. Dieselben sind an einer mit Bändern verzierten Cocarde im linken Knopfloch erkennbar, die übrigen Comite-Mitglieder an einem Bande in den badi- schen Farben, in derselben Weise getragen. $. 5. Zur Beförderung geselliger Unterhaltung findet am 15. September Abends in dem Saale des Museums- gartens eine Zusammenkunft statt. Ebenso an den folgenden Abenden. $. 6. Das Postbureau zum Empfang von post- restante Briefen ist für die Dauer der Versammlung in dem Grossherzoglichen Postgebäude nahe bei dem Auf- nahmsbureau und den ganzen Tag geöffnet. $. 7. Die allgemeinen Versammlungen wer- den in dem durch die Gnade Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs zu diesem Zwecke be- sonders hergerichteten Orangerie - Gebäude abgehalten. Die erste beginnt den 16. September Morgens 10%, Uhr. Der Eingang für Mitglieder und Theilnehmer ist auf der Südseite (gegen die Stadt), für ihre Damen auf der Nordseite (gegen den Schlossgarten). Die betreffenden Karten sind beim Eintritte vorzuweisen. In dem Versammlungssaale, sowie bei anderen Ge- legenheiten, sind die im $. 4. erwähnten Führer zur Er- theilung von Auskunft und zu den nöthigen Anordnungen gegenwärtig. $. 8. Die Vorträge in den allgemeinen Versamm- lungen sollen in der Regel nicht über '/, Stunde in An- spruch nehmen, müssen von allgemein wissenschaftlichem Interesse sein und spätestens einen Tag vorher dem ersten Geschäftsführer im Auszug vorgelegt werden. $. 9. Nach dem Schlusse der ersten allgemeinen Sitzung werden die Mitglieder und Theilnehmer durch die provisorischen Präsidenten der einzelnen Sectionen in die Sitzungszimmer eingeführt, um dort für den näch- sten Tag die Präsidenten zu wählen, die abzuhaltenden Vorträge anzukündigen und sich mit den Localverhält- nissen bekannt zu machen. $. 10. Die Sectionen sind: a. Im Ständehaus: Erste Section: Mineralogie, Geognosie — im Sitzungs-Saale der zweiten Kammer. Präsident ProfessorDr.Sandberger. Botanik und Pflanzenphysio- logie — im Ecksaale zu ebener Erde. Präsident Professor Dr. M. Seubert. Zoologie — im Sitzungssaale der ersten Kammer. Präsident Ober- schlosshauptmann von Kettner. Zweite Section: Dritte Section: b. Im Polytechnikum: Vierte Section: Mathematik, Astronomie und Mechanik — im I Stockwerke. Präsident Hofrath Redtenbacher. Fünfte Section: Physik — zu ebener Erde. Prä- sident Hofrath Dr. Eisenlohr. Sechste Section: Chemie — im Hörsaal des im Hofe gelegenen chemischen Laboratoriums. Präsident Hofrath Dr. Weltzien. Siebente Section: Anatomie und Physiologie — im I. Stockwerke. Präsident Medi- einalrath Dr. Schweig. Medicin — im I. Stockwerke des Mittelbaues. Präsident Medieinalrath Dr. Molitor. Chirurgie und Ophthalmologie — im I. Stockwerke des Mittelbaues. Präsident Geh. Hofrath Dr. Baur. Gynäkologie — im I. Stock- werke des Mittelbaues. Präsident Geh. Hofrath Dr. Buchegger. Psychiatrik — im I. Stockwerke des Mittelbaues. Präsident Geheimer Hofrath Dr. Roller. $. 11. Zur Bequemlichkeit ist für diejenigen Mit- glieder und Theilnehmer, welche Briefe schreiben wollen, das Sitzungszimmer im Polytechnikum zu ebener Erde eingerichtet. $. 12. Die Seetionssitzungen beginnen in der Regel um 8 Uhr und können, mit Ausnahme des ersten Tages und der Zeit der allgemeinen Sitzungen, den Achte Section: Neunte Section: Zehnte Section: Elfte Section: ganzen Tag fortgesetzt werden, da nur ein Fest-Essen stattfindet. $. 13. Ausser den Vorträgen, die in den Sections- Sitzungen gehalten werden, wird die Wahl des Präsi- denten für den nächsten Tag und die Anzeige der zu haltenden Vorträge vorgenommen. $. 14. Sämmtliche in der städtischen Festgabe be- zeichneten wissenschaftlichen und medieinischen Insti- tute, sowie die Kunstanstalten, Fabriken und andere Sehenswürdigkeiten sind geöffnet und unter der Anlei- tung der in $. 4 genannten Führer, der nachfolgenden Tagesordnung gemäss, zugänglieh. Der Versammlungsort behufs eines solchen Besuches ist um die angegebene Zeit bei dem Aufnahmsbureau; Jeder aber kann sich auch später anschliessen. Um die Erzeugnisse des Landes den Naturforschern anschaulich zu machen, sind besondere Ausstellungen der badischen Mineralien, Petrefacten, Bergwerks-, Hütten- und Salinenprodukte, sowie der einheimischen Vögel, in den betreffenden Sectionslocalen veranstaltet worden. $. 15. Wenn in den Sectionen an den einen oder andern hiesigen Professor das Ansuchen gestellt wird, Versuche oder Demonstrationen zu machen, so wird der- selbe dazu auf den folgenden Nachmittag eine Stunde bestimmen. $. 16. Zur Leetüre von Zeitschriften und der- gleichen, sowie zu verabredeten Besprechungen stehen die Lesezimmer und Unterhaltungszimmer des Museums, der Eintracht und des Bürgervereins durch die Gefällig- keit der betreffenden Gesellschaften den ganzen Tag offen. $. 17. Ausser dem allgemeinen Festessen am 16. Sep- tember finden keine bestimmten Mittagessen statt. Doch ist die Einrichtung getroffen, dass in dem Museum täglich eine grössere Anzahl (180) von Herren und Damen gedeckte Tafel findet. In den Gasthöfen und Restaurationen können einzelne Partieen Platz finden, und werden gut thun, vorher Bestellung zu machen. — Wird es gewünscht, so kann auch ein Schluss-Essen am Mittwoch auf Subscription veranstaltet werden. Der Gasthof, in welchem der erste Geschäftsführer während der Mittagsmahlzeit zu finden ist, wird im Tag- blatt jedesmal bekannt gemacht. Im Uebrigen gibt ein Verzeichniss der Gasthöfe und Restaurationen, welches bei den Dienern des Polytech- nikums, Ständehauses und im Aufnahmsbureau liegt, “ Auskunft über die Preise. Zu den Mittagsmahlzeiten sind auch die Damen freundlichst eingeladen. Die gewöhnliche Zeit der Mittagstafel ist 1 Uhr, an den Tagen der allgemeinen Versammlungen um 2’ Uhr. $. 13. Abends finden Zusammenkünfte statt: in dem Gartensaale des Museums, in der Eintracht, in dem Cafe Beck und dem grünen Hofe. Die Theilnehmer werden gebeten, wenn sie Verabredungen zu grösseren b) Zusammenkünften getroffen haben, dies einem der in $. 4 genannten Führer wissen zu lassen. $. 19. Die angenehmeren Spaziergänge in der Nähe Carlsruhe’s sind in der städtischen Festgabe S. 111 bezeichnet. $. 20. Durch die Gnade Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs stehen drei festliche Theatervorstellungen in Aussicht, die jedesmal um 7 Uhr beginnen. Zum Eintritt berechtigt im Allge- meinen die Aufnahmskarte, unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen, die noch im Tagblatt bekannt gemacht werden. Für das in Aussicht stehende Hoffest wird besondere Einladung erfolgen. $. 21. Das an jedem Tag erscheinende Tagblatt kann von jedem Theilnehmenden Morgens von 8 Uhr an bei dem Diener im Aufnahmsbureau, im Polytechni- kum und im Ständehause in Empfang genommen werden. Dasselbe enthält, nebst dem Verzeichniss der ein- getroffenen Gäste, die gehaltenen und zu haltenden Vor- träge, sowie die Protokolle der Sitzungen. Etwaige Abänderungen des Programmes, Anzeigen u. s. w. werden ebenfalls durch dasselbe bekannt gemacht. $. 22. Diejenigen Mitglieder und Theilnehmer, welche von hier bis Basel und Waldshut, oder Kehl und Paris, oder bis zu einem der dazwischen liegenden Orte zurückreisen wollen, erhalten auf persönliche An- meldung in dem Aufnahmsbureau in den Tagen vom 20., 21. und 22. September gegen Unterschrift für sich und ihre Familienglieder Legitimationskarten, bei deren Ab- gabe auf dem Bahnhofe sie für Plätze der ersten und zweiten Wagenklasse nur die Hälfte zu bezahlen haben. Diese Karten sind giltig für die ganze Woche vom 20. bis 27. September. Nähere Instruction über die nöthige Controle und andere Bestimmungen der Grossherzoglichen Direction der Verkehrsanstalten werden die obigen Reisenden er- sucht bei der Aufnahmseommission einzuholen, wenn sie die Legitimationskarten erhalten. Tagesordnung. Mittwoch den 15. September: Versammlung Abends 8 Uhr in dem Gartensaale des Museums. Donnerstag den 16. September: 1. Versammlung im botanischen Garten von 9 Uhr an. 2. Um 10%, Uhr Eröffnung der ersten allge- meinen Sitzung in dem dort befindlichen Oran- geriegebäude. 3. Einführung der verschiedenen Sectionen in ihre Sitzungslocale, nach dem Schluss dieser Sitzung: Wahl der Präsidenten für den folgenden Tag und Angabe der zu haltenden Vorträge. Den Seetionen werden ständige Secretäre vorgeschlagen. 4. Feierliches Festessen um 3 Uhr in den Sälen des Museums. 5. Abends 7 Uhr Festtheater auf Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs — Antigone, von Sophokles, mit Musik von Mendelssohn- Bartholdy. Freitag den 17. September: 1. Sectionssitzungen im Ständehaus und Polytechnikum von 8 Uhr Morgens bis 1 Uhr, und auf besondere Verabredung auch Nachmittags. 2. Abendfest auf besondere Einladung Seiner König- lichen Hoheit des Grossherzogs im Schloss und Schlossgarten. Sämmtliche Mitglieder und Theilnehmer waren durch den Hofmarschall, Freiherrn von Baum- bach, im Allerhöchsten Auftrage Seiner Kö- niglichen Hoheit des Grossherzogs Abends 6 Uhr in das Schloss geladen worden. Sie versammelten sich in den untern Sälen und dem anstossenden kleinen Schlossgarten, wo als- bald auch Seine Königliche Hoheit der Grossherzog und IhreKönigliche Hoheit dieGrossherzogin erschienen, im Garten unter die Gäste traten, sich dieselben der Reihe nach vorstellen liessen, die Frau Grossherzogin durch den ersten Geschäftsführer, Hofrath Eisen- lohr, der Grossherzog durch den zweiten, Medieinalrath Volz, und in der freundlichsten eingehendsten Weise mit denselben sich unterhiel- ten. Als es dunkel geworden, prangten ringsum die Boskete und Baumgruppen im Schmucke farbiger Lampen, welche den Festplatz umgrenzten und beleuchteten, in den anstossenden Sälen waren Erfrischungen in reichem Maase gereicht, und der begeisternde Eindruck der fürstlichen Nähe tönte in rauschenden Toasten bis zu dem erhabenen Beschützer der Wissenschaften hervor. Samstag den 18. September: 1. Sectionssitzungen von 8—11 Uhr. 2. Zweite allgemeine Sitzung im Orangeriegebäude, um 11 Uhr, wobei der Versammlungsort für das nächste Jahr gewählt wird. Seine Königliche Hoheit der Gross- herzog hatte etwa 120 der Naturforscher und Aerzte zu sich zur Tafel entboten. Mit herzlichen Worten drückte er bei Tische selbst seine Freude aus, so viele bedeutende Männer der Wissenschaft um sich versammeln zu können, und trank auf das Wohl seiner Gäste. Professor Erdmann von Leipzig und Professor Argelander von Bonn durften den Gefühlen der Anwesenden Worte geben und dem Grossherzog und der Grossher- zogin den Dank und die Verehrung ihrer Gäste in Toasten darbringen. 3. Nachmittags, auf Verabredung, wissenschaftliche Be- sprechungen und Versuche. 4. Abends 7 Uhr, Theater auf die Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs — Was Ihr wollt, Lustspiel von Shakespeare. Sonntag den 19. September: Eisenbahnfahrt mit einem durch die Liberalität des Grossherzoglichen Ministeriums des Auswärtigen bewil- listen Extrazug nach Baden, Morgens, genau um 8 Uhr. Dort festliche Begrüssung und Besuch der Sehenswür- digkeiten unter Anführung der dortigen Behörden. Das Mittagessen wird in den Gasthöfen zum Con- versationshaus, Englischen, Europäischen, Rheinischen, Holländischen Hof und Victoria-Hötel zu dem Preise von 1 fl. 24 kr. mit 1 Schoppen Wein um 1 Uhr ein- genommen. Zu Exeursionen nach dem alten Schloss, Ebersteiner Schloss und anderen schönen Punkten wer- den Führer dienen; zu den geognostischen Exeursionen wird Professor Dr. Sandberger, zu den botanischen Professor Dr. Seubert bereit sein. Zwischen 4 und 5 Uhr Abends versammelt man sich bei günstigem Wetter auf dem alten Schlosse, wo durch die Freundlichkeit der Stadt Baden für die Bequemlich- keit und für Erfrischungen der Herren Gäste gesorgt sein wird. Eine zweite Versammlung findet Abends bei ein- tretender Dunkelheit in den Sälen des Conversations- hauses statt, welche durch die Gefälligkeit des Herrn Benazet festlich beleuchtet sein werden und in denen die Herren Gäste eine Harmoniemusik begrüssen wird. Von hier aus findet die Rückfahrt präcis um 10 Uhr statt. Montag den 20. September: 1. Seetionssitzungen von 8—1 Uhr, und, auf Verab- redung, Nachmittags von 3 Uhr an. 2. Von 7 Uhr an, durch die freundliche Veranstaltung der hiesigen Gemeindebehörden und der hiesigen ge- selligen Vereine, Ball in dem Museum, der Eintracht und dem Bürgerverein. Um 7 Uhr gehen die Ge- schäftsführer und Comitemitglieder von dem Auf- nahmsbureau in Begleitung der sich ihnen anschlies- senden Mitglieder und Theilnehmer nach dem Museum. Um 7‘, Uhr ebenso von dort nach der Eintracht, und dessgleichen um 8 Uhr nach dem Bürgerverein. Dienstag den 21. September: 1. Seetionssitzungen von S—11 Uhr. 2. Nachmittags um 12'/, Uhr versammeln sich die Aerzte auf dem Bahnhofe zu einer freien Fahrt nach Illenau, unter Begleitung des Geschäftsführers Medieinalrath Dr. Volz. Abfahrt genau um 1 Uhr. Rückfahrt von Achern um 9%, Uhr präeis. 3. Die übrigen Mitglieder und Theilnehmer der Ver- sammlung werden unter Begleitung des Geschäftsfüh- rers Hofrath Dr. Eisenlohr nach Durlach fahren. u Dort wurden sie von den Staats- und städtischen Behörden bewillkommt, von Herrn Oberamtmann Spangenberg und Herrn Bürgermeister Wahrer auf dem Rathhause in Reden begrüsst. Der Ge- meinderath bereitete den Gästen in den Weinbergen des Thurmberges ein ländliches Fest der Trauben- lese. Abends fand sich die Versammlung wieder in dem Garten der Carlsburg zusammen, überall umgeben von den Bewohnern von Durlach und endlich in langem Fackelzuge von ihnen zum Bahn- hofe geleitet. Mittwoch den 22. September. 1. Sectionssitzungen von 8—11 Uhr. 2. Dritte allgemeine Sitzung im Orangeriegebäude um 11 Uhr. 3. Nach getroffener Verabredung Nachmittags Besuch der Sammlungen oder gemeinsame Spaziergänge. 4. Um 7 Uhr Festtheater auf die Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs — Iphigenia in Tauris, Oper von Gluck. Am Schlusse der Festvorstellung, welche, wie die beiden vorhergehenden, bei festlich beleuch- tetem Hause gegeben wurde, und denen die Gross- herzoglichen Herrschaften anwohnten, er- hob sich Freiherr von Liebig in seiner Loge und brachte unter Zustimmung des ganzen Hauses ein feierliches Hoch auf Ihre Königliche Ho- heiten aus. Zur Feier der Versammlung und als dauerndes Andenken hatte der Grossherzog eine Medaille prä- gen lassen, welche sämmtlichen Miteliedern und Theilnehmern zugestellt wurde. Dieselbe ist von Bronce, trägt auf der einen Seite das wohlgetrof- 7 fene Bildniss Seiner Königlichen Hoheit mit der Umschrift: „Friedrich, Grossherzog von Baden“, auf der Rückseite die Erdkugel, darüber Sonne, Mond, und die Sternbilder der Waage und des Skorpions in ihrer damaligen Stellung, darun- ter den Sinnspruch: „Forschung führt zu Gott“, und mit der Umschrift: „Der XXXIV. Versamm- lung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Carls- ruhe im September 1858*. So kamen die für die Versammlung festgesetz- ten Tage herbei. Die Anmeldung so vieler nam- haften Gelehrten, das persönliche Interesse unseres hohen Landesfürsten an der Versammlung, Erfah- rungen an anderen Orten lesten den Geschäftsfüh- rern jetzt beim Besinne derselben die ernste Ver- pflichtung auf, bei allen den fürstlichen Munifizen- zen, welche der Versammlung im Namen der Wis- senschaft geboten wurden, den wissenschaftlichen Charakter derselben zu bewahren. Darnach muss- ten wir die Aufnahmsbedinsungen begrenzen, um von der Versammlung alle Elemente fern zu halten, welche nicht durch Bildung und Beschäftigung die Garantie gewährten, würdige Mitglieder der Ge- sellschaft zu sein. Für Studenten und Polytech- niker, welche wir nicht allcemein zu Theilnehmern einschreiben konnten, trafen wir die Auskunft, dass dieselben besondere Freikarten zu allen wissen- schaftlichen Sitzungen der Versammlung erhielten. Die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder und Theilnehmer belief sich schliesslich auf 909. at IP Miray vs BETT 2 u re : ar R= in » | Mr, r | | Fr et SR er ek - ut BR i 1; n j “ j sollt Nun " ‚ 1 u * „fa b 2 ” 4 IP, Bo. et DEE j ; Nr ee >. e { r w ri a Ko i Der | 5 was d : DT” Karren HM ir»: . , “ iImtard ft 3) N Pr 71 Dre { [4 4 RA CR er ns y Mr}; 2 g x Pr 2 i y R ' 14 “ 3 8 * 3 4 «, * Ze I. Allgemeine Sitzungen. Zu den allgemeinen Sitzungen war durch gnä- dige Gewährung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs das neue grosse Orangerie- gebäude bestimmt und eigens hergerichtet worden. Dasselbe bildet einen Bestandtheil und die west- liche Grenze des ganz neu angelegten botanischen Gartens. Die Naturforscher traten von diesem aus in das Haus und gelangten hier in einen runden Vorsaal mit gewölbter Glaskuppel, der schon in seiner Ausstattung seine Bestimmung bezeichnete. In den Nischen sah man auf Wandfeldern in bun- tem Farbenschmuck chronologisch gereiht die Wap- pen der Städte, in denen die Naturforscherver- sammlungen bereits getagt hatten *); das Wappen von Carlsruhe bildete den Schluss über der Ein- gangsthüre in den Sitzungssaal. Dieser gegenüber stand die colossale Statue des Aristoteles, in den vergrünten Nischen die Büsten von Linn&, Ber- zelius, Cuvier, Humboldt. Der Sitzungssaal ist ein gestrecktes Rechteck von einer Länge von 195’ auf eine Breite von 35”. Am Eingange war die erhöhte Rednerbühne, zu beiden Seiten derselben zwischen Vergrünungen zwei Tribünen, geschmückt mit den Büsten von Keppler und Jussieu. Die Sitze der Naturforscher nahmen den untern Theil der Halle ein, das letzte Drittel stieg amphitheatra- lisch auf und fasste die Plätze für das Publikum. Von der Decke wehten die Fahnen von 24 deut- schen und befreundeten fremden Staaten, in welehen für die Wissenschaft Bedeutendes geleistet worden. Die Schlusswand überragte das colossale badische Wappenschild. Der Raum fasste 1300 Sitzplätze. I. Allgemeine Sitzung. Donnerstag den 16. September 1858, Donnerstag den 16. September, Morgens %/,11 Uhr, wurde die erste allgemeine Sitzung und mit ihr die XXXIV. Versammlung deutscher Na- turforscher und Aerzte eröffnet. Seine Königliche Hoheit der Gross- herzog und Ihre Königliche Hoheit die Grossherzogin beehrten die Versammlung mit ihrer Gegenwart und nahmen mit ihrem Hofstaate auf der Tribüne rechts Platz. Die sämmtlichen Herren Minister und Präsiden- ten der Ministerien, I. I. E. E. Herr Staatsminister *) Leipzig 1822, Halle 1823, Würzburg 1824, Frankfurt a. M. 1825, Dresden 1826, München 1827, Berlin 1828, Heidelberg 1829, Hamburg 1830, Wien 1832 und 1856, Breslau 1833, Stuttgart 1834, Bonn 1835 und 1857, Jena 1836, Prag 1837, Freiburg i. B. 1838, Pyrmont 1839, Erlangen 1840, Braunschweig 1841, Mainz 1842, Gratz 1843, Bremen 1844, Nürnberg 1845, Kiel 1846, Aachen 1847, Regensburg 1849, Greifswalde 1850, Gotha 1851, Wiesbaden 1852, Tübingen 1853, Göttingen 1854, Carlsruhe 1858. Freiherr von Meysenbug, der Präsident des Finanzministeriums, Herr Geheimerath Regenauer, der Präsident des Ministeriums des Innern und der Justiz, Herr Geheimerath Freiherr von Stengel, der Präsident des Kriegsministeriums, Herr Ge- nerallieutenant Ludwig, sodann der Oberbürger- meister der Residenz, Herr Malsch, nahmen die linke Tribüne ein. Auf erhöhter Estrade hinter der Rednerbühne waren die Plätze der Geschäftsführer, zu beiden Seiten des Redners die des ersten und zweiten Se- eretärs, Herrn Medieimalrath Dr. Schweig und Herrn Professor Dr. Dien ger. Nachdem die Versammlung den Grossherzog und dieGrossherzogin durch Aufstehen ehrfurchts- voll begrüsst hatte, eröffnete der erste Geschäfts- führer, Hofrath Dr. Eisenlohr, die Sitzung mit folgender Rede: 107 10 Durchlauchtigster G@rossherzog ! Hochgeehrte Herren! Schon 29 Jahre sind verflossen, seitdem Sie Baden zum erstenmal und zwar in Heidelberg willkommen hiess und 20 Jahre, seit es Sie zum andernmal in Freiburg froh begrüsste. Nicht minder freudig schallte durch das Land, vom Fürsten bis zum schlichten Bürger, der Ruf: „Will- kommen“, als ihm die Kunde ward von der Versamm- lung dieses Jahres. Willkommen ruf ich nach aus tief- ster Seele. Willkommen theure Freunde, Hochgeehrte Herren! Wenn ich die Leistungen betrachte, die seit dieser Zeit von Ihnen ausgegangen, und die Reihen durchlaufe der hochberiihmten deutschen Namen, die schon an Ihrer Spitze standen, so fühl’ ich, nicht ohne Bangen, wie unverdient die Ehre ist, die mir zu Theil geworden, als die 33. Versammlung mich zu ihrem Geschäftsführer ernannte. Doppelt aber bin ich darum auch zum Dank verpflichtet und glaube, dass Sie dem guten Willen wohl mehr vertrauten, als der Befähigung. Was Gutes oder Mangelhaftes nun für Sie aus dieser Leitung entspringen mag — ich bitte vor Allem das Gute auf Rechnung jenes Willens, das Andere nur auf den Mangel an Geschick zu setzen. Sie sind bier in einer Stadt zusammengekommen, die vermöge ihrer Jugend fast noch keine Geschichte hat. Sie ist nicht im Besitz von längst berühmten Lehr- anstalten, wie viele von den Orten, an denen unsere früheren Versammlungen stattfanden, noch glänzt sie durch grossen Reichthum, der anderwärts im Gefolge des Handels und der Industrie gefunden wird. Aber sie liegt in der Mitte eines glücklichen Landes, das reich ist an Naturschönheit und Vielem, das für Sie besonders Interesse hat. Auch begrüsst Sie hier eine Ihrem Streben eng ver- bundene und Ihren Verdiensten höchst dankbare höhere Lehranstalt, die zwar noch jung ist, aber von Jahr zu Jahr in immer weiteren Kreisen ihre Wirkung verbreitet. Hier ist der Ort, wo jener Dichter lebte, der seinem Sinn für inneres Leben und für deutsche Gemüthlichkeit den schönsten Ausdruck lieh. Doch war unser Hebel nicht nur Dichter. Er trug auch als Lehrer und Volks- Schriftsteller Vieles zur Verbreitung der Naturwissen- schaften in höchst anregender Weise bei. Hier lebten ferner die beiden wohlbekannten Physi- ker Böckmann, Vater und Sohn. Noch erinnern wir an einen edlen Fürsten, Carl Friedrich, der nebst seiner geistreichen Gemahlin, Ca- roline Luise, früher als andere den Werth erkannte, den genaue Kenntniss der Natur für alle Zeiten hat. Ferner mahnt auch noch die Lage dieser Stadt an Manches, was Betrachtungen über den Entwicklungs- gang der menschlichen Cultur hervorrufen kann: Vor dem Thore gegen Süden ziehen friedlich nebeneinander her ein Streifen Urwald, wohlbebaute Felder, eine Eisen- bahn und eine Telegraphenlinie. Zu dem Rauschen des Laubes von tausendjährigen Eichen gesellt sich dort der Donner des Dampfhammers und das tiefe Ertönen des Ventilators. Wir vernehmen die Naturlaute einer grauen Vorzeit und die Wirkung der riesigen Kräfte, welche die fort- schreitende Naturwissenschaft in’s Leben gerufen hat, zugleich miteinander. Unter dem Lärm des vorübereilenden Bahnzugs, unter dem Aechzen der gewaltigen Maschinen, die das nahe Feuer belebt, ruft aus den Gipfeln jener Zeugen der Vergangenheit die Dryas des Baumes ihr „guousque tandem“! „Wohin führt noch das tolle Treiben, dem ich in meinem Alter nun zusehen muss? ich friedlich und ungestört, wohl 10 Jahrhunderte lang, besucht nur von den Heerden, die man vorbeitrieb, und dem Wild des Waldes. „Jetzt aber rast von Jahr zu Jahr mit wachsendem Getöse und stärker als der Sturm der Menschen rastlos Wesen. Du geschwätziger Nachbar und vorwitziger Draht, der mir das Nahen der fremden Männer voraus verkündet hat, sag’ an, wo will das noch hinaus?“ Und die Unvollkommenheit unseres Wissens ant- wortet der Eiche in den leisen Seufzern des Drahtes: „Vergeblich frägst du mich! nur Eines ist gewiss, dass diese Zeit der Wunder der Anfang erst von noch weit Grösserem ist; darum wartet ihr altersgrauen Bäume ein Jahrhundert nur, und viel Erstaunlicheres werdet ihr noch sehen. „Jetzt tagen in jener Stadt die Männer der Natur- forschung, von denen Manche den Anfang dieses neuen regsamen Strebens, einer Aera nie gewesener Erfolge in der Erkenntniss der Natur erlebt. Diese haben meinen Einfluss auf den Magnet vor nicht acht Lustren erst vernommen, und schon trag’ ich das Wort der Menschen viel schneller, als der Ton der nahen Glocke zu dir dringt, über Wald und Ströme, über die schneebedeck- ten Alpen und das stürmische Meer, fort in die fernste Ferne. „Geheimnissvoll ist noch mein Wirken und dennoch haben tiefsinnige Forscher das Gesetz erkannt, nach denen es erfolst. „Was dureh den unendlichen Raum von Stern zu Stern, von der Sonne zur Erde in zitternder Bewegung die Botschaft aller sichtbaren Veränderungen trägt, das bin ich unter der Herrschaft der Menschen für irdische Verbindung und rühme mich gleicher Geschwindigkeit wie das Licht. „Der Strom, der in mir thätig ist, vermag Ver- änderungen jeder Art hervorzubringen. — Sein Licht dem Sonnenlichte gleich, ist reiner noch als dieses. Ich leite ihn, wo man strebt die innere Natur der Körper und ihre Zusammensetzung zu erforschen und die Kräfte zu messen, welche ihre kleinsten Theile zusammenhalten, so wie da wo es gilt die feinsten Werke der Kunst und der Natur mit höchster Vollkommenheit nachzubilden. „Ich verwandle ihn in Wärme und die Gluth, die er alsdann in mir erzeugt und die mich ein Werkzeug der Zerstörung werden liess, ist selbst ein heilsam Mittel worden, die zerstörten Theile des Körpers abzutrennen. Sonst stund Scheinleben hauch’ ich längst den Todten ein und in schmerzvoller Krankheit tret’ ich helfend auf.“ — „Ruhmred’ger Draht“, spricht drauf die Eiche: „Was nützt dies Alles auf meine Frage? Hat nicht die Menschheit schon sechsmal wenigstens so lang bestanden als wie ich und waren meine Vorfahren nicht gleichfalls Zeugen von hohen Dingen und von grossen Thaten, die geschahen, als man von solcher Unruh’ noch nichts ahnte? „Sag an, wenn du so Vieles wissen willst, was ist der Zweck von Alledem?* Und statt des Dralıtes antwortet ihr ein Geist, der aus dem Drahte spricht: „Auch dir, ergrauter Freund der alten Zeit, ist es ergangen wie so vielen Andern, die in dem Kampf das Unbequeme des Wechsels nur erblickt und in der lebens- kräftigen Bewegung den Untergang des Hergebrachten mit Besorgniss wahrgenommen, die stehen geblieben zwischen Dorf und Stadt wie du. „Erkenne, dass die Frische des Daseins dir fehlt und höre, was ich dir sage: „In dem sechsfachen Alter, das du der Menschheit im Verhältniss zu dem deinigen beilegst, ist sie der Kindheit kaum entwachsen. Deine tausend Jahre sind in ihrer Entwicklung nur ein Tag, und da wo du bereits zu altern angefangen, hat sie das einflussreichste Werk- zeug ihrer allgemeinen Bildung erst erfunden. „Auch damals sprach man, wohin soll das führen? War Rom nicht gross und Griechenland auch olhıne diese Presse? Und du erkennst doch wohl wie unscheinbar und einfach selbst diese Erfindung gegen tausend andere ist, die jetzt der Mensch besitzt und die er täglich noch vermehrt. Darum erfahre: „Zu den Leistungen der gegenwärtigen Zeit, zu den Entdeckungen und Erfindungen der Forscher, die dort beisammen sind, gehörte eine lange Vorbereitung, ge- hörten grosse und vieljährige Studien. „Jetzt werden die Früchte derselben von einem auf den andern übertragen und gehen nicht mehr verloren wie die Millionen Samen, die deinen Zweigen schon ent- fielen, um im Sumpfe zu verfaulen. „Der Fortschritt ist gesichert und ein grosser Plan liest ihm zu Grunde. Geordnet ist das geistige Ringen und Streben mehr und mehr. Naturgesetze, deren Har- monie und innere Nothwendigkeit der Scharfsinn jener Männer der Wissenschaft erkannt, von denen keines das andere stört und keines anders sein kann als es ist, sie sind die Führer einer hoffnungsreichen Zeit zur höhern Stufe menschlicher Entwickelung. „Wer diese gründlich und nicht halb erkannt, der fühlt es, dass sie unwiderlegliche Beweise und Offen- barungen von höherer Weisheit sind, als menschlicher, und dass der Mensch als höchstes Wesen im Erschaffe- nen keinem höheren Ziele nachstreben kann, als dieses Göttliche in der Natur zu fühlen, zu erkennen. Be- geisterungsvoll erblickt er dann in einem Meer von Licht und Wahrheit den Ausgang und das Ziel von seinem Streben: Gott!!!“ Und mit diesem, meine Herren, lassen Sie uns denn auch beginnen. 11 Wir danken ihm zunächst, dass er Sie Alle wohl- behalten hergeführt, wir danken ihm für den seit Gründ- ung der Naturfor 'schergesellschaft, ja seit noch längerer Zeit fast ungestörten Frradeh, Wie vieles war nur durch diesen möglich, und wie der Erfolg ein grosser war, so wuchs natürlich auch der Sinn für ‚die Nase: die Zahl von ihren Freunden. Es wuchs damit die Bedeutung und der Glanz dieser Ver- sammlung, die für die Gegenwart und Zukunft nicht nur ein allgemeines, sondern auch ein national deutsches Interesse hat. Das Erstere ist darin begründet, dass solche jähr- liche Zusammenkünfte von grossem N Nutzen sind, indem sie unter verwandten Geistern Anlass zum Austausch der Ideen geben, manche folgenreiche Bekanntschaften veranlassen und neu hervortretende jugendliche Kräfte stärken und erheben. Wer weiss zudem nicht, dass die meisten Erwerb- ungen der Wissenschaft Folgen oder Geschenke gemein- samer Thätigkeit und der zu Stande gekommenen, ver- abredeten Arbeiten sind, und bei welcher Gelegenheit wären diese wohl leichter möglich als hier? Wie aber in der Wissenschaft das Vereinzelte mit dem Fortschritte derselben bald nicht mehr verlassen dasteht, sondern dem allgemeinen Gesetz einer höheren Weltordnung sich anschliesst und dadurch an Bedeutung gewinnt, so erhöht auch das Gefühl, einem grossen wis- Snsckailkithen Vaterlande anzugehören,, den Muth. des Einzelnen und führt ihn zu weiteren Erfolgen. Dieser erhöhte Lebensmuth ist dem "ächt wissen- schaftlichen Streben, dem Streben nach exakter Erkennt- niss nothwendig und Viele haben es erfahren müssen, dass ihr Sieg, der Sieg der Wahrheit, nur durch enge Verbindung mit Andern möglich war. Nur durch Einigung der Ansichten ist das Zurück- treten der blosen Spekulation von der Bühne des Ruhmes bewirkt worden. Durch Einigung wird es möglich sein, die Wirkungen einiger Ueberreste der Spekulation auf die Selbstüberschätzung zu hemmen, die der übertriebe- nen Besorgniss nur noch mehr Nahrung gab, es könnte mit den Fortschritten der Naturwissenschaften und der daraus folgenden Abnahme der Mystik ein Nachtheil für die Menschheit verbunden sein, — eine Besorgniss, die jedoch nur in niedern Sphären zu wirken scheint, da selbst dort, wo der grosse Galilei zum Widerrufe gezwungen ward, das höchste Oberhaupt der Kirche im Anfang dieses Jahres einen wahren Tempel für die exacte Naturwissenschaft in eigener Person eröff- net hat. Kann dies in einer Zeit geschehen, wo die Astro- nomie sich dem Ziele nähert, die Achse zu finden, um die sich das ganze Heer von Sonnen dreht, die unserm Fixstern-Systeme angehören, so haben wir keinen neuen Stillstand der Erde zu fürchten, und das gewaltsame Dämmen der Wahrheit bringt nur Wirkungen hervor, wie das Einsperren des Uranpapiers, das, einmal der Sonne ausgesetzt, sein Licht auch im Kerker bewahrt und dann nur um so wunderbarer erscheint, wenn es wieder zu wirken Gelegenheit hat. 2* 12 Was aber nun das national deutsche Interesse an dieser Versammlung betrifft, so ist damit nicht gemeint, dass wir besondere Ansprüche an die Erwerbungen der Wissenschaft oder an die Alles erhaltende und erfreuende Natur machen, wohl aber, dass es auch eine Natur gibt, die deutsch ist, und die es sein und bleiben soll, und das ist unsere Natur. Dieses Gefühl muss nicht nur uns vor uns selbst, sondern auch vor andern Nationen er- heben, wenn wir es nur nähren und stärken. Und warum sollten wir dies nicht, während Niemand bezweifeln kann, dass Deutschland seinen Ruhm und sein Ansehen weit mehr seinem Sinn für Wissenschaft, Natur und Kunst, seinem Fleiss und seinem Wissen, als seiner politischen Macht und seinem Reichthum verdankt! Hat der edle deutsche Greis, der ruhmvollste und grösste unter den jetzt lebenden Forschern, in dem Briefe,*) den ich Ihnen nachher mittheilen werde, mit Betrübniss den Mythus der deutschen Einheit berührt, so ist es um so mehr von vaterländischem Interesse, dass wir uns fühlen und mit Stolz aufihn und die andern deutschen Männer sehen, die durch ihre hervorragenden Arbeiten nicht nur die Zierde dieser Versammlung, son- dern der Ruhm und Glanzpunkt unserer Nation geworden sind. Ihr Name sei die Fahne, unter der wir uns einig fühlen, ihre Anwesenheit der Aufruf, ihnen in Thatkraft, edlem Stolze und nützlichem Wirken nachzustreben. Von den Männern des Vaterlandes, die zu dem Tem- pel der Wahrheit und Natur Ruhmwürdiges beigetragen und für die Wissenschaft und ihre Freunde zu früh dahingeschieden, ruhen im frischen Grabe: Johannes Müller, der grosse Physiolog; Hein- rieh Lichtenstein, der vielgereiste Zoolog; Nees vonEsenbeck, vieljähriger Präsident der Leopoldini- schen Akademie; Kastner, der Chemiker; Plattner, der deutsche Gahn; Huschke, der Anatom und Phy- siolog; Albers, der Conchyolog; Klug, der Ento- molog; Busch, der Gynäkolog; Thienemann, der Ormitholog; Johann Roth, der kühne Reisende in Syrien. Auch von dem Ausland sei es mir vergönnt, hier einige zu nennen, die zu nicht minderem Leid für uns dahingegangen: Robert Brown, der grosse Botaniker; Cauchy, der grosse Mathematiker und Physiker; Thenard, der hochverdiente Chemiker; Temmink, der Omitholog; Marshall Hall, der Physiolog; Sceoresby, der ver- diente Beobachter und arktische Reisende; James Clark Ross der Kühne, der im Nord und Süd den Pol des Magnetismus unserer Erde fand; Dufrenoy, der Geolog; Conyebare, der Geolog — und end- lich unseres Humboldt’s Freund und treuer Begleiter Aime Bonpland. Die Erinnerung an diese Todten sei uns heilig, den Schmerz über ihren Verlust aber mildert die Anwesen- heit so vieler Männer der Wissenschaft. Unter Ihnen begrüsse ich nochmals zuerst die frem- den Naturforscher und Aerzte, die aus weiter Ferne her- *) Siehe Humboldt’s Brief Seite 15. gekommen sind, um hier das Ihrige zum Allgemeinen beizutragen, sodann die Andern, die dem deutschen Vaterlande angehören. Noch drängt mich mein Gefühl zum Danke für das freundliche Entgegenkommen Derer, die theils an der Spitze der hiesigen Stadtbehörden stehen, theils Mit- glieder der für unsere Zwecke besonders ernannten Com- missionen sind. Ich fühle mich gedrungen, mit innigem Danke es auszusprechen, wie kräftig, schnell und liberal die Unter- stützung war, die wir bei allen Grossherzoglichen Be- hörden und insbesondere bei dem Ministerium des Innern gefunden haben. Mehr aber, als ich sagen kann, drängt es mich hin, aus tiefstem Innern ehrfurchtsvollen Dank mit Worten wahrer Liebe und Verehrung dem Fürsten darzubringen, der mit so seltenem Geschick und Eifer die ihm an- vertraute Stellung zum Glücke seines Landes benützt und dabei für Wissenschaft, Natur und Kunst so hohen Sinn durch Wort und That bewährt, der uns in seinem eigenen Hause, im schöngeschmückten, zu diesem Fest besonders hergestellten Saale aufgenommen und als ein deutscher Fürst, dem innern Drang der menschlich- rechten und darum desto höhern Empfindung nach- gebend, uns mit seiner Gegenwart beehrt. Ihm, meinem gnädigen Herrn und Grossherzog, Ihm gelte das erste Lebenszeichen unserer hiermit eröffneten Versammlung, Ihm der frohe, tief empfundene Ruf: „Er lebe hoch“!!! 3 Diese Worte wurden von der Versammlung freu- digst aufgefasst und mit lautem Jubel erwiedert. Darnach betrat der zweite Geschäftsführer, Me- dieinalrath Dr. Volz, die Rednerbühne und verlas die Statuten der Gesellschaft. Sie lauten: Statuten der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte. $. 1. Eine Anzahl deutscher Naturforscher und Aerzte ist am 18. September 1822 in Leipzig zu einer Gesell- schaft zusammen getreten, welche den Namen führt: „Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte.“ $. 2. Der Hauptzweck der Gesellschaft ist, den Na- turforschern und Aerzten Deutschlands Gelegenheit zu verschaffen, sich persönlich kennen zu lernen. $. 3. Als Mitglied wird jeder Schriftsteller im natur- wissenschaftlichen und ärztlichen Fache betrachtet. $. 4. Wer nur eine Inaugural - Dissertation verfasst hat, kann nicht als Schriftsteller angesehen werden. $. 5. Eine besondere Ernennung zum Mitgliede findet nicht Statt, und Diplome werden nicht ertheilt. $. 6. Beitritt haben Alle, die sich wissenschaftlich mit Naturkunde oder Mediein beschäftigen. $. 7. Stimmrecht besitzen ausschliesslich die bei den Versammlungen gegenwärtigen Mitglieder. $. 8. Alles wird durch Stimmenmehrheit entschieden. $. 9. Die Versammlungen finden jährlich, und zwar bei offenen Thüren Statt, fangen jedesmal mit dem 18. September an, und dauern mehrere Tage. $. 10. Der Versammlungsort wechselt. Bei jeder Zusammenkunft wird derselbe für das nächste Jahr vor- läufig bestimmt. $. 11. Ein Geschäftsführer und ein Secretär, welche im Orte der Versammlung wohnhaft sein müssen, über- nehmen die Geschäfte bis zur nächsten Versammlung. $. 12. Der Geschäftsführer bestimmt Ort und Stunde der Versammlung, und ordnet die Arbeiten, wesshalb jeder, der etwas vorzutragen hat, es demselben anzeigt. $. 13. Der Secretär besorgt das Protokoll, die Rech- nungen und den Briefwechsel. $. 14. Beide Beamte unterzeichnen allein im Namen der Gesellschaft. $. 15. Sie setzen erforderlichenfalls, und zwar zeitig genug, die betreffenden Behörden von der zunächst be- vorstehenden Versammlung in Kenntniss, und machen sodann den dazu bestimmten Ort öffentlich bekannt. $. 16. In jeder Versammlung werden die Beamten für das nächste Jahr gewählt. Wird die Wahl nicht angenommen, so schreiten die Beamten zu einer andern; auch wählen sie nötligenfalls einen andern Versamm- lungsort. $. 17. Sollte die Gesellschaft einen der Beamten verlieren, so wird dem übrigbleibenden die Ersetzung überlassen. Sollte sie beide verlieren, so treten die Beamten des folgenden Jahres ein. $. 18. Die Gesellschaft legt keine Sammlungen an, und besitzt, ihr Archiv ausgenommen, kein Eigenthum. Wer etwas vorlegt, nimmt es auch wieder zurück. $. 19. Die vielleicht statthabenden geringen Aus- lagen werden durch Beiträge der anwesenden Mitglie- der gedeckt. $. 20. In den ersten fünf Versammlungen darf nichts an diesen Statuten geändert werden. Hierauf fuhr derselbe Redner fort: Hochgeehrte Versammlung ! Nachdem ich der üblichen Verpflichtung genügt und der Versammlung die Statuten in das Gedächtniss ge- rufen, wie sie, von ihrem Gründer Oken festgestellt, sich seit 36 Jahren in ihrer bündigen Einfachheit unver- ändert erhalten haben, nehme ich durch meine Stellung, welche die vorjährige Versammlung in Bonn mir ange- wiesen hat, auch für mich die Vergünstigung in An- spruch, Sie herzlich zu begrüssen und bei uns willkom- men zu heissen. Ich thue dies zumal im Namen und im Sinne der hiesigen Aerzte, welche stolz sind, einer so reichen Zahl von hochansehnlichen Collegen sich an- reihen zu können. Wir Aerzte dürfen uns schon durch unsern Beruf als Theilnehmer der Versammlung betrachten: sie ist ja eine Versammlung der Naturforscher und Aerzte. Doch dieses „und“, welches uns neben den Naturforschern einen Platz einräumt, könnte auch als ein demüthigender Zusatz für uns aufgenommen werden, der uns die erste Eigenschaft, die eines Naturforschers streitig machte. 13 Und freilich, wenn wir uns zurückversetzen in die Zeit der Gründung unserer Versammlungen, in die Zwanziger Jahre, so hätten wir uns vielleicht mit eben so viel oder mit mehr Recht zu einer Versammlung mit den Philosophen vereinigen können: während diese das Weltall aus sich erschlossen, hätten wir den mensch- lichen Organismus, ohne Beihilfe der nur für leblose Kör- per gültigen Naturgesetze zu construiren unternommen, Aber Oken vereinigte uns mit den Naturforschern, und, wir dürfen es wohl gestehen, er that es, nicht weil wir damals mit Recht dazu gehörten, damals als die Naturwissenschaft nur die Nebenfächer für die Me- diem lieferte, als die Botanik nur für pharmaceutische Waarenkunde gelehrt wurde, als Blumenbach erst anfieng, eine vergleichende Anatomie zu schaffen, als die Chemie nur den Apotheken zugewiesen war, und eine Physik wohl für die Gesetze der Schwere, wohl für Licht und Wärme, aber nicht für den menschlichen Körper zu gelten schien; sondern er that es in der rich- tigen Voraussetzung, wir dürfen sagen, in einer höhern Ahnung, nicht wie'es war, nein, wie es sein sollte, in der Ueberzeugung, dass nur die Naturwissenschaft der Bo- den sein könne für die Mediein, dass die Aerzte den Naturforschern zugehörten. Die Aerzte, welche die letzten 30 Jahre der Wissen- schaft gefolgt sind, haben viel medieinische Geschichte erlebt. Denn die Mediein hat in dieser kurzen Zeit eine Wandlung erfahren, wie sie 2000 Jahre nicht zu Stande gebracht hatten. So interessant dies für uns und die Aerzte unseres Alters gewesen, die wir es erlebten, so hat es doch auch seine schwere Seite für uns gehabt. Denn nachdem wir unsere Studien auf der Universität be- schlossen hatten und rite promoti nach Hause kamen, um dort den Schatz unseres Wissens zu verwerthen, war indess unvermerkt Alles anders geworden. Die kunst- voll gebauten Systeme brachen zusammen, die geist- reichsten Erklärungen hatten keine Geltung mehr, unser Wissen war nur ein Glaube gewesen, und nun „war er dahin der süsse Glaube an Wesen, die der Traum ge- bar“, und wir mussten wieder von vorn anfangen, und zweierlei lernen, einmal zu wissen, und dann zu ver- gessen, eine Fertigkeit, die oft schwerer zu erlangen ist, als die erste. Nicht durch Erfindungen und Entdeckungen hat die Mediein diese Umwandlung erfahren, wie Sie wissen, sondern durch das Erkennen ihrer wahren Grundlage und durch die geänderte Methode ihrer Forschung. Wenn wir dies auch sicher als einen Triumph verkün- den dürfen, so hat diese Einsicht, wie das Erkennen anderer Wahrheiten als erste augenblickliche Folge eine Verarmung, eine Entwerthung des bisherigen Besitzes, für den Einzelnen sowohl wie für die gesammte Wissen- schaft der Mediein bewirkt. Die Erfahrungen hatten wir noch, aber der Faden war zerschnitteu, der sie mit der Wissenschaft verknüpft hatte, und diese Lücke füllte der Zweifel aus, der selbst an die Erfahrung herandrang. Der Gewinn aber, der zur höchsten Freude anregen darf, besteht für uns noch nicht im Besitze, er besteht nur in der wahren Erkenntniss, dass der Weg gefunden 14 ist, der zum Besitze führen muss, und, verfolgt mit der Ausdauer des deutschen Fleisses, auch führen wird. So begann die Mediein unserer Tage ihre Laufbahn mit dem vermessenen Unternehmen des Fliegens, und ist wie Ikarus mit geschmolzenen Flügeln zur Erde herabgestürzt. Aber als sie diese berührte, als sie den Boden unter ihren Füssen gespürt, da hat sie wieder wie einst der Riese Anteus die Kraft gewonnen, die in ihrer mütterlichen Erde ruht. Seitdem hat sich die Me- diein ermannt; sie hat die Stummeln der wächsernen Flügel weggeworfen, sie hat sich auf den Boden der Natur gestellt, und seitdem wir auf diesem Boden der Thatsachen stehen, seitdem wir keine andern Gesetze haben wollen als die allgemeinen Naturgesetze, als un- sere Mutter Erde mit all’ ihren Geschöpfen, seitdem wir diese zu erforschen suchen, seitdem uns nüchterne Wahrheiten in trockenen Zahlen ausgedrückt mehr gelten als sublime Ideen, seitdem sind wir Naturforscher ge- worden, seitdem gehören wir dieser Versammlung mit Recht an. Aber damit sind nicht alle Leute zufrieden und auch wir Aerzte könnten nicht damit zufrieden sein, mit einer Hoffnung, der leidenden Menschheit unsere Schuld der- einst durch unsere Kindeskinder abtragen zu lassen, mit einem Wechsel auf so lange Sicht, den jede kommende Generation mit nur langsam erstarkendem Credite immer wieder prolongiren liesse. Denn wir sind uns bewusst und wollen nie vergessen, dass das erste und letzte Ziel der Mediein die Heilung der Krankheiten ist. Unsere Wissenschaft hat und hatte von jeher zwei Wege der Forschung: der eine, um es kurz auszu- drücken, sucht aus Beobachtungen Schlüsse zu ziehen, der andere sucht durch das Experiment nach Gesetzen. Der erste ist der ältere, er hat uns unsere ganze Heil- kunde geschaffen von Hippokrates bis Hufeland; der andere, der neuere, den uns die Physik eines Keppler und Newton gelehrt, der schwierigere, der sicherere, aber der langsamere. Obgleich wir ihn als den richtigen erkennen werden, obgleich es der Weg ist, welcher die Mediein erst zur Wissenschaft erhebt, so können wir doch den ersten nicht entbehren, und werden ihn voraus- sichtlich nie entbehren können. Zwar, sollte man denken, ist der Wissenschaft das Grösste gelungen, den Weltenlauf mit der bewunderungs- würdigsten Genauigkeit zu bemessen und zu berechnen, so mag die Aufgabe, den winzigen menschlichen Orga- nismus zu ergründen, klein dagegen erscheinen. Die Schwierigkeit liegt aber nicht in dem Umfange des Ob- jeets, sondern in der Mannigfaltigkeit der Kräfte, und in der gleichzeitigen Aufgabe, welche uns die Heilkunde stell. Dort setzten die Sterne ruhig ihre Bahnen fort, ob der Astronom auf seinem Observatorium sich ver- rechnete und versah, in der Mediein aber will der Kranke nicht warten, bis das Gesetz gefunden ist, und will dem Arzte seine Genesung danken, wenn er sie auch nicht auf exact wissenschaftlichem Wege erlangen sollte. Dürfte es uns aber Wunder nehmen, wenn über der Freude, den Weg der Wissenschaft gefunden zu haben, der Weg der Erfahrung weniger betreten würde, in einer Zeit, wo diese Richtung noch so neu, wo ihre Ausbeute so viel versprechend, wo die jungen Kräfte dazu so nöthig sind? Dennoch ist aber die Heilkunde auch unserer Tage dabei nicht leer ausgegangen, und hat Erfolge aufzu- weisen, welche desto umfangreicher sind, weil sie nieht auf einzelne Krankheiten beschränkt geblieben, sondern durch Aenderung von Grundsätzen gewirkt haben. Die nächste Folge der naturgemässern Betrachtung des Or- ganismus war die Einsetzung einer naturgemässern Heil- methode, welche den Muth hat, Krankheiten ungestört zu beobachten, welche mit der Kenntniss des naturge- mässen Verlaufes derselben sich der Möglichkeit und der Grenzen ihrer eigenen Wirkung bewusst geworden ist, welche der Natur die erste Berechtigung zuerkennt vor dem Arzneimittel. Aus denselben Anschauungen entsprungen nimmt die neuere Chirurgie einen andern Charakter an; denn wenn sie auch an Kühnheit, mit Feuer und Eisen zu wir- ken, nichts eingebüsst, so sucht sie doch den grösseren Ruhm darin, ihre Operationen weniger der Zerstörung als der Erhaltung zu widmen. Und dass neben den wis- senschaftlichen Erforschungen des Kreislaufes, der Auf- saugung, der Athmung auch die glücklichen Funde nicht gehemmt werden, zeigt uns die wohlthätigste Erfindung der neuen Mediein, welche den Schmerz zu bändigen gelehrt und selbst sich erkühnt, dem Weibe sein zuge- schiedenes Stück unseres menschlichen Erbtheils abzu- nehmen. Meine Herrn! Wenn selbst die Naturwissenschaft bekennt, dass sie erst in der Kindheit ihrer Forschung stehe, so dürfen auch wir uns nicht schämen, uns diesem Geständnisse anzuschliessen. Liegt aber auch das wei- teste Feld noch ohne Früchte, selbst manches noch un- eingesäet vor uns, so ist uns doch unsere Aufgabe klar geworden, so ist doch der Weg erkannt, auf dem sie zu erreichen ist. Es ist der Weg, der auf Gesetze baut, der Weg, welcher die Wirkungen der elektrischen und magnetischen Kräfte auf ein allgemeines Mass zurück- führt, welcher die Bahn des Lichtes bestimmt und die Grösse seiner Wellen auf Millionstel eines Millimeters misst. Aber um zu solchen Resultaten zu gelangen, musste der Physiker Eigenschaft für Eigenschaft eines Körpers, einer Erscheinung beobachten, prüfen, ver- gleichen, durch Versuche hervorrufen, messen, wägen, um endlich das gemeinsame Gesetz zu finden, dem seine Aeusserungen gehorchen. An dieser Aufgabe stehen wir, und der Mediein unserer Tage fällt der bescheidenere erste Theil der- selben zu, wir müssen beobachten, wägen und prüfen. Zum Abschlusse aber, zu dem es den Forscher drängt, reicht unsere Zeit noch nicht hin. Dies wird die Auf- gabe unserer Nachkommen sein. Unsere medieinische Forschung ist noch die der Thatsachen, die unserer Söhne soll die der Ursachen, der Gesetze sein: so wird die Wissenschaft heranreifen vom Object zum Prozess, vom Körper zur Bewegung, von der Physik zur Phy- siologie. Dann aber sollen sich ihre Jünger stets erin- nern, dass das letzte Ziel der Mediein die Heilkunde ist. EN Nachdem der Oberbürgermeister der Residenz, Herr Malsch, die Versammlung im Namen der Stadt bewillkommt hatte, erwähnte der erste Ge- schäftsführer eine Reihe von Entschuldigungen Sol- cher, welche von der Theilnahme an der Versamm- lung abgehalten waren, darunter Alexander von Humboldt, dessen Schreiben vorgelesen wurde: Verzeihen Sie gewogentlichst, verehrter Herr Hof: rath, wenn in dieser vielbewegten Zeit ') ich nur in we- nigen Zeilen Ihnen den Ausdruck meines wärmsten Dan- kes für Ihre so überaus freundliche Erinnerung darbringe. Ich würde mich glücklich schätzen Ihre und Ihres Herrn Vorstandscollegen, des Grossherzoglichen Medi- einalraths V olz, so gastliche Einladung in Ihr schönes, durch Natur und wissenschaftliche Fortschritte so ver- herrlichtes Land am 16. September annehmen zu können, wenn nicht schon seit vielen Jahren mein hohes Alter und meine hinschwindenden Kräfte mich gehindert hät- ten, eine Versammlung zu besuchen, der ich einmal ?) selbst habe die Ehre gehabt zu präsidiren und die als ein schwaches Lichtbild der mythischen Einheit des deut- schen Vaterlandes übrig geblieben ist. Ihr herrlicher Grossherzog hat gleich bei seiner An- kunft mich mit seiner so anmuthigen als geistreichen Gemahlin, der Frau Grossherzogin, mit einem Besuche auf die humanste Weise beglückt, um einem der ältesten Urgreise unter den Gelehrten Deutschlands eine Freude zu bereiten und vielfache Bestrebungen freien Forschens als Errungenes nachsichtsvoll zu deuten. Mit der innigsten Hochachtung und freundschaftlich- sten Ergebenheit Euer Wohlgeboren Berlin, den 29. April 1858. gehorsamster A.v. Humboldt. Die Versammlung beschloss hierauf, Humboldt in einer telegraphischen Depesche zu begrüssen, die sogleich während der Sitzung abgesendet wurde mit den Worten: Die XXXIV. Versammlung der deutschen Natur- forscher und Aerzte, eingedenk der unsterblichen Ver- dienste des grössten und ruhmwürdigsten unter den jetzt lebenden Forschern, ruft Ihm beim Antritt Seines zehn- ten Decenniums zu: HeilDir und Deinem geistes- frischen Streben und Wirken! Der Tagesordnung gemäss hält nun Herr Geh. Hofrath Dr. Baumgärtner von Freiburg einen Vortrag: Anmerkungen von W. Eisenlohr: !) Am 29. April war nämlich in Berlin die Procura-Ver- mählung der Prinzessin Stephanie von Hohenzollern mit König Don Pedro V. von Portugal. ” 2) Es war zu Berlin bei der 7. Versammlung im Jahre 1828. 15 Ueber die Bedeutung des Menschengeschlechtes in den Werken der Schöpfung. Der Gegenstand, über welchen ich sprechen werde, ist die Bedeutuug desMenschengeschlechtes oder dieMenschheit in ihrem Stellenwerthe inden Werken der Schöpfung. Wenn wir von dem Standpunkte des Naturforschers aus die Schöpfungswerke betrachten, müssen wir immer dahin streben, so weit als möglich den Zusammenhang der Erscheinungen und das Wirkende zu ergründen, und ein Versuch der Art in Beziehung auf die Stellung des Menschengeschlechtes in der Natur ist gewiss eine nicht von der Hand zu weisende Aufgabe der Wissenschaft. — Da es dem Denkenden nicht entgehen kann, dass in der Anordnung des Ganzen und in den Einzeltheilen überall Planmässigkeit herrsche, so sollten wir allerdings auch den letzten Grund dieser Ordnung zu erreichen suchen; hier aber ist unserm Erkenntnissvermögen eine bestimmte Grenze gesetzt, und wir sind desshalb genöthiget, un- sere Forschungen auf nähere Ziele zu beschränken. — Lassen Sie es uns versuchen, wie weit wir mit Hilfe der Physiologie und auf einige paläolontische That- sachen gestüzt vorzudringen vermögen. Ich halte es für zweckmässig, sogleich das Haupt- Ergebniss meiner Untersuchungen mitzutheilen und thue dieses mit folgenden Worten: Das Leben des Menschengeschlechtes ist eine Periode und ist eine Linie in gros- sen noch nicht geschlossenen Entwicklungs- Strömungen. Die Paläontologie lässt über folgende Annahmen wohl keinen Zweifel übrig: die Erde ist nicht sogleich in ihrer jetzigen Gestalt und mit den jetzt auf ihr leben- den Wesen geschaffen worden, sondern sie bildete sich allmälig. Früher vielleicht noch Nebelmaterie war sie sodann eine glühende Kugel. Sie kühlte sich auf ihrer Oberfläche ab, wozu sie eine sehr lange ‘Zeit bedurfte (nach Bischoffs Berechnungen ungefähr 353 Millionen Jahre) und nunmehr, wohnbar geworden, durchlief sie eine Reihe von Umwandlungen, bei welchen stets eine neue Welt von organischen Körpern auf ihrer Ober- fläche emporwuchs, und zwar zeigten sich neben dem wiederholten Auftreten niederer Pflanzen und Thiere zugleich immer höher organisirte Geschöpfe, bis endlich der letzte grosse Act eintrat, in welchem der Mensch erschien. Wahrscheinlich begen die Erstlinge der Pflanzen- und der Thierwelt in dem Urthonschiefer begraben, wel- cher zwar keine Versteinerungen aber viel Kohle ent- hält, was auf den Untergang ganz weicher Pflanzen und Thiere, Fucoide und Phytozoa, hinweiset. — Die si- lurische Periode kann man das Zeitalter der wirbellosen Thiere nennen. Es kommen zwar (nach Bronn) vier Sippen von Fischen vor; dieselben fehlen aber in den untern Silurschichten ganz, und in der grossen Masse der Sippen und Arten treten die Fische erst in den fol- genden Perioden auf. Die spätern Abschnitte der pa- läolithischen Zeit zeigen zusammengenommen 131 Sippen 16 und 447 Arten von Fischen. — Von Reptilien findet man die ersten Reste erst in der Steinkohlenformation und die Hauptzeit dieser Thiere fällt in die Oolithperiode, von welcher 57 Sippen und 140 Arten bekannt sind, und sodann in die Cänolithperiode, in welcher 59 Sippen und 235 Arten derselben vorkommen. — Die Schöpfungs- zeit der höchstentwickelten Wirbelthiere endlich, der Vögel und der Säugethiere, sind die der Jetzzeit unmit- telbar vorhergegangenen Schöpfungsperioden, indem, ei- nige Vorläufer abgerechnet, die früheren Stockwerke der Erde keine Versteinerungen dieser Thiere enthalten, während die Cänolithperiode im Ganzen 60 Sippen und 140 Arten von Vögel und 292 Sippen und 893 Arten Säugethiere nachweist. Schon dieses allmälige Fortschreiten zum Höheren gibt der Vermuthung einige Berechtigung, dass auch wirkliche Entwickelungen stattgefunden haben; einen vollständigen Beweis gewährt dasselbe aber noch nicht. Hierzu ist die Nachweisung nothwendig, dass das Nie- dere dem Höheren zur Grundlage gedient habe. — Diesen Gang befolgte allerdings die Natur! — Wenn wir auch für die Schöpfungsperioden die Geltung der Naturgesetze annehmen, stellt sich zunächst die Frage, ob nach denselben die Thiere, und nament- lich die höheren Thiere, geradezu in ihrer Vollendung aus den Elementen zusammengesetzt werden konnten, oder ob Entwickelungen angenommen werden müssen. Auf diesem Wege der Untersuchung wird es nothwendig, das alte Pythagoräische Räthsel zur Lösung zu bringen: War das Hühnerei früher oder die Henne? Man sollte glauben, das Hühnerei sei zuerst ge- bildet gewesen, denn das Hühnchen schlüpft ja aus dem Eie! — Dem ist aber nicht so! — Kein Zahn, kein Glied, kein Auge und überhaupt kein Organ bildet sich, ohne in der Anlage eines grösseren Ganzen einen Theil darzustellen, und also auch nicht der Eierstock und die Eichen, welche Theile dieses Organes sind. Und eben- sowenig können die Spermatozoen (welche doch zur Anregung der Entwiekelung nothwendig sind), ohne das Vorhandensein eines männlichen Körpers entstehen. Ausserdem ist nicht denkbar, dass das Vogelei in der zu seiner Entwiekelung nothwendigen Unterlage die Ma- terialien zu seiner Entstehung finden konnte, z. B. das Straussenei in der Sandwüste der Sahara, und dass die dem Eie entschlüpfte Brut ohne die Pflege der Eltern sogleich existiren konnte. Gewiss, Henne und Hahn waren vorhanden, bevor es das erste Hühnerei gab! Somit sollte man glauben, die Henne (und über- haupt die Thiere) seien unmittelbar aus den Elementen geformt worden. — Dem ist wiederum nicht so! Um diesen Vorgang annehmen zu können, müssten wir uns vorstellen, dass irgend ein stossgebendes Mo- ment, z. B. elektrische Ströme, auf die sich vorfinden- den Atome von Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Was- serstoff und die Andern oder auf die vorhandene Koh- lensäure, Ammoniak und Wasser in der Weise gewirkt habe, dass aus ihnen an dieser Stelle etwa eine Henne und ein Hahn, dort ein Löwenpaar und hier ein Schlan- genpaar sich gebildet hätten. Abgesehen nun davon, dass diese Vorstellung doch jedem, an physiologische Anschauungen Gewöhnten als etwas Abenteuerliches erscheinen müsste, bemerke ich nur gegen sie, dass jedenfalls diesen äussern Potenzen nicht eine grössere Wirkung zugeschrieben werden dürfe, als die organi- sirende Kräfte in dem vollendeten organischen Körper selbst besitzen. Jedem Physiologen ist es aber bekannt, dass der thierische Organismus es nicht vermag, un- mittelbar aus den Elementen die organischen Substanzen zusammen zu setzen, und dass das fleischfressende Thier nicht einmal aus dem Pflanzenreiche die nöthigen Stoffe an sich ziehen kann, sondern dass es hierzu der Ver- mittlung der Grasfresser bedürftig ist. — Diese Erfah- rung schliesst auch den Gedanken aus, dass das Fort- schreiten vom Niederen zum Höheren lediglich in einer Steigerung der schaffenden Kräfte der Natur zu suchen sei, so dass ihnen die Zeugung der höheren Thiere un- mittelbar aus den Elementen zuletzt möglich geworden wäre. Wollen wir dem Gange der Natur von Schritt zu Sehritt nachfolgen, so müssen wir wohl vorerst zu er- forschen suchen, in welchem ursächlichen Zusammen- hange die Entstehung der Pflanze, die des Grasfressers und die des Raubthieres gestanden haben mochten. Der erste Gedanke ist wohl der, dass das Pflanzen fressende Thier aus Substanzen aus dem Pflanzenreiche entstanden sei, die vielleicht da und dort angehäuft wa- ren und über welche jetzt organisirende Strömungen hingingen. — Dieser Annahme widerspricht der Um- stand, dass in dem Pflanzenreiche die etwa verwendbaren organischen Substanzen in andern Mengenverhältnissen mit einander verbunden sind, als in dem Thierreiche, und dass auch überall eine solche Menge unbrauchbarer Substanzen, namentlich die Cellulose, zwischeninne liegt, dass eine Umwandlung dieser Stoffe zu einem Thiere, selbst nur von geringer Grösse, durchaus nicht zu den- ken ist. — Einem andern Gedanken, der Idee nämlich, dass Pflanzen sich zu Thieren metamorphosirt hätten, steht dieselbe Einwendung entgegen, abgesehen davon, dass eine solche Verwandlung wegen der grossen Ver- schiedenheit in der Form zwischen Pflanzen und Thier in Beziehung auf die höheren Pflanzen eine reine Un- möglichkeit wäre. Bei dieser Sachlage ist nur die Annahme zulässig, dass, wenn die Thiere sich aus pflanzlichen Stoffen ge- bildet haben, sie sich nur aus kleinen Anfängen, aus Keimen, entwickeln konnten. Wo aber lag das Material hierzu? — Dass dieses frei liegende, aus den Pflanzen ausgetretene Stoffe ge- wesen sein sollen, wird aus dem Grunde unwahrschein- lich, weil derartige, nicht unter dem Schutze des Lebens stehende, Substanzen unter den obwaltenden Umständen, bei der Wirkung so grosser Wärme und Feuchtigkeit, nur allzu sehr den zersetzenden chemischen Processen ausgesetzt gewesen wären, so dass leicht die ganze Keimmasse der Thierwelt alsbaldige Zernichtung ge- troffen hätte. — Nicht wohl konnten es aber Substanzen sein, welehe noch unter der Einwirkung des pflanzlichen Lebens stunden, etwa einzelne Punkte in der Pflanze, welche sich zu Thierkeimen metamorphosirt hätten, denn es hält schwer, anzunehmen, dass die bewegenden Mo- mente, welche einen bestimmten Typus festsetzten, nach vollendeter Durchführung desselben, plötzlich nach einem neuen Principe gewirkt hätten. Wenn wir nach diesen Betrachtungen die Annahme verwerfen müssen, dass die Thiere unmittelbar aus den Elementen geschaffen worden seien, und uns auch nicht dafür erklären können, dass dieselben aus frei liegen- den organischen Substanzen oder durch eine Metamor- phose der Pflanze zum Thiere entstanden seien, so bleibt nur noch ein Gedanke übrig, der aber, da die übrigen sämmtlich unhaltbar sind, der richtige zu sein scheint: dass die ersten Thier- und die ersten Pflanzenkeime, also die Keime der niedersten Organisationen beider Reiche (in welchen sie sich ohnehin noch so nahe stehen, dass sie oft nicht mit Hilfe des Mikroskopes unterschie- den werden können), aus gemeinschaftlichen Mutterzellen hervorgegangen seien. — Wir sehen ja auch an den ge- wöhnlichen Bildungszellen häufig, dass aus ihren Einzel- theilen, dem Kern, dem Kernkörperchen, Zelleninhalt und Zellenwandung vielfache, oft sehr heterogene Theile werden. Nach dieser Annahme mussten, unter den organi- sirenden Einflüssen, die Elemente sich zu Körpern ver- einigt haben, welche aus organischen Substanzen be- standen, aber in dem Momente ihrer Entstehung weder Pflanze noch Thier waren (Bildungskugeln), und in welchen nun, wie in jeder Pflanzen- und Thier - Bil- dungskugel und Zelle, Differenzirungen eintraten, so zwar, Jass sich das Entstehende in die zwei Richtungen des organischen Lebens, die pflanzliche und die animale, spaltete (Entstehung der Mutterzellen des Pflanzen - und Thierreiches). — Hiernach war die Pflanzenwelt, bei- nahe wörtlich genommen, das Visceralblatt des Thier- reiches. — Nach vollendeter Reife dieser Mutterzellen mussten sich die Einzeltheile derselben von einander ge- trennt und ein individuelles Leben fortgesetzt haben, welches aber, wie im Gesammtorganismus, in mehr oder weniger Beziehung zu dem der übrigen Theile blieb. Das aus diesen Bildungszellen Hervorgegangene konnte schon sehr mannigfaltig sein; es ist aber doch nicht wahrscheinlich, dass die Keime der fleischfressenden Thiere die Keimmasse der Pflanzenwelt zu ihrer Unter- lage hatten, und Vieles spricht auch dagegen (abgesehen von den paläolontologischen Nachweisungen hierüber), dass die organisirenden Momente aus der unvorbereite- ten Materie sogleich das Höchste hervorbringen konnten (wie ja auch jede Befruchtung eine entsprechende Or- ganisation des Eies voraussetzt). Die Fleischfresser ent- wickelten sich vielmehr ohne Zweifel aus Keimen, welche aus dem Thierreiche stammten, und die höher organi- sirten Thiere überhaupt aus solchen, welche schon die Anlage einer höheren Organisation in sich trugen. — Hier ist aber recht wohl einzusehen, wie durch die or- ganisirenden Bewegungen in dem Eie eines Thieres eine Vermehrung der Keimspaltungen bewirkt werden konnte, und wie hierdurch eine höhere Organisation entstehen musste. 17 Stellen wir uns den Vorgang nach der von mir auf- gestellten und, wie ich glaube, wohl begründeten Theorie der Embryonalanlage durch Keimspaltungen vor, so ent- steht vor uns folgendes Bild des Fortschrittes der Ent- wickelung (ein Generationswechsel) im Thierreiche: Abgesehen von einer stärkeren Entwickelung der centrischen Spaltung, die leicht zu einer strahligen Bil- dung führte, konnte den Keim des einfachen Zellen- thieres, durch die äussern Momente oder auch durch innere Anlage eine Polarisation in der Längenaxe treffen. Hieraus mussten Thiere mit einer oder mehreren Quer- spaltungen entstehen. — Entwickelten sich Polarisirungen in der Queraxe, so erhielt das Thier eine Meridianlinie und symmetrische Körperhälften. — Polarisirte sich end- lich die Axe der Tiefe, so musste eine horizontal gehende Abtheilung entstehen, und es bildete sich hierdurch in den Thieren eine obere und eine untere Körperkammer. Es wurden die Centraltheile des Nervensystems, der denkende Theil des Thieres, von dem vegetativen Blatte getrennt und in eine eigene Hülse eingeschlossen. Die Wirbelthiere oder Doppelkammerthiere entstanden. Mag nun auch in dieser Erklärung des Vorganges Irrthümliches liegen, so ist doch dieser selbst nicht wohl mehr zu bezweifeln. In der That, wenn wir nur fest im Auge behalten, was die Paläontologie uns mit Sicher- heit lehrt, dass die Erde und die organischen Reiche auf ihr nicht mit einem Male geschaffen wurden, und wenn wir annehmen, dass die Naturgesetze (welche das Wunderhafte ausschliessen) nicht erst nach der Erschaf- fung der Erde dem Weltalle gegeben wurden, so bleibt uns keine Wahl, als wirkliche Entwickelungen anzu- nehmen. Meine Meinung geht aber nicht dahin, dass diese Umwandlungen ganz allein durch die Kraft des Keimes geschehen sind, wenn auch die Anlage zu dessen Ent- faltung sogleich bei seiner Bildung in ihn gelegt wurde; denn diese Ereignisse fielen ja stets in bestimmte Perio- den, in welchen immer auch Neubildungen niederer Thiere und Pflanzen vorkamen, und in welchen die Erde selbst auch ihre Gestalt veränderte, was darthut. dass die Wirkung der bewegenden und organisirenden Kräfte sich nicht auf die vorhandenen Keime des Pflanzen- und Thierreiches begrenzte, sondern den ganzen Planeten erfasste. — Vielleicht änderte die Erde ihre Stellung zur Sonne und vielleicht auch trat unser Sonnensystem in einen neuen Weltraum ein. Wenn wir nach dieser Darlegung Entwicklungs- strömungen annehmen müssen, so erscheint von selbst das Auftreten des Menschengeschlechtes als der Aus- druck einer Periode von ihnen. — Wie kurz aber bis jetzt die Dauer derselben war, gegenüber den langen Zeiträumen, welche der Erschaffung des Menschen voran- giengen, lässt sich schon daraus entnehmen, dass es, nach Arago’s Berechnungen Gruppen von Weltkör- pern gibt, welche eine Million und 20,000 Jahre Lichtzeit von uns entfernt sind, und die wir also jetzt erblicken, wie sie vor diesen vielen Jahren schon gewesen sind, und dass die Erde eine so sehr lange Zeit zu ihrer Ab- kühlung bedurfte, und welche Zeiträume giengen vorüber, 3 18 bis die Erde aus der Nebelmaterie eine glühende Kugel geworden ist und wie viele, viele Tausend Jahre, bis die Reihe der Schöpfungsperioden abgelaufen war, welche die Paläontologie nachweiset! Ich habe aber auch gesagt, das Leben des Men- schengeschlechtes ist eine Linie in grossen Entwick- lungsströmungen. Genauer ausgedrückt verstehe ich hierunter eine zusammengesetzte Bahn, gleichsam einen Bündel von Linien, an deren Endigungen die Menschen- Racen und die Nationen sich befinden; ich betrachte aber hier die Menschheit als ein Ganzes, und werde zu beweisen suchen, dass ausser den Entwickelungen, wel- chen sie angehört, es noch andere, ähnliche Strömungen in den Welträumen geben müsse. Schon die grosse Menge von Himmelskörpern, die wir ja noch in Fernen von mehr als einer Million Jahre Lichtzeit erblieken, drängt uns die Vermuthung auf, dass die Entwickelungen und das geistige Leben in der Natur nicht blos auf diesen kleinen Punkt im Universum, die Erde, beschränkt sein können, und dass diese Massen von Sternen nicht blos todte Ballen sein mögen, etwa wie Billardkugeln, durch einen starken Stoss in den Weltraum geschleudert. — Diesen teleologischen Ge- danken müssen wir jedoch noch keinesweges als einen vollgültigen Beweis anerkennen, und wir sind ja viel- leicht gewöhnt, die Himmelskörper als nur für uns am Firmamente angezündete Leuchten zu betrachten. — Wir besitzen aber noch andere Gründe! Wenn alle Erscheinungen in der Natur unter den Naturgesetzen stehen, so kann gewiss nicht ein Welt- körper sich bilden und gewisse Umwandlungen durch- laufen, z. B. etwa eine Aenderung in der Axenstellung annehmen, ohne dass die benachbarten Himmelskörper, und vielleicht auch Weltsysteme, ihren Einfluss ausüben, wie ja auch keine einzige Zelle ganz allein durch eigene Kraft, sondern immer unter der Einwirkung einer Mut- terzelle und benachbarter Zellenschichten und des Kör- pers im Ganzen sich bildet und entwickelt. Tritt nun bei derartigen Bewegungen in den bisher todtliegenden Elementen geistiges Leben hervor und erheben sich die schon organisirten Körper, in welchen sich geistige Kräfte zeigten, zu grösserer Vollkommenheit, so er- scheint das geistige Leben auf dem einzelnen Punkte doch jedenfalls als in Abhängigkeit stehend von den weiterhin wirkenden Kräften, woraus sich schliessen lässt, dass ähnliche Entwiekelungen auch in ferneren Räumen, soweit jene Bezirke reichen, die Folge solcher Bewegungen sein mögen. Hierzu kommt, dass wir der- gleichen Entwickelungen gleichsam vor unsern Augen sehen. Wenn wir nämlich, wie es der geistreiche Arago schon unternommen hat, die verschiedenen, am Himmel sichtbaren Formen von auflöslichen und unauflöslichen Nebelflecken, kleineren Sternengruppen und einzelnen Sternen in einer gewissen Weise an einander gereiht uns vorstellen, so wird es uns leieht klar werden, dass wir verschiedene Entwiekelungsstufen von Weltsystemen und einzelnen Himmelskörpern erblicken. Es sind daher die Entwiekelungen unseres Planeten sicherlich keinen Sonderbestimmungen unterworfen, sondern folgen all- gemeiner geltenden Naturgesetzen, und das geistige Leben der Erde, der Mensch mit seinem die Erde und den Himmel umfassenden Gedanken, bildet nur einen kleinen Theil in dem geistigen Leben des Universums. Wenn ich endlich auch gesagt habe, das mensch- liche Leben ist eine Periode und eine Linie noch nicht geschlossener Entwicklungsströmungen, so geschah dieses aus folgenden Gründen. Der erste lag in der teleologischen Anschauung, dass es ganz undenkbar sei, eine so beharrlich fortgesetzte, wahrscheinlich durch Millionen Jahre und durch viele Schöpfungsperioden hindurchgehende Entwickelung nehme ein so schmäh- liches Ende, dass hierdurch doch zuletzt nur ein Ge- schlecht von Geschöpfen hervorgebracht worden sei, das keine andere Bestimmung habe, als in Kohlensäure, Ammoniak und Wasser zu zerfallen. — Zweitens: Wie gewiss Jeder von den Gravitationsgesetzen, auch ohne weitere Begründung annimmt, dass dasselbe nicht blos in der Vergangenheit gewirkt habe und im gegenwär- tigen Augenblicke wirke, sondern dass es auch weiter- hin seine Geltung behaupten werde, so dürfen wir voraussetzen, dass auch andere Naturgesetze, welche bisher ihre Wirkung kund thaten, nicht blos vorüber- gehende Bestimmungen sind. Dieses dürfen wir nament- lich auch für das, durch alle Schöpfungsperioden hin- durchgehende, Gesetz der Entwickelung so weit in An- spruch nehmen, dass wir uns der Ueberzeugung hin- geben dürfen, die Natur werde Mittel besitzen, das durch die bisherigen Entfaltungen Hervorgebrachte in den Hauptresultaten zu retten und irgendwie weiter zu führen. — Hierin liegt ein grosser Trost für die Mensch- heit. — Den dritten Grund endlich finden wir in den von mir schon erwähnten verschiedenartigen Gestaltun- gen der Nebelflecken, Sterngruppen und einzelnen Him- melskörper, welche Nichts anderes sein können, als in Entwickelung begriffene Weltsysteme und Weltkörper, so dass wir also Kundgebungen des noch fortdauernd wirkenden Naturgesetzes der Entwickelung wirklich wahrnehmen. Die Schöpfungstage sind demnach nicht vorüber und die Processe des Werdens und der Entwickelung dauern noch fort an vielen Stellen des Weltraumes, und, wie es scheint, auch in unserm Sonnensysteme! Blicken wir in dieses Leben in dem Weltalle, so wird unser Geist, manche Bedrängniss von sich abstrei- fend, zu hohen Gedanken sich zu erheben vermögen, mehr noch, als wenn wir nur in unbestimmterer Ahnung zu dem Glanze des Sternenhimmels emporblicken. — Sehr wichtig ist es für uns, dass mit dem Menschen das erste Geschöpf auf unsern Planeten auftritt, welches auch ohne Metamorphose in der Organisation einer be- deutenden Verediung und Entwickelung des geistigen Wesens fähig ist. Bleibt auch das letzte Ziel dieser wunderbaren Be- wegung noch mit Dunkel umhüllt, so ist es doch schon ein hoher Gewinn, wenn wir auf wissenschaftlichem Wege auch nur das Bestehen derselben zu erkennen vermögen. Den Naturwissenschaften wird es gelingen, die Schrift, welche Gottes Hand selbst an das Firma- ment und auf das Ganze der Natur geschrieben hat, mehr und mehr zu entziffern und in die Sprachen der Menschen zu übersetzen. — Nehmen Sie einstweilen diese Gabe an. Ich glaube, hochzuverehrende Zuhörer, dass Sie den von mir ausgesprochenen Satz „das Leben des Menschengeschlechtes ist eine Periode und ist eine Linie noch nicht geschlossener Entwicklungsströmun- gen“ in Ihrem Innern verwerthen können. Nach diesem sprach Herr Professor Dr. Erd- mann von Leipzig Ueber das Verhältniss der naturwissenschaftlichen Forschung zum religiösen Glauben. Die Naturwissenschaften sind in unserer Zeit eine Macht geworden. Neu ins Leben tretende Mächte aber finden stets ihre Gegner. So auch die Naturwissen- schaften. Stillstand, wo nicht Umkehr, möchten Einige ihnen gebieten; die Consequenzen ihrer Wahrheiten wer- den als gefahrdrohend geschildert. Es ist nicht meine Absicht, auf eine Abwehr der gegen die Naturforschung in diesem Sinne gerichteten Angriffe einzugehen. Wozu das auch in diesem Kreise?! Gefährlicher als unsre Feinde sind uns bisweilen unsere Freunde geworden. Es klang bedenklich, und es hat Viele beunruhigt, als ein ausgezeichneter Forscher die Erklärung gab, dass er sein wissenschaftliches und sein religiöses Leben ge- trennt halte und beide unabhängig von einander ab- laufen lasse. Steht es denn wirklich so, dass das religiöse und gemüthliche Bedürfniss des Menschen eine solche traurige Trennung fordert? Verkündigt denn nicht die Schöpfung ihren Schöpfer, und ist denn nicht gerade das Verständ- niss des Geistes in der Natur, welcher aus ihren ewigen Gesetzen spricht, das Ziel der Naturforschung? Und die Verfolgung dieses Zieles sollte unvereinhar sein mit einem innern Leben im Sinne ächter Religion? Wir würden der Frage auszuweichen suchen müssen, wenn der so anspruchsvoll auftretende Materialismus einer modernen Schule wirklich die nothwendige Consequenz der Naturforschung wäre. Er versichert, dass dem so sei; obwohl, mit sehr wenigen Ausnahmen, die ausge- zeichnetsten Forscher, die Männer der Wissenschaft namentlich, welche zugleich Forscher und schöpferische Denker sind, in den Reihen seiner Gegner stehen. Er versichert es, obwohl seine Lehren, in einer von ihrer heutigen nur wenig verschiedenen Gestalt, lange vor der Entwickelung unserer heutigen Naturwissenschaft aufgestellt worden sind. Unter diesen Umständen erscheint es als eine wür- dige, dem Zwecke unserer Versammlung nahe liegende Aufgabe, uns die Frage zur Prüfung vorzulegen: ob wirklich ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen Wissen und Glauben bestehe, und somit der Sieg des einen der Tod des andern sei? ob wirklich jene dem Menschen eingeborne Sehnsucht, welche ihn hindrängt nach einem Höheren über der Natur, hindrängt nach der Quelle des Lebens, nur eine Täuschung? ob wirklich das 19 gläubige Bewusstsein, welches uns erhebt und aufrecht erhält im Schwanken alles Irdischen, mit der fortschrei- tenden Erkenntniss der Natur unvereinbar? ob wirk- lich die heiligsten Güter des Herzens vor dem Lichte der Wissenschaft nicht mehr sind, als ein kindlicher Wahn? Hören wir die Stimmführer des Materialismus, so sind diese Fragen zweifellos entschieden. Aber die Ge- schichte der Wissenschaft lehrt, dass diejenigen ihrer Entwickelungsrichtungen nicht die glücklichsten waren, in denen man meinen konnte, mit den höchsten Auf- gaben der Wissenschaft fertig zu sein. Man glaubte, die Prineipien erfasst und festgestellt zu haben, aber die vermeinten Prineipien waren nur — Worte, und wäh- rend die Lösung der höchsten Fragen auf der Hand zu liegen schien, rückte sie, wie durch einen bösen Zauber, hinaus in unabsehbare Ferne! Auch heute wieder versichert man uns: „mit Leich- tigkeit“ sei die Entstehung der gesammten organischen Natur aus dem Wirken physikalischer und chemischer Kräfte zu erklären. Eines Schöpfers ewiger Weisheit bedarf es dabei nicht. Naturnothwendigkeit ist Alles. In der That, auch der Verstand hat seine Schwär- mereien, und indem er einen Aberglauben zu vernichten sucht, kann er in den Fall kommen, einen neuen selbst zu schaffen; indem er Gespenster verscheucht. kann es ihm begegnen, dass er ein leeres Wort als lebendige schaftende Kraft verehrt! Schroff stehen die Gegensätze einander gegenüber, und unsere Zeit wird nicht bestimmt sein, sie auszu- gleichen. Glücklich genug, wenn sie Beiträge liefert zur Erhellung der Grenzgebiete, in welchen und um welche gestritten wird. Hoffen wir dabei, dass der Streit um die höchsten Fragen, welche die Menschheit berühren, niemals den Boden der Wissenschaft verlasse, niemals in einer andern Weise geführt werde, als in einer der Würde des Gegenstandes angemessenen. Indem ich es versuchen will, einige Gedanken über das Verhältniss der naturwissenschaftlichen Forschung gegenüber den letzten und höchsten Dingen auszuspre- chen, gegenüber den Fragen über Sein und Werden, Schöpfung, Seele, Gott, gegenüber den Fragen der Religion, werde ich kein Argument benutzen, das einem andern Gebiete als dem der strengen Wissenschaft selbst angehört. Schwerlich wird es mir dabei gelingen, Neues zu sagen; aber besser als nach Neuem zu suchen ist es oft, das Bekannte in solchem Zusammenhange vor die Seele zu führen, dass es in seiner vollen Bedeutung zum Bewusstsein komme. „Das Wahre war schon längst gefunden — Das alte Wahre, fass es an!* Von ebenso hohem, oft von höherem Werthe für die Wissenschaft als die Entdeckung einer neuen 'That- sache, oder irgend ein positives Ergebniss der Forschung, kann die Aufdeekung eines Irrthums, ja schon die Nach- weisung einer Unklarheit in unserm Wissen sein, welche die Forschung aufhielt, deren Wegräumung ihr neue Bahnen eröffnet. Nichts bezeichnet mehr den ächten 3* 20 Mann der Wissenschaft als das Streben nach klarer Ein- sicht in die Gründe, auf welchen unser Wissen beruht. Wenn der Forscher eine Methode der Untersuchung gefunden hat, so prüft er zunächst ihre Anwendbarkeit und sucht, wo er sie anwendbar findet, die Grenzen ihrer Schärfe zu bestimmen. Nur indem er diese genau kennt, wird die Methode ein sicheres Hebzeug in seiner Hand, mit dem er neue Schätze des Wissens zu Tage fördern kann. Ganz ebenso muss die gesammte Wissen- schaft verfahren; auch sie muss ihre Grenzen suchen, sich bewusst zu werden suchen über das, was sie ent- scheiden kann, was nicht. Diese Grenzen mögen der Erweiterung fähig sein, ja sie sind es gewiss. Die Che- mie hat heute andere Grenzen, als sie vor hundert Jahren hatte; und die Chemie eines künftigen Jahrhunderts wird ohne Zweifel in Gebiete eingedrungen sein, die heute ausserhalb unseres Gesichtskreises liegen. Aber eine Grenze kann und darf die Naturwissenschaft ihrem Wesen nach doch nicht überschreiten — ich meine die Grenze, über welche hinaus keine sinnliche Erfah- rung und kein auf sinnliche Erfahrung gegründeter Schluss möglich ist. Was wir sehen, fühlen, kurz was wir sinnlich wahr- nehmen, das ist. Das Vertrauen auf das Zeugniss un- serer Sinne, der Glaube an die Wirklichkeit dessen, was wir sinnlich wahrnehmen, bildet den festen Boden der Naturforschung. Es ist ein Glaube! Wir haben keinen andern Grund für ihn als die Uebereinstimmung Vieler, die ihn mit uns theilen, mit uns gleiche sinn- liche Erfahrungen machen. Es hat bekanntlich nicht an Denkern gefehlt, welche dieses Fundament der Na- turwissenschaft zu erschüttern suchten durch die Be- trachtung, dass wir nicht die Dinge an sich sinnlich wahrnehmen, sondern nur ihre Wirkung auf uns. In dieser Betrachtung liegt eine unabweisbare Wahrheit; wir können in der That unseren sinnlichen Erfahrungen nur in soweit Realität zugestehen, als sie einen be- stimmten Reflex in uns hervorbringen. Ich will durch ein Beispiel mich deutlich zu machen suchen. Die Welt der Töne und die Welt der Farben, sie sind in einem gewissen Sinne nichts Wirkliches, sie leben als solche nur in unserer Seele. An sich sind Schall und Licht nur Wellenbewegungen, Schwingungen der Luft, des Aethers. Fehlte uns das Gehörorgan, und wäre dagegen unser Auge so eingerichtet, das es die Schwingungen der Luft, welche den Ton in unserm Ohre erzeugen, zu sehen vermöchte, so würden wir uns von einem stummen, aber fortwährend von schwingenden Bewe- gungen durchzitterten Luftmeer umgeben sehen. Durch das Ohr werden der Menschenseele diese Wellenbe- wegungen zu Tönen; des Aethers wunderbar schnelle Schwingungen kommen uns durch das Auge als Licht und Farbenschönheit zum Bewusstsein! Unser Ohr hört, unser Auge sieht, indem es von Schwingungen ver- schiedener Art getroffen wird. Wie nahe liest da der Gedanke, dass Naturwirkungen und Kräfte existiren können, von denen wir keine Ahnung haben, weil uns die Sinne für sie fehlen. Wäre die uns umgebende Luft ein vollkommener Leiter der Elektrieität, so würden wir die Elektrieität wahrscheinlich gar nicht kennen, denn wir haben kein Organ für ihre Wahrnehmung in den Leitern, wenn diese nicht isolirt sind. Was wir sehen, fühlen, kurz was wir sinnlich wahr- nehmen, das ist — so müssen wir glauben! Soll aber, was wir nicht sehen, nicht fühlen, kurz nicht sinnlich wahrnehmen, darum auch nicht sein? Die Frage bedarf der Antwort nicht! Wenn die Naturwissenschaft gewisse mechanische und chemische Kräfte kennt, d. h. wenn sie im Stande ist, eine Anzahl von Naturerscheinungen durch die An- nahme gewisser einfacher wirkender Ursachen zu er- klären (denn Kraft ist ja eben nur die an sich unbekannte Ursache einer Erscheinung), so hat sie die volle Berech- tigung zu versuchen, wie weit dieselben Ursachen hin- reichen mögen, die Erscheinungen im lebendigen Orga- nismus (welchen schon das Gefühl der Vorfahren dem Mechanismus und Chemismus der unbelebten Welt gegen- überstellte) zu erklären. Es ist die erste Regel der Na- turforschung, nicht mehr Ursachen zur Erklärung der Erscheinungen anzunehmen, als dazu nöthig sind. Wenn — um nur ein Beispiel anzuführen — der Verdauungs- process sich als ein chemischer Vorgang erklären lässt, so bedarf es nicht der Annahme, dass er eine von der Lebenskraft hervorgebrachte eigenthümliche Wirkung sei. Aber ebenso nothwendig fordert die naturwissen- schaftliche Methode die Annahme, dass Wirkungen, welche sich aus einer Ursache offenbar nicht erklären lassen, durch andere hervorgebracht sein müssen. Zö- gernd nur soll die Wissenschaft neue Kräfte annehmen. Sie soll zweifeln, so lange sie dazu Grund findet, denn der Zweifel ist der Wahrheit treuester Freund, und er bricht uns die Bahn zu ihr. Aber der Zweifel kann das Wissen nicht ersetzen, und grundloser Zweifel führt nieht zum Wissen. Wenn nun das Wesen des Lebens, wenn insbesondere die Thätigkeit der denkenden Seele sich aus mechanischen und chemischen Gesetzen gewiss nicht erklären lässt, so ist die Annahme, dass hier die Wirkung anderer Kräfte vorliege, nach allge- meinen wissenschaftlichen Grundsätzen nicht nur zulässig, sondern geradezu geboten. Dass im lebendigen Or- ganismus mechanische und chemische Vorgänge Hand in Hand gehen mit den Lebenswirkungen, dass mecha- nische und chemische Ursachen auf die Aeusserungen der Lebens- und Geistesthätigkeit den mächtigsten Ein- fluss üben, wer wird das leugnen? Wenn aber daraus der Schluss gezogen werden soll, dass Leben und Seele auch nur mechanische und chemische Ursachen haben können, so wird dies nur mit Hülfe der Logik gelingen, welche schliesst: ich kenne nur mechanische und che- mische Wirkungen, folglich gibt es keine andern! Eine umsichtige, sich nicht überhebende Würdigung unserer naturwissenschaftlichen Erkenntniss wird im Gegentheile zu dem Schlusse kommen, dass unser Gesichtskreis in Bezug auf Erkennung und Erklärung der Naturwirkungen ein eng begrenzter ist, und dass ausser den uns be- kannten Kräften noch andere, beziehentlich höhere, existiren können, ja, insofern es sich um Lebens- und Seelenthätigkeit handelt, wirklich existiren! — Ich gehe zu einer andern Betrachtung über. Wir haben keine Kenntniss von der Entstehung oder von der Vernichtung eines Stoffes. Alles Werden, alles Vergehen ist nur Veränderung .der Form. Die Materie ist, so weit unsere Erfahrung reicht, unzer- störbar und unerzeugbar. Es ist dies das Funda- ment der ganzen Chemie. Das Gewicht der Producte eines chemischen Processes ist stets gleich der Summe der Gewichte der in den Process eingehenden Stoffe. Wenn der Diamant im Sauerstoffgase verbrennend, unserm Auge verschwindet, während sich das ihn umgebende Gasvolumen nicht vergrössert, so wissen wir doch, dass das Material des Diamants nicht vernichtet, dass nur seine Form zerstört wird, dass sich der Kohlenstoff, aus welchem er bestand, in chemischer Verbindung mit dem Sauerstoffgase als Kohlensäure wiederfindet, deren Vo- lumen dem des Sauerstoffgases, aus welchem sie ent- standen ist, gleich, deren Gewicht aber um das Ge- wicht jenes Kohlenstoffes grösser ist. Die Erfahrung, auf welche alle Naturwissenschaft gegründet ist, kenntkein Entstehen aus Nichts und kein Vergehen zu Nichts. Ist aber darum ein sol- ches Entstehen und Vergehen unmöglich, d. h. wider- spricht die Annahme desselben der Vernunft, den Denk- gesetzen? Gewiss nicht! Es ist wahr, wir haben keine Vorstellung von dem Nichts, das vor der Schöpfung sein musste; wir begreifen es nicht! Ist denn aber nur das möglich, was wir uns vorzustellen, was wir zu begreifen vermögen? Die Endlichkeit und Beschränkt- heit unseres Geistes, welcher Alles nur in Raum und Zeit zu denken vermag, ziehen sie nicht selbst da unserm Fassungsvermögen eine Grenze, wo das Zeugniss unserer Sinne, verbunden mit den einfachsten Betrachtungen, uns sagt, dass keine Grenze sei?! Wir blicken in den Sternenhimmel, und in dem Maasse als wir tiefer mit dem bewaffneten Auge in seine Herrlichkeit dringen, ent- decken wir immer neue und neue Welten. Es ist kein Ende, es kann kein Ende dieser Fülle sein, und dennoch haben wir keine Vorstellung von der Unendlichkeit des Raumes; wir fassen sie so wenig als die Unendlichkeit der Zeit, wir begreifen das raum- und zeitlose Sein so wenig als den Mangel alles Seins! Die Frage nach dem Ursprunge des Materiellen, die Frage der eigentlichen Schöpfung, wird dem Menschen- geiste niemals sich erschliessen. Sie ist kein Gegenstand der Wissenschaft. Die Materie ist für uns ein Ge- gebenes. Es lehrt aber die Wissenschaft, in Ueberein- stimmung mit der religiösen Ueberlieferung, dass die Welt, so wie sie heute ist, nicht von jeher so bestanden hat. Nun kennt die Naturwissenschaft keine Kräfte ausserhalb des Stoffes; wir erschliessen ja die Kräfte nur aus ihren Wirkungen im Materiellen, denn diese allein sind Gegenstand unserer Erfahrung. Dem Mate- rialismus genügt dies, das Dogma auszusprechen: „Keine Kraft ohne Stoff, der Stoff war von Ewigkeit, die Kräfte in und mit ihm.“ Sehen wir zu, wie dieser ewige Stoff mit den ihm inhärirenden Kräften die Weltschöpfung aus sich selbst vollbringen konnte?! 21 Hier drängt sich zuerst die Frage auf: Was hat die von Ewigkeit bestehende Materie zuerst in die Bewegung gesetzt, deren Folge ihre heutige Gestaltung war? Was machte die in ihr ruhende Kraft zuerst thätig? Oder, war diese Kraft nie ruhend, war sie immer thätig, was ertheilte ihr auf einmal die Bewegung, vermöge deren aus dem Stoffe die Welten entstanden ? Und dann eine zweite Frage! In ihrer äussern Form wie in ihrem Innern trägt die Erde die Zeugnisse für ihre Entstehungsweise, für die Geschichte ihrer spätern Umwandlungen. Die Bedingungen, unter welchen sie sich — jenen Zeugnissen zufolge — zuerst befand, waren von der Art, dass sie das Leben und die Existenz von Lebenskeimen ausschlossen. Nur mechanische und chemische Kräfte herrschten auf der aus feurisflüssigem Zustande erstarrenden Erde. Wie erwachte nun später auf ihr das Leben der Thier- und Pflanzenwelt ZU- letzt das Menschenleben? Der Materialismus spricht von einer „Urzeugung“, von einem in den Dingen selbst liegenden Zusammen- wirken natürlicher Kräfte und Stoffe, welches die or- ganische Welt geschaffen, er lässt durch eine generatio aeguivoca die Erde sich beleben und findet es ganz in der Ordnung, dass aus Muschelthieren, unter geeigneten Umständen, im Laufe von vielen Jahrtausenden endlich Menschen geworden sind. — Alles durch Naturnoth- wendigkeit! Wenn aber selbst der in dergleichen An- schauungen Befangenste gestehen muss, dass sich beim Betrachten der uns umgebenden Natur der geistige Ein- druck einer unmittelbaren schaffenden Ursache nicht immer abweissen lasse, so sagt man, es sei der Grund für dieses Gefühl eben nur darin zu suchen, dass wir die endlichen Wirkungen einer während vieler Millionen von Jahren thätigen Action natürlicher Kräfte in einem Gesammt- bilde vereinigt sehen, und uns so nicht wohl vorstellen mögen, dass die Natur das Alles aus sich selbst hervor- gebracht habe. Der Annahme so wunderbarer Wirkungen der Jahre lässt sich freilich der einfache Satz entgegenstellen, dass, wenn mechanische und chemische Kräfte überhaupt nicht fähig sind, Leben zu erzeugen, sie gewiss auch in Millionen von Jahren dazu nicht fähig sein können, denn 0 millionenmal genommen giebt immer nur 0, Die Antwort auf die Frage: wie denn wohl im Laufe der Millionen von Jahren, durch das Zusammenwirken von physischen und chemischen Kräften, das Leben ent- standen sei oder nur entstanden sein könne, bleibt uns der Materialismus schuldig! Es ist aber ein unwissen- schaftliches Verfahren, durch das allgemeine Behaupten eines ursächlichen Zusammenhanges den Nachweis der Art desselben zu ersetzen. Nur die schon angeführte Schluss- folge, in welche man sich festgesetzt hat, kann dieses Ver- fahren erklären; kann erklären, wie man lieber eine Ab- surdität annehmen, als sich entschliessen will, da, wo das uns Erkennbare nicht ausreicht zur Erklärung, sich zu einer Ursache zu erheben, welche über dem liegt, was der Mensch zu erkennen vermag. Die Wissenschaft hat keine Antwort auf die vorhin gestellten Fragen; sie berühren eine 22 Grenze, welche menschliche Forschung nimmer über- schreiten wird. Hier endet die Wissenschaft, hier be- ginnt die Religion, sie allein hat eine Antwort auf jene Fragen, indem sie uns den Glauben lehrt an Gott, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden! Und nun noch einen Blick auf das höchste Natur- wesen, auf den Menschen, der, mitten im Reiche der Wunder, welche ihn umgeben, sich selbst das wunder- barste Räthsel ist und bleiben muss, wenn nicht des Räthsels Lösung ausser ihm und über ihm zu finden ist. Der Mensch ist Naturwesen, und selbst die höchste seiner Kraftäusserungen, seine Seelenthätigkeit, ist an den Stoff in ihm und an dessen Umwandlungen gebun- den. Aber ist es darum der Stoff, welcher in ihm denkt? Ist es der Stoff, aus welchem die in der Menschheit le- benden sittlichen Ideen hervorgegangen sind? Man hat leugnen wollen, dass diese sittlichen Ideen dem Men- schen eingeboren, man hat sie als ein Erzeugniss der Cultur in nieht minder unklarer Weise ansehen wollen, wie das organische Leben als ein Resultat physischer und chemischer Actionen. Man bezieht sich darauf, dass emi- gen der rohesten Völker, dass unvollkommen organisirten Individuen, etwa ohne Unterricht aufgewachsenen Taub- stummen, die sittlichen Ideen fehlen, als ob der wahre Mensch da zu suchen sei, wo auf der Staffel der leben- digen Wesen der Mensch an das Thier grenzt. Zuge- geben mag werden, dass die Annahme dem einzelnen Menschen eingeborner Ideen nicht statthaft sei. Gewiss aber hat auch kein einzelner Mensch sie erfunden; sie leben, als ein gemeinsamer Besitz, in der gesammten Menschheit; ihr als einem Ganzen sind sie in wun- derbarer Weise eingeboren, überall mächtig wirksam in den Culturvölkern aller Zeiten. Die Cultur schafft nicht, sie entwickelt nur vorhandene Keime! So nimmt der Ein- zelne in dem Masse an den sittlichen Ideen Theil, als er zum Menschen unter Menschen, unter sittlich ent- wiekelten Menschen, herangebildet wird. Zu diesen Ideen gehört die Gottesidee. Indem sie von einem der kühn- sten Stimmführer des Materialismus als ein menschlicher Irrthum, die Vorstellung von Gott und göttlichem Wesen als ein Anthropomorphismus hingestellt wird, weiss doch derselbe Philosoph den Ursprung dieses Anthropomor- phismus nur in dem Abhängigkeitsgefühl zu suchen, das, wie er selbst gesteht, der menschlichen Natur innewohnt. So schlägt die Macht der lebendigen Wahrheit die Ver- standesspiele nieder, denn eben dieses Abhängigkeitsge- fühl, es ist ja das Gefühl des Verbandes der Menschen- natur mit einem über ihr Liegenden; es ist das Zeugniss, dass über der menschlichen eine höhere geistige Kraft ist, der wir in Demuth uns zu beugen haben; es ist die Quelle aller Religion! Weit entfernt, dass dieser Gedanke, der höchste des Menschengeistes, das Gebiet der Forschung beschränken sollte, zeigt er ihr nur das würdigste Ziel. Der Geist des Menschen hat das Recht, hat die Aufgabe, nach seiner Quelle mit seinen Fragen hinzudringen. Nur darf dem Muthe, welcher dabei uns beseelen muss, die klare Würdigung des Masses der uns verliehenen Kraft, die Anerkennung der Grenzen nicht fehlen, welche unserm Geiste und seinen Forschungsweisen gesteckt sind. Wo menschliche Erkenntniss ihre Grenzen findet, wo die dunkle Kluft sich öffnet, an die wir so oft bei unsern Forschungen gelangen, da ist noch nicht das Ende, da darf der Glaube muthig seine Schwingen ausbreiten und uns in die Gebiete tragen, welche dem Wissen un- zugänglich sind. Wohl dürfen wir beim Blicke in die Zukunft hoffen, näher und näher der Wahrheit zukommen, deren Erforschung wir unser Leben weihen; aber kein Sterblicher wird je die volle Wahrheit schauen, die Wahrheit, in welcher Wissen und Glauben eins sind! Für uns sind sie getrennt, doch nicht nothwendig feindlich ; die Forschung kann nimmer ein Hinderniss sein, dass Wissen und Glauben versöhnt in Herz und Haupt bei- sammen wohnen, wenn nur der Glaube kein blindes Fürwahrhalten, wenn nur das Wissen kein über- müthiges Meinen ist! Die Wissenschaft, welche im siegreichen Voranschrei- ten stets eingedenk bleibt ihrer Grenzen, sie ist in Wahr- heit — was sie der Dichter nennt — des Menschen allerhöchste Kraft! Den letzten Vortrag hielt Herr Geh. Hofrath Director Dr. Roller von Ilenau Ueber die Seelenstörungen in ihrer Beziehung zur Strafrechtspflege. Für jede Aufgabe, an deren Lösung der Deutsche geht, sucht er einen wissenschaftlichen Grund, einen letzten Satz, der auch etwas gilt, von welchem alle anderen Sätze folgerichtig abgeleitet werden. Auch für die psychisch - gerichtliche Mediein suchte man zuerst nach einem Prineip. Ihr ist es aber durch das Straf- gesetz gegeben und wir werden es nur da in’s Auge fassen, wo es unsrer Beweisführung wegen nöthig ist. Mit einer streng systematischen Form und literarischen Ausstattung sollen Sie verschont werden. Lockend ist es ohnedies nicht, die verschiedenen Meinungen alle aufzuzählen und doch ist, dass es deren unter den Aerz- ten so viele gibt, nicht einmal das Schlimmste. So oft muss die Wahrheit aus dem Widerstreit der Mei- nungen hervorgehen. Ein noch schlimmerer Feind ist die Unbekanntschaft, ja sogar Gleichgültigkeit auf einer andern Seite. Fern aber sei es von mir, meine Auf- gabe mit Vorwürfen zu beginnen. Ich wollte blos auf eine Thatsache hinweisen. Es haben weder die Aerzte den Rechtsgelehrten, noch diese jenen etwas vorzuwerfen. Iliacos intra muros peecatur et extra. Wohl aber haben beide Theile eine grosse Aufgabe zu lösen. Zu verwundern ist es nicht, wenn wir Vorurtheilen und Irrthümern in einem Gebiete begegnen, in welches erst seit wenig Jahrzehnten das Licht einer besseren Erkenntniss fällt. Ist es doch gar noch nicht so lang her, dass man Seelenstörungen als wirkliche Krankheiten erkennt und diesen Kranken statt Spott und Misshand- lung Hülfe bietet. Bis so tief eingedrungene Vorurtheile ausgerottet sind, bedarf es einer längeren Zeit. Aber neben der Klage, dass wir noch gegen ihre Ueberreste zu kämpfen haben, dürfen wir auch die Freude laut werden lassen, dass so viele schon überwunden sind und hier im Lande Baden darf ich, wenn ich auch wollte, nicht übergehen, was in dieser Richtung durch die Hu- manität der Regierung, mit welcher: sie das Irrenwesen ordnete, erreicht worden ist, eine Humanität, die frei- lieh nur den in Verwunderung setzen kann, der nicht weiss, dass sie — ein Erbgut unseres Fürstenhauses — nach und nach alle Gebiete der menschlichen Wohlfahrt durchdringt. Unter solchem Schutze steht zu hoffen, dass die manchfachen Lücken in den Beziehungen der Seelenstörungen zur Strafrechtspflege bald ihre Aus- füllung finden. Oder sollte am Ende die Sache gar nicht so wichtig und kein Grund vorhanden sein, über Widersprüche und Gleichgültigkeit sich zu beklagen? Darüber eben möchte ich, dass Sie, meine Herren, sich entscheiden; denn die Frage, welche vorliegt, gehört nicht blos dem Crimi- nalrecht und der Psychiatrie an, sie gehört vor das Forum eines Jeden, dem das homo sum zum Bewusstsein ge- kommen ist. Zudem sind es die Aerzte und vornehm- lieh die zahlreich hier versammelten Staatsärzte, deren Wirkungskreis von unserer Aufgabe so nah berührt wird. Und wenn je dieser Vortrag zu einer näheren Beachtung dieses wichtigen Gegenstandes führen sollte, so werden Sie, meine Herren, um dieser Hoffnung willen, mir vielleicht Verzeihung dafür gewähren, dass ich es gewagt habe, in einer so hochansehnlichen Versammlung um das Wort zu bitten. : Worauf aber kommt es nun an? Wohl darauf, ob ein Mensch, welcher seelengestört ist, derselben Strafe verfallen soll, welche für freie Menschen einge- setzt ist, und sodann darauf, welches denn die krankhaften Zustände sind, durch welche die Freiheit des Willens aufgehoben wird. Vielleicht dünken Vielen von Ihnen diese Fragen klein und Sie erklären es für eine Barbarei, Seelenge- störte zu richten. Diese Barbarei aber kommt vor, nicht etwa in grauer Vorzeit oder weit hinten in der Türkei, nein, in unsrer Zeit, in den Ländern, in welchen die Civilisation ihre meisten Blüthen treibt: in Deutschland, in England, in Frankreich werden Geisteskranke ge- richtet, ja hingerichtet und was aus Missverständniss und Unkenntniss entsprungen ist, sucht eine irregeleitete Wissenschaft zu rechtfertigen. Doch wir wollen billig sein. Offenbar Seelenge- störte, Solche, welche alle Welt für geisteskrank hält, kommen freilich nicht aufs Schaffot und nur selten in’s Zuchthaus. Es giebt aber Seelengestörte, bei denen die Seelenstörung nicht so klar zu Tag liegt, bei denen sie schwer erkennbar, aber dennoch vorhanden ist und welche verurtheilt und gerichtet werden. Statt dass die Schwierigkeit der Sache zu gründlicher Forschung hätte führen sollen, verwirrte man sie durch allgemeine Redensarten. Hierher gehört die oft ausgesprochene Befürchtung, dass man die Schuldigen der Strafe entziehen wolle, dass die Aerzte durch Verstellung oder sittliche Schäden sich täuschen liessen. Wo dies vorkam, war es unrecht, aber so allgemein, als es ausgesprochen wird, kam es 23 nicht vor. Sehr oft ist das Gegentheil wahr, das Ur- theil wurde befangen. Nicht zu oft, sondern nicht oft genug werden Seelenstörungen von den Aerzten ange- nommen. Ich will den allgemeinen Redensarten eine bestimmte Erfahrung entgegensetzen. In bald 32 Jahren, seit ich Irrenarzt bin, habe ich gar manchmal Seelen- gestörte aburtheilen und der Strafanstalt übergeben sehen, aber nicht einmal, dass ein Seelengesunder in die Irren- anstalt aufgenommen worden wäre. Aber auch auf der andern Seite ist man — zumal theoretisch zu weit gegangen und hat Lasterhaftig- keit auf pathologische Zustände des Organismus zurück- zuführen und zwischen ihr und Seelenstörungen jeden wesentlichen Unterschied zu verwischen gesucht, hat nach dem alten gewiss unrichtigen Ausspruch — ira ‚Furor brevis est — in den Seelenstörungen nur gesteigerte Leidenschaften gesehen. Von solchen Einseitigkeiten weiss ich mich frei. Leidenschaftlichkeit und Lasterhaf- tigkeit sind, trotz aller Uebergänge, von Seelenstörungen wesentlich verschieden. Wer aus falsch verstandener Humanität das Walten der Gerechtigkeit erschweren wollte, würde ein grosses Unrecht begehen. Aber Un- recht begehen auch die, welche gewissenhaften Aerzten vorwerten, dass sie, um die Strafe von einem Menschen ab- zuwenden, mit ihren Gutachten es so genau nicht neh- men. Manche meinen, dass man den Knoten mit dem Schwert durchhauen müsse. Es sei zu viel verlangt, in jedem einzelnen Fall den Winkelzügen eines verschro- benen Gemüthes nachzugehen. Habe ein Mensch so viel Bewusstsein, Recht von Unrecht zu unterscheiden, so sei er strafbar. Würde man einen solchen für straf- los erklären, so werde das Ansehen der Gesetze er- schüttert und das öffentliche Wohl gefährdet und es heisse doch: salus publica lex suprema esto! Aber die Zahl der Fälle, auf welche es hier ankommt, ist am Ende so gross nicht, um ihretwegen so schwer wiegende Worte in Kurs zu setzen: Ein anderes Wort heisst: ‚Fat justitia, pereat mundus und der Welt droht keine Ge- fahr, wenn Seelengestörte nicht gerichtet werden. Ge- rechtigkeit wird aber ebensowohl geübt, wenn die Un- schuldigen von der Strafe entbunden, als wenn die Schuldigen gestraft werden. Wenn in einem Kriminal- fall das albi bewiesen werden kann, so wird kein Schul- dig ausgesprochen und das alibi der Kraft, durch welche des Menschen Verantwortlichkeit bedingt wird, sollte kein Bedenken gegen Bestrafung erregen? Die Schwierigkeit liegt zunächst und zumeist in den schwer erkennbaren, den sogenannten zweifel- haften Formen von Seelenstörung. Schwer erkennbar und zweifelhaft sind sie aus allerlei Gründen, aus äusseren und inneren. Einmal wegen der gewöhnlichen Meinung, dass nur die seelengestört seien, welche auch Allen so erschienen. Wer für geisteskrank gehalten werden soll, der muss toben oder verrückt reden und sich geberden. Wie kann ein Mensch seelengestört sein, so lang er ver- ständig redet! und wenn er gar mit Ueberlegung etwas zu seinem Vortheil ausgeführt hat, flugs heisst es, dass Alles nur Verstellung sei. Hätte man sich sagen lassen 24 — freilich wussten von denen, welche dazu berufen waren, Viele es selber nicht — dass unter dem Schein ungetrübter Geistesgesundheit die entschiedenste Seelen- störung vorhanden sein kann, wir wären um manches Missverständniss ärmer. Es liest hier die Annahme zu Grund, aus der auch sonst so viele kräftige Irrthümer hervorgehen, dass der Verstand allein den Geist des Menschen ausmache. Und doch giebt es Störungen in den Empfindungen und Gefühlen, Gemüthskrankheiten, die wir für Seelenstö- rungen gelten lassen müssen. In diese Erscheinung wussten auch die Aerzte sich nieht recht zu finden. Aus lauter Respeet vor dem Menschenverstand stellte man Behauptungen auf, die ihm schnurstracks zuwiderliefen. Wir erinnern an die Lehre von der mania sine delirio, die bis zu einer Fein- heit ausgesponnen wurde, welche den Widerspruch in sich selber trug. Darnach sollten Fälle vorgekommen sein, in denen Menschen mit gesunden Sinnen und vollem Bewusstsein, ja wider ihren Willen, eine verbrecherische That verübt hätten. In gleicher Weise sprach man von Seelenstörungen, die in einer einzigen fixen Idee bestün- den, während das übrige Seelenleben völlig gesund sei. Aehnliche Aufstellungen sind die Monomanien, die aus ihrem Vaterland Frankreich auch nach Deutschland herübergekommen sind, und auch bei uns ihren Kul- tus, aber auch ihre Zurückweisung gefunden haben. Die monomanie homicide eröffnete (in den 20r Jahren) den Reigen. Einzelne Fälle, in welchen von Irren, bei denen man an keine Seelenstörung dachte, Mordthaten verübt wurden, gaben Anlass zu ihrer Annahme; dann kam die monomanie suieide, die Stehl- oder kleptomonoma- nie, die pyromanie oder der vielverpönte Brandstiftungs- trieb und noch viele andere. Die Seelenstörung besteht aber so wenig in einer einzigen Erscheinung als sie immer oder auch nur vorzugsweise in einer Alteration der Intelligenz beruht. Damit, dass die Menschen einen Mord, Selbstmord, Diebstahl begangen, dass sie Brand gestiftet haben, wollte man die Seelenstörung beweisen. Man stellte die Lehre auf: der Mensch ist krank, weil er gemordet, gestohlen oder Brand gestiftet hat, statt dass man bei denen, die dergleichen verübt hatten, vor Allem den Nachweis der Krankheit hätte liefern müssen. Es konnte nicht fehlen, dass die von einzelnen Erschei- nungen abgeleiteten Formen, womit man so freigebig war, eine grosse Verwirrung in der psychisch-gerichtli- chen Mediein hervorbrachten, dass die Lehre von den Monomanien und krankhaften Trieben, welche ein Frei- brief für alle Verbrechen zu werden drohte, kräftigen Widerstand fand, obwohl auch hier eine Uebertreibung die andere hervorrief und es zu einer ärztlichen mono- manie unserer Zeit wurde, Alle, welche Mord, Diebstahl oder Brandstiftung verübt haben, für geistesgesund zu erklären, als ob dergleichen in Seelenstörungen gar nicht vorkommen könnte. Neben diesen gewissermasen geschaffenen Schwie- rigkeiten giebt eswirkliche. Hierher gehört die Fähig- keit vieler Seelengestörten, ihre Seelenstörung zu ver- bergen, eine Fähigkeit, von welcher selbst viele Aerzte keine Ahnung haben. Diese Fähigkeit besteht wirklich und ist für die Beurtheilung dieser Zustände von un- gleich grösserem Gewicht, als die andere Erscheinung, dass die Seelenstörungen vorgeschützt, dass sie simulirt werden. Von diesem Simuliren und den nöthigen Kau- telen dagegen lesen wir viel und gewiss verdient es alle Beachtung, namentlich auch der Umstand, dass es häufig auf schon seelengestörtem Boden vorkommt. Sehr wenig lesen wir von dem Dissimuliren der Kranken und doch ist dies ungleich schwerer zu erkennen. Wochen, ja Monate lang vermögen manche Irren ihre Krankheit selbst vor geübten Beobachtern zu verbergen. Darf man da sich wundern, dass sie von ungeübten nicht er- kannt wird? Andere Formen von Seelenstörung werden nicht ab- sichtlich verborgen. Sie verbergen sich dadurch, dass sie in wenig auffallender Weise oder unter Erscheinungen auftreten, welche an ihrem Vorhandensein zweifeln lassen. Hierher rechnen wir die jole raisonnante des Pinel. Alles Besondere und Auffallende, was diese Kranken an sich haben, wissen sie durch allerlei Beweisführungen zu beschönigen. Sie reden so verständig, so folgerichtig, ja oft richtiger als vorher, so dass kein Laie die Seelen- störung erkennen wird, während sie dem geübten Be- obachter schon in den wortreichen Declamationen, wo- durch das Unmotivirte der Handlungen nur schlecht ver- hüllt wird, in dem ganzen gesuchten Thun und Treiben genügend sich offenbart. Eine andere Form, die mit der ebengenannten oft verbunden vorkommt, ist die einer periodischen Tobsucht, deren einzelne Anfälle sich aber nicht bis zu dem höhern Grad von Zerstörungssucht steigern, sondern nur in einer geschäftigen Unruhe, in muthwilligen Neckereien, in nimmer ruhender Streit- und Händelsucht sich kund geben, wobei man nicht ein verwirrtes Wort zu hören bekommt. Oder durch die ganze Erscheinung des Kran- ken zieht sich ohne einen periodischen Typus ein grillen- haftes von verborgenen Gefühlen oder Sinnestäuschungen abhängiges Wesen, eine tiefe Verstimmung, deren Ur- sache in äusseren Vorgängen zu finden sie den Drang und sehr oft — sei es auch auf Kosten der Wahrheit — die grosse Geschicklichkeit besitzen. Gewiss sind Vielen von Ihnen solche unglückliche Wesen schon vorgekom- men, die lange eine Qual für ihre Umgebung gewesen und selbst von ihr gequält und moralisirt worden sind, ehe man an Seelenstörung dachte und die Hülfe einer Anstalt aufsuchte. Zu den schwer erkennbaren Formen von Seelen- störung gehört die, in welchen das Krankhafte nicht in dem Inhalt der Vorstellungen liegt, sondern in dem Zwang, mit welchem durch sie das geistige Leben be- herrscht wird. Vorstellungen, die an und für sich keines- wegs zu den schon wahnhaften gehören, welche mit geistiger Gesundheit zusammen bestehen können, werden in einem andern Fall zu Symptomen von Seelenstörung, dadurch, dass das Seelenleben unter ihre zwingende Macht zu stehen kommt. So kann ein Mensch, der sich für verdammt oder für verfolgt hält, je nach der 0 A Natur dieser Vorstellung seelengestört sein oder er kann es nicht sein. Ferner müssen wir hier die moral insanity aufführen, welche im engeren Sinne genommen allerdings zu den bedenklichen Aufstellungen gehört, die Form von Seelen- störung nämlich, in welcher die Seele in Beziehung auf das sittliche Vermögen krankhaft gestört ist, in welcher die Vorstellungen von gut und bös, von Recht und Un- recht, von Schicklichkeit und Pflicht auschliesslich oder doch vorzugsweise durch die Krankheit alienirt sind. Es giebt eine Form, die man nicht anders denn als sitt- lichen Blödsinn bezeichnen kann, in welcher alle übrigen Seelenvermögen verhältnissmässig wenig getrübt er- scheinen. Doch muss sich natürlich auch hier „die Krankheit“ nachweissen lassen. Zu den schwierigen und seltenen Formen gehören auch die von mania transitoria, in welchen die Menschen ohne alle Vorboten und ohne alle nachbleibenden Symp- tome in kurz dauernde Anfälle von Tobsucht gerathen, von denen ihnen in der Regel das Bewusstsein fehlt. Wenn der Arzt nicht selbst zur Beobachtung eines sol- chen Anfalls gelangt, oder wenn er ihm nicht von andern zuverlässigen Beobachtern geschildert werden kann, so fehlt ihm jeder Anhaltspunkt und die Entscheidung, ob eine in einem solchen Anfall begangene verbrecherische That einer Seelenstörung angehört oder nicht, mag dann schwer genug sein. Und wie soll es mit der Beurtheilung verbrecherischer Thaten gehalten werden, die in den sogenannten freien Zwischenzeiten, in den lueidis intervallis' verübt werden? Eine allgemein gültige Antwort wird es schwerlich geben. Es wird wohl darauf ankommen, ob die Krankheit noch fortbesteht, nur verborgen verläuft, etwa in der Form einer blosen psychischen Schwäche, oder ob die Zwi- schenzeiten ganz frei sind und die einzelnen Anfälle verschiedenen Krankheiten angehören. Wo aber die Schwierigkeiten in der Erkenntniss so gross sind, wo einzelne Formen von Seelenstörung als so unmerkliche Abweichungen von der Gesundheit sich darstellen, da liegt die Frage nah, ob es denn überhaupt eine bestimmte Grenze zwischen Seelengesundheit und Seelenkrankheit giebt, ob nicht vielmehr der Uebergänge so viele und so unmerkliche sind, dass jeder Unterschied verwischt wird? Wir möchten dies verneinen und geben nur zu, dass der Unterschied für unsere Erkenntniss oft nicht besteht, glauben aber, dass wir ihn als wirklich für unser Streben festhalten müssen. Dagegen bestreiten wir nicht, dass zwischen Seelengesundheit und Seelen- krankheit eine Reihe von Zuständen liegt — Heinroth nannte sie gebundene — welche keine eigentliche Seelen- krankheiten oder Seelenstörungen sind und gleichwohl einen Einfluss auf die Freiheit des Willens ausüben können. Wir betreten hier ein wichtiges, nur theilweise an- gebautes Feld. Wer vermag alle die Vorgänge im leib- lichen und seelischen Organismus, alle innere und äussere Ereignisse im Menschenleben zu würdigen, durch welche der Geist in der Freiheit seiner Entschlüsse beengt wird. Nur flüchtig seien dieselben hier erwähnt. 25 Hierher gehören die Zustände gesteigerter Zornmüthig- keit, wie sie häufig mit der Epilepsie verbunden ist, die Seelenzustände der Epileptischen überhaupt, die so oft in wirkliche Seelenstörungen übergehen, so dass viele und erfahrene Beobachter alle Epileptische als unzu- rechnungsfähig erklärt wissen wollen, die zahlreichen hypochondrischen und hysterischen Verstimmungen, die vielen Sonderlinge, die Menschen, die, wie man sagt, einen Sparren haben und so oft von den Laien als Be- weis aufgeführt werden, dass es zwischen Seelengesund- heit und Seelenkrankheit keine Grenze giebt; sodann die vielen Verstimmungen im weiblichen Gemüth wäh- rend Gravidität und der ihr folgenden Perioden; ferner die isolirt für sich bestehenden Sinnestäuschungen, ge- steigertes Schamgefühl, die Zwischenzustände zwischen Schlaf und Wachen, die manchfachen durch politische oder religiöse Störungen entstehenden Abstufungen von Schwärmerei und Fanatismus und die dadurch herbeige- führte, gewissermassen epidemische Erregtheit der Ge- müther, in welcher der Einzelne nicht denselben Grad von Freiheit geniesst wie in ruhigen Zeiten, einer Erregt- heit, welcher von den Gerichten schon Rechnung ge- tragen worden ist. Fürchten Sie nicht, meine Herren, dass ich für alle diese Zustände dieselbe Straflosigkeit verlange, wie für eigentliche Seelenstörungen, ich habe sie vielmehr nur darum angeführt, um den Unterschied, der zwischen ihnen und Seelenstörung bezüglich der Zurechnung be- steht, hervorzuheben. Wo jene Zustände nicht in diese übergegangen sind, da kann von keiner völligen Unzu- rechnungsfähigkeit die Rede sein. Und hiermit sind wir bei der Annahme der be- schränkten Zureehnung angelangt, die man aus wohlmeinender Absicht für die Formen von Seelenstö- rungen verlangte, welche in dem Menschen anscheinend so viel Freies übrig lassen und so schwer nachzuweisen sind. Grosses Gewicht erhielt diese Annahme durch die von einer bedeutenden ärztlichen Autorität ausgespro- chene Erfahrung, dass die meisten Irren für einen grossen Theil ihrer Handlungen und Unterlassungen mehr oder weniger verantwortlich sind, dass Seelengestörte bis zu einem gewissen Grade das Vermögen der freien Selbst- bestimmung besitzen, dass hierauf die Erfolge beruhten, welche durch die in den Irrenanstalten eingeführte Haus- ordnung erreicht wurden. Man kann diesen Sätzen nahezu zustimmen, man kann die wohlthätige Absicht anerkennen, welche jener An- nahme zu Grunde liegt und man wird darum doch gegen die, sei es auch nur theilweise und beschränkte, Bestra- fung eines Irren sich erklären müssen. Wir übergehen die Ungehörigkeit, dass wenn die Strafe nach dem Grade der Krankheit bemessen sein müsste, der Arzt dann das Strafmaass zu bestimmen hätte. Wir entnehmen unsere Bedenken gegen eine be- schränkte Zurechnung der Natur und dem Wesen der Seelenstörungen. Wenn in den Gesetzbüchern die Bestimmung enthal- ten ist, dass Geisteskranke als unzurechnungsfähig nicht 4 26 ; gestraft werden sollen, so geschieht dies aus keinem andern Grunde, als desshalb, weil ihnen die Freiheit des Willens abgeht. Dieser Mangel ist das allen Seelen- störungen gemeinsame, das von andern Krankheiten sie unterscheidende Merkmal. Nicht wollen wir damit sagen, dass in allen Reden und Thun der Geisteskranken die mangelnde Freiheit sich offenbaren müsse, wohl aber, dass in ihnen die zur Freiheit nöthigen Bedingungen nicht mehr alle vereinigt sind. An der Stätte in un- serm geistigen Leben, aus welcher die Entschlüsse her- vorgehen, wo die Gefühle und Gedanken und Triebe zu Thaten reifen, waltet bei den Geisteskranken nicht wie bei den Geistesgesunden die freie Selbstbestimmung, liegt nicht mehr im Willen der letzte Grund alles Thuns, es kommt ein körperliches mit Nothwendigkeit wirken- des Motiv hinzu. Wir werden annehmen dürfen, dass Seelenstörung dann zu Stande kommt, sobald in das Gebiet des Geistes, in welchem alle Vorgänge unter dem Gesetz der Freiheit stehen, auf ungewohntem Weg ein körperlicher Vorgang hinzutritt, welchem das Gesetz der Nothwendigkeit innewohnt. Sie werden, meine Herren, mir verzeihen, wenn ich den Dualismus der menschlichen Natur, den unser würdiger Jacobi so schön durchgeführt hat, hier als erwiesen voraussetze, und wenn ich — ob ich auch keines Lebenden Name genannt habe — hier des edlen Todten mit Dank und Verehrung gedenke. Mit dem Eindringen des körper- lichen Nothwendigkeits-Momentes in die geistige Frei- heits-Region ist eben die Aufhebung der Freiheit bei Seelengestörten erklärt und damit zugleich die Unzu- lässigkeit irgend einer gerichtlichen Zureehnung nach- gewiesen. Mag auch die Freiheit nicht ganz aufgehoben sein, so ist sie es doch so weit, dass keine Zurechnung mehr zulässig ist. In allen den Thaten, welche Gegen- stand einer gerichtlichen Untersuchung werden, wird jenes Nothwendigkeits-Moment seinen Antheil haben. Dass Freiheit für Einzelnes fortbesteht, dass diese Kranken oft verständig reden, dass sie ihre Krankheit verbergen können, wird keine Strafbarkeit begründen, wird den vor Gericht gültigen Schluss nicht zulassen, dass der Kranke in einem gegebenen Fall auch anders hätte han- deln können. Die verborgene Krankheit ist keine nicht- existirende und ist einmal die Krankheit da mit dem charakteristischen Merkmal der gestörten Freiheit, so ist eben damit der Annahme einer vor Gericht zulässigen bedingten Zurechnung das Urtheil gesprochen. Und wenn auch diese Ansichten „althergebrachte Vorurtheile eines abstrakt - theoretischen Dualismus“ genannt wer- den, wir finden sie in der Natur und in dem Wesen dieser Krankheiten begründet. Ausmessen zu wollen, wie gross oder wie klein der Antheil der psychischen Krankheit an einer That ist, wie klein oder wie gross hiernach die Strafe ausfallen soll, halten wir für ein verwegenes Beginnen. Wenn aber über Irre keine Strafe, auch keine halbe oder Viertels-Strafe verhängt werden kann, so ist es darum keine Inconsequenz, wenn man sie durch die in die Hausordnung der Anstalten gelegten Mittel zu heilen oder wenn man die, welche störend sind, welche durch eine verbrecherische That Aergerniss gegeben haben, durch die Verwahrung in der Irrenanstalt unschädlich zu machen sucht. Eigent- liche Strafen kennt die Irrenanstalt nicht. Theilweise Zurechnung wird dagegen zulässig sein bei den oben geschilderten Zuständen, welche keine eigentlichen Krankheiten sind, bei den sogenannten ge- bundenen Zuständen. Der Arzt, der hierüber gefragt wird, hat dann, so gut er es vermag, anzugeben, ob und in wie weit durch dieselben die freie geistige Action des Menschen getrübt wird und zur Erläuterung ähn- liche Fälle aus der Erfahrung beizufügen. Der Richter, der ja auch wegen anderer Umstände, z. B. wegen mangelnden Unterrichts eine geminderte Strafe aus- spricht, hat dann auch hier das Strafmaass zu bestimmen. Meine Herren, Sie werden, nachdem ich Sie lange genug von den Schwierigkeiten unterhalten habe, von denen die Sache umgeben ist, nach einem Ausweg fra- gen, werden praktische Vorschläge zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten erwarten und hier gerade be- ginnen die grössten. Man frägt nach einem Merkmale, an welchem die Krankheiten, wegen deren der Arzt von dem Richter gefragt wird, erkennbar sind und dieses Merkmal ist wie wir gehört haben kein anderes als das der aufgehobenen oder gefährdeten sittlichen Freiheit. Die psychischen. Krankheiten sind unfreie Zustände. Hier ist der Berührungspunkt der psychischen Mediein mit dem Strafrecht. Was der Richter da, wo es sich um Zurechnungs- oder Unzurechnungsfähigkeit handelt, von dem Arzte wissen will, ist nichts Anderes, als ob eine Krankheit vorliegt, durch welche die freie Selbst- bestimmung in Frage gestellt ist. Nur in dieser Be- ziehung haben die Tobsucht, der Wahnsinn, die Me- lancholie, und wie die einzelnen Formen alle heissen mögen, für den Richter Werth und Bedeutung. Die ausführlichste, in alle Tiefen der Pathologie führende Erörterung über die Störungen in den verschiedenen Gebieten des Nervenlebens, über Veränderungen der Sensibilität, über ungeregelten Gang der Vorstellungen, über excessive Triebe sind nutzlos für ihn, wenn nicht zugleich die dadurch gesetzte Störung der Freiheit nach- gewiesen wird. Das nun ist der schwierigste Punkt, wohl. der schwierigste der ganzen Untersuchung, gegen den sich eine Menge und nicht unbedeutende Wider- sprüche erheben. Man hat sich gedreht und gewendet, hat Auswege zu Dutzenden ersonnen, um das gefürch- tete Wort aus der psychisch - gerichtlichen Mediein zu verbannen. Immer ist es — wenn wir die Sache beim rechten Namen nennen wollen — die Freiheit des Wil- lens, über welche der Arzt in dem gegebenen Fall ent- scheiden soll. Kein Hannibal ante portas hat einen grösseren Schrecken verbreitet als dieses Wort. Alle Welt hat dagegen Berufung eingelest. Die Richter haben darin einen Eingriff in ihre Gerechtsame erblickt und wollen sich die Entscheidung darüber, wer ver- nünftig oder frei sei, nicht nehmen lassen. Wie! — sagen Andere — eine Frage, welche in das Reich der abstraktesten Forschung gehört, worüber unter den tief- sinnigsten Geistern aller Zeiten ein Zwiespalt der Mei- nung besteht, soll hier aus der Höhe der Spekulation in das alltägliche Leben und vor ein ärztliches Forum gezogen werden? endlich suchten selbst die Aerzte eine Frage, welche auf dem Weg der exacten Forschung nicht zu erledigen ist, dadurch von sich zu entfernen, dass sie sich auf nichts weiter als eine Darlegung der Krankheit und ihrer Symptome einlassen wollten. Den Richtern erwiedern wir, dass es sich hier ledig- lich um diejenigen Störungen der sittlichen Freiheit handelt, welche durch Krankheiten herbeigeführt wer- den und dass diese so tief verborgen sein können, dass nur ein geübtes, sachverständiges Auge sie zu entdecken vermag. Die Entscheidung über die Zurechnung einer That oder über die Zurechnungsfähigkeit eines Menschen steht dem Arzte nicht zu, sie ist ein richterlicher Akt, der noch von andern Umständen abhängen kann, ob- wohl freilich die Frage der Zurechnung mit der der Freiheit oft genug zusammenfäll. Auch die Anderen können wir beruhigen. Nicht darüber soll der Arzt entscheiden, ob der Mensch überhaupt sittlich frei ist oder nicht. Diese Frage nehmen unsre Gesetzbücher als entschieden an. Es könnte ja keine Strafe geben, wenn die Menschen nicht frei wären, d. h. nicht frei sein könnten. An der Freiheit, d. h. an dem Vermögen der Freiheit können nur die zweifeln, denen das Gesetz der Causalität bange macht, welche nicht wissen, dass es gewissere Dinge giebt als die, welche man sieht, dass das Gewissen aus einem Born schöpft, zu welchem Augen und Öhren nicht zu dringen vermögen. Also nicht darüber, ob Freiheit vorhanden ist, hat der Arzt ein Gutachten abzugeben, sondern darüber, ob die im Menschen vorhandene durch Krankheit gestört oder auf- gehoben ist, und von dieser Aufgabe, wie schwer sie auch ist, wird er nicht entbunden werden können. Unsern ärztlichen Collegen müssen wir entgegnen, dass wir in der Symptomatologie der Seelenstörungen noch nicht so weit sind, um ein Krankheitsbild aufzu- stellen, welches dem Richter zur Entscheidung über die Zurechnung genügt. Diess zwar wurde gefordert und man glaubte damit einen Ausweg aus dem trostlosen Labyrinth gefunden zu haben, dass nämlich der Arzt ein Seelenbild herzustellen habe, aus welchem dem Richter überlassen bleibt, das Maass der vorhandenen Zurechnungsfähigkeit zu bestimmen. Was erscheint ein- facher und logischer als diese Scheidung? Wie viele Einwürfe gegen die Stellung der Aerzte wären damit beseitigt! Es fehlt nur eines. Es ist nicht ausführbar. Ein solches dem Richter genügendes Krankheitsbild mag bei den allgemein bekannten und stark ausgeprägten Formen von augenscheinlicher Tobsucht, von weitgehen- der Verrücktheit oder völligem Blödsinn — wo es über- haupt keines ärztlichen Gutachtens bedarf — möglich sein, nimmer aber bei den schwer erkennbaren und verborgenen Formen von Seelenstörung. Hier ist der Richter ohne ärztlichen Ausspruch über die Freiheit des Willens rathlos. Es ist in andern anscheinend viel kla- reren Fällen nicht anders. Damit, dass der Arzt einen krankhaften Zustand der Crystall-Linse, der Nerven oder Muskeln beschreibt, weiss der Nichtarzt noch nicht, wie viel oder wie wenig der Kranke sehen, empfinden oder 27 sich bewegen kann, wenn nicht das ärztliche Gutachten darüber beigefügt ist. Aber gerade das Abstrakte, das Uebersinnliche, was in dem Urtheil über die sittliche Freiheit liegt, legt den Wunsch nah nach greifbaren Merkmalen dieser Krank- heiten, überhaupt nach Hilfsmitteln in dieser grossen Noth. Viele wurden vorgeschlagen, aber ohne Erfolg — die sorgfältigste Aufzählung und Classification aller For- men von Seelenstörung führte so wenig zum Ziel als das Kriterium der eigennützigen und uneigennützigen Motive. Auf allgemein gültige Sätze müssen wir verzichten, müssen vielmehr jeden einzelnen Fall (als eine quaestio aeti) für sich betrachten und zu ergründen suchen, ob eine wirkliche Krankheit vorhanden ist oder nicht. Zu einer solehen gehört aber eine Entwieklung (ätio- logische und pathogenetische Momente), ein Verlauf, gehören Symptome und der Zusammenhang unter den- selben. Alle Veränderungen in der Stimmung und im Benehmen sind zu beachten, ebenso jede Abweichung von dem früheren Verhalten, jede Störung in den Sen- sationen oder andern Gebieten des Nervenlebens. Hier ist nichts, was im leiblichen und geistigen, im äusseren und inneren Leben vorgegangen ist, unbedeutend. Man muss es nur verstehen, die disjeeta membra zu einem einheitlichen Bild zusammenzufassen. Statt dessen was ist geschehen? In den Aufsehen erregenden Fällen von mania sine delirio und. monomanie homicide hat man immer nur die That, welche zur gerichtlichen Untersuchung kam, auch zum Gegenstand der ärztlichen gemacht und aus dieser That, aus ihr allein die Krankheit herauszu- demonstriren gesucht, womit man begreiflich die Richter mehr zum Widerspruch, als zur Ueberzeugung geführt hat. Man zergliederte eine einzelne irrige Vorstellung, ein Wahngefühl, einen krankhaften Trieb und überliess dem Gegner die natürliche Einwendung, dass dergleichen einzelne Erscheinungen noch keine Krankheit ausmachten. Es war, als ob durch die eine stark hervortretende ver- brecherische That der Blick für die mehr verborgenen Störungen ganz abgestumpft sei. Man schlug den Weg der Analyse ein, während hier nur der synthetische Weg zum Ziele führt. Ist es bis jetzt die wenig lohnende Aufgabe dieses Vortrags gewesen, Ihnen Schwierigkeiten und Mängel vorzuführen, so gereicht es mir zu einiger Befriedigung, Sie jetzt, wenn auch nicht auf die Mittel der Hülfe selbst, doch auf den Weg, der dazu führt, hinzuweisen. Es ist diess die Sorge für eine gründliche psychiatrische Bildung. Wer diese Ueberzeugung theilt, wird sich freuen über das, was dafür in unserm Lande geschah, Auf Anregung des Grossherzoglichen Ministeriums des Innern wurde unterm 12. April 1851 aus Grossherzog- lichem Staatsministerium verfügt, dass bei Besetzung von Physikats-Stellen unter sonst gleichen Verhältnissen besondere Rücksicht auf diejenigen Bewerber genommen werden soll, welche sich durch wenigstens dreimonat- lichen Aufenthalt an einer Irrenanstalt mit den Geistes- krankheiten und deren Behandlung vertraut gemacht haben und dass unbemittelten Aerzten unentgeltlicher 4* 28 Aufenthalt in Illenau zu gestatten ist. Erst in neuerer Zeit noch ward Sorge getragen, dass für das Fach der Psychiatrie auf der Heidelberger Universität eine tüch- tige Lehrkraft gewonnen wurde und in der neusten me- dieinischen Examinations-Ordnung ward die Psychiatrie unter die Fächer aufgenommen, welehe von den Me- dieinern gehört werden müssen, wobei nicht übergangen werden darf, dass die Heidelberger juristische Facultät einen Lehrer in ihrer Mitte zählt, der schon längst unter seinen Fachgenossen die Ergebnisse der Psychiatrie für das Criminalrecht zu verwerthen weiss. Ich wiederhole: der Weg zur Abhülfe geht nur durch eine gründliche psychiatrische Bildung. Möchten Sie, meine Herren, zumal die von Ihnen, welche durch ihre Stellung dazu berufen sind, zu diesem Ziele mitwirken. Wird die Psychiatrie erst zum gemeinsamen Eigen- thum der Aerzte, dann wird von ihnen besseres Wissen auch in andere Kreise dringen und diess mehr wirken, als jetzt die gelehrteste Arbeit vermöchte. Es wird dann auch das Bedürfniss gefühlt werden, dass der Aus- mittlung des subjeetiven Thatbestandes dieselbe Sorgfalt und derselbe Scharfsinn zuzuwenden ist, wie der des objeetiven, wodurch allein der Widerspruch gelöst wer- den kann zwischen dem strengen Gebot des Sittenge- setzes und den mancherlei Gewalten, welche dem Men- schen, der es erfüllen soll, in den Weg treten. Der Wunsch aber, dass die Gesetzgebung und Verwaltung des Strafrechts an den Fortschritten der Psychiatrie An- theil nehmen möge, wird als kein unbefugter Uebergriff in fremdes Gebiet ausgelegt werden. Als wünschens- werthe Verbesserungen in demselben möchten wir be- zeichnen: Die Fassung der Gesetzbücher. Wenn einmal See- lenstörungen in denselben genannt werden, so sollte diess mit Sachkenntniss geschehen, so sollten Sachver- ständige darüber gehört werden. Am nächsten legt die Frage, ob die Formen von Seelenstörung, durch welche die Zurechnung ausgeschlossen wird, einzeln ge- nannt werden sollen oder ob eine allgemeine Bezeich- nung genügt. Wir haben nichts einzuwenden, wenn neben dem Letzten auch das Erste geschieht, voraus- gesetzt, dass für die einzelnen Formen wissenschaftliche Ausdrücke gewählt werden, z. B. Tobsucht und nicht Raserei, eine allgemeine Bezeichnung aber darf nieht fehlen. Die Psychiatrie auf ihrer dermaligen Stufe ver- mag keine vollständige Classification aufzustellen. Nur schwer würden einzelne Formen, und gerade am schwer- sten die sogenannten zweifelhaften Seelenstörungen sich einreihen lassen. Wie aber die allgemeine Bezeichnung lauten soll, wird nach dem, was wir gehört haben, keiner weiteren Ausführung bedürfen. Mit der Fassung im Gesetzbuch hängt die Frage- stellung nah zusammen. Sind die Zustände, wegen welcher der Arzt gefragt werden soll, im Gesetzbuch als solche bezeichnet, welche die Freiheit des Willens aufheben, so wird hiernach die Frage, welche der Rich- ter dem Arzte stellt, abgefasst sein müssen. Ein dritter Punkt betrifft die Bedeutung, welche dem ärztlichen Gutachten in foro zukommt. Wir reden hier nicht von dem Streit, ob der Arzt oder der Richter besser über die vorhandene oder fehlende Freiheit des Willens zu urtheilen vermag — durch die Art, wie dieser Streit von beiden Seiten geführt wurde und durch die Kenntnisse, welche dabei zu Tag kamen, haben sich die Streitenden ihre Incompetenz nur zu wenig streitig gemacht — Zweifel konnten hier wohl nur desshalb auf- kommen, weil die zur Beurtheilung vorliegenden Zu- stände oft so wenig einer Krankheit gleich sehen und weil — bekennen wir es nur — die Aerzte oft nicht mehr, oft sogar weniger von der Sache verstanden, als die Richter. Mängel und Fehler muss man aber zu verbessern und zu heben suchen, nicht neue hinzufügen. Diess ge- schieht, wenn es dem Ermessen nicht blos der rechts- kundigen Richter, sondern selbst der Geschworenen überlassen bleibt, wie viel oder wie wenig von dem Gutachten der Aerzte sie gelten lassen wollen. Die Untersuchung über den Gemüthszustand eines Menschen setzt so gut fachwissenschaftliche Kenntnisse voraus, als die über das Vorhandensein von Arsenik oder von Blut- flecken. Dass es Seelenstörungen gibt, welche sehr leicht selbst von Laien, und wieder andere, die sogar von Sachverständigen nur schwer erkannt werden, kann keinen Grund abgeben, dass das Urtheil der Letzteren dem der Laien untergeordnet wird. Mit derselben Ge- wissheit wie Arsenik oder Blut kann eine Seelenstörung, freilich nieht immer nachgewiesen werden. Es wäre aber eine seltsame Logik, wenn man eine Aufgabe dess- halb, weil sie schwer zu lösen ist, lieber durch den, der nichts, als den, der etwas von ihr versteht, lösen lassen will. Wenn erst die Aerzte Sachverständige wirklich sind, wird man sie auch dafür gelten lassen müssen — dazu schien man früher fast mehr geneigt, als jetzt. Wenigstens lesen wir in den Erläuterungen zum badi- schen Landreeht vom Jahr 1809, die von der Entmün- digung handeln, dass zur Beurtheilung der oft so einsei- tigen, versteckten oder vorübergehenden Verrückungen Kunsthülfe nöthig sei. Endlich wird auch den Verhältnissen, unter welchen die gerichtsärztliche Untersuchung der Seelengestörten vorzunehmen ist, eine grössere Sorgfalt zuzuwenden sein. Wer eine Ahnung von dem tiefverborgenen Ver- lauf mancher derselben hat, der wird darauf dringen, dass eine wirkliche und nicht blos scheinbare Unter- suchung möglich ist. In den gewöhnlichen Amtsgefäng- nissen würde selbst ein erfahrener psychischer Arzt die schwierigen Formen kaum zu erkennen vermögen. Eben so wenig kann in solchen Fällen ein superarbitrium aus- gestellt werden, wenn der Arzt nur die Akten und nicht auch die Person kennt. Von der Ansicht ausgehend, dass solche Untersuchungen nur unter günstigen Ver- hältnissen möglich sind, wurden im ursprünglichen Plan von Ilenau einige Zimmer zu diesem Zweck bestimmt, was aber nicht zur Ausführung kam. Wir sind es wohl zufrieden, wenn diesem Bedürfniss in anderer Weise abgeholfen werden kann. Hiemit schliesse ich meine Vorschläge und Wünsche, aus denen wenigstens so viel hervorgehen wird, dass es um hohe Interessen sich handelt, dass es auf diesem Feld noch viel zu thun gibt und dass Viele ihre Pflicht erfüllen müssen, wenn das Ziel erreicht werden soll. — Aber verzagen wir nicht. Die ächte Humanität hat sehr viele Siege errungen über die Meinung der Welt, selbst wenn sie durch die Gesetzgebung getragen war. Die Hexenprocesse sind gefallen, die Leibeigenschaft ist aufgehoben. Lassen Sie mich zur Stärkung unserer Hoffnung an die diesem Vortrag zunächst liegenden beiden Errungenschaften unserer Tage, an das nämlich mahnen, was für Besserung der Sträflinge und was für Heilung und Verpflegung der Irren geschehen ist. Die- selbe Macht, durch welche die Zuchthäuser und Irren- anstalten des ältern Datums eine so heilsame fast wun- derbare Umänderung erfahren haben, wird auch die Dunkelheit dieser Zustände in ihrer gerichtlichen Be- 29 ziehung aufhellen und denen, die hier zu entscheiden haben, das Herz bewegen, dass Seelengestörte künftig- hin nicht in Gefahr gerathen, verurtheilt zu werden. Meine hochverehrten Herren, Sie sind gewohnt, in diesen Versammlungen Kunde zu erhalten von neuen und interessanten Anschauungen und Entdeckungen im Reiche der Natur. Von dem Allem haben Sie eben nichts vernommen. Auf das Interessante, was in der Mittheilung einzelner Fälle gelegen wäre, musste ich verzichten wegen der Kürze der Zeit und weil exempla odiosa. Ich konnte Ihnen keine Entdeckungen mitthei- len, höchstens auf die Stellen hinweisen, wo die Ent- deckungen zu machen und wo Lücken auszufüllen sind. Möge bald ein Anderer mit solch dankbarer Arbeit vor Ihnen erscheinen! II. Allgemeine Sitzung. Samstag den 18. September 1858. Der Geschäftsordnung gemäss begann die Sitzung, mit den Verhandlungen über die Wahl der Stadt zur nächsten 35. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Von dem Magistrate der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Königsberg war eine schrift- liche Einladung eingelaufen, welche verlesen wurde und lautet: Hochgeehrte Herren! Dem mehrseitig kund gewordenen Wünsche, die Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte im Laufe des nächsten Jahres in unseren Mauern zu sehen, dürfen wir uns anzuschliessen um so weniger Anstand nehmen, als unsere Stadt, durch die Wissenschaft mit Deutschland längst verbunden, jetzt auch äusserlich dem- selben näher gerückt ist. Als Sitz einer der ältesten Universitäten, als Geburts- ort und Heimath mancher wissenschaftlichen Grösse dürfte unsere Stadt mehrfach das Interesse der gelehrten Welt in Anspruch nehmen. Wir hoffen aber auch für die wissenschaftlichen Bestrebungen an unserem Orte eine wesentliche Belebung und Förderung, wenn die geehrte Versammlung sich geneigt finden sollte, für das nächste Jahr unsere Stadt zu ihrem Vereinigungspunkte auszuersehen. - Wir sprechen dies als den Wunsch unserer Mitbürger aus, und fügen die Versicherung hinzu, dass dessen Erfüllung uns zur besondern Freude gereichen würde. Königsberg, den 14. September 1858. Magistrat Königlicher Haupt- und Residenzstadt. Daran schliesst sich eine kurz vor der Sitzung angekommene telegraphische Depesche des Ge- meinderathes zu Bad Ems, des Inhalts: Hofrath Spengler sollte persönlich die Natur- forscherversammlung nach Ems einladen, da er ver- hindert, deshalb hiemit telegraphisch. Endlich wird von Herrn Völmer Düssel- dorf als eine Stadt bezeichnet, welche gewiss, sollte die Wahl auf sie fallen, die Naturforscher mit Freuden aufnehmen würde. Nachdem Professor Helmholtz mit Wärme für Königsberg gesprochen, wird diese Stadt mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Stimmen- mehrheit als nächster Versammlungsort für 1859 bestimmt, und zu Geschäftsführern der anwesende Herr Professor Rathke und Herr Professor von Wittich erwählt. Nach Beendigung dieser geschäftlichen Vor- gänge traten Ihre Königliche Hoheiten der Grossherzog und die Grossherzogin und $S. G. H. Markgraf Maximilian in die Versammlung, und wohnten derselben bis zum Schlusse bei. Sofort wurde zu den wissenschaftlichen Vor- trägen übergangen. Herr Hofrath Bronn von Heidelberg hielt einen Vortrag: 30 Ueber die Entwickelung der organischen Schöpfung. Der Redner trat, gestützt auf die in zwei so eben erschienenen Schriften *) ausführlicher entwickelten und begründeten Ergebnisse, zunächst den zwei heutzutage vielfach verbreiteten Meinungen entgegen, als ob die Veränderungen der Erdrinde ohne nachweisbaren An- fang in einer ewigen Wechselwirkung von Plutonismus, Neptunismus und Metamorphismus beständen, und ob die Entstehung der ersten Organismen von blos mechanisch- chemischen Kräften ableitbar seie. Auch dürften unsere heutigen Thier- und Pflanzenarten nicht als blose Um- änderungen der ursprünglich entstandenen angesehen werden. Zu keiner Zeit seien alle vorhandenen Arten gleichzeitig erloschen und neue Faunen und Floren gleichzeitig über die ganze Erdoberfläche ins Leben gerufen worden; von den Wirkungen örtlicher Ereig- nisse abgesehen, habe jede Pflanzen- und 'Thierart ihre eigene Entstehungszeit, ihre eigene Dauer und ihr eigenes Lebensende gehabt. Ein Entstehen und Vergehen der Arten fand zu allen Zeiten statt. Gleichwohl lassen sich lange Zeitabschnitte denken und in der Bildungsgeschichte der Erdrinde nachweisen, in welchen sich jedesmal die ganze Schöpfung allmählig so veränderte, dass am Ende eines solchen Abschnittes kaum noch eine von denjenigen Arten übrig war, die bei seinem Beginne existirten. Diese Abschnitte mögen nach Millionen Jahren bemessen werden und ein solcher gänzlicher Wechsel der Erdbe- völkerung allmählig 25 — 50 mal stattgefunden haben. Vergleicht man nun diese aufeinanderfolgenden Schöpf- ungen mit einander, so erkennt man kein zufälliges Hinundherschwanken, sondern ein Fortschreiten der- selben von einem Ausgangspunkte an zu einem bestimm- ten Ziele nach einem gleichmässig eingehaltenen Plane. Alle aufeinanderfolgenden Ve änderungen der organi- schen Schöpfung lassen sich nämlich auf zwei Grund- gesetze zurückführen: auf den Fortschritt vom Unvoll- kommenen zum Vollkommenen und auf die Anpassung der organischen Welt an die jederzeitigen äusseren Existenzbedingungen. Das erste Gesetz, „das der pro- gressiven Entwickelung“, liegt in der Eigenthümlichkeit der Natur überhaupt, die überall mit geringen und unscheinbaren Anfängen und nicht mit fertigen Zuständen beginnt. Es zeigt sich am deutlichsten im Pflanzenreiche, weil dieses von anderen Bedingungen weniger abhängig ist als das Thierreich; für die Reihenfolge, in welcher die verschiedenen Pflanzentypen nacheinander in der Schöpfung auftreten, lässt sich eine andere Erklärung nicht geben. Aber auch im Thierreiche ist dieses Gesetz unverkennbar. Das zweite der genannten Gesetze hat seinen Ursprung zwar ausserhalb der Organismenwelt, die es betrifft, ist aber nichts desto weniger eine Sache *) Untersuchungen über die Entwickelungsgesetze der orga- nischen Welt während der Bildungszeit unserer Erdoberfläche, eine von der französischen Academie gekrönte Preisschrift, Stuttgart 1858, 80, — und Morphologische Studien über die Gestaltungsgesetze der Na- turkörper überhaupt und der organischen insbesondere, Leipzig 1858, 8". unbedingter Nothwendigkeit. Die Organisation der Pflanzen und Thiere muss zu jeder Zeit den äusseren Lebensbedingungen angemessen gewesen sein. Da nun diese Lebensbedingungen in Folge der fortschreitenden Erdrinde-Bildung sich beständig veränderten, so war auch der Character der Bevölkerung der Erde einer beständigen Veränderung unterworfen; und da in dessen Folge die Lebensbedingungen sich immer mehr vervoll- kommneten, so konnten auch allmählig manche höhere Thierformen ihr Fortkommen finden, das ihnen früher unmöglich gewesen sein würde. So muss die Bevöl- kerung der ganzen Erdoberfläche anfangs eine gleich- artigere gewesen sein, weil ihre Temperatur in Folge der höheren inneren Erdwärme eine gleichartigere war. Sie muss aus derselben Ursache einen vorzugsweise tropischen Character gehabt haben. Sie muss in dem Verhältnisse, wie die eigene Wärme der Erde abnahm, auch ihrerseits sich mehr zonenweise diiferenzirt und vorzugsweise von den Polen gegen den Aequator hin ihren tropischen Character allmählig eingebüsst haben. Unter den anderen äusseren Existenzbedingungen sind aber zwei vor allen maassgebend gewesen. Die immer weiter fortschreitende Umgestaltung der organischen Natur unserer Erdoberfläche in eine continentale ver- anlasste einen „terripetalen Entwickelungsgang“ auch in der fortdauernden Schöpfung, ein fortwährend wach- sendes Verhältniss der Land- gegen die Meeres- und insbesondere Hochmeeres-Bevölkerung; auf die anfangs vorherrschend schwimmenden folgten immer mehr krie- chende Seethiere, auf die mit Kiemen athmenden 'Thiere immer mehr Lungenthiere, auf die Küstenbewohner endlich immer mehr Binnenland- und Bergbewohner. Das Auftreten immer vollkommenerer und mannigfalti- gerer Pflanzenfamilien (in Folge des progressiven Ent- wiekelungsgesetzes) gestattete ebenso nur allmählig das Auftreten der von denselben sich nährenden Thiere, der Blätter-, Saamen- und Früchtefresser aller Klassen, sowie derjenigen Raubthiere und Parasiten, deren Dasein von dem der vorigen abhängig ist. Da es aber bis gegen das Ende der Kreideperiode fast nur kryptoga- mische und gymnosperme Pflanzen von unvollkommener Structur, einförmiger Bildung und wenig nahrhafter Beschaffenheit gegeben, so war bis dahin auch nur im Meere und an dessen Küsten ein mannigfaltiges Thier- leben-möglich, indem es den meisten Landbewohnern an Nahrung gebrach. So unterscheidet der Vortragende drei Hauptabschnitte in der vorgeschichtlichen Zeit: den des unvollkommenen Anfangszustandes, den des Uebergangs, wo die Thierbevölkerung aus dem Meere ans Land stieg, und den dritten: wo die phanerogamischen Pflanzen mit vollkommenen Früchten und die warm- blütigen Wirbelthiere vorherrschend wurden, wo die Stimme, die Gattenliebe und die Kinderpflege erwachte. Er schliesst mit einem Blick auf das Auftreten des Menschen und seinen analogen Entwickelungsgang. Hierauf gab Herr Professor Dove von Berlin eine Darstellung einiger Ergebnisse der neueren Wit- terungskunde. Ihm folgte Herr Professor Petzval von Wien über die Bedeutung der Mathematik in den Natur- wissenschaften. Herr Professor Schaaffhausen von Bonn: Ueber den Zusammenhang der Natur- und Lebens- erscheinungen. Ein Bliek in das Ganze der Natur! So überschrieb Forster eine Abhandlung, die als Einleitung in die Thiergeschichte in lichtvoller Darstellung die Ordnung des Weltalls und die Gesetze des organischen Lebens in ihren Beziehungen zu einander erörterte. Welche Zeit wäre wohl mehr geeignet, einen solchen Blick in das Ganze der Natur zu werfen, als die unsrige, in der nicht nur eine fast unübersehbare Menge neuer Beobach- tungen und Entdeckungen gemacht, sondern was wichtiger ist, der Zusammenhang von Naturerscheinungen erkannt wird, den man vordem kaum zu ahnen gewagt hat? Dass die Natur als ein grosses Ganzes zu betrachten ist, welches das Leblose und das Lebende umfasst, in dem alle Theile auf das Innigste mit einander verbunden und gegenseitig von einander abhängig sind, so dass eines das andere bedingt und kein Glied in der grossen Kette fehlend gedacht werden kann, das ist schon von den ältesten Weltweisen behauptet worden, die nicht selten mit bewundernswerthem Scharfblicke schon aus einer geringen Zahl von Beobachtungen tiefe Wahr- heiten abzuleiten wussten, für welche wir erst den vollen Beweis zu liefern im Stande sind. Das war nicht, wie man oft irrthümlich gesagt hat, ein höheres und unmittelbares Erkennen; die Alten gewannen ihre Ein- sicht in die Natur der Dinge wie wir, durch Erfahrung. Es gibt keine andere Kraft des Geistes, als jene, die durch Beobachtung, Vergleichung, Urtheil und Schluss die Dinge zu verstehen sucht. Es war immer nur eine Ueberhebung der menschlichen Kraft, ein eitler Hoch- muth, zu glauben, dass man ohne den mühsamen Weg der Forschung durch den in ein inneres Schauen ver- senkten Geist Erkenntniss der Natur, ja Erkenntniss überhaupt gewinnen könne. Wohl hat die Philosophie es oft übernommen, die letzten Schlüsse aus den Be- obachtungen des Naturforschers zu ziehen und wenn dieser seine Thätigkeit mit Selbstverläugnung auf die Beobachtung des Einzelnen beschränkte, so leitete sie aus den Thhatsachen die allgemeinen Gesetze ab, bezeich- nete der Forschung nicht selten den Weg, auf dem die nächste Aufgabe zu lösen, der nächste Fortschritt zu erwarten war. Es scheint als wenn auch diese Arbeit der Naturforschung selbst jetzt zufiele. In der That hat an den Leistungen derselben in unseren Tagen auch in Ansehung der allgemeinen Fragen z. B. nach den Atomen der Körperwelt, nach dem Wesen der allgemein verbreiteten Naturkräfte, nach dem Verhältniss der Organismen zur unorganischen Welt, nach dem Unter- schied von Tod und Leben, nach dem Anfang der Schöpfung, nach der Möglichkeit des freiwilligen Ent- stehens von Lebensformen, nach der Verknüpfung von Leib und Seele im Menschen die Philosophie kaum einen sl Antheil. Trotz ihres Einspruchs haben wir neue Planeten entdeckt, trotz ihres Beifalls die Wunder des Somnam- bulismus für Täuschung erklärt! Es ist zwar üblich geworden, die Wissenschaften in die des Geistes und die der Natur einzutheilen, das aber ist eine nicht glücklich gewählte Bezeichnung, weil auch der Naturforscher es mit dem Geiste zu thun hat, und zwar mit dem Geiste Gottes, den er in seinen Werken erforscht. Die Naturgesetze sind ihm Hiero- glyphen, heilige Schriftzüge, die zu entziffern nur dem Eingeweihten vergönnt ist. Was sind alle Menschen- werke gegen die Grösse der Schöpfung? Gibt es ein höheres Ziel, eine schwierigere Aufgabe für die mensch- liche Geisteskraft, als sie zu üben in der Erkenntniss des höchsten Geistes? Darin liegt ein unwiderstehlicher Reiz der Beschäftigung mit der Natur, dass diese, wie Göthe sagst, immer Recht hat, der Irrthum immer auf unserer Seite ist. Einen Vorzug hat die Naturwissen- schaft vor den andern noch voraus, den, dass sie uns Neues lehrt, und neuen Anschauungen von Gott, der Welt, dem Menschen Bahn bricht; so ist sie die Wissen- schaft des geistigen Fortschritts, die den gährenden Stoff auch in andere Kreise hineinwirft, aus träger Ruhe neues Leben schaffend. Ihre Methode, auf Grund des in der Beobachtung und Erfahrung ruhenden Beweises, die Wahrheit zu suchen, bei den Dingen nicht nur zu fragen, wie sie sind, sondern wie sie geworden sind, wird jetzt auch auf andern Gebieten, in Behandlung der Kunst und Geschichte, mit Glück versucht. Sie ist freilich von Angriffen nicht frei geblieben. Bald war sie die Feindin der Religion; diesen Vorwurf haben ihr Jene zugezogen, die im Eifer über die kindi- schen Vorstellungen, welche die Unwissenheit sich von Gott und göttlichem Wirken macht, diesen Vorstellungen überhaupt jede Berechtigung absprachen; aber sie selbst vergöttern die Materie! Wenn sie den Aberglauben aufklärt, wenn sie so viele Wunder, von denen das Volk sich umgeben glaubt, läugnet, so thut sie nur, was der Dichter klagend dem christlichen Glauben vorwirft, dass er an die Stelle vieler Götter nur einen Gott gesetzt; die Wunder zerstört sie, aber das eine unbegreifliche Wunder eines von der höchsten Weisheit geschaffenen Weltalls, vor dem der stolzeste Geist sich demüthig beugt, das stellt sie in seiner ganzen Grösse dar. Bald war sie die Feindin der Kunst und Schönheit, die, anstatt die Sinne mit bunten Bildern zu unterhalten, nur nackte Wirklichkeiten bietet, in dem Schmelz der Farben, der Harmonie der Töne nur Zahlen erkennt, die Perle zum eingekapselten Eingeweidewurm, den Rosenduft zu einem Auswurfstoffe der Pflanze macht. Und wenn es so wäre, wir müssten um den Preis der Wahrheit auch die uns liebgewordene Täuschung dahingeben. Aber die Naturforschung lässt den Sinnen, was den Sinnen ist und gibt dem Geiste, was des Geistes ist. Das Wissen ist nie eine Last, ist nie ein Hinderniss des freiesten Gedankenflugs, es kann der Phantasie nur neue Schwingen geben. Hört der Naturforscher auf, ein Mensch zu sein, sieht er die Farben weniger prächtig, weil er sich mit ihrer Erklärung befasst? Ist ihm, wenn 32 er von einem Bergesgipfel in die Landschaft blickt, der Genuss ein geringerer, wenn er nicht nur Wald und Strom und Wiese und einen blauen Himmel mit lichtem Gewölk darüber sieht, sondern wenn jede Pflanze zu ihm redet von ihrer Ernährung, ihrem Wachsthum, dem Geheimniss ihres Blüthenkelchs, die Pflanzendecke selbst ihm die Bestandtheile des Bodens verräth, jede summende Biene, jeder singende Vogel ihm etwas zu denken gibt, die Beleuchtung der Ferne, die Gestalt der Wolken, die Richtung des Windes ihn beschäftigt? Die Berg- formen, die Thalkrümmung, die alten Flussufer führen seine Einbildungskraft in die Vorzeit, er steht in Mitten der geologischen Veränderungen, deren Spuren die Gegend trägt, die Urwälder der Vorzeit richten sich wieder auf, und sind belebt mit den seltsamen Gestalten der längst von der Erde verschwundenen Thiere! Was ist dichterischer, der nüchterne Blick des Unwissenden oder der des Naturforschers, der mit der Zauberruthe in der Hand Pflanzen und Steine und vergangene Zeiten zu reden zwingt? Wenn die Naturwissenschaften heu- tigen Tages gepriesen werden, weil sie die Industrie verbessern, die Landwirthschaft heben, der Mediein eine sichere Grundlage geben, dem alltäglichen Leben die mamnigfaltigsten Vortheile bieten, den Verkehr be- flügeln, Raum und Zeit fast verschwinden machen, so dass eine menschliche Botschaft dem Laufe der Stunden vorauseilt und früher, als sie abgesendet war, jenseits des Oceans anlangt, so haben sie doch noch einen grösseren Werth darin, dass sie uns Wahrheit lehren, dass sie die Nebel verscheuchen, die Jahrtausende lang den menschlichen Blick umdüstert hatten, dass sie, wenn auch nicht jedes Dunkel aufhellen, doch auf dem Wege voranleuchten, auf dem wir vorwärts streben und auf dem künftige Geschlechter uns folgen oder vielmehr uns vorauseilen werden. Denn wir glauben weder, womit sich die trägen Geister so gern beruhigen, dass Alles schon dagewesen ist, was die Naturforschung Neues lehrt, noch theilen wir die Ansicht jener ängstlichen Ge- müther, dass die Naturforschung, die jetzt Alles belecke, und jedes unberechtigte Gebiet beschreite, auch einmal wieder aus der Mode komme. Richten wir den Blick in das Ganze der Natur! Die Erscheinung, welche man als die allgemeinste in der Natur bezeichnen kann, ist die Bewegung. Sie ist ent- weder eine Bewegung der Körper durch den Raum oder nur eine Schwingung der kleinsten Theilchen der Körper, wobei diese selbst ihre Lage in dem sie um- gebenden Raume nicht verändern. Das Himmelsgewölbe ist erfüllt von kreisenden Welten, denen gleichzeitig mit der Schwungkraft die Schwere ihre Bahn vorschreibt, die Fixsterne verdienen den Namen nicht mehr, mit dem man sie von den Wandelsternen, den Planeten, unter- schied, seitdem man weiss, dass so viele als Doppel- sterne sich umeinander drehen, und alle gleich unserer Sonne den Weltraum durchziehen. Dasselbe Gesetz, nach dem der Apfel vom Baume fällt, herrscht in den weiten Himmelsräumen, mit strenger Zahl jene Schwin- gungen ordnend, welche die Alten so schön die Musik der Sphären nannten. Auch die Irrsterne, die Cometen, irren nicht, es ist dieselbe Schwere, die ihren Lauf in der Sonnennähe beschleunigt und in der Ferne sie Jahr- hunderte zögern lässt, ehe sie wiederkehren. Sind doch durch die Einfachheit aller dieser Bewegungen über- rascht, Kant und la Place im Stande gewesen, uns eine Theorie der Schöpfung des Weltalls zu geben, nach der die Weltkörper, die alle von Westen nach Osten sich bewegen, aus einem fein vertheilten Aether, der von Anfang diesen Umschwung hatte, durch Ablösung in Folge der Schwungkraft und durch Verdichtung der so abgelösten Ringe zu Weltkörpern entstanden sind, die ursprüngliche Bewegung beibehaltend. Danach würden auch die übrigen Weltkörper, wiewohl sie verschieden dicht sind, aus denselben Stoffen wie die Erde bestehen, wofür wenigstens die Zusammensetzung der Meteore spricht. Und wie wunderbar ist es, dass, wie jede Himmelskugel, während sie umläuft, sich zugleich um ihre Achse dreht, auch das kleine Wimperthierchen wie die Pflanzenspore, während sie vorwärts schwimmen, sich um sich selber drehen! Die Schwere wirkt überall; sie hält die Atmo- sphäre, in der wir athmen, an der Erde fest, sie lässt das em- porgestiegene Wasser wieder aus der Wolke niederfallen und in Bächen und Strömen, die wie Lebensadern das Land durchziehen, zurück zum Meere fliessen, sie gibt diesem die Ebbe und Fluth, die man sein Athmen ge- nannt, ohne welches das tausendfältige Leben in ihm der Fäulniss nicht entgehen würde, da jedes stehende Ge- wässer zum Sumpfe wird; doch peitschen auch Stürme das Meer und warme und kalte Ströme begegnen sich darin; die Schwere hat auch an diesen Bewegungen An- theil. Auch der lebende Körper ist derSchwere nicht ent- zogen, die wir nur desshalb nicht empfinden, weil fort- während und uns unbekannte Muskelkräfte aufgeboten werden, dieser Schwere entgegenzuwirken. Lähmt plötzli- cher Schreck oder Ohnmacht unsere Nervenkraft, so stür- zen wir zusammen. Darum ist unser Gehen ein stets dro- hendes Fallen und das Kind lernt zuerst nur den Kopf tragen, dann sitzen, dann stehen, endlich gehen. Darum liegt der Kranke im Bette, wird er schwächer, so kann er nicht mehr auf der Seite liegen, er rutscht im Bette abwärts, auch die Arme werden ihm zu schwer, auch die Sprache versagt ihm und nur das kleine aber der Seele liebstes Werkzeug, das Auge, wird noch bewegt, mit einem letzten Blick scheidet er aus dem Leben. Oft auch ist die Schwere benutzt, um Muskelkraft zu sparen, so hält nur der Druck der Luft das Bein in sei- ner Pfanne fest. Alle organischen Einrichtungen sind auf die Schwere berechnet. Wie mit Luft gefüllte Blasen die Fukuszweige des Meeres an die Oberfläche emporheben, so macht Luft, welche die Eingeweide, die Knochen und Federn durchdringt, den Leib des Vogels leichter. Wie der an Kieselerde reiche Getreidehalm die Aehre dem Lichte entgegenträgt, so sind die kalkreichen Knochen der Thiere feste Stützen, zwischen denen die wichtigsten Lebensorgane gleichsam aufgehangen sind, auf die der starke Zug der Muskeln wirkt, die den Körper bewegen. An der Luft ist das Leben grösserer Thiere ohne Knochen nicht denkbar, und die zartesten Thierge- stalten vermag nur das Wasser zu tragen; an der Luft zerfliesst die Meduse. Auch die Kieme des Fisches sinkt in der Luft zusammen, ihre Strahlen verkleben, der Fisch erstickt, wiewohl die Luft mehr athembaren Sauer- stoff enthält als das Wasser, aber sein Organ nimmt ihn nieht auf, es kann sich nicht entfalten in dem fremden Elemente. Die im Wasser lebenden Thiere sind, weil ihre Bewegung leichter möglich ist, auch einfacher ge- staltet und unter allen Thierklassen stehen die im Wasser lebenden Geschlechter auf einer tieferen Stufe der Or- ganisation als die übrigen, was indessen auch durch die leichtere Ernährung bedingt wird. Auch unser Blutlauf steht unter dem Drucke der schweren Luftsäule, und die Kraft unseres Herzens ist darauf berechnet. Erheben wir uns im Luftballon oder auf hohen Gebirgen, so dringt das Blut aus den weicheren Geweben, aus Mund und Nase und Auge, weil die Herzkraft einen zu ge- ringen Widerstand findet. Ein Fisch, den man aus seiner wagerechten Lage bringt, stirbt, wie ein Mensch, den man auf den Kopf stellt, eine Marter, die bei rohen Völkern eine Art der Todesstrafe ist; aber auch in dem Ei, das man während der Brütung senkrecht stellt, ent- steht eine Missbildung. Das Alles sind Wirkungen der Schwere! Eine andere Art der Bewegung ist die Schwingung der kleinsten Theilchen der Körper, die das Wesen der sogenannten Imponderabilien, der Wärme, des Lichtes, der Electrieität, des Magnetismus zu sein scheint; auch der Schall beruht darauf, auch bei der chemischen Thätig- keit sind die kleinsten Theilchen der Körper in Be- wegung. Lange hat man die Imponderabilien für un- wägbare Stoffe gehalten, unwägbar, weil ein Körper nicht schwerer wird dadurch, das man ihn erwärmt, be- leuchtet, eleetrisch oder magnetisch macht, während wir sie jetzt nicht selbst für eine Materie sondern nur für Bewegungszustände der Materie halten. Dieses Verhält- niss ist indessen ganz ungeeignet, die Verknüpfung von Seele und Leib zu versinnlichen, wozu man es benutzt hat; denn dann würde die Seele nur ein Zustand der Be- wegung kleinster Körpertheile sein, der nicht von dem Körper getrennt gedacht werden kann, also auch mit ihm aufhören muss, was Jene, die den Vergleich ge- wählt haben, gewiss nicht behaupten wollten. Um die unbegreifliche Einwirkung der Seele auf den Körper verständlicher zu machen, da sonst doch nur Körper auf Körper wirken, hat man auch an die in die grösste Ferne wirkende Kraft der Imponderabilien z. B. des Lichtes erinnert. Aber wissen wir, dass das Licht sich ohne materiellen Träger im Weltraum verbreitet, müs- sen wir uns diesen leer, warum nicht mit einem feinen Stoff erfüllt denken, für dessen Dasein auch die ver- zögerte Bewegung mancher Himmelskörper spricht? Anstatt aber denselben Aether, der das Licht durch den Weltraum trägt, auch in den Zwischenräumen aller irdischen Körper anzunehmen, die das Licht durchlassen, ist es einfacher zu denken, dass die kleinsten Theilchen eines durchsichtigen Körpers die Lichtschwingungen selbst ausführen und fortpflanzen. Wenn nun die ver- schiedenen Imponderabilien, die uns in der Natur als ebenso wirksame Kräfte begegnen, wie die Schwere 33 eine solche ist, Bewegungszustände der Materie sind, so ist also das Wesen der Kraft überhaupt Bewegung, die Wärme, das Licht, die Electrieität sind nur ver- schiedene Arten derselben, verschiedene Aeusserungen einer Urkraft, die vielleicht nur nach Zahl und Grösse der Schwingungen uns bald als Wärme, bald als Licht oder Electrieität erscheint. Die Ansicht von der Einheit der Kraft in der Natur hat durch die Untersuchungen über Verwandlung der Kraft, wobei ihre Grösse unver- ändert bleibt, eine Bestätigung gefunden. Die Wärme erzeugt so viele Arbeit, als durch die Arbeit Wärme erzeugt werden kann. Die Stärke des eleetrischen Stro- mes hängt von der Grösse der chemischen Zersetzung ab, mit dieser steht auch die Menge Licht und Wärme, die er entwickeln kann, im genauen Verhältniss; die Wärme, der Magnetismus, die electrische Kraft lassen sich wieder auf die Schwere beziehen, und durch ein bestimmtes Maass der Arbeitsgrösse ausdrücken. Wie kein Stofftheilchen verloren geht, so geht keine Kraft in der Natur verloren, aber auch keine wird neu ge- bildet; jede Kraft, die wir irgendwo wirken schen oder die wir selbst in Bewegung setzen, ist eine abgeleitete. Die Kraft unseres Armes zieht die Uhrfeder auf und verwandelt sich in jene, mit der diese sich wieder aus- zudehnen strebt und Räder und Zeiger in Bewegung setz. Wenn der heisse Dampf den Kolben in der Dampfmaschine emporhebt, so rührt diese Kraft von der Wärme her, diese ist durch den chemischen Vor- gang der Verbrennung erzeugt. Die Maschine wird mit Kohlen gespeist und der Organismus mit Nahrungsmit- teln. Man hat gesagt, der Organismus trage die Quelle seiner Kraft in sich, der Maschine werde die Kraft von aussen zugeführt. Das ist nicht ganz wahr. Wohl gibt der heisse Dampf dem ganzen Triebwerk der Maschine nur einen äussern Anstoss, das innere Gefüge der Stangen und Räder, aus denen die Maschine besteht, bleibt dabei starr und unverändert; im thierischen Kör- per kommt auch die Kraft von aussen, von der ein- geführten Nahrung, aber alle Theile des Organismus sind, während sie arbeiten, zugleich selbst in steter Umsetzung und Neubildung begriffen, und dieser che- mische Stoffwechsel ist die Ursache jeder Kraftleistung, jeder Bewegung, deren der Körper fähig ist. Die Ma- schine bauen wir aus den härtesten Stoffen, aus Stahl und Eisen, die Natur baut die Organismen aus den ver- gänglichsten und wandelbarsten Elementen, dem Kohlen- stoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, die sich durch die grösste Mannigfaltigkeit ihrer chemischen Ver- bindungen auszeichnen und durch die Leichtigkeit, sie einzugehen ; so ist die Materie des lebenden Körpers in stetem Flusse, und wenn dieser chemische Process zu Ende geht, hört auch das Leben auf. Aber es ruhen die Bestandtheile auch im Tode nicht, ihre Arbeit ist die Fäulniss und Verwesung; der Tod ist also nur scheinbar das Bild der Ruhe; die Bewegungen der Glieder, der Blutlauf, das Athmen, die Nerventhätig- keiten haben aufgehört, aber der Stoffumsatz der klein- sten Theilchen dauert auch in der Leiche fort und kurz nach dem Tode in ganz ähnlicher Weise wie im Leben. 5 34 Aber das ist der Unterschied, dass im Leben die Zer- setzungsstoffe stetig fortgeschafft werden, wie sie sich bilden, im Tode aber bleiben sie und Alles zerstörend greift die Verwesung um sich. Also im Leben wie im Tode Bewegung! Für die innere Verwandtschaft der allgemeinen Kräfte der Natur gibt es auch einen aus dem Baue des thieri- schen oder menschlichen Körpers hergenommenen Be- weis. Die Theile des Körpers, die zunächst von fast allen Reizen, unter deren Einwirkung das Leben steht, getroffen werden, sind die Nerven; sie empfinden die Berührung und den Schmerz, den Schall und das Licht, die eleetrische Kraft erregt den empfindenden wie den bewegenden Nerven. Es ist aber immer, unwesentliche Verschiedenheiten abgerechnet, dieselbe Nervensubstanz, die alle diese Erregungen aufnimmt und durch sie, wie wir glauben müssen, selbst in ähnliche Schwingungen versetzt wird, die hier als Druck oder Schmerz, dort als Schall, Lieht oder Farbe empfunden werden, oder nach dem Muskel hingeleitet diesen zur Verkürzung bringen. So ist der Mensch mit seinen Sinnen mitten in die Natur gestellt, in jedem Augenblicke von tausend und aber tausend immer wechselnden, immer sich durch- kreuzenden Wellen oder Schwingungen des Lichtes, der Wärme, des Schalles umgeben, alle in sich aufnehmend, sammelnd, was zusammengehört, so dass aus der schein- baren Verwirrung durch das Wunder des organischen Baues die vollkommenste Ordnung und Klarheit wird. Dove hat uns ein anschauliches Bild entworfen von der Folge gleichartiger Erregungen, die unsere Sinne treffen können; er führt uns in den dunkeln Raum einer Schmiede, wir tasten umher und fühlen mit der Hand das kalte Eisen auf dem Ambos, nun fängt der Schmied darauf zu hämmern an und wir fühlen, dass das Eisen warm wird, aber auch das Ohr vernimmt den Ton des schwingenden Metalls; die Schläge dauern fort, das Eisen glüht, die rothe Farbe trifft zuerst das Auge, zuletzt wird das Eisen weissglühend. Da haben wir die Aufeinanderfolge von Gefühl, Wärmeempfindung, Tonempfindung, Lichtempfindung, durch verschiedene Schwingungszustände eines und desselben Körpers und die Fortpflanzung derselben auf unsere Nerven hervor- gebracht! So sind, wo wir hinblicken, die Körper oder ihre kleinsten Theilchen in Bewegung, selbst der feinste im Wasser schwimmende Staub zittert im Sehfelde des Mi- kroskopes. Besteht nicht die Welt wirklich aus wir- belnden Atomen? Die Stoffe selbst, deren letzte ein- fache Bestandtheile aber in einander umzuwandeln, wie die Alchymisten träumten, noch nicht geglückt ist, sind in stetem Wechsel begriffen. Nichts ist beständig. So- gar das leblose Reich der Gesteine ergreift der Stoff- wechsel; ganze Bergzüge und Erdschichten ändern im Laufe der Zeit, wie Einige wollen, ihre Zusammen- setzung; die Kohlensäure zerstört die kieselsauren Ver- bindungen, an die Stelle des Kalkes tritt wieder die Kieselsäure, Krystalle behalten ihre Form, während ihre chemische Zusammensetzung eine ganz andere ge- worden ist. Nichts hat uns den Zusammenhang aller Theile der Natur so anschaulich gemacht, als dieser Kreislauf der Stoffe, zumal jener, der das organische Leben mit dem unorganischen verknüpft. Die lebenden Körper bestehen aus denselben einfachen Elementen, wie die leblose Natur; jeder Bestandtheil des lebenden Körpers findet sich im Wasser, der Luft oder in der Erdrinde wieder. Aus dieser Quelle schöpft die Pflanze ihre Nahrung und macht, was das Thier nicht vermag, aus unorganischen Verbindungen organische. Das Thier verwandelt nur den von der Pflanze gebotenen Stoff in das mit höheren Lebenseigenschaften begabte thierische Gewebe; die Pflanze aber wandelt auch die Verwesungs- stoffe des 'Thieres wieder in organische Substanz. Wie die Stoffe, so sind auch die Kräfte, die zum Leben zusammenwirken, die der äussern Natur; wenn uns auch die Ursache, die sie zu einem Ganzen verbindet, verborgen bleibt. Die chemischen Gesetze sind nicht auf- gehoben im Lebensprozess, sie kämpfen nicht gegen denselben, sondern sie unterhalten ihn. Die thierische Wärme ist keine andere als die gewöhnliche, eine lang- same Verbrennung der Körperbestandtheile ist ihre Ur- sache. Wenn das Huhn brütet, so ist es nicht ein Lebenseinfluss, der auf die Eier übergeht, sondern die Wärme allein bedingt die Entwieklung, und die Wärme einer Oellampe, die Weingeist- oder Gasflamme oder der in Aegypten dazu verwendete brennende Kameelmist thun denselben Dienst wie die Blutwärme des mütter- lichen Thieres. Die eleetrische Kraft, welche von den electrischen Fischen entladen wird, und mit der die Alten schon Gelähmte heilten wie wir mit künstlichen Apparaten, ist dieselbe, wie die von diesen bereitete, man hat damit chemische Zersetzung und Verbrennung und Lichterscheinung hervorgebracht, die Stahlnadel magnetisirt, man kennt den positiven und negativen Pol des elecetrischen Organs. Und die Nerventhätigkeit, die noch zuletzt als eine dem Leben eigenthümliche, keinen Vergleich zulassende erschien, wie nah verwandt ist sie, seit wir die den lebenden Körper und jede Muskel und Nerven durchziehenden eleetrischen Ströme kennen, und bei einer willkürlichen Bewegung unseres Arms die Magnetnadel des Multiplikators ausweichen sehen, wie nah verwandt ist sie der eleetrischen Kraft! Wie eine bekannte höchst einfache Naturerscheinung, die Ver- dunstung, es ist, welche in der Pflanze den Saft zum Steigen bringt, so dass die geschnittene Rebe blutet, so unterstützt dieselbe auch im thierischen Körper die Auf- saugung der flüssigen Nahrung in die Gefässe. Man nimmt aber an, dass ausser den Kräften , die den Stoffen selbst innewohnen, es noch eine Ursache geben müsse, welche dieselben zu einem organischen Ganzen vereinigt und jeden Keim zu einer bestimmten Entwicklung treibt, die Lebenskraft. Hier tritt uns die Frage nach der Möglichkeit einer Urzeugung entgegen; ihre Entscheidung ist vom grössten Belang, mit ihr steht oder fällt die Annahme einer besonderen Lebenskraft. Gäbe es gegen die gewöhnliche Meinung auch jetzt noch eine Urzeugung von Pflanzen und Thieren, so gienge das Leben unter gewissen Bedingungen aus den gewöhn- lichen Eigenschaften der Stoffe hervor und die Natur wäre auch in Bezug auf den Ursprung lebender Wesen jetzt dieselbe wie zu Anfang der Schöpfung. Die Ver- suche, welche die Möglichkeit einer Urzeugung wider- legen sollen, haben den Werth nicht, den man ihnen beimisst; geglühte Luft, destillirtes Wasser sind in der Natur nicht vorhanden, sind also für das, was in der Natur vorgeht, ohne jede Beweiskraft. Höhere Orga- nismen sehen wir jetzt nicht von selbst entstehen, weil sie niemals von selbst entstanden sind, auch die Natur hat sie nicht anders als durch Entwicklung der einfachsten Grundformen hervorgebracht. Wie die Stoffe und Kräfte die Natur als ein Ganzes erscheinen. lassen, so schliessen sich auch die Formen nicht aus. Geht auch in der organischen Form jede andere unter, so wachsen doch Krystalle in lebenden Pflanzenzellen und manche, wenn auch untergeordnete, thierische Gebilde nehmen krystallinisches Gefüge an. Auf das Nächste aber sind Pflanze und Thier in Bau und Lebensthätigkeit verwandt. Alle organischen Ge- webe bestehen aus Zellen oder bilden sich daraus. Der erste Keim jeder Pflanze, jedes 'Thieres ist eine Zelle, deren erste Veränderungen nach der Befruchtung über- all dieselben sind. Die Zelle, aus der ein Mensch ent- steht, theilt sich und vermehrt sich nach demselben Gesetze wie die Protococeuszelle, die den grünen Anflug bildet, der im Winter die Rinden unserer Bäume mit frischer Farbe schmückt. Die Mischung der Bildungs- stoffe wird bei Farrnkräutern und Moosen, wie bei Muscheln und Säugethieren auf ganz ähnliche Weise, mit denselben Mitteln bewerkstelligt. Die ganze Er- nährung der Pflanzen und Thiere beruht auf denselben Vorgängen der Aufsaugung und Umwandlung der Stoffe, der Saftbewegung, der Absonderung. Wir sind ausser Stande, mit Sicherheit die wirbelnde Pflanzenspore von dem schwärmenden Wimperthier zu unterscheiden. Auch die thierische Empfindung hat ihr Gleichniss in den reiz- baren Blättchen der Mimose, in der Bewegung der Staub- fäden bei manchen Pflanzen ; gleichsam thierische Wärme strahlen die Blüthenkolben der Aroiden aus wie die keimenden Samen, denn diese Wärme steht wie bei den Thieren mit einer Aushauchung von Kohlensäure in Verbindung. Die ganze Reihe der Organismen von den niedern zu den höchsten ist wieder durch die Entwicklung auf das Innigste verknüpft. Die höher organisirten gleichen in ihren Jugendzuständen den niedern und sind einander ähnlicher wie später; das Hühnchen im Ei ist am zweiten Tage der Bebrütung von dem Embryo eines Fisches, aber auch von dem eines Säugethiers kaum zu unter- scheiden. Die verschiedenen Thiere sind die auf ver- schiedenen Stufen der Entwicklung festgehaltenen For- men des thierischen Lebens und das höhere Thier schreitet bei seiner Entwicklung durch die niedern Formen hin- durch, nie ganz sie darstellend, indem der nicht rastende Bildungstrieb die Aehnlichkeit sogleich wieder aufzu- heben bestrebt ist. Man hat vergeblich an dieser That- sache, die mehr wie alles Andere die Einheit alles or- ganischen Lebens darthut, zu deuteln gesucht, die Thatsache bleibt und auch die genaueste mikroskopische Forschung hat den allmähligen Uebergang-der thierischen Formen, des Knorpels in den Knochen, der kontraktilen Zelle in die Faser, der ungestreiften Muskelfaser in die gestreifte nachgewiesen. Die Embryonen der höheren Thiere zeigen vorübergehend die Gewebebildung, die bei den’ niedern Thieren die bleibende ist, wie der Em- bryo einer Gefässpflanze einer Zellenpflanze gleicht. Das Wesen der höhern Organisation beruht zum Theil nur auf der grösseren Zahl und Feinheit der elementaren Formbestandtheile, so unterscheidet sieh das Blut der Maus von dem des Frosches, der Muskel des Löwen von dem der Fliege, das Gehirn des Menschen von dem der Thiere. Betrachten wir das thierische Leben allein, wie es durch Ernährung, Athmen, Sinnesempfindung, Bewegung mit der grossen Natur verknüpft ist, so erkennen wir trotz der Mannigfaltigkeit der Bildungen an ganz be- stimmten nie fehlenden Verrichtungen und Organen eine Einheit des Planes. Die Abtheilungen, in die man die Thiere gebracht, sind nicht natürlich, die Grenzen der- selben sind verwischt. Ob man vier verschiedene Pläne des thierischen Baues jetzt allgemein gelten lässt, das Wirbelthier, das Weichthier, das Gliederthier, das Strahl- thier, es lassen sich dieselben als Typen, zwischen denen keine Uebergänge, keine Mittelformen stattfinden sollen, nicht festhalten. Die Trennung der Wirbelthiere von den Wirbellosen ist nicht einmal streng begründet; das letzte Wirbelthier, der lange für einen Wurm gehaltene unvollkommenste Fisch hat keine Wirbel, kein Gehirn, kein Herz, kein rothes Blut; wenn aber schon ein Knor- pelstab oder eine Knorpeldecke, .die das Nervensystem umgibt, das Zeichen der Wirbelthiere ist, dann muss der Tintenfisch auch dazu gehören. Alle unsere Be- mühungen, Pflanzen und Thiere in bestimmte Fächer einzutheilen, bleiben erfolglos, wenn man damit etwas mehr als den Nachweis der allmählig aufsteigenden Or- ganisation und der Abhängigkeit der Lebensformen von äussern Natureinflüssen beabsichtigt. Diese Betrachtung nach Uebereinstimmung, nach Aehnlichkeit und Ver- schiedenheit der Formen ist ein bequemes und unent- behrliches Mittel der Forschung; wir haben uns aber zu hüten, dass nicht, während wir Ordnung in die Wis- senschaft zu bringen bestrebt sind, uns der Geist der Natur, der Begriff ihrer Grösse und Macht verloren gehe! Wenn wir einmal nicht nur Pflanzen und Thiere genau beschreiben, sondern ebenso genau die Lebens- bedingungen angeben, die Bestandtheile des Bodens, die Wärme und die Feuchtigkeit, die Lichtstärke und die Höhe über dem Meere, unter deren Einfluss sie leben, so wird uns in zahlreicheren Beispielen, als sie heute uns zu Gebote stehen, die Bildsamkeit der Organismen überraschen. Ist es doch gerade ihnen eigenthümlich, vom Klima abhängig zu sein, während in der Bildung der Mineralien auf der ganzen Erde eine wunderbare Uebereinstimmung herrscht. Der Forscher des organischen Lebens staunt in fremden Ländern seltsame und neue Formen an, der Bergmann ist überall zu Hause! Kleine Veränderungen in der organischen Bildung sehen wir schon unter unsern Augen vor sich gehen, sollen wir 5* 36 nicht auf grosse schliessen dürfen im Laufe der Jahr- tausende ? Die Zeit, ohne die Nichts in der Natur geschieht, mit der wir den Weg des Lichts von den Gestirnen bis zu unserm Auge gemessen haben, aber auch den Blitz, der aus der Wolke fährt, die Empfindung, die von der Fingerspitze zum Gehirne eilt, die Zuckung des Muskels, der auf das Geheiss des Willens sich zusammenzieht, die Zeit, deren Kleinheit uns in Erstaunen setzt, wenn wir hören, dass man ein sieben und siebzig Millionstel einer Secunde zu messen versteht, und vor deren Grösse wiederum unser Leben in ein Nichts verschwindet wenn, wir bedenken, dass das Zurückweichen der Nachtgleichen erst in 25800 Jahren einmal im Kreise vollendet ist, warum will man sie, da die Wissenschaft auch die Pe- rioden der Erdgeschichte nach Hunderttausenden von Jahren zählt, für die Entwicklung des organischen Lebens ausser Acht lassen, das seine Veränderungen mit denen der Erdoberfläche zugleich erlitten haben wird ? Vor kaum dreissig Jahren stritten zwei Naturan- schauungen um die Herrschaft und zwei der grössten Forscher ihrer Zeit, Cuvier und Geoffroy St. Hi- laire standen sich gegenüber. Der erste läugnete die Einheit der organischen Zusammensetzung und jede Mög- lichkeit eines Uebergangs einer thierischen Form in die andere, der zweite behauptete sie. So allgemein die Naturforscher der Ansicht Cuviers beigetreten sind und noch anhängen, so findet dieselbe doch in den Forschungen der Gegenwart keine neuen Stützen. Je genauer wir beobachten, um so wandelbarer er- scheinen uns die Kennzeichen der Art, die unveränder- lich sein sollen, die Natur entwickelt vor unseren Augen einen Formenreichthum, der jeden geschlossenen Kreis durchbricht, einen Gestaltenwechsel, der, ein kleines Bild der grossen Entwicklung, uns die wunderbarsten Metamorphosen zeigt, die trennenden Schranken zwischen Pflanze und Thier, zwischen pflanzlicher und thierischer Substanz, zwischen der Vorzeit und der Gegenwart sind zum Theil gefallen, theils drohen sie den Einsturz. Der menschliche Leib ist nur das feinste und vollkommenste Werk thierischer Organisation, ja, läugnen wir es nicht, in der thierischen Seele liegen, in engen Kreis gebannt, die Grundkräfte der menschlichen Seele, die nach dem Unendlichen strebt! Immer hat man eingeräumt, dass sich die Idee von einer stufenweisen Entwieklung des organischen Lebens, von einer fortwirkenden Schöpfung durch Grossartigkeit und Kühnheit auszeichne, aber der Wahrheit entbehre; es ist keine geringe Genugthuung für den menschlichen oft irrenden Geist, wenn es sich herausstellen wird, dass der erhabenste Gedanke, den wir von der Natur zu fassen vermögen, auch der wahrste ist. Auf allen Gebieten der Naturforschung bietet sich dasselbe Schauspiel dar, es bricht sich eine neue Betrachtung der Dinge Bahn. Auch für die Geschichte der Erde verlassen wir die Vorstellung von gewaltsamen Revolutionen und Kata- strophen, denen in der Gegenwart eine Zeit der Ruhe gefolgt sein soll. Wir sehen überall nur einen gesetz- mässigen Bildungsgang , der noch fortdauert. Die Schöpfung ist neu in jedem Augenblicke, auch die Erde ist nicht fertig, der Boden bebt unter unsern Füssen! Allein in dem holländisch - indischen Archipel findet nach Junghuhn jeden eilften Tag ein Erdbeben Statt, auf der ganzen Erde vielleicht in jeder Stunde. Und wie das Feuer, wirkt stetig das Wasser; wenn jenes Berge aufrichtet, so ebnet dieses sie wieder; man schätzt die erdigen Stoffe, die der Ganges allein dem Meere jährlich zuführt, auf 6000 Millionen Kubikfuss, das ist 70mal die Masse der grössten ägyptischen Pyramide, in 1800 Jahren hat er die Oberfläche seines Stromgebiets um 1 Fuss erniedrigt. Seit wir wissen, wie Schweden sich allmählig hebt, Grönland und andere Länder sinken, lassen wir die höchsten Berge nicht mehr auf einmal emporgestiegen, ganze Festländer nicht auf einmal im Meere untergegangen sein. Nicht ein Alles überfluthen- der Ocean, sondern die Zeit hat die mächtigen alten Flötzschichten gebildet. Auch die vulkanischen Er- scheinungen der Gegenwart halten den Vergleich mit denen der Vorzeit aus. Die Natur ist nicht schwach und alt geworden. Beim Ausbruch des Scaptar Jökul auf Island 1788 ergoss sich ein Lavastrom, der 11 deutsche Meilen lang, 2 bis 3'/, Meilen breit war und oft 600 Fuss Mächtigkeit hatte. Der Jorullo in Mexiko hob sich 1759 in wenigen Monaten bis 1587 Fuss hoch, 4 Quadratmeilen Landes wurden mit Lava, Sand und Schlacken bedeckt! Auch die Kraft der lebenden Natur ist jetzt keine andere wie damals, weder die Thiere noch die Pflanzen waren grösser als es die lebenden sind, die Wissenschaft lässt sie eintreten in die grosse Entwick- lungsreihe der Organismen, sie füllen die Lücken zwi- schen den lebenden aus. Also auch hier Einheit der Natur, die den Anfang der Dinge und eine lange Ver- gangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft verbindet. Soll aber die Natur, wie jetzt gelehrt wird, nur ein kreisender Entwicklungsgang sein, der immer wie- der zum Anfang zurückkehrt? Der Forscher, weleher dem Unbegreiflichen entgehen will, das sich an eine sitt- liche Weltordnung knüpft, wird freilich zu dem Aus- spruche hingedrängt: „Nichts Neues geschieht unter der Sonne, und Alles, was kommt, ist schon einmal dage- wesen!“ Die Frage, ob das Weltall sich ewig um seine Pole dreht, lassen wir unerörtert. Für die Erde und das Leben auf ihr erheben wir aber Einspruch gegen eine Ansicht, die man dem Dichter wohl hingehen lassen kann, wenn er, wie schon Virgil, das grosse platonische Jahr besingt, zu der ein Naturforscher aber sich nicht bekennen sollte, weil sie mit den bis jetzt gewonnenen Thatsachen in Widerspruch steht und den Fortschritt der Wissenschaft selbst in Frage stellt. Wo fände auch in einer solchen Natur, die ewig dasselbe nur wieder- gebährt, der Mensch und sein Geschlecht eine Stätte, deren edelster Trieb das Streben nach Vervollkomm- nung ist? Es ist endlich auch der Glaube an die eine allum- fassende Natur, an den Zusammenhang der Natur- und Lebenserscheinungen, welche Naturforscher und Aerzte vereinigt zu gemeinsamer Arbeit. In dieser Verbindung liegt eine Gewähr für das richtige Verständniss der Natur, in deren Mitte der Mensch dasteht, eine kleine Welt in der grossen, ein Spiegel, auf den das All seine Strahlen wirft und aus dem der Blitz des Geistes wie- derum das All beleuchtet. Nur wer die Natur erkennt, erkennt den Menschen, und wo immer wir das geheime Wirken ihrer Kräfte belauschen, da nähern wir uns auch den verborgenen Quellen des Lebens, die uner- schöpflich fliessen trotz Tod und Krankheit und allem Jammer, der des Einzelnen Loos ist! Wenn auch der Werth der Wissenschaft wie der jeder Wahrheit nicht von dem Nutzen abhängt, den sie bringen kann, so sieht der Naturforscher doch darin gern den schönsten Lohn seiner Arbeit, wenn sie zu einem Segen für die leidende Menschheit wird; und die Aerzte wissen es, dass sie ihrem edlen Berufe nur dann entsprechen können, wenn sie Naturforscher sind. Die Naturwissenschaft hat ihnen neue und wirksamere Heil- mittel, sie hat ihnen das Thermometer und das Baro- meter, das Mikroskop und das chemische Reagens, den electrischen Apparat und den Augenspiegel in die Hand gegeben, in ihrer Schule haben sie gelernt, wie man Beobachtungen, wie man Erfahrungen macht. So möge es denn ihrem vereinigten Streben, das Wesen der Dinge zu ergründen, auch ferner gelingen, aus tiefem Schacht die Schätze des Wissens zu heben, der geheimnissvollen Göttin den Schleier zu lüften, so weit es dem menschlichen Blicke vergönnt ist! Herr Kreisphysikus Oskar Schwartz ın Sigmaringen: Ueber die historisch-naturwissenschaftliche Heilkunde im Gegensatze zu den medieinischen Irrlehren un- serer Zeit. Hochgeehrte Versammlung ! Der Name, welchen sich der seit nunmehr 34 Jahren aus den verschiedenen Gauen unsers deutschen Vater- landes zusammentretende Verein beizulegen für gut fand, der Name „Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte“ hat in unsrer Zeit für die Heilkunde eine höchst wichtige und mit Recht in unserer ersten diesjährigen Sitzung hervorgehobene Bedeutung gewonnen. Dieser Name, meine Herren, kann nichts anderes bedeuten, als dass die gesammte deutsche Naturforschung einen auf alter Bekanntschaft begründeten und nunmehr un- zertrennlichen Bund geschlossen hat, dass es überhaupt in Deutschland nur eine Heilkunde noch geben sollte, nämlich diejenige, welche sich stützt auf den historischen Fortschritt der nüchternen, empirischen Naturforschung. Die erleuchteten Stifter unsrer Gesellschaft haben nicht nur die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern auch die Geschiehte sehr gut verstanden, aus welcher sonnenklar hervorgeht, dass eine eigentliche Heilkunde erst da be- gann, wo man anfing, das Naturleben zu beobachten und seine Gesetze zu erkennen, dass wirkliche Fort- sehritts-Epochen in der Heilkunde stets gebunden waren an die Entdeckung und praktische Verwerthung neuer naturwissenschaftlicher Thatsachen. Ich brauche hier 37 nur an die bekannten und gefeierten Namen eines Hippo- erates, Galen, Vesal, Harvey zu erinnern und es wird Jeder zugestehen, dass nur die naturwissenschaft- lichen Kenntnisse und Entdeckungen dieser Männer der Heilkunde ganzer Jahrhunderte zur Stütze dienten, dass auch heute noch für uns die genannten Namen die na- türlichsten Abschnitte in der fortschreitenden Geschichte der Heilkunde bilden. Seitdem aber Harvey seine unsterbliche Entdeckung vom Kreislauf des Bluts publieirte, Vesal der anatomi- schen Forschung neue Bahnen brach und Albrecht v. Haller durch Entdeckung der organischen Muskel- Reizbarkeit Begründer der experimentellen Physiologie wurde, hat sich die Zahl hervorragender Aerzte, welche die rastlosen Fortschritte der Anatomie, Physiologie, Chemie und Physik zur Erkenntniss und Heilung mensch- licher Krankheitszustände zu benutzen suchten, so sehr vermehrt, dass es kaum möglich ist, ferner Einzelne als epochemachend zu bezeichnen, weil bei dem in den ein- zelnen Fächern der Heilkunde sich immer mehr sammeln- den wissenschaftlichen Material nur vereinte Kräfte Vieler zur Förderung des Ganzen beitragen konnten. Sie wer- den es mir um so mehr erlassen, noch weitere Namen hier zu nennen, da so viele verdienstvolle Forscher auf dem Gebiete der neueren Heilkunde unter uns weilen und es bei der heutigen Veranlassung weniger darauf ankommt, hinreichend anerkannte Verdienste hervorzu- heben, als vielmehr bescheiden und freimüthig nicht nur auf die Vorzüge, sondern auch auf einzelne Mängel und Gebrechen in den mannigfachen heilwissenschaftlichen Bestrebungen der Neuzeit aufmerksam zu machen. — Alle wahren, auf historisch-naturwissenschaftlichem Boden fussenden Förderer der neuen Heilkunde haben sich unzweifelhaft dadurch ausgezeichnet und am meisten verdient gemacht, dass sie nicht von menschlichem Hoch- muth und Eitelkeit geblendet, ihre Persönlichkeiten in den Vordergrund stellten und einseitige, abgeschlossene Systeme vom Standpunkte individueller Erfahrung auf- stellten, sondern dass sie mit edler Resignation auf vor- übergehende sogenanntes Aufsehen erregende Erfolge dem bekannten Herschel’schen Prineip huldigten, wel- ches heisst: „Nicht die Erfahrung eines Einzelnen, nicht die einer Generation, sondern die zusammengefasste Er- fahrung der ganzen Menschheit in allen Zeitaltern bietet allein ein festes und dauerhaftes Fundament, auf wel- chem das Gebäude der Heilwissenschaft errichtet werden kann.“ — Werfen wir, meine Herren, einen unbefangenen Blick auf die Gesammt-Resultate des bereits in der angedeu- teten Art wissenschaftlich Errungenen, betrachten wir, was die verschiedenen Fächer der Heilkunde, die innere Mediein, die Chirurgie, Geburtshülfe, die Augenheil- kunde, die Psychiatrie an positivem, praktisch brauch- barem Material gewonnen haben, vergleichen wir bei- spielsweise diejenigen Einrichtungen, in welchen sich der jedesmalige Zustand der Heilkunde am besten ab- spiegeln muss, unsere verschiedenen Kliniken und Hospi- täler mit demjenigen, wie er noch vor wenigen Decennien war, so können wir nicht anders, als selbst bei der in 38 mancher sonstigen Beziehung trostlosen und durch me- dieinische Partheiungen zerfahrenen Gegenwart, dennoch muthig und vertrauensvoll der Zukunft entgegensehen. Der auf naturwissenschaftlichem Fundament seit mehr als 2000 Jahren gegründete Tempelbau der Heilkunde, wenn er auch noch unvollendet ist und trotz aller An- strengungen der Bauleute Jahrhunderte lang noch un- vollendet bleiben wird, dürfte dennoch schon jetzt seine Thore jedem unpartheiischen Richter aufschliessen und braucht den Vergleich mit andern menschlichen Wissen- schaften nicht zu scheuen. Auch würde es nicht schwer halten, handgreiflich nachzuweisen, dass die mit dem bereits jetzt errungenen Schatz positiver heilwissenschaft- lieher Kenntnisse und Fähigkeiten ausgerüsteten Aerzte allen billigen Anforderungen der menschlichen Gesell- schaft zu entsprechen im Stande seien, und, wenn diesen Anforderungen vielfach nicht immer genügt wird, die Schuld weniger in der Heilkunde als Wissenschaft, als in äussern Verhältnissen, äussern Schwierigkeiten zu suchen sei, welche der segensreichen Wirksamkeit un- serer Kunst sich entgegenstellen und leider die Mensch- heit oft vollständig um die Früchte derselben betrügen. Schauen wir, meine Herren, von unsern academischen Hörsälen, unsern Kliniken und Hospitälern hinweg auf den grossen Tummelplatz des praktischen Lebens, so machen wir zunächst die beklagenswerthe Entdeckung, dass die Prineipien der naturwissenschaftlichen Heilkunde vor- zugsweise aus dem Grunde nicht zur gewünschten Geltung kommen können, weil sich ihnen eine bald grössere, bald geringere Anzahl verschiedener medicinischer Secten entgegenstellt, welche sich losgerissen haben vom Boden der Geschichte und der nüchternen Naturbeobachtung und nunmehr alle Mittel aufbieten, um das öffentliche Vertrauen auf ihre einseitigen Systeme zu eoncentriren und von der auf historischem Boden ruhig fortschreitenden allgemeinen Heilkunde abzuwenden. Dass letzteres durch die massen- haft erschienene und unter alle Classen der Gesellschaft verbreitete moderne homöopathische, hydropathische, magnetische, sympathetische und zahllose eigentliche Quacksalber-Literatur mit grossem Erfolge bereits ge- schehen ist, wird kein aufmerksamer Beobachter unserer Zeit läugnen und da gerade die Heilkunde eine Wissen- schaft des praktischen Lebens ist, welche gleichsam stehen und fallen muss mit dem Vertrauen, welches ihr nicht nur der Einzelne, sondern die ganze bürgerliche Gesellschaft schenkt, eine Wissenschaft, welche ohne dieses Vertrauen gar keine segensreiche Thätigkeit ent- falten kann, so hielt ich es für meine Pflicht, die hoch- geehrte Versammlung, welche so viele bedeutende und einflussreiche Kräfte unseres gemeinsamen deutschen Vaterlandes in sich schliesst, auf diese der Heilkunde drohende Gefahr aufmerksam zu machen und gleich- zeitig die Mittel anzudeuten, durch welche denselben nach meiner bescheidenen Ansieht am besten zu be- gegnen sein möchte. Ihnen allen, meine Herren, ist bekannt, dass heutigen Tages eine wenn auch nicht grosse, so doch häufig mit um so grösserem Geräusch auftretende Anzahl formell gebildeter Aerzte dahin strebt, sich vor den Augen der Laien besondere Namen beizulegen, als homöopathische, hydropathische, magnetische, gymnastische, diätetische, Natur-, Geschlechts-, Unterleibs-Aerzte u. s. w. und unter dem Nimbus dieser zweideutigen Bezeichnungen einen Kampf zu führen gegen die alte schulgerechte Mediein, welche meist unter dem Collectiv-Spottnamen der Allopathie zur Zielscheibe ihrer Angriffe dienen muss. Fragt man nun den Anhang dieser distinguirten Heilkünstler, was man denn eigentlich unter der so sehr gefürchteten Allopathie zu verstehen habe, so erhält man in der Regel ausweichende Antworten, gerade so, wie von den kleinen Kindern, wenn man sie fragt, was denn eigentlich das Gespenst sei, vor welchem sie sich in der dunkeln Kammer so sehr fürchten. Ist man aber so glücklich, auf seine Frage bestimmte Antwort zu erhalten, so heisst es, die Allopathie sei eine Heil- kunde, die im Gegensatz zum Magnetismus, zum kalten Wasser, zum Hahnemann’schen Heilprinzip des similia similibus nach dem veralteten Princip des contraria con- trarüs kurire, auf keine Diät bei der Krankenbehandlung Gewicht lege, nur giftige und zusammengesetzte Arznei- mittel in unmenschlichen Dosen verordne, die Patienten mit Aderlässen, Blutegeln, Brech- und Abführmitteln zwecklos quäle und wie die andern Vorwürfe noch sonst heissen mögen. Wenn ich nun heute hoffentlich mit Zustimmung meiner anwesenden Collegen mir nachzuweisen erlaube, dass diese sogenannte Allopathie nichts ist, als ein von SamuelHahnemann zur Abschreekung der Kranken ersonnenes Hirngespinnst, eine Illusion der neuesten Zeit, welche weder heute existirt noch auch jemals in der Geschichte der Heilkunde eine Existenz gehabt hat, so sollten billigerweise auch die Feinde der historisch- naturwissenschaftlichen Heilkunde endlich von ihrem nutzlosen Kampfe ablassen und ihre brauchbaren geisti- gen Kräfte einer nutzbringenden positiven Forschung zuwenden. Was das angeblich allopathische Heilprineip des con- traria contrarüs betrifft, so ist’s allerdings richtig, dass der alte Galenus im 2. Jahrhundert nach Christi Ge- burt von seinem damaligen naturwissenschaftlichen Stand- punkte aus vier sogenannte Elementar - Qualitäten im menschlichen Organismus annahm, nämlich das Trockene, Feuchte, Kalte und Warme, deren Mischung und Grund- verhältniss zu einander er sich im Zustande der Krankheit als gestört dachte und desshalb durch entgegengesetzt wirkende Arzneimittel, also contraria contrarüs, wieder herstellen wollte. War bei einem Krankheitszustand das warme Element vorherrschend, so wurden kalte, war das trockene Element vorherrschend, feuchte Arzneimittel angewandt und umgekehrt. Uebrigens huldigte selbst Galen diesem Heilprineip niemals in so einseitiger Art, als man ihm vorgeworfen; denn auch er zog bei Be- handlung der Krankheiten die Ursachen in Erwägung, suchte sie zu beseitigen, berücksichtigte die Lage und Beschaffenheit der ergriffenen Organe, den Stand der Kräfte, die Constitution des Kranken, ging also weit vernünftiger zu Werke, als manche, nach einseitiger Schablone kurirende Heilkünstler der spätern Zeit. Durch den allmähligen Fortschritt der Naturwissenschaften in den folgenden Jahrhunderten wurde das Einseitige der Galenischen Anschauungen immer mehr erkannt und, insoweit dasselbe nicht naturgemäss war, allmählig be- seitigt. Gegen das Heilprineip des contraria contrarüs sprach sich Paracelsus im 16. Jahrhundert am kräf- tigsten aus, wenn er sagt: contraria contrarüs curantur, das ist, heiss vertreibt Kaltes, das ist falsch, in der Arznei nie wahr gewesen, sondern also: arcanum und Krankheit das sind contraria, arcanum ist die Gesund- heit und die Krankheit ist der Gesundheit widerwärtig, diese vertreiben einander. — Bei den hervorragenden Aerzten des 18. Jahrhunderts ist von dem Galenischen Heilprineip gar keine Rede mehr und in unsern Tagen kann man die medieinischen Kliniken von ganz Europa durchwandern, ohne von dem contraria contrarüs zu hören; ich habe wenigstens noch keinen Arzt kennen gelernt, der bei Untersuchung und Behandlung seiner Kranken daran gedacht hätte. Ebenso wenig aber wie das der Allopathie unterge- schobene einseitige Prineip existirt, ebenso wenig sind alle andern der schulgerechten Heilkunde gemachten Vorwürfe begründet; sie treffen nur schlechte und un- gebildete Mitglieder unsers Standes, wie solche in jedem Stande vorkommen, nicht aber die wissenschaftliche Heilkunde als solche. So z. B. haben die guten Aerzte stets auf strenge Diät gehalten, namentlich der Stamm- vater unserer Kunst, der alte Hippocrates, und die diätische Krankenbehandlung wahrlich nicht erst von Priesnitz und Hahnemann gelernt; die guten Aerzte sind auch immer einfach in ihren Verordnungen gewesen und haben nur dort, wo es nöthig war, mit wirksamen Arzneimitteln eingegriffen, übrigens stets die Heilkraft der Natur respectirt. Man vergleiche nur beispielsweise die Krankheitslehre eines Peter Frank mit dem Organon von Hahnemann und man wird bald finden, wo die Bescheidenheit, wo die Eitelkeit, wo die Vernunft, wo die Phantasie, wo das Einfache und Wahre, wo das Zusammengesetzte und Falsche vor- herrscht. Die Recepte von P. Frank bestehen meist aus einem einfachen Arzneimittel, welches gegen das Grundleiden gerichtet ist, und welches oft Tage lang nieht gewechselt und verändert wird; Hahnemann dagegen zaubert mit den einzelnen Mitteln hunderte von zusammenhangslosen Symptomen hervor. Was nun die Stärke der Arzneidosen betrifft, so kann es wohl im Ernst keinem Arzte oder besonnenen Menschen ein- fallen, an die Wirksamkeit oder überhaupt nur an die Existenz von einem Deeilliontel Gran Belladonna, Brech- nuss, Schwefel, Bärlapp oder Graphit zu glauben und ich kann es nur für Verläumdung halten, wenn man derartiges der heutigen gebildeten Homöopathie nach- sagte. In der vernünftigen Verdünnung der Arznei- mittel ist aber die neuere Heilkunde namentlich durch Hülfe der Chemie so weit fortgeschritten, dass sie hier wahrlich den subtilsten Anforderungen genügen kann; die Chemie hat ja fast in allen Arzneimitteln das haupt- sächlich Wirksame entdeckt und es von dem unwirk- samen Ballast getrennt, so dass wir jetzt Arzneipräparate 39 besitzen, die bis zu '/,, ja bis zu %/;op Gran noch Wir- kungen auf den menschlichen Organismus entfalten, ohne das Geschmacksorgan oder den Magen des Kran- ken zu belästigen. Nun ist mir noch kürzlich eine ur homöopathischen Literatur gehörige und von den Ho- möopathen sehr gelobte Monographie über das Aconit *) in die Hände gekommen, wo das eztractum aconiti bis zu der Gabe von 1 bis 3 Gran"verordnet wird, was mit unsrer gewöhnlichen Dosenlehre ganz übereinstimmt, und im praktischen Leben kommen die dem Hahne- mann’schen Verdünnungsprineip widersprechenden Ver- ordnungen der Homöopathen immer häufiger vor. Wenn uns also die Homöopathen in der Dosenlehre wieder ganz nahe gerückt sind, auch Brech- und Abführmittel geben, bei Vergiftungsfällen und manchen Digestions- fehlern sogar geben müssen, so wäre eine prineipielle Trennung auf diesem Gebiete gar nicht mehr vorhanden und eine Vereinigung nicht schwer. — Es bleibt nun aber noch der Vorwurf übrig, dass die schulgerechten Aerzte Aderlässe und Blutegel in Anwendung ziehen, während doch die homöopathischen Zeitschriften deutlich nachweisen, wie Lungenentzün- dungen, mit Aderlässen behandelt, tödtlich enden, auf homöopathische Weise behandelt, glücklich geheilt werden. Diese Angaben, meine Herren, beruhen nun ebenfalls auf Irrthum und Täuschung, wovon sich ein Jeder überzeugen kann, welcher die von sogenannten allopathischen Aerzten besorgten Hospitäler besuchen will. Man wird dort Lungenentzündungen finden, die bei einfachem Character und nicht hervorstechenden Sym- ptomen, lediglich diätetisch behandelt und mit dem allgewaltigen Gummischleim geheilt, andere bei ent- kräfteten Constitutionen, wo sogar Wein und Stärkungs- mittel mit Erfolg verordnet werden, und schliesslich wird man sich auch überzeugen müssen, dass, wenn die Aerzte kräftigen und vollsaftigen Patienten bei Ent- zündung innerer edler Organe die Ader öffnen oder Blutegel setzen, dies immer mit wesentlicher Erleich- terung der Krankheitsbeschwerden verbunden ist, und die glückliche Heilung dadurch nicht gehindert wird. Wenn aber einfache und gelind auftretende Lungen- entzündungen unter dem Gebrauch des Gummischleims in unsern Hospitälern geheilt werden, so sind wir ge- wöhnlichen Aerzte auch so aufrichtig, zu gestehen, dass die Heilung nicht durch den Gummischleim, sondern durch den in jedem kranken Organismus von selbst und oft ohne alle Aufforderung wirkenden natürlichen Heil- process bewirkt sei, und wenn die Homöopathen ehrlich sind, werden sie auch ihrem Milchzucker die Heilung nicht zuschreiben dürfen. Es ist wahr, dass die alten Aerzte in Behandlung der Krankheiten weit mehr Blutentziehungen machten, als sich nach unsern modernen Begriffen vertreten lässt; es ist aber hierbei auch zu berücksichtigen, dass unsre Vorfahren ganz andere Leute waren, als wir, und jedes *) Der Redner meint wahrscheinlich die bekannte Schrift Wilhelm Reils: Monographie des Akonit. Gekrönte Preisschrift. 1858. 80, VII. 144 S. Leipzig, Weigel. 1, Thir. 40 Jahr gleichsam einige Pfund überflüssiges Blut produ- eirten. Unsere Vorfahren ärgerten sich bekanntlich weit weniger, . als wir, hielten sich an eine solide Hausmannskost und tranken bei gutem Humor unver- fälschten Wein aus grossen Pokalen. Bei dieser Lebens- weise wurde eine Unmasse weisser und rother Blutzellen nebst kräftigem Plasma produeirt, welches, wenn auch keine besondere Krankheit vorhanden, beim Antritt des Frühlings durch den sogenannten Bartscherer oder Schröpfmeister regelrecht entfernt werden musste. Die alten Aerzte hatten es also mit ganz andern Organi- sationen zu thun, wobei es auf einen Teller Blut mehr oder minder gar so genau nicht ankam. — Heutigen Tages, wo Blutarmuth und Nervenschwäche epidemisch geworden sind, hat sich die Sache geändert und wir müssen allerdings mit jedem Blutstropfen zu Rathe gehen, da unsere Patienten schon häufig beim Namen oder Anblick eines harmlosen Blutegelchens in Ohnmacht fallen. Hätten Sydenham oder P. Frank viele unse- rer heutigen Kranken behandeln müssen, so würden sie sicherlich auch die Lancette in die Tasche gesteckt und zu Belebungsmitteln gegriffen haben; denn die guten alten Aerzte waren gar sehr verständige Männer, die wohl zu beurtheilen wussten, welche Behandlung guten, und welche schlechten Erfolg hatte. Was soll man endlich von der sogenannten homöo- pathischen Behandlung der Cholera sagen, der man vor der allopathischen in populären Zeitschriften solche Vor- züge zuschreibt? Es ist hierauf zu erwidern, dass es eigentlich gar keine sich gleich bleibende Behandlung der Cholera geben kann, weil sie stets verschieden sein muss nach der Individualität des Kranken und dem Charakter der Epidemie. Im Allgemeinen hat sich aber bei der Cholera, wie bei allen epidemischen Infections- Erkrankungen, diejenige Behandlung am besten bewährt, welche man schon im 16. Jahrhundert gegen den eng- lischen Schweiss mit dem glänzendsten Erfolge anwandte, wo man bekanntlich von allen heftigen und speeifischen Mitteln Abstand nahm und bei sorgfältiger prophylak- tisch diätetischer Pflege das Gemüth der Kranken be- ruhigte. Dieser Behandlungsmethode hat Professor Romberg bereits 1837 in Caspers Vierteljahrschrift auch bei der Cholera das Wort geredet, und wenn kluge homöopathische Aerzte ihr folgen, so ist dagegen gewiss nichts einzuwenden. Man sollte aber diese be- reits 200 Jahre alte Kur keine homöopathische nennen, da sie mit der Homöopathie und dem Heilprineip des similia similibus gar nichts zu schaffen hat. Darin steckt aber der grosse Irrthum aller medieinischen Sectirer, dass sie in eitler Verblendung die natürlichen Heilpro- cesse nicht erkennen, jenen grossen Heilmeister nicht respectiren wollen, der uns aus der ganzen Geschichte der Menschheit und noch heute von jedem Krankenbett laut und vernehmbar entgegenruft: aduroxgarevo d.h. ich folge meinem eigenen Gesetz und ihr Aerzte seid nur meine Diener. Wie erleuchtet und erhaben erscheint uns hier der ehrwürdige, bereits 200 Jahre begrabene Sydenham, wenn er also spricht: Semper rebar , non sufficere ad comprobandam medendi rationem, ut felieiter ea evaderet, cum ab imperitissimarum muliericulorum temeritate sanentur nonmnulli, sed requiri adhuc, ut morbus, nullo ne- gotio vietus, quasi suopte genio cedat, quantum ejus fert na- tura. Durch diese einfachen Worte des alten Syden- ham wird meines Erachtens allen medieinischen Secten das Schwert aus der Hand gewunden und zugleich für alle Zeiten der Weg gezeigt, welchen die wahre, ruhig und besonnen fortschreitende Heilkunde zu nehmen hat. Wozu denn auch die verschiedenen Benennungen von Allopathie, Homöopathie und Hydropathie, worunter sich die Laien etwas Feindliches und Getrenntes den- ken, während die wahre Heilkunde doch stets eine ein- zige gewesen ist und es auch bleiben muss, wenn sie Anspruch auf das Vertrauen der Menschheit haben soll. Was die Hydropathie betrifft, so ist das gute Wasser bekanntlich schon von Pindar besungen, von Hippo- erates, Asclepiades, Musa, Hoffmann, Hahn und Tissot methodisch zu Heilzwecken benutzt und die medieinische Fakultät von Paris nannte schon im Jahre 1720, also 100 Jahre vor Vincenz Pries- nitz, das Wasser un remede universel, propre pour toutes les maladies en general, specifique pour chacume en parti- eulier, facile a trower et & preparer. — Können unsere heutigen Hydropathen mehr verlangen und ist es ge- rechtfertigt, bei derartigen schon vor 100 Jahren ge- machten Concessionen, im Gegensatz zur alten Heil- kunde ein besonderes System aufzustellen? — Ich glaube, im Vorstehenden bewiesen zu haben, dass die Allopathie als eine besondere Heilkunde gar nicht existirt und die Homöopathie sammt der Hydro- pathie gar keinen Grund mehr hat, ferner zu existiren ; wir wollen also hoffen, dass diese drei eigentlichen Nicht-Existenzen oder Nebelgestalten sich brüderlich die Hand reichen und mit einer Verbeugung vor dem Publikum, welches sie lange genug unterhalten haben, von der Schaubühne der heutigen Medieinalgeschichte recht bald für immer verschwinden mögen. — Es wäre dies um so wünschenswerther, als der ärztliche Stand namentlich in unsern Tagen unter sich der Einigkeit und des Friedens mehr als jemals bedarf, damit er einen gemeinsamen Feind unschädlich machen könne, der bis jetzt seine unheilvollen, in unserm fortgeschrittenen Zeit- alter fast unerklärlichen Eroberungen hauptsächlich den sich nach Aussen kundgegebenen Streitigkeiten im eige- nen Lager der Aerzte verdankt. Es war vorherzusehen, dass einseitige medieinische Doetrinen, wie die eines Mesmer, Hahnemann, Priesnitz und Anderer, nach welchen man ohne alle naturwissenschaftliche Bildung und Studien in kurzer Zeit Arzt und Apotheker zugleich werden konnte, dem mystischen und industriellen Dilettantismus unsrer Zeit sehr zusagen müssten, und so ist es denn auch gekom- men, dass die Heilkünstler überall wie Pilze aus der Erde schossen und Front gegen die schulgerechte Me- diein machten. Sobald in Europa sich das neue Evan- gelium verbreitete, dass zur Ausübung der Heilkunde keine anatomischen Kenntnisse mehr erforderlich seien, war auch sofort die Auferstehungsparole für die ge- sammte Quacksalberei gegeben und bald stand in allen m N". Staaten des Continents eine ganze Armee der aus den verschiedensten Ständen zusammen gelaufenen Markt- schreier gegen den gemeinsamen Feind, die wissenschaft- liche Heilkunde, schlagfertig aufgepflanzt. Die Quack- salberei war allerdings auch in früheren Jahrhunderten üblich; aber die finstersten Zeiten des Mittelalters haben nicht eine solche Marktschreier-Bande in’s Feld gestellt, wie das aufgeklärte 19. Jahrhundert. Diese moderne Armee, meine Herren, deren einzelne Führer irgend ein Elixir, Pulver, Pille, Kette oder Pflaster, gedrechseltes Holz, Milchzucker oder eine Apfelweinflasche, eine Sem- mel oder einen Kräutersack als Panier auf ihre Fahne geschrieben haben, ist zwar unter sich uneins, aber darin vollständig einverstanden, dass es zur Heilung der menschlichen Krankheiten ganz gleichgültig sei, zu wis- sen, wie der Körper inwendig beschaffen sei, man brauche vielmehr von der menschlichen Anatomie nur soviel zu kennen, dass jedes kranke Individuum im Nothfalle über einen Geldbeutel zu verfügen habe, den man vor aller Heilung zunächst gründlich anbohren und entleeren müsse, Um dieser höchst wichtigen Heilanzeige oder Causal- Indication zu genügen, wird nun schon seit manchen Decennien immer derselbe Operationsplan eingeschlagen und es ist in psychologischer Beziehung höchst merk- würdig, dass sehr selten die versprochene Heilung der Krankheit, aber stets die Entleerung der Geldbörse das Endresultat ist. Hat also heutigen Tages Jemand in seiner ursprünglichen Handthierung Fiasko gemacht, so legt er sich auf das einträglichste Geschäft, welches noch Niemanden im Stich gelassen hat, nämlich auf’s Erfinden in der Heilkunde. Er denkt sich also in sor- genvoller, schlafloser Nacht ein beliebiges Instrument aus, gleichviel, was es sei, eine Kette, einen Beutel mit Hammerschlag gefüllt, ein Pflaster, eine Spindel, ja es braucht auch nur ein einfaches Mehlpulver zu sein, gibt diesem Phantasiestück einen möglichst abenteuerlichen, noch niemals gehörten Namen, als da ist, Lebenswecker, Revalenta arabica, untrüglicher Apparat gegen Epilepsie, Hämorrhoiden, Schwindsucht, Cholera und Scheintod, persönlicher Schutz, Bonekamp of Maagbitter mit dem Motto: occidit qui non servat, Baarfüsser Carmeliter mit dem Motto: „Prüfet Alles und behaltet das Beste“, ‘und wie die Nomenclatur noch sonst heissen mag. Darauf wird eine Schrift über das untrüglichste Heilmittel gegen alle irdische Krankheit und Noth fabrieirt, in welcher das Portrait des berühmten Erfinders vorne an steht und sodann vor allen Dingen über die bisherige Heil- kunde und über sämmtliche Aerzte, als wahre Menschen- fresser, geschimpft werden muss. Sodann wird eine bombastische Anpreisung des Buches nebst einigen überall für Geld und gute Worte zur Disposition stehenden Re- eensionen und Attesten zusammengestoppelt und die Re- dactionen sämmtlicher Zeitungsblätter bis auf die Kreis- und Amtsblätter hinab gebeten, die Annonce 20 bis 30 mal mit grossen Lettern abdrucken zu lassen und den Gesammtbetrag der Insertionskosten mit Postvor- schuss zu entnehmen. In dem letztgedachten Manöyre liegt eine sehr zarte Bestechung, die uns manche Er- scheinung auf dem Gebiete unserer Tagesliteratur sehr 41 erklärlich macht. In derselben Art verfährt man mit den Buchhandlungen, wenigstens denjenigen, die sich dazu hergeben, welche gegen hohe Procentsätze die Quacksalber-Fabrikate durch Colporteure in jedes Haus müssen tragen lassen, damit unsere Bürger und Bauern dieses aus Lug und Trug zusammengesetzte, oft schmutzige, der frivolsten Sinnlichkeit schmeichelnde Geschreibsel in ihren Erholungsstunden an Sonn- und Festtagen lesen mögen. Ist die Sache erst soweit gediehen, so ist dem Erfinder geholfen, er wird stets ein reicher Mann, ja sogar häufig ein Millionär. Denn der kranke Mensch, nicht nur der ungebildete, sondern auch der gebildete, lässt sich namentlich bei chronischen, schwer heilbaren Krankheiten sehr leicht bethören und ist weit mehr ge- neigt, dem lockenden Gaucklerspiel, als den ernsten und aufrichtigen Worten seines Arztes zu folgen. Hat der Kranke sich aber einmal der Quacksalberei zuge- wandt, ist das untrügliche Mittel für schweres Geld, oft für den Arbeitsschweiss einer ganzen Woche angeschafft, so wird es die überall vorhandene menschliche Eitel- keit niemals zulassen, sofort einzugestehen, dass man angeführt und betrogen sei. Man sucht sich vielmehr auf einige Tage die Schmerzen zu verbeissen, selbst wenn sie von einem eingeklemmten Bruch entstanden waren, den der Quacksalber durch Pechpflaster kuriren wollte, man rappelt sich auf, erscheint sogar wieder in Gesellschaften, stellt Atteste aus, stösst in die Lärm- posaune; aber in der Regel dauert diese Comödie nicht lange, die Krankheit kehrt mit verstärkter Gewalt zu- rück und nun erst wird der geschmähte Arzt wieder aufgesucht, um die Karre aus dem Sumpf zu ziehen. Statt des hülfreichen Arztes kommt aber dann leider weit öfter der knöcherne Sensenmann, der bekanntlich das entscheidende Schlussattest ausstellt. Ich habe, meine Herren, im Eingange meines Vor- trags von Mitteln gesprochen, durch welche in unserer Zeit dem verderblichen Einfluss der medicinischen Sec- tirer und Quacksalber entgegengewirkt werden könnte, und, obgleich ich mich innerhalb der engen Grenzen der mir zugemessenen Zeit hier nur auf Andeutungen beschränken kann, so werden Sie mir doch zur Lösung meines Versprechens Ihre geschätzte Aufmerksamkeit noch auf einige Augenblicke schenken. Das erste und am nächsten liegende Mittel besteht meines Erachtens darin, dass die deutsche Medieinalpolizei auf Grund der in den deutschen Staaten bestehenden Gesetzgebungen gegen die Quacksalber und den gewinnsüchtigen Ge- heimmittelkram strenge ihre Schuldigkeit thue und sich nicht durch bezahlte Atteste und Lärmschläger zu über- eilten Concessionen verleiten lasse. — Man hat die Quacksalberei vom Standpunkte der persönlichen Freiheit, der allgemeinen Menschenrechte u. Ss. w. zu vertheidigen gesucht und es soll mir hier nicht einfallen, diese Theorieen zu widerlegen. Theore- tisch lässt sich ja in der Welt Alles beweisen und Alles widerlegen, so dass auf dem Gebiete der Theorieen selten für uns Menschen eine Verständieung möglich ist. Wir Aerzte pflegen desshalb auch nicht viel auf abstracte Theorieen zu halten, uns kommt vielmehr 6 42 Alles darauf an, wie sich eine Sache im Leben be- währt, was die Praxis, das Experiment, dazu sagt. Mit der Quacksalberei hat man nun, denke ich, lange genug experimentirt, um zu beurtheilen, was dahinter steckt; denn es gibt Staaten, wo man sie gesetzlich gar nicht gehindert hat, und wiederum Staaten, wo man ihr na- mentlich in der neuern Zeit trotz der bestehenden Ge- setzgebungen bedeutende Concessionen gemacht hat. Die Consequenzen dieses Toleranzsystems sind nun nach- stehende gewesen: 1) Die Zahl der - chronischen Krankheitszustände hat ungeachtet aller Versprechungen der medieinischen Marktschreier, dass sie die Schwindsucht, Epilepsie, Lähmungen, Seropheln, Gicht ete. heilen würden, in erschreckender Weise zugenommen; Bäder, Siechen- und Irrenanstalten sind gepfropft voll, müssen mit jedem Jahr vermehrt werden; körperlich und geistig gesunde Menschen, die das ganze Jahr am häuslichen Heerde leben können, werden immer seltener. 2) Die wissenschaftliche Heilkunde steht in all’ den Staaten, wo man der Quacksalberei Thür und Thor geöffnet hat, auf dem niedrigsten Standpunkt, der ärzt- liche Stand ist dort mehr und mehr corrumpirt, und von seiner nützlichen Wirksamkeit abgehalten worden. 3) Die durch ihre körperlichen Leiden schon hin- reichend unglücklichen Kranken sind durch die industrielle Quacksalberei der nothwendigen Geldmittel beraubt, ein- zelne verschmitzte Schwindler in kurzer Zeit ohne Mühe und Arbeit reiche Leute geworden. 4) Die auf den allgemeinen körperlichen und geisti- gen Gesundheitszustand so mächtig einwirkende Volks- Moral ist durch die Verbreitung der Quacksalber -Li- teratur methodisch untergraben worden und lässt sich der Schaden, welchen z.B. das bekannte in 23 Auflagen erschienene Buch, der persönliche Schutz genannt, in dieser Beziehung gestiftet, gar nicht wieder gut machen. Diese, meine Herren, sind die Gründe, wesshalb ich im Interesse der leidenden Menschheit, der Wissen- schaft und des ärztlichen Standes möglichst grosse Strenge und Wachsamkeit gegen das moderne medieinische Sec- tenwesen und die Quacksalberei empfehle und dem herr- schenden Toleranzsystem nicht huldigen kann. Ein zweites Mittel, um dem industriellen Seetenwesen und der Quacksalberei vorzubeugen, besteht meines Erach- tens darin, dass den Studirenden auf den Universitäten Gelegenheit geboten werde, sich das volle Maass einer wirklich universellen, medieinisch - practischen Bildung zu erwerben und unsere Prüfungsanstalten, fussend auf der Nothwendigkeit positiver heilwissenschaftlicher Kennt- nisse und Fähigkeiten, aber fern von aller Dressur und Pedanterie, auf eine den Forderungen der heutigen Zeit entsprechende Höhe gestellt werden, in welcher Be- ziehung nach dem Urtheile der erfahrensten Sachkundi- gen noch Vieles gebessert werden kann. Vollständig und namentlich practisch gebildete Aerzte werden das zur Heilung der Krankheiten so nothwendige Vertrauen sich zu erringen und zu erhalten wissen, sie werden der Menschheit in den Stunden ernster Gefahr, wo es gilt, und wo man keine Comödienkünste, keine Lebenswecker 0 und Streukügelchen brauchen kann, ihre Dienste nicht | versagen, sie werden ihre Pflicht erfüllen in unsern mannigfachen Spitälern, bei todbringenden Seuchen, auf dem Schlachtfelde unter dem Donner der Geschütze, wie | in stiller Friedenshütte unter dem Angstruf der Kreissen- den, sie werden sich nicht weigern, gleichviel, ob man sie rufe in die Tobzellen der Rasenden oder in die Ca- sematten der Verbrecher; sie werden trotz Undank und Verläumdung auch in unsern Tagen dem alten Wahl- spruch des ärztlichen Standes treu bleiben, der da heisst: Dei omnipotentis est, sontes castigare, nostrum vero miseris pro virili suceurrere. — Schliesslich, meine Herren, möchte ich noch an eine dritte und letzte Pflieht zu erinnern mir erlauben, die für uns darin liegt, dass wir die Gebildeten des Volkes für die wahre naturwissenschaftliche Heilkunde und ihre gemeinnützigen Tendenzen zu gewinnen suchen, was durch unsere neuere medieinische Literatur nur in sehr beschränktem Maasse geschehen ist. Die alten Aerzte der früheren Jahrhunderte verstanden das viel besser als wir und brauche ich hier nur an den mächtigen Ein- fluss zu erinnern, welchen ein v. Helmont, Boer- have, Sydenham, vanSwieten, P.Frank, Hu- feland, Tissot, Unzer, Pinel und Andere durch charaktervolle Persönlichkeit und populäre Schreibart auf ihre Zeitgenossen ausübten, während wir uns viel- | leicht zu viel von dem Reiz der exacten Forschungen, | durch Mikroskop, Retorte und Cadaver haben fesseln lassen. Die naturwissenschaftliche Heilkunde der Jetzt- zeit befindet sich aber nicht nur in einer Uebergangs- sondern in einer wirklichen Kriegsperiode und die erste Regel der Kriegskunst ist, dass man keinen Feind fürchte, aber auch keinen für zu gering und ohnmächtig halte. Hüten wir uns desshalb, dass es uns über unsern ernsten und wohlgemeinten Studien nicht ergehe, wie es einst . dem Archimedes ergangen ist, der bekanntlich, als er über seinen Zirkeln brütete, es nicht gesehen hat, dass die Vaterstadt Syrakus bereits vom Feinde genommen war und keine Maschine zur Rettung derselben mehr erfunden werden konnte. Ich musste es desshalb als ein höchst zeitgemässes Unternehmen begrüssen, als im Juli vorigen Jahres ein Mitglied unserer Versammlung, der Professor und prakt. Arzt, Dr. Karsch unter Mitwirkung gleichgesinnter Collegen eine populäre medieinische Zeitschrift unter dem Namen der „Hygea“ gründete, welche sich unter den mannigfachsten Opfern und Schwierigkeiten die Auf- gabe stellte, einerseits dem herrschenden Charlatanismus auf dem Gebiete der praktischen Heilkunde entgegen- zuwirken, andererseits die gebildeten Laien über die wahre Pflege und Cultur der menschlichen Gesundheit nach dem heutigen Standpunkte der Naturwissenschaften aufzuklären. Als mich der Professor Karsch bei Ge- legenheit der letzten Naturforscher - Versammlung um meine Mitwirkung ersuchte, glaubte ich mich trotz mei- ner anderweitigen mannigfachen Berufsgeschäfte dieser Pflicht nicht entziehen zu dürfen. Von der im Deiters’- schen Commissions-Verlage erscheinenden „Hygea“ sind nun bereits 30 Nummern ausgegeben und wir bitten Sie, LT REIFE Op meine Herren, nicht etwa für das Blatt einseitige Pro- paganda zu machen; denn jedes gute Ding muss sich selbst durch eigenen Werth Bahn brechen; wir bitten Sie vielmehr, uns im Laufe der Zeit durch wohlwollende Besprechung auf etwaige Mängel und unfreiwillige Irr- thümer aufmerksam zu machen. Denn, wer die Lüge bekämpfen will, kann ihr nur die einfache und nackte Wahrheit gegenüberstellen und in dieser Beziehung hul- digen wir vollständig dem Galenischen Prineip des contraria contrarüs curentur. — Wir haben unsre Erörterungen desshalb überall durch eingehende historische Forschung und naturwissenschaft- liche Analyse zu begründen gesucht, weil uns kein an- deres Mittel bekannt ist, einen bestehenden Irrthum zu widerlegen. Unsre Gegner, die medieinischen Sectirer, haben zuweilen auch eine historische Stütze gesucht und namentlich den alten Theophrastus Bombastus Paracelsus angeführt, in dessen Schriften ihre Lehren sollen enthalten sein.. Bekanntlich ist dem Paracelsus Manches untergeschoben worden, was er gar nicht ge- 43 schrieben hat; in seinen ächten Schriften haben wir aber Stellen gefunden, denen wir vollständig beistimmen und bei deren Anerkenntniss wir gerne bereit wären, die Hand zur Versöhnung zu bieten. Diese Stellen aus Paracelsus, mit welchen ich meinen Vortrag zu schliessen mir erlaube, heissen also: „Gott bleibe in allen Dingen der oberste Seribent, der höchste und unser Aller Text. Dieweil sein Werk’ wunderbarlich sind, ist billig, den Ursprung zu suchen solcher Dinge, auf dass hierinnen kein Gespenst, kein Zauberei und Geisterei mag erfunden werden, oder den abergläubischen Seeten zugewendet, will ich den Grund beschreiben. Lasset Euch nicht ver- führen und betrügen die divinationes artium incertarum ; das seynd Alles ungewisse Künsten. Die Augen, die in der Erfahrenheit ihre Lust haben, dieselbigen seyndt deine Professores. Denn der Arzt geht aus der Natur hervor und nicht aus der. Speculation; das Sichtige gibt ihm die Wahrheit, das Unsichtige nichts.“ III. Allgemeine Sitzung. Mittwoch den 22. September 1858. Ehe die Vorträge begannen, wurden einige ge- schäftliche Gegenstände geordnet. Auf den Vorschlag des ersten Geschäftsführers wurde eine Deputation ausersehen, um dem Gross- herzoge den Dank der Versammlung auszusprechen, und dazu gewählt die Herren: v. Liebig, v, Sie- bold, v. Martius, Wöhler, Schönbein, Köl- liker, Argelander, Virchow, v. Bär (aus Petersburg), Despretz, Palasciano, Adel- mann, v. Carnal, Kuntzeck, Langenbeck. Sodann nimmt Herr Professor Schönbein das Wort, und gibt beim Schlusse der Versammlung den allgemeinen Empfindungen Ausdruck, indem er im Namen der Versammlung ihren Dank dar- bringt Ihren Königlichen Hoheiten dem Grossherzog und der Grossherzogin, den Behörden des Staates und der Stadt, den Geschäfts- führern, den Bewohnern von Carlsruhe und den Carlsruherinnen. Der erste Geschäftsführer macht die Mittheilung, dass Seine Königliche Hoheit der Grossherzog zur Erinnerung an die 34. Naturforscher-Versammlung eine Medaille habe prägen lassen, welche zur Ver- theilung an sämmtliche Mitglieder und Theilnehmer bereit liege. Sofort traten Ihre Königliche Hoheiten der Grossherzog und die Grossherzogin ein, und wohnten dem fernern Verlaufe der Sitzung an. Die Tagesordnung führte zur Fortsetzung der wissenschaftlichen Vorträge. Es sprach Herr Professor Virchow von Berlin: Ueber die mechanische Auffassung der Lebens- Vorgänge. Der Redner hielt es für zweckmässig, bereits in seinen ersten Worten die Versammlung darüber zu beruhigen, dass es nicht seine Absicht sei, eine un- schöne Discussion über die Grenzen zwischen Glauben und Wissen hervorzurufen, wie sie seit der Göttinger Versammlung nur zu oft sich geltend gemacht; um so mehr, als dieser Streit auf Fragen sich beziehe, deren Lösung mehr dem Gewissen des Einzelnen in geheimer Kammer anheimzugeben sei, als dass es sich zieme, sie zur öffentlichen Streitfrage zu erheben. Auch für die neuern Erfahrungen sei der Begriff des Lebens nur ungewiss. Während die Naturphilosophie noch ein Leben der Welt, ein Leben der Atmosphäre annahm, weiss die heutige Naturwissenschaft nichts von diesen Anschauungen, da sie nur Vorgänge, nur Thätigkeiten der pflanzlichen und thierischen Organismen kennt. Im Gegentheil muss sie geltend machen, dass keine Analogie zwischen dem Umstande besteht, dass die chemische Mischung der Atmosphäre und des Meeres 6* 44 sich im Laufe der Zeit gleichmässig erhält, und der Thatsache, dass Thiere sich durch ihre Lebensvorgänge den nachtheiligen Einflüssen gegenüber selbständig er- halten. Denn die gegenwärtige Mischung des Luft- und Wassermeeres ist nicht die Norm, ebenso wenig als die vor Jahrtausenden bestandene, welche unzweifel- haft von der jetzigen abweicht, Norm genannt werden kann. Bei Thieren und Pflanzen dagegen sind keine andern Verhältnisse bekannt. Wir finden in der Ein- richtung des Organismus etwas, was zu andern Natur- gegenständen im Gegensatze steht. Dieses Bewusstsein der Eigenthümlichkeit hat immer bei den Menschen vorgewaltet, aber die Deutung der Thatsachen ist ver- schieden gewesen. Die spiritualistische Kraft in den lebenden Wesen hat man häufig in Analogie mit den Erscheinungen der Körperwelt aufgefasst, und das Geistige für einen zusammengesetzten Organismus nach Art des Körpers gehalten. Es nöthigt aber die Natur- wissenschaft nichts, einen solchen selbständig bestehen- den, in sich abgeschlossenen spiritus vitalis anzunehmen. Nur zu einem ist die Naturwissenschaft gezwungen: sie muss die Nothwendigkeit der Form für das belebte Wesen anerkennen und erblickt den Repräsentanten der organischen Form in der Zelle. Allein hieraus ent- springen ihr neue Verwickelungen. Denn schon jetzt ist es sehr schwierig, darüber zu entscheiden, ob feststehende Unterschiede zwischen pflanzlichen und thierischen Zellen bestehen. Für die Reihenfolge der organischen Entwicke- lung vom Einfachern zum Höherstehenden, wie sie die Naturphilosophie lehrt, haben sich bis jetzt keine Be- weise finden lassen, und man neigt sich zur Constanz der Form. Es scheint für die organischen Wesen eine beschränkte prästabilirte Bahn zu bestehen, nach welcher die Haupteigenthümlichkeiten der Organismen sich durch Erbschaft fortpflanzen und die gleichen bleiben. Immer dieselbe Form entspringt aus der frühern Form ohne besondere Entwickelung. So ein- schmeichelnd die angedeutete Entwickelungsreihe sich uns darstellt, so wünschenswerth dem einzelnen Forscher der Nachweis für dieselbe wäre, so ist doch der Natur- forscher, welcher sich und seine Lieblingsneigungen der ruhigen Erkenntniss zum Opfer bringt, gezwungen, diese Anschauung als ein Phantasiegebilde zu bezeichnen. Wir sind genöthigt, die Invariabilität der Genera und Species als nothwendige Folge der organischen Gesetze anzunehmen. Doch gilt dieser Zwang nur für die Gegenwart und den heutigen Zustand unserer Kenntnisse und lässt hoffen, dass man später weitere Aufschlüsse findet. Der Redner rechnete es sich als ein gewisses Verdienst an, dieses ihm widerstrebende Gesetz auch in Krankheiten nachgewiesen zu haben, indem er zeigte, der Körper thue nichts, wozu ihn nicht seine Bildung im Voraus berechtigt; hieraus folgt, dass man die gene- ratio aequivoca ablehnen muss. Der Naturforscher ver- mag auf die drängenden Fragen keine bestimmte Ant- wort zu ertheilen. Man kann nicht sagen, dass eine bestimmte Idee der Construction des Organismus vor- stehe, wie die Idee des Baumeisters dem Aufbau eines Hauses. Aber wenn auch die Idee des Meisters den Plan ins Leben ruft, so ist doch zur Verkörperung des Plans eine grosse Anzahl rein mechanischer Hülfsmittel nothwendig, ohne welche der Hausbau nicht zu Stande kommt, ohne welche kein Haus entsteht. Das Bewusst- sein von der Nothwendigkeit mechanischer Hülfsmittel macht sich überall geltend. Es gibt keine positive Reli- gion, welche ohne mechanische Vorstellungen ihre Kos- mogonie darstellte. Weshalb wollen wir uns sträuben, die mechanische Einrichtung auch in unserm eigenen Organismus anzunehmen? Es gibt für uns keine andere Erklärungsweise. In der Form liegt ein Stück des Wesens begründet. Wir sind nicht berechtigt, von uns auf die Welt und von der Welt auf uns zu schliessen. Ueber den Act der Schöpfung des Organischen wissen wir nicht das Mindeste; wir können mithin auch kein Urtheil darüber haben, sondern wir wissen nur, dass eine Kette der einzelnen Organismen von Mutter zu Kinde seit langer Periode besteht; vom gegenwärtigen Augenblicke aus können wir nicht auf die Vergangen- heit Schlüsse ziehen. Man muss sich bei dem Mangel unserer Kenntnisse beruhigen und die Grenze des Wissens anerkennen. Die Philosophie verlangt einen Plan der Schöpfung und wirft dem Naturforscher vor, dass er weder den Zweck der Welt nachweise, noch das ästheti- sche Bedürfniss befriedige, während die Naturforschung doch nur in bescheidener Erkenntniss der menschlichen Grenzen nicht weiter gehen will, als sie mit Sicherheit ihre Schritte zu lenken vermag. Von anderer Seite hegt man Befürchtungen vor der allzu einfachen Erklärungs- weise; aber die ruhige Erkenntniss kann keine Zerstörung üben. Wohl aber macht das klare Bewusstsein der Auf- gaben, die noch zu lösen sind, sowie die Ueberzeugung von dem Einflusse der mechanisch wirkenden realen Objecte es jedem zur Pflicht, für ungehemmte Forschung und für Erfüllung der für die organische Pflege noth- wendigen Bedingungen Sorge zu tragen. Darnach hielt Herr Badarzt Eimer von Langen- brücken eine Rede: Ueber das Gottesbewusstsein in der Naturforschung. Die Aufgabe war, zu zeigen, wie die fortschreitende Naturwissenschaft das ächte Gottbewusstsein in der Menschheit nicht zerstört, sondern stark macht. Nach- dem nachgewiesen war — anderseitigen Behauptungen gegenüber, — dass schon im griechischen Alterthum neben den Annahmen von Fatum und unveränderlichen Naturgesetzen, und über ihnen stehend, eine Allvernunft, ein göttlicher Urgrund des harmonischen Seins, also monotheistische Ueberzeugungen bei den hervorragend- sten Männern jener Zeit herrschend gewesen, — ward ausgeführt, wie zugleich mit dem also vorbereiteten Erscheinen des Christenthums der dämonologische Neu- platonismus aufkam, welcher eine fortdauernde Ein- wirkung in seiner Weise willkürlicher himmlischer Mächte auf die irdischen Dinge lehrte und dem Geister- und Gespensterglauben die Richtung gab, welche noch jetzt unter uns allverbreitet ist und die tausenderlei Formen erzeugte von Aberglauben, wie er noch heute die Menschen bethört. — Endlich zersprengten die er- wachenden Geister die Fesseln, welche Wissen und Glauben und Denken gefangen hielten, und es kam heran die siegende Neuzeit, geführt von einer jung- kräftigen, an Naturbetrachtung unterrichteten Philoso- phie und getragen von grossartigen Entdeckungen in der Erd- und Himmelskunde. Damals auch erkannten die grössten Forscher in der wunderbaren Harmonie der Weltordnung die schaffende Weisheit eines allmächtigen Schöpfers; denn die grossen Geister reichen zu Gott und nur die kleinen, zu kurz dazu, bleiben an der Materie hangen. — Jetzt folgten sich immer drängender die bedeutungsvollsten Neuerungen in den Naturwissen- schaften und täglich mehr befestigte sich die Ueber- zeugung, dass nicht launige Geister in den Naturer- scheinungen spucken, sondern dass die Welt eine Ver- nunftordnung sei, welche einzusehen eben der Menschen- vernunft erhabene Aufgabe geworden. Und diese Ver- nunftordnung als eine gottgegebene verstehen zu wollen, war dem Menschengeist doch wohl naturgemäss; in Deutschland aber speciell zog man häufig andere Fol- gerungen aus den an der Materie uns erscheinenden Gesetzen. Nach verschiedenen Versuchen der deutschen Philosophie, die Welt zu erklären und das Absolute zu finden, glaubte Hegel das Urgöttliche in dem im Menschen geoffenbarten Geist, in unsern Gedanken, in den Denkgesetzen zu erkennen. Aber, des Menschen Gedanken sind eben nicht Gottes Gedanken und seine Wege sind nicht unsere Wege. In der äussersten Consequenz musste diese Vergötterung des mensch- lichen Denkens zuletzt zum dissolutesten Materialismus und Skeptieismus führen; denn wenn nichts ist, als was und wie wirs denken, wenn es in den Dingen ausser uns in der Welt keine Wahrheit gibt und in unserm ebenso mit der Welt nicht harmonischen Geist keine Erkenntniss einer Wahrheit, so stehen wir mitten im vollendetsten Nihilismus und nur durch ein Abbrechen der Schlussfolgerungen kann der Materialist bei den sinnlich greifbaren Erscheinungen des Stoffs stehen bleiben, die Materie allein für Wahrheit halten; — also verfahren jene Männer der neuen Weltanschauung, welche den atomistischen Atheismus für das letzte Wort- der Naturforschung ansehen. Aber diese atheistischen Lehren, zusagend den leichtfertigen Neigungen unsrer Tage und leichtfasslich dem ordinären Verstand Vieler und darum heute vielverbreitet, müssen durchaus inconsequent, oberflächlich, grundsatzlos sein. — Die Naturfor- schung enthüllt der menschlichen Vernunft die gött- liche Vernunft in der Welt, und der kleinste Ring, aufgefunden im Dasein, ist ein ergänzendes Glied in der Kette der Weltvernunft; die mechanischen Natur- gesetze werden unter immer allgemeinere zusammen- gefasst und zuletzt in Gott, dem höchsten Gesetz und zugleich dem höchsten Gesetzgeber, zusammentreffen. — Die Naturforschung hat den Menschengeist gross gemacht und ihm durch die Erkenntniss der, seiner Vernunft harmonischen Naturgesetze endlose Herrschaft gegeben über die Natur; jetzt erst kann der Mensch sich heimisch, behaglich fühlen auf Erden, jetzt erst, 45 nicht mehr geneekt von Gespenstern, vermag er frei und selbständig sein Wissen und Können fruchtbar zu machen, und so sind die Thatsachen der Naturgesetz- lichkeit die von keiner Erdenmacht mehr zu erschüt- ternden Grundlagen geworden des gewaltigen Gedeihens aller menschlichen Thätigkeit. Die Naturforschung lehrt aber auch dem Menschen Bescheidenheit, schon indem sie nachweist, wie die Erde ein winziger Punkt ist im Weltall und der Mensch ein geringes unter den zahllosen Geschöpfen zahlloser Welten, und wie freiere, einsichtigere, bessere, an unsre, in Raum und Zeit ein- geschränkte Sinnlichkeit nicht gebundene, geistige Wesen anderswo zahllos mögen existiren können. Wir verstehen Jetzt, dass unsre sinnliche Wahrnehmung eine mangel- hafte ist, uns nie die Wesenheit der Dinge enthüllen kann, und dass wir die Vernunft gebrauchen müssen, um menschenmöglich Wahrheit zu erkennen, die Ver- nunft, welche erst uns auch bewiesen hat, dass nicht die Sonne sich um die Erde bewegt. — Die Natur- forschung lässt uns Blicke thun in das Werden der Weltkörper und selbst der lebendigen Wesen. In der fortschreitenden Entwicklung aber der organischen For- men, planmässig zu immer höhern Bildungen, wie sie die Geognosie in den aufeinandergefolsten Schöpfungs- perioden der Erde nachgewiesen, in diesen so inhalt- schweren Thatsachen findet das Gemüth ein erhebendes Moment für die Hoffnung auch des Naturforschers, es werde das hier auf Erden im menschlichen Leib be- gonnene, keiner höhern irdischen Existenz nutzbare, in Erkenntniss der Sittenreinheit grossgezogene, geistig freie Leben nicht umsonst gewesen sein, sondern in einer höhern, reinern Sphäre der ewigen Vernunft und Liebe naturgemäss versöhnt und versöhnend fortdauern ; denn das grosse Problem der Substantialität des Geistes und seines Verhältnisses und Zusammenhangs mit dem Leib, der Verbindung von Kraft und Stoff, ist auch durch die neueste Forschung nicht entfernt seiner Lö- sung näher gerückt. — Der Naturforschung drängt sich immer evidenter die Wahrheit der Weltharmonie auf und der Vernunftordnung und Zweckmässigkeit, des Plans und der Absicht in der Natur, im Erdenleben, im Gewordensein und Bestehen des Organismus; und diese Zweckmässigkeit können wir, soweit uns nöthig, einsehen, denn wenn wir das nicht könnten, kämen wir gar nicht dazu, auch nur von Zweckmässickeit im Makrokosmos und Mikrokosmos zu reden. Eben die Erkenntniss des Kosmos, der Ordnung und Schönheit im Weltsein und die Wiederholung dieses Kosmos im menschlichen Seelenleben, ist das Wesen der Humanitas, die Aufgabe der Kultur der Menschheit. Gewiss, wir müssen die Natur erforschen wollen, und je tiefer der Menschengeist in die Naturvorgänge eindringt, desto mehr nähert er sich dem Gottesgeist, und desto unab- weislicher und reiner und gewaltiger wird in ihm das Gottbewusstsein. Aber der Menschenwitz vermag ge- wiss nirgendwo weise Ordnung und System in die Welt hineinzubringen, welche nicht schon vorher in ihr liegen, und wenn wir von prästabilirter Harmonie, Zweck- mässigkeit, Plan in der Natur sprechen, wie wir müssen, 46 wenn wir die Augen aufthun, so müssen wir nach menschlicher Logik auch irgendwie ein selbstbewusstes, allweises, allmächtiges Wesen, einen persönlichen Gott durchaus uns vorstellen. — Die Naturforschung hat fast zweifellos herausgestellt, dass alle heutigen Erdorganismen ursprünglich nur einmal entstanden sind und dass sie sich nur durch sich selbst fortpflanzen. Durch was für einen Schöpferact das Lebendige ge- worden, wird uns aber ohne Zweifel ewig Geheimniss bleiben und so werden wir auch nie im Stande sein, aus den Elementen einen Organismus, auch nur eine organische Zelle hervorzubringen — dazu fehlt uns schon die lebengebende Gottesidee, — wir dürfen es nicht im Stande sein, — unsre Geschöpfe würden nicht in die Harmonie der Welt passen. Auch hier ist dafür gesorgt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. — Aber nicht nur das Leben, auch das Atom muss von uns als ursprünglich, gottgegeben betrachtet werden; beider Anfang und Wesenheit ist uns gleich unbekannt, beide sind uns gleich übersinnlich, und das Geheimniss des Lebens liegt für unsre Vernunft nicht in den Atomen, sondern über den Atomen, in Gott. Und dies Göttliche, Urbewegende, welches, nach me- chanischen Gesetzen thätig, ebenso in der Welt, wie im Einzelwesen, im Organismus geoffenbart ist, muss gleichermaassen auch in der Medicin wieder anerkannt werden, wenn diese nieht in Anarchie sich auflösen soll. Und als eine der folgeschwersten Irrlehren in der Mediein erscheint mir eben die, dass sie das Leben aus den Atomen verstehen, berechnen zu können meint. Wie aber kann das Geheimniss des Lebens verstanden werden aus dem noch tiefern Geheimniss des Atoms? Die atomistische Mediein erkennt, streng genommen, kein Leben, keine Krankheit, keine Heilung, sondern überall nur Atome, und da Niemand weiss, noch wissen kann, wie die Atome das Leben zusammensetzen, wie sie in der Krankheit sich benehmen, noch was mit ihnen in der Heilung vorgeht, so kann diese Mediein — ich habe den Muth das auszusprechen, was heute paradox erscheint und morgen als Wahrheit erkannt sein wird — so kann diese Mediein eigentlich weder eine Physiologie noch eine Pathologie, noch eine Therapie mehr haben. Es fehlt ihr die philosophische Bearbeitung des Materials, wie Baco v. Verulam sie verlangt zum richtigen Erkennen. — Der Stoffwechsel kann nicht das Leben produeiren, sondern nur das, die chemischen und physi- kalischen Vorgänge in Eines zusammenfassende Urbe- wegende kann es hervorbringen. Und die Mediein wird für alle Zeiten nur dann den rechten Weg gehen, wenn sie beim Suchen nach Verständniss des mechanischen Geschehens im Organismus, wie es selbstverständlich die wissenschaftliche Arbeit absolut nothwendig verlangt, immer zugleich fest im Auge hat das oberste Gesetz dieses Geschehens, die lebengebende göttliche Einheit. Aber dieses Einheitsprineip, Lebensprineip oder wie sonst geheissen, es muss offen bekannt und genannt werden; die Frage nach dem, die Atome zum Leben Urbewegenden muss beantwortet werden, und wenn Ihr, die Ihr die Lehrer seid unsrer künftigen Aerzte, sie nicht beantwortet, so wird sie der junge, fragende Mensch sich selbst beantworten, so gut ers kann, er wird sich irgend einen Götzen vorbilden, den er als ursächliches Göttliches dann verehrt sein Lebtag; denn Gott ist dem Menschen unentbehrlich, versichert selbst der Atheist Feuerbach. — Die Heilkunde hat un- mittelbar mit Gott zu thun, daher die Erhabenheit, aber auch die Schwierigkeit des Berufes des Arztes, welcher, indem er das menschliche Leben bei der Norm erhalten, und das gestörte wieder zur Norm zurückbringen soll, diejenigen Bedingungen zur Ausgleichung der Störungen dem naturheilenden Orsanismus zuzuführen hat, die ihm in der Coneurrenz der Verhältnisse nicht vornherein gegeben werden konnten. Der Arzt soll dem Kranken das beifügen, was ihm fehlt zu seiner gottgewollten Wiederherstellung; er hat die direete Aufgabe einzu- greifen in das Gotteswerk, — er hat die göttliche Vor- sehung zu ersetzen, er ist ganz eigentlich der Stellver- treter Gottes. Wie schön und wahr sagt in diesem Sinn der Vater der Arzneikunst: iargog Yıkocoyog ico$£og &g, der philosophische Arzt ist ein gottgleicher Mann! Ja, die Naturforschung wird für alle Zeiten eine neue, grossartig befriedigende Weltanschauung in der That schaffen, aber eine ganz andere, als Manche meinen, indem sie beweist, wie das All ein Vernunft- reich ist, in welchem in wunderbarer Harmonie und Zweckmässigkeit das Ganze und Einzelne ein absichts- volles Dasein lebt, das offenbar von einem tiefen Plane geleitet zu immer höherer Entwicklung im Weltsein auf- steigt, und welchem entsprechend der die Wahrheit genügend erkennende Sterbliche sein eigen Leben ein- richten soll. — Wie viel erhabener und anbetungswür- diger erscheint so dem Menschen jetzt das höchste Wesen, und wie viel freier und würdiger sein eignes Dasein! Gleich entgegen dem Unglauben, wie dem Aberglauben, vereinigt diess hohe Gottbewusstsein die Menschheit in eine Familie, welche endlos fortschreitet in Humanität, in einem Leben der Vernunft und Liebe, Sittliehkeit und Wissenschaft. Die Philosophie, welche nichts anderes ist, als die menschliche Vernunft in ihrem Bestreben die Weltver- nunft zu verstehen, wird von der Naturforschung für die Zukunft einen festen Boden erhalten; die trostlose Skepsis wird jetzt ebenso unmöglich mehr sein, wie die metaphysische Phantastik, und die Weltweisheit muss so wieder dem Menschenverstand fasslich und dem Leben fruchtbar werden, und in der Naturkunde und Mediein wieder Geltung bekommen; die Philosophie, die Welt als Allharmonie erfassend, wird Wahrheit in sich und in der Natur finden, und über der pantheistischen Na- turgesetzlichkeit den höchsten Gesetzgeber anerkennen, als freischaffende Weltvernunft, als einen, persön- lichen Gott. — Und so auch die Religion; auch sie wird in dem den Gottesglauben läuternden Gottbewusst- sein der Naturforschung ihren ächten Gehalt wieder finden, und das göttliche, aber nur das göttliche Christen- thum wird die scheinbaren Widersprüche des rechten Wissens und rechten Glaubens schon zu versöhnen ver- mögen, und die also mit der Welt versöhnte Religion wird wieder wahr und lebendig werden in der Mensch- heit und gross an Kraft und Macht und Herrlichkeit, indem aus der Naturwissenschaft «herüber das reine Gottbewusstsein wieder in den verjüngten Glauben hineindringt. Ich glaube den Faden in der Hand zu haben, der mir, dem Menschen und Arzte, verspricht ein sicherer Führer zu sein durch die Labyrinthe dieses Lebens. Ich fand ihn in der Ueberzeugung , wiedergegeben hier mit den für den so erschütternd gewaltigen Stoff so schwachen Worten dieses Vortrags, in der innigen Ueberzeugung: „die Forschung führt zu Gott“. Weiter angemeldete Vorträge Hoppe von Basel: Ueber die Dauer und. Fort- 'erbung der Krankheiten, und über die etwaige Verschlechterung und Verbesserung des Men- schengeschlechts in körperlicher Beziehung; Moll von Neuffen: Ueber die Bedeutung der altgermanischen Volksheilkunde ; Brosius von Bendorf: Ueber die Emanei- pation der Irren; Cohn: Ueber Myodymamik des Herzens; Fuchs von Carlsruhe: Ueber die ursprüngliche Entstehung des Menschengeschlechts ; Schultze von Greifswalde: Ueber die körper- lichen Bedingungen und die Bedeutung des Nachahmungstriebes , waren theils wegen vorgeschrittener Zeit, theils wegen Abreise der Herren Redner zurückgezogen worden. Die Geschäftsführung theilt der Versammlung ein Schreiben des Herrn Caumont aus Caen, der in der Versammlung gegenwärtig ist, mit, wo- durch der Congrös seientifique de France die deutschen Naturforscher zum Besuche seiner Versammlung freundlich einladet. Dasselbe lautet: A Messieurs les membres du congres seientifique de ? Allemagne reunis a Carlsruhe. Le congres scientifique de France reuni & Strasbourg en 1842 eut ’honneur de compter parmi ses membres beaucoup de savants de l’Allemagne; mais de- puis cette epoque il n’en a pas ete ainsi, ä notre grand regret, soit parceque le congres a tenu ses sessions dans des villes eloignees de la frontiere, soit parceque nos congres n’ont pas eu outre Rhin, la publieite que nous aurions desiree. Un des prineipaux buts de mon voyage ä Carlsruhe est d’engager les savants de l’Allemagne dont la science profonde et le merit &minent sont si bien appreeies en France, ä honorer de leur presence nos sessions du congres seientifique: elles ont toujours lieu du 1” sep- 47 tembre au 10 de ce mois, et il s’ecoule 5 jours, au moins, entre la clöture du congres francais et l’ouver- ture du congres allemand; temps suflisant pour aller de Yun a l’autre. Les chemins de fer francais accordent remise de moitie pour aller et revenir & tous les membres por- teurs de cartes: ces cartes sont deposees 2 mois & Pavance, a Paris, rue Richelieu 63 et rue de Bouloy 7: elles sont d’ailleurs adressces ä ceux qui les reclament du seeretaire general du congres. La prochaine session du congres francais s’ouvrira le 1” septembre 1859 a Limoges, ville de 50,000 habitants dont le sol granitique offre de nombreuses va- rietes de roche et des gisements de kaolin eurieux qui alimentent de nombreuses fabriques de porcelaine: le seeretaire general de la session est Mr. Alluaud aine membre du conseil general de la Haute Vienne et du conseil general de l’agrieulture. mineralogiste distingue. On pourra sadresser äAlui pour touslesren- seignements qui seraient desires. La session de 1860 s’ouvrira & Cherbourg, ville de 30,000 habitants, port militaire important. La con- stitution geologique du pays, sa flore variee, ’abondance des thalassiophites qui croissent sur les rochers de la eöte sont autant de motifs pour attirer les naturalistes a Cherbourg; on y va de Paris en 8 heures par chemin de fer: les seeretaires generaux de la session qui sera la 27”® de nos congres francais sont MM. Besuva bo- taniste, pharmacien major de la marine, et le Vicomte du Moncel auteur de plusieurs ouyrages sur Veleetri- eite. Les etrangers peuvent compter sur l’accueil le plus sympathique de la part des habitants de Limoges en 1859 et de ceux de Cherbourg en 1860. J’ai ’honneur d’etre avee une haute consideration Messieurs votre tres-humble et tres-obeissant serviteur Carlsruhe, 18 septembre 1858. A. de Caumont, fondateur du congres scientifique de France, correspon- dant de l’institut, membre du conseil de l’agrieulture, Herr Geheimerath Nöggerath von Bonn betritt die Rednerbühne, und spricht gehobene Worte des Abschieds. Einen Bericht über die Arbeiten der Ver- sammlung zu geben, möge man bei der umfassenden vielverzweigten Thätigkeit nicht verlangen. Desto wärmer und kräftiger drückt er den Dank der Ver- sammlung aus nach allen Richtungen, gegen Seine Königliche Hoheit den Grossherzog, der eben erst den Nestor deutscher Wissenschaft, Alexander v. Humboldt, mit dem badischen Hausorden der Treue geschmückt, gegen die Grossherzogin, gegen die Behörden des Staates und der Stadt, gegen die Geschäftsführer, und schliesst mit einem Hoch auf Ihre Königliche Hoheiten den 48 Grossherzog, die Grossherzogin und den Erbgrossherzog, in welches die Versammlung begeistert einstimmte. Seine Königliche Hoheit der Gross- herzog erhob sich, und drückte der Versammlung in den freundlichsten Worten den Dank für diese Gesinnungen aus. Der erste Geschäftsführer ergreift das Wort und spricht folgende Worte des Abschieds: Die Abendglocke des schönen Festes tönt und ruft den Einen wie den Andern heim. Mit leichterem Schritt den Glücklichen, den dort der Gattin und der Kinder Lieb’ und Treue und das Wohlgefühl des eigenen freien Heerd’s erwartet, als den, der einsam steht und seine ganze Welt als Wanderer mit sich führt. — Noch an- ders ist es dem zu Muthe, der zurück nach froher Arbeit bleibt und dem die Freunde und Genossen Lebewohl sagen; der freundlos nicht, doch einsamer, der freudlos nicht, doch weniger froh, die Tage überschaut, die ihm ein gütiges Geschick bereitet, indem es ihn zu hohen Ehren in Mitte gleichgesinnter Freunde und Gefährten auf kurze Zeit berief. Da wacht der Jugend schöner Traum in seinem Innern auf und alte Lieder klingen in sein Ohr: „Was nützt mich jetzt mein hoher Thron“ — die Freunde gehen und ziehen weit davon. — Er kehrt zurück in seine Wohnung, wo ihn ein feierliches inniges Gefühl empfängt. Hier war es, wo er die nächste Stunde vorgelebt in freudiger Erwartung; hier schallten ihm in das beglückte Ohr die wohlbekannten Stimmen seiner Freunde, hier wiegtest Du das Haupt in Edler Gegenwart — und nun verklinet in mildem Schmerz der schöne Traum der Wirklichkeit! ! Er ringt und strebt das ganze Bild der reichsten Zeit in seinem Leben noch einmal durchzuleben, es fest zu halten und beim Schönsten, Besten, was ihm je zu Theil geworden im Innersten der Seele zu sichern und für immer zu bewahren. So hilf denn mir, o Vorgefühl der Stunden, die mir bevorstehen, ein treu Gemälde der sieben Tage festzu- halten, die uns in dieser Stadt vereint. — Wie anders kann es sein, als dass zuerst mir die Erinnerung vorschwebt, der freundlich anspruchslosen Weise in der ich überall die nöthige Unterstützung fand. Vom edlen Fürsten, der gleich auf die erste Kunde bei meiner Rückkehr von der Übierstadt so freundlich, so voll Lieb und Eifer sich für die Sache aussprach; von einem Ministerium, das mit bekannter Kraft und Thätig- keit dem höchsten Willen und dem eigenen Sinne für Wissenschaft gemäss, liebreich und freundlich uns ent- gegenkam, und von der Stadtbehörde die in gleichem Sinne und von den Vielen die uns, das Wort, die Bitte kaum vernehmend, freudvoll und thätig von Anfang bis zu Ende beigestanden. — War das nicht schon ein Fest voraus? — Und nun erschien der lang ersehnte Tag. Des Vaterlandes Stolz und Ruhm, die ersten Männer Deutschlands an der Spitze, strömt durch die Thore in langen Zügen. Ihm schliessen sich die Zierden der Wissenschaft aus Frankreich, England, Russland, aus Holland, Belgien, aus Italien und den vereinten Staaten jenseits des Meeres, an. — Es öffnen sich die Pforten dieser Halle im Festesschmuck, die uns ihr gütiger Herr geliehen ; froh schlagen unsere Herzen dem Wiedersehen da, dem Hoffen auf Sympathie und Freundschaft dort. — Da tritt er selbst herein der uns hieher geladen. An seiner Seite, in irdischer Gestalt verherrlicht, was Aus- druck leihen kann der Phantasie von Güte, Anmuth und von edlem Geist. Wie strömte da nach allen Her- zen der frohen Stunde inniges Behagen! Wie auf der Alpen Höh’ dem tiefergriffenen Wand’rer beim Anblick deiner Wunderwerke, Gott! die Brust zu eng wird und die Psyche im unwillkürlich lauten Ruf Ihr eng Ge- fängniss zu erweitern sucht, so klang Euer Lebehoch! bei der Eröffnung. Der Erhebung des Gemüths folgt gerne der Ruf zur Thätigkeit und mit welchem Erfolg diese eintrat, zeigen die öffentlichen Verhandlungen, zeigen die Sec- tionsberichte. Ich wage es nicht sie einzeln aufzuführen, auch wäre zur Erörterung des Besten was geschehen, hier keine Zeit; denn Vieles ist gesprochen des Trefllichsten und ruhmvoll wird dereinst das Ganze zur Belehrung, zur Erinnerung und zum Nutzen im Druck erscheinen. Desshalb ist unser Wunsch gerechtfertigt, es möchten alle ihre schriftlichen Beiträge bald und recht vollständig einsenden. Lassen Sie uns nun auch in heiterer Erinnerung be- wahren, was hier uns zur Erholung geboten wurde. Nie werden sie vergessen, dass Ihnen hier mein gnä- diger Herr und Grossherzog in reicher edler Weise, verschönt durch sinnigen Geschmack mit solcher Liebe begegnete wie nur ein Fürst es kann, dem Förderung der Wissenschaft, der Kunst und alles Guten am Herzen liest und der kein Opfer scheut, diess durch die That auch zu bewähren; der glücklich ist, weil er das rechte Glück sucht und in so liebevoller, anmuthreicher Weise Beistand in Allem bei der Gefährtin findet, die ihm Gott beschied und die uns wie ein Wesen höherer Art erschienen ist. £ Dankbar gedenken wir der gastlichen Aufnahme bei den Bewohnern dieser Stadt, in den Vereinen die hier bestehen, sowie in Baden, Illenau und Durlach. Und so kehren Sie nun zu den Ihrigen zurück ; tra- gen Sie in Ihren Herzen die Erinnerung an den Fürsten, das Grossherzogliche Haus, die Stadt und das Land das Ihnen freundlich war. — Carlsruhe trägt diese Tage in seine noch junge Geschichte ein. Ihre Erzählungen werden Ihm zahlreiche Freunde verschaffen, und sowie der Mann in die kleinsten Orte gerne wiederkehrt, wo er die Jugendzeit verlebt, so wird auch Jeder von Ihnen der in die Nähe kommt, den Ort wo die 34. Versamm- lung war, gerne wieder sehen. Den Schmerz bei dem Scheiden vermindert die Hoff- nung des Wiedersehens dort an dem Strande der Ostsee ; dort sollen die Freundschaftsbande die sich hier geknüpft, noch enger geschlossen, dort der Bund des grossen Ganzen fester angezogen werden. — Dort endlich soll das Wiedersehen ein frohes glückliches sein. Möge Jeder an seinem Heerde Alles so finden, wie es am Besten ist und der Wunsch, der kurze, aber viel- bedeutende Wunsch ganz in Erfüllung gehen, der mein letztes Wort sein soll, der Alles einschliesst, was das reichste und tiefste Gemüth in solchem Augenblieke nur 49 aussprechen kann und womit ich diese Versammlung denn auch schliesse, das Abschiedswort: Lebt wohl! Damit erklärt derselbe die 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte für geschlossen. Nach dem Schlusse der Sitzung empfiengen Ihre Königliche Hoheiten in dem Vorsaale die Deputation, welche im Auftrage der Versamm- lung ihren Dank noch persönlich aussprach. Do. Sitzungen der Sectionen. I. Section für Mineralogie und Geognosie. Für die Seetion der Geologen, ge- wöhnlich eine der zahlreichsten, war. der Sitzungs- saal der landständischen zweiten Kammer herge- richtet worden. Es empfing sie hier zugleich eine Ausstellung, welche ihnen die geologische Bildung, die mineralogischen Vorkommnisse, die Bergwerks- und Hüttenprodukte des badischen Landes vor Au- gen leste, und ihnen Handstücke davon für ihre eigenen Sammlungen anbot. Die badische Metall- Industrie war vertreten durch die Staatseisenwerke Albbruck, Kandern und Hausen, und die Badische und Altenbergische Zinkberg- bau-Gesellschaft. Die Bergwerksgesellschaft Münsterthal hatte alle Produkte bis zum Fein- silber nebst sehr instructiven Gangstücken, die zu Willenschwand ihre Nickelerze, die zu Berg- haupten ihre Steinkohlen eingesendet. Reichlich und schön hatten die Salinen Rappenau und Dürrheim ihre Erzeugnisse, welche allgemeines Lob erndteten, aufgestellt. Hiernach waren fast sämmtliche nutzbare Mineralien des Grossherzog- thums vom Rohstoffe bis zum Endprodukte in einer für In- und Ausländer gleich belehrenden Weise repräsentirt. Die zweite Abtheilung der Ausstellung umfasste die Badischen Mineralien mit besonderer Berück- sichtigung des Schwarzwaldes. Sie waren sämmt- lich vorhanden, selbst solche, die längst nicht mehr vorkommen, und manche in denselben Original- stücken, welche seiner Zeit zu ihrer ersten Be- schreibung gedient hatten, wie das kohlensaure Sil- beroxyd, Antimonsilber, Wismuthsilbererz, Kupfer- wismutherz und Kupferwismuthglanz, Eusynchit u. a. Ein weiteres Interesse erlangte die Sammlung durch die schönen inländischen Suiten von Flussspath, Kalk- spath, die geologisch so merkwürdigen Kugeljaspisse mit zahlreichen Einschlüssen von Petrefakten und Mineralien und die prachtvollen Pseudomorphosen der Schwarzwälder Gänge. Ferner war das seither, mit Ausnahme von Oeningen, sehr wenig be- kannte Tertiär des Seekreises in Prachtstücken aus- gestellt, zum Theil von Schill gesammelt, welcher im Auftrage des Ministeriums diesen Theil des Landes geognostisch aufnimmt, die ausgezeichneten Wirbel- thiere: Andrias, Lagomys, Coluber und Schildkrö- ten aus der Sammlung des Constanzer Lyceums, (einer Schenkung v. Seyfrieds), ergänzt durch die werthvollsten Bestandtheile des Grossherzog- lichen Naturaliencabinets in Thier- und Pflanzenver- steinerungen, zumal in Insekten, dazu ein erst kurz vorher aufgefundener noch nicht herausgearbei- teter Riesensalamander (Andrias), ein zweiter Homo antedihwwianus, grösser als der erste des alten Scheuchzer. Die Reichhaltigkeit dieses Theils der Sammlung erklärt sich daraus, dass einer der dortigen Brüche ärarisches Eigenthum ist und für das Naturalien- Cabinet regelmässig ausgebeutet wird. So war es 7 50 denn auch möglich, dass unter den den anwesenden Naturforschern von Regierung und Privatgesellschaf- ten zur Auswahl dargebotenen Fossilien ausser ei- ner Reihe einheimischer Mineralien mehrere hundert wohlerhaltene Pflanzen- und Thierversteinerungen von ÖOeningen sich befanden, deren Abgabe aus den Vorräthen des Grossherzoglichen Naturalien- Cabinets durch die Munificenz Seiner König- lichen Hoheit des Grossherzogs verwilligt worden war. Ausserdem bot das Ministerium das VI. Heft der Beiträge zur Statistik, die geologische Karte und Beschreibung der Gegend von Badenweiler Erste Sitzung am 17. Präsident: Professor v: Kobell von München. Ständiger Seeretär: Assistent Müller von Carlsruhe. Obermediemalrath Dr. v. Jäger aus Stuttgart: Ueber die geologische Bedeutung der Crystallisa- tionskraft. Bei der Versammlung der Naturforscher und Aerzte Deutschlands in Freiburg im September 1838 sprach ich in einem in der ersten allgemeinen Sitzung gehaltenen Vortrage !) die Vermuthung aus, dass die regelmässigen Formen der Gebirgsarten nicht als zufällige Absonderun- gen zu betrachten, sondern grossentheils einem der Cry- stallisation entsprechenden inneren Vorgange zuzuschrei- ben seien, und theilte damals, sowie bei einigen späteren Versammlungen mehrere einzelne Beobachtungen mit, welche als Belege dafür und für eine gegenseitige Ein- wirkung der Gebirgsschichten zu gelten scheinen. — Die Annahme eines der Crystallisation entsprechenden Ver- hältnisses hiebei wurde in Freiburg von Liebig und Leopold v. Buch bestritten, von Bergrath Schueler und Andern vertheidigt. Es wurde mir indess die Ge- nugthuung, dass Leopold v. Buch, bei einem Be- suche, womit er mich später beehrte, nach Darlegung der Exemplare meiner Sammlung der obigen Deutung meiner Beobachtungen zustimmte, wie diess indess von manchen Geologen geschehen ist, Ich unterliess nicht, diesem Gegenstande fortwährend meine Aufmerksamkeit zu widmen, und machte die Ergebnisse in einer 1846 erschienenen Schrift?) bekannt. Die betreffenden Be- 1) Andeutungen über den Einfluss der Umdrehung der Erde auf die Bildung und Veränderungen ihrer Oberfläche, abgedruckt in dem Jahrbuch für Mineralogie 1839, S. 16 und wiederabge- druckt in der Note 2 eitirten Schrift. ?) Beobachtungen und Untersuchungen über die regelmässigen Formen der Gebirgsarten mit Hinweisung auf ihre technische Benützung und auf ihre Bedeutung für die Oeconomie der Natur, mit 7 Taf. Stuttgart, Schweizerbarth’sche Verlagshandl. 1846, gr. 4. durch Professor Sandberger, dessen Veröffent- lichung bis zur Versammlung verschoben worden war, so wie Dr. Platz in Emmendingen das un- tere Breisgau mit Karte in vielen Exemplaren der Section zum Geschenke an. Diese Ausstellungen, von Professor Sandberger geleitet, fanden sehr günstige Anerkennung, und wir, die Geschäftsführer, machen es uns noch zu besonderem Vergnügen, den Behörden sowohl wie den Gesellschaften und Privaten besonders zu dan- ken, deren entgegenkommende Bereitwilliskeit uns dieselbe möglich machte. September 1858. obaehtungen und Untersuchungen wurden seitdem fort- gesetzt, da es sich zunächst darum handelte, das Vor- kommen der regelmässigen Formen bei mehreren Ge- birgsarten und ihre Zurückführbarkeit auf die Wirkun- gen der Crystallisationskraft nachzuweisen. Ich beehre mich nun wenigstens einige regelmässige Formen ver- schiedener Gebirgsarten vorzulegen, welche zum Theil mit wirklichen aus muthmasslich chemischen Auflösungen derselben Stoffe gebildeten Crystallen übereinkommen. Auf jeden Fall aber kommen sie durch die Gleichartig- keit ihrer Substanz, durch die Schärfe ihrer Kanten und Winkel und die Ebenheit ihrer Flächen mit den eisent- lichen Crystallen überein, wenn sie auch häufig in Folge der Bewegung im Wasser mehr oder weniger abgerollt sind. Sie unterscheiden sich jedoch wesentlich von den eigentlichen Crystallen dadurch, das die Winkel, unter welchen die Flächen unter einander verbunden sind, nicht, wie bei den eigentlichen Crystallen sich gleich bleiben, und sie werden daher mit dem Namen der Crystalloide bezeichnet, bei welchen übrigens, wie bei den eigentlichen Crystallen, einzelne Modificationen, z.B. Zwillingsbildungen vorkommen. Es sind jedoch die re- gelmässigen Formen der Gebirgsarten nicht blos in ein- zelnen Crystalloiden, sondern zum Theil sehr auffallend bei kleineren und grösseren Massen der Gebirgsarten selbst nachzuweisen. Von diesen lassen manche, wie der Basalt, als eine durch Hitze ohne Zweifel gebildete Gebirgsart, trotz der verschiedenen Zahl der Seiten sei- ner Säulen, diese Regelmässigkeit auf den ersten Blick erkennen. Diese regelmässige Formen kommen aber nicht minder solchen Gebirgsarten zu, bei deren Ent- stehung eine Mitwirkung des Wassers mit Wahrschein- lichkeit anzunehmen ist, wie ausser den zum Theil 15 bis 20° langen und wohl 120 bis 160 Centner schweren Bausteinen von rothem und Keupersandsteine, von Lias- kalk, die hier vorgelegte Doppelpyramiden des Feldstein- porphyrs, sowie die Exemplare von Jurakalk, Muschel- kalk und Muschelkalkmergel und Liasmergel deutlich 2 0 Se EBENE DPF machen. Von letzterem erweisst sogar ein auf dem vorgezeigten Rhombo&öder aufliegender Fisch, dass das dem isländischen Doppelspath in seinen Winkeln sehr ähnliche Crystalloid unmittelbar aus der geschlemmten weichen Masse sich gebildet habe. Die bisher aufge- fundenen Exemplare zeigen jedoch bei aller Aehnlichkeit im Ganzen mit eigentlichen Crystallen dennoch häufig eine Verschiedenheit der Winkel und Flächen an einem und demselben Exemplare. Es ist diese Verschiedenheit ei- nestheils als Unterscheidungsmerkmal dieser Crystalloide von den eigentlichen Crystallen hervorzuheben, andern- theils aber als eine wesentliche Bedingung für den Zu- sammenhang der einzelnen Schichten der Gebirgsarten, indem bei (diesen rhombischen Crystalloiden die gegen- seitige Verbindung unter Winkeln erfolgen kann, welche zwischen 1° und 120° an demselben und an verschie- denen Crystalloiden einer Schichte, z. B. von Liaskalk variiren können, ohne dass der Zusammenhang der letz- teren unterbrochen wird. Es knüpft sich sonach an diese wahrscheinligh durch einen Crystallisationsaet be- dingte Entstehung der verschiedenen Gebirgsarten die Vermuthung, dass durch einen solchen inneren Vorgang die Gebirge sich auf die Oberfläche der Erde erhoben und dabei selbst den Widerstand überwunden haben, welche ihnen die präsumtive Erdrinde entgegengesetzt hatte, wie nach Duvernoys Versuchen*) in Wasser aufgelöste erystallisirende Salze das Glas, in welchem sie enthalten sind, mit dem Eintritt der Crystallisation zersprengen. Es erhellt, ausser dem aus der Ver- gleichung des Umfangs und Durchmessers der Erde mit dem eines Globus von 5’ Durchmesser, dessen Inneres mit einer cerystallisirbaren Masse erfüllt wäre, dass Er- höhungen von 3 bis 4‘, welehe sich auf der Oberfläche des Globus in Folge der Crystallisation seines Inhalts bilden würden, den höchsten Gebirgen der Erde im Ver- hältnisse ihres Durchmessers und der Masse ihres In- halts entsprechen würden und dass daher ihre Erhebung über die Oberfläche der Erde dieser Analogie nach wohl erklärbar sein dürfte. Es bringt aber ein solcher Crystallisationsact, durch welchen die einzelnen Gebirge als den Crystalldrusen entsprechende Massen erscheinen, erst Ordnung in den Haushalt der Natur von der ersten Schöpfung an. Durch diese Erhebung der Gebirgsmassen über die Oberfläche wurde die Scheidung des Landes und Wassers, die Regelung des Laufs der Binnenge- wässer, zum Theil, sowie der weiteren Vorgänge, die Bildung der secundären Gebirge und die Entwieklung der Pflanzen und Thiere eingeleitet, indess die durch vulkanische Eruptionen hervorgebrachte Veränderungen mehr als zufällige und locale sich darstellen. Die Er- hebung einer‘ grösseren Gebirgsmasse durch eine von unten wirkende mechanische Kraft ohne die Annahme einer der Masse selbst inwohnenden und ihre Bewegung wenigstens theilweise vermittelnden Kraft, wie der Cry- stallisationskraft, erscheint bei grösserer Ausdehnung solcher Gebirgsmassen sogar als physikalische Unmög- *) Leonhard und Bronn’s Jahrbuch der Mineralogie, 1852, 8. 781. Sl lichkeit, wie denn selbst bei den gewaltigsten Erdbeben die Wirkung mehr horizontal auf grosse Strecken sich ausdehnt, die aufwärts wirkende Gewalt aber nur selten Erhebungen grösserer Massen veranlasst hat. Die bisher angenommenen Hebungen dürften vielmehr häufig blos scheinbar und durch Senkungen, welche in ihrem Um- kreise erfolgten, zu erklären sein, für welche eine Menge gehörig constatirter Erfahrungen angeführt werden kön- nen. Bei einer Tiefe des Meeres, welche an manchen Stellen mehr als 40,000’ beträgt, würden in Folge der Senkung die höchsten Gebirge ebenso zu Tage kommen, wie bei einer Erhebung derselben von der Tiefe bis über die Oberfläche des Meers, welche indess auch nach Russeggers Ansichten keine Schwierigkeit haben würde, sofern für eine solche durch einen Crystal- lisationsaect bedingte Veränderung ein Zeitraum von vielen Jahrhunderten oder Jahrtausenden in Anspruch genommen werden kann, wodurch auch ohne Zweifel die bisher für solche Hebungen angeführte petrefacto- logische Beweise ihre Ausgleichung finden würden. Bergrath Walehner von Carlsruhe: Ueber Brauneisenstein-Gänge im Badischen Kinzigthal. Die Brauneisenstein-Gänge, welche ich im untern Kinzigthal des Schwarzwaldes, sechs an der Zahl, auf- gefunden habe, liegen in dem Gebirgsstock, welcher sich zwischen den Seitenthälern Nordrach und Har- mersbach hinzieht, in der Nähe des Städtchens Zell am Harmersbach, das durch die daselbst bestehende Porzellanfabrik weithin bekannt ist. Sie setzen in dem hier herrschenden Gneisgebirge auf und durchschneiden den bezeichneten Gebirgsstock, dessen Richtung wenig von der S—N abweicht, in grossen Winkeln, indem sie von SO nach NW in den Stunden 6—9 streichen. Davon macht nur ein einziger eine Ausnahme, der nördlichste von ihnen, welcher Stunde 11 streicht. Sie haben eine Mächtigkeit von 3—9 Fuss, fallen vorherrschend nach NO unter 60 bis 75° und führen als Gangart weissen Schwerspath, welcher vorzüglich bald am Hängenden, bald am Lie- genden vorkommt und wodurch die Erz-Gewinnung er- leichtert wird. Vom Nebengestein, welches vielfältig spiegelnde und gestreifte Flächen zeigt, sind diese Gänge vollkommen abgelöst. Sie haben eine unge- wöhnliche Felderstreckung. Sie durchsetzen nicht allein den zwischen den genannten Thälern liegenden Gebirgs- stock, sondern erscheinen, nordwestlich, auch am rechten Gehänge des Nordrachthals, und durchsetzen südöstlich das linke Gehänge des Harmersbachs, durchziehen diese hohe, mächtige Gebirgskette völlig und erscheinen jen- seits derselben in weiterer SO Erstreckung im Thale Raupach wie dem einen Seitenthal des Wolfthals (Oberwolfach , Schapbach). Ich habe auf einem dieser Gänge, auf dem Kuhhorn- kopf, an der Eisenwand im Gemeindewald der Stadt Zell, eine Grube angelegt und einen Erzabbau unter- nommen. Beim Abteufen eines Schachtes fand sich, bon 52 bei 60 Fuss vom Tage nieder, Eisenspath, inmitten der Masse des Brauneisensteins. Zahlreiche Stücke dieses Erzes, welches jetzt die Hauptausfüllung des Ganzen ausmacht, zeigten von oben herab Pseudomor- phosen nach Eisenspath. Die zahlreichen Stücke dieses Eisen-Carbonats in der Brauneisenstein-Masse, wobei viele als Kern des umhüllenden Brauneisensteins er- scheinen, welcher die allmähligen Uebergänge des Car- bonats in das Oxydhydrat augenfällig zeigt, wie es die vorgelegten Stücke darthun, sowie die zahlreichen Pseudomorphosen nach Eisenspath, führen zu der Ueder- zeugung, dass diese Gänge ursprünglich Spatheisenstein- Gänge waren und im Laufe der Zeiten die Verwandlung in Gänge von Brauneisenstein erlitten haben. Alle diese Gänge führen das gleiche Erz und es zeigt auf allen die gleichen Pseudomorphosen. Das Erz ist sehr rein und von vorzüglicher Beschaffenheit. Streifenweise sieht man darin Lepidokrokit, in Höhlungen oft Manganhyperoxyd in feinen Nadeln und häufig lagenweise Manganoxyd- hydrat im Wechsel mit dem Eisenoxydhydrat. Auch erscheint jenes stellenweise in grösseren Parthien aus- gesondert. Beim Ausschmelzen dieses Eisensteins werden 42—45 Procent eines sehr guten Roheisens erhalten, während die Erze, welche die Badischen ärarischen Hohöfen verhütten, nieht über 30 Procent Roheisen liefern (Bohnerze und Thoneisensteine). Erwägt man die Güte und Reichhaltigkeit dieses Brauneisensteins, die ungewöhnliche beträchtliche Aus- dehnung seines Vorkommens, so sind wohl die aufge- fundenen Eisengänge für das Badische Hüttenwesen von grosser Wichtigkeit. Professor Dr. Sandberger aus Carlsruhe: Ueber die officiellen geologischen Aufnahmen Badischer Bäder. Das Grossherzogthum Baden gehört zu den an Mineralquellen reichsten Ländern Süddeutschlands, und es war von jeher, besonders aber in neuerer Zeit ist es die eifrigste Sorge der Grossherzoglichen Regie- rung, diesen von der Natur dargebotenen Schatz nach allen Richtungen hin kennen zu lernen und der Benutzung zu eröffnen. Da die bisher bekannt gemachten Analysen und die über die geologischen Verhältnisse veröffent- lichten Arbeiten dieses Ziel nicht vollständig erreichen liessen, so beauftragte das Grossherzogliche Ministerium des Innern den Herrn Hofrathı Dr. Bunsen mit der chemischen Untersuchung der Mineralquellen des mittlern und nördlichen Schwarzwaldes und mich mit der geologischen Detail- Aufnahme der Umgebungen von Badenweiler und Baden, während Herr Dr. Schill in Stockach, jetzt in Freiburg, die gleiche Arbeit in Bezug auf das Bad Ueberlingen auszuführen er- sucht wurde. Die Aufnahme der Gegend von Baden- weiler ist bereits von dem Grossherzoglichen Mini- sterium des Innern als siebentes Heft der Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums veröffentlicht. Es stellte sich als vortheilhaft heraus, jedesmal die ganze Section der topographischen Karte des Grossherzogthums aufzunehmen, auf welcher das fragliche Bad liegt, um sie zugleich als Section einer etwa später auszuführenden allgemeinen Landes-Aufnahme benutzen zu können. So wurden denn das ganze Blatt Müllheim, das Blatt Stockach und die Blätter Rastatt und Steinbach in Angriff genommen. Die vortreffliche Karte im Maass- stabe von 1: 50,000, mit sehr zahlreichen Höhenzahlen versehen, erschien so vollständig geeignet zu der geo- logischen Aufnahme, dass sie auch bei der Veröffentli- chung direet übergedruckt und dann mittelst Farben- druck colorirt wurde. Für die nothwendigen Profile habe ich die in dem Landes-Archive niedergelegte Ori- ginal-Aufnahme benutzt. Nach meinem Vorschlage wurde ferner einer jeden Section ein zwar wissenschaft- lich aber zugleich möglichst allgemein verständlich ge- haltener Text beieegeben, dessen Schluss eine gedrängte Uebersicht der Resultate bildet, welehe sich aus der Untersuchung des entsprechenden Gebietes für die Wissenschaft und für practische Zwecke ergeben. Zu- gleich wurde bei jeder Aufnahme eine möglichst voll- ständige Sammlung der Gesteine, Mineralien und Ver- steinerungen der aufgenommenen Gegend zusammenge- bracht, deren Aufstellung in Verbindung mit der Karte später einen sehr vollständigen Ueberblick über die Möglichkeit technischer Unternehmungen und anderer practischer Zwecke in derselben verschaffen wird. Die Resultate, welche sich in wissenschaftlicher Beziehung bei diesen Aufnahmen ergeben haben, will ich mir erlauben Ihnen vorzutragen. 1. Die Seetion Müllheim (Badenweiler) umfasst einen Theil des sogenannten Schwarzwälder Urgebirges, welches nördlich von dem bei Müllheim in die Ebene hervortretenden Klemmbach grossen- theils aus Gneiss zusammengesetzt ist, während sie südlich den pyramidalen bis 3690‘ Meereshöhe an- steigenden Granitstock des Blauens berührt. In die- sem Gebiete finden sich im Gneiss Erzgänge, die frü- her ergiebig waren, seit langer Zeit aber nicht mehr bebaut werden. Das Granitgebiet ist aus röthlichem grob-körnigem Granite zusammengesetzt, mit welchem an der südwestlichen Abdachung Oligoklas-Granite wechseln, in denen ich an einem Punkte Orthit auf- gefunden habe. Ferner gehört zu diesen ältesten Ge- steinen der graue Porphyr des Vogelbachthals bei Badenweiler, dessen Beziehungen zum Granite nicht näher ermittelt werden konnten. Auf diesen Gesteinen, aber mit sehr manchfaltigen Fallrichtungen, W., NW. und SW. liest dann die in einem hier und da unter- brochenen Zuge von Badenweiler bis Lenzkirch nahezu senkrecht auf das Streichen des Schwarz- waldes durchsetzende untere Steinkohlen-Formation. Diese besteht zum grössern Theile aus Trümmergesteinen, groben Konglomeraten mit Geröllen von mehreren Zollen bis zu einem Fusse, feinkörnigen und zum Theil durch Feldspath verkitteten sehr harten Sandsteinen und Schie- ferthonen mit thonigen Anthrazitlagern, welche beson- dersanderSchwärze beiOberweiler,beiSchweig- ı 7 0 22 hof und beiNeuenweg mittelst erfolglos gebliebener Bauten auf Steinkohle ausgebeutet werden sollten. Die rothen Granite des Blauens, die Gneisse der nächsten Umgebung und die grauen Porphyre des Vogelbach- thales kommen häufig als Gerölle in diesen Konglo- meraten vor, welche von Fromherz als Uebergangs- Formation betrachtet, aber schon 1855 von mir eben so wie die analoge Bildung bei Offenburg im nördlichen Schwarzwalde als untere Steinkohlen-Formation be- zeichnet wurden, die vollständig mit derSchlesischen, Nassauischen und Harzer Grauwacke sowie mit den Anthrazit führenden Bildungen von Hainichen in Sachsen und Thann im Elsass übereinstimmt. Von Versteinerungen wurde mir in dieser Badischen unteren Steinkohlenbildung seither bekannt: Calamites transitionis Göpp. (an allen Localitäten), C. eannaeformis Schloth., C. Voltzi Brongn., Asterophyllites elegans Göpp., Sagenaria Veltheimana Sternb. (in allen Alters- stufen), Knorria imbrieata Sternb., Cyclopteris tenuifolia Göpp. (bei Badenweiler sehr häufig), Cyatheites asper Brongn. sp., Sphenopteris dissecta Brongn. Nach diesem Ergebnisse kann daher Offenburg nicht, wie neuerdings versucht wurde, als obere oder „produetive* Steinkohlenbildung angesehen werden, von welcher im Verlaufe des Vortrags auch noch die Rede sein wird. Die Anthrazitkohle ist hauptsächlich, wenn nicht aus- schliesslich, von Sagenarien gebildet. Die Durchsetzung dieser Bildung durch jüngere Granite und Quarz-Por- phyre an mehreren Stellen des südlichen Schwarz- waldes ist von Fromherz längst nachgewiesen und damit ihr höheres Alter gegen das dieser Gesteine ausser Zweifel gesetzt worden. Ich habe in der von mir unter- suchten Section solche Durchsetzungen nicht beobachtet, darf aber als negativen Beweis hinzufügen, dass ich niemals Gerölle solcher Gesteine in der Steinkohlen- Formation fand, wiewohl sie am Stockberg, Blauen u. a. OÖ. den Granit in nächster Nähe derselben durch- setzen. Man wird daher ein Recht haben, sie als die Ursache der Hebung, Zerreissung und der Umwandlung der Steinkohlen-Bildung in Hornblendeschiefer-ähnliche und durch Feldspath verkittete Gesteine anzusehen. Im Rothliegenden, welches bei Fahrnbuck unweit Schopfheim dieser Steinkohlen-Bildung abweichend aufgelagert ist, finden sich sowohl und zwar vorherr- schend jüngere feinkörnige Granite als auch Quarz- Porphyre, die mit den oben erwähnten sehr nahe über- einstimmen. Sie müssen daher hauptsächlich in der Zeit der Ablagerung der oberen Steinkohlen-Bildung und des Beginns der Ablagerung des Rothliegenden emporgestiegen sein. Die Vertretung der Trias auf der Section weicht von den Lagerungs-Verhältnissen der Steinkohlen-Bil- dung sehr wesentlich ab, indem sie, wie alle jüngeren Gesteine bis zum Tertiär einschliesslich mit nordwestli- chem Fallen vom Gebirge abfällt und daher die älteste der das Urgebirge mantelförmig in mehreren Zonen umgebenden Bildungen darstellt, welche an der Ober- fläche sehr deutlich terassenförmig auftreten. Auch die Trias-Bildungen, wiewohl sie nur in kleinem Maass- 53 stabe als Bunter Sandstein, oberer Muschelkalk und mittler Keuper-Letten und in unterbrochenen Bändern vorkommen, sind von hohem Interesse. Zwischen dem local mit Erzen, Baryt, Flussspath und besonders mit Quarz-Substanz imprägnirten Bunt-Sandstein der „Ba- denweilerer Erz-Lagerstätte“, die durch ihre manch- faltigen und schönen Zersetzungs-Producte berühmt ge- worden ist, und dem rothen Keuper-Letten tritt nämlich die wärmste Quelle von Badenweiler mit 22° Reau- mur hervor. Sowohl ihre Zusammensetzung aus Gyps, Chlorkalzium und schwefelsaurem Natron, die nur aus dem Gypse des Keuper-Lettens ausgelaugt sein können, als die geringe Quantität, in welcher diese Bestandtheile vorhanden sind, steht mit dieser Ansicht in der wün- schenswerthesten Uebereinstimmung, sowie auch der Umstand, dass die wärmste Quelle das höchste Niveau einnimmt. Es können daher die übrigen Quellen nur als Ausläufer dieser obersten betrachtet werden, deren Temperatur-Abnahme sich durch Zutritt von kälterem Süsswasser unter dem grösstentheils von Bau-Schutt überdeckten, aber von wasserdichten Keuper- und Lias-Letten gebildeten Boden von Badenweiler leicht erklärt. Von den Gliedern des Lias habe ich auf der Seetion die Gryphiten-Kalke, die Schichten des Ammonites rari- costatus, Am. Davoei, Am. margaritatus, die Posidono- myen-Schiefer und die Mergel mit Ammon. jurensis und Am. radians gefunden, die an einigen Orten, besonders bei Obereggenen, eine beträchtliche Zahl von Ver- steinerungen enthalten und, wie der Lias des Breis- gaus überhaupt, eine characteristische Verschiedenheit von der typischen Entwickelung in Württemberg auf der Ostseite desSchwarzwaldes nicht darbieten. Ebenso sind die nur an einem Punkte bei Sehringen beobachteten Thone mit Ammonites opalinus, die unterste Bank des braunen Juras, die darauf folgenden rothen kalkigen Eisen-Oolithe der Zone des Ammonites Mur- chisonae mit zahllosen Exemplaren von Pecten pumilus und P. demissus und einem localen Eisengehalte von 18%), der sie vielleicht einer metallurgischen Benutzung werth erscheinen lässt, und endlich die darüber folgenden blauen Kalke und gelben Letten mit Pecten demissus Bean, Gryphaea calceola Quenst. und Belemnites gigan- teus Schloth. noch immer in ganz unzweifelhafter Ueber- einstimmung mit der schwäbischen Entwickelung. Aber schon die nächste Schicht fällt der schweizerisch- französischen, sehr abweichenden Gliederung des Jura’s zu; sie wird von einem weissen feinkörnigen Oolithe gebildet, welcher von Fromherz sehr irrig mit dem englischen Great-Oolite verglichen worden ist, aber als wichtigstes Glied des Breisgauer Jura’s recht wohl den Namen Haupt-Oolith behalten darf. Ueber demselben erst liegen die vonFromherz Brad- ford-Oolith genannten thonigen gelblichen Oolithe, welche Ammonites Parkinsoni, Clypeus patella und sehr reichlich Terebratula subbucculenta Chapuis et Dewalque, T. globata Sow. und Limea duplieata enthalten, und erst noch höher folgt die Zone der Terebratula lagenalis, das ächte Bathonien. 54 Der weisse Haupt-Oolith enthält nur in einzelnen Bänken Versteinerungen, unter denen Ostrea acuminata Sow. stets die Hauptrolle spielt. Als wichtigere Muscheln dürfen überdiess Avicula echinata Sow., Maerodon Hir- sonensis d’Arch. sp., Limea duplicata Münst.. Belem- nites fusiformis Park., B. giganteus Schloth., Lima pectiniformis und endlich Ammonites Blagdeni Sow. ge- nannt werden, während Serpula socialis von Anneliden, Pentacrinus Nicolei Desor und Naucleolites cluniceularis Llwyd sp. unter den Radiaten als leitende Formen bezeichnet werden müssen. Nach diesen Versteinerungen würde der Breisgauer Haupt-Oolith noch am besten der Zone des Ammonites Humphriesanus zugetheilt werden und die blauen Kalke, welche unter ihm liegen, der- jenigen des Ammonites Sauzei zufallen, welche Oppel als selbstständig ansieht, ohne sie aber vollkommen zu trennen. Für diese Zutheilung würde das Vorkommen der Gryphaea caleeola Quenst. sprethen, die von Oppel als Leitmuschel für diese künftig von der Gesammt- Zone des Am. Humphriesanus abzutrennende untere Zone aufgeführt wird. Die durchaus verschiedene petrogra- phische und paläontologische Beschaffenheit beider Ab- theilungen im Breisgau möchte eine neue Stütze dieser Ansicht sein; es darf aber nicht übersehen werden, dass nicht nur in den über dem Haupt-Oolithe liegenden oolithischen Mergeln des Am. Parkinsoni, sondern auch im Haupt-Oolithe selbst zwei Versteinerungen bereits häufig vorkommen, welche sonst dem Bathonien zuge- sprochen werden, Avicula echinata und Limea duplicata, während andererseits einige der gemeineren Petrefaeten dieser Schichten auch noch als Seltenheiten im Cornbrash sich finden, wie z. B. Lima pectiniformis, Rhynchonella spinosa etc., daher eine ganz scharfe Grenze zwischen den obersten Bildungen des Unter-Ooliths und des Ba- thonien nicht gezogen werden kann. Aber auch petro- graphisch ist sie nicht eben leicht zu ziehen, da die oolithischen Mergel, in welchen Ammonites Parkinsoni vorkommt, nach oben ihre oolithische Structur ein- büssen und ganz in dieselben schmutzig ocker-gelb ge- färbten Lehm-Massen übergehen, welche die aschgrauen Cornbrash-Mergel und selbst die von ihnen petrogra- phisch nur local durch eine dunkler gelb-braune Fär- bung abweichenden Mergel mit Ammonites macrocephalus bei der Verwitterung liefern. Doch überzeugt man sich am Krotenstollen bei Vögisheim ohne Mühe, dass diese ganz mit Ammonites macrocephalus, Am. bullatus, Am. modiolaris und Am. microstoma überfüllten Schichten über den Mergeln liegen, welche Clypeus Hugü, Tere- bratula lagenalis, T. Fleischeri, Rhynchonella Badensis, Pecten vagans, P. Rypheus und nach oben ein Heer von ‚Rhynehonella varians und Modiola imbricata umschliessen. Die Grenze der Schichten mit Am. macrocephalus gegen die Oxford-Bildung ist nirgends aufgeschlossen ; doch ist bis jetzt im ganzen Breisgau weder Ammo- nites Jason noch Am. ornatus oder Am. bipartitus gefunden worden; es ist daher wahrscheinlich, dass die sogen. Ornaten-Thone überhaupt fehlen. Die Oxford-Bildung umfasst zwei Abtheilungen, graue Thone mit Mergel-Knollen, in welchen Ammonites cordatus, Am. perarmatus, Am. plicatilis, Belemnites has- tatus, Pholadomya exaltata, Pleuromya varians, Gryphaea dilatata, Terebratula Gailliennei, T. impressa, Rhyncho- nella Thurmanni und Millerierinus echinatus liegen, und dann hell gelblich-weisse Kalke, welche graue und weisse Kugeljaspis-Knollen und Korallen in grossen Massen enthalten und seither irrig für den Repräsentanten der Württembergischen Korallen-Schichten von Natt- heim gegolten haben. Ueber jenen grauen T'honen, die, wenn man von dem Fehlen der Sceyphien-Bänke absieht, vollkommen der von Marcou Argovien ge- nannten Oxford-Bildung des Schweizerischen Jura’s entsprechen, finden sich zunächst graue noch geschich- tete Kalk-Bänke, in denen Wurzelstücke von grossen Apiocriniten in Menge vorkommen, bei Efringen sehr deutlich entwickelt. Als Schluss der Breisgauer Jura-Bildung folgen dann die hell gelblich-weissen Kalk- steine ohne deutliche Schichtung, welche durch ihre Tendenz zur Zerklüftung und Felsbildung den gross- artigen und malerischen Isteiner Klotz und einige andere von den Tunnels der Badischen Eisenbahn durehbrochene Felsmassen am Rhein-Ufer zusammen- setzen und seit vielen Jahrtausenden der zerstörenden Wirkung des Stromes trotzen. Es ist durch die von Oppel und mir angestellten paläontologischen Unter- suchungen ausser Zweifel gesetzt, dass diese Kalke dem obersten Etage des Oxford angehören, als dessen Leit- Petrefaet Cidaris florigemma Phill. (von Fromherz mit ©. Blumenbachi verwechselt) betrachtet werden muss. Neben diesem finden sich Glypticus hieroglyphieus, Tere- bratula buceulenta Sow., Terebratula Maltonensis David - son (bisher als Varietät von 7. insignis betrachtet, aber nach meinen Untersuchungen eigene Art), Arten von Pecten, Lima. Opis, Nerinea und sehr zahlreiche Ko- rallen, welche jedoch noch nicht in so gutem Erhaltungs- Zustande gefunden wurden, dass sie sämmtlich bestimmt werden könnten. Dieselben liegen auch in den grauen Kugel-Jaspissen, welche besonders am Bahnhofe zu Kleinkems in Masse in den Kalken stecken. Ausser- dem enthalten diese aber in grosser Menge Polythalamien und zwar meist Enalostegier, aber auch Stichostegier und Helicostegier, die leider bis jetzt nicht genauer bestimmt werden konnten. Es ergibt sich aus den bisher angeführten Thatsachen, dass der Breisgauer Jura in seinen obern Gliedern dem Elsässischen (dessen Versteinerungen seit Voltz nicht mehr kritisch unter- sucht worden sind) und den Schweizerischen ganz konform entwickelt ist und mit diesen Ablagerungen bis zu der Ausbildung des grossen Mainz-Baseler Tertiär-Beckens zusammenhing. Noch gegenwärtig lässt sich diese Verbindung durch eine Reihe mitten in der Breisgauer Ebene zwischen Freiburg und Müll- heim stehen gebliebener jurassischer Lager bei Mör- dingen, Nimburg,Schlatt,Biengen u. s. w. sehr wohl erkennen. Die Gliederung des mittleren und oberen Jura’s im Breisgau lässt sich nach den jetzigen An- sichten in folgendem Schema wiedergeben : Oxfordien @O. \ 9. Schichten des Cidaris florigemma(Oxfordkalk). 18. e „ AÄmmonites cordatus (Oxfordthon). Callovien d’O. — 7. Schichten des Ammonites maerocephalus. Bathonien d’O. — 6. Schichten der Zerebratula lagenalis (Cornbrash). 5. Schichten des Ammonites Parkinsoni (Oolithische Mergel und Nerineen-Kalke). 4. > „ Ammonites Humphriesanus (Haupt- Unteroolith oolith). Bajocien d’Orb. | 3.? 5 „ Ammonites Sauzei (Blaue Kalke). 2; E „ Ammonites Murchisonae (Eisen- oolithe). 1. Thone mit Ammonites opalinus. Es bleibt nun noch übrig, die einmal sicher festge- stellten Schichten weiter zu untersuchen und ausserdem auf die bis jetzt im Breisgau nicht bekannt gewordenen Zwischenglieder besonders zu achten. An den ‚Jura schliesst sich unmittelbar die Tertiär- Bildung, und diese soll den Schluss der Mittheilung über die Resultate der Untersuchung der Section Müll- heim um so mehr bilden, als sich dann eine natur- gemässe Brücke zu der Besprechung der Section U e- berlingen (Stockach) herstellt und die Beobach- tung über die Diluvial-Bildungen im Ganzen keine bis- her unbekannten Verhältnisse aufklären. Es sei erlaubt zu diesem Behufe in die nächst an- grenzende II. Seetion Lörrach überzugreifen, weil dort die Beziehungen der verschiedenen Tertiär-Schich- ten unter sich und zu dem Jura in einem vortrefilichen Profile bei Kleinkems besser als in der Section Müll- heim erkannt werden können. Nördlich vom Bahnhofe bei Kleinkems tritt an der Eisenbahn zunächst über dem hellen Oxford-Kalke in einer kleinen Schlucht bunter Letten mit Bohnerz und rothem Kugel-Jaspis auf, welche, durch eine Ver- suchsarbeit aufgeschlossen, eine bauwürdige Lager- stätte nicht ergaben, im Uebrigen aber in jeder Be- ziehung mit den Bohnerz-Ablagerungen des Altinger Stollens bei Schliengen und von Auggen überein- stimmen. Der nächste Hügel bietet dann eine aus fein- körnigem gelblichem Kalk-Sandsteine mit Geröllen ju- rassischer Oolithe und Oxford-Kalke, die nach oben immer mehr zunehmen und den Uebergang in ein gro- bes Conglomerat vermitteln, gebildete Ablagerung dar, den „Steingang“ der Bohnerz - Bergleute. Die fein- körnigen unteren Bänke enthalten Conchylien, worunter sich Cytherea splendida Merian erkennen lässt, und Pflanzen-Abdrücke, von denen Cinnamomum Rossmaess- leri Heer die gemeinste ist. Darauf folgen in dünne Platten abgesonderte klingende weisse Kalksteine, welche Cyrena subarata Scehloth.sp., Mytilus socialis A. Braun, Litorinella acuta Drap. sp., jedoch nicht häufig enthal- ten; dann in mehrfachem Wechsel harte weisse drusige Kalksteine und grüne Kalk-Sandsteine mit Helix osculum Thomae, Planorbis solidus Thomae, Pl. declivis A. Braun, Limneus pachygaster Th. und Limneus bullatus v. Klein; endlich über diesen eine 3° mächtige Schicht überfüllt mit Petrefakten, worunter Melania Escheri Brongn. weitaus die häufigste, dann die beiden schon in den unteren Schichten erwähnten Planorben, (Cy- clostoma Koechlinanum Merian, Neritina crenulata Klein, Melanopsis subulata n. sp. u. a. vorkommen. In 55 der Section Müllheim finden sich sämmtliche ange- führten Schichten gleichfalls mit Ausnahme der Melanien- Schicht; die Kalk-Sandsteine enthalten die gleichen Blätter und häufig verkohltes Holz, Blätter einer Sabal- Art und meerische Conchylien. Diese letzten treten abermals in der gleichen Kalkstein-Bildung an drei Or- ten in der Section Lörrach, in Lörrach selbst, bei Stetten und am Schlosse Rötteln in z. Th. ausge- zeichneter Erhaltung auf, so dass sich dort das Alter dieser Abtheilung mit vollster Sicherheit ermitteln lässt. Ich habe bis jetzt gefunden: Ostrea callifera Lam. (bildet bei Stetten die un- terste 6° mächtige Bank), Pectuneulus erassus Phill., P. arcatus Schloth., Nucula Lyellana Bosgq., Pecten (? pietus Goldy.), Cardium Raulini Heb., C. scobinula Merian, Lucina Heberti Desh., L. squamosa Lam., Tellina Heberti Desh., Panopaea Heberti Bosq., Cy- therea splendida Merian, C. inerassata Desh., Isocardia transversa Nyst, Cerithium lima Desh., C. conoidale Lam., ©. trochleare Lam., Tritonium rugosum Phil., Neritina fulminifera Sandb., Trochus Rhenanus Merian, endlich Zähne von Lamna ceuspidata Ag. und Notidanus Primigenius Ag. Aus diesen Versteinerungen darf mit Sicherheit auf gleiches Alter mit den petrographisch identischen Schich- ten der Cantone Basel und Solothurn und dem Groupe marin moyen (Tongrien) der Gegend von De- lemont im Berner Jura, der Ablagerungen von Al- zeiin Rheinhessen und dem Sande von Fontaine- bleau bei Paris geschlossen werden, da die aufge- zählten Muscheln in denselben als leitende auftreten. Es findet sich zugleich kein erheblicher Grund anzu- nehmen, dass diese in gleicher petrographischer Be- schaffenheit nordwärts bis Dinglingen beiLahr vor- kommende Ablagerung nicht eine direete Fortsetzung der untersten Schicht des Mainzer Beckens sei, in- dem in dem Bohrloche auf Steinkohlen bei Müllen- bach unweit Bühl und in den den Muschelkalk bei Wiesloch überdeckenden Tertiär - Schichten ebenfalls Leitmuscheln des Mainzer Beckens sich finden und diesen Zusammenhang unter dem Diluvium des Rhein- Thals räumlich unzweifelhaft herstellen, Die petrogra- phische Zusammensetzung ist freilich sehr verschieden, indem bis Müllenbach hauptsächlich Quarz-Sand das Material der Schicht darbietet, während das Breis- gauer Aequivalent aus Fragmenten jurassischer Ge- steine besteht. Aber man darf sich nur erinnern, dass jurassische Schichten von Lahr an aufwästs vorzugs- weise die Ränder des Beckens bilden, daher in dem Trümmermateriale vorherrschen müssen. Damit wäre denn zunächst ein fester Horizont zur Vergleichung der Breisgauer Tertiär-Bildung gewonnen, welcher so- fort auch zu Vergleichungen der unter und über ihm liegenden Schichten auffordert. Verfolgt man zunächst die unter dem Kalk-Sandstein liegenden Bohnerze, welche noch in einzelnen Körnern in den überhaupt nicht scharf getrennten Steingang übergehen und längst als locale Mineralquellen-Bildungen anerkannt sind, so wird man sie zunächst dem Gypse des Montmartre bei Paris 56 parallelisiren müssen, und die Richtigkeit dieser Parallele wird durch die Wirbelthiere über allen Zweifel erhoben, welche in Bohnerzen von ganz gleicher Lagerung bei Egerkinden im Kanton Solothurn vorkommen; Palaeotherium und Anoplotherium sind Beweis genug. Aber ein noch höheres Interesse nimmt die Thatsache in Anspruch, das im Breisgau die Schichten aus der Zeit des Gypses des Montmartre auch durch eine petrographisch identische Bildung repräsentirt werden, nämlich die Gypse vonBamlach am Rhein und Wa- senweiler am Kaiserstuhl, wit welchen der Gyps von Zimmersheim im Elsass ganz übereinstimmt. Die Auflagerung des Kalk-Sandsteins auf dem Gypse von Bamlach unterliegt nicht dem mindesten Zweifel, und es ist anderseits merkwürdig, die ganz gleichen Schwalbenschwanz-Zwillinge des Gypses wie am Mont- martre auch bei Wasenweiler auftreten zu sehen und die Bohnerze sehr häufig am Ausgehenden mit Gyps verbunden zu treffen. Es scheint nach diesen Erör- terungen die Stellung der unter dem Kalk -Sandsteine des Breisgaus auftretenden Schichten ausser Frage zu stehen, und ich kann daher zu den über demselben auftretenden übergehen. Die Schichten, welche Cyrena subarata enthalten, können nur Aequivalente des Cyrenen- Mergels sein, welcher im Mainzer Becken als bracki- sches Glied zunächst auf den Sand von Alzei folgt; sie sind bis jetzt aus der Schweiz nicht erwähnt wor- den, vermuthlich weil man sie noch nicht gesucht hat. Die Kalke, welche Helix osculum, Planorbis solidus und Pl. deelivis und höher aufwärts Melania Escheri enthalten, können nur Repräsentanten einerseits der Schichten des Groupe fluvio-terrestre moyen von Delemont sein, dessen Gleichalterigkeit mit der untern Süsswasser-Mol- lasse des Schweizerischen Voralpen-Landes von Niemanden bestritten wird, andrerseits aber ebenso bestimmt mit dem Landschnecken-Kalke des Mainzer Beckens parallelisirt werden, von dem sie sich indess als fluviatile Facies unterscheiden, und also näher an die Württembergischen Kalke von Ulm und spe- ciell Zwiefalten im Donau-Becken anschliessen. Sämmtliche Tertiär-Bildungen sind gehoben und zwar in gleichem Sinne mit den älteren Bildungen von der Trias an aufwärts; sie sind zum Theil, wie die Blätter- Schichten, zwischen den Basalten des Kaiserstuhls eingeklemmt und die Letten in Porzellan-Jaspis umge- wandelt, wie Schill so schön nachgewiesen hat. Fasst man die Schichten der Tertiär-Bildung in einem Schema zusammen, so gestaltet sich dasselbe folgendermassen: \ 5. Stinkkalk mit Melania Escheri. ] 4. Weisse Kalke und grüne Sande mit Helix osculum. \ 3. Platten-förmige Kalk-Mergel mit Cyrena subarata. f 2. Kalk-Sandstein, unten mit Meeres - Conchylien, Oligoecän. Miocän. oben mit Blättern. b. Gyps von Bamlach und Wasenweiler. a. Bohnerz von Auggen, Schliengen u.s.w. Aequivalente. 4.-5. Landschnecken-Kalk von Hochheim, Calcaire de la Bauce, Schweizerische untere Süsswasser - Mol- lasse, Kalke von Ulm ete. 3. Cyrenen-Mergel des Mainzer Beckens, Fontainebleau (obere Abtheilung). Schichten von Alzei, Del&emont, Kleinspauwen, Oberbayerisches Oligocän. Fontainebleau (un- tere Abtheilung). 1. Kalk vonBuchsweiler und Ubstatt; Gyps des Mont- martre; Sand von Westeregeln, Lethen in Belgien. In dieser Tabelle ist auch die Schichten-Folge von Ulm und Günzburg, welche durch ein Missverständ- niss in der vonGümbel und mir veröffentlichten Arbeit über das Alter der Tertiär-Bildung von Oberbayern der Schweizerischen oberen Süsswasser-Mollasse gleichgestellt wurde, an ihrem richtigen Platze einge- tragen. Die Untersuchung der Section Müllheim (Baden- weiler) hat nach dem Vorgetragenen eine nicht unbe- deutende Zahl von Resultaten geliefert, welche auf die Geologie des Breisgaues zum Theil ein ganz neues Licht werfen, zum Theil vorhandene treflliche Arbeiten von Merian und Fromherz ergänzen oder berichtigen. Der Auftrag zur Aufnahme der Umgebungen. des Bades Ueberlingen in der II. Seetion Stockach der topographischen Karte des Grossherzogthuns, traf Herrn Dr. Schill bereits mitten in einer Arbeit über die Tertiär - Bildungen des Badischen Bodensee- Landes im Ganzen, welche er seit drei Jahren verfolgte. Auch die ihm zweifelhaften Versteinerungen waren zum grössten Theile von mir, Hermann von Meyer und O. Heer bereits bestimmt, und so wurde dieser Auftrag nur noch eine Veranlassung mehr, Das in’s Detail eingehend zu untersuchen, was im Grossen be- reits feststand. Da er unterdessen eine grössere Ar- beit über das ganze Gebiet in den Württembergi- schen Jahres-Heften veröffentlicht hat und überdiess einen Vortrag in der Seetion beabsichtigt, so beschränke ich mich darauf, die geologische Karte vorzulegen und nur die unmittelbar aus dieser und den beigefügten Pro- filen sich ergebenden Daten mitzutheilen. Die Section ist grösstentheils mit Diluvial- Ablagerungen bedeckt, aus wel- chen am See und in den tieferen Flussthälern die Ter- tiär-Bildungen und in sehr geringer Verbreitung auch Kim- meridge-Kalk (weisser Jura & Quenst.) auftauchen. Ein sehr instructiver Durchschnitt von Hoppetenzell nach Nussdorf am See zeigt mit schwachem Fallen in SO. folgende Schichten übereinander gelagert. Zuerst Land- schnecken-Kalk mit Cyelostomus bisulcatus, Helix rugulosa, Planorbis eornieulum und Charen, direet auf dem weissen Jura abgelagert und unzweifelhaftes Aequivalent der Kalke von Hochheim und von Thalfingen bei Ulm, darüber die Süsswasser-Mollasse mit Blättern, wie in der Schweiz oder bei Günzburg, dann die ächte Schweizerische Meeres-Mollasse, weder pe- trographisch noch paläontologisch unterscheidbar, darauf die obere Süsswasser-Mollasse mit Blättern und Braun- kohlenlagern, deren Gleichalterigkeit mit den Schichten von Wiesbaden im Mainzer Becken ich in einem späteren Vortrage nachzuweisen mir vorbehalte, und welcher auch die berühmten Ablagerungen von Oenin- gen unzweifelhaft zufallen. Es stellt sich hier heraus, io dass die sogenannte Breisgauer Mollasse völlig von der ächten desSeekreises verschieden und um vieles älter ist, daher für dieselbe dieser ohnehin nicht gar gute Name nicht mehr gebraucht werden darf. Ich werde in einem späteren Vortrage Gelegenheit haben, auf: die aus der Untersuchung Badischer Tertiär - Bildungen gewonnenen Ergebnisse zurückzukommen ; sie lösen Fra- gen, welche für die Classifieation der Mittel- und Süd-Deutschen Tertiär-Bildungen überhaupt von hohem Interesse sind. IV. Die Gegend von Baden-Baden, die zweite mir zur Untersuchung gestellte Aufgabe, welche ich in Gesellschaft meines Assistenten R. Müller aus Weiden zum Theil erst in diesem Sommer untersuchte, werde ich schon der vorgerückten Zeit wegen um so kürzer behandeln müssen, als die Aufnahme noch nicht ganz beendigt ist. Dennoch drängt sich auch hier des Neuen und von früheren Arbeiten, unter denen jedenfalls die Hausmann’sche als die weitaus gediegenste zu be- zeichnen sein wird, Abweichenden so viel herzu, dass ich Ihre Geduld immerhin noch auf einige Zeit in An- spruch nehmen muss. Zur leichteren Orientirung habe ich das von dem Assistenten am Polytechnikum, J. Fritschi, mit Treue und Eleganz ausgeführte Relief der dortigen Gegend aufgestellt, welchem ein früher von demselben ausge- führtes der höchsten Gebirgs-Gruppe des Schwarz- waldes, der Umgebungen des Feldbergs nämlich, beigefügt ist. Die gegen das Rhein-Thal hin abfallenden flachen Bergrücken der Gegend von Baden sind zunächst von Löss gebildet, welcher zwischen Oos und Baden- scheuern direet einer mächtigen Geschiebe-Ablagerung aufgelagert erscheint, die vorzugsweise aus Geröllen des Rothliegenden zusammengesetzt ist. Gerade an dieser Stelle, d.h. an der Mündung des offenbar erst in der Diluvial-Periode geöffneten Oos-Thales, haben sich zum Theil ausgezeichnet erhaltene Reste von Blephas Pprümigenius in solcher Menge zusammengefunden, wie man sie etwa nur noch im Stuttgarter Kessel ange- troffen hat: eine an der Mündung von Seitenthälern in das Rhein- Thal, dessen Gewässer vermuthlich die der letzten gestaut haben, nicht eben ungewöhnliche Er- scheinung. Nach dem Gebirge hin treten unter dem Löss an ei- nigen Punkten, z.B. dem Jagdhause zunächst, gröss- tentheils zerstörte Liasablagerungen mit Gryphaea eymbium Lam., Belemnites paxillosus Schloth. und zahlreichen Kies-Knollen auf, die wohl nur der Zone des Ammonites margaritatus (Amaltheus) angehören können und mit an- dern isolirten Ablagerungen, welche wenig südlicher und nördlicher vorkommen, den Beweis liefern, dass der Lias von Langenbrücken mit dem des Oberlan- des zusammenhing und vermuthlich in der Tertiär-Pe- riode, wie auch der Jura im Breisgau, vielfältig zer- trümmert und weggewaschen worden ist. Dieser Lias ruht seinerseits auf dem obern Bunten Sandsteine, wel- cher von Oberndorf an bis zum Fusse des aus ihm grösstentheils gebildeten Fremersbergs die zweite 57 höhere Hügelterrasse gegen das Rhein-Thal hin zu- sammensetzt und von dem untern Bunt-Sandstein, der auf dem grössten Theile der Höhen des östlichen Theils der Gegend von 1400 bis zu 3000’ Meeres-Höhe und weiter aufwärts vorkommt, durch andere Gesteine voll- kommen getrennt ist. Am Ausgehenden gegen das Oos- und Rhein- Thal befindet sich dieser Sandstein auf der ganzen Linie in einer Zersetzung, welche mit Abscheidung seiner Quarz-Körner in Form sehr feinen Form-Sandes und seines meist von Kaolinartigem Thone gebildeten Binde- mittels zu plastischem, mehr oder weniger feuerfestem Letten endigt. Die Thone von Oberweier, Kuppen- heim, Balg gehören sämmtlich in diese Categorie, und es fällt die Zersetzung und besonders der Schlämm- Process, welcher den Thon vom Sande trennte, offenbar zum grössten Theile schon in die Diluvial-Periode. Der Sandstein fällt mit 5— 17° nach N., er wird am Fre- mersberg und bei Ebersteinburg direet von con- form einfallenden Rothliegendem und nur an wenigen Stellen von den grünen steil aufgerichteten Schiefern der Uebergangs-Bildung unterteuft, von welchen er dann zahlreiche Bruchstücke einschliesst. Auf ihm ruht im Fichtenthale bei Ebersteinburg eine sehr deut- lich muldenförmige Ablagerung von oberem Muschel- kalk, während der Wellenkalk bei Baden nicht ver- treten erscheint. Die am Tage bis zu 80’ Mächtigkeit aufgeschlossenen Schichten dieser Mulde fallen am süd- lichen Ende am Birkenfelsen mit 10— 20° in NO., am nördlichen (Dürrenberg) mit 15° in SO., und enthalten an letztem besonders reichlich Ceratites nodo- sus, selten auch Pemphix Sueurü, überdiess die gewöhn- lichen Arten des Muschelkalks: Lima striata, Gervillia socialis, Terebratula vulgaris und Enerinus lilüformis. Das gänzlich isolirte Auftreten dieser Ablagerung ist sehr interessant und lässt auf eine locale Senkung des kleinen entsprechenden Gebietes zur Zeit der Ablagerung des oberen Muschelkalkes schliessen, während dasselbe of- fenbar nach der Ablagerung des Bunten Sandsteins ge- hoben worden sein muss, weil sich die bunten Letten desselben, die Wellenkalk- und Anhydrit-Gruppe hier nicht vertreten finden. Gehen wir dann zur Betrachtung der nächst höhe- ren, weiter nach Osten liegenden Rücken über, so er- scheinen dieselben vorzugsweise von Rothliegendem ge- bildet, in dessen Mitte jedoch am Friesenberg in Baden selbst und bei Ebersteinburg ältere Ge- steine, Granit, Uebergangs- und Steinkohlen-Formation heraufgeschoben sind. Während das Rothliegende gegen das Rhein-Thal zu von diesen aufgerichteten Gesteinen nach Nordwesten abfällt, an dem durch prachtvolle Pfeiler- und Säulen- Bildungen so ausgezeichneten Rücken des alten Schlosses fast horizontal liegt und jenseits desselben westlich ge- neigt ist, nimmt es gegen Oberbeuern hin wieder ein nordwestliches Fallen an. Die gleiche nahezu hori- zontale Lage, welche die untern, überaus harten und darum stets zu grotesker Felsbildung geneigten Schich- ten am alten Schlosse zeigen, lässt sich bis in die Ge- 8 58 gend von Gaggenau verfolgen. Hier liegt also auf alle Fälle eine der (antiklinischen) Erhebungs-Axen, in- nerhalb welcher die älteren Gesteine, welche die Unter- lage des Rothliegenden bilden, die Granit- und Ueber- gangs-Formation und die Steinkohlen-Bildung, herauf gehoben und die untersten Schichten des Rothliegenden selbst in ein weit höheres Niveau versetzt worden sind, wie die obern. Man könnte auf die Ansicht kommen, es sei diese Hebung durch den Granit veranlasst wor- den, und in der That ist diese auch schon ausgesprochen worden, allein Hausmann hat bereits gezeigt, dass sie völlig unhaltbar ist, und meine Beobachtungen ha- ben nicht nur seine Beweise bestätigt, sondern auch neue hinzugefügt, welche später erwähnt werden sollen. Von der prachtvoll gegliederten zu dem Landschafts- Effecte der reizenden Gegend so wesentlich beitragen- den Porphyr-Masse des südlichen Theils ist das Roth- liegende, welches sie nördlich und westlich vollständig umgibt, offenbar in Südost aufgerichtet und in mehren Beziehungen abhängig. Wo man Gelegenheit hat, die Schichtenfolge des Rothliegenden zu studiren, wie z. B. in den Durchschnitten vom Granite der Leo- poldsstrasse bis zum Steinbruch vor Dollen oder von den Uebergangs - Schiefern der Trinkhalle bis zum Porphyr des Sauersbergs, da finden sich an der Basis desselben grobe aus eckigen und seltener ge- rundeten Porphyr - Bruchstücken ohne Pinit zusammen- gesetzte und je nach der Localität auch Granit-Gerölle, Gneiss- und Feldspath - Brocken enthaltende überaus harte Breccien und Conglomerate. Zu dieser Abthei- lung gehören unter Anderen die Gesteine des alten Schlosses, deren Auflagerung auf dem Granite man am Fusse desselben unmittelbar beobachten kann, und die Gesteine von Vormberg bei Sinzheim, in denen man eine Schichtung nieht mit Sicherheit zu ermitteln im Stande ist. Die mittleren Lagen enthalten die gleichen Gesteine, aber in weit kleineren Geröllen; nur die Pör- phyre treten noch immer in grösseren darin auf; über- diess sind sie weit loser verkittet und häufig durch Aus- scheidung von Wad schwarz-braun gefleckt. Die Ueber- gangs-Formation muss schon zur Zeit des Rothliegenden zum Theil über die Wasserbedeckung hervorgeragt oder untermeerische Riffe gebildet haben; — wo das- selbe direet mit ihr in Berührung tritt oder sehr nahe liegt, ist es mit einer Menge eckiger Bruchstücke von Uebergangs -Schiefern angefüllt, wie z. B. im Garten des Klosters zum heiligen Grab, im Ebersteinbur- ger Plattenbruch, zunächst dem sogenannten Marmor- Bruch im Traisbach-Thale u. s.w. Die geringe Härte des Gesteins macht erklärlich, dass es in weiterer Entfer- nung von seinem Ausgehenden nicht mehr im Roth- liegenden gefunden wird. Auf der in den meisten Fäl- len sehr scharf erkennbaren Grenze des Bunten Sand- steins, wiez.B. am Merkur- und Fremers-Berg, schliesst das Rothliegende mit fein-körnigen schwarz- gefleckten Sandsteinen und rothen glimmerigen nicht selten grün-getupften Letten. Diese letzten sind inso- fern wichtig, als sie die durch den Bunten Sandstein versinkenden atmosphärischen Niederschläge als wasser- dichte Bank sperren. Die Grenze ist daher an einigen Orten, besonders am Fremersberg, durch den Aus- tritt sehr reiner und starker Quellen bezeichnet, in wel- chen das sicherste Mittel zur bessern Versorgung der Stadt Baden mit Trink-Wasser geboten ist. Die Por- phyre sind an mehren Orten direet mit dem Rothliegen- den in Berührung; sie erscheinen hier entweder mit einer nur aus eckigen Bruchstücken von Porphyr ge- bildeten Breceie umgeben (z. B. sehr schön bei Ober- beuern und am Seelishofe), welche dann unmittel- bar in das Rothliegende übergeht, oder die weissen oder röthlich-weissen Tuff-artigen Massen, welche ihren Rand bilden, nehmen ganz allmälig Gerölle auf und gehen dadurch zuletzt in eine vom Rothliesenden nicht unter- scheidbare und direct in dasselbe fortsetzende Conglo- merat-Schicht über, wie z. B. in der Nähe des Herrig- bachs und an andern Punkten bei Liehtenthal. An andern Stellen, wie z. B. am Sauersberg und am Gunzenbach, erscheinen sie zu weissen, gegen das intensiv rothe Rothliegende einen scharfen Farben-Con- trast bildenden, Feldspath-Grus enthaltenden sandigen Letten aufgelöst, welche eine Menge von Kiesel - Mine- ralien, Plasma, Kalzedon, Quarz und Amethyst, zu- weilen auch Nadel -Eisenerz in zusammengeballten har- ten Kugeln umschliessen, Diese Bildungen erinnern unwillkürlich an eine durch Entwickelung von Säuredämpfen an ihrem Rande er- folgte Zersetzung der Feldspath - Substanz, welche mit Auflösung eines Theils der Basen und Abscheidung der Kieselerde verbunden war. Da das Rothliegende in vielen Fällen gegen die Por- phyre aufgerichtet erscheint und in der kleinen Kuppe bei den Seelighöfen von Porphyr selbst durchbrochen wird, so glaube ich annehmen zu müssen, dass die Eruption desselben während der ganzen Zeit der Ab- lagerung des Rothliegenden fortgedauert hat, und dass die Porphyr-Masse in ihrer jetzigen Gestalt erst nach der Ablagerung desselben vollends aufgestiegen ist. Natürlich hat ihr Aufsteigen auch auf die Verhält- nisse der älteren Steinkohlen-Bildung einen sehr wesent- lichen Einfluss geübt. Diese umfasst ein kleineres Areal als das Rothliegende, von welchem sie östlich conform, nordwestlich aber abweichend überlagert wird. Sie ist nahezu nur aus granitischem Materiale gebildet und, wo sich dieses direet auf dem Granite selbst abgelagert hat, wie z. B. am Wahlheimer Hofe, bei Geroldsau u. s. w., oft von diesem nur durch seine Quarz-Gerölle und die eingelagerten Schiefer zu unterscheiden. Por- phyre fehlen an den meisten Orten völlig unter ihren Geröllen, und die einzigen, die sich bei Malschbach finden, sind Gerölle von Porphyren, welche sich durch bis 1,‘ grosse Carlsbader Zwillinge von Feldspath und grosse blaue oder grüne Pinit-Crystalle sowohl von den anstehenden Porphyren mit kleinen Feldspathen und constant kleineren braunen Crystallen von Pinit neben unzähligen Quarz-Crystallen, als auch von den Pinit- freien gewöhnlichen Porphyr-Geröllen des Rothliegenden sehr scharf trennen lassen. Im Ganzen stellt die Stein- kohlen-Bildung nach meinen bisherigen Untersuchungen ein elliptisches Becken dar, dessen grösste Achse von Südwest nach Nordost streicht und dessen südöstlicher Rand von Ebersteinschloss über Müllenbach, den Kuchenhof, Gerolsau, Malschbach, Neu- weier nach Umwegen und Varnhalt zieht und mit Ausnahme der letzten Localitäten überall von Granit gebildet wird. Dort scheint der Granit bei der Bildung des Rhein-Thals zerstört worden zu sein. Der nord- westliche Rand ist nur beiBaden deutlich zu erkennen, an den meisten Stellen sonst vom Rothliegenden über- deckt. Südöstlich von der Granit-Masse, die von den zwischen und neben ihr vorkommenden Uebergangs- Gesteinen nicht getrennt werden kann, taucht die Stein- kohlen-Bildung in Baden selbst, an dem Friesen- berge, dem Kurhause und den Beutigäckern wieder auf, um sehr bald wieder unter dem Rothliegen- den zu verschwinden, während auf der Westseite der genannten Masse das Rothliegende überall direet auf dem Granite ruht. Die Verlängerung dieser isolirten Parthie unter dem Rothliegenden hindurch trifft ausserhalb des Gebietes der Aufnahme auf die Steinkohlen-Bildung bei Michel- bach jenseits der. Murg, wo schwarze Schiefer mit Uronectes fimbriatus Br. und Limnadia Freysteini ihre Gegenwart ausser Zweifel setzen. Das Fallen ist an dem nordwestlichen Rande in und um Baden östlich (10°— 30°), am südwestlichen östlich mit fast gleichen Winkeln, am südöstlichen überall nordwestlich, daher die vorhin entwickelte Gestalt des Beckens wohl ausser Zweifel ist. Die Steinkohlen -Bildung erlangt ein erhöhtes In- teresse durch die Beobachtung, dass aus ihr ausschliess- lich die Quellen von Baden-Baden hervortreten und in der ganz nahen Uebergangs-Bildung eben so wenig als in dem gleichfalls noch in der Stadt sie überlagern- den Rothliegenden irgend eine Quelle bekannt ist. Die Beobachtungen, welche ich am Ursprung, an der stets offenen und unmittelbar dem Gesteine entströmen- den Brühquelle wie an der auf offizielle Veranlassung ganz aufgegrabenen Löwenquelle machte, lassen darü- ber keinen Zweifel. Auf der östlichen Seite der von dem Friesenberge und dem südlichen Fusse des Schlossberges bis an das alte Schloss heraufsetzenden Granit-Masse liegt die Steinkohlen-Bildung des Quellenbezirkes, wie schon erwähnt, direet auf dieser und der Uebergangs-Bildung auf. So findet man sie in den Fundamenten des neuen Schlosses und an dem südöstlichen Abhang des Schlossberges bis in das Oos-Thal herab mit östlichem Einfallen; sie setzt dann über die Oos und tritt am Kurhause und dem nach Gallenbach führenden Fahrwege in wechselnden Schichten von gra- nitischem Conglomerate (Arkose), glimmerigen Schiefer- thonen und schwarzen mit Pflanzen-Abdrücken nament- lich am Eiskeller desKurhauses überaus reichlich angefüllten Schiefern auf, welchen dunkel-rothe und grüne Letten-Bänke und rothe Granit-Conglomerate ohne Porphyr-Gerölle bis zur Grenze gegen das Roth- liegende folgen. Die Versteinerungen dieser Localität 59 sind vorzüglich Sigillaria lepidodendrijolia Brongn., An- nularia sphenophylloides Zenk. sp., Cyatheites arborescens Schloth. sp., Schizopteris lactuca Presl, während an andern Orten, namentlich in den westlich und südwestlich von den Porphyren auftretenden Steinkohlen-Bildungen von Umwegen-VarnhaltundMalschbach, noch Calamites cannaeformis Schloth.sp. (äusserst selten), Aste- rophyllites equisetijormis Brongn., Cyatheites Miltoni Artis sp., Sphenopteris irregularis Stern b., Alethopteris pteridoides Brongn. sp., Odontopteris Brittanica @ utb., Lepidostrobus variabilis Lin dl. und Cardiocarpum marginatum Artis sp. hinzukommen. Steinkohlen-Flötze kommen bei Varn- halt und Umwegen, verkieselte Hölzer sehr schön ebendaselbst und am Gernsberge bei Gernsbach vor; sie sind noch nicht näher untersucht. Nur an einer bereits früher erwähnten Stelle wurden auch Crustaceen, Limnadia Freysteini Geinitz sp. und Uronectes fimbriatus Jordan sp. gefunden. Es lässt sich aus diesen Ver- steinerungen leicht die völlige Verschiedenheit der Stein- kohlen-Bildung zu Baden von derjenigen bei Offen- burg, mit welcher sie nur Calamites cannaeformis gemein hat, und ihre wesentliche Uebereinstimmung mit der obern Steinkohlen-Bildung von Zwickau und Saar- brücken entnehmen. Ebenso bedarf es nur der rich- tigen Würdigung der Thatsache, dass in der Stein- kohlen-Bildung von Baden-Baden nirgends Gesteine als Gerölle vorkommen, welche auf eine Zuführung von Geröllen aus grösserer Entfernung und also ein ausgedehntes Becken hindeuten, um sich zu überzeugen, dass man es hier mit einem ganz localen, nicht in das Rhein-Thal fortsetzenden und. durch den Porphyr, welcher in seinem südwestlichen Theile emporstieg, gänzlich zerrütteten Becken zu thun hat. Es kann nicht meine Absicht sein, in diesen für das Grossherzogthum in industrieller Beziehung so wichtigen Gegenstand noch weiter einzugehen. Ich wende mich vielmehr zu den granitischen Gesteinen und den Vertretern der Ueber- gangs-Formation. Es wurde bereits wiederholt gezeigt, dass der Granit die Ostgrenze aller seither beschriebenen Gesteine aus- macht und dass er noch in der nächsten Umgebung von Baden selbst den breiten Rücken des Friesenbergs, des Schlossbergs, die Höhen vom Krippenhofe und der Gas-Fabrik bis an den Fuss des alten Schlosses zusammensetzt und in einer Menge von grossen Blöcken auch an der nordwestlichen Seite des Batters mitten im Rothliegenden vorkommt. Unter den Varietäten, in welchen er auftritt, sind besonders die grobkörnige mit nahezu ziegelrothem Feldspathe, weissem oder grauem Quarze und grünlichem oder schwarzem Glimmer, die Porphyr-artige mit Oligoklas und grossen Karlsbader Zwillingen von Feldspath und endlich eine überaus feinkörnige fast Glimmer-freie zu bemerken. Ueber die Verhältnisse der beiden ersten zu einander habe ich keine Beobachtung machen können; ich fand stets so unmerkliche Uebergänge, dass ich sie nur als locale Abänderungen derselben Masse ansehen darf. Die feinkörnige Varietät aber ist das Material, aus 8* 60 welchem eine grössere Zahl von sehr schönen und sehr scharf mit der Porphyr-artigen Varietät, in welcher sie aufsetzen, kontrastirenden Gängen besteht, die besonders gut am Silberrück zur Seite des neuen Fahrwegs nach Rothenfels aufgeschlossen sind. Die Uebergangs-Schiefer der Gegend von Baden, welche am Friesenberge und von da durch die Oos durchsetzend in Baden selbst bis unter das neue Schloss vorkommen und bei Ebersteinburg in grosser Ausdehnung wieder unter dem sie direet über- lagernden Rothliegenden heraus treten, bieten sich nahe bei Rothenfels zum letzten Male der Beobachtung dar. Hausmann hat bereits gezeigt; dass sie von dem Granite durchbrochen, aufgerichtet und metamor- phosirt worden sind. Die unmittelbare Beobachtung in der Stadt, besonders im Hause des Schneiders Eisen und des Kaufmanns Matzenauer ergibt, dass die grünen Uebergang-Schiefer auf diesem Ufer der Oos zwischen Granit eingeschlossen sind , welcher auch Gänge in dieselben absendet. Ebenso finden sich am Friesen- berge und in der Granit-Masse der nordwestlichen Seite des Batters Brocken von Uebergangs-Schiefer direet im Granit. Die Uebergangs-Schiefer der Gegend von Rothenfels und Ebersteinburg, welche mit dem Granite nieht mehr in direeter Berührung stehen, sind den Thön-Schiefern des Taunus sehr ähnlich, enthalten aber bei Rothenfels Zwischenlager von fleischrothem körnigem Kalke; sie sind nicht oder wenigstens nicht auffallend metamorphosirt. Am Frie- senberge und in Baden selbst erscheinen aber die harten grünen Gesteine ohne deutliche Schieferung und mit Einschaltung von Bändern, die aus rothem Feld- stein und Quarz zusammengesetzt sind und in welchen häufig auch noch Glimmer auftritt, wodurch sich dann eine fast Gmneiss-artige Masse herausbildet, die aber von den grünen Schiefern niemals scharf getrennt, sondern stets mit ihnen durch Uebergänge verbunden erscheint. In Baden selbst, besonders am katholischen Pfarrhause, finden sich ferner, wie auch am Friesen- berge, grüne Schiefer mit vielem Quarz und einer Unzahl grösserer oder kleinerer Glimmer-Blättehen von ganz Gneiss-artigem Habitus, die aber gleichfalls Ueber- gänge in die gewöhnlichen grünen Schiefer bilden. Die Analyse wird konstatiren, welche Veränderungen die Granite in diesen Gesteinen gegenüber den nicht meta- morphosirten Schiefern bewirkt haben. Die Uebergangs- Schiefer fallen fast überall steil (bis 80") in SO. oder SSO. ein, waren also schon vor der Ablagerung der Steinkohlen-Bildung aufgerichtet, in welcher am Frie- senberg zahlreiche Bruchstücke derselben vorkommen. Endlich bleibt noch zu erwähnen, dass die Granit- Masse des östlichen Theils der Gegend von Baden von nahezu horizontalen Schichten von älterem Bunt- Sandsteine überlagert ist, während dasselbe Gestein auch zunächst bei Baden den Gipfel der Staufen- berge zusammensetzt, hier aber auf Rothliegendem und Steinkohlen-Bildung ruht. Als characteristisch für diese Abtheilung sind das krystallinische Korn und die zahllosen schwarz-braunen Flecken von Wad hervorzu- heben, welche bei den am Rande vorkommenden, nörd- lich oder nordwestlich einfallenden oberen Bunt-Sand- steinen nicht vorhanden sind. Es geht aus diesen Be- obachtungen hervor, dass hier, ähnlich wie in den Vogesen, eine Hebung nach der Ablagerung des untern Bunt-Sandsteines (Vogesen-Sandsteins) erfolgt sein muss. Im Ganzen genommen ergibt sich aus diesen That- sachen folgende Altersfolge der Gesteine: 1) Thon- Schiefer der Uebergangs-Bildung, 2) Granit, 3) Stein- kohlen-Bildung, 4) Rothliegendes und Porphyr, 5) Unterer und 6) Oberer Bunt-Sandstein, 7) Muschel- Kalk, 3) Lias. Da nun der Sand von Alzei (Mainzer Tertiär-Bildung) in den Bohr-Löchern von Oos und Müllenbach bis zu 900° Tiefe horizontal geschiehtet angetroffen worden ist, so fällt die letzte Hebung des Schwarzwald-Randes in der Gegend von Baden offenbar nicht in die Periode der Mitteltertiär-Bildung wie bei Badenweiler, sondern in eine ältere, doch vermag man die Zeit derselben bis jetzt nicht festzu- stellen. Die Bildung des Oos-Thales ist nicht vor der Diluvial-Periode erfolgt, indess jedenfalls ein wenig älter als der Absatz des Lösses, da der letzte auf den Oos- Geröllen bei Badenscheuern aufliegt. Sie ist ver- muthlich ziemlich rasch nach dem Durchbruch der Ge- wässer durch die mächtigen Porphyr-Dämme vor sich gegangen, welche das obere Oos-Thal und das Gerolsauer Thal längere Zeit im Zustand von See’n zu verharren zwangen, in welchen sich kolossale Gerölle der Granit-Berge ihrer Ränder abgelagert haben, die Agassiz zur Zeit der Gletscher-Manie als Mo- ränen ansprechen zu müssen glaubte. Hofrath Veiel von Cannstatt macht eine Mit- theilung Ueber die fossilen Vogelreste des Cannstatter Sauer- wasserkalkes. In dem Cannstatter Thalbeeken, das gegen Norden und Osten von Muschelkalk, gegen Süden und Westen von Keuperhügeln umschlossen ist, finden sich 2 eigen- thümliche Diluvialbildungen, die wohl ihren Ursprung den aus der Lettenkohle über dem Dolomit entspringenden Mineralquellen danken, zu einer Zeit, in welche diese Wasser viel heisser und stärker hervorgequollen sein mögen. Diese Diluvialbildungen sind: die Kiesbreceie oder das durch Kalktuff steinhart verbundene Kies- conglomerat und der Sauerwasserkalk. Beide Gebilde haben theilweise eine Lagerung von 40—50 Fuss Höhe über der Thalsohle und scheinen das Ufer eines grossen durch den Neckar und Mineralwasser gebildeten Sees darzustellen. Da wo die Strömung stärker war, bildete sich die Breceie, wo die Wasser ruhiger — der Sauer- wasserkalk. Beide enthalten die mannigfachsten Reste einer früheren Fauna und Pflanzenwelt. In beiden kommen Mammuth-, Rhinoceros-, Urochs-, Hirsch- und andere Knochen vor, doch enthält der Sauerwasserkalk weit mehr solche Reste, namentlich der über ihm auf- lagernde Tuffsand und der in seinen Buchten einge- lagerte Diluviallehm. Die interessanteste Schichte aber, die nur dem Sauer- wasserkalk Cannstatts eigenthümlich ist, ist sein Vogel- reste führendesLager. Dieses befindet sich immer in der untersten Lage des Sauerwasserkalks 2—3 Fuss oberhalb seines Abganges unmittelbar über dem untersten sehr porösen, aus Schilf und Röhren zusammengesetzen Tuffstein. Diese Vogelreste bestehen vorzugsweise in Federn, seltener in Knochen, nur einmal wurden Eier gefunden. Die grösseren Federn gehören ohne Zweifel einem reiherartigen Vogel an, die Knochen jedenfalls einem Strandläufer, die Eier sind noch nicht genau be- stimmt, am meisten kommen sie mit denen des Regen- pfeifers überein. In der Hoffnung, dem einen oder dem andern der anwesenden Herren werde eine treue Abbildung einiger dieser Federn, der Knochen und der Eier von Interesse sein, habe ich einige Exemplare der für den Württem- bergischen naturhistorischen Verein abgebildeten Vogel- reste zur Vertheilung mitgebracht. Daubree, Ineenieur en Chef au Corps Im- perial des Mines, Professeur et Doyen de la Fa- eulte des Sciences de Strasbourg, hält in französi- scher Sprache einen Vortrag über die Bildung der Zeolithe in der gegenwärtigen Periode: Formation contemporaine des zeolithes. *) L’origine des mineraux de la famille des zeolithes presente un grand interet pour la geologie; car ils font partie essentielle de roches tres importantes, telles que les basaltes et les phonolithes. Aussi les _circonstances dans lesquelles ces silicates hydrates ont pu prendre naissance et cristalliser ont et& l’objet de nombreuses recherches. Quoique les zeolithes soient souvent incorporees dans des roches incontestablement d’origine eruptive, Vetude de leur gisement a conduit ä admettre quelles ont &te produites par voie aqueuse. Cependant, malgre les ingenieuses experiences dont on est redevable & M. Woehler et äM. Bunsen, on n’est pas encore parvenu ä imiter artificiellement ces silicates. Je puis aujourd’hui eelairer l’origine de ces mine- raux et des roches dont ils font partie, en montrant que des zeolithes se forment journellement, et dans des eirconstances bien determinees que je vais exposer. Dans le but d’augmenter le volume des eaux ther- males de Plombieres, nous ex&cutons un aquedue profond qui prendra les sources ä un niveau inferieur & celui *) D’autenr vient de publier sur le m&me sujet dans les annales des Mines (5. serie T. XII. p. 227) un travail plus detaille qui a pour titre: Memoire sur la relation des sources thermales de Plombieres avec les filons metalliferes et sur la for- mation contemporaine des zeolithes. 61 auquel on les avait primitivement recueillies. Pour cela nous avons dti entailler une nappe de beton que les Romains avaient etendue sur le fond de la vallee, pres des points d’emergence des sources pour les recueillir et les diriger. Ce beton se compose de fragments de briques et de gres bigarre eimentes par de la chaux. Sous l’influence de l’eau minerale qui afflue eontinu- ellement avec une temperature de 50 ä 60 degres, la chaux et les briques elles-m@emes ont &te en partie transformees, et des combinaisons nouvelles ont cristal- lise de toutes parts dans les cavites. Parmis les produits de cette modification, les plus frequents sont des sili- cates de la famille des zeolithes et, en partieulier, la chabasie, l’harmotöme et l’apophpyllite. Chacune de ces trois substances est en eristaux nets, transparents et parfaitement mesurables au goniometre ; elles sont identiques dans tout l’ensemble de leurs caracteres physiques et chimiques, avec les mineraux du me&me nom. Il m’est encore forme d’autres especes de zeolithes, mais leur determination n’a pas encore ete faite avec eertitude, parcequ’on n’a pu jusqu’ä present en isoler a Petat de purete que de tres-faibles quantites; aussi je ne mentionne qw'avee reserve la seolezite et la gismondine. Il en est de meme d’un carbonate de magnesie hydrate, en lames nacrees, de forme rhombe, doue de deux axes optiques dans un plan normal ä& celui des lames, qui parait eonstituer une espece nouvelle. Les cavites de la maconnerie renferment encore P’hyalite et d’autres varietes d’opale mamelonnee; Varragonite en cristaux bipyramidaux aigus et sem- blable a celle des gites de fer de Framont et de certains basaltes; du spath ealeaire associe ä la chabasie; du spath fluor en tres petits eristaux, prenant quelque- fois la teinte violette qui ui est habituelle. Dans des cavites voisines des points otı le beton est expose au jet direet de l’eau thermale, on voit se preei- piter une substance gelatineuse et mamelonnee qui dur- eit a Pair libre, devient opaque et d’un blanc de neige. C’est un silicate de chaux hydrate dont la composition, apres une dessication a 100 degres, est repr&sentee par la formule tres simple: CaO. Si 0O?—+ 2HO. IN differe done de Y’okenite et constitue tres probablement une espece nouvelle dont on pourrait peut-etre rappeler Vorigine par le nom de plombierite. Ainsi, au lieu de conjectures plus ou moins fondees, nous possedons maintenant une demonstration pour ainsi dire experimentale de la formation d’un grand nombre de zeolithes, qui preeise bien les eirconstances du phe- nomene. Malgre sa durete extreme, la maconnerie romaine donne acces ä l’eau thermale, surtout & travers les in- nombrables boursouflures de toute dimension qui se sont produites dans les briques, lors de leur euisson. L’eau non seulement imbibe, mais aussi traverse Ja nappe de beton. Ce courant tres lent, mais continu, permet & des actions tres faibles de se multiplier avec l’aide du temps. C’est un element qui manque dans la plupart des experiences tentees jusqu’ä present pour imiter la 62 nature, mais dont l’importanee, comme application & divers phenomenes geologiques, sera faeilement comprise. A Vaide du silicate alcalin quelle renferme leau thermale reagit sur une partie des masses qu’elle penetre et y produit, entre autres combinaisons, des zeolithes en abondance. Pour que ces silicates se forment, il n’est pas besoin, ä beaucoup pres, d’une temperature aussi elevee qu’on Ya suppose. Les zeolithes prennent naissance et cristal- lisent au-dessous de 60 degres, par consequent sous la simple pression atmospherique et a la surface meme du sol. La chabasie est toujours renfermee dans la brique, tandis que j’ai rencontre l’apophyllite exelusivement dans la chaux. La localisation differente de ces deux especes, qui est tout-äA-fait d’accord avee la composition de chacune d’elles, montre que leurs elements n’ont pas ete en totalite amenes par l’eau; ils ont &te en partie fournis par les masses solides imbibees. Ainsi une meme dissolution, en reagissant sur des masses de diffe- rentes natures, developpe dans chaeune des combinaisons speeiales. La eonnaissance de ces silicates eristallises et bien definis n’est pas sans interet pour lintelligence des reactions qui ont lieu dans la consolidation des mate- riaux hydrauliques, notamment entre la chaux et les pouzzolanes. C'est surtout dans certaines formations geologiques que le travail qui se produit a Plombieres s’est accompli sur des proportions considerables. Les zeolithes, Y’opale, l’arragonite, c’est-a-dire les prineipaux mineraux dont nous venons d’examiner la formation journaliere, constituent par leur association Yapanage de certaines roches eruptives. Il ya plus: toutes les conditions du gisement de ces mineraux con- temporains rappellent, dans les moindres ceirconstances leurs geodes, leur disposition et leur association dans les roches ou ils se rencontrent habituellement, par exemple dans le massif volcanique si interessant du Kaiserstuhl. Une telle similitude dans les resultats de- eele incontestablement une analogie d’origine. Beaucoup de roches d’origine eruptive se sont en effet boursouflees pendant la derniere phase de leur refroidissement, et elles ont pu £tre facilement traver- sees d’infiltrations. En eireulant dans ces roches avant qu’elles fussent eompletement refroidies, Peau, quelle qu’en füt l’origine, se trouvait necessairement echauffee et pouvait reagir, comme nous venons de le voir. D’ailleurs ce que nous voyons s’operer dans les boursouflures de dimension discernable se produit egale- ment dans les moindres pores de la brique, comme on peut le constater par voie chimique. L’opinion qui considere les basaltes, les phonolithes et les autres roches & zeolithes comme resultant d’une modification de roches anhydres, telles que certaines especes de dolerites et de trachytes, recoit done de ces faits une pleine confirmation. Ces diverses roches paraissent avoir ete graduellement transformees apres leur con- solidation, de m&eme que nos briques ont ete penetrees de zeolithes, m&me dans des parties qui sont en appa- rence compactes. Le meme exemple montre egalement comment les zeo- lithes peuvent aussi s’etre formees dans les terrains strati- fies, comme diverses contrees en presentent des exemples. Cependant toutes les roches ne sont pas &galement susceptibles d’engendrer des zeolithes. Du granite s’est trouve soumis aux memes conditions que la brique sans se comporter comme cette derniere substance, quoiqu’il füt tout-a-fait friable et imbibe. En effet on n’a pas trouve de zeolithes dans la päte des granites ni dans celle des porphyres a base de feldspath orthose; cepen- dant ces derniers sont quelquefois boursoufles et ren- ferment des concretions siliceuses. Des experiences en voie d’execution me permettront peut-etre d’eelaireir ces differences. Da suffi d’une eau tiede et a peine mineralisee pour faire naitre de toutes parts, dans la maconnerie de Plombieres, des silicates hydrates et eristallises. Les effets produits ne seraient-ils pas tout autres, si l’eau, fortement surechauffee, et cependant fortement contenue par la pression des masses superposees, eirculait lente- ment ä travers les roches, comme dans l’exemple que nous avons sous les yeux, et reagissait sur ces roches avec la haute temperature ou, d’apres mes experiences anterieures, les silicates anhydres se forment par voie humide. *) Geh. Oberbergrath Noeggerath weist auf die geologische Bedeutung dieser Entdeckungen hin und zeigt Ludwig’s deutsche Uebersetzung der von Daubr&e in den (Comptes rendues veröffent- lichten Entdeckungen an. Professor Blum aus Heidelberg: Ueber Pseudomorphosen von Kalkspath nach Feldspath und Augit. Es ist bekannt, dass viele Mineralien in den Formen von Kalkspath vorkommen, während dieser nur selten in den Gestalten anderer Substanzen getroffen wird; der Nachweis, dass sich derselbe in Verdrängungs- Pseudomorphosen nach Orthoklas und Augit findet, dürfte daher wohl nicht ohne Interesse sein. — Schon vor längerer Zeit hat Crasso durch die Analyse gezeigt, dass die Orthoklas-Crystalle aus dem Porphyr von Manebach in Thüringen nur zur einen Hälfte noch aus Feldspath-Substanz, zur anderen aber aus kohlensaurem Kalke beständen. Crystalle von demselben Fundorte, welche ich vor Kurzem erhielt, bestehen bei- *) Je signalerai m&me la formation eontemporaine d’un autre mineral. Un cabinet romain en bronze etait encroüt€ de euivre sulfur€ eristallise, absolument identique par son aspect, par ses formes, par toutes ses proprietes, avec le cuivre sulfure de Cornouailles, et, par cons@quent, dimorphe avec le produit des laboratoires- Ainsi les eaux thermales de Plombieres produisent a leur temperature de 60° des silicates et d’autres mineraux cristalli- ses que nous ne voyons aujourd’hui que dans des filons et des roches £ruptives. nahe gänzlich aus Kalk, so dass bei der Auflösung eines derselben in Chlorwasserstoffsäure nur ein ganz unbedeutender Rückstand blieb. Die Crystalle, deren Form sehr gut erhalten ist, bestehen nur aus einem körnigen Aggregat von kohlensaurem Kalk, und haben eine um so hellere gelblichweisse oder weisse Farbe, je mehr jener vorherrscht, je vollständiger also der Process der Verdrängung vor sich gegangen ist, und sich dem- nach Pseudomorphosen von Kalk nach Orthoklas bil- deten. Da diese Bildung nur durch Vermittelung des Wassers stattgefunden haben kann, indem dasselbe koh- lensauren Kalk zu-, und die Bestandtheile des Ortho- klases hinwegführte, so muss solches auch seinen Weg durch das Gestein, den Porphyr, in welchem die Or- thoklas-Crystalle liegen, genommen haben; ein Beweis mehr dafür, dass das Wasser auch sehr dichte Gesteine zu durchdringen “vermag. Ein zweiter Fall, welcher uns den Kalkspath in Form eines anderen Minerals vorführt, findet sich in dem Augit-Porphyr von Pozza in Tyrol, wo derselbe in der Gestalt des Augits gefunden wird. Der Kalk- spath, welcher die Form des letzteren zeigt, ist meisten- theils feinkörnig und nur selten nimmt nur ein Individuum dieselbe allein ein. Auch hier ist der Process der Ver- drängung mitten im Gesteine vor sich gegangen. Dr. Julius Schill von Stockach gab Beiträge zur physikalischen Geologie des Sehwarzwaldes. Diesel- ben bedürfen zu ihrem richtigen Verständnisse einer Anzahl Tafeln, welche er seinem Vortrage zu Grunde legte. Die Resultate der Untersuchungen werden in Bälde anderwärts zur Veröffentlichung gelangen. Professor Dr. Krauss von Stuttgart sprach: Ueber die Deutung der Schädelknochen der fossilen Sirenen. Er zeigte ein Bruchstück eines Halitherium-Schädels aus Flonheim vor, an welchem gerade die Knochen des 63 Stirntheils vollständiger vorhanden sind als an allen ihm bekannten Schädelstücken und wodurch es ihm möglich gemacht wurde, diese Knochen richtig zu deuten. Hierin wurde er auch durch eine reiche Sammlung von Schä- deln der lebenden Sirenen unterstützt, welche er in diesem Winter untersuchte und in einem ausführlichen Aufsatz in Müller’s Archiv niedergelegt hat. Um in seinem Vortrage verständlich zu werden, schiekte er Folgendes über den Schädelbau der lebenden Sirenen voraus. Ueber die verschiedenen Ansichten wegen des Vorhandensein des Nasenknochens bei Manatus konnte er durch Einen Schädel unter 10 nachweisen, dass die Nasenbeine wirklich vorhanden seien, wie Cuvier, Stannius und Andere längst gegen Blainville und Vrolik bewiesen haben, dass sie aber durch die Ma- ceration leicht verloren gehen. Er erklärt noch an bei- den Sirenen-Gattungen das Siebbein mit den Muscheln, das Pflugscharbein, das rinnenförmig auf dem Boden der Nasenhöhle vorwärts läuft und bei dem die perpen- dikuläre Platte des Siebbeins bei Manatus gänzlich ein- geschlossen, während sie bei Halieore unten durchge- brochen ist, endlich führt er noch den Unterschied in der Lage des Zwischenkieferbeins an. Nach dieser Be- schreibung der Schädelknochen an Manatus und Ha- licore erklärt er den Schädel seines neuen Halitheriums und weist nach, dass die Knochen, welche bei eini- gen Halitherien, wie bei Kaup’s grossen und kleinen, H. Schinzi und bei H. Guettardi Gervais und H. Serresii Gervais (Palaeont. franc. pl. 6, nicht pl. 4), bisher als das Nasenbein betrachtet worden seien, nichts anderes als das verlängerte Siebbein sei, und dass der auf der Seite dieses Siebbeins eingekeilte kleine Knochen das Nasenbein sei. Nach dem Vorhandensein des Nasenbeins im verlängerten Siebbein oder im Stirn- bein theilt er die 6 bekannten Arten in Manatus-artige und nach der Anlagerung des Zwischenkieferbeins auf dem verlängerten Siebbein 2 Arten in Halicore-artige Halitherien ein. Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident: Professor Studer aus Bern. Professor v. Kobell von München sprach: Ueber das Stauroskop. Das Stauroskop bestimmt die Schwingungsrichtungen der in einem doppeltbrechenden Crystall polarisirten Strahlen gegen die Seiten seiner Flächen oder die ent- sprechenden Kanten und Axen. An Prismen des rhom- bischen Systems (Topas, Baryt ete.) schwingen die po- larisirten Strahlen in der Richtung (und rechtwinklich) zur Prismenaxe, an Prismen des klinorhombischen und klinorhomboidischen Systems (Orthoklas, Gyps, Kupfer- vitriol, Disthen ete.) schwingen sie nicht in der Rich- tung der Prismenaxe, sondern unter einem bestimmten Winkel zu ihr. Das Instrument ist zum Messen solcher Winkel eingerichtet. Es besteht aus drei ineinanderge- schobenen Röhren; das äussere Rohr trägt einen Tur- malin oder Nicol und darunter liegend eine Caleitplatte mit den basischen Flächen. An diesem Rohr ist auch ein Zeiger oder Nonius angebracht. Das zweite im ersten drehbare Rohr trägt einen in 2mal 90° getheilten Gradbogen (von 0 nach rechts und links getheilt), das dritte, in das zweite einschiebbare Rohr, ist zum Cry- stallträger bestimmt und ist auf der mit einem kleinen Loch versehenen Platte, welche den Crystall aufnimmt, ein Quadrat gravirt, nach dessen Seiten der Crystall mit seinen Kanten eingestellt wird. An diesem Träger- Eylinder ist ein Schieber angebracht, der in das zweite 64 Rohr passt, so dass dadurch der Crystall mit dem Kreis- bogen gedreht werden kann. Dieses Röhrensystem ist mit einem Schraubenring auf einem Brettchen mit ein- gelassenem schwarzem Spiegel festgeschraubt und unter dem Polarisationswinkel gegen den Spiegel geneigt. Die Einrichtung ist der Art, dass, wenn der Träger- Cylinder eingeschoben und der Kreisbogen auf 0 ge- stellt ist, zwei der Quadratseiten die Lage der Axe des Turmalins haben, welcher als Analyseur dient und der so gestellt ist, dass das schwarze Kreuz des Caleits er- scheint. Stellt man ein klinorhomhisches Prisma ein, die Prismenaxe parallel einer Seite des gravirten Qua- drats, so verschwindet bei mehreren Mineralien und Salzen das Kreuzbild fast ganz und kommt erst beim Drehen zum Vorschein. Man dreht dann bis das Kreuz normal, d. i. einer seiner Arme horizontal, steht und liest den Winkel ab. Beim gewöhnlichen Gypsprisma beträgt der Drehwinkel 44° (oder von der entgegenge- setzten Seite complirend 46°); auf der klinodiagonalen Fläche 40° (und entgegengesetzt 50°) ete. Die Unter- suchung der Crystalle der verschiedenen Systeme hat zu einer optischen Characteristik derselben geführt, welche namentlich für das klinorhombische und klinorhomboi- dische System von Interesse ist und in einer überra- schenden Weise das bekannte Symmetriegesetz auch in diesen Lichtverhältnissen erkennen lässt. Mitscherlich’s diklinoedrisches System kann nach diesen Untersuchungen als beseitigt angesehen werden, da sich die Crystalle des unterschweflichsauern Kalks vollständig wie die klinorhomboidischen verhalten. Der Vortragende bespricht weiter die Anwendung des Stau- roskops zur Untersuchung pleochroischer Crystalle, an welchen in den klinischen Systemen erst mit dem Stau- roskop die Maxima der Farbenunterschiede in der dich- roskopischen Luppe sicher bestimmt werden können. Er erwähnt, dass seine stauroskopische Characteristik der Crystallsysteme von Prof. Grailich in Wien theore- tisch und auf dem Wege der Rechnung geprüft und be- stätigt worden sei (Crystallographisch-optische Unter- suchungen 1858). Es wird das Instrument vorgezeigt und damit ex- perimentirt. Professor Sandberger: Ueber die Bohrung auf Kohlensäure-haltiges Soolwasser zu Soden im Herzogthum Nassau. Im Herbste 1855 wurde ich von der Herzoglich Nassauischen Regierung ersucht, einer Commission bei- zutreten, welcher die Bezeichnung eines Ortes zur Boh- rung auf wärmere und hochhaltigere Soole zu Soden, einem der reitzendsten Nassauischen Badeorte, oblag. Ich übernahm diesen Auftrag mit um so grösserem Ver- gnügen, als ich mit meinem Bruder gemeinschaftlich bis zum Jahre 1854 der geologischen Untersuchung des Herzogthums unausgesetzt meine Zeit gewidmet hatte und daher von vorneherein vollständig orientirt war. Die Lage von Soden, unmittelbar am Fusse des Tau- nus, an dessen mit 40—50° nordwestlich, also gegen das Gebirge einfallenden Serizit- Schiefer sich im Orte selbst die oberen Tertiär-Schichten des Mainzer Beckens anlegen, aus welchen einige Quellen zum Vor- schein kommen, während die höher liegenden Nro. VII (Major), VIa und VIb unmittelbar aus den Serizit- Schiefern ausströmen, liess mich hoffen, durch eine Tiefbohrung im Hangenden der bekannten Quellen das gewünschte Ziel zu erreichen. Zu einer Bohrung in der Tertiär-Bildung, welche aus Kies, darunter aus wasserdichten Letten und unter diesen aus den sehr zer- klüfteten Kalken des Litorinellen-Kalkes besteht, wollte ich um so weniger rathen, als die Quellen hier sich nur auf secundärem Boden bewegen, daher eine Bohrung nothwendig nicht nur eine, sondern sämmtliche Quellen benachtheiligen musste, die auf dem wasserdichten Letten unter dem Sande fortfliessen. Da bereits etwas zu tief gehende Grabungen in Kellern in diesem Gebiete von schädlichem Einflusse auf die benachbarten Quellen gewesen waren, so lag die Gefahr vor, mit der Boh- rung diese wasserdichte Schicht zu verletzen, und dann war das Versinken grösserer Wasser - Massen auf den Klüften des Litorinellen-Kalkes unvermeidlich. Mein Vorsatz, nur für eine Bohrung in dem Serizit-Schiefer zu stimmen, wurde bestärkt, als sich herausstellte, dass das Streichen desselben mit dem des Quellen - Zuges übereinkomme, also sehr wahrscheinlich eine Spalte zwi- schen den Schichtungs-Flächen die Quellen austreten lasse. Diese Ansicht wurde von der Commission ange- nommen und es wurde beschlossen, die Bohrung in dem zwischen dem Dachberg undBurgberg herabsetzenden Thälchen zwischen dem Kurhause und den Quellen Nro. VlIa und VIb anzusetzen. Nachdem dieser Beschluss von der Herzogliehen Regierung genehmigt war, wurde zuerst, um das zu durehbohrende Gestein in nächster Nähe einer der bestehenden Quellen behufs der Ermit- telung besserer Anhaltspunkte für solche Erscheinungen, die auf ein baldiges Auftreten von Soole schliessen las- sen könnten, sowie zur genaueren Bemessung des Ue- berschlags zu studiren, eine Strecke im Hangenden der Quelle Nro. VII in den Burgberg hineingetrieben. Diese Quelle wurde als für den Bade-Gebrauch nicht unerlässlich ausgewählt, und es zeigte sich sehr bald ein Lager-Gang von ganz aufgelöstem Basalte von drei Fuss Mächtigkeit. Die Beobachtung eines Gesteins- Wechsels in nächster Nähe der Quelle konnte nur für ein sehr günstiges Vorzeichen genommen werden, und es wurde daher sofort im Hangenden des Basaltes ein kleines Abteufen niedergebracht. Schon bei 13 Fuss Teufe zeigte sich hier ein Sool-Wasser mit so starker Kohlensäure - Entwickelung, dass die Arbeit, die nun auch keinen Zweck mehr gehabt hätte, nicht mehr fort- gesetzt werden konnte. Die angehauene neue Quelle wirkte nicht auf die seither bekannten, das heisst, sie brachte keine bemerkbare Abnahme der Wasser-Menge derselben hervor, war also selbstständig. Es war jetzt bewiesen, dass im Hangenden und Liegenden des Ba- saltes Quellen ausströmen, und der weitere Schluss lag nahe, dass die sämmtlichen Quellen an den Rändern des Lager-Ganges von Basalt emporstiegen. Es wurde daher die Bohrung mit dem besten Vertrauen auf Erfolg begonnen und von dem Bohrmeister Lünster aus Homburg vor der Höhe unter Beaufsichtigung des während derselben in Soden stationirten Herzoglichen Berg-Beamten E.Müller bis 700° ohne den geringsten Unfall niedergebracht. Vom Tage ab wurden zunächst Alluvial-Letten mit zwei Torf-Schichten (grösstentheils aus Hypnum euspidatum bestehend), dann Serizitschiefer- Gerölle und bei 25/ 7’ der anstehende Serizit-Schiefer angebohrt. Sehr bald folgte eine Soole von 10° R., als man in weichere Schichten dieses bis zu Ende der Boh- rung bald in der gefleckten Quarz - und Albit-führenden, bald in der violetten und blauen fast aus reinem Serizit mit wenig Quarz bestehenden Varietät vorkommenden und stets von Quarz-Schnüren durchsetzten Schiefers einschlug. Die Temperatur stieg bei 245‘ auf 22° R., bei 350° auf 24,8" R. in der Tiefe, und die Wasser- Quantität betrug jetzt 6456“ in 24 Stunden, reichte demnach für 403 Bäder täglich hin. Die Gase, unter welchen auch ein wenig Schwefelwasserstoff, strömten in solcher Menge aus, dass sie durch einen eigenen Apparat abgeleitet werden mussten, und bewirkten häufig mitunter geren 10 Minuten lang und bis 5’ über den Rand des Bohrlochs übertretende Sprudel. Bei 640° Teufe stieg die Temperatur vor Ort auf 28.4° R., und unter den Bohr-Proben wurde Eisenspath und Ar- senik-haltiges Fahlerz, letztes aber nur in sehr geringer Quantität beobachtet. Beide Mineralien stehen wahr- scheinlich zu dem Eisen- und (jedoch äusserst unbe- deutenden) Arsenik-Gehalte der Sodener Quellen in directer Beziehung. Bei dem weiteren Fortbohren bis 700° nahm die Temperatur (29,8 R.) und die Wasser- Menge nicht mehr wesentlich zu, wohl aber die Quan- tität des Gases. Da hier noch befürchtet werden musste, den Gas-Gehalt der bereits bestehenden Quellen durch Ableitung eines Theils desselben in das Bohrloch zu verringern, und da die Wasser-Quantität, der Salz-Ge- halt und die erlangte Temperatur allen Erwartungen genügten, so wurde die Bohrung, ohne den Basalt er- reicht zu haben, geschlossen. Die folgende Tabelle gibt eine Uebersicht der we- sentlichen Verhältnisse vom Beginn bis zum Schlusse der Bohrung. Temperatur Kochsalz-Gehalt Bohrloch- Teufe. Be- merkungen. | | vor Ort. |am Ablauf.) vor Ort. |am Ablauf. 32‘ 100 R. 46’ 14° R. 51° 14,50R. 7 73' Erster Sprudel. 87° 107’ 152° 175‘ 177° ke | Während d. Spru- dels gemessen. 65 Kochsalz-Gehalt Temperatur Bie; I Teufe. vor Ort. Jam Ablauf.| vor Ort, Jam Ablauf.| M® rkungen. [ | | | | 183: |o1,0.R.| — = — | 192° \22,00n.| — — = | 219° |23,20R.| — — _ | | 242° — un | | 266° _ 22,5'R. — = Reichlichstes Zu- | 270‘ 24° R. = 1,70%, _ strömen v. Was- | 994 a 22.80R Bin u: ser beim Anboh- hu > v FT, . ren weicherer | 308 pr 22,2°R. en Eu Schichten des 318° 24,80R. —_ 1,720, _ Schiefers. | | 338° |24,80R.| — = _ | | 363° |25,20R. _ — _ | 394° oo = 398° |25,80R.| — — — 431° 126,60R.| — _ — i 465° _ 21,6'R. =. ge Luft-Temperatur | 526° |26,90R.| 21,8!R.| — NE LE Rate 1270 R. | 22,20R.| 1,80%, 1,540/, |Luft-Temperatur 556° | 27,30R. - — — steigt wieder. | 567° |27,8IR.| — = = Bu x in: EEE R- 22,5UR. -- — | |.612° | — 23,20R. _ _ | | 646° | 28,4"R. | 23,4R. u _ ) | 662! | 28,60R. = n = 700‘ |29,80R. | 23,60R.| 1,80%, | 1,54%, 3 Zunächst wurde jetzt, am 3. September 1858, eine 600‘ lange Kupferröhre von 2,‘ Durchmesser einge- hängt und die Kohlensäure durch Pumpen angesogen, und nach 10 Minuten stieg eine 20° hohe Schaumsäule empor, welche nachher bei 1‘ Durchmesser des Steig- Rohres constant auf 7’ verblieb und eine für lange Zeit den Bedürfnissen des Badeortes genügende Wassermasse von 23,6°R. und 1.79%, Salzgehalt zu Tage fördert. Die Lage der erbohrten Sprudelquelle am Abhange vor dem Kurhause könnte kaum günstiger sein, indem eines- theils das schöne Schauspiel des Sprudels und die Ge- legenheit zum Trinken der wärmsten und hochhaltigsten Quelle direct am Mittelpunete des Badelebens geboten, andererseits aber vollkommen Fall genug vorhanden ist, um das Wasser nach jedem Punkte des Ortes zum Badegebrauch zu leiten. Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich dieses aus den -eifrigen Bestrebungen der Nassauischen Regierung für die weitere Entwicke- lung des Bades Soden hervorgegangene Resultat als ein auch für die Kenntniss der Verhältnisse der Taunus- Quellen überhaupt sehr bedeutendes bezeichne. Es tre- ten jetzt die Basalt- Vorkommen bei Cronthal, bei Homburg vor derHöhe, beiHausen in der Nähe des Eltviller Salzborn’s und ein von meinem Bruder in der neusten Zeit dicht bei Wiesbaden entdecktes in eine direete Beziehung zu den Quellen, und man wird sie in jedem Falle zunächst für das Gestein halten müssen, durch dessen mit zahlreichen Spaltenbildungen in den ihm benachbarten Schiefergesteinen begleitetes = 66 Emporsteigen die Canäle aufgesprengt worden sind, welchen ein so seltener Reichthum an Heilquellen entströmt. Berghauptmann v. Carnall aus Breslau zeigt unter Erwähnung des Galmeivorkommens zu Wies- loch seine neueste geognostische Karte von Oberschle- sien vor. Disposition der dortigen geognostischen Ver- hältnisse.. Vorkommen und Ausdehnung von Braun- eisenstein, Galmei und Bleiglanz im Dolomit des Mu- schelkalks in Oberschlesien. Vorzeigung der Special- karte der geognostischen Verhältnisse von Tarnowitz. Beschaffenheit des Galmeivorkommens. Gegenseitige Lagerung des rothen und weissen Galmei’s. Gegenwär- tige Production: 600,000 Centner Zink aus 4 Millionen Centner Galmei. Ausdehnung der Steinkohlenbildung bei Gleiwitz, Nicolai, Misslowitz und Beuthen in Schle- sien. Ausführung der Steinkohlenflötzkarte in 445 Masstab. Practischer Vortheil dieser Darstellungsme- thode. Reichthum der dortigen Kohlenablagerungen. Gegenwärtiger Abbau. Vorzeigung crystallisirten Roh- eisens von Malapane in Schlesien. Professor Beyrich aus Berlin sprach über das Vorkommen eines fossilen Hirsches aus der Familie Muntjak in der schlesischen Tertiär- Bildung. Verbreitung der lebenden Familie Muntjak. Unterschied der fossilen von der lebenden Gattung. Vorzeigung eines fossilen Geweihes und Eckzahnes. Professor Studer aus Bern: Ueber die Hügel bei Sitten im Wallis. Die merkwürdigen, durch die Ruinen von Tourbillon und Valeria gekrönten Hügel, an deren Westseite sich Fig. 1. Tourbillon Steinbruch von schiefrigem Kalkstein I | Schiefer, mit steil S. fallender Schichtung; dann folgt Tourbillon, ebenfalls grauer Schiefer, mit Einlagerungen von Kalkstein und Sandstein, mit sehr steiler S. fallender Schiehtung; hierauf, von Tourbillon durch ein ange- bautes Thälchen, le Champ du Puits, getrennt, Valeria, aus Quarzit bestehend, der zuerst vertical steht, nach dem mittäglichen Abfall zu jedoch immer zunehmendes N.-Fallen zeigt; zuletzt wieder Kalkstein, mit Nord- fallen. — Seither hat H. Renevier (Bull. de Laus. Juli 1855) die Ansichten des verstorbenen Sharpe über diese Hügel bekannt gemacht, die Sharpe mir auch früher schon (11. Juli 1854) in einem Briefe mit- getheilt hatte. Die fächerförmige Structur ist nach Sharpe nicht Schichtung (Bedding) , sondern Schiefe- rung (Olivage), und die wahre Schichtung ist in den Hügeln, gleich wie an beiden Thalseiten, constant $. fallend. Dieser Widerspruch veranlasste mich bereits im Herbst 1857 zu einer neuen Untersuchung, die ich im Laufe dieses Sommers ergänzt habe. Ich fand, dass meine frühere Skizze der Hügel (G. der S. I. 415) einer Correction bedarf, dass die Deutung von Sharpe in der Hauptsache zwar nicht festgehalten werden kann, gelangte aber doch auch zu einer neuen Ansicht der Verhältnisse, die theilweise mit derjenigen von Sharpe sich vereinigen lässt und mir als Beitrag zu einer Er- klärung unserer erystallinischen Centralmasse nicht ohne Interesse scheint. In dem erwähnten Briefe gab Sharpe die beiste- hende Skizze seiner Ansichten. Die ausgezogenen Structurlinien bezeichnen die Schichtung, die pune- tirten die Schieferung, Das allgemeine Fallen der Schiehtung setzt er nach O. 25 S., mit 35° bis 55° Neigung, die Schieferung im nördlichsten Hügel mit 70° bis 80° nach ©. 25 S., diejenigen am Tourbillon Valeria Die Schieferung fällt mit 70°—80° nach O. 25 S. Verticale Schieferung Die Schieferung fällt mit 80°—75° nach N. 25 W. Die Schichten fallen mit 35'—55° nach O. 25 S. Sitten anlehnt, sind bereits in meiner 1851 erschienenen „Geologie der Schweiz“ als ein Beispiel fächerförmiger Schichtenstellung, analog den grossen Protoginfächern der alpinischen Centralmassen, angeführt worden. Sie erheben sich, getrennt von den beiden Gebirgsabhängen des Rhonethales, 7 bis 800 Fuss hoch über den Thal- boden. Der nördlichste, wenigst hohe Hügel besteht aus verwachsen körnigem dunkelgrauem Kalkstein und in seiner östlichen Fortsetzung aus Gyps und grauem betrachtet er als vertical, die am Valeriahügel lässt er mit 80° bis 75° nach N. 25 W. einfallen. Er bemerkt dabei: „Vous avez done ici un arrangement en eventail dans le clivage en tout analogue du ce que l’on trowe si commun dans la soidisante stratinication des roches cristallines.“ Die folgende, bei Sitten selbst gezeichnete Ansicht stellt die Hügel etwas treuer dar, als die nur aus dem Gedächtniss entworfene, rohe Zeichnung von Sharpe ET Fig. Il. Tourbillon N Strasse n. Siders Schiefer Kalkstein Graue Schiefer In Uebereinstimmung mit meinem verstorbenen Freunde und, mit älteren Beobachtungen fand ich das Fallen auf beiden Thalseiten und an den zwei nördli- cheren Hügeln gegen O. 25 S. oder im Streichen h. 3, wenn man die Declination gleich 20° W. annimmt. Es ist das Streichen der savoyischen Centralmassen, oder der in ihrer Fortsetzung liegenden Niesenkette, und Sitten liegt zwischen beiden in gleicher Linie. Dagegen konnte ich mich nicht überzeugen, die steilen, der senk- rechten sich nähernden Ablösungen der zwei nördlichen Hügel nicht als wahre Schiehtung anzuerkennen, noch gelang es mir, neben ihnen sichere Spuren schwächer fallender Ablösungen zu entdecken. Die Steinart zeigt einen Wechsel dunkler schuppig-körniger Kalksteine mit dicht verwachsenen dunklen Sandsteinen, sandigen grauen 'Thonschiefern und reineren Kalkschiefern. Alle diese Steinarten wechseln unter sich nach der Richtung der Absonderungen, die ich als Schiehtung betrachte, Sharpe dagegen als Schieferung bezeichnet. Dasselbe findet in Bezug auf den weiter östlich eingelagerten Gyps statt; er fällt, wie der graue Schiefer, der ihn ein- schliesst, mit wenigstens 60° nach SO. Dass aber die noch in Frage stehende Kraft, welche die Schieferung erzeugt, zugleich die einen Theile einer Schicht in Kalkstein, andere in Sandstein, noch andere in Thon- schiefer umwandeln sollte, wäre gewiss eine merkwür- dige, bis jetzt noch nirgends wahrgenommene, in der bisherigen Geologie nicht anerkannte Thatsache. Am auffallendsten zeigt sich diess Verhältniss an der Grenze des Schiefers von Tourbillon und des Quarzits von Valeria. Ich habe, soweit sie aufgedeckt und zugänglich war, diese Grenze nach ihrer ganzen Länge verfolgt. Am Östende des Thälchens Champ du Puits sieht man beide Steinarten in unmittelbarer Berührung. Der Schie- fer fällt mit 50° nach NO., unter ihm der Quarzit mit 70° bis 80° nach N.; die Grenze beider Gesteine lässt sich vom Auge an dem fast verticalen, mehrere hundert Fuss hohen Absturz der Ostseite bis in den Thalboden des Hauptthales verfolgen und ist übereinstimmend mit dem steilen, beinahe lothrechten Fallen des Quaxzits, und am Fuss des Absturzes findet man dieselbe Auf- lagerung des schwächer fallenden Schiefers auf den Quarzit, wie in der Höhe. Nach der Zeichnung von Sharpe müssten also die Schiefer- und Kalkstein- schichten des Tourbillonhügels hier vollständig in Quarz 67 Valeria Sous le Sex Kalkstein Verrucano Quarzit umgewandelt sein, und zwar ohne Uebergang und ohne dass von der Schichtung sich eine Spur erhalten hätte. Es wäre gewiss nicht auffallender, wenn irgendwo an der Grenze von Muschelkalk und Buntem Sandstein behauptet würde, die wahre Schichtung setze quer durch und Kalkstein und Sandstein gehörten derselben Schicht an. Dagegen glaube ich mit Sharpe annehmen zu sollen, dass die Ablösungen des Quarzits von Valeria Schiefe- rung (Clivage) nicht Schichtung seien. Auch hier konnte ich von einer flach südlich fallenden Absonderung keine Spur entdecken. Die Steinart ist, in der Hauptmasse und am ganzen südlichen Abfall, diehter weisser (Quarz, nur die nördliche, (dem Schiefer zugekehrte Seite ist grüner, blass-rother, oder gelblich-weisser Verrucano, d. h. kalkiger Quarzit, graue und weisse Quarzkörner dicht verwachsen und eingehüllt von Kalk, mit verein- zelten silberweissen Glimmerblättehen und weissen Feld- spaththeilen, die sich bis zu liniengrossen Krystallen entwickeln. Man sieht ihn, einige Klafter mächtig, anstehend, nach mehreren Richtungen zerklüftet, wenn man vom Lyceum nach Valeria ansteigt und kann ihn längs der ganzen Nordseite dieses Hügels bis an den Ostabfall verfolgen. In der Mitte ungefähr der Nord- seite wird er von einer Menge Quarzgängen durchzogen, die von dem reineren Quarzit der Hauptmasse auszu- gehen scheinen. Zwischen dem Verrucano und dem Quarzit der Hauptmasse findet übrigens keine scharfe Trennung statt, die Quarzkörner verwachsen um so inniger, jemehr der Kalk zurücktritt, bis die Masse zuletzt ganz homogen wird. Das Fallen ist nach N. 5 W.. oder im Streichen von h. 7, mit immer schwächerem Winkel, je mehr man sich dem südlichen Absturz nähert, und zeigt sich so auch längs des ganzen südlichen Fusses, Sous le Ser, des Valeriahügels. Nach einer Notiz von 1843, wo ich diesen Hügel mit dem verstorbenen Partseh aus Wien und meinem Freunde Escher, unter Anführung des Chorherrn Rion aus Sitten be- sucht hatte, war in der Skizze der G. d. S. am Südab- fall von Valeria auch Kalk angezeigt worden. Auf meinen letzten Reisen suchte ich indess vergeblich nach demselben, und ich habe ihn in der neuen Zeichnung weggelassen. Dagegen taucht, etwa dreissig Schritte vom Quarzitabsturz, durch Pflanzungen davon getrennt, der Kalk in einem isolirten Hügel hervor, an dessen g* 68 Ostende sich ein kleiner Steinbruch befindet. Der Kalk- stein ist schuppig-körnig, sehr zerklüftet, nach der äusseren Gestalt und den regelmässigsten Ablösungen indess unzweifelhaft mit ungefähr 45° N. fallend. Das abnorme Streichen des Hügels von Valeria, sowohl seiner äusseren Gestalt, als seiner Struetur, gestattet nicht, diesen Quarzit als ein gewöhnliches Zwischenlager zu betrachten. Die Schiefer von Tour- billon brechen an demselben ab, ihre Zerstörung an der Grenze scheint die Entstehung des Champs du Puits veranlasst zu haben, dessen Südrand dem Streichen des Quarzits folgt, während der Nordrand die Streichungs- linie der Schiefer beinahe senkrecht durchschneidet, so dass beide Seiten nach dem östlichen Ende des Thälchens zusammenlaufen. Es sind Verhältnisse, wie wir sie bei Trappgängen kennen, oder die auch an die Feldspathriffe des Mont Chetif und M. de la Saze bei Courmayeur erinnern, die ja in ihrem Fortstrei- chen, zwischen einem dem Walliser analogen grauen Schiefer, ebenfalls in Quarzit übergehen und mit Ver- rucanomassen in enge Verbindung treten. Auf ähn- liche Weise werden in anderen Gebirgen die Schiefer zuweilen von Granitmassen schief durehschnitten. Nie- mand wird aber die tafelförmige Zerklüftung abnormer Einlagerungen dieser Art auf einen sedimentären Ur- sprung zurückführen, niemand diese Tafeln als ursprüng- lich horizontale Lager betrachten wollen. Man möchte wohl versucht sein, den Quarzit von Valeria in Verbindung zu bringen mit der weit grösseren Quarzitmasse, in welcher südlich von der Rhone, zwischen Bramois und Nax, die berühmte Einsiedler-Wohnung und Kirche ist eingegraben worden, und die sich viel- leicht weiter östlich bis in das Illhorn erstreckt. Der Quarzit von Valeria erschien dann als das westliche Ende eines mächtigen, das Hauptthal schief durch- schneidenden Dyke. Diese östlichen Quarzite liegen jedoch etwas südlich von der verlängerten Streichungs- linie des Valeriaquarzites. Grösseres Gewicht glaube ich auf die bereits er- wähnte Analogie der Hügel von Sitten mit den alpini- schen Centralmassen legen zu sollen. Darf man dieselbe festhalten, so muss der Quarzit von Valeria mit dem centralen Protogin oder Alpengranit verglichen werden, und wir erhalten durch ihn eine Bestätigung meiner bereits vor zwölf Jahren ausgesprochenen Behauptung, dass die verticalen Protogintafeln unserer Centralge- birge nicht, wie de Saussure es annahm, als auf- gerichtete Schichten, sondern als Producte regelmässiger Zerklüftung zu betrachten seien. Dr. Gergens aus Mainz: Ueber einige neu gebildete Mineralien aus einer römischen Düngergrube. Veranlasst durch den Vortrag des Herrn Professor Daubree „über von demselben beobachtete Mineral- bildungen auf nassem Wege“ legte Dr. Gergens Struvit in einer torfartigen Masse, und Kupferkies auf Leder aufgewachsen vor, welche er bei Gelegenheit einer antiquarischen Ausgrabnng in Mainz gefunden hatte. Ueber die näheren Umstände dieses Fundes be- richtete er Folgendes: Im Anfange des Jahres 1857 wurde in einem am Fuss des alten Castrum gelegenen Hause ein Brunnen gegraben; man durchsank den Boden bis zur Tiefe des Rheinbettes und fand später in der ausgegrabenen Erde einige ziemlich gut erhaltene römische Sandalen. Die Seltenheit dieses Fundes veranlasste den Mainzer Alter- thumsverein, dort ausgedehnte Nachgrabungen zu veran- stalten, bei welchen ich folgende Beobachtungen machte: In einer Tiefe von etwa 14 Fuss unter dem jetzigen Strassenpflaster hörte die jüngste, aus Dammerde und Schutt bestehende Bodenschicht auf, und man kam auf einen ungemein diehten schwarzbraunen Humus, mit vorwiegenden Ueberresten von wenig vermoderten Grä- sern, Seggen und ähnlichen Sumpfpflanzen, welche als Stallstreu gedient zu haben schienen, nebst Abfällen von Reisig, Rinden und Holzspähnen von Birken-, Buchen-, Eichen-, Tannen-, Hasel- und Weidenholz. Es fanden sich auch einige Haselnüsse, Eicheln und Kastanien, zwei Austernschaalen (Ostrea edulis), eine Herzmuschel und eine Flussperlenmuschel (Unio marga- ritifera), sowie verschiedene Land- und Süsswasser- schnecken, von Arten, die noch jetzt bei uns leben; alle Conchylien in wohlerhaltenem Zustande. Die Spuren der Bearbeitung an vielen Holzstücken, sowie zahlreiche, offenbar vom Fleischer zerkleinerte Knochen von Schweinen, Rindern und Ziegen, einzelne Hörner von Ziegen und Rindern, Geweihstücke von Hirschen und Rehen, einzelne Vogelknochen und Klum- pen von Federn, abgeschnittenen Menschenhaaren und Schweinsborsten machten es wahrscheinlich, dass man hier eine mit dem Rheine in Verbindung stehende Lache dazu benutzt hatte, die Abfälle aus Haus, Stall und Küche zu beseitigen. In einer Tiefe von etwa 18 Fuss wurden die Küchen- abfälle immer seltener, die Strohreste bei weitem vor- wiegend, und in denselben lagen (offenbar Kehricht aus einerSchuhmacherwerkstätte) in grosser Menge Schnitzeln und Lappen von Leder, darunter schadhafte Sandalen von Männern und Frauen, von der gröbsten bis zur feinsten Arbeit, Stücke von Lederkollern und Lederschürzen, Leinwandlappen von verschiedenem Gewebe und Farbe, einzelne kleine Schuhmacherwerkzeuge und Pechdraht, und einige Geräthe, Waffen und Schmucksachen von Eisen, Bronze und Knochen. — In dieser Schicht fand ich zerstreute Punkte von erdigem Eisenblau (Vivianit), womit auch alle Eisengeräthe, sowie die Sandalennägel diek überzogen waren. In den Knochen konnte ich dasselbe nicht auffinden, wohl aber waren die Zähne zum Theil dadurch leicht gefärbt. Auffallender war das Vorkommen ausserordentlich zahlreicher Struvitkryställchen, welche in Menge die Grashalme und Lederlappen bedeckten, und in der ganzen Masse, besonders in grösserer Tiefe, zerstreut lagen. An einem grossen Lederstücke, welches einst die Schürze eines Metallarbeiters gewesen sein mochte, fand ich stellenweis einen dünnen Ueberzug von Schwe- fel-, mehr aber von Kupferkies, fest angewachsen und ziemlich deutlich erystallinisch, besonders in den Falten, welcher dem feuchten Leder das Ansehen einer Vergol- dung verlieh. — Die qualitative Analyse bewies unzwei- felhaft den Gehalt an Schwefel, Eisen und Kupfer. Beim Trocknen verwitterte der dünne Anflug von Schwefelkies zu Eisenvitriol, und es zeigte sich später bei genauerer Untersuchung in den Falten des Leders hie und da eine ziemlich dicke Kruste von erdigem schwarzem Schwefelkupfer; der Kupferkies blieb un- zerstört. In einer Tiefe von etwa 36 Fuss unter dem Strassen- pflaster (in der mittleren Höhe des Rheines) hörte diese Schicht auf und man kam auf Rheinsand. Die Entstehung des Struvits ist durch die Häufigkeit der Knochen und die grosse Masse magnesiahaltiger Pflanzenreste leicht erklärlich. Der Vivianit, der Eisen- und Kupferkies verdanken offenbar den Eisen- und Bronzegeräthen ihre metallische Basis, während es in dieser Miststätte weder an Phosphorsäure noch an Schwefelwasserstoff-Ammoniak fehlen konnte. 69 Die Zeit dieser Verschüttung wird nach den dort gefundenen Münzen etwas nach dem öten Jahrhundert unserer Zeitrechnung gesetzt. Zum Schluss legte Dr. Gergens noch Hydrophan und gemeinen Opal vor, welche er auf nassem Wege dargestellt hatte. Das Verfahren zur Bildung dieser Mineralien wird von ihm in Leonhard’s neuem Jahr- buch, Jahrgang 1858, Heft 6, näher beschrieben werden. Professor W. Girard sprach über Melaphyr. — Er unterschied zwei Arten von Melaphyr, eine dichte jüngere und eine körnige ältere Varietät im Thüringerwalde und fordert die an- wesenden Mitglieder auf, dahingehende Untersuchungen an andern Orten anzustellen. Professor Dr. Sandberger vertheilte im Auf- trage der Herren Hörnes und v. Hauer in Wien, als Vorstände der Subscriptionsgesellschaft zur Er- richtung des Denkmals für L. v. Buch, deren Be- richt über die Ausführung desselben. Dritte Sitzung am 20. September 1858. Präsident: Herr Geheimrath v. Nöggerath. Staatsrath Nordmann aus Helsinsfors sprach über Knochen-Ablagerungen in Kalkstein bei Odessa, Reste von Bären, Verschiedenheit des fossilen “ Fuchses vom lebenden, das tertiäre Becken in Bessara- bien, die geognostischen Verhältnisse des östlichen Thei- les der Krimm, Vorkommen von Vivianit in den Höh- Jungen von Knochen, Identität des Ursus arctoideus mit dem lebenden Ursus Deodiensis, und zeigte 2 Lieferun- gen seiner Palaeontologie Siüdd-Russlands vor. Professor Dr. Ferdinand Römer: Ueber Silurische Spongien aus dem Staate Tennessee. Das Vorkommen von Amorphozoen oder Spongien in den älteren oder paläozoischen Bildungen bis zum "echstein einschliesslich ist ein sehr beschränktes, wenn an es mit der Häufigkeit dieser Körper in gewissen theilungen der Jura- und Kreide-Formation und in Meeren der Jetztwelt vergleicht. Aus dem Zech- , kennt man einige wenige unansehnliche und selbst zweifelhafte Formen durch King. Das Steinkoh- \rge hat bisher noch gar keine sicher in diese \ ehörige Körper geliefert. Aus devonischen Schich- ten wii \ zwar eine Art aufgeführt, die Erhaltung der- selben ı aber so unvollkommen, dass ihre Zugehörig- keit zu \ ı Spongien keineswegs zweifellos ist. Nur die Silurik \e Schichtenreihe weiset eine etwas grössere Anzahl un reifelhafter Spongien auf. Freilich sind es bisher nur \, 'enige vereinzelte Fundorte, an denen sie beobachtet u rden. Mehrere grosse Arten finden sich in einer Anh\ ıfung Silurischer Diluvial-Geschiebe bei Sadewitz unweit Oels in Schlesien. Sie sind durch Oswald (Siehe Verhandlungen der Schlesischen Ge- sellschaft für vaterländische Cultur im Jahre 1846, Breslau 1847, S. 56.) beschrieben worden und haben ihm zur Errichtung der Gattung Aulacopium Veranlas- sung gegeben. Zahlreicher und besser erhalten sind die durch den Vortragenden in den Silurischen Schichten der Distriete (Counties) Decatur undPerry im west- lichen Theile des Staates Tennessee in Nordamerika aufgefundenen Arten. Bei ihnen ist die Zugehörigkeit zu den Spongien eben so unzweifelhaft, wie das Silu- rische Alter der Schichten, in welchen sie eingeschlossen sind. Sie sind in der That die ersten sicheren und auf ursprünglicher Lagerstätte beobachteten paläozoischen Spongien. Bei mehreren derselben, welche zu dem Zwecke durchschnitten und angeschliffen waren, zeigte sich in der kieseligen Versteinerungsmasse die innere organische Structur sehr deutlich erhalten. Man be- merkt ein mit zahllosen, sehr regelmässigen kleinen sternförmigen Körpern, d. i. sternförmig angeordneten Kieselnadeln oder Spiculae erfülltes und von Canälen durchzogenes Gewebe, welches demjenigen der jüngeren Spongien durchaus analog ist. Im Vergleich mit den Spongien der jüngeren Formationen und der Jetztwelt ist der Umstand bemerkenswerth, dass keine der aufge- fundenen Arten eine Wurzel oder Anheftungsstelle zeigt. Sie sind augenscheinlich frei gewesen, während alle typischen Spongien der jüngeren Bildungen und der Jetztwelt an fremde Körper festgewachsen sind. Das- selbe scheint von allen anderen Spongien und paläozoi- schen Bildungen zu gelten. Das Silurische Alter der Schichten, in welchen die fraglichen Spongien aufgefunden wurden, wird durch zahlreiche Zoophyten, Crinoiden und Schalthiere sicher 70 festgestellt. Es sind Kalksteinschichten, welche der von den New-Yorker Staats-Geologen unter der Benennung „Niagara-Group“ beschriebenen Schichtenfolge im west- lichen Theile des Staates New-York, und ebenso der- jenigen des Wenlock-Kalkes in England und der Insel Gottland im Alter gleich stehen. Die Uebereinstimmung der Fauna mit derjenigen der Insel Gottland ist trotz der ungeheueren räumlichen Entfernung auffallend gross und namentlich entschieden grösser, als die Ueberein- stimmung der Schichten von Gottland mit den im Alter zunächst entsprechenden, der Silurischen Schichtenreihe in Böhmen. Die Schichten am Tennessee-Flusse ge- hören mit denjenigen von New-York, von Wenlock und von Gottland derselben nordischen Facies des Siluri- schen Systems an, während die Schichten in Böhmen eine andere südliche Facies darstellen, der sich dann auch die in Frankreich und auf der Pyrenäischen Halb- Insel bekannten Silurischen Gesteine anschliessen. Eine genaue, mit Abbildungen begleitete Beschrei- bung der fraglichen Spongien wird zugleich mit einer Darstellung der ganzen Fauna in nächster Zeit veröf- fentlicht werden. Dr. Otto Volger, d. Z. Lehrer der Minera- logie und Geologie am Senkenbergischen Museum zu Frankfurt a. M., entwickelte in einem längeren, von zahlreichen Demonstrationen begleiteten Vor- trage seine Theorie der Gebirgsbildung und Schichtenfaltung. Beide Erscheinungen sind die nothwendige Folge einer Streekung, welche die Bodenschichten nach ihrer Ablagerung erlitten haben und in Folge deren dieselben nunmehr eine weit grössere Flächenausdeh- nung besitzen, als dass sie in schlichter Lage auf ihrer ursprünglichen Ablagerungsfläche Platz finden könnten. Die Ursache der geschehenen Streckung ist verbunden mit Crystallisationsvorgängen in der Gesteinsmasse der Schichten selbst. Dr. Volger hat schon früher *) nach- gewiesen, dass grosse Kraftäusserungen die Entwick- ‘lung des erystallinischen Gefüges in festen Massen, so- wie den Anschuss von Crystallen aus Lösungsflüssig- keiten begleiten. Gegenwärtig liefert er den Nachweis, dass diese Kraftäusserungen sich auf die Flächenan- ziehung theils im Allgemeinen, theils in der beson- deren Form der Capillarität zurückführen lasse. Somit sei die Capillarität die eigentliche Ur- sache der Schichtenstreekung und damit der Schichtenfaltung und der Gebirgserhebung, welche beiden letzteren Erscheinungen in der That in eine und dieselbe zusammenfallen, indem das Maass der Schichtenfaltung zugleich das Maass der Gebirgser- hebung sei, und Gegenden, in deren Boden geneigte und gefaltete Schichten herrschen, während die Ober- fläche nicht entsprechend gebirgig erscheine, als die *) Poggendorf’s Annalen der Physik und Chemie, Bad. 93, 1354, 8. 66 ff. Fundamente von Gebirgen zu betrachten seien, deren Gipfel und Körper durch die Verwitterung im Laufe der Zeiten zerstört und mehr oder weniger verebnet worden sind. Der Vortragende begleitete die Darlegung seiner Theorie mit folgender Begründung. Mehr und mehr führt die neuere Naturforschung zu dem Ergebnisse, dass die grössten Wirkungen in der Natur nieht durch ungeheure , plötzlich auftretende Gewalten hervorgerufen werden, sondern durch die ge- ringfügigsten, aber in allgemeinster Verbreitung thä- tigen Kräfte, welche lange Zeit hindurch ihre an sich unbemerkbar kleinen Erfolge zu den grossartigsten Er- scheinungen häufen. Diese still und äusserst langsam wirkenden Kräfte bleiben während ihrer Wirkung selbst leicht gänzlich übersehen, die Gesammterfolge ihrer Wirkungen aber werden meistens — weil der Mensch, bei seinen Werken ungeduldig das Ziel erstrebend, lieber den Kraftaufwand vermehrt, als den Erfolg von Zeitauf- wand abwartet — erdichteten beispiellosen Gewalten zugeschrieben. So auch die Entstehung der Ge- birge in den bisherigen Theorieen, welche entweder, wie die älteren, furchtbare Zusammenstürzungen, oder aber, wie die neueren, plutonische Eruptionen zur Erklärung der Unebenheiten des Erdbodens annah- men. So die Capillarität in ihrer in den Schichten des Erdbodens sich geltend machenden Wirkungsweise. Es ist bekannt, dass die bisher durch kein Maass bestimmte Kraftwirkung, welche, von den Zellen einer Pflanze ausgehend, in der Aufsaugung der Säfte und dem Wachsthume des Pflanzenkörpers selbst sich kund- giebt, bei einem, aus Billionen von Zellen bestehenden Baume nicht allein im Erdboden den Raum für die Wur- zeln erzwingt, sondern das Strassenpflaster empordrängt und mächtige Mauern aus ihren Grundfesten hebt. Eben so wenig kann man die Kraft messen, mit welcher in dürrem, zusammengetrocknetem Holze die Zellen und Gefässe durch Capillarität Flüssigkeit aufsaugen. Aber man weiss, dass solches Holz befeuchtet, einer mäch- tigen Gesammtwirkung fähig ist, indem die Steinbruchs- Arbeiter mit Hilfe eingetriebener dürrer Holzkeile, welche sodann befeuchtet werden, Felsblöcke von mächtigster Grösse aus dem Mutterfelsen losbringen. Auch die Flä- chenanziehung, welche in dem Raume zwischen zweien, anscheinend unmittelbar sich berührenden Körnchen oder Stäubehen des Erdreiches die Capillaritätserscheinungen hervorruft, hat sich bis jetzt der Messung entzogen. Gleichwohl ruft sie, von allen uns bekannten Kräften in der Natur die grössten Wirkungen hervor. Man kann sie dem Experimente unterwerfen, jedoch immer nur ihre Gesammtwirkung beobachten. Füllt man ein Gefäss aus gebrannter Erde, gleich- viel, ob dasselbe mit Glasur bekleidet sei, oder nicht, eine Salzlösung, z. B. Eisenvitriol, Kupfervitriol, Zink- vitriol, Alaun, Kochsalz, Soda in Wasser gelöst, so kann man nicht verhindern, das die Lösungsflüssigkeit in die Gefässwandung eingesogen wird. Bei nichtgla- sirten Gefässen geht diese Einsaugung mit soleher Rasch- heit vor sich, dass die Erscheinungen, auf welche der Versuch abzielt, zu stürmisch und zu wenig anschaulich eintreten; die Gefässwandung erleidet eine allgemeine Auflockerung und zerfällt. Wendet man ein innen und aussen durchaus glasirtes Gefäss an, so geht die Auf- saugung, aller anscheinenden Undurchdringliehkeit des Glases ungeachtet, durch die bei jedem Temperatur- wechsel sich erzeugenden Sprünge vermittelt, nicht min- der sicher, nur viel langsamer vor sich. Es bedarf nicht einmal der Anwendung einer Lösung, sondern diese bildet sich von selber, wenn man in Wasser lösliche Crystallmassen in einem Gefässe aufbewahrt, indem beim Temperaturwechsel Gefäss und Salz sich mit einem Feuchtigkeitsniederschlage aus der Luft bedecken, wel- cher alsbald zu einer Salzlösung wird, und, im Laufe langer Zeit, dieselbe Wirkung hervorruft, welche von einer eingegossenen Lösung rascher eingeleitet wird. — Die durch Capillarität am Boden und an der Wandung des Gefässes von Innen eingesogene Flüssigkeit wird durch die äussere Glasur nicht verhindert, nach Aussen zu verdunsten. Der Salzgehalt bleibt in der Gefäss- wandung zurück, welche daher bald, auch in dem Falle, wo man eine verdünnte Lösung angewendet hat, von einer gesättigten Lösung durchdrungen ist und, bei weiterer Verdunstung, mit Salzerystallchen erfüllt wird. Diese verstopfen allerdings die Capillarräume in der Gefässwandung theilweise; allein die Verengerung der Capillarräume verstärkt die Capillarität, und letztere, fortwährend neue Salzlösung nachziehend, wirkt drän- gend zwischen allen Körnchen des gebrannten Thones. Die ersten Salzerystalle mussten sich natürlich am Orte der Verdunstung, zunächst unter den Sprüngen der äus- seren Glasur ansiedeln. Die Salztheilchen, welche aus der neu nachgedrungenen Flüssigkeit abgeschieden wer- den, dienen um diese Erstlinge, durch Ablagerung auf ihren Flächen, wachsen zu lassen. Bald bemerkt man, dass an zahlreichen Punkten die Glasur sich schollen- weise hebt. Es entstehen kleine Berge, von deren Scheitel aus radiale Risse ablaufen, und zwischen diesen liegen, dem Abhange entsprechend, die Glasurschollen. Das Innere eines jeden solchen Berges wird von einer Crystallgruppe gebildet. Aber nicht blos die äussere Glasurdecke wird in dieser Weise zerrissen. Auch in- nerhalb der Gefüsswandungen entstehen Zerreissungen, welche bald als Gangtrümmer, von Salzerystallen erfüllt, in der gebrannten Thonmasse sichtbar werden und nicht allein an Breite, sondern zugleich an Länge wachsen, sich auch vielfach verästeln. Das ganze Gefäss wird mit der Zeit vollständig zersprengt und bietet in seinen Wandungen dann vollkommen den Anblick eines Bre- schengesteines (breccia) dar. Ein solches Gefäss wurde der Versammlung von dem Vortragenden vorgezeigt. Der ganze Boden war mit dem unteren Theile der Sei- tenwandung von dieser letzteren losgerissen, die Seiten- wandung ruhte auf einem 1'/, Linien breiten Gange von Zinkvitriolerystallen, bei deren Bildung sie also um je- nes Maass emporgehoben war. Mehrere Gangtrümmer durchzogen die zerrissene Gefässwandung in verschie- denen Richtungen und hielten, wie ein Mörtel, die ein- zelnen Bruchstücke zusammen, welche dabei sich in Stellungen befanden, welche keinen Zweifel liessen, dass 71 dieselben bei einer Auflösung des Salzes ihren Halt ver- lieren und zusammenfallen würden. Die Glasurschollen waren zum Theil %, Zoll weit aus der Gefässwandung herausgeschoben. Wenn man in ein langes, röhrenförmiges Glasgefäss eine gesättigte Salzlösung giesst und der Verdunstung überlässt, so siedeln sich die ersten Crystalle an dem Rande der Oberfläche der Flüssigkeit an, wo diese durch die Capillarität ein wenig an der Gefässwan- dung aufsteigt. Die Crystalle wachsen von der Gefäss- wandung, auf diese gestützt und an ihr haftend, ein- wärts. Aber zwischen ihnen und der Gefässwandung bleibt immer ein Capillarraum, durch welchen die Lö- sung aufsteigt, um am äusseren Rande des Capillarrau- mes zu verdunsten. So steigt nun eine beständig nach- wachsende Crystallkruste an der Gefässwandung in die Höhe, erreicht endlich den Rand des Gefässes, wendet sich, der Oberfläche desselben folgend auswärts und steigt sodann auf der äusseren Wandung abwärts. Da die Crystallkruste die Verdunstung der in dem Capil- larraum enthaltenen Lösung nicht verhindert, so lagert sich fortwährend in letzterem neue Crystallmasse ab und die nachgezogene Flüssigkeit drängt die Kruste los und lässt diese, sie in gleichem Maasse verdickend, von der Wandung ab in das Innere des Gefässes wachsen. Legt man mehrere Glastafeln auf einander, befestigt sie an einem Ende durch eine Schraubzwinge und hängt das andere Ende in eine Salzlösung, so beginnt bald die Crystallisation zwischen allen Glastafeln, welche in der überraschendsten Weise aus einander gebogen, end- lich zersprengt und, durch die Salzgänge zusammenge- halten, in eine Bresche verwandelt werden. Der Vortragende legte nunmehr eine Anzahl von Breschengesteinen vor, welche entsprechende Er- scheinungen darbieten. Schiefer durch Eisenvitriol, Fa- sergyps, Kalkspath auseinander getrieben, aufgeblättert und zerrissen und in Bresche verwandelt; dann ähnliche Vorkommnisse, bei welchen Feldspath, Quarz, sowie beide gemeinsam die Gangmasse bildeten. In Betreff dieser letzteren wurde dargelegt, dass weder die Feld- spath- noch die Quarzbildung eine unmittelbare sei, sondern, dass beide nur durch einen Substitutionsvor- gang nachträglich an die Stelle von Kalkspath getreten seien, wie dieses die in keinem derartigen Gange feh- lenden Pseudomorphosen oder andere, diesen an Be- weiskraft gleichzusetzende Erscheinungen darthun. Dr. Volger bezog sich auf seine bereits mehrfach von ihm veröffentlichten Nachweisungen der Entwicklung von Glimmern, von Feldspathen und von Quarz, sowie von Eisenspath, von Schwefelmetallen in Kalk und auf Ko- sten von Kalk, welcher bei diesen Vorgängen fortge- führt wird, während jene an seine Stelle treten, um der Versammlung klar zu machen, wie auf diesem Wege das Vorkommen von Quarz, von Feldspathgesteinen, von Graniten in allen Formen, welche der Kalk anzu- nehmen befähigt sei, also in Schichten, in Lagern, in Gängen und gleichsam als Mörtel von Breschengestei- nen, vollkommen verständlich werde, während die bis- herige Erklärungsweise dieses Vorkommens, die pluto- 72 nistische, wohl nachgerade allgemein als eine unhalt- bare, durch die Natur jener Gesteine selbst sich wider- legende, anerkannt werden müsse. Der Vortragende ging nunmehr auf eine andere Form der Wirkungsweise der Capillarität über. Bedeckt man den Boden eines (am Besten flachen und weiten) Gefässes mit einer trockenen und losen Lage von Cry- stallen oder Crystallbruchstücken (seien dieselben auch zu einem mehlartigen Pulver zerstampft), so genügt schon der Wechsel sich niederschlagender und wieder ver- dunstender Luftfeuchtigkeit, um durch theilweise Auf- lösung der Körnchen beim Niederschlage und Vergrösse- rung der nicht aufgelösten beim Verdunsten der Lösung die ganze Lage in eine zusammenhängende Kruste zu verwandeln. Aber die Körnchen dieser Kruste sind stets durch Capillarräume getrennt, welche sich, wenn die Kruste trocken war und man nur darauf haucht, als- bald mit Feuchtigkeit füllen, was man an der theilweisen Aufhebung der diffusen Spiegelung in der körnigen Masse, an dem Halbklarwenden derselben, so deutlich zu erkennen vermag. Beim Verdunsten dringt die Feuch- tigkeit aus dem unteren Theile der Lage in die Capil- larräume zwischen den Körnern des obersten Theils der Lage und bietet hier den Körnchen die gelöste Salzmasse zu ihrer Vergrösserung dar. Man bemerkt, wenn eine solche Salzlage längere Zeit, dem Temperaturwechsel ausgesetzt, sich selbst überlassen geblieben ist, dass das körnige Gefüge immer deutlicher, zugleich die Kruste immer gedrängter wird. Bald finden die wach- senden Körnchen neben einander nicht mehr in gleicher Ebene Raum. Der Erfolg ist nun ein ähnlicher, wie der des Aufquellens eines in trockenem Zustande mit Genauigkeit gemachten hölzernen Fussbodens. Wie hier die Bretter, indem sie durch Capillarität Feuchtigkeit aufnehmen, sich gegen einander drängen und, aus Mangel an Spielraum in gleicher Ebene, sich krümmen und emporwerfen, so wirft sich in jenem Falle die harte und feste Crystallkruste. Ihre Oberfläche schlägt Falten. Ein Glasgefäss mit einer zu Falten aufge- stauchten Bittersalzkruste wurde zur Erläuterung und zum Beweise der Versammlung vorgelegt. Daneben ein Handstück eines oolithischen Kalksteines aus dem „Muschelkalke“ der Gegend von Weimar. Die einzelnen, sehr regelmässig kugelförmigen Körperchen, aus welchen dieses Gestein besteht, berühren und tragen sich in demselben nicht unmittelbar, sondern vermittelst mäuse- zähniger Kalkspatheryställchen, welche, von der Ober- fläche einer jeden der kleinen Kugeln ausstrahlend, an dieser angeschossen erscheinen. Offenbar sind durch diesen Kalkspathanschuss die Kügelchen selbst von einander gerückt. Das Gestein muss dabei „aufge- gangen“ sein, wie ein Teig im Backofen. Eine Stufe von „Sphärengestein* aus dem Sächsischen Erzgebirge wurde vorgelegt, welches aus Brocken einer thonstein- ähnlichen Felsmasse besteht, deren jeder, ganz wie jene Oolithkugeln, von einer „Glorie“ ausstrahlender Cry- stalle umgeben ist. Hier aber sind es Quarzerystalle, welche auf den Bröckchen angeschossen, dieselben von einander gedrängt haben, und der Maassstab ist ein viel grösserer, die Erscheinung daher schon für das blosse Auge vollkommen deutlich. — Das Wasser, welches in den Erdboden eindringt und welches durch Capillarität selbst in die festesten Gesteinsmassen gezogen wird, findet zum Theil Gelegen- heit, mit Bestandtheilen dieser Gesteinsmassen chemische Verbindungen einzugehen. Enthält es Sauerstoff, so bewirkt es eine Umwandlung des Eisenoxydulcarbonats in Hydroferrat (Eisenoxydhydrat), des Schwefeleisens in Eisenvitriol. Diese Umwandlungen fordern eine Volumvermehrung in den Massen, innerhalb deren sie vor sich gehen. Anhydrit geht durch Wasseraufnahme in Gyps über. Stoffe, welche vermittelst des Kohlen- säuregehaltes vom Wasser in den obersten Lagen des Erdreiches aufgelöst werden, kommen tiefer in den Capillarräumen der Gesteine zur Abscheidung, indem hier einerseits mit der Zunahme der Bodenwärme die „halbgebundene“ Kohlensäure wieder in Freiheit ge- setzt, andererseits durch die vorhandenen Crystall- körnchen gleichartigen Stoffes der Anschuss des Ge- lösten unterstüzt wird. Kein Stoff ist in dieser Hinsicht von ähnlicher Wichtigkeit, als der Kalk! Mit grosser Allgemeinheit im Erdboden verbreitet, bietet er sich überall dem lösenden kohlensäurehaltigen Wasser dar, durch dessen Vermittlung er oft erst unmittelbar vor seiner Lösung aus den Silieaten entsteht. In den tie- feren Schichten findet er ebenso allgemeine Kalktheil- chen in den Gesteinsmassen vor, denen er sich an- schliesst. So wird ein dichter (sehr feinkörniger) Kalk immer körniger und geht endlich in zuckerkörnigen Marmor über. Aber auch die Kalkkörnchen in einem Mergel oder in irgend einem andern mergeligen, d.h. nur im Mindesten kalkhaltigen Gesteine, werden immer STÖSSET. So gering ein auf diese Weise bewirkter Zuwachs der Grösse bei jedem einzelnen Körnchen eines Gesteins auch sein mag, so bedeutend müssen gleichwohl die Folgen desselben für eine ausgedehnte Schichtenlage sein. In der Richtung der Dicke der einzelnen Schichten mag der Gesammtzuwachs unmessbar bleiben, während derselbe in den Flächenrichtungen schon zu gewaltigen Ergebnissen führt. In einer Schichtenlage , deren Flächenausdehnung einen Durchmesser von tausend Meilen hat, bedarf es nur eines Zuwachses jedes staub- artig kleinen Körnchens um den tausendsten Theil seines Durchmessers, um für die Gesammtfläche in jeder Richtung einen Ueberschuss von einer ganzen Meile hervorzubringen. Ein soleher Zuwachs könnte sich im Gesteine selbst in keiner Weise verrathen, ja selbst eine Zunahme um das Doppelte des Durchmessers würde kaum nachweisbar sein, wenn die Nachweisung sich auf die Beschaffenheit des Gesteins selber allein stützen müsste. Gleichwohl würde ein solcher Zuwachs einer Schichtenlage von tausend Meilen einen Flächen- durchmesser von zweitausend Meilen geben, und es ist augenscheinlich genug, dass der Ueberschuss sich in einem Faltenwurfe, d.h. in Gebirgsanschwel- lungen, äussern müsste. Die Beobachtung der Schichten in den Gebirgen überall die grossartigsten Faltungen erkennen. Aber die Hauptfalten, aus welchen die Sättel und Mulden des Gebirgsbaues bestehen, sind in kleinerem Maass- stabe noch wieder untergeordnet gefaltet, so dass ein Handstück schon von den glimmrigen Schiefern der Alpen, wie des Taunus, wie eine zusammengeschobene Tuchlage aussieht. Und selbst diese kleinen Handfalten sind sehr häufig in noch kleinerem Maassstabe auf das Feinste gefältelt, so dass sie z. Th. aussehen, wie Wäsche, welche mit dem Knippeisen behandelt (gauf- rirt) worden ist. (Handstücke, welche diese Erschei- nungen in ausgezeichneter Weise zeigten, wurden von dem Vortragenden vorgezeigt.) Es sind auch diese Faltungen und Fältelungen schon lange mehr oder weniger beachtet und mit der Gebirgserhebung in Be- ziehung gebracht worden. Insbesondere sind sie im Jura von Studer aus einem Seitendrucke und durch Zusammenschiebung erklärt worden, wobei der Seiten- druck von den ebenfalls gefalteten und zusammenge- schobenen Alpen ausgegangen sein sollte, in deren Gebirgsbau ungeheure plutonische Massen angenommen wurden, welche sich in aufgerissene Klüfte des ge- schichteten Gebirges keilartig eingezwängt und die geschichteten Massen zur Seite gepresst haben sollten. Auch auf andere Gebirge, wie auf das ganze Rheinland, hat man dieselbe Erklärung anwenden wollen. Aber diese Erklärung ist an sich schon nirgend zulässig, weil es an den plutonischen Massen mangelt, welchen man eine solche Wirkung zuschreiben könnte. Denn die Gesteine, welche man früher für solche ansprach, können jetzt nicht mehr als solche gelten, und in einigen Gebirgen sind selbst solche vermeintlich plu- tonische Massen in irgend erheblicher Ausdehnung nicht vorhanden, z. Th. gerade in solehen Gebirgsgegenden am Wenigsten, wo die Faltung der Schichten am Aus- gezeichnetsten ist. — Es bedarf nun blos des Versuches, die Ausdehnung der Schichtenflächen, welche in den Sattel- und Muldenfaltungen, Handfalten und Fälte- lungen der Schichten in den Gebirgen sich darstellt, durch Messung und Rechnung auf eine nahezu wasser- ebene Lage, der ursprünglichen Ablagerung entsprechend, zurückzuführen und dieselbe mit der jetzigen Grundfläche, über welcher die Falten zusammengeschoben stehen, zu vergleichen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass die Schichtenfläche gegenwärtig viel grösser, oft um das Mehrfache grösser ist, als die Grundlage, welche irgend zu Gebote steht. Die Schichten müssen demnach eine Flächenstreekung erlitten haben. Aber es finden sich selbst innerhalb der Gesteins- massen der gefalteten Schichten ausgezeichnete Beweise der geschehenen Streckung. Die Ueberreste pflanzlicher und thierischer Körpertheile sind in den gestreckten und gefalteten Schichten in den meisten Fällen theils durch die Umänderung des Gefüges, theils durch Ver- moderung und Auflösung bereits spurlos verschwunden. Nur hie und da haben sich durch besondere Begünsti- gung der Umstände unerkennbare, und an noch selte- neren Stellen selbst erkennbare Spuren erhalten. Mit Hülfe der letzteren erkennt man auch die ersteren. So 73 finden sich in den schwarzen dünnschichtigen Kalksteinen (Kalkschiefern) der Alpen hie und da die Schichten- flächen mit eigenthümlichen gerade verlaufenden Runzeln bedeckt. Oft sind diese Runzeln unterbrochen, so dass sie aus.perlschnurartig an einander gereihten, aber mehr oder minder von einander entfernten Knötchen bestehen. Der Vortragende zeigte Proben dieser Vorkommnisse von den sogenannten „Spitzen“ an der Strasse zwischen Altdorf und Amstäg im Canton Uri. Diese Runzeln und Knotenreihen sindBelemnitenspuren. Eswurden nun andere Proben vorgelegt, welche dieses, bei aller Aehnlichkeit mit jenen an sich unerkennbaren Spuren, auf das Deutlichste erkennen lassen. Die Belemniten erscheinen hier zerstückelt, in theils 1 Linie, theils bis 1 Zoll langen Stücken, und diese letzteren, deren Bruch- flächen sich in vollkommener Weise entsprechen, sind mehr oder minder weit aus einander gerückt, trotzdem, dass sie in der Gesteinsmasse selbst eingebettet liegen. Ein derartiges Vorkommen wurde aus dem Meyenthale im Canton Uri zuerst von dem in der Versammlung anwesenden Herrn Peter Merian beschrieben und so geschildert, als ob das Gestein m einem bildsamen Zustande unter Walzen wie ein Teig ausgerollt worden sei, wobei die Belemniten zerbrochen und die Bruch- stücke von einander gerückt wären. Aehnliche Vor- kommnisse sind seitdem an mehreren Punkten gefunden worden. Der Vortragende legte sehr schöne Belegstücke vom Montjoli vor, welcher dem Montblane gegenüber sich aus dem Chamounythale erhebt. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Bruchstücken der Belemniten sind mit weissem Kalkspathe erfüllt, welcher aber nicht in ganzer Länge jedes Zwischenraums dieselbe Dicke besitzt, welche der Belemnit hatte, sondern in der Mitte gleichsam eingeschnürt erscheint; daher aber der Ueber- gang zu der perlschnurartigen Bildung. Die Zwischen- räume betrugen bei den vorgelegten Stücken mindestens dieselbe Länge, welche den Belemnitenbruchstücken eigen war, zum Theil das Doppelte derselben. Immer- hin muss gerade hier die Streekung im geringeren Maasse geblieben sein, als in den viel allgemeiner ver- breiteten Schichtentheilen, in welchen jede Spur der Versteinerungen verschwunden oder wenigstens bis zur Unerkennbarkeit verlöscht worden ist. Ein Theil der Belemniten von Montjoli zeigte an der Stelle der Kalk- spathmasse in den Zwischenräumen Quarz, dessen Ge- füge das spathige Gefüge des Kalkspathes nachahmt und welcher Kalkspathreste umhüllt, in deren Blätter- durchgänge die Kieselmasse mit zarten Zähnchen und Lamellen eingreift. So wird auch hier wieder für die Kalkspathtrümmer Quarz substituirt. Die erystallini- schen Schiefergesteine der Alpen sind grösstentheils Umwandlungsgesteine, entstanden aus den Kalkschichten durch Substitution von Glimmer, Amphibolen, Feld- spathen, Quarz u. s. w. In ihnen ist von Petrefacten freilich keine Spur mehr vorhanden, obgleich man an mehreren Punkten den Uebergang von petrefacten-, insbesondere belemnitenführenden Kalksteinen in ery- stallinische Siliecatgesteine Schritt für Schritt verfolgen kann. Aber die Streckung ist mit der Bildung der 10 74 Silieate an der Stelle des Kalkes keineswegs beendigt. Im Gegentheile finden sich eben in den erystallinischen Silicatgesteimen noch ausgezeichnete Beweise geschehener Streckung vor. Nicht allein erkennt man Deren dass Crystalle, wie Granate, Staurolithe u. a. an einer oder auch an zweien Seiten zunächst umgeben sind von einem Saume, welcher sich von der übrigen Gesteinsgrund- masse unterscheidet und welcher als ein Nachwuchs sich deutlich genug zu erkennen gibt. Lange, stab- förmige Crystalle, wie besonders Strahlstein und Tur- malin, finden sich in ganz ähnlicher Weise, wie die Belemniten, irbrochen‘, und die Bruchstücke sind aus einander gerückt, die Zwischenräume aber von anderer Steinmasse ausgefüllt. Treflichst stellt sich diess an Turmalinerystallen dar, welche, schwarz von Farbe, in weissem Quarze eingebettet liegen. Diese Turmaline lagen ursprünglich im een Kalke; auch die Frischenrätime zwischen ihren Bruchstücken hatten sich mit Kalkspath erfüllt, sowie dig Streckung die Bruch- stüicke von einander entfernte. An die Stelle des dolo- mitischen Kalkes und jener Kalkspathmasse ist später Quarz getreten, dessen spätere Entstehung, gegenüber dem "Turmaline, schon durch die Uinschhessung und genaue Abformung der Turmalinerystalle und ihrer Bruchflächen bewiesen wird. Professor Girard bezweifelte die von Dr.V olger gegebene Erklärung der Schichtenfaltung bei einem von ihm angeführten Falle. Gegenüber einer Bemerkung des Herrn Pro- fessors Girard, von ihm beobachteten Falle in der Nähe einer gefalteten Schichtenmasse ein Vorkommen von weleher in einem besonderen, Melaphyr fand und geneigt war, diesem, nach seiner Ansicht plutonischen Gesteine, jene Faltung zuzuschreiben, erwiderte Dr. Volger: dass er nicht daran denken könne, über ein ihm gar nicht bekanntes und von Herrn Girard natürlich nach dessen Anschauungsweise geschildertes Vorkommen sich ein Urtheil zu bilden, dass er aber eben so wenig in der Herbeiziehung eines besonderen, von ihm selbst- verständlicherweise bei seinem Vortrage durchaus nicht in’s Auge gefassten und hier gar nicht erörterbaren Verhältnisses einen Einwurf gegen die von ihm mit Demonstrationen begleiteten und den Anwesenden zu unmittelbarer Prüfung vorgelegten thatsächlichen Dar- stellungen zu erkennen vermöge. Er seinerseits glaube Verhältnisse erklärbar gemacht zu haben, für welche bisher eine naturgemässe Erklärung noch nicht habe geliefert werden können. Dr. Platz aus Emmendingen: Geognostische Mittheilungen über einen Theil des Schwarzwaldgebirges. Bekanntlich besitzt unser Badisches Land noch keine ausführliche geognostische Karte, wenn auch einzelne Theile, wie die in der Nähe der Universitätsstädte oder die durch Bergbau bekannteren, schon öfters untersucht und beschrieben worden sind. Der Landstrich, dessen ausführlichere geognostische Beschreibung den Gegen- stand der von mir vorgelegten Schrift (geognostische Beschreibung des unteren Breispauss) bildet, ist nun bisher noch nicht genauer untersucht worden, und le- fert, obgleich von beschränkter Ausdehnung, einige, hier in Kürze mitgetheilte, interessante Thatsachen. 1) Das betreffende Gebiet gehört dem westlichen Abhang des mittleren Schwarzwaldes an, gelegen zwi- schen Freiburg und Lahr, in einer Ausdehnung von Süd nach Nord von 5, von Ost nach West von 2%, Meilen. Es umfasst die Section Lahr und den nörd- lichen Theil der Section Freiburg unserer grossen topo- graphischen Karte, welche auch der Aufnahme und Aus- arbeitung meiner geognostischen Karte zu Grunde liegt. In diesem Gebiet ist die Terrassenbildung des west- lichen Abfalls sehr schön und deutlich ausgesprochen. An die von der Ebene des Rheinthals (mittlere Höhe 600‘) schnell bis zu 4144’ (bad.) aufsteigende Gneis- masse, welche das geognostisch sehr einförmige Hoch- plateau des Schwarzwaldes (hier mit 2300’ mittlerer Höhe) bildet, schliesst sich eine zweite Terrasse, die le- diglich von buntem Sandstein gebildet wird, mit 13 — 1400’ Höhe und durchschnittlich sehr regelmässi- ger Ablagerung, von ea. 1 Meile Breite, an. An diese lagert sich ein niedriger Saum von Hügeln, aus Mu- schel- und Jurakalk bestehend. bedeckt von Löss, von welchem das Sandsteinplateau frei ist. Die Sandsteinterrasse ist östlich, also gegen den Gneis, durch ein ausgezeichnetes Längenthal, das Schutterthal, begrenzt, das bei Lahr in das grosse Rheinthal mündet. Ueberhaupt zeigt sich fast in dem ganzen hier beschriebenen Gebiet eine ausge- zeichnete Abhängigkeit der Terrainformen von der Ge- steinsformation, die sowohl auf der Karte, als auch be- sonders deutlich auf den beigegebenen Längs- und Querprofilen hervortritt. Damit im Zusammenhang steht auch der Einfluss der Gesteinsformationen auf das Le- ben, der sich in der Bodencultur, wie auch vielfach in Sitten und Lebensart der Bewohner nachweisen lässt. 2) In dem kleinen Raum der Karte kommen ver- hältnissmässig viele Gesteinsbildungen vor, nämlich: Gneis, als Hauptmasse des höheren östlichen Gebirgs. Granit, Serpentin und Porphyr, stock- und gangförmig im Gneis. Basalt, eine kleine Kuppe am westlichen Rande bildend. Steinkohlengebirg,Rothliegendes,bun- ter Sandstein, -Muschelkalk, Jura- sehichten (Eisenrogensteinund Haupt- rogenstein). Endlich Diluvialgebilde: Gerölle, Löss und Lehm. Tertiäre Gebilde sind nirgends mit Sicherheit nachzuweisen. 3) Von den plutonischen Gesteinen erlangt der Porphyr eine grössere Verbreitung. Ich habe dieses Gestein mit möglichster Sorgfalt untersucht, das auch seiner Sterilität wegen der Beobachtung leicht zugäng- lich ist, indem dasselbe für den Schwarzwald von grosser Bedeutung ist. Was zunächst das Auftreten der Porphyre anbelangt, so habe ich vor allem zu erwähnen, dass die hier vor- kommenden Porphyre sich von denen des südlichen Schwarzwaldes, die z. B. im Münsterthal so ausgezeich- net gangförmig vorkommen, ganz wesentlich unterschei- den. Einmal ist schon die äussere Erscheinung eine andere: die Masse mehr dieht, das crystallinische Ge- füge auch der Einsprengungen weniger deutlich, und mehr den Porphyren der Gegend von Baden und denen des Odenwaldes, von denen wir eine ausführliche Be- schreibung (Leonhard, geognost. Beiträge) besitzen, analog. Sodann kommen hier nirgends wirkliche Gänge von Porphyr vor, immer erscheint derselbe in glocken- oder domförmigen Bergmassen, welche gruppenweise beisammen liegen und im Grossen einen von Süd nach Nord streichenden Zug bilden, der sich auch weiter nördlich, durch das Kinzigethal, Renchthal und bis in die Gegend von Baden verfolgen lässt. Veränderungen des Nebengesteins sind nirgends zu beobachten. Conglomerate, resp. Breccien, kommen öfters an den Grenzen vor, ebenso die gewöhn- lichen Begleiter: Eisenkiesel, Jaspis, Achate, Eisenglanz. Die höchsten Kuppen zeigen ausgezeichnete Mandelstein- struetur, mit bald hohlen, bald mit Quarz ausgefüllten Blasenräumen. Die nördlichsten dieser Porphyrberge sind beson- ders wichtig, indem sie einen Schluss auf das Alter die- ses Gesteins erlauben. Am Geroldsecker Schloss- berg, einem steilen, mit einer Burgruine gekrönten Porphyrkegel, umgibt nämlich eine kleine Parthie Stein- kohlengebirg den Porphyr in mantelförmiger Lage- rung auf der südlichen Seite, mit ca. 30° von demselben abfallend, also augenscheinlich durch den Por- phyr gehoben. Demnach ist der Porphyr jünger als das Stein- kohlengebirg, undälteralsdasRothliegende, da dieses, hier, wie an andern Orten, ja grossentheils aus Porphyrgrus und Porphyrgeröllen zusammenge- setzt ist. \ Auch das Verhalten des Porphyrs zum bunten Sand- stein unterstützt diese Ansicht. In der Nähe des Ge- roldsecker Schlossbergs berühren sich beide Gesteine. Nirgends aber zeigt der Sandstein eine Schichtenstörung ; seine Lagen stossen stumpf am Sandstein ab, während die Grenzlinie steil abfällt. b.Sanasıen Die in meiner Schrift ausführlicher dargestellten Lagerungsverhältnisse zeigen, dass der Porphyr schon 75 vorhanden gewesen sein musste, als der Sandstein sich ablagerte. 4) Der bunte Sandstein, eine sonst so lang- weilige Formation, ist hier interessant durch einen Fund- ort von Petrefacten, und zwar Muscheln, die bisher bei uns nicht aufgefunden wurden. Bei Hoch- burg, am südlichen Rande des Gebiets, sowie bei Musbach, auf dem Plateau selbst, 1 Meile von der Muschelkalkgrenze entfernt, kommen in einem gelben, mürben Sandstein, der dem von Zweibrücken und Sulz- bad sehr ähnlich ist, viele der bekannten Muschelkalk- petrefacten: Pecten discites, Pecten inaequistriatus, Lina striata, Gervillia socialis, Myaeites elongatus, Posidonomya minuta, Myophoria vulgaris, Terebratula vulgaris. Alle, wie überall, nur als Steinkerne, oft mit einem dünnen Brauneisensteinüberzug. An der östlichen Grenze des Sandsteins, gegen den Gneis, kommt einGanggebilde vor, das im Wesent- lichen: aus Schwerspath mit viel Brauneisen- stein und Psilomelan, sowie aus derben Blei- glanzmassen, mit Weissbleierzundphosphor- saurem Bleioxyd (letzteres schön erystallisirt) in 2—4' mittlerer Mächtigkeit, Streichen h: 1—4, Fallen 60— 64" gegen West, besteht, und auf ca. 9000 Fuss Felderstreckung bekannt ist. Im Allgemeinen hat diese Lagerstätte, auf der im vorigen Jahrhundert ‘ein — neuerdings wieder aufge- nommener Bergbau betrieben wurde, einige Analogie mit der von Badenweiler, welche mit gleichem Streichen ebenfalls an der Grenze des geschichteten Gebirgs vor- kommt. Während übrigens Badenweiler ein Erzla- ger ist, liegt hier ein entschiedener Gang vor, da derselbe gegen den Sandstein, der das Hangende bildet, eine scharfe Ablösung (mit Rutschflächen) zeigt, und die Schichten dieses stumpf an der Gangablösung abstossen. Sowohl in den hangenden Sandstein, wie in den Gneis gehen Trümmer ab, wie denn auch die Gang- masse häufig Bruchstücke von beiden Gesteinen ein- schliesst. 5) Die Lagerung der jüngeren geschichteten Ge- steine am westlichen Rand des Gebirgs zeigt einige be- merkenswerthe Verhältnisse. Der bunte Sandstein nämlich, der hier mit einer Mächtigkeit von 900 Fuss auftritt, wie diess aus den Profilen hervorgeht, und eine Meereshöhe von 1831’ erreicht, bildet gegen Westen, eine gleichförmige, steile, grösstentheils mit Waldung bedeckte Wand, an welche sich die Hügel des Muschelkalks anlehnen. Unter 10* 76 diesem nun, in dem Niveau der Thalsohlen, treten nun die jüngsten Schichten des bunten Sandsteins wieder hervor, und zwar, wie die Hauptmasse, horizontal ge- lagert. Es liegt also hier eine grossartige Verwerfung vor. Die Verwerfungsspalte ist z. B. in der Gegend von Kenzingen ganz deutlich zu erkennen und stellen- weise durch mit Schwerspath und etwas Bleiglanz er- füllte Klüfte bezeichnet. Die Muschelkalkhügel selbst haben häufig geneigte Schichten. Zur Erläuterung diene folgendes Profil: & DH. OH DE TÜTE — #2 = m . a) Bunter Sandstein. b) Unterer Muschelkalk (Anhydritgruppe). ce) Oberer Muschelkalk. Auch die vordersten, westlichen, Hügelreihen, die aus Juraschichten bestehen, zeigen bedeutende Schich- tenstörungen, und haben, bei dem allgemeinen nord- südlichen Streichen, ein stärkeres Fallen, als die östlich liegenden älteren Schichten, sind dabei auch zu einer, die durchschnittliche Höhe der Muschelkalkhügel über- steigenden Höhe gehoben. Auf der Streichungslinie dieser Hügel geht, in geringer Entfernung von den Jura- gesteinen, eineBasaltkuppe beiMahlberg zu Tag, in deren unmittelbarer Umgebung die sonst nirgends anstehenden Liasschiefer mit Amm. radians steil aufge- richtet vorkommen. Südlich davon, auf der gleichen Linie, liegt der Schönberg, bei Freiburg, ebenfalls aus Juragesteinen bestehend und von 2000’ Höhe, an welchem wieder Basalt zu Tage ausgeht. Es liegt also hier eine Hebungslinie vor, die von Süd nach Nord streicht, deren beide Enden durch basaltische Eruptionen bezeichnet sind, während in der Mitte nur gestörte Schichten vorkommen. Wir haben also im Ganzen drei ziemlich parallele Hebungslinien: Die Erste, zwischen Gneis und buntem Sandstein, bezeichnet durch das Erzgebilde. Die Zweite am Westrande des bunten Sandsteins, ebenfalls durch gangartige Klüfte bezeichnet. Die Dritte in den Juragesteinen, durch basaltisches Gestein und Schichtenstörungen bezeichnet. Das Alter dieser letzteren Hebung ist durch die Untersuchungen von Fromherz im südlichen Breisgau und am Schön- berg ermittelt, wo auch die jüngeren Tertiärbildungen noch gehoben sind. Die zweite Linie fällt in die Periode des bunten Sandsteins, vor Ablagerung des Muschelkalks. Ueber das Alter der ersten Linie liegen keine di- reeten Aufschlüsse vor. Professor Dr. Sandberger aus Carlsruhe spricht Ueber die Land- und Süsswasserfauna des Mainzer Tertiärbeckens. Auf der Versammlung zu Wiesbaden machte ich über denselben Gegenstand, den ich mir heute Ihnen vorzuführen erlaube, zuerst Mittheilungen, welche die nähere Begründung der von mir ermittelten Schichten- folge des Mainzer Beckens und die Resultate enthielten, zu denen mich damals die Vergleichung der fossilen mit lebenden Forinen geführt hatten. Wenn ich heute hier wieder auf denselben Gegenstand zurückkomme, so könnte das überflüssig erscheinen, wenn nicht gerade die Tertiärbildungen seit jener Zeit eifriger denn je bearbeitet, die Durchforschung des Mainzer Beckens selbst eine Menge neuer Formen, eine Menge neuer Anknüpfungspunkte zur Vergleichung mit anderen Ter- tiärbildungen dargeboten hätte, die viele damals aus- gesprochene Ansichten berichtigen und ergänzen und mich bestimmt haben, eine Monographie des Beckens zu bearbeiten, deren erstes Heft und einen Theil der Tafeln des zweiten ich hier vorlege. Meine damals entwickelte Schichtengliederung ist fol le: L era Untere Abtheilung: 1) Meeressand von Weinheim, Waldböckelheim, Kreuznach, Geisenheim. i 2) Cyrenenmergel von Hochheim, Johannis- berg, Gauböckelheim, Gronau bei Hanau. Obere Abtheilung: 3) Landschneckenkalk von Hochheim und D- besheim bei Landau, in den meisten Fällen direet über- gehend in 4) Cerithienkalk von Hochheim, Oppenheim, Ilbesheim, Kleinkarben bei Hanau u. s. w. 5) Litorinellenkalk von Wiesbaden, Ingelheim, Weissenau, Oppenheim, Hochstadt und Bergen bei Hanau u. s. w. 6) Blättersandstein von Wiesbaden, Lauben- heim, Dienheim in Rheinhessen. . 7) Dinotherien-Sand. Ich habe in einer eigenen, 1853 erschienenen Schrift „Ueber das Mainzer Tertiärbecken und dessen Stellung im geologischen Systeme“ gezeigt, welchen fremden Tertiär- Bildungen die einzelnen Schichten, deren Aufeinander- lagerung in die hier angegebenen Folge durch eine grosse Zahl von Profilen bewiesen ist, parallel gestellt werden müssen und ich darf heute noch mit wenigen Ausnahmen an diesen Parallelen festhalten. Seitdem hat nämlich Beyrich gezeigt, dass meine Ansicht der Stellung der Schichten von Kassel in Kurhessen eine unrichtige war. Er fand, dass der Septarienthon über den Braunkohlenbildungen von Kassel liegt, welche ich fälschlich bei der Braunkohlenbildung des Litorinellen- Kalkes eingeordnet hatte, indem ich auf einige der u Be u oberen und unteren Braunkohlenbildung des Mainzer Beckens, wie sich später herausstellte, gemeinsame For- men ein zu grosses Gewicht legte. Dunker hat durch die Beschreibung einer grösseren Zahl von Conchylien von Grossallmerode bewiesen, dass die Thone und Koh- len in das Niveau der unteren Abtheilung gehören. Es folgt demnach bei Kassel auf diese der Septarienthon, und auf ihn der von Philippi nach überaus leichtferti- ger Untersuchung seiner Conchylien zur Subappenninen- bildung gerechnete Meeressand von Kassel, während im Mainzer Becken direet Brackwasserbildungen sich ein- stellen, die nach oben mehr und mehr in reine Süss- wasserbildungen übergehen. Ich nehme keinen Anstand zu erklären, dass die beiden untersten Etagen des Main- zer Beckens in die neue, von Beyrich vorgeschlagene Abtheilung des Oligocän gehören, kann dagegen in keiner Weise zugeben, dass man sämmtliche Mainzer Schichten kurzer Hand in das gleiche Niveau versetze, wie diess wohl versucht worden ist, werde vielmehr Be- weise vorlegen, welche meine früheren Parallelen und die Nothwendigkeit der Zurechnung der oberen Abtheilung des Mainzer Beckens zum Miocän ausser Zweifel stellen werden. Ich habe in meinem früheren Vortrage über die oflieiellen Aufnahmen badischer Bäder gezeigt, dass die Meeresbildung des Breisgau’s die geographische Fort- setzung des Mainzer Beckens ist, dagegen anderer- seits sich eng an die Schichten des Baseler und Solo- thurner Gebiets, sowie an das „Tongrien“ oder Groupe marin moyen vonDelemont anschliesst. Ueber diesem „Tongrien“, in welchem nur noch im Breisgau auch die Cyrenenschichten vertreten sind, lagert dort eine Schich- tenfolge, welche alle Leitpetrefacten des Hochheimer Landschneckenkalkes, z. B. Helix dejlera, Ramondi, Glandina Sandbergeri, Cyelostoma bisulecatum , überdiess aber massenweise die in Hochheim sehr seltene Melania Escheri umschliesst, dann folgt zunächst eine Schicht, welche nur Versteinerungen der schweizerischen Mee- resmollasse enthält und auf. dieser liegt direet, z. B. sehr schön bei Locle im Canton Neufchatel eine von dem Litorinellenkalke weder petrographisch noch paläonto- logisch unterscheidbare Schichtenfolge. Zieht man aber vor, von einem anderen Punkte aus, der Controle wegen, diese Schichtenfolge zu prüfen, so bedarf es nur einer Betrachtung der Profile des badischen Seekreises von Schill, um zu sehen, wie sich von Hoppetenzell an die Schichten mit Cyelostoma bisuleatum, dann die schwei- zerische untere Süsswassermollasse, auf dieser eine geographisch die Fortsetzung bildende und paläontolo- gisch mit der schweizerischen Meeresmollasse gänzlich identische Bildung, über dieser endlich die Letten mit Helix Moguntina und anderen Wiesbadener Conchylien ablagern. Ganz das gleiche Resultat giebt auch die Betrachtung der Schichtenreihe des Donauthales bei Ulm. Zu unterst liegen die Kalke von Thalfingen (bis Jetzt das schärfste Aequivalent des Hochheimer Kalkes, welches ich kenne), Ulm und Zwiefalten, über diesen die Schichten von Günzburg, welche kein schweizeri- scher Geolog von seiner heimischen unteren Süsswasser- Mollasse zu trennen im Stande ist und darüber bei 77 Niederstotzingen die meerische ächte Mollasse. Ich will nicht auch noch auf Beispiele aus dem Becken von Bordeaux eingehen, wiewohl hier vielleicht die ausge- zeichnetste und wie mir scheint, für das Verständniss der ganzen mittleren Tertiärbildung wichtigste Schich- tenreihe vorliegt, ich würde sonst genöthigt sein, mei- nen Vortrag weit über die schickliche Grenze auszu- dehnen. Zieht man nun Folgerungen aus den angeführ- ten Thatsachen, so ergiebt sich sehr einfach, dass die Meeresmollasse, als zwischen den Repräsentanten von Hochheim und Wiesbaden liegend, nothwendig dem Cerithienkalke des Mainzer Beckens parallel gestellt werden muss, da aber Niemand sie als etwas Anderes, als eine ächte Mioeänbildung betrachten kann, so folgt weiter, dass man auch den Cerithienkalk nur miocän nennen darf. Da nun weiter die direet unter ihnen liegenden Schichten weder im Mainzer Becken noch in Württemberg oder der Schweiz in auffallender Weise von ihnen petrographisch verschieden sind und paläon- tologische Uebergänge bestehen, so wird es sehr ge- wagt sein, sie von ihnen zu trennen und „oligocän“ zu nennen, wiewohl im Mainzer Becken eine Anzahl von Conchylien aus dem mit Recht oligocän genannten Cyrenenmergel in sie hinaufsetzt. Richtiger würde die Ansicht sein, dass das Oligocän nur wo sich verschie- dene Faeies berühren von dem Miocän völlig getrennt werden kann, sonst aber ebensowohl mit diesem nur eine fortlaufende Reihenfolge bildet, wie diess bei dem Mioecän und Plioeän feststeht. Die Stellung von nord- deutschen meerischen Ablagerungen, in welchen, wie in mittel- und süddeutschen Brackbildungen, ein Gemeng von specifisch oligocänen mit miocänen Arten sich dar- stellt, würde sich hiernach leicht bestimmen lassen, wenn ich nicht von solchen Vergleichungen hier abzusehen beabsichtigte. Die landbewohnenden Mollusken des Mainzer Beckens sind an Zahl den Süsswasserbewohnern weit überlegen, sie sind in der Regel vortrefllich erhalten und verstatten desshalb die genauesten Vergleichungen mit den leben- den Arten. Eine solche Vergleichung aber halte ich nieht nur für den richtigsten Weg zur Begründung der Artmerkmale, sondern auch für den einzigen, welcher eine klare Vorstellung von den klimatischen Verhält- nissen verschaffen kann, die in dieser Periode geherrscht haben. Die Ergebnisse aus diesem Elemente würden eine vortrefliche Controle in der fossilen Flora haben, wenn nicht die letztere meist nur in Blattüberresten, nicht aber zugleich in Blüthen und Früchten bestünde, die eine vollständig sichere Bestimmung möglich machen. So sehr man auch in der neueren Zeit durch möglichst scharfe Vergleichung des Nervenverlaufs fossiler Blätter mit lebenden die früheren oft sehr oberflächlichen Be- stimmungen nach dem „Habitus“ auf einen grösseren Grad der Schärfe zu heben bemüht war, so lässt doch auch dieser Character häufig noch im Stiche. Es kann daher die Controle, welche die fossilen Pflanzen dar- bieten, keine absolut scharfe sein und wenn sich die Resultate, welche» aus den Landeonchylien und jene, welche aus den Pflanzen gezogen werden, widerspre- 78 chen, so wird der Fehler eher auf der Seite der letz- teren gesucht werden müssen. Im Allgemeinen aber darf ich wohl behaupten, dass, soweit meine Resultate reichen, ein solcher Widerspruch nicht besteht. Un- verkennbar ist die Mioeänzeit die Zeit des Uebergangs aus einem tropischen Klima in ein dem gegenwärtigen des betreffenden Landstrichs nahe stehendes, denn neben den westindischen Formen erscheinen bereits solche der Azoren und ächt mittelmeerische, und das Verhältniss der letzteren zu den tropischen und subtropischen Ele- menten der Fauna wird um so stärker, je jünger die Schicht ist. Es bedarf nur eines Vergleichs der Land- und Süsswasserfauna des Landschneckenkalkes mit der des Litorinellenkalkes, um sich davon sehr bestimmt zu überzeugen. Es hat sich mir mehr und mehr das Bedürfniss auf- gedrängt, dieselben Vergleiehungen auch ausserhalb des Mainzer Beckens zu verfolgen und besonders die Ver- schiedenheiten zu studiren„, welche sich in Becken dar- bieten, deren Gleichalterigkeit zwar durch Leitpetre- facten erwiesen erscheint, die aber nicht geographisch zusammenhängen, wie z. B. die württembergischen und Mainzer Brackwasserbildungen. Der klimatische Cha- racter im Grossen ist ganz derselbe, aber es ersetzen sich hier und da nahe verwandte Arten und verleihen jeder Ablagerung wieder ihren eigenthümlichen Typus. Wegen der Kürze der Zeit muss ich mich darauf beschränken, hier nur die Heliceen und Cyelostomaceen etwas specieller durchzugehen. Von nackten Heliceen, die in den württembergischen, schweizerischen und in den französischen miocänen Brackwasser - Bildungen durch Limaz (Lartetü Dupuy), Testacella (Deshayesü Mich., Zellü v. Klein) in so interessanten Arten ver- treten sind, finden wir im Mainzer Becken Nichts, viel- mehr nur einen, einer mittelmeerischen Form sehr nahe stehenden Vertreter der Grenzgattung gegen die derb- schaligen Heliceen, Vitrina intermedia Reuss. Heliw selbst ist im Mainzer Becken durch nicht weniger als 34 Arten vertreten, von denen einige z. B. H. Ramondi Brongn., H.defleva A.Braun., H.oxystoma T’homae, H. Moguntina Desh., eine ausserordentlich weite geo- graphische Verbreitung haben, während andere auf die engen Grenzen des Mainzer Beckens beschränkt sind, z. B. H. Goldfussü, H. Rahtii, dann aber sehr häufig in Württemberg, Böhmen oder Frankreich sehr naheste- hende Vertreter haben, z. B. H. subrugulosa und H. obtusecarinata. Interessant ist hier vor Allem das Auf- treten einiger ächt mittelmeerischen Gruppen, z. B. Zo- nites mit HM. subverticillus, der lebenden H. vertieillus, H. imbricata, der lebenden H. acies analog, Xero- phila mit H. mattiaca, der lebenden H. desertorum verwandt, Crenea mit den fossilen 4. o@ystoma, hor- tulana und expansiabris aus der nächsten Verwandt- schaft der sicilianischen 7. platychela, Macularia mit einer der in Italien überaus gemeinen H. muralis ent- sprechenden Art, der H. defleva. Zu diesen kommen noch zahlreiche Arten, welche zwar nicht speeifisch mittel- meerischen Untergattungen, wohl aber speciell mittel- meerischen Arten so nahe stehen, dass sie mitunter Bindeglieder zwischen lebenden bilden, z. B. H. phaco- des und sublenticula aus der Verwandtschaft der H. lens und Ientieula, H. disculus und involuta aus derjenigen der H. solaria und angigyra. Aber neben diesen specifisch mittelmeerischen Typen bietet sich bei Helix bereits ein unzweifelhaftes Analogon der lebenden H. punctulata und der von ihr wohl nur als Varietät zu trennenden 4. Bowdichiana von den Azoren dar, die verbreitetste Land- schnecke der unteren Miocänschichten, Helir Ramondi; es ist merkwürdig, dass sie von Südwestfrankreich an bis in die Schweiz und Württemberg (Ehingen) sehr häufig vorkommt, im Mainzer Becken sehr selten wird und in der dem Landschneckenkalke aus vielen Gründen für ganz gleichalt zu erachtenden Süsswasserbildung Böh- mens gänzlich fehlt. Ich habe diesen Azoren-Typus, den einzigen bei Helix, absichtlich hervorgehoben, um später bei anderen Formen auf ihn zurückzukommen, zugleich aber auch um zu zeigen, dass in den einzelnen gleichalten, aber geographisch nicht zusammenhängen- den Schichten, locale Verschiedenheiten der Fauna vor- kommen, so gut wie jetzt auch anscheinend unter ganz gleichen Bedingungen existirende Faunen auch immer ihre local-charaeteristischen Formen besitzen. Bei Helix fallen im Mainzer Becken nur relativ wenige Formen auf, deren Analoga tropischen und subtropischen Län- dern zugehören, wo dieses aber der Fall ist, da lässt sich nicht verkennen, dass diese Typen dem südlichen Nordamerika, Texas und Westindien zufallen, hierher gehören H. uniplicata A. Braun, H. osculum Thomae, H. afinis id., H. stenotrypta A. Braun und H. Gold- fussii als Verwandte der lebenden H. labyrinthica Say, H. Berlanderiana Morie., H. tranquebarica Fabr. und der Westindischen Gruppe Sagda Albers. Ungefähr das gleiche Zahlenverhältniss mittelmeerischer , azori- scher und mittelamerikanischer Formen ergibt sich, wenn man die entsprechenden Schichten Württembergs (Ulm, Ehingen, Zwiefalten, Steinheim) oder der Schweiz in’s Auge fasst, aber die Vertreter sind zum Theil andere Arten, z. B. H. infexa v. Martens und rugulosa id., die im Mainzer Becken gänzlich fehlen, während sonst die drei Länder eine sehr analoge Fauna beherbergen. Eigenthümlieh ist die geringe Zahl der Bulimus- Arten in den Mainzer Schichten und ebenso merkwürdig, dass Württemberg und Böhmen ihre eigenen Arten, aber aus gleichfalls mittelmeerischen Gruppen besitzen. Die mittelmeerischen Bulimus sind zum grossen Theile Strand- oder schärfer ausgedrückt, Dünen-Bewohner, wie die Xerophila-Arten bei Helix, welche nur durch eine ein- zige miocäne Art vertreten sind, es ist daher wahr- scheinlich, dass der Strand des Mainzer Beckens nicht sandig war, wenigstens nicht jene ausgedehnten dürren Sandstrecken darbot, welche die erwähnten Conchylien so sehr lieben. Bulimus gracilis Thomae aus der Gruppe Petraeus Alb. ist dem mittelmeerischen B. sidoniensis Fer. überaus ähnlich, wie der böhmische B. complanatus dem B.'pupa Brug. oder der kleine württembergische 2. minutus dem B. acutus. Während bei Bulimus die wenigen Arten entschie- den mittelmeerische Typen darbieten und in Europa die colossalen tropischen Formen der Oligocänbildungen des Aude-Departements (z. B. B. laevolongus Boubee) und der Insel Wight völlig erloschen sind, sind die Arten von Glandina, welche im Mainzer Becken vorkommen, fast alle tropisch. Glandina cancellata ist ein in Böhmen, Württemberg, Bayeın und dem Mainzer Becken ein- heimisches Analogon der @l. truncata Gmel. sp. aus Florida, @l. subsuleosa der GI. nemorensis Ad. von Ja- maika, @l. Sandbergeri aus Böhmen, der Schweiz und dem Mainzer Becken der @l. delicatula Shuttlew. aus Mittel- Amerika ganz nahe verwandt, während auch die Würt- tembergische Gl. elegans und die Böhmische, auch zu Delemont gefundene @l. produeta Reuss, ebenfalls nur westindischen Arten parallelisirt werden können. Von Azoren-Formen ist @l. eburnea Klein, analog der le- benden Gl. terebella Lowe sp. und Gl. lubricella aus Böhmen, Württemberg und dem Mainzer Becken, analog der @!. gracilis Lowe sp., hervorzuheben. Am Interes- santesten ist aber die Untersuchung der Pupen. In Be- zug auf diese ist zunächst zu bemerken, dass die Arten des Landschneckenkalkes von Hochheim von denen des höher liegenden Litorinellenkalkes noch viel stärker ab- weichen, als es bei Helix der Fall war, wo sich ein- zelne Arten, aber in verschiedenen Varietäten, in beiden Schichten zugleich fanden, z. B. Helix osculum, phaco- des, subverticillus, pulchella, uniplicata. Hochheim hat mit dem Litorinellenkalke nur Pupa quadrigranata ge- mein, und bietet neben den Verwandten der ächt Süd- europäischen P. variabilis, conica und der über ganz Europa verbreiteten P. muscorum und minutissima nur Formen dar, welche mit azorischen Typen, P. millegrana Lowe, P. calathiscus Lowe und P. cheilogona id., ver- glichen werden müssen und diese zum Theil noch durch ihre eleganten Ornamente und bizarren Formen an In- teresse überbieten und neben diesen ganz entschieden tropische. Merkwürdig ist aber, zu sehen, dass gerade die grossen Formen Westindiens, z. B. P. mumia, uva u. a. nicht vertreten sind, wohl aber kleine mexika- nische und westindische Formen, z. B. P. barbadensis Pjeijf. durch P. didymodus Braun und fissidens San db., welchen auch die P. Nouletiana Dupuy von Sansan ganz nahe steht, und P. conoidea Neweomb durch P. mieroheliv Sandb., eine der elegantesten Pupenformen überhaupt. Der Litorinellenkalk beherbergt im Gegen- satze dazu nur eine Pupa von nicht europäischem Ty- pus, P. quadriplicata Braun, aber auch diese ist nicht mit einer tropischen, sondern mit einer Art des mittleren Nordamerika verwandt. Pupa alloeodus Sandb. ver- tritt in dieser Ablagerung die europäische Gruppe der P. palustris Leach., Shuttleworthiana Charp. u. s. w. Es ergibt sich aus diesen Daten, dass zwischen der 79 Ablagerung des Landschneckenkalkes und der des Li- torinellenkalkes eine nicht unbedeutende Abnahme der Temperatur stattgefunden hat und auf dasselbe Resultat führt auch die Vergleichung der Clausilien der Aequi- yalente des Landschneckenkalkes und der des Litorinel- lenkalkes. Die Clausilia grandis Klein (mazima Gr a- teloup) und Cl. antiqua Schübl. gehören zur Ver- wandtschaft der Cl. Shanghinensis und pluviatilis aus China und javana aus Java, welche in (1. Terverü Mi- chaud aus der mioeänen Süsswasserbildung von Haute- rive im Dröme-Departement in ähnlicher Weise durch eine colossale Form (90 Millimeter Höhe) vertreten wird, wie diess bei der kleineren (1. bulimiformis des Litorinellenkalkes in Bezug auf die specifisch dalmati- nische Gruppe der bläulichen Cl. almissana, macarsca- rensis etc. der Fall ist. Es bleibt noch übrig, einige Worte über die Cyclo- stomaceen der Mainzer Schichten zu sagen. Sie zeigen in ebenso auffallender Weise neben einander tropische, azorische und europäische resp. mittelmeerische Typen, wie diess sich bei den seither geschilderten Heliceen ergab. Die einzige Landschnecke, welche in der Weinhei- mer Meeresbildung gefunden wurde, ist ein Leptopoma, mit ZL. halophilum von Ceylon verwandt, in Hochheim findet sich dann eine westindische Gattung Megalomastoma, neben ihr aber eine Azoren-Form, Craspedopoma utri- eulosum und zwei Mittelmeer-Typen, Cyclostomus bisul- catus und Pomatias labellum, während die Cyelotus-Arten des Eoeän und die westindischen Formen des Grob- kalks z. B. Cyclostoma mumia in den Hochheim äquivalen- ten Schichten nur noch durch Cyelostoma Köchliniamum Merian vertreten sind. — Doch ich will nicht weiter auf die Entwickelung dieses Gegenstandes eingehen, scheint mir doch der Beweis hinlänglich geliefert, dass die Vergleichung fossiler Landschnecken mit lebenden auf den ganzen Faunen-Charaeter und somit auch auf das muthmassliche Klima ein Licht werfe und meine Behauptung, dass der Character der Formen des Miocän einen Uebergang einer tropischen Formenwelt in eine gemässigten Zonen nahe stehende deutlich zeige, genug- sam begründet. Ich darf hinzusetzen, dass sich dieses Resultat weder mit den kritischen neusten Untersuchun- gen von Heer über die Tertiär-Flora, noch auch mit den Vergleichungen der fossilen Wirbelthiere mit leben- den in einem Widerspruch befindet und dass das end- liche Ziel der paläontologischen Untersuchung der For- men dieser geologischen Periode, die Darstellung eines klaren, lebendigen Bildes der Verhältnisse, unter denen sich dieses Leben ausbildete und veränderte, auf diesem Wege seiner Verwirklichung näher gerückt wird. 80 Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Herr Berghauptmann v. Carnall. Bergmeister Guembel von München sprach Ueber die Gleichstellung der Gesteinsmassen in den nordöstlichen Alpen mit ausseralpinischen Flötzschichten. Wenn die Alpen in ihren grossartigen und gewaltigen Gestaltungen den Naturfreund, der sich nur an der äusseren Schönheit des Gebirgs erfreut, mit unwider- stehbarer Gewalt anziehen und fesseln, mit welch’ er- höhtem Interesse und mit welch’ gesteigerter Begeiste- rung muss es da den Forscher erfassen, welcher, wenn auch nicht unempfindlich gegen diese Reize, über diese hinaus mit schärferen Augen nach den innern Bedingungen des Gebirgsaufbaus und nach der in Stein- schrift untrüglich eingezeichneten Geschichte der Erd- feste seine ernsten Fragen richtet. Seitdem die Gebirgsforschung auf deutschem Boden aus bescheidenem Keime entsprosst, sich zum gewaltigen Baum der Wissenschaft über alle Länder auszubreiten begann, zog der begeisterte Drang Meister und Schüler hin zu den schneeigen Bergen, voll Begierde und innerem Drang, die grossen Räthsel der Alpennatur in ihren kühngestalteten Felsmassen zu lösen. Diesem unermüd- lichen Feuereifer verdankt die Wissenschaft die grossen Erfolge, welche bald über die verwickeltsten geognosti- schen Verhältnisse der Alpen glänzende Siege davon trugen. Aber gleichwohl blieb noch Manches in tiefe Dun- kelheit gehüllt, vornehmlich in den nordöstlichen Alpen, und es war den verhältnissmässig neuesten Zeiten vor- behalten, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Seit- dem auch hier unser grosser Meister v. Buch, dessen Bild und Vorbild uns allen in tiefster Seele unauslösch- bar haftet, ein Verständniss angebahnt hatte, indem er in jenen Schiefergebilden an der Maxhütte bei Bergen eine dem ausseralpinischen Lias gleichste- hende Gesteinszone sicher erkannte, betheiligten sich an der Erforschung dieses Alpengebiets mit vielen an- dern, vorzüglich Graf v. Münster, Lill v. Lilien- bach, Emmrich, Studer, Escher, Merian, Schafhäutl und unsere Freunde in Wien, welche mit vereinten Kräften und in glück- lichster Eintracht, nur den grossen Sieg vor Augen, weite Strecken der Alpen im Sturm der Wissenschaft eroberten. So berührten sich die Ergebnisse unermüdlicher Forschungen von Westen, wo schon längst die ausge- zeichnesten Geognosten der Schweiz die Verhältnisse bis in’s Einzelne erforscht und in’s Klare gebracht hatten, und von Osten her, von wo die österreichischen For- schungen vordrangen, in den Gebirgen des nördlichen Tyrols und südlichen Bayerns. Hier ward auch mir ein bescheidener Antheil an der glücklichen Lösung der Differenzen, welche zwischen den Forschungen in der Schweiz und in Oesterreich sich ergaben, und welche auf sehr befriedigende Weise sich ausgleichen lassen. Indem ich nun einige meiner Beobachtungs-Ergeb- nisse mittheile, hoffe ich wenigstens einen kleinen Bei- trag zu einem bessern Verständnisse der Alpenverhält- nisse zu liefern, welche durch fremdklinzende Bezeich- nungen der Gesteinsschichten und übertriebene Vorstel- lungen von Lagerungsstörungen Manchem verwickelter und unklarer vorkommen, als sie in der That sind. Meine Absicht ist daher besonders jetzt darauf ge- richtet, die eigenthümlichen Schiehteneomplexe in den NO.-Alpen mit ihren dem ausseralpinischen Forscher oft fast barbarisch klingenden Namen mit parallelen Formationsgliedern ausserhalb der Alpen zu vergleichen und ihre gegenseitige Gleichstellung nachzuweisen. Vergeblich scheint sich auch der ausdauerndste Gebirgsforscher in den Alpen abzumühen, wenn er seine Untersuchungen hier mit der Hoffnung beginnt, alle die Schichten wiederzufinden, welche ihn etwa die schwäbische Alp oder die Trias Frankens erkennen liessen. Ungeheure Massen von Kalk und Dolomit thürmen sich in stets gestörten Schichtenlagen neben und über einander zu jenen colossalen Gebirgsmassen auf, welche an sich durch ihre schwierige Zugänglich- keit der Forschung vielfache Hindernisse in den Weg legen. Das Gestein erinnert zunächst an jurassische Formationen. Aber wo sind die dieser Formation eigenthümlichen, sonst so häufigen Versteinerungen? Diese sind in den Alpen selten, und vornehmlich in den kalkigen Massen fast verschwunden. Findet man aber auch Petrefacten, so tragen sie ein so eigenthüm- liches Gepräge an sich, dass sie mit ausseralpinischen selten als identisch erkannt werden können. Oftmals sind auch identische Arten vorhanden, aber mit fremden Formen derart vergesellschaftet, dass der Gesammt- eindruck eine Gleichstellung mit bekannten ausseralpini- schen Schichten nicht zu gestatten scheint. So fühlt sich der Geognost in den Alpen zuerst fremd, und von seinen mitgebrachten Erfahrungen verlassen, wird es ihm in den verschlungenen Felslabyrinthen unheimlich, in denen er mit jedem Schritt und Tritt unbekannten Gestalten begegnet. Glücklich, wem es gelingt, fern von allen vorge- fassten Meinungen, seine Studien in den Alpen so zu beginnen, als ob er hier eine neue Ordnung und Reihen- folge des auch in den Alpen unumstösslich geltenden, gesetzmässigen Aufbau’s der geschichteten Erdrinde, un- bekümmert um die Reihenfolge und um die Namen der Schichten, die da draussen aufgestellt wurden und zur Geltung gelangt sind, sich neu schaffen müsse. Auf diesem Wege gelangt er bald zu gesicherten Resultaten, und er- muthigt durch immer neue Erfolge im Erkennen der regel- mässigen Aufeinanderfolge verschiedener Glieder, wird es ihm bald im Weiterstreben gelingen, sich tiefe Einsicht in den kühnen Bauplan der Alpen zu verschaffen, der nach strengster Ordnung hier ebenso wie in den ausser- alpinischen Gebirgen herrscht. Es ist daher nicht nur verzeihlich, es ist sogar notlıwendig, dass der Alpen- geognost, sobald er feste Horizonte und regelmässig wiederkehrende Glieder gefunden hat, diese vorerst bis zur bestimmten Gleichstellung mit gleichalterigen, ausseralpinischen Etagen mit Namen belegt, welche, wenn auch fremdartig klingend, doch an sich die gleiche Berechtigung der Existenz besitzen, wie die Namen ausserhalb der Alpen, die oft ursprünglich auf gleiche Weise aufgetaucht, erst später allgemeinere Geltung gewonnen und allgemein angenommen wurden. Es scheint daher zweckdienlich, anstatt grosser Weit- schweifigkeiten und Auseinandersetzungen, neue Dinge, so lange sie neu scheinen, mit besonderm Namen zu belegen, und erst dann die angenommene Bezeichnungs- weise gegen die schon bestandene umzutauschen, wenn die Uebereinstimmung hinlänglich sicher gestellt ist. Wie sonderbar klingen nicht die Namen, welche dem Gebirgsforscher in den Alpen so geläufig geworden sind? Da hören wir von Dientener Schiefer, von Wer- fener Schichten, von Verrucano, von Guttensteiner Kalk, von Partnachsehichten, von Halobienschiefer, von Hall- stätter Kalk, von Wettersteinkalk, von St. Cassianer Schichten, von Raibler und Cardita-Schichten, von Gervillien-Kössener Schichten und von oberem St. Cas- sian, von Dachsteinkalk, von Megalodonkalk, von Adnether und Hierlatzer Kalken, von Algäuschichten, Amaltheen-Fleckenmergel, von Auerkalk, von Vilser Kalk, von Klausschichten, von Plassenkalk, von St. Veit- Schichten, von Wetzsteinschichten, von Rossfeldschichten oder Neocom, von Kaprotinen-Kalk, von Turriliten- grünsand, von Sentisgrünsand, von Sewenkalk, von Sewenmergel, von Orbitulitenschichten, von Urschelau- und Gosau-Gebilden, von Flysch- und Wiener Sand- stein. Keiner dieser Namen ist bis jetzt auf Gesteins- schichten ausserhalb den Alpen übertragen oder von denselben entlehnt worden. Von allen diesen alpinischen Gesteinsarten ist die Reihenfolge ihrer Aufeinanderlage- rung unter sich eben so fest hergestellt, wie etwa jene des Lias @, ß, 7} d ete. Diess ist eine der grossartigsten Errungenschaften der neuesten Alpendurchforschung. Es entsteht nun zunächst die Frage, wenn diese Auf- einanderfolge der verschiedenen Schiehteneomplexe in den Alpen so bestimmt ermittelt ist, welchen ausseralpi- nischen Zeitäquivalenten im Ganzen oder Einzelnen diese Glieder gleichstehen? Nach und nach erwiesen sich einzelne, in den Alpen durch geoteetonische, petro- graphische und paläontologische Verhältnisse bestimmte und abgegrenzte Gesteinsschichten als identisch, z. B. mit Muschelkalk, Lias, Jura, Neocomien, Gault ete. Hat man einmal einzelne sichere Horizonte gleich- alteriger Gebilde in und ausserhalb der Alpen durch sl die Identität der eingeschlossenen Petrefaeten gewonnen, so müssen die eingelagerten Zwischenglieder sich dieser Ordnung fügen, und zwar um so genauer, je mehr einzelne entsprechende Horizonte aufgefunden werden. Auch hierin hat die Alpengeognosie in der letzten Zeit bedeutende Fortschritte. gemacht, und ich glaube, dass sie bereits auf dem Punkt angelangt ist, von den bisher nothwendig gewesenen, eigenthümlichen Bezeich- nungsweisen der Alpengesteinsetagen auf solche dem allgemeinen System entnommenen überzugehen. Meine Aufgabe soll es nun zunächst sein, nachzu- weisen und zu begründen, dass sie hierzu bereits be- berechtigt ist. — Ich will zu dem Zwecke versuchen, wenn auch nur im raschen Fluge diejenigen Gebilde namhaft zu machen, welche sich am Aufbau der NO. Alpen betheiligen, und für jedes derselben diejenige Stellung näher zu bezeichnen, welche es mit ausser- alpinischen Gesteinsschichten in gleiche Parallele ein- reiht. An den Nordrand des aus erystallinischem Gestein vorherrschend bestehenden Centralstocks der Ostalpen lehnt sich bekanntlich eine ziemlich breite Zone von kalkigem Schichtgestein jüngeren Alters. Dieses vor- herrschend kalkige Randgebirg trägt daher häufig den Namen „Kalkalpen“. In dem Theile des NO. Randgebirgs, von dem ich hier spreche, in jenem zwischen Rhein und Salzach nämlich, tritt das Phyllit- oder Urthonschiefer-Gebirg des Alpencentralstocks in grosser Breite an das jüngere Flötzgebirg heran, und schliesst mit Ausnahme eines kleinen Fleckes petrographisch fast nicht unterscheid- baren, aber versteinerungführenden Schiefers bei Dien- ten (daher Dientener Schiefer), welche v. Hauer schon längst als ächt silurische erkannt hat, alle weitere Anlagerungen jüngerer Gesteinsarten aus, welche in den östlicheren Alpen durch die devonischen Schiefer (sog. Gratzer Schichten) und durch das Kohlenge- birg (Gailthaler Schichten) vertreten sind. Diese Alpensilurschiefer, wie man die Dientener Schich- ten zweckmässig nennen kann, bilden mit Phyllit im Osten und mit Glimmerschiefer und Gneiss im Westen den ziemlich nach der OW. Richtung verlaufenden Nordrand der Centralalpen. I. Alpenbuntsandstein oder Werfener Schichten. An diese Centralmassen legt sich zunächst ein vor- herrschend sandiges, rothgefärbtes Schichtgestein an, welches vom Rhein bis zur Salzach fast ununter- brochen als Unterlage der Gesammtkalkalpen fort- streicht. Von seiner reichen Entwicklung bei Werfen erhielt es den Namen Werfener Schiefer. Seine petrographische Beschaffenheit lässt eine grosse Aehn- lichkeit mit Buntsandstein nicht verkennen; und schon Murchison zählt es diesem zu, aber ohne festere Begründung, so dass Professor Schafhäutl diese Bildung bei Berchtesgaden wieder mit seinen rothen (jurassischen) Hornsteinschichten vereinigen konnte, mit denen es allerdings die rothe Farbe gemein hat. Neuer- 11 82 dings rechnen die Oesterreichischen Geognosten diese Schichten einstimmigzumBuntsandstein. Auch meine Beobachtungen führen zu demselben Ergebniss, sowohl bezüglich der Petrefactenführung als der Lagerung. Ausser den schon früher aus dem rothen Sandstein der Südalpen bekannten Myacites Fassaensis fand ich bei Berchtesgaden im rothen Sandstein und dessen dolo- mitischen Lagen, welche auffallend der versteinerung- führenden Schieht von Bubenhausen bei Zweibrücken und von Sulzbad oder von Culmain in der Oberpfalz gleichen: Myophoria vulgaris, Lingula tenuissima, Mya- eites elongatus, Avicula Albertü. Diese Einlagerungen, im Zusammenhalt mit der Thatsache, dass dieses rothe Sandsteingebilde constant und gleichförmig unter einem Kalke gelagert ist, der dem Muschelkalk gleichsteht, weisen den W er- fener Schichten mit Bestimmtheit ihre Stellung als tiefste Trias zu; ich schlage daher dafür die Be- zeichnung „I. Alpenbuntsandstein“ vor. Ganz, wie ausserhalb der Alpen der Röth, um- schliessen seine thonmergeligen Schichten im Hangenden grosse Stücke von Gyps und Steinsalz (Salzkammergut, Berchtesgaden), während in tiefen Schichten ein grobes Conglomerat sich zeigt, das man dem Verrucano der Südalpen verglichen hat. Wir haben sohin in den Alpen nicht nur deutlich die Formation des Buntsandsteins, sondern sogar auch dessen zweifache Gliederung, in den ächten Bunt- sandstein (mit Verrucano) und in den Röth (Hasel- gebirg) mit Gyps und Steinsalz-Einlagerungen. II. Alpenmuschelkalk oder Guttensteiner Schichten. Ueber dem Alpenbuntsandstein lagert eine abge- grenzte Schicht kalkigen Gesteins von intensiv dunkler Farbe, mergeliger, zuweilen oolithi- scher, öfters dolomitischer Beschaffenheit, wel- chem die Wiener Geognosten den Namen Gutten- steiner Schichten gaben. Ich fand bei Berchtesgaden in den unmittelbar über den gypsführenden Schichten des rothen Sandsteins folgenden wohlgeschichteten Kalk- bänken: Terebratula vulgaris, Enerinus lliformis, Avicula socialis, und in Gesellschaft von H. v. Hauer in den von diesem Alpengeognosten als unzweifelhafter Gut- tensteiner Kalk anerkannten Schichten bei Reutte im Lechthal ausserdem noch Spiriferina Mentzeli. Die Parallele mit Muschelkalk ist demnach sicher gestellt. II. Alpenkeuper. Durch den ganzen Zug der NO. Alpen erhebt sich über der eben beschriebenen untern Alpentrias ein un- geheuer mächtiges Kalkgebilde mit Zwischenlagen von Mergelschichten und einzelnen schwachen Sandstein- bänken, in welchen wir der Ordnung gemäss den Keuper vermuthen müssen. In der That bestätigt sich diess vollständig. Seit der gründlichen Arbeit von Oppel und Süss, welche die Identität der in den Alpen weit verbreiteten sog. Kössener Schichten (Emmrich’s Gervillienschichten, Escher’s oberes St. Cassian) mit dem Bonebed des obersten Keupers schlagend nachge- wiesen haben, kann darüber kein Zweifel mehr sein, dass diejenigen Gesteinsmassen, welche in den Alpen unter diesen dem Bonebed gleichstehenden Kössener Schichten und über dem Alpenmuschelkalk (Gutten- steiner Kalk) lagern, Zeitäquivalente des Keupers (mit Einschluss der Lettenkohlengruppe) und etwa noch des obersten Muschelkalks sein müssen. Man unterscheidet in den Alpen in dieser Zwischenlage, welche ungeheure Mächtigkeit besitzt, von unten nach oben folgende Etagen: 1) Partnachschichten; 2) Hallstätter- und Wettersteinkalk; 3) AechtesSt. Cassian undRaiblerSchich- ten; 4) Gyps mit Rauhwacke; 5) Hauptdolomit der Alpen. Drüber folgt das Alpenbonebed. Auch in diesen einzelnen Gliedern gelang es, noch weitere, bestimmte ausseralpinische Keuperschichten zu erkennen. Schon länger waren in einem grünlich-grauen Sand- stein Voralberes und Nordtyrols Pflanzenreste bekannt, die auf Lettenkohlenschichten schliessen liessen. Ich erkannte in ihnen diejenige Schichtenetage, welche constant über dem Alpenmuschelkalk und unter dem Hallstätter Kalk vorkommt, die Partnachschich- ten, und entdeckte an einer Stelle in dieser deutlichen Stellung dieselben characteristischen Pflanzenreste, (Ca- lamites arenaceus Bron gn., KEquisetites columnaris v. Sternb., Pecopteris Stuttgardtiensis, Pterophyllum longi- Jolium und daneben Posidonomya minuta in den beglei- tenden Schieferschiehten. Dadurch ist es entschieden, dass die Partnachschichten in die Gruppe der Letten- kohle zu rechnen sind. Unter den übrigen Etagen zeichnet sich besonders die versteinerungsreiche von St. Cassian aus, welche in den Nordalpen als Raibler oder Cardita-Schicht über weite Strecken nachgewiesen ist. Auch für diese merk- würdige Bildung glückte es mir, ausseralpinische Aequi- valente aufzufinden. Ich erkannte erst jüngst in den gelben, dolomitischen und kalkigen Lagen, welche die Lettenkohlengruppe in Franken gegen oben begrenzen, einzelne Versteinerungen, welche für die Schichten von St. Cassian sehr characteristisch sind: Cardita crenata, Myophoria Whatelyae, Arca impressa, Myophoria Ke- ‚fersteini (pes anseris). Mit dieser Parallelisirung der St. Cassian-Schiehten stimmt auf’s Beste das Vorkommen von Gyps und Rauch- wacke, welche an sehr vielen Punkten der Alpen sich über der Cardita-Bank einstellen. Mit Leichtigkeit ordnen sich nun die sämmtlichen 6 Alpenkeuperglieder, nachdem darin 3 bestimmte Horizonte nachgewiesen sind: 1) Partnachschichten als Lettenkohlensand- stein der Alpen; 3) St. Cassian-Schichten als Lettenkohlen- Dolomit und Kalk der Alpen; run 6) KössenerSchichten als Bonebed der Alpen; und es müssen demnach 2) Hallstätter und Wetterstein-Kalk der mittleren Lettenkohlengruppe , 4) der Gyps mit Rauhwacke und 5) der Hauptdolomit dem mittleren und oberen Keuper verglichen werden. Da nun die grosse Selbstständigkeit der Alpenge- bilde, ihre besondere Mächtigkeit und ausgezeichnete petrographische Charactere es für die Alpengeognosie wünschenswerth erscheinen lässt, diese 6 Glieder des Alpenkeupers besonders getrennt zu halten, so schlage ich hierfür folgende systematische Bezeichnung vor: I. Alpenlettenkohlengruppe oder unterer Alpenkeuper. 1) Sandstein und Schiefer der Alpenlettenkohle (Part- nachschichten) ; 2) Unterer Alpenkeuperkalk (Hallstätter und Wetter- stein-Kalk) ; 3) Unterer Alpenmuschelkeuper (St. Cassianer und Raibler Schichten). I. Mittlerer Alpenkeuper. Gyps und Rauhwacke des mittleren Alpenkeupers; Hauptdolomit (Dolomit des Dachsteinkalks). III. Oberer Alpenkeuper. 6) Oberer Alpenmuschelkeuper (Kössener Schichten, Gervillienschichten, oberes St. Cassian, Dach- steinkalk). Die Gruppe, welche wir hier als Alpenletten- kohlen-Sandstein und Schiefer ausgeschieden haben, streicht in dem Gebirgszug vom Rheinthal an bis zur Isar und Inn in einem schmalen, aber immer sicher zu erkennenden Streifen fort; häufig enthält der Sandstein Pflanzenreste, wogegen der nicht sehr harte thonschieferartige Mergelschiefer nur sparsam kleine Muscheln in sich schliesst. Auf diese Bildung folgt der Hallstätter und Wetterstein-Kalk und Dolomit (von Eseno) in sehr bedeutender Mächtigkeit. Prachtvolle globose Ammoniten und die Monotis salinaria zieren das Ge- stein, welches sich selbst auf der höchsten Spitze der Bayerischen Kalkalpen, auf der Zugspitze, durch die Auswitterung der Jahrtausende aufgeschlossen, aus zahl- losen organischen Thierresten (Nullipora annulata Schafh.) zusammengesetzt erweist. Bereits stellt sich in diesem Gestein schon jene merkwürdige Muschel Megalodus triqueter Wulf., Meg. scutatus Schafh.) ein, der wir in höhern Schichten (Dachsteinkalk) so häufig begegnen. Ihr Vorkommen in so verschiedenem Niveau deutet auf die Zusammengehörigkeit der Schichteneomplexe, durch welche sie hindurchreicht. Erst mit den mergeligen Gebilden, welche den Hallstätter Kalk bedecken, gelangen wir in eine sehr versteinerungsreiche Region, welche sich vom Rheinthal bis zur Salzach nachweisen lässt, und daher einen sehr vortrefllichen Orientirungshorizont abgibt, in 83 die Schichten von St. Cassian nämlich. Die analogen Gesteinslagen dieser südtiroler Schichten fanden sich zuerst in dem irisirenden Muschelmarmor von La- vatschthal bei Innsbruck, später an zahlreichen Stellen stets erfüllt von characteristischen Versteinerungen, unter denen vorzüglich die Cardita erenata die erste Stelle einnimmt. Eine nur örtliche Erscheinung, wie ausserhalb der Alpen so auch innerhalb derselben, ist das Vorkommen von Gypsstöcken, in deren Begleitung zumeist mächtige Massen poröser Dolomite auftreten. Sie unterscheiden sich von jenen im obersten Buntsandstein dadurch, dass sie nur Spuren von Kochsalz ent- halten. Vorwaltend vor allen andern Gesteinsarten breiten sich die ungeheuren Felsmassen des Haupt- dolomits aus, auf den Bergrücken zu zackigen, wilden Spitzen ausgenagt, auf den Gehängen theils in nackten, von schauerliehen Gräben durchzogenen Schrofen an- stehend, theils zu sanften Abdachungen abgewittert. Das von zahllosen Klüften durchzogene, meist dünn- schiehtige Gestein ist eine leichte Beute der Zerstörung, und erst in seinen oberen, mehr kalkigen und daher weniger zerklüfteten, wohlgeschichtetenBänken, mit welchen es an die weichen Mergelschichten des aufgelagerten oberen Muschelkeupers stösst, gewinnt es grösseren Halt. In den eigentlichen Dolomitschichten sind höchst selten einzelne Dachsteinbivalven sichtbar ; das Gestein ist der Hauptsache nach versteinerungsleer. Nur einzelne ihm eingelagerte, asphalthaltige, bitumöse Schiefer umschliessen Fischreste und Pflanzentheile. Die hangendsten, kalkigen Schichten beginnen bereits einzelne Species kleiner Schneckenarten (Melanien) in zahllosen Massen zu beherbergen. Um eine Stufe höher gelangen wir in die schmale Mergelschiehten-Zone, welche Emmrich zuerst in den AlpenalsG@ervillienschichten kennen lehrte. Die Wiener Geognosten nannten diese Bildung Kösse- ner Schichten, und theilten dieselbe dem Lias zu. Für uns, welche das Bonebed noch dem Keuper zu- rechnen, gehört auch diese versteinerungsreiche Ge- steinsschicht der Alpen noch dem Keuper selbst an. Vergleicht man übrigens die Versteinerungen dieser Etage mit jener des Lias, so ergibt das Resultat, dass von der grossen Anzahl derselben kaum einige *) identisch mit jener des Lias sind. Dagegen kehren mehrere Formen wieder, welche bereits in dem untern Muschel- keuper sich eingestellt haben. Diese Verhältnisse trennen den oberen Alpenmuschelkeuper vom Lias und verbinden ihn mit den übrigen Etagen des Alpenkeupers. Aber mit diesen Mergelgebilden ist der ganze Cyclus des Alpenkeupers noch nicht erschöpft. Auf’s Engste verbindet sich mit dem oberen Alpenmuschelkeuper als eine obere Abtheilung dieser Etage eine Kalkbank, welehe im Westen zuerst als gering-mächtige graue Kalkschicht, erfüllt von den Dachsteinbivalven (Mega- lodus triqueter = scutatus) und Lithodendren (dichotomum), *) Spirifer Münsteri, Ammonites planorbis. 11? 84 von Escher über der sog. Gervillienschicht beobachtet wurde. Indem sich die Kalkbank ostwärts durch die Alpen fortzieht, gewinnt sie stellenweise und zusehens nach Osten zu an Mächtigkeit und erhebt sich endlich zu jenen ungeheuern Felsmassen, welche das Plateauge- birg der Salzburger Alpen beherrschen. Fast sämmt- liche, häufigere Versteinerungen des oberen Muschel- keupers der Alpen kehren in dieser Kalklage wieder, daher sie auf’s Engste mit jenen zusammengehalten werden muss. Die Mächtigkeit und Selbstständigkeit dieser obersten Keuperschichten in den Alpen scheinen darauf hinzu- führen, eine eigene Zwischeneruppe oder Formation zwischen Lias und Keuper einzulegen, welche in den Alpen grossartig entwickelt, ausserhalb der Alpen nur durch geringe Gesteinslager repräsentirt wäre. Wollte man diesem Gedanken Raum geben, so könnte man die Kössener Schicht mit dem Dachsteinkalk etwa als rhaetischeFormation ausscheiden und bezeichnen. Wir können die Alpentrias nicht abschliessen, ohne jener merkwürdigen, kohlenreichen und mit Pflanzen- resten erfüllten Alpengesteinsschichten, welche den Na- man Grestener Schichten tragen, gedacht zu ha- ben. Die Pflanzen besitzen eine auffallende Aehnlich- keit mit jenen des obersten Keupers von Franken, wenige Fusse unter dem Bonebed, welche bei Strullendorf, am Patersberg, an der Theta und Phantasie bei Bay- reuth in so wundervoller Erhaltung gesammelt wur- den; mehrere Formen sind sogar identisch. Nun liegen die Grestener Schichten nahe in gleichem Niveau mit den Kössener Schichten, wie m Franken die Pflanzen- schicht bei dem Bonebed, so dass also auch diese bei- den Schichten in- und ausserhalb der Alpen nahe auf gleichem Horizonte vorkommen und als Aequiva- lente sich ansehen lassen. Die mit den Grestener Pflan- zenresten angegebenen Thierreste scheinen nicht ei- gentlich dem Pflanzenlager zu entstammen, sondern hangendem, petrographisch fast gleichen, liasischem Mergelschiefer. Alpenlias. Wir gelangen nun über dem Dachsteinkalke zu Ge- bilden, welche schon längst und allseitig als Aequiva- lente des Lias erkannt wurden, so abweichend auch ihre Gesteinsbeschaffenheit ist. Die sogenannten Adne- ther rothen Ammonitenkalke, der lichtrothe und weiss- liche Hierlatzer Kalk, und endlich die Fleckenmergel (Algäuschichten) sind ihren Versteinerungen nach un- zweifelhaft liasische Schichten. So gesichert diese Parallelisirung, so schwierig ist die Gliederung des Alpenlias nach den verschiedenen, ausser- alpinischen Etagen dieser Formation, indem die merk- würdige Thatsache in den Alpen sich festzustellen scheint, dass die Vertheilung der Thierreste keine so bestimmte in verschiedene Zonen geordnete sei, wie in Mittel- Europa. Man sah sich zu der Annahme gedrängt, dass einzelne Formen des oberen Lias mit denen des unteren und mittleren in einem Horizont beisammen sich finden, z. B. Ammonites radians mit Amm. Maugenesti, lineatus und mit Amm. rotiformis und spiratissimus. Nicht in allen Fällen können wir diese Abweichungen wegräumen, oft jedoch trägt Schuld an dieser scheinbaren Vermengung die petrographisch höchst ähnliche Beschaffenheit des Gesteins, weches sich in Schutthalden, aus denen die meisten Versteinerungen zusammen gesammelt werden, bunt durch einander mischt. So viel muss aber in den Alpen zugestanden werden, dass eine gleichexacte Glie- derung, wie in Mitteldeutschland, auch nicht annähernd bis jetzt vorgenommen werden kann. Bis jetzt unter- schied man im Alpenlias 3 Schiehteneomplexe, und zwar nach der Verschiedenheit der peirographischen Gesteinsbeschaffenheit, als 1) dunkelrothes, Ammoniten führendes Kalkgestein, Adnether Schichten; 2) lichtrothen bis weisslichen Ammoniten führenden Kalk, Hierlatzer Schichten; 3) grauen, fleckigen Kalk und Mergelschiefer — Fleckenschiefer und Algäuschichten. Nach dem Urtheil des competentesten Kenners der Alpenverhältnisse F. v. Hauer stehen diese verschie- denen Schichtengruppen zu einander nicht wie über oder unter einander geordnete, verschiedenalterige Etagen, sondern weit mehr neben einander als gleich- alterige Gesteinsnüaneirungen. Gewöhnen wir uns an diese höchst merkwürdige Eigenthümlichkeit des Alpen- Lias, in den verschiedenartigsten Gesteinsnüancen eine und dieselbe Etage darzustellen, und umgekehrt auch in einer sehr ähnlichen Gesteinsart die verschiedensten Etagen in sich vereinigen zu können, so finden wir bald die richtige Spur einer Gliederung der Gesammtetage, die, wenn auch nicht vollständig analog der mitteleuro- päischen Entwicklung, so doch annähernd derselben sich parallel stellt. So finden wir, dass die sogenannten Ad- netherschichten an einer Stelle den Alpenlias von seinen tiefsten bis höchsten Schichten repräsentiren, d. h. der Lias ist hier in Form von rothem Kalk, und nach oben von rothem mergeligen Schiefer entwickelt, während an einer anderen Stelle die sämmtlichen Schichten von der ältesten bis zur jüngten eine graue Farbe behalten. In Regel jedoch zeigen sich die unteren Glieder vorherr- schend roth, die oberen vorherrscehend grau. An den Stellen, wo der Alpenlias ganz in seinen rothen Facies entwickelt ist (wie z. B. an der Kammer- kahr bei Unken), lässt sich bei sorgsamen Studien, so ähnlich auch die tiefste und die höchste Schichtenlage nach petrographischer Beschaffenheit ist, doch bemerken, dass in verschiedener Höhenlage auch ver- schiedene Species der organischen Einschlüsse nach und nach sich einfinden. Zu unterst lagern z. B. an der ge- nannten Stelle rothe, diehte Kalkbänke mit 'Thalassiten (Cardinia coneinna); höher kommen rothe Kalke mit Angulaten (Amm. Charmassei und Moreanus) und Arieten; ohne dass sich die Gesteinsbeschaffenheit wesentlich än- dert, folgen dann Schichten mit Amm. raricostatus, Mau- genesti, Valdani, heterophyllus und Terebratula rimosa ; bis zu oberst jene weicheren, mehr thonreichen Lagen (ebenfalls hier rothgefärbt) sich einstellen, welche Amm. radians, bifrons, fimbriatus in zahlreichen Exemplaren umschliessen. Doch will damit nicht behauptet werden, dass keine der genannten Species nicht auch höher oder tiefer gehe, vielmehr scheint diess in der That statt zu finden, und in den Alpen die Grenzen einer Species weniger eng gezogen, als in mitteleuropäischem Lias. An andern Stellen der NO.-Alpen zeigt die graue Ge- steinsfacies des Lias ganz analoge Verhältnisse der Ver- theilung characteristischer Versteinerungen ; immer neh- men die Schichten mit vorherrschenden Angulaten und Arieten die tiefste Lage ein, während jene mit Amm. radians den Schluss liasischer Schichten nach Oben ausmachen. Diese 'Thatsachen erfordern mit Nothwendigkeit, dass wir bei einer Gliederung des Alpenlias von der petrographischen Gesteinsbeschaffenheit vollständig ab- sehen müssen und nur von ‚paläontologischen und La- gerungs-Verhältnissen uns leiten lassen dürfen. Wir können nach diesen Prineipien dann auch in den Alpen unterscheiden: 1) Unterer Alpenlias, vorherrschend dunkel- rothe, plattige, oder lichtrothe, massige Kalke, seltener, graue dünnschichtige, fleckige Mergelkalke mit vorwal- tenden Angulaten und Arieten. 2) Mittlerer Alpenlias, vorherrschend graue, fleckige, sehr dichte Mergelkalke, selten rothe thonige Plattenkalke mit Amm. raricostatus, Valdani ete.; vor- züglich Amm. Amaltheus, Terebratula rimosa und Belemni- tes pazillosus. 3) Oberer Alpenlias, constant dünnschiefriges, mergeliges, oft stark Eisen- und Mangan-haltiges Ge- stein, weitvorherrschend grau, nur selten rothgefärbt mit Amm. radiams, fimbriatus, bifrons; Inoceramen und zahlreichen Fucoiden (Posidonomyenschiefer ähnliche Mergelschiefer). Bis jetzt konnte es noch nicht gelingen, weitere Un- terabtheilungen in diesen 3 grossen Etagen auszuschei- den, wozu genauere Detailstudien mit der Zeit zweifels- ohne auch noch führen werden. Die Adnether, Hierlatzer - und Fleckenmergel- Schichten liefern jede für sich zu allen 3 Hauptetagen einzelne Glieder und es können daher diese Bezeich- nungsweisen durchaus nicht gewählt werden, um eine bestimmte Liasetage dadurch näher zu bestimmen, son- dern sie dienen nur für die Benennung einer bestimmten, örtlichen Entwicklungsform des Alpenlias. Alpenjura. Wenn der Anblick eines so colossalen Kalkgebirgs, wie sich die NO.-Alpen den Blicken darstellen, mit ihren blendend weissen Felsmassen, und zackigen Spitzen, fast unwillkürlich zur Vermuthung hindrängt, dass in diesen Kalkablagerungen die Gesteine des weissen Jura entwickelt seien, so sehen wir uns bei näherer Betrach- tung sehr stark getäuscht, indem eines um das andere dieser Kalkgebilde in ältere Formationen bereits einge- reiht wurde, und weiter der grössere Rest weisser Al- penkalke, die ausserdem vorkommen, der unteren Kreide zugetheilt werden muss. Nur stellenweise breiten sich in den Alpen über dem 85 Lias gelagert, und unter dem Neocomien schüchtern zu Tag tretend, einzelne Gesteinsgruppen von sehr abwei- chendem petrographischen Character aus, welche nach ihren organischen Einschlüssen dem mittleren und oberen Jura gleichzustellen sind. Mit Ausnahme einer einzigen Etage dieser jurassischen Gebilde beschränkt sich das Vorkommen nur auf einzelne Localitäten, nach denen man in der Regel diese Schichten benannte. In den westlichen Theilen der NO.-Kalkalpen fin- den sich: 1) Vilserkalk, ein weisser, oft röthlicher, dichter Kalk mit eigenthümlichen*) Juraterebrateln, unter denen Eihynchonella phaseolina, Ih. spinosa, Rh. concinna für eine Gleichstellung mit dem Grossoolith (Bathonien) sprechen. 2) Auerkalk, ein thoniger, dunkelgrau gefärbter Kalk mit Ammoniten, welche denselben den Kelloway- Schichten oder der Basis der Oxfordthone anreihen; er findet sich nur an einer Stelle im Bregenzer Wald. 3) Rother Jurakalk vom Haselberg scheint nur eine rothgefärbte Facies des Vorigen zu sein, und ent- spricht ebenfalls ungefähr den Schichten des oberen Callovien. Seine Verbreitung beschränkt sich auch auf eine sehr kleine Fläche des Hochgebirgs. 4) Zinkenkalk im Berchtesgadischen vorkommend, mit verkieselten, undeutlichen Corallenresten, scheint den höheren Etagen anzugehören und nur die 5) Bunten Juraaptychen-Schiefer— kalkig- kieselige, hornsteinreiche, dünnschieferige Gesteine voll Aptychen und mit einzelnen Belemniten, sonst ohne Ver- steinerungen — werden über grössere Strecken ausge- breitet gefunden, und gewinnen auch desshalb grössere Wichtigkeit, weil ein Theil des Gesteins in grossartigen Brüchen zu Wetzstein verarbeitet wird. Soweit die Ap- tychen und die constant höchste Lage über alle anderen Juraschiehten der Alpen einen Ausschlag geben, dürfen wir sie als Zeitäquivalente des Oxfordthons ansehen. Die geringe Verbreitung, die geringe Mächtigkeit und der grosse Mangel an Versteinerungen in den Al- penjuraschichten wirken zusammen, dass die Alpen- Geognosie über diese Formation die wenigsten Auf- schlüsse zu geben vermag. Es ist das eine mit der grossartigen Entwicklung des Alpenkeupers contrasti- rende Erscheinung. Kreideformation. In einen prachtvoll entwickelten Schichtencomplex treten wir mit dem beginnenden Neocomien ein. Die Verhältnisse, welche diese Etage und die an dieselbe sich anschliessenden des Kaprotinenkalkes, des Gault- grünsands, des Sewenkalks und Mergels zeigen, sind von den Schweizer Geognosten so meisterhaft be- schrieben, dass hier nur noch Weniges zu sagen übrig bleibt. Sie sind über einen grossen Theil der Alpen ostwärts vom Rhein in gleich schöner Entfaltung zu beobachten wie westwärts desselben. Zu unterst lagern, wie das herrliche Profil von Canisfluhe zum hohen *) Tereb. ascia, pala, antiplecta v. B. 86 Glockner lehrt, jene von Desor abgegliederte Schichten (Valenginien), welche vorherrschend aus dunkelfarbigem, sandigem Mergelschiefer und chloritischen Kalkbänken zusammengesetzt sind. Drüber folgen jene mergeligen, lichtfarbigen, glasartig spröden Kalkbänke voll Aptychen (Apt. Didayi) und Crioceras. Sie bilden den Untergrund, auf welchem sich die ungeheuer mächtigen Mergel- schichten des Spatangenkalks erheben (Neocomien). Eine mächtige Bank weissen, oft oolithischen Kalks wölbt sich, den Bau gleichsam schliessend, darüber hin, von unendlich zahlreichen Schratten durchzogen und erfüllt von Caprotina ammonia — daher Schratten- oder Caprotinenkalk (Urgonien). Fast unzertrennlich damit verbunden findet sich stellenweise eine Kalklage ganz aus Orbitulina lenticularis zusammengesetzt und das schwache Vorkommen von Aptien andeutend, so dass der Schrattenkalk Urgonien und Aptien zugleich um- fasst. Noch höher beginnt das Albien mit seinen Grün- sandsteinbänken. Die Neocomgebilde lassen in ihrem östlichen Fort- streichen durch die bayerischen und Tyroler Alpen höchst merkwürdige Verhältnisse erkennen, welche hel- les Licht auf einige noch unklare Beziehungen in Oester- reich werfen. Diese Gebilde verlieren vom Allgäu und Bregenzerwald aus ostwärts, noch ehe sie den Lech er- reichen, ihre oberen Schichtenreihen mitsammt dem Caprotinenkalk, wofür sich die unteren Lagen nament- lich die Aptychenschiefer um so kräftiger zu entwickeln beginnen. Zugleich scheiden sich die Neocomschichten mehr aus dem Hochgebirge aus und treten dem Flysch benachbart zum Gebirgsrande heraus. Bei Berchtes- gaden haben die Schichten des Neocomien sich nach und nach so umgestaltet, dass aus den unteren sandigen Lagen ein dem Flysch nieht unähnlicher Schichteneom- plex entsteht, in welchem jedoch das Vorkommen von lichtfarbigem Aptychenschiefer und von Ruinenmergel uns leicht und sicher orientirt; ausserdem sind aus die- sen früher Rossfeldschichten genannten Gebilden schon längst durch H. v. Hauer unzweideutige Neo- comversteinerungen nachgewiesen worden. Diese Flysch-ähnlichen, selbst Fucoiden führenden, aber durch Versteinerungen sicher als Neocomgebilde bestimmten Schichten bahnen uns die Brücke zum Ver- ständniss der unter den Namen Wienersandstein vereinigten Flysch- und Neocomschichten. Indem näm- lich das Neocomien in dieserFlysch-ähnlichen Um- gestaltung in den österreichischen Alpen an den Gebirgsrand heraustritt, und mit Flysch selbst unmit- telbar zusammenlagert, entsteht ein fast untrennbarer Schiehteneomplex, welchen die Wiener Geognosten als sogenannten Wienersandstein wegen der darin zwischen- gelagerten Aptychen-Schichtenzüge ungetheilt dem Neo- comien selbst zuweisen. Die ächte, eocäne Natur des Schweizer Flyschs ist sicher gestellt. Dieses alttertiäre Gebilde tritt von Westen her bis an die Salzach in un- veränderter Weise an die österreichen Alpen heran, der Taisenberg in Bayern ist dasselbe Gebirg, wie die Haunsberge in Salzburg, und zwar ächter Flysch; das 0) Hinübertreten eocänenFlyschs nach Oester- reich ist hier unzweifelhaft. Erst tiefer ostwärts schieben sich die eocänen Schichten streifenweise zwi- schen den Neocomien, wie letzteres bei Berchtesgaden vorkommt, und es ist anzunehmen, dass in dem Wie- nersandsteinim@Ganzen Partieen vonNeoco- mien, kenntlich durch die Aptychenmergel und Ruinenmarmore, neben und zwischen ächten eocänen Flysch gelagert, von dem- selben ummantelt und in grossen Schichten- falten umschlossen werden. Die über dem Neocomien ausgebreiteten mäch- tigen Kalkbänke, welche fest und eng verwachsen in den unteren oft oolithischen Lagen neben zahlreichen Corallen und Foraminiferen sehr häufig Rudisten (Capro- tinen, Hippuriten), in den obersten Orbituliten umschlie- sen, entsprechen zusammen der Etage des Urgonien und Aptien und tragen auf ihren mauerartig aufragenden Felsriffen zumeist noch eine Decke von Gaultgrün- sand. Dieser ist in seinen liegendsten Bänken licht- schmutzig weiss, in den hangenden grüngefärbt, und umschliesst in diesem neben Hornsten und Schwefel- kiesputzen zahlreiche Versteinerungen. Den Schluss dieser hervorragenden Felsriffe macht die schwache Decke eines flaserigen, weissen oder röth- lich gefärbten Kalkes, des Sewenkalkes, indem mit dem diesem aufgelagerten weichen Mergelschiefer das Terrain sich wieder abzurunden beginnt. Der enge An- schluss dieser zwei zuletztgenannten Gebilde an den Gaultgrünsand spricht für deren Einreihung in dieselbe Etage der mittleren Kreide (Albien), obwohl direete paläontologische Momente fehlen, diese Vermuthung zur Bestimmtheit zu erheben. Doch tritt ein Umstand ein, der für diese Auffassung spricht. Es begrenzen sich nämlich an einer Stelle die Gebiete, in welchen Sewenmergelund jüngere Kreide (Gosauschich- ten) getrennt neben einander vorkommen, ohne sich als identisch zu erweisen und ohne in einander überzugehen. Diess spricht für ein. verschiedenes Alter beider Abla- gerungen, und da das Cenoman in den Alpen zu fehlen scheint, die Gosauschichten dem Turonien entsprechen, so wird der Sewenmergel als ältere Bildung auch hier- durch dem Albien nahe gerückt. In stets von den Verbreitungsgebieten der eben be- sprochenen ältern Kreidebildungen getrennten Räum- lichkeiten breitet sich eine reiche Reihe von Con- glomeraten, lichtfarbigenCorallen- undRu- distenkalken, und weichen, gelblich-grauen oder schmutzig-rothen Mergelschiefern aus, welche als Gosaugebilde bekannt sind. Sie reichen von den Ufern der Wertach durch den Zug der ganzen NO.-Alpen und lehnen sich an dem berühmten Kuh- hornfelsen oder der Nagelwand (voll Hippurites cornu vaccinum) an den Untersberg, während sie anderseits bei Imst bis zum Gipfel des Mutterkopfes (8500), wo ich diese Bildung zuerst entdeckte, emporragen. Bei Muhgolding gehören Emmrich’s Orbituliten aus Ur- schelauschichten gleichfalls hierher, und damit zu jener Kreideetage, die neben Cenoman vorherrschend Turon- Versteinerungen umschliesst. Die Kreidegebilde der Alpen ordnen sich also in folgender Weise: 1. Valenginien u. Aptychenschichten und Spatangen- Necomien. Kalk. 2. Urgonien und | Schratten-, Cageotinen - oder Ru- Aptien. \ distenkalk. 3. Albien. ? Sewenkalk. a. Gaultgrünsand. ? Sewenmergel. 4. Turonien (mit | Gosauschichten, Orbituliten oder Cenomanien). ) Urschelauschichten. Wir eilen zu den Tertiärbildungen und zwar zu- nächst zu den sogenannten Nummulitenschichten, welche wie die sie im Hangenden begleitende, den Al- pen eigenthümliche Gesteinszone „Flysch“ zur Eocän- Formation gehören. Der Widerspruch Einzelner, dass namentlich die Nummulitenschichten am Kressenberg aus der eocänen in die Kreideformation versetzt werden müssten, beruht auf der Behauptung, dass mit Num- muliten zugleich einige Species vorkommen, welche identisch mit Versteinerungen der Kreideformation seien. Zählt man richtig und rechnet man nicht neue, dieser Nummulitenlocalität eigenthümliche Species als für die Kreideformation bezeichnend mit, so beschränkt sich diese für die Kreide characteristischen, auch in den Nummulitenschichten Südbayerns zugleich vorkommende Ueberreste auf nur wenige Arten. Was sind diese im- mer nur unsicher mit Kreidespecies identificirte Ein- zelheiten gegen die grosse Majorität ächter Eocänfor- men? Sie können die eocäne Natur der Nummuliten- Schichten nicht in Frage stellen. In dem den Nummu- liten führenden Gebilden constant und gleichförmig auf- gelagerten Flysch haben wir sehr wahrscheinlich ein Zeitäquivalent des französischen Parisien d’Orb. Wir treten nun nach und nach immer näher zu dem äusseren Gebirgsrande der Alpen, und mit den Gebil- den, welche den eocänen Schichten zunächst im Alter nachfolgen, sind wir bereits zur Hochebene herabge- stiegen, welche sich in sanfter Neigung nach N., O. und W. verflächt. Nur im Allgäu drängen sich jüngere Ter- tiärmassen bis zum Hochgebirge vor (Rindalphorn 5000’) wie die Mollasseberge der Schweiz, aber nach Osten zu sind sie vom Lech an gänzlich, selbst aus dem Vorge- birge der Alpen verbannt, und erheben sich nur spora- disch in der Ebene zu höheren Bergen (Peissenberg 3000’). Ich darf mich über diese Bildung kurz fassen, indem ich auf eine kürzlich erschienene Arbeit (Sitzungs- Berichte der K. K. Academie der Wiss. in Wien 1858, Bd. XXX., S. 212) verweise. Es lassen sich in der oberen Donau-Hochebene drei Glieder jüngerer Tertiärgebilde unterscheiden. Die tiefste Schichtengruppe,, welche wegen eben so vorzüg- licher als abbauwürdiger Pechkohlenflötzen besonders technisch wichtig, ist eine innige Verschmelzung meeri- scher und brackischer Ablagerungen, welche dem Mee- ressandstein von Alzey und dem Cyrenenmergel des Mainzer Beckens im Alter entsprechen (daher oligo- eäne Schichten). Sie sind, wiewohl allgemein Molasse genannt, verschieden von den gleichnamigen Gebilden 87 der Schweiz. Erst über diesem oligocänen Schichten- Complex folgt eine reine Meeresbildung, welche einestheils mit der Meeresmollasse der Schweiz, anderseits mit den tiefen Schichten des Wie- ner Beckens von gleichem Alter ist. Sie bildet die Unterlage einer Braunkohlen führenden Süss- wassergebildes, welches der oberen Süsswasser- Molasse der Schweiz und den Braunkohlenschichten der österreichischen Ebene im Alter gleichsteht. Beide letzt- genannten Schichtengruppen sind ächtes Miocän, wel- ches auch am Nordrande der Donau-Hochebene, und zwar bereichert durch eine ihm unterliegende Bank, als Stellvertreter der Schweizer unteren Süsswassermolasse und des Landschneckenkalkes von Hochheim, unter dem Diluvialschutt hervortaucht. Die grossen Flächen der Hochebene füllt ober- flächlich der ungeheure Gesteinsschutt aus den Alpen und eine braune Lehmschicht als Diluvialgebilde aus. Die erste besteht theils aus losen, abgerollten Gesteins- stückchen (Kies, Schotter), theils aus durch Kalksinter gebundenen Schottermassen (diluviale Nagelfluhe). An sie reiht sich der Hochgebirgschotter — Kiesbänke, vorherrschend aus Urgebirgsfragmenten, welche im In- nern des Gebirgs hoch über dem Niveau der jetzigen Thäler abgesetzt sind — vielleicht Reste früherer Ueber- fluthungep, welche aus dem Innern des Gebirges her- vorbrachen. Der Löss, jene braune Lehmdecke über dem Sehotter, findet sich im Donauthale unter gleichen Ver- hältnissen, wie im Rheinthale, als das Absatzproduet plötzlich hereingebrochener Ueberschwemmungen. Mit der Bildung des Löss steht das Phänomen der erratischen Blöcke im engen Zusammenhang, welche in einigen 'Theilen der Hochebenen den Mündungen grösserer Thalungen aus dem Hochgebirge gegenüber reihenweise geordnet, auf Schotter gebettet und von Löss umlagert, sich finden. Ich füge schliesslich noch einige Bemerkungen über dieEigenthümlichkeit derLagerungsverhält- nisse bei, welche die zu so wunderbaren Gebirgsfor- men zusammengehäuften Alpengesteine beherrschen, Der Unterschied zwischen Alpen und mitteldeut- schen Gebirgen, welche aus annähernd gleichalterigen Gesteinen bestehen, prägt sich in den ersteren besonders stark, sowohl in den absoluten als relativen Höhen aus, bis zu welchen die Schichten mit einander und neben einander ausnahmslos emporgehoben und zusam- mengefaltet wurden, und daher in höchst ungleichem Niveau auftreten, während Schichtenstörung bei letz- teren nır ausnahmsweise und auf kleine Räumlich- keiten und unbedeutende Niveauverschiedenheiten be- schränkt, sich vorfinden. Wir staunen mit Recht in den Alpen über die ab- solute Höhe, bis zu welcher z. B. der Alpenkeuper (nahe 10,000‘) und die Kreide (8,500') vorkömmt, wäh- rend diese Gebilde nachbarlich zugleich bis in die tief- sten Thaleinschnitte sich herabbeugen. Man möchte bei dem Anblick solcher anscheinend chaotischen Gesteinsmassen zweifeln in ihrer Vielge- 88 staltigkeit den Ausdruck eines Gesetzes zu erkennen, das sie beherrscht. Und dennoch fehlt es auch hier nicht an der bestimmtesten Ordnung in der Lagerung verschiedenalteriger Schichten; und man lernt nach und nach, sobald man diese Ordnung erkannt hat, mehr staunen über die Einfachheit des Gebirgsbaues, als über die vermutheten grossen Verwerfungen, durch welche das Alpengestein unregelmässig neben einander hingeschoben worden wäre. Keine der die NO.-Alpen zusammensetzenden Ge- steinsschichten bis herab zu den miocänen Meeresge- bilden der Hochebene liegt jetzt mehr an der Stelle ihres Ursprungs, oder in primärer, horizontaler Lage- rung. Alles ist gehoben, gesenkt, zusammengepresst, und steile Schichtenstellung, oft seigere Aufrichtung ist zur Norm geworden. Bei diesen gestörten Lagerungen gibt sich im Allgemeinen zu erkennen, dass, abgesehen von local vorkommenden, confusen Streichrichtungen, das der Hauptrichtung des Gebirgs parallele Streichen von West nach Ost, und von SW. nach NO. weitaus das vorherrschende ist, die Fallrichtung dagegen zeigt sich getheilt zwischen einer nördlichen mit nordwest- liehen und einer südlichen mit südöstlichen, jedoch so, dass die Richtung nach Süden, oder die widersinnig gegen den Centralstock gerichteten, fast allgemein vor- herrschen. £ Der Hauptcharaeter des Gehirgsaufbaues, welcher durch diese Streich- und Fallrichtungen der Schichten angedeutet wird, erweist sich als eine faltenartige Zu- sammenbiegung der Gesteinsmassen, wobei die ein- zelnen Falten selten aufrecht stehen, sondern meist in ihrer Achsenlinie nach S. geneigt neben einander liegen. Wer wollte, Angesichts solcher Thatsachen, noch an den gewaltigen Catastrophen zweifeln, durch welche unser Alpengestein aus seiner primären Lage zu der jetzigen abnormen Höhe emporgepresst wurde? Das Hauptereigniss, das seine Wirksamkeit hierbei am gross- artigsten entfaltete, bestand in der Erhebung der Cen- tralmassen, welche einmal mit ihrer Erhebung zugleich das Randgebirg emporzogen, zum Andern sich bei der Erhebung aus einer engeren Zusammenlagerung aus- dehnend und gleichsam überwallend und in fächerförmi- gen Schichten sich aufblähend einen ungeheuren Seiten- druck auf das jüngere Schiehtengebirg des Randes ausüben mussten. Das Resultat eines verticalen und noch gewaltigeren Seitenschubs von den Centralalpen aus wirkend auf die einseitig eingeklemmten Neben- schichten ist die faltenförmige Schichtenstellung in den Kalkalpen. Je nach der Biegsamkeit der verschiedenen Gesteinsschichten und Schichteneomplexe musste der Effect dieses Drucks ein verschiedener sein; hier gross- artige Gewölbe erzeugen, dort das fügsamere, weichere Schiefergestein in endlos viele kleine Falten legen. Nebenbei fehlte es nicht an Verwerfungen, Zerspren- gungen, Ueberkippungen, Abrutschungen, Einsenkungen ete., welche das Bild der Störungen vervollständigen halfen. Nach zwei Richtungen nach neben und unten von starren Massen eingeschlossen und durch Kräfte angegriffen, welche von unten in der Richtung nach oben und aussen ihren Druck ausübten, mussten die Schichten der Kalkalpen nach physicalischen Gesetzen die Längenachsen ihrer Falten, zu welchen sie zusam- mengestaucht wurden, senkrecht auf die Rich- tung des Druckes stellen. Desshalb ist die Haupt- schichtenneigung in den nördlichen Randalpen ebenso allgemein eine südliche, wie in den Südalpen eine nördliche. So erklärt sich die abnorme Schichtenstellung der Alpengesteinsmassen nach den einfachen mechanischen Gesetzen. Falte an Falte legt sich nach diesen Ge- setzen geordnet zu jenen ungeheuren Hochgebirgsmassen zusammen, dessen Mannigfaltigkeit und Eigenthümlich- keit der Gesteinsarten in gleichem Maasse, wie die Grossartigkeit des Aufbau’s selbst, uns mit gerechter Bewunderung erfüllen. Bergrath Walchner sprach Ueber die Beziehungen der Porphyre des unteren Kinzigthales im Schwarzwald zu den Seitenthälern und den darin auftretenden Erzgängen. Die Porphyre, deren Herr Dr. Platz bei der Schilderung der geologischen Verhältnisse des unteren Breisgaus erwähnt hat (quarzführende Thonporphyre), treten im unteren Kinzigthal in grösserer Ausdehnung und Verbreitung und in interessanten Beziehungen zu den Seitenthälern und ihren Erzgängen auf. Wo auf der Höhe des Thalgehänges ein soleher Porphyr sich über die Gneisskette erhebt, da geht ein Seitenthal, öfters fast rechtwinkelig, gegen das Hauptthal; öfters greift der Porphyr in den Hintergrund dieser Thäler ein und überall sind darin Erzgänge. Diese Verhält- nisse treten in den Seitenthälern unterhalb Haslach hervor, von wo an das Hauptthal eine nordwestliche Richtung annimmt, welche auch die Richtung der Längen- erstreckung der Porphyre ist, welche insbesondere auf der Höhe der linken 'Thalwand, in mächtigen Domen und Kegeln aufsteigen. Zunächst sieht man über dem Thal von Welschen- steinach die mächtigen Porphyrmassen des Hohen Geisbergs, des Hinteren Geisbergs (2400 F. ü. d. M.), des Rauschwalds und Hossenecks, auf der Wasserscheide zwischen dem Kinzigthal und den Thälern der Elz, der Schutter, der Bleich und dem Münsterthal. Im Hintergrund des Welschsteinachthals setzen im Gneis Eisengänge auf und ein Spiessglanzgang. Ueber Prinzbach und Emmersbach erheben sich die Porphyrdome des Kallenwalds und Rebja (1800 F. ü. d. M.) und der Porphyrkegel Hohen- geroldseck, durch Form in isolirte Stellung ausge- zeichnet (1700 F. ü. d. M.). In beiden Thälern liegen im Gneiss mehrere silberführende Erzgänge, auf welchen in früherer Zeit, insbesondere in Prinzbach, ein schwunghafter Bergbau und Hüttenbetrieb geführt worden ist. Aus dem Hintergrund des Erzbachs und über demselben erhebt sich der mächtige, steile Porphyrberg Rauhkasten (2000 F. ü. d. M.). Nahe demselben setzen abermals im Gneiss einige Erzgänge auf, welche ebenfalls in früheren Zeiten einen ausgedehnten Bergbau unterhalten haben, wovon noch viele Schachtpingen und Stollen, die zum Theil jetzt zur Wasserzuleitung benützt werden, Zeugniss geben. Auch der Name des Thales deutet an, was in ihm liegt. Im Thal von Diersburg tritt der quarzführende Thonporphyr aus einer Umgebung von Buntsandstein am Fuss des Fuchsbühl hervor, schliesst mitunter kleine Stückchen des Sandsteins ein, zieht sich unter dem aus Buntsandstein bestehenden hohen Hornbühl durch, bis herüber in’s Thal von Oberschopfheim, woselbst er unter dem Sandstein, bei einer Bohrarbeit auf Stein- koblen, wieder angetroffen worden ist. Im Sandstein des Hornbühl liegen im Oberschopfheimer Wald Eisen- gänge, und in Diersburg selbst setzt ein Eisengang in einer granitischen Felsmasse auf. Diese Verhältnisse des Porphyrs zum Buntsandsten am Fuchsbühl zu Diersburg zeigen an, dass im Kinzigthal derselbe nach der Ablagerung. des Buntsandsteins emporgestiegen ist. Auf der rechten Seite des Kinzigthals tritt dieser Porphyr im Hintergrund des Fischerbachsam Kost- berg auf und zieht sich vom Nordabfall gegen den Sehoren im Hintergrund des Thales Welschbollen- bach. Dort liegen Erzgänge im Gneiss nahe beim Kostberg und hier beim Baberast ebenfalls in der Porphyr-Nähe. Am Löcherberg, im Hintergrund des Thales Hammersbach, tritt der Porphyr im Gebiet des Buntsandsteins der Höhen auf und in seiner Nähe liegen einige Erzgänge. An der Mündung des Thales Nord- rach durchsetzt nahe bei Zell, an der Rebhalde, ein Porphyr-Gang den Gneis in einer Richtung, welche die mittlere der Eisenerz-Gänge am nahen Kuh- hornkopf ist. Im Hintergrund des Thales Haigerach ragen mächtige Porphyrfelsen, bekannt unter dem Namen: Die Sauersteine, aus Gneiss in hohen Mauern und Pyramiden empor, und bilden einen grossen Berg, der sich aufwärts gegen die Kornebene zieht. In der Nähe liegt an der Stelle die man Alt-Gengenbach nennt, der silberreiche Erzgang, der vor Zeiten von hier aus, in neuerer Zeit auch noch auf der Nordracher Seite, in der Mosbach, in Abbau genommen war vermittelst der Grube Amalie. Ein ähnliches Verhalten, wie dieser quarzführende Thonporphyr, hat der eigenthümliche Granit zum Buntsandstein, in welchem die Thäler von Heubach, Wittichen,Kaltbrunn,Reinerzau und Alpirs- bach liegen, in welchem die merkwürdigen Kobalt- und Silbergänge aufsetzen, die lange einen gewinn- reichen Bergbau unterhalten haben. Dieser Granit ist ebenfalls erst nach der Ablagerung des Buntsandsteins aufgestiegen. Die Erzgänge setzen aus ihm in den Sandstein über, wie man es auf der Grube St. Anton in Heubach und auf der Grube Güte Gottes im Thal Wittichen sieht. 89 Dr. Platz machte eine Bemerkung über das Alter dieser Porphyre und weist für dieselben ein höheres Alter nach. Professor Dr. Sandberger stimmt demselben bei und macht darauf aufmerksam, dass im Schwarz- walde Porphyre von sehr verschiedenem Alter zu unterscheiden seien. Professor Girard gab die Gliederung des westphälischen Schiefergebirgs an, wie folgt: 1) Spirifenensandstein ; 2) Eifelerkalk ; 3) Flinz; 4) Kramenzelschichten ; 5) Kohlenkalk ; 6) Flötzleerer Sandstein. Er sprach über Mulden- und Sattelbildung in West- phalen, Verbreitung der Clymenienschichten, plötzliches Abbrechen von Gesteinschichten, Fehlen der Steinkohlen in der Nähe des Kieselschiefers, Verhältniss der Bevöl- kerung zu den dortigen Gesteinen, die Allendorfer Mulde, Vorkommen des Eifelerkalkes als Korallenriffbildung, Schaalsteinbildung, Rotheisensteinlager zwischen Eifeler- kalk und Flinz, deren Bildung aus dem Eisenkiese des Eifelerkalkes. Hypersthenfels ist nach seiner Ansicht nicht die Ursache der dortigen Schichtenstörungen. Zum Schlusse zeigte der Redner die von ihm ver- fertigte geognostische Karte des westphälischen Schiefer- gebirges vor. Es wurden hierauf Bemerkungen von Professor Ferd. Römer und Professor Dr. Sandberger in Bezug auf die vom Redner angegebene Gliede- rung gemacht. Dr. Oscar Fraas von Stuttgart: Ueber die Jura-Versenkung von Langenbrücken. Gegenüber den Hebungen, von welchen auf dieser Versammlung schon vielfach die Rede gewesen, möchte ich auf eine entschiedene Versenkung des Jura’s hin- weisen, welche zudem in allernächster Nähe zu beobach- ten ist, die Jura-Versenkung von Langenbrücken. — Fährt man vom bunten Sandstein bei Wiesloch und dem dortigen galmeiführenden Muschelkalk aus mit der Ei- senbahn nach Bruchsal, wo abermals Muschelkalk an- steht, so ahnt wohl kein Geognost, in der Nähe der Station Langenbrücken, dass er mitten im braunen Jura sich befindet. So unerwartet tritt hier eine Formation zu Tage, welche man z. B. im Normalland des Jura’s, in Schwaben in einer Meereshöhe von 1600 — 2000’ kennt. Dieselben Schichten, weder petrographisch noch paläontologisch viel verschieden von ächt schwäbischen Juraschichten,, liegen hier 370— 700° über dem Meere und zwar in einer regelmässigen Verkehrtheit, verglichen mit normaler Juralagerung. Wenn man z. B. im Neckar- thale über die Keuperterrasse zur Platte des unteren schwarzen Jura hinansteigt, so hat man bis hinauf zur 12 90 letzten, obersten und jüngsten Juraschichte ein System von Terrassen vor sich. Man steigt je zum mittleren und oberen Lias, zu den Beta, Gamma, Delta des braunen Jura u. s. w. eine Stufe hinan und in regel- mässiger Folge lagert das jüngere Glied über dem äl- teren. Ganz anders im Jura von Langenbrücken. Der Bahnhof der Station ist über den Diseusbänken des braunen Jura erbaut, welcher hier unter 15 — 20° Schichtenfall in das Rheinthal hinabsticht. Ersteigt man vom Rheinthal das erste Gehäge beim Dorf, so gelangt man in die älteren Opalinusthone; in den Weingärten über dem Dorfe steht man schon im Lias auf den öl- reichen Posidonienschiefern; eine Terrasse weiter zwi- schen Mingolsheim und Oestringen erstiegen, bringt uns in den mittleren Lias, eine neue Treppe in den un- teren Lias, bis endlich mit den höchsten Punkten der Gegend der Keuper erreicht ist. Die Schichten an und für sich stimmen bis auf’s Einzelnste mit schwäbischen Schiehten überein. Einige derselben, wie z. B. die Tur- nerithone, sind ganz specifisch schwäbisch, so dass man eigentlich als eine gesicherte Thatsache einen einst- maligen Zusammenhang des Langenbrücker Jura’s mit dem schwäbischen voraussetzen darf. Nimmt man nun eine getreue geognostische Karte zur Hand, wie zur Zeit freilich noch keine veröffentlicht ist, so bemerkt man zwischen dem Rhein und der schwäbischen Alb eine Anzahl vereinzelter Liasflecken auf den Höhen des Keupers, als letzte Reste der einst weiter verbreiteten Formation, welche den Zusammenhang mit dem grös- seren Juraflecken bei Langenbrücken vermitteln. So ist der Stromberg, der Mainhardter Wald, die Löwen- steiner Berge im schwäbischen Unterland an zahlreichen Punkten noch mit einer Liaskappe gedeckt, freilich im- mer nur dem ältesten Juraglied, dem Unteralpha des schwarzen Jura und dem Bonebedsandsteine, der als Grenzglied zwischen Jura und Trias zu betrachten ist. Eine besondere Veranlassung muss es nun gewesen sein, welche noch viel jüngere Juraschichten als die des unteren Lias sind, in der Langenbrücker Schichten- Mulde bewahrt. Aus der merkwürdigen Form des dor- tigen Jurafleckens (ein regelmässiges Oblongum), welche mit der dortigen Schichten - Zerklüftung übereinstimmt, ersieht man, dass wohl nichts Anderes den Jura uns am Rhein bewahrt hat, als eine nach der Jurazeit statt- habende Depression des Gebirges. Unabhängig und ab- weichend von der Rheinthalbilung entstand Hora 3 — die Hauptachse des Streichens der Juraschichten — eine Versenkung, welche sich vom Lias bei Oestringen und Langenbrücken über das Rheinthal hinüber in die Urwiler Klamme zu dem Jura von Gundershofen im Elsass fortsetzte, in welche der Jura hinabsank, so zwar, dass folgerichtig in der Mitte der etwa 1 geogr. Meile breiten Versenkung die jüngsten, obersten Schich- ten zu unterst liegen kamen, an den Rändern der Ver- senkung treppenförmig das Aeltere über das Jüngere zu liegen kam. Eine nähere Beschreibung dieser merkwürdigen La- gerungsverhältnisse wird im nächsten Hefte der Heidel- berger Jahrbücher von Deffner und Fraas nebst ei- ner geognostischen Karte der Umgebung von Langen- brücken erscheinen. Dr. J. Schill aus Freiburg i. Br. über: Lagerungsverhältnisse der Tertiär- und Quartärbil- dungen am nördlichen Bodensee und im Höhgan. Die Tertiär- und Quartärbildungen erlangen am nördlichen Bodensee und im Höhgau eine grosse, bei- nahe allein herrschende Verbreitung, welche innerhalb des badischen Gebietstheiles nahe zu 258 Quadratmeilen Ausdehnung gelangt. Ueberall, wo im Westen und Norden andere Bildungen zu Tage treten, sind dies die obersten Schichten des weissen Jura’s und die vulkani- schen Felsarten des Höhgaues. Im Osten und Süden folgen die beiden jungen Bildungen nach Oberschwaben und der nordöstlichen Schweiz, das Mittelland zwischen den Alpen und dem Jura darstellend, und die Tertiär- Bildung unseres Gebietes gleicht somit nur einem Busen des früheren Tertiärmeeres, das bald mit süssem, bald gezalzenem Wasser erfüllt war. Die Quartärbildungen, als mächtige Geröllmassen und Nagelfluhe, liegen so- wohl auf den Tertiärbildungen, als auch auf dem Jura- Kalke und den im Höhgau emporgestiegenen vulkani- schen Felsarten abgelagert. Das Material zu diesen Geröllmassen lieferten die Alpen und aus diesen vor- züglich das Rheinthal als Rollsteine grosser und an- dauernder Fluthungen. Die Tertiärbildungen des Landes um den Bodensee bestehen in ihrem vollständigen Aufbaue im Wesentlichen aus einer unteren und oberen Süss- wasserbildung, welche durch eine meerische Bildung geschieden werden und da und dort zusammen zu einer Mächtigkeit von über 700 badischen Fussen über den Spiegel des Bodensee’s gelangen. Der natürliche Zu- sammenhang dieser Tertiärbildungen mit denen der Schweiz stellt sich um so klarer heraus, je genauer wir die Schichten der ersteren untersuchen. Es gibt nicht leicht eine Gelegenheit zur Beobachtung, welche diesen Untersuchungen förderlicher sein kann, als der natür- liche Aufriss des 6 Stunden langen Hügelzuges von der Grenze des weissen Jura’s bei Hoppetenzell, nordöstlich der badischen Amtsstadt Stockach, bis in die südöst- liche Gegend von Ueberlingen. An der jurassischen Grenze, wenige Minuten oberhalb dem Dorfe Hoppeten- zell, folgen sich unter südöstlichem Einfallen von unten nach oben: 1) Plattenkalke des weissen Jura’s (& Quenst.), 2) dolomitische Kalksteine und Mergel mit Cyelostoma bisuleatum Zieten, Heliw rugulosa v. Martens, Planorbis, Limneus und Samen einer Charaart. Auf die- ser im Gesammten 50° mächtigen geschichteten Bildung ruhen 3’ bunte magereMergel und lichte fein- sandige weiche Sandsteine mit harten kalkigen, gesimseartig hervorstehenden Bänken. Ich bezeichne diese Straten zusammen als untere Süsswasser- Molasse. An einer Bergwand der linken Thalseite von Zizenhausen steigt dies Gebilde 300‘ über die Thal- sohle empor und enthält keine Versteinerungen, lässt sich sodann längs des Aufrisses auf 4 Stunden Länge bis Ueberlingen verfolgen. Die den unteren Lagen an- gehörenden bunten Mergel verschwinden durch Ihr Südostfallen in den Umgebungen des Uferdorfes Sipp- lingen unter dem Niveau des See’s, wurden aber bei einer artesischen Bohrung in der Stadt Ueberlingen 200° unter der Uferfläche wieder getroffen. An der Bergwand der linken Thalseite von Zizen- hausen und nahe dem Hofgute Berlingen wird diese untere Süsswassermolasse von dem 4) Muschelsandstein, der meerischen Bildung, überlagert, worauf zuletzt noch einige Fuss Diluvium folet. Hier mangelt also die obere Süsswasserbildung, welche südlicher über dem Muschelsandsteine lagert. Der Muschelsandstein stimmt in allen seinen Charac- teren, die organischen Reste nicht ausgenommen, mit dem schweizerischen überein. Zum Theil besonders häufig ist das Vorkommen der Zähne der Fischge- schlechter Notidanus , Galeocerdo , Hemipristis , Carcharo- don (megalodon), Oxyrhina und Lamna (cuspidata , den- tieulata, contortidens), von Mollusken Natica, Pleurotoma, Cassis, getrennte Schalen und Trümmer von Austern (Ostrea cymbularis v. Münster), Pecten (-scabrellus, bur- digalensis und Herrmannseni) Cardien und Cytlıerea. Auf Klüften findet man Teredo navalis und im Gesteine die Bohrungen von Lithodomen. Diese organischen Reste sind ohne alle besondere Anordnungen in dem Gesteine vertheilt. Erst auf den Höhen von Sipplingen treffen wir den Sandstein der oberen Süsswasserbildung das meerische Tertiärgebilde überlagernd. Es folgen sich vom Seeufer bunte Mergel, darauf, bis zur ungefähren Höhe von 200’, geschichtete Sandsteine der unteren Süsswasser- Molasse und nun der Muschelsandstein, durch eine mit Cardien erfüllte Bank scharf bezeichnet, welchen der Sandstein der oberen Süsswasserbildung, als 5) obere Süsswassermolasse in einer Mäch- tigkeit von etwa 40’ bedeckt. Je weiter man diese obere Süsswassermolasse südlich oder südöstlich ver- folgt, um so mehr gewinnt dieselbe an Mächtigkeit. Sie gelangt bei der Warte von Hohenbodmann zur grössten Erhebung der Molassebildungen von 2200’ mit einer Mächtigkeit von 500° und im Gebirge von Hei- ligenberg und dem Deggenhauser Thale, wie auch am Schienerberge, reicht dieselbe vom Fuss der Berge bis zur Grenze der löcherigen oder diluvialen Nagelfluhe hinauf, immer einen sehr lockeren feinsandigen Sand- stein oder Sand darstellend. Organische Beste gehören in dieser Bildung zu den Seltenheiten und beschränken sich beinahe ausschliesslich auf die Schalenstücke und Muscheln einer Unio (Unio flabellatus), welche sich in dieser Bildung eigenthümlichen conglomeratischen Süss- wassertuffen manchmal anhäufen. Reste von Lagomys, Zthinoceros incisivus und Mastodon angustidens fand man bei Deggenhausen und von Palaeomeryx Scheuchzeri bei Stein. Ferner einige Pflanzen. In den nächsten Umgebungen von Sipplingen, welche überhaupt die besten Aufschlüsse über Lagerungsfolge bieten, wird die letztere Bildung nun noch von einer 91 jüngeren Tertiärstufe überlagert, welche zwar nur we- nige, aber dennoch sehr charaeteristische, Conchylien enthält und bald Braunkohlenthon, bald Mer ‚gel, oder auch hydraulische Kalksteine darstellt und welche wir passend 6) die Lignitbildung nennen können. Ihre Ab- lagerung scheint, da dieselbe nur da und dort vereinzelt getroffen wird, unter besonderen Verhältnissen stattge- funden zu haben. Oberhalb der Sipplinger Steige bildet diese jüngste Tertiärstufe dolomitische Kalksteine; an der Nonnenebene unterhalb dem Haldenhofe bituminöse Mergel, im Rosshimmel, zwischen Sipplingen und Lud- wigshafen, Besfikahlenihäh mit eigentlichem Lignit, bei Nussdorf Lignit und bei Deisendorf Stinkstein. In die- sen verschiedenen Gesteinsarten finden sich Trümmer und Gehäuse von Limneus pachygaster Thom. Planorbis solidus Thom und Heliv Moguntina Desh., auch die Sa- men der Chara Meriani A. Br. Bei Nussdorf liegt diese Lignitbildung kaum 20’ höher als das nächste Ufer des Bodensee: s nd bei Deisendorf, als schwache Stinkkalk- Einlagerung feiner Sandsteine, nur wenig über 200° über demselben; Es folgt somit auch diese 1 Bildung dem allgemeinen Südostfallen des Profiles. Bei Sipplingen beginnen die Quartärbildungen an der Nonnenebene, wo sie die Lignitbildung bedecken, mit lockerem Sandsteine und blasen Mergeln, in wel- chen Helix hispida getroffen wird. Ueber dieser san- digen Strate erhebt sich nun ein Steilrand festen Ge- felkes der diluvialen Nagelfluhe, derselben Nagelfluhe, wie sie in der Schweiz am Albis, Irchel, Kohlfürst, Hohenklingen und in Baden am Schienenberge und süd- östlich am Heiligenberge, Höchsten und bis zum Adelegg- Gebirge über Höhen von 1900—2000° erscheint. Ganz ähnliche Lagerungsverhältnisse bietet das ent- gegengesetzte rechte Ufer des Ueberlinger See’s von Bodmann bis Wallhausen und Constanz. An der Südseite des Schienenberges, oberhalb dem Dorfe Wangen, befindet sich die durch ihren Reich- thum an ansehen Resten berühmte Oeninger Kalk- schieferbildung, welche der oberen Süsswassermolasse aufliegt und von quartärem Thone und Gerölllagen be- deckt. wird. Ich übergehe den Gegenstand, welchem diese Oertlichkeit ihren weitgehenden Ruhm verdankt und erwähne eine zweite nahe gelegene am Nordab- hange des Schienenberges, deren Bedeutung erst in der neuesten Zeit durch die Untersuchungen O. Far s ge- zeigt wurde. Es ist dies der Thonmergel von Schrotz- basis welcher sich in einem Tobel unterhalb dem Ilofe auf der Grenze der oberen Süsswassermolasse und der diluvialen Nagelfluhe eingelagert findet und eine reiche Fundstelle von Blattabdrücken is. Nahe dem Dorfe Wangen tritt ein ähnliches Gebilde mit beinahe der- selbeu Flora auf. Nach der Häufigkeit des Vorkom- mens mögen folgende Arten genannt werden: Ligw- dambar europaeum, Cinnamomum polymorphum und lan- ceolatum, Populus balsamoides, Ulmus minuta, Acer tri- lobatum und Platanus aceroides. Die Tertiärbildungen des Höhgau’s ent- behren nicht nur der Vollständigkeit der Schichtenfolge, sondern auch der geregelten horizontalen Ausbreitung 12* 92 jener des Landes am nördlichen Bodensee und überdies weichen die Gesteine in petrographischer Beziehung auffallend von denen der letzteren ab. Alles weist darauf hin, dass in diesem Gebiete während der Tertiärzeit eine öfter wiedergekehrte Hebung und Senkung des Bodens stattgefunden haben müsse. Der Hauptausdeh- nung nach erscheint eine Kalknagelfluhe aus jurassi- schen Gesteinen, welche nach dem geognostischen Ho- rizonte und Alter den weichen feinen Sandsteinen der oberen Süsswassermolasse des Landes am Bodensee gleichsteht. Nur da und dort wird dieselbe in nur we- nige Morgen grosser und kleinerer Ausdehnung von einer Meeresbildung unterteuft und die Nagelfluhe liegt hier somit nicht, wie gewöhnlich, direet dem Jurakalke auf. An mehreren Stellen (Schopfloch, Hohenhöwen, Leipferdingen) werden beide Tertiärbildungen von Ba- salt und seinem Tuffe durchsetzt. Unter diesen Ver- hältnissen fehlt also der marinen Bildung das Liegende jener des Landes am Bodensee eine ältere Süsswasser- Bildung, wie die Kalke von Hoppetenzell oder die un- tere Süsswassermolasse. Die Umgebungen von Engen, Thengen und Blumenfeld geben über diese Lagerungs- Verhältnisse belehrende Aufschlüsse. Nahe der Stadt Engen im Höhgau erhebt sich das basaltische Massiv des Hohenhöwen und die kleine Stadt liegt auf einem mit Geröll bedeckten niedrigen Hügel von Jurakalk am Zusammenflusse der Ausmün- dungen mehrerer kleiner Jurathäler, deren Höhen da und dort von der marinen Bildung und vielfach von der Kalknagelfluhe bedeckt werden, während ihre Sohle aus Jurakalk ohne quartäre Ablagerungen besteht. Der Hohenhöwen, bekannt durch seinen Tertiärgyps, ist an seiner östlichen Bergseite vom Scheitel bis fast zur Basis durch Rutsche entblöst und es stehen hier zur rechten und linken Seite die Tuffe, neben diesen die Nagelfluhe mit ihren Sandsteinen und über dieser die Gypse an. Der basaltische Kern trennt die Tuffe und überragt diese noch bis zur Bergspitze von 1400 Fussen über die Ebene des Höhgau’s. Im Dorfe Anselfingen am nördlichen Fusse des Berges gehen die mit dem Berge gehobenen Schichten der Plattenkalke (des weissen Jura’s £ Quenst.) zu Tage. Wir können aus dem An- geführten von unten nach oben folgende Schichtenfolge entnehmen: 1) Plattenkalke des oberen weissen Jura’s; 2) Jurassische Kalknagelfluhe, oder tertiäre Jura- nagelfluhe, mit Sandsteinen und 'Thonen alter- nirend; 3) Gypsbänke mit Gypsthon des Hohenhöwen mit Helix deflena A. Br., Testudo antiqua Brn. und einigen Säugethieren. Auf dieser Gypsbildung ruhen endlich Schuttmassen, welche vom Berge herabgelangt sind. Die Juranagelfluhe üherlagert alle Anhöhen nördlich dem Hohenhöwen, indem sie direct dem Jurakalke auf- zuliegen scheint. Ueber beiden Thalseiten des Zimmer- holzer Thales aber wird dieselbe von der marinen Bildung unterteuft und diese liegt unmittelbar den gehobenen Schichten der Plattenkalke auf. Durch diese Lagerungs- verhältnisse gelangen wir mittelbar zu folgender Auf- einanderfolge der Tertiärbildungen: 1) Dem Jurakalke aufliegende marine Bildung; 2) Juranagelfluhe und 3) Gyps vom Hohenhöwen. Die marine Bildung enthält beinahe dieselben orga- nischen Reste wie der Muschelsandstein und zeichnet sich von diesem durch stellenweise Anhäufung von Gaste- ropoden, als: Turritella turris Bast., Nerita Laffoni Mer. und Melanopsis citharella Mer. aus. Von einer älteren Süsswasserbildung ist im Höhgau wie ersichtlich nichts zu finden, dagegen ist auf dem Plateau des weissen Jura’s bei Möskirch, etwa 6 Stunden nordöstlich dem Höhgau entfernt, ein isolirter Hügel von Süsswasserkalk mit den Resten der zweiten Säuge- thierzone aufgesetzt, dem wir berechtigt sind, das Alter einer älteren Süsswasserbildung zuzuschreiben. Dieser Hügel ist der Thalsberg bei dem Dorfe Engelswies, in dessen massigem Süsswasserkalke die Reste von Anchi- therium Aurelianense v. Mr., Dorcatherium Windobonense, Palaeomeryx Bojani, P. Kaupi, Rhinoceros ineisivus und Mastodon angustidens Cuv. als Kieferstücke mit Zähnen und Knochen getroffen wurden. Der Zusammenhang dieser soeben genannten Ter- tiärstufen mit denen des Landes am Bodensee, von welchen sie durch einen vorspringenden kleinen Jura- kalkzug und mächtige Geröllablagerungen getrennt wer- den, ist schwierig nachweisbar. Es kann sich hiebei nur um die untere Süsswasserbildung handeln, denn die jüngeren Tertiärschichten, als die marine Bildung und die der oberen Süsswasserbildung, sind zugegen und zwar letztere als Juranagelfluhe. Das Tertiärgebiet des Höhgau’s muss also zur Zeit der Ablagerung der unteren Süsswasserbildung über das Niveau des Ter- tiärmeeres des Mittellandes erhoben gewesen und erst- mals von dem Strande dessen marine Absätze betroffen worden sein. Es gibt im Aargau Beispiele, wo die ju- rassische marine Bildung (jurassische Molasse Studer’s) der unteren Süsswasserbildung des Mittellandes (Molasse der Mittelzone) aufgelagert ist und von Juranagelfluhe überlagert wird, so in den westlichen Umgebungen von Brugg am linken Ufer der Aar. Dort finden wir an der Strasse von Umiken nach Brugg in der Tiefe untere Süsswassermolasse mit harten Einlagerungen, darauf die marine Bildung (Austernmolasse) und über dieser die Juranagelfluhe mächtig abgelagert. Dieses Beispiel hat für die Tertiärbildungen des Höhgau’s um so grösse- ren Werth, als dieselben in einem obgleich sehr lücken- haften Zusammenhange zu jenen des Aargaues durch die zerstreuten Tertiärablagerungen am Randen und Küssaberge stehen. Die Quartärbildungen unseres Gebietes als Nagelfluhe, lose Gerölle und Irrblöcke von allgemeiner Ausbreitung, setzen uns bei dem Vergleiche ihrer Höhen- lagen in Erstaunen, denn wir erblicken die losen Geröll- ablagerungen der alpinischen Gesteine vom Seeufer bis zur Höhe von 1465’ (Höchsten bei Markdorf) über demselben abgesetzt. Die Ursache dieser Grossartig- keit ist in einer allgemeinen zweiten Thätigkeit zur Quartärzeit, in der Tieferlegung des Bodens, in der Anlage der heutigen Thalbildungen, Flussriehtungen und des Rheinthaleinschnittes, vor der Bildung des Bodenseebeckens, welcher die grossen Strömungen aus den Alpen vorhergingen, zu suchen. Wohl haben im Höhgau zu dieser Zeit auch Spaltungen und Senkungen stattgefunden, welche vielleicht zur Einsenkung des Bodenseebeckens eine Beziehung hatten. Zur ältesten Quartärbildung ist die auf meist an Höhe übereinstim- mende Basis von 2000° ü. d. M. ruhende Nagelfluhe 93 (löcherige Kalknagelfluhe Mousson) zu rechnen, ebenso lose Geröllmassen dieser Lage und über diesen ruhende Irrblöcke. Tiefer finden wir da und dort in den Geröll- ablagerungen gerundete Rollsteine der Nagelfluhe und verschüttete Irrblöcke. Nähere Aufschlüsse über diesen Gegenstand sowohl als auch über den paläontologischen Theil der Forma- tionen gibt meine so eben die Presse verlassende Schrift: „Die Tertiär- und Quartärbildungen des Landes am nördlichen Bodensee und im Höhgau. Stuttgart 1858“. Fünfte Sitzung am 22. September 1858. Präsident: Rathsherr Merian von Basel. Professor Fischer aus Freiburg i. B. machte einige kurze Mittheilungen über seine Untersu- chungen der erystallinischen Gesteine des Schwarzwaldes, unter Anderem über das Auftreten triklino@drischen Feld- spathes in den Graniten, Porphyren, über das häufigere Vorkommen von Diorit gegenüber dem Syenit u. s. w.; sodann sprach er über das Studium der fossilen Holz- arten, besonders derjenigen, die sich in den paläozoischen Formationen Badens finden, legte Proben von Dünn- schliffen vor und erwähnte, dass die von ihm bis jetzt untersuchten Reste aus dem Schwarwalde nur Coniferen, keine Psaronien und dgl. darboten. Schliesslich zeigte er die Originalplatten des in dem bunten Sandstein bei Warmbach unweit Rheinfelden entdeckten Reptilrestes (Selerosaurus armatus Herm. v. Meyer) vor, worüber in Leonh. Jahrbuch 1857, pag. 136, Tab. III. bereits berichtet ist. Dr. Otto Volger lest eine Anzahl von Pseu- domorphosen und von anderen Mineralien vor, welche zur Erläuterung der Entwicklungsgeschichte der Mineralien zu dienen geeignet sind. a) Abdrücke von Tangen und anderen Pflanzen in sogenannter Marschklai von den Ufern des Dollartbusens bei Ems. Diese Abdrücke sind gefärbt durch eine Lage von blauem phosphorsaurem Eisenoxyde, sogenanntem Vivianit, welcher in ursprünglichem Zustande farb- loses phosphorsaures Eisenoxydul ist, an der Luft aber sehr rasch einer Umwandlung durch Oxydation und damit verbundenen Färbung unterliegt. b) Pseudomorphosen von Kalk nach Gaylussit. Dieselben fanden sich in einer Sendung von Gesteinen und Petrefacten aus Neuholland, welche Herr Kirchner, Consul der freien Stadt Frankfurt a.M. in Sidney, dem Senkenbergischen Museum zum Geschenke gemacht hat. Sie sind daumensdick und über 2 Zoll lang, übrigens ganz von der Form desselben Vorkommens bei Sanger- hausen und in der Landschaft Eiderstedt, zeigen auch zum Theil das merkwürdige, bisher nicht beachtete Zwillings- und Drillingsgesetz, welches an den deutschen Fundorten dieser Pseudomorphosen, wie an den unver- änderten Gaylussiterystallen des einzigen Fundortes Lagunilla bei Merida in Columbien in Südamerika, sich so häufig zeigt und jene nägleinförmigen Gestalten her- vorruft, an welche sich der spanische Name „clavos“ anknüpft. Die Pseudomorphose beruht auf einer Be- rührung des Gaylussites mit gypshaltigem Wasser, durch welches der Natrongehalt desselben gegen Kalk ausge- tauscht wird. Zum Theil ist der Kalk dieser Pseudo- morphosen seinerseits weiter in Eisenspath und dieser wieder in Brauneisenstein umgewandelt, welcher letztere somit eine Pseudomorphose dritten Grades bildet. Be- merkenswerth ist der Umstand, dass diese Pseudomor- phosen in Neuholland in einem Gesteine auftreten, wel- ches durch Spirifer paradorus Quenst. als ein den rhei- nischen Schichten Deutschlands vergleichbares erscheint, dessen Zustand aber dem der Tertiärmassen Deutsch- lands ähnlich ist. Somit liegt hier nicht allein ein neuer Beleg für die Gleichartigkeit der Mineralentwieklungs- vorgänge in den verschiedensten Gegenden der Erde, sondern zugleich ein Beweis für die Analogie der Bil- dung der ältesten wie der jüngsten Schichtenforma- tionen vor. e) Eine Calamopora, aus einer der Manganerzlager- stätten der Lahngegend herrührend, Eigenthum des Senkenbergischen Museums, war in dieser Sammlung als faseriges Manganerz bezeichnet. Sie besteht in der That durchaus aus Manganit und dient zu einem weiteren Beleg für die Entstehung jener Manganerz- lagerstätten aus dem Dolomite des devonischen Kalkes. Der Gang der Umwandlung, welcher sich durch analoge Pseudomorphosen Schritt für Schritt nachweisen lässt, war der, dass an die Stelle des Kalkes Dolomit, an die Stelle des Dolomites Manganspath getreten ist. Aus- tauschungen, welche auf dem ungleichen Löslichkeits- verhältnisse und auf suecessiver Zuführung der schwerer löslichen Stoffe zu den leichter löslichen beruhen. Der Manganspath ward seinerseits dann in Manganit ver- wandelt. In Betreff dieser Umwandlungen bezieht sich der Vortragende auf seine Nachweisungen, welche in seinen „Studien zur Entwicklungsgeschichte der Mine- ralien. Zürich 1853 (1854)“ veröffentlicht sind. Nur durch besonders günstige Umstände konnte Form und Struetur des Corallenstockes durch alle diese Umwand- lungen hindurch erhalten bleiben. d) Derselbe zeigt und erläutert eine Reihe von Oolith- und Knollenbildungen. Die Oolithe 94 wurden nachgewiesen als Kalkinkrustationen, welche irgend einen fremden Körper, vorzugsweise häufig einen thierischen Körper oder Körpertheil, ein Schneckchen, eine Cypris, ein Krinoideenglied, oft von mieroscopischer Kleinheit, enthalten. Auf geschliffenen Durclischnitten erkennt man, nöthigenfalls nach vorgängiger Aetzung mit verdünnter Säure, diese Einschlüsse selbst bei Ooli- then sehr alter Formationen noch vollkommen deutlich. Die Kalkinkrustation ist stets bedingt durch microsco- pische, meistens einzelne Algen, welche die modernden thierischen Körper, wie auch Blätter, Holzstücke und andere im Wasser liegende Gegenstände, selbst Sand- körnchen, als eine zarte schleimige Schicht bekleiden und, indem sie die Kohlensäure des Wassers aufnehmen und zersetzen, den gelösten Kalk aus dem Wasser ab- scheiden und sich damit überrinden. Eine neue Vege- tation über der ersten Rinde erzeugt eine neue Kruste. Löst man Oolithkügelchen sorgsam in sehr verdünnter Säure auf, so bleibt eine Trübung zurück, welche mi- eroscopisch eine grosse Menge von Zellenüberresten und mehr oder minder vermodertem Zelleninhalte er- kennen lässt. Die Zellen sind meistens kieselig, weshalb auch die Oolithkalke ganz allgemein kieselhaltig befunden werden. In dem Rückstande von einem Oolithe des Litorinellenkalkes bei Frankfurt vermochte der Vortra- gende noch die Stärkemehlreaction mit Hülfe von Jod- tinktur nachzuweisen. Es wurden Oolithe vorgelegt, welche einer genaueren Untersuchung unterworfen wor- den waren, theils solehe, welche Sandkörnchen ent- halten, aus dem Cerithiensande bei Frankfurt a. M., theils solche mit thierischen Einschlüssen und diese sowohl von solcher Kleinheit des Korns, dass das Auge kaum die einzelnen Kügelehen erkennen konnte, als auch von schrotkorngrossem, von erbsen-, bohnen- und mandelgrossem Korne, bis zu beträchtlichen Knollen, welche faustgrosse und noch grössere Ammoniten um- schliessen. Auch Fische und andere Thiere geben zur Bildung ganz analoger Knollen Veranlassung. Es wurde eine Anzahl von platten, seltsam gestalteten und ge- wundenen Knollen aus Grönland vorgelegt, von dem verstorbenen Metzler v. Gisecke aus Grönland mit- gebracht, Eigenthum des Senkenbergischen Museums. Diese Stücke lassen sich nach ihrer Hauptebene spalten und zeigen dann im Innern ein Skelett, z. Th. noch Modermasse des recenten Mallotus (Salmo) villosus. Die Form des Knollens richtet sich nach Form und Lage des Fischehens. Die Kalkmasse besteht aus Krusten und ist von vegetabilischen Zellen erfüllt. Hieran schlossen sich zur Vergleichung analoge Knollen aus älteren Formationen, besonders aus der Saarbrücki- schen Steinkohlenmulde, welehe durch diesen Vergleich ihre Erklärung finden. Zur Bildung mächtiger und seltsam gestalteter Knollen haben hier die Körpertheile der Archegosaurus-Arten Veranlassung gegeben. Die Kalkmassen entgehen im Erdboden früher oder später nicht der Berührung mit eisenoxydulcarbonathaltigem Wasser. Dann wird der Kalk gelöst und durch Eisen- spath ersetzt. Der Eisenspath geht seinerseits wieder in Hydroferate, zuerst in Gelb- dann in Brauneisenstein über, dieser in Eisenoxyd, theils in Form von Hämatit oder Rotheisenstein, theils auch in Form von Eisen- glanz, und dieser wird endlich in Magneteisenstein um- gewandelt. In Beziehung auf die Entwickinng aller dieser Eisenerze verweist der Vortragende auf seine erklärenden Nachweisungen und Erörterungen in seinem oben erwähnten Werke: „Studien zur Entwieklungsge- schichte der Mineralien ete.“, legt aber der Versamm- lung eine Reihe von Oolithen und Knollen vor, an welchen alle Stufen jener Umbildungen sich verfolgen lassen. Als bekannt wurde nur angeführt die /ron-stone- balls der englischen Steinkohlenformation, sowie die Eisensteinknollen von Saarbrücken u. s. w. mit ihren trefilichen Fischen, Archegosauren und anderen Ueber- resten. Die oolithischen Alpenkalksteine sind grossen- theils, wie die des Jura in ähnlicher Weise, in oolithi- sche Eisensteine umgewandelt, und es wurden Proben von solchen aus dem Madraner-Thale des Cantons Uri vorgezeigt, welche, bei noch deutlich erhaltener ooli- thischer Zusammensetzung, aus einem Rotheisensteine bestehen, dessen ganze Masse von kleinen Magneteisen- stein-Octaödern flimmert. Die durch Umhüllung eines, oft gar keine festen Skelette oder Schalentheile besitzenden, faulenden Thier- körpers vermittelst Algenvegetationen entstandenen Kalk- Knollen sind sehr reich an Moderstoffen. Indem diese allmälig vermodern, verfestet und verdichtet sich die Kalkmasse mehr und mehr. Diese Verfestung rückt von Aussen nach Innen vor. Nachdem die äussere Hülle fest geworden ist, bewirkt die fortschreitende Moderung im Innern ein Schwinden der Masse, welches, ähn- lich dem Austrocknen an der Luft, Schwindklüfte her- vorruft, nur dass diese hier nicht von der Aussenfläche in das Innere einreissen, sondern blos innerlich ent- stehen. Die im Innern entstandenen Schwindklüfte füllen sich durch Infiltration allmälig mit Crystallisa- tionen, zunächst Kalkspathen. Die bisherige Erklärung der „Septarien“ durch Austrocknung ist entschieden unrichtig. Nicht Wasser, sondern die Moderstoffe ent- weichen. Man findet die Septarien im Gebirge, soweit ihre Schwindklüfte hohl sind, stets mit Wasser ge- füllt. Ausgezeichnet schön und lehrreich wurden die- selben im vorigen Jahre bei der Austiefung eines Win- terhafens bei Frankfurt gefunden und das Senkenbergi- sche Museum enthält eine sehr lehrreiche Sammlung dieser Vorkommnisse, deren Grösse leider die Vorle- gung auf der Versammlung nicht gestattete, zu deren Besichtigung aber der Vortragende die Anwesenden für den Fall ihrer Durchreise durch Frankfurt einladet, indem er sich zugleich gerne bereit erklärt, Fachge- nossen als Führer in dem genannten Museum zu dienen. Berginspector Daub aus Carlsruhe: Ueber das Galmeivorkommen bei Wiesloch. Der Galmei, welcher bei Wiesloch, 3 Stunden südlich von Heidelberg, in den letzten Jahren durch zwei Gesellschaften bergmännisch gewonnen wird, kommt in der oberen Abtheilung des Muschelkalkes, in den sogenannten Friedrichshaller Schichten, vor. Dieser Kalk hat bekanntlich in der Gegend von Wiesloch und gegen den Neckar hin eine bedeutende Verbrei- tung. Die liegenden Schichten des Muchelkalkes, näm- lich’ der Wellenkalk und über diesem die mittlere oder Anhydritparthie, ist ebenfalls an mehreren Stellen, letz- tere jedoch nur von geringer Mächtigkeit und unvoll- ständig entwickelt, gefunden worden: Das Muschelkalkvorkommen bildet eine flache Mulde, deren tiefster Punkt nördlich von Bruchsal in der Gegend von Ubstadt oder Stettfeld liegen dürfte, während der nördliche Flügel schon in der Nähe von Nussloch, zwischen Wiesloch und Heidelberg, und der südliche gegen Durlach zu Tage tritt, wie sich schon aus dem Vorkommen des Buntsandsteins an diesen Orten ergibt. Bedeckt werden diese Kalkschichten zunächst an einigen Stellen vom Keuper, wie u. A. an der Bohne bei Wiesloch, dann weiter im Hangenden von dem Juragebilde in der Gegend von Malschenberg, Ub- stadt ete. Auch auf der östlichen Seite der Galmeigruben zeigt sich an den bis zu 700 Fuss Meereshöhe aufsteigenden Gebirgshöhen Wellenkalk, woraus ein flaches, jedoch unregelmässiges Fallen der Schichten gegen Westen und ein südnördliches Streichen resultirt. Zwischen Wiesloch undNussloch an der Hessel und bei Altwiesloch an dem Kobelsberg finden sich die Galmeigewinnungen, also auf dem nördlichen Flügel der oben bezeichneten flachen Mulde. Der südliche Muldenflügel hat bis jetzt noch keine bergmännische Bedeutung erlangt. Wenn auch die bei Bruchsal und Untergrombach unternommenen Versuche auf Gal- meivorkommnisse führten, so erreichten diese doch bis jetzt noch keine die Bauwürdigkeit bedingende Aus- dehnung. Die westliche Begrenzung des Muschelkalkes und der Erzführung besteht zwischen Wiesloch und Nuss- loch auf eine ziemlich bedeutende Erstreckung aus einer Gebirgsstörung oder Kluft, welche, wahrscheinlich gegen Westen steil fallend, im Hangenden die Kalk- schichten, wie es scheint, auf eine beträchtliche Teufe niedergezogen hat. An einigen Punkten kann man auf der östlichen Seite der nach Heidelberg führenden Strasse den Kalkstein noch deutlich mit stärker werden- dem westlichen Fallen beobachten, während schon auf der andern Seite derselben Strasse Thon ansteht, der, nach den eingeschlossenen Petrefacten, wie nach den vorkommenden Fragmenten von Molassesandstein, als tertiär betrachtet werden muss. An dieser Stelle, 117 Fuss westlich von der Strasse, wurde zur Zeit ein Bohrloch von nahe 400 Fuss Tiefe niedergebracht, ohne etwas anderes als diesen tertiären Thon zu erreichen, dessen flach gegen Westen geneigte Oberfläche sich in die nahe gelegene Rheinebene ver- läuft. Wir haben also hier einen neuen Beweis für die Richtigkeit der Ansicht, welche in einer der früheren Sitzungen von Herrn Professor Sandberger, bezüg- lich der grossen Verbreitung der Tertiärformation im 95 Rheinthale, aufgestellt wurde. — Ein zweites Bohrloch, welches weiter nördlich, und zwar hier westlich unter der Maxstollenhalde auf eine freilich nieht grosse Teufe niedergestossen wurde, befand sich ebenfalls noch im Thon. Da nun der Maxstollen noch im Kalkstein an- gesetzt wurde, so ergibt sich für die fragliche Verwer- werfungsspalte ein nordsüdliches Hauptstreichen. Das Galmeivorkommen selbst muss als Gang- artig betrachtet werden, weil es theils in Klüften, theils in anderen Ablagerungsformen die Gesteinsschiehten durch- setzt und auch in zahlreichen Fällen Bruchstücke von Kalkstein und Muschelkalkpetrefacten und diese zuwei- len in einer so grossen Menge einschliesst, dass sich eine eigentliche Muschelbreeeie einstellt. Dabei ist das Vorkommen des Erzes so überaus unregelmässig, dass es in allen Formen auftritt, in welchen sonst Erze vor- zukommen pflegen. Es füllt bald Theile der Klüfte aus, welche südnördlich' streichen, bald befindet es sich in deren Nähe, so dass es an das Vorkommen derselben gebunden zu sein scheint, wie sich dies zur Zeit ganz deutlich in dem Felde zeigte, welches jetzt von der ba- dischen Zinkgesellschaft abgebaut wird, während dies Verhalten in dem nördlichen, der Altenberger Gesell- schaft gehörenden Feldestheil, kaum mehr wahrnehmbar ist. Auch hat sich das Vorkommen des Erzes in solehen südnördlich streichenden Zügen bei Altwiesloch wie- der gefunden, wo die badische Zinkgesellschaft so glück- lich war, sehr schöne Erze aufzuschliessen. Ausser diesem auch den räumlichen Verhältnissen nach mehr Gang -artigen Vorkommen, findet sich indess der Galmei auch im Altenberger Grubenfeld, südlich von Zechenhaus und ganz nahe an der Heidelberger Strasse, in einer ganz flachen Ablagerung, die man Flötz-artig nennen könnte, wenn nicht auch hier wie- der das Absetzen der Kalkschichten am Erz deutlich wahrgenommen werden könnte. Bemerkenswerth für dieses Vorkommen ist das Auftreten des weissen Gal- meies — Oxydes — in meist pulverigem oder sandigem, mitunter auch dünnschieferigem Zustande, das hier stel- lenweise eine Mächtigkeit von 14 —16 Fuss erreicht. Obgleich dieses schöne Erz nicht gerade auf diese Stelle beschränkt ist, so kommt es doch anderwärts nur in geringen Quantitäten mit den dort vorherrschenden rei- chen, grauen und schmutzig dunkelrothen, diehten und festen Galmeivarietäten vor, die, besonders die graue, durch eine sehr deutlich ausgebildete blätterige Textur ausgezeichnet sind. An anderen Stellen bricht das Erz in kesselförmigen Vertiefungen ein, deren kreisförmige Peripherie in eini- gen Fällen von seltener Regelmässigkeit war. Das Vorkommen des Erzes in den Schichtungsfugen des Kalksteins und in darauf ziemlich senkrecht stehen- den Querabsonderungen, gehört wohl zu dem Interes- santesten, was man hier zu sehen bekommt. In diesem Falle lässt sich die Gesammterscheinung des Erzvor- kommens mit einer Mauer vergleichen, deren Mörtel durch Galmei und deren Steine durch den Kalkstein vertreten werden. Das Erzvorkommen ist nach Oben, wie nach Unten, 96 durch eine graue an Enkrinitenresten reiche Kalkschicht — Enkrinitenkalk — begrenzt. Der Abstand beider Schichten beträgt gegen 20 Fuss, — mehr oder we- niger. Innerhalb dieser Begrenzung nimmt aber das Erz alle möglichen Horizonte oder Teufen ein, so dass man es manchmal mit mehreren Lagerstätten zu thun zu haben glaubt. Ueber der hangenden, sowie auch wohl unter der liegenden Enkrinitenschicht, kommt zuweilen ein mul- miges Eisenerz mit einem Zinkgehalt bis zu 11°/, vor. Das Auftreten dieses Erzes ist ebenfalls ein sehr un- regelmässiges in Form von Nestern und Butzen. Die liegende oder untere Enkrinitenschicht besteht in der Nähe des Erzes nicht selten in einem gelblich- weissen, mürben, mitunter zerreibliehen bis zu 17°, Zink haltenden Kalkstein. Diese Umwandlung des Kalk- steins in einen armen Galmei erstreckt sich, wie es scheint, auf ungleiche Entfernungen vom Erze aus. Eine genaue Ermittelung dieses Verhaltens, seinem wahren Umfange nach, erfolgte bis jetzt noch nicht, weil die Schicht, des geringen Zinkgehaltes wegen, nicht Gegenstand bergmännischer Gewinnung und daher auch in dem vorliegenden Falle nicht bis zu der erforder- lichen Ausdehnung verfolgt werden konnte. Immerhin ist aber dieses Verhalten eben so bemerkenswerth , wie die Imprägnation des Nebengesteins mancher Erzgänge mit den auf diesen selbst vorkommenden Mineralsub- stanzen. Die obere Enkrinitenschicht fehlt indess auch oft, besonders im östlichen und nördlichen Theile des Erz- Distrietes. Dann findet sich der Galmei unmittelbar be- deckt mit einer Letten- oder Thonschicht, oder mit Ge- steingerölle. Dieser, nämlich der letztere Fall, zeigt sich in einem neuen Steinbruche auf der Nusslocher Gemarkung, wo zugleich das Erz nahe unter der Ober- fläche auftritt. Die Thonbedeckung des Erzes ist im östlichen Felde fast die Regel. Gegen das Hangende der hier stärker aufgerichteten Schichten ist dieser Thon von plastischer Beschaffenheit, tiefer, gegen das Liegende, wird er rauh und sandig und geht endlich unmerklich in schlech- ten. dann in besseren, aber immer noch mürben, und zuletzt in festen Galmei über. Diesen Thon muss man, wenigstens theilweise, wenn es nicht sogar ein noch später abgesetzter ist, für eine noch ganz jugendliche Bildung halten, die erst nach einer schon stattgefundenen Erzgewinnung entstand. Dafür spricht unwiderleglich das Vorkommen von ei- nigen Gezähestücken, die man in diesen Thon eben so vollständig eingewickelt fand, wie Hölzer und starke Bretter oder Bohlen, welche, allem Anscheine nach, zu einem Karrenlauf bei der Förderung benutzt worden sind. Diese Thonbildung steht demnach derjenigen, welche westlich an der Heidelberger Strasse vor- kommt und als tertiär bezeichnet wurde, hinsichtlich des Alters ganz entschieden nach und kann daher auch mit dieser nicht verwechselt werden. An einigen anderen Stellen des Galmeidistrietes fin- det sich, wiewohl sparsam, Mangan, Schwerspath und Bleiglanz. Diese Mineralien finden sich fast ausschliess- lich nur am Hangenden des Galmeies. Man hat viel- fach behauptet, dass der ältere Bergbau auf Blei (so- gar auf Silber) umgegangen sei. Dieser Vermuthung darf wohl auf das Entschiedenste widersprochen werden, denn das Vorkommen dieses Erzes ist so selten, wie es nie in alten Bauen auf Bleierze getroffen wird, die wegen zu armer Anbrüche, oder wegen gänzlichem Abbau aufgelassen wurden. Von einem Bergbau auf Silber kann aber noch viel weniger die Rede sein, weil das Bleierz von Wiesloch eben so Silber-arme Werke gibt (3,6 Loth ä& Centner) wie Erze, die anderwärts aus dem Muschelkalk gewonnen werden. Wenn auch ein solcher Silbergehalt, besonders in der gegenwär- tigen Zeit, die Gewinnung noch lohnen könnte, so ist diese doch, des unbedeutenden Erzvorkommens wegen, absolut unausführbar. In Zeit von 5 Jahren wurden noch nicht 10 Centner Bleierze von der Altenberger Gesellschaft gewonnen, und von einer grössern Gewin- nung dieses Erzes aus den Bauen der badischen Zink- Gesellschaft ist auch noch nichts bekannt geworden. Der frühere Bergbau kann demnach nur auf Galmei betrieben worden sein. Die Hauptniederlage des Galmeies, d. h. die grösste Mächtigkeit desselben, befand sich in der flachen Thal- Einsenkung auf der gemeinschaftlichen Grenze der bei- den Gemeinden Wiesloch und Nussloch, welche von der Hessel westlich gegen die Heidelberger Strasse herabzieht. Das Erz hatte hier eine Mächtig- keit bis zu 14 Fuss, auch wohl an einigen Stellen noch darüber; dabei kam es in grösserem Zusammenhange vor, wie weiter nördlich und südlich, nach welchen Richtungen nicht nur die Mächtigkeit, sondern auch die Frequenz abgenommen hat. Das Erz war unter jener Mulde reich an Zink (bis 57°%/,), von schön schaliger oder blätteriger Absonderung und meist von grauer Farbe. Von gleicher, und theilweise auch noch von grösserer Mächtigkeit, ist das Vorkommen an dem mehr östlich gelegenen Kobelsberg bei Altwiesloch, das indess hauptsächlich aus dichtem, röthlichem, aber eben- falls reichem Galmei besteht. In dem Wellenkalk fand man in der Umgebung von Wiesloch bis jetzt noch keinen Galmei. In der neuern Zeit dagegen zeigte sich auf theils leeren, ziemlich seigeren Klüften, welche im Wellenkalke aufsetzen und mit einem Versuchbau beiEschelbronn, circa 3 Stun- den östlich von Wiesloch, aufgeschlossen wurden, etwas Galmei in kleinen Nestern, dessen Gehalt an Zink in einzelnen Stücken bis zu 54"/, beträgt. Zu dem Vortrag des Herrn Berginspectors Daub über das Galmeivorkommen zu Wiesloch bemerkt Herr Bergrath Walchner: Die bauwürdigen Galmeimittel liegen vorherrschend, ja fast nur, auf SN.-Spalten und Klüften, in der Rich- tung der Hebungslinie vom Granit zu Wildbad, zum Granit bei Heidelberg. Dieses Verhältniss zeigt sich auch am Kobelsberg bei Altwiesloch, und haben neuere Schürfarbeiten zuBaierthal,Schatthausen und Ochsenhausen als das richtig erkannte heraus- gestellt, das sowohl beim Suchen als beim Abbau von Galmei in der bezeichneten Gegend als Wegweiser dient. Ueber dem Galmei liegen in den oberen Schichten des Muschelkalkes bei Wiesloch Eisenerze, die jedoch wegen ihres Arsenikgehaltes nicht verhüttet werden können und stellenweise eine schlimme Beimengung für den Galmei sind, der dann durch seine Rostfarbe sich verdächtig macht. Professor K. Wiebel aus Hamburg: Ueber Erhebungen in Torfmooren, „Eine neue Insel in Norddeutschland“ betitelte Meyn in Kiel, bereits vor mehreren Jahren, eine Abhandlung in der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesell- schaft '), welche das Interesse der Leser in hohem Grade zu spannen geeignet war. Die im Eingange geschilderten Wirkungen des hef- tigen Sturmes vom 2. October 1852 in der Gegend der Elbmündungen, leiteten zunächst auf den Gedanken, dass die so oft und so furchtbar heimgesuchten Küsten Nordfrieslands durch die Sturmfluth ergriffen und aber- mals ein Theil des Festlandes zur Insel geworden sei. Doch der erschreckende Gedanke an eine solche Ka- tastrophe, wie er durch die Erinnerung an die Schil- derungen gleicher Erreignisse in den letzten Jahrhun- derten hervorgerufen wird , löste sich gleich einem Ne- belbilde, denn dem Auge zeigte sich an der Stelle des vermeintlichen, von tobenden Wogen der Nordsee um- brausten Eilandes, — ein kleines Torf- Inselehen in ei- nem friedlichen Landsee Holsteins! — Diese beruhigende Gestaltung der Erscheinung schmä- lerte aber das Interesse nicht, welches sie im weiteren Verfolge erweckt; es steigerte sich dasselbe vielmehr immer höher durch ihre nun festgestellte periodische Wiederkehr und die damit nn räthselhaften Beziehungen. Es sei mir gestattet, hier kurz das Phänomen zu schildern und dann einige Beobachtungen verwandter Vorgänge mit den Schlüssen, zu welchen sie mich ge- leitet haben, daranzureihen. Am 2. October 1852 zeigte sich in einem kleinen See, welcher nach den daran liegenden Dörfern Beel und Cleevetz verschieden benannt wird, plötzlich eine Insel und zwar an einer Stelle, wo die Fischer noch kurz zuvor eine Tiefe von 12 Fuss gefunden hatten. Nach wenigen Wochen war sie indessen wieder ver- schwunden und fast bis zur früheren Tiefe zurückge- sunken. Aus den Mittheilungen über dies Erreigniss, welche wir Meyn und J. Schr midt?) verdanken, ' ereReR: wir, dass eine gleiche Erhebung an derselben Stelle in 1 Nacht des 15. auf den 16. August 1803 und eine fer- - 1) Bd. IV, S. 584, v. J. 1852. 2) A. a. O. Bd. IV, S. 734. 97 nere zwischen den Jahren 1816 — 1820 statt gefunden habe. Zehn Monate nach dem Aufsteigen am 2. October 1852 überraschte am 15. August 1853 die Insel zum Viertenmale in diesem Jahrhundert die Bewohner Beel’s durch ihr plötzliches Erscheinen.) Auch diesmal war ihr Dasein nur von kurzer Dauer, denn nach 14 — 16 Tagen war sie wieder verschwunden und im Herbste 1856 an ihre Stelle nahezu die frühere Wassertiefe von 12 Fuss gemessen worden. Wenn das Vorkommen sogenannter schwimmender Inseln gerade nicht zu den Seltenheiten gehört; so ist doch die hier in Rede stehende Bildung, wie Schmidt schon richtig bemerkt, nicht in jene Categorie zu brin- gen, indem nach völliger Uebereinstimmung aller Be- obachtungen hier ein periodisches Auftreiben des See- bodens in Gestalt einer grossen Blase gegeben ist. In dem Scheitelpunkte durchlöchert und durch ra- diale Spalten zerklüftet, gewährt sie das Musterbild eines Explosionskraters. Dass wir es aber in der That mit einem solchen Processe, der nur nach der Quelle der wirkenden Kräfte und der Natur der Stoffe von ähnlichen vulkanischen Bildungen verschieden ist, hier zu thun haben, unterliegt wohl keinem Zweifel. Es ist eine im norddeutschen Tieflande nicht seltene Erscheinung, dass die Torfschichten der Moore nicht auf einer festen Sohle ruhen, sondern von Wasser oder einem halbflüssigen Schlamme getragen werden. Sie heissen darum auch schwimmende Moore oder Marschen. Welche Ausdehnung Letztere in dem von Elbe und Eider begränzten Lande Dithmarschen erreichen, habe ich nach Tetens zuverlässigen Darstellungen in meiner Schrift über die Insel Helgoland *) gezeigt. Auch die Ansammlung von Gasen unter dem schwimmenden Moore, sowie deren gewaltsame Entwiekelung aus dem- selben, sind lange bekannte Thatsachen. Eine der jüng- sten und überraschendsten Beobachtungen dieser Art wurde zu Sestermühle unweit Glückstadt bei einem Ver- suche auf artesisches Wasser gemacht. Nachdem man eine von Thon und Sand bedeckte Moorschieht durchsunken, stürzte der Bohrer plötzlich nach der Tiefe und ein Jange andauernder Gasstrom brach mit Heftigkeit aus dem Bohrloche. Schon in der Beschreibung der ersten bekannten Erhebung im Beeler See vom 15. auf den 16. August 1803 begegnen wir der Angabe, dass aus dem Loche in der Mitte der Insel eine gelbe Moormasse umherge- spritzt und in demselben 28 Fuss Tiefe gefunden wor- den sei, nach Bredow’s Bericht 2 Klafter mehr, als früher an demselben Orte gewesen. Ebenso wird von Letzterem die Insel als der gehobene Seeboden be- zeichnet, welcher aus wechselnden Schichten von Torf und feinem Sande bestehe. Die angeführten Mitthei- lungen Meyn’s und Schmidt’s über die Erhebung vom 2. October 1852 stimmen nach Gestalt, Grösse und Beschaffenheit des Inselchens mit jener ältesten 3) Siehe J. Schmidt a. a. O., Bd. VIII, S. 494, v. J. 1856. 4) Die Insel Helgoland. Hamburg 1847, S. 157. 13 98 Schilderung so völlig überein, dass durch diese Gleichar- tigkeit der beobachteten Verhältnisse nach Verlauf eines halben Jahrhunderts auch eine sichere Grundlage für die Erklärung des Phänomens verbürgt wird. Denken wir uns eine verticale, seitlich begrenzte, Wassersäule durch eine unbewegliche elastische Mem- bran wagerecht getheilt und unter derselben eine Gasentwickelung, so bieten uns die Expansivkraft des Gases, die Festigkeit der Membran und das Ge- wicht der darüber stehenden Wassersäule ein Bild der Verhältnisse im Beeler See und zugleich der dy- namischen Factoren, von deren wechselseitiger Grösse die Auswölbung der Membrane und ihr endlicher Durch- bruch bedingt sein wird. Sinkt nach Entweichung der Gase die geborstene Scheidewand in die ursprüngliche Lage zurück und schliessen sich die Spaltenränder all- mälig wieder dieht; so beginnt unter Annahme fort- dauernder Gasentwiekelung eine zweite Periode der Spannung, die mit dem abermaligen Ausbruche endet. Der Zeitunterschied zweier Explosionen wird bei glei- cher Höhe der obenstehenden Wassersäule und gleicher Expansivkraft der Gase von dem Grade der Festigkeit abhängen, welchen die wiedervereinten Risse der Schei- dewand erlangen, und der für den dichten Schluss er- forderlichen Frist. Daher können die Hebungsperioden rasch aufeinander, wie 1852 und 1853 oder in längeren Zwischenräumen erfolgen. Eine gleiche Erklärung des Phänomens hat Meyn bereits gegeben; allein ihm, wie Schmidt ist ein an- deres, sehr wichtiges Moment völlig entgangen, durch welches sich uns die räthselhafte Beziehung der Erhe- bung zu dem Örcane vom 2. October 1852 enthüllt. Hören wir des Ersteren eigene Worte: „Von den Gasentwickelungen im kleinen Seegeberger See kann ich mit Entschiedenheit aussagen, dass sie stärker und zahlreicher erfolgen, wenn ein starker West- wind weht. Bis das Gegentheil erwiesen wird, muss man jedoch, um nicht die coincidirenden Ereignisse in einem falschen Zusammenhange zu bringen, annehmen, dass die Inselbildung und der atmosphärische Aufruhr ohne inneren Zusammenhang gewesen sind.“ *) Nun dieser Beweis des nothwendigen inneren Ver- bandes liegt nahe, so nahe, dass man kaum begreift, wie Meyn unter besonderer Beziehung auf die Gasent- wickelung im Seegeberger See, denselben übersehen konnte. In dem oben gewählten Beispiele zur Versinnlichung des Hebungsprocesses und der dabei thätigen dynami- schen Factoren kömmt nämlich in der Wirklichkeit auch zu dem hydrostatischen Druck auf die Membrane auch noch jener der Atmosphäre. Diese beiden wirken mit ihrer Summe der Expansivkraft des eingeschlossenen Gases gerade entgegen und die Scheidewand wird eine Wölbung nach oben erleiden, wenn Wasser und Luft- druck zusammen kleiner, als die Spannkraft des Gases *) A. 2. 0. S. 604. werden. Je grösser die Differenz an sich ist, je plötz- licher sie eintritt, um so stärker muss die Hebung und die Wirkung auf die Membran auch sein, welche bei einer stossartigen Reaction bersten kann, während sie ohne Störung ihres Zusammenhanges, einen langsamen zu gleicher Grösse angewachsenen Druck ertragen ha- ben würde. Die barometrische Windrose zeigt nun für unsere Gegenden eine Abnahme des Druckes von NO. bis $., von da wieder ein Wachsen von W. gegen N. Rasche und starke Senkungen des Barometers sind aber be- kanntlich so sichere Verkündiger aussergewöhnlicher Erregungen im Luftmeere, dass der Seemann in jenem Instrumente einen treuen Propheten längst schätzen ge- lernt hat. Eine sehr beträchtliche Differenz des Luftdruckes wird aber örtlich bei Wirbelstürmen eintreten. Die Verweisung auf Wasser - und Sandhosen mag genügen um die ausserordentlichen Wirkungen sich zu vergegen- wärtigen, welche eine 'Trombe hervorbringen muss, deren Drehungsachse ihren Weg über ein, von Wasser bedecktes schwimmendes Moor gleich dem des Beeler See’s nähme. Fallen des Barometers, namentlich aber Luftwirbel gehören zu den normalen Erscheinungen bei Gewittern und es wird uns im Hinblick auf diese That- sache wohl nicht mehr fraglich sein: ob eine ähnliche plötzliche Inselbildung in der Havel bei Pichelsdorf am 17. Mai 1807, während eines heftigen Gewitters, in einem Zusammenhange mit demselben gestanden haben könne. Eben so nothwendig wird die verstärkte Gasent- wickelung im Seegeberger See durch den geringeren Luftdruck bei westlichen Winden sich ergeben. Wel- chen Ursprungs jene Gase auch sein mögen, ihre Ent- wiekelung wird unter sonst gleichen Verhältnissen im- mer lebhafter werden müssen, wenn der herrschende Wind sich in eine Region geringeren Druckes umsetzt. Doch es muss ein weiteres Eingehen auf nahe ver- wandte Erscheinungen für einen anderen Ort vorbe- halten bleiben, da die gebotene Zeit deren Erörterung nicht mehr gestattet. Einen ferneren Gegenstand der Besprechung der Untersuchung wird dann auch die Frage darbieten: ob die Gasentwickelung im Beeler See eine normale, oder, wie Meyn glaubt, in tieferen geochemischen Processen zu suchen sei. Auf Veranlassung einiger Mitglieder wurde durch Aufstehen der Dank ausgesprochen für die grosse Liberalität, mit welcher im Auftrage Seiner Kö- niglichen Hoheit des Grossherzogs der Section aus dem Grossherzoglichen Naturaliencabinet Mine- ralien und Versteinerungen zur Verfügung gestellt wurden. Herr Georg Bauerkeller aus Paris zeigte ein vortrefflich ausgeführtes Relief von Heidelberg und Umgebung, nebst verschiedenen Reliefkarten. 99 I. Section für Botanik. Die botanische Section, etwa 50 Mitglieder stark, hatte ihren Sitzungssaal im Ständehause. Doch war der botanische Garten mit seinen neuen Prachtbauten nebst dem anstossenden, ihn ergän- zenden Schlossgarten, ein zweiter natürlicher Sam- melplatz der Botaniker, und fand, obwohl seine jetzige Gestalt eine noch ganz neue Schöpfung ist, auch in Bezug auf seinen reichen, wohlgeordneten Inhalt verdiente Anerkennung, im Privaturtheile sowohl, wie im öffentlichen Ausspruche in der Schlusssitzung. Besonders dürften die reiche Coni- feren- und Farnsammlung, der mannigfach interes- sante Inhalt des Vietorien- und Palmhauses, die im freien Lande stehende und nur im Winter überdachte Anpflanzung alter und kräftiger „Neu- holländer *“ und ÖOrangenbäume (der sogenannte Wintergarten) hervorzuheben sein. Im Schloss- garten geben die alten zum Theil fruchttragenden Prachtexemplare der nordamerikanischen Cypresse (Taxodium), des Storax- und Sassafrasbaums, sowie zahlreicher ausländischer Eichen Zeugniss sowohl von der Milde des hiesigen Klima’s als von der Erste Sitzung am 17. Präsident: Geheimerrath v. Martius. Ständiger Secretär: Professor Wigand von Marburg. Der Präsident eröffnet die Sitzung mit einer Ansprache, in welcher er, anknüpfend an seine eigene wissenschaftliche Entwickelung, das Verhält- niss der gegenwärtigen Botanik zu der älteren (Jussieu’s Schule) bezeichnet, und der drei grossen im vergangenen Jahre dahingeschiedenen Botaniker R. Brown, A. Bonpland, E. Meyer gedenkt. Dr. K. F. Schimper spricht über die von Hartweg, einem geborenen Carlsruher, in Ame- rika gesammelten Pflanzen, und knüpft daran nach eimigen Digressionen über die badische Flora ver- schiedene, theils morphologische, theils pflanzen- physiognomische Betrachtungen und Demonstra- tionen. frühzeitigen Pflege der „amabilis scientia“ durch Badens hochsinnige Fürsten. Der beim Grossher- zoglichen Schlosse stehende japanische Ginko (Salis- buria) ist wohl das älteste und grösste Exemplar auf dem Continent. Auch die Flora Carlsruhe’s und seiner Umgebungen bot den Botanikern Man- cherlei, freilich bei der vorgerückten ‚Jahreszeit hauptsächlich unscheinbare Cryptogamen, was der Betrachtung und des Mitnehmens werth schien. Bei der Fahrt nach Baden hatten sich die Pflan- zenforscher eines Gewinns zu erfreuen, indem die Excursion nach dem romantischen Gerolsau, unter den Auspicien des grössten lebenden Bryo- logen, nebst Anderem, mehrere seltene Moose — darunter zwei zum erstenmal in Deutschland mit Früchten gefunden — lieferte. Auch das in einem Pavillon des botanischen Gartens aufgestellte Gross- herzogliche Herbarium, dessen Grundlage die be- kannte Zeyher’sche Pflanzensammlung bildet , ist wegen seiner zweckmässigen Aufstellungsweise in geschlossenen Holzschachteln zu erwähnen. September 1858. Professor Mettenius von Leipzig: Ueber die verschiedenen Formen des luftführenden Zellgewebes bei Farnen. Von der Thatsache ausgehend, dass bei Gefäss- pflanzen im Allgemeinen die untere Seite des Blattes durch die grosse Zahl der Spaltöffnungen ihrer Epidermis und das an diese angrenzende spongiöse Gewebe vor- züglich zur Aufnahme der Atmosphäre geeignet sei, suchte der Vortragende eine Uebersicht zu geben über die Verbreitung dieses Gewebes bei Farnen. Als häufigste Erscheinung wurde angeführt das Auf- treten desselben in der Form zweier Längsstreifen, welche von dem Anfang der Blattfläche zu beiden Seiten des Blattstiels bis zu dem Grunde desselben, zuweilen selbst bis auf den Stamm verfolgt werden könnten, letzteres namentlich bei Farnen mit kriechendem Stamm und gestreckten Internodien, zumal solchen, deren Gefäss- bündelsystem einen geschlossenen Hohleylinder darstellt, wie z. B. Hypolepis, Pteris Vespertilio. 13 * 100 Aufdem Blattkissen der Baumfarne tritt das nämliche Gewebe an umschriebenen bis zu verschiedener Tiefe aus- gedehnten Stellen auf, bildet im frischen Zustand zu- weilen, wie bei Plagiogyria, über die Oberfläche vorra- gende kleine Höcker, und lässt nach dem Absterben und der Zerstörung der spaltöffnungsreichen Epidermisgruben zurück, welche mit einem Staub sternförmiger Zellen erfüllt sind. Die Ausdehnung der Streifen längs des Blattstiels ist in der Regel eine continuirliche, selten eine unter- brochene, z. B. bei Baumfarnen; in andern Fällen findet man an der Stelle dieser beiden Streifen zwei Reihen stielrunder Fortsätze, welche täuschend das Ansehen von Wurzeln besitzen, z. B. Phegopteris decus- sata; selten sind Farne, welchen diese Streifen gänz- lich fehlten. 2 Bei dem Uebergang dieser Gewebsstreifen von der Hauptspindel des Blattes auf die Auszweigungen er- scheinen an der Insertion der letzteren, insbesondere an ihrer oberen Hälfte, Wucherungen dieses Gewebes, welche bald nur eine mässig convexe, mehr durch ihre weisse Farbe, als ihre Grösse, ausgezeichnete Anschwel- lungen bilden, bald aber zu Höckern sich erheben, die eine Höhe von 1, —3‘' erreichen und bald abgerundet, oder seitlich in der Richtung der Blattlänge zusammen- gedrückt sind, bald stumpf, bald zugespitzt enden und in letzterem Fall mit den stachelförmigen Rindenhöckern, auf deren Scheitel die Spreublätter befestigt sind, ver- wechselt werden können oder in der Form von flachen blattartigen Schuppen auftreten, wie z. B. bei Phegop- teris decussata, bei welcher ausserdem noch an der Basis der Mittelrippe der secundären Blattabschnitte eine pfrie- menförmige Wucherung dieses Gewebes als eine nor- male Erscheinung auftritt. — Durch die zuvorkommende Bereitwilligkeit des Herrn Hofgärtner Mayer wurde der Vortragende in den Stand gesetzt, diese Verhältnisse an lebenden Exemplaren zu demonstriren. Bei dieser Gelegenheit macht v. Martius da- rauf aufmerksam, in wiefern der von Schönbein aufgestellte Unterschied von Sauerstoff und Ozon bei der Chlorophylibildung in Betracht komme, und K. F. Schimper erwähnt Fälle von Blättern, wo die Unterfläche in Folge von Emergenzen scheinbar den Character der oberen Seite annehme, Dr. G. H. Schultz Bip. fügt den bisher bekannten Beispielen epiphytisch wachsender, d. h. der Rinde von Bäumen als Boden sich bedienender Cassiniaceen einige neue Fälle (aus der Gattung Cacalia) hinzu. Derselbe erwähnt weiterer Versuche, durch welche das Vorkommen von Bastard- bildung im Pflanzenreich, namentlich unter den Cassi- niaceen bestätigt wird, und hebt insbesondere hervor, wie der durch Verkümmerung des einen der beiden Ge- schlechter häufig vorkommende Diöcismus die Möglich- keit zu Versuchen über Bastardbildung in dieser Familie darbiete. Geh. Hofrath Döll von Carlsruhe: Bemerkungen über die Zygomorphie seitlicher Blüthen. Seit der zwölften Versammlung der Naturforscher ist es bekannt, dass an den seitlichen Blüthen der im Kelche fünfzähligen Dieotyledoneen bei zwei Vorblättern der zweite Kelchtheil weitaus in den meisten Fällen, in Folge hintumläufiger Bildungsriehtung, nach hinten gegen die Achse fällt, an welcher sich die Seitenblüthe befindet. Der in Figur I. beigefügte schematische Grund- riss gibt davon eine klare Anschauung. Fig. A bezeichnet den Durchschnitt der Mutterachse, p das Tragblatt, « und ß die Vorblätter; durch die mit doppelten Linien gezeichneten Durchschnitte sind die Kelchtheile, durch die einfachen Linien die Corollen- theile bezeichnet. Weit seltener sind die Fälle, wo sich das zweite Kelehblatt solcher Blüthen, in Folge vornumläufiger Bildungsrichtung, vorn über dem Tragblatte befindet, wie dies in Figur II. veranschaulicht ist. Fig. Als Beispiele der Vornumläufigkeit wurden nach den Berichten über jene Versammlung damals die Gattungen Aizoon und Tribulus angeführt. In meiner „Rheinischen Flora“ habe ich die Gattung Thesium, die Gruppe der Rhodoraceen und die grosse Familie der Leguminosen als weitere Fälle genannt, und jetzt will ich, veranlasst durch den mir gerade zu Gebot stehenden frischen Flor des botanischen Gartens, noch die Lobeliaceen um so lieber als hierher gehörig aufführen, als sie mir zugleich Anlass geben, einige damit in Beziehung stehende Eigenthümlichkeiten in der Ausbildung der Blumen- krone in’s Auge zu fassen. Es gibt nämlich bei sämmt- lichen grösseren Abtheilungen der phanerogamischen Pflanzen sogenannte zygomorphe, d. h. solche Blü- then, welche im gewöhnlichen Sinne des Wortes sym- metrisch sind und demnach durch eine in bestimmter Richtung durch sie gelegte Ebene, aber auch nur durch diese, in zwei symmetrisch-gleiche, d. h. solche Hälf- ten getheilt werden können, wovon die eine dem Spie- gelbilde der andern vollkommen gleich ist, mögen nun dieBlumenblätter, wie bei den Gamopetalen, mit einander verwachsen, oder, wie bei den Eleutheropetalen, von einander getrennt sein, Solche Blüthen finden sich unter den in Kelch und Blumenkrone fünfzähligen Dicotyledoneen namentlich bei den Labiatifloren im weitesten Sinne, ferner bei den Lentibularieen, Globularieen, Lobeliaceen, Dipsa- ceen, Caprifoliaceen, Synanthereen, Valerianeen, Ona- grarieen, Tropaeoleen, Hippocastaneen, Polygaleen, Balsamineen, Violarieen, bei manchen Ranuncuiaceen und Papaveraceen und in geringeren Graden bei den Resedaceen, bei mehreren Verbenaceen, Rhodoraceen, manchen Polemoniaceen, Umbelliferen, Rutaceen, Cap- parideen und einigen Cruciferen. Bald besteht nun diese Zygomorphie nur darin, dass sich die Blüthe nach der einen Richtung stärker oder in anderer Weise ausbildet als nach der andern; bald scheiden sich zugleich zwei verschiedene Parthien von Blüthenorganen deutlicher von einander ab. Im ersten Falle bildet sich die schlechthin sogenannte unregel- mässige Blüthe aus, im zweiten Fall entstehen die Lip- penbildungen. Ueberdies können auch beide Fälle com- binirt sein, wenn die Lippenbildung stattfindet und die Blüthentheile gleichwohl nach einerlei Richtung hin geneigt sind, ein Fall, der z. B. an den Kelchen und an den Blumenkronen der Leguminosen nicht selten vorkommt. Weitaus in den meisten Fällen haben solche zygo- morphe Blüthen eine seitliche Stellung. Sie werden wahrscheinlich gerade dadurch zygomorph, dass sie in ihrer Entwickelung und Entfaltung an ihren hinten befindlichen, der Achse zugewandten Theilen andere Einwirkungen zu erfahren haben als an den mehr oder weniger frei nach aussen gerichteten Theilen. Die Zygomorphie solcher seitlichen Blüthen kann nun entweder eine mediane sein, wenn ihre Theilungs- ebene durch die Achse ihres Mutterzweiges und durch die Mitte des Tragblattes geht, oder sie kann, wie bei Gladiohıs, eine schiefe, oder, wie bei den Fumaria- ceen, selbst eine quere sein, wenn die Theilungsebene mit der Mediane einen spitzen, beziehungsweise einen rechten Winkel bildet. Hier soll zunächst nur von der medianen Symmetrie die Rede sein, in so weit sich die- selbe an der Corolle zeigt. Wir werden bei derselben die Modificationen aufsuchen, welche aus der verschie- denen Stellung der entweder hintumläufig oder vornum- 101 läufig gebauten zygomorphen Blüthen mit Nothwendig- keit hervorgehen. Die hier vorkommenden einzelnen Fälle sind als vereinzelte Thatsachen bereits beobachtet; aber sie sind meines Wissens noch nicht als die Wir- kungen ihrer Stellungsverschiedenheit erkannt worden. Ich versuche es, diesen Zusammenhang nachzuweisen. 4. Die Lippenbildung der Corolle bei hint- umläufigen fünfzähligen Seitenblüthen. Ist eine seitliche Blüthe hintumläufig gebaut, und steht demzufolge, bei zwei Vorblättern, wie in Figur 1. der zweite Kelchtheil oben, in Bezug auf die Achse hinten, so können bei der stattfindenden Alternation der Kelch- und Corollentheile folgende Fälle eintreten: a) Die Oberlippe besteht aus zwei Corol- lentheilen (0, o), die Unterlippe aus dreien, den beiden mittleren (m, m) und dem unteren (x). Die punktirte Linie 5 c bezeichnet die Grenze zwischen Ober- und Unterlippe. Was oberhalb derselben liegt, bildet die erstere, was unter ihr liegt, die letztere. Dies ist der bei weitem häufigste Fall; er bildet nament- lich die Regel bei der grossen, ausschliesslich seit- liche Blüthen tragenden Classe der Labiatifloren. Die Vertheilung der Corollenlappen auf die nach oben und unten gerichteten Lippen kann bei der gegebenen Fünfzahl, wenn Halbirungen vermieden werden, offen- bar nicht gleichheitlicher stattfinden, als wenn der einen Lippe zwei, der andern drei Blumenblätter zufallen. Als ein besonders schönes Beispiel dieser Art erwähne ich aus der Zahl der hierher gehörigen Polypetalen das schöne T’ropaeolum aduncum, bei welchem die zwei oberen, der Oberlippe analogen Corollenblätter aus keilförmiger Basis breit verkehrteiförmig und gelappt, die drei unteren dagegen schmal spatelförmig und nur fein gewimpert sind. Ein weiteres schönes Beispiel mögen die Pelargonien abgeben, deren zwei obere Co- rollenblätter sich in der Regel schon dureh ihre ver- schiedene Färbung von den drei unteren unterscheiden. Es lässt sich ferner 6) der Fall denken, dass die Abtheilung der zu den Lippen verwendeten Corollentheile gleichsam noch par- theüischer ausfällt. Wie wird aber derselbe beschaffen sein müssen? — Da (Figur I.) ein Kelchtheil der Achse zugewandt ist, und die Corollentheile mit den Kelch- theilen alterniren, so bleibt, wenn überhaupt noch zwei Lippen entstehen sollen, nur noch der Fall übrig, dass vier Theile nach oben oder hinten, und nur ein Theilnach unten oder vorn gerichtet ist. In diesem Falle besteht die Oberlippe aus vier, die Unterlippe aus einem einzigen Corollentheile.. Jene vier Lappen, die oberen (o, o) und die mittleren (m, ın), liegen in unserer Figur I. oberhalb der punktirten Linie d /, der einzelne Lappen (w) unterhalb derselben. Deutliche Beispiele für diesen Fall bieten unter Andern die Co- rollen von Lonicera und Ocymum, welche beide eine vierlappige Oberlippe und eine einlappige Unterlippe haben. Ferner gehören hierher die polypetalen Corollen der Gattung Dietamnus, bei welchen in der Regel die 102 beiden hinteren Blumenblätter mit den beiden mittleren eine vierblätterige Oberlippe bilden, während das vor- dere Blumenblatt sich stärker absondert und so die Unterlippe darstellt. Auch die Randblüthen mancher Arten von Centaurea, namentlich die von Centaurea montana , zeigen meistens diesen Bau, während bei anderen Arten dieser Gattung der Corollensaum sich theils nach der Zwei- und Dreizahl abtheilt, theils zwischen beiden Fällen hin und her schwankt, theils auch hinsichtlich der Anzahl der Saumlappen keiner bestimmten Regel folgt, wie sich an Centaurea dealbata und selbst an Centaurea Cyanus sehr leicht nachweisen lässt. c) Die mathematische Combination führt uns nun noch zu einem dritten Fall, in welchem die Oberlippe ganz leer ausgehen und alle fünf Lappen dem untern Theile der Blumenkrone zugetheilt sein würden. Auch dieser Fall findet sich in der Natur, und zwar bei der Gattung Teuerium. Hier ist eine ein- fache, mehr oder minder tiefgehende Spaltung der Co- rollenröhre vorhanden, und nur die Analogie und die von den bereits erwähnten, ungleich häufiger vorkom- menden Fällen herrührende Gewohnheit verführt uns, in den Beschreibungen die äussersten Lappen der aus- schliesslich nach vorn und unten ausgebildeten Blumen- krone eine gespaltene Oberlippe zu nennen. Bei den Acanthaceen verkümmern zuweilen diese Rudimente so sehr, dass sie nur noch am Grunde der Ränder der Unterlippe beiderseits durch ein sehr kleines Zähnchen angedeutet sind, und selbst dieses Zähnchen ist nicht immer wahrzunehmen. Auch bei Globularia Alypum ver- kümmern die beiden oberen Corollenlappen, und die Kronröhre ist hinten gespalten, während bei andern Arten dieser Gattung die Lappen der Öberlippe nur bedeutend kleiner sind als die der Unterlippe. Erwägen wir nun einen Augenblick, wo in dem vorliegenden Falle diese einfache Spaltung oder Aus- buchtung der Corollenröhre zu erwarten sein dürfte, so ergibt sich, dass dieselbe, wenn nicht die Symmetrie der Blüthe aufgehoben werden soll, nothwendig in die Richtung der Mediane fallen muss; dass sie jedoch, wenn sie nach vorn fiele, die Mitte des vorn stehenden Blumenblattes treffen würde, und dass desshalb zu er- warten war, dass sie, wie es die Wirklichkeit nach- weist, hinten zwischen den beiden Corollenlappen (0, 0) eintrat. Ist statt des zweiten ein anderer Kelchtheil, wie z. B. bei den vorblattlosen Primulaceenblüthen der vierte, der Achse zugewendet, so macht dies in den ange- deuteten Abtheilungsverhältnissen durchaus keinen Unter- schied, wie uns z. B. die Gattung Pingweula zeigt, welche in Hinsicht ihres Lippenbaues vollkommen mit den Labiatifloren übereinstimmt. Es liegt in dieser und in zahlreichen analogen Thatsachen der Beweis, dass es hier nicht darauf ankommt, welcher Kelchzahn der Achse zugewendet ist, sondern dass eben nur irgend ein Kelchzahn sich an jener Stelle befindet. Ganz anders stellt sich jedoch die Sache, wenn in dieser letzteren Beziehung eine Aenderung eintritt, wie dies bei den vornumläufigen Seitenblüthen, zu denen wir jetzt über- gehen, der Fall ist. B. Die Lippenbildung der Corollen bei vorn- umläufigen fünfzähligen Seitenblüthen. Ist die im Kelch und Blumenkrone fünfzählige Seiten- blüthe vornumläufig gebaut, und steht demzufolge bei zwei Vorblättern den, zweite Kelchtheil, wie in Figur IL, vorn über dem Deckblatte, so treten in Bezug auf die Zygomorphie und auf die Vertheilung der Corollenpar- thieen in Ober- und Unterlippe ganz andere, bei den hintumläufigen Blüthen nie vorkommende Verhältnisse auf. Auch hier theilt sich die Corolle in den meisten Fällen so, dass der einen Lippe zwei, der andern drei Corollentheile zukommen; aber die drei Theile (Figur II. o, m, m) fallen hier nicht der Unterlippe, sondern der Oberlippe zu, während die zwei Theile (x, v), welche in Figur I. unterhalb der Linie 5 ce liegen, die Unter- lippe bilden. Es liegt auf der Hand, dass diese Ver- theilung der Corollenparthieen mit der Stellung des Kelches im Zusammenhange steht, indem bei der statt- findenden Alternation von Kelch und Corolle noth- wendig ein Theil der Blumenkrone nach hinten gegen die Achse fällt und dann, wenn eine nahezu gleiche Quertheilung der Corolle eintritt, diese nur in der Weise stattfinden kann, dass die Oberlippe dreitheilig wird, und die zwei übrigen Theile der Unterlippe zufallen. Eine zweilappige Oberlippe ist in diesem Fall un- möglich. Schöne Beispiele der beschriebenen Corollenbildung bieten viele Arten der Gattung Azalea, namentlich die in unseren botanischen Gärten so häufig eultivirte Aza- lea pontica, bei welcher die beiden Lippen nicht allein durch Grösse und Gestalt, sondern oft auch in der Farbe unterschieden sind. Am Grund ihrer Corollen- röhre befindet sich ein kleines sackartiges Höckerchen. Soll die Symmetrie erhalten bleiben, so muss dasselbe in der Mediane liegen, und da es der Mitte eines Co- rollentheiles entspricht, so muss es hinten gegen die Mutterachse fallen, während sich ähnliche Aussackungen bei den hintumläufigen zygomorphen Blüthen, na- mentlich bei den Labiatifloren, vorn über dem Deck- blatte befinden. Bei Rhododendron reicht die Zygomorphie nicht bis zu einer deutlicheren Abscheidung zweier Lippen; aber gleichwohl sind z. B. an der schönen Blüthe des Rhodo- dendron ponticum die drei oberen Corollenlappen in Ge- stalt und Richtung sehr verschieden von den zwei untern, und wir überzeugen uns sehr leicht, dass jene einer Oberlippe, diese einer Unterlippe entsprechen *). Bei- spiele mit deutlich gesonderten derartigen Corollenlippen bieten uns die Arten der Gattung Zobelia, namentlich *) Ganz anders zeigt sich diese nicht mit deutlicher Lippen- bildung verbundene Zygomorphie bei den hintumläufigen Blüthen, wie z. B. bei Verbascum, Viola oder manchen Geraniaceen, an deren Corollen immer zwei Lappen oder Theile einer Oberlippe und die drei übrigen einer Unterlippe entsprechen. die schöne Lobelia cardinalis und die häufiger eultivirten Arten: Lobelia bicolor, L. heterophylla und L. ramosa *). So willkommen übrigens diese Beispiele dem aufmerk- samen Beobachter sind, so fallen sie gleichwohl nicht sofort als hierher gehörig in’s Auge; weil sich der Blü- thenstiel während der Entfaltung der Blüthe um die Hälfte eines Umkreises dreht, und die zweilappige Unter- lippe dadurch eine Oberlippe, die dreilappige Oberlippe aber eine Unterlippe zu sein scheint. Fällt die Abtheilungsstelle der Oberlippe von der Unterlippe weiter nach hinten, also in Figur II. nach der Linie a b, so gibt die Oberlippe zwei Lappen an die Unterlippe ab und ist alsdann nur noch aus einem, die Unterlippe dagegen aus vier Theilen gebildet. Zahl- reiche Fälle dieser Art finden sich in der grossen Fami- lie der Leguminosen, bei denen häufig nur die Fahne der Achse, die vier übrigen Corollentheile dagegen dem Deckblatte zugewendet sind. Unsere Genista tine- toria bietet dafür ein treflliches Beispiel. Auch der dritte Fall, wo gewissermaassen eine Lippe die sämmtlichen Corollentheile in Anspruch nimmt, findet sich bei vielen, mit sämmtlichen Corollentheilen gegen die Achse gekrümmten Leguminosen, sowie auch bei Lobelia Tupa, deren Corollenröhre an der vor der Dre- hung unten befindlichen Seite gespalten, und deren sämmtliche Corollentheile gegen die Achse gekrümmt sind. Uebergangsformen zum vorliegenden Falle finden sich unter Andern bei sämmtlichen Zobelia-Arten mit einer kleinen Unterlippe, welche in der Regel zwischen den beiden Lappen mehr oder minder tief gespalten ist. Dass diese Spaltung in der Mitte der Unterlippe, in Figur II. zwischen u, vu, eintrat, war desshalb zu er- warten, weil sie, ohne die Symmetrie aufzuheben, an keine Stelle ausserhalb der Mediane, und innerhalb der- selben, wenn sie nicht einen Corollentheil spalten soll, nur in die Mitte der Unterlippe fallen kann. — Dieselben Gesetze, welche die Zahlenverhältnisse bedingen, nach denen sich gewisse Theile der Corolle mehr oder minder stark ausbilden oder zugleich als Ober- und Unterlippe absondern, zeigen sich nicht allein auch in dem Bau des Kelches, sondern sie äussern auch ihren Einfluss in den numerischen und örtlichen Ver- hältnissen des Fehlschlagens gewisser Blüthentheile. In beiden Richtungen liegen ganze Reihen höchst inte- ressanter Thatsachen; da jedoch die den Rednern hier vergönnte kurze Frist keine speciellen Ausführungen erlaubt, so muss ich mich einstweilen damit begnügen, diesen in morphologischer Hinsicht höchst wichtigen Gegenstand der Aufmerksamkeit der Sachkundigen zu empfehlen. Sehnittspahn, Direetor des botanischen Gar- tens in Darmstadt: Ueber verschiedene Arten von Sempervivum. Schon seit einer Reihe von Jahren wurde von mir in dem hiesigen botanischen Garten den Formen und *) Die Gattungen Siphocampylos und Isotoma bleiben als Grenz- posten der Lobeliaceen von dieser Betrachtung ausgeschlossen. 103 Arten der Gattung Sempervivum in Gemeinschaft mit meinem Freunde C. B. Lehmann in Offenbach grosse Sorgfalt zugewendet und wurden von uns in den vor- hergehenden Jahren mehrere Aufsätze hierüber in der Regensburger botanischen Zeitung zur Oeffentlichkeit gebracht; unsere dort gestellte Bitte uns mit weiterem Materiale aus dieser Gattung zu versehen hatte den Erfolg, dass uns die Herren: Gartendireetor Scholl in Schönbrunn, v. Haussmann in Botzen und beson- ders Herr Dr. Lagger in Freiburg in der Schweiz vielfache Sendungen zugehen liessen, wodurch unsere kleine, anfänglich aus 8—10 Arten bestehende Samm- lung auf 50 —60 Arten und hervorragende Formen anwuchs. Ob diese Arten wirklich alle als solche an- genommen werden können, lässt sich vorerst mit Ge- wissheit noch nicht behaupten, auch sind wir noch sehr darüber im Zweifel, ob man bei dieser Gattung Ba- starderzeugungen aufstellen kann, da die einzelnen Ar- ten selten gemischt unter einander wachsen und einzelne von uns unterschiedene Arten ganz abgesondert von den übrigen vorkommen, mit Sicherheit kann man aber jetzt schon behaupten, dass aus den ursprünglich von den Floristen angenommenen wenigen Arten eine grös- sere Menge wohlgegründeter Arten hervorgehen wer- den. Wir hoffen demnächst durch eine Monographie das noch Zweifelhafte dieser Gattung aufzuklären, einst- weilen haben wir folgende Anordnung aufgestellt: Section 1. Jovisbarba , Jupitersbärte: Kelch 6-theilig; Krone 6-blättrig glockenartig zusam- mengezogen; Staubfäden immer 12; Stempel bis zur Basis getrennt, aufrecht. — Rosetten kuglich, selten stark auseinandergehend; Rosettchen, an feinen kurzen Stielehen sich aus den Achseln sämmtlicher Rosettblät- ter vorschiebend und alsbald abfallend. Von dieser Abtheilung, wovon man man ursprüng- lich nur ‚S. hirtum und soboliferum kannte, zählen wir 6— 8 Arten. Section 2. Sempervivum, Hauswurze: Keleh 12- und mehrtheilig; Krone 12- und mehrblättrig, radförmig ausgebreitet; Staubfäden 24 und mehr; Stempel 12—16 dicht beisammen stehend, an der Basis fast verwachsen, die Griffel zuletzt abstehend. — Rosetten flachrund, mehr auseinander gehend. Rosettchen an mehr oder weniger verlängerten Stolonen aus den Ach- seln der äusseren Blätter hervorkommend. Diese zweite, bei Weitem zahlreichere Section theilen wir in folgende Gruppen: a) Arachnoideae, spinnwebhaarige: Die Rosettblätter durch Spinnwebhaare mit einander verbunden ; wir eul- tiviren hiervon 7— 8 Formen und Arten, b) Barbulatae, gebärtelte: Rosettblätter gewimpert, Wimperhaare auf der Blattspitze ein Bärtchen bildend. Wir besitzen 3—4 Arten. e) Ciliatae, gewimperte: Rosetten klein und mittel- gross, Rosettblätter am Rande stark gewimpert, die Spitzen ungebärtet. Unsere Sammlung zählt 3 bestimmte und eine gleiche Anzahl noch zu prüfender Arten. d) Glabratae, glatte: Rosetten klein bis mittelgross; 104 Rosettblätter fast ganz glatt, am Rande kaum gewimpert. Wir zählen 3 noch nicht beschriebene Arten. e) Papillosae, weichwarzige: Rosetten klein bis mittelgross; Rosettblätter am Rande schwach gewim- pert, auf den Flächen weichwarzig und theils behaart. Unsere Sammlung zählt 9— 10 Arten. f) Tectoroidese, Dachwurze: Rosetten gross; Ro- settblätter breit, auf den Flächen glatt oder bei einigen fein behaart, am Rande meist stark gewimpert. Wir besitzen 18 — 20 Arten. — Webb und Berthelot haben in ihrem schönen Werke über die canarischen Inseln die daselbst vor- kommenden meist einjährigen und strauchigen Arten der Gattung Sempervivum ausführlich abgehandelt und sie in die besondere Gattung Aichryson, Aeonium, Greeno- via und Petrophyes abgetheilt. — Soweit es uns mög- lich war, diese von Endlicher und Walpers ange- nommenen Gattungen zu prüfen, haben dieselben Vieles für sich, will man sie aber wirklich annehmen, so müs- sen die europäischen alpinen Arten der Consequenz hal- ber auch in die Gattungen Jovisbarba und Sempervivum abgetheilt werden. Privatdocent L. Radlkofer aus München. Ueber den Gegenstand dieses Vortrages wird eine besondere Abhandlung unter dem Titel: „Ueber Orystalle proteinartiger Körper pflanzlichen und thieri- schen Ursprunges“ bei W. Engelmann in Leipzig erscheinen, auf welche hiemit verwiesen wird. Professor Fr. Kirschleger von Strassburg: Einige Beobachtungen aus der Flora von Baden- Baden. Abies pectinata DC. var. pendula. Als ich am 2. September einen Ausflug vom Lich- tenthal nach dem Mercur machte, und auf dem Punkte der Strasse angelangt war, wo sie bei den Sandstein- Gruben rechts umbeugt, und wo etwas links ein kleiner Waldweg, der zur Teufelskanzel führt, sich eröffnet, hier, sage ich, fand ich etliche Hundert Exemplare von der Trauertanne: Abies pectinata var. pendula meist zwischen dem Geröll von Steinen, das beim Anlegen der Strasse in den Wald hinab geworfen worden; allein auf dem Waldwege nach der Teufelskunzel fand ich auch mehrere Exemplare oberhalb des Wegs nicht zwischen Geröll. Die Bäume (Trauertanne) waren von unterschied- licher Grösse, 10- bis 20jährig, 12 bis 30 Schuh hoch. Alle Aeste hingen beinahe dem Stamme parallel herab. Schon die heurigen Schosse des letzten und höchsten Wirbels hingen herab, selbst der Endtrieb hatte eine bedeutende Neigung (nutatio),. Der ganze Baum hatte ein äusserst mageres, schmales und trauriges Ansehen. Wild hatte ich diese Abart noch nie gesehen, wohl aber in einigen Conifereneolleetionen, bei Kunstgärtnern, die ungeheure Preise für diese Abies pectinata pendula forderten. Herr Nap. Baumann hatte einmal diese Ab. pendula mit Herın Joh. Schlumberger von Geb- weiler, im Lindthal am Fusse des Sulzer-Bölchens ge- funden, und von dort hatte Herr Nap. Baumann diese Varietät in seine Coniferen - Sammlung gebracht, indem er sie auf junge Ab. pectinata pfroptte. Diesen Fund des Herrn Baumann und Schlum- berger habe ich in meiner Flora alsatica (II. pag. 94) angegeben. Ich war begierig zu wissen, ob mein Fund an der Mercurius-Strasse bei Baden ein neuer gewesen. Ich schlug die Rheinische Flora von Geh. Hofrath Döll nach, fand hier aber (pag. 97, 98) nicht die geringste Spur einer Meldung. Ich sprach darüber mit Herrn Hofgärtner Eith zu Baden, dieser glaubte auch die Trauertanne gesehen zu haben; ebenso Herr Bezirksförster Diss zu Baden. Allein Pfropfversuche waren noch keine damit angestellt worden. Herr Diss meinte, dass das an die Tännchen angerollte Gestein oder Gerölle, bei Anlegung der Strasse, die Ursache zu dieser Miss- oder Umbildung der Aeste gewesen sei. In wie fern aber solches An- stossen Ursache sein kann ist nicht klar. An tausend anderen Orten werden junge Tannen verwundet, bei Anlegung von Strassen, und es entsteht doch keine Abies pendula. Ich habe bei den ältesten Trauertannen keine Früchte bemerken können. Uebergänge von gesunden, normalen Tannen zur hängenden waren sehr viele da. In den Gärtnercatalogen, article Coniferes, wird diese Abies pendula sehr selten angeführt. Vor einigen Jahren wurde sie zu ungeheuren Preisen in einem belgischen Journal angepriesen. Pfropfreiser, am Mercur, finden sich nun zu Millionen. Ich zeige hier der Section den abgeschnittenen Kopf einer zwölf- jährigen Abies pendula vor, wo die Aeste der zwei obersten Wirbel sehr schön, eine Glocke bildend, herab- hängen. In Courtin’s Coniferen (1858) finden wir diese Varietät angezeigt (p. 55) als: Pinus peetinata pen- dula Hortul. Grenier und Godron, fl. de france, schweigen davon wie die meisten Floristen. Die Ueberwallung der Tannenstöcke. Ich zeige Ihnen drei Schnitte von Ueberwallung der Tannenstöcke vor. Diese interessante, von Göp- pert so weitläufig beschriebene Erscheinung ist bei Baden ausserordentlich gemein in einem Tannenwalde, 40 — 50 Jahre alt, zwischen dem Schaafberge und dem Sattel der zwei Staufenberge. Dieser Wald muss vor 4—6 Jahren sehr dicht gewesen sein; man war ge- nöthigt, auszuholzen, d.h. zu lichten. Die abgehauenen Stämme boten einen Durchmesser von 5 — 7 Zoll. Sie stehen ganz nahe neben lebenden Tannen. Die Ueberwallung war mehr oder vollständig, auf dem ganzen Umfange, oder nur zur Hälfte, zum Drittel oder Viertel. Es wäre dem Öberförster ein Leichtes, nachzusehen, wie sich die Wurzeln der überwallten Stöcke verhalten zu den Wurzeln der nahestehenden lebenden Tannen, wie weit die Verwachsung derselben oder blose An- wachsung stattfindet. Die Umbildung des aufsteigenden Saftes in Holz und Rinde auf dem Schnitt des Stockes ist gewiss sehr interessant. Man kennt diese Erscheinung namentlich auf der Edeltanne; die Rothtanne und die Föhre bieten dieses Phänomen nur höchst selten (s. Göppert, 'bot. Ztg. 1846 Nr. 30). Auch von dieser Ueberwallung schweigt die Flora Badens von Döll; ich meine aber, dass diese Er- scheinung dem jungen Botaniker, wenn er sie findet in Tannenwaldungen, erklärt werden sollte in einer Flora, oder wenigstens auf Quellen hingewiesen. Polystichum Thelypteris (Roth), sehr gemein in allen feuchten Gebüschen und grasig- sumpfigen Waldwiesen hinter Oberbeuern, hinter dem Schaafberg, am Fusse des Mereurs (copiose fructificans), Döll eitirt Gernsbach. Unter den seltenern zu Baden (Sept. 1858) mir auf- gestossenen Pflanzen nenne ich noch: Verbaseum floccossum W. K., das zwischen Oos, Iffez- heim und Rastatt ziemlich verbreitet ist. Rumezx seutatus, glaucus Jacg. In den alten Mauern des neuen Schlosses zu Baden ziemlich häufig. Döll führt diesen Standort nicht an. Hieracium brachiatum C'h., gemein auf dem Weg des Mercurs bei 500 Meter Höhe, in Gesellschaft von H. 105 Pilosella und H. sylvestre, Tausch. Ich behaupte kei- neswegs, dass hier eine Hybridität zwischen diesen letz- ten Arten statt finde. Ich schliesse hiermit meine Beobachtungen aus der Flora Baden - Badens, wo ich im September 1858 den reichlichsten und köstlichsten Naturgenuss fand. Dr. Caspary aus Bonn schickt ein Schreiben ein mit der Bitte, um Einsendung von Exemplaren, besonders Früchten von Nymphaea alba, von ver- schiedenen Fundorten, namentlich Süddeutschlands und des Auslandes. Zur Austheilung an die Mitglieder der Section werden ferner vorgelegt: 1) Besondere Beilage zur Flora 1855 Nr. 31, enthaltend eine Entgegnung von Professor Lehmann auf den Bericht von Gottsche über die Leistungen in der Hepatologie (Bo- tanısche Zeitung 1858). 2) Der Buchs, das zuverlässigste und billigste Heilmittel der Wechselfieber von K. J. Neydeck. 3) Dr. K. F. Schimper theilt Exemplare ver- schiedener Pflanzen aus der Flora von Schwetzingen aus. Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident: C. H. Schultz Bipontinus. Zweiter ständiger Seeretär: Prof.deBary v.Freiburg. Dr. G. Herth von Heidelberg: Mittheilung über die Wurzelausscheidung. Die Ausscheidung von Kohlensäure durch die Pflan- zenwurzel, welche Liebig dadurch nachwies, dass er eine aus dem Boden sorgfältig herausgenommene Salat- pflanze in mit Lakmustincetur gebläutes Wasser brachte, wodurch eine durch Aufkochen verschwindende Röthung eintrat, schien mir in Verbindung mit der von ihm auf- gestellten neueren Theorie über die Nahrungsaufnahme der Pflanze, wichtig genug, diesen Versuch zu wieder- holen, und zwar um so mehr, als ich bei früheren Ver- suchen die Wahrnehmung gemacht habe, dass es auch bei der grössten Vorsicht kaum möglich ist, eine Pflanze aus dem Boden herauszunehmen, ohne deren Wurzel- membran zu verletzen. ' Bringt man eine solche beschädigte Pflanze in Was- ser, so wird sich dieselbe ganz eben so verhalten, wie eine Pflanze, deren Wurzeln man abgeschnitten hat; es fliesst der mit Kohlensäure geschwängerte Pflanzensaft mechanisch aus, und es lag somit die Vermuthung nahe, dass dadurch die besagte Röthung erfolgt sei. Um diesen Einwand zu beseitigen, wurden die zu den Versuchen bestimmten Pflanzen, als: Crocus, Nar- eissen und Lupinen in Wasser gezogen, und erst nach normaler Wurzel- und Blattausbildung zu den Versuchen verwendet. Bei all diesen Pflanzen trat die von Liebig wahr- genommene Röthung, selbst bis zur intensiv sauren Reaction, sowohl im Lichte als im Dunklen (bei letz- terem etwas verlangsamt) ein, ohne dass sich diese Gasausscheidung — wie dies bei den unter Wasser be- findlichen Blättern der Fall ist — durch ein Auftreten von Gasperlen bemerkbar gemacht hätte. In Kalkwasser gebracht, welches mit dem 6fachen Volumen Wasser verdünnt ist, nimmt man keine Trübung, wohl aber eine Bildung von glänzend spiegelnden Kalk- spath-Crystallen gewahr, welche sich an den Wurzeln anlegen, während ein abgeschnittenes Wurzelstück da- von befreit bleibt. Schwefelsaure und phosphorsaure Salze, sowie Chlormetalle, welche aus wässerigen Auflösungen in bestimmten Concentrationsgraden von den Pflanzenwur- zeln aufgenommen werden, wurden, auch nach mehr- tägigem Verbleiben in destillirtem Wasser, nicht wieder an solches abgegeben. 14 106 Dr. Franz Buchenau aus Bremen: Ueber zwei interessante Bürger der deutschen Flora. Unter den vielfachen Aufgaben der heutigen Botanik nimmt die Durchdringung der Systematik durch die Morphologie keine geringe Stelle ein. Was die Arbeiten vonRobertBrown, K.Fr.Schimper, Al. Braun, Wydler nnd re Anderen an neuen Gebieten er- schlossen haben, darf nicht mehr rein für sich und um seiner selbst willen studirt werden; es muss vielmehr in der Systemkunde auf die mannigfachste Weise fruchtbar gemacht, zur Verbesserung der noch vielfach mangel- haften Nomenelatur und zur Aufsuchung besserer und schärferer Grenzen der einzelnen Formenkreise benutzt werden. Zu diesem Zwecke erscheinen zunächst ein- gehendere Erforschungen von Speeialfloren besonders wünschenswerth, wie sie, freilich in verschiedener Weise, Döll und Irmisch unternommen haben. Als einen Beitrag hierzu möge man die nachfolgende Mittheilung aufnehmen. Zum Gegenstand derselben habe ich zwei Pflanzen gewählt, die für den Nordwesten von Deutschland cha- racteristisch und zugleich noch in anderer Beziehung von Interesse sind: Narthecium ossifragum Huds. und Cornus suecica L. Nartheeium ossifragum Huds. wächst in den Mooren der norddeutschen Niederungen nicht selten und kommt, je nachdem der Standort ein sehr feuchter, moosiger oder mehr trockener, wiesenartiger ist, in zwei Formen vor, die in Länge der Blätter und Streckung der Ach- senglieder sehr von einander abweichen. Die Gesetze der Verzweigung und Sprossverkettung bleiben aber für beide völlig dieselben. Der Blüthenschaft ist stets der terminale Schluss einer mehrjährigen eylindrischen, fast horizontalen oder doch nur schwach aufsteigenden Grundachse. Man zählt an ihr im Jahre der Blühreife bis zur untersten Blüthe gewöhnlich gegen zehn Internodien, deren zwei unterste weisse Scheidenblätter tragen, die folgenden sind zwar wirkliche Laubblätter, erreichen aber nie die Länge der Laubblätter an vegetativen Trieben; die oberen nehmen rasch an Länge ab und gehen allmälig in die Bracteen der Blüthen über. Zur Blüthezeit (Juli) sind übrigens die untersten Blätter schon stets vertrocknet, ja nicht selten sogar schon in Fasern aufgelöst. — Diese Blätter enthalten alle keine Achselknospen und die blühende Achse stirbt daher ohne Hinterlassung von Tochter- sprossen ab. Hierdurch ist das Exemplar zu seiner Er- haltung lediglich auf die vegetativen Triebe angewiesen. Diese bleiben wegen der verhältnissmässig langen Dauer der Grundachse mit der Mutterpflanze während meh- rerer Jahre in Verbindung. Jeder Jahrgang ihrer Achse besitzt acht bis neun Internodien; das unterste ist ge- staucht, dann folgen drei gestreckte von zunehmender Länge, worauf vier gestauchte Glieder den Jahrgang schliessen (einen ähnlichen Rhythmus zeigen die Inter- nodien an der blüthentragenden Achse). Von den acht Blättern ist das unterste nur Scheidenblatt, die folgen- den haben eine an Länge zunehmende Lamina; vom vierten an sind es normale Laubblätter; das sechste pflegt das längste zu sein und die folgenden dann an Länge abzunehmen (die absolute Länge ist, wie schon oben bemerkt, bedeutenden Schwankungen unterworfen). Auch hier pflegen die untersten 2 bis 4 Blätter ziem- lich frühe abzusterben. Das oberste Blatt des Jahrganges birgt in seiner fast vollkommen geschlossenen Scheide den für die nächste Vegetationsperiode bestimmten 'Terminaltrieb; ist er blühreif, so findet man schon im Herbste den ganzen Blüthenstand angelegt. Bei besonders kräftigen Trieben ereignet es sich in günstigen Jahren zuweilen, dass die beiden untersten Blätter des Terminaltriebes sich noch in demselben Sommer entwickeln. Die Achseln der meisten Blätter sind leer; nur in denen der zwei — seltener drei — obersten finden sich Knospen, welche zur Verzweigung des Exemplares bei- tragen. Sie wachsen im folgenden Jahre — oft aber auch nur eine von Seitenspross aus, der stets nur Laubblätter trägt und zur Erreichung der Blühreife mehrerer Jahre bedarf. Zuweilen verharren sie aber auch eine Zeit lang als Schlafaugen und ent- wickeln sich erst in einer späteren Periode. Die Blatt- stellung der Mutterachse (',) setzen sie einfach fort, so dass das erste Blatt also von dem Stützblatt weg nach der Abstammungsachse zufällt; dasselbe ist übrigens nicht, wie dies sonst bei den Monoeotylen so häufig ist, ein zweikieliges Vorblatt, sondern ein Scheidenblatt, dem allerdings die Lamina fehlt, das aber doch in der Jugend chlorophylihaltig ist. — In Betreff der Blatt- stellung ist noch zu bemerken, dass auch die untersten Blätter des Blüthenschaftes nach ",, die oberen da- gegen nach *, stehen, welche Anordnung auch in der Blüthentraube meist beibehalten ist. Aus dem untersten Theile jedes Jahrestriebes bre- chen zahlreiche Nebenwurzeln hervor; sie sind eylindrisch, hin und her gebogen und mit zahlreichen Fasern besetzt. In dem schwammigen Boden erreichen sie oft eine be- deutende Länge und bilden — da sie sich mehrere Jahre frisch erhalten — ein dichtes Wurzelgeflecht, das die Grundachse mehr oder weniger vollständig umhüllt. Besonderes Interesse erlangt die Betrachtung unserer Pflanze durch Vergleichung derselben mit den zwiebel- bildenden Liliaceen. Gemeinsam ist zunächst, dass der Blüthenschaft terminal ist; aber darin zeigt sich ein be- deutender Unterschied, dass die von ihm abgeschlossene Achse in dem Jahr des Blühens bei Nartheeium keine Achselsprosse erzeugt, während bei den andern Liliaceen die nächstjährige Hauptknospe in der Achsel des ober- sten Blattes sich findet. Aus diesem Grunde kann dieser Haupttrieb im letzterwähnten Falle blühreif werden, während er bei Nartheeium dazu mehrerer Jahre be- darf; denn käme er schon im ersten zum Blühen, so würde er — da er dann keine Seitensprosse erzeugt — das Exemplar um einen Trieb ärmer machen, während er in Folge des oben geschilderten Verhaltens während der Erstarkungsperioden Zeit hat, das Exemplar durch Aussendung von Seitentrieben weiter zu verzweigen. — Zn 37 u a Die grosse habituelle Abweichung unserer Pflanze von den zwiebelbildenden Liliaceen beruht in der Dehnung der mittleren Achsenglieder jedes Jahrganges und der häutigen Beschaffenheit der Blätter, die bei Zwiebelbil- dung entweder ganz oder in ihrem Grundtheil die Rolle von Nahrungsspeichern übernehmen. Diese Function fällt hier der ausdauernden Grundachse zu, in deren Rinden- und Markzellen sich zu diesem Zwecke im Herbste zahlreiche, kleine, gewöhnlich traubig gruppirte Stärkemehlkörner ablagern. Die Keimung dieser Pflanze zu beobachten, gelang mir trotz mehrfacher Aussaaten noch nicht. Es scheint, als ob die Mischung des Wassers darauf von dem gröss- ten Einfluss sei, und das gewöhnliche Quellwasser die Samen bald tödte. Die angeblichen giftigen Eigenschaften, welche die- ser Pflanze den Artnamen erworben haben, werden schon seit mehr als einem Jahrhundert von den Vertretern der Wissenschaft geläugnet oder wenigstens bezweifelt. — Nachdem die Pflanze von den älteren Botanikern als Asphodelus oder Pseudo-Asphodelus beschrieben ist, taucht sie in dem Werke: Botanieum quadripartitum des königlichen Leibarztes zu Aarhusen, Simon Paulli unter dem Namen Gramen norovagieum ossifragum auf, und es wird ihr nacherzählt: wann eine Bestia, wie vorgemeldt | von diesem fris- set | zerbricht und zermalmet es ihm zur Stund alle Gebeine auch also | dass man die | Beinröhren in der Haut | umb einen Stecken winden kan | stirbt aber nicht stracks | sondern kann euriret werden | wann man ihm nemlich gestossene Knochen von einer andern Bestien | so von selbem Kraut gestorben | eingibt. Diese, von dem Generalmajor Georg Reichwein als erster Quelle herstammende Nachricht bildet die Ein- leitung zu einer Reihe von weitern Notizen, welche Bartholinus in den Act. Hafn., Bd. II. und IV. gibt — sämmtlich Ergebnisse von in Norwegen eingezoge- nen Erkundigungen — und welche die giftigen Wir- kungen mehr oder weniger bestätigen. Simon Paulli vermuthet, dass unterhalb der Standorte unserer Pflanze Lager von Blei oder Quecksilber sich befinden möch- ten, denen die schädlichen Wirkungen zuzuschreiben seien. — Schon bald nachher werden aber mit der Ent- ‚deekung, dass die Pflanze auch in Deutschland und Jütland wachse, Zweifel an der Wahrheit jener Erzäh- lungen laut und Linne, sowie Möhring, der Begrün- der der Gattung Nartheeium, bekämpfen sie entschieden; Linne erwähnt übrigens noch eines Aberglaubens der schwedischen Bauern, wonach sich in der Leber der Schafe nach dem Genusse jener Pflanze Eingeweide- Würmer erzeugen. Von dieser Zeit an erhob sich keine Stimme mehr für die Giftigkeit. — Im Juli 1857 hat sich aber in Kirchwalsede (Amt Rotenburg, Königreich Hannover) ein Fall zugetragen, der für die Schädlich- keit der Pflanze — wenn auch nicht für die wunder- lichen Angaben der älteren Botaniker — zu sprechen scheint. Derselbe ist mitgetheilt in dem „Landwirth- schaftlichen Blatte des Vereins für den Landdrosteibezirk 107 Stade“ 1857, Nro. 6, und sein Inhalt kurz folgender: Zwei Einwohner jenes Dorfes gaben ihrem Rindvieh Nartheceium im frischen Zustande zu fressen; sie hatten es in einem Moore geschnitten, wo es in besonderer Uep- pigkeit und unvermischt mit anderen Pflanzen gewachsen war. Bald aber wurde dieses Futter verschmäht; es trat starker Durchfall mit Blähungen ein, der mehrere Tage anhielt und auf den dann unter Abnahme der Kräfte Verstopfung folgte; von den erkrankten sieben Stück Vieh erepirte eines am neunten, ein anderes am sechszehnten Tage, ein drittes wurde nur mit Mühe am Leben erhalten, während die vier anderen, welche we- niger von dem verderblichen Futter gefressen hatten, weniger zu leiden hatten. Die beim Beginne der Er- krankung noch abgesonderte Milch wurde dünn und gallenbitter gefunden. Diese Beobachtung — durch den Apotheker F. Wat- tenberg zu Rotenburg mitgetheilt — lenkt unsere Aufmerksamkeit von Neuem auf die Pflanze und ver- pflichtet namentlich die Botaniker in England, Skandi- navien, Dänemark und dem nordwestlichen Deutschland zu weiteren Erkundigungen über dieselbe. Mit Sicher- heit wird aber die Frage wohl nur auf dem Wege der chemischen Analyse zu entscheiden sein. *) Cornus sueeica L. nimmt vor allen Dingen unser In- teresse in pflanzengeographischer Beziehung in Anspruch. Sie hat ihre eigentliche Heimath im Norden, besonders in Skandinavien und selbst in diesem Lande wird sie mit der Entfernung vom Aequator immer häufiger. Sie ist in ganz Lappland, den Finnmarken, Nordland und Westerbotten massenwe vorhanden und liebt nach Linne’s ausdrücklicher Angabe in der Flora lapponica ganz besonders kalte Orte. Wie ist nun ihr Vorkommen im nördlichen England, in einem nirgends weit von der Küste abstehenden Striche des nordwestlichen Deutsch- land und an einem Standorte in Pommern zu erklären, Punkten, welche ein mehr oder weniger ausgebildetes Seeklima mit milden Wintern und feuchten Sommern haben? Unwillkürlich drängt sich uns die Vermuthung auf, dass sie aus dem Norden eingewandert sei, viel- leicht zugleich mit den erratischen Blöcken, die uns ja bekanntlich manches Moos mitgebracht haben. Jeden- falls verdient die Pflanze die Beachtung der botanischen Gärten, um vielleicht die Bedingungen für ihr Gedeihen durch Culturversuche zu ermitteln, Bemühungen, welche sie schon durch ihre ganz eigenthümliche und fesselnde Schönheit lohnen wird. Die Pflanze ist nämlich sicher eine der zierlichsten der deutschen Flora. Das lebhafte Grün der Blätter, das reine Weiss der vierblätterigen Hülle und das Schwarz der Blüthen — gehoben durch die röthlich- weissen Staubgefässe — geben eine sehr angenehme Farbenmischung. Die Gesammtform der Pflanze, die *) Es sei mir erlaubt, zu bemerken, dass Herr Dr. Walz aus Heidelberg, der der betreffenden Sitzung der botanischen Seetion beiwohnte, sich zur Uebernahme dieser Untersuchung freundlichst erbot. 14* 108 nach oben zunehmende Entwickelung der Blätter, welche den Blick gleichsam von selbst auf die Gipfelinflorescenz lenkt, ist eine höchst anmuthige. Dazu das schöne Oval des ganzrandigen, zugespitzten Blattes — eine Form, die in etwas kleinerem Maassstabe in den Involucral- Blättern wiederkehrt — der zierliche Bau der dolden- ähnlich zusammenstehenden Blüthen — kurz, es ist ein Bild, auf dem das Auge immer und immer wieder mit Wohlgefallen weilt. Und auch der Herbst sucht das Seinige beizutragen, um die längst abgefallenen Hüll- blätter und vertrockneten Blüthen vergessen zu lassen; denn er beschenkt die Pflanze mit einem Büschel ko- rallenrother Beeren, die wieder angenehm mit den Blät- tern harmoniren. Die Wachsthumsweise der Cornus suecica ist folgende: Die unterirdische Achse ist ein weithin horizontal fortwachsender Ausläufer; er ist eylindrisch und hat überall etwa 1”" Durchmesser. Seine Substanz ist ziem- lich holzig, dabei ist er mit einer dünnen braunen Haut bedeckt und trägt etwa in der Entfernung von 2—2 1, °” Paare von braunen, länglich-dreieckigen, früh vertrock- neten Schuppen. In den Achseln der letzteren sitzen kleine Knöspchen, durch welche der Ausläufer sich verästelt. Oft wachsen sie aber erst in einer folgenden Vegetationsperiode aus, ja in den meisten Fällen kom- men sie gar nicht zur Entwiekelung; sie beginnen ihre Blattstellung mit einem seitlich von der Mediane des Mutterblattes stehenden Schuppenpaare und haben im Uebrigen wie der Hauptstengel streng deeussirte Blatt- paare. Oberhalb der Knospen breelren aus der Grund- Achse eine oder zwei dünne, vielfach verzweigte und zu einem dichten Geflecht verbundene Nebenwurzeln hervor. Nach längerem oder kürzerem Wachsthume richtet sich der Ausläufer an der Spitze zu einem ter- minalen Stengel empor. Er beginnt dann mit fünf Schuppenpaaren, von denen die unteren wegen Stau- chung der Stengelglieder dicht an einander gerückt sind; vom dritten an nehmen die Internodien an Länge zu; oberhalb der Schuppen trägt der Stengel noch vier bis sechs Laubblattpaare; worauf dann das Involuerum folgt, und der Stengel mit der Inflorescenz abschliesst. Die Achseln der Laubblätter bergen nur schwache Triebe, welche beim Auswachsen zu kurzen Zweigen mit einigen Laubblattpaaren werden. Selten wachsen aber mehr von ihnen aus, als die beiden obersten, welche bei der Häufigkeit ihrer Entwickelung den Sy- stematikern sogar ein diagnostisches Merkmal („ramulis binis“) geliefert haben. Zur Blüthezeit sind sie noch ganz klein, wachsen aber im Laufe des Sommers noch so stark aus, dass sie die reifen Früchte überragen. — Wichtiger für die Lebensgeschichte des Exemplares sind die Knospen in den Achseln der drei unteren Schup- penpaare. Sie sind zum Auswachsen im nächsten Jahre und damit also zur Erhaltung des Stockes bestimmt. Am grössten sind die Knospen in den Achseln des zweiten Schuppenpaares; kleiner und seltener sich ent- wickelnd die des ersten und dritten. Da die Nieder- blätter sich unter rechten Winkeln kreuzen, so ist klar, dass, wenn sich mehrere Jahre hindurch (wie es am häufigsten der Fall ist) nur Triebe aus den Achseln der zweiten Schuppenpaare entwickeln, sie alle in diejenige Ebene fallen, welche die Mediane des zweiten Schup- penpaares der relativen Hauptachse ist. An älteren Pflanzen findet man den vorjährigen Stengel oft noch ganz erhalten (wenn auch natürlich vertrocknet) und von denen der früheren Jahrgänge wenigstens noch Stummel oder doch die Narben, so dass die Sprossver- kettung ziemlich weit rückwärts zu verfolgen ist. — Es verdient übrigens noch hervorgehoben zu werden, dass die Seitentriebe eines Stengels — sei er nun blüh- reif oder nicht — stets wieder zu Stengeln werden und nicht die frühere Ausläuferbildung wiederholen. Die Pflanze zeigt merkwürdiger Weise im Herbste einen Blätterfall, obwohl der Stengel durchaus krautig ist. Man findet im Herbste die Knospen für das nächste Jahr am Grunde des heurigen Stengels; es sind dann alle Theile und selbst die Blüthen vollständig angelegt, die Schuppen sind rosenroth mit bräunlicher Spitze. Nach dem Mitgetheilten schliesst sich in der Wachs- thumsweise unsere Pflanze der Cornus sangninea näher als Cornus Mas an. Auch bei Cornus sanguinea endigt der Trieb nach meist nur kurzer Wachsthumsperiode mit dem Blüthenstand, und die Achseln der obersten Laubblätter enthalten die Krafttriebe, die freilich bei Cornus suecica im ersten Winter mit dem Stengel ab- sterben, während sie bei Cornus sanguinea die Verzwei- gung des Exemplares fortsetzen. Bei Cornus Mas ist der Haupttrieb dagegen unbegrenzt und die Blüthenbil- dung an eine besondere Sprossform, die Stauchlinge, gefesselt; dafür hat sie mit unserer Pflanze aber den doldenförmigen Blüthenstand gemein. Dieser ist in Wahrheit nicht doldenförmig; er ist vielmehr ganz ebenso nach den Gesetzen des Dychasiums gebaut, wie die Blüthenstände der meisten strauchigen Cornusarten, nur dass sämmtliche Achsengenerationen des Blüthenstandes bis auf die höchste, d. h. die Stiele der einzelnen Blü- then, unentwickelt sind, wodurch, verbunden mit dem gänzlichen Fehlen aller Vorblätter, natürlich eine schein- bare Doldenform entstehen muss. Die Wahrheit dieser Behauptung ist leicht darzuthun. Bei einiger Aufmerk- samkeit beobachtet man, dass der Blüthenstand aus vier, den Involucralblättern anteponirten Theilen besteht. Schneidet man zwischen je zweien dieser Blätter hinein, so ist es leicht, die vier Theile abzulösen, worauf dann eine Gipfelblüthe des Stengels stehen bleibt. Die abge- lösten Stücke besitzen ebenfalls eine, sich zuerst ent- wickelnde Endblüthe (2. Ordnung) und seitlich von ihr gewöhnlich noch zwei Blüthen (3. Ordnung), zu deren jeder oft abermals zwei Blüthen (4. Ordnung) als Ach- selsprosse unterdrückter Vorblätter gehören; von den letzteren entwickeln sich aber oft nur die nach aussen fallenden. So ist der Reichhaltigkeit des Blüthenstandes ein grosser Spielraum gelassen, und ich fand die Zahl der Blüthen schwankend zwischen fünf und neun und zwanzig, welche Zahl nach Linne zuweilen noch über- schritten wird. Die Früchte sind, worauf schon Linne hinweist, scheinbar traubig angeordnet; dies rührt aber neben dem Abfallen der Involucralblätter nur daher, dass die Einzelstiele sich nach der Blüthezeit nicht weiter ent- wiekeln, und die grossen kugeligen Beeren sich daher auf die Seite drängen. — Uebrigens fand ich an den deutschen Exemplaren stets nur 1—4 Früchte, wäh- rend alle Abbildungen nordischer Pflanzen deren mehr zeigen. Privatdocent Dr. Walz aus Heidelberg : Die chemische Verwandtschaft von zwei Gliedern der Familie der Cucurbitaceen: Bryonia und Cuceu- mis Colocynthis. Darüber, dass verschiedene Glieder einer und der- selben Pflanzenfamilie, wenn auch nicht dieselben so doch sehr verwandte Stoffe zu erzeugen im Stande sind, ist man längst einig und ziemlich bedeutend ist die Zahl der Beweise, welche vorliegen. — Dass aber die zwei hier zu berührenden Pflanzen, die eine in ihrer Wurzel, die andere in ihrer Saamenhülle (Fruchtmark) so sehr nahe stehenden Stoffe ausgebildet enthalten, dürfte um so mehr der Beachtung der Botaniker werth sein, als beide Pflanzen in der Mediein, und besonders die Bryo- nia in der Volksheilmittelkunde vielfach in Anwendung sind. — Als Endglieder der Entwickelung müssen wir in dem Saamen der Coloquinte ein fettes Oel und in der Wurzel der Bryonia das Stärkmehl annehmen; dagegen finden sich in der letztern eine Anzahl Stoffe, welchen sich gleichsam parallel-lJaufende in der Fruchtmarke der Coloquinte an die Seite stellen. Unter Berücksichtigung aller frühern Arbeiten über die beiden genannten Pflanzen unternahm ich ausführ- liche Analysen, und fand darin die nachstehenden Stoffe: In Bryonia dioica : 1) Bryonin, ein Bitterstoff, in Wasser und Alkohol löslich, der Zusammensetzung: C 48 H 40 O 19. Dieser Stoff ist ein Glycozid und spaltet sich durch Behandeln mit Mineralsäure unter Aufnahme von Wasser in zwei neue Körper; zwei Atome desselben zerfallen a) in Bryoretin C 42 H 35 O 14. b) „ Aydrobryotin C 42 H 37 O 16. ec) „ Traubenzucker GIRZHEFI2Z0ZT2: C 96 H 84 O 42. Während Bryonin in Aether unlöslich ist, löst sich Bryoretin sehr leicht darin auf. 2) Bryonitin, ein eigenthümlicher erystallisirbarer Stoff, in absolutem Alkohole unlöslich, löslich in warmem Aether und kochendem gewöhnlichen Alkohol. Eine deutliche Crystallform ist nicht zu erkennen, es er- scheint das Ganze als cerystallinisches Haufwerk. 3) Ein in Aether lösliches Harz (Fett), welchem ein zweites durch Bleioxyd fällbares anhängt. 4) Ein braunes in Alkokol lösliches Harz, ebenfalls in zwei zerlegbar. il In Cueumis Colocynthis : 1) Colocynthin, in Wasser und Alkohol löslicher Bitterstoff, 109 Zusammensetzung: C 56 H 42 OÖ 23 zerfällt durch Säure in Colocynthein C 44 H 32 O 23 und Rohrzucker = C 12 H 10 O 10. 2) Colocynthidin, blendend weiss, erystallisirt im trielinometrischen System, ist in absolutem Alkohol unlöslich, löslich in warmem Aether und gewöhnlichem heissem Alkohol. 3) Ein in Aether lösliches, sehr bitteres Harz. 4) Ein in Aether unlösliches ebenfalls bitteres Harz. Aus dem hier in Kürze Mitgetheilten geht hervor, dass jede der beiden Pflanzen Stoffe erzeugt, die je paarweise in dieselbe Classe gehören, aber trotz der allgemeinen Aehnlichkeit doch unter sich sowohl in Zu- sammensetzung als Spaltungsfähigkeit ganz verschie- den sind. Professor F&e von Strassburg: 1. Sur la Morphologie de la fleur de I'Iris. La fleur de P’Iris, type de la famille & laquelle ce beau genre donne son nom, est complete, et rigoureuse- ment etablie sur le nombre ternaire, si du moins on veut consentir ä regarder les enveloppes florales comme formees de deux verticilles. Les botanistes, malgre les apparences, souvent con- traires & cette opinion, n’admettent en general qu’une seule enveloppe florale pour les monocotyledones; ils la designent sous le nom de perianthe ou de perigone et la deelarent formee de six pieces, constituant un seul verticille. Le mot perianthe a ete eree par Rivin, le mot perigone par Ehrhart. Si l’on procede avee equite le premier de ces termes devra seul @tre admis. La loi d’anteriorite est en general observee par la nomen- clature des noms generiques et celle des especes; pour- quoi agirait-on autrement, quand il s’agit des mots em- ployes en organographie ou dans quelque autre branche de la botanique que ce soit? Perianthe, d’ailleurs, a plus de preeision et de justesse; il signifie autour de la fleur, dans le sens linneen: los in antherä et stigmate con- sistit. Le mot perigone, prefere par de Candolle a cet inconvenient de ressembler ä perigyne et d’appar- tenir a la serie des termes geometriques, polygone, hexa- gone, tetragone ete. introduits dans la botanique des- eriptive pour designer des formes; d’ailleurs le mot peri- gone a un sens trop restreint puisque cette enveloppe n’entoure pas seulement le pistil, mais aussi les eta- mines. Quoiqu’il en soit le perianthe est souvent forme de deux verticilles, parfaitement distinets, et se decompose en calice et en corolle, temoin les xyridees, les com- melinaceees, les butomees et toutes les familles ä ovaire supere. La distinetion devient plus diffieile dans les amaryllidacees, les colchicacees et les orchidaeees dont Vovaire est infere; neanmoins, si Yon y regarde de pres, il est facile de reconnaitre que les six pieces qui com- posent ce perianthe different trois par trois, de forme et de dimension, et en outre que dans le bouton floral, 110 trois seulement remplissent le röle proteeteur du calice. Dans les monoeotyledones epigynes meme, la distinetion est souvent tres marquee dans les cannacees et les iri- dacees par exemple. Afin de s’entendre dans certaing cas embarassants, on a dit des trois pieces exterieures qu’elles etaient ealieioides et des trois pieces interieures qu’elles etaient corolloides. Certaines familles n’ont r&ellement qu’une seule en- veloppe florale, les polygonees, les laurinees, les thy- melees entre autre, e’est la un veritable perianthe et les fleurs des plantes qui appartiennent a ces familles sont bien monochlamydees, n’ayant qu’une seule rangee de chlamydes. On a dejä di pressentir par ce qui precede, que nous regardons la fleur de I’Iris comme die hlamydee, l’eetochlamyde, ou rang6e exterieure est un calice trisepale, ä sepales reflechis; l’endochlamyde, ou rangee interieure est une corolle tripetale, a petales dresses. Le premier vertieille a une prefleuraison en spirale ou torsive, le second une prefleuraison imbriea- tive. Ce sont lä les anthochlamydes de la fleur. ') Les petales portent, dans certaines especes d’Iris de singulieres expansions piliformes qui les ont fait quali- fier de barbues (barbatae). Il ne faut pas se laisser abuser par cette designation inexacte. Ce sont des lamelles et non des poils; l’elegante couronne qui en- toure les organes sexuels des passiflores n’en differe que par sa situation. Dans l’Iris, elles prennent Vap- parence d’une brosse; quoique dressees elles ont une grande souplesse et sont formees de plusieurs rangees de cellules allongees, ayant leur plus grand diametre dans le sens longitudinal de l’expansion dont elles con- stituent toute la trame. Les etamines (anthosandres) sont au nombre de trois; Vanthere (anthosorchis) a une dehiscence extrorse ; le pollen (anthosperme) est ellip- soide. Les filets (andropodes) dans les iris imberbes, elevent l’anthere assez haut pour le mettre en rapport avec le stigmate (gynetöre) et ce rapport est favorise par-le stigmate dont la partie libre s’inflechit pour aller ä& la rencontre de l’organe mäle. Dans les iris barbus la proportion de chacun des organes sexuels n’existe pas, les filets sont trop courts et l’anthere ne peut atteindre le stigmate. Nous dirons plus loin, ce qui dans lorga- nisation de la fleur semble destine ä& obvier ä cet in- convenient. Les trois etamines attachees ä la base de chaque sepale, et par consequent alternes avec les petales, sont opposees aux carpelles, eirconstanee qui semble demon- trer Yabsenee d’un vertieille staminal interieur, celui qui devrait alterner avec les carpelles. S’il existait, la famille des iridees differerait ä peine des amaryllidaeees. L’harmonie organique de la fleur est done interrompue, mais il ne suit pas de cet avortement que le perianthe 1) Ces termes regularisent la nomenclature des enveloppes florales; l’avantage qu'ils presentent est de ne rien präjuger sur leur nature morphologique; nous les indiquons ineidemment et pour mieux nous faire comprendre; il en sera de meme des autres termes employ&s dans ce memoire. puisse &tre regarde comme une enveloppe unique, il faut au contraire y voir la preuve que le calice s’est dedouble en corolle, et qu’il n’en a pas ete de m&me du vertieille staminal interieur. Les styles (yynopodes) sont, dans le genre iris, divises si profondement, et le point vers lequel ils se soudent est si court, que la fleur semble tout autant trigyne que monogyne, pour en decider d’une maniere definitive il faut examiner ces supports dans d’autres genres de la famillie. Le pistil (anthogyne) est forme de trois feuilles car- pellaires avee style et stigmate. L’ovaire (metrogyne) n’offre rien de partieulier, il est triloculaire avec dehis- cence loculieide, quand il s’est constitue en fruit. Chaque style est convexe par sa face interne, concave par sa face externe, et c’est en son centre que vont s’appliquer, plus ou moins intimement les etamines. Ce style peta- loide, est parcouru par des nervilles qui partent de deux gros faisceaux vasculaires centraux, pour s’epanouir vers la marge en decrivant des courbes flabelliformes, tous ces vaisseaux sont des trachees deroulables. En jJugeant sur les apparences on pourrait eroire que le style est forme d’une seule piece, mais en essayant de le plier, sur le cöte concave, on voit tres-distinetement qu’il est divise en deux, dans toute son etendue et que s’il parait en etre autrement, cet effet est dü a la lame stigmoide qui le tapisse, et qu’il existe deux petits cor- dons vasculaire independants, ä droite et a gauche de la partie libre. Cette soudure maintient les fibres dans une situation foreee, de sorte que si l’on separe les deux branches stylaires, chaque moitie qui d’ailleurs est courbee, va brusquement s’appliquer, dos contre dos, sur sa voisine qui se comporte de m&me, quand elle est mise dans des conditions pareilles. La fleur prend alors une apparence reguliere, et d’opposees qu’elles sont les etamines semblent &tre devenues alternes. Cette separation des styles en deux parties distinetes est tout-a-fait econgeniale, et rien ne le prouve mieux que le bourrelet ou la petite erete qui s’eleve parfois au point de eontact, la luxurianee m&me ne parvient pas aA en operer la soudure. Chaque levre etant for- mee par deux faisceaux vaseulaires distinets, il yena done six pour l’ovaire, deux pour chaque loge, un pour chaque rangee de graines; il n’en est pas autrement pour les ovaires multiovules et pluriloeulaires. Le stigmate de Piris presente encore d’autres parti- ceularites eurieuses; et dabord, avant d’aller plus loin, qw’est-ce qu’un stigmate? est-ce un organe dont la pre- sence soit toujours facile ä eonstater? a-t-il des foncetions speciales? Il n’est pas facile de resoudre ces questions. Pour A. de St. Hilaire le stigmate est cette partie du pistil, depourvue d’epiderme, garnie de glandes et de papilles, ordinairement humide et destinee ä recevoir Paction de la poussiere fecondante. !) — Pour A. de Jussieu, e’est le sommet du style, constitue par des papilles, appartenant au tissu condueteur, tissu plus ou 1) Morphologie vegetale (1840). moins läche, tapissant le centre de ce support. ?) — Pour A. Richard, c'est cette partie du pistil, ordinairement glandulaire, place au sommet de l’ovaire ou du style, composee d’utrieules allongees, Jachement uniespar une matiere muceilagineuse qui n’est autre chose que la euticeule &epidermique.?) — Pour Mr. Payer, le stigmate consiste en papilles, terminant le style, importantes par le röle qu’elles remplissent dans le phenomene de la feeondation.?) Avant eux, de Candolle°) avait dit que le stigmate &tait une es- pece de spongiole qu’il qualifie de pistillaire. Ces definitions revelent chez les auteurs qui les ont donnees, un embarras extreme, elles sont vagues et tres susceptibles d’etre controversees. Il n’est pas juste de dire que le stigmate est toujours pourvu d’epiderme, qu’il est garni de glandes, ou constitue de papilles ayant un röle important dans l’acte fecondateur. Tres-souvent le stigmate n’est qu’un &tre de raison, dont on preeise la situation, sans qu’on puisse demontrer qu'il existe reellement. On n’en trouve aucune trace dans le pelar- gonium zonale, le Phlor Drummondi, U’ Eugenia australis, les Funckia , les gramindes et une foule d’autres plantes. I n’est pas rare de constater que le sommet du style ne laisse aucune surface appreciable sur laquelle le pollen puisse se fixer, parfois aussi cette poussiere fecondante tombe sur des stigmates lisses et parfaitement sees, sans pouvoir s’y arreter. Comment admettre qu’elle puisse sejourner au sommet du style plumeux des aristida et des stipa? Qui sait si la forme en carene de la bäle des glumacees n’a pas pour objet la necessite d’arreter le pollen dans le voisinage de Tovaire? peut-etre est elle destinee ä rendre plus certaine la fecondation? Beaucoup d’ovaires seraient steriles si pour les feeonder il fallait de toute necessite que le pollen operat toujours ä l’extremite des styles. Les ressources de la nature sont infinies; nos systemes e&troits et mesquins limitent sa puissance, comme si elle avait et pouvait avoir des bornes. C’est a ce peu de remarques que nous nous arretons; peut-etre nous sera-t-il permis quelque jour de les etendre et de les completer. Revenons done ä Viris dont nous nous sommes eloignes, bien moins ceependant qu’il ne le semble. La fecondation dans ce beau genre n’a-t-elle lieu qu’au sommet libre du stigmate? ce qui precede est deja une reponse ä cette remarque. Les grains de pollen qui s’y arr&t@nt sont tres peu nombreux, tandis quwils se fixent frequemment sur le trajet de la lame stigmoide et en tr&s notable quantite, il est bien probable qu’ils y foncetionnent, et qu'ils la penetrent, autrement on comprendrait mal que la fecondation puisse s’operer. Livrons nous ä quelques questions de chiffres, en restant dans le systeme d’impregnation qui fait jouer un röle si considerable au boyau pollinique, soit qu'il 1) Botanique (1843) p. 370. 2) Elöments de botanique (1846) p. 391. 3) Notions @l&mentaires de botanique (1857) p. 194. 4) Organographie vegetale (1827) I. p. 476. 111 penetre dans !’ovule pour y former l’embryon, ainsi que le veulent Mrs. Schleiden, Endlicher et Wydler, soit quil y eonduise la fovilla, ainsi que le pretendent Amieci und quelques autres mierographes. L’ovaire de liris renferme une centaine d’ovules au moins. En admettant que chaque grain de pollen emette deux boyaux polliniques, et nous croyons qu'il n’en emet qu’un seul, einquante grains de pollen seraient necessaires pour feconder les cent ovules, seize environs pour chaque stigmate. Or nous nous sommes assures qu'il ne s’en arrete sur le stigmate pendant toute la duree de la fleuraison qu’un nombre de beaucoup infe- rieur. Dans les junkia que nous avons egalement ob- serve, les eirconstances sont encore plus defavorables, car il y a plus d’ovules a feconder et le stigmate ne recoit qu’un nombre insignifiant de granules sur une surface extremement restreinte; que serait-ce done si nous parlions des genres campanula, nicotiana, papaver ou nymphaea dans lesquels chaque ovaire renferme un nombre extremement considerable d’ovules. Mais enfin dans la fleur des plantes plus haut eitees, il existe une surface stigmatique, tandis que dans un tres grand nombre de cas le style se termine en pointe acieulaire, sans laisser voir ni papilles ni couche glan- duleuse de tissu cellulaire eondueteur, rien enfin qui puisse faire eroire A l’existence d’un stigmate, le faisceau vasculaire qui traverse le Style et la eutienle qui le recouvre se continuent sans interruption seulement en s’amineissant. Si un grain de pollen s’arrete sur ce sommet aigu ce sera un tres grand hasard, et, seul il ne pourra feconder tous les ovules, fonetionnat-il. Ces diffieultes d’exeeution sont reelles et nous en trouverions encore de considerables dans la situation extrorse de certaines antheres, dans le mode de fecon- dation des asclepiadees et des orchidees dans celui des plantes monoiques ou dioiques. Pour öter toute valeur & ces objections il faudrait admettre que le pollen exerce son action, non-seulement sur le stigmate mais aussi sur le trajet du style et reconnaitre deux modes de fecon- dation: ’un dans lequel le boyau pollinique eondueteur de la fovilla atteindrait l’ovule et le penetrerait, l’autre pendant lequel ce tube deverserait en passant a travers les tissus, cette me&me fovilla, laquelle se distribuerait dans les placentas et suffirait pour feconder plusieurs embryons. !) Ces hypotheses, assez probables, pourront plus tard passer ä l’etat de demonstration. Quoiqu’il en soit de l’avenir de ces idees theoriques, nous dirons en terminant que l’organisation generale de /Iris a multiplie les chances d’action du pollen, pour mieux assurer la fecondation des ovules. L’anthere est dresse (basifize) et elle a acquiert une grande longueur afin de se mettre en rapport avee le stigmate qui s’in- Hechit pour se soumettre direetement l’action de l’organe male; les sepales charges de poils collecteurs arretent le pollen, empechent sa dissemination et le mettent en 1) Mr. J. D. Hooker est parvenu & feconder le meco- nopsis apres l’enlevement du stigmate (Bulletin de la societe bot. de France I. p. 249 — 1854). 112 rapport avee la lame stigmatique sur toute l’etendue de son trajet, lorsque les rapports de dimension des organes sexuels s’opposent a ce quils agissent sur le sommet du stigmate. Concours merveilleux de eirconstances qui meritent d’etre signalees. 2. Sur les arilles et les arillodes. On a beaucoup &erit sur loorigine des arilles et cependant il ne semble pas que les botanistes aient com- pletement eclairei son histoire. Le mot arille, arillus est d’origine obscure; ce nom apres avoir ete donne aux semences de la vigne, puis, d’une maniere plus generale, a toutes les graines ren- fermees dans les fruits bacciens, n’est plus devenu, avec le temps, qu’un terme par lequel on designe certains developpements accessoires de la graine et de son sup- port, funieule ou cordon ombilical. Linne confondait Varille avec une partie des enveloppes pericarpiennes ex- terieures, regardant par exemple comme telle la mem- brane cartilagineuse qui entoure la graine du cafe, la- quelle comme on sait est fournie par l’endocarpe. Gertner et Cl. Richard, avaient de V’arille une idee plus juste, et ils la differeneierent nettement des caronceules et des strophioles. Mirbel s’est contente de eonstater la difieulte de bien definir ce qu’on- doit en- tendre par arille, et de Candolle n’ajoute rien & ce que Cl. Richard et Gertner avaient dit avant lui. De tous les botanistes qui on &erit sur l’arille Mr. Planchon est celui de tous auxquels on doit d’avan- tage. Il reconnait des arilles vrais et des arilles faux ou arillodes.*) Les premiers, teguments accessoires de Vovule se developperaient autour du hile pour recouvrir Vexostome qu’en effet ils recouyrent souvent et quils recouvriraient toujours, s’ils s’etendaient sufiisamment; les seconds, qu'il ne faut pas confondre avee les stro- phioles, seraient une simple dilatation des bords me&me de /exostome, se reflechissant autour de cette ouver- ture quils laissent neanmoins toujours A decouvert. Les arilles vrais prenant leur point de developpement au sommet du funieule, quoique plus ou moins etroite- ment appliquees sur la graine, appartiendraient done au fruit; les arillodes, naissants sur les enveloppes seminales dependraient necessairement de Fovule. Mr. Raspail, que le desir d’innover met si souvent en dehors de la verite, voit dans un grand nombre d’a- rilles des ovules avortes, des heterovules, et il les com- pare ä ces monstres doubles nommes heteradelphes, chez lesquels le sujet accessoire est tres-ineompletement developpe et presque rudimentaire. Örganiquement, dit-il, le funieule doit porter deux ovules, et si !’on n’en voit qu’un c’est que son jumeau est avorte, faute de nourriture; mais il en reste presque toujours des ru- diments: Ex. Euphorbia, Oxalis, Chelidonium. Cependant *) Memoire sur les d@veloppements et les caracteres des vrais et des faux arilles. Montpellier 1844. on doit conserver, eontinue-t-il, le nom d’arille au test caduque qui se detache spontanement du test veritable et qui persiste. C’est une sorte de c&ffe ou calyptre, qui, non-seulement, ne nait pas du hile, mais qui au contraire l’enveloppe completement, ainsi que l’ovule lui-meme. L/arille alors ne serait autre chose que la vesicule-mere, dans laquelle il se serait forme, vesieule qui au lieu d’etre absorbee, persisterait, en tout ou partie, comme il arrive dans les Cardiospermum, Passiflora, Evonymus, Cucurbita ete. Tout cela est plein de vague et d’obseurite. Mr. Schleiden admet qu’apres la constitution de- finitive de ’ovule en graine, le funieule offre des deve- loppements tres-divers, si bien qu’il peut donner nais- sance ä de nouvelles enveloppes. Il en resulterait des arilles: Ex. Hellenia cerulea R. Br. C’est surtout apres la formation de l’embryon qu’ils apparaissent, ainsi que les earoncules, les strophioles, les poils, les glandes, les pulpes ete. Ces produits sont favorises dans leur formation par les sues dont l’ovaire est toujours gorge. Quant aux arilles, dans le sens etendu du mot, on a confondu et l’on confond encore sous ce nom, sui- vant Schleiden, une foule de produetions differentes d’origine. Le point de depart de ces exuberences est le hile et non la chalaze. En est-il toujours ainsi? Peut-etre certains arilles proviennent-ils d’un simple epaississement de la lorigque? On manque de recherches a ce sujet. Ainsi done, aujourd’hui m&me, d’apres cet illustre observateur, il semblerait bien embarassant de dire au juste ce qu’on doit entendre par arille. Si !’on ne voulait voir dans ces produetions qu’une simple hypertrophie du cordon ombilical, il faudrait donner comme exemple de la plus remarquable d’entre elles le funieule de la graine de !’Acacia eyelopis Cunn. de la Nouvelle-Hollande, replie deux fois sur lui- meme dans un sens inverse et excedant en longueur sept & huit fois la hauteur de la graine, sur les bords de laquelle il s’appuie pour l’encadrer etroitement. Suivant le point vers lequel opere la force de deve- loppement, et suivant aussi Tintensite de cette meme force, Yarille prend une forme mieux arretee ou bien s’accroit davantage; si c’est au sommet du funieule et dans tout son pourtour quelle agit, il prend l’apparence d’un anneau, d’une cupule ou d’une collerette, ainsi qu’on peut le voir dans le Cytinus hypoeystis, L. dans certaines especes de passiflores et dans le Chamissoa nodi- fora Mart. Si Veffet ne se produit que vers un point unique du funieule, comme dans le Turnera ulmifolia, L. et la chelidonie, il en resulte des expansions foliacees, des especes de eretes qui se dressent sur l’un des eötes. Il n’en est pas autrement des strophioles et des ca- roneules qui apparaissent sur la graine, et presque tou- jours au sommet. Tres-eloignees du funieule, agent de transmission des prineipes nourriciers, elle se deve- loppent incompletement et ne consistent guere qu’en depöts amorphes de tissu cellulaire, ayant quelque ana- logie avec certaines produetions cornees ou calleuses qui se trouvent normalement sur diverses parties du corps de plusieurs animaux: mammiferes et oiseaux. Ce qui prouve que toutes ces produetions sont pure- ment accessoires, c’est la facilite avec laquelle elles changent de forme et de proportion. Choisissons-en un exemple. Le Maeis, qu’ä lexemple des anciens auteur, et plus recemment d’Endlicher, nous regardons comme un veritable arille, et le mieux developpe de tous, et d’une mobilite extreme de forme et de dimension, si bien que rien n’est plus diffieile que de trouver deux muscades qui en aient un parfaitement semblable. Les arilles et les arillodes ne sont done pas des productions definies, et !’on ne doit voir en elles que des hypertrophies, des evolutions de tissu cellulaire, resultant d’un exeedant de prineipes nourriciers, en un mot des hypergeneses. Toutes les produetions exterieures ä la graine sont entierement cellulaires. Le macis est forme de cellules avee quelques tubes allonges, fort etroits. L’arille du fusain: Evonymus latifolius, Mill. est uniquement con- stitue par du tissu cellulaire, dont les mailles hexage- nales, tiennent captives des gouttelettes d’une huile fixe, tres-abondante et tres-limpide. Celui du Cardiospermum Halicacabum, L. n’est pas autrement organise; il est forme de deux couches, facilement separables et riche en matiere feeulente ou albuminoide. L’organisation du Bersama abyssinieca Fresen., et aussi cellulaire; la caron- eule du riein, celle de !’Euphorbia palustris, L.; les stro- phioles des Glyeine et celles de certains acacia, n’ont pas d’autre organisation, non plus que les expansions filiformes du Strelitzia reginae. Ait. qui semblent cepan- dant sortir de la elasse des productions dont nous nous occupons en ce moment. Il resulte de ces observations — et nous pourrions les multiplier d’avantage — que toutes les produetions observees ä la surface de la graine, etant anatomique- ment pareilles, ne sont, malgre la difference de lieu ou elles se montrent et la forme qu’elles affeetent, que de simples hypergeneses, n’ayant aucune fonetion parti- euliere & remplir. Il semblait done inutile de ereer des termes partieuliers pour les designer. Ces hypergeneses ne sont pas partieulieres & la graine; les racines et les trones se couvrent souvent d’exostoses; les tiges sont parfois verruqueuses, les poils, les glandes, les &cailles envahissent ou peuvent envahir les organes foliaces et toutes les parties de la Hleur; les pericarpes, en mürissant, se chargent d’aiguil- lons, de soies, d’aigrettes ete., Ja nature est feconde et souvent prodigue; apres avoir donne le necessaire elle donne le superflu. Il est bien diffieile de voir toujours dans les arilles, qualifies de vrais, une expansion du cordon ombilical ou funieule. Ce n’est peut-etre qu’un lieu d’election pour leur evolution, en un mot une base de developpe- ment. Le funicule est vaseulaire, or s’il s’epanouit, les expansions qu’il produit devraient &tre comme lui vas- eulaires. Or les arilles n’ont ni la composition anato- mique du cordon ombilical ni sa forme allongee, ni sa eouleur, ni sa consistance, ni sa duree passagere, com- 113 ment alors admettre que le produit soit aussi different du producteur. Aux personnes qui voudraient regarder les arilles comme un tegument supplementaire qui entourerait l’o- vule, nous pourrions objecter, que ce serait tout au plus une sorte d’epiderme et non un tegument complet, comparable a l’ensemble des enveloppes seminales. Le developpement de l’ovule, primine et secondine, donne lieu & la formation d’une feuille exaetement composee comme la feuille carpellaire laquelle a son tour n’a pas une autre composition que celle de tous les autres or- ganes foliaces: e’est-a-dire qu’elle a deux e&pidermes, un exterieur et un interieur, purement cellulaires, entre lesquels se forme une partie intermediaire qui est vas- eulaire. Rien n’est plus facile a trouver que les vais- seaux de ce mesosperme. Ils se presentent ä l’oeil sous forme de rides, anastomosees qui s’etalent a la surface de certaines graines (amandier, pecher, haricot, feve ete.). Nous les avons trouvees dans toutes les semences dont nous avons fait l’analyse mieroscopique. En se livrant ä ces recherches il faut bien prendre garde 5 ne pas interesser le raphıe et la chalaze,, lesquels etant, Y’un la prolongation, et Pautre la terminaison du funicule, dans V’interieur de la graine, doivent etre par consequent vasculaires. Nous avons ete etonnes, soit dit en passant, de ne pas toujours trouver des trachees dans le funieule; ils manquent dans !’Acacia eyelopis, Cunn. et nous n’avons pu les voir dans la partie superieure du Cardiospermum Halicacabum, L. Ils sont remplaces par un faisceau de fibres, allonges qui en occupe le centre et qui sans doute en tient lieu. Ce sont des anomalies sur lesquelles nous reviendrons peut-etre quelque jour. Mais alors meme que le funieule n’a que des faisceaux tubuleux pour agents de transmission des materiaux de nutrition ou d’impregnation, qui lui viennent de l’exterieur, on ne trouve rien de semblable dans les arilles. Nous bornons iei ce travail, auquel nous aurions pu donner plus d’etendue; mais nous croyons qu’il suflira pour montrer que si P’histoire de Y’arille est obscure, c’est preeisement par suite des efforts qu’on a faits pour lui donner une trop grande importance organique. En rangeant lVarille, l’arillode, la strophiole et la caroncule dans la classe des hypergeneses, produetions qui te- moignent d’une exuberance de vie. dont la nature or- ganique nous offre tant d’exemples, sans rien n’ajouter a la valeur physiologique des organes sur lesquels ils se developpent, nous aurons simplifie la question, et peut-etre aurons-nous ete aussi loin qu’il sera permis d’aller. Döll macht, in Bezug auf den zweiten Vor- trag des Vorredners, auf die Vertheilung der Ge- fässbündel in den Samenschalen aufmerksam. de Bary hält die obigen Annahmen Fe&e’s über eine anders, als durch den Pollenschlauch stattfindende Befruchtung für völlig unbegründet. 15 114 K. F. Schimper fügt Bemerkungen bei über die Ausbildung von Früchten ohne gleichzeitiges Reifen der Samen. . C. H. Schultz demonstrirt 1) sechs Hybride von Hieracien prenanthoides, 2) Gm. aphalien, na- mentlich der Mascarenen und Comoren. Derselbe spricht über Wanderpflanzen, vorzugs- weise über die Abstammung und das Wandern von Erigeron canadensis und E. bonariensis ete. Hasskarl theilt mit, dass auf Java Zrechtites valerianifolia, durch Kaffeesamen aus Brasilien ein- geschleppt, neuerdings eingebürgert und ungemein verbreitet wurde. K. F. Schimper erwähnt der Galinsoga und Impatiens parviflora als um Carlsruhe allgemein ver- breitet, und macht auf das Wandern einheimischer Pflanzen aufmerksam. Wigand erwähnt der wahrscheinlichen Ein- schleppung von Burnias orientalis nach Marburg durch die Kosacken. Hasert: Ueber mikroskopische Probeobjecte: Die Streifen auf den Pleurosigmaarten sind durch Punkte erzeugt, welche gute Instrumente deutlich machen. Obermedicinalrath v. Jäger aus Stuttgart: Ueber das Vorkommen von Früchten an männlichen Stöcken von Tamus elephantipes. Die nach Stuttgart sowohl als nach Tübingen von Freiherrn v. Ludwig vom Cap der guten Hoffnung gebrachten Pflanzen von Tamus waren angeblich alle männliche. Es wurde in den Blüthen derselben eine vollständigere Entwickelung der weiblichen Organe nicht bemerkt; dennoch brachten unerwartet mehrere Blüthen reifen Samen hervor, und sämmtliche junge Pflanzen, welche sich in Stuttgart und Tübingen be- finden, sind nur von solehen aus männlichen Pflanzen gewonnenem Saamen gezogen worden. Es fragt sich nun, ob anderwärts keine ausschliesslich weibliche Pflanzen von Tamus sich finden, oder ob die Production von einzelnen weiblichen Blüthen oder die ungewöhnliche Entwicklung der weiblichen Organe an einzelnen sonst männlichen Pflanzen des Tamus sich den analogen Be- obachtungen bei dem Hanf, Mais, der zahmen Castanie anreihen. Bei letzterer wurde sogar eine allgemeine Production von Früchten an der Stelle der männlichen Blüthen und also zugleich eine Metamorphose des Blü- thenstandes von dem Vortragenden beobachtet. Indem derselbe unter Hinweisung auf Hugo v. Mohls Ab- handlung über den Tamus elephantipes und dessen ver- mischte Schriften, noch die merkwürdige Eigenthüm- lichkeit dieser Pflanze als einer perennirenden Knolle, welche mit der Kartoffel den vorzugsweisen Gehalt ihres Parenchyms an Stärkemehl gemein hat, jedoch mit Jährlich erneuerter Entwicklung einer Pflanze aus dem perennirenden Stammesstock *) hervorhebt, bemerkt er sofort, dass die Aeste der Pflanze, den von ihm ange- stellten Versuchen zu Folge, nach allen Richtungen horizontal fortwachsen, ohne eine ihnen dargebotene Spitze zu ergreifen, was erst geschieht, wenn die Spitze der Aeste und des Stammes selbst sich krümmt, und einen benachbarten Gegenstand umfasst, und somit erst dann zur windenden Pflanze wird. — Derselbe legte ein Exemplar von Rudbeckia pur- purea vor, dessen Blumen bis auf eine die gewöhn- liche Beschaffenheit der Strahlenblümchen zeigten. Ihre Zahl blieb sich wie gewöhnlich nicht ganz gleich, aber bei der einen Blume eines Seitenzweigs waren nur 5 Strahlenblümehen vorhanden, die zugleich kürzer und abgerundet und auf ihrer äusseren Fläche grau gefärbt sind. Es scheint hier also mit der rückschreiten- den Metamorphose der Strahlenblümehen zur Blatt- färbung (Vergrünung) doch die bei den röhrenförmigen Blümchen der Scheibe der Compositen vorherrschende Fünfzahl mit der Missentwieklung der Strahlenblümchen hervorgetreten zu sein und damit die ganze Blume ein regelmässigeres Ansehen gewonnen zu haben. Professor A. Wigand aus Marburg: Ueber Injection der Holzgefässe. Derselbe zeigte ein 8 Zoll langes, 3% Zoll breites Stück Buchenkohle vor, welche in einem Eisen- hohofen folgende Veränderung erlitten hat. In die Gefässe hat sich glühend flüssige Schlacke ergossen und nach der Verbrennung der Membran bei der Abküh- lung Abgüsse der Gefässlumina in Gestalt feiner weisser Stäbe dargestellt. Die dichte, aus beiderseits geschlos- senen Holzzellen bestehende Holzsubstanz zwischen den Gefässen ist dagegen an den betreffenden Stellen voll- ständig verbrannt; dadurch liegen die genannten Ab- güsse isolirt neben einander und namentlich tritt der schichtenartige Bau des Holzes hervor, dadurch dass dem gefässlosen Spätholz einer jeden Jahresschicht ent- sprechend jedesmal ein leerer Zwischenraum mit einer Schicht von isolirten Schlackennadeln abwechselt. — Die Continuität der Gefässe ist zwar durch dünne Schlackenschichten, welche hier und da die Kohle quer durchsetzen, unterbrochen; indess wird, da die Schlacken- nadeln zum Theil 3 Zoll lang sind, durch dieses zufällige Präparat die Länge der ununterbrochenen Gefässe nach- gewiesen, was ausserdem nur etwa durch einen be- kannten Versuch unter der Glocke der Luftpumpe möglich ist. Die Abgüsse bieten ein sehr treues und genaues Bild vom Bau der Gefässe dar, so dass wir hier, wo es gestattet ist, dieselben ihrer ganzen Länge nach zu überblicken, manche Punkte genauer bestimmen *) Sogar nach der Beobachtung Director v. Seyffers (Württemberg. naturw. Jahreshefte, VII. Jahrgang, p. 127) 6 Jahre nach einander bei blos trockener Aufbewahrung in der Luft, wenngleich mit Beschränkung der Grösse der Aeste und Blätter. können, als es bei den gewöhnlichen, immer nur kurze Stücke zur Anschauung bringenden Längsschnitten möglich ist. Die Gefässe des Buchenholzes sind hier- nach im Allgemeinen eylindrisch, die Weite schwankt zwar an verschiedenen Stellen zwischen ;1; und „!,‘ Par., aber die einzelnen Gefässzellen sind nieht tonnenförmig. Die Scheidewände zwischen je 2 Zellen, welche als deutliche Querfugen sichtbar sind, sind stets unter C. 45° ab- wechselnd nach der einen und nach der andern Seite geneigt. Die Länge der Gefässzellen ist durchschnittlich 4“ Par., varüirt aber zwischen z'; und 4“, so dass zwischen zwei sehr langen Zellen oft eine sehr kurze eingefügt ist; die meisten sind + — 71,“ lang. An manchen Stellen ist sogar die tüpfelförmige Configu- 115 ration der inneren Gefässwand auf dem Schlackenabguss zu erkennen. Die ganze Erscheinung beweist, wie ausserordentlich dünnflüssig die glühende Schlacke ist. Es ist mir nicht bekannt, ob dieses Hohofenerzeug- niss von praetischen Hüttenmännern mehrfach beobachtet ist. Ich besitze ausser dem erwähnten Exemplar ein zweites ganz ähnliches von etwa 2 Zoll Grösse, und ausserdem ein anderes, wo das Injectionsmaterial anstatt Schlacke Eisen ist. Eingesandt wurde: Annuaire de Vinstitut des provinces et des eongres scientifiques, 1858, nebst einem Schreiben des Herrn de Caumont. Dritte Sitzung am 20. September 1858. Präsident: Professor Meissner von Baeel. K. F. Schimper erklärt die Ligular- und Sti- pularbildungen bei den Gräsern und ähnliche Er- scheinungen bei andern Pflanzen durch mechanische Ursachen. Wigand spricht sich dafür aus, dass der Grund der Pflanzengestaltungen ausschliesslich in dem Wesen der Pflanze selbst und des betreffenden Organs, nicht aber in mechanischen Einwirkungen von Aussen seinen Sitz habe, und beruft sich speciell für die Gras-Ligeula auf die Beobachtung der Entwickelungsgeschichte. Buchenau führt in demselben Sinne die Ent- stehung analoger Bildungen auf dem Blumenblatt von Reseda an. K. F. Schimper zeigt verschiedene Beispiele von gemischtem Geschlecht an männlichen und weiblichen Blüthenständen von Zea Mays, sowie Beweise für die künstlich umgekehrte, nach einem Jahr am nächsten Jahrestriebe normal wiederkeh- rende Richtung der Blätter von Tarus vor. F. Schultz von Weissenburg: Ueber Mentha. Wenn man in den letzten Jahrzehnten eine grosse Zahl neuer, sogenannter Arten von Mentha aufgestellt hat, welche sich bei genauerer Betrachtung und bei der Zucht im Garten, entweder als durch Verschied@nheit des Bodens oder durch mehr oder weniger feuchten Standort erzeugte, höchst wandelbare Abarten alter bekannter Arten, oder als gänzlich unfruchtbare Ba- starde herausstellen, so geschah dies meist aus dem Grunde, dass man auf die Eintheilung der Gattung Mentha, nach ähren-, kopf- und quirlständigen Blüthen, zu grosses Gewicht legte. Quirlständig nennt man die Blüthen, wenn die blüthenständigen Blätter die Form und auch mehr oder weniger die Grösse der übrigen Blätter behalten und oberhalb des letzten Blüthenquirls noch ein Blätter- paar steht; Kopfständig, wenn oberhalb des obersten Blüthen- quirls keine Blätter mehr hervortreten und der Blüthen- stand aus wenigen Quirlen besteht; Aehrenständig, wenn die Blüthenquirlen sehr zahl- reich sind, gedrängter beisammen stehen und die blüthen- ständigen Blätter nach oben immer kleiner und zuletzt so klein werden, dass man sie nicht mehr Blätter, sondern Bracteen nennt. Dass diese Eintheilung, wie jede nur auf einer ein- seitigen Auffassung beruhende, keine endgültige sein kann, ist klar; denn die Natur lässt sich nicht in von vorn herein gemachte Formeln zwängen. Die bekannte Mentha aquatica, der Repräsentant der sogenannten kopfständigen Menthen, hat gewöhnlich nur 1—3 Blüthenquirle, wovon der oberste nicht mit Blättern gekrönt ist, und in diesem Zustande wird sie in den Büchern und Sammlungen M. aquatica genannt. Werden die Quirle nach oben kleiner oder sind sie zugleich auch zahlreicher, so wird die Pflanze als MW. pyramidalis (Lloyd, Cosson et Germain, Grenier et Godron, nicht zu verwechseln mit M. pyramidalis Tenore) beschrieben und in die Sammlungen gebracht. Sind alle Quirle mit Blättern gestüzt und auch der oberste mit Blättern bekrönt und sind dabei die Quirle noch zahlreicher (ich besitze Exemplare mit 12—13 Quirlen), so wird die Pflanze als M. sativa betrachtet und findet sich in vielen Sammlungen entweder unter dem Namen M. sativa oder als Bastard aus M. arvensis und M. aquatica. Fast ährenständige Formen finden sich sogar in einigen Sammlungen als durch M. sylvestris erzeugte Bastarde. Die Pflanze behält aber dabei alle übrigen Merkmale von M. aquatica L. und geht keineswegs in die _M. sativa L. über, welche sich durch viele Merkmale, namentlich am Kelch, an der Blume und an den Früchten sehr deutlich von M. aquatica unterscheidet, aber durch ihre beständige Unfruchtbarkeit vielleicht die Ansicht recht- sr 116 fertiget, dass sie zu den zahlreichen Bastarden gehöre, welche aus den verschiedenen Abarten der M. arvensis L. und M. aquatica L. entstanden sind. Ich sage vielleicht, denn bei Pflanzen, die sich durch so kräftige und zahlreiche Ausläufer vermehren wie die Menthen im Allgemeinen und M. sativa insbe- sondere, kann es schon vorkommen, dass die Früchte fehlschlagen, ohne dass die Pflanze desshalb nothwendig ein Bastard sein muss. Gibt es doch auch wirklich Bastarde, wie z. B. Hieracium Pilosella-praealtum, welches ich durch Befruchtung des H. praealtum mit dem Pollen von H. Pilosella erhalten, welche immer keimfähigen Saamen bringen. Zudem ist auch anzunehmen, dass viele jetzt in Mitteleuropa vorkommende Menthen in Deutschland nur verwildert sind, ursprünglich aus dem Süden stammen und daher bei uns zu spät zur Blüthe gelangen, um ihre Früchte zur Reife zu bringen. Mentha Wohlwerthiana mihi, die ich früher für eine M. rotundi- ‚Folio-arvensis hielt, nun aber als eigene Art betrachte, nicht nur weil ich sie auch an Orten gefunden, wo die vermeintlichen Eltern nicht vorkommen, sondern auch weil sie sich durch ganz eigenthümliche Merkmale aus- gezeichnet, wurde bei uns nur auf zwei sehr beschränkten Stellen, in der bayerischen Pfalz, später aber häufig und in grösserer Verbreitung im südlichen Frankreich ge- funden und wird wohl auch noch häufiger in Spanien und Italien gefunden werden. Ebenso ist 7. Maximi- lianea mihi (M. rotundifolio-aquatica?) erst an sehr be- schränkten Stellen bei Weissenburg, später aber häufig und in grosser Verbreitung im südlichen Frankreich gefunden worden, und ist wahrscheinlich durch das ganze südliche Europa verbreitet. Neu, und bisher nur am Fusse der Pyrenäen, im Departement der Ariege, gefunden ist M. Schultzü Boutigny (M. aquatico-rotundi- ‚Folia? Boutigny). Unter den in Deutschland vorkommenden Menthen betrachte ich als Arten: M. rotundifolia L. zu der M. rugosa Lam. und M. macrostachya der meisten Schriftsteller, aber nicht M. maerostachya Tenore, als Synonyme und M. insularis Req. vielleicht als Abart gehören. M. nemorosa Willd. (M. sylvestris Gren. et Godron) zu der M. emarginata Reichb. als Abart gehört. M. sylvestris L. (M. viridis ß und y Gren. et Godron) zu der M. candiecans, Crantz, gehört. . viridis L. mit der Abart M. erispata Schrad. . Wirtgeniana mihi (M. rubra Wirtg. non Huds). M. rubra Huds. M. Pauliana mihi (M. gentilis Wirtg. non L). M. gentilis L. M. adspersa Moench (M. citrata auetorum non Ehrh.). M. aquatica L. mit der Abart M. hirsuta. M. arvensis L. mit vielen Abarten. M. Wohlwerthiana mihi. M. Pulegium L. Da jede Abart einer Mentha mit jeder Abart einer andern zwei Bastarde bilden kann, so gibt es deren ein ganzes Heer. Ich führe daher der Kürze wegen nur einige der ausgezeichnetsten an. M. Mülleriana mihi (M. arvensi-rotundifolia). M. rotundifolio-nemorosa und M. nemoroso-rotun- difolia. M. rotundifolio -sylvestris und M. sylvestri-rotun- difolia. M. nemoroso-aquatiea. M. nemoroso-hirsuta (M. pubescens Wirtg.). M. hirsuto-sylvestris mihi (M. nepetoides Le.). M. silvestri-hirsuta (M. hirta Wirtge.). M. Wirtgeniano-aquatica (M. strieta Beck.). M. aquatico - Wirtgeniana (M. eitrata Ehrh. non auetorum). Die vielen Abarten von M. arvensis bilden mit M. aquatica so viele Bastarde, dass ich sie hier übergehen muss. Ueber M. piperita und M. erispa, die wahr- scheinlich in Deutschland nicht ursprünglich einheimisch sind, wage ich jetzt kein bestimmtes Urtheil. M. Pau- liana und M. adspersa, welehe nur in Gärten oder deren Nähe gefunden werden, sind wahrscheinlich auch keine ursprünglich deutschen Arten, Ein Mehreres hierüber würde zu weit führen. Ich wollte nur darthun, dass es höchstens zwölf in Deutschland ursprünglich wild wachsende Arten von Mentha gibt und dass man irr- thümlich oft Formen von M. aquatica für M. sativa L. oder auch als neue Arten beschrieben hat. K. F. Schimper hebt von morphologischer Seite das Vorkommen einer endständigen regel- mässigen Blüthe an Mentha aquatica als unterschei- dendes Merkmal hervor, und erinnert an die selbst bei Metrosideros gelegentlich vorkommende Termi- nalblüthe. Döll erwähnt das Auftreten endständiger und zwar alsdann regelmässiger resp. Pelorienblüthen bei Digitalis purpurea, Antirhinum majus, Linaria vulgaris und spuria. W. Neubert aus Stuttgart: Bemerkungen über Befruchtung der Pflanzen und Befruchtungsfähigkeit des Pollens. Von frühester Jugend an für die Wunder der Pflan- zenwelt eingenommen, war es in reiferen Jahren mein Bestreben, nicht nur schöne Pflanzen aller Art zu eul- tiviren, sondern auch, unterstützt durch den lehrreiehen Unterricht eines Schübler und Mohl, in die tieferen Geheimnisse der Pflanzennatur einzudringen, bei wel- chen Studien mich besonders auch der wunderbare Akt der Befruchtung und Fortpflanzung interessirte, um so mehr} als es dem Menschen möglich ist, bei diesem Akt auf mechanisch willkürliche Weise mitwirkend zu sein. Ist es schon erfreulich, auf künstliche Weise eine Blüthe zur Frucht- und Samenbildung zu bringen, die ohne menschliches Zuthun keinen Samen angesetzt hätte, so gewährt es offenbar noch weit mehr Vergnügen, durch geschlechtliche Vermischung zweier verwandter Arten eine ganz neue Spielart zu schaffen, die ausser- dem nicht zur Welt gekommen wäre. Eine ausseror- dentliche Menge der verschiedensten Nutz - und Zier- Gewächse verdankt ihr Entstehen dieser absichtlichen Einwirkung der Züchter. Bei Anfangs beschränkten Räumlichkeiten meiner Wohnung und damals gänzlichem Mangel eines Ge- wächshauses musste ich mich auf Pflanzengeschlechter beschränken, welche sich für die Zimmereultur eignen, und als solche erkannte ich vorzugsweise die Caeteen, welche in meiner Heimath Ausgangs der zwanziger und Anfangs der dreissiger Jahre zur Modepflanze erhoben wurden. Im Jahre 1831 versuchte ich zum Erstenmale einen Cereus speciosus mit dem Pollen des Epiphyllum alatum zu befruchten, und hatte die Freude, sehr voll- kommene Früchte mit keimfähigen Samen zu erhalten, welche ich säete und eine Menge junger Pflänzchen daraus erhielt, die in ihrer äusseren Form eine Mittel- stellung zwischen beiden Eltern derselben zeigten, und später prachtvolle Blüthen lieferten, welche in weit grösserer Zahl erschienen, als dies bei der mütterlichen Pflanze der Fall ist. Diese Resultate bewogen mich, eine Menge von Befruchtungsversuchen mit den ver- schiedensten Arten anzustellen, welche auch zum gröss- ten Theile gelangen, und nach und nach eine ziemliche Anzahl der verschiedensten Hybriden lieferten. Auf- fallend war es mir, dass einzelne Arten bei mehr als 25jährigen Versuchen niemals zu einem Fruchtansatz zu bringen waren, worunter namentlich Cereus grandi- ‚Jorus, von welchem ich auch an andern Orten noch keine Frucht sah, und auch noch keinen Züchter kennen lernte, der eine Frucht gesehen hätte, ausser in wildem Zustande in Südamerika. Gar zu gerne hätte ich den €. grandiflorus mit dem €. speciosus befruchtet, weil ich daraus etwas besonders Schönes zu erlangen hoffte, allein es gelang mir niemals, bis ich endlich den Ver- such umkehrte und den C. speciosus mit dem C. yrandi- ‚forus befruchtete, und nun aus dieser Befruchtung eine Frucht an dem (. speciosus erhielt. Diese Frucht wurde nicht so gross, wie ich sie sonst an dem (. speciosus zu sehen gewöhnt war, enthielt auch sehr wenig Samen- körner, von welchen nur 3 keimten. Auch die erhal- tenen jungen Pflänzchen wuchsen nicht so freudig und rasch auf, sondern blieben mehrere Jahre lang ausser- ordentlich zärtlich. Nachdem sie schon mehr als 6 Jahre alt waren, konnte ich es erst wagen, sie über die heisse- sten Sommermonate an einer ganz geschützten Stelle der freien Luft auszusetzen, wo sie mehr erstarkten, und endlich im vorigen, ihrem zwölften Lebensjahre Blüthenknospen ansetzten, welche jedoch wieder ab- fielen, ehe sie grösser als eine Haselnuss waren, höchst wahrscheinlich in Folge der grossen Trockenheit der Luft im vergangenen Sommer. Die vielen misslungenen Versuche, den C. grandi- ‚forus zum Fruchtansatz zu bringen, und das nach langer Zeit erst erfolgte Gelingen, mittelst dem Pollen des- selben eine andere Art zu befruchten, zeigten deutlich, dass diejenige Gruppe bei Nacht blühender Arten, wozu der grandiflorus gehört, in unserem Klima über- haupt sehr schwierig Früchte ansetzt, und auch ihr 1 Br Pollen sehr wenig Lebenskräfte besitzt. Um so auf- fallender war es mir, dass vor zwei Jahren, als gerade eine Gesellschaft Herren und Damen bei mir war, um die prachtvolle Erscheinung dieser nächtlichen Blüthen zu sehen, eine ganz flüchtig vorgenommene Befruchtung so überraschende Resultate lieferte. Es blühten in jener Nacht bei mir mehrere grandiflori und ein obtusus, und ich nahm einen Pinsel, nicht um eine Befruchtung zu bewerkstelligen, sondern nur um den Anwesenden eine Erklärung zu geben, auf welche Weise eine solche künstliche Befruchtung vorgenommen wird, und siehe da, es setzte sowohl der grandiflorus als auch der obtusus Früchte an, und zwar jeder von dem Pollen des andern befruchtet. Die Frucht des grandiflorus erreichte die Grösse eines grossen Hühnereies, und er- hielt bei der Reife eine weissgelblich-grüne Farbe, die des obtusus aber, welcher sowohl in der Pflanze als auch in der Blüthe grösser ist als der grandiflorus, wurde beinahe so gross als ein Gänseei und glänzend hellcarmoisinroth. Diese Befruchtung gieng Nachts um 11 Uhr vor sich, die Blüthen waren aber schon um 8 Uhr Abends vollkommen geöffnet, und verwelkten Morgens langsamer, als es sonst gewöhnlich ist. Hier liegen nun einige Räthsel verborgen. Man könnte sagen, ich hätte bei dieser Befruchtung den rechten Zeitpunkt erwählt, allein ich habe schon mehrere Hundert Blüthen des grandiflorus, und zwar zu den verschiedensten Stun- den und in jedem Stadium der Blüthenentfaltung, und namentlich viele um 11 Uhr, theils mit dem eigenen, theils mit fremdem Pollen bestaubt, aber niemals zeigte sich die geringste Anlage zur Fructification. Warum setzten die beiden erwähnten Arten, gegenseitig durch einander hybridisirt, so willig und voll- kommene Früchte an, während sie durch den eigenen Pollen noch niemals dazu gebracht werden konn- ten? — Wenn die Befruchtung einer tagblühenden Art mit dem Pollen einer nachtblühenden misslang, so kann man zweierlei Gründe vermuthen, erstlich ist es möglich, dass die Narbe der tagblühenden Art bei nächtlicher Bestäubung weniger empfänglich ist, als bei Tag, und zweitens, dass der Pollen einer nachtblühenden Art, welche bis zum Morgen schon verblüht ist, nicht mehr Lebenskraft genug hat, wenn man ihn erst bei Tag auf die Narbe der tagblühen- den Art bringt. Dass übrigens die Dauer der Lebens- kraft verschiedener Pollen-Arten eine ausserordentlich verschiedene ist, davon habe ich schon allerlei Beweise erlebt, indem ich nicht nur Pollen aus andern Gärten holte, sondern auch von auswärts per Post zugeschickt erhielt, und nach mehreren Tagen erst Befruchtungen damit bewirkte. Ich bediene mich zu dem Transport des Pollens eines kleinen gläsernen Cylinderchens, in welchem sich ein feiner Haarpinsel befindet, mit welchem ich den Pollen auffasse und in das Cylinderchen bringe, aus welchem ich denselben mit dem gleichen Pinsel wieder herausnehme und auf die Narbe der zu befruchtenden Blüthe auftrage. — Den auffallendsten Beweis, wie lange einzelne Pollen ihre Befruchtungskraft behalten, 118 erhielt ich in den dreissiger Jahren, als ich mit dem eben erwähnten Cylinderchen zu einem Freunde gieng, um von einem an jenem Abend bei ihm blühenden grandiflorus Pollen zu holen, mit welchem ich einen speciosus bestäuben wollte. Die Befruchtung gelang wirk- lich, ich erhielt eine ziemliche Anzahl Samen , welche ich säete, und die keimten. Schon im zweiten Jahre zeigte sich, dass die Triebe der Pflänzchen gar keine Aehnlichkeit mit dem grandi- ‚Forus hatten, sondern sich ganz so gestalteten, wie die, welche aus einer Hybridisation des speciosus und alatus hervorgiengen, und wirklich brachten sie im fünften Jahre auch solche Blüthen, es war desshalb unmöglich, dass hier der Pollen des grandiforus mitgewirkt hatte, sondern dass noch von dem vorhergehenden Jahre Pollenkörner des alatus in dem Pinsel befindlich waren, und mit dem unwirksamen Pollen des grandiflorus auf die Narbe des speciosus kamen und dieselbe befruchteten. Um mich zu vergewissern, machte ich einige Proben, den Pollen von Cacteen aufzubewahren, und fand, dass er sich hält, wenn man ihn in trockenem Zustande und bei ganz vollkommen trockener Luft in ein Gläschen verschliesst und an einem temperirten Orte aufbewahrt. Belgische Camellien-Züchter bewahren den Pollen von Camellien zwischen zwei mit Wachs aufeinander ge- klebten Uhrengläsern auf, und verwenden denselben oft das nächste Jahr erst zu Befruchtungen. Schliesslich erlaube ich mir noch einige Worte an- zufügen über den Umstand, dass manche Pflanzenarten leichter durch Uebertragung fremden Pollens, als durch den eigenen befruchtet werden. Eine Lieblingspflanzen - Gattung von mir sind die Passifloren, mit welchen ich auch schon eine Menge Befruchtungen zum Zwecke der Gewinnung neuer Spiel- arten vornahm. Anfangs der dreissiger Jahre brachte ich eine abgeschnittene frische Blüthe her Passiflora alata von Stuttgart nach Tübingen, und befruchtete dort mit dem Pollen derselben mehrere Blüthen der Passiflora coerulea, von denen eine auch wirklich eine Frucht mit vollkommenen Samen lieferte, aus welchen ich eine Hybride erzog, die von Handelsgärtner Gottlob Pfitzer in Stuttgart unter dem Namen Passiflora hybrida Neuberti vermehrt und in Handel gebracht wurde. — An der P. alata konnte ich lange Zeit, we- der durch den eigenen noch durch fremden Pollen, eine Frucht hervorbringen, bis ich einmal den Pollen der P. kermesina anwandte, und ich fand seither alle Jahre, dass nicht nur die P. alata, sondern eine ganze Anzahl anderer Arten ausserordentlich willig Früchte ansetzt, sobald sie mit dem Pollen der kermesina befruchtet wer- den. Alle Jahre kann ich Dutzende von Passifloren- Früchten aufweisen, welche sämmtlich von der kerme- sina befruchtet sind, allein die meisten enthalten, auch bei der sonstigen grössten Vollkommenheit der Frucht, beinahe JautertaubeSamenkörner. Die Erschei- nung, dass manche Gewächse vollkommene Früchte hervorbringen, welche aber keine keimfähige $Sa- men enthalten, finden wir zwar sehr häufig an un- seren Aepfeln und Birnen, allein das Räthselhafte bei meinen Beobachtungen an den Passifloren ist das, dass die betreffenden Arten noch niemals durch den eigenen Pollen, sondern stets nur durch den von der kermesina zum Fruchtansatz gebracht werden konn- ten. Es wäre sehr interessant, wenn auch andere Bo- taniker in dieser Richtung Versuche anstellten, um dieses Räthsel vielleicht aufzuklären. Fr. Schultz aus Weissenburg: Ueber Bastarderzeugung. Das Befruchten einer Pflanze durch den Pollen ei- ner andern gelingt nicht immer. In der freien Natur geschieht es nur durch Inseceten und nicht durch unmit- telbare Berührung zweier nebeneinander wachsenden Pflanzen oder gar durch den Wind. Geflügelte Inseeten bringen den Pollen aus oft weiten Entfernungen auf die Narben anderer Arten. Der Einwand bei der Aegilops- Frage: „der Wind“ habe den Pollen nicht in einer ge- wissen Entfernung fortbringen können, ist ebenso un- passend als der: Hieracium umbellato-praeruptorum mihi (H. auratum Fries.) könne nicht H. umbellato-prenanthoides sein, weil 4. umbellatum am Gebirge nicht bis zu der Höhe hinauf reiche, auf der H. prenanthoides wachse. Im Falle wo H. umbellatum wirklich nicht auf diesen Höhen vorkäme (es kommt aber neben 4. prenan- thoides vor) können ja leicht geflügelte Insecten den Pollen auf das etwas höher wachsende H. prenanthoides gebracht haben. Im Garten gelang mir die Befruchtung erst bei drei Arten von ZHieracium und ich erhielt durch die Saat der gewonnenen Samen H. Pilosella - auricula, H. aurieula- Pilosella und H. Pilosello-praealtum. Die zwei ersteren, welche sich durch reichliche Ausläufer vermehren, be- kamen fast lauter taube, letzteres aber, welches fast keine Ausläufer hat, fast lauter keimfähige Samen. Dieses wird von den meisten Schriftstellern als Synonym zu H. brachiatum gebracht. H. brachiatum ist aber kein Bastard, sondern es besteht aus zwei Arten, nämlich aus H. brachiatum Bertol. (H. auricula Villars! H. brach- iatum Fries pro parte non Bertol.) und aus H. fallaz Willd. (H. brachiatum Bertol.. Fries pro parte), welches letztere mit 7. Pilosella, das H. Pilosello-fallae mihi er- zeugt. Die künstliche Befruchtung ist am leichtesten bei der Gattung Verbascum zu bewerkstelligen, und wenn sie bei Tage nicht gelingt, so sind nur die Insecten schuld, welche, gleich bei Sonnenanfgang, in die kaum geöffnete Blume schlüpfen und dadurch den Pollen in derselben Species auf die Narbe bringen, ehe man mit einem Pinsel voll Pollen einer andern Species dazu kommt. Ich nahm daher die Befruchtung nach Son- nenuntergang oder vor Sonnenaufgang vor, und erhielt durch die Befruchtung des Verbaseum Lychnitis album mit dem Pollen von Y. Phlomoides eine Pflanze, welche ich auch z. Z. unter einer Menge der Eltern bei Kai- serslautern, wildwachsend, gefunden hatte, nämlich das V. Phlomoidi-Lyehnitis. Die so erhaltene Pflanze hat dies Jahr im Garten sehr schön und lang geblüht, und gleicht in den Blüthen vollkommen dem V. Phlomoides (sie sind nur nicht ganz so gross und nicht so intensiv gelb), während es, durch den Stengel und durch die Blätter dem V. Zyehnitis gleicht. Professor de Bary von Freiburg: Ueber die Myxomyceten. Bei der höchst unvollständigen Kenntniss, die wir bis jetzt von den sogenannten Schleimpilzen, Myxogaste- res Fries, besitzen, war ich seit einiger Zeit bemüht, die Entwicklungsgeschichte derselben zu verfolgen. Ein einigermassen befriedigendes, wenn gleich noch nicht vollständig abgeschlossenes Resultat ergab zunächst die Untersuchung des Aethalium septicum Fr., der soge- nannten Lohblüthe. Die grossen rasenartigen gelben Massen, welche als Jugendzustand dieses Pilzes bekannt sind, entstehen durch innige Verflechtung gelber, durch- schnittlich borstendicker Fäden oder Stränge, von denen genauere Untersuchung nachweist, dass sie anfangs frei, verzweigt, in der Lohe zerstreut sind, und dass sie, zur Bildung des gelben Fruchtkörpers, nach einer Stelle hin zusammenkriechen. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass diese Stränge aus Sarcode bestehen, welcher eine grosse Menge theils farbloser, theils lebhaft gelber Körnchen eingebettet sind. Entsprechend den aus Sar- code bestehenden Rhizopoden zeigen sie ein stets wech- selndes Austreiben und Wiedereinziehen von Zweigen verschiedener Ordnung, welche zur Bildung netzartiger Anastomosen zusammenfliessen und sich wieder trennen können; die kleineren dieser Zweige sind von den be- kannten Fortsätzen der Amöben nicht zu unterscheiden. Das Zusammenkriechen der Stränge findet in diesen Ei- genthümlichkeiten eine genügende Erklärung. Die aus ihrer Verflechtung entstehende gelbe Masse sondert sich zuletzt in einen peripherischen Theil („Peridie*) und einen von diesen umschlossenen mittlern, sporenbildenden. Fast alle farblose Substanz tritt aus den Strängen der Peridie in die sporenbildenden über; jene besteht daher aus einem Geflecht collabirter, reichlich gelbe Pigment- körnchen enthaltender Stränge. In dem sporenbildenden Theil sondert sich das Pigment von der farblosen, fein- körnigen Substanz; jenes durchsetzt die letztere in Form von gelben, nach allen Richtungen hin anastomosirenden, aus Körnchen zusammengesetzten Streifen. Die farb- lose Substanz wird gänzlich zur Sporenbildung verwen- det; und zwar bilden sich in ihr, gleichzeitig an allen Punkten des ganzen Pilzkörpers, eine Unzahl von Ker- nen, um jeden dieser alsbald eine Zelle, die sich rasch zur reifen Spore ausbildet. Sät man die reifen Sporen in Wasser oder auf feuchte Lohe aus, so tritt aus der platzenden violetten Membran einer jeden der Inhalt in Form eines farblosen, feinkör- nigen kugeligen Körpers aus. Derselbe ändert alsbald seine Gestalt, indem er zunächst in beständigem Wechsel kurze Fortsätze austreibt und wieder einzieht, allmählich aber sich zu länglicher Form streckt. Sein eines, vor- deres Ende ist jetzt zugespitzt und läuft in eine lange schwingende Cilie aus, durch deren Oseillationen es in 119 wackelnder Bewegung erhalten wird. Das abgerundete hintere Ende zeigt zwei abwechselnd pulsirende Vacuo- len. Diese Keimungsproducte vermehren sich durch Zweitheilung. Nach mehrtägiger Cultur sieht man sie endlich mehr und mehr amöbenartige Form und Bewe- gung annehmen, zuletzt zu Gebilden heranwachsen, welche der Amoeba verrucosa und radiosa Ehr. und Du- Jard. vollkommen gleichen. Die nämlichen Erscheinungen wie Aethalium zeigen die Sporen von Lycogala epidendron , Stemonitis, Trichia nach Aussaat in Wasser. Die Entwicklung der Sporen geschieht bei Lycogala Trichia, Didymium durch den näm- lichen freien Zellbildungsprocess wie bei Aethalium. Für Didymium, Lyeoyala ergaben meine eigenen Beobach- tungen, für viele andere Gattungen schon die Darstel- lung von Fries (1329), dass sich die sporenbildenden Peridien stets aus Sarcodesträngen entwickeln, denen die oben angegebenen Eigenschaften zukommen. Die grosse Uebereinstimmung der Myxomycetenge- nera in allen bisher bekannten Zuständen erlaubt, die obigen. für einige Gattungen gewonnenen Resultate auf alle zu übertragen. Wenn wir einerseits aus den Sporen Amöben ent- stehen sehen, anderseits die Stränge, aus welchen sich die sporenbildenden Organe entwickeln, die Structur und die gleiche Beweglichkeit besitzen, wie jene Amöben, so wird daraus mehr als wahrscheinlich , dass die soge- nannten Schleimpilze sich aus den Amöben entwickeln, indem diese heranwachsen, vielleicht mehrere oder viele zu einem Strange zusammenfliessen, und sich endlich zu dem sporenbildenden Körper gestalten. Die Amöben stehen im Thierreiche, und wohl mit Recht, wegen ihrer grossen Uebereinstimmung mit den übrigen, entschieden animalischen Rhizopoden. Ausser ihrer eigenthümlichen Bewegung nehmen sie feste Kör- per als Nahrung in ihre Leibessubstanz auf. Die bei der Cultur von Aethalium-Aussaaten erhaltenen Amöben stimmen mit den von den Zoologen beschriebenen voll- ständig überein; insonderheit fressen sie wie diese. Wenn daher die Entwicklung der Myxomyceten aus Amöben nachgewiesen ist, so sind dieselben auch ent- schieden von den Pilzen und von dem Pflanzenreich, in welchem sie keinerlei Analogon besitzen, zu entfernen und sämmtliche sogenannte Schleimpilze für Thiere zu erklären *). Professor Wigand von Marburg: Ueber die Organisation der Trichiaceae. Anknüpfend an den vorhergehenden Vortrag von Professor de Bary, in welchem derselbe auf Grund der von ihm beobachteten Keimung von Aethalium, Di- dymium ete. durch Entwicklung von Amöben und auf *) Untersuchungen, welche nach dem Schlusse der Natur- forscherversammlung angestellt, und zum Theil in der Bot. Zei- tung d. J. veröffentlicht wurden, haben die Lücken in obiger Auseinandersetzung grösstentheils ausgefüllt, die vorgetragenen Ansichten bestätigt und Wigand's Einwürfe vollkommen be- seitigt. Den 16. December 1858. 120 Grund der Fortbewegung der ausgebildeten Pilze, den sogenannten Schleimschlauchpilzen überhaupt thierische Natur zusprach, theile ich in Folgenden die Haupter- gebnisse meiner Untersuchung über den anatomischen Bau der Gattungen Trichia und Areyria mit, welche, obgleich die von de Bary hervorgehobenen Entwick- lungsmomente nicht berührend, gleichwohl, wie mir scheint, geeignet sind, die pflanzliche Natur dieser Pilze zu begründen. In Beziehung auf die äussere Gestalt kommen zwei Haupttypen vor: 1) Peridien von bestimmter Gestalt, rundlich oder verkehrteiförmig, birn- oder keulenförmig, mit mehr oder weniger deutlichem Stiel, bald einzeln bald bündelartig vereinigt. 2) Peridien von unbestimm- ter Form, auf den Boden ergossen, wurm- oder netz- förmig. Beide Typen kommen sowohl bei Trichia als Arcyria vor. Das Peridium bildet eine einfache Höhle, welche sich durch den Stiel bis an dessen fussförmig verbrei- tertes oder in unregelmässige Aussackungen erweitertes Ende erstreckt. \ Das Peridium ist, wenigstens bei Trichia eine ein- zige Zelle, deren Membran zum Theil, besonders im Stiel und im Fuss oft deutlich schichtenartig verdickt, und von verschiedenartiger Consistenz, auf gewissen Altersstufen durch chemische Reagentien als Zellulose nachgewiesen werden kann. Niemals habe ich ein Sta- dium gefunden, wo das Peridium sich in einem schlei- migen Zustand befindet, eine Annahme, worauf sich die Bezeichnung dieser Pilze als „Schleimschlauchpilze“ gründet. Bei manchen Arten findet eine Häutung statt, indem die äusseren Membranschiehten in dem Maass, wie sich auf der innern Wand neue Schichten ablagern, sich abschälen.. Durch Ausbreitung dieser Schichten auf der Unterlage scheint der häutige soge- nannte „Hypothallus“, welcher zur Befestigung des Pil- zes dient, zu entstehen. Das Oeffnen des Peridiums geschieht durch theil- weise oder vollständige Zerreissung und Zerstörung der Membran, und zeigt in Beziehung auf Regelmässigkeit manche Verschiedenheiten, welche aber oft innerhalb einer und derselben Species zugleich vorkommen. Der Inhalt des Peridiums zeigt einen so compli- eirten Bau, dass die Trichiaceen unter allen einzelligen Pilzen theils desshalb, theils wegen des angeführten Baus des Peridiums die höchste Stelle einnehmen. Die beiden Bestandtheile dieses Inhaltes, die Sporen und das Capillitium sind in der Weise angeordnet, dass die Spo- ren die Höhlung des Stiels ausfüllen, und ausserdem in der eigentlichen Peridiumshöhle hauptsächlich den Raum zunächst an der Wand, das Capillitium aber vorzugsweise den mittleren Theil einnimmt. Für die grosse Mehrzahl der Sporen ist, der bisher herrschenden Ansicht zuwider, als sicher anzunehmen, dass dieselben nicht an den Fä- den des Capillitiums entspringen, sondern frei nebenein- ander liegen. Das Capillitium zeigt zwei verschiedene Haupt- formen, worauf sich der schärfste Gattungsunterschied zwischen Trichia und Arcyria gründet. Bei Trichia besteht nämlich das Capillitium aus zahlreichen faden- förmigen Zellen, welche meist einfach aber auch da, wo eine geringe Verästelung stattfindet, einzellig vollkommen frei und selbständig nebeneinander liegen. Bei Areyria dagegen ist das Capillitium in hohem Grade verzweigt und bildet, indem die Aeste untereinander anastomosiren, ein einziges zusammenhängendes Netz mit weiten oder engen Maschen. Auch hier findet man nirgends Schei- dewände, so dass das ganze als eine einzige vielver- zweigte Zelle erscheint. Mit dieser Verschiedenheit hängt zusammen, dass beim Oeffnen des Peridiums bei Trichia die Fäden mit den Sporen vermischt ausgestreut werden, bei Areyria dagegen als ein die Gestalt des Peridiums bewahrendes Netz in letzterem sitzen bleibt. Die weiteren Verschiedenheiten, welche das Capilli- tium namentlich bei Triehia darbietet, beziehen sich theils auf die Länge und Dicke, Steifheit und Biegsam- keit der Fäden, theils auf die Einfachheit und Verzwei- gung, theils auf die Art der Zuspitzung und die Form der Enden dieser Fäden überhaupt, sämmtlich Un- terschiede, welche so bestimmt ausgeprägt sind, dass darauf die schärfsten Merkmale der Arten gegründet werden können. Von besonderem physiologischen und systematischen Interesse ist die Membran dieser Capillitiumzellen, und zwar begegnen wir hier wiederum zwei Hauptformen, nach denen die beiden Gattungen unserer Gruppe sich scharf trennen lassen. Während die fadenförmigen Zellen bei Trichia aufs zierlichste spiralig gezeichnet sind, tre- ten an dem Capillitium bei Arcyria ringförmige Erha- benheiten auf. Dieser spiralige Bau bei Trichia beruht theils auf einer der Richtung der Spirale folgenden Aus- dehnung der unverdickten Membran, wodurch eine nach Innen offene, nach Aussen leistenartig vorspringende Rinne oder Falte entsteht, theils als seeundäre Erschei- nung, auf einer auf diesen Theil der Membran be- schränkten partiellen Verdiekung auf der innern Wand. Hier zeigt sich nun wieder eine grosse Mannigfaltigkeit theils in Beziehung auf die Erhabenheit, Breite und Dieke der Schraubengänge, theils in Beziehung auf die Zahl, Nähe und Steilheit der parallel an einem Faden vorlau- fenden Schraubengänge und ihren Windungen, und auch diese Verhältnisse liefern durchgreifende Merkmale für die verschiedenen Species. Weitere Unterschiede be- ruhen auf der Farbe und auf der Gegenwart oder Ab- wesenheit von stachelartigen Unebenheiten. Endlich lassen auch die Sporen hinsichtlich der Gestalt, Grösse, Oberfläche und Farbe Verschiedenheiten erkennen, welche sich zur Abgrenzung der Arten eignen. Aus der Schärfe, womit die Unterschiede in allen den hier angedeuteten Verhältnissen des Inhaltes aus- geprägt erscheinen, eröffnet sich die Aussicht, durch Auffassung dieser mikroskopischen Charactere eine un- gleich schärfere Abgrenzung und Definition der einzel- nen Species jener beiden Gattungen zu erreichen, als diess die bisherige fast nur auf die viel unbestimmteren oder wenigstens schwieriger bestimmbaren Verhältnisse der Gestalt, Farbe, Consistenz, Oeffnungsweise der Pe- ridien gegründete Systematik dieser Gattungen gelei- stet hat. Was schliesslich die allgemeine Stellung dieser klei- nen Gruppe betrifft, so ist sowohl in chemischer Bezie- hung als in der gesammten anatomischen Organisation die Analogie mit anderen Pflanzenbildungen so gross, dass wenigstens von dieser Seite ein Zweifel an der Pflanzennatur dieser Wesen nicht zulässig erscheint. Und wenn gleich meine Beobachtungen nicht geeignet sind, die von de Bary mitgetheilten, mehr der Ent- 121 wicklungsgeschichte angehörigen Erscheinungen zu be- streiten, so können wir doch den letzteren eine solche Bedeutung, um darauf eine so abweichende Beurtheilung jener Pilze zu bauen, so lange nicht zugestehen, als von de Bary nicht die Grundfrage nach dem Verhält- niss der angeblichen Schleimhülle zum Zellenbau beant- wortet, beziehungsweise die von mir gegebene Darstel- lung der chemischen und anatomischen Organisation wi- derlegt wird. Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Geh. Hofrath Döll. v. Martius spricht über das Geigen-Resonanz- holz und zeigt das in Bayern zu den Geigen ver- wendete Holz der Haselfichte, einer durch welligen Verlauf der Holzbündel ausgezeichneten Bergform von Abies ewcelsa vor. Professor C. J. Meissner von Basel: Ueber die Verwandtschaft der Gattungen Hernandia Plum. und Inocarpus Forst. Bekanntlich sind diese zwei Gattungen im Jahr 1825 von Professor Blume in seinen Bydragen tot de Flora van Nederlandsch Jndije, S. 550, zu einer Gruppe ver- einigt worden, die er mit dem Namen Hernandieae bezeichnet und mittelst eines wesentlichen Characters zu begründen gesucht hat, ohne sich jedoch zugleich über ihre Stellung im System auszusprechen, so dass man nur etwa aus dem Umstande, dass er a. a. O. unmittelbar auf sie die Laurineen folgen lässt, die Vermuthung ziehen kann, er habe sie für eine mit den letzteren ver- wandte Familie angesehen. Später, in einer zu Leyden 1833 erschienenen kleinen Schrift (s. Ann. des sc. nat. 1834, 2 p. 91) bezeichnet er sie als den Santalaceen sehr nahe stehend. Aehnlicher Ansicht waren auch alle folgenden Systematiker, welche die Gruppe der Hernandieen annahmen, namentlich Dumortier, Arnott,Lindley,Martius,Endlicher, Miquel, Griffith, insofern sie dieselbe mit den Laurineen oder mit den Thymeläen, oder mit beiden in eine Classe oder Verwandtschafts-Gruppe (Laurales Lindl., Thymelaea Endl.) zählten, und während die Meisten sie als eigene, selbständige Familie anerkannten und ein- reihten, wurden sie von Endlicher (Gen. pl. p. 332) und nach ihm auch von Lindley (Veget. Kingd. ed. 3 p- 531) als „genera affinia*, den Thymeläen ange- hängt. Eine genauere Untersuchung des Blüthenbaues der beiden Gattungen (welcher, beiläufig bemerkt, von den verschiedenen älteren und neueren Autoren theils ungenügend, theils abweichend beschrieben und ge- deutet worden) muss jedoch nicht nur über die Richtig- keit der letzterwähnten Colloeation, sondern auch sogar über ihre Verwandtschaft und Zusammenge- hörigkeit bedeutenden Zweifel erregen, und in der That konnte man solehen auch schon aus dem Umstande schöpfen, dass Jussieu die zwei Gattungen keineswegs in die gleiche Familie, sondern Hernandia zu den „genera Lauris affinia“ (gen. pl. p. 81), Inocarpus aber (l. c. p- 152) zwischen Myrsine und Olax zu den „genera Sapotis ajinia“ gestellt hat. Auch hat R. Brown (in Bennett Pl. Jav. rar. p. 241) bei Besprechung der Verwandtschaft von Sarcostigma Wight et Arnott und Jodes Blume, wo er anführt, dass die von Wight und Arnott zu den Hernandieen gezählte Gattung ‚Sarcostigma nicht hieher, sondern, wie schon Plan- cehon gezeigt, zu den Phytocreneis gehöre, die an- gebliche nahe Verwandtschaft zwischen Hernandia und Inocarpus sehr in Zweifel gezogen, ohne sich jedoch darüber weiter auszusprechen. — Nach diesen Vorbe- merkungen sucht nun der Vortragende durch das Er- gebniss seiner eigenen Untersuchungen, deren ausführli- chere Bekanntmachung er sich anderweitig vorbehält, zu zeigen, wie sehr dieser Zweifel allerdings gegründet sei, und sodann die wahren verwandtschaftlichen Be- ziehungen und die systematische Stellung der beiden Gattungen auszumitteln. Die Charactere, welche Herrn Blume zur Zusammenstellung von Hernandia und Inocarpus hauptsächlich bestimmt haben mögen, sind wohl ohne Zweifel der allerdings bei beiden sehr analoge Bau des Ovariums, der Frucht und des Saamens, und sodann der sog. doppelte Kelch, wiewohl dieser bei Hernandia nur der weiblichen Blume zukommt und in seiner Beschaffenheit von demjenigen des Inocarpus bedeutend abweicht. Alle übrigen Charactere der Blume hingegen sind bei den beiden Gattungen dergestalt ver - schieden, dass deren Zusammenstellung in eine Familie gewiss als sehr gezwungen erscheinen muss. Hernandia hat stets nur eingeschlechtige, monöeische, Inocarpus lauter zwitterige Blumen; bei /nocarpus stehen die Blumen in winkelständigen Trauben, bei Hernandia in endständigen Trugdolden, und zwar sind hier constant je drei Blumen von vierblätterigem involuerum umgeben, die mittlere ungestielt, weiblich und vierzählig, die beiden seitlichen gestielt, männlich und dreizählig. . Der innere Kelch oder das Perigon ist bei /Znocarpus petaloidisch, zart, gefärbt, trichterig, fünf- bis sechsspaltig, mit gedrehter Knospenlage; bei 16 122 Hernandia derb blattartig, bei der weiblichen Blume vier-, bei der männlichen sechstheilig, und zwar sind bei dieser die Lappen je zu drei in zwei Kreisen, ge- stellt, jeder Kreis mit klappiger Knospenlage, die Lappen des inneren Kreises mit denen des äusseren alternirend. Die Staubgefässe sind bei /Znocarpus in der doppelten Zahl der Kelchsegmente (d. h. 10 od. 12) vorhanden, mit feinen, fadenförmigen Filamenten bis fast an die Antheren hinauf an die Kelchröhre ange- wachsen, die Antheren in zwei Reihen gestellt, die der oberen Reihe mit den Kelchsegmenten alternirend; von Drüsen am Grunde der Filamente keine Spur; die An- theren oval, zweifächerig, mit Längsspalten sich öffnend. Bei Hernandia hingegen enthalten die männlichen Blumen nur drei Staubgefässe, die mit den inneren Kelchlappen alterniren, der ganz kurzen Kelchröhre eingefügt-sind und aus der Mündung grösstentheils her- vorragen; ihre sehr kurzen, etwas dicken Filamente sind am Grunde monadelphisch verwachsen, tragen über der Kelchmündung an der Aussenseite je zwei (seltener nur eine) rundliche, kurzgestielte oder sitzende, kahle Drüsen (ganz ähnlich den bei sö vielen Laurineen vorkommenden). Bei der weiblichen Blume von Her- nandia stehen an der Stelle der Staubgefässe (d. h. ab- wechselnd mit den vier Kelchsegmenten) vier ganz ähnliche, aber stets einfache Drüsen. Sehr eigenthüm- lich sind bei Hernandia die verhältnissmässig grossen, ovalen, zweifächerigen Antheren, nämlich dadurch, dass sie sich mittelst zweier Klappen öffnen, welche sich aber nicht, wie bei den Laurineen und Berberideen, von unten nach oben ablösen und als aufgerichtete Oehrchen auf ihrem Gipfel stehen bleiben, sondern sich der ganzen Länge nach von dem etwas dieken Con- nectiv abtrennen, und zwar zuerst an der vordern oder innern Seite, worauf sie sich nach aussen zurück- schlagen, später aber auch an der äussern oder Rück- seite, worauf sie vom Connectiv gänzlich abfallen; ein Verhalten, das sich am besten mit der Ablösungsweise der Klappen von der Scheidewand bei der Cruciferen- frucht vergleichen lässt, und zuerst von Griffith (Posthumous Papers, Not. part IV. p. 359.) beobachtet worden zu sein scheint. Endlich trägt das vom Perigon und dem sog. äusseren Kelch oder calyculus umschlossene aber freie Ovarium bei /nocarpus eine fast sitzende, kleine, concave Narbe, bei Hernandia hingegen einen kurzen, in eine trichterige unregelmässig gekerbte Narbe ausgehenden Griffel. — Wenn nun einerseits die Dis- parität der besprochenen zwei Gattungen aus dem oben Gesagten wohl deutlich genug hervorgeht, so ist da- gegen andrerseits die Stelle, welche jede derselben im System einzunehmen hat, weniger klar und unzweifelhaft. Zu der gleichen Familiengruppe oder Classe, wie die Laurineen und Thymeläen gehören beide wohl jedenfalls; sie aber mit Endlicher und Lindley ge- rade zu den Thymeläen selbst als zunächstverwandte Glieder anzuschliessen, dagegen spricht bei Hernan- dia der ganze Blumenbau und bei Inocarpus die Aestivation, das Alterniren des oberen Staubgefäss- kreises mit den Kelchgipfeln und die gänzliche Abwe- senheit hypo- oder perigynischer Drüsen oder Schup- pen. Ebenso wenig stimmen sie aber auch mit einer der andern Familien hinreichend überein, um derselben einverleibt werden zu können, und es bleibt daher nur die immerhin unangenehme Alternative übrig, ent- weder eine jede dieser beiden Gattungen als besondere Familie aufzustellen, oder aber sie als besondern Tribus oder „genus anomalum“ der zunächstverwandten Familie anzuhängen. Für den letzteren Fall lässt sich kaum entscheiden, ob die /nocarpeae den Thymeläen oder den Santalaceen zuzugesellen seien, und desshalb möchte es richtiger sein, sie als eigene Familie zwischen die beiden ebengenannten zu stellen. Hernandia hin- gegen verräth in den Staubgefässdrüsen und auch in der (wenn gleich verschiedenen) klappigen Dehiscenz der Antheren und im Bau des Saamens offenbar eine bestimmte nähere Verwandtschaft mit den Laurineen und könnte, ohne dem Gesammtcharakter dieser Fa- milie grosse Gewalt anzuthun, mit derselben als Subordo ebenso gut verbunden werden, wie die Cassytheae und /lligereae, eine Ansicht, zu welcher sich auch Griffith (vgl. a. a. O.) hinneigte. F. Schultz von Weissenburg: Ueber die Verbreitung der Sphagna auf der Rheinfläche. In einer der letzten Sitzungen wurde das Vorkommen der Sphagna auf der Rheinfläche, wenn auch nicht ganz abgesprochen, doch wenigstens als eine seltene, vielleicht auf einen einzigen kleinen Punkt beschränkte Ausnahme zugegeben. Dies veranlasst mich, meine Beobachtungen über die Verbreitung der Sphagna auf der Rheinfläche mitzu- theilen. In der bayerischen Rheinpfalz wachsen die Sphagna ausschliesslich auf der Vogesias, sowohl im Gebirge als auch auf den Flächen des Vogesensandsteins und auf den meist aus Quarzsand und Kies bestehenden Strecken des alten Alluviums der Rheinfläche. Sie fehlen auf allen übrigen Gebirgsarten des genannten Gebietes, welches ich vom Ursprunge der Nahe bis zum Einfluss der Blies in die Saar und von der Mündung der Nahe in den Rhein bis zum Hagenauer Forst durch- wandert habe. Sie fehlen in diesem Gebiete namentlich auf dem Buntsandstein, obgleich derselbe mit dem Vo- gesensandstein Aehnlichkeit hat, und auf dem Kalk, namentlich dem Muschelkalk, obgleich sie anderwärts auf Kalk, z. B. auf dem Jurakalk und auf dem Alpen- kalk, grosse Strecken bedecken, wie bei uns auf der Vogesias. Die ansehnlichsten mit Sphagnum bewachsenen Stre- cken auf der Rheinfläche fand ich im sogenannten Bien- walde, zwischen Weissenburg und Lauterburg, wo sie jedoch in neuester Zeit in den Torfmooren durch un- regelmässiges Torfstechen und Austrocknungen und in den Waldungen durch die Bemühungen der Forstver- waltung, Alles durch Anlegung von grossen Gräben, auszutrocknen, grösstentheils verschwunden sind. Doch | DEE fand ich noch in neuester Zeit in den Wäldern zwischen der Bienwaldmühle und Schaidt, trockenere Strecken mit Sphagnum compactum und feuchtere mit S. acutifolium und S. cymbifolium bedeckt, sowie viele Gräben ganz mit beiden letztgenannten und mit S. subsecundum var, rufeseens oder contortum-angefüllt. Mehrere Sümpfe auf der Rheinfläche, zwischen Weissenburg und Germers- heim, fand ich auch stellenweise mit S. acutifolium und S. eymbifolium bedeckt. In Gegenden, wo die Torfeultur rationell betrieben wird, weiss man, wie es scheint, dass sich der Torf ohne Sphagnum nicht fortbildet, und dass ohne Wasser das Sphagnum auf immer verschwindet. Das Stechen des Torfes wird daher so betrieben, dass die unterste Schichte desselben nie ganz ausgestochen, noch das Sphagnum ganz entfernt wird. Man lässt immer kleine Strecken mit Sphagmım stehen und man richtet die Flächen, auf denen der Torf bis zu einer gewissen Tiefe ausgestochen wurde, so ein, dass sie immer wieder mit stehendem Wasser bedeckt werden, weil dadurch allein die Möglichkeit gegeben wird, die torf- bildenden Pflanzen und das dazu nöthige Sphagnum darauf wieder erscheinen zu machen und neuen Torf zu erhalten. So kann mit Sphagnum sich immer neuer Torf bilden und eine ausgestochene Strecke nach wenigen Jahren wieder mit Torf angefüllt sein. Diese Torfeultur ist in dazu geeigneten Gegenden sehr zu empfehlen, besonders weil der so gewonnene Torf ein viel reineres Brennmaterial liefert, als der unter Erdschichten ge- lagerte alte Torf, welcher sich nicht fortbildet, weil die zur Torfbildung nöthige Pflanzendecke fehlt und nicht künstlich beigeschafft werden kann. Die Beobachtungen, welche, hieran anknüpfend, von W. Schimper, K. Schimper, Döll, Seu- bert, mitgetheilt werden, stimmen dahin überein, dass Sphagnen in der Rheinebene Badens schr selten vorkommen und in kalkreichem Wasser nicht gedeihen. dass sie F. Schultz legt sein Herbarium normale vor — Herbier des plantes nouvelles peu connues et rares d’Europe , prineipalement de France et d’Allemasne, publie par F.Schultz, docteur en philosophie, membre de plusieurs academies des sciences, lettres et arts. Das Format ist gross Folio und der erklärende Text in 8%. Die Subseriptionsbedineungen stehen im er- klärenden Text „Archives de flore“ und man subseribirt bei Dr. Schultz, Spitalarzt in Deidesheim (bayerische Pfalz) oder beim Herausgeber zu Weissenburg (Depar- tement des Niederrheins, Frankreich). v. Martius demonstrirt eine Sammlung von Leeythideenfrüchten, und macht dabei auf die Fähigkeit halbreifer Leeythisfrüchte aufmerksam, in den Boden gebracht Wurzeln und Sprosse zu treiben. 123 Dr. Franz Buchenau von Bremen: Ueber die Entwicklung der leeren Fruchtknoten- fächer von Valerianella. Die Bildung des Fruchtknotens zeigt in der natür- lichen Familie der Valerianeen mancherlei Verschieden- heiten. Als Haupttypen können wir die deutschen Gattungen Centranthus und Valerianella betrachten, deren erste einen rein einfächerigen Fruchtknoten besitzt, wo- gegen dies Organ bei der zweiten Gattung zwei leere Fächer und ein fruchtbares enthält, deren nach Grösse und Gestalt sehr verschiedene Ausbildung bekanntlich recht gute Merkmale zur Abgrenzung der Arten geben. Die Entwiekelunesgeschichte des Fruchtknotens von Centranthus habe ich schon an einem andern Orte in den Abhandlungen der Senkenbergischen Gesellschaft — geschildert und dort nachgewiesen, dass das, was man hier für leere Fächer hält, nicht als solche aufzu- fassen ist; es sei mir nun erlaubt, aus späfern Unter- suchungen das Wesentlichste über die Entwickelung der leeren Fächer bei YValerianella hier mitzutheilen. Ich untersuchte besonders Valerianella_ alliariaefolia und olitoria.. Die Entwiekelung der äussern Blüthen- theile bis zu den Staubgefässen hin übergehe ich, da sie nichts wesentlich Neues darbietet. Nur beiläufig sei bemerkt, dass der äusserst zierliche, becherförmige, sechszipfelige Pappus von V. alliariaefolia eben so spät, nach Anlage sämmtlicher innern Blattviertel, entsteht, als das grüne Spitzchen, welches bei V. olitoria den Pappus anzudeuten scheint, und dass nach fortgesetzten Beobachtungen meine Zweifel an der den Systematikern geläufigen Deutung dieses Organes als Kelch sich nicht vermindert haben. Der Fruchtknoten bildet anfangs ein offenes Becher- chen, dessen oberer Rand von den Anlagen der Blu- menkrone und Staubgefässe eingenommen wird. Bald aber zeigen sich innerhalb dieser Organe die drei Griffel- blätter und in der Tiefe drei wandständige Hervorra- gungen, von denen eine frühzeitig die beiden andern an Grösse übertrifft. Dieser Zustand wird indessen ungemein rasch durchschritten, indem die unteren Theile der Placenten ungetrennt entstehen. Querschnitte durch etwas ältere Stufen werden also fast stets das Bild eines dreifächerigen Fruchtknotens bieten, und nur wenn das Messer gerade die oberste Grenze trifft, ist es möglich, die anfängliche Trennung der drei Hervorragungen zu bemerken. Noch mehr wird nun das Verhältniss ge- trübt, wenn die eine Hervorragung sich zur Saamen- knospe ausbildet; sie drängt dann die beiden seitlichen ganz zurück und hängt in das von diesen gebildete Fach hinein, so dass es nunmehr den Anschein gewinnt, als sei sie an der Spitze einer centralen Placenta ent- sprungen, deren nach den leeren Fächern zugewendete Seiten unfruchtbar geblieben sind. Nicht selten aber fand ich bei Längsschnitten aus Blüthen von verschie- denem Alter im obern innern Winkel eines unfruchtbaren Faches eine kleine Hervorragung, die als verkrüppelte Anlage der Saamenknospe dieses Faches angesehen werden muss. 16 * 124 Nach dieser Erklärung kann auch die Nichtentwicke- lung der zwei Saamenknospen der unfruchtbaren Fächer auf ein mechanisches Prineip zurückgeführt werden; die geförderte wird sich nämlich zwischen ihnen durch- schieben, sie in Folge ihrer eigenen starken Entwicke- lung auf die Seite drängen und ihnen so die Entwi- ckelungsfähigkeit rauben. Der einfächerige Fruchtknoten von Centranthus und Valeriana unterscheidet sich hiernach von dem drei- fächerigen bei Valerianella durch das Fehlen der beiden seitlichen Saamenknospen-Anlagen,, wodurch von selbst die Fächerbildung unterbleiben muss. Es löst diese Er- klärung aber noch den scheinbaren Widerspruch, dass bei Centranthus die eine Saamenknospe wandständig, bei Valerianella dagegen an einer centralen Placenta befestigt ist, denn eben dies ist, wie wir sahen, nur eine beson- dere Modification des ersten Falles. C. Schimper fügt die Bemerkung hinzu, dass das vertile Fruchtknotenfach stets demjenigen Vor- blatte der Blüthe zugekehrt ist, welches in seiner Achsel den stärkeren unter der Blüthe stehenden Ast trägt. In Beziehung auf die zur Sprache gekommene ungleichseitige Ausbildung der Valerianeenblüthe erwähnt Döll der gespornten Corolle von Cen- tranthus als des auffallendsten Falles. Döll macht ferner auf die in der Natur nicht seltene schiefe Symmetrie der Blüthen aufmerksam, und führt als Fünfte Sitzung am 22. September 18 Präsident: Professor Mettenius. Privatdocent L. Radlkofer aus München: Ueber das Diekenwachsthum des Dikotyledonen- Stammes, Die Untersuchung anomaler Stammbildungen, wie sie schon so oft die Aufmerksamkeit der Fachmänner erregt, aber noch immer nicht (wenigstens für die mei- sten Fälle) eine Erklärung gefunden haben, führte mich bald zu einem Punkte, auf welchem der Frage nicht mehr auszuweichen war: Nach welchem Gesetze der Zellvermehrung bilden sich beim regelmässigen Dicken- wachsthume Holz und Rinde aus dem Cambium hervor? In der Literatur fanden sich darüber höchstens Mei- nungen, aber keine Beobachtungen, und ich war somit angewiesen, die letzteren selbst anzustellen. Diese Be- obachtungen sind keineswegs bereits zu einem Abschlusse gediehen; eben so wenig die Untersuchungen, welche dazu Veranlassung gegeben hatten, die Untersuchungen nämlich über anomale Stammbildungen. Wenn ich den- noch einer mir gewordenen Aufforderung Folge leiste und das Interesse der botanischen Section für die Dar- Beispiele dafür die Asperifolien, Salpiglossideen, Gla- diolus auf. K. F. Schimper macht auf den Zusammenhang der Unregelmässigkeit von Gipfelblüthen mit den von ihm früher als hyponastisch und epinastisch bezeichneten anatomischen Eigenthümlichkeiten des Stengels aufmerksam. de Bary theilt Beobachtungen über Bau und Entwicklung von Didymium, Triehia und Lycogala mit, zur Erläuterung seiner in der vorigen Sitzung vorgetragenen Ansichten über die Myxomyeeten. Er weist die Uebereinstimmung zwischen ihnen und den das vorige Mal besprochenen nach, und tritt der Auffassung Wigands entgegen, nach wel- cher sie einzellige, mit Brotydium und anderen Algen vergleichbare Pflanzen wären. Professor Wigand legt Proben von Ueberwallungserscheinungen vor, na- mentlich von einer im Innern gespaltener Buchenstämme wiederholt wahrgenommenen eigenthümlichen fiederartig verzweigten Figur, welche vielleicht als ein in die Rinde gerissenes Forstzeichen zu erklären ist. — Ein anderer Fall betrifft einen Eichenstamm, von dessen Basis ein anstehender Sandstein in der Weise umwachsen_ ist, dass letzterer den grössten Theil des Holzkörpers ein- nimmt und zwar ohne dass auf dem Querdurchsehnitt eine Störung der Jahresschiehten zu bemerken ist. legung der unvollständigen Ergebnisse und der Gesichts- punkte, aus welchen die Untersuchungen unternommen wurden, in Anspruch nehme, so mag das durch die Er- wägung gerechtfertiget werden, dass es sicherlich zur Förderung der Wissenschaft beiträgt, wenn wir uns die Mängel und nächsten Bedürfnisse derselben recht deut- lich zum Bewusstsein bringen, und weiter durch den Umstand, dass der Einzelne der hier berührten Aufgabe schon wegen der Zerstreutheit des Materiales kaum ge- wachsen sein dürfte, sich also gedrungen fühlen muss, zu thätiger Mitwirkung anzuregen. Was zunächst das regelmässige Diekenwachs- thum betrifft, so steht so viel fest, dass Holz und Rinde nach entgegengesetzten Seiten hin durch fortge- setzte Theilung aus einem zwischen Beiden gelegenen, theilungsfähig bleibenden, jugendlichem Gewebe — dem Cambium — hervorgehen. Der Ermittlung des Ge- setzes, nach welchem die successive Theilung der Cam- biumzellen erfolgt, stehen zahlreiche und grosse Schwie- rigkeiten entgegen, worüber dem mit solchen Unter- suchungen Vertrauten weiter zu sprechen überflüssig sein möchte; doch lassen mich die bisher angestellten Beobachtungen hoffen, dass eine solche Ermittelung, wenn auch unermüdliche Ausdauer erfordernd, wenig- stens nicht geradezu unmöglich sei für unsere jetzigen Untersuchungsmittel. Diese Beobachtungen scheinen zugleich die Nöthi- gung zu einer Modification der allgemein verbreiteten Ansichten über die Natur des Cambiums zu enthalten. Die herrschende Annahme geht dahin, dass das Cam- bium ein indifferentes Gewebe sei, weder Holz noch Rinde, und eben desshalb fähig, das Eine so gut als das Andere zu werden. Meine Untersuchungen dagegen lehrten mich, dass wenigstens im Frühjahre, ehe die Bildung eines neuen Holzringes beginnt, kein solches indifferentes Gewebe im Stamme vorhanden sei, dass das dem Herbstholze aufliegende Cambium vielmehr un- zweideutig den Character des dünnwandigen Bastes an sich trage, und zwar so schon dessen innerste Zellen, welche unmittelbar den äussersten diekwandigen Holz- zellen aufliegen. Ich konnte die Beobachtung leider nicht auf eine grössere Zahl von Holzgewächsen aus- dehnen, so dass ich für ihre Allgemeingiltigkeit mit aller Sicherheit eintreten könnte. Ebenso war ich ge- hindert zu untersuchen, ob sich auch den Sommer über, während der Zeit der rascheren Zelltheilung, die Sache ebenso verhalte. Als ich später Hartig’s Entwick- lungsgeschichte des Pflanzenkeimes in die Hände be- kam, war ich erstaunt zu finden, dass dieser genaue Beobachter ähnliche Resultate erhalten hatte. Seine Untersuchungen gehen bereits bis auf das Jahr 1853 zurück. Er glaubt, dasszu keinerZeit ein indifferen- tes Gewebe zwischen Holz und Bast vorhanden sei und dass der Bast jeder Zeit durch Theilung der jüngsten, dem Holze unmittelbar anliegenden Bastzelle, das Holz durch Theilung der letzt gebildeten Holzzelle anwächst, welche ihrerseits mit dem Baste in unmittelbarer Con- tiguität steht. Der Zustand der äussersten Holzzellen im Frühjahre macht mir diesen Vorgang wenigstens für diese Zeit unwahrscheinlich. Auf welch’ andere Weise aber die neuen Holzzellen sich bilden, darüber besitze ich nur Vermuthungen. Die Frage ist eine offene; eine Antwort auf dieselbe hoffe ich aus künftigen Unter- suchungen ziehen zu können. Holz- und Rindenbildung bestimmen zusammen das Dickenwachsthum des Stammes in Form und Grösse: Doch sind diese beiden Summanden nicht von gleichem Einflusse dabei. Das bei Weitem grössere Gewicht kömmt dem Holze zu, schon desshalb, weil es bleibend niedergelegt wird, während die Rinde meist nur eine temporäre Existenz hat. Es kann desshalb da, wo es sich nicht um ein Eingehen auf alle Nuancen der Stamm- bildung, sondern nur um ein Hervorheben der typi- scheren Anomalien handelt, der Rindenbildung im Allgemeinen weniger Aufmerksamkeit zugewendet werden, während die Holzbildung, als das Massgebende, besonders hervorzuheben ist. Die Holzbildung wird ihrerseits bestimmt durch die Neubildung der Zellen im Cambium und durch deren Aus- und Umbildung — wie wir es in anderen Worten ausdrücken können: durch die primäre Thätigkeit des Cambiums (Längstheilung der Cambiumzellen durch ra- diale und tangentiale Wände) und dessen seeundäre 125 Thätigkeit (Vergrösserung und Verdiekung der neu ge- bildeten Zellen, Quertheilung derselben, Umbildung in Gefässe ete). Im regelmässigsten Falle bleibt die Thätigkeit des Cambiums, primäre und seeundäre, während ihrer gan- zen Dauer eine qualitativ gleiche, d. h. es wird an Jeder bestimmten Stelle des Stammes in allen folgenden Zeitpunkten stets das einmal vorhandene Gewebe wie- der gebildet. Diese Betrachtung geht natürlich von dem Zeitpunkte aus, in welchem ein geschlossener Holz - und Cambiumring gebildet ist und keine neuen, zu den Blättern gehenden Gefässbündel mehr in einem gege- benen Stammabschnitte vor den übrigen entstehen (was bekanntlich im jugendlichen Stamme der Piperaceen, Nyctagineen, Chenopodieen ete. unter Annäherung an das Wachsthum der Monokotyledonen statt hat), von welchem Zeitpunkte an erst das für den Dikotyledonen- Stamm charaeteristische Diekenwachsthum auftritt. Als eine Ausnahme von dieser Regel darf kaum angesehen werden, wenn beim Zunehmen des Stammumfanges neue Markstrahlen zwischen die Holzmassen vorgeschoben werden, da das nur als eine andere Form des Dicker- werdens der Markstrahlen in folgenden Zeiten aufge- fasst-werden kann, wie es z. B. bei Clematis, bei Cos- einium u. a. proportional der Zunahme der Stammperi- pherie und der Peripherie der Holzkörper selbst statt hat. Eher schon erscheint als Unregelmässigkeit (in der secun- dären Thätigkeit) das Wechseln von Prosenchym mit Holzparenchym und Gefässen auf demselben Radius. Da aber, wo die Mischung dieser Gewebsformen eine sehr in- nige ist, so dass vielmehr das ganze Aggregat derselben, als jeder Theil davon, als unmittelbarer Ausfluss der sich fortwährend wiederholenden Cambiumthätigkeit er- scheint, können wir diese Thätigkeit des Cambiums noch als regelmässig bezeichnen. Es erscheint das zweck- mässig, da sie in diesem Punkte regelmässig im strenge- ren Sinne bei keinem eigentlichen Dikotyledonenstamme (ewchus. Gymmospermis sc.) ist. Wir könnten, wenn wir einen ideellen Maassstab anlegen, überhaupt eigentlich nicht von regelmässigen und unregelmässigen, sondern nur von weniger und mehr unregelmässigen Stammbil- dungen sprechen. Da aber der Fall der ideellen Re- gelmässigkeit nicht vorkömmt, so können wir die Ver- schiedenheiten füglich durch die Bezeichnung regel- mässig und unregelmässig stärker hervorheben, nur dürfen wir dabei nicht vergessen, dass die Unterschiede nur gradweise seien, die Unregelmässigkeit bereits im regelmässigsten Falle Grund und Boden gewonnen habe, nur ohne schon schlagend hervorzutreten. Den regel- mässigsten Fall würde uns etwa ein Coniferen - Stamm mit Markstrahlen einer Clematis darstellen. Da er nicht existirt, so sehen wir von den leichten Unregelmässig- keiten beider Stammarten ab, nehmen sie als Ausgangs- punkte und bezeichnen sie, die regelmässigsten, schlecht- hin als regelmässig. (Wollten wir das Ideal regelmäs- siger Stammbildung noch reiner ausscheiden, so müssten wir verlangen, dass nicht blos in radialer Richtung, sondern auch in tangentialer i. e. parallel der Peripherie, und ‚in longitudinaler Regelmässigkeit herrsche, d. h. 126 dass alle Gefässbündel und alle Markstrahlen unter sich gleich und letztere ohne Unterbrechung in senkrechter Richtung seien. Die Abweichungen hievon, wir wir sie in dem behufs der Vereinfachung der Betrachtung als Atıs- gangspunkt gewählten ersten Holzringe treffen, würden sich ebenfalls wiederum als so leise Unregelmässigkeiten erweisen, dass sie gegenüber anderen kaum so genannt werden könnten.) Im regelmässigsten Falle bleibt ferner die Thätigkeit des Cambiumringes in allen folgenden Zei- ten und an allen Punkten des Stammes auch quantitativ gleich oder proportional, d. h. produeirt absolut oder relativ gleich viel Gewebe und erhält dadurch die ur- sprüngliche Gestalt des Stammes (resp. des Holzkör- pers). Auch hier können geringere Unregelmässigkeiten, namentlich da, wo sie nicht typisch sind, unberück- sichtigt bleiben. Da wo sie characteristisch sind haben wir die Richtung in’s Auge zu fassen, in welcher sie auftreten, nach der Länge oder nach der Peripherie; Unregelmässigkeiten in radialer Richtung, d. h. quan- titativ ungleiche Thätigkeit in sich folgenden Zeitab- schnitten erscheinen als die unwesentlichsten und können fast immer von der Betrachtung ausgeschlossen bleiben. Dieselben Unterschiede, wie sie hier für die Thä- tigkeit des Cambiums bezüglich des Holztheiles- der Stämme aufgestellt wurden, gelten natürlich auch für die Rinde; für diese ist ferner noch die Art ihrer Ent- fernung für die Form des Stammes von Einfluss. Diese Momente mögen für die jetzige Betrachtung, um sie zu vereinfachen, so viel als möglich bei Seite gesetzt werden. Um die Thätigkeit des Cambiums nach allen Be- ziehungen zu bestimmen und so schliesslich für die Ver- schiedenheiten im Dieckenwachsthume des Stammes ma- thematische Ausdrücke zu gewinnen, welche uns zu- nächst das relative Verhältniss der verschiedenen Formen in prägnanter Weise vor Augen führen, weiter aber auch die Bestimmung des absoluten Werthes nach Mit- telzahlen anbahnen, haben wir das Cambium auch rück- sichtlich der Zeitverhältnisse seiner Thätigkeit vollkom- men zu untersuchen. Das wichtigste Moment, welches jetzt allein hervorgehoben werden mag, ist hier die Dauer der Cambiumsthätigkeit im Vergleiche mit der Lebensdauer des Stammes. Dieses Moment lässt die sämmtlichen Stammano- malieen, welche auf unregelmässigem Diekenwachsthum (d.h. auf unregelmässiger Cambiumsthätigkeit und nicht, wie z. B. die Anomalieen der Sapindaceen und Caly- cantheen, auf abweichendem Gefässbündelverlauf) be- ruhen, in zwei Haupteategorieen scheiden: In Stämme, deren anfänglich gebildetes Cambium dauernd thätig bleibt bis zum Tode des Stammes selbst, und in Stämme mit periodisch erneutem Cambium, deren erstes Cambium gleich jedem folgenden in seiner Thä- tigkeit zeitlich beschränkt ist. Ich will im Folgenden versuchen, nach den ange- deuteten Prineipien die wesentlichsten der bekannten Anomalieen unter diese beiden Categorieen einzuordnen, so weit es nach den vorliegenden Untersuchungen ge- schehen kann. Da die Untersuchungen selbst noch un- vollendet sind, so kann auch dieser Ordnung keine de- finitive Geltung beikommen. Sie soll mehr als Aus- gangspunkt für künftige Untersuchungen dienen, als etwas schon Fertiges darstellen. Unter den Stämmen der ersten Categorie fin- den wir die grösste Annäherung an die regelmässig ge- bildeten bei jenen, deren Cambium in quantitativer Beziehung an verschiedenen Punkten ungleich thätig ist, und zwar so, dass die ganze Summe seiner Thä- tigkeit, wie sie durch Holz- und Rindenbildung zugleich dargestellt wird, an verschiedenen Punkten ungleich ist, wobei übrigens der grössere Antheil an der Ungleich- heit auf Seite der Holzbildung gelegen ist. Findet sich nur ein Maximum und ein Minimum der Thätigkeit im Umkreise des Stammes und so vertheilt, dass sie annäherungsweise einander gegenüber liegen, während alle zwischenliegenden Stellen in gesetzmässiger Steigerung und Senkung intermediäre Stufen darstellen, so geht daraus Excentrieität des Markes hervor. Sie findet sich bei zahlreichen einheimischen Gehölzen, sowohl an senkrecht stehenden Achsen, als an solchen, deren Lage sich mehr oder weniger dem Wagrechten nähert (Aeste). An letzteren ist das Maximum der Thä- tigkeit bald nach oben gelegen („Epinastie“ K. Schim- per), wie bei unseren Laubhölzern und Ephedren, bald nach unten („Hyponastie* K.Sch.), wie bei den meisten Coniferen. Finden sich zwei Maxima, und zwar einander gegen- über, und mit ihnen abwechselnd zwei Minima, so be- dingt das die bandförmige Gestalt des Stammes, wie sie sehr ausgezeichnet bei exotischen Gewächsen vorkömmt, zum Theile noch eombinirt mit anderen der im Folgen- den zu erwähnenden Unregelmässigkeiten. Finden sich drei oder mehr Maxima und Minima, so sind dieselben seltener regelmässig, meist unregel- mässig an der Peripherie des Stammes vertheilt. Sehr gewöhnlich tritt diese Unregelmässigkeit an der Basis der Stämme auf. Die Maxima fallen hier in die Rich- tung der stärker entwickelten Aeste. — Am excessiv- sten ausgeprägt ist diese Unregelmässigkeit bei meh- reren Malpighiaceen, mit denen einzelne Pflanzen aus anderen Familien übereinstimmen (Cassia, Sabicea ete.). Die Maximalportionen des Holzes treten hier allmälig so weit hervor, dass ihre Seiten, welche wie ihre Fronten von thätigem Cambium überzogen sind, annäherungsweise in der Richtung der Radien verlaufen. Es muss hier bald ein Zeitpunkt eintreten, in welchem entweder die Thätigkeit des Cambiums wegen Mangel an Platz für Neubildungen zwischen den vorspringenden Holzportionen erlöschen muss, oder, wenn sie nämlich stärker ist als der Zusammenhalt des schon gebildeten Holzkörpers, zur Zerreissung desselben führen muss. Das letztere findet in den bezeichneten Fällen statt. Es entstehen von den Minimalpunkten der Cambiumthätig- keit aus Spalten, welche in radialer Riehtung den Stamm durchsetzen und in mehrere vollständig getrennte Por- tionen theilen. Die Rissstellen werden vertheilt und überkleidet von rindenartigem Parenchym, das seiner nachträglichen Entstehung halber zwischen schon längst fertigen Gebilden nicht unpassend mit dem Namen Hy- sterencehym belegt werden zu können scheint. Ueber seine Bildungsweise sind noch keine genügenden Beob- achtungen vorhanden. (Es scheint höchst fraglich, ob die Bildung eines solchen Gewebes, oder nachträgliches Anwachsen den Stamm schon ursprünglich durchziehen- der Parenchymschichten dem Risse selbst vorhergehen oder vielmehr für ihn eintreten könne zur Beschaffung des nöthigen Raumes, gleichsam eine organische Thei- lung also an die Stelle der rein mechanischen treten könne.) Wo der innerste Kern des Holzes fester ist, setzen sich die radialen Spalten nicht durch ihn fort und die Maximalportionen trennen sich von ihm durch tan- gentiale Spalten ab. Immer erscheint der ältere Stamm zusammengesetzt aus getrennten Holzportionen, deren jede von einer Art Rindengewebe umschlossen ist. In manchen Fällen (Tetrapterys, Sabicea) tritt eine An- näherung an die im Folgenden zu erwähnenden Eigen- thümlichkeiten der Bignoniaceen dadurch hervor, dass in den Jugendzuständen an den Minimalpunkten eine stärkere Production von Rinde statt findet, so dass der Umriss des Stammes einige Zeit hindurch ein ziemlich regelmässiger bleibt. Es werden dadurch zugleich Un- terschiede begründet in Rücksicht auf den relativen An- theil der eigentlichen primären Stammesoberfläche an der ganzen Summe freier Oberfläche aller Stammfrag- mente, welche vielleicht einer strengeren Scheidung jener Fälle das Wort reden möchte, deren Eigenthüm- lichkeiten hier zusammengestellt wurden, und gegenüber den im Weiteren zu besprechenden Anomalieen als Typus der Malpighiaceen hervorgehoben werden können. Besondere Modificationen entstehen dadurch, dass die Bildungsmaxima nicht stets den gleichen Platz bei- behalten, sondern in verschiedenen Epochen sich mehr oder weniger seitlich verrücken, wodurch frühere Un- gleichheiten der Stammesoberfläche oft gänzlich wieder ausgeglichen werden können. Andere Modificationen entstehen endlich dadurch, dass die Maxima nicht in continuirlichen Längslinien über den ganzen Stamm sich erstrecken, sondern nur stellenweise auftreten und so wulstförmige und höcker- artige Exerescenzen bedingen, was regelmässig bei Tazodium distichum an den Wurzeln und bei Jumiperus als Abnormität am Stamme vorkömmt (in Gesellschaft von K. F. Schimper beobachtet bei Jena). Nicht zu verwechseln sind natürlich mit dieser Art von Höcker- bildung die aus Wachsthumsstörungen von Adventiv- knospen hervorgehenden Maserknorren. Auch der Zeitpunkt endlich des Auftretens der un- regelmässigen Thätigkeit ist hier wie bei allen in der Folge zu erwähnenden Anomalieen in’s Auge zu fassen. Einfache Excentrieität zeigt sich häufig schon in der ersten Vegetationsperiode. Die übrigen Unregelmässig- keiten treten meist erst später ein, nachdem längere Zeit hindurch ein regelmässiges Wachsthum eingehalten worden ist. In zweiter Reihe ist unter den ausgeprägteren Ano- 127 malieen der Typus derBignoniaceen zu erwähnen. Die Thätigkeit des Cambiums ist hier an verschiedenen, bestimmt zu einander liegenden Punkten der Peripherie eine quantitativ ungleiche in Rücksicht auf je- den der beiden Summanden, von welchem die Configuration des Stammes abhängt, gleich aber in Rück- sicht auf die ganze Summe, Maxima und Minima auf Seite des Holzes also und auf Seite der Rinde so an- geordnet, dass sie sich an allen Punkten gegenseitig eompensiren. Maxima und Minima liegen unmittelbar neben einander ohne durch Uebergangsstufen vermittelt zu sein; der äusserlich ziemlich gleichförmige Stamm zeigt auf dem Querschnitte weit vorspringende Holzpor- tionen und eben so tief einspringende Rindenkeile. Die fortdauernde Thätigkeit des Cambiums bedingt eine Ver- schiebung von Holz und Rinde in den radialen Ebenen, in welchen sich beide seitlich berühren, und desshalb eine Trennung des Gewebes in diesen Ebenen. Die Betrachtung verschiedener Modificationen, wie sie sich z. B. durch periodische Verbreiterung der Minimalstellen oder durch stetige Zunahme der Maximalstellen in tan- gentialer Richtung und ähnliche Umstände herbeigeführt werden, mag hier übergangen werden. Nur das mag noch angeführt werden, dass auch hier in manchen Fällen eine spätere Zerklüftung des Holzkörpers statt findet, wahrscheinlich indem reichliches Hysterenchym an den Trennungsstellen zwischen Rinde und Holz sich bildet, die Spalten nur durch den Holzkörper nach innen sich fortsetzen und nachträglich sich gleichfalls mit Hysterenchym ausfüllen. Mit dieser Erweiterung des inneren Stammes scheint die junge peripherische Rinde durch blose tangentiale Streckung ihrer Zellen gleichen Schritt zu halten. Wir finden also hier gleich- sam eine Combination mit dem Typus der Malpighiaceen. Eine andere Art von Unregelmässigkeit entsteht durch periodische Veränderungen der (secundären) Cam- biumsthätigkeit in qualitativer Hinsicht, so dass bald Prosenchym (normale Thätigkeit), bald Parenchym (abnorme Thätigkeit) auf der inneren Seite des Cam- biums abgelagert wird. In geringem Maasse, so dass keine auffallenden Structureigenthümlichkeiten dadurch bedingt werden, finden wir diesen Wechsel auch bei den meisten als regelmässig geltenden Stämmen in der Bildung des Holzparenchyms repräsentirt, wie schon erwähnt. Am ausgeprägtesten erscheint diese Unregelmässig- keit in dem Typus derProteaceen. Das Cambium bildet abwechselnd Prosenchym und Parenchym, und zwar tritt der Wechsel stets gleichzeitig an allen Punkten der Peripherie ein. Der Stamm besteht somit aus in- einander steckenden ungleichen Cylindern, von denen zwei gleichartige stets durch einen ungleichartigen voll- kommen getrennt sind. Andere Typen, welche hieher zu gehören scheinen, wie der Typus von Chenopodium, von Stig- maphyllon, vonCasuarina, gehen daraus hervor, dass der Wechsel der Cambiumthätigkeit ein weniger regelmässiger ist, d. h. nicht an allen Stellen der Peri- pherie zu gleicher Zeit statt hat und bald die abnorme 128 bald die normale Thätigkeit überwiegt, was sowohl in Rücksicht auf die Masse des Productes als namentlich hinsichtlich des Umstandes gesagt sein will, dass bald die eine bald die andere der beiden Thätigkeiten nie gänzlich der anderen den Platz einräumt. In Folge da- von stehen bald die Prosenchym- bald die Parenchym- Schichten unter einander in verschiedener Weise in Ver- bindung. Eine Specialisirung dieser Verhältnisse, sowie die Betrachtung der untergeordneteren Modificationen mag verschoben werden, bis genügende Untersuchungen vorliegen um den Werth einer jeden zu bestimmen, um jeder ihren geeigneten Platz anweisen zu können. Unter den Stämmen der zweiten Categorie mit periodisch sich erneuerndem Cambium haben wir je nach der Art der Erneuerung hauptsäch- lich zwei Typen zu unterscheiden: Erstens, den Typus von Phytolacca. Die Erneuerung geschieht aus der secundären Rinde, also aus dem Producte des seine Thätigkeit sistirenden Cam- biums selbst (Naegeli). Hieher dürfte auch Phytocrene zu zählen sein, wenn wirklich, wie Mettenius vermuthet, der zweite Holz- kreis aus Bündeln cambiumartig gebliebener Zellen in dem äusseren Theile der secundären Rinde entsteht. Hier wäre dann zugleich eine Combination mit dem Typus der Bignoniaceen gegeben. Eine besondere Modification würde Securidaca dar- stellen, wenn es richtig ist, dass bei ihr die ersten Cambiumringe noch thätig bleiben, wenn schon spätere gebildet sind, was zu einer Trennung der nächst äus- seren Holzringe durch radiale Spalten (die durch Hy- sterenchym wieder verheilen) führen muss. Es unter- schiede sich dieser Vorgang von den im Vorausgehen- den erwähnten ähnlichen gewaltsamen Zertheilungen des Holzkörpers dadurch, dass hier die Trennung von innen nach aussen Platz griffe, während sie in den übrigen Fällen von aussen nach innen geht. Ob auch die Stammbildung der Cycadeen, wie es den Anschein hat, eine blose Modification dieses Typus sei, haben künftige Untersuchungen auszumachen. Zweitens, den Typus der Menispermeen (welehen auch mehrfach Pflanzen aus anderen Familien sich anreihen). Die Erneuerung des Cambiums geschieht nicht aus dessen eigenem Produete, sondern aus dem Urparenchyme, aus der primären Rinde, welche sich natürlich selbständig fortbilden muss, um in beliebig ofter Wiederholung das Material für die Bildung des neuen Cambiums hergeben zu können. Die Frage, wie hier, wo eine Streckung der Internodien nicht mehr statt findet, aus dem kurzzelligen Rindenparenchyme das langzellige Cambium entsteht, habe ich zum Gegen- stande einer näheren Untersuchung gemacht und die Re- sultate derselben wenigstens der Hauptsache nach be- reits bekannt gegeben (Flora 1858). Ich verweile des- halb hier nicht länger dabei. Auch hier kommen mannigfache Modificationen vor, bedingt durch Combination mit den vorausgehend auf- gezählten Typen oder durch ähnliche Ursachen, wie wir sie ebenfalls im Vorhergehenden bereits mehrmals untergeordnete Abänderungen haben veranlassen sehen. Ihre nähere Betrachtung mag auf kommende Zeiten verwiesen werden, da es sich hier nicht um eine vol- lendete Durchführung einer rationellen Uebersicht der Stammanomalieen, sondern blos um die Skizzirung der Prinzipien und deren Belegung mit Beispielen handelte. Dr. Gergens aus Mainz: Ueber Lemna minor, welche ungefähr 1200 Jahre sich unter der Erde frisch erhalten hatte. Bei Gelegenheit einer antiquarischen Ausgrabung, deren mineralogische Ausbeute ich in der Section für Mineralogie und Geognosie (zweite Sitzung am 17. Sep- tember, Seite 68) mitgetheilt habe, kam man, nachdem die etwa 22 Fuss mächtige torfartige Schicht von Sumpf- gräsern und Kehricht durchgraben war, auf den Boden der Lache, welche man als Miststätte benutzt hatte. Die Böschung dieses Grabens war vor der Verschüttung mit einer dieken Moosdecke bewachsen, die Moose, sämmtlich Arten angehörig, welche noch jetzt hier wachsen, waren vollkommen gut erhalten, nur von et- was gebräuntem Grün. Es fanden sich darunter Hypnum splendens Hdw., tamariseinum Hdw., lutescens Hdw. mit Früchten, velutinum L., triquetrum L., Mnium ro- seum Hdw., undulatum Hdw., Bryum bimum Schr., Anomodon eurtipendulus Hook., Leskea complanata Hdw. mit Früchten und eine Jungermannia. Der Boden war ein schwarzer sandiger Moor, und auf demselben, bedeckt von der oben erwähnten Dünger- schicht, lagen zerstreut ziemlich viele Wasserlinsen (Lemna minor). Sie waren so wohl erhalten, so grün und frisch, dass ich in der Hoffnung sie am Leben zu erhalten, einige m Wasser setzte, Sei es nun, dass die Temperatur meiner Stube, oder die Beschaffen- heit des an Kalk und Gyps reichen Brunnenwassers nicht passend war, sie faulten schnell, und statt ihrer entwickelten sich zahlreiche Conferven, deren Keime wohl mit der Erde in das Wasser gekommen sein mochten, denn es fanden sich in dieser Erde viele platte Faserbündel, welche mit vertrockneten grünlich- braunen Conferven auffallende Aehnlichkeit hatten. (Herr Dr. Schulz von Dürkheim wird dieselben näher unter- suchen.) Da nach den in den oberen Lagen gefundenen rö- mischen Münzen und anderen Alterthümern zu schlies- sen, seit der Verschüttung dieser Wasserlinsen etwa 1200 Jahre verflossen sein mussten, lag der Gedanke nahe, dass dieselben wohl erst in der neueren Zeit durch Wasser dorthin geschwemmt sein möchten; dagegen spricht aber die ausserordentliche Dichte der torfartigen Düngermasse, welche, nur mässig feucht, kein Wasser weder von oben noch von der Seite durchsickern liess, und sogar nur mit Mühe losgebrochen werden konnte, weil sie so fest war, als wäre sie mit einer hydrauli- schen Presse zusammenzedrückt worden. Es bleibt dem- nach nur übrig anzunehmen, dass diese Wasserlinsen, Moose und Conferven, namentlich die ersteren, ihre auffallend gute Erhaltung nur dem vollständigen Luftab- schluss bei beständig gleicher Temperatur und mässiger Feuchtigkeit verdanken. Professor Wigand entwickelt einige Eigenschaften der schraubel- und wickelartigen Sprossketten mit besonderer Rück- sicht auf den in den Darstellungen von Braun und Wydler nicht bestimmt hervortretenden Character jener Verzweigungsformen als räumlicher Gebilde. Da die den Vortrag begleitenden Modelle zur Veranschau- licehung unentbehrlich sind, so kann in diesem schrift- lichen Referat auf das Einzelne nicht eingegangen werden. Professor Seubert aus Carlsruhe handelt unter Vorzeigung von sorgfältig, ohne Pressung getrockneten Exemplaren über den Blüthenbau der Na- poleona imperialis und die übrigen zwei Arten dieser Gattung, welche wahrscheinlich alle drei Afrika angehören und eine den Rhodoraceen verwandte Familie bilden. Professor Veesenmeyer aus Ulm: Ueber Carex physodes Marschall a Bieberstein. Unter den eben nicht zahlreichen Riedgräsern, welche in dem weiten Gebiete der kaspischen Steppe vorkom- men, ist eine Art auf den ersten Anblick schon durch ihre riesenhaften Früchtehen so ausgezeichnet, dass sie wohl einige Anfmerksamkeit verdient. Es ist die Carex physodes Marsch. a Bieberst. Sie gehört zu der Unterabtheilung mit mehreren androgynen Aehrchen, und zwar zu der Gruppe mit 2 Narben, in welcher alle Aehrehen an ihrer Spitze männliche Blüthehen tragen (Seetio IV. Vigneae. b.* Koch synops. ed. II). Die bei genauerer Untersuchung durch einen deutlichen Zwi- schenraum von einander getrennt sich zeigenden Aehr- chen erscheinen bei unserer Art wegen der Grösse der Früchtehen meistens in eine eiförmige oder kugelige Aehre zusammengedrängt. Die Braetee des untersten Aehrchens ist meist blattartig ausgewachsen, nie aber so lang als der ganze Blüthenstand. Die aufgeblasene, ovale Fruchthülle (der s. g. utrieulus) der reifenden Früchtehen ist ganz kahl, ohne Kanten, vielnervig, von glänzend ledergelber Farbe, am oberen und unteren Ende braunroth angeflogen, mit einem hinfälligen, zwei- spaltigen Schnäbelehen — und von auffallender Grösse ; einzelne werden bis zu einem Zoll lang angetroffen. Die ganze Pflanze wird selten einen Fuss hoch. Sie kommt mitten in der dürren, sandigen Steppe zwischen der Wolga und dem Uralflusse, sowie in der Fortsetzung derselben nach Osten bis gegen den Altai hin vor, wo sie von Karelin und Kirilow, sowie von Schrenk gefunden worden ist. Die vorliegenden Exemplare sind aus dem Gebiete der inneren Kirgisenhorde, ungefähr eine Tagereise weit landeinwärts in nördlicher Richtung von Krasnoijar aus an dem flachen Rücken des Ak- schinas hin am 13. Mai a. St. 1852 gesammelt, wo die im Winde schwankenden Halme mit den gewaltigen Fruchtknöpfen schon aus einiger Entfernung unsere Blicke auf sich zogen. Sie stehen auf der öden Flur in dem sandigen Lehmboden zwischen ganz niedrigen Ar- temisien (Artemisia monogyna Waldst. et Kitaib.) und zerstreuten kümmerlichen Büscheln von Bromus tec- torum L., jeder einzeln. „Radix ob eulmos solitarios vi- detur repere“ sagt v.Ledebour(flora rossica III. p.274). Diese Vermuthung wird durch unsere Specimina bestä- tigt, welche deutlich den kriechenden unterirdischen Stock zeigen. Ledebour konnte nur nach den un- vollständigen Exemplaren urtheilen, die ihm damals zu Gebote standen; die von uns mitgebrachten waren die vollkommensten, welche das Petersburger Herbarium bis dahin erhalten hatte. Die gerillten Halme tragen wenige, sehr schmale Blätter, und sind unten mit einem Schopfe aus den ver- trockneten Blättern des vorigen Jahres versehen, welche in der Regel einen unfruchtbaren Büschel bildeten, hie und da auch deutliche Spuren eines vorjährigen Frucht- halms zeigen. Die Carex physodes ist augenscheinlich in morpho- logischer Beziehung interessant genug, und zugleich „speeies nulli ceterarum aflinis“, wie es in der flora rossica heisst. Sicherlich unterscheidet sich von ihr ganz be- stimmt eine andere Art, welche längere Zeit nur nach einem Exemplare im königlichen Herbarium zu Berlin bekannt war, aus Willdenow’s Sammlung, an wel- chen Pallas dasselbe geschickt hatte mit der Bezeich- nung „ex Asia boreali“, ohne nähere Ortsbestimmung: die Carex macrocephala Willd. Später wurde die gleiche Art, wie es scheint, aus dem nicht russischen Nordamerika an Hooker gesendet, und als C. macro- cephala Willd. bestimmt, obgleich erhebliche Verschie- denheiten in den Beschreibungen sich finden. Sie hat eine Spiea eomposita mit Aehrchen, die nach Will- denow und Kunth an der Basis, nach Hooker (for. Amer. bor. II. 215) an der Spitze männlich sind, die weiblichen haben zwei Narben nach Willdenow, Kunth (Cyperograph. n. 163) vermuthet indessen schon drei, bei Hooker sind es drei. Der utrieulus ist mit einem gesägten Flügel versehen, lang geschnäbelt, und ebenfalls sehr ansehnlich. Die kaspische Steppe selbst zeigt im Allgemeinen nur wenige Cariceen. Längs der gewaltigen Ströme der Wolga und des Ural, die ohne Nebenflüsse wie der Nil die untere Wüste durcheilen, und an einigen Step- penflüssen, z. B. dem grossen und kleinen Usen mit ihren Sumpfseen, wo überhaupt im Bereich von Süss- wasserüberschwemmungen die eigentliche Steppennatur verschwindet, da finden sich Arten und Formen, welche auch sonst an ähnlichen Standorten vorkommen, so Carex ehordorrhiza Ehrh., divisa Goodenough, caespitosa L., acuta L., vulpina L., digitata L., pallescens L., pilosa Scop. ß. var. Beckeri C. A. Meyer, distans L., flava L., nutans Host., ri- paria Curt, paludosa Good., ampullacea Good., rhyncehophysa C. A. Meyer, und wohl noch manche andere. Wie man sieht, meist auch der deutschen Flora angehörige Arten. In der trockenen, den ganzen Som- mer über von Regen nur selten befeuchteten Steppe selbst Carex arenaria L., welche auf den Inseln 17 130 der Wolga und auf den Sandhügeln landeinwärts ge- funden wird, C. Schreberi Schrank, supina Wahlenb., stenophylla Wahlenb., ineurva Lightf., und, na- mentlich unsere Carex physodes, die in den Erin- nerungen an den Frühling und Sommer, in welchen es mir vergönnt war, mit dem treflichen Kenner der kas- pischen Flora, Dr. C. Claus, damals Professor in Kasan, jetzt in Dorpat, die Steppen zu durchstreifen, einen der leuchtenden Glanzpunkte bildet. v. Liebig erläutert durch Experimente, wie Kali und die ammoniak- und phosphorsauren Salze in der Ackerkrume so zer- setzt werden, dass Kali, Ammoniak - und Phosphorsäure gebunden bleiben, und dass der Pflanze die Fähigkeit zukomme, vermittelst der Wurzelspitzen durch Aus- scheidung einer Säure (wahrscheinlich Kohlensäure) die derselben zuträgliche Menge jener Stoffe aufzulösen. Die Aufklärung dieses letzten Vorgangs, welcher durch Beobachtung von K.F.Schimper an Steinen, die von Pflanzen angefressen werden, Bestätigung findet, wird der Pflanzenphysiologie empfohlen. Nachdem der Präsident den einheimischen Mit- gliedern Seubert, Döll, Bausch, Klauprecht den Dank für deren Verdienste um die Thätigkeit der Section und insbesondere die Anerkennung des ausgezeichneten Zustandes des unter der Pflege des Herrn Hofgärtners Mayer stehenden botanischen Gartens im Namen der botanischen Section ausge- sprochen, werden die Sitzungen geschlossen. II, Section für Zoologie. Der zoologischen Section war der Sitzungs- saal der landständischen ersten Kammer angewiesen worden. Entsprechend der Aufstellung der badi- schen Mineralien fanden die Naturkundigen hier eine von Schlosshauptmann von Kettner gesam- melte vollständige Suite der badischen Vögel in ausgezeichneten Exemplaren, die namentlich manche im Lauf der Jahre längs des Rheins vorgekom- menen Seltenheiten aufzuweisen hat. Sie war einer grössern Sammlung; europäischer Vögel des Gross- Erste Sitzung am 17. Präsident: Schlosshauptmann v. Kettner. Ständiger Seeretär:Dr.Pagenstecher v.Heidelberg. Professor Nordmann von Helsingfors hält ei- nen Vortrag über das Nisten des Seidenschwanzes, auf der Insel Ajos bei Torneo und zeigte Abbil- dungen des Nestes und schöne Nachbildungen der Eier; derselbe machte auch Mittheilungen über Garrulus infaustus, Corythus enucleator, Fringilla ery- thrina. Professor G. Meissner aus Freiburg theilte Ergebnisse mit von Untersuchungen, welche er im Sommer und Herbste 1855 auf Helgoland über die herzoglichen Naturaliencabinets entnom- men, um dieselbe zugänglicher zu machen, da dort, in einem Seitenflügel des Schlosses der genügende Raum und gehörige Beleuchtung fehlen. Trotz dieser momentanen Beraubungen bot das Cabinet den Besuchern auch noch im zoologischen Theile das Bild einer zumal durch die Conchylien und Käfer hervorragenden, dabei wohlgeordneten Samm- lung dar. September 1858. Entwickelung des Amphiowus lanceolatus angestellt hatte. Die Mittheilungen bezogen sich hauptsächlich auf die sehr auffallende Entwickelungsweise des Kiemenkorbs, welcher Theil zuerst völlig einseitig angelegt und auch überhaupt von einer Seite des Leibes her ausgebildet wird. Dadurch werden einige andere merkwürdige Ei- genthümlichkeiten des jungen Thieres bedingt. Der Autor zieht es vor auf eine nähere schriftliche Mitthei- lung seiner Untersuchungen jetzt zu verzichten, weil er nicht vorgreifen möchte der bald zu erwartenden Ver- öffentlichung von Studien, welche Herr Dr. Pagen- stecher im Sommer 1858 in Helgoland über denselben Gegenstand angestellt hat, und deren Ergebnisse zum Theil mit denen Meissner’s übereinstimmend, zum Theil abweichend, nach Meissner’s Mittheilungen ebenfalls vorgetragen wurden. en Ze medulla besitzt. Dr. H. A. Pagenstecher aus Heidelberg: 1. Ueber den Jugendzustand des Amphioxus lanceolatus. Es sind diese Untersuchungen *) Gemeingut zwischen Herrn Professor Leukart und mir, ein Theil der Früchte eines Aufenthaltes in Helgoland. Desshalb um so mehr einige Worte darüber, dass in diesem Augen- blicke durch Herrn Professor Meissner einem Theile meiner Mittheilungen der Reiz der Neuheit genommen wird. Den Beweis der Originalität liefert für uns der Umstand, dass ich die von Meissner in Aussicht ge- stellten Zeichnungen bereits vorlege, die Priorität der Veröffentlichung glaube ich desshalb beanspruchen zu können, weil ich meinen Vortrag einen Tag eher ange- meldet habe; endlich ist ein Theil unserer Untersuchun- gen theils dem Befunde Meissner’s in seinen Resul- taten widersprechend, theils berührt er Punkte, deren Meissner nicht Erwähnung gethan hat. Ich muss be- dauern, dass Meissner die beiden, von uns gleicher Weise festgestellten Thatsachen nämlich, dass die Kie- men des jungen Amphioxus frei liegen und dass die Kiemenspalten fehlen, nicht alsbald veröffentlichte. Seine, dann unzweifelhafter Priorität sich erfreuende Ent- deekung würde uns in den Stand gesetzt haben, voll- kommener die übrigen zum Theil jetzt noch unklaren Verhältnisse genauer zu untersuchen, anstatt dass wir jetzt genöthigt waren, selbst jene Entdeckung zu ma- chen. — Es ist ein entschiedener Formensinn nöthig, um aus den mikroskopischen Bildern sich die anatomi- schen Verhältnisse des jungen Amphioxus construiren zu können. Die Untersuchung von etwa 100 Exem- plaren ergab Folgendes: Die beim erwachsenen Thiere in geringem Grade nachweisbare Asymmetrie ist im Jugendzustande weit mehr ausgesprochen. Der Mund, die Oeffnung, welche wir vordere Kiemenspalte nennen, der After, das Riech- organ und das Auge liegen links, die Kiemenwülste da- gegen sind mehr nach rechts gedrängt, die noch nicht klaren schleifenförmigen Organe hinter der Mundhöhle sind unpaar und asymmetrisch. Die chorda, den ganzen Körper durchsetzend, be- steht aus einfachen Querscheiben von etwas herzförmiger Gestalt, so dass sie oben eine Rinne zur Aufnahme der Das Mark selbst erreicht jedoch das vordere Körperende nicht. In seinem sehr wenig ver- diekten vorderen Endtheil liegt eine kleine Höhle (Ven- trikel), vor dieser das Auge, ein blosser Pigmentflecken, über ihr die schalenförmige, wimpernde Riechgrube. Aus der medulla unter dem Auge austretend verläuft über der chorda ein starker Nervenstamm und gibt an drei Stellen nach oben und unten starke Aeste und dann noch oben einen kleinen Zweig ab. Ganglienzellen sind an der Verzweigung der oberen Aeste eingeschaltet, auch wohl als Endpunkt der Zweige in der Haut zu erkennen. a *) So auch die folgenden, mit Ausnahme derer über Taenia microsoma und Echinorhynchus proteus. 131 Die Haut des vorderen Körperendes zeigt nicht die deutlich abgegränzten, scharfgekernten Epidermiszellen der übrigen Oberfläche, sondern dichtgestellte feine Grübchen. Hinter: dem Ventrikel geht ein starker Nerve zum Munde herab, auch erhält jede Kieme ihren besonderen Nerven, der die Muskeln mit versorgt. Ueber dem Rückenmarke verläuft ein sehr feiner Canal. Die Zahl der Kiemen schwankte zwischen 11 und 17, für die spätern Knorpelstäbe war nur vielleicht ein Anfang des Materials in stark lichtbrechenden Zellen unter der chorda gegeben. Zum Verständniss des Ver- haltens der Kiemen ist auch die Untersuchung in der Rückenlage nöthig. Die Kiemen sind um so mehr ausgebildet und um so grösser, je weiter nach vorn sie liegen, mit Aus- nahme der ersten und allenfalls der zweiten, welche durch die Mundhöhle und benachbarte Organe beengt sind. Eine dauernde Nachbildung findet hinten statt. Sie entwickeln sich an der untern Fläche der äussern Wand des Verdauungscanals, der, ohne Spalten zu zeigen, von der Mundhöhle aus nach hinten zieht und dessen obere Wand unter der chorda leicht verfolgt werden kann. Zuerst entsteht in der Medianlinie eine rundliche Hervorragung, die durch stärkere Entwicklung der Peripherie einen Ringwall bildend sich rechts und links in die Höhe zieht. Durch die Ausbreitung der wulstigen Ränder wird die Grube zur engen Furche. Der aufsteigende und der absteigende Schenkel der einen Seite bilden eine nach vorn, die der andern eine nach hinten gerichtete Schleife, jeder Wulst ist mehr- fach quer eingeschnitten und so erhält man bei durch- fallendem Lichte durch die Verschmelzung der beid- seitigen Bilder den falschen Eindruck, als wenn auf- einanderfolgende Kiemenwülste in einander übergingen. Vornen steigen die Kiemen linkerseits weit weniger hoch an der Seite hinauf. Sie sind an der innern und der äussern Wand der Wülste mit langen Wimpern bekleidet. Es liegen diese Kiemen unten frei im Wasser. Ihre dichtgedrängte Reihe bildet den convexen Boden einer Rinne, deren Seitenwände durch die überragenden Lappen des unten gespaltenen Körpers entstehen, und welche vorn und hinten durch das Verstreichen dieser Lappen ausläuft. Bei seitlicher Ansicht sind so die Kiemen ziemlich verdeckt, aber durch diese untere Spalte, entsprechend einer medianen hintern Kiemen- öffnung, findet das Respirationswasser einen sehr freien Abfluss. Ich glaube annehmen zu müssen, dass diese Spalte späterhin von vorn nach hinten überbrückt wird, so dass von ihr nur der porus abdominalis übrig bleibt. Eine zweite Oeffnung der Athemkammer, eine vordere, wird durch eine Spalte an der Seite linken Lappens gebildet. Ihr oberer muskulöser Rand zieht nahe unter der chorda, ihr ziemlich parallel, und hinter dem Auge anfangend, nach hinten. Die Anordnung des untern Randes ist der Art, dass die Spalte in einen vordern und hintern Theil zerfällt. In der Mitte bei erschlaffter Muskulatur ziemlich weit vom obern Rande entfernt, 17% 132 biegt derselbe sich hinten zu ihm empor, senkt sich jedoch so unter ihn ein, dass er schirmförmig von diesem überragt wird. In noch höherm Grade ist dies’ vorn der Fall. Der untere Rand ist hier kürzer als der obere, welcher sich nach vorn in den obern Rand der senkrecht ovalen Mundöffnung fortsetzt, und senkt sich, mit einer Brücke den hintern Rand dieser Mundöffnung und den vordern der Kiemenspalte bildend, unter dem Schirme des obern Randes in den Körper ein. Eine Rinne, als deren Boden man diese Brücke betrachten muss, ver- bindet somit beide Oefinungen und ein Theilder Muskel- bewegungen des obern und untern Randes und der Brücke, sowie die starke Flimmerthätigkeit des Mund- höhleneingangs kommen gleichmässig der Nahrungs- zufuhr und der Athmung zu Gute. In Betreff des Verdauungscanals verdient eine eigen- thümliche Anordnung Erwähnung, welche an der durch einen Sphineter der Einschnürung fähigen Uebergangs- stelle zwischen der vordern Mundhöhle und dem mit Kiemen besetzten Theile des Darmrohres bemerkt wird; man sieht dort nämlich oben einen Halbbogen mit radiär stehenden Strichen oder Fältchen. Es fehlt in diesem Zustande der Blinddarm sowie die als harnabsondernd gedeuteten Drüsen und jede Spur der Geschlechts- organe. Es wäre möglich, dass die merkwürdigen Organe zwischen dem Boden, der Mundhöhle und den vorder- sten Kiemenwülsten theilweise Anfänge des Gefäss- systems wären. Dieselben sind auch uns in ihrer Be- deutung nicht vollkommen klar geworden, und ich muss für ihre ohne Abbildungen kaum verständlich zu schil- dernde Form auf die ausführlichere Beschreibung an einem andern Ort verweisen. *) Gegen die Annahme Meissner’s, dass ein Theil der Differenz unserer Ansichten, namentlich die über den Bau der Kiemen und deren Entwickelung, aus der Beobachtung verschiedener Altersperioden möglicher Weise erklärt werden könne, glaube ich einwenden zu müssen, dass die Zahl der Kiemen in unsern Beobach- tungen in gleichen Grenzen schwankte. Bedenken wir die starke Vermehrung, die für diese Zahl später er- reicht werden muss, so erscheint damit die Periode, in welcher das junge Thier überhaupt in dieser Weise an der Meeresoberfläche lebt und mit dem feinen Netze gesammelt werden kann, eine sehr beschränkte, und dürften die im October gefangenen Thiere nicht als weiter entwickelt, sondern als mit unsern gleichalterig und nur später ausgeschlüpft betrachtet werden müssen. Eine mediäne Verschmelzung seitlicher und angelegter Kiemen oder ein Hinüberwachsen von einer Seite zur andern findet nicht statt, ebenso wenig können wir der Behauptung über eine Verlängerung des Markes bis zum vordern Ende des Körpers oder die Gegenwart eines Gehirns in dieser Region beipflichten. *) Müller’s Archiv f. Anat. u. Phys., Jahrg. 1858, p. 558 f., Taf. I. 2. Ueber Sagitta germanica. Auch für Sagitta waren wir nieht im Stande, jene überraschenden Mittheilungen, welche Professor Meiss- ner neuerdings beibrachte, im Besondern das Vorkom- men einer chorda dorsalis, welche nur an ganz kleinen unreifen Exemplaren sollte beobachtet werden können, in der Verschiedenheit der Alterszustände erklärt zu finden und bestätigen zu können. Obwohl wir eine grosse Anzahl von Thieren in und unter*) der von Meissner vorgeschriebenen Grösse der Untersuchung unterwarfen, im besondern Hinblieke auf die erwähnten Mittheilungen, und mit dem besten Willen, denselben gerecht zu werden, fanden wir nichts, was uns eine Erklärung für die eigenthümliche An- schauung jenes Gelehrten gab. Es wird wohl, so lange die chorda dorsalis nicht sicherer erwiesen ist, das Thierchen in Rücksicht auf seine Entwickelungsgeschichte (Gegenbaur) und seine ganze Anordnung unter den Wirbellosen und zwar den Würmern bleiben müssen. Nur Weniges möge zur Ergänzung und Bestätigung vorhandener schöner Mittheilungen dienen (Krohn, Wilms). Der Kopf hat ausser den grossen Haken auf be- sondern Scheiben noch jederseits zwei Gruppen kleinere. Von den grossen birnförmigen Ganglien unter den Augen geht je ein starker Nervenstamm nach vornen, neben deren Ursprung man an der innern Seite einige kleine bipolare Ganglienzellen bemerkt. Der Mund, der gerade Darm und der After sind sehr ausdehnbar. Der Darm wird ausser der besondern von beiden Seiten herantretenden, ein dorsales und ein ventrales Mesenterium bildenden, Membran an die innere Wand des Hautmuskelschlauchs noch durch zahl- reiche (contractile?), Filamente befestigt. Die Mesen- terialplatten setzen sich, in der Gegend des Afters auseinander tretend, an die Körperwand fest, um dann wieder, nach innen zusammenlaufend, nun bis zur Schwanzspitze eine vollkommene Scheidewand in der Längsrichtung dieses Körpertheils zu bilden. So sind die beiden Höhlen des Schwanzes von einander und von der ebenfalls zweitheiligen Leibeshöhle getrennt. Das Haupteonstituens der Flossen sind die verklebten Strahlen, welche eine doppelte Lamelle bilden; eine Zusammensetzung der einzelnen merkwürdigen Stacheln aus einer grössern Anzahl Borsten haben wir nicht erkannt. 5 An der Querplatte des Mesenteriums in der After- gegend entstehen nach vorn die weiblichen, nach hinten die männlichen Geschlechtsorgane in analoger Weise aus einem prolifieirenden Zellenhaufen. Die letzte Ent- wiekelung der männlichen Zellen (Hoden) geschieht erst nachdem sie, frei geworden, in den zweigetheilten Hohl- raum des Schwanzes hinabgefallen sind, durch Ausbil- dung Saamenfäden führender, Anfangs wandständiger, Bläschen in ihrem Innern. Der allmählige Zerfall der Mutterzelle und der seeundären Bläschen mit dem ent- *) Wir untersuchten unter andern Exemplaren von kaum 2””- Grösse und noch ohne alle Geschlechtsentwickelung. sprechenden Freiwerden der Spermafäden gibt sonder- bare Bilder. Die männlichen Geschlechtsöffnungen, schiefe Gänge, vermögen sich auszudehnen, so dass in ihnen angehäufter mit Molekulen gemischter Saamen zu einem zähen Ballen, einer Spermatophore, geformt wird. Beiderseits wurden receptacula seminis, schlauch- förmig und durch ein besonderes suspensorium befestigt, in den weiblichen Geschlechtstheilen erkannt. Was die Ovarien betrifft, so gehen sie aus dem gedachten Zellen- haufen in der Art hervor, dass in ihm ein gemeinsamer Hohlraum entsteht und die in den Wänden frei werdenden Zellen (die Eichen) aufnimmt. ?) 3. Ueber Organisation und Entwicklung einiger frei lebender und parasitischer Würmer. Ich vereinige an diesem Orte eine Reihe kleiner Mittheilungen, welche neue Thatsachen aus der Ana- tomie und Physiologie von Würmern enthalten und um so weniger ausgeführt wurden, weil sie mehr als Er- läuterung einer Anzahl der betreffenden Section vorge- zeigter Zeichnungen zu dienen bestimmt waren. 1. Bildung eines Laiches bei einer Tänie.!) Taenia microsoma (2?) Creplin, wenige Linien lang, mit gestrecktem Rüssel und 10 Haken, wiederholt in Anas Boschas fera gefunden, bildet ihre Geschlechts- organe etwa vom 14“" Gliede an aus und vollendet deren Function etwa mit dem 21" Erst die männ- lichen, dann die weiblichen keimbereitenden Organe entwickeln sich in den Hauptsachen analog aus einem kleinen Zellenhaufen, dem, davon getrennt angelegt, die Copulationsorgane entgegenwachsen (der Penis mit seiner Tasche und die Scheide). Das vas deferens und der einem uterus entsprechende innerste Theil des weib- lichen Ausführungsgangs entstehen als Verbindungs- glieder der genannten Apparate von innen nach aussen, gewissermassen durch die Geschlechtsproducte in der Substanz des Gliedes gebahnt. Die männliche Ge- schlechtsentwicklung kommt ihrer Höhe ganz nahe, ehe die weibliche begonnen hat und in allmähliger Deeres- cenz sind sie im vorletzten Gliede bis auf ein verfettetes kleines Körneraggregat, aus der Tasche herrührend, verschwunden, so gut wie die Organe selbst. So gehen auch die weiblichen Organe bei höherer Reife der Eier unter und das letzte Glied ist nur Eierreservoir. Es gelangen aber die Eier nicht im T'hiere selbst zur vollen Reife. Sie erlangen sehr spät eine Eiweissumhüllung und bleiben durch diese zu einem schlauchförmigen Laiche verbunden, wenn das sie bergende Glied, atro- phirt und zerrissen, sie ausgestossen hat. Erst in diesem Laiche, der noch im Darme verweilt, entwickeln sich die Embryonen, namentlich auch die sechs Haken derselben. 1) Es mag auch hier für mehrere Details und die Zeich- nungen auf Müller’s Archiv (1858) verwiesen werden. 2) Diese Mittheilung wurde seitdem ausführlicher abgedruckt in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie von Siebold und Kölliker IX. p. 523 u. Tab. XXI. 133 2. Entwicklung von Echinobothrium Typus *). Es besitzt dieser Cestode nicht vier, wie van Be- neden glaubte, sondern acht Reihen von Halshaken, ist jedoch ohne Zweifel mit der Originalform jenes Ge- lehrten, nicht aber mit der von Guido Wagener beob- achteten Form identisch, welche ihre Geschlechtsreife in einer geringern Gliederzahl erreicht. Von der einfachen Knospe, ohne weitere Organisa- tion in der noch nicht ausgewachsenen Embryonalblase, bis zum Beginne der männlichen Geschlechtsreife wur- den alle Zwischenglieder beobachtet. Die Hauptresul- tate waren: Die Embryonalblase hat starke Muskulatur, Gefässe und Kalkkörper, sie geht durch Einstülpung in die in- nere Blase über, auf deren Grund der Scoler aufsitzt. Die Gefässe des Scoler und der Blase stehen in Verbin- dung, der Art, dass ein Punkt jederseits aufzufinden ist, wo von einem sehr kurzen Stamm 2 Längsgefässe zum Scolex und die Gefässe zur Blase abgehen und die Stelle bezeichnen, an welcher vor der neuen Gliederbildung des befreifen Scoler die Trennung erfolgt. Grade an dieser äussern Blase ist mit Leichtigkeit zu erkennen, dass auch bei den Cestoden die Kalkeoneremente in Erweiterungen der feinen Gefässe liegen. Die Halshaken bilden sich zum Theil erst nach dem Vortreten des Thieres aus der Embryonalblase. Die freie Kette zählte bei der beginnenden männlichen Geschlechtsentwieklung bis 8 Glieder. Die weitere Ausbildung scheinen die Glieder stets in abgelöstem Zustande zu erlangen, in vollkom- mener Aehnlichkeit mit den Trematoden. Die eysticerce Form wird von den Rochen, in denen dieser Cestode lebt, aus den gefressenen, verschiedenen Crustaceen erlangt. 3. Ueber einige Organisationsverhältnisse, besonders die weiblichen Geschlechtsor- gane von Echinorhynchus Proteus. Das Nervensystem ist bei jungen Exemplaren des Echinorhynchus Proteus mit Leichtigkeit ohne beson- dere Behandlung nachzuweisen. Sein Centralorgan liegt als ein nach vorn sehender dreieckiger Haufen von Gang- lienzellen in einer ligamentösen Umhüllung nahe dem Grunde der Rüsselscheide.e Von ihm verlaufen zwei starke doppeltkontourirte Stämme nach vorne zum Ha- kenkolben, eine Anzahl von etwa 6 —8 feinerer Nerven jederseits ein Stamm oder ein Bündel zu jedem lemniseus von den Winkeln an der Basis des Dreieckes. Man kann deutlich erkennen, dass in die Nerven Fortsätze der Ganglienzellen eingehen. Aus der Mitte der Basis des Centralknotens läuft ein Stamm gerade nach hinten und tritt in das Zigamentum suspensorium ein, um die Ge- schlechtsorgane zu versorgen. Vier grosse helle Zellen mit Kernen und Kernkörperchen, welche an der Stelle liegen, wo dieser Stamm durch den Boden der Rüssel- scheide tritt, scheinen wie andere der Wand anliegende mehr der Secretion zu dienen, die diese stets bewegten *) Vergl. Müllers Archiv 1. c. 154 Theile schlüpfrig erhält. Auch scheint die Natur der Zellen, welche den Ovarien und Hoden anliegen, und in den Wänden der ausführenden Gänge, sowie an, den Copulationsorganen gefunden werden, meist die’ von Drüsen zu sein, selten die Bedeutung von Nervenzellen ihnen zuzukommen. Die weiblichen keimbereitenden Organe entwickeln sich ebenso wie die männlichen innerhalb des igamentum suspensorium. Die paarige Anordnung des obern Theiles der Ausführungsgänge, welche beim "Männchen dadurch nur wenig gestört wird, dass die beiden Hoden, in der langen Axe des Thieres vor einander gelagert, verschie- den lange vasa deferentia besitzen, leidet beim Weibe in höherem Grade. Ein Ausführungsgang, anfangs in gleicher Verbindung mit dem durch unvollkommene Scheidewand gethälflen, die Einmutterzellen oder Ova- rien umschliessenden Hohlraume und gleich dem andern an der Austrittstelle nach der Begattung mit Drüsen- secret verklebt, verkümmert, seine Drüsenzellen bleiben in der Entwicklung zurück, sein lumen bleibt gering und falls er auch dem Eintritt des sperma gedient haben mag, so ist er doch, wenn die Eier gereift sind, nich& mehr in Gebrauch. Der andere bleibt so lange in Verbindung mit der Eibildungsstätte, bis die übermässige Produetion von Eiern die Hüllen sprengt. Bis dahin findet ein ganz einfacher Uebergang der Eier aus den Ovarien durch jenen Ausführungsgang in die Scheide statt. Ob später noch eine Aufnahme der Eier aus der Bauchhöhle in die Scheide und ein Geburtsakt stattfindet, scheint mir sehr fraglich; man sollte eher glauben, dass dann die Eier erst durch die Zerstörung des Thieres selbst frei würden, welches ja mit einer wesentlichen Beschä- digung innerer Theile seinem Ende nun rascher entge- gen geht. Ein Theil der Scheide kann sich sackförmig ausdehnen und viele reife Eier aufbewahren. Man kann ihn jedoch nicht als uterus betrachten, da Befruchtung und Reifung der Eier schon an der Stelle ihrer Entste- hung stattfindet und die Eier höchstens noch, beim Aus- tritt aus jener Höhle innerhalb des ligam. suspensorium, in den Ausführungsgängen selbst von den grossen Drü- sen eine Umhüllungsschieht erhalten. Unterhalb des ausgedehnten Theils lässt die Scheide nur ein oder zwei Eier gleichmässig durch, bis sie zuletzt sich wieder er- weitert. Betrachten wir den Hohlraum innerhalb des ligam. suspensorium als uterus, so entwickeln sich die Eimutter- zellen in der Wand des uterus. Die Bekleidung dieser Wand, besonders vorn tritt hier und da mit keulenför- migen Zotten vor, welche Zellen enthalten. Die klein- sten beobachteten Zellen maassen 0,03"®- und enthielten bereits 3 gekernte Tochterzellen. Nach dem Erreichen einer doppelten Grösse werden solche Produete, die nun einen festen Zellenhaufen bilden, frei, und sind dann die sogenannten Övarien. Diese bilden zunächst in Mitten der Eizellen eine moleculäre centrale Partie, so- wie eine etwas abgeplattete peripherische Zellschicht aus, und werden nun zur Zeit, wo jede Zelle ein Keim- bläschen mit Kern zeigt, befruchtet. Die Samenfäden dringen in die Zellenhaufen ein. Sofort trübt sich die die Keimbläschen umgebende Schicht, bis jenes fast voll- ständig verdeckt ist, und die einzelne Eizelle nimmt eine ovale, dann eine spindelförmige Gestalt an. Die Wan- dung des uterus zeigt um diese Zeit ein Maschengewebe, dessen Faserzüge hier und da noch durch Gegenwart von Zellen und sie umhüllende Molekeln die frühere Bildungsfähigkeit verräth. Es liegt nicht im Zwecke hier die Embryonalentwicklung zu verfolgen und es ist dies ohne Zeichnungen nicht thunlich, es genüge zu be- merken, dass ich die Wagener’schen Embryonalhaken bestätigen kann. Sie sind in weit grösserer Zahl vor- handen als die der Tänien, der Embryo ist gestreckt und hat eine caudale Gefässöffnung. Die Eischale ist in lange Fäden ausgezogen, welche das Ei einwickeln und durch eine äussere Eiweissschicht in ihrer Lage gehalten werden. 4. Ueber Entwicklung frei lebender Würmer. In Betreff der bei dieser Gelegenheit von mir zuerst angezeigten Untersuehungen des Herrn Prof. Leuckart und mir über die Entwicklung von Spio, über die Ei- bildung bei Tomopteris und über die Natur des Pilidium als Amme eines Nemertes verweise ich auf die nunmehr bereits gedruckten Mittheilungen in Müller’s Archiv. Für Actinotrocha gelang uns der Nachweis des Ent- wicklungsverlaufes nicht vollkommen. Die Ammennatur in ähnlicher Art wie bei Pilidium ist jedoch kaum fraglich. Herr Professor van Beneden spricht über ein neues sehr sonderbares Thier, welches er trotz der crustaceenartisen Gestalt bei mangelnder Metamor- phose zu den Anneliden stellt und Zistriobdella nennt. Herr Professor v. Nordmann spricht über das Anheftungsorgan der jungen Lernäaden, unter dem Auge gelegen, und verweist im Besonderen auf seine zu erwartende Druckschrift. Eingesandt: Abhandlung von Coinde in Lyon über den Rossegel. Die Section beschloss, sich mit der Section für Anatomie und Physiologie zu vereinigen. Die fer- nern Vorträge sind desshalb in jener Section ent- halten. 135 IV. Section für Mathematik, Astronomie und Mechanik. Erste Sitzung am 17. September 1858. Präsident: Professor Argelander von Bonn. Ständiger Secretär: Professor Dr. Wiener von Carlsruhe. Privatdocent Dr. Cantor von Heidelberg: Zur ältesten Geschichte der Zahlzeichen. Die Einführung unserer gegenwärtigen Ziffern in Europa ist der Gegenstand vielfacher Untersuchung gewesen, deren wahrscheinliches Resultat ich in einem früheren Aufsatze !) zusammenzustellen versuchte. Es ergab sich dabei, dass ein so später Ursprung der modernen Zahlzeichen, als sonst wohl angenommen wurde, durchaus unstatthaft ist; dass man vielmehr zu der Behauptung berechtigt ist, es sei im Wesentlichen nur eine Auffrischung des fast Vergessenen, was die Araber vermittelten 2), und deren Hauptanspruch auf unsere Dankbarkeit bestehe darin. dass sie bei An- wendung der Null zur Schrift machen konnten, was vorher nur Rechenvortheil war, und in dieser Gestalt wohl nie wirkliches Volkseigenthum geworden wäre. In der That besassen schon die alten Griechen in ihrem aßaE eine Tafel, die, nach decadischem Systeme ein- getheilt, mit Zeichen beschrieben wurde, welche den einzelnen Ziffern, deren wir uns noch heute bedienen, äquivalent waren. Nur die Null scheint eine neue Er- findung zu sein, deren indischer Ursprung wohl selten bezweifelt worden ist. Ich behalte mir vor, auf diesen Punkt im Verlaufe dieser Abhandlung näher einzugehen. Meine Hauptaufgabe aber soll sein, solehe Angaben zu sammeln, welche auf den ersten Ursprung der Zeichen Bezug haben, von welchen eine frühere europäische Anwendung feststeht, als Leonardo Fibonacci mit den Arabern zusammentraf. Es ist dieses ein fast durchaus neuer Gegenstand. indem theils noch kein Mathematiker sich damit beschäftigt hat, theils die Untersuchungen von Seiten der Philologen und Archäologen so zerstreut und bruchstückweise vorhanden sind, dass schon dess- halb ein Nebeneinanderstellen derselben berechtigt er- scheint, da nur der Vergleich den Schlüssen, die ich zu ziehen gedenke, als Prüfungsmittel dienen kann. Die Hauptstelle zur Begründung der Ansicht von einem frühern europäischen Gebrauche der Ziffern ist die auch bisher von allen Historikern angeführte aus der Geometrie von Boethius, deren wörtliche An- BEER & 1) Vgl. die Zeitschrift für Mathematik und Physik, I. Ba. ‘8. 65 fe. 2) Dieser Ansicht scheint schon Pater Caspar Schott, Cursus Mathematicus. Herbipoli. 1662, gewesen zu sein. führung hier am Platze sein dürfte, wenn sie auch schon vielfältig abgedruckt ist. Dort heisst es: „Pytha- goriei vero ne multiplieationibus et partitionibus et in podismis aliquando fallerentur, ut in omnibus erant ingeniosissimi et subtilissimi deseripserunt sibi quandam formulam, quam ob honorem sui praeceptoris mensam Pythagoream nominabant, quia hoe quod depinxerant magistro praemonstrante cognoverant. A posterioribus vero appellabatur abacus, ut, quod alta mente concepe- rant, melius, si quasi videndo ostenderant, in notitiam hominum transfundere possent, eamque subterius habita *) sat mir adeseriptione formabant.“ Dann folgt in einigen Manuseripten die Multiplicationstabelle (das Einmaleins), in anderen, und zwar gerade in solchen, welche man für die älteren zu halten Grund hat, eine Abbildung der römischen Rechentafel. Von diesen letzteren Manuscripten war schon seit Anfang dieses Jahrhunderts der Altdorfer Codex durch Mannert entdeckt worden. Chasles fand einen ganz ähnlichen Codex in Chartres, und derselbe For- scher machte noch auf zwei Manuscripte der Pariser Bibliothek (Bibliotheque imperiale, rue Richelieu) aufmerk- sam, welche dort unter den Nummern 7377 C und 7185 registrirt sind. Ich habe Gelegenheit genommen, diese beiden selbst einzusehen, und die Zeichen, welche in denselben vorkommen, zu copiren. An das schon Angeführte sich anschliessend existirt nämlich in den genannten Manuseripten der Zusatz von unzweifelhafter Gleichzeitigkeit mit dem übrigen Texte: „Quidam hujuseemodi apieum notas sibi conseripserunt“, und Zeichen, welche in ihrer Analogie mit den modernen Ziffern sich als Ursprung derselben erweisen. Dann endlich folgt noch als Schluss: „Quidam vero in hujus formae depietione litteras alfabeti assumebant“. Zu diesen schon bekannten Thatsachen möchte ich indessen noch hinzufügen, dass das Manuscript 7185 der Pariser Bibliothek auf dem Rücktitel fälschlich Gerbert als Verfasser zugeschrieben ist, ein Irrthum, welcher nicht ohne Bedeutung für den Satz ist (der auch Bd. I. S.71 Zeitschrift für Mathematik und Physik aufgestellt wurde). dass Gerbert seine Kenntniss der Zahlzeichen nicht von den Arabern, sondern aus der Geometrie des Boethius besass. Wenn nun in solcher Weise, bei Mitberücksichtigung der in meinem früheren Aufsatze angeführten sonstigen Gründe, dargethan ist, dass die Pythagoräer schon Zahlzeichen besassen, so drängt sich unmittelbar die weitere Frage auf, woher sie dieselben bezogen hatten, *) Andere Lesart: subterwis habiti. 156 und eine Beantwortung dieser Frage, wenn sie innere Wahrscheinlichkeit besitzt, wird auch umgekehrt jeden noch vorhandenen Zweifel an der Aechtheit jener Stelle des Boethius zu heben im Stande sein. Woher lassen sich also jene Zeichen in letzter Instanz herleiten ? Die Ansichten, welche in dieser Beziehung laut wurden, gehen weit auseinander. In einem wenigstens an barocken Gedanken nicht armen Buche‘) der neuesten Zeit finde ich die weitverbreitete (?) Annahme mit- getheilt, die Zahlzeichen seien einem mit seinen Diago- nalen versehenen Quadrate [*] entnommen, dadurch, dass diese oder jene Linien wegblieben. In arithmetisch-geometrischer Auffassung zählt ein anderer Autor?) die Striche, welche zur Bildung der einzelnen Ziffern nöthig sind und findet darin den Ur- sprung der Zeichen: Ja er setzt sogar hinzu: „Diese Einfachheit der Zahl- zeichen, sowie ihre Uebereinstimmung mit der Sprache °) lassen keinen Zweifel übrig, dass wir unsere Ziffern 1,2. 3... als die eigenthümlichen Zahlzeichen der alten germanischen Völker zu betrachten und nicht nöthig haben, den Ursprung derselben mit vieler er- folgloser Mühe bei den orientalischen Völkern zu suchen“. Zwei nordische Gelehrte, der Holländer Rudbee und der Schwede Brixhorne, hatten übrigens schon früher einen germanischen Ursprung angenommen °). Ernster ist die Auffassung zu erwägen, welche be- sonders einigen Diplomatikern°) des vorigen Jahrhunderts die plausibelste schien, dass nämlich unsere Ziffern aus den sogenannten tironischen Zeichen sich ent- wickelt hätten, welche bei den Römern das vertraten, was heut zu Tage, freilich in erhöhtem Maasse, die Stenographie leistet. Allein diese Annahme ist unge- nügend, den @ßa& der Griechen aus frühester Zeit nebst seinen Zeichen zu erklären. Wenn es also auch keineswegs unmöglich ist, dass Tiro etwa von jenen Zeichen Kenntniss gehabt und sie in seiner abgekürzten Schrift benutzt haben sollte, so kann man doch darin keine Quelle erkennen. Zu deren Auffindung sind wir genöthigt, uns weiter östlich zu wenden, dorthin, wo die Quellen aller Wissenschaft und Bildung so ergiebig flossen. 1) Elementare Arithmetik für Berg-, Gewerbe- und Fortbil- dungsschulen von Dr. Chr. Rauch. Zweite vermehrte Auflage. Duisburg 1857. 2) Aritmetik und Algebra von Anton Müller. Heidel- berg 1833. 3) Diese Uebereinstimmung findet der Verfasser darin, dass Hundert, Tausend wesentlich deutsche Klänge und nicht aus fremden Sprachen abgeleitete Namen sind. 4) Vergl. Angelo Fumagalli, Delle Istituzioni Diplomatiche. Milano 1802. 4. Bd. I. S. 170—184. 5) Don Calmet in den Memoires de Trevoux (Septembre 1707, p- 1622), J. B. C. d’Ansse de Villoison, Anecdota Graeca. Ve- netüs. 1781. 4. p. 152—157, u. A. Einen Anhaltspunkt bei dieser Untersuchung kann uns das Leben eines Mannes gewähren, dessen Name, wie in der ganzen Geschichte der Mathematik, auch bei der Geschichte des Zahlensystems und der Ziffern an dem Anfange steht, dessen eigener Bildungsgang aber erst in allerneuester Zeit durch die Arbeiten eines anderen Mannes von ähnlich universellem Wissen zur sicheren Kenntniss gelangt ist. Ich brauche wohl kaum hinzususetzen, dass ich Pythagoras meine und mich für dessen Lebensumstände auf den zweiten Band der „Geschichte unserer abendländischen Philosophie“ von Eduard Röth beziehe. Es ist hier nicht der Ort, das interessante Lebens- bild des Vaters griechischer Mathematik ganz aufzu- rollen, so sehr es verdient, in weiteren und weitesten Kreisen bekannt zu werden ‘). Ich muss mich für den Augenblick darauf beschränken, nur mit dürren Worten und todten Jahreszahlen die Hauptmomente hervorzu- heben: Die Geburt des Pythagoras im Jahre 569 auf der Insel Samos. Seinen ersten wissenschaftlichen Un- terricht durch Pherekydes von Lesbos und Thales und Anaximander von Milet 551 —547. Dann seine Reise nach Aegypten, wo er 21 Jahre lang im Dienste der Tempel die Priesterschulen besuchte und deren ganze Gelehrsamkeit empfing, bis er zuletzt selbst die heilig- sten Weihen erhielt. Es folgt die Eroberung Aegyptens durch Cambyses 525, bei welcher die ganze Priester- schaft, und unter ihr auch Pythagoras, als Gefangene nach Babylon geführt wurden. Dort stand er während weiterer 12 Jahre in nächster Berührung zur chaldäischen Wissenschaft, bevor er, wieder befreit, in einem selbst- gewählten neuen Vaterlande, in Unteritalien, seine Schule gründen konnte. Aus diesem an romanhaften Ereignissen und Abenteuern reichen Geschicke erklärt es sich auch, warum wir in seinen Lehren offenbar so Heterogenes gemischt finden. Es sind eben die Erwer- bungen der verschiedensten Gegenden, in welche theils sein Wille, theils der Zufall ihn führte, und nur an den Faden dieser Erinnerungen konnte Röth das pythago- räische System der Philosophie und Religion aufreihen. Ganz ähnlich wird die Sache im vorliegenden Falle sich verhalten. Es wird nöthig sein, nach den Zahlzeichen der verschiedenen Orte zu fragen, welche Pythagoras auf seinem Bildungsgange berührte, und dann weiter die Frage aufzuwerfen, wo sich etwa Analogien mit den Zeichen finden lassen, deren Ursprung wir gerade auf- suchen wollen. Es sei mir erlaubt, eine allgemeine Bemerkung über solche Analogien vorauszuschicken, welche freilich Nie- manden fremd sein wird, der sich irgendwie mit ver- gleichenden Sprachstudien zu beschäftigen Gelegenheit hatte. Um Aehnlichkeiten der Art zu begründen, ist es nämlich nur nöthig, dass die einzelnen Zeichen auf einander hinweisen, ohne dass es auf die Lage der- 1) Vergleiche meine ausführliche Recension des Röth’schen Werkes in der „Kritischen Zeitschrift für Chemie, Physik und Mathematik“, Bd. I, Heft 6. Manuserypl von Farıs V377 C!: KISS Zahleeichen aus der | Geometrie des Boclhtus. Chartres Altdorf Zathlzerchen des neueren: Sanskriüdruches : | Zahlzerchen des Maximus Planudes | Manusergpt 303 . aus Hanuseriuten ın Venedig | JBB: Griechische Buchstaben, aus welchen’ Hrecl abe Zjfern ableitet : nach Heraptollo: Aegyptische Zahtentuieroglghen. ‘ Y-# =Y-2.W-Y-> VYVY YYYY Zahlzaichen der feilschrift. vvY vvY “re | nach der Jnschrijt von Boselta Y-° d- N-” d-r 3 j-” IY> - 7000 (Yp> PS ” de m» en Cunesische Zujjern nach Hager: ee Alichinesische Zujfern nach Abel Kemusal: Neuchnnesische ltaujimannszujjern nach Abel Ramusat : Ben IR TE GEN: wg nes. rer 7. X-5 Ta ja 7 N = v0. er Ku iz vr MYYV. Yvvrv BE MAN ud: An RE > 4 YV = JS. YYY= vv &V = ee Y>_ 700 veece) (Y X» YYY YYY Tr YYv ö az - 5000 2) — J0837 A: Altchunesisch nach Abel-Bemusatl: —_ TS02/4 _ EINEN we un Ami cher Bericht über die rscher und Aerzte Cantor: Zur zhesten Geschichte di selben, und ganz besonders. olıne dass es auf ihren Sinn ankommt. Was namentlich den letzteren Punkt betrifft, so erin- nere ich daran, wie noch heute Franzosen und Deutsche unter dem Worte Billion verschiedene Mengen ver- stehen. Ich mache weiter auf die Sanskritziffern auf- merksam welche in modernen Druckwerken benutzt werden, und bei welchen die Vier aussieht wie unsere 8, die Sieben wie unsere 6, die Acht wie unsere 7. Ich will endlich aus einem Uebergangs- Stadium zwei Manuseripte eines und desselben Buches aus der Bibliothek San Marco in Venedig anführen !), welche für die Ziffern derartige Gestalten geben, dass das Zeichen der Sieben in dem einen Codex gerade so aussieht, wie das der Acht in dem andern, während die Fünf des letztern mit der Vier des Sanskrit überein- stimmt, und die Zwei und Drei auch die Gleichgiltig- keit der Lage der Zeichen näher erläutern. Das Buch selbst rührt von Maximus Planudes her, welcher mit Leo Orphanostrophus als Gesandter des Andronicus Paläologus d. Ae. 1327 nach Venedig kam, wo er 1353 noch lebte. Ein Mann von mannigfaltigen Kenntnissen, dessen Ansichten über die Ziffern und ihren Ursprung wir später noch des Nähern berücksichtigen müssen. Kehren wir jetzt zu den Zahlzeichen der Völker zurück, unter welchen Pythagoras sein Leben zubrachte. Schon dieGriechen hatten vor seiner Zeit eine durch- aus fertige Schrift und in derselben eine Bezeichnung der Zahlen durch Buchstaben, oder vielmehr, wie Fu- magalli angiebt, dreierlei Arten solcher Bezeichnungen. Die älteste habe nur die Buchstaben TI AR X. M. für die Zahlen 1. 5. 10. 100. 1000. 10000. benutzt, wie der Grammatiker Herodian bezeuge ?). Die Schreibweise war wie bei allen Buchstabenbezeichnungen additivv. Nur das Zeichen IT (#£ryre) trat dabei multi- plieativ auf und nahm alsdann das zu vervielfachende Gruppenzeichen zwischen sich, z. B. 50 = /1/, 500 = m], 612=/7/ H4 II. Die zweite Bezeichnungsweise legte den Buchstaben «& bis © die Werthe 1 bis 24 bei; so seien nämlich die Bücher des Homer numerirt und in ähnlicher Weise im hebräischen Alphabete der 118. Psalm und die Klagelieder Jeremiä. Endlich die dritte Bezeichnungsweise ist die allgemein bekannte, in mei- nem früheren Aufsatze schon besprochene @« =1,... 3—=9,ı=10 us. w. Aus dieser letzteren wollen verschiedene Autoren theils unsere modernen Ziffern, theils wenigstens die im frühern Mittelalter benutzten 3) herleiten. Am feurigsten erfasste wohl der Bischof Huet diese Ansicht, der sie in seiner Demonstratio evan- gelica ad seren. Delphinum. Paris 1679, p. 647 in pomp- hafter Weise vertheidigt. Die 1 sei ein einfacher Strich, 2 das unten abgeschnittene ß, 5 der Buchstabe &e mit 1) Bruchstücke daraus vergl. bei Villoison, aus welchem auch die auf der Tafel angegebenen Zeichen entnommen sind. 2) Nesselman eitirt für diese Zeichen H. Stephanus, thesaurus linguae Graecae. 3) Don Calmet in dem oben eitirten Aufsatze. 137 umgedrehten Kopfe u. s. w.') Das «Aonn&-Fuchsartige dieser Ableitungen liegt zu sehr auf der Hand, als dass ein näheres Verweilen dabei nöthig wäre. Gehen wir mit Pythagoras nach Aegypten über, so zeigt sich- uns daselbst eine Hieroglyphenschrift, welche noch nicht durchgehends entziffert, manches Räthsel für zukünftige Forschung übrig lässt. Nichts desto weniger hat bereits die Entzifferung der Inschrift von Rosetta?) zur Kenntniss einiger wichtigen Zahlzeichen geführt, welche ich auf unserer Tafel nebst zwei anderen Zeichen dargestellt habe, deren Erklärung dem Horapollo°) entnommen ist. Es war lange Zeit Mode, lächelnd und mit Achselzucken über diesen letzteren halb apogryphen Autor vom Anfange des 5. Jahrhunderts nach Chr. Geb. abzusprechen und seine Competenz in Betreff des be- handelten Gegenstandes geradezu zu leugnen. Es war dieses ein Schicksal, welches er mit allen Werken theilte, in welchen Thatsachen vorgetragen waren, die mit der Annahme des classischen Philologenthums in Wider- spruch standen, dass von den Griechen erst Bildung, Kunst und Wissenschaft erfunden und verbreitet worden. Musste doch in ähnlicher Weise selbst Herodot, der Vater der Geschichte, als Fabeldichter sich bezeichnen lassen. Die grossartigen Bemühungen der letzten dreissig Jahre haben indessen die Ehrenrettung der meisten jener verläumdeten Schriftsteller aufs Klarste zu Tage ge- bracht, und so hat auch Horapollo sich als durchaus wahrheitsliebend, als vollständig in der Hieroglyphen- Sprache bewandert und als untadelhafte Controle bei modernen Uebersetzungen bewährt. Es erscheint da- nach auch gerechtfertigt, nach ihm den Stern *) als Zei- chen der 5,und zwei sich schneidende Linien °) als Zei- chen der 10 anzunehmen. Hierbei drängen sich aber nrehrere Bemerkungen von vielleicht nicht ganz unbe- deutender Tragweite auf®). Das Zeichen der 1 ist näm- lieh”"mitten von den Römern benutzten Striche ganz identisch; das Zeichen der 10, wie Horapollo es be- schreibt, weisst verschoben auf das römische Kreuz hin; und endlich das Zeichen der 100 zu Rosetta ist vollständig das spätere römische C. So wären also von den vier selbstständigen Zahlenelementen der Römer I,X,C,M?) drei auf die Aegypter zurückgeführt, und ich wenigstens möchte danach die in meinem ersten Aufsatze noch angenommene Entstehung aus Strichen um so mehr aufgeben, als auch in sehr alten römi- 1) Vergl. auf der beigegebenen Tafel die Formen der ein- zelnen Buchstaben, aus welchen Huet die Zahlzeichen herleitet. 2) Vergl. W. Osburn, The monumental history of Egypt. Lon- don 1854, 8., Vol. 1, p- 147. 3) Horapollinis Niloei Hieroglyphica edidit Leemans. dam 1835. 4) Aotege yocporıss dnhovor Tov aerre üpıduov Iueıdn an Fovs ortos dv ovVgur® erre ovor 2E Gvrov zwovueivor TV OU z0ouov olzovoulav drrehovaw. Lib. I., cap. 13. 5) I’gapım 0097 ya Ene yowup) Eminexanuern dere young Zaunedoug onelvovow. Lib. II, cap. 30. 6) Die von Champollion aus dem sogenannten Grab der Zahlen entnommenen Hieroglyphen stimmen fast identisch mit denen aus Rosetta überein. Die Numerationsmethode ist ad- ditiv und nur selten multiplicativ. 7) V, L. D sind bekanntlich nur deren Hälften. 18 Amster- 138 schen Inschriften nicht blos die eckigen, sondern auch die abgerundeten Formen der Ziffern vorkommen. Das Zeichen der Tausend in Rosetta lässt einen 'an- deren Zusammenhang noch ahnen. Ich möchte dasselbe nämlich für einen Lotos halten und dann ergiebt sich die eigenthümliche Uebereinstimmung, dass padma, der Name dieser Blume auf Sanskrit, gleichzeitig auch ein Zahlwort ist, und als solches Tausend Millionen bedeutet. Endlich das letzte Zeichen, welches zu Vergleichun- gen Anlass geben kann, ist der für die Fünf gebrauchte Stern. Ich will nur daran erinnern, dass die Araber als ältestes Zeichen der Fünf ihren Finalbuchstaben He benutzten, welcher mit einem Stern die grösste Aehn- lichkeit hat. Freilich war dieser Buchstabe, wenn auch jetzt einer der letzten des arabischen Alphabetes, in einer früher gebräuchlichen Reihenfolge !) der fünfte, so dass die Aehnlichkeit mit dem Sterne nichts absolut Beweisendes hat. Interessant ist jedoch, dass als später die Araber, gleichviel aus welcher Quelle, die Null er- hielten, sie auch dieses Zeichen mit ihrem He identi- fieirten und aus Furcht vor Verwechselungen in einen Punkt eoncentrirten. Es ergiebt sich dieses deutlich aus einer Stelle des arabischen Scholiasten zum Ähiläsat- al-Hisab ?), welehe Nesselmann (Gesch. der Alg. bei den Griechen, S. 103) im Original, sowie in der Ueber- setzung abgedruckt hat, und welche anf deutsch folgen- dermassen lautet: „Wenn an irgend einer Stelle keine Zahl vorhanden ist, so schreibt man der Deutlichkeit wegen an der Stelle das Finalzeichen des Buchstaben Ha, nämlich $S, welches das Zeichen sifr, in dem Sinne von etwas Leerem ist. Gegenwärtig ist die Verände- rung eingetreten, dass das Finalzeichen Ha die Fünf bedeutet und für das Zeichen Sfr ein Punkt geblie- ben ist.“ 9) So ergab sich also auf ägyptischem Boden zwar manches Erwähnenswerthe, aber durchaus kein Anhalts- punkt dafür, dass Pythagoras seine Kenntniss der Zahlen dort geschöpft haben sollte. In der That stimmen auch damit die Zeugnisse der Alten überein, welche die mathematischen Kenntnisse des Pythagoras besprechen. Theon von Smyrna, Porphyr und Jamblich *) erzählen in ganz gleicher Weise, aus Aegypten stammten die geometrischen Kenntnisse des Pythagoras, während sie für seine arithmetischen und zahlentheoretischen Kennt- nisse auf die Phöniker und Chaldäer verweisen. Be- gleiten wir desshalb Pythagoras in die Gefangenschaft nach Babylon, um zu sehen, ob und was er eigentlich dort lernen konnte. Ich sage, ob er dort etwas lernen konnte, nicht als wenn ich glaubte, noch näher zeigen 1) Jene ältere Reihenfolge, welche in den meisten Buch- staben mit der hebräischen übereinstimmt, ist noch unter dem Namen Abudjed in Erinnerung. 2) Ueber dieses persische Sammelwerk habe ich Bd. II, S. 361 der Zeitschrift für Mathematik und Physik Näheres angegeben. 3) Der Scholiast scheint mir hier ein Hysteronprotereon zu begehen, indem er die Null als länger bekannt, als das runde Zeichen für fünf annimmt. Hätte er indessen recht, so würde dieses nur um so mehr für die im Texte ausgesprochene Hy- pothese beweisen. 4) Vergl. Röth in dem citirten Bande, Note 51, 404, 817. zu müssen, was seit Layard’s und anderer Bemühungen aus 2500jährigem Schutt klar und deutlich ans Licht kam, dass in Babylon eine ganze Civilisation mit allen ihren Vorzügen und Mängeln dem Ankommenden ent- gegentrat, sondern weil der Einwand leicht wäre, wie die Stellung als Gefangener einem tieferen Bekannt- werden mit der Wissenschaft der Mager hindernd in den Weg treten konnte. Sieht man doch gerade auf den Wandseulpturen der dortigen Ausgrabungen, wie Kriegs- Gefangene zum härtesten Frohndienste angehalten wer- den und unter der Peitsche des Aufsehers Statuen zie- hen, Steine tragen und sonstiges Material beschaffen müssen. Allein abgesehen von dem zwölfjährigen Aufent- halte, während dessen ein so hervorragender Geist sich aus jeder Stellung zu erheben vermochte, ist doch wohl nicht anzunehmen, dass auch die gefangenen Priester zu gleich strengem Loose wie das gemeine Volk mit- geschleppt wurden, und ganz besonders dem Pythagoras, der ausser dem ägyptischen Tempeldienste auch in sämmtliche phönikische, dem assyrischen so nahe ste- hende Mysterien eingeweiht war?), musste es leicht werden, mit den babylonischen Priestern, den Magern, in nähere Berührung zu treten. Diese besassen aber in der Keilschrift ein zwar nur aus wenigen Elementen bestehendes, aber aus diesen in überraschendster Reichhaltigkeit zusammengesetztes Al- phabet nebst Zahlzeichen, deren Erklärung den nach einander folgenden Bemühungen von Hincks?). Raw- linson®), Grotefend*) (1847—1852) nicht Wider- stand zu leisten vermochte. Ich will versuchen, das Gemeinsame dessen, was die genannten Gelehrten ent- deekten, hervorzuheben, wenn auch deren Entzifferungen sich auf drei unter einander wesentlich verschiedene Arten von Keilschriften beziehen. Es ergiebt sich näm- lich hier das eigenthümliche Verhältniss, dass trotz der Verschiedenheit der Sprachen gerade in der Schreibart der Zahlen die grösste Analogie herrscht. Genau be- trachtet darf uns diese Thatsache bei Zahlzeichen am wenigsten wundern; auch heute werden wegen dieser Identität der Ziffern mathematische Schriften selbst von Solehen gelesen werden können, welche die Sprache des Textes absolut nicht verstehen. Und auch sonst lässt sich ein oder das andere Beispiel dafür auflinden, dass verschiedene Völker derselben Schrift sich bedienen. So erzählt Staunton°), dass Inselbewohner des indi- schen Oceans bei totaler Unkenntniss der chinesischen Sprache einen schriftlichen Verkehr in den Zeichen dieser Sprache durchführen konnten, welche offenbar in ihrer Landessprache denselben Wortbedeutungen zum Bilde dienten. 1) Vergl. Röth, S. 309. 2) Hincks, On the Inscription at Van. (Journal of the Asiatie sociely. Vol. IX.) 3) Rawlinson, The Persian cuneiform Inscription at Behistun. (Journal of the Asiatie society, Vol. X.) 4) Grotefend, Die Tributverzeichnisse des Obelisken aus Nimrud. (Abhandlungen der königl. Gesellschaft der Wissen- schaften zu Göttingen, Bd. V). 5) Staunton, Zmbassy to China, Vol. I, p. 311. Die Elemente der Keilschrift bestehen aus einem verticalen Keile, einem horizontalen Keile und zwei mit der breiten Seite aneinander stossenden geneigten Kei- len, welche letztere in der Regel Winkelhaken genannt werden. Von diesen drei Elementen wurden bisher das erste und dritte vereinzelt als Zahlzeichen gefunden, in- dem der Verticalkeil die Einheit, der Winkelhaken die Zehn bedeutet. Aus einzelnen neben oder übereinander stehenden Verticalkeilen sind alsdann die Ziffern bis neun gebildet, wobei ein ungerader Keil bald in brei- terer Gestalt unter den übrigen, bald länger nach den übrigen steht, so dass die vorhergehende Doppel- reihe ihn nicht überragt. Von zehn an wird, wie bereits bemerkt, der Winkelhaken hinzugenommen und dann die folgenden Zahlen aus Winkelhaken und Ver- ticalkeilen additiv so zusammengesetzt, dass immer die höhere Ziffer links steht. Darin scheint demnach auch der Grund zu liegen, dass der ungerade Verticalkeil immer am Ende rechts steht. Aus der angegebenen Regel folgt nun von selbst die Vermuthung, dass ein der höhern Zahl vorgesetztes niedrigeres Element nicht mehr additiv zu nehmen sein dürfte, wie z. B. auch bei den Römern eine derartige Funetionsänderung statt- fand. In der That ergab sich der Operationswechsel dahin, dass ein niedrigeres Element, dem höheren vor- gesetzt, dasselbe multiplicirt'), während dabei zu- gleich der Verticalkeil den Sinn fünf annahm, so dass damit ein leichtes Zeichen für fünfzig entstand, an welches wieder additiv nach rechts fortgezählt wurde ?). Bei der Hundert findet sich auch wieder ein Vertical- keil am Anfange, dem aber ein horizontaler Keil folgt, so dass ich die Hypothese nicht unterdrücken kann, es dürfte vielleicht auch der horizontale Keil in der Be- deutung zwanzig noch einzeln vorkommen. Dass näm- lich zwanzig auch durch zwei Winkelhaken bezeichnet wird, kann bei einer an Varianten so überreichen Schrift nieht als Einwand gelten ?). Wenigstens bleibt von hier an das Gesetz der Addition zur Rechten, der Multipli- cation zur Linken bis in die höchsten Zahlen, so dass Tausend als 10 > 100 durch Vereinigung der drei Elemente (Winkelhaken, Verticalkeil, Horizontalkeil) sich darstellt, und in ähnlicher Weise auch weiter num- merirt wird. Ob der Verticalkeil vor 1000 ?) etwa 5000 bezeichnet, muss ich dahin gestellt sein lassen. Grote- fend scheint diese Ansicht nicht zu theilen, indem er 1) Gewissermassen als Coeflicient des folgenden Gruppen- zeichens, also ganz in moderner Weise. 2) Hincks scheint der Ansicht zu sein, dass der einer höhe- ren Zahl vorhergehende Verticalkeil schon allein das fünffache folgende Element bedeute. Demnach liest er das als 50 erklärte Zeiche als 60 und will in Khorsabad einen längeren Verticalkeil vor zwei kleineren über einander stehenden Verticalkeilen als 7 erkannt haben. 3) Wichtiger ist der Einwand von Hincks, welcher das Zei- chen für 100 für den Anfangsbuchstaben des Zahlwortes hält und ebenso das Zeichen für 1000, das also nur zufällig der Multiplicationsregel zu folgen scheine. Derselbe will auch noch ein Zeichen für 10000 gefunden haben, welches auf der Tafel eingeklammert ist. 4) Dieses Zeichen findet sich Br. Mus. Plate 13, Nr. 2. 139 gerade in Bezug auf diese Stelle bemerkt: „Das Zei- chen 1000 wurde so sehr als ein Nennwort behandelt, dass man sogar einen einzelnen Verticalkeil davorgesetzt findet.“ . Wir haben somit hier ein System der Bezeichnung, welches von dem Abacussystem in doppelter Weise sich unterscheidet. Erstens, und das wäre durchaus ohne Bedeutung, dadurch, dass beim Abacus die Gruppen- zeiger über den Ziffern stehen (resp. ganz weggelassen werden), während hier die Gruppenzeiger 10, 100, 1000 in der Regel den Ziffern nachgesetzt werden !). Zweitens ist aber dann noch der Hauptunterschied, dass beim Abacus und bei sämmtlichen übrigen Systemen, die mir bekannt geworden, die Ziffern in jeder Stellung denselben Werth behalten, während hier der Wechsel von eins in fünf characteristisch und bisher ganz einzig auftritt. Dieser letzte Unterschied kann desshalb auch nicht genug hervorgehoben werden und so sind wir abermals in der Hoffnung getäuscht, sichere Spuren der künftigen pythagorischen Zeichen zu finden. Freilich giebt Layard?) an, es existire noch eine assyrische Cursivschrift, welche, dem Hebräischen ähn- lich, von rechts nach links sich lese, und welche auch eigenthümliche Zahlzeichen besitze, mit denen die Back- steine numerirt wurden; doch ist diese kurze nichts- sagende Angabe Alles, was ich über diesen Gegenstand auflinden konnte. Und dennoch muss es in Babylon gewesen sein, wo Pythagoras jene Kenntnisse schöpfte; dafür sprechen zu deutlich jene bereits erwähnten Angaben der Alten. So bleibt uns nur noch, bei den Völkern nachzuforschen, welche in damaliger Zeit mit Babylon in beständigem Handelsverkehr standen, und deren Rechen- und Schreib- art dem von Wissbegierde Erfüllten nicht fremd bleiben konnte, wenn gleich der durchaus conventionelle Styl chaldäischer Kunst und Wissenschaft in starrer Undurch- dringlichkeit nichts davon aufnahm. Bei dieser Untersu- chung fühlen wir uns aber auf das Freudigste überrascht durch die deutlichen Spuren des Gesuchten, wenn uns gleich andererseits eine kleine Verwirrung wieder da- durch bevorsteht, dass zwei Quellen sich ergeben, deren Jede gewisse Gründe innerer Berechtigung in sich trägt. Das erste Volk, von dem ich rede, ist das der Chinesen. Schon Hager stellte die Hypothese eines chinesischen Ursprungs unserer Ziffern auf und verthei- digte sie ausführlich in seiner „Memoria sulle eifre ara- biche“ °), auf welche sich die folgenden Betrachtungen wesentlich stützen. Ausserdem aber wurde noch der Aufsatz von Biernatzki: „Die Arithmethik der Chi- nesen“ *) einer genauen Berücksichtigung unterworfen. 1) Die rein additive Bezeichnung von 20, 30, 40 u. s. w. wäre so als Ausnahme zu betrachten. 2) Niniveh and its remains. London 1849, Vol. II, p. 165. 3) Diese Abhandlung ist zuerst abgedruckt in den „Fund- gruben des Orients“, Wien 1811, Bd. II, S. 65; dann in der Bibliotheque Britannique, Geneve 1812, Mai Nr. 393, Litterature p. 15; endlich als selbstständige Brochüre, Milano 1813. Ich konnte nur den ersten und dritten Abdruck vergleichen. 4) Crelle’s Journal, Bd. LI, S. 59 fi. 18* 140 Dass die Chinesen in frühester Zeit mit einer ganzen Reihe von Kenntnissen vertraut waren, welche bei den Europäern erst spät Eingang fanden, grösstentheils nachentdeckt werden mussten, ist bekannt genug. Ich erinnere nur an die Bereitung des Schiesspulvers, an die Benutzung des Compasses, an die wichtigste aller Erfindungen, an die Buchdruckerkunst, welche unbe- strittenes Eigenthum jenes fernsten Ostens war lange bevor auch nur die Morgendämmerung der Wissenschaft für Europa erwachte. Weniger erforscht waren bis vor einigen Jahren die Kenntnisse des alten China’s in Arith- metik und Geometrie und erst ein Aufsatz: Jottings on the science of chinese arithmetie‘) im Shanghae Almanac jor 1853 and Miscellany. printed Shanghae, hat auch hier den Beweis mannigfacher Prioritätsrechte für China geführt. So weist die Sage wenigstens den Anfang der gegenwärtig gebräuchlichen chronologischen Aera der Cyelen auf das 61. Jahr des Kaisers Hwang-ti zurück, welches dem Jahr 2637 vor Chr. Geb. ent- spricht. So setzte nach dem Sehu-king Kaiser Yaou (2300 vor Chr. Geb.) ein Collegium von Astronomen ein, um die nöthigen Zeitreehnungen zu machen und einen Kalender abzufassen. So existirt bis auf den heutigen Tag eine mathematische Schrift „Tschau-pi“ (Schenkelbein des Tschau) ?2), welche von dem Kaiser Tsehau-kong selbst (um 1100 vor Chr. Geb.) oder doch unter seiner Mitwirkung verfasst wurde, und deren erster Abschnitt in übersichtlicher Weise den Inhalt des ganzen Werkes angibt. Nicht ohne Staunen sieht man darin schon den Satz von den Seiten des rechtwinkeligen Dreiecks in folgender Gestalt auf- treten: „Zerlegt man einen rechten Winkel in seine Be- standtheile, so ist eine die Endpunkte seiner Schenkel verbindende Linie gleich 5, wenn die Basis gleich 3 und die Höhe gleich 4 ist“. Und wenn wir in späteren Paragraphen die Stelle finden: „Aufgerichtet bedient man sich des rechten Winkels zu Höhenmessungen. Umgekehrt braucht man ihn, um Tiefen zu ergründen. Mittelst des horizontal liegenden rechten Winkels be- stimmt man Entfernungen“, in welcher die Idee der ganzen neueren trigonometrischen Vermessungen ausge- sprochen liegt, dann können wir nur in die Schlussworte jenes Abschnittes mit einstimmen: „Tschau-kong rief aus: In der That. das ist vortrefllich!'* Von wei- teren Sätzen, deren Vorhandensein bei den Chinesen in dem Aufsatze von Biernatzki besprochen ist, will ich nur noch eine Auflösung unbestimmter Auf- gaben erwähnen, welche unter dem Namen Ta-yen (grosse Erweiterung) von Sun-Tsze) gelehrt wurde, und welche in den Zeichen unserer Algebra sich folgen- 1) Dieser Aufsatz wird von Biernatzky als seine Haupt- quelle angegeben. Ich konnte mir das Original nicht ver- schaffen. 2) Die Basis und Höhe eines rechtwinkeligen Dreiecks wurden nämlich, nach Biernatzky, mit den Namen Schenkel und Bein angedeutet, ähnlich wie man auch im Deutschen von den Schenkeln eines Winkels spricht. 3) Dieser Schriftsteller lebte nach Einigen 220 vor Chr. Geb., wahrscheinlicher im dritten Jahrhundert nach Chr. Geb. dermassen darstellt. Soll eine Zahl x gefunden werden, welche den Bedingungen entspricht: \ =n (mod a,) x — m (mod a) = n;, (mod a5). so bilde man drei Hülfszahlen h, , hy. h, in der Weise, ae SE (u wi — 2 a4 - hy = (a .3) a0 E (IR), &> eG; Be h, (a7 # 25)> — U... BE & = °), 3 wo E das bekannte Abel’sche Zeichen für Ganze be- deutet. Alsdann wird der Aufgabe genügt durch I ae Dr hz . Dy. Offenbar ist übrigens diese Auflösung im Allgemeinen unrichtig, wenigstens nur in dem sehr speciellen Falle richtig, wenn gleichzeitig (ag - a3)? ()e Fern 1 (mod a,) 1 (mod a,) (a4 - 2) 1 (mod a3); und so scheinen gerade in Untersuchungen der unbe- stimmten Analytik die Chinesen hinter anderen gleich- zeitigen Culturvölkern eher zurück gewesen zu sein. III Natürlich ist aber von solchen verhältnissmässig höheren Untersuchungen auf die Existenz der Zahl- zeichen keinenfalls ein ungünstiger Rückschluss zu ziehen. Für das Vorhandensein solcher Zeichen spricht hingegen besonders ein Grund, welchen schon Hager scharf hervorgehoben hat. Die Chinesen, so lauten ungefähr seine Schlüsse, haben eine Schrift ohne irgend Buchstabenbezeichnung; jedes Wort wird vielmehr durch ein besonderes Zeichen angegeben. Da aber in jedem Buche wohl auch Zahlenausdrücke vorkommen, bald grössere, wenn es der Gegenstand so mit sich bringt, jedenfalls aber doch kleinere, wie zwei, drei, vier, so müssen auch Zeichen für solche Zahlwörter erfunden worden sein, und zwar gleichzeitig mit der übrigen Schrif. Wenn nun chinesische Zahlzeichen mit den unsrigen Aehnlichkeit haben, so müssen sie doch wohl dort erfunden sein. Denn wie so hätten die Chinesen gerade die Ziffernschrift allein von den Fremden über- nommen, die dem Prineipe ihrer Sprache schon so nahe legt? Sehen wir nun zu, welche Zeichen Hager als ächt chinesisch uns angibt und wie er deren Zusammenhang mit unseren Ziffern erläutert. Wir werden jetzt im Stande sein, die Bedeutsamkeit dieser Vergleichung zu würdigen. Es ist in der That keinem Zweifel unter- worfen, dass die Zeichen, welche Hager für eins, zwei, drei, fünf, acht, neun angibt, die grösste Aehnlicehkeit besonders mit den Zeichen des Altdorfer Codex ergeben, wo sie in der Bedeutung eins, zwei, drei, acht, sieben, vier wieder vorkommen; es lässt sich ferner nicht läugnen, dass die Null der Chinesen von Hager in ganz moderner Gestalt abge- bildet ist, und dass endlich die Schreibweise nach Rang- ordnung, wie derselbe Schriftsteller sie uns angibt, völlig mit unserer heutigen übereinstimmt. Trotz dieser wichtigen Analogieen steigen doch einzelne Zweifel an der Richtigkeit dieser Abstammung auf. Ein Einwand, den man erheben könnte, bestände darin, ob dem Prineip der chinesischen Sprache nicht gerade das Zahlensystem widerspräche; ob nicht vielmehr eigentlich für jede neue Zahl ein neues Zeichen hätte erfunden werden müssen. Dem steht indessen siegreich entgegen, dass die Chinesen auch sonst zusammenge- setzte Wörter kennen, welche durch Neben- oder viel- mehr Untereinanderstellung der Zeichen für die einzelnen Wörter gebildet werden. Ein anderer Einwand besteht darin, dass selbst Hager nicht im Stande ist, alle Ziffern aus China herzuleiten, und für den Ursprung einiger auf andere Quellen verweist; gewiss ein Zeichen von Schwäche bei seiner Hypothese. Endlich der wichtigste Gegengrund ist folgender: Nach Hager’s Annahme kannten die Chinesen voll- ständig die Schreibweise der Zahlen mit Positionswerth und Andeutung des Nichtvorhandenseins von Einheiten eines gewissen Ranges. Wenn nun Pythagoras von ihnen die Zahlenschrift gelernt haben soll, so scheint ‘es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass er nur die Hälfte des Erlernten angewandt haben sollte. Mag auch der sogenannte pythagoräische Lehrsatz aus chinesischer Urquelle stammen und dem direeten oder indireeten Zusammenhange des Pythagoras mit chinesischer Cultur ?) zum Stützpunkte dienen, wie können wir an- nehmen, dass er Positionswerth und Werthziffern bei- behalten, den Gebrauch der Null wieder vergessen haben sollte. Und dass der Gebrauch einer solchen nicht stattfand, dafür zeugt schon der negative Umstand, dass gerade der «ßaE der alten Griechen nur eine Rechenmethode blieb und niemals eigentliches Volks- eigenthum als Schrift wurde. Ich weiss sehr wohl, dass in den Manuscripten des Boethius aus Altdorf und Chartres ausser den Zeichen des Textes auch noch auf der Rechentafel Zahlzeichen mit semitischen Namen vorkommen, welche von den angegebenen sich etwas unterscheiden und auch noch ein zehntes Zeichen neben sich haben, welches als Null gelesen wird. Aber gerade die Verschiedenheit der Zeichen in einem und demselben Manuscripte, auf einer und derselben Seite spricht, wie Chasles?) sehr richtig bemerkt hat, gegen die Gleichzeitigkeit und für ein späteres Einschmuggeln dieser letzteren Ziffern, die auf dem Tableau ohnedies an durchaus ungehöriger Stelle 1) Für den Zusammenhang von China mit Assyrien zeugen auch Glasfläschehen mit chinesischer Inschrift, welche Layard in Arban unter altassyrischem Schutte fand. Vergl. dessen Nineveh and Babylon. London 1853, p. 279. 2) Geschichte der Geometrie (deutsche Uebersetzung) S. 533 Note. 141 sich befinden. Ich kann daher die Ansicht nicht auf- geben: Pythagoras kannte eine Rechentafel; er kannte auch Zeichen für die 9 Werthziffern, welche auf der Rechentafel benutzt wurden, aber die Null kannte er nicht; und somit hatte er die von Hager als altchine- sisch bezeichnete Zahlschrift nicht gekannt. Oder hat Hager in Beziehung auf die Null geirrt? Manches scheint dafür zu sprechen. So besonders der Umstand, dass nach der chinesischen Grammatik von Abel-Remusat (Paris 1822) ein Unterschied zwischen neu- und altchinesischen Zahlzeichen gemacht ist; dass aber bei den letzteren keine Null vorkommt, während selbst in der neuen Schrift die Null nur in der Mitte, nie am Ende der Zahlen benutzt wird !). Den Unter- schied, dass die alten Zahlen übereinander, die neuen nebeneinander geschrieben erscheinen, führe ich nur der Vollständigkeit wegen an. Darnach könnte vielleicht doch die alte Schreibweise der Chinesen dem pythago- rischen System nicht widersprechen, und es liegt hier jedenfalls ein Gegenstand zur Untersuchung vor, über welchen nur Sinologen abzuurtheilen berechtigt sind. Für das Vorhandensein der Null bei den alten Chinesen muss ich allerdings noch auf einen wichtigen Punkt aufmerksam machen, den Hager auffallend genug übersehen hat. Ich meine das dyadische Zahlensystem mit den Zeichen für Eins und Null, welches schon zu Fohi’s Zeiten (etwa 2200 vor Chr. Geb.) in einem astronomischen Werke vorkommen soll. Leibnitz lieferte bekanntlich in seiner Arithmetique binaire?) Proben eines dyadischen Systems, in welchem er eine allegorische Darstellung der Schöpfung aus Nichts sah. Omnibus ex nihilo ducendis sufieit unum schrieb er schon 1697 an den Herzog von Braun- schweig, und fügte hinzu, er wolle seine Erfindung dem Pater Grimaldi nach China schicken, in der Erwartung, dass ihr tiefer Sinn den Kaiser von China bekehren möge. Auf diese Weise lernte der Missionär Bouvet die Dyadik kennen, welche ihm alsbald zur Entzifferung alter Manuseripte diente. Wenn aber somit die Null in einem Systeme bekannt war, so ist doch wohl kein Grund vorhanden, ihre Existenz in einem anderen Systeme zu läugnen. Ich komme nun zu dem zweiten Volke, welches mit Babylon in Verkehr stand und bei welchem Spuren unserer Ziffern sich finden, zu den Indern. Es ist zum Volksausdrucke geworden, unsere Ziffern die indi- schen zu nennen, und so sehr ich damit einverstanden bin, dass weit verbreiteten Ansichten im Allgemeinen historische Wahrheit anhaftet, so muss man doch, wo es um eine Abstammung sich handelt, sich nicht dadurch täuschen lassen, dass oft der Name des blossen Ver- mittlers unterschoben wird. Heissen doch die Ziffern 1) Vergl. die Bezeichnungsweise auf der beigegebenen Tafel. Die altchinesischen Ziffern ohne Null sind nach Abel-Remu- sat p. 49. Indessen findet sich ebendaselbst p. 115 neben den neuen Kaufmannsziffern ein altes sehr complicirtes Zeichen für Null. 2) Memoires de lacademie des sciences. Annee 1703. 142 vielleicht noch häufiger arabische, als indische. Und ähnlicher Weise wurde, nach Hager, das chinesische Papier von den Arabern als Papier von Samarkand bezeichnet, weil sie es am dortigen Handelsplatze er- hielten. Es ist demnach gerade Es um so nothwen- diger, kritisch zu verfahren. Dass die Inder wenigstens schon lange in dem Rufe standen, Erfinder unserer Zahlzeichen zu sein, dafür sprechen eine Menge Stellen seit Leonardo Fiba- nacei, der schon den Modus Yndorum hervorhebt. Von späteren Quellen will ich nur noch den schon genannten griechischen Mönch Maximus Planudes erwähnen, den sich zudem in einer Weise ausspricht !), als wenn sowohl die neun Werthzeichen, als auch die Null von den Indern erfunden worden, aber ohne dass Gleich- zeitigkeit der Einführung anzunehmen wäre. Nicht minder stimmen die Sanskritgelehrten unseres Jahrhunderts mit der Sage überein. So erwähnt Las- sen in einem Aufsatze über den Gebrauch der Buch- staben zur Bezeichnung der Zahlen bei den indischen Mathematikern ?) die Entdeckung der Zahlzeichen in indischen Inschriften, die etwa 250 Jahre älter als die Anfänge unserer Zeitrechnung seien; und namentlich Prinsep?) will es ausser allen Zweifel gesetzt haben, dass die älteste Gestalt der indischen Zahlreihen nichts Anderes als die Anfangssylbe des betreffenden Zahl- wortes war. Ich konnte mir leider bisher das Original nicht zur Einsicht verschaffen und muss auf die Auto- rität von Bonfoy*) und Brockhaus) hin die Richtigkeit seiner Hypothese annehmen. So sehr ich aber die Com- petenz dieser Gelehrten anerkenne, so benutze ich doch diese Gelegenheit, um irgend Männer vom Fache, denen die Quelle zugänglich ist, zu bitten, nähere Auszüge aus jener Prinsep’schen Abhandlung dem mathemati- schen Publieum vorzulegen. Wenn nun in dieser Weise einestheils die Origina- lität der Ziffern bei den Indern gesichert ist, so steht eben so fest die Möglichkeit, dass Pythagoras mit den- selben bekannt wurde, da sein Zusammentreffen mit indischen Priestern ausdrücklich berichtet wird®). Es bliebe also nur noch der Einwurf wegen der Null, den ich schon bei den Chinesen vorführte. Allein auch dieser löst sich hier auf’s Schönste durch den Nachweis, » Oi ran dorgondpnon Fıkonopwregot, Zatı 6 uud agusuos Eyet zo dreıg0V , zoudz daeigov 7vaoıs ouz doru dpeügor oynauiı zuva zul uetodor ö2 durov os av za dv ‚207081 ao Fun EUOZOTOTEgON aravonjra zus Grgıߣoregov' Zior ötre OYNUATE Fuvea none [2 x dıoi Teure" (folgen die neun Zeichen) zu$£worde zui Eregov zu gie, 0 z«),oVot ‚wölpgan Kurt Indovs onucivov ovder. zus Tü. EVER oxnara zur avıe Ivdıza Form 7 de rölpou yodparaı Ovrws, 0. 2) Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes Bd. I, S. 419. 3) In einem berühmt gewordenen Aufsatze: Journal of Bengal 1838, April p. 348. 4) Artikel Indien bei Ersch und Gruber. S. 264. 5) Zur Geschichte des indischen Zahlensystems (Zeitschrift für Kunde des Morgenlandes Bd. IV, S. 74). 6) Röth, Note 401 eitirt Clemens anne Stromat. 1% p- 304 AlESavögos ö2 Zu 10 zegi ITvsuyogızun syupßokan drmrosvaı TE 7005 rolzoıs There zui Boazuavow zov Ivsayogav Bovksrau. dass in der That die Null erst nacherfunden wurde und zu Pythagoras Zeiten noch gar nicht existirte,. Ich habe schon auf Maximus Planudes in dieser Be- ziehung hingewiesen. Weit schlagender sind indessen die Gründe, welche Broekhaus in dem angeführten Aufsatze besonders nach Rask!) entwickelt. Dort wird nämlich die seit wrältester Erinnerung auf der Insel Ceylon existirende Zahlenbezeichnung in Betracht ge- zogen, welche, sowie die Gesammtbildung jenes Volkes, aus Indien sich herdatire und unstreitig im fünften Jahr- hundert vor Chr. Geb. von dem Continente herüber ge- kommen sei. Diese Bezeichnungsweise lässt demnach einen Rückschluss auf die indischen Ziffern zu, wie sie noch hundert Jahre nach Pythagoras geschrieben wurden. Und so zeigt es sich denn, dass damals die Gruppen- zeiger allerdings noch immer geschrieben, nicht blos durch Position angedeutet wurden, dass demnach das Zeichen der Null gar nicht denkbar, dessen Erfindung jedenfalls mit dem Weglassen der Gruppenzeiger Hand in Hand gehen musste. Ich will nicht einmal eine an- dere Bemerkung von Brockhaus besonders hervorheben, dass die vielen Gruppennamen?) des alten Sanskrit wohl auf eben so viele verschiedene Gruppenzeiger hinweisen, so glaube ich doch nach dem Bisherigen die Annahme berechtigt, Zweierlei bei den alten Indern festgestellt zu sehen: das Benutzen von Gruppenzeigern und Werth- ziffern, welche jene Gruppenzeiger multiplieiren, und das Nichtvorhandensein der Null. Das ist es aber gerade, was wir bei Pythagoras wiederfinden, und somit hat der indische Ursprung unserer Ziffern auch innere Wahrscheinlichkeit®). Für Diejenigen, welche den Resultaten meines früheren Auf- satzes Glauben schenken, hoffe ich demnach, durch die gegebene Zusammenstellung das Sagenhafte der bis- herigen Annahmen in eine gesichertere Gestalt gebracht zu haben. Für Die aber, welche der Grundhypothese der Vermittelung des Pythagoras zur ältesten Einführung der Ziffern in Europa noch nicht beistimmen wollen, hoffe ich doch den Beweis geliefert zu haben, dass es mit der Einführung durch Inder und Araber nicht so ganz einfach zugegangen sein mag, wie sie wähnen, Die Existenz der in Asien ee esenen alten Systeme lässt zum mindesten darüber Ungewissheit zu, wie viel von der Erfindung den Indern, wie viel den Chinesen zukomme, und so dürften bei unseren Gegnern we- nigstens Zweifel rege gemacht sein, welche sie zu einem eigenen Studium der ältesten Zeichen führen mögen. Dann wird es auch nicht lange dauern, bis sie ganz zu unserer Ansicht bekehrt sein werden. 1) Rask, Singalesik Skriftläre. Kolombo 1821, 2) Es giebt solcher besonderen (nicht zusammengesetzten) Namen bis zu 1017, 3) Es bleiben zum Schlusse dieser Untersuchungen noch Nachforschungen über die präeise Zeit der Erfindung“ der Null anzustellen. Dazu scheint aber das bisher vorliegende Material noch nicht zu genügen und nur sehr hypothetisch möchte ich diese Erfindung vorläufig etwa in die Zeit des Arjabhat't’a setzen. 143 Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident : Professor Hesse. Professor Dr. Argelander spricht über die neuen Tafeln von Dr. Wolfers zur Reduction der Oerter der Sterne, als Fortsetzung der tabulae Re- giomontanae von Bessel. Der Redner entwickelt die Schwierigkeiten, welche in der Bestimmung der Fixsternörter eingetreten sind, seit- dem Bradley die scheinbaren Ortsveränderungen der Nutation und Aberration fand, und seitdem die Präces- sion durch genauere Theorien in verwickelteren For- meln dargestellt werden musste. Dazu kommt noch die eigene Bewegung der Fixsterne. Die Constante der Nutation war von Laplace, und die der Aberration von Delambre, letztere durch die Beobachtung der Jupiterstrabanten, bestimmt wor- den. Obgleich Bessel diese Grössen aus seinen Be- obachtungen etwas anders fand, so hielt er diese seine Ergebnisse nicht für genügend sicher gestellt, um sie bei der Aufstellung seiner tabulae Regiomontanae anzu- wenden; er behielt vielmehr die früheren bei. Seitdem wiesen aber gehäufte Beobachtungen immer entschiedener auf die Aufstellung neuer Tafeln mit den verbesserten Constanten. Eine solche Veränderung hat aber die grosse praktische Schwierigkeit, dass dadurch frühere und spätere Beobachtungen und Berechnungen ausser Verbindung kommen. Professor Dr. Zech gab daher 1350 eine Fortsetzung der Bessel’schen Tafeln auf 10 Jahre noch mit den alten Constanten heraus. Da das Bedürfniss einer Veränderung aber immer drin- gender wurde, so gab Professor W olfers neue Tafeln für 1860 bis 1880 mit den neuen Constanten heraus, im übrigen wesentlich von der Einrichtung der tabulae Regiomontanae. Der Redner gibt eine in’s Einzelne gehende Beschrei- bung der neuen Tafeln und hebt insbesondere hervor, dass bei der Aufstellung des Sternverzeichnisses zur Be- stimmung der Lage des Frühlingspunktes,. der Rectas- cension und Declination der einzelnen Sterne ein Mittel der Beobachtungsergebnisse von Bessel, Struve, Argelander, Airy u. A. mit Recht den Ergebnissen vorgezogen wurde, welche Ein Mann an Einem Orte und vielleicht mit Einem Instrumente fand; dass ferner zur Bestimmung der eigenen Bewegung der Fixsterne die Resultate benutzt wurden, welche Peters aus einer neuen Berechnung aus den Papieren Bessel’s über die Verbindung der Beobachtungen des letzteren mit denen Bradley’s fand, die fast vollständig mit denen Le- verrier’s übereinstimmen. Privatdocent Dr. Paul Escher aus Zürich spricht: Ueber den Flächeninhalt der Kugelzone. Bekanntlich enthalten die verschiedenen Lehrbücher der Stereometrie keine Formel, wornach man den Flä- cheninhalt der Kugelzone berechnen kann, wenn die Halbmesser der sie begrenzenden Parallelkreise und der Abstand der letzteren (die Zonenhöhe) gegeben sind — und doch ist dieser Gegenstand nicht nur an und für sich, sondern auch der Anwendungen wegen, welche er zulässt, wichtig genug, um einer nähern Betrachtung unterworfen zu werden. — Es ist nun hier freilich nicht der Ort anzugeben, auf welche Art oder gar auf wie vielerlei Arten sich eine hierauf bezügliche Formel her- stellen lässt*). Ich beschränke mich desshalb ein Re- sultat meiner Untersuchungen mitzutheilen und darauf eine geometrische Betrachtung zu gründen. Bezeichnen a und b die Halbmesser der die Zone begrenzenden Parallelkreise, h die Höhe und Z den Flächeninhalt der Zone, so existirt zwischen a, b, h und Z die Relation = nV [a + b)? + h?] [(a — b)? + h?]. Alsbald, nachdem ich diese Formel zum ersten Mal aufgestellt, bemerkte ich, dass sich in derselben der Ausdruck zur Rechten geometrisch deuten lässt. Stellt nämlich die aus den Geraden AB und CD und den Bögen AD und BD bestehende Linie ABCD einen Meridian der Zone, d. h. die Schnittlinie vor, welche auf der Oberfläche des Rumpfs, zu dem die Zone ge- hört, hervorgerufen wird, indem wir durch die Axe EF der Zone einen grössten Kreis AGQBCPD legen; zie- hen wir ferner die Geraden AC, BC und parallel mit der Axe EF die Gerade CH und nehmen wir zunächst an, der kleinere der beiden Halbmesser EC und FB habe b und der grössere FB habe a zur Länge; so sind die Längen der Linien *) In Betreff dessen sei verwiesen auf die im Verlag von Fr. Schulthess in Zürich erscheinende Schrift „die Berechnung vom Flächeninhalt der Kugelzone. Ein Beitrag zu jedem Lehrbuch der Stereometrie*. 144 CH, AH und BH beziehungsweise durch h, a-+b und a—b, also die der Linien AC und BC durch UV (a + b)?+ h? und V(a — b)? + h? ausgedrückt. Wir erhalten somit, weil — na V(a+b®?+h?. V’la—b)?—+n? ıst, zZ —nAC.EBC, was uns zu dem Satz führt: „Ziehen wir an die Endpunkte der einen der parallelen Geraden, welche Bestand- theile des Meridians einer Kugelzone bil- den, von einem Endpunkt der andern aus zwei gerade Linien, so finden wir, dass der Flächeninhalt der Kugelzone gleich dem Flächeninhalt einer Ellipse ist, die diese zwei Verbindungslinien zu Halbaxen hat, oder gleich dem Mantel eines Cylinders, dessen Grundfläche die eine dieser Verbin- dungslinienalsDurchmesserbesitzt unddes- sen Höhe gleich der andern dieser Verbin- dungslinien ist“, dessen rein geometrischer Beweis einfach so lautet: I. Bildet ABCD den Meridian und EF die Axe der Kugelzone und ziehen wir — zunächst unter der Vor- aussetzung, dass Halbmesser EC kleiner als Halbmesser FB ist — die Geraden AC, BC, den Kugeldurchmesser CG, sodann die Gerade AG und schliesslich parallel zu EF die Linie CH; so entstehen die ähnlichen Drei- ecke ACG und BCH. Es verhält sich somit CG :AC =BC:CH, woraus folgt, dass AC.BC=(G.CH und nAC.BC=n(0G.CH ist. Nach einem bekannten Satz der Stereometrie ist nun der Flächeninhalt Z der Kugelzone Z=n0G.CH ! und somit auch BB =znrREerBE II. Ist aber Halbmesser EC gleich den Halbmesser FB, so bildet die Gerade AC einen Kugeldurchmesser, wäh- rend die Gerade BC gleich der Zonenhöhe ist, woraus folgt, dass also unser Lehrsatz auch noch in diesem Falle richtig bleibt. III. Ist endlich Halbmesser EC grösser als Halb- messer FB, so können wir ähnlich dem in Nro. I. ge- führten Beweis zeigen, indem wir vorerst die Gerade AD ziehen, dass Z=nAC.AD und somit auch Z = 1n.AC..'BC sein muss. Der hier soeben bewiesene Lehrsatz ist insofern von Nutzen, als sich auf Grund desselben unmittelbar die Formel Z= nV [(a + b)? + h?2] [(a — b)? + h2] anschreiben lässt. Er gewährt ferner — namentlich für trigonometrische Untersuchungen — eine sehr schöne Ausbeute. die der Oeffentlichkeit zu übergeben jedoch einer besondern Abhandlung *) vorbehalten sein soll. Nur so viel sei mir noch zu sagen vergönnt: Verschieben wir den Parallelkreis mit dem Halb- messer EC parallel seiner ursprünglichen Lage, bis er mit dem Pol P zusammenfällt, so werden die Punkte C und D auf Punkt P zu liegen kommen und die Ge- raden AC und BC in die einander gleichen Geraden . AP und BP übergehen. Statt der Zone werden wir sodann die Kugelhaube ABCPD und statt einer Ellipse mit den Halbaxen AC und BC einen Kreis mit dem Halbmesser BP erhalten und somit auf den in einigen Lehrbüchern schon eingebürgerten Satz stossen, WOT- nach der Flächeninhalt der Kugelhaube ABCPD = nBP? gleich dem Flächeninhalt eines Kreises ist, der zum Halbmesser die Sehne hat, welche zum Bogen des Halb- Meridians der Haube gehört. Zu letzterenr Satz gelangen wir aber auch, wenn wir unsere Kugelzone dadurch zur Haube erweitern, dass wir den Parallelkreis mit dem Halbmesser FB pa- rallel seiner ursprünglichen Lage bis zum Pol Q ver- schieben; indem alsdann die Geraden AC und BC in den Geraden CQ zusammenfallen. Erweitern wir aber unsere Kugelzone zur vollstän- digen Kugelfläche, indem wir gleichzeitig auf die schon angegebene Weise den Parallelkreis mit dem Halbmesser EC bis zum Pol P und den mit dem Halbmesser FB bis zum Pol Q verschieben, so gehen die Geraden AC und BC in den Kugeldurchmesser PQ über. Wir stossen somit auf den Satz, wornach die Oberfläche der ganzen Kugel gleich dem Flächeninhalt eines Kreises ist, der zum Halbmesser den Durchmesser der Kugel besitzt. *) Der schon eitirten Schrift. 145 Dritte Sitzung am 20. September 1858. Präsident: (bei Verhinderung des gewählten Hofrath Redtenbacher) Professor Zeeh. Professor Zech: Ueber die verschiedenen Krümmungen in einem Punkt einer Fläche zweiten Grads. Die Krümmung in einem Punkt einer Fläche wird durch die Krümmungskreise der verschiedenen Normal- schnitte bestimmt. Denkt man sich die stetige Aufein- anderfolge dieser Krümmungskreise, so hat man eine Fläche, deren Anschauung sich im Allgemeinen nicht leicht gibt. Bei den Flächen zweiten Grades lässt sich eine leichte Anschauung der Krümmung dadurch ge- winnen, dass man sie auf die einer andern Fläche zwei- ten Grades in den Endpunkten einer Axe zurückführt. Wie dies geschieht, soll am Beispiel des Ellipsoids ge- zeigt werden. Die neuere Geometrie führt auf folgenden Satz: wenn man in einem Punkt N einer Ellipse die Normale NN’ (N’ der zweite Schnittpunkt mit der Ellipse) zieht und durch ihre Mitte O eine zu ihr Senkrechte und einen Durchmesser DD/’, so ist das Stück QQ’ der Senkrech- ten zwischen den Verbindungslinien ND und ND’ die eine, die Normale NN’ die andere Axe einer Ellipse, welche die gegebene in N oseulirt. Der analytische Beweis dafür ist folgender: Man nehme N zum Ursprung, NN’ zur Ordinatenaxe, senk- recht dazu die Abseissenaxe; dann ist die Gleichung der Ellipse: y?-+-Axy+Bx?’+(Cy=o dy Ay-+ 2Bx de 7 0 2y-r RE 2C D und D’ sind die Punkte, für welche die Tangen- ten der Ellipse der Ordinatenaxe parallel sind, also hat man für sie: woraus 2yt+tAxtC=o oder auch, weil die Gleichung der Ellipse y@y+4Ax+0C)+Bx?—y?=o sich schreiben lässt, Bx? Bee ayealan I Hayes x und man sieht leicht, dass dies die Gleichungen von ND und ND’ sind. Ferner ergibt sich aus der Ellipsen- gleichung für x = o: NN’ = —-C, aso NO =—1C und aus der Gleichung von ND: 0oQ 2 arg der Krümmungshalbmesser wie die Differentialrechnung ihn nach der allgemeinen Regel gibt. Denkt man sich nun in einem Punkt N eines Ellip- soides alle möglichen Normalschnitte und construirt man in jedem nach dem eben bewiesenen Satze die in N os- eulirende Ellipse, so fallen alle Durchmesser DD’ in Eine Ebene, den geometrischen Ort der Halbirungspunkte aller zur Normale parallelen Sehnen. Die Punkte D liegen also auf einer Ellipse, die Linien ND bilden einen Kegel und die Axen QQ’ sind die Durchmesser einer Ellipse. Folglich ist der Ort aller oseulirenden Ellipsen ein Ellipsoid, von welchem eine Axe die Normale ist, und die Krümmung in einem beliebigen Punkt ist so auf die im Endpunkt einer Axe zurückgeführt. Der Satz über die Summe der Krümmungen in zwei senkrechten Normalschnitten ergibt sich jetzt daraus, dass die Summe der reciproken Quadrate zweier zu ein- ander senkrechter Halbmesser einer Ellipse constant ist. Professor Frisch: Ueber seine Ausgabe der Werke Keplers. — Der Redner zeigt den ersten Band und Bogen des im Druck begriffenen zweiten Bandes dieser Ausgabe, welche 8 Bände umfassen wird, und einen Steindruck eines auto- graphischen Briefes Keplers vor. Er gibt kurz den Inhalt des ersten Bandes an, erläutert, dass er die chro- nologische Reihenfolge der Entstehung beibehalten, dass er die oft sehr umfangreichen Briefe wegen der Man- nigfaltigkeit ihres Inhaltes dem Gegenstande nach ge- spalten und den Schriften, von denen sie handeln, vor- gesetzt, und endlich, dass er die beigefügten Notizen lateinisch geschrieben habe, weil auch Kepler sich meist dieser Sprache bedient, und ausserdem, damit auch für die Nichtdeutschen keine Schwierigkeit entstände. Der Redner führt an, dass er durch 25 Jahre grosse Mühe und Mittel dieser Arbeit zugewendet, indem er die Hauptquelle, nämlich die Petersburger Manuseripte, 24 meist von Kepler selbst geschriebene Folianten, welche ihm durch Professor Struve zur Benutzung verschafft wurden, theils selbst abgeschrieben, theils von anderen habe abschreiben lassen, dass er Reisen und Nachforschungen angestellt; dass auch die Theilnahme in Deutschland über Erwarten gross, dagegen in Eng- land und Frankreich sehr klein ausgefallen sei; damit nun das weitere Erscheinen dieses Werkes nicht in Frage gestellt werde, fordert er die Versammlung auf, seine Verbreitung möglichst zu unterstützen. 19 146 Dr. Weiler von Mannheim: Ueber die Reduction der partiellen Differentialglei- chung der ersten Ordnung mit n + 1 Veränder- lichen auf eine Differentialgleichung der n!e Ord- nung mit nur zwei Veränderlichen. Das allgemeine Integral der partiellen Differential- gleichung: dz dz — W dx Rn dw d 1. a a apa dy worin Z, Y,X,W... Functionen der n— 1 Ver- änderlichen z y x w sind, hat bekanntlich die Form Vlaßy-.)=o, wo ı eine willkührliche Function, «ßy... aber be- stimmte Functionen der Veränderlichen vorstellen. Die Funetionen & ß y.- - . sind der einzigen Bedingung unterworfen, dass jede von ihnen die Gleichung ds ds ds ds 2. Z y -X W Ba dz as dy er dw 7 e befriedige, wenn sie an die Stelle von s eingeführt wird; nur das allgemeine Integral der partiellen Differenzial- gleichung 1. ist demnach bekannt, sobald n verschiedene Gleichungen e=a,ß=b, N: 5 u. s. w. vorliegen, welche dieser Differentialgleichung genügen, und welche ausser den n Beständigen a,b, ce... keine weiteren willkürlichen Grössen einschliessen. Die Bestimmung dieser Functionen hat aber eigen- thümliche Schwierigkeiten, da es keine allgemein eültige Regel gibt, wornach dieselben sich entwickeln liessen. Die Bestimmung gelingt immer nur für besondere Fälle, wenn nämlich die Coeflieienten ZYX W... mehr be- sondere Formen annehmen, oder wenn dieselben gewisse Beziehungen unter einander eingehen. Aber auch dazu gelangt man immer nur versuchsweise. Man mache nämlich, indem man die besondere Form der partiellen Differentialgleichung 1. im Auge behält, eine Annahme in Bezug auf das Vorkommen der Veränderlichen in «, und untersuche alsdann, ob dasjenige, was in « noch unbestimmt geblieben ist, so angegeben werden kann, dass man der Gleichung 2. Genüge leistet. Hätte man z. B. das Vorkommen aller n + 1 Veränderlichen in « festgestellt, in der Weise, dass eine Anzahl unbestimmter Beständigen darin Platz nähme, so würde die Rechnung darauf zurückkommen, diese Beständigen wo möglich so anzugeben, dass die Voraussetzung, von der man ausging, Bestand hat. Wenn es auf die Bestimmung der Functionen @ ß y... ankommt, so begegnet man demnach gewissen Schwierigkeiten, welche um so grösser sind, je mehr Veränderliche in der partiellen Differen- tialgleichung vorkommen; und man hat im Voraus niemals die Gewissheit, ob es überhaupt gelingt, diese Funetionen in endlicher Form darzustellen. Man hat bei der Bestimmung der Funetionen «ßy... noch einen andern Weg eingeschlagen. Wenn nämlich das System der n Gleichungen: r dx r ae 2. = N zz dz z dz —=/W u. s. w. vorliegt, so ergeben sich daraus die n Verän- derlichen yx w... als Functionen der einzigen Ver- änderlichen z. Das Integral des vorliegenden Systems besteht demnach aus n endlichen Gleichungen zwischen den n—+- 1 Veränderlichenzyxw... und man kann sich leicht davon überzeugen, dass dieselben gleichbe- deutend sind mit den obigen: N a ir u. s. w., welche die Differentialgleichung 1. befriedigen. Denn wenn man die Gleichung @ —= a der Differentiation unterwirft, und dabei die Veränderlichen yx w...als Functionen von z ansieht, so entsteht: da d« dy dz dy dz dx dd dw dz Mit Rücksicht auf das obige System von Diffe- rentialgleichungen aber geht dies über in: da da en a on dx dw da dx d« dw ne ...=o0 Z B4 dz es dy was in der That identisch ist mit der Differentialglei- chung 2. Wenn es also gelingt, das obige System 3. zu integriren, oder die Veränderlichen yxw... als Functionen von z daraus abzuleiten, so gelangt man in Folge des so eben nachgewiesenen Zusammenhangs auch zu dem Integral der partiellen Differentialglei- chung 1. Um zunächst y als Function von z darzu- stellen, eliminire man die übrigen abhängigen Veränder- lichen yx w... aus dem System 3. Diese Elimination kommt jedesmal dadurch zu Stande, dass man jede der n Gleichungen des Systems 3, n mal nach einander dif- ferentiirt. Indem man alsdann aus diesen n? Gleichungen die n — 1 übrigen abhängigen Veränderlichen und deren Differentialquotienten, also im Ganzen (n— 1) (n+1)= n?— 1 Grössen eliminirt, gelangt man jedenfalls zu einer Differentialgleichung der n‘" Ordnung von der Form: d’y dz" 4. pP: =(, worin P und @ Functionen der beiden Veränderlichen : x - d z und y und der n— 1 Differentialquotienten I yY» dz 2 n—1 d’y d A Ce yı E (n—1) sind. dz? dz"- Kennt man nun das allgemeine Integral der Difte- rentialgleichung 4. mit seinen n willkürlichen Bestän- digen, so wird man dasselbe n — 1 mal nach einander differentiiren, um daraus mit Hülfe der vorhin erwähnten Differentialgleichungen, woraus die Gleichung 4. abge- leitet worden ist, die n — 1 Differentialquotienten y’ y’...y zu eliminiren. Auf diese Weise erhält man n verschiedene Gleichungen zwischen den n—+1 Veränderlichen zy x w..., welche das allgemeine Integral des obigen Systems 3. darstellen. Indem man aus diesen n endlichen Gleichungen die n willkürlichen u 27 Beständigen a,b,e ... entwickelt, erhält man die obigen Formen: a=a,ß=b,y=e u. s. w., welche vorhin unmittelbar aus der partiellen Differentialgleichung 2. abgeleitet worden sind. Dies also ist jener andere Weg, den man bei der Bestimmung des allgemeinen Integrals der partiellen Differentialglei- chung 1. eingeschlagen hat. Mit vollem Recht betrachtet man das Problem der Integration als vereinfacht, wenn die Differentialglei- chung auf eine andere zurückgeführt ist, bei deren Integration die gesuchte Function von weniger Ver- änderlichen abhängt als vorher. Man hat daher vielfach der Meinung Raum gegeben, dass durch die Reduction der partiellen Differentialgleichung der ersten Ordnung mit n—+ 1 Veränderlichen auf eine Differentialgleichung der n‘“” Ordnung mit nur zwei Veränderlichen die Inte- gration der partiellen Differentialgleichung eigentlich abgethan sei. Denn da diese Reduction jederzeit möglich sei, so habe man es von nun an nur mit den Difte- rentialgleichungen höherer Ordnung mit nur zwei Ver- änderlichen zu thun. Allein diese Meinung ist sicherlich eine irrige. Der Zusammenhang zwischen dem Integral der partiellen Difierentialgleichung erster Ordnung und dem einer Differentialgleichung höherer Ordnung mit nur zwei Veränderlichen ist zuerst von Lagrange nachgewiesen worden, und wird jederzeit als eine sehr dankenswerthe Bereicherung der Analysis zu betrachten sein. Doch macht dieselbe auf eine andere Deutung Anspruch, als die, welche vorhin angegeben worden ist. Es schien mir leicht, dies in wenigen Worten darzulegen, und dies gab’ Veranlassung zu dem vor- liegenden Versuch. Ich fasse desshalb zunächst die Integration der Dif- ferentialgleichung der n“" Ordnung: 4. Ey = Q mit den zwei Veränderlichen z und y näher in’s Auge. Man weiss, dass die allgemeine Integration nur durch die Bestimmung des ersten Integrals zu Stande kommt, oder derjenigen Differentialgleichung der n — 1" Ord- nung, durch deren einmalige Differentiation die Glei- chung 4. wieder entsteht. Nachdem man das erste Integral aufgefunden hat, kann man zum zweiten Inte- gral aufsteigen u. s. f., um schliesslich die endliche Gleichung zu erhalten; oder man kann auch die n ver- schiedenen ersten Integrale ableiten, da man durch die Elimination der n — 1 Differentialquotienten y', y“... y" auch wieder das allgemeine Integral in endlicher Form darstellt. Bezeichnet man das erste Integral durch @=a,wo a die willkürliche Beständige ist, so ent- steht durch die Differentiation: RE Ever, Man eliminire damit den Differentialquotienten y” aus der Gleichung 4. und man erhält: da « 1 d d \ eltern tert. )+02,=0 dz dy y dyr=d 147 Daraus muss @ bestimmt werden; denn es gibt in der That kein anderes Mittel, welches hiervon wesent- lich abweicht, um zu dem ersten Integral zu gelangen. Die Gleichung 5. ist aber nichts anderes als eine partielle Differentialgleichung der ersten Ordnung mit n+1 Veränderlichen. Denn ausser den beiden Veränder- lichen z und y finden noch die n — 1 Differentialquo- tienten y' y“.... y"” darin eine Stelle, welche bei der Gewinnung des ersten Integrals als unabhängige Veränderliche auftreten. Das erste Integral « kann demnach durchaus nicht anders gewonnen werden, als auch diejenigen Functionen, welche der ursprünglichen partiellen Differentialgleichung 2. genügen. Man irrt also, wenn man glaubt, da durch die Reduction von Lagrange die partielle Differentialgleichung mit n +1 Veränderlichen auf eine Differentialeleichung mit nur zwei Veränderlichen zurückgeführt wird, dass es sich dann um die Bestimmung einer Function handle, welche von nur zwei Veränderlichen abhängig is. Man muss vielmehr die Gleichung 5. nur als eine Transformation der Gleichung 2. betrachten, da nämlich an die Stelle der Veränderlichen x, w.... die neuen Veränderlichen y, y" ... eingetreten sind. Es ist auch sonst kein Grund vorhanden, dass die Functionen der partiellen Ditfferentialgleichung 5. einfacher sich darstellen, oder leichter gewonnen werden sollten, als die der ursprüng- lichen partiellen Differentialgleichung 2., denn die er- wähnte Transformation steht in gar keinem Zusammen- hang mit der besonderen Beschaffenheit der Functionen; und doch wird eine Transformation immer nur dann der Ermittelung dieser Functionen Vorschub _ leisten, wenn dieselbe auf deren besondere Eigenthümlichkeiten sich stützt. Man möchte aber um so weniger veranlasst sein, die bezeichneten Transformationen durchzuführen, als dieselben allein schon schwierige und vielleicht un- ausführbare Rechnungen herbeiführen. Nach diesen Bemerkungen wird es wohl kaum mehr zweifelhaft sein, worin denn die eigentliche Leistung jener Reduetion von Lagrange bestehe. Wenn man die partielle Differentialgleichung 1. dadurch nicht auf eine Differentialgleichung der n“” Ordnung mit nur zwei Veränderlichen zurückführen soll, so wird man denn doch einen grossen Vortheil daraus ziehen bei der Lösung eines anderen Problems. Wenn nämlich das System der Gleichungen: a dz dz dz u. s. w. vorliegt, so braucht man nun nicht, um das allgemeine Integral darzustellen, den oben angedeuteten Weg zu verfolgen, man braucht also nicht jene weitläufi- gen Transformationen vorzunehmen, um so endlich zu der Differentialgleichung der n“” Ordnung 4. Eyar—ı0 zu gelangen. Nach Lagrange wird man vielmehr ohne alle weitere Rechnung jene partielle Differential- gleichung: ıg* 148 da da da da Eee Sen ee Te a en Dan 5 anschreiben, und daraus dann die n endlichen Glei- chungen: Feen vyst u. s. w. ableiten, welche das allgemeine Integral jenes Systems von Differentialgleichungen darstellen. Man könnte einwenden, dass Alles, was bis dahin aufgestellt worden ist, von der Voraussetzung ausgehe, dass man bei der Integration der Differentialgleichung der n‘“* Ordnung 4. Py” —Q zunächst das erste Integral darstellen müsse. Doch wird durch diesen Einwand an den Folgerungen, wozu wir gelangt sind, nur wenig geändert. Denn bis dahin geben die linearen Differentialgleichungen den einzigen Fall, wo man nicht auf die Bestimmung des ersten Integrals einzugehen braucht, sondern sogleich die endliche Gleichung als Function von nur zwei Ver- änderlichen z und y darzustellen im Stande ist. Hat man nämlich die lineare Differentialgleichung: 6. PO + PR MI LBRYDLE Spy, wo PP, P,... Functionen der einzigen Veränder- lichen z sind, so hat man bekanntlich das allgemeine Integral: y- zu tahnt-:.-+%Y% 3 wo yı Ya - - . bestimmte Functionen der Veränderlichen z vorstellen, welche der Differentialgleichung 6. an der Stelle von y genügen. Da dann die versuchsweise Be- stimmung sich auf eine Function bezieht, welche nur von einer einzigen Veränderlichen abhängt, so ist aller- dings Aussicht da, dass man hierbei eher zum Ziel kommt, als bei der Bestimmung der Functionen a, , Y... aus der Differentialgleichung 2., da hierbei n+1 verschiedenen Veränderlichen eine Stelle anzuweisen ist. In solchen Fällen also, wenn die Differentialgleichung der n‘“* Ordnung linear sich gestaltet, könnte es der Mühe werth sein, jene Transformationen vorzunehmen, welche die lineare Differentialgleichung herbeiführen. Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Hofrath Redtenbacher. Der angekündigte Vortrag von Professor Schwerd aus Speier — über ein von ihm construirtes Photometer zur Bestimmung der Helligkeit der Fixsterne — wurde in der physikalischen Section gehalten. Fünfte Sitzung am 22. September 1858. Präsident: Hofrath Redtenbacher. Der Präsident sagt der Versammlung ein herz- liches Lebewohl. Darauf forderte Professor Argelander die Section auf, ihrem Secretär für seine mühevolle und freundliche Geschäftsführung ihren aufrich- tigen, warmen Dank auszusprechen, welchem Vor- schlage die Anwesenden in ihrem und ihrer schon abgereisten Genossen Namen aus freudigem Herzen beistimmten, und zugleich verlangten, dass dieser Dank in’s Protocoll aufgenommen werde. V. Section für Physik. Erste Sitzung am 17. September 1858. Präsident: Professor Dov&. Professor G. Wiedemann von Basel: Ueber die Beziehungen zwischen Magnetismus, Torsion und Wärme, Eine Reihe von Beobachtungen über den Einfluss der Torsion von Eisen - und Stahlstäben auf den ihnen vorübergehend oder dauernd ertheilten Magnetismus, so wie andere Versuche in Bezug auf die Einwirkung des Magnetisirens auf die Torsion von Eisen- und Stahl- Drähten veranlassten mich zu untersuchen, ob nicht überhaupt zwischen dem mechanischen und magnetischen Verhalten der Körper gewisse Analogieen festzustellen wären. Es würde hier zu weit führen, die Details der ein- zelnen Versuche näher zu beschreiben, und es mag da- her erlaubt sein, nur die in beiden Feldern erhaltenen Resultate einander gegenüber zu stellen. Torsion. 1. Die temporären Torsionen eines zum ersten Male durch auf- steigende Kräfte tordirten Drah- tes wachsen schneller als jene Kräfte. 2. Die permanenten Torsio- nen verhalten sich ebenso, stei- gen indess noch viel schneller an. 3. Zur Detorsion des Drahtes ist eine viel kleinere Kraft er- forderlich als zur Torsion. 4. Bei wiederholten Torsionen des Drahtes nähern sich seine Drehungen mehr und mehr der Proportionalität mit den drehen- den Kräften. Sie sind dabei An- fangs stärker, als bei der ersten Torsion. 5. Bei Anwendung derselben tordirenden und detordirenden Kräfte G und G, sinkt das bei der Torsion erreichte Maximum der Drehung und steigt das bei Magnetismus 1. Die temporären Magnetis- men eines zum ersten Male durch aufsteigende galvanische Ströme magnetisirten Stahl- oder Eisen- Stabes wachsen schneller als die Intensitäten jener Ströme. 2. Die permanenten Magne- tismen verhalten sich ebenso, steigen indess noch viel schnel- ler an. 3. Zum Entmagnetisiren ist ein dem Magnetisirenden entge- gengesetzter Strom von viel ge- ringerer Intensität erforderlich, als zum Magnetisiren. 4. Bei wiederholten Magneti- sirungen des Stabes nähern sich seine Magnetismen mehr und mehr der Proportionalität mit magnetisirenden Strömen. Sie sind dabei Anfangs stärker, als bei der ersten Magnetisirung. 5. Bei Anwendung derselben magnetisirenden nnd entmagne- tisirenden Ströme J und J, sinkt dabei das bei der Magnetisirung erreichte Maximum des Magne- ‘ Torsion. der Detorsion erreichte Mini- mum derselben bis zu einer ge- wissen Grenze. 6. Ein tordirter Draht, der dureh eine Kraft — G detordirt ist, kann durch wiederholte Wir- kungen der Kraft — G nicht nach einer, seiner ersten Torsion ent- gegengesetzten Richtung tordirt werden. Wohl aber giebt ihm dann die Kraft 4- G eine Tor- sion im ersten Sinne. 7. Wird ein Draht, der die permanente Torsion A besitzt, durch die Kraft b auf die Tor- sion B, und sodann auf die Tor- sion C, welche zwischen A und Bliegt, gebracht, so bedarf man, um ihm wieder die Torsion B zu geben, wiederum der Kraft b. Hierbei kann A auch 0 sein, und B grösser oder kleiner als A. 8. Die Torsion eines Drahtes wächst, wenn er während der Ein- wirkung dertordirenden Kraft er- schüttert wird. 9. Die permanente Torsion ei- nes Drahtes nach Aufhebung der tordirenden Kraft nimmt durch Erschütterungen ab. 10. Ein tordirter und dann detordirter Draht erhält beim Erschüttern eine Torsion im frü- heren Sinne. — War die Detor- sion nur theilweise, so detordirt oder tordirt sich der Draht durch Erschütterungen je nach der Grösse der Detorsion. 149 Magnetismus. tismus und steigt das bei der Entmagnetisirung erreichte Mi- nimum desselben bis zu einer gewissen Grenze. 6. Ein magnetisirter Stab, der durch den Strom von der In- tensität — .J entmagnetisirt ist, kann durch wiederholte Einwir- kung dieses Stromes nicht einen der ersten Magnetisirung entge- gengesetzten Magnetismus erhal- ten. Wohl aber magnetisirt ihn dann ein Strom von der Inten- sität 4- J im ersten Sinne. 7. Wird ein Stab, der den permanenten Magnetismus A be- sitzt, dureh einen Strom von der Intensität b auf den Magnetis- mus B, und sodann auf den Magnetismus C, welcher zwi- schen A und B liegt, gebracht, so bedarf man, um ihm den Magnetismus B wieder zu geben, wiederum des Stromes b. Hie- bei kann A auch 0 sein, und B grösser oder kleiner als A. 8. Der Magnetismus eines Sta- bes wächst, wenn er während der Einwirkung der magnetisi- renden Kraft erschüttert wird. 9. Der permanente Magnetis- mus eines Stabes nach Aufhe- bung der magnetisirenden Kraft nimmt durch Erschütterungen ab. 10. Ein magnetisirter und dann entmagnetisirter Stab er- hält beim Erschüttern von Neuem Magnetismus im früheren Sinne. War die Entmagnetisirung nur theilweise, so entmagnetisirt sich der Stab durch Erschüttern wei- ter oder magnetisirt sich wieder, je nach der Grösse der Ent- magnetisirung. 150 Torsion. 11. Die permanente Torsion der Eisendrähte nimmt mit der Magnetisirung ab, und zwar in einem mit wachsender Magneti- sirung abnehmenden Verhältniss. 12. Wird ein tordirter und magnetisirter Eisendralt magnetisirt, so ändert sich seine Torsion kaum. Eine wiederholte Magnetisirung nach derselben Richtung wie vorher, vermindert die Torsion desDrahtes nur noch sehr wenig. Wird der Draht in- dess in dem entgegengesetzten Sinne magnetisirt, so tritt von Neuem eine starke Verminde- rung der Torsion ein. ent- 13. Ist ein Draht durch öf- teres Hin- und Hertordiren so weit detordirt, als dies durch die Magnetisirung möglich ist, so nimmt er nun in der einen Mag- netisirung ein Maximum, bei der entgegengesetzten ein Minimum der Torsion an. 14. Ein tordirter Draht, dem durch eine der ersten entgegen- gesetzte Drehung ein Theil sei- ner Torsion entzogen ist, ver- liert bei geringer Magnetisirung viel weniger von seiner Tor- sion als ein gewöhnlich tordirter Draht. Ein Drah‘, dem ein grös- serer Theil der Torsion entzo- gen ist, zeigt bei der Magneti- sirung zuerst eine stärkere Tor- sion als unmagnetisirt. Eine stär- kere Magnetisirung bewirkt ein Anwachsen der Torsion bis zu einem Maximum; eine noch stär- kere aber eine Abnahme dersel- ben. — Je grösser die Detor- sion des tordirten Drahtes ge- wesen ist, desto stärker muss die Magnetisirung sein, bis das Maximun erreicht ist. Istz.B. der Draht völlig detordirt, so nimmt er bei der Magnetisirung wieder einen Theil der früheren Torsion an, und diese wächst mit zunehmender Magnetisirung. 15. Wird ein Draht magne- tisirt, während er unter dem Einfluss der tordirenden Kraft di. ist. Magnetismus. 11. Der permanente Magne- tismus der Stahlstäbe nimmt mit der Torsion derselben ab, und zwar in einem mit wach- sender Torsion Verhältniss. abnehmenden 12. Wird ein magnetisirter Stab nach der Torsion wieder in seine Gleichgewichtslage zu- rückgeführt, so ändert sich sein Magnetismus nur wenig. Eine Torsion nach derselben Rich- tung wie vorher, vermindert den Magnetismus des Stabes nicht bedeutend. Wird der Stab in- dess in der entgegengesetzten Richtung tordirt, so tritt von Neuem eine starke Verminde- rung seines Magnetismus ein. 13. Ist ein Stab durch öfteres Hin- und Hertordiren so weit entmagnetisirt, als diess durch Torsionen innerhalb bestimmter Greuzen möglich ist, so nimmt er nun in der einen Lage der Tor- sion ein Maximum an Magne- tismus, in der entgegengesetzten ein Minimum desselben an. 14. Ein magnetisirter Stab, der durch eine der ersten entgegen- gesetzte Magnetisirung theilweise entmagnetisirt ist, verliert bei geringer Torsion viel weniger an Magnetismus, als ein gewöhn- lich magnetisirter Stab. Ein Stab, dem ein grösserer Theil seines Magnetismus entzogen ist, zeigt bei der Torsion zuerst eine stär- kere Magnetisirung, als nicht tordirt. Eine stärkere Torsion bewirkt eine Zunahme des Mag- netismus bis zu einem Maximum; eine noch stärkere aber eine Abnahme desselben. Je grösser die Entmagnetisirung des mag- netischen Stabes gewesen ist, desto stärker muss die Torsion sein, bis das Maximum erreicht Ist z. B. der Stab völlig entmagnetisirt, so nimmt er bei der Torsion wieder einen Theil seines früheren Magnetismus an, und diese wächst mit zunehmen- der Drehung. 15. Wird ein Stahlstab tor- dirt, während er unter dem Ein- Huss des magnetisirenden Stro- Torsion. steht, so nimmt seine Torsion bei schwacher Magnetisirung zu, bei stärkerer ab. 16. Wird ein bei gewöhnli- cher Temperatur tordirter Draht erwärmt, so vermindert sich seine Torsion. Bei der Mbküh- lung erhält er einen Theil sei- nes Verlustes wieder. — Nach wiederholten Temperaturwech- seln entspricht dann jeder Tem- peratur eine bestimmte 'Torsion des Dralites, die um so kleiner ist, je höher die Temperatur ist. 17. Ein bei höherer Tempera- tur tordirter Draht verliert beim Abkühlen an Torsion. zweiten Erwärmen verliert er Beim noch einmal an Torsion; beim zweiten Abkühlen nimmt die- selbe indess wieder zu. 18. Ist ein bei höherer Tem- peratur tordirter Draht vor dem Abkühlen erschüttert worden, so vermehrt sich seine Torsion gleich bei der ersten Abkühlung. 19. Ein tordirter Draht, der theilweise detordirt worden ist, verliert beim Erwärmen um so weniger an seiner Torsion, je | grösser die Detorsion gewesen Beim Abkühlen erhält er dann von Neuem eine Torsion, ist. die um so grösser ist, je weiter der Draht vor der Erwärmung detordirt worden ist. Magnetismus. mes steht, so nimmt sein Mag- netismus bei schwacher Torsion zu, bei stärkerer ab. 16. Wird ein bei gewöhnli- cher Temperatur magnetisirter Stab erwärmt, so vermindert sich sein Magnetismus. Beim Abkühlen erhält er einen Theil seines Verlustes wieder. Nach wiederholten Temperaturwech- seln entspricht dann jeder Tem- peratur ein bestimmter Magne- tismus des Stabes, der um so kleiner ist, je höher die Tem- peratur ist. 17. Ein bei höherer Tempera- tur magnetisirter Stab verliert beim Abkühlen an Magnetismus. Beim zweiten Erwärmen verliert er noch einmal an Magnetismus; beim zweiten Abkühlen nimmt derselbe indess wieder zu. 18. Ist ein bei höherer Tem- peratur magnetisirter Stab vor dem Abkühlen erschüttert wor- den, so vermehrt sich sem Mag- netismus gleich bei der ersten Abküblung. 19. Ein dann theilweise entmagnetisir- Stab verliert beim Erwär- magnetisirter und ter men un so weniger an Magne- tismus, je grösser die Entmag- netisirung Beim Abkühlen erhält er dann von Neuem Magnetismus, und die- ser Zuwachs an Magnetismus ist um so grösser, je stärker die Entmagnetisirung vor dem Erwärmen gewesen ist. gewesen ist. Bei der Biegung von Stäben erhält man ganz ähnliche Resultate, wie bei ihrer Torsion. Eine Begründung der sich aus den vorliegenden Sätzen ergebenden Analogie zwischen dem Verhalten der tordirten und magnetisirten Körper lässt sich aus der Annahme ableiten, dass bei der Magnetisirung die magnetischen Molecüle der Körper eine bestimmte Lage einnehmen, und dabei um ihren Schwerpunkt gedreht werden. Stellen sich dieser Drehung ähnliche Bewegungshin- dernisse in den Weg, wie sie bei der Verschiebung der einzelnen Theile der Körper aneinander, wie z. B. bei der Torsion und Biegung auftraten, so müssen sich auch in dem Gebiete des Magnetismus analoge Phäno- nn mene ergeben, wie auf dem der mechanischen Gestalts- Veränderungen der Körper. Eine weitere Ausführung dieser Anschauungen, welche hier nieht zulässig erscheint, wird die Abhandlung des Verfassers über den vorliegenden Gegenstand in Pog- gendorffs Annalen enthalten. Professor Dr. Freiherr v. Feilitzsch führte eine Vergleichung des elektrostatischen Grundge- setzes mit dem elektrodynamischen in folgender Weise durch: Füllt man eine isolirte Metallkugel mit positiver und eine andere mit negativer Elektrieität, so beobachtet man ein Bestreben beider Kugeln sich anzuziehen. Um- gekehrt beobachtet man ein Bestreben, sich von einan- der zu entfernen, wenn beide Kugeln mit derselben Elektrieität gefüllt werden. Hieraus schliesst man: dass zwei mit ungleichnamigen Elektrieitäten geladene Körper sich anziehen, zwei mit gleichnamigen geladene sich abstossen. — Versieht man ferner eine von beiden Kugeln mit Elek- troseoppendeln, füllt sie mit Elektrieität und nähert die andere mit entgegengesetzter Elektrieität gefüllte Kugel an, so beobachtet man eine vermehrte Divergenz der zugekehrten, eine verminderte der abgewandten Pendel. Umgekehrt beobachtet man eine vermehrte Divergenz der abgewandten und eine verminderte der zugekehrten Pendel, wenn die anzunähernde Kugel und die mit den Pendeln versehene mit gleichnamigen Elektrieitäten gefüllt sind. Aus diesen letzten Versuchen im Verein mit den vorigen schliesst man aber, dass nicht al- lein die mit entgegengesetzten oder gleich- namigen Elektrieitäten geladenen Körper, sondern vielmehr die Elektrieitäten selbst sich bezüglich anziehen oder abstossen, und dass die zuerst beobachtete Categorie von Erscheinungen daher rührt, dass die Anzie- hung und Abstossung von den elektrischen Kräften auf ihre Träger übertragen wor- den sind. Mit diesen elektrostatischen Erscheinungen der An- ziehung und Abstossung wurden nun die elektrodynami- schen verglichen, die darin bestehen, dass zwei Lei- ter sich anziehen, wenn sie von parallelen und gleich gerichteten, sich aber abstossen, wenn sie von parallelen und entgegenge- setzt gerichteten galvanischen Strömen durch- flossen werden, und es wurde die Frage aufgewor- fen: Ist dieUrsache der elektrodynamischen Wechselwirkung begründet in einer Anziehung oder Abstossung, welche die galvanischen Ströme als solche auf einander ausüben, oder ist sie vielmehr in einer Anziehung und Ab- stossung zu suchen, welche die leitenden Körper auf einander ausüben in Folge des- sen, dass sie von galvanischen Strömen durchflossen werden? Würden sich nun galvanische Ströme, abgesehen 151 von ihren Trägern, anziehen und abstossen wie ungleich- namige oder gleichnamige Elektrieitäten, so müsste sich solches durch eine Reihe von Versuchen kundgeben, welche der Vortragende angestellt hatte, und von denen die folgenden mitgetheilt werden mögen: Es waren drei flache Spiralen a, b, e aus je 43 Meter übersponnenem Kupferdraht angefertigt worden. Zwei dieser Spiralen schlossen gleichzeitig und neben einan- der denselben Rheometer o, führten aber vor ihrer Wie- dervereinigung zu den beiden Drähten eines Differential- galvanometers y, von denen jeder etwa 200 Windungen um ein astatisches Nadelpaar machte, so zwar, dass beide Drähte vom Strome im entgegengesetzten Sinne durchflossen wurden. In eine dieser nebeneinander her- gehenden Partialschliessungen war ein Rheostat s ein- geschalten mit dessen Hülfe die nach entgegengesetzten Richtungen abgelenkte Nadel den Multiplieatorwindungen genau parallel gestellt wurde, Die Vorrichtung besass jetzt eine so grosse Empfindlichkeit, dass die Ein- oder Ausschaltung eines Messingdrahtes von 2 Millimeter Durchmesser und einem Decimeter Länge die Galvano- meternadel um 5° ablenkte. Demnächst wurde die Spi- rale a ebenfalls durch einen kräftigen Strom erregt und auf die Spirale d gelegt. Obschon nun im Moment der Annäherung der in 5 hervorgerufene Induetionsstrom die Galvanometernadel mit Heftigkeit gegen die Hem- mungen warf, ging dieselbe doch sofort wieder genau nach dem Nullpunkt der Theilung zurück. Hätte aber der Strom in a den Strom in b angezogen. so wäre das so gut gewesen, als ob b ein besserer Leiter ge- worden sei als früher, es hätte also das Gleichgewicht am Galvanometer dauernd gestört werden müssen. — Eine Umkehr des Stromesrichtung in a gab eben so wenig einen dauernden Ausschlag. Cylindrische Spi- ralen von noch beträchtlicherer Drahtlänge verhielten sich ebenso, mochte a in b oder bin a stecken. Auch wenn die innere Spirale im letzten Fall durch einen Magneten oder durch einen Cylinder von weichem Eisen substituirt wurde, blieb der Versuch derselbe. Wurden in die Partialschliessungen 5 und ce gesonderte Galvanometer eingeschalten, und wurden gerade im Zimmer umbhergelegte Drähte statt der Spiralen ge- braucht, so konnte ebensowenig eine dauernde Aen- 152 derung im Stand des Galvanometers bei Gegenwart oder bei Abwesenheit der Leitung « beobachtet werden, als in den ersten Fällen. . Würde ferner der Magnet auf den galvanischen Strom die bekannte Richtkraft ausüben, so dürfte der Versuch Barlow’s nur gelingen, wenn das Rad stern- förmig ausgeschnitten ist und blos mit den Spitzen in das Quecksilber taucht. Da dieser Versuch aber eben so gut gelingt, wenn man sich einer massiven Metall- scheibe bedient, wo doch der Strom stets unter den- selben Bedingungen gegen den Magneten verharrt und nur die durchströmte Materie ihre Lage ändert, so muss auch hier die zweite der oben ausgesprochenen Alter- nativen statt haben. — Die hier mitgetheilten Versuche betrachtet der Vor- tragende allerdings nur als vorläufige, die er zu ver- vollständigen und zu erweitern gedenkt. Dennoch glaubt er auf dieselben schon jetzt die Ueberzeugung stützen zu dürfen, dass die von Ampere und Örsted ent- deckten elektrodynamischen und elektromagnetischen Wechselwirkungen nicht ohne Weiteres aus einer An- ziehung oder Abstossung der in ihnen in Bewegung be- findlichen Elektrieitäten zu erklären seien, dass vielmehr dabei ein Confliet der galvanischen Thätigkeit mit ihrem Träger statthaben müsse, welcher des Nachweises noch mangele. Professor Dove von Berlin machte, ehe er zu einigen Versuchen überging, die sehr richtige Bemerkung, dass nicht jeder in der Lage sei, sich zur Wiederholung interessanter und neuer Ex- perimente die nöthigen Apparate anzuschaffen. Mancher Versuch indueirt aber den Zuschauer zu Ansichten, welche oft von wesentlichen Folgen sind. Es mag darum von Wichtigkeit sein, dass auch in künftigen Versamm- lungen der Grundsatz festgehalten werde, zu den be- reits beschriebenen Arbeiten die betreffenden neuen Versuche und Instrumente, insofern sie noch keine grosse Verbreitung erlangt haben, vorzuzeigen. In die- sem Sinne erläuterte Dove eine Reihe der von ihm be- schriebenen höchst interessanten Erscheinungen beim Binocularsehen, sowie über die Combination der Ab- sorptions- und Interferenzfarben. Professor Nörrenberg aus Stuttgart zeigte seinen neuen Polarisationsapparat, mit dessen feiner Construction es möglich ist, in Crystallen von der Feinheit eines Haares noch die doppelbrechende Polarisationsrichtung und selbst die innere Structur mit Hülfe der sichtbar werdenden optischen Erscheinungen zu erkennen. Professor Eisenlohr lud die Seetionsmitglieder ein, ihn in das physiealische Auditorium zu begleiten. Hier zeigte er seine Methode, die Wellenlänge der unsichtbaren oder brechbarsten Lichtstrahlen zu messen, sowie die schönen Erschei- nungen, welche er theils durch objeetive Darstellung mehrerer Beugungsspeetra, theils durch ihre Zerlegung hervorbrachte. Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident: Professor Magnus. Professor Böttger sprach zuerst über ein höchst einfaches Verfahren eine bedeutende An- häufung der Elektrieität an den Enden einer Induec- tionsspirale zuwege zu bringen. Das Verfahren beruht darauf, dass das eine Ende der Induetionsspirale in leitende Verbindung gesetzt wird mit der Erde. Am andern Ende erhielt man als- dann bei Annäherung des Fingers Schläge wie von einer Flasche. Nach einer kleinen Discussion, die sich über die Ursache dieser Erscheinung entspann, zeigte der- selbe eine Geissler’sche Röhre, die etwas Jodquecksilber enthält, die Erscheinungen damit waren prächtig; er machte noch auf die 2 Speetra, die das violette und rothe Licht an den beiden Polen gibt, aufmerksam. Dann "sprach derselbe über die Benutzung eines feinen Wasserstrahles als Elektroseop. Das Phänomen von Fuchs gelang trotz der feuchten Luft ausgezeichnet. Bei Annäherung einer geriebenen Glasröhre zeigen sich in einer Entfernung, wo blos von vertheilender Wir- kung auf die Wassertheilchen die Rede sein konnte, dicke Tropfen; in geringerer Entfernung, wo eine Mit- theilung von Elektrieität stattfindet, zeigt sich ein Aus- einandergehen der Wassertheilchen. Magnus bemerkt, dass das Letztere bei jeder Entfernung stattfindet, wenn um den unteren Theil des Wasserstrahles eine metallene Röhre gelest wird. Magnus benachrichtigt die Sectionsmitglieder, dass Herr v. Kobell ein Stauroscop zur Einsicht aufgestellt habe. Professor R. Clausius aus Zürich: Ueber die Molekularbewegungen in gasförmigen Körpern. Der Vortragende hat in einer früheren Abhandlung über die Molekularbewegungen gasförmiger Körper eine Ansicht vertreten, welche in ähnlicher Weise auch von Joule und Krönig ausgesprochen ist, dass nämlich ne jedes Molekül sich so lange geradlinig fortbewege, bis es gegen ein anderes Molekül oder gegen eine feste Wand stosse. Dabei hat er als eine Bedingung, welche zur Erfüllung des Mariotte’schen und Gay-Lus- sae’schen Gesetzes nothwendig ist, hinzugefügt, dass die Längen der Wege im Verhältniss zu den Wirkungs- sphären der einzelnen Moleküle gross sein müssen. Dieses ist nun von verschiedenen Seiten so aufgefasst worden, als ob die Wege auch absolut genommen gross sein müssten, so dass z.B. ein Molekül die ganze Länge eines Zimmers in gerader Linie durchlaufen könnte, und hiergegen sind dann Einwendungen erhoben, indem z.B. unter solchen Umständen statt der langsamen Ausbreitung von Tabaksrauch und anderen Rauchwolken ein schnelles Auseinanderfliegen stattfinden müsste. Der Vortragende setzt nun auseinander, dass diese Auffassung und die die darauf begründeten Einwände, seiner eigenen An- sicht von der Sache durchaus fremd sind, und um dieses nachzuweisen, stellt er einige Betrachtungen über die mittlere Weglänge der Moleküle an. Um zunächst den Begriff der Wirkungssphäre näher festzutellen, wird vorausgesezt, dass zwei Moleküle, welche nicht chemisch auf einander wirken, bei der An- näherung zuerst eine Anziehung auf einander ausüben können, in unmittelbarer Nähe jedoch einander abstossen, wodurch das Abprallen beim Zusammenfliegen bewirkt wird. Nimmt man nun an, dass das Abprallen jedes- mal eintritt, wenn zwei Moleküle sich so bewegen, dass ihre Schwerpunkte sich, falls keine Kräfte wirkten, bis zu einer Entfernung, die gleich oder kleiner als o ist, einander nähern würden, so soll o der Radius der Wir- kungssphäre genannt werden. Wenn nun in einem Raume eine grosse Menge von Molekülen unregelmässig durcheinanderfliegen, und man eins derselben zur Betrachtung auswählt, so kann man fragen, wie weit dasselbe sich durchschnittlich bewegen kann, bis sein Schwerpunkt einmal in die Wirkungs- sphäre eines anderen Moleküls kommt. Die Behandlung dieser Frage führt zu dem Resul- tate, dass die mittlere Weglänge sich zu dem Radius der Wirkungssphären verhält, wie der ganze von dem Gase eingenommene Raum zu dem Theile des Raumes, welcher von den Wirkungssphären wirklich ausgefüllt wird. Als bestimmtes Zahlenbeispiel möge angenommen werden, die Wirkungssphären füllten nur ein Tausend- stel des vom Gase eingenommenen Raumes aus. Dann erhält man, wenn ] die mittlere Weglänge bedeutet: j 1 = 1000 0, und wenn man den Abstand, welchen zwei einander zu- nächst befindliche Moleküle haben würden, wenn die Moleküle gleichmässig durch den Raum vertheilt und so angeordnet wären, dass die Mittelpunkte von je acht Molekülen, die Eckpunkte eines kleinen Würfels bildeten , mit A bezeichnet, so kommt: 1=+62%: 155 Die erste Gleichung zeigt, dass bei dieser Annahme die mittlere Weglänge gegen den Radius der Wirkungs- sphären schon so gross ist, wie es für die bei den Gasen vorkommende angenäherte Gültigkeit des Mariotte’- schen und Gay-Lussace’schen Gesetzes nöthig ist, und dass daher das gewählte Zahlenbeispiel in den Grenzen der Möglichkeit liest. Wenn man aber auf der andern Seite bedenkt, wie klein die Moleküle sind, wie gross daher die Anzahl der Moleküle sein muss, welche sich in einer von einem Gase angefüllten Raum- einheit befinden, so sieht man, dass der Abstand A nur eine so kleine Grösse sein kann, dass selbst 62 A gegen unsere gewöhnlichen Maasseinheiten noch als klein zu betrachten ist. Der mittlere Weg der Moleküle ist also, wenn auch gegen die Wirkungssphäre eines Moleküles gross, doch im Vergleich mit unseren gewöhnlichen Längenmaassen klein. Es bleibt nun noch die Frage, wie sich die verschie- denen wirklich zurückgelegten Wege zu dem mittleren Wege verhalten. Betrachtet man eine grosse Anzahl N von einzelnen Fällen, so ist darunter die Zahl der- jenigen Fälle, in welchen der Weg gleich oder grösser ist, als der mittlere, wenn e die Basis der natürlichen Logarithmen bedeutet: ETTN —053679.N8 und die Anzahl der Fälle, in welchen der Weg kleiner ist, als der mittlere: (re) N 40163218. 08 Also nur in dem geringeren Theile der sämmtlichen vorkommenden Fälle erreicht oder übertrifft der wirk- liche Weg den oben gefundenen kleinen Mittelwerth, während in dem grösseren Theile der Fälle der wirk- liche Weg unter dem Mittelwerthe bleibt. Sucht man ferner die Theile der ganzen Anzahl N, in welchen der wirkliche Weg die doppelte, dreifache u. s. w. Länge des Mittelwerthes erreicht oder übertrifft, so erhält man: emnN em N etc. Diese Zahlen nehmen sehr schnell ab, indem man z. B. die zehnfache Länge hat: e".N = 0,000045 . N; man kann daher schliessen, dass, wenn auch einzelne Fälle vorkommen, wo der wirkliche Weg beträchtlich länger ist, als der mittlere, diese Fälle doch verhält- nissmässig selten sind. Aus diesen Resultaten ergiebt sich, dass die Vorstel- lung, als ob die Moleküle sich durch so weite Strecken be- wegten, dass man ein schnelles Auseinanderfliegen einer Rauchwolke und ein stürmisches Vermischen zweier an- einandergrenzender Gasmassen erwarten müsste, durch- aus nicht als eine nothwendige Folge der Theorie von der geradlinigen Bewegung der Gasmoleküle zu be- trachten ist, und dass daher die hieraus erhobenen Ein- wände gegen die Theorie fortfallen. Dritte Sitzung — der vereinigten Sectionen für Physik und für Chemie — am 20. September 1858 ist unter den Arbeiten der chemischen Section enthalten. 20 154 Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Professor Jolly. J. Nickles, Professeur A la faculte des seiences de Nancy: Ueber magnetische Adhaesion und neue Electromagnete. Jusque dans ces derniers tems, on ne connaissait que 3 especes d’eleetro-aimans, dont deux remontent presqu’a l’origine de l’Electromagnetisme: l’une, les E. reetilienes, c’est le barreau de fer d’Arago, entoure par Ampere d’une heliee de fil de cuivre; en 1826, Sturgeon eccourba ce barreau en fer & cheval & l’instar des aimans en acier et constitua ainsi, la deuxieme espece ou les E. en fer & cheval que par de motifs ä exposer plus bas, j’ai appeles E. bifurques. La troisieme espece est de date plus recente; elle a ete deerite en 1849 par M. Romershausen; un cy- lindre de fer est place dans une bobine et le tout est loge dans un tube en fer scelle sur le eylindre par l’une de ses extremites. A la suite de recherches de longue haleine entre- prises dans le but d’employer l’attraetion pour augmenter l’adherence des locomotives'), M. J. Nickles a ete con- duit & inventer successivement trojs nouveaux systemes d’eleetro-aimans qu’il presente et fait fonetionner devant la section de Physique du congres. Deux de ces systemes ont cela de partieulier de differer completement, par la forme, des E. ordinaires; ce sont de veritables poulies en fer?) de forge (eiserne Spulen), formees de deux cerceles rapportes sur un moyen; le tout en fer et poli au tour. Il y a deux manieres de les aimanter; ou bien, on ne les aimante qu’en leur point de contact avec l’arma- ture. ou bien, on developpe du magnetisme sur toute leur eirconference. Voiei comment on arıive a ces resultats: pour ai- manter les poulies en leur point de eontact seulement, on applique sur chaque cerele une helice alongee, en fil de euivre enroule en sens contraire de fagon a deve- lopper en chaque cerele un pole different, absolument comme pour les electro -aimans en fer & cheval; les helices sont fixees sur un bätis et ne touchent pas la poulie; ces dernieres peuvent y tourner librement et sans frotter contre les helices; en plagant ä leur eöte un ceylindre en fer ou une poulie du meme metal, le 1 & 2) Bulletin de la Societ€e d’Encouragement, annde 51 p- 835, 52 p. 252 et p. 312. — De la Rive, traite d’Electri- eit€E T. I. et III. Becquerel, traite d’Electricit@ et de magne- tisme. — Ateneo italiano vol. I. p. 278 et p. 341. — Biblio- theque universelle de Geneve. — Gavarret, trait€ d’Electrieite T. III. Comptes rendus des seances de l’Academie des Sciences T. XXXVI p. 490 et T. XXXIX. — Journal l’Institut 8. De- cembre 1852. Revue des Societes savantes Septembre — Decembre 1858. mouvement de rotation de l’electro-aimant se commu- niquera & la poulie qui tournera, par consequent, avec une vitesse qui est en rapport inverse avec son diametre et celui de l’eleetro-aimant. On obtient ainsi, une espece d’engrenage sans dents, analogue aux poulies de frietion, avec cette difference eonsiderable que la pression ne s’exerce pas sur les axes comme dans ces dernieres, mais quelle se developpe seulement au point de contact. On peut augmenter cette adherence en se servant de deux poulies se touchant deux ä deux par les pöles de noms contraires. Ce genre d’aimans a e&t€ appel& par M. Nickles, eleetro-aimanspara-circulaires; leur grand de- faut c’est qu’on ne peut pas les employer dans la trans- mission du mouvement ä grande vitesse, car leur adhörence diminue ä& mesure que la vitesse de rotation augmente; cela tient ä ce que le pole se deplace. Au repos, la resultante des actions magnetiques passe par le point de contact des poulies, mais, pendant le mouvement cette resultante s’ecarte de cette direction pour se porter en arriere par rapport au sens du mouvement et ceci parce- que la roue tourne dans un tems trop ceourt pour que Y’aimantation ait le temps de s’etablir, car il ne faut pas perdre de vue qu’a chaque tour de roue eorrespond une aimantation de la roue et une desaimantation parceque, en entrant dans la bobine la roue gagne du fluide quelle perd ensuite en sortant, pour acquerir enfin le fluide oppose. Pour remedier € cette defeetuosite, M. Nickles songea a aimanter les roues et les poulies de facon & ce que le magnetisme fut reparti sur chaque point de la eircon- ference; ce mode d’aimantation donna lieu aux elec- tro-aimans eireulaires. Nous avons deja dit quelques mots de leur consti- tution; un electro-aimant pareil consiste en deux cereles de fer separes par un moyen de meme metal; e’est en un mot, une poulie ä gorge en fer, avee cela de parti- eulier que e’est dans la gorge qu’on enroule le fil con- dueteur de l’eleetrieite. La bobine eleetrique qui em- brasse ainsi le moyen et qui remplit la gorge de la poulie peut etre fixe ou mobile, dans le premier cas, la poulie peut tourner librement sur elle-meme et &tre aimantee par la bobine sans toucher a celle-ei, dans le second cas, au contraire, la bobine est solidaire du mouvement de la poulie et tourne avec elle. Dans cet aimant les pöles sont places sur les cercles; chacun des deux cereles devient un pole dont le nom depend de la direetion du ceourant magnetisant. Un pareil electro-aimant peut &tre considere comme un eylindre aimante par une bobine; il aura naturellement un pöle ä une extremite et lautre & l’extremite opposee. Chacun des cereles polaires d’un electro -aimant etant ainsi, uniformement aimante on comprend que Vattraetion magnetique au point de contact, e’est a dire V’adherence sera sensiblement constante aux differentes vitesses surtout si les deux poulies composant la trans- mission du mouvement, sont une et l’autre aimantees et qu’elles se regardent par les pöles de noms contraires. En vertu de cette propriete d’etre egalement aimante en chaque point de sa eirconference, un eleetro-aimant eirculaire pourra recevoir plusieurs armatures eylindriques et par consequent, transmettre son mouvement & plu- sieurs machines ä linstar des pignons. En appliquant un troisieme cerele sur le moyen et entre les deux cercles extr&mes, on peut produire un eleetro-aimant eireulaire & 3 pöles; pour cela il faut, & la verite 2 bobines; si ces deux helices sont dans le meme sens, les pöles seront places comme dans l’elee- tro-aimant ä 2 cereles, le cerele du milieu n’attirera pas une barre de fer ou du moins, il ne Y’attirera qu’autant que cette barre sera deja en rapport avee l’un des pöles de l’aimant. Si les deux bobines sont en sens contraire, l’une dextrorsum et lautre sinistrorsum, les deux cereles ex- tremes auront chacun le meme pöle, le pöle contraire se localisera sur le cerele du centre; on aura ainsi un eleetro-aimant eirculaire ä point conse- quent). Cet eleetro-aimant a moins de force que s’il offrait en chaque extremite, un pöle contraire. Des l’origine de ces aimants, M. Nickles a pro- pose leur emploi dans les transmissions de mouvements qui reelament ä la fois une grande vitesse et une grande regularite; on les a pu voir fonctionner ä l’Exposition universelle de 1855. Un autre systeme d’electro-aimaht du meme auteur, y & fait apparition dans la machine eleetro-magnetique de M. Roux et dans le pendule de M. Foucault, ce sont les eleetro-aimants trifurques; ainsi nommes parcequ’ils offrent 3 branches polaires, de la aussi le nom d’E. bifurques donnes par M. Nickles aux E. en fer a cheval Elecetro-aimans trifurques. Trois plaques de fer sont appliquees perpendiculaire- ment sur une quatrieme qui sert a les reunir; entre ces 3 plaques de fer on menage un espace suffisant pour pouvoir loger le fil conducteur qui ne s’enroule d’ailleurs que sur le pöle centrale. Bien qu’on n’employe qu’une seule helice, ’aimant n’en aura pas moins 2 pöles con- traires; ä proprement parler, on peut dire qu’il aura 3 pöles puisque chacune des 3 branches verticales sera aimantee. Seulement, la branche centrale qui est di- _ reetement sous l’influence du courant aura une puissance attractive bien plus grande que les branches laterales mais, toute difference disparait lorsque les divers pöles sont relies par une seule et m&me armature ?). 1) Comptes rendus des seances de ’Academie des sciences T. XXXVIII. p. 399. 2) Annales de Chimie et de Physique, 3% Ser. T. XXX VII. p- 399. — Silliman’s American. Journ. of science and arts, Vol. XV. p. 104, Vol. XX. p. 99. 155 Avee une seule et m&me armature taillee de facon ä pouvoir agir sur un pöle seulement, soit sur tous les trois, on peut constater qu’il existe une bien grande difference entre Jattraetion fournie dans les deux cas; ilya, en effet, des eirconstances dans lesquelles M. Niekles a reconnu que les 3 pöles peuvent porter en suspension, une charge 100 fois plus forte que n’en peut porter le pöle du milieu qui est le plus fort des trois. Dans cet electro-aimant, la bobine est protegee par deux cötes, cd’est a dire, par les pöles exterieurs, on peut l’enfermer tout-a-fait, en rapportant des plaques de fer sur les deux autres cötes et en fermant par dessus avec une lame de laiton. De cette maniere, la bobine est completement ä l’abri de tout aceident et l’appareil peut servir ä& l’usage auquel M.Niekles Pavait destine ä Vorigine, celui de frein pour les chemins de fer. Cette application a ete propose par lui en 1850. Les essais tendant a augmenter l’adherence des loco- motives *), en aimantant les roues motrices ont ete entrepris plus tard. Ils ont m&me ete executes sur une grande echelle & Paris, ä la gare du chemin de fer de Lyon, sur une rampe d’une inelinaison de 10 millimetres par metre. Aux terınes du rapport dresse par une com- mission institu6e par le Ministre des travaux publies, ces essais ont produit une augmentation d’adherence d’en- viron 9 p. 100, c’est a dire que sur cette rampe d’un centimetre par metre, la locomotive, pouvant remorquer, sans magnetisme, 100,000 Kil. pr. ex., devenait suscep- tible d’en tirer 109,000 lorsqu’on aimantait les roues. C’etait le premier essai fait en grand, or, une idee theorique qui, traduite en fait, conduit des le premier essai, & 9 p. 100 d’effet utile, merite sans doute, d’etre poussee plus loin. La premiere machine a vapeur n’en avait pas donne autant. Cet essai avait ete fait par le procede des eleetro- aimants para-eireulaires; les roues tournaient dans des bobines appliquees en leur partie inferieure et envelop- pant le point de contact; ces bobines etaient fixes et tenues ä& eing centimetres au dessus du rail; de plus elles offraient assez d’ouverture pour que les roues puissent y tourner sans frottement. Ce procede offrait done le defaut qui caracterise les E. para-cireulaires. L’adherence de la loeomotive dimi- nuait & mesure que la vitesse augmentait. M. Nickles y a remedie depuis, au moyen du systeme de E. eireu- laires. Dans ce systeme, les roues motrices sont egale- ment aimantees en chaque point de leur eirconference; tout le train est converti en «leetro-aimants; l’essieu moteur est lui-meme dans le eircuit. Voiei comment ce mode d’aimantation peut -etre applique aux roues motrices des loeomotives. Un train des roues, en effet, peut &tre considere comme une poulie ä gorge dont le moyen est represente par l’essieu; les roues y font Toffice des cereles polaires; en enroulant du fil de euivre autour de l’essieu on obtient une bobine *) American. Journal of science and arts vol. XVI. p. 337. — Bulletin de la Soc. d’Encouragement vol. LII. — Annales de Chimie et de Physique 3° Ser. XXXIX. p. 45. 20 * 156 parfaitement apte ä aimanter le train de roues du moment oü elle sera plae& dans le eireuit de la pile; le magnetisme developpe dans l’essieu se portera aux extremites de celui-ci, de la il se repandra sur les roues et, en vertu, de cette tendance du fluide magnetique de se porter surtout ä la eirconferenee, la majeure partie se localisera sur le bandage de la roue et donnera ä celle-ei, en ehacun de ses points, une puissance d’ai- mantation de P’importance de laquelle on peut se faire une idee quand on songe qu’un petit electro-aimant eir- eulaire de 13 centimetres de diametre a donne, avec deux elemens Bunsen et une armature appropriee, une attraetion au contact qui allait jusqu’a 150 Kilogramm. Tel est le prineipe qui preside & la construction de ces roues; s’il est facile a comprendre meme sans figures, il est plus difhieile ä appliquer car on sait bien qu’en matiere de chemins de fer tout ce qui tient au materiel roulant doit tre a l’&preuve du choe, du feu et des vibrations; il doit &tre construit de maniere ä fonetionner en tous tems et de maniere A ne pas se deranger facilement. Les faits qui viennent d’etre resumes, sont exposes avee plus de details et avec des figures, dans les ouv- rages cites plus haut. Ils seront developpes dans un volume que M. Niekles redige en ce moment. Professor Ferd. Hessler aus Wien: Ueber ein eleetrochemisches Chronossop. Ich habe im Jahre 1855 ein electromagnetisches Chronoscop folgender Einrichtung anfertigen lassen. Auf dem obersten Ende der verticalen Steigradwelle eines entsprechenden Uhrwerkes ist ein kleiner gestutz- ter Kegel (k) mit abwärts gekehrter horizontaler Basis (b) festgemacht, aus dessen Seite. ein eylindrischer stäh- lerner Flügel (f) horizontal hervorsteht, der das untere Ende der Stange eines Centrifugal-Secundenpendels führt. Das aus einer Scheibe (s) von weichem Eisen bestehende Mittelstiick eines Zeigers (z), durch dessen Mitte die Steigradwelle frei hindurch geht, wird mittelst einer feinen diese Welle umfangenden Spiralfeder an die rauh gemachte Basis (b) des Kegels (k) angedrückt, so dass der Zeiger (z) durch Reibung von dem Kegel mit- genommen wird und somit immer in der Zeit einer Pen- delschwingung (1 Secunde) einen Umlauf macht. Er thut dies über einem horizontalen Kreise, der in 1000 gleiche Theile getheilt ist. Endlich sind zwischen dem Steigrade und der mittleren Eisenscheibe (s) des Zeigers, um die Steigradwelle herum symmetrisch 4 ganz kleine Electromagnete angeordnet, deren nach oben gekehrte Pole alle in eine horizontale der untern Fläche der Scheibe (s) sehr nahe liegende Ebene fallen. Wird nun der Kreis des die Eleetromagnete erregenden galvani- schen Stromes geschlossen, so ziehen diese Magnete die Eisenscheibe (s) des Zeigers herab, der Zeiger wird an- gehalten und kann nun leicht auf den Nullpunkt des ge- theilten Kreises eingestellt werden. Wird hierauf mit- telst der bekannten geeigneten Vorrichtungen der be- sagte Stromkreis in dem Momente, wo das zu messende Zeittheilchen beginnt, geöffnet und am Ende dieses Zeit- theilchens wieder geschlossen; so durchläuft der im Mo- mente des Oeffnens von den Magneten losgelassene, durch die Spiralfeder (f) an die untere rauhe Fläche (b) des Kegels (k) angedrückte, und von diesem durch Rei- bung mit fortgenommene Zeiger bis zu dem Moment, wo er bei der folgenden Schliessung des Stromkreises, also am Ende des zu messenden Zeittheilchens durch die Electromagnete wieder angezogen und festgestellt wird, einen Bogen, dessen Grösse das fragliche Zeit- theilchen unmittelbar in Tausendteln einer Seeunde und mittelst Schätzung bis auf ein Viertausendtel angibt. Bei vielen unter mannigfaltig abgeänderten Umstän- den mit diesem Chronoscope vorgenommenen Messungen zeigten sich aber beträchtliche und variable Differenzen, die offenbar, so wie bei jedem andern electromagneti- schen Chronoscope, dem Umstande zuzuschreiben sind, dass die Entwicklung des Magnetismus und dessen Ver- schwinden im weichen Eisen immer eine merkliche und nach Umständen verschieden lange Zeit braucht; über- diess kömmt bei dem eben beschriebenen Chronoseope ein Theil der besagten Differenzen sicherlich auch auf Rechnung der den Zeiger (z) an den Kegel (k) andrü- ckenden Spiralfeder (f). Um nun diese Fehlerquellen zu vermeiden, was of- fenbar nur durch Beseitigung der Eleetromagnete und der Spivralfeder geschehen konnte, verwandelte ich das in Rede stehende eleetromagnetische Chronoscop in ein eleetro-chemisches, was einfach dadurch bewerkstelligt wurde, dass ich die Eleetromagnete und die Spiralfeder wegliess, den horizontalen Zeiger (z) auf der Steigradwelle unverrückbar befestigte und so ein- richtete, dass bei seinem Umlauf sein Ende auf dem ge- nau horizontal angestellten getheilten Kreise stets mit gleicher sehr schwacher Federung hingleitet. Ueber- zieht man nun diesen Kreis mit, mit Jodealium-Stärke im- prägnirtem, angefeuchtetem Papier, verbindet hierauf den getheilten Kreis mit dem entsprechenden einen und den Stütz- oder Aufhängepunkt des Centrifugalpendels mit dem andern Pol der Stromquelle, so geht der Strom durch die Pendelstange, den Flügel (£) an der Steigrad- welle in den Zeiger und durch dessen Spitze in das Pa- pier, den getheilten Kreis und endlich zur Stromquelle zurück. Ist in den Stromkreis eine, übrigens sehr leicht herstellbare Vorrichtung eingeschaltet, welche gestattet, diesen Kreis immer nur auf einen Moment zu schliessen und nachher gleich wieder zu öffnen und man setzt diese Vorrichtung am Anfange und am Ende der zu messen- den Zeit in Wirkung, so werden die zwei farbigen Punkte, welche in den beiden Schliessungsmomenten, auf dem Papier ‚entstehen, den Bogen begrenzen, den das Zeigerende während der zu messen gewesenen Zeit durchlaufen hat. Nach der Grösse dieses Bogens er- hält man die fragliche Zeit durch unmittelbare Ablesung auf der Kreistheilung in Tausendteln und durch Schätz- ung bis auf ein Viertausendtel einer Secunde. Ausser dem. dass bei der instantanen chemischen Wirkung des galvanischen Stromes die oben bezeichneten Fehlerquellen wegfallen, hat man zugleich den Vortheil, dass die Messung bleibend verzeichnet wird, und, da 2 [- der Zeiger (z) so eingerichtet ist, dass er sich leicht verlängern und verkürzen lässt, kann die Registrirung mehrerer verschiedener Messungen in Kreisen von ver- schiedenen Halbmessern erzielt, mithin ein und derselbe Papierstreifen zu einer grösseren Zahl nacheinander fol- gender Messungen benützt werden, ohne dass Irrungen entstehen können. Alle solehe bisher mit dem electro- chemischen Chronoscope vorgenommenen zahlreichen Messungen gaben ganz zufriedenstellende Resultate. Professor Belli von Pavia zeigt einen kleinen Apparat vor und macht darüber folgende Mitthei- lung: Je prends la libert® de presenter a U’honorable Re- union un petit appareil eleetrique, que j’ai imagine il y a deja plusieurs annees, mais que je ne crois pas assez eonnu par les physiciens; et cela parcequeM.Faraday a fait depuis quelques experienees avee un autre appa- reil presque semblable qui a ete beaucoup plus connu que le mien, et qui cependant ne donne pas des aussi bons resultats. Mon appareil est compose de deux petites fourches AetB (Fig. I.), Yune isolee, Pautre non isolee. Les deux branches de chaque fourche portent l’une une boule, d’un pouce ou deux de diametre, l’autre une pointe, arrondee ä l’extremite, le rayon de eourbure y arrivant ä peine & un demi millimetre, placees de maniere que la boule de l’une des fourches se presente a la pointe de l’autre fourche. Les boules, etant vissees sur leurs supports, peuvent &tre avoisinees ou eloignees des Ay - ae _{]172 pointes qui leur sont opposees. Or lorsque les distances sont convenablement choisies, l’on observe constamment ce fait remarquable. On fait communiquer la fourche isolee avec l’un ou Vautre des econdueteurs d’une machine eleetrique a double electrieite. Si e’est le conducteur positif, on voit tou- Jjours sauter l’etineelle du cot& de la boule isolee et de la pointe non isolee, c’est-ä-dire ou la pointe a. par induction, Velectrieite negative. Et si c’est le condue- teur negatif de Ja machine celui qui communique avee la fourche isole&e, on a l’etincelle entre la pointe isolee et la boule non isolee; de maniere que la pointe est encore negative, comme dans l’autre epreuve, mais iei par communication directe. La distance explosive doit etre bien petite, savoir, seulement d’un millimetre ä peu pres. Comme les etin- eelles donnees par un single condueteur sont peu vi- sibles, on peut les rendre lumineuses en ajoutant une bouteille de Leyden, dont larmure interieure soit en communication avee la fourche isolee, et ’armure exte- 157 rieure avee l’autre fourche. On peut aussi substituer aux pointes deux boules tres-petites, e’est-A-dire d’un diametre qui n’arrive pas ä un millimetre (Fig. II.). Quelquefois l’experienee manque, parcequ’il peut s’etre depose quelque poil ou quelque grain de poussiere. En enlevant celui-ei, le resultat devient regulier. S’il manque encore, ce sont les distances entre les pointes et les boules que l!’on doit ajuster. 4A B Fig. II. J’ai decrit cet appareil dans la Biblioteca italiana (Journal que Yon publiait a Milan depuis 1816) dans le volume 86, publie le 10 Aoüıt 1837, a p. 276, dans un travail ol je m’occupait & montrer que l’eleetrieite ne- gative se communique & l’air plus aisement que la po- sitive. Et j’en ai parle aussi dans le vol. III. de mon Cours de Physique (Milan 1838), ä& p. 563. Quelques mois apres, M. Faraday a fait des recherches sur le meme sujet, et a publie ses resultats dans les Trans- actions philosophiques, dans des Memoires dont le premier a ete recu par la Societe Royale de Londres le 11 Janvier 1833 (vol. pour 1833, premiere partie, p- 83). Il me fait ’honneur de me nommer (ibid. p- 133, $. 1520, 1521), mais en general, comme ayant fait des experiences sur la dissipation relative des deux electrieites dans l’air, pas comme auteur du petit appa- reil dont j’ai parle. Cependant il a fait plusieurs expe- riences avee un appareil bien semblable ä celui de ma 2" figure (voir la table III, Fig. 16 et 17), dont la seule difference est que les deux petites boules etaient plus grandes que les miennes, les siennes ayant le diametre tantöt de 25 centiemes de pouce ($. 1493), et tantöt de 15 centiemes ($. 1506 p. 131, ligne 5), et etaient placees a des distances beaucoup plus grandes. Ses resultats ont ete que la decharge paraissait un peu plus facile lorsque les petites boules etaient electrisees negativement ($. 1497 et 1517), mais d’une maniere pas aussi deeidee que dans mes experiences. L’appareil des M. Faraday est connu beaucoup par les physiciens, comme je erois par plusieurs Traites d’Electrieite, tandis que pas un parle du mien. Je pre- sente done celui-ci, pour en revendiquer la priorite d’in- vention, et aussi pour faire connaitre qu'il donne des resultats plus sürs. Professor Helmholtz aus Heidelberg: Ueber physikalische Ursache der Harmonie und Disharmonie. Die gewöhnlich gegebene Erklärung, dass dem Ohr zusammenklingende Töne, deren Schwingungszahlen ein durch kleine ganze Zahlen ausdrückbares Verhältniss haben, deshalb wohlgefallen, weil ein einfaches Zahlen- 158 verhältniss leicht aufzufassen sei, ist keine Erklärung, weil der natürliche Mensch nichts von diesen Zahlen- verhältnissen weiss, und das Ohr direet darüber gar keinen Aufschluss giebt, sondern erst der physikalische Versuch. Der Vortragende glaubt den Unterschied in der Empfin- dung von Consonanz und Dissonanz so bezeichnen zu kön- nen, dass Consonanz eine eontinuirliche Tonem- pfindung ist, Dissonanz eine intermittirende. Um den Sinn dieses Satzes näher zu erläutern, schickt er einige Bemerkungen über die harmonischen Obertöne voraus. Bei allen unsern Sinneswahrnehmungen müssen wir unterscheiden die Empfindungsqualitäten, wie sie unmittelbar von den Nervenapparaten aufgefasst werden, und die Vorstellung, welche daraus durch psychische Processe gebildet wird. Beim gewöhnlichen Gebrauche unserer Sinnesorgane kommt es uns nur darauf an, die Vorstellung von dem äusseren Objeete oder Ereigniss richtig zu bilden. Durch welche Mittel wir sie bilden, ist uns gleichgültig. Wir wenden desshalb unsere Auf- merksamkeit nur in so weit den Sinnesempfindungen zu, als es zu diesem Zwecke nöthig ist, und übersehen mit grosser Beharrlichkeit Alles in ihnen, was nicht unmit- telbar auf unser Urtheil, auf die Aussenwelt Einfluss hat. Nun sind unsere Vorstellungen meist das Produet viel- facher zusammenwirkender Empfindungen. In fast allen solchen Fällen lernen wir ‘die einzelnen Empfindungs- elemente einer solchen Vorstellung nur durch künstliche Beobachtungsmethoden kennen. Der Vortragende er- innert aus dem Gebiete der Optik daran, dass wir erst durch das Stereoskop erfahren, wie die Vorstellung der Körperlichkeit gesehener Gegenstände auf der Ver- schmelzung zweier differenter Bilder beider Netzhäute beruht, deren Existenz und Verschiedenheit aber dem natürlichen Menschen gar nicht zum Bewusstsein kommt. Er erinnert ferner daran, wie die Phänomene der Dop- pelbilder, des blinden Flecks beim gewöhnlichen Sehen durchaus verborgen bleiben und erst durch methodische Lenkung der Aufmerksamkeit zum Bewusstsein konımen. Aehnlich ist es nun bei den Tönen mit dem Phänomen der Obertöne. Indem wir einen Klang hören, der durch irgend eine äussere Veranlassung erregt ist, fassen wir die ganze Summe von Empfindungen, die er erregt, als ein Ganzes auf, welches wir bald lernen in dieser sei- ner bestimmten Zusammensetzung als sinnliches Zeichen für die bestimmte äussere Veranlassung aufzufassen, bei welcher der Klang erregt ist, und haben keine Veran- lassung ihn zu analysiren. Erst durch methodische Beob- achtung und Direction der Aufmerksamkeit lernen wir die einzelnen Empfindungselemente kennen, welche in jener Wahrnehmung unrefleetirt verborgen sind. Ist der Ton ein musikalischer, d. h. entspricht er einer Luftbewegung, welche in regelmässigen kurzen Perioden sich fortdauernd genau in derselben Weise wiederholt, so zerlegt das Ohr diese Luftbewegung genau wie der Mathematiker es mittels des Fourier’schen Satzes thut. Es ist bekannt, dass bei jeder regelmässig periodischen Luftbewegung die Verdichtung oder die Geschwindigkeit der Luft an einer constanten Stelle des Raums sich darstellen lässt durch eine Summe folgen- der Art: A, sin 2rnt +) —+ A, sin (dunnt + c,) -- A, sin (6nnt + e,) + ete. wo n die Schwingungszahl, t die Zeit, die übrigen Grössen Constanten sind. Fast alle musikalische In- strumente erregen schwingende Bewegungen der Luft, welche nur durch eine solche Summe mathematisch dargestellt werden können. Der Vortragende hat in- dessen schon früher gezeigt, wie man durch Stimm- gabeln und resonirende Röhren oder Saiten Schallwellen erzeugen kann, deren Bewegungen nur einem einzigen Gliede jener Reihe entspricht und die er desshalb ein- fache Töne genannt hat. Im Allgemeinen ist dess- halb die Luftbewegung, welche von einem musikalischen Instrumente hervorgebracht wird, mathematisch darzu- stellen ale eine Summe von Luftbewegungen, welche verschiedenen einfachen Tönen von n, 2n, 3n ete. Schwingungen entsprechen. Diese Zusammensetzung der Luftbewegung ist allerdings nur eine mathematische Fietion, und doch finden wir nun auch im Ohre bei hinreichend aufmerksamer Beobachtung heraus, dass alle die den einzelnen Gliedern jener Reihe entsprechen- den Töne empfunden werden, nämlich der von n Schwin- gungen als Grundton, die übrigen als seine höheren harmonischen Obertöne. Man kann sich in solchen Fällen, wo die Form der Schwingungen genau bestimmt werden kann, z. B. bei angeschlagenen Saiten, über- zeugen, dass das Ohr genau alle diejenigen Obertöne hört, deren entsprechende Glieder in dem mathemati- schen Ausdrucke vorhanden sind, die fehlenden auch nieht hört. Diese höchst auffallende und eigenthümliche Fähig- keit des Ohrs, auf der es auch beruht, dass die ver- schiedenen Töne eines Accordes unterschieden werden können, würde ihre Erklärung finden, wenn wir anneh- men, dass die eigenthümlichen elastischen Plättchen und Härchen, welche in neuester Zeit an den Endigungen der Hörnervenfasern ansitzend gefunden worden sind, jedes auf einen bestimmten Ton abgestimmt sind, so dass jede Hörnervenfaser nur empfindet, wenn der ent- sprechende einfache Ton angegeben wird und ihr ela- stisches Anhängsel vibrirt. Die Empfindung der Obertöne ist immer vorhanden, wo sie objeetiv in der Luftbewegung vorhanden sind, aber diese Empfindung in das Bewusstsein zu erheben kostet meist grosse Anstrengung der Aufmerksamkeit. Dies kann aber nicht hindern, dass Modificationen in der Empfindung der Obertöne, wie wir sie im Folgen- den besprechen werden, der ganzen Tonempfindung den Character des Angenehmen oder Unangenehmen geben, wenn wir das für gewöhnlich nicht klar zu machen wissen, dass sie es eben sind, die der Empfindung diesen Character geben. Wenn zwei Töne von nahe gleicher Tonhöhe ange- geben werden, so entstehen Schwebungen, indem die beiden Wellenzüge sich gegenseitig durch Interferenz abwechselnd verstärken und schwächen. Die Zahl der vr Schwebungen in der Secunde ist gleich der Differenz der Schwingungszahlen. Bei zusammengesetzten Tönen erlischt der Ton gewöhnlich nieht ganz während der Minima der Tonstärke, weil die Schwebungen der Ober- töne in der Regel nieht mit denen des Grundtons zu- sammenfallen. Erregt man aber die Schwebungen zwi- schen einfachen Tönen von gleicher Stärke, so wird der Ton ein vollkommen intermittirender. Bei hinrei- chend schnellen Intermissionen wird er dadurch knarrend; denn ein knarrender Ton (z. B. der des Buchstaben R) ist ja ein intermittirender. Die schnellen Schwebungen zweier gleichzeitig angegebener und um einen halben Ton unterschiedener Töne lassen sich in der Mitte der Tonleiter noch leicht mit dem Ohre bei Orgelpfeifen erkennen. Das eingestrichene « und 5 geben 29 Schwe- bungen in der Secunde; um sie bei denselben Tönen der zweigestrichenen Octave noch wahrzunehmen, wo es 58 in der Seeunde sind, muss man einfache Töne gebrauchen, dann ist das eigenthümliche Knattern der Dissonanz noch deutlich zu hören. Es scheint dies der gewöhnlichen Vorstellung zu widersprechen, wonach 16, ja nach Savart sogar schon 8, in der Seceunde gleich- mässig wiederkehrende Luftbewegungen vom Ohre zu einen Tone combinirt werden sollen. Indessen ist bei sehr tiefen Tönen das Ohr gänzlich unfähig die Ton- höhe zu beurtheilen, und man muss dass Phänomen der Schwebungen zu Hülfe nehmen, um die Stimmung richtig zu beurtheilen. Gerade mittels der Schwebungen aber hat sich der Vortragende überzeugt, dass man bei sehr langsamen Luftschwingungen den zweiten oder ersten Oberton hört, während der eigentliche Grundton un- hörbar ist. So scheint auch Savart während er einen Ton von 8 Schwingungen zu hören glaubte einen von 16 oder 24 gehört zu haben. Die wirkliche Grenze der wahrnehmbaren einfachen Töne liegt wahrscheinlich erst bei etwa 20 Schwingungen in der Secunde. Uebrigens kann man sich an der Sirene überzeugen, dass die Wahrnehmung der einzelnen Luftstösse selbst bei 100 in der Secunde noch nicht ganz schwindet. Der Vor- tragende vermuthet, dass namentlich diejenigen Fasern des Hörnerven, welche für Wahrnehmung der hohen Töne dienen, solche schnelle Interiissionen der Em- pfindung noch unterscheiden können, daher denn bei allen von vielen und hohen Obertönen begleiteten Klän- gen, wie es vorzugsweise die Töne der Sirene, der Zungenwerke, überhaupt alle scharfen und schmettern- den Töne sind. die einzelnen Luftstösse noch bei 100 und mehr Schwingungen in der Secunde der Wahrneh- mung nicht ganz verschwunden sind. Selbst am Clavier haben die Töne der Contraoctave, also die von 32 bis 64 Schwingungen noch etwas Schwirrendes. Auch dürfen ‘wir daraus, dass am Auge und an den Muskeln so schnelle Wechsel zwischen Erregung und Ruhe der Nervenapparate nicht stattfinden können, nicht schlies- sen, dass deren die Nervensubstanz überhaupt nicht fähig sei. Denn die an jenen Organen hervortretende Nachdauer der Reizung braucht nicht der Nervensub- stanz zuzukommen, sondern kann eben so gut von den mit ihr verbundenen Hülfsapparaten, den lichtempfin- 159 denden Zapfen der Netzhaut und den Muskelfasern her- rühren. Damit glaubt der Vortragende die Bedenken beseitigt zu haben, welche man gegen die Ansicht vorbringen könnte, dass die Dissonanz zweier Töne, die um einen halben oder ganzen Ton von einander unterschieden sind, von den Schwebungen der Töne und der dadurch bedingten Intermittenz der Empfindung herrühre. Eine intermittirende Reizung ist aber auch für andere Ner- venapparate empfindlich und unangenehm, wie z. B. flimmerndes Licht für das Auge, Kitzeln und Kratzen für die Haut. Was nun die übrigen Consonanzen betrifft, so ent- stehen bei unreiner Stimmung derselben Schwebungen ihrer Obertöne und Combinationstöne. Die der letz- teren sind schon von Scheibler und Roeber aus- führlich untersucht worden, sind übrigens gewöhnlich viel schwächer als die der Obertöne, so dass sie bei den meisten musikalischen Instrumenten neben den letz- teren verschwinden, und wir hier nicht näher darauf einzugehen brauchen. Wenn der Ton b die Octave von a ist, so ist er gleich hoch mit dem ersten Oberton von a, und dieser Oberton macht Schwebungen mit 2, wenn das Intervall der Octave nicht rein gestimmt ist. — Ist 5 eine reine Quinte von a, macht also 5 3 Schwin- gungen in derselben Zeit, wo a 2 macht, so macht der erste Oberton von b und der zweite von a in derselben Zeit genau 6 Schwingungen, sind also im Einklang. Ist das Intervall a: 5 nicht genau dem Verhältniss 2 : 3 entsprechend, so machen die beiden Obertöne Schwe- bungen. Aehnlich ist es bei der Quarte, Terz. An einer nach gleichschwebender Temperatur gestimmten Orgel, Physharmonica, selbst am Clavier hört man bei gehöriger Aufmerksamkeit sehr deutlich die Schwebungen der genannten Obertöne, weil alle die genannten Inter- valle unrein gestimmt sind. Ist die Unreinheit der In- tervalle grösser, so werden die Schwebungen schneller, und gellernd; sie bedingen dann den Character der Dissonanz. Während also zwei Töne, die in vollkom- mener Consonanz stehen, ungestört neben einander ab- fliessen und empfunden werden, stören sich dissonirende Töne gegenseitig, so dass sie ganz oder theilweise in eine Reihe von Tonstössen zerfallen. Es sind hier nur die niederen Obertöne berücksich- tigt, weil gewöhnlich nur diese eine hinreichende Stärke haben, um in Betracht zu kommen. Bei schmetternden und scharfen Tönen, d. h. Tönen mit vielen Obertönen, findet man immer noch höhere Obertöne, welche eine dauernde Dissonanz bilden, wenn man sie anders als im Einklang oder in der Octave combinirt, daher auch Accorde von Blechinstrumenten ausgeführt immer scharf und rauh klingen. Hier kann man nur sagen, dass die consonirenden Intervalle Minima der Rauhigkeit sind. Auch kann ein geübtes Ohr in einzelnen tiefen Tönen von schmetterndem Klange schon die Dissonanz des 8., 9. und 10. Obertons erkennen, welche nur um ganze Töne unterschieden sind, aber die Rauhigkeit wird sehr ver- stärkt, sobald bei Combination von zwei solchen Klängen tiefere und kräftigere Obertöne intermittirend werden. 160 Professor Schwerd von Speier gibt Kenntniss über ein neues von ihm erfundenes Photometer für die Bestimmung der Lichtstärke von Fixsternen. Nachdem er zuerst über die Veranlassung gespro- chen, die ihn bestimmt hatte, ein Photometer zu con- struiren, nämlich die Herausgabe seiner Beobachtungen veränderlicher Sterne, zu der er von seinem Freunde Argelander aufgefordert worden, bemerkt er, dass der Apparat unter seiner Leitung in München verfer- tigt, zu Jedermanns Ansicht in Speier aufgestellt sei. Dieses Photometer beruht wie das Steinheil’sche auf dem durch Beugung hervorgebrachten Lichtscheibcehen, unterscheidet sich aber von diesem darin, dass mittels angebrachter Blendungen an den Objectiven und einer verschiebbaren Loupe die Bilder zweier Sterne so ver- ändert werden können, dass sie nahe neben einander von gleicher Grösse und Helle erscheinen. Aus der Grösse dieser Blendungen und der Verschiebung des Collectivglases ergibt sich dann durch Rechnung das genaue Verhältniss der Lichtstärke der beiden Sterne. Der Präsident drückt Schwerd im Namen der Section für seine interessante Mittheilung aus. dem Herrn Professor seinen Dank Professor Müller von Freibure i. B.: oO Ueber die Wärmeintensität im Spectrum eines Glas- und Flintglasprisma. Durch eine Reihe von Versuchen, welche M. im Laufe des letzten Sommers anstellte, wurde der Verlauf der thermischen Intensitätskurve für das Sonnenspectrum eines Glas- und eines Steinsalzprisma’s bestimmt. Die Fünfte Sitzung am Präsident: Professor Müller aus Freiburg. Professor Petzval aus Wien sprach über Ob- Jeetive zu photographischen Zwecken. Nach einer geschichtlichen Entwiekelung der allmä- ligen Fortschritte in der Anfertigung von Objectiven ging er über zu den Verbesserungen, die er an den- selben besonders zu photographischen Zweeken ange- bracht hat, und zeigte ein von ihm berechnetes Objeetiv, sowie eine Anzahl Photographien von hoher Vollendung, die mit einem solehen angefertigt worden, vor. Endlich sprach er noch von einer von ihm erdachten Camera obscura und von der Zukunft der Photographie. Professor Reusch aus Tübingen: Ueber Linsen und Linsensysteme zur Beobachtung der Farbenringe im polarisirten Lichte. Wenn ich es nach den interessanten Mittheilungen unseres verehrten Collegen Petzval noch ganz am thermische Intensitätskurve für das Glasprisma stimmte sehr nah mit den von R. Franz in Berlin gefundenen Resultaten überein; für das Steinsalzprisma fand M. die Lage des thermischen Maximums, den Melloni’schen Angaben entsprechend, jenseits der rothen Grenze des sichtbaren Spectrums. Was die Ausdehnung des dunklen Theils des Wärme- speetrums betrifft, so fand M. dieselbe für das Glas- prisma und für das Steinsalzprisma nahezu gleich, und zwar hatte der dunkle Theil des Wärmespeetrums ohn- gefähr gleiche Länge mit dem sichtbaren Speetrum. Daraus folgt nun, dass für ein Crownglasprisma, dessen Brechungsexponent für violette Strahlen 1,546, für rothe Strahlen aber 1,526 ist, der Brechungsexponent der äussersten dunkeln Wärmestrahlen ohngefähr 1,506 sein muss. Die diesem Brechungsexponenten 1,506 entspre- chende Wellenlänge hat M. nach einer empirischen Formel berechnet und gleich 0,0018 Millimeter ge- funden, Demnach enthält das Sonnenspeec- trum von den äussersten fluoreseirenden Strahlen (Wellenlänge 0,0003"") bis zu den äus- sersten dunklen Wärmestrahlen (Wellenlänge 0,0018””") nahezu 23 Octaven, von denen nicht ganz eine Octave auf den sichtbaren Theil des Specetrums kommt. In einem Diffraetionsspeetrum fand M. die thermi- schen Effecte so gering, dass an Messung derselben nicht zu denken war. Aus theoretischen Betrachtungen aber ergibt sich, dass das thermische Maximum in einem Bengungsspeetrum im Gelb liegen müsse, dass dagegen die dunklen Wärmestrahlen in jedem Beugungs- speetrum einen Raum einnehmen, welcher mindestens 3 mal so breit ist, als der sichtbare Theil desselben. 22. September 1558. Schlusse unserer Verhandlungen wage das Wort zu ergreifen, so geschieht es einzig in der Hoffnung, dass diejenigen unter Ihnen, welche das schöne Polarisations- instrument gesehen haben, das Professor v. Nörren- berg eonstruirt und bereits auf drei Versammlungen den Sachkennern bereitwilligst gezeigt hat, nicht ungerne einiges Allgemeine über die Wirkung der Linsen in derartigen Instrumenten vernehmen werden, zumal da meines Wissens die hier waltenden sehr einfachen Ge- setze noch nicht explieit ausgesprochen sind, ja wie mir scheint da und dort nieht ganz Richtiges hierüber zu lesen ist. Fällt ein Büschel polarisirter unter einander paralleler Strahlen auf einen doppeltbrechenden Crystall, der z. B. senkrecht zur Achse oder zur Mittellinie geschliffen ist, so wird das den Crystall verlassende Büschel dem ein- fallenden parallel sein und ein Auge, das mit Turmalin oder Nikol bewaffnet ist und mit seiner Pupille einen Theil dieser Strahlen aufnimmt, wird nach der Richtung des austretenden Büschels die Empfindung einer be- stimmten Farbe erhalten. deren Qualität von der Dicke Reusch: Ueber imsen-md Iins des Crystalls und von dem mit der Durchgangsrichtung veränderlichen Gangunterschied der ordinären und extra- ordinären Wellen abhängt. Kann sich hiebei, wie bei der Turmalinzange, das Auge dem Crystall möglichst nähern, so erhält es gleichzeitig.nach den verschie- densten Richtungen die entsprechenden Eindrücke, deren Gesammtwirkung die schönen Erscheinungen der Farben- ringe bedingt. Aber die Farben sind durch die Tur- maline getrübt und modifieirt, ferner ist die Beobach- tung sehr kleiner Crystalle höchst mühsam, fast un- möglich. Das gewöhnliche Polarisationsinstrument mit Spiegel oder Glassäule sammt Analyseur, oder eine Verbindung zweier Nikol, kann bei solchen Beobach- tungen wenig dienen; zwar ist das Sehfeld farbenrein, aber auch die schiefsten noch durch das Instrument und den Crystall gehenden Strahlen machen zu kleine Winkel mit der Achse. Bekanntlich hat nun zuerst Airy ') gezeigt, wie durch ein System von drei Sammellinsen der eben be- zeichnete Mangel des gewöhnlichen Polarisationsin- struments gehoben werden kann. Später eonstruirte Amiei ?) sein Polarisationsmieroscop. Nach den dabei angewandten Linsen zu schliessen, besitzt es aber nicht das Sehfeldl des Nörrenberg’schen Instruments, welches überdies von einfacherer Construction ist und sich namentlich dadurch auszeichnet, dass ein Nikol als Polarisator benützt ist, durch dessen Drehung die Pola- risation der Atmosphäre berücksichtigt werden kann. Betrachten wir zunächst den Fall, dass das von Unten nach Oben gehende polarisirte Licht von einem Spiegel oder einer (reflectirenden oder durchlassenden) Glassäule PP‘ komme (Fig. 1), alsdann könnten wir zwar durch Annäherung an den Spiegel Strahlenbündel erhalten, welche unter ziemlich grossen Winkeln gegen die verticale Achse Q S des Instruments durch Crystall und Analyseur gingen, allein diese Strahlen sind um sos' |. weniger vollständig polarisirt, je mehr ihre Richtung von der für vollständige Polarisation abweicht. Der kleinste zulässige Abstand SQ vom Spiegel wird somit dadurch bestimmt sein, dass die von den äussersten Punkten P und P’ des Spiegels nach S gehenden Strahlen nur kleine Winkel von vier bis sechs Graden mit der Achse, als der Richtung der vollständigen Polarisation machen. Der Kegel SP P‘, dessen Spitze in S, Achse in SQ liegt und in welchem der Spiegel ein schiefer elliptischer Schnitt ist, begrenzt das brauchbare Polari- sationsfeld. Bringen wir jetzt über dem Spiegel und unterhalb S eine Sammellinse LOL’ an, deren Achse mit QS zu- sammenfällt, von einer Oeffnung gleich der Weite des Kegels SPP’ an der betreffenden Stelle, so wird sich zeigen, dass wir nunmehr, durch einen iiber der Linse bei K aufgestellten Crystall, Büschel von Parallelstrahlen unter grösserem Winkel als ohne die Linse leiten können. Ist nämlich F der untere Brennpunkt der Sammellinse, 1) Poggendorff, Ann. Bd. 23 p. 261. 2) Comptes rendus, 1844 Ir Juillet. — Pouillet, physique. 5 edit. p. 420. 161 M. ein Punkt der unteren Brennpunktsebene G FG’, MO die Richtung eines Strahlenbüschels nach dem Durchgang durch die Linse, so ziehe man durch die äussersten Umfangspunkte des Crystalls, den wir im Allgemeinen als klein voraussetzen, die Parallelen k 1 und A mit MO und verbinde Z und / mit M, ver- längere 2M und !M bis an den Spiegel in u und w; alsdann liefert offenbar das Spiegelstück u u’ ein System von Strahlen, die gegen M convergirend, durch Brechung in der Linse zu Parallelstrahlen werden, welche den Crystall unter dem Winkel M OF gegen die Achse durchlaufen. Gibt man dem Punkte M der Reihe nach andere Stellungen in der Brennpunktebene und wieder- holt die obige Construction, so findet man für jede innerhalb des Kegelraums O GG’ gelegene Richtung MO eine Stelle u u’ des Spiegels, welche dem Crystall mit Hülfe der Linse ein Büschel von Parallelstrahlen zuführt; namentlich überzeugt man sich leicht, dass der Crystall, wenn er auch den äussersten Strahl PGL, dem nach der Brechung in der Linse die Riehtung LK parallel GO entspricht, aufnehmen soll, in einem Punkte K aufzustellen ist, der mit S conjugirt ist. Die äus- sersten Strahlen gehen daher mit Hülfe der Linse unter dem Winkel GOF — 9 durch den Crystall bei K, während sie ohne dieselbe bei S in gleichem Polari- sationszustand unter dem Winkel GSF —= « durch- gehen. Die Vergrösserung des Polarisationsfelds ist somit durch den Winkel LGO gemessen. Zum Behuf der rechnenden Bestimmung des Winkels g und des Abstands OK, sei noch OF = / die Brennweite und LL’= 2a die Oefinung der Linse; dann gibt die Figur ftangp = a + f tanga, woraus a (1) tangp = Fr — tanga, und OK = acotg g. immt man « — 5° und bedenkt, dass man wohl ein- $ e a Im: zelne Linsen anwenden kann, für welche 7 = 3 ist, so erhält man schon mit einer Linse ein brauchbares Polarisationsfeld 2p = 60°. Für zwei einander sehr - : : a nahe Linsen steigert sich aber der Werth von 7 be- deutend und endlich kann durch eine tiefere Sammel- linse der Kegel PSP‘ in einen stumpferen verwandelt werden, wodurch in dem Ausdruck für p der Werth von tang « namhaft vergrössert wird. Ich betrachte nun den Fall, dass unter der Linse eine Turmalin- oder Heropathitplatte T (Fig. 2) sich befinde; der Einfachheit halber werde sie kreisförmig und vom Durchmesser tt! —= 26 angenommen, ihr Abstand OÖ T von der Linse sei h. Die Spitze S des die Linse und den Polarisator umfassenden Kegels fällt wohl meistens nach unten; der innerhalb des Kegels be- findliche Theil G G‘ der unteren Brennpunktsebene ist das Feld, in welchem sich der Punkt M nach den obigen Erläuterungen zu bewegen hat. Ciıystall K ist eben- 21 162 falls mit S conjugirt und der grösste Winkel, unter welchem Strahlen durch den Crystall gehen, it LKO = GOF= g. Zur Bestimmung dieses Winkels hat man nach der Figur ftp =a — ff ——. h a—b h Der Abstand des Crystalls von der Linse it OK = acotg@. Auf Vergrösserung von p können wir daher woraus a (2) tangp = Er a Ä sowohl durch Vermehrung von ?’ als durch Vermin- a—b derung von hinwirken ; .das letztere geschieht h offenbar durch Vergrösserung der Turmalinplatte, sowie des Abstands O T. Aehnliche Betrachtungen gelten auch für den Fall, dass ein Nikol angewendet wird, wo dann tt der Durchmesser eines in den Nikol einbeschriebenen Cy- linders wäre, sofern es sich um den ringsum gleich- förmigen Theil des Sehfelds handelte. Denkt man sich aber unter tt! die grosse Diagonale des Nikols, so würde man hiernach den grössten Effeet, wie er im Sinne der grossen Diagonale stattfindet, beurtheilen. Jedenfalls haben wir uns bei T die obere, der Linse zugewandte Fläche des Nikols zu denken und anzu- nehmen, dass die Strahlen £L und t'L’ vom Nikol wirklich geliefert werden. Noch mag bemerkt werden, dass eine Herapathit- platte ganz wohl auch über der Linse angebracht wer- den kann. In diesem Falle bedarf es blos eines ver- stellbaren belegten Spiegels unter der Linse; die polari- sirende Platte kommt etwas unter den oberen Brenn- punkt und der Crystall auf die Platte. Diese Anordnung hat Nörrenberg an einem Instrumente für das Labo- torium der polytechnischen Schule zu Stuttgart getroffen. Nach diesen Bemerkungen über den unter dem Cry- stall befindlichen Beleuchtungsapparat gehe ich über zur Untersuchung der Wirkung einer über dem Crystall angebrachten Sammellinse. H.\H!‘ (Fig. 3) sei die Linse, Q& F' = f' ihre Brennweite, HH’ = 2a‘ ihre Oeffnung, QK = X‘ ihre Höhe über dem Crystall K. Hier gilt nun das sehr einfache Gesetz: für ein über der Linse befindliches mit einem Analyseur bewaffnetes Auge erscheint in der oberen Brennpunktsebene JJ' derLinse einBild des Ringsystems, das die Rolle eines reellen spielt, also z. B. mit einem matten Glase in dieser Ebene aufge- fangen werden kann und undeutlich wird, wenn man das matte Glas erhöht oder erniedrigt. Es lässt sich hierauf ein Focometer gründen, das ich bei Anwendung einer ziemlich dieken Kalkspathplatte, welche ein feines Ringsystem giebt, zur Bestimmung der Brennweiten schärferer Linsen nicht unbrauchbar gefunden habe. Der Grund dieser Erscheinung ist einfach der: das den Crystall in einer bestimmten Richtung verlassende Bü- schel von Parallelstrahlen k m km‘ eonvergirt nach der Brechung in der Linse gegen einen Punkt M’ der oberen Brennpunktebene, dadurch bestimmt, dass man durch (2 eine Parallele mit km zieht; das von M‘ nach oben divergirende Büschel gelangt in das mit dem Analyseur versehene Auge. Hat der Crystall eine grosse Ausdeh- nung, so ist seine Stellung unter der Linse ohne allen Einfluss auf die Erscheinung; einem Strahlenbüschel, das unter dem beliebigen Winkel $ gegen die Achse den Crystall verlässt, entspricht nach der Brechung in der Linse ein Bildpunkt M’, dessen Abstand von F’ durch f' tang % gegeben ist. Ist aber der Crystall klein und will man auch die äussersten den Winkel p mit der Achse machenden Strahlen der oberen Linse zuführen, so besteht vor Allem die vom Dreieck K2H, in welchem Winkel HK.R2 eben gleich @ ist, gelieferte Relation (3) k'tangp = a. Der Halbmesser des äussersten Bildkreises ist F'J = f' tang g. Hier sind nun drei Fälle zu unterscheiden: der Cry- stall befindet sich entweder im unteren Brennpunkt F” der Linse, oder über oder unter demselben. Im ersten Falle ist F'J gleich der halben Oeffnung a’ der Linse. Im zweiten Falle, auf welchen sich die Figur bezieht und welcher wohl immer statt hat, wenn es sich um Erreichung eines sehr grossen Sehfelds handelt, ist F'’J > a‘; die äussersten Strahlen divergiren von einem tiefer liegenden Punkte S’ der mit K conjugirt ist. Im dritten Falle ist F'J < a’ und der Punkt S' kommt tiber die Linse zu liegen; alsdann lässt sich leicht der Abstand K.0 so reguliren, dass Analyseur und Auge, die bei S‘ aufgestellt sind, von F' um die Weite des deutlichen Sehens entfernt sind, das ganze Ringsystem somit ohne weitere Hülfe innerhalb des Kegelraums S'’J J' übersehen werden kann. In den beiden ersten Fällen bedarf es aber wegen der Kleinheit der Pupille, die weder das nahezu parallele und verticale, noch viel weniger das von unten divergirende Strahlenbüschel zu fassen im Stande wäre, einer weiteren Hülfe, und diese besteht einfach darin, dass man das in der Brennpunkts- ebene liegende Bild durch ein passendes Ocular be- trachtet. Airy bedient sich hiezu der einfachen Loupe und giebt derselben gleiche Oeffnung wie der Linse 2; sie steht von F’ um etwas weniger als ihre Brennweite ab, bei F' kann ein Kreuzfaden angebracht sein; Ana- lyseur und Auge befinden sich, um auch die äussersten Strahlen aufzunehmen, in einer Höhe über der Loupe gleich deren Brennweite und am Einfachsten ist es die 3 hier in Betracht kommenden Linsen von einerlei Oeff- nung und Brennweite anzuwenden. Nörrenberg betrachtet das Bild in J J‘ mit einem Ramsden’schen astronomischen Oculare, bei welchem bekanntlich zwischen den zwei Sammellinsen, aus denen es besteht, kein reelles Bild zu Stande kommt. Die erste schärfere Linse steht über J J‘ fasst das von S‘ divergirende Büschel und führt es nach oben conver- girend einer zweiten schwächeren Linse zu. Das ganze obere Linsensystem über dem Crystall bildet sonach bei richtigem Stand ein für unendlich ferne Gegenstände eingestelltes verkleinerndes Fernrohr, dessen Objeetiv die Linse Q oder die ihr entsprechende Doppellinse ist. Zur Erreichung des grössten Sehfelds ist möglichste Annäherung der Linsen O (Fig. 1) und N (Fig. 3) an den Crystall nötlig, wenigstens dann, wenn diese Linsen von kleiner Oeffnung und als Doppelobjective construirt sind. Bezeichnet man mit k den Abstand des Crystalls von der Linse O, so gilt die Relation « = k tang p (siehe Fig. 1), und diese verbunden mit der Gleichung (3) giebt (4) ala kalikı Das Einfachste scheint daher die Linsen oder Lin- sensysteme O und ‚2 gleich zu machen, obgleich diess nicht wesentlich ist. Diese dem Crystall nächsten Linsen sind nun die wesentlichsten Theile des Apparats und wir können nunmehr seine optischen Eigenschaften kurz so bezeichnen: die in einem Punkte M der unteren Brennpunktsebene der Linse O sich kreuzenden Strahlen treten aus OÖ als Parallelstrahlen, dringen in den Cry- stall, erleiden daselbst die bekannten Modificationen, verlassen den Crystall in derselben Richtung in der sie auf ihn gefallen und vereinigen sich im Punkte M’ der oberen Brennpunktsebene von (2. Im dieser Ebene er- scheint dem analysirenden Auge das Ringsystem, wel- ches sofort entweder direct, oder durch passende Ocu- lare, oder unter Beschränkung des Sehfelds nach Amiei durch ein schwach vergrösserndes Mieroscop betrachtet werden kann. Eine Sammellinse unter O dient um den vom Polarisator kommenden Strahlen die gehörige Con- vergenz gegen die Achse zu ertheilen. In sehr instruetiver Weise finden die bisher bespro- chenen Wirkungen der Sammellinsen ihre Anwendung auf die Erklärung einer ebenfalls von Nörrenberg, dem Altmeister der Polarisation stammenden Methode, die Farbenringe zu beobachten. Der Crystall K (Fig. 4) liegt auf dem belegten hori- zontalen Spiegel Q Q' seines wohlbekannten Polarisa- tionsinstruments, eine Sammellinse steht darüber in ei- nem Abstand, für welchen der Crystall mit dem analy- sirenden Auge conjugirt ist; alsdann erscheint ein der doppelten Crystalldicke entsprechendes Ringsystem (bei einem Bergerystall die Airy’sche Spirale) in der oberen Brennpunktsebene der Linse. Es wird nämlich ein gegen den Punkt M dieser Ebene convergirendes, von dem Polarisator PP’ in u u‘ geliefertes Büschel durch die Linse zu einem Parallelbüschel, welches nach Durch- laufung des Crystalls und Reflexion am Spiegel als Pa- rallelbüschel symmetrisch mit dem eintretenden aufsteigt und nach abermaliger Brechung in der Linse nach dem Punkte M convergirt, von wo es in’s Auge gelangt. Ueberraschend und in gleicher Weise zu erklären ist die Wirkung, wenn man den ganzen Obertheil des Nör- renberg’schen Apparats mit grossem Sehfeld auf einen horizontalen Spiegel mit einer zweiachsigen Glimmer- 163 platte stellt und nun zwischen der obersten Linse und dem Nikol eine kleine Glasplatte unter dem Polarisa- tionswinkel einschaltet. Man übersieht so ohne ander- weitigen Beleuchtungsapparat das Ringsystem in grosser Ausdehnung. Wenn nun auch die bisherigen Erläuterungen ge- eignet sein können, die Wirkung der Linsen in diesen Apparaten der Hauptsache nach zu erklären, so ist doch nicht zu vergessen, dass hiebei durchweg Eigenschaften der Linsen unterstellt worden sind, welche streng ge- nommen nur für sehr kleine Winkel der Strahlen mit der Linsenachse gelten, während hier Winkel in Be- tracht kommen, die zum Theil wenig von einem Rechten verschieden sind. In Wirklichkeit treten an die Stelle der Brennpunktsebenen ziemlich stark gekrümmte Ro- tationsflächen, die überdiess für die verschiedenen Farben verschiedene Form und Lage haben. Die Berechnung und Herstellung eines sehr scharfen Objeetivs Q mit möglichst wenig gekrümmter Brennpunktsfläche, und eines Oculars, das sich deren Krümmung möglichst an- schmiegt, sowie in zweiter Linie die beste Anordnung des Beleuchtungsapparats, das bleibt einstweilen ein frommer Wunsch, den ich aber mit bestem Vertrauen unsrem Collegen Petzval ans Herz legen möchte. Ein Instrument, das wie ich hoffe in kurzer Zeit trotz der inhärirenden Mängel sich in allen physikalischen, chemischen und mineralogischen Cabineten eingebürgert haben wird, dürfte der tiefen Forschungen unsres ver- ehrten Collegen nicht minder würdig erscheinen als das nunmehr durch sein Verdienst zur Vollendung geführte Objeetiv des Photographen. Der Präsident legte mehrere von Hartnack in Paris eingesandte photographische Abbildungen mi- kroskopischer Gegenstände nach Bildern des Son- nenmikroskopes vor, deren Anschauung die Wich- tigkeit der Photographie auch für die genauere Kenntniss der Natur erkennen liess. Bei einer 600- fachen Vergrösserung zeigt z. B. das photogra- phische Bild der Navigula angulata, einer Alge, auf dem Kieselpanzer derselben die nach den wahr- genommenen Streifen vermuthete reihenweise An- ordnung von crystallenen Knöpfchen in klarster Wirklichkeit: also weit mehr als man früher mit dem besten Mikroskope wahrnehmen konnte. Auf dem feinen Collodiumhäutchen entstehen demnach sichtbare Bilder der kleinsten Theile, deren Wahr- nehmung der Netzhaut unseres Auges bei jeder Vergrösserung entgieng, zu dauernder Fixirung. Chemiker Th. En gel aus Stuttgart zeigte eben- falls Photographien vor. 2,” 164 Nachsitzung-am 24. September 1858. (Im physikalischen Auditorium.) Am 24. September fand noch eine Sitzung im physikalischen Auditorium statt, welcher ohngefähr 100 Mitglieder beiwohnten. In ihr zeigte Herr Ruhmkorff aus Paris den für das hiesige phy- sikalische Cabinet auf die Zeit der Naturforscher- Versammlung bestellten grossen Inductionsapparat vor und stellte damit grossartige, allgemein über- raschende Versuche an. Mittelst einer Batterie von 40 Grove’schen Elementen und einer Kleistischen Flasche von 2 Quadratfuss Belegung erzeugte er unter Anderem Funken von 10—15 Centimeter Länge. Neu ist daran die Ankervorrichtung, in- dem die Unterbrechung des Stromes durch einen Elektromagnet und ein Volta’sches Element bewirkt wird. Durch eine eingetretene Verletzung der Spi- rale mussten jedoch die Versuche nach etwa einer Stunde eingestellt werden. VI. Seetion für Chemie. Erste Sitzung am 17. September 1858. Präsident: Professor v. Liebig von München. Ständiger Secretär: Assistent Petersen y. Carlsruhe. Professor Schlossberger aus Tübingen trägt vor: Ueber die Unterscheidung des Fibroins von der Substanz des Badeschwamms, dann : über die Un- löslichkeit der Seide in kohlensauren Nickelowydul- ammoniak, endlich: über die Trennung von Seide, Baumwolle und Wolle. Crookewit betrachtet (Annalen d. Chemie XLVII, 43 bis 56), vornehmlich auf Grund von Elementarana- lysen, die Hauptsubstanz des Badeschwamms als den- selben Stoff, welcher in den Seidenfäden vorkommt und als Fibroin bekannt ist, nur dass derselbe in dem Schwamme noch mit kleinen Mengen von Jod, Schwefel und Phosphor verbunden sei, welche in dem Seiden- fibroin fehlen. Bereits in meiner vergleichenden Thier- Chemie (Bd. I, Abtheil. A, S. 259) habe ich Zweifel hiergegen geäussert. Die neuen merkwürdigen Lösungs- mittel der Seide, das Kupferoxydammoniak und das Nickeloxydulammoniak waren mir sehr willkommen, über diesen Gegenstand einige experimentelle Vergleichungen anzustellen; beweisen doch Elementaranalysen in solchen Fragen allein nicht viel, und gab noch dazu die Ver- brennung des gereinigten Badeschwamms Crookewit und Posselt nicht unerhebliche Abweichungen im Ge- halt derselben an Kohlenstoff. Rohe gleichwie ausgekochte Seide quillt in den ge- nannten Reagentien überaus schnell und stark auf und löst sich kurze Zeit darauf; die Farbe der Seidelösung ist bei CuONH? blau ins Violette, bei dem NiONH® gelbbraun. Der gewöhnliche Badeschwamm hingegen erleidet in beiden Reagentien, auch wenn sie ganz frisch und mit den schweren Metalloxyden möglichst gesättigt angewendet werden, durchaus keine entsprechende Veränderung; selbst nach sechswöchigem Liegen darin konnte weder das Mikroskop noch das blose Auge irgend ein Aufgequollensein constatiren; die einzige Verände- rung bei der Nickellösung war die, dass selbige ihre blaue Farbe zum Theil verloren und der Schwamm sich rothbraun gefärbt hatte, Es konnte die Frage entstehen, ob nicht vielleicht ein Gehalt an auswaschbaren Salzen die Einwirkung jener Flüssigkeiten auf den Badeschwamm verhindere, ähnlich wie ich eine solche hindernde Wirkung der Salze auf die Lösung der Cellulose in CuONH? ent- deckt habe. Darum wurde der Schwamm tüchtig ge- klopft, fein zerschnitten und mit destillirtem Wasser und sehr verdünnter Salzsäure mehrere Wochen lang ausgewachsen; hierbei wurde zugleich eine überraschend grosse Menge Sand ausgespült. Eine Probe derartig gereinigten Schwamms gab noch 4,66 pC. Asche, worin 0,72 lösliche und 3,94 unlösliche Bestandtheile; eine andere Probe wurde wieder obigen Reagentien ausge- setzt, denen sie aber auch jetzt noch vollständig wi- derstand. Mir scheint, dass diese Thatsachen meinen früheren Zweifeln über das Vorkommen von Fibroin im Bade- schwamm weitere Bekräftigung geben, es wäre denn, dass die ‘sehr kleinen Mengen von Jod, Schwefel und Phosphor, welche nach Crookewit im Badeschwamm organisch gebunden sind, die Ursache des so ganz ver- schiedenen Verhaltens (zu den genannten Lösungsmitteln) von dem der Seide bedingen. Natürlich ist hierüber ge- genwärtig kaum ein sicheres Urtheil möglich. Ich kann aber bestätigen, dass der vollkommen ausgewaschene Schwamm mit einem Gemenge von reinem Salpeter und Kalihydrat geglüht eine Masse liefert, welche SO®, PO?° und Jod enthält, daneben auch etwas Chlor und Eisenoxyd. Eben so fand ich in der Substanz des Achsenskelets der Gorgonien, nachdem dasselbe mit Wasser und Salzsäure völlig ausgewaschen worden war, noch Jod. — Die Menge der Asche, welche der gewaschene Schwamm für sich geglüht liefert, ist oben angegeben; von der Menge der unlöslichen Bestand- theile (3,94 pC.) wurden nur 0,9 durch Salzsäure ge- löst; das Uebrige bestand aus zierlichen Kieselnadeln und immer noch beigemengten Quarzkörnern. Ich schliesse mit einigen Zusätzen zu meinen Mitthei- lungen über das CuONH?® und NiONH? in dem Julihefte der Annalen für Chemie. Das Gespinnst anderer Raupen, einheimischer Bombyxarten, verhält sich zu beiden in durchaus gleicher Weise wie das der Seiden- raupe; die Fäden quellen stark und werden bald un- sichtbar, indem sie sich lösen. — Ferner: Lösungen von Kupferoxyd oder Nicekeloxydul in kohlensaurem Ammoniak wirken in keiner Weise auf Seide; auch zur Baumwolle verhalten sich beide gänzlich unwirksam. Ich erkläre mir hieraus, warum die Lösungen jener Oxyde in Ammoniak bei langem Aufbewahren so viel an lösender Kraft für genannte Fasern einbüssen, auch wenn man denselben vor dem Gebrauche wieder starken Salmiakgeist beimischt. Professor Niekl&s aus Nancy hält einen Vortrag Ueber die Nachweisung des Fluors, dessen Resultate er in folgende Schlüsse zusam- menfasst:: 1° II y a du fluor dans le sang, en tres-petites quantites. 2° Il yena dans Purine. 3° Ilya du fluor dans les os, mais beaucoup moins qu’on ne la dit; d’apres Berzelius, 100 grammes de matiere caleaire des os contiennet 3 grammes de fluo- rure de caleium; dans le m&moire, on eonstate qu'il ya, a peine, 0,05 de ce fluorure dans un kilogramme de matiere calcaire. 4° Les sources oü lorganisme animal puise le fluor dont il peut avoir besoin, sont: a) Les eaux potables; b) Les substances vegetales; les unes et les autres contiennent du fluor en proportions tellement restreintes, que, pour en obtenir des traces, il faut 165 operer sur un kilogramme, au moins, de cendres, et sur le produit de l’&vaporation de quelques mille litres d’eau; e) Aceidentellement aussi, l’organisme peut em- prunter du fluor aux eaux minerales, qui contiennent toutes, des fluorures en tres-forte proportion, si on les compare aux eaux potables; d) Cette eirconstance pourrait expliquer l’efica- eite de certaines eaux minerales faiblement mine- ralisees, telles que les eaux de Plombieres, du Mont-d’Or, de Soultzbad, ete. 5° L’eau de la Seine, prise ä Paris, est une de celles qui renferment le moins de fluorures. 6° L’une des eaux fluviales de France les plus riches en fluorures est celle de la Somme, prise ä Amiens. 7° Les diverses eaux minerales ne sont pas &gale- ment riches en fluorures; les plus riches de celles que Jai examinees sont: l’eau de Contrexeville, d’Antogast, de Rippoldsau, de Geilnau et de Chätenois (Bas-Rhin). Un litre de ces eaux suflit pour donner des marques non equivoques de la presence du fluor. 8° Au contraire, Feau de mer (Atlantique) n’en eontient pas en proportion sensible dans 300 litres. Ce fait etablit done une difference bien tranchee entre cette eau et les eaux minerales qui ont de Yanalogie avec Veau de Ja mer. 9° La loi de la diffusion du fluor dans l’ecoree ter- restre peut se formuler ainsi: /!y a du fluorure de cal- cium dans toutes les eaux qui renferment du bicarbonate de chauz, il peut y avoir du fluor dans les roches et les mi- nerauz qui se sont formes par voie de sediment. Quant ä la maniere de mettre ces faits en evidence, il resulte de ce qui est dit dans le memoire que: 10° Le procede elassique peche par deux points essentiels, et conduit ä& faire admettre du fluor la ou il n’yena point. Cela tient: a) A laction que l’acide sulfurique peut lui- meme exercer sur le verre. b) A de petites quantites d’acide fluorhydrique que cet acide peut contenir. 11° Dans le eourant de mes recherches, ces causes d’erreur ont &te eliminees. a) En remplacant la classique lame de verre par une lame de cristal de roche. b) En employant un acide exempt d’acide fluor- hydrique. 12° L’acide employe de preference pour rechercher la presence des fluorures, est le sulfurigue que l’on purifie en l’ötendant d’eau et !’exposant pendant quel ue temps ä une temperature de 150 & 180°. 13° Le dissolvant que j’emploie est l’acide chlor- hydrique, que, avec quelques soins, on peut trouver exempt de fluor dans le commerce. Dans le memoire, j’indique les eirconstances dans lesquelles un pareil acide chlorhydrique se produit dans la grande fabrication. 14° Tous les dosages, portant sur du fluor et operes avec le coneours de laeide sulfurique, doivent etre refaits. 166 15° Bien des substances sont reputees fluoriferes, sans cependant contenir du fluor; le fluor qu’on a trouve parmi les produits de leur decomposition, a et& intro- duit par les reactifs, et notamment par l’acide sulfurique employe. Zu diesem Vortrage bemerkte Privatdocent Dr. Schneyder aus Freiburg i. Br.: Die gewöhnliche Methode Fluor nachzuweisen wird gemeinhin mit der Cautele benutzt, dass sehr schwache Aetzungen des Glases erst sichtbar würden, wenn das- selbe angehaucht werde, was auch seine volle Richtig- keit hat; aber umgekehrt ist der Schluss, dass, wenn durch Anhauchen die in den Wachsüberzug gemachte Zeichnung sichtbar werde, nun auch eine Aetzung, also Flusssäuregegenwart, anzunehmen sei, sehr häufig falsch. Schon als Knabe machte ich die Beobachtung, dass Zeichnungen in das Eis einer gefrorenen Fensterscheibe gemacht, sowohl nach öfterem Schmelzen des Eisüber- zuges, als auch selbst nach Wochen, beim Anhauchen und beim abermaligen Gefrieren wieder ganz deutlich zum Vorscheine kommen. Figuren auf Glas oder Berg- krystall, sie mögen mit Eisen, Kupfer, Messing, Glas, Holz, Schreibfedern oder irgend welchem Materiale ge- macht worden sein, kommen, wie längst bekannt, beim Anhauchen sofort zum Vorschein; allein ich habe auch meinen Schülern im chemischen Laboratorium immer gezeigt, dass selbst nach dem Wegschmelzen, Abwischen und Auflösen des Wachsüberzuges fast ausnahmslos die Zeichnung ohne Flusssäureätzung doch beim Anhauchen wieder erscheint. Diese Eigenthümlichkeit macht alle die Beobachtungen, welche „Spuren von Flusssäure* in den verschiedensten Objeeten ergaben, unsicher. Um der Flusssäurenachweisung Werth zu verschaffen, kann man nur den Rath geben, nach dem Aussetzen der Glas- oder Quarzplatte in die zu prüfenden Dämpfe (mit den Nickles Vorsichtsmassregeln) noch andere Fi- guren mit dem gleichen Zeichenstifte in’s Wachs zu graviren und erst, wenn nach längerem und kräftigerem Abreiben nur die vor der Aetzung gemachten Linien erscheinen, ist die Diagnose auf Flusssäure ge- rechtfertigt. Auf Ansuchen des Präsidenten, des letzten Redners und von Erdmann erbot sich Niekles Versuche in der folgenden Sitzung anzustellen. Professor Erdmann aus Leipzig: 1. Ueber den scharfen Stoff von Ranunculus sceleratus. Herr Prof. Clarus hat im weitern Verfolge seiner Untersuchungen über die physiologischen und therapeuti- schen Wirkungen der Pulsatilla (Reil Journ. f. Phar- makodynamik I, 4, 4 und Zeitschrift der Gesellsch. der Aerzte in Wien. 1858. No.18) auch Versuche über die Wirkung anderer Ranunculaceen, besonders des so über- aus scharfen Ranuneulus sceleratus angestellt. Da der scharfe Stoff dieser Pflanze noch ganz unbekannt ist, so entsprach ich gern der Aufforderung meines Herrn Collegen, einige Versuche darüber anzustellen, zu wel- chen er mir das Material lieferte. Wird der frisch ausgepresste scharfe Saft der Pflanze mit der durch Anfeuchten des Rückstandes und erneutes Pressen erhaltenen wässerigen Flüssigkeit der Destillation unterworfen, so erhält man ein scharfschmeckendes, widrig riechendes, völlig klares Destillat. Wird dieses Destillat längere Zeit stehen gelassen, so wird es all- mälig, sowohl in offenen als in ganz gefüllten und ver- korkten Gefässen, milchig trübe und setzt einen weissen amorphen Körper ab, der durchaus nicht scharf ist und sich ganz wie die von Schwarz beschriebene Ane- monsäure verhält, welche sich aus dem wässrigen Destillat der Pulsatilla bei längerem Stehen zugleich mit Anemonin ausscheidet. In Betreff der Ausscheidung der Substanz aus dem Destillate der Pulsatilla erhielt Herr Prof. Clarus von Dr. Trommsdorff, welcher grössere Mengen von Anemonin und Anemonsäure dar- gestellt hat, die Mittheilung, „dass sich Anemonsäure neben Anemonin aus concentrirter Aqua pulsatillae ab- scheidet und auch in vollen und gut verstopften Ge- fässen sich bildet. Zuerst scheidet sich aus dem klaren oder nur wenig trüben Destillat Anemonsäure, dann Anemonin ab; aus dem einfachen (nicht eoncentrirten) Wasser scheidet sich nur Anemonsäure ab. Eine Ent- stehung der Anemonsäure aus Anemonin unter Auf- nahme des Luftsauerstoffs erscheint nach Obigem als nicht wahrscheinlich ete.“ Dass die sich ausscheidende Anemonsäure nicht fertig gebildet in der Pflanze enthalten sein kann, er- gibt sich bestimmt daraus, dass die Anemonsäure mit Wasser nicht überdestillirt. Dasselbe gilt von dem Anemonin, auch dieses destillirt mit Wasser nicht über; ich habe eine heiss gesättigte Lösung von Tromms- dorff dargestellten Anemonins anhaltend in einer Re- torte erhitzt. es destillirte nur Wasser über; aus dem Rückstande krystallisirte das Anemonin aus. Um den scharfen Stoff aus dem wässerigen Destillat von Ranunculus sceleratus abzuscheiden, schüttelte ich dasselbe mit Aether. Dieser färbte sich blassgelblich. Die Aetherschicht wurde abgenommen und an der Luft rasch verdunsten gelassen. Hierbei hinterliess sie ein goldgelbes Oel, schwerer als Wasser, von scharfem, die Augen heftig reizendem Geruche, das auf die Haut gebracht Blasen zieht. Die Empfindung, welche es auf der Haut erzeugt, ist ganz wie die, welche man nach leichter Verbrennung hat, und die Blasen gleichen den Brandblasen, sie heilen nur langsam. Dieses Oel ist völlig indifferent gegen Lakmus. Mit kohlensaurem Natron und Salpeter verbrannt zeigte es sich schwe- felfrei. . Beim Aufbewahren erstarrt das Oel zu einer weissen hornartigen überaus festen Masse, während der Geruch verschwindet. Die darüber stehende wässerige Flüssig- keit, welche neben dem Oele beim Verdunsten des Aethers zurückgeblieben war, setzte reichliche Mengen von Anemonsäure in weissen Flocken ab. Als ich ver- suchte, das Oel mittelst Chlorealeium zu trocknen, gelang dies nicht; es erstarrte in Berührung mit dem Chlor- caleium ebenso wie bei Gegenwart von Wasser. In einem Falle zeigte sich, dass in dem klaren Oele zuerst weisse undurchsichtige Crystalle entstanden, bis zuletzt die ganze Masse fest wurde. Die hornartige, sehr schwer zu pulvernde, nur noch schwach riechende Masse wurde theils mit Alkohol, theils mit Chloroform, welches nach den Erfahrungen des Herrn Professors Clarus ein sehr gutes Lösungsmittel des Anemonin ist, ausge- kocht. Beide Lösungsmittel zogen Anemonin aus der Masse aus und hinterliessen Anemonsäure mit allen von Schwarz angegebenen Eigenschaften. Sie wird mit Kali gelb unter theilweiser Lösung und Auf- schwellen des Rückstandes. Ebenso mit Baryt, kohlen- saurem Kali, kohlensaurem Natron. Der gelöste Theil wird durch Säuren mit gelblicher Farbe ausgefällt. Beim Verbrennen bildet die Substanz eine russende Flamme, und die anfangs zurückbleibende Kohle verglimmt langsam. Ich habe sowohl das Anemonin als die Ane- monsäure aus anuneulus sceleratus mit den von Tromms- dorff aus Pulsatilla dargestellten Präparaten ihren Reac- tionen nach verglichen und sie vollkommen übereinstim- mend gefunden. Das von Ranunculus abdestillirte Wasser, welchem durch Aether das scharfe Oel entzogen worden ist, trübt sich beim längern Stehen kaum und gibt beim Abdampfen kein Anemonin. Hiernach ist die Ursache der Schärfe des Ranuneubıs ein flüchtiges Oel, welches sich leicht in Anemonin und Anemonsäure umwandelt, die beide geschmacklos sind. Ob dabei Wasserelemente gebunden werden oder viel- leicht die Luft mitwirkt, vermochte ich nicht zu ent- scheiden. Die Ursache, dass der Ranunculus beim Troeknen seine Schärfe vollkommen verliert, liegt also nicht in der Verflüchtigung des Oeles, der sogenannten flüchtigen Schärfe der älteren Chemiker, sondern in der Umbildung desselben in die wirkungslose Anemonsäure und das zwar giftige, narkotisch wirkende, aber nur sehr wenig scharfe Anemonin *). 2. Bildung von Kupferoxydul. Die Levol’sche Kupferprobe, welche sich darauf gründet, dass die mit überschüssigem Ammoniak ver- setzten Lösungen der Kupferoxydsalze, wenn sie bei Abschluss der Luft mit metallischem Kupfer digerirt werden, unter Bildung von Oxydullösung genau so viel Kupfer auflösen müssen, als die Lösung enthält, so dass die Gewichtsabnahme des Kupfers den Gehalt der Lösung an Kupfer angibt, ist in der Ausführung mit grossen Schwierigkeiten verknüpft und gibt selten gute *) Clarus bemerkt in der oben citirten Abh. (Reil’s Journ.), dass das Anemonin geruch- und geschmacklos sei und nur bei längerem Verweilen auf der Zunge ein nicht eben starkes Gefühl von Brennen hinterlasse. Jedenfalls verhält es sich ganz ebenso mit der Entstehung des Anemonins und der Anemonsäure aus Pulsatilla. 167 Resultate. Es ist sehr schwer, die Luft so vollkommen abzuschliessen, dass nicht ein zu hoher Kupfergehalt gefunden würde. Stellt man eine ammoniakalische Lösung von schwefelsauerem Kupferoxyd mit metalli- schem Kupfer in einem nicht vollkommen schliessenden Gefässe zusammen, macht man z. B. den Versuch in einer Flasche, deren Glasstöpsel nicht mit besonderer Sorgfalt eingeschliffen und gefettet ist, so bleibt die Flüssigkeit mehr oder weniger blau und es bildet sich in derselben, wie mein Assistent, Herr Dr. König, gefunden hat, bei längerem, d. h. wochen- und monate- langem Stehen ein gelbbrauner Niederschlag von Kupfer- oxydulhydrat. Die Bildung desselben ist leicht zu er- klären. Das in der ursprünglichen Flüssigkeit neben einer Säure enthaltene Kupferoxyd-Ammoniak nimmt, indem es in die Oxydulverbindung übergeht, Kupfer auf, das gebildete Oxydul wird zum Theil wieder oxydirt, nimmt auf’s Neue Kupfer auf und so fort, so lange Kupfer vorhanden ist und Sauerstoff zutreten kann. Während aber die Bildung von Oxydul auf Kosten des Kupfers fortdauert, fehlt es an Säure, um das in Am- moniak lösliche Oxydulsalz zu bilden und Kupferoxydul fällt nieder. Dies geschieht auch beim grössten Am- moniaküberschusse, indem das Kupferoxydul, ohne gleichzeitige Anwesenheit einer Säure, sehr wenig in Ammoniak löslich zu sein scheint. Fügt man der Flüs- sigkeit, in welcher Oxydul ausgeschieden ist, etwas Salmiak oder eine zur Sättigung ganz unzureichende Menge Säure zu, so löst sich das Oxydul sogleich. In der über dem Oxydul stehenden ammoniakalischen Flüssigkeit findet man beim Uebersättigen derselben mit Schwefelsäure‘ reichliche Mengen von salpetriger Säure. 3. Fluorescenz des Blattgrün. Bekannt ist die schöne rothe Fluoreseenz des alko- holischen Auszuges grüner Blätter, z. B. des Epheu. Die tiefgrün gefärbte Lösung erscheint im auffallenden Lichte blutroth. Setzt man die Lösung dem directen Sonnenlichte aus, so wird sie bald, oft schon nach Verlauf einiger Stunden, so weit entfärbt, dass sie nur bräunlichgelb oder grünlichgelb erscheint. Sie zeigt Jetzt bei directer Bestrahlung die rothe Fluoreseenz nur noch schwach, an verdünnten Lösungen bemerkt man sie kaum mehr. Lässt man aber nach Brewster’s Methode mittelst einer Convexlinse concentrirtes Son- nenlicht in die Flüssigkeit treten, so zeigt sich ein blutrother Lichtkegel. Derselbe hat zwar nicht die Intensität der Farbe wie der im grünen Auszuge, in welchem das Roth durch den Contrast gegen das Grün gehoben wird, er beweist aber jedenfalls, dass die rothe Fluorescenz von der grünen Farbe des Auszuges unab- hängig ist. 4. Löslichkeit des schwefelsauren Baryts in salpeter- saurem Ammoniak und Chlorammonium, Herr Mittentzwey, st. chem. aus Zwickau, hat die Beobachtung gemacht, dass der schwefelsauere Baryt 168 in beträchtlicher Menge in salpetersaurem Ammoniak löslich ist. Er hat darüber im hiesigen Laboratorium eine Reihe von Versuchen in der Weise angestellt, dass titrirte Lösungen von schwefelsaurem Natron und von Chlorbaryum in siedende Lösung von salpetersaurem Ammoniak eingegossen wurden. Die grösste Menge von salpetersaurem Baryt wird gelöst, wenn siedende Lösungen des schwefelsauren Salzes und des Barytsalzes, die vorher mit etwas salpetersaurem Ammoniak ver- mischt worden sind, abwechselnd in die siedende Lösung des salpetersauren Ammoniaks eingetröpfelt werden. Bei den folgenden Versuchen wurde eine titrirte Lösung von 6,889 Grm. wasserfreiem schwefelsauren Natron in 100 C. C. Wasser angewendet, von welcher also 1. C. C. 0,100 Grm. schwefelsauren Baryt zu bilden vermag, ferner eine Lösung von Chlorbaryum, von welcher 1 C. €. 0,370 Grm. schwefelsaurem Baryt ent- spricht. Zu 230 C. C. kalt gesättigter Lösung von reinem salpetersauren Ammoniak wurden in der Sied- hitze + C. €. Chlorbaryumlösung, darauf 2 C. C. Lö- sung von schwefelsaurem Natron, darauf 3 C. C. Chlor- baryum und sodann wieder 2. C. C. schwefelsaures Natron gesetzt. Es entstand noch kein Niederschlag. In der Flüssigkeit waren gelöst 0,280 Grm. schwefel- saurer Baryt. Erst auf weitern Zusatz von 3 C. C. Chlorbaryum enstand eine schwache Trübung. Der Versuch wurde wiederholt, ohne Zusatz des letzten halben Cubikeentimeters Chlorbaryum. Die vollkommen klare Lösung wurde auf ihr Verhalten zu folgenden concentrirten Salzlösungen geprüft: Schwefelsaures Natron gab sofort einen beträcht- lichen Niederschlag. 2 Ammoniak ebenso. Essigsaurer Baryt ebenso. Chlorbaryum ebenso. Chlorcaleium gab keine Fällung. Chlorammonium ebenso. Chlorkalium ebenso. Chlorstrontium ebenso. Zusatz von vielem Wasser gab ebenfalls keine Fällung. Man bemerkt, dass nur ein Ueberschuss eines schwefelsauren oder eines Barytsalzes die Fällung des gelösten Baryts zu bewirken vermag. Es scheint dieses Verhalten mit der Eigenschaft des schwefelsauren Baryts zusammenzuhängen, einen Ueberschuss des Fällungs- mittels, namentlich des salpetersauren Baryts, mit nieder- zureissen und hartnäckig festzuhalten. Die Löslichkeit oder vielmehr Niehtfällbarkeit des schwefelsauren Baryts wird noch weit beträchtlicher, wenn man das salpetersaure Ammoniak mit Salzsäure ansäuert. Es gelang Herrn Mittentzwey, auf diese Art in 500 C.C. gesättigter Lösung von salpetersaurem Ammoniak, welche mit 50 C. C. Salzsäure versetzt worden war, 2 Grm. schwefelsauren Baryt im Sieden gelöst zu erhalten. Beim Erkalten schied sich mit dem auserystallisirenden salpetersauren Ammoniak zugleich ein Theil des schwefelsauren Baryts ab, ein beträcht- licher Theil blieb aber noch gelöst. Es ist aber in diesem Falle die grosse Löslichkeit des schwefelsauren Baryts durch die Anwesenheit von freiem Chlor bedingt und keine Wirkung des Ammoniaksalzes; denn in einem Gemenge von 100 C. C. Lösung von salpetersaurem Ammoniak und 100 C. €. concentrirter Salmiaklösung konnten nicht 0,080 schwefelsaurer Baryt gelöst er- halten werden. Die Schwerfällbarkeit des schwefelsauren Baryts aus freies Chlor enthaltenden Flüssigkeiten habe ich schon vor längerer Zeit bei der Bestimmung des Schwefelge- halts von Saamen wahrgenommen, wobei die Saamen mit Salpetersäure und chlorsaurem Kali oxydirt wurden. Es ist nothwendig, vor dem Zusatze des Chlorbaryums zur filtrirten Flüssigkeit aus derselben durch Eindampfen das Chlor zu vertreiben. Vergleichsweise wurde auch die etwaige Löslichkeit des schwefelsauren Baryts in Chlorammonium geprüft. In 137 C. C. einer concentrirten Salmiaklösung wurden 0,006 Grm. wasserfreies schwefelsaures Natron gelöst und zu der kochenden Flüssigkeit 1 C. C. eon- centrirte Chlorbaryumlösung gesetzt und erkalten lassen. Nach einer halben Stunde entstand eine schwache Trübung und nach 24 Stunden hatte sich körniger, erystallinischer, schwefelsaurer Baryt abgesetzt, welcher 0,0092 Grm. wog; verlangt werden 0,0098 Grm. Dem- nach hatte sich höchstens 1 Theil schwefelsaurer Baryt in 230,000 Theile Salmiaklösung gelöst. Bemerkens- werth ist, dass der Niederschlag nicht sofort entstand und der schwefelsaure Baryt erst nach längerer Zeit sich vollständig ausscheidet. Bei Versuchen mit nicht vollkommen gesättigten Salmiaklösungen von verschiedener Concentration ent- stand der Niederschlag um so früher, je verdünnter die Lösung war; bei allen Versuchen hatte sich der schwefel- saure Baryt nach 24 Stunden vollständig ausge- schieden. 5. Ueber die Wirkung einiger Metallsalze auf die Holzfaser. Eine Reihe von Versuchen, die im Leipziger Labora- torium angestellt worden, haben ergeben, dass schwefel- saures Kupferoxyd von Cellulose durchaus nicht gebunden wird, dass aber harziges Holz den Kupfervitriol aufnimmt, dass endlich verdünnte Lösungen dieses Salzes stickstoff- haltige Substanzen aus dem Holze ausziehen. Struetur- lose Cellulose nimmt aus Alaun, schwefelsaurem Kupfer- oxyd und schwefelsaurem Eisenoxyd keine Basis auf. Mit Wasser lassen sich die Salze vollständig ausziehen. Professor v. Babo aus Freiburg: Ueber die Darstellung des Ozons. Veranlasst durch einige Versuche bei welchen es darauf ankam möglichst reines und starkwirkendes Ozon längere Zeit hindurch auf organische Körper einwirken zu lassen, bemühte sich Dr. v. Babo einen Apparat zu eonstruiren, welcher einen Strom von ozonisirter Luft beliebig lange Zeit durch eine Flüssigkeit zu leiten erlaubte. Als einfachstes Mittel zur Erzeugung des Ozons, wählte derselbe den Phosphor. Er zeigte in der Sitzung den Apparat, der nach seiner Ansicht dem Zwecke vollständig entspricht, vor. Da dessen genauere Beschreibung die Grenzen dieses Berichtes überschreiten würde, möge es genügen nur das Prineip anzudeuten, und in Beziehung auf Beschreibung und Abbildung des Apparates auf eine nächstens zu veröffentlichende Un- tersuchung über die Natur des Ozons hinzuweisen. Durch ein Wassertrommel-Gebläse wird ein Luft- strom erzeugt, welcher etwa sechs bis acht Litres Luft in der Stunde liefert. Diese streicht zunächst durch eine fast horizontale Röhre, in welcher sich zur Hälfte, in phosphoriger Säure liegende Phosphorstücke befinden, und wird hier mit Ozon und phosphoriger Säure be- laden. Um letztere sowie das mitgerissene Wasser zu entfernen, tritt die Luft nun in zwei Woulf’sche Flaschen, deren erste eine Lösung von Chromsäure in Schwefel- säure enthält, während die zweite vollständig mit Bims- steinstücken gefüllt ist, auf denen durch concentrirte Schwefelsäure Chromsäure niedergeschlagen wurde. Zu dem Ende werden die Bimssteinstücke zunächst in die Flasche gebracht, dann mit einer concentrirten Lösung von Chromsäure durchtränkt, und endlich Schwefel- säure, welche dieselbe fällt, hinzugefügt; so dass die ganze Flasche mit Letzterer gefüllt ist. Nachdem sich die Schwefelsäure mit dem der Chromsäure entzogenen Wasser beladen hat, wird sie abgegossen und nochmals durch frische ebenfalls wieder zu entfernende ersetzt. Aus dieser zweiten Woulf’schen Flasche, tritt die, durch Oxydation der phosphorigen Säure auf Kosten der Chromsäure möglichst stark ozonisirte und von phos- phoriger Säure befreite Luft in die Apparate, in denen die Einwirkung des Ozons auf die damit zu behandeln- den Körper stattfinden soll. Da Caoutchoueverbindungen zu rasch zerstört werden, so sind alle Theile des Ap- parats durch mit Siegellack überzogenen Korke, und mit Quecksilber abgesperrte Glasröhren verbunden. Die aus dem Apparat tretende Luft ist mit möglichst reinem Ozon beladen, aber, obgleich sich durch die gewöhn- liehen Mittel darin keine Phosphorverbindung und eben so wenig Wasser nachweisen lässt, noch nieht absolut davon befreit. Lässt man nämlich das Gas unter eine Glocke treten, so bemerkt man darin einen bläulichen Nebel der sich Tage lang erhält. Obgleich dieser bei den gewöhnlichen Anwendungen des Ozons nicht hin- derlich ist, versuchte man doch ihn zu entfernen, um der Lösung der noch nicht entschiedenen Frage, ob das Ozon Wasserstoff enthalte, näher zukommen. Dieses gelang sehr schwierig. Trockene Chromsäure, mit Schwe- felsäure befeuchteter Asbest waren ohne Wirkung. Erst nachdem das Gas durch eine 4 Fuss lange frisch aus- geglühten Asbest haltende Röhre geleitet wurde, zeigte sich dasselbe rein, und lieferte bei seiner Zerstörung durch Hitze keine bemerkbare Spur von Wasser, da- gegen hatte dadurch die Ozonisation abgenommen. Während in günstigen Fällen vorher die Luft im Litre etwa ein zweitausendstel bis 175'55 enthalten hatte, ent- hielt sie nach dem Durchgang durch die Asbeströhre noch etwa ein sechstausendstel. 169 Mittelst des dureh den Apparat gewonnenen Ozons wurde eine Reihe von Oxydationen ausgeführt, welche die vonSchönbein, Hiss und Gorup beschriebenen Wirkungen vollständig bestätigten. Aus der vom Ver- fasser beschriebenen Piperinsäure erhielt man einen Körper, der dem Cumarin ähnlich ist, sich aber von diesem durch einen ausgezeichneten Geruch nach He- liotrop unterscheidet. Herr Hofratı Bunsen bemerkte zu vorstehenden Versuchen, dass er nicht glaube, dass die Frage, ob das Ozon Wasserstoff enthalte durch qualitative Ver- suche entschieden werden könne, da die so geringe Menge der Luft beigemengten Ozons bei qualitativen Versuchen zu leicht Täuschungen veranlasse ; nur durch quantitative Versuche, zu denen er Dr. v. Babo im Namen der Versammlung auffordert, könne nach seiner Ansicht die Frage gelöst werden. Professor v. Babo erklärt sich zu diesen Versuchen bereit. *) Herr Professor Masnus glaubt, dass der Siemen- sche Apparat das beste Mittel zur Darstellung des Ozons darbiete. Obgleich man dieses zugiebt, wird dagegen eingewendet: dass sich die zu dessen Anwendung er- forderlichen Induetionsapparate wohl in wenigen chemi- schen und physiologischen Laboratorien vorfinden dürften, dass daher der hier beschriebene Apparat einfacher zum Ziele führen werde. *) Professor Dr. v. Babo hat sich seither bemüht. die Frage über die Natur des Ozons durch quantitative Versuche ihrer Lösung näher zu bringen. Es gelang ihm jedoch bis jetzt noch nicht, dieselben zu Ende zu führen. Ein nur durch Gas, Schwe- felsäure und Quecksilber ohne Vermittlung irgend einer organi- schen Substanz hermetisch abgeschlossenes Quantum Luft oder Sauerstoff ("/, Litre) wurde vermittelst eines in oben erwähnter Abhandlung näher zu beschreibenden Aspirators, zunächst durch eine Reihe von Trockenapparaten, dann durch einen dem Siemens’schen ähnlichen, von Bunsen dem Verfasser mitge- theilten Ozonisationsapparat, nach diesem durch eine gewogene mit Filigransilber gefüllte Röhre, darauf durch eine gewogene Asbest und Schwefelsäure enthaltende Röhre und endlich in den Aspirator zurückgeleitet. Sie cireulirte in diesem Apparate etwa 500 bis 1000 Male, wobei eine beträchtliche Menge des Gases verschwand. Dieses war in Ozon verwandelt und dann durch das Silber in Silberhyperoxyd übergeführt worden. Die Ge- wichtszunahme der das Silber haltenden Röhre entsprach der Menge des Ozons, während das durch die Ueberführung des Ozons in Silberhyperoxyd etwa gebildete Wasser in der Schwe- felsäure haltenden Röhre eondensirt werden musste. Bei einem 8 Tage lang fortgesetzten Versuche mit möglichst reinem Sauer- stoff nahm die Silberröhre um 0,12 Gramm an Gewicht zu, während die Schwefelsäure-Röhre eine Zunahme von 0,008 Gramm zeigte. Die Menge des auf das Silber übertragenen Ozons be- trug daher mehr als das zehnfache des bei dieser Uebertragung ausgeschiedenen Wassers, was offenbar dagegen spricht, dass das Ozon eine Wasserstoffverbindung sei. Als aber das Silber- hyperoxyd durch Erhitzen zersetzt wurde, zeigten gelbrothe Dämpfe, dass eine nicht unbeträchtliche Menge einer Oxyda- tionsstufe des Stickstoffs entstanden war, welche letztere offenbar von einer Verunreinigung des Sauerstoffs herrührt, und mit Schönbein’s Angabe, s das durch Ozon gebildete Silber- hyperoxyd frei von Salpetersäure sei, nicht vollständig überein- stimmt. Wiederholung der Versuche gab ähnliche Resultate. Es wird dadurch wahrscheinlich, dass auch die Gewichtszunahme der Schwefelsäure-Röhre von einer Oxydationsstufe des Stick- stoffs herrührt. Der Verfasser wird die Versuche über diesen Gegenstand noch weiter verfolgen. 22 170 Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident: Professor Wöhler. Staatsrath Fritsche aus St. Petersburg sprach: Ueber feste Kohlenwasserstoffe, ferner: über die Isoni- trophensäure. Auch zeigte er die Superoxyde des Benzoyls und Acetoyls vor, sowie eine Arbeit aus Aluminium. Professor Schönbein aus Basel: Ueber zwei Gruppen sauerstoffhaltiger Verbindungen und ihre gegenseitige Zersetzung. Die Uebermangan - und Chromsäure, wie auch die Superoxyde des Manganes, Bleies, Nickels, Kobaltes, Silbers und des Eisenoxyds verhalten sich gegeneinander wirkungslos, ebenso die Superoxyde des Wasserstoffes, Kaliums, Natriums, Baryums und Strontiums; wohl aber erfolgt eine gegenseitige Zersetzung oder Reduction, wenn eine Sauerstoffverbindung der erstgenannten Reihe mit einem Superoxyde der zweiten Gruppe unter geeig- neten Umständen in Berührung gebracht wird, wie aus folgenden thatsächlichen Angaben erhellt. 1) Die mit einiger Salpetersäure versetzt gelöste freie oder an Kali gebundene Uebermangansäure wird durch die Superoxyde des Wasserstoffes, Kaliums, Na- triums, Boriums und Strontiums unter lebhafter Ent- bindung gewöhnlichen Sauerstoffgases sofort entfärbt, gerade so als ob der tiefrothen Flüssigkeit eine oxidir- bare Substanz, z. B. schweflichte Säure beigefügt wor- den wäre. Es wird unter diesen Umständen die Ueber- mangansäure, wie auch die Superoxyde des Wasser- stoffes und der alkalischen Metalle zu basischen Oxyden reducirt. 2) Salpetersäure haltige gelöste Chromsäure wird durch die Superoxyde des Wasserstoffes und der alkali- schen Metalle unter anfänglicher tiefer Bläuung der Flüssigkeit und darauf folgender lebhafter Entbindung gewöhnlichen Sauerstoffgases zu Chromoxyd redueirt; gleichzeitig verlieren auch die Superoxyde des Wasser- stoffes, Kaliums u. s. w. einen Theil ihres Sauerstoffes und werden dadurch in Oxyde verwandelt. 3) Die Superoxyde des Manganes, Bleies, Kobaltes, Nickels und Silbers bei Anwesenheit von Essigsäure oder Salpetersäure werden durch die Superoxyde des Wasserstoffes und der alkalischen Metalle zu basischen Oxyden reducirt unter lebhafter Entwickelung von Sauer- stoffgas und Ueberführung der letztgenannten Super- Oxyde in Wasser, Baryt u. s. w. 4) Eisenoxyd in irgend einer Säure (Salpetersäure, Salzsäure u. s. w.) gelöst und mit einigem Kaliumeisen- cyanid vermischt, liefert mit Wasserstoffsuperoxyd einen Niederschlag von Berlinerblau unter Entbindung von Sauerstoffgas. Die Superoxyde der alkalischen Metalle wirken wie das oxydirte Wasser. 5) Freier ozonisirter Sauerstoff wird durch Wasser- stoffsuperoxyd in gewöhnlichen verwandelt, während HO, in Wasser und ebenfalls gewöhnlichen Sauerstoff zerfällt. Diese Thatsachen zeigen, dass ein Theil des Sauer- stoffes der Superoxyde des Wasserstoffes und der alkali- schen Metalle zu einem Theil des Sauerstoffes der Ueber- mangansäure, Chromsäure, des Bleisuperoxydes, Eisen- oxydes u. s. w. sich wie eine oxydirbare oder eleetro- positive Materie verhält, woraus gefolgert werden dürfte, dass es zwei Zustände des Sauerstoffes gebe, welche wie positiv und negativ einander entgegengesetzt sind. Medieinalrath Dr. Mohr aus Coblenz entwickelte eine neue Methode zur Ableitung richtiger Maasse von dem Kilogramme. Das Wesentliche der Methode, welche durch den Apparat experimental er- läutert wurde, besteht in Folgendem: Zunächst wird eine Litreflasche durch doppelte Wägung von destillir- tem Wasser bei 14° R. nach bekannten Verfahrensarten hergestellt. Es wird nun eine zur 100 Cubikcentimeter-Pipette bestimmte Glasröhre mit engen Röhren an beiden Enden mit einem höher stehenden Wassergefäss durch Kaut- schukröhren so verbunden, dass man die 100 CC. Pi- pette beliebig durch Drücken mit Quetschhähnen füllen und auslaufen lassen kann. Dazu gehören 2 Quetsch- hähne, einer auf der Kautschukröhre, welche das Was- ser aus dem höheren Gefässe zulässt, ein anderer am unteren Ende der Pipette. Eine kleine Glasröhre mit seitlichem Ansatz in der Form eines liegenden 4 ge- statte beide Röhren zu vereinigen. Man macht nun in der oberen dünnen Röhre der 100 CC. Pipette eine be- liebige Marke und lässt in eine leere notarirte Flasche auf der Waage 100 Grm. destillirtes Wasser einfliessen. Man erhält dadurch die zweite Marke im untern Ende der Pipette. Nun setzt man die leere Litreflasche unter und lässt neun Mal die 100 CC. Pipette zwischen den zwei Strichen auslaufen; das zehnte Mal lässt man die Litreflasche bis an die Marke volllaufen. Es wird nun der jetzt markirte Standpunkt der Flüssigkeit in der Pipette mit dem ersten wahrscheinlich nieht stimmen, sondern nothwendig um die zehnfache Grösse des Fehlers davon entfernt sein. Die Entfernung der beiden Striche theilt man mit dem Zirkel in 10 gleiche Theile und schneidet davon einen im Sinne des Fehlers, d.h. über oder unter der ersten Marke ab. Dies ist die erste Correction. Nun leert man die Litreflasche wieder aus und wie- derholt dieselbe Operation, indem man als untern Strich die durch die erste Correction erhaltene Marke ver- wendet. Der Stand der Flüssigkeit in der Pipette wird nun schon viel näher an die letzte Marke kommen, und eine Differenz corrigirt man wieder durch 'Theilen mit 10 und Abschneiden eines Theils. Wenn bei der zehn- ten Ausleerung der Pipette zu gleicher Zeit die Marke in der Litreflasche und in der Pipette erreicht wird, so kann man die Pipette für das Maass von 100 CC. als fehlerfrei ansehen. Ganz in derselben Art wird die 10 CC. Pipette durch neunmaliges Aussleeren in die 100 CC. Pipette und beim zehnten Mal durch Anfüllen der 100 CC. Pipette bis zur Marke dargestellt. Wenn beide Marken zu gleicher Zeit erreicht werden, ist die 10 CC. Pipette so fehlerfrei, dass sie bei 10maligem Ausfüllen gerade 100 CC. gibt. Mit dieser 10 CC. Pi- pette werden nun die Büretten abgeaicht. Friedrich Kuhlmann aus Lille: Ueber die Barytindustrie. Die Vortheile, welche durch die Anwendung des durch Fällung erhaltenen schwefelsauren Baryts alsweisse Farbe darbietet, und die namentlich in seiner vollkom- menen Unveränderlichkeit gegen Schwefelwasserstoff- Ausdünstungen und seiner für die Gesundheit unschäd- lichen Darstellung und Anwendung begründet sind, haben seit geraumer Zeit meine Bemühungen dahin gehen lassen, diesen Körper auf möglichst ökonomische Weise fabrikmässig darzustellen. Ich habe vorerst den natürlich vorkommenden koh- lensauren Baryt als Ausgangspunkt gewählt und ihn zur vollständigeren Verdichtung der sauren Dämpfe benützt, welche aus den Bleikammern oder aus den Kochsalz- Zersetzungsöfen entweichen, nachdem sie bereits die gewöhnlichen Condensations - Apparate durchstrichen haben. Die erhaltenen Barytsalze wurden durch Schwe- felsäure zerlegt. Gegenwärtig ist es mir gelungen, für die Darstellung der Barytverbindungen von dem Schwerspath. der viel wohlfeiler als der Witherit ist, auszugehen und ihn nach einer Methode aufzuschliessen, welche mir zugleich ge- stattet, aus den bis jetzt werthlosen Rückständen der Chlorbereitung Nutzen zu ziehen. Bei der Fabrikation des Chlors oder Chlorkalks geht bekanntlich mehr als die Hälfte der angewandten Salzsäure in Form von Manganchlorür für die Industrie verloren, und da die zahlreichen Versuche, das Manganchlorür nutzbar zu machen, bisher zu wenig befriedigenden Resultaten ge- führt haben, so sind die flüssigen Rückstände der Chlor- bereitung bisher der Gegenstand ernstlicher Unbequem- lichkeiten für die chemischen Produceten -Fabriken ge- blieben. — Die Anwendung, die ich von diesen Rück- ständen zur Aufschliessung des schwefelsauren Baryts mache, gründet sich auf eine Reaction, die derjenigen, durch welche die künstliche Soda entsteht, ziemlich analog ist. Bei dem Leblanc’schen Verfahren ver- wandelt sich ein Gemenge von schwefelsaurem Natron, Kreide und Kohle unter dem Einfluss einer hohen Tem- peratur in lösliches kohlensaures Natron und unlösliches Caleiumoxysulfür. In meinem Verfahren bildet sich durch Einwirkung hoher Temperatur auf ein Gemenge von Manganchlorür, schwefelsaurem Baryt und Kohle 171 lösliches Chlorbaryum und unlösliches Schwefelmangan. Die Reaction lässt sich durch folgende Gleichung aus- drücken: Ba0OSO, +MnC1+4C=BaCl-+Mn$ 002 Das Eisenchlorür, welches das Manganchlorür stets begleitet, verhält sich in dieser Reaction so wie dieses. Die Umwandlung des schwefelsauren Baryts in Chlor- baryum geht so vollständig von statten, dass sämmtliche Verluste nicht mehr als 3—4 Proc. des angewandten schwefelsauren Baryts betragen. Bei der Ausführung der Operation im Grossen be- diene ich mich grosser Flammöfen, deren Herd durch eine niedrige Brücke in zwei Theile getheilt ist. Nach- dem der Ofen einige Zeit erhitzt worden ist, trägt man das feingepulverte Gemenge von Schwerspath und Kohle in die von der Feuerung entferntere Abtheilung des Ofens ein und lässt die flüssigen Rückstände der Chlor- bereitung darauf fliessen. Die freie Säure derselben wird vorher durch Kreide oder natürlichen kohlensauren Baryt neutralisirt. Sobald die Masse teigartig geworden ist wird sie über die Brücke in die der Feuerung nähere Abtheilung des Ofens geschoben. Hier bläht sie sich auf und lässt bald Flämmehen von Kohlenoxydgas ent- weichen, ähnlich wie man sie auch in den Sodaöfen beobachtet. Nach einstündiger Caleinatian bei Roth- gluth wird die halb flüssige Masse aus dem Ofen gezo- gen und erkalten lassen, wobei sie schwarz wird. Sie ist ein Gemenge von Schwefelmangan, Schwefeleisen, Chlorbaryum und etwas Schwefelbaryum und unter- schweflichsaurem Baryt. Durch Auslaugen dieser Masse ‚erhält man eine Chlorbaryumlösung von einer Dichte von 24— 25 'B., die durch Zusatz von etwas Manganchlorür und darauf folgende Fällung des Mangans von allen Verunreinigungen befreit wird. Sie dient mir als Ausgangspunkt für die Darstellung aller Barytverbindungen. Nach Umständen kann sie entweder direet verwendet oder das gelöste Chlorbaryum in Krystallen oder auch wasserfrei daraus gewonnen werden. Es ist hier der Ort, einer zweckmässigen Anwen- dung des Chlorbaryums zu erwähnen, auf die ich schon im Jahre 1841 aufmerksam gemacht habe. Bekanntlich geben gypshaltige Wasser und Meerwasser, wenn sie dazu verwendet werden Dampfkessel zu speisen, zu In- erustationen und eben dadurch zu gefährlichen Explo- sionen Anlass; durch einen Zusatz von Chlorbaryum können alle diese Nachtheile vermieden werden. Fabrikation des künstlichen schwefel- sauren Baryts. Die Chlorbaryumlösung, deren Gewinnung oben be- schrieben worden ist, wird in grossen hölzernen Bot- tichen mit Schwefelsäure von 30° B. versetzt. Man erhält schwefelsauren Baryt, den man absetzen lässt, und Salzsäure von 6 ® B., die zu vielen Zwecken, z. B. zum Ansäuern der Knochen, zum Reinigen der Knochen- kohle, zur Bereitung der sauren Bäder in der Bleicherei etc. unmittelbar verwendbar ist. Versuche haben mir 29% 172 gezeigt, dass diese Säure bis nahe 14° B. ohne grossen Verlust eingedampft werden kann. Der schwefelsaure Baryt wird vollkommen ausge- waschen, in Säcken ausgepresst und darauf als dicker Brei, der 30—32 Procent Wasser enthält, in Fässer verpackt. Der so dargestellte schwefelsaure Baryt hat unter dem Namen „blane fire“ bereits industrielle Anwendung zur Verfertigung von Glanzpapier etc. gefunden. Von weit grösserer Bedeutung ist jedoch seine Anwendung zu Anstrichen aller Art, besonders den Silikatanstrichen, die sich dann durch besonderen Glanz und Unveränder- lichkeit bei Gegenwart von Schwefelwasserstoff aus- zeichnen. Ein Gemenge von schwefelsaurem Baryt, Zinkweiss und kieselsaurem Kali hat sich mit gutem Erfolg auf alten Oelanstrich auftragen lassen. Im ge- genwärtigen Augenblick ist die Production des schwe- felsauren Baryts in meinen Fabriken bereits auf 2000 Kilos. pr. Tag gestiegen. Ich lasse nun die sonstigen Anwendungen, die man vom Chlorbaryum zur Fabrikation nützlicher Baryt- präparate und einer Anzahl Säuren machen könnte, folgen. Barythydrat. Eine heiss gesättigte Lösung von Chlorbaryum gibt mit cone. Aetznatronlauge einen reichlichen krystallini- schen Niederschlag von Barytlıydrat, der sich durch Auspressen und weniges Waschen von der überstehenden Flüssigkeit befreien lässt und in den meisten Fällen ohne umständlichere Reinigung Anwendung finden kann. Salpetersaurer Baryt und Salpetersäure. Eine heiss gesättigte Lösung von salpetersaurem Natron gibt mit Chlorbaryumlösung sogleich einen kry- stallinischen Niederschlag von salpetersaurem Baryt, der etwa °/, der berechneten Menge beträgt. Durch Ein- dampfen der Mutterlaugen erhält man neue Mengen davon, endlich können durch Zusatz von schwefelsaurem Natron die letzten Antheile Baryt als schwefelsaurer Baryt ausgeschieden werden. Der billigere Preis des salpetersauren Baryts wird eine grössere Anwendung in der Pyrotechnik und eine ökonomische Darstellung des kaustischen Baryts möglich machen, bei welcher letzteren die entweichende Unter- salpetersäure und der Sauerstoff für die Bleikammern nutzbar gemacht werden können. Durch Zerlegung des salpetersauren Baryts mittelst der berechneten Menge Schwefelsäure kann man künst- lichen schwefelsauren Baryt und eine Salpetersäure von 10—11 ° B. gewinnen, die sich ohne grossen Verlust bis auf 20—25° B. concentriren lässt. Stärkere Sal- petersäure lässt sich aus dem Grunde nicht unmittelbar erhalten, weil der sich abscheidende schwefelsaure Baryt in diesem Falle ein krystallinisches Ansehen annimmt. Weinsäure. Der Weinstein wird in kochender Lösung mit fein- gepulvertem natürlichem kohlensauren Baryt neutralisirt und darauf das neutrale Salz mit Chlorbaryum zerlegt. Der erhaltene weinsaure Baryt wird mit kaltem Wasser gewaschen und mit der berechneten Menge verdünnter Schwefelsäure heiss zersetzt. Die Lösung enthält Wein- säure, die sich durch Krystallisation vollständig gewin- nen lässt; der Niederschlag besteht aus künstlichem schwefelsaurem ‚Baryt. Dies Verfahren hat vor dem bisher üblichen, bei welchem die entsprechenden Kalk- verbindungen statt der Barytverbindungen in Anwendung kommen, den Vorzug, dass der schwefelsaure Baryt sich leichter und vollständiger abscheidet als der schwe- felsaure Kalk, und dass er weitere Anwendung finden kann. Citronensäure. Man erhitzt Citronensaft mit natürlichem kohlensau- ren Baryt, stellt durch Zusatz von Schwefelbaryum, Ba- rythydrat oder Ammoniak vollkommene Neutralität her und zerlegt mittelst verdünnter Schwefelsäure in der Hitze den so erhaltenen eitronensauren Baryt, nachdem er zuvor mit kaltem Wasser etwas gewaschen worden ist. Die gewonnene Citronensäure krystallisirt leichter als die aus citronensaurem Kalk dargestellte und ist na- türlich frei von schwefelsaurem Kalk. Der gefällte schwefelsaure Baryt, eben so wie der bei der Weinsäurebereitung erhaltene, können, wenn die angewandten Barytsalze farblos waren, als Barytweiss verwerthet werden. Essigsäure. Der essigsaure Baryt, den man durch Sättigen von Holzessig mit natürlichem kohlensauren Baryt oder mit Schwefelbaryum erhält, wird zuerst bei einer unter der Rothgluth liegenden Temperatur geröstet, dann gelöst und mit verdünnter Schwefelsäure zerlegt. Die erhaltene Essigsäure, wenn sie auch nur schwach ist, kann den- noch unmittelbar in der Bleizucker - und Bleiweiss-Fa- brikation ete. Anwendung finden. Um noch reinere und stärkere Säure zu gewinnen, kann man auch aus dem essigsauren Baryt mittelst schwefelsauren Natrons essig- saures Natron herstellen und dann dieses mit Schwefel- säure destilliren. Chromsaurer Baryt und Chromsäure. Chlorbaryum gibt durch doppelte Zersetzung mit neutralem chromsauren Kali chromsauren Baryt, der sich vollkommen niederschlägt, und Chlorkalium. Der chromsaure Baryt, den man auch „jaune fire* nennen könnte, wird in vielen Fällen statt des chromsauren Bleioxyds in der Technik angewandt werden können, um so mehr, als das intensivere Gelb des letzteren häufig durch Beimischung weisser Farben gedämpft werden muss. Indem man den chromsauren Baryt in der Hitze mit seinem Aequivalent sehr verdünnter Schwefelsäure be- handelt. erhält man schwefelsauren Baryt und freie Chromsäure in einer Lösung von etwa 10° B. Dieselbe kann ohne Schwierigkeit in Thon- ja selbst Bleigefässen 1 DA" bis 50 oder 60 ° B. concentrirt werden. Der gefällte schwefelsaure Baryt enthält auch nach dem Waschen stets noch etwas Chromsäure und könnte in der Berei- tung der Farben Anwendung finden. Ferrocyanwasserstoffsäure. Durch Erhitzen einer Blutlaugensalzlösung mit Chlor- baryum erhält man einen krystallinischen Niederschlag von Ferrocyanbaryum, den man durch Kochen mit einer Chlorbaryumlösung von den anhängenden Kaliverbindun- gen befreien kann. Das Ferrocyanbaryum wird in der Kälte mit verdünnter Schwefelsäure zerlegt und man erhält nebst schwefelsaurem Baryt eine grüne Lösung von 12—15° B., welche freie Ferrocyanwasserstoffsäure enthält. Sie muss in wohlverschlossenen Thongefässen aufbewahrt werden. Will man daraus die Säure in 173 festem Zustand abscheiden, so erreicht man dies, indem man der obigen Lösung einen Ueberschuss von cone. Salzsäure und etwas Aether zusetzt und das erhaltene Produet in der Kälte über gebranntem Kalk trocknet. Es ist klar, dass die Methode, welche im Vorher- gehenden zur Abscheidung einer Reihe von Säuren -an- gewandt wurde, nicht blos auf die angeführten Beispiele anwendbar ist, sondern in allen den Fällen befolgt werden kann, wo man gegenwärtig zur Darstellung einer Säure das Kalksalz mit Schwefelsäure oder das Bleisalz mit Schwefelwasserstoff zu zerlegen pflegt. Industrielle Bedeutung erlangen diese Verfahrungsarten erst durch die wohlfeile Fabrikation des Chlorbaryums, welches in gleicher Weise als die Basis für die Barytindustrie be- trachtet werden darf, wie das Kochsalz für die Industrie der Natronverbindungen. Dritte Sitzung (der vereinigten Seetionen für Physik und Chemie) am 20. September 1858. Präsident : Professor Schönbein. Professor Boettger aus Frankfurt a.M. theilte folgende interessante, auf das Verhalten der Horn- substanz zu Wasser und Wasserdampf sich bezie- hende Thatsache mit: Die Horndreher bedienen sich bekanntlich zur Bie- gung und Andersgestaltung von Pfeifenspitzen und son- stigen aus Horn gefertigten Gegenständen eines sehr einfachen Verfahrens, welches darin besteht. dass sie diese Gegenstände, um deren Biegsamkeit zu erhöhen, entweder direet über eine Kerzenflamme vorsichtig hin- und herbewegen oder in einem Oelbade bis auf einen gewissen Temperaturgrad erhitzen, hierauf durch Druck oder Biegung dem Gegenstande die gewünschte Form geben und ihn dann möglichst schnell erkalten lassen. Diese höchst einfache und überaus rasch zum Ziele führende Manipulation bewog mich, zu versuchen, ob, unter Mitanwendung einer anderen geeigneten Wärme- quelle, es vielleicht gelingen werde. werthvolle aber durch Verbiegung oder Zerkniekung unbrauchbar ge- wordene Schmuckfedern in einen wiederum brauch- baren Zustand zu versetzen. Dies ist mir nun in der That auf das Allervollständigste auf die Weise gelungen, dass man die zu reparirenden Schmuckfedern auf wenige Augenblicke den heissen Wasserdämpfen aussetzt oder sie eine Minute lang in siedendes Wasser direct eintaucht, sodann schnell wieder daraus entfernt und ‚bis zum gänzlichen Erkalten unter Wasser von mittlerer Temperatur einige Zeit liegen lässt. Um sich von der ausserordenjlichen Wirksamkeit ‚dieses höchst einfachen Verfahrens zu überzeugen, braucht man nur eine gewöhnliche Schreibfeder (einen Gänsekiel) der Länge nach an mehreren Stellen recht wacker zu zerknicken und sie dann wie erwähnt zu be- ‚handeln, so wird man finden, dass sie aus dem Wasser- bade in einem Zustande hervortritt, der nieht im ent- ferntesten ahnen lässt, dass sie jemals geknickt gewesen war. Professor Kuhlmann aus Lille machte weitere Mittheilungen über die aus Manganchlorür, Schwer- spatlı und Kohle erhaltenen Producte. Professor Wöhler aus Göttingen zeigte Ver- suche: Ueber die Darstellung und die Eigenschaften des Siliciumwasserstoffgases. Dieses durch seine Selbstentzündlichkeit so merk- würdige, bekanntlich von den Herren Buff und Wöhler zuerst auf eleetrolytischem Wege entdeckte Gas kann, wie es sich später zeigte, auch auf rein chemischem Wege so leicht wie Phosphorwasserstoffgas dargestellt werden. Das Material dazu ist eine Verbindung von Silieium mit Magnesium, welche die Eigenschaft hat, mit Chlorwasserstoffsäure Chlormagnesium aus Silieium- wasserstoffgas zu bilden. Sie wird auf die Weise er- halten, dass man ein Gemenge von Chlormagnesium, Fluorkieselkaleium und Stückehen von Natrium in einen glühenden Tiegel schüttet und darin zusammenschmelzen lässt. Die so erhaltene grauschwarze Masse, die das Silieiummagnesium in dunkel eisenfarbenen Blättchen und Kügelehen eingemengt enthält, dient unmittelbar zur Entwickelung des Gases. Professor Wöhler be- schrieb wie dies geschieht und welche Vorsichtsmass- regeln dabei zu beobachten sind, und zeigte die Eigen- schaften des Gases. Jede Blase entzündete sich an der Luft mit heftiger Explosion und weisser Flamme. Die entstehende Kieselsäure bildete dabei, ganz so wie beim Phosphorwasserstoffgas, meist schöne ringförmige Nebel, die dann zu leichten, in der Luft herumfliegenden Fäden und Flocken zergingen. Aus einer Röhre in die Luft 174 ausströmend, bildete es eine grosse, weisse, hellleuch- tende Flamme. Als ein mit dem Gas gefüllter schmaler Cylinder an der Luft geöffnet wurde, senkte sich die Flamme allmälig hinab und die ganze innere Wand des Cylinders belegte sich mit braunem amorphem Silicium. Seine leichte Zersetzbarkeit, schon bei schwacher Glüh- hitze, wurde dadurch gezeigt, dass das Gas durch ein zum schwachen Glühen erhitztes Glasrohr geleitet wurde, dessen ganze innere Wand sich dabei mit einem dunkel- braunen undurchsichtigen Spiegel von amorphem Sili- cium belegte. Es wurde noch bemerkt, dass das Gas, ungeachtet seiner ausserordentlichen Entzündbarkeit, stets eine bedeutende Menge freien Wasserstoffgases enthalte, daher es auch bis jetzt nicht möglich gewesen sei, seine quantitative Zusammensetzung auszumitteln. Professor Magnus von Berlin: Ueber die Verbrennung des Eisens. Jeder Körper muss, wenn er verbrennt, eine nicht unbedeutende Menge Wärme hergeben, um den noch unverbrannten Antheil zu erwärmen. Die im engern Sinne sogenannten Brennmaterialien müssen ausserdem noch die ganze Feuerungsanlage auf der geeigneten Temperatur erhalten. Hierauf mag es beruhen, dass dieselbe Menge von Brennmaterial einen geringeren Nutzeffeet liefert, wenn sie auf mehreren kleineren Feuerungen verwendet wird, als wenn man sie auf einem einzigen Heerde verbrennt, denn dieser bietet eine, in Bezug auf das angewandte Brennmaterial kleinere Heizfläche und entzieht daher auch weniger Wärme durch Leitung. Aber nicht nur die Feuerungs- anlage und die Masse des noch unverbrannten Brenn- materials bedingen durch ihre Wärmeleitung die erzeugte Temperatur; auch der mechanische Zustand der ver- brennenden Substanz übt einen nicht unbedeutenden Einfluss, namentlich die grössere Vertheilung derselben, denn durch diese wird eine vielfältigere Berührung mit dem Sauerstoff möglich und zugleich wird die Entzie- hung der Wärme durch Leitung eine andere. Recht auffallend zeigt sich dieser Einfluss des mechanischen Zustandes bei folgendem Versuche. Erhitzt man Eisen bis zur Temperatur des kochenden Quecksilbers, so oxydirt es sich. Wendet man dasselbe als feines Pulver, ferrum pulveratum der Pharmacie, an und erwärmt eine Quantität desselben in einem Bade von kochendem Quecksilber, so steigert sich durch die Oxydation die Temperatur bis zur Glühhitze, besonders wenn ein schwacher Luftstrom gegen das Eisen gerichtet wird. Aehnlich verhält sich sehr feiner Eisendraht, der an einer Stelle zum Glühen erhitzt, in atmosphärischer Luft fortbrennt. Berührt man gepulvertes Eisen, das in einen Haufen aufgeschüttet oder in einem Tiegel enthalten aber nicht erwärmt ist, mit einem heissen Körper, z. B. mit einem glühenden Metalldraht oder einem brennenden Holz- spahn, so oxydirt es sich zwar zunächst der erwärmten Stelle, aber die Erhitzung verbreitet sich nicht weiter, selbst nicht wenn man Luft gegen das Eisen bläst. Sind hingegen die einzelnen Eisentheilchen getrennt von einander oder berühren sie einander nur in einzelnen, wenigen Punkten, so dass der Sauerstoff von allen Seiten Zutritt hat, und die verbrennenden Theilchen keine Wärme an die noch unverbrannten durch Leitung abzugeben brauchen, so verbreitet sich die Glüherschei- nung von Theilchen zu Theilchen. Am besten erreicht man eine solche Trennung der Theilchen durch einen Magneten; taucht man diesen in das jerrum pulveratum, so bilden sich lange Barten, die, wenn man ihnen eine Flamme nähert, sich entzünden und fortbrennen. Sie bleiben dabei an dem Magneten haften, da das ent- standene Eisenoxydoxydul ebenfalls magnetisch ist. Schüttelt man aber den Magneten während das Eisen glüht, so trennen die einzelnen glühenden Theilchen sich los und bilden eine Art feurigen Regen. Das im Handel vorkommende jerrum pulveratum soll bisweilen durch Reduction mittelst Wasserstoff er- halten sein. Auch hat Herr Wöhler für die Gewin- nung des hierzu nöthigen Eisenoxyds eine neue Methode angegeben, die darauf beruht, entwässerten Eisenvitriol mit Kochsalz zu glühen. Ebenso ist von Morgan eine Darstellung von fein vertheiltem Eisen aus Blutlaugen- salz in Vorschlag gebracht worden. Ein grosser Theil des käuflichen jerrum pulv. wird indessen mittelst der Feile aus Schmiedeeisen erhalten, wie Herr Apotheker Mall zu Landeck in Tirol, welcher sehr grosse Mengen dieses Präparats fabrikmässig darstellen lässt, mir mitzu- theilen die Güte hatte. Zu dem erwähnten Versuche wurde von Herrn Mall bezogenes jerrum pulv. ange- wendet. Möglich dass anderes sich weniger gut für die Verbrennung am Magneten eignet. Bereits vor längerer Zeit habe ich gezeigt, dass Eisen, welches durch Reduction mittelst Wasserstoff aus Eisenoxyd dargestellt ist, bei niederer Temperatur sich von selbst, ohne erwärmt zu werden, entzündet. Ist die Reduetion riehtig ausgeführt, so wird jedes einzelne Theilchen bei der Berührung mit der Luft glühend. Diese Erscheinung, welche offenbar auf Ver- diehtung der Luft in den Poren des Eisens beruht, wird durch die erwähnte leichte Entzündbarkeit dieses Metalls erklärlich. Nach den Untersuchungen von Dulong bringt nämlich eine Verdichtung der Luft, die so viel wie ihre Volumenänderung für 1° C. beträgt, d. i. um 0,00366 ihres Volumens bei 0°, eine Temperaturerhö- hung von 00,421 C. hervor. Um daher eine Tempera- turerhöhung von 0° bis 360° C. zu erhalten, müsste 0,00366 . 360 sich die Luft um — 3,13 ihres Volumens 0.421 verdichten, oder wenn die Dichtigkeit der Luft bei 0°C. = 1 ist, so musste sich dieselbe bis zu 4,13 verdichten. Wenn daher die Luft in den Poren des Eisens eine diehte —= 4,13 annehmen sollte, die Dichte unter dem Druck der Atmosphäre bei 0° — 1 gesetzt, so würde sie sich bis 360° C. erwärmen. Diese Ver- dichtung würde zwar hinreichen, um die für die Ent- zündung des Eisens nöthige Temperatur hervorzubringen, da indess während der Verdichtung der Luft ein Theil U RE nie « 4 Au Dun ee ee U 5 = 2 | N 1 00 DZ Zu ihrer Wärme an das Eisen abgegeben wird, so muss sie eine grössere Dichte annehmen. Wenn diese aber auch noch viele Male grösser sein müsste, so würde sie doch noch immer sehr gering im Vergleich zu der des Sauerstoffs sein, der im den Poren vorhanden war, in denen diese Verdichtung stattfindet. Denn die Rech- nung ergibt, dass der Sauerstoff in dem Eisenoxyd etwa 2345 mal dichter als in seinem gasförmigen Zustande bei 0° und 760“ Druck ist. Gewiss wird durch die Reduction die Lage der Eisentheilchen etwas verändert, so dass die Räume, aus denen das Sauerstoffgas fortgeht, nicht mehr die- selben sind, allein ein sehr starkes Absorptionsvermögen für dieses Gas müssen die entstandenen Poren jedenfalls behalten. Nachdem die Section dem Herrn Professor Magnus durch stürmischen Applaus ihren Dank für seinen schönen Versuch zu erkennen gegeben hatte, sprach Plücker zuerst über das Spectrum des _elektri- schen Lichtes in Geissler’schen Röhren, die Spuren a) von einfachen Gasen, b) von Gemengen solcher, ec) von chemischen Verbindungen derselben ent- halten. Unter a) untersuchte er die Spectra von IH und N. Unter b) fand er, dass man das Speetrum von Gemengen erhält, wenn man die Speetra der Bestandtheile einfach übereinander lagert. Unter ec) fand er, dass das Spec- trum von NH? aus der Uebereinanderlagerung der Spectra von N und H entsteht, und dass das Speetrum Vierte Sitzung am Präsident: Professor Rose von Berlin. Dr. G. F. Walz aus Heidelberg: Ueber Convallaria majalis Lin., deren Bestandtheile. Wenn ich heute abermals auf die von mir schon in 3 verschiedenen Abhandlungen besprochene Maiblume zurückkomme, so geschieht dies, um endlich einmal meinem längst gegebenen Versprechen nachzukommen und das Nähere üher den crystallisirten Stoff, das Con- vallarin, und den bitteren, das Convallamarin, mit- zutheilen. Band 7 pag. 281. Bd. 8 pag. 78 des Jahrbuchs für practische Pharmacie und Bd. 5 des neuen Jahrbuchs 1856 pag. 1 habe ich Versuche über die Maiblume mit- getheilt und in letzterer eine kurze Beschreibung des Bitterstoffes, Convallamarin, gegeben. In Nachstehendem gebe ich das Verfahren an, durch welches ich die beiden in Frage stehenden Stoffe be- reitet habe. I 175 von CO? ebenso aus der Uebereinanderlagerung der Speetra von C und O gebildet werden kann; woraus er schliesst, dass das erstere Gas durch den e Strom also- bald in N und H, das letztere in CO und OÖ zerfällt. Endlich kommt er zu dem Schluss, dass der absolut leere Raum den Strom nicht zu leiten im Stande ist. Dann sprach derselbe: Ueber eine merkwürdige Wirkung eines Magnets auf das Licht an der negativen Elektrode der Geissler’schen Röhre. Das Licht, das nämlich an diesem Pole sich zeigt, zieht sich unter Wirkung eines Magnets in eine hell erleuchtete Linie zusammen; diese Linie ist diejenige magnetische Kurve, die durch den negativen Pol geht. Er zieht daraus den allgemeinen Schluss: unter der Einwirkung eines Magnets kann ein elektrischer Strom nur bestehen, wenn er eine magnetische Kurve bildet. Dove machte hierauf einige Bemerkungen, die sich unmittelbar an den vorhergehenden Vortrag anschliessen, und gab ein Mittel an, die elektrische Natur des Nord- lichtes optisch zu entscheiden, dann sprach er über das e Licht in gasförmigen Medien selbst und bemerkte, dass man über die Farbe dieses unstäten Lichtes nur mit Hülfe der Absorption oder dadurch klar werden könne, dass man dasselbe als Beleuchtungsquelle nimmt von Scheiben. worauf gewisse Farben mit weiss combi- nirt sind. Endlich stellte er sich die Frage, ob das Ohr eine analoge Eigenschaft habe, wie das Auge, dass es näm- lich, wenn es eine Zeit lang denselben Ton gehört hat, für denselben abgestumpft werde. Ein darüber mit 2 Stimmgabeln angestellter Versuch bejahte diese Frage. 21. September 1858. Die während der Blüthe oder nach dem Verblühen mit der Wurzel gesammelte Pflanze wird vorsichtig ge- trocknet und zu grobem Pulver zerstossen. — Dieses Pulver wird so lange mit Alkohol von 0,840 sp. Gew. ausgezogen, als derselbe einen bitteren Geschmack an- nimmt. — Die stark grün gefärbte Tinktur wird mit basisch essigsaurem Bleioxyde versetzt und geschüttelt; die vom Niederschlage abfiltrirte weniger dunkel ge- färbte Tinktur wird durch Hydrothion vom Bleioxyd befreiet und nun der Weingeist im Wasserbade ab- destillirt. — Beim Erkalten des Rückstandes bildet sich eine grosse Menge von C'rystallen, die jedoch mit aus- geschiedenem Harze, Chlorophyll u. s. w. gemengt sind. — Es werden die Crystalle auf ein Filter gebracht, zwischen Fliesspapier gepresst und hierauf mit Aether gewaschen. Der Aether löst Harz und Chlorophill auf und lässt die Crystalle als lose zusammenhängende Masse zurück. — Die Mutterlauge gibt beim Verdampfen zwar nochmals Crystalle, aber dieselben sind von der jetzt syrupartigen Flüssigkeit kaum mehr zu befreien. — Man kann nun zur Gewinnung der weiteren Crystalle zwei Wege ein- schlagen: entweder 1) man versetzt das Ganze mit 176 Wasser, sammelt den abgeschiedenen harzartigen Körper und digerirt denselben mit Aether, um das anhängende Harz zu entfernen, während der unlösliche Theil in Alkohol gelöst, mit Thierkohle digerirt nach dem Ver- dampfen Crystalle von Convallarin liefert; — oder 2) man stumpft in der syrupartigen Flüssigkeit den grössten Theil der freien Säure mit Natron ab, verdunstet zur Extraeteonsistenz und wascht vollständig mit Aether aus. Was ungelöst bleibt, ziehe man mit Wasser aus und den jetzt unlöslichen Theil löse man in Al- kohol, entfärbe durch Thierkohle und lasse freiwillig verdunsten. Die bei der emen oder andern Methode erhaltene wässerige Flüssigkeit ist stark gefärbt, sie wird mit Thierkohle digerirt und dann nach dem Entfärben mit wässeriger Tanninlösung gefällt. — Der erhaltene Nie- derschlag wird auf Convallamarin benutzt, während in der Flüssigkeit noch Conyallarin enthalten ist. — Die Thierkohlen mit Alkohol gekocht, liefern beim Erkalten des Auszugs Crystalle von Convallarin. Das Convallamarin wird am besten aus dem Gerbestoffniederschlag erhalten, in der Art, dass man denselben, wie im Neuen Jahrbuch, Bd. V. p. 1 und 2 beschrieben, behandelt. Es stellt dasselbe ein weisses Pulver dar, vollständig löslich in Wasser und Weingeist, unlöslich in Aether. — Der Geschmack der wässerigen Lösung ist stark und anhaltend bitter, wie er sich beim Kauen der Pflanze selbst zu erkennen gibt. Es ist das Maiblumenbitter, wie ich dies schon früher ausgesprochen habe, ebenfalls ein Sacharogen und er- leidet sehr leicht durch Einwirkung von Säuren und Alkalien eine Spaltung in einen in Aether unlöslichen neuen Körper und Zucker. Das Convallamarin bei 100° C. ausgetrocknet wurde zunächst in nachstehender Weise verbrannt: 1) 0.232 Grm. mit chromsauren Bleioxyde verbrannt gab 0,458 Grm. Kohlensäure und 0,169 Grm. Wasser; 2) 0,258 Grm. Substanz lieferte 0, 506 Grin. Koh- lensäure und 0,196 Grm. Wasser. 3) 0,258 Grm. gaben diesmal 0,509 Grm. Kohlen- säure und 0,198 Wasser. Hieraus ergiebt sich: gefunden berechnet © 53,68 C 46 = 53,90 H 3.48 H44 = 3,59 O 37,84 ©:.24. = .,37;51 Summe: 100,00 100,00. Wird von dem so in der Zusammensetzung gefun- denen Convallamarin in Wasser gelöst und mit ver- dünnter Schwefelsäure erwärmt, dann entsteht alsbald eine starke Trübung unter Ausscheidung von erystalli- nischen Flimmern, die sich aber beim Kochen zu einer harzartigen Masse zusammenziehen. In der wässerigen Flüssigkeit lässt sich nun leicht der Zucker nachweisen. — Der in Wasser jetzt unlös- liche Theil wird in Alkohol aufgenommen und nach dem Filtriren und Behandeln mit Thierkohle der frei- willigen Verdunstung überlassen. — Es bleibt eine gelb- lichweisse undeutlich erystallisirte Masse zurück; sie wird mit absolutem Aether digerirt, tritt aber an den- selben nur sehr geringe Mengen ab, so dass ich an- nehme, dieser in Aether lösliche Theil rühre von an- hängender Unreinigkeit des Convallamarin her. Das Spaltungsproduet, welches wir Convalla- maretin nennen wollen, hat nachstehende Zusammen- mensetzung. — Es wurden folgende zwei Verbrennungen ausgeführt: 1) 0.238 Grm. lieferten mit chromsauren Bleioxyde verbrannt 0,526 Grm. Kohlensäure und 0,196 Grm. Wasser. 2) 0,220 Grm. gaben auf demselben Wege 0,480 Grm. Kohlensäure und 0,175 Grm. Wasser. Aus diesen Erfolgen liesse sich annehmen: gefunden berechnet C 59,82 C40 = 59,40 H 8,95 H36 = 3,91 D 31,23 O 36 = 31,69 Summe: 100,00 100,00. Dass der gefundene Kohlenstoffgehalt etwas grösser ausgefallen, als der berechnete, rührt in der That daher, dass in dem verbrauchten Convallamaretin noch ganz geringe Mengen des oben erwähnten in Aether löslichen Harzes enthalten waren. Nachstehendes wird die Umwandlung des Convalla- marins in Convallamaretin und Zucker erklären: Convallamarin C46 H44 O 24 Convallamaretin . . C40 H36 O 16 es verbleiben: C6 H 3808 welche in Zucker C 6 H 6 O 6und2 Atome Wasser zerfallen. — Die vorgenommene quanti- tative Bestimmung des gebildeten Zuckers spricht auch für die angegebene Zersetzungsweise. Der erystallisirbare Stoff der Convallaria majalis, des Convallarin., welches in Wasser fast unlöslich ist, dagegen aber demselben, in sehr geringen Mengen zu- gesetzt, die Eigenschaft ertheilt, beim Schütteln ähnlich wie Seifenwasser zu schäumen; es ist dies eine Eigen- schaft, welche es mit dem Paridin (von mir in Paris quadrifolia aufgefunden) gemeinschaftlich besitzt. — Zu- nächst versuchte ich die Zusammensetzung dieses Kör- pers zu ermitteln. um vielleicht irgend einen Zusammen- hang mit dem Convallamarin zu finden. — Es wurde von dem vollkommen reinen Stoff, der bei 100° C. völlig ausgetrocknet war, zwei Verbrennungen ausge- führt und dabei nachstehendes Resultat erlangt. 1) 0.165 Grm. mit chromsauren Bleioxyde verbrannt gab Wasser 0,151 Grm. und Kohlensäure 0,381 Gramm. 2) 0,166 Grm. auf dieselbe Weise verbrannt lieferten Kohlensäure 0,383 Grm. und Wasser 0,152 Grm. Aus diesem lässt sich Folgendes ableiten: sefunden bereehnet C 63,05 C 34 = 63,15 H 10.14 H312—=2960 O 26,81 O.11l.—=2225 Summe: 100,00 2 100,00. WE Auch das Convallarin zeigt ein eigenthümliches Ver- halten, wenn man dasselbe in Wasser vertheilt und mit Schwefelsäure versetzt und sodann längere Zeit der Siedhitze aussetzt. Das Convallarin, welches anfangs auf dem Wasser schwimmt, ballt sich nach einiger Zeit zusammen, sinkt zu Boden und in der darüber stehenden klaren Flüssig- keit ist der Zucker sehr leicht nachzuweisen. — Der ungelöst gebliebene Theil löst sich jetzt leicht und vollständig in Aether auf, während Convallarin unlöslich darin ist. — Von diesem neuen Körper musste ebenfalls die Zusammensetzung erforscht werden. Es wurden desshalb folgende Versuche ausgeführt: 1) 0,150 Grm. reiner lufttrockener Substanz wurden mit chromsaurem Bleioxyde verbrannt und gaben 0,380 Grm. Kohlensäure und 0,146 Grm. Wasser. 2) 0,151 Grm. lieferten Kohlensäure 0,382 Grm. und Wasser 0,147 Grm. Es ergeben sich hieraus folgende Resultate: gefunden berechnet C 69,30 C 28 = 69,42 H 10,50 H 26 = 10,78 O 19,90 O6 =19,80 Summe: 100,00 100,00. Es lässt sich somit von dem Convallarin folgende Zersetzungsweise annehmen: Comallarn . . . Convallaretin. .. C283 H26 O & bESEL 2057, OL 15: bleiben: C Hier füge ich noch bei, dass von dem reinen Con- vallarin 0,340 Grm. der Behandlung mit Salzsäure in der Wärme ausgesetzt wurden, und dass die Spaltungs- Producete Convallaretin und Zucker ganz gut mit der Theorie zusammengiengen. Obschon die beiden hier beschriebenen Stoffe bis jetzt nicht direet von einander abgeleitet, das heisst der eine aus dem andern gebildet werden konnte, und ob- schon, wie ich mit Gewissheit annehme, die beiden Körper Convallarin und Convallamarin jeder ausgebildet in der Maiblume enthalten ist, so stehen dieselben in dem innigsten Zusammenhange und lassen sich theore- tisch ganz gut von einander ableiten: C34 H31 Oli Convallamarin C46 H44 024 hiervon ab: Convallamaretin C40 H36 016 bleibt Zucker und 2 Atome Wasser: C6 H 38 O8 Convallarin . . . .- C34 H31 O1l fügen wir hinzu Fler MIEMOH EL FORIO so entstünde Convallamaretin: C40 H36 016 Entziehen wir diesen Convallaretin C28 H26 O 6 Dann bleibt ebenfalls Zucker: C12 H10 010. Ob es mir noch gelingen wird aus dem Convalla- marin und dessen Spaltungsproduct des Convallarin mit seinem Spaltungskörper zu erzeugen, darüber bin ich noch in Ungewissheit. In Nachstehendem eine kurze Beschreibung der ein- zelnen Stoffe nebst ihren wichtigsten bis jetzt ermittelten Eigenschaften. 177 1. Convallamarin=(C4 H44 C 24. In deutlichen Crystallen konnte dieser gepaarte Zucker bis jetzt von mir nicht erhalten werden; es stellt aber ein weisses Pulver dar, welches in Wasser und Weingeist leicht löslich, dageeen in Aether beinahe unlöslich ist. — Die Lösungen schmecken stark bitter, hintennach süsslich und ganz eigenthümlich. Die wäs- serige Lösung erleidet durch Reagentien nachstehende Y eränderungen: Auf Zusatz vonSchwefelsäure und Salzsäure verdünnt, entsteht beim Erwärmen starke Tr übung unter Bildung von Zucker. S al petersäure färbt die Flüssigkeit gelb, nach dem Kochen und Wiedererkalten tritt nur eine schwache Trübung ein. Vitriolöl in die eoncentrirte Lösung gebracht, erzeugt eine prachtvolle violette Farbe; beim Verdünnen mit Ww asser verschwindet die Farbe unter Abscheidung des Spaltungskörpers. Salpetersaures Silberoxyd giebt keinen Nie- derschlag. Su bl limat ebenfalls nicht. Salpetersaur es Quecksilberoxydul bildet anfangs weissen, schnell grau werdenden Niederschlag. Kupfer vitriol erzeugt keine Veränderung. Eisenchlorid nach einiger Zeit ganz schwache Trübung. Chromsaures Kali erzeugt keine Veränderung; auf Zusatz von Vitriolöl stärkere Färbung und Trübung. Blutlaugensalz ebenfalls BucHE Chlor platin bleibt anfangs klar, später entsteht Trübung. © er asser bringt nur sehr schwache Trübung hervor. Bromwasser nicht, dagegen Jodwasser. Bleioxydsalze wirken nicht verändernd ein. Tanninlösung giebt starken weissen Nieder- schlag, der sich schnell absetzt und in Harz umwandelt. Der trockne Stoff wird durch Vitriolöl gebräunt; dagegen wird derselbe mit Wasser Befeuchtet s er s ch ön violett, beim Verdünnen mit Wasser geht die Farbe unter Trübung verloren. Salpetersäure von 1,54 sp. Gew. löst den Kör- per langsam auf und färbt sich wenig gelb; beim Ver- dünnen mit Wasser entsteht Trübung. Salzsäure wirkt erst lösend dann zersetzend. Aetzammoniak löst ohne Färbung auf; es lässt sich verdampfen und bleibt Convallamarin unverändert zurück. Aetzkali löst ebenfalls auf; es tritt bald Trübung ein und endlich findet Zersetzung statt, unter Bildung von Zucker. 2. Convallamaretin = (40 H36 O 16. Es stellt ein gelblichweisses erystallinisches Pulver dar, besitzt nur schwachen harzartigen Geschmack; bei 100° C. bleibt es unverändert, bei höherer Temperatur schmilzt es, bläht sich dann auf und verbrennt vollständig. 23 178 In Alkohol wird es leicht aufgelöst; die Lösung erleidet auf Zusatz von Wasser und Aether starke Trübung. In beiden ist das Convallamaretin unlöslich. Vitriolöl löst den trocknen Körper langsam mit rothbrauner Farbe auf; auf Zusatz von Wasser entsteht starke flockige Trübung. Rauchende Salpetersäure färbt gelb, löst auf und lässt beim Verdünnen mit Wasser weisse Flocken fallen. Salzsäure wirkt kaum lösend und verändert den Körper nicht. Aetzammoniak und Aetzkali wirken nicht verändernd ein. 3. Convallarin = C34 H31 O1il. Dieser in geraden rectangulären Säulen erystalli- sirende Körper ist in Wasser kaum löslich, er ertheilt aber demselben, damit geschüttelt stark schäumende Eigenschaft und im Schlunde kratzenden Geschmack. In Weingeist ist er leicht löslich, die Lösung schmeckt wenig, kratzt stark im Halse; sie wird auf Zusatz von Aether und Wasser weiss getrübt. — Beim Siedpunkt des Wassers bleibt es unverändert, in höherer Tem- peratur schmilzt es und verbrennt unter Rücklassung von mehr Kohle als das Maiblumenbitter. Wie schon oben angegeben wird der Körper beim Kochen mit Säuren in einen neuen in Aether löslichen und in Zucker gespalten. Mit Vitriolöl übergossen löst es sich sehr langsam auf, färbt sich braun und beim Verdünnen mit Wasser entsteht eine starke weisse Trübung und Abscheidung von Flocken, welche sich in Aether lösen. Rauchende Salpetersäure löst unter starkem Aufbrausen; es tritt gelbe Färbung ein und beim Wasser- zusatz entsteht auch hierin starke milchigte Trübung. Salzsäure von 1,210 sp. Gew. löst ebenfalls auf aber unter Zersetzen, denn nach dem Verdünnen mit Wasser scheiden sich weisse Flocken ab. Ammoniak und Kalilauge lösen den Körper in der Kälte nur langsam auf; beim Erwärmen verdampft das Ammoniak und lässt die Substanz zurück, während Kali zersetzend einwirkt. 4. Convallaretin = C28 H26 O6. Dass dieses Spaltungsproduet in Aether löslich ist, ist bereits gesagt. — Es stellt eine gelblichweisse ery- stallinische Masse dar, ohne Geruch und von schwachem harzartigem Geschmack. Vitriolöl löst dieselbe unter schwacher Bräunung auf; auf Wasserzusatz entsteht starke weisse Trübung. Salpetersäure von 1,54 sp. Gew. wirkt heftig ein und löst mit gelber Farbe auf. Alkalien wirken nicht darauf ein. 5. Fettes Oel. Es besitzt eine röthlichgelbe Farbe, eigenthümlichen Geruch, ist bei gewöhnlicher Temperatur diekflüssig, in Alkohol schwer, in Aether leicht löslich. — Von Aetz- Ammoniak wird es nur zu einem Linimente aufgelöst; dagegen bildet Aetzkali mit demselben eine Seife, Seine Zusammensetzung, so wie die Eigenschaften der beiden Farbestoffe, darüber später. Um mir eine grössere Quantität der beiden oben beschriebenen Stoffe des Convallarin’s und Convallama- rin’s zum Zwecke der weiteren Untersuchung zu ver- schaffen, fand ich nachstehende Verfahrungsweise als die geeignetste. Die zerkleinerte getrocknete Pflanze wird zuerst mit heissem Wasser ausgezogen; man entfernt dadurch manche jener Stoffe, welche bei der späteren Reinigung ungemein schwer zu entfernen sind; der wässerige Aus- zug wird ebenfalls, namentlich auf Convallamarin be- nutzt, indem man denselben mit basisch - essigsaurem Bleioxyde fällt; die fast farblose wässerige Flüssigkeit wird durch kohlensaures Natron vollständig gesättiget und nun durch reine Tanninlösung gefällt. — Der Gerbe- stoffniederschlag auf die öfter angegebene Weise zer- setzt, liefert etwas Convallarin, welches sich in Wasser unlöslich zeigt und besonders Convallamarin. Die durch Wasser ausgezogene, stark ausgepresste Pflanze wird jetzt mit Alkohol vollkommen erschöpft; die grüne Tinetur mit Bleiessig einige Zeit geschüttelt, die vom aufgenommenen Bleioxyde befreiete geistige Lö- sung durch Abdestilliren des Alkohols eingeengt. — Der Rückstand ist beim Erkalten mit sehr vielen Cry- stallen von Convallarin untermengt, diesem hängt aber stets das oben erwähnte gelbe Oel an. — Man verfährt desshalb am besten, dass man alles zur Trockne ver- dampft und dann so lange mit Aether digerirt, als dieser etwas löst; in dem ätherischen Auszuge findet sich neben Chlorophyll in geringer Menge, das gelbe fette Oel. Was in Aether ungelöst geblieben wird nun so lange mit kaltem Wasser gewaschen als dieses mit bitterem Geschmacke abläuft. — Der unlösliche Theil wird jetzt in Alkohol aufgenommen, wenn die Lösung nicht ganz farblos ist, so wird sie nochmals mit wenig 'Thierkohle behandelt; hierdurch erleidet man stets einen Verlust an Convallarin. Der wässerige Antheil erleidet auf Zusatz von reiner Tanninlösung eine starke weisse Trübung, Bildung von Flocken und diese ziehen sich sehr bald in ein bräun- liches Harz zusammen. — Dieses wird nach dem Ab- waschen in Alkohol gelöst und diese Lösung mit mög- liehst wenig Kalkhydrat in ganz gelinder Wärme so lange digerirt bis aller Gerbestoff ausgeschieden ist. — Die klare Flüssigkeit wird nun durch Einleiten von Kohlensäure vom aufgenommenen freien Kalke gereinigt und das Filtrat vorsichtig zur Trockne gebracht. — Wenn auch der so erhaltene Rückstand zum grössten Theile aus Maiblumenbitter besteht, so enthält es doch auch von der kratzenden cerystallinischen Substanz, dem Convallarin; letzterer Körper bleibt beim Lösen in kaltem Wasser zurück. Um aus dem ätherischen Auszuge das gelbe Oel zu erhalten, digerirt man die Lösung mit Thierkohle, diese nimmt Chlorophyll auf und beim Abdestilliren des Aethers bleibt das fragliche Oel zurück. — Durch mehrmaliges . Abwaschen mit Wasser wird ihm auch noch der kleine Theil von anhängendem Convallamarin entzogen. Noch muss ich hier einige Stoffe erwähnen, welche in den früher aufgezählten zwar genannt, aber nicht genauer behandelt waren. Es ist dies das braune Harz, welches sich in Aether löst und ein brauner Farbstoff, der in Wasser unlöslich ist, dagegen aus der weingeistigen Lösung durch Bleizucker gefällt wird. Dr. F. G. Walz: Ueber Gratiola officinalis, deren Bestandtheile und einige Zersetzungspunkte derselben. Band XXI. pag. 1 des Jahrbuchs für Pharmaeie theilte ich meine Beobachtungen und die Resultate, die ich damals erzielte mit, und komme heute um desswillen wieder darauf zurück, weil es mir im Laufe dieses Som- mers möglich war, weitere und wie ich glaube erschö- pfende Versuche auszuführen. Als wesentlichste Bestandtheile führte ich damals auf: 1) Gratiolin, 2) Gratiosolin, 3) Gratiolaerin, 4) fet- tes Oel, 5) ein braunes Harz, 6) Gerbestoff und 7) eine flüchtige Säure: die Antirrhinsäure, welche sich in vie- len Gliedern der Serofularineen findet. Die von mir damals ermittelte Zusammensetzung des Gratiolins und Gratiosolins blieb bisher unbeachtet, und doch wird sich aus Nachstehendem ergeben , dass ‚dieselben als richtig anzunehmen sind. Zunächst beginne ich mit jenem Stoffe, welcher sich in schön weisser krystallinischer Form erhalten lässt. Es ist dies das Gratiolin. Die Bereitung, welche in der oben angezogenen Ab- handlung ausführlicher beschrieben ist, gebe ich hier in ganz kurzen Umrissen. — Nachdem der wässerige Auszug ‚der Gratiolapflanze durch Bleiessig vollständig ausgefällt und das überschüssige Bleioxyd auf irgend eine Weise ‚entfernt ist, wird der fast wasserhelle sehr bittere Aus- zug mit Tanninlösung gefällt. Der Niederschlag zut ausgewaschen, getrocknet, durch Alkohol ausgezogen und die erhaltene Tinktur so lange mit basisch - essig- ‚saurem Bleioxyde, besser Bleioxydhydrat, geschüttelt, bis aller Gerbestoff ausgeschieden ist. — Die goldgelbe geistige Flüssigkeit wird durch Thierkohle möglichst ‚entfärbt und der Alkohol abgezogen. — Der Rückstand zur völligen Trockne verdampft und zu Pulver zerrieben und so lange mit wasserfreiem Aether geschüttelt, als ‚dieser etwas aufnimmt. Was ungelöst geblieben, wird mit kaltem reinem Wasser vollkommen ausgewaschen ‚(ieh bemerke hier, dass in der Regel der grössere Theil gelöst wird); den ungelösten, bei gut geleiteter Arbeit ‚vollkommen weissen Rückstand nimmt man in Alkohol “auf, digerirt zum Entfärben mit Thierkohle und lässt den Weingeist freiwillig verdampfen. Es bleibt so ein krystallinisches weisses Pulver zurück. Sollte das so _ dargestellte Gratiolin noch nicht vollständig farblos er- _ scheinen, so kann es von zwei Stoffen verunreinigt sein, 179 entweder durch Gratiosolin oder durch ein brau- nes Harz. Von ersterem befreiet man am besten, wenn man die concentrirte weingeistige Lösung so lange mit kaltem Wasser verdünnt, als ein Niederschlag ent- steht; dieser wird auf’s Filter gebracht, mit Wasser abgewaschen und ist reinesGratiolin. — Vom Harze befreiet man entweder, wenn dasselbe Gratiolacrin ist, durch Digeriren mit Aether, oder wenn es dadurch nicht gelingt und also die Färbung durch jenes Harz bedingt ist, welches wir später beschreiben werden, auf die Weise, dass man die weingeistige Lösung so lange mit geistiger Bleizuckerlösung versetzt, als ein Nieder- schlag entsteht. Nach dem Filtriren wird das etwa überschüssig zugesetzte Bleioxyd entfernt und die was- serklare weingeistige Lösung liefert nach dem Ver- dampfen reines Gratiolin. Durch Auflösen des rei- nen Gratiolins in kochendem Wasser kann man dasselbe in Krystallen erhalten. Bezüglich der weiteren Eigenschaften des Gratiolins verweise ich auf meine frühere Abhandlung und wieder- hole nur, was ich früher über die Zusammensetzung dieses Stoffes gesagt habe. — Als Mittel aus 3 Elemen- taranalysen ergab sich damals: gefunden berechnet C 62,06 7427468 H 9,10 H.36 = 9 O 28,34 O714==28 Summe: 100,00 100. Da die 1850 von mir aufgestellte Formel des Gra- tiolins = C 21 H 18 OÖ 7 mit den jüngst wiederholten Versuchen und Zersetzungsproducten nicht ganz genau zusammentreffen wollte, so wurden wiederholte Ver- brennungen vorgenommen und zwar mit einem Gratiolin, welches durch Fällen mit Wasser aus der weingeistigen Lösung erzielt worden war und als vollkommen rein betrachtet werden konnte: 1) 0,219 Grm. mit chromsaurem Bleioxyde ver- brannt, gab 0,498 Kohlensäure und 0,185 Wasser. 2) 0,220 Grm. lieferte Kohlensäure 0,500 Grm. und Wasser 0,186 Grm. Hieraus ergab sich Folgendes: gefunden berechnet © 62,09 C 40 = 62,17 H 9,30 H 34= 8,75 O 28,61 O 14 = 29,08 Summe: 100,00 100,00. Von diesem reinen Gratiolin, welchem wir also die Formel C 40 H 34 O 14 geben wollen, wurden 0,785 Grin. mit reiner Schwefelsäure und etwa 3 Unzen Was- ser gemengt. — Das Gratiolin zeigte sich fast unlöslich und hielt sich mehr oder weniger in der Flüssigkeit vertheilt. Erst nach längerem Kochen verwandelte sich das Ganze in eine mehr körnige, etwas gelbliche Masse, und nach etwa einer Stunde trennte sich das Gratiolin, indem ein Oel ausgeschieden wurde, welches in kleinen Tröpfehen auf der Oberfläche erschien, und sich dann in Form von grösseren auf den Boden senkte; gleich- zeitig bildeten sich auch eine grosse Menge blendweisser 23* 180 z atlasglänzender Krystalle, welche in der Flüssigkeit suspendirt blieben, während in der Auflösung selbst Traubenzucker gebildet worden war. — Das Kochen wurde so lange fortgesetzt, als die Flüssigkeit noch bit- teren Geschmack besass, denn, nachdem die Bitterkeit verschwunden war, fand sich alles Gratiolin gespalten. Da die gebildeten Krystalle von dem gleichzeitig entstandenen harzartigen Gebilde durch blosses Ab- giessen nicht getrennt werden konnten, so wurde eine Trennung dadurch versucht, dass man alles Unlösliche auf ein Filter brachte und das saure Wasser mit dem Zucker ablaufen liess. — Durch Aufgiessen von Aether wurde das Harzartige gelöst, während die Krystalle atlasglänzend und ganz weiss zurückblieben. Der Aether- Auszug besass eine goldgelbe Farbe, man versuchte durch Thierkohle zu entfärben, aber umsonst; nach dem freiwilligen Verdampfen des Aethers bildeten sich keine Krystalle, es blieb vielmehr eine amorphe, gelbe, leicht zerreibliche Masse zurück ohne Geschmack und mit schwachem Harzgeruche. Die aus der angegebenen Menge von Gratiolin erhaltene Substanz betrug 0,420 Grm. Sie wurde bei 100° C. vollkommen ausgetrocknet, wurde dabei insoweit in ihrer Form verändert, dass sie schmolz und zur Ermittelung der Zusammensetzung ge- schritten. Nachstehend die Resultate von zwei Verbrennungen: 1) 0,250 Grm. lieferten mit chromsauren Bleioxyde verbrannt 0.655 Kohlensäure und 0,230 Wasser. 2) 0,185 Grm. gaben Kohlensäure 0,496 und Was- ser 0,171. Es ergibt sich hieraus nachstehende Zusammen- setzung: gefunden berechnet C 72,52 0434.=72,93 H 10,26 H 28 = 10,04 O 17,22 u! Summe: 100,00 100,00 Das zweite Spaltungsproduet, die Krystalle wogen nach dem Trocknen 0,121 Grm. Durch nochmaliges Auflösen in Alkohol und Umkrystallisiren konnten keine grossen Krystalle erzielt werden; sobald die Krystalli- sation anfing, ging dieselbe sehr rasch vorwärts und die Ausscheidung fand, wie bereits angegeben, in atlas- glänzenden Schuppen statt. — Von diesen Krystallen wurden im lufttrockenen Zustande 0,512 Grm. einer Temperatur von 100 ° C. ausgesetzt, sie verloren hier- bei 0,020 Grm. also 4°, an Feuchtigkeit und verän- derten ihre Form nicht. Es wurden nachstehende Verbrennungen vorge- nommen: 1) 0,150 Grm. durch chromsaures Bleioxyd ver- brannt gaben ebenfalls 0,359 Grm. Kohlensäure und Wasser 0,123 Grm.; 2) 0,112 Grm. gaben Kohlensäure 0,267 Grm. und Wasser 0,092 Grm. — Aus diesem ergibt sich die nachstehende Zusammensetzung der Krystalle: gefunden berechnet C 65,33 C 34 = 65,3 H 9,13 H 23= 9,00 O 25,54 O 10 = 25,62 Summe: 100,00 : 100,00 Es wurde nun noch zur Bestimmung des gebildeten Zuckers geschritten; aus der oben angegebenen Menge von 0,785 Grm, Gratiolin betrug der durch Kupferoxyd- kali bestimmte Zucker 0,220 Grm. — Der hier beschrie- bene Spaltungsversuch wurde auf verschiedene Male wiederholt und stets dieselben Resultate erzielt. — Das Gratiolin selbst war von verschiedenen meiner Laboran- ten bereitet worden; das eine von Herın Reiling aus Worms, das andere von Herrn Burrmann aus Locle und das eine stammte aus dem Jahre 1850. Aus dem Vorhergehenden glaube ich mich zu fol- gendem Schlusse berechtiget: dass Gratiln . . .. C40 H 34 OÖ 14 oder besser 2 Atom Gratiolin.. C 80 H 68 O 28 liefern 1 At. Traubenzucker C 12 H 12 O 12 und es bleibt: C68 H58 O 18. Aus dieser Atomgruppe entstehen nun die beiden oben genannten Körper, nämlich: der Körper mit der Formel C34 H283 06 wir nennen ihn Gratiolaretin, und jener mit der Formel C34 H28 O 10 weleher Gratioletin heissen soll, nebst 2 Atomen Wasser. So glatt auch hier nach den ausgeführten Analysen der Spaltungsproduete die Sache abläuft, so verhält es sich doch in der Praxis anders. — Ich erhalte stets mehr Gratiolaretin als Gratioletin und zwar nicht selten die dreifache Menge des Harzes. — Es entsteht nun die Frage, wohin in jenem Falle die 4 Atome Sauerstoff gekommen sind, welche den Producten abgehen ? Die weiteren Eigenschaften dieser beiden neuen Stoffe sollen weiter unten angegeben werden. Ich wende mich nun zu einem zweiten Stoffe, dem in Wasser löslichen, dem Gratiosolin. Dieser leider bis jetzt nur als amorphe Masse er- haltene Stoff zeichnet sich ganz besonders durch seine Wirksamkeit aus; er ist in grösserer Menge in der Gra- tiola als des Gratiolin und wird erhalten, indem man das mit Aether ausgezogene rohe Gratiolin durch Wasser auswascht. — Die sämmtlichen Abwaschwasser werden zur Trockne verdampft. — Beim Abdampfen bildet sich stets auf der Oberfläche eine Haut, welche sich bald in Form von Tropfen zusammenzieht und auf den Boden des Gefässes fällt. — Das vollständig zur Trockne ge- brachte Gratiosolin stellt ein dunkelgelbes Pulver dar und wird nochmals mit wasserfreiem Aether di- gerirt, um die letzten Spuren von Gratiolaerin zu ent- fernen. — Es ist der so erhaltene Körper leicht löslich in Wasser und Alkohol, luftbeständig, ballt aber in hö- herer Temperatur leicht zusammen. ur a u A ZZ a a ur Auch von diesem Körper habe ich 1850 die Zusam- mensetzung zu ermitteln gesucht und damals Nachste- hendes gefunden. Das Gratiosolin bestand: gefunden berechnet C 52,5 C 18 =52,94 H 8,0 IH 16:— 7.84. O 39,5 O 10 = 39.22 Summe: 100,00 100,00. Bei meinen mit diesem Stoffe angestellten Versuchen erschien mir die Zusammensetzung etwas zweifelhaft, und desshalb wurden nochmals nachstehende Verbren- nungen ausgeführt: 1) 0,252 Grm. gaben ebenfalls mit chromsaurem Bleioxyde behandelt Kohlensäure 0,492 und Wasser 0,181. — 2) 0,268 Grm. lieferten 0,521 Grm. Kohlen- säure und 0,196 Grm. Wasser. Hieraus ergibt sich: gefunden berechnet C 53,22 C 46 = 53,28 H 8,12 H42= 8,10 O 38,66 O 25 = 38,62 Summe: 100,00 100,00. Dieser Körper mit der Zusammensetzung C 46 H 42 O 25 ist ebenfalls ein Sacharogen, aber ein sol- ches, welches sich ungemein leicht durch Säuren und Alkalien spalten lässt, aber was in sehr hohem Grade interessant erscheint, ist, dass sich das erste Spaltungs- product abermals in Wasser auflöst, eine gelbe Farbe besitzt und durch Tanninlösung aus der wässerigen Lösung gefällt werden kann. — Schon durch Digestion mit Bleioxyd beobachtete ich die Zuckerbildung, und wenn man die wässerige Lösung bei gewöhnlicher Tem- peratur mit Alkalien oder einer verdünnten Säure zu- sammenbringt, so tritt die Spaltung ein; Zucker und das neue Spaltungsproduet können jedoch nur durch Ausfällen mit Tannin getrennt werden. Wird der so erhaltene ganz weisse harzartige Gerbe- stoffniederschlag in Alkohol gelöst und durch Bleioxyd- hydrat der Gerbestoff ausgeschieden ; so bleibt eine gold- gelbe Tinktur, die nach dem freiwilligen Verdampfen einen goldgelben sehr bitteren Körper hinterlässt, welcher im Wasser und Weingeist leicht, in Aether aber un- löslich ist. Von diesem Stoffe wurden ebenfalls Verbrennungen ausgeführt und folgende Resultate erzielt: 1) 0,262 Grm. lieferte Kohlensäure 0,565 Grm. und Wasser 0,199 Grm.; 2) 0,289 Grm. gaben 0,625 Grm. Kohlensäure und 0,212 Grm. Wasser. Hieraus berechnet sich Folgendes: gefunden berechnet C 58,40 C 40 = 58,53 H 8,29 H 34 = 8,29 O 33,40 (EBENE) Summe: 100,00 100,00. Sucht man den Zusammenhang dieses neuen Stoffes mit dem Gratiosolin, so ergibt er sich in Folgendem: 181 Gratiosolin . C46 H42 O25 hiervon ab Krümmelzucker . C6 H 6 OÖ 6 es bleibt Gratiosoletin . C40 H34 O17 wnter Bil- dung von 2 Atomen Wasser =H 2 O 2 Wird nun die wässerige Lösung dieses Gratiosoletins mit Schwefelsäure oder Salzsäure versetzt, so entsteht sehr schnell eine Trübung; beim Erwärmen findet Aus- scheidung von Flocken statt und diese ziehen sich beim Kochen zu einem gelbbraunen Harze zusammen — Um der Flüssigkeit den bitteren Geschmack zu nehmen, also alles Gratiosoletin zu zersetzen, bedarf es eines längeren Kochens, und, da bei dieser Operation stets sehr hef- tiges Aufstossen stattfindet, so bringt man nothwendig entweder Platindraht oder Glassplitter an den Boden des Glases. — Nachdem vollständig zersetzt ist, giesse man die gewöhnlich klare, aber noch immer gelb ge- färbte Flüssigkeit von dem harzartigen Bodensatze ab, wasche letztere so lange mit Wasser bis alle Säure ent- fernt ist und behandele dann mit Aether; es löst sich nur ein Theil mit goldgelber Farbe auf, während der andere weniger gefärbte, zurückbleibt und in Alkohol auflöslich ist. Die äther. Lösung wurde durch Thier- kohle nur sehr wenig entfärbt, man überliess sie, nach- dem der grössere Theil des Aethers abdestillirt war, der freiwilligen Verdunstung und dabei blieben warzenartige Haufwerke zurück. ohne deutliche Krystallbildung. Es trocknete endlich das Ganze zu einem eigenthümlich riechenden etwas ballenden Pulver aus. Bei einer Tem- peratur von 100° C. wurde es nicht verändert, es zogen sich die einzelnen Theilchen nur sehr wenig zusammen ; von der so ausgetrockneten Substanz wurden folgende Verbrennungen mit chromsauren Bleioxyde ausgeführt: 1) 0,250 Grm. gaben Kohlensäure 0,616 und Wasser 0,196. 2) 0,245 Grm. lieferten Kohlensäure 0603 und Was- ser 0,192. Aus diesen Ergebnissen lässt sch nachstehendes ab- leiten: gefunden berechnet C 67,35 C 34 = 67,55 H 8,70 H'26 = 8,61 O 23,95 OO 9 = 23,74 Summe: 100,00 100,00. Es zeichnet sich »der so eben beschriebene Körper vor allem von dem Gratiosoletin dadurch aus, dass er in Aether löslich ist, und dadurch, dass er einen weit grösseren Gehalt von Kohlenstoff besitzt. Wir haben nun noch von dem Stoffe zu sprechen, welcher sich in Aether unlöslich zeigte. Durch Behan- deln mit Thierkohle trat nur wenig Veränderung ein; die ganze Tinktur der freiwilligen Verdünstung über- lassen, liess einen warzenartigen Rücsktand von nur losem Zusammenhange; er trocknete bald zu einem gel- ben amorphen Körper aus, der sich in ein schönes gelbes Pulver zerreiben liess. — Dieser in Wasser und Aether unlösliche Körper blieb beim Austrocknen in 100°Wärme ganz unverändert; es wurde ebenfalls zur Elementar- 182 zusammensetzung geschritten und dabei nachstehende Ergebnisse erhalten : 1) 0,237 Grm. mit chromsauren Bleioxyde ver- brannt gab 0,553 Grm. Kohlensäure und 0,190 Grm. Wasser; 2) 0,235 Grm. auf dieselbe Weise behandelt liefert 0,549 Grm. Kohlensäure und 0,186 Grm. Wasser. Hieraus ergibt sich: gefunden berechnet C 63,70 C 34 — 63,75 H 8,837 #28 = 8,73 O 27,40 oO 11 = 27,50 Summe: 100,00 100,00. Es weicht sonach dieser Körper von jenem in Aether löslichen nur dadurch chemisch ab, dass er zwei Atome Wasser, oder doch die Bestandtheile desselben mehr enthält. Es wäre nun noch von dem 3. Spaltungsproducte, dem Zucker, zu sprechen. Nachdem man 1.115 Grm. des reinen, im Wasser leicht löslichen Gratiosoletins vermittelst Schwefelsäure und Wärme vollständig gespalten hatte, wurde der Zucker seiner Menge nach bestimmt, und es ergab sich, dass derselbe 0,426 Grm. betrug, eine Menge, welche, wie wir sehen werden, mit der Theorie über die Zusammensetzung des Gratiosoletins sehr gut zusam- menfällt. Des in Aether löslichen Stoffes hatte man 0,480 Grm. und von jenem in Alkohol löslichen 0,118 Grm. erhalten. Aus dem eben Angegebenen geht hervor, dass die Spaltungsproducte der Menge nach so verschieden sind, dass stets beinahe noch 5 Theile Gratiosoleretin auf 1 Theil Hydrogratiosoleretin kommen; ob dies in der Art der Behandlung des Körpers liegt, oder ob die Erfolge immer dieselben sein werden, muss durch weitere Beobachtungen entschieden werden. — Wäre dem ganzen Spaltungsproducte des Gratiosoletin die Formel C 534 H 28 O 11 zu geben, dann wäre die Spaltung sehr schön, denn Gratiosoletin = C 40 H 34 0 17 — Zucker =C6 H6 06 gibt C 34 H 283 O 11. Ä Gratiosoletin. . . C40 H34 O17 setzen wir dieseMenge2fach C80 H68 O34 und ziehen hiervon ab: 1) Zucker. . . c12 H207 2) den in Aether lös- lichen Stoff . . C34 H26 O 9 und 3) den in Aether un- lölliehen . . . C34 H28 Oll und fügen hiezu noch 2 Atome Wasser. . |. C— H 2 O 2so erhalten wir 2 Atome Gr. Bo soletin . . C80 H68 ‚o 34. — Es müssen somit 2 Atome "Wasser aus den Verbindungen ge- treten sein. Den Körper mit der Formel © 34 H26 O9 nennen wir Gratiosoleretin und jenen von der Zusammen- setzung C34 H28 O11 Hydrogratiosoleretin; denn er enthält die Bestandtheile von 2 Atomen Wasser mehr als der andere. Es dürfte hier folgende Zusammenstellung nicht un- geeignet erscheinen: Gratiosoin . . . C46 H42.032 Gratiolin -... ».. 13... C 40, -HABSEE0OHU Gratiosoletin. . . C40 H34 017 Gratioletin. . . C34 H28. 010 Hydrogratiosoleretin C34 H23 O1l Gratioleretin. . . C34 H28 O & Gratiosoleretin . . C34 H26 O 9 Ueber den Zusammenhang dieser verschiedenen Stoffe bezüglich ihrer Entstehung in der Pflanze selbst und die Möglichkeit durch Aufnahme oder Abgabe von Sauerstoff aus dem einen den andern zu bilden, kann ich im Augenblick noch keine Meinung aussprechen. Nur soviel vermag ich aus Erfahrung mitzutheilen, dass die Ausbeute an den verschiedenen Stoffen je nach dem Alter der Pflanze, d.h. der Zeit der Aufbewahrung, sehr verschieden ist. Zunächst bleibt mir nun die Aufgabe, eine genauere physikalische und chemische Beschreibung der einzelnen Spaltungsproduete zu geben, was in Nachstehendem ge- schehen soll. 1) Gratioleretin. Dieses Zersetzungsproduct des Gratiolins mit der Formel C34 H28 O6 stellt frisch bereitet bei ge- wöhnlicher Temperatur einen Körper dar von der Con- sistenz des Terpentins, nach längerem Stehen in der Wärme und wieder Erkalten erstarrt er zu einer klaren gelben Masse, welche spröde geworden ist und sich nun in ein gelblich-weisses Pulver verwandeln lässt. — Beim Erwärmen bis zu 100° C. schmilzt er stets so, dass er ausgegossen werden kann. In Wasser ist das Gratioleretin vollständig unlöslich, dagegen löst es sich sehr leicht in gewöhnlichem und absolutem Alkohol und in reinem Aether. Vitriolöl wirkt bei gewöhnlicher Temperatur nicht auf den Stoff ein, auch bei einem Erwärmen bis zu 100° C. beobachtete man keine Veränderung, nur er- weicht sich die Masse vollständig. Verdünnt man mit Wasser, so vertheilt sich das Ganze zu weissen Flocken. Salpetersäure von 1,54 spec. Gew. wirkt rasch lösend, ohne Gasentwicklung; die Lösung ist nur wenig gelb gefärbt; beim Verdünnen mit Wasser entsteht ein starker gelblich-weisser Niederschlag. Salzsäure von 1,200 sp. Gew. greift das Gratio- leretin kalt nicht an, beim Erwärmen damit tritt theil- weise Lösung aber nur sehr geringe Farbenänderung ein. Salmiakgeist äussert sowohl kalt als warm keine Einwirkung, ebenso kalte Aetzlauge von 1,220 spec. Gew.; beim Erwärmen erweicht sich die Substanz, ballt zusammen, ohne gelöst oder verändert zu werden. 2) Gratioletin = C34 H28 O10. Dieser erystallisirte Spaltungskörper stellt blendend weisse Crystalle dar, welche unter dem Microseope als geräde reetangulaire Säulen erschemen. — In Wasser sind sie unlöslich, ebenso in Aether; dagegen lösen sie sich ziemlich leicht in gewöhnlichem und absolutem Alkohol. Vitriolöl wirkt auf die blendend weissen Crystalle in der Weise ein, dass dieselben sich gelblich färben und dann das Vitriolöl selbst eine sehr schöne rein zeisiggrüne Farbe annimmt; nach einiger Zeit geht diese Farbe verloren und verwandelt sich in bräunlich- grün, verdünnt man mit Wasser, so entstehen starke weisse Flocken. Salpetersäure von 1,540 sp. Gew. löst das - Gratioletin unter Gasentwicklung zu einer farblosen Flüssigkeit auf, aus welcher beim Verdünnen mit Wasser blendend weisse Flocken fallen; die Natur dieses jeden- falls veränderten Körpers wird näher untersucht werden. Chlorwasserstoffsäure von 1,200 sp. Gew. wirkt auf die Crystalle nicht ein, dieselben bleiben auch beim Erwärmen unverändert, und erst wenn man die Salzsäure verdampft, so bleiben die Crystalle nicht un- verändert, sondern färben sich sehr schön violett; diese Farbe verschwindet beim Aufgiessen von Wasser. Aetzammoniak greift nicht an, auch dann nicht, wenn man bis zum Sieden erwärmt. Aetzkalilauge von 1,220 spec. Gew. wirkt kalt nicht ein, eben so wenig beim Erwärmen. Durch ehromsaures Kali und Schwefelsäure entsteht eine grüne Färbung. 3) Gratiosoletin = C40 H36 O 17. | Wie oben angegeben stellt dieser Stoff eine bis jetzt nicht erystallisirte Masse dar, von lichter gelber Farbe. — In Wasser, gewöhnlichem Weingeist und in absolutem ist es leicht löslich, dagegen unlöslich in Aether. In der wässerigen Lösung entsteht auf Zusatz von Säuren beim Erwärmen starke Trübung unter Zersetzung in Zucker, Gratiosoleretin und Hydrogratiosoleretin. Vitriolöl selbst färbt das Gratiosoletin augen- blicklich rothbraun, löst es vollständig auf und lässt beim Verdünnen mit Wasser Flocken fallen; alle Bitter- keit ist verschwunden und der Zucker leicht in der sauren Flüssigkeit nachweisbar. Salpetersäure von 1,540 sp. Gew. erhöhet die Farbe etwas und löst das Ganze auf, beim Zusatz von "Wasser entsteht Trübung und Ausscheidung von weissen Flocken. Aetzammoniak löst den Körper leicht und un- _ verändert auf, er behält seine Bitterkeit bei und beim Verdampfen des Ammoniaks bleibt er zurück. Aetzkalilauge löst ebenfalls auf, aber beim ge- linden Erwärmen entsteht Trübung und Ausscheidung “von Flocken. — Die Bitterkeit ist verschwunden und in der Lösuug Zucker enthalten. 4) Das Gratiosoleretin = C34 H2 09. Es besitzt eine etwas mehr gelbe Farbe, und hat ebenfalls nur wenig Geruch und Geschmack. — Beim _ Erwärmen bis zu 100° C. bleibt es unverändert, weiter erhitzt schmilzt es, zersetzt sich bei höherer Temperatur 183 und hinterlässt mehr Kohle als die ersteren, die ohne allen Aschenrückstand verbrannte. In Wasser ist er ganz unlöslich, ertheilt ihm keinen Geschmack. — Weingeist von 0,960 spec. Gew. bedarf er wenige Theile gewöhnlichen Alkohol und absoluten nur einen Theil. Aether löst es sehr leicht. Vitriolöl wirkt kalt schnell lösend ein; es färbt sich dabei das Pulver zuvor braungelb. Verdünnt man mit Wasser zu gleichen Theilen, so bleibt die Lösung klar, aber auf Zusatz von viel, entsteht eine starke weisse Trübung. ConcentrirteSalpetersäure löst den Körper leicht ohne Gasentwicklung auf; beim Verdünnen mit 2—3 Theilen Wasser entsteht eine starke Trübung und ein häufiger gelblich-weisser Niederschlag. Chlorwasserstoffsäure wirkt nicht lösend oder verändernd ein; sie verdampft über dem Pulver voll- ständig, färbt aber am Ende dasselbe braun. Salmiakgeist löst nicht auf und kann ebenfalls darüber abgedampft werden. Aetzkalilauge von 1,220 wirkt in der Kälte nicht ein; beim Erwärmen bis zu 100° C. bleibt die Farbe unverändert, und nachdem alles Wasser verdampft ist, bleibt eine gelbe Masse, die beim Wiederauflösen das gelbe Pulver fallen lässt. 5) Hydrogratiosoleretin = C34 H28 Oll zeigt nachstehendes Verhalten: Es ist von reingelber Farbe, trocken und besitzt nur schwachen harzartigen Geruch. — Beim Erwärmen bis zum Siedepunkte des Wassers bleibt es unverändert, da- gegen fängt es bei höherer Temperatur an zu schmelzen und zersetzt sich unter Rücklassung von viel Kohle, die ohne allen Rückstand verbrennt. In Wasser ist es unlöslich; in Weingeist von 0,960 sp. Gew. wird die Hälfte aufgenommen, wogegen Alkohol von 0,850 sp. Gew. und absoluter gleiche Theile aufnimmt. — Absoluter Aether lässt ihn ungelös Mit Vitriolöl übergossen wird er bei gewöhnli- cher Temperatur gelöst und beim Verdünnen mit Wasser wieder ausgeschieden. Beim Erwärmen verkohlt das Ganze unter Entwick- lung von schwefliger Säure. Salpetersäure von 1,54 sp. Gew. löst es sehr schnell unter Entwicklung von salpeterigen Dämpfen; beim Verdünnen mit Wasser entsteht ein starker gelblich- weisser Niederschlag. Salpetersäure von 1,20 sp. Gew. wirkt kalt nicht auf den Körper ein; beim Erwärmen entsteht starke Reac- tion; das Ganze färbt sich stark gelb und wird harzartig. Concentrirte Salzsäure löst ebenfalls auf und zwar schon in der Kälte und ohne Farbenveränderung; beim Erwärmen bis zu 100° C. entweicht die Salzsäure und lässt den Stoff scheinbar unverändert. — Die salzsaure Lösung wird durch Wasser stark weiss getrübt. 184 Aetzammoniak in der Kälte mit dem Körper in Berührung gebracht, wirkt nicht darauf ein; beim Er- wärmen entweicht das Ammoniak und der Rückstand erscheint in seinem Verhalten unverändert. Aetzkalilauge von 1,220 sp. Gew. wirkt in der Kälte kaum ein, beim Erwärmen findet theilweise Auf- lösung statt. Es soll nun die genauere Behandlung des dritten seiner Zeit aufgeführten Stoffes, der sich durch schar- fen Geschmack und Löslichkeit in Aether auszeichnet, folgen, das Gratiolacrin. Ich ging früher von der Ansicht aus, dass dieser Stoff, der allerdings den bei Weitem geringsten Theil ausmacht, dann als einfaches Gebilde zu betrachten sei, wenn man durch Behandeln mit Alkohol u. s. w. das fette Oel getrennt habe. — Neuerlich überzeugte ich mich, dass dem nicht so sei, dass vielmehr das früher von mir analysirte und aus 46 C 20H 10 O zusammen- gesetzt gefundene Präparat einer mehrfachen Zerlegung fähig ist. Das Gratiolacrin, wie es als ein braunes, sehr scharfes bitteres Harz beim Behandeln des rohen Gratiolins mit Aether und Abdestilliren des letzteren erhalten wird, ist bei gewöhnlicher Temperatur sehr diekflüssig und erstarrt nur in der Kälte zu einer bröckligen Masse. — Durch Behandeln mit kaltem absolutem Alkohol lässt sich ein grösserer Theil des fetten Oeles, als darin un- löslich „ abscheiden. Wenn man das so theilweise gereinigte Gratiolaerin mit Ammoniakflüssigkeit von 0,960 in gewöhnlicher Temperatur digerirt, so löst sich ein Theil desselben mit gelbbrauner Farbe auf, während ein grosser Antheil ungelöst bleibt. Löst man letzteren jetzt in kaltem Weingeiste auf, so bleibt ein weisser etwas erystallini- ‚scher Rückstand, dieser ist, nachdem er vollständig mit kaltem Weingeist abgewaschen worden, in kochendem Weingeist ohne Farbe löslich, und scheidet sich bei dem Erkalten in fein weissen Cryställehen wieder aus. Die kalte weingeistige Lösung besitzt rothgelbe Farbe und einen sehr kratzenden brennend bitteren Geschmack. Auf Zusatz von weingeistiger Bleizuckerlösung entsteht noch ein starker Niederschlag; es wurde das Ganze damit ausgefällt, der Niederschlag gesammelt, mit Wein- geist gut ausgewaschen, dann mit solchem angerieben und durch Hydrothiongas zersetzt. — Die weingeistige Flüssigkeit war stark gelb gefärbt und besass einen eigenthümlichen Fettgeschmack; durch Versetzen mit Wasser wurde sie milchigt und schied nach einiger Zeit ölartige Tropfen aus; welche auf der Oberfläche er- schienen, sich aber später zusammenzogen und dann zu Boden sanken. — Dieser Körper bleibt bei gewöhn- licher Temperatur flüssig und besitzt einen eigenthüm- lichen Fettgeruch. Die Behandlung der geistigen Lösung mit Thier- kohle hatte auf die Entfärbung nur wenig Einfluss. — Es wurde dieses Fett (dasselbe, welches sich schon theil- weise beim Lösen des rohen Gratiolaerins in kaltem absolutem Weingeist ausscheidet) einer Verbrennung unterworfen’ und es stellt sich nachstehendes Ergebniss heraus: 1) 0.205 Grm. verbrannt, mit chromsaurem Blei- oxyde gaben Kohlensäure 0,564 und Wasser 0,216 Grm. 2) 0,200 Grm. gaben Kohlensäure 0,551 und Wasser 0,211. Es lassen sich hieraus folgende Formeln ableiten: gefunden berechnet C 75,12 C 31 = 75,30 H 11,78 3429 1172 O 13,10 Or£ =112,96 Summe: 100,00 100,00. E Es lässt sich dieser Körper betrachten als ein Fett der Formel 31 C 29H 40; zieht man hiervon Lipyl- oxyd =3C 2H 10 ab, so bleibt 23C 2?’ H 30 + HO und dies muss die Formel der erystallisirbaren Fett- säure sein. — Man kann indessen dieses Fett auch be- trachten als eine Glycerinverbindung, in welcher 5 Atome Wasserstoff vertreten sind durch 5 (22C 22H 2 O) und wodurch man dessen Zusammensetzung ansehen müsste als = C 118 H 113 O 16 oder C8H3 06 +5 (C 22 H22 O2). Sieht man die Sache so an, dann ergibt sich folgende Formel: C 118 = 74,60 E13 = 11590 Ol 18550 Summe: 100,00. Wir wollen diesem Fett den Namen Gratioloin geben und werden jetzt die daraus hervorgehende Fett- säure, welche theilweise schon in dem Gratiolaerin ent- halten ist, theilweise sich aber erst beim Behandeln mit Kali bildet, die Gratioloinsäure beschrieben. Sie erscheint in blendend weissen atlasglänzenden Blättehen und Schuppen, ballt gerne etwas zusammen und besitzt einen eigenthümlichen Fettgeruch. Von dieser Gratioloinsäure wurden zwei Verbren- nungen mit chromsauren Bleioxyde ausgeführt: 1) 0,201 Grm. lieferten Kohlensäure 0,540 Grm. und Wasser 0,135 Grm. 2) 0,198 Grm. gab Kohlensäure 0,535 Grm. und Wasser 0,133 Grm. Es ergeben sich hieraus folgende Resultate: gefunden berechnet C 73,30 C 28 = 73;68 H 12,40 128228 O 14,30 oO 4 = 14,04 Summe: 100,00 100,00. Setzen wir einen Vergleich zwischen dem Gratioloin - und der Gratioloinsäure, so ergibt sich daraus folgendes: Gratioloen = C 31 H29 04 hiervon ab: Lipylsyd =C 3 bleibt: Gratioloinsäue C28S H27 O3. Wir kommen nun zum anderen Theile des Gratio- lacrins; nämlich zu jenem, welcher zum Theil in Am- moniak und zum Theil in Aetzkali auflöslich ist. — Beide stellen braune Harze dar, zeichnen sieh durch ER Löslichkeit in Aether und durch ihren brennend scharfen Geschmack aus, welcher lange im Schlunde anhält. — Wir gedenken später gelegentlich der weiteren Mit- theilungen über das Digitalaerin hierauf, sowie auf die weiteren Bestandtheile zurück zu kommen. — G. F. Walz: Ueber Digitalis purpurea. I. Digitasolin. Wenn man das Digitalin des Handels aus dem ge- trockneten Kraute auf die von mir früher angegebene Weise darstellt, so erhält man eine gelbliche Masse, die ein nach dem Zerreiben gelblich weisses Pulver darstell. — Dieses Präparat wurde von sehr vielen Aerzten wegen seiner ausgezeichneten Wirksamkeit ge- rühmt, und von dieser Qualität habe ich in den letzten 2 Jahren gegen 50 Unzen abgegeben. — Dieses Digi- talin ist kein reiner Körper, sondern ein Gemisch von verschiedenen Stoffen, was aus Nachstehendem her- vorgeht. Behandelt man es mit reinem Aether, so färbt sich dieser gelb und löst mehrere Procente eines Stoffes auf, welcher harzartiger Natur ist, und einen scharfen bit- teren Geschmack besitzt; diesem gab ich 1850 den Namen Digitalacrin. Der in Aether unlösliche Theil wird nach Entfernung alles Aethers mit Wasser behandelt; es löst sich ein grosser Theil auf und der unlösliche Rückstand wird auf die im Bd. 9 S. 126 des neuen Jahrbuchs der Pharm. beschriebene Weise auf jenen Körper benutzt, der reines Digitalin genannt worden. Die wässerige Auflösung, welche einen höchst bittern Geschmack besitzt und den grössten Theil aus- macht, wird nun entweder mit Thierkohle so weit mög- lich entfärbt und zur Trockne verdampft, oder, was besser, aber mit einigem Verluste verbunden ist, die- selbe wird nochmals mit reinem Tannin gefällt. Der so erhaltene, durch Erwärmen in Harz verwandelte Nieder- schlag ist in Alkohol vollständig löslich; die Lösung wird so lange mit Bleiessig geschüttelt, bis aller Gerbe- stoff gefällt ist, aus dem Filtrat die geringe Spur von Bleioxyd durch Schwefelwasser entfernt und der frei- willigen Verdampfung überlassen. — Nach dem Aus- trocknen bleibt eine amorphe gelblichweisse Masse zurück, welche ich unter dem Namen Digitasolin beschrieben habe. Zur Ermittlung der Zusammensetzung des Digitaso- lins wurden nachstehende Verbrennungen ausgeführt. Der im Luftbade vollständig ausgetrocknete Körper lieferte mit chromsaurem Bleioxyde verbrannt, Folgendes: 1) 0,345 Grm. gaben: CO? 0,699 C 190,45 HO 0,246 H 27,34 2) 0,280 Grm. gaben: CO? 0,566 C 154,58 HO 0,198 3 22,4 3) 0,304 Grm. gaben: CO? 0,615 C 167 HO 0,216 H 24 185 Aus der Zusammenstellung dieser 3 Operationen ergibt sich: 1) Verbrennung in 100: 55,200. 7,92H. 36,838 0. 2) R 2 47 ,55,196: 290H:. 37.010. 3) y „m 55,23C. 7,89H. ' 86,880. Summe: 165,62C. 22,71H. 110,770. Es ist somit die Zusammensetzung des Digitasolin: gefunden berechnet C 55,20 .C 55,26 E#7,90 H 7,90 O 36,90 0 36,84 Summe: 100,00 100,00. Als Formel für diesen Körper müssen folgende Zahlen aufgestellt werden = 56 C. 48 H. 28 O., und zwar aus Gründen, die durch Nachstehendes bewiesen werden. Die von mir 1850 ausgeführte Analyse ergab: 55,95 C. 8,12 H. 35,93 O0. Summe: 100,00. Der Unterschied rührt nach meiner Ueberzeugung daher, dass damals in meinem Digitasolin noch Digitalin enthalten war. Während es bis jetzt nicht gelungen war, das so- genannte reineDigitalin durch Einwirkung von ver- dünnten Säuren zu spalten, gelingt dies beim Digitasolin durch Einwirkung verdünnter Schwefelsäure leicht. — Behandelt man nämlich die wässerige Lösung damit, so entsteht beim Erwärmen eine starke Trübung, und es lässt sich sehr bald die Bildung eines Stoffes nach- weisen, welcher auf Kupferoxydkali redueirend wirkt. Es wurden versuchsweise 0,304 Grm. des reinen Stoffes in der 20fachen Menge Wasser gelöst mit 0,500 Grm. Schwefelsäurehydrat gemischt und so lange ge- kocht als noch eine Zersetzung zu beobachten war; dies wurde daran erkannt, dass die kalte klare Flüssigkeit sich nach einigem Kochen nicht mehr trübte. — Der erhaltene Niederschlag wird nun so lange mit Wasser abgewaschen, bis alle Säure entfernt ist, und dann in Alkohol aufgelöst. Die stark gefärbte Lösung wird durch Thierkohle nur wenig entfärbt, dagegen ver- liert sie durch Digestion mit basisch essigsaurem Blei- oxyde alle Farbe. — Die farblose geistige Lösung über- liess man der freiwilligen Verdunstung; sie trocknete zu einer blumenkohlartigen Masse ein, ohne deutliche Cry- stallisation. Das trockne Pulver wurde mit absolutem Aether übergossen; es ballte etwas zusammen und gab an den Aether den grössten Theil ab unter Ertheilung von gelber Farbe. Nach dem Verdampfen blieb eine gelbe nicht bittere, aber kratzende Substanz zurück. Sie betrug 0,130 Grm. und soll Digitaliretin heissen. Der in Aether unlösliche Theil wurde wieder in Alkohol aufgenommen und der freiwilligen Verdunstung über- lassen; er trocknete zu einer gelblichen glänzenden Masse ein, die wenig Geschmack besass und 0,059 Grm. betrug und den Namen Paradigitaletin erhält. 24 186 In der wässerigen Lösung wurde der Zucker durch die Fehling’sche Kupferoxydkalilösung bestimmt; es stellt sich heraus, dass dieselbe etwa 0,120 Grm. Trau- benzucker enthielt. Das Digitaliretin wurde nun zunächst einer weiteren Untersuchung unterworfen und die Verbren- nung desselben vermittelst chromsauren Bleioxyde vor- genommen. 1) 0,212 gaben: CO? 0,560 C 153,00 HO 0,187 H 20,73 2) 0,253 lieferten: CO? 0,668 C 182,00 HO 0,218 H 24,22 Das Resultat ist somit: gefunden berechnet C 72,10 (Een H 9,81 H 26. 977 O 18,09 0,6. =31:8:109 Summe: 100,00 100,00. Es stellt das Digitaliretin bei gewöhnlicher Tem- peratur eine gelblichweisse pulverige Masse dar, die aber bei erhöhter Wärme erweicht und schon bei 60°C. wie ein Harz schmilzt. Durch Schwefelsäurehydrat wird das Digi- taliretin mit rothgelber Farbe gelöst, bringt man in diese Lösung chromsaures Kali oder Blutlaugensalz in Substanz, so entsteht keine auffallende Farbenverän- derung. — Mit Wasser die Lösung verdünnt, entsteht Trübung und wie es scheint Ausscheidung des unverän- derten Stoffes. Concentrirte Salpetersäure wirkt rasch dar- auf ein, bildet eine dunkel goldgelbe Lösung und hinter- lässt beim Verdampfen eine goldgelbe Nitroverbindung. Salzsäure wirkt nicht lösend darauf ein, sie lässt sich ohne verändernd zu wirken, verdampfen. Aetzkali und Ammoniak wirken ebenfalls nicht lö- send darauf ein. Aus der ätherischen und weingeistigen Lösung wird durch Verdünnen mit Wasser das Digita- liretin wieder gefällt. Das zweite Zersetzungsproduet des Digitasolins lieferte folgende Verbrennungsproducte: 1) 0,340 Grm. gaben: CO? 670 C 64,53 HO 240 H 8,34 2) 0,226 gaben: CO? 532 C 64,55 HO 171 H 3.26 es sind somit enthalten in 100 'Theilen: gefunden berechnet G 64,54 C 44 = 64,39 H 3,30 57534 — 78,39 O 27,16 O0 14 — 27,22 Summe: 100,00 100,00. Abgesehen davon, dass dieser Körper sich schon auszeichnet durch seine Unlöslichkeit in Aether, ist seine chemische Zusammensetzung von Interesse; er er- scheint, wie wir später sehen werden, als ein Digi- taletin (früher Digitalin), welchem 4 Atome Wasser entzogen sind; ich nenne ihn daher Paradigitaletin. Während er in Wasser ganz unlöslich ist, schmeckt die weingeistige Lösung schwach harzartig. Das trockne Paradigitaletin bleibt bei 100° C. un- verändert, in höherer Temperatur schmilzt es und ver- brennt unter Rücklassung vieler Kohle. Mit Schwefelsäurehydrat erleidet es in der Kälte in der Art eine Veränderung, dass es sich An- fangs mit bräunlicher, später schön rother Farbe auf- löst; beim Verdünnen mit Wasser fällt es in Form von grünlichen Flocken wieder heraus. — Weder chrom- saures Kali noch Blutlaugensalz bringen wesentliche Farbenveränderung hervor. Salpetersäure von 1,500 spec. Gew. wirkt rasch lösend unter Gasentwicklung; mit Wasser verdünnt ent- steht weisse Trübung mit Niederschlag. Chlorwasserstoffsäure von 1,16 spec. Gew. wirkt in der Kälte nur wenig auflösend, beim Erwärmen . löst sich mehr; verdampft man die Salzsäure vorsichtig, so bleibt das Paradigitaletin, wie es scheint, unverän- dert zurück; es ist noch wie früher löslich in Alkohol und unlöslich in Aether. Aetzkalilauge wirkt in der Kälte nur langsam auflösend, stark in der Wärme; beim Abstumpfen des Kalis fällt das Gelöste in gelblich weissen Flocken. Ammoniak wirkt nicht darauf ein; dampft man das darauf Gegossene ab, so bleibt der Körper unver- ändert zurück. Wird die weingeistige Lösung mit Wasser verdünnt, so fällt alles wieder in weissen Flocken heraus. Der Zusammenhang der so eben beschriebenen Stoffe mit dem Digitasolin und dem später folgenden Digitalin, dürfte sieh aus Folgendem ergeben. Setzt man: Digitasolin C56 H48 023 und zieht ab: Rohrzucker C12 H10 010 bleibt die Formel des Digitaln: C44 H38 018 Bei weiterer Einwirkung der Schwefelsäure bildet sich abermals Traubenzucker C12 H12 O12 es entsteht Digitaletin = C32 H26 OÖ 6 und gleichzeitig entsteht durch unvollständige Spaltung stets ein geringer Antheil von Paradigitaletin — C 44 H 34 O 14. Dass diese Anschauungsweise vieles für sich hat, wird sich aus der folgenden Mittheiluug ergeben. I. Digitalin. Der erwähnte Körper, welcher bis jetzt den Namen Digitalin trug und sich durch seine Unlöslichkeit in Wasser und Schwerlöslichkeit in kaltem Alkohol auszeichnet, besteht in 100 Theilen aus: C 59,19 H 8,52 O 32,29 und esist daraus die Formel Ü 22. H 19. O 9 berechnet worden. Die 1850 von mir auf- gefundenen Zahlen waren: Von diesem Körper, der ein blendend weisses Pulver darstellte, verwendete ich 4 Gramm, schüttelte dasselbe mit 200 Grm. destillirten Wasser, es blieb der Körper suspendirt ohne demselben Geschmack zu ertheilen; auch nach dem Erhitzen war das Wasser geschmacklos, man setzte sodann etwa 6 Grm. Schwefelsäure hinzu. Nach- dem ich einige Stunden gekocht hatte, überzeugte ich mich, dass sich in dem, über dem noch pulverförmigen Bodensatze stehenden sauren Wasser Zucker befand. Das Kochen wurde noch mehrere Stunden fortgesetzt, und die Zuckerbildung war fortgeschritten aber der Bodensatz nur theilweise in kaltem Weingeist löslich. — Der unlösliche Theil betrug noch über die Hälfte des angewandten Digitalins. Es wurde desshalb die Ein- wirkung des schwefelsauren Wassers bei 100° ©. noch fortgesetzt und nachdem dies 24 Stunden lang geschehen, ' war noch immer ein kleiner Theil unzersetzt geblieben. — Durch wiederholtes Kochen gelang endlich eine to- tale Zersetzung. Das bei der Anwendung weisse Digitalin hatte einem gelblichen pulverförmigen Körper Platz gemacht, der beim Sieden des Wassers harzartir zusammenbackte, während das schwefelsaure Wasser eine gelbliche Farbe angenommen hatte, aber, die Säure abgerechnet, bei- nahe geschmacklos war. Der pulverförmige Körper wurde durch Waschen mit Wasser von aller Säure befreit und in gewöhnlichem Alkohol aufgenommen; es war dies jetzt ganz leicht möglich. — Nach dem Verdampfen des Alkohols blieb eine etwas körnige Masse von gelber Farbe. — Thier- kohle wirkte kaum entfärbend auf die weingeistige Lö- sung. — Beim Uebergiessen des trockenen Zersetzungs- produktes mit wasserfreiem Aether ballte sich dasselbe etwas zusammen und löste sich zum grössten Theile auf, unter Rücklassung eines bräunlichen Pulvers. — Man überliess den Aether der freiwilligen Verdunstung, es blieb ein körnig pulveriger Rückstand, der allmählig zu einem sehr lockeren Pulver austrocknete, welches jedoch keine Regelmässigkeit in Form erkennen liess. — Beim Erwärmen dieses Pulvers bis zu 60° C. erweicht es und schmilzt zu einer gleichförmigen harzartigen Masse zusammen. Zunächst wurden mit diesem Körper, von welchem aus 4 Grm. des angewandten Digitalins etwa 2 Grm. erhalten worden waren, zwei Verbrennungen ausgeführt und nachstehende Resultate erhalten: 1) 0,260 Grm. gaben: Kohlensäure 0,687 und Was- ser 0,229. 2) 0,253 Grm. gaben: Kohlensäure 0,669 und Was- ser 0,223. Es ergibt sich hieraus folgendes Resultat: gefunden berechnet C 72,10 C 32 —=72,18 H 9,80 EIAG=— 73,77 O 18,10 OO 6=18,05 - Summe: 100,00 100,00. 187 Der. in Aether ungelöst gebliebene Antheil war ge- ring, er betrug nur 0,52 Grm.; er stellte ein etwas zu- sammenhängendes Pulver dar von bräunlich gelber Farbe und wurde bei der Temperatur von 100° ©. nicht ver- ändert; weiter erhizt schmilzt der Körper und verbrennt unter Rücklassung von viel Kohle. — Die mit demselben ausgeführten Verbrennungen ergaben nachstehende Re- sultate: cd 1) 0,343 Grm. gaben: 0,676 Kohlensäure und 0,246 Wasser. 2) 0,225 Grm. gaben: 0,532 Kohlensäure und 0,170 Wasser. Es ergibt sich hieraus folgendes Resultat: gefunden berechnet CO 64,5 C 44 = 64,39 H 83 H 34= 8,39 O0 27,2 O 14 = 27,22 Summe: 100,0 100,00. Es wurde nun die Menge des gebildeten Zuckers bestimmt und es ergab sich dabei ein Resultat, welches mit der nachstehenden Zersetzungsart in ganz guten Verhältnissen stand. Nimmt man die Formel des bis jetzt Digitalin ge- nannten Stoffes doppelt so gross wie oben angegeben, also : Digitaletin (Digitaln) = 44 C. 35 H. 18 0. Traubenzucker = 12 C. 12H. 12 0. bleibt: 32 C. 26H. 60 der Körper, wie er oben gefunden wurde und dem man den Namen Digitaliretin gab. Das zweite Zersetzungspro- duet entspricht der Formel C 44 H 34 O 14 und ent- steht aus Digitalin = C 44 H38 O18 durch Abgabe von 4 Atomen Wasser. — Da sich von diesem Körper dem Paradigitaletin stets viel weniger bildet als von Di- gitaliretin, so lässt sich auch annehmen, dass das Wasser, welches dem Digitalin entzogen wird, in dem gebildeten Traubenzucker aufgenommen wurde. Nach dem hier Mitgetheilten geht hervor, dass für die richtige Auffassung des Bitterstoffes der Digitalis nachstehende Formeln aufgestellt werden müssen: Der in Wasser lösliche Bitterstoff, früher Digita- solin jetzt Digitalin . . 56C. 48H. 280. 0d.28C. 24H. 140. hiervon ab Rohr- zucker 12 C. 10H. 100.0d. 6C. 5H. 50. bleibt Digetaletin 44C. 38H. 180. 0d.22C. 19H. 90. hierv.ab 1 Atom Traubenzucker 12C. 12H. 120.0d. 6C. 6H. 60. bl. Digitaliretin 32C. 26H. 60.0d.16C. 13H. 30. Ueber die Entstehung und weitere Umwandlung des Paradigitaletins — C 44. H 34. O 14. resp. C 22. H 17. O0 7 behalte ich mir spätere Mittheilung vor. Es wäre insbesondere im Interesse der Mediein von Wichtigkeit darauf zu sehen, dass das in Anwendung gezogene Digitalin nicht das in Wasser unlösliche Digi- 24* 188 taletin ist, weil dieser Körper ganz sicher viel geringere Wirksamkeit besitzt. *) Da man bei der Bereitung des löslichen Digitalins stets eine grössere oder geringere Menge des Digitale- tins erhält, so nehme ich an, dass beide Stoffe in der Digitalis existiren, glaube aber auch aussprechen zu dürfen, dass bei den jetzt üblichen Darstellungsarten stets ein Theil des Digitalins in Digitaletin und Zucker gespalten wird. Es stehen mir jetzt von beiden Stoffen grössere Mengen zur Verfügung, und ich bin gern bereit, jenen Herrn Aerzten, welche damit Versuche anstellen wollen, das nöthige Material abzugeben. Was ich früher unter dem Namen Digitalaerin be- schrieben habe, erhält in Nachstehendem seine Wür- digung. II. Digitalacrin. In der oben erwähnten im Jahre 1850 im Jahrbuche Bd. 18 p. 1 abgedruckten Abhandlung über die Digi- talis beschrieb ich einen Stoff unter dem Namen Digi- talacrin; dieser macht, wie Eingangs erwähnt, einen Bestandtheil des käuflichen Digitalins aus und ist durch seine Löslichkeit in Aether charakteristisch. — Es stellt dieser Körper eine bräunliche krümmliche Masse dar, vom Ansehen des Honigs und besitzt einen stark bitteren aber mehr scharfen Geschmack. Die weingeistige Lösung wird durch Thierkohle nur wenig entfärbt, dagegen aber wird durch Digestion mit Bleiessig ein grosser Theil des Farbstoffes entfernt. — Die jetzt nur weingelbe Lösung besitzt einen so scharfen Geschmack, dass eine Spur davon auf die Zunge ge- bracht, eine ätzende Wirkung übt und im Schlunde noch sehr lange kratzt und stark austrocknet. Ver- dampft man die geistige Lösung, so bleibt eine gold- gelbe Masse von harzartigem Ansehen und eigenthüm- lichem angenehmen Geruche. Durch Digestion mit Wasser wird ein sehr geringer Theil aufgelöst, das Wasser nimmt einen scharfen, bit- teren und brennenden Geschmack an, hinterlässt aber beim Verdampfen eine harzartige Masse. — Digerirt man das auf angegebene Weise gereinigte Digitalacrin mit Wasser, dem man einige Procente Ammoniak zu- gesetzt hat, so färbt sich dieses braun und löst einen Theil unter Abscheidung von weissen Flocken auf. — Man setzt das Auswaschen mit ammoniakalischem Wasser so lange fort, als dieses etwas aufnimmt und sammelt den unlöslichen Theil auf einem Filter. — Wascht man jetzt diesen Rückstand mit kaltem Alkohol aus, so bleibt auf dem Filter eine glänzende weisse Masse; diese löst sich in kaltem Alkohol kaum auf, dagegen in kochen- dem und fällt nach dem Erkalten in perlemutterglänzen- den weissen Plättehen heraus. — Unter dem Mikrosceope erschienen diese Krystalle inschiefen rhomboidi- schen Säulen, deren stumpfe Höhekanten ab- gestumpft sind. — Die Mutterlauge liefert beim Ver- dampfen noch eine kleine Menge von Krystallen. *) Beobachtungen des Herrn Professor Dr. Kussmaul in Heidelberg bestätigten diese Annahme. Die kalte weingeistige Lösung erleidet durch Zusatz von Wasser eine starke, weisse Trübung, und nach einiger Zeit bilden sich am Boden des Gefässes eben- falls weisse glänzende Kryställchen. — Die darüber- stehende etwas milchigte Flüssigkeit ist von sehr scharfem bitterem Geschmacke und klärt sich beim Er- wärmen vollständig auf. — Sie wird mit Thierkohle digerirt und dadurch ziemlich entfärbt. — Destillirt man den Weingeist ab, so erstarrt der Rückstand zu einer Gallerte von weisser Farbe, es lässt sich aber keine Trennung durch Filtriren bewerkstelligen. — Versuche zeigten, dass neben dem krystallisirbaren Stoffe in dieser Gallerte auch noch eine durch Bleizucker fällbare Harz- säure enthalten war und desshalb wurde nochmals mit Alkohol gemengt bis zur Auflösung des Ausgeschiedenen und dann mit weingeistiger Bleizuckerlösung versetzt, resp. ausgefällt. — Nachdem aus der vom Niederschlage abfiltrirten Flüssigkeit das freie Bleioxyd durch Hy- drothion entfernt war, wurde der Weingeist verdampft, man erhielt nochmals Krystalle, aber im Verhältniss zur Masse nur wenig und beim Verdünnen mit Wasser schied sich eine grosse Menge in Form weisser Flocken, welche sich gallertartig zusammenzogen, aus, während die noch scharfe Mutterlauge etwas braungefärbt ablief. — Nach dem Trocknen stellte die Anfangs weisse Gallerte eine bräunliche Masse dar; sie wurde in der Hoffnung in heissem Alkohol gelöst, dass beim Erkalten die er- wähnten Krystalle wieder erhalten würden. — Es war dem nicht so, es erstarrte vielmehr das Ganze zu einer Gallerte und besass noch denselben scharfen Ge- schmack. — ‘ Ein Versuch durch Digestion mit Aetzkalilauge eine Trennung zu bewerkstelligen, führte zum Ziele, und so wurde das Ganze mit Kalilauge digerirt und so lange ausgewaschen, als sich noch etwas darin auflöste. — Die alkalische Flüssigkeit war stark braun gefärbt, schmeckte brennend scharf und liess beim Versetzen mit verdünnter Schwefelsäure blendend weisse Flocken fallen, welche sich bald zu einem gelblichen Harze zu- sammenzogen. Der in Kalilauge unlösliche Theil er- schien beim Uebergiessen mit Alkohol aus atlasglänzen- den Kryställchen zu bestehen, löste sich indessen, nament- lich beim Erwärmen; aus der Lösung fielen Krystalle und auch die Mutterlauge enthielt noch viele derselben, die durch weiteres Verdunsten erhalten wurden. — Sie waren in allen Beziehungen den oben erwähnten gleich. Wird die ganze Mutterlauge verdampft, so erstarrt sie zuletzt zu einem braunen Harze, und enthält ausser der krystallinischen Substanz noch scharfen Stoff. Anfangs erscheinen die Krystalle geruchlos, später nehmen sie einen eigenthümlichen Fettgeruch an. Nachstehende Verbrennungen wurden damit aus- geführt: 1) 0,134 Grm. der bei 100° C. ausgetrockneten Krystalle lieferten Kohlensäure 0,348 Grm. und Wasser 0,143 Grm. 2) 0,141 Grm. lieferten Kohlensäure 0,366 und Wasser 0,150. Se 3) 0,133 Grm. gaben Kohlensäure 0,347 und Wasser 0,142. 4) 0,212 Grm. gaben Kohlensäure 0,550 und Wasser 0,225. Aus diesen Versuchen ergaben sich folgende Ver- hältnisse: gefunden berechnet C 70,86 C22 = 70,96 H 11,90 H 22 = 11,82 O 17,24 O0 4= 11,22 Summe: 100,00 100,00. Die ammonikalische Lösung des Digitalaerins wird mit verdünnter Schwefelsäure neutralisirt; es entsteht ein starker weisser Niederschlag, der sich aber bald in eine harzartige Masse zusammenzieht. — Dieses mit Wasser abgewaschene Harz wird in Alkohol gelöst, was leicht vor sich geht. — Die Lösung besitzt einen sehr seharfen Geschmack, wird mit Wasser verdünnt milchweiss, ohne dass sich nach mehrtägigem Stehen eine Scheidung zeigt. — Mit Thierkohle behandelt wird die Farbe nur wenig verändert, und beim Verdunsten des Alkohols bleibt abermals eine Harzmasse zurück. — Da auf Zusatz von weingeistiger Bleizuckerlösung ein weisser Niederschlag entsteht, so wurde alle Flüssigkeit damit ausgefällt, der Niederschlag ınit Alkohol vollkom- men ausgewaschen und, nachdem er mit Weingeist an- gerieben worden, durch Einleiten von Hydrothion zer- setzt. Das noch immer etwas gelb gefärbte Filtrat schmeckte sehr scharf und liess beim freiwilligen Ver- dampfen in kleinen Mengen weisse schuppenförmige Krystalle zurück, die schon beim gelinden Erwärmen zu einem Oele schmelzen. Mit der vollkommen ausgetrockneten Substanz wur- den zwei Verbrennungen ausgeführt: 1) 0,224 Grm. lieferten Kohlensäure 0,602 Grm. und Wasser 0,228. 2) 0,218 Grm. gaben Kohlensäure 0,584 Grm. und Wasser 0,223. In 100 Theilen sind somit enthalten: gefunden berechnet C 72,91 C,25—13,17 H 11,33 H 23 =11,21 O 15,76 O 4=15,62 Summe: 100,00 100,00. Es könnte demnach dieser Körper betrachtet werden als ein Fett der Formel 25 C 23 H 4 OÖ. — Hiervon ab Lipyloxyd — C®? H? O bleibt 22C 21H 30 +HO _ und müsste die entsprechende Fettsäure sein. Es lässt sich dieses Fett auch ansehen als eine Gly- cerinverbindung in der 3 Atome H vertreten sind durch 3 (C?? H?? O0?) und wodurch die Formel C 74H 71012 oder C® H® 0° 4 3 C?? H?? O? entsteht, und dann berechnet sich folgende Zusammensetzung: C 74 — 72,66 H 71 = 11,62 012 = 15,72 Summe: 100,00. 189 Dass die beiden zuletzt beschriebenen Stoffe in sehr nahem Zusammenhange stehen, unterliegt wohl keinem Zweifel; ich hoffe in nächster Zeit wieder darauf zu- rückkommen zu können. Die vom Bleizuckerniederschlage abfiltrirte Flüssig- keit besass noch stark gelbe Farbe und einen scharfen bitteren Geschmack. — Beim Vermischen mit Wasser entstand starke milchigte Trübung, aber keine vollstän- dige Scheidung, beim Verdunsten bleibt eine klare harz- artige Masse zurück. Als die ganze Menge in Alkohol gelöst und der freiwilligen Verdunstung überlassen wurde, setzten sich stets am Boden des Gefässes dicke gelbrothe ölartige Tropfen ab, während die Flüssigkeit vollkommen klar blieb. — Am Rande des Gefässes bildeten sich warzen- artige Gruppen, die jedoch unter dem Mikroskope als Harzkügelehen erschienen. — Nach vollständigem Ver- dunsten des Alkohols blieb eine gelbliche Masse von starker Honigeonsistenz. Sie ist in Wasser nicht löslich, ertheilt aber demselben einen sehr scharfen Geschmack und saure Reaction. In Aether löst sie sich leicht auf, eben so in Alkohol. Beim Erhitzen auf Platinblech verbrennt alles ohne Rückstand. Der in Aetzkalilauge lösliche Antheil des Digi- talacrins, welcher durch Schwefelsäure gefällt worden war, wurde in Alkohol aufgelöst und die braune Lösung längere Zeit mit gereinigter Thierkohle in die Wärme gestellt; es entfärbt sich die Flüssigkeit nur sehr wenig. Beim Verdünnen mit Wasser wird sie milchigt, aber nur sehr langsam scheiden sich am Boden des Gefässes ölartige Tropfen aus ohne alle Krystallisation. Nachdem aller Weingeist freiwillig verdampft war, blieb eine gleichförmige gelbliche Masse; sie ist bei gewöhnlicher Temperatur brüchig, sogar pulverisirbar, aber beim Erwärmen bis zu 100° C. wird sie flüssig und geht nur langsam wieder in ihre frühere Form über. In Wasser ist diese Harzsäure fast unlöslich, sie er- theilt demselben eine schwache saure Reaction und einen brennenden Geschmack. In Aether ist sie leicht löslich; nach dem freiwilligen Verdunsten desselben bleibt ebenfalls eine amorphe Masse zurück. Die weitere Untersuchung der beiden Harze, welche die Schärfe der Digitalis purp. repräsentiren, behalte ich mir vor. Wird eine grössere Menge des Wassers, welches man mit Digitalacrin geschüttelt hatte, und das einen bitteren scharfen Geschmack besitzt, mit Schwefelsäure versetzt und gekocht, so entsteht alsbald starke Trü- bung unter Ausscheidung von weissen Flocken, welche sich in ein gelbbraunes Harz zusammenballen, während die Flüssigkeit ihre Bitterkeit verliert und auf Kupfer- oxydkali redueirend einwirkt. Nachdem das ausgeschiedene Harz in Alkohol gelöst worden, wurde die Lösung mit Thierkohle entfärbt, ver- dunstet und mit absolutem Aether digerirt. Nur theil- weise löste sich der Körper in demselben auf, dagegen war der Rest in Alkohol löslich. 190 Nach dem freiwilligen Verdampfen des Aethers blieb eine gelbliche körnige Masse zurück, beim Erwärmen floss das Ganze zu einer harzartigen Masse zusammen, besass aber keinen Geschmack. — Beim weiteren Un- tersuchen dieser Substanz zeigte sich, dass dieselbe das oben beschriebene Digitaliretin war, während sich der zweite in Aether unlösliche Theil wie Paradigi- taletin verhielt. — Es ist demnach anzunehmen, dass der Aether unter Vermittlung der übrigen in demselben löslichen Stoffe eine geringe Menge von Digitalin auf- gelöst hatte, welches durch Einwirkung von Schwefel- säure in Digitaletin, Digitaliretin, Paradigitaletin und Zucker umgewandelt wurde. Privatdocent Schneyder aus Freiburg theilte folgende Notizen mit: 1) Beim Einleiten des sich beim Lösen von Queck- silber in Salpetersäure entwickelnden Gasgemenges in eine mit Ammoniak alkalisch gemachte Lösung von doppeltehromsaurem Kali erschien merkwürdiger Weise plötzlich ein aus glasglänzenden schwarzgrünen Blättehen bestehender Niederschlag von sogen. unlöslichem Chrom- oxyde. Dasselbe löst sich unvollständig in kochender Salzsäure, vollständig aber langsam in siedendem Vitriol- öle und enthält noch etwas Chromsäure. Aller Mühe ohngeachtet gelang es mir, trotz der manchfachsten quantitativen Aenderungen der Ingredienzien, niemals wieder, diese äusserst interessante Chromoxydbildung zu erhalten. Die kleine Menge davon, welche ich seit etwa 9 Jahren besitze, mochte ich nicht einer quanti- tativen Analyse opfern. 2) Ebenso gelang es mir bis nun nicht zum zweiten Male, Wismuthjodid (durch Fällung von Wismuthsal- peter mit Jodkalium) mit einer so prächtigen dunklen Scharlachfarbe zu erhalten, wie sie nur das unter Wasser erhitzte Quecksilberjodid besitzt. Es versteht sich, dass ich keines der gelbrothen Wismuthoxyjodide vor mir hatte. 3) Beim Vermischen warmer eoncentrirter Lösungen von Kaliumeisenceyanür und von schwefelsaurem Chinin (Co Hz, Na O, + 2S0,. HO — 1409) erhielt ich keines der bekannten Chinineiseneyanüre, sondern beim Erkalten fast schwarze, rubinroth durchsichtige Octaöder, fast ganz wie Chromalaun aussehend. In der Sommer- wärme jedoch wurden sie, wie ein Extract, halbflüssig, liefen ineinander über und überzogen sich (im geschlos- senen Glase) mit einem bläulich- grauen Pulver; ihre Analyse unterblieb wegen zu geringer Menge des Er- haltenen. 4) Wenn man Quecksilberjodid mit Vitriolöl kocht, so wird dasselbe erst gelb (in andern Säuren bleibt es roth), dann graugelb und beim vollen Sieden löst es sich reichlich zur dunkelbernsteingelben bis gelbrothen Flüs- sigkeit; dabei wird etwas Jod und sehr wenig Jodqueck- silber sublimirt, der Ueberschuss des Jodides liegt als zusammengeballte, grauglänzende, leicht wieder roth werdende Masse am Boden. Die klare Lösung wird beim Erkalten sehr viel heller und lässt schmutzig weisse, schwere Körnchen fallen; in Wasser gegossen wird sie sehr stark gefällt, blassrothes Jodid scheidet sich ab. Das beim Erkalten ausgeschiedene (gelblich-) weiss- graue, körnige Pulver hält sich im Dunkeln sehr lange obne Veränderung, das Sonnenlicht jedoch färbt es sehr rasch wieder scharlachroth, aber nur da, wo das Licht direet hintrifft. Nach dem Wegwaschen der Schwefel- säure schmilzt und sublimirt es sehr leicht in eitrongel- ben und scharlachrothen Crystallen, ohne eine Beimen- gung eines andern Körpers (etwas wenigen Joddampf), z. B. schwefelsauren Salzes ete., zu zeigen. 5) Die Fischer’sche Reaction auf Kobalt ist mit Recht eine charakteristische genannt worden, allein ich mache darauf aufmerksam, dass nicht jedes salpetrig- saure Kali dieselbe gelingen lässt. Ich besitze solches, das alle Reactionen der NO, gibt, mit dem 5 Zoll lange Nadeln von AgO, NO, erhalten würden, aber es fällt durchaus Kobaltlösungen nicht gelb, was sogleich ge- schieht. wenn solches von anderer Darstellung (mit Blei) noch hinzugefügt wird. Trotz verschiedenen Proben konnte ich noch nicht die Ursache dieser Sonderbarkeit ergründen. 6) Eine Methode Zucker zu erkennen, die mich bei nun sechsjährigem Gebrauche nie im Stiche liess, und womit ich sehr oft (schon vor 5 Jahren) Zucker im gesunden Harn nachwies, ist folgende: Die zu prüfende Flüssigkeit (Hamm ete.) wird in einem Proberöhrchen mit Vitriolöl versetzt und zwar so bei schiefer Lage desselben, dass ein Theil unter der Flüssigkeit als schwerere Schichte fast unvermischt sich lagert. Wenn nun über einer kleinen Flamme oder in kochendem Wasser diese untere Schichte bei schief ge- haltener Röhre erhitzt wird, bis einige kleine Stösse (Wasserdampfbildungen) das Senkrechthalten erheischen, (um das Herausspritzen der kochend werdenden Lösung zu vermeiden), so wird die Zuckergegenwart sich durch eine ringförmige oder totale Zonenfärbung an der Vi- trioloberfläche kenntlich machen. Die verschiedenen Zuckerarten lassen sich manchmal sogar neben oder richtiger hier übereinander erkennen, da sie etwas verschiedene Färbungen geben, z. B. bei 1°/, Gehalt Traubenzucker: braun mit rosa, Rohrzucker: schön gelb mit rothbraun, Milchzucker: schwarzbraun mit gelbbraun ete.; bei einem Gehalt von weniger als 1/000 Zucker werden die Färbungen alle mehr rosa oder bräunlich rosa (am besten vor einem weissen Papier zu erkennen). Es wurde schon oft auf diese Weise ein Gehalt von 1 in 100,000 oder eine Zuckermenge von nur ein Tausendstel Milligramm nachgewiesen. Solch kleineMengen sind leichter noch so zu erkennen, dass man einige Tropfen der Lösung mit 6 — 10 Mal so viel SO, , HO auf etwa 200° Cels. erhitzt, bei höhe- rer Temperatur wird die entstandene Rosafärbung wie- der zerstört. Die gewöhnlicher vorkommenden organischen Sub- stanzen geben entweder keine Färbung mit Vitriolöl unter obigen Umständen, oder die Färbung tritt in einer höheren oder tieferen Zone, als die Zuckerreaetion, auf, wie dies z.B. bei den Harnfarbstoffen (in höherer Zone) geschieht. Störend auf diese Reaction wirkt die Gegenwart von Gummi, viel Alkohol, Salpeter-, Chlor- und Chrom- säure; Ammoniak schadet nicht im Geringsten, während es die Prüfung mit kalischer Kupferoxydlösung gewaltig beeinträchtigt und unsicher macht. Will man in einer Flüssigkeit rasch Rohrzucker ne- ben Trauben- oder Milchzucker nachweisen, so koche man einige Minuten mit überschüssiger kalischer Kupfer- lösung, filtrire vom Kupferoxydul ab, neutralisire mit Schwefelsäure und mache mit Vitriolöl in der erkalteten Flüssigkeit die oben beschriebene Zonenreaction. Professor Wicke aus Göttingen: Ueber das Pigment in den Eischalen der Vögel. So viel mir bekannt, liegen über diesen Gegenstand bis jetzt noch keine Untersuchungen vor. Man weiss nur, dass das Pigment organischen Ursprungs ist. Wenn man die Eischalen erhitzt, so werden sie schwarz, vor- zugsweise die obere farbige Schicht. Nach dem Auflösen des Kalks in Säuren bleibt eine fein vertheilte Kohle zurück. Wahrscheinlich lassen sich alle Farbestoffe in den Eiern auf zwei zurückführen, wovon der eine braun, der andere grün. Diese Farben treten mannichfach nüaneirt auf. Das Grün kann in’s Blaue verlaufen, das Braune so hell sein, dass es gelb erscheint u. s. w. Manche Farben sind so unbestimmter Natur, dass man sie als hervorgegangen aus einer Mischung jener beiden Farben ansehen möchte. | Den braunen Farbstoff nehmen wir z. B. bei den Eiern der Falken und Bussarde, den grünen bei den Krähen- und Drossel-Eiern und manchen andern wahr. Beide Farbstoffe smd in Wasser und Alkohol un- löslich. Behandelt man aber die Eier mit verdünnter Salzsäure, so lässt sich der Farbstoff isoliren. Man er- hält ihn in Form einer schlüpfrigen schleimartigen Sub- stanz. Zugleich beobachtet man, dass der Farbstoff nur die Oberfläche der Eier bedeckt. Beim Behandeln mit Salzsäure wird jede Eischale weiss. Betrachtet man - die schlüpfrige Substanz unter dem Mikroskope, so sieht man ein unbestimmt körniges Gerinsel, ähnlich dem Chlorophyll in den Blättern. i Ich will hier zuerst von dem grünen Farbstoff reden. läulich erscheint derselbe in den Eiern des Roth- twänzchens Sylvia phoenicurus L., der Drossel Turdus icus L.; fast grasgrün in den Eiern der Krähe Cor- coroni L. Die Eier vom Kiebitz Vanellus cristatus "et W., von der Lumme Uria Lomvia Pall., der Drossel sind bekanntlich mit schwarzen Flecken versehen. Diese lösen sich beim Behandeln mit Salzsäure wie kleine Schollen ganz ab. Unter das Mikroskop gebracht er- — scheinen sie dunkelgrün wie saftgrün. Der grüne Farb- ‚stoff ist überhaupt ungleich verbreiteter als der braune. In grosser Menge erhält man ihn aus den Kiebitz-Eiern. 191 Der Farbstoff wurde auf folgende Weise isolirt. Eine ziemliche Quantität der gröblich zerkleinerten Ei- schalen wurde mit verdünnter Salzsäure so lange in gelinder Wärme digerirt, bis aller Kalk gelöst war. Zurück blieben die Eihäute der innern Schalenwände, und auf diesen lose haftend der Farbstoff. Die Flüs- sigkeit wurde durch Leinwand colirt — das Filtriren durch Papier geht, der Häute wegen, schlecht — der Rückstand einige Male mit Wasser nachgewaschen, durch Ausringen noch weiter von der anhängenden Salzlösung befreit. Darauf in einem Digerirglase mit Alkohol zum Sieden erhitzt, filtrir. Schon in der Kälte löst sich, wenigstens theilweise, der Farbstoff in dem Alkohol auf, vollständig beim Sieden. Die alkoholische Lösung wird in einem Porzellanschälchen auf dem Wasserbade ab- gedunstet. Man erhält als Rückstand eine grüne oder bläulich grüne amorphe Masse, ohne Geruch, von schwach bittergalligem Geschmack. Die Eier des Rothsehwänzchens und der Drossel geben einen türkisblauen, die der Krähe einen grasgrü- nen Farbstoff. Ausnehmend schön ist derselbe in den Eiern des Fischreihers Ardea cinerea L. Was ist nun dieser Farbstoff? Sein Verhalten gegen Reagentien gibt ihn als den grünen Gallenfarbstoft, Biliverdin, zu erkennen. Bekanntlich unterscheidet man zwei Gallenfarbstoffe. Gallenbraun, Cholepyrrhin (Berzelius), Biliphäin (Fr. Simon), „die gewöhnliche Modification, welche auch die Ursubstanz der Gallenpigmente in den höheren Thie- ren zu sein scheint“ (Lehmann, Lehrbuch der physio- logischen Chemie, 2. Aufl. S. 320), und das Gallen- grün, Biliverdin. Von dem braunen Farbstoff, als Pigment in den Vo- geleiern, rede ich nachher. Der grüne Farbstoff löst sich nicht in Wasser. In Aether mit röthlicher, in Alkohol mit grüner Farbe, be- sonders auf Zusatz von etwas Salzsäure. Löslich in Kali mit gelbrother Farbe. Ich fand, dass auch Essigsäure eine grüne Lösung hervorbringt. Es gehört dieser grüne Farbstoff zu der Modification des Bilverdins, welche noch durch salpetrige Säure Farbenveränderungen er- leidet (Lehmann’s Handbuch S. 321). Man kann zu dieser Reaction die ursprüngliche salzsaure alkoholische Lösung benutzen. Durch das genannte Reagens wird die grüne Lösung zuerst violett, dann rosa, endlich hell- gelb. Diese Reaction habe ich bei dem grünen Farb- stoff aller oben genannten Eier eintreten sehen. Durch basisch essigsaures Bleioxyd wurde der grüne Farbstoff vollständig gefällt. Beim Erwärmen des Niederschlags mit Salzsäure und Alkohol ging der Farbstoff wieder in Lösung. Man hat angenommen, dass das Biliverdin aus dem Cholepyrrhin durch Oxydation entstanden. Ich ver- suchte die Einwirkung der schwefligen Säure, als einer reducirenden Substanz, auf den grünen Farbstoff. Er wurde dadurch beim gelinden Erwärmen braun, liess sich aber durch salpetrige Säure wieder herstellen. Was nun den braunen Gallenfarbstoff anbetrifft, so glaube ich, dass derselbe in den rothbraunen Eiern des 192 Falken, Falco tinnuneulus L. und der eben so gefleckten Eier des Bussard’s, Buteo vulgaris Bechst. enthalten ist. Die rothen Punkte der Eier mancher kleinen Singvögel rühren wahrscheinlich von demselben Farbstoff her. Durch Mineralsäuren soll das Cholepyrrhin grün gefärbt werden. Betupft man die erwähnten Eier mit Salzsäure, so verschwinden die rothen Flecken. Sie nehmen eine moosgrüne Farbe an. Unter dem Mikro- skop beobachtet man die bei dem grünen Farbstoff be- schriebene Structur. Ich konnte, weil ein weiteres Material mir nicht zu Gebote stand, nur die Falkeneier einer näheren Prüfung unterwerfen. Die Isolirung des Farbstoffs geschah in der vorhin beschriebenen Weise. Das Alkohol-Filtrat war rosa gefärbt, gab aber nach dem Verdampfen einen bräunlich gefärbten Rückstand. Derselbe war unlöslich in Wasser. Löslich in Alkohol mit brauner Farbe. In Kali mit hellgelber Farbe, beim Stehen dunkler werdend, mit einem Stich in’s Grüne. Durch salpetrige Säure ging die Farbe in Grün über. Der grüne Farbstoff wurde durch basisch- essigsaures Bleioxyd gefällt. Der Niederschlag gab beim Erwär- men mit Salzsäure und Alkohol eine grüne Lösung — Reactionen, welche zu beweisen scheinen, dass durch oxydirende Mittel aus dem Cholepyrrhin das Biliverdin entstanden. Eier, welche die oben erwähnte grüne oder braune Farbe nicht haben, wie z. B. die Eier vom Blässe- Wasserhuhn Fulica atra L. und von der Eider-Ente ‚Somateria mollissima L., scheiden doch, wenn auch in geringerer Menge, Flocken von Biliverdin ab. Nur in den Eiern der Cochinchina-Hühner, blassgelb, konnte ich diesen Farbstoff nicht finden. Die alkoholische Lö- sung hat ebenfalls eine blassgelbe Farbe. Hier nur noch die Bemerkung, welche, bezogen auf die blaue oder grüne Färbung mancher Eier, von In- teresse ist: dass die Galle der Vögel meist smaragd- grün aussieht. Ob das Biliverdin und Cholepyrrhin nur dem koh- lensauren Kalk beigemischt oder ähnlich wie bei den Gallensteinen, nach den Untersuchungen von Dr. Bram- son in Danzig (Zeitschr. f. rationelle Mediein, herausg. von Henle und Pfeufer, 4. Bd. S. 199), als Biliverdin- Kalk vorhanden ist, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu unterscheiden. Das Letztere ist desshalb wahrschein- licher, weil der Farbstoff erst löslich in Alkohol, nach dem Entfernen des Kalks durch Salzsäure. Der Farb- stoff in den Gallensteinen verhält sich genau so. Man könnte mir einwenden, dass der Gallenfarbstoff noch zu wenig gekannt, um durch die erwähnten Reac- tionen genügend die Identität desselben mit dem Ei- schalen-Pigmente festzustellen. Man könnte letzteres vielleicht eher für veränderten Blutfarbstoff halten. Da die Eier den Eileiter passiren — ein sehr blutreiches Organ — so könnte durch Ausschwitzung hier die Fär- bung der Eier erfolgen. Indessen in den Eischalen ist selbst durch die empfindlichsten Reagentien kein Eisen nachzuweisen. Ausserdem sprechen direete Beobach- tungen gegen diese Annahme. Die Färbung der Eier erfolgt nicht im Eileiter, sondern in der Kloake, wo es ja an Gallenfarbstoff nicht fehlt. Es möge mir erlaubt sein, die interessanten Beob- achtungen, welche Herr C. Wiepken, Custos des Ol- denburger Museums, über die Färbung der Eier gemacht und mir brieflich mitgetheilt hat, hier anzuführen. „Ich schoss Abends, gegen die Dämmerung, ein Kampfhahn-Weibchen, Machetes pugnax L., welches ein fast reifes Ei bei sich hatte. Das Ei war schon in der Kloake, die Zeichnung war bereits da, aber noch matt. Das Ei würde den andern Morgen früh, also 5 bis 6 Stunden später, gelegt worden sein. „Ein andermal schoss ich eine Pfuhlschnepfe, Li- mosa melanura L., Nachmittags gegen 4 Uhr, die eben- falls ein Ei bei sich hatte. Dasselbe war aber noch nicht in der Kloake und hatte noch keine Färbung. „Ausserdem habe ich drei Mal Sumpfvögel geschos- sen, zwei Machetes pugnax und eine Becassine, Scolopax gallinago L., welche mehr oder weniger ausgefärbte Eier bei sich hatten, die immer schon in der Kloake steckten. „Vergangenes Jahr verunglückte mir ein Weibchen von Callipepla ealifornica während der Legzeit und die Section ergab ein ungefärbtes Ei, welches noch nicht die Kloake erreicht hatte.“ Ich glaube, dass diesen Zeugnissen eines durchaus zuverlässigen Beobachters zufolge, in Verbindung ge- bracht mit meinen Untersuchungen, kein Zweifel mehr darüber herrschen kann, dass das Pigment der Eier wirklich Gallenfarbstoff ist. Das Material für meine Untersuchung verdanke ich meinem verehrten Freunde Herrn Professor Blasius in Braunschweig, dem ich dafür hier meinen Dank ausspreche. Ich behalte mir fernere Mittheilungen über diesen Gegenstand vor. Privatdocent Dr. L. Radlkofer aus München. Ueber den Gegenstand dieses Vortrags wird eine besondere Abhandlung unter dem Titel: „Ueber Orystalle proteinartiger Körper pflanzlichen und thieri- schen Ursprungs“ bei W. Engelmann in Leipzig erscheinen, auf welche hiermit verwiesen wird. Professor Dr. Schröder aus Mannheim: Es ist vielleicht mehreren der anwesenden Herren erinnerlich, dass ich vor einigen Jahren in Gemeinschaft mit meinem Freunde Dr. v. Dusch einige Beobachtungen über Filtration der Luft in Beziehung auf Gährung und Fäulniss mitgetheilt habe. Nach v. Dusch’s Uebersiedelung nach Heidelberg habe ich diese Versuche allein fortge- setz. Wenn diese Untersuchungen auch noch nicht eine genügende theoretische Einsicht in die betreffenden Vorgänge gestatten, so haben sie mich doch zu einer Reihe von Thatsachen geführt, welche mir von hin- reichendem Interesse scheinen, dass ich Ihnen dieselben in Kürze bezeichnen darf. Ich werde mich dabei jeder theoretischen Betrachtung enthalten, und lediglich That- sächliches mittheilen. Fast alle organischen Substanzen, Eiweiss, Blut und Blutfaserstoff, Casein, Zieger der Milch, Harn, Rohrzucker, Krümelzueker, Milchzucker, Stärkekleister u. s. w. bleiben Monate und Jahre lang völlig unver- ändert, wenn sie in einem Kolben für sich oder mit Wasser aufgekocht und heiss mit Baumwolle nur lose verpfropft werden, so dass sie nur mit durch Baumwolle filtrirter Luft in Berührung kommen. | Macht man den gleichen Versuch mit Milch und mit Eigelb, so gelingt derselbe in den meisten Fällen ‘ nieht. Milch gerinnt und fault, Eigelb zersetzt sich in der Regel in filtrirter Luft eben so schnell und ' ebenso wie in offener. Luft. Merkwürdigerweise ist _ aber auch bei Milch und Eigelb der Versuch das eine oder andere Mal von Erfolg, und sie bleiben völlig unzersetzt. Fleisch in Fleischbrühe bleibt ebenfalls in filtrirter Luft nur selten und ausnahmsweise ganz unver- ändert. In der Regel zerfällt das Fleisch nach und nach, es tritt eine Art Gährung ein, ‚und die Substanz hat, nach längerer Zeit geöffnet, den Geruch nach ranzigem Fett. Lässt man sie nun an offener Luft stehen, so tritt die gewöhnliche Fäulniss erst in eben so vielen Tagen ein, als bei frisch abgekochter Fleisch- brühe. Die in filtrirter Luft eintretende Gährung -in Fleischbrühe und Fleisch ist also von der an frischer Luft eintretenden Fäulniss bestimmt verschieden. Diesen Gährungs- und Fäulnisserscheinungen ganz parallel geht auch eine grosse Reihe von Crystallisa- tionserscheinungen. Alle die bekannten Phänomene an übersättigten Salzlösungen, welche man bei völligem Abschluss der Luft beobachtet hat, gelingen ganz eben so gut, wenn man den Kolben noch heiss mit einem Baumwollpfropfen nur lose verschliesst, so dass die Salzlösung nur mit durch Baumwolle filtrirter Luft in Berührung kommen kann. Aus Lösungen von Glauber-' 195 salz, Soda, Bittersalz und Alaun scheiden sich unter Baumwolle alle die besonderen Modificationen und Hy- drate aus, welehe Loewel bei völligem Abschluss der Luft erhalten hat. Auch mit schwefelsaurem Zinkoxyd habe ich’ zweierlei löslichere Modificationen erhalten, als das gewöhnliche Salz, und die eine enthält 7 Atome Wasser , wie dieses letztere. Das Phänomen der Uebersättigung scheint überhaupt nahezu ein allgemeines Phänomen, welches auch bei Körpern eintritt, bei welchen es unter gewöhnlichen Umständen nicht beobachtet werden kann, wenn man nur die Temperaturen, Pressungen u. s. w. hinreichend modifieirt. So lässt z. B. das Kochsalz, welches zwischen 0° und 100° nahe gleiche Auflöslichkeit im Wasser hat, innerhalb dieses Temperaturintervalls kein Phänomen der Uebersättigung wahrnehmen. Bei sehr niederen Temperaturen zeigt es dasselbe jedoch in sehr auf- fallender Weise. Kocht man in einem Reagensrohre eine gesättigte Kochsalzlösung, und verpfropft heiss mit Baumwolle, und bringt nach der Abkühlung das Glas eine Zeit lang in eine Frostmischung von Schnee und Kochsalz von — 19° C., so bleibt öfter das Wasser unerstarrt, und sowie man die Baumwolle auszieht, ent- stehen Crystalle von Chlornatriumhydrat, welche un- mittelbar darauf mit eintretender Erwärmung des Rohrs wieder verschwinden. Gewöhnliches Brunnenwasser in einem Kolben ge- kocht und heiss mit Baumwolle lose verpfropft, bei einer Winterkälte von 5 bis — 7° C. über Nacht vor’s Fenster in’s Freie gestellt, gefriert unter Baum- wolle nicht. - Nimmt man den Kolben herein und zieht die Baumwolle aus, so erstarrt unmittelbar ein grosser Theil des Wassers zu Eis. Mit destillirttem Wasser ist mir der Versuch nicht gelungen. Ich begnüge mich mit der Mittheilung dieser That- sachen, aus welchen ein völliger Parallelismus der Gährungs- und Fäulnisserscheinungen mit den Crystalli- sationserscheinungen in filtrirter und an frischer Luft hervorzugehen scheint; ich enthalte mich jedoch an dieser Stelle jedes Versuchs einer theoretischen Er- klärung. DD B7 194 VII. Section für Anatomie und Physiologie. Erste Sitzung am 17. September 1858. Präsident: Professor v. Siebold aus München. Ständiger Seeretär: Hospitalarzt Schuberg aus Carlsruhe. Professor Carl v. Siebold aus München: Ueber das Receptaculum seminis der weiblichen Wirbelthiere. Vor zweiundzwanzig Jahren machte ich zuerst auf die Anwesenheit und Bedeutung des Receptaculum seminis bei den Inseetenweibchen aufmerksam. Später wurde noch bei anderen wirbellosen Thieren diese Samentasche als Anhang der weiblichen Fortpflanzungsorgane nach- gewiesen. An das Aufsuchen eines Receptaculum seminis bei weiblichen Wirbelthieren hatte Niemand gedacht, so dass Leydig in seinem 1857 herausgegebenen Lehr- buch der Histologie mit Recht sagen konnte: bei Wir- belthieren kennt man mit Sicherheit noch nichts von einem Receptaculum seminis. Ich überzeugte mich im Herbste 1857 während meines Aufenthaltes in Berchtesgaden, dass die weib- liehen Individuen der Salamandra atra ein sehr deutliches Receptaculum seminis besitzen. Dasselbe lässt sich bei einiger Uebung auf folgende Weise leicht finden. Man schneidet einem weiblichen schwarzen Erd- Salamander die Kloake von der Bauchseite aus ihrer ganzen Länge nach mit einer Scheere auf und zerrt die Beckenhälften seitlich auseinander; auf diese Weise legt man eine auf der Mitte der farblosen Rückenwand der Kloake angebrachte weissliche Erhabenheit bloss, über welcher rechts und links die beiden Fruchthälter ausmünden. Diese weissliche Erhabenheit schnitt ich heraus und betrachtete sie zwischen Glasplatten sanft gepresst unter dem Mikroskope genauer. Zu meiner grössten Freude und Ueberraschung erblickte ich im Innern der Substanz dieses Theils der Kloakenwandung eine Menge blinddarmartiger scharf abgegrenzter farb- loser Schläuche, welche mit sehr lebhaft beweglichen Spermatozoiden mehr oder weniger angefüllt waren. Bei einem vermehrten Drucke, welchen ich mit dem Deckglase auf das Präparat ausübte, gelang es mir die Spermatozoiden an der, der Kloakenhöhle zugekehrten Oberfläche der Kloakenwandung zum Hervortreten zu bringen. Bei keinem Weibchen des schwarzen Erdmol- ches vermisste ich dieses Receptaculum seminis. Es be- steht ein solches Receptaculum seminis aus zwei an der erwähnten Stelle in der Kloakenwandung eingebetteten Gruppen wurstförmiger und verschieden gebogener oder gewundener Blindschläuche, deren unteres nach der freien Mündung hingerichtetes Ende stets verengert ist, während das entgegengesetzte blinde Ende immer er- weitert erscheint. Es lassen sich ohngefähr 30 bis 40 solcher Blindschläuche an jeder Gruppe herauszählen. Aus der ganzen Anordnung dieser Samenbehälter lässt sich mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sie demselben Zwecke zu dienen haben, wie die Re- ceptacula seminis der Arthropoden, das heisst: sie wer- den, wie diese, bei der Begattung die von der Kloake des Männchens in die Kloake des Weibehens überströ- menden Spermatozoiden aufzunehmen und längere Zeit aufzubewahren haben, um aus diesem Samenvorrath später je nach Bedürfniss von Zeit zu Zeit eine gewisse Quantität Spermatozoiden zur Befruchtung der Eier ab- geben zu können. Es werden hierbei aber die Eier von den vorräthig gehaltenen Spermatozoiden nicht, wie bei den meisten Arthropoden, während ihres Hindurchglei- tens durch die untersten Geschlechtswege befruchtet, sondern es werden hier, da die Entwieklung der Jungen des schwarzen Salamanders bereits im Uterus vor sich geht, die Spermatozoiden aus dem Receptaculum seminis in den Uterus eintreten müssen. Der Eintritt der Sper- matozoiden in die beiden Fruchthälter des schwarzen Erdsalamanders erscheint dadurch ermöglicht, dass sich hier in der nächsten Nähe der Samentaschen auch die beiden Mündungen der Fruchthälter befinden, welche mit ihren kurzen faltigen Rändern und im geschlosse- nen Zustande eine papillenartige Hervorragung dicht über derjenigen Stelle der Kloake bilden, an welcher die Blindschläuche der Samentaschen verborgen liegen. Man darf wohl annehmen, dass durch eine leichte Con- traction der Kloake bei geschlossener äusserer Kloaken- spalte die Ränder der schwach und vorübergehend ge- öffnete Uterusmündungen jene Stelle der Kloake be- rühren können, an welcher die Blindschläuche der Sa- mentaschen in die Kloakenhöhle ausmünden, und dass auf diese Weise ein Austreten von Spermatozoiden aus diesem oder jenem Blindschlauch sowie ein Eintreten derselben durch den geöffneten Muttermund in den Uterus zu Stande käme. Offenbar findet bei den schwarzen Erdsalamandern wie bei den übrigen geschwänzten Batrachiern ein Be- gattungsact statt, nur geht derselbe so schnell vorüber, dass er deshalb bis jetzt übersehen wurde. Die Weibehen von Salamandra maculosa ver- halten sich übrigens ganz ebenso, wie bei Salamandra atra. Auch bei diesem gelbgefleckten Erdmolch lässt sich an derselben Stelle der weiblichen Kloake eine dop- pelte Gruppe von Blindschläuchen nachweisen, welche durch ihren Inhalt, nämlich durch bewegliche Sperma- tozoiden sich als Receptaculum seminis zu erkennen geben. Auch die Weibchen unserer Tritonen, des Triton igneus, eristatus und taeniatus besitzen ganz in derselben Weise wie die Erdsalamander-Weibchen ein Receptaculum seminis, welches im Frühjahre von beweg- lichen Spermatozoiden strotzt, und welches während des Eierlegens die zur Befruchtung der Eier nöthigen Sper- matozoiden liefert. Es kann wohl keinem Zweifel unter- worfen sein, dass die Samentaschen der Tritonen sich ebenfalls durch einen Begattungsaet mit Spermatozoiden füllen. Diesen Begattungsact hat J. H. Finger auch wirklich beobachtet und in seiner nur wenig gekannten Dissertation (de Tritonum genitalibus eorumque functione, Marburg 1841) beschrieben. Es ist demnach das lange Liebesspiel, welches bei den Tritonen dem eigentlichen Coitus vorausgeht, wirklich nur ein bloses Liebesspiel. "Dass die Tritonen-Weibehen ihren Samenvorrath aus dem Receptaculum seminis bei dem Eierlegen nach und nach zur Befruchtung der Eier aufbranchen., das lässt sich nachweisen, indem man nach der verflossenen Brunstzeit der Tritonen die Receptacula seminis fast ganz von Spermatozoiden leer findet, ich habe wenigstens an den in Mitte Juni untersuchten 'Tritonen-Weibehen, bei denen das Eierlegen bereits aufgehört hatte, nicht blos die Eierleiter ohne Eier, sondern auch die Samen- taschen ohne ‚Spermatozoiden angetroften. Professor Fuchs aus Carlsruhe: Ueber Galleneinflösungen in’s Blutgefäss - System grösserer Haussäugethiere. Zahlreiche pathologische Beobachtungen und direete Versuche haben bisher zu der, inebesondere jüngst durch Frerich’s „Klinik der Leberkrankheiten, 1859* näher begründeten Annahme geführt, dass der Icterus ex re- sorptione den festen Ausgangspunkt für die weitere pathogenetische Untersuchung bilden müsse, und zwar in der Weise, dass es in Zukunft zunächst deren Auf- gabe sein werde, wo möglich für alle Fälle und Formen des Z/cterus mechanische Hindernisse, welche der Ent- leerung der Galle im Wege stehen, oder anderweitige Ursachen, welche den Uebertritt derselben in’s Blut verursachen, aufzusuchen. Erst wenn diess nicht aus- führbar sei, könnten andere Theorien in Betracht ge- zogen werden, deren positive Begründung bisher un- möglich geblieben sei, und deren Werth mithin haupt- sächlich in dem Bedürfnisse einer die Beobachtungen erklärenden Hypotliese liege. Denn eine andere Be- deutung könne man weder der Annahme einer Anhäu- fung der Galle im Blute wegen unterdrückter Abson- derung derselben, noch der Theorie von einem direeten Zerfallen der Blutkörperchen oder des Blutroths zu Gallenpigment zuschreiben. Bei der Annahme des Jeterus ex resorptione wird sodann behauptet, dass der "Uebergang der Galle in’s Blut nur abhängig sein könne _ von einem Spannungsunterschiede des Inhalts der Leber- zellen und der Blutgefässe, und dass ein solcher auf 195 zweifachem Wege geschehen könne, 1) bei der gestörten Entleerung der "Gallenwege durch Druck von Seite des Leberzelleninhalts, oder 6) durch Unordnungen in der Blutzufuhr zur Leber, wodurch der Seitendruck des Bluts vermindert werde. Wie empfehlenswerth diese Ansicht auch sein mag, so ist es doch eben so gut möglich, dass bei gehinderter Entleerung der Gallenwege der Druck, welchen die rückstanende Galle auf die Leberzellen ausübt, auch dadurch Gelbsucht zu Stande bringen könne, dass unter diesen Umständen die vorbereiteten Gallenelemente im Blute nicht ausgeschieden werden, und dürfte diese entgegenstehende Ansicht um so weniger abgewiesen oe können, als durch direetes Einbringen von Galle in’s Blut bisher noch keine Gelbsucht hat erzeugt werden können, und daher die Annahme nahe liegt, dass fertig gebildete und noch mehr resorbirte Galle sich anders verhalten müsse, als Gallenelemente, welche zur Aus- scheidung aus dem Blute bereit sind. Man will zwar eine solche Annahme durch die Versuche von Müller und Kunde, sowie von Moleschott (l. e.) beseitigen, in welchen bei entleberten Fröschen weder in ihren Säften noch in ihrer Muskelsubstanz eine Spur von Gallenbestandtheilen sich nachweisen liess, oder auch Jene Annahme dadurch entkräften, dass in pathologischen Fällen, in denen die Leber nicht mehr als secretionsfähig erkannt werden konnte, dennoch Gelbsucht nicht noth- wendig dabei vorkam. Allein es lassen sich diesem Einwurfe die nicht minder kräftigen entgegenstellen: 1) dass bei Entleberungen Brelieicht auch zugleich die Bedingung zur Bildung von Gallenelementen im Blut hinweggenommen wird, indem es nun hiezu an dem disponirenden Organe fehlt; denn die Leber nimmt nicht blos weg aus dem Blut, sondern sie liefert auch dem- selben bekanntlich Stoffe, z. B. Zucker; 2) dass sich oft Erscheinungen des Tekernie in Krankheiten zeigen, in denen von Störungen der Gallenausleerung keine Rede sein kann. In dieser Beziehung füge (ch den auf medieinischem Gebiete gemachten Erfahrungen ein paar Seuchenkrankheiten der Hausthiere bei; nämlieh gewisse Formen der sog. Influenza der Pferde (eines Typhus) in denen in der Regel ieterische Symptome ohne nachweisbare Behinderung der Gallenentleerung, häufig sogar ohne ein hervorstechendes Leberleiden vorkommen, und dann Gallenpigment durch die be- kannten Reagentien im Blute und in Secreten nachze- wiesen werden kann, und auch von mir nachgewiesen worden ist. Dann ferner das sog. Blutharnen des Rind- viehes, welches nicht selten im Frühjahr, aber auch im hohen Sommer vorkommt, ohne dass die ursächlichen Verhältnisse dieser Krankheit gehörig bekannt seien. Diese Krankheit verläuft in der Regel sehr akut, und geht dieselbe in den meisten Fällen in Genesung über. In dem blutig gefärbten Harn der Kranken dieser Art ist in den von mir untersuchten Fällen Gallenpigment nachgewiesen worden, ohne dass in den Todesfällen eine die Gallenabsonderung behindernde Leberaffeetion noch weniger eine aufgehobene Gallenentleerung nach- gewiesen werden konnte. 25 196 Hieraus geht nun mindestens hervor, dass die An- nahme einer Gallenaufsaugung für alle Fälle der Gelb- sucht nieht minder noch hypothetisch ist, als die An- nahme einer verminderten oder aufgehobenen Abson- derung der Galle. Daher war ich bestrebt, das Material für die Be- urtheilung hinsichtlich der Entstehung der Gelbsucht zu vermehren; und da man bisher, soviel mir bekannt ist, nur Hunde und Kaninchen zu Galleninjeetionen benutzt, und hiezu stets nur Ochsengalle ‘verwandt hat, so hielt ich es für räthlich, auch einmal grössere Hausthiere zu wählen, und wo möglich Galle von derselben Thier- species, oder doch von einer näher verwandten zu nehmen. Es wurden bei 5 Pferden und 2 Rindern Gallen- injectionen in’s Blutgefäss-System gemacht. Diese Thiere standen in einem höheren Lebensalter, waren für den zootomischen Unterricht bestimmt, hatten aber keine Ge- brechen, welche nachweislich störend auf die Versuche hätten einwirken können. Bei den Pferden wurde Rinds- galle und eben solche auch bei den Rindern verwandt, und mit dieser Flüssigkeit nichts anderes vorgenommen, als dass ihr die Blutwärme mitgetheilt wurde; in einem Falle jedoch, der ein Rind betraf, bewies sich die Galle zu diek und musste daher mit Wasser verdünnt werden. Bei 4 Pferden wurden jedesmal 4 Unzen Galle eingeflöst, bei 2 derselben aber dieses Quantum nach etwa einer halben Stunde wiederholt. In allen diesen Fällen wurde sofort Blässe der Schleimhäute, Unter- drückung des Pulses, krampfhaftes Athmen, Zittern an verschiedenen Körpertheilen, krampfhafte Zusammen- ziehungen der Halsmuskeln mit schwankenden Be- wegungen des Kopfes, schwankendem Gange und Lecken mit der Zunge an den Lippen bemerkt; in einem dieser Fälle, bei einem noch kräftigen Hengste, wurde ausserdem noch öfteres Wiehern, und in einem andern Falle, bei einer alten Stute, Recken, d. h. deut- liche Anstrengungen zum erfolglosen Brechen wahrge- nommen. In keinem dieser Fälle war auch nur eine Spur von Gelbfärbung der Schleimhäute sichtbar. Das vor der Galleninjeetion in allen diesen Fällen unter- suchte Blut wies kein Gallenpigment nach, wohl aber das unmittelbar nach der Injeetion entnommene, sowie es auch beim Harne später der Fall war. Die angeführten Symptome der Versuchsthiere verschwanden in wenigen Stunden, und die bald darauf gemachten Sectionen liessen nichts wahrnehmen, was mit den Versuchen hätte in Ver- bindung gebracht werden können. Der 5. Versuch bei einem Pferde zeigte etwas ab- weichende Resultate, wesshalb er hier näher beschrieben werden soll. Er betraf einen 11—12 Jahr alten, in gutem Ernährungszustande befindlichen Wallach, der wegen eines unheilbaren Huffehlers getödtet werden sollte. Diesem injieirte ich auf einmal 13 Unzen Galle. Einige Augenblicke darauf trat eine brennend -rothe Farbe der Schleimhäute ein; das Athmen wurde sehr erschwert; an den dünn behaarten Hautstellen bemerkte man warmen Schweiss, welcher in grossen Tropfen herunterrieselte, und später auch am ganzen Körper in schwächerem Maasse bemerkt wurde, jedoch nach einer halben Stunde wieder verschwand. Unter diesen Umständen nahm das Thier weder Futter noch Getränk auf. Der Puls, welcher unmittelbar nach der Gallen- infusion etwas voller und frequenter ward, wurde nach und nach sehr klein, so dass er 3— 4 Stunden später kaum noch zu fühlen war. Dabei senkte das Pferd den Kopf, und zeigte überhaupt eine sehr verminderte Em- pfindlichkeit; später sank dasselbe plötzlich und wieder- holt in krampfhafter Weise mit dem Hintertheile nieder, und zwar abwechselnd mehr auf die rechte oder linke Seite, ohne jedoch wirklich umzufallen. Nachdem diese letztere Erscheinung sich ungefähr 12 Mal wiederholt hatte, stürzte endlich das Thier völlig nieder, sprang aber jedesmal bald wieder auf, und auch dies wieder- holte sich einige Male. Später wurde sodann etwas Futter von dem Pferde aufgenommen; doch gieng das Kauen langsam und mit vielen Unterbrechungen vor sich. Am folgenden Tage zeigte sich das Pferd immer noch sehr schwach; es lag viel, und musste beim Auf- stehen meist unterstützt werden. Die Schleimhäute er- schienen nun blass, der Appetit war gering, die Zunge belegt, das Maul kalt, und die Ohren und die Unterlippe hingen schlaf? herab; der Puls war zwar deutlicher wahrnehmbar, immer aber noch sehr schwach, und man zählte 46 Schläge per Minute; das Athmen, 12 — 14 Züge in gleicher Zeit, war immer noch etwas erschwert; Koth wurde selten abgesetzt, und der Harn zeigte die Reaction des Gallenpigments. Dieser Zustand dauerte bis zum 5. Tage mit der Ausnahme unverändert fort, dass die Schwäche des Versuchsthieres mehr und mehr überhand nahm, und dasselbe daher zuletzt nicht mehr durch eigene Kräfte allein aufzustehen vermochte, und aufgehoben sich kaum etwas bewegen konnte, ohne umzufallen. Nunmehr wurde das Pferd getödtet und die Section wies nichts nach, was vom Versuch hätte abgeleitet werden können, namentlich zeigte sich die Lunge normal. Was die bei zwei Kühen angestellten Versuche an- betrifft, so wurde der einen 10 Unzen Galle auf einmal injieirt. Hierauf wurde die Schleimhaut ebenfalls blasser, der Puls etwas unterdrückt und der Athem etwas be- schwerlich, es trat, wie es schien in Folge gelinder convulsivischer Bewegungen der Halsmuskeln, ein leises Schwanken des Kopfes ein; der Appetit und das Wie- derkauen waren gestört. Nach einigen Stunden jedoch befand sich das Thier, wie zuvor, und die bald darauf erfolgte Section wies nichts mit der Injection in Zusam- menhang zu Bringendes nach. Der Versuch mit der zweiten Kuh gab ein abwei- chendes Resultat, wesshalb über denselben etwas spe- cieller berichtet wird. Dieses Thier war 7—8 Jahr alt, mager, hatte guten Appetit, verdaute regelmässig. Die Ausleerungen waren regelmässig; Athemzüge zählte man 5—6 in der Minute und 36 rhythmische, mit den Herzschlägen synchronische Pulse. Die sichtbaren Schleimhäute waren blass. Nachdem diesem Thiere eine Unze sehr schleimiger, dieker Galle infundirt worden war, stellte sich sogleich Athembeschwerde ein, 20—24 Züge per Minute, wobei sich die Brustwandungen und Flanken heftig bewegten; der Puls war auf 44 Schläge in der Minute gestiegen; die Bindehäute der Augen er- schrenen stark injieirt ohne Gelbfärbung dieser und an- derer Häute; die Ohren wurden wärmer und an ihrem Grunde stellte sich etwas Schweiss ein. Da man unter diesen Symptomen nicht wagte, die Galleninfusion fort- zusetzen, so wurde das Thier sich selbst überlassen, indess befand es sich einige Minuten später wie vor dem Versuch. — Tags nachher wurden demselben Thiere von derselben Galle 16 Unzen, ‚nachdem dieselbe zu- vor, ihrer dieklichen Beschaffenheit wegen mit einer gleichen Menge Wassers verdünnt worden war, injieirt. Während der Infusion steigerte sich das Athmen nur wenig, und der Puls blieb fast ganz unverändert. Die Schleimhäute wurden aber augenblicklich etwas geröthet, aber nicht gelb, und stellte sich Zittern an einzelnen Kör- perstellen, namentlich an den Schultern ein. Nach be- endigter Infusion und nachdem das Thier freigelassen worden war, brach dasselbe zusammen, zeigte sich traurig und liess den Kopf hängen. Einige Minuten später stand es wieder auf, und nun konnte man nichts Ungewöhnliches mehr an demselben bemerken. Wie es in der Regel in allen genommenen Blutproben bei Ver- suchen über Galleninjeetion der Fall war, so war auch in diesem Falle das vor der Injection aufgefangene Blut röther, als das nach dieser Operation genommene. Er- steres schied ein gelblich gefärbtes, klares Serum aus, während das des Letzteren blutig gefärbt erschien. Er- steres reagirte nicht auf Salpetersäure, wohl aber Letz- teres, wie es Galle zu thun pflegt. Nachdem aber in dem Serum des vor der Galleninjeetion aufgefangenen Blutes etwas Cruor vom nämlichen Blute zerrieben wor- den war, reagirte es ebenfalls wie Galle, obwohl viel schwächer, als das rothe Serum nach der Galleninjec- tion. Vielleicht erklärt sich diess durch den Umstand, dass bei der Section des Versuchsthieres die Leber sich theilweise verändert fand; viele Gallengänge waren nämlich im Innern mit Conerement belegt und fanden sich einige Leberegeln vor: aber die Lunge war ganz gesund. Nach meinem Dafürhalten beweisen diese Versuche nicht, dass Anwesenheit selbst einer grösseren Menge Galle im Blute Gelbsucht erzeugt; es ist daher auch ungewiss, dass dieses Symptom durch Aufsaugung der Galle aus den Leberzellen entstehen könne, vielmehr wahrscheinlicher, dass die Gelbsucht durch Pigmente entsteht, die als solche nicht in der fertigen Galle ent- halten sind. Wollte man einwenden, dass die Gallen- menge bei derartigen Versuchen zu geringe sei, um Gelbsucht zu erzeugen und zudem auch die Galle sofort auf den Harnwegen ausgeschieden werde, so lässt sich derselbe Einwand auch bezüglich der Annahme des Icterus ex resorptione machen, indem bei einer solchen wohl noch eine geringere Menge Galle auf einmal im Blute angenommen werden dürfte. Was aber die hier berich- teten Versuche beweisen, das ist den, von Frerichs an Hunden gewonnenen Resultaten gegenüber die That- _ sache, dass die Anwesenheit von grösseren Quantitäten 197 Galle im Blute der Pferde und Rinder functionelle Stö- rungen bewirkt, insbesondere nervöse Erscheinungen, die in dem vom 5. Pferde erzählten Falle denjenigen ganz ähnlich waren, die man bei Durchschneidung der Lungen-, Magen - Nerven und grossen sympathischen Nerven sieht. Frerichs bemerkt, dass functionelle Störungen nur dann eintreten, wenn die Galle nicht von Schleim und den Epithelial-Segmenten befreit ist, insofern diese Körper alsdann die Lungen - Capillaren verstopften. In allen meinen Fällen konnte, obwohl die Galle ungereinigt angewandt wurde, keine Stockung in den Lungen nachgewiesen werden. Es wäre möglich, dass die Pigmente der Galle während der (von Frerichs vor allen anderen Theorien der Gelbsucht den Vorzug ertheilten) Aufsaugung dieser fertigen Flüssigkeit aus den Leberzellen und den Gallen- gefässen dabei eine solche Veränderung erleiden, oder doch eine Anregung dazu erhalten, dass ihre Farbe wirklich der der Gelbsucht entspricht, was sonst be- kanntlich die Galle nicht thut, und in der That will man auch — was ich jedoch bezweifele — sowohl bei krankhaft eingetretener, als bei künstlich bewirkter Auf- hebung der Ausleerung der Galle, die von der Leber abgeführte Lymphe gelb gefärbt gesehen haben, und zwar gelber, als sie sonst in gesunden Zuständen er- scheint, und in jenen Beobachtungsfällen in Lymphge- fässen anderer Körpertheile gefunden wurde. Daher sah ich mich veranlasst, auch ein paar Versuche vermittelst Aufsaugung der Galle anzustellen. Einem kleinen Hunde wurde 1 Unze Rindsgalle, einem anderen, ebenfalls kleinen Hunde 3 Drachmen Hundsgalle, und einem Pferde 4 Unzen Rindsgalle in’s Unterhautzellgewebe an der Brust gebracht. Während 3 Tagen, in denen die Galle als vollständig resorbirt erachtet werden konnte, liess sich keine krankhafte Erscheinung bei diesen Thieren wahrnehmen, auch nicht bei der Section eine solche, welche mit den Versuchen im Zusammenhang hätte ge- bracht werden können, und namentlich war nicht ein- mal eine gallige Färbung der Wundflächen zu bemerken, noch weniger eine gelbe. Es ist bekannt, dass extravasirtes Blut in der Haut, vorzüglich des Menschen, nicht selten allmälig fort- schreitende Veränderungen in der Farbe zeigt, indem die Penetration des Bluts in umgebende Hauttheile eine grössere Peripherie der ursprünglichen Stelle bewirkt. Diese Farbenveränderung läuft aus dem Dunkelrothen in’s Blaue, dann in’s Braune und endlich in’s Gelbe. Die Ursache davon ist nicht bekannt. Es ist jedoch un- zweifelbar, dass das ursprünglich rothe Pigment des Blutes jene Farbenveränderung erleidet, und es ist wahr- scheinlich, dass sie durch allmälige Oxydation durch den äusseren, in die Haut eindringenden Sauerstoff, oder durch denjenigen, welcher durch das arterielle Blut in die Gewebe gebracht wird, zu Stande kommt, und so als eine Farbenveränderung des rothen Pigments des Blutes betrachtet werden kann, wie sie eines Theils in der Leber bei der Gallenbereitung, und anderen Theils durch Berührung der Galle mit Salpetersäure in Folge einer Oxydation bewirkt wird. Um in dieser Be- 198 g, wo möglich eine Aufklärung zu erlangen, wurde Bindegewebe des Pferdes mit Galle des Rindes getränkt, und dasselbe einige Tage hindurch der freien Einwir- kung der Luft ausgesetzt; aber es veränderte sich die ursprüngliche durch die Galle hervorgebrachte grünliche Farbe nicht, und auch selbst dann nicht, als mit Galle getränktes Bindegewebe während 12 Stunden mit reinem Sauerstoffgas in einem geeigneten Apparate in Berüh- rung gelassen wurde, obwohl eine Verschluckung dieses Gases bemerkt werden konnte, ziehung. Professor Kölliker aus Würzburg hält die Versuche des Herm Fuchs nicht für beweisend, da die Menge der injieirten Galle zu gering gewesen sei, und erinnert an die von Herrn Müller und ihm an Hunden mit Gallenblasenfisteln beobachteten Fälle von künstlich erzeugtem /cterus (siehe Würzburger Ver- handlungen), welche unumstösslich darthun, dass die aus der Leber resorbirte Galle die Ursache der Gelb- sucht war. Professor Fuchs aus Carlsruhe: Ueber das Blut beim Milzbrande der Thiere. Professor Dr. Brauel in Dorpat liefert in Vir- chow’s Archiv XI. 2, einen Bericht über Untersuchun- gen, die derselbe hinsichtlich der Ansteckungsfähigkeit des thierischen Milzbrandblutes und der Beschaffenheit dieser Flüssigkeit angestellt hat. Er zählt zu den be- ständigen Veränderungen derselben die Vermehrung der Chylus-Körperchen und die Entstehung von Vibrionen, welche letztere sich am zahlreichsten in der Milz finden, erst einige Zeit nach dem Tode, und zwar erst am dritten Tage anfangen sich zu bewegen, und schon im lebenden Blute entstehen sollen, was im Blute von Thieren, die anderen Krankheiten erlagen, nicht der Fall war. In dieser Beziehung glaube ich eine bestätigende Beobachtung anführen zu können. Es war im Jahre 1842, als ich beauftragt war in einer Ortschaft bei Berlin eine Milzbrand-Enzootie polizeilich zu behandeln. Ich sammelte damals von einer, vor wenigen Stunden am Milzbrand gestorbenen Kuh Blut aus dem Herzen in ein reines Arzneiglas, um es am anderen Tage zu Hause mieroscopisch zu untersuchen. Das Auffallendste, was ich bei dieser Untersuchung wahrnahm, war eine grosse Zahl granulirter kurzer Fäden, die sich nicht bewegten, sowie ich denn überhaupt nichts Lebendes in diesem Blute sah. Ich hielt jene Körperchen für todte Vibrionen, und zeigte dieselben ein paar wissen- schaftlichen Freunden. Damals habe ich keinen weiteren Gebrauch von dieser Beobachtung gemacht, weil ich ohne eine Bestätigung kein Gewicht darauf legte, und weil ich kurz zuvor eine Arbeit über die Ursachen von Farben-Veränderungen der thierischen Milch veröffent- licht hatte, die ich in Vibrionen eigener Art setzen zu müssen glaubte, damit man mir nicht vorwerfe, ich sähe nun überall Vibrionen. Nicht im Entferntesten kommt es mir in den Sinn, durch jene Wahrnehmung irgend eine Priorität zu beanspruchen, denn dazu ist sie nicht angethan; wichtig aber dürfte es sein, den Gegenstand weiter zu verfolgen. Denn wir gelangen vielleicht dadurch zur Kenntniss eines weiteren lebenden Ansteekungsstoffes. Auch dürfte der Scharfsinn an den Beobachtungen Brauel’s eine neue Probe zur Besei- tigung eines neuen Haltpunktes für die generatio aequwi- voca zu bestehen haben. Die Section beschliesst, sich mit der Section für Zoologie zu vereinigen, und demgemäss ihre Sitzungen künftig in jenem Locale, dem Saale der landständischen Kammer, zu halten. Zweite Sitzung am 18. September 1858. Anatomisch - physiologische Abtheilung. Präsident: Professor Rathke. Professor Schiff aus Bern: Ueber die Function der hintern Stränge des Rückenmarks, Die Hinterstränge des Rückenmarks werden nach einem eigenen Verfahren isolirt und dann der Rest des Markes mit Einschluss der gesammten grauen Substanz quer durchschnitten; die Hinterstränge bilden so die einzige leitende Brücke zwischen Kopf und Hinterkörper. Hat man den Versuch am Halse oder Brustmark angestellt, so zeigt nach dem Erwachen des Thieres der Hinterkörper noch Empfindung, aber merkwürdigerweise nur gegen Tasteindrücke, gegenBerührung nicht mehr, aber gegen stärkeren Druck und schmerzhafte Eingriffe. Um dies deutlicher zu machen, werden Kaninchen durch Blutverlust in einen Zustand versetzt, in welchem sie auf die leiseste Berührung schon zusammenschrecken ; durchschneidet man ihnen nun das Rückenmark am Halse, mit Ausnahme der Hinterstränge, und vermeidet alle Erschütterung des Zimmers, so werden sie nach dem Erwachen lange ruhig liegen bleiben, sobald man sie aber berührt, fahren sie erschreckt zusammen, öffnen die Augen, heben den Kopf und athmen rascher. Lässt man den Finger auf dem Thiere liegen, so beruhigt es sich fast augenblicklich wieder, man kann aber, wenn man einen Theil zwischen die Finger genommen, z. B. den Schwanz, und das Thier nach dem ersten Auffahren wieder ruhig geworden ist, diesen Theil zwischen den Nägeln zermalmen, man kann alle Weichtheile mit den Nerven zerreissen, das Thier merkt es nicht, wenn man dabei keine neue Körperstelle berührt. Liegt aber ein Kaninchen ruhig, während man seinen Ischiadieus zwischen den Nägeln zermalmt, so wird es, sowie man währendem einen andern Theil nur leise berührt, die Zeichen einer Empfindung geben. Die sogenannte Hyperästhesie, welche nach Durch- schneidung der Hinterstränge oder einer Markhälfte auftritt, ist mit Mangel des Berührungs- und Kitzelgefühles verbunden. Hat man eine seitliche Hälfte des Rückenmarkes durchschnitten, und das Thier in den auf Tastempfin- dung stark reagirenden Zustand versetzt, so hat eine sehr schwache nur spurweise Berührung der Hinterfüsse auf der Seite des Schnitts keine Folgen, auf der an- dern Seite bewirkt sie Zusammenfahren und Erheben des Kopfes. Ein stärkerer Druck, der nicht gerade sehr heftig ist, erhöht sehr wenig die Reaction auf der unverletzten Seite, aber auf der Seite hinter dem Schnitt bewirkt er bekanntlich Schreien und Flucht des Thieres. Auch bei Fröschen bewirkt Durchschneidung der Hinterstränge Mangel des Tastgefühles, dies wird da- durch verrathen, dass man nach der Operation, wenn die Thiere ruhig sitzen, ihre Hinterfüsse sehr vor- sichtig ausstreeken kann und sie ziehen dieselben nicht sogleich, sondern erst dann wieder an, wenn sie einen Sprung machen wollen. Also die weissen Hinterstränge leiten Tast- und Kitzelempfindung, die graue Substanz das Gemeingefühl. Die weissen Hinterstränge sind, ausserdem, dass sie andern Nerven zum Durchtritt dienen, wesentlich ein grosser Sinnesnerv der longitudinal dem Marke aufliest. Professor Ecker von Freiburg: I. Ueber plastische Darstellungen aus der Entwicklungs- geschichte des Menschen. Derselbe zeigt eine Reihe von Wachspräparateu vor, welche Dr. Ziegler in Freiburg unter seiner Leitung gefertigt hat, und leitet diese Demonstration mit fol- genden Worten ein: Es ist wohl keinem Zweifel unter- worfen, dass kaum eine andere der anatomisch-physiol. Diseiplinen so sehr der Illustration durch die Kunst be- darf als die Entwicklungsgeschichte. Die Zu- stände gehen rasch vorüber und sehr viele Objeete lassen sich ihrer Zartheit wegen nicht aufbewahren. Zahl- reiche Abbildungen sind daher für den Vortrag und das Studium dieses Faches jederzeit erforderlich; allein selbst diese genügen nicht immer und für manche Verhältnisse sind plastische Darstellungen unumgänglich nothwendig. Die Anfertigung, wenigstens roher Modelle, ist sehr "häufig nöthig, selbst um die Zeichnungen zu controliren und seit Jahren habe ich daher, theils für die Darstel- lungen in meinen Icones, theils für den Unterricht nach meinen Präparaten zahlreicher Embryonen, die ich der Gefälligkeit, namentlich inländischer Aerzte verdanke, 199 eine grosse Anzahl von Zeichnungen entworfen und diese theilweise in grossem Massstab ausführen lassen *) und zur Controle häufig Modelle gefertigt. Hierbei ist, durch den Wunsch genährt, die Vortheile solcher Dar- stellungen auch meinen Fachgenossen zugänglich zu machen der Plan entstanden, zu einer Darstellung der gesammten Entwicklungsgeschichte des Menschen, ein Plan, dessen Ausführbarkeit mir von vornenherein durch die Geschicklichkeit des Assistenten an unserm zooto- mischen und physiol. Institut, Dr. Ziegler gesichert er- schien. Ich forderte denselben auf, sich dieser Arbeit zu unterziehen und gerne übernahm er sie. Die gesammte Entwicklungsgeschichte soll in 12 Serien gegeben werden, auf welche der Stoff in folgende Weise vertheilt ist: Serie 1) Veränderungen des befruchtenden Eies bis zur Anlage des Embryo. » 2) Anlage des Embryo. Bildung des Amnios und der Allantois. » 3) Verbindung der Frucht mit der Mutter. „ #) Entwicklung der äussern Form des Embryo. 0) = R an AN „ Gesichts. 6) = n N Geschlechtstheile. 0) es des Gehirns und Rückenmarks. 8) 3 der Sinnesorgane. u) % des Herzens. „u 10) re „ peripher. Gefäss- und Nerven- systems. „ 11) Entwicklung des Darms und der Lunge. „.12) 3 der innern Geschlechtsorgane. Es erfolgte dann die Vorzeigung und Erläuterung der bereits vollendeten 6. und 9. Reihe. An die letztere anknüpfend spricht Professor Ecker: II. Ueber die Entwicklung der Herzkammer- Scheidewand beim Menschen. Schlitzt man an einem embryonalen Herz von un- gefähr 13‘ Länge den einfachen Vorhof auf, so er- blickt man in der Kammer-Basis das ostium atrioven- trieulare von einem Wall umgeben. Die genannte Oeffnung erscheint ungefähr vierlippig und beim Aus- einanderziehen nahezu oval. Am äussern Rande des Walls sitzen die dünnen Vorhofwände auf. Hat man die Oeffnung auseinandergezogen, so sieht man, dass vom hintern Umfang derselben ein Balken entspringt, der sich in einem nach links eoncaven Bogen gegen den truncus arteriosus in der Richtung gegen die Vorderwand und Spitze der Kammer hinzieht; dies ist das Septum. Es sind dadurch 2 Herzkammern von ungleicher Grösse abgetheilt, aus der rechten allein entspringt jetzt noch der truncus arteriosus.**) *) Ein illustrirter Catalog dieser Wandzeichnungen steht auf Verlangen zu Gebot. ®*) Vergl. 1. Berichte über die Verhandlungen der natur- forschenden Gesellschaft in Freiburg I. Bd. 4t* Heft, S. 538. Taf. XII, Fig. 6 und 7. 2. Icones phisiol. Taf. XXX. 200 Professor Kussmaul von Heidelberg: Von der Ueberwanderung des menschlichen Eies als einer Ursache der Eileiterschwangerschaft. Derselbe demonstrirt der Section ein Präparat von Eileiterschwangerschaft bei einer 30 Jahr alten, erst- geschwängerten Frau, deren Section ihm durch die Güte des H. Ehmann zu machen gestattet war, wo der Tod in der 8. bis 10. Woche nach der Befruchtung durch Berstung des Fruchtsackes und Verblutung er- folgt ist. Der linke Eileiter ist an seiner Eintrittsstelle in die Gebärmutter zum Fruchtsacke umgewandelt ; merk- würdiger Weise enthält der linke Eierstock keinen gelben Körper oder irgend welche Spur einer kürzlich geplatzten Graaf’schen Eikapsel, dagegen enthält der rechte Eierstock zwei gelbe Körper, einen kleineren, älteren, und einen kirschgrossen, jüngeren, der ganz so be- schaffen ist, wie gelbe Körper in den ersten Schwanger- schafts-Monaten beschaffen zu sein pflegen. Die Eileiter sind beiderseits vollkommen durchgängig, bis auf die Stelle, wo der Fruchtsack des linken Eileiters in die pars intrauterina desselben übergeht und ein dichtes Büschel von Chorionzotten, die noch fest an der Wand des Fruchtsackes aufsitzen, den Weg verlegt. Wird diese placentaartige Masse von der Höhlenwand abge- löst, so wird der Weg auch hier frei. Nirgends Knick- ungen der Muttertrompeten durch falsche Bänder, Ver- wachsungen und dergl. K. hält sich zur Annahme berechtigt, das Ei, welches sich im linken Eileiter entwickelte, sei vom rechten Eierstocke, und zwar in der Eikapsel, die sich zu dem grösseren der beiden gelben Körper umwandelte, er- zeugt worden, und durch den rechten Eileiter und quer durch die Gebärmutter hindurch in den linken Eileiter herübergewandert. Er knüpft diesen Fall 1) an die Fälle von Ueberwanderung der Eier aus dem Eierstocke einer Seite in das Uterushorn der an- dern Seite bei Thieren mit Uterus bicornis, wie sie von Bischoff beim Hunde, Rehe und Meerschweinchen nach- gewiesen wurde; 2) an den Fall von Ueberwanderung des mensch- lichen Eies aus dem Eierstocke einer Seite in ein rudi- mentär entwickeltes Uterushorn der andern, wie ihn Scanzoni beschrieben hat; 3) an einen Fall, beobachtet von Drejer und Esch- richt in Kopenhagen, welcher dem von Kussmaul ana- log ist; 4) an die Beobachtungen über den Sitz der Placenta auf der einen Seite der Gebärmutter, während der gelbe Körper im Eierstocke der andern gefunden wird (Lang, Virchow und K. selbst). 5) Er erwähnt des wunderlichen Falles von Oldham und Wharton Jones, wo das Ei wahrscheinlich unmittel- bar aus dem Eierstocke in den mit ihm verwachsenen Eileiter der andern Seite eintrat, innerhalb der Gebär- mutterwandungen sich entwickelte und durch Berstung des Fruchtsackes zum Tode führte. Bemerkenswerth sind die heftigen Mutterkolik- und allgemeinen Krampfanfälle, woran die Frauen in den Fällen von K. und Drejer — Eschricht regelmässig während der Menstruation litten. Schliesslich verbreitet sich Redner über die Kräfte, welche bei der Bewegung des Eies durch Eileiter und Gebärmutter in’s Spiel kommen. Seine Ansicht läuft darauf hinaus, dass die Flimmerbewegung wohl nur für die Einleitung des Eies von den Fransen des Eileiters in den eigentlichen Eingang von Bedeutung sei, dass dagegen die Wanderungen des Eies innerhalb des Ka- nals der Muttertrompete und quer durch die Gebär- mutter hindurch wesentlich durch Muskelkraft bewerk- stelligt werden. Er führt näher aus, wie er sich das Zustandekommen der Ueberwanderung im vorliegenden Falle durch Gebärmutterkrampf und antiperistaltische Bewegung der pars uterina tubae vorstelle, und geht zu- letzt auf die Frage von der Fortdauer der Ovulation während der Schwangerschaft als Vorfrage für die Superfötation über. Privatdocent W. Wundt aus Heidelberg: Ueber den Verlauf idiomuskulärer Zusammen- ziehungen. Das allgemeine Gesetz der electrischen Nervenerre- gung sagt bekanntlich aus, dass nur Schwankungen in der Dichte eines den Bewegungsnerven durchkreisenden Stromes im Stande sind, eine Zusammenziehung des ihm zugehörigen Muskels hervorzurufen, während dieser in Ruhe bleibt, so lange der Strom in beständiger Grösse andauert. Schon bei Gelegenheit meiner Versuche über Muskelbewegung *) habe ich die Beobachtung mitge- theilt, dass dieses Gesetz in voller Strenge nur für den Nerven gültig ist: hier hat, wenn man einen vollkommen eonstanten Strom als Erregungsmittel verwendet, das Entstehen und Verschwinden desselben eine Zuckung zur Folge, aber während die Kette geschlossen bleibt, ist keinerlei Längenveränderung am Muskel bemerkbar, oder, wo eine solche vorhanden ist, ist sie nachweislich in durch die vorausgegangene Zuckung veranlassten Elastieitätsänderungen begründet und bedarf daher hier keiner weitern Berücksichtigung. Das Gesetz der Ner- venerregung verliert aber seine Gültigkeit, wenn man mit dem Nerven zugleich den Muskel in die Kette ein- schaltet, wenn man also das ganze Nerv-Muskelpräparat dem constanten Strom aussetzt. Hier zeigt der Muskel nicht nur in gleicher Weise wie vorhin Beginn und Ende des Stroms mit Zuckung an, sondern er bleibt zugleich zwischen beiden Akten, während der Strom ihn in beständiger Grösse durchfliesst, in geringem Grade bleibend verkürzt. Ist der Strom etwas schwächer, so dass sein Verschwinden keine Zuckung zur Folge hat, so sieht man den Muskel bei der Oeffnung der Kette plötzlich aus seiner dauernden Verkürzung in die Länge seines Ruhezustandes zurückkehren. Man hat also hier das nach dem bisher gültigen Erregungsgesetze nicht *) S. meine Lehre von der Muskelbewegung. Braunschweig 1858. S. 124. ? zu erwartende Schauspiel, eine Stromesschwankung statt von einer Verkürzung von einer Verlängerung des Mus- kels gefolgt zu sehen. Viele schwache Oeffnungszuckun- gen bei directer Muskelreizung sind nichts als solche Verlängerungen. is lag sehr nahe, diese dauernde Verkürzung wäh- rend des Geschlossenseins der Kette der elektrischen Erregung der Muskelsubstanz selbst zuzuschreiben und in ihr einen wichtigen Unterschied von dem Erfolg der blossen Nervenerregung zu erkennen. Damit war jedoch nur bewiesen, dass die Muskelsubstanz bei direeter Er- regung auf die Andauer des Stroms reagirt, es blieb aber unentschieden, wie dieselbe gegenüber den Stro- messchwankungen sich verhält. Noch war nämlich die Frage, ob bei der bisher angewandten Versuchsmethode die direete Muskelreizung an den bei der Schliessung und Oeffnung der Kette erfolgenden Zuckungen einen Antheil hat, oder ob diese nur der gleichzeitig hervor- gerufenen Nervenerregung ihre Entstehung verdanken. — Um hierüber zur Entscheidung zu kommen, war es nothwendig, den Verlauf der Muskelzusammenziehung bei der Erregung durch den constanten Strom nach Abtödtung sämmtlicher im Muskel enthaltener Nerven- fäden zu untersuchen. Zur Abtödtung der Nerven benützte ich das Coniin, ein Gift, von dem zuerst Koelliker mitgetheilt hat, dass es dem Curaragift analoge physiologische Wirkun- gen ausübt, und das ich zur Darstellung der Irritabili- tätsversuche überhaupt sehr zweckmässig gefunden habe. Man kann dabei entweder das ganze Thier vergiften oder ein einzelnes Nerv-Muskelpräparat für sich ab- tödten, indem man dasselbe den giftigen Coniindämpfen aussetzt. Der Verlauf der Zusammenziehung des Muskels - nach Paralysirung seiner Nerven gestaltet sich nun fol- gendermaassen: Im Moment, in dem man die constante Kette schliesst, contrahirt sich der Muskel; lässt man hierauf die Kette geschlossen, so bleibt derselbe im con- _ trahirten Zustande; erst nach einigen Secunden beginnt eine sehr langsame Wiederverlängerung. Die Geschwin- diekeit der letztern nimmt anfänglich zu, dann aber immer mehr ab, bis der Muskel die Länge seines Ruhe- zustandes wieder erreicht hat; dies geschieht, wenn man die Kette geschlossen lässt, erst im Verlauf mehrerer Minuten. Oeffnet man die Kette, während der Muskel noch etwas verkürzt ist, so verlängert er sich plötzlich. Einer alsbaldigen Wiederverkürzung durch die Einwir- ‚kung desselben Stromes ist er nur so lange fähig, als man nicht während des Schlusses der Kette die Con- traetion vollständig sich ausgleichen liess. War das letztere der Fall, so muss man dem Muskel eine mehr oder minder lange Erholungspause gönnen, bevor man ihn wieder in Zusammenziehung versetzen kann. Es ergibt sich hieraus ein wichtiger Unterschied zwischen der idiomuskulären und der neuromuskulären usammenziehung. Beide werden hervorgerufen durch Veränderungen in der Dichte eines den Nerven oder Muskel durchkreisenden elektrischen Stromes. Aber _ während im Nerven Entstehen wie Verschwinden des 201 Stromes eine rasch vorübergehende Zusammenziehung zur Folge hat, indess die Andauer des beständigen Stromes ihn erregungslos lässt, erfolgt bei der direeten elektrischen Reizung der Muskelsubstanz die Zusammen- ziehung nur beim Entstehen des Stromes. sie hält aber innerhalb gewisser Grenzen an, so lange der Strom dauert, und erst im Moment, wo dieser aufhört, gleicht sie sich aus. Nur in dem Fall, wo der Muskel eine längere Zeit in die constante Kette eingeschaltet bleibt, geschieht, auch‘ ohne dass die Stromdichte verändert wird, eine Ausgleichung; diese Ausgleichung erfolgt aber nicht plötzlich, sondern sehr allmälig und langsam, und sie gleicht in ihrem zeitlichen Verlaufe vollständig jener Verlängerung, welche bei der gleichfalls innerhalb ge- wisser Grenzen continuirlichen Zusammenziehung in Folge tetanischer Erregung vom Nerven aus beobachtet wird, kurz: der Verlauf der idiomuskulären Contraction ist vollständig analog dem Verlauf der Ermüdung bei discontinnirlicher Nervenerregung, wie ich denselben bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über die Er- müdung beschrieben habe (a. a. ©. S. 125 £.). Ohne die Folgerungen, welche sich aus dieser Ver- schiedenheit in dem Gesetz der elektrischen Nerven- und Muskelerregung ergaben, hier ausführlich ziehen zu wollen, möchte ich auf zwei derselben noch hihweisen. Die erste betrifft die Irritabilitätsfrage. Für diese ist, wie mir scheint, die Auffindung eines ganz abweichenden Contractionsmodus des Muskels bei di- recter Reizung seiner Substanz von entscheidender Wich- tigkeit. Dabei muss ich jedoch bemerken, dass meine Versuche mich zu der Ueberzeugung geführt haben, dass in einer grossen Zahl der in neuerer Zeit veröffent- lichten Vergiftungsversuche man nicht mit hinreichender Sicherheit sich davon überzeugt hatte, ob die letzten Nervenenden schon abgestorben oder noch functions- fähig, ja vielleicht vorübergehend in einem Zustand er- höhter Erregbarkeit befindlich waren. Dass ein solcher Zustand, in dem die Erregbarkeit grösser als normal ist, aber nach jeder Erregung sehr rasch erlahmt, — ein Zustand reizbarer Schwäche, — in der That bei diesen Vergiftungen vorkommt, lässt sich nachweisen. — Es ist unzweifelhaft, dass man in sehr vielen Fällen statt der vermeintlichen idiomuskulären Zusammenziehungen derartige neuromuskuläre Zuckungen beobachtet hat, die von den unvergifteten feinsten Nervenenden her- rührten. Hieraus erklärt sich zugleich der Widerspruch, dass man bald die idiomuskuläre Contraction schwächer als die neuromuskuläre gefunden hat, bald gleich stark oder sogar stärker; hieraus erklärt sich ferner, dass man in dem destillirtten Wasser oder in mechanischen und chemischen Reizen Haupterregungsmittel der Mus- kelsubstanz glaubte gefunden zu haben; und endlich erklärt sich hieraus, dass man trotz der grossen Zahl von Vergiftungsversuchen, die angestellt wurden, den wahren Verlauf der idiomuskulären Zusammenziehung bis jetzt noch nicht gekannt hat. Ich betrachte es als das alleinige sichere Anzeichen für das völlige Abgestorbensein der Nerven im Muskel, wenn die durch den constanten Strom erregte Zusam- 26 202 menziehung den beschriebenen Verlauf hat, und ich laube, nachdem einmal der Unterschied zwischen der Muskel- und Nervenerregung in dieser Weise festgestellt ist, sind wir um so mehr berechtigt, uns an dieses Un- terscheidungsmittel zu halten, als es ein anderes nicht gibt. In allen Fällen, wo der Schluss der Kette von einer rasch vorübergehenden Zuckung begleitet ist, oder wo, während die Kette geschlossen bleibt, schwache Zuckungen stattfinden, oder wo dem Oeffnen der Kette noch eine Zuckung folgt, — in allen diesen Fällen nehme ich als durch den Versuch selbst bewiesen an, dass die letzten Nervenenden noch nicht abgetödtet sind, zu beweisenden Irritabilitätsversuchen können daher diese Fälle nicht verwendet werden. Nimmt man aber zu diesen Versuchen nur Muskeln, bei denen der Ver- lauf der- Zusammenziehung rein in der beschriebenen Weise sich darstellt, so erhält man als beständiges Er- gebniss, dass die Contraetion an Grösse bei weitem der Contractionsgrösse unvergifteter Muskeln nicht gleich- kommt; destillirtes Wasser, der chemische und mecha- nische Reiz bleiben auf derartige Muskeln angewandt völlig wirkungslos, während diese Erregungsmittel die kleinsten unvergifteten Muskelparthien in neuromuskuläre Zuckungen zu versetzen vermögen. Der einzige Reiz, der den seines Nerveneinflusses völlig beraubten Muskel noch in lebendige Zusammenziehung bringen kann, ist der elektrische Strom. Eine zweite Folgerung, die sich aus der Untersu- chung der idiomuskulären Contraction ergibt und die ich hier nur noch andeuten will, betrifft die elek- trische Theorie der Muskelzusammenzie- hung. Wir haben gesehen, dass der Muskel, so lange der Strom in ihm andauert, in dauernder Zusammen- ziehung begriffen bleibt; die Veränderung, die während dessen im elektrischen Zustand des Muskels besteht, ist uns wenigstens den Hauptzügen nach bekannt, und es lässt sich der zusammengezogene Zustand aus der- selben erklären. Während der Strom in beständiger Grösse den Nerven durchkreist und die entsprechende elektrische Veränderung in diesen setzt, bleibt der Muskel unerregt, sein elektrischer und mechanischer Zustand verändert sich nicht, er thut dies erst, der Muskel geräth in Zusammenziehung, sobald der Strom im Nerven Schwankungen erfährt. Nerv und Muskel verhalten sich zu einander vollkommen wie der indu- eirende zum indueirten Strom. Diese Thatsache, im Verein mit der durch den Versuch gebotenen Erklärung der idiomuskulären Zusammenziehung, sowie mit den Folgerungen, die sich aus den Reizversuchen ergeben, ermöglicht es, die negative Stromesschwankung auf elektrische Vorgänge zurückzuführen, aus denen auch die dauernde Zusammenziehung des Muskels bei der tetanischen Erregung seines Nerven sich ableiten lässt. Hierauf äussert Professor Kölliker die Ansicht, dass das von Herrn Wundt zur Unter- suchung des Verlaufes der idiomusculären Zuckung ge- wählte Objeet kein ganz zweckmässiges war, denn wenn auch Coniin innerlich in kleinen Dosen gegeben, die Nerven der Muskeln todt und die Muskelfaser intaet lasse, so sei damit nicht bewiesen, dass dasselbe ge- schehe, wenn man Muskeln Coniindämpfen aussetze, wie dies Herr Wundtgethan. Herr Kölliker bemerkt zugleich, dass er auch mit dem, was Herr Wundt in seiner Arbeit „über die Physiologie der Muskeln“ über die Einwirkung des Coniins vom Blute aus auf die Muskeln angegeben habe, nicht ganz übereinstimmen und namentlich den aus den Versuchen gezogenen Schlüssen mit Bezug auf die Irritabilitätsfrage nicht beipflichten könne. Herr Wundt gibt an, dass wenn man einen Frosch mit Coniin vergifte, gewöhnliches Kochsalz direet auf die vergifteten Muskeln angebracht, dieselben nicht mehr zur Zusammenziehung bringe, wo- gegen mechanische Reize und Elektrieität noch wirken. Da nun Coniin wie Curara die Nerven der Muskeln tödte und Salz auf normale Muskeln immer wirke, so folge aus dem Experimente, dass Salz auf die Nerven der Muskeln, mechanische Reize und Eleetricität auch auf die Muskelfaser direet einwirken, womit die Unabhängig- keit der Muskelfaser von dem Nervenreiz dargethan sei. Mit Bezug hierauf bemerkt nun Herr Kölliker, dass bei einer gewöhnlichen Coniinvergiftung und ebenso auch nach Anwendung von amerikanischem Pfeilgift die Muskeln auf Salz reizbar bleiben, und dass somit alle weiteren Schlüsse des Herrn Wundt zusammenfallen. Die Fehlerquelle in dem Versuche des Herrn Wundt liegt nach Herrn Kölliker darin, dass derselbe mit zu grossen Gaben von Coniin experimentirt hat. Nur ganz geringe Dosen von 1—2 Gr. geben bei Fröschen vom Magen aus reine Nervenlähmungen der Muskeln, bedient man sich dagegen grösserer Gaben von 8, 10 bis 12 Gr., so wird auch die Muskelfaser selbst ange- griffen und lässt sich dann vor dem gänzlichen Absterben derselben, das sehr schnell (in 1—1', Stunde sind die Muskeln starr) eintritt, nicht unschwer ein Zeitpunkt finden, in welchem Salz nicht mehr, wohl aber Elek- trieität noch schwach einwirkt. Herr Kölliker bemerkt bei dieser Gelegenheit zugleich, dass man nicht blos beim Coniin sondern bei allen Giften und überhaupt bei Medicamenten wohl.zu unterscheiden habe zwischen den Wirkungen geringer und grosser Gaben. Bei ge- ringen Gaben trete die ächte kausische Wirkung einer Substanz auf, die wahrscheinlich in chemischen Altera- tionen der Gewebe begründet sei, bei grossen Gaben dagegen zeigen sich neben dieser auch grob physika- lische Veränderungen der Organe, die in geänderten Diffusionsverhältnissen ihren Grund haben. So seien z. B. die Neutralsalze in geringen Gaben unschädlich, während sie in Menge eingeführt durch enorme Wasser- entziehung wie heftige Gifte wirken. Professoren v. Siebold aus München und v. Nordmann aus Helsingfors sprachen sich über einen merkwürdigen Polypenstock, der in dem Gross herzoglichen Naturaliencabinet zu Carlsruhe auf- bewahrt wird, in folgender Weise aus: Professor v. Nordmann hatte im August 1858 bei seinem Besuche in München an Professor v. Siebold die Mittheilung gemacht, dass durch russische Seeleute mehrere sehr merkwürdige Polypenstöcke nach Peters- burg gebracht worden seien, welche sie auf Japan von Eingeborenen als Kopfputz hätten tragen sehen. Brandt bestimmte die eine Art dieser Polypenstöcke als Hya- lonema nach Gray und bezeichnete die anderen Po- lypenstöcke als neue Art mit dem Namen Hyalochaeta. (Man vergleiche: Bulletin de la classe physico-mathema- tique de l’Academie imper. des sciences de St. Petersbourg Tom. XVI. nr. 5. 1857). Bei der näheren Beschreibung dieser Polypenstöcke erinnerte sich v. Siebold, dass in dem Grossherzog- lichen Naturaliencabinete zu Carlsruhe ähnliche Gebilde als bisher nicht gekanntes Naturproduct aufbewahrt würden, welche angeblich von Java stammen sollten. 203 Es wurden diese Gebilde der Versammlung vorgezeigt, undv.Nordmann als diezu Hyalonema gehörenden Polypenstöcke erkannt. Höchst auffallend erschien die federbuschartige Axe dieser Polypenstöcke aus vielen glasartigen spiralig gedrehten Fäden zusammengesetzt, an deren einem Ende eine schwammartige Masse wahr- scheinlich parasitisch die Glasfäden durchwachsen hatte. Die Glasfäden selbst sollen aus reiner Kieselsubstanz bestehen. Professor Sigmund Schultze aus Greifswald zeigte einen neuen Pentacrinus, weleher ihm von Am- boina übersandt ist, in Abbildungen vor und sprach über die drei Arten, welche er in dieser seltenen, bisher nur in sieben Exemplaren bekannten Thiergattung unterscheidet: der Pentaerinus Guettardi, der Pent. caput Medusae und der Pent. Arndtiü. Dritte Sitzung am 20. September 1858. Anatomisch - physiologische Abtheilung. Präsident: Professor Kölliker. Professor Bruch aus Marburg: Ueber primor- diale und seeundäre Knochentheile. Die knorplichen Theile sind in einem gegebenen Organ stets zuerst da, die Knochentheile später. Pri- mordialer Knorpel kann durch Metamorphosen permanent werden, zerfasern, verfetten, verknöchern. Aber Knochen- zellen entstehen dabei nicht, bei der Knochenerdablage- rung bleiben die Knorpelzellen unberührt (Knorpelkno- chen oder verkalkter Knochen). Nicht als peripherische “Knorpelverknöcherung, sondern als seeundäre Bildung entsteht von dem Periost aus Knochensubstanz, und die Reste des ursprünglichen Gewebes weisen oft den Ursprung nach. Sehr nahestehende Thiere geben verschiedene Re- sultate. Der primordiale Knochen entsteht mehr in Toto und der seeundäre von einem Centrum aus. Dieses Anschiessen von einem Minimum ist characteristisch und eine Schichtung fehlt nur den allerdünnsten. Das Re- sultat der Untersuchungen legt B. in bildlicher Dar- stellung vor. Professor Virchow stimmt vollständig damit überein, dass das Knochen- gewebe ein Gewebe sıwö generis ist, und der Knorpel in der Regel keinen directen Antheil an demselben hat, glaubt aber, dass Bruch durch die eigenthümliche Auffassung der Markräume irre geleitet wird. Knorpel kann direct Knochen bilden durch die Veränderungen der Zellen und des Inhalts, dies ist aber ein sklerotisches Gewebe von besonderem habitus und nicht sehr geeignet zur Bildung von Markräumen. Schichtweise bildet sich Knorpel um zum Periost. In der Mitte des Knochens findet die Umwandlung im Markgewebe andererseits statt. So haben Markgewebe und Periost gleiche Be- ziehungen zum Knochen, aber man darf nicht Knorpel und Periost als ursprüngliche Gegensätze in der Knochen- bildung auffassen. Knochensubstanzentwicklung und Ske- letbildung dürfen nicht vermengt werden. Bruch will mit dem Ausdruck Pseudomorphose nur sagen, dass ein Gewebe an die Stelle eines voll- ständig verschwundenen tritt. Knorpelelemente können Antheil an Bildung des secundären Gewebes haben. Das Markgewebe ist jedenfalls etwas sehr unentwickeltes. Ob aus Knorpelzellen Knochenzellen hervorgehen, kann nur demonstrirt werden, ist aber wahrscheinlich. Funda- mental ist die Differenz in Betreff der Umwandlung von Knochensubstanz in Knochen. Die Intercellularsubstanz ist das Wesentliche des Gewebes, nicht die sternförmige Zelle. Die Gewebe müssen nach dem erwachsenen Zustand bestimmt, vom embryologischen Gesichtspunkt aus können Knorpel und Knochengewebe nicht zu- sammengeworfen werden. Virchow wird morgen die weiteren Punkte erörtern. Professor Friedreich aus Heidelberg: Ueber die Structur von Cylinder- und Flimmer- epithelien. Bekamntlich hat bezüglich der feineren Anatomie die neuere Histologie den wesentlichen Fortschritt ge- bracht, dass es ihr gelang, an manchen für einfach gehaltenen Elementartheilen des Organismus compli- eirtere und für gewisse physiologische Vorgänge be- deutungsvolle Structurverhältnisse nachzuweisen. Ich erinnere in dieser Beziehung an die von Funke und Kölliker entdeckte senkrechte Strichelung des breiten 26* 204 Endsaumes an den Darmepithelien, welche von den genannten Forschern für Porenkanäle gedeutet und mit der Fettresorption in Beziehung gestellt wurden, sowie an die für verschiedene Localitäten nachgewiesenen fadenförmigen Verlängerungen der unteren Enden der Epithelzellen und deren dadurch vermittelten Zusammen- hang mit tiefergelegenen elementaren Gewebsbestand- theilen. In Nachstehendem sollen einige neue Beobach- tungen und Bemerkungen, welche ich allerdings in etwas fragmentarischer Weise zu machen Gelegenheit hatte, dem Urtheil der Sachverständigen vorgelegt werden. Nachdem ich bereits bei einer früheren Gelegenheit (Vireh. Archiv XI. Bd. S. 469) an den Epithelien der Gallenwege beim Fötus Bildungen beschrieben hatte, welche es mir zweifelhaft liessen, ob es sich um breite gestreifte Zellendeckel oder um verklebte Cilien handelte, überzeugte ich mich neuerdings wiederholt von dem nicht seltenen Vorkommen gestrichelter Endsäume an den Cy- linderepithelien der Gallenblase und Gallengänge, sowohl bei Erwachsenen, wie dieselben bereits Virchow (dessen Archiv XI.Bd.S.575) erwähnte, sowie bei einem während eines Ieterus neonatorum verstorbenen Kinde, bei welchem ausserdem noch viele der Zellen die Eigenthümlichkeit doppelter homogener Deckel an sich trugen, von denen namentlich der obere nicht selten auf’s Deutlichste die senkrechte Strichelung erkennen liess. Sodann habe ich die Streifung des Zellendeckels an Flimmerzellen wieder- holt mit aller Bestimmtheit beobachtet; so namentlich an den Flimmerzellen der Bronchien beim Menschen und Ochsen, sowie an jenen der Gehirnventrikel beim Menschen. An letzteren begegnete ich ausserdem noch weiteren merkwürdigen Verhältnissen. Es gelang mir nämlich, die Flimmerhaare durch den homogenen Saum des Deckels hindurch in die Zelle herabsteigen zu sehen, und zwar ragte die eine oder andere Cilie nur ein Stück weit in das Zellenlumen hinein, oder es liessen sich einzelne, oder selbst sämmtliche Cilien bis herab zum Kern oder selbst noch über denselben hinaus bis mehr oder weniger vollständig herab in den Grund der Zelle verfolgen, letzteres allerdings nur in seltenen Fällen, doch hier mit einer solchen Schärfe und Deutlichkeit, dass kein Zweifel obwalten konnte. Jedem Flimmer- haare schien in solchen Fällen eine Striehelung des Saumes zu entsprechen, und jede durch die Zelle herab- tretende Linie zeigte sich ihrerseits ebenso als eine nach Unten tretende Fortsetzung eines Strichelchens des Zell- deckels. An vielen Zellen waren die Cilien abgefallen, so dass nur die Linien des Saumes mit ihren Verlänge- rungen in die Zelle zu sehen waren; meist jedoch fehlten auch die letzteren, und hatte man dann eben nur einfache eylindrische Zellen mit gestreiften Deckeln. Mitunter sassen einige Fetttröpfehen an (oder in?) den durch die Zelle verlaufenden Fäden, oder an dem in das Lumen der Zelle hereinragenden Ende der Cilie. Bezüglich ihrer Löslichkeit in Essigsäure stimmten die Fäden mit den Cilien und Zellenmembranen überein. Minder scharf, doch immer deutlich genug, konnte ich ähnliche Strei- fungen durch die Zelle, wie ich sie eben für die Epi- thelien der Gehirnventrikel beschrieben habe, in einigen Fällen bei gallig imbibirten Epithelien der Gallenblase verfolgen, und schien es, als ob die gallige Imbibition die Deutlichkeit der Linien wesentlich erhöhe. — Die hier von mir mitgetheilten Verhältnisse sind nicht ganz neu, und finden sich Andeutungen davon schon bei früheren Beobachtern. So sagt Valentin (Art. „Flimmerbewegung“ im Handwörterbuch der Physio- logie, I. Bd. S. 500), es scheine zuweilen bei normalen Flimmerzellen ziemlich deutlich, dass die Haare sich in die Tiefe hinabsenken, und es zeige sich bei den langen Haaren der Muschelkiemen an geeigneten Präpa- raten, dass die Basis des Haares noch in die Tiefe hinein sich verlängere. Derselbe Forscher, sowie Bühlmann (vgl. dessen „Kenntniss der kranken Schleimhaut der Respirationsorgane und ihrer Producte durch das Mi- eroscop“, Bern 1843, S. 42) sahen an einzelnen beim Nasenkatarrh entleerten Flimmerzellen die Basaltheile der Flimmerhaare in die Zelle hereinragen und an ihrem unteren Ende Knöpfchen bilden, welche an Haarzwiebeln zu erinnern schienen; bisweilen schienen auch helle Streifehen von ihnen auszugehen. Virchow (dessen Archiv XI. Bd. S. 576) sah den trüben und mattkörnigen Inhalt der Darm- und Gallenblasen-Epi- thelien häufig feinlängsgestreift, welches Aussehen gerade bei Fettanhäufung in den Zellen so auffällig werde, dass die Frage nahe liege, ob hier nieht ein wirkliches, für die Resorptionsrichtung bestimmendes Structurverhält- niss zu Tage trete. An den Gallenblasenepithelien sehe man die Fetttröpfehen oft reihenweise hintereinander liegen, indem sie parallele Perlschnüre von dem Zell- deckel bis zur Zellspitze bilden und dem Zelleneylinder ein Aussehen geben, wie es Muskelprimitivbündel bei der fettigen Degeneration besitzen. Donders endlich (Moleschott’s Untersuchungen ete. II. Bd., 1857, S. 115) glaubt gesehen zu haben, dass feine, den Strichelungen des hellen Saums der Darmepithelien entsprechende Körnchenreihen bisweilen noch über den hellen Saum hinaus auf eine kurze Strecke in die Zelle selbst hinein- geragt hätten. Was die physiologische Frage betrifft, so möchte die Bedeutung der Strichelungen des Zellendeckels für die Resorption des Fettes keineswegs mehr als eine ausschliessliche aufzufassen sein, — wenn auch die Verhältnisse im Darm, sowie an der Schleimhaut der Gallenblase, mit Berücksichtigung des von-Virchow entdeckten intermediären Stoffwechsels des Fettes in letzterer für eine solche zu sprechen schienen, — indem ich das Vorkommen der Strichelung auch für die Epi- thelien der Bronchien und des Ependyma der Hirn- ventrikel nachgewiesen habe. Es scheint vielmehr in der Streifung der Zellendeckel ein Structurverhältniss gegeben zu sein, welches mit den Vorgängen der Re- sorption im Allgemeinen in Beziehung zu bringen sein dürfte, und als ein solches möchte ich auch die oben beschriebenen, fadenförmig durch die Zellen hindurch- gehenden Verlängerungen der Strichelungen vorläufig betrachten. Nach’ dem, was ich namentlich an den Epi- thelien des Ependyms gesehen habe, schien es keinem Zweifel zu unterliegen, dass, wie bereits erwähnt, die Zahl der an dieser Localität bekanntlich in Form einfacher Linien sich darstellenden Cilien mit der Zahl der Striche- lungen im Deckelsaume und der durch die Zellen hin- durchtretenden Fäden congruirte, und es dürften viel- leicht weitere Forschungen und vollkommenere Instru- mente den bestimmten Beweis dafür liefern können, dass diese von der Spitze der Cilien bis zum Grunde der Zelle gehenden Linien ein System unmessbar feiner Capillar- röhrchen darstellen, in welchem ein die Resorptions- richtung an freien Oberflächen transsudirter Feuchtig- keitsmengen und etwa hier stattfindender molekulärer Niederschläge bestimmendes Strassensystem gegeben wäre. Würde es fernerhin gelingen, einen directen Zusammenhang dieser durch die Zelle hindurchlaufenden fadenförmigen Fortsätze mit den bekannten, vom unteren Ende der Ependymaepithelien abtretenden, mitunter ver- ästelten Ausläufern zu demonstriren, welche letzteren, wie dies erst neuerdings von Gerlach (Microseopische Studien, Erlangen 1858, S. 21) für die Flimmerzellen des Aquaeductus Sylvü nachgewiesen wurde, mit den verästelten Ausläufern darunter gelegener Bindegewebs- elemente in Verbindung stehen, so würde sich, da mehr und mehr Gründe für die Bedeutung der Bindegewebs- körperchen als der Lymphgefässanfänge zu sprechen scheinen, in dem beschriebenen Structurverhältnisse eine zusammenhängende, an der Spitze der Cilienfäden be- ginnende, offenmündende Röhrenleitung erblicken lassen, durch welche an der freien Fläche des Ependyma ge- schehene Absonderungen und molekuläre Niederschläge aufgenommen und dem Lymphstrom zurückgeführt werden könnten. Die Flimmerbewegung selbst würde dann wohl als ein einestheils die Fortbewegung in den feinen Röhrehen begünstigendes, anderntheils die Herbei- bewegung immer neuer aufzunehmender Moleküle be- thätigendes, somit als ein wesentlich der Resorption dienendes Phänomen gedeutet werden können. Schliesslich soll die Bemerkung noch beigefügt werden, dass die beiden Fälle, in denen ich die be- schriebenen fadenförmigen Fortsätze durch die Epen- dymaepithelien beobachtete, Kinder in den ersten Lebensjahren betrafen, welche mit chronisch entzündli- chen Affeetionen und Verdiekungen des Ependyms be- haftet waren. Professor Kölliker bemerkt, dass er auch bei Erwachsenen am Ependym der Hirnhöhlen nicht selten Wimperhaare gesehen, namentlich in den Seitenventrikeln. Ferner erwähnt derselbe, dass wie ihm Stannius angegeben und Luschka bestätigt, bei Säugethierembryonen auch die Plexus chorioidei fimmern. — Die Beobachtung des Herrn Friedreich anlangend, so erscheint es Herrn Kölliker noch nicht möglich, dieselbe bestimmt zu deuten, und ist es daher für einmal noch weniger am Platze, dieselbe physiologisch zu verwerthen. Professor Gerlach aus Erlangen theilte einige Bemerkungen über den Zusammenhang von Epithelialzellen mit darunter gelegenen Parenchym- 205 Zellen mit und berief sich dabei auf die Resultate der von ihm in die Histologie eingeführten fürbenden Me- thode, durch welche ein solcher Zusammenhang evident nachweisbar sei. Professor Schaafhausen aus Bonn empfiehlt die wässerige Jodlösung, wegen der sofor- tigen färbenden Wirkung, als vorzüglich vor der Am- moniaklösung des Karmin. Die Versammlung begrüsst den Herrn Gehei- men Staatsrath von Baer durch Aufstehen. Professor Friedreich aus Heidelberg demonstrirte zwei Kranke, eine Gallenblasenfistel und eine totale Transposition der Eingeweide. Regimentsarzt Dr. Volz aus Carlsruhe: Ueber die Gewichtsverhältnisse des Urins, der Perspiration und der Fäces. Es sind nun mehr als 12 Jahre, dass ich von wissen- schaftlichem Eifer beseelt, eine Arbeit unternahm, welche nichts geringeres bezweckte, als die Versuche des Sanc- torius zu wiederholen. Wenn es auch nicht meine Absicht war, 30 Jahre auf der Waage zuzubringen, wie der grosse Italiener, wenn ich auch nicht erwartete, in den Resultaten der Ab- und Zunahme des Körpergewichts den Schlüssel für alle gesunden und kranken Zustände finden zu kön- nen, so glaubte ich doch, dass durch eine Reihe ge- nauer mit guten Instrumenten angestellter Versuche Thatsachen geliefert werden könnten, welche als brauch- bares Material zur Beantwortung physiologischer und pathologischer Fragen zu verwerthen wären. Zu diesem Zwecke liess ich mir eine eigens con- struirtte (Parallelogramm) Waage bauen, welche bei einer höchst compendiösen Form allen Anforderungen entsprach, indem dieselbe bei einer Belastung von 120 Pfund (60 Kilo) auf jede Schale noch einen Ausschlag auf 1 Gramm gab, also hinlänglich genau war, und überdiess die vortheilhafte Einrichtung besass, dass man ohne Beihülfe eines andern Menschen in kürzester Zeit (1—2 Minuten) sein Körpergewicht abwiegen konnte. Auf dieser Waage habe ich mehr als 800 Wägungen meines Körpers vorgenommen, ich habe zugleich auf einer kleinern Waage die genossenen Speisen und Ge- tränke einestheils und die Excereta, Urin und Fäces an- dertheils gewogen, ich habe dabei überdiess die äussern Verhältnisse, Temperatur, Barometer und Witterung, die Beschäftigung, Bewegung und Ruhe und überhaupt die körperlichen Zustände und das Befinden beobachtet. Die in so umfassender Weise angelegte und begon- nene Arbeit konnte aber leider nur kurze Zeit fortge- setzt, und erst nach längerer Unterbrechung zeitweise wieder aufgenommen werden, indem die Anforderungen des Berufs und des Dienstes als Militärarzt mir einige Jahre hindurch ein unstetes Leben auferlegten und meine Zeit vollkommen in Anspruch nahmen. Die Arbeit 206 selbst, das oftmalige (10-, 12-, 15- bis 19malige) Abwiegen des Körpers in einem Tage, das Abwiegen des Essens und Trinkens, des Urins und der Fäces, das stetige Beobachten aller Zustände ausser- und innerhalb des Körpers, hat überdiess etwas so absorbirendes, dass es die Zeit und Aufmerksamkeit des Experimentators vollkommen in Anspruch nimmt, und demselben daher nicht gestattet, die Versuche länger als einige, höch- stens 7 Tage hintereinander fortzusetzen. Die gegenwärtige Versammlung der Naturfor- scher und Aerzte giebt mir die willkommene Veran- lassung, eine Arbeit, welche ich schon halb der Ver- gessenheit überantwortet hatte, an’s Licht zu ziehen, und vor dem Urtheil der Männer vom Fach auszubreiten. Die Resultate dieser Arbeit sind Zahlen, und zwar viele Zahlen, und diese eignen sich wenig für einen mündlichen Vortrag. Ich werde es daher versuchen, die Hauptresul- tate in einer Weise darzustellen, dass die Geduld der Zuhörer nicht allzusehr in Anspruch genommen wird. Wiegt man während einer Reihe von Tagen die ein- zunehmenden Speisen und Getränke, wiegt man ferner den entleerten Urin und die Fäces, und wiegt man endlich den Körper selbst mehrmals zu verschie- denen Zeiten des Tags, so erhält man einmal das Ge- wicht der Speisen und Getränke welche in einer bestimmten Zeit genossen und das Gewicht des Urins und der Fäces, welche in dieser Zeit entleert wurden; man erfährt ferner, dass das Körpergewicht nach der Mahlzeit um eben so viel (minus einer Kleinigkeit) zugenommen hat, als das Gewicht der eingenom- menen Speisen und Getränke betrug; und man über- zeugt sich endlich, dass der Körper ausser den plötz- lichen Verlusten, welche sein Gewicht durch die je- weilige Urin- und Kothentleerung erleidet, beständig von Stunde zu Stunde leichter wird, durch Aus- scheidung einer Masse, welche man nicht direct im Ganzen wiegen, sondern deren Gewicht man nur in- direet durch die Abnahme des Körpergewichts bestim- menkann. Dieserindireete Verlust (im Durchschnitt 1080 Grm. täglich oder etwas über 2 Pfund) begreift in sich die Stoffe, welche durch die Lungen - und Haut- Ausdünstung, durch die Absonderung der Schleimhäute, die Abstossung der Epidermis ete. von dem Körper entfernt werden. Da die Ausscheidung an Wasser und Kohlen- säure durch Lungen und Haut weitaus die Haupt- sache ausmacht, so begreife ich die Summe dieser Verluste als eine Einheit unter dem Collectivnamen der Perspiration und verstehe darunter nieht nur die unmerkliche, d.h. in gasförmigem Zustande entweichende Lungen- und Hautausdünstung, sondern auch die merkliche in tropfbar flüssigem Zu- stand fortgehende Transpiration, indem eine Trennnng leider in meinen Versuchen nicht zulässig ist. Die Summe der durch Urin, Perspiration und Koth bedingten Ausgaben wird der Summe der Ein- nahmen durch Speisen und Getränke gleichkom- men, wenn das Körpergewicht zu Ende des Versuchs wieder dasselbe geworden ist, wie zu Anfang desselben. Bei kürzeren Versuchsreihen ist dies aber in der Regel nicht der Fall, indem meist am Ende des Versuchs das Körpergewicht geringer ist, und die Summe der Ausgaben die der Einnahmen übersteigt. Die Menge der täglich einzunehmenden Speisen und Getränke, habe ich lediglich dem Bedürfniss, dem Gefühl des Hungers, des Durstes und der Sätti- gung überlassen, ohne mich jedoch weit über die Grenze des Nothwendigen zu bewegen. Diese Menge ist allerdings einen Tag grösser als den andern, und hängt die Verschiedenheit ab theils von der Qualität, d.h. dem Wassergehalt der Speisen, theils von dem vorangegangenen grössern oder geringeren Stoffverbrauch. Ich habe dabei gefunden, dass das Ge- fühl des Hungers und der Ermüdung zusammenfällt mit der grössten Gewichtsabnahme des Körpers, und dass mit der Restitution des Körpergewichts das Gefühl der Sättigung und Behaglichkeit verbunden ist. Im Durchschnitt der einzelnen Versuchsreihen aber beträgt die Menge der täglich eingenommenen Nahrung 5', bis 6 Pfund, wovon die grössere Hälfte (52°) auf die Speisen (darunter auch die halbflüssige Suppe), die kleinere Hälfte 48°, auf die Getränke kommt. Wenn nun Urin, Perspiration und Fäces zu- sammen den Gewichtsverlust, resp. den Stoff- verbrauch in einer gewissen Zeit darstellen, so fragt es sich: 1) wie verhalten sich dieselben dem Gewicht nach zu einander im Durchschnitt? und 2) durch welche Einflüsse wird im conereten Fall die eine oder die andere Function vermehrt oder vermindert? Als Antwort auf die erste Frage gebe ich das Durch- scehnitts- Resultat aus mehreren Versuchsreihen, nach welchen sich die Summe des tägliehen Ver- brauchs (von5°/, Pf.) folgendermassen zusammensetzt: 57—61°%, Urin, oder beinahe /,. 38—33°,, Perpiration oder ohngefähr Y;. 4—5",, Fäces oder ohngefähr 59: Diese Durchnittswerthe sind die Resultate von in der Wirklichkeit ziemlich weit auseinander gehenden Einzelwerthen. Eine Zerlegung derselben in grössere Gruppen und eine specielle Betrachtung der- selben im Einzelnen unter gleichzeitiger Berücksich- tigung der sie begleitenden Erscheinungen wird uns der Beantwortung der zweiten Frage schon näher bringen. So sehen wir z. B. bei einer Versuchsreihe mit reichlicherer Nahrung (6 Pfund täglich) die Urin- und Kotlimenge erhöht, die Perspiration vermindert, bei einer andern Versuchsreihe mit weniger reichlicher Nahrung von 5'%, Pfund täglich dagegen die Perspi- ration auf Kosten der andern Functionen vermehrt. Urin. Persp. Fäces. Bei 6 Pfund 61 33 DUTE a ae 57 38 A Interessanter als diese Durchschnittswerthe, und lehrreicher ist es, wenn wir während einer Reihe von J ZT MEISUY UT ayoeao "U0170. 22282, J wm alay pun 16 am, ll y Z4pr2a00) J089V 211.17) 2PUSZYSDY PUnboJ 7212 1099 0 9Bumusuoyv11dsta ] yUl U14) RPYRUPPPEUP LG EL "S2ID,y mm '21017P.1HLs12] wm uhl 2 Di WU2YDDSME 29P UNUNS: wm "UIUNJDIRNJ 22P JURUMS: mm d OU DIE DIE DU 00€ - r un ll y yon) 9890 222 299.12L22,] = 44ll 7 — ZUR, B Aszunm ZZ 5 RB) 2 ; ’ I (s 22-2021) 222 PPPPPPL0P 2] Ye) = URESLPIDN pun-bop WIESN 219 22 3BUDDUS WOND12USL zu 4) Yo la Y! Y. 7 [7A II q L 4 NZ z Dr ? 70, DIN LP MULUNSS en 2 w2gpßsny 239 315: wm w2Urdfi 7 u01J210 12] wm 21,7 un S92D,y m 22. U SU d DM 1094 DE DOT DIE 099 DH 08 020 DOM DOM DIE ZIIRAA DIL DIN DIV DDR. D081 2061 0906 VMe DEE VIEL DIE DIE DRIE DME : . 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Wir haben hier 3 Versuchsreihen: 2 von je 7 Tagen und 1 von 6 Tag, welche von links nach rechts fortlaufen und durch senkrechte Linien abge- theilt sind, die horizontalen Linien bezeichnen die Werthe von 0 — 4800 Gramm. Die in verschiedenen Farben hineingezeichneten Punkte und Linien zeigen den Gang der Werthe der einzelnen Functionen während eines Tags, vom Morgen bis zum Morgen gerechnet. Und zwar bezeichnet: die braune Linie — die Menge der Fäces; die blaue Linie — die Menge des Perspiration; die gelbe Linie — die Menge des Urins; die rothe Linie — die Summe dieser 3 Ausgaben; die schwarze Linie dagegen bezeichnet die Summe der Einnahmen von Speisen und Getränken. 1) Man sieht hier auf den ersten Blick, wie gering die Menge der Fäces ist gegenüber den andern Ausgaben und der Summe der Ausgaben, wie tief die braune Linie steht; sie fällt öfter auf O0 und erhebt sich nur aussergewöhnlich auf beinahe 300 und 500. (Im Durch- schnitt 140 Gramm, etwas über '/, Pfund.) 2) Man sieht ferner, dass die schwarze und rothe Linie einander sehr nahe liegen, dass ihr Gang in den Hauptlinien der Hebung und Senkung ein ähnlicher ist, obwohl die eine Linie sich bald über die andere erhebt, bald sich wieder abwärts mit ihr kreuzt, dass aber die schwarze Linie etwas unter derrothen bleibt. Mit an- _ dern Worten: die Mengen der täglichen Einnahmen und Ausgaben gehen mit einander Hand in Hand, und sind _ die einen von den andern abhängig, so dass eine Stei- gung der einen Linie auch eine Steigung der andern zur Folge hat. Ist der Gang auch nicht täglich gleich- ässig parallel, so gleicht sich eine Ueberhebung der einen Linie an einem Tage am andern durch eine tiefere Senkung aus; d.h. war an einem Tage die Nahrungs- Einnahme viel grösser als die Ausgabe durch Ver- brauch, so wird am folgenden Tage die Einnahme zeringer, die Ausgabe grösser sein. Die Ausgleichung erfolgt oft auch erst nach einigen Tagen. 3) Sieht man, dass die gelbe Linie (der Urin) m A dass der Gang der gelben Linie den Gang der rothen k bestimmt, dass die Berge und Thäler der rothen Linie schon in der gelben nur schroffer vorgezeichnet sind. Die gelbe Linie geht mit der rothen parallel und mit der schwarzen nahezu parallel, d. h. der Urin, die - bedeutendste der Ausgaben, bedingt durchaus die grös- ‚sere oder geringere (Juantität der Ausgaben überhaupt, die Menge desselben ist aber hauptsächlich abhängig 207 von der Summe der Einnahmen der Speisen und Ge- tränke. \ 4) Die blaue Linie ist durchgehends niedriger als die gelbe, obwohl ihr mitunter nahe kommend, zeigt meist geringere Hebung und Senkung als die vorge- nannten Linien, mit deren Gang ihr Gang überhaupt wenig Aehnlichkeit zeigt, namentlich aber lässt sich zur gelben Linie ein Gegensatz erkennen, indem die Thäler der gelben meist mit den Bergen der blauen zu- sammenfallen und umgekehrt. Die Perspiration als Summe der Haut- und Lungenausdünstung ist nicht so direct abhängig von der Summe der Einnahmen, d.h. die jeweilige Quantität von Speisen und Getränken äussert ihren Einfluss nicht sogleich auf die Perspiration. — Die Gewichtsmenge der Perspiration steht zu dem absoluten Gewicht der Urinmenge in einem antagoni- stischen Verhältniss. Dass überhaupt die drei Exeretionen: Urin, Fäces und Perspiration, vermöge ihres reichlichen Wasserge- halts bis zu einem gewissen Grade in den Gewichts- mengen sich gegenseitig ersetzen können, ist eine Er- fahrung des täglichen Lebens (wenig und saturirter Urin bei starkem Schweiss, trockne Haut und wenig Urin bei Durchfällen), welche durch die Versuche mit der Waage bestätigt wird. Gehen wir nun näher ins DetaiP der einzelnen Ver- suchsreihen ein, so sehen wir in der ersten Ver- suchsreihe‘ bei einem Körpergewicht von durch- schnittlich 56,000,&tamiizbei einer äusseren Temperatur im Freien von durchschnittlich — 10° C. und + 17°C. im Zimmer Folgendes: Erster Tag. (9. Febr.) Einnahmen und Ausga- ben sind beinahe gleich, auch Speisen- und Getränk- Quantum beinahe gleich gross, Perspiration ziemlich hoch, Urin nieder. Kleinere Ausgänge Morgens und ein 1'/,stündiger ermüdender Spaziergang im Schnee bis zum Schweiss ist wohl die Ursache der vermehrten Perspiration. Zweiter Tag. (10. Febr.) Bei zunehmender Ein- nahme an Speisen und Getränken, besonders an erste- ren, deren Summe die Ausgabe beträchtlich überragt, steigt die Urinmenge in entsprechender Weise, während die Quantität der Perspiration bei weniger Bewegung im Freien und mehr sitzender Beschäftigung im Zimmer abnimmt. Dritter Tag. (11. Febr.) Bei noch grösserer Ruhe zu Hause in einer Temperatur von + 15 bis 17°C. sinkt die Perspiration noch bedeutend mehr, während die Urinmenge beträchtlich steigt, obwohl die Summe der Einnahmen, besonders der Getränke, sehr gesunken ist. Die Entleerung einer grossen Quantität dieker und dünner Fäces nach eintägiger Verstopfung und die gleichzeitige hohe Urin-Ausgabe sind offenbar noch zum Theil die Folgen der gestrigen vermehrten Einnahmen. Vierter Tag. (12. Febr.) Kleinere Ausgänge den Tag über bei grosser Kälte und Abends eine vier- : stündige lebhafte Bewegung durch Tanzen steigern die Perspiration auf das Maximum von beinahe 1300 Grm., während die Urinmenge bedeutend herabgedrückt wird, 208 obwohl die Einnahme, namentlich an Speisen, in der Zunahme begriffen ist. Fünfter Tag. (13. Febr.) Die Folgen des ge- strigen Tages machen sich in der Empfindung durch Hunger, übernächtiges Gefühl nach Tisch und Schläf- rigkeit Abends bemerkbar; auf der Waage durch zu- nehmenden Verbrauch und zwar bedeutende Zunahme des Urins bei verminderter jedoch immer noch beträcht- licher Perspiration, während die Einnahmen sich etwas verminderten. Die Beschäftigung bestand in kleinen Ausgängen bei grosser Kälte (— 21°C.) und mehr Auf- enthalt im Zimmer. Sechster Tag. (14. Febr.) Eine ungewöhnliche Zunahme der Einnahmen (schwarze Linie) bedingt durch eine beträchtliche Quantität Abends genossenen Biers, bei etwas abnehmender Speisenmenge, veranlasst eine noch beträchtlichere, die Einnahme übersteigende Aus- gabe (rothe Linie), welche in einer ungeheuren, die Quantität des Getränks um beinahe 1000 Gramm über- steigenden Urinmenge ihren Ausdruck findet, während die Perspiration bedeutend herabgedrückt wird. Dieses bei wenig Ausgängen in einer Temperatur von — 0 bis — 10° C. Siebenter Tag. (15: Febr.) Trotz einer durch einen guten Appetit und Durst bedingten reichlichen Aufnahme von Speisen und Getränken (schwarze Linie) ist die Ausgabe (rothe Linie) verhältnissmässig gering, die Urinmenge sehr gering (das Minimum in den drei Versuchsreihen), Folge der gestern vermehrten Urin- secretion. Die Perspiration etwas gehoben, aber noch nieder, und eigentlich nur die Quantität der Fäces (von consistenter Beschaffenheit), nachdem einen Tag nichts und den Tag vorher nur wenig abgegangen war, be- trächtlich (beinahe 500 Grm.). Kleine Ausgänge bei Thauwetter und sitzende Beschäftigung. Die zweite Versuchsreihe zeigt nicht die grossen Sprünge wie die erste Versuchsreihe. Ihr Gang ist gleichmässiger; durchschnittliches Körpergewicht 56,800 Gr. Die Temperatur im Freien und im Zimmer ist gemässigt, + Ibis + 17°C. Die Beschäftigung mehr Bewegung im Freien, ohne Extreme bis zum Schweiss; nur einmal kommt ein längerer Spaziergang vor (d. 11.), welcher sogleich die Perspiration mit einer hohen Zahl notirt. Der Urin (gelbe L.) geht mit der Summe der Einnahmen (schwarze L.) beinahe parallel. Die Per- spiration (blaue L.) geht anfangs mit dem Urin in glei- cher Richtung, dann aber, wo die gelbe L. höher steigt, macht die blaue L. die entgegengesetzte Bewegung. Die dritte Versuchsreihe zeichnet sich durch grosse Sprünge in den Urin-Quantitäten (gelbe L.), be- dingt durch ähnliche Sprünge in den Einnahmen (schwarze L.) und zugleich durch einen höchst gleich- mässigen Gang der Perspiration (blaue L.) aus. Die Temperatur war im Zimmer + 14°, draussen — 1 bis— 5°C. Die Beschäftigung eine mit Bewegung, Anstrengung und geistiger Aufregung verbundene, wobei jedoch nie stärkere Bewegung und Schweiss vorkam, nur den 20. und 23. wurde mehr gegangen, was sich in der blauen L. bemerklich macht. Das durchschnitt- liche Körpergewicht betrug 62,100 Grm. Am ersten Tag des Versuchs war die Nahrung eine der Quantität und Qualität nach ungenügende, aus Brod, Wurst und Wasser bestehend, daher auch die Menge der Speisen (ausschliesslich feste) sehr nieder steht, die des Getränks, welches die Wassermenge in den sonst halbflüssigen Speisen ersetzen musste, ungewöhnlich hoch ist. Die Summe der Speisen und Getränke (schwarze, Linie) steht auch am niedersten. Diese ungenügende Nahrung äussert ihren Einfluss besonders am folgenden Tag, wo normale Nahrung in reichlicher Quantität (schwarze L.) genossen wurde, durch eine ungewöhn- lich hohe Urin-Menge (gelbe L.) Den Einfluss der Ruhe und Bewegung auf die Menge.der Perspiration haben wir aus dem gleich- zeitigen Zusammentreffen derselben in einzelnen Fällen abgeleitet. Dass dieser Einfluss ein constanter ist, will ich nun aus den Durchschnittszahlen einiger Versuchs- reihen darthun, indem ich die Perspirationsmenge für die Stunden der grössten Ruhe, des Schlafs, die Nachtstunden trenne von der Perspisationsmenge für die Stunden der Arbeit, der Bewegung, des Wa- chens, die Tagstunden, und beide mit einander vergleiche. Durchschnittliche Perspirationsmenge. Erste Versuchsreihe: in einer Tags-Zeit von 15, Stunden 732 Grm. in einer Nacht-Zeit „ 8% „ 347 „ in einer Tagstunde 47 Gr. in einer Nachtstunde 40 „| oder zusamm. 87 „ Zweite Versuchsreihe: in einer Tags-Zeit von 16 Stunden 819 Grm. » » Nacht-Zeit „ 8 5 282. 5 „ Tagstunde 51 Gr. .„ Nachtstunde 35 „ oder | zusamm. 86 „ Dritte Versuchsreihe: in einer Tags-Zeit von 15'/, Stunden 829 Grm. Nacht-Zeit „ 8%, , IT. Tagstunde 54 Gr. Nachtstunde 34 „ Man ersieht daraus: 6 En oder „ Er | zusamm. 83. 1) dass die Perspirationsmenge in der Tagstunde viel grösser ist als in der Nachtstunde, und 2) dass dieser Unterschied um so grösser ist, je mehr Arbeit (Bewegung) während der Tagstunden ge- macht wurde (zweite und dritte Versuchsreihe), um so geringer, je ruhiger die Tagstunden verbracht wurden (erste Versuchsreihe) im letztern Falle nimmt die Per- spirationsmenge der Tagstunden ab, die der Nacht- stunden zu. 3) Dass aber die Summe der Perspirationsmengen einer Tag- und einer Nachtstunde in den drei Versuchs- reihen einander so zu sagen gleichkommen, indem sie 86, 87 und 88 Grm. betragen. Daraus scheint hervorzugehen, dass eine bestimmte Quantität in 24 Stunden perspirirt werden muss: wenn davon in den Tagstunden durch starke Arbeit schon ein grosser Theil perspirirt wurde, so wird die Perspira- tionsmenge in den Nachtstunden um so geringer; wurde aber in den Tagstunden bei mässiger Bewegung ver- hältnissmässig wenig perspirirt, so ist alsdann die Per- spiration in den Nachtstunden etwas grösser. Dieser Satz liesse sich noch durch einige Beispiele erhärten: z. B. den 12. Febr. 45 war die Perspirationsmenge der Tagstunde bei Ausgängen und Abends Tanzen auf 62 gehoben, fiel dagegen in der Nachtstunde auf 35; die folgenden Tage: in der Tagstunde 40 und 42, in der Nachtstunde 36 und 39 u. s. £. | Nicht minder deutlich ersichtlich ist der Einfluss der Ruhe und Bewegung auf die Perspirationsmenge aus dem grossen Sprung, welchen dieselbe aus der Zeit der Nachtruhe in die Zeit unmittelbar nach dem Auf- stehen macht. Der plötzliche Uebergang aus einem Zustand vollkommener lange andauernder Ruhe in einen Zustand nur mässiger Bewegung, wie sie beim Auf- stehen, Ankleiden ete. stattfindet, verursacht eine nam- hafte Steigerung der Perspirationsmenge (von 32 auf 52), diese ist aber von keiner Dauer, sondern eben so rasch wieder verschwindet sie, wie sie gekommen ist. Eine fortgesetzte Bewegung, z. B. ein Spaziergang oder eine andere kleine Beschäftigung bei nüchternem Magen steigert dieselbe nicht, sondern im Gegentheil macht sie wieder sinken, und zwar fast bis zum Stand der Nacht-Perspirationsmenge. Erst nach eingenom- menem Frühstück ist die nämliche Bewegung im Stande sie wieder zu heben. Es wirkt daher ausser der Bewegung noch ein anderes Moment bestimmend auf die Höhe der Per- spiration, nämlich eine gewisse Beschaffenheit des Blutes. Durch vorangegangene Ruhe und Sättigung ist dasselbe offenbar mit einer grösseren Menge ver- brennbaren oder perspirablen Materials geladen, als im Zustand des Hungers und der Ermüdung. Beispiele. 1) Am 6. Tag der zweiten Versuchsreihe (14. Mai). Perspiration während der Nachtstunde 32, beim Aufstehen steigend auf 51 und wieder fallend auf 37, Bei fortdauernder kleiner Bewegung vor dem Frühstück. Nach dem Frühstück bei mässiger Bewegung und Aus- gang sich erhebend auf 52, und wieder sinkend gegen Mittag auf 44; Nachmittags bei ziemlich ruhigem Ver- halten bis 6 Uhr zwischen 38, 46 und 33; durch einen Spaziergang von 6—8 Uhr plötzlich auf 62 gehoben, sinkt sie eben so wieder in der Ruhe von 8—10 Uhr nach und nach von 45, 43 auf 42. 2) Am 5. Tag der dritten Versuchsreihe (22. Dec. 47). Nachdem die Perspirationsmenge in der Nachtstunde 32 Grm. betragen hatte, stieg sie nach dem Aufstehen uf 52; nach dem Frühstück von 8—12, in welcher eit viel gegangen wurde, hielt sie sich auf der Höhe on 62 Grm. Vom Mittagessen und während desNach- mittags fiel sie bei ruhigem Verhalten und nur sehr ge- ringer Bewegung von 54, 52 auf 50, und betrug zuletzt 209 in der Zeit zwischen 8 und 9, wo sich bereits wieder Hunger eingestellt hatte, nur noch 44 Grm. Eine graphische Darstellung der durch- schnittlichen Perspirationsmengen in den einzelnen Stunden des Tages und der Nacht wird die eben dargestellten Verhältnisse am deutlichsten ver- sinnlichen. (Tab. 1.) Wir gehen jetzt zur Gewichtsmenge des Urins über. Diese steigt und fällt, wie wir gesehen haben, mit der Menge der eingenommenen Nahrungsmittel. Fast immer ist die Urinmenge beträchtlich höher als die Menge des in derselben Zeit genossenen Ge- tränkes; dieses verhält sich zur Urinmenge wie 1000:1300. Der Wassergehalt der Speisen lie- fert also im normalen Zustande einen namhaften Beitrag zur Urinmenge. Die durchschnittliche Urin- Quantität (1650 Grm., über 3 Pfd.) eines Tags auf die Tag- und Nachtstunden vertheilt, zeigt nicht jenen eonstanten Unterschied, wie wir ihn bei der Perspira- tionsmenge als Folge der Ruhe und Bewegung gefunden haben. Doch ist immerhin in der Regel die Urinmenge einer Tagstunde grösser als die einer Nachtstunde: die Quantität der Speisen und Getränke beim Nacht- essen ist eben hier von grossem Einfluss. Was die durchsehnittliche Urinmenge im Laufe der einzelnen Tagstunden betrifft, so zeigt dieselbe in den Vormittagsstunden einige Aehnlichkeit mit der Perspirationsmenge: sie nimmt ebenfalls vom Aufstehen bis 10 Uhr zu, von da bis zum Mittagessen ab. Nach dem Essen aber steigt sie wieder und erreicht zwischen 5 und 6 Uhr ihr Maximum, um dann wieder rasch zu fallen bis zum Minimum zwischen 9 und 10. Während der Nacht in Folge des Nachtessens erreicht sie wieder eine ziemliche Höhe. Da die Gewichtsmenge des Urins hauptsäch- lich durch die darin enthaltene Quantität Wasser bedingt wird, welche ihrerseits wieder von der Qualität und Quantität der genossenen Speisen und Getränke abhängt, während es doch die festen Bestand- theile, der Harnstoff, die Harnsäure und die Salze sind, welche den Stoffwechsel repräsentiren, so wird auch die Gewichtsmenge des Urins allein kein richtiges Bild von der Intensität der Ernährung und des Umsatzes der Materie abgeben. Kennt man aber noch das specifische Gewicht bei dem absoluten Gewicht des Urins, so wird man aus diesen beiden Factoren einen annähernd rich- tigen Ausdruck für die Energie des Stoffwechsels er- halten. | Das speeifische Gewicht steht im Durch- sehnitt in einem umgekehrten Verhältniss zur Quan- tität des Urins, obwohl dies in den Einzelfällen nicht immer zutrifft. Aber im Allgemeinen gilt die Regel: je geringer die Quantität des in einer bestimmten Zeit gelassenen Urins ist, um desto specifisch schwerer ist derselbe, und je grösser die Quantität ist, um so leich- ter ist er. 27 210 Bei meinen Beobachtungen haben sich folgende Re- sultate ergeben: Bei 14° R. Bei 50 Gr. in 1 St. gelassen: spec. Gw. zw. 1,0300 u.250 ” 70 ” ” ” ” D1 1,0250 u. 200 ” 105 ” „ ” ” ” 1,0200 u.150 AAO, A en s ) 1,0150 u. 100 ” 300 ” ” ” ” ” 1,0029. In den häufigsten Fällen (in 54 v. 100) beträgt also das spec. Gew. zwischen 1,0250 u. 200, respect. 1,0223, in 21 v. 100 2 1,0200 u.150, „ 1,0178, in 18 v. 100 „1,0300 u.250, „ 1,0270, in 7 v. 100 h 1,0150 u.100, „ 1,0134. Der Gang des spec. Gewichts in 24 Stunden ist nach einem Durchschnitt gleichartiger Versuchsreihen folgender: Vom Aufstehen bis zum Mittagessen steigt das spec. Gewicht langsam und erreicht sein Maximum zwi- schen 1 und 2; nun fällt es rascher und erreicht sein Minimum zwischen 5 und 6, von wo es wieder steigt bis 9 Uhr (Zeit des Nachtessens) und eine Höhe er- reicht, welche der Zeit zwischen 10 und 11 U. Morgens gleichkommt; von da fällt es wieder und behält in der Nacht eine Höhe, welche der von Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr ohngefähr gleich ist. Durch die Multiplication des absoluten Ge- wichts mit dem specifischen Gewicht des Urins er- halten wir Werthe, welche die Intensität des durch den Urin erfolgenden Stoffwechsels repräsentiren. Eine graphische Darstellung dieser Durchschnitts- Werthe im Laufe der Tag- und Nachtstunden wird dieses am deutlichsten versinnlichen. Tab. II. Hier fällt das Minimum des Urinwerthes ebenfalls in die Nachtstunden, wie bei der Perspiration, erhebt sich vom Aufstehen bis gegen 10, wo sich die Linie wieder senkt bis gegen 12; nun erhebt sich die Linie rasch bis 4, wo sie zwischen 4 und 6 ihr Maximum er- reicht, um dann ebenso rasch bis 9 Uhr wieder zu sinken. Der Gang der gelben und blauen Linie ist Vormit- tags ziemlich ähnlich, Nachmittags gehen sie mehr aus- einander. Bezüglich des durch ungewöhnliche Menge Getränks in grossen Quantitäten und von geringem speeifischen Gewicht gelassenen Urins will ich noch ein Beispiel geben: Zoologische Abtheilung. Pagenstecher macht Mittheilungen über die Entwicklung einiger para- sitischer und frei lebender Würmer (Echinobothrien, Tae- nien) und die innern weiblichen Geschlechtstheile der Eehinorhynchen. v. Bender hat reiche Beobachtungen über Echinobothrium. Die Differenz über die Zahl der Hakenreihen am Halse ist Am 6. Tag der ersten Versuchsreihe (14. Febr.) wurden Abends von 5'/, bis 8 Uhr 1754 Gramm Bier getrunken, so dass die Gesammt-Quantität Getränk mit der gew. Menge von 1200 Grm. 2950 betrug. Von 6%, bis 9 Uhr wurden entleert 2870 Grm. Urin (1116 Grm. mehr als das genossene Bier betrug), und zwar in der ’ 1. u. 2. halben Stunde 2,6 per Minute v. 1,0168 sp.G. inder 3. „ 5 16.2.5 > 1,0050 „ Se I 1,0040 „ nd ” ” 22,7 ” ” 1,0030 ” „6 16,5 „ M. 1,0025 „ a ” ” ’ » 7.u.8. (nach d.E.) 1,4. Während sich so die Urinmenge am 14. Februar in einer Tagstunde auf 234 Grm. stellte, sank sie in der Nachtstunde auf 44, und sank sogar noch am folgenden Tag auf 39 für die Tagstunde, stieg dagegen in der darauf folgenden Nacht wieder auf 74 in der Nacht- stunde. Daraus ersieht man: wenn die Urinmenge durch eine grosse Quantität Getränk plötzlich sehr vermehrt wird, so sinkt sie andern Tags um so tiefer, selbst unter die Quantität des eingenommenen Getränks. Es scheint, dass durch die vermehrte Urinseeretion dem Körper doch noch mehr Wasser entzogen wird, als ihm durch das viele Getränk zugeführt wurde (was sich in der darauf folgenden Nacht nieht nur durch verminderten Urin-Abgang, sondern auch durch vermehrten Durst äussert). Nachdem wir nın den Gang der Urin- und Perspi- rationsmenge verfolgt und die Einflüsse, welche bestim- mend auf dieselbe wirken, gewürdigt haben, will ich. noch zum Schluss die Durchschnittszahlen der Einnahmen und Ausgaben, und insbesondere des Urins, der Perspiration und der Fäces im Verhält- niss zu meinem Körpergewicht anführen. Die durchschnittlichen täglichen Einnahmen und Ausgaben bei einem Körpergewicht von 56,500 Grm. (113 Pfund) betrugen */,, des Körpergewichts, oder genauer ausgedrückt: auf 1 Kilogramm Körpergewicht wurde täglich eingenommen 50,1 Grm. ausgegeben 51,5 „ von letzterem kamen auf Urin 30,1 Grm. auf Perspiration 18,7 „ auf Racene 2 OrANE, unwesentlich. Die jungen Rochen erhalten die eceystir- a ten Echinobothrien in jungen Gammarinen. ; y Professor Schaafhausen spricht über Monas Okenü, die einen Teich im Stadtgraben von Bonn im Frühling und Herbst roth färbt. Die Monade ist indessen auch zu allen andern Zeiten des Jahres vor- u handen, und lebt dann am Grunde. Sie ist bis „4, Linie lang, 55, breit, hat weder Geissel noch Wimpern, son- dern ihre in einer Spirale fortschreitende Bewegung ge- schieht mit deutlicher Krümmung, also Contraction ihres Körpers; sie vermehrt sich durch Theilung, und zeigt keine Spur innerer Organisation als starre Bläschen, die meist zu 4 bis 6 in gleichen Abständen in der Mitte der Monade liegen, aber auch in grösserer Zahl und unregel- mässig vorkommen, zuweilen in viele kleine schwarze Körperchen zu zerfallen scheinen. Die Monade wird von Styloxychia notommata, vorticella und von einem Cy- clops gefressen. Neben ihr kommt in grösster Menge Euglena viridis in ihren verrchiedenen Entwicklungszu- ständen vor. Getrocknet lebt die Monade nicht wieder auf und kann, von ihrem Fundorte entfernt, kaum ei- nige Tage am Leben erhalten werden. Der Redende gibt einige Gründe an, die es wahrscheinlich machen, dass diese Lebensform in den Entwicklungskreis eines andern niedern Organismus gehört und hofft dieses Ver- hältniss durch fortgesetzte Beobachtung aufklären zu können. Professor Carl von Siebold machte folgende Mittheilungen Aus dem Leben der Insecten. Ueber Agriotypus armatus und Trichostoma pieicorne. In Westwood’s Introduction to the modern celassi- ‚fieation of insects, Vol. II., 1840, pag. 142, befindet sich die Notiz-über einen Ichneumoniden, der sich unter das Wasser begeben soll, wahrscheinlich um irgend einer Wasserlarve seine Eier beizubringen. Diese Nachricht hat mich im höchsten Grade angeregt, nach ichneumo- _ nisirten Wasserlarven zu suchen, da ich mir vorstellte, _ dass die im Wasser lebenden Insecten-Larven gewiss auch unter den Ichneumoniden ihre Feinde besässen. Allein lange Zeit war mein Bemühen umsonst gewesen, bis ich im April 1856 durch Dr. Krieehbaumer in München, welchem ich bereits viele interessante ento- mologische Mittheilungen verdanke, mit einem Insecte überrascht wurde, das ich auf den ersten Blick als jenen von Curtis benannten und abgebildeten Agriotypus ar- matus erkannte, welcher nach Westwood’s Mitthei- lung von englischen Beobachtern unter Wasser aufge- funden worden war. Dr. Kriechbaumer hatte aus einem Bache verschiedene Steine hervorgehoben, an welchen die Gehäuse einer Phryganiden-Larve befestigt waren und auf welchen zugleich weibliche Individuen des genannten Agriotypus herumkrochen. Die männ- lichen Individuen desselben Ichneumoniden flogen dicht über dem Wasser und am Ufer umher. Ich sammelte an demselben Fundorte viele Phryganiden-Gehäuse ein, die zum Theil Larven, zum Theil Puppen enthielten. Sie rührten sämmtlich von dem oben erwähnten Tri- chostoma pieicorne nach Pictet (oder Aspatherium piei- eorne nach Kolenati) her. Aus mehreren bereits ver- _ puppten Stücken krochen später Agriotypen hervor. _ Hierbei habe ich die interessante Bemerkung gemacht, dass alle diejenigen Gehäuse, deren Mündung Behufs _ der Verpuppung von einem Steinchen verschlossen war, er 211 und deren Bewohner eine Agriotypus-Larve als Para- siten beherbergte, durch einen langen riemenartigen Fortsatz gekennzeichnet waren, welcher zwischen der Mündung und dem dieselbe verschliessenden Steinchen frei hervorragte. Löste ich dieses Steinchen ab, so fand ich die Mündung des Gehäuses noch durch einen leder- artigen Deckel verschlossen, der in den vorhin erwähnten langen Fortsatz auslief. Die Gehäuse derjenigen Phry- ganiden-Larven, welche keinen Agriotypus enthielten und sich verpuppt hatten, waren unter dem Schluss- steinchen nur von einem einfachen runden Deckel ver- schlossen ohne jenen langen Fortsatz. Ich untersuchte diesen einfachen Deckel sowohl wie den mit langem Fort- satze versehenen Deckel genauer mit dem Microscope, und überzeugte mich, dass beide Deckel sammt dem langen Fortsatze aus dichtem Gewebe eines Fadens be- standen, den die Phryganiden -Larve vor ihrer Ver- puppung gesponnen hatte. Hieraus ergab sich also, dass die durch einen Agriotypus armatus unter Wasser mit einem Ei belegte Phryganiden-Larve später von einer übermässigen Spinnsucht (Hyperclosis oder Hyper- nesis) heimgesucht wird, welche die Larve nöthigt, bei der Verpuppung sich des abnorm angehäuften Spinn- stoffs durch Anfertigung jenes langen riemenartigen Fortsatzes zu entledigen. Kolenati kannte nur einen Theil dieses Phänomens und deutete auch diesen un- richtig, indem er (in seiner Monographie: Genera et species Trichopterorum, 1848, pag. 21) behauptete: „Praeterea Dipteron aut Hymenopteron larvis immittit ovu- lum cum appendice jasciolari, a quo larva prorumpens to- tam consumit Phryganeae larvam.“ Dass der appendix Fasciolaris mit dem Parasiten-Ei in keinem direceten Zu- sammenhang steht, geht aus meiner oben erwähnten Untersuchung hervor. Ueber die Lebensweise der Donacia linearis, An den Wurzeln von Sparganium simplex fand ich im Spätsommer 1857 verschiedene Larven und Puppen, welche von Donacia linearis (nach Hoppe und Gyllenhal) herrührten, denn später kroch aus den eingesammelten Puppen der genannte Käfer hervor. Mir war es aufgefallen, dass die Larven dieses Käfers sich mit zwei Krallen ihres Hinterleibsendes an den Wurzelstock der erwähnten Pflanze festklammerten und mit ihrem Leib und Kopfende frei in den Schlamm hineinragten, der das ganze Wurzelende der Pflanze umgab. Ich zergliederte die Larven und erkannte in ihrem Darmkanale als Inhalt keine Reste des Sparga- niums, sondern nur Diatomeen - und Algen-Fragmente, wie sie in dem Schlamme vorhanden waren, der die äusserst trägen Donacien-Larven zunächst umgab. Die- selben hatten also nichts von der Pflanze gefressen, an der ich sie befestigt gefunden hatte. Indessen zeigte sich immer an der Stelle der Sparganium - Wurzel an welcher die Larven sich mit ihren beiden Krallen fest- geklammert hatten, eine ausgenagte Grube, in welcher der Hinterleib der Larve verborgen steckte. Bei näherer Untersuchung des Hinterleibs der Donacien-Larven ward mir es nun klar, was diese ausgenagte Grube in der 217 212 Sparganium-Wurzel zu bedeuten hatte. Diese Larven haben nur an ihrem Hinterleibsende, wie viele Dipteren- Larven, ein Paar grosse Stigmata. Diese Luftröhren- Oeffnungen fallen durch ihre braune Einfassung, welche gegen die übrige milchweisse Haut der Larven auffallend absticht, leicht in die Augen; bei näherer Besichtigung erkennt man zugleich, dass diese beiden braunen hor- nigen Einfassungen der Stigmata sich nach hinten in jene beiden Krallen fortsetzen. Indem nun diese Krallen in die Sparganium-Wurzel eindringen, werden zugleich die beiden Stigmata der Larven fest in die ausgenagte Grube der Wurzel eingedrückt, wodurch die Mündungen des Luftgefässsystems der Larven mit den von Luft ge- füllten Intercellular-Räumen der benagten Sparganium- Wurzel in unmittelbare Verbindung gebracht werden. Da alle Intercellular-Räume dieser Pflanze ebenfalls un- tereinander zusammenhängen und durch die Spaltöff- nungen an der Oberfläche der Blätter wiederum mit der atmosphärischen Luft in unmittelbarer Berührung stehen, so wird es hierdurch den trägen im Schlamme vergra- benen Donacien-Larven leicht werden, fortwährend ihr Luftgefässsysten mit sauerstoffhaltiger Luft zu versehen und den nöthigen Respirationsprocess zu unterhalten. Die braunen wasserdichten Gehäuse, welche die Larven vor ihrer Verpuppung anfertigen, kleben mit einer Seite an der Sparganium-Wurzel, welche Seite ein Loch in der Mitte besitzt; diesem Loche entspricht an der Wurzel eine benagte Stelle, durch welche ebenfalls Luft in das Puppengehäuse tritt, um so während des Puppenlebens der Donacien den Respirationsprocess derselben zu un- terhalten. Professor v. Beneden sprach über jossile Eingeweidewürmer. — Mit Unter- suchung der Coprolithen in dieser Hinsicht beschäftigt, bittet v. Beneden um Mittheilung von Material. Professor B. Hasert aus Eisenach: Ueber die wahre Gestaltung der microscopischen Probe-Objecte. Meirie Herren! es wird dem Optiker häufig eine falsche Aufgabe gestellt vom Microscopiker, indem er verlangt, dass auf gewissen Objecten, welche als ge- meingiltige Prüfungsobjeete der Leistungsfähigkeit eines Microscops betrachtet werden, bestimmte Systeme von Linien zu sehen, und zwar glatt und scharf zu sehen sein sollen; eben diese Linien sind aber als solche auf allen bis jetzt gebrauchten Probeobjeeten, die Nobert- sche Glasplatte allein ausgenommen, gar nicht vorhan- den; und da, wo sich die Schatten von Punktreihen zu Streifen verbinden, sind dieselben rauh und zackig. Lassen sie uns auf einige dieser Probeobjeete näher eingehen: Eines der ersten und ältesten derselben ist der Flü- gelstaub verschiedener Schmetterlinge, auf welchem mit den geringsten mieroscopischen Vergrösserungen blos Längsstreifen, mit besseren und höheren Vergrös- serungen ausser diesen noch Querstreifen, und mit den besten Instrumenten von Amici, auch ausser diesen noch zwei Systeme sich kreuzender Diagonalen sichtbar werden. Schon vor jetzt 11 Jahren ist es mir gelungen, durch Instrmente mit einem Oeffnungswinkel von 120°, welche ich nach den besten Verhältnissen für die Cor- rection der sphärischen Abweichung construirte, ohne mich an gegebene Probeobjecte zu binden, die Ursachen dieser verschiedenen Liniensysteme aufzufinden. Es verhält sich dieses wie folgt: Die Längsstreifen, welche sich am leichtesten erkennen lassen, sind durch muldenförmige Vertiefungen der Oberfläche der Schuppe erzeugt, welche den Durchschnitt derselben, so wie Fig. I. es darstellt, wellenförmig erscheinen lassen, auf Fig. 1. IAAAAAMAY Durchschnitt einer Schmetterlingsschuppe nach der Breite, so dass die erhabenen Längslinien erscheinen. den so gebildeten Rippen der Schuppe sowohl, als auch in den Vertiefungen liegen von einer Erhebung bis zur nächstfolgenden je vier Reihen von kleinen erhabenen Punkten, von meistens quadratischer Form; so dass eine solche Vertiefung, welche von zwei dieser schein- baren Längslinien eingeschlossen wird, unter einer klaren Vergrösserung von 1500— 2000 Durchmesser sich so zeigt wie Fig. II. es darstell. Wir sehen hier vier Reihen von meistens quadratischen (zuweilen auch rund- lichen oder unregelmässig eckigen) Punkten, welche über die allgemeine Oberfläche der Schuppe erhaben sind. Bei den meisten Schuppen ist die Anordnung dieser Punkte so, dass dieselben regelmässige Längsreihen bilden, so dass durch ein gutes Instrument diese Punkt- reihen deutlich zwischen den sogenannten Längslinien sichtbar werden. Der Breite nach sind die Punkte einiger Schuppen- Arten so gestellt, dass sie bei gewissen Beleuchtungen als Querlinien verbunden erscheinen, durch Ueberdeckung der Schatten welche sie werfen; bei anderen Arten von Schuppen laufen dieselben in diagonaler Richtung von Rippe zu Rippe und bilden dann durch Ueberdeckung der Schatten in dieser Richtung, wenn sie selbst nicht wahrgenommen werden können, scheinbare Diagonal- streifen; das erstere ist der Fall bei den Schuppen von Lycaena Argus und Hipparchia Janira ; das letztere aber bei Lepisma saccharina. Diese Punktirungen der Schmet- terlingsschuppen zeigte ich Ehrenberg im Jahre 1852, hatte dieselben aber schon 1847 während meines Aufent- haltes in Amerika entdeckt und eine hierauf bezügliche Eingabe an Sillimans Journal gemacht, welche der- selbe aber damals nicht aufnahm, weil Professor Baily zu Westpoint dieselben mit seinen Mieroscopen nicht sehen konnte. Was die Streifen der Navieulaceen anlangt, so sind auch diese alle, so weit ich dieselben untersucht habe, durch kleine Punkte verursacht, welche bei verschie- denen Arten derselben verschiedene Formen und Stel- lungen auf der Oberfläche haben. 213 AB Zwischenraum zwischen 2 Längslinien, wo die Körperchen ähnlich wie bei Hipparchia Janira stehen — BC wo sie wie bei Zepisma saccharina gestellt sind. Vergrösserung 2000 Diam. Navicula angulata ist mit Sechsecken dicht bedeckt, welche, wie Fig. III. zeigt, sowohl in diagonaler Rich- Fig. I. Navicula angulata. fg und ih Richtung der Diagonalen — gh Gestaltung und Richtung der Querstreifen — B Form der Sechsecke. Ver- grösserung beiläufig 5000 Diam. tung als auch quer durch das Objeet regelmässige Reihen bilden, so dass weniger gute Instrumente bei schiefem Licht durch das Zusammenfallen der Schatten der Punkte die Diagonal- und Querstreifen zeigen, welche man auf diesem Objecte gewöhnlich sucht; ein gutes Instrument Fig. IV. wird aber diese Streifen nie glatt, sondern immer ge- zahnt erscheinen lassen, und Instrumente wie die, welche ich Ihnen hier aufgestellt habe, zeigen auf das Deut- lichste die sechseckigen Punkte und zwar bei jedem nur mittelmässigen Lichte. Auf Navieula attenuata finden wir eine andere Ge- stalt und Anordnung dieser Punkte. Sie sind, wie uns Fig. IV. zeigt, von länglich viereckiger Form und laufen in diagonaler Richtung gegen die gewöhnlich bekannten Quer- und Längsstreifen dieses Objectes, und zwar ist die Anordnung derselben etwas ähnlich wie die der Back- steine in einer Ziegelmauer; in der Mitte eines jeden Punktes zeigt sich bei gutem Lichte eine Perforation; durch Uebereinanderwerfen der Schatten dieser Punkt- reihen entstehen sägezahnartige Schattenstreifen, welche die hier gesuchten Quer- und Längsstreifen bilden; je mehr sich ein Instrument der Vollkommenheit nähert, desto weniger dürfen also die Längs- und Querstreifen glatt erscheinen, zunächst erscheinen sie sägenartig und bei grösserer Vollkommenheit kommen die Punkte zum Vorschein. Es ist demnach dem Optiker in allen diesen Fällen die Aufgabe zu stellen, die Punkte zum Vor- schein zu bringen, welche durch die Streifen angedeutet ab Richtung und Form der Längslinien von Navicula attenuata —*a e Richtung und Form der Querlinien — A Form der Körperchen. Vergrösserung 6000 Diam. 214 erscheinen, und es ist mir bei den meisten Arten der Navieulaceen gelungen, diese Punkte zu erkennen. Hierzu ist in den meisten Fällen eine gute Vergrösserung von 1500 bis 2500 Durchmessern erforderlich. Nachträglich will ich noch bemerken, dass beinahe alle, oder doch die meisten der von mir untersuchten Naviculaceen die Gestalt und Anordnung der Punkte eben so zeigen, wie sie auf Nav. attenuata vorkommen, namentlich die im Tripel vorkommenden, und alle die mit attenuata ähnliche Formen zeigen, z. B. die Nav. baltica, die Nav. Spencerii etc. Ausgenommen finde ich nur Navicula angulata, und einige Diatomeen,, welche im Guano vorkommen, auf denen sich Sechsecke zeigen, und namentlich finden sich auf den grösseren sechs- eckigen Punkten der Diatomeen noch eine grosse Menge sehr kleiner, gleichfalls sechseckiger Körperchen. Dr. Schmidt zeigt ausgezeichnete mieroscopische Photographien des Herrn Apotheker Meyer aus Frankfurt vor. Montag den 20. September, Nachmittags 3 Uhr, versammelten sich mehrere (etwa 16) Mit- glieder der physiol. und medizin. Section im Amphi- theater der Thierarzneischule, wo Vorbereitungen zu den verabredeten experimentellen Demonstra- tionen getroffen waren. Professor Schiff von Bern stellte dort Ver- suche an: 1. Ueber die Hinterstränge des Rückenmarks. Ein jüngeres Kaninchen wurde tief ätherisirt, das Cervicalmark wurde von hinten zwischen dem 4. und 5. Wirbel rasch blosgelegt, und dann wurden die Venen angeschnitten um, dem Zwecke des Versuches gemäss, einen reichlichen Blutverlust zu erzeugen. Mehrmals musste, da das Blut sehr gerinnbar war, die Blutung durch einen in laues Wasser getauchten Schwamm ver- stärkt werden, bis das Thier endlich auf die Seite fiel, die Augen schloss, jetzt aber bei jeder noch so schwachen Berührung eines Körpertheils durch Oeff- nen der Augen, durch rascheres Athmen mit verstärkten Excursionen der Barthaare, durch Aufrichten der Ohren, theilweise auch durch Bewegungen des Kopfes und der Kiefer seine erhöhte Empfindlichkeit kund gab. Herr Schiff machte die Versammlung darauf auf- merksam, wie diese Zeichen der erhöhten Empfindlich- keit gegen blose Berührung, die anfangs ganz vermisst werden, um so deutlicher hervortreten, je mehr das Thier bis zu einem gewissen Grade durch den Blutver- lust geschwächt ist. Eine Bemerkung der sich Herr Kussmaul nach eigenen Erfahrungen anschloss. Als dieses Stadium erreicht war, durchschnitt Herr Schiff nach der von ihm angegebenen Methode die ganze Dicke des Rückenmarks mit Ausnahme der beiden Hinterstränge. Das Kaninchen wurde nup ruhig auf den Tisch gelegt, wo es langsam athmend so lange unverändert liegen blieb, als es nicht durch eine Er- schütterung oder eine Berührung aufgeschreckt wurde. So wie ein Theil des Körpers hinter dem Schnitte nur ganz schwach berührt wurde, zeigte der Kopf des Thieres durch die angegebenen Zeichen die Empfindung an. Dies geschah selbst dann, wenn im Hinterkörper auch keine Spur von Reflexbewegung sichtbar wurde. Mehrere Mitglieder der Versammlung überzeugten sich durch eigene Versuche, dass selbst die schwächste Berührung oder Ziehen an einem Haar mit der Pinzette jedesmal vom Thier beantwortet wurde. Herr Schif nahm nun eine Zehe des Hinterfusses zwischen seine Finger. Das Kaninchen hob den Kopf unter den gewöhnlichen Zeichen, beruhigte sich aber bald, als die Zehe anhaltend fest gehalten wurde. Nun wurde, ohne den Ort der Berührung zu wech- seln, die Zehe zwischen den Fingern gekneipt, mit den Nägeln wurden die Weichtheile bis auf den Knochen zerquetscht und zerrissen, ohne dass das Thier jetzt die mindeste Empfindung zeigte. Derselbe Versuch wurde an einer andern Zehe mit dem Unterschiede angestellt, dass, nachdem das Thier sich vom Eindruck der Berührung beruhigt, die Zer- quetschung sehr rasch vorgenommen ward, auch hier keine Spur von Schmerzen oder Druckempfindung. Dass hier durch die vorausgegangene Erregung in Folge der Berührung keine Abstumpfung des Thieres vorhanden war, die seine Apathie erklären könnte, wurde dadurch bewiesen, dass man ein drittes Mal während vollkommen ruhig geduldeten Zerquetschens der Weichtheile, einen andern Punkt der Körperober- fläche, am Bauch oder am andern Hinterfuss leicht berührte. Sogleich reagirte das Thier und beruhigte sich wieder, während die Zerquetschung am zuerst be- rührten Theil noch fortgesetzt wurde. Diese Versuche wurden auch an den mit dichteren Muskelmassen besetzten Theilen des Unter- und Ober- schenkels wiederholt. Hier zeigte sich nun, dass das während des Druckes oder der Zerreissung ruhige Thier wieder in dem Momente reagirte, wo man den Finger vom Gliede entfernte. - Herr Helmholtz bemerkte, dass aus diesen Ver- suchen zwar klar hervorgehe, dass die Hinterstränge vorbehaltlich des Sectionsergebnisses auch ohne Mit- wirkung der grauen Substanz Gefühlsausdrücke aus ent- fernten Theilen des Hinterkörpers zum Hirn zu leiten vermöchten, dass man aber die Art, wie dies geschehe, auch so auffassen könne, dass diese Stränge — zum Unterschied gegen die graue Substanz — nur sehr grosse Schwankungen in der Intensität des Gefühles zum Bewusstsein brächten. Daher nur die Reaction beim Beginn und beim Aufhören der Berührung. Was ihn veranlasse, dieser Auffassung den Vorzug zu geben, sei der Umstand, dass er sich nicht mit der von Herrn Schiff vertheidigten Anschauung befreunden könne, dass das Gefühl der Berührung so wesentlich von dem des Druckes und des Schmerzes verschieden sei, und dass das eine ohne das andere bestehen könne. Zudem sei re ee 2 Me Me ja auch mehrmals die Aufhebung der Berührung von Reaction des Thieres begleitet gewesen. Herr Schiff bestreitet die Zulässigkeit der letzteren Auffassung einerseits nach pathologischen Beobachtungen, z.B. bei Bleianästhesie oder während der Aetherisation, wo beim Menschen erweislich das Berührungsgefühl ganz vollkommen fortbestanden, während alles Druck- und Schmerzgefühl erloschen gewesen sei. Andererseits sei auch das Ergebniss der Versuche nicht mit jener Auf- fassung im Einklang. Die Reaction beim Aufhören der Berührung trete, wenn man jede Erschütterung ver- meide, nur an solchen Stellen ein, wo sich viel Weich- theile befinden, die vom Nagel niedergedrückt würden. Ihre sofortige Erhebung bewirke eine Tastempfindung in den Nachbartheilen. Zwischen dem blosen Be- rühren und dem späteren Zerquetschen sei gewiss eine grosse Schwankung der Intensität, die nicht empfunden würde, während eine sehr leichte Berührung einer Nach- barstelle während des Zerquetschens, z. B. der Nerven, nur eine verhältnissmässig geringe Schwankung der Er- regung bewirke, die aber sogleich von Reactionen be- gleitet sei. Auch an und für sich sei die Berührung, als eine rein qualitative keiner Steigerung fähige Em- pfindung, vom Druck zu unterscheiden, der eine Quan- tität einschliesse. Es wird nur noch darauf aufmerksam gemacht, dass in neuester Zeit beim Menschen eine Krankheit mit er- höhter Schmerzempfindlichkeit und gänzlich fehlendem Berührungsgefühl beobachtet worden sei. Um zu zeigen, dass in den Theilen vor der Rücken- markswunde das Schmerzgefühl erhalten sei, und den Einwurf zu wiederlegen, dass, wie ein Mitglied der Versammlung glaubte, das Thier vielleicht Schmerz em- pfunden, aber denselben wegen allzugrosser Erschöpfung nicht äussern könne, wird die Haut des Halses und die Lippe des Kaninchens gekneipt, worauf es sogleich sehr energisch reagirt. Beim Kneipen der Öberlippe öffnet es den Mund um zu schreien. Das Kaninchen wird jetzt durch die Section des ver- längerten Markes getödtet und die Anwesenden über- zeugten sich, dass, soweit es am frischen Rückenmark erkennbar war, die Seitenstränge, die Vorderstränge und die gesammte graue Substanz völlig durchschnitten und sogar die Hinterstränge am Rande leicht verletzt waren. Herr Schiff macht darauf aufmerksam, und mehrere der Anwesenden stimmten ihm bei, dass eine solche Untersuchung des nicht gehärteten und gefärbten Marks immer nur eine annähernde Sicherheit über die Grenzen der Verletzung gestatte. 2. Durchschneidung einer Seitenhälfte des Rücken- marks. Anschliessend an den Vortrag des Herrn Schiff in der zweiten Sitzung der physiolog. Section und an den _ eben beendeten Versuch bemerkt ein Mitglied der Ver- "sammlung, dass Herr Schiff den Hintersträngen eine isolirte Leitung und zwar in der Weise zugesprochen 215 habe, dass jeder Hinterstrang die Leitung des Tastge- fühls der ihm entsprechenden Körperseite über- nehme. Dies stehe aber im Widerspruch mit den Er- gebnissen von Brown Sequard, der gefunden habe, dass nach‘ Durchschneidung einer Markhälfte die ent- sprechende Hälfte des Hinterkörpers hyperästhetisch, die andere Körperseite aber, deren Hinterstrang noch un- verletzt sei, völlig oder fast gefühllos wurde. Herr Schiff erwiedert, dass er schon vor längerer Zeit diese Angabe Browns als irrthümlich bezeichnet habe. Es sei ihm auch gelungen, die wahrscheinliche Ursache dieses Irrthums aufzufinden. Er liebe keine theoretischen Discussionen und da es die für die gegen- wärtige Sitzung anberaumte Zeit nicht erlaube, den Gegenstand zu erschöpfen, über welchen er sich übrigens ausdrücklich in seinem Lehrbuch der Physiologie aus- gesprochen, so wolle er hier nur den Hauptversuch vorzeigen. Einem tief ätherisirten Kaninchen wurde das Cer- vicalmark am 5. Wirbel blosgelegt und von der Mittel- linie aus eine Markhälfte (die linke) quer durchschnitten. Bald erwacht das Thier aus dem Aetherrausch und es zeigt sich nun, dass, so oft man den linken Fuss kneipt, das Thier ausserordentlich gesteigerte Zeichen von Em- pfindlichkeit gibt. Dies wird noch auffallender, als ein anderes gleich grosses unverletztes Kaninchen zum Ver- gleiche herbeigeholt wird. Aber auf der rechten Seite bringt Kneipen des Hinterfusses ebenfalls sehr ausge- sprochene Zeichen von Empfindung hervor, die sich von den entsprechenden Aeusserungen des gesunden Thieres nicht mit Bestimmtheit unterscheiden lassen. Es hat also keine bemerkbare Abnahme der Sensibilität auf der dem Schnitt gegen- überliegenden Seite stattgefunden. Herr Schiff bemerkte, dass er die Durchschneidung am Halsmarke vorgenommen habe, weil nach der Operation an dieser Stelle auch die vor dem Schnitt liegenden Theile und selbst die Kopfhälfte auf der Seite der Verletzung gegen Reize viel stärker als normal rea- giren. In der That erfolgte auf Kneipen des Nasen- lochs und auf Ziehen an einem Barthaare auf der linken Seite eine viel stärkere Reaction, als nach denselben Reizungen der rechten Seite. Herr Sehiff erinnert daran, dass nach seinen Ver- suchen eine vollkommene Hyperästhesie auf der Seite des Schnittes nicht bestehe, da zwar gegen Druck hier stärkere Reaction vorhanden sei, das eigentliche Tastgefühl aber, die Empfindung der Berührung auf dieser Seite fehle, während sie auf der andern erhalten sei. Man könne daher den Anschein von Hyperästhesie, welchen jetzt die linke Seite darbiete, auf die rechte Seite verlegen, wenn man das Thier durch Blutverlust sehr erregbar mache, und sich auf einfache Berührung ohne allen Druck beschränke. Herr Nasse bemerkt, dass jede einseitige Durch- schneidung der Nervencentra nicht blos im Rückenmark, sondern auch in der Medulla oblongata, bis zum Hinter- schenkel herauf, diese Hyperästhesie auf der verletzten Seite hervorrufe. 216 Herr Schiff erwidert, dass er solche Erscheinungen in der entsprechenden Körperhälfte, die er lieber „ver- mehrte Reaction“ als „Hyperästhesie“ benenne, da die wahre Erhöhung der Empfindung doch noch nicht völlig erwiesen sei, selbst nach Durchschneidung noch über dem Hirnschenkel gelegener Theile, nämlich der Sehhügel, beobachtet habe, nicht mehr aber nach einseitiger Durchschneidung der corpora striata. Aber der Erfolg nach der erwähnten Verletzung der Hirn- theile unterscheide sich von dem am Rückenmark da- durch, dass die stärkere Reaction am Kopf, und an den Extremitäten weniger ausgebildet sei und sehr bald wieder verschwinde. Die Reaction nach Reizung der Gesichtstheile, namentlich im Gebiet des Nervus trige- minus, sei aber stärker nach Verletzung der Hirnbasis als nach der des Rückenmarks. Die anatomische Untersuchung des getödteten Ka- ninchens zeigte, dass genau eine Hälfte des Rücken- markes an der bezeichneten Stelle quer und etwas schief nach hinten durchschnitten worden war. Ein Mitglied bemerkt, dass Herr Bezold in Würz- burg zu ganz ähnlichen Resultaten ‚gekommen sei, die er bald veröffentlichen würde. 3. Idiomuskuläre Contraction. Da die Zeit schon vorgeschritten war und bereits ein grosser Theil der Anwesenden sich entfernt hatte, beschränkte sich Herr Schiff darauf, nur einen Haupt- zug zu demonstriren, der auf die angeregte Debatte und die literarischen diesen Gegenstand betreffenden Ver- handlungen von grossem Einfluss ist. Er zeigt zunächst diejenige, nach directer mechani- scher Reizung entstehende Muskelcontraction an Ka- ninchen vor, welche er als „idiomuskuläre“ bezeichnet hatte, und macht darauf aufmerksam, dass sie, wie der Anschein lehrte, ganz verschieden von dem Zustande ist, den Herr Wundt in der Sitzung vom 18. September unter diesem Namen als Wirkung constanter galva- nischer Ströme beschrieben habe, wenn nicht etwa Herr Wundt diejenige anhaltende idiomuskuläre Zusammen- ziehung gemeint habe, welche Herr Schiff schon vor vielen Jahren ausschliesslich in der Gegend des nega- tiven Poles eines constanten, den Muskel durchziehen- den, galvanischen Stromes beschrieben. Herr Wundt bemerkt, dass die von ihm erwähnte Muskeleontraction allerdings von der hier vorgezeigten ganz verschieden sei, dass sie aber sich gleichmässig über das ganze dem Strome ausgesetzte Muskelstück verbreite. Herr Schiff zeigt nun an verschiedenen Muskeln, dass die idiomuskuläre Contraction keineswegs, wie man mehrfach vermuthet habe, nur eine geschwächte neuro- muskuläre Zuckung sei, die erst einige Zeit nach der Ab- schwächung des getödteten Thieres auftrete, sondern dass sie an demselben noch vollkommen reizbaren Muskelstück gleichzeitig mit einer neuromuskulären Zuckung, in Folge desselben mechanischen Reizes, entstehen könne, aber die neuromuskuläre Contraction stets rascher als die idiomuskuläre ablaufe. Die gene- tische Verschiedenheit beider Zuckungen gehe hieraus unläugbar hervor. Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Professor Helmholtz. Professor Kölliker aus Würzburg: Ueber den Ffeineren Bau der Schnecke im Ohre. Redner beschreibt vorzüglich den Bau des von ihm so genannten Lamina ritieularis cochleae, der Deckmem- bran des Schneckenkanals und der Acustieusendigung; da jedoch diese Untersuchungen in der mittlerweile er- schienenen dritten Auflage seines Handb. der Gewebe- lehre veröffentlicht sind, so wird auf dieses Werk ver- wiesen. Helmholtz glaubt auf den Punkt aufmerksam machen zu müssen, wie wichtig es sei, wenn die Einrichtung des Corti’schen Organs als eine Vorrichtung erkannt würde, jeden Ner- venzweig durch die besondere Schwingungsdauer des ihm entsprechenden Theils, nur für einen Ton empfind- lich zu machen. M. Schultze wünscht, dass im Verlaufe der nächsten Jahre ein For- scher das Corti’sche Organ durchgehend vergleichend anatomisch prüfe, Kölliker bemerkt,‘ dass die Grössendifferenzen der Theile des Corti’schen Organs nur minimal sind, die Theile scheinen h gegen die Kuppel zu länger zu werden. | Helmholtz hält die Längenmessungen für weniger wichtig, als die der Dicke. Professor Nuhn von Heidelberg: Ueber Zonula eiliaris. Die Natur der Fasern dieser Membran war bisher streitiger Natur. Die Membran hat 2 Schichten: die tiefere Schichte im hinteren Theil mehr homogen vorn mit deutlichen Fasern, die darüberliegende mit querdurch an die Linsenkapsel gehenden Fasern. Diese oberfläch- liche Membran mit schwachen Säuren behandelt, zeigt nach und nach statt dieser steifen, spitzwinklich ver- x bundenen Fasern, breitere Bänder, die man durch stärkere Säuren wieder in dünne Fasern zerfällen kan An jenen Bändern sind durch essigsaures Bleioxyd und Essigsäure in bestimmten Procenten Querstreifen nach- zuweisen, ohne dass bisher die vollständige Identitäi mit Muskelsubstanz, sei es chemisch, sei es durch polari sirtes Licht, sei es durch elektrische Reizung, nachge- wiesen werden konnte. Zeigt am Mieroscope die Resul- tate seiner Untersuchung. Kölliker bemerkt, dass schon verschiedene Autoren und bes. Finkbeiner in der Zonula Muskeln gesehen zu haben glauben, dass aber diese Muskeln sich bisher noch nicht bestätigt haben. Der Umstand, dass Herr Nuhn die Querstreifen erst nach Essigsäure-Zusatz schön habe auftreten sehen, spreche für Bindegewebe, von dem es seit Henle’s Erfahrungen bekannt sei, dass es durch Acidum aceticum oft täuschend das Ansehen von quer- gestreiften Muskeln annehme. — Nach Ansicht der von Herrn Nuhn vorgelegten mieroscopischen Präparate spricht Herr Kölliker bestimmt die Ansicht aus, die fraglichen Bündel seien Bindegewebe. Schiff: An Finkbeiner’s Präparaten erwies die chemische Reaction, dass von Muskelsubstanz keine Rede war. b) Helmholtz: Die Deutung des Befundes mag noch zweifelhaft sein, aber die Nuhn’schen Präparate sind höchst sehenswerth. Bruch hält die Mittheilungen Nuhn’s über das chemische Verhalten für das Bindegewebe weit entsprechender. Staatsrath v. Baer aus St. Petersburg "legt drei Schädel vor aus dem Grabe eines Seythen- _ königs. Der eine derselben, ein kurzköpfiger, zeigte die Charactere des Seythenschädels; ein zweiter, lang- köpfiger, mit pyramidal verlängertem Hinterhaupt, flachem Präsident: Professor van Beneden. Professor Virchow: Ueber den Bau der Ohrguallen. Der Redner beschäftigte sich zunächst mit der Upter- ‚suchung des Nervensystems dieser Thiere. — Von jedem der Chymuscanäle gegen den Rand des Thiere& geht ein Canal, der sich dann theilt und zu den Tentakeln läuft. Derselbe hat eine grössere Ausbuchtung, die ederseits einen ohrförmigen Anhang hat, sich in eine Spitze verlanieht. Auf dieser sitzt der Randkörper. er ganze Körper ist von einer nach aussen dünner erdenden Zellenlage bekleidet; innerhalb der Zellen- age findet sich das Pigment und die schon von Ehren- berg beschriebenen Crystalle. — In jüngeren Individuen ndet man statt derselben Zellen mit körnigem Inhalt, die später blasige Räume zeigen, in welchen sich die Crystalle entwickeln, die, allmälig wachsend, die Zellmembrane ganz ausfüllen. Die Crystalle sind ihrer 217 Jochbogen stimmt mit der eimbrischen Form überein. Der Seythenschädel ist verschieden von dem der Mon- golen, Türken, Finnen, und als einem eigenen Stamm zugehörig zu betrachten, der seythische Stamm kann unter den bekannten nicht untergebracht werden. Der Redner schlägt bei dieser Gelegenheit vor, mehr als bisher bestimmte Normen als diagonostische Hülfsmittel für die Classification der Schädel aufzustellen. Professor Virchow bemerkt, dass alle als celtische und eimbrische abge- bildeten Schädel durch eine Synostose der Pfeilnath nach früherer Mittheilung des Redners sich auszeichnen. Es lasse sich nicht läugnen, dass die Bezeichnung der meisten dieser Schädel als „celtische‘”‘ eine durchaus willkürliche gewesen sei, dagegen sei unter allen Synos- tosen keine so häufig als die der sutura sagittalis. Ob nun diese Synostose auch in den obigen Fällen als pathologisch zu betrachten ist. sei fraglich. Professor Schaaffhausen bemerkt, indem er sich auf seine Untersuchungen der ältesten Rassenschädel bezieht, dass das Vorkommen auffallend langer oder kurzer Köpfe in Verbindung mit früher Verwachsung der sut. sagittalis oder coronalis in ganzen Rassen so häufig vorkomme, dass man wohl diese Erscheinung als eine physiologische betrachten dürfe, indem diejenigen Nähte offen bleiben, die das Wachsthum des Gehirnes in einer bestimmten Richtung gestatten, und durch dasselbe an der Verwachsung gleichsam gehindert werden. Auch sei Schiefheit des Schädels nicht immer pathologisch, sondern häufig durch mechanische Ursachen hervorgebracht, wobei er eine Mittheilung des Herrn v. Siebold über die Ja- paner anführt. Zoologische Abtheilung. chemischen Zusammensetzung nach unbekannt, jedenfalls sind sie nicht kohlensaurer Kalk. In dem innern Theil der Randkörper finden sich zellige Elemente und granu- löse Zwischenmasse. Das Verhältniss des Körpers zum Chymuscanal lässt sich nicht bestimmter ermitteln; eben so wenig lassen sich bestimmte nervöse Elemente er- kennen. — Die Deutung des Organs als Sinnesorgan ist nicht zu bezweifeln, dagegen glaubt der Redner dasselbe nach seiner Entwicklung eher als Gehörorgan, als als Auge betrachten zu müssen. Mechanische und chemische Reize desselben erregen besonders heftige Zusammenziehungen des Thieres. Ausserdem beschäftigte sich der Redner mit der Untersuchung der Structur des Grundgewebes des Thieres. Derselbe konnte sich, entgegen von Schulze, nicht von dem Vorhandensein anastomosirender Zellen üherzeugen. Allerdings existiren Zellen mit Ausläufern, er hält dieselben jedoch zum Theil für erst nach dem Tode eingetretene Veränderungen, ähnlich wie dies bei den Knorpelzellen vorkommt. In Betreff der Structur der Muskellage stimmt der 28 218 Redner mit Sehulze dahin überein, dass dieselbe aus quergestreiften Elementen besteht; übrigens gelang es ihm, kernhaltige Fasern zu sehen, die sich gegen den Rand hin oft deutlich isolirten. Contraetionen sind auch an den Chymusgefässen und an den ohrförmigen An- hängen der receptacula zu sehen. Die epithelialen Bildungen fand der Redner überall, auch an den Ueberzügen innerer Theile, von Nessel- organen begleitet. Die Entwickelung derselben konnte stets im Innern zelliger Elemente verfolgt werden. Al- kalien wirken auf dieselben in ähnlicher Weise wie auf die Cilien erregend. Man sieht die Nesselfäden bald mit den Köpfen, bald mit den Spitzen hervortreten. M. Schulze glaubt aus seinen Untersuchungen über das gallertige. Bindegewebe bei Rochen und Haien eine Unterstützung für seine frühere Ansicht über das Grundgewebe der Medusen entnehmen zu dürfen, da dort in ähnlicher Weise anastomosirende Bindegewebs- körperchen sich finden. Kölliker bemerkt, dass er bei einzelnen Medusen sowohl Augen als Gehörorgane gefunden habe; er glaubt mit Virchow, dass das blose Vorhandensein von Pigment nicht ver- anlassen dürfe, ein Sinnesorgan als Auge zu deuten. Rücksichtlich des Grundgewebes bemerkt er, dass er mehrfach auch bei Medusen im gallertigen Bindgewebe sternförmige Zellen mit Fortsätzen, nicht aber anasto- mosirende Zellen gesehen habe. Die Entwickelung der Nesselorgane in Zellen hat der Redner schon früher beobachtet, ebenso die Querstreifung der Muskeln. M. Schulze erwähnt, dass F. Müller bei mehreren Medusen ein übrigens lediglich aus Zellen bestehendes Nervensystem aufgefunden hat. Professsor Nordmann, zur Osteologie von fossilen Bären. Der Redner zeigt eine Reihe von Abbildungen, nach selbstver- fertigten Präparaten vor. Professor Jan aus Mailand macht Mittheilungen über ein von ihm herauszugebendes Kupferwerk über Schlangen, wozu bereits 750 Species beschrieben und abgebildet sind. Die Zahl der sowohl das ganze Thier als characteristisches Detail enthaltenden Tafeln beträgt über 1300, ausserdem 98 mit Schädel- bildungen; sie sind vonM. T.Sordelli sämmtlich nach der Natur gezeichnet, und wurde der Versammlung eine Auswahl zur Ansicht vorgelegt. Der Vortragende sprach dabei den Wunsch aus, von den Anwesenden, besonders den Herren Vorstehern zoologischer Sammlungen durch Mittheilung ‘von Schlangen zur Bestimmung und Be- schreibung unterstützt zu werden, wie dieses schon von Seiten vieler öffentlicher Museen geschehen sei. Die Diagnosen der nicht in Dumeril und Bibron’s Herpetologie generale enthaltenen Arten sollen gleichzeitig in Guerin-Meneville’s Revue de Zoologie und in Troschel’s Archiv der Naturgeschichte veröffentlicht werden. Das Werk wird in einzelnen Monographien erscheinen, welchen vorausgehen soll: ein Programm in Bezug auf die Details der Herausgabe und ein Pro- * dromus, der die Vertheilung der Arten und die in Bezug auf Bestimmung und Classification angenommenen Grund- sätze auseinandersetzt. Der Vortragends spricht die Hoff- nung aus, durch die rege Theilnahme der Gelehrten des Fachs sowohl die Vollständigkeit des Werkes geför- dert, als auch die Schwierigkeit der Veröffentlichung überwunden zu sehen. Professor Kölliker: Ueber Kopfkiemer mit Augen an den Kiemen. Herr Kölliker fand im Herbst 1857 in Schottland (an der Lamlashbay der Insel Arsan) eine merkwürdige Annellide aus der Gruppe der Serpuleen, die bereits Dalyell unter dem Namen Amphitrite bombyx abgebildet, aber nicht richtig erkannt hat. Dieselbe trägt am Kopf zwei Büschel Kiemen, jeder aus 13—30 Strahlen gebildet, welche Strahlen an der dem Munde zugewendeten Seite mit zwei Reihen Nebenstrahlen, an der entgegenge- setzten mit 18— 20 Paaren Augen versehen sind. Die Augen sind zusammengesetzt und bestehen jedes aus 15— 18 einfachen Sehorganen, an denen eine Pigmenscheide, ein lichtbrechender kegelförmiger Körper und eine von der Cuticula gebildete Hornhaut zu unter- scheiden sind. Hinter jedem zusammengesetzten Auge sitzt ein blattförmiges bewegliches Organ, welches, wenn das Thier in seine häutige Röhre sich zurückzieht, das Auge wie ein Deckel schützt. Weiteres Detail über diese von Herrn Kölliker Branchyomma Dalyelli genannte Annellide siehe in Zeitschr. f. wiss. Zool., v. Siebold und Kölliker, Bd. IX. S. 536. Einen zweiten Kopfkiemer mit Augen an den Kiemen fand Herr Kölliker schon vor Jahren in Neapel; doch war derselbe damals nicht in der Lage, denselben ge- nauer zu untersuchen, und kann nur mittheilen, dass derselbe an sechsen von den acht Kiemenstrahlen in einiger Entfernung vom Kopf im Ganzen 8 ebenfalls zusammengesetzte Augen trug. Van Beneden theilt eine ähnliche Beobachtung an einem der Zabella ähnlichen Thiere mit, bei dem die Augen an den Spitzen der Kiemenfäden sich befanden. W. Neubert aus Stuttgart: Einige Worte über die Familie der Affen. Es könnte auffallend erscheinen, wenn die Zoologen über dasjenige Thiergeschlecht, welches in seiner Kör- perbildung die meiste Aehnlichkeit mit dem Menschen hat, in verschiedenen Punkten wenig oder gar keinen Aufschluss hätten, und dennoch ist dies theilweise der Fall. Der hauptsächlichste Grund mag wohl darin liegen, dass die einzelnen Species dieses so zahlreichen Ge schlechts so unendlich verschieden von einander sind, dass also irgend eine Erscheinung, welche bei einer Species stattfindet, und von Einem beobachtet wurde, bei einer andern Species fehlt, also nothwendig von einem Andern geleugnet werden muss. Ferner ist es Thatsache, dass eine Menge von Arten unser Klima nicht erträgt, und in Europa zu Grunde geht. Ausser- dem ist aber auch nicht ausser Acht zu lassen, dass die Veränderung des Klima’s, wenn es fremden, namentlich tropischen Thieren auch nicht den Tod bringt, doch so stark auf dieselben einwirkt, dass sie manche Erschei- nungen in ihrem natürlichen Wesen verändert, ja manch- mal ganz aufhebt. Als einen solchen Punkt, der in der Naturgeschichte der Affen von Einigen behauptet, von andern bestritten wurde, möchte ich die Men- struation und die geschlechtlichen Verhält- nisse bezeichnen. Da ich seit dem Jahre 1830 immer eines oder mehrere dieser Thiere hatte, bis jetzt gegen 50 Exem- plare, so war mir hinlänglich Gelegenheit gegeben, ge- naue Beobachtungen anzustellen. Ich führte im Interesse der Aufklärung der bestrittenen Punkte sorgfältige Listen über die Menstruationserscheinungen, und überzeugte mich, dass es nicht, wie von einigen Seiten behauptet wurde, blos eine zufällig hie und da vorkommende blutige Ausschwitzung, sondern eine alle Monate so regelmässig wie bei dem Menschen eintretende wirkliche Men- struation ist, die gewöhnlich 3 bis 4 Tage dauert. Die erste Aeffin, an welcher ich diese Beobachtung an- stellte, war eine Javanerin (Simia Sabaea) , welcher in den folgenden Jahren nicht nur verschiedene gleiche oder ähnliche, sondern auch ganz andere Arten (z. B. Laponter, Harlekin, Mohrenkopf ete.) folgten, bei welchen ich jedoch in diesem Punkte keine Verschiedenheit be- merkte. Als ganz besondere Eigenthümlichkeit fand ich, dass die Menstruation von dem Monat Juli auf August jedes Jahr etwas unregelmässig wurde, oder auch ganz übersprang. Zwischen einzeln lebenden Weib- 'ehen, und zwischen solchen, welche mit Männchen zusammen lebten und gesellschaftlichen Um- gang pflegten, konnte ich in Beziehung auf die enstruationserscheinungen keinen Unterschied wahr- nehmen. — Wenn eine Befruchtung stattfand, so blieb die Menstruation aus, der geschlechtliche Umgang aber rde das ganze Jahr hindurch nicht nur während der enstruation, sondern auch eine längere Zeit der chwangerschaft fortgesetzt, und zwar in einer Häufig- keit, welche bei diesem Thiergeschlecht längst sprüch- wörtlich ist. Ausser den in meinem eigenen Besitz befindlichen Arten beobachtete ich noch eine grosse Anzahl fremder, d fand stets die Erscheinung als die gleiche, ich musste desshalb nach den an so vielen Exemplaren in einem angen Zeitraum gemachten Erfahrungen nothwendig der strengste Vertheidiger der Behauptung einer regel- mässigenMenstruation der Affen werden. Wie man aber, selbst wenn man glaubt ein Geheimniss völlig ergründet zu haben, niemals die Beobachtungen ganz aufgeben darf, so war es auch bei mir in dieser Sache, } 219 denn sie führten mich auf Etwas, das ich sonst noch nirgends erwähnt fand. Sämmtliche Affen, an welchen ich früher meine Beobachtungen anstellte, gehörten der alten Welt an, und erst seit neueren Jahren besitze ich mehrere Arten aus der neuen Welt (Amerika). Bekanntlich unter- scheiden sich die Affen der alten und der neuen Welt durch einige ganz besondere Kennzeichen von einander, nämlich die der alten Welt im Durchschnitt durch den Besitz von Backentaschen und Gesäss- sehwielen, welche beide Theile sämmtlichen Affen der neuen Welt fehlen; dagegen besitzen verschiedene Arten der neuen Welt Wickel- schwänze, welche bei keiner Art der alten Welt vorkommen. Das erste Pärchen Affen aus der neuen Welt erhielt ich im Jahr 1849 aus London. Diese Tbierchen wechselten bei mir die Zähne; man kann also annehmen, dass sie später, wenn nicht zeugungsfähig, doch wenigstens begattungslustig sein sollten, allein es zeigte sich weder eine Menstruation, noch irgend eine Neigung zur Begattung bei ihnen, und sie starben zuletzt, ohne dass sich eine dieser beiden Er- scheinungen gezeigt hätte, wahrscheinlich, weil ihnen, wie so vielen zärteren südamerikanischen Arten, unser Klima nicht zuträglich war. Im Jahr 1853 erhielt ich wieder einen Südameri- kaner (Kapuzineraffe, Weibchen, dem ich das Jahr darauf ein Männchen beigesellte), allein auch bei diesem zeigte sich bis jetzt, da es doch wenigstens 7 Jahre alt ist, weder Menstruation noch Geschlechtstrieb, und das Männchen verräth, obgleich vollkommen ent- wickelt und häufig Ereetionen habend, niemals eine Neigung zu ehelicher Verbindung. Vor zwei Jahren erfuhr ich von einem Bekannten, welcher auch ein Pärchen südamerikanischer Affen, und schon mehrere Mal Junge von ihnen bekommen hat, dass dieselben jedes Jahr zweimal in Brunst gerathen und dann in dieser Zeit geschlecht- lichen Umgang pflegen, welcher ausser dieser Zeit nicht vorkommt. Dies gab mir den ersten Wink, dass in dieser Beziehung ein grosser Unterschied zwischen den Affen der alten und denen der neuen Welt stattfinde, und ich forschte deshalb der Sache um so genauer nach, weil ich es für wichtig hielt, einen sicheren Aufschluss über diesen meines Wissens noch unbekannten Umstand zu erhalten. Ich verschaffte mir zu diesem Zwecke ein Pärchen von der gleichen Art, und beobachtete, dass das Weibehen im August in Brunst kam, und alsdann das unerfahrene Männchen mit grossem Eifer zu geschlechtlichem Umgang auf- munterte, welcher 8—10 Tage gepflegt wurde, ohne jedoch eine Schwangerschaft zur Folge zu haben. Es scheint dies die erste Brunstzeit bei diesen Thierchen gewesen zu sein, da sie noch ziemlich jung sind, und deshalb mag wohl auch keine Befruchtung stattgefunden zu haben. Die Zukunft wird lehren, ob die Brunst in der von meinem Bekannten angegebenen Zeit (Mai und August) regelmässig wiederkehrt. Menstruirt hat dieses 28 * 220 Weibehen auch noch niemals, wie meine anderen amerikanischen Exemplare, es fand auch während der Brunstzeit keinerlei Ausfluss statt, dagegen aber war während der Brunstzeit eine nicht unbedeutende Anschwellung der Geschlechtstheile zu be- merken. Ich werde nicht ermangeln, die dahin bezüg- lichen Beobachtungen noch ferner fortzusetzen, zu wel- chem Zwecke ich auch, sobald sich Gelegenhelt bietet, noch einige weitere Exemplare acquiriren werde. Vor- läufig scheint aus den seither gemachten Beobachtungen die Regel hervorzugehen, dass die Affen der alten Welt eine wirkliche Menstruation und das ganze Jahr hindurch dauernde Begattungs- und Befruchtungsfähigkeit besitzen, während die Affen der neuen Welt nieht menstruiren, sondern eine in gewisser Jahreszeit eintretende Brunst- zeit, und ausserhalb derselben keine Begat- tungslust und keine Befruchtungsfähigkeit haben. Sehr interessant wäre es, zu erforschen, ob die Affen der alten und der neuen Welt sich unter einander begatten, und noch mehr, ob eine solche Begattung von fruchtbaren Folgen wäre? — Dass sich verschiedene Arten der alten Welt unter einander und zwar mit Erfolg begatten, ist ganz sicher, und zwar wurde erst in neuester Zeit in dem zoologischen Garten des Cafetier Werner in Stutt- gart der Beweis geliefert, indem eine einzelne La- ponteräffin von einem Javaneraffen befruchtet wurde, allein leider starb das Junge unter der Geburt, und nachher die Mutter am Milchfieber. Fünfte Sitzung am 22. September 1858. Dr. Wilh. Manz aus Freiburg i. B.: Ueber eigenthümliche Drüsen in der Conjunctiva bulbi einiger Thiere. G. Meissner fand in der Augapfelbindehaut des Rindes eigenthümliche, den Schweissdrüsen ähnliche Organe, welche er mir zur genaueren Untersuchung überliess, deren Ergebnisse ich mir hier mitzutheilen erlaube. Ich fand zur Darstellung der fraglichen Gebilde folgende Methode am zweckmässigsten: die Conjunctiva bulbi wird in einer Entfernung von 2—3'" vom Horn- hautrande ringsum durchgeschnitten und von der unter- liegenden ‚Selera so abpräparirt, dass das Präparat so viel des subconjunetivalen Bindegewebes behält, als seine zur mieroscopischen Untersuchung nöthige Durchsichtig- keit gestattet. Ist man mit dieser Trennung bis zur Cornea selbst gelangt, so wird der abgelöste Bindehaut- lappen hier abgeschnitten und auf eine Glasplatte aus- gebreitet. Die Stellen, wo man nun die Drüsen findet, sind der untere und innere Cornealrand, und zwar liegen die Drüsenausführungsgänge diesem sehr nahe, während die Drüsenknäuel weiter nach rückwärts und mehr im subeconjunctivalen Bindegewebe zu suchen sind. Die Ausführungsgänge sind Schläuche von einem Durch- messer, der an verschiedenen Stellen verschieden ist, im Mittel jedoch beim Kalbe 0,02 — 0,03‘, beim Ochsen etwas mehr beträgt, welche in mehr oder weniger starken Windungen die Conjunctiva durchziehen und mit kolben- förmig angeschwollenen Enden auf deren Oberfläche münden. Gewöhnlich gehörte je einer solcher Ausfüh- rungsgänge einer besonderen Drüse an; doch fand ich einigemal Drüsen, welche einen durchaus doppelten, oder wenigstens im Verlauf sich theilenden Ausführungs- gang besassen. Die Drüsenknäuel, an Zahl selten mehr als 6—8 auf jedem Auge, bestehen aus den Windungen und Durchschlingungen, welche der Drüsenschlauch inner- halb einer besonderen, zarten, bindegewebigen Kapsel macht. Sein Durchmesser bleibt beim Kalbe derselbe, wie ausserhalb der Kapsel, beim Ochsen wird er darin etwas kleiner. Eine besondere Structur verräth der Schlauch an keiner Stelle seines Verlaufs, mit Aus- nahme einiger Andeutungen eines seine Innenfläche aus- kleidenden Epithels. Sein Inhalt besteht zum grössten Theil aus einer feinkörnigen Masse, in der jedoch da und dort grössere Kerne und Zellen, nie aber Fetttropfen zu erkennen sind. Eine physiologische Deutung der beschriebenen Drüsen wage ich nicht zu geben. Wenn einerseits ihre anatomische Beschaffenheit sie den Schweissdrüsen der äusseren Haut gewiss nahe stellt, so werden wir uns doch kaum zu der Annahme einer Schweisssecre- tion auf der Conjunctiva am Hornhautrande verstehen können. Von andern Thieren, deren Bindehäute ich nach solchen Drüsen durchsuchte, fanden sie sich nur noch bei der Ziege. Dagegen bot die Conjunctiva bulbi des Sehweins drüsige Gebilde ganz anderer Art. Die Stelle, wo sie bei diesem Thiere vorkommen, ist in der Regel wiederum die nächste Umgebung der Cornea, und zwar deren innerer und äusserer Rand; jedoch fand ich die Drüsen oft genug auch an der äusseren, nur sehr selten an der oberen Seite der Hornhaut. Sie erscheinen schon dem unbewaffneten Auge als feine Löcher im Gewebe, da sie meistens einen Durchmesser von 0,03 bis 0,05“ besitzen. Unter dem Mieroscop erweisen sie sich als helle rundliche Bläschen, welche in die Fächer eines aus Bindegewebe bestehenden Gerüstes eingebettet sind. Bei stärkerer Vergrösserung sieht man auf den Bläschen Oeffnungen von ovaler Form und eirca Yo" Durchmesser, welche von einem gleichfalls ovalen Wulste, der das Lumen der Oeffnung um das Drei- bis Vierfache an Breite übertrifft, umgeben sind. Der Wulst wiederum ist von einem tiefen Schatten eingefasst — wohl nur der optische Ausdruck eines kurzen Halses, auf dem jener sitzt. Einigemal sah ich vor der Oeffnung 4— 6 zarte, radienförmig gestellte Streifen nach dem Rande des Wulstes hinziehen. Ausser der Einfassung, welche die conzentrisch geordneten Faserzüge des Gerüstes um das Bläschen bilden, lässt diesss manchmal noch seine besondere, feine Hülle erkennen. Der Inhalt der Drüs- chen besteht aus einer krümeligen Masse, freien Kernen aus lichten, rundlichen Zellen, welche oft die regel- mässige Lagerung eines Epithels zeigen. Die Säckchen liegen in der Regel in 2— 3 Reihen geordnet, deren jede ungefähr 20— 30 von ihnen enthält; doch erleidet diese Anordnung viele Ausnahmen. Nicht immer näm- lich sind die Bläschen in ein Gerüste eingelagert, sondern es liegen viele frei und ohne besondere Einfassung im Gewebe der Conjunetiva; die meisten sind bis zur Hälfte mit schwarzem Pigment bedeckt. Das Fasergerüst er- hält aus einem Gefässe, welches die drüsenhaltige Parthie von der übrigen Bindehaut abgrenzt, Zweige, welche ich aber nie auf die Bläschen selbst über- gehen sah. Auch bei diesen der Schweinsconjunetiva angehö- rigen Drüsen ist die physiologische Deutung eine sehr schwierige, um so mehr, als hier die Analogie des Baues mit andern im Körper vorkommenden drüsigen Organen wegfällt; sie als pathologische Neubildungen aufzufassen, erlaubt mir das constante Vorkommen bei der ziemlich grossen Zahl von Schweinsaugen,, welche ich untersuchte, nicht. Die Existenz von Oeffnungen, wie sie die Bläschen zeigen, führte gewiss unmittelbar zur Annahme einer Secretion, deren Product wir aber einfach als einen Bestandtheil der Conjunctivalfeuchtig- keit betrachten müssen. Professor Esmarch aus Kiel bestätigt die Angabe für Kälber und Rinder. Die Drüsen sind mit blossem Auge sichtbar und ihr Ausgang durch ein schwarzes Pünktchen characterisirt. Stromeier ist mit Untersuchung dieser Angelegenheit beschäftigt. Die Lymphdrüsen hält dieser für krankhaft. Professor Bruch und Professor Meissner betheiligen sich an der Discussion, letzterer hebt die Differenz der Schweiss- drüsen von Manz und der Lymphdrüsen von Stro- meier hervor. Privatdocent Dr. C. Voit aus München: Ueber Temperaturverhältnisse am Ohr nach der Sympathicus-Durchneidung und über die Messung derselben. Bernard hat bekanntlich die schöne Entdeckung gemacht, dass nach der Durchschneidung des Hals- stamms des Sympathicus eine Erhöhung der Temperatur an der entsprechenden Kopfhälfte eintritt. Eine Anzahl von Forschern hat sich weiterhin bemüht, die Erschei- nungen nach dieser Operation und die nächsten Ursachen dieser Erscheinungen näher zu studiren; es steht durch Brown-Sequard, Schiff, Callenfels u. A. fest, dass die Temperatursteigerung an der verletzten Seite 221 Hand in Hand geht mit einer Gefässerweiterung, her- vorgerufen durch eine Lähmung der Gefässmuskeln, und dass die Gefässerweiterung den nächsten Grund zur Erhöhung der Wärme abgibt. Die Gefässerweiterung zieht nach physikalischen Gesetzen eine Reihe von Folgen nach sich, die mir jedoch’ noch nieht gehörig klar erkannt zu sein scheinen ; überdies hat die Messung der Temperatur ihre Schwie- rigkeiten, auf die man ebenfalls noch nicht genug auf- merksam gewesen ist. Es war nämlich Herrn Professor Bischoff und mir zum öftern unmöglich, nach Durch- schneidung des Sympathieus auf einer Seite, trotz der vorhandenen Gefässfülle, eine Differenz der Temperatur an den beiden Ohren im äussern Gehörgang zu finden. Ich wünschte über den Sachverhalt in’s Reine zu kommen und machte desshalb eine Anzahl von Messungen der Temperatur am Kaninchenohr bei verschiedener Gefäss- fülle, vor und nach der Sympathieus-Durchschneidung; meine dabei gemachten Erfahrungen dürften dabei nicht ohne Interesse sein. Wir wissen, dass die Gefässe des äussern Ohrs beim Kaninchen solchen Durchmesser-Schwankungen nicht allein nach der Durchschneidung des Sympathieus un- terworfen sind, sondern dass diese normal durch ver- schiedene Verhältnisse hervorgerufen werden. Durch Kälte oder Wärme, electrische, chemische oder mecha- nische Reize können die Gefässe stark mit Blut ange- füllt oder auch sehr leer werden. Ausser diesen zeitweisen An- und Abschwellungen sieht man beim Kaninchen, wie Schiff zuerst gezeigt hat, einen mehr regelmässigen, rhythmischen Wechsel in der Blutfülle der Ohrgefässe. Betrachtet man die Ohren dieser Thiere bei durchscheinendem Lichte, so sieht man die Gefässe, und man bemerkt bald einen sehr ungleichen Durch- messer derselben zu verschiedenen Zeiten. Es sind diese nämlich bei demselben Thier, derselben äussern Temperatur und bei Vermeidung jeglichen Reizes einmal ganz dünn und blass, etwas später aber ungemein aus- gedehnt und strotzend mit Blut gefüllt, worauf dann wieder eine Zusammenziehung folgt. Schiff deutete diese rhythmischen Bewegungen als hervorgerufen durch ein accessorisches Arterienherz, da er einen regelmässi- gen Wechsel wahrgenommen haben will. Schon Don- ders und Callenfels haben sich gegen diese Auf- fassung von Schiff ausgesprochen ; ich bemerke nur, dass ich ebenfalls nicht die geringste Regelmässigkeit im Rhythmus habe entdecken können. Ich unterzog mich einmal der langweiligen Arbeit, während einiger Stunden - ein vor mir sitzendes Kaninchen zu beobachten; das Thier hielt sich unter Tags in meinem Zimmer auf und war an Berührung durch Menschenhand gewöhnt, da es seit längerer Zeit zu andern Zwecken mehrmals des Tages abgewogen und gefüttert wurde. Die Gefässe des Ohrs blieben manchmal 5—10 Minuten lang mit Blut stark gefüllt, dann wieder eben so lang blass, so dass ich öfters geraume Zeit davor sitzen musste, um nur ein einziges Mal die An- und Abschwellung beob- achten zu können. Nun kommt aber hie und da die Abwechslung zwischen Füllung und Abnahme so rasch, 222 dass man sie kaum mit der Seeundenuhr verfolgen kann; die Gefässe sind z. B. voll, nehmen zusehends immer mehr ab, bis man endlich nur einen blassen feinen Faden sieht, und plötzlich schiesst das Blut wieder ein. Man findet jedoch auch, aber nicht in den meisten Fällen, einige Zeit lang einen ziemlich regelmässigen Gang. Diese so wechselnden Bewegungen können nicht von einer gleichmässigen Bewegungsursache, einem sich regelmässig ceontrahirenden Herzen herrühren. Denn die Schwankungen sind unmöglich dadurch hervorge- bracht, dass die Kaninchen erschreckt waren und das accessorische Herz sich desshalb einmal lange in Systole befand und dann lange in Diastole; die Thiere waren an mich so gewöhnt und die Zeit der Beobachtung so lang, dass solche Gemüthsaffeete nicht störend in das Resultat eingreifen konnten. Da die An- und Ab- schwellungen der Gefässe, wie ich vielmals beobachtet, an beiden Ohren ganz, gleichmässig geschehen, so dass, wenn ein Ohr blass wird oder sich füllt, im nämlichen Moment das andere dasselbe thut, so scheint dies Ver- halten auf eine gemeinschaftliche Ursache der Bewe- gungen für beide Ohren hinzudeuten. Es ist klar, dass je nach der Füllung der Gefässe mit Blut sich die Wärmeabgabe an die Haut der Ohren ändern muss; bei stark gefüllten Gefässen wird offenbar mehr Wärme abgegeben, als bei schwach gefüllten. Das Blut hat nahezu immer die nämliche Temperatur- höhe, nur kreist es durch verschieden weite Röhren; die Theile, die durch das Blut erwärmt werden, haben immer die gleiche Oberfläche und gleichen Rauminhalt. Haben die Röhren einen grössern Durchmesser, so fliesst in derselben Zeit mehr von der warmen Flüssigkeit hindurch; sind nun die umgebenden Theile kälter als das Blut, so wird an diese Wärme abgegeben, und zwar wird, weil durch die diekern Röhren mehr wärmende Flüssigkeit fliesst, von diesen mehr Wärme in derselben Zeit weggehen, als von engen. Denken wir uns nun, es fände von der Haut der Ohren gar keine Wärmeabgabe Statt, so würde das Ohr mit weitern Gefässen, weil es mehr Wärme geliefert erhält, viel schneller warm werden, nach und nach nimmt es aber die Bluttemperatur an und kann von da an sich nicht mehr höher erwärmen; das Ohr mit engen Gefässen wird, weil es weniger Wärme zugeführt be- kommt, in derselben Zeit eine niedrigere Temperatur zeigen, zuletzt aber, freilich nach einem längern Zeit- abschnitt als beim Ohr mit weitern Gefässen, wird auch es die Bluttemperatur annehmen, weil nichts von der zugeführten Wärme verloren geht. In der weitern Röhre haben wir nicht nur mehr wärmende Flüssigkeit, sondern auch einen raschern Strom derselben, so dass immer neue noch nicht abge- kühlte Schichten zugeführt werden; von demselben Volum warmer Flüssigkeit wird zwar bei stärkerm Fliessen weniger Wärme weggehen, die Flüssigkeit wird wärmer abfliessen, absolut aber wird dennoch mehr Wärme abgegeben, da mehr wärmende Flüssigkeit vor- beiströmt. Die Erkaltung derselben Flüssigkeitsmenge ist, wenn sie in ein Gefäss mit grösserm Durchmesser eingeschlossen ist, geringer, weil dieOberfläche dadurch kleiner wird; es wird also bei weitern Röhren, die die- selbe Flüssigkeitsmenge fassen, weniger Wärme abfliessen; in unserm Fall aber, wo mehr Flüssigkeit durch die weitere Röhre strömt, wird absolut mehr Wärme ab- gegeben, wenn auch dasselbe Volum Flüssigkeit weniger abgibt als bei engerer Röhre. Ist der Durchmesser der Gefässe doppelt so gross, so strömt vier Mal so viel wärmende Flüssigkeit durch. Die Wärme abgebende Oberfläche ist doppelt so gross und die Geschwindigkeit ohngefähr noch einmal so schnell. Aus diesen Gründen wird von weitern Gefässen ab- solut mehr Wärme nach Aussen abgegeben, jedoch strömt bei ihnen die wärmende Flüssigkeit wärmer zurück. Ist aber die Wärmeabgabe nach Aussen vom erwärmten Theil ganz gehemmt, so löst sich die Er- wärmung desselben nur in eine Zeitfrage auf; bei wei- tern Gefässen wird nur im Anfang die Temperatur eine höhere werden, später nehmen die Theile, mögen die Gefässe weit oder eng sein, die Temperatur der durch- strömenden Flüssigkeit an. Diesen Fall haben wir vor uns, wenn man die Körperwärme mit einem 'T’hermo- meter, der die Wärmeabgabe an dem betreffenden 'Uheil ganz hindert, messen will; das Instrument wird zuletzt unter allen Umständen die Bluttemperatur zeigen; es wird nur in der ersten Zeit das Thermometer bei wei- tern Gefässen einen höhern Standpunkt zeigen als bei engern, die Geschwindigkeit des Steigens ist also sehr ungleich. Wird das Instrument in den äussern Gehör- gang geführt und füllt es diesen ganz aus, so bekommt man immer einen gleich hohen Stand desselben. Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn der erwärmte Theil nicht abgeschlossen ist und wieder Wärme abgibt, wie es für gewöhnlich beim Ohr der Fall ist, das von der Luft umgeben ist; es wird der Theil nie die Bluttemperatur annehmen, sobald der äussere Raum kälter als das Blut ist. Es sind hier drei Arten der Wärmeabgabe nach Aussen möglich: durch Strahlung, Leitung und Wasserverdunstung. Die Wände des Ohrs bekommen, wie schon gesagt, bei weitern Gefässen mehr Wärme zugeführt; würde nun von einem Ohr mit weiten Gefässen die nämliche Menge Wärme nach Aussen abgegeben wie von einem Ohr mit engen Gefässen, so müsste nothwendig das Ohr mit weiten Gefässen eine viel höhere Temperatur zeigen als das mit engen, und zwar nach Verhältniss des Gefässdurchmessers; je weiter die Gefässe sind und je rascher der Blutstrom ist, desto mehr wird sich ‘die Temperatur des Ohrs der des Bluts nähern. Nun ist aber Folgendes zu berücksichtigen. Es richtet sich die Wärmeabgabe durch Strahlung und Leitung vom Ohr nach Aussen einmal nach dem Unterschied der Ohr- wärme und der der Luft; bekommt nun ein Ohr durch weitere Gefässe mehr Wärme zugeführt, so wird wegen der grössern Temperaturdifferenz auch mehr Wärme wieder abgegeben, als beim Ohr mit engen und dadurch die Wärme des Ohrs bei doppelt so grosser Zufuhr nicht doppelt so hoch werden, da wir wissen, dass bei Tem- peraturüberschüssen von 40— 50° die Erkaltung pro- portional dem Temperaturüberschuss ist. Eine etwas höhere Temperatur wird aber jedenfalls im Ohr mit weiten Gefässen bleiben, da die höhere Temperatur den Grund zur grössern Wärmeabgabe liefert. Bei der Strahlung und Leitung ist die Bewegung der Luft sehr wichtig; bei jeder auch noch so kleinen Bewegung er- folgt, wenn auch das Thermometer sich nieht von der Wand des Ohrs entfernt, ein Sinken der Quecksilber- säule. Durch eine stärkere Wärmeabgabe entsteht eine raschere Luftströmung nach oben und so wieder eine schnellere Wärmewegnahme; es ist daher von Wichtig- keit für die Ableitung, ob die Ohren senkrecht stehen oder liegen. Eine weitere Verminderung der Wärme ausser durch die vermehrte Temperaturdifferenz geschieht durch die grössere Verdunstung bei weitern Gefässen. Wir wis- sen, dass an der Haut die Wärmeabgabe durch Wasser- verdunstung eine sehr grosse ist; durch die vermehrte Verdunstung wie durch die grössere Temperatur-Diffe- renz geschieht es, dass wenn auch der Haut durch wei- tere Gefässe mehr Wärme zugeführt wird, sich die Temperatur der Haut nicht über eine gewisse Höhe erhebt. Dieselben Verhältnisse sind es ja, die über- haupt die Wärme unsers Körpers reguliren und unter den verschiedensten Bedingungen auf einer nahezu glei- chen Höhe erhalten. Bei verschiedener äusserer Tem- peratur sind natürlich die Unterschiede der Wärme an der äussern Haut sehr gross; bei gleicher äusserer Tem- peratur wird aber die Differenz nicht sehr gross sein an Stellen mit weiten oder engen Gefässen; Gierse z.B. sah bei durch Senfteigen erregter Hautentzündung keine Steigerung der Temperatur gegenüber den andern Haut- theilen, bei einem erythema marginale nur eine Erhöhung um 0.4 — 0.7°, Schiff meint, dass durch eine stärkere Gefässan- füllung auch noch eine weitere locale Erhöhung der Temperatur durch eine vermehrte Diffusion, einen regern Stoffwechsel und eine lebhaftere Verbrennung erzeugt werde, so dass er sich nicht wundern würde, wenn selbst die Temperatur am Ohr bei gefüllten Gefässen die des Bluts übersteige. Ich glaube nicht, dass eine locale Wärmeerhöhung von irgend erheblicher Bedeutung durch vermehrte Oxydation entstehen kann. Die Temperatur des Bluts oder der verschiedenen Organe müsste dann grössern Schwankungen unterliegen, als wir sie finden. Das sich rasch in den Capillaren bewegende Blut gleicht jede grössere Temperaturdifferenz wieder aus. In un- serem Fall@ aber handelt es sich um Differenzen von mehreren Graden. Durch die Durehschneidung des Sympathicus am Halse kann man nun alle diese Verhältnisse der Blut- fülle und veränderten Wärmeabgabe hervorrufen. — Bernard und Schiff fanden, dass das an der operir- ten Seite rückfliessende Jugularvenenblut wärmer sei als das an der andern Seite, was nach meinen obigen Betrachtungen nothwendig erfolgen muss. Ich bin der Ansicht, dass die Temperaturverhältnisse am Ohr nach durehschnittenem Sympathicus allein von der Gefäss- fülle bedingt sind; ich zweifle aber, ob Messungen von 223 grossen Temperatur-Differenzen richtig sind. Es ist gewiss, dass durch die weiten Gefässe die Wärmezufuhr zum Ohr viel grösser wird, damit wird aber auch die Wärmeabfuhr durch grössere Strahlung, Leitung und Verdunstung vermehrt, wodurch sich die Differenz ver- mindert. Ich sehe nicht ein, warum man durch ver- schiedene Gefässanfüllung am Ohr Unterschiede von 12—16° C. finden soll, während man kaum im Stande ist, bei localer starker Hyperämie an der Haut einen Unterschied zu entdecken. ‘Liegt das 'Thermometer im äussern Gehörgang überall an, so misst man aus schon angeführten Grün- den keinen Unterschied an der operirten und nichtope- rirten Seite; man erhält die Bluttemperatur. Liegt es aber nicht allseitig an oder misst man an der Ohrmuschel, so ist wegen der vorhandenen Abkühlung die Tempe- ratur geringer, es wird aber immer die gemessene Temperatur zu hoch ausfallen wegen der Störung der Wärmeabgabe an der Stelle, an der das Thermometer liegt; ferner bekommt man hier in der That einen Un- terschied der Quecksilberhöhe zwischen der operirten und nichtoperirten Seite. Ist die äussere Temperatur niedrig, so wird wegen des grössern Temperaturunter- schieds mehr Wärme an beiden Ohren abgegeben; je kälter es aber aussen ist, desto grösser wird der Unter- schied der Gefässlumina an der operirten und nicht- operirten Seite, und desto grösser die Differenz in der Höhe und Abgabe der Wärme an beiden Ohren. Ist es umgekehrt Aussen warm und die Luft feucht, so wird die Temperaturabgabe an beiden Ohren geringer; es wird aber noch der Durchmesser der Gefässe an beiden Seiten weniger verschieden sein und somit die Tempe- raturdifferenz und die der Abgabe nach Aussen gering werden. Auch Schiff findet früh Morgens und im Winter einen grössern Temperaturunterschied an beiden Ohren als Mittags und im Sommer. Misst man mit dem Thermomultiplicator, so bedeckt man eine geringere Oberfläche und hindert weniger die Wärmeabgabe; es wird auch die Temperaturdifferenz mit dem 'Thermomultiplicator grösser ausfallen. Ich habe jedoch nie einen so grossen Temperaturunterschied beobachten können, wie ihn Schiff angibt (Min. 73/,°, Max. 12° C.); ich erhielt an der Ohrmuschel nur eine Differenz von 2—3° C. mit einem sehr kleinen 'Ther- mometer von Geissler, mit dem Thermomultiplieator 3—4°; auch Bernard gibt nur 4—5° an. Man muss aber die gehörige Zeit abwarten, bis das Quecksilber nicht mehr steigt, was gegen 10 Minuten dauert. Ich halte das Eintreten einer höhern Temperatur am Ohr bei gefüllten Gefässen und nach Durchschnei- dung des Sympathicus nicht für die hauptsächlichste Veränderung in den Wärmeverhältnissen‘, sondern die vermehrte Wärmeabgabe nach Aussen. Schon Bären- sprung hat gezeigt, dass bei Entzündungen das 'Ther- mometer nicht sehr grosse Unterschiede vom normalen Stand zeigt, dass es aber sehr ungleich schnell steigt. Dies findet sich nun auch hier; bei stärker gefüllten Gefässen und nach Durchschneidung des Sympathicus ist unter allen Umständen leicht und sicher mit jedem 224 Thermometer und an jeder Stelle des Ohrs ein ungleich schnelleres Aufsteigen des Thermometers zu beobachten. Diese schnellere und grössere Wärmeabgabe muss aus schon angeführten Gründen bei weitern Gefässen sich geltend machen, und ist ein Beweis, dass trotz der weiten Gefässe die 'Temperaturerhöhung nicht so be- deutend werden kann, als sie ohne sie sein würde. Dupuy hat die grössere Verdunstung nach der Sym- pathieusdurchschneidung schon nachgewiesen; er durch- schnitt den Nerven bei Pferden und sah die Stirn und den Nacken heiss werden und mit Schweiss bedeckt. Wegen dieser verschieden schnellen Wärmeabgabe fühlt man nach der Sympathieusdurchschneidung mit der Hand so leicht einen Temperaturunterschied; es scheint bekanntlich ein Körper heisser, der in der nämlichen Zeit uns mehr Wärme abgibt. Die Gefässe an der durchschnittenen Seite behalten in den ersten Tagen constant einen sehr hohen Grad der Füllung und man bemerkt die rhythmische An- und Abschwellung derselben an dem entsprechenden Ohr nicht mehr. Die Gefässe sind jedoch nicht stärker aus- gedehnt, als man sie vor der Operation zeitweise sehen kann. Es ist aber auffallend, dass man in der ersten Zeit auf der nichtverletzten Seite entschieden auch eine Veränderung sicht, und zwar werden die Gefässe dieser Seite, wenn sie auch vor dem Schnitt längere Zeit in einem hohen Grade der Füllung waren, sehr blass, und man sieht kaum die An- und Abschwellungen. Wegen dieser grossen Differenz im Gefässlumen misst man auch in den ersten Tagen an den Ohren einen viel grössern Temperaturunterschied, und die Zeiten, in der die beiden Thermometer eine gleiche Höhe erreichen, zeigen eine viel grössere Differenz als späterhin. Nach einigen Tagen ändert sich nämlich der Zustand der Gefässe; am operirten Ohr sieht man nicht immer die gleichmässige starke Gefässfülle, die Gefässe bleiben meist mehr auf einer mittlern Füllung stehen und an der andern Seite sind die Gefässe nicht mehr so ständig zusammengezogen. Sind die Gefässe an der unverletz- ten Seite auch blass, so hat man doch an der andern Seite immer einen mittlern Grad der Füllung; dehnen sie sich an der unverletzten Seite aus, so sieht man auch an der andern Seite eine etwas grössere Füllung eintreten. Auf der ersten Seite kommen also nach und nach die rhythmischen Bewegungen wie normal wieder; auf der andern kommen sie auch wieder, jedoch ist ihre Veränderung nur von einer mittlern Füllung zu einer etwas höhern, eine völlige Entleerung wie vor der Ner- vendurchschneidung tritt nicht mehr ein. Vulpian hat das spätere Wiedereintreten dieser rhythmischen Be- wegungen an der verletzten Seite auch gesehen, jedoch macht er nicht auf die Einzelnheiten aufmerksam. Man kann wegen dieses bleibenden Unterschieds im Gefässlumen auch noch lange nach der Operation mei- stentheils einen Unterschied in der Höhe der Tempe- ratur und in der Schnelligkeit der Wärmeabgabe messen. Es kann jedoch manchmal eine Zeit lang vorkommen, dass die Gefässe auf der nichtoperirten Seite sehr an- schwellen; man misst dann hier auch einen eben so ho- hen Temperaturgrad und ein eben so schnelles Steigen als auf der operirten Seite, ja man kann auf der erstern eine höhere Temperatur und ein schnelleres Steigen er- halten. Der Unterschied in der Höhe der Temperatur ist, wie gesagt, wegen der kleinern Differenz im Gefäss- lumen später viel kleiner als gleich nach der Operation; selbst Schiff misst 3— 6 Tage nachher nur 0,6 bis 1°C. — Wenn man mehrmals die Temperatur im äussern Gehörgang gemessen hat, oder das Thier reizt, oder die äussere Temperatur hoch ist, so werden die Gefässe an der nichtoperirten Seite eben so ausgedehnt, wie an der andern, der Unterschied in der Gefässweite wird kleiner und die Thermometer zeigen weder im Stand noch im Steigen einen Unterschied auf beiden Seiten. Hat das 'Thermometer im Gehörgang oder an der Muschel einmal seinen Stand erreicht, so sieht man nur äusserst geringe Schwankungen der Quecksilbersäule, im höchsten Fall %,,° C. Diese geringe Schwankung tritt nicht proportional mit dem Füllungszustand der Gefässe ein, so dass bei engen Gefässen ein Fallen stattfände; es kann das Quecksilber etwas sinken und dennoch die Gefässe gerade sehr gefüllt sein und um- gekehrt. Das Quecksilber kann aber auch während der grössten Unterschiede in der Füllung der Gefässe un- verändert seinen Stand behalten. Die An- und Ab- schwellungen sind für’s erste zu vorübergehend, als dass sie eine grosse Aenderung in der Temperaturhöhe her- vorbrächten; und dann scheint mir diese geringe Aen- derung im Stand des Thermometers ein neuer Beweis zu sein, dass mit der Aenderung im Gefässlumen sich mehr die Wärmeabgabe als die Höhe der Temperatur an der Haut ändert. — Ich werde an einem andern Ort die gefundenen Zahlen, welche die hier kurz aus- gesprochenen Sätze beweisen, veröffentlichen. — Professor Schiff: Schon in meiner ersten Arbeit über die accesso- rischen Ohrherzen der Kaninchen habe ich darauf hin- gewiesen, dass man die nahezu regelmässige Abwech- selung der verschiedenen Zustände der fraglichen Ar- terie nur dann findet, wenn das Thier von der Unter- suchung nicht im geringsten erschreckt noch einge- schüchtert wird. Anscheinende äussere Ruhe der Thiere genügt nicht. ‘Redner übergibt dem Präsidium ein Heft aus seinem Tagebuche, wo bei einem mehr&re Wochen lang vorher gezähmten jungen Kaninchen die jedesmalige Dauer der Expansion und Contraction während einer mehrere Stunden mit kleinen Unterbrechungen fortge- setzten Beobachtungsreihe nach Pendelschlägen ver- zeichnet ist, von denen 104 auf die Minute gehen. Es zeigen sich nur sehr geringe Schwankungen im Mittel von ®,; in der Dauer der Contraetionen; das Heft eir- eulirt bei einem Theil der Versammlung. Derselbe be- merkt übrigens, dass er nicht der Ansicht sei, das ae- cessorische Arterienherz kann den Kreislauf im Ohr unterstützen. Dr. Voit glaubt hinreichende Cautelen beobachtet zu haben. Professor Helmholtz aus Heidelberg: Ueber Nachbilder. Ueber die Phänomene der Nachbilder herrschen noch immer viele Widersprüche, was grösstentheils da- her rührt, dass jeder einzelne Beobachter sich nicht all- zuviel mit solchen Versuchen befassen darf, ohne seinen Augen dauernden Schaden zu thun. Jeder Einzelne kommt desshalb im Gefahr, wieder aufhören zu müssen, wenn er die Versuche gerade so lange fortgesetzt hat, um zu wissen, worauf es dabei ankommt. Nach Fech- ner’s Darstellung, die der Vortragende bisher in allen Punkten bestätigt fand, hat man zu unterscheiden das Nachbleiben der primären Reizung in der Netzhaut, und die durch die Ermüdung bedingte geringere Empfäng- lichkeit für neue Reizung. Der erstere Umstand gibt positive Nachbilder, d. h. solche, in denen die hellen Stellen des Objects auch heller erscheinen als die dunk- leren; um sie zu Stande zu bringen, ist keine weitere Lichteinwirkung nöthig, im Gegentheil ist eine solche schädlich, weil bei Einwirkung eines neuen Reizes die Wirkungen der verminderten Empfänglichkeit für einen solchen eintreten, und dadurch negative Nachbilder ent- stehen, d.h. solche, in denen die helleren Parthien des Objeets dunkler. erscheinen. Nun kann man neue Rei- zung der Netzhaut während der Beobachtung des Nach- bildes streng genommen nie ganz beseitigen. Uıim sie möglichst zu verringern, und die Wirkungen der nach- bleibenden primären Reizung möglichst ungestört zu beobachten, ist es zunächst nöthie, alles äussere Licht auf das sorgfältigste auszuschliessen. Man muss dabei aber daran denken, dass die thierischen Theile alle durchscheinend sind. Selbst wenn „man über die ge- schlossenen Augenlieder noch die Handteller gedeckt hat, konnte der Vortragende bemerken, dass direetes Sonnenlicht spurweise bis zur Netzhaut drang und auf die Nachbilder Einfluss hatte. Desshalb ist es rathsam, die Augen mit einem mehrfach zusammengelegten dunklen Tuche zu bedecken. Aber selbst, wenn alles äussere Lieht wirklich absolut ausgeschlossen ist, besteht noch immer eine Reizung der Netzhaut durch innere Ursachen, die nie ganz schwindet, und sich durch die Erscheinung von Purkinje’s Lichtchaos auch im dunkelsten Ge- _ sichtsfelde immer zu erkennen gibt. Hat die Netzhaut also den Eindruck primär wirken- den Lichtes empfangen, so besteht in den gereizten Stellen noch eine Weile der Zustand der Reizung, ver- _ möge welcher die entsprechenden Theile des Gesichts- feldes heller erscheinen als der Rest. Gleichzeitig wirken aber immer äussere oder innere, stärkere oder schwä- chere neue Reize ein, welche in den durch frühere Rei- zung ermüdeten Stellen eine schwächere Lichtempfin- dung hervorrufen, als in den übrigen, so dass demge- mäss dieselben entsprechenden Stellen des Gesichtsfeldes dunkler erscheinen. So kämpfen also gleichzeitig posi- tive und negative Nachbilder miteinander. Unmittelbar 225 nach der primären Reizung bei schwacher secundärer Reizung überwiegt das positive Bild der nachbleibenden primären Reizung, später oder bei stärkerer secundärer Reizung überwiegt das negative Bild, welches der Er- müdung entspricht. Um nun die positiven Bilder, weiche von den mei- sten Beobachtern und so auch fr üher vom Vortragenden gewöhnlich nur nach sehr mächtigen Lichteinwirkungen, z. B. des direeten Sonnenlichtes, wahrgenommen worden sind, recht deutlich zu machen, kommt es darauf an, die Reizung der Netzhaut möglichst stark, die Ermü- dung möglichst gering zu machen. Dem entspricht aber die ‚gewöhnliche v orschrift zur Beobachtung von Nach- bildern nieht gut. Man schreibt vor, das Object längere Zeit zu fixiren, dann die Augen zu schliessen. Aber Fechner hat nachgewiesen, dass schon während der Betrachtung des Objects die Ermüdung sich merklich macht, und die Lichtempfindung immer schwächer wird. Der Vortragende schlug desshalb den entgegengesetzten Weg ein, indem er das primäre Lieht nur momentan wirken lien. und erhielt unerwartet schöne Resultate. Man setze sich vor mässig erleuchteten Gegenständen hin, bedecke eine Zeit lang (3 bis 5 Minuten) die ge- schlossenen Augen mit den Händen, oder einem dunklen Tuche, warte is alle Reste früherer Bilder verschwun- den sind, und nur noch das eigenthümlich gekräuselte Lichtchaos des dunklen Gesichtsfeldes zurückbleibt, und entblösse dann die Augen, welche man nicht bewegen darf, nur für eine möglichst kurze Zeit (1/, Secunde), Halte sie auch nachher unbewegt und dicht verschlossen. Die positiven Nachbilder, welche bei gelungenen Versuchen derart zurückbleiben, sind von einer über raschenden Schärfe und Deutlichkeit, so dass im An- fang selbst für einige Secunden die Täuschung ent- stehen kann, als sei die vor das Auge gelegte. Hand durchsichtig nd man sähe durch sie Kiodltrch noch die Objeecte. Das Bild verlöscht dann allmälig, zuerst meist die dunkleren Parthien, so dass es eine Zeit lang wie eine in den Schatten zu dunkel gebliebene Photogr, 'aphie aussieht, später ganz, oft ohne dass von einem nega- tiven ee etwas sichtbar wird. Im Anfang hat es die natürlichen Farben, später, wenn die dunkleren Stellen schon erloschen sind, geht es durch Blau in violettes Weiss über, in welchem kurz vor dem Erlöschen auch wohl eine Annäherung an die Complementärfarbe der Objeete merklich wirds Hat man ein einzelnes stark gefärbtes Objeet vor sich gehabt, so scheint durch den Contrast auch wohl die Complementärfarbe in dem er- löschenden positiven Nachbilde stark hervorzutreten, und ist in dieser Weise von miehreren Beobachtern, na- mentlich Brücke geschen. Legt man aber mehrere verschiedenfarbige Objeete neben einander, so überzeugt man sich leicht, dass, so lange das Nachbild noch po- sitiv ist, diese complementäre Färbung immer nur mit vielem Weiss gemischt erscheint. Sie entwickelt sich aber sehr entschieden, so wie das Bild negativ gewor- den ist. Der Vortragende glaubt desshalb diese positiv complementären Nachbilder für Vermischungen eines weisslichen positiven Bildes mit einem complementären 29 226 negativen halten zu dürfen, so dass auch diese mit der Fechnerschen Theorie sich werden vereinigen lassen. Professor Meissner aus Freiburg theilte Er- gebnisse mit von einer Untersuchung Ueber die Verdauung der Eiweisskörper. Durch die verdauende Einwirkung des Magensaftes entstehen aus den Eiweisskörpern gleichzeitig, durch Spaltung, zwei Körper, von denen der eine der Al- buminose Mialhe’s, dem Pepton Lehmann’s ent- spricht, der andere bisher der Beobachtung entging, und, wie Peptone leicht lösliche Salze mit Alkalien und Erden bildend, wahrscheinlich vermischt mit Pepton erhalten wurde. Für dieses zweite Verdauungsproduet wird die Bezeichnung Parapepton vorgeschlagen. Das Parapepton ist stiekstoffhaltig und gibt sich über- haupt als zur Gruppe der Eiweisskörper gehörig zu er- kennen, unterscheidet sich aber, namentlich von Pep- tonen, durch ganz bestimmte Eigenschaften. Die Para- peptone verschiedener Eiweisskörper sind, wie die ver- schiedenen Peptone, einander nicht völlig gleich. Die Menge des Parapeptons (von Albumin) verhält sich zu der des Peptons in jedem Stadium der Verdauung wie 1:2. Die Summe beider ist gleich der Menge gelösten Albumins. Das Parapepton wird durch Magensaft in keiner Weise weiter verändert. Bei der schwach sauren Reaction, wie sie im oberen Theil des Dünndarms zur Zeit der Verdauung herrscht, wird das Parapepton ge- fällt. Der pancreatische Saft aber verwandelt unter der Bedingung der schwach sauren Reaction des Gemisches, das Parapepton in einen dem Pepton wenigstens sehr ähnlichen Körper. Bei-schwach saurer Reaction ver- mag der pancreatische Saft auch Eiweisskörper voll- ständig zu verdauen, in einen dem Pepton sehr ähn- lichen Körper zu verwandeln. Von dieser Wirksamkeit scheint wesentlich die verdauende Einwirkung auf das Parapepton in Betracht zu kommen. Corvisart hatte behauptet, der panereatische Saft verdaue die Eiweiss- körper bei jeder Reaction. Diese Angabe wurde ent- schieden nicht bestätigt gefunden, vielmehr musste der Saft stets schwach sauer sein, wie denn im Darm der Bauchspeichel auch stets nur bei schwach saurer Reac- tion zur Wirksamkeit gelangt. Professor Virchow: Ueber die Bindegewebsfrage. Virchow hatte gewünscht, den Vortrag hier zu halten, weil die Verhandlungen in der Presse zu immer grösserer Zersplitterung führen wird, bei per- sönlicher Discussion die Streitpunkte festgestellt werden können. Er hat die wesentlicheren Theile des Bindege- webes den unwesentlicheren gegenüber zur Sprache ge- bracht, und glaubt, dass Henle’s Vorwurf, man wisse nunmehr nicht mehr, was Bindegewebe sei, ungegründet sei. Die ältere, jetzt im Wesentlichen von Henle und Rollet festgehaltene Ansicht, dass faserige Elemente die wesentlich constituirenden Theile des Bindegewebes seien, die Meinung von C. F. Wolff, Reichert, dass das Bindegewebe mehr homogen, nur nachträglich zer- fasert sei, kommen darin überein, dass sie das Wahre des Gewebes in dem suchen, was nach V. nur Inter- cellularsubstanz ist. Nach Henle stehen die Faserele- mente parallel den Muskelprimitivbündeln und glatten Faserzellen. Betrachtet man aber ein Element, welches in sich so verschieden ist, mit einem einfachen Gebilde, dessen Analogieen wir in den einfachen Stoffen, Faser- stoff, Schleim finden, so kommt man auf sehr grosse Schwierigkeiten. Die vergleichende Histologie verlangt aber immer bestimmtere Gesichtspunkte für die Classi- fication, der pathologischen Anatomie ist bei der jetzigen Auffassung der Entstehung der Neubildungen aus den gegebenen Elementen das Bindegewebe von der grössten Wichtigkeit, V. geht genauer auf die Frage von den Grundsub- stanzen ein. Die Verschiedenheiten der Gewebe ver- langen die Untersuchung der Verschiedenheiten der Grundsubstanz, Die chemische Untersuchung ist hier wichtiger als die morphologische. Beispielsweise Erör- terung des durch Erhärtung dargestellten Grundgewebes des Glaskörpers und der Uebergänge zwischen der Fa- seranordnung in demselben und der im Bindegewebe. Das Fibrin in seinen Gerinnungsformen bietet für alle diese Gestaltungen die vollkommensten Analogieen. Unter ganz ähnlichen Formen zeigt sich der Schleim, und es ist nicht unwichtig, dass derselbe als Constituens in zahlreiche Gewebe eingeht. Eine zweite Reihe von Er- scheinungen ist sehr schwierig zu begreifen. Die Faser- bildungen in Netzknorpeln, weichen, gallertigen Ge- weben, in denen chemisch wenig verstandene Körper enthalten sind, müssen wahrscheinlich als eine zweite secundäre Abscheidung betrachtet werden. Bei gleicher chemischer Constitution kann eine sehr verschiedene, z. B. homogene, faserige, netzförmige Anordnung stattfinden. In dieser Anordnung liegt nichts, was auf die chemische Beschaffenheit voraus zu schliessen erlauben würde. Ob eine Intercellularsubstanz sich in die andere, Bindegewebe in Schleimgewebe, dieses in Knorpelge- webe sich umwandeln könne, ist pathologisch-anatomisch nicht unmöglich zu erklären. Jeder muss zugeben, dass in den genannten Grundgeweben sich wenigstens zu- weilen Hohlräume und Zellen finden. Es bleibt nur fraglich, ob dies mehr zufällig oder ob von grösserem Werth für die Genese der Gewebe sei. Pathologisch- histologisch wird man durch Vergrösserung und Ver- mehrung oft auf die Punkte hingewiesen, wo sich be- sonders solche Zellen finden. Einzelne Parthien, Sehnen, Bandscheiben verlangen allerdings die Untersuchung im jungen Zustande und besondere Behandlung zur Dar- stellung gekernter Zellen. Später sind die Elemente zu sehr ausgewachsen und verändert, um auf allen Durch- schnitten klar zu werden. Resume: Die Grundsubstanz von bestimmter chemischer Constitution kann sehr ver- schiedene Gestalt zeigen. Neben ihr bestehen ebenso verschiedene Zellen, nur so, dass in einem Gewebe eine bestimmte Form prävalirt. Professor Bruch hat sich auch mit dieser Frage beschäftigt und glaubt für Einiges hier einstehen zu müssen. Die ganze Frage dreht sich um das Verhält- niss zwischen Zellen- und Intercellulargewebe. Er glaubt, unter Bindegewebe nur die Intercellularsubstanz ver- stehen zu müssen, welche allein immer nachzuweisen ist. Virchow hat Gewebe (Schleimgewebe, Glaskörper, Ependyma) hergezogen, die bisher nicht zum Bindege- webe gerechnet wurden. Nur chemische Identität könnte dazu berechtigen. Dass aus Schleimgewebe Bindegewebe durch chemische Veränderung hervorgeht, kann man be- weisen. Sie können also als verschiedene Entwicklungs- stufen betrachtet werden. Was die zelligen Gebilde des Bindegewebes betrifft, so sind dieselben sehr verschieden, gewiss auch als verschiedene Entwicklungsstufen zu be- trachten. Die sternförmigen Zellen können durch Verbin- dung ein Gewebe bilden, aber das ist nicht das Wesen des Bindegewebes. Man kann an unentwickelten Zellen durch die Form der Kerne oft schon erkennen, was die Zellen werden wollen. Hat man aber so verschiedene Zellen im Bindegewebe, so kann man das Wesen dieses Gewebes nur in der Intercellularsubstanz finden. Das Verdienst Virchow’s liegt in der Anwendung auf die Pathologie. Dass reife Zellen in einem anschei- nend zur Ruhe gekommenen Gewebe wieder anfangen zu prolifiziren, kann nicht mehr bezweifelt werden. Die Bindegewebekörperchen spielen eine Rolle bei der Neu- bildung. Die Frage scheint der Lösung nahe zu kommen. Professor Virchow hält die Differenz für stellen- 227 weise scheinbar Das Bindegewebe ist ein Keimlager, aus den Elementen können gewiss auch Gefässe hervor- gehen. Die Modalität der Reizung gestattet eine Be- stimmung der Gewebe zu diesem oder jenem Ausgang (Bindegewebs-, Eiter-, Knochenbildung). Die Zellen sind eher da, dann tritt die Grundsubstanz auf; Blasteme sind nicht mehr festzuhalten, aus ihnen gehen keine „reinen Elemente mehr hervor, was man so nannte sind Ausscheidungen. Wenn einzelliges Bindegewebselement sich verändert, so müssen sich auch die Intercellular- Substanzen ändern, sie können allein nicht bestehen. Eine Persistenz der zelligen Elemente ist zur Erhaltung des Gewebes nöthig. Die Grundsubstanz kann sich je- doch ändern ohne sichtbare Aenderung der zelligen Elemente. Das Gewebe als histologisches Element muss zurückgeführt werden auf Zelle mit zugehöriger Grund- Substanz. Schleimgewebe hat eben so viel Recht, vom eigentlichen Bindegewebe unterschieden zu werden als Knorpelgewebe. Es kann nicht als junges Bindegewebe betrachtet werden. Herr Kölliker erklärt, er stimme in Allem was die Bindegewebskörperchen angehe, mit Herrn Virchow überein, weiche dagegen mit Bezug auf die Auffassung der Fasersubstanz des Bindegewebes ab, die nach ihm nicht Intercellularsubstanz sei, sondern aus Zellen her- vorgehe. Herr Kölliker fordert die Mieroscopiker auf, diese seine Behauptung an der Hand der Entwicklungs- Geschichte zu prüfen. ; VII. Section für Mediecin. Erste Sitzung am 17. September 1858. Präsident: Geheimer Hofrath Baumgärtner aus Freiburg. Ständiger Seeretär: Physikus Dr. Seubert und Dr. Homburger aus Carlsruhe. Sanitätsrath Dawosky aus Celle: Ueber die syphilitischen und blennorrhagischen Erosionen an der Pars vaginalis uteri und deren Behandlung. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die syphilitischen und blennorrhagischen Erosionen bislang die Beachtung nicht gefunden, die sie verdienen, und dass namentlich die von manchen Syphilidologen noch aufgestellte Be- hauptung, es könne aus einer blenorrhagischen Quelle Syphilis hervorgehen, in einer mangelhaften Diagnose zu suchen sei. Wer das Speculum häufig handhabt, wer es sich zur Aufgabe macht, bei jeder Anwendung des- selben die Portio vaginalis genau und aufmerksam zu untersuchen, der wird mit mir die Erfahrung gemacht haben, dass die Erosionen, syphilitische sowohl als blennorrhagische, an dieser Stelle häufig vorkommen. Alle an der Portio vaginalis vorkommenden Erosionen haben auf den ersten Blick etwas Gemeinsames, zur Ver- wechselung Veranlassendes, aber auch nur auf den ersten Blick, da bei einer genauen Untersuchung die cha- racteristischen Merkmale sich bald herausfinden lassen. Am häufigsten kommen die blenorrhagischen Erosionen vor, und zwar entweder für sich allein bestehend, oder bei und in Folge einer blennorrhagischen Erkrankung des Canalis cervicalis. Was erstere anbelangt, so be- obachtet man sie sowohl auf der vorderen wie hinteren Parthie der Portio vaginalis, und. sie stellen dann bald einzelne, wie Inseln zerstreut liegende, des Epithels be- 29* 228 raubte, und mit einem milchigten Secrete bedeckte Stellen dar, die nach Entfernung desselben eine blassrothe Fär- bung zeigen; oder sie bilden mehr bandartige Streifen, die mit gesunden Parthien abwechseln, und dann der Portio vaginalis ein getiegertes Ansehen verleihen. Ohne irgendwo Zeichen von Reaction hervorzurufen, gehen sie an der Peripherie auf eine kaum bemerkbare Weise, gleichsam wie verwischt in die gesunde Substanz über, ein Merkmal, das, wie wir weiter unten sehen werden, sie ganz auffallend von den syphilitischen Erosionen un- terscheidet. Hat man Gelegenheit, diese Erosionen von ihrem Entstehen an zu beobachten, so stellen sie sich als gleichmässig geröthete, nicht erhabene stark secerni- rende Flächen dar, die erst in ihrem weiteren Verlaufe, wenn sie in das Granulationsstadium übergetreten sind, jenen Anblick darbieten, den man so treffend mit einer in Eiterung begriffenen Vesicatorstelle verglichen hat. Was die zweite Form der blennorrhagischen Erosionen anbelangt, so zähle ich dahin alle diejenigen, welche bei und in Folge einer Blennorrhagia canalis cervicalis sich entwickeln. Sie haben ihren Sitz rings um den äusseren Muttermund, und scheinen nur eine Fortsetzung oder weitere Entwickelung der blennorhagisch erkrankten Schleimhaut des canalis zu sein. Hat man eine solche er- krankte Pars vaginalis im Mutterspiegel stehen, so bietet sie einen eigenen Anblick dar, der sich noch deutlicher und characteristischer herausstellt, wenn man die vor- dere Oefinung des Speculums mit einer Loupe bewaffnet, wie solches schon seit längerer Zeit, um genauere Dia- gnosen zu stellen, von mir geschieht. Man erblickt das Orifiemm aufgewulstet und uneben selbst bei solchen die noch nicht geboren haben; der Eingang ist weiter geöffnet und an die Stelle des klaren, glasartigen Se- cretes, ist ein trübes, sich in Faden ziehendes, aus dem Muttermunde heraushängendes und schwer zu entfer- nendes getreten. Hat man dieses beseitigt, so stellt sich die Mucosa des Canalis cervicalis dunkelgeröthet dar. Diese Röthe hat sich auf die vordere Muttermundslippe in einzelnen Streifen fortgepflanzt, dahingegen zeigt sich die hintere Muttermundslippe in einer weiteren Ausbrei- tung erkrankt, und es ist nicht zu verkennen, dass der herausfliessende mit dieser Parthie stets in Berührung kommende Secret die Veranlassung zu der Erosion ge- geben habe. Befindet sich dieses Uebel im Granula- tionsstadio, so ist es am deutlichsten am Orificio, wo einzelne, stärker entwickelte Wärzchen aus der wunden Fläche auffallend hervorragen. Was den Verlauf und die Dauer dieser beiden Formen der blennorrhagischen Erosionen an der Pars vaginalis anbelangt, so sind sie zu den hartnäckigsten Uebeln zu rechnen, die oft Jahre lang bestehen, dann eine fortwährende Quelle der blen- norrhagischen Ansteckung abgeben, und nur durch eine energische, kräftig einwirkende Behandlung zu besei- tigen sind. Sie reeidiviren häufig, und ich habe die Beobachtung gemacht, dass Personen, welche einmal längere Zeit von ihnen heimgesucht gewesen sind, leicht wieder erkranken. Die erstere Form kann oft lange be- stehen, ehe sie in das Granulationsstadium übergeht, die zweite hingegen zeigt grosse Neigung zu granuliren, was ich mir dadurch erkläre, dass sie als eine Fort- setzung und Weiterverbreitung der oft schon längere Zeit erkrankt gewesenen Mucosa des Canalis cervicalis zu betrachten ist. Die syphilitischen Erosionen bieten schon in ihrem Entstehen ein characteristisches Kennzeichen dar, indem sie immer nur auf einer kleinen Stelle begrenzt sind, keine Neigung zeigen sich auszubreiten, und mit einer Umwallung und stärker gerötheten Areola umgeben sind. Sie sondern nur ein geringes, gelblich graues Secret ab, nach dessen Entfernung sich der Grund und Boden dunkel geröthet zeigt und heller, je mehr er sich der Areola nähert. Ist die Pars vaginalis frei von blennorr- hagischer Erkrankung, so sieht man die Erosion wie eine Insel in gesunder Umgebung liegen, und die Dia- gnose bietet dann selbst für Nichtgeübte keine grosse Schwierigkeiten dar. Etwas anderes ist es, wenn neben der syphilitischen Erosion auch blennorrhagische vor- handen sind, wo dann das bei weitem reichlichere Secret der letzteren die erstere überzieht und dann selbst geüb- tere Augen zu täuschen vermag. Solche Fälle mögen dann auch wohl zu der Behauptung Veranlassung geben, dass aus einer blennorrhagischen Quelle Syphilis hervor- gegangen sei. Da die syphilitische Erosion ebenfalls ein Granulationsstadium zeigt, so ist sie in diesem leicht mit den blennorrhagischen zu verwechseln; allein An- haltspunkte für die Diagnose bieten hier die dunklere Röthe der Granulationsfläche, die eiterige Consistenz und Farbe des Exsudats, die grosse Neigung zu Blu- tungen und vor Allem die abstechende Areola. Die syphilitische Erosion wandelt sich bei langem Bestehen in eine Geschwürsfläche um, ich habe zuweilen das so- genannte Ulcus elevatum sich daraus entwickeln sehen, und wenn das Hunter’sche Geschwür an der Pars vagi- nalis selten zur Beobachtung kommt, so liegt der Grund davon in den anatomischen Verhältnissen, in dem auf- fallenden Mangel an Nerven dieses Theiles. Was nun den grossen diagnostischen Werth anbelangt, den man der Inoculation zugeschrieben hat, so kann ich nach meiner Erfahrung ihn nur sehr niedrig anschlagen. So lange die syphilitische Erosion als Erosion besteht, wird jede Inoculation ohne Erfolg bleiben, und man erzielt erst dann ein Resultat, wenn sie in die Geschwürsform übergegangen ist. Alle Inoculationsversuche, die ich mit dem Secrete der Erosion angestellt habe, sind stets erfolglos geblieben, so dass ich zu dem Schlusse ge- kommen bin: Inoculationen mit dem Secrete einer Ero- sion gemacht, die sich auf einer secernirenden Fläche befindet, bleiben ohne Erfolg. Was nun die Behandlung der blennorrhagischen Erosionen anbelangt, so bediene ich mich schon seit Jahren des Höllensteins in Substanz und zwar mit dem günstigsten Erfolge in folgender Weise. Ist die Erosion in Folge einer blennorrhagischen Erkrankung des ca- nalis cervicalis aufgetreten, so ist die Beseitigung der- selben die erste Bedingung. Ich weiss dass die An- wendung des Lapis in Substanz gegen dieses Uebel etwas längst Bekanntes ist, allein meine Methode weicht von e der bis lang befolgten in sofern ab, als ich die Aetzungen nicht in längeren Zwischenräumen, sondern coup sur coup tagtäglich, vornehme. Ich lege auf diese tagtäg- lich vorzunehmende Aetzungen eine um so grössere Be- deutung, als ich in meiner ausgebreiteten Praxis gefunden habe, dass die Verzögerung der Heilung einzig und allein in den nicht oft genug vorgenommenen Aetzungen zu suchen sei. Hat man das Speculum eingeführt, und steht die Pars vaginalis deutlich zu Gesichte, so reinigt man das Orificium uteri von dem ihm fest ansitzenden Seerete, trocknet es mit einem Baumwollenträger, geht mit einem zolllangen Höllensteinstifte in den Canalis cer- viealis und dreht ihn rasch einige Male in demselben um. Der Lapisstift wird alsdann von dem ihm anhängenden Gerinnsel gereinigt und nun zur Aetzung der Erosion geschritten, nachdem auch von ihr das Secret entfernt, und dieselbe mit dem Baumwollenträger abgetrocknet ist. Befindet sich die Erosion noch nicht im Granu- lationsstadio, so wird nur oberflächlich mit dem Höllen- steinstifte über sie weggestrichen, granulirt sie aber schon, so muss die Aetzung schon intensiver sein, in- dem man den Stift nur langsam über sie wegführt. Nach der Aetzung wird ein mit schwacher Lapissolution befeuchteter Pinsel-Tampon eingelegt, und zwar auf die Weise, dass man den Tampon durch das Speculum bis an die Portio vaginalis führt, und dieses dann langsam herauszieht. Ich halte dieses Einlegen der Pinsel-Tam- pons zur Isolirung der geätzten Portio vaginalis höchst nothwendig und lasse nach Verlauf von einigen Stunden ein frisches einlegen. Die Patientin muss während der Cur das Bett hüten und wird innerlich nichts gereicht, als was etwa die Constitution erheischt. Nach 24 Stun- den wird die Aetzung wiederholt, und da die Eschera ge- wöhnlich noch nicht abgestossen ist, diese mittelst einer langarmigen Pincette und des Baumwollenträgers ent- fernt. Bis zur vollendeten Cur sind diese Aetzungen in gleicher Weise tagtäglich vorzunehmen und in 14 Tagen bis 3 Wochen sind selbst die eingewurzeltsten Uebel auf diese Weise von mir beseitigt worden. Ich lasse nach den eingestellten Aetzungen die mit schwacher Lapissolution getränkten Pinsel-Tampons noch einige Tage einlegen, und lasse auch diese weg, wenn die An- schwellung und Aufwulstung des Orifieii geschwunden, das Os uteri wieder seine normale Form angenommen hat, an die Stelle des kranken Secrets wieder die glasige getreten ist, die Portio vaginalis ihre gewöhnliche Glätte und Farbe wieder bekommen hat und die Erosion als gänzlich beseitigt zu betrachten ist. Was nun die Behandlung der syphilitischen Erosion anbelangt, so geht mein Verfahren von dem Grund- satze aus, dass ich es mit einer primären syphilitischen Erkrankung zu thun habe. Kommt dieselbe gleich bei ihrem Auftreten in meine Behandlung, aber auch nur dann, so ätze ich sie wie die blennorrhagischen und isolire die Portio vaginalis mittelst des Pinsel-Tampons. Haben sie aber schon längere Zeit bestanden, granuliren sie schon, oder zeigen sie das charakteristische Ansehen eines Chankers, dann schlage ich eine Mercurialeur ein, und bediene mich der in schwache Lapissolution getränkten 229 Pinsel- Tampons nur der Reinlichkeit wegen und zur Isolirung der Portio vaginalis. Bei complieirten Fällen, d. h. da, wo neben der syphilitischen Erosion auch blennorrhagische vorhanden sind, und etwa auch eine blennorrhagische Erkrankung des Canalis cervicalis besteht, ist die erstere immer erst zur Heilung zu bringen, ehe die letztere eine Berück- sichtigung findet. Darauf entsteht über dasselbe eine kurze De- batte. Professor Griesinger von Tübingen kann nicht zugeben, dass die von dem Herrn Redner angegebene Charaktere, nämlich scharfe Umgrenzung, rothe Umgebung und leichtes Bluten, irgendwie die sy- philitische Natur eines Substanzverlustes an der Portio vaginalis anzuzeigen vermöchten; er hält vielmehr, wie Ricord längst gezeigt, die Inoeulation für das einzige sichere Criterium und dies hat mit Bestimmtheit und überall die Seltenheit des syphilitischen Geschwüres an Vaginalportion ergeben, welche Herr Dawosky für häufig erklärt. Professor Griesinger stellt dann die Frage an den Herrn Redner, welchen diagnostischen Nutzen die Betrachtung einer Erosion der Vaginalportion durch die Loupe haben soll, da solche doch bei bestehen- dem Zweifel an der syphilitischen Natur eines äusserlich sitzenden Geschwüres keinerlei Vortheil zu gewähren vermag? Professor Dr. I. Hoppe aus Basel: Ueber die Arzneiwirkungen des Kochsalzes, untersucht an den thierischen Thätigkeiten. Da die herrschende, sogenannte grobe, physikalisch- chemische Erklärungsweise der Arzneiwirkungen, so richtig sie an sich sein mag, doch zum Verständniss der von den Arzneimitteln erzeugten Erscheinungen nicht ausreicht, auch für die Praxis leider keine grosse Brauch- barkeit zeigt, so habe ich die Wirkungen der Arznei- mittel in einer neuen Weise untersucht, und diese neue Experimentirweise habe ich genannt: „Untersuchung der Arzneiwirkungen an den thierischen Thätigkeiten.* — Diese Untersuchungsweise habe ich in einem 1857 (bei (Roth in Giessen) erschienenen Schriftchen: „Anleitung zum Experimentiren mit Arzneimitteln an den thierischen Thätigkeiten“ veröffentlicht. Von dieser Untersuchungs- weise will ich der geehrten Versammlung eine kleine Probe vorlegen, und ich habe zu diesem Behufe die Untersuchung der Wirkungen gewählt, welche das Kochsalz auf die thierischen Thätigkeiten ausübt, an diesen erzeugt. Diese Wirkungen sind, umfangreicher und gründlicher, dasselbe wie das, was man bisher ge- nannt hat: „die Beziehungen der Arzneimittel zu den animalen Verriehtungen“, und von denen es bei den einzelnen Arzneimitteln in den Handbüchern gewöhnlich heisst, dass sie noch nicht bekannt seien. Auch sind diese Wirkungen auf die thierischen Thätigkeiten das- selbe, was man Reizbarkeitserscheinungen genannt, aber blos speculativ bisher aufgefasst hat. Ich bin überzeugt, 230 dass diese Reizbarkeitsstudien eine neue Grundlage der Arzneiwirkungslehre und der Therapie bilden wer- den. Aber ich muss hinzufügen, dass neben denselben das physikalisch-chemische Studium in seiner ganzen Ausdehnung ungeschmälert fortbestehen bleibt, und dass auch diese Thätigkeitserscheinungen noch erklärt sein wollen, wozu, wenn gleich die Aussichten hierzu auch noch sehr fern sind, die feinere Physik und Chemie ihre Hülfe leihen muss. Denn es beruhen diese Thätigkeits- Erscheinungen theils auf feineren Stoffveränderungen, theils sind sie doch von denselben begleitet, und man muss daher auch, obgleich alles das, was man früher „dynamisch“ nannte, in das Gebiet dieser Thätigkeits- Erscheinungen fällt, — doch für diese selbst nicht mehr den Ausdruck von „dynamischen Wirkungen“ gebrauchen. I. Anwendung des Kochsalzes am ausge- schnittenen Herzen der R. temporaria. 1) Schneidet man das Froschherz aus und legt es vor sich auf Papier und trägt dann, nachdem man es zuvor genau auf seine Thätigkeit und Beschaffenheit untersucht hat, etwas Kochsalz auf dasselbe auf, so schlägt das Herz kräftiger, lebhafter, oder doch wenigstens frequenter. War das Herz bereits matt und ist die Dosis des Kochsalzes dabei zu gross, so kann diese anregende Wirkung allzugering sein oder fehlen, oder es kann gar das Herz, statt angeregt zu werden, sofort geschwächt werden. Das Kochsalz regt dem- nach das Herz an. Doch ist diese anregende Wirkung nicht sehr bedeutend. — Man hat bei Cholera- Kranken Kochsalz in die Venen eingespritzt; dieses Verfahren kann möglicher Weise nützen, erscheint mir jedoch nach meinen Versuchen als ein sehr gefährliches Unternehmen. Sofern dasselbe nützt, so geschieht dies wahrscheinlich viel weniger durch Anregung der Herz- thätigkeit, als durch Anregung der Gefässe, auf deren Thätigkeit das Kochsalz so ungemein erregend wirkt. 2) Das auf das ausgeschnittene Herz aufgetragene Kochsalz schwächt ferner die Herzthätigkeit, und zwar so sehr, dass dasHerz selbst zu schlagen aufhört. Diese schwächende Wirkung ist bedeutender als die anregende Wirkung, und sie kann theils eintreten, nach- dem das Herz durch das Kochsalz erst angeregt wor- den war, theils auch sofort erfolgen, ohne dass das Herz eine Anregung seiner Thätigkeit erfuhr. 3) Auch das Herzfleisch selbst wird unter dem Kochsalze gelähmt, nicht blos dessen Pulsationskraft, — so sehr wirkt dies Mittel schwächend auf das Herz; das Herzfleisch wird dabei feuchter und weicher. 4) Während aber das Kochsalz die Muskulatur des Herzens so feindlich lähmend angreift, sieht man Aehn- liches nicht an den Gefässen des Herzfleisches, die vielmehr durch das Kochsalz mächtig angeregt und durch dasselbe, sogar bei grösserer Dosis, nicht er- kennbar gelähmt werden. Trägt man äusserst kleine Dosen Kochsalz auf das Herz auf, so kann dessen Röthe zunächst steigen. Trägt man etwas grössere Dosen auf, so verbleicht die Röthe des Herzfleisches sofort, indem sich die getroffenen Gefässe stark con- trahiren. Indess diese Verbleichung schwindet schnell wieder, und die gebleichte Fläche erscheint bald röther und gefässreicher, als sie vorher war; bei dieser in stei- gendem Grade wiederkehrenden Röthe kann die am meisten gebleicht gewesene Stelle auch am meisten ge- röthet werden. Trägt man das Kochsalz auf dieselbe Stelle immer wieder von Neuem auf, so fällt die Ver- bleichung immer geringer und flüchtiger aus, und die Gefässchen röthen sich zunehmend schneller und mehr wieder. Die nach der anfänglichen Verbleichung wieder- kehrende Röthung ist keine Lähmungserscheinung. Denn diese Röthung hat keine paralytische Beschaffen- heit. Dieselbe wird auch vorherrschend hochroth oder nur einfach roth, und je kleiner die Dosis war, um so schneller sogar und hastiger schwellen die Ge- fässchen wieder und um so höher und dunkler wird die Röthe, während nach grösseren Dosen die wieder- kehrende Röthung eine helle Färbung zeigt und das Herzfleisch zartgefässiger erscheint. Auch macht sich, wenn sich die von dem Kochsalze angeregte Gefäss- erscheinung beruhigt hat, gerade an der am meisten getroffenen und anfangs am meisten verbleichten Stelle, obgleich sie sich inzwischen etwa am stärksten geröthet hatte, doch endlich eine geringere Röthe oder gar eine gewisse Verbleichung bemerkbar. — Die Reizungser- weiterung der Gefässe ist überhaupt kein paralytischer Zustand, sondern ein Thätigkeitszustand. Im Gegensatz zu den bestehenden Ansichten kann ich die durch Rei- zung entstehende Gefässerweiterung nur für eine active halten, was auch durch das Kochsalz bestätigt wird, denn in sehr kleiner Gabe veranlasst dieses eine Zu- nahme der Röthe, also Injection oder Hyperämie, und in grösseren Gaben wirkt es gefässcontrahirend oder verbleichend; wenn aber nun die Gefässcontraetur als Folge einer grösseren Gabe ein Thätigkeitszustand sein soll, so kann unmöglich die durch eine geringere Gabe und zwar sogar kurz vorher an derselben Stelle entstehende Gefässerweiterung ein Lähmungszustand sein. II. Anwendung des Kochsalzes am ausge- schnittenen Darm der R. temporaria. 1) Das Kochsalz regt den Darm zur Thätigkeit an, und die dadurch entstehende Bewegung des Darms kann stark und auch von langer Dauer sein. Je kleiner die Dosis ist, um so lebhafter wird die peristaltische Bewe- gung angeregt. 2) Es verengt ferner den Darm, und zwar um so mehr, je reichlicher es aufgetragen wird. Diese Verengerung ist bleibend. 3) Der Magen geräth unter dem Kochsalze in einiges Erbrechen, sofern die Verhältnisse des ganzen Darms dies begünstigen und das Mittel nicht etwa durch seine Menge den Magen lähmt. 4) Das Kochsalz lähmt den Darm, wenn es irgend zu reichlich applieirt wird, und zwar lähmt es ihn dann sogar schnell und nach '/, Gran auch bedeutend. Bei dieser Lähmung besteht die Verengerung fort. (Wenn aber der Darm mit fortbestehender Contraetur gelähmt werden kann, so können auch die Gefässe im contra- hirten Zustande gelähmt werden, und die Contraetur kann somit an sich nieht der Ausdruck eines Thätig- keitszustandes sein.) 5) Unter dem Kochsalze wird der Darm sehr feucht, sehr weich und weissgelblicht; die Verbleichung schwin- det jedoch beim Vertrocknen wieder. II. Anwendung des Kochsalzes an den Muskeln der R. temporaria. A. An den Muskeln des abgetrennten Beins erzeugt das Kochsalz: “ 1) ein lebhaftes und langdauerndes Zucken bei gestrecktem und steifem Beine, und dieses Zucken ist wesentlich dasselbe, wie es nach dem Bestreuen des blossen Nerven entsteht; 2) mässige Schrumpfungserscheinungen, die jedoch bald wieder nachlassen, später aber wieder steigen; } 3) Lähmung, die nach beendigtem Zucken schon wahrnehmbar ist und fernerhin fortwährend zunimmt; 4) vermehrte Feuchtigkeit der Muskeln, und 5) Verbleiehung, die gewöhnlich bleibend ist, jedoch auch durch eine wiederkehrende Röthung und Gefässentwicklung wieder verdrängt werden kann. Wenn die Verbleichung wieder schwindet, so geschieht dies - nie so leicht und nie so schnell und so sehr, wie am Herzfleische. — Zwischen den Gliedmassenmuskeln und dem Herzmuskel, der sich nach der anfänglichen Ver- bleichung so schnell und üppig wieder röthet, zeigt sich in dieser Hinsicht ein grosser Unterschied. Ein anderer grosser Unterschied besteht darin, dass die Gliedmassenmuskeln unter dem Kochsalze zucken, der Herzmuskel aber nicht zuckt. Bei gleicher anatomischer Beschaffenheit zeigt sich hier somit ein verschiedenes Verhalten gegen denselben Reiz. B. An den Muskeln des lebenden Thiers erzeugt das Kochsalz: 1) dasselbe Zucken wie am abgetrennten Beine; 2) nicht immer deutliche Schmerzerscheinungen ; 3) vermehrte Feuchtigkeit, die, wegen der Contra- hirung der Gefässe, bei der Application des Salzes nicht in dem Maasse steigt, als man letztere fortsetzt oder verstärkt; und 5) eine zartgefässige Injection, die sich bei der fortgesetzten Application des Mittels und auch nach- träglich in der Ruhe des Thieres wieder vermindert, späterhin jedoch mehr und mehr wieder zunimmt. IV. Anwendung des Kochsalzes an den drü- sigen Gebilden der R. temporaria. 1) Die Lunge wird durch das Kochsalz nieht zur Contraetion angeregt (was durch die Quassia und andere Mittel geschieht); bei der Application des Kochsalzes kann sich jedoch die Lunge von selbst in dem Maasse contrahiren, als die Luft aus ihr entweicht, indess auch 231 diese spontane Contrahirung ist gewöhnlich nicht auf- fallend. Dagegen lähmt das Kochsalz die Lunge sehr stark, und es macht sie dabei feuchter und weicher. Unter pulverisirtem Kochsalze wird die Lunge etwas zartgefässiger und hellfarbiger, in der Kochsalzsolution (1—4 Gran auf 1 Drachme Wasser) wird sie dagegen röther und kleiner, und im reinen Wasser quillt sie auf und verbleicht. 2) Die Leber wird durch das Kochsalz nicht (wohl aber durch die Quassia) zur Contraction ange- regt, sie wird dagegen durch das Kochsalz gelähmt, jedoch weniger als die Lunge, aber mehr als die Niere, und sie verbleicht unter dem Kochsalze; diese Ver- bleichung schwindet aber unter zunehmender Gefäss- entwicklung wieder (ähnlich wie am Herzfleische) , und die dabei derber und mürber werdende Leber wird darauf um so dunkler, je grösser die angewandte Menge des Kochsalzes war. In der Solution verbleicht die Leber viel weniger als unter dem ungelösten Salze und im blossen Wasser. In der Solution von 4 Gran Koch- salz wird die dunkelbraunrothe Leber erst hellfarbiger, dann wieder röther, darauf so dunkelroth wie vorher, dann wieder weniger dunkelroth, und bis zur 24. St. erscheint sie zwar noch gefässreich, aber sehr gebleicht, worauf sie endlich ausserhalb des Wassers wieder dunkel- farbig vertrocknet. 3) Die Niere wird durch das Kochsalz nicht zur Contraction angeregt, dagegen gelähmt, und sie wird durch dieses Salz zunächst gebleicht, röthet sich aber darauf wieder und wird röther als sie gewesen ist, während die gleichzeitig vom Kochsalz getroffenen Ge- fässstämmchen auf derselben verengt bleiben. Indess die Versuche, die ich der geehrten Versamm- lung mitzutheilen hätte, sind, selbst wenn ich nur auf das gröbere Resultat derselben eingehe, für den Vor- trag viel zu zahlreich und umfangreich, und ich be- schränke mich desshalb zum Schlusse nur darauf, die practischen Gesichtspunkte, unter welchen das Koch- salz hauptsächlich aufzufassen ist, mit wenigen Worten hervorzuheben. Das Kochsalz ist ein starkes Reiz- und ein starkes Lähmungsmittel. Als Lähmungsmittel nützt es im ärztlichen Gebrauche wahrscheinlich kaum ; — ob es im diätetischen Gebrauche durch seine lähmende Wirkung auch schaden könne, dies kann man nicht ganz unbedingt verneinen. Im ärztlichen wie im diätetischen Gebrauche kommt jedoch hauptsächlich die reizende, die anregende Wirkung des Kochsalzes in Betracht. So ausgebreitet aber diese auch ist, so sind es doch vorzüglich die Gefässe des Körpers, welche diese anregende Wirkung erfahren, so dass das Kochsalz in den gewöhnlichen und meisten Fällen nur als Gefässreizmittel zur Wirkung kommt. Als Gefässmittel kann das Kochsalz die Gefässe schwellen und injieiren, aber auch dieselben contra- hiren. 232 1. Als Gefässinjeetionsmittel kann es dadurch nützen, 1) dass es die träge Gefässthätigkeit anregt und 2) dadurch, dass es heilsame Hyperämieen er- zeugt, durch welche es theils von überfüllten Gefässen das Blut vortheilhaft ableiten kann (wie etwa beim Waschen der Haut mit Kochsalz und beim Verschlucken des Salzes wegen Blutspeien), theils das Blut in einem für die Functionen des Körpers günstigen Maasse hinzuzuleiten vermag (wie beim Genusse des Koch- salzes als Würze der Speisen, wo es vom Munde an bis zum Darm herab nicht blos chemisch, sondern auch durch Erzeugung vortheilhafter Gefässinjeetionen, die eine vermehrte Absonderung der Verdauungssäfte zur Folge haben, nützlich wird). — Als Würze der Speisen gelangt aber das Kochsalz vom Darm aus auch in den ganzen Körper, und hier scheint es durch Erzeugung heilsamer Gefässschwellungen beim Ernährungsge- schäfte eine wichtige Rolle dadurch zu spielen, dass es die Gefässe der Gewebe in einer günstigen Injection erhält, damit sie von dem mit neuer Nahrung versehenen Blute reichlich gespeist werden können. In ähnlicher Weise wirken auch alle Würzen, d. h. sie erzeugen nicht blos in den Verdauungswegen die zur Verdauung und Resorption nöthige Gefässinjeetion, sondern sie er- öffnen auch überall im Körper die Blutbahnen, damit das aufgenommene Material an die Gewebe reichlich abgegeben werde. Während aber Caflee, Wein, Bier und die feurigen Gewürze der Küche gar leicht allzu- starke Gefässinjectionen in den Geweben erzeugen und hierdurch leicht nachtheilig wirken, zeichnet sich das Kochsalz dadurch aus, dass es mehr eine zartge- fässige Injection veranlasst und somit weniger leicht eine Ueberfluthung der Gewebe mit ernährendem Blute herbeiführ. Man kann daher vom Kochsalze sagen, dass es die Ernährung durch Gefässinjection vermitteln hilft, aber mehr in einer Weise, die eine straffere und derbere Bildung und ein frischeres Aus- sehen veranlasst, als es bei anderen Würzen der Fall sein dürfte. 2. Als Gefässcontractionsmittel kann das Kochsalz dadurch nützen, 1) dass es bei krankhafter Hyperämie die Gefässe contrahirt und dadurch diese wieder normal macht (wie im Wechselfieber, bei Drüsen- anschwellungen u. s. w.), und 2) dadurch, dass es die durch die Lebensweise, durch Bier und Wein und durch andere Gewürze in feindlicher Weise allzusehr congestiv geschwellten Gefässe wieder verengern, und dadurch wieder zu einem normalen Zustande zurückführen oder doch ihre nachtheilige Erweiterung beschränken hilft, so dass es in dieser Hinsicht vielfach corrigirend auf die schädlichen Folgen anderer Gewürze und Lebensreize wirken kann. Im Gegensatz zu anderen Gewürzen ist demnach die diätetische Wirkung des Kochsalzes dadurch ausgezeichnet, dass es behufs der Ernährung der Gewebe diese vorherrschend nur zartge- fässiginjieirt, und dass es die durch andere Ursachen entstehenden allzustarken Gefäss- schwellungen beschränkt — eine Wirkungsweise, die für das Individuum und für die ganze menschliche Gesellschaft von grosser Bedeutung ist und die das Kochsalz zu den zweckmässigsten Würzen macht. Dr. Friedleben von Frankfurt a. M.: Ueber das Verhalten des Vagus Recurrens zu den Tracheal- und Bronchialdrüsen in Krankheiten der Kinder. Indem ich vor Ihnen das Wort ergreife, ist es weniger meine Absicht, einen ausführlichen abgeschlos- senen Vortrag zu halten, als vielmehr Ihre Aufmerk- samkeit auf einen Gegenstand zu lenken, welcher in der Pathologie der Kindheit von Bedeutung ist, bis jetzt aber noch nicht gebührend gewürdigt zu sein scheint. Ich erlaube mir, Sie auf die so häufigen Schwellungen der Lymphdrüsen aufmerksam zu machen, welche in Beziehung zum Respirationsapparat stehen. Sie finden in vielen Schriften dieser Drüsen gedacht, mehr in den Schriften der Pathologen, als der Anatomen; nur selten aber sind sie in ihrer Gruppirung und in ihrem Ver- halten zu den Nachbarorganen einer näheren Unter- suchung gewürdigt worden. Ich habe diesen Gegen- stand seit emer Reihe von Jahren unausgesetzt verfolgt und auch schon früher im Archive für physiologische Heilkunde in meiner Abhandlung über den Keuchhusten eine gedrängte Notiz hierüber mitgetheilt. Da ich aber jetzt im Besitze von 12 nach der Natur gezeichneten - Tafeln bin, welche diese Drüsen unter verschiedenen Verhältnissen, theils im Normalzustande, theils patho- logisch verändert darstellen, so benutze ich die Gelegen- heit, Ihnen diese Tafeln vorzulegen; jeder Einzelfall ist "genau speeialisirt. Sie werden sich durch eigene An- schauung von den beträchtlichen Abnormitäten in den einzelnen Fällen überzeugen, welche durch die mit- unter enorme Schwellung dieser Drüsen hervorgebracht werden. Zum richtigeren Verständniss der Tafeln erlaube ich mir nur einige kurze Bemerkungen über die Gruppirung und pathologischen Veränderungen der in Rede stehenden Lymphdrüsen voranzustellen. Es lassen sich fünf Reihen oder Gruppen unterscheiden: die erste Reihe umfasst die unter der Haut des Halses und im untermuskularen Zellgewebe gelegenen Drüsen. Sie schwellen, wie be- kannt, sehr häufig an, abscediren oft, tubereulisiren selten. Wie immer die Schwellung, Hyperämie und Abscessbildung von Lymphdrüsen als seceundäre Affee- tion in Erkrankungen der Gewebe wurzelt, aus welchen die Drüsen ihr Material erhalten, so auch ist die Alte- ration jener Halsdrüsen stets abhängig von Erkrankungen der Kopfhaut, der Ohren, der Augen, der Mundhöhle, der Haut des Halses und Nackens. Ihre Schwellung ist von ganz untergeordneter Bedeutung; es muss der- selben aber gedacht werden, um einem weit verbreiteten Irrthume entgegen zu treten, dem Irrthume nämlich, als ob sich aus ihrem Verhalten ein Schluss ziehen lasse auf das Verhalten der tiefer liegenden, viel wichtigeren, aber ganz anderen Systemen angehörenden Drüsen. Zahlreiche Fälle haben mich belehrt, dass jene ober- flächlichen Drüsen hochgradig verändert sein können, ohne dass die tiefer liegenden ergriffen sind und umge- kehrt; in keinem Falle aber, selbst bei sehr beträchtli- cher Schwellung, können die letzteren von aussen durch Palpation erkannt werden; ihre Erkennung lässt sich nur aus anderen, mitunter bestimmten, Symptomen ver- muthen. Dies gilt ganz besonders von der zweiten Reihe, deren Endstück der Trachea und ihrer Bifur- cation angehörenden Drüsen, den eigentlichen Bron- chialdrüsen. Die beiden rechterseits gelegenen sind die wichtigeren; sie sind im Normalzustande etwa bohnen- gross, liegen genau unter der Arteria subelavia und vor der oberen und zur Seite der unteren geht der Stamm des Vagus herab. Sie erkranken unter allen übrigen dem Respirationssystem zugetheilten Lymphdrüsen zuerst, werden hyperämisch und schwellen nach Katarrhen und Entzündungen der Tracheal- und Bronchialschleimhaut, nach Pneumonien der oberen Abschnitte der Lunge, bei Keuchhusten und bei Tubereulosen der Lunge; ja in ihnen ist häufig der Ausgangspunkt der allgemeinen Tubereulose. Die Zustände, in deren Folgen sie alterirt wurden, haben nicht selten längst zu bestehen aufge- hört, aber ihre Schwellung hat zu Tuberkelinfiltrat geführt. Je mächtiger aber die Schwellung geworden, um so mehr hat sie auch die Vagusbahn mit ergriffen ; die im Normalzustand durch schlaffes Bindegewebe ganz lose Verbindung der Drüsen mit dem Vagus ist allmälig eine innigere geworden; das Neurilem ist massiger, fester geworden und in höheren Graden verfetten und veröden die Primitivfasern des Vagus. Ja ich werde Ihnen auf einer Tafel einen Fall vorlegen, wo jene beiden von Haus aus bohnengrossen Drüsen bis über Mannesfaust - Grösse erlangt haben und völlig ab- scedirt waren; in diesem Falle war der Vagus nicht nur verödet, sondern in seiner Totalität so innig mit der bindegewebigen verdiekten Drüsenhülle verschmolzen, dass auch keine Spur mehr seines Bestehens in der Ausdehnung der Drüsen aufgefunden, sondern sein ehe- maliger Verlauf nur je nach der Eintritts- und Austritts- stelle vermuthet werden konnte; in diesem Fall war es also in Folge fortschreitender Drüsenerkrankung zu völligem Schwund, zu einer Laesio continui der Nerven- bahn gekommen. Wenn solche extreme Fälle aller- dings nicht zu den häufigern gehören, so kommen hin- gegen jene andern mit ansehnlicher Drüsenschwellung "und consecutiver Alteration der Vagusbahn eben nicht selten vor; physiologisch sind sie von Wichtigkeit, weil sie naturgemäss Veranlassung geben zu Veränderungen des Lungengewebstheiles, welcher die verödeten Primi- tivfasern des Vagus zu versorgen hatten, also jene bekannten capillaren Hyperämieen und Exsuditionen zu bedingen vermögen, welche im Gefolge von Vagus- excision zu entstehen pflegen. In frischen Fällen, z. B. bei Kindern während eines intensiven (paralytischen) Keuchhustens verstorben, lassen sich solche capillare Veränderungen des Lungengewebes leicht und mit Be- stimmtheit nachweisen, wie ich es am angeführten Orte gethan habe; in weiter vorgerückten Fällen wird 233 der Nachweis der Lungenveränderung häufig deshalb schwierig, oft geradezu unmöglich, weil das gesammte Lungengewebe Sitz einer verbreiteten Tuberkelgranu- lation geworden. Immerhin wird man keinen Fehl- schluss machen, wenn man auch für diese Fälle als Ausgangspunkte der Infiltration jene Capillarhyperä- mieen annimmt, und dies mit um so begründeterem Rechte, als in den weniger weit gediehenen Fällen beide Veränderungen noch neben einander bestehen und in ihrem morphologischen Verhalten sehr ähnlich getroffen werden. Es bedarf wohl kaum der Erwäh- nung, dass hiermit nicht jede Tubereulose der Lungen in der Kindheit von Erkrankung der Vagusbahn abge- leitet werden will; ich spreche eben nur von jenen Fällen, wo unzweifelhaft die Bronchialdrüsen der Aus- gangspunkt der Tuberculose gewesen. Auch diagnostisch ist die Schwellung jener beiden Drüsen wichtig; durch dumpfen Pereussionston und prägnantes Bronchial- atımen in dem obern Theil der rechten Interscapular- seite lässt sich bei Ausschluss pneumonischer Symptome oder bei Mangel von Zeichen allgemeiner Tuberculose ihre Schwellung rechtzeitig erkennen und durch kräftige Jodkur, Bäder und richtige Regelung der Ernährung zur Heilung führen. Ich habe mehrfach solche Fälle beobachtet. _ Wie sehr übrigens diese Drüsen, wenn irgend stärker geschwellt, auf die Nachbarorgane zu drücken vermögen, das beweisen die tiefen Furchen, welche die oberen vom kräftigen Anschlag der Arteria subelavia und die unteren von dem der Aorta erhalten haben. Ich habe, meine Herren, bei der Betrachtung der rechterseits gelegenen Bronchialdrüsen etwas länger ver- weilt, weil sie die grösseren, häufiger und zuerst er- krankten und mächtiger geschwellten zu sein pflegen; allein man würde sehr irren, wollte man die linkseitigen für geringfügiger in ihrer Bedeutung zu den anliegenden Theilen halten. Auch sie vermögen unter gleichen Voraussetzungen zu schwellen, zu tubereulisiren, zu ab- scediren; auch sie vermögen bei stärkerer Schwellung verändernd auf die Gewebe der linken Vagusbahn zu wirken, gerade wie es von jenen rechtseitigen angegeben wurde; ja in der weitaus grösseren Zahl der Fälle sind sie stets gleichzeitig erkrankt mit jenen, nur erreicht ihr Volum nicht jenen mächtigen Umfang wie das der recht- seitig gelegenen. Auch im normalen Zustande sind sie kleiner als diese. Die dritte nicht minder wichtige Drüsenreihe, gleich- falls dem Respirationsapparat zugehörig, ist die Kette der eigentlichen Trachealdrüsen. Sie liegen beiderseits längs der Recurrentes, welche sie in ihrem ganzen Ver- laufe in wechselständiger Anordnung begleiten; im Nor- malzustand kaum stecknadelkopfgross, vermögen sie über Bohnengrösse zu erreichen. Die Kette der link- seitigen ist weitaus zahlreicher, entsprechend dem längeren Verlaufe des linken Recurrens, und hier ist es ganz be- sonders Eine (die am nächsten der Abgangsstelle des Nervenzweiges und zwar an dessen unterm Rande ge- legene), welche sich sowohl durch ihre natürliche Grösse, wie durch ihre nach oben kielförmige Gestalt auszeichnet ; 30 254 sie bildet einen ganz schmalen langgestreckten Wulst genau hinter der Aorta, zwischen dieser und der Trachea gelegen, da, wo sich das Recurrens um den Arcus Aortae herumgeschlagen hat. Diese grössere Drüse vermag unter Umständen bis Haselnussgrösse zu erreichen, immer aber bewahrt sie ihre nach oben kielförmige Gestalt. Alle diese Trachealdrüsen finden sich mehr oder minder geschwellt in Fällen von Keuchhusten, Tracheal- und Larynxcatarrhen, bei Croup, bei allgemeinen und Bron- chialdrüsen-Tubereulose. Oftmals finden sie sich auch ansehnlich geschwellt und hyperämisch in Fällen des Laryngismus, welcher Befund zuerst von Merriman und Hugh Ley, später von deutschen Autoren irr- thümlicher Weise dahin gedeutet wurde, als ob dem Laryngismus jederzeit diese Veränderung eigenthümlich sei; die neuesten Forschungen auf diesem Gebiete haben zu ganz andern Resultaten geführt, deren nähere Dar- legung allzuweit von unserm Gegenstande abführen würde. Eines aber ist kaum zu bezweifeln, das näm- lich, dass jene Trachealdrüsen durch beträchtliche über ihre ganze Kette ausgedehnte Schwellung den Nervus recurrens morphotisch ebenso zu verändern vermögen, wie die Bronchialdrüsen den Vagus; auch hier findet sich dann Massenzunahme des Bindegewebes (des Neurilem) und in höherem Grade Verödung der Nervenprimitiv- fasern des Recurrens; ja ich stehe nicht an zu glauben, dass bei einfacher, aber ansehnlicher hyperämischer Schwellung der Drüsen eine Behinderung der Nerven- action erzeugt werden kann, auch ohne dass es bereits zu nachweisbaren morphologischen Alterationen gekom- men ist. Der Modus dieser Einwirkung kann nur Druck auf die Nervenbahn sein; die behinderte Action muss dem- nach zu Paralyse der von dem Recurrens versorgten Kehlkopf- und Stimmritzenmuskeln Veranlassung geben. Ich habe an dem früher angeführten Orte nachzuweisen gesucht, dass Paralyse und Spasmen dieser Muskeln symptomatisch gleiche Erscheinungen sein müssen, da beide an sich zwar physiologisch verschiedene Vorgänge, schliesslich eine Verengerung der Glottis erzeugen. Es sind daher im Verlaufe einer jeden catarrhalischen Affeetion oder einer Entzündung der Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut die nicht selten eintretenden La- ryngismus-artigen Anfälle nicht als zufällig auftretende Complicationen zu achten, sondern zunächst als Zeichen der hinzugetretenen, durch den Krankheitsprocess auf der Respirationsschleimhaut selbst hervorgerufenen Tra- chealdrüsenschwellung aufzufassen. Therapeutisch ist diese Auffassung nicht ohne Belang; eine hiernach ge- leitete Therapie hat mir wiederholt die erspriesslichsten Dienste am Krankenbette erwiesen. Noch kann ich nicht unterlassen, darauf hinzudeuten, dass auch in Fällen von Croup nicht selten die eben berührten Veränderungen von wichtigem Einflusse sind zur Erzeugung asthmati- scher Anfälle; die Exsudation im Larynx, zunächst in der Glottis, müsste als ein bleibendes, selten flottirendes mechanisches Hinderniss eher zu continuirlicher Dyspnoe, denn zu asthmatischen Anfällen führen; und wie häufig doch beobachtet man im Leben sehr heftige Anfälle, wo die Section nur eine sehr geringfügige Exsudat- schicht, fast nur in Form eines Anfluges nachweist; ganz zu geschweigen der zahlreichen Fälle des ächten Larynxcatarrhs (des s. g. „Pseudocroup“), wo die asth- matischen Anfälle so prägnant vortreten ohne alle Ex- sudation im Kehlkopfe. Ich bin weit entfernt, zu be- haupten, dass diese asthmatischen Anfälle überall durch Schwellung der Trachealdrüsenkette und den hierdurch bewirkten Druck auf den Recurrens hervorgerufen werden; sicherlich muss ausser der in solehen Fällen häufig un- vollkommenen Ernährung des Gehirnes auch dem Ein- fluss der Schleimhautaffeetion auf die Verbreitung des sensibeln Nervus laryngeus superior Rechnung getragen und kann kaum bestritten werden, dass durch Reizung dieses Nerven reflectorischer Spasmus erzeugt werden muss; allein ich wollte durch meine Darlegungen, welche sich auf Beobachtungen gründen, nur auf den Einfluss jener Trachealdrüsenschwellung aufmerksam machen und Sie ersuchen, in Sectionsfällen von Kehlkopferkrankungen der Kinder die Untersuchung der beregten Theile nie- mals zu unterlassen; es dürfte dann gar manchmal ein scheinbar dunkler Krankheitsverlauf leichter verständ- lich werden. Die beiden letzten Reihen der uns beschäftigenden Drüsen sind für Diagnose und Therapie von weit min- derem Belange als die so eben behandelten. Es sind die im Lungengewebe selbst, längs der Vertheilung der Bronchialäste gelegenen und äusserst kleinen Pulmonal- drüschen, die aber in Fällen von Bronchitis, z. B. bei Masern oderlobulärer Pneumonie sehr ansehnlich hyperä- misch schwellen oder bei Tuberceulose der Lungen oder der Bronchien mit beträchtlichen Tuberkelinfiltrat absce- diren,ja dann zuweilen Veranlassung zu Pyopneumothorax geben können, wie ich es einmal zu beobachten Gelegen- heit hatte. Die fünfte Reihe der Drüsen endlich ist die um die Thymusdrüse auf dem Herzbeutel gelagerte Gruppe, die Glandula perithymicae et pericardiales. Ihre Erkrankungen haben sie gemein mit den Pulmonaldrüsen; sie sind nur desshalb beachtenswerth, weil sie, da sie zum Theile dieht am Rande der Thymus gelagert sind, in Fällen von Tubereulose, wo die Thymus oft sehr be- deutend atrophirt und derb gefunden wird, durch ihre innige Verbindung mit der Thymus bei nicht genauer Untersuchung leicht zu einer voreiligen Annahme von Thymustubereulose Veranlassung geben können. Meine Herren, das sind in Kürze die Momente, auf welche ich Ihre Aufmerksamkeit zu lenken beabsichtigte und werde ich nun mir erlauben, durch die mitgebrachten Tafeln, welche sämmtlich conerete Fälle repräsentiren, Ihnen das eben Vorgetragene zur Veranschaulichung zu bringen. * 235 Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident: Professor Friedreich, bei Verhinde- rung des erwählten Professor Griesinger. Professor Fuchs aus Carlsruhe: Ueber polizeiliche Untersuchung der Milch. Schon seit längerer Zeit hat man der Milch eine, ihrer Wichtigkeit als Nahrungsmittel entsprechende po- lizeiliche Aufmerksamkeit geschenkt, und wird es zur Zeit wohl nur noch wenige grössere Städte in Europa geben, in denen der Verkauf dieser Flüssigkeit nicht wenigstens zeitweise einer Controle in Bezug auf ihre Reinheit, Unverfälschtheit und Preiswürdigkeit unter- worfen wäre. Man ist darin übereingekommen, dass, mit Ausnahme des Abrahmens und des Wasserzusatzes, alle übrigen, auf einen betrügerischen Gewinn abge- sehenen Verfälschungen der Milch entweder zu umständ- lich oder nicht wohlfeil genug, oder auch durch das gewöhnliche Kennerauge zu leicht nachweisbar sind, um oft vorkommen zu können; man ist aber auch darüber einig, dass das Abrahmen der Milch und der Wasserzu- satz zu derselben wirklich sehr oft vorkommen, weil dies leicht ausführbar, einen Mehrgewinn von 23>—50%, abwirft, und ein solcher Betrug nicht leicht nachzu- weisen ist. Die chemische oder direete Unter- suchung der Milch vermag allerdings am bestimmte- sten Aufschluss über die Menge und das gegenseitige Verhältniss der in der Milch vorkommenden wesent- lichen Bestandtheile, nämlich des Fettes, Käses, Milch- zuckers, der Salze und des Wassers zu geben; derartige Untersuchungen aber erfordern einen solchen Grad von Kenntnissen und Fertigkeiten, und überdiess einen so grossen Zeitaufwand, dass man sie weder dem gewöhn- lichen Polizei-Personal anvertrauen könnte, noch da- durch den Betrug auf der Stelle nachzuweisen, und demnach auch nicht, wie man sich ausgedrückt hat, den Milehhandel zu moralisiren vermöchte. Daher hat man der physikalischen oder indirecten Untersu- ehungsmethoden jener Flüssigkeit mit Recht eine grosse Aufmerksamkeit geschenkt, und dieselbe auch wirklich bis zu einem hohen Grade ausgebildet. Die Untersuchung mit dem Polarisations- Ap- parat in Bezug auf Zuckergehalt theilt die Schwierig- keit mit den chemischen Prüfungs-Methoden, und ist auch insofern unzuverlässig, als die Menge der übrigen Bestandtheile der Milch nicht, wie man vorausgesetzt hat, mit der Menge des Zuckers in einem constanten Verhältnisse steht, und als auch der fehlende Milch- zucker durch andere Zuckerarten betrügerischer Weise ersetzt werden kann. Die gewöhnlichen Milch- waagen sind sämmtlich nach dem Baum €’ schen Aräo- meter eingerichtet, und beruhen auf dem Grundsatze, zwischen 1027 — 1033 schwankt, also im Mittel 1030 beträgt, und demnach ihre Gradeintheilung in Viertheile, Zehntheile u. s. w. die Viertheile, Zehntheile u. s. w. zugesetzten Wassers anzeigen sollen. Da aber beim Gebrauche solcher Instrumente gewöhnlich keine Be- richtigung hinsichtlich der Temperatur vorgenommen wird, so sind sie schon dieserhalb unzuverlässig, und insofern auch durchaus zu verwerfen, als bei ihnen auf die Verschiedenheit des specifischen Gewichts der ver- schiedenen Bestandtheile der Milch keine Rücksicht ge- nommen ist. Ein solches Instrument vermag nicht allein einen ganz unschuldigen Milchverkäufer in den Verdacht des Wasserzusatzes zu bringen, wenn nämlich seine Waare ungewöhnlich reich an Rahm ist, und dadurch leichter wird, als die Milchwaage es verlangt, sondern es wird auch einen betrügerischen Milchhändler, wenn Rahm von der Milch abgenommen wurde, und sodann das hiedurch bewirkte grössere specifische Gewicht der- selben durch Wasserzusatz ausgeglichen wurde, unent- deckt lassen. In ähnlicher Weise verhält es sich mit den von Vergnette und Lamothe eingeführten Kugeln, deren eine dem gewöhnlichen niedrigsten und die andere dem gewöhnlichen höchsten specifischen Ge- wicht der Milch entspricht. Etwas zuverlässiger ist schon das Galactometer von Donne, ein optisches Werkzeug, welches zur Ermittelung des Gehalts der Milch an Fett, ihres geschätztesten Bestandtheils be- rechnet ist; es beruht auf der Thatsache der mehreren oder geringeren Durchscheinigkeit einer Schicht Milch bei einer gewissen Beleuchtung, insofern angenommen wird, dass ein grösserer Gehalt der Milch an Fettkügel- chen dieselbe weniger durchscheinend macht. Aber auch dieses Instrument ist desshalb nicht allgemein zu empfehlen, weil es viel Uebung erfordert, überdiess auch nicht ganz zuverlässig ist, und die mit ihm ge- wonnenen Resultate dem gemeinen Manne nicht über- zeugend dargelegt werden können. Empfehlenswerther sind die Galactodensimeter von Chevalier und Quevenne, weil bei ihrem Gebrauche nicht allein eine Regulirung mit dem Thermometer stattfindet, sondern weil sie auch ebensowohl eine abgerahmte Milch für sich, als auch eine mit Wasser verdünnte bestimmt an- zeigen, nicht aber, wenn beide Betrügereien, wie es gewöhnlich geschieht, vorgenommen wurden. In diesem Falle ist dann noch ein Cremometer erforderlich. Unter diesen Umständen war ich bemüht, eine Me- thode ausfindig zu machen, welche geeignet sei, in mög- liehst kurzer Zeit und mit möglichst geringer Geschick- lichkeit den Rahmgehalt der Milch in der Art zu be- stimmen, dass das Resultat für Jedermann verständlich sein könne. Die Anwendung der Cremometer erfordert 12 — 24 Stunden; ich glaubte diese zunächst dadurch abkürzen zu können, dass durch Beihülfe einer Art ” dass das specifische Gewicht der unverfälschten Milch Schüttelmaschine das Abrahmen der Milch beschleunigt E s0* 236 werde, insofern angenommen würde, dass durch leise Stösse an das Abrahmungsgefäss (den Cremometer) die Adhäsion zwischen den Milchkügelchen und den übrigen Bestandtheilen der Milch vermindert, und ihr Aufsteigen erleichtert und beschleunigt würde. Aber der Zweck wurde hiedurch nicht vollständig erreicht, und wahr- scheinlich aus dem Grunde nicht, weil das Aufsteigen der Fettkügelchen in der Milch nicht allein von der Verminderung der Adhäsion zwischen ihnen und den übrigen Bestandtheilen der Milch abhängig ist, sondern auch von dem beginnenden Säuerungs- und Scheidungs- Processe des Käses von dem Serum, wodurch der Un- terschied in dem speeifischen Gewicht der näheren Be- standtheile der Milch, und insbesondere das relativ- geringste specifische Gewicht der Milchkügelchen zur Begünstigung ihres Aufsteigens bewirkt wird. Von den Centrifugalmaschinen, wie sie in chemischen Labora- torien üblich sind, ist bekannt, dass sie in der Regel zur raschern Verdünstung, aber auch zur raschern Nie- derschlagung schwererer Theile aus Flüssigkeiten, z. B. der Blutkörperchen aus dem Blutserum benutzt werden. Wenn derartige Maschinen dies vermögen, dachte ich, so werden sie wahrscheinlich auch im Stande sein, die einen Unterschied an speeifischem Gewicht besitzenden Theile der Milch, namentlich der Milchkügelchen und des im Serum aufgelösten Käses so zu scheiden, dass die speeifisch leichteren Milchkügelchen an die Ober- fläche treten. Vielfache Versuche mit einer, im chemi- schen Laboratorium des hiesigen Polytechnikums be- findlichen Centrifugalmaschine haben gezeigt, dass sie wirklich das Vorausgesetzte vermittelst einer gewissen Zahl von Umdrehungen in Bezug auf die Abscheidung des Rahms und der Milch so vollständig leistet, als wenn diese Flüssigkeit während 12 — 24 Stunden sich selbst überlassen worden wäre, nur hat der, durch eine Centrifugalmaschine gebildete Rahm begreiflicher Weise nicht die feste Consistenz, wie der auf die gewöhnliche Art erhaltene, doch zeichnet er sich durch seine grün- weisse und matte Farbe deutlich genug von den übrigen etwas durchscheinenden Milchbestandtheilen aus, um in gradirten gläsernen Versuchsgefässen sicher gemessen werden zu können. Am geeignetsten fand ich zu sol- chen Versuchen in Cub. C. M. eingetheilte gewöhnliche Reagens-Cylindergläschen, welche mit Papier umwickelt in gleichgeformte Blechbüchschen gesteckt, und an die Centrifugalscheibe in der Art befestigt wurden, dass sie beim Umschwunge eine horizontale Lage anzunehmen vermochten. Die im Handel vorkommende Milch, welche zu solchen Versuchen verwandt wurde, zeigte durch- schnittlich 1/;- Rahm nach 300 Umdrehungen, beziehungs- weise 3000 Umschwüngen, und ebensoviel Rahm wurde auch von derselben Milch gewonnen, wenn sie, sich selbst überlassen, im ähnlichen Versuchsgläschen wäh- rend 12— 24 Stunden gestanden hatte. Auch zeigte die Milch, wenn sie mit einer bestimmten Menge Was- sers verdünnt worden war, eine dieser Menge entspre- chende Verminderung des Rahms. War die Milch fetter, als gewöhnlich, so wurde auch dem entsprechend eine grössere Menge Rahm durch die Centrifugalmaschine sowohl, als auch durch freiwillige Abscheidung ge- wonnen, und zwar 6—10°,. Aber wohl zu merken ist, dass durch die Centrifugalmaschine eben so wenig alle Butterkügelchen an die Oberfläche der Milch ge- bracht werden, als es bei dem freiwilligen Processe des Abrahmens während der mehrgedachten Zeit der Fall ist; doch genügt es vollkommen zu dem vorliegenden Zwecke, wenn beide Verfahren, wie es in der That der Fall ist, gleiche Resultate liefern. Das Mittel zur geeignetern polizeilichen Untersu- chung der Güte der Milch, beziehungsweise ihres Rahm- Gehaltes schien also gefunden zu sein; Centrifugalma- schinen jener Art aber sind um deswillen nicht zu diesem Zwecke anwendbar, weil sie zu theuer und nicht leicht zu transportiren sind. Daher musste nun zunächst das Nachdenken auf die Construction einer einfachen, wohl- feilen und handlichen Maschine solcher Art gerichtet werden. Ein 7—8' langer Stab, an dessen oberem Ende sich eine eiserne Büchse befindet, um die ein ei- serner Ring läuft, der mit einem 4— 5‘ langen Draht in Verbingung steht, und an dessen anderem Ende, das blecherne, das graduirte mit Milch versehene Versuchs- Cylinderchen enthaltende Büchschen befestigt, und in Umschwung versetzt wurde, leistete das nicht, was man erwartet hatte, und wahrscheinlich desshalb nicht, weil die Umschwünge nicht rasch genug bewirkt werden konnten, und die grössere Länge des Umschwungs- Bogens den rascheren Umschwung der Centrifugalma- schine nicht zu ersetzen vermochte. Wenn auch die geschilderte Stangen-Centrifugalvorrichtung das Erwar- tete geleistet hätte, so würde sie doch nicht wohl an- wendbar sein, weil es erstens eine harte Arbeit ist, eine grössere Zahl von Umschwüngen mit derselben zu be- wirken, und weil es zweitens viel Uebung erfordert, einen gleichmässigen Gang der Umschwünge hervorzu- bringen. Es wurde daher zur frühern Centrifugalma- schine zurückgegangen, und eine kleine nach dem ihr zu Grunde liegenden Princip gebaut. Diese besteht aus einem passenden Gestell, auf welcher eine horizontal- liegende, 60 Centimeter im Durchmesser besitzende, durch eine Kurbel in Bewegung zu setzende Drehscheibe befestigt ist; dann aus einer gegenüber stehenden 5 der grossen betragenden Scheibe, welche letztere folg- lieh durch den, über beide Scheiben laufenden Stock eine 10fach schnellere Bewegung, als die grosse Scheibe erhält. Durch die kleine Scheibe geht ein, ohngefähr 1’ über derselben hervorstehender Wellbaum, an wel- chem sich oben ein eisernes Kreuz befindet. An den Enden der Stäbe desselben hängen am Draht blecherne Büchschen zum Einsatz der Milchgefässe so lang herun- ter, dass sie beim Umdrehen einen Kreis von 1—2' im Durchmesser beschreiben. Diese Maschine leistet nun in Bezug auf Milch-Untersuchungen ganz dasselbe, was auch eine grössere thut; aber nach oft wieder- holten Versuchen zeigte sie doch, da sie grösstentheils aus Holz verfertigt ist, und die Welle der kleinen Drehscheibe in einer eisernen, der Abnützung unter- worfenen Büchse läuft, einen unordentlichen, störenden Gang. Es kommt also nur noch darauf an, dass ein Mechaniker eine bequeme, möglichst kleine und dauer- hafte Maschine dieser Art construirt. *) Sanitätsrath Dr. Dawosky aus Celle: Ein Fall von Situs transversus completus. Fälle wie der mitzutheilende bieten sich auf dem Secirtische der Privatpraxis so selten dar, das ich mich veranlasst fand, ihn in Kürze mitzutheilen. Im Winter dieses Jahres, wo eine Epidemie hitzigen Gelenkrheuma’s meine ärztliche Thätigkeit vielfach in Anspruch nahm, erkrankte auch der 12jährige Sohn eines Bäckermeisters an diesem Uebel, wozu sich schon nach einigen Tagen Herzaffectionen gesellten. Bei angestellter Untersuchung fand sich das Herz auf der rechten Seite vor. Da we- der ein Leiden der Brust noch des Herzens vorange- gangen war, in Folge dessen sich eine Deviation des letzteren hätte ausbilden können, der Knabe vielmehr stets gesund gewesen war, so musste bei mir die Ueber- zeugung Platz finden, dass ich es mit einer angebornen fehlerhaften Lage des Herzens zu thun habe. Der Knabe starb nach mehreren Monaten an Herzhypertrophie und Insuflicienz der Trieuspidal- Klappen und die Section ergab folgenden Situs transversus. 1) Im Thorax lag das Herz auf der rechten Seite in der Richtung von links nach rechts mit der Apex gegen die sechste Rippe. Die Aorta kam aus dem rechten Ventrikel, die Vena pulmonalis ging in den rechten Vorhof. Die Vena cava ascendens und descen- dens gingen in den linken Vorhof und die Arteria pul- monalis kam aus dem rechten Ventrikel. Die linke Lunge zeigte drei Lappen, die rechte zwei. 2) Im Abdomen lag die Cardia ganz nach rechts, der Pylorus links, die Leber doppelt vergrössert und fettig degenerirt auf der linken Seite, die Milz, sonst *) Der Berichterstatter zeigte eine Maschine der zuletzt ge- schilderten Art vor, machte auch einen Versuch damit, der aber misslang, und wie er behauptete aus dem Grunde, weil die Milch sauer geworden und, was nicht zu verwundern sei, weil dieselbe Abendmilch des vorhergehenden Tages war, und der Versuch an einem heissen Nachmittage stattfand. Uebrigens betheuerte der Berichterstatter nochmals, dass seine Maschine unter anderen Umständen wirklich das leiste, was er von ihr behauptet habe. 237 normal auf der rechten, das Coecum lag an der linken Seite, die Flerura sigmoidea auf der rechten. Professor Hoppe aus Basel: Verlagerung des Uterus zwischen Blase und Bauchwand. Eine 37 jährige Frau hatte vor 15 Wochen ihr sechstes Kind geboren und 2 Wochen nach dieser Geburt hatte sie eines Morgens eine harte Geschwulst oberhalb des Schambeins gefühlt. Diese Geschwulst war schmerz- haft gewesen, und die Kranke hatte sofort den Harn nieht mehr genügend zurückhalten können. In der 13. Woche nach der Entstehung dieser Geschwulst fand ich Folgendes: In der Scheide fühlte man keinen Uterus mehr, und nur wenn man äusserst tief eindrang, streifte man hoch oben im Becken und rechts einen Rest der Portio vaginalis; oberhalb des Schambeins lag dagegen unter den Bauchdecken ein derber und fester Körper, der eine sehr fühlbare, ganz unbewegliche Geschwulst bildete. Diese Geschwulst, welche die Kranke am 14. Tage nach der Entbindung wahrgenommen hatte, lag vor der Blase. Als ich mit der Sonde von Kiwisch in die Oeffnung der nur noch dürftig fühlbaren Portio vaginalis eindrang, nahm diese gekrümmte Sonde ihre Richtung von oben nach unten gegen das Schambein hin und sie drang 4“ tief ein, worauf sie blutig zurückgezogen wurde; — sie war also innerhalb jenes derben Körpers gewesen, der die Geschwulst oberhalb des Schambeins bildete, und dieser derbe Körper war demnach der Uterus, von dem man in der Scheide nur noch einen Rand der Portio vaginalis spärlich fühlte. Der verlagerte Uterus war dabei vergrössert, verdickt und verlängert. Für diese Verlagerung fand sich keine andere Ur- sache als ein starker Husten, an welchem die Kranke nach der Geburt gelitten hatte. Die anfängliche Schmerz- haftigkeit hatte nach und nach abgenommen, und die Kranke befand sich ‘bei dem Leiden relativ ziemlich wohl. Schuberg aus Carlsruhe zeigt ein Präparat von Haematoma durae matris vor, und ein Individuum mit kindskopfgrossem, congenitalem Ein- drucke des Sternums präsentirt sich der Gesellschaft. Dritte Sitzung am 20. September 1858. Präsident: Professor Virchow. Professor Dr. Kussmaul aus Heidelberg: Ueber die einhörnige Gebärmutter ohne und mit ver- kümmertem Nebenhorne. Nach einer Einleitung über die Entwicklung der Gebärmutter und ihre verschiedenen Bildungsfehler geht K. zu einer genaueren Beschreibung der einhörnigen Gebärmutter ohne und mit verkümmertem Nebenhorne über. Veranlassung zu diesem Vortrage gab die Auffin- dung dreier, früher misskannter Präparate von Uterus unicornis cum rudimento cornu alterius in den Heidelberger anatomischen Sammlungen. Das eine wurde von Tiedemann in Meckel’s Archiv 1819, Bd. V, S. 134 als Uterus mit zwei ent- wickelten Hörnern beschrieben, obwohl nur ein solches vorhanden ist (das linke, während das rechte nur durch einen dünnen, schmalen, aber sehr langen Faserstreifen dargestellt wird, der vom Halse des entwickelten Hornes abgeht. Letzteres besitzt einen ausgebildeten Eileiter 238 und Eierstock, auf der rechten Seite dagegen findet sich der Eileiter nur in Gestalt einiger Fransen angedeutet, der Eierstock aber ist grösser als der rechte, und das runde Mutterband von ungewöhnlicher Stärke. Niere einfach, doppelt so gross als gewöhnlich, lag auf der Mitte der Wirbelsäule und besass einen Harnleiter. Der Uterus stammt von einem neugebornen Mädchen.) Das zweite, sehr merkwürdige Präparat wurde von Czihak in s. Diss. inaug. de graviditate extrauterina, accedit descriptio memorandae cujusdam graviditatis tubae deztrae, Heidelb. 1824, unter den Auspicien Tiede- mann’s als Fall von Eileiterschwangerschaft beschrie- ben. Ein genaueres Studium desselben lehrt jedoch zur Evidenz, dass es sich hier um Schwangerschaft in einem mangelhaft entwickelten Nebenhorne einer einhörnigen Gebärmutter handelt, was K. durch die Demonstration darthut. Dasselbe gilt für ein Präparat, welches von Hey- felder 1835 dem verstorbenen Geh. Rath Nägele geschenkt und in Schmidt’s Jahrb. 1836, Bd. IX, S.230, sowie in der Med. Ztg. d. Vereins f. Heilk. in Preussen 1835, No. 51, als Fall von Eileiterschwangerschaft beschrieben wurde. Auch hier handelt es sich um Schwängerschaft in einem verkümmerten Nebenhorne, und der Beweis wird gleichfalls durch das vorgelegte Präparat geführt. Ein genaueres Studium der Literatur des Uterus dupler und der Graviditas tubaria lehrte den Redner wenigstens ein Dutzend hieher mit Bestimmtheit oder doch Wahrscheinlichkeit zu ziehende Beobachtungen kennen: 1) Bestimmt eine von Dionis, Cours d’Anat. de Phomme p. 309 et seq. — Ephemerid. med. phys. Ger- man. Acad. nat, curios. Decur. II. A. II. p. 477 et sq.; 2) bestimmt eine von Canestrini, historia de utero dupliei, alterutro quarto graviditatis mense rupto, in Hun- garia 1781 in cadavere ab auctore invento. Augustae Vin- del. 1788 ; - 3) bestimmt eine von Fritze, Diss. sist. observ. de conceptione tubaria cum epierisi conceptionis tubaria in genere et hujus casus in specie. Argentorati 1779; 4) bestimmt eine von Güntz, Diss. inaug. de con- ceptione tubaria, duabus observationibus Lipsiae nuper factis Ülustrata. Lips. 1731. — Das Präparat befindet sich noch in Leipzig. Die richtige Deutung dieses Falles wurde von H. Prof. Crede in Leipzig, an welchen sich K. um Auskunft wandte, beglaubigt; 5) sehr wahrscheinlich eine von Drejer, Journ. £. Med. og Chirurg. May 1834, übersetzt in El. v. Sie- bold’s Journal f. Geburtsh. 1835, Bd. XV, S. 142; 6) sehr wahrscheinlich eine von Ingleby, Edinb. med. and surg. Journ. Vol. 42. 1834, p. 350; 7) bestimmt eine von Rokitansky, Handbuch d. pathol. Anat. 1842, III. Bd. S. 519; 8) bestimmt eine von Scanzoni, Verhandlungen der physik. med. Gesellsch. in Würzburg, Bd. 14, 1854; 9) sehr wahrscheinlich eine von Behse, Diss. de graviditate in specie et de graviditate extrauterina in genere. Dorpat 1852; 10) wahrscheinlich eine von Ramsbotham, Prac- tical observations in Midwifery; with a selection of cases. Part. I. 1832, Case 85, p. 407; 11) vielleicht eine, mitgetheilt im Buffalo med. J. Sept. 1846, aufgenommen in Lond. med. Gaz. N. S. Vol. V. 1847, p. 520; 12) und 13) die schon angeführten Beobachtungen von Czihak und Heyfelder. — Schliesslich liefert K. folgende Grundzüge einer Physiologie der einhörnigen Gebärmutter mit und ohne Nebenhorn. j 1. Die Menstruation scheint bei einhörniger Ge- bärmutter mit und ohne Nebenhorn wie bei regelmässig gebildeter Gebärmutter sich zu verhalten. Die Beobachtungen von Canestrini, Fritze, Güntz, Drejer, Heyfelder, Seanzoni u. Behse lehren, dass die Monatsblutungen zu der gewöhnlichen Zeit der Geschlechtsreife eintreten: (mit 16 Jahren: Güntz, mit 15 Jahren: Drejer); dass sie in den gewöhnlichen Zwischenzeiten wiederkehren, dass sie selbst längere Zeit (8 Tage: Canestrini) und in reichlicher Menge andauern können, und dass sie in der Regel mit Eintritt der Schwangerschaft ausbleiben. Nur in dem Falle von Dionis währte ausnahmsweise die Menstruation nach der Schwängerung, obwohl in gerin- gerer Menge, fort und erschien erst im fünften Monate nicht mehr. 2. Die nur einhälftige Entwicklung der Gebärmutter beeinträchtigt ihre Fähigkeit, geschwängert zu werden, nicht, bedingt also keine Unfruchtbarkeit. Wo diese stattfindet, müssen noch andere Abweichungen von der Regel gegeben sein. So litt z.B. eine unfrucht- bare, spärlich menstruirte Frau, deren einhörnigen Uterus Rokitansky abbilden liess, an Verwachsung des, übrigens narbigen, Eierstockes mit dem Fransenende des Eileiters. 3. Bei einhörniger Gebärmutter mit verkümmertem zweitem Horne gestattet das entwickelte, wie das mangelhaft ausgebildete Horn befruchteten Eiern Aufnahme und Entwicklung. 4. Die Schwängerung eines verkümmerten Hornes wurde in Fällen beobachtet, wo kein Ver- bindungskanal mit dem entwickelten Horne nachgewie- sen werden konnte (Czihak, Ingleby). Es ist un- wahrscheinlich, dass in diesen Fällen ein solcher Kanal auch vor der Schwangerschaft nicht bestanden habe, und das Verbindungsstück unsprünglich solid gewesen sei. Es liesse sich freilich denken, die Samenfäden seien durch das ausgebildete Horn und den Eileiter desselben in die Bauchhöhle und zu dem Eierstocke des Nebenhorns gelangt, wo sie ein reifes Ei angetroffen und befruchtet hätten. Das befruchtete Ei wäre dann durch den Eileiter dieser Seite in das Nebenhorn ge- langt und hätte sich hier entwickelt. Diese Theorie klingt jedoch nicht wenig abenteuerlich, und es ist wahr- scheinlicher, dass der Verbindungskanal früher bestanden habe und erst in Folge der Schwangerschaft verschlossen worden sei. Die Verschliessung geschieht möglicher Weise theils durch Druck von den sich ungemein erwei- ternden Gefässen, theils durch eine Deeidua-artige Wu- cherung der Schleimhaut des Verbindungskanals, wie dies in der That von Rokitansky beobachtet wurde. 5. Eine Beobachtung von Chaussier widerlegt das Dogma der Alten von der Abhängigkeit des Geschlechtes von dem Eierstocke der rech- ten und linken Seite, wonach die Knaben von der einen und die Mädchen von der andern abstammten. Eine Frau mit Dt. unicornis und einem Eierstocke gebar zahlreiche Kinder verschiedenen Geschlechts. 6. Die einhörnige Gebärmutter mit und ohne Neben- horn kann Zwillinge beherbergen. (Chaussier, Scanzoni.) 7. Die einhörnige Gebärmutter mit und ohne Ne- benhorn kann wiederholt und sogar sehr oft (10 Mal: Chaussier) geschwängert werden (Chaussier, Canestrini, Drejer, Heyfelder, Ingleby, Ro- kitansky, Scanzoni, Behse). 8. Die einhörnige Gebärmutter mit und ohne Ne- benhorn ist vollständig befähigt, Früchte, sogar Zwil- linge (Chaussier) auszutragen. Die Frau, von der Chaussier und Granville berichten, war die Mutter von 11 Kindern, die Frau in Heyfelder’s Beobachtung gebar vier lebendige kräftige Kinder; die welche Drejer beobachtete, 5 ausgetragene. (Vergl. ferner die Fälle von Canestrini, Ingleby, Scan- zoni und Behse). 9. Es liegt kein Grund vor, die Behauptung aufzu- stellen, der geschwängerte Uterus unicornis sei zu Abortus geneigt. Nur zweimal wird dieses Zufalles gedacht, in den Fällen von Chiari und Scanzoni. Jener aber betraf eine syphilitische Person und Syphilis disponirt bekanntlich zu Fehlgeburten; in diesem han- delte es sich um eine erste Niederkunft mit Zwillingen, die auch bei normaler Gebärmutter gerne vor der Zeit erfolgt, und die Frau gebar hernach noch drei Kinder, die am Leben blieben. 10. Anders gestaltet sich die Sache, wenn das Ne- benhorn geschwängert wird. In allen Fällen, mit Aus- nahme eines einzigen (Fritze), kam es zum inneren Abortus, d. h. zur Zerreissung des Fruchtsackes mit Austritt des Eies oder der Frucht allein in die Bauch- höhle und tödtlicher Verblutung. Dieses Ereigniss er- folgte drei Mal im 6. Monate (Dionis, Czihak, ‚Behse), zwei Mal im 5. (Güntz, Drejer), vier Mal (oder fünf Mal, wenn der Fall von Ramsbotham ge- rechnet werden darf) im 4. (Canestrini, Ingleby, Heyfelder, Scanzoni), ein Mal im 3. (Roki- tansky). — In der merkwürdigen Beobachtung von Fritze starb die Frucht im 5. Monate ab, ehe es zur Berstung kam und blieb dreissig und einige Jahre lang in dem verknöchernden Fruchtsacke, bis endlich in sei- ' nem Innern Verjauchung eintrat, vielleicht indem das allmälig scharfe Kanten gewinnende Steinkind die innere Wand des Fruchtsackes durch mechanische Reizung in Entzündung und Eiterung versetzte. 11. Die Rissöffnung des geschwängerten Ne- benhorns fand sich in allen Fällen in der Nähe und 239 über der Einsenkungsstelle des Eileiters, also entspre- chend der Hornspitze, d. i. der Gegend, wo die Wan- dungen bei der ungeschwängerten einhörnigen Gebär- mutter am dünnsten sind. Im Umfange der Rissstelle erschien nach der einstimmigen Angabe aller Untersu- cher die. Wand des Fruchtsackes ausserordentlich ver- dünnt. So scheint denn die Entwieklung der Muskel- substanz an der Spitze mit dem fortschreitenden Wachsthum des Eies nicht den gleichen Gang einzu- halten und dadurch schliesslich die Zerreissung bedingt zu werden. Eine leichte Umstülpung der Rissränder findet sich an dem Präparate von Heyfelder. In dem Falle von Drejer ist die Umstülpung viel be- trächtlicher gewesen. 12. Bei der Schwängerung des Nebenhorns war die einhörnige Gebärmutter in allen Fällen zugleich vergrössert, ihre Muskelmasse hatte zugenommen, ihre Körperhöhle war mit einer Deeidua und ihr Halskanal mit einem Schleimpropfe erfüllt. 13. Das Befinden der Frauen bei Schwanger- schaft in der einhörnigen Gebärmutter oder in einem Nebenhorne wechselt nach den Individualitäten sehr. Während z.B. die Magd, deren Geschichte Güntz gab, sich während ihrer Schwangerschaft ganz wohl befand, litt die Frau, von der uns Dionis erzählt, an Ekel, Erbrechen, Gelüsten, Schmerzen der Brüste, fühlte mit 4%, Monaten Kindsbewegungen in der linken Seite, aber höher oben, als gewöhnlich der Fall ist, und legte sie sich auf die rechte Seite des Leibes, so empfand sie einen bis zur Ohnmacht sich steigernden Schmerz. Zwei Mal befanden sich Weiber, die schon mehrmals geboren hatten, gerade in der letzten Schwan- gerschaft, die im Nebenhorn verlief. auffallend wohl und von allen Zufällen befreit, die sie während der früheren Schwangerschaften heimgesucht hatten (Hey- felder, Sanzoni); ein andresMal verlief die Schwan- gerschaft des Nebenhorns bis zum Eintritte der Fehl- geburt gerade so, wie die beiden früheren des aus- gebildeten Horns (Canestrini). — Das Weib, von dem uns Fritze berichtet, litt dreissig Jahre lang an öfterem Erbrechen, schlechter Verdauung, und war unvermögend, schwere Arbeiten zu verrichten. 14. Der Geburtshergang nach Schwangerschaft des ausgebildeten Hornes scheint in allen Fällen ohne besondere Schwierigkeiten erfolgt zu sein, und wieder- holt wird leichter Geburten, selbst bei starken Kindern (Heyfelder), Erwähnung gethan. — Eines der Kin- der, welche in Canestrini’s Falle glücklich geboren worden, hatte sich mit den Füssen zur Geburt gestellt. 15. Auch das Wochenbett bedingt bei Uterus unicornis keine besonderen Gefahren. Zwei Frauen allein erlagen im Wochenbette, aber die eine nach 9 glücklich überstandenen Wochenbetten in Folge eines Herzleidens (Chaussier), die andere starb in einem grossen Gebärhause, wo Puerperalfieber endemisch sind, an Endometritis septica (Chiari). In den Fällen von Canestrini, Drejer, Ingleby, Heyfelder, Sceanzoni und Behse dagegen wurden wiederholte 240 Wochenbetten ohne besondere Zufälle überstanden, wahrscheinlich auch im Fall von Rokitansky. 16. Die vier Fälle von Uterus unicornis ohne Neben- horn, in denen zusammen mindestens 14 Mal Schwan- gerschaft stattgefunden hatte, betrafen alle rechtseitige Gebärmutter. 17. In den Fällen von Uterus unicornis mit ge- schwängertem Nebenhorne befand sich das letztere auf der linken Seite sechs Mal (sieben Mal, wenn die Beobachtung von Ramsbotham hiezu gerechnet werden darf), (Dionis, Fritze, Güntz, Ingleby, Rokitansky, Seanzoni), auf der rechten fünf Mal (Canestrini, Czihak, Drejer, Heyfelder und Behse). Wiederholte Schwangerschaften gingen hier voraus in dem entwickelten Horne der rechten Seite bei drei Weibern (Ingleby 6 Mal, Rokitansky, Seanzoni 4 Mal), darunter ein Mal Zwillingsschwan- gerschaft (Seanzoni), der linken Seite bei 4 Weibern (Canestrini 2 Mal, Drejer 5 Mal, Heyfelder 4 Mal, Behse 2 Mal).— Im Ganzen wurde in diesen Fällen die linke Seite mindestens 17 Mal, die rechte 18 Mal geschwängert. 18. Die Schwangerschaft in Nebenhörnern wurde fast ausnahmslos noch an der Leiche für Eileiterschwan- gerschaft gehalten. Merkwürdiger Weise haben die frühesten Beobachter, Dionis und Canestrini, rich- tiger gesehen, als die späteren und neueren. Landphysikus Kirchhoff aus Leer: Ueber Gehirntuberkeln. Meine Herren! Ich will ihre Aufmerksamkeit nur für einige Augenblicke in Anspruch nehmen; indess kann ich nicht umhin, auch für diese Ihre geneigte Nachsicht mir zu erbitten, da ich vor einer solchen Versammlung zu sprechen zum erstenmale mich erkühne. Meine Herren! Ich darf die Meinung äussern, dass die Aerzte, denen beizuzählen ich es mir zur Ehre an- rechne, oder doch ihre Mehrzahl, aus dem Grunde hierher gekommen sind, um sich nach dem täglichen Einerlei des practischen Lebens, wo sie die Kranken, in freilich oft bunter Reihe, genesen oder sterben sehen, ohne von den mächtigen Hülfsmitteln, die die neuere Zeit uns an die Hand gibt, einen nur einigermaassen ausreichenden Gebrauch machen zu können, in wissen- schaftlicher Beziehung zu erholen und ihr, wenn auch durch unverdiente bittere Erfahrungen gebeugtes Gemüth aufzurichten, und sich zu erfrischen, zu verjüngen an dem Borne, der durch die Herren vom Fach, denen alle jene gedachten Hülfsmittel, das Microscop, der Reagentienkasten, der Secirtisch u. s. w. tagtäglich zu Gebote stehen, immer von neuem gefüllt wird oder doch gefüllt werden sollte. Ich schäme mich dieses Geständnisses nicht und hoffe, von manchen meiner Genossen dasselbe, muss aber nichts desto weniger beanspruchen, dass wir für nicht minder befugt und würdig erachtet werden, gleich den Männern vom Fach, mit ihnen und neben ihnen Bausteine zusammen zu tragen zu dem grossen Tempel, den wir alle zu dem Heile unserer Mitmenschen aufzu- richten uns bemühen und gehalten sind. Endlich, meine Herren, möchte ich die Ueberzeu- gung aussprechen, dass ich es für eine erspriessliche Wirksamkeit unserer Section vor Allem zuträglich und förderlich halten muss, wenn von Einzelnen einzelne schwierige Fragen, die ein allgemeines Interesse haben, in Anregung gebracht, diese einer ruhigen, von per- sönlichen Einflüssen frei gehaltenen Discussion unter- zogen und schliesslich vom Präsidenten in ihren Resul- taten kürzlichst zusammengefasst würden. Nehmen Sie wenigstens diesen meinen Vortrag als einen Versuch in diesem Sinne auf; erwarten Sie von mir keine gelehrte Abhandlung, keine tief eingehende Auseinandersetzung; ich kann dies Würdigeren über- lassen. Ich mache nicht einmal darauf Anspruch, dass die Bezeichnung des von mir gewählten Gegenstandes eine ganz unumstössliche ist. Es mag immerhin möglich sein, dass den zu schildernden Erscheinungen eine andere Krankheitsform als hydrops cerebri acutus, mening. tuber- eulosa, hyperaemia cerebri, Hydatidenbildung oder eine ähnliche zu Grunde liegt. Die Discussion mag ent- scheiden, ob sie eher einer der letzteren mit einiger Sicherheit zugezählt werden müsse. Zunächst muss ich indess bemerken, dass ich unter Gehirntuberkeln nicht die Tuberablagerung in den Gehirnhäuten verstehe, sondern die Tuberkeln, die unter der pia mater in der Gehirnmasse selbst belegen sind, wenn sie auch selten tief in diese eindringen mögen, und kann nicht umhin, zugleich das seltene Vorkommen derselben bei Erwach- senen und selbst bei weit verbreiteter Tubereulose anderer Organe, wie ihre Häufigkeit bei Kindern bis zum 7ten höchstens bis zu l5ten Jahre zu constatiren, einen Um- stand, der nach den vorhandenen Sectionen eben so unbestreitbar, als seine Erklärung mir bis jetzt noch’nicht gelungen zu sein scheint. Das Krankheitsbild nun, das mir nicht selten ent- gegen getreten ist, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, ist in allgemeinen Umrissen das folgende: Es zeigt sich zunächst bei Individuen von 4 bis 12 Jahren. Es erscheint nicht selten ohne alle Vorboten, wenn gleich diese nicht immer fehlen und zuweilen auch unbemerkt geblieben sein mögen, meistentheils bei an- scheinend bis dahin gesunden Kindern. Es endigt oft rasch, binnen 36 bis 48 Stunden, zuweilen langsamer, binnen einem Zeitraum bis zu etwa 10 Tagen mit dem Tode. Es ist anfänglich seltener mit Fieber aber erhöhter Temperatur verknüpft, während im weiteren Verlauf eine gewisse Aufregung des Gefässsystems, Klopfen der Carotiden, Hitze, insonderheit am Kopf, Durst kaum vermisst werden. Der Puls ist meist klein, härtlich und beschleunigt. Die Verdauungsorgane scheinen kaum ergriffen. Die Zunge ist wirklich selten belegt, meist feucht, mit einem feinen weissen Ueberzuge. In ein- zelnen Fällen ist consensuelles Erbrechen vorhanden, eigentliche Stuhlverstopfung selten. Ei IN ie Dr = Die Harnabsonderung bietet keine entschiedenen Ab- weichungen dar. Krämpfe oder Lähmungen werden anfänglich selten beobachtet, pflegen aber, insbesondere die letztern, bei fernerem Verlauf, oder zuletzt halbseitig aufzutreten. Die Geistesthätigkeiten bleiben meist lange unge- trübt, ja in einzelnen Fällen scheint bis zuletzt ein ziemlich ungehinderter Gebrauch derselben obzuwalten. Die einzig eonstanten Symptome sind stechende Kopfschmerzen und ein gellendes, kreischendes Auf- schreien, das je nach der Steigerung der Krankheit in längeren oder kürzeren Zwischenräumen und insbeson- dere auf von aussen einwirkende Veranlassung, beim Verlegen, Einflössen von Medieingetränk oder ähnlichem, von den Kranken ausgestossen wird. Werfen wir nun, unter Berücksichtigung dieser Punkte, einen Blick auf den eigentlichen Krankheits- verlauf, so zeigen zuweilen, wie schon oben bemerkt ist,"die Kinder kurze Zeit einige Unlust wider ihre ge- wöhnlichen Spiele, essen nicht mit dem Appetit wie sonst, zeigen manchmal eine grosse Unsicherheit im Gange und klagen abwechselnd über Kopfschmerzen, die rasch zunehmen. Oft aber beginnt die Krankheit ohne jene Erscheinungen mit heftigen Kopfschmerzen. Die Kinder legen sich sogleich und suchen zugächst einen Stützpunkt für den etwas zurückgezogeney. Kopf, der zuweilen heisser, zuweilen aber auch kühl anzu- fühlen ist, die Cariotiden klopfen stärker, wihrend der Puls keine bedeutenden Abweichungen zeig. Das Ge- sicht zeigt einen schmerzliehen Ausdruck, die Augen- braunen sind gerunzelt, die Augenlieder etwas ge- schlossen und die Pupillen ein wenig verengt. Das Verhalten der übrigen Organe, die‘ Untersuchung der Brust und des Unterleibes bietet kaum andere, jeden- falls keine constanten Anhaltspunkte zur Beurtheilung des Zustandes dar. Bald indess tritt das characte- ristische Aufschreien, anfänglich in längeren Intervallen auf und mit ihnen eine auffälligere Mitleidenschaft des Organismus. Das Kind wird unruhiger, entbehrt des ruhigen Schlafes, verfällt in einen oft gestörten Halb- schlummer, zeigt eine grössere fieberhafte Aufregung, vermehrte Hitze, insbesondere des Kopfes, wird durstiger und erbricht sich zuweilen. Es treten geringere oder grössere Störungen des Sensoriums, Erweiterung der Pupillen, Sträbismus, Schlingbeschwerden, Krämpfe und Lähmungen, profuser Schweiss und unauslöschlicher Durst ein; Symptome, unter denen, nach einem ge- wöhnlich harten, oft kurzen, zuweilen aber auch etwas längerem Kampfe das Leben erlischt. In aetiologischer Beziehung muss ich mich auf die allgemeine Andeutung beschränken, dass die Sero- _ Phulose in meinem Wirkungskreise als endemisches Uebel - gelten darf und zur Lungentubereulose nicht selten Ver- _ anlassung gibt, da nähere Ursachen meist nicht aufge- funden werden konnten. In diagnostischer kann ich die Vermuthung nicht unterdrücken, dass die geschilderte Krankheit wegen der Häufigkeit und Gleichmässigkeit ihres Vor- kommens als eine eigenthümliche betrachtet werden, 241 wegen mancher Abweichungen nicht mit der hydrops cereb. acutus, resp. der meningitis tuberculosa der Fran- zosen. mit der sie manches gemein hat, verwechselt werden muss. Abweichungen, die ich hauptsächlich darin finde, dass die sogenannte acute Gehirnwasser- sucht häufiger jüngere und schon kränkelnde Individuen ergriff, fast constant Erbrechen und Stuhlverstopfung nach sich zieht und durchschnittlich langsamer unter völlig comatösen Erscheinungen zu Ende führt. In therapeutischer endlich muss ich meine völlige Ohnmacht bekennen, da bis jetzt kein Verfahren, sei es das antiphlogistische, das derivirende, das reizende oder das beruhigende. mit Blutegeln Calomel, Ungu. hydr. cin., Blasenpflastern, Zine. oxwyd. alb., Jod, Kali hydriod., Ammon. carb.,. Moschus, Op. oder Morphium den unglück- lichen Ausgang abzuwenden im Stande gewesen ist. Gestützt auf die bis jetzt entwickelten Gesichts- punkte habe ich nicht umhin zu können geglaubt, mich der Meinung zuzuwenden, dass die gedachten Krank- heitserscheinungen Gehirntuberkeln ihr Dasein verdanken, die dem Erweichungsprocesse verfallen, das umgebende Gehirn in Mitleidenschaft zogen und einmal in dies Stadium angelangt. stets zum Tode führen dürften. Möchte ich nun auch in dieser Hinsicht des Irrthums bezichtigt werden können, da ein positiver Beweis bei mangelnder Seetion von mir nicht geführt werden kann, so mag es um so eher gerechtfertigt erscheinen, wenn ich, bevor ich diesen kurzen Vortrag beendige, den geehrten Herren folgende Fragen zur möglichsten Auf- klärung der Sachlage vorzulegen mir erlaube. 1) Sind Ihnen solche Krankheitsfälle häufiger vor- gekommen? ’ 2) Haben Sie oft Gelegenheit gehabt, Sectionen zu machen? 3) Haben diese einigermaassen eonstante Resultate ergeben? 4) Glauben Sie sich nach Ihren Beobachtungen wie nach Ihren Sectionsbefunden berechtigt. andere Schlüsse in aetiologischer Beziehung zu ziehen? und 5) Wissen Sie eine Behandlung anzugeben, die günstigere Resultate erzielt hätte oder doch solche mit einiger Sicherheit in Aussicht zu stellen vermögte? Ich verkenne die Schwierigkeiten einer ausreichenden Beantwortung dieser Fragen nicht; indess schon der Ver- such wird dazu beitragen müssen, eines der schwierig- sten Probleme unserer practischen Wirksamkeit seiner Auflösung um etwas näher zu bringen. Dr. Friedleben weist nach, dass reine Meningitis von tuberkulöser unter- schieden werden müsse, übrigens auch bei bestehender Tuberkulose für sich verlaufen und dann geheilt werden könne. Für die Prognose sei hauptsächlich die Dia- gnose beider Formen von Wichtigkeit, und bei dieser ein längere Zeit vorhergehendes Unwohlsein des Kindes, sowie erbliche Anlage oder anderweitige dyskrasische Erscheinungen beachtenswerthe Momente für Erkennung 31 242 der Hirntuberkulose; bei der Section fänden sich bei dieser in der Regel auch Tuberkeln der Bronchialdrüsen. In Betreff der Behandlung, welche aber bei beiden Arten der Krankheit den tödtlichen Ausgang in der Mehrzahl nicht abzuwenden vermöge, räth er Mässigung der her- vortretenden Symptome mit möglichster Schonung der Kräfte hauptsächlich im Auge zu behalten. Von mehreren Seiten wird Jod als wichtiges Heil- mittel gegen die Krankheit genannt. Professor Kussmaul fragt, ob Jemand geheilte Tuberkeln im Gehirn, nament- lich Miliartuberkeln der Arachnoidea angetroffen habe? Professor Friedreich lässt dies in Bezug auf das Thatsächliche dahin gestellt sein, zweifelt aber der Analogie nach nicht an der Mög- lichkeit. mit Verweisung auf Hertel’s Schrift über Aus- eultation und Pereussion. Dr. Köhler von Stuttgart verweist hauptsächlich auf den klinischen Standpunkt, erzählt einen günstig verlaufenen Fall bei bestehender Tuberkulose und räth, wenn ausbrechende Convulsionen die schlimme Prognose festgestellt haben, zur palliativen Beruhigung- dureh Opium oder Morphium. Dr. Küchenmeister erwähnt den Cysticercus als vorkommende Ursache der angeblich von Hirntuberkeln entstandenen Fälle von Meningitis. Dr. Friedleben spricht gegen die Synonymität von Aydrocephalus acutus und Meningitis tubereulosa der Kinder. Hydrocephalus ohne alle Tuberkeln kommt nicht selten im zweiten Halb- jahre nach der Geburt vor, wo überhaupt wesentliche Veränderungen in den Blutbereitungsorganen vorgehen. In dieser Zeit gibt es öfters Todesfälle von Hyperaemie des Gehirns ohne alle Tuberkulose. Gegen Conyulsionen in dieser Krankheit lobt er kalte Begiessung, die wenig- stens durch dieselben gemässigt werden. Dr. Kreyser aus Petersburg meint, dass die Frage der Heilbarkeit der Meningitis tuberculosa in zu engen Grenzen besprochen werde, dass man ganz den chronischen Verlauf dieser Krankheit übersehe, und dass man namentlich in dieser Form sehr nützlich werden könne, wenn bei besonderer Anlage zu derselben die veranlassenden Schädlichkeiten mit der grössten Sorgfalt überwacht werden. Die kalten Be- giessungen sind in der Heilung dieser Kranheit das Hauptmittel, und nicht wie Dr. Friedleben meint, ein Mittel, die dem Tode vorhergehenden Convulsionen zu mässigen und dadurch wohlthätig auf die Umgebung zu wirken. Professor Virchow: Nachdem derselbe auseinandergesetzt hat, dass das Gebiet der Tuberculosa bei Hydrocephalus der Kinder viel grösser sei, als gewöhnlich angenommen wird, dass der- selben zwei Drittheile der vorkommenden Fälle ange- hören, dass oft höchst akut verlaufende Hyperämien vorkommen, wobei die graue Hirnsubstanz anämisch, die weisse dunkelroth injieirt sich finde, nachdem er auf das Erscheinen von oft sehr kleinen und desswegen leicht übersehenen Eruptionen im Plerus choroideus aufmerk- sam gemacht, und die Erzählung eines interessanten Falles von einem Gehirntumor angeschlossen, wird dieser Gegenstand verlassen. Professor Weber von Bonn: Ueber Resultate einer Untersuchung des Eiters. Er theilt als solche mit: die sogenannten Eiterkörper- chen entwickeln sich in den von ihm untersuchten Ge- weben, insbesondere in dem Perioste, dem subeutanen und eutanen Bindegewebe, dem Neurileme der Nerven, sowie in den Muskeln, aus den Bindegewebskörpern durch endogene Zeugung. Die Bindegewebszellen sind in derselben Weise auch die Ursprungsherde der Sarkome, Krebse und des Epithelialkrebses. In der Cutis bilden sich Eiterkörper ausserdem aus den vermehrten Kernen der Epithelialzellen. Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Professor Hebra. Dr. Moos aus Heidelberg: Beitrag zur Lehre von der Honigharnruhr des Menschen. Die Lehre von dem Wesen des Diabetes mel- litus, welche seit Thomas Willis bis auf die Neu- zeit ein so wechselvolles Schicksal erfahren hat, musste natürlich abermals eine Veränderung erfahren, nachdem Bernard die wichtige Entdeckung gemacht hatte, die Leber besitze ein selbstständiges Zuckerbildungsvermögen, welches ganz unabhängig von der Art der eingeführten Nahrungsmittel sei. Bernard und mit ihm viele andere Forscher er- klärten die Honigharnruhr für bedingt durch eine, in Folge vermehrter Blutzufuhr zur Leber, gesteigerte Zuckerbildung derselben. Diese Ansicht wurde vorzüg- lich von Wunderlich und Lehmann bekämpft, von Ersterem aus klinischen, von Letzterem aus physio- logisch-chemischen Gründen. Wir können den beiden letztgenannten Forschern nicht durchaus beipflichten, so gediegen ihre Ein- würfe auch sind; denn es gibt Fälle, die bis zur Evi- denz fürBernard sprechen. (Siehe die Untersuchungen ne von Stockvis.) Es gibt aber auch Thatsachen, die uns darauf hinweisen, dass die Ursache des Diabetes mellitus unmöglich immer in der Leber zu suchen sei; diese Thatsachen beweisen zwar nicht jede für sich, aber doch zusammengenommen; sie sind folgende: 1) Nach Unterbindung der Pfortader bei Thieren hört das Zuckerbildungsvermögen der Leber auf. 2) Auch nach Pfortaderverschliessung beim Men- schen sistirt die Zuckerbildung in der Leber, wie Frerichs beobachtet hat. 3) Andral hat einen Fall veröffentlicht, in wel- chem, trotz bestehender völliger Verschliessung der Pfortader, Honigharnruhr während des Lebens bestanden hatte. 4) Es ist eine allseitig bestätigte Erfahrung, dass bei Darreichung von vorwaltend stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln bei Diabetes mellitus der Zucker im Urin abnimmt oder ganz verschwindet; dies könnte nicht der Fall sein, wenn das Zuckerbil- dungsvermögen der Leber — die ja auch bei rein stickstoffhaltiger Nahrung Zucker bereitet — krankhaft gesteigert wäre. Nach dem Gesagten scheint uns daher beim Dia- betes mellitus auch der Stoffwandel des Nahrungszuckers, die Vorgänge bei dieser Krankheit im Magen und Darm- kanal u. s. w. einer aufmerksamen Beachtung würdig. Hieran reiht sich eine Besprechung über diese Krankheit mit Betheiligung von Dr. Lichtenstein und Professor Virchow, woran sich zuletzt genaue experimental - physiologische Nachweisungen über den Antheil der Leber und des Nervensystems von Professor Schiff anschlossen. Der Letztere spricht darüber: Es ist die Ansicht geäussert worden, dass es eine Art von Diabetes gebe, in welcher der Harnzucker nicht aus der Leber stammen könne, sondern von irgend einem andern Orgen geliefert werden müsse. Wenn ich auch durchaus nicht glaube, dass man vorläufig mit voller Bestimmtheit den Satz aussprechen dürfe, dass die Leber das einzige Organ sei, welches Zucker zu erzeugen vermöge, so steht es doch fest, dass die Zuckerbildung in andern 'Theilen bis jetzt noch nicht im geringsten nachgewiesen ist. Allerdings wird das Material, aus welchem die glykogene Substanz, oder das von mir so- genannte Leberamylum hervorgeht, nicht von der Leber selbst geliefert und ich habe es früher wahrschein- lich gefunden, dass dieselbe aus den Muskeln stammt. Dies berührt aber die vorliegende Frage um so weniger, als es sich nach physiologischen Versuchen immer be- stimmter herausstellt, dass das Vorhandensein dieses Materials im Blute, ohne die Thätigkeit der Leberfer- mente, durchaus nicht genügt, auch nur ein Minimum von Zucker zu erzeugen. Ich verweise in dieser Be- ziehung auf meine Versuche an Winterfröschen. Der Winterzustand dieser Thiere, der sich physiologisch so 243 wesentlich von Sommerzustand unterscheidet, bedingt eine Unthätigkeit des zuckerbildenden Fermentes. Gegen Bernards Vermuthung habe ich nachgewiesen, dass es nicht die Kälte ist, welche das Ferment voll- ständig (oder wieBernard irrigerweise annahm nur theilweise) hindert in Thätigkeit zu treten, sondern dass das Ferment wirklich fehlt und dass es auch durch Wärme nicht wieder zu erzeugen ist; ja, dass man merk- würdigerweise seine Wiedererzeugung selbst den ganzen folgenden Sommer hindurch verhindern kann. Hier wird nun zuckerbildende Substanz in Menge geliefert, ohne dass eine Spur desselben sich in Zucker umwandelt, die Leber behält dabei stets ihre Winterfarbe, ihr mierosco- pisches und chemisches Verhalten ist stets das der Win- terleber. Mögen Sie bei diesen Thieren alle uns zu Ge- bote stehenden Mittel anwenden um künstlichen Diabetes hervorzurufen, die Leber wird in Folge derselben zwar hyperämisch werden, aber nie werden Sie vermögen den Harn zuckerhaltig zu machen. Dies wird erst mög- lich, wenn durch geeignete Verhältnisse die physio- logische Thätigkeit der Leber eine andere ge- worden ist. Ebensowenig wie der experimentellen Physiologie ist es bisher, wie mir scheint, der Pathologie geglückt, die zuckerbildende Thätigkeit eines andern Organes als der Leber nachzuweisen. Wenn ich mit diesem Satze der Behauptung eines Vorredners entgegentrete, so bin ich weit entfernt, die von ihm vorgebrachten Thatsachen in Abrede zu stellen, oder im geringsten verdächtigen zu wollen, nur die Beweiskraft dieser Thatsachen muss ich, auf mehrfache eigene Erfahrungen gestützt, entschieden verneinen. Es ist richtig, dass man bei Obliteration der Pfortader den Uebergang von Zucker in den Harn beobachtet hat. Um nun nachzuweisen, dass dieser Zucker nicht aus der Leber stammen könne, wurden hier verschiedener Versuche an Fröschen er- wähnt, deren Leber nach Unterbindung der Pfortader zuckerlos gefunden wurde. Ich gebe Letzteres voll- kommen zu, ich selbst habe ähnliche Erfahrungen ge- macht, aber es geht hieraus nicht hervor, das nach Unterbrechung des Pfortaderkreislaufs die Leber nicht noch reichlich Zucker absondern könne. Denn den eben angeführten stehen andere Erfahrungen gegenüber, ‚ in denen bei Fröschen eben so lange Zeit nach viel un- bedeutenderen Operationen als die Unterbindung der Pfortader ist, ebenfalls kein Zucker in der Leber ge- funden wurde. Es gibt so viele Eingriffe, die Frösche in den bekannten krankhaften Zustand versetzen können, in welchem, ganz unabhängig von aller Lebereireulation, der Zucker verschwindet, dass ich dazu gekommen bin, aus dem Mangel des Zuckers nach irgend einer Opera- tion nie einen bestimmten Schluss zu ziehen. Es ist wahr, dass Frösche in dieser Beziehung überaus weniger empfindlich und viel resistenter sind, als Säugethiere, bei denen jedes Fieber den Zucker verschwinden macht, aber in einer anderen Beziehung und gerade in der- jenigen, die hier am meisten in Betracht kommt, stehen Frösche hinter Säugethieren zurück. Bei letzteren kommt nämlich der Zucker immer wieder, sobald sie von 31 * 244 einer Operation genesen sind; sobald das Fieber ver- schwunden ist, findet man wieder Zucker in der Leber. Anders bei Fröschen. Ist hier einmal, auch durch einen scheinbar sehr geringfügigen Umstand, z. B. durch zu seltenes Wechseln des Wassers, der Zucker verschwun- den, so genügt oft eine Monate lang fortgesetzte sorg- fältige Pflege nicht, den Zucker wieder zu erzeugen, wenn auch die Thiere noch so gesund aussehen. Wären daher die Frösche mit unterbundener Pfortader auch viermal so lange beobachtet worden, als dies in den in dieser Sitzung angeführten Versuchen möglich war, wären die Thiere auch nicht theilweise von selbst ge- storben — was immer das Resultat der Leberuntersu- chung sehr verdächtigt — so würde ich doch warnen, hier aus irgend einem negativen Befunde einen Schluss zu ziehen. Aber noch mehr. Es sind positive Thatsachen vorhanden, welche beweisen, dass bei Hunden, bei denen ein Irrthum weniger leicht möglich ist, die Zucker- bildung in der Leber nach Unterbindung der Pfortader fortdauerte. Herr Or& in Bordeaux hat solche Ver- suche veröffentlicht, in denen zwischen der Operation und der Untersuchung genügend lange Zeit verstrichen war, und ich kann seine Resultate nach dem Ergebniss einzelner glücklicher Versuche an Reptilien bestätigen. Ich will jetzt nieht untersuchen, auf welchem Wege die Leber hier das zu verwendende Blut erhielt, jedenfalls steht es fest, dass, wenn Hunde mit unterbundener Pfortader Leberzucker absondern, wir bei diabetischen Menschen, deren Pfortader an einer Stelle obliterirt ist, nicht berechtigt sind, wegen des letzteren Umstandes allein. die Quelle des Zuckers anderwärts als in der Leber. zu suchen. Somit scheint es mir, wäre die An- sicht, welche in dieser Versammlung ausgesprochen worden ist, vorläufig noch als ganz unbegründet zurück- zuweisen, sie wäre selbst dann nicht aufrecht zu er- halten, wenn es ihrem talentvollen Urheber gelingen sollte, den jetzt noch so mangelhaften Beweis für die Richtigkeit einer ersten Prämisse an Fröschen später gegen alle Kritik sicher zu stellen. Eine andere Mittheilung, die hier über ein neues Heil- verfahren gegen Diabetes gemacht worden ist, schliesst sich consequent an die jetzt am meisten verbreitete An- sicht über die Natur dieser Krankheit an, die in den bekannten Versuchen von Bernard ihre Berechtigung zu finden glaubte. Der Diabetes wird hier geradezu als die Folge einer Lähmung derjenigen Theile des Nervensystems betrachtet, dieBernard durchbohren musste um künst- lichen Diabetes bei Thieren zu erzeugen. Es wird sich im Verlaufe dieser Erörterungen von selbst herausstellen, ob das, was Bernard auf diese Weise hervorbrachte, mit dem gewöhnlichen Diabetes der Pathologen wirk- lich identisch ist. Ich muss, auf eigene Erfahrungen gestützt, von denen ich hier nur die letzten Schlusssätze übersichtlich mittheilen kann, der hier zur Geltung gelangten Ansicht zunächst in so fern entgegentreten, als ich die Grund- bedingung des Diabetes, weder im Nervensystem, noch in einer eigentlichen Krankheit des Leber-Parenchyms erkenne. In dieser Hinsicht stelle ich den Satz auf: Alle Verhältnisse, welche, bei wesent- lich gesunder Leber, die Quantität des in der letzteren cireulirenden Blutes bis zu einem gewissen Grade vermehren, bedingen Diabetes. Ich habe in dieser Beziehung Versuche gemacht, welche auf rein mechanischem Wege die Blutfülle der Leber bei solehen 'Thieren vermehren, bei welchen die Operation weder an der Leber selbst noch an den in sie einmündenden Gefässen, noch am Centralnervensy- stem, noch an den Lebernerven vorgenommen wurde, so dass an irgend eine Reizung der Leber hier gar nicht gedacht werden kann. Ja in einigen dieser Fälle wurden noch die Vagi durchschnitten, so dass auch die Vermuthung wegfällt, die vermehrte Cireulation in der Leber habe erst secundär und refleetorisch durch die Nerven gewirkt. Diese Versuche, welche der Versamm- lung durch Zeichnungen an der Wandtafel versinnlicht wurden, können hier nicht näher angegeben werden. Ihre ausführliche Beschreibung befindet sich in einem Memoire über Zuckerbildung, welches ich im Sommer 1857 der Königlich Dänischen Gesellschaft der Wissen- schaften in Kopenhagen übergeben habe. Ebendaselbst sind noch eine Reihe anderer Thatsachen zur Stütze meiner Ansicht aufgeführt, deren im Vortrage über- sichtlich erwähnt wurde. Insofern direete Reizung der Leber, welche nicht so ausgedehnt ist, dass sie die normale Function der letz- teren zu stören vermag, dieselbe hyperämisch macht, kann man auch durch direcete Leberreizung Diabetes hervorrufen. Auch hierfür werden Versuche angeführt. Auch der Diabetes in der Schwangerschaft, der in manchen Thieren eonstant vorhanden ist, und gährungsfähigen Zucker liefert, beruht auf einer mechanischen Blutfülle der Leber. Insofern das Nervensystem mit auf die Blutfülle der Leber einwirkt, und nur so weit, als dasselbe nach gewissen Eingriffen ebenfalls die Blutgefässe in der Leber er- weitern kann, ist es möglich, auch vom Ner- vensystem aus Diabetes hervorzurufen. Die herrschende Diabetestheorie tritt somit als eine Gruppe der möglichen Ursachen des Diabetes in ihr Recht ein. Aber auch hier, innerhalb dieser Gruppe, ist, wie ich beweisen werde, die Geltung dieser Theorie nur eine beschränkte. Wenn man nämlich, auf Ber- nards Versuche gestützt, geradezu eine Lähmung postulirt, so verkennt man einerseits die Natur des Bernard’schen Experiments, andererseits läugnet man eine der Einwirkungen, und zwar die wichtigste, der Nerven auf die Gefässe. Man nimmt jetzt fast allgemein an, dass eine Erre- gung, eine Bethätigung der Gefässnerven, nur einer Verengerung der Gefässe entspreche und dass jede Erweiterung, welche von den Nerven aus erzielt werde, nur Folge einer Lähmung derselben sei. Nicht ohne tiefes Befremden, nicht ohne ein allzusehr gerechtfer- tigtes Misstrauen, das endlich nur der häufig wieder- holten und von allen Seiten geprüften Erfahrung wich, musste ich vor einigen Jahren erkennen, dass auch die Thätigkeit, die Anregung gewisser Nerven im Stande sei die Gefässe zu erweitern, die Blut- fülle zu vermehren. Wie diess die Nerven thun? Ich weiss es nicht, und ich habe eine Hypothese in dieser Beziehung in meiner vorjährigen Zuckerarbeit gegeben; dass sie es thun, ist gewiss. So verführerisch eine Verfolgung der in dieser Hinsicht von mir beobachteten Thatsachen gerade hier, vor dem Forum der practischen Aerzte wäre, welehe dieser jetzt experimentell gerecht- fertigten Ansicht nie ganz entsagt haben, so muss ich wegen der Kürze der Zeit auf Näheres verzichten und kann nur auf meine früheren Arbeiten verweisen. Ich muss mich darauf beschränken hinzuzufügen, dass auch das oft erwähnte Speichelexperiment im Lichte dieser Thatsachen möglicherweise seine Erklärung finden kann. Gibt es also eine Gefässerweiterung durch Reizung und eine ähnliche durch Lähmung der Gefässnerven, so stellt sich zunächst die Frage: haben wir. wie hier unbedingt angenommen wurde, in der Bernard’schen Pigüre wirklich eine Lähmung? Eine grosse Reihe von Versuchen (beim Vortrag wurden die wesentlichsten derselben angeführt) setzt mich in den Stand zu behaupten, dass der Bernar d’sche Versuch und alle anderen demselben ähnlichen, durch die man einen vorübergehenden Diabetes bei Säuge- thieren erzeugt, nicht durch Lähmung, sondern durch Reizung wirken. Auch andere Arten dauernder Reizung der Centra bedingt einen ähnlichen Diabetes. Es tritt somit die ursprüngliche Anschauung Bernards, welcher durch die Pigüre die Vagusur- sprünge reizen wollte, wieder in ihr Recht ein, ab- gesehen davon, dass die Vagusursprünge nichts mit der Sache zu thun haben. War der bisher gekannte künstliche Diabetes nur ein Reizphänomen, so wurde ich von selbst darauf hin- gewiesen, auch die der Form nach entsprechende Läh- mungserscheinung aufzusuchen. Die grossen experimen- tellen Schwierigkeiten mit denen dieser Versuch ver- bunden war, wurden durch die Hoffnung aufgewogen, hier endlich das zu finden, was Bernard bis jetzt so lange vergeblich gesucht hatte, einen Diabetes, der, weit entfernt nach einigen Stunden wieder spurlos zu verschwinden. ganz unbestimmte Zeit und so lange an- hält, als das Thier lebend und relativ kräftig bleibt. Ich musste den Theil des Rückenmarks zerstören, in welchem die Gefässnerven der Leber vor ihrem Uebergang in den Gränzstrang des sogenannten Sympa- thikus verlaufen. Könnte eine Methode aufgefunden werden, die Bedingungen dieses Versuches zu erfüllen und dabei des Thieres so sehr zu schonen, dass es keinem schwächenden Wundfieber verfiel, oder dass es nicht allzu geschwächt einem baldigen Tode entgegen- ging, so musste ich mein Ziel erreicht haben. Und dies gelang. Die Wahl der geeigneten Thier- species, eine zweckmässige Behandlung nach der Opera- tion, machten mir es möglich, Säugethiere nach Zer- störung des Rückenmarks in den Dorsalwirbeln bei Fleischnahrung in einem mehrere Wochen bis zum Tode anhaltenden, sehr reichlich gährungsfähigen Zucker liefernden Diabetes zu versetzen. Es war ge- lungen, den Diabetes, wie er beim Menschen gerade am häufigsten vorkommt, künstlich bei Thieren zu er- zeugen. Merkwürdig ist es, wie ich beiläufig bemerken will, dass auch der Zucker, welchen ich hier erhielt, noch in einer andern Beziehung mehr dem diabetischen gleicht, als der von Bernard nach der Pigüre erhaltene, er ist nämlich an freier Luft ziemlich lange ohne Selbst- zersetzung aufzubewahren, was bekanntlich als Unter- schied des menschlichen Harnzuckers gegen den Leber- zucker hervorgehoben wurde. Sie sehen also, dass der Uebertritt des Zuckers in den Harn unter sehr vielen Bedingungen stattfinden kann, und dass selbst diejenigen derselben, welche wirk- lich vom Nervensystem ausgehen, zwei diametral ent- gegengesetzten Zuständen des Letzteren ihren Ursprung verdanken. Die Ihnen vorgeschlagene reizende Behand- lung könnte möglicherweise beim Lähm un gs- Diabetes von Nutzen sein, aber Sie begreifen, dass mit dem Letz- teren nicht, wie man es geglaubt hat, die ganze Patho- logie der Zuckerharnruhr erschöpft ist. Sie müssen hier nothwendig auf die tieferen physiologischen Bedingungen eingehen. Wollten Sie sich dieser Forderung entziehen, wollten Sie, wenn eine reizende Behandlung sich in einigen Fällen als auffallend nützlich bewährt, sie un- bedingt auf alle Diabetiker anwenden, so würden Sie Ihren Zweck verfehlen, Sie würden schaden statt zu nützen. Professor Jessen aus Dorpat: Ueber die Resultate der seit 1853 in Russland aus- geführten Rinderpestimpfungen. Zu den vielen wichtigen Aufgaben, die Russland in der Zukunft noch zu lösen berufen sein möchte, ge- hört auch eine sehr schwierige, zu deren Erledigung ihm wohl Niemand die Berechtigung absprechen wird, welche ihm nicht allen im eigenen Interesse, sondern in dem von ganz Europa obliegt, — ich meine: die Er- forschung, Bekämpfung und — wo möglich — gänzliche Unterdrückung der Rinderpest. Wenn ich diesen Gegenstand hier in der Versamm- lung der deutschen Naturforscher und Aerzte zur Sprache bringe, so glaube ich doch der Entschuldigung für ein solches Unterfangen überhoben zu sein. Ich brauche ja nur daran zu erinnern, dass die Aerzte Lancisi, Ramazzini und Schröckh die ersten waren, welche uns eine, auf genaue Beobachtung begründete Beschrei- bung dieser verderblichsten aller Hausthierseuchen gaben; dass auch später noch berühmte Naturforscher und Aerzte, von denen ich nur Haller, Vieq d’Azyr, Camper, Abildgaard, Adami, Viborg, Kausch, Frank, Lorinser nennen will, sie fleissig 246 studirten und dass sie auch gegenwärtig noch das Inte- resse solcher Männer vielfach in Anspruch nimmt. Ich ersuche Sie, meine Herren, daher nur, an das, was ich ihnen über die Seuche mitzutheilen habe, nicht den Maassstab legen zu wollen, der einem wohlgeord- neten und erschöpfenden Vortrage angemessen ist, viel- mehr darin nur ein kurzes Referat über Thatsächliches zu erblicken, und werde mich glücklich schätzen, wenn Sie mir am Schlusse der Relation zugestehen: „Dass wir uns auch mit der Impfung der Rinder- pest auf dem Wege befinden, der die Naturwissen- schaften zwar langsam, aber gründlich und sicher fördert.“ Sollte Jemand unter den geehrten Herren noch wei- tere Aufklärung über die Sache wünschen, als sie die Kürze der Zeit mir hier zu geben erlaubt, so werde ich diese mit Vergnügen nachträglich hinzufügen. Ich werde mir erlauben, meine Relation auf die Be- antwortung von 4 Fragen zu beschränken, nämlich: 1) Wie kam man auf den Gedanken, in Russland die Impfung der Rinderpest als Tilgungs- und Ausrottungsmittel derselben zu versuchen ? 2) Welche Hauptpunkte musste man bei diesen Ver- suchen zu erledigen suchen ? 3) Was ist in Russland zu diesem Ende geschehen? und endlich 4) Welche Massregeln beabsichtigt man dort weiter- hin in’s Werk zu setzen? Zur Beantwortung der ersten Frage schreitend, muss ich sie, meine Herren ersuchen, einen Rückblick in die Geschichte der Rinderpest zu thun. Als man mit dem gewaltigen Contagium derselben bekannt wurde, lag es nahe, dass man — analog wie bei den Menschenblattern — die Impfung der Seuche versuchte und in der That wurden schon, wie es Ihnen bekannt sein wird, solche künstliche Uebertragungen der Seuche in Holland, Frank- reich, England, Dänemark, Mecklenburg unternommen und namentlich in dem letzteren Lande am grossartigsten und mit vielem Glück. Diese Impfungen hatten allein den Zweck, in denjenigen, von der Seuche heimgesuchten Ländern, wo sie angestellt wurden, den Verlust zu mindern und die bedrohten Heerden zu schützen, und nur der Physikus Salch o w in Meldorf, in Dithmarschen, gab sich schon damals der Hoffnung hin, dass es mög- lich sein könnte, durch die Impfung die Seuche gänzlich auszurotten. Als man später, nach vielen Streitigkeiten, zu der Ueberzeugung kam: dass die Rinderpest immer nur aus den Steppengebieten hervordränge, in den übrigen Län- dern Europas aber sich nie und nimmer von selbst entwickele, da fiel in diesen Ländern auch der Werth der Impfung, ja! sie wurde gesetzlich untersagt und an ihre Stellen traten die Quarantainen und das Nieder- schlagen der kranken und verdächtigen Rinder, als Mittel, wodurch man die eingeschleppte Seuche schnell, sicher und mit dem geringsten Verluste zu tilgen im Stande war. So wurde sie z. B. in den Kriegsjahren 1813 und 1814 getilgt; so wurden, durch Adoptirung dieser strengen Massregeln, Preussen und Oesterreich die Schutzmauern für das übrige Europa. In dem Re- gierungsbezirk Oppeln ist sie u. a. innerhalb 17 Jahren 26 Mal eingebrochen und durch Anwendung der Sperre und des Niederschlagens, unter Leitung des verdienst- vollen Lorinsers, jedesmal ohne nennenswerthen Ver- lust getilgt worden. Die wahre Heimath der Rinderpest suchten Einige in Asien. während sich später mehr und mehr die Meinung geltend machte, dass sie auch in den süd- russischen Steppen sich von selbst entwickeln könne. Viborg — auch der letzteren Meinung huldigend — machte schon 1813 darauf aufmerksam: dass in Russ- land theilweise andere Massregeln gegen die Seuche er- griffen werden müssten, und während er selbst dazu beitrug. dass die Impfung der Rinderpest in Dänemark verboten würde, während er sie auch für den Norden Russ- lands nicht anempfehlen konnte, betrachtete und empfahl er sie für die Steppenländer als das einzige Rettungs- mittel. Nach seinen Vorschlägen sollte sie dort als Aus- rottungsmittel derartig in Anwendung gebracht werden, dass nach beendigter Seuche alles nachgebliebene, nicht krank gewesene Rindvieh, und später alljährlich die Nachzucht geimpft würde. In Russland war indessen die Veterinärmediein noch viel zu wenig zur Geltung gekommen, als dass diese Vorschläge gehörig gewürdigt wären und die Ueber- zeugung sich Bahn gebrochen hätte: „wir müssen die Rinderpest an ihrer Quelle, in den Steppen angreifen und auszurotten suchen, um ihre Uebergriffe auf andere Gebiete des In- und Auslandes zu verhüten. Obgleich Lorinser es längst ausgesprochen hatte: „unsere Kenntniss der Rinderpest ist ohne Fundament und kommt über die ersten Anfänge nicht hinaus, so lange wir sie nieht an ihrer Erzeugungsstätte, in den Steppen, stu- diren“. so konnte doch bis 1853 von einem solchen Studium nicht die Rede sein, und es herrschte die grösste Ungewissheit in dieser Beziehung. Nur so viel lehrte die Erfahrung: dass die Rinderpest in den Steppen sehr häufig vorkam; dass es unmöglich war, sie dort durch Quarantainen festzuhalten und dass daher der übrige Theil Russlands immer grossen Verlusten durch die Seuche ausgesetzt blieb. Ich brauche nur anzuführen, dass die Verluste des Jahres 1846 auf nahezu 10 Millionen Ducaten ange- schlagen worden; ich brauche nur darauf hinzuweisen, dass allein im Königreiche Polen zur Unterdrückung der Seuche und zum Schutz gegen ihr Eindringen in das übrige Europa, im vorigen Jahre mehr als 10,000 Rinder erschlagen und vergütet wurden, um darzuthun, wie wichtig es wäre, wenn es dahin gebracht werden könnte, die Impfung in den Steppen einzuführen, durch sie die Rinderpest dort als Seuche auszurotten und nur solches Vieh aus ihren Grenzen zu führen, welches die Immunität besässe und daher auf dem Wege weder selbst Gefahr liefe noch dem Rindvieh anderer Länder Gefahr brächte. Mehr als Alles stand aber der Prüfung des Viborg’- schen Vorschlages die bei vielen in Russland zum Dogma gewordene Anschauung: „dass die Rinderpest sich überall entwickeln könne“ entgegen und erst als es gelang, sie siegreich zu bekämpfen, wandte man sich auch der Impfung zu, um so .mehr, als auch in Russland wohl sehr viele Heilmittel gegen die Krankheit angepriesen waren, aber keines sich als sicher heilbringend bewährt hatte. Die Regierung beschloss, zunächst Impfversuche in den neurussischen Steppen ausführen zu lassen. So wären wir nun bei der zweiten Frage angelangt: welche Hauptpunkte durch diese Versuche erledigt wer- den sollten ? Erforseht musste werden: a) Erkranken durch die Impfung der Rinderpest in den Steppenländern die Rinder eben so, wie in andern Ländern ? b) Ist diese Erkrankung sofort eine gefahrlose oder lässt sich doch der Impfstoff so mitigiren, dass seine Einimpfung entweder gar keinen, oder doch nur einen unbedeutenden Verlust zuwege bringt ? e) Sind die durch Impfung angesteckten Thiere ‚später gegen neue Ansteckung von Rinderpest- kranken geschützt? und endlich d) erstreckt sich dieser Schutz auf die ganze Lebens- dauer der Geimpften ? Wir werden später sehen, dass zu diesen Frage- punkten noch zwei andere, in Folge des Ausfalles der Versuche hinzutraten. In Gidirim, in der neurussischen Steppe, 42 Werst westlich von Odessa gelegen, wurden nun im Jahre 1853. während der Monate Juli und August, mit 53 Rindern, reiner Steppenrace, Versuche angestellt. Ich kann mich hier um so mehr darauf beschränken, nur die Hauptresultate derselben anzuführen, als ja bereits ein gedruckter Bericht darüber dem Publikum vorliegt. Schon bei der ersten Impfung, mit Impfstoff der aus einer benachbarten Colonie, wo die Seuche herrschte, geholt wurde, ergab es sich, dass die Impfung die Krankheit bei den Impflingen zuwege brachte, die aber nahezu eben so viel Procente wegraffte, als die Seuche in dem Orte, woher die Impfmaterie stammte, getödtet hatte. Als aber von diesen, in erster Generation geimpft Gewesenen, weiter geimpft wurden, trat darauf in der Regel nur ein sehr leichtes Erkranken ein und der Ver- lust war ein sehr geringfügiger. Zwei Kühe, von denen man wusste, dass sie vor 2 Jahren die Rinderpest gehabt hatten, waren weder durch Impfung noch durch Zusammenstellung mit Kranken oder Einbringung in infieirte Ställe, wieder anzustecken, während es doch durch die Infeetion anderer Thiere, die noch nicht an der Seuche gelitten hatten, dargethan wurde, dass nicht nur die nach der Impfung Erkrankten, sondern selbst die Ställe, in denen sie gestanden hatten, anzustecken vermochten. Aus diesen Resultaten schien nun hervorzugehen, dass Impfungen in erster Generation in Neurussland noch einen zu grossen Verlust hervorbrächten, um beim Ausbruch der Seuche sofort in Anwendung gebracht werden zu können, dass aber dort schon in zweiter Generation eine Mitigirung des Impfstoffes einträte. 247 Die Versuche waren, wie schon bemerkt, nur an 53 Thieren gemacht, von denen 12 an der Rinderpest zu Grunde gingen und eines getödtet wurde, also 40 nachblieben. Die Thiere waren theils in Ställen, theils im Freien während der Versuche angebunden gewesen und hatten von der Hitze viel zu leiden gehabt. Die strengsten Quarantainemaassregeln zur Verhütung der Verschleppung waren eingehalten. In dem nämlichen Jahre, fast gleichzeitig mit den eben erwähnten Versuchen, wurden auch von der Char- kow’schen Veterinärschule aus Impfungen unternommen, und hier hatte man Gelegenheit, den Werth der Impfung auch in schon verseuchten oder doch von der Seuche sehr bedrohten Heerden Steppenviehes zu prüfen. An der Schule selbst wurden 10 Uebertragungen des Impf- stoffes gemacht, oder gesunde Thiere in 10 Genera- tionen geimpft. Dabei konnte deutlich wahrgenommen werden, dass in den letzten 7 Generationen die Wirkung des Pesteontagiums schwächer wurde, so dass von den zuletzt geimpften 13 Stück nur eines fiel, während in den ersten 3 Generationen von 6 Stück 3 zu Grunde gingen. Als nun der geschwächte Impfstoff später in ge- sunden und bereits verseuchten Heerden zur Anwendung kam, ergab es sich, dass während von den Thieren, welche mit der natürlichen Rinderpest befallen waren, durehschnittlich der grösste 'Theil verloren ging, von 1059 geimpften Rindern nur 60 fielen und 999 genasen. Die Charkower Veterinärschule kam also mit Recht zu dem Schlusse: „Kann auch die Impfung der Rinderpest noch nicht als eine allgemeine Maassregel zur Schutz- gewährung gegen diese Seuche eingeführt werden, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass sie in jeder gegebenen Oertlichkeit (der Steppeneouvernements) als ein zuverlässiges Mittel zur Beschränkung der verderb- lichen Einwirkung der natürlichen Pest dienen kann“. Somit schien denn der Ausfall der Versuche des Jahres 1853 allerdings sehr für die Impfung zu sprechen; es bleiben aber immer noch sehr viele Fragen zu be- antworten, sehr viel Zweifel zu lösen. Die Veröffent- lichung der Resultate erweckte sowohl enthusiastische Verehrer der Impfung, die ihre allgemeine und schleu- nige Einführung wünschten, als auch im Gegentheil absprechende Verächter derselben, die den gemachten Erfahrungen keinen weitern Werth zugestehen wollten, als dass sie uns über die Nichtigkeit der Hoffnung, durch die Impfung der Rinderpest in den Steppen einst die Seuche völlig zu vernichten, Aufklärung verschafft habe. Die Regierung liess sich von dieser Verschiedenheit der Meinungen nicht beirren, beschloss vielmehr, die Versuche systematisch fortsetzen zu lassen. Da es aber darauf ankam, in wissenschaftlicher Beziehung genau eonstatirte Erfahrungen zu sammeln, so wurde es allen nicht besonders dazu Autorisirten untersagt. Impfungen der Rinderpest vorzunehmen. Dieser weisen Maassregel haben wir es zu verdanken, dass die Impfversuche über- sichtlich geblieben sind, dass wir genau wissen, wie weit wir in der Sache gekommen sind und nicht, wie 248 bei der Impfung der Lungenseuche, vor einenı Chaos von sogenannten Erfahrungen stehen, die ein fast un- entwirrbares Knäuel bilden. Im Jahre 1854 wurden die Impfversuche in Baraboi, wenige Werste von Gidirim entfernt, wieder aufge- nommen. Ihre Resultate waren aber der Art, dass abermals neue Fragen in Anregung gebracht wurden. Die Impflinge wurden eben so geimpft, wie im vorigen Jahre, dabei aber nicht angebunden gehalten, sondern auf der Steppenwaide belassen und somit ihren natür- lichen Verhältnissen nicht entzogen. Während nun 1853 die Impfung in erster Gene- ration abschreckende Verluste mit sich führte, so er- krankten in diesem Jahre gleich die ersten Geimpften anscheinend gar nicht oder doch so unbedeutend, dass man daraus nicht mit Sicherheit entnehmen konnte, ob die Impfung gewirkt hatte oder nicht. Dasselbe wieder- holte sich in den späteren Generationen, und eigentlich erkrankte nur ein einziger Impfling mit allen Zeichen der Rinderpest und ein Verlust fand gar nicht statt. Als man Gegenproben anstellte, die Geimpften von 1853 und 1854 mit Rinderpestkranken zusammenbrachte, war aber das Resultat sowohl bei jenen als bei diesen: Nichtansteckung! Später wurden die geimpft gewesenen Thiere noch mehrfach einer Ansteckung durch verpestete Gegen- stände, frisch abgezogene Häute, Cadaverüberreste, Futterstoffe aus dem Wanste ete. ausgesetzt, ohne zu erkranken. Aber auch gesunde, noch nie geimpfte oder natürlich von der Rinderpest befallen gewesene Rinder, blieben bei solchen Versuchen unangetastet, zeigten wenigstens keine sichtbaren Krankheitserschei- nungen. Da man unbezweifelt den Impfstoff ebenso wie auch die übrigen Ansteckungsträger von Rinder- pestkranken entnommen hatte, so wurde es einleuchtend, dass die Krankheit sich in diesem 1854sten Jahre weniger ansteckend zeigte, als 1853. Dasselbe wurde auch durch Versuche in der Kirgisensteppe, die gleichartige Resul- tate darboten, bestätigt. Es traten nun zu den bereits erwähnten 4 Fragen noch 2 neue hinzu, nämlich: e) Sind auch solche Thiere künftig geschützt, bei denen die Impfung anscheinend gar keine Reac- tion hervorrief? — und f) Sind die Rinder, welche in den Steppen die Im- munität gegen die Krankheit erwerben, auch im Norden, wo sie viel bösartiger auftritt, gegen neue Ansteckung gesichert? Die erste dieser Fragen zu lösen wurde im Jahre 1855 eine neue Commission nach Baraboi gesandt, und es wurden die dort noch vorhandenen, 1853 und 1854 Geimpften, wiederholt geimpft und auf die vielfachste Weise geprüft, ohne dass auch nur ein einziges Stück davon wieder zur sichtbaren Erkrankung gebracht werden konnte. Jedoch auch neu angekaufte T'hiere, die niemals die Rinderpest gehabt hatten, wurden durch wieder- holtes Impfen nicht deutlich krank. Jedenfalls ward es daher nothwendig darzuthun, dass wirklich mit Rinder- pest geimpft angestellt. 17 Rinder — nämlich 5 die im Jahr 1853, 4 die 1854, 4 die 1855 geimpft und 4 neu angekaufte, die weder geimpft noch jemals natürlich erkrankt gewesen waren, wurden in das bessarabische Dorf Dschaloir getrieben, in dessen Heerde die Rinderpest herrschte und worin der frühere Impfstoff zum Theil entnommen war. Unter den geimpft Gewesenen von 1353 waren sowohl solche, die nach der Impfung ganz deutlich mit allen Symptomen der Rinderpest erkrankten , als solehe die anscheinend gar nicht krank gewesen waren; die übrigen von 1854 und 1855 gehörten alle in die letzte Categorie. L Vierzehn Tage lang grasten diese Versuchsthiere mit den kranken zusammen, wurden in der Nacht mit ihnen in die verpesteten Höfe getrieben, ausserdem täglich auf der Nasenschleimhaut mit der Mund- und Augenfeuchtigkeit derselben eingerieben, ohne in dieser Zeit zu erkranken; sie trafen vielmehr nach Ablauf der erwähnten Frist alle anscheinend gesund in Baraboi wieder ein. In der Nacht darauf aber erkrankte dort eins der ungeimpften Thiere und mehrere Tage später noch ein anderes derselben, mit deutlichen Zeichen der Rinderpest, beide aber genasen. Als von diesen Kranken noch einmal sämmtliche, in Baraboi vorhandene Rinder geimpft wurden, ergab es sich, dass die 1553 und 1854 geimpft Gewesenen wieder ganz gesund blieben, von den 1855 Geimpften aber noch einige erkrankten, meistens aber sehr unbedeutend. Doch gingen 2 davon zu Grunde und ein drittes, zum erstenmale Geimpftes, erepirte gleichfalls. Durch diesen Versuch war also dargethan, dass die Rinderpest auch 1855 ansteckend und dass mit wirk- samem Impfstoff geimpft war, zugleich aber auch, dass wenn in einem Jahre, wo die Krankheit sich weniger ansteckend zeigt, geimpft wird, unter der Zahl der Ge- impften noch einige ungeschützt bleiben, selbst dann, wenn sie schon mehrere Male geimpft waren, ohne zu erkranken. Unter den 1855 in Baraboi geimpften Rindern be- fanden sich auch 20 Stück Jungvieh von der Steppen- heerde des Oberschulzen Kraus aus der Colonie Freudenthal, die gegen 70 Häupter zählte. Die Impfung geschah Anfangs des August-Monates und kein augen- fälliges Erkranken wurde darnach wahrgenommen, ob- gleich allerdings einige der Impflinge am 4ten bis Sten Tage nach der Operation etwas weniger munter schienen, auch weniger frassen, als vor derselben. Nach wenigen Tagen aber stellte sich das frühere Wohlbefinden wieder ein. Am Ende des August-Monates ward diese Abthei- lung der Heerde wieder einverleibt und als im November unter den Häuptern derselben die natürliche Rinderpest ausbrach, erkrankte von den 20 Geimpften kein einziger, während von dem ungeimpften Theile der Heerde 25 befallen wurden, wovon 9 starben. Ich musste dieses für die Impfungssache so günstigen Resultates hier um so mehr Erwähnung thun, als es hauptsächlich mit dazu beitrug, dass die Frau Gross- sei, und zu dem Ende folgender Versuch fürstin Helena Pawlowna, Kaiserliche Hoheit, auf Ihrem Besitzthume Karlofka im Poltawaschen Gou- vernement, ein Impfinstitut errichten liess, worin seit dem December 1857 geimpft wird. Der Bericht über die ersten beiden Impfungen liegt bereits vor und lautet sehr günstig; von 123 in erster und zweiter Generation geimpften Rindern, gingen nur 3 verloren und die übrigen zeigten sich geschützt, obgleich sie grösstentheils nur sehr leicht und manche anscheinend gar nicht nach der Impfung erkrankt waren. Bevor ich nun zur vierten Frage übergehe, muss ich bemerken, dass auch ausserhalb der Steppengebiete bei Rindern, die der Steppenrace nicht angehörten, in den Jahren von 1853 bis 1858 Versuche angestellt wurden, welche sehr abweichende Resultate darboten. Im Kasanschen Gouvernement ging z. B. bei den im Jahre 1854 dort angestellten Rinderpestimpfungen bis zur sechsten Generation der grösste Theil der Impflinge verloren. Von der sechsten bis zur zwölften Genera- tion inel. erkrankten dagegen die Impflinge so leicht, dass keiner derselben mehr erepirte. Bei den mit ihnen später angestellten Ansteckungsversuchen, zeigten sie sich indessen alle geschützt. Bei den in Dorpat 1854 und 1855 angestellten Impfungen trat gar keine Milderung ein und die ge- impften Thiere erkrankten in der dreizehnten Generation noch eben so heftig als in der ersten und gingen alle, bis auf ein sehr leicht erkranktes Rind, zu Grunde. Dieses durchgeseuchte Thier ist bis 1858 wiederholt den verschiedenartigsten Ansteckungsversuchen ausgesetzt worden, ohne jedoch wieder zu erkranken. Wenn Sie, meine Herren, einen Blick auf die Karte werfen wollen , worauf die in Russland seit 1853 ange- stellten Impfungen schematisch verzeichnet sind *), so wird es Ihnen sofort auffallen, dass sich darin das längst bekannte Gesetz treu wieder abspiegelt: „je weiter die Rinderpest aus den Steppen nach Norden und Westen vordringt, desto bösartiger wird sie“, und es wird Ihnen zugleich klar werden, dass nur in den Steppen bis jetzt die Impfung indieirt ist und gute Erfolge bringen wird. Um zu erforschen, ob die geimpften Rinder, die in den Steppen von der Rinderpest nicht mehr angesteckt werden konnten, auch dann ihre Immunität bewahrten, wenn sie ausserhalb der Steppen mit solchem Vieh com- municirten, welches von der Krankheit heftiger ergriffen war, wurden 30 Stück der 1853, 54 und 55 in Gidirim und Baraboi Geimpften angekauft. Es waren darunter solche, die nach der Impfung mit allen Zeichen der Rinderpest befallen waren, andere, die nur sehr leicht erkrankten, und noch andere, die anscheinend ganz unangefochten geblieben waren. 15 dieser Thiere waren nach der Charkow’schen Lehrfarme getrieben worden und der Rest ward bei dem Gorigoretzki’schen höhern landwirthschaftlichen Institute stationirt. Diese letzteren sind nun schon, bei gegebenen Gelegenheiten, den ver- ..*) Eine Abtheilung dieser schematischen Uebersicht findet sich im XIII. Bde. der neuen Folge der Verhandlungen der öconomischen Societät in Dorpat. 249 schiedenartigsten Prüfungen unterworfen, ohne dass es gelungen wäre, auch nur ein einziges Stück wieder mit der Rinderpest anzusteeken. Die 15 Erstgenannten sind noch nicht geprüft. Dei dieser Gelegenheit haben wir denn also auch erfahren, dass viele der geprüften Thiere schon Jahre lang ihre Immunität bewahrten. Was nun die Maassregeln für die Zukunft in Russ- land betrifft, so habe ich zu berichten, dass in St. Peters- burg eine permanente Commission zur Ueberwachung der Rinderpestimpfung sowohl als auch überhaupt zur Einführung der zweckmässigsten Maassregeln gegen die Seuchen der Hausthiere, ernannt ist. Diese Commission hat beschlossen, vorläufig 3 grössere Impfinstitute in den Steppen zu etabliren, wozu Se. Majestät der Kaiser huldreichst auf 3 Jahre jährlich 10,000 Rub. S. ange- wiesen hat. Auch ist Aussicht da, dass bei den Veteri- närschulen in St. Petersburg, Charkow und Dorpat die Impfungen im kleineren Maassstabe fortgesetzt werden und so diese wichtige und grossartige zoohygienische Maassregel beständig der wissenschaftlichen Controle unterworfen bleibt. Ob es überhaupt möglich ist, permanente Impf- institute für die Rinderpest in den Steppen zu unter- halten, da bei dem milderen Auftreten der Seuche in jenen Gegenden die Erfolge bald unsicher werden und der Impfstoff, nach den bisherigen Erfahrungen, nicht viel über 30 Tage aufbewahrt werden kann, ohne seine Wirksamkeit einzubüssen, wird sich nun bald heraus- stellen und kann eben nur durch den Versuch entschieden werden. Sie werden sich gewiss mit mir freuen, dass die russische Regierung vor solchen Versuchen nicht zurückschreckt. — Somit hätte ich also die Eingangs gestellten Fragen beantwortet und könnte schliessen. Aber ich habe bisher nur die practische Seite der Rinderpestimpfung in’s Auge gefasst und kann den Gegenstand nicht verlassen, ohne Sie, meine Herren, darauf aufmerksam gemacht zu haben, wie eng auch das wissenschaftliche Interesse damit zusammenhängt. Nach dem Vorgetragenen wird es mir gewiss keiner von Ihnen verdenken, wenn ich nicht der Meinung beitreten kann, dass die Kenntniss der wichtigsten Hausthierseuche schon zum Abschluss gekommen sei, vielmehr behaupte, dass unsere For- schung in dieser Hinsicht noch erst recht zu beginnen hat, und wir mit der Impfung auf dem besten Wege sind. Hat die Anstellung der Impfversuche in den Steppen auch noch nicht zu der absoluten Gewissheit geführt, dass sie sich dort von selbst erzeugt, hat sie uns über die eigentlichen Ursachen der Selbsterzeugung keine sichere Aufklärung gegeben, weil die Beobachter nur kurze Zeit dort anwesend waren, so lässt sich doch er- warten, dass die permanente Fortsetzung derselben durch wissenschaftliche Veterinäre uns auch darüber bald Auf- schluss geben wird. Sehr viel haben wir indessen schon bei unseren seit 1853 gemachten Versuchen gelernt. So hatte ich mich z. B. fest davon überzeugt, dass die Rindviehkrankheiten in den Steppen, die man als Magenseuche, bösartiges 32 250 Fieber und Abdominal-Typhus beschrieben hat, nichts anderes sind als Rinderpest, in der Form, wie sie uns 1854 und 1855 entgegentrat, wo ihre Ansteckungskraft so schwer nachzuweisen war. Die geschichtlichen Nach- forschungen und die Erfahrung, dass sie in den Steppen seit 1853 jährlich hie oder da gefunden wurde, scheint die Behauptung einiger Schriftsteller, dass die Rinder- pest auch dort nur in längeren, zehn- und zwölfjährigen Zwischenzeiten auftrete, gänzlich umzustossen. Noch jetzt geben einige Schriftsteller der Krankheit eine Incubationszeit von 14 Tagen bis 3 Wochen; die Impfungen haben sie auf höchstens 38 Tage zurückge- führt. Man hat wohl früher schon geglaubt, dass die Rinderpest bereits am Ausbruchstage anstecken könnte; der factische Beweis dafür ist aber erst durch die Im- pfungen in Dorpat geführt. Und so könnte ich noch manche andere Errungenschaft anführen. Aber ich spreche der Impfung eine viel höhere und allgemeinere Bedeutung für die Gesammtmediein zu, die über die Begriffe Miasma und Contagium, Epi- demia, Epizootia, Endemia und Enzootia noch lange nicht das lerzte Wort gesprochen hat. Gerade die Veterinär- mediein hat das Recht, in dieser Hinsicht Fragen zu stellen und die Möglichkeit zur Beantwortung derselben. Wir werden bei unsern Impfungen sicher auch auf allgemein gültige Gesetze in dieser Beziehung geführt werden. Wie gefährlich es ist, solche Gesetze ohne eine feste Basis aufzustellen, will ich nur an einem Beispiele er- läntern. Dr.Riecke, in seiner „Reform der Lehre von den Contagionen ete.* gibt als Eigenschaft der miasmatisch- contagiösen Krankheiten, zu denen er auch — und mit Recht — die Rinderpest zählt, an, dass sie bei der Impfung nicht mit einem Minimum des Impfstoffes, wie die reinen Contagionen, z. B. Blattern, übertragen werden können, sondern eine grössere (Juantität des Impfstoffes dazu gehört. Nun hat aber die Erfahrung. schon bei den 1853 ausgeführten Impfungen der Rinderpest gelehrt, dass man einen Tropfen der Thränenflüssigkeit von einem pestkranken Rinde mit der zehn- und mehrfachen Menge destillirten Wassers verdünnen kann, und durch die Einimpfung der Mischung doch die Krankheit zu wege bringt. Beweis genug, dass die Rinderpest kein Miasma- Contagium im Riecke’schen Sinne, oder sein Axiom eben keines ist. — Doch — ich habe die Geduld der hochachtbaren Versammlung schon vielleicht zu lange in Anspruch genommen, und schliesse daher mit dem Wunsche: unter den anwesenden Wissenschaftsmännern der Rinderpest- impfung einige Freunde gewonnen zu haben. Der Section werden folgende eingelaufene Schrif- ten vorgelegt: Abhandlung von Paul Motsch, K. Russ. Colleg.-Rath und Oberarzt am Militärhospital zu Smolensk — von der Anwendung der Impfung des natürlichen Blatterstoffes als präservatives und therapeutisches Mittel gegen mehrere akute Krankheiten. Joseph de Nasca, 1“ medecin de la marine royale de Naples et de P’hopital des Incurables ete. — Sur la myolithiasis et la paralisie museculaire. G. de Nasca ete. — Poche annotazioni pratiche sulla febbre puerperale, ora che non terminano le disquisizioni e le dispute intorno alla natura ed alla sede di questa malattia. E. Duchesne, des chemins de fer et de leur influence sur la sante des mecaniciens et des chauffeurs ete, Paris, 1 Vol. 12°. chez Mallet-Bachelier, quai des Augustins, Nro. 59, prix 3 fres. IX. Section für Chirurgie und Ophthalmologie. Erste Sitzung am 17. September 1858. Präsident: Geh. Rath Chelius. Ständiger Secretär: Regimentsarzt V olz aus Carls- ruhe. Professor M. Langenbeck aus Hannover: Ueber Glaskörperstich. Diese Methode, den grauen Staar aus der Sehaxe zu entfernen, welche von Langenbeck im Laufe des letzten halben Jahres fünfmal ausgeführt worden ist, wird von demselben als die gefahrloseste und sicherste Operationsweise anempfohlen, weil /ris und Corpus ciliare nicht die geringste Verletzung erleiden, vom Instrumente nieht einmal berührt werden und die Manipulation nicht schwieriger auszuführen ist, als jede andere Methode der Nadeloperation. Der Redner spricht die Ueberzeugung aus, dass eine unbedingte Schonung jener beiden Organe des Auges das sicherste Mittel sei, dem leider noch zu häufigen ungünstigen Erfolg der Nadeloperation entgegen zu treten. Die in Frage stehende Operationsmethode habe diese Ansicht zur Genüge gerechtfertigt, da bei keinem jener 5 Patienten, welche nach diesem Verfahren operirt worden seien, irgend eine entzündliche Reaction am Auge aufgetreten sei; kaum eine Conjunctivalröthe habe sich gezeigt und schon am dritten und fünften Tage haben die Kranken, der besten Sehkraft sich erfreuend, das Zimmer verlassen können. Das Verfahren, durch eine beigebrachte Zeiehnung erläutert, wird folgender- maassen beschrieben: 1. Act. Eine zweischneidige, sehr schwach nach dem Blatt gebogene Nadel wird in die Schläfenseite des Auges an dem Punkt, welcher dem grössten Querdurch- messer des Bulbus entspricht, oder noch ein wenig hinter- halb desselben, also etwa 6“ vom Rande der Hornhaut entfernt in horizontaler oder etwas aufsteigender Rich- tung schräg von hinten nach vornen eingesenkt, so dass dieselbe die hintere Fläche des Linsensystems an einem zwischen dessen Scheitel und oberem Rand gelegenen Punkt erreicht. Die Linie also, welche die Nadel be- schreibt, trennt von dem geschlossen gedachten Sele- rotical-Ellipsoid nach aussen und vornen ein Segment, dessen Bogen */, des Ellipsoids beträgt. Um an oben genanntem Punkte das Instrument durch die Sclerotiea einführen zu können, ist eine möglichst intensive Action des Muse. rect. int. von Seiten des Patienten erforderlich; es muss also das zu operirende Auge soweit nach innen, dem Canthus int. zu, gedreht werden, dass der für den Einstich bestimmte, von der Commissura palpebr. ext. bedeekte Punkt, die Stelle der stärksten seitlichen Wölbung des Bulbus, frei wird. 2. Act. Ist die Spitze der Nadel, nachdem sie die Substanz des Glaskörpers durchlaufen, ohne dem Corpus ci. nahe zu kommen, an dem besagten Punkt in die Linse eingetreten, so beginnt die Manipulation der Dislocation oder der Zerstücklung der Cataract. Ist die Cataraet zur Dislocation geeignet, so ist schon im ersten Moment des Eintritts der Nadel in das Parenchym der Linse durch Senkung der Spitze der- selben eine den Staar deprimirende Bewegung zu machen, welcher sich eine mit dieser Hebelbewegung des Instruments nothwendig in Verbindung stehende, reclinirende, oder retrahirende Manipulation anschliesst, da die Spitze der Nadel mit nach unten und oben ge- richteten Flächen in der Richtung der Peripherie eines Kreises desto mehr nach hinten in das Corpus vitr. hinab- steigt, je mehr deren Stiel ausserhalb des Auges durch die lege artis anliegenden Finger gehoben wird. Sobald die Dislocation auf obige Weise begonnen ist, wird sie durch vermehrte Hebelbewegung der Nadel in derselben Richtung beendigt. Die Cataraet wird somit in die untere, äussere Portion des Glaskörpers eingesenkt und nach hinten gezogen. Sie würde bei fast senkrechter Erhebung des Nadelgriffs bis zur seitlichen Mitte des Glaskörpers disloeirt werden können, was indess nicht erforderlich ist, da bei weit geringerer Senkung der Nadelspitze die Cataract schon tief genug in das Corpus vitr. hereingezogen wird, um, von dessen Hyaloideal- Hautschichten festgehalten, ausserhalb der Sehaxe liegen zu bleiben. Im Uebrigen möchte es eben so leicht sein, 251 unter entsprechender Abänderung der Manipulation, den Staar statt nach aussen und unten, in den unteren und inneren Theil des Glaskörpers zu deponiren. Diese Dislocation betrifit nicht allein die Linse, sondern auch deren Kapsel, welche als eine verhältnissmässig recht zähe beutelförmige Membran, wie man sich an frischen Leichenaugen überzeugen kann, durch die oben ange- gebene Traction aus der sehr schwachen kreisförmigen Verbindung mit dem Corpus cil. oder vielmehr der Zonula Zinnä sich sehr leicht lösen, gleichsam luxiren lässt. In zwei Fällen halbharten Staars geschah dieses, ohne dass die Spitze des Instruments durch die vordere Kapsel aus- trat, im dritten Fall ward die äusserste Spitze der Nadel in der Pupille sichtbar. Der Vorgang selbst, Lösung der Kapsel in ihrer Cireumferenz und Collabiren derselben war in den ersten beiden Fällen deutlich wahrzunehmen, da die Cataract eine capsulo-Ienticularis war. Ist dagegen die Zerstücklung der Cataraet nöthig, so sucht man, sobald die Nadel in die hintere Wand der Linse eingetreten ist, gleichfalls zuvor eine depri- mirende und retrahirende Hebelbewegung zu machen, um die kreisförmige Adhäsion der Kapsel zu lösen, worauf dann die Manipulation der Diseission folgt. Doch wird letztere soweit als möglich nach hinten im Glaskörper vollführt, um die vulnerabeln Organe des Auges vor Verletzung zu sichern. Diese Methode des Glaskörperstichs unterscheidet sich wesentlich von der Hyalonyzis John Bowen’s (oder wie von Herrn Geh. Rath Chelius berichtigt wurde, John Owen’s), in sofern bei der Hyalonyıis die Nadel, wenn sie auch weiter als gewöhnlich vom Rande der Hornhaut entfernt, in die Selerotica eingeführt wird, doch über die Peripherie der Kapsel hinweg in die Pupille eindringt, um von der vordern Kapselwand aus auf die Linse einzuwirken, ein Verfahren, welches die gewöhnliche Berührung, Zerrung oder Verletzung der /ris und des Corpus eil. mit sich bringt. In der Diseussion, an welcher sich Geh. Rath Che- lius, Professor Adelmann aus Dorpat und Professor Bruns aus Tübingen betheiligten, wird die Ungefähr- lichkeit der Operation anerkannt, jedoch die Möglich- keit der Entfernung der vordern Kapselwand und somit der sichere Erfolg bezweifelt. Langenbeck begegnet dem ausgesprochenen Zweifel mit Hinweisung auf die Thatsache, dass in den von ihm beobachteten Fällen nicht die geringste Spur von Kapselnachstaar zurück- geblieben sei, und er einigemal während der Operation die Lösung der verdunkelten Kapsel in ihrer Cireumferenz deutlich habe bemerken können. Ueberdies lässt er nicht unerwähnt, dass er, sollte eine Kapseltrennung in der ganzen Peripherie nicht erfolgen, vielmehr eine Zer- reissung der vordern Kapselwand eintreten, in diesem Ereigniss nichts anderes erblicke, als ein gar nicht seltenes Ergebniss der gewöhnlichen Seleroticonyxis, wel- ches nichts weniger als ein Misslingen der Operation in sich schliesse. Der besondere Zweck des Glaskörper- stichs aber, Sicherung der /ris und des Corpus eil. vor Verletzung sei damit keineswegs verfehlt. — Hierauf zeigt Professor Langenbeck einen Blasen- 32* 252 stein vor, welcher aus reiner hariger Säure, Aanthin, besteht. Er knüpft daran die Bemerkung, dass dies Conerement, welches bekanntlich zu den grössten Sel- tenheiten gehört, von seinem verstorbenen Vater durch Lithotomie gewonnen und von Hofrath Stromeyer sowohl als von Obermedieinalrath Wöhler nach vorgenom- mener chemischer Untersuchung, für das reinste Xan- thin erklärt worden sei, dass ferner Dr. Streeker aus Christiania ihm kürzlich gemeldet habe, es sei ihm (Strecker) gelungen, aus Guanin = ©!" H? N? O? durch Behandlung desselben mit salpetriger Säure einen Körper zu gewinnen, welcher in all seinen Eigenschaften dem Xanthin durchaus ähnlich sei; nur der mit salpeter- saurem Silber entstehende, in Salpetersäure schwer lösliche Niederschlag, welcher diesen von Strecker „Pararanthin“ genannten Körper characterisirt, möchte vielleicht noch ein unterscheidendes Moment sein. Die Zusammensetzung des Pararanthin nach Strecker ist — G10J+ NO, das Xanthin nach Wöhler C’H?N'O2. Schliesslich legt Professor Langenbeck der Ver- sammlung seine Schrift nebst Abbildungen vom Jahre 1848 vor (Kl. Beitr. Art. Lichtprobe u. muse. accomod.), worin auf Grund der von ihm beobachteten Bewegungen der Pürkinje-Sanson’schen Lichtbilder eine Krümmungs- veränderung der Kapselwölbung als Ursache der Accom- modation im menschlichen Auge angenommen wird. Er hebt besonders einige Stellen dieser Schrift hervor, welche den unumstösslichen Beweis liefern, dass dieser Vorgang im menschlichen Auge von ihm 7 Jahre vor der Anwendung des Ophthalmoseops nicht sowohl im All- gemeinen sicher beobachtet, sondern auch in specie eine Wölbungsverschiedenheit beider Kapselwände, so wie ein Vor- und Zurücktreten der /ris, als von der Zu- und Abnahme der Kapselwölbung abhängig, erkannt worden ist. Er fügt hinzu, dass er schon damals ein jene Kapselwölbung und Abflachung vermittelndes Bewe- gunsorgan aufzufinden sich bemüht und dasselbe in den von ihm abgebildeten, dem Strahlenkörper angehörigen, feinen eireulären Fasern, fibrae accommodatoriae,, ge- funden zu haben glaube, deren Bestätigung von anderer Seite er jetzt um so zuversichtlicher entgegen sehen dürfe, als der Process der accommodativen Kapselbe- wegung selbst, obschon anfangs allseitig theils geleug- net, theils ignorirt, doch endlich durch Helmholtz’s Ophthalmoseop ausser Zweifel gesetzt sei, und bemerkt zum Schluss, dass er der geehrten Versammlung seine Schrift in der Absicht vorzulegen sich erlaubt habe, um die vor mehreren Jahren ausgesprochene Reclamation seines ihm bis dahin vorenthaltenen Prioritätsrechts in der Aceommodationsfrage genügend zu rechtfertigen. Dr. Leisinger aus Stuttgart: Ueber Tracheotomie bei Croup. Hochverehrte Versammlung! Meine Herrn! Noch hat die Tracheotomie beim Croup den Eingang und die allgemeine Verbreitung bei uns nieht gefunden, die diese wichtige Operation wohl verdienen. Wieder und wieder tauchen selbst in der Neuzeit Stimmen auf, getragen von gewichtigen Namen, die deren Vortheil zu schmälern, ja gänzlich in Misseredit zu bringen su- chen, und desshalb ist es Pflicht Jedes Einzelnen seine gemachten Erfahrungen der Oeffentlichkeit zu übergeben, um sie mit in die Wagschale über den Werth oder Un- werth dieses Operationsverfahrens zu werfen. Dieser Grund eben ist es, der mich es wagen lässt, dies Thema einer hochverehrten Versammlung vorzu- legen, und so gestatten Sie mir denn, ehe ich Ihnen den einzelnen, mich selbst betreffenden Fall vorführe, das ganze Heilverfahren gegen Croup in allgemeinen Umrissen zuvor historisch entwickeln zu dürfen. Schon Hippokrates erwähnt, dass Ascelepiades die Luftröhre bei drohender Erstickungsgefahr in einem Falle von Angina auf operativem Wege öffnete. Im 3. Jahrhundert spaltete Paul von Aegina die Luftröhre durch einen Querschnitt des 3. und 4. Ringes. Erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts finden wir der Operation wieder Erwähnung gethan durch Fabrieius vonAquapendenteundCasserius. Die erste An- wendung der Operation jedoch beim Croup, einer Krank- heit, deren genaue Kenntniss sich erst aus der Mitte des 17. Jahrhundert datirt, obgleich schon dunkle Nach- richten in das 16. Jahrhundert fallen (so Baillon, der 1576 die erste Section beim Croup gemacht haben soll), sodann Beschreibungen des Croup’s von Horstius, Bontius und Tulpius im 17. Jahrhundert, Mat. Ghisi von Cremona 1749, von Bergen zu Frankfurt 1764, finden wir durch Fr. Home, s. seine Schrift: An inquiry in to the croup by Fr. Home, Edinburg 1765, und Lorenz Heister, Chirurg, Nürnherg 1763. Ende des vorigen Jahrhunderts sind es besonders Louis (Sur la bronchotomie, Memoires de l’Academie de Chirurgie, Tom IV.) und v. Swieten, die die Operation in Schutz nehmen und zu Anfang dieses Jahrhunderts war es besonders Caron, Traite du eroup aigu, 1808, der dafür mit besonderem Eifer in die Schranken trat. Vereinzelte Fälle von gemachten Operationen finden sich bis zum Jahre 1824 in Frankreich vor, allein erst im Jahre 1826 trat Bretonneau mit seiner Epoche machenden Schrift auf, „de la diphterite“, Paris 1826, und verschaffte dem Operationsverfahren in Frankreich einen sichern Halt. Bald folgten ihm die ersten Autori- täten Frankreichs Dupuytren, Velpeau, Roux, bis Trousseau, Bretonneau’s bester Schüler, durch sein verbessertes Operationsverfahren und seine glück- lichen Erfolge, die Operation als eine für die Mensch- heit so heilbringende und segensreiche zur allgemeinen Geltung brachte. Guersant, Chassaignac, Mal- gaigne, Bouchut und Andere folgten rasch dem Beispiele Trousseau’s, und wetteiferten damit der Menschheit und Wissenschaft einen grossen Dienst zu leisten. Bouchut sagt, wiewohl der Erfolg der Tracheo- tomie nicht sehr glänzend ist, so sind die Resultate noch immer der Art, dass sie den Arzt am Bette eines in Folge von Croup halb asphyktischen Kindes ermuthigen ug müssen; er selbst hat von 160 Öperirten 45 davon ge- bracht. Trousseau hat im Jahre 1851—54 die Ope- ration 34 Mal ausgeführt, und zwar 24 Mal mit gutem Erfolge, im Ganzen hat er die Operation wohl 130 Mal gemacht, doch stellt sich hier das Resultat der Gesammt- Operationen nicht so günstig heraus, als in den Jahren 1851—54. Bretonneau von 20 Öperirten 6. Vel- peau von 10 2. Petel von 6 Fällen 3, es kommen somit etwas über ein Viertel Fälle mit erwünschtem Erfolge. In England aber erfreuten sich die Operationen solcher Erfolge nicht; ja Autoritäten wie Henry Smith und W est sprechen sich geradezu dagegen aus. Letzterer will sie zum mindesten auf die Hospitalpraxis beschränkt wissen, da die überaus schlechten Resultate die Opera- tionen in grossen Misscredit gebracht hätten. Woher diese Verschiedenheit der Erfolge in England und Frankreich? West beantwortet diese Frage dadurch, dass der Character der Krankheit in beiden Ländern ein ver- schiedener sei, indem sich der Croup in England selten auf den Rachen und den Kehlkopf beschränke, sondern gleich Anfangs sich entzündliche Affeetionen der Bron- chien und Lungen einstellen, die die Prognose dieser Krankheit wesentlich verschlimmern. Auch in Deutsch- land ist die Stimmung über die Operation noch heutigen Tages getheilt. Indessen sind Baum in Göttingen, Roser in Marburg, Passavant in Frankfurt, welch Letzterer von 9 operirten Kindern 4 als genesen aufzu- weisen hat, und Dr. Saxer in Goslar, der im Jahr 1857 und 1858 die Tracheotomie wegen Croup 6 Mal gemacht, davon 3 mit glücklichem Erfolge, als die eigentlichen Vorkämpfer bei uns zu betrachten. In Oester- reich, besonders auf der Wiener und Prager Universität, hat man sich mit dieser Operation heutigen Tags noch nicht befreunden können. Da sich bei uns der Character des Croups mehr dem französischen als dem englischen nähert, wie Sectionen zur Genüge darthun, so liegt wohl der Grund des Miss- trauens und der Abneigung gegen die Operation mehr in individuellen Ursachen, als in den schlechten Resul- taten der operirten Fälle. Wir deutsche Aerzte wenden beim Croup meist zu- vor alle uns bekannten innerlichen Mittel an, halten uns an diese oder jene gepriesene Methode und greifen erst dann zum Messer, wenn wir periculum in mora erblicken und wahrnehmen, dass trotz aller angewandten Mittel der Krankheitsprocess nicht sistirt werden kann und die Suffocation den höchsten Grad erreicht; dann ist na- türlich die Prognose für die Operation auch eine höchst ungünstige. Erfüllen wir mit der Tracheotomie nur den Zweck, bei theilweisem oder gänzlichem Verschlusse des Larynx _ und des oberen Theils der Trachea durch Pseudomem- brane das Respirationsgeschäft auf künstliche Weise wieder herzustellen, oder zu erleichtern, sehen wir diese Operation als letztes Rettungsmittel in. der Behandlung des Croups an, dann werden auch wir, ähnlich den englischen Aerzten nur ungünstige und ungenügende Resultate erzielen. Meiner Ansicht nach muss jedoch diese Operation zugleich als Mittel zum Zweck der Heilung des Croups betrachtet werden, denn abgesehen von ihrem grossen Verdienst, das erkrankte Kind von dem Suffocationstode im Momente ihres Gelingens gerettet zu sehen, erreichen wir durch dies Verfahren den ungeheueren Vortheil, Zeit für die Heilung der Krankheit gewonnen zu haben. Wir legen durch sie den Heerd der Krankheit blos, entfernen mechanisch so viel als möglich die Croup- Membrane, die sich nach oben in den Kehlkopf, nach unten in die Luftröhre festgesetzt haben, befreien die Trachea von dem massenhaften zähen und dicken Schleim, der für sich allein durch sein Nichtentferntwerdenkönnen den Erstickungstod des Kindes herbeiführen kann, wir beschränken ferner durch die Cauterisation die sich neu bildenden Exsudationen, oder suchen dadurch den Pro- cess zu sistiren. In dieser Zeit werden wir nicht auf- hören, je nach den Krankheitssymptomen die innerlichen Mittel anzuwenden, die die Plastieität des Blutes ver- mindern und die Expectoration befördern. Wir ge- winnen Zeit eine Bronchitis, eine etwa eintretende Pneumonie rationell behandeln zu können, Krankheiten, die so gerne nach überstandener Erstickungsgefahr noch den Tod des Kindes bedingen. Und dass wir diese Zwecke erreichen können, davon wird auch meine Kran- kengeschichte einen unumstösslichen Beweis liefern. Ich komme nun auf den Zeitpunkt zu sprechen, wann zur Operation geschritten werden soll. Früher stellte Trousseau und Louis den Satz auf: „Operez le plus töt possible“, doch kam selbst Trousseau in der neuern Zeit davon zurück, und operirte in den meisten Fällen dann erst, wenn die erste wirkliche Unterbrechung der Respiration und des Pulses eingetreten war, d.h. in einem wirklichen Anfalle von Asphyxie. Wir Aerzte kommen in unserer Privatpraxis wohl selten in die Lage, den Vorwurf einer zu frühen Opera- tion auf uns zu laden, denn der Hindernisse, die sich einem operativem Eingriffe in dieser Krankheit bei Pri- vaten entgegenstellen, sind so mannigfache, dass ich hierauf wohl nicht weiter einzugehen habe, und es han- delt sich bei uns nur um das Niehtzuspätoperiren. Hier kann durch ein vernünftiges Vorstellen über Gefahr der Krankheit und deren böslichen Ausgang und nachdem sich die Angehörigen selbst von der Un- zulänglichkeit der angewandten Mittel überzeugt hatten, viel bewerkstelligt werden, zumal bei Familien, die schon durch Todesfälle dieser Art vorbereitet sind. Wenn wir sehen, dass trotz Tartar. stib., Cup. sulph. oder Calomel, trotz Kal. oder Natrum carbonie., trotz Blutentziehung, Blasenpflaster und kalter Umschläge, oder Jodbepinselung der Krankheitsprocess fortschreitet; wenn die Heiserkeit, die Hustenanfälle sich steigern, und ein wirklicher Anfall von Asphyxie eintritt, so sollte der Arzt gefasst sein, beim nächstfolgenden Anfalle, und besonders wenn dieser in derselben Stärke verharren sollte, zur Operation zu schreiten. Das Kind ist dann noch wenig geschwächt, sein Blut mit Kohlenstoff noch nicht so geschwängert, indem die längere Dauer und jeder wiederholte Anfall von Dyspnoe durch den unzu- 254 länglichen Zutritt der Luft den Oxydationsprocess mehr und mehr verhindert. Denn lässt man die Krankheit bis zu den qualvollen Paroxysmen kommen, wo das Kind, durch die furchtbarste Dyspnoe in Sopor ver- fallen, mit halbgeschlossenen Augen, nach hinten über- hängendem Kopfe, mit aufgedunsenem bläulichem Ge- sichte und kaltem Schweisse bedeckt, der Puls kaum mehr zählbar, fadenförmig und der Athem immer kürzer, ungleichmässiger wird, im Erstickungskampfe da liegt, dann allerdings wird die Prognose für die Operation wesentlich getrübt und wir müssen es uns selbst zu- schreiben, wenn wir nicht bessere Resultate durch sie erzielen. Aber auch dann, wenn die Krankheit diesen Höhepunkt erreicht hat, sollten wir’s uns zur gebieteri- schen Pflicht machen, das noch einzig mögliche Ret- tungsmittel nicht unversucht zu lassen. Denn wir wissen ja, dass augenblicklich nach der Operation das schon beinahe erstickte Kind wieder zu atmen anfängt und die Gefahr der Suffocation wenigstens auf einige Zeit verschwindet. Das Kind kommt wieder zum Leben, ja manche greifen sogar zu ihrem Spielzeuge und scheinen sich ganz unverhofft wohl zu befinden. Somit erzielen wir, kehren auch die asphyktischen Zufälle wieder zu- rück, und haben sie schliesslich selbst den Tod zur Folge. mindestens eine Verlängerung des Lebens auf Tage, ja Wochen. Eine solche Hülfe ist nicht zu ver- achten, da immer die Möglichkeit gegeben ist, dass während dieser Lebensverlängerung, die Pseudomem- brane des Larynx und der Trachea ausgeworfen wer- den, und die sich gebildete Bronchitis, oder Pneumonie zur Lösung gelangen können. Was nun das Operationsverfahren anlangt, so wird heutzutage wohl jeder Chirurg die Eröffnung der Luft- röhre und zwar oberhalb des Isthmus der Schilddrüse, jedem andern Verfahren vorziehen und zwar aus Grün- den, die hinlänglich erörtert sind. Man hat zweierlei Methoden, diesen Akt zu voll- führen, deren eine darin besteht, dass man die Luft- röhre durch speciell zu diesem Zwecke construirte In- strumente mit oder ohne vorausgegangenem Hautschnitt in einem Tempo eröffnet. Hierher Pithas und Chas- saignac Öperationsverfahren. Ersterer mit seinem von Thomson modifieirten Bronchotome, letzterer mit seinem Tenaculum erieoidienne sammt Bistouri. Diese Verfahren haben den Vortheil der Einfachheit und führen rasch zum Ziele, wesshalb sie in den Fällen angewendet werden können, wo ein Zeitverlust von wenigen Minuten das Leben gefährden kann. Doch wirft man ihnen mit Recht den Nachtheil vor, dass bei der Unruhe, und dem Auf- und Abwärtssteigen der Luft- röhre, obgleich der Kehlkopf vorher mit einem Hacken fixirt worden, leicht die hintere Wand der Luftröhre mit durchstochen, ja die Speiseröhre selbst geöffnet werden kann, da man mit dem zur Eröffnung dienenden Instrumente die Luftröhre nicht ohne bedeutende Druck- gewalt zu durchstossen im Stande ist, wie ich mich selbst wiederholt an Leichen überzeugt habe. Die zweite Methode ist die der allmähligen Eröft- nung der Trachea. Nach vorausgemachtem Hautschnitte, der von der Mitte der Cartilago cricoidea etwa zwei Zoll in gerader Richtung nach abwärts geht; dringt man zwischen den Muskeln sternothyreoid. und sternohyoid. in die Tiefe, trennt die Fuscia superficialis, sowie die Blätter der Fuseia colli mit möglichster Schonung der Blutgefässe und legt die 3—4 ersten Luftröhrenringe blos. Hierauf sucht man durch vorsichtiges Lospräpariren den Isthmus der Schilddrüse mittelst eines stumpfen Hackens nach unten zu ziehen, oder durchschneidet ihn selbst, um Raum für die zu eröffnende Stelle in der Luftröhre zu bekommen und schneidet nun nach 'ge- stillter Blutung die 3—4 ersten Luftröhrenringe durch. Mit dem Einlegen einer doppelt silbernen Canüle ist die Operation beendigt. Macht der Operateur es sich zur Pflicht, langsam zu operiren, niemals einen Messerzug zu thun, ohne vom Finger und den Augen sicher ge- leitet zu sein, so darf er überzeugt sein, die Operation ohne grosse Schwierigkeiten zu Ende zu führen. Er wird jede etwa vorhandene Gefässanomalie zu Gesicht bekommen und leicht vermeiden, wird den grössern oberflächlichen Venen, sowie den tiefern möglichst aus- weichen und die Eröffnung der Trachea in kürzester Zeit vornehmen können, ohne durch Stillung einer hef- tigen Blutung allzuviel Zeit verlieren zu müssen. Als überflüssig erachte ich, auf die nähern Details der Operation selbst, sowie auf Beschreibung des Ap- Pparatus instrumentorum einzugehen, da solche hinlänglich bekannt sind, kann jedoch nicht unterlassen, auf einige Momente aufmerksam zu machen, die sich mir während und nach der Operation zur Beachtung aufdrängten. Das Durchschneiden der Venen, besonders der unmit- telbar auf dem ersten Blatte der Fuseia coli liegenden Venen-Querstämme (Verzweigungen der vena thyreoidea) verursacht eine Blutung, deren Stillung allerdings durch kaltes Wasser gelingt, jedoch mit mehr oder weniger Zeitverlust verbunden ist. Ich werde desshalb bei der nächsten Operation nieht säumen, mich mit einer Eisen- perchlorid - Auflösung zu versehen, um dadurch die Blutung rascher stillen und die Eröffnung der Trachea beschleunigen zu können. Die Forderung, den Schnitt auf 4 Luftröhrenringe auszudehnen, finde ich nicht zweckmässig, indem dadurch die Oeffnung zu gross und der Canüle zu viel Spielraum gegeben wird. Der Schleim dringt rings um die Canüle hervor, sie selbst wird durch einen heftigen Hustenanfall, trotz ihrer Be- festigung herausgeschleudert und der Heftpflasterver- band muss, da er beständig von Schleim verunreinigt und durchweicht wird, fast stündlich erneuert werden. Die Durehschneidung dreier Luftröhrenringe wird in den meisten Fällen am zweekmässigsten sein. Auch den von Bouchut, sowie von Chassaig- nac angegebenen Dilatateur fand ich zum Offenhalten der durehschnittenen Trachea nicht sehr zweckmässig, indem bei dem raschen und heftigen Auf- und Abwärts- steigen der Trachea das Instrument leicht herausgleitet, wodurch das Kind (allerdings nur vorrübergehend) der Erstickungsgefahr wieder anheimfällt. Ich lasse mir daher gegenwärtig ein Instrument anfertigen, das naclı Art eines doppelten federnden Augenliedhalters die Wundränder von selbst auseinander zu halten vermag, wobei dem ÖOperateur beide Hände frei werden. Auch über die Lagerung des Kindes nach der Ope- ration erlaube ich mir den Ratlı zu ertheilen, das Kind nicht auf dem Rücken liegen zu lassen, sondern dem Kopfe eine auf die Seite geneigte und etwas abwärts gerichtete Stellung zu geben, weil daduch das Austfliessen von Schleim und Blut, sowie deren Expektoration be- deutend erleichtert wird. Und was nun das Liegenlassen der Canüle in der Trachea anbelangt, so habe ich, entgegengesetzt der Behauptung, die Tracheawunde schliesse sich wieder sehr rasch, gefunden, dass schon nach zweimal 24 Stunden die gemachte Oeffnung der Trachea von selbst soweit offen blieb, dass die Canüle von da an gänzlich ent- fernt werden konnte. Dadurch erwuchs auch nicht der mindeste Nach- theil, im Gegentheile glaube ich, dass je frühzeitiger wir die Canüle entfernen können — die durch ihre Gegenwart immer als fremder Körper die Trachea- Schleimhaut mehr oder weniger reizt, und dadurch zu einer Bronchitis Veranlassung geben, oder eine schon bestehende unterhalten kann — wir ein desto günstigeres Resultat erzielen. Auch für den späteren Heilungsprozes der Gesammt- wunde muss ein früheres Entfernen der Canüle von Vortheil sein, indem durch, den Reiz der Röhre und durch das ringsherum sich vordrängende Schleimsekret die Wunde in bedeutende Eiterung gesetzt, sowie deren Umgebungen leicht von einer erysipelatösen Entzündung und Anschwellung befallen wird. Ist nun durch das Einlegen der Canüle und deren Befestigung die Operation beendigt, athmet das Kind, das kurz zuvor und während der Operation auf die schrecklichste Weise mit dem Erstickungstode gerungen, wieder in angemessenen Zügen, mit dem Ausdrucke voll- kommener Ruhe im lächelnden Gesichte, so beginnt meiner Ansicht nach die wiehtigste Epoche, in der der Arzt, wie das zur Bewachung aufgestellte Per- sonal nicht genug Vorsicht gebrauchen können, näm- lich die Nachbehandlung, die selbst wieder in eine äusserliche (chirurgische) und eine innerliche (medici- nische) zerfällt. Was erstere betrifft, so ist vor allen Dingen zu sorgen, dass stets warmes Wasser zu Handen ist, um halbstündlich, viertelstündlich, ja in noch kür- zeren Zeiträumen mehr oder weniger Tropfen davon durch die Canüle in die Trachea zu leiten, damit sie sich mit dem massenhaft hervordrängenden, dicken, zähen, oft mit Pseudomembranen vermischten Schleime vermengen, wodurch oft allein dessen Expektoration ermöglicht wird. Hält man dieses Verfahren nicht pünktlich ein, lässt man damit nach, weil das Kind anscheinend ruhig ath- met oder schläft, so wird man die Versäumniss bitter zu bereuen haben, denn nach 2, ja mehreren Stunden wird sich ein Hustenanfall einstellen, bei dem der Schleim nicht entleert werden kann. 255 Die Trachea wird durch den zähen und trockenen Schleim verstopft, und das Kind kämpft aufs Neue mit dem Erstiekungstode. Ist man aber nicht gleich bei der Hand, um die innere Canüle zu entfernen. Wasser einzutröpfeln, und mit der Pinzette oder mit einem an ein Fischbeinstäb- chen befestigtes Schwämmehen den Schleimpropf be- weglich zu machen, oder heraus zu befördern, so stirbt das Kind allein durch unsere Versäumniss. Aus diesem Grunde würde ich ein operirtes Kind niemals den Angehörigen allein zur Pflege überlassen, sondern, wenigstens in der ersten Frist, bei Tag und Nacht abwechselnd erfahrene Krankenwärter beiziehen. Um die Oeffnung der Canüle, sowie rings um den Hals binde man einen vierfach zusammengelegten Schleier und bringe unmittelbar unter die Canülemündung einen in warmes Wasser getauchten Schwamm, den man auf einen Guttaperchastreifen legt, und überdeckt das Ganze wieder mit einem Florstücke. Auf diese Weise wird man am besten der Lunge eine feuchte und nicht zu kalte Luftzuströmung verschaffen. Die Temperatur des Zimmers betrage gegen 16 Grad, und ausserdem stelle man im Zimmer noch mehrere grössere mit warmem Wasser angefüllte Gefässe auf. Vom dritten Tage an, wandte ich bei meinem Falle, da die Canüle bereits entfernt war, Lap. infernal. Lösung von Gr. V. auf zZ aq. an, bestrich mit dem Schwämm- chen die Trachea nach abwärts, wie in den Larynx aufwärts, und kann bei täglich 3maliger Anwendung die günstige Wirkung nicht genug rühmen. Die Procedur verlief ganz schmerzlos und das Kind fühlte sich, da bald darauf durch Husten Schleimmassen und Membrane entleert wurden, jedesmal sehr erleichtert. Am fünften Tage fieng ich an, die Wundränder zu cauterisiren, da sie ein blasses schwammiges Aussehen angenommen hatten, und schon nach einigen Tagen trat vermehrte Reaction und mit ihr Granulationsbildung ein. Einen nicht unwesentlichen Punkt bildet die Nahrung. Nach der Operation trinken und essen die Kinder mit grösster Leichtigkeit bis gegen den vierten oder fünften Tag; dann aber bemerkt man, dass das Schlucken etwas mühsamer wird. und besonders so oft sie trinken, ein convulsivischer Husten entsteht, die genossene Flüssig- keit dringt nun ganz oder theilweise durch den Kehl- kopf in die Luftröhre und entleert sich durch die Ca- nüle oder die Mundöffnung. Diese Erscheinung kann 8 und mehr Tage dauern und hat nicht unbeträchtliche Beschwerden im Gefolge. Der Grund dieser Erscheinung liest allein in der Verdiekung und Anschwellung des Kehldeckels, wodurch der Eingang in den Kehlkopf nun durch die verminderte Beweglichkeit der Epiglottis nicht mehr vollständig abgeschlossen werden kann. So- bald sich desshalb solche Erscheinungen einstellen, ver- meide man soviel als möglich flüssige Nahrung, gebe dicke Suppen, Brei, Maccaroni oder Brod in Milch gekocht und Fleisch. Mit der Zeit stellt sich dann eine leichtere Deglutition ein. Die innerliche Behandlung richtet sich selbstver- ständlich je nach dem einzelnen Falle. 256 Hat sich der Croupprocess auch nicht weiter er- streckt als auf den Larynx und ist durch die Operation somit der Hauptsache nach Genüge geleistet, so wird doch zur Vorsicht eine die Plastieität des Blutes vermindernde Anwendung von Arzneimitteln geboten sein und hier das Calomel mit kleinen Dosen von Ipecacuanha mit Vortheil angewendet werden, oder könnte das von Dr. Baron und Dr. Luszinsky (Journal für Kinder- krankheiten 9. 10. 1857) und mehreren Andern so sehr gerühmte Natrum biearbonie., dessen Wirkung sich auf die antiplastische Kraft der Alcalien basirt, gebraucht werden. (Die Wirkung des Kal. wie Natr. carbonie. wird in der Neuzeit von den ersten Autoritäten in Paris als vollständig illusorisch geschildert.) Wird die Respiration durch Schleimanhäufung ge- hindert, so greift man zum Cupr. sulph. oder Tartar. stibiat. Ist jedoch der Krankheitsfall nicht ein so güns- tiger, vielmehr eine Bronchitis oder Pneumonie damit verbunden, so werden wir diesen, dem Croup-kranken Kinde so gefährlichen Begleitern nach rationellen Grund- sätzen entgegentreten. Noch aber erübrigt mir zu bekennen, dass ich bis jetzt in der Behandlung Croup-kranker Kinder, bei denen es bereits zu dem Stadium gekommen war, wo erstickter Husten und heisere Stimme neben einer Respiration, die einem lauten kratzenden, sägenden Ge- räusche ähnelte, und wo die Expectoration der Croup- membrane bereits begonnen, und ein asphyktischer An- fall eingetreten war, sehr unglücklich gewesen bin. Nicht ein einziges Kind, welcher vorgeschlagenen Methode ich auch folgte (der ältern mit Calomel, Brech- mittel, Blutegel, der neuern mit Natr. bicarb. und Eis- umschlägen oder Jodtinkturpinseln), konnte ich mehr retten. Und wenn manche Aerzte durch ihr vorgeschlagenes therapeut. Verfahren die glänzendsten Resultate erzielt haben wollen, so stelle ich nach vielfach gemachter Er- fahrung dennoch die Behauptung auf (ich habe allein seit Dezember 57 bis Juli 58 sechs Fälle aufzuzählen), dass sie ihr Verfahren nicht gegen den ächten Croup gerichtet, sondern dass sie die einfache acute Laryn- gitis oder die Laryngitis stridulosa der Franzosen mit zur Classification des Croup’s eingereiht. Auch ich habe Fälle verzeichnet, wo sich Symptome eingestellt, wie krampfhafte Hustenanfälle mit Heiserkeit und einem dem Crouptone ähnlichen Hustentone mit bedeutender Dyspnoe, die sicher von einer Laryngitis herrührten und durch Brechmittel gehoben wurden. Meiner Ansicht nach kann man nicht nachdrücklich genug auf den Missbrauch aufmerksam machen, der mit sogenannten Speeifieis gegen diese Krankheit getrieben wird. Wir vertrauen immer und immer wieder einem sogenannten Arcanum, Versuchen und Probiren, bis wir endlich zur Ueberzeugung unseres Irrganges gelangen und versäumen dabei die günstigste Zeit für den allein richtigen Weg der Rettung und stehen dann beschämt vor dem Opfer unserer Leichtgläubigkeit. Wagen wir nur einmal ernstlich, den Blick unbefangen und unbeirrt auf die Resultate unserer innerlichen Behandlung beim Croup zu richten, so müssen die Truggebilde aller ge- rühmten Speeifica schwinden, und wir werden dann mit Freuden allgemein ein operatives Verfahren be- grüssen, das im Verein mit rationell angewandten inner- lichen Mitteln der Familie und der Menschheit manch theures Leben zu erhalten im Stande ist, wie es mir in Folgendem in so befriedigender Weise gelungen: Marie Joos, ein 6jähriges Kind wohlhabender Eltern in Zuffenhausen, wurde, nachdem 14 Tage zuvor die Masern ihren regelmässigen Verlauf genommen, den dritten Juli von einem mässigen Husten befallen, dieser verstärkte sich den andern Tag. Heiserkeit und Fieber gesellten sich dazu. In der Nacht auf den fünften nahmen die Athembeschwerden zu, das Fieber steigerte sich und der Hustenton nahm einen eigenthümlichen krächzenden Character an, so dass die beunruhigten Eltern Morgens gegen 4 Uhr den dortigen Chirurgen rufen liessen. Erfand das Kind ruhig schlafend, jedoch mit ziemlich bedeutendem Fieber und machte die Eltern, da bereits mehrere Croupfälle in der letzten Zeit statt- gefunden, auf die drohende Gefahr aufmerksam. Da sich Morgens 6 Uhr der Hustenparoxysmus mit noch - bedeutenderer Athemnotl wiederum eingestellt, so liessen die Eltern mich rufen. Meine vorläufige Verordnung, da ich vor Mittag von Stuttgart nicht abkommen konnte, bestand in Tart. stibiat. in Brechen erregender Dosis nebst kalten Umschlägen. Als ich Mittags 3 Uhr das Kind selbst besuchte, hatte es bereits den vierten Erstickungs- anfall gehabt, trotz reichlichen Erbrechens, und sein Zustand lässt sich Folgendermassen bezeichnen: das Ge- sicht mit livider Blässe und kaltem Schweisse bedeckt, die Augen matt und mit bläulichen Ringen umgeben, den Kopf nach hinten überhängend, die Nasenflügel stark geöffnet, die Halsmuskeln wie das Diaphragma in raschem Tempo auf- und abwärtssteigend, die Athem- frequenz um’s Dreifache vermehrt und schon von weitem ein trockenes, scharf pfeifendes Geräusch dabei ver- nehmbar, der Puls klein und äusserst frequent. Auf Befragen klagt das Kind mit heiserer tonloser Stimme über Schmerz in derHalsgegend, besonders beim Drücken auf den Kellkopf. Die Untersuchung des Rachens ergab auf den Ton- sillen weissliches, festsitzendes Exsudat, die Fauces violett gefärbt. Das Athmen wurde immer ängstlicher und beschwerlicher und steigerte sich die Athemnoth bald bis zu so furchtbarer Heftigkeit, dass das Kind dem Erstickungstode nahe war. Dieser Anfall dauerte wohl gegen 10 Minuten, worauf er sich nur allmälig wieder schwächte, und einen leichten soporösen Zustand zur Folge hatte. Die Auscultation ergab auf den Lungen verstärktes Athmen, verbunden mit feuchtem rasselndem Geräusche, und in der Trachea war ein trockener stark pfeifender Ton stark vernehmbar ; die Percussion war normal. Unter diesen Umständen erklärten sich die Eltern mit meinem Vorschlage, das Kind zu operiren, einverstan- den, nur um dasselbe von der entsetzlichen Athemnoth und der drohenden Erstickung befreit zu sehen. Mittags 4 Uhr, den 5. Juli, nahm ich unter Assi- stenz des dortigen Wundarztes Kuhn und eines Ge- hülfen, den ich von Kier mitgenommen, die Eröffnung der Trachea vor. Nach gemachtem Hautschnitte von der Cartilago thyreoidea (2 Zoll nach abwärts) und Tren- nung der oberflächlichen Fascia colli, kam ein starkes Venengeflecht zum Vorschein, dessen seitliche parallel mit der Trachea laufenden rabenfederdicke Aeste durch stumpfe Haken nach auswärts gezogen wurden; da je- doch die Querverästelungen durschnitten werden muss- ten, so entstand eine nicht unbeträchtliche Blutung, die aber schon nach wenigen Minuten durch kaltes Wasser zum Stillstand gebracht wurde. Vorsichtig ging ich nun zwischen den museuli ster- nothyreoid. und hyoid., indem ich mit flachen Messerzügen die Zellgewebsverbindungen trennte, in die Tiefe, trennte auf der Hohlsonde das zweite Blatt der Fascia colli und stiess nun in den untern Wundwinkel auf den Isthmus der Schilddrüse, ohne weiter ein Blutgefäss durehschnitten zu haben. Im obern und mittlern Wundraume kamen 2 Luftröhrenringe, an ihrer weisslichen Farbe erkennbar, zum Vorschein. Da der Raum zur Eröffnung der Tra- chea zwischen dem Ringknorpel und dem Isthmus zu klein war, so suchte ich durch vorsichtiges Trennen meist mit dem Scalpelhefte den Isthmus von seiner Ver- bindung mit der Trachea loszumachen, mit einem stum- pfen Hacken nach abwärts zu ziehen, was denn auch ohne allzu grosse Mühe und Zeitverlust und nur mit geringer Blutung gelang. Nach gänzlicher Stillung der Blutung eröffnete ich mit dem spitzen Bistouri die Trachea, erweiterte mit dem geknöpften die Stichwunde um einen halben Zoll nach unten, und führte rasch den Dilatator ein, da die Respiration anfing auszusetzen, der Puls nicht mehr fühlbar war und kalter Schweiss und gebrochene Augen die Ohnmacht anzeigten. Kaum aber war der Dilatator eingeführt und der Luft der Zutritt wieder verstattet, als sich ein heftiger Hustenanfall zeigte. Mit Gewalt wurden membranöse Fetzen, vermischt mit blutigem zähem Schleim zur Wund- öffnung heraus geschleudert; das Kind wurde äusserst unruhig, schnappte im vollen Sinne des Wortes gierig nach Luft, da sich immer wieder Schleim und Mem- branpfröpfe vor die Wundöffnung legten, und wegen ihrer Zähigkeit nicht rasch entfernt werden konnten. Erst nachdem ich mit einem bereit gehaltenem Schwämm- chen die Trachea nach oben und unten rasch gereinigt, folgten unter den grössten Hustenanstrengungen einige über Zoll lange Pseudomembrane, worauf das Kind ruhiger wurde. Nach wenig Minuten verlor sich seine bleiche Farbe, die Lippen färbten sich, die Augen er- glänzten auf’s Neue, die Haut wurde wärmer und ruhig und frei athmete das Kind wieder, mit dankbarem Aus- drucke im Gesicht, uns alle freundlich anbliekend. Die Operation währte im Ganzen 12 Minuten, doch da ich mit dem Einlegen der Canüle nicht eilte, so verfloss etwa eine halbe Stunde bis der ganze Verband vollendet war. Das Kind verlangte gleich darauf zu trinken und erhielt Milch, die es in gierigen Zügen trank; der Abend verlief gut, und durch die Hustenanfälle wurde fort- während viel Schleim, der durch Wassereintröpfeln ver- dünnt wurde, entleert. Der Puls zählte 150 Schläge. Verordnet wurde Natron bicarbon. in einem schleimigen Decoct. Während der Nacht verliess Herr Kuhn das Kind keinen Augenblick und ich blieb den andern Tag von 6 Uhr in der Früh bis Mittags 4 Uhr sein Wächter, um welche Stunde mich Kuhn auf’s Neue bis Abend 9 Uhr ablöste. Die darauf folgende Nacht brachte ich wieder am Bette des Kindes zu und so wechselten wir in der Pflege volle 4 Tage. Den zweiten Abend nach der Operation verstopfte sich plötzlich die eingelegte Canüle vollständig und trotz der Entfernung der innern Röhre, trotz deren sorgfältigen Reinigung und des steten Wassereintröpfelns, war das Kind nieht im Stande den zähen Sehleimpfropf heraus- zufördern. Da Kuhn eben auf kurze Zeit zu andern Kranken abgerufen war, rissen die Eltern in Verzweif- lung, weil das Kind schon blau geworden, und nicht mehr athmen konnte, den ganzen Verband los, und überliessen das nach ihrer Ansicht sterbende Kind der Obhut einer Anverwandten, und eilten nach mir und dem Chirurgen. Als ich etwa 1‘, Stunden nachher hinzu kam, traf ich das Kind ohne Canüle und durch die offen stehende Trachealwunde ruhig athmend an, nicht wenig verwundert, nach so kurzer Zeit schon die Wunde in der Trachea so klaffend zu finden. Von nun an wurde die Canüle nur noch auf kurze Zeit wieder eingeführt und schon am 3. Tage ganz weggelassen. In der dritten Nacht nach der Operation fing der Husten an trockener zu werden, und die Pulsfrequenz stieg auf 170 Schläge. Verordnet wurde Calomel und Kali nitrie. dep. in einem Altheadecoct. Da aber die Luft- röhre anfing zu schmerzen, am 4. Tage blutige Sputa sich zeigten, der Athem sich beschleunigte und bei der Auscultation sich ein cerepitirendes Geräusch auf der rechten obern Lungenparthie vernehmen liess, wurden 6 Blutigel an den obern Theil des Sternums gesetzt und der Nitrummixtur tartar. stibiat. Gr. ji beigefügt. Das Kind erbrach sich einige Male und in der Nacht stellte sich reichlicher Schweiss ein. Der folgende Tag verlief günstig, der Puls 160, Haut feucht, zu Schweiss geneigt, gegen Mittag zweimaliges Erbrechen mit darauf folgender Erleichterung, die Sputa forwährend blutig gefärbt, Zunge weiss belegt mit Neigung zur Trocken- heit. In der Nacht vom 8. auf den 9. wird die Abson- derung "trockener, die Respiration mühsamer und bil- deten sich mehrere Male grosse Klumpen, die nur durch gewaltsame Hustenanstrengungen ausgeworfen werden konnten. Halbstündlich wurde tartar. stibiat. eingegeben bis Erbrechen folgte, worauf das Kind wieder ruhiger wurde. Den 9. Juli verbrachte das Kind ziemlich ruhig, nur stellte sich jetzt gestörte Deglutition ein und wurde die Flüssigkeit meist durch die Wundöffnung wieder ent- leert. Ich liess dem Kinde nun das Getränke entziehen, eonsistentere Suppen, Brei, Wecke in Milch, Eigelb und Fleisch geben, worauf sich schon nach 4 Tagen 33 258 leiehteres Schlingen einstellte, und auch Wasser in lang- samen Zügen getrunken werden konnte. Da sich mit den Hustenanfällen fortwährend Pseudomembranen lös- ten, so wurde die Auswischung der Trachea abwärts und aufwärts in den Larynx hinein mehrere Male täglich mit einer Solution von lap. infernal. Gr. V. auf 3j ag. mit darauffolgendem Wassereintröpfeln eingeleitet, was stets ruhigere Respiration zur Folge hatte. Den 10. zeigten sich die Sputa schon mehr weiss- lich und dick, Puls 140. Die Zunge fing an sich zu reinigen und vermehrter Appetit stellte sich ein. Die Hautwunde eiterte mässig und am 11., nachdem die Nacht vorher gleichfalls meist schlafend von dem Kinde zugebracht wurde, fing .der Luftstrom an zum Theil seinen Weg durch den Kehlkopf zu nehmen, doch erst am 14. konnte man es wagen, die Halswunde durch Heftplaster vollständig zu verschliessen. Der Auswurf führte keine Pseudomembranen mehr mit sich, der Schleim hatte eine dieke Consistenz von gelblich weisser Farbe und wurde nur noch des Morgens in grösserer Menge ausgeleert. So besserte sich der Zustand von Tag zu Tag, es fing den 20. an mit klangloser Stimme zu sprechen, brachte den Tag über meist ausserhalb des Bettes zu und wurde vom 24. an in die freie Luft getragen. Da die Halswunde keine grosse Neigung zu Granulations- Bildung hatte, so wurde täglich die Cauterisation der Wundränder vorgenommen, und hat sich bis 3. August nun so weit vernarbt, dass nur bei einem heftigen Hu- stenanfall noch etwas Luft aus der Trachealwunde ent- weicht. Seit dem 6. August ist die Wunde vollständig geschlossen, die Narbe glatt und rein, bis auf einen Viertelszoll zusammengezogen ohne irgend welche Ent- stellung; die Stimme fängt an wieder vernehmlicher zu werden und das Kind spielt heiter und vergnügt mit seinen Geschwistern auf der Strasse. Friedrich Pauli aus Landau: Ueber die Tracheotomie bei Croup. Motto: Der einzige Vortheil des Tracheotoms beruht in seiner schnellen Handhabung und in der Gewähr, die er gegen Bluteintritt in die Luft- wege leistet. Die höchst gefährlichen und oft plötzlich tödtlichen Folgen dieses Zufalls sind bekannt, und dadurch der von den Practikern der Laryngotomie vor der Tracheotomie ein- geräumte Vorzug theilweise gerechtfertigt. Hyerr. Von der Pathogenese, der Diagnose und Therapie des Croup, deren Erörterung hier zu weit führen würde, Umgang nehmend, wende ich mich sogleich zu dem von mir erwählten Thema, der Tracheotomie bei Croup, welche, nachdem alle anderen Mittel ihre Hilfe versagt haben , hier zuweilen Rettung gebracht hat. Welche Rolle und welche Bedeutung kommt bei der Behandlung des Croup der Tracheotomie zu? Diese Frage zerfällt in folgende Abtheilungen: 1) Kann durch die Tracheotomie der Croup als Krankheit geheilt werden? 2) Ist die Tracheotomie an und für sich als techni- scher Eingriff in den Organismus eine lebensge- fährliche Operation ? 3) Welches ist der Zeitpunkt in welchem die Tra- cheotomie im Verlaufe des Croup indieirt ist? 4) Welches ist im Croup das. beste Verfahren bei dieser Operation: Ad. 1. Die Tracheotomie war, ist und kann nie- mals das nächste und eigentliche Heilmittel des Croup werden; Schönlein, Horn, Copeland, Kesteven, Archambault, Malin und Andere verwarfen sie desshalb ein für alle Male in dieser Krankheit. Diese Operation ist einzig und allein dazu bestimmt, dem lebensgefährlichen Symptome derselben, der Erstickungs- gefahr, zu begegnen. Dabei verhehlen sich die wärmsten Empfehler, unter denen besonders französische Aerzte, ein Bretonneau, Guersant, Trousseau oben anstehen und denen sich Sauson, Barrier, Laloy, Mal- gaigne, Sestier, Peret, Ripoll, Puech, Aubry, Bouchut, Besnard, Brault, Garin, Chassaig- nac, Devillegerard, Santesson, Dujardin, so wie unter den Engländern J. Duncan, Thomson, Henry Smith, Fuller, G.M. Jones, S. A. Bar- ker, C. Baeder, Beck, Murray, Humphry, O. Gaertner, Th. Galloway, Spencer Wells und unter den Deutschen Pitha, T. Ulrich, Samter, Salzer, Karl Weber, Lachmund, Passavant, Roser, anschliessen, keineswegs, dass dadurch der gewünschte Zweck in der Mehrzahl der Fälle leider doch nicht erreicht werde; denn der momentanen Ab- wendung der Erstickungsgefahr durch dieselbe unge- achtet dauert die Krankheit häufig fort, ohne auch nur entfernt dadurch in ihrer Heftigkeit gebrochen zu werden. Mit der künstlichen Wiederherstellung des Ein- und Ausströmens der Luft pflegt indessen die venöse Hy- perämie nachzulassen, eine Hyperämie, die sich nicht allein ausserhalb der Luftröhre am Halse zeigt, sondern auch in deren Schleimhaut besteht, und ihrerseits hin- wiederum zur Weiterverbreitung, zum Umsichgreifen des diphtheritischen Processes ohne Frage beiträgt, denn der venösen Stase in den tiefer liegenden Geweben folgt seröse und blutige Infiltration des submucosen Bindegewebes. Je früher daher diese venöse Congestion gehoben wird, um so mehr ist Hoffnung vorhanden, dass die Krankheit nicht mehr schnell an Ausdehnung gewinne, ja bei der jetzt ermöglichten localen Reinigung der Trachea von Pseudomembranen durch den Wischer und Anwendung des Höllenstein’s durch die Wunde zum Stillstand gebracht werde. Ad 2. Die Tracheotomie ist durch die Hand eines geübten Chirurgen vollbracht, eine durchaus gefahrlose Operation. Worin sollte auch die Gefahr liegen? Vor der Eröffnung der Trachea selbst in der Verletzung eines Gefässes sicher nicht; denn dieses könnte man schlimmsten Falles zuvor unterbinden. In der Eröff- nung der Trachea auch nicht; denn selbst grosse Tra- cheawunden, die Selbstmörder bei Entleibungsversuchen sich beigebracht, heilten leicht und schnell, wenn dabei die Verletzung beträchtlicher Halsgefässe verfehlt wor- den war. In drei Fällen, wo ich die Tracheotomie wegen Pauli: Ueter die Tracheotomie bei Croup, [®) D.MAYSCHEIDER 7 sPRIER {6} (0) 09 Di. DW ve... Canlsrihe_ChrFr Miller'sche un > ‚ E 2 Ta nm armer nn R er HE > fremder Körper in der Trachea, und in einem, wo ich sie wegen Oedema glottidis machte, trat im Verlauf der Wundheilungen keine Beunruhigung oder irgend welche Gefahr ein. Die einzige Gefahr könnte darin liegen, dass bei der Einschneidung der Trachea durch die Un- ruhe und das Schreien des Kindes und die dadurch noch gesteigerte Hyperämie eine bereits gestillte Blu- tung wieder anbreche, und Blut in die gerade eröffnete Trachea sich ergiesse. Ist nun das Lumen der letzteren unterhalb der Tracheawunde durch Pseudomembranen- Bildung bereits verengt, so kann dann allerdings in der so vereneten Röhre das eingeflossene Blut leicht ge- rinnen und schnellen Erstickungstod hervorrufen, wie mir selbst bei einer wegen Croup unternommenen Tra- cheotomie widerfuhr. In einem solchen Falle hat man den Trost, dass der Tod wegen zu weit gegen die Bi- furcation der Trachea hinunter gestiegener Diphtheritis doch unvermeidlich gewesen wäre. Um diesem Ereigniss zu entgehen, das sowohl für den Arzt als für die Um- gebung sehr niederschlagend ist, wird es ausser der frühzeitigeren Vornahme der Operation von erheblichem Vortheil sein, dieselbe sammt der Einlegung des Röhr- chens schnell zu beendigen; denn eines Theiles schwindet die venöse Hyperämie durch den wieder voller einge- leiteten Athmungsprocess, andern Theils übt der Druck des Röhrchens auf die Wände der Wunde die beste Wirkung auf Sistirung venöser Blutung. Ad 3. Die Operation muss in einem Stadium der Krankheit vorgenommen werden, in welchem die Diph- theritis noch nicht allzuviel Raum in der Trachea ge- wonnen hat. Wann befinden wir uns in diesem Stadium ? Ich glaube, dasselbe dahin bestimmen zu müssen, wo trotz der angewandten Mittel, besonders Emetica, Cau- terisation ete. das Fieber und die Athemnoth steigen, etwa ausgeworfene Pseudomembranen wenig oder keine Erleichterung bringen, der Husten und die Stimme im- mer heiserer, gedämpfter und beängstigender werden, ja selbst ganz aufhören, das Laryngotrachealpfeifen un- ausgesetzt ist, das Einsinken der Herzgrube immer zu- nimmt, der Kopf auch ausser den Erstickungsanfällen rückwärts gehalten wird, und die Kräfte unter hinzu- tretender Schlafsucht oder beständiger Agitation zu- sehends sinken. Hört gar das Erbrechen auf gereichte Emetica auf, gewinnt die Hautfarbe des Gesichts und der Lippen einen immer bläulicheren Ton, schwellen die Halsvenen, werden die Augen stier, der Puls un- zählbar, oder zeigen sich im bläulichen Gesichte blasse Lippen, erloschene Augen, klebriger Schweiss, weite Pupille, dann ist zur Vornahme der Operation gewiss der letzte Termin eingetreten. Lässt man auch diesen Zeitpunkt verstreichen, dann gewinnt nicht allein der exsudative Process in der Trachea eine noch weitere Ausdehnung, die Betheiligung der Bronchien und Lungen an dem krankhaften Process bleibt nicht aus und stei- gert sich rasch. Die Erstickungsanfälle folgen sich nicht nur schneller, sondern die venöse Hyperämie des Kopfes steigert sich auch dermassen, dass Delirium eintritt und paralytische Erscheinungen des Vagus und Recurrens in Folge der 259 nun unausbleiblichen Blutvergiftung das Leben bedrohen. Der jetzt noch vorgenommene Luftröhrenschnitt würde, da das Ein- und Ausströmen der Luft dadurch nur höchst unvollkommen ermöglicht werden könnte, wohl häufig fruchtlos bleiben. Man hat das Lebenrettende bei dieser Operation jenem bei’m Bruchsehnitte ver- glichen. Beide Operationen, es ist unbestreitbar, können, von kunstgeübter Hand verrichtet und frühzeitig genug unternommen, das bedrohte Leben zurückbringen und sind an und für sich ungefährlich. Wie bei’m einge- klemmten Bruche die venöse Hyperämie zum Brande sich steigert, so befördert eben dieselbe beim Croup den Erstiekungstod, der, wie jede Section am Croup ver- storbener Kinder lehrt, gewöhnlich durchaus nicht rein mechanisch in Folge absoluter Verschliessung der Luft- röhre oder eines anhaltenden Stimmritzenkrampfes, son- dern oft durch schnell in Folge der Blutvergiftung ein- tretende Hirnlähmung zu Stande kommt. Nach den Beobachtungen von Bretonneau, Guersant und Trousseau beschränkt sich der diphtheritische Process selten auf Larynx und Trachea. Nichtsdestoweniger sieht darin Guersant keine Contraindication gegen die Vornahme der Operation; denn, wie ihn Beobach- tungen lehrten, sind nach derselben Pneumonia und Bron- chitis diphtheritica schnell zur Besserung umgeschlagen. Nach seiner Erfahrung erfolgt der Tod niemals durch die Anwesenheit plastischer Exsudate in den Bronchial- Aestön,‘die in Massen ausgeworfen werden können, sondern lediglich durch eine von Obliteration der Stimm- ritze abhängende Asphyxie. Trousseau, vielleicht durch die vielen Nieten, die ihm durch frühzeitig vorgenommene Tracheotomien ge- worden sind, bewogen, hat so in neuerer Zeit der An- sicht sich zugewendet, die Operation in einem späteren Zeitraume der Krankheit vorzunehmen, ohne denselben jedoch zu präcisiren. Vor ganz Kurzem gibt er jedoch wieder der frühzeitigen Vornahme derselben entschieden den Vorzug. Immerhin dünkt mir deren Vornahme nicht so weit hinausgeschoben werden zu dürfen, bis der ganze Organismus unter dem Einfluss der diphtheriti- schen Infection leidet, was sich durch tiefes Gesunken- sein der Kräfte, schnellen, kleinen Puls und Delirien kund gibt. Da die Tracheotomie zu den, wie oben dargethan, keineswegs an und für sich gefahrvollen Operationen gehört, da ferner von der Tracheawunde aus auf den diphtheritischen Process in der Trachea local eingewirkt, und somit von hieraus eine wesentliche Unterstützung der allgemeinen Behandlung bewerkstelligt werden kann, so ist auch aus diesem Grunde, abgesehen, dass die Diphtheritis nicht durch die Operationswunden verschlim- mert wird, die frühzeitige Vornahme der Operation indieirt. Ad. 4. Es kommen hier zwei Operationsverfahren in Betracht, nämlich die Laryngotomie — Eröffnung des Ligamentum erico - thyreoideum — und die 'Tracheo- tomie, Einschneidung der oberen 3 bis 4 Luftröhrenringe. Bei der Laryngotomie fallen zwar weniger Gefässe in das Bereich des Messers und desshalb ist weniger von 33* 260 Blutung zu fürchten, als bei der Tracheotomie; auch ist dieselbe wegen der hervorragenden Lage der Theile leichter und schneller auszuführen als jene, was bei der Athemnoth, der Unruhe, den Erstiekungsanfällen, der mit jedem Augenblicke sich steigernden Hyperämie ge- wiss nicht gering anzuschlagen; allein ungeachtet dieser Vortheile ist die Eröffnung der Trachea unterhalb der Cartilago ericoidea doch das bei Croup vorzuziehende Verfahren. Da die Stelle, wo die Tracheotomie ver- richtet wird, mehr von der Hautoberfläche zurücktritt, und der Hals der Kinder in diesem Alter verhältniss- mässig kurz und dick ist, so heischt die Operation bis zur Bloslegung der Trachea wegen der nothwendig da- mit verbundenen Gefässverletzung Vorsicht. Die Thy- reoideae anastomosiren häufig in der Medianlinie, die Venenplexus der Schilddrüse sind selten zu vermeiden mit dem Messer. Die natürliche Folge davon ist Blu- tung, die zwar möglicher Weise ohne Unterbindung zu stillen, allein bei der Unruhe und dem Schreien der Kinder leicht wiederkehrt, und nun gerade mit der Eröff- nung der Luftröhre zusammentreffen kann. In einem solchen Falle geschah es, wie schon erwähnt, dass ein von mir wegen Croup operirter Knabe von 5 Jahren durch Eindringen von Blut in die Luftröhre wenige Minuten nach deren Eröffnung starb. Troussean, Pitha und Passavant glauben zwar, dass in die Luftröhre gedrungenes Blut gefahrlos sei, indem es durch Husten schnell wieder ausgeworfen werde, wie man diess ja oft genug auch bei Hämoptoe wahrnehme. Allein bei Hämoptoe ist das Lumen der Trachea in seinem natürlichen Durchmesser vorhanden, während bei Croup, ist die Pseudomembranenbildung bereits in die Trachea hinuntergelangt, dasselbe nothwendig verengt sein muss. Dringt nun in diesem Zeitraum durch die Wunde Blut in die verengte Trachea, so kann dadurch augenblicklich Erstickungsgefahr hervorgerufen werden, weil dasselbe in der verengten Röhre leicht gerinnt, und der auf diese Weise gebildete Blutpfropf bei der Schwäche der Kinder und deren kraftlosem Husten nicht mehr ausgeworfen werden kann. Schneevogt, d’Ailly, Roser, Hyrtl und An- dere stimmen mit mir über die Gefährlichkeit des Blut- Eindringens in die Luftröhre bei der wegen Croup vor- genommenen Tracheotomie überein. Sind die Kräfte noch nicht zu sehr gesunken, die Lungenthätigkeit noch nicht zu sehr erschöpft und die Pseudomembranenbil- dung noch nicht bis über die Stelle der Tracheawunde geschritten, so wird freilich, wie diess auch bei fremden in die Luftröhre gelangten Körpern geschieht, zumal, wenn sie noch nicht zu lange darin verweilt haben, etwas durch die Operationswunde in die Trachea gedrungenes Blut leicht wieder aus derselben herausgeschleudert wer- den können. Wodurch gebührt aber, der Gefahr der Blutung ungeachtet, die mit der Tracheotomie verbun- den ist, dieser der entschiedene Vorzug vor der La- ryngotomie? Es kommen hier mehrere Momente in Be- tracht, die einzeln in’s Auge gefasst werden müssen. Das erste und wichtigste besteht darin, dass man durch die Einschneidung des Zigamentum erico-thyreoideum keine hinreichend grosse Oeffnung erhält, um eine hier- bei nothwendige Canüle in dieselbe einlegen zu können. Wollte man nichtsdestoweniger eine Canüle in dieselbe einzwängen, so würde ein Reiz durch Druck auf Carti- lago thyreoidea und erieoidea nicht ausbleiben, und diese Theile somit in eine Entzündung versetzt werden, deren Ausgänge, langwierige Eiterung, sowie Caries und Ne- krose der Knorpel schon zu verschiedenen Malen auf- merksamer Beobachtung nicht entgingen. Man kann freiieh den Schnitt in das Ligamentum erico-thyreoideum durch den vordern Halbring der Cartilago ericoidea in in die oberen Luftröhrenringe fortsetzen. Dies ist aber, wie Hyrtl erinnert, deshalb verwerflich, weil der hintere Halbring der Cartilago ericoides zu gross und stark ist, um den beiden Hälften des zerschnittenen vorderen Halb- ringes eine Entfernung von einander zu erlauben, und weil das Offenhalten der Wunde durch Canülen eine zu gewaltsame Zerrung verursachen würde, um lange er- tragen zu werden. Doch ist Hyrtl’s Besorgniss, dass überhaupt der Gebrauch der Canüle eine unvermeidliche Reizuug der hinteren, empfindlichen Wand der Luftröhre durch Schling- und Athembewegung im Gefolge haben müsse, durch die Erfahrung aller Jener, welche nach der Tracheotomie bei Croup Canülen angewandt haben, beseitigt; denn weder die Muskelwirkung noch die Ela- stieität des Wundrandes treiben die befestigte Canüle, deren Reiz leicht ertragen wird, heraus. Dr. Braun aus Germersheim hat in einer bieflichen Mittheilung mir die Resultate seiner Messungen der hier in Betracht kommenden Theile angegeben. Diese Mes- sungen nun, zur Verwerthung des Pitha’schen Bron- chotoms unternommen, stellte derselbe an drei Präpa- raten im Weingeiste an, da ihm im Augenblicke keine Leichname zu Gebot stunden, wogegen man vielleicht einwenden könnte, dass dadurch die natürlichen Di- mensionen eine Veränderung erlitten hätten. Immerhin kann aber diese Differenz nicht erheblich sein. Das Ligamentum erieo-thyreoideum bei einem Knaben von 3 Jahren maass in senkreehter Richtung 1'/, Linien. Die Trachea ergab in ihrem Umfange bei dem ersten Prä- parate 12, bei dem zweiten 13, bei dem dritten 14 Linien. Der senkrechte Durchmesser am unteren Abschnitte der Luftröhre (über dem Manubrium sterni) bei den ersten 3, bei dem zweiten 4, bei dem dritten 4 Linien, der quere Durchmesser an derselben Stelle bei dem ersten Kinde 31, bei dem zweiten 4 und bei dem dritten 4°/, Linien. Die Länge des Ligaments in die Quere betrug ausge- spannt bei dem ältesten Kinde 9 Linien. Bei solch’ geringem Umfange der Dimensionen des Ligamentum erico-thyreoideum ist die Einführung von Canülen von 4 bis 6 Linien Dieke ohne Zerrung, Druck und Quetschung der betreffenden Theile nicht möglich. Was bleibt dann in solchen Fällen übrig? Offenbar nichts anderes, als die Erweiterung des Schnittes durch die Cartilago cerieoidea und nöthigenfalls selbst durch einige Luftröhrenringe. Was hätte man aber dann durch die Laryngotomie gewonnen der Tracheotomie gegenüber? Nichts, als eine schwierigere Wundheilung, denn in solchen Fällen entsteht, worauf schon Trous- seau aufmerksam machte, chronische Entzündung, Eite- rung und selbst Necrose im Knorpel. Man hat auch noch bei Abwägung beider Operationsverfahren zu Gunsten der Tracheotomie die tiefere Stelle der dadurch angelegten Wunde geltend gemacht, welche das Athmen leichter ermögliche, wenn die pseudomenbranöse Bil- dung noch nicht bis in die Trachea hinuntergestiegen sei, oder deren Grenze nicht weit überschritten habe. Diess, sowie die Möglichkeit, von hier aus leichter zu cauteri- siren, ist gewiss zuweilen nicht ganz ohne Werth, obgleich in der Mehrzahl der Fälle, wie Sectionen lehrten, die Hoffnung zur Wiederherstellung dahin ist, wann erst die Diphtheritis bis tief in die Trachea oder selbst in die Bronchien sich erstreckt hat. Anlangend die Instrumente zur Eröffnung der Luft- röhre, so bediente man sich früher dazu keiner anderen, als sie sich in jedem chirurgischen Etui vorfinden, und einem geübten Chirurgen wird auch diess immerdar genügen. Trousseau, der eigentliche Schöpfer der Bron- ehotomie bei Croup, braucht dazu ein gerades und ge- knöpftes Bistouri, stumpfe Haken zum Auseinanderhalten der durschschnittenen "Theile, einen einer gekrümmten Kornzange ähnlichen Dilatator und eine unten offene Doppel-Canüle. Wer Schritt vor Schritt sicher und langsam diese Operation vollführen will, wird damit vollkommen aus- reichen. Nach gemachtem Hautschnitte wird sorgfältig in der Medianlinie mit dem geraden Bistouri vorge- drungen, die durchschnittenen Partieen werden mit den stumpfen Haken auseinandergehalten, und etwa blutende Gefässe unterbunden. Hat man nach Durch- schneidung des Isthmus der Schilddrüse die Luftröhre 4 bis 5 Knorpelringe entlang blosgelegt, so sticht man sie ein, erweitert die Einstichswunde mit dem geknöpften Bistouri auf %% bis %, Zoll, führt dann den Dilatator ein und endlich zwischen dessen geöffneten Armen die Doppel-Canüle. Die Meisten, welche die Tracheotomie vornahmen, folgten Trousseau. So noch neulich Saxer (Wunderlich’s Archiv, neue Folge, I. 1858), der zur allmäligen Eröffnung der Luftröhre dem Trous- seau’schen Instrumentenapparate nur noch 2 kleine Haken-Pincetten beifügt. Chassaignac unterscheidet sich nur dadurch von Trousseanu, dass er mit einem Haken die Luftröhre fixirt und emporhebt, und dass er die Rinne an dessen convexer Seite als Leiter zum Ein- schnitte benützt, was augenscheinlich nur für eine un- sichere Hand berechnet ist. Allein nicht Jeder, der in den Fall kommt, diese Operation vorzunehmen, ist auch schon ein gewandter Operateur, und so muss man homson für sein doppel-lanzettenförmiges Broncho- tom, und noch mehr Pitha für seine kornzangförmige erbesserung desselben, wodurch es mit einer Hand zu dirigiren ist, danken. Indessen hat mich ein Fall, in welchem ich, behufs der Einlesung der Canüle, die durch das Bronchotom bewerkstelligte Wunde nachträglich noch erweitern musste, belehrt, dass dieses Instrument nicht ein für allemal zu dieser Operation ausreiche. 261 Dr. Braun bemerkt, dass die Breite der Klinge des Pitha’schen Instrumentes 4 Linien, die Länge der schneidenden Klinge desselben 6 Linien betrage, die grössere Pitha’sche Canüle einen Umfang von 13, die kleineren von 9'/, Linien habe. Wenn nun auch durch die. Klinge eine %/, Zoll lange Wundöffnung be- wirkt werde, so reiche dies kaum hin, eine 4 bis 5 Linien dieke Canüle ohne Zwang in dieselbe einzu- bringen. Wäre es daher selbst möglich, dass die kleinere Canüle in die Oeffnung aufgenommen würde, so wäre dadurch das ganze Lumen einer kindlichen Luftröhre ausgefüllt, und die Canüle müsste, da deren Oeffnungen an den Seiten angebracht sind, sich selbst den Luft- zutritt absperren. Aehnliche Vorwürfe, wie solche Braun in einem Briefe vom 16. August 1857 an mich gegen Pitha’s Verfahren beim Luftröhrenschnitte erhebt, richtet auch G. Passavant in Frankfurt a. M. gegen dasselbe in der Wiener med. Wochenschrift vom 10. Juli 1858. Er bemerkt namentlich, das von Pitha gebrauchte Thomson’sche Bronchotom wirke nur stechend, nieht schneidend, könne also nicht zur Er- weiterung der Einstichswunde benützt werden. Beim Oeffnen von dessen scharfen Branchen sei eine Verletzung der hinteren Luftröhrenwand kaum vermeidlich, sowie denn dabei auch die Wundränder auseinander gezerrt würden. Auch verwirft er die Pitha’sche Canüle aus denselben Gründen, wie Braun. Andererseits erinnert nun aber W. Güntner, ein früherer Assistent Pitha’s, gegen Passavant in der Wiener med. Wochenschrift 1858 Nro. 33, die Oeffnung der Pitha’schen Canüle lege sich niemals an die vordere Wand, sondern es stehe deren abgerundetes glattes Ende gegen die hintere Wand, wodurch niemals eine Reizung der Luftröhre, wie durch die unten offene Doppel-Canüle, entstehe; auch werde durch die seitliche Oeffnung der Luftstrom moderirt, was sehr wichtig sei. Aus eigener Erfahrung, die indessen noch nicht reich zu nennen, kann ich nur so viel sagen, dass ich von den zuerst durch Bougellet eonstruirten und von Bretonneau, Trousseau, Guersant und Anderen häufig benützten Doppel-Ca- nillen noch keine besondere Reizung der Luftröhre wahrgenommen, dass mir dagegen der Einwurf von Braun und Passavant gegen die einfache Pitha’ sche Canüle, zumal bei kleinen Kindern mit enger Lnft- röhre, nicht ungegründet dünkt, und die vermeintliche Moderation des Luftstromes durch die an den Seiten angebrachten Oeffnungen illusorisch, und selbst wenn sie diess wäre, überflüssig, dagegen die Doppel-Canüle wegen der leicht dabei zu handhabenden Reinlichkeit empfehlenswerther erscheine. Nichtsdestoweniger muss man schon zugestehen, dass die Tracheotomie, nach Pitha vollzogen, den Vortheil einer schnelleren Ein- führung der Canüle gewähre. Braun fixirt die Luftröhre mit den Fingern und bedient sich zur Eröffnung derselben eines Messers, das nur bis zu einer gewissen Tiefe eindringen kann — daher nach dem Alter der Kranken und nach der höheren oder tieferen Lage der beliebten Einsichtsstelle die Abstu- 262 fungen in der Länge und Breite der in das Heft einzu- setzenden Klingen — und zum unmittelbaren Einstiche bestimmt ist. Zur Einführung der Canüle bedient er sich, wie beim Mutterspiegel, eines hölzernen Leitungs- stäbchens. Letzteres ist nicht ohne Wertli und kann unter Umständen sehr leicht den Dilatator ersetzen , da es die Einführung der Canüle erleichtert und somit ab- kürzt, was besonders bei venöser Blutung nicht ohne Bedeutung ist. Die Instrumente von Garin, Bardeleben, Ulrich sind mehr oder minder glückliche Modificationen des Thomson’schen, doch sind auch sie von dem Vor- wurfe, die hintere Wand der Trachea, ja selbst den Oeosophagus verletzen zu können, nicht ganz frei. Die dilatirende Luftröhren-Canüle von Fuller, der Idee des zweiarmigen Speculum entlehnt, gewährt den Vor- theil, das Instrument ohne besondere Schwierigkeit zwischen den Wundrändern einführen und bei der Gleichförmigkeit dessen Durchmessers den Luftstrom im Laufe der ganzen Röhre gleichmässig erhalten zu können. Ich bin weit entfernt, diese sämmtlichen Be- strebungen der Chirurgen um die Vervollkommnung und Erleichterung der Tracheotomie zu verkennen, glaube indessen doch, dass der Technieismus dieser Operation noch Manches zu wünschen übrig lasse. Obzwar entschiedener Anhänger der Einfachheit im chirurgischen Instrumenten- Apparate, scheint es mir doch, dass bei der Tracheotomie davon eine Ausnahme zulässig sei, weil mit ihr sich nicht allein der specielle Chirurg, sondern auch jeder Arzt im Falle der Notlı zu befassen hat. So wenig man bei einem apoplec- tischen Anfalle, wobei ein Aderlass dringend, auf Stunden Entfernung fortzuschicken Zeit hat, um einen Bader mit dem Schnepper oder der Lanzette herbeizuholen, eben so wenig geht es an, bei durch Croup drohender Asphyxie aus vielleicht weiter Ferne einen Chirurgen zur Vornahme der Tracheotomie herbeizurufen; denn hier, wo so grosse Gefahr auf dem Verzuge, kann bis zur Ankunft des Operateurs die kostbare Zeit zur möglichen Hülfeleistung durch schnellen Eintritt des Todes schon vorüber sein. Es wird vielleicht befremden, dass ich die Aderlässe neben die Tracheotomie stelle; allein abgesehen davon, dass beide Operationen, früh- zeitig genug vorgenommen, entschieden lebensrettend werden können, so sind auch die Aderlässe als Opera- tionsverfahren nicht so unwichtig, dass sie nicht ne- ben der Tracheotomie erwähnt werden dürften. Fünf Mal ist mir Gelegenheit geworden, das Aneurysma spurium in der Ellenbeuge zu operiren, nachdem in allen Fällen die Arterienverletzung durch die Lan- zette erfolgt war, so dass in der Hand des Baders der Schnepper doch als kein so unnützes Instrument zu be- trachten sein dürfte. Wenn ich nun zur Vornahme der Tracheotomie bei Croup ein Instrument angebe, welches den Einschnitt der Luftröhre mit dem Einführen der Canüle in sich vereinigt, so will ich damit nur dem in der Vornahme chirurgischer Operationen wenig geübten Arzte ein Mittel an die Hand geben, wodurch er in dringenden Fällen die Eröffnung der Luftröhre leicht und sicher auszuführen im Stande ist. Wenn ich auch weit entfernt bin, die bisherigen, im Durschnitte so ungünstigen Resultate der Tracheo- tomie bei Croup — um Einen statt Mehrerer zu nennen, so verlor Trousseau im Jahre 1852 von 59 wegen Croup operirten Kindern 40, und im darauf folgenden von 61 sogar 56 — geradezu nur ungeschicktem opera- tivrem Verfahren beizumessen, so wird man doch ein- räumen, dass das Streben, den Technieismus einer so häufig scheiternden Operation zu vervollkommnen, kein so unmnützes sei; denn, um nur eines dabei vorkom- menden Momentes, der Blutung, zu gedenken, so haben durch dieselbe Solche, die die Operation öfter unternommen, wie Trousseau, Guersant, Bre- tonneau und Andere, auch schon Kinder während des Operationsactes selbst verloren. Zur Verhinderung der Blutung, welche an und für sich durch die Menge des Blutverlustes niemals gefahrdrohend ist, sondern nur durch das Eindringen von Blut in die Luftwege so hohe Bedeutung erlangt, ist das schnelle Einlegen der Canüle nach vollbrachtem Schnitte wesentliche Be- dingung. Braun fand bei 6 bis 8 Tracheotomien, welche er im Schlachthause an Kälbern durch Einen Schnitt vor- nahm, bei der bald darauf angestellten Besichtigung kein Blut in der Luftröhre. Dies ist meines Bedünkens beweisend, dass, wenn keine Hyperämie in den hier in Betracht fallenden Theilen zuvor schon bestanden hat, und selbst auch eine Dilatation der Luftröhren-Wunde unterbleibt, kein Blut in die Luftröhre dringe. Anders verhält es sich bei der Tracheotomie bei’m Kinde. Dieses liegt auf dem Rücken, schreit, ist unruhig; man durchsehneidet die Weichtheile bis zur Bloslegung der Trachea, stillt die etwa sich ereignende Blutung nö- thigenfalls selbst durch Unterbindung, zu welcher ich indessen in keinem Falle von Tracheotomie noch ge- nöthigt war, indem es bei dem hyperämischen Zustande des Halses meistens nur Venen waren, die das Blut lieferten, und kleine Arterien in der Regel auf Andrücken des nasskalten Schwammes standen. Nun schreitet man zur Eröffnung der Luftröhre selbst. Die kaum zum Stillstehen gebrachte Blutung kann jetzt bei der Unruhe und dem vermehrten Schreien des Kindes von Neuem beginnen, die tiefe Lage der Wunde be- günstigt bei der nun Behufs des Einlegens der Canüle vorzunehmenden Dilatation mechanisch das Eindringen des herabfliessenden Blutes in die Luftröhre. Ich erinnere mich nicht, dass auch nur ein Chirurg noch einer Blutung gedacht habe, wenn einmal die durch Druck schnell jede venöse Blutung in diesen 'Theilen zum Stillstehen bringende Canüle eingeführt worden war. Von der vortheilhaften Wirkung des Drucks auf blutende Venen sowohl, als Arterien überzeugt, will Braun der Canüle eine konische Form gegeben wissen, damit bei der etwas grösseren Wundöffnung der ausserhalb der Trachea gelegenen Weichtheile diese durch die am äus- seren Ende diekere Canüle einen gleichmässigen Druck erleiden, und somit eine Blutung unmöglich werde. So sehr diese subtile Vorkehrung von der grossen Umsicht dieses Arztes Zeugniss gibt, so erscheint sie am Ope- rationslager, wo man weiss, wie schnell sich um einen fremden Körper, was hier die Canüle ist, die Weich- theile zusammenziehen, von untergeordnetem Werthe und zwar besonders auch desshalb, weil bei dieser Operation der Cardinalpunkt die Abhaltung des in die Luftröhre dringenden Blutes bleibt, und es von ge- ringem Belange ist, wenn auch aus den ausserhalb der Trachea befindlichen Theilen noch etwas Blut sickert und nach aussen sich entleert, was aber nach einmal eingeführter Canüle, wie gesagt, nicht mehr geschieht, selbst wenn auch die äussere Wunde durch die Canüle nicht hermetisch geschlossen ist. Aerzte, die auf ihrer Landpraxis Chirurgie ausüben, wissen, wie schlecht es um die Assistenz bei unvorhergesehenen wichtigen Ope- rationen, wie z. B. dem Brustschnitte, Tracheotomie ete. bestellt ist. Da hat man nicht, wie in einem Ho- spitale oder in der chirurgischen Stadtpraxis seine ein- geübten, des leisesten Winkes gewärtigen Assistenten, sondern man muss sich mit Leuten begnügen, bei denen, aller Kenntnisse baar, der gute Wille noch das Beste _ ist. Dies erwägend, ward Braun bewogen, vor- zuschlagen, die Luftröhre unmittelbar durch einen Ein- stich zu eröffnen, indem er dadurch die Chancen der Operation in die Hand des Operateurs legen, und somit diesen so viel als möglich von äusseren Zufälligkeiten unabhängig machen wollte. So wünschenswerth die Ausführung dieses Vorschlags auch ist. so kann man ihm meines Bedünkens doch seine Zustimmung nicht ertheilen, weil trotz deutlichen Hervortretens des zum Anhaltspunkte dienenden Ringknorpels bei dem Schreien der Kinder und der häufig bestehenden Dicke des Halses die Trachea nicht fest genug fixirt werden kann, und man so nicht sicher ist, ob dieselbe dem unmittelbaren Einstiche, der einen gewissen Kraftaufwand erfordert, nicht‘ ausweiche, anatomischer Gefäss - Abnormitäten, z. B. der Communication der beiden Arteriae thyreoideae superiores quer über der Trachea, und der Hypertrophie der Schilddrüse nicht zu gedenken, welche diess Ver- fahren sehr erschweren würden. Die Aufgabe, welche ich mir nun bei Construction meines Tracheotom’s gestellt habe, besteht darin, dass nach Bloslegung der oberen 4 bis 5 'Tracheal-Ringe auf die gewöhnliche Weise, d. h. nach Einschneidung der Haut der Medianlinie, Trennung des Zellgewebes, der Venen-Plexus und des Isthmus der Schilddrüse und Stillung etwaiger profuser Blutung der nun fol- gende eigentliche Schnitt in die Luftröhre und das hren der Canüle beinahe nur einen einzigen Ope- Tationsakt bilden. Man wird vielleicht glauben, ich wolle diess durch instechen eines kleinen Troikart in das Ligamentum ico-thyreoideum, der nach Art des Fleurant’schen zur Paracentese der Blase etwas gebogen ist, erreichen, ndem ich nach vollbrachtem Einstiche das Stilet zurück- ziehe und die gebogene Canüle in der Luftröhre zu- rücklasse und nun dort befestige, wie diess nach dem Zeugniss von Watson drei berühmte englische Chirur- 263 gen, William Merriman, Arnott und Shaw, mit Erfolg bei Erwachsenen gethan haben. Allein bei Kin- dern geht diess nicht. Hierdurch würde bei der Kleinheit der Trachea ent- weder die gewünschte Stelle zum Einstiche leicht ver- fehlt, oder eine Zerreissung und Quetschung in der Trachea hervorgerufen, deren Folgen, wenn nicht zu- rückbleibende Fisteln, doch langwierige Eiterung sein würde. Dureh mein Instrument nun, das leicht zu handhaben ist, wird eine reine Schnitt- wunde erzeugtin der Trachea, und die Ein- führung der Canüle iin dieselbe lässtsich da- rauf sehr rasch und sicher bewerkstelligen. Sowohl Einschnitt als Einführung der Ca- nüle geschehenin einem und demselben Akte. Da man sich der Handhabung der Reinlichkeit wegen am zweckmässigsten der Bougellet’ schen Doppel- Canüle bedient. so wird nun in die mit dem Tracheotom eingeführte diekere Canüle die dünnere eingeschoben, und beide dann auf die bekannte Weise befestigt. Sollte man bei Erwachsenen mit magerem Halse z. B. wegen Oedema glottidis die Tracheotomie, oder bei diesen und bei Kindern die Laryngotomie machen wollen, so kann man sich hier, wo man sicher ist, die Luftröhre oder den Larynx zu fixiren, so dass sie nicht der schnei- denden Klinge ausweichen, füglich auch dieses Instru- tes zum unmittelbaren Einstiche bedienen. Es ward mir bis jetzt zwar noch nicht Gelegenheit, dasselbe bei Le- benden anzuwenden, allein die Leichtigkeit und Sicher- heit, womit es an Leichen zu handhaben ist, lässt er- warten, dass es auch bei Lebenden vollkommen brauchbar sein werde. Anweisung zum Gebrauche des Tracheotom. Nachdem an der zum Einschnitte beliebten Stelle das Ligamentum erico-thyreoideum oder die 4 obern Luft- röhrenringe blosgelegt sind, fasst der an der rechten Seite des im Bette liegenden Kranken stehende Arzt mit voller Hand das Tracheotom so, dass dessen con- vexe Seite nach oben gerichtet ist und schneidet damit die gewählte Stelle von oben nach unten ein. In die Luftröhre gedrungen, hebt er den Griff des Instrumentes etwas, damit nicht die hintere Wand derselben verletzt werde. Ist er nun damit soweit vorgedrungen, dass auch die beiden Branchen, zwischen denen die Klinge läuft, etwa auf einen /, — ';, Zoll in die Wundöffnung eingeführt sind, so wird die Klinge zwischen die Bran- chen und zwar bis in deren Hälften zurückgezogen und dann die hinter den blauen Federn befindlichen Canüle über dieselben in die Wunde vorgeschoben, das Instru- ment selbst aber herausgenommen und zuletzt nach Ein- schiebung der kleinen Canüle in die grössere, beide auf die bekannte Weise befestigt. (Siehe die Abbildung.) Erklärung der Figuren. Fig. 1. Seitenansicht des Instruments, mit aufge- steckter Canüle, und vorgeschobenem Bistourie, gestellt zum Gebrauch. 264 Fig. 2. Seitenansicht des Instruments, mit zurück- gezogenem Bistourie und geöffneten Armen zum Vor- schieben der Canüle. Fig. 3. Vordere Ansicht des Instruments, ohne Ca- nüle, mit geöffneten Armen und zurückgezogenem Bis- tourie. a) Die Vereinigungspunkte durch Stiften. b) Die auf beiden Seiten des Instruments befindlichen blauen Federn, worüber die Canüle geschoben wird, und letzterer zur Befestigung dienen. c) Schrauben zur Befestigung der Federn. d) Der Halter, welcher das Bistourie mit beiden sich federnden Armen verbindet; durch Vorschieben und Zurückschieben dieselben schliesst und öffnet. Fig. 4. Vordere Ansicht des Instruments ohne Canüle, mit vorgeschobenem Bistourie. Fig. 5. Seitenansicht des einen Arm, mit Längen- einschnitt, worin sich der Halter d. bewegt. Fig. 6. Seitenansicht des Bistourie. Fig. 7. Grosse conische Canüle, von Oben gesehen, dieselbe passt auf den Tracheotom und hat an ihrer engsten Mündung 8 Millimeter Durchmesser. Fig. 8. Kleine conische Canüle, von Oben gesehen, welche in die grosse Canüle passt. Fig. 9. Seitenansicht von Figur 8. In der Discussion, welche diesen beiden Vor- trägen folete, sprach Professor Roser von Mar- burg: Den 13 Fällen von Tracheotomie beim Croup, die mir in den Jahren 1854—56 in Marburg vorgekommen und worüber ich in der Wiener Versammlung berichtete, kann ich 5 weitere anreihen. Während die 13 älteren Fälle 6 Heilungen ergaben, kommen bei diesen 5 neueren Operationen noch 3 Heilungsfälle hinzu. Eigentlich müsste ich, genau genommen, einen dieser 5 Fälle un- gerechnet lassen, da das im Verscheiden begriffene Kind schon aufgehört hatte zu athmen, ehe die Luftröhre ge- öffnet war und die Wiederbelebung der Respiration nicht gelang. Nach Abrechnung dieses Falls wären es 9 Heilungen auf 17 Operationen. *) Ich habe, glaube ich, hiernach ein Recht über den Luftröhrenschnitt mitzusprechen und so möchte ich mir erlauben, die tödtliche Gefahr des Eindringens von Blut in die Luftröhre, wovon uns eben Herr Pauli (aus Landau) ein neues Beispiel erzählte, der Aufmerk- samkeit der Herren Collegen auf’s Ernstlichste vorzu- stellen. Manche Schriftsteller wollen hieran nicht glauben und Einige sprechen sogar mit einem gewissen Leicht- sinn von dieser sehr ernsten und wichtigen Sache, ich fürchte aber, es wird noch eine weitere Anzahl von Todesfällen auf dem Öperationstisch vorkommen, wenn *) In der Zeit vor 1854 habe ich viermal die Operation ge- macht, und zwei der Kinder davon gebracht. Ich rechnete aber diese 4 Fälle bei meinem Vortrag in Wien (W. Wochenblatt 1856 Nro. 40) nicht mit auf, weil zum Theil die Diagnose zweifelhaft war und weil ich vor 1854 selbst noch kein deeci- dirter Anhänger des Luftröhrenschnitts beim Croup war. man fortfährt, diese Gefahr der Blutansaugung zu igno- riren. Da mir selbst, zu einer Zeit, wo ich schon ziemliche Uebung im Luftröhrenschnitt hatte und wo ich von geübten Assistenten umgeben war, das Unglück widerfuhr, dass ein Kind, beim zufälligen Abgleiten einer Ligatur der Vena jugularis media die Luftröhre voll Blut bekam und trotz aller unverweilt getroffenen Vorkehrungen (Eindringen des Dilatateurs, Aussaugen u. s. w.) sogleich erstickte, so fühlte ich schon früher mich verpflichtet, diesen Fall zu publieiren. Ich kann jetzt hinzufügen, dass mir unterdessen noch mehrere ähnliche Fälle privatim bekannt worden sind, wo dasselbe Unglück, zum Theil in sehr geübten Händen, vorkam. Es mögen auch noch manche Fälle dieser Art im Stillen sich ereignet haben; man begreift ja wohl, dass dia Collegen, denen Solches passirte, keine grosse Neigung haben mögen, ihre Unglücksfälle zu veröffentlichen. *) Uebrigens muss ich wiederholt daran erinnern, dass ich mich durch Experimente, durch Versuche an Kaninchen von der Realität der Gefahr des Blutein- dringens in die Lufröhre überzeugt habe. Man kann ein Kaninchen (es gelingt freilich nicht bei jedem Ver- such) durch Anschneiden einer der geöffneten Luftröhre benachbarten Vene asphyxiren, und man findet bei der Section eine Verstopfung der Bronchien durch lange dichotomische Blutgerinsel. Hiernach hat man alle Ursache, die Operation so einzurichten, dass Blutungen vermieden oder sogleich beschwichtigt werden, und ich habe mir nach und nach einige Regeln und Handgriffe abstrahirt, welche ich zu diesem Zwecke sehr dienlich finde, und welche ich hier näher mittheilen will. Das Erste ist, dass ich, nach dem Hautschnitt, die Muskelfascie mit Hülfe von zwei Pinzetten blosslege.e Diese Methode, gewöhnlich die Langenbeck’sche Methode genannt, ist wohl sicherer und rascher als jede andere. Der Operateur hat in der einen Hand eine Haken-Pinzette, in der andern das Messer. der Assistent nimmt in die eine Hand ebenfalls eine Pinzette, in die andere einen Schwamm. Sobald der Operateur eine Zellstoffpartie gefasst hat, fasst der Assistent daneben und das mit zwei Pinzetten Ge- fasste wird rasch durchschnitten. Indem man so fort- fährt, gelangt man schnell zur Muskelfaseie und zur Trennung derselben in der Mittellinie. Nun aber be- ginnt ein neuer Act; es wird das Messer weggelegt und werden stumpfe Hacken eingesetzt und mit diesen, indem sie theils nach rechts und links, theils nach oben und unten kräftig wirken, die subfascialen Zellstoffpartien, sowie die Kropfdrüse oder ihre Gefässe zur Seite ge- schoben. Hiermit wird fortgefahren, bis die Luftröhre gehörig bloss liegt. Kommt eine Blutung, so warte ich nieht auf ihr Aufhören, sondern mache sogleich die *) Wie mir von einer sehr glaubhaften Seite mitgetheilt wurde, sind neuerdings mehrere Todesfälle auf dem Operationstisch bei Anwendung des Pitha’schen Instruments vorgekommen. Das Bronchotom mag bei Erwachsenen bequem anzuwenden sein, bei Kindern kann ick nicht umhin, dasselbe für gefährlich zu halten. Umstechung des blutenden Gefässes oder Gewebstheils, wozu ich mich, bei dieser wie bei vielen andern Opera- tionen einer kleinen, runden, krummen Nadel und einer als Nadelhalter functionirenden Schieber-Pinzette zu bedienen pflege. Das Umstechen geht hier, indem auch wohl die blutende Stelle mit einer Haken-Pinzette vorgezogen wird, sehr rasch, und es hat den grossen Vorzug vor der Ligatur, dass kein Abgleiten zu be- fürchten ist. Um nun die Luftröhre recht sicher zu halten, und nach Eröffnung sogleich zu dilatiren, bediene ich mich schon seit 1854 zweier Hakenzängehen, von derselben Form, wie ich sie auch als Ophthalmostat und bei Blasenscheidenfisteln u. dgl. gebrauche. Mit einem solchen Hakenzängehen wird die Luftröhre gefasst und aus der Tiefe, zwischen den Venen hervorgehoben ; ein Assistent fasst ebenso von der andern Seite die Luftröhre; während so die Luftröhre mit zwei Zängchen nach vorne gehalten und fixirt ist, wird sie mit dem Messer eröffnet und unmittelbar darauf mittelst der beiden Zängchen dilatirt. Die Operation geht auf diese Art sehr rasch und sicher vor sich, man hat die Luft- röhre ganz und gar in seiner Gewalt und das Einführen der Canüle macht sich sehr bequem, In einer Reihe von Fällen, namentlich bei Opera- tionen auf dem Land, wo für die Nachbehandlung nicht immer genügende Assistenz da ist, habe ich es sehr vortheilhaft gefunden, vor dem Einführen der Canüle ‘durch die beiden Ränder des Luftröhrenschnitts je eine Fadenschlinge einzuziehen, um mit Hülfe dieser Schlingen die Luftröhre dilatiren zu können, wenn man genöthigt sein sollte, die Canüle schon in den ersten Tagen oder schon nach 12—24 Stunden zu wechseln. Ich habe, wie gesagt, solche Schlingen bei vielen meiner Operirten eingelegt und kann dieses Verfahren besonders den Herren Collegen auf dem Land, denen es an Assistenz mangelt, sehr empfehlen. Es leuchtet ein, dass man sich mit zwei solchen Schlingen die Luftröhre gut aus- einanderhalten und das Wechseln der Canüle sehr er- leichtern kann. Bei der Nachbehandlung der operirten Croup-Kranken kommt eine Erscheinung vor, welche noch nicht genug Aufmerksamkeit gefunden hat und die ich deshalb noch zur Sprache bringen möchte. Es ist dies die Ansamm- lung von geronnenen Schleimklumpen unterhalb der Canüle. Die Kinder, welche erst sehr frei geathmet hatten, werden wieder von Neuem asphyktisch, es hilft nichts, die Röhre zu reinigen, oder auch dieselbe ganz herauszunehmen, wie man aber einen elastischen Ka- theter nimmt und ihn etwas tiefer einführt, so fängt sich der geronnene Schleim am Auge des Katheters, oder er wird durch Husten vollends ausgestossen; man bringt ganze Klumpen käseartiger Masse heraus, und die asphyktischen Symptome sind, für einige Zeit wenig- stens, da die Massen sich auch wohl von Neuem bilden, gehoben. Dr. See aus Paris empfiehlt in lebhafter französischer Rede statt der Tra- 265 cheotomie den Katheterismus der Trachea als ein neues unschädliches Verfahren. Regimentsarzt Beck aus Freiburg: Ueber das Wesen und die Arten der Einklemmung bei Unterleibsbrüchen. Ich erlaube mir heute einen Gegenstand zur Sprache zu bringen, der von jeher die Aufmerksamkeit aller Aerzte, namentlich aber der Wundärzte auf sich gezogen hat, über welchen zwar schon viel verhandelt wurde, über den aber jetzt noch die verschiedensten Ansichten herrschen. — Ob nämlich das Wesen der Einklemmung bei Unterleibsbrüchen rein physikalischer, mechanischer Natur sei oder ob auch auf dynamischem Wege, durch Krampf, durch Entzündung ete. eine Incarceration zu Stande kommen könne, ist noch nicht vollkommen ent- schieden. Wie allgemein bekannt, nahm man früher eine krampfhafte Einklemmung, eine entzündliche und eine solche durch Kothanhäufung bewirkte an. Wenn nun auch von Mehreren, namentlich von Scarpa, die in- carceratio spasmodica bekämpft wurde, so gab es dennoch viele Vertheidiger derselben, und schreiben je in neuster Zeit Einzelne das Wesen der Einklemmung vorzüglich krampfhaften Zuständen, theils der Bauchdecken, des Bruchkanals, theils des Darmes selbst, also des Inhaltes des Bruches zu. Im ähnlicher Weise ergeht es der inflammatorischen Einklemmung; oft bestritten oder wenigstens sehr eingeschränkt, wird sie von Einigen an die Spitze gestellt und in einer Entzündung des Bruchsackes oder des Bruchinhaltes suchen Manche die alleinige Ursache der beängstigenden Erscheinungen. Auch über den Einfluss der Kotlımasse bei der Incar- ceration, ob hiebei Krampf oder Atonie, ob Entzün- dung zugegen wären, differiren die Meinungen. Hätte eine unrichtige Auffassung der Verhältnisse nicht den grossen Nachtheil, dass durch die hiedurch in das Leben gerufene falsche Theorie auch die Therapie, das ärztliche Handeln in entsprechender Weise modifieirt würden und häufig die individuelle Anschauungsweise eines Vertreters der Wissenschaft für lange Vielen zur Richtschnur diente, so bestände weniger Veranlassung dieses Thema wieder zu berühren. Die Lehre von den eingeklemmten Brüchen gehört aber zu den wichtigsten in dem Gebiete der Chirurgie, da durch richtiges Verfahren in dem gegebenen Falle in kurzer Zeit der gefahrvolle Zustand in einen günstigen umgewandelt werden kann. Wird man sich einmal über das Wesen und die Arten der Einklemmung geeinigt haben, so kommen gewiss nicht mehr behufs der Repo- sition des Bruches die verschiedenartigsten, in ihrer Wirkung sich widersprechendsten Mittel in Anwendung, und wird man eher wissen, unter welchen Umständen die blutige Operation der Taxis vorzuziehen sei, dann werden schwerlich die Belladonna oder das Chloroform, die Blutegel und Cataplasmen, sowie eine Menge ange- priesener Mittel ihren Platz behaupten und lässt sich kein Arzt so leicht durch den Ausspruch eines Einzelnen, 34 266 wie z.B. Malgaigne’s, der die Einklemmung nament- lich einer Entzündung des Bruches zuschreibt, abhalten, zur rechten Zeit die Herniotomie auszuführen. Bevor wir übrigens die verschiedenen bis jetzt auf- gestellten Arten von Einklemmungen einer näheren Betrachtung unterwerfen, halte ich es für nöthig, fest- zustellen, in was das Wesen der wahren Incarceration eigentlich bestehe. Als einen eingeklemmten Bruch hat man nach meiner Ansicht nur einen solchen zu bezeichnen, bei welchem in Folge eines mechanischen Missverhältnisses zwischen Canal und Bruch, also zwischen Raum und vorgedrängter Masse eine derartige Störung in dem Kreislaufe und in der Weiterleitung des Inhaltes des vorgelagerten Theiles eintritt, dass die Lebensfähigkeit desselben auf das Spiel gesetzt, die Function beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Entweder besteht ein geringer Grad des Missver- hältnisses, es sind nur einzelne Partien der Vorlagerung in ihrer Ernährung bedroht, oder aber es gefährdet ein hoher Grad in kurzer Zeit die Existenz der Gewebe. Die Einklemmung wird desshalb entweder eine voll- kommene oder unvollkommene sein und sie kann ent- weder plötzlich zu Stande kommen oder allmälig. Durch- schnittlich entwickelt sich eine rasch bewirkte Einklem- mung auch schnell zur vollkommenen, wogegen die chronische Form eher als unvollkommene verharrt; diess darf übrigens keinen Grund abgeben, verschiedene Arten, wie: incarceratio peracuta, acuta und chronica, aufzustellen, da es sich hier vorzüglich um den Grad des mechanischen Missverhältnisses und nicht um die Zeit handelt. Hat man sich nun darüber geeinigt, dass jede Ein- klemmung Störungen des Kreislaufes und in Folge dessen Beeinträchtigung, selbst Vernichtung der Ernährung und der Function des vorliegenden Theiles herbeiführen muss, so wird es die Aufgabe sein, darzuthun, auf welchem Wege das Missverhältniss zwischen Canal und Bruch- masse zu Stande komme, ob hier nur rein physikalische, mechanische oder auch dynamische Verhältnisse ob- walten. Nach Vielen soll auf dynamischem Wege durch Krampf öfters die Incarceration bewirkt werden und von diesen legen Mehrere den Sitz des Krampfes in die den Canal bildenden Theile, in die Bauchdecken, An- dere in den Bruchinhalt, in den Darm selbst. Bekanntermaassen besitzen die die Canäle für die gewöhnlichen Unterleibsbrüche formirenden Gewebe mit Ausnahme einiger Muskelfasern, die aber, wie wir später sehen werden, keinen Einfluss äussern können und welche bei der Schenkelhernie, die immer eine heftigere Ein- klemmung als der Inquinalbruch erleidet, gar nicht in Betracht kommen, keine Elastieität, kein Contractions- vermögen. Bei raschem und beträchtlichem Drucke zerreissen sie leicht, bei allmäligem geben sie nach. Es muss desshalb als Factum angesehen werden, dass diese straffen, rigiden Gewebe nicht im Stande sind, eine active Einschnürung hervorzurufen. Wenn nun auch dieses Verhalten betreffs der Ringe nicht mehr bezweifelt werden kann, so suchten die Vertheidiger der spastischen Einklemmung, beim Leisten- bruche wenigstens, einen Anhalt an der Wirkung des schiefen aufsteigenden und des queren Bauchmuskels zu gewinnen und stützten sich hiebei besonders auf den Ausspruch des berühmten Anatomen Hyrtl. So sehr ich diese Autorität sonst anerkenne, kann ich doch nicht mit der Ansicht derselben einverstanden sein, weil abgesehen davon, dass meine eigenen practi- schen Wahrnehmungen in allen Fällen, selbst bei sehr verengtem Bruchcanal, sowohl bei der Reposition ein- geklemmter Brüche als bei der Ausführung der Hernio- tomie gegen eine active Zusammenziehung der bezeich- neten Muskeln sprechen, auch die anatomischen Ver- hältnisse selbst die Unmöglichkeit einer spastischen Schnürung darthun. Diejenigen Fasern des inneren schiefen, sowie des queren Bauchmuskels, welche den Leistencanal bilden helfen, entspringen nämlich von dem Poupart’schen Bande und gehen in eine Aponeurose, welche die Scheide des geraden Bauchmuskels theilweise bildet, über. Wenn also die Muskelfasern sich ver- kürzen, so wird einerseits das Poupart’sche Band, an- derseits die Aponeurose einander genähert, ziehen sich die Bauchdecken, wie bei Contraetion der Bauchmuskeln überhaupt gegen- den Rücken hin ein, verkleinern hie- durch die Unterleibshöhle, im Leistencanal aber kann keine eigentliche Verengung hervorgerufen werden, weil das Poupart’sche Band in der Partie, welche den Bo- den des Canals bildet, nachgiebiger wird, erschlafft, desgleichen die Fascia transversa velaxirt ist, und dess- halb der Herstellung des früheren Durchmessers des Canals nichts entgegensteht. Als das Chloroform so sehr in Mode kam, wurde dieses Mittel gleichfalls zur Erleichterung der Taxis in Anwendung gebracht und Einzelne wollten durch eine günstige Wirkung den schlagendsten Beweis für die spastische Einklemmung gefunden haben. So legt z. B. Guyton den Sitz der Incarceration in eine allgemeine Spannung der Bauchmuskeln, weil bei diesem Zustande bis zur Reposition der Leib hart und erst nach dieser weich sei, auch bestände desshalb nur bei Darmbrüchen eine Contraction der Bauchmuskeln, die ja bei Netz- brüchen fehlte. Wenn diese letzte Behauptung schon als eine unrichtige bezeichnet werden kann, indem einer- seits bei heftiger Einklemmung des Netzes auch ge- spannter Leib und Brechen beobachtet werden, ander- seits der Grund, warum eine Incarceration des Netzes nieht in gleicher Weise wie die Schnürung eines Darm- stückes Reflexbewegungen verschiedener Theile nach sich zieht, nahe liegt, indem das Netz im Verhältniss zum Darm anatomisch anders gebaut ist, nicht in dem nämlichen Zusammenhange mit dem animalischen Ner- vensystem steht, überhaupt als kein so wichtiges Ge- bilde angesehen werden darf, so überzeugt man sich bei jeder Incarceration leicht, dass die Contraetionen der Bauchmuskeln, der harte Leib nicht die Ursache zur Vorlagerung einer Darmschlinge abgeben, sondern wie bei jeder Kolik oder schmerzhaften Darmaffeetion die Folgen der Einklemmung, also secundärer Natur seien. Die Theorie Guyton’s, nach welcher durch Krampf der Bauchdecken Gase und Kothmassen in die Vorla- gerung getrieben, daselbst zurückgehalten und hiedurch erst die Einklemmung erzeugt würde, desshalb eine /n- carceratio stercorea spastica als die gewöhnlichste Art vorkomme, muss als unhaltbar verworfen werden, da abgesehen davon, dass ohne eine gleichzeitige Mitwir- kung des Zwerchfells die Bauchmuskeln keinen vollstän- digen Druck auf die Eingeweide ausüben, wie stets bei gelungener Taxis auch ohne Application des Chloroforms, augenblicklich die Decken, den Leib weich werden se- hen, welche Erscheinung nicht eintreten könnte, wenn die Ursache der Einklemmung, nämlich der krampfhafte Zustand der Muskulatur vor der Taxis nicht gehoben wäre. Ferner beweist das Experiment am Thier, dass bei einer Bauchwunde durch die Contraetion der Mus- keln eher die leeren, nur etwas kothige Flüssigkeiten enthaltende, Därme als die mit Gas und festen Massen gefüllten vorgedrängt werden und dass die Anschwellung der alsdann eingeklemmten nicht von eingedrungenem Gas und Kothe, sondern von den in Folge der Cireu- lationsstörung gesetzten Trans- und Exsudaten herrühre. Betrachten wir jetzt den Krampf der Muskulatur des Darmrohres selbst als Ursache der Incarceration. Hat auch der beschäftigte Arzt vielfach Gelegenheit, namentlich bei sehr sensiblen, hysterischen Personen, Excesse betreffs der peristaltischen Bewegungen des Darmes, der oft sehr heftigen Contraction der Darm- Muskulatur -zu beobachten, in einzelnen Fällen bedeu- tende krampfhafte Verengungen des Darmrohres, wo- bei der Inhalt sogar nach oben statt abwärts geführt wird, Brechen, selbst Kothbrechen, nicht nur vorüber- gehend, sondern auch während langer Zeit besteht, er- folgen zu sehen, so wird er dennoch nie bei diesen Fällen die wirklich charaeteristischen Erscheinungen ei- ner wahren Einklemmung, nämlich Cireulations- und Ernährungsstörungen des betheiligten Darmes wahr- nehmen. Trotz der Contraction der Muskelfasern fliesst Blut in die Gewebe und zwar steht das arterielle zu- fliessende im Verhältniss zum venösen rückfliessenden ; beiderlei Arten von Gefässen sind gleichmässig verengt und es wird hiedurch die gefährliche venöse Stase ver- hütet, dagegen eine ununterbrochene Ernährung er- möglicht. Die Experimente aın lebenden 'Thiere beweisen das Gesagte augenfällig. Eröffnet man bei einem Hund oder Kaninchen die Unterleibshöhle, zieht eine Dünndarmschlinge hervor _ und reibt durch irgend ein Mittel reizend auf den Hals der Schlinge ein, so wird man der Wirkung der ein- zelnen Mittel entsprechende Veränderungen wahrnehmen. Bei Anwendung sehr verdünnter Säuren (wie z. B. Essig, Salpeter, Salzsäure) oder ätzender Flüssigkeiten, wie der Chlorzinklösung ete. bemerken wir unter rasch vorüber- gehendem Schmerz eine oberflächliche Cauterisation der Serosa olıne Verengung des Darmrohres, weil die Wir- kung der Flüssigkeit sich nicht auf die Museularis er- streckt; träufeln wir dagegen Kochsalzlösung auf oder applieiren den eleetrischen Strom mittelst des Inductions- Apparates, so kommt augenblicklich unter den heftigsten Schmerzen eine vollständige Einschnürung zu Stande 267 ohne aber, dass in der vorliegenden Schlinge Störungen in dem Kreislaufe bemerkt werden könnten. Bei vielen Versuchen blieb das Ergebniss derselben immer das gleiche; stets lieferte die Mesenterialschlagader ununter- brochen rothes Blut in die Schlinge, das Blut floss un- gestört durch die Capillargefässe und die Vene zurück, wesshalb die Färbung der Schlinge, die Consistenz des Darmes sich nicht änderten. Auch an der Schnürstelle selbst zeigten sich keine Abweichungen, weil bis zum Nachlasse des Krampfes die befallenen Gewebe hinreichend Ernährungsmaterial aus der Umgegend erhalten. Eine wirkliche Beeinträch- tigung der Ernährung der vorliegenden Darmschlinge, wahre Symptome einer Einklemmung konnten als Folge der Contraction des Darmrohres am Halse der Schlinge, selbst bei andauernder Einwirkung der Salzlösung oder des eleetrischen Stromes nicht erzielt werden. Wir erkennen hieraus, wie es sich übrigens schon bei der Beobachtung am Krankenbette ergibt, wenn man öfters im Falle war eingeklemmte Brüche zu unter- suchen und die Herniotomie zu machen, dass die Ein- schnürung der Schlinge keine active in Folge der Con- traction der Muscularis sei, sondern durch ein mechani- sches Missverhältniss zwischen Canal, dem Ringe und dem Darmvolumen bewirkt werde. Wäre Krampf des Darmes die Ursache der Incarceration, so könnte die so oft gelingende Taxis nicht augenblicklich helfen und hätte man bei der Herniotomie nicht nöthig die Bauch- pforte einzuschneiden, weil Krampf keine secundären Circulationsstörungen mit Anschwellung der Schlinge bewirkt, wie diess bei der Einklemmung immer getroffen wird. Auch weiss der erfahrene Wundarzt, dass öfters, trotz gehöriger Erweiterung der Pforte, die Reposition selbst nicht verklebter oder verwachsener vorgelagerter und eingeklemmter Darmpartien nur mit Mühe gelingt, weil durch Trans- und Exsudate die Beschaffenheit des Darms eine sehr geänderte ist. Die von Herrn Professor Roser aufgestellte Ansicht, dass das Wesen der Brucheinklemmung vorzugsweise in einem Klappenmechanismus bestehe und die Absperrung in der incarcerirten Schlinge durch Schleimhautfalten, welche sich ventilartig gegen einander legen und so den in dem Darme enthaltenen Gasen ete. den Weg ver- sperren, zu Stande komme, glaube ich bei der /ncar- ceratio spastica berücksichtigen zu müssen, da die an- genommene Klappenbildung namentlich nur durch Con- traction der Muskularis besonders der Längsfasern entstehen könnte und auch nur dann als besondere Ein- klemmungsart, als besonderer Process, angesehen wer- den dürfte, wenn kein weiteres mechanisches Missver- hältniss, keine andere Ursache, keine besonderen pa- thologischen Verwundungen des Darmes, wie Strietur, oder Ablagerungen in das submucöse Zellgewebe, po- lypöse Wucherungen etc. von Anfang an bestanden haben. Die vermuthete Bildung von Klappen mit ihren Folgen als primärer Process können aber in Wirklich- keit nicht nachgewiesen werden. Einerseits wissen wir aus den vorausgeschickten Mittheilungen, dass ein Krampf 34* 268 des Darmrohres, wenn auch die Weiterleitung des Darm- Inhaltes aufgehoben, nie eine wahre Einklemmung, keine wirklichen Ernährungsstörungen an Ort und Stelle her- vorrufen könne, anderseits überzeugen wir uns bei den Experimenten an Thieren, deren Schleimhautfalten zwar nicht sehr vertreten sind, dass, wenn eine starke Ab- schnürung des Darmrohres an dem Halse der Schlinge erfolet, durch das Transsudat der Mucosa eher eine gleichmässige Schwellung dieser Membran als eine theil- weise Erschlaffung mit faltenartigen Vorsprüngen be- wirkt werde. Oeffnet man nämlich eine eingeklemmte, prall gespannte Schlinge, so findet man in ihrem Innern viel schleimiges Secret und eine ganz ähnliche Schwel- lung des submueösen Zellstoffes und der Mucosa wie des subserösen Zellgewebes und der Serosa. Diese Veränderungen der Gewebe sind aber nur die Folge der durch die Einschnürung bestehenden Circulationsstörung und nicht die Ursache derselben; durch sie wird aber eine vorübergehende Paralyse der Muscularis bewirkt, in deren Folge und nicht durch Klappenmechanismus auch nach gehobener Schnürung öfters die Weiterlei- tung des Darminhaltes für einige Zeit erschwert oder unmöglich ist. Aus dem bisher Gesagten ersehen wir, dass unter keinen Umständen eine krampfhafte Art von Einklem- mung bei Brüchen auftrete und dass desshalb alle dar- über veröffentlichten Theorien als unbegründete und un- befriedigende bezeichnet werden müssen. Wir gehen jetzt zur Einklemmung, durch Entzün- dung des Bruchsackes und des Inhaltes desselben be- wirkt, über. Während Viele diese Art von Incarceration bezwei- feln, wollen Andere dieselbe als die gewöhnlichste er- kannt wissen und schränken, von der Idee ausgehend, dass bei entzündetem eingeklemmten Bruche die Pforten frei seien, die Herniotomie auf wenige Fälle ein. Dass häufig Bruchsack und Inhalt durch verschiedene Veranlassungen in einen pathologischen Zustand ver- setzt, sowie, dass in Folge von chronischen Congestiv- Zuständen, die sich aber oft durch keine besonderen Erscheinungen kundgeben, durch Exsudation, Bildung von Pseudomembranen, Verklebungen und Verwach- sungen ete. spätere Cireulationsstörungen in dem Bruch- Inhalte veranlasst werden, steht ausser Zweifel; ich muss aber, gestützt auf die in meiner eigenen Praxis, sowie anderer Collegen, gesammelten Beobachtungen die Entzündung des Bruches als Einklemmungsart ver- werfen, da ein grosser Unterschied zwischen der Ent- zündung einer Vorlagerung und einer wirklichen Ein- klemmung gemacht werden muss. Bei der ersteren be- steht keine Einschnürung einer Partie des Darmes inner- halb des Bruchcanales, kein mechanisches Missverhält- niss zwischen Raum und Masse und bleibt die Bruch- pforte frei; bei der letzteren muss aber, um dem rich- tigen Begriffe von Incarceration zu entsprechen, stets eine secundäre Circulationsstörung zugegen sein. Entzündet sich ein Bruchsack oder dessen Inhalt, was übrigens selten primär geschieht, so zeigt sich die Geschwulst zwar als sehr empfindlich, am Halse der- selben oder innerhalb des Canales sind aber nicht wie bei der wahren Einklemmung die heftigsten Schmerzen, die intensive Spannung und Schnürung wahrzunehmen. Gegen eine acute Entzündung des Bruches als Ein- klemmungsursache sprechen ferner, dass die Taxis in den meisten Fällen das Uebel hebt, was nicht geschehen könnte, wenn die Entzündung Ursache wäre, und dass, wie die Vertheidiger selbst behaupten, die Bruchpforten stets offen seien und desshalb die Herniotomie nicht an- gezeigt wäre. Nach meinen Beobachtungen verwechselt man häufig den nach vorausgegangener traumatischer Einklemmung auftauchenden, secundären Entzündungsprocess mit einer derartigen primären Affeetion des Bruches. Hin und wieder trifft man nämlich bei der Herniotomie nach Eröff- nung des Bruchsackes plastische Producte, wie z. B. Fibrinauflagerungen auf der Serosa des Darmes, Exsu- datfasern, neugebildete Adhäsionen zwischen Darm und Netz an, welche als Folge des gestörten Kreislaufes und der secundären Inflammation bei der bestehenden Einklemmung, nicht aber als Ursache derselben anzu- sehen sind. Der Erfolg der Operation sprieht schon hiefür, weil nach beendigter Reposition die Störung nieht so rasch gehoben werden könnte, wenn der Bruch- Inhalt sich in dem Zustande einer activen, wahren Ent- zündung befände. Eine secundäre Entzündung kömmt übrigens auch nicht einmal so häufig an der Vorlagerung selbst vor, da die abgeschnürten Partien gewöhnlich zu sehr in ihrer Ernährung beeinträchtigt sind und eher brandig absterben als einen andern Process eingehen. Die Inflammation etablirt sich dann oberhalb der schnü- renden Stelle, meistens am inneren Ringe. Anders verhält es sich mit der kothigen Einklem- mung. Diese Art kann nicht in Abrede gestellt werden, denn eine Ausdehnung des Darmrohres durch “den In- halt desselben, durch Anschoppung beobachten wir gar nicht selten. Sowohl Gasarten als kothige Massen, feste Stoffe, selbst fremde Körper (Fruchtkerne, Würmer, Gallensteine ete.) können längere Zeit in der vorliegen- den Darmschlinge verweilen, vergrösseren das Volumen derselben, werden durch Atonie des Darmrohres nicht mehr weiter geschafft und bewirken hiedurch ein Miss- verhältniss zwischen Masse, Bruchsack und Bruchcanal, in dessen Folge Cireulations- und Ernährungsstörungen eintreten müssen. Nicht durch Krampf der Bauchdecken, des Darmes oder durch eine Entzündung kömmt eine /ncarceratio stercorea zu Stande, sondern durch den Zustand der Schwäche der Darmmuseulatur. Wir nehmen desshalb diese Einklemmungsart namentlich bei alten, oft vor- liegenden ziemlich grossen Brüchen, die Partien des Dickdarmes enthalten, bei oft gestörter Verdauung, bei unregelmässigen Ausscheidungen, bei Neigung zur Con- stipation im Allgemeinen, nach dem Genusse blähender Speisen ete. wahr. Die Erscheinungen treten allmälig_ auf, die Einklemmung bleibt längere Zeit eine unvoll- kommene und erst nach und nach zeigen sich die Folgen des gestörten Kreislaufes durch Beemträchtigung der Lebensfähigkeit der vorgelagerten Partie. u Da bei alten Brüchen die Wandungen des Darmes nieht mehr rege arbeiten, der Motus peristalticus bedeu- tend verlangsamt ist, so erklärt es sich leicht, dass die Ansammlung von Inhalt in dem Darmrohr einen derar- tigen Grad erreicht, dass eine Weiterschaffung der Gase ete. der Muscularis unmöglich wird. Für diesen Zustand der Atonie und nicht des Krampfes spricht auch der Erfolg der Therapie, da bei dieser Art von einge- klemmten Brüchen solehe Mittel namentlich wirken, durch welche die Bewegungen des Darmrohres angeregt werden. Hierher rechne ich vorzüglich die Kälte in Form von Eiseompressen auf die Bauchgeschwulst ap- plieirt, reizende Clystiere und der innerliche Gebrauch von Rieinusöl. Mit Hilfe dieser Mittel gelang mir bis jetzt immer die Reposition der Vorlagerung. Die wichtigste und häufigste Einklemmungsart, die traumatische bleibt uns jetzt noch zu besprechen übrig. Durch sie kommt namentlich die Incarceration vorgelagerter Eingeweide, sowohl des Netzes, als Dar- mes ete. zu Stande und ihr hat man die vollste Auf- merksamkeit zu schenken, da sie rasch grosse Störungen in der Ernährung des eingeschnürten Theiles setzt. Hier tritt das mechanische Missverhältniss zwischen Bruchecanal und Bruch selbst plötzlich ein; durch rasche, äusserst kräftige, oft einseitige Muskelbewegungen, bei welchen von Seiten des Betroffenen keine Vorsicht ob- waltet, wie durch ungeschicktes, zu schnelles Heben schwerer Lasten, durch unvorsichtiges Springen, wie z. B. über Gräben, oder in das Wasser bei Schwimm- übungen, bei dem Bayonettfechten, ferner zu Pferde beim Setzen über Hindernisse, bei anstrengendem Blasen von Instrumenten, durch starkes Drücken bei Stuhlver- haltung, dureh Erschütterung bei heftigem Husten und Brechen, durch Drängen beim Gebären ete. entsteht entweder plötzlich eine Vorlagerung oder zu den schon vorliegenden Theilen fallen weitere vor. Durch die be- schriebenen Veranlassungen, durch die Kraftäusserung und einen hohen Druckgrad werden, wenn die Umge- gend der Canäle auf den Insult nicht gefasst ist, selbst durch kleine Lücken entweder, indem eine Einreissung stattfindet, oder momentan der Widerstand überwältigt wird, grössere Partien durchgedrängt und müssen hier- nach, wenn der überwältigende Druck aufgehört hat, durch das jetzt herbeigeführte Missverhältniss zwischen Raum und Bruchinhalt eingeschnürt werden. Der Zustand der Einklemmung ist also ein rein mechanischer und besteht darin, dass durch den Druck an der Incarcerationsstelle, sei diese an einem Ringe oder dem Bruchsacke selbst, die Circulation in dem vorliegenden Theile zuerst gestört, alsdann aufgehoben, hiedurch die Function beeinträchtigt und später die Le- bensfähigkeiten vernichtet werden. — Wie ich die Ver- änderungen am Krankenbette traf, so fand ich sie auch bei den Experimenten an Thieren, bei welchen eine Ein- klemmung vorgelagerter Darm - und Netzpartien künst- lich erzeugt wurde. Setzt man einem Hunde oder Ka- ninchen eine penetrirende Bauchwunde, befördert auf schonende Weise eine Darmschlinge aus der Unterleibs- höhle heraus, schiebt unter dieselbe eine reine Lein- 269 wandeompresse und beobachtet alsdann das Verhalten, so wird man, wenn das Thier ruhig ist und keine Ein- klemmung besteht, keine besonderen Veränderungen wahrnehmen. Der Kreislauf geht ungestört fort, nur trocknet durch den Einfluss der Luft die Serosa etwas ein und verliert ihren Glanz. Legt man aber um den Hals der Schlinge ein Fadenbündehen, übt nur einen gelinden Zug oder Druck aus, so beobachtet man, dass durch die Schlagader des Mesenteriums das Blut unge- hindert in die vorliegende Schlinge fliesse, dass aber der Rückfluss desselben durch die Venen in etwas ge- stört sei. Die Schlinge färbt sich desshalb dunkler, sie schwillt an und die Serosa wird feucht. Verstärkt man den Druck am Schlingenhals, so strömt zwar das ar- terielle Blut noch gut ein, allein die grösseren Venen- stämme sind schon darnach eomprimirt, dass eine be- trächtliche Stauung entsteht; die Injection der Gefässe nimmt auffallend zu, die Capillaren dehnen sich sehr aus, bersten, Extravasate treten auf und es ändert sich desshalb die Farbe der Schlinge, dieselbe sieht blaulich oder dunkelbraun aus. Die Anschwellung des Darmes nimmt immer mehr zu, die Oberfläche sondert eine grössere Quantität von Flüssigkeit ab und öffnet man die Schlinge, so findet man alle Gewebe reichlich durch- feuchtet und Erguss von Schleim und Serum als Pro- duet des gehinderten Blutlaufes in der Mucosa im Innern des Rohres. Schnürt man die Schlinge der Art ab, dass die Mesenterialarterie nicht mehr pulsirt, so erkaltet der vorliegende Theil, der Glanz der Oberfläche verliert sich, die Färbung wird eine dunkelviolette oder braune und nach einiger Zeit lässt die Spannung der Gewebe nach, wird die Masse weicher und geht der Auflösung entgegen. : Liegt das Netz vor, so färbt sich bei beginnender Schnürung durch Störung des Kreislaufes dasselbe dunkler, Theile des Blutes treten aus, die Masse schwillt an, wird derber, klumpiger. Kann kein Blut mehr durch die Schlagadern fliessen, so entsteht brandiges Absterben, wobei sich das Netz schmutzig gelb oder grünlich färbt. Die Entzündung, welche nach Einklemmung vor- liegender Theile auftritt, kann desshalb nur als eine secundäre angesehen werden und etablirt sich als Folge des Congestirungszustandes und entsprechender Reizbar- keit des Nervensystems meistens oberhalb der Einschnü- rungsstelle. Ist die Einklemmung keine vollkommene, besteht sie einige Zeit, so zeigen sich eher Entzündungs- Producte an der vorgelegten Schlinge und in dem Bruch- sacke, wie Flocken im Bruchwasser, fibrinöse Auflage- rungen auf der Serosa, Verklebungen einzelner Partien unter einander. Immer geht aber diesem Processe die wirklich mechanische Störung in dem Blutlauf der vor- gelagerten Masse voraus. Fassen wir Alles zusammen, schenken wir sowohl den anatomischen Verhältnissen, als den Beobachtungen und Erfahrungen am Krankenbette und dem Operations- tische, sowie dem Ergebnisse der Experimente an Thieren unsere volle Aufmerksamkeit, so können wir uns über- zeugen, dass die Einklemmung nur durch ein mechani- 270 sches Missverhältniss zwischen Bruchcanal und Bruch- masse zu Stande komme, dass die Ursache dieses Zu- standes entweder in der zu grossen Masse der vorlie- genden Theile oder in einer Anschwellung derselben liege, dass die sogenannte krampfhafte Einklemmung nicht nachgewiesen werden könne, dass eine Entzün- dung des Bruches nicht mit wahrer Einklemmung ver- wechselt werden dürfe, und dass wir desshalb nur zwei Arten von wirklicher Incarceration aufstellen können, nämlich die Incarceratio traumatica, als die gewöhnlichste und gefährlichste, welche meistens eine vollkommene und acute durch zu heftige Muskelanstrengung hervorgerufen ist, und die /ncarceratio stercorea durch Anschoppung von Massen in dem Inneren des Darmrohres selbst veranlasst. Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident: Professor Bruns. Dr. Battlehner von Renchen: Ueber die Gestaltung des Lappens, und die Wahl des Ortes, dem er zu entnehmen, bei Nasenbildung aus der Stirnhaut. Wie sehr die Aussicht eines sicheren Erfolges durch Verbesserung der genannten Operation in neuerer Zeit auch zugenommen hat (ich verweise auf Friedberg’s Chirurg. Klinik, Jena 1855. Band I., in welcher das Neueste hierüber ausführlich mitgetheilt wird), so lässt sie sich doch noch steigern. Es fehlte der Zeichnung des Modells auch nach den jüngsten Vorschriften eine genauere, mathematisch be- stimmtere Form, wodurch namentlich die Symmetrie, die wesentliche Bedingung einer gut gelungenen Rhino- plastik, vollständiger, als bisher erreicht wird. Um diese wünschenswerthe Eigenschaft zu erzielen, entwerfe ich die Zeichnung des Modells wie folgt: Ich nehme zu beiden Seiten der zu bildenden Nase zwei symmetrisch gelegene in die Anfrischungsschnitte fallende Punkte an, die etwa in der Mitte zwischen Nasenwurzel und den Enden der Nasenflügel liegen. Nun ermittle ich, wie breit der den Nasendeckel über- wölbende, zur Fläche ausgebreitete Lappen an Stelle dieser zwei Punkte misst und trage dieses Maass als eine gerade Linie aufs Papier. Den Theil des Lappens von der Brücke bis zu den zwei Punkten will ich hinteren oder Brückentheil, den übrigen (für die Nasenspitze, Septum, Nasenflügel u. s. w. bestimmten) den vorderen oder Nasenkörpertheil nennen. Die Gegend, in welche die Endpunkte der Brücken- ränder fallen und ihr Abstand von einander (die Brücke wird je nach Art und Grösse des Defektes, und nach der Beschaffenheit der Stirnhaut äusserlich mehr oder weniger breit genommen) wird ebenfalls genau bemerkt. Der Weg von dem nach Aussen gelegenen über den Nasenrücken nach dem jenseits gelegenen symmetrischen Punkte, so wie die Entfernung des zunächst der Nasen- wurzel befindlichen Punktes, nach dem symmetrischen Punkte auf derselben Seite der Nase ist zu messen. Die gewonnenen Längen werden auf die Enden der oben genannten Linien, welche die Breite des Lappens an Stelle der symmetrischen Punkte ausdrückt, aufge- zeichnet. Ich erhalte dadurch eine trapezoide Figur, die Form des hinteren oder Brückentheils des Lappens. Auf den Mittelpunkt der dieser Figur abgewendeten Seite der als Basis benützten Linie wird nun eine Senk- rechte gefällt und zu beiden Seiten derselben vollkom- men symmetrisch der untere oder Körpertheil (Nasen- spitze, Septum, Nasenflügel) gezeichnet. Bei den ver- schiedenen Grössen ist so viel zuzugeben, als sich der Lappen nach seiner Lostrennung möglicher Weise zusammenzieht. Der auf diese Weise gewonnene Haut- lappen braucht einmal losgetrennt nicht mehr gezerrt, gespannt oder durch bei dieser Operation verwerfliche Ergänzungssehnitte tauglich gemacht zu werden um auszureichen, es wird nach seiner Anheftung nicht etwa ein Nasenflügel höher oder tiefer stehen als der andere. Die zweite Verbesserung besteht in einer richtigern' auf die anatomischen Verhältnisse gegründeten Wahl der Stirnhautgegend, welche zur Lappenbildung ver- wendet werden soll. Ich lege das nachträglich in Heftpflaster ausge- schnittene Modell nicht, wie bisher üblich, so auf die Stirne, dass der Längendurchmesser des Lappens die Mittellinie der Stirne in einem mehr oder weniger spitzen Winkel durchschneidet, sondern in der Art, dass der Längendurchmesser des Lappens vollkommen auf die Seite der Mittellinie der Stirne (mit ersterer mehr oder weniger parallel laufend) zu liegen kommt, auf welcher die Brücke sich befindet, und erreiche dadurch sehr erhebliche Vortheile. - Es gilt bei plastischen Operationen im Allgemeinen und namentlich bei der Rhinoplastik aus der Stirnhaut der Grundsatz, dass um so eher ein glücklicher Erfolg gehofft werden kann, je besser der Lappen ernährt wird. Die Ernährung wird aber um so besser vermit- telt, je weniger die Zufuhr arteriellen Blutes gestört, je vollständiger das venöse Blut rückfliessen kann, und je geringer die Unterbrechung der Nerventhätigkeit in dem Lappen ist. Diese Erfordernisse sind bei meiner Öperations- methode so umfangreich als möglich gewahrt. Während bei der bisher üblichen schrägen Auflage des Modells der grössere Theil des Lappens, welcher auf die der Brücke entgegengesetzte Seite der Stirne fällt, von seinen Nervenzentren getrennt wird, bleibt nach meiner Methode der unverletzte Stamm und die fast vollständige in die meisten Parthien des Lappens gehende Verästelung des nerv. supratrochlearis. ’ Da die art. frontalis immer durchschnitten wird und zwischen den beiden fast parallel laufenden art. frontales wenige Anastomosen bestehen, so geht es mit der arte- riellen Zufuhr wie mit den Nerven, sie wird bei schiefer Auflage grösstentheils gestört, während in dem Haupt- lappen, der hauptsächlich auf der Brückenseite der Stirne gewonnen wird, eine von der in der Brücke sich befindenden art. frontalis gespeiste fast ununterbrochene arterielle Verzweigung erhalten bleibt, indem die art. ‚Frontalis namentlich gegen die von der art. temporalis superfieialis kommenden rami jrontales häufige Anasto- mosen eingeht. Den Arterien entsprechend und (weil plastische Hautlappen häufiger brandig zu Grunde gehen aus ge- hindertem Abfluss, Ueberfüllung und Stagnation des Blutes) fast noch wichtiger ist die Erhaltung der ven« supraorbitalis und eines in sie mündenden unverletzten Venennetzes. Wir erreichen aber noch einen weiteren Vortheil, wenn auch untergeordneter Bedeutung. Der Seitenrand des Lappens, welcher bei der Dre- hung und Anheftung über den Nasenrücken streichend | auf die der Brücke entgegengesetzte Seite der Nase zu liegen kommt, muss je nach Bedürfniss, je nachdem noch ein knöchernes Nasengerüste vorhanden ist oder nicht, mehrere Linien länger sein als der Rand auf der Brückenseite der Nase. Bisher ist es nun stets der längere Rand des Lappens, welcher geradenwegs dem behaarten Theile des Kopfes zustrebt, und zu dessen Ende immer eine mit Haaren bewachsene Haut ver- wendet werden musste. Nach meiner Operationsweise aber durchläuft dieser längere Rand nicht den senk- rechten Durchmesser der Stirne, sondern seine Richtung geht schräg nach oben und aussen, und ist nun auf der Brückenseite unbehaarte Stirnhaut genug zu dessen Verwendung. Da der Raum nicht gestattet, das Gesagte durch Zeichnungen zu erläutern, so beschränke ich mich auf diese Skizze meines Vortrages und behalte mir vor, denselben in Bälde ausführlicher abzuhandeln und na- mentlich zwei von mir nach dem angegebenen Verfah- ren operirte Fälle mit vollkommen günstigem Erfolge und meine dabei gemachten Beobachtungen über das Gefühl der neugebildeten Nase ausführlich zu be- sprechen. An der hierüber entstandenen lebhaften Dis- eussion nahmen Geh. Rath Chelius, Regiments- arzt Dr. Beck, Professor Bruns und Professor Roser Theil. Chelius gab einige practische "Winke über Rhinoplastik, ohne die vorgetragene "Operationsmethode zu. verwerfen. Regimentsarzt Dr. Beck glaubt, dass die Rhinoplastik seit Dief- fenbach keine Fortschritte gemacht habe. Prof. Bruns hält die Verbesserung nicht für so wesent- 271 lich. Prof. Roser schenkte der ÖOperationsweise den vollen Beifall. Professor Roser aus Marburg: Ueber den Klappenmechanismus bei der Bruchein- klemmung nebst einigen Bemerkungen über Ver- engungsklappen. Die meisten eingeklemmten Brüche zeigen eine Härte, welche bei der bisherigen Einklemmungstheorie unerklärt blieb. Mir wenigstens schien es immer ein Räthsel, wie ein eingeklemmter Bruch eine so auffallende Härte bekommen und besonders wie ein so harter und prall gespannter Bruch doch noch, und gar oft von selbst, wieder zurükgehen konnte. Nach vieljährigem Refleetiren und Beobachten und nachdem ich mir hun- dertmal den Kopf darüber zerbrochen, kam ich zu der Ueberzeugung, dass hier eine Art Klappenmecha- nismus stattfinden und dass die Härte des Bruchs auf einer Absperrung des Inhalts der eingeklemmten Schlinge, vermöge einer klappenartigen Faltenbildung an dem von der Bruchpforte beengten Darmtheil, beruhen müsse. Beim weiteren Verfolgen dieses Gedankens gerieth ich auf ein Experiment, welches den angenommenen Klap- penmechanismus sehr bestimmt nachweist und sehr deutlich erkennen lässt. Der Versuch ist eben so ein- fach als beweiskräftig. Da aber gegen diesen meinen Versuch und die darauf gestützte Lehre von den Bruch- einklemmungsklappen in dem Vortrag des Herrn Collegen Beck Zweifel erhoben wurden, so erlaube ich mir, den Versuch vorzuzeigen. Das Experiment gelingt zwar an einem schlaffen todten Darm weniger deutlich; man muss, um das Experiment recht auffallend zu ma- chen, den todten Darm, durch Injeetion von Wasser in eine Gekrösarterie, in einen turgiden, dem lebendigen Darm mehr ähnlichen Zustand versetzen; aber die Her- ren Collegen werden doch an dem hier vorhandenen Darm sehen können, dass eine Art klappenförmiger Absperrung stattfindet, und jedenfalls werden Sie sehen können, wie das Experiment gemacht wird. Da dasselbe sich ohne allen Zeitverlust bei jeder Section wieder- holen lässt, und da man ein solches Experiment selbst gemacht haben muss, um seine überzeugende Kraft ganz zu erfahren, so möchte ich die Herren Collegen auffordern, das Experiment zu wiederholen; dasselbe ist von so schlagender Wirkung, dass es Niemand ohne Erfolg unternehmen wird. Man bringt eine Darmschlinge, halb mit Flüssigkeit gefüllt, in einen Ring, welcher etwa das Kaliber des kleinen Fingers besitzt, Treibt man nun den Darm- inhalt in die vorliegende Schlinge und sucht sofort die- selbe durch Compression von ihrer Spitze her wieder zu entleeren, so sieht man eine Spannung des Darm- inhalts gegen den beengenden Ring eintreten; der ent- sprechende Darmtheil wird prall angefüllt, es entleert sich aber Nichts durch denRing durch, sondern je mehr man drückt, desto praller wird der vor dem Ring be- findliche Darmtheil. Der Darminhalt ist also in der 272 Schlinge abgesperrt und der Grund der Absperrung liegt nicht in der Enge des Rings; denn dieser ist gross genug, um noch der Fingerspitze neben dem Darm Raum zu gewähren, sondern der Grund muss in einer Ventilwirkung gesucht werden, in der Formation von Faltenklappen, die man auch zu Gesicht bekommt, wenn man die Darmschlinge aufschneidet und mit kla- rem Wasser anfüllt. Das Experiment ist so einfach und leicht, es kann, wie gesagt, bei jeder Section angestellt werden, es be- darf nichts dazu als eines Stückchens biegsamen Drahts, um daraus einen Ring von entsprechendem Kaliber zu formiren ; ich meine, es sollte jeder College, der sich mit Behandlung eingeklemmter Brüche abgibt, dieses Experiment nachahmen, um von dem hier vorkom- menden Mechanismus eine ganz klare Vorstellung zu erhalten. Ich will hier nicht alles wiederholen, was ich über diesen Gegenstand in meiner Abhandlung vom Jahre 1856 (Archiv für physiologische Heilkunde) und in der dritten Auflage meines Lehrbuchs, das so eben die Presse verlässt, veröffentlicht habe. Ich möchte aber, um das Resultat meiner Beobachtungen über diesen Punkt noch schärfer zu fassen, als dies in meinen früheren Publi- cationen geschehen ist, noch die Bemerkung mittheilen, dass es vom Standpunkte meiner Klappentheorie dreierlei Einklemmungszustände gibt. Diese sind: 1) die ge- wöhnliche Brucheinklemmung, wobei die klap- penartige Absperrung stattfindet. 2) die Absperrung ohne eigentliche Einklemmung. 3) die Ein- klemmung des leeren Darms. Bei der gewöhnlichen Brucheinklemmung ceombinirt sich die Klappenabsperrung mit der venösen Stase; es leidet dabei die Circulation in dem vorliegenden Darm- theil und die Fortleitung des Darminhalts. Es gibt aber, wie ich mich wiederholt überzeugt habe, Fälle von klappenförmiger Absperrung eines vorliegenden Darms, ohne dass eigentliche Einklemmung hinzukäme. Man trifft Brüche an mit vorgelagerter, tympanitisch tönender Darmschlinge, welche nicht entleert und nicht reponirt werden können und doch keine Einklemmungsbeschwer- den herbeiführen. Die Brüche dieser Art sind oft prall gefüllt, auch wohl hart anzufühlen, beim Comprimiren lässt sich nichts in den Unterleib zurückdrücken, son- dern der Darminhalt spannt sich gegen die Bruchpforte hin; es geht eben so zu, wie bei dem Experiment am todten Darm. Die Annahme einer Klappe ist hier, wenn man das Phänomen erklären will, gar nicht zu umgehen. Ich habe Fälle solcher Art 10 und 14 Tage lang in der Klinik beobachtet. Die Reduction erfolgte theils von selbst, theils nach Anwendung von Klystieren und Abführmitteln, z. B. von Tinetura colocynthidis, die ich nach A. Cooper’s Vorgang hier verordnete. Man muss wohl annehmen, dass in den Fällen dieser Art die Klappe durch den Motus peristalticus verscho- ben und gelüftet wird, und dass hiermit die Fortleitung des Darminhalts oder die Reduction des Bruchs möglich gemacht ist. Bei der Einklemmung des leeren Darms fällt die Klappenwirkung weg. Sie kann aber nach Exsudation von Serum in den Darm hinzukommen. Ich glaube, es gibt Fälle, und ich meine einen solchen beobachtet zu haben, wo die Einklemmung nur auf der Anschwellung des Darms durch die venöse Stase beruht. Wenn ich nicht irre, so bin ich der Erste gewesen, der die Einklemmung des leeren Darms zur Sprache brachte; ich habe die Vermuthung, dass solche Fälle vorkommen, schon in der ersten Auflage meines Handbuchs (1843) ausgesprochen. Die Einklemmung erfolgt unter solchen Umständen wohl immer sehr rasch, die Symptome treten stürmisch auf, die Taxis gelingt wohl gar nie und nur frühzeitige Operation kann helfen. Ich will mich aber jetzt über diesen Gegenstand, um nicht wiederholen zu müssen, was ich im Archiv für physiologische Heilkunde und in meinem Lehrbuch habe drucken lassen, nicht weiter verbreiten, sondern bitte nur noch Einiges anführen zu dürfen, was meiner Lehre von der pathologischen Klappenbildung zur Vervollständigung dient. Nachdem ich im Jahr 1854, in der Tübinger Versammlung, die Lehre von den Ab- scess- und Fistelklappen vorgetragen, und im Jahr 1856 die Theorie der Einklemmungsklappen veröffentlicht habe, so möchte ich jetzt noch an eine dritte Reihe von Klappenformationen erinnern, welche zwar nicht unbe- kannt, aber doch viel zu wenig beachtet worden sind, nämlich die Verengungsklappen. *) Man hat die- selben fast nur am Blasenhals und an der Harnröhre bis jetzt beobachtet; ich möchte mir daher erlauben, zwei Fälle zu erzählen, wo ich am Recetum und an der Luftröhre eine klappenförmige Verengung wahrgenom- men habe oder annehmen zu müssen geglaubt habe. Der Fall von Klappenverengung im Rectum ist fol- gender: Ein vierjähriges Kind litt an Verstopfung und Auf- treibung des Bauchs; die Untersuchung ergab einen Zoll hoch im Rectum eine ringfaltenförmige Striktur ; man konnte den kleinen Finger, zur Noth auch den Zeigefinger durchführen; über der Striktur bildete der Darm eine grosse Höhle mit weichem Koth angefüllt. Der Koth konnte bei dem Drängen des Kindes, trotz der weichen Consistenz, nicht gehörig entleert werden; wenn etwas kam, so waren es unbedeutende schmale bandförmige Massen; wenn man viele Spritzen voll Luft oder Wasser injieirte, so kam von selbst nichts *) Ich hätte noch eine vierte Reihe pathologischer Ventil- wirkungen anführen können, nämlich die Kugelventilwir- kung, wie man sie bei manchen Brüchen durch birnförmige oder kugelige und dabei schmal gestielte Netzknollen (vgl. meine Theorie der Brüche 1841 und mein Handbuch dritte Aufl. S.297) beobachtet. Hieher gehört auch die merkwürdige Theorie von Simpson, on ball-valve-obstruction of the rectum. Harte Koth- ballen legen sich vor den Ausgang des Rectums, und das Rectum verstopft sich um so fester, wenn der Kranke drängt. Lässt der Kranke im Drängen nach, so sieht man flüssigen Koth meist in geringer Menge herauskommen; während des Drängens wirkt der Kothballen als Kugelventil. Ich ‚habe diese Beobachtung des berühmten Edinburger Gynäkologen mehrfach bestätigt gefunden. davon zurück. Ging man aber nun mit einer Sonde ein und drückte die Strikturfalten zur Seite, so stürzte Wasser und Luft plötzlich heraus, ähnlich wie wenn das Ventil einer Windbüchse gelüftet wird. So wie die Sonde zurückging, so klappte sich die Striktur mit scharf abgebrochenem Tone zu und es kam nichts mehr. Dieser Versuch wurde vielmals wiederholt und nament- lich während der gleich zu beschreibenden Operation in der Klinik demonstrirt. Die Klappe schien aus einer vorderen und hinteren, den Venenklappen ähnlichen Schleimhautfalte, mit eini- ger fibröser oder muskulöser Verstärkung, zu bestehen, und ich beschloss die Verengung in ähnlicher Art zu behandeln, wie man die Verengung der Vorhautöffnung, die Phimose, operirt. Die Klappe sollte eingeschnitten, und dann sollten, ähnlich wie es vielfach bei der Phi- mosenoperation geschieht, rechts und links Suturen angelegt werden. Damit die Striktur zugänglicher würde, ward eine Ineision in den Anus gegen das Steiss- bein hin gemacht, der Anus durch Gehülfen auseinan- dergehalten und die Klappe, die sich ziemlich mobil zeigte, mit einem Augenlidhalter oder mit einem stumpfen Doppelhaken herabgezogen. So konnte sie hinreichend zu Gesicht gebracht werden. Ich hielt für’s Beste, erst die Fäden, wie man auch bei der Phimose öfters em- pfiehlt, einzuführen, ehe ich an das Durchschneiden ging. Es wurden also rechts und links neben der Mittel- linie je zwei Fäden in die hintere Klappenfalte einge- führt, was mit dem Nadelhalter und mit krummen Gau- mennadeln leicht zu bewerkstelligen war. Als die Fäden plaeirt waren, wurde mit einer Kniescheere die Durchschneidung der Klappe vorge- nommen und sogleich die Naht an beiden Seiten zu- sammengeknüpft. Die Blutung war unbedeutend. Ich hielt für gut, mich mit der Trennung der einen hinteren Klappe zu begnügen. Zur Nachbehandlung geschah nichts, als dass vom vierten Tag an fleissig klystiert wurde. Die Fäden liess ich durcheitern. Das Kind wurde in der folgenden Woche immer fähiger, seinen Mastdarm willkürlich zu entleeren, die Striktur _ erzeugte sich nicht wieder, und nach den Nachrichten, - welche ich seither erhalten, befindet sich die Kleine so wohl, dass ich sie als geheilt ansehen darf. Der andere Fall, welchen ich zu erzählen habe, der Fall einer klappenförmigen Luftröhrenverengung,, ist in diagnostischer Beziehung nicht so klar, wie dieser, in- dessen die Herren Collegen sollen selbst urtheilen , ob meine Vermuthung, mein Schluss auf eine klappenför- mige Verengung der Luftröhre gegründet sein mag, oder nicht. Ein dreijähriger Junge litt schon mehrere Wochen an zunehmenden asphyktischen Zufällen. Die Krankheit wurde als chronische Laryngitis betrachtet, und da gar nichts helfen wollte und die Sache sich immer ängst- licher gestaltete. wurde ich zugezogen, um den Luft- röhrenschnitt zu machen. Der Junge hatte alle Symp- tome einer chronischen, langsam steigenden Asphyxie. Der Athem rasselnd, häufig, mühsam, das Gesicht blass, leicht gedunsen, in einzelnen nächtlichen Anfällen kam 275 bläuliche Färbung. Das Kind war müde, unruhig, schläfrig mit häufigem ängstlichen Aufwachen. Die Aus- eultation ergab nichts, als das Rasseln in der Trachea. Es war trotz sorgfältiger wiederholter stundenlanger Beobachtung nichts weiter herauszubringen. Ich dachte gleich an.einen fremden Körper, aber es kam kein Zei- chen dafür weiter zum Vorschein. Die Symptome nah- men zu. Die Tracheotomie, welche ich noch ein Paar Tage verschob , schien unvermeidlich, und so wurde, wenngleich ungern genug, bei so zweifelhafter Diagnose, die Operation vorgenommen. Als die Luftröhre eröffnet war, trat keine Erleichterung des kleinen Patienten ein; die eingelegte Canüle schien denselben eher zu be- schweren; zugleich kam die bisher nicht beobachtete Erscheinung, dass öfters die Expiration ein Hinderniss zeigte. Man sah die Exspiration mit einem auffallenden scharf abgebrochenen Klappton unterbrochen werden, so deutlich, dass man zur Annahme eines klappenartigen Exspirationshindernisses genöthigt schien. Von einem fremden Körper war beim Sondiren der Luftröhre nichts zu entdecken. Alles Auseultiren oder Percutiren,, alles stundenlange Beobachten und Nachsinnen führte keine Aufklärung herbei. Dagegen wurde durch Einführen eines gewöhnlichen männlichen Katheters das befrie- digende Resultat erreicht, dass sogleich die Respiration und der Puls und das ganze Befinden des Kranken sich beruhigten, wenn dieser Katheter bis zu 1), oder 3 Zoll tief, also wohl bis zur Bronchialtheilung hin, ein- geführt war. Das Experiment wurde viele Dutzend Mal wiederholt, immer mit demselben deutlichen Effekt. Ich liess sogleich eine Canüle von 3 Zoll Länge machen und legte sie dem Kind an; so wie die lange Canüle drin lag, so war der kleine Kranke ruhig. Man konnte den ruhig gewordenen Puls an den Bewegungen der langen Canüle, da diese von jeder Aorten - Pulsation gehoben wurde, in sehr auffallender Weise wahrnehmen. Der kleine Kranke blieb von jeder Beschwerde frei, während er die lange Canüle in sich hatte. Ich liess denselben in der zweiten Woche spazieren fahren, später sogar auf der Strasse spielen mit seiner langen Canüle in der Luftröhre. Das Hinderniss in der Luftröhre schien sich allmälig zu heben; die Respiration ging auch beim Wechseln der Canüle, wenn man sie einige Minu- ten wegliess, immer ungestörter. Nach sechs Wochen vertauschte ich die lange Canüle mit einer kürzeren und engeren, um zu probiren, ob wohl das Instrument ganz zu entbehren wäre, und da sich in 14 Tagen keine Beschwerden mehr einstellten, wurde die Canüle ganz weggelassen. Der Patient ist unterdessen, es sind jetzt 5—6 Jahre, von allen Respirationsbeschwerden ver- schont geblieben und kräftig herangewachsen. Meine Vermuthung, die ich freilich nicht beweisen kann, aber die doch Manches für sich haben mag, geht dahin, dass eine vorspringende und angeschwollene Schleimhautfalte in der Luftröhre gewesen sein mag, dass diese Falte durch die Canüle niedergedrückt und ausgeglichen worden sei, und so die Phänomene und die Heilung sich erklären. Bis jetzt ist freilich von ähnlichen Formationen in der Luftröhre nichts publi- 35 274 eirt worden; der einzige Fall von Diagnose und Hei- lung einer Luftröhrenstriktur, der mir bekannt geworden ist, ist der in Liston’s Elements erwähnte. Liston will, es klingt wohl Manchem etwas unwahrscheinlich, eine Luftröhrenstriktur bei Gelegenheit eines Luftröh- renschnitts durchschnitten und geheilt haben. Wenn die Sache richtig ist, so mag wohl die Striktur eine ringfaltenartige oder klappenförmige Organisation ge- habt haben, wenigstens wäre so die Heilung des Uebels durch den Schnitt am leichtesten zu erklären. Ich will, wie schon gesagt, meine in dem obigen Fall ge- stellte Wahrscheinlichkeits - Diagnose nieht für unan- greifbar erklären, aber ich werde dieselbe wohl vor- läufig aufrecht erhalten dürfen, so lange sich keine andere Erklärung der Phänomene finden lassen will. Regimentsarzt Beck äusserte sich dahin, dass das Experiment ihn nicht von einer Klappenbildung überzeugen könne und dass bei einem solchen Versuche keine Aehnlichkeit mit den natür- lichen Verhältnissen bei der Incarceration eines lebenden Darmstückes bestünde. Der Scheerenring sei nieht mit der Bruchpforte zu vergleichen, bei dem Experimente fehlten der Bruchcanal, Bruchsack, das Bruchwasser und namentlich die eigene Lebensfähigkeit und Thätig- keit, die Bewegungen eines gesunden Darmstückes. *) *) Um nicht ungerecht und einseitig zu sein, habe ich seither das Roser’sche Experiment sowohl an Darmstücken von Men- schen als Thieren, theils frischen, theils auch solchen, deren Gefässe mit weicher Masse gefüllt waren, angestellt, hiebei aber eine Klappenbildung nie wahrnehmen können. Wird eine nach Roser’s Vorschlage präparirte Darmschlinge durch einen engen Ring gezogen, so versteht es sich, dass der Inhalt des Darmes zurückbleibt und dass das durchgezogene Stück leer sei, weil sich bei diesem Acte ein mechanisches Miss- verhältniss, das am Lebenden jedenfalls Cireulationsstörungen zur Folge hätte, geltend macht. Lässt man nun durch Heben der gefüllten Darmenden den Inhalt — Luft und Wasser — allmälig durch den Ring in den vorderen Theil fliessen, so schwillt der letztere natürlich auf, und versucht man jetzt, den vorgetretenen Inhalt zu reponiren, so ist der Erfolg je nach der Manipulation ein verschiedener. Hält man nämlich die zwei zugebundenen Darmstücke in horizontaler Lage oder etwas ge- hoben, presst nicht den Inhalt gegen den Ring, so ist beim Druck auf die convexe, gleichsam vorliegende als eingeklemmt angesehene Schlinge, der Inhalt derselben recht gut durch das bestehende Hinderniss, den Ring, zurückzubringen. Hebt man aber hinter dem Ringe die Darmenden stark in die Höhe, drückt den übrigen Inhalt in denselben gegen den Ring, so staut sich natürlich beim Reponiren des Wassers und der Luft in der Darm- schlinge die Masse an dem Ringe, der Inhalt kann nicht leicht durch und es legt sich desshalb ein Theil der angedrückten, jegliches Cantraetionsvermögen ete. entbehrenden Darmwand über den Ring, bildet hier einen cul-de-sac, in welchem sich eine Quantität des Inhaltes sammelt. Eine eigentliche Klappen- bildung kommt übrigens auch bei diesem dem natürlichen Pro- cesse ganz unähnliehen Manöver nicht zu Stande, denn wenn man im Momente des Umlegens des Darmes über den Rand des Ringes rasch das Darmrohr öffnet, um sich von einer Faltung der Mucosa und einem Uebereinanderlegen der Falten derselben zu überzeugen, so sieht man nichts von derartigen Veränderungen der Schleimhaut. Das Experiment, was zwar von vornenherein als ein nicht stichhaltiges bezeichnet werden muss, da bei demselben die Thä- tigkeit der Darmwandungen, die peristaltischen Bewegungen, die Dr. Bruck aus Breslau: Ueber die perpendiculäre Zahnextraction. Ohne mich in eine historisch-kritische Darstellung der verschiedensten Extractionsinstrumente einzulassen, deren Bekanntschaft ich hier voraussetzen darf, habe ich mich in einer langjährigen Erfahrung von der Unzu- länglichkeit der vorhandenen und bisher gebräuchlichen Instrumente überzeugt. Die Nothwendigkeit und das Bedürfniss haben mich also veranlasst, über die Con- struction von Instrumenten nachzusinnen, die auf eine einfache und leichte Weise mit Vermeidung aller der Nachtheile, welche man mit Recht allen bisher gebräuch- lichen Instrumenten zuschreiben muss, einen Zahn oder seine Wurzeln entfernen können. In den von mir con- struirten Zangen, die ich zu erproben vielfache Gelegen- heit gehabt, lege ich Ihnen nun solche Werkzeuge vor, welche die beregten Vortheile in sich vereinigen; ihre Gebrauchsweise erfordert keine langjährige Uebung, ist vielmehr leicht und vermeidet eine Verletzung des Kiefers, des Zahnfleisches und beeinträchtigt niemals durch Contact die Nachbarzähne. Die Brauchbarkeit dieser Zangen und ihr Vorzug vor andern Extractions- instrumenten, sowie auch vor den von Thomson an- gegebenen Zangen, liegt natürlich in der besondern Construction, die ich ihnen gegeben habe. Diese Construction basirt zunächst darauf, dass die Einbringung des Instruments in den Mund und resp. an den Zahn parallel ist auf dem betreffenden Zahn- bogen, aus dem der Zahn entfernt werden soll. Das zweite Hauptmoment, durch welchen die Extraction an diesen meinen Zangen leichter wird, liegt darin, dass der Zug selbst, es mag die Extraction welchen Zahn sie wolle betreffen, immer eine perpendiculäre ist; bei den obern Zähnen perpendiculär abwärts, bei den untern perpendiculär aufwärts; denn ich habe es der Natur am angemessensten gefunden, dass der Zahn in derselben Richtung herausgezogen werde, in welcher er sich in seiner Alveole befindet, und das ist in normal gebildeten Kiefern bekanntlich immer die perpendiculäre; selbst die Luxation unmittelbar vor der Extraction, soweit sie etwa erforderlich wird, lässt sich ohne Berührung der Nachbargebilde ausführen und der Raum selbst bei den hintersten Weisheitszähnen ist weit genug, um auch diese in perpendieulärer Richtung entfernen Resistenz der Gewebe, der Bau des Bruchcanals, der Einfluss der Verhältnisse des Bruchsackes und des Bruchwassers, der Umgebung des Bruches etc. nicht berücksichtigt werden, eine todte, häutige Masse, die durch einen eisernen Ring gezogen wird, die Vor- gänge während des Lebens imitiren sollen, hat mich wie die anwesenden Collegen von einer Klappenbildung als Wesen der Incarceration nicht überzeugen können. Noch immer halte ich die Einklemmung in einem rein mechanischen Missverhältnisse zwischen Masse und Raum mit hiedurch verursachter Cireu- lations- und Ernährungsstörungen begründet und behaupte auch fernerhin, dass die Schwellung der vorliegenden eingeklemmten Schlinge nicht durch Klappenbildung, sondern durch Trans- und Exsudation sowohl in’s Innere des Rohrs als der Darmwandung selbst. Folge des behinderten Kreislaufes, der venösen Hyper- ämie, entstehe. zu können. Um diese beiden Hauptmomente durch- führen zu können, war es nothwendig, das Maass der von dem Operateur anzuwendenden Kraft zur Extrac- tion so viel als möglich zu verringern und einen Grund- satz in der Chirurgie zur Geltung zu bringen, der zwar schon früher allgemein anerkannt, aber bei der Unvoll- kommenheit der Instrumente nicht hat realisirt werden können, nämlich den, dass man den Zahn herausziehen und nicht herausreissen solle. Keine Operation, am allerwenigsten diejenige, welche feststehende, in andere Körpertheile eingekeilt und striet mit ihnen verbundene Organe entfernen soll, kann der Kraft von Seite des Operateurs entbehren; aber eine derartige Operation statt mit verhältnissmässiger Kraft, mit ungemessener Gewalt zu vollziehen, das kann nur entweder der Un- geschicklichkeit des Operateurs oder der Unzweckmässig- keit des Instrumentes beigemessen werden; und es ist nur ein glücklicher Zufall, unabhängig von dem Vor- bedacht des Operateurs, wenn etwa die Nachtheile einmal ausbleiben, die sonst gewöhnlich mit dergleichen gewaltsamen Actionen verbunden sind. Hiernach ist die Construction meiner Zangen der Art, dass eine Kraftersparniss bewirkt wird, indem das Hypomochlion dem Angriffspunkte näher gerückt ist, dass die Schenkel in einer proportionirten Länge zu der muthmaasslichen Kraft stehen, d. h. zu den Schenkelng welche die Entfernung des Stützpunktes von dem Punkte der Last ausdrücken. Um das durch ein Beispiel zu erläutern, setze ich hinzu, dass ein Zahn eine Last von 100 Pfund repräsentirt, welche eben ausgehoben werden müsste, so würde, wenn der Stützpunkt in gleich weiter Entfernung vom Angriffspunkte der Kraft und der Last wäre, mindestens eine gleiche Kraft erforderlich sein, um den Zahn zu entfernen; je näher aber der Stützpunkt dem Angriffspunkt der Last gerückt wird, ein desto grösserer mechanischer Vortheil wird gewonnen, d.h. es wird so viel an Kraft erspart, als die Schenkel länger sind. In der richtigen Proportion der Schenkel und resp. deren Spreizung liest ein grosser Vortheil der Kraftersparniss. Ein weiterer Vortheil, der mit dem vorigen zusam- menhängt, besteht in der besondern Construction der Schnäbel, dass sie die Peripherie jedes einzelnen Zahnes vollständig umfassen. Ab- gesehen davon, dass die Schnäbel überhaupt den Zahn immer senkrecht umfassen, was auch für die Kraft- ersparniss wesentlich ist, wird durch das Erfassen des Zahnes in allen seinen Punkten an seinem Umfang des alses und zum Theil der Wurzel eine gleichmässige Wirkung hervorgebracht, d. h. es wird in weniger Zeit ausgeführt, was sonst in mehr Zeit ausgerichtet werden müsste, oder mit andern Worten, es wird der ganze Zahn mit einem Mal gezogen, während er sonst nur an einem Theil ergriffen wird. Wenn aber auf einen Theil eben so viel Kraft verwendet wird, als für den ganzen Zahn, so wird der Zug ein ungleichmässiger und die Gefahr des Abbrechens oder sonst einer Läsion liegt nahe; diesem Umstande, dass der Zahn nicht ganz, sondern theilweise erfasst wird, ist das häufige Verun- 275 glücken bei andern Instrumenten zuzuschreiben. Ich habe gedachten Zweck dadurch erreicht, dass ich die Schnäbel ganz conform den betreffenden Zähnen nicht bloss in der Direetion, sondern auch in der Innenfläche eonstruirte und diese nach der Gestalt der zu extra- hirenden Objeete mit geringeren oder grösseren Con- vexitäten und Concavitäten entsprechend versehen liess, so dass die Zahnkronen, Hälse und Wurzeln vollständig von den Schnäbeln eingeschlossen werden. Wo bei tief liegenden Wurzeln der Zugang erschwert ist, habe ich eigenthümliche Ineisionszangen construirt, die sich durch den Alveolarrand einen Weg bahnen, um das Extrae- tionsobject zu ergreifen. Endlich und damit wieder im Zusammenhange wird noch weiter an Kraft erspart, indem diese Instrumente so tief als möglich das Ex- tractionsobjeet ergreifen, die Form der Schnäbel. die dort angebrachten Spitzen und Kämme, die tief in die Furchen zwischen Hals und Wurzel eindringen, geben dem Operateur eine Sicherheit, wie sie bei den jetzt gebräuchlichen Instrumenten niemals zu erzielen waren. Professor Dr. H. Adelmann aus Würzburg: Ueber ophthalmoscopische Transparentbilder. Die bildliche Darstellung pathologischer Zustände des Innern des Auges, wie man sie durch den Augen- spiegel sieht, ist sehr schwierig und mühsam ; auch ist man nicht im Stande, die leuchtenden Farbentöne, wie sie der Augengrund reflectirt, wiederzugeben, wenn man diese Bilder auf die gewöhnliche Weise colorirt. Eine vollständig täuschende Nachahmung ist zwar nicht noth- wendig, allein die unvermeidliche Unwahrheit der Farbe gibt doch zu unrichtigen Vorstellungen Veranlassung. Ich habe mir desshalb schon vor längerer Zeit eine Methode ersonnen, wie man durch Transparentbilder sich sowohl das Zeichnen des pathologischen Befundes erleichtern, als auch die Farben mit Leichtigkeit dar- stellen kann. Diese Mittheilung möchte insoferne einige Aufmerksamkeit verdienen, als diese Bilder sich be- sonders für den klinischen Unterricht eignen, auch meine Methode bei einiger Kunstfertigkeit leicht nachgeahmt und desshalb auch eine allgemeinere Verbreitung finden kann. Der ganze Apparat, welcher hiezu nöthig ist, be- steht aus einer gewöhnlichen kleinen, etwa 1 U’ grossen Bilderrahme, in welcher ein Glas befestigt ist, und aus welcher die Rückwand leicht herausgenommen und wieder eingesetzt werden kann. Aus der Rückwand ist ein 4“ grosses kreisrundes Loch ausgeschnitten, und die Rück- seite des Glases ist mit einem dunkeln Papiere bedeckt, aus welchem ebenfalls ein entsprechender Kreis ausge- schnitten ist, so dass also die Bilderrahme in der Mitte ein rundes Glasfenster hat. Zwischen beide Diaphrag- men, das ausgeschnittene dunkle Papier und die Rück- wand, werden die Zeichnungen und Papiere eingelegt und gegen das Licht gehalten betrachtet. Die nach der gewöhnlichen Weise gefertigten Zeichnungen würden aber als Transparente einen sehr schlechten Effect machen, 35* 276 das Zeichnen und Coloriren würde überdiess höchst schwierig und mühsam sein, auch müsste für jede ein- zelne Darstellung ein besonderes Bild gemalt werden. Ich bediene mich desshalb nur einiger Schablonen und farbiger Papiere. Statt des Farbenkastens ist nur ein Cahier nöthig in welchem in den verschiedenen Ab- stufungen von Gelb, Orange, Roth, gefärbtes soge- nanntes Seidenpapier, wie solches für die Fabrication künstlicher Blumen überall zu haben ist, vorräthig ist. Durch das verschiedene Aufeinanderschichten dieser farbigen Papiere kann auf die leichteste Weise die mannigfachste Farbenmischung erzeugt werden, indem man 5 bis 6 und noch mehr Schichten aufeinanderlegen kann, ohne dass die nothwendige Durchsichtigkeit ver- loren geht. Zu wenige Schichten machen im Gegen- theil die Farbe zu dünn, fleckig und überhaupt auch unwahr, und es ist desshalb nöthig, falls eine sehr helle oder blasse Farbe vorgestellt werden muss, dass man doch immer einige gleichfarbige Papiere oder ein weisses feines Briefpapier dazwischen legt. Dieser Umstand ist nun aber gerade auch noch desshalb sehr vortheil- haft, weil die Contouren der Zeichnung mehr gedeckt werden, und diese ein sehr weiches Ansehen bekommen; selbst dann, wenn sie nur sehr unfleissig und etwa so gemacht sind, als wenn man mit der Kreide auf eine Tafel schreibt. Es ist desshalb nur sehr wenig Zeichen- kunst nothwendig, um eine Exsudation, einen Glaskörper- flocken u. s. w, vorzustellen. Man zeichnet diese mit Kohle oder mit schwarzer Kreide, Schwarzstift, und verreibt die Schwärze etwas mit dem Finger. Eine solche Zeichnung erfordert desshalb auch nieht mehr Zeit, als eine gewöhnliche Collegium-Illustration, die der Professor der Anatomie oder Pathologie an die Tafel zeichnet, und kann bei einiger Kunstfertigkeit zugleich den Vortheil eines sehr deutlichen, ja täu- schenden Bildes gewähren, während eine gewöhnliche Zeichnung an der schwarzen Tafel der Phantasie der Zuhörer nur allzuviel übrig lässt. Die Reihenfolge der aufeinander geschichteten Blätter ist nun für die Dar- stellung der Retinakrankheiten gewöhnlich diese, dass zunächst an das Glas ein durchsichtiges Blatt, eine Schablone, welche die Retinalgefässe darstellt, gelegt wird. Sind die Gefässe aber undeutlich zu sehen, oder werden sie theilweise verdeckt, so wird ein entspre- chendes Papier,‘ entweder die ganze Fläche bedeckend, oder theilweise ausgeschnitten, vor die Gefässschablone plaeirt. Um z. B. den Zuhörern den Sitz eines pigmen- tirten Exsudates anzuzeigen, genügt es schon, einen Pa- pierfetzen auf jene entsprechende Stelle zu legen, der die Form und Grösse jenes anzeigt, und es oft sehr täu- schend nachahmt. Die Schablone für das Gefässsystem der Retina dient für rechts und links, und diess ist gleichfalls ein Vortheil, um sich den Gefässverlauf gut einzuprägen und das Blatt nicht verkehrt einzulegen. Die Papille ist auf diesem Gefässblatte nicht angedeutet, weil sich ihre Stelle aus dem Gefässverlaufe von selbst ergibt. Die Papille wird überhaupt nicht gezeichnet, sondern einfach dadurch vorgestellt, dass die nächst- folgenden gelben und rothen Papiere in der Mitte ein entsprechend grosses kreisrundes Loch haben. Zwischen oder hinter diese rothen Papiere werden nun blassgelbe, bläuliche, röthliche Papiere, je nachdem es die richtige Darstellung der Farbe des Sehnerveneintrittes erfordert, eingelegt. Diese sind aber nicht ausgeschnitten, sondern decken die ganze Fläche, somit auch den Ausschnitt des rothen oder überhaupt dunkleren Papieres, welches den Augengrund vorstellt. Diese in der Mitte mit einem kreisrunden Ausschnitte versehenen Papiere kann man sich separat legen und sie eigends bezeichnen, um nicht lange suchen und wählen, zu müssen. Uebrigens können aus diesen s. v. v. Augengrundpapieren noch zu ver- schiedenen Zwecken Ausschnitte nothwendig werden, z. B. für die Darstellung des Staphyloma posticum, Pig- mentmacerationen u. s. w. — Die Zirkelausschnitte der Augengrundpapiere können etwas verschiedene Dimen- sionen haben, um den verwischten Rand der Papille vorzustellen, oder durch Verschiebung derselben über einander die schärfere Begrenzung an ein oder der andern Stelle, eine Wulstung, eine stärkere Röthe u. s.£. leicht anzeigen zu können. Es ist begreiflich, dass man auf diese Weise alle möglichen Farben und Formver- änderungen der Papille augenblicklich darstellen kann. Bei Darstellung der Sehnervenexcavation muss man nur mit einer leichten Schattirung, Anschwärzung mit der Kohle, die mit dem Finger verrieben wird, nachhelfen. Das geknickte Ansehen der den Rand der Papille über- schreitenden Gefässe kann man durch Einknickung des Papieres oder auch dadurch versinnlichen, dass man eine Schablone des Gefässverlaufes in der Mitte nach der Grösse der Papille ausschneidet und diesen Zirkel- ausschnitt um seine Axe dreht, so dass die Abschnitte der Gefässe nicht mehr auf einander treffen. Ebenso kann man aus den Gefässschablonen einzelne Gefässe, die nicht sichtbar sind, weg- oder ausschneiden, und andere mit dem Rothstifte oder besser mit rother Tinte hineinzeichnen. Für die Pigmentmacerationen ist gleich- falls ein Blatt, welches die verschlungenen Choroideal- gefässe vorstellt, vorräthig zu halten. Es kann farblos oder gelb sein. Diese beiden Blätter, die Schablone für die Gefässverbreitung in der Retina, sowie das letzt- genannte Choroidealblatt, werden durch Farbendruck zu Stande gebracht, und es sind von jeder Art derselben eine Anzahl Exemplare nöthig, um dieselben für die Demonstration verwenden, verschneiden oder abändern zu können. Wenn man nun mit diesem Apparate sich den Befund einer ophthalmosceopischen Untersuchung notiren, oder diesen zur Demonstration versinnlichen will, so legt man schon vorläufig für rechts oder links eine Schablone der Retinalgefässe ein, richtet dann nach erster Beobachtung die Papille ein und bestimmt die allgemeine Färbung des Augengrundes durch die nöthige Aufeinanderschichtung der farbigen Papiere. Während dem man nun weiter ophthalmoseopirt, lässt man sich dieses Transparent als Lichtschirm vorhalten, und notirt auf ein davorgelegtes feines Briefpapier, welches das ganze Bild durchscheinen lässt, die Stelle und den Um- fang der entdeckten pathologischen Veränderungen. Die Papille und der Gefässverlauf geben dabei die besten Anhaltspunkte. Auf diese Weise sucht man eine Stelle nach der andern durch, und bezeichnet die entspre- chenden auf dem Transparentbilde. Durch das umge- kehrte Bild sucht man sich einen grösseren Ueberblick zu verschaffen und aus dem Gedächtnisse möglichst das Fehlende zu ergänzen. Es ist sehr gleichgültig, ob z. B. bei einem pigmentirten Exsudate ganz genau dessen Form getroffen ist, ob die Glaskörperflocken mehr oder weniger Zacken haben u. dgl., es handelt sich nur vielmehr darum, den Character ihres Aussehens zu treffen, z. B. wie bei einer Baumschlagzeichnung. Das Wichtigste ist aber der Sitz und die Ausdehnung der pathologischen Ver- änderung; die schnelle und richtige Auffassung dieser ist aber auf die eben angegebene Weise am besten möglich. Bei den pathologischen Zuständen des inneren Auges spielt aber ausserdem die Farbe eine Hauptrolle, und da die Farbe mit Leichtigkeit sehr täuschend und richtig nachgeahmt werden kann, so wird meine Me- thode in letzterer Beziehung einen entschiedenen Vorzug vor photographischen Augenspiegelbildern haben, selbst wenn diese schwierige Aufgabe so glücklich gelöst sein würde, dass die Anfertigungen derselben ohne grossen Apparat und Zeitaufwand geschehen könnte. Es lässt sich eine so täuschende Wirkung durch meine farbi- gen Transparentbilder hervorbringen, dass man in der That ein wahres Augenspiegelbild vor sich zu haben glaubt. Um diesen Grad der Vollkommenheit zu er- reichen, ist freilich eine gewisse Kunstbildung nöthig, die keinem Opthalmologen fehlen sollte; ausserdem wird wohl nichts sehr Ergötzliches zu Stande kommen, und es wäre sogar möglich, dass es Collegen gäbe, deren Wiege gerade nicht die Musen beglückten, welche diese ganze Sache für eine eitle Spielerei betrachten könnten, wenn ihre Bemühungen fehl schlagen. *) Professor Langenbeck aus Hannover theilt die Beobachtung einer Fistel mit, deren eine Oeff- *) Die beifällige Aufnahme meiner Mittheilung und der vor- gezeigten Transparentbilder, sowie der mehrseitig geäusserte Wunsch, solche zu besitzen, veranlasste mich, den beschrie- benen Apparat mit den Schablonen in Vorrath fertigen zu lassen, so dass ich an jene Herren Collegen, die Exemplare hievon wünschen, solche abgeben kann, wenn sie sich desshalb an mich wenden wollen. 277 nung sich auf dem Rücken des Kranken oberhalb des Darmbeins, deren andere Oeffnung wahrscheinlich im Rachen sich befand und ersucht die Herrn Collegen, ihm rücksichtlich der Entstehungsweise und des anato- mischen Verlaufs dieses seltenen Uebels ihre Ansicht mittheilen zu wollen. „Der Patient, ein Mann von 30 Jahren hatte, als ich ihn im vorigen Sommer zuerst sah, schon 4—5 Jahre an diesem Uebel gelitten. Es befand sich drei Querfinger oberhalb der Crista oss. ileum auf dem Rücken eine kleine von gerötheter Haut umgebene Oeffnung, der Eingang in einen, bogenförmig zu den untern fluec- tuirenden Rippen aufsteigenden Canal, welcher eine ge- krümmte Sonde in der Länge von etwa 4” aufnahm, bis dieselbe auf eine der genannten Rippen stiess, von wo ein weiteres Eindringen derselben unmöglich war. Ward dagegen irgend eine Flüssigkeit injieirt, so ent- wich dieselbe nicht durch jene Oefinung, welche sie aufgenommen, sondern der Patient entleerte sie unter Räuspern undHüsteln durch denMund. Auch empfand er einen der eingespritzten Flüssigkeit entspre- chenden, angenehmen oder unangenehmen Geschmack und wusste deutlich anzugeben ob dieselbe Zucker- wasser, Wasser mit Beimischung von Essig oder Aloe war. Wurde eine Indigosolution injieirt, so spie er die- selbe Quantität des blau gefärbten Wassers sogleich wie- der aus.“ Dass ein Senkungsabscess die Veranlassung dieses durch den ganzen 'Truncus sich erstreekenden Fistel- gangs gewesen, ward als gewiss angenommen, dagegen bezweifelt, den anatomischen Verlauf desselben genau ermitteln zu können. Dazu äusserte Professor Roser: ob die Auseultation keine Aufklärung ergeben habe. Es erscheine gar nicht unmöglich, dass hier eine Com- munication mit einem Bronchialast stattgefunden hätte. Man hätte vielleicht während des Injieirens von Wasser in die Fistel auscultiren und den Durchgang des Was- sers in den Bronchien und der Trachea durch Auscul- tation wahrnehmen können. Dritte Sitzung am 20. September 1858. Präsident: Professor Rothmund. Professor Hecker von Freiburg: Ueber die Zerreissung der Harnröhre. Die Zerreissung der Harnröhre als Folge eines Falls auf die Dammgegend ist entweder subeutan oder mit einer Verwundung der übrigen Weichtheile verbunden. Nur von der subeutanen Zerreissung soll hier die Rede sein. Erfahrungsmässig ist diese ein sehr ernstes Lei- den, welches schnelle und energische Hilfe verlangt, wenn nicht gefährliche oder tödtliche Erscheinungen eintreten sollen. Ich unterscheide frische und veraltete Fälle und verschiedene Grade derselben. Beim geringsten Grade ist die untere Wand der Harnröhre an einer umschriebenen Stelle nur stark ge- quetscht oder wirklich eingerissen; die Beschaffenheit und Grösse der Verletzung bestimmen die weiteren Zu- fälle, ob die Urinentleerung auf dem natürlichen Wege ganz oder grösstentheils noch erfolgen kann, oder ob sogleich oder nach Abfluss einiger Tage Erguss des 278 Urins in’s benachbarte Zellengewebe stattfinden soll. Eine schwach eontundirte Stelle kann sich wieder er- holen und zur Norm zurückkehren. Die Contusion höherer Grade hat eliminirende Entzündung und nach Abstossung der brandig gewordenen Theile on der Horuröhre zur Folge, welche hier unter Erschei- nungen des Urinergusses erst einige Tage nach stattge- habter Verletzung eintreten wird. Bei wirklicher Zerreissung kann die Oeffnung so klein sein, dass sie keinen Ds durchlässt oder sie kann, wenn auch grösser, verhä ltnissmässig weniger klaffen, mit dem Eintritt der entzündlichen Reaction in den Wundrändern günstige, den Urinaustritt erschwerende Veränderungen erfahren. Fehlen in einem solchen Falle auch anfänglich die Symptome der Harnverhaltung und der diffusen Harn- Infiltration, so berechtigt er keineswegs zu sanguini- schen Hofbaleen, weil erst nach Abfluss mehrerer Tage eine schlimmere Wendung eintreten kann (vergl. eine von mir in der Prager Vierteljahrsschrift mitgetheilte Beobachtung). Treten aber auch stürmische Localzufälle nicht ein, und entleert sich der Urin von selbst oder unter Bei- hilfe des Catheters, so gelingt es doch meist einer kleinen Menge Urin ins Dee Zellengewebe durch- zusickern. ar diese Weise entstehen: a) incomplete (nach Aussen blinde) oder complete Harnröhrenfisteln oder b) stationär bleibende abgesränzte. mit der Harn- röhre ecomunieirende Säcke mit verdiekten Wan- dungen, welche die Quelle urämischer Erschei- nungen abgeben oder als Behälter für Harnsteine dienen können, in anderen Fällen und zumal nach längerer Zeit höchstens die Urinentleerung etwas erschweren. Solche Fälle können aber nur als Ausnahmen von der Regel angesehen werden, denn Urinerguss in ge- ringer Menge durch eine Fer Oefinung Her Harnröhre hat gewöhnlich phlegmonöse Entzündung, Eiterung und brandige Zerstörung zur Folge. Je stärker die Blutung aus der Harnröhre war, je schwieriger die Haren leerung von Statten ging und je mehr die localen Er- scheinungen j in der Darmgegend auf stattgehabte Quet- schung der Hautbedeckungen mit Erguss von Blut unter diese = Folge von Zerreissung der Art. transversa und superficialis perinaei hinschliessen lassen, desto sicherer können in einem anscheinend günstigen Falle im Ver- fluss weniger Tage die Gefahren der Harninfiltration erwartet werden. Diese treten sogleich und mit aller Heftigkeit ein, wenn die Harnröhre grossentheils oder ganz ein-, oder quer abgerissen ist. Untrügliche Zeichen für diese Ver- letzung sind: ein Sturz auf die Damm - oder Kreuzge- gend, reichliche Blutung aus der Harnröhre, Harnver- haltung und Urinerguss i im Damme. Die Infiltration be- ginnt zuerst in den dreieckigen Räumen zu beiden Seiten de Bulbus und der Pars a bahnt sich aber schnell einen Weg gegen die Excavatio ischio - rectalis. Der Urin dringt zwischen der oberflächlichen und tiefen Fascia des Dammes gegen den Hodensack, den Penis, manchmal selbst über die Leistengegend mach aufwärts gegen den Unterleib, die Saeral- “and Lendengegend vor, wird aber nach Tückwärts durch die Fascia pelvis bebränzt. Die örtlichen Erscheinungen geben meist kei- nen richtigen Massstab für die in der Tiefe schon er- folgten oder doch in kurzer Zeit zu erwartenden Zer- störungen ab und wer exspeetativ verfahren wollte, bis sich eine schwappende Geschwulst in der Dammgegend eonstatiren liesse, würde diese Saumseligkeit schwer zu bereuen und ausgebreitete gangränöse Zerstörungen zu beklagen haben. Solch schlimme Ausgänge können durch ein recht- zeitig eingeleitetes therapeutisches Verfahren gewöhnlich abgewendet werden. Es richtet’ sich dieses nach dem Grade und der Dauer der Verletzung und namentlich ist zu unterscheiden, ob die Zerreissung eben erst ent- standen oder sehon von Harninfiltration begleitet ist, oder ob die primären Symptome der Zerreissung abge- laufen, aber Folgeübel, wie Verengerungen oder Ver- wachsungen der Harnröhre eingetreten sind. Wenn es in ganz frischen Fällen und bei niederem Grade der Ruptur gelingt, den Catheter in die Blase zu führen, so kann diess manchmal ausreichend sein, um den Urin von der perforirten Stelle ab und nach Aussen zu leiten und den Urinerguss ins Zellengewebe zu ver- hüten. Hiezu gebraucht man einen elastischen oder am Besten einen Zinncatheter von solehem Caliber, dass die Harnröhre gleichmässig von dem Instrumente aus- gefüllt wird. ohne eine zu starke Ausdehnung zu erfahren. Der Catheter bleibt bis zur muthmasslich erfolgten Verwachsung der zerrissenen Harnröhre an Ort und Stelle und wird zeitweise durch einen neuen ersetzt. Wird das Inneliegen des Catheters nicht ertragen oder erfolgt dennoch Urinerguss, so muss durch einen früh- zeitix gesetzten Einschnitt im Damme der Stagnation des Urins begegnet, der Catheter eingelegt und über diesem die Heilung der Wunde erstrebt werden. Nach einem solchen Einschnitte wird der inneliegende fremde Körper nimmer ertragen. Bei jedem höheren Grade der Zerreissung der Harn- röhre ist jeder Versuch den Catheter in die Blase zu führen eben so nutzlos als gefährlich und immer die Urethrotomie angezeigt. Sie ist das sicherste Mittel zur Verhütung sangränöser Zerstörungen und macht den Blasenstich durchaus überflüssig. Nach gemachter Boutonniere wird ein Zinncatheter eingeführt und dieser (zeitweise durch einen neuen er- setzt) bleibt bis zur Heilung der Wunde im Damme liegen. Nach erfolgter Heilung ist der Heranbildung von Strieturen der Harnröhre durch zeitweises Durch- führen des Catheters zu begegnen und wo diess die Verhältnisse nieht zulassen, muss ein der Krümmung und Länge der Harnröhre genau angepasstes 3 Linien im Durchmesser haltendes Röhrchen von Silber einge- legt und so lange getragen werden, bis jede Besorgniss vor etwaiger Verengung oder Verwachsung gehoben ist. Die Urethrotomie genügt meist schon, um die Harninfiltration zu verhindern oder geringe Grade der- selben unschädlich zu machen. Weiter gediehene Fälle erheischen aber ausserdem genügend lange und zahl- reiche Einschnitte an allen Stellen, wo sich Urin in das subeutane und subfasciale Zellengewebe ergossen hat, wodurch ausgebreitete Gangräneseenz des Hodensackes meist, jedoch nicht immer verhütet werden kann. Statt der Ineision im Damme wird noch immer die Punktion der Blase wegen Harnverhaltung bei frischen und veralteten Fällen von Zerreissung der Harmröhre geübt — ein Verfahren, welches ich für durchaus ver- werflich erklären muss, weil damit doch nur vorüber- gehend genügt und jedenfalls der natürliche Weg für den Harn wieder hergestellt werden muss. Mag der Fall noch so dringlich sein, so wird Zeit genug erübrigt. um die Urethrotomie an die Stelle des Blasenstichs treten zu lassen, und diess um so mehr, als die Infiltration des Urins an sich schon Ineisionen im Damme erfordere. Ueberhaupt wird mit der Punction der Blase noch immer ein Unfug getrieben dem zu begegnen Pflicht ist. Ich habe in langjähriger Praxis Harnverhaltungen in grosser Zahl und aller Arten gesehen und war noch nicht genöthigt den Blasenstich zu machen. Ist kurze Zeit vorher der Harn noch auf natürlichem Wege ab- gegangen, so muss dieser auch noch vorhanden sein und er wird gefunden, wenn man mit Umsicht, Aus- dauer und Schonung beharrlich das Ziel zu erreichen sucht. Detaillirte Diagnose des speciellen Falles, wobei die Untersuchung vom Mastdarm aus nie fehlen darf, ein vollständiger Instrumentenapparat in welchem Ca- theter und Bougies von jeglicher Dicke, Stärke, Bie- gung etc. enthalten sind, richtige aber schonungsvolle Führung der vorher erwärmten Instrumente längs der oberen glatten Wand der Harnröhre, welch letztere man durch stetiges Anziehen des Penis nach aufwärts über sie hinweggleiten lässt, statt die Instrumente in die Theile hineinzuschieben, bei horizontaler Lage des ‚Kranken mit stark erhöhtem Kreuze und gegen den Unterleib angezogenen Schenkeln (manchmal ist eine andere Stellung vorzuziehen), lassen, unterstützt durch die Chloroformnareose, über die schwierigsten Fälle triumphiren, zumal wenn man mit Ruhe und Aus- dauer. verfährt und (wenn nicht gerade Strieturen die Retention verursachen) Catheter von mindestens 3 Linien im Durchmesser gebraucht. Auf diesem Wege bin ich immer zum Ziele gelangt und glaube zu dem Ausspruch berechtigt zu sein: dass der Blasenstich in der grössten Zahl der Fälle von Harnverhaltung verwerflich erscheint und bei der Zerreissung der Harnröhre immer durch die Urethrotomie zu ersetzen sei. Noch schwieriger erscheinen die veralteten Fälle ‘von Ruptur der Harnröhre bei welcher zwar die Opera- tion der Boutonniere verrichtet, das Einlegen dilatiren- der Körper aber nicht lange genug fortgesetzt wurde und nachträglich Dysurie und zuletzt völlige Harnver- haltung eintritt oder bei welchen statt der Urethrotomie der Blasenstich gemacht wurde, der Urin Monate lang auf diesem abnormen Wege abgeflossen und die zer- 279 rissen gewesene Stelle der Harnröhre theilweise oder ganz durch Narbengewebe undurchgängig geworden ist. Etwaigen Verengungen begegne man je nach der Specialität des Falles durch Einlegen dilatirender frem- der Körper und fahre damit bis zur Wiederherstellung eines gehörigen Lumens der Harnröhre fort, in seltenen Fällen wird sich der Catheterisme force nützlich erweisen, immer aber nur als ein exceptionelles Verfahren beibe- halten werden dürfen. Kömmt man auf diesem Wege nicht zum Ziele, sind die Erscheinungen der Harnverhaltung hochgradig ent- wickelt, besteht totale Verwachsung der Harnröhre, war der Blasenstich in Anwendung gekommen ete. so ist die Eröffnung der Harnröhre vom Damme aus wieder das passendste und sicherste Verfahren, um den natür- lichen Weg für den Urin zu gewinnen. M. Palasciano aus Neapel: De la perforation de l'unguis comme moyen de par- venir & la destruction des polypes de la base du eräne. Messieurs! Veuillez me permettre de fixer pour un instant votre attention &clairee sur les polypes naso- pharyngiens, qu’on ne peut lier ni par la bouche ni par le nez, et qui sont & Pordre du jour de la chirurgie moderne. En effet, apres lindifference de l’antiquite, si toutefois on excepte le nasum per scalpellum divisum expurgato, mox inurito, quo facto rursum nasum eonsuito d’Hippocrate, c’est in- eroyable le nombre des fois que nos eontemporains ont reussi a detruire des polypes de la base du eräne aussi- töt que Pamputation du maxillaire superieur et la sta- phyloraphie ont et@ reeues dans le domaine de la chi- rurgie pratique. La ligature, !’arrachement, Vexeission, la cauterisa- tion et ’&crasement lineaire ont tour-a-tour ete employes suivant les ressources du moment ou le choix du chi- rurgien. Mais mon but n’etant pas celui de discuter la valeur comparative de tous ces moyens therapeutiques, je vais essayer d’esquisser un jugement sur les operations preliminaires ä la suite desquelles chacun d’eux a £te mis en action. Ces operations pr&liminaires ou moyens de parvenir peuvent se reduire aux suivantes. 1° Ineision verticale du voile du palais. Maune. — 2° Detachement des piliers du voile du palais par une ineision de bas en haut, qui de la base des piliers se termine assez haut dans l’epaisseur du voile. M. Jobert de Lamballe. — 3° Ablation totale du maxillaire superieur. M.M. Ilaubert fils, Mich aud, Robert, Francois, Jatum ete. — 4° Ablation de la paroi anterieure du sinus maxillaire. M.Huguier.— 5° See- tion de la voute palatine. M. Nelaton. — 6° Resec- tion des os nasals et des apophyses montantes des maxillaires superieurs. Hippocrate et M. Chas- saignae. — Toutes ces operations font plus ou moins arriver droit au but, e’est-aA-dire qu’elles facilitent l’acees de la main de l’operateur jusqu’a l’apophyse basilaire de % 280 Voceipital. Mais il n’est pas toujours facile de sous- traire le malade a des compliceations qui sont la con- sequence des grandes operations chirurgieales; et lorsque le malade a subi le risque de ces consequences et le danger de la destruction du polype, il lui reste toujours a subir d’autres operations reparatrices et une diffor- mite inevitable. Cependant loin de moi, Messieurs, lidee de pro- scrire par la aucune de ces operations, car chacune d’elles peut trouver son application dans un cas donne de la pratique chirurgicale, cas determine par la mul- tiplieite des digitations et par le volume que ces tumeurs peuvent atteindre. J’ose croire seulement que dans les cas ordinaires il n’est aucunement indispensable d’em- ployer des moyens si grayes et que l’on peut arriver ä la destruction de ces tumeurs sans mutilation aucune. La grande diffieulte anatomique qui s’oppose & ce que un fil passe par la narine puisse rejoindre l’apo- physe basilaire e’est la direetion de la paroi inferieure de la cavite nasale, qui dans sa partie posterieure est inelinee brusquement en bas, de maniere a ce que vers la fin du voile du palais cette paroi est placee a six centimetres au-dessous de l’apophyse basilaire: Et e’est & peine un espace de quinze a vingt millimetres qu’on gagne en relevant ou m&me en ineisant le voile du palais. Or, si au lieu de passer le fil par la paroi in- ferieure de la cavite nasale, on l’introduit par la per- foration de l’unguis, rien ne s’oppose ä ce qu’il puisse etre mene direetement contre l’apophyse basilaire qui est m&me placee un peu plus bas que l’unguis. On voit par la que des polypes qu/il etait impossible d’atteindre par la bouche, m&me apres le froncement ou l’ineision du voile du palais sont capables d’etre entierement detruits par une perforation de I’unguis et qu’on peut se passer des resections des os nasals, maxillaires et du palais. C’est sur cette donnee anatomique que j’ai fonde la nouvelle methode de destruction des polypes naso-pha- ryngiens, que j’ai ’honneur de vous proposer, et qui est aussi süre dans ses resultats que prompte et facile dans son execution. Destruction du polype. Manuel operatoire. (Voyez la planche.) Premier Temps. Relever le voile du pa- lais. A cet effet on passe derriere le voile du palais, par le moyen de la sonde de Belloc, un gros fil, dont les chefs ressortent par la bouche et par le nez et sont noues fortement sur la levre superieure protegee par une compresse. Le voile du palais, ainsi ramasse vers son insertion palatine, permet aux doigts de l’opera- teur d’arriver en ligne droite de la bouche au pharynx. M. Desgranges. Deuxieme Temps. Perforation de l’un- guis. A tous ces instruments, avec lesquels on a Jusqu’ iei perfore Funguis, je crois preferable celui de M. Reybard de Lyon, qui est une espece de tire- bouchon, sur lequel une longue virole mobile et tran- chante vient tomber. On procede ä la perforation par une incision prealable au sac lacrymal, comme si on voulait mettre une canule dans le canal nasal. On ecarte les bords de la plaie et l’on applique la pointe du perforateur, parfaitement ouvert, sur la partie du sac qui couvre lunguis. On imprime un mouvement de rotation a tout l’instrument, de maniere ä le faire penetrer de haut en bas, de dehors en dedans, et d’a- vant en arriere, jusqu’ä ce que l’on soit arrive dans la fosse nasale: et c’est l’id oblique deorsum et posteriora versusintrorsum compellatur de Zac. Platner. (Inst. chir. $. 978.) Alors on fait deseendre la virole tranchante sur le pas de vis en immobilisant bien l’instrument. Lorsque on a bien presse la virole tranchante sur le pas de vis, on imprime un mouve- ment de rotation ä tout l’instrument en sens oppose, et on le retire de la plaie. Il aura emporte avee lui une portion du sac lacrymal, de !’unguis et de la muqueuse nasale. Apres cela on agrandit la perforation avec un plus grand instrament. M. Demarquay. Troisieme Temps. Passage d’une anse de gros filsur le pedieule de la tumeur. Un simple stylet de Trousse ou la sonde de Belloc sont plus que suffisants & faire passer de la perforation de Purguis dans l’arriere bouche une anse de fil assez lon- gue, dont les chefs restes pendants sur la joue sont eon- fies a un aide. L’operateur alors par le moyen de ses doigts indieateurs ecartes dans le fond de la bouche fait passer la tumeur dans l’anse et accompagne celle-ei Jusque sur son pedieule. L’aide concourt ä cette ma- noeuvre par une traction soutenue et legere sur les chefs. qui lui sont eonfies. Un fil mobile passe dans V’anse et pendant au dehors de la bouche sert a la re- tirer en cas d’insucees. On retire le fil releveur du voile du palais aussitöt qu’il n’est plus neeessaire. Quatrieme Temps. Ligature. Ecrasement lineaire. Galvano-caustique,. Une fois que Panse du fil entoure le pedieule du polype, la destruction de eelui-ei est aussi stre que facile. Si l’operateur prefere la ligature simple, il n’a qu’a fixer les chefs du fil sur un serre-neud, et par la perforation de !’unguis porter celui-ci jusque sur le pedieule du polype et le laisser sur place. Si l’on aime mieux employer l’ecraseur, on attache ä !’un des chefs du fil la chaine de l’eeraseur, on la porte sur le pedieule et on la monte sur sa gaine; mais il faut que celle-ci puisse librement passer par la perforation de l’unguis. Pour employer la galvano-cau- stique l’anse n’aurait qu’a faire lien a un fil de platine de 21 centimetres de longueur et de 2 millimetres de diametre qui serait monte sur le cautere eleetrique de M.Middeldorf de Breslau, apres avoir prealablement garanti la perforation et la plaie exterieure par le moyen d’un petite tube en caoutchoue vulcanise. Cauterisation. Tous les chirurgiens qui ont opere les polypes naso- pharyngiens sont d’aecord sur Y’utilite de cauteriser pro- fondement toute la surface d’implantation apres la de- struction du polype. La perforation de l’unguis offre aussi un moyen des plus sürs et des plus faciles pour N u 7 a IT || 7 | 4 | | | 1. | 1 | \ || ah . \ Palascianv: De la perforation de Y unguis & e _Chr. Fr. Müller'sche Luth. Anstalt 2 = pratiquer une pareille cauterisation avee la päte de chlorure de zine, parceque elle permet de fixer la päte assez exactement sur les racines du polype pour qu’il ne s’en detache aucune parcelle dont la penetration dans les voies digestives serait tres nuisible. Il faut cepen- dant operer aussitöt que la tumeur est tombee. Manuel ope£ratoire. Apres avoir relev& le voile du palais et fait passer deux chefs de gros fil de la perforation de l’unguis dans la bouche, le chirurgien coupe un morceau de la päte de Canquoin etendu sur la toile en forme de sparadrap, en lui donnant ä peu pres la figure de la surface d’im- plantation du polype qu’il veut cauteriser, et il y pra- tique deux trous dans l’endroit qui correspondra & la perforation de Y’unguis apres son application. Il intro- duit les deux chefs de fil pendants de la bouche dans les trous pratiques sur le sparadrap caustique et accom- pagne celui-ci sur la surface a cauteriser le long des fils; et sur les me&mes fils, il fait passer une quantite de boulettes de charpie, chacune munie d’une anse, jusqu’au tamponnement de la partie superieure de l’arriere bouche. A Taide d’aiguilles il fait traverser par ces memes fils, a quelque distance l’un de l’autre, une compresse pliee en forme du voile du palais, et y pratique un double neud sans couper les chefs. On tire ensuite sur les chefs pendants sur la joue, tandis que avec l’autre main de la bouche on fait passer la compresse sur la surface posterieure du voile du palais. Lorsque tout a ete bien fixe on defait le fil releveur du voile du palais, on applique un bourdonnet bien epais dans la plaie de la perforation et on y lie fortement et a double neud les deux fils pendants sur la joue sans les couper, de ma- niere ä ce qu’on ait un tamponnement exact de l’arriere bouche avee deux fils pendants de la bouche et deux sur la joue. Ce tampon ne gene aucunement le malade et on peut le laisser en place 24 heures. Pour le re- tirer on n’äa qu’& degager le bourdonnet sans defaire les neuds et ä tirer sur les fils pendants de la bouche. Deux fois j’ai employe avee un sucees assez satis- faisant cette methode de lier et de cauteriser les polypes naso-pharyngiens ä travers la perforation de !’unguis. Obs. I. Jeune homme de 21 ans portant un polype naso-pharyngien ä base d’implantation tres large, avec diflieulte de la deglutition et de la phonation. Plusieurs essais de ligature faits par d’autres chirurgiens &tant echoues, j’en pratiquai la ligature en masse en la tra- versant par le moyen d’une aiguille a manche. Le re- sultat füt bien mediocre, et la masse de la tumeur apres trois ans etait augmentee du double. L’ineision ver- ticale du voile du palais rendit ä peine possible la liga- ture d’un tiers de la tumeur, qui füt entierement en- levee par une ligature ä travers la perforation de P’un- guis. La cauterisation consecutive füt pratiquee suivant le procede deja deerit: et la eicatrisation de la plaie de la paupiere inferieure etait achevee au bout d’une semaine. Un coup d’eil sur l’escharre de cette cauteri- sation rendra une idee de l’etendue de !’implantation du polype et du pouvoir du caustique de zinc. 281 Obs. I. Jeune homme de 20 ans, portant un po- Iype naso-pharyngien avee deux digitations, une tempo- rale et l’autre zygomatique ä gauche, chloro - andmie, diffieulte de la deglutition et de la phonation. Ineision verticale du voile du palais et demolition d’un quart de la tumeur par P’&crasement lineaire pratiqu6 par la bouche. Ensuite perforation de Tunguis et ligature de toute la masse du polype, moins les digitations tempo- rale et zygomatique. Cauterisation conseeutive par le meme procede et avec la päte de zine. Les digitations laissces ä& l’extirpation direete et conseeutive. En resume, Messieurs, je puis conclure: 1° Que la perforation de Yunguis offre un moyen beaucoup plus eflicace que les incisions du voile du pa- lais pour parvenir ä le destruction des polypes naso- pharyngiens; et quelle peut jusqu’a un certain point epargner les mutilations qui ont &te jusqwiei pratiqudes dans le me&me but. 2° Que le nouveau proc&de de cauterisation du sommet du pharynx par la päte de chlorure de zine, tout en etant aussi puissant et aussi inoffensif que eehu de M. Desgranges de Lyon, offre Pavantage, d’etre sans gene pour le malade, de faire rester applique le caustique tant que l’on veut, de ne pas faire changer sa place avec les mouvements du malade, et de n’avoir besoin ni d’appareils ni d’instruments speciaux. Dr. Battlehner aus Renchen: Der stumpfe Haken als Wendungsmittel in schwie- x rigen Geburtsfällen. Da meine Aufsätze in Nr. 13, 23 und 24 des Jahr- gangs 1857 der „ärztlichen Mittheilungen aus Baden“ von Dr. Robert Volz, die Gebrauchsweise des stum- pfen Hakens in schwierigen Wendungsfällen ausführlich enthalten, so war es mir mehr darum zu thun, der Ver- sammlung einen stumpfen Haken vorzuzeigen, dessen Veränderung im Verhältniss zu dem früher von mir veröffentlichten ihn namentlich zu obigem Zwecke taug- lich macht. Er ist im Allgemeinen gleich gebaut wie der in Nr. 23, Jahrgang 1857 der „ärztlichen Mittheilungen“ be- schriebene, nur ist der Griff etwas dicker und ungefähr 3 Linien länger; wenn das Instrument auf einer ebenen Fläche liegt, mit abgewendetem Hakentheil, so beträgt dessen Entfernung von der Ebene durch die Becken- krümmung nur 3%, Zoll. Der Hauptunterschied zwi- schen diesem und meinem frühern Haken besteht jedoch darin, dass der Hakentheil nicht mehr durch einen in der Nähe des Hakentheiles befindlichen, über den Um- fang des stählernen 'Theiles hervorragenden Drücker mit Feder festgestellt wird, sondern durch eine im aus- gehöhlten Griffe und Stahle liegende Spiralfeder, an deren vorderem Theile eine vierseitige Pyramide ange- bracht ist, die in eine entsprechende Vertiefung des Hakentheiles passt und die durch Zug an einem Knöpf- chen hinten am Griffe gehandhabt wird. Durch diese Construction wurde der Vorwurf, den man meinem ersten Haken machte, man könnte durch den hervorspringenden » 36 282 Stollen leicht die Gebärmutter oder das Kind verletzen, beseitigt. Ich werde übrigens das Instrument an einem an- deren Orte mit leicht verständlichen Zeiehnungen noch erläutern. Sanitätsrath Dr. Eulenburg aus Berlin: Ueber differentielle Diagnose der Scoliose, wobei insbesondere die Ursachen derselben, und nament- lich des Einflusses der Muskeln auf ihre Entstehung er- örtert und die Behandlungsweise dieses Uebels ange- geben wurde. Es entspann sich hierauf eine lebhafte Discussion über diesen Gegenstand, woran namentlich Dr. Duchesne de Boulogne und Hofrath Heine aus Cannstatt Antheil nahmen, und die Richtigkeit der von dem Redner aufgestellten Thatsachen bestritten. Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident : Professor Langenbeck. Dr. Mercier aus Paris hält einen Vortrag in französischer Sprache über eine eigenthümliche Art von Harnverhaltung, deren Wesen in einer Klappenbildung im Blasenhals beruhe. Nach einer Demonstration der anatomischen Anordnung des Muskelapparats um den Blasenhals, welcher nicht einen einfachen Sphincter darstellt, unterscheidet er in pa- thologischer Beziehung 2 Arten: a) durch Anschwellung der Prostata und b) durch Verdickung der Muskelhaut bedingte Klappenbildung. Zur Feststellung der Diagnose bedient er sich eines eigenen Katheters mit kurzem Schnabel, zur Heilung eines ebenso geformten Dissections- und Exeisions- Instruments, womit die Prostatal-Klappe ausgeschnitten, die Muskular-Klappe einfach durchschnitten wird; gegen die Nachblutung und während der Heilung legt er einen elastischen Katheter mit Führungsstab von Stahl ein. Professor Adelmann aus Dorpat zeigt eine von Dr. Szymanowsky, seinem früheren As- sistenten, erfundene und von ihm erprobte Resections- Säge (Bogensäge) vor, und spricht dann noch über die Anwendung und die Vorzüge des Gypsverbandes, besonders als erster Verband auf dem Schlachtfeld. Hofrath Heine von Cannstatt: Ueber Scoliose. Meine Herren! Gestatten Sie mir, in Bezug auf den Vortrag des Dr. Eulenburg über differentielle Diagnose der Sco- liosen in der gestrigen Sitzung der chirurgischen Section nur einige wenige Bemerkungen zu machen, und darin Ihnen auch meine Ansicht über die angeregte Frage der Kürze der Zeit angemessen darzulegen. Sie werden mich vielleicht hiezu um so mehr berechtigt halten, als ich seit beinahe 30 Jahren auf dem Gebiete der praktischen Orthopädie thätig ausser etwa 700 andern Deformitäten, wohl an 1000 Scoliosen in meiner Anstalt „behandelt habe. Gestützt auf diese Erfahrungen bin ich aber rücksichtlich der Entstehung der Rückgrats- krümmungen zu einer andern Anschauung als Dr. Eulen- burg gekommen, wie ich sie schon in einer kleinen Brochüre vom Jahre 1554 begründet habe. Was die Eintheilung der Scoliosen betrifft, so unterscheide ich ihrem Wesen nach folgende Hauptarten: 1) die gewöhnliche, von Dr. Eulenburg muskuläre genannte, auf deren Ursache ich gleich zurück- kommen werde; 2) die seltenere rhachitische, und 3) die in Folge von Brustkrankheiten einer Seite (pleuritische Exsudate, Empyem) entstandene Scoliose, Bezüglich der rhachitischen Form will ich nur kurz erwähnen, dass ich 36 solcher Fälle behandelt habe und dabei in Uebereinstimmung mit Dr. Eulen- burg fand, dass der grösste Theil derselben die Con- vexität nach links hatte, im Gegensatz zu der weit häufigeren gewöhnlichen Scoliose. Wenn aber mein College, auf die Therapie dieser Scoliosen eingehend, ausser absoluter Ruhe alle orthopädischen Mittel gegen dieselben zurückweisen will, so kann ich mich hiemit nur für die Dauer des rhachitischen Prozesses selbst einverstanden erklären; nach Ablauf desselben dagegen wird stets eine weitere medicinisch-orthopädische Be- handlung mit Nutzen in Anwendung kommen, ähnlich wie auch nach kyphotischem Krankheitsprozess einer solchen in entsprechender Weise ihre Anwendung und Begründung nicht abgesprochen werden kann. Bei Erwähnung letzterer will ich nicht versäumen, auf die nicht uninteressante Thatsache aufmerksam zu machen, dass es mir in den letzten Jahren bei Con- gestionsabscessen in 3 Fällen gelang, diese auf ihrem Wanderungsstadium vor den Lendenwirbeln durch die sehr erschlafften und dünnen Bauchwandungen zu ent- decken, welche Untersuchung in der Rückenlage und bei heraufgezogenen Beinen in solchen Fällen nie unter- lassen werden sollte, um die weitere Senkung des Ab- scesses durch die Beobachtung der strengsten Ruhe in horizontaler Lage und sonstige entsprechende Behand- lung möglichst zu verhüten. Indem ich nun auf die sogenannte muskuläre oder habituelle Scoliose und deren Ursachen komme, so stellt Dr. Eulenburg die Ansicht auf, es seien diese in einer einseitigen Muskelschwäche oder Lähmung der Aussehen , rechten Seite der Wirbelsäule durchgängig gelegen, und nimmt weiterhin an, dass bei der gewöhnlichen Skoliose dasselbe Verhältniss stattfinde, wie beim para- lytischen Klumpfuss, Grundzüge, auf welche ser eine Therapie stützt, deren vielfach ungünstige Einflüsse ich in manchen Fällen kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Vor Allem ist nun aber die angezogene Zusammenstel- lung eine durchaus unrichtige, insofern ja beim varus paralytieus entschieden ausgesprochene Lähmung der entsprechenden Nerven und Muskeln vorhanden ist, die einem bestimmten innern Krankheitsprozess folgte; wäh- rend bei Scoliose dagegen im Rücken und in der ihm zugehörigen Muskulatur Lähmung nie und nimmer ge- funden und durch keinerlei Symptome angezeigt wird, welche Thatsache ich und Andere bei Sectionen Sco- liotischer bestätigt fanden, indem ich bei den von mir gemachten 2 Obductionen weder Retraction der Muskeln der concaven Seite, noch irgend einen Unterschied in Bezug auf Volumen, Farbe ete. zwischen der Musku- latur der rechten und der linken Rückenhälfte entdecken konnte. Um aber der Anschauungsweise meines Col- legen über die Aetiologie und das Wesen der gewöhn- lichen Scoliose auch von andern Gesichtspunkten aus entgegen zu treten, so erlauben Sie mir, meine Herren, anstatt eines Eingehens auf Einzelnheiten Ihnen im Zu- sammenhang meine aus langjährigen Beobachtungen und Vergleichungen gewonnene Ansicht, wie sie auch von Delpech, Siebenhaar, Tamplin, Adams, Malgaigne, Duchesne de Boulogne, Bühring, Parow etc. in neuerer Zeit mehr oder weniger aufrecht gehalten wird, mitzutheilen und zu begründen, wobei ich auf die abweichende Auffassung meines Collegen ge- legentlich zurückzukommen nicht versäumen werde. Wenn nach allgemein herrschenden Ansichten schlechte Haltung, schiefes Sitzen, viel Stehen auf einem Fusse, Kindertragen ete., vor Allem die Verkehrtheit der heutigen Erziehung, als Ursachen der Seoliosen ange- klagt werden, so bin ich weit entfernt, alle diese Mo- mente für unwesentlich zur Entstehung solcher erklären zu wollen, doch werden sie wohl nur selten allein zur Bildung derselben hinreichen und die schädlichsten Ein- flüsse dieser Art in manchen Fällen eine scoliotische Verkrümmung nicht zur Folge haben, wo ihr gänzliches Fehlen das Auftreten einer solchen in andern Fällen nicht verhinderte. Werfe ich aber einen Ueberblick über die ganze Zahl der von mir untersuchten Seoliosen, welche sich wohl auf mehr denn 2000 belau- fen dürfte, so finde ich als Vorbedingungen derselben mehr oder weniger constant folgende Erscheinungen: Einmal eine entschieden zarte körperliche Organisation, bald ein auffallendes Zurückbleiben des Wachsthums in longitudineller und peripherischer Beziehung, bald eine schnell und schlank aufgeschossene Configuration mit allgemeiner Schwäche des Spinalsystems, mehr oder weniger abgeplatteter Thorax, Magerkeit, unkräftige Reproduction, scerophulöse Zustände, bleichsüchtiges allgemeine Schlaffheit der Muskulatur, schwammige, lymphatische Constitution, dem Anschein nach kräftiger Körperbau ete. 283 Indem ich alle diese Momente aufzähle, bin ich in- dessen nicht gemeint, dass sie bei jedem scoliotischen Mädchen zutreffen, doch ist es von Wichtigkeit, bei Erforschung der Ursachen der Scoliosen die Constitu- tion der Patienten gerade zur Zeit der ersten Ent- stehung der Deviation näher ins Auge zu fassen, indem dieselbe sich später öfter wieder erkräftigt, selbst wenn das Localleiden sich verschlimmert hat. Nach all’ dem Gesagten kann ich nun die Ansicht nicht zurückweisen, dass der Entstehung der Scoliosen bei gleichzeitiger allgemeiner Muskelschwäche vorzugsweise eine entschie- den ausgesprochene abnorme Schlaffheit des spinalen Bänderapparates zu Grunde liegen dürfte, eine An- nahme, welche noch durch die Thatsache unterstützt wird, dass man bei scoliotischen Mädchen sehr häufig die Fussgelenksbänder zugleich sehr relaxirt findet. Denken wir uns nun eine durch schlaffe dünne Bänder zusammengehaltene, so vielfach bewegliche Säule, wie die des Rückgrats, und fügen wir ein unkräftiges Spinalmuskelsystem hinzu, vergegenwärtigen wir uns ferner, dass die Wirbelsäule eine bestimmte, durch Kopf, Hals, Schultern, Arme ete. ausgesprochene Last zu tra- gen hat, die nach dem Gesetze der Schwere wirkt und von welcher der Kopf allein schon nach Gewichts- bestimmungen von Bischoff ein Vierzehntel des ganzen Körpergewichts ausmacht, so sind damit wesentliche Bedingungen für die Entstehung einer anfangs nur in minimo vorhandenen Lateralabweichungen der Wirbel- säule gegeben, und es bedarf daher, natürlich immer nur bei bestehender Disposition, blos einer günstigen Gelegenheitsursache , wie z. B. schiefer Stellung und Haltung, viel Stützens auf einen Fuss ete. zur Bildung einer Scoliose. Einen Beweis von der nachtheiligen Wirkung der auf der Spinalkurye ruhenden Last unter den obwaltenden Umständen gibt die Thatsache, dass jede noch wenig entwickelte Lateraldeviation der Wir- belsäule in horizontaler Lage des Körpers und beim Aufhängen an den Händen ganz verschwindet oder sich doch sehr vermindert, welche Erscheinung mit einer von Dr. Eulenburg den Seoliosen zu Grunde gelegten einseitigen Muskellähmung sich in keiner Weise in Ein- klang bringen liesse. Dabei will ich noch, und dürfte diess nicht uninteressant sein, auf das Fehlen der Late- ralabweichungen des Rückgrats bei vierfüssigen Thieren aufmerksam machen, während doch bei denselben fast alle übrigen Erkrankungen der Wirbelsäule ähnlich wie beim Menschen sich vorfinden. Es erklärt sich aber dieses Fehlen nach dem Gesagten vollkommen daraus, dass dem Tbiere mit dem aufrechten Gange die aus- schliessliche Bedingung für eine nachtheilige Einwir- kung der der Wirbelsäule aufgelegten Last behufs der Entstehung von Lateraldeviationen benommen ist; indess die hier in anderer Weise an dem Rückgrate angeord- nete Belastung durch ihr Gewicht auch entsprechend andere Einflüsse äussern kann (wie sich diess z. B. bei vielen Pferden in der sogenannten Satteltiefe aus- spricht). Ist nun aber einmal nach der oben angegebenen Theorie die gerade Linie der Wirbelsäule verloren, so 36* 284 fällt die genannte Wirkung in erhöhtem Grade statischen Gesetzen anheim, und vermöge derselben muss die schon deutlich ausgesprochene Spinaleurve unter un- günstigen Verhältnissen und sich selbst überlassen in steigender Progression zunehmen und durch einseitigen Druck nach und nach die der Krümmung angehörenden Wirbelkörper keilförmig gestalten. Dadurch dehnen sich natürlich die Lateralbänder der convexen Spinalseite immer mehr aus, die der concaven dagegen ziehen sich in demselben Verhältniss zusammen, werden dicker und fester und machen dadurch die verschlimmerten Sco- liosen unheilbar. Aehnliche Vorgänge finden sich bei der zwischen dem 13. und 17. Jahre, hauptsächlich bei Bäckern, Schlossern, Kellnern ete. vorkommenden, durch Schiefstellungen in ihrem Beruf bedingten Form des genu valgum, die auch ganz analogen statischen Mo- menten ihre Entstehung verdankt. Es erhellt demnach aus all’ den bisherigen Ausein- andersetzungen, die bei dieser kurzen Zusammenstellung nur in Andeutungen bestehen konnten, zur Genüge, mit welcher Berechtigung die nach der Schwere wir- kende Belastung der Wirbelsäule unter prädisponirenden Verhältnissen als das wesentlichste ätiologische Moment für die Entstehung der Scoliosen zu betrachten ist. Hiemit bleibt mir nur noch das bei der gewöhnlichen Scoliose häufigere Vorkommen der Deviation nach rechts, welches allein schon mit Nothwendigkeit darauf hinweist, dass die ursächlichen Bedingungen der ge- wöhnlichen von denen der vorzugsweise linksseitigen rhachitischen Scoliose wesentlich verschieden sein müs- sen, zu erklären übrig. Diese Erklärung erscheint aber im Zusammenhang mit der genannten Auffassung, die darin noch eine weitere Stütze gewinnt, bedeutend er- leichtert, indem ja durch vorwiegende Uebung von Ju- gend an eine Prävalenz und stärkere Entwicklung der rechten Seite veranlasst und durch diese neben der schon normal vorhandenen kleinen Abweichung der Spina mach rechts ein Ausschlag der Krümmung nach dieser Seite gefördert wird. Wie will dagegen, frage ich, Dr. Eulenburg diese durch alle Erfahrungen con- statirte Thatsache mit seiner Theorie in Uebereinstim- mung bringen, wie die so constante kräftigere Ent- wieklung der rechten Körperhälfte, die so viel häufigere Lateralabweichung nach rechts bei gewöhnlicher Seoliose mit einer Lähmung der rechten Rückenmuskeln, analog dem varus paralytieus, der alle bezüglichen Erscheinun- gen fehlen, vereinigen? Gewiss ist eine Uebereinstim- mung zwischen dieser T'heorie und dem genannten Vorkommen in keiner Weise denkbar und darum die Unrichtigkeit auch hieraus ersichtlich. Was nach diesen Erörterungen schliesslich noch die Therapie der Scoliosen anlangt, so gehört diese nicht mehr in den Bereich der hier zur Sprache gebrachten Frage und die ihr von meinem Collegen gesteckten Grenzen, und werde ich mich daher, auch in Rücksicht auf die Kürze der mir zu Gebote stehenden Zeit, auf das Gesagte beschränken müssen. Sanitätsrath Eulenburg sucht nochmals die seinem gestrigen Vortrage gemachten Einwürfe zu widerlegen, und zeigt alsdann einen Exten- sionsapparat für Contracturen und Anchylosen im Knie- gelenk vor und erläutert dessen zweckmässige Con- struction. Dr. Kalek aus Saarbrücken zeigt endlich ein Präparat eines geheilten Beinbruchs im Hinterhauptsbein vor. Fünfte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Professor Staatsrth Adelmann aus Dorpat. Dr. Schultz aus Berlin spricht über die Incision der Schaamspalte als Mittel. um den Dammriss zu verhüten. Nachdem er drei Arten der Incision, die seitliche doppelte, die seitliche mehr- fache oder Scarification, und die obere einfache erwähnt, welch’ letzterer er den Vorzug gibt, sucht er die Ein- würfe, welche diesem Verfahren wegen Gefahr der Blu- tung gemacht werden, zu widerlegen, und verbreitet sich alsdann über den Zeitpunkt, wann, und die Art, wie die Ineision gemacht werden soll. Der Behandlung des erfolgten Dammrisses durch Vereinigung der blutigen Naht gibt er den Vorzug und einer möglichst einfachen Nachbehandlung durch Ruhe, Klystire und Reinlichkeit. Dr. Battlehner aus Renchen zeigt ein aus Empl. diachyl. simpl. bestehendes Heft- pflaster vor, dessen Vorzüge — als gut klebend und nicht reizend — vor dem gewöhnlichen Heftpflaster er auseinandersetzt. Oberarzt Dr. Königshöfer aus Aschaffenburg: 1. Ueber eine angeborene cavernöse Geschwulst und deren Operation. Meine Herren! Ich erlaube mir, Ihre Aufmerksam- keit auf Die cavernösen Geschwülste zu lenken. In einer Versammlung, wie diese hier, bedarf es keiner Erörterung, was unter cavernöser Geschwulst zu verstehen sei. Ich selbst habe meine Kenntniss dieser Geschwülste besonders aus Virchow’s Archiv und Busch’s Chirurgie geschöpft. Zur Be- seitigung dieser Geschwülste ist vielfach die Exstirpation vorgeschlagen und mit mehr oder weniger Glück auch in Ausführung gebracht worden. Durch einen Zufall bin ich auf eine minder eingreifende Operationsweise gekommen. Ich bekam nämlich zu Anfang vorigen Jahres ein 14 Tage altes Mädchen in Behandlung, welches mit zwei derartigen sehr entstellenden Ge- schwülsten zur Welt gekommen war. Die eine dieser Geschwülste, von der Form und dem Umfang einer mittelgrossen Birne, sass an der rechten Seite des Halses, bis an die Parotis hinaufreichend, die andere von fast gleichem Umfange auf derselben Seite der Brust, vom Schlüsselbein gegen das Brustbein sich erstreckend. Die Eltern des Kindes waren in grosser Betrübniss, da ein anderer Arzt das Leiden für unheilbar erklärt hatte. Die Venenverzweigungen waren über diesen Geschwülsten sehr entwickelt, und es liess sich eine Anzahl fluctuirender Stellen durch die Hautdecke hin- durch fühlen, gerade als wenn eine Anzahl grösserer und kleinerer Traubenbeeren unter derselben verborgen wären. Aus Neugier, was für Inhalt wohl diese Stellen haben möchten, unternahm ich mit einem sehr schmal- klingigen Bistouri einen Einstich in eine der hervor- ragendsten, und ein Strahl hellgelber, durchsichtiger Flüssigkeit spritzte mir entgegen. Der entsprechende Fleck sank ein, die Oeffnung schloss sich bis zum Ende des zweiten Tages, und der entleerte Raum füllte sich nicht wieder. Dadurch ermuthigt, beschloss ich, alle derartigen Stellen auf gleiche Weise zu behandeln, und so machte ich innerhalb zwei Wochen sechszehn Punc- tionen, indem ich durch vorsichtiges Fühlen und Drücken eine Beere nach der andern, wenn ich so sagen darf, unter das Messer zu bringen suchte. Bei einigen war der Inhalt nicht so, wie ich ihn am erstenmale be- obachtete, sondern blutig, und einzelne Höhlenräume füllten sich wieder und entleerten bei wiederholtem Oeffnen eine bräunliche, zersetzte Blutmasse, heilten aber nach Vergrösserung des Stiches und Einlegen eines Charpiepfropfes eben so vollständig, wie die andern. Anlegung besondern Verbandes war nicht nöthig. Be- decken mit etwas Charpie genügte. In Folge dieses Verfahrens waren binnen drei ochen beide Geschwülste verschwunden. Von den ver- schiedenen Einstichen blieben nur höchst unbedeutende Närbchen zurück, deren Spur nach wenigen Monaten nur bei genauer Betrachtung zu erkennen war. Seitdem ist Jahr und Tag verflossen, und die Heilung blieb eine vollständige. Schon in der vorjährigen Versammlung theilte ich mehreren meiner Freunde diess Resultat mit, wollte aber das Verfahren an weiteren Fällen noch erproben. Dieselben erscheinen aber in meiner Gegend sehr selten ; es ist mir seitdem keiner mehr vorgekommen. — Ich erlaube mir daher, denjenigen Herren, welchen dazu Gelegenheit gegeben ist, diese Methode zur Anwendung _ und Prüfung wärmstens zu empfehlen. Sanitätsrath Schär stellte als Einwendung in Frage, ob cavernöse Ge- schwülste nicht mit der Zeit auch ohne operative Ein- ‚griffe von selbst heilen. Professor Otto Weber aus Bonn erwiederte dagegen, dass diess der Fall nicht sei, dass sie sich vielmehr gleich den Teleangiektasien allmälig ver- grösserten. Er habe selbst schon mehrere cavernöse Ge- schwülste mit glücklichem Erfolge exstirpirt, sei aber _ der Meinung, dass das von Dr. Königshöfer geübte 285 Verfahren eine besondere Beachtung verdiene, um so mehr, als bekannt sei, wie nach wiederholten Venä- seetionen die Armvenen sich durch die Narben ver- engerten, weshalb schon Petrequin für grössere Varices wiederholte Punktionen als Heilmethode em- pfohlen habe. Präsident Staatsrath Adelmann zollt dem Redner ebenfalls Beifall, indem er zugleich auf- merksam macht, dass dieses "Verfahren neben dem Um- stande, dass es ein minder eingreifendes sei, noch den Werth habe, die sichere Feststellung der Diagnose zu ermöglichen. 2. Anwendung des Collodiums in besonderen Fällen. Seitdem das Collodium in die Materia medica einge- führt worden ist, haben sich die verschiedensten Urtheile über dasselbe vernehmen lassen. Während die Einen dieses Mittel halb und halb zu einem Universalmittel zu erheben trachteten, haben Andere, und darunter sehr gewichtige Autoritäten, ihm allen Nutzen abgesprochen. Unter diese gehört auch mein sehr verehrter Lehrer, Herr Generalstabsarzt Stromeyer, welcher in seinen Maximen der Kriegsheilkunst die Meinung ausspricht, dass es die Wunden verderbe. Gewiss würde mich dieses Urtheil zurückgeschreckt haben, hätte ich nicht schon damals durch vieljährigen Gebrauch das Mittel als ein in vieler Beziehung empfehlenswerthes erprobt gehabt. Auf eine achtjährige Erfahrung fussend, glaube ich heute aussprechen zu dürfen, dass die Wahrheit auch hier in der Mitte zwischen den Streitenden liegt, und dass es eben auf das Präparat und auf die Me- thode der Anwendung ankommt. Das gewöhnliche Collodium eignet Sich in der That nieht sonderlich dazu, eine Hautstelle ordentlich zu decken, und eine Vereinigung getrennter Theile längere Zeit zu erhalten. Es zieht sich viel zu stark zusammen, kneift dadurch auf sehr empfindliche Weise und reisst an seinen Rändern die Oberhaut in Blasenform empor. Es springt sehr leicht ab und ist nicht ganz undurch- dringlich für Flüssigkeiten. Diese Uebelstände bringt aber das Collodium tere- binthinatum, dessen ich mich bediente, nicht hervor. Bekanntlich hat Latour schon im Jahr 1851 in der Academie der Mediein zu Paris diese Modification ange- geben. Er rieth, dem Collodium den l5ten Theil seines Gewichts Terpentin hinzuzusetzen, welcher durch Verdunstung seines ätherischen Oeles gänzlich beraubt wurde, und dann etwas Rieinusöl (5 bis 6 Tropfen zu 30 Grammes) beizutröpfeln. Ich habe nach mehrfachen Versuchen am besten und einfachsten gefunden, der Unze Collodium eine halbe Drachme gewöhnlichen venetianischen Terpentin und einen halben Scrupel Riecinusöl beizumischen. Es entsteht dadurch ein fester, luftdiehter Ueberzug von bedeutender Elastieität, der einen gleich zu erwähnenden, weiteren Vortheil bietet. Mit Recht macht nämlich Malgaigne den Chir- urgen den Vorwurf, dass sie — indess die innere Mediein 286 Alles für die Sinne fassbar machen, an das Tageslicht ziehen möchte — häufig ein besonderes Vergnügen daran finden, das zu Tage Liegende unter Verbänden zu begraben, und dadurch das unmöglich zu machen, was er Autopsie am Lebenden nennt. Das Collodium terebinthinatum nun bildet im Gegen- satze zu dem sich weisslich trübenden, gewöhnlichen Collodium einen Ueberzug von solcher Durchsichtigkeit, dass man unter seiner Decke jeden Vorgang wie unter einem Uhrglase beobachten kann. Ich bin weit davon entfernt, diesem Mittel einen Panegyrieus zu halten. Man hat das Collodium über- haupt für gar zu viele krankhafte Zustände empfohlen, man hat es sogar bei Peritonitis und bei Knochenbrüchen angepinselt, was gewiss eben so nutzlos als kostspielig gewesen sein dürfte, allein in einzelnen Zuständen leistet es eine Hülfe, welche andere Mittel wohl nicht in gleichem Grade zu gewähren im Stande sind. Diess ist einmal zuerst bei Verwundungen der Fall. Ein Ueberstrich desselben nach geschlossener Wunde dürfte als wesentliehes Unterstützungsmittel der ersten Vereinigung anzuerkennen sein. Ich muss hier bemerken, dass ich ein besonderer Freund der blutigen und umwundenen Naht bin, und sie der Vereinigung mit Heftpflaster auch an jenen Stellen vorziehe, wo man vielleicht mit Heftpflastern allein auskommen könnte. Ich habe sie auch bei älteren, eiternden Wunden zur Be- schleunigung der Heilung schon oft mit Glück angewandt, und unter anderm einmal aus einer Wunde im Gesichte, welche lange nicht heilen wollte, in Folge der Naht einen ziemlich grossen Glassplitter von selbst hervor- treten sehen, welcher so verborgen gesteckt hatte, dass trotz genauer Untersuchung sein Dasein zuvor nicht ermittelt worden war. Wenn man“nun auf eine gut mit Heften vereinigte Wunde eine etwas breite Lage Collodium aufträgt (während dieses Aufstreichens müssen die Wundränder mittelst der Finger fest aneinander gehalten werden), so macht man diese Wunde fast vollständig zu einer subeutanen. Am vierten bis fünften Tage hat man eine feste Vereinigung, und wird nur in den Sticheanälen ein kleines Tröpfehen Eiter vorfinden. Lässt innerhalb dieser Zeit der Verband irgendwo nach, runzelt er sich, so bedarf es keines Abnehmens, sondern ein wiederholtes Ueberstreichen glättet ihn binnen weniger Augenblicke. Es ist diess ein Vortheil, welcher besonders bei Kopfwunden nicht genug gewürdigt werden kann, da hiedurch besonders pyämische Entzündungsprocesse ver- mieden werden, abgesehen von dem Nutzen, welchen die leichte Anwendung kalter Umschläge bringen muss. Indem man sich der noch rein gebliebenen Collodium- häutchen bedient, welche man nach Beendigung der Heilung oder aus anderen Gründen abgenommen hat, kann man auch in manchen Fällen eine gute Vereini- gung ohne blutige Naht zu Stande bringen. Ich habe mich gewöhnt, diese Häutchen für solche Vorkommnisse aufzubewahren, und möchte ihnen den Namen „Collodiumpapier“ geben. Man kann sie auch eigens fertigen, indem man Collodium zu wiederholten Malen auf eine Glasplatte aufträgt, und wenn es die gehörige Dicke erlangt hat, vorsichtig ablöst. Dieses Papier lässt sich dann über kleine Wunden spannen, an den Rändern mit Collodium befestigen, auch noch fernerhin überstreichen. Man kann mit ihm Verbände an Stellen anbringen, wo andere Verbände nur schwer halten oder sehr complieirter Art sein müssten, wie am Brustkorb, am Bauche, am Oberschenkel. Wo die Durchsichtigkeit nicht nöthig erscheint, kann man auch statt dieses Papieres Leinwandstückchen be- festigen, indem man sie an den Rändern mit Collodium bestreicht. Bei Leuten, deren Haut von jedem Pflaster gereizt wird — und es gibt deren nicht wenige — wird sich diese Verbandweise besonders nützlich erweisen. Auf eine durch Collodium luftdicht abgeschlossene Wunde kann man nun kalte Umschläge machen, ohne besorgen zu müssen, dass Erweichung ete. des Verbands eintrete. Ich habe selbst Spiritusumschläge darüber machen lassen, indem ich die Stelle mit einem Stück in Spiritus getränkter Watte bedeckte, durch diese entsteht, nebenbei bemerkt, eine starke Verdunstungskälte, und sie empfehlen sich besonders an Stellen, deren Um- gebung man nicht gerne entblöst, und zur Nachtzeit. Das Collodium scheint mir besonders dadurch so günstig zu wirken, dass es einerseits den Zutritt der Luft verhindert, andererseits jede Perspiration durch die Haut unmöglich macht. Die Blutbestandtheile müssen daher in dem verletzten Theile unverändert bei einander bleiben. Wie auf Wunden, so hat ferner das Collodium auf bläschen- und furunkelartige Hauterkran- kungen, auf Phlebitis in Folge eitriger Infeetion meiner Erfahrung gemäss den heilsamsten Einfluss. Engel hat in seiner pathologischen Anatomie darauf aufmerksam gemacht, dass Pusteln in Folge Leichengifts ohne weitere Nachtheile zu vertrocknen pflegen, wenn man sie nicht absichtlich oder durch Zufall öffnet. Dasselbe dürfte bei den Bläschen und Pusteln der Fall sein, die den Furunkularabscessen vorausgehen. Indem man nun die emporgehobene Epidermis resi- stenter macht, kann man die unangenehmen Zustände vermeiden, welche ihre Eröffnung zur Folge hat. — Hiezu passt aber nichts besser, als die künstliche Haut eines Collodiumanstrichs. Selbst wenn nach Zerstörung des Bläschens die Hautentzündung schon in der Ent- wicklung begriffen ist, kann man mit Collodium ihre Weiterausbreitung hemmen und die Abscessbildung be- deutend beschränken. Die Phlebitis, welche in Folge von Eiterung, etwa in Folge eines Panaritiums, sich entwickelt und durch die röthliche Hautfärbung längs des Verlaufs der Venen sich kennzeichnet, habe ich bisher stets durch breites Ueberstreichen mit Collodium in kurzer Frist zu bändigen vermocht. Hier glaube ich darauf aufmerksam machen zu müssen, dass das Collodium terebinthinatum oft schnell eine gelbröthliche Färbung annimmt, und man bisweilen noch eine Röthung unter ihm zu sehen glaubt, indess die Hautfarbe nach seiner Entfernung sich als normal ausweist. Das Collodium wurde auch bei Verbrennungen gerühmt. Hier kann es nur bei blossem Erythem etwas nützen. Bei Blasenbildung ist die Bedeckung mit Baum- wollenwatte vorzuziehen. Von grossem Nutzen fand ich aber das Collodium bei Entzündung der weib- lichen Brust. Die heftigsten Schmerzen verschwanden binnen weniger Minuten, sobald es angestrichen war, besonders da, wo die Haut sich rosenartig gefärbt zeigte. Zudem bildet es den schönsten Compressivverband, den man sich wünschen kann, über den noch dazu die in neuerer Zeit empfohlenen kalten Umschläge ohne Nach- theil gemacht werden können. Zur Beseitigung des Leidens darf aber neben der Darreichung innerlicher Mittel nicht umgangen werden, die Brust durch Saug- gläser u. dgl. täglich 1—2 Mal zu entleeren. Selbst wenn, wie dies manchmal der Fall ist, nur einige Tropfen zäher, fast glasheller Flüssigkeit herausgesogen werden, fällt die Geschwulst sogleich merklich ein, das Collodium runzelt sich und muss dann durch wieder- holtes Ueberstreichen wieder glatt gespannt werden. Nöthig werdende Ineisionen an fluetuirenden Stellen stören diesen Verband nicht; mittelst Collodiumpapiers lässt sich Allerlei auf den inecidirten Stellen festhalten. Als comprimirendes Mittel fand ich das Collodium auch noch von einigem Werthe bei Telangiektasien Neugeborener. Hier muss es Wochen und Monate lang angewandt werden, und scheint in der Art zu wirken, dass es beim Fortwachsen des Körpers die kleinen Ge- fässerweiterungen in statıı quo erhält, theilweise durch Obliteration zurückbildet. Ganz verschwanden die von mir behandelten Telan- giektasien durch den Collodiumverband nicht, verklei- nerten sich aber beträchtlich. Diess, meine Herren, wären die Resultate, welche ich bezüglich des Collodiums mittheilungswürdig fand. Möchte daraus erhellen, dass dasselbe unter Beobach- tung gewisser Rücksichten ein für den Chirurgen recht brauchbares Mittel ist. Professor Otto Weber bemerkt, dass ein anderes Collodiumpräparat, das Col- lodium rieinatum, an der chirurgischen Klinik in Bonn sich mehrfacher Anwendung zu erfreuen gehabt habe, und manches Günstige darüber zu berichten wäre. Die Wun- den seien manchmal zuvor mit englischem Pflaster ver- einigt worden. Telangiektasien sah derselbe nach beharr- licher Anwendung des Mittels vollständig verschwinden. 3. Ueber die Folgen der Iridectomie und die Anwendung der Mydriatica. An die Stelle der verschiedenen, oft mit den aben- teuerlichsten Instrumenten bewerkstelligten Arten von künstlicher Pupillenbildung hat die neuere Zeit ein einfacheres, in seinem Erfolge mehr Sicherheit bietendes _ Verfahren gesetzt. Die Irideetomie, um deren Ausbil- dung und Verbreitung sich Arlt und Rothmund der Jüngere, besonders aber v. Graefe ein nicht genug anzuerkennendes Verdienst erworben haben. Wie aber auch das Gute übertrieben werden kann 287 so scheint mir das leichte Gelingen dieser Operation zu allzuhäufiger Anwendung derselben ermuthigt zu haben, zu einer Anwendung, welche besonnene Ueberlegung nicht immer gut heissen möchte. Zur Erhaltung des hohen Werthes dieser Operation dürfte es daher nicht überflüssig sein, die verschiedenen Indicationen, welche für sie gestellt worden sind, kritisch zu beleuchten und nöthigenfalls zu beschränken. Da über diese Operation nur vom Erfolge, und selbst darüber eigentlich noch verhältnissmässig wenig berichtet worden ist, so wird es vielleicht nicht unge- eignet erscheinen, wenn ich zuerst nach eigenen Be- obachtungen (die ich sowohl in der Privat-Augenheil- anstalt eines verehrten Freundes, Herrn Hofrath Pagen- stecher, als bei von mir selbst vorgenommenen Heil- versuchen anzustellen Gelegenheit hatte) einige Vor- gänge berichte, welche sich während und nach dem Acte zu ereignen pflegen. Der Einstich des Lanzenmessers durch die Iris, noch mehr aber das Fassen und Losreissen der Iris durch die Pincette verursacht selbstverständlich eine mehr oder minder bedeutende Blutung in die Augenkammer, durch welche der noch zurückbleibende Humor aqueus oft in hohem Grade getrübt wird. Tavignot schon hatte desshalb Injection von warmem Wasser vorgeschlagen, die jedoch Rothmund der Jüngere mit Recht für un- nöthig erklärte, die meiner Meinung nach sogar schäd- lich wirken würde. Lässt man das Auge eine kurze Weile unbehelligt, so senkt sich bei Rückenlage des Kranken das Blut vermöge seiner Schwere, und man kann, wenn die Vollendung der Operation durch die Blutung unterbrochen war, nun ruhig weiter arbeiten. In Folge der Blutung bilden sich aber immer kleine Gerinnsel oder Niederschläge auf der vorderen Kapsel- fläche, ferner verlöthet sich der Rand der neuen Pupille meist vollständig mit der Linse, welche Verlöthung theils durch Ausschwitzungen aus der Schnitt - und Rissfläche, theils durch die nachfolgende, wenn auch nicht bedeutende traumatische Iritis veranlasst zu wer- den scheint. Mit der Zeit schwinden zwar durch Aufsaugung die erwähnten Niederschläge bedeutend, allein man kann sie doch nach vielen Monaten noch mittelst schiefer Beleuchtung recht wohl erkennen, auch bilden sie immer ein bedeutendes Hinderniss für die ophthalmoskopische Untersuchung. Sie sind es auch, welche den Arzt nöthigen, die Pupille grösser als die natürliche anzulegen, wenn er einen schönen Erfolg erzielen will. (Die Abtragung des sechsten bis vierten Theils der Iris erscheint stets noth- wendig!) Sie sind es, welche der Wiederholung der Operation eine immer ungünstigere Prognose zu stellen zwingen. Vergleichen wir nun diesen 'Thatbestand mit den von mehreren Autoren für die Iridectomie aufgestellten Indieationen, so finden wir, dass sie in der bisher geübten Weise entweder gar nicht oder höchstens in ganz besonders glücklichen Verhältnissen eine Commu- nication zwischen der vorderen und hinteren Augen- 288 kammer herzustellen vermag. Es ist zwar durch Cra- mer und Helmholtz erwiesen, dass eine hintere Au- genkammer im Sinne von Petit nicht existirt, allein man hat gemeint, die Iridectomie sei von Nutzen, wenn sich zwischen Iris und Linse ein Exsudat angesammelt habe, um nach Entleerung desselben den Raum geöffnet zu erhalten, und dadurch die Wiederansammlung zu verhüten. Ferner hat die Irideetomie bei partiellen Verlöthungen der Iris nur einen zweifelhaften Werth, so lange nicht verhindert werden kann, dass die Ränder der neu an- gelegten Pupille von Neuem sich mit der Kapselwand vereinigen. Man hat behauptet, durch die Irideetomie würden die Druckverhältnisse im Bulbus günstig verändert. Eine Veränderung der Druckverhältnisse kann vorzugsweise durch ihren ersten Act, das Einstechen, wodurch immer etwas Humor aqueus entleert wird, veranlasst werden. Diess geschieht aber wohl viel einfacher durch die Pa- racentese allein, deren anerkannte Wirkung auch schon von Manchen als Veränderung des Druckes erklärt wurde, indess eine grosse Autorität, Donders, ganz anderer Meinung ist, und diess in Gräfe’s Archiv bei den Imbibitions-Erscheinungen der Hornhaut aus einan- der gesetzt hat. Ob die Irideetomie, wie ebenfalls behauptet wird, die Atrophie des Auges zu verhüten oder wenigstens zu hemmen vermag, scheint noch einigermassen zweifel- haft, da wir über die Ursachen der Atrophie keineswegs noch ganz im Klaren sind, und ihr Auftreten jedenfalls nicht mit Bestimmtheit prognostieirt werden kann. Schliesslich möchte ich denen, welche die Irideec- tomie geradezu als ein Antiphlogisticum rühmen, zu bedenken geben, dass ja neben der Operation eine streng antiphlogistische innerliche Nachbehandlung eingeleitet zu werden pflegt, dauernde Ableitung durch Haarseile oder Fontanellen selten entbehrt werden kann, somit nicht genau unterschieden zu werden vermag, was der Irideetomie, was dem übrigen Heilapparate zuzuschrei- ben ist. Indem ich von ganzem Herzen wünsche, dass die Irideetomie gegen ein so bösartiges Leiden, als das Glaucom sich vollkommen ausreichend erweisen möge, kann ich doch nicht umhin, auszusprechen, dass alle anderen Indicationen ausser denen, welche die Bildung einer künstlichen Pupille erheischen, mir noch nicht genügend erscheinen und den Eingriff nicht immer ent- schuldigen lassen, welcher durch diese Operation in die mannigfachen Functionen der Iris und der ihr zunächst liegenden Gebilde gemacht wird. Ein glücklicher Zufall hat mich einen hiesigen Bürger kennen gelehrt, an dessen Auge vor 38 Jahren eine Verletzung Veränderungen hervorbrachte, welche ich als das Ideal einer glücklich gelungenen Irideetomie be- zeichnen möchte. Nach Beendigung dieses Vortrags werde ich Ihnen denselben vorzustellen die Ehre haben. Ich erlaube mir nun, weiter zu bemerken, dass wohl die Anzahl der für Irideetomie sich eignenden Fälle in Zukunft schon dadurch geringer werden wird, weil man besser mit den Mydriatieis umzugehen gelernt hat. In früheren Jahren fürchtete man sich vor Anwendung dieser Mittel bei entzündlichen Zuständen des Auges, und auch ich hatte ein Vorurtheil gegen dieselben über- kommen, welches ich erst seit Anwendung des Augen- spiegels abzulegen vermochte. Der Augenspiegel war überhaupt, wie ich glaube, die erste Veranlassung zur häufigeren Anwendung der Mydriatica, bis endlich die durch A. v. Gräfe mitgetheilten Erfahrungen mass- gebend wurden. Atropin und Belladonnaextract sind die beiden in Anwendung kommende Präparate. — Welches von bei- den den Vorzug verdiene, möchte ich mit wenigen Worten erörtern. Die Vorliebe für die Alkaloide ist in neuerer Zeit fast eine allgemeine, hier scheint sie aber nicht ganz gerechtfertigt. Ich habe die Wirkung des einfachen Atropins geprüft. Wenn auch in Wasser nicht löslich, erweitert es dennoch die Pupille, nur schwächer und langsamer. Auch das schwefelsaure Atropin wandte ich mehrfach an; wenn es aber nicht mit der grössten Vor- sicht bereitet ist, so reizt es durch überschüssige Schwe- felsäure das Auge, ist also neben seiner Kostspieligkeit ein etwas perfides Mittel. Der Umstand, dass nach der Belladonnaextract -Einträufelung die Kranken ein viel angenehmeres Gefühl im Auge empfinden — manche beschrieben dasselbe, als wäre ihnen ein schmerzstillen- des Oel in’s Auge gegossen worden — liess mich end- lich für letzteres Mittel entscheiden. Das nach der preussischen und nach der neuen bayerischen Pharma- kopöe bereitete Belladonnaextract in einer Lösung von 5—6 Gran auf die halbe Unze hat mich bezüglich seiner Wirksamkeit nie im Stiche gelassen, und ich habe es auch mehrfach gegen Lichtscheu und Augenlider- Krampf als von ausgezeichnetem Erfolge erprobt, was ich um so mehr erwähnen zu müssen glaube, als noch hier und da bei der scrofulösen Bindehautentzündung der Kinder barbarische Methoden geübt werden. — Es schliesst sich diese meine Erfahrung an die Beobach- tungen Arlt’s an, welchem Einreibungen einer Salbe von 4—6 Gran Extraet auf eine Unze Fett an Stirn und Schläfe sich als nützlich erwiesen haben. — Hierauf stellte Dr. Königshöfer der Versamm- lung den Herrn C.H. aus Carlsruhe vor, dessen rechtes Auge folgende Beschaffenheit zeigt: In eine durch einen Glassplitter verursachte, dem Musculus rectus externus parallel laufende Selerawunde ist die Iris verheilt (seit 38 Jahren), eine Trübung auf der Linse nirgends zu bemerken, die Pupille beweglich. Hie und da empfindet Vulnerat beim Reiten, Fahren, Tanzen etwas Flimmern, und die Pupille wird bisweilen, für ihn selbst auffallend, erweitert. Der Präsident bemerkt, dass, wollte man diese Hei- lung künstlich nachahmen, man wohl zu der vielleicht mit Unrecht so wenig geübten Operation der Irido- Parelkyse seine Zuflucht nehmen müsste, Königshöfer fügt bei, dass man nicht ganz mit Recht bei der Irideetomie die Pincette dem Häkchen vorzuziehen pflege. Wie ihm Versuche am Kaninchen und an Cadavern gelehrt hätten, könne man, ohne Iridodialyse zu bewirken und ohne Ausreissen befürchten zu müssen, mit einem nicht zu kleinen Häkchen, be- sonders wenn man es um seine Achse drehe und so eine Torsion ausübe, den Pupillarrand ganz gut zu einer Sklerotikawunde herausziehen. Die Drehung des 289 Häkchens um seine Achse schütze auch vor Verwick- lungen. Verletzungen der Linsenkapsel liessen sich durch das Häkchen eben so gut vermeiden, wie durch die Pincette. Vielleicht könnte durch ein ähnliches Ver- fahren der Einstich des Lanzenmessers in die Iris über- flüssig gemacht werden. X. Section für Psychiatrik. Erste Sitzung am 17. September 1858. Präsident: Geh. Sanitätsrath Martini. Ständige Seeretäre: Leibarzt Zandt und Dr. Kusel aus Carlsruhe. Geh. Medieimalrath Flemming aus Schwerin: Was heisst „Fortschritt in der Psychiatrie“, und welches ist sein Weg? Der Redner rechtfertigte das Eingehen auf diese - Frage, Angesichts der in die Augen fallenden Entwick- lung dieses Zweiges der Mediein, von welcher die letzten Decennien Zeugniss geben, und die Ungenüge an dem, was diese Entwicklung ihr eingetragen habe. Er wies auf einige Gefahren hin, mit welchen gegenwärtig ein ' Stillstand die Psychiatrie bedrohen würde und die er _ erkannte in der zu lebhaften Verfolgung der speciellen Pathologie vor dem Ausbau der allgemeinen; in dem zu eifrigen Bemühen um Bekämpfung secundärer und ter- tiärer Krankheitserscheinungen bei Vernachlässigung der Erforschung des Wesens oder des Grundleidens der Krankheit; in der vorwaltenden Ausbildung der Technik zum Nachtheil tiefer eingehender wissenschaftlicher Stu- dien. Um den Weg zu finden, welchen der Fort- schritt der Psychiatrie gegenwärtig zu nehmen habe Zwecks Vermeidung des Schädlichen und Erreichung des Nothwendigen, rieth der Redner die allerdunkelste ‚Gegend der Lehre von den Seelenstörungen in’s Auge zu fassen: ihre Pathologie. Er wies darauf hin, dass diese Doctrin nach alken Seiten hin noch unvollkommen, nklar, lückenhaft, überhaupt mangelhaft sei: dieSympto- ıatologie wie die Aetiologie und die Pathogenie. Er machte indessen darauf aufmerksam, dass der sigentliche Ausgangspunkt für die hier einschlagenden ntersuchungen, die Nervenphysiologie, zur Zeit noch renig Stützpunkte für dieselben darbiete. Die rühm- chen Anstrengungen auf diesem Gebiete haben bisher st allein der Aufklärung der motorischen Thätigkeit des Nervensystems und ihrer Gesetze gegolten,, wobei die Benutzung eines regelmässig wirkenden physischen Agens, der Electrieität, zu Hilfe kam. Es fehlte aber bis jetzt an einem analogen Agens für die Erforschung der sensorischen Nerventhätigkeit. Der Vortragende verwies daher auf den Ausgangspunkt, welcher die Symptomatologie der Geistesstörungen darbietet. Dar- unter wollte er jedoch nicht ausschliesslich die Lehre von den psychischen Symptomen der in Rede stehenden Krankheitsgruppe verstanden wissen, welche nur secun- däre und tertiäre, meist unverständliche Erscheinungen begreift und auf einen direet wenig angreifbaren, krank- haften Zustand des Nervensystems führt; sondern den Ueberblick aller und jeder Krankheits - Erscheinungen, welche dem Ausbruche der Psychosen vorhergehen und ihn begleiten: das Studium ihrer Reihenfolge, ihrer Ent- wickelung auseinander, und ihrer Beziehung zu den psychischen Krankheitssymptomen. Hiedurch hoffte er den Einblick in das Wesen der Krankheit und das Ver- ständniss der Ausbeute, welche neuerlich immer reich- licher die pathologische Anatomie des Nervensystems liefert, vorbereitet zu sehen. Nach einem dankbaren Hinblick auf den erfreulichen Vortritt des verewigten Jacobi auf diesem Gebiete erwähnte der Redner noch zweier Bedingungen für das Gedeihen solchen Fort- schrittes. Eine solche fand er zuerst in der Verallge- meinerung des Studiums der Psychosen. Er bezeichnete die Erwartung, dass die neue Psychiatrie in den Irren- Anstalten allein begründet, geschaffen und vollendet werden sollte, als eine übertriebene und ungeeignete, weil in diesen meist nur ein Bruchstück des Krankheits- falles zur Beobachtung kommt, nicht aber derjenige Theil desselben, welcher für die Erforschung der Ent- stehung und des Wesens der Krankheit der unentbehr- lichste ist. — Eine zweite Bedingung fand er in dem gemeinsamen Zusammenwirken der Kräfte, in Vermei- dung der Spaltung ihrer Thätigkeit. Unter anerkennen- der Hinweisung auf die Einheit der Bestrebungen in den Nachbarländern beklagte er die Trennung der Thä- tigkeit in den deutschen Ländern, trotz aller eifriger 37 290 Bemühung zu ihrer Vereinigung und knüpfte daran an- gelegentliche Wünsche für künftige Einheit. Obermedieinalrath Zeller von Winnenthal hebt aus dem gestrigen Vortrag des Geh. Hofraths Roller (I. Allg. Sitzung, S.22) besonders hervor, dass Zweite Sitzung am 18. September 1858. Präsident: Geh. Medieinalrath Damerow. Die in der letzten Sitzung von dem Obermedieinal- rath Zeller aus Winnenthal angeregte Discussion über die (durch den Vortrag des Geh. Hofrath Roller „Ueber die Seelenstörungen in ihrer Beziehung zur Straf- rechtspflege“ hervorgehobene) Bedürfnisse der gerichtli- chen Psycho-Pathologie, deren Fortsetzung auf heute ver- schoben war, an eine geregelte Ordnung zu binden, stellte Geh. Medicinalrath Flemmins die nachfolgenden 20 Thesen, betreffend die bei dem gerichtlich psycho-pathologischen Verfahren zur Lei- | tung zu nehmenden Grundsätze auf: 1) Die Psychologie, oder die Lehre von der Seele, wie sie jetzt besteht, ist nicht Physiologie, sondern nur | Phänomenologie der Seele. 2) Als solehe gehört sie, wenn auch immerhin zur Naturwissenschaft, doch nicht ausschliesslich oder nur vorzugsweise zur Domäne der Mediein, sondern bildet eine Hilfswissenschaft sowohl dieser, als der Jurispru- denz, der Theologie, der Pädagogik. 3) Wenn die Mediein vorzugsweise ein Anrecht auf | die Psychologie in Anspruch nehmen wollte, so könnte sie Dies nur, insofern sie die Bedingungen des gesunden und des kranken, des normalen oder anomalen Seelen- lebens im Organismus nachweiset oder nachzuweisen versucht. 4) Wenn die Jurisprudenz in den Fall kommt, für die Benrtheilung einer 'Thatsache bezüglich der Anwend- barkeit des Gesetzes ein sachverständiges Erachten von | Seiten der Psychologie einzuholen, so kann sie sich an Jeden wenden, welcher in Sachen der gesunden Seelenerscheinungen Kenntniss und Erfahrung hat. 5) Wenn sie sich mit ihrer Frage vorzugsweise an den Arzt wendet, so geschieht es nur, um von ihm seine Meinung über Gesundheit und Krankheit zu hören, insofern die eine oder die andere von Einfluss ist auf fragliche Seelenzustände. 6) Der Gerichtsarzt ist folglich niemals Beisitzer des Gerichts zur Aburtheilung eines Rechtsfalls, sondern nur zugezogener Sachverständiger, der über einen frag- lichen Umstand zu Rathe gezogen wird. 7) Der fragliche Umstand ist allemal Gesundheit oder Krankheit, und zwar des Körpers, in Beziehung auf deren Wirkungen auf das normale Vonstattengehen der Seelenthätigkeit. 8) Der Geriehtsarzt hat sich nur um diese Frage 1 4 E ‘ vorerst die Criminalgesetzgebung auf die verminderte Beurtheilungsfähigkeit der Geistesstörungen, und zwei- tens auf eine allgemeinere Fassung für die Bezeichnung der kranken Unfreiheit mit Umgehung bestimmter Benen- nungen der Krankheitsformen und auf Einheit der Sprache der Irrenärzte aufmerksam gemacht werden solle. zu kümmern, und wie auch die Frage des Richters ge- stellt sein möge, nichts weiter aus dieser herauszu- lesen, als: ob der Explorande in der Art und in dem Maasse krank sei oder nicht, dass darunter das normale Vonstattengehen der Seelenverrichtungen Schaden erleiden könne oder müsse ? 9) Eine hiemit übereinstimmende Fragestellung von Seiten des Richters ist wünschenswerth, aber nicht noth- wendig, wenn der Arzt den richtigen Gesichtspunkt ein- hält; wie es auch demselben freisteht, etwa vorgefun- dene Krankheitszustände nach Maassgabe ihrer psychi- schen Erscheinungen in Uebereinstimmung mit seiner eigenen oder irgend einer Nosologie zu bezeichnen. 10) Dispositionsfähigkeit (Validität) und Zurech- nungsfähigkeit (Imputabilität) sind nicht medieinische, sondern juristische Begriffe, deren Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit nur eine Consequenz des ärztlichen Parere ist. Wenn die Fragestellung des Richters ihrer erwähnt, so darf diess den Arzt über den Sinn der Frage nicht irre machen. 11) Krankheit und Gesundheit in dem sub 8 be- zeichneten Sinne ist für den Arzt nur erkennbar an ihren Erscheinungen, theils leiblichen, theils psychischen. 12) Eine dieser beiden Reihen von Erscheinungen allein reicht niemals hin, um Gesundheit oder Krankheit zu bezeugen und zu beweisen. Es soll nachgewiesen werden, ob erhebliche Krankheitserscheinungen vorlie- gen, welche mit (fraglichen) psychischen in causaler Beziehung zweifellos oder wahrscheinlich stehen, oder stehen können. 13) Am wenigsten sollen die psychischen Erschei- nungen allein und für sich als Beweis für Gesundheit oder Krankheit in Erwägung gezogen werden, welche den Gegenstand der richterlichen Untersuchung bilden. 14) Wenn der Gerichtsarzt sich in Ermangelung pathologischer Thatsachen ausschliesslich auf die Er- wägung dieser fraglichen psychischen beschränken muss, so muss er ausdrücklich erklären, dass er im vorliegen- den Falle nieht als Arzt, sondern lediglich als Psycho- loge urtheilt. 15) Da die Krankheit niemals ein abgeschlossene Zustand, sondern ein fortlaufender Process ist, so ü für die Beurtheilung der Thatsachen deren genaues und vollständigster Ueberblick erforderlich, um die Ge- schichte der Krankheit zu erforschen. 16) Die Meinung des Sachverständigen muss mö lichst in einer dem Nichtarzte verständlichen Form gedrückt sein. f 17) Der Gerichtsarzt darf niemals scheuen, das „non liquet“ auszusprechen, und er darf sich nieht um die Wirkungen desselben kümmern. 18) Der Richter ist nicht verpflichtet, weder eine unsicher, noch eine bestimmt ausgesprochene und wis- senschaftlich begründete Meinung zur Grundlage für die richterliche Entscheidung anzunehmen. 19) Sowohl in Fällen, wo der Richter die Argu- mentation des Sachverständigen nicht hinreichend ver- steht, oder mit seinen Folgerungen aus den Thatsachen nicht einverstanden ist, also auch in solchen, wo das non liquet ausgesprochen ist, muss derselbe, sofern die Argumentation eine nicht blos psychologische, sondern ärztliche ist, eine Superrevision fordern. 20) Die gerichtsärztliche Begutachtung psychopa- thologischer Fälle, sowie die Superrevision muss durch 291 eine ärztliche, in Beobachtung von Krankheitszuständen, welche das Vonstattengehen der Seelenthätigkeiten be- hindern, geübte Behörde geschehen. Diese Thesen wurden der Reihe nach diseutirt, wo- bei sich hauptsächlich die Herren Obermedieinalrath Zeller, Geh. Hofrath Roller, Amtsarzt Hergt aus Neckargemünd, Direetor Diek aus Klingenmünster, Hofrath Stimmel aus Kenneburg, nebst einigen anwe- senden ‚Juristen betheiligten. Im Laufe der Debatte, welche die ganze Sitzung ausfüllte, erhob sich insbeson- dere lebhafter Widerspruch gegen die Sätze 1, 4, 8, 14, 18, der zu einem Theile sofort seine schliessliche Erledigung fand, zum andern Theile die Vertagung der Discussion auf die nächste Sitzung nöthig machte. Dritte Sitzung am 20. September 1858. Präsident: Geh. Medieinalrath Flemming. Da der Antrag des Vorsitzenden, bei der zu erneuern- den Discussion über die in der vorigen Sitzung von ihm aufgestellten Thesen, das Präsidium an den Herrn Geh. Hofrath Roller abzutreten, als unnöthig zurückge- wiesen wurde, so recapitulirte derselbe kürzlich die bisher gegen die fraglichen Corollarien erhobenen Ein- reden und ihre gefundene Erledigung; worauf sich die Debatte von Neuem länger mit der Thesis 18 beschäf- tigte. Dabei wurde vornehmlich geltend gemacht, dass zwar der Richter nicht ein für allemal verpflichtet wer- den könne, sich an das Ergebniss des ärztlichen Erach- tens zu binden, jedoch das ausdrückliche Anerkenntniss seiner vollkommenen Unabhängigkeit von dem sachver- ständigen Erachten dessen Wirkung leicht illusorisch machen könne. Der Proponent liess nunmehr diese Thesis als irrelevant für den Gerichtsarzt und nur den Richter angehend fallen, und es erklärten schliesslich die Anwesenden, das die psychiatrische Section die übrigen 19 Thesen, demnach mit Ausschluss der 18., zu den ihrigen mache. Direktor Kern aus Gohlis bei Leipzig: Ueber das Verhältniss der Pädagogik zur Psychiatrie. Den in der neuern Zeit gründlicher und sachge- mässer angestellten statistischen Erhebungen zufolge ‚haben sich bezüglich der Geisteskranken überraschend hohe Zahlenverhältnisse herausgestellt, dennoch bleibt die Frage offen, ob in der Gegenwart psychische Er- krankungen gegen frühere Zeiten wirklich im Steigen begriffen, oder ob es nicht einestheils der wissenschaft- ‚licher durchgeführten statistischen Erörterung und an- derntheils der grösseren Fürsorge, welche jetzt im All- ‚gemeinen den Seelengestörten zu Theil wird, beizumessen ‚sei, dass zur Zeit erst das wahre Zahlenverhältniss er- "kannt wird. Als Thatsache aber dürfte es wohl fest stehen, dass in der Gegenwart solche psychische Krank- heitsformen häufiger auftreten, welche eine tiefe Er- schütterung, wo nicht totale Zerrüttung der körperlichen und geistigen Natur des Erkrankten voraussetzen, und eben so liegt es in der Erfahrung, dass sonst einfache Formen von Seelenstörungen in der Neuzeit häufig einen überraschend rapiden Verlauf nehmen und nach kurzer Dauer in unheilbaren Blödsinn übergehen. Wenn wir nun sehen, wie sich im eoncreten Falle der Wahnsinn bezüglich seines Inhaltes dem individuellen sowohl intelleetuellen als auch moralischen Bildungs- stande accommodirt, wie er durch die herrschenden Zeit- ideen motivirt bald als religiöser, bald als politischer Wahnsinn auftritt oder sonst durch den allgemeinen Culturzustand charakterisirt wird, so dürfen wir wohl auch erwarten, für besagten physischen und psychischen Schwächezustand in dem einen oder dem andern der erwähnten Momente einen nachweisbaren Grund zu finden, und ich will versuchen, ihn in der ersten Erzie- hung des Menschen nachzuweisen, sofern diese einer- seits das Spiegelbild des allgemeinen Culturzustandes ist und andererseits wiederum als die Basis jeder Fort- entwicklung desMenschengeschlechtes betrachtet werden muss, indem sie das künftige körperliche und geistige Sein und Leben des Einzelnen wesentlich bestimmt. — Nichts Fertiges wird dem Menschen in geistiger Be- ziehung angeboren, sondern nur die Möglichkeit seiner Entwicklung; der Gang dieser Entwicklung und der Grad der zu erreichenden Bildung hängt ab: 1) von der Organisation des Körpers als dem Trä- ger der geistigen Manifestation. Die Organisa- tion des Leiblichen aber ist in ihrer Wesenheit ein Erbtheil der Erzeuger, deren Individualität sich hier eben so überträgt, wie bezüglich der ursprünglichen Kräftigkeit in psychischer Hin- sicht; 2) kommen die allgemeinen Kulturzustände, wie die herrschenden Zeitrichtungen in Betracht, unter 37* 292 deren Einfluss die geistige Entwicklung des Ein- zelnen vor sich geht; 3) endlich sind die Familienverhältnisse, in denen der Mensch geboren wird, hoch anzuschlagen, denn immerhin ist ein Kind glücklich zu preisen, welches in einer Lebenssphäre das Licht erblickt, wo ihm zweckmässige leibliche Pflege zu Theil wird, wo ihm mit der Muttermilch geistige An- regung, geistige Nahrung geboten ist; denn nicht durch sich selbst entfaltet sich das geistige Leben, nicht durch sich selbst wird der Mensch zum Menschen, sondern er will dazu erzogen sein. Die Erziehung erscheint uns nun als Erziehung durch die umgebende Natur, als eine absichtliche Erziehung durch die schon gebildete Vernunft und als Erziehung durch die Schicksale, welche in der Hand Gottes liegen. Die ersten Eindrücke, welche das Kind in sich auf- nimmt, woran sich sein geistiges Wesen entzündet, sind sinnliche Wahrnehmungen; daher sehen wir auch gei- stige Einfalt, Beschränktheit und Stumpfsinn, da wo die nächste Umgebung des Kindes eine einförmige, be- schränkte, ärmliche ist; geistig frisches Leben aber ge- deiht nur in einem an- und erregenden Anschauungs- kreise. Der Weg jedoch, welchen die Natur zur Erziehung des Menschen einschlägt, ist ein langsamer und unsi- cherer, denn die anregenden Momente, welche sie bietet, kommen nicht immer zum Kinde, auch nicht immer zur rechten Zeit, und das Kind vermag nicht das ihm För- derliche selbstständig aufzusuchen, es muss vielmehr die schon gebildete Vernunft vermittelnd auftreten. Die Eltern sind nun die natürlichen Pfleger, Er- zieher und Lehrer ihrer Kinder; sie repräsentiren die gebildete Vernunft , und so soll denn auch die Familie und deren Umgebung die Welt des Kindes sein, in welcher es alles findet, was seine erste physische und psychische Bildung zu fördern im Stande ist. Die sin- nige Mutter, welche ihren hohen Beruf erkannt hat, bringt dem Kinde Natur- und Kunstprodukte zur An- schauung, das Glänzende wie das Bewegliche zieht seine Aufmerksamkeit auf sich und veranlasst es zu Gegen- wirkungen, das ältere der Geschwister führt das jüngere in seine Spiele, in sein geistiges Leben ein; kurz mit der allgemeinen Pflege und Entwicklung des Körpers gehen Uebung der Sinne, Weckung und Kräftigung der gei- stigen Vermögen Hand in Hand. Die socialen Verhältnisse haben die Schule und so- mit eine Schulpädagogik geschaffen, deren Aufgabe es sein soll, nach wissenschaftlichen Grundsätzen die wei- tere körperliche und geistige Ausbildung des heran- wachsenden Kindes zu leiten, nachdem dasselbe nach beiden Richtungen hin die ersten Stadien im Elternhaus zurückgelegt hat oder doch zurückgelegt haben sollte, weshalb man auch von einem schulpflichtigen Alter spricht, welches in das sechste oder siebente Lebens- jahr, demnach in ein Alter fällt, wo das Kind bereits im Elternhaus den Grund zu seiner weitern Entwicklung in der Weise gelegt haben kann, dass die Schule wei- terhin eben nur zu ordnen, zu vervollständigen und aus- zubauen hat. Prüfen wir die erziehlichen Bestrebungen, wie solche in der Gegenwart hervortreten, so müssen wir leider eingestehen, dass weder die Pädagogik des Hauses noch die der Schule den Anforderungen entspricht, welche gestellt werden müssen, sobald man die Heranbildung eines an Körper und Geist gesunden und kräftigen Ge- schlechts verlangt. Die häusliche Erziehung bei der arbeitenden Klasse ist in den meisten Fällen gleich Null, die Eltern gehen dem Verdienste nach und überlassen die hülfsbedürftigen Kinder sich selbst oder übergeben sie Bewahranstalten zur Pflege und Erziehung ‚“wo solche ‚von edlen Menschenfreunden gegründet sind, welche Anstalten ein Segen für die Menschheit sind, sobald sie nicht zu Schulen werden, in denen das un- terrichtende Spiel dem spielenden Unterrichte weichen muss, wo selbst drei- und vierjährige Kinder Stunden lang zum Stillsitzen genöthigt werden, um heilige Ge- schichten anzuhören und wohl auch nachzuerzählen, wodurch allein die Phantasie krankhaft erregt und wei- terhin ein scheinbar religiöses Gefühl erschlichen wird, welches später einem herzinnigen und fruchtbaren Er- fassen unserer heiligen Religion hinderlich in den Weg tritt. Schlimmer noch sind die Kinder besserer Stände daran, denn auch bei diesen hat die Mutter oft keine Zeit, sie werden unter der Leitung unverständiger Wärterinnen in einem besondern Departement, Kinder- stube genannt, gehalten oder auch einer durch zwei- bis dreimonatliche Studien zur Lehrerin dressirten, mit der Welt zerfallenen Demoiselle übergeben, welche oft um so gesuchter ist, je erbärmlicher sie die deutsche Sprache tractirt. J Man werfe nun einen Blick in eine solche nicht vom Mutterauge bewachte Kinderstube, und man wird die gröbste Vernachlässigung finden; hier hängt die Wärterin ihren eigenen Träumereien nach und die Kinder sind sich so recht selbst überlassen und allen Gefahren preis- gegeben; frisches, freies Spiel, was die Glieder stärkt, den Geist erweckt, das Gemüth erheitert, wird dort kaum geduldet, still sitzen müssen die Kinder, sich vor- schriftsmässig drehen und wenden, sich in fremder Sprache einen Wörtervorrath und schöne Redensarten aneignen, und die Eltern sind nieht selten höchst erfreut, wenn die Armen in dieser Weise Fortschritte machen, indem sie übersehen, dass ihre Kinder nieht Worte, sondern Wörter besitzen, olıne einen Begriff damit zu verbinden, dass die schönen Reden nicht Ausdruck von Gedanken, sondern inhaltslose Plırasen sind; die Ge- täuschten übersehen, dass ihre Kinder so recht syste- matisch angeleitet werden, sich mit leeren begrifflosen Formen zu begnügen und weniger nach Wesen und Inhalt zu fragen. Weiter wollen die Eltern nur Liebes und Gutes auch in sittlicher Hinsicht von ihren Kleinen hören, und diese Freude wird ihnen, sobald sie einmal die Kinderstube betreten; denn die Pflegerin lobt das Verhalten, ist mit Allem zufrieden, obgleich vielleicht kaum einige Minuten zuvor der heftigste Auftritt zwischen der Wärterin und dem maasslos leidenschaftlichen Kinde stattgefunden bat. Die Wärterin muss sich ja im Be- wusstsein ihrer eigenen Fehler und Schwächen, wo nicht Vergehen, der Verschwiegenheit der heranwachsenden Kinder versichern, und so saugen die Armen neben den Fehlern der Unordnung, Trägheit, Naschhaftigkeit ihrer Pflegerinnen auch noch das Gift der Lüge ein, fallen nicht selten dem Laster der Selbstbefleckung anheim durch Vernachlässigung oder selbst dazu durch raffinirte Bonnen verführt. Hat das Kind nun unter so ungünstigen Verhält- nissen seine ersten Lebensjahre zurückgelegt und das fünfte oder sechste Jahr erreicht, so glaubt man, keine Zeit mehr verlieren zu dürfen, demselben einen ge- ordneten Unterricht ertheilen zu lassen; denn es soll ja etwas Tüchtiges aus dem Kinde werden und hat es ja nach den wiederholten Aussprüchen der Umgebung Beweise seiner ausserordentlichen geistigen Befähigung gegeben. Nun kommt das Kind zur Schule, am liebsten wählen Wohlhabendere Privatanstalten, damit ihr Kind mit denen anderer Stände ja nicht in Berührung kommen möge. An gedankenloses Wortgepränge, an Stillsitzen bereits gewöhnt, fügt es sich schon, fünf bis sechs Stunden im Schulzimmer zu verweilen. Ja das Kind fühlt sich sogar wohl in seiner neuen Umgebung, weiss doch der Lehrer, oder sollte sich dessen immer klar bewusst sein, dass er bei seinen Kindern kaum etwas Reelles voraus- setzen darf, im Gegentheil froh sein muss, wenn ihm nicht ein in jeder Beziehung verzogenes Kind zugeführt wird. Darum hat auch sein Unterricht damit zu be- ginnen, die Sinne des Kindes zu entwickeln, seine Auf- merksamkeit zu wecken und ihm klare Anschauungen zuzuführen. Gern würde die Schule auf dem Wege der Anschauung weiter gehen, das Kind zum selbständigen Denken führen, den Willen kräftigen, das Gemüth veredeln, die heutige wissenschaftliche Pädagogik ist ja dazu befähigt; sie hat sich die Fortschritte in der Erkenntniss des Menschen nach Leib und Seele zu eigen gemacht und versteht wohl diese in ihren Theorien zu verwerthen. In ihrer praetischen Ausübung ist sie zur Kunst geworden, der Unterrichtsstoff wird zergliedert, bis in seine einfachsten Elemente zerlegt und dem Kinde mit Benutzung aller Hülfsmittel so dargereicht, dass selbst das unmöglich Erscheinende möglich gemacht wird und für die schwierigsten, dem jugendlichen Alter kaum angemessenen Gegenstände ein scheinbares Ver- ständniss erzielt wird. Darum sehen wir auch wie rasch das Kind hinwegeilt über die ersten Elemente, me- chanische Fertigkeit im Lesen und Schreiben wird in Monaten erzielt, wo früher Jahre dazu gehörten. Aber dieser ruhige, den Geist wirklich fördernde Stufengang wird nicht lange inne gehalten. Kaum hat das Kind einige Fortschritte in den An- fangsgründen gemacht, so soll rasch der Kreis des Wissens erweitert, das Kind in die Wissenschaft ein- geführt werden. Können doch kaum die Eltern die ruhige, aber sichere Entwickelung ihres Kindes ver- folgen. Der Ausruf: „Was, meinest du, soll aus dem Kindlein werden?“ ist nieht mehr Ausdruck des Ver- trauens der kindlichen Hingebung an eine höhere Füh- 293 rung, es ist ein Ausruf ängstlicher Sorge um die Zukunft. Darum sehen auch die Eltern Jahre lang dem Zeitpunkt mit Sorgen entgegen, wo sich der Knabe für einen Lebensberuf bestimmen soll, ja sie gehen so weit, aus den ersten geistigen Regungen auf einen zu ergreifenden Lebensberuf zu schliessen, sobald derselbe einige Chancen hat, so schnell als möglich Geld, Ehre, Genuss zu er- ringen; nach dieser Richtung hin nun wird das Kind, der Knabe bearbeitet, den Schulstunden wird Privat- unterricht zugefügt, die wenigen freien Stunden werden durch Schularbeit in Anspruch genommen, ja um den gestellten Anforderungen zu genügen, wird selbst der Schlaf geopfert. Die Schule lässt sich drängen durch das Haus, sie drängt und treibt die Kinder, der Knabe und selbst das Mädchen bleiben nicht frei, auch ihrer bemächtigt sich diese Hast, diese Unruhe. Darum ist es auch keine seltene Erscheinung, den sieben- bis acht- jährigen Knaben nicht etwa mit den Anfangsgründen der vier Species, sondern mit den abstraeten Lehrsätzen der Mathematik beschäftigt zu sehen u. s.w. Die Lei- stungen können nicht rasch genug gesteigert werden, kein Zweig des Wissens darf auf dem Leetionsplane fehlen. Bei allem diesen aber vergisst man, dass der 4Mensch ein Dualismus ist, dass seine Lebenserschei- nungen als physische und psychische auf das innigste mit einander verbunden und in ihrem freien Fluss von einander abhängig sind. Nur das Geistige im Menschen wird im Auge behalten, um die körperliche Pflege und Entwickelung kümmert man sich kaum. Wie könnte man sonst dem noch in voller Entwickelung begriffenen Gehirn- und Nervensystem Thätigkeiten zumuthen, denen nur der vollständig entwickelte Organismus gewachsen ist? Wie könnte man sonst dem 5 bis 6 und mehr Stunden in der Schule beschäftigten Kinde auch noch die übrige freie Zeit durch aufgedrungene Arbeit ver- kümmern und ihn jegliche Gelegenheit abschneiden, zur Ausgleichung und Kräftigung der mehr überreizten, als thatsächlich angewachsenen Vermögen des Leibes und der Seele? Wie könnte man selbst maassvolles freies, frohes Herumtummeln der Jugend derselben gegenüber für unanständig erklären und polizeilich oder aus öko- nomischen Rücksichten dafür sorgen, dass kaum noch in Dörfern ein Spielplatz gefunden wird, wogegen auch da öffentliche Bäder immer seltener werden? In Folge dieser Niehtachtung der leiblichen Bedürf- nisse ist die Erscheinung nicht selten, dass Kinder, welche Anfangs die schönsten Hoffnungen erregten, körperlich und geistig erschlafft, in ihrer Fortentwicke- lung einen Stillstand erleiden oder nur langsam fort- schreiten, obgleich sie selbst durch Ehrgeiz getrieben, durch den Ehrgeiz und die Selbstsucht der Eltern an- gespornt, auch die letzten Kräfte aufbieten, den einmal eingenommenen Standpunkt zu behaupten und weiterhin den gestellten Forderungen zu entsprechen. Und sind sie zu Jünglingen herangewachsen, haben sie sich einen Lebensberuf gewählt, so ruft ihnen Alles zu und sie er- kennen es bald genug selbst, welch’ hohe Anforderungen das Leben, der Staat an jede Berufsgattung knüpft. Wenn früher die Gelehrtenschule als eigentliches Gym- 294 nasium ihre wesentlichste Aufgabe darin fand, eine formale Bildung zu begründen, die Seelenkräfte des jungen Menschen nach allen Seiten hin harmonisch zu entwickeln und zur Selbstthätigkeit und Selbständigkeit im Denken zu führen, und weiterhin die Aneignung der zu den verschiedenen Fachstudien nöthigen Realien zum grossen Theile den academischen Studien überliess, so haben sich seit Decennien die Verhältnisse geändert. Der Kreis des realen Wissens hat sich so erweitert, dass mit Ausschluss der Theologie fast kein anderes Fach- studium in dem gewohnten Triennium absolvirt werden kann. Denn um als Arzt, Philolog, Mathematiker u. s. w. den Anforderungen des Staates zu entsprechen, reichen kaum zwei Triennia aus, ja für erstere ist bereits hie und da ein Quinquennium gesetzlich festgestellt. Und dennoch wird diese Zeit kaum ausreichen, den Anforde- rungen der Prüfungscommissionen entsprechen zu können, wenn nicht schon vor Beginn der academischen Studien nach einigen Richtungen hin reales Wissen zum Eigen- thum des Studirenden geworden ist. Aber nicht allein bei den Studirenden haben sich die gegenwärtigen Anforderungen in ausserordentlicher Weise gesteigert, sondern alle Lebensverhältnisse haben daran Theil genommen; der Kaufmann, der Fabrikant,# der Techniker hat sich ein umfangreiches reales Wissen anzueignen. Letztere sind jedoch in soweit glücklicher daran, als für sie Fachschulen in das Leben gerufen worden sind, aus denen Unterrichtszweige fern gehalten werden, welche nicht in unmittelbarer Beziehung stehen zu dem gewählten speciellen Lebensberuf. Immerhin aber erfordert es ausserordentliche Anstrengungen von Seiten des jungen Menschen, den Standpunkt zu erreichen, von welchem aus er hoffen kann, mit Glück weiterhin vorzuschreiten. Die Zeit aber lässt sich nun mit ihren Forderungen nicht zurückhalten, es erscheint vielmehr nöthig, auf Mittel und Wege zu denken, welche dazu dienen, eine an Körper und Geist gesunde Jugend heranzubilden, welche die Kraft in sich hat, den fortschreitenden Zeit- forderungen zu genügen, wobei wir zunächst wieder auf die erste, besonders auf die häusliche Erziehung zurückkommen müssen. Sie darf nicht mehr eine Last, sie muss vielmehr die heiligste Lebensaufgabe der Eltern sein. Wie die Mutter das Kind an ihrer Brust nährt und dem Säugling das erste Lächeln abgewinnt, so soll ihr Auge fernerhin über dasselbe wachen, seine weitere körperliche Pflege leiten; ihm ein treuer Führer sein auf dem Wege seiner intellectuellen und moralischen Entwickelung, welche immer am glücklichsten vor sich gehen wird in der Nähe der Eltern. Denn wo Mieth- linge in Gegenwart der Kinder ihren Leidenschaften freien Lauf lassen, da lehrt die Elternliebe die Kinder- natur heilig halten, sie gibt Kraft zur Selbstbeherrschung, und wo das Kind nichts Unrechtes sieht, zieht auch nicht der Zwiespalt in sein Herz. Ueberhaupt ist die Kunst, das Unrechte und Fehlerhafte zu verhüten, erfolgreicher, als die, bereits festgewurzelte Verirrungen zu verdrängen. Wird das Kind sorgfältig leiblich gepflegt, werden seine Sinne im Gebrauche geübt, dann kann auch nach an- nähernder Ausbildung seines Gehirns vom siebenten Lebensjahre an der Schulunterrieht mit ihm in einer Weise beginnen, die weit entfernt sein soll von dem spielenden Unterrichte, wodurch nur, eben weil er zu früh beginnt, eine für die weitere Bildung nachtheilig wirkende Lauheit und Unaufmerksamkeit herbeigeführt und jedes ernste Streben beeinträchtigt wird, zumal man durch häufigen Wechsel des selbst auf halbe Stunden vertheilten Unterrichtsstoffes einer Ermüdung vorzu- beugen glaubt, wodurch aber aus physiologischen Grün- den das noch unentwickelte Gehirn gereizt und die Lust zu andauernder Arbeit abgeschwächt wird: Nicht bei allen aber schreitet die körperliche und geistige Entwickelung in gleichem Grade fort, bei dem einen walten die körperlichen, bei dem andern die geistigen Vermögen vor, was zu beachten für die Wahl eines Lebensberufes von der höchsten Bedeutung ist, von den Eltern und deren Stellvertretern aber so häufig verabsäumt wird, indem sie mehr bestimmend, als rathend und leitend zu Werke gehen, und mehr den Augenblick und günstige Nebenumstände, als die körperliche und geistige Befähigung zu dem einen oder andern Lebens- beruf berücksichtigen. Kommt nun späterhin ein junger Mann zu der Einsicht, dass er entweder dem gewählten Berufe nicht gewachsen ist, oder dass derselbe seinen Neigungen widerstreitet und gegen den er mit Wider- willen erfüllt wird, weil er ihm ohne Erfolg sein innerstes Lebensmark zum Opfer gebracht hat, so wird die Arbeit um so schwerer, sie gewährt ihm nicht innere Freude, und es ist nicht selten der Fall, dass er Zerstreuung und Entschädigung sucht und sie in sinnlichen Genüssen findet, wodurch er zwar auf Augenblicke betäubt, der Körper aber in einen noch mehr gereizten Zustand ver- setzt wird und längst vorbereitete Störungen in der geistigen Sphäre zur Erscheinung kommen. Bald be- mächtigt sich des Menschen das lebhaftere Gefühl seiner Schwäche, das Verfehlte seines Strebens, Unzufrieden- heit mit sich selbst, mit seinen Verhältnissen und seiner Umgebung erzeugt Schmerzgefühle, welche als die ersten Symptome einer Krankheit zu betrachten sind, gegen die in den Kaltwasserheilanstalten oder durch Verschlingen von ärztlich verordneten und nicht ver- ordneten Arzneimitteln aller Art Hülfe gesucht wird, bis endlich die Harmonie der Seelenkräfte auf Grund des zerrütteten Körpers sich völlig auflöst, ein Zustand von Exaltationen eintritt, welcher nach kurzer Dauer in die tiefste Depression, in unheilbaren Blödsinn über- geht, welche Formen von Seelenstörungen sich tag- täglich in öffentlichen wie in Privatirrenanstalten häufen. Dieses traurige Endresultat einer vernachlässigten und verkehrten Erziehung tritt aber nicht allein in den späteren Lebensjahren hervor, sondern es sind die Fälle heut zu Tage nicht selten, wo selbst im kindlichen Alter eine solche Reizbarkeit des Nervensystems mit abnormen psychischen Aeusserungen zur Erscheinung kommt, und gerade der Psychiatriker hat hinreichend Gelegenheit Erfahrungen zu machen, wie häufig bei jugendlichen Geisteskranken die Ursachen zurückzuführen sind auf schädliche Einflüsse in der ersten Erziehung, und er wird sich oft genöthigt sehen, seine Behandlung da- mit zu beginnen (oft auch zu einem glücklichen Re- sultate gelangen), dass er das Versäumte in der Erzie- hung nachholt, dem Verkehrten entgegentritt; mit einem Worte die harmonische Entwickelung der Geisteskräfte anbahnt, nachdem der Körper gekräftigt und in seine normale Entwiekelung gefördert ist. 295 Dr. Brosius Ueber das Non-Restraint-System. aus Bendorf: Die Majorität spricht sich gegen dieses System in seiner unbedingten und allgemeinen Anwendung aus. Vierte Sitzung am 21. September 1858. Präsident: Obermediecinalrath Zeller. Sanitätsrath Direetor Lähr aus Berlin zeigte zwei Modelle von Betten für unreinliche Seelen- gestörte vor und Proben von impermeablen Stoffen zu gleichem Zwecke. Dr. Erlenmeyer aus Bendorf theilt seine Erfahrung über den fraglichen Gegen- stand mit. Hieran schliesst sich eine längere Unterhaltung über die zweckmässigste Lagerung der Kranken und Verhü- tung der Unreinlichkeit derselben überhaupt. Eine weitere Unterredung, auf Anregung des Präsi- denten, der in längerem Vortrag seine eigenen Erfah- rungen mittheilt, betraf die verschiedene Wirkungs- äusserung einzelner Arzneimittel, je nachdem sie in verschiedener Tageszeit gereicht werden, und die Er- fahrungen, die einzelne Anwesende über die Wirkungs- weise und Wirkungsfähigkeit bestimmter Arzneimittel bei bestimmten Formen von Seelenstörung gemacht haben. Der Besuch der Grossherzoglichen Heil- und Pflegeanstalt Illenau, welchen auf Einladung der Direction die Aerzte am Nachmittag des 21. unternahmen, darf wohl den Vorgängen in der psychiatrischen Section angereiht werden. Durch einen Freizug der Grossherzoglichen Eisenbahn nach Achern gebracht,‘ wurden die Gäste dort von dem Bezirksbeamten, Herrn Ober- amtmann Schwarzmann, und den Aerzten von Achern, und in Illenau von den Aerzten und Be- amten der Anstalt empfangen und in deren Räume eingeführt. Der Besuch von Seiten der Gäste zum Zwecke der Belehrung und Anerkennung unter- nommen, wurde von den Leitern und Bewoh- nern der Anstalt zu einer festlichen Feier stempelt, woran nicht nur die Gesunden, sondern auch Kranke theilnahmen. Soweit es ausführbar war, ersahen die Aerzte die ganze Einrichtung der Anstalt und überzeugten sich von deren Geist und Wirken in umfassender Weise; sie sahen, wie die ganze Anstalt mit einer Bevölkerung von 450 Kranken und 231 Gesunden, mit Aerzten, Geist- oe- ge lichen, Beamten, Wärtern, Oeconomen und Be- diensteten, mit Kirche, Schule und Friedhof, mit Wohnungen, Feld und Wald, den Character einer eigenen Gemeinde annimmt, deren Bestandtheile die Kranken bilden wie die Gesunden. Der zweite Geschäftsführer, Medieinalrath Volz, welcher die Ehre hatte, der Versammlung als Führer zu dienen, durfte wohl in den Begrüssungsworten, welche er an den Direetor, Geh. Hofrath Roller, richtete, diese Behandlung einem Siege der Naturwissen- schaften zuschreiben, deren aufklärende Wirkung aus dunkeln Zwangsstätten diese freundlichen Asyle geschaffen und durfte desshalb für deren Vertreter eines freundlichen Empfangs versichert sein. Dieser ward ihnen auch in reichem Maasse zu Theil, so dass ihre Anwesenheit zu einem Feste der Wissenschaft wie der Humanität geworden, dessen Beschreibung wir hier nicht weiter verfolgen dürfen. Als Er- innerung liess die Direction den Gästen ein Blatt mit den Zahlennachweisen der Thätigkeit seit Er- öffnung der Anstalt 1842 bis 1858 austheilen. 296 Ordensverleihungen. Seine Königliche Hoheit der Grossherzog, nach allen huldvollen Ehren, welche er der Ver- sammlung erwiesen, durch Selbsteigene Betheiligung, durch die Theilnahme Ihrer Königlichen Hoheit der Grossherzogin, durch mit fürstlicher Munifizenz dargebotene Feste, durch sinnige Erinnerungsgaben, hat derselben noch durch eine weitere bedeutsame Handlung fürstlicher Huld Seine Anerkennung bezeugt indem er am Schlusse der Versammlung einer Anzahl von Mitgliedern den Orden vom Zähringer Löwen zu verleihen geruhte, welchen Seine Excellenz der Präsident des Ministeriums des Innern, Freiherr von Stengel, am letzten Tage in allerhöchstem Auftrage persönlich denselben überbrachte. Es wurde verliehen: 1. Das Commandeurkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen: dem Professor Freiherrn v. Liebig in München, dem Geh. Rath Professor von Martius zu dem Professor Argelander zu Bonn, München, dem Präsidenten der Academie der Wissenschaften dem Hofrath Professor Bunsen zu Heidelberg, und zu Paris, Desprez, dem Hofrath Professor Eisenlohr in Carlsruhe. 2. Das Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen: dem Professor Schwerd zu Speyer, dem Professor Wöhler zu Göttingen, dem Professor Erdmann zu Leipzig, dem Professor Bronn zu Heidelberg, dem Professor Dove zu Berlin, dem Professor Poggendorf zu Berlin, dem Professor Jolly zu München, dem Professor H. Rose zu Berlin, e dem Professor Magnus zu Berlin, dem Hofrath Professor Kunzeck zu Wien, dem Professor Virchow zu Berlin, dem Medieinalrath Volz zu Carlsruhe, dem Professor Stas zu Brüssel, dem Medicinalrath Schweig zu Carlsruhe. dem Professor Schönbein zu Basel, Verzeichniss der vom Grossherzoglichen Hofe, den hohen Staatsstellen, Vereinen und Privaten zum Besuche und zur Benutzung geöffneten und angebotenen Sammlungen, Anstalten und Sehenswürdigkeiten. Grossherzogliche Schloss und der Schlossthurm. Grossherzogliche Hofbibliothek und Grossherzogliche Naturaliencabinet in einem Seitenflügel des Grossherzoglichen Schlosses. : Grossherzogliche Fasanerie und der Wildpark. Grossherzogliche Hoftheater. Schlossgarten und der botanische Garten mit den neuen Gewächshäusern. Zeyher’sche Herbarium im zweiten Stock des Orangeriegebäudes. Kunsthalle. : Sammlung vaterländischer Alterthümer. physikalische Cabinet. chemische Laboratorium des Polytechnikums. Maschinen-Modellsammlung im Polytechnikum. Mineraliencabinet daselbst. städtische Krankenhaus. Diakonissenhaus (Anstalt und Spital zur Bildung der evangelischen Diakonissen). St. Vincentiushaus (Spital der barmherzigen Schwestern). Pfründnerhaus: Carl-Friedrich-, Leopold- und Sophienstiftung. Waisenhaus. israelitische Spital. Grossherzogliche Militärspital, mit daselbst ausgerüstetem Feldhospitale, Verbandarzneiwagen und Verbandarzneikisten. 3 Veterinärschule und deren anatomisches Museum. landwirthschaftliche Mustergarten. Landessestütanstalt. Bahnhof und das Maschinenhaus. Maschinenfabrik Carlsruhe. Wagenfabrik von Schmieder und Mayer. Versilberungsfabrik von Christofle und Comp. galvanoplastische Anstalt von Kress und Comp. Stärke- und Traubenzuckerfabrik von Glock. chemische Fabrik von ©. Pauli bei Carlsruhe. Gesellschaftsräume, Gärten und Lesezimmer des Museums, der Eintracht, des Bürgervereins. 38 5 ii Ki ill > 8 - J = R ® Bern j M \ u RR u f Je u i f ® + » \ ten ab au bun ulnellhoe Seren hin “ Int ö J reich "A nee a u A 4 tat at \ or ar hi to1 Me \ Tare j } F Arad ER I a d ö y VERZEICHNISS der MITGLIEDER uno 299 THEILNEHMER. Nro Name Stand. ' Wohnort. Seetiom 1 | Abegg Domänenrath Carlsruhe Mineralogie u.Geognosie | 2 | Abegg Oberzollinspeetor Stühlingen Botanik 3 | Adam Secretär Carlsruhe Geognosie 4 | Adelmann Professor Würzburg Mediein 5 | Adelmann Staatsrath u. Professor Dorpat Mediein 6 | Ahles Lehrer Heidelberg Botanik 7 | Althaus, von Bergrath Freiburg i. B. Geognosie 8 | Althaus, von Referendär Freiburg | 9 | Ammann Ministerialrath Carlsruhe Physik | 10 | Andrä Lehrer Saarbrücken Geognosie | 11 | d’Aragao Generalconsul Bahia Physik | 12 | Argelander Professor Bonn Mathematik | 13 | Arnold Assessor Eichstätt Botanik | 14 | Arnold Lehrer am Pädagogium | Pforzheim Botanik 15 | Aronssohn Dr. med. Strassburg Mediein und Chirurgie 16 | Aronssohn Professor Strassburg Mediein 17 | Arx,von Arzt Olten Mediein 7185 | Autenrieth Arzt Langensteinbach Mediein 19 | Babo,von Professor Freiburg i. B. Chemie 20 | Bach Bezirksförster Mosbach Mineralogie u. Geognosie | 21 | Bader Archivrath Carlsruhe 22 | Bader Apotheker Mühlburg Botanik 23 | Baer Director Carlsruhe | 24 | Baer,von Staatsrath St. Petersburg Anatomie u. Physiologie | 25 | Bary, de Professor Freiburg i. B. Botanik 26 | Battlehner Arzt Renchen Gynäkologie 27 | Bauernfeind Professor München Mathematik 25 , Baumann Cantonsarzt Kandel Mediein 29 | Baumbach, von Hofmarschall Carlsruhe 30 | Baumgärtner Geh. Hofrath und Prof. Freiburg Mediein 31 | Baur Geh. Hofrath Carlsruhe Chirurgie 32 | Baur Apotheker Ichenheim 3otanik | 33 , Baur Bergmeister Eschweiler Geognosie | 34 | Bausch Oberamtınann Carlsruhe Botanik | 35 | Bazoche Militärarzt Strassburg Chirurgie | 38* 300 Nro. Name Stand. Wohnort. Section. 36 | Beck Regimentsarzt Freiburg Chirurgie Baer Becker Staatsrath u. Professor | Kiew Mediein 3 Becker Chemiker Hamburg Chemie 39 , Behaghel Regierungsrath Carlsruhe Psychiatrie 40 | Behr, von St. Louis, Missouri Mediein 41 | Beilstein Göttingen Chemie 42 | Beketoff Professor Charkow Chemie 43 | Bekk Assistent Carlrsruhe Mineralogie u. Geognosie 44 | Belli Professor Pavia Physik 45 | Belthle Optiker Wetzlar Physik | 46 | Beneden, van Professor Löwen Zoologie | 47 | Beneke Geh. Medicinalrath Nauheim und Marburg | Mediein | 48 | Benningsen, von Major Berlin Geognosie 49 | Bensen Oberstabsarzt Java Mediein 50 | Bensinger Medicinalrath Mannheim Mediein 51 | Berg Arzt Riga Mediein | 52 | Bergemann Professor Bonn | 53 3erckmüller Baurath Carlsruhe 54 |-Bernhard Bezirksförster Gengenbach Botanik | 55 Bernhardi Il. Arzt Eilenburg Chirurgie ı 56 | Bertheau Arzt Mannheim Mediein 57 | Bertin Professor Strassburg Physik 58 | Betz Arzt Heilbronn Mediein 59 | Beust, von Oberberghauptmann Freiberg Mineralogie u. Geognosie 60 | Beutner Arzt Landau Mediein 61 | Beyrich Professor Berlin Mineralogie u. Geognosie 62 | Bialloblotzky Göttingen Geognosie 63 | Bielefeld Hofbuchhändler Carlsruhe Physik 64 | Biermer Privatdocent Würzburg Mediein 65 | Bigge Professor Coblenz Geognosie 66 | Bilharz Professor Kairo Anatomie 67 | Bils Geheimerath u. Director | Carlsruhe Mediein 68 | Bitzel Professor Carlsruhe Mathematik 69 | Bleyle k. k. Stabsarzt Mainz Mediein 70 , Block Hauptkriegscassier Carlsruhe Physik 71 |, Blum Professor Heidelberg Mineralogie u. Geognosie 72 | Bode Physikus Nauheim Mediein 73 Bodenheimer Advocat Carlsruhe Mathematik ı 74 | Böckel Professor Strassburg Mediein und Chirurgie 75 | Böckh Professor Carlsruhe Physik 76 | Böckh, von Oberst Carlsruhe Geognosie 77 | Böckmann Dr. phil. Heidelberg Chemie 78 | Böckmann Chemiker Giessen Chemie 79 , Böhm Badearzt Bertrich Mediein 30 Böhmer Arzt Cöln Anatomie u. Physiologie 81 | Böhringer Lyceallehrer Carlsruhe Botanik 82 | Böttger Professor Frankfurt Chemie und Physik 83 | Bohn Privatdocent München Physik 84 | Bornemann Dr. phil. Mühlhausen Geognosie 85 | Bornträger Professor Heidelberg Chemie 86 | Bothe Director Saarbrücken Chemie 87 | Braine Paris Mineralogie u. Geognosie 88 | Brandt Partieulier Bremen Geognosie Er Name. Stand. Wohnort. Section Braun Braun Braun Braun Brenzinger Bretschger Bromeis Bronn Brosius Bruch Bruck Bruns, von Buch Buch Buchegger Bucehenau Bucher Buchholz Buchholz Bücheler Büchner Bürk, R. Bürk Bürklin Buff Buisson Bunsen Burekhardt Busch Busch Buser Buzengeiger Cantor Carius Carnall, von Caroli Cartmell Caumont, Vicomte de Chelius Christ Christen Claus Clausius Clemm Cornberg, von Corval,von Cube,von Czuhuiewik Dambacher Damerow Dannenberg Daub Daub Oberingenieur Hofgärtner Apotheker Thierarzt ' Architeet | Postcassier ı Professor ı Hofrath und Professor | Anstaltsarzt Professor , Zahnarzt Professor Apotheker Apotheker Geh. Hofrath Lehrer Cameralist Chemiker Arzt Arzt Arzt Apotheker Apotheker Inspeetor Professor Arzt Hofrath und Professor Lehrer Arzt Advocat Ingenieur Professor Privatdocent Privatdocent Berghauptmann Bergrath Chemiker Geheimerath u. Professor Kreisarzt Director Professor Fabrikant Rittergutsbesitzer Arzt Partieulier Professor Arzt Geh. Medieinalrath Mineralog Berginspector Assistent Altenberg Salem Eschweyer Langenbrücken Carlsruhe Carlsruhe Marburg Heidelberg Bendorf bei Coblenz Giessen Breslau Tübingen Freiburg Heidelberg Carlsruhe Bremen Carlsruhe Eilenburg St. Petersburg Düsseldorf Darmstadt Durlach Durlach Carlsruhe Giessen Waldkirch Heidelberg Basel Bremen Carlsruhe Donaueschingen Carlsruhe Heidelberg Heidelberg Breslau Carlsruhe Heidelberg Caen Heidelberg Basel Olten Mannheim Zürich Mannheim Carlsruhe Carlsruhe Riga Kiew Carlsruhe Halle Dillenburg Carlsruhe Carlsruhe Mineralogie u. Geognosie Botanik Botanik Mediein Physik Mathematik Chemie Geognosie Psychiatrie Physiologie u. Anatomie Chirurgie Chirurgie Astronomie Chemie Mediein Botanik Mineralogie u. Geognosie Chemie Mediein Mediein Mediein und Anatomie Chemie Chemie Physik Mediein Chemie Physik Mediein Geognosie Mathematik Mathematik Mathematik Chemie Mineralogie u. Geognosie Geognosie Chemie Geognosie Chirurgie Botanik Mediein Mineralogie u. Geognosie Physik Chemie Chemie Gynäkologie Zoologie Chemie Gynäkologie Psychiatrie Geognosie Geognosie Geognosie Name Stand Wohnort. Section Daubre Dawosky Deffner Deimling Demoncey Dengler Despretz Devrient De Wette Diek Dick Diehlman Dienger Dietz Dischinger Diss Dittweiler Döderlein Döll Döring Dörstling Dove Dreher Drescher Drevermann Duchesne de Boulogne Dücken, von Dürr Dufour Dunkelberg Dunker Dusch, von Dusch,von Duvernoy Dyrssen Eberlin Eberlin Ebers Eckel Ecker Ehrmann Eichborn Eicksen Eimer Eisenlohr Eisenlohr Eisinger Emmerich Engel Engel Engelhardt Engelhardt Entress-Fürsteneck, v. Inspeceteur des mines Sanitätsrath Fabrikant Professor Staatsrath u. Professor Bezirksförster Präsid. d. k. franz. Acad. Hoftheaterdireetor Dr. med. Arzt Irrenhausdireetor Oberamtsarzt Professor Ministerialrath Arzt Bezirksförster Professor Arzt Geh. Hofrath Arzt Bankdireetor Professor Anwalt Schulrath Chemiker Dr. med. Tunnelinspeetor Amtsarzt Professor Apotheker Professor Professor Ministerialratlı Apotheker Hofrath Domänenrath Oberpostrath Arzt Chemiker Professor Geh. Finanzrath Arzt Director Badearzt Hofrath u. Professor Docent Professor Arzt Professor Chemiker Apotheker Revierförster Strassburg Celle Esslingen Mannheim Charkow Carlsruhe Paris Carlsruhe Basel Rheinzabern Klingenmünster Friedrichshafen Carlsruhe Carlsruhe Durmersheim Baden Carlsruhe Bunsenhausen Carlsruhe Odenheim Gotha Berlin Wolfach Frankfurt Hörde Paris Kreuznach Radolfzell Lausanne Bonn Marburg Heidelber {03 > | Carlsruhe Kandern Carlsruhe Carlsruhe Carlsruhe Berlin Deidesheim Freiburg Carlsruhe Landau Stettin Langenbriicken Carlsruhe Heidelberg Rastatt Mutterstadt Wien Stuttgart Niederbronn Carlsruhe Balingen Geognosie Mediein Geognosie Physik Mediecin Botanik Physik Mediein Chirurgie Psychiatrie Mediein Mathematik Geognosie Mediein Zoologie Mediein Mediein Botanik Mediein Chemie Physik Mineralogie u. Geognosie Geognosie Chemie Mediein und Physiologie Mineralogie Mediein Physik Chemie Mineralogie u. Geognosie Mediein Physik Chemie Mediein Mineralogie Chemie Medicin Chemie Anatomie Physik Mediein Physik Mediein Physik Physik Physik Mediein Anatomie Chemie Geognosie Chemie Botanik Name Stand. Wohnort. Section Eppelsheim Erdmann Erggelet Erhardt Erhardt Eriehsen Erlenmeyer Erlenmeyer Escher Essmarch Ettlinger Eulenburg Eyth Faas Faber, von Fallati Fecht Fee Fehling, von Feilitzsch, von Feldbausch Felder Fesenbeckh Fink Fink Fischer Fischer Fischer Flad Flaig Flehinger Flemming Flügel Focke Fraas Frank Frank Frauer Frech Fregonneau Frei Freitag Fresenius Frey Frey Frick Friekhöffer Friedel Friederiey Friedleben Friedreich Fries Frisch Medieiner Professor Amtschirurg Badearzt Lehrer Docent Irrenarzt Privatdocent Professor Oberhofgerichtsadvocat Sanitätsrath Hofgärtner Arzt Oberamtsarzt Arzt Secretär Professor Professor Professor Geh. Hofrath Apotheker Rechnungsrath Arzt Salinenarzt Professor Medicinalrath Arzt Referendär Arzt Arzt Geh. Medicinalrath Rechtsanwalt Dr. med. Professor Oberamtsarzt Dr. med. Vicar Arzt Arzt Cameralpractikant Chemielehrer Geh. Hofrath Amtsarzt Oekonom Professor Arzt Conservator Arzt Arzt Professor Techniker Professor Dürkheim Leipzig Bretten Petersthal Lörrach St. Petersburg Heidelberg Bendorf Zürich Kiel Carlsruhe Berlin Baden Gernsbach Schorndorf Wildbad Carlsruhe Strassburg Stuttgart Greifswald Carlsruhe Ettlingen Carlsruhe Eberbach Rappenau Freiburg Illenau Neudenau Carlsruhe Gengenbach Bruchsal Schwerin Bonndorf Bremen Stuttgart Künzelsau Aachen Langenbrand Baden Eichstetten Carlsruhe Cöln Wiesbaden Bonndorf St. Ilgen Freiburg Bad Schwalbach Paris Riga Frankfurt Heidelberg Heidelberg Stuttgart Mediein Chemie Mediein Gynäkologie Mathematik Mediein Chemie Psychiatrie Mathematik Mediecin | Physik Chirurgie Botanik Mediein Mediein Geognosie Mathematik Botanik Chemie Physik Physik Geognosie Geognosie Mediein Mediein Geognosie Psychiatrie Meldiein Chemie Chirurgie Physik Psychiatrie Physik Psychiologie Mineralogie Mediein Mediein Geognosie Mediein Mediein Physik Chemie Chemie Mediein Botanik Physik Mediein Mineralogie Mediein Medicin und Anatomie Mediein "Chemie Physik 304 Name. Stand. Wohnort. Section Fritz, Albert Fritzsche Fromm Fuchs Füsslin Gadolin Gartenhauser Gasparini Gaum Getfken Geiger Gergens Gerlach Gerstner Geyger Gieswein Girard Giulini Glock Glocker Gockel Gläsel .Glösener Göler, von Goller Grandeau Grasshof Gravelius Greiss Griesinger Grohe Grohe Grosch Gross Grossmann Grotzahn Gubler Guckelberger Gudden Gümbel Gugeler Gussew Gutsch Guttenberg Haag Haas Hack Hagenbach Harnitzky Hart Hartmann Hartweg Hasert Kaufmann Staatsrath Forstverwalter Professor Director Artillerie-Capitän Vorstand Professor Amtschirurg Apotheker Apotheker Arzt Professor Professor Apotheker Dr. med. Professor Dr. phil. Fabrikant Apotheker Hofrath und Professor Militärarzt Professor Oberst u. Flügeladjutant Amtschirurg Chemiker Oekonom Apotheker Professor Professor Lyceallehrer Arzt Postrath Medieinalrath Arzt Dr. med. Professor Dr. med. Irrenhausdireetor Bergmeister Rector Observator Zuchthausarzt Militäroberarzt Advocat Assistent Amtsarzt Dr. phil. Candidat Constructeur Oberamtsarzt Hofgärtner Professor Frankfurt St. Petersburg Ereshofen Carlsruhe Bruchsal St. Petersburg Ettenheim Pavia Durlach Lübeck München Mainz Erlangen Carlsruhe Giessen Oberingelheim Halle Mannheim Carlsruhe Stuttgart Carlsruhe Strassburg Lüttich Carlsruhe Kehl Paris Berlin Giessen Wiesbaden Tübingen Carlsruhe Mannheim Carlsruhe Ellwangen Weingarten Schladen Paris Stuttgart Werneck München Stuttgart Wilna Bruchsal Rastatt Frankfurt Stuttgart Sinsheim Basel Charkow Carlsruhe Sulz Schwetzingen Eisenach Physik Chemie Botanik Anatomie u. Physiologie Mediecin Physik Geognosie Botanik Medicin Chemie Chemie Mineralogie Anatomie u. Physiologie Geognosie Chemie Mediein Geognosie Botanik Chemie Chemie Physik Mediein Physik Medicin Chemie Chemie Chemie Physik Mediein Physik Mediein Chemie Mediein Mediein Mediein Mediein Mediein Psychiatrie Geognosie Mathematik Astronomie Chemie Chirurgie Zoologie Chemie Mediein Physik Chemie Mathematik Mediein Botanik Physik Nro Name Stand Wohnort. Section 301 | Hasskarl Ostindischer Beamter Königswinter Botanik 302 | Haug Amtsarzt Rastatt Chirurgie 303 | Haumann Chemiker Heidelberg Chemie 304 | Haupt Direetor Nassau Chirurgie 305 | Hauser Professor Carlsruhe 306 | Haussmann Arzt Stuttgart Mediein 307 | Hebra Professor Wien Mediein 308 | Hecker Professor Freiburg Chirurgie 309 | Hecker Professor München Mediein 310 | Hegewald Professor Dijon Mediein 311 | Heiligenstein, von Referendär Mannheim Psychiatrie 312 | Heine, von Hofrath Cannstatt Mediein und Chirurgie 313 | Heine Dr. med. Cannstatt Mediein 314 | Heinen Director Düsseldorf Physik 315 | Helmholtz Professor Heidelberg Anatomie 316 | Hemberger Architeet Carlsruhe Physik 317 | Hempel Lehrer Winterthur Chemie 318 | Henle Professor Göttingen Anatomie u. Physiologie 319 | Heraeus Apotheker Hanau Chemie 320 | Herb Dr. med. Endingen Mediein 321 | Hergt Mediecinalrath Illenau Psychiatrie 322 | Herst Amtsgerichtsarzt Neckargemünd Mediein 323 | Herrgott Dr. med. Strassburg Mediein 324 | Herrmann Arzt Carlsruhe Mediein 325 | Herth Chemiker Heidelberg Chemie 326 | Hesse Professor Heidelberg Mathematik 327 | Hessler Professor Wien Physik 328 | Herzer Bürgermeister Carlsruhe 329 | Hetzel Apotheker Neustadt Chemie 330 | Heuch Arzt Herxheim Mediein 331 | Heusler Berggeschworener Düsseldorf Mineralogie 332 | Heyden, von Senator Frankfurt Zoologie 333 | Hirsch Arzt Bingen Mediein 334 | Hirt Chemiker Heidelberg Chemie 335 | His Professor Basel Anatomie u. Physiologie 336 | Hlasiwetz Professor Innsbruck Chemie 337 | Höring Oberamtsarzt Ludwigsburg Medicin 338 | Hoeven, van der Professor Leyden Zoologie 339 | Hoeven, van der Dr. med. Leyden Chirurgie 340 | Hofacker Dr. phil. Stuttgart Chemie 341 | Hoffmann Regimentsarzt Carlsruhe Mediein 342 | Hoffmann Dr. med. Giessen Physiologie 343 | Hoffmann Fabrikant Freudenstadt Chemie 344 | Hofmann General St. Petersburg Mineralogie 345 | Hofmann Chemiker Brüssel Chemie 346 | Holland Dr. med. Comayaqua Zoologie 347 | Hollander Dr. med. Riga Mediein 348 | Holtz Gutsbesitzer Barth a. d. Ostsee Botanik 349 | Holtzmann Professor Stuttgart Physik 350 | Homburger Arzt Carlsruhe Mediein 351 | Hoppe Professor Basel Mediein 352 | Hornstein, von Grundherr Stuttgart Zoologie 353 | Horstmann Physikus Marburg Mediein 39 Nro Name Stand Wohnort. Section. 354 | Hübsch Oberbaudirector Carlsruhe |'355 | Hüter Medieciner Marburg Mediein 356 | Hupertz Bergmeister Bochum Mineralogie 357 | Huth Arzt Wiesbaden Chirurgie 358 | Jack Apotheker Salem Botanik 359 | Jacob Techniker Durlach Chemie 360 | Jacobi Assistent Bad Homburg Physik 361 | Jadzerski Dr. med. | Münster Mediein und Botanik 362 | Jaeger, von Obermedieinalrath | Stuttgart Physik und Botanik 363 | Jan Professor Mailand Zoologie 364 | Janzer Arzt Bretten Mediein 365 | Jessen Staatsrath u. Professor Dorpat Mediein 366 | Jolly Professor München Physik 367 | Jüttner Markscheider Neunkirchen Mineralogie 368 | Junge Dr. med. Moskau Ophthalmologie 369 | Imhoff Dr. med. Basel Mediein 370 | Kachel Münzrath Carlsruhe 371 | Kageneck,von Bezirksförster Gaggenau Botanik 372 Kageneck, von Ingenieur Carlsruhe Physik 3735 | Kahler Dr. med. Hamburg Mediein 374 | Kalck Hospitalarzt Saarbrücken Mediein 375 | Kapp Hofrath Heidelberg Geognosie 376 | Karsch Professor Münster Botanik 277 | Katz Gutsbesitzer Gernsbach Physik 378 | Kaup Director Darmstadt Zoologie 379 | Keim Directionssecretär Carlsruhe Chemie 3850 Kekule Privatdocent Heidelberg Chemie 381 | Keller Apotheker Durlach Chemie 382 Kern Director Gohlis bei Leipzig Psychiatrie 383 | Kettner, von Oberschlosshauptmann Carlsruhe Zoologie 384 Kilian Domänenrath Carlsruhe Geognosie 385 | Kindt Chemiker Bremen Chemie 386 | Kinscherf Chemiker Weinheim Chemie 387 | Kirchhoff Professor Heidelberg Physik 388 | Kirchhoff Physikus Leer (Hannover) Mediein 339 | Kirchhoff Markscheider Wiesloch Geognosie 390 | Kirschbaum Professor Wiesbaden Zoologie 391 | Kirschleger Professor Strassburg Botanik 392 | Klauprecht Forstrath Carlsruhe Botanik 393 | Klauprecht Pharmazeut Carlsruhe Chemie 394 | Klehe Hüttenmann Gaggenau Geognosie 395 | Klein Fabrikant Weinheim Chemie 396 | Kleudgen, von Ministerialseeretär Carlsruhe Physik 397 | Kleyser, von Bezirksförster Carlsruhe Botanik 398 | Klipstein Professor Giessen Geognosie 399 | Klingel Baurath Carlsruhe Physik 400 | Kliver Markscheider Saarbrücken Mineralogie 401 | Knapp Assessor Stuttgart Botanik 402 | Knapp Bergeadet Stuttgart Chemie 403 ı Knittel Hofbuchhändler Carlsruhe Botanik 404 | Kobell, von Professor München Mineralogie 405 | Koehler Medicinalrath Stuttgart Mediein 406 , Koelle Banquier Carlsruhe Physik Nro. Name Stand. Wohnort. Seetiom | | D | | 407 | Kölliker Professor Würzburg Anatomie u. Physiologie 408 | Koenig Stud. phil. Dürkheim | Chemie 409 | Königshofer Militärarzt Aschaffenburg | Physiologie und Mediein | 410 | Kolbe Professor Marburg \ Chemie | 411 | Komora österr. Militäroberarzt Rastatt , Chirurgie 412 | Kopp Doctor Strassburg \ Chemie | 413 | Kopp Amtsarzt Philippsburg Mediein | 414 | Krämer Obergerichtsadvocat Carlsruhe | Physik | 415 | Kraftt Arzt Kandel Mediein | 416 , Krafft Regierungs- u. Baurath Aachen \ Physik 417 | Krastel Arzt Eichtersheim | Mediein 415 | Krauss Professor Stuttgart ‚ Zoologie u. Mineralogie | 419 | Krauth Arzt Ichenheim \ Mediein | 420 | Kreuzer Amtsarzt Durlach Mediein | 421 | Kreuzer Arzt Durlach | Gynäkologie | 422 | Kreyser Anstaltsarzt Moskau | Mediein 423 | Krischker österr. Regimentsarzt Rastatt \ Chirurgie | 424 | Kroell Arzt Lahr , Mediein | 425 | Kroenlein Dr. phil., Redacteur Carlsruhe Physik | 426 | Krummel Cameralpraetikant Bruchsal Mathematik | 427 | Küchenmeister Medieinalrath Zittau | Mediein | 428 | Küchler Dr. med. Darmstadt , Chirurgie u. Ophthalmol. 429 | Kuen Amtsarzt Ettlingen | Mediecin 430 | Kündig Dr. phil. Basel ' Chemie 431 | Kürner Oberamtsarzt Backnang | Mediein 432 | Kürz Reallehrer Villingen \ Botanik 4355 | Kuhlmann Professor Lille | Chemie 434 | Kunzek Professor Wien | Physik 4355 | Kurr Professor Stuttgart \ Geognosie | 436 | Kusel Arzt Carlsruhe Mediein | 457 | Kussmaul Professor Heidelberg Mediein | 438 | Labry Bergwerksdireetor Maastricht | Mineralogie u. Geognosie | 439 | Lachevre Bergingenieur Verneuil | Geognosie | 440 | Lafontaine Institutsvorsteher Carlsruhe Botanik | 441 | Lähr Irrenhausdireetor Berlin | Psychiatrie 442 | Lamby Sanitätsrath “Iburg Mediein 443 | Lammert Pfarrer Eggenstein | Physik 444 | Landauer Naturalist Cassel Mineralogie 445 | Lang Arzt Oehringen | Mediein 446 | Lang Professor Solothurn Geognosie 447 | Lange Arzt Bad Johannisberg Mediein a 445 | Langenbeck Professor Hannover Chirurgie u. Ophthalmol. 449 | Lauda Dr. med. Salzburg Chirurgie 450 | Laurencot, von Chemiker Paris Chemie | 451 | Laurop Bezirksförster Sinsheim Botanik 452 | Lautz Ingenieur Carlsruhe Mathematik | 453 | Lederle Amtsarzt Staufen Mediein 454 | Leimbach Apotheker Carlsruhe Chemie 455 | Leiner Apotheker Constanz Botanik 456 | Leisinger Arzt Stuttgart Chirurgie 457 | Lelbach Forstrath Carlsruhe Physik 458 | Leonhard, G. Professor Heidelberg Mineralogie | 459 | Lereboullet Professor Strassburg Anatomie 39 * Name Stand Wohnort. Section Leube Apotheker Ulm Chemie Leunis Professor Hildesheim Zoologie Levinger Obergerichtsadvocat Carlsruhe Mathematik Lewinstein Privatdocent Heidelberg Chemie Lichtenstein Arzt Grabow (Posen) Mediein Liebig, von Professor München Chemie Limpricht Professor Göttingen Chemie Lobstein Dr. med. Landau Mediein Löhlein Lehrer Carlsruhe Löwenstimm, von k. russ. Hofrath St. Petersburg Mineralogie Lommel Mineralog Heidelberg Mineralogie Lorent Arzt Bremen Psychiatrie Lother Pharmazeut Eppingen | Chemie Lother Rechtsanwalt Eppingen | Botanik Loudet Hofzahnarzt Carlsruhe \ Chirurgie Lubberger Bezirksförster Ettlingen Botanik | Lucae Professor Frankfurt | Physiologie u. Anatomie Ludwig Generallieutenant Carlsruhe { Ludwig Arzt Stuttgart Zoologie und Chirurgie Lücke Arzt Magdeburg ' Mediein Lufft bayer. Reg.Direct. a.D. Carlsruhe \ Psychiatrie Magnus Professor Berlin Physik Maier Proseetor Freiburg Anatomie Maier Dr. med. Heilbronn Physik Maier Reallehrer Sinsheim Physik | Mainzer Arzt Weinsberg | Mediein Maler (f) Secretär Carlsruhe | Physik Malsch Oberbürgermeister Carlsruhe Malzen,von k. bayer. Attache Carlsruhe | Physik Mammel Arzt Ettlingen Mediein Manger Bergwerksbesitzer Prag Geognosie Mansfeld Medicinalrath Braunschweig Mediein Manz Dr. med. Freiburg \ Chirurgie Marschall, von Hauptmann a.D. Carlsruhe , Physik Martin Chemiker München ' Chemie Martini Irrenhausdirector Leubus , Psychiatrie Martius, von Geheimrath u. Professor | München Botanik Martius, von Stud. philos. München Chemie Marx Doctor Stuttgart Chemie Mayer, von Dr. med. St. Petersburg Psychiatrie Mayer Hofgärtner Carlsruhe ' Botanik Meeh pract. Arzt Sontheim bei Heilbronn | Chirurgie Meess Gewerbslehrer Schwetzingen Physik Meidinger Doctor Heidelberg Physik Meier Medieinalreferent Carlsruhe | Medicin Meier Oberkirchenrath Carlsruhe | Physik Meissner Professor Basel \ Botanik Meissner Professor Freiburg , Anatomie u. Physiologie Merian Rathsherr Basel | Mineralogie Merz Amtschirurg Freiburg , Mediein Messmer Director Graffenstaden | Physik Messow Arzt Aachen | Mediein Mettenius Professor Leipzig , Botanik Stand Wohnort. 309 Section. Meyer Meyer Meyer Meyer Meysenbug, von Mezger Mezger Michel Miller Mirus Mittermaier Mittweg Mördes Möring Mohr Moldenhauer Molitor Molitor Moll Moos Moritz Moritz Müller Müller Müller Müller Müller Müller Müller Müller, W. Nägeli Nasse Nebenius Neser Nessler Neubert Neydeck Nickles Nickles Nicolai Nöggerath Nörrenberg Nöther Noll Nordmann,von Nüssle Nüsslin Nuhn Oberhäuser Oberle Obser Oechsle Oechsner Apotheker Mineralienhändler Stallmstr.d.Kön.d.Belgier Assistent Staatsminister Amtsarzt Bergeandidat Oberamtsarzt Professor Hofapotheker Arzt Dr. med. Kanzleidirector Hofrath und Professor Medieinalrath Professor Medieinalrath Stud. med. Distrietsarzt Dr. med. Arzt und Staatsrath Director Professor Arzt Hofrath und Director Professor Assistent Banquier Doctor Hofbuchhändler Dr. med. Professor Regimentsarzt Cantonsarzt Chemiker Partieulier Rath Agronom Professor Finanzrath Geheimrath u. Professor Professor Arzt Arzt Staatsrath u. Professor Reallehrer “ Geheimerath Professor | Optiker Wund- und Hebarzt Ingenieur Mechaniker Naturhistoriker Bayreuth Hamburg Carlsruhe Carlsruhe Carlsruhe Heidelberg Freiberg Nekarsulm Cambridge Jena Heidelberg Essen Carlsruhe Kiew Coblenz Darmstadt Carlsruhe Carlsruhe Neuffen Heidelberg Moskau Observatorium Tiflis Aachen Homburg Pforzheim Freiburg Carlsruhe Carlsruhe Basel Carlsruhe Düsseldorf Marburg Carlsruhe Markirch Rüppurr Stuttgart Carlsruhe Bennfeld Naney Carlsruhe Bonn Stuttgart Bruchsal Hanau Helsingfors Sigmaringen Carlsruhe Heidelberg Paris Oos Carlsruhe Pforzheim Aschaffenburg Chemie Mineralogie Zoologie Chemie Medicin Mineralogie u. Geognosie Mediein Mineralogie Chemie Mediein Mediein Mineralogie Mediein Chemie Mineralogie Mediein Anatomie u. Physiologie Mediein Mediein Mediein Physik Geognosie Mediein Psychiatrie Physik Geognosie Physik Mineralogie Physik Gynäkologie Anatomie u. Physiologie Mediein Mediein Chemie Botanik Botanik Botanik Chemie und Physik. Physik Mineralogie Physik Mediein Anatomie u. Physiologie Zoologie Physik Anatomie Physik Chirurgie Mathematik Physik Geognosie und Botanik 310 Name Stand. Wohnort. Section SQ mW nu DIOR DI or Soon Du Ds EG EG Be En BE Eu Oesswein Oettinger Oppenheimer Oppermann Oster Ott Otto Overbeck Overbeck Pagenstecher Palasciano Paris Passavant Pauli, Fr. Pauli, E. Pauli, Otto Pelliceiari Perty Peters Petersen Petzval Pfeufer, von Picot Platz Platz Pletzer Plücker Poggendorff Pollau Ponfick Porta Pottgiesser Pregizer Prestinari Puchelt Quintus Ieilius, von Radlkofer Ransonnet Rathke Raxhamininoff Reble Reck,von Reclam Redtenbacher Regenauer Regenauer Rehmann Rehmann Reichenbach Reiff Reischach, von Reiss Reumont Dr. med. Professor Privatdocent Professor Arzt Professor Arzt Doctor Medieinalrath Privatdocent Professor Postrath Arzt Dr. med. Arzt Chemiker Landwirth Professor Chemiker Assistent Professor Obermedieinalrath Arzt Lehrer Hofrath Arzt Professor Professor Arzt Arzt Professor Kaufmann Apotheker Oberkirchenrathsdireetor Privatdocent Dr. phil. Privatdocent Bergrath Medicinalrath u. Prof. Hofrath und Professor Gemeinderath Referendär Dr. med. Hofrath und Professor Geheimerath Legationsrath Physikus fürstl. fürstenb. Leibarzt Arzt Oberrechnungsrath Oberceremonienmeister Bergmann Arzt Hagenbach Freiburg Heidelberg Strassburg Rastatt Bayreuth Pforzheim Detmold Lemgo Heidelberg Neapel Carlsrube Frankfurt Landau Landau Rüppurr Neapel Bern Bonn Carlsruhe Wien München Carlsruhe Emmendingen Carlsruhe Bremen Bonn Berlin Windsheim Frankfurt Pavia Elberfeld Pforzheim Carlsruhe Heidelberg * Hannover München Ischl Königsberg Kiew Carlsruhe Carlsruhe Leipzig Carlsruhe Carlsruhe Carlsruhe Haigerloch Donaueschingen Altona Carlsruhe Carlsruhe Mannheim Aachen Mediein Mathematik und Physik | Mediein Chemie | Mediein Chemie Mediein Mediein Chemie Zoologie Chirurgie Physik Mediein Chirurgie Mediein Chemie Botanik Zoologie Chemie Chemie Mathematik Mediecin Mediein Geognosie Geognosie Mediein Physik | Physik Mediein Mediein Mediein Zoologie Chemie ' Botanik Mediein Physik Botanik Mineralogie Zoologie Mathematik Chemie Physiologie u.Psychiatrie Mathematik Physik Mediein Mediein Mediein Botanik Geognosie Mediein und Psychiatrie, 311 Name Stand. Wohnort. Seetiom Reusch Reuss Reutti Reymann Riecken Riegel Riegler Riess Rimpler Rink Risse Rittershausen Robert Röder Röhl, von Roemer Roller Roscoe Rose, H. Rosenfeld Roser Rossknecht Roth Rothermel Rothmund, von Rotteck, von Rüdt, von Ruef Rümmele Rütimeyer Ruhl Rupp Rutenberg, von Sachs Sack Saemann Sailer Sailer Salzer Salzer Salzmann Sandberger Sander Schaaffhausen Schaer Schaffner Schall Scheid Scheidel Schenk Schenk Schepp Scherer, von Professor Fabrikbesitzer Notar Dr. juris Leibarztd.Kön.d. Belgier Apotheker Professor Apotheker Berginspector Spitalapotheker Assistent Apotheker Dr. med. u. Redacteur Apotheker Premierlieutenant Professor Director u. Geh. Hofrath Professor Professor Arzt Professor Amtschirurg Decan Buchhalter Professor Arzt Director Arzt Reallehrer Professor Director Gemeinderath Hofapotheker Mineralog Geolog Dr. med. Buchhändler Apotheker Arzt Arzt Professor Professor Professor Sanitätsrath Hüttendireetor Dr. med. Apotheker Entomolog Arzt Badearzt Constructeur Staatsrath Tübingen Heilbronn Lahr Düsseldorf Brüssel Carlsruhe Carlsruhe Offenburg Wiesloch | Basel Carlsruhe Herborn Strassburg Carlsruhe Cöln Breslau Illenau Manchester Berlin Merchingen Marburg Neustadt Carlsruhe Carlsruhe München Bühl Carlsruhe Baden Durlach Basel Holzappel ‘ Carlsruhe Frankfurt Carlsruhe Halle Paris Ulm Ulm Bretten Bretten Esslingen ' Carlsruhe Carlsruhe Bonn Bremen ı Eisenach Arzheim | Kippenheim Frankfurt Carlsruhe Gaggenau Carlsruhe St. Petersburg Physik Chemie Zoologie Chemie Mediein Chemie Mathematik Chemie Geognosie Chemie Chemie Chemie Mediein Chemie Geognosie Geognosie Psychiatrie Chemie Chemie Mediein Chirurgie Chemie Physik Mineralogie Chirurgie Mediein Botanik Mediein Mathematik Geognosie Geognosie Physik Physik Geognosie Geognosie Mediein Chemie Chemie Mediein Chirurgie Geognosie Physik Anatomie u. Physiologie Mediein Chemie Mediein Chemie Zoologie Mediein Mediein Mathematik Chemie 312 Name Stand Wohnort. Seetion. Schierenberg Schiff Schill Schilling, von Scehimmelbusch Schimper, K. F. Schimper Schinzinger Schirmer Schlecht Schlechter Schlippe Schlossberger Schmezer Schmidt Schmidt Schmidt Schmidt Schmidt Schmit Schmitt Schmitt Schmitz Schneider Schneider Schneider Sehneider Schneyder Schneyder Schnittspahn Schoedler Schönau, von Schönbein Schoenberg Schönfeld Schönlein Schönwald Schrickel Schröder Schubart Schuberg Schübler Schütz Scehulten Schultz, Fr. Schultz, C. H. Schultze Schultze, Bernhard Schultze, Max Schwandner Schwaner Schwartz Schweig Dr. med. Professor Dr. phil. Gutsbesitzer Director Naturforscher Professor Privatdocent Direetor d. Kunstschule Seminarinspector Lehrer Chemiker Professor Pfarrer Arzt Amtsarzt Chemiker Direetor Ingenieur Apotheker Apotheker Ministerialrath Oberstabsarzt Dr. med. Anstaltsarzt Chemiker Partieulier Privatdocent Secretär Gartendirector Director Hofjägermeister Professor Dr. med. Privatdocent Reallehrer Arzt Geh. Hofrath u. Leibarzt Professor Mechaniker Arzt Bergrath Lehrer Arzt Dr. med. Hospitalarzt Professor Dr. med. Professor Oberamtsarzt Apotheker Kreismedieinalrath Medicmalrath Würzburg Bern Freiburg Wettersbach Hochdahl Schwetzingen Strassburg Freiburg Carlsruhe Eichstätt Bruchsal Mainz Tübingen Ziegelhausen Frankfurt Ettenheim Berlin Strassburg Carlsruhe Neunkirchen Wunsiedel Carlsruhe Heidelberg Oberkirch Bad Gleisweiler Strassburg Carlsruhe Freiburg Carlsruhe Darmstadt Mainz Carlsruhe Basel Riga Bonn Mosbach Forbach Carlsruhe Mannheim Marburg Carlsruhe Stuttgart Edingen Odenheim Weissenburg Deidesheim Greifswald Berlin Halle Welzheim Graben Sigmaringen Carlsruhe Mineralogie u. Geognosie Zoologie Geognosie Botanik Geognosie Botanik Botanik Chirurgie Botanik Geognosie Mathematik Chemie Chemie Geognosie Zoologie Mediein nnd Botanik Chemie Geognosie Chemie und Physik Chemie Mediein Psychiatrie Mediein Chemie Physik Chemie Physik Botanik Chemie Botanik Chemie Mediein Astronomie Physik Mediein Mediein Physik und Chemie Physik Anatomie u. Physiologie Mineralogie Physik Physiologie u. Anatomie Botanik Botanik ' Anatomie und Zoologie Geburtshilfe Anatomie Mediein und Physiologie Chemie Mediein Mediein Name Stand Wohnort. Seetiom Schweizerbar Schwerd Schwerd See Seeber Seeger,von Seemann Seidel Seidel Seiffert Seiz Sello Serger Seubert Seubert, Moriz Seubert, K. Seubert, Max Seyfried, von Seyfried, von Sicherer Sickler Siebold, von Siegel Siegel Siegel Simon Solwey Sommer Sonntag Speri Speyer Spiegelberg Spiro Spitz Spohn Spuler Stas Statsmann Steeg Steegmann Stegmann Stehberger Stein Steinam Steiner Steinmann Stengel, von Stephan Stephani Stiebel Stifit Stillmark Stimmel (f) t Buchhändler Professor Mechanikus u. Optiker Spitaloberarzt Amtsarzt Kreismedieinalarzt Redact. d. Bonplandia Hauptamtscontroleur Professor | Geh. Bergrath Baumeister Geheimerath Professor Docent Physikus Arzt Ministerialrath ilospitalarzt Mechaniker Professor Generalstabsarzt Arzt Professor Arzt Arzt Dr. med. Apotheker Amtschirurg Dr. phil. Privatdocent Collegienrath Lehrer am Polytechnikum Ministerialrath Arzt Professor Apotheker Optiker Arzt Professor Hofrath Arzt Militäroberarzt Regimentsarzt Lehrer Geheimerath Dr. med. Oberkirchenrath Dr. med. Arzt Arzt Hofrath Stuttgart Speyer Speyer Paris Krautheim Ludwigsburg London München \ Carisruhe | Carlsruhe Constanz Saarbrücken Carlsruhe Carlsruhe Carlisruhe Carlsruhe Carlsruhe Stockach Carlsruhe Heilbronn Carlsruhe München Carlsruhe Bruchsal Wien Darmstadt Lichtenau Herxheim Gernsbach Lörrach Cassel Göttingen Moskau Carlsruhe Carlsruhe Malsch Brüssel Tiefenbronn Homburg Mannheim Marburg Mannheim Heidelberg Carlsruhe Carlsruhe Lahr Carlsruhe Aachen Carlsruhe Frankfurt Bad Weilbach Pensa Kennenburgb.Esslingen Geognosie Astronomie und Physik Physik Mediein Mediein Medicin Botanik Mathematik Geognosie Mathematik Physik Mineralogie Mathematik Mediein Botanik Chemie Meldiein Mediein Physik Mediein Physik Anatomie u. Physiologie Mediein Chirurgie Psychiatrie Chirurgie Mediein Mediein Botanik Mediein Mineralogie u. Geognosie Gynäkologie Mediein Mathematik Geognosie Mediein Chemie Chemie Physik Mediein Mathematik Mediein Mediein Mediein Mediein Geognosie Mediein Botanik Mediein Mediein Mediein Psychiatrie Name Stand. Wohnort. Section. Stizenberger Arzt Constanz Botanik Stocker Arzt Hassmersheim Geognosie Stoekhorn, von Geh. Regierungsrath Carlsruhe Geognosie Stoeber,von Professor Strassburg Mediein Stoeckhardt Chemiker Dresden Chemie Stöss Dr. med. Strassburg Mediein und Chirurgie Stösser,von Secretär Carlsruhe Stoltz Professor Strassburg Mediein Straub Arzt Freiburg Mediein Strauwitz,von Dresden Botanik Streng Doctor Clausthal Chemie Strohl Professor Strassburg Mediein Studer Professor Bern Geognosie Stüber Domänenrath Carlsruhe Botanik Sulzer Ingenieur Carlsruhe Physik Tasche Salineinspeetor Salzhausen Mineralogie Thilenius Obermedieinalrath Soden Mediein Thilenius Arzt Soden Mediein Thomann Arzt Schliengen Mediein Thumm Assistenzarzt Tiefenbronn Mediecin Ton Kreisphysikus Kniphausen Mediein Traub Assistent Carlsruhe Physik Triess Lehrer Strassburg Botanik Troost Professor Paris Chemie Turban Regierungsrath Carlsruhe Botanik Ullmann Geh. Cabinetsrath Carlsruhe Ullmann Prälat Carlsruhe Ulrieh (f) Geh. Medieinalrath Coblenz Mediein Ungerer Chemiker Pforzheim Chemie Upmann Physikus Birkenfeld Mediein Veesenmayer Professor Ulm Botanik und Zoologie Veiel Hofrath Cannstatt Mediein Veiel Medieiner Cannstatt Mediein Velten Arzt Aachen Mediein Veit Hofrath Kupferzell Mediein Verhoeven Partieulier Montjoie Geognosie Vierordt Secretär Carlsruhe Vigelius Lehramtspraktikant Durlach Physik Virchow Professor Berlin Mediein Vögelin Arzt Durlach Mediein Völckel Professor Solothurn Chemie Völmer Rentier Düsseldorf Mineralogie Vogelmann Geh. Referendär Carlsruhe Mineralogie Vogler Obermedicinalrath Wiesbaden Psychiatrie Vogtenberger Assistent Tübingen Chemie Voigt Chefd.Medieinalwesens | Batavia Mediein Voit Privatdocent München Anatomie u. Physiologie Voit Professor Paris Volger Lehrer Frankfurt Geognosie Volz, R. Medieinalrath Carlsruhe Anatomie u. Physiologie Volz, A. Regimentsarzt Carlsruhe Chirurgie u. Ophthalm. Vulpius Botaniker Müllheim Botanik Wänker, von Amtsarzt Freiburg Mediein 315 Nro. Name Stand Wohnort. Seetiom 831 | Wagner Apotheker Rheinzabern Chemie 832 | Wagner Apotheker Kirchzarten Chemie 833 | Wagner Partieulier Pforzheim Physik 834 | Wagner - Arzt Mühlburg Gynäkologie 8355 | Waidele Arzt Steinbach Mediein 836 | Walchner Bergrath Zell a. H. Mineralogie u. Geognosie 837 | Walli Ministerialrath Carlsruhe Physik 835 | Walther Arzt Liptingen Mediein 85 Walther Arzt Langenbrücken Mediein 840 | Walz Privatdocent Heidelberg Chemie 841 | Wandesleben Apotheker Langenbrücken Chemie 842 | Wanklyn Chemiker Heidelberg Chemie 843 | Weber Arzt Mehrholz Chirurgie 844 | Weber Professor Bonn Chirurgie 845 | Weber Medieinalassistent Höchst Mediein 846 | Weber Oberlehrer Köthen Physik 847 | Weeber, Arzt Waibstadt Mediein 848 | Weidenbusch Chemiker Heidelberg Chemie ‚849 | Weil Arzt Sinsheim Mediein 850 | Weiler Lehrer Mannheim Mathematik "851 | Weiss Professor Stuttgart Anatomie u. Physiologie 852 | Weiss Professor Nürnberg Physik und Mathematik 853 | Weissbrod Dr. med. Katzenellenbogen Mediein 854 | Weizel Ministerialdireetor Carlsruhe 855 | Welcker Professor Giessen Anatomie 856 | Weltzien Hofrath und Professor Carlsruhe Chemie 857 | Weng Arzt Flehingen Mediein 858 | Wenneis Mediecinalrath Baden Mediein 859 | Werber Hofrath und Professor Freiburg Mediem 860 | Wernlein Mediecinalrath Carlsruhe Mediein 561 | Wertheim Professor Carlsruhe Physik 862 | Westphal Apotheker Düsseldorf Chemie 863 | Wetterer Reallehrer Bretten Physik 864 | Wever Badearzt Badenweiler Mediein 865 | Wichmann Dr. med. Wolfenbüttel Mediein 866 | Wicke Professor Göttingen Chemie 867 | Widmann Grubeninspeetor Stolberg Mineralogie 868 | Widmann Arzt Carlsruhe Mediein 869 | Wiebel Professor Hamburg Physik und Chemie 870 | Wiedemann Professor Basel Physik 871 | Wiener Professor Carlsruhe Mathematik 872 | Wigand Professor Marburg Botanik 873 | Wild, von Bau- u. Gartendireetor | Stuttgart Botanik 874 | Wilhelm Medieinalrath Eppingen Mediein 875 | Wilhelmi Arzt Baden Mediein 876 | Williard Architekt Carlsruhe 877 | Willen Chemiker Mühlhausen Chemie 878 | Willstätter Arzt Bruchsal Mediein 879 | Wimpf Fabrikant Weilburg Chemie 880 | Winckler Assistent Heidelberg Chemie 881 , Winter Oberamtmann Müllheim Botanik 882 | Wittstein Hofapotheker Berlin Pharmacie 883 | Wöhler ) Professor Göttingen Chemie 316 Name Stand. Wohnort. Seetion. Wölfel Wolf Wolff Würtemberger Wurtz Wundt Zaber Zachariae Zandt Zech Zech Zech, von Zeller Zeroni Zeroni Ziegler Ziegler Ziegler Zimmer Zipff Zollikofer Arzt Arzt Ingenieur Oekonom Professor Privatdocent Dr. med. Bergwerksdirector Leibarzt Professor Lehrer a. d. polyt. Schule Amtsrichter Irrenhausdireetor Hofrathı Arzt Arzt Director Gemd.Rath u. Apotheker Director d. Verkehrsanst. Arzt Hofphysikus Bruchsal Aslasterhausen Otterndorf Dettighofen Paris ; Heidelberg Süd-Carolina Berghaupten Carlsruhe Tübingen Stuttgart Offenburg Winnenthal Mannheim Mannheim Freiburg Carlsruhe Carlsruhe Carlsruhe Kandern Carlsruhe Mediein Mediein | Mechanik Geognosie, Chemie Anatomie u, Physiologie Mediein Mineralogie Psychiatrie Astronomie Physik Physik Psychiatrie Mediein Mediein Physiologie ı Mediein Mediein Mediein a N ‘ 7 - ! . ‘ i X Dt x BD % } . - En ? g' . [2 Ir r » # P e ” . 4 sRUNR. — Umk. Fi. MÜELLER'SCHE HOFBUCHDRUCKERRT. PROGRAMM DER XXXIV. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE ı1s;5s. | Erster Geschäftsführer : Hofrath und Professor Dr. W. EısexLonr. Zweiter % : Mediecinalrath und Amtsarzt Dr. R. Vorz. .. Erster Secretär: Medicinalrath Dr. Scuweıc. 2 | Zweiter ,„ : Professor Dr. DiexGer. ER Diese . Versammlung beginnt mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs am l6ten September und endigt am 22ten. ‘2. Statutengemäss werden als Mitglieder nur Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und ärzt- lichen Fache aufgenommen; als Theilnehmer nur solche, die sich wissenschaftlich mit Natur- oder Heilkunde beschäftigen. g 3. Das Aufnahmsbureau befindet sich auf dem Wege von dem Bahnhofe nach der innern Stadt dem südlichen Lyceumsflügel zu ebener Erde am Marktplatze und ist vom 14. September an von Mor- zens. 8 bis Abends 7 Uhr geöffnet. Die Aufnahmskarte wird nur auf persönliche Anmeldung gegen Erlegung von vier Gulden ertheilt. Es soll Jeder dieselbe immerwährend bei sich führen ; denn sie allein berechtigt den Besitzer zum intritt in die allgemeinen Versammlungen, Ausstellungen und Sehenswürdigkeiten und zur Theilnahme 2 an den nachstehend bezeichneten Festlichkeiten und Eisenbahnfahrten, sowie zum Empfang der von der Stadt Carlsruhe dargereichten Festgabe, dieses Programmes und der Tagblätter. Für die mitgebrachten Damen seiner Familie erhält Jeder zugleich eine besondere Eintrittskarte zu den allgemeinen Versammlungen. Bis zum 16. September Morgens kann in dem Aufnahmsbureau auch die Karte für das Fest- Essen im Museumssaale (mit einem Schoppen rothen oder weissen Wein) gegen Erlesung von zwei Gulden und 42 kr. in Empfang genommen werden. A. Nach der Aufnahme meldet man sich in dem gegenüber von dem Aufnahmsbureau befindlichen Wohnungsbureau, in welchem von der dort befindlichen Commission nach ertheilter Auskunft Karten mit Bezeichnung und dem Preise der Wohnung gegeben werden. Es sind auch beständig daselbst Führer vorhanden, welche als Glieder der Versammlung zu jeder Auskunft bereit sind. Dieselben sind an einer mit Bändern verzierten Cocarde im linken Knopf- loch erkennbar, die übrigen Comite-Mitglieder an einem Bande in den badischen Farben, in derselben AT os mi Weise getragen. $. 5. Zur Beförderung geselliger Unterhaltung findet am 15. September Abends in dem Saale des Museumsgartens eine Zusammenkunft statt. Ebenso an den folgenden Abenden. & 6. Das Postbureau zum Empfang von post-restante Briefen ist für die Dauer der Versammlung in dem Grossherzoglichen Postgebäude nahe bei dem Aufnahmsbureau und den ganzen Tag geöffnet. KE Die allgemeinen Versammlungen werden in dem durch die Gnade Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs zu diesem Zwecke besonders hergerichteten Orangerie-Gebäude abgehalten. Die erste beginnt den 16. September Morgens 10:5 Uhr. Der Eingang für Mitglieder und Theilnehmer ist auf der Südseite (gegen die Stadt), für ihre Damen auf der Nordseite (gegen den Schlossgarten). Die betreffenden Karten sind beim Eintritte vor- zuweisen. In dem Versammlungssaale, sowie bei anderen Gelegenheiten, sind die im $. 4 erwähnten Führer zur Ertheilung von Auskunft und zu den nöthigen Anordnungen gegenwärtig. 8. Die Vorträge in den allgemeinen Versammlungen sollen in der Regel nicht über %, Stunde in Anspruch nehmen, müssen von allgemein wissenschaftlichem Interesse sein und spätestens einen Tag vor- her dem ersten Geschäftsführer im Auszug vorgelegt werden. $9. Nach dem Schlusse der ersten allgemeinen Sitzung werden die Mitglieder und Theilnehmer durch die provisorischen Präsidenten der einzelnen Secetionen in die Sitzungszimmer eingeführt, um dort für den nächsten Tag die Präsidenten zu wählen, die abzuhaltenden Vorträge anzukündigen und sich mit den Localverhältnissen bekannt zu machen. $. 10. Die Sectionen sind: a. Im Ständehaus: Erste Section: Mineralogie, Geognosie — im Sitzungs-Saale der zweiten Kammer. Präsident Professor Dr. Sandberger. Zweite Section: Botanik und Pflanzenphysiologie — im Ecksaale zu ebener Erde. Prä- sident Professor Dr. M. Seubert. Dritte Section : Zoologie — im Sitzungssaale der ersten Kammer. Präsident Oberschloss- hauptmann Freiherr von Kettner. b. Im Polytechnikum: Vierte Section: Mathematik, Astronomie und Mechanik — im I. Stockwerke. Präsident Hofrath Redtenbacher. Fünfte Seetion: Physik — zu ebener Erde. Präsident Hofrath Dr. Eisenlohr. Sechste Section: Chemie — im Hörsaal des im Hofe gelegenen chemischen Laboratoriums. Präsident Hofrath Dr. Weltzien. Siebente Section: Anatomie und Physiologie — im I. Stockwerke. Präsident Medicinalrath Dr. Schweig. Achte Section: Medicin — im I. Stockwerke des Mittelbaues.. Präsident Medicinalrath Dr. Molitor. Neunte Section: Chirurgie und Ophthalmologsie — im II. Stockwerke des Mittelbaues. Präsident Geheimer Hofrath Dr. Baur. | Zehnte Section: Gynäkologie — im II. Stockwerke des Mittelbaues. Präsident Geheimer Hofrath Dr. Buchegger. Elite Section : Psychiatrik — im I. Stockwerke des Mittelbaues. Präsident Geheimer Hofrath Dr. Roller. 11. | Zur Bequemlichkeit ist für diejenigen Mitglieder und Theilnehmer, welche Briefe schreiben wollen, . . . - . . . das Sitzungszimmer im Polytechnikum zu ebener Erde eingerichtet. $5 192 Die Seetionssitzungen beginnen in der Regel um 8 Uhr und können, mit Ausnahme des _ ersten Tages und der Zeit der allgemeinen Sitzungen, den ganzen Tag fortgesetzt werden, da nur ein Fest-Essen stattfindet. $. 13. Ausser den Vorträgen, die in den Sections-Sitzungen gehalten werden, wird die Wahl des Prä- sidenten für den nächsten Tag und die Anzeige der zu haltenden Vorträge vorgenommen. $. 14. Sämmtliche in der städtischen Festgabe bezeichneten wissenschaftlichen und medieinischen Institute, sowie die Kunstanstalten, Fabriken und andere Sehenswürdigkeiten sind geöffnet und unter der Anleitung der in $. 4 genannten Führer, der nachfolgenden Tagesordnung gemäss, zugänglich. Der Versammlungsort behufs eines solchen Besuches ist um die angegebene Zeit bei dem Auf- nahmsbureau ; Jeder aber kann sich auch später anschliessen. Um die Erzeugnisse des Landes den Naturforschern anschaulich zu machen, sind besondere Aus- ‚stellungen der badischen Mineralien, Petrefacten, Bergwerks-, Hütten- und Salinenprodukte, sowie der einheimischen Vögel, in den betreffenden Sectionslocalen veranstaltet worden. 4 $ 15. Wenn in den Sectionen an den einen oder andern hiesigen Professor das Ansuchen gestellt wird, Versuche oder Demonstrationen zu machen, so wird derselbe dazu auf den folgenden Nachmittax eine Stunde bestimmen. & 16. Zur Lektüre von Zeitschriften und dergleichen, sowie zu verabredeten Besprechungen stehen die Lesezimmer und Unterhaltungszimmer des Museums, der Eintracht und des Bürgervereins durch die Gefälligkeit der betreffenden Gesellschaften den ganzen Tag offen. ST Ausser dem allgemeinen Festessen am 16. September finden keine bestimmten Mittagessen statt. Doch ist die Einrichtung getroffen, dass in dem Museum täglich eine grössere Anzahl (180) von Herren und Damen gedeckte Tafel findet. In den Gasthöfen und Restaurationen können einzelne Partien Platz finden, und werden gut thun, vorher Bestellung zu machen. — Wird es gewünscht, so kann auch ein Schluss-Essen am Mittwoch auf Subscription veranstaltet werden. Der Gasthof, in welchem der erste Geschäftsführer während der Mittagsmahlzeit zu finden ist, wird im Tagblatt jedesmal bekannt gemacht. Im Uebrigen gibt ein Verzeichniss der Gasthöfe und Restaurationen, welches bei den Dienern des Polytechnikums, Ständehauses und im Aufnahmsbureau liest, Auskunft über die Preise. Zu den Mittagsmahlzeiten sind auch die Damen freundlichst eingeladen. Die gewöhnliche Zeit der Mittagstafel ist 1 Uhr, an den Tagen der allgemeinen Versammlungen um 2%, Uhr. 18. Abends finden Zusammenkünfte statt: in dem Gartensaale des Museunis, in der Eintracht, in dem Cafe Beck und dem grünen Hofe. Die Theilnehmer werden gebeten, wenn sie Verabredungen zu grösseren Zusammenkünften getroffen haben, dies einem der in $. 4 genannten Führer wissen zu lassen. &,19: Die angenehmeren Spaziergänge in der Nähe Carlsruhe’s sind in der städtischen Festgabe S. 111 bezeichnet. $. 20. Durch die Gnade Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs stehen drei festliche Theatervorstellungen in Aussicht, die jedesmal um 7 Uhr beginnen. Zum Eintritt berechtigt im Allgemeinen die Aufnahmskarte, unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen, die noch im Tagblatt bekannt gemacht werden. Für das in Aussicht stehende Hoffest wird besondere Einladung erfolgen. $. 21. Das an jedem Tag erscheinende Tagblatt kann von jedem Theilnehmenden Morgens von 8 Uhr an bei dem Diener im Aufnahmsbureau, im Polytechnikum und im Ständehause in Empfang genommen werden. Dasselbe enthält, nebst dem Verzeichniss der eingetroffenen Gäste, die gehaltenen und zu hal- tenden Vorträge, sowie die Protokolle der Sitzungen. Etwaige Abänderungen des Programmes, Anzeigen u. s. w. werden ebenfalls durch dasselbe be kannt gemacht. ü $. 22. Diejenigen Mitglieder und Theilnehmer, welche von hier bis Basel und Waldshut, oder Kehl und Paris, oder bis zu einem der dazwischen liegenden Orte zurückreisen wollen, erhalten auf persön- liche Anmeldung in dem Aufnahmsbureau in den Tagen vom 20, 21. und 22. September gesen Unter- schrift für sich und ihre Familienglieder Lesitimationskarten, bei deren Abgabe auf dem Bahnhofe sie für Plätze der ersten und zweiten Wagenklasse nur die Hälfte zu bezahlen haben. Diese Karten sind eiltig für die ganze Woche vom 20. bis 27. September. Nähere Instruction über die nöthige Controle und andere Bestimmungen der Grossherzoglichen Direetion der Verkehrsanstalten werden die obigen Reisenden ersucht bei der Aufnahmseommission ein- zuholen, wenn sie die Legitimationskarten erhalten. Tages-Ordnung. Mittwoch den 15. September. Versammlung Abends 8 Uhr in dem Gartensaale des Museums. Donnerstag den 16. September. 1. Versammlung im botanischen Garten von 9 Uhr an. 2. Um 10%, Uhr Eröffnung der ersten allgemeinen Sitzung in dem dort befindlichen Orangerie - Gebäude. 3. Einführung der verschiedenen Sectionen in ihre Sitzungslokale, nach dem Schluss dieser Sitzung: Wahl der Präsidenten für den folgenden Tag und Angabe der zu haltenden Vorträge. Den Sectionen werden ständige Secretäre vorgeschlagen. Feierliches Festessen um 3 Uhr in den Sälen des Museums. Abends 7 Uhr Festtheater auf Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs. Freitag den 17. September. 1. Sectionssitzungen im Ständehaus und Polytechnikum von 8 Uhr Morgens bis 1 Uhr, und auf besondere Verabredung auch Nachmittags. 2. Abendfest auf besondere Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs im Schloss und Schlossgarten. Die Geschäftsführer, die Präsidenten der Seetionen und alle, welche irgend eine Funktion bei der Versammlung haben, kommen zu der im Tagblatt bestimmten Zeit in dem Aufnahms-Bureau zusammen, und begeben sich von da, unter dem Anschluss einiger Mitglieder und Theilnehmer, nach dem Schlosse. Samstag den 18. September. 1. Sectionssitzungen von 8—11 Uhr. 2. Zweite allgemeine Sitzung im Örangerie-Gebäude, um 11 Uhr, wobei der Versammlungsort für das nächste Jahr gewählt wird. 3. Nachmittags, auf Verabredung, wissenschaftliche Besprechungen und Versuche. 4. Abends 7 Uhr, Theater auf die Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Gross- herzogs. Sonntag den 19. September. Eisenbahnfahrt mit einem durch die Liberalität des Grossherzoglichen Ministeriums des Auswär- tigen bewilligten Extrazug nach Baden, Morgens, genau um 8 Uhr. Dort festliche Begrüssung und Besuch der Sehenswürdigkeiten unter Anführung der dortigen Behörden. Das Mittagessen wird in den Gasthöfen zum Conversationshaus, Englischen, Europäischen, Rhei- nischen, Holländischen Hof und Vietoria-Hötel zu dem Preise von 1 fl. 24 kr. mit 1 Schoppen Wein um 1 Uhr eingenommen. Zu Exeursionen nach dem alten Schloss, Ebersteiner Schloss und anderen schönen Punkten werden Führer dienen; zu den geognostischen Exeursionen wird Professor Dr. Sandberger, zu den botanischen Professor Dr. Seubert bereit sein. Zwischen 4 und 5 Uhr Abends versammelt man sich bei günstigem Wetter auf dem alten Schlosse, wo durch die Freundlichkeit der Stadt Baden für die Bequemlichkeit und für Erfrischungen der Herren Gäste gesorgt sein wird: Eine zweite Versammlung findet Abends bei eintretender Dunkelheit in den Sälen des Conversa- tionshauses statt, welche durch die Gefälligskeit des Herrn Benazet festlich beleuchtet sein werden und in denen die Herren Gäste eine Harmoniemusik begrüssen wird. Von hier aus findet die Rückfahrt präcis um 10 Uhr statt. Beide Fahrten, sowie auch die nachfolgenden gehen um die bestimmten Stun- den unfehlbar ab, und es wird darum Jedermann gebeten sich zwanzig Minuten vor- her auf dem Bahnhofe einzufinden. Montag den 20. September. 1. Sectionssitzungen von 8—1 Uhr, und, auf Verabredung, Nachmittags, von 3 Uhr an. 2. Von 7 Uhr an, durch die freundliche Veranstaltung der hiesigen Gemeindebehörden und der hiesigen geselligen Vereine, Ball in dem Museum, der Eintracht und dem Bürgerverein. Um 7 Uhr gehen die Geschäftsführer und Comitemitglieder von dem Aufnahms-Bureau in Begleitung der sich ihnen anschliessenden Mitglieder und Theilnehmer nach dem Museum. Um 7%, Uhr ebenso von dort nach der Eintracht, und dessgleichen um 8 Uhr nach dem Bürgerverein. Dienstag den 21. September. 1. Sectionssitzungen von 8—11 Uhr. 2. Nachmittags um 12, Uhr versammeln sich die Aerzte auf dem Bahnhofe zu einer freien Fahrt nach Ilenau, unter Begleitung des Geschäftsführers Medieimalrath Dr. Volz. Abfahrt genau um 1 Uhr. Rückfahrt von Achern um 9%, Uhr präeis. ne 3. 4. Die übrigen Mitglieder und Theilnehmer der Versammlung können entweder zu einer Excur- sion mit dem gewöhnlichen Zuge um 2%, Uhr, unter Begleitung des Geschäftsführers Hofrath Dr. Eisenlohr, nach Durlach fahren und dort unter Führung des Professors Dr. Sandberger die geognostischen Verhältnisse der Umgebung kennen lernen, oder unter Begleitung des Hofraths Dr. Weltzien über die chemische Fabrik des Herrn Pauli bei Rüppurr dorthin gehen. Da aber der dortige Gemeinderath die sämmtlichen Gäste in einen Weinberg zur Traubenlese führen will, so werden wohl die meisten es vorziehen dieser freundlichen Ein- ladung zu folgen. Zu diesem Zwecke versammelt man sich um 31, Uhr auf dem Marktplatze zu Durlach. Bei einbrechender Dunkelheit versammelt man sich wieder in dem Gasthause zur Carlsburg daselbst, wo nach der Karte gespeist wird, und kehrt mit dem gewöhnlichen Zuge um 9 Uhr 50 Minuten nach Carlsruhe zurück. Mittwoch den 22. September. Sectionssitzungen von 8— 11 Uhr. . Dritte allgemeine Sitzung im Orangerie-Gebäude um 11 Uhr. Nach getroffener Verabredung Nachmittags Besuch der Sammlungen oder gemeinsame Spa- ziergänge. Um 7 Uhr Festtheater auf die Eimladung Seiner Königlichen Hoheit des Gross- herzogs. Die im $. 14 erwähnten Sehenswürdigkeiten und Sammlungen, und medicinischen und gemeinnützigen Anstalten, sind an folgenden Tagen und Stunden, gegen Vorzeigen der Aufnahmskarte zugänglich : 1. 2. 3. 4. an . I [0 +) g. 10. 11. 12. Hofbibliothek täglich von 11— 12 Uhr und 3—5 Uhr. Kunsthalle, Freitags, Samstags, Montags und Mittwochs, von 3—6 Uhr. Die Gewächshäuser, täglich, mit Ausnahme des Sonntags; von 9—12 und 2—5 Uhr. Die Sammlung der vaterländischen Alterthümer, Montags von 3—6 Uhr. Der Bahnhof und das Maschinenhaus daselbst Montags von 3—6 Uhr. Das physikalische Cabinet täglich von 3—6 Uhr, mit Ausnahme von Sonntag und Dienstag. Das chemische Laboratorium täglich von S—12 Uhr und von 3—6 Uhr mit Ausnahme von Sonntag und Dienstag Nachmittag. Das Naturaliencabinet, täglich von S—12 Uhr und 3—5 Uhr mit Ausnahme des Sonntags. Die Maschinen -Modellsammlung im Polytechnikum, täglich von 3—6 Uhr mit Ausnahme von Sonntag und Dienstag. Das Mineraliencabinet daselbst, täglich von 3—6 Uhr mit vorhergehender Ausnahme. Die Fasanerie, Freitags von 3—5 Uhr. Die Hospitäler, das Pfründner- und Waisenhaus sind den ganzen Tag geöffnet. Wohnungen der Comite-Mitglieder. (Alphabetisch.) 1) Dr. Baer, Ministerialrath und Director des Wasser- und Strassenbaues. Akademiestrasse Nro. 6. 2) Dr. Baur, Geheimer Hofrath. Zähringerstrasse Nro. 75. 3) Dr. Buchegger, Geheimer Hofrath. Karl-Friedrichstrasse Nro. 23. 4) Dr. Dienger, Professor. Herrenstrasse Nro. 20 b. 5) Döll, Geheimer Hofrath. Waldstrasse Nro. 48. 6) Dr. Eisenlohr, Hofratlı und Professor. Karl-Friedrichstrasse Nro. 15. 7) von Kettner, Oberschlosshauptmann. Waldstrasse Nro. 64. 8) Malsch, Oberbürgermeister. Adlerstrasse Nro. 19. 9) Dr. Molitor, Medieinalrath. Vorderer Zirkel Nro. 6. 10) Redtenbacher, Hofrath und Professor, Director der Polytechnischen Schule. Stephanienstrasse Nro. 62. 11) Dr. Sandberger, Professor. Innerer Zirkel Nro. 10. 12) Dr. Schweig, Medicinalrath. Spitalstegsse Nro. 51. 13) Dr. K. Seubert, Bibliothekar. Vorderer Zirkel Nro. 21. 14) Dr. M. Seubert, Professor. Amalienstrasse Nro. 20. 15) Dr. Volz, Medicinalratlı. Herrenstrasse Nro. 30. 16) Dr. Weltzien, Hofrath und Professor. Karlsstrasse Nro. 47. 17) Dr. Zollikofer, Hofphysikus. Herrenstrasse Nro. 25. Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller'schen Hofbuchdruckerei. — 1858, TAGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IM JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Physikus Dr. Zollikofer, N: L, Den 16. September. 1858. Statuten der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte. $. 1. Eine Anzahl deutscher Naturforscher und Aerzte ist am 18. September 1822 in Leipzig zu einer Gesellschaft zusammengetreten, welche den Namen führt: „Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte“. $. 2. Der Hauptzweck der Gesellschaft ist, den Naturforschern und Aerzten Deutsch- lands Gelegenheit zu verschaffen, sich persönlich kennen zu lernen. $. 3. Als Mitglied wird jeder Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und ärztlichen ' Fache betrachtet. $. 4 Wer nur eine Inaugural-Dissertation verfasst hat, kann nicht als Schriftsteller angesehen werden. $. 5. Eine besondere Ernennung zum Mitgliede findet nicht Statt, und Diplome werden nicht ertheilt. $. 6. Beitritt haben Alle, die sich wissenschaftlich mit Naturkunde oder Mediein beschäftigen. $. 7. Stimmrecht besitzen ausschliesslich die bei den Ver sammlungen gegenwärtigen Mitglieder. $. 8. Alles wird durch Stimmenmehrheit entschieden. $. 9. Die Versammlungen finden jährlich, und zwar bei offenen Thüren Statt, fangen jedesmal mit dem 18. September an, und dauern mehrere Tage. $. 10. Der Versammlungsort wechselt. Bei jeder Zusammenkunft wird derselbe für as nächste Jahr vorläufig bestimmt. & 11. Ein Geschäftsführ ‚er und ein Secretär, welche im Orte der Versammlung wohn- aft sein müssen, übernehmen die Geschäfte bis zur nächsten Versammlung. $. 12. Der Geschäftsführer bestimmt Ort und Stunde der Ver sammlung, und ordnet € Arbeiten, wesshalb jeder, der etwas vorzutragen hat, es demselben anzeigt. $. 13. Der Seeretär besorgt das Protokoll, die kungen und den Briefwechsel. $. 14. Beide Beamte unterzeichnen allein im Namen der Gesellschaft. $. 15. Sie setzen erforderlichenfalls, und zwar zeitig genug, die betreffenden Behörden von der zunächst bevorstehenden Versammlung in Röhren und machen sodann den dazu bestimmten Ort öffentlich bekannt. PER. 2 $. 16. In jeder Versammlung werden die Beamten für das nächste Jahr gewählt. Wird die Wahl nicht angenommen, so schreiten die Beamten zu einer andern; auch wählen sie nöthigenfalls einen andern Versammlungsort. $. 17. Sollte die Gesellschaft einen der Beamten verlieren, so wird dem übrigblei- benden die Ersetzung überlassen. Sollte sie beide verlieren, so treten die Beamten des folgenden Jahres ein. $. 18. Die Gesellschaft legt keine Sammlungen an, und besitzt, ihr Archiv aus- genommen, kein Eigenthum. Wer etwas vorlegt, nimmt es auch wieder zurück. $. 19. Die vielleicht statthabenden geringen Auslagen werden durch Beiträge der anwesenden Mitglieder gedeckt. $. 20. In den ersten fünf Versammlungen darf nichts an diesen Statuten geändert werden. Geschäftsführer: Hofrath Dr. W. Eisenlohr und Medicinalrath Dr. R. Volz. General-Seeretäre: Medieinalrath Dr. Schweig und Professor Dr. Dienger. Tagesordnung für Donnerstag den 16. September. 1. Versammlung im botanischen Garten von 9 Uhr an. 2. Um 104 Uhr Eröffnung der ersten allgemeinen Sitzung in dem dort befindlichen Orangerie- gebäude. 3. Einführung der verschiedenen Sectionen in ihre Sitzungslocale, nach dem Schluss dieser Sitzung. Wahl der Präsidenten für den folgenden Tag und Angabe der zu haltenden Vorträge. Den Sectionen werden ständige Secretäre vorgeschlagen. $ 4. Feierliches Festessen um 3 Uhr in den Sälen des Museums. Abends 7 Uhr Festtheater auf Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Gross- herzogs. Die Naturforscher und Aerzte mit ihren Damen erhalten „gegen Vorzeigung ihrer von den beiden Geschäftsführern der Versammlung ausgestellten Aufnahmskarten freien Ein- tritt auf sämmtliche Plätze des Hauses, mit alleiniger Ausnahme derjenigen des II. und IV. Rangs. Bei den Festvorstellungen wird für die Räume vom Parterre bis zu den Logen des II. Ranges angenommen, dass die Herren in Frack und weisser Halsbinde, die Damen in ent- “ sprechender Toilette erscheinen. Für den I. Rang ist jede anständige Kleidung gestattet. a Zugänglich sind: a. Die Hofbibliothek von 11—12 Uhr und von 3-5: Uhr, b. die Gewächshäuser von 9—12 Uhr und von 2—5 Uhr, ce. das physikalische Cabinet von 8—6 Uhr, d. das chemische Laboratorium von 8—12 Uhr und von 3—6 Uhr, e. das Naturaliencabinet von 8$—12 Uhr und von 8-5 Uhr, £. die Maschinen-Modellsammlung im Polytechnikum von 3—6 Uhr, g. das Mineraliencabinet daselbst, von 3—6 Uhr, h. die Hospitäler, das Pfründner- und das Waisenhaus den ganzen Tag. 3 Repertoire des Grossherzoglichen Hoftheaters vom 16. bis 23. September. Donnerstag den 16. Festvorstellung. ANTIGoXNE. Tragödie von Sophokles, übersetzt von Ah- rens. Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Samstag den 18, Festvorstellung. Was Inr wortt. Lustspiel von Shakespeare, nach Schle- gel’s Uebersetzung in 4 Acten, für die Bühne eingerichtet von Eduard Devrient. Sonntag den 19. FErnanD ÜORTEZ. Dienstag den 21. Corıovan. Trauerspiel in 5 Acten von Shakespeare, nach Tiek’s Ueber- setzung für die Bühne eingerichtet von Eduard Devrient. Die Ouverture von Beetho- ven, die zur Handlung gehörige Musik von W. Kalliwoda. Mittwoch den 22. LoHenGrin. Grosse romantische Oper in 3 Acten von Ri- chard Wagner. Donnerstag den 23. DiE FÜRCHTERLICHEN FRAUEN. setzt von Prix. .. Grosse Oper mit Ballet in 3 Acten von Spontini. Festvorstellung. Lustspiel in 3 Acten von Dumanoir, über- Erste öffentliche Sitzung am 16. September. ürste allgemeine Sitzung im Örangeriegebäude Morgens 104 Uhr. Seine Königliche Hoheit der Grossherzog wird derselben anwohnen. Tagesordnung. Eröffnungsrede und Begrüssung durch die beiden Geschäftsführer. Vorträge sind angekündigt von: Geh. Hofrath Dr. Baumgärtner von Freiburg über die Bedeutung des Menschengeschlechts in den Werken der Schöpfung. Professor Dr. Erdmann von Leipzig über das Verhältniss der naturwissenschaftlichen Forschung zum religiösen Glauben. Geh. Hofrath Dr. Roller von Ilenau über die Seelenstörungen in ihrer Beziehung zur Strafrechtspflege. Sectionen. Seetionen. Einführender Präsident. Versammlungs- local. Mineralogie und Geognosie Botanik und Pflanzenphysiolosie Zoologie . Mathematik , Mechanik Physik Chemie a Anatomie und Physiologie Mediein NER Chirurgie und Ophthalmologie . Gynäkologie Psychiatrik . Astronomie und Professor Dr. Sandberger Professor Dr. M. Seubert ne Oberschlosshauptmann Frhr. v. Kettner Hofrath Redtenbacher . Hofrath Dr. Eisenlohr Hofrath Dr. Weltzien .. Medieinalrath Dr. Schweig . Medicinalrath Dr. Molitor (Geheimer Hofrath Dr. Baur Geheimer Hofrath Dr. Buchegger Geheimer Hofrath Dr. Roller . Im Ständehaus. Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Mittwoch den 15. September Abends erklärt haben. Mitglieder. Althaus, v., Bergrath. Freiburg. Stephanienstr. 96. Bader, Dr., Archivrath. Carlsruhe. Amalienstr. 12. Baurnfeind, Professor. München. Fasanenstr. 6. Beck, Dr., Regimentsarzt. Freiburg. Eangestr. 141. Beketoff, Professor. Charkow. Rothes Haus. Belli, Dr., Professor. Pavia. Weisser Bär. Beneden, van, Professor. Weisser Löwe. Betz, prakt. Arzt. Heilbronn. Lindenstr. 1. Bils, Dr., Geheimerath. Carlsruhe. Steinstr. 21. Bitzel, Professor. Carlsruhe. Innerer Zirkel 8. Bronn, Hofrath u. Professor. Heidelberg. Erbprinz. Brosius, Dr. Bendorf. Kreuzstr. 24. Bruck, Dr. Breslau. Amalienstr. 41. Cantor, Dr. Heidelberg. Adlerstr. 34. Daub, H., Berginspeetor. Carlsruhe. Hirschstr. 25. Dienger, Dr., Professor. Carlsruhe. Herrenstr. 20 b. Dittweiler, Professor. Carlsruhe. Langestr. 12. Döll, Geh. Hofrath. Carlsruhe. Waldstr. 48. Dunker, Professor. Marburg. Zähringerstr. 94. Dusch, v., Professor. Heidelberg. Langestr. 217. Eisenlohr, Dr., Hofrath. Carlsruhe. Lyceum. Erdmann, Dr., Professor. Leipzig. Langestr. 26. Erlenmeyer, Docent. Heidelberg. Erlenmeyer, Dr.. Irrenarzt. Bendorf. Gasth.z. Ochsen. Fraas, Dr., Professor., Stuttgart. Friedreich, Professor. Heidelberg. Amalienstr. 28. Fuchs, Professor. Carlsruhe. Langestr. 12. Göler, v., Oberst und Flügeladjutant. Carlsruhe. Lindenstr. 9. ; Hoffmann, Dr., Regimentsarzt. prinzenstr. 11. Kekule, Docent. Heidelberg. Kettner, v., Fıhr., Oberschlosshauptmann. Carls- ruhe. Waldstr. 64. Klauprecht, Dr., Forstrath. Carlsruhe. Hirschstr. 32. Krauss, Dr., Professor. Stuttgart. Amalienstr. 49. Kreyser, Dr. Moskau. Erbprinz. Kunzek, A., Professor. Wien. Lyceum. Kussmaul, Professor. Heidelberg. Stephanienstr. 18. Lamby, Dr., Sanitätsrath. Iburg. Gasthaus zum Ochsen. Leonhard, G., Professor. Heidelberg. Mühlburg. Lewinstein, Dr. Heidelberg. Adlerstr. 34. Ludwig, Generallieutenant. Carlsruhe. Zähringer- strasse 92. Erb- Carlsruhe. Mansfeld, Medieinalrath. Braunschweig. Erbprinz. Meissner, E. F., Professor. Basel. Meysenbug, v., Dr., Staatsminister. Carlsruhe. Erb- prinzenstr. 19. Molitor, Dr., Medieinalrath. Carlsruhe. Aeusserer Zirkel 6. Moll, Dr., Distrietsarzt. Neuffen. Zähringerstr. 104. Moos, Dr. Heidelberg. Erbprinzenstr. 3. Müller, W. H., Professor. Cambridge. Petzval, Professor. Wien. Herrenstr. 20. Platz, Dr., Lehrer in Emmendingen. Lyceum. Porta, Professor. Pavia. Zähringerstr. 24. Rachmaninoff, Dr., Professor. Kiew. Hotel Grosse. Redtenbacher, Hofrath. Carlsruhe. Stephanien- strasse 62. Regenauer, Dr., Geheimerath. Carlsruhe. Lange- strasse 137. Riegel, Dr., Apotheker. Roller, Dr., Director. Illenau. Sandberger, Dr., Professor. Zirkel 10. Schierenberg, Dr. med. Würzburg. Erbprinz. Schleehter, Dr., Lehrer. Bruchsal. Adlerstr. 42. Carlsruhe. Herrenstr. 22. Herrenstr. 23. Carlsruhe. Innerer Schwartz, Dr., Kreisphysikus. Sigmaringen. Lange- strasse 155. Schweig, Dr., Medieinalrath. Carlsruhe. Spitalstr. 51. Seubert, K..Dr., Geheimerath. Carlsruhe. Aeusserer Zirkel 21. Seubert, M., Dr., Professor. strasse 20. Spitz, Dr., Lehrer. Carlsruhe. Adlerstr. 42. Speyer, Dr. phil. Cassel. Zähringerstr. 94. Stengel, v., Dr., Geheimerath. Carlsruhe. Amalien- strasse. 85. j Stizenberger, Dr. Constanz. Hirschstr. 26. Troost, Professor. Paris. Pariser Hof. Ulrich, Geh. Medieinalrath. Coblenz. Waldhornstr. 30. Volz, Dr., Medieinalratlh. Carlsrule. Herrenstr. 30. Volz, Dr., Regimentsarzt. Carlsruhe. Kreuzstr: 11. Walehner, Bergrath. Zell a. H. Akademiestr. 13. Weiss, Dr., Professor. Stuttgart. Veterinärschule. Weltzien, Dr., Hofrath. Carlsruhe. Carlsstr. 47. Wiedemann, G., Professor. Basel. Zähringerstr. 48. Wiener, Dr., Professor. Carlsruhe. Carlsstr. 9. Zollikofer, Hofphysikus. Carlsruhe. Herrenstr. 25. Carlsruhe. Amalien- 5 Theilnehmer. Abegg, Domänenrath. Carlsruhe. Neuthorstr. 34. Abegg, Oberzollinspector. Stühlingen. Neuthorstr. 34. Adam, Secretär. Carlsruhe. Langestr. 18. Ammann, Ministerialrath. Carlsruhe. Hirschstr. 18. Arnold, Lehrer. Pforzheim. Ritterstr. 8. Autenrieth, prakt. Arzt. Langensteinbach. Bader, Apotheker. Mühlburg. Baer, Direetor. Carlsruhe. Hirschstr. 10. Baumbach, v., Hofmarschall. Carlsruhe. Stepha- nienstr. 74. Baur, Apotheker. Ichenheim, Zähringerstr. 75. Baur, Geh. Hofrath. Carlsruhe. Zähringerstr. 75. Bausch, Oberamtmann. Carlsruhe. Adlerstr. 23. Bazoche, Militärarzt. Strassburg. Blumenstr. 9. Bekk, Cäsar, Assistent. Carlsruhe. Linkenheimer- strasse 5. Belthle, Optiker. Wetzlar. Akademiestr. 39. Bensinger, Medieinalrath. Mannheim. > Berekmüller, Baurath. Carlsruhe. Erbprinzenstr. 18. Bernhard, Bezirksförster. Gengenbach. Lange- strasse 139. Bielefeld, Hofbuchhändler. Carlsruhe. Langestr. 135. Böckh, v., Oberst. Carlsruhe. Amalienstr. 8. Böckh, Professor. Carlsruhe. Lyceum. Böhringer, Dr. phil. Carlsruhe. Lyceumstr. 3. Bothe, Dr., Director. Saarbrücken. Herrenstr. 28. Braun, Apotheker. Eschweyer. Gasth. zum Ochsen. Bretschger, Postcassier. Carlsruhe. Aeuss. Zirkel 6. Buchegger, Geh. Hofrath. Carlsruhe. Carl-Fried- richstr. 22. Buchholz, Dr. St. Petersburg. Erbprinz. Bürk, Apotheker. Durlach. Bürk, Robert, Apotheker. Durlach. Bürklin, Inspeetor. Carlsruhe. Bahnhof. Buisson, Arzt. Waldkirch. Akademiestr. 16. Burkhardt-Brenner, Lehrer. Basel. Herrenstr. 39. Busch, Obergerichtsadvocat. Carlsruhe. Akademie- strasse 14. Buzengeiger, Professor. Carlsruhe. Steinstr. 23. Caroli, Bergrath. Carlsruhe. Erbprinzenstr. 16. Cartmell, Chemiker. Heidelberg. Carl-Friedrich- strasse 32. Cello, Geh. Bergrath. Saarbrücken. Herrenstr. 28. Christ, Dr. Basel. Carlsstr. 16. Cornberg, Frhr. v., Rittergutsbesitzer. Carlsruhe. Stephanienstr. 5. Corval, v., prakt. Arzt. Carlsruhe. Amalienstr. 79. Dambacher, prakt. Arzt. Carlsruhe. Amalienstr. 24. Daub, Assistent. Carlsruhe. Waldstr. 77. Demoncy, Staatsrath und Professor. Russland. Devrient, Dr., Director. Carlsruhe. Stephanienstr. 98. De Wette, Dr. Basel. Erbprinzenstr. 26. Dietz, Dr., Ministerialrath. Carlsruhe. Neuthorstr. 30. Dik, Dr., Irrenhausdireetor. Klingenmünster. Innerer Zirkel 14. Dörstling, Bankdireetor. Gotlıa. Waldstr. 57. Dyrsen, Dr., Hofrath. Dorpat. Hirschstr. 25. Eberlein, Domänenrath. Carlsruhe. Zähringerstr. 86. _ Eberlin, Oberpostrath. Carlsruhe. Linkenheimstr. 13. Ebers, Dr., prakt. Arzt. Berlin. Fasanenstr. 2. Ehrmann, Geh. Finanzrath. Carlsruhe. Carl-Fried- richstrasse 5. Engelhardt, Apotheker. Carlsruhe. Zähringerstr. 47. Eppelsheim, Meldieiner. Dürkheim. Zähringerstr. 15. Erichsen, Dr. St. Petersburg. Carlsstr. 13a. Feldbausch, Geh. Hofrath. Carlsruhe. Aeusserer Zirkel 3. Felder, Apotheker. Ettlingen. Fesenbeckh, Rechnungsrath. Carlsruhe. Erbprin- zenstrasse 38. Frei, Amtsarzt. Bonndorf. Rothes Haus. Frei, Cameralpraktikant. Carlsruhe. Waldstr. 91. Fronne, Forstverwalter. Ereshofen. Pariser Hof. Gartenhauser, Bürgerschulvorstand. Ettenheim. Carl-Friedrichstr. 12. Gaum, Arzt. Durlach. Geiger, Apotheker. München. Herrenstr. 24. Gergens, Arzt. Mainz. Maschinenfabrik. Gerstner, Professor. Carlsrulie. Akademiestr. 16. Glock, Fabrikant. Carlsruhe. Vor dem Friedrichsthor. Gockel, Geh. Hofrath. Carlsruhe. Lyceum. Gravelius, Apotheker. Carlsruhe. Langestr. 82. Grohe, Dr., Lehramtspraeticant. Carlsruhe. Amalien- strasse 61. Grotjahn, Dr. med. Schladen. Stadt Pforzheim. Gutsch, Hausarzt. Bruchsal. Zähringerstr. 47. Hagenbach, Ratlısherr. Basel. Kronenstr. 44. Harnitzky, Candidat. Charkow. Rothes Haus. Hart, Construeteur. Carlsruhe. Zähringerstr. 58. Hartmann, Dr., Oberamtsarzt. Sulz. Hartweg, Hofgärtner. Schwetzingen. Inn. Zirkel 35. Haupt, Dr., Direetor. Nassau. Kronenstr. 25. Hauser, Dr., Professor. Carlsruhe. Langestr. 165. Herb, Dr. med. Mannheim. Zähringerstr. 20. Herrmann, Dr., prakt. Arzt. Carlsruhe. Innerer Zirkel 21. Hetzel, Apotheker. Neustadt. Amalienstr. 12. Hofmann, Techniker. Brüssel. Langestr. 181. Homburger, prakt. Arzt. Carlsruhe. Inn. Zirkel 14. Hornstein, v., Grundherr. Stuttgart. Carl-Frie- drichstrasse 5. Hübsch, Oberbaudirector. Carlsruhe. Stephanstr. 30. Imhoff, Dr. Basel. Erbprinzenstr. 37. Jacob, Techniker. Durlach. Kachel, Münzrath. Carlsruhe. Stephanienstr. 30. Kageneck, v., Ingenieur. Carlsruhe. Hirschstr. 30. Kalck, Dr., Hospitalarzt. Saarbrücken. Zähringer- strasse 15. Kilian, Domänenrath. Carlsruhe. Kindt, Chemiker. Bremen. Klauprecht, Chemiker. Carlsruhe. Hirschstr. 32. Kleiser, v., Bezirksförster. Carlsruhe. Amalienstr. 51. Kleudgen, v., Ministerialsecretär. Carlsruhe. Carl- Friedrichsstr. 22. Klingel, Baurath. Carlsruhe. Adlerstr. 29. Knapp, Bergeadet. Stuttgart. Amalienstr. 28. Knittel, Hofbuchhändler. Carlsruhe. Carl-Friedrich- strasse 14. Koelle, Banquier. Carlsruhe. Carl-Friedrichsstr. 23. König, Philolog. Dürkheim. Herrenstr. 22. Langestr. 187. Krämer, Obergerichtsadvocat. Carlsruhe. Akademie- strasse 26. Kreuzer, Amtsarzt. Durlach, Kreuzer, prakt. Arzt. Durlach. Krönlein, Dr. Carlsruhe. Carl-Friedrichstr. 12. Kuen, Amtsarzt. Ettlingen. Kündig, Dr. phil. Basel. Erbprinz. Kusel, Dr., prakt. Arzt. Carlsruhe. Langestr. 137. Lachevre, Bergingenieur. Vermail. Kreuzstr. 22. Lafontaine, Institutsvorsteher. Carlsruhe. Casernen- strasse 6. Lauda, Dr. med. Salzburg. Hotel Grosse. Lautz, Ingenieur. Carlsruhe. Langestr. 148. Leimbach, Apotheker. Carlsruhe. Hirschstr. 25. Leiner, Apotheker. Constanz. Zähringerstr. 75. Levinger, Obergerichtsadvocat. Carlsruhe. Herren- strasse 15. Löhlein, Dr., Lehrer. Carlsruhe. Stephanienstr. 26. Löwenstimm, v., k. r. Hofrath. St. Petersburg. Erbprinz. Loudet, Dr., Hofzahnarzt. Carlsruhe. Amalienstr. 17. Lücke, prakt. Arzt. Magdeburg. Carl-Friedrichstr. 24. Lufft, Regierungsdireetor. Carlsruhe. Inn. Zirkel 14. Maler, Seeretär. Carlsruhe. Langestr. 102. Malsch, Oberbürgermeister. Carlsruhe. Adlerstr. 19. Malzen, v., k. bayer. Gesandter. Carlsruhe. Ste- phanienstr. 29. Mammel, prakt. Arzt. Ettlingen. Marschall, v., Hauptmann a. D. Carlsruhe. Kreuz- strasse 13. Martius, C., Stud. philos. München. Mayer, Hofgärtner. Carlsruhe. Wintergarten. Mayer, v., Dr. med. St. Petersburg. Englischer Hof. Meier, Dr., prakt. Arzt. Carlsruhe. Steinstr. 19. Meier, Oberkirchenrath. Carlsruhe. Hirschstr. 3. Merian, Rathsherr. Basel Langestr. 135. Meyer, Assistent. Carlsruhe. Adlerstr. 18. Meyer, Stallmeister. Carlsruhe. Adlerstr. 18. Molitor, Stud. med. Carlsruhe. Innerer Zirkel 6. Mördes, Director. Carlsruhe. Waldhornstr. 5. Müller, Assistent. Carlsruhe. Ludwigsplatz 59. Müller, Banquier. Carlsrule. Marktplatz 7. Müller, Dr. Basel. Kronenstr. 44. Müller, W., Hofbuchhändler. Carlsruhe. Ritterstr. 1. Nebenius, Regimentsarzt. Carlsruhe. Amalienstr. 29. Neydeck, Rath. Carlsruhe. Herrenstr. 42. Nikolai, Finanzrath. Carlsruhe. Kreuzstr. 11. Nüssle, Reallehrer. Sigmaringen. Stephanienstr. 80. Nüsslin, Geheimerath. Carlsruhe. Stephanienstr. 46. Oberhauser, Optiker. Paris. Innerer Zirkel 8. Obser, Ingenieur. Carlsruhe. Bahnhof. Paris, Postrath. Carlsruhe. Akademiestr. 12. Pauli, Chemiker. Rüppurr. Petersen, Dr., Assistent. Carlsruhe. Neutliorstr. 10. Piecot, prakt. Arzt. Carlsruhe. Carl-Friedrichstr. 24. Platz, Hofrath. Carlsruhe. Lyceum. Prestinari, Oberkirchenrathsdirector. Canlsstr. 7. Ransonnet, Baron v., Bergrath. Ischl. Rothes Haus. Reble, Gemeinderath. Carlsruhe. Kreuzstr. 4. Reck, v., Referendär. Carlsruhe. Vor dem Ettlinger Thor. Carlsruhe. Regenauer, Legationsrath. Carlsruhe. Inn. Zirkel 3. Reiff, Oberrechnungsrath. Carlsruhe. Hirsehstr. 17. Reischach, v., Oberceremonienmeister. Carlsruhe. Stephanienstr. 1. Reiss, Bergmann. Mannheim. Zähringer Hof. tisse, Assistent. Carlsruhe. Langestr. 167. Röder, Apotheker. Carlsruhe. Amalienstr. 34. Roos, Gemeinderath. Carlsruhe. Innerer Zirkel 35. Rossknecht, Amtschirurg. Neustadt. Amalienstr. 34. Roth, Dekan. Carlsruhe. Erbprinzenstr. 5. Rümmele, Reallehrer. Durlach. Rütimeyer, Professor. Basel. Kronenstr. 44. Rupp, Gemeinderath. Carlsruhe. Waldhornstr. 18. Rüdt, Adolf, v., Direetor. Carlsruhe. Neuthor- strasse 15. Sachs, Hofapotheker. Carlsruhe. Langestr. 80. Sander, Professor. Carlsruhe. Waldstr. 54.. Schönlein. Reallehrer. Mosbach. Grüner Hof. Schenk, Dr., Arzt. Carlsruhe. Langestr. 185. Schepp, Construeteur. Carlsruhe. Carl-Friedrich- strasse 23. Schilling, v., Landwirth. Wettersbach. Schmidt, Ingenieur. Carlsruhe. Stephanienstr. 45. Schneyder, Dr., Privatdocent. Freiburg, Kreuzstr. 16. Schönau, v., Hofjägermeister. Carlsruhe. Stepha- nienstrasse 40. Schrikel, Geh. Hofrath. Carlsruhe. Waldstr. 1. Schuberg, Arzt. Carlsruhe. Zähringerstr. 88. Schweizerbart, Verlagsbuchhändler. Stuttgart. Seidel, Forstrath. Carlsruhe. Ritterstr. 4. Seitz, Professor. Constanz. Adlerstr. 22. Seubert, Carl, Dr. Carlsruhe. Vorderer Zirkel 21. _ Seubert, Dr., Physikus. Carlsruhe. Erbprinzenstr. 33. Seyfried, O. v., Arzt. Stockach. Langestr. 139. Seyfried, v., Ministerialrath. Carlsruhe. Langestr. 139. Siegel, Dr., Generalstabsarzt. Carlsruhe. Stephanien- strasse 88. Siegel, Dr., k. k. Professor. Wien. Siegel, Dr., prakt. Arzt. Bruchsal. Stephanienstr. 88. Sommer, Arzt. Herxheim. Goldener Adler. Sonntag, Apotheker. Gernsbach. Lindenstr. 6. Spiro, Dr., Collegienrath. Moskau. Englischer Hof. Spuler, prakt. Arzt. Malsch. Steeg, Optiker. Homburg. Zähringerstr. 15. Stehberger, Dr., Hofrath. Mannheim. Stephanien- strasse 30. Stein, Dr., prakt. Arzt. Heidelberg. Kronenstr. 43. Steinam, Oberarzt. Carlsruhe. Aeusserer Zirkel 6. Steiner, Dr., Regimentsarzt. Carlsruhe. Amalienstr. 19. Stephan, Dr., Direetor. Aachen. Kronenstr. 27. Stephani, Oberkirchenrath. Carlsruhe. Amalienstr. 63. Stessler, Dr., Chemiker. Rüppurr. Stocker, Dr. med. Hassmersheim. Waldhornstr. 40. Stoekhorn, Frhr. v., Geh. Regierungsrath. Carls- ruhe. Stephanienstr. 90. Stösser, v., Secretär. Carlsruhe. Vor dem Ettlingerthor. Stüber, Domänenrath. Carlsruhe. Langestr. 185. Sulzer, Ingenieur. _Carlsruhe. Langestr. 82. Traub, Assistent. Carlsruhe. Zähringerstr. 96. Turban, Regierungsrath. Carlsruhe. Blumenstr. 7. Ullmann, Dr., Geh. Cabinetsrath. Carlsruhe. Lange- strasse 217. Ullmann, Prälat. Carlsruhe. Langestr. 217. Widmann, prakt. Arzt. Carlsruhe. Amalienstr. 1. Vierordt, Seeretär. Carlsruhe. Carl-Friedrichstr. 16. | Wild, Director. Stuttgart. Waldhorn. Vögelin, Arzt. Durlach. Williard, Architekt. Carlsruhe. Neuthorstr. 10. Veiel, Medieiner. Cannstadt. Amalienstr. 28. Winkler, Dr., Assistent. Heidelberg. Carl-Fried- Wagner, prakt. Arzt. Mühlbure. richstr. 32. Walli, Ministerialrath. Carlsruhe. Hirschstr. 3b. Wolff, Ingenieur. Otterndorf. Zähringerstr. 32. Weizel, Dr., Direetor. Carlsruhe. Stephanienstr. 70. | Zandt, Leibarzt. Carlsruhe. Erbprinzenstr. 17. Wernlein, Medieinalrath. Carlsruhe. Aeuss. Zirkel 18. | Ziegler, Direetor. Carlsruhe. Amalienstr. 25. Wertheim, Professor. Carlsruble. Langestr. 138. Ziegler, Gemeinderath. Carlsruhe. Langestr. 72. Wichmann, Dr. med. Wolfenbüttel. Kronenstr. 27. | Zimmer, Director. Carlsruhe. Kreuzstr. 14. Bekanntmachung. Die Herren Seeretäre der Secetionen werden gebeten, ihre Berichte so kurz als möglich zu fassen und besonders die technischen Ausdrücke deutlich zu schreiben. Anzeigen. . Einige ausgezeichnete Mineralien aus der nachgelassenen bekannten Sammlung des verstorbenen Apo- theker Kindl in Lübeck sind zur gefälligen Ansicht und Auswahl ausgestellt im Hötel Grosse Nro. 8. J. H. ©. A. Meyer aus Hamburg. Unter der Presse befindet sich und erscheint demnächst im Verlag von FRpr. VIEwEG & Soun in Braunschweig: Systematische Zusammenstellung der organischen Verbindungen von Dr. C. Weltzien, Hofrath und Professor in Carlsruhe. N Im Verlag der Car. Fr. Mürrer’schen Hofbuchhandlung in Carlsruhe sind erschienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: Weltzien, Dr. C., Grundriss der theoretischen Chemie, insbesondere für Artillerie- und Ingenieur-OÖffiziere. Mit 18 Tafeln und 40 in den Text eingedruckten Holzschnitten. 8°. br. Preis 2 fl. 24 kr. Platz, Dr. Philipp, geognostische Beschreibung des untern Breisgau’s. Mit einer geognostischen Karte und einer Profiltafel in Farbendruck. gr. 4°. br. Preis 1 fl. 36 kr. Geologische Beschreibung der Umgebungen von Badenweiler. Mit einer geologischen Karte in Farbendruck und zwei Profiltafeln. gr. 4°. br. Preis 1 fl. 12 kr. Laboratorium, das chemische, der polytechnischen Schule zu Carlsruhe von Dr. C. Weltzien und H. Lang. Ein Heft in Royalfol. 3 Farbendrucktafeln mit 1 Bogen Text. Preis 2 fl. 48 kr. Eisenlohr, W., Elementarphysik für Gymnasien und höhere Bürgerschulen. Mit 7 Tafeln. gr. 8°. br. Preis 2 fl. Eisenlohr, Dr. Otto, geognostische Beschreibung des Kaiserstuhls bei Freiburg im Breisgau. Mit einer illum. Karte. 8°. Preis 48 kr. Lang, H., das chemische Laboratorium an der Universität in Heidelberg, Ein Heft in Royalfol. 5 Farben- drucktafeln mit 2 Bogen Text. Preis 4 fl. Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller’schen Hofbuchdruckerei. snsilunfh TR er Malsole Ka Kan 1 POT EEE, ee A „ ud TR I = le en} a} ” % 2 Ks Naar) =. E s#ika > ‘ R AR ee rk 3 ar v2) Ester vr +) ei Er iregenmk arte, „Air 2 i SIE? lmhe‘) + $ DL ' A DT Bat PAR Wa Re 1 Ar, Er « ” mer M y “ En U .e BR lan Ayndberh: Kae as. Ar see von arte are a 4 ” = x 5 1% ROTE: ER | aoglsrun, en: 4 Es, FE u » A P * Rn udlunlarrr Ab yeinnie: Bat Ba ilane DE ie ne ao. DET REN .n rl Jar Io Hr vi vilate rer az ur et arglh leg wi TTS Er sis. y 2... Ne tn ß Pi Zuge, kihe, „nah 2 2 ee ‚& Rn wir: re h Ey L 5 a) Pi ‚a Ar! Siheenit u en Tai sdaen uopahe eher Ger bir Shit asia: ei pl -tufer PERPETEPORS lisa! re ee BEN DIE 9 D “. Pe ra) we wege > r j ; & ehe r 3% a YTeg AUFL Ihe rien Imi Are) nun MR. Fi > 1 a RR I has ARE NY u da > > er? ar > rs B m u -i Be. a ur j « % j . a 5 EEE TE Br 2 Ku ne en ste ie ehinye hg acc) al aalı ch: EP Yu vo Ari, F Ll- 4 ee WE Bee ze a It 2b ns MR: Be ge 2 bei fs eher ae > Ge Eng har A ara die Aarkrungen ik} EN Ei“. \ Pine e ENT REE ne, Apnelsnodense ni eh k ET Asa ee 37 u irhz Aid ee ner erg Ss wieder x Er Ba ERENTO "AT AR az BE App ! Er einher r ale A ». rt lendsuni Ebn Pr een PLÄNE A Mn [m r Es 2 “u he Ye ey ir 2 2 ur Airnömant D er « f oe 3 ‚Ana Pau a id tat Sch, ind . Far? et ur er y Te s hr cp Sb E32 P [ fi ’ re Kir; r Fr rt IA i It E Um; ;r0 8: ne ER Er on N Eu a he 27 Pr iur F . ö . . X nn“ Be a uw. - E3 PR EN- Emm? Er S at 4 Wi Hin. 5 ; er: Rh 1 Be 2 er . Br. \ j BI EHER Er ap = ehe BR. 9 | a . EN ar Ent tabgeihgl Bein ETPEr at an e- Pri u 2 2 | = IT NSGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IN JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Physikus Dr. Zollikofer. 9) Den 17. September. 1858. Tagesordnung für Freitag den 17. September. 1. Sectionssitzungen im Ständehaus und Polytechnikum von 8 Uhr Morgens bis 1 Uhr, und auf besondere Verabredung auch Nachmittags. 2. Abendfest auf besondere Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Grössisiz one im ‘Schloss und Schlossgarten für sämmtliche Herren "Mitglieder und Theilnehmer, Abends 6 Uhr. Die Geschäftsführer, die Präsidenten der Sectionen und alle, welche irgend eine Function bei der Versammlung haben, sowie diejenigen Mitglieder und Theilnehmer, welche sich unmittelbar dem Zuge anzuschliessen wünschen, kommen um 51, Uhr in dem Aufnahms-Bureau zusammen und be- geben sich von da nach dem Schlosse. Zugänglich sind: Die Hofbibliothek von 11—12 Uhr und von 3—5 Uhr, die Kunsthalle von 3—6 Uhr, die Gewächshäuser von 9—12 Uhr und von 2—5 Uhr, das physikalische Cabinet von 3—6 Uhr, das chemische Laboratorium von 8—12 Uhr und von 3—6 Uhr, das Naturaliencabinet von 8$—12 Uhr und von 3—5 Uhr, die Maschinen-Modellsammlung im Polytechnikum von 3—6 Uhr, das Mineraliencabinet daselbst, von 3—6 Uhr, die Hospitäler, das Pfründner- und das Waisenhaus den ganzen Tag. Zar mo On ro Der gestrigen öffentlichen Sitzung ist folgendes Schreiben mitgetheilt worden: Grossherzoglich Badisches Oberhofmarschallamt. Carlsruhe, den 16. September 1858. An die Herren Geschäftsführer der Naturforscherversammlung dahier. Im Allerhöchsten Auftrage Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs beehren wir uns Sie zu ersuchen, die sämmtlichen hier anwesenden Herren Naturforscher und Aerzte auf morgen Abend 6 Uhr in das Grossherzogliche Schloss einladen zu wollen. — Der Eingang ist durch das mittlere Schlossportal. — Die Herren sind gebeten, sich durch ihre Karten zu legitimiren. y. Baumbach. 10 Erste öffentliche Sitzung den 16. September. Ihre Königlichen Hoheiten der Grossherzog und die Grossherzogin, welche der ganzen Sitzung beiwohnten, wurden am Portale von den Geschäftsführern ehrfurchtsvollst be- grüsst. Der erste Geschäftsführer eröffnete die Sitzung mit einer Ansprache an die Versamm- lung. Der zweite Geschäftsführer verlas die Statuten und hielt einen Vortrag über die Stel- lung der Aerzte zu der Naturforschung. Oberbürgermeister Malsch heisst die Versammlung im Namen der Stadt willkommen. Der erste Geschäftsführer verkündet der Versammlung, dass Ihfe Königlichen Hoheiten die Grossherzoginnen Sophie und Stephanie bedauern, durch Unwohlsein an der Theilnahme verhindert zu sein; Seine Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Stephan hofft rück- kehrende Mitglieder bei sich zu sehen, da namentlich seine vermehrten Sammlungen sehenswerth seien; Seine Durchlaucht der Fürst von Fürstenberg ist ebenfalls verhindert. Mehrere gelehrte Gesellschaften und einzelne Gelehrte haben Begrüssungsschreiben gesendet und bedauern, nicht an- wohnen zu können. Ein Schreiben A. v. Humboldts wird verlesen und eine telegraphische Depesche an denselben beschlossen, die sofort abgeht. (Siehe unten.) Vorträge halten: Geh. Hofrath Baumgärtner, Professor Erdmann und Geh. Hofrath Rol- ler über die bereits gestern bezeichneten Gegenstände. Antwort A. v. Humboldt’s an die Geschäftsführer der 34. Naturforscherversammlung auf die von ihnen ergangene Einladung: . Verzeihen Sie gewogentlichst, verehrter Herr Hofrath, wenn in dieser vielbewegten Zeit t) ich nur in wenigen Zeilen Ihnen den Ausdruck meines wärmsten Dankes für Ihre so überaus freund- liche Erinnerung darbringe. Ich würde mich glücklich schätzen Ihre und Ihres Herrn Vorstandscollesen, des Grossherzog- lichen Medicinalraths V olz, so gastliche Einladung in Ihr schönes, durch Natur und_ wissenschaft- liche Fortschritte so verherrlichtes Land am 16. September annehmen zu können, wenn nicht schon seit vielen Jahren mein hohes Alter und meine hinschwindenden Kräfte mich gehindert hätten, eine Versammlung zu besuchen, der ich einmal ?) selbst habe die Ehre gehabt zu präsidiren und die als ein schwaches Lichtbild der mythischen Einheit des deutschen Vaterlandes übrig geblieben ist. Ihr herrlicher Grossherzog hat gleich bei seiner Ankunft mich mit seiner so anmuthigen als geistreichen Gemahlin, der Frau Grossherzogin, mit einem Besuche auf die humanste Weise beglückt, um einem der ältesten Urgreise unter den Gelehrten Deutschlands eine Freude zu bereiten und viel- fache Bestrebungen freien Forschens als Errungenes nachsichtsvoll zu deuten. Mit der innigsten Hochachtung und freundschaftlichsten Ergebenheit Euer Wohlgeboren Berlin, den 29.- April 1858. gehorsamster A. v. Humboldt. Anmerkungen von W. Eisenlohr: 1) Am 29. April war nämlich in Berlin die Procura-Vermählung der Prinzessin Stephanie von Hohenzollern mit Don Pedro V. ?) Es war zu Berlin bei der 7. Versammlung im Jahre 1828. Begrüssung an Humboldt. Die XXXIV. Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte, eingedenk der unsterb- lichen Verdienste des grössten und ruhmwürdigsten unter den jetzt lebenden Forschern, ruft Ihm beim Antritt Seines zehnten Decenniums zu: Heil Dir und Deinem geistesfrischen Streben und Wirken! le En LE m PRREIREWTEN, 11 ; Constituirung der Sectionen. I. Section. Mineralogie und Geognosie. Herr Professor Dr. F. Sandberger bewillkommte die Mitglieder der geologischen Section durch eine Anrede in dem Sitzungslocale. Hierauf wurde zur Wahl der Präsidenten für einzelne Sectionen geschritten und durch allge- meine Acclamation gewählt: Für die 1. Seetion Herr Professor von Kobell aus München. 2. „ Herr Professor Studer aus Bern. 3% „ Herr Geh. Bergrath Nöggerath. 4. 2: Herr Hofrath Braun aus Heidelberg. Zum ständigen Secretär wurde Herr Assistent R. Müller aus Carlsruhe erwählt. Für die 1. Sectionssitzung wurden folgende Vorträge angemeldet: 1) Ueber die geologische Bedeutung der Krystallkräfte von Herrn Obermedicinalrath Jaeger aus Stuttgart. 2) Ueber Brauneisensteingänge des Schwarzwaldes von Herrn Bergrath Walchner. 3) Ueber die officiellen geologischen Aufnahmen der Umgebung badischer Bäder von Herrn Professor Dr. F. Sandberger. 4) Ueber die‘ Land- und Süsswasserfauna des Mainzer Tertiärbeckens von Herrn Professor ‘Dr. Sandberger. 5) Ueber die Bohrung auf kohlensäurehaltige Soole zu Soden im Herzogthum Nassau von demselben. 6) v. Kobell: Ueber das Stauroskop. 7) Ueber einige Pseudomorphosen von Kalkspath, von Herrn Blum aus Heidelberg. 8) Beitrag zur physikalischen Geologie des Schwarzwaldgebirges, von Herrn Dr. J. Schill aus Stockach. 9) Ueber die Deutung der Schädelknochen der fossilen Sirenen, von Herrn F. Krauss aus Stuttgart. II. Section. Botanik und Pflanzenphysiologie. Erste Sitzung am 16. September. Es wurde erwählt: zum Präsidenten für die nächste Sitzung: Herr Geheimerath v. Martius aus München. zum ständigen Secretär: Herr Professor Wigand aus Marburg. Angemeldete Vorträge: Herr Dr. K. Fr. Schimper: Ueber die eminenten Leistungen eines Carlsruhers für Er- weiterung unserer Florenkenntniss oder die Plantae Hartwegianae. Herr €. H. Schultz Bipontinus: Ueber Bastarde. Herr Director Schnittspahn: Die Gattung Sempervivum und ihre Arten. Herr Dr. Kirchleger: Einige Beobachtungen aus der Flora von Baden-Baden. Herr Dr. Radlkofer: Ueber einen krystallisirenden Proteinstoff der Pflanzenzellkerne und die Krystallisation von Proteinstoffen überhaupt. Herr Geh. Hofrath Döll: Ueber ein minder häufiges Stellungsverhältniss der seitlichen Blüthen der Dicotyledonen. Herr €. H. Schultz Bipontinus: Ueber epiphytische Cassiniaceen. IV. Section. Mathematik, Astronomie und Mechanik. Erste Sitzung am 16. September. Hofrath Redtenbacher begrüsst die Anwesenden in einer kurzen Anrede. 12 Zum Präsidenten der nächsten Sitzung wird Professor Dr. Argelander durch Acclamation gewählt; ebenso zum ständigen Secretär Professor Dr. Wiener. Es wird beschlossen, am folgenden Tag um 12 Uhr eine Sitzung zu halten. Privatdocent Dr. Cantor zeigt einen Vortrag „zur ältesten Geschichte der Zahlzeichen“ an. V. Section. Physik. Erste Sitzung am 16. September. Unter dem Praesidum von W. Eisenlohr wird die Sitzung eröffnet und Professor Dove für den folgenden Tag zum Präsidenten gewählt. Vorträge wurden angekündigt von: Professor Dove, Professor Wiedemann, Professor W. Eisenlohr, v. Feilitsch. Beginn der morgigen Sitzung um 10 Uhr, da nach dem Wunsche der chemischen Section diese von 8 bis 10 Uhr versammelt sein wird und eine gemeinsame Theilnahme der Mitglieder beider Sectionen an den Sitzungen wünschenswerth schien. VI. Section. (Chemie, Erste Sitzung am 17. September. Präsident Herr Hofrath Professor W eltzien. Auf Vorschlag des Herrn Hofrath Weltzien ist Herr Professor von Liebig zum Präsidenten der ersten Sectionssitzung, Herr Dr. Petersen zum ständigen Secretär ernannt worden. Den 17. September erste Sectionssitzung, 8 Uhr Morgens. Angemeldete Vorträge: J. Nickles: Ueber Fluorbestimmung und Schlossberger: Ueber Fibroin und Bade- schwamm. von Babo: Ueber Darstellung von Ozon. Erdmann: Einige Notizen. VI. Section. Anatomie und Physiologie. Erste Sitzung am 16. September. Präsident: Herr Medieinalrath Dr. Schweig: Zum Präsidenten für die morgige Sectionssitzung wird durch Acclamation Professor v. Siebold erwählt. Zum ständigen Secretär wird Hospitalarzt Schuberg ernannt. — Angekündigte Vorträge für die morgige Sitzung, 8 Uhr Morgens: Dr. Noll: Ueber das Od und seine Verwerthung in der Mediein. Professor v. Siebold: Ueber das Receptaeulum seminis bei Wirbelthieren. Professor Fuchs: Ueber Galleninjection in das Blut der Thiere und über Milzbrandblut. Professor Ecker: Ueber plastische Darstellungen aus der Entwicklungsgeschichte. Professor Kussmaul: Demonstration eines Falles von Eileiterschwangerschaft, wo das Ei wahrscheinlich von der andern Seite herüberwandert. Hofrath Schultze: Ueber die Arten von Pentacrinus und pathologisch-anatomische Notizen über Hydrops septi pellueidi. M. Schiff: Ueber die Leitung des Tastgefühles im Rückenmarke. W. Wundt: Ueber den Verlauf muskulärer Zusammenziehungen. Professor Bruch. Ueber primordiale und seeundäre Knochentheile. Professor Friedreich: Structur des Flimmerepitheliums. VIII. Section. Mediein. Erste Sitzung am 16. September. Unter dem Präsidium des Herrn Medicinalraths Dr. Molitor. 13 1) Der Präsident begrüsst die Versammlung und ladet zum Besuche der hiesigen Kranken- Anstalten ein. 2) Bestimmung der Sitzungszeit: 10 Uhr. 3) Die Wahl eines Präsidenten für die nächste Sitzung fällt auf Herrn Geheimerath Baum - gärtner. 4) Als ständige Seeretäre werden Physikus Dr. Seubert und Dr. Homburger ernannt. 5) Angemeldete Vorträge für Freitag den 17.: Dawoski von Celle: Ueber die blennorrhagische und syphilitische Erosion an der Pars vaginalis und deren Behandlung. Hoppe von Basel: Ueber das Kochsalz. Friedleben von Frankfurt: Verhalten des Vagus und Recurrens zu den Tracheal- und Bronchialdrüsen in Krankheiten der Kinder, mit Vorzeigung einer Reihe von Zeichnungen nach der Natur. IX. Section. Chirurgie und Ophthalmologie. Erste Sitzung am 16. September. Einführung der Section durch den Präsidenten Geh. Hofrath Dr. Baur. Wahl des Präsidenten für den folgenden Tag: Geheimerath Dr. Chelius in Heidelberg. ‚Angabe der zu haltenden Vorträge für den folgenden Tag: Professor Langenbeck in Hannover: Ueber Glaskörper. Dr. Leisinger in Stuttgart: Ueber Tracheotomie beim Croup. Battlehner in Renchen: Ueber die Gestaltung des Lappens bei Nasenbildung aus der Stimhaut. Dr. Pauli in Landau: Ueber Tracheotomie. Regimentsarzt Dr. Beck in Freiburg: Ueber das Wesen und die Arten der Incarceration der Unterleibsbrüche. Dr. Meeh in Sondheim: Vorzeigen eines Instruments zum Eerasement lindaire. XI. Section. Psychiatrik. Erste Sitzung am 16. September unter dem Präsidium des Geh. Hofraths Dr. Roller. Einführende und begrüssende Ansprache des Sectionspräsidenten. Wahl der Secretäre: Leibarzt Zandt und Dr. Kusel von hier wurden als solche vorgeschla- gen und angenommen. Nächste Sitzung Freitag den 17., Morgens 8 Uhr. Vorträge: 1) Von Geh. Rath Dr. Flemming aus Sachsenberg: Was heisst Fortschritt in der Psychiatrie und welches ist sein Weg? 2) Von Hofrath Zeller: Gegenstände der gerichtlichen Psychiatrie in Anknüpfung an den heutigen Vortrag von Roller. Zum Präsidenten für die nächste Sectionssitzung wird Geh. Rath Martini aus Leubus gewählt. 14 Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Donnerstag den 16. September Abends erklärt haben. Mitglieder. Aaronsohn, Dr. med. Strassburg. Pariser Hof. Adelmann, Dr., Professor. Würzburg. Deutscher Hof. Adelmann, Staatsrath und Professor. Dorpat. Andrä, Dr., Lehrer. Saarbrücken. Akademiestr. 31. Argelander, Professor. Bonn. Lyceum. Arnold, Assessor. Eichstätt. Adlerstr. 21. Aronsohn, Dr., Professor. Strassburg. Engl. Hof. Babo, von, Dr., Professor. Freiburg. Kreuzstr. 11. Bary, de, Professor. Freiburg. Engl. Hof. Battlehner, prakt. Arzt. Renchen. Spitalstr. 51. Baumgärtner, Geh. Hofrath. Freiburg. Kreuz- strasse 11. Baur, Bergmeister. Eschweiler. Becker, Dr., Staatsrath und Professor. prinz. Behr, Alfred v., Dr. St. Louis (Missouri). Erbprinz. Beneke, Geh. Medicinalrath. Marburg. Herrenstr. 30. Bergemann, Professor. Bonn. Ritter. Bernhardi, Dr. Eilenburg. Zähringerstr. 43. Bertin, Dr., Professor. Strassburg. Pariser Hof. Beyrich, E. Berlin. Wintergarten. Bialloblotzky, Dr. Göttingen. Waldhornstr. 40. Biermer, Dr., Privatdocent. Wiwrzburg. Ritterstr. 20. Blum, Professor. Heidelberg. Langestr. 167. Böckel, Dr., Professor. Strassburg. Pariser Hof. Bornträger, Professor. Heidelberg. Waldstr. 49. Böttger, Dr., Professor. Frankfurt. Carl-Friedrich- strasse 26. Brandt, Partieulier. Bremen. Rothes Hans. Bruch, Dr., Professor. Giessen. Waldhorn. Braun, Öberingenieur. Altenberg. Kreuzstr. 14. Bromeis, C., Professor. Marburg. Sonne. Bruns, von, Dr., Professor. Tübingen. Stephanien- strasse 39. Buchholz, Chemiker. Eilenburg. Zähringerstr. 43. Büchner, Dr. Darmstadt. Carl-Friedrichstr. 4. Bunsen, Dr., Professor. Heidelberg. Carlsstr. 47. Carius, Privatdocent. Heidelberg. Goldner Adler. Carnall, v., Dr., Berghauptmann. Breslau. Hötel Grosse, Caumont, Vicomte de. Caen. Darmstädter Hof. , Chelius, Geheimerath. Heidelberg. Carl Friedrich- strasse 22. Clausius, R., Professor. Zürich. Stephanienstr. 62. Clauss, Director. Mannheim. Corta, Dr. Bremen. Engl. Hof. Czuhuierwieck, Professor. Kiew. Weisser Bär. Damerow, Geh. Medieinalrath. Halle. Rothes Haus. Daubree, Professor. Strassburg. Carl-Friedrichstr.28. Dawosky,Dr., Sanitätsrath. Celle. Stephanienstr. 41. Kiew. Erb- Demoncey, Staatsrath u. Professor. Charkow. Engl- Hof. Dengler, Bezirksförster. Carlsruhe. Waldhornstr. 20. Depretz, Präsident d. kais. franz. Akademie. Paris. Erbprinz. Dove, Professor. Berlin. Kreuzstr. 17. Drescher, Schulrath. Frankfurt. Dufons, Professor. Lausanne. Gasth. z. Ochsen. Ecker, Dr., Professor. Freiburg. Kreuzstr. 14. Eimer, Dr., Badarzt. Langenbrücken. Carlstr. 16. Eisenlohr, Dr., Docent. Heidelberg. Zähringer- strasse 33. Eisinger, Professor. Rastatt. Adlerstr. 19. Engel, J., Professor. Wien. Erhardt, Dr., Badarzt. Petersthal. Adlerstr. 33. Essmarck, Professor. Kiel. Amalienstr. 63. Escher, Dr., Privatdocent. Zürich. Erbprinz. Faber, von, Dr., Oberamtsarzt. Schorndorf. Erb- prinz. Fee, Professor. Strassburg. Carlsstr. 6. Fehling, v., Dr., Professor. Stuttgart. Waldstr. 64. Fischer, Physikus. Illenau. Amalienstr. 27. Flemming, Geh. Medieinalrath. Schwerin. Lange- strasse 113. - ö Focke, Dr. med. Bremen. Englischer Hof. Frank, Dr., Oberamtsarzt. Künzelsau. Sonne, Frech, Dr., Arzt. Baden. Zähringerstr. 60. Fresenius, Dr., Geh. Hofrath. Wiesbaden. Lange- strasse 219. Frick, Professor. Freiburg. Darmstädter Hof. Friedel, Conservator. Paris. Pariser Hof. Friedleben, Arzt. Frankfurt. Frildtzsch, Freih. v., Dr., Professor. Amalienstr. 20. Frisch, Dr., Professor. Stuttgart. Amalienstr. 75. Fritsche, Dr., kaiserl. russ. Staatsrath. St. Peters- burg. Erbprinz. Gasparini, Professor. Pavia. Darmst. Hof. Girard, Professor. Halle. Steinstr. 27. Glaesel, Dr., Militärarzt. Strassburg. Stephanien- strasse 34. Glösener, Professor. Grandeau, Chemiker. Greiss, Dr., Professor. strasse 98. Griessinger, W., Professor. Tübingen. Erbprinz. Gubler, Professor. Paris. Hötel Grosse. Gugler, Dr., Rector. Stuttgart. Langestr. 151. Gusseu, ÖObservator. Wilna. Carl-Friedrichstr. 32. Hasskar, Ostindischer Beamter, Königswatr. Carl- Friedrichstr. 19, Greifswald. Lüttich. Amalienstr. 26. Paris. Vord. Zirkel 16. Wiesbaden. Zähringer- 15 Hecker, Dr., Professor. Marburg. Sonne. Hegewald, Dr., Professor. Dijon. Carl - Friedrich- strasse 8. Heine, v., Dr., Hofrath. Helmholtz, Professor. Cannstadt. Inn. Zirkel 3. Heidelberg. Kreuzstr. 12. Hempel, L. W., Lehrer. Winterthur. Lyceumstr. 4. Herth, Dr., Chemiker. Heidelberg. Ritter. Hesse, Professor. Heidelberg. Lammstr. 8. Hessler, Dr., Professor. Wien. Erbprinz. Heyden, v., Senator. Frankfurt. Erbprinz. & Hirsch, A., Arzt. Bingen. Inn. Zirkel 10. His, Professor. Basel. Kronenstr. 44. Hoffmann, Dr. Giessen. Weisser Bär. Hofmann, General und Professor. St. Petersburg. Blumenstr. 7. - Holtzmann, K., Professor. Stuttgart. Langestr. 145. Hoppe, Professor. Basel. Vorderer Zirkel 6. Horstmann, Dr., Physikus. Marburg. Sonne. Jaeger, von, Dr., Obermedieinalrath. Stuttgart. Langestr. 217. e Jolly, Dr., Professor. München. Linkenheimerstr. 13. Junge, Dr. med. Moscau. Darmstädter Hof. Kapp, Hofrath. Heidelberg. Kreuzstr. 24. Karsch, Dr., Professor. Münster. Waldstr. 45. Kern, Director. Gohlis bei Leipzig. Englischer Hof. Kirchhof, Dr., Professor. Heidelberg. Carlsstr. 47. Kirschbaum, Professor. Wiesbaden. Zähringer- strasse 98. Kirschleger, Er., Professor. Strassburg. Erbprin- zenstr. 29. Kobell, von, Professor. München. Lyceum. Kolbe, H., Professor. Marburg. Langestr. 185. Kölliker, Professor. Würzburg. Erbprinz. Königshöfer, Dr., Militärarzt. Aschaffenburg. Erb- Prinz. Kopp,E. Strassburg. Stephanienstr. 18. Kühlmann, Professor. Lille. Langestr. 223. Kürner, Dr., Oberamtsarzt. Backnang. Kreuzstr. 24. Kurr, Dr., Professor. Stuttgart. Röm. Kaiser. Lähr, Dr., Director. Berlin. Langestr. 113. Lang, Dr. Oehringen. Spitalstr. 42. Langenbeck, Dr., Professor. Hannover. Grosse. Leisinger, Dr. med. Stuttgart. Stephanienstr. 16. Lereboullet, Dr., Professor. Strassburg. Par. Hof. Leube, Dr., Apotheker. Ulm. Adlerstr. 34. Lichtenstein, E., Dr., Arzt. Grabow. Zähringer- strasse 71. Liebich, Freiherr v., Professor. München. Lyceum. Limpricht, Professor. Göttingen. Aeuss. Zirkel 21. Lucä, Lehrer der Anatomie. Frankfurt. Waldhorn. Magnus, Professor. Berlin. Kreuzstr. 17. Maier, Dr. Freiburg. Herrenstr. 43. Manger, Bergwerksbesitzer. Prag. Waldhorn. Manz, Dr. med. Freiburg. Rothes Haus. Martius, Dr., Professor. München. Langestr. 175.a. ayer, Apotheker. Bayreuth. Waldhornstr. 30. Mayer, J. R. Heilbronn. Erbprinz. eissner, Dr., Professor. Freiburg. Englischer Hof. essow, Arzt. Aachen. Ritter. ettenius, Dr., Professor. Leipzig. Pariser Hof. Hötel Michel, Dr., Oberamtsarzt. Neckarsulm. Sonne. Mittermaier, Dr., Arzt. Heidelberg. Stephanien- strasse 23. Möring, Hofratlı und Professor. Kiew. Erbprinz. Mohr, Dr., Medicinalrath. Coblenz. Erbprinzenstr. 24. Moldenhauer, Professor. Darmstadt. Waldhorn. Müller, Dr., Professor. Aachen. Carl - Friedrich- strasse 22. Müller, Arzt. Homburg. Müller, Hofrath, Director. strasse 76. Nägele, Dr. med. Düsseldorf. Fasanenstr. 6. Nickles, Asronom. Bennfeld. Blumenstr. 7. Niekles, Professor. Nancy. Blumenstr. 5. Nörrenberg, Professor. Stuttgart. Langestr. 171. Goldner Adler. Pforzheim. Zähringer- Noeggerath, Geheimerath u. Professor. Bonn. Ritterstr. 1. Noll, Dr., prakt. Arzt. Hanau. Ritter. Nordmann, A. v., Staatsrath und Professor. Hel- singfors. Röm. Kaiser. Nuhn, Dr., Professor. Heidelberg. Amalienstr. 39. Oechsner, Naturhistoriker. Aschaffenburg. Ama- lienstrasse 12. Oppenheimer, Dr., Docent. Heidelberg. Weisser Bär, Ott, Professor. Bayreuth. Waldhornstr. 30. Pagenstecher, Dr., Privatdocent. Heidelberg. Zäh- ringerstr. 92. Palasciano, Ferd., Dr. Passavant, Dr., Arzt. Pauli, Dr. Landau. Perty, Dr., Professor. Bern. Stephanienstr. 29. Peters, Chemiker. Bonn. Waldhornstr. 11. Ponfick, Dr., prakt. Arzt. Frankfurt. Langestr. 127. Puchelt, Dr., Privatdocent. Heidelberg. Erbprin- zenstr. 16. Weisser Bär. Goldner Adler. Neapel. Frankfurt. Radlkofer, Dr., Privatdocent. München. Lange- strasse 163. Rathke, Mediecinalrath und Professor. Königsberg. Kreuzstr. 12. Reichenbach, H. B., Dr. Altona. Adlerstr. 40. Reumont, Dr., Arzt. Aachen. Carl-Friedrichstr. 22. Reusch, E., Professor. Tübingen. Lyceum. Reutti, C., Notar. Lahr. Pariser Hof. Riecken, Dr., Spitalarzt. Brüssel. Ritter. Robert, Dr. Strassburg. Vord. Zirkel 16. Roscoe, Professor. Manchester. Carl- Friedrich- strasse 23. Roser, Professor. Marburg. Inn. Zirkel. Rothmund, von, Dr., Professor. München. lischer Hof. Rotteck, v., prakt. Arzt. Bühl. Hirschstr. 30. Ruff, Dr., Professor. Giessen. Sonne. Sack, Mineralog. Halle. Lammstr. 7. Salzmann, Dr., prakt. Arzt. Esslingen. Hötel Grosse. Schaaffhausen, Arzt. Bonn. Inn. Zirkel. 25. Schiff, Professor. Bern. Waldstr. 3. Schill, J., Dr. Freiburg. Carl Friedrichstr. 16. Schimper, Dr., Naturforscher. Schwetzingen. Zäh- ringerstr. 44. Schimper, W. P., Professor. St. Moris. Römischer Kaiser, Eng- Scehinzinger, Dr., Privatdozent. Freiburg. Lange- strasse 139. Schlippe, Dr., Chemiker. Mainz. Goldener Adler. Schlossberger, Professor. Tübingen. Schmidt, A., Dr., prakt. Arzt. Frankfurt. strasse 127. Schmitt, Dr. Wunsiedel. Schmezer, Pfarrer. Ziegelhausen. linger Thore (Kaufmann Winter). Schneider, Dr. med. Oberkirch. Schnittspahn, Gartendirector. horn. Schödler, Dr., Direetor. Mainz. Adlerstr. 31. Schönfeld, E.,Dr., Privatdocent. Bomn. Ritterstr. 1. Sehönbein, Dr., Professor. Basel. Spitalstr. 51. Schröder, Dr., Professor. Mannheim. Waldstr. 48. Schulten, prakt. Arzt. Odenheim. Waldhorn. Schultz, Dr. med. Berlin. Sehultz, Dr., Professor. Kreuzwald. Herrenstr. 28. Schultz, Dr. Weissenburg. Waldstr. 77. Schultz, C. H., Hospitalarzt. Deidesheim. lienstr. 2. Sehwantner, Oberamtsarzt. Walzbeim. Gold. Adler. See, Dr., Spitaloberarzt. Paris. Engl. Hof. Seeger, Dr., von, Kreismedieinalrath. Ludwigsburg. Englischer Hof. Seidel, Professor. München. Sicherer, Hospitalarzt. Heilbronn. Erbprinz. Siebold, von, Dr., Professor. München. Innerer Zirkel 35. Simon, Arzt. Darmstadt. Weisser Bär. Sommer, Dr., prakt. Arzt. Windsheim. Lange- Waldhornstr. 30. Vor dem Ett- Rothes Haus. Darmstadt. Wald- Ama- 16 Spiegelberg, Dr., Privatdocent. Göttingen. Carl- Friedrichstr. 4. Stas, Dr., Professor. Brüssel. Carlsstrasse 47. Stegmann, Professor. Marburg. Akademiestr. 39. Stimmel, Dr., Hofrath. Kennenburg bei Esslingen. Erbprinz. Stöber, v., Professor. Strassburg. Vord. Zirkel 5. Streng, Dr. Clausthal. Zähringerstr. 92. Strohl, Professor. Strassburg. Hirschstr. 20. Studer, Professor. Bern. Erbprinzenstr. 9. Tasche, Salineinspeetor. Salzhausen. Casernenstr. 6. Upmann, Dr., Physikus. Birkenfeld. Vord. Zirkel21. Veiel, v., Dr., Hofrath. Cannstadt. Rothes Haus. Veit, Dr., Hofrath. Kupferzell. Sonne. Vogler, Dr., Obermedieinalrath. Wiesbaden. Lange- strasse 21. Voit, Dr., Priyatdocent. München. Stephanienstr. 6. Walz, Privatdozent. Heidelberg. Herrenstr. 22. Wandersleben, Apotheker. Langenbrücken. Weber, Dr., prakt. Arzt. Mehrholz. Ritter. Weiler, Dr., Lehrer. Mannheim. Adlerstr. 13. Weiss, Dr., Professor. Nürnberg. WVord. Zirkel 3. Werber, Hofrath. Freiburg. Rothes Haus. Wiebel, Professor. Hamburg. Amalienstr. 75. Wigand, Dr., Professor. Marburg. Rothes Haus. Wöhler, Professor. Göttingen. Lyceum. Wittstein, Dr., Hofapotheker. Berlin. Erbprinz. Wundt, Dr., Privatdocent. Heidelberg. Amalienstr. 24. Zech, J., Professor. Tübingen. Kronenstr. 54. Zeller, A., Dr., Director der Heilanstalt Winnenthal. Erbprinz. a (Fortsetzung des Verzeichnisses der Theilnehmer folgt in Nro. 3.) Bekanntmachungen. Jene Herren, welche von den zum Festessen gelösten Karten keinen Gebrauch gemacht haben, werden ersucht, den eingezahlten Betrag im Aufnahmsbureau wieder in Empfang zu nehmen. Briefe, welche auf dem Anmeldebureau deponirt sind: Herr Dr. Horner aus Zürich. „ Professor Rudolph Virchow. „ v. Graefe, Ritter ete., königl. Professor. „ Professor Roser aus Marburg. „ Dr. Carl Sehimper, Naturforscher. Geh. Medieinal- und Regierungsrath Ulrich aus Coblenz. Medicinalrath Dr. Robert Overbeek aus Hohenhausen. Anzeigen. In der Section für Anatomie und Physiologie sind verschiedene Mikroscope von Belthle und Rexroth (©. Kellners Nachfolger) zur gefälligen Ansicht und zum Verkaufe aufgestellt, und ist der Unterzeichnete persön- lich anwesend. Einige optische Apparate, besonders zur POLARISATION DES LICHTES, sind zur gefälligen Ansicht im Polytechnikum neben dem Sectionszimmer für Physik aufgestellt von Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller’schen Hofbuchdruckerei. Fr. Belthle aus Wetzlar. Wilhelm Steeg, Optiker aus Bad Homburg. a ee TAGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IM JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Physikus Dr. Zollikofer. N: 3, Den 18. September. 1858. Tagesordnung für Samstag den 18. September. 1. Sectionssitzungen im Ständehaus und Polytechnikum von 8—11 Uhr Morgens. 2. Zweite allgemeine Sitzung im Orangerie-Gebäude, um 11 Uhr, wobei der Versammlungsort für das nächste Jahr gewählt wird. Angemeldete Vorträge: 1) Bronn: Ein Bild der Urgeschichte der Schöpfung. 2) Dove: Darstellung einiger Ergebnisse der neuern Witterungskunde. 3) Petzval: Ueber die Bedeutung der Mathematik in den Naturwissenschaften. 4) Schaaffhausen: Ueber den innern Zusammenhang der Natur- und Lebenserscheinungen. 5) Schwartz: Ueber die historisch-naturwissenschaftliche Heilkunde im Gegensatz zu den medicinischen Irrlehren der neuen Zeit. 6) Hoppe: Ueber die Dauer und Forterbung der Krankheiten, und über die etwaige Verschlechterung und Verbesserung des Menschengeschlechts in körperlicher Be- ziehung. 7) Moll: Ueber die Bedeutung der altgermanischen Volksheilkunde. 8) Eimer: Ueber das Gottesbewusstsein in der Naturforschung. 9) Brosius: Ueber die Emancipation der Irren. 3. Der hiesige Gesangsverein Liederkranz f „die Fulder“ hat freundlichst zugesagt, für die Herren Naturforscher heute Nachmittag 3 Uhr beim Cafe im Nuseums- garten eine humoristische Production zu veranstalten. 4. Abends 7 Uhr Festvorstellung im Hoftheater: Was Ihr wollt. Lustspiel von Shakespeare, nach Schlegel’s Uebersetzung in 4 Acten, für die Bühne eingerichtet von Eduard Devrient. Auf Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs. Die Naturforscher und Aerzte mit ihren Damen erhalten gegen Vorzeigung ihrer von den beiden Geschäfts- führern der Versammlung ausgestellten Aufnahmskarten freien Eintritt auf sämmtliche Plätze des Hauses, mit alleiniger Ausnahme derjenigen des II. und IV. Rangs. Bei den Festvorstellungen wird für die Räume vom Parterre. bis zu den Logen des II. Ranges an- genommen, dass die Herren in Frack und weisser Halsbinde, die Damen in entsprechender Toilette erscheinen. Für den U. Rang ist jede anständige Kleidung gestattet. 18 Zugänglich sind: a. Die Hofbibliothek von 11—12 Uhr und von 3—5 Uhr, b. die Kunsthalle von 3—6 Uhr, ce. die Gewächshäuser von 9—12 Uhr und von 2—5 Uhr, d. das physikalische Cabinet von 3—6 Uhr, das chemische Laboratorium von 8—12 Uhr und von 3—6 Uhr, e. f. das Naturalieneabinet von 8—12 Uhr und von 3—5 Uhr, g. die Maschinen-Modellsammlung im Polytechnikum von 3—6 Uhr, h. das Mineraliencabinet daselbst, von 3—6 Uhr, i. die Hospitäler, das Pfründner- und das Waisenhaus den ganzen Tag, k. das zootomische Cabinet der Thierarzneischule von 3—5 Uhr. Tagesordnung für Sonntag den 19, September. Eisenbahnfahrt mit einem durch die Liberalität des Grossherzoglichen Ministeriums des Aus- wärtigen bewilligten Extrazug nach Baden, Morgens, genau um 8 Uhr. Dort festliche Begrüssung und Besuch der Sehenswürdigkeiten unter Anführung der dortigen Behörden. Das Mittagessen wird in den Gasthöfen zum Conversationshaus, Englischen, Europäischen, Rheinischen, Holländischen Hof und Vietoria-Hötel zu dem Preise von 1 fl. 24 kr. mit 1 Schoppen Wein um 1 Uhr eingenommen. Zu Excursionen nach dem alten Schloss, Ebersteiner Schloss und anderen schönen Punkten werden Führer dienen; zu den geognostischen Exeursionen wird Pro- fessor Dr. Sandberger, zu den botanischen Professor Dr. Seubert bereit sein. Zwischen 4 und 5 Uhr Abends versammelt man sich bei günstigem Wetter auf dem alten Schlosse, wo durch die Freundlichkeit der Stadt Baden für die Bequemlichkeit und für Erfrischungen der Herren Gäste gesorgt sein wird. Eine zweite Versammlung findet Abends bei eintretender Dunkelheit in den Sälen des Conver- sationshauses statt, welche durch die Gefälliskeit des Herın Benazet festlich beleuchtet sein wer- den und in denen die Herren Gäste eine Harmoniemusik begrüssen wird. Von hier aus findet die Rückfahrt präcis um 10 Uhr statt. Beide Fahrten, sowie auch die Eoskielskuiden gehen um die bestimmten Stun- den unfehlbar ab, und es wird darum Jedermann a sich zwanzig Minuten vorher auf dem Bahnhofe einzufinden. ! Abends 6 Uhr Hoftheater. Jessonda. Grosse Oper mit Ballet in 3 Acten von Gehe, Musik von L. Spohr. Sitzungen der Sectionen. l. Section. Mineralogie und Geognosie, Zweite Sitzung am 17. September. Präsident: Professor v. Kobell. Secretär: Assistent R. Müller. (Die Verhandlungen folgen nach.) Professor Dr. M. Seubert, Director des Grossherzoglichen Naturaliencabinets erbot sich, bei dem Besuche des Grossherzoglichen Naturaliencabinets die nöthigen Explicationen zu geben und es wurde als Zeit des Besuches Samstag 3 Uhr Nachmittags festgesetzt. Versammlungsort: Museumsgarten. Angekündigte Vorträge für die nächste Sectionssitzung: Ri 1) v. Kobell: Ueber das Sauroscop. 19 2) Professor Dr. Sandberger: Ueber die Land - und Süsswasserfauna des Mainzer Tertiärbeckens. 3) v. Carnall: Vorlesung der Darstellung der Erzlagerstätten in Oberschlesien. 4) a 5 Steinkohlenflötzkarte von Oberschlesien. 5) Rn # Vorkommen von Hirschgeweihen in oberschlesischen Tertiärbildungen. 6) 3 “ Vorlesung krystallisirten Roheisens. 7) Professor Nordmann aus Helsingfors: Ueber die Palaeontologie Süd-Russlands. 8) Professor Roemer aus Breslau: Ueber die Spongien der silurischen Formation. 9) Beyrich aus Berlin: Eine palaeontologische Mittheilung. 10) W. Girard: Ueber Melaphyr. 11) Professor Studer aus Bern: Ueber Sitten in Wallis. 12) Dr. Gengens: Notiz über auf Leder neugebildeten Kupferkies und Struoit. Beginn der nächsten Sitzung: Samstag den 18. September Morgens 8 Uhr. Präsident: Herr Professor Studer aus Bern. I. Section. Botanik und Pflanzenphysiologie. Zweite Sitzung am 17. September. Präsident: Geheimerrath v. Martius. Secretär: Professor Wigand. (Die Verhandlungen folgen nach.) Zum Präsidenten für die nächste Sectionssitzung wird Dr. C. H. Schultz, und zum zweiten ständigen Secretär de Bary gewählt. Für die nächste Sitzung werden folgende Vorträge angemeldet: Dr. Fr. Buchenau: Ueber zwei interessante Bürger der deutschen Flora. Fee: Sur la Morphologie de U Iris, sur les Arilles et les Arillodes. Dr. G. Herth: Ueber Wurzelausscheidungen. Martius: Ueber die Frucht der Leeythideae. Walz: Ueber die chemische Verwandtschaft der Pflanzen, zunächst zweier Gattungen der Cueurbitaceen, Bryonia und Cucumis. III. Section. Zoologie. Sitzung am Donnerstag den 16. September. Präsident: Herr v. Kettner. Ständiger Sekretär: Dr. Pagenstecher. Angemeldete Vorträge: 1. Dr. Pagenstecher: Ueber Entwicklung des Amphiowus. lanceolatus. 2. Prof. van Beneden: Sur un animal nowean. Sitzung am Freitag den 17. September. Die Seetion beschloss, sich der geringen Zahl der Mitglieder halber der anatomisch-physiolo- gischen Section anzuschliessen. Gemeldete Vorträge: Professor v. Siebold: Aus dem Leben der Insekten. Dr. Pagenstecher: Ueber Echinobothrium. Herr Professor Schaaffhausen: Ueber monas Okenüi. Nach 10 Uhr in der zoologischen Abtheilung der Sitzung. Angemeldete Vorträge für die nächste Sitzung: Meissner: Ueber Verdauung der Eiweisskörper. W. Schiff: Ueber Diabetes. 20 i i | IV. Section. Mathematik, Astronomie und Mechanik. Zweite Sitzung am 17. September, um 12 Uhr. Präsident: Professor Dr. Argelander. (Die Verhandlungen folgen nach.) Angezeigte Vorträge: 1) Professor Dr. Argelander: Ueber die neuen Reductionstafeln von Dr. Wolfers. 2) Privatdocent Dr. Escher: Ueber eine einfache Berechnung der krummen Oberfläche eines Kugelabschnitts aus der Höhe und den Durchmessern der beiden Gränzkreise. Für die morgige Sitzung, um 8 Uhr, wird Professor Dr. Hesse gewählt. V. Section. Physik. Zweite Sitzung am 17. September. Unter dem Praesidium von Professor Dove wird die Sitzung eröffnet. (Die Verhandlungen folgen nach.) Als Präsident für die folgende Sitzung, die um 9%, Uhr stattfinden soll, wurde Professor Magnus gewählt. Für diese Sitzung wurden folgende Vorträge angekündigt: 1) J. Nickles, professeur ä la faculte des seiences de Nancy: Ueber magnetische Adhaesion und neue Elektromagneten. 2) Professor Boettger: } a. Ueber ein höchst einfaches Verfahren eine bedeutende Anhäufung der Elektrieität an den Enden einer Inductionsspirale zuwege zu bringen. b. Ueber die Benutzung eines feinen Wasserstrahles als Elektroscop. VI. Section. Chemie. Zweite Sitzung am 17. September, Morgens 8 Uhr. Präsident: Herr Professor v. Liebig. (Die Verhandlungen folgen nach.) Nächste Sitzung Samstag den 18., 8 Uhr Morgens. Angemeldete Vorträge: Staatsrath Fritsche: 1) Ueber Kohlenwasserstofte. 2) Ueber Isonitrophensäure. VII. Section. Anatomie und Physiologie. Zweite Sitzung am 17. September. Präsident: Professor von Siebold. (Die Verhandlungen folgen nach.) Weiter angekündigte Vorträge: Regimentsarzt Dr. Volz: Ueber Grewichtsverhältnisse der Perspiration und der andern Exerete nach eigenen Versuchen. Professor Meissner: Ueber Entwicklung des Amphioxus lanceolatus. Professor Kölliker: Ueber den feinern Bau der lamina spiralis der Schnecke, der Säuge- thiere. Professor Ruhn: Ueber den Bau der Zonula eiliaris. Dr. Manz: Ueber Dryse in der Conjumetiva einiger Thiere. Dr. Voit: Mittheilung über Temperaturmessung nach Nervendurchschneidung. Dr. B. Sehultz: Kurze Mittheilung über das Nabelbläschen im ausgetragenen mensch- lichen Ei. 21 i Präsident für morgen: Professor Rathke aus Königsberg. Die Section für Zoologie vereinigt sich mit der VII, und beginnt im Saale der I. Kammer die Sitzung der anatomisch - physikalischen Section um 8 Uhr, der zoolo 10 Uhr. Für Letztere fungirt Dr. Pagenstecher als Secretär. ischen um o > (Die Verhandlungen folgen nach). VIII. Section. Mediein, Zweite Sitzung am 17. September. Der Präsident, Herr Geh. Rath Baumgärtner von Freiburg, trägt nach einer resultatlosen Discussion über Bestimmung eines Zeitmaasses der zu haltenden Vorträge an. (Die Verhandlungen folgen nach). Professor Griessinger wird als Präsident der nächsten Sitzung ernannt. Für dieselbe, Samstag Nachmittags 3 Uhr, sind folgende Vorträge angekündigt: 1) Professor Fuchs von hier: Ueber polizeiliche Untersuchung der Milch. 2) Professor Kussmaul: Ueber Schwangerschaft in der einhörnigen Gebärmutter mit verkümmertem Nebenhorn. 3) Sanitätsrath Dawoskı von Celle: Mittheilung eines Falles von Situs transversus com- ‚pletus. 4) Professor Hoppe von Basel: Seltene Verlagerung der Gebärmutter zwischen Blase und Bauchwand. IX. Section. Chirurgie und Ophthalmologie. Zweite Sitzung am 17. September, Morgens 3 Uhr. Präsident: Geh. Rath Chelius in Heidelberg. (Die Verhandlungen folgen nach.) Der Antrag, die Section für Gynäkologie mit der IX. Section zu vereinigen, wurde genehmigt, ebenso der, die Sitzung präcis 8 Uhr zu beginnen, Wahl des Präsidenten für morgen: Professor Bruns in Tübingen. Angekündigte Vorträge für morgen: 1. Dr. Battlehner in Renchen: Ueber die Gestaltung des Lappens bei Nasenbildung- aus der Stirnhaut. 2. Professor Roser in Marburg: Ueber Brucheinklemmung. 3. Dr. Bruck in Breslau: Uber die perpendikuläre Extraction der Zähne. 4. Professor Adelmann in Dorpat: Vorzeigen einer Resections-Säge. 5. Professor Langenbeek in Hannover: Mittheilung, betreffend eine Fistel an der pars lumb. dorsi im Munde. XI. Section. Psychiatrik. Zweite Sitzung am 17. September unter dem Vorsitz des Herrn Geh. Raths Martini aus Leubus. (Die Verhandlungen folgen nach.) Wahl des Präsidenten für morgen: Herr Geh. Medicinalrath Damerow von Halle. Angabe der Anträge für den morgenden Tag: Von Director Kern von Gohlis: Verhältniss der Pädagogik zur Psychiatrie. Von Physikus Fischer aus Illenau: 1) ein Fall von mania transitoria, 2) über den Einfluss der Einzelhaft für die Genesis von Seelenstörungen. 22 Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Freitag den 18. September Abends erklärt haben. Mitglieder. Beust, Freiherr v., Oberberghauptmann. Waldhorn. Bilharz, Th., Dr., Professor. Kairo. Bode, Dr., Physikus. Nauheim, Boeckmann, Dr. phil. Heidelberg. Neuthorstr. 34. Böhm, Dr., Kgl. Badearzt. Bertrich. Langestr. 113. Buchenau, Dr., Lehrer an der Bürgerschule. Bre- men. Hirschstr. 20. Drevermann, Dr., Chemiker. Hörde. Langestr. 107. Dücken, v., Tunnelinspeetor. Kreuznach. Grüner Hof. z Eicksen, Director. Stettin. Emmerich, Dr., Arzt. Mutterstadt. Gadolin, Axel, Artillerie-Capitän. St. Petersburg. Erbprinz. Guembel, Kgl. baierischer Bürgermeister. München. Waldhornstr. 18. Hecker, Dr., Professor. Freiburg. Erbprinzenstr. 27. Heinen, Dr., Director. Düsseldorf, Waldstr. 59. Hergt, Dr., Medieinalrath. Illenau. Neuthorstr. 12. Hlasiwetz, Professor. Innsbruck. Höring, Oberamtsarzt. Ludwigsburg. Freiberg. Rothes Haus. Ahles, Lehrer. Heidelberg. Arx, v., Arzt. Ölten. Vorderer Zirkel 20. Bach, Bezirksförster. Mosbach. Herrenstr. 41. Baumann, Dr. Kandel. Pariser Hof. Becker, Chemiker. Hamburg. Marktplatz 8. Behaghel, Regierungsrath. Carlsruhe. Stephanien- strasse 6. Beilstein, Dr. Göttingen. Bensen, Oberstabsarzt. Java. Herrenstr. 28. Berg, Arzt. Riga. Carlsstr. 13a. Bertheau, Arzt. Mannheim. Schlachthausstr. 3. Bigge, Professor. Coblenz. Akademiestr. 14. Birnbaum, Arzt. St. Louis. Durlach. Block, Hauptkriegskassier. Carlsruhe. Linkenheimer- strasse 11. Bodenheimer, Advocat. Carlsruhe. Inn. Zirkel 23. Böhmer, praet. Arzt. Cöln. Baden-Baden. Bohn, Privatdocent. München. Stephanienstr. 98. Braun, Hofgärtner. Salem. Beiertheim. Brenzinger, Architekt. Carlsruhe. Erbprinzenstr. 23. Bücheler, Dr., prakt. Arzt. Düsseldorf. Zähringer- strasse 45a. Buch, Apotheker. Freiburg. Waldhorn. Buch, Apotheker. Heidelberg. Stephanienstr. 88. Busch, Dr., Arzt. Bremen. Adlerstr. 16. Buser, Ingenieur. Donaueschingen. Carl-Friedrich- strasse 23. Christen, Kreisarzt. Olten. Vorderer Zirkel 20. Theiinehmen Hoeven, van der, Professor. Leyden. Darmstädter Hof. Hoeven, van der, Dr. med. Leyden. Darmstädter Hot. Huth, Dr., Arzt. Wiesbaden. Jadzevski, Dr. med. Pariser Hof. Münster. Steinstr. 27. Kaup, Dr., Director. Darmstadt. Erbprinzenstr. 4. Landauer, Naturalist. Cassel. Plücker, Dr., Professor. Bonn. Quintus lIeilius, v., Dr. ph. Hannover. städter Hof. Römer, Professor. Breslau. Carlsstr. 5. Schneider, Dr., Arzt. Bad Gleisweiler. Vorderer Zirkel 6. e Thilenius, sen., Obermedicinalrath. Thilenius, jun., prakt. Arzt. Soden. Weissbrod, Dr. med. Katzenellenbogen. | Wieke, Professor. Göttingen. Gausth. z. Ochsen, ‚ Zech, Dr., Lehrer an der polytechnischen Schule in Stuttgart. Darm- Soden. Clemm, Fabrikant. Mannheim. Gasth. z. Waldhorn Cube, Partieulier. Riga. Carlsstr. 13a. Dannenberg, Mineralog. Dillenburg. Inn. Zirkel 10. Deimling, Professor. Mannheim. Erbprinzenstr. 4. Diehlmann, Dr., Oberamtsarzt. Friedrichshafen. Erbprinz. Dischinger, Arzt. Durmersheim. Goldener Karpfe. Diss, Bezirksförster. Baden. Döderlein, Arzt. Bunsenhausen. Langestr. 151. Döring, prakt. Arzt. Odenheim. Langestr. 153. Dreher, Anwalt. Wolfach. Herrenstr. 41. Dünkelberg, Apotheker. Bonn. Blumenstr. 1. Dusch, v., Ministerialrath. Carlsruhe. Stephanien- strasse 56 Duvernoy, Apotheker. Kandern. Blumenstr. 9. Ecekel, Student. Deidesheim. Erbprinzenstr. 5. Engel, Chemiker. Stuttgart. Neuthorstr. 21. Engelhardt, Dr. Niederbronn. Darmstädter Hof. Entress-Fürsteneck, v., Revierförster. Balingen. Langestr. 165. Erhardt, Lehrer. Lörrach. Ettlinger, Obergerichtsadvocat. ringerstrasse 44. Eyth, Hofgärtner. Baden. Linkenheimerstr. 4. Faas, Arzt. Gernsbach. Caulsstr. 3. Flaig, Arzt. Gengenbach. Flehinger, prakt. Arzt. Bruchsal. Flügel, Rechtsanwalt. Bonndorf. Rothes Haus. Goldener Karpfen. Carlsruhe. Zäh- Jessen, Staatsrath u. Professor: Dorpat. Kronenstr. 1. 23 Frank, Dr. med. Aachen. Englischer Hof. Frauer, Vicar. Langenbrandt. Pariser Hof. Fecht, Secretär. Carlsruhe. Akademiestr. 28. Fischer, Dr., prakt. Arzt. Neudenau. Langestr. 8. Frey, Oekonom. St. IIgen. Zähringerstr. 40. Freytag, Chemielehrer. Cöln. Ludwigsplatz 59. Frickhöffer, Arzt. Bad-Schwalbach. Spitalstr. 48. Friederiey, prakt. Arzt. Riga. Grüner Hof. Fries, Techniker. Heidelberg. Amalienstr. 25. Geffken, Apotheker. Lübeck. Waldhornstr. 30. Geyger, Apotlieker. Giessen. Langestr. 16. Gieswein, Dr. med. Oberingelheim. Zähringerstr. 40. Glocker, Apotheker. Stuttgart. Erbprinz. Goller, Amtschirurg. Kehl. Akademiestr. 41. Grashoff, Oekonom. Berlin. Augarten. Grohe, prakt. Arzt. Mannlıeim. Amalienstr. 61. Grosch, Postrath. Carlsruhe. Langestr. 26. Grossmann, Medieiner. Weingarten. Giulini, Dr. phil. Mannheim. Ritter. Guttenberg, Oberarzt. Rastatt. Haag, Advocat. Frankfurta.M. Linkenheimerstr. 13. Haas, Assistent. Stuttgart. Lyceumstr. 4. Hartwee, Hofgärtner. Schwetzingen. Inn. Zirkel 35. Hasert, Professor. Eisenach. Haug, Dr., Amtsarzt. Rastatt. Haumann, Chemiker. Heidelberg. Langetr. 20. Heine, Dr. med. Cannstatt. Innerer Zirkel 3. Hemberger, Architekt. Carlsruhe. Waldstr. 3. Heräus, Apotheker. Hanau. Darmstädter Hof. Herzer, Bürgermeister. Carlsruhe. Langestr. 133. Hessler, Professor. Wien. Erbprinzenstr. 33. Hirt, Chemiker. Heidelberg. Erbprinzenstr. 23. Hofacker, Dr. phil. Stuttgart. Kreuzstr. 20. Hoffmann, Fabrikant. Freudenstadt. Hollander, Dr. med. Riga. Amalienstr. Holland, Dr. med. Comayagua. Weisser Löwe. Holtz, Gutsbesitzer. Bartha.d. Ostsee. Adlerstr. 23. Hüter, Mediziner. Marburg. Jakobi, Assistent. Homburg. Zähringerstr. 15. Janzer, prakt. Arzt. Bretten. Waldhornstr. 10. Kageneck, Frhr. v., Bezirksförster. Gaggenau. Ste- phanienstrasse 12. Katz, Gutsbesitzer. Gernsbach. Erbprinz. Keim, Secretär. Carlsruhe. Carl-Friedrichstr. 16. Keller, Apotheker. Durlach. Kirchhoff, Dr. med. Leer. Zähringerstr. 104. Kirchhoff, Markscheider. Wiesloch. Hotel Grosse. Komora, Dr.,-k. k. Oberarzt. Rastatt. Kopp, Amtsarzt. Philippsburg. Krafft, prakt. Arzt. Kandel. Pariser Hof. Krauth, prakt. Arzt. Ichenheim. Langestr. 135. Krischker, Dr., k. k. Regimentsarzt. Rastatt. Kröll, Arzt. Lahr. Kürz, Reallehrer. Villingen. Adlerstrasse 42. Lammert, Pfarrer. Eggenstein. Lang, Dr., Professor. Solothurn. Goldener Adler. Laurenco, v., Chemiker. Paris. Laurop, Bezirksförster. Binsheim. Stephanienstr. 35. Lederle, Dr., Oberamtschirurg. Staufen. Amalien- strasse 17. Lelbach, Forstrath. Carlsruhe. Carl-Friedrichstr. 6. Lommel, Mineralog. Heidelberg. Darmstädter Hof. Lother, Apotheker. Eppingen. Pariser Hof. Lubberger, Bezirksförster. Ettlingen. Maier, Reallehrer. Sinsheim. Goldener Adler. Mainzer, Arzt. Weinsberg. Kronenstr. 19. Martini, Director. Leubus (Schlesien). Waldhorn- strasse 13. Mayer, Mineralienhändler. Hamburg. Marktplatz 8. Meeh), prakt. Arzt. Sondheim. Vorderer Zirkel 9. Mees, Gewerblehrer. Schwetzingen. Vord. Zirkel 25. Merz, Amtschirurg. Freiburg. Goldener Adler. Mezger, Amtsarzt. Heidelberg. Amalienstr. 46. Mezger, Bergeandidat. Freiberg. Carlsstr. 23, Mirus, Hofapotheker. Jena. Langestr. 165. Neubert, Partieulier. Stuttgart. Römischer Kaiser. Nöther, Arzt. Bruchsal. Oechsle, Mechaniker. Pforzheim. Hotel Grosse. Öesswein, Dr. med. Hagenbach. Rothes Haus. Oppermann, Professor. Strassburg. Langestr. 11. Overbeck, Medieinalrath. Lemgo. Spitalstr. 32. Pellieeiari, Landwirth. Neapel. Darmstädter Hot. Pletzer, Arzt. Bremen. Englischer Hof. Pottgiesser, Chemiker. Elberfeld. Ritter. Rath, Director. Holzappel. Gasth. z. Ochsen. Rehmann, Dr., Leibarzt. Donaueschingen. Reuss, Fabrikbesitzer. Heilbronn. Reymann, Dr. juris. Düsseldorf. Goldener Adler. Riegler, Professor. Carlsruhe. Akademiestr. 41. Riess, Apotheker. Offenburg. Akademiestr. 1. Rimpler, Berginspector. Wiesloch. Hotel Grosse. Rink, Spitalapotheker. Basel. Herrenstr. 24. Rittershausen, Apotheker. Herborn. Langestr. 16. Röhl, v., Premierlieutenant. Cöln. Ludwigsplatz 59. Rosenfeld, Arzt. Merchingen. Kronenstr. 19. Rothermel, Buchhalter. Carlsrahe. Kronenstr. 50. Rutenberg, Freiherr v. Frankfurt. Langestr. 87. Salzer, Apotheker. Bretten. Langestr. 44. Salzer, Arzt. Bretten. Langestr. 144. Schär, Sanitätsrath. Bremen. Englischer Hof. Schaffner, Hüttendireetor. Eisenach, Gasthaus zum Ochsen. Schenk, praktischer Arzt. Gaggenau. Scherer, v., Staatsrath. St. Petersburg. Waldhorn- strasse 18. Schirmer, Professor. Carlsruhe. Stephanienstr. 84. Schlecht, Seminarinspeetor. Eichstätt. Adlerstr. 34. Schmidt, Direetor. Strassburg. Langestr. 11. Schmidt, Chemiker. Berlin. Stadt Pforzheim. Schmitt, Ministerialrath. Carlsruhe. Stephanienstr. 27. Schmitz, Oberstabsarzt. Heidelberg. Herrenstr. 28. Schneider, Partieulier. Carlsruhe. Amalienstr. 37. Schneider, Chemiker. Strassburg. Goldener Karpfe. Schneyder, Seeretär. Carlsruhe. Kreuzstr. 6. Schönberg, Dr. med. Riga. Zähringerstr. 40. Schönwald, Arzt. Forbach. Goldener Adler. Scehubart, Mechaniker. Marburg. Herrenstr. 3. Schütz, Lehrer. Edingen. Spitaistr. 51. Schwaner, Apotheker. Graben. Waldstr. 58. See, Medieiner. Paris. Pariser Hof. Seeber, Amtsarzt. Krautheim. Rothes Haus. Seiffert, Hauptamtseontroleur. Carlsruhe. Waldstr. Serger, Baumeister. Carlsruhe. Kronenstr. 36. Siekler, Mechaniker. Carlsruhe. Langestr. 136. Speri, Amtschivurg. Lörrach. Darmstädter Hof. Spohn, Ministerialrath. Carlsruhe. Stephanienstr. 83. Steegmann, pract. Arzt. Mannheim. Langestr. 141. Steinmann, Lehrer. Lahr. Pariser Hof. Stifft, Dr., Arzt, Bad-Weilbach. Spitalstr. 48. Stillmark, Arzt. Pensa. Weisser Bär. Stöckhardt, Chemiker. Dresden. Erbprinz. Stöss, Dr. med. Strassburg. Vorderer Zirkel 13. Stoltz, Professor. Strassburg. Deutscher Hot. 24 ; Thomann, pract. Arzt. Schliengen. Inn. Zirkel 12. Triess, Lehrer. Strassburg. Ungerer, Chemiker. Pforzheim. Waldhornstr. 3. Vigelius, Lehramtspraktikant. Durlach. Völmeke, Rentier. Düsseldorf. Zähringerstr. 45 a. Vogtenberger, Assistent. Tübingen. Adlerstr. 8. Vulpius, Botaniker. Müllheim. Wagner, Apotheker. Kirchzarten. Hirschstr. 16. Wagner, Partie. Pforzheim. Zähringerstr. 64. Straub, Arzt. Freiburg. Rothes Haus. Strauwitz, Frau v. Deidesheim. Hotel Grosse. Walther, Arzt. Liptingen. Akademiestr. 18. Walther, Medieiner. Langenbrücken. Bekanntmachungen. Das Anmeldebureau ist von heute an geöffnet: 1) von Morgens neun Uhr bis Nachmittags drei Uhr; 2) von Abends sechs bis neun Uhr. Bei dem Aufnahmebureau sind folgende Briefe bezw. Pakete deponirt: Mr. Dr. Meding (Paket). Hr. Professor Virchow. Hr. Dr. Schödler. Mr. Nieles, Professor. „ Professor G. Meissner aus Freiburg. Hr. Professor v. Gräfe. „ Dr. Seemann. „ Dr. R. Overbeck. „ Professor G. Oechsner. „ Professor Frisch. „ Dr. Homer aus Zürich. Die anwesenden Mitglieder des Vereins für gemeinschaftliche Arbeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Heilkunde werden zu der statutenmässigen Versammlung auf Sonnabend den 18. September, Morgens 8%/, Uhr, eingeladen. Sitzungslocal: Local der Section für Mediein. F. W. Beneke, p. t. Secretär des Vereins. Die Direetion des landwirthschaftlichen Gartens hat für die Dauer der Versammlung eine Aufstellung von Erzeugnissen ihres botanischen Gartens veranstaltet und ladet zu deren Besuche ein. Ebenso ladet die Gesellschaft Eintracht die Herren Naturforscher und Aerzte zum Besuche ihrer Loca- litäten freundlichst ein. Während der Dauer der Versammlung verbleibt noch die Wirthschaft in dem Museumsgarten. Montag den 20. findet wegen der Vorbereitungen zum Festball kein Diner in den beiden Museums- localen statt. Anzeigen. In der Section der Anatomie undPhysiologie wird sich ein junger Mann, Heinrich Wojaczek, Praktikant an der k. k. Josephs-Akademie in Wien, vorstellen, der durch seinen eigenthümlich gebauten Brust- korb Interesse gewährt, indem das Sternum tiefeingebogen ist, so dass ein Kindskopf in der Grube Platz hat, und doch die Funktionen der Organe dadurch nicht gehindert erscheinen. — Derselbe ist ferner erbötig, die Herren Aerzte, welche eine genauere Besichtigung wünschen, nach geschehener Benachrichtigung zu besuchen. Sollten fremde Herren Aerzte oder Professoren der Mediein an Universitäten ihn zu demselben Zwecke mitzunehmen wünschen, so ist er im Stande, nach dem 23.d.M. mit ihnen abzureisen. Seine Wohnung ist Herrenstrasse Nr. 20 b. im dritten Stocke. Ein neuer Apparat zur Versinnlichung von Aetherschwingungen polarisirten Lichtes, von Hofrath Gerling in Marburg. Aufgestellt neben dem Sectionszimmer für Physik im polytechnischen Institut von Th. Schubart aus Marburg. Verlorener Shawl. Es ist am 15. d. M. Abends im Museumsgarten ein grauer Shawl liegen geblieben. Der gegenwärtige Besitzer wird ersucht, denselben auf dem Aufnahmsbureau: für die Naturforscherversammlung gefälligst abzugeben. Vertauschter Hut. Man ersucht den Herrn Besitzer eines neuen Hutes m’t dem Fabrikzeichen „Carl Nagel, Carlsruhe“, denselben gegen einen andern mit dem Fabrikzeichen „Lahr“ bei dem Diener des polytechnischen Instituts umzutauschen. Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller’schen Hofbuchdruckerei. | | TAGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IM JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Physikus Dr. Zollikofer. N® 4, . Den 19. September. 1858. Sitzungen der Sectionen. I. Section. Mineralogie und Geognosie. Zweite Sitzung am 17. September. Präsident: Professor v. Kobell. Seeretär: Assistent R. Müller. 1) Herr Bergrath Walchner sprach über Brauneisensteingänge im Kinzigthale und hebt als interessant die Bildung dieser Gänge aus Spatheisenstein hervor, was er durch zahlreiche Belegstücke beweist. Das Vorkommen ist wegen seiner grossen Ausdehnung von industrieller Wichtigkeit. 2) Herr Obermedieinalrath Jäger aus Stuttgart sprach über die geologische Bedeutung der Krystallkräfte, zeigte einige krystallähnliche Formen von Liaskalkmergel, Feldsteinporphyr ete. und suchte Erhebungen von Gebirgen durch die Thätigkeit der Krystallisation in den Gesteinen zu erklären, mit Zugrundelegsung der Versuche von Duvernoy. 3) Herr Professor Dr. F. Sandberger sprach über die officielle geologische Aufnahme badischer Bäder. Gleich den Regierungen der Nachbarstaaten hat auch die badische Regierung eine geognostische Aufnahme der wichtigsten Distrikte des Landes gewünscht, und zwar wurde der Redner mit der Aufnahme der Umgebungen von Badenweiler und Baden, und Herr Dr. Schill aus Stockach mit der des Bezirkes Ueberlingen beauftragt. Die Aufnahme der Section Badenweiler ist bereits publieirt. Nachdem der Redner den Zweck und die Art und Weise dieser geognostischen Aufnahmen auseinandergesetzt, gab er eine gedrängte Uebersicht der wichtigsten Resultate dieser Untersuchungen. Schliesslich wurden einige Exemplare der Section Badenweiler an die Mitglieder vertheilt. 4) Herr Hofrath Dr. Veiel aus Cannstadt gab eine kurze Notiz über die fossilen Vogelreste des Cannstatter Sauerwasserkalkes. Letzterer bildet eine 2—3' mächtige Schicht über dem sehr porösen aus Schilf und Röhren zusammengesetzten Tuffstein. Diese Vogelreste bestehen vorzugsweise in Federn, seltener in Knochen; nur ein einzigesmal bis jetzt wurden Eier gefunden. Die grösseren Federn gehören ohne Zweifel einem reiherartigen Vogel, die Knochen einem Strandläufer an; die Eier haben am meisten Aehnlichkeit mit denen des Regenpfeifers. Er vertheilt hierauf einige Exemplare der Abbildung dieser Vogelreste an die Mitglieder der Section. 5) A. Daubr&e aus Strassburg hielt einen Vortrag in französischer Sprache über die gegen- wärtige Bildung der Zeolithe. 26 Von Wöhler wurde bereits die künstliche Bildung von Zeolithen in höherer Temperatur nach- gewiesen. Der Redner fand zu Plombieres bei den Ausgrabungen römischer Bauten, durch welche die dortigen Thermen geleitet waren, in den dazu verwendeten Ziegelsteinen und Mörtel zahlreiche Höhlungen, welche mit kleinen, aber sehr scharfen Kıyställchen von Zeolithen ausgefüllt sind. Eine weitere Untersuchung ergab, dass diese Ziegelsteine durch die ganze Masse hindurch mit Zeolithen, Hyalit und Arragonit imprägnirt sind, so dass dieselben mit Salzsäure zum Theil gelatinirten. Es fanden sich m den Ziegelsteinen Chabarit und Kalk-Harmotom, und in dem Mörtel Apo- phyllit, Hyalit und Arragonit, wovon der Redner Belegstücke vorzeiste. Die Bildung erklärt sich aus dem Gehalte der Therme an kieselsaurem Kal. Temperatur der Quelle 70%. Durch die Ein- wirkung von Wasser auf Thon etc. bei einer Temperatur von 300° und hohem Druck stellte er krystallisirten Quarz und wasserfreie Silieate wie Feldspath, Pyroxen etc. dar. Herr Geheimer Oberbergrath Noeggerath weist auf die geologische Bedeutung dieser Ent- deckungen hin und zeigt Ludwig’s deutsche Uebersetzung der von Daubr&de in den Comptes rendues veröffentlichten Entdeckungen an. 6) Professor Blum aus Heidelberg sprach über Pseudomorphosen von Kalkspath nach Feld- spath und Ausit. Dr. J. Schill sprach über physikalische Geologie des Schwarzwaldes. 7) Professor Dr. Krauss aus Stuttgart sprach über die Deutung der Schädelknochen der fossilen Sirenen. Der Redner weist zuerst an den Schädeln von Manatus das Vorhandensein- der Nasenknochen nach, erklärte die übrigen Knochen des Stirntheils der lebenden Sirenen und zeiste dann an einem Schädelstücke seines neuen Halitheriums aus Flonheim, dass der an einigen Arten vorkommende Knochen vor dem Stirnbeinrande nicht, wie bisher angenommen, das Nasenbein, sondern das verlängerte Stirnbein sei. I. Section. Botanik und Pflanzenphysiologie. Zweite Sitzung am 17. September. Präsident: Geheimerrath v. Martius. Secretär: Professor Wigand. r Der Präsident eröffnet die Sitzung mit einer Ansprache, in welcher er, anknüpfend an seine eigene wissenschaftliche Entwickelung das Verhältniss der gegenwärtigen Botanik zu der älteren (Jussieu’s Schule) bezeichnet, und der drei grossen im vergangenen Jahre dahingeschiedenen Bota- niker R. Brown, A. Bonpland, E. Meyer gedenkt. » Dr. K. F. Schimper spricht über die von Hartweg, einem geborenen Carlsruher, in Amerika gesammelten Pflanzen, und knüpft daran nach einigen Digressionen über dieBadische Flora ver- schiedene, theils morphologische, theils pflanzenphysiognomische Betrachtungen und Demonstrationen. Professor Mettenius spricht über das in Beziehung auf den sternförmigen Bau der Zellen und das Vorkommen von Spaltöffnungen mit der Structur der unteren Blattseite übereinstimmend bei den Farren am Blattrande, am Blattkissen und am Baumstamm in verschiedenen Formen auf- tretende luftführende Zellgewebe. Bei dieser Gelegenheit macht von Martius darauf aufmerksam, in wiefern der von Schön- bein aufgestellte Unterschied von Sauerstoff und Ozon bei der Chlorophyllbildung in Betracht komme, und K. F. Schimper erwähnt Fälle von Blättern, wo die Unterfläche in Folge von Emergenzen scheinbar den Charakter der oberen Seite annehme. Dr. C. H. Schultz Bip. fügt den bisher bekannten Beispielen epiphytisch wachsender, d. h. der Rinde von Bäumen als Boden sich bedienender Cassiniaceen einige neue Fälle (aus der Gattung Caealia) hinzu. Derselbe erwähnt weiterer Versuche, durch welche das Vorkommen von Bastardbildung im Pflanzenreich, namentlich unter den Cassiniaceen bestätigt wird, und hebt insbesondere hervor, wie der durch Verkümmerung des einen der beiden Geschlechter häufig vor- kommende Diöcismus die Möglichkeit zu Versuchen über Bastardbildung in dieser Familie darbiete, 27 Geheime Hofrath Döll erwähnt einige Familien (Papilionaceae, Rhodoraceae, Cobeliaceae),, bei welchen eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, wonach das untere Kelchblatt seitlicher Blüthen der Axe zugekehrt ist, stattfindet, und zeigt ferner an Lobelia, dass die Zygomorphie (Symmetrie) der Blume nicht immer mit der seitlichen Stellung verbunden ist, wofür als weitere Beispiele von Dr. K. Schimper die Fumariaceen und von Professor Wigand die Zabiatae hervorgehoben werden. Director Schnittspahn legt Abbildungen verschiedener von demselben cultivirter Sempervivum- Arten, für welche Gattung eine Monographie vorbereitet wird, vor. Dr. Radlkofer spricht über einen von demselben in der Samenknospe von Lathraea squa- maria nachgewiesenen krystallisirten Proteinkörper „des Phytokrystallin“, über dessen physikalische und chemische Eigenschaften, insbesondere über dessen Verhältniss zu dem von Hartig in den Samen nachgewiesenen „Klebermehl (Aleuron)“ und zu dem im Blut der Thiere von Lehmann u. A. entdeckten „Hämatokrystallin“, Dr. Kirschleger erwähnt einige interessante Vorkommnisse in der Flora von Baden-Baden, namentlich der in zahlreichen Exemplaren vorkommenden Abies pectinata var. pendula, sowie mehrere Fälle von Ueberwallung an Abies peetinata. Dr. Caspary aus Bonn schickt ein Schreiben ein mit der Bitte, um Einsendung von Exem- plaren, besonders Früchten von Nymphaea alba, von verschiedenen Fundorten, namentlich Süd- deutschlands und des Auslandes. Zur Austheilung an die Mitglieder der Section werden ferner vorgelegt: 1) Besondere Beilage zur Flora 1858 Nro. 31, enthaltend eine Entgegnung von Professor Lehmann auf den Bericht von Gottsche über die Leistungen in der Hepatologie (Botanische Zeitung 1858). 2) Der Buchs, das zuverlässigste und billigste Heilmittel der Wechselfieber von K. J. Neydeck. 3) Dr. K. Schimper theilt Exemplare verschiedener Pflanzen aus der Flora von Schwetz- ingen aus. III. Section. Zoologie. $ Sitzung am Freitag den 17. September. Präsident: Herr v. Kettner. Ständiger Sekretär: Dr. Pagenstecher. Die Section beschloss, sich der geringen Zahl der Mitglieder halber der anatomisch-physiolo- cischen Section anzuschliessen. Herr Professor v. Nordmann hielt jedoch, bevor dieser Beschluss ausgeführt wurde, einen Vortrag über das Nisten des Seidenschwanzes auf der Insel Ajos bei Torneo und zeigte Abbildung des Nestes und schöne Nachbildungen der Eier; derselbe machte auch Mit- theilungen über Garrulus infaustus, Corythus emuleatos, Fringilla erythrina. "Fortsetzung im Lokale der anatomisch-physiologischen Section, 10 Uhr, unter dem Präsidio des Herrn v. Siebold. Herr Professor Meissner und Herr Dr. Pagenstecher hielten Vorträge über die Jugend- zustände des Amphioxwus lanceolatus, aus denen wesentlich verschiedene Auffassung der Kiemenbildung und des Mundes resultirten. Herr Professor Meissner glaubt zu deren Ausgleichung zum Theil die Verschiedenheit der Beobachtungszeit heranziehen zu können. Herr Dr. Pagenstecher machte Mittheilungen über Sagitta helgolandica, besonders eine Art von Spermatophorenbildung. Herr Pro- fessor Meissner verweist in Betreff der von P. auch für ganz junge Thiere geleugneten chorda auf seinen Jahresbericht 1856. Herr Professor van Beneden spricht über ein neues sehr sonderbares Thier, welches er trotz der erustaceenartigen Gestalt bei mangelnder Metamorphose zu den Anneliden stellt und Zistrioh- della nennt. Herr Professor v. Nordmann spricht über das Anheftungsorgan der jungen Lernäaden, unter dem Auge gelegen, und verweist im Besonderen auf seine zu erwartende Druckschrift. Ein eingesandter Aufsatz des Herın Coinde aus Lyon über den Rossegel wurde ad acta ge- nommen. 28 IV. Section. Mathematik, Astronomie und Mechanik. Zweite Sitzung am 17. September, um 12 Uhr. Präsident: Professor Dr. Argelander. Grehaltener Vortrag: - Privatdocent Dr. Cantor: Zur ältesten Geschichte der Zahlzeiehen. Der Redner führt die Quellen an, nach denen Pythagoras seinen Anhängern eine nach ihm genannte Rechentafel (Abacus) hinterliess, und zeigt, dass die überlieferten 9 Zahlzeichen (ohne die Null), welche er besass, theilweise den unsrigen ähnlich sind. Er sucht nun das Volk zu ermitteln, von welchem Pythagoras in dieser Beziehung lernte, und indem er das beweste Leben desselben durchgeht, kommt er zu dem Ergebnisse, dass er sein Zahlensystem wahrscheinlich in Babylon von den mit dieser Stadt in Verbindung stehenden Indern erhalten habe, welches Volk das decadische Zahlen- System früher nur mit 9 Zeichen und. später erst mit der Null besessen habe. Der Redner macht auf eine wichtige Quelle in dieser Beziehung aufmerksam, nämlich auf einen Aufsatz von Prinsep im Journal of Bengal, 1838, April, S. 348, die er leider nicht zu Gesicht bekommen habe, und ersucht diejenigen Herren, welche dieselbe erhalten können, sie ihm gefälligst zukommen zu lassen. V. Section. Physik. Zweite Sitzung am 17. September. Unter dem Präsidium von Professor Dove wird die Sitzung eröffnet. Es sprach hierauf zuerst G. Wiedemann über die Beziehungen zwischen Magnetismus und Torsion. Der Vortragende berichtete über Versuche, welche er über die Beziehungen zwischen Magne- tismus und Torsion angestellt hat. Er suchte durch dieselben nachzuweisen, dass die Gesetze, welche man für die Torsion der Drähte aufgestellt hat, sich in qualitativer Beziehung wenigstens auf die Magnetisirung von Stahlstäben übertragen lassen, wenn man nur die Worte tordirt durch magnetisirt ersetzt. Dieselbe Relation findet bei den Erscheinungen statt, welche auftreten, wenn man Magnete tordirt, oder tordirte Drähte maenetisirt. Es erkläre sich diese Analogie aus der Annahme, dass die Magnetisirung von Stahl und Eisenstäben durch galvanische Ströme auf einer Drehung der von Molecularströmen umflossenen Stahl- und Eisenmolecule beruht. . Herr v. Feilitzsch stellte sodann in einem Vortrag, betreffend eine Vergleichung des elektro- dynamischen Grundgesetzes mit dem elektrostatischen, die Frage auf: „Ob die Ursache der Anzie- hung und Abstossung zweier Stromleiter begründet sei in einer Wechselwirkung, welche die galva- nischen Ströme als solche aufeinander ausüben, oder ob sie vielmehr zu suchen sei in einer Wechselwirkung der leitenden Körper aufeinander in Folge dessen, dass sie von galvanıschen Strö- men durchflossen werden. Einige hierüber angestellte Versuche entschieden für die letztere Ansicht. Hierauf sprach Dove über Erscheinungen des Binocularsehens und Anwendung von Prismen- combinationen zu optischen Versuchen, ferner über ein Verfahren Absorptions- und Interferenzfarben zu combiniren. : Hierauf lud Eisenlohr die Seetionsmitglieder ein, ihn in das physikalische Auditorium zu begleiten, um ihnen einige optische Versuche zu zeigen. VI. Section. Chemie. Zweite Sitzung am 17. September, Morgens 8 Uhr. Präsident: Herr Professor v. Liebig. Nachdem Herr Professor v. Liebig seinen Dank ausgesprochen für die ihm gewordene Ehre, zum Präsident der 2. Sectionssitzung gewählt worden zu sein, ergreift Herr Professor Schloss- berger das Wort. Er trägt über die Unterscheidung des Fibroins vom Badeschwamm vor, dann über die Unlöslichkeit der Seide in kohlensaurem Nickeloxydul- Ammoniak, endlich über die 29 Trennung von Seide, Baumwolle und Wolle. Nachdem Herr Professor v. Liebig, Boettger und Weltzien einige Worte erwiedert, erbietet sich Boettger, einige Experimente darüber in der morgenden Sitzung vorzunehmen. Darauf trägt Herr Professor Nickles über die Nachweisung des Fluors vor. Er zeigt namentlich, wie der Gehalt der Schwefelsäure an Fluorwasserstoff zu Irrthümern Veranlassung geben und wie dieselbe davon zu befreien. Nickles bediente sich bei seinen Untersuchungen der geschliffenen Quarzplatten. Auf Ansuchen des Herrn v. Liebig erbietet sich derselbe, nachdem noch die Herren Erdmann und Dr. Schneider über denselben Gegen- stand Bemerkungen gemacht, Versuche in einer folgenden Sitzung anzustellen. Darauf theilte Erdmann die Resultate einiger Untersuchungen mit und verbreitet sich 1) Ueber den scharfen Stoff von Ranunculus sceleratus. Die Pflanze euthält ein scharfes, blasenziehendes Oel, welches sich beim Aufbewahren in eine weisse sehr feste, aus Anemonsäure und Anemonin bestehende Masse umwandelt. Beim Trocknen verliert die Pflanze durch jene Umwandlung zugleich ihre Schärfe. 2) Ueber die Wirkung einiger Metallsalze auf die Holzfaser. Eine Reihe von Versuchen, die im Leipziger Laboratorium angestellt worden, haben ergeben, dass schwefelsaures Kupferoxyd von Cellulose durchaus nicht gebunden wird, dass aber harziges Holz den Kupfervitriol aufnimmt, dass endlich verdünnte Lösungen dieses Salzes stickstoffhaltige Substanzen aus dem Holze ausziehen. Structurlose Cellulose nimmt aus Alaun, schwefel- saurem Kupferoxyd und schwefelsaurem Eisenoxyd keine Basis auf. Mit Wasser lassen sich die Salze vollständig ausziehen. 3) Ueber die Löslichkeit des schwefelsauren Baryts in concentrirter Lösung von salpeter- ‚saurem Ammoniak. 4) Ueber eine Bildungsweise von Kupferoxydul. — Wenn nämlich in einer Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak, welche überschüssiges Ammoniak enthält, metalli- sches Kupfer sich befindet und die Luft unvollkommenen Zutritt hat, so scheiden sich allmählis bedeutende Mengen von Kupferoxydul aus, indem das metallische Kupfer mit der Zeit verschwindet. Darauf zeigte Herr Professor v. Babo einen Apparat vor zur Darstellung von Ozon. Das Ozon, durch zwei Gefässe mit Chromsäure geleitet, tritt, frei von phosphoriger Säure in eine Röhre, welche ausgeglühten Asbest enthält, und wurde dann für wasserfrei befunden. Professor Bunsen und Masnus machen noch einige Bemerkungen, insbesondere über die beiden verschiedenen Ozone; Bunsen schlägt vor, ganz besonders in Untersuchung zu ziehen, ob die dritte Oxydationsstufe des Wasserstoffs wirklich existirt, und räth Herrn v. Babo zu quantita- tiven Untersuchungen, welche derselbe auch auszuführen gedenkt. Uebrigens ist auch v. Babo der Meinung, dass zwei verschiedene Ozone bestehen. Darauf ersucht Herr Professor v. Liebig die Herren, die heutige Sitzung zu schliessen und zur Wahl des Präsidenten für die nächste zu schreiten. Professor Schönbein schlägt dazu Professor Wöhler vor, welcher mit alleemeiner Accla- mation gewählt wird. VII. Section. Anatomie und Physiologie. Zweite Sitzung am 17. September. Präsident: Professor v. Siebold. Gehaltene Vorträge: Professor v. Siebold: Ueber das receptaeulum seminis weiblicher Wirbelthiere. Es wurde seines Wissens bis jetzt noch nichts der Art beschrieben bei den Wirbelthieren; früher von ihm bei den Insekten, Crustaceen und Mollusken. Bei Salamandra atra fand er in der Rückenwand der Cloake einen kleinen Wulst von milchiger Farbe, der unter dem Mikroskop aus einer Anzahl sewundener Schläuche bestand, gefüllt mit Sper- matoceen. Wenn ein Ei befruchtet werden soll, so kann der Same aus den Oeffnungen des Re- ceptaculum, die in der Nähe der Uterusöffnungen sich befinden, dazu gelangen. — Bei Triton alpi- 30 mus, eristatus, taemiatus ist das Ofgan noch deutlicher, weil die Thiere Eier legen, wobei der Same mit diesen beim Austreten in Berührung kommt. Die Weise, wie der Saame in’s weibliche Receptaculum kommt, ist folgende: Bei der Begat- tung drücken die Tritonen ihre Cloaken so aneinander, dass der Same von einer in die andere übertreten muss. Wahrscheinlich ist bei den Salamandern dasselbe Verhältnis. Professor Fuchs: Ueber Galleninjection in das Blut der Thiere. Derselbe injieirte grossen Haussäugethieren 4—18 Unzen Galle, ohne dass in Folge davon ein ieterus entstand; woraus er schliesst, der ieterus entstehe seltener durch Resorption der Galle, als durch gehemmte Secretions (Zurückhaltung der Galle im Blute). Kölliker hält diese Versuche nicht für beweisend, wegen zu geringer Menge der auf diese Weise in’s Blut gelangten Galle. Friedreich ist Fuchs gegen- über der entgegengesetzten Ansicht, dass der icterus meistens die Folge der Resorption gestauter Galle ist, und bemerkt, dass die von Fuchs angenommene Präformation der Gallenbestandtheile im Blute nicht nachgewiesen ist. ” 2 VII. Section. Mediein. Zweite Sitzung am 17. September. Unter dem Präsidium des Herrn Geh. Raths Baumgärtner aus Freiburg. Nach Vorlage folgender Schriften: 1) einer Abhandlung des Kais. Russ. Collegienraths Paul Motsch aus Smolensk über In- oculation des natürlichen Blatterneiters als präservatives und therapeutisches Heilmittel gegen mehrere acute Krankheiten; 2) Joseph de Nasca aus Neapel, über Myolithiasis, in französischer Sprache ; 3) von demselben, über Febris puerperalis, in italienischer Sprache hält Sanitätsrath Dawoski von Celle über die blennorrhagische und syphilitische Erosion an der pars vaginalis und deren Behandlung Vortrag; er schildert zwei Formen von blennorrhagischer Ero- sion und eine anatomisch verschiedene syphilitische. Zur Untersuchung bedient er sich eines röhren- artigen Speenlums mit einer an demselben angebrachten verschiebbaren Loupe. Als Behandlung der blennorhagischen Erosion empfiehlt er tägliche Aetzung mit lapis infernalis und Einlesung von s. g. Pinseltampons. Syphilitische Erosionen werden geätzt, wenn sie frisch- sind, sind sie schon älter, so wird neben ärztlicher Behandlung eine antisyphilitische Cur mit kleinen Quecksilbergaben eingeleitet. Nach kurzer Diseussion, an der mehrere Mitglieder Theil nehmen, spricht Professor Hoppe über die Thätickeitsäusserungen des Kochsalzes, und verlangt für die verpönte Dynamik der Stoffe ihr Recht. Er spricht dem auf das Herzfleisch direet angewandten Kochsalz Lähmungswirkung ab, verstärkte Erregung sei die nächste Folge. Aehnliche Experimente und deren Resultate werden auch für andere Organe, als Darm, Magen etc. angegeben, und aus der Verschiedenheit der Wirkung auf das Herzfleisch und der auf andere Organe schliesst er, dass das Kochsalz ein Reiz- und ein Läh- mungsmittel sei, für die Diät und den ärztlichen Gebrauch hauptsächlich seine reizende Wirkung in Betracht komme, und dass letztere sich vorherrschend an den Gefässen äussere und hier als Injeetion oder Schwellung und als Contraction auftrete. Friedleben verwahrt sich im Namen der Section gegen die vom Vorredner der naturwissen- schaftlichen Richtung gemachten Vorwürfe und die Versammlung scheint dieser Verwahrung ihren Beifall zu erkennen zu geben. Dr. Friedleben von Frankfurt spricht über das Verhalten des Vagus und Recurrens zu den Tracheal- und Bronchialdrüsen in Krankheiten der Kinder. Nach ihm bestehen 5 Reihen von Lymphdrüsen am Halse; Haut-, Bronchial-, Pericardial-, Pulmonal- u. Trachealdrüsen; in mehreren Krankheiten der Kinder schwellen sie und können abscediren, wodurch selbst eine Läsion der Ner- vencontinuität entstehen kann; Nachweisung an Abbildungen. 31 IX. Section. Chirurgie und Ophthalmologie. Zweite Sitzung am 17. September, Morgens 8 Uhr. Präsident: Geheimerath Chelius in Heidelberg. 1) Professor Langenbeck in Hannover über den Glaskörperstich. Diese Operations- Methode des Staars, bei welcher ohne Verletzung der Iris und des Ciliar- körpers die Nadel durch die Sclerotica in den Glaskörper dringt, und in die Linse von hinten ein- gestochen wird, welche durch Luxirung mit der Kapsel in die Tiefe des Auges versenkt wird, ist ausgezeichnet durch die geringe darauffolgende Reaction und rasche Genesung (in 3 Tagen) und den vollkommenen Erfolg durch Luxirung der Linse mit der Kapsel. In der Discussion, an welcher sich ausser dem Präsidenten Professor Adelmann in Dorpat, und Professor Bruns in Tübingen betheiligen, wird die Ungefährlichkeit der Operation anerkannt, jedoch die Möglichkeit der Ent- fernung der vordern Kapselwand durch dieselbe und somit der sichere Erfolg bezweifelt. Professor Langenbeck zeigt noch einen Blasenstein vor, welcher aus reinem Xanthin besteht. 2) Dr. Leisinger in Stuttgart über Tracheotomie beim Croup gibt erst einen historischen Abriss über die Operation, spricht dann über den Zeitpunkt wann, und die Methode wie operirt werden soll; wendet sich alsdann zur Nachbehandlung (Eintröpfeln mit warmem Wasser und später Solution von Höllenstein durch die Kanüle) und verbreitet sich schliesslich noch über die Behand- lung des Croups überhaupt. 3) Dr. Pauli von Landau spricht über denselben Gegenstand, indem er besonders die ver- schiedenen Operations-Methoden und Instrumente einer Kritik unterwirft, und schliesslich ein von ihm erfundenes Tracheotom vorzeigt, welches den Einstich und die Einführung der Kanüle in einem Akt möglich macht. In der Discussion über diesen Gegenstand, welcher sich zunächst über die Gefährlichkeit bezüglich der Blutung, dann über die Nothwendigkeit der Operation und schliesslich noch über die Therapie des Croups überhaupt verbreitete, nahmen Antheil Professor Roser in Marburg, Dr. Passavant und Dr. Friedleben in Frankfurt, Dr. See in Paris, welcher den Katheterismus der Trachea als ein neues unschädliches Mittel empfahl, der Präsident und Andere. 4) Regimentsarzt Dr. Beck in Freiburg über die Incarceration der Unterleibsbrüche. Nach einer auf Beobachtungen und Versuchen an Thieren gestützten Kritik über die Möglich- keit der Entstehung einer Einklemmung ob durch Krampf, Entzündung, kothige Ansammlung, kommt er zu der Schlussansicht, dass es nur eine traumatische und sterkorale Einklemmung gebe, bei welch letzterer allerdings ein gewisser Krampf- respective Schwäche-Zustand des Darm- rohrs mitwirke. An der hierüber entstandenen Discussion betheilisten sich: der Präsident, Professor Roser, Professor Bruns und Professor Rothmund in München. Dr. Meeh in Sondheim zeigte hierauf das von ihm verbesserte Instrument zum Ferasement lineaire vor. N Der Antrag, die Section für Gynäkologie mit der IX. Section zu vereinigen wurde genehmigt. X]. Section. Psychiatrik. Zweite Sitzung am 17. September. Unter Vorsitz des Herrn Geh. Rath Martini aus Leubus. Geh. Rath Dr. Flemming aus Sachsenberg: Ueber den Fortschritt in der Psychiatrie, welche vorerst besonders in der Bebauung der psychischen Pathologie und in der zemeinschaftlichen Thätigkeit aller Psychiatriker zu erstreben sei. Obermedicinalrath Zeller von Winnenthal hebt aus dem gestrigen Vortrag des Geh. Hofraths Roller besonders hervor, dass vorerst die Criminalgesetzgebung auf die verminderte Beurtheilungs- fähigkeit der Geistesstörungen, und zweitens auf eine allgemeinere Fassung für die Bezeichnung der kranken Unfreiheit mit Umgehung bestimmter Benennungen der Krankheitsformen und auf Einheit der Sprache der Irrenärzte aufmerksam gemacht werden solle. Die Fortsetzung der länger geführten Discussion wird auf morgen verschoben. 32 Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Samstag den 18. September Abends erklärt haben. Mitglieder. Duchesne et Boulogne, Dr. med. Paris. Engl. Hof. Eulenburg, Dr., Sanitätsrath. Berlin. Fallati, Dr., Arzt. Wildbad. Engl. Hof. Gerlach, J., Professor. Erlangen. Guckelberger, Dr. med. Stuttgart. Weisser Bär. Henle, Dr., Professor. Göttingen. Engl. Hof. Klipstein, Professor. Giessen. Grüner Hof. Koehler, Dr., Medieinalrath. Stuttgart. Weisser Bär. Küchler, Dr. med. Darmstadt. Waldhorn. Nasse, Professor. Marburg. Akademiestr. 32. Oettinger, L., Professor. Freiburg. Hirschstr. 17. Poggendorff, Professor. Berlin. Waldstr. 61. Reclam, Carl, Dr. med. Leipzig. Zähringerstr. 12. Rose, H., Professor. Berlin. Ritterstr. 1. Sämann, Geolog. Paris. Goldener Adler. Sailer, E., Dr. med. Ulm. Schultze, Max, Professor. Halle. Waldstr. 22. Schübler, Bergrath. Stuttgart. Rothes Hans. Schwerd, Professor. Speyer. Lyceum. Stiebel, Dr. med. Frankfurt. Langestr. 92. Ton, Dr., Kreisphysikus. Kniphausen. Virehow, Professor. Berlin. Ritterstr. 20. Voigt, Dr., Chef des Medieinalwesens. Batavia. Volger, Dr., Lehrer der Geologie. Frankfurt a. M. Wänker, v., Dr., Amtsarzt. Freiburg. Waldstr. 1. Waidele, prakt. Arzt. Steinbach. Wilhelm, Dr., Medieinalrath. Eppingen. Zeroni, P., Hofrath. Mannheim. Zähringerstr. 86. Theilnehmer. Albert, Kaufmann. Frankfurt. Englischer Hof. , Beutner, prakt. Arzt. Landau. Böckmann, Chemiker. Giessen. Braine, Dr. Paris. Braun, Thierarzt. Langenbrücken. Bucher, Cameralist. Carlsruhe. Amalienstr. 1. Dick, Dr., Arzt. Rheinzabern. Rothes Haus. Dürr, Amtsarzt. Radolizell. Eichborn, prakt. Arzt. Landau. Waldhorn. Erggelet, Amfschirurg. Bretten. Gross, Medicinalrath. Ellwangen. Heiligenstein, v., Referendär. Mannheim. Hotel Grosse. Hergt, Amtsarzt. Neckargemünd. Herrgott, Dr. med. Strassburg. ö Heuck, prakt. Arzt. Herxheim. Waldhorn. Heusler, Berggeschworener. Düsseldorf. Hot. Grosse. . Hupertz, Bergmeister. Bochum. Hotel Grosse. Jüttner, Markscheider. Neunkirchen. Klein, Fabrikant. Weinheim. Adlerstr. 14. Kliver, Markscheider. Saarbrücken. Knapp, Assessor. Stuttgart. Krastel, prakt. Arzt. Eichtersheim. Langestr. 26. Krummel, Cameralpractikant. Bruchsal. Lange, Dr., Arzt. Bad Johannisberg. Amalienstr. 48. Ludwig, Dr., prakt. Arzt. Stuttgart. Carl-Fried- richstr. Martin, Chemiker. München. Meser, Dr., Kantonsarzt. Markirch. Langestr. 149. Messmer, Director. Graffenstaden. Erbprinz. Mittweg, Dr. med. Essen. Moritz, A., Dr., Director. Tiflis. Moritz, K., Dr., Staatsrath. Moskau. u): Carlsruhe. — Druck der Chr. F Oberle, Wund- und Hebarzt. Oos. Otto, Dr., Arzt. Pforzheim. Darmstädter Hof. Pregizer, Apotheker. Pforzheim. Darmstädter Hof. Sailer, Buchhändler. Ulm. Scheid, Apotheker. Kippenheim. Sehmidt, Dr., Amtsarzt. Ettenheim. Schmitt, Apotheker. Neunkirchen. Solwey, prakt. Arzt. Lichtenau. Adlerstr. 18. Statsmann, Apotheker. Tiefenbronn. Langestr. 113. Vogelmann, Dr., Geh. Referendär. Carlsruhe. Carlsstr. 3. Wagner, Apotheker. Rheinzabern. Rothes Haus. Wanklyn, Chemiker. Heidelberg. Langestr. 34. Weber, Medicinalassistent. Höchst. Wiener Hof. Weber, Oberlehrer. Cöthen. Hotel Grosse. Weeber, Arzt. Waibstadt. Gold. Adler. Weidenbusch, Chemiker. Heidelberg. Wenneis, Medicinalrath.: Baden. Carlsstr. 3. Westphal, Apotheker. Düsseldorf. Fasanenstr. 6. Widmann, Grubendirector. Stolberg. Hotel Grosse. Wilhelmi, Dr., Arzt. Baden. Willm, Chemiker. Mühlhausen. Willstätter, prakt. Arzt. Bruchsal. Wimpf, Fabrikant. Weilburg. Kronenstr. 23. Winter, Oberamtmann. Müllheim. Vord. Zirkel 14. Wölf, prakt. Arzt. Aglasterhausen. Würtenberger, Oekonom. Dettighofeu. Adlerstr. 4. Zabern, Medieiner. Süd-Carolina. Zachariae, Bergwerksdireetor. Berghaupten. Zeroni, prakt. Arzt. Mannheim. Zähringerstr. 58. Zech, v., Amtsrichter. Offenburg. Stephanienstr. 98. Ziegler, Dr., Arzt. Freiburg. Neuthorstr. 30. r. Müller’schen Hofbuchdruckerei. TAGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IM JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Physikus Dr. Zollikofer. N: D. Den 20. September. 1858. Tagesordnung für Montag den 20. September. 1. Sectionssitzungen im Ständehaus und Polytechnikum von 8 Uhr Morgens bis 1 Uhr, und auf besondere Verabredung auch Nachmittags. 2. Von 7 Uhr an, durch die freundliche Veranstaltung der hiesigen Gemeindebehörden und der hiesigen geselligen Vereine, Ball in dem Museum, der Eintracht und dem Bürgerverein. Um 7 Uhr gehen die Geschäftsführer und Comitemitglieder von dem Aufnahmsbureau in Begleitung der sich ihnen anschliessenden Mitglieder und Theilnehmer nach dem Museum. Um 7: Uhr ebenso von dort nach der Eintracht, und desgleichen um 8 Uhr nach dem Bürgerverein. Zugänglich sind: Die Hofbibliothek von 11-12 Uhr und von 3—5 Uhr, die Kunsthalle von 3__6 Uhr, die Gewächshäuser von 9—12 Uhr und von 2—5 Uhr, die Sammlung der vaterländischen Alterthümer von 3—6 Uhr, der Bahnhof und das Maschinenhaus daselbst von 3—6 Uhr, das physikalische Cabinet von 36 Uhr, das chemische Laboratorium von 8—12 Uhr und von 3—6 Uhr, das Naturaliencabinet von 8—12 Uhr und von 35 Uhr, die Maschinen-Modellsammlung im Polytechnikum von 3—6 Uhr, das Mineraliencabinet daselbst, von 3—6 Uhr, die Hospitäler, das Pfründner- und das Waisenhaus den ganzen Tag. ’ Tu eER uno AS me Einladung zum Besuche in Illenau am 21. September. r Der durch das Programm für die diesjährige Naturforscherversammlung in Aussicht gestellte Besuch in Illenau hat die dortigen Aerzte -sowohl als die andern Angestellten mit grosser Freude füllt. Sie rechnen es sich zur hohen Ehre, die verehrten Mitglieder der V ersammlung und wenn deren Frauen mitkommen möchten, auch diese willkommen heissen zu dürfen, und wünschen, dass die Illenau gewidmeten Stunden einen freundlichen Eindruck hinterlassen möchten. Da aus naheliegenden Gründen die unmittelbare Berührung mit den Kranken nur für eine kleinere Zahl von Besuchern zulässig ist, so wird nichts übrig bleiben, als dass der grösseren Zahl der verehrten Gäste die Wohnungsräume und die manchfachen Einrichtungen gezeigt werden. 5 34 * Nach der Ankunft in Illenau, wohin man vom Bahnhof in einer halben Stunde kommt, begibt sich die Gesellschaft in den grossen Saal, wo sie von dem begleitenden Geschäftsführer vorgestellt, vom Director der Anstalt bewillkommt und hierauf durch eine kurze musikalische Unterhaltung be- grüsst wird. Nach derselben beginnt der Besuch der Anstalt in fünf Abtheilungen: die erste Abtheilung (15 an der Zahl) wird die männliche, die zweite (10) die weibliche Heilanstalt, die dritte (25) die männliche und die vierte (25) die weiblche Pflegeanstalt besuchen; die fünfte, welche die übrigen Mitglieder umfasst, wird die verschiedenen Räume und Einrichtungen der Anstalt besichtigen. Jede Abtheilung wird von einem Arzte der Anstalt, die fünfte überdies von den übrigen Be- amten begleitet sein. Haben sich dem Besuche die Frauen angeschlossen, so bieten sich die Oberaufseherinnen und Beamtenfrauen als Begleiterinnen an. Nach der Besichtigung der Anstalt soll ein Gang in die nächste Umgebung. statt haben. Für das Abendbrod (trockener Tisch zu 1 fl.) findet sich in den Gasthöfen zu Achern (Post, Adler, Engel) Gelegenheit. Von da gelangt man in 12 Minuten an den Bahnhof. Illenau, im September 1858. Dr. Roller. Zweite öffentliche Sitzung den 18. September. Ihre Königliche Hoheiten der Grossherzog und die Grossherzogin wohnten der ganzen Sitzung bei. Der Geschäftsordnung gemäss wurde zur Wahl des Versammlungsortes für die 35. Versamm- lung deutscher Naturforscher und Aerzte geschritten. Eine schriftliche Einladung war vom Magistrat der . Stadt Königsberg eingelaufen, eine zweite auf telegraphischem Wege den 18. d. M. Morgens von Bad Ems, und endlich durfte Düsseldorf als eine Stadt bezeichnet werden, die mit Freuden die - Naturforscher und Aerzte bei sich aufnehmen würde, wenn die Wahl auf dieselbe fiele. Professor Helmholtz sprach für Königsberg, auf welche Stadt die fast einstimmige Wahl fiel. Zu Geschäfts- führern für die hiernach in Königsberg stattfindende 35. Versammlung wurden Medieinalrath Professor Rathke und Professor v. Witten daselbst gewählt. Von den angekündigten Vorträgen wurden die der Herren Bronn, Dove, Petzval, Schaafhausen und Schwartz gehalten. Sitzungen der Sectionen. I. Section. 6eologie und Nineralogie. Dritte Sitzung am 18. September. Präsident: Herr Professor Studer aus Bern. 1) Professor v. Kobell aus München sprach über das Stauroseop. — Inhalt des Vortrags: Zweck, Einrichtung, Anwendung und Vorzeigung des Instruments. Pleochroismus der Krystalle. 2) Professor Dr. F. Sandberger: Ueber die Bohrung auf kohlensäurehaltige Soole zu Soden im Grossherzogthum Nassau. — Inhalt des Vortrags: Plan der Bohrung. Disposition der geologi- schen Verhältnisse von Soden. Ursprung der Quellen. Ausführung der Bohrung. Kurze Darstel- lung der Verhältnisse der Quellen von Homburg und Nauheim. Vorzeigung durchbohrter Gesteine von Soden. Auffindung von Eisenspath und arsenikalischen Fahlerzes in diesen Gesteinen, woraus der Eisen- und Arsengehalt der Sodener Quellen zu erklären ist. 35 3) Berghauptmann v. Carnall. — Erwähnung des Galmeivorkommens zu Wiesloch. Vor- zeigung seiner neuesten geognostischen Karte von Oberschlesien. Disposition der dortigen geo- gnostischen Verhältnisse. Vorkommen und Ausdehnung von Brauneisenstein, Galmei und Bleiglanz im Dolomit des Muschelkalks in Oberschlesien. Vorzeigung der Specialkarte der geognostischen Verhältnisse von Tarnowitz. Beschaffenheit des Galmeivorkommens. Gegenseitige Lagerung des rothen und weissen Galmei’s. Gegenwärtige Produktion: 600,000 Centner Zink aus 4 Millionen Centner Galmei. Ausdehnung der Steinkohlenbildung bei Gleiwitz, Nicolai, Misslowitz und Beuthen in Schlesien. Ausführung der Steinkohlenflötzkarte in „4455 Masstab. Praktischer Vortheil dieser Darstellungsmethode. Reichthum der dortigen Kohlenablagerungen. Gegenwärtiser Abbau. Vor- zeigung krystallisirten Gusseisens von Malapane in Schlesien. 4) Professor Beyrich aus Berlin sprach über das Vorkommen eines fossilen Hirsches aus der Familie Muntjak in der norddeutschen Tertiärbildung. Verbreitung der lebenden Familie Muntjak. Unterschied der fossilen von der lebenden Gattung. Vorzeigung eines fossilen Geweihes und Eckzahnes. 5) Professor Studer aus Bern sprach über die geognostischen Verhältnisse von Sitten in Wallis, das Verhältniss des Protogins zum Quarzit, Uebereinstimmung in dem Streichen der beiden (Gesteine. 6) Dr. Gergens aus Mainz gab eine kurze Mittheilung über Auffindung einer römischen Düngerstätte und Schuhmacherwerkstätte auf dem alten Köstrich in Mainz, in deren Lederresten er Struoit, Eisen- und Kupferkies als Neubildung fand, von welchem er Belegstücke vorzeigte. Schliesslich zeigte er einige Exemplare von ihm dargestellten Opals und Hydrophans. 7) Professor W. Girard über Melaphyr. — Er unterschied 2 Arten von Melaphyr, eine dichte jüngere und eine körnige ältere Varietät im Thüringerwalde und fordert die anwesenden Mitslieder auf, dahingehende Untersuchungen an anderen Orten anzustellen. Herr Professor Dr. F. Sandberger vertheilte im Auftrage der Subseriptionsgesellschaft zur Erriehtung des Buchdenkmals mehrere Berichte über die Ausführung desselben. Angekündigte Vorträge für die nächste Sectionssitzung am 20. September. 1) Dr. Volger aus Frankfurt: Mineralogische und geologische Mittheilungen. 2) Dr. Platz: Geognostische Mittheilungen über einen Theil des Schwarzwaldes. 3) Bergmeister Gümbel aus München: Ueber Keuper in den nordöstlichen Alpen. 4) Professor Roemer aus Breslau: Ueber die Spongien der silurischen Bildungen. 5) Professor Nordmann aus Helsingfors: Ueber die Palaeontologie Südrusslands. Präsident für die nächste Sectionssitzung: Herr Hofrath Bronn aus Heidelberg. I. Section. Botanik und Pflanzenphysiologie. Dritte Sitzung am 18. September. Präsident: ©. A. Schultz Bip. Grehaltene Vorträge: Herth: Ueber Wurzelausscheidung. Die Ausscheidung von CO, durch die Wurzelspitzen fand H. mittelst verschiedener Versuche bestätigt. Wiederausscheidung aufgenommener fester Stoffe (Salze) liess sich nicht nachweisen. C. Schimper erinnert an die Zerstörung kohlensauren Kalkes durch die Wurzeln von Pha- nerogamen, Algen, Flechten. Buchenau: Ueber zwei interessante Bürger der deutschen Flora. 1) Nartheeium assifragum, welehes sich in seiner Sprossfolse den mit Zwiebeln versehenen Liliaceen anschliesst. 2) Cornus suecica, dessen Verzweigung, Inflorescenz genau beschrieben wird. Die giftigen Eigenschaften von Nartheeium scheinen B. durch Erkrankungen der Rinde nach reichlicherem Genuss der Pflanze nachgewiesen. Schnittspahn, C. Schimper, C. H. Schultz theilen Beobachtungen und Bemerkungen mit. 36 C. Sehimper lud hierauf zum Besuch eines Tempels der Botanik in Schwetzingen ein. Walz macht auf die vor Kurzem publieirten Beobachtungen des Dr. v. Holle über Gestein- krystalle aufmerksam. Spricht sodann über die chemische Verwandtschaft zweier Cucurbituceen: Bryonia und Coloeymthis. Beide Pflanzen enthalten eine Reihe analoger, aber nicht identischer Stoffe. Fee trägt vor: 1) Sur la morphologie de UIris. An ‘eine morphologische Betrachtung der Irisblüthe knüpft F. die Bemerkung, dass es zwei Arten von Befruchtung der Phanerogamen gebe; durch den Pillenschlauch und in andern Fällen durch die mittelbar wirkende Foyille. Die An- nahme wird besonders auf den öftern Mangel einer pupillosen Narbenfläche gegründet. 2) Sur les arilles et les arillodes. Döll macht, in Bezug auf den zweiten Vortrag des Vorredners, auf die Vertheilung der Ge- fässbündel in den Samenschalen aufmerksam. de Bary hält die obigen Annahmen F&e’s über eine anders, als dureh den Pillenschlauch stattfindende Befruchtung für völlig unbegründet. ; C. Schimper fügt Bemerkungen bei über die Ausbildung von. Früchten ohne gleichzeitiges Reifen der Samen. C. H. Schultz demonstrirt 1) sechs Sybride von Hiaracien prenanthrides, 2) Quaphaliem, namentlich der Maccarenen und Comoren. Schultz spricht ferner über Wanderpflanzen, vorzugsweise über die Abstammung und das Wandern von Erigeron canadensis und Erigeron bonaviensis etc. Heiskarl theilt mit, dass auf Java Drichtites Valeria nifolia, durch Kaffesamen aus Brasilien eingeschleppt, neuerdings eingebürgert und ungemein verbreitet wurde. C. Schimper erwähnt der Galinsoga und Impatiens parviflora als um Carlsruhe allgemein verbreitet, und macht auf das Wandern einheimischer Pflanzen aufmerksam. Wigand erwähnt der wahrscheinlichen Einschleppung der Burnias orientalis nach Marburg durch Kosak. Hasert: Ueber mikroskopische Probeobjeete: Die Streifen auf den Pleurosigmaarten sind durch Punkte erzeugt, welche gute Instrumente deutlich machen. v. Jaeger spricht über Vorkommen von Früchten an männlichen Stöcken des Faunus elephan- tipes und über eine Vergrünung des Stachels von Kudbeckia purpurea. Wigand zeigt ein Stück Buchenkohle vor, bei welchem während der Verbrennung ein- gedrungene Schlacke sehr vollständige Abgüsse der Gefässlumina geliefert hat. Eingesandt wurde: Annuaire de linstitut des provinces, 1858, et des congres seientifiques, nebst einem Schreiben des Herrn de Caumont. Für die nächste Sitzung angemeldete Vorträge: v. Martius: Ueber die Frucht der Leeithideae. K. F. Schimper: Der mechanische Ursprung von Stipular- und Ligularbildung, bewiesen durch ausgezeichnete Erscheinungen bei Zea und anderen Gramineen. F. Schultz: über Mentha. Neubert: über künstliche Befruchtung. de Bary, über die Myxomyceten. Wigand: über die Organisation der Trichiaceae. de Bary: über. die entwicklungsgeschichtlichen Wachsmodelle des Herrn Dr. Ziegler. IV. Section. Mathematik, Astronomie und Mechanik. Dritte Sitzung am 18. September. Präsident: Professor Dr. Hesse. Secretär: Professor Dr. Wiener. Gehaltene Vorträge: Professor Dr. Argelander: Ueber die neuen Tafeln von Dr. Wolfers zur Reduction der Oerter der Sterne, als Fortsetzung der tabulae Regiomontanae von Bessel. 37 Der Redner entwickelt die Schwierigkeiten, welche in der Bestimmung der Fixsternörter ein- getreten sind, seitdem Bradley die scheinbaren Ortsveränderungen der Nutation und Aberration fand, und seitdem die Präcession durch genauere Theorien in verwickelteren Formeln dargestellt werden musste. Dazu kommt noch die eigene Bewegung der Fixsterne. Die Constante der Nutation war von Laplace, und die der Aberration von Delambre, letztere durch die Beobachtung der Jupiterstrabanten, bestimmt worden. Obgleich Bessel diese Grössen aus seinen Beobachtungen etwas anders fand, so hielt er diese seine Ergebnisse nicht für genügend sicher gestellt, um sie bei der Aufstellung seiner tabulae Regiomontanae anzuwenden; er behielt viel- mehr die früheren bei. Seitdem wiesen aber gehäufte Beobachtungen immer entschiedener auf die Aufstellung neuer Tafeln mit den verbesserten Constanten. Eine solche Veränderung hat aber die grosse praktische Schwierigkeit, dass dadurch frühere und spätere Beobachtungen und Berechnungen ausser Verbin- dung kommen. Professor Dr. Zech gab daher 1850 eine Fortsetzung der Bessel’schen Tafeln auf 10 Jahre noch mit den alten Constanten heraus. Da das Bedürfniss einer Veränderung aber immer dringender wurde, so gab Professor Wolfers neue Tafeln für 1860 bis 1880 mit den neuen Con- stanten heraus, im übrigen wesentlich von der Einrichtung der tabulae Regiomontanae. Der Redner gibt eine in’s Einzelne gehende Beschreibung der neuen Tafeln und hebt insbe- sondere hervor, dass bei der Aufstellung des Sternverzeichnisses zur Bestimmung der Lage des Frühlingspunktes, der Rectascension und Declination der einzelnen Sterne ein Mittel der Beobach- tungsergebnisse von Bessel, Struve, Argelander, Airy u. A. mit Recht den Ergebnissen vorgezogen wurde, welche Ein Mann an Einem Orte und vielleicht mit Einem Instrumente fand; dass ferner zur Bestimmung der eigenen Bewegung der Fixsterne die Resultate benutzt wurden, welche Peters aus einer neuen Berechnung aus den Papieren Bessels über die Verbindung der Beobachtungen des letzteren mit denen Bradleys fand, die fast vollständig mit denen Leverrier’s übereinstimmen. Privatdocent Dr. Escher: Ueber die Berechnung der Mantelfläche einer Kugelzone. Der Redner beweist durch eine einfache geometrische Betrachtung, dass dieser Mantel gleich der Fläche einer Ellipse ist, deren halbe Axen gleich sind den beiden Diagonalen, welche man in dem Axenschnitte der Kugelzone erhält. Angekündigte Vorträge für die nächste Sitzung, Montag um 11%, Uhr: Dr. Paul Zech: über eine einfache Darstellung der verschiedenen Krümmungen in einem Punkte einer Fläche 2. Grades. Professor Frisch: über seine Ausgabe der Werke Keplers. Dr. Weiler: über die Reduction der partiellen Differentialgleichungen auf die gewöhnlichen Differentialgleichungen. Auf den Vorschlag des Präsidenten geben sich alle Anwesenden durch Nennung ihres Namens zu erkennen. Es wird beschlossen, sich Abends in dem Museumsgarten zur geselligen Unterhaltung zusammen zu finden. Für die nächste Sitzung wird Hofrath Redtenbacher zum Präsidenten gewählt. V. Section. Physik. Dritte Sitzung am 18. September. Unter dem Praesidium von Professor Magnus wird die Sitzung eröffnet. Da am Montag eine vereinigte Sitzung der chemischen und physikalischen Section stattfindet, und von Ersterer bereits Professor Schönbein als Präsident gewählt wurde, so wählte die Section für diese Sitzung keinen weiteren Präsidenten, für Dienstag aber den Herın Professor Jolly. Für die vereinigte Sitzung wurden folgende Vorträge angekündigt: 1) Professor Fessler aus Wien: Ueber ein elektrochemisches Chronoscop. 2) Professor Belli aus Pavia: Ueber einen Apparat, der eine Verschiedenheit zwischen den beiden Elektrieitäten zeigt. Zur geselligen Unterhaltung wurde von Professor Magnus der Museumsgarten vorgeschlagen. . 38 Vorträge, die in der dritten Sitzung der physikalischen Section gehalten wurden: Herr Professor Böttger sprach zuerst über ein höchst einfaches Verfahren eine bedeutende Anhäufung der Elektrieität an den Enden einer Inductionsspirale zuwege zu bringen. Das Verfahren beruht darauf, dass das eine Ende der Inductionsspirale in leitende Verbindung gesetzt wird mit der Erde. Am andern Ende erhielt man alsdann bei Annäherung des Fingers Schläge wie von einer Flasche. Nach einer kleinen Diseussion, die sich über die Ursache dieser Erscheinung entspann, zeigte derselbe eine Geissler’sche Röhre, die etwas Jodquecksilber enthält, die Erscheinungen damit waren prächtig; er machte noch auf die 2 Spectra, die das violette und rothe Licht an den beiden Polen gibt, aufmerksam. Dann sprach derselbe über die Benutzung eines feinen Wasserstrahles als Elektroscop. Das Phänomen von Fuchs gelang trotz der feuchten Luft ausgezeichnet. Bei Annäherung einer geriebenen Glasröhre zeigen sich in einer Entfernung, wo blos von vertheilender Wirkung auf die Wassertheilchen die Rede sein konnte, dicke Tropfen, in geringerer Entfernung; wo eine Mittheilung von Elektrieität Statt findet, zeigt sich ein Auseinander- gehen der Wassertheilchen. Magnus bemerkt, dass das Letztere bei jeder Entfernung stattfindet, wenn um den unteren Theil des Wasserstrahles eine metallene Röhre gelegt wird. Magnus benachrichtigt die Seetionsmitglieder, dass Herr Kobell ein Stauroscop zur Ein- sicht aufgestellt habe. Hierauf sprach Herr Clausius: Ueber die Molekularbewegung in gasfürmigen Körpern. Der Redner bemerkt, dass seine theoretische Ansicht über die Ursache des Druckes der Gase von Vielen so missverstanden worden sei, als stelle er sich vor, die Gasmoleküle in einem Gefässe bewegten sich vom Boden bis zur Decke; er versichert, dass er sich die Bewegung der Gasmoleküle niemals so gedacht habe, sondern vielmehr so, dass die Wege, die die Gasmoleküle beschreiben, nicht bedeutend seien in Bezug auf den Radius der Wirkungssphären. Er gibt sodann einige For- meln an, die dazu dienen können, den mittleren Weg, den ein Gasmolekül beschreibt, zu berechnen, und glaubt schliesslich dadurch die Einwände, die aus dem erwähnten Missverständniss hervor gingen, gehoben zu haben. N VI. Section. Chemie. Dritte Sitzung am 18. September, 8 Uhr Morgens. Präsident: Professor Wöhler. Es sprachen: 1) Staatsrath Fritsche: Ueber feste Kohlenwasserstoffe; ferner: über die Isonitrophensäure. Auch zeigte er die Superoxyde des Benzoyls und Acetoyls vor, sowie eine Arbeit aus Aluminium. 2) Professor Schönbein: Ueber das Verhalten einiger Sauerstoffverbindungen zu einander. 3) Medieinalrath Mohr sprach über die Ableitung der absoluten Maase vom Kilogramm und demonstrirte den dabei benutzten Apparat. 4) Professor Kuhlmann: Ueber die Verfertigung künstlichen Baryts. Montag den 20. Extrasitzung in Gremeinschaft mit der physikalischen Seetion um 11 Uhr. Präsident: Professor Schönbein. ö Angekündigte Vorträge: 1) Professor Boettger: Ueber das Verhalten der Hornsubstanz zu Wasser und Wasser- dampf. Auch wird derselbe einige interessante Produkte vorzeigen. 2) Professor Kuhlmann wird seine in der vorigen Sitzung gemachten Mittheilungen fort- setzen etc. 3) Professor Nickl&s wird einige Versuche anstellen. VI. Section. Anatomie und Physiologie. Dritte Sitzung am 18. September. Präsident: Professor Rathke. Die Sitzungen werden fortan im Saale der I. Kammer gehalten. 39 Dr. Schiff: Ueber die Leitung des Tastgefühls im Rückenmarke. Er bedient sich eines eigenen Verfahrens, um die Hinterstränge zu erhalten, und kam zu dem Resultate, dass die Hinterstränge Empfindung leiten. Herr Professor Schiff wird später selbst eine Notiz über seinen Vortrag zu Protokoll geben. Professor Ecker leitet die Vorzeigung plastischer Darstellungen aus der Entwicklungsge- schichte durch eine Exposition von deren Nothwendigkeit und Nützlichkeit ein. Diese Modelle sollen 12 Serien bilden, von denen einige von Herrn Ziegler ausgeführt sind und der Versamm- lung vorgezeigt werden. Professor Ecker theilt bei dieser Gelegenheit einige Beobachtungen über die erste Entwicklung der Herzkammerscheidewand mit. Professor Kussmaul: Ueber einen Fall von Eileiterschwangerschaft mit Ueberwanderung des Eies unter Vorzeigung des Präparates. Der Eierstock der Seite, auf welcher sich der Fruchtsack findet, hat nur ein altes corpus nigrum, auf der andern Seite zwei gelbe Körper, von denen einer alle Charaktere besitzt, welche man nach Befruchtung eines Eies anzutreffen pflegt. Heranziehung der verwandten Fälle bei Thieren und Menschen. Untersuchung der Frage der Oyulation bei Schwangern, als der Vorfrage für Superfötation. Als mechanische Kraft zur Ueberführung des Eies ist die mus- culosa uteri anzusehen. Dr. Wundt: Ueber den Verlauf muskulöser Zusammenziehung. Wird seine Notizen selbst zu Protokoll geben. Discussion, an der sich Professor Kölliker, Professor Schiff betheiligen. Professor Schiff schlägt zuletzt Demonstration statt Discussion vor. Hierfür wird Montag Nachmittag bestimmt. Herr Professor Kölliker wird zum Präsidenten der nächsten Sitzung ernannt. Für den Abend wird der Museumsgarten bestimmt. Zoologische Abtheilung. Professor v. Siebold und v. Nordmann: Ueber einen merkwürdigen Polypenstock aus dem hiesigen Grossherzoglichen Kabinet. Halionema aus Japan, von Gray und Brandt beschrieben. Herr Schultze sprach über die Arten von Pentaceinus. Gemeldete Vorträge für die Abtheilung Anatomie und Physiologie. Herr Hasert: Ueber die wirkliche Gestaltung der mikroskopischen Probeobjecte. Dr. Schmidt: Ueber Photographien mikroskopischer Objeete. Dr. Schimper: Ueber merkwürdige symmetrische Abstossung und Mit-Heilung an der linken Hand nach Beschädigung der rechten. Professor Focke:; Ueber Organisation der Infussionsthiere. Professor Gerlach: Ueber Harnsecretion. Pagenstecher: Ueber Pilidium und andere Anneliden-Jugendzustände. VIII. Section. Mediein. Dritte Sitzung am 18. September, Nachmittags. Bei Verhinderung des designirten Präsidenten, des Herrn Professors Griessinger, wird Herr Pro- fessor Friedreich von Heidelberg zu dessen Stellvertreter ernannt. Von den angekündigt gewesenen Vorträgen werden die des Professors Fuchs, Sanitätsraths Dawoski und Professors Hoppe gehalten. (Die Verhandlung folgt nach.) Nächste Sitzung: Montag halb 11 Uhr. Angekündigte Vorträge: j 1) Professor Kussmaul: Ueber Schwangerschaft in der einhörnigen Gebärmutter mit verkümmertem Nebenhorn. 2) Professor Friedreich: Vorstellung einiger pathologischer Individuen. ” 3) Physikus Kirchhoff: Ueber Gehirntuberkeln. 40 4) Dr. Duchesne de Boulogne: De la curabilit@ de la surdi-mutile congeniale par la faradisation de corde du tympan et des museles moteurs des osselets. Präsident der nächsten Sitzung: Professor Virchow von Berlin. Nachmittags 4 Uhr: Demonstration von Sanitätsrath Dawoski, im städtischen Krankenhaus. IX. Section. Chirurgie, Ophthalmologie und Gynaekologie. Dritte Sitzung den 18. September, Morgens 8 Uhr. Präsident: Professor Bruns in Tübingen. Verhandlungen: 1) Der Vortrag von Dr. Battleben in Renchen über die Gestaltung des Lappens bei Nasenbildung aus der Stirnhaut, — in der Art, dass dessen Mittellinie nach der Seite der Wurzel zu liegen kommt, — ver- anlasst eine lebhafte Discussion und Opposition von Seiten des Präsidenten, Professor Roser, Geheimerath Chelius, Regimentsarzt Dr. Beck u. A. 2) Professor Roser erläutert seine in dem gestrigen Vortrag von Dr. Beck angegriffene Ansicht über die Brucheinklemmung durch Klappenmechanismus an einem Darmstück, ohne jedoch seinen Gegner zu über- zeugen, wie die darauf folgende Discussion zeigte, worauf er noch eines ähnlichen Klappenmechanismus bei einer Mastdarm- und einer Luftröhren-Strietur erwähnt. 3) Dr. Bruck in Breslau spricht über die perpendieuläre Ausziehung der Zähne unter Vorzeigung der von ihm construirten Zangen, deren Originalität jedoch nieht anerkannt wird. 4) Professor Adelmann in Würzburg zeigt eine einfache Vorrichtung zur Darstellung ophthalmosko- pischer transparenter Bilder nach Beobachtungen mit dem Augenspiegel. 5) Professor Langenbeck theilt einen Fall einer Fistel mit, deren eine Oeffnung sich auf dem Rücken oberhalb des Darmbeins, deren andere Oeffnung wahrscheinlich im Rachen sich befand. Wahl des Präsidenten für die nächste Sitzung (Montag früh 8 Uhr): Professor Rothmund in München. Angemeldete Vorträge: 1) Dr. Mercier in Paris: Sur Tanatomie, la physiologie et la pathologie des organes urinaires. 2) Sanitätsrath Dr. Eulenburg in Berlin: Ueber differentielle Diagnose der Scoliose. 3) Professor Palasciano m Neapel: Sur la perforation de Uunguis comme moyen de parvenir a la destruc- tion des polypes de la base du cräne. 4) Professor Hecker in Freiburg: Ueber Zerreissung der Harnröhre. 5) Dr. Battlehner: Anwendung des stumpfen Hakens in schwierigen Wendungsfällen nebst Vor- zeieung und Erklärung eines passenden Werkzeugs. 6) Professor Adelmann in Dorpat: Vorzeigen einer Resectionssäge. 7) Sanitätsrath Dr. Eulenburg: Vorzeigen einer Extensionsmaschine. Die Mitglieder der Seetion werden sich Abends im Museumsgarten zusammenfinden. XI. Section. Psychiatrik. Präsident: Geheimerath Dr. Damerow. Fortsetzung der gestrigen Discussion auf Grundlage von 20 durch Geheimerath Dr- Flemming aufge- stellten Thesen. Wahl des Präsidenten für die nächste Sitzung: Geheimerath Dr. Flemming aus Sachsenberg. Nächste Sitzung: Montag den 20. September, Morgens 8 Uhr. Tagesordnung: 1) Fortsetzung der heutigen Discussion. 2) Die bereits angekündigten Vorträge a) von Director Kern aus Gohlis und b) von Physikus Fischer: Ueber einen Fall von Mania transitoria und über den Einfluss der Einzel- haft für die Genesis der Seelenstörungen. 3) Neu angekündigte Vorträge a) von Dr. Brosius aus Bendorf: Einiges über das Non-Restraint-System , b) von Medieinalrath Hergt in Illenau: Ueber die Beziehungen von Uterinleiden zur Seelenstörung. 41 Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Sonntag den 19. September Abends erklärt haben. Mitgliedern Baer, v., Staatsrath. St. Petersburg. Erbprinzenstr. 23. | Scheidel, S. Alex. Frankfurt. Gold. Karpfen. Haussmann, Dr., Arzt. Stuttgart. Hr. v. Seldeneck. | Seemann, Berthold, Redacteur der Bonplandia. Lon- Müller, J., Professor. Freiburg. don. Gold. Karpfen. Theilnehmer. Althaus, v., Referendär. Freiburg. Carlsstr. 8. Pauli, Eduard, prakt. Arzt. Baden. Akademiestr. 16. Jack, Apotheker. Salem. Römischer Kaiser. Ruef, Arzt. Baden. Herrenstr. 30. Kinscherf, Chemiker. Weinheim. Sehwerd, Optiker. Speyer. Waldhorn. Klehe, Hüttenmann. Gaggenau. Stephanienstr. 52. | Verhoeven, Direetor. Montjoie. Neuthorstr. 34. Lother, Rechtsanwalt. Eppingen. Darmstädter Hof. | V oit, Professor. Paris. Durlach. Verzeichniss der übersandten Druckschriften. Ministerium des Innern. Statistik der innern Verwaltung des Grossherzogthums Baden: Bewegung der Bevölkerung in den Jahren 1852 bis mit 1855 und medieinische Statistik. 25 Abdrücke. Geologische Beschreibung der Umgebungen von Badenweiler. 25 Abdrücke. Ph. Spiller, Gymnasial-Oberlehrer in Posen, das Phantom der Imponderabilien in der Physik. 100 Hefte. Hofrath Dr. Schott, Wildbad Sulzbrunn bei Kempten in Bayern. 3 Abdrücke. C. M. Gast, die absolute Wahrheit und die naturgemässe friedliche Entwicklung. Revue d’hydrologie medicale, frangaise et etrangere, Nr. 6 in zahlreichen Abdrücken. Direction des Lyceums zu Carlsruhe, 30 Programme vom Jahr 1857/58. Uebersicht über die allgemeine Abnahme der Volkszahl oder über den physischen Banquerott der deutschen Länder. Stuttgart. Zahlreiche Abdrücke. K. A. Erb, versäumte Schulung für angehende Forscher auf jeglichem Felde der Alterthumsforschung. 1. und 2. Blatt, mehrere Abdrücke. K. K. geologische Reichsanstalt: Berichte vom 30. Juni und 31. August d. J. 2 Abdrücke. Der Berggeist, Zeitung für Berg- und Hüttenwesen. Nr. 35. 1 Abdruck. H. G. Bronn, Untersuchungen über die Entwicklungsgesetze der organischen Welt während der Bildung unserer Erdoberfläche. Eine von der französischen Akademie im Jahre 1857 gekrönte Preisschrift. Stuttgart. 1858. 8°, H. G. Bronn, morphologische Studien über die Gestaltungsgesetze der Naturkörper. Leipzig und Heidelberg. 1858. 8°. Dr. Philipp Platz, geognostische Beschreibung des untern Breisgau’s. 1858. 6 Abdrücke. H. Lang, das chemische Laboratorium an der Universität in Heidelberg. 1858. 3 Abdrücke. Bekanntmachungen. Das Anmeldebureau ist von heute an geöffnet: 1) von Morgens neun Uhr bis Nachmittags drei Uhr; 2) von Abends sechs bis neun Uhr. Zum Besuch des Militär-Hospitals und der darin aufgestellten Ausrüstungsgegenstände (Feldh>spital- Einrichtung, Verbandarzneiwagen etc.) werden die Herren Aerzte auf Montag den 20., Nachmittags 34 Uhr, eingeladen, wo der ordinirende Hospitalarzt ihnen mit Vergnügen als Führer dienen wird. Besucher, welchen übrigens diese Zeit nicht gelegen ist, werden auch zu jeder Stunde eines andern Tages den Hospitalverwalter zu beliebiger Auskunft bereit finden. 42 Montag den 20. findet wegen der Vorbereitungen zum Festball kein Diner in den beiden Museums- localen statt. Zum Behuf speciellerer Betrachtung des Grossherzoglichen Naturaliencabinets erbietet sich Professor Seubert zum Führer durch dasselbe am Montag Nachmittag, und wollen sich die Herren, die darauf refleetiren, um halb 3 Uhr im Museumsgarten einfinden., Fst .. [_] am 20. IX. Ab. 6 U. Darmstädter Hof. Anzeigen. Einige ausgezeichnete Mineralien aus der nachgelassenen bekannten Sammlung des verstorbenen Apo- theker Kindl in Lübeck sind zur gefälligen Ansicht und Auswahl ausgestellt im Hötel Grosse Nro. 8. J.H.cC. A Meyer aus Hamburg. Einige optische Apparate, besonders zur POLARISATION DES LICHTES, sind zur gefälligen Ansicht im Polyteehnikum neben dem Sectionszimmer für Physik aufgestellt von Wilhelm Steeg, Optiker aus Bad Homburg. Die Mikroskope von Belthle und Rexroth (C. Kellners Nachfolger) sind Montag den 20. in der Section für Anatomie und Zoologie zum letztenmale bis 2 Uhr Nachmittags zur gefälligen Ansicht aufgestellt. Fr. Belthle aus Wetzlar. Mikroskope, welche die Probeobjecte in neuer Weise lösen und neben den üblichen Liniensystemen auch die Punkte und deren Gestaltungen zeigen, können Nachmittags von 21, Uhr an im Locale der anatomisch- physiologischen Section gesehen werden; dieselben sind von mir construirt. B. Hasert, Professor aus Eisenach. Eine Nineraliensammlung von oryetognostischen und geognostischen Stücken wird verkauft und steht zur Einsicht in Nr. 41 der Herrenstrasse. Für die Herren Geologen und Mineralogen! Ittnerite, Fauyasite, Arragonite, Hyalithe, Pyrochlor aus dem Kaiserstuhl, Kobaltblüthe und gediegene Silberstufen aus dem Kinzigthale sind aufgestellt und werden zu billigen Preisen verkauft bei Conradin Haagel, Langestrasse Nr. 153, dem Museum gegenüber. Eine Schmetterlingssammlung in ungefähr 500 eingekitteten Glaskästchen, die viele ausländische Schmet- terlinge enthält, ist billig zu verkaufen und kann jeden Tag in der Herrenstrasse Nr. 42 Nachmittags eingesehen werden. Im Polytechnikum ist eine Sammlung Mineralien (circa 3000 Stück), theils vom Kaiserstuhl und theils aus der Rheinprovinz, zu verkaufen. Im Hause Nr. 50 der Kronenstrasse (erster Stock) sind nachstehende Werke um billigen Preis gegen gleich baare Bezahlung zu verkaufen : Wunderlich, Handbuch der Pathologie und Therapie. — V. Bruns, Handbuch der praktischen Chi- rurgie und chirurgischer Atlas dazu. — Paul Zeiller, Geburtshülflicher Handatlas nebst Erklärung. — J. U. Masse, vollständiger Handatlas der Anatomie. — Fr. Oesterlen, Handbuch der Hygienie. — Nä- zele, Lehrbuch der Geburtshülfe. — Valentin, Grundriss der Physiologie. — Ludwig Schmarda, geographische Verbreitung der Thiere. Frick, physikalische Technik. — J. R. Blum, Lehrbuch der Oryktognosie. — Oesterlen, Handbuch der Heilmittellehre. — J. M. Kreutzer, Grundriss der Veterinär- mediein. — R.H. Lotze, medieinische Psychologie. — J. Guislains, klinische Vorträge über Geisteskrank- 45 heiten. — A. Förster, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. — J. Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie. — C. Bergmann und R. Leukart, vergleichende Anatomie und Physiologie. — H. Häuser, Lehrbuch der Geschiehte der Mediein. — A. Morison, Physiognomik der Geisteskrankheiten. — C. G. Carus, Symbolik der menschlichen Gestalt. — K. E. Bock, Lehrbuch der Diagnostik. — Fr. Mohr, Lehrbuch der pharına- zeutischen Technik. — W. Artus, Receptirkunst. — A. Wiggers, Grundriss der Pharmakognosie. — Gurlt, preussische Pharmakopoe. — R. Schwarz, Memoranda der physiologischen Chemie. — Schauenburg, Ophthalmiatrik. J. Müller, Lehrbuch der Physik und Meteorologie. — U. Vogt, Lehrbuch der Geologie und Petrefactenkunde. — C. Martiny, Naturgeschichte der für die Heilkunde wichtigen Thiere. — OÖ. Schmidt, Handatlas der vergleichenden Anatomie. — Froring, Notizen über Natur und Heilkunde. III. u. IV. Band. — C. Fr Fuchs, medieinische Geographie. — P.N. Gernly, Anatomie der äussern Form des menschlichen Körpers. — Rowoth und Vocke, chirurgische Klinik. — R. Froring, anatomischer Atlas. Ferner ist zu verkaufen: Ein ganz neues chirurgisches Verbandzeng. Im Commissionsverlage von Ernst Renrerd in Posen ist erschienen und vorräthig in der A. GESSNER’- schen Buchhandlung und G. Braun’schen Hofbuchhandlung in Carlsruhe: Das Phantom der Imponderabilien in der Physik. Ein Versuch zu einer neuen Theorie des Magnetismus und der Electrieität in ihren Beziehungen auf Schall, Licht und Wärme. Gewidmet der 34. Versamınlung der Naturforscher und Aerzte zu Carlsruhe in Baden von Ph. Spiller. Preis 54 kr. Unter der Presse befindet sich und erscheint demnächst im Verlag von Frpor. VırwEes & Sonn in Braunschweig: Systematische Zusammenstellung der organischen Verbindungen von Dr. €. Weltzien, Hofrath und Professor in Carlsruhe. Im Verlag der G. Braun’schen Hofbuchhandlung in Carlsruhe ist erschienen und durch alle Buchhand- lungen zu erhalten: Döll, J. Ch., Geh. Hofrath und Professor, Vorstand der grossh. Hofbibliothek und Mitglied des grossh. Ober- studienrathes, Flora des Grossherzozthums Baden. 8°. I. Band Preis 3 fl. 12 kr. II. Band 1. Heft Preis 1 fl. 36 kr. In der Hofbuchhandlung von A. BirLerELo ist zu haben: Neydeck, Der Buchs, das zuverlässigste und billigste Heilmittel der Wechselfieber. Ein Stellvertreter der China und anderer Medieamente gegen Wechselfieber. Preis 15 kr. Nach den Erfahrungen des Verfassers übertrifft der Buchs alle bisher bekannten Medicamente bei den Wechselfiebern, indem in den meisten Fällen nur eine Dosis genügt, das Fieber gänzlich zu beseitigen; dabei ist dessen Anwendung zugleich höchst einfach und wohlfeil, und es können dadurch bedeutende Summen dem Lande erhalten werden, die seither für China ete. in das Ausland gingen. Zugleich theilt der Verfasser ein ganz kostenfreies Verfahren mit, den Buchs gegen ausfallende Haare sowohl als auch zur Beförderung eines starken Haarwuchses anzuwenden. Im Verlage der Chr. Fr. MWüller’schen Hofbuchhandlung ist so eben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: Das Chemische Laboratorium an der Universität in Heidelberg Von H. Lang. = Ein Heft in Royalfol. 5 Farbendrucktafeln mit 2 Bogen Text. Preis 4 fl. 44 Einladung zur Pränumeration auf die österreichische botanische Zeitschrift. Gemeinnütziges Organ für Botanik und Botaniker, Gärtner, Oekonomen, Forstmänner, Aerzte, Apotheker und Techniker. Diese Zeitschrift erscheint ununterbrochen seit dem Jahre 1851 und hat sich bereits die ausgedehnteste Verbreitung gesichert. Sie stellt sich die Aufgabe, den allseitigen Interessen botanischen Wissens aa Wirkens zu entsprechen, den praktischen Nutzen, wo sich ein solcher aus den täglichen Fortschritten der Wissenschaft ergibt, zu berücksichtigen, und die Leser stets auf dem Niveau des sich auf dem Gebiete botanischer Bestre- hanzen als neu und bemerkenswertli Ergebenden zu erhalten, sie zu belehren, zu unterhalten und anzuregen. Dieser Mission suchte die Redaetion bisher dadurch nachzukommen, dass sie Original- Abhandlungen über Stoffe aus dem ganzen Umfange der botanischen Wissenschaft und von mehr als hundert Ankären dann Original-Correspondenzen aus dem In- und Auslande brachte, dass sie ausführliche Berichte über die Ver- handlangen und Leistungen gelehrter Corporationen und botanischer Anstalten mittheilte, literarische Erschei- nungen und botanische Unternehmungen besprach, endlich alles dieses durch eine fortlaufende Reihe von in- teressanten Notizen und dort, wo es sich als nöthig darstellte, durch Xylographien, Lithographien und andere Beilagen ergänzte und vervollständigte. Dabei nahm sie stets eine besondere Rücksicht auf die österreichische Flora und jene Bestrebungen, die zu dieser in irgend einer, Beziehung stehen. Die „österreichische botanische Zeitschrift“ (früher „österreichisches botanisches Wochenblatt“) erscheint in monatlichen Heften. Man pränumerirt auf dieselbe mit 5 fl. Conv.-Münze (3 Rthlr. 10 ngr.) ganzjährig oder mit 2 fl. 30 kr. halbjährig, und zwar für Exemplare, die (sogleich nach ihrem Erscheinen) frei durch die Post bezogen werden sollen, ausschliesslich bei der Redaetion (Wien, Wieden Nr. 331), in welchem Falle bei Zu- sendung des Pränumerationsbetrages um die genaue und deutlich geschriebene Adresse mit Angabe der letzten Post ersucht wird. Alle Buchhandlungen des In- und Auslandes nehmen ebenfalls Pränumerationen an und erhalten die einzelnen Nummern durch Vermittlung der C. GrroLp’schen Buchhandlung (Wien, Stephansplatz) zugesandt. Von den früheren Jahrgängen können jene von 1851 bis 1856 einzeln zu 2 fl., Jahrgang 1857 um 4 fl. bezogen werden. Wien, im September 1858. Dr. Alex. Skofitz, Wieden, Neumannsgasse Nr. 331. Berichtigungen. Mineralogische Section. — Die im Tagblatt Nr. 2: „1., 2., 3. und 4. Section“ beruht auf einem Irrthum; die Präsidenten wurden gewählt für die „1., 2., 3. und 4. Sectionssitzung“. In dem Verzeichniss der Herren Mitglieder in "Nr. 2 lies: ig Feilitzsch, statt Frildtzsch. Hr. Prof. van Beneden aus Löwen wohnt nicht im weissen Riecken, Dr., Leibarzt des Königs der Belgier, statt Rie- | Löwen, sondern Amalienstr. 69. eken, Dr., Spitalarzt. Buch, Advocat aus Freiburg, — nicht Apotheker. Pollau von Windsheim, statt Sommer von Windsheim. Hessler, ‚Professor. Wien — ist unter den Theilnehmern zu Buff, statt Ruff. streichen. 2 Störrenberg wohnt Langestr. 171. Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller’schen Hofbuchdruckerei. TAGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IN JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Plıysikus Dr. Zollikofer. N® 6, Den 21. September. 1858. Tagesordnung für Dienstag den 21. September. 1. Sectionssitzungen von 8— 11 Uhr. 2. Nachmittags um 121, Uhr versammeln sich die Aerzte auf dem Bahnhofe zu einer freien Fahrt nach Illenau, unter Begleitung des Geschäftsführers Medieinalrath Dr. Volz. Abfahrt genau um 1 Uhr. Rückfahrt von Achern um 9%, Uhr präcis. Nach der Ankunft in INenau, wohin man vom Bahnhof in einer halben Stunde kommt, begibt sich die Gesellschaft in den grossen Saal, wo sie von dem begleitenden Geschäfts- führer vorgestellt, vom Director der Anstalt bewillkommt und hierauf durch eine kurze mu- sikalische Unterhaltung begrüsst wird. Nach derselben beginnt der Besuch der Anstalt in fünf Abtheilungen : die erste Abtheilung (15 an der Zahl) wird die männliche, die zweite (10) die weibliche Heilanstalt, die dritte (25) die männliche und die vierte (25) die weibliche Pflegeanstalt besuchen; die fünfte, welche die übrigen Mitelieder umfasst, wird die verschiedenen Räume und Einrichtungen der Anstalt besichtigen. EB Jede Abtheilung wird von einem Arzte der Anstalt, die fünfte überdies von den übrigen Beamten begleitet sein. Haben sich dem Besuche die Frauen angeschlossen, so bieten sich die Oberaufseherinnen und Beamtenfrauen als Begleiterinnen an“ Nach der Besichtigung der Anstalt soll ein Gang in die nächste Umgebung statt haben. Für das Abendbrod (trockener Tisch zu 1 fl.) findet sich in den Gasthöfen zu Achern (Post, Adler, Engel) Gelegenheit. Von da gelangt man in 12 Minuten an den Bahnhof. 3. Die übrigen Mitglieder und Theilnehmer der Versammlung können entweder zu einer Ex- eursion mit dem gewöhnlichen Zuge um 2%, Uhr, unter Begleitung des Geschäftsführers Hofrath Dr. Eisenlohr, nach Durlach fahren und dort unter Führung des Professors Dr. Sandberger die geognostischen Verhältnisse der Umgebung kennen leınen, oder unter Begleitung des Hofraths Dr. Weltzien über die chemische Fabrik des Herın Pauli bei Rüppurr dorthin gehen. Da aber der dortige Gemeinderath die sämmtlichen Gäste in einen Weinberg zur Traubenlese führen will, so werden wohl die meisten es vorziehen, dieser freundlichen Einladung zu folgen. Zu diesem Zwecke versammelt man sich um 31, Uhr auf dem Marktplatze zu Durlach. Bei einbrechender Dunkelheit versammelt man sich 6 46 wieder in dem Gasthause zur Carlsburg daselbst, wo nach der Karte gespeist wird, und kehrt mit dem gewöhnlichen Zuge um 9 Uhr 50 Minuten nach Carlsruhe zurück. Die Damen der Mitglieder und Theilnehmer werden von Seiten der Stadt Durlach freundlichst eingeladen, diese Exeursion durch ihre Anwesenheit verschönern zu wollen. Abends 6 Uhr Hoftheater. Coriolan. Trauerspiel in 5 Acten von Shakespeare, nach Tieck’s Uebersetzung für die Bühne eingerichtet von Eduard Devrient. Die Ouverture von Beetho- ven und die zur Handlung gehörige Musik von W. Kalliwoda. Zugänglich sind: = a. Die Hofbibliothek von 11—12 Uhr und von 3—5 Uhr, b. die Gewächshäuser von 9—12 Uhr und von 2—5 Uhr, ce. das Naturaliencabinet von 8—12 Uhr und von 3—5 Uhr, d. die Hospitäler, das Pfründner- und das Waisenhaus den ganzen Tag. Sitzungen der Sectionen. I. Section. Mineralogie und Geognosie. Dritte Sitzung am 20. September. Präsident: Herr Geh. Rath v. Nöggerath. 1) Staatsrath Nordmann aus Helsingfors sprach über Knochenablagerungen in Kalkstein bei Odessa, Reste von Bären, Verschiedenheit des fossilen Fuchses vom lebenden, tertiäres Becken in Bessarabien, geo- gnostische Verhältnisse des östlichen Theils der Krimm, Vorkommen von Vivianit in den Höhlungen von Knochen, Identität des Ursus arctoideus mit dem lebenden, Ursus Leodiensis, und zeigte 2 Lieferungen seiner Palaeontologie Süd-Russlands vor. 2) Professor Ferd. Römer sprach über die Spongien der silurischen Formation und den Zusammenhang der einzelnen silurischen Bildungen. 3) Dr. Volger aus Frankfurt sprach über die Capillaritätserscheinungen bei der Kıystallisation und die dabei auftretenden mechanischen Wirkungen, Spaltenausfüllung, Pseudomorphosen von Feldspath nach Kalk- path, Schichtenfaltung und deren Erklärung durch die Ausdehnung, welche bei der Krystallisation später in- filtrirter Substanzen stattfindet. Professor H. Girard bezweifelte die von Dr. Volger gegebene Erklärung der Schichtenfaltung. 4) Dr. Platz sprach über die geognostischen Verhältnisse der Gegend, nördlich von Freiburg und einige Hebungen, welche an den dortigen Flötzformationen beobachtet wurden, und die dabei auftretenden Verwerfungen. 5) Professor Dr. F. Sandberger sprach über die Land- und Süsswasserfauna des Mainzer Tertiär- beckens, wobei er sich verbreitete über Peetuneulussand, Cynenenmergel, deren technisches Interesse, Ver- breitung der Braunkohlen in letzteren, Verbreitung der Melanienschichten, Verhältniss des Landschnecken- und Cerithienkalks zur unteren und oberen Schweizer-Süsswassermolasse, Litorinellenkalks, Bohnerzablage- rungen mit Mastodon angustidens, Verhältniss des Wiener Beckens zur Schweizermolasse und dem Becken von Mainz, den Werth von Pflanzen- und Landschnecken zur Bestimmung des Klima’s, die Aehnlichkeit der Land- und Süsswasserfauna des Mainzer Beckens mit der jetzigen Fauna Süd-Europa’s, Nord-Afrika’s und eines Theils von Westindien. 6) Professor Kurr aus Stuttgart gab eine Schilderung der Erscheinungen bei der letzten Thätigkeit des Vesuvs. 7) Mr. De Caumont legte einige Exemplare der von ihm entworfenen agronomischen Karten nebst Text vor. Zum Präsidenten der nächsten Sectionssitzung wurde wegen Abwesenheit des früher gewählten Präsi- denten Herrn Hofraths Bronn durch einstimmige Acelamation Herr Berghauptmann v. Carnall erwählt. 47 Angekündigte Vorträge: Bergrath Walehner: Ueber das Vorkommen der Nickelerze im Schwarzwald. Derselbe: Ueber alte Gletschermoränen im Schwarzwald. Derselbe: Ueber Gänge des Schwarzwalds und deren Verhältniss zum Porphyr. Professor H. Girard: Ueber die Lagerungsverhältnisse des rheinisch-westphälischen Uebergangsgebirges. Dr. ©. Fraas aus Stuttgart: Ueber Stilolithen. Derselbe: Ueber Bauchloben von lineaten Ammoniten. Dr. J. Schill: Ueber die Lagerungsverhältnisse der Tertiär- und Quartärbildungen am nördlichen Bodensee und im Höhgau. Professor Fischer aus Freiburg: Ueber Felsarten, Mineralien und Petrefaeten des Schwarzwaldes. Dr. Volger: Mineralogische und geognostische Mittheilungen. I. Section. Botanik und Pflanzenphysiologie. Vierte Sitzung am 20. September. Präsident Professor Meisner. K. Schimper erklärt die Ligular- und Stipularbildungen bei den Gräsern und ähnliche Er- scheinungen bei andern Pflanzen durch mechanische Ursachen. Wigand spricht sich dafür aus, dass der Grund der Pflanzengestaltungen ausschliesslich in dem Wesen der Pflanze selbst und des betreffenden Organs, nicht aber in mechanischen Einwirkun- gen von Aussen seinen Sitz habe, und beruft sich speciell für die Gras-Ligula auf die Beobachtung der Entwickelungsgeschichte. Buchenau führt in demselben Sinne die Entstehung analoger Bildungen auf dem Blumenblatt von Steseda an. K. Schimper zeigt verschiedene Beispiele von gemischtem Geschlecht an männlichen und weiblichen Blüthenständen von Zea Mays, sowie Beweise für die künstlich umgekehrte, nach einem Jahr am nächsten Jahrestriebe normal wiederkehrende Richtung der Blätter von Taxus vor. F. Schultz erklärt die gewöhnlich vorkommende Verwechselung von Mentha sativa mit Formen von M. aquatica durch die unpassende Unterscheidung nach kopf- und quirlständigen Blüthen. K. Schimper hebt von morphologischer Seite das Vorkommen einer endständigen regel- mässigen Blüthe an Mentha aquatica als unterscheidendes Merkmal hervor, und erinnert an die selbst bei Metrosideros gelegentlich vorkommende Terminalblüthe. Döll erwähnt das Auftreten endständiger und zwar alsdann gleichmässiger resp. Pelorien- blüthen bei Digitalis purpurea, Antischinum majus, Linaria vulgaris und spuria. Neubert erzählt von seinen Versuchen mit Cacteen, deren Befruchtung leichter zwischen ver- schiedenen Species als an einer und derselben Art gelingt, sowie über die mehrere Jahre sich er- haltende Befruchtungsfähigkeit des Pollens. Nach Fr. Sehultz gelingt Hybridation bei Verbascum bei Nacht, nicht aber bei Tag. De Bary beschreibt die Entwickelung der Myzwomycetes, insbesondere von Aethalium septieum und Didymium, deren Anfänge auf Amöben zurückführt und damit für die ganze Gruppe die thierische Natur wahrscheinlich gemacht wird. } Wigand vertheidigt die pflanzliche Natur von Triehia und Areyria aus deren Organisation, weist deren Peridium als einfache Zelle nach, erklärt das Verhältniss der Sporen zu dem Capillittum und den anatomischen Bau des letzteren, und weist auf die Bedeutung dieser Verhältnisse für die Systematik hin. Seubert zeigt das Originalexemplar der von Linne& zu Ehren der Markgräfin Caroline Luise von Baden benannten Carolina princeps L., legt sodann Maserbildungen von einer Eiche, welche durch Grossherzogliche Direction der Forste ete. eingesandt waren, vor, welche von den Anwesenden, und insbesondere von Mettenius, indem er zugleich verwandte Bildungen bespricht, als Adventivsprosse erkannt werden. K. Sehimper spricht über verschiedene Erscheinungen von Wachsthum des Holzkörpers. v. Martius legt die Frage über die verschiedenartige Entwickelung der Orangen vor, je 48 nachdem dieselben von zufällig angesäten oder künstlich angebauten Bäumen stammen, sowie über die verschiedene Ausbildung der Dattelfrucht an Bäumen, je nachdem letztere aus Samen oder Sprösslingen gezogen sind. K. Sehimper macht auf den Einfluss, welchen sowohl die Zeit der Aussaat als insbesondere auch die Anordnung des Samens in der Frucht und in der Pflanze auf die Eigenschaften der Pflanze auch bei einheimischen Pflanzen ausübt, aufmerksam. Durch einstimmigen Beschluss wird folgende telegraphische Depesche an Professor Alexander Braun in Berlin (zur Zeit auf Wollin) abgesandt: Carlsruhe, 20. September 1858. „Die botanische Section deutscher Naturforscher, Ihre Abwesenheit bedauernd, sendet Ihnen ihren Gruss und den Ausdruck der Verehrung, der Sie, ebenso den Geist in der Natur erkennend wie Gott über der Natur bekennend, durch Ihre tiefen und umfassen- den Forschungen auf dem gesammten Gebiete der Botanik uns als anregendes Vorbild voranleuchten.“ Zum Präsidenten für die folgende Sitzung wird Geh. Hofrath Döll gewählt. Angemeldete Vorträge: v. Martius: 1) über die Frucht der Leeythidea; 2) über das Geigen-Resonnanz-Holz. Meisner: über die Verwandtschaft der Hernandiaceae. Buchenau: über die Entwickelung der leeren Fächer bei Valerianella. Wigand: über die Ranke und die Sprossfolge bei den Cueurbitaceae. K. Sehimper: über das Verhalten in Gestalten der Cryptogamen, der Moose, Flechten und Pilze nach den bezogenen Standorten unter Vorlegung lehrreicher Sammlungen. Radlkofer: über das Diekenwachsthum des Dickotyledonenstammes. De Bary: weitere Mittheilungen über die Myzomyecetes. IV. Section. ‘Mathematik, Astronomie und Mechanik. Vierte Sitzung am 20. September. Präsident: Bei Verhinderung des Hofrath Redtenbacher, Professor Dr. Zech. Secretär: Professor Dr. Wiener. Gehaltene Vorträge: Dr. Paul Zech: Ueber eine einfache Darstellung der verschiedenen Krümmungen in einem Punkte einer Fläche zweiten Grades. — Der Redner kommt auf analytischem Wege zu dem Er- gebnisse, dass man für einen Punkt P der Fläche zweiten Grades, wofür er als Beispiel ein Ellipsoid nimmt, ein anderes Ellipsoid erhalte, welches mit einem ihrer Scheitelpunkte die gegebene Fläche so berührt, dass sie nach allen Richtungen hin gleiche Krümmungshalbmesser besitzt, wenn man durch den Mittelpunkt der gesebenen Fläche eine Ebne legt, welche alle mit der Normale von P parallelen Sehnen halbirt, durch den Schnitt dieser Ebne mit der Fläche und P als Spitze eine Kegelläche beschreibe, diese durch eine andere Ebne schneide, welche die Normale von P senk- recht halbirt. Die so erhaltene Durchschnitts-Ellipse ist dann ein Hauptschnitt und P ein Scheitel- punkt des verlangten Ellipsoids von übereinstimmenden Krümmungshalbmessern. Der Redner zeigt, dass sich daran leicht der Beweis des Satzes knüpft, dass die Summe der Krümmungen an einem Punkte einer Fläche constant ist. Professor Frisch: Ueber seine Ausgabe der Werke Keplers. — Der Redner zeigt den ersten Band, Bogen des im Druck begriffenen zweiten Bandes dieser Ausgabe, welche 8 Bände umfassen wird, und einen Steindruck eines autographischen Briefes Keplers vor. Er gibt kurz den Inhalt des ersten Bandes an, erläutert, dass er die chronologische Reihenfolge der Entstehung beibehalten, dass er die oft sehr umfangreichen Briefe wegen der Manmnigfaltigkeit ihres Inhaltes dem Gegenstande nach gespalten und den Schriften, von denen sie handeln, vorgesetzt, und endlich, dass er die beigefügten Notizen lateinisch geschrieben habe, weil auch Kepler sich meist dieser Sprache bedient, und ausserdem, damit auch für die Nichtdeutschen keine Schwierigkeit entstände. Der Redner führt an, dass er durch 25 Jahre grosse Mühe und Mittel dieser Arbeit zugewendet, 49 indem er die Hauptquelle, nämlich die Petersburger Manuseripte, 24 meist von Kepler selbst ge- schriebene Folianten, welche ihm durch Professor Struve zur Benutzung verschafft wurden, theils selbst abgeschrieben, theils von anderen habe abschreiben lassen, dass er Reisen und Nachforschungen angestellt; dass auch die Theilnahme in Deutschland über Erwarten gross, dagegen in England und Frankreich sehr klein ausgefallen sei, damit nun das weitere Erscheinen dieses Werkes nicht in Frage gestellt werde, fordert er die Versammlung auf, seine Verbreitung möglichst zu unterstützen. Professor Dr. Zech, Argelander und Hesse sprechen sich über das Verdienstliche des vorliegenden Werkes aus und geben als ein wesentliches Mittel der Verbreitung persönliche Em- pfehlung an. Auf ihren Antrag beschliesst die Versammlung : zu Protokoll niederzulesen, dass sie die Fortsetzung des Werkes, welches schon eine gewisse Anerkennung gefunden habe, für wünschenswerth halte. Dr. Weiler hält einen Vortra& darüber, in weleher Weise die Lagrange’sche Reduction der partiellen Differentialgleichungen der ersten Ordnung und des ersten Grades auf gewöhnliche Diffe- rentialgleichungen zu benutzen ist, um daraus für die wirkliche Integration der Diffferentialglei- chungen Nutzen zu ziehen, worüber eine Discussion zwischen dem Redner und Professor Dr. Hesse entsteht. ' Angekündigter Vortrag für die folgende Sitzung, Dienstag 10, Uhr: Professor Schwerd: Ueber ein von ihm construirtes Photometer zur Bestimmung der Helliskeit der Fixsterne. Zum Präsidenten für die nächste Sitzung wird Hofrath.Redtenbacher gewählt. V. und VI. Section. Chemie und Physik. Sitzung am 20. September, 11 Uhr Morgens. Präsident: Professor Schönbein: Professor Böttger sprach: 1) Ueber das Verhalten der Hornsubstanz zu Wasser und Wasserdampf. Eine an verschie- denen Stellen seknickte Gänsefeder lässt nach dem Eintauchen in heisses und sodann in kaltes Wasser die eingeknickten Stellen nicht mehr erkennen. 2) Ueber eisenthümliche Corrosionen an Zinnröhren. Schönbein hat ähnliche löcherför- mige Bildungen an Orgelpfeifen zu beobachten Gelegenheit gehabt. 3) Zeigte derselbe einen vom Blitz zerschlagenen Telegraphendraht vor. Professor Kohlmann theilte weitere Mittheilungen über die aus Manganchlorür, Schwerspath und Kohle erhaltenen Producte mit. Professor Wöhler machte darauf verschiedene Versuche mit dem selbstentzündlichen Silieum- wasserstoffas. Professor Magnus zeigte den Versuch, dass grössere Massen von Eisenfeille am Magneten, nachdem ein brennendes Holz daran gebracht, an der Luft glühend werden. Nachdem die Section dem Herrn Professor Magnus durch stürmischen Applaus ihren Dank für seinen schönen Versuch zu erkennen gegeben hatte, sprach Plücker zuerst über das Speetrum des elektrischen Lichtes in Geissler’schen Röhren, die Spuren a) von einfachen Gasen, b) von Gemengen solcher, ce) von chemischen Verbreitungen der- selben enthalten. - Unter a) untersuchte er die Spectra von H und N. Unter b) fand er, dass man das Spec- trum von Gemengen erhält, wenn man die Spectra der Bestandtheile einfach übereinander lagert. Unter ce) fand er, dass das Spectrum von NH3 aus der Uebereinanderlagerung der Spectra von N und H entsteht, und dass das Spectrum von CO? ebenso aus der Uebereinanderlagerung der Spectra von C und O gebildet werden kann; woraus er schliesst, dass das erstere Gas durch den e Strom alsobald in N und H, das letztere in CO und OÖ zerfällt. Endlich kommt er zu dem Schluss, dass der absolut leere Raum den Strom nicht zu leiten im Stande ist. Dann sprach derselbe: Ueber eine merkwürdige Wirkung eines Magnets auf das Licht an der negativen Elektrode der Geissler’schen Röhre. 50 “ Das Licht, das nämlich an diesem Pole sich zeigt, zieht sich unter Wirkung eines Magnets in eine hell erleuchtete Linie zusammen; diese Linie ist diejenige magnetische Kurve, die durch den negativen Pol weht. Er zieht daraus den allgemeinen Schluss: unter der Einwirkung eines Magnetes kann ein elektrischer Strom nur bestehen, wenn er eine magnetische Kurve bildet. Dove machte hierauf einige Bemerkungen, die sich unmittelbar an den vorhergehenden Vor- trag anschliessen, und gab ein Mittel an, die elektrische Natur des Nordlichtes optisch zu entschei- den, dann sprach er über das e Licht in gasförmigen Medien selbst und bemerkte, dass man über die Farbe dieses unsteten Lichtes nur mit Hilfe der Absorption oder dadurch klar werden könne, dass man dasselbe als Beleuchtungsquelle nimmt von Scheiben, worauf gewisse Farben mit weiss combinirt sind. } Endlich stellte er sich die Frage, ob das Ohr eine analoge Eigenschaft habe, wie das Auge, dass es nämlich, wenn es eine Zeit lang denselben Ton gehört hat, für denselben abgestumpft werde. Ein darüber mit 2 Stimmgabeln angestellter Versuch bejahte diese Frage. Die Section schritt sodann zur Wahl eines Präsidenten, da die Sitzungen der chemischen und physikalischen Section morgen getrennt sein werden, und zwar: ö die chemische Section von 8—10 Uhr, die physikalische von 10 Uhr an. Für die chemische Section wurde H. Rose gewählt, für die physikalische Section wurde schon in der dritten Sitzung derselben Professor Jolly als Präsident bestimmt. Für die morgige Sitzung der physikalischen Section sind folgende Vorträge angekündigt: 1) Professor Hessler aus Wien: Ueber ein elektro-chemisches Chronoscop. 2) Professor Belli aus Pavia: Ueber einen Apparat, der eine Verschiedenheit zwischen den beiden Electrieitäten zeigt. 3) Professor Helmholz: Ueber die physikalische Ursache der Harmonie und Disharmonie. 4) Professor Schwerd: Ueber ein von ihm construirtes Photometer zur Bestimmung der Helligkeit der Fixsterne. 5) Professor Müller aus Freiburg. Angekündiste Vorträge für die chemische Section: 1) Dr. Walz: Ueber einige neue Glycoside. 2) Dr. Schneyder: Einige Notizen. 3) Professor Niekl&s wird auf Verlangen einige Versuche anstellen. VI. Section. Anatomie, Physiologie und Zoologie. Vierte Sitzung am 20. September. z (Die Verhandlungen folgen nach). Angemeldete Vorträge für Dienstag 21. September für Anatomie und Physiologie: Professor Virchow: Ueber die Bindegewebsfrage und die Gewebselassification. Professor Kussmaul: Ueber die Entstehungsweise der angebornen schiefen Gestaltung der Gebärmutter. Dr. Küchenmeister: Ueber Perlenbildung. Dr. Wundt: Ueber die Entstehung des Sehfeldes. v. Baer: Ueber Seythenschädel. Für Zoologie: Professor Virchow: Ueber den Bau der Ohrquallen. Professor Neubert: Ueber Menstruation der Affen. Professor v. Beneden: Sur le developpement de quelques animaux inferieurs. Professor Kölliker: Ueber Augen an den Kiemen der Kopfkiemer. Nachtrag zur dritten Sitzung vom 18. September. Professor Sigmund Schultze aus Greifswald zeigte in der Sitzung vom 18. September einen neuen Pentacrinus, welcher ihm von Amboina übersandt ist, in Abbildungen vor und sprach über 51 die drei Arten, welche er in dieser seltenen, bisher nur in sieben Exemplaren bekannten Thier- gattung unterscheidet: der Pentaerinus Guettardi, der Pent. caput Medusae und der Pent. Arndtü. VII. Section. Mediein. Vierte Sitzung am 20. September. Vorsitzender: Professor Virchow. Seeretär: Dr. Seubert. } Professor Kussmaul von Heidelberg spricht über einhörnige Gebärmutter mit verküm- mertem Nebenhorn, zeigt zur Erläuterung mehrere Präparate vor und weist nach, dass sie öfters zur fälschlichen Annahme von Tubarschwangerschaft Veranlassung gegeben hat. Physikus Kirchhof brinst die Meningitis der Kinder zur Sprache, wirft namentlich die Frage auf, ob in allen Fällen eine Meningitis tubereulosa anzunehmen sei, und welche Anhaltspunkte für die erfolgreiche Behandlung sich dabei ergeben. Dr. Friedleben weist nach, dass reine Meningitis von tuberkulöser unterschieden werden müsse, übrigens auch bei bestehender Tuberkulose für sich verlaufen und dann geheilt werden könne. Für die Prognose sei hauptsächlich die Diagnose beider Formen von Wichtigkeit, und bei dieser ein längere Zeit vorhergehendes Unwohlsein des Kindes, sowie erbliche Anlage oder anderweitige dyskrasische Erscheinungen beachtenswerthe Momente, für Erkennung der Hirntubereulose; bei der Section fänden sich bei dieser in der Regel auch Tuberkeln der Bronchialdrüsen. In Betreff der Behandlung, welche aber bei beiden Arten der Krankheit den tödlichen Aussang in der Mehrzahl nicht abzuwenden vermöge, räth er Mässigung der hervortretenden Symptome mit möglichster Schonung der Kräfte hauptsächlich im Auge zu behalten. Von mehreren Seiten wird Jod als wichtiges Heilmittel gesen die Krankheit genannt. Professor Kussmaul fragt, ob Jemand geheilte Tuberkeln im Gehirn, namentlich Miliartu- berkeln der Arachnoidea angetroffen habe? Professor Friedreich lässt diess in Bezug auf das Thatsächliche dahin gestellt sein, zweifelt aber der Analogie nach nieht an der Möglichkeit, mit Verweisung auf Hertel’s Schrift über Auscul- tation und Percussion. Dr. Köhler von Stuttgart verweist hauptsächlich auf den klinischen Standpunkt, erzählt einen günstig verlaufenen Fall bei bestehender Tuberkulose und räth, wenn ausbreehende Convulsionen die schlimme Prognose festgestellt haben, zur palliativen Beruhigung durch Opium oder Morphium. Dr. Küchenmeister erwähnt den Cysticereus als vorkommende Ursache der angeblich von Hirntuberkeln entstandenen Fälle von Meningitis. Dr. Friedleben spricht gegen die Synonymität von ZAydrocephalus acutus und Meningitis tuberculosa der Kinder. Hydrocephalus ohne alle Tuberkeln kommt nicht selten im zweiten Halbjahre nach der Geburt vor, wo überhaupt wesentliche Veränderungen in den Blutbereitungsorganen vor- gehen. In dieser Zeit gibt es öfters Todesfälle von Hyperaemie des Gehirns ohne alle Tuberkulose. Gegen Convulsionen in dieser Krankheit lobt er kalte Be&iessungen, die wenigstens durch dieselben gemässigt werden. \ Dr. Kaiser hält auch die tuberkulöse Meningitis für heilbar, wenn sie einen chronischen Ver- lauf nimmt und wenn bei bestehender Dyskrasie sorgfältig die veranlassenden Schädlichkeiten ent- fernt gehalten werden. Nachdem Virchow auseinandergesetzt, dass das Gebiet der Tubereulosa bei Hydrocephalus der Kinder viel grösser sei, als gewöhnlich angenommen wird, dass derselben zwei Drittheile der vorkommenden Fälle angehören, dass oft höchst akut verlaufende Hyperämien vorkommen, wobei die genaue Hirnsubstanz anämisch, die weisse dunkelroth injieirt sich finde, nachdem er auf das Er- scheinen von oft sehr kleinen und deswegen leicht übersehenen Eruptionen im Plewus choroideus auf- merksam gemacht, und die Erzählung eines interessanten Falles von einem Gehirntumor angeschlossen, wird dieser Gegenstand verlassen. Professor Weber von Bonn hält schliesslich einen Vortrag über Resultate einer Untersuchung des Eiters. 52 Zum Präsidenten für die nächste Sitzung wird Professor Hebra von Wien gewählt. Für Dienstag den 21. September angekündigte Vorträge: 1) Dr. Duchesne de Boulogne: De la curabilit de la sourd-mutitE congeniale par la fara- disation de corde du tympan et des muscles moteurs des osselets. 2) Professor Jessen aus Dorpat: Kurze Relation über den Erfolg der seit 1853 in Russland ausgeführten Impfungen der Rinderpest. 3) Dr. Moos: Beitrag zur Lehre von der Zuckerharnruhr. 4) Professor Hoppe: Aufstellung eines neuen Heilprineips mit Widerlegung der Ho- möopathie und der Rademacherischen Lehre. 5) Dr. von Mayer von Petersburg: Vortrag über einen seltenen Fall von Menstrual- retention. 6) Dr. Küchenmeister: Kurze Bemerkungen über den Milzbrand. 7) Dr. Lichtenstein aus Grabow: Einiges Nichteasuitische über Diabetes mellitus, nebst einem Vorschlage zur Therapie dieser Krankheit auf rationeller Basis. Nicht für die frühere und mit Recht verpönte Dynamik der Stoffe verlange ich das Recht, sondern ich will, dass in der Arzneiwirkungslehre die Thätigkeitserscheinungen berücksichtigt werden, welche durch die Einwirkung der Stoffe entstehen und lasse dabei die Frage nach der Ursache dieser Erscheinungen vor- läufig noch offen. Professor Hoppe. Bekanntmachungen. Bei dem Aufnahmsbureau sind folgende Briefe aufbewahrt: Hr. Dr. Velten. (3 Briefe.) Hr. Universitätsprofessor Dr. Heinrich Adelmann. „ Dr. Stocker. „ Professor Engel. „ Dr. Rother. | „ Medicinalrath Dr. H. Rathke. „ Dr. Lud. Seidel. \ „» Professor Plücker. „ Capitän H. J. v. Daur. | Anzeigen. Es wird den Interessenten auf diesem Wege mitgetheilt, dass die von Dr. Ziegler aus Freiburg i. B. angefertigten Präparate (die Entwicklungsgeschichte des Menschen, des Frosches, die Entwieklung einiger Pflanzentheile, sowie die Larven der Echinodermen betreffend) bis Dienstag (inel.) im Sitzungssaale der ersten Kammer auch ausser der Sitzungszeit zur-Einsicht aufgestellt sind. Interessanteste Inseeten, Schmetterlinge und andere Naturalien empfiehlt zum Verkauf in grosser Aus- wahl äusserst billig J. Bidermann aus Zürich, wohnhaft im gold. Hirsch, Langestrasse. Auf mehrfaches Anfragen diene hiemit zur Nachricht, dass im Museum 1858 r süsser Wein verab- reicht wird. “ »*. Zusammenkunft im Locale von Reble, Waldstr. 38, jeden Abend. Verwechselter Regenschirm. Am letzten Sonntage ist in der Hofapotheke von Beutemüller zu Baden- Baden der Regenschirm (mit schwarzem Griffe) eines 'Theilnehmers der Naturforscherversammlung ver- wechselt worden. Wer denselben in Handen hat, wird ersucht, ihn im zweiten Stock von Nr. 12 der Amalien- strasse abzugeben. Gefundenes Taschentuch. Bei dem am 17. d.M. stattgehabten Hoffeste hat einer der anwesenden Herren ein Batist-Taschentuch, mit L. R. gezeichnet, liegen lassen, he Fe bei Herrn Kammerfourier Berton in Empfang genommen werden kann. Berichtigungen. Im Tagblatt Nr. 4 Seite 30 Zeile 19 von unten ist neben „örtlicher“ Behandlung statt neben „ärztlicher“ zu lesen. Im Tagblatt Nr. 5 pag. 34 Z. 15 von unten lies: v. Wittich, statt v. Wittken. — Bialoblotzky wohnt Waldhorn- strasse Nr. 14, nicht 40. — Reclam wohnt Langestr. 113. Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller’schen Hofbuchdruckerei. TAGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER -° NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IN JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Physikus Dr. Zollikofer. N® ?. _ Den 22. September. 1858. a Te Tr m. Tagesordnung für Mittwoch den 22. September. . Sectionssitzungen yon 8—11 Uhr. . Dritte allgemeine Sitzung im Orangerie-Gebäude um 11 Uhr. Angemeldeter Vortrag: Virchow: Ueber die mechanische Auffassung der Lebensvorgänge. {=} o- > . Nach getroffener Verabredung Nachmittags Besuch der Sammlungen oder gemeinsame Spa- zıergänge. . Abends 7 Uhr Festvorstellung im Hoftheater: Iphigenia in Tauris. Grosse Oper in 4 Acten, nach dem Französischen des Guichard. Musik von Ritter Gluck. Auf Einladung Sei- ner Königlichen Hoheit des Grossherzogs. Die Naturforscher und Aerzte mit ihren Damen erhalten gegen Vorzeigung ihrer von den beiden Geschäftsführern der Ver- sammlung ausgestellten Aufnahmskarten freien Eintritt auf sämmtliche Plätze des Hauses, mit alleiniger Ausnahme derjenigen des II. und IV. Rangs. Bei den Festvorstellungen wird für die Räume vom Parterre bis zu den Logen des I. Ranges angenommen, dass die Herren in Frack und weisser Halsbinde, die Damen in entsprechender Toilette erscheinen. Für den I. Rang ist jede anständige Kleidung gestattet. Zugänglich sind: Die Hofbibliothek von 11—12 Uhr und von 3—5 Uhr, die Kunsthalle von 3—6 Uhr, die Gewächshäuser von 9—12 Uhr und von 2—5 Uhr, das physikalische Cabinet von 3—6 Uhr, das chemische Laboratorium von 8&—12 Uhr und von 3—6 Uhr, das Naturaliencabinet von 8—12 Uhr und von 3—5 Uhr, die Maschinen-Modellsammlung im Polytechnikum von 3—6 Uhr, das Mineraliencabinet daselbst, von 3—6 Uhr, die Hospitäler, das Pfründner- und das Waisenhaus den ganzen Tag. - 54 Sitzungen der Sectionen. . I. Section. Mineralogie und Geognosie, Fünfte Sitzung am 21. September. Präsident: Herr Berghauptmann v. Carnall. 1) Herr Bergmeister Gümbel aus München sprach über die geognostischen Verhältnisse der nord- östlichen Alpen zwischen dem Rhein und der Salzach im Allgemeinen, wobei er namentlich das Kalkrand- gebirge und den Centralstock dieses Theils der Alpen behandelte. Der Redner gab eine genaue Gliederung der dort entwickelten triassischen Bildungen an, als deren einzelne Glieder er in von unten nach oben gehender Reihenfolge folgende Schichten anführte : 1. Alpenbuntsandstein oder Werfener Schichten; 2. Lettenkohle; 3. Hallstädter Kalk oder unterer Alpenkalkkeuper ; 4. St. Cassianschichten, Carditen- und Raiblerschichten als Aequivalente 5. Hauptdolomit 6. Kössener-Schichten als Aequivalent des Bonebed’s; 7. Dachstein. Hierauf suchte er nachzuweisen, dass die Atnetter- und Hierlatzschichten nur die Facies einer Etage seien. oberer Alpenkalkkeuper; Nachdem er noch die schwache Entwicklung der Juragebilde in den nordöstlichen Alpen hervorgehoben, gab er noch eine kurze Uebersicht über die Kreide- und Tertiärbildungen in dieser Gegend. Zum Schlusse zeigte er die von ihm entworfene geognostische Karte dieses Theils der Alpen vor. 2) Bergrath Walehner sprach über die Thalbildungen, welche von den Porphyrköpfen zu beiden Seiten des Kinzigthales ausgehen, die zahlreichen Erzgänge in diesen Thälern, den früheren Reichthum dieser Gänge_ unp Porphyrgänge im Buntsandstein. Dr. Platz machte eine Bemerkung über das Alter dieser Porphyre und nimmt für dieselben ein höheres Alter an. Professor Dr. Sandberger machte bezüglich des Alters darauf aufmerksam, dass im Schwarzwalde verschiedene Arten von Porphyren zu unterscheiden seien. 3) Professor Girard gab die Gliederung des westphälischen Schiefergebirgs an, wie folgt: 1. Spirifenensand ; 2. Eifelerkalk ; . Flinz ; . Kramenzerschichten ; - Kohlenkalk ; 6. Flötzleerer Sandstein. Er sprach über Mulden- und Sattelbildung in Westphalen, Verbreitung der Clymenienschichten , plötz- liches Abbrechen von Gesteinsschichten, Fehlen der Steinkohlen in der Nähe des Kieselschiefers, Verhältniss der Bevölkerung zu den dortigen Gesteinen, Allendorfer Mulde, Vorkommen des Eifelerkalkes als Korallenriff- bildung, Schaalsteinbildung, Rotheisensteinlager zwischen Eifelerkalk und Flinz, deren Bildung aus dem Eisen- kiese des Eifelerkalkes, Hyperithenfels, nicht die Ursache der dortigen Schichtenstörungen. Zum Schlusse zeigte der Redner die von ihm verfertigte geognostische Karte des westphälischen Schiefer- = ot gebirges vor. Es wurden hierauf Bemerkungen von Professor Ferd. Römer und Professor Dr. Sandberger in Be- zug auf die vom Redner angegebene Gliederung gemacht. 4) Professor Dr. Fraas aus Stuttgart sprach über die allgemeinen geognostischen Verhältnisse von Langenbrücken und Malsch, und über ein von den dort entwickelten übrigen Juragebilden getrenntes Vor- kommen in dieser Gegend. Am Schlusse zeigte er einige lineate Ammoniten mit ausgezeichneten Bauchloben vor, sowie ein interes- santes Exemplar von Stilolithenbildung. 5) Dr. J. Schill sprach über die Tertiär- und Quartärbildungen des Bodensees in Bezug auf deren Lage- 55 rungsverhältnisse, Verhältniss dieser Bildungen mit den gleichen Bildungen des schweizerischen und schwäbischen bis Linz sich hinziehenden Tertiärbodens, deren Zusammenhang. Ueber diesen Gegenstand wurde von dem Redner eine sehr ausführliche Monographie veröffentlicht, mit einer Tafel Sammelprofile: „Die Tertiär- und Quartärbildungen des Landes am nördlichen Bodensee und im Höhgau.“ Angekündigte Vorträge: Professor Wiebel aus Hamburg: Ueber Hebungen in Torfmooren. Zum Präsidenten für die letzte Seetionssitzung am Mittwoch wurde Herr Rathsherr Merian erwählt. (Berichtigung zu Seite 46 des Tagblattes, Zeile 28.) Professor Girard bezweifelte die von Dr. Volger gegebene Erklärung der Schichtenfaltung bei einem von ihm angeführten Falle. I. Section. Botanik und Pflanzenphysiologie. Fünfte Sitzung am 21. September. Präsident: Geh. Hofrath Döll. v. Martius spricht über das Geigen-Resonanzholz und zeigt das in Bayern zu den Geigen verwendete Holz der Haselfichte, einer durch welligen Verlauf der Holzbündel ausgezeichneten Bersform von Abies eweelsa vor. Meisner: Ueber die Verwandtschaft der Hernandiaceae. Die Gattungen der Hernandia und Tmocarpus, welche die Gruppe der H. bilden, können nach den Untersuchungen des Vortragenden nicht in einer Familie vereint bleiben. Zernandia scheint mit den Laurineen, Inocarpus mit den Thy- melien am nächsten verwandt zu sein. F. Schultz macht Mittheilungen über die Verbreitung der Sphagua in der Rheinfläche. Die Beobachtungen, welche, kieran anknüpfend, von W. Schimper, CE. Schimper, Döll, Seubert, mitgetheilt werden, stimmen dalıin überein, dass Sphaguen in der Rheinebene Badens sehr selten vorkommen und dass sie in kalkreichem Wasser nicht gedeihen. F. Schultz legt der Section sein Herbarium normale vor. v. Martius demonstrirt eine Sammlung von Lecythideenfrüchten, und macht dabei auf die Fähigkeit halbreifer Leeythisfrüchte aufmerksam, in den Boden gebracht Wurzeln und Sprosse zu treiben. Buchenau spricht über die Entwicklung der leeren Fruchtknotenfächer bei Valerianella. Untersucht wurden V. olitoria und V. alliariaefolia. Die Anlage des Kelches tritt lange nach Anlage der Corolle auf. In den jungen, noch einjährigen Fruchtknoten, wachsen drei wandständige Leisten hervor, welche unten sehr bald zusammenstossen und in der Achse verwachsen, oben noch kurze Zeit getrennt bleiben. In eines der so gebildeten drei Fächer wächst von der Spitze der ihm oppo- nirten Leiste aus das hängende Ovulum hinein. C. Sehimper fügt die Bemerkung hinzu, dass das fertile Fruchtknotenfach. stets demjenigen Vorblatte der Blüthe zugekehrt ist, welches in seiner Achsel den stärkeren unter der Blüthe ste- henden Ast trägt. In Beziehung auf die zur Sprache gekommene ungleichseitige Ausbildung der Valerianeenblüthe erwähnt Döll der gespornten Corolle von Centranthus als des auffallendsten Falles. Döll macht ferner auf die in der Natur nicht seltene schiefe Symmetrie der Blüthen aufmerksam, und führt als Beispiele dafür die Asperifolien, Salpiglossideen, Gladiolus auf. C. Schimper macht auf den Zusammenhang der Unregelmässiskeit von Gipfelblüthen mit den von ihm früher als hyponastisch und epinastisch bezeichneten anatomischen Eigenthümlichkeiten des Stengels aufmerksam. de Bary theilt Beobachtungen über Bau und Entwicklung von Didymium, Triehia und Lyeogala mit, zur Erläuterung seiner in der vorigen Sitzung vorgetragenen Ansichten über die Myxomyveeten. Er weist die Uebereinstimmung zwischen ihnen und den das vorige Mal besprochenen nach, und tritt der Auffassung Wigands entgegen, nach welcher sie einzellige mit Botrydium und anderen Algen vergleichbare Pflanzen wären. * 56 Wigand macht hiergegen nochmals auf die Aehnlickeit einzelner Theile der reifen Trychien mit pflanzlichen Formelementen aufmerksam. Er zeigt sodann einige Fälle von überwallten Wunden an Bäumen vor und gibt eine Schilderung anderer. Eine lebhafte Discussion hierüber findet zwischen dem Vortragenden, den Herren Dengler, C. Schimper, Seubert und mehreren anderen Mitgliedern der Section statt. C. Sehimper spricht über das Verhalten und Gestalten der Kryptogamen, der Moose, Flechten und Pilze nach den Standorten, unter Vorlesung lehrreicher Sammlungen. Er schildert die Abhängigkeit der Nutation der Mooskapseln von der Neigung des Standorts und der Beleuch- tung; legt kletternde Exemplare von Hypnum-Arten vor, welche gewöhnlich aufrecht und boden- ständig sind. Er erläutert ferner die Abhängigkeit der Form und Richtung des Flechtenthallus und einiger Pilzkörper von der Gestalt und Neigung des Substrats. Unter den Mitgliedern der Section wird das Porträt Nees von Esenbeck’s durch Professor Seubert vertheilt. Zum Präsident für die nächste Sitzung wird Professor Mettenius erwählt. Angemeldete Vorträge: Radlkofer: Ueber das Diekenwachsthum des Dicotyledonenstammes. Gergens: Ueber Lemna minor, welche unter einer 36 Fuss mächtigen Erdschichte sich 1200 Jahre frisch erhalten hatte. Wigand: Ueber wickel- und schraubelartige Sympodien. Seubert: Ueber die Gattung Napoleona. De Bary: Ueber den Syzygites megalocarpus Ehrenberg. IV. Section. Mathematik, Astronomie und Mechanik. Fünfte Sitzung am 21. September. Der angekündigte Vortrag des Professors Schwerd wurde in der physikalischen Section gehalten. (Siehe dort.) Hofrath Redtenbacher ladet zu einer Sectionssitzung auf morgen um 10 Uhr ein. V. Section. Physik. Fünfte Sitzung am 21. September. Unter dem Präsidium von Professor Jolly wird die Sitzung eröffnet. Professor Nickles sprach zuerst: Ueber magnetische Adhäsion und neue Elektromagnete. — Nachdem er die verschiedenen Formen der Elektromagnete in Kürze geschichtlich berührt, zeigt er drei von ihm angegebene Elektromagnete vor und berichtet über Versuche, die er angestellt, um dieselben bei Eisenbahnen anzuwenden. Endlich berichtet er noch, dass nach seinen Beobachtungen, auf die Wirkung der Hufeisenmagnete die Verlängerung der Schenkel keinen Einfluss habe, wohl aber sei dieses der Fall bei geraden Stäben. Hierauf sprach Professor Hessler aus Wien: Ueber ein elektrochemisches Chronoscop. — Nachdem der Redner geschichtlich die elektromagnetischen Chronoseope erwähnt und beschrieben, dann die Mängel derselben hervorgehoben, gibt er an, wie dieselben umgeändert werden müssen, um zu einem elektrochemischen Chronoseop zu werden. Dasselbe beruht auf der chemischen Wir- kung des Stromes auf ein mit K.J getränktes Papier. Einen Vorzug dieses Elektroscopes findet er darin, dass man eine Reihe von Beobachtungen registriren kann. Hierauf hielt Herr Professor Belli aus Pavia in französischer Sprache einen Vortrag: Ueber einen elektrischen Apparat, der eine Verschiedenheit zwischen den beiden Elektrieitäten zeigt. — Er besteht aus zwei Messinggabeln, wovon die eine durch einen Glasfuss isolirt ist. Eine Spitze jeder Gabel endigt in eine Kugel und die Kugel der einen Gabel steht der Spitze der anderen gegenüber. 57 Hierauf sprach Herr Professor Helmholz in einem längeren Vortrage über physikalische Ur- sache der Harmonie und Disharmonie. Nachdem der Redner zuerst auseinander gesetzt, dass man sich seither damit begnüst habe, die Ursache der Dissonanz und Consonanz darin zu suchen, dass dem Ohre einfache Zahlenverhält- nisse wohlgefallen, zusammengesetzte nicht, und die Unhaltbarkeit dieser Ansicht nachgewiesen, ging er auf seine Ansicht näher ein. > Er bemerkt zuerst aus dem Gebiete der physiologischen Optik, dass wir die Gegenstände nur bei angestrengter Aufmerksamkeit doppelt schen, obwohl wir immer zwei Bilder davon erhalten ; dann ging er über zu der analogen Erscheinung, dass wir, nur wenn die Aufmerksamkeit künstlich dahin gerichtet wird, beim Anschlagen eines Tones, auch seine Obertöne hören, er gibt die Mittel an, diese Obertöne, zu deren Wahrnehmung mehr ein weübtes Abstractionsvermögen als musikalische Aufmerksamkeit gehört, bei der menschlichen Stimme oder einem musikalischen Instrument zu ver- nehmen. Nach seinen Erfahrungen haben schmetternde rauhe Töne eine grosse Menge ÖObertöne, weiche oder runde, aber schwache und wenige. Dann ging er über zur Theorie der Obertöne. Wie der Mathematiker die zusammengesetzte Bewegung des Tones sich zerlegt in eine Sinnesreihe, so empfindet das Ohr den Ton, den jedes Glied dieser Sinnesreihe angibt, besonders; fehlt in der Sinnesreihe ein Glied, so fehlt es auch dem Ohre. Dieses veranlasst ihn zu der Ansicht, welche übrigens theilweise schon durch die Beobachtung nachgewiesen ist, dass es im Gehörorgane schwing- ungsfähige Apparate gebe, die ähnlich wie ein Klavier beim Anschlagen eines Tones, seine har- monischen Töne hören lassen. Er beschreibt hierauf eine Sirene, die er zu seinen Versuchen ange- wendet, um diese Theorie zu unterstützen. Nach diesen vorläufigen Erörterungen geht er zur Ursache der Consonanz und Dissonanz zweier Töne über, und zwar zuerst solcher, die um einen ganzen oder halben Ton verschieden sind, dann zu andern Tonverhältnissen wie den reinen und unreinen Quinten und findet die Ursache der Consonanz in einer gleichmässig fortfliessenden oder eontinuirlichen Erregung, die der Dissonanz in einer intermittirenden oder discontinuirlichen Erregung, wie dieses auch bei dem Gefühle (Kitzeln) der Fall ist. Dann widerlegt er die Einwände, die man gegen diese Theorie erheben kann; die Beobachtung von Savart, dass schon ein Ton bei 8 Schwingungen gehört werde, hält er als für noch nicht genug erwiesen, weil nach seinen Versuchen mit der Sirene bei langsamen Luftschwingungen das Ohr eher die Obertöne als den Grundton wahrnimmt. Nach diesem sprach Herr Professor Schwerd über ein von ihm eonstruirtes Photometer, zur Bestimmung der Helligkeit der Fixsterne. Nachdem er zuerst über die Veranlassung gesprochen, die ihn bestimmt hatte, ein Photometer zu construiren, nämlich die Herausgabe seiner Beobachtungen veränderlicher Sterne, zu der er von seinem Freunde Argelander aufgefordert worden, bemerkt er, dass der Apparat unter seiner Leitung in München verfertigt, zu Jedermanns Ansicht in Speier aufgestellt sei. Er beschreibt hier auch den Apparat, der im Wesentlichen aus zwei parallaktisch aufeestellten Fernröhren besteht, wovon das eine ein verschiebbares Colleetivglas besitzt, wodurch es möglich ist, diesem Fernrohr eine be- liebige Brennweite zu geben, so dass man noch mit Hilfe von Diaphragmen, die vor das Objectiv angebracht werden, von dem Normalstern und dem zu bestimmenden gleich grosse und gleich helle, aber getrennte Bilder erhält. Nach diesem geht er in das Detail des Apparates ein, und glaubt schliesslich semem Apparate einen hohen Grad von Vollkommenheit gegeben zu haben. Dove fragt, ob es nicht besser gewesen wäre, die beiden Scheibehen zur Berührung zu brin- gen, weil alsdann ein Unterschied in ihrer Helligkeit wahrgenommen werden kann. Schwerd gibt zwei Gründe an, warum er dieses nicht gethan habe. Der Präsident Professor Jolly drückt dem Herrn Professor Schwerd im Namen der Sec- tion seinen Dank für seine interessante Mittheilung aus. Und endlich Herr Professor Müller aus Freiburg: Ueber die Wärmeintensität im Spectrum eines Glas- und Flintglasprisma. — Der Redner bemerkt zuerst, dass man die Schwierigkeit der Messung der Wärmeintensität in einem reinen Spectrum, das die Frauenhofer’schen Linien zeigt, durch empfindlichere Apparate nicht umgehen könne, weil die Schwankungen der Nadel des Multi- plieators dadurch nur um so grösser werden. Nachdem er sodann den aus seinen Versuchen her- 58 vorgehenden Zusammenhang zwischen Brechungsexponent und Wärmeintensität in graphischer Dar- stellung vorgezeigt, stellt er eine Vergleichung der Wärmespeetren in Glas- und Steinsalzprisma an, Die schon vorgerückte Zeit verhinderte denselben noch einige Notizen mitzutheilen. Da Herr Professor Petzval der Section noch einige wichtige Notizen mitzutheilen hat, so schlug Herr Professor Jolly für die morgige Sitzung als Präsident den Professor Müller vor, welchen Antrag die Section billiste. Anfang der Sitzung um 9 Uhr. VI Section. Chemie. Fünfte Sitzung am 21. September, 8 Uhr Morgens. Präsident: Professor Rose. Dr. Walz sprach über einige neue Glycoside, insbesondere zwei Stoffe der Convallaria majalis. Dr. Schneyder erwähnt darauf mehrere erhaltene interessante Präparate, ein krystallinisches Chromoxyd, ein Wismuthjodid von der Farbe des Zinnobers, sodann ein Product von Quecksilber- jodid und Schwefelsäure, und eine eigenthümliche Chininverbindung. Er verbreitet sich sodann über Zuckernachweisung, worauf Professor Böttger noch einige Bemerkungen macht. Professor Wicke bespricht den Farbstoff der Vogeleierschalen, welcher grosse Aehnlichkeit mit dem Gallenfarbsoff besitzt. Nach demselben zugegangenen Mittheilungen entsteht die Färbung der Eier erst in der Cloake, im Eileiter ist das Ei noch nicht gefärbt. Dr. Radlkofer sprach über die Krystallisirbarkeit von Proteinsubstanzen. Er bespricht na- mentlich Hartigs Alleuron, welches in Bertholletia ewcelsa ‚vorkommt und einen dem Hämatokrystallin ähnlichen Stoff der Zathraea squamaria. Professor, Schödler macht einige Mittheilungen über Hopfenextract und Hopfenöl. Die Ex- traction des Hopfens geschieht auf ganz rationelle Weise und wird ein gesundes gutes Bier erhalten: 1 Ctr. Extr. kostet 75 fl., 100 Gr. Oel 20 A. 1 @ Hopfen gibt 1 Gr. Oel, 1 Ctr. 20 & Extract. Director Schröder gibt endlich eine Reihe von Versuchen über die Filtration der Luft in Beziehung auf Gährung, Fäulniss und Krystallisation. Eine Reihe organischer Substanzen, z. B. Eiweiss, Käsestoff, Horn, Blutfaserstoff u. s. w. bleiben absolut unverändert, wenn sie, abgekocht, mit durch Baumwolle filtrirter Luft in Berührung kommen. Ebenso treten in Beziehung auf Krystallisation alle Phänomene der Uebersättigung von Flüssigkeiten in filtrirter Luft ein, wie bei völligem Abschluss der Luft. Professor Rose schliesst um 10 Uhr die Sitzung. VI. Section. Anatomie, Physiologie und Zoologie. Nachtrag zur dritten Sitzung am 18. September. Dr. W. Wundt: Ueber den Verlauf idiomuskulärer Zusammenziehungen. — Wenn man den Muskel in eine constante Kette einschaltet, so ist der Erfolg der Reizung ein anderer, als wenn man blos eine Strecke des Nerven dem eonstanten Strom aussetzt. Während hier nur bei der Schliessung und Oeffinung der Kette eine Zuckung erfolgt, bleibt dort ausserdem der Muskel während der ganzen Dauer ihres Geschlossenseins bleibend verkürzt. Um zu entscheiden, inwiefern diese Ver- schiedenheit von der directen Reizung der Muskelsubstanz abhängig sei, untersuchte ich den Ver- lauf der Zusammenziehung von Muskeln, deren Nerven durch Coniin abgetödtet waren, bei der Erregung durch den constanten Strom. Dieser Verlauf gestaltete sich folgendermassen: Bei der Schliessung der Kette contrahirte sich der Muskel und blieb einige Sekunden dauernd verkürzt; hierauf begann eine allmälige Abnahme der Zusammenziehung, anfangs dehnte dabei der Muskel mit zunehmender, später mit immer mehr abnehmender Geschwindigkeit sich aus; die ganze Dauer der Wiederverlängerung betrug so gewöhnlich mehrere Minuten und war in ihrem Verlaufe ganz ähnlich dem Verlauf der Ermüdung bei discontinuirlicher tetanischer Erregung vom Nerven aus. 59 An diese wesentliche Verschiedenheit der idiomuskulären und der neuromuskulären Zusammen- ziehung knüpft sich zunächst eine Folgerung rücksichtlich der Irritabilitätslehre. Für die letztere ist nämlich die Auffindung eines besondern Contractionsmodus der Muskelsubstanz bei ihrer direeten Reizung offenbar von entscheidender Wichtigkeit. Aber überdies liefern diese Versuche noch das Ergebniss, dass von dem Moment an, wo die Zusammenziehung des Muskels auf Reizung durch den constanten Strom in der beschriebenen Weise erfolgt, derselbe nur noch durch den elektrischen Strom zur Contraetion gebracht werden kann, während er auf alle andere, namentlich mechanische und chemische Reize unerregt bleibt. Benützt man also den Verlauf der idiomuskulären Zusammen- ziehung als Kriterium für das vollständige Abgestorbensein der Nerven, und scheidet man alle die- jenigen Fälle, in denen bei der Schliessung und Oeffnung der Kette noch eine neuromuskuläre Zuckung erfolgt, als in der Irritabilitätsfrage nicht beweisend aus, so ist das Resultat, dass nur für den elektrischen Strom der Muskel selbstständig reizbar ist. Vierte Sitzung am 20. September. 1. Anatomische und Physiologische Abtheilung, Präsident Professor Kölliker. Secretär Dr. Pagenstecher. Professor Bruch: Ueber primordiale und secundäre Knochentheile. Die knorplichen Theile sind in einem gegebenen Organ stets zuerst da, die Knochentheile später. Primordialer Knorpel kann durch Metamorphosen permanent werden, zerfasern, verfetten, verknöchern. Aber Knochenzellen entstehen dabei nicht, bei der Knochenerdenäblagerung bleiben die Knorpelzellen unberührt (Knorpelknochen oder verkalkter Knochen). Nicht als peripherische Knorpelverknöcherung, sondern als secundäre Bildung entsteht von dem Periost aus Knochensub- stanz, und die Reste des ursprünglichen Gewebes weisen oft den Ursprung nach. Sehr nahestehende Thiere geben verschiedene Resultate. Der primordiale Knochen entsteht mehr in Toto und der secundäre von einem Öentrum aus. Dieses Anschiessen von einem Minimum ist charakteristisch und eine Schichtung fehlt nur den allerdünnsten. Das Resultat der Unter- suchungen legt B. in bildlicher Darstellung vor. Professor Virchow stimmt vollständig damit überein, dass das Knochengewebe ein Gewebe sui generis ist, und der Knorpel in der Regel keinen direkten Antheil an demselben hat, glaubt aber, dass Bruch durch die eigenthümliche Auffassung der Markräume irre geleitet wird. Knorpel kann direkt Knochen bilden durch die Veränderungen der Zellen und des Inhalts, diess ist aber ein skle- rotisches Gewebe von besonderem habitus und nicht sehr geeignet zur Bildung von Markräumen. Schichtweise bildet sich Knorpel um zum Periost. In der Mitte des Knochens findet die Umwand- lung im Markgewebe andererseits statt. So haben Markgewebe und Periost gleiche Beziehungen zum Knochen, aber man darf nicht Knorpel und Periost als ursprüngliche Gegensätze in der Knochen- bildung auffassen. Knochensubstanzentwicklung und Skeletbildung dürfen nicht vermengt werden. Bruch will mit dem Ausdruck Pseudomorphose nur sagen, dass ein Gewebe an die Stelle eines vollständig verschwundenen tritt. Knorpelelemente können Antheil an Bildung des secundären Ge- webes haben. Das Markgewebe ist jedenfalls etwas sehr unentwickeltes.. Ob aus Knorpelzellen Knochenzellen hervorgehen, kann nur demonstrirt werden, ist aber wahrscheinlich. Fundamental ist die Differenz in Betreff der Umwandlung von Knorpelsubstanz in Knochen. Die Intercellularsub- stanz ist das Wesentliche des Gewebes, nicht die sternförmige Zelle. Die Gewebe müssen nach dem erwachsenen Zustand bestimmt, vom embryologischen Gesichtspunkt aus können Knorpel und Kno- chengewebe nicht zusammengeworfen werden. Virchow wird morgen die weiteren Punkte erörtern. Professor Friedreich: Ueber Struktur des Flimmerepitheliums. Das Epithel der Gallenwege der Embryonen hat eine Strichelung des Saumes, die an verklebte Flimmerung erinnert und zuweilen doppelte Deckel, von denen der obere deutlich gestrichelt ist. Dieses Phänomen ist sehr allgemein und wohl nicht von jener Bedeutung für die Resorption. Am Hirnependymaepithel wurde ferner die Congruenz dieser Strichelung mit bei Kinderleichen erhaltenen Wimpern beobachtet und ihr Heruntergehen bis in den Grund der Zelle verfolgt. Es wäre möglich, 60 dass ein ungemein feines Capillarsystem an den Enden der Cilien beginnend in die Zelle, und so in die Cirkulationswege molekuläre Niederschläge von der Oberfläche zurückzuführen im Stande ist. Professor Kölliker hat Flimmerung in Hirnhöhlen Erwachsener, jedoch nur partiell, häufig gesehen. ' Sie kann bei Säugethieren auch an den plewus choroidei beobachtet werden (Stannius und Duschka). Die Streifen fimmernder Zellen, oder die Porenkanälchen dürfen nicht blos mit Fettresorp- tion in Beziehung gebracht werden, sondern mit Sekretion und Resorption im Allgemeinen. Gerber hielt die Streifen der Zellen für Muskeln zur Bewegung der Flimmern. Hat Don- ders recht, dass nur der Zelleninhalt contraktil ist, so müssen die Wimpern als Fortsetzungen des Inhalts betrachtet werden. Die Frage der Verbindung der Epithelzellen mit den tiefern Theilen erscheint noch nicht spruchreif. Professor Gerlach theilt Beobachtungen mit, gegründet auf die färbende Methode. Professor Schaafhausen empfiehlt die wässrige Jodlösung, wegen der sofortigen färbenden Wirkung, als vorzüglich vor der Ammoniaklösung des Karmin. Die Versammlung begrüsst den Herrn Geheimen Staatsrath von Baer durch Aufstehen. Professor Friedreich stellt Kranke vor, eine Frau mit Gallenfistel, und einen jungen Mann mit silus perversus viscerum. Dr. Volz: Ueber Gewichtsverhältnisse der Perspiration und der andern Exerete. Die Resultate der eignen Versuche wurden durch graphische Darstellungen in grossen Dimensionen gezeigt, die Zahlenverhältnisse angegeben. Professor Helmholtz wird zum Vorsitzenden der nächsten Sitzung ernannt. 2. Zoologische Abtheilung. Pagenstecher macht Mittheilungen über die Entwicklung einiger parasitischer und frei leben- der Würmer (Eehinobothrien, Taenien) und die innern weiblichen Geschlechtstheile der Echino- rhynchen. v. Bender hat reiche Beobachtungen über Echinobothrium. Die Differenz über die Zahl der Hakenreihen am Halse ist unwesentlich. Die jungen Rochen erhalten die ecyystirten Echinobothrien in jungen Gammarinen. Professor Schaafhausen spricht über Monas Okenii, die einen Teich im Stadtgraben von Bonn im Frühling und Herbst roth färbt. Die Monade ist indessen auch zu allen andern Zeiten des Jahres vorhanden, und lebt dann am Grunde. Sie ist bis „4, Linie lang, „4, breit, hat weder Geissel noch Wimpern, sondern ihre in einer Spirale fortschreitende Bewegung geschieht mit deut- licher Krümmung, also Contraction ihres Körpers; sie vermehrt sich durch Theilung, und zeigt keine Spur innerer Organisation als starre Bläschen, die meist zu 4 bis 6 in gleichen Abständen in der Mitte der Monade liegen, aber auch in grösserer Zahl und unregelmässig vorkommen, zuweilen im viele kleine schwarze Körperchen zu zerfallen scheinen. Die Monade wird von Stylowychia notommata, vorticella und von einem (yelops gefressen. Neben ihr konımt in grösster Menge Euglena viridis in ihren verschiedenen Entwicklungszuständen vor. Getrocknet lebt die Monade nicht wieder auf und kann, von ihrem Fundorte entfernt, kaum einige Tage am Leben erhalten werden. Der Redende gibt einige Gründe an, die es wahrscheinlich machen, dass diese Lebensform in den Entwieklungs- kreis eines andern niedern Organismus gehört und hofft dieses Verhältniss durch fortgesetzte Beobachtung aufklären zu können. Professor v. Siebold. Aus dem Leben der Insekten. Es wollte ihm früher nie gelingen aus Wasserlarven Ichneumoniden zu erziehen. Agriotypus armatus in Triehostoma pieicorne hatte am Phryganidensacke immer eine besondere Bildung. Herrn v. Heyden ist nie ein eigentlicher Ichneumone in Phryganidenlarven vorgekommen. Professor Schiff sah Braconiden über Wasser schwärmen und unter Linsen kriechen, ohne aber Phryganiden dort zu finden. Herr v. Heyden erwähnt die Ichneumoniden in Raupen, die in Rohrstengeln wohnen. Professor v. Siebold macht eine zweite Mittheilung über den Käfer Donaeia. Professor v. Beneden sprach über fossile Eingeweidewürmer. 61 Mit Untersuchung der Coprolithen in dieser Hinsicht beschäftigt, bittet v. Beneden um Mit- theilung von Material. Dr. Schmidt zeigt ausgezeichnete mikroskopische Photographien des Herrn Apotheker Meyer aus Frankfurt vor. VIII. Section. Mediein. Dritte Sitzung am 18. September Nachmittags. Zum Präsidenten wird Professor Friedreich von Heidelberg erwählt, da der in der gestrigen Sitzung ernannte Professor Griessinger von Tübingen sich für seine Abwesenheit entschuldigen liess. 1) Professor Fuchs von Carlsruhe spricht über polizeiliche Untersuchung der Milch. Nach einer Kritik der bisher angewandten chemischen und physikalischen Untersuchungsmethoden und Galactometer schlägt derselbe eine zur Festsetzung des Rahmgehalts eingerichtete Centrifugal- maschine, die mehr den für eine rasche Untersuchung erforderlichen Bedürfnissen entsprechen sollte, vor, und macht mit einer solchen einen Abrahmungsversuch, der jedoch das erwartete Resultat nicht ergab. 2) Sanitätsrath Dawosky von Celle schildert einen Sectionsfall von sogenannten Tiransversio lateralis bei einem Erwachsenen unter der Benennung: Situs transversus completus. Verschiedene Mit- glieder geben an, bei Seetionen gleichfalls solche Fälle gesehen zu haben, und Friedleben von Frankfurt verweist auf die hierüber bestehende Literatur, namentlich auf die von einem Engländer gemachte Zusammenstellung der Fälle. Herr Professor Friedreich wird in der nächsten Sitzung ein solches lebendes Individuum vorstellen. 3) Professor Hoppe schildert einen Fall von seltener Vorlagerung der Gebärmutter zwischen Blase und Bauchwand. Der Fundus uteri einer 13 Wochen vor der Untersuchung wiederholt nie- dersekommenen Frau hatte sich so über die Blase vorgeneigt, dass er als Geschwulst nach vorn und unten direct unter Bauchdecke zu liegen schien. Versuche mit der Kevisch’schen Uterussonde die Vorlagerung zu heben, blieben erfolglos. Der Redner glaubt, dass diese Lagerveränderung durch einen nächtlichen Hustenanfall entstanden sei. Sowohl Friedleben wie Friedreich halten diese Erklärungsweise nach den als gültig angenommenen Respirationsgesetzen für unstatthaft; erste- rer hält solche Fälle von Antroversio uteri weder für selten noch für unheilbar. Dawoski hält die Erklärungsweise und Entstehung dieser von ihm wohl als seltenen Fall anerkannten Deviation für zulässig, da Hustenanfälle, Lagerveränderungen ebenso gut nach Vorn, als nach Unten bewirken könnten, was Friedreich wiederholt in Abrede stellt. Schuberg von Carlsruhe zeigt ein Präparat von Haematoma durae matris vor, und ein Indi- viduum mit kindskopfgrossem, congenitalem Eindrucke des Sternums präsentirt sich der Gesellschaft. (Vierte Sitzung am 20. September folgt nach.) Fünfte Sitzung am 21. September. Seeretär: Dr. Homburger und Physikus Seubert. Von den angekündigten Vorträgen wurde noch der von Dr. Moos über Zuckerharnruhr gehalten, woran sich eine Besprechung über diese Krankheit mit Betheiligung von Dr. Lichten- stein und Professor Virchow und zuletzt genaue experimental-physiolosische Nachweisungen über den Antheil der Leber und des Nervensystems dabei von Professor Schiff anschlossen. Hiermit wurden die Sectionssitzungen für die Dauer der diessjährigen Naturforscherversamm- lung von dem Präsidenten für geschlossen erklärt. In Bezug auf den gestern erwähnten Vortrag des Herrn Professors OÖ. Weber aus Bonn ist nachträglich hinzuzufügen, dass er als Resultate seiner Untersuchungen über Eiterung mittheilte: die sogenannten Eiterkörbehen entwickeln sich in den von ihm untersuchten Geweben, insbesondere in dem Perioste, dem subeutanen und eutanen Bindegewebe, dem Neurileme der Nerven, sowie in den Muskeln, aus den Bindegewebskörpern durch endogene Zeugung. Die Bindegewebszellen sind in derselben Weise auch die Ursprungsheerde der Sarhome, Krebse und des Epithelialkrebses. In der Cutis bilden sich Eiterkörper ausserdem aus den vermehrten Kernen der Epithelialzellen. 7 62 IX. Section. Chirurgie, Ophthalmologie und Gynäkologie. Vierte Sitzung am 20. September, Morgens 8 Uhr. Präsident: Professor Dr. Rothmund. Provisorischer Secretär: Geh. Hofrath Dr. Baur. Vorträge wurden gehalten: von . 1) Professor Hecker in Freiburg: Ueber Harnröhrenverletzungen, insbesondere die subeutanen, ihre Arten, Zufälle und Behandlung im Allgemeinen; sofort über Harnverhaltung in Folge von Harnröhrenstrietur ins Besondere, wobei der Redner vor allen Mitteln. wenn die Sonde oder der Katheter nicht ausreiche, dem Einschnitt durch den Damm (der s. g. Boutonniere) das Wort sprach, und dagegen die Paracentese der Blase missbilligte, ja geradezu gänzlich verwarf. Professor Rothmund bestätigte nach eigener Erfahrung die Richtigkeit oben ausge- sprochener Ansicht, ebenso auch Professor Weber von Bonn und Dr. Passavant von Frankfurt. 2) Professor Palasciano aus Neapel: Sur la perforation de Pungwis comme moyen de parvenir ü la destruction des polypes de la base du cräne, wobei das von ihm gebräuchliche Instrument vorge- zeigt wurde. 3) Dr.Battlehner von Renchen: Ueber Anwendung des stumpfen Hakens bei schwierigen Wen- dungsfällen; es wurde hiebei das von dem Redner construirte Instrument vorgewiesen. Bei der hierauf entstandenen Diseussion betheiligten sich besonders Professor Rothmund, Privatdocent Schulze von Berlin und Dr. Beilstein von Göttingen, welche sämmtlich die Zweckmässigkeit der Anwendung dieses Werkzeugs bei den fraglichen Geburtsfällen bestritten. 4) Sanitätsrath Dr. Eulenburg von Berlin: Ueber differentielle Diagnose der Scoliose, wobei ins- besondere die Ursachen: derselben, und namentlich des Einflusses der Muskeln auf ihre Entstehung erörtert und die Behandlungsweise dieses Uebels angegeben wurde. Es entspann sich hierauf eine lebhafte Discussion über diesen Gegenstand, woran namentlich Dr. Duchesne de Boulogne und Hofrath Dr. von Heine von Cannstatt Antheil nahmen, und die Richtigkeit der von dem Redner aufgestellten Ansichten bestritten. Als Präsident der 9. Section für die nächstfolgende Sitzung, den 21. d. M., wurde Professor Langen- beck von Hannover erwählt (welcher zugleich auch als Abgeordneter dieser Section zur Danksagungs-De- putation an Seine Königliche Hoheit den Grossherzog ernannt wurde.) Angekündigte Vorträge für die nächste 5. Sitzung: Dr. Mercier aus Paris: Sur Tanatomie, la physiologie et la pathologie des organes urinaires. Professor Dr. Adelmann aus Dorpat: Vorzeigen einer Resectionssäge. Dr. B. Schulze von Berlin: Ueber das Verhalten des Dammes in der Geburt und über den Dammriss. Dr. von Heine, Hofrath von Cannstadt: Ueber Scoliose. Dr. Weber von Bonn: Ueber Eiterbildung. Fünfte Sitzung den 21. September. Präsident: Professor Langenbeck in Hannover. Verhandlungen: 1) Dr. Mercier in Paris hält einen Vortrag in französischer Sprache über eine eigenthümliche Art von Harnverhaltung, deren Wesen in einer Klappenbildung im Blasenhals beruhe. Nach einer Demonstration der anatomischen Anordnung des Muskelapparats um den Blasenhals, welcher nicht einen einfachen Sphineter dar- stellt, unterscheidet er in pathologischer Beziehung 2 Arten: a) durch Anschwellung der Prostata und b) durch Verdiekung der Muskelhaut bedingte Klappenbildung. Zur Feststellung der Diagnose bedient er sich eines eigenen Katheters mit kurzem Schnabel, zur Heilung eines ebenso geformten Disseetions- und Exeisions-Instruments, womit die Prostatal-Klappe ausgeschnitten, die Muskular-Klappe einfach durehschnitten wird; gegen die Nachblutung und während der Heilung legt er einen elastischen Katheter mit Führungsstab von Stahl ein. 2) Professor Adelmann in Dorpat zeigt eine von Dr. Szymanowsky, seinem früheren Assistenten, er- fundene und von ihm erprobte Resections-Säge (Bogensäge) vor, und sprieht dann noch über die Anwendung und die Vorzüge des Gypsverbandes, besonders als erster Verband auf dem Schlachtfeld. 63 3) Hofrath Heine in Cannstatt spricht unter Bezug auf den gestrigen von Dr. Eulenburg über Seo- liose gehaltenen Vortrag, indem er seine von dem Vorredner über die Ursache der sogenannten habituellen oder muskulösen Scoliose abweichende Ansicht entwickelt, dahim gehend, dass dieselbe nicht in einer einseitigen Muskeleontractur, sondern in der Schwäche der Constitution überhaupt und insbesondere auch in einer Schwäche der Gelenkbänder zu suchen sei, welche der auf die Wirbelsäule drückenden Last nicht gewachsen seien. 4) Sanitätsrath Dr. Eulenburg recapitulirt seinen gestrigen Vortrag und die darauf gemachten Ein- würfe, welche er, wie es scheint, in überzeugender Weise zu widerlegen sucht. Derselbe zeigt alsdann einen Extensionsapparat für Contracturen und Anchylosen im Kniegelenk vor und erläutert dessen zweckmässige Construction. 5) Dr. Kalek in Saarbrücken zeigt endlich ein Präparat eines geheilten Beinbruchs im Hinterhaupts- bein vor. Die Wahl des Präsidenten für die morgige Sitzung (8 Uhr) fällt auf Professor Adelmann in Dorpat. Angemeldete Vorträge auf die nächste,Sitzung, den 22. September: 1) Dr. Schultz in Berlin: Ueber Ineision der Schaamöffnung und über Dammriss. 2) Dr. Battlehner in Renchen: Ueber Heftpflaster. 3) Dr. Königshöfer in Aschaffenburg: - a) Ueber eine ängeborene cavernöse Geschwulst und deren Operation. b) Ueber die Anwendung des Collodiums in besondern Fällen. e) Einige Bemerkungen über die Folgen der Irideetomie und die Anwendung der Mydriatica. Die Mitglieder der Section werden morgen nach dem Mittagessen zum Abschied: im Museumsgarten zu- sammenkommen. XI. Section. Psychiatrik. Vierte Sitzung unter dem Vorsitze des Herrn Geheimerath Flemming von Sachsenberg. 1) Schluss der Discussion. — Beschluss: Die psychiatrische Section erklärt, um die in dem Vortrag des Geh. Hofrath Roller gehaltene in der ersten öffentlichen Sitzung vom 16. September, ausgesprochenen Grundsätze und Wünsche ihrerseits zu unterstützen: dass sie die unten angefügten 19 Thesen des Geheimerath Dr. Flemming zu den ihrigen mache. 2) Vortrag des Director Kern aus Gohlis: Ueber das Verhältniss der Pädagogik zur Psychiatrie. 3) Dr. Brosius aus Bendorf: Ueber das Non-Restraint-System. Die Majorität spricht sich gegen dieses System in seiner unbedingten und allgemeinen An- wendung aus. Für die nächste Sitzung ist Obermedicinalrath v. Zeller aus Winnenthal gewählt. Neunzehn Thesen zur gerichtlichen Psycho-Pathologie. 1) Die Psychologie, oder die Lehre von der Seele, wie sie jetzt besteht, ist nicht Physiologie, sondern nur Phänomenologie der Seele. 2) Als solche gehört sie, wenn auch immerhin zur Naturwissenschaft, doch nicht ausschliesslich oder nur vorzugsweise zur Domäne der Medizin, sondern bildet eine Hülfswissenschaft sowohl dieser, als der Juris- prudenz, der Theologie, der Pädagogik. 3) Wenn die Medizin vorzugsweise ein Anrecht auf die Psychologie in Anspruch nehmen wollte, so könnte sie dies nur, insofern sie die Bedingungen des gesunden und des kranken, des normalen oder anormalen Seelenlebens im Organismus nachweiset oder nachzuweisen versucht. 4) Wenn die Jurisprudenz in den Fall kommt, für die Beurtheilung einer Thhatsache bezüglich der An- wendbarkeit des Gesetzes ein sachverständiges Erachten von Seiten der Psychologie einzuholen, so kann sie sich an Jeden wenden, welcher in Sachen der gesunden Seelenerscheinungen Kenntniss und Erfahrung hat. = 5) Wenn sie sich mit ihrer Frage vorzugsweise an den Arzt wendet, so geschieht es nur, um von ihm seine Meinung über Gesundheit und Krankheit zu hören, insofern die eine oder die andere von Einfluss ist auf fragliche Seelenzustände. x 6) Der Gerichtsarzt ist folglich niemals Beisitzer des Gerichts zur Aburtheilung eines Rechtsfalls, sondern nur zugezogener Sachverständiger, der über einen fraglichen Umstand zu Rathe gezogen wird. 64 7) Der fragliche Umstand ist allemal Gesundheit oder Krankheit, und zwar des Körpers, in Beziehung auf deren Wirkungen auf das normale Vonstattengehen der Seelenthätigkeit. 8) Der Gerichtsarzt hat sich nur um diese Frage zu kümmern, und wie auch die Frage des Richters gestellt sein möge, nichts weiter aus dieser herauszulesen, als: ob der Explorande in der Art und in dem Maase krank sei oder nicht, dass darunter das normale Vonstattengehen der Seelenthätigkeit Schaden erleiden könne oder müsse& 9) Eine hiemit übereinstimmende Fragestellung von Seiten des Richters ist wünschenswerth, aber nicht nothwendig, wenn der Arzt den richtigen Gesichtspunkt einhält; wie es auch demselben frei steht, etwa vor- gefundene Krankheitszustände nach Maasgabe ihrer psychischen Erscheinungen in Uebereinstimmung mit seiner eigenen oder irgend einer Nosologie zu bezeichnen. 10) Dispositionsfähigkeit (Validität) und Zurechnungsfähigkeit (Imputabilität) sind nicht medieinische, sondern juristische Begriffe, deren Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit nur eine Consequenz des ärztlichen Parere ist. Wenn die Fragestellung des Richters ihrer erwähnt, so darf dies den Arzt über den Sinn der Frage nicht irre machen. 11) Krankheit und Gesundheit in dem sub 8 bezeichneten Sinne ist für den Arzt nur erkennbar an ihren Erscheinungen, theils leiblichen, theils psychischen. P . 12) Eine dieser beiden Reihen von Erscheinungen allein reicht niemals hin, um Gesundheit oder Krank- heit zu bezeugen und zu beweisen. Es soll nachgewiesen werden, ob erhebliche Krankheitserscheinungen vor- liegen, welche mit (fraglichen) psychischen in causaler Beziehung zweifellos oder wahrscheinlich stehen oder stehen können. 13) Am wenigsten sollen die psychischen Erseheinungen allein und für sich als Beweis für Gesundheit oder Krankheit in Erwägung gezogen werden, welche den Gegenstand der richterlichen Untersuchung bilden. 14) Wenn der Gerichtsarzt sich in Ermangelung pathologischer Thatsachen ausschliesslich auf die Er- wägung dieser fraglichen psychischen beschränken muss, so muss er ausdrücklich erklären, dass er in vorliegen- dem Falle nicht als Arzt, sondern lediglich als Psychologe urtheilt. : 15) Da die Krankheit niemals ein abgeschlossener Zustand, sondern ein fortlaufender Process ist, so ist für die Beurtheilung der Thatsachen deren genauester und vollständigster Ueberblick erforderlich, um die Geschichte der Krankheit zu erforschen. 16) Die Meinung des Sachverständigen muss möglichst in einer dem Nichtarzte verständlichen Form ausgedrückt sein. 17) Der Gerichtsarzt darf niemals scheuen, das „non liquet‘“ auszusprechen, und er darf sich nicht um ' die Wirkungen desselben kümmern. 18) Sowohl in Fällen, wo der Richter die Argumentation des Sachverständigen nicht hinreichend versteht oder mit seinen Folgerungen aus den Thatsachen nicht einverstanden ist, als auch in solchen, wo das non liquet ausgesprochen ist, muss derselbe, sofern die Argumentation eine nicht blos psychologische, sondern ärztliche ist, eine Superrevision fordern. 19) Die gerichtsärztliche Begutachtung psycho-pathologischer Fälle, sowie die Superrevision muss durch eine ärztliche, in Beobachtung von Krankheitszuständen, welche das Vonstattengehen der Seelenthätigkeiten behindern, geübte Behörde geschehen. Dr. C. F. Flemming. Fünfte Sitzung am 21. September unter Präsidium des Obermedieinalraths Dr. Zeller aus Winnenthal. Direktor Dr. Lähr zeigte 2 Modelle von Betten für unreinliche Seelengestörte vor und Proben von impermeablen Stoffen zu gleichem Zwecke. Dr. Erlenmayer theilt seine Erfahrung über den fraglichen Gegenstand mit. Hieran schliesst sich eine längere Unterhaltung über die zweckmässigste Lagerung der Kranken und Verhütung der Unreinlichkeit derselben überhaupt. Eine weitere Unterredung, auf Anregung des Präsidenten, der in längerem Vortrag seine eigenen Er- fahrungen mittheilt, betraf die verschiedene Wirkungsäusserung einzelner Arzneimittel, je nachdem sie in ver- schiedener Tageszeit gereicht werden, und die Erfahrungen, die einzelne Anwesende über die Wirkungsweise und Wirkungsfähigkeit bestimmter Arzneimittel bei bestimmten Formen von Seelenstörung gemacht haben. Auf Anfrage des Präsidenten spricht sich die Section wegen bevorstehender Abreise mehrerer Mitglieder dahin aus, dass mit dieser Sitzung die Reihe der diesjährigen Sectionssitzungen überhaupt geschlossen werden soll. Dan an er 65 Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Dienstag den 21. September Abends erklärt haben. Mitglieder. d’Aragao, Generalconsul. Bahia. Erbprinz. Schimmelbusch, Direetor. Hochdahl. Lange- Bleyle, k. k. Stabsarzt. Mainz. | strasse 203. Finck, Salinenarzt. Rappenau. Rothes Haus. | Thumm, Assistenzarzt. Tiefenbronn. Gasth.z. Ochsen. Finck, prakt. Arzt. Eberbach. Rothes Haus. | Völkle, Professor. Solothurn. Erbprinz. Krafft, Regierungs- u. Baurath. Aachen. Waldhorn. | Wetterer, Reallehrer. Bretten. Carlsstr. 13a. Oster, prakt. Arzt. Rastatt. Wever, Dr., Badarzt. Badenweiler. Herrenstr. 19. Schall, Dr. Arzheim. | Zipf, prakt. Arzt. Kandern. Theilnehmer. Bennigsen Förder, von. Berlin. Waldhorn. | Marx, C., Dr. Stuttgart. Deffner, Fabrikant. Esslingen. Meidinger, Dr. Heidelberg. Fischer, Professor. Freiburg. Overbeck, Dr. Detmold. Fregonneau, Arzt. Eichstetten (Kaiserstuhl). | Pfeufer, v., Obermedieinalrath. München. Erbprinz. Füsslin, Direetor. Bruchsal. Rehmann, Dr., Physikus. Haigerloch. Engl. Hof. Hack, Amtsarzt. Sinsheim. Ritter. Veesenmeyer, Dr., Professor. Ulm. Hebra, Ferd., Professor. Wien. Erbprinz. Weber, €. O., Dr., Professor. Bonn. Jan, G., Professor. Mailand. Waldhorn. Weil, prakt. Arzt. Sinsheim. Gold. Adler. Kahler, A., Dr. med. Hamburg. Herrenstr. 15. Welcker, Dr., Professor. Giessen. Küchenmeister, Medieinalrath. Zittau. Weng, prakt. Arzt. Flelingen. Schloss. Labry, Bergwerksdireetor. Maastricht. Steinstr. 15. | Wölfel, Dr., prakt. Arzt. Bruchsal. Leuner, Dr., Professor. Hildesheim. Waldhorn. Würtz, Ad., Professor. Paris. Erbprinz. Bekanntmachungen. Das Anmeldebureau ist geöffnet: 1) von Morgens neun Uhr bis Nachmittags drei Uhr; 2) von Abends sechs bis neun Uhr. Die „deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und gerichtliche Psychologie“ hielt unter dem Präsidium des Medicinalraths Mansfeld aus Braunschweig ihre statutenmässige Generalversammlung. Zunächst trug Dr. Erlenmeyr aus Bendorf einen Geschäftsbericht über die ersten 5 Jahre der Gesellschaft in wissenschaftlicher und praktischer Beziehung vor; dann wurde zur Preisvertheilung geschritten. Es waren 30 Abhandlungen über die Ursachen der in neuerer Zeit immer häufiger werdenden Selbstmorde eingegangen, von denen die sechs Preisrichter Nr. 14 und 15 als die besten bezeichnet hatten, denen der Preisgzu gleichen Theilen zuerkannt werden solle. Bei der Eröffnung der Zettel durch die Serutatore ergaben sich als Verfasser: Dr. Hoffbauer, prakt. Arzt in Bielefeld und Dr. Hasse, Assistent der Irrenanstalt zu Prefargier bei Neufchätel. Schliesslich wurden einige neue Anträge eingebracht, und nach den Statuten für die nächsten 5 Jahre ein neuer Vorstand und Ausschuss gewählt, sowie die Preisrichter für die nächstjährige Preisfrage ernannt. - Anzeigen. Eine wohlgeordnete Mineraliensammlung, gegen 1000 Nummern, hauptsächlich aus werthvollen inlän- dischen Exemplaren bestehend, wird zu billigem Preise verkauft. Nähere Auskunft ertheilt Professor Moritz Seubert, Amalienstrasse Nr. 20. 66 Zwei Sammlungen Mineralien, jede von mehr als 400 Exemplaren, stehen im Polytechnikum hierselbst zur gefälligen Ansicht, und würden dieselben, im Ganzen abgenommen, (d. h. jede ist einzeln zu erstehen) äusserst billig abgegeben werden. Für die Herren Geologen und Mineralogen! Ittnerite, Fauyasite, Arragonite, Hyalithe, Pyrochlor aus dem Kaiserstuhl, Kobaltblüthe und gediegene Silberstufen aus dem Kinzigthale sind aufgestellt und werden zu billigen Preisen verkauft bei Conradin Haagel, Langestrasse Nr. 153, dem Museum gegenüber. Verwechselter Hut. Der Herr Besitzer eines neuen Hutes, in welchem der Name „Leopold Hugo“ ein- gezeichnet ist, wolle denselben gegen einen andern mit dem Fabrikzeichen „Gessler in Basel“ in der Langen- strasse Nr. 144 gefälligst umtauschen. Gefundener*Paletot. Es wurde nach der ersten Festvorstellung für die Herren Naturforscher auf der ersten Gallerie im Theater ein Paletot gefunden, welcher bei Herrn Logenbeschliesser Schuh in Empfang genommen werden kann. Verlorenes Bracelet. Montag den 20. d. M. Abends 10 Uhr ging auf dem Weg durch die Lange-, Hirsch- und Amalienstrasse zum Bürgerverein und von da zum Museum ein goldenes Bracelet verloren. Der redliche Finder wird gebeten, es in der Stephanienstrasse Nr. 45 im untern Stock abgeben zu lassen. Der Ueberbringer erhält einen Thaler Belohnung. Im Deıters’schen Commissionsverlage zu Münster erscheint seit dem 1. Juli 1857 und ist durch alle Buchhandlungen und Postanstalten zu beziehen : Hygea, populäre medieinische Zeitschrift zur Belehrung für Gebildete ete. herausgegeben von \ und Dr. Karsch,, Dr. Schwartz, Professor an der königl. Akademie und prakt. Arzt Kreisphysikus und dirigirender Arzt des Landesspitals in Münster. in Sigmaringen. Der ganze Jahrgang, 24 Nummern, 1 Thlr, Mit Hinweisung auf den in der zweiten allgemeinen Sitzung gehaltenen Vortrag „die historisch - natur- wissenschaftliche Heilkunde im Gegensatz zu den medieinischen Irrlehren der neuern Zeit“, welcher der näch- sten Nummer der Hygea als Beilage zugegeben wird, erlaubt sich die vorgenannte Redaction, die geehrten Mitglieder und Theilnehmer der diesjährigen Naturforscherversammlung um wohlwollende Betheiligung zu bitten, mit dem Bemerken, dass der Ertrag der gedachten Zeitschrift für Unterstützung schlecht dotirter deutscher Krankenanstalten verwendet werden soll. Unter der Presse befindet sich und erscheint demnächst im Verlag von Frvr. VIEwEG & Sonn in Braunschweig: Systematische Zusammenstellung der organischen Verbindungen von Dr. €. Weltzien, Hofratlı und Professor in Carlsruhe. In der Hofbuchhandlung von A. BieL£rerv ist zu haben: Neydeck, Der Buchs, das zuverlässigste und billigste Heilmittel der Wechselfieber. Ein Stellvertreter der China und anderer Medicamente gegen Wechselfieber. Preis 15 kr. Nach den Erfahrungen des Verfassers übertrifft der Buchs alle bisher bekannten Medicamente bei den Wechselfiebern, indem in den meisten Fällen nur eine Dosis genügt, das Fieber gänzlich zu beseitigen; dabei ist dessen Anwendung zugleich höchst einfach und wohlfeil, und es können dadurch bedeutende Summen dem Lande erhalten werden, die seither für China ete. in das Ausland gingen. Zugleich theilt der Verfasser ein ganz kostenfreies Verfahren mit, den Buchs gegen ausfallende Haare sowohl als auch zur Beförderung eines starken Haarwuchses anzuwenden. 67 Im Verlag der G. Braun’schen Hofbuchhandlung in Carlsruhe ist erschienen und durch alle Buchhand- lungen zu erhalten: Döll, J. Ch., Geh. Hofrath und Professor, Vorstand der grossh. Hofbibliothek und Mitglied des grossh. Ober- studienrathes, Flora des Grossherzogthums Baden. 8°. I. Band Preis 3 fl. 12 kr. II. Band 1. Heft Preis 1 fl. 36 kr. Im Verlage der Chr. Fr. Wüller’schen Hofbuchhandlung ist so eben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu erhalten: (reognostische Beschreibung des Unteren Breisgau’s Von Dr. Philipp Platz. Mit einer geognostischen Karte und einer Profiltafel in Farbendruck. gr. 4°. br. Preis 1 fl. 36 kr. (reologische Beschreibung der Umgebungen von Badenweiler. Mit einer geologischen Karte in Farbendruck und zwei Profiltafeln. gr. 4°. br. Preis 1 fl. 12 kr. Weltzien, Dr. C., Grundriss der theoretischen Chemie, insbesondere für Artillerie- und Ingenieur-Offiziere. Mit 18 Tafeln und 40 in den Text eingedruckten Holzschnitten. 8°. br. Preis 2 fl. 24 kr. Laboratorium, das chemische, der polytechnischen Schule zu Carlsruhe von Dr. C. Weltzien und H. Lang. Ein Heft in Royalfol. 3 Farbendrucktafeln mit 1 Bogen Text. Preis 2 fl. 48 kr. Eisenlohr, W., Elementarphysik für Gymnasien und höhere Bürgerschulen. Mit 7 Tafeln. gr. 8°. br. Preis 2 Al. Eisenlohr, Dr. Otto, geognostische Beschreibung des Kaiserstuhls bei Freiburg im Breisgau. illum. Karte. 8°, Preis 48 kr. Lang, H., das chemische Laboratorium an der Universität in Heidelberg. Ein Heft in Royalfol. 5 Farben- drucktafeln mit 2 Bogen Text. Preis 4 fl, Mit einer Berichtigung. Im Tagblatt Nr. 6 Seite 51 Zeile 6 von unten ist zu lesen: graue Hirnsubstanz. Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller’schen Hofbuchdruckerei. “r TAGBLATT DER 34. VERSAMMLUNG DEUTSCHER NATURFORSCHER UND ÄRZTE IN CARLSRUHE IM JAHRE 1858. Herausgegeben von Professor Dr. Dienger und Hof-Physikus Dr. Zollikofer. N® 8, Den 23. September. 1858. Antwort Humboldt’s. Tiefgerührt von dem ehrenvollen Andringen der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Ihrer 34. Zusammenkunft, richte ich die ganz gehorsamste Bitte an die verehrten Herren Geschäftsführer Eisenlohr und Volz, der Versammlung den ehrerbietigsten Dank dafür darzu- bringen, der um solche vaterländische Erinnerung den Schmerz doppelt fühlen lässt, den Andrang seiner Empfindungen nieht mündlich selbst darbringen zu können. Berlin, 16. September 1858. Alexander v. Humboldt. Sitzungen der Sectionen. I. Section. Mineralogie und Geognosie. Sechste Sitzung am 22. September. Präsident: Herr Rathsherr Merian. 1) Professor Fischer aus Freiburg sprach über die Verbreitung des Oligoklases in den Graniten, Syeniten und Glimmerschiefern des Schwarzwaldes, und machte auf die Zwillingsstreifung des Oligoklases aufmerksam, wodurch letzterer sich sehr leicht vom Orthoklase unterscheidet. Hierauf zeigte er verschiedene verkieselte Hölzer vor, gab den Unterschied zwischen verkieselten Coni- feren, Laubhölzern etc. an und legte schliesslich ein Exemplar eines ziemlich wohlerhaltenen Sauriers vor, welches der Redner in den oberen Lagen des Buntsandsteines bei Rheinfelden vorfand. 2) Dr. Volger machte auf die Wichtigkeit der einfachsten und schwächsten Mittel aufmerksam, deren sich die Natur bedient, zeigte einige durch Vivianit petrifieirte Pflanzenreste, Pseudomorphosen von Kalkspath nach Gaylüssit, durch Manganhyperoxyd petrifieirte Korallen, Coneretion mit Fischnestern im Innern aus Grönland vor und sprach über die Kalkabscheidung durch die Lebensthätigkeit der Algen. Nachdem der Redner noch einige Worte über die Bildung der Septarien gesprochen, machte er auf die reichhaltige Sammlung dieser interessanten Bildungen im Senkenberg’schen Museum aufmerksam. 3) Berginspector Daub sprach über das Galmeivorkommen in Wiesloch, wobei er sich über die Ver- breitung und Lagerung des Muschelkalkes, Vorkommen des Galmeis in Nestern, Gängen und Schichten und grosse Unregelmässigkeit der Lagerungsweise verbreitete. 4) Professor Wiebel aus Hamburg führte ein Beispiel von Hebung im Klöbitzersee in Holstein an, welche sich innerhalb 50 Jahren mehrmals wiederholte und ihren Grund in dem Vorhandensein eines schwim- menden Moores hatte, welches durch Gasanhäufung unterhalb der dichten filzartigen Decke von Zeit zu Zeit über das Niveau des Wassers gehoben wird und einen förmlichen Schlammkrater bildet. 70 Die Gase bestanden zum grossen Theil aus Sumpfgas. Der Redner machte darauf aufmerksam, dass die Hebung während eines sehr heftigen Orkanes erfolgte, und sieht in dem dabei auftretenden geringeren Luftdruck den Anstoss zur Katastrophe. Auf Veranlassung einiger Mitglieder wurde durch Aufstehen der Dank ausgesprochen für die grosse Liberalität, mit der den Mitgliedern der Section aus dem Grossherzoglichen Naturalienkabinet Mineralien und Versteinerungen zur Verfügung gestellt wurden. Herr Georg Bauerkeller aus Paris zeigte ein vortrefflich ausgeführtes Relief von Heidelberg und Umgebung, nebst verschiedenen Reliefkarten. II. Section. Botanik und Pflanzenphysiologie. Fünfte Sitzung am 22. September. Präsident: Prof. Mettenius. Radlkofer spricht über die verschiedene Weise, wie sich die Anomalien im Diekenwachsthum des Dikotyledonenstamms äussern, und macht insbesondere die Existenz einer eigenen Oambirmeehiehk im Früh- jahr unwahrscheinlich. Schimper, Klauprecht, Dingler und Seubert berichten über verschiedene das Wachsthum des Holzkörpers erläuternde F alle. Gergens bespricht das Vorkommen der Lemna minor, welche in einer 36 Fuss mächtigen Erdschicht luftdieht eingeschlossen sich frisch und grün erhalten hatte. Wigand stellt zur Ergänzung der Darstellung von Braun und Wydler die Eigenthümlichkeiten der schraubel- und wickelartigen Sprossketten in ihrem Character als räumliche Gebilde unter Vorzeigung von Modellen dar. An der weiteren Besprechung betheiligen sich Döll und Radlkofer. Senbert handelt über den Blüthenbau der Napoleona imperialis und die übrigen zwei Arten dieser Gat- tung, welche wahrscheinlich alle drei Afrika angehören und eine der Rhodoraceae verwandte Familie bilden. Veesenmeyer zeigt ein von ihm gesammeltes Exemplar von Carer physodes Pall. aus der Kirgisen- steppe und spricht über das seltene Vorkommen der Cariceae in der Steppe überhaupt. ? v. Liebig erläutert durch Experimente, dass die Kali, ammoniak- und phosphorsauren Salze in der Ackerkrume so zersetzt werden, dass Kali, Ammoniak- und Phosphorsäure gebunden bleiben, und dass der Pflanze die Fähigkeit zukomme, vermittelst der Wurzelspitzen durch Ausscheidung einer Säure (wahrscheinlich Kohlensäure) die derselben zuträgliche Menge jener Stoffe aufzulösen. Die Aufklärung dieses letzten Vorgangs, welcher durch Beobachtung von K. Schimper an Steinen, die von Pflanzen angefressen werden, Bestätigung findet, wird der Pflanzenphysiologie empfohlen. Nachdem der Präsident den einheimischen Mitgliedern Seubert, Döll, Bausch, Klauprecht den Dank für deren Verdienste um die Thätigkeit der Section und insbesondere die Anerkennung des ausgezeich- neten Zustandes des unter der Pflege des Herrn Hofgärtners Mayer stehenden botanischen Gartens im Namen der botanischen Section ausgesprochen, werden die Sitzungen geschlossen. IV. Section. Mathematik, Astronomie und Mechanik. Sechste Sitzung am 22. September. Präsident: Hofratı Redtenbacher. Secretär: Professor Dr. Wiener. Der Präsident sagt der Versammlung ein herzliches Lebewohl. Darauf forderte Professor Argelander die Section auf, ihrem Seeretär für seine mühevolle und freund- liche Geschäftsführung ihren aufrichtigen, warmen Dank auszusprechen, welchem Vorschlage die Anwesenden in ihrem und ihrer schon abgereisten Genossen Namen aus freudigem Herzen beistimmten, und zugleich ver- langten, dass dieser Dank ins Protocoll aufgenommen werde. V. Section. Physik. Sechste Sitzung am 22. September. Unter dem Präsidium von Professor Müller aus Freiburg wird die Sitzung eröffnet. Professor Petzval sprach zuerst über: Objeetive zu photographischen Zwecken. 71 Nach einer geschichtlichen Entwickelung der allmähligen Fortschritte in der Anfertigung von Objectiven ging er über zu den Verbesserungen, die er an denselben besonders zu photographischen Zwecken angebracht hat, und zeigte ein von ihm berechnetes Objeetiv, sowie eine Anzalıl Photographien von hoher Vollendung, die mit einem solchen angefertigt worden, vor. Endlich sprach er noch von einer von ihm erdachten Camera obseura und von der Zukunft der Photographie. Herr Professor Petzval zeigt sich schliesslich zu weiteren Mittheilungen gerne bereit. Herr Professor Müller aus Freiburg zeigte alsdann einige mikroscopische Photographien vor. Hierauf gab Herr Professor Reisch einige Notizen über die Bedingungen, welche die Linsen in Po- larisationsapparaten erfüllen müssen, um einen grossen optischen Effeet zu erzielen. Aus der chemischen Section sprach sodann noch Dr. Walz: Ueber Bitterstoffe der Gratiola offiei- nalis und Digitalis purpurea, und zeigte dieselben vor. Th. Engel, Chemiker aus Stuttgart, zeigte schliesslich Proben von Photographien vor. VI. Section. Anatomie, Physiologie und Zoologie. Fünfte Sitzung am 21. September. Präsident: Professor Helmholz; Seeretär: Dr. Pagenstecher. Vorträge: Professor Kölliker: Ueber den feinen Bau der lamina spirales der Schnecke im Ohr der Säugethiere. Nach Corti haben besonders Claudius, Böttger, Max Schultze dieses Organ bearbeitet, es bedarf immer noch weiterer Untersuchungen und vor Allem des Zusammenwirkens. Kölliker setzt zunächst das Wesen des mittlern Treppenkanals auseinander, dann das der Deckmembran dieses Kanals. Diese Membran wird zuerst durch eine fortgesetze Periostlage, dann durch die eigentliche Corti’sche Membran offenbar eine Bindegewebsmembran zusammengesetzt. Corti zeichnet sie als ein dünnes Häutchen, sie hat jedoch wenigstens beim Ochsen besondere Eizenthümlichkeiten. Eine Stelle ist sehr diek und die Membran läuft dann in einen sehr dünnen zerrissenen Rand aus. Der dicke Theil best schr wahrscheinlich den Spitzen der Zähne erster Reihe auf; wohin der dünne Theil liest, bleibt zweifelhaft, wahrscheinlich ist er nach dem Innern der Schnecke gerichtet. Die dieke Stelle wird nach der Kuppel zu immer breiter. Der feinere Bau des Cortischen Organes wird vom Redner ausführlich durchgesangen und mit Zeichnungen erläutert. Die äussere Enden der Fasern scheinen wie die innern mit Anschwellungen ausgerüstet zu sein. Der nervus acustieus endet nicht, wie Corti meinte, in der membrana timpani. Die Corti’schen Fasern, von andrer mikrochemischer Constitution als die lamina basilaris, sind mit Varikositäten ausgerüstet. Die ihnen anhängenden Zellen sind höchst vergänglich und bedürfen sehr genau concentrirter Flüs- siekeiten zur Erhaltung. In Wasser verschwinden sie sofort. Die membrana retieularis ist beim Ochsen sehr leicht zu sehen. Die äussern Corti'schen Fasern liegen unter ihr. Die drei Reihen Oeffnungen sind sehr deutlich. Die histologische Bedeutung der ganzen Membran ist unklar, die chemischen Verhältnisse sind denen der Corti’schen Fasern gleich. Den 3 Reihen Löcher entsprechen die 3 Reihen Zellen, deren Fäden durch sie in die Tiefe gehen (Granglienzellen?). Alle Anhänge liewen über den äussern Faserenden. Kölliker ist zweifelhaft geworden, ob die Fasern die Nerven- enden bilden. Die membrana retieularis scheint eins mit ihnen zu sein und sie ist zu sonderbar, um für nervös gehalten zu werden. Das ganze Gebilde ist nicht wohl als blosse Stütze, sondern auch sonst wichtig, aber unklar in seiner Bedeutung. Die 3 gestielten Zellen sind wahrschemlich die IEinden des acustieus. Die varikösen Fädchen, die Max Schultze auffand, liegen beim Ochsen nur unter der lumina spiralis membranacea; dieselben dürfen nicht als nervös betrachtet werden. Helmholz glaubt auf den Punkt aufmerksam machen zu müssen, wie wichtig es sei, wenn die Einrichtung des Corti’schen Organs als eine Vorrichtung erkannt würde, jeden Nervenzweig durch die besondere Schwingungsdauer des ihm entsprechenden Theils, nur für einen Ton empfind- lich zu machen. M. Schultze wünscht, dass im Verlaufe der nächsten Jahre ein Forscher das Corti’sche Organ durchgehend vergleichend anatomisch prüfe. 72 Kölliker bemerkt, dass die Grössendifferenzen der Theile des Corti’schen Organs nur minimal sind, die Theile scheinen gegen die Kuppel zu länger zu werden. Helmholz hält die Längenmessungen für weniger wichtig, als die der Dicke. Medieinalrath V olz stellt einen jungen Mann mit starker Einbiesung des Brustbeins vor. Nuhn spricht über Zonula eiliaris. Die Natur der Fasern dieser Membran war bisher streitiger Natur. Die Membran hat 2 Schichten: die tiefere Schichte im hinteren Theil mehr homogen vorn mit deutlichen Fasern, die darüberliegende mit querdurch an die Linsenkapsel gehenden Fasern. Diese oberflächliche Membran mit schwachen Säuren behandelt, zeigt nach und nach statt dieser steifen, spitzwinklich verbundenen Fasern, breitere Bänder, die man durch stärkere Säuren wieder in dünne Fasern zerfällen kann. An jenen Bändern sind durch essigsaures Bleioxyd und Essigsäure in bestimmten Procenten Querstreifen nachzuweisen, ohne dass bisher die vollständige Identität mit Muskelsubstanz, sei es chemisch, sei es durch polarisirtes Licht, sei es durch elektrische Reizung, nachgewiesen werden konnte. Zeigt am Mikroskope die Resultate seiner Untersuchung. Kölliker erwähnt, dass Finkbeiner beim Pferd etwas nachgewiesen hat, was mit Nuhn’s Be- fund identisch sein muss, dass aber die Querstreifung bei chemischer Behandlung auch bei Binde- gewebsbündeln vorkomme, und dass er selbst betreffs der einfachen Natur der Muskelfaser seine alten Ansichten noch festhalte. Keine Spur eines Kerns findet sich in den Fasern der Zonula zinmüi. Die Fasern werden kaum als muskulöse betrachtet werden. Nuhn erwähnt, dass mehrere Andere auch quergestreifte Muskeln in der Zonula gesehen haben, dass aber Finkbeiner nach seinen Zeich- nungen das nicht gesehen hat, was er selbst sah. Die Erscheinung tritt auch ohne chemische Re- agentien ein. Schiff: An Finkbeiner’s Präparaten erwies die chemische Reaction, dass von Muskelsubstanz keine Rede war. Helmholz: Die Deutung ‘des Befundes mag noch zweifelhaft sein, aber die Nuhn’schen Präparate sind höchst sehenswerth. 2 Bruch hält die Mittheilungen Nuhn’s über das chemische Verhalten für das Bindegewebe weit entsprechender. Herr Staatsrath von Baer legt drei Schädel vor aus dem Grabe eines Scythenkönigs. Der eine derselben, ein kurzköpfiger, zeigte die Charaktere des Seythenschädels; ein zweiter, langköpfi- ger, mit pyramidal verlängertem Hinterhaupt, flachem Jochbogen stimmt mit der eimbrischen Form überein. Der Sceythenschädel ist verschieden von dem der Mongolen, Türken, Finnen, und als einem eigenen Stamm zugehörig zu betrachten, der seythische Stamm kann unter den bekannten nicht untergebracht werden. Der Redner schlägt bei dieser Gelegenheit vor, mehr als bisher be- stimmte Normen als diagnostische Hülfsmittel für die Classification der Schädel aufzustellen. Professor von Beneden tritt als Präsident für die zoologische Section ein. Professor Vir- chow wird zum Präsidenten für die morgige Sitzung ernannt. Professor Virchow bemerkt, dass alle als celtische und eimbrische abgebildeten Schädel durch eine Synostose der Pfeilnath nach früherer Mittheilung des Redners sich auszeichnen. Es lasse sich nicht leugnen, dass die Bezeichnung der meisten dieser Schädel als „celtische“* eine durchaus will- kürliche' gewesen sei, dagegen sei unter allen Synostosen keine so häufig als die der suttura sagit- talis. Ob nun diese Synostose auch in den obigen Fällen als pathologisch zu betrachten ist, sei fraglich. Professor Schaaffhausen bemerkt, indem er sich auf seine Untersuchungen der ältesten Rassenschädel bezieht, dass das Vorkommen auffallend langer oder kurzer Köpfe in Verbindung mit früher Verwachsung der sut. sagittalis oder coronalis in ganzen Rassen so häufig vorkomme, dass man wohl diese Erscheinung als eine physiologische betrachten dürfe, indem diejenigen Nähte offen bleiben, die das Wachsthum des Gehirnes in einer bestimmten Richtung gestatten, und durch das- selbe an der Verwachsung gleichsam gehindert werden. Auch sei Schiefheit des Schädels nicht immer pathologisch, sondern häufig durch mechanische Ursachen hervorgebracht, wobei er eine Mittheilung des Herrn von Siebold über die Japaner anführt. 73 Discussion, an der sich Professor Virchow, Professor Schaaffhausen und Professor Kölliker betheiligen. Vortrag von Professor Virchow über den Bau der Ohrquallen. Der Redner beschäftigte sich zunächst mit der Untersuchung des Nervensystems dieser Thhiere. — Von jedem der Chymuskanäle gegen den Rand des Thieres geht ein Kanal, der sich dann theilt und zu den Tentakeln läuft. Derselbe hat eine grössere Ausbuchtung, die jederseits einen ohrförmigen Anhang hat, sich in eine Spitze verlängert. Auf dieser sitzt der Randkörper. Der ganze Körper ist von einer nach aussen dünner werdenden Zellenlage bekleidet; innerhalb der Zellenlage findet sich das Pigment und die schon von Ehrenberg beschriebenen Krystalle. — In jüngeren Individuen findet man statt derselben Zellen mit körnigem Inhalt, die später blasige Räume zeigen, in welchen sich die Krystalle entwickeln, die, allmählig wachsend, die Zellmembrane ganz ausfüllen. Die Krystalle sind ihrer chemischen Zusam- mensetzung nach unbekannt, jedenfalls sind sie nicht kohlensaurer Kalk. In dem innern Theil der Randkörper finden sich zellige Elemente und granulöse Zwischenmasse. Das Verhältniss des Kör- pers zum Chymuskanal lässt sich nicht bestimmter ermitteln; ebenso wenig lassen sich bestimmte nervöse Elemente erkennen. — Die Deutung des Organs als Sinnesorgan ist nicht zu bezweifeln, dagegen glaubt der Redner dasselbe nach seiner Entwicklung eher als Gehörorgan, als als Auge betrachten zu müssen. Mechanische und chemische Reize desselben erregen besonders heftige Zu- sammenziehungen des Thieres. Ausserdem beschäftigte sich der Redner mit der Untersuchung der Structur des Grundgewebes des Thieres. Derselbe konnte sich, entgegen von Schulze, nicht von dem Vorhandensein anasto- mosirender Zellen überzeugen. Allerdings existiren Zellen mit Ausläufer, er hält dieselben jedoch zum Theil für erst nach dem Tode eingetretene Veränderungen, ähnlich wie dies bei den Knorpel- zellen vorkommt. In Betreff der Struetur der Muskellage stimmt der Redner mit Schultze dahin überein, dass dieselbe aus quergestreiften Elementen besteht; überdies gelang es ihm kernhaltige Fasern zu sehen, die sich gegen den Rand hin oft deutlich isolirten. Contractionen sind auch an den Chymusgefässen und an den ohrförmigen Anhängen der receptacula zu schen. Die epithelialen Bildungen fand der Redner überall, auch an den Ueberzügen innerer Theile; von Nesselorganen begleitet. Die Entwickelung derselben konnte stets im Innern zelliger Elemente verfolgt werden. Alkalien wirken auf dieselben in ähnlicher Weise wie auf die Cilien erregend. Man sieht die Nesselfäden bald mit den Köpfen, bald mit den Spitzen hervortreten. M. Schultze glaubt aus seinen Untersuchungen über das gallertige Bindegewebe bei Rochen und Haien eine Un- terstützung für seine frühere Ansicht über das Grundgewebe der Medusen entnehmen zu dürfen, da dort in ähnlicher Weise anastomosirende Bindegewebskörperchen sich finden. Kölliker bemerkt, dass er bei einzelnen Medusen sowohl Augen als Gehörorgane gefunden habe; er glaubt mit Virchow, dass das blosse Vorhandensein von Pigment nieht veranlassen dürfe, ein Sinnesorgan als Auge zu deuten. Rücksichtlich des Grundgewebes bemerkt er, dass er mehrfach auch bei Medusen im gallertigen Bindegewebe sternförmige Zellen mit Fortsätzen, nicht aber anastomosirende Zellen gesehen habe. Die Entwickelung der Nesselorgane in Zellen hat der Redner schon früher beobachtet, ebenso die Quersteifung der Muskeln. M. Schultze erwähnt, dass F. Müller bei mehreren Medusen ein übrigens lediglich aus Zellen bestehendes Nervensystem aufgefunden hat. Professor Nordmann, zur OÖsteologie von fossilen Bären. Der Redner zeigt eine Reihe von Abbildungen, nach selbstverfertigten Präparaten vor. Professor Jan aus Mailand, über Schlangen. Vorzeigung von Abbildungen. Professor Kölliker. Der Redner theilt mit, dass er in Neapel an den Kiemen eines Kopf- kiemers eine Reihe von Augen beobachtete. Das Thier wurde schon von Dariell als Amphitrite bombyx beschrieben, derselbe erkannte jedoch noch nicht die Pigmentflecken an den Kiemen als Augen. Das Thier zeigt grosse Achnlichkeit mit der Labella. An den Kiemenfäden sieht man zwei Reihen schwarzer Punkte, die Augen, neben diesen blattförmige Nebenorgane, die sich als Augenlider bezeichnen lassen. Man unterscheidet an dem Auge eine Reihe von Kıystallkegeln, 74 zwischen ihnen braunes Pigment und darüber eine bedeckende Hülle. Die Augen sind somit zu- sammengesetzt. Einen zweiten Kopfkiemer beobachtete der Redner, bei dem gleichfalls die Augen an den Kiemen sich befanden; diese waren so vertheilt, dass am einen Kiemenfaden 3, am andern 2, am dritten 1 Auge sich befanden. Der Bau derselben war noch complieirter als der der vorigen, na- mentlich in Bezug auf die Nebenapparate. Van Beneden theilt eine ähnliche Beobachtung an einem der Zabella ähnlichen Thiere mit, bei dem die Augen an den Spitzen der Kiemenfäden sich befanden. W. Neubert aus Stuttsart: Einige Worte über das Geschlecht der Affen. — Bei den schwankenden Ansichten, welche hie und da über einige Erscheinungen in der Natur der Affen, namentlich über die Menstruation derselben herrschen, möchte es vielleicht nicht ohne Interesse sein, einige genaue Beobachtungen über diesen Punkt mitzutheilen, und einige Bemerkungen über das geschlechtliche Leben dieser Thiere anzuknüpfen, welche beide dazu beitragen könnten, bei der Eintheilung der verschiedenen Arten von Mitwirkung zu sein, weit entfernt jedoch, ein end- gültiges Urtheil dadurch abgeben zu wollen. Bekamntlich unterscheiden sich die Affen der alten und der neuen Welt (Amerika) durch einige sanz besondere Kennzeichen von einander, nämlich die der alten Welt im Durchschnitt durch den Besitz yon Backentaschen und Gesässschwielen, welche beide Theile sämmt- lichen Affen der neuen Welt fehlen. Sodann besitzen verschiedene Arten der neuen Welt Wickelschwänze, welche bei denen der nlten Welt nicht vorkommen. Beobachtungen über die Menstruation, welche ich von dem Jahre 1330 an bei mehr als 40 Exemplaren, die ich nach und nach in eigenem Besitze hatte, sowie an einer grösseren Anzahl fremden Besitzes machte, scheinen geeignet zu sein, etwas Licht in dieser Sache zu verbreiten, vor Allem aber zu neuen Beobachtungen anzuregen. Eine eigentliche, das heisst, in bestimmten Zeitfristen erscheinende Menstruation, so wie sie beim Menschen die Regel ist, wurde von verschiedenen Zoologen celäugnet, und blos zuzezeben, dass hie und da blutige Ausflüsse stattfinden, wie sie bei verschiedenen Thiergattungen vor Ein- tritt der Brunstzeit vorkommen. Diese Ansicht bewog mich, eine damals im Besitz habende ein- zelne Aeffin (Simia Sabea) zenau zu beobachten und ein genaues Register über die Menstruations- Erscheinungen zu führen, aus welchem hervoreinz, dass die Menstruation rewelmässie alle 4 Wochen eintrat und 3 bis 4 Tage dauerte. Im Laufe der Jahre machte ich diese Beobachtunz an verschiedenen Exemplaren und Arten, und fand sie ganz gleichlautend, besonders auch in dem eigenthümlichen Nebenumstande, dass die Menstruation jedes Jahr vom Monat Juli zum Monat August mit einer unregelmässigen Abweichung übersprang. Zwischen einzeln lebenden Weib- chen, und zwischen solchen, welche mit Männchen zusammen lebten und geschlecht- lichen Umgang pflesten, war in Beziehung auf die Menstruations - Erscheinungen durchaus kein Unterschied zu bemerken. Wann eine Befruchtung stattfand, so blieb die Menstruation aus. Die Dauer der Schwangerschaft ist nach dieser Erscheinung bei dieser sehr bekannten Affenart gegen 4 Monate zu schätzen. Die in ehelichen Zusammenleben befindlichen Paare pflegten das ganze Jahr hindurch, auch während der Menstruation, einen zum Sprüchwort gewordenen häufigen geschlechtlichen Umgang. Diese Beobachtungen machte ich ausser der grösseren Anzahl von Simia Sabea auch am Laponter, Calithrix, Harlekin, Mohrenkopf und anderen. Ganz anders fand ich es dagegen bei einigen Arten der neuen Welt. Bei diesen zeigte sich keine Menstruation, dagegen eine des Jahrs zweimal wiederkehrende Brunstzeit, ausser welcher kein geschlecht- licher Umgang stattfand. Angemeldete Vorträge: Anatomie und Physiologie. Professor Helmholz: Ueber Nachbilder. Professor Bruch: Ueber Scelette aus Gutta Pereha von Dr. Schulten in Odemheim. 75 Sechste Sitzung am 22. September. Dr. Nanz über Drüsen in der conjunetive. Beim Rind findet man, wenn man die conjunetive vom bulbus lospräparirt, in der That den Schweissdrüsen ähnliche Drüsen, deren genauere Verhältnisse angezeben werden. Diese Drüsen konnten auch für die Ziegen nachgewiesen werden. Verschieden sind die des Schweines: bei ihnen fällt die Analogie mit den Schweissdrüsen der Haut ganz fort. Professor Esmarch bestätigt die Angaben für Kälber und Rinder. Die Drüsen sind mit blossem Auge sichtbar und ihr Ausgang durch ein schwarzes Pünktehen charakterisirt. Stromeier ist mit Untersuchung dieser Angelegenheit beschäftigt. Die Lymphdrüsen hält dieser für krankhaft. Professor Bruch und Professor Meissner betheiligen sich an der Discussion, letzterer hebt die Differenz der Schweissdrüsen von Nanz und der Lymphdrüsen von Stromeyer hervor. Herr Voit über Temperaturverhältnisse nach Nervendurchschneidung. Der Redner spricht zunächst über die vermuthlichen Ursachen der abwechselnden Füllungszustände der Kaninchenohren, über die Weise, die Temperatur in den Ohren zu messen und über die verschiedenen dabei eintre- tenden Momente. Er charakterisirt darauf die Folgen der einseitigen Sympathieumdurchschneidung für den Augenblick und für die spätere Zeit. Professor Schiff glaubt, dass die Einwendungen wegen das accessorische Arterienherz nicht genügen. Nur sehr ruhige Kaninchen gestatten die Beobachtung einer rhythmischen Thätigkeit dieses Arterienherzens. In solchen Verhältnissen stört diese An- und Abschwellung die Temperatur- messung nicht. Will man mit dem T'hermometer messen, so nehme man keines mit runder Kugel, sondern ein sehr lang wezogenes. Er gibt noch eine Reihe von Cautelen an: Vermeidung des Drucks, Geschwindigkeit u. s. w., dann findet man das Ohr der operirten Seite immer wärmer. Herr Voit glaubt hinreichende Cautelen beobachtet zu haben. Professor Helmholz: Ueber Nachbilder. Die Frage hat grosse Schwierigkeiten. Die Augen halten solche Untersuchungen nicht lange aus, und wenn man anfängt in Uebung zu kommen, muss man der Augen halber wieder aufhören. Man unterscheidet positive und negative Nachbilder. In den ersteren bleiben die Schattirungen die- selben wie in der Aussenwelt, in den andern umgekehrt. Ausserdem Farbenveränderungen. Die negativen sind leichter zu sehen; die positiven sah Helmholz fast nur nach Betrachtung sehr heller Objecte, z. B. der Sonne. Regelmässig konnte die Erscheinung bei schwach leuchtenden Gegen- ständen nicht hervorgerufen werden. Nanz war so glücklich, eine besondere Methode dafür zu finden. Man schaffe erst die Reste früher Eindrücke vollständig weg, durch längeres Schliessen der Augen. Der Lichtabschluss muss vollständig erzielt werden. Verschluss mit Lidern und Händen, selbst in der Sonne, ausserdem mit einem dunkeln Tuche, ist nothwendig. Selbst dann tritt wohl noch etwas Licht durch und veranlasst schwache negative Bilder. Hat man eine Zeit so in absolutes Dunkel gesehen, so-bildet sich allmälig Purkinjes Chaos des dunkeln Gesichtsfeldes.. Dann macht man das eine Auge nur sehr kurz auf, richtet es auf den Ge- genstand, deckt es auf, bewegt es nicht und wenn man es dann schliesst, dauert ein mässig erleuch- tetes Bild, z. B. der Decke, 3—4 Sekunden in natürlichen Farben schön hell nach, selten länger, mit Veränderungen der Farbe. Die Farbenveränderungen sind sehr regelmässig. Das Abklingen findet der Art statt, dass die Farben in ein rosa-rothes Weiss übergehen, dessen Nüancen sich der Complementärfarbe der vorher gesehenen objeetiven Farbe nähern. Am deutlichsten sieht man das bei gleichzeitigem Sehen zweifarbiger Körper (2 sefärbte Bogen Papier auf dem Fussboden). Bei diesem Verfahren kommt es selten zu negativen Nachbildern, den positiven folgt das Dunkel. Fech- ner’s Theorie der zurückbleibenden Reizung für positive Nachbilder stimmt sehr gut hiermit. Professor Meissner: Verdauung der Eiweisskörper. Theilt vorher eine Entdeckung des Dr. Krause in Hannover, betreffs der Endigung der sensiblen Nerven mit. Das Nervenende ent- spricht dem wesentlichen Theile eines Palinischen Körperchens. (Schluss folgt.) Ar 76 Verzeichniss der Herren Mitglieder und Theilnehmer, welche ihren Beitritt bis Dienstag den 21. September Abends erklärt haben. (Das im Tagblatt Nro. 7, pag. 65, mitgetheilte Verzeichniss der Mitglieder enthielt einige Fehler, welche im nachfolgenden wiederholten Abdruck des Verzeichnisses ihre Berichtigung finden.) Mitglieder Marx, (C., Dr. Stuttgart. Meidinger, Dr. Heidelberg. Overbecek, Dr. Detmold. Pfeufer, v., Obermedieinalrath. München. Erbprinz. Rehmann, Dr., Physikus. Haigerloch. Engl. Hof. Veesenmeyer, Dr., Professor. Ulm. Velten, Dr., Arzt. Aachen. Bennigsen Förder, von. Berlin. Waldhorn. Bornemann, F. G., Dr. Mühlhausen. Erbprinz. Deffner, Fabrikant. Esslingen. Fischer, Professor. Freiburg. Fregonneau, Arzt. Eichstetten (Kaiserstuhl). Füsslin, Director. Bruchsal. Hebra, Ferd., Professor. Wien. Erbprinz. Jan, G., Professor. Mailand. Waldhorn. Völkle, Professor. Solothurn. Erbprinz. Kahler, A., Dr. med. Hamburg. Herrenstr. 15. Weber, C. O., Dr. Professor. Bonn. Küchenmeister, Medicinalrath. Zittau. Welcker, Dr., Professor. Giessen. Labry, Bergwerksdireetor. Maastricht. Steinstr. 15. | Wever, Dr., Badarzt. Badenweiler. Herrenstr. 19. Leunis, Dr., Professor. Hildesheim. Waldhorn. Würtz. Ad., Professor. Paris. Erbprinz. Theilnehmer. d’Aragao, Generaleonsul. Bahia. Erbprinz. Scehimmelbusch, Direetor. Hochdahl. Lange- Bleyle, k. k. Stabsarzt. Mainz. & strasse 203. Finck, Salinenarzt. Rappenau. Rothes Haus. | Thumm, Assistenzarzt. Tiefenbronn.- Gasth. z. Ochsen. Finek, prakt. Arzt. Eberbach. Rothes Haus. _ | Weil, prakt. Arzt. Sinsheim. Gold. Adler. Hack, Amtsarzt. Sinsheim. Ritter. ‚ ‘>| Weng, prakt. Arzt. Flehingen. x Krafft, Regierungs- u. Baurath. Aachen. Waldhorn. | Wetterer, Reallehrer. Bretten. Carlsstr. 13a. Oster, prakt. Arzt. Rastatt. Wölfel, Dr., prakt. Arzt. Bruchsal. Schall, Dr. Arzheim. Zipf, prakt. Arzt. Kandern. Anzeige. Ruhmkorfl’s Induetions-Apparat. Am 23., Morgens 10 Uhr, wird Herr Mechanikus Ruhmkorff mit dem für die Naturforscherversamm- lung bestellten und soeben erst angekommenen grossen Induetions-Apparat im Auditorium der Physik bei Hof- rath Eisenlohr Versuche anstellen. Berichtigung. Ueber nachstehende für die III. allgemeine Sitzung angemeldete Vorträge ist, trotz der ausdrücklichen Anordnung des ersten Geschäftsführers, Hofrathı Eisenlohr, durch Nachlässigkeit des Trägers keine Mit- theilung an die Redaction des Tagblattes gelangt und deren Ankündigung in Folge dessen unterblieben : 1) Hoppe: Ueber die Dauer und Forterbung der Krankheiten, und über die etwaige Verschlechte- rung und Verbesserung des Menschengeschlechts in körperlicher Beziehung. 2) Moll: Ueber die Bedeutung der altgermanischen Volksheilkunde. 3) Eimer: Ueber das Gottesbewusstsein in der Naturforschung. 4) Brosius: Ueber die Emancipation der Irren. 5) Dr. Cohn: Ueber Myodynamik des Herzens. J 6) Professor Fuchs: Ueber die ursprüngliche Entstehung des Menschengeschlechts, 7) Professor Dr. Schulze von Greifswalde: Ueber die körperlichen Bedingungen und die Bedeutung des Nachahmungstriebes. Carlsruhe. — Druck der Chr. Fr. Müller’schen Hofbuchdruckerei. ” » Prospeetus über die von dem Unterzeichneten angefertigten Präparate die Entwickelung der Echinodermen betreffend. Es wird hiemit sowohl für Sammlungen als für den Unterricht eine Reihe von Wachspräparaten über die Larven der Echinodermen übergeben. Da die Formverhältnisse, welche die Echinodermenlarven darbieten, zu den verwickelten und schwierigen gehören, und aus den, wenn auch vortrefllichen, Abbildungen allein nicht immer auf den ersten Blick deutlich erkannt werden, so dürfte es nicht unerwünscht sein, zur Demonstration eine Reihe von Präparaten benützen zu können, welche die fünf bis sechs Hauptformen im entwickelten Zu- stande in ihren wesentlichen Zügen, sowie die einfacheren Formen, auf welche jene theils wirklich als auf Ju- gendzustände, theils als auf Schemata zurückführbar sind, und endlich die Bildung des Echinoderms an der Larve darstellen. Diese Präparate wurden auf Veranlassung und unter der speciellen Leitung des Herrn Prof. Meissner ausgearbeitet, welcher die meisten der nachgebildeten Formen aus eigenen Untersuchungen kannte, so dass auch neben den Abbildungen von Johannes Müller Handzeichnungen von Herrn Prof. Meissner zu Grunde gelegt werden konnten. Es versteht sich übrigens von selbst, dass die Präparate bei der geringen Durchsichtigkeit des Materials vorzüglich nur Bilder der äusseren Yerhältnisse sein können, denen einzelne beobachtete Formen zum Muster dienten, und zwar wie folgt: No. 1. Pluteus paradoxus, Opiurenlarve. Vergl. J. Müller’s Abhandlung I. Tafel 1. No. 2. Spatangoidlarve von Helgoland (wahrscheinlich Amphidetus cordatus Ag.) vergl. J. Müller’s Abhandlung I. Taf. 3. No. 3. Echinuslarve, vergl. J. Müller’s Abhandlung I. Taf. 5 und Abhandlung V. Taf. 8. 3 No. 4. Bipinnaria, Asterienlarve, von Helgoland, entspricht der Bipinnaria von Helsingör, J. Müller. No. 5. Auricularia, Holothurienlarve, von Marseille vergl. J. Müller’s Abhandlung M. Taf. 4. 6 No. 6. Junge Spatangoidlarve von Helgoland, entspricht auch der Spatangoidlarve von Nizza, vergl. J. Mül- ler’s Abhandlung IV. Taf. 8. No. 7. Junge Bipinnaria von Helsingör, vergl. J. Müller’s Abhandlung VI. Taf. 9. Auf der einen Seite ist der Körper wie geöffnet dargestellt, um die Lage des Wassergefässes zu zeigen. No. 8. Jüngster Zustand der Bipinnaria von Helsingör, vergl. J. Müller’s Abhandlung II. Taf. 1. No. 9. Junge Auricularia von Marseille, vergl. J. Müller’s Abhandlung ll. Taf. A. No. 10. Schema der Grundform für die Ophiuren- Seeigel- und Holothurienlarven, vergl. J. Müller’s Abhandlung V. Taf. 2. No. 11. Schema für die weitere Entwickelung der Ophiurenlarven,, vergl. ebendaselbst. No. 12. Pluteus paradoxus mit hervorwachsendem Stern, vergl. Müller’s Abhandlung 1. Taf. 1. Alle Präparate sind ohngefähr nach gleichem Maasstabe vergrössert. Der Preis einer Serie von 12 Stück: 16 Thlr. Pr. GC. — 60 fr. Fr. Freiburg in Baden A. Ziegler, im September 1858. Dr. med. et chir. Assistent am physiol.-zootomischen Institut der Universität. PILFT, t vr fi y 3 : 4 IR 4 ERIR IERSEHAN) ; ans“ ; FAN 1 ' ı HD IE FE { {} " e ® i wi EN 7 in MY ashrt DAR a: p. nt a A NE B » re lien als «x Ä 1 NE rn tee Pa pie Pe) wure! {, ” « an - 5 BEN PL 223 Pen u A a Er 7 re z . } . fi _ y ie ie [73 7 I n 2 u ı RR TR. VE PR Te H { ti gem Ib Tr uruninäreı iA ‚Size Bu, Fi u > Die Entwickelungsgeschichte des Menschen plastischen Darstellungen aus Wachs verfertigt von Dr. AD. ZIEGLER, eingeführt durch Prof. Dr. ALEX. ECKER, Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, dass kaum eine andere der anatomisch-physiologischen Discip- linen so sehr der Illustration durch die Kunst bedarf, als die Entwickelungsgeschichte. Die Zustände ge- hen rasch vorüber, und sehr viele Objekte lassen sich ihrer Zartheit wegen nicht aufbewahren. Zahlreiche Abbildungen sind daher für den Vortrag und das Studium dieses Faches jederzeit erforderlich; allein selbst diese genügen nicht immer und für manche Verhältnisse sind plastische Darstellungen unumgänglich nothwendig. Die Anfertigung wenigstens roher Modelle ist sehr häufig nöthig, selbst um die Zeichnungen zu controliren, und seit Jahren habe ich daher, für die Darstellungen in den icones, theils für den Unterricht nach mei- nen Präparaten zahlreicher Embryonen, die ich der Gefälligkeit namentlich inländischer Aerzte verdanke, eine grosse Anzahl von Zeichnungen entworfen, und diese theilweise im grossen Massstab ausführen lassen *), und zur Controle häufig Modelle gefertigt. Hiebei ist, durch den Wunsch genährt, die Vortheile solcher Darstellungen auch andern Collegen zugänglich zu machen, der Plan entstanden zu einer plastischen Darstellung der gesamm- ten Entwickelungsgeschichte des Menschen, ein Plan, dessen Ausführbarkeit mir von vorneherein durch die Geschicklichkeit des Assistenten an unserem phys. und zoot. Institut Dr. Ziegler gesichert erschien. Ich for- derte denselben auf, sich dieser Arbeit zu unterziehen, und gerne übernahm er sie. Die vorliegenden Darstel- lungen sind alle von Dr. Ziegler nach meinen Präparaten mit Unterstüzung meiner Zeichnungen und unter meiner steten Aufsicht gemacht, so dass ich diese Sammlung als eine weitere Illustration zu meinen icones physiol. betrachten kann, um so mehr als die dargestellten Objecte in beiden meist die gleichen sind. Die gesammte Entwickelungsgeschichte soll in 12 Serien gegeben werden, auf welche der Stoff in folgender Weise vertheilt ist. Die Ite Serie stellt die ersten Veränderungen des befruchteten Eies dar bis zur Anlage des Embryo. Es ist selbstverständlich, dass diese ersten Stufen vom Säugethier-Ei genommen sind. 2te Serie, Anlage des Embryo und seiner wesentlichen Theile. Bildung des Ahios, der Allantois ete. ete. 3te Serie, Verbindung der Frucht mit der Mutter. 4te Serie. Erste Entwickelung der äusseren Form des Embryo. Öte Serie. Entwickelung der äusseren Form des Gesichts. 6te Serie. Entwickelung der äusseren Geschlechtstheile. {te Serie. Entwickelung des Gehirns und Rückenmarks Ste Serie, Entwickelung der Sinnesorgane. Yte Serie, Entwickelung des Herzens. 10te Serie. Entwickelung des periph. Gefäss- und Nervensystems. 11te Serie. Entwiekelung des Darms und der Lungen. 12te Serie. Entwickelung der inneren Geschlechtsorgane. Mehrere der Serien sind vollendet und liegen vor (1. 6. 9.) Für mehrere andere sind die Vorar- beiten so weit gediehen, dass die Vollendung in naher Aussicht steht. Ich erlaube mir, diese genau ausgeführten Präparate der Aufmerksamkeit meiner Collegen angelegentlichst zu empfehlen, umsomehr als keine ähnliche Sammlung existirt; denn die mir bis jetzt bekannt gewordenen Darstellungen analoger Objecte scheinen mir mit diesen keinen Vergleich aushalten zu können. Freiburg in Baden im September 1858. A. Ecker. ) Ein illustrivter Catalog dieser Wandzeichnungen kann auf Verlangen mitgetheilt werden. nr ern noroait (36% Ber Frlliyneis i FENDER GE A u g u u Anand p;) Peiy ! Aut ua DE STICH Benny N um si rad, dein sb‘. 1uha m ham dv Aaalı A ee fi: bu u dir na seine ee pn NT namsbrohn: Kurz HEN Are ne hg Orr «8 ori! fr- on u ae ah er { ! ENT ychH zur Kich 1 Bein, Elia Nase ah erh rn ee ie al Aare ee r auelnar oA inne Nolte ah 1b NIT ars din gnigt Free he ndnme las, 10 Ei n+ solch a Y es audday 3 u 5 ET uTET 2 23 Bikalkann H PAU]E ia FBı ai» Jans Inf Fand mager u mlnname‘ Seiko ill ya hun Nun ante dig Ann ET. 3 nr Diysar sl Bla -’ ulmhr « ‚+ 7 af und > > Me nam Alles. hae ND 17.177 BEN y 7 WIR: ROBIN: hsfsyich ww. lea ar Ei „AR sl TE N a RC 3 N Hua sah, rauf rar nr 7 E.E E | » =‘ 4:5 . 1 wiattoiled sh yhnarm y E2 Il eye 4 i f Bi PR Val, Iıpıw Ki? Kia Arash nun Fillehtenreti Ft T Adern i I. SAT: aaa: Ball | ey } AUrEr 2 ; Int en : Be x yunhl N ” Wr une. Da, vr ans imslud eh ns y ER > an hr Be? Ro TI we 2 9 Y . «> r PAAR wahr De er ae * 2a r i BARBREBF u IE. ED AED It ran a ubuk Äniaetan NIECHT ER i SE rsgy hä" wol RAN Mn u PREREL ‘ > eh Bahlsilum ra 5 ıyh Ian rei} “3b LLC A ! n : w nt Uwe 9 sit A zundada ER j GR. Far BL re MagRuS: gt ER Manz a i un FM Sic Hat - u seh: Allen: ı Krups ren: a RR ITTET U BETEN SINE ETERTe een \ SM ! ash era», van Sf; NE: Alacıw-; BR. wann nee Ma Run u Hi uhr i ee I Prospectus " über die von dem Unterzeichneten angefertigten Wachspräparate, die ersten Veränderungen des befruchteten Eies bis zur Anlage des Embryo betreffend. Nach der Entwickelungsgeschichte des Hundes und des Kaninchens von Bischoff, (Ite Serie der: Entwickelungsgeschichte des Menschen in plastischen Dar- stellungen aus Wachs von Dr. A. Ziegler.) Bei der grossen Zartheit und Farblosigkeit der darzustellenden Gebilde, bei der Undurchsichtigkeit des Materials einerseits, und bei der Absicht, durch Farbenunterschiede manche Theile für den Unterricht unter- scheidbarer zu machen anderseits, erhielt vorliegende Serie einen mehr schematischen Charakter. No. 1—10. Die Furchung des Dotters. Vergrösserung 100 fach. Die Zona bläulich, der Dotter gelblich. No. 11. Die Zona in der Hälfte des Eis entfernt, die Keimblase freigelegt. Vergrösserung 25 fach. No. 12. Durchschnitt des Eis, Zona, von der ebenfalls ein rundes Stück ausgeschnitten ist, Keimblase weiss- lich, und Inhalt der Keimblase eine durchsichtige Flüssigkeit. Vergr. 17 fach. No. 13—18. Bildung des Fruchthofs und Trennung des animalen und vegetativen Blattes. No. 13, 14, 15. Durchschnitte paralell mit der Fläche des Fruchthofs. Ein rundes Stück der Zona ist ausgeschnilten, um die den Fruchthof darstellende Verdickung der Keimblase bloszulegen, die bei durchfallendem Licht als eine Trübung erscheint. No. 16, 17, 18. sind Durchschnitte durch den Fruchthof senkrecht auf die Fläche desselben. Die Bildung pes vegetativen Blattes schreitet allmälig vorwärts. Vergrösserung von No. 13 und 16: 17 fach, von No. 14 und 17: 13 fach und von No. 15 und 18: 10 fah. E No. 19. 20. und 21. Bildung der area opaca und pellucida und allmäligen Umwandlung der runden Form des Fruchthofs in die ovale. Vergrösserung circa 10 fach. No. 22. 23. 24. 25. Bildung der Primitivrinne und der diese begränzenden Massenansammlung, welche die erste Anlage des Embryoleibes darstellt. Vergrösserung circa 10 fach. Die Präparate von 12 — 25 sind sowohl bei auffallendem als auch bei durchfallendem Lichte zu be- trachten. Der Preis dieser aus 25 Präparate bestehenden Serie: 12 Thlr. Pr. C. = 45 fr. Fr. Freiburg in Baden A. Ziegler, im September 1858. Dr. med. et chir. Assistent am zootomischen u. physiologischen Institut der Universität. eruram ie" ten Y Te ee Lan al A a ‚ NE Were a & Prospectus über die von dem Unterzeichneten angefertigten Wachspräparate , Die Entwickelung der äusseren Geschlechstheile des Menschen. erläuternd. (Vite Serie der: Entwickelungsgeschichte des Menschen in plastischen Dar- stellungen aus Wachs von Dr. A. Ziegler, eingeführt durch Prof. Dr. A, Ecker. Sämmtliche Modelle sind nach Präparaten und Zeichnungen und unter der Leitung des Hrn. Prof. Ecker angefertigt, und entsprechen der Taf. XXIX. der Ecker’schen „Erläuterungstafeln zum Studium der Physiologie und Entwickelungsgeschichte“ Der Vergrösserungsmassstab konnte bei dem grossen Zeitraum, welchen die vorliegenden Präparate um- fassen, nicht immer derselbe bleiben. No. 1. Unteres Körperende eines 6° langen Embryo. Eine hügelförmige Hervorragung mit der Kloake. Ver- No. No. No. No. No. No. No. No. No. 2. 7. grösserung 15 fach. Taf. XXIX. Fig. 8. Unterer Theil eines um weniges älteren Embryo mit dem primitiven Genitalhöcker (oder der primit. Genitalfalte), der durch die hinten in die Kloakenöffnung sich verlierende Genitalrinne in zwei Schen- kel getheilt wird. Vergrösserung 10 fach. Fig. 9 der obengenannten Tafel. Auf dem primitiven Genitalhöcker von einem 94/,‘ langen Embryo hat sich eine kopfförmige Spitze (glans penis oder clitoridis) ausgeprägt. Nach aussen von der primitiven Genitalfalte sind zwei äussere Falten (Skrotalfalten oder lab. majora) entstanden. Vergrösser. 10 fach. Fig. 10. — . Der After ist von der Urogenitalöffnung durch die Dammbrücke getrennt; von einem 1 Zoll langen Em- bryo. Vergr. 10 fach. Fig. 11. — . A. Die Geschlechtstheile von einem 1“ 2“ langen Embryo, circa 10 Wochen alt, zeigen entschieden weiblichen Typus. Das Geschlechtsglied (Clitoris)ist nach abwärts gerichtet; die Ränder der Genitalrinne stellen die labia minora dar, die äussern Faltan die labia majora. Vergr. 10 fach. Fig. 10. . B. Von einem 2 1:/,“ langen Embryo. Die Geschlechtsorgane zeigen den männlichen Typus. Die Ränder der Genitalrinne haben sich aneinander gelegt und diese dadurch in einen Canal (Harnröhre) umgewandelt; die Schliessungsstelle ist die Naht (raphe); die Schliessung ist in diesem Fall nach vorn nicht vollständig und wahrscheinlich hätte sich hier eine Hypospadie gebildet. Vergr. 10 fach. Fig. 13. . A. Weibliche Geschlechtstheile eines 18 Wochen alten Embryo. Man sieht die Labia minora mit dem frenulum clitoridis, glans, preputium clitoridis, vestibulum vagine (früher primitive Genitalrinne). Vergr. 5 fach. Fig. 14. . B. Die männlichen Geschlechtstheile eines 15 Wochen alten Embryo. Die raphe ganz geschlossen, Ho- densackfalte deutlich. Vergr. 6 fach. Fig. 17, . A. Aeussere Geschlechtstheile eines weiblichen Embryo (5 Monat). Die Clitoris ist im Wachsthum zu- rückgeblieben; man sieht den introitus vaginz mit dem hymen und das orificium urethre. Vergr. 4 fach. Fig. 15. B. Aeussere Geschlechtstheile eines männlichen Embryo (4 Monat). Vergr. 4 fach. Fig. 18. — Der Preis dieser aus 10 Piecen bestehenden Serie: 12 Thlr. Pr. C. — 45 fr. Fr. Freiburg in Baden A. Ziegler, im September 1858. Dr. med. et chir. Assistent am zootemischen u. physiologischen Institut der Universität. kan ww he slisilharlsälkfnens) dran, te Br u 07T ä pa 572'077377 ’ a 2 1 0 12 See SE zZ Mh ei x j ‘ PER » N " r nö ä k iger & Es X br Pr kalfss Ari rn ale arıy . De { rÜ ar x y\ Bi DET LLE N BET 75, see BT 7 An hr E17 un dur; ERTTE g% sl a a Bar ra are h “ u 3 ” ’A ons ent ent - jahr Farıe Erin ya 0 Hirrad rer Te Stier ra? TEyIt ae $ LUL EI Ze MER: late ande DEN ee FURN Regen A ee Frel Bari denk (ns; Arue 7 Jrettriuu did “ Kl an ılada > P k ’ 2 iz r ao ara u UT E97, dig eh Een, lern DEE u 1 73 DE a a ar { | 2 N z X f PR TEHBEF n > Nr] - bi au in wa® arm Alıka Pu 75 | er u it ch . - ? m 2 2 - En IE Mate lien Hemd Od wi Yeah IHNEN ee a nal TE whrmasnke . ran malr } iu 1al; 4 jr) mm LSrF . ran oc E - ur (RR Ir } er {m — BEI HE ae “, j ayimimm bh La 2 s 3 13h 3 Wei aulE 16 1 we Mr mat ni LE Ba ET TE Te Pe MUgagE N BETT BURTPER prer Dr u Be eb ai later ae da Sr Ha KR ei DT en Ne EFT TAER Frangas Ak il ah | } re ee ANFALLEN Tea AUT eg zer = REN Sr ish uwih LA y ; ee a EI arg ERLERT a TEEN EN EEE fr PR. ge ZT Am a . DU KT er “ uf ’ ‘ Krdkafsn rn 2 # f hin; Aigen re RTE HE EP oraE REF ONE ar FERNE IE une Al andy DE er Furt . . tt, . 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Die frühesten Stufen (Modell 1, 2 und 3) sind von Säugethierembryonen entnommen, und wurden hiebei ie Figuren in Bischoff’s Entwickelung des Hundes und des Kaninchens zu Grunde gelegt; die übrigen Dar- stellungen (Modell 4— 10) sind nach Präparaten menschlicher Embryonen, die auch in den icones physiol. abgebildet sind, gefertigt. Es konnte bei der bedeutenden Grössedifferenz der Präparate nicht derselbe Vergrös- serungsmaassstab beibehalten werden. No. 1. Herzkanal mit beginnender Krümmung; vergl. Fig. 58 Taf. XIII. der Entwickelungsgeschichte des Ka- ninchen-Eies von Bischoff. Vergrösserung circa 70 fach. No. 2. Die Krümmung des Kanals ist weiter gediehen. Man unterscheidet drei Anschwellungen an dem ge- krümmten Kanale: bulbus, Kammer- und Vorkammer-Anschwellung. Vergr. circa 70 fach. 2 No. 8. Die einzelnen Anschwellungen sind näher zusammengerückt; an der nach hinten gelegenen Vorkammer- Anschwellung sind zwei halbkugelige Ausbuchtungen (die Herzohren) hervorgebrochen.' Vergr. 40 fach. Vergl. Bischoff Kaninchen Taf. XV. Fig. 65, 66, 67. und icones physiol. Taf. XXX Fig. 11. 12. No. 4. Die Herzohren sind stärker hervorgewachsen, der Theil des Herzkanals zwischen diesen ist der jetzt noch einfache Herzvorhof. An der mittleren (Kammer-) Anschwellung zeigt sich eine Andeutung der Theilung derselben in zwei (linke und rechte Kammer). Vergr. 40 fach. Dieses Präparat ist nach dem Herzen eines 5 Linien menschlichen Embryo gefertigt und entspricht ungefähr dem von Bischoff in seiner Entwickelung des Hundes. Taf. X. Fig. 41. J. H. abgebildeten Herzen. Vergl. Icones physiol. Taf. XXX. Fig. 13. 14. 15. 16 No. 5. Herz von einem 6 Linien langen menschlichen Embryo. Von der ersten der drei Anschwellungen, dem bulbus, ist wenig mehr sichtbar, an der zweiten, der Kammeranschwellung, hat eine leichte Einkerbung stattgefunden (die Andeutung der Trennung der Kammer in rechte und linke). Die Herzohren sind stark gewachsen und umgreifen die Kammeranschwellung. Vergr. 20 fach. Icones physiol. Taf. XXX. Fig. 17. No. 6. Herz von einem 8%/, Linien langen Embryo. Die einzelnen Abtheilungen des Herzens sınd näher zu- sammengerückt. Der Vorhof mit den Herzohren stark gewachsen, die Trennung an den Kammern deut- lich. Vergr. 30 fach. Icones physiol. Taf. XXX. Fig. 18. No. 7. Dasselbe Herz geöffnet, um die Bildung des Kammerseptums zu zeigen. Icones physiol. Taf. XXX. Fig. 24. 25. und Berichte der naturforschenden Gesellschaft in Freiburg i. B. 1858 No. 31. Taf. XI. No. 8. Herz von einem 9 Linien langen Embryo. Der truncus arteriorus hat sich vollständig in zwei Stämme Aorta und arteria pulmonalis getheilt. Die Trennung der Kammer ist vollständig. Vergr. 20 fach. Ico- nes physiol. Taf. XXX. Fig. 20. Ne. 9. Dasselbe Herz geöffnet, um die vollständige Entwickelung der Kammerscheidewand und den Anfang der Bildung der Vorkammerscheidewand zu zeigen. No. 10. Herz von einem Embryo aus dem 3ten Monat, an welchem das septum atriorum, die valvula Eusta- chii und foraminis ovalis zu sehen sind. Vergr. 8 fach. Icones physiol. Taf. XXX. Fig. 27 u. 28. Der Preis dieser aus 10 Präparaten bestehenden Serie: 16 Thlr. Pr. C. — 60 fr. Fr. Freiburg in Baden A. Ziegler, im September 1858. Dr. med. et chir., Assistent am zootomischen u. physivlogischen Institut der Universität. — ’ Wu marsanaltl. 25h # ESEL. zab. wi] 9 Ba: w ST Yıb x PER Biker in ar 25: a er ER Dry" 1 serie NUN ELRT ET, ib: Ania Here nr rt Bau he h RR. REBEL ii a { h - 1. x ra a un 2b out ae, niteagerT oh Tune m? IHboBFF Rees oe ra he NEE 0 an) nkezaggenzgguits% v Pe 4 ’ a ET yrgtoy gatne ar he ee rd ! ded O8 an ane Nah evn- lt » PIE y seit i ige , h ar 4 “ BR ao tar ah amstlldn ER TE URN ' Sue au geh h a P Vol Hi, 7 A ee 3 z 0 NR ur kl 2. min, & l 5° . nn \2 N “rn a f 5 1 . n & PER TU? a ar Bol yeidkiifgenntsntmae, Run RE Kiaty naar ah ner 1b oa U Ar 1% 5. 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