_ - - . . - = E x: “ = en Pr £ 2 rn ee i 2 =. mare : AUBDETDLBEVARS ANATOMISCHE HEFTE. ERSTE ABTEILUNG: ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. vll. BAND (XXI, XXI, XXIII HEFT). ANATOMISCHE HEFTE. REFERATE UND BEITRÄGE ZUR ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL, UND R. BONNET, O, OÖ. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GÖTTINGEN. O. Ö. PROF. DER ANATOMIE IN GREIFSWALD. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. VIL BAND (XXL, XXIL, XXIII. HEFT). MIT 34 TAFELN. ST ii REEEREHLHHPERRENNSEERBEE a0 WIESBADEN. VERLAG VON J. F. BERGMANN. 1897, Das Recht der Übersetzung bleibt vorbehalten. Druck der Königl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz, Würzburg. Inhalt. XXI. Heft (ausgegeben im Juli 1896). N. A. Gerken, Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke von dem atmosphärischem Drucke. Mit 1 Abbildung imsTextie, . Alfred Bergfeldt, Ohordascheiden en Hy ih, Fe Alytes obstetricans. Mit 10 Abbildungen auf Tafel III . } R. S. Bergh, Über Stützfasern in der Zellsubstanz einiger Infusorien. Mit 9 Abbildungen auf Tafel IV - Arnold Spuler, Beiträge zur Histologie und een der Binde- und Stützsubstanz. Mit 14 Abbildungen auf Tafel V/VI XXII. Heft (ausgegeben im November 18%). S. N. Jaschtschinski, Morphologie und Topographie des arcus volaris sublimis und profundus des Menschen. Mit 15 Figuren auf Tafel VIU/X . : Hermann Triepel, Das elastische Gerche in der ad de ei terien der Schädelhöhle. Mit 10 Figuren auf Tafel XI/XII und 2 Figuren im Text K. Kostanecki, Über die Gestalt der Centrosemens: im "befklich- teten Seeigelei. Mit 10 Abbildungen auf Tafel XIII/XIV . Karl Reuter, Über die Entwickelung der Kaumuskulatur beim Schwein. Mit 10 Figuren auf Tafel XV/XVI Dr Julius Tandler, Zur Anatomie der Arterien der Hand. Mit 6 Figuren auf Tafel XVIUXVIN . XXIII. Heft (ausgegeben im Januar 1897). E Ballowitz, Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnlichen Rochen (Raja clavata L.). Mit 35 Abbildungen auf Tafel XIV/XXIX RE Oskar von Kopetzky, Über einen Fall von een der ung der Eingeweide bei einem jungen Kaninchen-Embryo. Mit 15 Abbildungen auf- Tafel XXX/XXXIII , Ph. Scehoppe, Die Harnkügelchen bei Wirbellosen aid wi ir Heitieren. Mit 11 Abbildungen auf Tafel XXXIV. Seite 161 189 215 239 263 283 (AUS DEM PHYSIOLOGISCHEN LABORATORIUM DES PROFESSORS W. N. Werıky m Tomsk.) ÜBER DIE UNABHANGIGKEIT DES ZUSAMMENHALTENS DER GELENKE VON DEM ATMOSPHÄRISCHEN DRUCKE. VON N. A. GERKEN, PROSEKTOR FÜR ANATOMIE. Mit 1 Abbildung im Text. Aunatomische Hefte. I. Abteilung XXI. Heft (7. Bd. H. 1). L [23 In der ersten Nummer des „Anatomischen Anzeigers“ vom Jahre 1894/95, habe ich eine vorläufige Mitteilung unter dem Titel „Das Hüftgelenk nnd der Luftdruck“ veröffentlicht. Es wurde in derselben eine in der allernächsten Zeit erschei- nende gesamte Abhandlung in Aussicht gestellt, welche die alte Frage über die Zusammenfügung der Gelenke durch den atmo- sphärischen Druck von einem etwas anderen Gesichtspunkte aus in Angriff nehmen sollte; durch verschiedene Umstände wurde ich jedoch bis heute verhindert, meine Absicht auszuführen. Die vorliegende Arbeit ist zufällig mit dem Erscheinen der zweiten Auflage der Werke W. Webers zusammengefallen, und da ich zunächst eine historische Übersicht der Frage geben muss, kann ich zu meinem Vergnügen, die Citate aus Weber (1) nach der neuen Auflage anführen. Der Abschnitt der letzterwähnten Arbeit, der die bekannten Versuche der Gebr. Weber mit dem Hüftgelenk behandelt, beginnt mit einer Untersuchung der Knorpeloberflächen der, das Ileofemoralgelenk bildenden Knochen. Durch das Studium der Knorpeloberflächen des Oberschenkel- kopfes und der Hüftbeinpfanne auf Schnitten, die in verschie- denen Richtungen geführt wurden, kamen die Gebr. Weber zu dem Schlusse, dass die Gelenkflächen Abschnitte von Kugel- flächen darstellen, beide vom gleichen Durchmesser, woraus auch hervorgeht, dass sie sich in allen Punkten ganz genau anfügen (pag. 91). Die Ausdehnung der grossen Kreise der Hüftgelenk- 1* 4 N. A. GERKEN, pfanne übertrifft nie 180°, so dass letztere keine halbe Kugel- fläche einnimmt und folglich auch nicht den Austritt des Femur- kopfes verhindern kann. Die Gelenkfläche der Pfanne wird durch eine Knorpellippe (labrum cartilagineum) vergrössert, die durch ihre Elastizität sich fest der Oberfläche des Femurkopfes anschmiegt und wie ein Ventil wirkt, indem sie den Zutritt von Flüssigkeiten und anliegenden Weichteilen zur Gelenkhöhle verhindert (pag. 93—94). Es fragt sich nun, was es für Kräfte sind, die die Gelenk- flächen in ihrem gegenseitigen Kontakt erhalten ? Indem die Anforderungen, die man dem Ileofemoralgelenke stellen kann, dessen Bewegungen ja zu den hauptsächlichsten Bestandteilen der Bewegungen des Gehaktes und des Laufens gehören, von den Gebr. Weber einer Erwägung unterzogen wurden, kamen dieselben auf theoretischem Wege zu dem Schluss, dass die gegenseitige Zusammenfügung der Gelenk- flächen von der Muskel- und Bänderthätigkeit unabhängig sei. Im Gehakte werden von dem Beine Pendelbewegungen ausge- führt: „Diese schwingende Bewegung des Beines, während es am Rumpfe hängt, ist bei jedem Schritte notwendig, und wenn die Schwerkraft sie nicht bewegen könnte, so müssten Muskel- kräfte dazu gebraucht werden‘ (pag. 102). Andererseits ist aber die Freiheit und Leichtigkeit der pendelartigen Bewegungen des Beines von der Grösse der Reibung im Gelenke abhängig. Hätte die Verschiebung des Beines und seine Fixation in der Hüft- gelenkpfanne auf einer Muskelaktion beruht, so „würden sich“ die letzteren (indem sie durch das Gewicht des Beines belastet sind), „anspannen müssen und dadurch steif und unbeugsam werden“ (pag. 105). Ebenso unmöglich ist die Fixation der Extremität durch die Bänder bei einer pendelartigen Bewegung der ersteren. Dieselben sind nämlich, nicht kurz genug für diesen Zweck, abgesehen davon, dass sie unter dem Einfluss der Schwere der Extremität noch an Länge zunehmen müssten. Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 5) Indem die Gebr. Weber die zusammenfügende Wirkung der Muskel und Bänder in Abrede stellen, liefern sie durch ihre bekannten Experimente den Beweis, dass das Gelenk durch den atmosphärischen Druck zusammengefügt wird. Die Ergebnisse des ersten Versuches, bei welchem sämtliche vom Becken zur Extremität gehenden Muskel durchschnitten wurden, wobei die Stellung des Beines im Bezug zum Becken sich nicht im geringsten geändert hat, wurden von den Autoren in folgenden Worten zusammengefasst: „das schwebende Bein hängt also nicht an den Muskeln, welche es mit dem Rumpfe verbinden, weil es nicht allein hängen bleibt, nachdem die Muskeln durch- schnitten sind, sondern auch nicht einmal in seiner Lage die geringste Verrückung erleidet“ (pag. 104). Auch nach dem Durchtrennen des Kapselbandes — der zweite Versuch — bleibt das Bein in der Hüftgelenkpfanne festsitzen. Die Autoren schlossen daraus, dass auch die Gelenk- bänder keinen Anteil an der Zusammenfügung desselben haben. Der dritte und der vierte Versuch bestanden darin, dass man den Boden der Hüftgelenkpfanne in ihrem oberen Abschnitte durchbohrte. Sobald der Bohrer in die Pfanne eindrang, fiel das Femurköpfchen aus derselben heraus, soweit es das runde Gelenkband zuliess; bei der Reposition des Gelenkköpfchens behielt dasselbe seine Lage nur in dem Falle, wo man mit dem Finger das durchbohrte Loch zustopfte, und dadurch den Luft- zutritt von der Gelenkpfanne absperrte. Hieraus zogen sie den Schluss, dass der Femurkopf auch nicht von dem Rande der Hüftgelenkpfanne, sondern von dem atmosphärischen Druck zurückgehalten wird: „das schwebende Bein hängt also am Rumpfe, bloss gehalten und getragen durch den Druck der atmosphärischen Luft, und kann nur herabfallen, wenn dieser Druck vermindert oder der luftdichte Schluss zwischen Schenkel- kopf und Beckenpfanne aufgehoben wird“ (pag. 105). | Die Ergebnisse der angeführten Versuche, die an Leichen 6 N. A. GERKEN, angestellt wurden, werden von den Gebr. Weber auch auf das lebende Hüftgelenk übertragen, wobei sie ihre Gedanken durch klinische Beispiele bekräftigen, indem sie manche Erschei- nungen bei der Coxitis — die Verkürzung und Verlängerung der Extremität, als Folgen des aufgehobenen hermetischen Schlusses und der aufgelösten Zusammenfügung des Gelenkes auffassen. Im weiteren Verlaufe berechnen sie auch die Grösse des atmosphärischen Druckes, welcher die Extremität in ihrer Lage fixiert: „Die Kraft, durch welche das Bein gehoben wird, ist nach einem bekannten Gesetze dem Gewichte einer Quecksilber- säule von der Höhe des Barometerstandes gleich, deren vertikale Fläche die Berührungsfläche der Pfanne mit dem Schenkelkopfe begrenzt. Setzen wir, was der Wahrheit gewiss sehr nahe kommt, den Querschnitt dieser Quecksilbersäule dem Produkte aus der kleinsten und grössten Sehne vom Kugelsesment der Beckenpfanne gleich 23 mm und 47 mm, so ist jene Kraft bei einem Barometerdrucke von 750 mm dem Gewichte von 750 x 25 x 47 cmm Quecksilber gleich, oder = 11980 g (pag. 109). Die letzte Grösse gleicht annähernd dem Gewichte der Extremität. In einer anderen Arbeit, die zuerst in Poggendorfs An- nalen (2) erschien, wird noch ein Versuch beschrieben, der von den Gebr. Weber auf A. v. Humboldts Anregung angestellt wurde. Durch die oben citierte Arbeit der Gebr. Weber geleitet, sprach Humboldt die Vermutung aus, dass die gestörte Funktion der unteren Extremitäten, die bei der sogenannten Bergkraukheit aufzutreten pflegt, auf einem Sinken des barometri- schen Druckes beruht, und sich auf eine Störung der Zusammen- - füsung des Hüftgelenkes zurückführen lässt. Humboldt fasste nun den Gedanken, einen Versuch in der Weise anzustellen, dass man das Gelenk unter die Glocke der Luftpumpe setzt. Der Versuch wurde in Berlin im Laboratorium des Prof. Magnus ausgeführt. Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. 7 Es ergab sich, wie auch vorauszusetzen war, dass bei einer bestimmten Luftverdünnung, nämlich bei drei Zoll Druck, das mit zwei Pfund belastete Gelenkköpfchen ganz allmählich die Gelenkpfanne verliess, und bis auf acht — -—— herausrückte, so weit es eben die Gelenkbänder zuliessen; das Kapselband wurde bei dem Versuche dicht an seinem Ansatze am Hüftbein abge- tragen. Liess man Luft unter die Glocke der Luftpumpe hinein, so nahm das Gelenkköpfchen seine ursprüngliche Stellung ein und so konnte der Versuch mit gleichem Erfolge mehrmals wiederholt werden. Es ist mir unbekannt, ob die Gebr. Weber noch etwas zur Frage über die Zusammenfügung der Gelenke durch den atmo- sphärischen Druck veröffentlicht haben, das Angeführte reichte aber hin, um durch die originellen und neuen Gedanken einen tiefen Eindruck auf ihre Zeitgenossen zu machen. Die Hypothese über die Zusammenfügung der Gelenke durch den atmosphärischen Druck wurde von A. v. Humboldt, Johannes Müller, Hyrtl, Henle, Sappey u. a. ange- nommen. Die Begeisterung für die neue Idee, die anscheinend so überzeugend und ausführlich begründet wurde, kommt am besten in den folgenden Worten Richets zum Ausdruck, welche in der ersten Auflage seiner „Traite d’anatomie medico-chirurgi- cale“ zu lesen sind: „Si Yon eut dit il y a trente ansa un physiologiste, que le membre inferieur etait suspendu au tronc par la pression atmospherique il aurait certainement declare la chose impossible, et c’est la un fait, qui a pris rang parmis les ventes le mieux etablies“. !) Aber bei all dem hat es auch dieser „Wahrheit“ an Geg- nern und Skeptikern nicht gefehlt. !) Richet, Traite d’Anatomie medico-chirurgicale. Ed. 1877, pag. 1219. 8 N. A. GERKEN, Die ersten wesentlichen Einwände wurden von Rose er- hoben (3). Er wollte auf Grund der klinischen Thatsachen beweisen, dass die Hypothese für den lebenden Organismus nicht zutreffend ist. Rose selbst hatte einen Fall von beider- seitiger Beckenfractur beobachtet, wobei auch die Hüftgelenk- pfanne beschädigt wurde; der hermetische Verschluss des Gelenkes wurde somit aufgehoben. Es hatte sich dabei ein Delirium traumaticum entwickelt, und in diesem Zustande der herab- gesetzten Empfindsamkeit, hatte der Kranke alle möglichen Be- wegungen ausgeführt, die nur dem Hüftgelenke zugänglich sind, ohne dass man auch eine Spur von einer funktionellen Störung des Gelenkes wahrnehmen könnte. Obwohl somit die Eigentümlichkeiten des Gelenkes intra vitam hervorgehoben wurden, hat es Rose trotzdem unterlassen, einen ganz nahe liegenden Schritt weiter zu thun, und zwar einen Versuch am lebenden Tiere anzustellen, welcher eben geeignet wäre, uns das Wesen der Unterschiede der in Betracht kommenden Erscheinungen im lebenden und toten Zustande zu zeigen. Rose schritt auch dazu, die Versuche der Gebr. Weber an den Leichen nachzuprüfen. Infolge einer etwas unvorsichtigen Ausführung derselben, was auch vom Autor selbst erwähnt wird, kam er zu etwas abweichenden Resultaten, auf welche gestützt er auch eine andere Deutung der Experi- mente gab: „er versuchte nämlich, das Haftenbleiben des Ge- lenkköpfehens an der Leiche auf eine Kohäsion der feuchten Gelenkflächen und auf ein Zurückhalten der schwebenden Extremität durch den Rand der Gelenkpfanne zurückführen. Ausserdem brachte Rose noch einen ziemlich primitiven Ver- such an einem frisch getöteten Kaninchen als einen Beweis dafür vor, dass die elastische Spannung der Muskeln von Wich- tigkeit für die Zusammenfügung des Gelenkes sei — eine Behaup- tung, die der von den Gebr. Weber auf Grund ihres ersten Ver- suches aufgestellten widerspricht. Rose sagt, dass „der Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. 9 Fehlschluss von den Gebr. Weber in der Voraussetzung liegt, dass die Natur ihren Zweck zu erreichen, nur ein Mittel anwende, während sie doch fast all ihre Bedürfnisse mit vielfachen Über- schuss deckt‘ (pag. 522). Der Versuch bestand darin, dass man zwei Hüftgelenke von einem frisch getöteten Kaninchen mit Gewichten belastete; es wurden an einem Präparate sämtliche das Gelenk umgebende Muskeln entfernt und das Gelenk mit 10 Pfund beschwert. Nach 2 Minuten wurde die Gelenkkapsel zerrissen und die Gelenk- enden gingen auseinander. Auf dem anderen Gelenke blieben sämtliche Muskeln erhalten und das Gelenk mit 15 Pfund be- lastet; am folgenden Morgen war dasselbe noch ganz unver- ändert. Rose kommt in seiner Abhandlung immer von neuem auf das Zusammenfügen des Gelenkes durch die Kohäsion der feuchten Gelenkoberflächen zurück; indem er aber die Bedeu- tung des Faktors zu hoch angeschlagen hat, wurden viele For- scher veranlasst, ihn auf experimentellem Wege zu widerlegen. Unter den im Anschluss an Rose erschienenen Arbeiten ist die von Schmidt (4) die ausführlichste. Durch Versuche lieferte er den Nachweis, dass die Kohäsionskraft der Gelenkflächen eine sehr unbedeutende ist, kaum einem Gewichte von 35,0 g entspricht. Eine Wiederholung der Weberschen Versuche ergab ihre vollständige Genauigkeit und Richtigkeit und hieraus den zwingenden Schluss, die Hypothese von der zusammen- fügenden Wirkung des atmosphärischen Druckes mit dem durch die Weberschen Versuche ermittelteten Thatsachen selbst aufrecht zu erhalten. Die Versuche gehören zu denjenigen, die alljährlich in den meisten anatomischen Hörsälen wiederholt werden. Bei einer sachkundigen und vorsichtigen Anstellung derselben gelingen sie stets, und führen ganz unwiderleglich zu den von den Gebr. Weber gezogenen Schlüssen. Es unterliegt gar keinem Zweifel. dass die Hüfte an der Leiche, nach der Abtragung der Mus- 10 N. A. GERKEN, keln und Bänder, ausschliesslich durch den atmosphärischen Druck fixiert wird; — es ist ganz unmöglich, diese Thatsache zu leugnen, es muss jedoch ein Beweiss erbracht werden, dass ähnliche Bedingungen auch bei Lebzeiten vorliegen. Rose hat einen ganz richtigen Weg betreten, indem er auf Unterschiede des Verhaltens der Gelenke bei Lebzeiten und post mortem hinwies; es fehlte ihm aber an einer Weiterent- wickelung des an sich richtigen Gedankens, und was noch wich- tiger ist, an einem Experiment, das uns über das Wesentliche der Unterschiede aufklären musste. In zweiter Linie wurden Einwände gegen die Webersche Hypothese von Buchner (5) gemacht. Er wies ebenfalls auf einen Fehler in der Schlussfolgerung hin, welchen die Gebr. Weber aus den Resultaten der ersten zwei Versuche gezogen hatten. Die beiden Versuche ergeben nach Buchner nur den folgenden, und zwar beschränkten Schluss: ‚Weil das Bein hängen bleibt nach Durchschneidung der Muskeln, so können diese, falls die Muskulatur überhaupt zur Aufhängung dient, jedenfalls nicht das einzige Mittel dazu sein“ (pag. 2). Da das Rosesche Experiment am Kaninchen, die Bedeutung der elastischen Spannung der Muskeln für die Fixation des Gelenkes festgestellt hat, so wirft Buchner die Frage auf, ob die soeben erwähnte Kraft nicht vollauf ausreichend wäre, um für sich allein die Fixation des Gelenkes zu besorgen; es wäre im letzten Falle ein Mitwirken anderer Kräfte ganz überflüssig. Mit dem folgenden Beispiele sucht Buchner seinen Gedanken zu er- läutern: „Eine schwere eiserne Kugel sei durch eine Kette so an den Boden befestigt, dass noch ein gewisser Spielraum zu Be- wegungen für die Kugel übrig bleibt. Versucht man nun die- selbe aufzuheben, so muss zunächst die Schwerkraft überwunden werden, und wenn dies gelungen ist, kann nun allenfalls der Widerstand der Kette in Frage kommen, der von da an eine Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 11 weitere Erhebung verhindert. Solange jedoch unsere Kraft nicht einmal hinreicht, das Gewicht der Kugel an sich zu heben, in allen diesen Fällen wird natürlich die Kette vollkommen wir- kungslos bleiben.‘ „Geradeso könnte es nun auch mit dem Zusammenhalt der Gelenke sein, dass nämlich in allen normalen Fällen das nächste Hindernis, die fixierende Muskelthätigkeit schon für den Zu- sammenhalt hinreichend wirkte, sodass dann der Luftdruck ohne jeden. Effekt bliebe“ (pag. 26). Eine theoretische Analyse der Bedingungen, die das Ein- wirken des Luftdruckes auf das Hüftgelenk ermöglichen könnte, führt Buchner zur Behauptung, dass für das Zustandekommen dieser Wirkung, der Druck innerhalb des Gelenkes dem atmo- sphärischen Drucke nachstehen muss; andererseits ist es aber unzulässig, einen negativen Druck innerhalb der Gelenk- höhle, für eine konstante Erscheinung bei einer bestimmten Phase des Gehaktes zu halten. Die mikroskopische Untersuchung des Baues der Synovialmembran zeigt uns, dass dicht unter der dünnen Schicht der Intima synovialis Kapillargefässe gelegen sind, sodass es naheliegend ist, dass bei einer Schwankung des Binnendruckes der Gelenkhöhle gegen das Negative die dünnen Gefässe, die keine Stütze in den umgebenden Teilen haben, sich ausdehnen müssen und zum Bersten kommen; ein Bluterguss oder eine Ausscheidung des Blutes müsste aber sofort den Innendruck der Hüftgelenkhöhle steigern. Es ist einleuchtend, dass der Bau der Synovialmembran es verhindert, dass unter physiologischen Bedingungen in der Gelenkhöhle je ein negativer Druck zustande kommen kann. Sobald aber letzterer nicht vorhanden ist, wird auch eine fixierende Wirkung des atmo- sphärischen Druckes unmöglich. Indem er sich der Frage zuwendet, wie gross die Kraft ist, mit welcher die Elastizität der Muskel das Einstemmen des Ge- lenkköpfchens in die Gelenkpfanne bewirkt, hat Buchner aus- 12 N. A. GERKEN, gerechnet, dass dieselbe mit einem gewissen Überschuss das Gewicht der unteren Extremität kompensiert. Die vom Ver- fasser angewandte Methode bietet viel Interessantes. Es wurde zunächst die Kraft des Elastizitätswiderstandes von einer Muskel- substanzprobe mit einem TJem Querschnitt bestimmt. Zu diesem Behufe hat Verfasser die bekannte klinische Thatsache herangezogen, dass die Stümpfe eines Knochenbruches dislociert wurden. Es wurde an einem Jungen mit frischer Fraktur, in tiefer Chloroformnarkose, die Gewichtsgrösse bestimmt, die zur Beseitigung der Dislokation der Stümpfe nötig war; darauf wurde der Querschnitt der im Spiele mitbegriffenen Muskel genommen, und aus demselben die Gewichtsgrösse berechnet, die der Elastizität eines _Jcm Querschnittes der Muskelsubstanz ent- spricht. Sie wurde annähernd auf 40,0 & festgestellt. Auch die Komponenten sämtlicher, das Hüftgelenk in der Richtung des Femurhalses umgebenden Muskeln wurde einer Bestimmung unterzogen. Verfasser hat zu dem Behufe die Querschnitte der das Gelenk umgebenden Muskeln an einer Leiche bestimmt und durch eine Multiplikation der Quadratcentimeterzahl eines jeden Muskels mai 40,0 gr die Grösse der Elasticitätsspannung in Grammen für jeden Muskel in der Richtung seines Faserver- laufes erhalten. Zum Schlusse wurde die Wirkung der Muskeln in der Richtung der Centrallinie des Femurhalses nach den bekannten mechanischen Formeln bestimmt. Die Komponente erwies sich einem Gewichte von 6328,0 g gleich. Die Kraft aber, mit welcher das Femurköpfehen unter dem Einfluss der Schwere der unteren Extremität aus der Gelenkpfanne herausgezogen ‘wird, beträgt nach einer annähernden Berechnung 5000,0 bis 6000,0 g. Die Schlüsse, zu welchen der Verfasser auf Grund seiner Untersuchungen gelangt, will ich mit seinen eigenen Worten anführen: „Da nun in gegenwärtiger Arbeit nachgewiesen wurde, dass selbst beim Mangel jeder willkürlichen Kontraktion die Muskeln Über die Unabhängigkeit des Zusammenbaltens der Gelenke etc. 13 das Bein zu tragen imstande sind, so muss dies für den Akt der Gehbewesung resp. für die Phase des Schwingens umsomehr angenommen werden‘). Jegliche Wirksamkeit des Luftdruckes dagegen für den Zusammenhalt des Hüftgelenkes ist in diesen Fällen vollkommen ausgeschlossen, in allen übrigen normalen in hohem Grade unwahrscheinlich gemacht‘ (pag. 45). Wir sehen nun, dass auch Buchner von einer intra- vitalen Eigentümlichkeit des Gelenkes spricht, und die Ver- suche an der Leiche für den gegebenen Fall nicht für stichhaltig hält, und dennoch hat er ebenso wenig wie Rose einen Ver- such am lebenden Tiere gemacht, um uns dadurch über das wesentliche der Verschiedenheiten auf rein experimentellem Wege aufzuklären. Seine Haupteinwände riefen daher aber- mals eine neue Polemik und neue Erwiederungen hervor. Es wurden von Seiten Ficks (6) und van Braam-Houckgeest (7) Einwände erhoben. Letztere beziehen sich hauptsächlich auf den Abschnitt der Buchnerschen Auseinanderlegungen, wo derselbe den Beweis liefert, dass der atmosphärische Druck nur unter der Voraussetzung eines negativen Binnendruckes in der Hüftgelenkpfanne, die ihm zugeschriebene Wirkung auf das Gelenk haben kann. Fick und Braam-Houckgeest behaupten nämlich, dass gerade bei der zusammenhaltenden Wirkung der Atmosphäre der Binnendruck des Gelenkes unmöglich dem atmosphärischen nachstehen kann; als Belegstück zu seiner Behauptung und Gegenstück zu Buchner führt Fick ein neues, noch kompli- zierteres Beispiel mit einem Cylinder und einem in demselben sich befindenden Stempel an. 1) Gebr. Weber haben angenommen, dass in der Phase des Schwingens der Extremität während des Gehaktes, keine Muskelkontraktion stattfindet. Die Irrtümlichkeit dieser Annahme der Gebr. Weber wurde durch Duchennes Beobachtungen nachgewiesen, die Buchner in seiner Arbeit unerwähnt lässt. Buchner selbst hat aber auch eine zweimalige Kontraktion der Musculi recti femoris bei jeder Schwingungsbewegung des Beines konstatieren können. 14 N. A. GERKEN, Es wurde Buchner zum Vorwurf gemacht, er ignoriere die Experimente. Was aber den experimentellen Teil der Buch- nerschen Arbeit betrifft, so hat Fick einen Zweifel ausge- sprochen, ob die von Buchner berechneten Grössen der Elastizitätsspannung der Muskeln der Wirklichkeit entsprechen. Dies wäre eine kurze historische Skizze der uns interessieren- den Doktrin. Um den litterarischen Abriss der Frage nicht un- nötiger Weise auszudehnen, habe ich mehrere Arbeiten uner- wähnt gelassen, die zur Bekräftigung der Lehre geschrieben wurden. Ich möchte mich nur kurz noch bei einer Teilfrage der Lehre vom atmosphärischen Drucke aufhalten, und zwar bei der Bestimmung und Berechnung der Kraft, die seitens des Luftdrucks auf das Femurköpfchen bei ihrer Fixation in der Hüftgelenkpfanne ausgeübt wird. Die Gebr. Weber haben für die Bestimmung derselben die oben angeführte Formel an- gegeben. Schmidt hat die Formel derart aufgefasst, als ob sie die Fläche des knorpeligen Teiles der Hüftgelenkpfanne berechne, und hat die Ansicht ausgesprochen, dass man als Basis der Quecksilbersäule nicht die Knorpelfläche der Gelenkpfanne sondern die Fläche des Querschnittes des Köpfchens annehmen muss. Diese Auffassung der Weberschen Formel war übrigens eine falsche. Richtig hat sie Fick (8) aufgefasst, aber jedoch derselben nur kurz Erwähnung that, sodass dieselbe von mehreren Autoren, die sich nach Fick mit dem Gegenstande befassten, ebenso wie früher missverstanden blieb. Die Gebr. Weber hatten in ihrer Beschreibung der Ge- lenkflächen der Hüftgelenkpfanne und des Femurköpfchens aus- drücklich betont, dass die Knorpelflächen sich ganz genau gegen einander anschmiegen; an keiner Stelle wurde aber eine präcise Angabe darüber gemacht, dass die Weichteile der Hüftgelenk- grube, indem sie fest dem Femurköpfchen anliegen, imstande wären, den auf sie lJastenden atmosphärischen Druck zu kompen- Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 15 sieren. Die Annahme steht jedoch in vollem Einklange mit dem, was von den Verfassern bezüglich des hermetischen An- liegens der beiden Knorpelflächen aneinander gesagt wurde; da aber die Gelenkpfanne ihrer Fläche nach dem Gelenkköpfchen nachsteht, wird durch die Masse derselben die Grösse des das Gelenk belastenden atmosphärischen Druckes bestimmt. Um letzteren zu bestimmen, muss die Projektion der Knorpelfläche der Gelenkpfanne auf die zur Komponente senkrechte Fläche ge- nommen werden. Die Richtung der Komponente fällt aber in L Fig. 1. diesem Falle annähernd mit der Richtung des Femurhalses zusammen. Wir können den Allgemeintypus der Projektion der Knorpel- fläche auf die zum Femurhalse senkrechte Fläche erfassen, indem wir die Hüftgelenkpfanne von unten nach oben, in der Richtung des Femurhalses betrachten. Wir erhalten dabei ein folgendes, annäherndes Bild: AD wäre die grösste Sehne aus den grossen Bögen der Gelenkpfanne [Weber (1) pag. 92] E G die annähernd kleinste Sehne (Ibid. 16 N. A. GERKEN, pag. 99). Die Teile ABE und MGK gleichen sich annähernd. Ebenso sind die Flächen ECD und GFL annähernd gleich. Es folgt daraus, dass die Fläche der Projektion der Hüftgelenk- pfanne MKAEDFLG annähernd der Fläche ABECDFGK gleich ist, welch’ letztere gleich AD x EG, oder dem Produkt aus der grössten Sehne mal kleinste Sehne der grossen Bögen der Hüftgelenkpfanne. Fick (9) hält es für angezeigt, die Schmidtsche Formel in dem soeben auseinandergelegten Sinne abzuändern, da näm- lich das Fettpolster der Fossa acetabuli, seiner Ausdehnung gemäss, den atmosphärischen Druck auf das Gelenkköpfchen überträgt, so soll man als Basis der Quecksilbersäule nicht die ganze Fläche des Querschnittes des Femurkopfes, oder mit anderen Worten, nicht die Gesamtprojektion der Gelenkpfannenfläche auf die Schnittfläche durch den Limbus acetabuli, sondern nur die des Knorpelteiles derselben annehmen. Die anderen Forscher, die sich nicht den Sinn der Weber- schen Formel klar gemacht haben, können auch keine Gründe finden, die die Berichtigung von Fick berechtigen sollen. Andererseits kann keiner der Autoren aus ihren Versuchen zu Grössen kommen, die eine genügende Übereinstimmung mit den theoretischen Berechnungen ergeben sollten. Letzteres soll übrigens Herrn Dr. Selitzky gelungen sein, der seine Berech- nungen auf die Schmidtsche Formel stützte und in zehn Versuchen einen Unterschied zwischen den experimentell fest- gestellten und den theoretisch abgeleiteten Grössen von nur einigen Pfund bekam. Selitzkys Schlüsse scheinen mir aber auf einem Missverständnis zu basieren. Er berechnet nämlich den Luftdruck auf das Gelenk nach der Schmidtschen Formel. Die Richtung der Komponente des Druckes ist nun senkrecht zur Schnittfläche, durch den Limbus acetabuli und fällt annähernd mit der Achse des Femurhalses zusammen. Um den thatsächlichen atmosphärischen Druck auf das Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. 17 Gelenk durch Anwenden von Gewichten behufs einer gewalt- samen Trennung der Gelenkflächen experimentell zu bestimmen, muss aber eine Bedingung stets erfüllt werden. Die trennende Kraft muss stets in der, der Komponente des Luftdruckes ent- gegengesetzten Richtung, also annähernd in der Richtung der Achse des Femurhalses angebracht werden. Die auf solche Art bestimmten Werte ergeben die thatsächliche, das Gelenk zusam- menfügende Druckwirkung der Atmosphäre, die jedesmal auf experimentellem Wege ermittelt werden kann und sich mit den theoretisch abgeleiteten Werten vergleichen lässt). Selitzky hat dagegen in seinen Experimenten die, das Gelenk auseinanderreissende Kraft nicht in der Richtung der Komponente des Luftdruckes angebracht. Die Gewichte wurden an einem eisernen Doppelhaken etwas oberhalb des Kniegelenkes aufgehängt. Es hat demnach in den Versuchen die angewandte Kraft etwa in der Richtung der Diaphyse des Femur gewirkt. Je mehr aber in der experimentellen Bestimmung die Richtung der auslösenden Kraft von der Komponente des Luftdruckes abweicht, desto weniger lassen sich die Ergebnisse der Versuche mit denen der theoretischen Berechnung vergleichen. Aus dem soeben angeführten Grunde lassen sich eben die von Selitzky experimentell erhaltenen Werte nicht ohne weiteres mit seinen theoretisch abgeleiteten vergleichen. Es lassen sich zwar die experimentell gewonnenen Grössen unter Anwendung des Paralellogramm-Gesetzes der elementaren Mechanik, behufs einer Vergleichung mit den theoretischen Werten mit Leichtigkeit im gewünschten Sinne modifizieren, vorausgesetzt, dass der Winkel des Femurhalses mit der Diaphyse bekannt ist. Selitzky hat dies jedoch unterlassen; führt man aber die erforderliche Umrechnung auf die angegebene Weise 1) Die ganze Frage hat in der bereits eitierten Fiekschen Arbeit (8) eine ausführliche und genaue Erörterung gefunden. Anatomische Hefte. I. Abteiiung. Heft XXI (7. Bd. H. 1). 2 18 N. A. GERKEN, aus, so kommt man zu dem Schlusse, dass weder Selitzky noch die übrigen Forscher es vermocht haben, die theoretisch abgeleiteten Grössen mit den experimentellen in Einklang zu bringen. Kein Autor hat auch dargethan, wo der Grund der Differenz der beiden Werte zu finden wäre. Im folgen- den komme ich nochmals auf die Frage zurück; es sei aber hier im ‚Anschluss an die geschichtliche Skizze der uns interessierenden Frage hervorgehoben, dass, wenn auch die von Rose und Buchner gegen die Webersche Doktrin geltend gemachten Einwände bei weitem keinen allgemeinen Anklang fanden, doch einzelne Thesen der Gebr. Weber gegenwärtig ganz allgemein für irrtümlich gehalten werden. So verhält es sich z.B. mit der Erklärung, die die Gebr. Weber für die Erschei- nungen der Verkürzung und Verlängerung der unteren Extre- mität bei der chronischen Hüftgelenkentzündung gaben. Anderer- seits haben genaue Untersuchungen der Gelenkenden beider, das Hüftgelenk zusammensetzenden Knochen ergeben, dass beide nicht den gleichen Durchmesser haben, und dass zwischen den Knorpelflächen stets ein deutlich ausgeprägter Raum übrig bleibt, der intra vitam von Synovialflüssigkeit ausgefüllt ist. Diese Thatsache, die den Beobachtungen der Gebr. Weber entging, kann nichtsdestoweniger von sehr grosser Bedeutung in der Frage über die Wirkung des atmosphärischen Druckes auf die Gelenkenden der Knochen werden. Die zwischen den zwei Knorpelflächen eingeschlossene Synovialschicht muss unter den nämlichen hydrostatischen Bedingungen stehen wie die anderen Säfte, welche die Kapillaren Höhlen, und die lymphatischen Räume ausfüllen; es muss der gleiche positive, wenn auch geringe Druck von ca. 6—12 mm Quecksilbersäule bestehen. Es muss somit in diesem Falle die Synovialschicht einen Gegendruck auf die Fläche des Femurköpfchens ausüben und den äusseren Luftdruck kompensieren. Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 19 Es ist einleuchtend, dass ein ähnlicher Gegendruck der Synovialflüssigkeit nur bei Lebzeiten beim Bestehen des Blut- kreislaufes möglich ist, da beim Ableben auch der Blutdruck im arteriellen System und den Kapillaren, und somit auch die Bedingung für das Erhalten und Ausgleichen des Druckes in den Iymphatischen Räumen schwindet. Von dem Standpunkte aus sind die von den Gebr. Weber an Leichen angestellten Versuche jeder Bedeutung für die Frage über das Zusammen- halten der Gelenke intra vitam beraubt. Die von den Gebr. Weber beobachteten Erscheinungen liessen sich auch theoretisch voraussehen. In der That haben wir es in der Hüftgelenkpfanne samt der Knorpellippe mit einem, die Hälfte der Kugel etwas über- schreitenden Kugelabschnitte zu thun, in welchen der Gelenk- kopf fest eingestemmt ist. Das System bietet ein Beispiel eines in einem Cylinder eingeschobenen Stempels; es ist daher gleich unmöglich den Stempel aus dem Cylinder herauszuziehen , wie an der Leiche das Gelenkköpfchen aus der Gelenkpfanne heraus- zubringen, ohne den auf dieselben lastenden Luftdruck zu überwinden. Man kann sich ein Modell des Gelenkes aus Metall, Holz oder Stein konstruieren, und auf demselben ebenso gut wie an einem einer Leiche entnommenen Gelenke, die Erscheinungen des Luftdruckes demonstrieren. Das Wesentliche der Erschei- nung ist in den Eigentümlichkeiten der Form der Gelenkenden und nicht in den physiologischen Eigenschaften derselben gelegen. Um Klarheit zu gewinnen über die Kräfte, welche die Ge- lenke fest zusammenfügen, und um verstehen zu lernen, welche Rolle der Luftdruck bei dem Vorgange, unter physiologischen Bedingungen des lebenden Körpers spielt, mussten die Versuche der Gebr. Weber am Lebenden wiederholt werden, was bis jetzt meines Wissens, weder seitens der letzteren, noch irgend DES a 0 N. A. GERKEN, eines anderen Autors, der sich mit der Frage befasste, ge- schehen ist. Diese Versuche wurden von mir im Laboratorium des Pro- fessors Weliky in Tomsk ausgeführt. 4 Durch Präparation der Hüftgelenke von Hunden und Katzen habe ich mich zunächst überzeugt, dass die Weberschen Ver- suche sich an denselben, bei etwas modifizierten technischen Handgriffen, sehr wohl demonstrieren lassen. Die Hüftgelenk- pfanne des Hundes in allen Richtungen nach den grossen Bögen durchschnitten, erreicht nicht die Ausdehnung von 180°. Man muss daher bei der Wiederholung des Weberschen Ver- suches mit der Durchtrennung des Kapselbandes am Hüft- gelenke des Hundes, die grösste Vorsicht walten lassen. Sobald das Kapselband durchschnitten ist, genügt die leiseste unge- schickte Bewegung mit der Extremität, um die zwei Gelenk- flächen auseinanderzuschieben, es dringt Luft in die Gelenkpfanne hinein, und dann gelingt es nur sehr selten, durch ein nach- trägliches Einstellen des Gelenkkopfes den Versuch zu wieder- holen. Ich habe den Versuch derart modifiziert, dass ich das Kapselband, ohne dasselbe zu durchtrennen bloss abpräpariert habe; dann gelingt es leicht zu zeigen, indem man dem Gelenke eine extreme Stellung giebt, bei welchen sich dieser oder jener Abschnitt des Kapselbandes spannt, dass der Versuch die Ge- lenkflächen auseinanderzuziehen an der Spannung der Gelenk- bänder scheitert. Bringt man aber die Extremität in eine mittlere Lage, so dass das Kapselband ganz gleichmässig er- schlafft, und versucht man dann, unter Kraftaufwand die Gelenkflächen auseinanderzuziehen , so muss man am toten Gelenke des Hundes, genau so wie bei den Experimenten an der menschlichen Leiche, den Luftdruck,. der die Gelenkflächen zusammenfüst, überwinden. Das Auseinanderweichen der Gelenkenden kann in diesem Falle erstens direkt an der Bewegung des Femurknochens, Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 21 zweitens an der entstandenen Spannung des Kapselbandes, und drittens am Erscheinen einer Furche zwischen dem Pfannen- rande und der sphärischen Oberfläche des sich hervorschiebenden Gelenkkopfes erkannt werden; diese Furche wird bald sichtbar, kann aber noch früher durch den tastenden Finger erkannt werden. Nachdem ich diese Versuchsordnung für das tote Gelenk festgestellt habe, schritt ich nun an die Experimente am lebenden Tiere. Das Tier wurde durch Äther betäubt, in der üblichen Weise an das Vivisektionsbrett mit dem Rücken angebunden, und nach den gewöhnlichen Methoden tracheotomiert, kurarisiert und durch künstliches Atmen am Leben erhalten. Nun wird durch einen langen Schnitt der grosse Trochanter blossgelegt; die Muskelansätze an demselben werden mit einer Scheere, und zwar möglichst dicht am Knochen, abgetrennt. Es ist mir nie gelungen, sämtliche das Gelenk umgebende Muskeln zu durchtrennen: ich habe mich immer davor gescheut, eine grosse Anzahl der kleinen, zum Gelenk hinziehenden Gefäss- äste zu durchtrennen, eventuell das Gelenk weit aufzumachen. Es blieben daher die Musc. obturator externus und internus in der Regel intakt. Nachdem der Trochanter von den Muskel- ansätzen befreit war, wurde derselbe von vorne nach hinten durchbohrt, und durch das Loch ein Draht gezogen, dessen freie Enden zusammengedreht wurden. An dieser Schlinge konnte man mit Leichtigkeit eine beliebige Belastung anbringen und vermittelst einer Rolle die Zugkraft in der gewünschten Richtung wirken lassen. Nachdem ich die Belastung angebracht, das Becken fixiert, und die Extremität in eine mittlere Stellung gebracht hatte, konnte ich die Bewegungen des Femurkopfes sowohl mit den Augen als durch Betasten der sich verschiebenden Teile verfolgen. Wie gering das zur Extraktion des Gelenkkopfes 9 N. A. GERKEN, angewandte Gewicht auch gewesen sein mag, stets konnte ich bald nach dem Beginn des Versuches eine Verschiebung des Gelenkkopfes nach aussen konstatieren. Nach einer Versuchs- dauer von einigen Minuten schritt ich zur Sektion des Gelenkes, um die sich im Innern desselben abgespielten Vorgänge zu untersuchen. Auch dieser Teil des Experimentes erfordert einige Kautelen. Das Versuchstier muss getötet werden, um die Blutung zu vermeiden, die das zu untersuchende Gebiet überschwemmen könnte. Nachdem man das Gelenk des bereits toten Tieres blossgelegt hat, muss unmittelbar vor dem Aufschlitzen der Gelenkkapsel die ganze Wunde vom Blute befreit werden, um das Hineinfliessen desselben in das Gelenk zu verhüten. Die Extension des Gelenkes muss auch während der Sektion des- selben vor sich gehen, da sonst infolge der Kontraktion der intakt gebliebenen Muskeln, oder einer ungeschickten Bewegung der Extremität, die Knorpelflächen der Gelenke wiederum einen gegenseitigen Kontakt eingehen und die während des Versuchs stattgehabten Veränderungen des Gelenkes beseitigen würden. Bei einer strikten Beobachtung der oben beschriebenen Kautelen habe ich stets bei der Eröffnung des Gelenkes in der Gelenk- pfanne Synovialflüssigkeit gefunden, die der Menge nach die Norm übertraf und den Raum zwischen den Knorpelflächen der (Gelenke ausfüllte. Die Zugkraft, die zur Extraktion des Gelenkes Anwendung fand, stand dem vorauszusetzenden atmosphärischen Drucke nach. Die meisten Autoren, die die zusammenfügende Wirkung der Atmosphäre auf das Gelenk anerkennen, geben zur Bestimmung derselben die Formel zır ?h an, wo h der beob- achtete Barometerstand ist. Nach dem Abschlusse des Experi- mentes war mir durch eine Messung des Gelenkkopfesdurch- messers die Berechnung nach dieser Formel möglich, und indem ich h im allgemeinen gleich 760 mm setzte, konnte ich den Unterschied zwischen der von mir angewandten Zugkraft und Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 23 der vermutlichen atmosphärischen Druckwirkung berechnen. Ich habe es andererseits auch nicht unterlassen, behufs Kontrolle, Extensionsversuche an toten Tieren auszuführen. Im ganzen wurden neun Versuche an lebenden Tieren gemacht. Die Pro- tokolle zweier will ich hier anführen. 19. III. 94. Hund (männlich), schwarz, mittlerer Grösse. Um 2 Uhr 37 Minuten Blosslegen des grossen Trochanters des rechten Femurs. Die Muskeln durchtrennt. Trochanter durch- bohrt, eine Belastung von 3 Pfund behufs Extraktion des Ge- lenkkopfes in der Richtung des Femurhalses angelegt. Nach 10 Minuten tritt das Köpfchen deutlich aus dem Acetabulum heraus. Nachdem das Tier durch Injektion mit Kalicyanat- lösung getötet war, wurde die Eröffnung des Gelenkes vorge- nommen. Das Gelenk enthielt eine, die Norm weit übersteigende Synovialmenge, die leicht rosarot gefärbt ist. Das Fettpolster der Fossa acetabuli und das runde Gelenkband war purpurrot gefärbt und das Fettgewebe der Fossa acetabuli ragte stark über die Knorpelfläche der Gelenkpfanne in die Gelenkhöhle hinein. Der Durchmesser des Femurkopfes war 1,51 cm. Der Sektions- befund des linken Hüftgelenkes, an dem keine Extension vorge- nommen wurde, war folgender: das runde Gelenkband blass, die Gelenkflächen kaum mit Flüssigkeit benetzt. Das Fettpolster der der Fossa acetabuli von einer hellgelben Färbung über das Niveau der Knorpelfläche nicht hinausragend. Der atmosphärische Druck bei einem Kopfdurchmesser von 1,51 cm annährend 4,4 Pfd. gleich. 18. III. 94. Gelber Hund (männlich), mittlerer Grösse. Das rechte Hüftgelenk durch eine Zugkraft von 3 Pfund gedehnt. Die Dauer der Einwirkung derselben bei bestehendem Blutkreis- lauf 10 Minuten. Sektion: Beim Blosslegen des Trochanters wurde die Sehne des Gluteus minimus nur teilweise durchstrennt. Bei der Eröffnung der Gelenkkapsel spritzte eine helle, klare Synovialflüssigkeit heraus, die die ganze Gelenkhöhle ausfüllte. Durchmesser des Gelenkkopfes 1,72 em; r 0,86 cm, Sektions- 24 N. A. GERKEN, fläche des Femurkopfes nach einem grossen Kreise 2,32 gem. Der Luftdruck 1 kg pro 1 gem Fläche angenommen, wird die Grösse des atmosphärischen Druckes auf das Gelenk auf 2,32 kg oder 5,5 Pfund berechnet. Nach Ablauf von 2 Stunden wurde an demselben bereits toten Hunde der linksseitige Trochanter blossgelegt, die Muskeln durchschnitten und eine Belastung von 3 Pfund auf die Dauer von 15 ‚Minuten angebracht. Die Eröffnung der Gelenkhöhle hat nur Spuren von Synovialflüssigkeit ergeben. Die Schlüsse, die aus den Ergebnissen der Versuche ge- zogen werden können, liegen, meines Erachtens, auf der Hand. Durch Zug an dem Femurkopfe des lebenden Tieres (nachdem die zusammenhaltende Wirkung der das Gelenk umgebenden Muskeln durch Durchschneiden derselben eliminiert ist) lassen sich die beiden Knorpelflächen des Gelenkes leicht auseinander reissen; das entstandene Vakuum wird aber sowohl durch die leicht aufquellenden, weichen Gewebe der Fossa acetabuli und durch das runde Gelenkband, sowie durch die Synovialflüssig- keit, die in reichlicherem Masse an den Oberflächen der Weichteile durchfiltriert, ausgefüllt. Es lässt sich somit am lebenden Gelenke die zusammen- fügende Wirkung des Luftdruckes nicht nachweisen, die in so evidenter Weise an einem, einer Leiche entnommenen Gelenke auftritt. Die Flüssigkeit, die von den Weichteilen der Hütt- gelenkpfanne ausgeschieden wird, kompensiert von innen aus den äusseren atmosphärischen Druck und macht es dem Ge- lenkköpfchen möglich, sich so weit nach aussen zu verschieben, als es die erhaltenen Bänder gestatten. Aus den Versuchen erhellt, von welcher Bedeutung für das Gelenk die Weichteile der Fossa acetabuli sind: sie enthalten eine Vorrichtung, die die Einwirkung des Luftdruckes auf das Gelenk ausgleicht. Das Hüftgelenk an einer Leiche lässt sich mit einem Cy- Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. 25 linder vergleichen, in welchen ein Stempel solide eingeschoben ist; Boden und Wände des Cylinders sind aus festem Material gemacht, haben keine Öffnungen und sind immobil. Es muss infolgedessen beim Herausziehen des Stempels notwendigerweise der atmosphärische Druck überwunden werden, der auf dem Stempel lastet und denselben an die Cylinderwand herandrückt. Für ein lebendes Gelenk lässt sich der Vergleich mit einem Stempel, der in einen festen Cylinder mit unnachgiebigen Wänden eingeführt ist, nicht durchführen. Die Weichteile der Fossa acetabuli und das runde Gelenkband können intra vitam ihr Volumen entsprechend der Blutfüllung ändern und können Flüssigkeit ausscheiden, die den beim Herausziehen des Stempels enstandenen leeren Raum ausfüllt. Eher würde ein Vergleich des lebenden Gelenkes mit einem Stempel einer einfachen Spritze passend sein. Beide Flächen des Stempels sind ein und demselben atmosphärischen Drucke ausgesetzt, sodass von einer zusammenhaltenden Wirkung des letzteren keine Rede sein kann. Die Schicht der Synovialflüssigkeit, die zwischen den beiden Gelenkflächen eingeschlossen ist, zeigt zum mindesten einen Druck, der dem Aussendrucke der Atmosphäre gleich steht; die Quelle für die Flüssigkeit, von derem hydrostatischen Drucke weiter unten die Rede sein wird, ist ebendaselbst im Gelenke, in den Weichteilen der Fossa acetabuli gelegen. Wäre die Hüftgelenkpfanne ihres Grübchens beraubt und hätte sie eine kontinuierliche halbkugelförmige knorpelige Oberfläche, so könnte man auch keinen Unterschied im Verhalten des Gelenkes intra vitam und port mortem wahrnehmen. Da von den Knorpel- flächen keine Flüssigkeitabgegeben wird, müsste beim Auseinander- weichen der Gelenkflächen, in der Gelenkhöhle ein negativer Druck entstehen, und sämtliche Vorgänge am Gelenke hätten sich auf die gleiche Weise im lebenden Organismus wie an der Leiche abgespielt. Eine geringe Abweichung der Hüftgelenkpfanne von der Kugelform genügt aber schon, um von Grund aus die 26 N. A. GERKEN, Analogie des lebenden und des toten Gelenkes zu vernichten, und hebt auch die sog. hermetische Zusammenfügung des Ge- lenkes auf. ‘Die Fossa acetabuli ist aber bei den meisten Säuge- tieren zu finden. Im Laufe des weiteren werde ich noch auf die Frage zu- rückkommen, wie eine hermetische Befestigung des Gelenkes in den anderen Klassen der Wirbeltiere unmöglich gemacht wird, und werde auch versuchen, die physiologische Notwendigkeit dieser Vorrichtung zu erklären; jetzt möchte ich aber zur Be- schreibung der Versuche übergehen, die mir an einem toten menschlichen Hüftgelenke, unter gleichzeitiger Anwendung eines künstlichen Blutkreislaufes — Durchströmen der Gefässe mit einer 0,6°/o Kochsalzlösung — gelungen sind. Es wurde die untere Hälfte einer frischen Leiche dazu ver- wendet. Die Femurknochen wurden handbreit unterhalb der Trochanteren durchsägt und das Becken in zwei Hälften zerlegt. Sämtliche Muskeln, die den Trochanter umgeben, wurden (mit Ausnahme des Obturator externus und internus) durchschnitten. Das Kapselband mit den Sehnen der beiden letzterwähnten Muskeln wurde dicht am Ansatze am Femur abgetragen. In die Art. obturatoria wurde von der Beckenhöhle aus eine Ka- nüle eingeführt, die vermittelst einer Kautschuckröhre mit einem Behälter mit physiologischer Kochsalzlösung (0,6°/0), der etwa 1m hoch angebracht wurde, kommunizierte. Die Beckenhälite wurde an einem soliden Ständer befestigt, in den grossen Tro- chanter ein Haken mit einem Strick eingenagelt, welch letzterer einen Kloben passierte und eine Belastung von 2 Pfund trug. Nun wurde die Klemme, die das Lumen des Kautschuckrohres absperrte, eröffnet, die Flüssigkeit trat in die Art. obturatoria und von derselben in einen kleinen Zweig hinein, der durch die Ineisura acetabuli hindurch die Weichteile der Fossa acetabuli versorgte. Die übrigen durchschnittenen Arterienzweige der vorderen Beckenseite, die stark spritzten oder auch sonst viel Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 27 Flüssigkeit durchtreten liessen, wurden mit Schiebern ver- schlossen. Die Flüssigkeit sickerte aber trotzdem von der ganzen Oberfläche des Präparates herab. Nachdem die Flüssigkeit einige Minuten lang die Gefässe durchströmt hat, fing der Gelenkkopf an, auch auf einen Zug von nur 2 Pfund nach aussen auszuweichen, und nach Ablauf von 10 Minuten, vom Beginne des Experimentes, entfernte sich der Femurkopf von selbst, ohne sonstigen äusseren Zwang, aus der Hüftgelenkpfanne, soweit als es das runde Gelenkband zu- liess. Es entleerte sich dabei aus der Gelenkhöhle eine grosse Menge einer schwach rosarotgefärbten Flüssigkeit; das runde Gelenkband und die Weichteile der Hüftgelenkpfanne waren stark ödematös und von einer purpurnen Farbe. Die Cirkulation der Flüssigkeit in den Blutgefässen der Leiche stösst auf grosse Widerstände, die in der unvollständigen Durchgängigkeit der Gefässlumina und in dem Heraustritt der Flüssigkeit durch die Gefässwände in die benachbarten Iympha- tischen Räume gelegen sind. Durch die Anschoppung der Lymphräume werden die Blut- gefässe noch stärker gepresst, und es ist daher anzunehmen, dass die Bedingungen für die Filtration bei dem Versuche an der Leiche viel ungünstiger als diejenigen in den lebenden Ge- weben ausfallen. Und bei all der Verzögerung und Hemmung der Filtration ändert trotzdem die künstliche Reproduktion des Kreislaufes mit einem Schlage sämtliche Ergebnisse des Weber- schen Versuches. Es gelingt, die Gelenkflächen des Hüftge- lenkes des Menschen, unter Anwendung einer Zugkraft von nur 2 Pfund, auseinanderzuziehen. In einem zweiten analogen Versuche war zum Austritt des Gelenkkopfes ein Durchströmen der Art. obturatoria während 23 Minuten bei einer Belastung des Gelenkes mit 5 Pfund not- wendig. In einem dritten Falle wurde das Gelenkköpfchen zu- 08 N. A. GERKEN, erst durch eine allmählich zunehmende Belastung bis über 23 Pfund aus der Gelenkpfanne herausgerissen, auf ihre Stelle reponiert, und sprang nun auf eine Zugkraft von nur 2 Pfund nach einem 2 Minuten lang angewandten Durchströmen der Art. obturatoria von selbst aus der Gelenkpfanne heraus. In den Versuchen, die wir an Hunden anstellten, wurde eben- falls eine Zugkraft von zwei Pfund angewendet, ein Teil der- selben wurde jedoch auf die Dehnung der intakt gebliebenen Muskeln verbraucht. Hätten es die Grösse des Femurhalses und die grössere Tiefe der Hüftgelenkpfanne gestattet, die Weber- schen Versuche mit derselben Leichtigkeit wie am menschlichen Gelenke anzustellen, so könnte das Auseinanderreissen der Gelenk- flächen unter einem minimalen Kraftaufwand geschehen. Als Beweis für die intra vitam stattfindende Kompensation des Luftdruckes durch den Binnendruck des Gelenkes möge noch die Beobachtung angeführt werden, um wie viel leichter die Exartikulation des Gelenkes am Lebenden, im Vergleiche zur selben Operation an der Leiche vor sich geht. Jeder, der an der Leiche chirurgisch gearbeitet hat, weiss, wie schwer der letzte Akt der Herausluxierung des Femurs ist. Was aber diesen Teil der Operation am Lebenden an- langt, so ist er, nach den übereinstimmenden Angaben der Chirurgen, mit keiner besonderen Schwierigkeit verbunden und das Femurköpfchen lässt sich nach der Durchtrennung der Gelenkkapsel mit Leichtigkeit aus der Gelenkpfanne heraus- luxieren. Wenn wir die Experimente an lebenden Hunden mit den- jenigen am toten Hüftgelenke des Menschen zusammenstellen, ergiebt sich, dass man kaum imstande ist, das Auseinander- weichen der Gelenkflächen von einander in Abrede zu stellen, und dass es nicht angeht, von einem Aneinandergleiten der Gelenkflächen zu sprechen, das den ersterwähnten Vorgang vor- Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 29 täuschen soll, wie dies Professor Lesshaft that, der auf meine Arbeit erwiderte, bevor sie noch in toto publiziert wurde (10). Indem ich zur Untersuchung des Druckes der Synovial- flüssigkeit im Gelenke übergehe, muss ich zunächst hervorheben, dass, vom theoretischen Standpunkte aus, der Synovialdruck im Gelenke nicht wesentlich von dem Lymphdrucke in den Wurzeln des Iymphatischen Systems abweichen kann; er muss daher 10—12 mm Quecksilbersäule gleich sein. Die Gelenk- höhlen lassen sich mit Iyınphatischen Räumen vergleichen, die Synovialflüssigkeit wurde bereits mehrmals für ein Transsudat gehalten, welchem schleimig-degenerierte Zellen der Intima synovialis beigemengt sind. Von diesem Standpunkte aus ist es auch naheliegend, in der Gelenkhöhle einen stets bestimmten, dem oben erwähnten gleichen Synovialdruck anzunehmen. Es wurden aber auch andere theoretische Erwägungen geltend gemacht, die zu einer Annahme einer bestimmten Spannung der Flüssigkeit im Gelenkraume zwingen. Die dünne Lamelle der Intima synoviales mit ihrer Zell- schicht bildet die Scheidewand zwischen der Gelenkhöhle und einem ganzen System von Räumen in den benachbarten Weich- teilen. In diesen Räumen herrscht ein stetiger positiver Druck vor, durchschnittlich 10 mm Quecksilber Höhe; es wäre sonderbar anzunehmen, dass die daran angrenzende Höhle, die im ganzen durch eine mikroskopisch-dünne Lamelle abgegrenzt ist, unter einem geringeren hydrostatischen Drucke stünde. Wir können gleich mehrere Wege behufs Ausgleichung des Druckes finden. Es darf zunächst eine Transsudation in die Gelenkhöhle ange- nommen werden; die Synovia, wie jede andere Flüssigkeit wird sich bis zur Ausgleichung der Druckunterschiede innerhalb und ausserhalb der Gelenkhöhle ausscheiden. Von diesem Stand- punkte aus muss in der Synovialflüssigkeit eine Spannung vor- ausgesetzt werden, die der in den Anfängen des Iymphatischen 30 N. A. GERKEN, Systems thatsächlich beobachteten gleich steht. Nimmt man dagegen an, dass die, die Intima synovialis auskleidende Zell- schicht die Transsudation verhindert, und die einfachen physi- kalischen Vorgänge des Processes modifiziert, so bleibt es doch ganz unmöglich, dass eine Lamelle, von der Dünne der Intima synovialis, die Scheidewand zweier Zonen, der Gelenkhöhle und der benachbarten Weichteile bilde, die unter einer ganz verschie- denen hydrostatischen Spannung stehen sollen. Der hydrosta- tische Druck der Gewebeflüssigkeit, der 10 mm Quecksilber gleich ist, wird sich durch die Intima synovialis auf die im Gelenke eingeschlossenen Flüssigkeiten fortpflanzen, die infolge- dessen ebenfalls unter einem Druck von annähernd 10 mm stehen werden. Durch diese theoretischen Erwägungen geleitet, habe ich einen Versuch behufs Bestimmung des Synovialdruckes ver- mittelst eines Manometers angestellt; obwohl das Experiment ganz resultatlos blieb, schien es doch vorerst für die Lösung der in Betracht kommenden Frage geeignet zu sein. In das Kniegelenk eines kurarisierten Hundes wurde eine hohle Kanüle eingeführt; das freie Ende derselben wurde mit einer Kautschuckröhre verbunden, die mit einer 0,6°%/0 Koch- salzlösung gefüllt in Verbindung mit einem Manometer stand. In die Art. femoralis der anderen Seite wurde ebenfalls eine Kanüle eingeführt, die mit einem Schreibkymographion behufs Kontrolle des Blutdruckes, in Verbindung stand. Ich hatte die Absicht, unter Anwendung der üblichen physio- logischen Methoden Blutdruckschwankungen hervor zu bringen, um die, Hand in Hand mit denselben vor sich gehenden Schwan- kungen des Synovialdruckes nachzuweisen. In dieser Form ausgeführt blieb das Experiment vollständig resultatlos. Auch die künstliche Drucksteigerung im arteriellen System, durch eine Reizung des peripheren Abschnittes des Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. sl Ischiadicus hervorgerufen, zeigte keine Rückwirkung auf die Ver- hältnisse der Synovialflüssigkeit. Die Quecksilbersäule, die den Synovialdruck verzeichnen sollte, blieb ständig auf demselben Niveau; höchstens dass eine Steigerung von 1—2 mm und zwar erst nach Verlauf von 1!/„—2 Stunden zu konstatieren war. Indem ich mir die Ursache des Misslingens überlegt habe, kam ich auf zwei Punkte, die eine grundverschiedene Anordnung des Versuches erheischen. Es kann zunächst die Kapillarität des Raumes, der die Gelenkhöhle ausmacht, nicht ganz wirkungs- los auf die Bewegung der in letzterer enthaltenen Flüssigkeit bleiben. Die Bewegungen der Flüssigkeit in einem kapillären Raum sind Gesetzen unterworfen, die ganz wesentlich von den, für grössere Flüssigkeitsmengen geltenden, abweichen. Eine Flüs- sigkeit, die in einem kapillären Raum eingeschlossen ist, und einen bestimmten Spannungsgrad besitzt, braucht noch deswegen nicht sich in die Richtung der geringeren Spannung mit der gewohnten Schnelligkeit und Leichtigkeit auszubreiten. Man braucht nur an die allgemein bekannten Thatsachen der elemen- taren Physik zu denken. Diese Erscheinung kann auch bei der oben angeführten Druckmessung im Gelenke störend eingreifen. Die Kapillarität der Gelenkhöhle wird ein Hindernis für das freie Ausbreiten der Gelenkflüssigkeit in die Manometerröhre abgeben; die Queck- silbersäule bleibt daher auf einem Niveau stehen, und giebt falsche Angaben über die Druckhöhe im Gelenke: es wird nur die Höhe des atmosphärischen Druckes erreicht, der thatsächliche Synovialdruck kommt aber nicht zum Ausdruck; die Flüssigkeit ist in ihrer Ausbreitungsfähigkeit, entsprechend der Einwirkung der mechanischen Gesetze, gehemmt, und kann infolgedessen nicht in die Manometerröhre eintreten. Unter manchen pathologischen Zuständen wird die Flüssig- 32 N. A. GERKEN, keitsmenge in den Gelenkhöhlen mehr oder weniger vermehrt, so dass es sehr leicht wird, angesichts der reichlichen Aus- scheidung ins Gelenk den hydrostatischen Druck zu messen. Die Flüssigkeitsmenge, die in diesem Falle aus der Gelenkhöhle in die Manometerröhre behufs Hebung der Quecksilbersäule der- selben heraustreten muss, besteht nicht aus einer kapillären Schicht, so dass es vollständig genügt, eine hohle Nadel, die in Verbindung mit dem Manometer steht, in das Gelenk einzu- führen, um das erwünschte Resultat zu erzielen. Bei einem aseptischen Operationsverfahren ist der Eingriff völlig gefahrlos, und es ist mein sehnlicher Wunsch, die erste beste Gelegenheit zu benutzen, um diesen Versuch anzustellen; es muss jedoch bemerkt werden, dass die auf so eine Weise erzielten Resultate sich nur auf das pathologische Verhalten der Gelenke beziehen, und nicht ohne weitere Experimente auf einen normalen Organis- mus übertragen werden können. Ein zweiter Grund, welcher zu dem Misslingen der oben beschriebenen Versuche beitragen könnte, liegt meines Erachtens darin, dass für die Hebung der Manometersäule eine grosse Flüssigkeitsmenge erforderlich ist, die noch dabei in sehr kurzer Zeit ausgeschieden werden soll. Nimmt man an, dass die untere Extremität des Hundes unter günstigen Bedingungen bis 30 cem Lymphe pro Stunde, oder 720 cem pro Tag liefern kann; wird weiter vorausgesetzt, dass die filtrierende Fläche des Kniegelenkes durchschnittlich 1/ıoo der gesamten filtrierenden Fläche der unteren Extremität ausmacht, so müsste das Kniegelenk unter normalen Bedingungen im Laufe des Tages durchschnittlich 7,2 cem oder 0,5 cem pro Stunde transsudieren. Diese Flüssigkeitsmenge, die in das eine Ende eines gewöhn- lichen Manometerrohres eintritt, genügt aber kaum, um die Quecksilbersäule des anderen Schenkels von 2—3 cem zu heben. Dieser zweite Grund — Mangel an genügender Flüssigkeits- Über die Unabhängiskeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. 33 menge, die in das Manometer hineindringen könnte, um die Quecksilbersäule um ein Entsprechendes zu heben — muss ebenfalls dem Gelingen des Experimentes im Wege stehen, das zur Messung des intraartikulären Druckes dienen sollte. Auf Grund dieser Erwägungen habe ich den Versuch derart modifiziert, dass die Druckmessung keine Flüssigkeitsausscheidung für richtige Wertangaben erforderte. Ich habe ein einfaches gebogenes Manometer benützt. An dem abgebogenen Schenkel wurde eine Kautschukröhre angebracht, deren anderes Ende auf einer Hohlnadel befestigt war, welche einer grossen Spritze entnommen wurde. Der andere Manometerschenkel war eben- falls mit einer Kautschukröhre vereinigt, deren Lumen mit einer Klemme abgesperrt werden konnte. Sämtliche Verbin- dungen müssen selbstverständlich hermetisch schliessen. Die Hohlnadel, die daran angebrachte Kautschukröhre und die Hälfte des zugewandten Manometerschenkels werden mit 0,6%, Kochsalzlösung ausgefüllt, die übrigen Teile des Systems enthielten Quecksilber, wie viel eben für die Erhaltung des Gleichgewichtes nötig war. Nachdem das Manometer auf einen Tisch neben dem bereits vorbereiteten und kurarisierten Tiere gestellt war, stellte ich das Gleichgewicht im ersteren dadurch her, dass ich die Nadel in eine horizontale mit der zum Anstich gewählten Stelle des Kmiegelenkes brachte. Durch die obere Kautschukröhre wurde in das Manometer noch ein bestimmtes Quantum Flüssigkeit (0,6°/, Kochsalzlösung) eingesogen. Es muss dabei die Nadel in ein Näpfehen mit der Flüssig- keit getaucht werden, ohne dass ihre horizontale Lage aufge- hoben wird. Bevor ich die Ansaugung der Flüssigkeit abstellte, sperrte ich die obere Kautschukröhre mit der Klemme ab, um den Anatomische Hefte. I. Abteilung XXI. Heft (7. Bd. H. i). 3 34 N. A. GERKEN, Rückfluss der Flüssigkeit durch die zum abgebogenen Mano- meterschenkel gehörende Nadel zu verhüten. Ich hatte nun ein Manometer zu meiner Verfügung, in welchem ein bestimmter Druck bereits aufgespeichert sich befand. Wie gross der aufgespeicherte Druck gewesen, konnte leicht aus dem Niveaustand des Quecksilbers vor und nach der Aufsaugung der Flüssigkeit ermittelt werden; ich konnte den Druck stets nach Belieben regulieren. Hätte ich z. B. die Quecksilbersäule um 10 mm gehoben, so hätte ich 20 mm Druck aufgespeichert; wollte ich den letz- teren bis auf 10 mm herabsetzen, so müsste ich durch sehr vor- sichtiges Handhaben der Klemme die Quecksilbersäule bis auf 5 mm fallen lassen. Sticht man so eine Manometernadel (mit aufgespeichertem Drucke) in das Kniegelenk des Versuchstieres ein und macht die Klemme auf, so müsste die Flüssigkeit des Manometers im Falle eines stärkeren Druckes desselben im Vergleich zum Ge- lenkdrucke sich in das Gelenk ergiessen. Ist dagegen der aufgespeicherte Manometerdruck demjenigen des Gelenkes gleich, oder steht er demselben nach, so muss das ursprüngliche Quecksilberniveau, auf die erste Zeit wenigstens, beibehalten werden. Nachdem man den Niveaustand der Quecksilbersäule ab- gelesen hat, kann man die Nadel aus dem Gelenke entfernen, ohne ihre horizontale Lage zu ändern; es wird sich dabei aus dem offenen Nadelende ein gewisses Quantum Flüssigkeit ent- fernen; der ganze aufgespeicherte Druck wird verbraucht, und nach dem Herabfallen der Quecksilbersäule kann seine ur- sprüngliche Höhe noch einmal berechnet werden. Das war das Prinzip, das uns zur Messung des Druckes innerhalb des Gelenkes diente. In praxi haben wir die Versuchsanordnungen vielfach modi- fiziert, wobei es sich wider Erwartung herausstellte, das die Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 35 Grösse des aufgespeicherten Druckes bis zu einem gewissen Grade für die Ergebnisse der Messung ganz belanglos ist. Die Röhre des Manometers, das in den Versuchen Ver- wendung fand, hat 1,0 cm im Durchmesser gemessen. Die Querschnittsfläche ist 0,785 em gleich; nehmen wir sie 0,75 cm gleich, so haben wir in 10 Millimeterteilstrichen des Rohres 0,75 cm Flüssigkeit. Die Aufspeicherung von 20 mm hat somit 0,75 cem, von 40 mm 1,50 cem der Flüssigkeit erfordert. Nachdem man auf die angegebene Weise im Manometer einen Druck von 40 oder 60 mm Quecksilbersäule aufgespeichert hat, wird sich nach der Einführung der Nadel in das Gelenk und nach dem Aufmachen der Klemme die Kochsalzlösung in die Gelenkhöhle hinein ergiessen. Die Quecksilbersäule fällt mit grosser Geschwindigkeit, die Gegend des Kniegelenkes wird aber stark. aufgetrieben. Nachdem aber die Quecksilbersäule um 10 mm gesunken ist, wobei sich 0,75 ccm Flüssigkeit in das Gelenk entleert, bleibt sie nicht weiter auf dem Niveau stehen, sondern zeigt eine deutliche Tendenz zum weiteren Sinken. Es genügt schon 2—3 mal das Gelenk leicht zu streichen oder zu drücken, um wiederum das Herabfallen des Quecksilbers zu beschleunigen; andererseits lässt sich aber eine Zeit abwarten, wo nach einigen Minuten die Quecksilbersäule zu sinken aufhört, um von nun an auf einem beständigen Niveau zu bleiben. Ich habe auch einigemale Versuche mit einem. Wasser- manometer angestellt, der im gegebenen Falle sich insofern von einem mit Quecksilber unterscheidet, als er das Hineinströmen von viel grösseren Flüssigkeitsmengen ins Gelenk bewirkt, falls man die nämliche Druckhöhe aufspeichern will. Will man z. B. eine Druckhöhe von 40 mm Quecksilber aufspeichern, so muss die Niveaudifferenz der Flüssigkeit in den Manometerschenkeln annähernd 26 cm = 2,0X13 betragen; die Flüssigkeitsmenge erreicht dabei 26x 0,75 — 19,50 cem. 3*+ 36 N. A. GERKEN, Bei einer Herabsetzung des Druckes um 10 mm muss sich aus der Nadel 14,7 cem Flüssigkeit entleeren. Im allgemeinen müssen wir also bei den Versuchen mit einem Wassermano- meter ein viel grösseres Flüssigkeitsquantum durch das Gelenk durchlassen, als es bei einem Quecksilbermanometer geschieht. Die Ergebnisse der Versuche sind aber in beiden Fällen ziem- lich übereinstimmend. Wird in das Gelenk ein Wassermano- meter mit einem hohen aufgespeicherten Drucke eingeführt, so wird ersteres durch die Flüssigkeit gedehnt; in dem Masse aber, wie sich die Flüssigkeit allmählich ergiesst, fällt auch der Manometerdruck, bis er sich endlich auf einen, von nun an un- verändert bleibenden Niveau einstellt. Der Druck muss sehr bedeutend sein, um durch die extreme Dehnung des Kapselbandes die freie Aufsaugung der Flüssigkeit aus dem Gelenke zu verhindern. Die Identität der Erscheinungen bei den Versuchen mit Quecksilber- oder Wassermanometern deutet darauf hin, dass die Flüssigkeitsmenge, die in das Gelenk eingeführt wird, von keiner bedeutenden Wirkung auf die Er- gebnisse der Messungen ist, und die am Manometer abgelesenen Werte nur um ein Geringes fälschen kann. Es ist zu beachten, dass bei gleichen Druckhöhen die Flüssigkeitsmenge, die in einem Falle (des Quecksilbers) in das Gelenk hineintritt, sich wie 1 zu 13 (Wassermanometer), entsprechend ihrem relativen spezifischen Schweren, verhält. Ein jedes Experiment besteht somit aus 3 Teilen: 1. Es wird ein bestimmter Druck in der Manometerröhre aufgespeichert; 2. die Hohlnadel wird in das Gelenk hineingeführt und der Manometerstand in dem Augenblicke abgelesen, wo die Queck- silbersäule auf einem konstant bleibenden Niveau stehen bleibt; 3. die Nadel wird aus dem Gelenke herausgezogen, ohne dass ihre horizontale Stellung verändert wird, und nachdem die "lüssigkeit abgelaufen ist, wird der Druck im Gelenke aus dem nunmehr erfolgenden Sinken des Manometerstandes bestimmt. Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. 37 Die Anzahl der von uns ausgeführten Versuche übertrifft 18; im folgenden möchte ich jedoch eine. Übersichtstabelle von bloss 11 derselben anführen, da nur in den letzteren die voll- ständig ausgearbeitete Versuchsmethodik zur Anwendung kam. Tabelle der Versuche behufs Messung des Synovialdruckes im Kniege- lenke der kurarisierten Hunde. u | =, na | 82% m = © a 2 | 903 = 2 Men De: 3 = PA ER Pa 2: Au [2985 Fagg| 0973 SE a3 | auslesen ri: == uS#D (rs Era al A an s258# Ne == Be = «op => © neS2 |.Ee5=+ : 3 Eu sa | 5 el z e sas |=s°8 |383 | Wassermanometer 1 SE Al 5 cm by 0,15 | 48 cm 2 sa Peorem 20° — 0,15 |52 cm 3 7. 11: \ 215 em 60° 4,50 |9 cm Der Versuch wurde wei- ter fortgesetzt, und nach | zwei Stunden war noch am | Manometer 7 em Druck | zu lesen. 4114. II.| 10 cm 10° 1,12 1.85 cm Infolge einer unvollstän- digen Kurarisation, sind | bei diesem Tiere nach der stattgehabten Messung Krämpfe aufgetreten. Die Manometerflüssigkeit ist | sprungweise bis auf 6,5 | ‚em Höhe gesunken, um | nach 10 Minuten wieder auf 6,5cm Höhe zu steigen. Quecksilbermanometer | 5114. II.| 10 mm 17% 10:57 5 mm 622. II.| 10-15 mm | 2! | 0,2—0,6 7 mm 722. II.| 10-15 mm 11% 0,6—10 | 3 mm | 824. IL| 12 mm BY 0,22 9,2 924. II.| 11,2 mm By 0,15 10,4 10117.IL.| 8 mm 10‘ 0 5 mm 1117. III. 6 mm 14° 0,07 7 mm 38 N. A. GERKEN, Die Betrachtung der angeführten Tabelle und besonders der Versuche 2, 10 u. 11, berechtigt uns zu dem Schlusse, dass der Synovialdruck 5—7 mm Quecksilbersäule gleichkommt und im Durchschnitt, aus meinen Untersuchungen berechnet, 6,1 mm beträgt. Es ist jedoch zu beachten, dass die Experimente an Hunden angestellt und in der Rückenlage der Tiere ausgeführt wurden. Eine Wiederholung der Versuche unter anderen Be- dingungen können auch einen grösseren Durchschnittswert er- geben. Es lässt sich somit auf experimentellem Wege ein be- stimmtes Plus des Synovialdruckes in einem ruhig gelagerten Gelenke nachweisen. Der Druck kann von nichts anderem, als vom Seitendrucke des Blutes herrühren. Fehlt letzterer, so schwindet auch die Spannung der Synovialflüssigkeit, und ebenso wird auch letztere bei jeder Steigerung des Druckes innerhalb des Blutsystems oder der Wurzeln des lymphatischen Systems grösser. Die Steigerung des Synovialdruckes im Ge- lenke kann mit einer Steigerung der Menge der Flüssigkeit, aber auch ohne dieselbe einhergehen. Sind die das Gelenk umgebenden Gewebe im höheren Masse mit Flüssigkeit imbibiert, wie es z. B. beim Ödem der Fall ist, wobei der Lymphdruck bedeutend gesteigert ist, so nimmt auch die Transsudation in die Gelenkhöhle zu; andererseits werden aber die durch das Ödem stark gedunsenen, dem Gelenke be- nachbarten Weichteile ihre Spannung auch auf die im Gelenke eingeschlossene Flüssigkeit übertragen, sodass der Synovialdruck unter der gegenseitigen und parallelen Mitwirkung der beiden Agenten stets zunehmen wird. Es lassen sich am Tiere auch Versuche behufs Bestim- mung des Synovialdruckes unter den letztbeschriebenen Be- dingungen anstellen, indem man eine künstliche Drucksteigerung des Blutes in den Kapillaren durch Unterbindung der ableitenden venösen Wege herstellt. Ich habe aber derartige Versuche nicht Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc. 39 angestellt und nur ein Experiment an einer menschlichen Leiche ausgeführt, das deutlich genug zeigt, wie der Synovial- druck innerhalb des Gelenkes bei einer Drucksteigerung in den Gewebslücken zunimmt. Am 5. II. 94 wurde ein Versuch der Druckmessung inner- halb der Kniegelenkhöhle bei einer Injektion von 7,5°/oo NaCl- Lösung in die Arterien ausgeführt. Für den Versuch wurde die untere Hälfte einer weiblichen Leiche verwendet, die keine Zer- setzungserscheinungen aufwies. In die Bauchaorta, 3 cm oberhalb ihrer Teilung, wurde eine Kanüle eingebunden, die vermittelst einer Kautschukröhre mit einem Kochsalzlösung-Behälter kommunizierte; letztere war auf die Höhe von etwa 2m erhoben. Die Kanüle stand ausserdem mit einem Manometer in Verbindung, der den Druck im Be- einne des arteriellen Gefässes anzeigen sollte. Eine andere Kanüle wurde in die untere Hohlvene einge- bunden, und mit einem zweiten Manometer und einer ableitenden Kautschukröhre in Verbindung gesetzt; mdem man das Lumen der letzteren änderte, war man imstande, den Flüssigkeitsstrom in der Vene zu modifizieren. In das rechte Kniegelenk etwa 2 cm nach innen und etwas nach unten von der Patella wurde eine Kanüle in der Art eines Hemdenknopfes befestigt, die nach Auffüllung mit Kochsalzlösung in Verbindung mit einem Wasser- manometer gesetzt wurde. Nachdem die Hähne eröffnet waren, zeigte das arterielle Manometer eine Druckhöhe von 100 mm Quecksilbersäule. Von der oberflächlichen Schnittfläche der Gewebe fing sofort an Flüssigkeit zu durchsickern; die untere Art. epigastrica und einige andere spritzende Arterienäste wurden mit Schiebern abge- klemmt; durch die Vene entleerte sich in einem sehr schwachen Strahle eine stark blutig verfärbte Flüssigkeit; die Druckhöhe im venösen Manometer stand etwas unter 0. In derselben Zeit zeigte das dritte Manometer ein sehr 40 N. A. GERKEN, bedeutendes und regelmässiges Ansteigen der Wassersäule, so dass wir innerhalb drei Minuten eine Niveausteigerung von 20 cm notieren konnten. Nach einer Versuchsdauer von zehn Minuten wurde das Lumen der venösen Kautschukröhre abge- sperrt. Die Druckhöhe des arteriellen Manometers blieb dieselbe, im venösen stieg die Quecksilbersäule um 20 mm an, das mit dem Gelenke in Verbindung stehende Manometer wurde bis auf sein oberes Ende gefüllt, so dass für weitere Messungen eine Zufügung von Quecksilber nötig wurde. Nun wurde das Lumen der Vene wieder freigelegt, der Druck derselben fiel sofort auf 0. Es war deutlich zu sehen, wie stark ödematös die Gewebe in- folge der Injektion wurden. Besonders stark war das Ödem an den Organen des kleinen Beckens ausgesprochen: Die Harn- blase, die Tuben und die Eierstöcke nahmen an Grösse zu und bekamen eine halbdurchsichtige Färbung. Die Dimensionen des oberen Hüftenabschnittes wurden ebenfalls grösser; im geringeren Grade war das Ödem in der Wade und dem Fusse nachzuweisen. Bei der weiteren Fortsetzung des Experimentes blieben der Arterien- und Venendruck auf demselben Niveau; der Druck im Gelenke stieg aber immer höher und erreichte innerhalb 17 Minuten der Versuchsdauer 37 mm Quecksilber Höhe. Nach- dem der Flüssigkeitsstrom abgesperrt wurde, blieben die Ver- hältnisse fünf Minuten lang dieselben. Wir vermuteten, dass das Ödem des Unterhautzellgewebes und die Dehnung der Haut auf die Spannung der Flüssigkeit im Gelenke einwirken, und machten daher, um dem Umstande vorzubeugen, einen langen Einschnitt in die Haut und das Unterhautzellgewebe, ohne dass dabei der Binnendruck des Gelenkes irgend wie wesentlich abge- nommen hätte. Nachdem ich aber die Hüftaponeurose durchtrennte, fiel im selben Moment die Quecksilbersäule des Manometers, um sich nach einigen Schwankungen auf ein Niveau von einigen mm Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 41 positiven Druckes einzustellen. Darauf wurde das Gelenk eröffnet. Die Synovialkapsel war ödematös-weiss verfärbt, die Synovialflüssigkeit von schwach rosaroter Farbe und beträchtlich verdünnt, so dass die Menge ca. 15 ccm betrug. Die das Gelenk umgebenden Muskeln waren stark mit Flüssigkeit durchtränkt und von einer blassen Farbe. Das linke Kniegelenk zeigte die- selbe Menge verdünnter, rosaroter Synovialflüssigkeit und die- selbe ödematöse Beschaffenheit der Synovialkapsel. Die zur Beobachtung gelangten Ergebnisse des Experimentes waren somit im wesentlichen folgende: die durch die Arterien injiecierte Flüssigkeit entleerte sich zum grössten Teil durch die Venen, ein weit grösserer Teil schied sich durch die Anastomosen der Äste der Art. hypogastricae mit den Lumbalarterien und der Art. mesenterica inf., deren Stämme und Äste bei der Halbierung der Leiche durchtrennt wurden, aus. Die übrige Flüssigkeitsmenge sickerte in die Gewebe hinein, wobei das Ödem ganz allmählich von oben nach unten zunahm. Ein Teil der Flüssigkeit trans- sudierte auch in die Gelenkhöhle, was ein Steigen der Säule des mit dem Gelenke in Verbindung stehenden Manometers mit sich brachte; infolge des Muskelödems und der Spannung der Hüftaponeurose wurde jedoch der Gelenkdruck in noch höherem Mase gehoben. Auf Grund der oben angeführten Betrachtungen und Experi- mente halte ich es für bewiesen, dass in der Ruhestellung des Gelenkes, die im selben befindliche Synovialflüssigkeit stets eine Spannung besitzt, die derjenigen in den Wurzeln des Iympha- tischen Systems annähernd gleich steht; da aber andererseits das hydrostatische Gesetz, und zwar das Gesetz der Fortpflan- zung des hydrostatischen Druckes auch für kapilläre Flüssig- keitsschichten geltend ist, so wird sich der Synovialdruck unter anderem auch auf die knorpeligen Gelenkflächen übertragen müssen. Nachdem die Thatsache festgestellt ist, können wir eine Gleichung für das Gleichgewicht der auf das Gelenk ein- 43 N. A. GERKEN, wirkenden Kräfte aufstellen, und werden uns dabei überzeugen, dass der atmosphärische Druck von gar keiner Bedeutung für die Zusammenfügung der Gelenke ist. Es sei z. B. der atmosphärische Druck auf irgend ein Gelenk, in cmm Quecksilber ausgedrückt, gleich ph, wobei durch p die Schnittfläche des Gelenkendes, und durch h der Barometerstand bezeichnet werden. Der Luftdruck mag gleich A sein. Ol ze M wäre die zusammenfügende Wirkung, die von den Mus- keln auf das Gelenk ausgeübt wird. Aus den letzten zwei Kräften bleibt A bei gleichem h konstant. M kann ihre Grösse infolge der aktiven oder Reflexkontraktionen der Muskeln ändern. Die Folge einer gleichzeitigen Kontraktion sämtlicher Mus- keln, die das Gelenk umgeben (angenommen, dass keine Be- wegung im Gelenke stattfindet), wird eine innige Annäherung der Knorpelflächen sein, wobei die Gelenkknorpel an der Be- rührungsstelle aus ihrer früheren Gleichgewichtslage herausge- bracht werden. Der Binnendruck des Gelenkes wird nun durch andere Kräfte beherrscht, die die äusseren, zusammenfügenden Kräfte kompensieren: es wird einerseits die elastische Spannung der Gelenkknorpel zum Gleichgewicht tendieren, andererseits wird aber der hydrostatische Synovialdruck sich auf die Gelenkflächen fortpflanzen. Falls wir bei all dem ein stabiles Gleichgewicht im Gelenke beobachten, muss die Gesamtheit der in einer \ichtung wirkenden Kräfte den entgegenwirkenden gleich sein. Bezeichnen wir die Grösse der Elastizitäts-Spannung des Knorpels mit E und setzen wir den hydrostatischen Druck der Synovial- Nüssigkeit gleich h + «a, so ergiebt sich: A+M=E-+ph-+eo) A+M=E+ph+pe Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 43 pe en A+M=E-A+pe oder, indem wir in beiden Teilen der Gleichung A weglassen, M=E-+pe. Die Gleichung zeigt, dass der atmosphärische Druck, der eine stetige Gegenwirkung von seiten des hydrostatischen Druckes der Synovialflüssigkeit erfährt, keine aktive Wirkung auf die Zusammenfügung des Gelenkes ausübt. Letztere ist nur von der Muskelthätigkeit abhängig. Ist der Luftdruck von keiner zusammenfügenden Wirkung auf das ruhende Gelenk, so ist es auch nicht anzunehmen, dass es sich anders bei den Bewegungen des Gelenkes verhalten könnte. Es liesse sich theoretisch annehmen, dass bei den ver- schiedenen Bewegungen der Gelenke, schnell vorübergehende gegenseitige Lagen der Gelenkflächen entstehen, die das Sinken des Synovialdruckes hervorrufen. Unter physiologischen Zuständen sind aber derartige Lagen kaum denkbar. Der Synovialdruck hängt von dem Seitendrucke des Blutes und nicht von den relativen Lagen der Gelenkflächen ab. Bei den Gelenkbewegungen gleiten die Gelenkflächen aneinander, und die Weichteile, die ihnen nachfolgen, pflanzen ihren Druck auf die Synovialflüssigkeit in der gewöhnlichen, der Ruhelage des Gelenkes gemässen Weise fort. In der Umgebung der Gelenke sind Mechanismen angelegt, die die stetige Verschiebung der Weichteile mit den Gelenkenden erleichtern, und die Fort- pflanzung des Druckes auf die Synovialflüssigkeit bedingen. Die Vorrichtungen bestehen im wesentlichen in einer Ab- lagerung des gefässreichen Fettgewebes an den Stellen, wo die Druckschwankungen am ehesten stattfinden. Es ist ein Leichtes, sich dessen durch die Rotation des Femurknochens an einem präparierten Hüftgelenke nach innen und aussen zu überzeugen. 44 N. A. GERKEN, Jede Bewegung ruft eine Verschiebung des in der Grube und dem Ausschnitte der Fossa acetabuli eingelagerten Fettes hervor. Bei den Veränderungen der Druckverhältnisse in der Fossa acetabuli während der Rotation des Gelenkkopfes schieben sich die Fettklumpen abwechselnd aus dem Ligamentum transversum acetabuli hervor und ziehen sich wiederum zurück. Bei dieser Gelegenheit will ich eine derartige Vorrichtung am Schultergelenke erwähnen, auf die noch bis jetzt, meines Wissens nicht aufmerksam gemacht wurde. Es ist bekannt, dass das Lig. coraco acromiale an der Spitze des Acromion be- ginnend, sich an den ganzen äusseren Rand des Processus coracoideus anlıeftet. Das Band beginnt mit einem kompakten Bündel von glänzenden Fasern, die fächerförmig gegen den Pro- cessus coracoideus ausstrahlen. Die Fasern teilen sich jedoch nicht gleichmässig auf, sondern verlaufen in Bündeln, die bei ihrer Anheftung an den Processus coracoideus an einer oder zwei Stellen sehr schwach ausgebildet sind, so dass bei einer Präparation des Bandes an diesen Stellen Lücken entstehen. Diese Lücken werden von Gruber in einer seiner Arbeiten erwähnt (11); obwohl er auf die Konstanz der Erscheinung aulmerksam macht, wirft er nicht die Frage über die physio- logische Bedeutung derselben auf. Bei einer wiederholten Prä- paration des Schultergelenkes fand ich stets die Lücken im Bande und mit einer besonderen Regelmässigkeit eine, die im hinteren Abschnitte der Befestigung des Bandes dicht vor der Wurzel des Processus coracoideus gelegen ist. An dieser Stelle dringt gewöhnlich in die Tiefe ein Ast der Art. acromialis der zum Schultergelenkbeutel zieht. Entfernt man an der Leiche das äussere Drittel des Schlüssel- beines so, dass das Lig. coraco-acromiale in seiner ganzen Aus- dehnung sichtbar wird, und rotiert man die Schulter nach innen, so kann man bemerken, wie bei jeder Schulterwendung an der schwachen Stelle des Bandes ein Vorsprung auftritt, der durch -Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke etc, 45 das Hinaufdrängen von einigen Fettklumpen aus der Tiefe bedingt ist. Es lässt sich hier die nämliche Verschiebung des Fettgewebes, wie sie an der Fossa acetabuli bei der Rotation des Hüftgelenkes auftritt, wahrnehmen. In beiden Fällen haben wir es mit einer der Vorrichtungen zu thun, die behufs Ausgleichung des Binnendruckes im Gelenke angebracht sind. Bei der Präparation des Gelenkes kann man sich über- zeugen, dass die Lücke im Lig. coraco-acromialis in senkrechter Richtung der Ausstülpung der Synovialkapsel entspricht, die unter dem Musculus subscapularis gelegen ist. Bei der Rotation nach innen wendet sich zur Schulterblattgrube ein viel grösserer Abschnitt des Humerusköpfchen, als es sonst bei der ruhig herabhängenden Extremität der Fall ist. Bei einer Rotation am Lebenden wird gleichzeitig der Mus- culus subscapularis gespannt, uud drückt auf die unterliegenden Teile. Nun ist aber in dem Raume zwischen dem Muskel, dem Humerusköpfchen, welches jetzt mit seinem grössten Teile gegen die Scapula gewendet ist, und der vorderen Fläche des Schulter- blatthalses und dem Processus coracoideus, die Bursa subsca- pularis mit einer gewissen Menge sie umhüllenden Fettes gelegen. Bei der Verengung des Raumes dringt das Fett nach oben, gegen das obenerwähnte Defekt im Lig. coraco-acromiale zu, stösst aber auf seinem Wege auf den hinteren Abschnitt des Lig. coraco-brachiale, welches ebenfalls an dem äusseren Rande und der Basis des Processus coracoidei beginnt. Dieses Band hätte ein unüberwindliches Hindernis für die Bewegung des Fettes abgegeben, wäre es nicht ebenfalls mit einer kleinen Lücke versehen, die gerade in der Richtung — etwas vor der Basis des Processus coracoideus — gelegen ist, in welcher die Fettklümpchen auszutreten streben. Die soeben beschriebene Einrichtung und Verteilung der Bänder an der Peripherie des Schultergelenkes mögen als Bei- spiel aufgeführt werden, wie kompliziert die Einrichtungen uns 46 N. A. GERKEN, A erscheinen können, die die Ausgleichung des Druckes im Gelenke und in den anliegenden Teilen besorgen, und nur einfach die- selben im Grunde genommen sind. In den Kugelgelenken muss das Fettgewebe behufs Ausgleichung des Druckes vorwiegend in den Stellen der Biegung und Streckung der Gelenkteile liegen, was auch thatsächlich der Fall ist. Falls jedoch die Bewegungen der Gelenke ihr physiologisches Mass oder Form überschreiten, so ist es wohl möglich, dass in manchen Fällen die oben beschriebenen Einrichtungen behufs Regulierung des Synovialdruckes versagen werden, sodass letz- terer sinken muss. Als einzige Quelle für die Ausgleichung des Synovialdruckes wird im gegebenen Falle eine Neubildung der Synovialflüssigkeit sein, was thatsächlich in unseren Experi- menten am Hüftgelenke des Hundes zutraf; die Neubildung von grösseren Synovialmengen erfordert selbstverständlich eine be- stimmte Zeit, und falls die Gelenkflächen des Hüftgelenkes unter der Einwirkung einer sehr grossen Kraft (wie z. B. beim Ausreissen einer Extremität bei Maschinenunfällen) gewaltsam auseinander gerissen werden, muss auch die Frage über die Be- deutung des atmosphärischen Druckes berücksichtigt werden. In der Gesamtheit der Widerstände, welche die trennende Kraft im gegebenen Falle zu überwinden hat, wird auch der Luftdruck auf das Hüftgelenk mitgerechnet; dieses Hindernis wird jedoch im Vergleiche zu den anderen, die der Ausreissung der Extre- mität im Wege stehen, verschwindend klein sein, und die ganze Erscheinung hat, wie es nochmals betont sei, nichts Physiolo- gisches an sich. Ebenso an der Grenze des Physiologischen steht eine andere, allgemein bekannte Erscheinung des Knisterns in den Meta- carpophalangealgelenken. Dehnt man den Finger aus, nachdem man vorher die Vorderarmmuskulatur entspannt hat, so entsteht im Metacarpophalangealgelenk ein knisterndes Geräusch, das dadurch erklärt wird, dass die Gelenkkapsel sich unter der Ein- Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke cte. 47 wirkung des Luftdruckes an die Knochenoberfläche schlägt, im Moment, wo der Synovialvorrat in den Seitenteilen des Gelenkes sich in die durch Auseinanderweichen der Gelenkflächen ent- standene Gelenkhöhle ergiesst. Diese Erscheinung, die sich auch kaum in die Klasse der physiologischen einreihen lässt, wird stets als eins der Beweise zu Gunsten der Doktrin von der Befestigung der Gelenkflächen durch den atmosphärischen Druck angeführt. Meiner Ansicht nach kann sie jedoch nicht dafür gelten. Eine derartige Deutung der Erscheinung liesse die Thatsache unerklärt, warum das Knistern nicht einigemale nacheinander wiederholt werden könne, ähnlich wie es die Weberschen Versuche an der Leiche gestatten. Jedermann, der die Gewohnheit hat mit den Fingern zu knacken, weiss sehr gut, dass eine Wiederholung des Geräusches erst nach einiger Zeit möglich wird. Es scheint mir, dass die Erscheinung sich folgendermassen erklären liesse. Bei einer schnell erfolgenden, gewaltsamen Dehnung des Metacarpophalangealgelenkes sind sowohl die Synovialflüssigkeit wie die angrenzenden Weichteile bestrebt, den entstandenen leeren Raum auszufüllen. Zur selben Zeit trans- sudiert in das Gelenk ein neues Flüssigkeitsquantum. Von nun an gestattet es der im Gelenk vorhandene Flüssigkeitsüberschuss, dass die Gelenkflächen auseinanderweichen, da der dadurch ent- standene leere Raum von dem ersteren sofort ausgefüllt wird. Es sind auch keine Bedingungen mehr für einen sehr schnellen Lagewechsel der angrenzenden Weichteile in der Richtung der Gelenkenden gegeben, und infolge dessen fehlt auch jegliche Schallerscheinung. Hören die Gelenkdehnungen auf, so wird der Überschuss an Synovialflüssigkeit, welcher von nun an über- flüssig ist und nur die Spannung derselben hebt, allmählich re- sorbiert, und das Knacken mit dem Finger kann noch einmal hervorgebracht werden. Dehnt man den Finger anfangs schwach, unter allmählichen Zunahme der angewandten Kraft, so wird 48 N. A. GERKEN, auch die Synovialmenge im Gelenke auf dem Wege der Trans- sudation ganz allmählich zunehmen, sodass jetzt auch kräftige, plötzliche Dehnungen von keinen Schallerscheinungen mehr be gleitet sind. Die Erscheinung zeigt bis zu einem gewissen Grade, wie leicht die Transsudation in ein Gelenk bei einem negativen Binnen- druck in demselben erfolgt. Aus der Gesamtheit des oben An- geführten lässt sich schliessen, dass der Gelenkdruck bei Beweg- ungen sowohl, wie im Ruhezustande stets auf derselben Höhe und zwar auf einem gewissen Plus im Vergleiche zum atmosphäri- schen Drucke bleibt, und dass folglich die Wirkung des letzteren auf das Gelenk durch den Binnendruck desselben auch bei Be- wegungen kompensiert wird. Die aus den Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse und Erwägungen, die ebenso auf das Hüftgelenk wie auf jedes an- dere Gelenk bezogen werden können, gestatten uns einen fol- genden Satz von allgemeiner Gültigkeit aufzustellen: Die Zu- sammenfügung eines lebenden Gelenkes ist von dem atmophä- rischen Drucke unabhängig. Die kapillare Höhle des Gelenkes ist von einer Flüssigkeit angefüllt, die einen bestimmten Span- nungsgrad, wie auch die Gewebsflüssigkeit selbst, besitzt und denselben auf die Gelenkenden der Knochen überträgt. Bei einem zufälligen Sinken der Flüssigkeitsspannung unter der Einwirkung von Lokalursachen, wird erstere auf dem Wege der Transsudation von neuen Flüssigkeitsmengen in das Gelenk, oder durch irgend eine andere mechanische Vorrichtung, wie sie oben beschrieben wurden, ausgeglichen, sodass von neuem jede zusammenfügende Wirkung des Luftdruckes eliminiert wird. Greifen wir noch einmal auf die Versuche der Gebr. Weber zurück, so muss es wiederum hervorgehoben werden, dass keiner der Experimenta- toren, die das Hüftgelenk durch Anwendung einer genügenden auseinanderrissen, zu experimentellen Werten kommen Belastung konnte, die eine genügende Übereinstimmung mit den theoretisch Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. 49 abgeleiteten gezeigt hätten. Keiner der Autoren hat, soviel ich weiss, eine genügende Erklärung für diese konstante Erscheinung gegeben. Die meisten haben bei ihrer theoretischen Ableitung die Formel KT — er ho angewendet, wo K der atmosphärische Druck auf das Gelenk, in Gewichtseinheiten ausgedrückt, r der Halbdurchmesser des Ge- lenkköpfchens, h der Barometerstand und d das spezifische Ge- wicht des Quecksilbers sind. Diese Formel hätte wohl voll- ständig allen Anforderungen einer genauen Berechnung ent- sprochen, wäre die ganze Hüftgelenkpfanne gleichmässig und kontinuierlich mit Knorpel ausgekleidet gewesen. Will man sehr genau in der Berechnung sein, so lassen sich in die Formel noch einige Berichtigungen machen: es müssen zunächst die geringen Schwankungen in der Grösse d mit der Temperatur zusammenhängend, berücksichtigt werden. Bezeichnet man das spez. Gewicht des Quecksilbers bei der während des Versuches bestimmten Temperatur t° mit dw, so wird die Formel die Gestalt K = nr?hde annehmen. Diese Berichtigung ändert nur um ein sehr Geringes die Grösse der zu berechnenden Kraft. Etwas bedeutender wird wohl der Einfluss der im Gelenke eingeschlossenen Flüssigkeit sein. Nimmt man auch an, dass letztere gar keine Gase enthält, so wird nichtsdestoweniger bei der Extraktion des Gelenkkopfes in der Gelenkhöhle jedesmal ein Gegendruck entstehen, der durch die Spannungshöhe der Wasserdämpfe, in mm Queck- silberdruck ausgedrückt, für die Temperatur t° mit h/o bezeich- net, so erhalten wir die Formel: K = nı?(h—h’p or. Die daraus gewonnenen Grössen werden bereits im höheren Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXI (7. Bd. H. ). 4 50 N. A. GERKEN, Masse von den nach der emfachen Formel rır?h berechneten abweichen. Aber auch diese Formel kann sich nur auf ein imaginäres (Gelenk beziehen, dessen Gelenkpfanne in ihrer ganzen Aus- dehnung mit Knorpel bedeckt ist. In der Wirklichkeit haben wir es aber mit einem Gelenk zu thun, dessen Gelenkpfanne auch Weichteile in sich einschliesst, die die Grube und die In- cisura acetabuli auskleiden. Diese Grube, ebenso wie das runde Hüftgelenkband, ragen in die Gelenkhöhle hinein; entsteht im derselben bei der gewaltsamen Extraktion des Gelenkkopfes ein negativer Druck, so wird von den Weichteilen eine grössere Quantität Gas ausgeschieden; man kann sich leicht davon über- zeugen, Indem man ein Stück der weichen Unterlage der Grube der Fossa acetabuli herausschneidet und unten eine Barometer- röhre hineinbringt. Aus dem Sinken der Quecksilbersäule wird man den Schluss ziehen, dass das Gewebestückchen einen Teil des Gases ausgeschieden hat. Für das Wesen der Untersuchung ist es ganz belanglos, welcher chemischen Zusammensetzung das ausgeschiedene Gas ist, sodass weitere Untersuchungen des Ge- genstandes ganz überflüssig sind; es bedarf auch meines Er- achtens keines weiteren Beweises dafür, dass das intakte Fett- gewebe der Fossa acetabuli bei der Extraktion des Gelenkkopfes (sase, sowohl ins Innere der Gelenkhöhle, als in die Gewebs- spalten ausscheiden kann. Andererseits wird auch nicht be- stritten werden können, dass die Menge des secernierten Gases in jedem einzelnen Falle in sehr weiten Grenzen schwanken wird und von vielen Ursachen abhängig gemacht werden muss. In dieser Hinsicht wird z. B. der seit dem Tode verflossene Zeitraum, ja auch die Ursache des Todes von Bedeutung sein. Mit der Menge des ausgeschiedenen Gases wird auch seine Spannung innerhalb der Gelenkhöhle während der Dauer des Versuches zusammenhängen; bezeichnen wir die Spannung des Über die Unabhängigkeit des Zusammenhaltens der Gelenke ete. öl Gases mit h“, so wird die Formel eine folgende Gestalt annehmen: K=nr(h—h‘%“—h"e)do. Betrachten wir diese Formel, so sehen wir, dass K eine Funktion von mehreren Variablen r, h, t° und h“ ist. Aus 3 diesen Grössen lassen sich r, h und t° während oder nach dem Experiment bestimmen, die Grösse h” ist aber keiner Bestim- mung zugänglich und variiert unter der Einwirkung der aller- kompliziertesten Ursachen, wie z. B. der Todesart. Es ist ein- leuchtend, dass die Grösse h”, die so launischen Schwankungen unterworfen ist und sich keinesfalls auf experimentellem Wege für einen gegebenen Fall bestimmen lässt, auch das unüber- windliche Hindernis bei einem Versuche auf theoretischem Wege die Zusammenfügung des toten Gelenkes durch den Luftdruck zu bestimmen abgiebt. Andererseits erhellt es aber, dass eine Vernachlässigung des Faktors eine Nichtübereinstimmung dar experimentell gewonnenen, mit den theoretisch berechneten Werten nach sich zieht; das war auch thatsächlich bei sämt- lichen Bestimmungen verschiedener Autoren der Fall. Es erscheint daher unstatthaft, für die Erklärung der Nichtübereinstimmung der experimentellen mit den theoretischen Ergebnissen die Hypothese heranzuziehen, dass wir es in den Gelenken mit keinem vollkommenen physikalischen Apparate zu thun haben, falls wir nur unsere Analyse der Erscheinungen zum Ende führen. Zum Schlusse halte ich es für meine Pflicht, Herrn Pro- fessor W. N. Weliky meinen nochmaligen Dank für die mir gewährte Hilfe auszusprechen. München, 6. Januar 1896. 4* on 10. ie Litteraturnach weis. Wilhelm Webers Werke. Sechster Band. Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge. Berlin 1894. — Über die Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge, nebst der Be- schreibung eines Versuches über das Herausfallen des Schenkelkopfes aus der Pfanne im luftverdünnten hRaume. Poggendorffs Annalen, Bd. XL, 1837. Rose, Archiv für Anatomie und Physiologie, 1865. Sehmidt, Über Form und Mechanik der Hüftgelenke. Deutsche Zeit- schrift für Chirurgie, Bd. V, 1876. Buchner, Hans, Kritische und experimentelle Studien über den Zusammen- halt des Hüftgelenkes während des Lebens in allen normalen Fällen. Archiv für Anatomie und Entwickelungsgeschichte. Jahrg. 1877. Fick, Zur Frage der Gelenkfixation. Archiv f. Anatomie und Physiologie. Anat. Abteil. 1878, pag. 222. van Braam-Houckyeert. Über den Einfluss des Luftdruckes auf dem Zusammenhalt der Gelenke. Archiv für Anatomie und Entwickelungs- geschichte. Jahrgang 1837. Fick, Eugen, Zur Mechanik des Hüftgelenkes. Ibidem 1878, pag. 519. Selitzky, Über die Kräfte, welche die Gelenkflächen aneinander halten. St. Petersburg 1882. Lesshaft, Die Bedeutung des Luftdruckes für das Gelenk. Anatomischer Anzeiger Nr. 13, Bd. X, pag. 426. Gruber, ÖOberschulterhakenschleimbeutel. Memoires de l’Academie de Sciences de St. Petersburg 1861. a Ze (AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT ZU MARBURG.) CHORDASCHEIDEN UND HYPOCHORDA ALYTES OBSTETRICANS. DR. ALFRED BERGFELDT. Mit 10 Abbildungen auf Tafel I—II. Die vorliegende Arbeit soll in ihrem ersten Teile einen Beitrag liefern zu der Kenntnis von der Entwiekelung der Chorda dorsalis und ihrer Hüllen; und zwar erstrecken sich die im folgenden darzulegenden Untersuchungsergebnisse auf den- jenigen Abschnitt in dem Bestehen dieses Organes, welcher zwischen der Abschnürung desselben und dem Zeitpunkte liegt, wo durch Bildung knorpeliger Wirbelteile der Chorda die Rolle als hauptsächliches Stützorgan des Körpers abgenommen wird. In einem zweiten Teile werde ich eine möglichst vollständige Darlesung zu geben suchen über Entstehung, Entwickelung und Rückbildung des in seiner Bedeutung und phylogenetischen Stellung noch so rätselhaften hypochordalen Stranges, wie ich diese Verhältnisse bei dem mir vorliegenden Material vorge- funden habe. Da über die Hypochorda überhaupt noch so wenig bekannt ist, so wird ein neuer Beitrag in dieser Richtung wohl keiner besonderen Rechtfertigung bedürfen. Wenn man andererseits die bisher über die Chorda dorsalis von Wirbeltieren veröffentlichten Arbeiten übersieht, soweit dieselben das oben abgegrenzte Stadium in der Entwiekelung des Organes betreffen, so findet man, dass die Mehrzahl der- selben sich auf Fische der verschiedensten Arten beziehen, Amphibien aber schon weit seltener untersucht worden sind. Es ist deshalb wohl von einigem Interesse, wenn ich zu 56 ALFRED BERGFELDT, zeigen versuche, wie dieselbe sich bei Alytes obstetricans verhält, zumal das von Herrn Professor Gasser dahier gesammelte Material der Geburtshelfer-Kröte ein besonders reichhaltiges und vollständiges ist und eine Fülle vorzüglicher Objekte enthält. Über die Behandlungsweise der in dieser Sammlung ent- haltenen Embryonen möchte ich hier einige Worte einfügen. ‘s bedurfte einer ziemlich ausgedehnten Versuchsreihe, um die für das eigenartige Material passendsten Konservierungs- und Färbeverfahren zu finden, da beide für die verschiedenen Alters- stufen verschieden sein mussten infolge der grossen Differenz an Dottermaterial etc. In den letzten 4—5 Jahren hat sich jedoch eine für Alytes besonders angepasste Methodik ausbilden lassen, welche noch bis in die letzten Wochen wesentlich geför- dert werden konnte, so dass hier ein gewisser Abschluss erreicht ist. Am meisten eigneten sich zur Konservierung starke Sublimat- lösungen mit Zusatz von Essigsäure, Pikrinsäure oder Platinchlorid etc. Die Färbungen wurden mit verschiedenen Stück- und Platten- färbeverfahren vorgenommen, wobei es meist hauptsächlich darauf ankam, für die verschiedenen Altersstadien und die Gesichts- punkte der Untersuchung unter den üblichen Methoden zu wählen und dieselben geeignet zu modifizieren. Unter solchem Material, welches von der ersten Furchung bis in die Zeit gegen Ende des Larvenstadiums reicht, hatte ich die Auswahl der hierher gehörigen Altersstufen zu treffen. Die zu frühen Serien, etwa 20 an der Zahl, und die in die späteren Zeiten fallenden, 15 an der Zahl, wurden nach eingehender Besichtigung in vorliegender Arbeit nicht speziell verwertet. Es kamen nun noch 75 Serien in Betracht, auf die sich nachfolgende Ausführungen gründen, Larven mit eben geschlos- sener Medullarrinne bis zur Länge von 55 mm mit beginnender Rückbildung des Schwanzes. Chordascheiden und Hypochorda. I. Teil, "Chorda. Litteratur-Übersicht. Es sei mir zunächst gestattet das über den ersten Teil meiner Aufgabe bisher in der Litteratur Veröffentlichte in seinen Haupt- zügen zusammen zu stellen. Dabei werde ich nur das That- sächliche der Ergebnisse auf diesem so überaus häufig bearbei- teten Gebiete anführen, ohne auf die von fast allen Forschern angeschlossenen Betrachtungen über die sich aus diesen That- sachen möglicherweise ergebenden Verwandtschaftsverhältnisse der verschiedenen Tierklassen unter einander einzugehen, da in dieser Hinsicht wegen allzu grosser Differenzen ein einheitlicher Überblick zur Zeit noch nicht gegeben werden kann. Schon früh finden wir vereinzelte Angaben über Hüllen der Chorda: so bei Joh. Müller (41), welcher bei Cyclostomen, Myxinoiden und Elasmobranchiern zwei Hüllen unterscheidet, eine innere fibröse Ringschicht und eine äussere häutige Binde- gewebsscheide. Weiter finden wir bei Leydig (34) in seinen Untersuchungen über Acipenser eine epithelartig angeordnete Randschicht der Ohordazellen erwähnt, und eine doppelte Chordahülle: die innere homogen, die äussere streifig, faserig. Später fand er ein ähn- liches Verhalten auch bei andern Ganoiden. Kölliker (32) beschrieb bei anuren Amphibien ebenfalls ein Chordaepithel, in dem Sinne wie dieser Ausdruck bekanntlich stets von dieser Randschicht der Chordazellen gebraucht wird, ohne dass (Lwoff ausgenommen) die Bezeichnung „Epithel“ über » » die Herkunft dieser Zellen etwas Wesentliches aussagen soll. Nach aussen folge eine von dieser Zellschicht stammende eigent- liche Chordascheide, dann eine „Blastica“ und zuletzt eine binde- gewebige Lage spindelförmiger Zellen. 58 ALFRED BERGFELDT, Ähnlich lauten seine Angaben (29) über Elasmobranchier, aber neu ist hier die Erwähnung einer besonderen Elastica interna zwischen dem Chordaepithel und der eigentlichen Chordascheide, welche danach auch von Lotz (37), und zwar bei Salmoniden, beschrieben wurde. Auch später noch unterschied Kölliker (30) eine Elasticz interna, eine Rlastica externa und eine dazwischen liegende fibröse Hauptschicht, welche kutikular sei, bei Selachiern Zellen ent- halte, nicht aber bei Cyelostomen, Teleostiern und Ganoiden. Gegen das Vorhandensein einer Elastica interna zwischen Chordaepithel und eigentlicher Chordascheide wandte sich Gegenbaur (13, 14), indem er dieselbe eben bei Selachiern nur als optische Erscheinung am inneren Rande der eigentlichen Chordascheide nachwies. Bei Teleostiern und Ganoiden schilderte er wiederum ein Chordaepithel und nach aussen davon, als Produkt desselben, eine zellfreie eigentliche Chordascheide, an welcher er konzentrische Schichtung und eine radiäre Streifung wahrnahm. Letztere fasste er auf als Ausdruck eines Systems von Porenkanälchen, mit Ausläufern der Epithelzellen als Inhalt. Auf diese folge eme Elastica externa, welche von dem skeleto- genen Gewebe ausgeschieden werde und erst später auftrete. Bei Bombinator sah er (12) ebenfalls zwei Lamellen: eine innere kutikulare mit radiärer Streifung und eine äussere skeletogene. Zu ähnlichen Ergebnissen kam W. Müller (43) bei Rana temporaria. Er leitete hier die innere Chordascheide von dem Protoplasma des Chordaepithels ab, die äussere von dem skeleto- genen Gewebe, und als dritte fand auch er eine bindegewebige Jiellscheide. Ähnliche Verhältnisse sah er bei Cyelostomen, bei deren innerer Chordascheide er zudem eine radiäre Streifung fand, die er durch Einlagerung von Fibrillen erklärte. Bei Myxine sah er noch eine netzförmige Zeichnung dieser inneren Scheide. Es folgt nunmehr der Zeit nach die wichtige Arbeit Goet- Chordascheiden und Hypochorda. 59 keis (15,916, 17), über ‚die Entwickelungsgeschichte der Unke, in welcher er die Ergebnisse einiger vorher veröffentlichten Vorarbeiten zusammenfasste. Dieselbe verdient besondere Beach- tung, da sie eine der wenigen speziell einem Amphibium gewid- meten, hierher gehörigen Arbeiten ist. Nachdem Goette die Abstammung der Chorda aus dem mittleren Keimblatte darge- stellt hat, schildert er das Auftreten von Lakunen in dem Proto- plasma der Chordazellen. Diese Lakunen fliessen teilweise zu- sammen. Die Wände der entstandenen Hohlräume werden gebildet von dem verdrängten Protoplasma der membranlosen Zellen, in dem die ebenfalls verdrängten Zellkerne sich unregel- mässig verteilen. Bei diesem Prozesse sollen seiner Ansicht nach nur noch unzusammenhängende Zellreste resultieren, welche ent- gegen der bis dahin und auch später von den anderen Autoren vertretenen Ansicht, nicht mehr den Namen „Zellen“ verdienen sollen. Die Zwischenwände der entstandenen Fächer, welche also aus verdichtetem Protoplasma bestehen, hält er für einfache, nicht doppelte Wände. Die an die Peripherie der Chorda ver- drängten Protoplasmareste bringen nunmehr die innere Chorda- scheide hervor, welche später eine Querstreifung zeigt. Die äussere Chordascheide entstehe auf die Weise, dass sich von der inneren Segmentschicht der Seitenplatten Zellen loslösen und sich um die innere Chordascheide anlagern. Diese Zelllage ver- schmelze zu einer homogenen Grundsubstanz mit abgeplatteten Kernen. Zwischen beiden genannten Scheiden bilde sich noch eine äusserst zarte Membran, welche skeletogenen Ursprungs sei. Mihalkowics (40), der nächste in Betracht kommende Autor, glaubte bei Lachsembryonen gefunden zu haben, dass die zuerst angelegte Chordahülle eine bindegewebige Scheide sei, entstanden aus Bindegewebszellen durch Aufhellung, Abplattung und Verschmelzung der letzteren. Seine Angabe bezieht sich auf ein Stadium, wo das Chorda- epithel bereits gut charakterisiert ist. 60 ALFRED BERGFELDT, Im übrigen behandelt er hauptsächlich das Vorderende der Chorda von Wirbeltieren besonders im Hinblick auf seine Be- ziehung zu der Hypophysis. Bei Vögeln fand er dasselbe niemals weiter reichend als bis zur Basis des Mittelhirns, später bis zu der “Ausbuchtungsstelle des Hypophysentäschchens aus dem Rachenepithel. Eine knopflörmige Anschwellung des Vorder- endes fand er nicht, in Übereinstimmung mit Gegenbaurs (14) Befunden bei Selachiern, während Dursy (8) eine solche bei Vögeln und Säugern und Leydig (34) bei Selachiern gesehen haben wollten. Das Vorderende der Chorda gehe später an Umfang und Längenausdehnung zurück und verkümmere teilweise. Mihalkowies fand also den chordahaltigen Teil der Schädel- basis reichend bis an das Vorderende des Spheno-oceipitale. Zeitlich vorausgreifend sei gleich hier bemerkt, dass über diesen letzteren Punkt eine lebhafte Erörterung in der Mitte der achtziger Jahre stattgefunden hat, imfolge einer Veröffent- licehung Albrechts (1), welcher im Nasenseptum eines Rinder- schädels noch Chordareste gefunden haben wollte. Arbeiten von Kölliker (33), Froriep (11) und Paulisch (44) widerlegten diese Anschauung, welche auch niemals von anderer Seite Unterstützung fand. Zugleich wurde in diesen Arbeiten entschieden, dass der mittlere Schädelbalken von Rathke nicht an seinem ursprünglichen kranialen Ende die definitive Sattel- lehne erhalte, sondern an seiner Basis, während er selbst bis an seine Basis heran zu Pia und Bindegewebe sich umbilde. Rabl-Rückhard (49) und ©. Rabl (46) bewiesen diesen Punkt speziell auch für Knorpel- und Knochenfische. Erwähnung verdient weiterhin eine Angabe Dursys (8), dass bei höheren Wirbeltieren die Vakuolenbildung in der Chorda hervorgerufen sei durch Auftreten einer wasserhellen Flüssigkeit zwischen den Zellen. Das spätere Netzwerk besteht also aus Chordascheiden und Hypochorda. 61 einem Zellgerüst, während bis dahin alle Autoren von einer Vakuolenbildung innerhalb der Zellen gesprochen hatten. Bei Selachiern bestätigte Retzius (50) im Jahre 1881 einen oben erwähnten Befund von Gegenbaur, indem er eine radıäre Streifung der Chordascheide beschrieb. Er hielt dieselbe für den Ausdruck von Porenkanälchen mit Protoplasmafortsätzen der Chordaepithelien, während er eine ähnliche Erscheinung bei Cyelostomen durch Einlagerung von Bindegewebsfibrillen hervor- gerufen glaube. Ausserdem fand er in Übereinstimmung mit Schneider (55) (Acanthias und Rana) bei Amphibien eine skeletogene Elastica externa mit queren glänzenden Linien. Grassi (19) beschrieb ähnliche Befunde bei Teleostiern. Was das Vorderende der Chorda betrifft, so konnte auch Goronowitsch (18) bei Salmoniden bestätigen, dass dasselbe niemals über das Mittelhirn hinausgehe. Im Jahre 1887 veröffentlichte Lwoff (38) eine grössere Ar- beit über das Verhalten der Chorda und ihrer Scheiden bei Acipenser, Petromyzonten und Amphibien. Seiner Ansicht nach (die er auch in einer 1894 erschienenen Arbeit (39), welche der Hauptsache nach ganz frühe Stadien be- trifft, des weiteren ausführt und begründet) stammt die Chorda aus dem Ektoderm und besteht daher aus wirklichen Epithelien, von denen die Chordascheide niemals abstammen könne. Die letztere sei vielmehr ihrem Ursprunge nach fibrilläres Bindege- webe, dessen innerste Schicht kernlos bleibe, sei also nicht kuti- kular sondern perichordal. Bei Teleostiern sei sie noch lange deutlich konzentrisch geschichtet, wie bereits Goette beschrieben hatte, mit dem er auch sonst weitgehend übereinstimmt. Ausser- dem kennt Lwoff eine Elastica externa nach aussen von der bindegewebigen Scheide, bestehend aus konzentrisch geschich- teten elastischen Fasern. Allein wohl steht er in seiner Erklärung der Vakuolen 62 ALFRED BERGFELDT, durch Gasbildung innerhalb des degenerierenden Protoplasmas der Chordazellen. Die wesentlichsten Ergebnisse, welche Balfour (3, 4) in seinem nunmehr zu erwähnenden Werke über die Elasmo- branchier veröffentlicht hat, sind folgende. Mit allen übrigen Forschern übereinstimmend, sah er, dass die Chorda vom An- fangspunkte in der Rumpfmitte des ganz jungen Tieres be- einnend nach vorne und nach hinten fortschreitend selbständig wird und giebt näheres hierüber an. Er sah ferner schon in sehr frühen Stadien eine sehr feine Hülle, von welcher er jedoch nicht ganz sicher war, ob sie nicht vielleicht nur eine optische Erscheinung am Rande der Chordazellen sei. Hierunter erscheine dann später noch eine bald stärker werdende glashelle Membran. Über die Natur der Scheidewände des Chordanetzes ist er zu dem Schlusse gekommen, dass die- selben aus verhärteter Kittsubstanz beständen, welche zwischen den Chordazellen sich befinde. Bei dem Prozesse der Vakuo- lisierung würden zunächst alle Zellkerne mit wenig Protoplasma centralwärts gedrängt, das übrige Protoplasma gehe zur Peri- pherie ohne Kerne. Nachträglich wandern die Kerne ebenfalls nach dem Rande, und nun entstehe das Chordaepithel, welches sich allmählich ziemlich regelmässig anordne. Das Vorderende der Chorda finde sich unter dem Mittel- hirn und nehme bald eine hakenförmige Krümmung an, wobei es am kranialen Ende mit dem Rachenepithel in Berührung stehe. Bei Torpedo ist die beschriebene centrale Ansammlung der Kerne nicht vorhanden. Hier fand er um die Cuticula, an der Balfour übrigens zwei von einander trennbare Schichten sah, bald eine Lage Bindegewebe sich anfügen. Was er Rlastica externa nennt, liegt nach aussen von dieser bindegewebigen Scheide dicht unter dem sich später bildenden Knorpel. Chordascheiden und Hypochorda. 63 Eine Reihe weiterer Arbeiten welche hier Beachtung finden müssen, rührt von Hasse (20—24) her, welcher auch speziell Amphibien untersucht hat. Bei Tritonen von 6 mm Länge an fand er bei bereits weit vorgeschrittener Vakuolisierung der Chordazellen ein deutliches Chordaepithel; weiter nach aussen folgt in diesem Stadium eine recht dünne homogene, von diesem Epithel abstammende Cuticula. Bei etwas älteren Larven sah er nach aussen hiervon eine Hülle, von welcher er in „durchaus unanfechtbarer Weise“ nach- weisen zu können glaubt, dass sie von Zellen produziert werde, welche sich in. dieser Zeit auf die schon vorhandene Cuticula chordae auflagern und von dem Teile des perichordalen Binde- gewebes stammen, den er „innere Zellschicht des skeletogenen *Gewebes‘“ nennt. Entsprechend jedesmal der Mitte eines Muskel- segmentes bilden diese perichordalen Zellen eine mehrfache, sonst eine einfache platte Lage. Diese Zellschicht sei die von Goette beschriebene äussere zellhaltige Chordascheide. In einer weiteren Arbeit über Anuren kommt Hasse bei Tieren ungefähr desselben frühesten Alters zu einem gleichen Ergebnisse in Bezug auf die Kröten. Bei Fröschen jedoch sei nur eine homogene Cuticula chordae vorhanden. Nach aussen von ihr folge sofort die skelettbildende Schicht. Der wesentliche Gegensatz gegen die Urodelen und, seiner Ansicht nach, die Überleitung von den Anuren zu den Amnioten besteht also darin, dass die innerste Lage der skeletogenen Schicht sich direkt auf die Cuticula chordae auflagere. Zwar sah auch er bei Rana escul. eine äussere besondere Schicht der Cutieula chordae, aber er hält dieselbe nur für eine verdichtete äussere Lage der im übrigen einfachen Cuticula. An der eigentlichen Chordahülle beobachtete er ferner in späteren Stadien eine Querstreifung. Bei Selachiern dagegen leitete er die scheinbare Rlastica ext. her von einer Verdichtung der inneren Lage der skeletogenen 64 ALFRED BERGFELDT, Schicht, nahm aber später diese Ansicht wieder zurück, ohne meines Wissens einen bestimmt ausgesprochenen Ersatz dafür zu geben. Die hier untersuchten Stadien sind ebenfalls bereits relativ alte. Von seinen bei Dipnoern gewonnenen Resultaten giebt er selber zu, dass sein Material zu spärlich sei und aus zu grossen Tieren bestehe. In seinem bereits oben erwähnten Werke giebt ©. Rab] (46) eine nähere Schilderung von dem Verhalten der Chordakrücke, der Aorten und ihres Kopfsinus (Rückert) bei den Selachiern. Ausserdem sah er hier drei Chordascheiden: eine Cuticula chor- dae, eine zellige skeletogene Hülle und am weitesten nach aussen eine von letzterer stammende Elastica externa. V.Schmidt (54) untersuchte dasSchwanzende von Selachiern und fand hier drei Scheiden um die Chorda: 1. eine Cuticula als Absonderung der protoplasmatischen Randzellen, 2. eine äussere zellige Scheide, entstanden durch Anlagerung des um- gebenden Bindegewebes und 3. eine homogene elastische Cutieula unbestimmter Herkunft. Bei Amphibien sah er nur eine innere Cuticula und eine später auftretende, von dem Bindegewebe stammende Elastica externa. Ausserdem beschrieb er, wie die Zellen am Schwanz- ende der Chorda lange auf niedrigerer Stufe stehen bleiben als in den weiter kopfwärts gelegenen Teilen. Bei Siredon fand er (53) nur eine kutikulare innere und eine zellig-bindegewebige äussere Scheide, welch letztere erst sehr spät auftritt, am Vorderende beginnend, und erst zuletzt auch zwischen Chorda und Rückenmark sich einschiebend. Im übrigen erstreckten sich auch hier seine Untersuchungen hauptsächlich auf das Hinterende der Chorda und er findet, dass das Längenwachstum der Chorda an dieser Stelle eben von den lange protoplasmatisch bleibenden Endzellen besorgt werde. Aus Klaatschs umfangreichen Veröffentlichungen sei Chordascheiden und Hypochorda. 65 erwähnt, dass er in dem ersten Teile seiner Beiträge (26) bei Fischen feststellt das Vorhandensein einer eigentlichen von den Chordazellen gelieferten Scheide, einer nach aussen von ihr liegen- den, sicher skeletogenen Elastika und einer zelligen Ringfaser- schicht, gebildet von dem umliegenden Bindegewebe. Dabei beschreibt er an der eigentlichen Chordascheide älterer "Tiere eine radiäre Streifung, welche jedoch ein Kunstprodukt sei, während er grösseren Wert lest auf die später eintretende kon- zentrische Schichtung und ein doppeltes schräges Liniensystem, welches der Ausdruck von zwei Faserschichten sei, die schräg in zu einander senkrecht stehenden Spiralen aufsteigen. Die eine derselben verlaufe also terminalwärts ventral, die andere terminal dorsal. In dem zweiten Teile (27) behandelt er ältere, hier nicht mehr in Frage kommende Zustände Auf den dritten Teil komme ich weiter unten zu sprechen. Nunmehr erschien die Arbeit von Scheel (52). Derselbe sah bei Teleostiern eine eigentliche Chordascheide, welche ohne Zellen, homogen, faser- und strukturlos sei, bei starker Ver- erösserung jedoch eine radiäre Streifung (wahrscheinlich Binde- gewebsfibrillen) und konzentrische Schichtung erkennen lasse. Über ihre Bildungszeit weiss er nichts Genaueres anzugeben, da er nur Stadien besass, wo sie schon stärker ausgebildet war. Er vermutet jedoch Abstammung von den Chordazellen zur Zeit der Ausbildung des Chordaepithels. Eine Elastica interna im Sinne Köllikers spricht auch er den Teleostiern ab. Weiter sah er nach aussen von der ersten Hülle eine Elastica externa, welche erst sehr spät, zur Zeit der ersten knor- peligen Wirbelbögen auftrete. Er vermutet, dass sie von dem skeletogenen Bindegewebe abstammen könne. Sie zeige bei weniger guter Konservierung eine krause Fältelung und er- weise sich auch chemisch und optisch als elastische Membran. Nach aussen von ihr folgt als dritte Hülle eine cirkuläre Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXI (7. Bd. H. 1). B) 66 ALFRED BERGFELDT, Bindegewebsschicht, welche dem häutigen Zustand der Wirbel- säule im Sinne Gegenbaurs entspreche. In betreff der Vakuolen entscheidet er sich nicht direkt für intra- oder intercelluläres Auftreten derselben, scheint aber ersteres für annehmbarer zu halten. Das Fächerwerk der COhorda sieht er an als bestehend aus einer intercellulär auftretenden Kitt- substanz und glaubt, dass die Wände sicher aus zwei aufeinan- der liegenden Schichten, den beiden aneinander stossenden Zell- wänden verbunden durch Kittsubstanz, gebildet sein müssten, wenn es ihm auch nicht gelungen ist, beide Lagen von einander zu scheiden. In dem Chordaepithel sollen keine Vakuolen aul- treten. Die nunmehr zu erwähnende Arbeit von Claus (7) ist von besonderem Werte für unsre Frage nach der Herkunft der Chordahüllen. Er erklärt die Elastica externa bei Haiembryonen für eine kutikulare Bildung ausgehend von den Chordazellen, und zwar sei diese Hülle die zu allererst entstehende. Sie trete auf in einem ganz frühen Stadium, noch ehe das skeletogene (sewebe die Ohorda umgeben habe, zu einer Zeit, wo die Hypo- chorda eben noch in der Abschnürung begriffen sei. Die zweite, nach innen von dieser gelegene Scheide bildet sich, wenn die Vakuolisierung und die Ausbildung eines Ohorda- epithels bereits weit vorgeschritten sind. Dieselbe habe eine radiäre Streifung; eine konzentrische Schichtung habe er an ihr nicht eher bemerkt, als bis die bei den Haien sehr stark entwickelte zellige Scheide auftrete. Nämlich zwischen diese „innere Sekretschicht‘ und die „Blastika“ wandern durch Lücken der letzteren Bindegewebs- zellen ein, und so werde die innere Sekretschicht in ihren peri- pheren Teilen durch Zwischenlagerung von Zellen in die Fibrillen der konzentrischen Schichtung zu einer zelligen Scheide, in dem centralwärts gelegenen, von Zellen frei bleibenden Teile zu einer „Klastica interna“. Chordascheiden und Hypochorda. 67 Hier schliesst der 3. Teil der „Beiträge“ von Klaatsch (28) an. Derselbe erhält nunmehr genau dieselben Resultate wie Claus, nachdem er von letzterem darauf aufmerksam gemacht worden war, dass die bis dahin von ıhm benutzten Stadien viel zu alt gewesen seien zur Entscheidung dieser Fragen, und dass die Schlüsse, die er von den vorgefundenen Zuständen ausgehend auf deren Herkunft und Entwickelung gezogen habe, ihn völlig irre geführt hätten. Bei Torpedo zum Beispiel findet er die Elastika nunmehr schon ehe die Abschnürung der Chorda voll- ständig ist. Nach innen von ihr entstehe sodann, ebenfalls als Produkt der Chordazellen, als zweite Schicht die eigentliche Chordascheide, die er nunmehr ‚sekundäre Kutikula‘“ nennt, da die bisher für skeletogen gehaltene Elastika die „primäre Kuti- kula“ sei. | Von den Vakuolen behauptet er, dass dieselben sicher intra- cellulär entständen, und die Wände daher sicher doppelt sein müssten. Zu beweisen vermochte er dieses Verhalten jedoch nicht. Im übrigen beziehen sich seine Angaben ziemlich in gleicher Weise auf Cyclostomen, Knorpelganoiden, Teleostier und Selachier. Aus dem Jahre 1895 sind nun noch zwei Arbeiten zuerwähnen. Die eine v. Ebners (9) beschäftigt sich mit dem feineren Bau der eigentlichen Chordascheide, welche er Faserscheide nennt. Es zeigt sich hier bei Myxine ein System von Linien, welche sich regelmässig kreuzen und eine bestimmte, von dem Autor näher festgestellte komplizierte Gesetzmässigkeit zeigen. Zellen finden sich in derselben nicht. - Die sogenannte Elastica externa sei einschichtig und aus querverlaufenden Fasern zusammengesetzt; sie stammealsfrüheste Hüllenbildung von den Chordazellen ab, wie auch Hasse (25) bei seinen letzten noch nicht erwähnten Untersuchungen bei Uyclostomen gefunden hatte. Also sollte nunmehr bei Oyclostomen die zuerst entstandene, später nach aussen von der Faserscheide - 5* 68 ALFRED BERGFELDT, selegene Hülle, welche meist Elastica externa genannt wurde, eine echte Cuticula chordae sein. Später lagere sich auf die zuerst entstandene Cuticula chordae noch eine zarte Hülle auf, welche seiner Ansicht nach möglicher- weise eine Cutieula sceleti im Sinne Hasses sei. Hasse (25) hatte genau dieselben anatomischen Verhältnisse gesehen, erklärte aber aus prinzipiellen Gründen die primäre Cuticula chordae bei den Cyelostomen für das Analogon der eigentlichen, inneren Chordascheide, und die „Faserscheide“, wie auch er die innerste starke Schicht nennt, für etwas bei den Cyclostomen neu hinzutretendes, so dass diese Fischklasse eine besondere Stellung einnehme. Die jüngste hierher gehörige Veröffentlichung rührt her von Field (10), welcher unter anderem besonders auch Amphibien (auch Alytes) untersucht hat. Nachdem er das Entstehen der Chorda durch Faltenbildung aus dem Entoderm beschrieben hat, wobei er auch Urdarmdivertikel sich in die Chorda hat fortsetzen sehen, beschreibt er eine noch vor völliger Abschnürung der Chorda sehr früh auftretende Hülle, welche er für die Elastica interna oder Cutieula chordae oder eigentliche Chordascheide ansieht. Dieselbe trete so früh auf, dass er der Bildung dieser Membran fast eine ursächliche Bedeutung für die Abschnürung der Chorda zuzuschreiben geneigt sei. Dass diese erste Hülle von den Chordazellen selber stammt, schliesst er, ähnlich wie Claus und nach diesem auch Klaatsch, mit Bestimmtheit aus dem Umstande, dass die Zellen der Urwirbelsegmente noch nicht die ganze Chorda umlagern, und aus der genauen Anpas- sung der Membran an die Unregelmässigkeiten der äussersten Chordazellen. In einem späteren Stadium trete weiter nach aussen an- schliessend eine von den Urwirbeln gebildete Cuticula sceleti hinzu, welche bei Anuren nur rudimentär entwickelt sei. Die Vakuolenbildung trete, wenigstens bei Amblystoma, Chordascheiden und Hypochorda. 69 sowohl inter- als intracellulär auf. Bei Rana hat er beobachtet, dass die Lakunen sich zuerst im Centrum der Chorda zeigen, und er schliesst daraus, dass dieselben mit dem ursprünglich vorhan- denen Darmdivertikel in näherem Zusammenhang stehen möchten. Zum Schlusse dieser Übersicht ist es wohl zweckmässig, wenn ich eine Zusammenstellung derjenigen Bezeichnungen liefere, welche die neueren Autoren in der Hauptsache für die einzelnen Teile der Chordahüllen gebrauchen, indem sie meist zugleich in der Bezeichnung auch ihre Anschauung über die Herkunft der Schicht niederlegen. Voranstellen möchte ich dabei die von mir in der folgenden Darstellung benutzten Namen, die im ganzen anschliessen an die neueste Namengebung von Klaatsch, und welche so ge- wählt sind, dass sie wohl eine Verständigung über die Verhält- nisse bei anderen Tierklassen leichter zulassen als die bisher übliche, so leicht verwirrende Nomenklatur. Ich werde im folgenden drei Chordahüllen unterscheiden, von denen die beiden ersten mehr oder weniger homogen, sicher zellos sind, die dritte aber Zellen enthält: I. Zwei kutikulare Scheiden der Reihenfolge ihrer Entstehung nach: a) primäre En 2 \ Kutikula b) sekundäre | und als dritte II. Eine zellig-bindegewebige Scheide. Dieses vorausgesandt stehen die verschiedenen Bezeichnungen in folgender Wechselbeziehung zu einander: Primäre Kutikula = Elastica externa — Cutieula sceleti (Hasse), Elastica (Klaatsch ]), Cuticula chordae (v. Ebner), | — primäre Chordascheide(KlaatschIlIl) 70 ALFRED BERGFELDT, Sekundäre Kutikula = Cuticula chordae, — Öhordascheide, Innere Chordascheide | — Faserscheide (v. Ebner, nicht aber Hasse bei Oyclost.), | Innere Sekretschicht (Claus), Elastica interna (aber nicht bei Kölliker und Lotz, und nicht bei Claus), — sekund. Chordascheide (Klaatsch III) Elastica interna nur von Kölliker und Lotz für be sondere Schicht angesehen, Elastica interna = innerer Teil der Faserscheide, soweit dieselbe nicht von einwandernden Bindegewebszellen durchsetzt wird (Claus). Bindegewebige Scheide oder äussere zellige Scheide, häutiger Zustand der Wirbelsäule von Gegenbaur. Befunde bei Alytes. Da es, wie in der Einleitung bemerkt, nicht in meiner Ab- sicht liegt, von den frühesten Stadien der Chorda dorsalis zu handeln, womit weit ausgreifende Auseinandersetzungen über die Entstehung des Organes und damit zugleich über die Herkunft der Keimblätter, besonders des Mesoderms, bedingt sein würden, so beginne ich mit der Schilderung der einschlä- gigen Verhältnisse bei einem Tiere, welches schon eine scharf ausgeprägte und teilweise bereits selbständige Chorda besitzt. 1. Alters-Stadium. Das Alter des Tieres ergiebt sich aus folgenden Angaben. Es besteht noch eine weite Kommunikation zwischen dem hin- teren Ende der Urdarmhöhle und der nach hinten von dem Ende des Rückenmark-Kanals gelegenen Oberfläche des hin- teren Körperendes, mit anderen Worten ein weit offener Blasto- Chordascheiden und Hypochorda. 71 porus. In der Umgebung dieser Öffnung sind sämtliche Schichten des Eies zu einer indifferenten Zellmasse verschmolzen. Aus derselben löst sich allmählich weiter nach vorn in immer schärferen Umrissen das Rückenmark, in seinem hinteren Ende noch ohne Lumen. Der Rückenmarks-Kanal ist in seiner ganzen Länge geschlossen; man erkennt eben noch an einzelnen Par- tieen die Vereinigungsstelle der beiderseitigen Medullarwülste. Die primären Augenblasen sind eben als Ausstülpungen des pri- mären :Vorderhirns hervorgetreten und stehen noch in weiter Verbindung mit der Höhle des letzteren. Von Gehörgrübchen ist noch nichts angedeutet. Es lassen sich in dieser Zeit im ganzen 4—6 Myomere zählen. Die 2—4 gut abgegrenzten Urwirbel zeigen die Andeutung eines Hohlraumes. Der Spalt in der seitlichen Platte des Mesoderms ist in seinen ersten Anfängen zu sehen. Der Vornierengang bildet, in der äusseren Platte des seitlichen Mesoderms einge- lagert, einen soliden Strang dicht unter dem durch einen Spalt- raum von ihm getrennten Ektoderm. In dieser Zeit ist die Chorda, mit Ausnahme der unmittel- bar vor dem Blastoporus gelegenen, in das Bereich der eben erwähnten indifferenten Zellmasse gehörigen Schnitte, von den Mesodermteilen und dem Rückenmark scharf abgegrenzt. In dem Bereiche des letzten Myomers stellt sie ein Bild dar, welches man sich gewöhnt hat als Leiste der dorsalen Darmwand zu be- zeichnen, d. h. sie sıtzt mit breiter Basis auf der dünnen Entodermplatte auf, welche die Darmdecke bildet. Irgend eine dorsale Ausbuchtung des Urdarmlumens nach der Chorda hin ist in dieser und der ganzen späteren Zeit nicht zu bemerken, ebensowenig jemals ein Hohlraum in der Chorda selbst oder eine ausgeprägte radiäre Stellung der Zellen und ihrer Kerne. Das einzige was hier zu erwähnen wäre, ist eine in dieser Zeit zuweilen ziemlich deutliche schmale Furche, welche sich auf Querschnitten als Kerbe im Entoderm präsentiert. Die- 72 ALFRED BERGFELDT, selbe ist stets nur ganz oberflächlich und dringt niemals tiefer ein. Eine von mehreren Forschern für eine möglicherweise vor- handene Andeutung des centralen Hohlraumes z. B. bei Rana gehaltene centrale Pigmentierung ist bei Alytes nicht zu erwarten, da die Embryonen noch lange Zeit überhaupt keine Spur von Pigment zeigen. Über die Form der Chordaleiste ist zu bemerken, dass die- selbe am hinteren Körperende in dieser Zeit völlig die Gestalt der in derselben Serie etwas weiter kranialwärts selbständig gewordenen Chorda zeigt, nur dass sie mit etwa ein Viertel ihrer Peripherie mit ihren Zellen ohne Grenze in das Entoderm übergeht. Sie verdient also hier nicht eigentlich den Namen „Leiste“, wenigstens nicht mit so grossem Rechte wie an ihrem weiterhin zu be- schreibenden Vorderende. In dem kranialen Ende des letzten Myomers wird die Chorda selbständig. Sie liegt fest zwischen Rückenmark und Darmdach (Fig. 1) so dass sie stellenweise beide in entsprechender Rich- tung etwas einbuchtet. So reicht sie nach vorn bis zu der Grenze etwa zwischen 2. und 3. Myomer, von wo an sie wiederum in Zusammenhang mit dem Darmdache tritt und an Höhe langsam abnimmt. Während sie also kaudal ihrer vollen Grösse nahe aus dem indifferenten Zellmaterial hervortritt, zieht sie sich kranial immer niedriger werdend und langsam abnehmend nach vorn hin, schliesslich nur noch einen Wulst von 1—2 Zellen Höhe dar- stellend. In dieser Weise lässt sie sich verfolgen bis an das Vorderende des Mittelhirnbodens, zuletzt entsprechend der begonnenen Nacken- krümmung eine Biegung (Fig. 3 Ch.) machend, welche wohl in vergleichende Beziehung zu bringen ist mit der bei Vögeln und Säugern beschriebenen Chordakrücke. Ihr vorderes leistenförmiges Einde ist in direktem Zusammenhang mit dem Rachenepithel. Der freie Teil der Ohorda hat in der Serie, welche ich bei ww e% HE Anat. Hefte.1Abtheilung Heft 21.(7Bd.H.1.) Lith.Anst.v. C.Kirst, Teipzig Verlaßv.J,FBer&mann, Wiesbaden Chordascheiden und Hypochorda. 7 1 m = —— der vorliegenden Schilderung hauptsächlich im Auge hatte, eine Länge von 34 Schnitten zu 10—15 u; die Länge des ganzen Tieres beträgt 152 Schnitte. Die Zellen der Chorda haben keine sichtbare Membran, und es fehlt eine Kitt-Substanz, sodass sie zu dieser Zeit sich nicht gegen einander abgrenzen lassen. Die Kerne der Zellen sind bläschenförmig, etwas grösser und schwächer färbbar als die- jenigen des Mesoderms und Entoderms. Das Protoplasma ent- hält zahlreiche Dotterschollen etwa von der Grösse der Kerne, von regelmässig ovaler Gestalt und starker Lichtbrechung. Da- neben erscheint es durchsetzt mit Resten in kleine Stückchen zerfallener Dotterplättchen, eine Hindeutung auf eine lebhafte Thätigkeit der Zellen, welche das in ihnen aufgehäufte Dotter- material zerkleinern und verbrauchen. Zahlreiche Kernteilungen bestätigen diese Annahme. Schon in diesem Stadium der begonnenen Abschnürung ist die Chorda von einer Hülle umgeben. Diese ist ganz ausser- ordentlich fein, aber zweifellos doppelt konturiert, und liegt den Umrissen des Organes dicht an, soweit dasselbe eine freie Ober- fläche hat. Die völlig selbständige Chorda hat eine völlig ge- schlossene Hülle. Soweit mir bekannt, ist die primäre Hülle unter allen For- schern zuerst von Claus in dieser Zeit der Entwickelung, also zur Zeit ihre Entstehung gesehen worden. Alle Vorhergehenden hatten bei Untersuchung der Chordahüllen mit zu alten Tieren begonnen, wo Vakuolisierung und Ausbildung des Chordaepithels bereits weit vorgeschritten waren; es hatte sich sogar bereits eine Bindegewebsschicht angelagert, und so wurden sie durch solche Bilder zu dem Irrtume geführt, dass die erste Chorda- hülle eben diesen Bindegewebszellen ihren Ursprung verdankte. Diese erste Hülle, die primäre Kutikula, ist in Wirklichkeit chordalen, nicht skeletogenen Ursprungs. Dieses geht, abgesehen 74 ALFRED BERGFELDT, von der genauen Übereinstimmung der Membran mit den Um- vissen der Chordazellen, worauf bereits Claus aufmerksam ge- macht hat, überzeugend aus dem Umstande hervor, dass sie in dieser ganz frühen Zeit bereits an den Stellen vorhanden ist (Figur 1 und 2), wo andere Elemente, speziell Bindegewebs- zellen mesodermalen Ursprungs, noch niemals hingereicht haben. Eine Abstammung der primären Hülle von solchen Zellen ist also ausgeschlossen. Zwischen Chorda und Rückenmark bezw. Darmdach schiebt sich, wie wir sehen werden, Bindegewebe der skeletogenen Schicht erst in sehr viel späterer Zeit ein an der ventralen Seite noch später als an der dorsalen (Fig. 8). Infolge dieser Verhältnisse, so könnte man ausführen, müsste die Hülle, wenn sie nicht von den Chordazellen abstammte, von den drei anliegenden Gewebsarten gemeinsam abgeleitet werden: von Rückenmark, Mesoderm und Entoderm, also von allen drei Keimblättern; das wird wohl niemand vertreten wollen. Diese Hülle ist ausserordentlich fein. In einer Zeichnung müsste ihre Stärke bedeutend übertrieben werden, wenn man an dem Saume der Chordazellen nach der doppelten Kontour der Membran sichtbar machen wollte. Man sieht die Hülle sehr schön auf Schnitten, welche günstige Schrumpfungs- oder Verschiebungsverhältnisse zeigen, ohne dass die Lagebeziehungen der benachbarten Gewebe sich wesentlich geändert haben. Einen solchen Schnitt stellt Fig. 4 vor aus der gleich zu besprechenden nächst älteren Stufe, wo jedoch das Verhalten des Bindegewebes immer noch jede Beteiligung desselben an der Bildung der Hülle ausschliesst. An die Stelle des Darmdaches in obiger Darstellung ist nur die jetzt vorhandene Hypochorda zu setzen. Noch be- quemer ist die Färbung mit Orcein, welche die Hülle als ein- fache schwarze Linie mit derselben Schärfe hervorhebt, wie es in den Zeichnungen wiedergegeben ist. Chordascheiden und Hypochorda. 75 . 2. Alters-Stadium. Wir können nunmehr gleich zu einem nicht unwesentlich älteren Stadium übergehen, da in der nächsten Zeit der Ent- wickelung die Änderungen im Verhalten der Chorda nicht wesent- lich sind. Bei einem Embryo von 14 Myomeren Gesamtlänge, wie ich ihn als weiteres Beispiel beschreiben will, sind die sekun- dären Augenblasen ausgebildet, jedoch fehlt noch jede Andeutung der Linsen. Die Gehörbläschen stehen noch in Verbindung mit dem äusseren Epithel. Der Vornierengang ist in die seit- lichen Mesodermplatten eingetreten, indem ihn zwei Wülste der letzteren von median und lateral her überwuchert haben. Er zeigt bereits ein Lumen. In dieser Zeit beginnen von beiden Seiten her Zellketten bezw. Zellplatten (Fig. 4) nach der Mittellinie hin sich vorzu- schieben, von der Gegend ausgehend, wo die laterale untere Ecke der Urwirbel mit dem medialen Ende der seitlichen Me- sodermplatten zusammentrifft. Aus ihnen bilden sich die pri- mitiven Aorten und das perichordale Bindegewebe. Die Chorda ist durch lebhafte Zellteilungen ihrem Umfange nach um das Doppelte vergrössert. Ihr Verhalten zu den um- liegenden Teilen ist ungefähr dasselbe geblieben. Günstige Schnitte zeigen eine mehr transversale, nicht konzentrische Lage- rung der Zellen, in deren Protoplasma die Dotterschollen noch mehr zerbröckelt sind. Die primäre kutikulare Hülle ist stärker und deutlicher ge- worden. Noch sind keine Bindegewebszellen zwischen Chorda und Rückenmark bezw. Chorda und die jetzt bereits bestehende Hypochorda eingeschoben, überhaupt fehlt, wie gesagt, das eigent- liche perichordale Bindegewebe noch völlig. Eine besondere Erwähnung verdient in dieser Zeit das hintere Chordaende. Hier findet eine ungemein rege Zellvermehrung 76 ALFRED BERGFELDT, statt. und in einem Querschnitt, in welchem man in der Rumpf- mitte etwa 20 Kerne zählen würde, finden sich hier etwa 60, von denen stets mehrere in Teilung begriffen sind. Die Kerne sind ziemlich regelmässig angeordnet, sodass sie öfters zwei mehr nach der Peripherie dieht an einander liegende Kreise bilden, während das Centrum weit ärmer an Kernen ist, um eine Zahl zu nennen, etwa 6—8 Kerne enthält. Noch wichtiger ist eine nähere Betrachtung des vorderen Chordaendes in dieser Zeit. Der eigentliche kontinuierliche Chorda- strang beginnt dicht hinter oder in der Höhe der Gehörbläschen, also entsprechend dem Boden des Hinterhirns, am ersten Myomer oder etwas nach vorne von ihm. Es ist dies die Stelle, welche ein wenig kaudalwärts liegt von der Basis des Gewebszuges, der sich in die Konkavität der Nackenkrümmung des Medullarrohres hineinzieht und sich allmählich in seinem Vorderteile zu Binde- gewebe und Pia umbildet. Die Basis dieses mittleren Schädel- balkens (von Rathke) ist, wie nun wohl nicht mehr bestritten wird, die Stelle des späteren Türkensattels, der hinteren Sattel- lehne. Hier entwickelt sich die Hypophyse. Zwischen der Basis des mittleren Schädelbalkens und der zusammenhängenden Chorda finden sich Zellkomplexe , welche zweifellos auf die früher bis hierher reichende Chorda zu be- ziehen sind. Dieselben finden sich jedoch nur in einem ver- hältnismässig engen Zeitraum von etwa 14—16 Rumpfmyomeren, in der Zeit unmittelbar vor und im ersten Beginn der Vakuo- lisierung. In einer der Serien letzterer Zeit haben sich in einem dieser Zellhaufen auch schon Vakuolen gebildet. Diese vorderen Chordareste liegen stets dicht am Rachenepithel oder nur wenig von ihm entfernt. Sie reichen nicht weiter nach vorne als bis zu der beschriebenen Stelle. In dem Verlaufe des mittleren Schädelbalkens sind dieselben niemals zu finden. I I Chordascheiden und Hypochorda. 3. Alters-Stadium. In das Stadium der Vakuolisierung, welches für die Ohorda bei allen Tieren so charakteristisch ist, tritt dieselbe bei Alytes ungefähr gleichzeitig mit dem Sichtbarwerden der äusseren Kiemen, zu einer Zeit, wo der Rumpf etwa 16 Myomeren zählt. Diese Vakuolen treten der Mehrzahl nach so auf, dass in den mittleren Teilen der Chorda ein Netzwerk von immer grösser werdenden Maschen sich bildet. Aber auch die randständigen Zellen nehmen daran Teil: ich habe noch bei recht weit vorgeschrittenen Stadien bei vollständiger Ausbildung des Epithels dicht am Rande bis ganz an die Hülle reichende Vakuolen gesehen. Immerhin sind dieselben in der peripheren Schicht weit seltener und unter- brechen nur dann und wann den geschlossenen Ring des Chorda- epithels. Anfänglich zieht sich entlang der Scheidewand der Vakuolen eine dünne Schicht Protoplasma mit Dotterplättchen, aber bald ist letzteres nur noch an den Schnittpunkten der Bälkchen zu erkennen. Die meisten Kerne werden mit der Hauptmasse des Proto- plasmas nach der Peripherie gedrängt, und nur wenige bleiben noch lange Zeit in den centralen Teilen zurück. Hier erhalten sie bald ein von den Randkernen verschiedenes Aussehen, in- sofern sie platt-scheibenförmig werden, ziemlich grösser sind und sich schwächer färben. Mitosen habe ich an ihnen nie gesehen, während dieselben bei den Kernen der randständigen Zellen recht zahlreich sind. Aus diesen peripheren Zellen bildet sich das schon mehr- fach erwähnte Chordaepithel (Fig. 5, 6, 8, 9), bestehend aus an- fangs regelmässig angeordneten, etwa kubischen von einander abgrenzbaren Zellen. Später ist ihre Form und Anordnung weniger regelmässig (Fig. 10). Wieder muss das Vorder- und Hinterende der Chorda be- sonders besprochen werden. 78 ALFRED BERGFELDT, Das Volumen der Chorda nimmt im letzten Schwanzende bedeutend ab. Vakuolen sind hier noch nicht aufgetreten. Die Zellen sind bedeutend kleiner als im Rumpfteil und die Zahl der Kerne ist so gross, dass man Kern an Kern liegen sieht, nur wenig Protoplasma dazwischen. Die zahlreichen Kern- teilungen sind wohl mehr auf Längenwachstum als auf Dicken- zunahme berechnet. Das Uhordaende findet sich stets nur wenige Schnitte vor dem Ende der ganzen Serie. Am Vorderteil ist die Chorda ebenfalls schwächer als am Rumpf, jedoch ist die Vakuolisierung stets bis ganz an das Ende des Stranges vorgeschritten. Die früher erwähnten vorderen Chordareste sind nicht mehr zu sehen, und somit hat auch die unmittelbare Berührung des vorderen Chordaendes mit dem Epi- thel des Rachens aufgehört. Im Gegenteil ist die Isolierung der Chorda inmitten des lockeren Bindegewebes vorne bereits weiter vorgeschritten als am Rumpfe, indem sich auf die inzwischen weiter verdickte pri- märe Hülle bereits Bindegewebszellen angelagert haben, zunächst noch vereinzelt, im dorsalen Teile der Peripherie jedoch, die hier vom Rückenmark durch einen breiten Zwischenraum ge- schieden ist, bereits eine 1—2fache Schicht bildend. Weiter am Rumpfe (Fig. 5 und 6) ist dieser Prozess noch ziemlich zurück, indem nur die seitlichen Teile der Chorda Spindelzellen angelagert zeigen, die dorsalen und ventralen Partieen hingegen noch frei sind. Damit sind wir in dasjenige Stadium eingetreten, wo die bindegewebige Hülle sich eben anlegt, welche von den Forschern vor Claus meist als die Matrix der „Elastica externa“ ange- sehen wurde. Auf grund der soeben geschilderten Verhältnisse ist es über- Hüssig, die Auffassung dieser primären Kutikula als einer skele- togenen nochmals zu widerlegen. Hinzufügen muss ich noch, dass die primäre Hülle sich in- Chordascheiden und Hypochorda. 79 dessen so stark verdickt hat, dass sie nunmehr mit Leichtigkeit überall verfolgt werden kann, auch da wo immer noch kein Bindegewebe hineingedrungen ist. Es spricht verschiedenes dafür, dass sie elastischem Gewebe sehr nahe steht, so auch ihr Bestreben sich zu kräuseln (Fig. 5 und 6) und ihr von Retzius und von Scheel festgestelltes chemisches Verhalten, die ausser- ordentliche Widerstandsfähigkeit gegen Säuren und Alkalien. Auf dem bisher beschriebenen Wege geht nun die Ent- wickelung der Chorda weiter. Immer mehr wird das Proto- plasma nach dem Rande hin verschoben; das Netzwerk wird immer mehr zu feinen, hellen, ziemlich stark brechenden Quer- schnitten der unregelmässig angeordneten Scheidewandplatten der Vakuolen. Nur noch an den Kreuzungspunkten sieht man Protoplasmareste, welche noch lange einzelne Dotterplättchen enthalten. Die central gelegenen Kerne sind noch vorhanden und zeigen keine Veränderung gegen früher. Um die primäre Scheide bilden sich nun auch am Rumpf Bindegewebszellen (Fig. 5) zu einem geschlossenen Ringe aus, in- dem sie sich einschichtig auch dorsal und ventral anlagern. 4. Alters-Stadium. Alsdann zu einer Zeit, wo bei Alytes die Augenlinsen sich füllen, der Dotter bereits zu Darmwindungen sich zu gruppieren beginnt, die ersten Urnierenglomeruli sich bilden, und wo das erste Bindegewebspigment auftritt — zu dieser Zeit erscheinen die ersten knorpeligen Skeletteile an der Schädelbasis, genau in der Gegend des vorderen Chordaendes, dasselbe nach vorn nur ganz wenige Schnitte überragend, entsprechend dem Spheno-oceipitale. Wenig später ist die ganze Schädelbasis knorpelig ausgebildet, und die Kiemenbögen zeigen ebenfalls Knorpel. Die inneren Kiemen beginnen eben aufzutreten, die äusseren sind auf der Höhe ihrer Entwickelung. 80 ALFRED BERGFELDT, Jetzt endet die Chorda vorne ziemlich plötzlich, konisch zugehend immer noch an derselben Stelle. Sie ist bis zum Ende vakuolisiert und zeigt eine stellenweise 2—3 schichtige zellige Bindegewebshülle. Die Knorpelanlage umschliesst die Chorda nur ganz vorne von allen Seiten; sehr bald folgen Schnitte, wo ihre ventrale und dorsale Peripherie frei liegt, und nur die beiden Seiten knorpelig eingescheidet sind. Die Bindegewebsscheide ist an den knorpelfreien Teilen stärker, an den seitlichen Partieen ein- schichtig. Am Rumpfe, wo noch kein Knorpel entwickelt ist, stehen die seitlichen Teile der Bindegewebshülle mit dem inter- und intramuskulären Gewebe in Verbindung. Der Schwanzteil zeigt, abgesehen von dem immer noch auf jüngerer Stufe stehenden kaudalsten Teil, sehr augenfällig die Bedeutung der Chorda als Stützorgan für den zur Fortbewegung des Embryos dienenden Schwanz, indem hier der Querschnitt der Chorda denjenigen des Rückenmarks um ein Vielfaches übertrifft, ein Verhältnis, welches etwas später so weit geht, dass sich die Querschnitte beider Organe etwa wie 30 oder 40 zu 1 verhalten. Das äusserste Hinterende zeigt öfters eine Eigentümlich- keit, auf welche auch V. Schmidt hingewiesen hat: es ist zu- weilen etwas gebogen oder gewunden in einer Weise, dass man den Eindruck hat, als ob die Chorda für den ihr zu Gebote stehenden Raum etwas zu lang geworden sei. Diese Stauung könnte man vielleicht in Zusammenhang bringen mit dem Um- stande, dass um das Hinterende stets ein etwas stärkeres Ge- fäss sich herumschlingt, welches dem noch im Längenwachstum begriffienen Organe hemmend in den Weg trete. Bei vielen Exemplaren allerdings fehlt diese Eigentümlichkeit trotz Vor- handenseins des Gefässes. Chordascheiden und Hypochorda. 81 5. Altersstadium. Nunmehr sind wir zu einem Alter gelangt, wo eine wesent- liche neue Erscheinung auftritt. Der Darm ist bereits mehrfach gewunden, die Grosshirnbläschen haben sich ausgebuchtet, Leber und Milz sind in den ersten Anfängen vorhanden. Jetzt sehen wir bei Larven von 9 mm Länge (zwischen Fig. 8 u. 9) deutlich eine dritte Hülle der Chorda gebildet, welche wir schon an etwas jüngeren Tieren von 7 mn Länge bei entsprechen- der Behandlung in ihren ersten Anfängen sehen. Es tritt nach innen von der primären Kutikula eine zweite Kutikula, weniger hell, schwächer brechend, als sekundäre zunächst scheinbar homo- gene Scheide hinzu. Die primäre Kutikula lässt sich mit ab- soluter Sicherheit bei geeigneten Färbungen überall um den ganzen Umfang der Chorda verfolgen mit derselben Schärfe und Deutlichkeit, wie ich sie in den Zeichnungen wiedergegeben habe. Irgend eine direkte Beteiligung etwa durchgewanderter oder die Hülle sonst durchbrechender Bindegewebselemente ist bestimmt infolge dessen auszuschliessen, und lassen die Präparate hierüber keinen Zweifel aufkommen. Es liegt also am nächsten, wenn man nicht sagen will, es bleibt nichts weiter übrig, als anzu- nehmen, dass auch die sekundäre zellenlose Kutikula von den Chordazellen herrühre. Dieselbe zeigt durch ihre Reaktion auf Farbstoffe eine Verwandtschaft mit der primären Hülle, jedoch auch wieder verschiedentlich deutliche Differenzen. Abgesehen von ihrer später zu erörternden Struktur hat sie optisch ein anderes Verhalten, indem sie ziemlich schwächer bricht. Wir finden Bilder von ausserordentlich schöner Ditferen- zierung: das Protoplasma des Chordaepithels ist hell, glän- zende Körnchen enthaltend, darauf folgt eine blass violett ge- färbte Schicht, die neu hinzugetretene sekundäre Kutikula, hierauf eine schmale, fast schwarze Hülle, meist leicht wellig verlaufend, selbst an sonst tadellosen Präparaten, und zuletzt die aus langgestreckten Bindegewebszellen bestehende skeletogene Hülle. Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXI (7. Bd. H. 1). 6 82 ALFRED BERGFELDT, Mit Cochenille-Alaun und Pikrinsäure z. B. gefärbt sind die Differenzen ähnlich scharf, wenn auch nicht so bequem zu über- schauen. Es less sich ausserdem durch die Konstanz der Farbreaktion beweisen, dass thatsächlich die innere Kutikula das neu aul- tretende Element ist, während die äussere Kutikula sich zu- sammenhängend zurückführen liess auf die primäre, sehr früh auftretende Cuticula chordae. Es ist daher ausgeschlossen, dass die primäre Kutikula der späteren inneren entspreche, und die äussere kutikulare Hülle eine skeletogene, dem Bindegewebe entstammende, aussen in dieser späten Zeit neu aufgelagerte Membran darstelle. Figur 9 zeigt bei einer Larve von 12 mm die schon sehr deutlichen Verhältnisse. Der hiermit erreichte Zustand der Chordascheiden ist der definitive, bis zum Ende des Larvenstadiums bestehende. Er ist in Fig. 10 (Embryo von 41 mm Länge) mit Deutlichkeit wieder zu erkennen, wo auch ersichtlich ist, dass die sekundäre Kutikula durch schnelles Wachstum die primäre Hülle um ein Bedeutendes an Dicke überholt. Da es nun nicht mehr zu meiner Aufgabe gehört, das Ver- halten der Chordahüllen weiter zu verfolgen und ihre Bezieh- ungen zu dem sich bildenden Knorpelskelett zu ergründen, möchte ich nur noch aus späterer Zeit eine Beobachtung vorlegen, welche bereits beschriebenes teilweise bestätigt und an meinen Objekten stellenweise recht schön zu sehen ist. An älteren Tieren (41 mm) mit bereits hervorgetretenen Vorderextremitäten, wo die sekundäre kutikulare Scheide bereits ‘ die Breite von etwa einem roten Blutkörperchen erreicht hat, zeigt sie bei recht vorsichtiger und zweckmässiger Benützung der Beleuchtungsvorrichtungen (Fig. 10) eine ausserordentlich feine Zeichnung, wie sie bereits von v. Ebner und von Klaatsch bei anderen Objekten in verwandter Form beschrieben worden ist. Konstant ist eine äusserst feine regelmässige Netzzeichnung von Chordascheiden und Hypochorda. 83 zwei Systemen sich ungefähr rechtwinklig kreuzender Linien, welche den Eindruck von Fasersystemen machen, deren Verlauf wohl ähnlich kompliziert sein wird, wie ihn v. Ebner bei semem Material nachgewiesen hat. Zuweilen erscheint auch eine radiäre Streifung. Eine kon- zentrische Schichtung habe ich nicht finden können. ll. Teil. Hypochorda. Litteratur-Übersicht. Während ich schon einige Jahre beschäftigt war mit der Frage nach Abstammung, Entwickelung und Bedeutung der Hypochorda bei Alytes, erschien im September 1895 die erste diesem Organe speziell gewidmete Arbeit, eine Veröffentlichung Stöhrs (57) über die Hypochorda bei Rana temporaria, zu- sammen mit Untersuchungen über die erste Anlage des Pankreas. Im Beginne dieser Arbeit giebt Stöhr eine Übersicht über das bis dahin über die Hypochorda bekannt gewordene That- sachenmaterial. Da ich jedoch glaube, derselben noch einiges nicht ganz Unwesentliche hinzufügen zu können, werde ich vor Angabe eigener Befunde noch einmal auf die Litteratur eingehen müssen, wobei ich nicht umgehen kann, bereits von Stöhr (speziell über Leydig, Semper und Götte) erwähntes teilweise zu wiederholen. Die früheste Erwähnung der Hypochorda findet sich bei Leydig (34), welcher dieselbe inmitten der Chorda zu sehen glaubte. Semper (56) verbesserte dieses Versehen und fügte hinzu, das Organ scheine spurlos zu verschwinden. Beide Forscher hatten Selachier untersucht. Götte (16) ist ausführlicher: Die Hypochorda bei Bombi- nator entsteht als mediane Verdickung des Darmblattes, solide, 6* | & rs ALFRED BERGFELDT, zwischen Chorda und Aorta sich lagernd. Sie reicht von der Mitte des Vorderdarmes bis an das Ende des Schwanzdarmes. Sie drängt die dorsale Wand der Aorta zuweilen so tief in das Gefässlumen vor, dass er anfangs glaubte, sie rage in das Ge- fässlumen frei hinein und liefere Blutzellen. Später verliess er diese Anschauung, da er unter der Hypochorda die Aortenwand ununterbrochen verlaufen sah. Auch die Entstehung eines Lymph- oefässes aus der Hypochorda (und dem Schwanzdarm), welche er anfangs vermutete, fand er später nicht bestätigt. Ähnlich waren seine Ergebnisse bei der Forelle. Balfour (3) brachte einige neue Gesichtspunkte. Er fand, ebenfalls bei Selachieren, dass sich der „subnotochordale Strang‘ in zwei Teilen entwickele, einem Kopfteil und einem Rumpfteil. Letzterer entstehe in seiner vorderen Partie als Leiste des Darm daches infolge Wucherung der entodermalen Zellen; in seinen hinteren Teilen bilde er sich in etwas anderer Form, indem hier das Darmdach bedeutend dieker sei und nur eine Abspaltung, wie ein Ausschnitt entstehe. Der kleine Kopfteil entstehe erst später und vergehe bald wieder. Nach Selbständigwerden des Stranges sah er noch am Vorderende des Rumpfteils einen stiel- förmigen Zusammenhang mit dem Entoderm. Die Abschnürung vom Darmdach erfolge, abgesehen von diesem Stiele, von vorne nach hinten, und ebenso die bald nach Erreichung völliger Selbständigkeit beginnende Rückbildung. In der Zeit seiner höchsten Ausbildung reiche das Organ von der Höhe der Ge- hörbläschen, etwas hinter dem Vorderende der Chorda beginnend, bis fast zum Ende des Schwanzes, bis zum Ende des Schwanz darmes. Vor dieser Zeit bereits schieben sich die primitiven Aorten zwischen Hypochorda und Darm. Irsend eine Bedeutung weiss er dem Organe nicht zu geben, auch nicht die, dass aus ihm das ventrale Längsband der Wir- belsäule entstehe, wie seiner Angabe nach Salensky und Bridge vermutet hatten. Ebensowenig stimmt er einer von ihm ceitierten Chordascheiden und Hypochorda. 85 Ansicht Eisigs bei, der die Hypochorda mit dem dorsalen Nebendarm bei Chätopoden verglich. Wesentlich und neu ist die Angabe Balfours, dass er enge, spaltförmige Fortsätze der Darmhöhle sich in die Hypo- chorda während ihrer Abschnürungszeit habe erstrecken sehen. 1859 gab Rabl (46) in seiner „Theorie des Mesoderms‘“, ebenfalls für Selachier, folgendes an. Bei einem Embryo von 17 Urwirbeln sah er eine segmentale Entstehung der Hypochorda vom 3.—7. Urwirbel. Die Segmente verschmolzen am vorderen Teile sehr schnell, so dass nur noch das regelmässige Zu- und Abnehmen des Volumens auf die Art der Entstehung hindeu- tete. Ein Lumen sah er niemals. Ausserdem schilderte er das Verhalten des Vorderendes zu dem Aortensinus (Rückerts Kopf-Sinus). Letzterer liege dicht hinter dem zum Rachenepithel hingebogenen vorderen Chorda- ende und bezeichne die Stelle, hinter welchem der Beginn der Hypochorda sich finde. Der hier anfangende Kopfteil höre dann in der Höhe der Ohrbläschen auf, und es beginne der zusam- menhängende hypochordale Strang erst am Hinterende des Kopfes wieder. Die Loslösung des Rumpfteiles schreite schnell von vorne nach hinten fort mit Ausnahme einer noch länger be- stehenden Verbindung des vorderen Rumpfteils mit dem Ento- derm. Bei der Vereinigung der Aorten im Alter vun 34—35 Ur- wirbeln bilden sich noch verschiedene Inseln, wo die Gefässe erst etwas später einfach werden. Über ältere Zustände der Hypochorda habe ich bei ihm nichts gefunden. Aus den Arbeiten von Klaatsch ist zu erwähnen, dass derselbe die Vermutuug ausspricht, dass die Zellen der Hypo- chorda sich vielleicht zu dem perichordalen Bindegewebe gesellen. Andererseits bringt er dieselben vermutungsweise in engeren Zusammenhang mit dem ventralen Längsband der Wirbelsäule. Im April 1895 erschien eine Arbeit von Field (10), welche von Stöhr noch nicht erwähnt ist. Dieselbe bezieht sich hauptsäch- 86 ALFRED BERGFELDT, lich auf Amphibien, auch Alytes, und enthält mehrere wichtige Angaben. Eine eigentliche segmentale Anordnung konnte Field bei der Bildung der Hypochorda nicht sehen, er vermutete die- selbe jedoch auf Grund regelmässiger Volumschwankungen des Organes, welche zuweilen der Myomereinteilung entsprachen. Die Hypochorda beginnt zuerst in der Vornierengegend und nimmt von da aus nach vorn und hinten zu. Anfangs hängt sie an beiden Enden noch mit dem Entoderm zusammen, später wird sie ganz frei. Bei Amblystoma wird zuweilen ein vorderes, in der Höhe der Gehörbläschen gelegenes Stück selbständig an- gelegt. Verhältnismässig spät fand er noch in der Höhe des 2. Myomers eine Verbindung mit dem Entoderm, welche hier eine Aorteninsel bedingte. Im ganzen bleibt das Vorderende weit hinter dem Vorderende der Chorda und geht nicht ganz bis zur Höhe der Gehörbläschen nach vorn. Der kaudale Teil entsteht als Leiste des Schwanzdarmes. Während der Ausbildung der häutigen Wirbelsäule ver- schwindet sie von vorne nach hinten, indem sie von Bindegewebe umflossen wird. Ein Anteil an der Bildung irgend eines bleibenden Organes sei ihr wohl nicht zuzuschreiben. Field ist der erste, welcher bei ihr eine Kutikula gesehen hat, ähnlich der ersten Chordahülle. Auch er denkt an eine Analogie des Gebildes mit dem dorsalen Nebendarm, den seiner Angabe nach Ehlers bei Borstenwürmern fand. Hasse vermutet die Bedeutung der Hypochorda darin, dass von ihr her das skeletogene Gewebe entstehe, entscheidet sich jedoch später für Abstammung des letzteren von der Gefässcheide der Aorten. Stöhrs Angaben über Rana temporaria werde ich unmittelbar im Zusammenhang mit meinen eigenen Ergebnissen besprechen und mit denselben vergleichen. Wenn ich dabei mehrfach zu anderen Resultaten gelange als Stöhr, so enthalten die dabei Chordascheiden und Hypochorda. 87 entstehenden Gegensätze natürlich durchaus keinen Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben, sondern stellen zunächst nur eine Verschiedenheit der Zustände bei Rana und Alytes fest. Dass solche Verschiedenheiten in gewissem Grade thatsächlich bestehen, beweisen mir meine eigenen Erfahrungen an Rana- Material. Befunde bei Alytes. Das Material, welches ich zur Darstellung der Chordaent- wickelung in dem I. Teile meiner Arbeit benutzt habe, ist zum grössten Teile identisch mit den zur Darstellung der Hypo- chordaentwickelung erforderlichen Altersstufen, und beide Teile stehen so in engster Wechselbeziehung zu einander. So enthält auch die Serie, welche ich dort als jüngste benutzt habe, die frühesten Zustände der Hypochorda, und verweise ich daher in bezug auf die näheren Altersangaben auf das an obiger Stelle Gresagte. Genau gleichzeitig mit dem Selbständigwerden der Chorda beginnen auch schon die ersten Spuren der Hypochorda sich zu zeigen. In dem Entoderm des Darmdaches tritt eine Spalt bildung auf, welche das Bestreben zeigt, in der dorsalen Mittel- linie eine schollenförmige Platte abzuheben. Dieser Spalt findet sich auf etwa 10—13 Schnitten aus der Höhe des 2.—4. Myomers und ist zunächst sehr unscheinbar, so dass man im Zweifel sein könnte, ob er nicht eine künstliche Zusammenhangstrennung darstelle. Jedoch zeigt eine Serie aus fast derselben Zeit, mit einem Myomer mehr als die allerjüngste, mit Sicherheit, dass dieser Spalt wirklich in dem angegebenen Sinne zu deuten ist. Hier ist die Hypochorda in Form eines platten, etwa drei Zellen breiten und eine Zelle hohen Stranges bereits selbständig ge- worden, und in den unmittelbar an solche Teile anschliessenden 88 ALFRED BERGFELDT, Schnitten begegnen wir wiederum Bildern (Fig. 1), welche genau in derselben Weise die Abhebung der Hypochordaplatte zeigen. Die selbständig gewordene Hypochorda findet sich hier (Fig. 2) auf je 3--4 Schnitten aus der Höhe des 4., 5. und 6. (letzten) Myomers, zusammen also auf etwa 12 Schnitten. In dieser Zeit sehen wir also nicht sowohl eine wulstige, durch Zellwucherung des Entoderms hervorgerufene Hypochordaleiste, wie wir sie später zu anderen Zeiten und an anderen Stellen finden werden, sondern das Verhalten ist ähnlich, wie es Balfour für das Hinterende bei Elasmobranchiern genauer beschrieben hat. Es kommt höchstens zu einer nur wenig über das Niveau des übrigen Entoderms hervortretenden Platte von ziemlicher Breite und geringer Höhe. Der eigentliche Eindruck ist der einer scholligen Abhebung von etwa der Hälfte der Höhe des Darmdaches, welche in der Gegend des zweiten und letzten Myomers noch in Zusammenhang mit dem Darmdach steht. Zu dieser Zeit bereits hat die Hypochorda eine Hülle, bestehend aus einer äusserst feinen, stark lichtbrechenden Membran. Mit dem sehr schnell fortschreitenden Wachstum des Schwanzes und des alsbald auftretenden Schwanzdarmes ver- längert sich auch die Hypochorda nach hinten, gleichen Schritt haltend (Fig. 7), und bildet sich hier aus den dorsalen Zellen des Schwanzdarmes in der Form einer Leiste, eines rundlichen Wulstes, entstanden durch Zellwucherung. Sie löst sieh sehr schnell los und wird erst später platt oval, wie auch sonst im Verlaufe am Rumpfe. Ähnlich steht es mit dem nach dem Kopfe zu wach- senden Teile des Organes. Hier ist die Decke der Darmhöhle dünner, als sie an den mittleren Partien des Rumpfes auch später noch ist. Daher tritt auch an Stelle der einfachen Ab- hebung eine Zellvermehrung und Bildung eines Wulstes ein, welcher der Abschnürung der Hypochorda vorangeht. 7) Taf. II. Anat. Hefte.IAbtheilung. Heft 21.(7.B ne) Lith. Anst.v. C.Kirst, Leipzig Verlag v. J.F.Ber&mann, Wiesbaden. Chordascheiden und Hypochorda. 89 Aber nicht nur durch den dauernden, am Vorder- und Hinterende bis zum Höhepunkt der Entwickelung bestehenden Zusammenhang mit dem Entoderm, sondern auch durch eigenes Längenwachstum, welches in dieser Zeit durch mehrfache, in der Hypochorda sich findende Kernteilungsfiguren bezeugt wird, findet die schnelle Vergrösserung des Stranges statt, entsprechend dem Wachstum des embryonalen Körpers. Das alsdann auftretende perichordale Bindegewebe ver- schärft nunmehr die Trennung der Hypochorda vom Darm, indem es sich mit den primitiven Aorten zwischen beide schiebt. Bald fliessen die zwei Gefässe zu der definitiven Aorta zusammen, und die gegenseitige Lagerung von Rückenmark, Chorda, Hypo- chorda, Aorta und Darm ist festgelest (Fig. 6). Die Hypochorda bleibt dicht an der ventralen Fläche der Chorda angeschmiegt und nimmt der Convexität der letzteren entsprechend, etwas platt werdend, eine bohnen- oder nieren- förmige Gestalt an (Fig. 6), ihrerseits wiederum mit ihrer konvexen ventralen Fläche die dorsale Aortenwand etwas nach dem Ge- fässlumen hin vorbuchtend. Im Schwanze sind die Lageverhältnisse ganz entsprechend, nur dass der Schwanzdarm die Stelle des Darmes einnimmt. Der Querschnitt der Hypochorda wird kaudalwärts immer kleiner, sie wird zur Leiste des Schwanzdarmes (Fig. 7), (auf den letzten Schnitten verschwindet das Schwanzgefäss), Hypochorda und Schwanzdarm fliessen zusammen und zuletzt bilden Schwanz- darm, Hypochorda, Chorda und Rückenmark für die allerletzten Schnitte eine indifferent erscheinende Zellmasse. Dieser nicht differenzierte Zellkomplex findet sich an dieser Stelle, solange noch Spuren der Hypochorda bestehen. Das Vorderende der Hypochorda überschreitet niemals die Höhe des 1. Myomers dicht hinter den Gehörbläschen. Weiter vorne in der Höhe der letzteren finde ich einen Hypochorda- 90 ALFRED BERGFELDT, haufen nur in einer Serie von 14 Rumpfmyomeren; derselbe zeigt einen leistenförmigen Zusammenhang mit dem Rachen- epithel. Seine höchste Entwickelung erreicht der hypochordale Strang (zwischen Fig. 6 und 8) zu der Zeit, wo die bindegewebige Scheide der Chorda gut charakterisiert ist und eben beginnt sich auch zwischen Ohorda und Hypochorda einzuschieben. Nun- mehr sind wir aber auch nicht mehr weit von dem Beginn des Verfalles angelangt. Das perichordale Bindegewebe (Fig. 8) legt sich in der folgenden Zeit auch um die Hypochorda allmählich in mehrfacher Schicht, nicht jedoch so, dass eine regelmässige Scheide entstünde, sondern vielmehr so, dass man den Eindruck erhält, dass es auf dem Wege sei, die Hypochorda einzuschnüren und zu erdrücken. Die Kerne der Hypochorda zeigen schon Zerfallserschein- ungen, sind seltener, weniger gut färbbar, und es finden sich öfters Kernfragmente. Der eigentliche Untergang des Organes beginnt vorne und geht hier schnell vor sich. Bald finden wir vorne und am Rumpfe nur noch einzelne, durch eine grössere Zahl von Schnitten von einander getrennte Häufchen von Dotterplättchen, welche, in einer dichten Hülle von Bindegewebe eingeschlossen, noch den Ort der Hypochorda bezeichnen. Schliesslich lassen sich diese Reste nur noch mit Sicherheit in Serien nachweisen, bei welchen z. B. mit Cochenille-Alaun oder Eosin die Dotterplättchen besonders hervorgehoben sind. Am längsten finden wir noch zusammenhängende Hypochordateile im Schwanz der Tiere; aber auch hier verschwinden sie zu der Zeit, wo der Darm sich einige- male gewunden hat und die sekundäre kutikulare Chordahülle deutlich ausgebildet ist. Dieses ist in Umrissen die Geschichte der Hypochorda bei Alytes. Nunmehr habe ich noch eine Reihe von Einzel- heiten anzuführen, bei denen ich hauptsächlich auch diejenigen Chordascheiden und Hypochorda. 91 Punkte berücksichtigen werde, in welchen ich auf die bei Stöhr über Rana veröffentlichten Beobachtungen Bezug nehmen kann. Segmentierung. Was zunächst die myomere Anordnung der Hypochorda- Segmente in der Zeit der Entstehung des Organes betrifft, so finde ich bei Alytes, wenn ich es so ausdrücken darf, viel ein- fachere Verhältnisse als Stöhr bei seinem Material. In den beiden frühesten der erwähnten Stadien scheint es beinahe so, als ob eine solche segmentale Entstehungsweise vorhanden wäre, allein es fehlt bei Alytes jede Berechtigung anzunehmen, dass die Loslösung dieser Segmente in der Weise vor sich gehe, dass jedesmal ein Segment mit seinem vorderen Ende noch einige Zeit am Darmdache hafte, während es nach hinten zu frei werdend einen gewissermassen rückwärts gerichteten, frei endigen- den Haken bilde. Diese immerhin recht weitgehende Selb- ständigkeit der einzelnen Segmente scheint nach Stöhrs Dar- stellung bei Rana dahin führen zu können, dass ein solches freies hinteres Ende eines Segmentes sich zuweilen auf das am Entoderm noch festhaftende Vorderende des nächsten Segmentes dachziegellörmig auflagern kann. Bei Alytes ist dieses ausge- schlossen und damit auch die Möglichkeit, dass man einen doppelten Hypochordaquerschnitt erhalten kann, welcher das hintere und das vordere Ende zweier aufeinanderfolgenden Seg- mente gleichzeitig getroffen hätte. “Das einzige, was in etwas späterer Zeit noch auf eine seementale Entstehungsweise der Hypochorda hindeuten könnte, ist der Umstand, dass ich bei einer Serie von 13 Rumpfimyo- meren eine deutliche Volumschwankung des Organes habe fest- stellen können, welche von dem 1.—7. Myomer eine ziemlich genaue Übereinstimmung mit der Urwirbelgliederung zeigt. Bei zwei anderen nur wenig älteren Tieren findet sich diese Über- einstimmung nur in der Höhe des 3.— 5. bezw. des 2.—6. Myomers. 92 ALFRED BERGFELDT, Mit Sicherheit ist jede Andeutung einer segmentalen Ent- stehungsweise in der Schwanzgegend zu verneinen, wo sie sich, wenn sie vorhanden wäre, mit besonderer Deutlichkeit beobachten lassen müsste. Rudimentäre Teile am Vorderende. In den kranialwärts gelegenen Schnitten finde ich in einigen wenigen Serien von 12—16 Myomeren des Rumpfes einzelne (je 1—2) mit dem fortlaufenden Rumpfteile des Stranges nicht zusammenhängende, sondern durch je 1—2 Schnitte unter sich und von dem eigentlichen Hypochordalstrang geschiedene Hypo- chordastücke. Dieser Befund ist sehr inkonstant und konnte ich nicht mit Sicherheit feststellen, ob diese Stücke mit dem Entoderm Zusammenhang haben oder nicht. Es sind dieses jedenfalls Zeichen eines rudimentären Zustandes des vorderen Hypochorda- teiles, wobei ich mich weder für noch gegen eine Anwendung der Stöhrschen Erklärung auf Alytes aussprechen kann, dass diese Bruchstücke entstanden seien durch ein kranialwärts ge- richtetes Wachstum des vordersten Rumpfendes der Hypochorda mit folgendem schnellen Zerfall dieses ohne direkten Zusammen- hang mit dem Entoderm vorgetriebenen Stückes. Es könnte sich ja auch einfach handeln um einzelne selbständig entstandene Stücke des Stranges, welche bei ihrer rudimentären Entwickelung vor ihrem schnellen Vergehen nicht mehr mit dem Rumpfteile haben in Verbindung treten können. Brücken. üinen besonderen Nachdruck legt Stöhr auf das Verhalten der Aorten, indem er dasselbe in engsten Zusammenhang bringt mit der segmentalen Entstehung der Hypochorda. Kurz gesagt, führt er die vielfach zu beobachtende Inselbildung bei der Ver- einigung der primitiven Aorten zurück auf längere Zeit bestehende Verbindungsbrücken von der Hypochorda nach dem Entoderm. Für diese Brücken und demnach auch für die Aorteninseln Chordascheiden und Hypochorda. 95 giebt er bei mehreren Tieren verschiedenen Alters ziemlich kon- stante Fundgegenden an, so jedoch, dass auch eine oder die andere dieser Brücken fehlen kann, oder an anderer, ungewöhn- licher Stelle eine Brücke auftritt, oder auch zwei benachbarte zusammenfliessen können. Am konstanstesten seien diese Brücken am Vorderteil. Ich habe bei meinem Material einerseits eine solche, immerhin doch recht schwankende Gesetzmässigkeit der Anordnung der Gefässinseln nicht sehen können und andererseits auch nicht festzustellen vermocht, dass diese Inselbildungen in so engen Zusammenhang zu bringen seien mit Brückenbildungen oben beschriebener Natur. Brücken habe ich, wie schon bemerkt, nur am Hinterende, so lange die Hypochorda besteht, und vorne bis zu einem Alter von ungefähr 16 Rumpfmyomeren etwa in der Höhe des 2. oder auch des 3. Myomers gesehen. Ich nehme vielmehr an, dass die Vereinigung der beiden Aortenstämme von hinten nach vorne fortschreitet, ohne genau kontinuierlich zu sein, so dass sie aus nicht näher zu erkennenden Gründen an einzelnen Stellen etwas länger ausbleibt als im übrigen Verlauf der Gefässe. Kopfteil. In einer der Serien von 14 Rumpfmyomeren finde ich in der Höhe der Ohrbläschen, bis wohin sonst die Hypochorda niemals reicht, einen Zellhaufen in 3 aufeinanderfolgenden Schnitten, welchen ich geneigt bin, mit dem „Kopfteil‘“ zu identi- fizieren, welchen Balfour, Rabl, Stöhr und Field an ihrem Material gesehen haben. Derselbe steht entsprechend der Schilde- rung dieser Forscher, leistenförmig mit dem Rachenepithel in Verbindung und ist in dieser einzigen Serie, wo ich ihn gefunden habe, durch einen erheblichen Zwischenraum von dem Rumpf- teil geschieden. Er kann nur kurze Zeit bestehen, und ver- geht wieder, ohne Anschluss an den Hauptteil erlangt zu haben. 94 ALFRED BERGFELDT, Seiner Lage nach ist er nicht zu verwechseln mit den an anderer Stelle beschriebenen Rudimenten des vorderen Rumpfteiles der Hypochorda. Schwanzdarm. Das Schwanzende der Hypochorda finden wir im engsten Zusammenhang mit dem bei Alytes gut entwickelten Schwanz- darme, welcher ganz ähnliche Verhältnisse zeigt, wie sie z. B. bei Rana temporaria von Robinson und Assheton u. a. und zuletzt von Stöhr beschrieben worden sind. Ein Lumen besitzt der Schwanzdarm nur auf einer ganz kurzen Strecke und in der ersten Zeit seines Auftretens (Fig. 7). In einer der Serien von 14 Rumpfmyomeren reicht dasselbe 10 Schnitte nach rückwärts von dem Abgange des Schwanz- darmes, in anderen nur 4—6 Schnitte; im den meisten Serien aus dieser und der nächsten Zeit findet sich nur eine stumpfe Ausbuchtung des Darmlumens nach hinten. Er folgt in gleichem Tempo der Ausbildung des Schwanzes, indem er einen ziemlich starken Zellstrang darstellt von ganz demselben histologischen Charakter, wie ihn die Zellen seines Mutterbodens, des Entodermes, zeigen. Er liegt in der Mittel- linie etwas mehr nach der ventralen Hälfte hin, anfangs dicht unter der Chorda, später dicht unter der Hypochorda, bezw. dem grossen Schwanzgefäss. Diesen im ganzen lumenlosen Zellstrang als „Darm“ zu be- zeichnen, dafür liegt wohl ein Teil der Berechtigung auch mit in dem Umstande, dass er die Schwanzhypochorda liefert, eine direkte Fortsetzung der vom Darmentoderm stammenden Rumpf- hypochorda. Genau soweit wie die selbständige Hypochorda nach hinten reicht, geht auch die gleich anfangs einfache Schwanzaorta und ınan könnte fast zu der Anschauung hinneigen, dass das Gefäss mit seinem Wachstum zur Ablösung des Stranges beitrage, wenn Chordascheiden und Hypochorda. 95 man nicht vielmehr sagen möchte, dass das Gefäss in den durch Abspaltung der Hypochorda frei gewordenen Raum hineinwachse. Seine grösste Entwickelung erreicht der Schwanzdarm zu einer Zeit, wo die Hypochorda bereits wieder in völligem Rück- gange begriffen ist, wie ich im Gegensatz zu Stöhrs schema- tischer Fig. 9, Tfl. X betonen möchte, die für Rana andere Verhältnisse angiebt. Nicht viel später tritt alsdann eine mehrfache Unterbrechung seiner Kontinuität ein, indem die ventral von ihm verlaufende grosse Vena subintestinalis durch mehrfache Äste von oben her ihn unterbricht, allmählich ihn immer mehr unscheinbar macht und zerbröckelt. Diese Rückbildung fällt in die Zeit gegen Ende des Längenwachstums des Tieres. Lumen. Eine weitere interessante Frage ist die nach dem Vor- kommen von Hohlräumen in der Hypochorda. Ich kann mit Bestimmtheit versichern, dass solche bei Alytes sich niemals finden; weder in den frühesten noch in den späteren Zeiten sind auch nur Andeutungen davon vorhanden. Die äussere Form des ersten Auftretens der Hypochorda habe ich deshalb genauer beschrieben, weil schon aus dieser Schilderung hervorgeht, dass es gar nicht wahrscheinlich ist, dass mit dem Darme in Be- ziehung stehende Hohlräume zu finden seien. Die Darmhöhle tritt bei den frühesten Stadien überhaupt nicht in Berührung mit den zur Hypochorda werdenden Zellen. Aber auch später am Hinter- und am Vorderende ist niemals etwas zu sehen von einer Beteiligung des Darmes in Form dorsalwärts gerichteter Divertikel. Auch sind versprengte Hohlräume im Verlaufe des Stranges selbst nicht vorhanden. Hülle. Die Hypochorda besitzt eine eigene Hülle bereits in einer sehr frühen Zeit (Fig. 4 und 5), in dem Alter, welches ich bei 96 ALFRED BERGFELDT, der Chordaschilderung als zweites benutzt habe. Diese Hülle ist ausserordentlich fein und bietet ganz ähnliche Verhältnisse wie die primäre Hülle der Chorda. Sie ist ebenfalls genau analog nur von den Hypochordazellen abzuleiten, da noch kein peri- chordales Bindegewebe besteht, von dem sie eventuell abstammen könnte. Diese Hülle wurde bis jetzt nur von Field beschrieben. In späterer Zeit finde ich sie nur in wenigen Serien deutlich, da bei der Feinheit der Hülle, welche an Stärke kaum wesent- lich zunimmt, nur Schnitte mit günstig retrahiertem Gewebe sie eut hervortreten lassen. Die zur Hervorhebung der primären Cutieula chordae besonders geeigneten Färbungen haben auf die Hypochordahülle keine Wirkung. Zellform. Höhezeit. Verfall. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwickelung ist die Hypochorda ein ganz ansehnlicher Strang. Ihre Zellen haben sich gegen die erste Zeit kaum geändert, so dass man sie eigentlich während der ganzen Zeit ihres Bestehens an ihrem, den entodermalen Ur- sprung deutlich verratenden Aussehen leicht erkennt. Die Zellen sind gross, rundlich, mit grossen, nur wenig zerfallenden Dotter- plättchen gefüllt. Die Kerne stehen, was Grösse und Färbbar- keit betrifft, etwa in der Mitte zwischen denen der Chordazellen in der früheren protoplasmatischen Zeit und denen des früheren Bindegewebes. In der Zeit der Rückbildung finden sich an Protoplasma und Kernen (Fig. 8) die gewöhnlichen Zeichen des Verfalles. Kernteilungsfiguren fehlen bereits in der ganzen vorausgehenden Zeit völlig. Bedeutung der Hypochorda. Zuletzt haben wir nun noch die Frage aufzuwerfen, welche Bedeutung die Hypochorda für den embryonalen Körper und dessen Organe hat, ob irgend ein Bestandteil der Gewebe auf Chordascheiden und Hypochorda. 3X sie zurückzuführen ist. Diese Frage glaube ich auf Grund meines Alytes-Materials mit Sicherheit verneinen zu können. Niemals sind Zellen zu sehen, welche einen Übergang zeigen von den stark dotterhaltigen, charakteristischen Hypochordazellen zu dem Typus der Bindegewebszellen, wie sie in der Umgebung sich finden. Es ist daher bestimmt auszuschliessen, dass auch nur ein Teil des perichordalen Bindegewebes oder sonst irgend eine bindegewebige Anlage von der Hypochorda aus gebildet oder unterstützt werde. Auch irgend eine Beziehung dieser Art zu ihrer bindegewebigen Hülle, welche später als das ventrale Längs- band der Wirbelsäule vorliegt, ist bei Alytes aus demselben Grunde auszuschliessen. Andererseits ist es auch durch eben diese starke Hülle un- möglich geworden, dass Hypochordazellen unbemerkt in die Nachbarschaft auswandern können und so irgend eine Organ- bedeutung erhalten. Ich habe also aus meinem Alytes-Material als Ergebnis er- halten, dass die bisher aufgestellten Ansichten und Vermutungen über die Organbedeutung der Hypochorda wenigstens für Alytes keine Berechtigung haben. Vielmehr werden hier die Hypo- chordazellen als solche sicher nicht zum Aufbau irgend eines bleibenden Organes verwandt. Welche phylogenetische Bedeutung das rätselhafte Organ besitzt, darüber müssen wir erst weitere Untersuchungen ab- warten, welche wohl nur durch Erforschung niedriger stehender Tiere Licht schaffen können, da bei Fischen und Amphibien die Hypochorda bereits allem Anscheine nach recht weit zurück- gebildet ist. In dieser Richtung scheimt ein Vergleich der Stöhrschen Befunde bei Rana temporaria mit den meinigen bei Alytes obstetricans dafür zu sprechen, dass wir bei letzterem eine Entwickelungsstufe des Organes vor uns haben, welche einer höheren Organisation des Tieres und damit einer weiter- geschrittenen Rückbildung der Hypochorda entspricht. Anatonische Hefte. I, Abteilung. Heft XX1 (7. Bd. H. 1). 7 Litteratur. 1. Albrecht, Sur les spondylocentres epituitaires du cräne, la non-exi- stance de la poche de Rathke et la presence de la chorde dorsale et de spondylocentres dans le cartilage de la choison du nez des vertebres. — So- ciete d’anatomie pathologique de Bruxelles. 2. — Vergleichend anatomische Untersuchungen. 1886. 3. Balfour, A monograph on the development of Elasmobranch fishes London 1878. 4. — A treatise of comparative embryologie 1881. 5. Balfour and Parker, On the structure and development of Lepi- dosteus. Philos. transactions 1882. 6. Cartier, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. XXV, 1875. 7. Claus, Über die Herkunft der die Chordascheide der Haie begrenzenden äusseren Elastika. Sitz. d. Wiener Akad. 4. V. 1894. 8. Dursy, Zur Entwickelungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbeltiere. 1869. 9. von Ebner, Über den feineren Bau der Chorda dorsalis von Myxine nebst weiteren Bemerkungen über die Chorda von Ammocoetes. Sitz.-Ber. d. kais. Akad. d. Wiss. zu Wien 1895. 10. Field, Bemerkungen über die Entwickelung der Wirbelsäule bei den Amphibien ete. Morphol. Jahrbuch XXII, April 1895. 11. Froriep, Bemerkungen zur Frage nach der Wirbeltheorie des Kopf- skeletts. Anat. Anzeiger 1887, Nr. XXVII. 12. Gegenbaur, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien. 1862. 13. — Über die Entwickelung der Wirbelsäule bei Lepidosteus. Jenaische Zeitschr. 1867. 14. — Das Kopfskelett der Selachier. 1872. 15 Goette, Kurze Mitteilungen aus der Entwickelungsgeschichte der Unke. Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. IX, 1873. 16. — Entwickelungsgeschichte der Unke. 1875. Litteratur, 99 17. Goette, Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skelettsystems der Wirbeltiere. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XV u. XVI, 1879 u. 1880. 18. Goronowitsch, Studien über die Entwickelung des Medullarstranges bei Knochenfischen nebst Beobachtungen über die erste Anlage der Keimblätter und die Chorda bei Salmoniden. — Morphol. Jahrbuch 1885. 19. Grassi, Beiträge zur näheren Kenntnis der Entwickelung der Wirbel- säule der Teleostier. — Auszug in Morph. Jahrbücher, 1883. 20. Hasse, Entwickelung der Wirbelsäule von Triton taen. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 1392. 21. -—- Entwiekelung der Wirbelsäule von ungeschwänzten Amphibien. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 1892. 22, — Entwickelung der Wirbelsäule von Elasmobranchiern. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 1892. 23. — Entwickelung der Wirbelsäule von Dipnoern. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 1892. 24. — Entwickelung der Wirbelsäule von Ganoiden. Ze tschr. f. wissensch. Zoologie, 1893. 35. — Entwickelung der Wirbelsäule von Cyclostomen. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, 1893. 26. Klaatsch, Beiträge zur vergl. Anatomie d. Wirbelsäule I. Morphol. Jahrb. 1893. 27. — Beiträge zur vergl. Anatomie d. Wirbelsäule II. Morphol. Jahr- buch, 1893. 38. — Beiträge zur vergl. Anatomie d. Wirbelsäule III. Morphol. Jahrbuch, 1895. 29. Kölliker, Über die Beziehungen der Chorda dorsalis zur Bildung der Wirbel der Selachier und einiger anderen Fische. Würzburger physik.- mediz. Gesellschaft 1559. 30. — Weitere Beobachtungen über die Wirbel der Selachier ete. Ab- handl. der Senckenbergschen Gesellschaft zu Frankfurt a. M., 1864/5. 31. — Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. 32. -- Kritische Bemerkungen zur Geschichte der Untersuchungen über die Scheiden der Chorda dorsalis. Würzburger physik.-mediz. Gesellsch , 1872. 33. — Herrn Paul Albrecht zum letztenmale. Würzb. phys. med. wesellsch., 1885. 34. Leydig, Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwickelungs- geschichte der Rochen und Haie. 1852. 35. — Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Rep- tilien. 1853. 36. — Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Tiere. 1857. 37. Lotz, Über den Bau der Schwanzwirbelsäule bei Salmoniden. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie Bd. XIV. 38. Lwoff, Vergleichend anatomische Studien über die Chorda und die Chordascheiden. Bulletin de!la Soc. imper. des naturalistes de Moscou 1887. 39. — Die Bildung der primären Keimblätter und die Entstehung der Chorda und des Mesoderms bei den Wirbeltieren. Ebenda 1894. 7* 100 Litteratur. 40. Mihalkowies, Wirbelsaite und Hirnanhang. Archiv f. mikr. Anat. XI, 1875. 41. Müller, Joh., Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Verh. d Berliner Akad., 1834. 42. — Über den Bau und die Grenzen der Ganoiden. Ebenda 1844. 43. Müller, W., Über den Bau der Chorda dorsalis. Jenaische Zeit- schrift 1871. 44. Paulisch, Das vordere Ende der Chorda dorsalis und der Frank sche Nasenkamm. Archiv f. Anat. und Physiologie. 1887. 45. Rabl, €, Über die Bildung des Mesoderms. Anat. Anz. 1888. 46. — Theorie des Mesoderms. Morphol. Jahrbuch 1889. 47. Rabl-Rückhard, Das gegenseitige Verhältnis der Chorda, Hypo- physis und des mittleren Schädelbalkens bei Hay-Embryonen. Morphol. Jahrb. 1831. 48. — Zur Deutung und Entwiekelung des Gehirns der Knochenfische. Arch. f. Anat. und Physiologie, 1882. 49. — Zur Albrecht-Köllikerschen Streitfrage über das vordere Ende der Chorda dorsalis. Anat. Anz. 1886. 50. Retzius, Einige Beiträge zur Histiologie und Histiochemie der Chorda dorsalis. Arch. f. Anat. und Phys. 1881. 51. Robinson and Assheton, The formation and fate of the primitive streak etc. of Rana temporaria. Quart. journ. of mier. science 1891. Vol. 32, part. 4. 52. Scheel, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Teleostier-Wirbel- säule. Morphol. Jahrb. XX, 1893. 53, Schmidt, V., Die Entwickelung des Hinterendes der Chorda dor- salis bei Siredon pisciformis. St. Petersburg 1891. 54. — Das Schwanzende der Chorda dorsalis bei Wirbeltieren. Anat. Hefte, 1893. 55. Schneider, Beiträge zur vergl. Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Wirbeltiere, 1879. 56. Semper, Die Stammesverwandtschaft der Wirbeltiere und der Wirbel- losen. Arb. aus d. zool.-zoot. Institut zu Würzburg, 1875. 57. Stöhr, Über die Entwiekelung der Hypochorda und des dorsalen Pankreas bei Rana temporaria. Morphol. Jahrb. XXI, 1895. Tafel-Erklärung. Tafel LI. Die angewendeten Bezeichnungen sind folgende: H — Gehirn. | ] = primäre kutikulare Chordahüille. R —= Rückenmark. | 2 — bindegewebige Chordahülle. En = Entoderm. 3 — sekundäre kutikulare Chorda- 4 — Aorta. hülle. 1)°— Darm. | Heh — Hypochorda. Ch — Chorda. * — Hypochordahülle. Figuren. Fig. 1. Vergrösserung: 60 fach. Embryo von sechs Urwirbeln. Schnitt aus der Höhe des letzten Myomers, zeigt die schollenförmige Platte bei Ab- spaltung der Hypochorda. Das Mesoderm tritt nur seitlich näher an die be- reits mit der primären Kutikula versehene Chorda heran. Fig. 2. Vergrösserung: 200 fach. Dieselbe Serie. Schnitt nur wenig nach vorn von Fig. 1. Zeigt die selbständig gewordene Hypochorda. Fig. 3. Vergrösserung: 60 fach. Embryo von vier Urwirbeln mit weit offenem Blastoporus. Schnitt aus der Kopfgegend, zeigt die der Nacken- krümmung des Medullarrohres entsprechende Chordakrümmung durch doppelten Querschnitt derselben. Die Chorda hat die Form einer Leiste des Rachen- entoderms.. H = Mittelhirn. Fig. 4. Vergrösserung 100 fach. Embryo mit kleinem Körper, 14 Myo- meren Gesamtlänge. Zeigt die primäre Chordahülle und die Hypochordabülle geringe Retraktion der Gewebe). Das perichordale Bindeg ewebe schiebt sich nach der Mittellinie hin vor. Fig. 5. Vergrösserung: 400 fach. Embryo von 16 Rumpfmyomeren, Zeit der äusseren Kiemen. Der Schnitt zeigt günstige Retraktionsverhältnisse. Die Chorda ist vakuolisiert. Die ersten Bindegewebszellen lagern sich auf die primäre Cuticula chordae. Diese ist deutlich auch zwischen Chorda und Rückenmark bezw. Hypochorda zu sehen. Verhalten der Hypochordahülle entsprechend. Das Bindegewebe berührt nur die seitlichen Teile der Organe. 102 Tafel-Erklärung. Fig. 6. Vergrösserung: 200 fach. Übersichtsbild aus derselben Zeit wie Fig. 5. Anlagerung von Bindegewebszellen auf die primäre kutikulare Chorda- hülle. Die Hypochorda nahe der Höhe ihrer Entwickelung. Fig. 7. Vergrösserung: 200fach. Embryo von 14 Rumpfmyomeren. Hypochorda als dorsale Leiste des Schwanzdarmes, welcher hier drei Schnitte nach seinem Abgang noch mit Lumen versehen ist. Stellt zugleich das Lagerungsverhältnis des Schwanzdarmes dar. Die Schwanzaorta endet zwei Schnitte vorher. Fig. 8. Vergrösserung: 400 fach. Die Hypochorda im Beginn des Ver- falles zeigt die Bindegewebsumhüllung und Kernfragmente. Die Chorda be- sitzt eine deutliche primäre Kutikula und eine Bindegewebshülle, welche nun- mehr auch zwischen Chorda und Hypochorda eingelagert ist. Fig. 9. Vergrösserung: 400 fach. Embryo von 12 mm Länge. Die Hypo- chorda ist verschwunden. Nach innen von der primären Kutikula, zwischen ihr und dem Chordaepithel, hat sich die schnell zunehmende sekundäre Kutikula gebildet. Fig. 10. Vergrösserung: 400 fach. Larve von 41 mm Länge. Definitiver Zustand der Chordahüllen in der ersten Zeit der Anlage knorpeliger Wirbel- teile. Nach aussen von dem Chordaepithel liegt die starke gestreifte sekundäre, auf sie folgend die feine primäre kutikulare Hülle, zuletzt die gut entwickelte Bindegewebsscheide. a mr ÜBER STÜTZFASERN IN DER ZELLSUBSTANZ EINIGER INFUSORIEN VON R. S. BERGH KOPENHAGEN. Mit 9 Abbildungen auf Tafel IV. Taf W. Anat. Hefte. IAbtheilung Heft 4.(7.Ba.H1) Auf den folgenden Blättern werden einige eigentümliche Differenzierungen in der Zellsubstanz einiger Ciliaten beschrieben werden, welche von mir schon vor etwa sechs Jahren aufgefunden wurden, jedoch erst in diesem Frühjahr hinreichend genau stu- diert werden konnten. Es handelt sich um Fasersysteme, die als von stützender Natur angesehen werden müssen (die Gründe hierfür werden unten angeführt werden) und die bei den von mir untersuchten Formen eine ganz bestimmte topographische Anordnung zeigen. Frühere Beobachter haben diese Fasern, wie es scheint, nicht beobachtet, jedenfalls nur die von der Mund- lippe entspringenden, welche dann als Schlundstäbchen gedeutet wurden. Nur auf eine der trefflichen Lieberkühn’schen Ab- bildungen, die von Bütschli in sein Protozoönwerk aufge- nommen wurden, möchte ich hinweisen (Taf. 57, Fig. 5): bei diesem „Prorodon sp.“ scheint ein sehr ähnlich angeordnetes Fasersystem wie das von Spathidium spathula vorhanden zu sein‘). Ich bin indessen fest überzeugt, dass diese Fasersysteme 1) Bütschli, (Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Proto- zoa, III, pag. 1362) fasst die Verhältnisse so auf, als erstrecke sich bei der betreffenden Form der „Reusenapparat des Schlundes* bis ans Hinterende. Bei dieser Deutung wäre dıe Abbildung Lieberkühns als unkorrekt anzusehen, weil man deutlich zwei Fasersysteme unterscheiden kann: eines vom Vorder- ende, ein anderes vom Hinterende ausgehend (wie bei Spathidium). Ich bin indessen überzeugt, dass Lieberkühn ganz richtig. beobachtet hat. 106 R. S. BERGH, eine weitere Verbreitung haben, und gerade bei Gattungen der Holophryinen und Enchelinen wird die genauere Beachtung ihrer Anordnung von Nutzen sein können. Die Systematik der ge- nannten Gattungen liegt noch sehr im Argen, und wird ein künf- tiger Monograph den zu erwähnenden Verhältnissen seine Be- achtung schenken müssen. Die eine der von mir untersuchten Arten ist das längst bekannte Spathidium spathula (Enchelis spathula, O. F. Müll.!), Spathidium hyalinum Duj.?). Jedenfalls stimmt die von mir beobachtete Form so nahe mit den Abbildungen der Autoren (Dujardin, Lieberkühn?), Maupast) überein, dass ich an der Identität nicht wohl zweifeln kann, trotzdem die Be- schreibung von Maupas in einem sehr wesentlichen Punkt von meiner Darstellung abweicht. Schon Dujardin beschrieb an der Mundlippe eine grössere Anzahl „kleiner schwarzer Pünkt- chen“, über deren Bedeutung er sich nicht näher ausspricht; es sind dies wohl jedenfalls dieselben Gebilde, die von Maupas für einen Kranz von Trichocysten angesehen wurden. Ich habe nun bei der von mir untersuchten Form nie eine Spur von Trichocysten wahrnehmen können, finde wohl aber an der Lippe die von Dujardin beschriebenen Pünktchen wieder; dieselben sind aber weiter nichts als die Insertionsstellen der gleich zu erwähnenden Stützfasern an dem Ektoplasma der Mundlippe. Dieser Differenzpunkt von einem so bewährten Beobachter wie Maupas könnte Zweifel erwecken, ob wir wohl dieselbe Art untersucht haben; indessen möchte ich doch eher vermuten, dass 1) ©. Fr. Müller, Animalcula Infusoria. Hauniae 1786, pag. 4041, Tab. V, Fig. 19—20. 2) F. Dujardin, Histoire natur. des Zoophytes Infusoires 1841, pag. 458, Tab. VIII, Fig. 10—10a. 3) Bütschli, Protozoa (Bronns Klassen und Ordnungen der Tiere). Tab. LVIII, Fig. 10. 4) E. Maupas, Sur la multiplication des Infusoires cilies. Arch. de Zool. exp. et gen. Ser. 2 Tom. 6. 1888, pag. 246—248, Pl. XII, Fig. 9—13. Über Stützfasern in der Zellsubstanz einiger Infusorien. 107 Maupas sich in diesem Falle geirrt habe. Denn mein Spathi- dium stimmt sonst in allem Wesentlichen mit dem seinigen über- ein. Die Körperform ist sehr ähnlich (bei Individuen, die ge- hungert haben, ist die linke Seite konvex, die rechte konkav, vel. Fig. 2). In Fig. 1 ist ein Habitusbild des Tieres von der linken Seite bei ziemlich schwacher Vergrösserung gegeben. Der Anus liegt terminal, ebenso die kontraktile Vakuole (mehrere kleine Bildungsvakuolen); der Makronucleus ist lang, band- förmig, Mikronuclei fand ich 6—9. Bewimperung allseitig und gleichmässig. Ein Schlund fehlt sicher. Alles dies stimmt mit den früheren Angaben vollständig überein. Ob aber die ganze von der Lippe umgebene, längliche Spalte den Mund darstellt, oder ob dieser nur durch den hintersten Teil der Spalte vertreten wird (Maupas), kann ich nicht entscheiden, da ich die Nahrungs- aufnahme nicht beobachtet habe. Die Cyste (Fig. 6) weicht bei meiner Form ein wenig von der Beschreibung Maupas’ ab, welcher an derselben acht Längsfurchen angiebt: ich fand an derselben nur eine Anzahl grubenförmiger Depressionen, die keine solche Regelmässigkeit erkennen lassen. Die Stützfasern sind bei Spathidium spathula in fol- gender Weise im Körper verteilt; an der Mundlippe inseriert sich eine grosse Anzahl derselben; von hier aus strahlen sie bündel- weise divergierend nach hinten etwa bis an die Körpermitte, wo sie sich bündelweise an verschiedenen Stellen am Ektoplasma ansetzen. Auch am hinteren Körperende, in der Umgegend der kontraktilen Vakuole entspringen Bündel ganz identischer Fasern, die sich ebenfalls etwa nach der Körpermitte begeben, wo sie sich dem Ektoplasma ansetzen. Ausserdem verlaufen, so viel ich eben sehen kann, hie und da in der mittleren Körperregion einzelne Fasern schräg von einer Seite nach der anderen. Die Länge der Fasern beträgt nur etwa die halbe Körperlänge!). Vgl. hierzu Fig. 3. 1) Diese Verhältnisse sind nur an stark gepressten Individuen bei starker Vergrösserung zu sehen. 108 R. S. BERGH, Beim Spathidium spathula sind im Entoplasma oft zahlreiche Vakuolen vorhanden, und es ergiebt ein sehr zierliches Bild, wenn beim stark komprimierten Tiere die Stützfasern solchen Vakuolen angedrückt liegen (Fig. 4). Die Lippenfasern und die übrigen Fasern — die ebenso stark wie jene sind — zeigen hier den von mir probierten Chemikalien gegenüber ganz dasselbe Verhalten. Vom Wasser werden sie beim Zerfliessen des Tieres nicht gelöst; sie treten hierdurch ganz besonders deutlich hervor (vgl. Fig. 5), lassen sich ausserhalb des Körpers sehr gut isolieren. Durch Osmiumsäure und Pikrinsäure werden sie nicht zerstört; Pikrinsäure färbt sie nicht. Dagegen lösen sie sich sofort in 2°Joige Essigsäure. Von der anderen Art, bei der ich die Stützfasern und ihre topographische Anordnung genauer studierte, habe ich keine einigermassen entsprechende Beschreibung in der Litteratur finden können. Allerdings ist es manchmal schwer, aus den älteren, mit unvollkommenen optischen Hülfsmitteln ausgeführten Be- schreibungen und Abbildungen die Infusorienformen mit Sicher- heit zu erkennen, wenn sie nicht besonders in die Augen sprin- gende Kennzeichen aufweisen, was mit dieser Form nicht der Fall ist, die im Gegenteil habituelle Ähnlichkeit mit mehreren anderen Formen hat. Auch ist es schwer zu sagen, welcher Gattung sie einverleibt werden muss. Ich hielt sie anfangs für einen Prorodon; jedoch stellte sich dies als ein Irrtum heraus da die betreffende Art keinen wirklichen Schlund hat (ob meh- rere der gewöhnlich — auch noch von Bütschli — der Gattung Prorodon einverleibten Formen wirklich dieser Gattung ange- hörig sind, erscheint mir sehr zweifelhaft). Ich möchte die neue Form vorläufig als Holophrya Emmae aufführen; indessen bedarf, wie schon oben hervorgehoben, die Systematik dieser ganzen Gruppe einer gründlichen Revision, und wird dabei, wie ich betonen möchte, ein ganz besonderes Gewicht auf die Ver- Über Stützfasern in der Zellsubstanz einiger Infusorien. 109 hältnisse von Mund und Schlund zu legen sein. Denn die Existenz von vom Mundrande entspringenden Fasern schliesst keineswegs notwendigerweise die Existenz eines Schlundes in sich ein, wie man wohl bisher meistens angenommen hat. Es folgt nun eine kurze Beschreibung der neuen Art. Die Körperform ist bilateral-symmetrisch, die Rückenseite schwach konvex, die Bauchseite schwach konkav, das Hinterende zuge- spitz. Der Mund oval am Vorderende, doch ein wenig nach der Ventralseite verschoben; kein Schlund. Körperstreifung regulär; Bewimperung allseitig und gleichmässig. Ganz vorn an der Dorsalseite finden sich drei kurze Reihen von stärker vortretenden Papillen, die mittlere aus einer grösseren Anzahl als die seitlichen bestehend; dass die Cilien hier auch länger seien, könnte ich nicht behaupten. Der Makronucleus kann bandförmig oder rosenkranzförmig sein (bei einem Individuum zählte ich acht Glieder desselben). Mikronucleus einfach oder doppelt, dem Hauptkern anliegend, mit Membran und chroma- tischem Inhalt. Die kontraktile Vakuole liegt terminal; mehrere kleine Bildungsvakuolen. Das Entoplasma ist dunkelkörnig. Vgl. hierzu Fig. 7. Die Nahrung besteht aus Diatomeen und chloro- phyllhaltigen Flagellaten. Körperlänge bis 0,2 mm. Von der Fortpflanzung weiss ich nur folgendes mitzuteilen. Am Morgen des 6. April wurde ein grosses Individuum, das mit grossen, dunklen, stark lichtbrechenden Kugeln und Körnern prall gefüllt war, isoliert; am folgenden Morgen war es unverändert (wegen einer Exkursion konnte ich es nicht später am Tlage beobachten); am Morgen des 8. April war es schon in vier Individuen geteilt. Dass es sich in den ersten 24 Stunden gar nicht, in den nächsten 24 aber schon zweimal geteilt hatte, könnte vielleicht darauf hindeuten, dass die Teilung erst nach Encystierung vor sich gehe, wie es ja bei mehreren verwandten Formen der Fall ist. Teilung im freien Zustande habe ich nicht beobachtet. 110 R. S. BERGH, Diese Art wurde in mehreren Teichen in der Umgegend von Kopenhagen gefunden, jedoch niemals in grösserer Anzahl. Besonders charakterisiert wird diese Art durch die reichliche Entwickelung von Stützfasern, deren Anordnung eine ganz kon- stante und typische und von derjenigen bei Spathidium spathula wesentlich verschieden ist. Zwar sind ebenso wie bei diesen eine sehr grosse Anzahl solcher Fasern an der Mund- lippe befestigt und divergieren hinten ganz wenig, ohne sich jedoch hier an das Ektoplasma zu inserieren; sie scheinen frei im Entoplasma zu endigen. Von der Lippe geht nach hinten an der Ventralfläche eine saumartige Fortsetzung aus, aus welcher zahlreiche ins Innere hineinstrahlende Faserbündel entspringen. Besonders im vordersten Körperteil entspringen hier die Fasern sehr dicht neben einander; sie verlaufen in dieser Region nur an der rechten Seite des Lippenfasersystems nach oben; weiter hinten stehen die Fasern weniger dicht; sie stehen hier in Grup- pen und ziehen von der ventralen Mittellinie schräg nach oben und entweder nach rechts oder nach links. In der allerhintersten Region scheinen mir noch einige Bündel an den Seiten des Körpers zu entspringen'). Alle diese Fasern erreichen nur die Länge von höchstens !/, der Körperlänge; am längsten sind die Lippenfasern, die auch ein wenig dicker und stärker als die übrigen erscheinen. Alle Fasern sind nur mit einem Ende an dem Ektoplasma befestigt; mit dem anderen endigen sie frei im Entoplasma. Vgl. hierzu Fig. 8—9. Bei dieser letzterwähnten Art ist in Bezug auf das Verhalten Chemikalien gegenüber zwischen den Lippenfasern und den übrigen Fasern im Körper ein Unterschied vorhanden. Beide lassen sich durch das Zerfliessen des Tieres im Wasser ganz !) Diese Untersuchungen sind recht schwierig anzustellen, da sie am lebenden Tiere vorgenommen werden müssen, welches sich selbst bei starker Kompression noch immer — wenn auch langsamer — dreht und windet und dabei seine natürliche Form mehr oder weniger einbüsst. Über Stützfasern in der Zellsubstanz einiger Infusorien. 111 gut isolieren und lösen sich hierin nicht auf; während aber 2P/oige Essigsäure die übrigen Fasern — ebenso wie alle die Fasern von Spathidium — sofort löst, lässt sie die Lippenfasern ungelöst!). Wenn ich die hier aufgeführten Gebilde sowohl bei Spa- thidium wie bei der neuen Holophrya-Art als Stützfasern bezeichnet habe, so geschieht dies, weil mir keine andere Funk- tion derselben einleuchten will. Beim lebenden, nicht kompri- mierten Tiere sind dieselben ganz starr und keineswegs kontraktil (niemals lässt sich eine Verkürzung derselben sehen); nur bei starker Depression sieht man sie hie und da bei dem mit grosser Anstrengung sich windenden Tiere mitunter ganz schwach gebogen; nur beim Zerfliessen im Wasser können dann und wann stärkere Biegungen derselben vorkommen (Fig. 5). Es stimmt auch damit, dass die Körper dieser beiden Tiere im freien Zustande recht formbeständig sind; nur bei starker Kompression ändern sie und zwar augenscheinlich nicht ohne Anstrengung ihre Form. Dass dabei gelegentlich schwache Krümmungen der Stützfasern eintreten können, wurde schon erwähnt. Diese tragen wohl dazu bei, der weichen Sarkode eine gewisse Festigkeit und Formbeständigkeit zu geben. Wie schon erwähnt, besitzt weder Spathidium spathula, noch Holophrya Emmae einen deutlichen Schlund. Die von den Lippen ausgehenden Fasern sind wohl aber nichts desto weniger als Gebilde entsprechender Natur wie die Schlundstäb- chen von Prorodon, Nassula, Chilodon u. s. w. zu betrachten, welche nur bei den letztgenannten Gattungen zu grösserer Stärke und höherer Ausbildung. gelangt sind. 1) Bei Nassula aurea verhalten sich die Stäbchen des Schlundes ganz wie die Fasern von Spathidium spathula: sie zerfliessen nicht in Wasser, lösen sich aber schnell in 2% Essigsäure. Bei Prorodon teres dagegen zerfliessen die Schlundstäbehen ziemlich schnell im Wasser, wenn das Tier zu stark komprimiert wird. 112 R. 8. BERGH, Die T’hatsache, dass die von der Lippe entspringenden Fasern, welche als Vorläufer der Schlundstäbchen anzusehen sind. bei solehen niederen Formen nur einen Teil eines weiter im Körper verbreiteten Fasersystems darstellen, scheint nicht ohne Interesse zu sein. Kopenhagen, Ende April 1896. Erklärung der Abbildungen. Nail INNE Fig. 1. Spathidium spathula, von der linken Seite gesehen. Der Makronucleus und sechs Mikronuclei sind eingezeichnet. Fig. 2. Optischer Längsdurchschnitt eines hungernden Individuums. Fig. 3. Anordnung der Stützfasern im Körper desselben. Fig. 4. Einige Stützfasern über kleme Vakuolen im Entoplasma hin- laufend und denselben angedrückt. Starke Vergrösserung. Fig. 5. Stück Zellsubstanz und einige Stützfasern, durch Zerfliessen 1so- liert. Starke Vergrösserung. Fig. 6. Cyste desselben Tieres. Der Makronucleus und die Vakuole sind sichtbar. Fig. 7. Holophrya Emmae von der linken Seite gesehen. Der Makro- nucleus mit einem einfachen Mikronucleus ist dargestellt. Fig. 8. Optischer Längsdurchschnitt durch dieselbe, (starke Kompression, wodurch sich das Tier verkürzt hat), um die Anordnung der Stützfasern zu zeigen. Fig. 9. Ansicht des Tieres von vorn und unten (halbschematisch). Vorn die drei Papillenreihen; die Insertionsstellen der Fasern deutlich. Analomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXI (7. Bd. H. 1), 8 BEITRÄGE HISTIOLOGIE UND HISTIOGENESE BINDR- UND STÜTZSUBSTANZ. DR. MED. ET PHILOS. ARNOLD SPULER, ASSISTENT AM ANATOM. INSTITUTE ZU ERLANGEN. Mit 14 Abbildungen auf Tafel VI VI. 8*+ I. Über die Entstehung der Bindegewebsfibrillen und den feineren Bau der Bindegewebszellen. Noch vor wenigen Jahren hätte man bei einer Untersuchung über unser Thema von dem Satze ausgehen können, dass das Zellenmaterial, aus welchem sich die Binde- und Stützsubstanz entwickelt, das Mesenchym (Hertwig!), in dem modifizierten Sinne H. E. Zieglers?), oder Bildungsgewebe (Goette?) durch Loslösung von mesodermalen Zellen aus dem epithelialen Ver- bande seinen Ursprung nehme. Nur die Frage nach der Ent- stehung des Herz- und Gefässendothels, sowie des Blutes war noch nicht in allgemein anerkannter Weise gelöst, wenn auch immer mehr die Ansicht, sie seien mesodermaler Herkunft, durch- drang. In neuester Zeit aber ist behauptet worden, dass auch vom Ektoderm mesenchymatische Gewebe geliefert werden, die sich nach der einen Ansicht, deren Hauptvertreter ©. v. Kupf- fer ist, eine Ansicht, gegen die prinzipiell nicht gar viel einzu- wenden wäre, in ihren weiteren Schicksalen gerade wie das meso- dermale Mesenchym verhielten. Insoweit hat diese Frage für unser Thema kaum aktuelles Interesse. Nun wird aber von anderer Seite behauptet, dass ge- wisse vom Ektoderm stammende Zellen nur für ganz bestimmte Gewebe der Binde- und Stützsubstanz das Material lieferten, ich 1) O. u. R. Hertwig, Die Coelomtheorie, Jena 1881. ?)H. E. Ziegler, Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. In: Arch. f. mikr. Anat. Bd. 32, 1888, pag. 380 u. 381. 3) A. Goette, Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 118 ARNOLD SPULER, meine die neben anderen von Klaatsch so lebhaft verfochtene Lehre von der ektodermalen Abkunft der Skleroblasten. Da diese Ableitung eines der mesenchymatischen Gewebe im Gegen- satz zu allen andern vom Ektoderm in schroffem Widerspruch zu dem histiologischen Verhalten dieser Gewebsgruppe, nament- lich aber zur ganzen Metaplasie-Lehre steht, halte ich es für notwendig, in aller Kürze zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Auf der Versammlung der anatomischen Gesellschaft zu Strassburg 1894 wurde von ©. Rabl!) in prononeierter Form die einheitliche Abstammung des Mesenchyms aus dem Mesoderm aufrecht erhalten, und in der Diskussion sein Standpunkt geteilt; auf der letztjährigen Versammlung zu Basel stand man, soviel aus den gedruckten „Verhandlungen“ ersichtlich, der neuen Lehre weniger ablehnend gegenüber. Ich habe selbst niemals etwas gesehen, was für eine Beteiligung von Zellen des Ekto- derms verwertbar wäre. Speziell die Verhältnisse von Syngnathus acus habe ich auf Klaatschs*) Arbeit hin in verschiedenen späteren Stadien untersucht, habe aber nichts gefunden, was zu Gunsten seiner Auffassung spräche. Bei der Beurteilung seiner Mit- teilung in den Verhandlungen 1895 pag. 122—134 (über Salmo salar), besteht für mich eine gewisse Schwierigkeit darin, dass ich seine Präparate nicht gesehen habe und aus dem gedruckten Bericht nicht ersichtlich ist, wie dieselben beurteilt wurden. Aufgefallen ist mir in seiner Behandlung der ganzen Frage, dass er über die Histiologie der Gebilde, welche die „wie mit der Feder gezogene“ Grenze zwischen dem Ektoderm und den mesenchy- matischen Geweben bedingen, nur dürftige Angaben macht. Material von Salmoniden stand mir in geeigneten Stadien nicht ı) ©. Rabl, Über die Herkunft des Skelets. Verhandlungen der anatom. Gesellschaft, 1894, pag. 163 ff. 2) H. Klaatsch, Zur Kenntnis der Beteiligung des Ektoderms am Auf- bau innerer Skeletbildungen. Verhandl. d. anat. Ges. 8. Versammlung 1894, pag. 170—172. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 119 ausreichend zur Verfügung. Bei Syng. acus!) finde ich an ältern Embryonen mit noch grossem Dottersack und ebenso bei solchen ohne diesen, welche ich der Bruttasche entnommen und mit Osmiumgemischen, Sublimat - Essigsäure und Zenkerscher Flüssigkeit konserviert habe, bei Färbung mit Alaun-Campeche und Rubin-S. einmal einen sich stärker rot tingierenden, vermehrt lichtbrechenden, dem leicht welligen Kontur der Epithelzellen naturgemäss folgenden Saum, zweitens aber eine subepitheliale Schicht mit Rubin stark gefärbter, elastoider®) Fasern von an- nähernd der Dicke, wie sie die Basalmembran auf Klaatschs Fig. 5 (pag. 130 „Verhandlungen“ 1895) zeigt. Auf Quer- schnitten ist es fast unmöglich, sich über die Natur dieser Schicht klar zu werden; dagegen liefern Tangentialschnitte durch die Haut sehr deutliche Bilder. Ich glaube, dass die Annahme, Salmo verhielte sich hierin wie Syngn. acus, nicht zu kühn ist, zumal Klaatsch eine Differenz hierin zwischen Syngnathus und Salmo nicht erwähnt und derartige subepitheliale, elastoide „Netze‘‘ sich in weiter Verbreitung bei den Wirbeltieren, und zwar nicht nur unter dem Epithel der äusseren Haut vorfinden?). Die einzelnen Fasern des subepithelialen Lagers, deren Zu- 1) Das Material habe ich vergangenes Jahr in Neapel konserviert. Der Aufenthalt war mir durch die wohlwollende Überlassung eines Arbeitsplatzes seitens des grossh. Badischen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unter- richts ermöglicht, dem ich hierfür auch an dieser Stelle ganz gehorsamst meinen verbindlichsten Dank ausspreche. 2) Die betreffenden Fasern sind stärker lichtbrechend, färben sich intensiv mit Rubin-S.; stärker als das übrige jugendliche Cutisgewebe, wenn auch nicht typisch dunkel, mit Orcein. Sie quellen beim Zusatz von Essigsäure oder Kalilauge nicht auf, werden indes beim Erhitzen zerstört, sind also nicht so resistent wie das fertige elastische (Grewebe. 3) Das frühe Auftreten dieser Bildung und ihr regelmässiges relativ starkes Vorkommen gerade bei Embryonen drängen Einen zu der Hypothese, dass sie bei der Entwickelung der epithelialen Bildungen eine bedeutende formbildende Rolle spielen. Spezielle Untersuchungen müssen zeigen, ob an den Einwucherungs- stellen epithelialen Zellmaterials sich ein verändertes Verhalten dieser Grenz- schicht findet. 120 ARNOLD SPULER, sammenhang mit dem Cutisgewebe leicht zu konstatieren ist, sind zumeist von gleicher Dicke und formieren ein Netzwerk, in dem sich nur ab und zu stärkere Fasern finden. Sind die Schnitte nur wenig schräg — und bei den meist etwas gegen das Cutisgewebe vorragenden Sinnesorganen findet das häufig statt — so kommt es vor, dass man eine etwas zwischen die Basen zweier Epithelzellen eingelassene elastoide Faser im Niveau des Ektoderm über der übrigen „Basalmembran“ sieht. An Frontalschnitten habe ich mich davon überzeugt, dass es auch bei der Rubinfärbung an stärker schräg gefallenen Schnitten oft nicht möglich ist, die um die erste Knochenanlage dicht gele- genen Mesenchymzellen epitheloiden Charakters (entsprechend ihrer Funktion als Osteoblasten) von dem Ektoderm scharf ab- zugrenzen. Ich möchte daher nach meinen Befunden an Syn- gnathus annehmen, dass sich Klaatschs Angaben über Salmo und Syngnathus bei Berücksichtigung der eben besprochenen feinern histologischen Verhältnisse der „Basalmembran‘ dahin aufklären, dass sich keinerlei einwandfreie Bilder finden, die einer Herleitung der Skleroblasten vom Ektoderm das Wort reden. Auffallend ist es, dass gerade von den höhern Verte- braten, bei denen doch das Knochenskelet ungleich stärker ent- wickelt ist, noch nie Bilder beschrieben wurden, welche zur Unter- stützung der eben besprochenen Lehre herangezogen werden könnten. Auch v. Kupffers'!) geistvolle Untersuchungen über ein so vollständiges und, wie auch aus den Abbildungen hervor- seht, technisch so meisterhaft aufgearbeitetes Material, können mich von der ektodermalen Entstehung von Muskeln, Knorpeln u. s. w. in der Kopfresion von Ammocoetes nicht überzeugen, da in den Stadien, in welchen die Branchiodermis entsteht, 1) C. von Kupffer, Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. Heft II, 1894. Ferner: Über die Entwickelung des Kiemenskelets von Ammocoetes und die organogene Bestimmung des Ekto- derms. Verhandlungen d. anat. Gesellschaft 1895, pag. 105 ff. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 121 bereits Wanderungsprozesse mesodermaler Zellen vorkommen. Ich glaube, ein strikter Beweis ist eben nur, wie v. Kupffer selbst (Verhandlungen der anat. Ges. 1895 pag. 119) andeutet, durch Beobachtung am Lebenden zu führen. Alle die feinen Beobachter indes, welche die Fisch-(Teleostier allerdings) -Ent- wickelung am Lebenden verfolgt haben, geben nichts über eine Beteiligung des Ektoderms bei der Mesenchymbildung an). Die Histogenese der Gewebe der Binde- und Stütz- substanzgruppe ist seit langer Zeit schon von gar vielen For- schern, bald in kleinere, bald in grössere Gebiete umfassenden Studien erforscht worden. — Kein Wunder, wenn man die normale und pathologische Bedeutung derselben bedenkt. Was die Verhält- nisse kompliziert, ist einmal die Entstehung von grossen Mengen von Grundsubstanz, dann von fibrillären Bildungen, die in spätern Stadien zumeist nicht mehr in Zusammenhang mit dem Protoplasma der Zellen betroffen werden. Und so ist es denn nicht sowohl der Zustand der fertigen Gewebe in erster Linie, sondern eben ihre Genese, worüber bis in die neueste Zeit keine Einigung erzielt werden konnte. Schwann?), dessen Darstellung, wie F. Boll) meint „die erste sowohl im Sinne des „primus‘“‘ wie des „princeps“ der Römer“ (l. ec. pag. 28) ist, hat die Entwickelung des Bindege- webes am subeutanen Gewebe von 4— 7“ langen Schweinsembryo- nen untersucht und gefunden, dass die Zellen sich an zwei entgegengesetzten Polen ausziehen und, je von den Enden her, in ein Büschel feinster Fibrillen auflösen, bis die ganze Zelle sich in ein Fibrillenbündel verwandelt hat. 1) Siehe H. E. Ziegler, Die Entstehung des Blutes bei Knochenfisch- embryonen. In: Arch. f. mikr. Anat. Bd. 30, 1887 und die dort eitierte Litteratur. 2) Schwann, Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstun: der Tiere und Pflanzen. 1839, pag. 135 bis 140. 3) F. Boll, Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe, zweite Abteilung. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 8, 1872, pag. 28 ff. 122 ARNOLD SPULER, Wie es Henles!) Autorität war, durch dessen Lehre, dass die Fibrillen durch direkte faserige Differenzierung der Grund- substanz entstünden, die Sehwann’sche Ansicht verhindert wurde zur Geltung zu kommen, wie dann gleich durch Valen- tin?) die dritte Ansicht, dass durch Auswachsen spindelförmiger Zellen je einzelne Bindegewebsfasern gebildet würden, zuerst aufgestellt ward, so dass also gleich von Anfang an dreierlei Auffassungen bestanden, hat Boll (l. e.) ebenso wie die weiteren Wandlungen der Lehrmeinung über diese Prozesse, namentlich unter dem Einfluss von Virchow°), Donderst), und auch Kölliker?) in übersichtlicher und klarer Weise zusammengestellt und betont, dass es M. Schultze war, welcher 1861 durch seine berühmte Abhandlung: „Über Muskelkörperchen und das, was man eine Zelle zu nennen habe ®)“, die Schwann’sche Lehre wieder in ihre Rechte eingesetzt hat, — so dass ich nicht nötig habe, auf die ganze Historie dieser Frage einzugehen. Diese ist ja auch von anderer Seite Gegenstand eingehender Darlegung gewesen (A. Rollet: Strickers Handbuch der Lehre von den Geweben 1871, Lwoff:Sitzungsber. d. Kais. Akad. Wien. m. n. Cl. Bd. 98, Abt. III, pag. 184, 1889 und A. v. Kölliker: Handbuch der Gewebelehre, 6. Aufl. 1889, pag. 102—104). Jedoch auch Bolls sorgfältige und systematische Unter- suchungen über die Entstehung der Bindegewebsfibrillen, wie 1) J. Henle, Allgemeine Anatomie. 1841, pag. 197 u. 379. 2) R. Wagner, Handwörterbuch der Physiologie, Artikel Gewebe. Bd. I, pag. 670, 1842. 3) R. Virchow, Über die Identität von Knochen-, Knorpel- und Binde- gewebskörperchen sowie über Schleimgewebe. Würzburger med. Verhandl. II, 1852, pag. 150; und Weitere Beiträge zur Struktur der Gewebe der Binde- substanz. Ibid. pag.- 314. 4) F. ©. Donders, Form, Mischung und Funktion der elementären Gewebeteile in Zusammenhang mit ihrer Genese. In: Zeitschr. f. wiss. Zool. III, 1851, pag. 348. 5) A. Kölliker, in: Würzburger med. Verhandl. III, 1853, pag. 1. 6) In: Reichert und Du Bois-Reymonds Arch. (Arch. f. Anat. u. Physiol.), 1861, pag. 1. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 123 auch der elastischen Fasern an der Arachnoides von Hühnerem- bryonen, dem subcutanen Bindegewebe der Schädelhaut und der Extremitäten und der Muskelsehnen der unteren Extremitäten ver- mochten nicht der Meinung, dass die fibrillären Bestandteile direkt vom Protoplasma der Zellen aus entstünden, zur allgemeinen An- erkennung zu verhelfen, wenn auch weitere Kreise sich dieser An- sicht zuwandten. Namentlich war es der Umstand, dass für Faser- bildungen anderer Gewebe, speziell des hyalinen Knorpels bei älteren Individuen, keinerlei genetischer Zusammenhang mit Zellen nachgewiesen werden konnte, welcher der Lehre von der fibrillären Differenzierung der Zwischensubstanz zur Stütze diente‘). Da ich die Auffassung, zu welcher mich in den letzten Jahren meine Studien über Genese und Struktur des Knorpels geführt haben, nur durch ausgedehnte Darlegungen begründen könnte, muss ich es mir versagen, in dieser Arbeit auf diesen gewichtigen Einwand einzugehen, doch werde ich demnächst die Resultate meiner Studien publizieren; hier möchte ich nur be- merken, dass die Verhältnisse beim Knorpel so liegen, dass sie der Lehre von der Entstehung der fibrillären Elemente im Proto- plasma der Zellen nicht nur nicht widersprechen, sondern sie unterstützen ?). Über die feineren Verhältnisse der Entstehung, speziell über die Frage, ob die Fibrillen auf der Oberfläche der Zellen oder im Innern des Zellprotoplasmas angelegt werden, konnten Bolls Untersuchungen nach der angewandten Methode keinen über- zeugenden Aufschluss geben, wenn er auch die Entstehung auf Kosten des Protoplasmas bewiesen hat. 1) efr. C. Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre, Stuttgart 1877, pag. 115 — Wenn die späteren Umbildungsprozesse des Bindegewebes, bei denen eine direkte Beteiligung des Zellprotoplasmas kaum anzunehmen ist, für die Ent- stehung der Fibrillen in der Grundsubstanz angeführt werden, so scheint mir dies nicht richtig, denn dies beweist doch für die erste Anlage der Gebilde nichts. ?) efr. A. Spuler, Über Bau und Entstehung des elastischen Knorpels. Sitzungsber. d. phys.-med. Societät in Erlangen, 27. Heft 1895. 124 ARNOLD SPULER, B. Lwoff!), ein Schüler Rollets, hat an 2—23 cm langen Schafembryonen im subcutanen Gewebe, an der Nabelschnur, Extremitätensehnen und dem grossen Netze die Fibrillenent- wiekelung studiert. In der Einleitung hebt er hervor, dass sich Rollet in seiner späteren Arbeit?) „bestimmter zu Gunsten der Ansicht aussprach, nach welcher die Fibrillen ihren Ursprung der Zellsubstanz verdanken“ (Lwoff, ce. pag. 186). Er beschreibt ausführlich die Anordnung der spindelförmigen Zellen, die sich neben sternförmigen finden, zu Längsreihen. In der nicht die ganzen Lücken zwischen den Zellen ausfüllenden, sondern nur diese und ihre Ausläufer unmittelbar umgebenden feinkörnigen Substanz, „verändertem, metamorphosiertem Proto- plasma“ nach Lwoffs Ansicht (. c. pag. 191), lässt er die Fi- brillen eventuell gleich über ganze Zellzüge hin entstehen. „Bei der ersten Entstehung der Fibrillen, ebenso wie bei der weiteren Entwiekelung befinden sich Zellen und Zellenausläufer, so lange die letzteren existieren, in der Mitte der sie umhüllenden Fibrillen, welche letztere auf Kosten der peripherischen Schichten des Protoplasmas der Bildungszellen entstanden sind“ (l. e. pag. 196). Wie er wiederholt betont, entstünden die Fibrillen indes nicht in der Aussenzone der Zellen, sondern auf der Zelloberfläche. Eine Auffaserung der Zellen in Fibrillenbüschel (Schwann, Boll) kann er nicht feststellen. In einer hochbedeutsamen Arbeit hat sich 1891 W. Flem- ming?) zu unserer Frage geäussert nach Untersuchungen an den grossen Bindegewebszellen von Salamanderlarven, und zwar an Zellen, welche sich in Mitose befanden. In dieser 1) B. Lwoff, Über die Entwicklung der Fibrillen des Bindegewebes. Sitzungsber. d. k. Akad. Wien m. n. Cl. 98. Bd., II. Abteil., 1889. 2) A. Rollet, Über die Entwicklung des fibrillären Bindegewebes. Untersuch. aus d. Inst. f. Phys. u. Hist. in Graz, 1872, pag. 257. 3) W. Flemming, Zur Entwicklungsgeschichte der Bindegewebsfibrillen. Internat. Beitrag zur wissensch. Medizin, Festschr. f. R. Virchow, I. Abteil. 1891, pag. 213 ff. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 125 Arbeit sagt er pag. 218: „Betrachtet man nun solche Zellen des Bindegewebes, am besten recht grosse, wie sie sich z. B. im Bauchfell jüngerer Larven von etwa 3 cm Länge finden, so sieht man in der Zellsubstanz nicht bloss die Fäden der Polstrahlung und die mit ihnen in Zusammenhang stehenden netzig erschei- nenden Fadenwerke in scharfer Färbung hervorgehoben, sondern daneben reichliche Fasern, ebenso tingiert von bald geradem, bald leicht welligem Verlauf in der Längsrichtung der Zelle und ihrer Ausläufer angeordnet.“ pag. 219: „Jene Fibrillen erscheinen an vielen Stellen in Kontinuität mit dem Fadenwerk im Zellkörper; wenn man sie andererseits durch die Ausläufer der Zelle verfolgt, sieht man sie in vollständigem Zusammenhang in die Fibrillen- bündel der Umgebung übergehen.“ Flemming betont, dass er über die Beziehungen der Faserungzu Fadenwerk des Protoplasmas und Polstrahlung nur den Ausdruck „scheinen“ gebrauche; die Dinge liegen auch bei den im Vergleich zu den Säugetierele- menten riesigen Salamanderzellen an der Grenze des Sichtbaren. Seine Präparate scheinen Flemming zu zeigen: „dass in der That in den peripheren Schichten des Zellleibes selbst die Bildung von Fäserchen stattfindet; mögen dieselben nun, woran man wohl zunächst denken wird, aus der Faser- struktur der Zellsubstanz selbst entstehen, indem diese sich teil- weise zu parallelen Fibrillen streckt und sich dabei chemisch umformt, oder indem die letzteren, an diesen sich streckenden Fadenwerken entlang, aus der Interfilarmasse geprägt werden, was ja immerhin auch möglich bleibt.“ (l. e. pag. 221). Die Befunde Flemmings hat F. Reinke?) vollständig bestätigt. So neigte man sicher immer mehr der Anschauung zu, dass die Bindegewebsfasern aus den Zellen entständen. Eine Zeit lang beharrte A. v. Kölliker allein auf dem Standpunkt, dass diese Gebilde aus der Intercellularsubstanz gebildet würden. „Das ı) F. Reinke, Zellstudien. Arch. f. mikr. Anat. 43. Bd. 1894, pag. Bud iR 126 ARNOLD SPULER, Bindegewebe besteht beim Embryo ursprünglich einzig und allein aus runden Zellen. Mit der Zeit, und zwar sehr bald, entwickelt sich zwischen diesen ein gleichartiger, formloser Stoff, der anfänglich schleim- und eiweisshaltig ist, später jedoch nach und nach in noch nicht ermittelter Weise in leimgebende Sub- stanz sich umwandelt. Während dies geschieht, zerfällt er zu- gleich in Fibrillen und wird so zur eigentlichen Fasersubstanz des Gewebes, in welcher dann später noch, je nach den ver- schiedenen Gegenden, bald mehr, bald weniger elastische Fasern sich entwickeln!‘ Bei dem spätern Wachstum der Bündel, sowie der elastischen Fasern, spielen die Bindegewebszellen, nach Köllikers Ansicht, „als die eigentlichen Vertreter des Stoffwechsels im Bindegewebe,‘ „eine Hauptrolle.“ Ausdrücklich nimmt er gegen die Deutung der streifigen geschwänzten embryonalen Zellen als Bildner der Fasern (Sch wann) Stellung. Diese Zellen gingen nämlich „samt und sonders in die zelligen Elemente des reifen Bindegewebes?)‘“ über, die faserige Grundsubstanz dagegen ent- wickelte sich aus der formlosen Grundsubstanz. Dass erstere Thatsache irgendwie gegen die Lehre von der Entstehung der Fasern aus den Zellen selbst spräche, vermag ich nicht einzu- sehen, denn die Bildung der Fasern braucht ja nicht mit dem Untergang der Zellen verbunden zu sein. In neuester Zeit jedoch hat sich Fr. Merkel?) A. v. Kölliker angeschlossen, indem er, ohne die Richtigkeit der von Flemming für den Salamander gegebenen Bilder anzuzweifeln (Diskussion zu seinem Vortrag auf der Versammlung der anatom. Gesell- 1) A. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 6. Aufl. Leipzig 1889, p. 123. 2) ]. c. pag. 126. 3) Fr. Merkel, Zur Histogenese des Bindegewebes. Verhandl. d. anat. Ges. 1395, pag. 41 ff. Ferner: Verhandl. d. Naturf.-Vers. in Nürnberg 1893. II. Teil, II. Hälfte, pag. 399 fi. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 127 schaft zu Basel!), die Lehre, dass beim Menschen , speziell im Nabelstrang, die Bindegewebsfibrillen ohne Zusammenhang mit den Zellen als Differenzierung der Grundsubstanz entständen, vertritt. Früher hatte derselbe zusammen mit Henle?) die An- sicht der Brückeschen Schule (Kusnetzoff?), Obersteiner‘)) dahin modifiziert, dass ausser den bipolaren auch multipolare Bindegewebszellen an bestimmten Stellen sich fänden, die sich nach verschiedenen Richtungen hin in Bindegewebstibrillen fort- letzten; pag. 57 dieser Schrift heisst es: „Man könnte diese Bindegewebszellen“ (die Langhans durch Zerfaserung von Sehnenbündeln, welche in Müllerscher Flüssigkeit maceriert waren, darstellte) „nach Analogie der Nervenzellen, bipolare nennen, gegenüber den multipolaren Bindegewebszellen, von welchen drei und mehr Fäden ausgehen. Aus multipolaren mit ihren Fortsätzen verschmelzenden Zellen entwickelt sich das eben erwähnte netzförmige Bindegewebe‘ (der Pia mater); „ähn- lich, in mehrere Fäden, jedoch vorzugsweise meist nach zwei entgegengesetzten Richtungen auswachsenden Zellen verdanken die durcheinander gewirrten Fibrillen der innersten Schichte der Pia mater ihren Ursprung. Die Fäden lassen sich auf weite Strecken verfolgen.“ — Merkel teilte damals also die Aul- fassung, dass die Fibrillen von den Zellen gebildet würden. Nach seinen neuesten Untersuchungen findet Merkel bei sechswöchentlichen menschlichen Embryonen „in der Nabel- schnur lediglich ein Zellennetz, in dessen Maschen Gallert- 1) Wie die demonstrierten Präparate beurteilt wurden, ist leider aus den gedruckten „Verhandlungen“ auch an dieser Stelle nicht ersichtlich. 2) J. Henle und F. Merkel, Über die sog. Bindesubstanz der Central- organe des Nervensystems. Zeitschr. f. rat. Medizin, 3. Reihe XXXIII. Bd. 1868. 3) Kusnetzoff, Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Cutis. Wien. akad. Sitzungsber. LVI, 1867. 4) Obersteiner, Über Entwickelung und Wachstum der Sehne. Ibidem 138 ARNOLD SPULER, gewebe suspendiert ist. Nach kurzer Zeit schon treten in letzterem Fasern auf, welche mit den Zellen zuerst in gar keiner nach- weisbaren Beziehung stehen. Ein Einfluss der Zellen scheint erst etwas später einzutreten, indem diese mehr und mehr die Verlaufsrichtung der Bündel bestimmen; die Längsachse derselben stellt sich der Längsachse der Zellen parallel. Doch wird man nieht übersehen, dass erst festzustellen sein würde, ob nicht eine Grundursache auf Zellen und Fasern in gleicher Weise rich- tend wirkt. Zuletzt füllt sich die Gallertsubstanz so sehr mit Fasern an, dass diese bis dieht an die Zellen heranreichen. Nun aber folgt eine neue Ausscheidung von Gallertsubstanz, durch welche die Fasern wieder von den Zellen abgehoben werden. In ihr geht dann wieder die Faserbildung vor sich, ganz wie das erste Mal. Die neue Ausscheidung kommt um die zwanzigste Fötalwoche zustande — —“. Merkels Untersuchungen erstrecken sich fernerhin auf die Fingersehnen menschlicher Embryonen. Doch liegen bei den dichtgedrängten Sehnenzellen die Verhältnisse viel ungünstiger für die Erkennung der Details als an den zumeist flächenhaft ausgebreiteten Elementen der Nabelschnur; ich gehe daher auf diese Frage gar nicht ein. Merkel warnt davor die an einem Objekt gewonnenen Erfahrungen ohne weiteres auf ein anderes zu übertragen, und darin hat er meines Erachtens bis zu einem gewissen Grade recht. Wenn es sich aber um die prinzipielle Frage handelt, entstehen die Fibrillen bei den Vertebraten aus dem resp. im Protoplasma der Zellen, oder als Differenzierung der Zwischensubstanz ohne den direkten Einfluss der Zellen, so kann nicht bei einem Objekte die Antwort die eine, bei einem anderen die andere Eventualität bejahen; das ergiebt sich, meine ich, aus der allgemeinen Uebereinstimmung, welche die Differenzierung des Bildungsgewebes bei dem ganzen Verte- bratenstamm zeigt. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 129 Auch von pathologischer Seite ist gar oft die Entstehung des fibrillären Gewebes untersucht worden, aber auch da ist man bis in die neueste Zeit nicht zu einer einheitlichen Auf fassung gekommen. Während schon vor Jahren Autoren die Ansicht vertreten haben, dass nur aus den spindelförmigen, ge- schwänzten Zellen in den Granulationen das fibrilläre Gewebe entstünde, finde ich auch in der neuesten Auflage von E. Zieg- lers weitverbreitetem Lehrbuch die Frage offen gelassen. Pag. 310 heisst es: „Sollte aus einem zelligen Keimgewebe Bindegewebe entstehen, so treten in einzelnen Theilen des Zellprotoplasmas und zwischen den Zellen entweder sofort feine Fibrillen auf, oder es entsteht zuerst eine homogene Inter- cellularsubstanz, in welcher dann erst die Fibrillen sich herausdifferenzieren;‘ und pag. 311/312: „Die Grundsub- stanzen der aufgeführten Gewebe (der Binde- und Stützsub- stanzgruppe) sind ein Produkt des Protoplasmas der Bildungszellen. Ob dabei Teile des Protoplasmas sich direkt in Zwischensubstanz umwandeln, oder ob sie die Zwischensub- stanz ausscheiden, oder aus der intercellularen Gewebsflüssigkeit abscheiden, ist schwer zu sagen, doch ist es wahrscheinlich, dass nur die beiden erstgenannten Bildungsarten vorkommen. Jeden- falls findet dabei ein Verbrauch von Organeiweiss statt, und es werden die Bildungszellen mit der Ausbildung der Grundsubstanz kleiner. Ein Teil derselben kann sogar ganz zur Bildung der Grundsubstanz verbraucht werden.“ Meine eigenen Untersuchungen beziehen sich nur zum Teil auf menschliches Material; es stand mir nur ein gut konser- vierter Fötus von 8 cm Scheitel-Steiss-Länge zur Verfügung, den mir mein verehrter Chef, Herr Professor L. Gerlach, gütigst überliess. Ich wählte daher tierisches Material, Embryonen von der Katze und vom Schaf. Ausserdem habe ich Selachier und Amphibienlarven untersucht, doch reichen, glaube ich, für die Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXI (7. Bd. H. 1). B) 130 ARNOLD SPULER, Teile des Problems, welche ich in vorliegender Schrift behandle, die Befunde bei den Säugern zur Begründung meiner Anschau- ung aus. Bevor ich mich der Beschreibung zuwende, sei es mir ge- stattet, mich in Kürze über die angewandten Untersuchungs- methoden zu äussern. Das Material von Selachiern und dem Menschen war mit Zenkerscher Flüssigkeit konserviert. Ich verwandte dieselbe mit weniger Risessig als es K. Zenker!) seiner Zeit angegeben hat. Dass die Müllersche Flüssigkeit ein gutes Fixierungs- mittel fürs Protoplasma ist, wird allgemein anerkannt. Der Sublimatzusatz bedingt eine vollkommenere Fixierung der Kerne und zusammen mit dem Eisessig das schnellere Eindringen der Zenkerschen Flüssigkeit. Merkel?) giebt an, dass Essig- säure nicht gleichgültig sei; allein stark können die durch sie etwa entstehenden Gewebsalterationen nicht sein, denn die embryo- nalen Bindegewebsfibrillen sind ja gegen sie, sowie Kalilauge (und auch Kochen) resistenter als das postfötale (tewebe; ferner hat Flemming ja seine Untersuchungen an ebenfalls mit essig- säurehaltigem Konservierungsmittel (mit Hermannscher Flüssig- keit) behandelten Objekten angestellt, und hat auch in Basel 1895 ausdrücklich mitgeteilt, dass er nicht glaube, dass diese Mittel schädlich auf die zu untersuchenden Strukturen einwirken, — und auf Flemmings Autorität darf ich mich wohl verlassen. Indes ist es ja denkbar, dass Verklebungen von Fasern, wenn auch nur hier und da bei Säugetieren, durch die Essigsäure bedingt sein können, und ich habe daher die Flüssigkeit, welche Merkel als die beste befunden hat, die von Ramon y Cajal für die schnelle Golgi-Methode angegebene Mischung von doppel- chromsaurem Kali und Überosmiumsäure bei den Schafembryonen ı) K. Zenker, Chromkali-Sublimat-Eisessig als Fixierungsmittel. In: Münch. med. Wochenschr. Bd. XXXXT, 1894, Nr. 27. 2) Fr. Merkel, l. c. pag. 42. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese de r Binde- und Stützsubstanz. 131 benützt. Neben Schnitten von 3—10 « habe ich auch abge- zogene Membranen und Zupfpräparate untersucht. Gefärbt habe ich zumeist mit Alaun-Campeche (25 gr Cam- pecheholz mit 5 gr Alaun in 300,0 Aqua dest. gekocht und auf 200 eingedampft, dann etwas Kaliumpermanganatlösung nach dem Erhalten zugefügt und filtriert). Zur Plasmafärbung verwandte ich Eosin und meist mit sehr zufriedenstellendem irfolg Rubin-S; Orcein entweder nach Unnas Vorschrift oder in verlängerter Einwirkung. Auch Safranin ward natürlich bei den Schnitten von osmierten Geweben verwendet. Nach Vor- färbung mit Bördeauxrot oder ohne diese, dann mit Nachfär- bung hauptsächlich mit Rubin-S ward für spezielle Zwecke M. Heidenhains!) Eisenalaunhämatoxylinmethode mit sehr gutem Erfolg angewandt. Zupfpräparate sowohl als Schnitte wurden jeweils auch mit Essigsäure, Kalilauge, kalt und warm, behandelt und auch ge- kocht, um einigen Aufschluss über die Natur der Faserarten zu erhalten. Ich gehe nunmehr zur Beschreibung meiner Befunde über, mit dem jüngsten untersuchten Stadium beginnend. Die folgende Darstellung beziehtssich auf Katzenembryo- nen, bei denen die Gehörblase gerade noch mit der geschlos- senen Amnionhöhle kommuniziert, der Rückenmarkskanal hinten noch nicht ganz geschlossen ist, der Vornierengang halb im Ektoderm eingelagert (indes überall scharf von den Ektoderm- zellen abgegrenzt), die Chorda?) in sekundäre Verbindung mit dem Entoderm getreten ist. 1) M. Heidenhain, Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zum Kern und Zellenprotoplasma. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43, 1894, pag. 423 ff. 2) cfr. F. Keibel, Zur Entwicklungsgeschichte der Chorda bei Säugern (Meerschweinchen und Kaninchen). Arch. f. Anat. u. Entwgesch., 1889, pag. 329 f. g* 132 ARNOLD SPULER, Das Mesenchym, welches dem Sklerotom entstammt, ist schon in grösserer Menge zwischen die andern Embryonalge- bilde eingewandert, dagegen beginnen auf der Aussenseite des Epimers eben die Veränderungen, welche das Material für die Cutis liefern. Ganz vereinzelt sind schon Zellen ausgewandert und haben sich an das Ektoderm angelegt. Über die ganze Aussenfläche der Epimere sieht man, wie die Zelle vielfach ver- zweigte, mit einander anastomosierende Pseudopodien aussenden, welche vielfach, oft mit einer kleinen Anschwellung, dem Ekto- derm sich angelagert haben (Fig. 1, Taf. V). Immer jedoch kann ich konstatieren, dass keine Kontinuität zwischen ihnen und den Ektodermzellen besteht!); diese scheinen durch eine basale Schicht schärfer gegen das Mesenchym abgegrenzt. Diese Anlagerung und Ausbreitung mesenchymatischen Gewebes unterm Epithel finde ich in späteren Stadien, namentlich am Nabelstrang, viel ausgesprochener. Die basale Schicht ist dort gegen die Einwirkung mittelstarker Kalilauge resistenter als das Epithel und tingiert sich mit Orcein ähnlich dem elastischen Gewebe. Veränderungen an dem Zellprotoplasma, welche auf die späteren Differenzierungen der eben sich zur Auswanderung an- schickenden Zellen hindeuten, kann ich nicht konstatieren, ebenso wenig charakteristische Veränderungen an den Kernen. Ganz das gleiche Aussenden von Pseudopodien über recht 1) Nebenbei möchte ich bemerken, dass ich bei diesem gut konservierten Material mit aller Sicherheit feststellen kann, dass an einigen Stellen des Am- nions die Somatopleura- und die Ektodermzellen kontinuierlich miteinander in Zusammenhang stehen. Wenn auch zumeist nur Fortsätze der Mesodermzellen sich an die Ektoblastzellen anlegen und eine Grenze zwischen beiderlei Ele- menten sichtbar bleibt, so finden sich doch auch an andern Stellen Bildungen, bei denen die Ektodermzellen sich gegen die Mesodermzellen vorstrecken und in Ausläufer sich teilen, welche ohne Grenze in die der mesodermalen Elemente übergehen (Fig. 2, Taf. V). (Vergl. R. Bonnet, Beiträge zur Embryologie der Wiederkäuer, gewonnen am Schafei. Arch. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. pag. 1 ff., 1889, pag. 55 und auch A. Sehuberg, Zusammenhang von Epithel und Bindegewebszellen. Sitzungsber. d. phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg 1891, pag. 60 ff.) Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde und Stützsubstanz. 133 ansehnliche Strecken, denen dann die Zellleiber nachrücken, finden wir an den vom Sklerotom schon ausgewanderten Mes- enchymzellen. Beides sind Bilder, die ja schon oft beschrieben und abgebildet worden sind. Schon vor dem Auswandern sen- den die Zellen also miteinander anastomosierende Fortsätze aus, ein Bindegewebe, das aus „runden Zellen“ bestünde, habe ich bei Embryonen nie gesehen (cfr. die oben citierte Angabe Köl- likers). Ich wende mich nunmehr einem beträchtlich weiter ent- wickelten 0,9 cm (um die Krümmung in konserviertem Zustande gemessen) langen Schafsembryozu. Bei diesem hat die Aus- wanderung des Mesenchynis sich vollzogen und es beginnt bereits die Bildung der Bindegewebstibrillen. Der Embryo ist in Ra- mon y Uajalschem doppelchromsaurem Kali-Osmiumsäure-Ge- misch fixiert mit Alaun-Cochenille in toto gefärbt und in Serie geschnitten. Entsprechende Stadien von anderen Säugern standen mir nicht zur Verfügung; ich bin daher nicht in der Lage, über die Struktur des Zellprotoplasmas viel anzugeben, immerhin zeigen die Schnitte soviel, dass sich mit Sicherheit das für uns wichtigste konstatieren lässt: Die Entstehung von Bindegewebs- fibrillen aus dem Protoplasına der Bildungszellen. Die mit ein- ander vielfach in netzartigem Zusammenhang stehenden Zellen des Nabelstrangs sind überwiegend spindelförmig oder 3—4- zipfelig und sind an den Enden in feinste Fibrillen aufgefasert, bald dicht an der Zelle, bald erst nachdem em Fortsatz sich über eine längere Strecke hin kompakt erstreckt hat. Es lässt sich die fibrilläre Struktur sicher, wenn auch nicht leicht sicht- bar, ins Protoplasma der Zellen hinein verfolgen, wie dies Fig. 3 zeigt. Indes liegt es eben an der angewandten Färbung, dass sich genauere Einzelheiten nicht in prägnanten Bildern erkennen liessen. Beim Schafembryo von 2,7 cm Scheitel-Steisslänge hatschon eine weitgehende Differenzierung der Bindesubstanz statt- 134 ARNOLD SPULER, eefunden. An den Enden der Extremitäten sehen wir das Binde- gewebe aus zahlreichen durch Fortsätze anastomosierenden Zellen mit zumeist recht in die Länge gezogenen Kernen bestehen !). Je mehr wir uns dem Rumpfe nähern, desto weiter vorgeschritten ist die Entwicklung des Gewebes. Die Intercellularsubstanz nimmt zu, die Zellen rücken dadurch weiter auseinander; zu- gleich werden die verbindenden Fortsätze weiter ausgezogen und reicher verästelt. Die Kerne und das sie umgebende Proto- plasma erscheinen mehr abgerundet. Wenden wir uns Längsschnitten durch die Extremität eines Schafembryos von 4 cm Scheitel-Steisslänge zu, so finden wir in den mehr proximal gelegenen Partien bei den Zellen mehr Protoplasma um den Kern. Der Zellleib erscheint in einen oder auch mehrere Zipfel ausgezogen. Dass das reiche Netz protoplasmatischer Natur, das zwischen den Zellen sich ausspannt, mit dem die Kerne umgebenden Protoplasma in direktem Zusammenhang steht, ist leicht zu konstatieren. Be- trachtet man Präparate, welche mit Rubin-S gefärbt sind, so wird man in diesem Netzwerk in den proximalen Partien der Extremität in beträchtlicher Zahl stark tingierte, stärker lichtbrechende Fasern oft über grössere Strecken verfolgen können. Dass sie in den Netzen selbst liegen und nicht ausserhalb den- selben angelagert sind, darüber kann kein Zweifel sein. Ent- stünden sie nicht in den Protoplasmanetzen, sondern in den zwischenliegenden Maschenräumen, so müsste man doch in den distaleren, weniger in der Entwickelung vorgeschrittenen Par- tien sie ausser Zusammenhang mit den Zellausläufern schen; derartiges ist indes nirgends zu konstatieren. Es finden sich, allerdings ziemlich vereinzelt, Zellen mit gröberen Granulationen und Vakuolen einschliessendem Plasma, !) Die früher erwähnte subepitheliale Schicht ist an dem Stadium sehr deutlich zu sehen. von ihnen wird später bei Betrachtung des Amnions des Schafes dieses Stadiums ausführlich die Rede sein. Wir gehen nunmehr zum Studium von tangentialen Schnitten, welche von der Bauchwand eines Schafembryos von 4 cm Scheitel-Steisslänge angefertigt wurden, über. Auf den ersten Anblick war ich ganz überrascht und dachte an Kunstprodukte. Indes bei näherem Zusehen zeigten sich die Kerne ganz ebenso konserviert, wie an den Extremitäten, wir müssen also annehmen, dass die Bauchdecken ebenso gut wie diese durch die Ramon v Cajalsche Flüssigkeit fixiert wurden, was ja sich eigentlich von selbst versteht. An mit Rubin-S tingierten Präparaten erscheint zwischen den geringen, die Kerne umgebenden Protoplasma- massen der Zellen ein ausserordentlich dichtes Netzwerk, das rot gefärbt ist. Bei genauerem Studium mit stärkster Vergrös- serung erkennt man neben zahlreichen verästelten und mit ein- ander anastomosierenden Protoplasmafortsätzen der Zellen eine grosse Zahl stärker tingierter Fasern, junge Bindegewebstibrillen. An Schnitten von nicht über 4 « Dicke lässt sich vielfach fest- stellen, dass sie in direktem Zusammenhang mit den Protoplas- magebilden stehen. Naturgemäss ist das bei sehr vielen nicht zu konstatieren, doch zwingt uns neben dem eben erwähnten Verhalten der Zusammenhang dieses Stadiums der Bindegewebs- entwickelung mit dem vorhin vom proximalen Teil der Extremi- täten desselben Embryos erwähnten zu der Ansicht, dass alle Fasern mit dem Zellprotoplasma in Zusammenhang sind oder doch waren, dass sie jedenfalls in Zusammenhang mit diesem ihre Entstehung genommen haben. Da die die Zellkerne um- sebende Protoplasmamenge, wie ich vorhin schon erwähnt habe, auf diesem Stadium nur gering ist, so eignet es sich wenig dazu, das Verhalten des Fibrillen zum Protoplasma genauer festzu- stellen. Der weiter in der Histiogenese vorgeschrittene Nabel- strang ist dazu geeigneter. 1306 ARNOLD SPULER, Längsschnitte (Querschnitte geben wenig brauchbare Bilder) von dem mit Zenker scher Flüssigkeit konservierten Nabelstrang des 2,7 cm langen Schafembryos (ganz Ähnliches zeigten auch Embryonen von 4 und 5,75 cm Länge) wurden mit Alaun-Cam- peche, Eosin resp. Rubin-S, mit Safranin (nach vorhergegan- gener Osmiumbehandlung) und mit Orcein gefärbt. Alle Methoden geben ganz ähnliche Resultate. Man sieht Bündel von Fasern von gewelltem Verlauf, dann wieder Züge von Zellen. Diese sind entweder spindelförmig, an entgegengesetzten Enden weit ausgezogen, oder, und so verhalten sich die meisten, flächenartig ausgebreitet, mit vielen, weithin sich erstreckenden, auch vielfach anastomosierenden pseudopodienartigen Fortsätzen ver- sehen. Die mit ersteren im Zusammenhang stehenden Fasern lassen sich oft auf weite Strecken verfolgen ; im Verlaufe gehen hier und da feinere Fibrillen von ihnen ab. Häufig sieht man Bilder, welche zeigen, dass sich die Enden dieser Fasern in Fibrillenbüschel auflösen. Auch feinere, stärker lichtbrechende, mit Orcein stärker tingierte Fasern gehen vielfach von solchen Spindelzellen aus), Fasern, denen man nach diesem Verhalten Beziehungen zu dem elastischen Gewebe zugestehen muss; indes besitzen sie noch nicht die Resistenz gegen heisse Alkalien und Säuren, wie die elastischen Elemente. Hierbei ist indes zu be- denken, dass die embryonalen Bindegewebsfibrillen allgemein resistenter gegen die obigen Reagentien und Knochen befunden wurden (man vergleiche schon Schwanns Angaben ]. c.). Die flächenhaft ausgebreiteten Zellen sind oft paarweise verschmolzen, wie dies Fig. 8 zeigt!). !) Beiläufig möchte ich bemerken, dass es offenbar Seitenansichten der etwas abgeplatteten Spindelzellen, mit elastoiden Fasern in Zusammenhang be- findlich, waren, welche zur Aufrechterhaltung der Lehre von den Kernfasern führten. Man vergleiche in J. Gerlach, Handbuch der allgemeinen und speziellen Gewebelehre des menschlichen Körpers. (Mainz 1850), die Schilderung der Kernfasern pag. 84/85 u. 92. 2 2) efr. Lwoff, 1. c. pag. 197/198 und A. v. Kölliker, Handbuch d. Menschen, 6. Aufl., pag. 122, Fig. 86. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 137 Daneben finden sich Zellen, welche durch einen etwas ein- gezogenen Protoplasmateil zusammenhängen und alle Übergänge bis zu solchen, weche durch einen den Zelldurchmesser an Länge vielfach übertreffenden Strang mit einander verbunden sind. In diesen Fällen hat der Strang nicht mehr das Aussehen einer Protoplasmabrücke, sondern das einer eingeschalteten breiten Bindegewebsfaser. Sehen wir die Struktur des Zellprotoplasmas näher an, so finden‘ wir in demselben, zumeist durch eine schmale Zone von dem Kerne getrennt, eine körnige Masse (Fig. 5 km) in vielen Fällen um einen Hof mit einem oder zwei centralen Körnern gelagert, von deren Deutung später bei Besprechung des menschlichen Materials die Rede sein wird. Diese Körner- masse ist oft den Hauptfortsätzen der Zelle entsprechend ausgezogen, so wie es deutlich Fig. 8 zeigt!). Von dieser Körner- masse aus, oft bis fast an den Kern in ihr verfolgbar, wird nun das Zellprotoplasma, das fein granulirt erscheint, von Fäden durchzogen, welche oft gegen die Hauptfortsätze des Zellleibes konvergieren (Fig. 8) und an denen deutlich Körner von etwas verschiedener Grösse angelagert sind. Mit aller Be- stimmtheit waren an der in Fig. 8 wiedergegebenen Zelle (nur der untere Teil der Figur ist ausgeführt), die gezeichneten Fäden zu sehen, besonders deutlich die mit fbr bezeichneten ; darüber, dass sie im Protoplasma liegen und nicht an der Oberfläche verlaufen, kann bei den Beziehungen zu der centralen Körner- masse kein Zweifel sein, und ebenso ist ihr Zusammenhang mit Fibrillen sicher zu konstatieren. Zwischen den beiden Zellkernen sieht man mehrere, annähernd in der Längsachse der.Protoplasma- !) Lwoff konstatiert von den Zellen des subeutanen Bindegewebes (l. ce. pag. 190), „dass der peripherische Teil der Zelle und die Zellenfortsätze sich schwächer färben, als der eentrale, den Kern umgebende Teil. Man ver- gleiche auch die von Boll (l. c.) angegebene, starke Körnung des Protoplasmas um den Kern, ebenso neben andern die Angaben Breslauers (Arch. f. mikr. Anat. Bd. V, 1869.) 138 ARNOLD SPULER, masse verlaufende Fäden. An Zellen, welche weiter auseinander gerückt sind, ist ein entsprechendes Verhalten des verbindenden Protoplasmateiles zu konstatieren. Zu bemerken ist noch, dass die diekeren Fasern in der Regel nur kurz vor dem Abgang von Fibrillen eine fibrilläre Struktur erkennen lassen (ebenso, wie oben erwähnt, an der Abgangsstelle), dagegen auf der oft langen Strecke ungeteilten Verlaufs nur selten. Bedenkt man die oben angeführten Beobachtungen über die Lagebeziehungen der Zellen und weiterhin die Existenz von Fäden, wie sie auf Fig. 8 zwischen den Kernen zu sehen sind, so scheint es sehr einleuchtend, dass durch Auseinanderrücken zweier Zellen Fibrillen, welche dann mit den nach den freien Seiten der Zellen herausragenden Fibrillen in Zusammenhang sich befinden, entstehen, also direkt Fibrillenbündel von recht ansehnlicher Länge durch Zusammenwirken zweier Zellen ge bildet werden können. Lwoff hat die gröberen Verhältnisse ganz gleich gefunden, indes schildert er die Fibrillen als stets den Zellen resp. deren Fortsätzen aufgelagert. Es „hat nicht den Eindruck gehabt, dass, wie Boll annimmt, von den einzelnen Zellen gebildete, kurze Fibrillen später der Länge nach verwachsen“. Er „land vielmehr, dass die Fibrillen sich ununterbrochen auf der Ober- fläche einer ganzen Reihe von Zellen bilden“ !). Auch ich habe vielfach die Fibrillenzüge neben den mit den Zellen in Zusam- menhang stehenden breiten Fasern gesehen, indes glaube ich nach den geschilderten Befunden zu der Ansicht berechtigt zu sein, dass die Fibrillen im Protoplasma gebildet werden, sicher- lich oft bei der Anlage schon in mehreren Zellen als kontinuir- liche Gebilde entstehen und, dass sie dann aus den Zellen gelangen, indem sich das Zellprotoplasma, das sie formiert hat, zurückzieht. Lwoff hat, aus dem Text zu schliessen, fast nur an t) 1. ec. pag. 19. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 13° abgezogenen Bindegewebslamellen und Zupfpräparaten gear- beitet und für die feinsten Verhältnisse geben nur bis 5 u dicke Schnitte genügend scharfe Bilder; es kann uns daher nicht wundern, dass er über den Zusammenhang der Fibrillen mit Elementen im Zellprotoplasma nichts angiebt — und das ist es ja gerade, was für unsere Ansicht von der Entstehungs- weise der Fibrillen massgebend ist. Die „körnige, interfibrilläre Substanz“ Bolls, die Lwoff (l. e. pag. 193) sicher für Über- reste des Protoplasmas anspricht, deute ich nach meinen Bildern in gleicher Weise; ich muss indes bemerken, dass ich dieselbe nicht überall in gleicher Verbreitung angetroffen habe, aller- dings kann ich keine Beobachtung angeben, welche diese Ver- schiedenheiten erklären könnte. Fassen wir die Befunde an diesen Schafsembry- onen kurz zusammen! Am weitesten zurück in der Ent- wickelung ist das Bindegewebe an den Extremitätenenden. Je mehr wir uns dem Körper nähern, desto spätere Stadien be- kommen wir zu sehen. Aus der Betrachtung dieser Partien er- giebt sich, dass zunächst durch die Abscheidung von Intercellular- substanz die Zellen auseinandergedrängt werden, dass dabei eine reichlichere Entwicklung des die Zellen verbindenden Protoplas- manetzes stattfindet. Die Zellleiber werden grösser, erscheinen ausgezogen, die ersten Fasern zeigen sich, und zwar in Zusammen- hang mit dem Protoplasma. Darauf folgt ein Stadium, in welchem das Netzwerk ungemein reich entwickelt ist, schon zahlreiche Fibrillen gebildet sind. An dem wesentlich weiter entwickelten Nabelstrang fanden wir erstens Zellen mit gröberen Strängen oder mit elastoiden Fasern in direktem Zusammenhang, zweitens ins Zellprotoplasma hinein bis zu einer centralen, körnigen Masse einzelne Fibrillen verfolgbar. Dass in den späteren Stadien auf Schnitten bei relativ immer wenigeren Fibrillen ein Zusammenhang mit dem Protoplasma der Zellen nachzu- weisen ist, kann uns naturgemäss nicht wunder nehmen. ARNOLD SPULER, An Zupfpräparaten konnte man erwarten, solchen Zusammen- hang häufiger zu finden, allein diese Methode liefert an konser- viertem Material wenig günstige Präparate. Ich wandte mich daher einem anderen Objekte zu, dem Amnion. Das unter- suchte Material entstammt Schafembryonen von 4 und 5° cm Steiss-Scheitellänge. Über dem einschichtigen ektodermalen Epithel (Fig. 14. Ep.) folgen, diesem eng anliegend, mehrere Schichten von glatten Bindegewebszellen (Fig. 14 a), die auf Querschnitten schmal spindelförmig erscheinen. Darüber liegt eine Zone mit spärlichen Bindegewebszellen (Fig. 14 b), die vorwiegend in der Nähe der Gefässe sich finden. Auf diese folgt eine Schicht in ziemlichem Abstand von einander gelegener, eigentümlicher Zellen (Fig. 14 e). Daran schliessen sich wiederum spärlich gewöhnliche vereinzelte - Bindegewebszellen (d) und Gefässe (g), in deren Nähe erstere sich ge- wöhnlich zahlreicher vorfinden!). An dieser Stelle ist die Tren- nung vom Chorion erfolgt. Durch die eben geschilderte Schichten- folge ist es bedingt, dass es gar nicht schwierig ist von Stück- chen des mit doppelehromsaurem Kali-Osmiumsäuregemisch fixierten Amnions mit Nadeln die Gefässschicht und die darüber gelegenen Gewebsteile von dem Ektoderm und den dicht anliegen- den Bindegewebsschichten in toto abzuziehen. Damit ist ein Objekt gewonnen, das ausnehmend günstig ist für das Studium des Zusammenhanges von Fasern und Zellen. Naturgemäss kommen durch die Präparationsmethode grössere Läsionen des Gewebes vor, allein die Zerrungen können doch nur Kunstprodukte in !) Es sei mir hier die beiläufige Bemerkung gestattet, dass ich in den letzten Jahren nichts gesehen habe, was mich veranlassen könnte, die Stellung; welche ich früher gegenüber der Lehre von der sog. intracellulären Entstehung roter Blutkörperchen (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 40, 1892, pag. 530 ff.) einge- nommen habe, irgendwie zu ändern. Auch Sedgwick Minots neuere Aus- führungen (Ch. Sedgwick Minot, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen, deutsche Ausgabe mit Zusätzen des Verfassers, von Dr. Sandör Köster, Leipzig 1894) scheinen mir keineswegs die Schäfer-Hayem schen Lehren annehmbarer zu machen. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 141 der Richtung liefern, dass der Zusammenhang von Zellen und Fasern gestört wird, nicht aber solche, dass dieser entstehen könnte. Das eben erwähnte Gewebe stammt grösstenteils von dem Zellmaterial, welches in früheren Embryonalstudien bei ver- schiedenen Säugern, so den Pachydermen und Ruminantiern, in den frühesten schon bei dem Menschen, das Magma retieu- lare, das zwischen Amnion und Chorion, also an der Stelle des extraembryonalen Cöloms, gelegen ist, bildet. Von den Alten, zuerst von Pockels!) und J. Müller?), vielfach beobachtet und wohl charakterisiert, von Velpeau als Magma reticule bezeichnet, wurde diese Bildung in neuerer Zeit weniger beachtet, bis sie vor kurzem neben andern, durch ©. Giacomini?) eine gründ- liche Bearbeitung erfuhr. Er kommt zu dem von Robin und Th. Langhans*) Ansicht, dass dies Gewebe von der Allantois stamme, abweichenden Resultate, dass beim Menschen?) „senza voler escludere in modo assoluto che queste due membrane (das Amnion- und das Dottersäckchen -Mesoderm) partieipano alla formazione del Magma, in specie in periodi pit inoltrati, dob- biamo dire, che I’ inizio di loro deve essere posto nel Chorion.“ Die öfter vertretene Ansicht, das Magma-Gewebe stamme vom Allantois-Mesoderm, hält Giacomini für unhaltbar, da es, bevor die Allantois-Anlage ins extraembryonale Cölom vorragt, schon vorhanden sei. Er bestätigt damit die Angabe von G. J. Martin- 1!) Pockels, Neue Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der mensch- lichen Embryonen in den ersten drei Wochen nach der Empfängnis. Vol. VI, Isis 1825. 2) J. Müller, Zergliederungen menschlicher Embryonen aus früherer Zeit der Entwickelung. Arch. f. Anat. u. Physiologie 1830. 3) ©. Giacomini, Sul coeloma esterno e sul Magma retieularis [!] nell’ Embrione umano. KEstratto del’ Giorn. della R. Acead. di Med. di Torino, vol. XLI, fasc. 6—7. 4) Th. Langhans, Untersuchungen über die menschliche Placanta. Arch. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. 1877, pag. 155 fl. 5) 1. c. pag. 34. 142 ARNOLD SPULER, Saint-Ange!): „Car ce tissu retieule, sorte de tissu conjonctif, existe egalement alors m&me que l’allantoide ne s’est pas deve- loppee.“ Diese frühzeitige Entwickelung des menschlichen Magma hängt offenbar ab von der frühzeitigen, vollständigen Umwachs- ung der Keimblase durch das Mesoderm, die für den Menschen charakteristisch ist, wie F. Graf Spee?) und andere ausgeführt haben®). Bei Tieren ist die Bildung des Magma in neuerer Zeit in eingehender Weise von Robin) untersucht worden, eine Arbeit die mir leider unzugänglich war. Die histogenetische Bedeutung des zwischen Amnion und Chorion als „Lamina inter- media“ (His) sich einschiebenden Gewebes hat, wie ich nach- träglich fand, schon Langhans°) gewürdigt. Obgleich er, wenn auch nur selten, „Ausläufer einer Zelle in eine Faser sich fort- setzen sieht,“ kommt er doch zu der Anschauung, dass die Fasern, offenbar aus der feinkörnigen Grundsubstanz entstünden. Zuerst wende ich mich zur Betrachtung der Zellen der lockeren Schichten. In Figur 4 sehen wir in einer derartigen mit Alaun-Campeche und schwach mit Rubin S gefärbten Zelle um den dunkel tingierten Kern eine etwas hellere Zone. Der Zellleib zeigt eine Reihe von Ausläufern, in denen wir dunkler 1) G. J. Martin-Saint-Ange, Ilconographie pathologique de l’oeuf humain fecond& en rapport avec l’etiologie de l’avortement. Paris, J. B. Bail- liere fils 1884, pag. 31, Anm. 2. 2) F. Graf Spee, Beobachtungen an einer menschlichen Keimscheibe mit offener Medullarrinne und Canalis neurenterieus. Arch. f. Anat. u. Entwick- lungsgesch. 1889, pag. 159 fl. 3) Weil ich glaube, dass es im Interesse des Unterrichtes von grosser Bedeutung ist an unseren besten Lehrbüchern jeden beobachteten Mangel fest- zustellen, nicht um irgend wie kritisieren zu wollen, erwähne ich, dass in OÖ. Hertwigs Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte auch in der neuesten Auflage die Verhältnisse des Magma in der Darstellung nicht berührt sind. 4) Ch. Robin, Me&moire sur la structure intime de la vescieule ombili- cale et de l’allantoide chez l’embryon humain. In: Journal de la Physiol. 1861, pag. 228 ft. 5) 1. c. pag. 196 und 197. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 143 gefärbte Fäden deutlich erkennen und in den Zellleib verfolgen können. Unten rechts vom Kerne sehen wir die Fäden zu einem unentwirrbaren Netzwerk oder Geflecht verschmolzen; nach links oben hin lockert sich dasselbe, auf und es gelingt dann auf längere Strecken in dem Protoplasma einzelne Fäden zu ver- folgen. Die Abbildung zeigt ein etwas unbestimmtes Bild, es rührt dies daher, dass die Dinge eben an der Grenze des Sicht- baren liegen und ich dieselbe möglichst naturgetreu ausgeführt habe. Bei x sehen wir in hellem Höfchen zwei Körner im Farben- ton der Nucleolen, nur beträchtlich heller tingiert. Ausserdem sieht man eine Anzahl heller Räume in der Zelle; durch Heben und Senken des Tubus lässt sich mit aller Bestimmtheit_ fest- stellen, dass die bei v (Fig. 4) und oberhalb der bezeichneten Stelle gelegenen hellen Flecken allseitig von Protoplasma um- gebene (sebilde, Vakuolen, sind. Bei v, sehen wir solche, welche nicht mehr scharf umgrenzt sind — sie öffnen sich, ihr Inhalt vermengt sich mit der Intercellularsubstanz. Lwoff!) fand im embryonalen Bindegewebe auch kleine, runde Zellen und Übergänge von diesen zu den stern- förmigen Zellen. Diese Beobachtung kann ich bestätigen. Man findet im Magma reticulare ziemlich zahlreich, an den anderen Orten etwas spärlicher kleine, gekörnt aussehende Zellen?), mit relativ kleinem Zellleib und Kernen, welche keinerlei Degene- rations-Erscheinungen zeigen, also Zellen, welche wie richtige undifferenzierte Wanderzellen aussehen. Es finden sich alle Über- gänge bis zu der in Figur 6 abgebildeten Form. Offenbar sind sie amöboid beweglich, denn sie zeigen sehr wechselnden, die grössern Fornıen fast stets gelappten Kontur. Mit der Grössenzunahme des Protoplasmas ändert sich auch dessen Cha- 1) 1. e. pag. 192. 2) Dass sich richtige Leukocyten und Mastzellen (Waldeyer) allent- halben finden, brauche ich kaum zu erwähnen. 144 ARNOLD SPULER, rakter. Die Körner erscheinen grösser, daneben schon vakuo- läre Gebilde, vermutlich aus den Körnern hervorgegangen, dann zeigen sich immer mehr Vakuolen, oft nur an einzelnen Partien des Protoplasmas und es nimmt schliesslich der ganze Zellleib den schaumigen oder wabigen Charakter an, wie es Fig. 6 zeigt. Natürlich handelt es sich bei diesem Bilde nur sehr be- dingt um die feinere Struktur des Protoplasmas, sondern es sind richtige Vakuolen, welche das Aussehen bedingen (v, Fig. 6). An drei Stellen, mit v, bezeichnet, sehen wir, dass die Wände der Vakuolen fast unsichtbar sind und dass peripher feinste pseudopodienartige Protoplasmafortsätze um offene Räume von der Grösse der grossen Vakuolen in die Intercellularsubstanz ragen; sicherlich sind sie durch Kontinuitätstrennung in der Wand randständiger Vakuolen entstanden. Ein weiteres Stadium dieser Zellen zeigt uns Fig. 7. Der Zellleib ist umfänglicher geworden, hat sich mehr abgeplattet, die Vacuolen sind oben in der Figur zahlreich, unten rechts spärlicher. Bei v, sind offenbar mehrere konfluiert, die Wand ist äusserst dünn geworden. An dem mit f bezeichneten Zell- teil sehen wir zahlreiche, schon weiter in die Umgebung vor- ragende Fortsätze, bei v, wie in Fig. 6 v, sich öffnende Va- kuolen. Offenbar sind die pseudopodialen Bildungen bei f auf den gleichen Prozess genetisch zurückzuführen. Im übrigen ist von der abgebildeten Zelle abgesehen von dem mit x be- zeichneten Gebilde, von dem später die Rede sein wird, zu be- merken, dass bei f das Bild derartig ist, dass ich nicht ent- scheiden kann, ob es sich um plattgedrückte Vakuolen handelt, oder um eine netzartige Struktur des Protoplasmas, und dass ferner sich bei x eine verdichtete, resp. dunkel tingierte Stelle im Zellleib befindet. In Figur 5 bilde ich eine Zelle ab, welche den Übergang von Fig. 7 zu Fig. 4 vermittelt. Die Zelle hat im allgemeinen den Charakter der Fig. 4, indes finden sich noch bei v wohlerhaltene, runde Vakuolen. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 145 Wenn man die abgebildeten Zellen mustert, so kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dass sich die runden Zellen in der in der Darstellung eingehaltenen Reihenfolge der Stadien ent- wiekeln und füglich zu richtigen fixen Bindegewebszellen werden, eine Auffassung zu der, wie schon erwähnt, Lwoff gekommen ist. Dass die Vakuolenbildung und Entleerung mit der Bildung der Grundsubstanz in Kausalnexus stehe, ist wohl keine unge- rechtfertigte Auffassung, wenn auch erst genauere Aufschlüsse über die ersten Entstehungsvorgänge derselben uns ein volles Verständnis dieser merkwürdigen Bildungen geben können !). Es scheint mir, dass uns die Bilder zeigen, wie wandernde undifferenzierte Mesenchym-Elemente das Zellmaterial des sich formierenden Bindegewebes vermehren. Allerdings könnte man ja den Bildern auch eine andere Deutung geben, dass nämlich die Entwickelungsreihe der geschilderten Zellen eine umgekehrte sei, dass es sich um fixe Bindegewebselemente handle, welche wieder wandernd würden, oder zu Grunde gingen. Letzteres scheint mir deshalb ausgeschlossen, weil keinerlei Degenerations- erscheinungen an den Kernen dieser Zellen sich finden, gegen erstere Deutung spricht der Umstand, dass die Bilder von Va- kuolenentleerung in den Zellen mit grossem, mehr flächenartig ausgebreitetem Leibe sich viel zahlreicher finden, als in denen mit kleinen (efr. Fig. 6 mit 7), und dass auch richtige fixe Binde- gewebszellen grosse, sich eröffnende Vakuolen zeigen (Fig. 4 und 5), nie aber zahlreiche kleine, sich entwickelnde ?). Es bleibt uns noch die oben bezeichnete, aus einer Lage reich verzweigter, platter Zellen bestehende Schicht zu besprechen übrig. Immer steht in ihnen der Kern randständig und ist von einem schmalen hellen Hofe umgeben (Fig.9 und 10). Lediglich durch Schrumpfung scheint mir die letztgenannte Erscheinung !) Siehe weiter hinten pag. 153 die Angaben über menschliches Material. 2) Man vergleiche meine Angaben über analoge Verhältnisse beim Knorpel. In: Sitzungsber. d. phys.-med. Societät zu Erlangen, 27. Heft 1895. Anatomische Hefte. 1. Abteilung. Heft XXI (7. Bd. H. 1). 10 146 ARNOLD SPULER, deshalb nicht entstanden zu sein, weil sie sich durchgehends findet und die Kerne überall einen glatten Kontur und auch sonst keinerlei Vorkommnisse zeigen, welche alsSchrumpfungsbilder zu deuten wären. Indes, auch wenn dieses Bild ganz durch Schrumpfung entstanden wäre, was ja auch möglich, so würde es für die Ver- wertung der gefundenen, alsbald zu schildernden Verhältnisse als Beweismaterial für meine Ansicht keinen Hinderungsgrund bilden. An abgezogenen Lamellen des Magma-Gewebes sieht man die Zellen so, wie es in Fig. 10 wiedergegeben ist. Diese zeigt ein mit den Zellausläufern in Verbindung stehendes ganz unbe- stimmtes, fädiges Netzwerk; bei xı und x2 dunkler tingierte Stellen mit hellem Hof und dunklem Korn darin, Bildungen, die man von vornherein geneigt ist als Archoplasma und Centrosoma anzusprechen. Die helle, gestreckte, bei xe sich nach links oben ziehende Bildung findet sich fast allgemein bei diesen Zellen; zuerst dachte ich an mechanische Alteration derselben, allein das regelmässige Vorkommen auch auf Schnitten widerspricht einer solehen Deutung; was sie aber zu bedeuten habe, darüber zur Klarheit zu kommen, war mir unmöglich. Die in Fig. 10 abgebildete Zelle zeigt Sonderbarkeiten, wie ich sie nur das eine Mal gesehen habe, nämlich zwei dieser dunklen Stellen und einen hantelförmig ausgezogenen Kern von eigentümlicher Krümmung. Dass es ein Stadium direkter Kernteilung sei, möchte ich nicht annehmen, immerhin aber scheint es mir zu zeigen, dass das kinetische Centrum eben nicht im Kerne, sondern im Protoplasma selbst liege. Die ganz excen- trische Lage, die der Kern bei diesen Zellen allgemein einnimmt, sowie der Umstand, dass gerade von den Stellen, an welchen der Kern anliegt, keine Fortsätze ausgehen, führt zu der Vorstellung, dass er auch bei der Fibrillenbildung sich passiv verhält, seine Funktion also nicht kinetischer, sondern vegetativer Natur ist'). 1) Auf diese Frage einzugehen liegt ausserhalb des Rahmens der Arbeit. Ich möchte bier nur auf das schon oft besprochene Verhalten der Kerne von Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 147 Auf Flächenschnitten von nicht über 5 « Dicke durch das Amnion konnte ich bei diesen Zellen bei Safraninfärbung ganz eigenartige Strukturen beobachten. Möglich, dass sie wenigstens zum Teil durch das an diesen äusseren Schichten konzentriert einwirkende zur Fixierung verwandte Ramön y Cajalsche Gemisch, das ja analog Altmanns Gemisch zur Darstellung der Zellgranula zusammengesetzt ist, hervorgerufen wurden). Für die vorliegende Frage ist dies irrelevant, denn dass auch die Anordnung der Körnchen, und nur diese kommt in Betracht, ein Kunstprodukt sei, wird wohl niemand behaupten. In Fig. 9 habe ich mich bemüht, getreulich eines der präg- nantesten Bilder, welche mir begegnet sind, wiederzugeben. Das Chromatin des Kernes ist nur ganz blass tingiert, schön hochrot dagegen die Nucleolen (n). Ganz gleich gefärbte Körner, die zum Teil durch Zerfall eines grösseren entstanden zu sein scheinen, liegen links vom Kerne im Protoplasma (x). Man erinnert sich daran, dass auch bei Campeche-Tinktion derartige Körner im Protoplasma (Fig. 4, x) zu beobachten waren, ebenso waren sie an Eosin- und Orceinpräparaten zu sehen (Fig. 8). Der Zellleib ist nach links oben und rechts unten in zahl- reiche Fortsätze zerteilt, rechts oben ist er nicht mehr in den Schnitt gefallen. Man erkennt im Protoplasma feine Streifen, welche deutlich aus einzelnen, blassrot gefärbten Körnchen be- stehen. In der Zellperipherie sind die einzelnen Fäden ganz deutlich zu verfolgen, besonders prägnant waren die Verhältnisse an den mit a und b an Fig. 9 bezeichneten Stellen zu sehen. Die Körnchenreihen lagen nicht alle in gleichem Niveau, die nach rechts oben auf der Tafel gehenden, abgeschnittenen tiefer Drüsenzellen einerseits, andererseits auf die Verhältnisse bei der Befruchtung und weiterhin auf die Resultate beim Zerschneiden von Infusorien hinweisen. !) Man vergleiche die Angaben von A. Fischer (Zur Kritik der Fixierungs- methoden und der Granuala. Anat. Anzeiger Bd. IX, Nr. 22, 1894) und von R. Krause (Zur Histiologie der Speicheldrüsen. Die Speicheldrüsen des Igels. In: Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXXXV, 1895, pag. 102 u. 103). 10* 148 ARNOLD SPULER, als die bei b gelegenen. Rechts ‚oben vom Kerne findet sich eine dunklere Stelle im Bild. Hierher laufen die Fäden zusammen. Es war dort, auch bei stundenlanger Beobachtung bei bestem Licht, mir unmöglich weitere Details zu unterscheiden. Die Fortsetzung der Körnchenreihen in die Fibrillen, welche keine Körnelung erkennen liessen, war mit aller Sicherheit zu konsta- tieren, die, auf der Figur nur auf einer Strecke ihres Verlaufs wiedergegebenen Fibrillen, zum Teil über beträchtliche Strecken zu verfolgen. Ob es sich bei dieser Zellschicht um gewöhnliche Fibroblasten handelt, erscheint mir fraglich. Bei Berücksichtigung der excentrischen Lage des Kernes und der Körnelung der Fäden könnte man zu der Vermutung kommen, dass es sich um kon- traktile Elemente handelt; indes bleibt, bevor man derartiges behauptet, zu bedenken, dass bei Säugern Bewegungsvorgänge am Amnion resp. Chorion, die bei Sauropsiden ja so ausge- sprochen sind, so viel ich wenigstens in Erfahrung bringen konnte, noch nie beobachtet worden sind. Es ergiebt sich also auch aus dem Studium dieser eigen- artigen Gebilde, dass die Fibrillen mit fadenartigen Bildungen im Zellprotoplasma in kontinuierlichem Zusammenhang stehen. Noch nicht näher betrachtet haben wir bisher die centrale, körnige Masse und die Gebilde, die wir vielfach in ihr unter- scheiden konnten. An dem tierischen Material habe ich diese Dinge weniger eingehend verfolgt, dagegen bei Untersuchung des menschlichen auch gerade auf diese Punkte Rücksicht ge- nommen. Der menschliche Embryo von 8cm Scheitel-Steiss- länge war, wie schon oben erwähnt, mit Zenkerscher Flüssig- keit konserviert. Er zeigte, so weit ich ihn bis jetzt untersucht habe, besonders zahlreich im Peritoneum und der Bauchwand, wohl erhaltene Mitosen; in der Nabelschnur habe ich fast keine angetroffen. Dass der Fötus ziemlich frisch in meine Hände kaın, dürfte aus diesem Befunde hervorgehen; auch die Nabel- Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 149 schnur zeigte mir keine Bilder, welche auf postmortale Ver- änderungen schliessen liessen. Zur Untersuchung wählte ich die Bauchdecken und den Nabelstrang, ferner Vorderarm und Hand. Nur von den beiden zuerst erwähnten Objekten soll im folgenden die Rede sein. Was zunächst den Nabelstrang, zu dessen Untersuchung Längsschnitte ungemein mehr geeignet sind als Querschnitte, anlangt, so finden sich, von den spärlichen Rundzellen abge- sehen zwei Zelltypen, durch zahlreiche Übergangsstufen mit einander verbunden: 1. spindelförmige an den Enden weit aus- laufende, mit, namentlich in der Nähe der breiten Hauptfort- sätze, scharfem Kontur, und 2. flächenartig ausgebreitete mit zahl- reichen Ausläufern versehene, zumeist auch in einer Richtung etwas ausgezogene. Beide Typen zeigen vielfach verzweigte anastomosierende protoplasmatische Fortsätze und stehen oft, meist in der Längsrichtung, mit emander in Zusammenhang; doch ist diese Anordnung in Züge viel weniger ausgesprochen als ich es beim Schaf gefunden habe. Auf Schnitten erscheinen die Spindelzellen zahlreicher, als sie in Wirklichkeit sind. Dies zeigen Zupipräparate. Leider waren diese von dem konservierten, schon längere Zeit in Al- kohol befindlichen Material nicht so herzustellen, dass sie für das Studium der feineren Verhältnisse erspriesslich waren. Die Struktur der Zellen zeigt nichts von der vom Nabel- strang des Schafes beschriebenen wesentlich Abweichendes. Die centrale körnige Masse, der Zusammenhang, der Fibrillen mit fädigen Bildungen im Zellprotoplasma waren in gleicher Weise zu sehen; zumeist fanden sich im Protoplasma Körner, nicht selten darunter ganz dunkle, wie die Nucleolen gefärbte. Einmal sah ich einen Zellfortsatz, nachdem er eine Strecke von ungefähr sechs Zell-Längen durchlaufen hatte, etwas breiter werden, — dort war dann eine körnige Masse an ihm sichtbar —, und sich in ein Fibrillenbüschel auflösen; es können also, wie dies 150 ARNOLD SPULER, Bild zeigt, aus einer Zelle Fibrillen von recht beträchtlicher Länge ihren Ursprung nehmen. Ausser von breiten Fasern sieht man von spindeligen Zellen vielfach auch elastoide, gröberen und feineren Kalibers, ausgehen, ebenso auch Bindegewebsfibrillen. Solche Übergangszellen sind meist etwas mehr flächenhaft ausgebreitet. Sie zeigen, nament- lich wo elastische Fasern abgehen -einen scharfen, glänzenden Kontur. An Orceinpräparaten treten die elastoiden Elemente deut- lich hervor; sie gehen oft wie verbreitert von den Zellen ab, oft sieht man, wie sie sich teilen. Die Körner, bald in kompakten Haufen, bald mehr zer- streut, treten bei dieser Färbung deutlich hervor. Das Faden- werk im Protoplasma ist auf diesen Präparaten oft so deutlich bis in die nächste Nähe des Kerns zu verfolgen, dass man meint, es befinde sich noch ausserhalb des Zelleibes. Mit Rubin S oder Eosin gefärbte Schnitte aus der gleichen Gegend zeigen jedoch, dass dem nicht so sein kann; denn es ist doch nicht gut denkbar, dass in den Schnitten, die doch nicht genau den Schichtungsflächen des Gewebes parallel sein können, von 50 zu 50 u Lagen wechseln sollten, in denen das eine Mal viele Zellen mit minimaler Protoplasmamenge um den Kern, das andere Mal lauter solche mit grossen Zellleibern liegen. Einmal sah ich eine Zelle mit einem breiten, deutlich fibrillären und zahlreichen feinen Ausläufern, welche von den Basen der Aus- läufer gegen den Kern hin wie von ansehnlich breiten, ganz fein gekörnten Streifen durchzogen schien; in einem etwas ab- geschnürten Fortsatz lagen Körner von der gewöhnlichen Grösse. Dies Bild erinnerte mich lebhaft an das in Fig. 9 wiedergegebene aus dem Magma reticulare stammende, war aber lange nicht so klar. Wenn ich die Bilder, welche mit Zenkerscher Flüssig- keit konserviertes Material lieferte, mit den mit der Ramon y Cajalschen Lösung bei Schafembryonen erhaltenen vergleiche, Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 151 so bemerkt man, dass die Zellen bei der ersteren Conservierungs- methode durchschnittlich leerer, mit stärker vortretenden gröberen Körnen und gröberer Struktur versehen erschienen als bei der anderen. Es wirken also die Reagentien in verschiedener Weise auf das Protoplasma ein. Indes in den prinzipiell für unsere Frage wichtigen Punkten stimmen die auf beiderlei Arten be- handelten Zellen überein). Schon früher haben wir in-der Darstellung die gröber ge- körnt. erscheinende, in der Nähe des Kernes gelegene Masse gestreift, wir wollen nunmehr an der Hand von Schnitten, welche tangential durch die Bauchdecken des Embryo angefertigt wurden, sie etwas näher in's Auge fassen. Mit der reizenden Eisen- alaun-Hämatoxylin-Methode von M. Heidenhain, die ich mit Zusatz von übermangansaurem Kali nach R. Krause’s Vor- schlag’), um zugleich Protoplasmafärbung zu erzielen, an- wandte, erhält man, besonders bei Vorfärbung mit Bordeaux- rot und Nachbehandlung mit Rubin S für unsere Zwecke recht instruktive Bilder. Man sieht bei den zumeist in zwei bis drei Zipfel ausgezogenen Zellen, wie sich die Fibrillen ins Protoplasma verfolgen lassen (Fig. 11 und 12 fb), Verhält- nisse, die wir ja schon eingehender besprochen haben. Im innern der gekörnten Masse erkennt man einen helleren Hof und in demselben gewöhnlich zwei violett-schwarze Körn- chen (c), bald ganz dicht zusammen liegend, bald etwas von einander getrennt. In vereinzelten Fällen sieht man nur ein dunkles Korn (Fig. 12) — vielleicht ist das nur durch die Rich- 1) Nicht unerwähnt darf ich lassen, dass sich mit Orcein die elastoide Schicht unter dem Epithel stark dunkel färbt, und man sie allenthalben mit elastoiden Fasern des Nabelstranggewebes in Zusammenhang trifft, welche sich oft vor der Anlagerung verbreitern, oder auch kurz zuvor sich teilen: ferner, dass das Epithel gegen die Einwirkung von Säuren und Alkalien sehr resistent ist. Wenn es mit den Reagenzien gekocht wird, bleibt es noch so gut erhalten, wenn die elastoide Substanz schon ganz zerkrümmelt ist, dass sich noch die einzelnen Zellen unterscheiden lassen. 2) R. Krause, |. c. pag. 94/95. 152 ARNOLD SPULER, tung, in welcher wir in diesen Fällen auf die Bildung sehen, veranlasst. Mehr als zwei Körnchen habe ich nur einige Male deutlich sehen können. Von diesen Körnchen ausgehend sieht man nur hier und da andeutungsweise Strahlungen den hellen Hof durchsetzend, an denen sich in ziemlich gleichem radiärem Abstand von den beiden centralen Körnern einige Male kleinere dunkle Körnchen auffinden liessen; scharfe Bilder derart habe ich nie zu Gesicht bekommen. Die gröber gekörnte Masse zeigt nicht selten eine bemerkbare zu den centralen Pünktchen radiäre Anordnung der Körner — aber auch hier sind die Bilder nie so deutlich gewesen, dass es möglich war mit Bestimmtheit Reihen von einzelnen Körnern zu erkennen. Dass wir in den zwei centralen Körnern centrosomale Gebilde zu sehen haben, ebenso in der gekörnten Masse das Archoplasma, dürfte wohl eine Deutung sein, die nicht eingehender diskutiert zu werden braucht. Dass die früher erwähnten Gebilde gleicher Art in gleicher Weise zu deuten seien, ist wohl ohne weiteres annehmbar. Über die feinere Struktur im Protoplasma dieser Zellen genaueres festzustellen, habe ich mir viel Mühe gegeben, indes sind eben, was ja auch Flemming in seiner diesbezüglichen Arbeit betont hat, die Säugetierzellen so klein, dass es auch beim besten Lichte kaum gelingt, zu einem einigermassen sicheren Urteil zu kommen. Leicht sind die Centralkörper darzustellen ; gewöhnlich sind zwei vorhanden, deren einer oft grösser ist. Ich habe ja oben schon von ihnen gesprochen. Eine Sphäre um die Körner zu sehen, gelang mir nicht mit genügender Deutlichkeit. Der helle Hof um dieselben zeigt gewöhnlich keine scharfe Grenze gegen die ihn umgebende gekörnte, sich stärker tingirende Masse. Über deren gröbere Verhältnisse habe ich oben (pag. 137) schon gesprochen. Ausser einer schon er- wähnten, andeutungsweise radiären Anordnung in derselben, finden sich auch Bilder, welche mehr den Eindruck konzen- trischer Schichtung machen. In den peripheren Partien dieser Anat. Hefte IAbtheilung Heft B(7BaHt) TapıvMm x mes km; 8 " = fin 2 SS 12 } N Spulendel Weeibaden + = - > en \ - nd En > e- . - Da R > 2 & Ps 3 , R . i . - r 5 us l - u B B ö 2 N Y - “ 0 - 5 5 = “ u » u. 1 -— Er 1 “ » . UM ” 5 . v E23 - ‚> u ‘ ® e . s = i u = . .. x ‘ * Zur % - u « Fi 5 ..— u “ 4 ß - - . H Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 153 Körnermasse zeigt sich eventuell ziemlich deutlich eine wabige Struktur. Einzelne helle Tröpfchen finden sich im Protoplasma der meisten Zellen. Namentlich in den Randpartien, wo sich das Protoplasma in kaum wahrnehmbaren feinsten Netzen aus- breitet, zeigen sich vielfach solche vakuolenartige Bildungen. Das Geschilderte zeigt Abbildung 13. Nun finden sich aber auch andere Verhältnisse. Einmal Zellen vom Typus der Ab- bildung 7, in denen der Hof um die centralen Körner nur von einer schmalen Körnerzone umgeben ist. Dagegen ist das ganze Protoplasma mehr weniger gleichmässig, erfüllt von gröberen, stärker tingierten Körnern. An den grössern derselben kann man feststellen, dass sie heller tingiert sind als die kleineren, und zwar kommt dies dadurch zustande, dass sich in einem färbbaren Mantel ungefärbte Substanz ansammelt. Sie wachsen weiter und finden sich in allen Übergängen bis zu dem oben geschilderten rakuolenartigen Gebilden. In der Grösse wie das bei kv der Fig. 13 abgebildete finden sie sich namentlich in den schwanz- artig ausgezogenen Zellen‘), weithin in den groben Fortsätzen verfolgbar. Gehen diese dann in Fibrillen über, so kann das Zellprotoplasma mit zahlreichen solchen, und zwar etwas grösseren Gebilden noch einige Zeit die Fibrillen begleiten. Man erhält dann die Bilder, welche Th. Langhans?) beschrieben und als oft stech- apfelförmige Körner bezeichnet hat (Fig. 13, die Stelle bei stk). — Zwischen diesen Gebilden erscheint das Protoplasmafeinste Körner in Reihen (Fäden) angeordnet zu enthalten. So war an der in Fig. 12 abgebildeten Zelle bei kf deutlich zu sehen, dass zahl- reiche Körnchenreihen sich durchflochten. Genaueres über die Beziehungen dieser Körnchenfäden zu der centralen Körnermasse !) Ob diese kleineren, mehr als Körner, denn als Bläschen erscheinenden Gebilde nicht anderer Natur sind als die grösseren? Vielleicht stehen die ersteren mit Bildung der Kittsubstanz in Zusammenhang, letztere z. T. mit der Schleimbildung, — Schleimtröpfeher sind mit P. Mayers Mucicarmin zahlreich in der Grundsubstanz nachzuweisen. 2) 1. c. pag. 193 ff, Taf. VII, Fig. 2. 154 ARNOLD SPULER, festzustellen gelang mir nicht. Doch scheinen mir die früher erwähnten Bilder, in denen die Fäden resp. Körnchenfäden (Fig. 8 und 9) bis zu der centralen Masse (Fig. 8) resp. zu den centralen Teilen des Zellprotoplasmas (Fig. 9) zu verfolgen waren, ebenso wie die, in welchen die centrale Körnermasse entsprechend den Hauptfortsätzen der Zelle in Zipfel ausgezogen erscheint (Fig. 8), der Vermutung, dass genetische Beziehungen zwischen beiderlei Gebilden bestehen, zur Stütze zu dienen. Wie die Verhältnisse liegen, halte icn es für nicht ange- bracht, mich in theoretischen Spekulationen über die Struktur des Protoplasmas dieser Zellen einzulassen, ebensowenig daher zu den diesbezüglichen Streitfragen in der neuesten Litteratur Stellung zu nehmen '). Auch das menschliche Material lieferte mir also Bilder, welche ich nur so deuten kann, dass die Fibrillen im Protoplasma der Zellen gebildet und dann frei werden, indem dieses sich von ihnen zurückzieht. (Vergl. Fig. 12 fb,.) Zur Entscheidung unserer Frage ist dies Objekt, — zumal die dicht unter dem Epithel ge- legenen Zellen in der Entwickelung gegenüber den anderen zu- rück sind, so dass man also innerhalb eines Schnittes verschiedene Stadien vergleichen und ohne Mühe feststellen kann, dass die Auflösung in Fibrillen, je mehr Fasern gebildet sind, je weiter differenziert also das Gewebe ist, immer näher dem Kerne statt- findet, und somit Schwanns Angabe bestätigt findet, — meines Erachtens recht geeignet, ungleich geeigneter als die Nabelschnur dieses Stadiums. Ob sich dies, wenn einem eine gute Serie von Embryonen zur Verfügung steht, nicht ändert, vermag ich nicht abzusehen, jedoch möchte ich es annehmen, da Fr. Merkel sich gerade die Nabelschnur doch gewiss nur nach Vergleichung mit anderem embryonalen Bindegewebe ausgewählt hat. 1) Nur auf die Beziehungen oben mitgeteilter Befunde zu den Mevesschen (Üper die Zellen des Sesambeins in der Achillessehne des Frosches (Rana temporaria) und über ihre Centralkörper. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 45, 1895, pag. 133 ff.) möchte ich hinweisen. Beiträge zur Histiologie und Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz. 155 Zum Schlusse meiner Darstellung möchte ich in aller Kürze erwähnen, dass ich bei Zellen, welche sich in Mitose befinden, zwar beobachte, dass sie vielfach, wie die anderen in mehrere Zipfel ausgezogen sind. Aber die verästelten, feinen Fortsätze, welche sonst, oft nach allen Seiten, sich an den Zellleibern finden, kann ich so gut wie nicht auffinden, ebenso nur selten irgend einen Zusammenhang mit Fibrillen, so weit natürlich nicht die groben Fortsätze in Betracht kommen, feststellen. Im Gegenteil, die in Teilung begriffenen Zellen haben, was ja nach den analogen Befunden an so vielen Objekten von vorn herein zu vermuten ist, eine abgerundete Gestalt, regelmässigen Kontour. Nach dem, was ich gesehen, mochte ich annehmen, dass wäh- rend der Teilung die Bildung von Fibrillen ruht. Wenn ich auch wohl weiss, wie vielfache Lücken in dieser Untersuchung unausgefüllt geblieben sind, Lücken, die teils da- durch bedingt sind, dass die Dinge bei den relativ kleinen Säugetierzellen an der Grenze des eben noch oder eben nicht mehr sichtbaren so vielfach liegen, dann in der Schwierigkeit, in einer kleineren Stadt in kürzerer Zeit soviel embryonales Material speziell vom Menschen zu erhalten, dass eine Anwendung einer grösseren Anzahl von technischen Verfahren möglich wäre, — so glaube ich doch in vorstehendem manches dargestellt zu haben, was die alte Lehre von der Entstehung der Bindegewebsfibrillen im Zell- protoplasma stützen und bekräftigen kann und auf Erscheinungen hingewiesen zu haben, welche uns der Lösung der Frage nach der Herkunft der Intercellularsubstanz näher führen. Ein Gleiches wäre nunmehr auch für den Knochen und namentlich den Knorpel, bei dem die Verhältnisse in mancher Beziehung un- gleich schwieriger liegen, durchzuführen. Wenn dies geschehen, so steht meines Erachtens einer einheitlichen Auffassung der Histiogenese der Binde- und Stützsubstanz, wie sie die Lehre von der Metaplasie dieser Gewebe eriordert, kein grösseres Hindernis mehr im Wege. Verzeichnis der im Texte angeführten Litteratur. de 2. o 14. 15. F. Boll, Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Ge- webe Zweite Abteil. In: Arch. f. mikr. Anatomie Bd. VIII, 1872. R. Bonnet, Beiträge zur Embryologie der Wiederkäuer, gewonnen am Schafei, (Fortsetzung). In: Arch f. Anat. u. Entwickelungsgesch., 1889. W. Breslauer, Über die Entwickelung des fibrillären Bindegewebes. In: Arch. f. mıkr. Anat. Bd. 5, 1869. F. C. Donders, Form, Mischung und Funktion der elementären Gewebe- teile im Zusammenhang mit ihrer Genese. (Aus dem Holländischen über- tragen und mitgeteilt durch Dr. H. Berlin.) In: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. III, 1851. . A. Fischer, Zur Kritik der Fixierungsmethoden und der Granula. Anat, Anzeiger Bd. IX, Nr. 22, 1894. W. 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Keib’el, Zur Entwickelungsgeschichte der Chorda bei Säugern (Meer- schweinchen und Kaninchen). In: Arch. f. Anat. u. Entwickelungsge- geschichte, 1889. Verzeichnis der im Texte angeführten Litteratur. 157 16. 17: 31: 32. 33. 34. H. Klaatsch. Zur Kenntnis der Beteiligung des Ektoderms am Aufbau innerer Skeletbildungen. In: Verhandl. d. anat. Gesellsch., 8. Vers., 1894. H. Klaatsch, Über die Bedeutung der Hautsinnesorgane für die Aus- schaltung der Skleroblasten aus dem Ektoderm. In: Verhandl. d anat, Gesellschaft, 9. Vers., 1895. A. Koelliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Sechste Aufl., Leipzig 1889. — Würzburger med. Verhandl. III, 1853, pag. 1. R. Krause, Zur Histologie der Speicheldrüsen. Die Speicheldrüsen des Igels. In: Arch. f. mikr. Anat. Bd. 45, 1895. . €. v. Kupffer, Studien zur vergl. Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Cranioten. Heft 2, 1894. — Über die Entwickelung des Kiemenskeletts von Ammocoetes und die organogene Bestimmung des Exoderms. 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Ein Teil des Amnions, mes mesodermale Somato- pleurazelle, ekt Ektodermzelle, Färbung wie bei Fig. 1. Fig. 3. Bindegewebszelle aus dem Nabelstrang eines Schafembryos von 0,9 em Länge. f fibrilläre Struktur des Zellteiles, welcher sich bei x in ein Büschel feinerer Fortsätze auflöst. Ramön y Cajalsches Gemisch; Alaun- cochenille. Fig. 4. Bindegewebszelle eines 5°/« cm langen Schafembryos aus der dem Amnionepithel zunächst gelegenen lockeren Gewebsschicht. m dunklere Masse im Protoplasma, x zwei unregelmässige Körner in hellerem Hofe, v Vakuolen im Protoplasma, v, eröffnete Vakuolen. Ramön y Cajalsches Gemisch; Alaun-Campeche, wenig Rubin-S. Fig. 5. Desgleichen aus dem Magma retieulare. v deutliche Vakuolen. Färbung Alaun-Campeche, in Glycerin eingeschlossen. Fig. 6. Desgleichen. Zelle mit von zahlreichen Vakuolen durchsetztem Protoplasma. v Vakuolen; v, sich eröffnende Vakuolen. Ramön y Cajalsches Gemisch; Alaun-Campeche, Rubin-S. Fig. 7. Desgleichen. k dunklere Masse im Protoplasma, x zwei Körner in hellem von undeutlichen stachligen Gebilden durchsetztem Hofe. v Vaku- olen, v, sich eröffnende Vakuolen, v, grössere Vakuolen von einer ganz feinen Protoplasmahülle noch umschlossen, f Stelle von wabigem Aussehen. Fig. 8. Zweikernige Zelle aus dem Nabelstrang eines 2,7 cm langen Schafembryos. Nur der untere Teil der Figur ist ausgeführt. km und km, centrale, entsprechend der Form der Zelle gestaltete Körnermassen. fbr deut- lich ins Zellprotoplasma verfolgbare Fibrillen, fbr, Fortsatz, der über eine grössere Strecke zu verfolgen war, deutliche Fibrillen umhüllend. An den mit + bezeichneten Stellen sind die Zellfortsätze nicht bis an ihr Ende wiederge- geben. Zenkersche Flüssigkeit; Alaun-Campeche, Eosin. 160 Tafelerklärung. Fig. 9. Zelle aus der einfachen Zellschicht mit randständigen Kernen; aus einem Tangentialschnitt durch das Amnion eines 4 cm langen Schaf- embryos. n Nucleolen, x Körner von der Farbe der Nucleolen im Proto- plasma, die oberen anscheinend durch Zerfall grösserer entstanden. Bei a und b Fibrillen, deutlich mit feinsten Körnchenreihen im Protoplasma im Zusammen. hang; rechts oben ist die Zelle abgeschnitten, Ramön y Cajalsches Ge misch; Safranin. Fig. 10. Zelle der gleichen Schichte wie Fig. 9. x, x» ÜCentrosomen, Ramon y Cajalsches Gemisch; Alaun-Campeche, Rubin-S. Fig. 11 und 12. Zellen aus dem subeutanen Gewebe eines menschlichen Embryos von 8 em Scheitel-Steisslänge. Von einem Tangentialschnitt durch die Bauchdecke. ce Centrosomen, fb Fibrillen, im Protoplasma verfolgbar, fb, mit dem nach links oben sich erstreckenden Fibrillenbüschel im weiteren Verlaufe zusammengehende Fibrille, offenbar von der Zelle (Fig. 12) gebildet und dann frei geworden. Zenkersche Flüssigkeit; Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Fig. 13. Bindegewebszelle aus dem Unterhautbindegewebe eines mensch- lichen Embryos von 8 cm Scheitel-Steisslänge. «€ Centralkörner, stk Fibrille mit anlagerndem Protoplasma, (Stechapfel-Körner von Th. Langhans), fk Stelle des Zellleibes, an welchen aus feinsten Körnchen zusammengesetzte Fäden deutlich sind, k v vakuolenartiges helles Korn mit dunklerer Mantel- schicht. Zenkersche Flüssigkeit; Bordeauxrot, Eisenhämatoxylin, Rubin-S. Fig. 14. Schrägschnitt durch das Amnion eines 53/s em langen Schaf- embryos. Ep Epithel, a diesem anliegende Schichten platter Bindegewebszellen, b eine Zelle in der folgenden zellarmen lockeren Schichte, ce aus einer Lage eigenartiger Zellen bestehende Schichte, g Blutgefäss mit zwei roten Blut- körperchen blk, d Bindegewebszellen der zweiten lockern Schichte, in welcher die Trennung vom Chorion erfolgt ist. Ramon y Cajalsches Gemisch; Safranin. MORPHOLOGIE UND TOPOGRAPHIE DES ARCUS VOLARIS SUBLIMIS UND PROFUNDUS DES MENSCHEN VON DR. S. N. JASCHTSCHINSKI, PROSEKTOR DER KAISERLICHEN UNIVERSITÄT WARSCHAU. Mit 15 Figuren auf Tafel VIIX. Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXII (7. Bd. H. 2). NE | . 43 w Br ur u = EB. 08 er Fu Die Arterien der Hohlhand verästeln sich, den üblichen Darstellungen zufolge, in Gestalt eines oberflächlichen und eines tiefen Gefässbogens. So werden sie auch in den Handbücher der deskriptiven und topographischen Anatomie abgebildet und in Kürze wie folgt beschrieben: Der oberflächliche Hohl- handbogen hat seine Lage zwischen Aponeurosis palmaris und den Sehnen der langen Fingerbeuger, der tiefe dagegen verläuft auf der Basis der Karpalknochen und unter den Flexorensehnen ; jener rekrutiert sich aus den oberflächlichen, dieser aus den tiefen palmaren Ästen der Aa. ulnaris und radialis, so jedoch, dass an der Bildung des Arcus sublimis die Arteria ulnaris den Löwenanteil hat, an der des Arcus profundus — die Arteria radialis. Aus der Konvexität des erstern gehen die gemein- samen Fingerarterien (Arteriae digitales communes) hervor, aus der desletztern — die Arteriae interosseae volares, welcheim Niveau der Metacarpo - Phalangealgelenke mit den Aa. digitales ete. Anastomosen bilden. Diese Darstellung, die man fast in jedem anatomischen Handbuch wiederfindet, kann nicht einmal schematisch genannt werden, denn sie entspricht nur einer der zahlreichen Ver- ästelungsformen der Hohlhandgefässe. Geradezu zahllos sind, wie schon Hyrtl!) bemerkt, die Varietäten der Hohlhandarterien; keine zweite Gegend des menschlichen Körpers, sagt Gegenbaur?), ist so reich an Ar- ve ı Hyrtl, Handbuch der topographischen Anatomie. Wien 1561, pag. 380. 2) Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig 1883, pag. 676. L1r 164 S. N. JASCHTSCHINSKI, terienanomalien, wie die Vola manus. Im Gegensatz zu diesen mehr allgemeinen und lakonischen Bemerkungen geben Arnold!) und W. Krause?) eine eingehendere Schilderung über die Be- sonderheiten der in Rede stehenden Arterienverästelungen. Arnold unterscheidet sechs verschiedene typische Anomalien des Arcus volaris sublimis: 1. der oberflächliche Hohlhandbogen wird nur von der Art. ulnaris gebildet; 2. an der Bildung des Arc. volaris sublimis beteiligen sich Art. radialis und ulnaris in gleichem Masse, der Bogen zeigt überall dasselbe Kaliber; 3. der Bogen entwickelt sich unter Hinzutritt eines Astes der Arteria interossea ahtibrachii oder mediana, hierbei fehlt der Ramus palmaris arteriae radialis manchmal vollständig; 4. der oberflächliche Gefässbogen ist ungewöhnlich schwach, der tiefe stärker entwickelt; 5. völligen Mangel des Arcus volaris sublimis; 6. Verdoppelung des Bogens, die Arteriae digitales entstehen entweder nur aus den proximalen oder aus beiden Bögen. Krause registriert vier Kategorien von Varietäten, die sich nur graduell und durch die Gruppierung der Arteriae digitales communes unterscheiden; es sind dies: 1. Vollständiges Fehlen des Arc. volaris sublimis; 2. mangelhafte und 3. übermässige Entwickelung desselben; 4. Verdoppelung des Bogens. Mit einer solchen einfachen Aufzählung der einzelnen Ano- malien des Arcus volaris, welche zudem nicht einmal alle vor- kommenden Varietäten erschöpft, begnügen sich die genannten beiden Autoren, ohne die von ihnen beobachteten Fälle mit der wünschenswerten Genauigkeit und Klarheit näher zu erläutern. Bezüglich der Lage des Arcus volaris sublimis äussern sich die Autoren recht verschieden und zum Teil auch unbestimmt. So findet er sich nach Hyrtl?) Y/s Zoll unterhalb des Liga- !) Arnold, Handbuch der Anatomie des Menschen. Bd. II, Abteil. I, 1547, pag. 504. j 2) W. Krause, Henles Handbuch der Gefässlehre. Braunschweig 1868, pag. 277 i. >) Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Wien 1859, pag. 843. Morphologie und Topographie des Areus volaris sublimis ete. 165 mentum carpi volare proprium, nach Sernoff') an der Grenze zwischen erstem und mittlerem Drittel der Vola; die Spitze des Bogens entsprieht dem Niveau der Daumenfalte (Henle?), während sie von anderen Autoren (Schüller?), Hartmann'), Luschka?), in die Mitte der Hohlhand oder oberhalb derselben (Hoffmann) verlegt wird. Krause‘) fand den Bogen 13 —20 mm unterhalb des Ligamentum carpi volare proprium. Velpeau‘°) bemerkt, dass der Arcus sublimis mit seinem ulnaren und ra- dialen Rand an das Os pisiforme bezw. an die Örista scaphoidea anstösst und 15 Linien gegen die Vola hin vordringt. Nach den Angaben von Richet®), Treves!®) und Tillaux'') ist der ober- flächliche Gefässbogen zwischen mittlerer und oberer Hautfurche anzutreffen und zwar oberhalb einer Linie, welche von der End- falte des Daumens zum ulnaren Rande der Vola hinzieht. Man ersieht aus dem Angeführten, dass fast jeder Autor die Lage des Bogens nach eigenen Gesichtspunkten definiert, und zwar sind die Differenzen zwischen den einzelnen Autoren nicht nur formeller Art, sondern gehen in wesentlichen Punkten auseinander, da ja Grössenbestimmungen, wie „13 mm“, „2 Zoll“, 1) Sernoff, Lehrbuch der deskriptiven Anatomie des Menschen. Moskau 1890, pag. 654. 2) Henle, Handbuch der Gefässlehre des Menschen. 1868, pag. 150. 3) Schüller, Die chirurgische Anatomie etc. Berlin 1885, pag. 325. 4) Hartmann, Handbuch der Anatomie des Menschen. Strassburg 1859, pag. 529. 5) Luschka, Anatomie der Glieder des Menschen. Tübingen 1865, pag. 223. 6) Hoffmann, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Erlangen 1878, Bd. Il. ”) W. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. Hannover 1579, pag. 623. 8) Velpeau, Traite complet d’anatomie chirurgicale generale et topo- graphique. Edition III, Paris 1837, Tome Il, page 474. 9) Richet, Traite pratique d’anatomie medico-chirurgicale. Paris 1866, pag. 941. 10) Treves, F, Surgieal Applied Anatomy. London 1883, pag. 232. 11) Tillaux, Traite d’Anatomie topographique. 166 S. N. JASCHTSCHINSKI, „Mitte der Hohlhand“, ‚15 Linien“ etc. mit einander nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen sind. Aber auch sonst ist die Mehrzahl der oben namhaft gemachten Lagebestimmungen nichts weniger als präcis zu nennen, denn das Ligamentum carpi volare proprium ist auf der Vola allzu undeutlich begrenzt, als dass es zur Bestimmung der Lage des Hohlhandbogens als Ausgangs- punkt dienen könnte. Ebensowenig aber können Lagebestim- mungen, die auf die Hautfurchen der Hohlhand bezugnehmen, auf Genauigkeit Anspruch erheben, einmal weil das Bild dieser Furchen ein wechselndes ist und zweitens weil der Hohlhand- bogen je nach seiner Form auch zu denselben Hautfalten in variabler Beziehung stehen kann. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die einzelnen Formen der Arterienverästelung in der Vola manus auf ihre Häufigkeit, auf ihre Beziehungen zum Alter und auf ihre topographische Lagerung genauer, als dies bisher geschehen, zu prüfen. Diese Fragen versuchte ich an einem Material von 220 verschiedenen Präparaten der Hand der Lösung näher zu bringen; davon ge- hörten 100 erwachsenen Individuen an, 100 weitere stammten von Kindern von der Geburt bis zu zwei Monaten, endlich 20 von Embryonen des dritten bis sechsten Monats. Sämtliche Arterien kamen in injiziertem Zustande zur Untersuchung. Die oberflächlichen Arterien der Hohlhand haben be- kanntlich ihre Lage zwischen Aponeurosis palmaris und den Endsehnen der langen Fingerbeuger inmitten des hier vorhan- denen Zelleewebes. Das Bild ihrer Verästelung ist hierbei ein ausserordentlich vielgestaltiges, jedoch können sämtliche vor- kommende Varietäten auf zwei Hauptiormen zurückgeführt werden. Die eine (A) ist dadurch charakterisiert, dass die arteriellen Gefässe der Hohlhand sich zu einem Bogen formieren, während bei der zweiten Hauptform (B) keine Bogenbildung statthat. Zwischen beiden aber besteht eine grosse Reihe von UÜbergangsformen, die unter Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 167 einander meist nur graduelle Unterschiede darbieten und zwischen den Endformen A und B eine morphologische und genetische Brücke erzeugen. Der tiefe Hohlhandbogen ist mit äusserst seltenen Aus- nahmen in beiden Fällen (A und B) vorhanden; der Grad seiner Entwickelung wird von den obengenannten Verästelungsformen des oberflächlichen Bogens in keiner Weise beeinflusst, steht aber in umgekehrtem Verhältnisse zur Mächtigkeit des letzteren. Die Verästelung der oberflächlichen Hohlhandarterien ge- schieht in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle in Form eines Bogens, während das Fehlen des letzteren viel seltener beobachtet wird. In 200 Fällen ohne Unterschied des Alters wurde der Bogen 136 mal (68°/o) angetroffen, und zwar rechterseits 71 mal (68,2 Jo), linkerseits 65 mal (67 °Jo). An 100 kindlichen Präpa- raten kam der Bogen 67 mal vor (67 °o), rechts betrug seine Häufigkeit 64,3 Jo, links 69,4 °/o; unter 100 erwachsenen Indi- viduen 69 mal (ca. 69 „/o), und zwar rechts ca. 71,6 %/o, links ca. 64,2 %o. Unter 20 Embryonen endlich kam Bogenbildung 12 mal (ca. 60 °/o) zur Beobachtung. Es hat demnach offenbar weder das Alter, noch die rechte oder linke Körperhälfte irgend einen nennenswerten Einfluss auf die Häufigkeit der beiden Grundformen (A und B) der Arterienverästelung in der Hohl- hand (s. Tabelle I). Es geht aber aus obigem zweifellos hervor, dass die Bogenform der Hohlhandarterien nicht die einzige Art der Verästelung darstellt, wie es fast alle anatomischen Hand- bücher anführen. Nach den Untersuchungen von Zuckerkandl'), Hyrtl?), Theile?), Rojecki*) und anderen ist die Verästelung der Hohl- 1) Zuckerkandl, Zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Ar- terien des Vorderarmes, I. Teil. Anatomische Hefte v. Merkelu. Bonnet, XI. 2) Hyrtl, Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Wien 1864. 3) Theile, Müllers Archiv, 1852. 4) Rojecki, Journal de l’anatomie 1889. 165 S. N. JASCHTSCHINSKI, De handarterien unter Bildung eines Bogens das Gewöhnliche bei den Affen, und zwar sowohl bei den niederen, als auch bei den Primaten. Allerdings geht aus den Angaben der ange- führten Autoren nicht hervor, ob die Bogenform die einzige Art der Gefässverästelung bei diesen Tieren ist oder ob auch hier, wie beim Menschen, ein Fehlen des Bogens zur Beobachtung gelangt; soviel ist aber sicher, dass, wenn man von den Pri- maten absieht, ein Hohlhandbogen in der Tierreihe entweder nur in rudimentärer Entwickelung oder gar nicht vorkommt. I. Arcus volaris sublimis. A. Die Varietäten und Modifikationen des Arcus volaris sublimis. (Dat VI, A, Bier, 2,5341 17a 22153) Der oberflächliche Hohlhandbogen kann sich nach Massgabe der ihn konstituierenden Arterienäste in Gestalt fol- gender vier Hauptvarietäten darstellen: 1. als Arcus radio- ulnaris, 2. als Arcus ulnaris, 3. als Arcus mediano- ulnaris und 4. als Arcus radio-mediano-ulnaris. Nach den Beobachtungen von Arnold wäre als weitere Varietät ein arcus interosseo-ulnaris, und vielleicht noch ein Arcus radio- interosseo-ulnaris zu verzeichnen. Von dem Vorkommen der letzgenannten zwei Formen habe ich mich jedoch nicht über- zeugen können, zumal mir nicht einmal Andeutungen davon irgendwo entgegengetreten sind. a) Der Areus radio-ulnaris (Taf. VI, A Fie. 1,2, 3) it diejenige Form, welche von den Autoren — mit Unrecht — als die gewöhnlichste und beim Menschen am meisten verbreitete hin- gestellt wird. Er rekrutiert sich aus dem oberflächlichen Ast der Ellenbogenarterie (Ramus volaris sublimis arteriae ulnaris) und aus dem volaren Ast der Speichenader (Ramus radio-palmaris). Der Ramus radialis verlässt den Stamm der Mutterarterie in der Taf: VA _Anat. Hefte. I.Abtheilung Heft 22(7.Ba.H2) Sy re EUREN, Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis etc. 169 Regel im Niveau der Basis als Processus styloideus radii oder etwas höher, ja in einem Fall sah ich ihn in der Ebene des Ellenbogengelenkes sich abzweigen. Der weitere Verlauf dieses Gefässes ist gewöhnlich ein zweifacher: es begiebt sich entweder ganz oberflächlich, nur vom oberflächlichen Fascienblatte bedeckt, über den Daumenballen hinweg, oder es durchsetzt das Fleisch des Musculus abducens pollieis brevis; ersteres ist beim Er- wachsenen, letzteres bei Kindern das häufigere. In einem Falle gelangte der Ramus radio-palmaris durch den Canalis carpalis zur Hohlhand. Auf der Vola manus tritt der Ramus radio- palmaris mit dem Ramus volaris sublimis arteriae ulnaris zur Bildung eines Gefässbogens zusammen. Aus der Konvexität dieses Bogens entwickeln sich 3-5 ge- meinsame Fingerarterien (Arteriae digitales volares communes) ; die fünfte versorgt ausschliesslich die ulnare Seite des kleinen Fingers. Ihrer Lage nach entsprechen sie den Spatia interossea. In typischen Fällen beschreibt der Arcus radio-ulnaris eine im ganzen regelmässige, radialwärts sich verjüngende Parabel, deren ulnarer Zweig medial vor einer Linie liegt, welche von der Interphalangealfalte des kleinen Fingers zum Os pisiforme verläuft, während der radiale Zweig des Bogens medial von einer Linie sich findet, die von der Basis des Processus styloideus radıı über den Daumenballen hinweg zu der Hautfalte zwischen Zeige- und Mittelfinger hinzieht. Die nach der Basis der Phalangen gerichtete höchste Wölbung des Bogens liegt in oder etwas ober- halb einer Transversallinie, welche von der Articulatio metacarpo- phalangea des adduzierten Daumens horizontal zum ulnaren Rande der Vola manus verläuft. Der Nervus medianus und ulnaris lagern tiefer als der Bogen; ersterer betritt die Hohlhand an der radialen Seite des Mittelfingers, letzterer — am radialen Rande des kleinen Fingers. Die Rami digitales communes des Nervus medianus verlaufen anfänglich radialwärts von der ent- sprechenden Arteria digitalis communis, um weiterhin nach 170 S. N. JASCHTSCHINSKI, ihrem Zerfall in zwei Ästehen die Arterie von beiden Seiten zu begleiten. Ganz ähnlich verhalten sich auch die Äste des Nervus ulnaris zu ihren Begleitarterien, nur finden sie sich im Beginne an der ulnaren Seite der letzteren. In betreff der Häufigkeit des radio-ulnaren Bogens ist fol- gendes zu konstatieren: Unter 200 Fällen ohne Unterschied des Alters fand er sich 54 mal (=27°/o), und zwar rechts in 23°%o, links in 30,9 ®o. An 100 kindlichen Extremitäten traf sich der Arcus radio-ulnaris 31 mal (=31 lo), hierbei rechts in 28 %/o, links in 34 °o der Fälle; an 100 Erwachsenen 23 mal (=23 Jo), also S %o seltener als bei Kindern, und zwar rechterseits in 20 Jo, also um 8 °/o, linkerseits in 26 °/o, also ebenfalls um 8 Jo sel- tener als an den kindlichen Extremitäten. Unter 20 Embryonen wurde er 8 mal (=40 Jo) beobachtet. Nach den angeführten Ziffern zu urteilen sinkt die Häufigkeit des Arcus radio-ulnaris mit zunehmendem Alter, nämlich von 40 °/o (?) bei Embryonen, auf 534—28 °/o bei Kindern und 26—20 °Jo beim Erwachsenen. Der Arcus radio ulnaris kann folgende Gestaltmodifikationen erleiden: 1. Starke Entwickelung des Bogens!) (Fig. 1 A), da- durch charakterisiert, dass aus der Wölbung desselben nicht weniger als fünf Äste hervorgehen, einer für die ulnare Seite des kleinen Fingers und vier gleichmässig und gut ausgeprägte Arteriae digitales communes volares, welche weder mit Ästen des Arcus volaris profundus, noch mit solchen des Handrückens anastomosieren. Der Bogen verjüngt sich hierbei entweder nur ganz unmerklich gegen die radiale Seite hin, oder er erscheint von ungleichmässigem Kaliber, oder aber die radiale Bogenhälfte erscheint verdickt. Der erstgenannten Modifikation begegnet !) Für den Grad der Entwickelung des Arcus volaris sublimis bietet die Anzahl der davon abgehenden gemeinsamen Fingerarterien zweifellos einen richtigeren Massstab, als das Kaliber, da letzteres ja nicht unerheblichen indi- viduellen Schwankungen unterworfen ist. ba.l2) 7 Anat. Hefte. ZAbtheilung Left 29 Fan es Pic 4 u Yy ä air or Zarvo u z H.Stir Kanel V. IRTS-HL 1712; Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 171 man bei robust gebauten Arbeitern am häufigsten; die zweite kommt bei Kindern in den ersten Lebensmonaten recht oft, nämlich in einem Drittel sämtlicher Fälle von Arcus radio- ulnaris vor, während sie bei Erwachsenen äusserst selten — 4 mal unter 23 Fällen — beobachtet wird; die dritte Modifi- kation endlich sah ich nur ein einziges Mal bei einem er- wachsenen Individuum, dessen Radialarterie weit dicker war (10 mm im Umfang) als die Art. ulnaris (8,5 mm). 2. Schwache Entwickelung des Bogens. Dieselbe findet ihren Ausdruck entweder in Schmächtigkeit der aus der Konvexität des Arcus abgehenden gemeinsamen Fingerarterien oder in Verminderung der Zahl der letzteren unter fünf. Im ersten Falle wird dadurch ein Ausgleich herbeigeführt, dass Äste des tiefen Hohlhandbogens auf dem Wege der (Gefäss- anastomose sich zu den Aa. digitales communes hinzugesellen, im zweiten dagegen zweigen sich die fehlenden Fingerarterien unmittelbar aus dem Arcus profundus ab (Fig. 2, 13). Natürlich ist auch hier der Grad der jeweiligen Entwickelung ein ver- schiedener, er kann jedoch in jedem einzelnen Falle durch die Zahl der anastomosierenden bezw. aus dem tiefen Bogen hervorgehenden gemeinsamen Fingeradern zum Ausdruck ge- bracht werden. 3. Ungleichmässige Entwickelung des Arcus su- perficialis. Hier sind zwei Formen zu unterscheiden, je nach- dem die radiale Hälfte oder der mittlere konvexe Teil des Bogens schwach ausgeprägt erscheint. a) Ist die radiale Hälfte des Arcus schmächtig, so hängt dies allemal von schwacher Ausbildung des diesen Teil des Ge- fässbogens versorgenden Ramus radio-palmaris ab; als Ergänzung zu der schwach entwickelten Arteria digitalis volaris communis prima besteht eine Anastomose mit der Arteria interossea dor- salis oder volaris prima. Diese Modifikation ist die häufigste bei Erwachsenen sowohl, wie im Kindesalter, sie kennzeichnet 172 S. N. JASCHTSCHINSKI, mehr als die Hälfte sämtlicher Fälle von Arcus radio-ulnaris. In dem Masse, wie sich der Ramus radio-palmaris verschmächtigt und sich eine Arteria digitalis communis volaris prima entwickelt, vollzieht sich ein allmählicher Übergang vom Arcus radio-ulnaris in die Form des Arcus ulnaris (B), auf welche wir unten des Näheren zurückkommen (vgl. Fig. 3 A und Fig. 4 A). ß) Der ungleichmässige Arcus radio-ulnaris mit schwach entwickeltem mittleren (konvexen) Abschnitt stellt sich folgender- massen dar: Der Ramus radio-palmaris geht in Form eines ansehnlichen Stämmchens unmittelbar in die Fingerarterien, und zwar in die Art. digitalis communis prima, manchmal aber auch noch in eine Secunda, über, indes die übrigen Arteriae digitales communes sich aus dem Ramus volaris superficialis der Arteria ulnaris entwickeln. Zwischen beiden Gefässen, und zwar noch vor ihrem Übergang in die hierzu gehörigen Arteriae digitales, bildet sich eine Anastomose in Form eines feinen bogenförmigen oder queren Stämmcehens aus. Auf dem Wege der Atrophie dieses letzteren vollzieht sich ein successiver Übergang zu voll- ständigem Schwund des Hohlhandbogens (Vgl. Fig. 2 A und no 10 ZEN 12EB): Durch Untersuchungen von Barkow, Theile, Hyrtl, Bayer, Rojecki, Zuckerkandl, Eisler u. a. ist dargethan worden, dass die Form des Arcus radio-ulnaris die Norm dar- stellt sowohl für die niederen Primaten, als auch für die anthro- pomorphen Affen (Zuckerkandl l. e. pag. 47). b) Der Arcus ulnaris (Fig.4 A) entwickelt sich aus der Art. ulnaris ohne Mitbeteiligung der Radialader. Er beschreibt einen Kreisquadranten, dessen eines Ende medial vom Os pisiforme liegt, während das andere dem Beginn der Daumenfurche benach- bart ist. Denkt man sich bei stark abduziertem Daumen eine Linie von der Mitte der Daumenfalte zur Mitte des ulnaren Hohlhandrandes gezogen, so entspricht das Radialende dieser Limie dem Radialende des Gefässbogens; die Konvexität des ft 2X 7Bdl2) lung He Ü e1 -Imat Hefte 1.4 in en Rn van Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 175 letzteren findet sich stets etwas oberhalb der erwähnten gedachten Linie und entfernt sich von ihr gegen den ulnaren Volarrand hin immer mehr. Ulnarwärts wird der Bogen begrenzt durch eine Linie, welche die ungenannte mittlere Interphalangealfalte mit dem Os pisiforme verbindet; fast genau mit der Mitte der in Rede stehenden Linie kreuzt sich das Anfangsstück der Arteria digitalis communis volaris quarta. Diese ulnare Form des oberflächlichen Hohlhandbogens hat folgende Häufigkeitsverhältnisse (s. Tabelle I): Unter 200 Ober- extremitäten ohne Unterschied des Alters fand sie sich 6mal, also in 35°/o aller Fälle und 110 häufiger als der Arcus radio- ulnaris. Diese Daten weisen darauf hin, dass einmal der Arcus ulnaris keine Anomalie darstellt, wie dies Arnold annimmt, und zweitens dass der Arcus radio-ulnaris nicht wie viele Ana- tomen behaupten, die einzige Form ist, in welcher sich normaler- weise die oberflächlichen Hohlhandadern verästeln. Auf der rechten Seite ist der ulnare Bogen häufiger (43,8 /o), als links (33 °/o) um 10,8°/o; umgekehrt verhält sich im Beziehung auf die beiden Körperhälften der Arcus radio-ulnaris, er ist links um 8°o öfter anzutreffen. Ferner ist der Arcus ulnaris bei Erwachsenen häufiger (42°/o), als bei Kindern (34°/o) um 8°/o, und während linkerseits die Differenz zwischen Erwachsenen und Kindern äusserst gering- fügig (10/0) ist, geht sie auf der rechten Seite bis zu 130. Unter 20 Embryonen war der ulnare Hohlhandbogen viermal nachweisbar. Dem Gesagten zufolge erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass der Arcus ulnaris beim Erwachsenen zwiefachen Ursprungs ist, und zwar teils angeboren, teils erworben: in ca. 34°/o stammt der Arc. ulnaris aus dem Kindesalter, in 8°/o der Fälle ent- wickelt er sich im Verlaufe des späteren Wachstums. Der Arcus ulnaris entsteht beim Erwachsenen wahrscheinlich durch Um- wandlung aus dem Arc. radio-ulnaris; eine solche Umwandlung 174 S. N. JASCHTSCHINSKI, kann so zustande kommen, dass der durch das Fleisch des Mus- culus abducens pollieis hindurchgehende Ramus radio-palmaris, welcher bei Kontraktion dieses Muskels häufigen Kompressionen unterworfen ist, durch seine stetigen Kaliberschwankungen zu einer kollateralen Entwickelung der Arteria digitalis volaris communis prima Anlass giebt; diese letztere kompletiert dann den Arterienbogen, während der Ramus radio-palmaris über- flüssig wird und der Atrophie verfällt. Zu Gunsten dieser An- nahme spricht die Thatsache, dass der zwischen den Bün- deln des Musculus abducens pollieis hindurchgehende Ramus radio-palmaris bei Kindern zweimal häufiger vorkommt, als bei Erwachsenen. In bestem Einklange mit obiger Annahme steht auch das geschilderte, sehr auffallende Überwiegen des Arcus ulnaris auf der rechten Körperhälfte erwachsener Individuen, da ja hier der häufige Gebrauch der rechten Hand Bedingungen schafft, welche einer Atrophie des Ramus radio- palmaris und einer vikariierenden Entwickelung der Art. digitalis volaris communis prima Vorschub zu leisten geeignet erscheinen. Auch der Arcus ulnaris tritt in Gestalt einiger Modifikationen auf, welche von einander nur durch den Grad ihrer Entwickelung bezw. durch die Anzahl und Stärke der abgehenden gemeinsamen Fingeradern verschieden sind. Bei extrem starker Entwickelung verjüngt sich der Bogen radialwärts fast unmerklich; an seinem Radialende, wo er in die Art. digit. volar. commun. prima unmittelbar übergeht, weicht er in drei Arteriae digitalis propriae auseinander für beide Seiten des Daumens und für die Radialseite des Zeigefingers. Aus der Konvexität des Bogens aber entspringen: die Art. digit. comm. volaris II, III und IV, sowie eine fünfte für die ulnare Seite des kleinen Fingers (Fig. 4 A). Die Richtung der Art. digitales communes und ihre Bezieh- ungen zu den Nerven sind hier die nämlichen, wie beim Arcus radio-ulnaris. Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 175 Bei schwacher Ausprägung verjüngt sich der Bogen radialwärts ziemlich beträchtlich ; in diesem Falle entsendet die Arteria digitalis communis volaris prima häufig nur einen Zweig, nämlich für die ulnare Seite des Daumens, während die entsprechenden Aeste für den radialen Rand des Daumens und den ulnaren des Zeigefingers aus dem tiefen Bogen hervor- gehen. Die Arteriae digitales communes volares anastomosieren sämtlich oder zum Teil mit den Arteriae interosseae volares, welch letztere manchmal zu so hoher Entwickelung gelangen, dass sie als Ersatz für die eine oder andere Art. digitalis des oberflächlichen Bogens einzutreten vermögen. Der Arcus ulnaris lässt in jedem Fall, ob er nun stärker oder schwächer angelegt ist, verschiedene Abstufungen seiner Entwickelung erkennen, so zwar, dass zwischen den genannten zwei Modifikationen desselben ein allmählicher Übergang statthat. Im allgemeinen jedoch kann man sagen, dass gut ausgeprägte Fälle von Arcus ulnaris häufiger beobachtet werden; unter 76 Fällen von Arcus ulnaris, die ich beobachtete, war der Bogen 54 mal stark entwickelt, indem sämtliche Art. digitales com- munes volares aus dem oberflächlichen Hohlhandbogen hervor- eingen und mit Ästen des tiefen in keiner Verbindung standen. In 10 Fällen anastomisierte die Art. digitalis volaris I und II zwar mit Ästen des tiefen Bogens, hatten aber immer noch den Charakter selbständiger Gefässstämmehen; in 12 Fällen endlich erschien der Arcus ulnaris schwach entwickelt in dem Sinne, wie wir ihn oben näher definierten. Sobald die gemeinschaftlichen volaren Fingerarterien, von der ersten beginnend, zu fadenförmigen Anastomosen werden oder ganz verschwinden und durch Äste des tiefen Hohlhand- bogens ersetzt werden, so verliert sich gleichzeitig das Bild des Arcus ulnaris. Die an Stelle des Bogens auftretende Gefäss- figur kann, wie im folgenden gezeigt werden soll, eine ver- schiedene sein, je nach der Anzahl der atrophisch gewordenen 176 S. N. JASCHTSCHINSKI, oder gänzlich verschwundenen Arteriae digitales communes volares. Der Arcus ulnaris bildet die typische Verästelungsform bei den Halbaffen (Lemur varius ete.). Hier ist die Arteria ulnaris das Hauptgefäss (Zuckerkandl]l. ce.), während die Radialader relativ schwach entwickelt erscheint; im engsten Zusammenhang hiermit ist auch der Arcus profundus, der sich im wesentlichen nur aus der Arteria radialis rekrutiert, bei diesen Tieren äusserst schwach ausgeprägt. c) Der Arcus mediano-ulnaris (Fig. 13 A) entwickelt sich, wie schon der Name besagt, durch Zusammentritt der Arteria mediana und des Ramus superficialis arteriae ulnaris. Die bekanntlich zu den selteneren, Gefässanomalien gehörende Arteria mediana gelangt durch den Canalis carpalis in Begleitung des eleichnamigen Nerven zur Hohlhand und verbindet sich hier vermittelst eines bogenförmigen oder queren Stämmehens mit dem erwähnten Ast der Arteria ulnaris. Der so entstehende Gefässbogen besitzt einen doppelt so kleinen Radius als der Arcus radio-ulnaris, und nimmt daher nur die ulnare Hälfte der Hohlhand in Anspruch. Das Kaliber der Art. mediana ist hierbei nicht selten ein ziemlich beträchtliches und steht wenig unter dem der Art. radialis und ulnaris. Verschwindet der bogenförmige Verbindungsast zwischen Arteria mediana und Ramus superficialis der Ellenbogenader, so geht natürlich die Bogenform in eine andere Gefässanordnung über (Fig. 14 B). Der Arcus mediano-ulnaris ist eine äusserst seltene Anomalie; unter 200 Präparaten habe ich ihn nur 6 mal beobachtet (3°/o), und zwar 2 mal bei Kindern und 4 mal an Erwachsenen. Sehr gut denkbar ist ferner eine Kombination von Arcus mediano-ulnaris mit der Form des Arcus mediano-radialis, nämlich d) der Arcus radio-mediano-ulnaris. Diese Modifikation Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 177 habe ich zwar nicht direkt beobachtet, wohl aber jene Über- gangsform, welche aus einem solchen Doppelbogen durch Atro- phie der bogenförmigen Anastomosen sich entwickeln kann. (Fig. 15 B.) Im Tierreiche kommen die letztgenannten beiden Formen (c und d) nicht vor, ebensowenig wie die von Arnold und Krause erwähnte Doppelung des Gefässbogens in einen hinteren und vorderen Bogen. B. Fehlen des oberflächlichen Hohlhandbogens. Wir haben im bisherigen zu zeigen versucht, dass die Ver- ästelung der oberflächlichen Hohlhandadern in der überwiegen- den Mehrzahl der Fälle den Typus des einfachen oder modifi- zierten Gefässbogens verwirklicht. Wenn die eine oder die andere Anastomose sich zurückbildet, bezw. überhaupt nicht zur Erscheinung kommt, so geht gradatim die Bogenform verloren, so zwar, dass letztere in der einen Reihe von Fällen noch zum Teile erhalten bleibt, während sie in der anderen Reihe von Fällen ganz spurlos verschwindet (Fig. 10, 11, 12 B). Man bekommt so eine Reihe von Bildern, die nur graduell von ein- ander verschieden sind. Es entspricht aber ausserdem jeder Grund- form der Bogenverästelung ein besonderes Bild, bezw. eine ganze Reihe von Bildern, welche die Bogenform nicht mehr er- kennen lassen. Meine diesbezüglichen Beobachtungen lassen sich folgendermassen formulieren: 1. Dem Arcus radio-ulnaris entspricht folgendes Bild: Der Ramus radio-palmaris geht unmittelbar in die Arteriae digitales propriae über, deren Anzahl je nach der Stärke des Ramus radio-palmaris zwischen eins und vier schwanken kann. Der Ramus superficialis ulnaris volaris dagegen weicht fächer- förmig in eine Reihe von Zweigen für diejenigen Finger aus- einander, welche vom Ramus radio-palmaris unberücksichtigt geblieben sind. Zwischen den genannten Gefässtämmchen be- Anatomische Hefte. I. Abteilung XXII. Heft (7. Bd. H. 2). 12 178 S. N. JASCHTSCHINSKI, stehen entweder gar keine Anastomosen oder es findet sich ein fadenförmiger Verbindungsast (Fig. 10, 11, 12 B). Die geschil- derte Gefässanordnung habe ich im ganzen neunmal (gleich 4,5°/0) beobachtet, und zwar viermal an Kindern, fünfmal an Er- wachsenen. 2. An Stelle des Arcus ulnaris kann sich eine Gefäss- konfiguration herausbilden, die ihrerseits mehrere Modifikationen darbietet. Letztere sind in Kürze wie folgt zu charakterisieren: a) Die Arteria digitalis communis volaris prima zweigt sich aus dem tiefen Hohlhandbogen ab; der Ramus volaris superfieialis ulnaris zerfällt fächerförmig in vier Ästchen, nämlich in die Arteria digitalis volaris communis 11 bis IV und einen Zweig für die ulnare Seite des kleinen Fingers (Fig. 5 B). Diese Form sah ich 24 mal (gleich 12°/o), nämlich zehnmal an Kindern, 14 mal an Erwachsenen. ß) Die Arteriae digitalis communis volaris prima und secunda kommen aus dem arcus volaris profundus; zu ihnen entsendet der Ramus volaris superficialis ulnaris je eine fadenförmige Anastomose, ferner die starke Art: digitalis com- munis volaris III und IV und endlich einen Zweig zur ulnaren Seite des kleinen Fingers (Fig. 6 B). Diese Art der Gefässver- ästelung fand sich insgesamt zehnmal (gleich 5°/o), je fünfmal bei Erwachsenen und Kindern. y) Die Arteriae digitales communes volares I, II, III entspringen aus dem tiefen Hohlhandbogen; der Ramus volaris superficialis ulnaris entwickelt zwei fadenförmige Stämm- chen, welche mit der Art. digital. comm. vol. II und Ill ana- stomosieren, und eine ansehnliche Art. digitalis quarta, welche ihrerseits die ulnare Seite des kleinen Fingers mit einem Ästchen versieht (Fig. 7 B). Beobachtet wurde diese Modifikation siebenmal, — zweimal an Erwachsenen, fünfmal an Kindern. d) Die Arteriae digitales communes volares I, II, II Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 179 entwickeln sich, wie bei der Form y) aus dem Arcus volaris profundus; der Ramus volaris superficialis ulnaris aber entsendet nur eine fadenförmige Anastomose (für die Art. digitalis com- munis II), sowie eine Art. digitalis communis IV, welche mit einem Ästchen die ulnare Seite des kleinen Fingers vaskularisiert (Fig. 8B). Diese Form war dreimal nachweisbar, und zwar 1 mal an einem erwachsenen Individuum, zweimal bei Kindern. e) Sämtliche Arteriae digitales communes volares, und auch der Zweig für den Ulnarrand des kleinen Fingers entspringen aus dem tiefen Gefässbogen ; der Ramus volaris superficialis ulnaris entwickelt drei fadenförmige Ästchen, welche je mit der Art. digitalis comm. vol. 1, I und III ana- stomosieren (Fig. 9 B). Ich beobachtete diese Gefässanordnung nur zweimal bei Kindern. In dem Falle «) ist die Art. ulnaris im Niveau der Arti- eulatio radiocarpalis von gleichem Kaliber, wie die Art. radialis; in den übrigen Fällen (# bis e) dagegen verliert die Art. ulnaris im Vergleich zur Radialader allmählich an Mächtigkeit, sodass im Falle $#) der Umfang der Radialis 8 mm, der der Ulnaris 7 mm, e) im Falle der Radialis 10 mm, derjenige der Ulnaris aber nur 5 mm beträgt. 3. Dem Arcus mediano-ulnaris entspricht folgendes Bild. Der Ramus radio-palmaris fehlt; die Arteria mediana von variabler Stärke, geht in Arteriae digitales propriae über, deren Anzahl bis zu fünf gehen kann; der Ramus volaris superficialis ulnaris spaltet sich fächerförmig in Zweige für die restlichen, von der Art. mediana unberücksichtigt gebliebenen Finger. Eine Bogenanastomose zwischen Art. mediana und Ramus ulnaris ist entweder überhaupt nicht vorhanden, oder sie ist ausser- ordentlich fein, fadenförmig (Fig. 14 B). Diese Form habe ich siebenmal (gleich 31/20) bei Kindern beobachtet (cf. Tabelle I). 4. Endlich begegnet man Formen, welche einem sozu- nennenden Arcus radio-mediano-ulnaris entsprechen. Es bestehen 12* 180 S. N. JASCHTSCHINSKI, in diesem Falle auf der Palma manus drei Gefässtämmchen, welche unter einander keine Anastomosen eingehen ‘und deren jede einzelne in eine korrespondierende Digitalarterie sich fort- setzt. (Fig. 15B). Solches habe ich im Ganzen dreimal an kindlichen Präparaten zu sehen Gelegenheit gehabt. II. Arcus volaris profundus. Der tiefe Hohlhandgefässbogen entwickelt sich bekannter- massen auf Kosten des Ramus dorsalis arteriae radialis und des Ramus volaris profundus arteriae ulnaris. Ersterer gelangt durch das Spatium interosseum primum zur Vola manus, letzterer hingegen erreicht die Regio metacarpea, in welcher der tiefe Hohlhandbogen seine Lage hat, auf zwei- fachem Wege, indem er entweder zwischen den Sehnen der langen Fingerbeuger und Hypothenar hindurchgeht oder nur das Mus- kelfleisch des Hypothenar durchsetzt. Der erstere Weg ist der eewöhnlichere und kann daher als die Norm für den Menschen angesehen werden). In Zellgewebe eingeschlossen liegt der Arcus profundus auf den Basalenden der Metacarpalknochen, bedeckt von der Fascia palmaris profunda. Radialwärts wird er ausserdem vom Muse. adduetor pollicis, ulnarwärts vom Muse. flexor brevis digiti minimi bedeckt. Die grösste Konvexität des Bogens entspricht einer Horizontallinie, welche von der Articulatio metacarpo- phalangea des hyperabduzierten Daumens zum Ulnarrand der Vola manus verläuft. Die Varietäten des Arcus profundus werden im wesentlichen durch graduelle Unterschiede in der Entwiekelung bedingt. Die 1) Die vorliegende Arbeit war bereits druckfertig, als ein Artikel von Prof. Zuckerkandl erschien („Über die tiefen Hohlhandäste der Arteria ul- naris“, Anatomische Hefte, XIX u. XX, 1896, pag. 535—556) in welchem die Frage nach der Genese und Bedeutung des tiefen Astes der Arteria ulnaris eingehende Behandlung findet. Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 181 Regel ist, dass aus der Konvexität des Bogens vier Art. interos- seae volares abgehen, um sich in den gleichnamigen Muskeln zu verästeln. Bei stärkerer Entwickelung des Bogens dagegen finden wie erwähnt alle oder einige Arteriae interosseae als Ersatz für schwach ausgeprägte oder fehlende Art. digitales communes Verwendung. Fehlen des tiefen Hohlhandbogens ist eine ausserordentlich seltene Erscheinung, die ich nur ein einziges Mal bei einem zwei Monate alten Kinde angetroffen habe. Der Ramus volaris ulnaris wich hier unmittelbar in eine Reihe von Ästehen zur Versorgung der tiefen Muskulatur des Ulnarrandes der Vola auseinander, während der Ramus profundus arteriae radialis sich fächerförmig in die Aa. interosseae volares I, II, III spaltete, von welchen die prima und secunda mit den korrespondierenden aus dem ober- Nlächlichen Hohlhandbogen stammenden Art. digitales communes anastomosierten. Letzterer besass hier die Form des Arcus ulnaris und erschien stark entwickelt. Das Arteriensystem des Vorderarmes besteht beim Menschen bekanntlich aus drei Hauptstämmen, nämlich aus der Art. ulnaris, radialis und interosseae. Jedoch nehmen nur die beiden ersteren unmittelbar Antheil an der Gefässversorgung der Hohlhand; ihre Bedeutung für die Vaskularisation der letzteren hängt unter anderm auch von ihrem Kaliber ab. Unter gewöhnlichen Ver- hältnissen ist die Art. ulnaris beim Menschen stärker als die Art. radialis; nach Vierordt!) beträgt der Durchmesser der Ellenbogenader, nach Abgabe der Art. interossea, 5 mm, der Durchmesser der Radialader dagegen nur 4 mm. Ich habe bei 40 männlichen erwachsenen Individuen den Umfang der in Rede stehenden Gefässe dicht oberhalb des Radiocarpalgelenkes ge- 1) Vierordt, Anatomische, physiologische und physikalische Daten und Tabellen zum Gebrauche für Mediziner. Jena 1893, pag. 115. 182 S. N. JASCHTSCHINSKI, messen und fand für die Art. ulnaris 9,2 mm (Maximum 11 mm, Minimum 7,2 mm) und 7 mm für die Art. radialis (Maximum S mm, Minimum 5 mm)!). Man darf hieraus den Schluss ziehen, dass die Ulnaris für die Vaskularisierung der Hohlhand von grösserer Bedeutung ist, als die Art. radialis. Es haben aber weiterhin vergleichend anatomische Untersuchungen dargethan?), dass die Arteria ulnaris bei vielen Säugern (Marsupialia, Eden- tata, Ungulata, Chiroptera, Carnivora etc.) entweder überhaupt fehlt oder nur in rudimentärer Entwickelung nachweisbar ist, wogegen die Art. radialis bei sehr vielen von ihnen (Dasypus novemeinctus, Myopotamus coypus, Pteropus ete.), wenn auch in schwächerer Ausprägung, verbreitet erscheint. Zu stärkerer Ent- wickelung gelangt die Ulnarader bei den Affen, jedoch erst in der Primatenreihe überwiegt ihr Kaliber über das der Art. radialis. Wo daher die Arteria ulnaris beim Menschen von gleichem oder gar von geringerem Kaliber als die Art. radialis gefunden wird, da ist man veranlasst, von einer Anomalie auf atavistischer Grundlage zu sprechen. In allen Fällen, wo die Arteria ulnaris die oberflächlichen Theile der Hohlhand und die Finger ohne Mitwirkung der Art. radialis versorgt, resp. wo sie sich in der Vola zum Arcus ulnaris formiert, hat erstere das orössere Kaliber; dahingegen weist die Art. ulnaris ein gleiches oder kleineres Kaliber auf, wenn die Radialarterie einen Ramus radio-palmaris zur Hohlhand abgiebt, gleichgiltig ob letzterer an der Bildung eines Arcus radio-ulnaris sich beteiligt oder nicht. Je stärker der Ramus radio-palmaris in diesem Falle entwickelt ist, desto schwächer ist relativ und absolut die Art. ulnaris und umgekehrt. Bei 15 erwachsenen männlichen Indi- viduen, bei welchen die genannte Ader sich ohne Mitbeteilung 1) Die Messung des Umfanges der Gefässe wurde wie folgt ansgeführt, ein Arteriensegment aus gegebener Höhe wird der Länge nach aufgeschnitten und der Querdurchmesser der Arterienwand vom Lumen aus direkt gemessen. 2) Zuckerkandl,|]. e. Morphologie une Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 185 der Art. radialis zum Arcus ulnaris formierte, fand ich für die Cirkumferenz derselben — der Ulnaris — im Mittel 9,6 mm (Maximum 10,8, Minimum 7,8 mm) bei einem Umfang der Art. radialis von 7 mm (Maximum 8,0, Minimum 5,2 mm) und der Art. brachialis von 11 mm. Hinwiederum betrug bei 15 weiteren erwachsenen männlichen Individuen meiner Untersuchungsreihe mit gut ausgeprägtem gleichmässigen Arcus radio-ulnaris, die Cirkumferenz der Art. ulnaris im Mittel 8,0 mm (Maximum 9,2, Minimum 6,3 mm) bei einer Cirkumferenz der Radialis von 8,5 mm: (Maximum 9,3, Minimum 6,5 mm) und der Brachialis 11,4 mm. Man darf hieraus folgern, dass der Arcus ulnaris dem anthropologischen Typus näher steht, während der Arcus radio-ulnaris, welcher bei den Affen die Norm vorstellt, beim Menschen seltener (27°/,) sich findet, als der Arcus ulnaris und darum gewissermassen ein atavistisches Gepräge besitzt. Die dem Arcus radio-ulnaris entsprechende Form mit Fehlen des Bogens (Figg. 10, 11, 12 B) hat wahrscheinlich eine ähnliche phylogenetische Bedeutung, wie der Arcus radio- ulnaris selbst. Dagegen wird jene Varietät, welche dem Arcus ulnaris mit fehlendem Bogen (Figg. 5, 6, 7, 8, 9) entspricht, trotz der hierbei stets nachweisbaren Kaliberverminderung der Ulnar- arterie, in der Tierreihe nirgends angetroffen, — sie ist eine spezifische Eigentümlichkeit des Menschen. In den Fällen von Arcus mediano-ulnaris (Fig. 13), Arcus radio-mediano-ulnaris und den korrespondierenden Formen von Bogenmangel (Figg. 14, 15 B) ist es die der menschlichen Organi- sation fremde Arteria mediana, welche der Gefässverästelung einen atavistischen Charakter zu verleihen vermag. Diese Ader ist im Tierreich ausserordentlich weit verbreitet; sie ist bei vielen Säugetieren (Monotremata, Marsupialia, Edentata, Insectivora, Carnivora, Ungulata, Chinoptera etc.) der haupsächlichste, ja der 184 S. N. JASCHTSCHINSKI, einzige Gefässstamm des Vorderarmes. Allein in der erwähnten Kombination mit der Arteria ulnaris ist sie nur beim Menschen und vielleicht noch bei den Anthropoiden anzutreffen. Zum Schlusse sei hier noch mit einigen Worten auf die praktische Bedeutung der Arterien der Hohlhand hingewiesen. Die Litteratur berichtet über sehr zahlreiche Fälle, wo Ver- letzung der Hohlhandbögen unter äusserst gefährlichen Blutungen verlief; es trat, trotz wiederholter Gefässligatur, entweder Tod durch Verblutung ein (Rouxt), oder man musste sich, um der unstillbaren Blutung Herr zu werden, zur Amputation des Gliedes entschliessen (Burow?), resp. die Arteria axillaris, ja die Art. subclavia ligieren (Skey°), Busch®). Die Ursache derartiger Hämorrhagien liegt fraglos in den jeweiligen anatomischen Be- dingungen, welche in solchen Fällen einer rapiden Entwickelung collateraler Gefässbahnen Vorschub#leisten. Es erscheint ange- sichts der eminenten Verblutungsgefahr bei Verletzungen der Hohlhandbogen im höchsten Grade geboten, die Zahl derartiger Zufälligkeiten thunlichst einzuschränken. Dies wäre zu erreichen, wenn man bei Operationen an der Vola manus (Incision) den Umstand stets im Auge behielte, dass die Lage der Hohlhand- bögen, des tiefen sowohl wie des oberflächlichen, ganz unabhängig von ihrer jeweiligen Form, einem Raume entspricht, welcher auf der Vola von zwei parallelen Linien eingeschlossen erscheint; die eine Linie geht von der Mitte der Hautfalte des Daumens zur Mitte des ulnaren Randes der Vola manus, die andere — ihr parallel von der Articulatio metacarpo-phalangea pollicis zum ulnaren Rande der Handfläche — und zwar in beiden Fällen 1) Roux, eitiert nach Amitin, chirurgischer Anzeiger (russisch) Januar 1894, pag. 60. 2) Burow, Archiv für klinische Chirurgie Heft XII, pag. 1078. 3) Skey, The Lancet 1855, Nr. 23. 4) Busch, Handbuch der Chirurgie, 1864. Läbtheilung Heft 2 7Bd.12) Anat. Hefie. NZesbazen r Morphologie und Topographie des Arcus volaris sublimis ete. 185 bei hyperabduziertem Daumen. Erinnert man sich ferner daran, dass die Richtung der Art. digitales communes den Zwi- schenknochenräumen der Metacarpalknochen entspricht, so wird man in vielen Fällen die Richtung und Länge der Schnitte, besonders bei geradliniger Incision, so abschätzen können, dass den gröberen Arterien keine Gefahr droht. S. N. JASCHTSCHINSKI, 186 Häufigkeit der verschiedenen Formen der Verästelung Tabelle I. | R Ä ' | der oberflächlichen Hohlhandarterien. ohne Unterschied des Alters Kinder | Erwachsene ' ohne Unter- [ohne Te x ohne Unter- r i rechts links | schied der | rechts links | schied der | rechts links | schied der Bezeichnung der einzelnen \Körperhälfte Körperhälfte Körperhälfte Gefässvarietäten. = © © o oO 2 io | Im $2 25 € 2 = Pr: er B: IE 2 is 2 32|2|38 © 38&|_.. |i#| z&|e |i# = |i2 - 38 | En o Ein o 3% o | En o En o Ein o za o | En o Ein o | $ 3 3 = = S 3 | 3 E a) Arcus radio-ulnaris | 24 23 | 30 30,9 84 127 14 | 28 | 17 34 31| 31 | 10 20 13.26 | 23 | 23 = b) Arcus ulnaris I 44 143,8 32 [33 | 76.38 | 18 | 36 | 16 32 34 34 | 26 49 16 33 | 42 | 42 © c) Arcus mediano-ulnaris I wel 2 ze ee ale 2 DAWA 2 4 4| 2 nn d) Arcus radio-mediano-ulnar. „ | , ln ME een 5 > n ’ „| n|| » = m c; Bu 2 | 3 5, Fächerförmiger Ramus ulnar. | 23 22,1, 23 |23,7| 46123 102122022 9218,35) 219) 21971713 124,5 14 \29,9) 27 | 27 3 = | Fächerförmige Arteria ulnar. | | | = und radio-palmaris Aus or oe 9 EA || 22 4 4 2\ 3,7 32 1.0.2 200019 RS 5 Fächerförmige Arteria ulnar. | - = und mediana > | ale 2 ze! 7) X lee ln s 5 2 r ı Fächerförmige Arteria ulnar., | = | radio-palmaris und mediana) 109 2 24 3 15, 1 22 | 4 3| 8 ler le Pe Ko eo erento Fi 2er 0 Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII/X. . Fig. 1A. Arcus radio-ulnaris. 1. Art. ulnaris. 2. Art. radialis. 3. Ramus volaris superficialis arteriae ulnaris. 4. ramus radio-palmaris. Fig. 2A. Arcus radio-ulnaris. 1. Art. ulnaris. 2. Ramus radio-palmaris. 3. Art. digitalis com. vol. II us arcus profundus. Fig. 3 A. Arcus radio-ulnaris. 1. Art. radialis. 2. Art. ulnaris. 3. Ram. radio - palmaris (atrophisch). Fig. 4A. Arcus ulnaris. 1. Art. ulnaris. 2. Ram. volaris art. ulnaris superficialis. Fig. 5 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. radialis, fächerförmig sich spaltend. 2. Arcus profundus. 3. Art. interossea interna. Fig. 6 B.e Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris, fächerförmig sich spaltend. 2. Arcus profundus. 3. Ana- stomosen aus dem Arcus profundus zu den Art. digit. communes. Fig. 7 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris. 2. Art. radialis. 3. Arcus profundus. 4. Anastomosen aus dem Are. prof. zu den Art. digitalis communes. Fig. 8B. Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris. 2. Arcus profundus. 3. Anastomose aus dem arc. prof. zur Art. digit comm. 4. Art. interossea interna. Fig. 9 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris, giebt nur Anastomosen zu Ästen des tiefen Bogens ab. 2. Arcus profundus. Fig. 10 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. radialis. 2. Ram. radio-palmaris. 3. Art. ulnaris, fächerförmig auseinanderweichend. Fig. 11 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris, fächerförmig auseinanderweichend. 2. Ramus radio-pal- maris, 3. Art. radialis. 4. Art. digitalis comm. vol. II aus dem Arcus profundus. 188 Erklärung der Abbildungen. Fig. 12 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris, fächerförmig sich gabelnd. 2. Art. radialis. 3. Ramus radio-palmaris. Fig. 13 B. Arcus mediano-ulnaris. 1. Art. ulnaris. 2. Art. mediana. 3. Art. radialis. Fig. 14 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris. 2. Art. mediana. 3. Art. radialis. Fig. 15 B. Fehlen des Bogens. 1. Art. ulnaris. 2. Art. mediana. 3. Ramus radio-palmaris. 4. Art. radialis. Der Ramus volaris profundus arteriae ulnaris ist in vielen Abbildungen nicht besonders dargestellt worden. ’ ÄUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUTE IN GREIFSWALD. DAS ELASTISCHE GEWEBE IN DER WAND ARTERIEN DER SCHÄDELHÖHLE. Dr. HERMANN TRIEPEL, ASSISTENTEN AM ANATOMISCHEN INSTITUTE IN GREIFSWALD. Mit 10 Figuren auf Tafel XI/XII und 2 Figuren im Test. 5 h j En a M u: RE RE ge ! Ya A u Pe 12.00 A N, ie, j BR: Re 1 i deut; . B L F v } \ [BR Rt Da 0) ‘ v “ N I I N N ur? m; r v i Bi f u h fr | ‚ 0 i \ 4% h D pr | B N | n - t ru j i ur \ R zZ 7% i 3 R «® { i i « " y \ Tl u ar, Wenn man einen Einblick in die Beziehungen gewinnen will, die zwischen den Bestandteilen der Gefässwand und den von der Gefässwand zu verrichtenden Funktionen bestehen, so wird man gut thun, die Wandungen der Gefässe dort zu untersuchen, wo die Verhältnisse, unter deren Einflusse sie stehen, möglichst einfach sind. Da das elastische Gewebe der Gefässwand, wie später zu erörtern sein wird, seine Entsteh- ung wahrscheinlich in der Hauptsache mechanischen Einwirk- ungen verdankt, ist man nur dann zu der Hoffnung berechtigt, einiges über seine Wirkungsweise zu erfahren, wenn man zu- nächst solche Gebiete in den Bereich der Untersuchungen zieht, in denen die mechanischen Vorgänge einfach und der Analyse leicht zugänglich sind. Solche Verhältnisse liegen in der That in der Schädelhöhle vor, weil hier alle äusseren Bewegungen fortfallen, die einen Druck oder Zug auf die Gefässe ausüben könnten. Eine Würdigung der Bedeutung des elastischen Gewebes am genannten Orte ist natürlich nur bei einer genauen Kenntnis der histologischen und topographischen Verhältnisse möglich. In der Litteratur finden sich über diese keine ausführlicheren Angaben, und daher will ich im Folgenden zunächst den Ver- such machen, einen Beitrag zu ihrer Feststellung zu liefern. In der vorliegenden Arbeit werde ich nur von den Arterien der Schädelhöhle handeln), die Venen gedenke ich in einem später zu veröffentlichenden Aufsatze zu besprechen. 1) Eine vorläufige Mitteilung über denselben Gegenstand machte ich in der Sitzung des Greifswalder medizinischen Vereins vom 4. Juli 1896. Referat wird in der deutschen medizinischen Wochenschr. erscheinen. 192 HERMANN TRIEPEL, Für die erste Anregung zur Untersuchung des elastischen Gewebes in der Wand der Gehirnarterien bin ich Herrn Professor Dr. Bonnet zu besonderem Danke verpflichtet. T. Es wurden in den Bereich der Untersuchung gezogen die Arterien an der Hirnbasis und ihre Äste, soweit sie sich im Subarachnoidealraum verfolgen lassen. Kleinere Arterien wurden an Stücken aus verschiedenen Gehirnteilen untersucht, die mit der Pia in Zusammenhang gelassen waren. Im Anschluss hieran fanden noch die Arterien der Meninx fibrosa Berücksichtigung. Zur Darstellung des elastischen Gewebes wurde die Or- ceinfärbung benutzt, meistens nach der älteren von Unna ge- gebenen Vorschrift, doch wurde bei Schnittfärbung nicht länger als 6—8 Stunden gefärbt!). Mit Vorteil verwandte ich eine Or- ceinstückfärbung, für die jedenfalls die Kleinheit der Objekte günstig ist. (Färbung 24 Stunden, Entfärben in Iprozentigem Salzsäurealkohol, bis keine Farbe mehr ausgezogen wird, Einbetten in Paraffin). Zur Feststellung der Veränderungen, die in der Wand der Arterien während ihres Verlaufes auftreten, wurden Stufenschnitte — von verschiedener Stufenhöhe — und auch Serienschnitte angefertigt. Die zuerst versuchte Injektion der Gefässe mit dem Fixierungsmittel (zumeist absolutem Alkohol) erwies sich als ungünstig, weil, abgesehen von der Möglichkeit einer Verletzung des Endothels und der inneren elastischen Haut, der Querschnitt der in ihren Teilen zusammengedrückten Wand oft an Deutlichkeit verlor. Die Arterien des Gehirns unterscheiden sich von anderen etwa gleich grossen Arterien des Körpers in Bezug auf elastisches Gewebe im wesentlichen durch folgende drei Eigentümlichkeiten: !) Über verschiedene Methoden der Orceinfärbung s. Seipp, Das elastische Gewebe des Herzens. Anatomische Hefte, XVII. Heft, pag. 63 ff. — und Unna, Rlastin und Elacein. Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XIX, 1894, pag. 397. Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 193 1. ein ganz besonders starkes Hervortreten der inneren elastischen Haut, 2. eine sehr geringe Entwickelung elastischen Gewebes in der Ringmuskelschicht, 3. ein auffallendes Zurücktreten elastischer Längsfasern (s. Taf. XI/XU, Fig. 1 und 5—10), Eine Sonderstellung, oder besser eine Übergangsstellung nehmen die in der Nähe des Hinterhauptloches befindlichen Arterien ein, die später besonders zu beschreiben sein werden. Die innere elastische Haut der Gehirnarterien befindet sich unmittelbar unter dem Endothel und umgiebt für gewöhn- lich als eine einfache dieke Membran das Lumen des Gefässes. Sie legt sich in mäanderartigen Krümmungen, wie sie von jedem Querschnitt mittelgrosser Arterien her bekannt sind, zusammen. Die Erhebungen stellen den Querschnitt grösserer längslaufender Leisten dar, die sich an der Innenfläche des Gefässes befinden. Sie sind augenscheinlich durch die Zusammenziehung der Mus- kulatur bedingt und flachen sich demgemäss auch bei Abnahme der Muskulatur ab, um schliesslich ganz zu verschwinden. Auch der Längsschnitt zeigt allerdings schwache Krümmungen und Knickungen der Membran, sodass man an eine nicht ganz gleich- mässige, sondern bündelweise erfolgende Kontraktion der Mus- kulatur denken muss. Die Membran ist gefenstert, und schon seit langer Zeit wird die Elastieca interna der Arteria basilaris als besonders geeignet zur Demonstration einer gefensterten Haut bezeichnet. Die Fenster sind rundlich bis oval, die Längsaxe der ovalen Fenster liegt fast immer in der Richtung der Gefässaxe. An Orcein- präparaten bekommt man sehr schöne Bilder der gefensterten Membranen, wenn der Schnitt die Gefässwand schief, unter emem möglichst spitzen Winkel, getroffen hat, wie es z. B. bei dem Abgang eines Astes häufig der Fall ist (Fig. 2). An grösseren Arterien stehen die Fenster verhältnismässig weit auseinander, Anatom sche Hefte, I. Abteilung XXIl. Heft (7. Bd. II. 2). 13 194 HERMANN TRIEPEL, und sie sind so klein — ungefähr von der Grösse eines roten Blutkörperchens, — dass man eine durch sie bedingte Unter- brechung des Membranquerschnittes höchstens bei sehr dünnen Schnitten zu finden erwarten kann. Der elastischen Innenhaut kommt an den grösseren Gehirn- .arterien eine beträchtliche Dicke zu, was sofort, auch ohne Mess- ung, in die Augen springt. Ich habe die Gehirnarterien mit einer Anzahl Körperarterien verglichen und gefunden, dass das Verhältnis, in dem die Dicke der elastischen Membran zur Dicke der Muskelschicht steht, bei den Gehirnarterien erheblich grösser ist. Eigentümlicherweise fand sich bei kindlichen Arterien ein Verhält- nis, das dem bei den Gehirnarterien beobachteten näher kam. Aber nicht allein relativ, sondern auch absolut ist bei Gehirnarterien die elastische Innenhaut erheblich dicker als bei anderen gleich grossen Körperarterien. Auf die Angabe von Zahlen glaube ich verzichten zu können, weil sie wegen der Krümmungen der inneren Gefässoberfläche und der durch sie bedingten ungleich- mässigen Dicke der Muskulatur und wegen der gieich zu er- wähnenden Buckelung der elastischen Haut nur Näherungswerte haben. Die Änderungen in der Dicke der Membran scheinen den Änderungen im Kaliber des Gefässes nicht vollkommen parallel zu gehen. Mit dem Kleinerwerden des Gefässes nimmt natürlich auch die Dicke der Membran ab (Fig. 5). Auch ist an dünnen Mem- branen der Abstand der Fenster geringer, und bei ganz kleinen Gefässen hat man nur noch ein Flechtwerk von Fasern vor sich. An günstigen Stellen bekommt man dann auf dem Quer- schnitt eine Reihe nebeneinander liegender Punkte zu sehen, von denen einzelne wieder durch Striche verbunden sein können (Fig. 4). An den vorkapillären Arterien verschwindet die Membran, bezw. das an ihre Stelle tretende Netzwerk. Es wurden in der Gehirnsubstanz unzweifelhaft kleinste Arterien gesehen, die zwar Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 195 noch eine zusammenhängende Schicht ringförmig verlaufender Muskelfasern, aber keine Spur von elastischem Gewebe mehr zeigten. Es kann demnach — wenigstens gilt das für die Ge- hirngefässe — bei dem Übergang der Arteriolen in die Kapil- laren nicht eine strukturlose Membran ausserhalb des Endothels übrig bleiben, die auf die elastische Innenhaut zurückzuführen wäre (vergl. Ranvier!) u. a). Die elastische Innenhaut ist nicht im ganzen Umkreis des Gefässrohres gleichmässig dick. Man sieht nämlich an allen grösseren Gehirnarterien auf dem Querschnitt am inneren Um- fang der elastischen Haut sehr zahlreiche rundliche Erhaben- heiten, die dicht nebeneinander aufgereiht sind und der Mem- bran ein welliges Aussehen verleihen (Fig. 5—7). Vor Ver- wechselungen mit kleinen die ganze Breite der Membran ein- nehmenden Krümmungen schützt man sich, wenn man den äusseren Rand des Membranquerschnittes beachtet; nach aussen von den erwähnten Erhabenheiten ist er vollkommen glatt. Die Erhabenheiten stellen offenbar den Querschnitt niedriger im der Richtung der Gefässaxe verlaufender Leistchen dar, die aber nicht mit den oben beschriebenen grösseren Leisten verwechselt werden dürfen, denen sie selbst erst wieder aufsitzen. Von der Fläche gesehen, erscheinen die Leistchen als dunklere Streifen, deren Richtung mit der Längsrichtung des Gefässes zusammen- fällt (Fig. 2). Auch hier ist eine Verwechselung mit kleinen Faltungen der Membran leicht auszuschliessen, wenn man die Form der abgeschnittenen Enden berücksichtigt. Längsstreifen beobachtete auch Toldt?) an den gefensterten Membranen der Gehirnarterien. Bei kleineren Arterien verschwinden die Leistchen. Man sieht hier zwar auch dunkle Linien auf der heller gefärbten Fläche, doch in unregelmässiger Anordnung, sie entsprechen Faltungen oder Schnittenden. 1) Ranvier, Traite technique d’Histologie. 1875, pag. 589. 2) Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. 1884, pag. 334. 13* 196 HERMANN TRIEPEL, Thoma!) sah ähnliche Bilder, wie sie durch die Quer- schnitte der Leistehen erzeugt werden. Er sagt, dass sie auf eine Zusammensetzung der Membran aus Längsfasern hinweisen. Indessen sind meines Erachtens andere Deutungsmöglichkeiten nicht auszuschliessen. Namentlich könnte man daran denken, dass die Membran aus zwei Teilen besteht, von denen der äussere etwa bei der Fixierung der Gewebe mehr der Schrumpfung unter- liegt als der innere, wodurch dieser genötigt wäre, sich wellen- förmig zusammenzuschieben. Diese Ansicht wird dadurch ge- stützt, dass mehrere Autoren in verschiedenen Arterien unter dem Endothel zwei oder mehr elastische Membranen gesehen haben, die sich in ihrer feineren Struktur oder ihrem Verhalten Farbstoffen gegenüber verschieden verhielten, so v. Winiwarter?) in der Art. tibialis posterior, Westphalen?) in Ästen der Aorta abdominalis, Hilbert!) in der Aorta und Carotis. Gelegent- lich fand ich bei der Orceinfärbung der Gehirnarterien eine Verschiedenheit in der Färbbarkeit einzelner Teile der elastischen Innenhaut, doch waren die Fälle vereinzelt, und ich glaube aus ihnen nicht ohne weiteres Schlüsse ziehen zu dürfen. Eher könnte für die angegebene Deutung das nicht gerade seltene Vorkommen ganz kleiner ceirkulär gerichteter Spalten in der Mitte der Membran sprechen (Fig. 7). Bemerkenswert erscheint, dass von Langhans?), später von Key Aberg‘) ein an der 1) Thoma, Über die Abhängigkeit der Bindegewebsneubildung in der Arterienintima von den mechanischen Bedingungen des Blutumlaufes. 1. Mit- teilung. Virch. Arch. Bd. 93, 1883, pag. 451. 2) v. Winiwarter, Über eine eigentümliche Form von Endarteriitis und Endophlebitis. Arch. f. klin. Chir. Bd. 23, 1879, pag. 209. 3) Westphalen, Histologische Untersuchungen über den Bau einiger Arterien. Diss. Dorpat, 1886, pag. 58. 4) Hilbert, Über das Vorkommen von Rupturen der elastischen Innenhaut an den Gefässen Gesunder und Herzkranker. Virch. Arch. Bd. 142, pag. 218 ff. 5) Langhans, Beiträge zur normalen und pathologischen Anatomie der Arterien. Virch. Arch. Bd. 36, 1866, pag. 197 und 198. 6) Key Aberg,' Über. den Bau der Tuniea intima der Arterien; in Retzius, Biol. Untersuch. 1881, pag. 34. Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 197 Innenfläche der Aorta befindliches System von feinen Furchen beschrieben wird; die Furchen sind zwar zum grossen Teil quer- gerichtet, doch haben sie vermutlich analogen Ursprung wie die Einschnitte zwischen den Leistchen an der elastischen Innenhaut der Gehirnarterien; Key Äberg nimmt als veranlassendes Moment für die Furchenbildung bei der Aorta eine Verschiedenheit in den Rlastizitätsverhältnissen der inneren und äusseren Teile der Wand an. Ausserordentlich häufig sind an der elastischen Innenhaut der Gehirnarterien ausgedehnte Spaltungen zu sehen (Fig. S—10), und zwar können sich die einzelnen Lamellen in sehr mannig- facher Weise verhalten. Es kann z. B. die einfache Membran sich in zwei vollkommen gleichwertige Lamellen teilen, oder die eine von den beiden Lamellen ist dünner als die andere, ich will sie als Sekundärlamelle der dickeren Primärlamelle gegen- überstellen. Die — ebenfalls gefensterte — Sekundärlamelle kann nun nach aussen oder nach innen von der Primärlamelle liegen, oder diese wird auf beiden Seiten von je einer Sekundärlamelle begleitet. Zwischen diesen Membranen oder noch nach aussen oder nach innen von ihnen treten meist weitere Lamellensysteme aut, und einzelne der Blätter können sich in Fasern auflösen, die sich in verschiedenen Richtungen durchkreuzen. Bisweilen werden die Faserungen oder Aufspaltungen durch eine oder mehrere stärkere Lamellen, die schief von der Primärlamelle nach der Sekundärlamelle hinziehen, wieder in Unterabteilungen zerlegt. Die Primärlamelle kann die leistenartigen Vorsprünge beibe- halten oder nicht. Es kann endlich auch sich an die Primär- lamelle (nach aussen hin) ein grobes elastisches Maschenwerk anschliessen. Zwischen den elastischen Elementen findet man in Querschnitten liegende und quergetroffene Bindegewebskerne und auch, namentlich nach aussen von der Primärlamelle, Kerne von Muskelzellen. Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, dass es 198 HERMANN TRIEPEL, sich hier nicht etwa um pathologische Bildungen handelt. Alte luetische Prozesse der Gehirnarterien, bei denen, wie Heubner !) beschreibt, mehrere konzentrisch gelagerte Membranae fenestratae auftreten, sind von vornherein auszuschliessen, ebenso jene mit Neubildung elastischer Membranen einhergehende Form der Endarteriitis, wie sie v. Winiwarter?) beschrieben hat. Die Spal- tungen sind in der angegebenen Form als etwas durchaus Nor- males zu betrachten, und auch in anderen Arterien wurden mehrfach (besonders von Thomas Schülern) ähnliche Bildungen gesehen und als elastisch-muskulöse Schicht beschrieben. Das Bindegewebe, in dem sie sich finden, auch soweit es nach innen von der Primärlamelle liegt, ist in Bezug auf seine Entstehung sicher nicht mit dem Bindegewebe, wie es sich nach Thoma in der „Nabelblutbahn “ und an anderen unter ähnlichen Ein- flüssen stehenden Stellen des Arteriensystems entwickelt, zu identi- fizieren ?). Dass man es hier mit einer anderen Bildung zu thun hat, für deren Entstehung auch andere mechanische Ver- hältnisse massgebend waren, dafür spricht das starke Überwiegen der elastischen Bestandteile. Die Spaltungen kommen in grösserer Ausdehnung begreif- licherweise nur in den grösseren Arterien vor, doch sind selbst kleinere Arterien nicht ganz frei davon. Sie sind so häulig, dass es nicht möglich ist, in jedem Falle anzugeben, an welche Bedingungen ihr Vorkommen geknüpft ist. Sicher ist, wie man an quer- und längsgeführten Stufen- und Serienschnitten ver- folgen kann, immer die Abgabe eines Astes, wenn er nicht allzu klein ist, mit Spaltung der elastischen Membran verbunden ?). 1) Heubner, Die luetische Erkrankung der Gehirnarterien. 1874, pag. 121 und 149, siehe auch daselbst Fig. 2. 2) v. Winiwarter, a. a. O. pag. 214. 3) Eine ähnliche Ansicht betreffs des in der Intima der grossen Aorten- äste befindlichen Bindegewebes äussert Mehnert, in seiner Diss.: Über die topographische Verbreitung der Angiosklerose. Dorpat 1888, pag. 21. 4) Schon beim Fötus sah Thoma, a. a. O., pag. 455, an Teilungsstellen in der Intima der Aorta ein elastisch-muskulöses Gewebe auftreten. Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 199 Die Abgangsstelle des Astes liegt inmitten einer rundlichen Zone, innerhalb deren die Membran sich in einzelne Lamellen auf- selöst hat, und zwar findet sie sich mehr in dem distal gelegenen Teile der Zone, wie es Fig. 1 vergegenwärtigen soll. Ic \ Ye sr’ Die Spaltungen er- streeken sich noch ein Ast. Stück weit in den Ast al hinein, und zwar an den f N Seiten — auf Querschnit- | IN Bauen wi ni: und | | | | Zone der Spaltungen. ten sieht man sie hier | | | ) \ 1 | buckelförmig den Ecken N | y SE U ||Lır aufsitzen — und beson- Lu Fig. 1. ders am oberen Rande. Man sieht von innen auf die Arterienwand, Die einzelnen Lamellen der Pfeil giebt die Richtung des Blutstromes an. sind sehr häufig in der Weise angeordnet, dass nach aussen von der Primärlamelle eine Sekundärlamelle liegt, und dass beide wieder durch dünnere Lamellen (oder Fasern) untereinander zusammenhängen, die, schief verlaufend, proximale Teile der Primärlamelle mit distalen Teilen der Sekundärlamelle verbinden (Fig. 9). Etwas modifiziert ist das Verhalten, wenn der abgegebene Ast sehr gross ist oder der Stamm sich in zwei gleiche Äste teilt. Hier treten an gegenüberliegenden Seiten des (relässes Spaltungen auf, die Lamellen erheben sich in Form von Wällen, die auf der Ebene der Teilung oder Astabgabe senkrecht stehen. Die Wälle werden distal wieder niedriger, um schliesslich am Astsporn in eine einfache Membran überzugehen, die sich in die Membran der beiden Äste fortsetzt. Sind mehrere Äste benachbart, so greifen die zu ihnen ge- hörenden Spaltungen ineinander über und beeinflussen sich gegenseitig inbezug auf Form und Ausdehnung. Auch bei der Vereinigung zweier Äste (z. B. der Arteriae vertebrales) zu einem gemeinsamen Stamme spielt die elastische 200 HERMANN TRIEPEL, Haut eine besondere Rolle. Es treten nämlich zuerst in beiden Ästen an den einander zugekehrten Seiten Spaltungen auf. Während diese wieder verschwinden, wölbt sich von der elasti- schen Innenhaut des einen Astes zu der des anderen erst eine Sekundärlamelle hinüber, ein Stück weiter distal die Primär- lamelle, zwischen beiden liegen in grosser Anzahl feine elastische Fasern, die cirkulär zu den Ästen verlaufen. Nach der Ver- einigung setzen sich von dem Sporn aus wallartige Bildungen auf beiden Seiten des Stammes fort, an den betreffenden Stellen sind Spaltungen von nicht geringer Ausdehnung noch eine grosse Strecke weit zu verfolgen, z. B. sehr schön im Anfangsteil der Art. basilaris (Fig. 10). Ferner glaube ich, dass Spaltungen auch bei Krümmungen des Arterienrohres vorkommen, und zwar an der nach dem Lumen zu konkaven Seite. Doch ist der Nachweis nicht ganz leicht bestimmt zu führen, weil man oft durch die mit Ast- abgängen verbundenen Spaltungen irre geführt wird, und ich bin noch nicht in der Lage, das Vorkommen von Spaltungen bei Krümmungen als bewiesen hinzustellen. Endlich wurde auch darauf geachtet, ob sich Spaltungen etwa häufiger auf der dem Schädel oder der dem Gehirn zuge- kehrten Seite der Arterie finden; ein regelmässiger Unterschied konnte nicht konstatiert werden. Ein Einfluss der Umgebung macht sich überhaupt nur bei dem elastischen Gewebe in der Externa der Arteria meningea geltend (s. u.), aber auch nicht, wie hier im Voraus bemerkt werden kann, in der Externa der Gehirnarterien. Das elastische Gewebe in der Ringmuskelschicht der Gehirnarterien zeigt eine ausserordentlich einfache Anordnung. Wie schon bemerkt, ist es hier sehr spärlich vertreten. Es be- steht aus einzelnen cirkulär verlaufenden, gewellten, dünnen Fasern, die in der Regel ziemlich gleichmässig über die ganze Taf. xt/XxIr. Anat.Hette l.Abtheilung Heft 22 (7.Bd.H2) nn rasen Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 201 Dicke der Muskulatur verstreut sind. Die Fasern sind lang und lassen sich namentlich in diekeren Schnitten ansehnliche Strecken weit verfolgen. Man sieht auch gelegentlich schief verlaufende “asern, deren Enden in verschiedenen Querschnitten oder in demselben Querschnitt verschieden weit von der Mitte der Gefäss- lichtung entfernt liegen, und die Fasern aus verschiedenen Lagen der Muskulatur mit einander verbinden. Doch sind diese kom- munizierenden Fäden so spärlich, dass man nicht den Eindruck erhält, als ob es sich um ein die ganze Muskulatur durch- setzendes Netzwerk handelte. In einigen Arterien stehen die elastischen Fasern der Muskulatur an gewissen Stellen des Quer- schnittes, z. B. in der Mitte oder in der Nachbarschaft der Externa etwas dichter als gewöhnlich beisammen, ohne dass sich hierfür eine bestimmte Regel angeben liesse. Bei Astabgängen zeigt das elastische Gewebe der Muskulatur keine besondere Anordnung; es wird hier meist sogar noch spärlicher als an anderen Stellen und verschwindet bisweilen ganz. Bei dem Kleinerwerden der Arterien verliert sich das elastische Gewebe in der Muskelschicht am allerzeitigsten. Eine die Ringmuskulatur von dem Bindegewebe der Externa trennende äussere elastische Haut fehlt in allen Gehirnarterien vollkommen. Zahlreichere und stärkere elastische Fasern als in der Muskelschicht sieht man in der Externa der grösseren Gehirn- arterien (Fig. 1 und Fig. 5—10). Hier schliessen sich zunächst an die Muskelschicht dicht gedrängte, eirkulär verlaufende Fasern an. Sie liegen inmitten von Bindegewebsfasern, und man kann bisweilen noch zwischen ihnen und der Muskulatur Bindegewebe nachweisen, das sich nach der Orceinfärbung meistens unvollständiger entfärbt als Muskelgewebe. Die Fasern können in einzelnen Fällen so dicht gedrängt stehen, dass man bei schwachen Vergrösserungen in Querschnitten den Quer- schnitt einer Membran vor sich zu haben glaubt, der sich aller- 202 HERMANN TRIEPEL, dings bei stärkerer Vergrösserung in einzelne Fasern auflöst. Die zopfartigen Bildungen, die durch das Aneinanderrücken der gewellten Fasern entstehen, können mehrfach, in konzentri- scher Anordnung vorhanden sein. Nach aussen von der beschriebenen Schicht folgen sehr lockere Bindegewebszüge und vereinzelte Bündel glatter Längs- muskelfasern. Diese Lage ist nach aussen nicht deutlich be- grenzt, sondern zeigt viele Fortsätze, durch die sie mit der Pia, d.h. sowohl ihrer Lamina vasculosa als der Arachnoidea in Zusammenhang steht, sodass man oft darüber im Unklaren ist, wo man die Grenze zwischen Externa und Subarachnoideal- gewebe zu ziehen hat. Hier finden sich wenig und auch wieder dünne Fasern, sowohl quer- als längsverlaufende. In den Längs- muskelbündeln wurden keine elastischen Elemente gesehen. Bei der Betrachtung sehr dünner Querschnitte kommt man leicht dazu, die Menge der Längsfasern zu überschätzen, weil hier die Durchschnitte umgebogener Enden von Querfasern als Querschnitte von Längsfasern imponieren. Sichere Aufschlüsse über die längs verlaufenden Fasern erhäft man nur an Längs- schnitten. Bei der Abgabe von Ästen spielt das elastische Gewebe der Externa keine aktive Rolle, d. h. es zeigt nur eine solche An- ordnung, wie sie sich ergiebt, wenn man seine Bestandtteile vom Stamm auf den Ast verfolgt. Besonders wurde darauf ge- achtet, ob etwa Fasern vorhanden sind, die auf dem Ast- sattel reiten oder die Stelle der Astabgabe schleifenförmig um- greifen. Reitende Fasern fanden sich allerdings, doch lässt sich leicht übersehen, dass man sie notwendigerweise antreffen muss, wenn man in der Schicht der eirkulär laufenden Fasern vom Stamm auf den Ast übergeht. In den Astwinkeln (proxi- mal, distal und an den beiden Seiten) ist das lockere Binde- cewebe etwas reichlicher angehäuft. In ihm finden sich elastische Fasern, die eirkulär zu Stamm oder Ast, und solche, die axial Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 203 verlaufen, dagegen keine, die sich zwischen Stamm und Ast un- mittelbar ausspannten. An kleinen Arterien, auch wenn sie als Äste unmittelbar aus einem der grossen Gefässe an der Gehirnbasis hervor- gegangen sind, findet man in der Externa, keine cirkulären, sondern nur axiale Fasern von sehr geringer Dicke. Die Ex- terna der in der Pia verlaufenden Arterien enthält gar keine elastischen Fasern mehr, wie auch beiläufig das ganze Gewebe der Pia durchaus keine elastischen Elemente enthält. Die in der Nähe des grossen Hinterhauptloches liegenden Gefässe verdienen, wie erwähnt, eine besondere Besprechung, das Folgende eilt in erster Linie von der Art. vertebralis bei ihrem Eintritt in die Schädelhöhle.. Man kann zusammenfassend sägen, dass hier sowohl eine Vermehrung als auch eine reichere Gliederung des elastischen Gewebes sich findet. Die elastische Innenhaut zeigt sich stärker gefaltet, und die Falten erheben sich spitzer als das sonst gesehen wird. Noch in höherem Grade fällt in der Muskelschicht die ungleichmässige Gruppierung . der elastischen Fasern und das verhältnismässig reichliche Auftreten von Radiärfasern auf; besonders zahlreich finden sie sich in der Nähe der elastischen Innenhaut. Die Fasern der Externa zeichnen sich durch grosse Dicke aus, sowohl die cir- kulär als die axial verlaufenden. Die Längsfasern treten hier auch schon in der inneren Schicht zwischen den ceirkulären Fasern auf. Betreffs der Arterien der Meninx fibrosa genügt es, darauf hinzuweisen, dass sieim Aufbau des elastischen Gewebes grosse Ähnlichkeit mit den Gehirnarterien besitzen. Sie haben wie diese eine starke elastische Innenhaut, die auch die Neigung hat, sich in mehrere Lamellen zu spalten, die jedoch die leisten- förmigen Vorsprünge vermissen lässt. Die Muskelschicht enthält wenige dünne elastische Fasern. In der Externa ist das Ver- halten auf der Gehirn- und auf der Schädelseite verschieden: 204 HERMANN TRIEPEL, hier sind nur spärliche dünne, dort mitunter sehr starke Ringfasern vorhanden. Längsfasern fehlen in der Gefässwand fast ganz, sind dagegen in der Nachbarschaft in der Hirnhaut zahlreicher vor- handen, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann. IE Um dem Verständnis für die Bedeutung und die Aufgaben des elastischen Gewebes in der Gefässwand näher zu kommen, kann man so verfahren, dass man von gut gekannten Eigen- schaften des elastischen Gewebes ausgeht und sich die Frage vorlegt, ob diese Eigenschaften an den Stellen der Gefässwand, an denen das Gewebe vorkommt, zur Erfüllung der ebendort an das Gefässrohr gestellten Anforderungen nützlich sind, oder ob sie allein es etwa ermöglichen, dass diese Anforderungen erfüllt werden. Man wird zunächst an den hohen Elastizitätsmodul und die Vollkommenheit der Elastizität des elastischen Gewebes denken und untersuchen, ob und in welcher Anordnung dort elastisches Gewebe vorkommt, wo die Gefässwand eine besonders hohe Elastizität besitzen muss, d. h. dort, wo die grössten Spannungs- änderungen anzunehmen sind, wo also bei der Fortpflanzung der Pulswelle die grösste Arbeitsleistung zu suchen ist. Es wurde schon oben erwähnt, dass die Gefässe der Schädel- höhle für eine solche Untersuchung besonders geeignet sind, weil wir es hier nur mit solchen Spannungsänderungen in der Gefässwand zu thun haben, die von der Cirkulation des Blutes abhängen, nicht aber mit solchen, die auf äussere Bewegungen zurückzuführen sind. Indessen können wir ganz einfache Ver- hältnisse auch in der Schädelhöhle nicht bei allen Gefässen, sondern nur bei den meisten grösseren Arterien annehmen. Komplizierter werden sie bei den in der Nähe des Hinterhaupts- loches befindlichen Arterien, die bei den Bewegungen des Kopfes Druck und Zug ausgesetzt sind; bei den kleineren Arterien, bei denen es nicht unwahrscheinlich ist, dass sie bei der Pulsation Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 205 der grösseren Stämme, von denen sie als Äste abgehen, Lage- veränderungen, wenn auch geringfügige erleiden; und endlich bei allen Venen infolge der eigentümlichen Bluteirkulations- verhältnisse im Schädel. Die Grösse des Elastizitätsmoduls der elastischen Faser wird sich in erster Linie dann geltend machen, wenn die Faser ge- streckt ist und ein in ihrer eigenen Richtung ausgeübter Zug auf sie einwirkt. Es fragt sich, ob eine gekrümmte elastische Faser (oder Platte) in jedem Falle, wenn sie aus ihrer ursprünglichen Form gebracht worden ist, in diese Form mit einer gewissen Kraft, etwa wie eine Uhrfeder, zurückzukehren sucht. Das ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man an die bekannten Bischofsstabformen, an das Aufrollen ausgeschnittener Stücke der Aortenwand und ähnliches denkt. Doch wird man nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass der Widerstand, den die elastische Faser ihrer Streekung entgegensetzt, gering ist im Vereleich zu dem Widerstand, dem ein auf die gestreckte Faser in ihrer Längsrichtung ausgeübter Zug begegnet. Wenn man die Veränderungen in den Spannungszuständen der Arterienwand bei der Pulsation studieren will, so hat man sich zunächst zu vergegenwärtigen, welche Gestalt das Arterien- rohr kurz vor dem Eintritt der Pulswelle besitzt. Die Musku- latur der Wand befindet sich in einem bestimmten Kontraktions- zustand (Tonus). Dieser Kontraktionszustand unterliegt Schwan- kungen, die jedenfalls grössere Änderungen im Gefässlumen mit sich bringen, als sie möglich wären, wenn die elastische Innen- haut dauernd gestreckt wäre; denn nur durch Dehnung und Zu- sammenziehung der Membran würden sich nur geringe Schwank- ungen in der Weite der Arterie hervorbringen lassen. Daraus folgt, dass der innere Umfang des Querschnittes einer Arterie beim Lebenden vor Beginn der Pulswelle ähnliche mäanderartige Krüm- mungen zeigen muss, wie sie an der fixierten und gehärteten Ar- terie gesehen werden, wenn sie auch wohl hier infolge stärkerer 206 HERMANN TRIEPEL, Kontraktion noch mehr ausgeprägt sind. Man hat sich also das Arterienrohr in der Ruhe innen nicht glatt, sondern mit mässig weit vorspringenden, längs verlaufenden Leisten versehen vor- zustellen. Das gilt wahrscheinlich von den meisten mittelgrossen Arterien des Körpers, unbedingt gilt es von den grösseren Arte- rien der Schädelhöhle, bei denen die Dicke der inneren elastischen Haut das Verhältnis zwischen der Ausdehnbarkeit der Membran und den Tonusschwankungen der Muskulatur unzweifelhaft so, wie oben angegeben worden ist, erscheinen lässt. Zu Gunsten der gemachten Annahme lässt sich auch anführen, dass an der abgezogenen Rlastica interna der Art. basilaris, wie verschiedene Autoren (Toldt!) u. a.) beschrieben haben, Längsfaltungen ver- bleiben, die sich nicht ausgleichen lassen). Ebenso ist es wahrscheinlich, dass auch alle mehr peripher gelegenen Querfasern im Ruhezustand geschlängelt sind, und dass andererseits die Längsfasern in Anbetracht der geringen Mächtigkeit der Längsmuskelbündel gestreckt sind. Das so beschaffene Arterienrohr erleidet bei der Pulsbewegung Spannungsänderungen in doppeltem Sinne, nämlich in tangen- tialer und in axialer Richtung. Bei der Untersuchung der tangentialen Spannungsände- rungen geht man am besten von der Betrachtung eines schemati- schen Arterienquerschnittes aus, wie ihn Fig. 2 zeigt. Es sei AB die äussere, CD die innere Wand einer Arterie. Der zunächst infolge der Blutdruckserhöhung beim Pulse auf die Innenfläche radial auftreffende (s. folg. S. Anm.) Stoss pflanzt sich auf die übri- gen Teile der Wand ohne Verlust nur an den höchsten und an den ı) Toldt, a. a. O., pag. 334. 2) Die Form der inneren Arterienwand veranlasst es möglicherweise (neben anderen Umständen), dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen- bewegung in den Arterien etwas geringer ist als in glatten elastischen Schläuchen. Das beobachtete schon E. H. Weber, wie er berichtet in „Über die Anwen- dung der Wellenlehre auf die Lehre vom Kreislauf des Blutes und insbesondere auf die Pulslehre.“ Sächs. Ber. Il, 1850, pag. 196. Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 207 tiefsten Punkten der inneren Oberfläche fort. An den anderen Punkten der Oberfläche zerlegt sich die Kraft des Stosses in zwei Komponenten, deren eine parallel zur Oberfläche verläuft und verloren gent, deren andere senkrecht dazu steht und zur Wirkung kommt. In der Figur geben die Pfeile die Richtung der zur Wirkung gelangenden Kräfte .an'). Nun wissen wir nicht, wie der Druck in der lebenden, fest- weichen Substanz sich fortpflanzt. Wir können demnach auch höchstens Vermutungen darüber aufstellen, an welchen Teilen der Wand sich zu Be- ginn eines Pulses die grösste Spannungs- zunahme befindet. Wahrscheinlich wird dieses Maximum inmitten der Wanddicke ( zu suchen sein; seine Lage wird variieren, je nach der Höhe der vorspringenden Leisten, und je mehr sich das Arterienrohr entfaltet, um so weiter wird es nach aussen rücken, um schliesslich auf die innere Oberfläche des Rohres überzutreten. D Dass bei vollständig geglättetem Rohr die weitere Erhöhung des Blutdrucks in erster Linie von der Innenfläche getragen wird, lässt sich leicht zeigen. Es sollen zu dem Zwecke zwei Punkte eines Querschnittes mit einander verglichen werden, von denen der eine der inneren, der andere der äusseren Peripherie des Rohres angehört, und die von seiner Axe die respektiven Abstände r; und r, haben. Wenn sich zeigt, dass bei einer geringen Erweiterung des Rohres der eine dieser beiden Radien um mehr zunimmt als der andere, so folgt, dass der Rohrumfang, dem er angehört, auch die grössere 1) Diese Kraftrichtungen ergeben sich auch, wenn man berücksichtigt, dass in einer Flüssigkeit und wohl auch im Blutkörperchen enthaltenden Blute ein Druck sich momentan nach allen Richtungen hin gleichmässig fortpflanzt. 208 HERMANN TRIEPEL, Spannungszunahme erfährt. Vorauszusetzen ist im folgenden, dass der eylinderförmige Rohrabschnitt, in dem der untersuchte Querschnitt liegt, bei der Erweiterung seine Länge nicht merklich ändert: die Voraussetzung ist möglich, weil die Erweiterung nur klein angenommen wird, und die axiale Spannungszunahme, wie unten erörtert werden wird, stets noch geringer ist als die tangentiale. Da die Substanz der Wand als incompressibel anzu- nehmen ist, so muss der Flächeninhalt des Wandgquerschnittes sich gleich bleiben. Es muss also sein, wenn bei der Erweiterung Y, um Ar, und r, um Ar, zunikanmt, nen + Ar)? ee SL An)? Zu bestimmen ist der Wert des Verhältnisses en Ar Durch Kombination beider Gleichungen erhält man label V rn? + r2? [2r, Ar + (An,)?]. Da nun in diesem Bruche Zähler und Nenner sich nur dadurch unterscheiden, dass dort r,?, hier r;? als Faktor vor dem nämlichen Gliede steht, und da r,>r;, so ist auch x>l1, d. h. die Spannungszunahme ist in der inneren Peripherie der Wand grösser als in der äusseren. In axialer Richtung findet offenbar so lange überhaupt keine Spannungszunahme statt, als die Druckerhöhung dazu benutzt wird, die Falten des Arterienrohres auszugleichen. Nachher liegen die Verhältnisse offenbar ähnlich wie in jenem von E. H. Weber!) mitgeteilten Versuch, bei dem sich ergab, dass eine an den Enden verschlossene Kautschukröhre bei Er- höhung des Innendruckes sich sechsmal weniger verlängerte als erweiterte; denn der durch die Kapillaren gesetzte Wider- 1) E. H. Weber, a. a. O., pag. 181. Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 209 stand wirkt, wenigstens für die Zeit des steigenden Druckes wie ein Verschluss des Gefässrohres. Demnach ist die Span- nungszunahme in axialer Richtung als gering anzusehen. So- weit sie übrigens unmittelbar eine Folge der Erweiterung des Arterienrohres (nach seiner Entfaltung) ist, wird sie auch dort relativ am grössten ausfallen, wo die eirkuläre Spannungszunahme am grössten ist, d. h. am inneren Umfang des Rohres. Im übrigen lässt sich nichts Allgemeingültiges darüber aussagen, wie sich die geringe axiale Spannungszunahme auf die einzelnen Schichten der Wand verteilt. Es wäre nun zu bestimmen, ob der Ort der grössten Spannungszunahme auch mit dem Ort der höchsten Ausbildung des elastischen Gewebes zusammenfällt. Der axialen Spannungszunahme das Gleichgewicht zu halten, wird zum Teil die Aufgabe der elastischen Membran sein; sie. findet sich dort, wo, wie gezeigt wurde, die axiale Wandspannung verhältnismässig am grössten ist. Ausserdem wäre nur zu be- merken, dass es mit der Kleinheit der axialen Spannungszu- nahme in Einklang steht, dass in den Gehirnarterien die Menge und Stärke der elastischen Längsfasern nur gering gefunden wurde, Wichtiger erscheint die Frage, ob die Lage und Stärke der cirkulär verlaufenden elastischen Fasern der in cirkulärer oder tangentialer Richtung sich ergebenden Spannungszunahme, wie sie geschildert wurde, entspricht. Hier liegt zunächst die Vermutung nahe, dass mit jener Ausbreitung der grössten Spannungszunahme, die zu Beginn des Pulses in den peripheren Teilen der Wand stattfindet, das elastische Gewebe der Externa in Zusammenhang zu bringen ist. Diese Vermutung ist jedoch zurückzuweisen. Denn es ist unwahrscheinlich, dass zu Beginn des Pulses die Maxima der Spannungszunahme immer gerade in der innersten Schicht der Externa liegen, wo sich die meisten elastischen Fasern finden; jedenfalls ist ihre Lage überhaupt veränderlich, da die Höhe Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXII (7. Bu. H. 2). 14 210 HERMANN TRIEPEL, der an der Innenseite der Arterienwand vorspringenden Leisten Schwankungen unterliegt. Die elastischen Fasern der Externa könnten auch gar nicht die ihnen zugemutete Leistung über- nehmen, da sie zu Beginn des Pulses, wie es oben wahrscheinlich gemacht wurde, noch gewellt sind. Andererseits sind die Span- nungszunahmen im Innern der Wand zu Beginn des Pulses wohl so gering, und ihr Maximum läuft so flüchtig über die Breite eines Querschnittes hin, dass man auch keine Reaktion in Gestalt von Bildung elastischen Gewebes erwarten kann. Unzweifelhaft ist es dagegen, dass die Existenz einer elas- tischen Innenhaut mit der sehr grossen Spannungszunahme, die sich nach Entfaltung des Arterienrohres an der inneren Ober- fläche der Wand findet, in Zusammenhang steht!). Nun ist wohl zu bedenken, dass bei einer Druckerhöhung nicht nur die Spannung der inneren Oberfläche der Arterie, sondern die Spannung eines jeden Teiles der Wand zunimmt, wenn auch um immer weniger, je mehr man sich der Aussenseite nähert. Man müsste also erwarten, in konzentrischer Schichtung um die elastische Membran herum elastisches Gewebe zu finden, das an Menge und Stärke seiner Elemente nach aussen hin in konstanter Weise abnimmt. Da das nicht der Fall ist, so bleibt weiter nichts übrig, als entweder die über die Wirkungsweise des elastischen (sewebes in der Wand der Gehirnarterien gemachte Annahme fallen zu lassen oder sie durch eine weitere Annahme zu ergänzen, die das auffallende Zurücktreten elastischer Fasern in der Muskel- schicht erklärt. Zu dem erstgenannten Ausweg würde ich bei dem bekannten physikalischen Verhalten des elastischen Gewebes nur ungern meine Zuflucht nehmen, zumal die Möglichkeit nicht zu bestreiten ist, dass es Gründe giebt, die eine stärkere An- ') Bei den Herzklappen (Seipp, a. a. O., pag. 92 ff.) und Venenklappen findet sich das meiste elastische Gewebe an der Aussenseite der gewölbten Wand; infolge der seitlichen Anheftung der Klappen ist dort auch der Ort der grössten Spannung an der Aussenseite. Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 211 häufung elastischen Gewebes in der Muskelschicht verhindern. Man könnte vielleicht daran denken, dass die regelmässigen Dehnungen, wie sie bei der Pulsation der nur mittelgrossen Arterien vorkommen, für die Muskulatur bedeutungslos sind und ähnl. mehr. Lässt man eine söleche Annahme zu, so muss man aner- kennen, dass es wahrscheinlich ist, dass alle cirkulär ver- laufenden elastischen Elemente in der Wand der Ge- hirnarterien der beim Pulse nach Entfaltung des Gefäss- rohres eintretenden Spannungszunahme der Wand entgegenwirken, wobei das Geringerwerden der Span- nungszunahme nach aussen hin der Abnahme der elastischen Elemente an Menge und Stärke — elastische Innenhaut, innere und äussere Fasern der Externa — entspricht. Dass die elastische Innenhaut aussergewöhnlich dick ist, hängt möglicherweise mit den eigenartigen Cirkulationsverhält- nissen zusammen, denen wir im Gehirn begegnen. Auf sie näher einzugehen, wird sich bei der später zu gebenden Be- schreibung des elastischen Gewebes in den Gehirnvenen als zweckmässig erweisen; denn das Verhalten der Arterien des Gehirns unterscheidet sich von dem anderer Arterien des Körpers viel weniger als das Verhalten der entsprechenden Venen. Der Hauptunterschied in dem arteriellen Kreislauf besteht darin, dass, wie Grashey!) auf Grund seiner exakten Untersuchungen darlegt, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswelle im Schädel viel grösser ist als an anderen Orten. Es wäre also bei den Gehirnarterien die Ascensionslinie einer Pulskurve besonders steil und damit könnte vielleicht die Dicke der Membran in Zu- sammenhang gebracht werden. Allerdings spricht hiergegen der Umstand, dass Kinder in ihren Arterien überhaupt eine ver- !) Grashey, Experimentelle Beiträge zur Lehre von der Bluteirkulation in der Schädelrückgratshöhle. 1892, pag. 61. 14* 219 HERMANN TRIEPEL, hältnismässig dicke elastische Innenhaut haben (s. 0.) und ge- rade in kindlichen Arterien eine geringere Fortpflanzungsge- schwindigkeit der Pulswelle beobachtet worden ist, als in denen des Erwachsenen !). Die Spaltungen und Auffaserungen der Membran haben offenbar den Zweck, die Membran zu verstärken. Sie werden daher dort auftreten, wo an die Wand erhöhte An- forderungen gestellt werden, oder kurz, wo der Druck, bez. die periodische Druckzunahme lokal gesteigert ist. In einem von Flüssigkeit durchströmten geraden cylindrischen Rohre ist der Druck an allen Punkten eines Querschnittes derselbe, andernfalls würde die Flüssigkeit nicht gerade aus, sondern von den Orten höheren Druckes zu denen niederen Druckes abfliessen. Es er- giebt sich leicht, dass bei einer Krümmung des Rohres an der nach der Lichtung konkaven Seite der Wand ein höherer Druck herrschen muss als an der konvexen. Damit würde gut zu- sammenpassen, dass an der konkaven Seite der Krümmungen (höchstwahrscheinlich s. o.) Spaltungen der Membran vorkommen. Ferner lässt sich zeigen, dass kurz vor der Abgabe eines Astes auf der Seite der Arterien, auf der sich der Ast abzweigt, der Druck höher ist als auf der entgegengesetzten. Denn der Seiten- druck ist von den dem Strom sich entgegenstellenden Wider- ständen abhängig?) und in dem kleineren Aste sind die Wider- stände grösser als in der Fortsetzung des Stammes. Der Teil des Blutstromes, der in den Ast einströmt, muss sich bei der im allgemeinen geradlinigen Fortbewegung der Flüssigkeit schon vor der Astabgabe bestimmen lassen und zwar muss er eben auf der Seite des Astes liegen). Es werden also auch die me- 1) Vgl. M. v. Frey, Die Untersuchung des Pulses. 1892, pag. 127 u. 136. 2) Wenn man unrichtiger Weise hier von der Summe aller folgenden Widerstände sprechen wollte, so würde die Schlussfolgerung gerade umgekehrt sein müssen. 3) Man vergleiche die schematischen Zeichnungen der Blutströmung in der Zunge des Frosches bei Thoma, Untersuch. über die Histogenese und Histomechanik des Gefässsystems. 1893, bes. pag. 80. Das elastische Gewebe in der Wand der Arterien der Schädelhöhle. 213 chanischen Verhältnisse, die im Aste obwalten, nach rückwärts ihren Einfluss geltend machen und zwar so, dass die höheren Widerstände im Aste den Druck vor der Astabgabe auf der zu- gehörigen Seite erhöhen. Damit stimmen überein die Spaltungen der Membran, wie sie vor der Abgabe von Ästen gesehen wurden. Es wäre willkommen, wenn die im vorstehenden geäusserten Ansichten durch das physikalische Experiment gestützt würden. Wenn die Anordnung des elastischen Gewebes in der Art. vertebralis in der Nähe des Foramen magnum von der in den anderen Gehirnarterien beobachteten abweicht, so ist das jeden- falls auf die Dehnungen zurückzuführen, denen die Arterie bei Bewegungen des Kopfes ausgesetzt ist. Den Einfluss zu studieren, den Bewegungen auf Menge und Verteilung des elastischen Gewebes in der Gefässwand haben, dazu ist dieses Beispiel wegen der komplicirten Verhältnisse, die bei ihm vor- liegen, wenig geeignet. Für die mittelgrossen Körperarterien lässt sich aus den bei den Gehirnarterien gemachten Befunden schliessen, dass infolge der Pulsbewegungen nur spärliche elastische Längsfasern, eine elastische Innenhaut (mit ihren Derivaten) und an Querfasern in der Muskelschicht nur wenige, mehr in der Externa, besonders in deren inneren Lage, vorhanden sind. Was an elastischem Gewebe hinzukommt, ist infolge äusseren Druckes oder Zuges entstanden. Dabei ist es allerdings denkbar, dass noch in Schichten, die in den Gehirnarterien fehlen (z. B. zwischen Endothel und elastischer Innenhaut) durch die Einwirkung des Pulses elastisches Gewebe entsteht, und es ist fernerhin denk- bar, dass elastische Elemente, die schon in den Gehirnarterien vorhanden sind, nicht nur inneren, sondern zu gleicher Zeit auch noch äusseren Einflüssen widerstehen, oder dass sie durch neu hinzutretende elastische Elemente verdrängt oder verschoben werden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XYXU. Fig. 1. Querschnitt der Art. vertebralis in der Schädelhöhle. Fig 2. Elastische Innenhaut von der Jläche, Boden eines von der Carotis in der Schädelhöhle abgehenden Astes. Fig. 3. Längschnitt einer kleinen Arterie aus der Pia. Fig. 4 Querschnitt einer kleinen Arterie aus der Pia. Fig. 5. Querschnitt der Carotis in der Schädelhöhle. Fig. 6. Querschnitt der Art. basilaris. Fig. 7. Querschnitt der Art. cerebri media. Fig. 8. Querschnitt der Art. vertebralis mit Spaltung der elastischen Innenhaut vor Abgang eines Astes. Serienschnitt. Fig. 9. Querschnitt der Art. cerebri media mit Spaltung der elastischen Innenhaut kurz vor Abgang eines Astes. Fig. 10. Querschnitt der Art. basilaris mit grösserer Spaltung der elastischen Innenhaut kurz nach Vereinigung der Art. vertebrales. Alle Figuren sind nach Präparaten gezeichnet, in denen die elastische Substanz mıt Orcein gefärbt war. Orceinstückfärbung liegt vor bei Fig. 1, 2, 5, 8. Die Figuren 1, 8, 9, 10 sind mit Leitz Obj. 3, Oc. 3, die Figuren 2—7 mit Leitz Obj. 6, Oc. 1 gezeichnet. AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT DER JAGELLONISCHEN UNIVERSITÄT IN KRAKAU. | ÜBER DIE GESTALT DER CENTRUSOMEN BEFRUCHTETEN SEEIGELEI. VON K. KOSTANECKI Mit 10 Abbildungen auf Tafel XI1I/XIV. de 1Abtheilung Verlag v. IF Bergmann, Wiesbaden. Heftar (7 ’2] In der Sitzung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften in Krakau vom 4. Juni 1895 habe ich eine Arbeit unter dem Titel: ‚Untersuchungen an befruchteten Echinodermeneiern“ !) vorgelegt. Als die Arbeit bereits in Druck war, erhielt ich die den gleichen Gegenstand behandelnden Arbeiten von Mathews und Wilson, Boveri, Reinke, sodann haben noch Hill, vom Rath, ferner, wenn auch nur gelegentlich, Field und schliesslich kürzlich von Er- langer diesen Gegenstand behandelt. Dass so viele diesbezüg- liche Arbeiten über diesen Gegenstand, unabhängig von einander in so kurzer Zeit erschienen sind, erklärt sich hinlänglich aus dem Umstand, dass es galt, eine der auffallendsten Publikationen in der Befruchtungslehre, die in den letzten Jahren überhaupt erschienen ist, nämlich die von Fol beschriebene „quadrille des centres“ auf ihre Richtigkeit oder vielmehr auf ihre Existenz überhaupt zu prüfen. Aus allen diesen Publikationen hat es sich übereinstimmend ergeben, dass die Fol’sche quadrille bei befruchteten Seeigel- eiern nicht wahrzunehmen ist, vielmehr stammen hier die Cen- tralkörper der ersten Furchungspindel ebenso, wie in der ganzen Tierreihe, aus dem vom Mittelstück des Spermatozoons einge- führten Centrosoma. 1) Polnisch unter dem Titel: Badania nad zaplodnionemi jajkami jezowcow“ erschienen in: Rozprawy wydzialu matematyczno-przyrodniezego Akademjı Umiejetnosei w Krakowie — ausführliches deutsches Resume im Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau, Juni 1895. 218 K. KOSTANECKI, Auch bezüglich anderer Punkte, wie der Umdrehung des Spermakerns, wodurch das im Mittelstück enthaltene Centrosoma, das anfänglich hinter dem Spermakern seine Lage hat, vor den- selben zu liegen kommt, sodann bezüglich der Entstehung der Spermastrahlung und mancher anderen Punkte hat sich erfreu- licher Weise eine gewisse Übereinstimmung ergeben. Ich gehe auf diese Punkte hier nicht mehr näher ein. Andererseits weisen die Arbeiten in einer Beziehung sehr bedeutende Differenzen auf und zwar bezüglich der Gestalt, unter welcher uns die Öentrosomen im mikroskopischen Bilde beim befruchteten Seeigelei erscheinen. Ich habe in meiner Arbeit beschrieben und abgebildet, dass ich in meinen Präparaten, die vor allem mit Sublimat nebst einem Zusatz von Eisessig, oder mit Sublimat-Pikrinsäure, Subli- mat-Salpetersäure, auch reinem Sublimat fixiert, dann mit Häma- toxylin-Eisenalaun nach M. Heidenhain gefärbt wurden, den Centralkörper von vorneherein, zunächst hinter dem Spermakern, dann neben und schliesslich vor demselben in der allmählich sich ausbildenden und dann mächtig anwachsenden Strahlung als ein kleines schwarzes Kügelchen sehe, gegen welches die Strahlen konversieren. Bisweilen waren im Uentrum der Strahlung bereits in frühen Stadien zwei deutliche, kleine schwarze Centrosomen. Ich habe fernerhin angegeben, dass auch in sämtlichen späteren Stadien, wenn nach Annäherung der Geschlechtskerne die mito- tische Figur zweipolig geworden ist, also während des Knäuel- stadiums des Furchungskerns, der allmählichen Auflösung des- selben in einzelne Chromosomen, sodann während des Mutter- sterns, der Metakinese, des Diasterstadiums, ich stets an jedem Pol der mitotischen Figur je ein (bisweilen wiederum doppeltes) schwarzes Körperchen sehe, gegen welches hin sämtliche Strahlen konvergierten. Um die Centrosomen herum sah ich dadurch, dass in allen Strahlen Verdickungen zu bemerken waren (van Bene- densches Körnerstratum) ein helleres Feld (die sog. Sphäre Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 219 im Sinne M. Heidenhains) abgegrenzt. Dass dies Feld heller erscheint, erklärt sich daraus, dass die Strahlen im Bereich des- selben, wie bei so vielen anderen Zellarten, feiner sind; dass hier wirklich auch innerhalb dieser helleren Zone Strahlen auf das Centrosoma zu verlaufen, konnte meist mit grösster Sicher- heit festgestellt werden. Bisweilen sah ich diese Abgrenzung (namentlich im Muttersternstadium) nicht, sondern die Strahlen verliefen bis zum Centralkörper gleichmässig diek und dann sah man sie mit der grössten Deutlichkeit bis ans Centrosoma heran- treten... Mit einem Wort: ich sah bei befruchteten Seeigeleiern die Centro- somen sich ganz ebenso verhalten und namentlich unter dem- selben Bilde auftreten, wie sie bei manchen anderen Tieren während der Befruchtung beobachtet wurden [wie ich sie dann kurze Zeit darauf auch bei den Mollusken (Physa fontinalis) zu sehen Gelegenheit hatte] und vor allem unter demselben Bilde, wie sie bei der gewöhnlichen Mitose in sämtlichen Gewebs- zellen auftreten. Einen wesentlichen Unterschied konnte ich hier für die Centrosomen nicht feststellen — höchstens verdiente es hervorgehoben zu werden, dass die Centralkörper im Verhältnis zur Grösse des Zellenleibes sehr klein sind und dass sie sich in Eisen-Hämatoxylin weniger leicht und weniger konstant färben, als sonst; wenn ihre Färbung aber erfolgt ist, treten sie mit einer Deutlichkeit auf, die nichts zu wünschen übrig lässt. Dass hier verschiedene, zufällige Umstände mitspielen können, beweist uns der Umstand, dass öfters die Färbung der auf demselben Objektträger gefärbten Eier ungleich ausfällt und man neben wohl gelungenen eine Reihe von weniger guten Präparaten zu Gesicht bekommt. Von den oben erwähnten Autoren, die ungefähr gleichzeitig diesen Gegenstand behandelt haben, stimmen nur die Angaben vom Raths mit den meinigen ohne jede Einschränkung völlig überein. Ich entnehme dies aus seiner Beschreibung, die ich 220 K. KOSTANECKI, in allem, Punkt für Punkt unterschreiben kann; Abbildungen fügt vom Rath seiner Beschreibung nicht bei. Zum grossen Teil stimmen auch die Angaben Hills, der die befruchteten Eier in Sublimat-Eisessig fixiert und in Eisen-Hämatoxylin gefärbt hat, mit meiner und vom Raths Beschreibung, auch einzelne seiner Abbildungen lassen sich in den wesentlichen Dingen mit den meinigen aufs schönste vereinigen. Recht bedeutend sind dagegen die Unterschiede, die sich zwischen meinen Angaben und denen Boveris und Wilson und Mathews ergeben. Für die Anfangsstadien, d. h. bezüglich des Eindringens des Samenfadens, Umdrehung desselben, bezüglich der Strahlung des Samenfadens und der Lage des Centrosomas in ihrem Innern stimmt zunächst die Beschreibung Boveris mit der meinigen in allen Punkten überein. Er sieht „an einigen besonders günstigen Präparaten“, „bei Anwendung der Heidenhainschen Färbung, das Centrosoma selbst als ein winzig kleines intensiv schwarzes Körnchen in einigem Abstand von dem Chromatin- kegel als Centrum der Strahlenfigur“. Dann ferner erwähnt Boveri: „dass das Centrosoma, wie es sich bei der Befruchtung aus der Region des Mittelstückes ablöst, ein so unmessbar kleines Körnchen ist, dass es nur in besonders günstigen Fällen und auch hier nur durch seine spezifische Umgebung, den hellen Hof und die Strahlung, als solches bestimmt werden kann.“ — Sodann beschreibt Boveri die Teilung der einheitlichen Strahlung des Samenfadens und sagt: „Nur in einzelnen Fällen konnte ich in . jedem der beiden neuen Strahlenmittelpunkte ein kleines intensiv schwarzes Körperchen, wohl die beiden Teilstücke des Sperma- centrosoma wahrnehmen.“ Bis zu diesem Stadium stehen also 3overis Angaben mit den meinigen im besten Einklang, denn 5) er sieht das Centrosoma ebenso wie ich, wie vom Rath und auch zum Teil Hill (in einigen Stadien) als „kleines intensiv schwarzes Körperchen“. Ich hebe diese Übereinstimmung desto _ Anatomische Hefte 1.Abtheilung Heft wur (7.Band Heft 2) Verlag w IF Bergmanz, Wiesbaden. Tılk. Anst.v. Werner Winter Frankfurt”. | Ga " Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 2321 mehr hervor, als Wilson und Mathews für diese Stadien bereits andere Bilder beschreiben, und Reinke die Sache unent- schieden lässt. — Erst von dem Stadium an, wo die beiden Strahlencentra an den entgegengesetzten Seiten des ersten Furchungskerns an- gelangt sind, soll das Bild der beiden Strahlencentra nach Boveri ein anderes sein. „Distinkte Centrosomen darin nachzuweisen war mir jedoch auf diesem Stadium nicht mehr möglich.“ Dann sagt er: „ich vermochte die Centren nur noch durch die Richtung der Radien zu bestimmen, die jederseits in eine ziemlich dichte, daher stark färbbare granulierte Masse zusammenlaufen. Die Centrosomen selbst müssen, nach der Richtung der Strahlen zu urteilen, der Kernmembran sehr nahe anliegen !).“ Wenn nun ungefähr eine Stunde nach der Besamung_ die Strahlung wieder mächtig zu werden anfängt, wobei die Strahlen- sonnen ein viel regelmässigeres Gepräge aufweisen, lassen sie ‚in ihrem Centrum grosse kugelige Centrosomen erkennen“. „Gegen die umgebende Zone, aus welcher die Strahlen ent- springen, sind die Centrosomen nur schwach abgegrenzt und auch in ihrem Gefüge und ihrer Färbbarkeit nur wenig unter- schieden. Sehr deutlich treten sie nur dann hervor, wenn sie, wie es an sehr vielen meiner Eisen-Hämatoxylin-Präparate , be- sonders von der fertigen Spindel der Fall ist, dicht von schwarzen Körnchen und Fädchen durchsetzt sind, die sich in ihrer An- ordnung am ehesten mit einem Kerngerüst vergleichen lassen. ı) In unmittelbarem Anschluss hieran sagt dann Boveri: „Hierdurch sowohl, wie auch durch reichlich vorhandene intensiv schwarz gefärbte Körnchen wird es — wenigstens an meinen Präparaten — unmöglich sie zu bestimmen, wenn man wohl auch manchmal geneigt wäre, ein günstig gelegenes Korn da- für auszusprechen.“ Die Körperchen, die ich als Centrosomen abgebildet und beschrieben habe, sind natürlich „günstig“ gelegen, aber dass die Möglichkeit, dass sie zufällige Bildungen sein konnten, ausgeschlossen ist, darauf weist ihr konstantes Verhältnis zu den Strahlen hin. 222 K. KOSTANECKI, Die gewaltige Grössenzunahme der Üentrosomen, die sich aus dem Gesagten ergiebt, stimmt auffallend mit meinen früheren Beobachtungen an Ascaris megalocephala überein.“ „Ich kann demnach die beiden winzigen Körperchen, die Fol in Fig. 10 als CGentrosoma abbildet, nicht als solche gelten lassen, sondern nur als Centrosomen -Einschlüsse, denen ich übrigens auch nicht den Wert von konstanten Bildungen zu- schreiben kann. Mir wenigstens sind Bilder, wo das grosse blasse Centrosoma ein einziges centrales Korn enthält, nicht be- gegnet!).“ Demgegenüber muss ich mich auf meine frühere Beschrei- bung berufen, in der ich angab, dass ich in allen Phasen im Centrum der einheitlichen, dann zweipoligen Strahlung (Knäuel- stadium, Muttersternstadium, Metakinese u. s. w.) ein mit der Heidenhainschen Methode intensiv schwarz gefärbtes, distinktes Körperchen gesehen habe. Wenn ich in den Anfangsstadien der Befruchtung ebenso wie Boveri „das Centrosoma selbst als ein winzig kleines in- tensiv schwarzes Körnchen“ sehe und wenn ich dann in den nachfolgenden Stadien im Centrum der Strahlung stets das gleiche intensiv schwarze Körnchen sehe, so ist es wohl selbstverständlich, dass ich dieses und zwar nur dieses als das Centrosoma bezeichnen darf. Den Namen Centrosoma von dem zweipoligen Stadium an auf den „grossen blassen kugeligen !) An anderer Stelle sagt Boveri: „Hier (beim Seeigelei) erscheint bei der Hämatoxylin-Eisenfärbung, selbst wenn dieselbe noch gar nicht aufs äusserste differenziert ist, im Centrum einer jeden Astrosphäre der ersten Furchungsspindel eine grosse blasse Kugel, in der, durchaus nicht konstant, ein schwarzes Gerüstwerk von verschiedener Anordnung und Dichtigkeit nach- weisbar ist. Selbst wenn man annehmen wollte, dieses Gerüst sei stets vor- handen und nur in manchen Präparaten durch zu starke Extraktion ver- schwunden, so wüsste ich nicht, wie man dieses Schwammwerk oder Fädchen- werk unter den Heidenhainschen Centrosombegriff bringen wollte. Centro- som kann eben nur die ganze grosse Kugel samt allen unter Umständen in derselben vorhandenen Differenzierungen sein.“ Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. . 223 Körper“ anzuwenden, ist unstatthaft, denn es hiesse, denselben Namen auf ein ganz anderes Gebilde während der Anfangs- phasen und wiederum auf ein ganz anderes während der späten Phasen anzuwenden. Der „grosse, blasse, kugelige Körper“ im Centrum der Strahlung ist nicht etwa durch Quellung des kleinen in Eisen-Hämatoxylin sich schwarz färbenden Centro- somas entstanden (für diese Annahme fehlt jeder Anhaltspunkt), das Centrosoma ist unverändert geblieben, nur die Strahlung in seiner Umgebung weist eine Änderung auf, es ist in ihr zur Bildung einer umgeänderten centralen Zone gekommen, die als Analogon der Sphäre (im Sinne M. Heidenhains) bei anderen Zellen betrachtet werden muss. Bei bestimmten Methoden tritt dieser helle Hof deutlicher, bei anderen weniger deutlich hervor, bisweilen fehlt er sogar vollkommen — ich konnte darin, nament- lich an Sublimatpräparaten (mit Eisessig oder Salpetersäure) eine feine radiäre Streifung und Verlängerung der Strahlen bis ans eigentliche, schwarz gefärbte Centrosoma verfolgen. Auf dieses Gebilde also den Namen „Centrosom‘“ zu übertragen ist unstatthaft. Ich kann nach meinen Erfahrungen am be- fruchteten Seeigelei nur behaupten, dass das Centrosoma von Anfang bis zu Ende an den nach Heidenhains Methode ge- färbten Präparaten als kleines schwarzes Körperchen erscheint, so dass die Befunde hier im vollkommensten Einklang mit den Befunden an somatischen Zellen der Metazoen sowohl während der Ruhestadien, als auch während der Mitose stehen. Der Heidenhainsche Centralkörperbegriff lässt sich auf die Be- funde im befruchteten Seeigelei aufs beste anwenden. Der Einwand Boveris, dass Heidenhain ‚die Bezeichnung Centro- som auf gewisse Inhaltskörper des bisherigen Uentrosoms über- trägt“ ist unhaltbar, da fast sämtliche Autoren vor Heiden- hain den Ausdruck Centrosoma (Centralkörper) in demselben Sinn, wie er anwenden (man vergleiche nur die vielen Ar- beiten Flemmings und die genauen litterarischen Angaben in 224 K. KÖSTANECKI, denselben) — die Angaben Boveris für Ascaris und fürs See- igelei stehen eben in schroffem Gegensatz zu allen anderen Beschreibungen ganz vereinzelt da. Es berechtigt also meines Erachtens nichts, diese einfachen oder doppelten schwarzen Körperchen in dem helleren Felde als „Einschlüsse‘“ des Centro- soma zu bezeichnen (Centralkörper des Centrosoma); durch die Einführung des neuen Namens „Üentriolen“ würden wir meiner Ansicht nach für dasselbe Gebilde („Centralkörper“ Centro- soma“!)) unnötigerweise noch einen neuen Namen erhalten, dessen Einführung nicht nur überflüssig ist, sondern sogar dazu führen kann, nur eine neue Verwirrung in der cytologischen Litteratur hervorzurufen. Leider scheint er schon in einigen Arbeiten Eingang gefunden zu haben, so z. B. bei Wilson in seiner neuesten Publikation. Auch muss ich nach meinen Erfahrungen an den allerver- schiedensten Objekten im Gegensatz zu Boveri die Heiden- hainsche Eisen-Hämatoxylinmethode als eine „spezifische Centro- somenfärbung“ mit den Einschränkungen, die ja M. Heiden- hain selbst macht, anerkennen. Bei den meisten Zellen, auch bei befruchteten Eiern (z. B. von Ascaris megalocephala, wovon ich an anderer Stelle berichten werde) färbt sich ausser dem Öentrosoma und, was ja M. Heidenhain selbst betont, den Chromosomen, wenn man die Methode richtig handhabt und namentlich die Bordeaux-Vorfärbung anwendet, auch nicht ein einziges Körnchen im Zellleibe. Dass bestimmte Granulationen sich im Zellleibe mitfärben können, hat M. Heidenhain selbst gezeigt und die kleinen Dotterkörnchen im Seeigelei stören zwar dadurch, dass sie sich mitfärben, die Untersuchung sehr, aber !) Ich gebrauche diese beiden Namen als Synonyme, denn der Begriff des Centralkörpers (corpuseule central) ist im Jahre 1876 von van Beneden eingeführt und für denselben’ Begriff ist erst im Jahre 1883 von Boveri der Name Centrosoma in die Litteratur eingeführt. Also nicht der Begriff des Centrosom rührt von Boveri her, sondern nur der Name. Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 225 dass die Centrosomen von ihnen unterschieden werden können, beweisen am besten Boveris Befunde ın den ersten Stadien, sowie meine Beobachtungen in den späteren. Wenn aber Boveri gegen diese Methode den Einwand geltend macht: „ja in denjenigen Stadien, wo die Centrosomen als Polkörperchen der Spindel zu grossen Kugeln aufgequollen sind, besitzen sie überhaupt gar keine Fähigkeit, den Farbstofi an sich zu binden, höchstens enthalten sie in grösserer oder geringerer Menge kleine Körnchen und Fädchen, die intensiv, schwarz bleiben,“ so fällt der Einwand von selbst angesichts der Thatsache, dass diese grossen, blassen Kugeln eben keines- wegs als Centrosomen gedeutet werden können. Ähnliche Be- denken und Einwände haben gegen die Boverische Deutung vom Rath, Erlanger, Hill, Reinke erhoben. Ich muss also annehmen, dass Boveri in den späteren Stadien die eigentlichen Centrosomen, die ebenso wie in den Anfangsstadien als schwarze kleine Körperchen erscheinen, über- haupt nicht gesehen hat, — dass dies vielleicht auf die von ihm angewandte Methode zurückzuführen ist, darauf werde ich unten noch zu sprechen kommen. Wenn Boveri sagt: „das Centro- soma ist doch gewiss nicht verpflichtet, sich in Eisen-Hämato- xylin „durchaus schwarz zu färben“, so kann ich nur bemerken: gewiss ist es nicht verpflichtet, — thut es aber doch — ebenso wie die Kerne, die nicht „verpflichtet“ sind, sich in den sogen. kernfärbenden Mitteln zu färben, dies doch thun. Ich habe in der vorliegenden ‚Arbeit nur diejenigen Be- merkungen aus Boveris Arbeit einer Besprechung unterzogen, die sich speziell auf das befruchtete Seeigelei beziehen, auf die allgemeinen diesbezüglichen Betrachtungen Boveris bin ich ab- sichtlich nicht eingegangen, da ich in einer besonderen Arbeit auf Grund eines viel grösseren und verschiedene Tiergruppen umfassenden Materials dem Begriff des Centrosoma und dem Anatomische Hefte. I. Abteilung XXM. Heft (7. Bd. H. 2). 15 226 K. KOSTANECKI, Verhältnis der Centrosomen zum Protoplasma emgehende Be- merkungen zu widmen beabsichtige. Die Differenzen bezüglich der Centrosomen, welche zwischen den Beobachtungen Boveris und den meinigen erst vom zwei- poligen Stadium beginnen, während unsere Bilder anfangs wohl identisch sind, bestehen für die Arbeit Wilson und Mathews schon bezüglich der ersten Stadien. Diese Autoren sehen nach Eindringen des Samenfadens und während der Wanderung des Samenkerns gegen den Eikern im Uentrum der Strahlung auch an Eisenhämatoxylinpräparaten, kein Öentrosoma. Das Centrum der Strahlung wird auch in den Anfangsstadien nach diesen Autoren von einer körnigen Masse eingenommen, die die Autoren als Archoplasma bezeichnen. Diesem Befund gegenüber bemerkt Boveri: „Ich glaube nun, dass in diesem Punkt meine Ergebnisse etwas vollständiger sind. Denn wie oben berichtet, konnte ich an dem eingedrun- genen Spermakopf im Centrum seiner Strahlung ein sehr deut- liches in Eisenhämatoxylin intensiv färbbares Korn nachweisen.“ Dieselbe Bemerkung thäte ich gerne auch bezüglich der weiteren Stadien, wenn ich meine Bilder mit den Beschreibungen Boveris und Wilsons vergleiche. Und ich muss hervorheben, dass eine Reihe positiver Be- funde hier viel mehr ins Gewicht fallen muss, als eine noch so erosse Menge negativer Befunde. Bezüglich der weiteren Stadien besteht zwischen Wilson und Boveri auch noch eine Differenz. Abgesehen davon, dass Wilson und Mathews an den Polen der Furchungsspindel nur Archoplasmamassen, keine Üentrosomen beschreiben, was nach Boveri lediglich auf einer verschiedenen Bezeichnungs- weise beruhen soll, hebt Boveri selbst von den Abbildungen der Autoren hervor: „Nach den Zeichnungen von Wilson und Mathews zu urteilen, scheinen sich in ihren Präparaten die erossen Centrosomen der fertigen Furchungsspindel lange nicht Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 227 mit jener Deutlichkeit als schön kugelig begrenzte Bildungen von der Astrosphäre abzuheben, wie in meinen Präparaten.“ Wilson beschreibt dann in einer speziellen Arbeit diese Bil- dungen noch eingehender und fügt der Beschreibung eine Reihe von Photographien und zwar, wie ich hervorheben will, von vorzüglichen Photographien hinzu. Doch diese können für diesen Punkt absolut nicht beweisend sein. Ich könnte von einer ganzen Reihe von meinen Präparaten, wo die Centrosomen aufs schönste als schwarze Centrosomen zu sehen sind, Bilder geben, die den Wilsonschen Photographien völlig entsprächen, falls ich die Centrosomen nieht scharf einstelle. Und wie schwer es ist, diese minimalen Körnchen scharf in der Photographie zu bekommen, habe ich mich an einem anderen Objekte (Ascaris megalocephala, wo die Centrosomen in gewissen Stadien minimal sind), über- zeugen können. Ja gerade in dem Punkt, auf den es ankommt, sind die Photographien mit den Zeichnungen Wilsons verglichen, nicht gerade typisch beweisend, die Netze, die Wilson zeichnet, sind in den Photographien nicht zu sehen; ja in einigen Figuren, wie z. B. Phototyp 12, sah ich an dem unteren Pole rechts sogar das mittlere helle Feld nicht granuliert, nicht netzförmig sondern ich sehe es fein radiär gestreift in der Verlängerung der Protoplasmastrahlen, namentlich an der Imken Seite, und ich sehe die Radien auf einen Punkt hinziehen, wo gerade in meinen Präparaten das schwarze Centrosoma liegt. — Dass das Centrosoma, eventuell doppelt, auch nicht an allen Präparaten Wilsons fehlen konnte, beweist mir z. B. seine Figur IV, wo rechts in der Mitte des helleren Feldes zwei deutliche Oentrosomen zu sehen sind. Diese Differenzen, welche zwischen meinen Beobachtungen und denen anderer Autoren obwalten, haben mich bewogen, diesen Gegenstand einer nochmaligen Prüfung zu unterwerfen. Handelt es sich doch hierbei um die Feststellung des Begriffs 15* 228 K. KOSTANECKI, des Centralkörpers (Centrosoma), eines Organs, dessen hohe Be- deutung im Zellleibe sowohl während des Ruhezustandes als auch während der Mitose im Vordergrunde des Interesses steht. Bei einer nochmaligen Untersuchung meiner früheren Prä- parate als auch bei der Durchmusterung neu angefertigter Schnitte aus dem früher in Paraffin eingebetteten Material, bin ich zu ganz denselben Resultaten, wie in der ersten Arbeit, die ich oben bereits ausführlicher angegeben habe, gelangt. Ich könnte daher einfach auf die in meiner vorigen Arbeit enthaltenen Ab- bildungen !) verweisen, da dieselbe jedoch in polnischer Sprache in den Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Krakau erschienen ist, die einem grösseren Kreise von Fach- eenossen weniger zugänglich sein dürften, so gebe ich m Fig. 1—4 einige neu angefertigte und aufs genaueste ausgelührte Bilder, die meine diesbezüglichen Beobachtungen aufs beste illustrieren. Pie. 1 stellt ein Stadium dar, wo vor dem Spermakern , der auf der Wanderung nach dem Eikern begriffen ist, im Centrum der Strahlung ein schwarz gefärbter kleiner Centralkörper zu sehen ist, die Strahlen treten bis an diesen heran; zwischen Kern und Centralkörper ist ein stärkerer Verbindungsfaden sichtbar). Der Sektor der Strahlenkugel, in dem der Spermakern liegt, fällt aus. Fig. 2 stellt das Auseinanderrücken der beiden Pole der Furchungsspindel um den hier angeschnittenen Furchungs- kern. Die Centrosomen sind als kleine schwarze Körperchen zu schen, zwischen ihnen eine deutliche Centralspindel. Fig. 3 und 4 stellen zwei unmittelbar vor dem Muttersternstadium stehende Eier, in denen die Centrosomen stets das gleiche Bild liefern. Ich muss also meine früheren Beobachtungen bezüglich 1) Die Abbildungen zur damaligen Arbeit sind in der Lithographie weniger ut ausgefallen, so dass die Strahlen viel zu scharf, die Centrosomen etwas zu gross herausgekommen sind. 2) Boveri erwähnt auch „einige stärkere Strahlen, die gegen den Sperma- kern hinziehen und wahrscheinlich die Aufgabe haben, denselben bei der centro- petalen Wanderung des Centrosoma nachzuschleppen“. Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 229 des Bildes, welches die Centrosomen unter dem Mikroskop im befruchteten Seeigelei liefern, aufs bestimmteste aufrecht erhalten. Nun sind mir bereits während der früheren Untersuchung der Präparate unter derartigen Bildern öfters abweichende Bilder begegnet, die ich einfach als weniger gut gelungene Präparate auffasste, und die ich von der weiteren Berücksichti- gung ausschloss. Es war mir dies gewissermassen selbstverständ- lich, dass bei einer Reduktionsfärbung wie die Eisen- Häma- toxylinfärbung, und zumal bei der Kleinheit der Centrosomen beim befruchteten Seeigelei Präparate uns begegnen mussten, wo im Centrum der Strahlung ein Centralkörper scheinbar fehlte, wo man dann eventuell im Centrum der Strahlung nur eine grosse blasse Kugel sah, — einfach den centralen Teil der Strahlung, in der das eigentliche Centrosoma sich nicht gefärbt hat. Eine besondere Aufmerksamkeit habe ich nunmehr den- jenigen Präparaten zugewandt, welche in Pikrin-Essigsäure nach Boveri fixiert waren — ich hatte glücklicherweise einen Paraffin- block derartiger Präparate, die nun vermittelst des Eisen - Häma- toxylins gefärbt wurden. Beim Vergleichen derartig angefertigter Präparate mit den vermittelst Sublimat, Sublimat-Eisessig und Sublimat-Salpetersäure verfertigten, die vor allem meinen Unter- suchungen zu Grunde lagen, ist mir sofort ein recht bedeuten- der Unterschied im ganzen Aussehen dieser Präparate aufge- fallen. Die Strahlung tritt an derartigen Präparaten sehr intensiv hervor, die Strahlen sind aber bisweilen etwas verbogen, weniger gerade gestreckt, Dotterkörner färben sich in Eisen-Hämatoxylin viel intensiver und in viel grösserer Zahl tief schwarz), die Kerne sind grösser, nicht rund, wie an Sublimatpräparaten, sondern mehr höckerig und bucklig, das Chromatingerüst färbt oO sich sehr intensiv, was an Sublimatpräparaten viel weniger der 1) In den Abbildungen sind diese intensiv schwarz sich färbenden Dotter- körnchen nicht wiedergegeben. 250 K. KOSTANECKI, Fall ist. Der Unterschied der Strahlen gegen das Centrum hin ist viel auffallender, eine radiäre Streifung innerhalb dieser Zone ist gewöhnlich gar nicht wahrzunehmen, so dass ganz unvergleichlich viel auffallender als an meinen früheren Präpa- raten ins Centrum der Strahlung hier eine helle Kugel zu liegen scheint; dies ist auch schon in früheren Stadien während der Wanderung des Spermakerns gegen den Eikern hin der Fall. Diese helle Kugel erscheint vielfach homogen, vielfach fein- körnig, bisweilen von Fäden durchsetzt. Ich muss nun hervor- heben, dass ich in diesen hellen Kugeln viel häufiger als sonst, ein schwarz gefärbtes Öentrosoma nicht finden konnte, aber Fällen, wo es auf das schönste in der Einzahl oder höchstens doppelt im Centrum der Kugel als geometrisches Centrum der Strahlung lag, bin ich trotzdem häufig begegnet. Fig. 5—8 stellen vier derartige Bilder dar. In Fig. 5 sieht man noch das centrale helle Gebiet um das Centrosoma fein radiär gestreift. Fig. 6 stellt ein doppelt befruchtetes Ei dar. Die Strahlung vor dem abwärts liegenden Spermakern zeigt eine etwas mehr homogene centrale Zone, die radiäre Streifung derselben ist weniger deutlich, nur gegen den Kern hin ziehen stärkere Fäden von dem deutlichen schwarzen kleinen Centrosoma. In den beiden Strahlencentren des Furchungskerns sieht man das helle centrale Gebiet feinkörmnig, die Centrosomen sind daselbst nicht zu sehen. Fig. 7 und 8 stellen zwei ganz ähnliche Stadien dar, nur ist in Fig. 7 das centrale Gebiet noch fein gestreift, wenn auch sehr undeutlich, im Inneren, gerade in der Mitte liegt das kleine schwarze Oentrosoma, bisweilen sieht man den einen oder anderen Strahl, wie z. B. oben links bis ans Centro- soma gehen. In Fig. 8 ist dagegen das centrale helle Gebiet eanz homogen, erst ausserhalb derselben beginnt die Strahlung, im Centrum aber sieht man auf dem einen Pol sehr deutlich zwei minimale Centralkörper dicht bei einander. Der andere Pol ist nur angeschnitten. Ich glaube, dass derartige Bilder Uber die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 231 hinlänglich die Differenz in den Präparaten Boveris und den meinigen illustrieren. Das homogene Aussehen der centralen hellen Zone ist nur eine Wirkung des fixierenden Reagens — an Sublimatpräparaten tritt die feine bis ans Centrosom gehende 'adıäre Streifung derselben deutlich hervor. Dieses verschiedene Verhalten des centralen Teils der Strahlung im Unterschied von dem übrigen Teil bestimmten Reagentien gegenüber beweist uns nur, dass die Strahlen gegen das Centrum anders gebaut sind und dies verdient bei künftigen Untersuchungen auch an- derer Objekte berücksichtigt zu werden; für viele Zellen ist dieser Unterschied ja wohl bekannt (für Leukocyten Abgrenzung der Sphäre durch das von Benedensche Körnerstratum (M. Heidenhain), für befruchtete Eier van Physa fontinalis u. v. a.). Wenn nun aber durch nicht vollkommen gelungene Färbung nach der Heidenhainschen Methode der eigentliche Central- körper im Innern des hellen Hofs fehlt, so kann man versucht sein, wie dies Boveri gethan hat, die ganze helle Kugel als Centrosom zu bezeichnen. An Pikrin-Essigsäure-Präparaten sind mir auch öfters als an anderen Präparaten Bilder begegnet, wie Fig. 9 uns darstellt, das hellere Feld im Centrum der Strahlung sehe ich nicht homogen, sondern von feinen Fäden durchzogen, die netzförmig angeordnet sind — mit einem Wort Bilder, die vollkommen den Abbildungen entsprechen, die Wilson für alle Stadien im befruchteten See- igelei gibt!). Mit Bestimmtheit anzugeben, wodurch hier bis- 1) Vielleicht hat auch Boveri ähnliche Bilder vor Augen gehabt, denn er schreibt von seinen grossen blassen kugeligen Centrosomen: „Gegen die umgebende Zone, aus welcher die Strahlen entspringen, sind die Centrosomen nur schwach abgegrenzt und auch in ihrem Gefüge und ihrer Färbbarkeit nur wenig unterschieden. Sehr deutlich treten sie nur dann hervor, wenn sie wie es an sehr vielen meiner Eisen -Hämatoxylin-Präparate, besonders von der fertigen Spindel der Fall ist, dicht von schwarzen Körnchen und Fädchen durchsetzt sind, die sich in ihrer Anordnung am ehesten mit einem Kerngerüst vergleichen lassen“ (pag. 12). 2339 K. KOSTANECKI, weilen dies centrale Netz hervorgerufen wird, ist schwer, wie überhaupt die Erklärung der abweichenden Bilder, die wir als misslungene Präparate bezeichnen, bisweilen auch an anderen Objekten eine recht schwere sein kann. Ich möchte nur die Vermutung aussprechen, ob hier nicht die centralen Fäden zum Teil durchgerissen sind und ob sie nicht durch Umordnung dies Netz vortäuschen. — Das verschiedene Fixierungsmittel hier verschiedene Bilder hervorrufen, hat auch vom Rath hervor- gehoben (pag. 69). „Bei einer Konservierung mit meinem Ge- misch von Pikrinessig - Platinchloridosmiumsäure sah ich auf Schnitten, sowohl bei gefärbten Präparaten als solchen, die mit Holzessig und Methylalkohol ohne Farbe nachbehandelt waren, genau die gleichen Sphärenbilder. Eine Färbung mit Safranin, Hämatoxylin und Orange ist besonders empfehlenswert. Um das dunkel tingierte Centrosoma bemerkte ich niemals einen hellen Hof, vielmehr traten die Sphärenstrahlen direkt an das Centrosoma an. Bei einer Behandlung mit Pikrinessig- sublimat war dagegen stets ein scheinbarer heller Hof bemerk- bar, der allerdings auch gefärbt war, aber die Farbstoffe weniger energisch angenommen hatte. Man kann übrigens hier darüber streiten, ob man ein grosses Centrosoma mit Centralkorn oder ein winziges Centrosoma mit gefärbtem hellen Hof vor sich hat.“ Vom Rath ist der letzten Ansicht und gebraucht also den Namen Uentrosoma in derselben Bedeutung, wie M. Heiden- hain, Flemming, Hermann, überhaupt fast alle Autoren mit Ausnahme Boveris. Ob übrigens nicht Fälle vorkommen, wo im Centrum der Strahlung distinkte runde Centrosomen fehlen und durch irgend welche andere Bildungen, Netze u. dgl. vertreten sind, darüber möchte ich hier keineswegs allgemein entscheiden und diese Möglichkeit keineswegs in Abrede stellen. Mir sind solche Fälle aber aus eigener Anschauung nicht be- kannt; für die beiden Fälle vielmehr, die bezüglich des Bildes der Centrosomen abweichen sollten, für das befruchtete Seeigelei, Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 233 sowie für Ascaris megalocephala (worüber ich an anderer Stelle genau berichten werde) habe ich vollkommen sicher typische Bilder erhalten. Ich glaube daher berechtigt zu sein, vorläufig derartige Beschreibungen mit gewisser Reserve und Skepsis auf- zunehmen. Ich muss noch hervorheben, dass an manchen von den Präparaten, welche in Pikrinsäure allein fixiert waren, die cen- tralen Teile der Strahlenfigur bisweilen ganz eigentümliche Bilder darboten. Man sah im Centrum der Strahlung ein helles Feld und in demselben mehrere intensiv schwarz gefärbte Körnchen; bisweilen lagen dieselben ganz regelmässig ange- ordnet, wie auf dem einen Pol der Fig. 10 — bisweilen mehr zerstreut, wie auf dem anderen Pole derselben Figur. Meist waren in solchen Fällen ähnliche kleine, schwarze Körperchen auch noch innerhalb der Centralspindel in der Verlaufsrichtung der Centralspindelfasern gegen das Polende der Centralspindel hin zerstreut und in Reihen geordnet, wie es die Fig. 10 dar- stellt. Welchem Umstande diese Körperchen an derartigen, meiner Ansicht nach misslungenen, Präparaten ihre Entstehung verdanken, ist wiederum nicht leicht mit voller Sicherheit fest- zustellen — sicherlich sind sie aber keine regelmässigen und normalen Bildungen, sondern entstehen lediglich unter Einfluss des bestimmten Reagens, hier Pikrinsäure. Ich kann wiederum nur vermuten, dass es vielleicht central abgerissene und an ihren Enden aufgequollene Fasern sein könnten, die vielleicht den Farbstoff in höherem Grade festhalten, als die ganze Um- gebung. Solche oder ähnliche Bilder haben vielleicht die Grund- lage zu Reinkes Darstellung gebildet, anders könnte ich mir sonst die Beschreibung dieses Autors kaum erklären, der für die Sphäre im Centrum der Strahlung folgende Schilderung giebt: „Diese früher halbkugeligen Gebilde haben sich im Stadium des Muttersterns zu ausserordentlich regelmässigen Kugeln von be- trächtlicher Grösse umgebildet. Sie sind durchaus nicht homogen, 234 K. KOSTANECKI, sondern bestehen aus einem färbbaren Netzwerk, in dessen Maschen eine hellere Substanz gebettet liegt. In dem Netzwerk selbst liegt ein Häufchen intensiv schwarz färbbarer Kügelchen, die gut von dem Netzwerk zu unterscheiden sind — die Central- körperchen. Ihre Zahl ist eine beträchtliche, ich schätze sie auf 1-2 Dutzend. Ihrer Form nach sind es, soweit sie isoliert be- trachtet werden können, drehrunde Kügelchen.“ Auf einige Differenzen zwischen meinen Beschreibungen und den kurzen Angaben Erlangers, der das Centrosoma als „ein run- des Bläschen mit einem oder mehreren darin liegenden Körnern“ beschreibt, gehe ich nicht näher ein, da mir die Untersuchungs- methode Erlangers nicht bekannt ist"). Doch möchte ich 1) In einer kurz darauf erschienenen Abhandlung schenkt v. Erlanger dieser Frage noch einige Bemerkungen, worin er erwähnt, die Centrosomen im befruchteten Seeigelei seien von Hill, Field und Reinke „mehr oder weniger richtig beschrieben worden“. Er weist dann darauf hin, dass Bütschli das Centrosoma beim befruchteten Echinodermenei „als einen unregelmässig runden, aus drei eng aneinandergelagerten Bläschen oder Waben bestehenden Körper“ zeichnet, und dass er Bütschlis Beschreibung bestätigen kann, mit der Erweiterung, dass die Anzahl der den Centralkörper bildenden Waben und Bläschen eine schwankende ist. „Stossen sämtliche Bläschen im Mittelpunkt des Centrosoms zusammen, so entsteht an jener Stelle durch das Zusammen- treffen der verdiekten Wabenknoten ein unregelmässig rundliches Körperchen, welches dem centralen Korn Boveris entspricht. Stossen die Waben nicht alle im Mittelpunkt zusammen, so treten mehrere kleine Wabenknoten auf, welehe dann den Centrosomen M. Heidenhains entsprechen; dabei entsprechen weiter die Wabenkanten der sogenannten primären Centrodersmose desselben Autors.“ Ich glaube kaum, dass v. Erlanger auf diese Weise auch die 1-2 Dutzend Körperchen, die Reinke erwähnt, erklären möchte. Die Auf- fassung der Centrosomen seitens Erlanger ist nur eine weitere Folge seiner Anschauungen über die Protoplasmastruktur überhaupt, die ganz auf der Bütschlischen Schaumstrukturtheorie aufgebaut sind. Wie nun aus meinen früheren Arbeiten ersichtlich ist und wie ich anderweitig genauer ausführen werde, kann ich mich mit dieser Theorie nicht befreunden, vielmehr stehe ich ganz und gar auf dem Standpunkt der Flemmingschen Fadengerüsttheorie, deswegen kann hier die Kontroverse unmöglich gelöst werden. — Die ganze letzte Zusammenstellung von Erlangers ist übrigens weniger ein Referat über die neuesten Errungenschaften der Cytologie, als vielmehr ein Versuch, alle in letzter Zeit veröffentlichten Beobachtungen vom Gesichtspunkte der Schaumstrukturtheorie zu beurteilen und die Befunde ihr unterzuordnen. Über die Gestalt der Centrosomen im befruchteten Seeigelei. 235 hervorheben, dass auch v. Erlanger der Ansicht ist: „Was Boveri bei der Furchungsspindel des Echinodermeneies als Centrosom bezeichnet, entspricht ganz, wie Wilson angegeben hat, dem sogenannten Archoplasma oder der Attraktionssphäre van Benedens.“ Und es meint auch v. Erlanger, es hatten „Wilson und Boveri die eigentlichen Centrosomen bei diesem Objekt g Die kurzen Angaben Fields stehen den meinigen näher, ar nicht gesehen‘. als denen Wilsons und Boveris. Zum Schluss möchte ich also feststellen, dass mit bestimmten Fixierungsmitteln und nach vorsichtiger Behandlung der Präparate die Centrosomen im befruchteten Seeigelei vom Anfang bis zu Ende, in allen Phasen als kleine Körperchen, die in Eisen-Häma- toxylin sich schwarz färben, erscheinen, also typische Centrosomen, wie sie fast alle Autoren bei der Mitose von (ewebszellen finden. Die Beschreibungen vom Raths und Hills bestätigen meine diesbezüglichen Befunde und deren Deutung. Bis an diese Körperchen heran kann man, je nach dem Präparat, die Strahlen mit mehr oder weniger Sicherheit direkt verfolgen, nur ist der centrale Teil der Strahlen anders gebaut, weswegen er sich ver- schiedenen Reagentien gegenüber verschieden verhält. Die verschiedenen Bilder, welche verschiedene diesen Gegen- stand behandelnde Autoren erhalten haben, erklären sich meiner Ansicht nach aus den verschiedenen Fixierungsmitteln, vielleicht auch aus anderen Modifikationen der weiteren Prozeduren, die sich der Beurteilung entziehen. Wenn Boveri sagt: „Aber eine Methode, die „sichere Gewähr“ dafür bietet, dass „das Centrosom“ zur Anschauung gebracht wird, ist die Heiden- hainsche Färbung, ganz abgesehen davon, dass das, was sie schliesslich sichtbar macht, je nach der verschiedenen Konservie- rung der Objekte, sehr wechselnd sein kann, nicht‘ —- so muss ich der zweiten Hälfte des Satzes zustimmen -—- dem ersten Teil habe ich oben bereits widersprechen müssen, Wenn nun aber 236 K. KOSTANECKI. in der That verschiedene Konservierung verschiedene Bilder her- vorbringt, so dürfen und müssen wir diejenige Methode als die beste anerkennen, welche Bilder liefert, die sich am meisten denjenigen nähern, welche wir bei anderen Mitosen-Bildern als die typischen kennen. In demselben Objekt selbst haben wir keinen Massstab für die Beurteilung, das Kriterium liegt nur ausschliesslich in dem Vergleich mit anderen Objekten. Welche Methode die bessere ist, das lässt sich nicht allgemein aussagen, (dies muss erst einzeln ausprobiert werden. Verfügt doch jeder, der histologisch arbeitet, gewiss über eine ganze Fülle von Beobachtungen, dass für jedes Gewebe beinahe eine andere Methode, namentlich eine andere Fixierungsmethode, angewandt werden muss, wenn man gute Bilder bekommen will. Und für so spezifisch gebaute Zellen, wie die Eizellen lassen meist die für andere Zellarten, ja für Eizellen anderer Tierarten als vorzüglich geltende Methoden, völlig im Stich, und man kommt erst durch allmähliche Erfahrung dazu, eine der Figenart der Zelle angepasste Methode herauszufinden, und bisweilen erweisen sich gerade diejenigen Methoden, von denen man es nicht gerade erwartet hätte, als die besten. Kurzum glaube ich, dass sich die ganze Kontroverse bezüglich des Aussehens der Centrosomen im befruchteten Ei lediglich durch Wirkung der angewandten Fixierungs-, Konservierungs-, vielleicht auch der nachfolgenden Behandlungsmethoden erklären dürfte. Diese Thatsache verdient desto mehr hervorgehoben zu werden, als sich aus derselben Ursache gewiss auch manche anderen Differenzen in der Zellenlehre erklären dürften. Krakau, am 20. Mai 1896. 10. Mrtteratur Boveri, Über das Verhalten der Centrosomen bei der Befruchtung des Seeigeleies nebst allgemeinen Bemerkungen über Centrosomen und Ver- wandtes, Verhandlungen der physik.-medizinischen Gesellschaft in Würz- burg, XXIX, 1895. Bütsehli, Untersuchungen über mikroskopische Schäume und das Proto- plasma Leipzig 1892. R. v. Erlanger, Zur Befruchtung des Ascariseies nebst Bemerkungen über die Struktur des Protoplasmas und des Centrosoms. Vorl. Mitteil. Zoologischer Anzeiger XIX, 1896. — Neuere Ansichten über die Struktur des Protoplasmas, die karyo- kinetische Spindel und das Centrosom. Zoolog. Centralblatt III, 1896. Field, On the Morphology and Physiology of the Echinoderm Sperma- tozoon. Journal of Morphology XI, 1895. M. D. Hill, Notes of the fecundation of the Egg of Sphaerechinus granu- laris, and on the Maturation and fertilisation of the Egg of Phallusia mammillata. The quarterly journal of mieroscopical science, 1895. Kostanecki, Badania nad zaplodnionemi jajkami jezoweöw. Rozprawy Mydziatu matem. — przyrodn. Akademii Umiejetnosci w Krakowie 1595. Deutsches Referat: Untersuchungen an befruchteten Echinodermen - Eiern im Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau, 4. Juni 1895. O. vom Rath, Über den feineren Bau der Drüsenzellen von Anilocra mediterranea Leach im Speziellen und die Amitosenfrage im allgemeinen. Zeitschrift für wissensch. Zoologie Bd. 60, 1895. F. Reinke, Untersuchungen über Befruchtung und Furchung des Eies der Echinodermen. Sitzungsber. d. königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin physik.-mathem. Klasse, 20. Juni 1595. E. B. Wilson and A. P. Mathews, Maturation, fertilization and polarity in the echinoderm egg. Newlight on the „quadrille of the centers“. Journal of morphology X, 1, 1895. E. B. Wilson, Archoplasm, Centrosome and Chromatin in the Sea- Urchin Egg. Journal of morphology XI, 1895. Tafelerklärung. Die Zeichnungen sind sämtlich Präparaten von Echinus microtuber- culatus entnommen und mit Zeiss Apochromat. homog. Immersion 2 mm, 1,30 Okular 4 vermittelst des Abbeschen Zeichenapparats entworfen. Erklärung im Text. ÄUS DEM ANATOMISCHEN Institut ZU GÖTTINGEN. ÜBER DIE ENTWIGKELUNG DER KAUMUSKULATUR BEIM SCHWEIN. VON CAND. MED. KARL REUTER. Mit 10 Figuren auf Tafel XV/XVI. Die embryologische Forschung richtet ihre Blicke gegen- wärtig mit Vorliebe auf die ersten Entwickelungsvorgänge der Organismen, um dabei von phylogenetischem wie ontogenetischem Standpunkte aus grundlegende Thatsachen zu Tage zu fördern. Es ist daher leicht erklärlich, wenn ein grosser Teil jener Fragen, die sich auf spätere Stadien, speziell die Organogenie, beziehen noch ihrer Beantwortung harren. Auch eine Untersuchung der Entstehung der Kaumuskulatur, welche den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden soll, ist noch kaum in An- griff genommen, indem in der Litteratur, soweit ich sehe, nur eine einzige Spezialarbeit über diesen Gegenstand, die von Kaczander!') existiert. Diese Arbeit bezieht sich lediglich auf das Hühnchen; bei der Verschiedenheit der in Frage stehenden Gebilde bei Vogel und Säugetier können die dort niedergelegten Resultate nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden, es schien daher geboten, die Untersuchung auch an einem Säugetier durchzuführen und zwar um eine möglichst einwandfreie Reihe von Stadien zu erhalten, an einem und dem- selben Säugetier. Dass ich gerade das Schwein zu meinen Untersuchungen verwandte, hatte seinen Grund lediglich darin, dass die Beschafl- ung des Materiales für diese Species am leichtesten war. 1) J. Kaezander, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Kaumus- kulatur. Mitteilungen aus dem embryol. Institute der k. k. Universität Wien. Neue Folge, 1. Heft 1885, pag. 17. — Beitrag zur Lehre über die Entwickelung der Kaumuskeln. Anat. Anzeiger Bd. 6, 1891, pag. 224. Anatomische Hefte. I. Abteilung. Helt XXII (7. Bl. H. 2). 16 242 KARL REUTER, Ein Teil der von mir untersuchten Embryonen entstammt der Sammlung von Embryonen und Schnittserien des anato- mischen Institutes in Göttingen, die mir für meine Zwecke freundlichst zur Verfügung gestellt war. Ein anderer Teil wurde mir durch die Freundlichkeit des Herrn Tierarzt Kabitz, dem ich dafür meinen herzlichsten Dank aussprechen möchte, im Hannoverschen Schlachthaus gesammelt. Als Fixierungsmittel wurden Pikrinschwefelsäure, Formol, Müllersche Flüssigkeit, Salpetersäure und Zenkersche Flüssig- keit der Reihe nach versucht. Ich muss die letztere für das beste erklären. Ganz besonders bei den jüngeren Stadien liefert die Zenkersche Flüssigkeit die schönsten und klarsten Bilder. Die ausgewaschenen, eventuell noch mit Jodalkohol von Sublimatniederschlägen befreiten Objekte wurden meist mit Hämatoxylin durchgefärbt, mit Alaunlösung entfärbt und in Alkohol von steigendem Prozentgehalt sorgfältig gehärtet, dann folgte Einbettung in Paraffin. Die Schnittdicke bewegt sich bei den einzelnen Serien in den Grenzen von 15—25 u; die Richtung ist durchweg eine frontale, senkrecht zum Verlauf des Unterkiefers. Bei Embryonen von cirka 6—15 cm Länge wurde vorerst die makroskopische Präparation ausgeführt. Dabei ergab sich für die Entwickelung nur, dass die gleichmässige Wachstums- zunahme der bereits völlig fertig entwickelten Muskulatur mit dem Gesamtwachstum gleichen Schritt hält. Bei jüngeren Stadien lässt die ausserordentliche Weichheit und Verletzlichkeit der embryonalen Gewebe diese Präparation nicht mehr zu, und man ist gezwungen, zum Mikrotom. zu greifen, und, falls man die körperlichen Verhältnisse vor Augen geführt haben will, Rekon- struktionen des in Frage kommenden Bezirks vorzunehmen. Das letztere habe ich mit Ausnahme des ersten und letzten Stadiums bei allen in Schnitte zerlesten Embryonen nach dem bekannten Plattenmodellierverfahren ausgeführt (Fig. 4, 5, 6). Über die Entwickelung der Kaumuskulatur beim Schwein. 243 Ich wende mich nun zur Beschreibung der einzelnen unter- suchten Stadien und bemerke gleich eingangs, dass es nötig war, auch die für die Kaumuskulatur bestimmten Nerven auf das genaueste zu berücksichtigen, da es sich sehr bald heraus- stellte, dass sie bei der Entwickelung eine nicht unwichtige tolle spielen, was man ja auch a priori erwarten durfte. Erstes Stadium. (Fig. 1, a, b; Fig. 7.) Von .dem allerjüngsten Stadium stand mir eine Reihe von Exemplaren einer und derselben Tracht zur Verfügung, die sich in ihrer Entwiekelungsstufe nur um ein ganz Geringes von einander unterschieden. Eine Schätzung des Alters soll ganz unterbleiben, sie soll durch eine Beschreibung des äusseren Entwickelungszustandes ersetzt werden (Fig. 1). Die Embryonen messen, nachdem sie in Zenkerscher Flüssigkeit fixiert und in 70°%/oigem Alkohol gehärtet waren, vom Nacken bis zum Steiss 12 mm, vom Scheitel bis zum Steiss 13 mm, in gerader Linie, vom Stirnfortsatz bis zur Schwanzspitze in Krümmung 36 mm. Das Amnion umgiebt den Embryo nierenförmig, der Nabel- strang ist circa 5 mm lang. In der Gegend der oberen Extre- mitätenstummel, die soeben ihre erste Gliederung in zwei Ab- schnitte erhalten, ruft das Herz eine starke Vorwölbung des Leibes hervor. Die Urwirbel sind äusserlich zu erkennen. Das äussere Ohr beginnt sich soeben durch Höckerbildung anzulegen. Der Oberkieferfortsatz, noch nicht bei allen Exemplaren mit dem Stirnnasenfortsatz völlig verwachsen, drängt sich wulstig unterhalb des Auges vor. Die Kopf- und Nackenkrümmung ist sehr scharf ausgeprägt, die Brückenbeuge ist noch nicht einge- treten. Das Stadium ist kaum älter als Keibels Fig. 65'). Der Scheitel der Linse berührt an einer kleinen Stelle noch das 1) F. Keibel, Studium zur Entwickelungsgeschichte des Schweines. Il. Morpholog. Arbeiten, herausg. von Schwalbe Bd. V, 1895. 16* 244 KARL REUTER, Ektoderm; von den Seiten schiebt sich das Mesoderm schon vor. — Die Dicke der Schnitte beträgt 15 «. Von der Kaumuskulatur ist in diesem Stadium noch keine Spur zu erkennen. An der kritischen Stelle, das heisst an der Seite des Vorderkopfes findet man unter der Epidermis und „wischen Gehör- und Augenbläschen, an der Wurzel des Mandi- bularbogens ein dichtes Keimgewebe, dessen grosse runde Kerne eng aneinander liegen, ohne durch erkennbares Protoplasma von einander getrennt zu sein. Dieses Keimgewebe, dazu bestimmt, ausser den Kau- muskeln noch den Meckelschen Knorpel mit den Gehör- knöchelchen, Reichertschen Knorpel, die primär bindegewebige, sekundär knöcherne Anlage des Unterkiefers und den Processus mastoideus zu bilden, ist noch ganz undifferenziert. Ausser zahlreichen Kernteilungsfiguren bemerkt man nichts, als hier und da eine Stelle, an welcher die Zellen vielleicht noch etwas gedrängter liegen als im übrigen, ohne dass es jedoch schon gelingt, solche Stellen deutlich abzugrenzen. Den Wegweiser für eine Lokalisierung müssen deshalb die Nerven abgeben, welche bereits eine relativ weit vorgeschrittene Entwickelung zeigen. Um sie herum ist das Gewebe am dichtesten, und der dritte Ast des Trigeminus, der unten seitwärts aus dem Ganglion kommend in den Mandibularbogen eintritt, ist von dichten Zellmassen umgeben. Verfolgt man diesen Nerven nach seinem Austritt aus dem Ganglion, so findet man nach kurzem Verlauf lateralwärts und nach unten unterhalb des Auges die erste Andeutung eines ab- eehenden Astes (Fig. 7 X). Derselbe übernimmt später die Innervation des M. temporalis-masseter und tritt in eine Keim- zone ein, aus der sich in der Folge die beiden genannten Mus- keln entwickeln. Medianwärts giebt er sodann, weiter von reich- lichen protoplasmatischen Zellen umgeben, die mit den obigen Über die Entwickelung der Kaumuskulatur beim Schwein. 245 zusammenhängen und sich später zu den Mm. pterygoidei ent- wickeln, die zugehörigen Äste ab; darauf den im spitzen Winkel mit ihm nach vorn verlaufenden N. buceinatorius und den nach aussen gehenden N. auriculo-temporalis. Die kurze Strecke, an welcher diese Äste abgegeben werden, ist in Fig. 1 a durch einen Punkt markiert. Der Hauptstamm, der N. inframaxillaris behält seine ursprüngliche Richtung bei und giebt dann weiter vorn noch zwei Äste ab, den N. mylohyoideus und lingualis, die beide medianwärts scheinbar selbständig verlaufen und enden. Ich bemerke dies speziell für den letzteren, welcher in diesem Stadium getrennt von der Chorda tympani, die aus dem zweiten Kiemenbogen kommend, nach oben und innen parallel mit ihm geht, in der Zunge ausläuft. Alle Äste, welche später Muskeln innervieren sollen, verschwinden schliesslich zwischen den Keim- zellen, ohne dass man ihr Ende mit Sicherheit nachzuweisen vermöchte. Der einzige Zellkomplex, welcher in der ganzen Gegend schärfer abgegrenzt hervortritt, ist der, aus welchen sich später der Meckelsche Knorpel entwickelt. Derselbe verliert sich nach oben und unten, so dass die Annahme gerechtfertigt er- scheint, dass seine Differenzierung an der genannten Stelle be- ginnt und von hier aus nach vorn und hinten zu fortschreitet. Die Stelle der Kaumuskelanlage unterscheidet sich in be- merkenswerter Weise von der Anlage der in ihrer Nachbarschaft entstehenden Augenmuskeln. Diese letzteren bestehen aus spindelförmigen Zellen mit länglichen Kernen und lassen eine deutlich streifige Anordnung der ganzen Anlage erkennen. Ein Zusammenhang mit der Kaumuskelanlage ist nicht zu erkennen, sie sind von dieser durch das Ganglion und den zweiten Ast des Trigeminus getrennt (Fig. 7). 246 KARL REUTER, Zweites Stadium. (Fig. 2, Fig. 4, Fig. 8.) 3ei dem nun zu beschreibenden Stadium (Fig. 2) beträgt die Nacken-Steisslänge in gerader Linie gemessen 16 mm. Die Urwirbel sind äusserlich nur noch in der Steissregion zu er- kennen. Durch die vollständig eingetretene Brückenbeuge hat der Kopf seine gedrungene Form erhalten. Auge und Ohr- muschel sind relativ näher aneinander gerückt, und die Schnauze beginnt ihre charakteristische Form anzunehmen. Das Stadium deekt sich ziemlich mit Keibels Fig. 67. Behandlung und Schnittrichtung waren hier ebenso, wie bei den Embryonen des ersten Stadiums. Das Studium der Schnitte erweist, dass nun bereits eine deutliche Differenzierung der Kaumuskulatur ein- getreten ist; auch der Meckelsche Knorpel ist schon deutlich als dichter Zellhaufen zu erkennen, wenn ihm auch vorläufig der Charakter als Knorpelgewebe noch fehlt (Fig. 3). Die Nerven sind bedeutend kräftiger geworden, und in der Gegend, wo die Nn. temporalis, massetericus und pterygoidei den Stamm verlassen, liegt nun ein Gewebe, welches — wie die Augenmuskeln des ersten Stadiums — aus Zellen mit langge- streekten dunklen Kernen und reichlichem, mit Eosin nur schwach färbbarem Protoplasma besteht. Es bildet die gemein- same, als ein Ganzes zusammenhängende Anlage der Kaumus- kulatur, welche besonders an der Rekonstruktion wie ein umge- kehrtes Y erscheint, dessen beide Schenkel nach unten auf einem noch undifferenzierten diehten Gewebe reiten, das nachher zum Processus coronoideus des Unterkiefers wird (Fig. 4). Die Flemente dieses primitiven Muskelgewebes zeigen sich radiär zur Unterkieferanlage angeordnet (Fig. 8). Sie sind untermischt mit zahlreichen der oben beschriebenen Bildungszellen und überall da, wohin sie ausstrahlen, verlieren sie sich mit feinen Endigungen im umliegenden Gewebe, ziemlich weite Lücken zwischen sich lassend, die bewirken, dass bei Über die Entwiekelung der Kaumuskulatur beim Schwein. 247 schwacher Vergrösserung das dunklere Muskelgewebe von einer hellen Zone umsäumt erscheint. Die Schenkel des Y bilden sich später zum Masseter und den Pterygoidei aus, während sich der Stiel zum Temporalis entwickelt. Dass dies trotz der gänzlich mangelnden Abgrenzung im Bereich der ganzen Anlage gesagt werden kann, liegt wieder in der leichten Verfolgbarkeit der Nerven und man wird gewiss keinem Widerspruch begegnen, wenn man die Behauptung auf- stellt, dass alles, was an Muskulatur den scharf und deutlich zu erkennenden N. massetericus umgiebt, als Masseter anzu- sprechen ist. M. temporalis und Pterygoideus externus be- einnt der N. buccinatorius von einander zu scheiden (Fig. 4, 8), entsprechend den Verhältnissen in der Anatomie des ausgebil- deten Tieres. Der Pterygoideus internus ist vom externus durch den N. inframaxillaris geschieden, wie Fig. 8 deutlich beweist. Unterhalb des N. inframaxillaris liegt der in geringem Abstand parallel mit ihm verlaufende Meckelsche Knorpel. Von einer Insertion der Muskulatur an demselben kann gar nicht die Rede sein. Lateralwärts ist derselbe von dem Masseter durch die breite bindegewebige Anlage des Unterkiefers getrennt, welche sich halbmondförmig um ihn herumlegt (Fig. 4). Nach innen dagegen, wo ihm die Mm. pterygoidei direkt auf- liegen, ist deutlich an den einzelnen Schnitten zu erkennen, dass die primitiven Muskelfasern ihm gleichsam ausweichend in dem umgebenden Keimgewebe sich verlieren. So sendet der Pterygoideus externus seine Fasern noch oberhalb vom Meckel- schen Knorpel direkt zum Unterkiefer, die des internus dagegen laufen daran vorbei nach vorn und unten in undifferenziertes Gewebe aus, um später, wenn die äussere Unterkieferlamelle sich besser entwickelt und um den Meckelschen Knorpel herumgelegt hat, diese zu erreichen. Ich halte es nicht für zweckmässig, bei diesem Stadium von einem Ursprung oder Ansatz der Muskulatur nach den Prinzipien der makroskopischen 218 KARL REUTER, Anatomie zu reden. Von einem Processus pterygoideus ist hier überhaupt noch nichts zu sehen, die Schädelkapsel ist noch nicht vorgebildet und die bindegewebige Anlage des Unterkiefers ist noch so wenig abgegrenzt, dass man auch sie nicht im obigen Sinne bezeichnen könnte, ohne einer richtigen Vorstellung Ge- walt anzuthun !). Die Betrachtung des Modells (Fig. 4) zeigt die Einzelnheiten noch deutlicher, wie die Schnitte. Man sieht an ihm, wie das obere Ende der Muskelanlage unmittelbar neben dem Ganglion trige- mini gelegen ist und schräg nach vorne absteigend die Unter- kieferanlage erreicht, durch welche sie nun geteilt und nach aussen und innen abgelenkt wird. Die Muskulatur nebst dem N. masse- tericus drücken dabei von oben derart auf dieselbe, dass sie einsinkt und sich in zwei Zinken teilt, von welchen der vordere, 1) Um über die Ausdehnung und Gestaltung der Muskelanlage besser ins Klare kommen zu können, habe ich schon bei diesem Stadium die Modellierung vorgenommen. Hier machte sie ganz besondere Schwierigkeiten dadurch, dass es beim Aufzeichnen der Schnitte schlechterdings unmöglich war, eine völlig scharfe Grenze zwischen Muskulatur, Bindegewebe und dem noch undifferenzierten Keimgewebe der Unterkieferanlage zu finden, sodass eine völlige Deckung der Zeichnungen möglich gewesen wäre. Es ist ja leicht einzusehen dass, je jünger die Stadien, um so verwaschener die Bilder sind, die man von den einzelnen Schnitten bekommt, weil die Differenzierung der Gewebe noch keine so vollständige ist. Um hier die den wahren Verhältnissen am nächsten kommenden Grenzlinien zwischen den einzelnen Teilen wirklich sicher zu bestimmen, muss man die Schnitte in der Vergrösserung mit einan- der bequem vergleichen können; und so entschloss ich mich zu der sehr müh- samen Arbeit, die sämtlichen in Betracht kommenden Schnitte der Serie ein- zeln zu photographieren, und nach den vorliegenden Photogrammen die zum Modellieren dienenden Zeichnungen anzufertigen. Ich benützte dazu keine Trockenplatten, sondern Dr. Alberts farbenempfindliche Kollodiumemulsion. Die erlangten Negative liessen nichts zu wünschen übrig. Relativ am besten bekam ich die scharf und deutlich hervortretenden Nerven, weniger gut die Muskulatur und am schwierigsten die verwaschenen Umrisse des noch in der Entwickelung zurückstehenden Bildungsgewebes des Unterkiefers, dessen Grenzen ich auch hier wieder nur unter besonderer Beachtung des Nervenverlaufs ziehen musste, wofern nicht schon die Muskeln oder der Meckelsche Knorpel die nötigen Anhaltspunkte gaben. “ Anat. Hefte]. Abtheilung Heft XXIL.(7Bd,H2) TithlAnst v. C’Kirst, Leipzig Verla& WIE Ber&mann, Wiesbader. Über die Entwickelung der Kaumuskulatur beim Schwein. . 249 mediale von der Muskulatur umfasst wird und den Processus coronoideus zu bilden bestimmt ist, während der hintere den Gelenkfortsatz bildet, welcher sich ohne Trennung in die nach vorne verlaufende Jochbogenanlage fortsetzt. Der gegen die Fortsätze leicht gebogene Stiel (Angulus) der Unterkieferanlage bildet den Körper des Unterkiefers, der in Form einer nach aussen gebogenen Lamelle sich um den Meckelschen Knorpel herumlegt. Das Ganze macht den Eindruck zweier in einander gesteckter zweizinkiger Gabeln. Da wo die Zinken in einander ruhen, tritt der dritte Ast des Quintus mit seinen Verzweigungen von innen her an die Muskulatur heran; und an dieser Stelle haben wir den ruhenden Punkt für das fernere Wachstum zu suchen. Ein Vergleich der älteren Modelle wird dies am besten lehren. Zwei feine Nervenästchen treten an dieser Stelle (in Fig. 4 nicht sichtbar) zum M. temporalis, zugleich geht von hier der um den Processus coronoideus des Unterkiefers sich herum: windende N. massetericus, indem er die Incisura mandibularis vertieft, zu seinem Muskel. M. pterygoideus internus und exter- nus erhalten von derselben Teilungsstelle ihre Nervenzweige, und nach vorn und unten geht als Fortsetzung des Hauptstammes der N. inframaxillaris, der parallel mit dem Meckelschen Knorpel oberhalb desselben verläuft. Dass er, sowie der N. buccinatorius, bestimmt ist, bei der Trennung der Mm. pterygoidei von der Anlage des Temporalis eine Rolle zu spielen, wurde schon be- merkt, für letztere ist dies auch an Fig. 4 deutlich zu sehen. Auch das Verhalten der vom N. inframaxillaris sich ab- „weigenden Nervenäste, des N. auriculo-temporalis, des N. lin- oualis und mylohyoideus gegenüber dem Meckelschen Knorpel lässt sich mit Leichtigkeit an dem Modell erkennen. Der erst- genannte Nerv geht lateralwärts zwischen Meckelschem Knorpel und Unterkieferanlage hindurch nach aussen und oben zur Schläfe. Der N. lingualis hingegen vereinigt sich mit der parallel 250 KARL REUTER, und dieht am Meckelschen Knorpel sich hinziehenden Chorda und geht medianwärts über den genannten Knorpel hinweg- laufend durch sein Ganglion hindurch zur Zunge. Der N. mylohyoideus dagegen läuft dem N. auriculo-temporalis ent- sprechend wieder lateralwärts um den Meckelschen Knorpel herum und dann nach vorn und innen zum gleichnamigen Muskel. Der N. lingualis grenzt in diesem Stadium nach vorn hin den M. pterygoideus internus ab. Erst später wird er von dem nach vorn und unten dem Unterkiefer entgegen sich aus- dehnenden Muskel umwachsen, wie es den Verhältnissen am ausgebildeten Tier entspricht. Der Nervenverlauf entspricht ganz dem Bilde, welches Dixon!) von den Verzweigungen des dritten Astes des Trige- minus eines — allerdings etwas älteren — menschlichen Fötus giebt. Drittes Stadium. (Fig. 5, Fig. 9.). Behandlung und Herstellung der Schnitte stimmt mit der des vorliegenden Stadiums überein. Die Embryonen messen vom Nacken bis zum Steiss 13 mm. Auf der Milchleiste sind noch keine Warzen zu erkennen; das Auge ist noch nicht ge- schlossen, die Schnauze nimmt immer mehr die charakteristische Form an. Trotzdem, dass dieses Stadium mit dem vorigen im äusseren Habitus ganz übereinstimmt und nur wenig grösser ist, fällt doch beim Betrachten der Serie sofort die grössere Klarheit der Bilder auf, die durch die deutlichere Differenzierung der Gewebe hervorgerufen wird. Die Anlage des Unterkiefergewebes ist lockerer geworden und gleicht dem umliegenden weitinaschigeren Bindegewebe, von dem sie aber durch einen dichten Kranz von spindelför- 1) Fr. Dixon, On the development of the branches of the fifth cranıal nerve in man. Scientific transactions of the Royal Dublin Society. Vol. VI, Ser. II, 1896. Über die Entwickelung der Kaumuskulatur beim Schwein. 251 migen langgestreckten Zellen ziemlich scharf abgegrenzt ist. Der Unterkiefer besitzt noch keine Spur von einem Knochen- kern, indessen lässt ein nach vorn in der Gegend des Abganges des N. mylohyoideus in seinem Innern gelegener dichter Zell- komplex die Stelle erkennen, von wo aus sich die zuerst auf- tretende Knochenlamelle bilden wird (Fig. 9 Os mandibulare). Deutlicher tritt jetzt auch die Anlage des Flügelfortsatzes auf in Gestalt eines gleichseitigen Dreiecks, das seine Spitze den Mm. pterygoidei entgegenkehrt, die sich an die Schenkel ansetzen (Fig. 9, 5). Von besonderem Interesse ist es, dass jetzt die Faserrichtung der Muskelanlage nicht mehr eine allenthalben gleichmässig zur Unterkieferanlage radiär gestellte ist, sondern dass nun die einzelnen Muskeln beginnen, sich hierin von einander zu unter- scheiden (Fig. 5). Die Fasern des M. pterygoideus internus sind mehr nach unten gerichtet, und erreichen unterhalb des Meckelschen Knorpels das Unterkiefergewebe. Sie schliessen den N. lingualis ganz ein. Dicht unter dem Flügelfortsatz sieht man einen im Entstehen begriffenen Komplex von Muskelfasern, der vom M. pterygoideus internus durch seinen spitzwinklig gerichteten Faserverlauf deutlich geschieden werden kann. Aus ihm bilden sich wahrscheinlich die Gaumen- event. Schlundmuskeln aus. (Fig.9,b.) Der M. pterygoideus externus hat einen mehr horizon- talen Faserverlauf erhalten zur äusseren Seite des Flügelbeins hin. An der Stelle, wo beide Pterygoidei früher zusammenhingen, liest der N. inframaxillaris von Bindegewebe umgeben, das die entstandene Lücke ausfüllt. Unter dem Nerven liegt der nun vollständig als Knorpelgewebe charakterisierte Meckelsche Fort- satz. Er wird scharf durch ein bindegewebiges Perichondrium umgrenzt (Fig. 9). Pterygoideus externus und Temporalis sind von einander durch den N. buceimatorius völlig getrennt worden, während 252 KARL REUTER, im Gegensatz dazu Masseter und Temporalis noch wie von An- fang an mit einander zusammenhängen. Das zu diesem Stadium angefertigte Modell (Fig. 5) ergiebt, dass der T’emporalis-Masseter an Umfang zugenommen hat. Er liegt zwar noch nicht wie beim ausgebildeten Tier flach und ausgebreitet am Schädeldach, sondern mehr rundlich und wurst- förmig neben dem Trigeminusganglion. Nach hinten ist er nicht erheblich weiter ausgedehnt wie beim vorigen Stadium, dagegen ist der vordere Teil des Doppelmuskels, der Masseter, bedeutend gewachsen und erreicht in seiner Ausdehnung nach vorn und unten hin den unteren Rand des Unterkiefers, den- selben aussen vom Processus coronoideus bis über den Angulus hinaus bedeckend und in seinem oberen Teil selbst bedeckt, vom Jochfortsatz. Man bekommt hierbei den Eindruck, als ob er die gemein- schaftliche bindegewebige Anlage des Jochfortsatzes und des Unterkiefers gleichsam von oben her auseinanderdrängend in seinem Wachstum nach vorn und unten vorrückte. Von den beiden Mm. pterygoidei hat der Internus am meisten an Ausdehnung nach vorn und unten zugenommen, während der Externus, sowie die mediale Seite des: vorderen Temporalis noch im Wachstum ziemlich zurückstehen. Dem Verhalten der Nerven ist im allgemeinen nichts wesent- lich Neues hinzuzufügen. Infolge des Gesamtwachstums der ganzen Kiefergegend haben sie natürlich ebenfalls an Ausdehnung zugenommen, doch ist auf den Querschnitten ihr Umfang im Verhältnis zu der massiger ausgebildeten Muskulatur gering. Man kann jetzt schon ohne besondere Beachtung der Nerven die beiden Mm. pterygoidei von einander und vom Temporalis deutlich unterscheiden infolge der eingetretenen Richtungsände- rung ihres Faserverlaufs und der dadurch entstandenen von Bindegewebe, Nerven und Gefässen ausgefüllten Lücken (Fig. 9). Über die Entwickelung der Kaumuskulatur beim Schwein. 253 Viertes Stadium. (Fig. 3, Fig. 6). Das jetzt folgende vierte Stadium trägt auf der Milchleiste bereits die deutlich sichtbare Reihe der Warzen. Seine Länge beträgt vom Nacken bis zum Steiss 22 mm. Fixiert wurden die Embryonen in Pikrinschwefelsäure und nach Paraffinein- bettung in Schnitte von 25 u Dicke zerlegt. Die Färbung ge- schah wie sonst mit Hämatoxylin und Eosin. ‚Das Stadium ist etwas jünger als Keibels Figur 68. Man erkennt unter dem Mikroskop sofort die Zunahme des (Gresamtwachstums aller Teile, nur die Nervenstränge, welche vordem so beträchtlich vorausgeeilt waren, treten im Quer- schnitt jetzt ganz bedeutend zurück. Der Unterkiefer ist sehr viel grösser geworden. Er ist gegen seine Umgebung durch die erwähnte Zellenlage noch weit schärfer abgegrenzt und ent- hält jetzt in dem vorderen Teil des Körpers eine einzige, deutlich als solche zu erkennende Knochenlamelle. Die Ausdehnung des Unterkiefers hat bewirkt, dass die medialen Muskeln noch mehr von einander getrennt sind. Temporalis und Masseter dagegen hängen immer noch als ein untrennbares Ganzes zu- sammen. Die Anlage der äusseren Flügelbeinlamelle, die mit dem Keilbeinkörper in Verbindung steht, beginnt sich in Knorpel umzuwandeln, und die mediale Platte ist als Fortsetzung des inneren Randes des M. pterygoideus internus in Gestalt dichteren Bindegewebes zu sehen und liegt mehr nach vorn. Die Betrachtung des zugehörigen Modells ergiebt eine relative Wachstumsvermehrung beim Masseter und Pterygoideus internus. Auch die mediale vordere Partie des Temporalis ist grösser geworden. M. pterygoideus externus bleibt zwar der kleinste, hat aber trotzdem auch an Ausdehnung gewonnen. Der Unterkiefer zeigt jetzt in der Gegend des Angulus eine etwas schärfere Knickung. Er hängt noch immer mit dem 254 KARL REUTER, Jochbogen zusammen, indessen beginnt hier bereits ein Sonde- rungsprozess, der zur Ausbildung des Gelenkes führen wird. Fünftes Stadium. Dasselbe gleicht dem vorigen äusserlich ganz bis auf die Grösse. Es misst vom Steiss bis zum Nacken 50 mm, wurde fixiert in Sublimat-Eisessig, mit Boraxkarmin durchgefärbt und nach dem Schneiden in Paraffin mit Thionin nachgefärbt. Man erkennt hier wiederum auf den ersten Blick eine be- deutende Zunahme des Gesamtwachstums bei allen in Frage kommenden Muskeln. Bis auf Temporalis und Masseter sind sämtliche Muskeln wie vorher und noch schärfer von einander gesondert durch weitmaschiges Bindegewebe und ihren ver- schiedenartigen Faserverlauf. Relativ am meisten zugenommen hat wieder der Masseter, während die übrigen in demselben Verhältnis geblieben sind. Der Unterkiefer mit seiner Knochenlamelle hat sich auch be- deutend vergrössert, und der hintere Teil des Processus zygo- maticus hat einen Ossifikationspunkt erhalten. Der äussere Flügelfortsatz des Keilbeins ist jetzt rein knorplig präformiert, während der innere bindegewebig und noch ohne Knochenpunkt nach vorn von ihm liegt. Der histologische Bau der Muskulatur ist in den drei letzt- beschriebenen Stadien ganz der gleiche. Wir finden die be- schriebenen primitiven Fasern ohne Querstreifung vor. Je älter das Stadium, um so grösser ist ihr Durchmesser. Sie sind um- geben von und untermischt mit zahlreichen Bildungszellen und liegen in ihrem Muskelkomplex alle parallel neben einander. Ihre beiden Enden laufen in dichtes Bindegewebe aus, das den Übergang bildet zwischen ihnen und der Bindegewebshülle der entsprechenden Knorpel oder Knochenanlagen. Von bindege- webigen Scheidewänden zwischen den Teilen eines Muskels ist gar nichts zu sehen. Über die Entwiekelung der Kaumuskulatur beim Schwein. 255 Sechstes Stadium. (Fig. 10.) Dieses letzte Stadium zeigt bereits in jeder Beziehung den deutlich ausgeprägten Charakter des Schweines. Die Hule sind ausgebilde. In Zenkerscher Flüssigkeit fixiert, musste dieser Embryo noch in Salpetersäure entkalkt werden. Er wurde sodann mit Hämatoxylin durchgefärbt und in Paraffin geschnitten. Die Schnittdicke beträgt 25 w. Die Länge des Fötus betrug vom Nacken bis zum Steiss 57 mm. Die ganze Muskulatur sowie der Unterkiefer sind hier noch grösser geworden. Der Kiefer, Jochfortsatz, innere Lamelle des Flügelfortsatzes sind in voller Verknöcherung begriffen, die knorplig präformierten Knochen dagegen noch nicht. Das zwischen den einzelnen Muskeln liegende Bindegewebe ist jetzt sehr dicht und faserig geworden, und von den jedesmaligen Ansatzpunkten aus wachsen nunmehr bindegewebige Stränge in das Innere der Muskeln hinein, an die sich die Muskelfasern ansetzen. Man könnte sich diesen Vorgang vielleicht mecha- nisch so vorstellen, als sei das periostale Bindegewebe durch den Zug der kontraktilen Fasern in Form von Falten in die Muskel- massen hineingezogen. Dadurch verlieren diese ihre ursprüng- lich parallele Anordnung, stellen sich winkelig gegeneinander und erhalten so auf Querschnitten die Form eines Federbartes. Am schönsten sieht man dies am M. pterygoideus internus (Fig. 10). Wie schon angedeutet, kämen also für die Lieferung des besagten Bindegewebes das Periost resp. Perichondrium des Unterkiefers, sowie der inneren und äusseren Flügelbeinlamelle in Betracht. Besondere Beachtung verdient, dass der hintere Teil des Temporalis nicht von der Schläfenschuppe, sondern vom Processus coronoideus des Unterkiefers sein Bindegewebe bezieht. Dasselbe setzt sich von dessen Spitze aus durch den Muskel hindurch nach aussen fort, wo es sich auf seiner Ober- 256 KARL REUTER, fläche in Gestalt einer derben Fascie ausbreitet und von hier aus seine bindegewebigen Septen in den Muskel hineinsendet. Über die äussere Fläche des Muskels weg nach vorn und unten hängt es mit dem Jochfortsatz zusammen. Der Temporalis, der bis jetzt in seinem hinteren Abschnitt seine wurstförmige Ge- stalt bewahrt hatte, wird nun allmählich platter und legt sich flach an die immer mehr sich ausdehnende Schädelkapsel an. Für eine Entscheidung der Frage über die letzte Herkunft der Kaumuskeln kann eine Untersuchung von deren Entwicke- lung bei einem Säugetier kein Material beibringen, da bei ihm die Differenzierung viel zu spät einsetzt, um sie mit Kopfsomiten, Mandibularhöhle, mit deren Epithel und mit all den Fragen von prinzipieller Bedeutung zusammenzubringen, wie sie in den letzten Jahren so vielfach und so erfolgreich ventiliert worden sind. Das einzige, was mit Bestimmtheit zu sagen ist, ist nur, dass sie sich in engster Anlehnung an den Mandibularbogen bilden und dass sie in unmittelbarer Nähe des dritten Astes vom Trigeminus entstehen. Beim Schweinsembryo, noch mehr beim Hühnchen, gewinnt man den Eindruck, als sei die Um- wandlung des indifferent erscheinenden Keimgewebes in die Anfänge des Muskelgewebes geradezu auf die Einwirkung des Nerven zurückzuführen, welcher dasselbe durchsetzt. Wenn Kölliker!) sagt: „Ich habe beim Kaninchen und anderen Säugern die Entwickelung der Kopfmuskeln an den Augen- und Kaumuskeln, den Muskeln des Gesichtes und der Zunge, an den inneren Ohrmuskeln fast Schritt für Schritt verfolgt und nirgends eine Spur von Primitivorganen derselben gefunden, sondern überall die Wahrnehmung gemacht, dass diese Organe in loco aus dem mittleren Keimblatte allmählich sich hervor- bilden“, so steht dies mit meinen Wahrnehmungen durchaus 1) A. Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen ete. 2. Aufl. Leipzig 1879, pag. 805. Über die Entwickelung der Kanmuskulatur beim Schwein. 257 in Einklang. Auch Kaczander (l. c.) spricht sich ganz in gleicher Weise aus. Für ein Tier mit so primitiven Verhält- nissen, wie Ammocoetes leugnet Kupffer!) ebenfalls die Ent- stehung der Kaumuskeln aus dem Epithel der Mandibularhöhle und giebt an, dass sie lateral von dieser als eine kompakte Masse grosser rundlicher Zeilen aus dem Mesoderm entstünden. Mit den Augenmuskeln stehen die Kaumuskeln des Schweins- embryo nicht in näherer Verbindung, die ersteren schreiten wie bemerkt, in ihrer Entwickelung voran und sind schon zu er- kennen, wenn von den Kaumuskeln noch keine Spur zu sehen ist. Werden diese erkennbar, dann bilden sie nicht, wie dies Kaczander vom Huhn beschreibt und zeichnet, eine kompakte auf dem Durchschnitt fast vierseitige Masse, sondern es wird die Anlage durch das Keimgewebe, welches bestimmt ist, den Unterkieferast zu bilden, an ihrem unteren Ende sogleich in zwei Teile gespalten, welche medial und lateral von derselben herabfliessen. Diese Teilung kann aber nicht hindern, die An- lage als eine durchaus einheitliche zu betrachten, wie dies Kaezander auch vom Hühnchen angiebt. In seiner Anatomie menschlicher Embryonen sagt His?): „Vom Unterkieferfortsatz stammen die drei grossen Kaumuskeln, die Mm. temporalis, masseter und pterygoideus internus, während M. pterygoideus externus aus dem zwischen Ober- und Unterkieferfortsatz ein- geschobenen Verbindungswulst zu entstehen scheint, welcher den primitiven Mundwinkel begrenzt“. Eine getrennte Anlage, wie es dieser Forscher will, kann ich, wie gesagt, nicht finden, die Stelle aber, an welcher mit den Nn. temporales die erste Spur der Kaumuskeln erscheint, stimmt mit der für den Ent- stehungsort des M. pterygoideus externus angegebenen ganz überein. 1) C. von Kupffer, Studien zur vergleichenden Entwickelungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. 2. Heft, München und Leipzig 1894, pag. 61. 2) His, Anatomie menschlicher Embryonen. II. Heft, 1882, pag. 91. Anatomische Hefte, I. Abteilung. Heft XXII (7. Bd. H. 2). 17 KARL REUTER, ID ot [eo] Die von Kaczander in seiner ersten, wie in seiner zweiten Mitteilung (l. e.) ventilierte Frage nach der Insertion des Muskels ist an gut konservierten Serien leicht zu entscheiden, doch ist es dem genannten Autor nicht gelungen, ein ganz klares Ver- ständnis der Verhältnisse zu erlangen. Er sagt, dass die In- sertion sich anfangs wie später an dem Bindegewebe sich be- fände, welches den Meckelschen Knorpel umgiebt. Er muss dieses Gewebe wohl für das Perichondrium des Meckelschen Knorpels ansehen, sonst würde er nicht an mehreren Stellen dennoch von einem Ansatz am Meckelschen Knorpel sprechen. Er meint augenscheinlich, dass sich der Unterkieferknochen in dieses Gewebe vorschiebt und dadurch den Meckelschen Knorpel von den Muskeln trennt. Dass dieses „Bindegewebe“ ganz direkt als die Anlage des Unterkiefers angesehen werden muss, hat dieser Autor nicht erkannt. Schon im zweiten Stadium, wo das fragliche Gewebe nur aus rundlichen Zellen besteht, lässt sich dasselbe so gut abgrenzen, dass es mir, wie oben beschrieben, gelang, es im Modell zu rekonstruieren und in ihm die Form des Unterkiefers nachzuweisen. Die Össifikation, welche erst in der Mitte dieses Keimgewebes einsetzt, kommt endlich soweit an die Oberfläche, dass nun von einer Insertion gesprochen werden kann. — Man kann die Art der Entstehung des knöchernen Unterkiefers sehr wohl mit der der knorpelig präformierten Knochen vergleichen ; ebenso wie dort erst die Form des Knochens aus einem anderen Gewebe hergestellt wird, geschieht es auch hier, nur ist die Art des Vorläufers der Knochensubstanz eine verschiedene, dort Knorpel, hier indiffe- rent erscheinende protoplasmatische Zellen. Die Trennung der ganzen Anlage in die einzelnen Muskel- individuen erfolgt nach Kaczander „durch bindegewebige Faserzüge, welche von der Peripherie her in die Muskelmasse eindringen und durch die Entwickelung des knöchernen Unter- kiefers, durch dessen Ausdehnung diejenigen Muskeln, welche Über die Entwiekelung der Kaumuskulatur beim Schwein. 259 an ihm haften, von denjenigen losgetrennt werden, welche noch am Meckelschen Knorpel inserieren“. Meine Untersuchungen haben mich Genaueres kennen gelehrt. Temporalis und Masseter ändern sich während der ganzen Entwickelungszeit gar nicht, weder wird die ursprüngliche Faserrichtung geändert, noch trennen sie sich vollständig von einander, und es wird der letztere Muskel von dem ersteren nur dadurch geschieden, dass sich der Jochbogen von hinten her hakenförmig über die An- lage hinschiebt und den unteren Fasern dadurch einen Ursprungs- punkt gewährt, welcher von dem der oberen Fasern verschieden ist. Beim Menschen verhält sich die Sache offenbar genau ebenso, denn es ist selbst beim Erwachsenen noch keine Trennung der beiden Muskeln vorhanden, wie ein Frontal- schnitt durch deren Mitte erweist. Sie sehen nur bei der Oberflächenpräparation wie zwei scharf getrennte Muskelindi- viduen aus. Ganz anders verhält sich die Sache mit den beiden Mm. pterygoidei. Dieselben werden unter sich und vom M. temporalis durch Nerven getrennt, welche sich in die gemein- same Anlage eindrängen, den N. inframaxillaris und buccinato- rius. Doch lehren Präparate und Modelle klar, dass dieselben nicht ausreichen würden, die beiden Muskeln zu individuali- sieren, wenn nicht noch die Entwickelung des Processus ptery- goideus dazukäme. An seine Anlage sind die Pterygoidei schon angeheftet, wenn dieselbe noch ganz aus Bildungszellen besteht und man sieht, dass beim Auseinanderrücken der Anlage von Unterkiefer und Schädelbasis die Richtung der Muskelfasern an der kritischen Stelle aus der steil aufsteigenden in eine immer horizontalere übergeführt wird. Erst später, wenn der Unter- kieferwinkel sich immer mehr nach unten schiebt, nehmen die Fasern des M. pterygoideus internus wieder einen steileren Ver- lauf an, während die des M. pterygoideus externus den topo- graphischen Verhältnissen entsprechend, ihre einmal angenom- mene Richtung beibehalten. 175 360 KARL REUTER, Über die Entwickelung der Kaumuskulatur ete. Ich fasse noch die wichtigsten Resultate meiner Untersuchung in kurzen Sätzen zusammen: 1. Die Kaumuskulatur entwickelt sich beim Schwein an der Stelle, an welcher Mandibularbogen und Oberkieferfortsatz zu- sammenstossen, an der Stelle, an welcher der dritte Ast des Trigeminus in seine Zweige zerfällt (Fig. 1 b). 2. Zu den Kaumuskeln wandelt sich nur das Keimgewebe um, welches in unmittelbarer Umgebung der genannten Nerven- zweige befindlich ist. 3. Die Form der ersten Anlage der Kaumuskeln ist die eines umgekehrten Y, dessen beide Schenkel die Unterkiefer- anlage umfassen. Aus dem Stiel wird der M. temporalis, aus den Schenkeln einerseits M. masseter, anderseits M. pterygoideus externus und internus. 4. Die Trennung der Muskeln von einander, und die Änderung in der Richtung ihrer Fasern erfolgt einerseits durch Vordringen der Nn. buccinatorius und infratemporalis in die Muskelanlage, anderseits durch Verschiebung der Skelettanlagen, an welche sich die Muskeln mittlerweile festgesetzt haben. 5. Die letzte Ausbildung erhalten die Muskeln dadurch, dass von den Ursprungs- und Ansatzpunkten aus das periostale resp. perichondrale Bindegewebe in die Muskelmasse vorgeschoben wird, wodurch die Fasern in Winkelstellung zu einander treten. Zum Schlusse sei mir vergönnt, meinen hochverehrten Lehrern, Herrn Professor Merkel, auf dessen Anregung hin und unter dessen steter Beihülfe diese Arbeit unternommen wurde, sowie Herrn Professor Kallius für die mir in jeder nur denkbaren Weise zu teil gewordene freundliche Unterstützung meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Figuren-Erklärung. Fig. la. Embryo des ersten Stadiums in natürlicher Grösse. Fig. 1b. Kopf des Embryo der Fig. 1 vergrössert. Der eingezeichnete Punkt (K) ist die Stelle der ersten Anlage der Kaumuskulatur. Fig. 2. Embryo des zweiten Stadiums in natürlicher Grösse. Fig. 3. Embryo des vierten Stadiums in natürlicher Grösse, Fig. 4. Rekonstruktion der Kaumuskelanlage von Stadium II von vorne gesehen. Der zweite Ast des Trigeminus ist abgeschnitten, Fig. 5. Rekonstruktion von Stadium III. Fig. 6. Rekonstruktion von Stadium IV. Fig. 7. Frontalschnitt der Kaumuskelanlage. Stadium 1. Fig. 8. R & a Stadium II. Fig. 9. r e £ Stadium Il. Fig. 10. - a 3 Stadium VI. En nr I nm — —_ Aus DEM I. ANATOMISCHEN INSTITUTE IN WIEN, PROF. ZUCKERKANDL. ZUR Na ONE DER ARTERIEN DER HAND. VON DR. JULIUS TANDLER, PROSEKTOR AM I. ANATOMISCHEN INSTITUTE IN WIEN. Mit 6 Figuren auf Tafel XVII/XVIIT. Anat. Hefte. LAbtheilung Heft 22(7.Ba.1l.2) Fig. ui } en DE Fig, 2. Fig. 3, Taf, XT/ZM Fig. Hr 1% \ oe D B & j ng ’ 5 _ a lee 13 ö “ | i y « = ) ® a. a : ö 3 ” R i / j ’ Obwohl ich mir dessen sehr wohl bewusst bin, dass die Variabilität der Gefässe distalwärts immer mehr und mehr zu- nimmt, vor allem aber an der Hand sehr gross ist, habe ich es doch über Anregung meines verehrten Lehrers und Chefs, des Herrn Professor Zuckerkandl, unternommen, auf Grund eines grösseren statistischen Materials die Verhältnisse der Gefässver- sorgung der Hand, vor allem die des Interstitium primum, fest- zustellen. Bei der Durchsicht der einschlägigen Litteratur fiel mir die Divergenz der Meinungen bei den verschiedenen Autoren aul, speziell was die Zahl der Arteriae digitales volares communes und überhaupt die Gefässversorgung des ersten Interstitiums und des Daumens anbelangt. Während Aeby, Bock, Barkow, Gerlach, Gegenbaur, Gray, Heitzmann, Hyrtl, Henke, Henle, Marjolin, Rauber, Langer-Toldt, Weber, Weisse und andere nur von drei Arteriae digitales volares communes sprechen, geben Arnold, Boyer, W. Krause, Haller, Quain, Rüdinger, Sappey, Sömmering und Cruveilhier an, dass zuweilen eine vierte Arteria digital. volaris communis vorkommt. Barkow bildet zwar auf Tafel ‚Nr. XVII, Figur III im VI. Teile seiner komparativen Morphologie em Gefäss ab, das vom Arcus superficialis ausgehend die beiden einander zuge- kehrten Ränder des Daumens und des Zeigefingers versorgt, be- nennt es aber nicht. 266 J. TANDLER, Heitzmann zeichnet gar kein aus dem Arcus superficialis stammendes, für das erste Interstitium bestimmtes Gefäss. Quain bildet in seinem grossen Atlas wohl eine Reihe von Fällen mit einer Arteria digitalis volarıs communis im ersten Interstitium ab, legt ihm aber keine Bedeutung bei und benenni das Gefäss auch nicht. Tiedemann zeichnet das Gefäss, benennt es aber merk- würdigerweise auf Tab. XVI, Fig. 1 und 2, Princeps pollicis, während dasselbe Gefäss auf Tab. XVII, Fig. 6. Arteria digitalis volaris pollic. ex arcu superficiali heisst. Gegenbaur, Gerlach, Langer-Toldt, Gray, Mar- jolin, Rauber und Hyrtl schreiben gar nichts von der Exi- stenz einer Arteria digitalis volaris communis im Interstitium primum. Selbstverständlich ist für diese Autoren die Art. princeps pollieis das einzige Gefäss zur Versorgung des Daumens und der Radialseite des Zeigefingers. Eigentümlicherweise nennen Hyrtl und Rauber die Prine. pollieis Art. digitalis communis volaris prima, eine Bezeichnung, die man eigentlich nur für die aus dem Arc. superficialis stammenden Gefässe gebrauchen sollte. Arnold sagt zwar, dass regelmässig nur drei Art. digitales volares communes vorkommen, giebt aber die Existenz einer vierten im I. Interstitium gelegenen zu. Boyer giebt die Zahl der Art. digitales volares communes mit vier, fünf oder sechs an, wobei er die Art. digiti quinti ulnaris mit einrechnet: „La einquieme branche .... se divise en deux branches, une pour le cöte externe du doigt indicateur et l’autre ‚pour le cöte interne du pouce. Sömmering sagt im Band IV seines Werkes: ‚Vom Baue des menschlichen Körpers“, dass „manchmal die Radialarterie des Zeigefingers und die Ulnararterie des Daumens, bald die eine oder die andere allein aus dem oberflächlichen Hohlhandbogen stammen.“ Zur Anatomie der Arterien der Hand. 267 Sappey giebt die Existenz dieses Gefässes als manchmal vorhanden zu. Genau dasselbe sagt Cruveilhier in seinem „Traite d’ana- tomie descriptive“. Einige wenige Autoren nehmen auf das fast regelmässige Vorkommen einer Art. digitalis volaris communis prima Rück- sicht und schliessen sich nicht der allgemeinen Meinung an, dass Daumen und Radialseite des Zeigefingers von der Princeps pol- lieis allein versorgt werden. Zu diesen Autoren gehören Lauth, Luschka, H. Mayer und F. A. Walter. A. Lauth spricht in seinem „Neuen Handbuch der prak- tischen Anatomie Band II“ von fünf Art. digitales volares com- munes, von denen sich die fünfte an der Speichenseite des Zeigefingers und an der Ellbogenseite des Daumens verzweigt. Luschka giebt an, dass die Art. princeps pollieis bisweilen vollkommen fehle und von dem stärker entwickelten Ramus volaris superficialis der Speichen- oder Ellbogenarterie vertreten werden könne. Gleichsam vorbereitet erscheine dieser Typus in den fast nie fehlenden Anastomosen, welche zwischen dem oberfläch- lichen Hohlhandbogen und dem Stamme oder den Ästen der Art. princeps pollicis angebracht sind. F. A. Walter beschreibt einen Ramus radialis digiti I und einen Ramus volaris ulnaris pollieis, die beide aus dem Arc. superficialis kommen. H. Mayer erwähnt ausser einer Art. volaris ulnaris vier Art. digitales communes als aus dem Arcus superfieialis kommend. Die Quarta verläuft in dem Interstitium primum. Durch diese teils einander widersprechenden, teils ungenauen oder auch falschen Angaben in der Litteratur sah ich mich, wie gesagt, veranlasst an einem grösseren statistischen Material die (Gre- fässversorgung der Hand zu studieren. Ich untersuchte 130 frische Extremitäten, die mit Teichmannscher Masse injiziert und hierauf auspräpariert wurden. Sie stammen insgesamt von 268 J. TANDLER, unseren Seziersaalkadavern und wurden ohne irgendwelche Aus- wahl verwendet. Hierzu kommen noch 30 Objekte aus dem Museum unseres Institutes, im ganzen also 160 Fälle. Im Laufe der Untersuchung — ich habe von allen Fällen schematische Zeichnungen verfertigt — liess sich bald ein be- stimmter Typus der Gefässverzweigung an der Hand feststellen, und ich will nun vor allem daran gehen, diesen Typus des ge- naueren zu beschreiben, und erst dann die von demselben ab- weichenden Vorkommnisse erörtern : Nachdem die Arteria ulnaris die beiden Rami profundi an den tiefen Hohlhandbogen abgegeben hat, wendet sie sich radial- wärts, um den Areus superficialis zu bilden. An der Biegungs- stelle giebt sie die Arteria digitalis ulnaris für den ulnaren Rand des kleinen Fingers ab. An der Konvexität des Bogen entspringen hierauf vier Arteriae digitales volares communes. Die vierte, dritte und zweite zeigen das in allen Lehr- und Handbüchern beschriebene Verhalten. Sie ziehen distalwärts und teilen sich in je zwei Arteriae diei- tales propriae für die einander zugekehrten Seiten der zuge- hörigen Finger. Die Arteria digitalis volaris communis prima, der eigenliche Endast der Arteria ulnaris, ist so stark oder noch stärker wie die übrigen drei Digitalarterien und ver- läuft in radialer und distaler Richtung gegen den freien Rand des Musculus adductor, wo sie sich in einen ulnaren und einen radialen Ast teilt, genau so wie die übrigen Art. digitales volares communes. Der ulnare Ast zieht entlang des volaren radialen Randes des Zeigefingers und versorgt ihn. Er kommuniziert daselbst mit einem aus der Tiefe stammenden Gefässe, das später beschrieben werden wird. Der radiale Ast verläuft gegen den Daumen und zieht am ulnaren volaren Rande desselben distalwärts. Er tritt hier in Verbindung mit einem Aste der Princeps pollieis, dessen Verhalten an gegebener Stelle besprochen werden soll. Zur Anatomie der Arterien der Hand. 269 Die Übergangsstelle der Arteria ulnaris in die Arteria digi- talis volaris communis prima ist deutlich durch eine Abkniekung markiert. An dieser Stelle mündet auch gewöhnlich der Ramus volaris Arteriae radialis in die Ulnaris und schliesst so den Arcus superficialis ab. Kurz nach ihrem Ursprung giebt die Art. digitalis volaris 1. ein Gefäss ab, das den Flexor pollieis kreuzend den Radialrand des Thenar erreicht, das radiale Randgefäss. Hier zieht es distalwärts und versorgt mit einem Aste der Princeps pollieis autorum gemeinsam den radialen volaren Rand des Daumens, Dies wäre das aus der Majorität der Fälle gewonnene typische Verhalten der oberflächlichen Hohlhandgefässe. Siehe Fig. I. Was nun die in der Tiefe verlaufenden Arterien anbelangt, ist folgendes zu sagen: Bevor die Art. radialis an die Lücke zwischen den beiden Ursprungszacken des Musculus interosseus dorsalis primus her- antritt, giebt sie ein ganz schwaches Gefäss an den radialen dor- salen Rand des Daumens ab. Am Eintritte in die genannte Lücke selbst entspringt die Art. metacarpea dorsalis prima. Fig. U. Diese teilt sich sehr bald in zwei Äste, in einen radialen und einen ulnaren. Ersterer verläuft am ulnaren Rande des Metacarpus I, letzterer am radialen Rande des Metacarpus II. Beide sind schwach und enden schon an den Metacarpo- Phalangealgelenken. Die Radialis taucht nun in die Tiefe und biegt ulnarwärts in den Arcus volaris profundus ein. Fig. III und Fig. IV. Aus der konvexen Seite des tiefen Hohlhandbogens stammen, analog dem oberflächlichen Bogen, vier Gefässe, Arteriae meta- carpeae volares. Die erste entspringt knapp an der Biegungsstelle, Meta- carpea volaris prima und entspricht der Princeps pollicis der Autoren. Das Gefäss zieht hart am Metacarpus I, anfangs 270 J. TANDLER, zwischen dem Ansatze des Muse. interosseus dorsalis I und dem «dos Muse. adduetor pollieis gelegen, distalwärts. Nach einer kurzen Strecke benützt der Gelässstamm eine Spalte «des letzteren Muskels zum Durehtribte auf die volare Seite und spaltet sich, daselbst angelangt, in zwei Äste, einen ulnaren und einen radıalon. Die Teilung findet unter der Sehne des Muse. lexor pollicis longus statt, Der radiale Ast ist der schwächere, er tnucht an der Radialseite der Wlexorensehne aus der "Tiefe auf und verläuft, das laterale Sesambein radial umgehend, am Aussenrande des Daumens «distalwärts, wo er, wie erwähnt, mit dem radialen Randgeläss der Digit. vol. comm, I anastomosiert, Der ulnare Ast ist der stärkere und zieht am ulnaren volaren Rande des Daumens, Nr vereinigt sich hier mit dem radialen Aste der Art, digitalis volaris communis 1. Bevor die Art. metacarpen vol, I dureh die Muskelspalte tritt, giebt sie einen dorsalen Ast ab, der an dem ulnaren dor- salen Rande des Daumens verläuft. Die Arteria motaearpen volaris IL ist stark entwickelt und teilt sieh in zwei Äste, von denen der radiale meistens an dem volaren radinlen Rande des Zeigelingers verläuft, und hier mit dem ulnaren Aste der Digit. vol. comm. I anastomosiert, während der ulnare die Anastomose mit der Digit. vol. comm. II besorgt. Die Arterine metacarpene volares Ill und IV teilen sich nieht mehr, sondern münden als ganze in «die Teilungsstolle der zugehörigen Art. «dig, vol. comm., entsprechend «don Inter- dientallalten. Dieser Gelässtypus, wie ich ihn hier aufgestellt habe, unter- scheidet sieh nicht unwesentlich von dem bisher meistens gang und gebe gewesenen, und zwar vor allem in Bezug auf das Vorhandensein einer Art. digit. vol. comm. I und eines radialen Randeeolässes, sowie dureh die Auffassung der Art. prine. pollieis als Meotaenrpon vol, I des Arcus prof, Zur Anatomie der Arterien der Hand. 271 Ich habe mich aber hierzu durch die aus der Statistik ge- wonnenen Zahlen berechtigt gefühlt. In den 160 von mir untersuchten Fällen war die Art. digitalis vol. comm. I 159 mal vorhanden und zwar in 130 frischen Fällen 130 mal, an 30 Museumspräparaten 29 mal. Das einmalige Fehlen des Gefässes ist aber, da es ein Trocken- präparat betrifft, leicht durch eine Ungenauigkeit des Präparanten zu erklären. Man kann demnach diese Arterie als ein ebenso beständiges Gefäss wie die übrigen Art. dig. vol. comm. ansehen. Was die Stärke des Gefässes anbelangt, ist folgendes zu sagen: Von den 130 frischen Fällen war das Gefäss: stark 40 mal mittelstark 62 mal schwach 28 mal. Von den 30 Museumsfällen war das Gefäss: stark 22 mal mittelstark 3 mal schwach 4 mal fehlend 1 mal. Im ganzen also: 62 mal stark 65 mal mittelstark 32 mal schwach 1 mal fehlend. Von den 130 Fällen teilte sich das Gefäss 90 mal in zwei Äste für die einander zugekehrten Ränder des Daumens und des Zeigefingers. Man kann also auch dieses Verhältnis als ein typisches ansehen. Bezüglich des radialen Randgefässes des Daumens ist fol- gendes zu bemerken: In der einschlägigen Litteratur habe ich nur bei A. Boyer und bei Ph. ©. Sappey eine Bemerkung über dieses Gefäss gefunden. 972 J. TANDLER, Boyer sagt: „Leur (Art. dig. vol. comm.) nombre est de quatre, cing ou six.“ Man kann nun die Zahl sechs auf das Vorhandensein dieses Grefässes beziehen, da er wie schon oben bemerkt auch eine Art. dig. vol. comm. prima zählt. Sappey hält dies Gefäss für besonders selten. Es heisst daselbst: „Il est beaucoup plus rare encore de voir l’arcade palmaire super- ficielle emettre une sixieme digitale, qui vient constituer la collaterale externe du pouce. Dem gegenüber habe ich das Gefäss unter 130 Fällen 67 mal wohl entwickelt gefunden; es war also wirklich in mehr als der Hälfte der Fälle vorhanden. Wenn man nun dem gegenüber- hält, dass in fast der Hälfte der Fälle das ulnare Randgefäss, die Art. digitalis ulnaris, den ulnaren Rand des kleinen Fingers nicht erreichte, sondern sich in der Muskulatur des Antithenar auflöste, wird man jenes Gefäss wohl für ein Pendant zu diesem ansehen können. Ich würde es daher auch Art. digitalis radialis benennen. Dies sind die Gründe, die mich veranlassten, den oben an- geführten Typus des oberflächlichen Hohlhandbogens anzu- nehmen. Was meine Annahmen bezüglich der Art. princeps pollicis anbelangt, so sollen diese bei der nun folgenden Besprechung der einzelnen Gefässabschnitte begründet werden. Ramus volaris Arteriae radialis. Im Laufe der Untersuchung fiel mir das relativ häufige Vorkommen eines besonders starken Ramus volaris der Art. radialis auf. Bei der Zählung ergab sich folgendes Resultat: Von 150 Fällen war das Gefäss 47 mal sehr stark. Gezählt wurden nur jene Fälle, in denen das Gefäss so stark oder stärker als die Ulnaris derselben Hand war. Immerhin eine berück- sichtigungswerthe Thatsache, dass an jeder dritten Hand dieses Geläss so stark ist. Zur Anatomie der Arterien der Hand. 273 Arteria digitalis volaris communis prima. Das Gefäss teilt sich, wie schon erwähnt, gewöhnlich in zwei Äste, in einen radialen und einen ulnaren. Von diesen beiden ist der erstere der mächtigere. Er anastomosiert mit dem ulnaren Aste der Metacarpea volaris I, vorausgesetzt dass derselbe überhaupt entwickelt ist, sonst ersetzt er ihn vollständig und versorgt den volaren radialen Daumenrand allein. Der ulnare Ast der Digitalis vol. comm. I ist der schwächere. Er anastomosiert fast immer mit der Art. metacarp. vol. II und ist nur selten imstande dieselbe zu ersetzen. In jenen Fällen, in denen eine Teilung der Dig. vol. comm. I nicht eintritt, zieht dieselbe entweder zur Metacarpea vol. I oder II oder zur Metacarpea dorsalis I. Das Verhältnis stellt sich dann folgendermassen: Am häufigsten zieht die Arterie als ziemlich starkes Gefäss an den ulnaren volaren Daumenrand, weniger häufig zum radialen volaren Rande des Zeigefingers. In 15 Fällen war das Gefäss zu einer einfachen Anastomose zwischen dem Arcus superficialis einerseits und der Metacarpea vol. I oder Metacarpea dorsalis I andererseits herabgesunken. Die Anastomose mit letzterer tritt derart ein, dass die Metacarpea dorsalis I am freien distalen Rande des Muse. adductor pollicis die mehr oder minder starke Digit. vol. I aufnimmt und sich nun in zwei Äste für die einander zugekehrten Seiten der ersten zwei Finger teilt. Einigemale kamen Anastomosen zwischen diesen beiden Gefässen auch dann vor, wenn die Art. digit. vol. prima zwei Äste hatte. In 20 Fällen waren Anastomosen zwischen den beiden Gefässen stark entwickelt. 3ezüglich der Mächtigkeit der Art. digitalis volaris communisI lässt sich folgendes beobachten. Die Stärke des Gefässes ist selbstredend von der des Arcus superficialis abhängig. Bei sehr schwachem Hohlhandbogen wird das Gefäss schwach, verliert Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXII (7. Bu. H. 2). 18 274 J. TANDLER, seine Äste und wird zu den oben angeführten Anastomosen, was morphologisch irrelevant ist, da es hiebei doch nicht auf den Querschnitt des Gefässes ankommt. Das Fehlen des Ramus volaris arteriae radialis beeinflusst die Stärke des Gefässes nicht besonders, denn dasselbe war auch dann sehr stark, wenn der Arcus superficialis radialwärts nicht geschlossen war. Anders verhält es sich aber, wenn der Ramus volaris der Art. radialis mächtig entwickelt vorhanden ist. In allen diesen Fällen ist die Art. digit. vol. communis prima sehr stark. Manchmal setzt sich der volare Radialisast direkt in dieses Gefäss fort, das Verbindungsstück aber zwischen ihm und dem ulnaren Anteile des oberflächlichen Hohlhandbogens ist schwach oder fehlt ganz. Dasselbe Verhalten lässt sich auch beim Vorhandensein einer Art. mediana beobachten (Fig. V). Unter den 160 Fällen kamen 27 Fälle von Art. mediana zur Beobachtung, hiervon von den 130 frischen Extremitäten siebenmal, von den 30 Musealpräparaten zwanzigmal. Die letzte Zahl ist leicht begreiflich, da es ja eben wegen dieser Varietät aufbewahrte Präparate waren. In allen Fällen war aber dasselbe Faktum, die Zunahme der Art. digit. vol. comm. prima an Dicke parallel der Stärke der Mediana, zu beobachten. Dass dem so ist, ersieht man auch aus den Atlanten von Quain und Tiedemann, in beiden ist nämlich immer dann eine mächtige Digitalis vol. comm. prima gezeichnet, wenn der Ramus volaris der Radialis sehr stark ist oder eine Mediana vorhanden ist. Arteria digitalis radialis. Dieses Gefäss varliert ebenfalls in seiner Stärke. Ist das (seläss sehr schwach, so stellt es nur einen Ramus musecularis am Thenar vor. In solchen Fällen habe ich es gar nicht Zur Anatomie der Arterien der Hand. 275 gezählt, sonst wäre eine noch viel bedeutendere Zahl als 67 herausgekommen. Wird das Gefäss stärker, so stellt es eine Anastomose zwischen dem Arcus superficialis und dem radialen Aste der Metacarpea volaris prima dar. Gewinnt das Gefäss noch mehr an Volumen, so giebt es erst einige Äste an die Muskulatur des Thenar ab und versorgt dann gemeinsam mit dem aus dem tiefen Bogen stammenden Gefässe den radialen volaren Rand des Daumens. Auch die Stärke dieses Gefässes ist von der des Volarastes der Radialis oder von einer eventuell vorhandenen Art. mediana abhängig. Manchmal verläuft der ganze Ram. vol. Art. radialis in der Bahn dieses Gefässes zum radialen volaren Rand des Daumens. Der Ursprung ist fast immer an besagter Stelle aus der Dig. vol. comm. I, einigemale war er aber etwas höher hinauf- gerückt gegen den Volarast der Radialis. Arteriae metacarpeae dorsales. Vom Ramus dorsalis Arteriae radialis geht “unmittelbar, nachdem er auf die Dorsalseite gelangt ist, ein schwaches Gefäss für den radialen dorsalen Rand des Daumens ab. Eine kurze Strecke distalwärts von der Abgangsstelle dieses Gefässes zweigt der schwache, meist verkümmerte dorsale Bogen ab, der sich in die Metacarpea dorsalis II, III und IV teilt; diese selbst sind nur rudimentär entwickelt. Der dorsale Bogen ist bisweilen bis zur Abgabe der Meta- carpea dors. II stark, wenn nämlich der grössere Teil der Radialis im II. Interstitium perforiert, was im ganzen etwa zehnmal der Fall war. Die Metacarpea dorsalis I ist gewöhnlich gut entwickelt und teilt sich in einen radialen und einen ulnaren Ast. Der radiale zieht längs des ulnaren Randes des Metacarpus I, der 18% 276 J. TANDLER, ulnare längs des radialen Randes des Metacarpus II distalwärts An den beiden Metacarpo-Phalangealgelenken lösen sie sich in ihre Endäste auf. Manchmal, im ganzen in 20 Fällen unter 130, ist die Metacarpea dorsalis I sehr stark. In solchen Fällen ziehen ihre Äste bis gegen die Fingerspitzen, oder sie anastomosieren um den freien distalen Rand des Adductor pollicis herum mit der Digitalis volar. comm. I. Die Metacarpea dorsalis prima geht unmittelbar, bevor die Radialis in die Interosseuslücke eintritt, von ihr ab. Arteria metacarpea volaris prima. Nach Abgabe der Metacarpea dorsalis I tritt die Arteria radialıs zwischen den beiden Ansatzzacken des Muse. interosseus dorsalis I hindurch. An der volaren Fläche dieses Muskels findet sich regelmässig ein mehr oder minder stark entwickelter sehniger Bogen, der vom proximalsten Anteile des II. Metacarpus zu dem I. zieht, und den proximalen Fasern der tiefgelegenen Portion des Interosseus dors. I zum Ansatze dient. Zwischen diesem Sehnenbogen und dem Knochenwinkel tritt die Radialis durch, wendet sich sofort ulnarwärts und wird zum Arcus profundus. An der Umbiegungsstelle geht volar von dem genannten Sehnen- bogen die Art. metacarpea volaris prima ab. Dieses Gefäss wird von vielen Autoren Princeps pollieis genannt und noch als ein Ast der Radialis angesehen. Ich glaube aber, dass das Gefäss als aus dem Arcus kommend anzusehen sei. Es entspringt höchstens einen halben em radial von der Metacarpea volaris II, meist an der Knickungsstelle, oft ulnar von derselben, nie radial von ihr. Es verläuft auch immer an der volaren Seite des Muse. interosseus dorsalis I, ist genau so wie die Metacarpea volaris II immer und die Metacarpea vol. III oft vom Adductor pollieis gedeckt und liegt überhaupt Zur Anatomie der Arterien der Hand. 277 mit den anderen Art. metacarp. vol. in einer Reihe. Hart am Metacarpus I gelegen, verläuft das Gefäss distal und tritt durch die Spalte zwischen dem Caput obliquum und Caput transversum des Adductor an die Volarseite und gelangt hier unter die Sehne des Musc. flexor pollieis longus. Hier teilt es sich in zwei Äste, einen ulnaren und einen radialen. Der ulnare taucht ulnar von der Flexorensehne auf und verläuft am ulnaren volaren Daumenrande zusammen mit dem radialen Aste der Dig. vol. comm. I, der radiale kommt lateral von der Flexorensehne zum Vorschein und verläuft mit dem radialen Randgefäss am radialen volaren Rande des Daumens. Der ulnare Ast ist der stärkere. Er teilt sich häufig in zwei Äste, von denen der radiale beim Daumen bleibt, der ulnare aber zum Radialrande des Zeigefingers zieht. Bevor die Metacarpea vol. I durch den Adductor polliecis tritt, giebt sie häufig ein Gefäss ab, das die Richtung des Haupt- stammes beibehaltend weiterzieht und den ulnaren dorsalen Rand des Daumen versorgt, oder auch manchmal zum II. Finger zieht, sodass oft entweder von der volaren oder von der dorsalen Portion der Art. metacarpea vol. I aus die beiden einander zuge- kehrten Ränder des ersten und zweiten Fingers versorgt werden, ein Verhalten, das sich mit dem der andern Art. metacarpeae volares deckt. Es war dies 50mal unter 130 Fällen so. Von den drei möglichen Ästen der Metacarpea vol. I ist der volare ulnare der konstanteste, er repräsentiert oft allein die ganze Arterie, weniger konstant ist der radiale volare Ast, am unbeständigsten der dorsale. Bezüglich der Stärke der Metacarpea vol. I ergab sich folgendes: In den 130 frischen Fällen war das Gefäss: stark 48 mal mittelstark 47 mal 278 J. TANDLER, schwach 20 mal sehr schwach 15 mal Unter den 30 Museumspräparaten: stark 6 mal mittelstark 8 mal schwach 12 mal fehlend 4 mal Im ganzen also unter 160 Fällen: stark 54 mal mittelstark 55 mal schwach 32 mal sehr schwach 15 mal fehlend 4 mal. Vergleicht man diese Zahlen mit den bei der Art. dig. vol. comm. I gewonnenen, so sieht man, dass sich die Grössenver- hältnisse der beiden Gefässe vollkommen decken. Es variiert eben auch dieses Gefäss in Bezug auf seine Stärke abhängig von den übrigen Gefässverhältnissen der Hand und ist sicher nicht so absolut konstant, wie es von den meisten Autoren dar- gestellt wird. Das Gefäss steht natürlich in einem vikariierenden Verhält- nisse zur Art. digit. vol. comm. I und zur Art. Metacarpea dorsalis I. Es verhält sich eben auch in diesem Punkte so, wie die übrigen Art. metacarp. vol. Ganz abgesehen von der Stärke der Art. radialis hängt die Mächtigkeit der Art. metacarp. vol. I vor allem von der Stärke der Metacarp. dors. I ab, denn diese ist imstande, jene fast vollkommen zu ersetzen. In den Fällen mit stark entwickeltem Ramus volaris Art. radialis oder Art. mediana ist die Art. metacarp. vol. I. eben- falls schwach. Die bedeutende Zahl von schwachen Art. meta- carpeae vol. I (12 + 4mal unter 30) bei den Museumspräparaten ist dadurch zu erklären. Zur Anatomie der Arterien der Hand. 279 In einigen Fällen wird das Gefäss so schwach, dass es sich schon in der tiefen Thenarmuskulatur erschöpft und den Daumen gar nicht erreicht. Dies war sowohl in den frischen Fällen, als auch an den Museumspräparaten zu beobachten und die vier Fälle von Fehlen des Gefässes bei letzteren dürften sich so ver- halten, dass der Präparierende das schwache Muskelgefäss einfach wegschnitt. Die Gefässversorgung des Daumens stellt sich also in der Majorität der Fälle folgendermassen dar: Den volaren ulnaren Rand versieht die Digit. vol. comm. I mit der Metacarpea vol. I, den volaren radialen, die Metacarpea vol. I mit dem radialen Randgefäss; den dorsalen ulnaren Rand die Metacarpea vol. I mit der Metacarpea dors. I, den dorsalen radialen Rand das noch aus der Radialis stammende Gefäss. Die Art. metacarpea vol. I ist demnach sicher nicht das Hauptgefäss des Daumens und verdient also gewiss nicht den ihr von vielen Autoren beigelegten Namen „Art. princeps pollıcıs Die Princeps pollicis ist vielmehr nach Ursprung, Verlauf und Verbreitungsgebiet eine Art. metacarpea volaris und zwar die prima. Das Interstitium primum unterscheidet sich demnach ın nichts, was Gefässverhältnisse anbelangt, von den anderen drei Interstitien. Wie in jedem Interstitium haben wir auch im ersten ein aus dem Arcus superficialis stammendes Gefäss, die Art. digit. vol. comm. I, ein aus dem Arcus profundus stammendes, die Art. metacarpea vol. I und ein dorsales Gefäss, die Metacarpea dorsalis I. Und gerade so wie in allen übrigen Interstitien einmal das oberfläch- liche, ein anderes Mal das tiefe Gefäss prävaliert, so ist dies auch im Interstitium primum der Fall. Ich schlage daher vor, die Art. prince. poll. dem natür- 280 J. TANDLER. lichen Verhalten gemäss Arteria metacarpea volaris prima zu benennen und den Ausdruck Princeps pollieis ganz fallen zu lassen, obwohl er in der von His veröffentlichten von der Kommission genehmigten anatomischen Nomenklatur noch ent- halten ist. Es würde sich demnach die Gefässversorgung der Finger folgendermassen zusammenstellen, lassen: Aus dem Arcus superficialis vier Arteriae digi- tales volares communes I, II, III und IV vonder radialen Seite aus gezählt und je eine Art. digitalis ulnaris und radialis für den ulnaren und: radialen Rand der Hand; aus dem Arcus profundus für jedes Interstitium je eine Art. metacarpea volaris, die Prin- ceps pollicis Autorum als prima gezählt, also vier. Arcus profundus. Nach Abgabe der Art. metacarpea volaris prima zieht der Arcus profundus ulnarwärts weiter und giebt am Metacarpus II die Metacarpea volaris II ab. Diese ist nach der prima die stärkste, ja in manchen Fällen sogar stärker als diese. Hierauf folgen die anderen Art. metacarpeae volares. Manchmal gewinnen sie das Übergewicht über die Art. digitales volares communes und kommen dann schon früher als an dem Metacarpo-Phalan- gealgelenke an die Oberfläche. Am häufigsten ist dies im vierten und dann im zweiten Interstitium der Fall. Eine fünfte Metacarpea volaris, in der Tiefe des Antithenar gelegen, kommt manchmal vor, wie es scheint, hauptsächlich dann, wenn die Digitalis ulnaris schwach ist. Meinem verehrten Lehrer und Chef Herrn Professor Zucker- kandl sage ich herzlichst Dank für die werkthätige Unterstützung die er meiner Arbeit angedeihen liess. Litteratur-Verzeichnis. Chr. Aeby, Bau des menschlichen Körpers. Leipzig 1868. Fr. Arnold, Handbuch der Anatomie des Menschen. Bd. II, Freiburg i. B 1850. Barkow, H. K. L, Komparative Morphologie, Bd. VI. Breslau 1868. Bock, €. G@., Handbuch der Anatomie des Menschen, Bd. I. Leipzig 1840. Boyer, A., Trait6 eompl. d’Anatomie, Tom. III. Paris 1805. 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Arcus profund. mit dem Abgange der Metacarpea volaris I. Fig. 5. Arcus superficialis mit Art. mediana. 6. Arc. superfic. mit starkem Ram. vol. Art. radialıs. v. c. I--IV = Art. digitalis volaris communis I—IV. A. v. r. = Art. vol. radialis (Radiales Randgefäss). A. v. u. = Art. vol. ulnaris (Ulnares Randgefäss). U. = Art. ulnaris. R. = Art. Radialis. R. v. = Ramus vol. Art. rad. M. v. I-IV. = Art. metacarpea vol. I—IV. M.d. I. = Art. metacarpea dorsalis 1. A. M. = Art. mediana. ÜBER DEN FEINEREN BAU DES ELEKTRISCHEN ORGAND GEWÖHNLICHEN ROCHEN (RAJA CLAVATA L,) DR. MED. E. BALLOWITZ, A.-O. PROFESSOR UND PROSEKTOR AN DER UNIVERSITÄT GREIFSWALD. Mit 35 Abbildungen auf Tafel XIX—AXIX. Anatomische Hefte. I. Abteilung XXIII. Heft (7. Bd. H. 3). 19 Die Resultate, welche ich bei meinen Untersuchungen über den feineren Bau des elektrischen Organs von Torpedo erhalten und in Band XLII des Archivs für mikroskopische Anatomie (23) veröffentlicht habe, gaben mir Veranlassung zu der vorliegenden - Arbeit. Ursprünglich war es meine Absicht, diese Untersuchungen auf möglichst viele Arten und alle Entwickelungsstufen von Raja auszudehnen, da durch Ewart nachgewiesen ist, dass bei dem Genus Raja Form und Bau der elektrischen Ele- mente des im Schwanz der Fische gelegenen Organs mancherlei Variationen unterworfen sind. Leider war es mir aber nicht möglich, mir hierzu das lebende Material zu verschafien. Ich sah mich daher gezwungen, meine Untersuchungen auf ausge- wachsene Exemplare von Raja clavata L. zu beschränken. Zur Gewinnung des Materials und der Präparate benutzte ich einen Ferienaufenthalt auf Helgoland im August 1895. Durch die liebenswürdige Unterstützung des Herrn Professor Dr. Heincke, Direktors der so vielversprechenden Königlichen Biologischen An- staltauf Helgoland, in welcher ich meine Untersuchungen ausführte, erhielt ich lebende Rochen in genügender Menge. Ausserdem hatte mir schon vorher Herr Dr. ©. Hermes, Direktor des Berliner Aquariums, in dankenswerter Weise zahlreiche lebende, frisch gefangene Exemplare von Raja clavata aus der Nordsee und dem Mittelmeer überlassen. An diesem Berliner Material stellte ich schon im Herbst 1893 die wesentlichsten, hier zu ver- öffentlichenden Thatsachen fest. 19* 286 E. BALLOWITZ, Wenn meine Erfahrungen sich daher bis jetzt leider nur auf eine Species erstrecken konnten, so stehe ich doch nicht an, die erhaltenen Resultate zu veröffentlichen, da dieselben manches wesentliche Neue bringen dürften, vor Allem aber aus dem Grunde, weil sie in sehr bemerkenswerter Übereinstimmung stehen mit dem von mir bei Torpedo Gefundenen. Letzterem Umstande möchte ich ein besonderes Gewicht bei- jegen. Wie durch die fundamentale Entdeckung Babuchins 15, 16) zuerst nachgewiesen ist, entstehen die elektrischen Platten sowohl bei Torpedo, wie bei Raja aus sich umwandelnden quer- gestreiften Muskelfasern, welche ich analog den „Myoblasten“, als „Elektroblasten‘“ bezeichnen will. Bei Torpedo tritt allerdings die Muskelnatur dieser Elektroblasten nicht mehr so typisch hervor, bei Raja hingegen unterscheiden sie sich anfangs in Nichts von echten, quergestreiften, kontraktionsfähigen Muskelfasern. Während nun bei Torpedo die Muskelstruktur in der ausgebil- deten elektrischen Platte ganz verschwunden ist, erhalten sich bei Raja (ähnlich, wie bei den Mormyriden) noch wesentliche Reste davon, die Umwandlung erfolgt hier nur unvollkommen. Auch physiologisch prägt sich dieser Unterschied aus. Während Torpedo mit seinem Organ kräftige Schläge austeilt, war es für Raja lange zweifelhaft, ob ihr „Schwanzorgan‘“ überhaupt Elek- trieität hervorbringen könnte. Aus dieser Epoche stammt auch die Bezeichnung „pseudoelektrische Organe“. Erst in neuerer Zeit ist von Sanderson und Gotsch (22) mit Hilfe verbesserter physikalischer Methoden genau festgestellt worden, dassim Rochen- organ elektrische Ströme erzeugt werden und dass auch die ge- wöhnlichen Rochen im Stande sind, elektrische Schläge auszu- teilen, die allerdings nur so schwach sind, dass sie vom Menschen durch das Gefühl nicht wahrgenommen werden können. Mit Recht werden daher die Rajidae (ebenso wie die Mormyridae) als „schwachelektrische‘“ Fische bezeichnet und den „starkelektri- schen“ (Gymnotus, Malopterurus und Torpedo) angereiht. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 237 Aus diesem Gesichtspunkte dürfte von Wichtigkeit sein, dass es mir gelungen ist, bei Raja, dessen elektrisches Organ als das schwächste und wenigst wirksame von allen elektrischen Fischen bezeichnet werden muss, dieselben Strukturen aufzufinden, welche ich von dem „starkelektrischen“ Organ bei Torpedo beschrieben habe. Hieraus scheint mir hervorzugehen, dass diese Strukturen für den feineren Bau der elektrischen Organe überhaupt wesent- liche und physiologisch begründete sind. Da die elektrischen Elemente der Fische (von Malopterurus muss in dieser Hinsicht vorläufig noch abgesehen werden) umgewandelte, quergestreifte Muskelfasern darstellen, dürfte auch auf diese durch meine Unter- suchungen ein besonderes Streiflicht geworfen werden. Was die Methodik der Untersuchung anbetrifft, so war es auch hier, wie früher bei Torpedo, mein Bemühen, mich nicht mit einer Methode zu begnügen, sondern möglichst alle zuver- lässigen Methoden in Anwendung zu bringen. Als Material verwertete ich nur lebende, kräftige, ausge- wachsene, meist ganz frisch gefangene Exemplare. Dem durch Dekapitation getöteten Tiere wurden sofort nach der Tötung kleine Stücke des freipräparierten elektrischen Organs entnommen und sofort in die fixierenden Flüssigkeiten gebracht. Die Härtung erfolgte in von 45—96°/o ansteigendem Alkohol. Zur Fixierung wurden verwandt: 1. konzentrierte Sublimatlösungen in 0,6°/o Kochsalzlösung und in Seewasser; 2. Sublimateisessig;; 3. Osmiumsäurelösung von 0,3—1,0°/o; 4. Chromosmiumessigsäure, nach Flemming, schwache Mischung; fo} Chromessigsäure ; 6. Alkohol absolutus. Am meisten bewährten sich Sublimat, Chromosmiumessigsäure 288 E. BALLOWITZ, und Chromessigsäure; weniger günstige Erfolge waren durch Be- handlung mit Osmiumsäure zu erzielen. Ausserdem wurden noch Stücke in Müllerscher Lösung und wässerigen Lösungen von Kalium bichromiecum von 3 5° konserviert. Eingebettet wurde zum Teil in Paraffin (von 52° Schmelz- punkt), zum Teil in Celloidin. Zur Vorbehandlung vor der Paraf- fineinbettung wurden entweder Bergamottöl oder Xylol gewählt. Die Schnitte wurden mit destilliertem Wasser aufgeklebt und dann gefärbt. Stückfärbung ist für derartige feine Untersuchungen wenig vorteilhaft. Zur Färbung benutzte ich die üblichen Tinktionsmittel, be- sonders auch Anilinfarben (siehe hierüber im Text). Wenn nicht besonders bemerkt ist, dass schwächere Systeme zur Anwendung kamen, beziehen sich alle Angaben auf Unter- suchung mit Ölimmersionen (Winkels homogene Immersion !/ga; Zeiss apochrom. homog. Immers. 3,0 mm., Apert. 1,40 Oc. 12). Besonderes Gewicht lege ich auf die Untersuchung in Wasser, da Öl und Balsam die Präparate zu stark aufhellen und dadurch die feinsten Strukturen verwischen. Ein anderer Teil des Materials wurde für Macerationen und Zupfpräparate bestimmt. Kleine Stücke von in Osmiumsäure von 0,3—1°/o fixiertem Material wurden entweder ohne oder nach Wasserspülung in eine Mixtur von Wasser, Glycerin und abso- lutem Alkohol zu gleichen Teilen gebracht und darin bis zur Präparation konserviert. Ein anderer Teil des Osmium-Materials kam direkt in 5P/oige Lösung von Kali bichromicum. Zupfprä- parate gaben in vieler Hinsicht wertvolle Aufschlüsse. Auch die Vergoldung nach den üblichen Methoden lieferte in mancher Beziehung brauchbare Resultate. Ein Teil des ver- soldeten Materials wurde zum Schneiden benutzt, der andere kam für Zupfpräparate in die angegebene Mixtur. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 289 Mit der Methylenblau -Methode nach Ehrlich hatte ich bei Raja wenig Glück, allerdings konnte ich noch nicht allzu viele Versuche damit anstellen. Um so erfolgreicher war dafür die Anwendung der schnellen Golgischen Methode, da sich das Schwanzorgan von Raja cla- vata für dies Verfahren als sehr geeignet erwies. Ich verfuhr dabei ebenso, wie bei meinen Untersuchungen über Torpedo (28, pag. 460—61). In neuerer Zeit haben sich mehrfach Stimmen gegen die jetzt so vielseitig angewandte Golgische Methode erhoben und mit einigem Recht. Denn wenn bei irgend einer Methode, so ist hier Vorsicht und Kritik geboten. Mag man indessen gegen die Golgische Methode sagen, was man will, das kann meiner Ansicht nach nicht bestritten werden, dass den Färbungen und Inkrustationen, die man bei Anwendung dieses Verfahrens er- hält, ganz bestimmte Strukturen des Gewebes zu Grunde liegen müssen, wenn diese Färbungen und Inkrustationen in demselben Gewebe stets ganz konstant in genau derselben Weise auftreten. Indessen sollte man nie versäumen, die mit der Golgischen Methode erhaltenen Resultate durch andere mehr einwandsfreie Fixierungsmethoden zu kontrollieren. Dies habe ich mir auch in der vorliegenden Arbeit zur ganz speziellen Aufgabe gemacht und bin ich dadurch zu der Überzeugung gekommen, dass die der Golgischen Methode gemachten Vorwürfe zum Teil sehr ungerechtfertigt sind. So entdeckte ich — um ein Beispiel vor- weg zu nehmen — bei Raja durch Anwendung des Golgischen Verfahrens die elektrischen Stäbchen, welche in den Golgi- Präpäraten mit ausgezeichneter Schärfe hervortreten. Genau dasselbe zeigten mir sodann tadellos mit Sublimat und Osmium- säure fixierte Präparate (siehe hierüber den Text). Da es sich hier um sehr kleine, äusserst zarte und vergängliche Bildungen handelt, ist die vielseitige Leistungsfähigkeit der Golgischen Methode geradezu staunenswert. Solche Beispiele sind wohl ge- 230 E. BALLOWITZ, eignet, die fanatischen Gegner der Methode zum Schweigen zu bringen!). Bevor ich nun in die Schilderung der Ergebnisse meiner Arbeit eintrete, halte ich es für zweckmässig, zur vorläufigen Orien- tierung an der Hand der Abbildungen Fig. 1 und 2 auf Taf. XIX/XX einen Überblick über den Bau des elektrischen Elementes von Raja zu geben, soweit er durch frühere Untersuchungen, besonders von Robin, von Kölliker, M. Schultze und Ewart bereits festgestellt ist. In Betreff alles Näheren hinsicht- lich der Litteratur verweise ich auf die ausführliche Litteratur- übersicht am Schlusse meiner Arbeit. Auf eine bildliche Darstellung der makroskopischen Ver- hältnisse leiste ich hier Verzicht, da gute Abbildungen davon !) Die von mir durch Anwendung der @olgischen Methode bei Tor- pedo erhaltenen Resultate sind von einem jungen russischen Forscher, Namens Jwanzoff aus Moskau, (Bulletin de la Societe Imper. des Naturalistes de Moscou, 1894, Nr. 4) einer Besprechung unterzogen worden, ohne dass derselbe sich die Mühe genommen hat, meine Ergebnisse nachzuprüfen. Jwanzoff scheint hinsichtlich der Golgischen Methode auf demselben nihilistischen Standpunkt zu stehen, wie G. Fritsch in Berlin. Zwar sagt Jwanzoff, dass er „das elektrische Organ von Torpedo sowohl nach der langsamen Methode von Golgi, wie auch nach der schnellen Methode von Ramon y Cajal untersucht habe, aber weder in dem einen, noch dem anderen Falle zu Re- sultaten gekommen sei, vielmehr sebr viel Niederschlag auf dem Nervennetz selbst erhalten habe‘; man kann aber wohl kaum annehmen, dass Jwanzoff so wenig die mikroskopische Technik beherrscht, dass es ihm bei einiger Mühe nicht hätte gelingen sollen, sich in die Golgische Methode soweit einzu- arbeiten, um am elektrischen Organ wenigstens einige Resultate zu erzielen. Freilich gehört dazu etwas Sorgfalt und Geduld. Jwanzoff dürfte daher sehr wenig Berechtigung zu einem Urteil haben. Dasselbe muss ich G. Fritsch erwidern, in dessen Entgegnung (Verh. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin v. 9. März 1894) auf meine Kritik (28, pag. 547— 559) seiner Untersuchungen über das elektrische Organ von Torpedo, welche letztere sich auf eine Nachprüfung nach der von @. Fritsch ange- wandten Methode stützt, der Mangel jeglichen thatsächlichen Gegenbeweises durch Formlosigkeit ersetzt werden soll. Es liegt mir daher fern, darauf einzugehen und kann ich nur wiederholen, dass alles, was G. Fritsch über den feineren Bau des elektrischen Organs von Torpedo behauptet hat, das irrtümlichste und konfuseste ist, was jemals über diesen Gegenstand ge- schrieben wurde. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 291 schon von Robin (5) und in neuerer Zeit von Ewart (23—26) gegeben sind. Wie Stark (2) [1844] und bald darauf Robin (4, 5) [1846] zuerst gezeigt haben, stellt das elektrische Organ von Raja ein paariges, Jangspindelförmiges Gebilde dar, welches an beiden Seiten der Wirbelsäule in der Kaudalregion des Tieres im Bereiche der hinteren drei Viertel des Schwanzes gelegen ist. Während sein hinteres Ende bis in die äusserste Spitze des Schwanzes hineinreicht, steckt der vordere verjüngte Teil des Organs in der Muskelmasse eines Kaudalmuskels als direkte Fortsetzung dieses Muskels!),. Dadurch wird vorne das Organ von einer nach hinten hin immer dünner werdenden und bald ganz verschwindenden Muskelscheide dütenförmig umgeben. Der grössere mittlere und hintere Abschnitt reicht medial gegen die Wirbelsäule, nach aussen, unten und oben liegt er unmittelbar unter der Haut. Umgeben wird das ganze Gebilde von einer derben bindegewebigen Hülle, welche in das Innere eine grosse Zahl von bindegewebigen Längs- und Querscheidewänden hinein- schickt. Die Anordnung dieses etwas komplizierten Bindegewebs- gerüstes ist zuerst von M. Schultze (13) klar gestellt worden. Wie schon Robin (5) vermutet hat, entspricht ein Teil der Längsscheidewände den Myocommata des vor dem elektrischen 1) Robin (5) bezeichnet diesen Muskel nach Cuvier als M. sacrolum- balis. Ewart hat kürzlich (26) die Anordnung der Schwanzmuskulatur bei Rochen und Haien untersucht und miteinander verglichen. Ewart unter- scheidet auf jeder Seite fünf aus Reihen von Myomeren bestehende Muskeln, von denen drei über, zwei unter dem transversalen Bindegewebsseptum gelegen sind, welches von der Wirbelsäule zur Haut der Seitenlinie geht. Von diesen fünf Muskeln liegt einer dorsal, der andere ventral neben der Wirbelsäule, ein dritter lateral und über dem transversalen Septum. Die beiden noch übrigen Muskeln lagern sich zwischen dem Lateral-Muskel einerseits und dem dorsalen und ventralen Muskel andererseits ein und werden von Ewart als „dorsolateral“ und „ventrolateral row of cones“ bezeichnet. Von diesen fünf Muskein setzt sich bei Raja ausschliesslich der lateral gelegene direkt in das elektrische Organ fort (26, pag. 391). 292 E. BALLOWITZ, Organ gelegenen Muskels und setzt die Reihe der Myocommata direkt nach hinten hin im elektrischen Organ fort. In Über- einstimmung mit der Form der Myomeren gleichen diese Scheide- wände in einander gesteckten Kegeln mit nach vorne ge- richteter Spitze; anstatt der Myomeren befinden sich aber zwischen den Bindegewebskegeln die elektrischen Elemente. Die Bindegewebskegel sind nun mit einander durch andere Längsscheidewände verbunden, welche von vorne nach hinten etwas spiralig verlaufen und den zwischen je zweien Binde- gewebskegeln gelegenen Raum in röhrenartige Nebenräume ab- teilen. Diese Röhren sind schliesslich wiederum durch vertikal gestellte Querscheidewände in zahlreiche, über einander gelegene, kleinste Räume zerlegt. Durch diese Anordnung des bindegewebigen Gerüstes wird eine grosse Anzahl von kleinen, kammerartigen, in der Richtung von vorne nach hinten etwas abgeplatteten Hohlräumen ge- bildet. In jeder Kammer liegt je ein „elektrisches Element“, wie ich das Derivat je eines Elektroblasten samt seinen Nerven- endigungen nennen will. Jedes Element besitzt die Form einer etwas unregelmässig begrenzten, von vorne nach hinten ab- geplatteten, 4—6 bis mehrseitigen, bisweilen fast kreisrunden Platte. Die Platte, an welcher man eine vordere, eine hintere Fläche und einen Rand unterscheiden kann, füllt den vorderen Teil der Kammer aus, stösst aber nicht unmittelbar an die Hinterfläche der vorderen Kammerwand, sondern wird von der- selben durch eine schmale Schicht Gallertgewebe getrennt. Durch dieses Gallertgewebe gehen die sich reichlich verzweigenden Nerven hindurch, welche mit ihren gröberen Ästen in der bindegewebigen Fächerwand verlaufen, mit ihren feinsten End- zweigen aber an die Vorderfläche der elektrischen Platte heran- treten. Der hinter der Platte gelegene Raum wird gleichfalls von Gallertgewebe ausgefüllt, welches als Träger der Blutgefässe natomische Hefe J.Abtheilung Hett.ysur (ZBand Het 3) 1 Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 293 fungiert, die sich ausschliesslich hier hinten verzweigen, niemals aber in die elektrische Platte selbst eindringen. Die Form, sowie die gröbere Zusammensetzung des elektrischen Elementes zeigt unsFig. 1 auf Taf.XIX/XX, welche einen vertikalen Durchschnitt durch den Inhalt emer Kammer, senkrecht zu den beiden Flächen der Platte, bei schwacher Vergrösserung darstellt. G bezeichnet das vordere, G, das hintere Gallertgewebe, welches die elektrische Platte (P) umschliesst. In unmittelbarer Nähe der Vorderfläche der Platte befindet sich die kernreiche Zone der feineren Nervenverzweigungen, welche ihrer Vorder- fläche zustreben. In dem hinteren Gallertgewebe sieht man Gefässdurchschnitte. Ausserdem treten im Gallertgewebe vorne und hinten die intensiv tingierten Kerne der unregelmässig zer- streuten Bindegewebszellen hervor. Bei Doppelfärbung mit Häma- toxylin und Eosin bleibt das Gallertgewebe blau, während sich das ganze elektrische Gewebe rot färbt; dadurch erhält man sehr hübsche Übersichtsbilder. An dem Durchschnitte durch die elektrische Platte selbst (P) fällt sofort auf ihre Zusammensetzung aus einer Innensubstanz (I) und einer relativ dünnen Rindenschicht (R), welche die erstere allseitig umgiebt. In tingierten Präparaten wird diese Zusammen- setzung dadurch sehr deutlich, dass sich die Rindenschicht etwas intensiver färbt. Auch in Goldpräparaten hebt sich die dunkel violett gefärbte Rinde von dem hell gebliebenen Innern sehr auffällig ab. (Vergl. Fig. 29 auf Taf. XXVI/XXVI). Die Innensubstanz (I) zeigt die längstbekannte, so eigentüm- liche, „mäandrische‘“ Streifung, von welcher durch Leydig (9) nachgewiesen ist, dass sie von übereinander geschichteten, (bei Raja clavata) unregelmässig verschlungenen Lamellen gebildet wird. In regelmässiger Folge alterniert je eine helle mit einer dunklen Lamelle. Babuchin (15—18) hat das Verdienst, zuerst gezeigt zu haben, dass dieser eigentümliche Innenkörper hervor- geht aus der quergestreilten Muskelsubstanz des Elektroblasten. 294 E. BALLOWITZ, An zwei Stellen des Präparates (Fig. 1) haben sich die Lamellen etwas von einander getrennt, so dass künstliche Spalten ent- standen sind, eine Reagenswirkung, die nicht selten zur Beob- achtung kommt. Kerne treten in der Lamellensubstanz nur sehr spärlich auf. Um so reichlicher sind sie in der Rinden- schicht, welcher die mäandrische Streifung fehlt. Diese Rindenschicht (R) zeigt ein verschiedenes Aussehen, je nachdem sie die vordere (V R) oder die hintere Fläche (H R) der elektrischen Platte überzieht. An der vorderen, mehr ebenen Fläche erscheint sie glatt und dünn mit einer einfachen Lage zahlreicher, ziemlich regelmässig verteilter Kerne. Die hintere Fläche dagegen ist sehr uneben, mit einer grossen Zahl unregel- mässiger, nach hinten gerichteter, auf dem Durchschnitt nicht selten mit einander in Verbindung tretender Fortsätze versehen; die netzförmigen Verbindungen sind bei Raja clavata meist zahlreicher als in Fig. 1 dargestellt wurde. Die beste Anschauung von der Ge- staltung der Hinterfläche geben Flächenansichten isolierter Platten, wie man sie in Macerations - Präparaten leicht erhält! Man erkennt dann, dass die Hinterfläche dicht besetzt ist mit kleinen und grösseren, unregelmässigen, netzförmigen Erhebungen, die dadurch, dass sie hier und da mit einander in Verbindung treten, um sich dann wieder zu trennen, ein schwammartiges Aussehen erhalten. (Daher die Bezeichnung ‚Schwammkörper“, wie von Kölliker (12) die ganze Platte nannte). Wie der Durch- schnitt (Fig. 1) zeigt, wird dieses. grobe Netzwerk von der hin- teren Rindenschicht gebildet; ausserdem geht bei Raja clavata häufig noch die mäandrische Innensubstanz in die dickeren Er- hebungen dieses eigentlichen ‚„Schwammkörpers‘“ hinein. In Folge dessen ist die hintere Rindensubstanz dicker als die vordere; !) Robin hat Flächenansichten der Platte von Raja clavata schon sehr hübsch abgebildet (5 Pl. 4, Fig. 3 u. 4). Taf: XXI NK. Anatomische Hefte FAbtheilnng HeRt.XKuT (zBand Heft) AERO man. un — KL UTTTTLTTLLLUTTLLLLU NT LLC m or UNNA “an, Fe u n ONE, EL, - TONER N, un Ma, N N Man "un BE .- ar wi » 2 Een En a . “ = Anatomische Hefte IAbtheilung Heft x (Z.Band Hell Taf XXI. Fr u 2 Z z = = 52 E I - Ra Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 295 wie diese, ist sie mit gleich gestalteten, zahlreichen, ebenfalls ziemlich regelmässig verteilten Kernen versehen. Am Rande des elektrischen Elementes gehen die vordere und hintere Rindenschicht kontinuierlich in einander über. Meist ist der Rand der Platte etwas dünner und ein wenig nach hinten umgebogen. Mit der hinteren Rindenschicht treten niemals Nerven- fasern in Verbindung, die Nervenendigungen finden sich aus- schliesslich im Bereich der vorderen, glatten Rindensubstanz. Ich unterscheide also, um die Terminologie für später so- eleich festzusetzen, indem ich absichtlich möglichst indifferente Bezeichnungen wähle, an jedem elektrischen Element von Raja folgende Schichten: 1. die vordere (glatte) Rindenschicht; . die (lamelläre oder „mäandrische‘‘) Innensubstanz ; > 8 . die hintere (unregelmässig netzförmige) Rindenschicht. Alle drei Schichten zusammen bilden nach meiner Auffassung das „elektrische Gewebe‘ des elektrischen Elementes. Fig. 2 auf Tafel XIX/XX zeigt ein Stück eines vertikalen Durchschnittes durch eine Platte bei stärkerer Vergrösserung, wie vorher, aus einem nach etwas anderer Methode hergestellten Präparat. Bei V R liegt die vordere, bei H R die hintere Rinden- substanz, deren netzförmige, nach hinten gerichtete Fortsätze unregelmässig getroffen sind. Bei I,, I, und I; erstreckt sich die lamelläre Innensubstanz (I) in die gröberen Fortsätze hinein; auch noch an drei anderen kleineren Stellen sind isolierte La- mellenzüge getroffen. Zwischen den Netzbalken befindet sich das hintere Gallertgewebe (G,) mit grossen verzweigten Zellen. An die Vorderfläche der vorderen Rindenschicht treten bei N die feineren Nervenverzweigungen heran, um in die jetzt deut- lich sichtbaren Nervenendigungen (N E) überzugehen. Über die Art der Nervenendigung ist wenig Zuverlässiges bekannt und gehen die Meinungen der Autoren darüber sehr auseinander. 296 BE. BALLOWITZ, Zu den oben aufgeführten drei Schichten des elektrischen Gewebes käme mithin als vierte Lage der Platte noch die Schicht der Nervenendigungen. Das ganze Element besteht also aus 1. dem elektrischen Gewebe mit seinen drei Schichten, als dem Abkömmling der Substanz des Elektroblasten und 3, der Nervenendausbreitung, als dem Homologon der zum Elektroblasten gehörigen motorischen Nervenendplatte. Dazu kommt als Füllmasse des bindegewebigen Kästchens und Träger der gröberen Nervenäste und Gefässe, sowie zugleich als Isolator der Elemente das vordere und hintere Gallertgewebe, ersteres mit den Nervenverästelungen, letzteres mit den Gefäss- verzweigungen. — In Folgendem will ich nun den feineren Bau dieser Schichten beschreiben, wie ich ihn durch meine Untersuchungen festge- stellt habe; er ist, wie ich fand, ein sehr komplizierter. Über- haupt kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, dass es sich hier um ein recht schwieriges Gewebe handelt. Betrachten wir zunächst die vordere Rindenschicht, welche unsere Beachtung in erster Linie in Anspruch nimmt, weil die Nervenendigungen mit ihr in Beziehung treten. Behandelt man kleine Stücke des elektrischen Organs nach der schnellen Golgischen Methode und fertigt Schnitte parallel den Flächen der Platten an, so findet man die vordere Rinden- schicht in sehr charakteristischer Weise gefärbt. Die Färbung tritt sehr leicht ein und wird kaum in einem Schnitt vermisst. Man sieht dann in den Präparaten mehr oder weniger zahlreiche und verschieden grosse Stücke einer hellbraunrot tingierten Membran, die in eigentümlicher Weise siebartig durchlöchert ist. Fig. 6 auf Taf. XXI/XXII zeigt bei schwacher Vergrösserung einen Teil dieser Membran, die sich in diesem Falle, wie nicht selten, auf eine weite Strecke hin gefärbt hatte. Dass diese Membran Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 297 der vorderen Rindenschicht entspricht, zeigen sofort vertikale Durchschnitte senkrecht zu den Flächen der Platte. Die Löcher stehen in der Membran ziemlich dicht, sind rundlich oder elliptisch oder oval und differieren ein wenig in der Grösse; die elliptische Form herrscht vor. Ihre Begrenzung ist, bei schwacher Vergrösserung betrachtet (Fig. 6), meist scharf, wie mit dem Locheisen ausgeschnitten. Zuweilen kommt es vor, dass zwei oder mehr Löcher mit einander verschmelzen, was zum grössten Teil wohl auf ungenügender Imprägnation des Ge- webes beruht (Fig. 6 unten rechts). Die Membran selbst sieht bei schwacher Vergrösserung wie feinkörnig aus und erscheint an vielen Stellen gleichmässig ge- färbt. Sehr oft ist die Färbung aber auch etwas ungleichmässig, verschwommene dunkle Stellen wechseln mit helleren ab, sodass ein etwas fleckiges Aussehen entsteht. Meist sieht man ausser- dem noch (vergl. Fig. 6 und Fig. 9 rechte Seite) zahlreiche kleine helle Stellen in unregelmässiger Verteilung, welche, wie ich zeigen werde, in Beziehung zu den Nervenendigungen stehen. Untersucht man die Membran mit den stärksten Vergrösse- rungen (vergl. Fig. 9 und 10 auf Taf. XXI/XXII), so erkennt man, dass ihre braunrote Färbung bedingt wird durch eine eigenartige Struktur. An den gut ausgefärbten Stellen der Membran ist es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, sich völlige Klarheit über die Anordnung dieser Struktur zu verschaffen, solche Stellen dürften zu den schwierigsten Testobjekten gehören. Man erkennt nur eine äusserst feine Zeichnung, die aus kleinsten, punktförmigen Kreisen und Hohlräumen besteht. Dieses Aussehen ist durch Abbildung recht schwer wiederzugeben, in Fig. 10 und in der linken Hälfte der Fig. 9 ist der Versuch gemacht worden. Um sich Aufschluss zu verschaffen, muss man dünne Stellen der Membran oder die Randpartien untersuchen. Man sieht hier (Fig. 9 und 10) feinste, äusserst zarte, braun gefärbte l’ädchen, welche in kleinen, winkeligen Biegungen ver- 298 E. BALLOWITZ, laufen und oft eine Strecke weit isoliert verfolgt werden können, Diese Fäserchen senden zahlreiche kurze Äste ab, welche mit den benachbarten Fäserchen in Verbindung treten. Dadurch dass die Fäserchen sehr nahe beisammenliegen und ihre gegenseitige Verbindung eine sehr enge und dichte ist, wird ein äusserst engmaschiges, schwer definierbares Netzgerüst gebildet. Die Durchmesser der feinen Maschenlücken erscheinen kaum grösser als die sie begrenzenden Fädchen dick sind. Der Verlauf der Fäserchen scheint meist ein unregelmässiger, wirrer zu sein; nicht selten sieht man sie jedoch strichweise in bestimmter Richtung verlaufen, obgleich dies niemals sehr ausgeprägt ist. Am häufig- sten ist noch ein regelmässiger Verlauf in der Begrenzung der Löcher, um welche die Fäserchen oft in sehr deutlich eirkulären Zügen herumziehen (vergl. Fig. 9 und besonders Fig. 10). Auch über die Löcher der Membran streichen oft isolierte, sich ver- zweigende Fäserchen oder ganze Züge von solchen, von der einen zur anderen Seite hinweg!) (Fig. 10 links). Sehr häufig ragen auch freie Enden der Fäserchen mehr oder weniger weit oberflächlich in die hellen Lücken hinein, sodass die Begrenzung der letzteren nicht so scharf ist, wie es bei schwacher Vergrösserung meist scheinen will (Fig. 9). Besonders an solchen Stellen ist der un- regelmässige Verlauf der Fäserchen, ihre Verzweigung und gegen- seitige Verbindung zu den feineren und feinsten Maschen in sehr instruktiver Weise zu demonstrieren. In die feinsten Fädchen sind oft kleinste Körnchen eingelagert, die allerdings auch nicht selten vermisst werden. An den gut ausgefärbten Stellen der Membran sieht man hier und da gröbere Körnchen in unregel- mässiger Verteilung; ich lasse es dahin gestellt, ob dies Nieder- schläge in Folge zu starker Inkrustation sind, was bei der ausser- ordentlichen Zartheit der Bildung ja nicht überraschen kann. 1) Man muss sich hier jedoch hüten vor Verwechselung mit den Fäserchen der tiefer gelegenen Gewebsschicht, worüber weiter unten im Text. - Taf XNIVZAMV. natomische Hefte IAbtheilung Heft.xur (z.Band Het) Verlag vom Tag, WierEagen Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 299 Das Gewebe der Membran besteht also in den Golgi-Prä- paraten aus einem äusserst engmaschigen Netzgerüst feinster, sich verzweigender und in reichstem Maasse mit einander in Verbindung tretender, oft körnehenführender Fädchen. Die Mem- bran ist nur dünn, entsprechend dem Dickendurchmesser der vorderen Rindenschicht auf dem senkrechten Durchschnitt. Die Löcher der Membran erscheinen meist ganz hell. Oft aber geht, wie oben bereits erwähnt, eine dünne Schicht des Netzgewebes über sie hinweg. Ihr Rand wird von dem (rewebe selbst gebildet, eine die Löcher begrenzende Membran fehlt. In jedem Loche befindet sich ein grosser, von oben gesehen, meist - kreisrunder Kern mit deutlichem Kernkörperchen. Um den Kern herum sieht man in den Golgi-Präparaten, besonders, wenn sie gleich nach der Anfertigung untersucht werden, eine körnige, krümelige, nicht gefärbte Masse. In den Figuren 6, 9 und 10 der Tafel II sind diese Kerne fortgelassen, weil sie in Folge der starken Aufhellung der Balsampräparate in ungefärbtem Zu- stande meist undeutlich werden; nur in Fig. 10 wurden sie in drei Lücken eingezeichnet. Die geschilderte Struktur der vorderen Rindenschicht ist durch keine andere Methode so prägnant zur Anschauung zu bringen, als durch das Golgische Verfahren. Es gelingt aber auch durch andere Methoden die Bestätigung von dem Vorhan- densein des Netzgerüstes zu erhalten. Allerdings zeigt die Rinden- substanz in Schnitten durch mit Sublimat, Flemmingschem Gemisch u. a. R. fixiertes Material, ferner nach Behandlung mit Müller’scher Lösung und Lösungen von Kali bichromieum, ein feinkörniges oder auch mehr homogenes Aussehen. (Vergl. Fig. 1, 2, 3 und 4 auf Tafel XIX/XX). Weniger ist dies schon in guten Goldpräparaten der Fall, wo auf dünnen Schnitten die feinsten Körnchen eine mehr netzige Anordnung zeigen. In guten Zupfpräparaten bei Untersuchung in Wasser gelingt es, an den Rändern der Rindenstücke feinste, kurze Fäserchen, die Anatomische Hefte, I. Abteilung. Heft XXIII (7. Bd. H. 3). 20 300 E. BALLOWITZ, sich mit einander zu engen Netzen verbinden, deutlich zu er- kennen. Besonders Zupfpräparate von vergoldetem Material sind hierzu geeignet. Nicht unerwähnt will ich lassen, dass ich in den Zupfpräparaten von mit Osmiumsäure und Kalibichro- micum behandeltem Material bisweilen bei Flächenansicht eine Netzzeichnung antraf, deren Maschen weit grösser und unregel- mässiger waren, als oben beschrieben wurde; das Ganze machte mehr den Eindruck von Vakuolenbildungen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine unvollkommene Reagenswirkung. Die Bedeutung der Löcher der braunroten Membran in den Golgi-Präparaten ist bei Behandlung des Gewebes nach anderen Methoden leicht festzustellen: sie dienen zur Aufnahme von Zellen. Am deutlichsten abgegrenzt sieht man diese Zellen in Gold- präparaten. Fig. T auf Taf. XXI/XXIl ist einem Zupfpräparat von mit Goldchlorid behandeltem Material entnommen und giebt uns in der Flächenansicht eines Stückchens der vorderen Rindenschicht gewissermassen das Positiv zu dem Negativ der Fig. 6 des Golgi-Präparates. Das Gewebe der Rindensubstanz hat sich hier nur wenig gefärbt, um so deutlicher treten die dunkel- violett tingierten Protoplasmakörper der Zellen hervor. Das Protoplasma sieht grobkörnig aus, setzt sich von der Umgebung ziemlich scharf ab und umschliesst einen hellen, grossen Kern, der gewöhnlich excentrisch liegt. Selten befinden sich zwei Kerne in einer Zelle oder zwei Zellen stossen so dicht an ein- ander, dass sie zu einem semmelartigen Gebilde zusammen- fliessen. (In dem in Fig. 7 abgebildeten Präparat war dies zu- fällig an drei Stellen der Fall). Durch Zerzupfen lassen sich die Zellen leicht isolieren und schwimmen dann in grösserer Zahl in jedem Präparat herum. Fig. 8 auf Taf. XXI/XXII zeigt zwei isolierte Zellen aus dem Zupfpräparat eines mit Goldchlorid behan- delten und in Mixtur konservierten Präparates. Auch nach anderen Methoden ist es leicht, das Protoplasma der zelligen Elemente yon der Zwischensubstanz deutlich abzugrenzen. Das gelingt Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 301 z. B. in jedem Schnitt durch mit Sublimat, Flemmin g'scher Lösung u. a R. fixiertes Material nach Färbung mit Häma- toxylin oder Anilinfarben; auch Präparate von mit Müller- scher Lösung oder Kalibichromieum-Lösungen behandelten Organ- stücken leisten dies. In den Figuren 2—5 auf Taf. XIX/XX ist z.B. jeder Kern von einem deutlichen Hofe grobkörnigen Proto- plasmas umgeben. In dünnen Schnitten kann es vorkommen, dass das Protoplasma der Zelle getroffen wird, während der Kern nicht mehr mit in den Schnitt gefallen ist (vgl. Fig. 2 an zwei Stellen). Dasselbe gilt für die Zellen der hinteren Rinden- schicht. Misst man die Grösse der Protoplasmaleiber und ver- gleicht sie mit der Grösse der Löcher in der braunroten Mem- bran der Golgi-Präparate, so erhält man ziemlich genau die- selben Werte. Daraus folgt, dass die Löcher von den Zellindi- viduen eingenommen werden. Der Kern und ein Teil des Protoplasmas sind ja auch schon in den Golgi-Präparaten, wie oben angegeben, in jeder Lücke wahrzunehmen, wenn die Aufhellung nicht zu stark geworden ist. Mit der Form der Löcher stimmt auch die Form der Zellen überein (vgl. Fig. 6 mit Fig. 7). Infolge der Dünnheit der vorderen Rindenschicht sind die Zellen von vorne nach hinten abgeplattet, wie am besten Durchschnitte der Platte senkrecht zu ihrer Oberfläche zeigen (vgl. Fig. 2-5). Auch die grossen Kerne zeigen gewöhnlich diese Abplattung und besitzen 1—2, selten 3 relativ grosse, leicht färbbare, kugelige Kernkörperchen. Die vordere Rindensubstanz wird also gebildet von einer dünnen Platte aus einem filzartig dichten, feinfädigen, äusserst engmaschigen Netzgerüst und von zahlreichen in besondere Lücken des Netzgerüstes eingelagerten Zellen. Das Netzgerüst ist als eine spezifische Zwischensubstanz aufzufassen, als deren Bildner die Zellen angesehen werden müssen.‘ Was sich in dem engen Hohlraumsystem des Netzgerüstes vorfindet, vermag ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen. Aller Wahrscheinlichkeit wird 20* 302 E. BALLOWITZ, es von einem flüssigen, plasınatischen Gewebsbestandteil einge- nommen. Jedenfalls habe ich hier ebenso wenig, wie bei Tor- pedo, einen Anhalt dafür gewonnen, dass in den Lücken Körn- chen in regelmässiger Verteilung angeordnet sind. Das gewöhn- liche feinkörnige Aussehen der Rindensubstanz erklärt sich zur Genüge durch die Existenz des geschilderten Netzgerüstes. Alle früheren Beobachter!) haben die Rindensubstanz als „Protoplasma“ oder „protoplasmatisch“ angesprochen. Davon kann aber keine Rede sein, da gewöhnliches Zellprotoplasma niemals die beschriebene Reaktion mit der Chromsilbermethode eiebt. Es handelt sich hier schon um eine wesentlich modifi- zierte Zwischensubstanz. Allerdings erinnert die gefundene Struktur lebhaft an das Bild, unter welchem man sich die Protoplasmastruktur wohl vorzustellen pflegt, worauf ich schon bei meiner Untersuchung über Torpedo hingewiesen habe. Damit ist der feinere Bau der vorderen Rindensubstanz des elektrischen Elementes von Raja aber noch nicht erschöpft. Dünne mit Hämatoxylin oder Anilinfarben tingierte Schnitte von 3—D u Dicke durch das mit Sublimat fixierte Organ zeigten mir noch eine weitere Struktur, der ich eine hohe Bedeutung für die elektrischen Organe überhaupt beilege, nämlich die elek- trischen Stäbchen. Fig. 3 auf Taf. XIX/XX stellt den Durchschnitt durch ein Stück der vorderen Rindensubstanz dar. Der Schnitt ist senkrecht zur Oberfläche der Platte gefallen. In der Rindensubstanz (V R.) sieht man drei deutlich abgegrenzte Zellen mit ihren abgeplat- teten Kernen und intensiv gefärbten Kernkörperchen. Bei J sind an ihrer Hinterfläche noch vier dunkle Lamellen der Innensub- ı) Merkwürdig ist, dass den meisten Beobachtern, auch den neueren, die eingelagerten Zellen entgangen sind, obwohl die Kerne stets erwähnt werden. Nur M. Sehultze (13) hat ihre Existenz richtig erkannt und ge- würdigt. Dass sich hierin die Arten von Raja verschieden verhalten, wäre möglich, ist mir aber nieht wahrscheinlich. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 303 stanz mitgetroffen. Der Vorderfläche der Rindensubstanz liegen Nervenendigungen (NE) dicht an und zwar so dicht, dass sie sich mit ihrer hinteren konvexen Fläche im die Rindensubstanz eindrücken, ja bisweilen fast ganz einlagern. Wie hier schon im voraus bemerkt sein mag, sind die Nervenendigungen (NE) von einer als dunkle Begrenzung deutlich hervortretenden Hülle umgeben; ausserdem werden sie durch eine mit ihrer Hülle zusammenhängende Membran (S), die als scharf gezogene Rand- linie sichtbar ist, verbunden (Siehe das Nähere hierüber weiter unten im. Text). Von der in die Rindensubstanz vorragenden Hinterfläche der Hülle der Nervenendigungen sieht man nun zarte, scharf begrenzte, kurze Linien ausgehen, welche alle von gleicher Länge sind und nach kurzem Verlaufe aufhören. Dadurch ent- steht eine sehr deutlich gestrichelte, schmale Zone im vorderen Teil der Rindenschicht (bei St). Die Linien sind alle gleich diek, ohne jede Anschwellung, vor allem fehlen Endknöpfchen. Bei genauer Einstellung erkennt man, dass jedes dunkle Strichel- chen der Ausdruck eines von der Umgebung scharf abgesetzten Stäbchens ist. Noch deutlicher wird dies bei Färbung mit Anilinfarben, z. B. mit Säurefuchsin, besonders wenn die Prä- parate einige Tage unter dem Deckglase unter Wasser gelegen haben, sodass die Färbung sich mehr differenziert hat. Über- haupt ist die Untersuchung in Wasser geboten, da sonst die feineren Lichtbrechungsdifferenzen verlöschen. Fig. 4 auf Taf. I zeigt einen Schnitt nach Färbung mit Säurefuchsin bei Unter- suchung in Wasser. Wie in Fig. 3, ist auch hier nur die vor- dere Rindenschicht (VR) mit den ihr anliegenden Nerven- endigungen (NE) gezeichnet. Wie man sieht, treten (bei St) die Stäbchen als solche ausserordentlich scharf begrenzt hervor. Sie finden sich nur an der der Rindensubstanz zugekehrten Fläche der Nervenendigungeu. Da diese hintere Fläche meist stark konvex ist, die Stäbchen aber senkrecht auf den Endigungen 304 E. BALLOWITZ, stehen, so sind die Stäbchen in der Platte nicht alle parallel neben einander direkt von vorne nach hinten gerichtet, vielmehr stehen sie, je näher dem Rande der konvexen Nervenendigungen, um so schräger. Die Nervenendigungen haben daher mit ihren nach hinten abstehenden Stäbchen etwas Igelartiges (siehe Fig. 3 und 4, St). Würde man ein derartiges Präparat von der Fläche betrachten, so müssten die randständigen Stäbchen am Rande der Nervenendigungen mehr oder weniger kammartig vorstehen, wie in der That Flächenschnitte zeigen. (Siehe hier- über weiter unten). Die Zahl der Stäbchen auf den Nerven- endigungen ist eine sehr grosse. Ich glaube mich nun überzeugt zu haben, dass die Stäbchen nicht allein auf der Hinterseite der Nervenendigungen, sondern auch an der Hinterfläche der sie verbindenden Membran (S der Figg. 3 und 4) stehen. Jedenfalls waren sie auf den Schnitten in den Räumen zwischen den Durehschnitten der Nervenendig- ungen meist deutlich sichtbar; bisweilen fehlten sie dort oder waren nur spärlich vorhanden. Vielleicht kann jedoch die Mög- lichkeit nicht ganz ausgeschlossen werden, obwohl die Schnitte sehr dünn waren, dass die Stäbchen wenigstens zum Teil Nerven- endigungen angehörten, welche nicht oder nicht ganz in den Schnitt gefallen waren, da die Nervenendigungen etwas unregel- mässig stehen, in den Sublimatpräparaten oft nicht ganz deut- lich sind und die Stäbchen auf den Endigungen nach ver- schiedenen Richtungen divergieren. Indessen werden wir sehen, dass mir auch die anderen Methoden Stützen dafür gegeben haben, dass die Stäbchen der Hinterfläche der Membran nicht fehlen. Betonen möchte ich noch, dass die stäbchenführende Zone ausschliesslich in der vorderen Rindenschicht liegt, soweit als die Nervenendigungen reichen. Mit dem Nachweis der Stäbchen in Schnittpräparaten habe ich unter meinem fixierten Material eigentlich nur an dem Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 305 Sublimat-Material Erfolg gehabt. An mit Flemming scher Lösung, Chromessigsäure und Osmiumsäure fixierten Stücken konnte ich die Stäbchen deutlich nicht mehr zur Darstellung bringen. Zwar sieht man oft noch etwas von der Stäbchenzone, aber ohne wünschenswerte Klarheit. In meinen Goldpräparaten war keine Spur mehr davon wahrzunehmen (vgl. Fig. 5 auf Taf. I). Daraus ist wohl zu schliessen, dass die Stäbchen sehr zarte, leicht vergängliche Bildungen sind, die besonders empfind- lich auf Essigsäure und Wasser reagieren. Bevor es mir gelang, die elektrischen Stäbchen bei Raja in der geschilderten Weise zur Darstellung zu bringen, hatte ich sie schon mit Hülfe der Golgischen Methode aufgefunden. Wie bei Torpedo, färben sie sich auch bei Raja leicht und ist es nicht schwer, bei einiger Sorgfalt gute Präparate zu erhalten. Für die Untersuchung empfehlen sich vor allem Schnitte, die parallel den Flächen der elektrischen Platten gehen. Bei gut ausgefallener Reaktion sieht man in den Schnitten an vielen Stellen in einer Ebene ausgebreitete, braun gefärbte, eigentümlich zusammengesetzte, netzartige Zeichnungen (Figg. 17, 18 und 19 auf Taf. XXIH und XXIV/XXV). Die Streifen, welche die Netze zusammensetzen, sind unregelmässig hin und her ge- bogen und ungleich breit, oft wie eingeschnürt. Durch Seitenäste treten sie miteinander in Verbindung, indessen sind diese Netz- verbindungen nicht so reichlich, wenn auch mit Bestimmtheit bei guter Färbung in grösserer Zahl nachweisbar. Oft tritt auch nur eine Berührung der Fortsätze ein. Häufiger noch, als die Netzverbindungen, sind frei endigende, an den Spitzen bisweilen etwas umgebogene oder verdickte, meist abgerundete kurze Fortsätze. Hierdurch erhält die ganze Zeichnung etwas sehr Eigenartiges und Unregelmässiges, ich möchte auch sagen, etwas Plumpes, wenn ich sie mit der ähnlichen Bildung bei Torpedo vergleiche (28, Taf. 29 und 30). Dieser Eindruck wird noch dadurch vermehrt, dass die Färbung, wie es scheint, oft unvoll- 306 E. BALLOWITZ, ständig bleibt, sodass grössere oder kleinere Lücken in den Netzen entstehen (vgl. besonders Fig. 19). Auch wird die Zeich- nung am Rande der gefärbten Stellen oft dadurch defekt, dass nur Stücke der Netzbalken braun gefärbt sind; in der Nähe der mehr oder weniger zusammenhängenden Netze liegen dann voll- ständig isolierte Stücke, wie z. B. in Fig. 18 unten rechts. Stets sind die Netze in einer Ebene ausgebreitet, abgesehen von den Faltungen, welche die elektrische Platte durch Schrumpfung infolge von Reagenswirkung naturgemäss oft erleidet. Nicht selten sind diese Zeichnungen auf grosse Strecken hin ausge- prägt (Figg. 17—19), wenn auch nicht so ausgedehnt, wie bei Torpedo; meist tritt jedoch ihre Imprägnation nur flecken- weise auf. Was diesen Netzen nun ein ganz eigentümliches Aussehen giebt und am meisten in die Augen springt, ist ihr dichter, pelzartiger Besatz mit kleinen, braun gefärbten Stäbchen (Figg. 17—19 auf Taf. XXIII und XXIV/XXV; Fig. 28 auf Taf. XXVI’XXVI). Ich will die Netze daher als „Stäbchen- netze“ bezeichnen; in wie weit sie mit den Nervenendigungen zusammenfallen, wird noch erörtert werden. Die Identität dieser Stäbchen mit den oben von mir be- schriebenen wird sofort klar bei Untersuchung mit starken Ver- grösserungen (Figg. 17 auf Taf. XXHl und 18 auf Taf. XXIV,XXV). Sie erscheinen dann als kleine, gerade, braun gefärbte Stäbchen von ziemlich starker Lichtbrechung. Ihre Länge beträgt 0,0014 bis 0,0018 mm. Mit ihrem einen Ende sitzen sie unter rechtem Winkel der Netzzeichnung auf. Das andere Ende ragt frei hervor, ist meist leicht zugespitzt, sonst abgerundet oder quer abgestutzt. Die Stäbchen sind gerade gestreckt, nur selten ein wenig umge- bogen. Einlagerungen von Kügelchen in die freien Enden, wie ich sie bei Torpedo beschrieben, fehlen hier durchaus. Im optischen Querschnitt erscheinen sie meist als kleine Kreise mit etwas hellerem Innern. band HeR.3.) L Anatomische Helle IAbtheilung Heixxr f. Laß XXVIAXTN. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 307 Diese Stäbchen sitzen nun in ausserordentlich grosser Zahl den Netzbalken an. Die Streifen des Netzes sind wie mit einem dichten Pelze von Stäbchen besetzt, sodass sie förmlich davon starren (Fig. 17). Dabei stehen sie stets einzeln in im all- gemeinen ziemlich regelmässigen Abständen; doch scheinen die Zwischenräume auch ein wenig zu variieren, sodass die Stäbchen an der einen Stelle etwas dichter, an einer anderen ein geringes weniger dicht stehen. Durch die zahllosen Stäbehen wird über- haupt erst die dunkelbraune Färbung der Netzzeichnung bedingt, da die sie tragende Membran nur hellbraun, wenn auch sehr deutlich, tingiert ist. Stäbchenkombinationen, wie ich sie bei Torpedo beschrieben habe, fehlen bei Raja, ich habe hier nie- mals Andeutungen davon gesehen. Überhaupt machen die Stäb- chen von Raja, im Vergleich mit denen von Torpedo, einen weniger vollkommenen Eindruck. Die Zahl der Stäbchen ist, wie auch schon von den oben beschriebenen Schnittpräparaten hervorgehoben, eine ganz enorme. Meiner Schätzung nach zählen sie in jedem elektrischen Element, wenn nicht nach Millionen, so doch nach vielen Hunderttausenden. Gerade diese Golgi- Präparate!), in denen die Stäbchen so prägnant gefärbt und bei Flächenansicht in so grosser Zahl hervortreten, führen recht eindringlich vor Augen, dass es sich in den Stäbchen um ein wichtiges, für die Anatomie und Physiologie des Organs wesent- liches Strukturelement handeln muss, dessen Bedeutung schon wegen seiner enormen numerischen Ausbildung jedenfalls nicht gering anzuschlagen ist. 2 Bei flüchtiger Betrachtung der Präparate in der Flächen- ansicht könnte es nun scheinen, als ob die Balken der Netze in 1) Natürlich ist von den Stäbchen in den Golgi-Präparaten nicht das Allergeringste zu sehen, wenn die angegebene charakteristische Färbung aus- geblieben ist. Nur wenn die Präparate abhlassen, sieht man an Stelle der braunen Stäbchen noch eine Zeit lang glänzende, fast ganz farblos gewordene (Gebilde. 308 E. BALLOWITZ, ihrer ganzen Peripherie mit dem Pelzbesatz der Stäbchen versehen wären. Dieses ist aber durchaus nicht der Fall, wie eine Unter- suchung schon der Flächenansichten bei starker Vergrösserung unter Benutzung der Mikrometerschraube zeigt. Ein Vergleich der Abbildungen Fig. 17, 18 und 19 mag dies erläutern. Die drei Figuren stellen die Stäbehennetze bei etwas verschiedener Ver- grösserung dar; in Fig. 17 sind sie am stärksten, in Fig. 18 etwas weniger stark und in Fig. 19 am schwächsten vergrössert. In Fig. 18 blickt man von oben auf die Vorderfläche einer elektrischen Platte. Stellt man ganz oberflächlich ein, so dass nur gerade das Netz sichtbar zu werden beginnt, so sieht man von den Stäbchen zunächst noch nichts. Bewegt man das Objektiv um eine Idee weiter nach unten, so wird das Netz als verwaschene braune Zeichnung sichtbar. Zu beachten ist dabei, dass die Ränder der Netzzeichnung als dunkle, scharf begrenzte Linien membran- artig sehr deutlich hervortreten. Dabei will es oft scheinen, als wäre der von diesen Konturen umschlossene Raum gar nicht oder nur sehr wenig gefärbt. In Fig. 18 ist an einer Stelle oben rechts versucht worden, ein Stück des Netzes bei oberflächlicher Einstellung zu zeichnen; von den Stäbchen ist hier noch nichts zu sehen. Stellt man noch etwas tiefer ein, so erscheinen end- lich die Stäbchen und zwar werden sie gewöhnlich am Rande der Netzstreifen früher deutlich, als in ihrer Mitte. Hier sieht man sie gewöhnlich als dunkle Kreise, während die Stäbchen der Randpartien meist am Rande der Netzstreifen kammartig hervorragen (Fig. 18). Aus dem Beobachteten ist zu folgern, dass die Stäbchen nur der Hinterfläche der Netzstränge eimgepflanzt sind und dass diese Hinterfläche gewöhnlich etwas gewölbt ist. Bisweilen scheint es übrigens, als wenn in den Golgi-Präparaten nur die hintere stäbehentragende Wand der Netzstreifen gefärbt ist. Wenn man umgekehrt eine unter dem Mikroskop mit ihrer Hinterfläche nach oben gewandte elektrische Platte einstellt, wird Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 309 man zuerst die nach oben und den Seiten hin starrenden Stäb- chen antreffen, wie in Fig. 17 auf Taf. XXIII dargestellt ist. Bei schwächerer Vergrösserung (Fig. 19 auf Taf. XXIV/XXV) gehen die Stäbchen in der braunen Netzzeichnung gewissermassen mehr unter, besonders wenn die Vorderfläche des Netzes nach oben gewandt ist (Fig. 19). Die schräg gerichteten Randstäbchen sieht man als kleine Spitzen hier und da am Rande der Netz- balken hervorlugen, während die mehr vertikal (d. h. in der Platte von vorne nach hinten) gerichteten Stäbchen eine dichte Punktierung der Netzzeichnung hervorrufen (Fig. 19). Die Probe auf die Richtigkeit unserer Beobachtung am Flächenschnitt liefern uns Schnitte senkrecht zur Oberfläche der Platte (Fig. 28 auf Taf. XXVI/XXVIN). Wir erkennen dann, dass die Netzbalken meist abgeplattet-cylindrische Streifen darstellen. Die (nach oben gerichtete) Vorderfläche der Streifen ist glatt, aus- schliesslich ihre Hinterfläche trägt den Stäbchenbesatz. Das Gleiche nimmt man nicht selten schon bei Flächenansicht wahr, wenn geringe Faltungen in der Platte entstanden sind. In Fig. 17 ist dies an mehreren Stellen der Fall, z. B. bei O. Wir sehen hier also durch die Golgische Methode nach jeder Richtung hin alles genau bestätigt, was wir im sorgfältig angefertigten Schnittpräparat von mit Sublimat fixiertem Material schon gefunden hatten: mehr kann man von der Golgischen Methode füglich nicht verlangen. Damit steht im Einklang, dass ich in den Golgischen Präparaten nicht selten auch zwischen den Netzbalken gefärbte Stäbchen angetroffen habe, stets aber in Verbindung mit einer Membran. Ist das Stäbchennetz in grösseren Flecken inkrustiert, so findet man bisweilen die dunkel gefärbten Netzbalken durch eine zarte, gelbbraun gefärbte Membran verbunden, an deren Hinter- fläche von vorne nach hinten gerichtete Stäbchen sichtbar sind. Die Stäbchen scheinen hier weiter zu stehen als an der Hinter- 310 E. BALLOWITZ, fläche der Netzbalken. Bisweilen färbt sich diese Membran auch auf grössere Strecken. Ich habe mich nun schliesslich noch bemüht, um die Zupf- methode nicht zu vernachlässigen, an isolierten, gut fixierten Plattenstücken Flächenansichten der Stäbchennetze und Stäbchen zu erhalten. Wie oben erwähnt, scheinen die Stäbchen sehr empfindlich und leicht vergänglich zu sein. In allen meinen mit Wasser nachbehandelten Osmiumpräparaten, ferner in den Zupfpräparaten von mit M üllerscher Lösung, Kalibichromikum- und Goldchlorid-Lösungen behandelten Organstücken habe ich nichts mehr von ihnen sehen können. Auch ist die Untersuchung isolierter Stücke im Zupfpräparat recht schwierig. Denn es lassen sich die einzelnen Schichten nicht so vollkommen von einander trennen, wie bei Torpedo, sodass man bei Raja auch nicht annähernd so elegante Isolations-Präparate erhält, wie bei dem Zitterrochen. Zwar kann man die dem Stäbchennetz ent- sprechende Gewebslage von dem dicken, undurchsichtigen übrigen Teil der elektrischen Platte ablösen, doch bleibt damit stets noch im Zusammenhang die dicke Schicht der Nervenverästelungen mit ihren Kernen und den Zellen des vorderen Gallertgewebes, meist auch noch die vordere Rindenschicht. Man hat es daher, auch bei sorgfältigster Präparation, immer noch mit einer dickeren Gewebslage zu thun, in welcher man das zarte Stäbchennetz mit Hilfe der Mikrometerschraube aufsuchen und einstellen muss. Um darin Einzelheiten bei Immersion einigermassen klar zu sehen, bedarf es eines sehr guten Lichtes, genauster Einstellung und schärfster Beobachtung. Von dem auf Helgoland für Zupfpräparate konservierten Material habe ich für diesen Zweck nur die Örganstücke ge- brauchen können, welche 24 Stunden mit 1°joiger Lösung von Osmiumsäure behandelt und dann, ohne voraufgegangene Wasser- spülung, sogleich in 3 /oige Lösung von Kalibichromikum gelegt waren; hierin wurden sie bis zur Präparation aufbewahrt. Fig. 15 Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 311 und Fig. 16 auf Taf. XXI/XXI zeigen eine Stelle aus einem derartigen Zupfpräparate bei hoher (Fig. 15) und tiefer (Fig. 16) Einstellung. Das Stück lag so, dass die vordere Fläche nach oben gegen das Deckglas gewandt war. Bei hoher Einstellung erschien die Netzzeichnung gleichmässig hell und scharf be- grenzt. Die Netzverbindungen sind genau so gezeichnet, wie ich sie im Präparat gesehen habe; gerade hier, wie auch an zahlreichen anderen Stellen dieser Präparate, konnte ich sie gut überblicken. Bei N geht ein Nervenendzweig direkt in einen Netzstreifen über. Am Rande der Netzstreifen sah ich nun feine Stäbchen vorragen, die als solche sehr deutlich her- vortraten ; auch ihr freies Ende setzte sich scharf von der Um- gebung ab. Dies sind die elektrischen Stäbchen , welche dem Rande der meist gewölbten Unterfläche der Netzzüge aufsitzen. Je stärker die Wölbung dieser Unterfläche ist, um so schräger stehen die Stäbchen, um so mehr müssen sie bei Flächenansicht am Rande der Streifen vorspringen. Ist die Konvexität der Unterfläche sehr schwach oder gar nicht vorhanden, so werden die Randstäbchen kaum oder gar nicht den Rand der Netz- balken überragen. Man trifft daher hier, wie auch in den Golgi- Präparaten, die Ränder der Netzstreifen oft ganz glatt oder nur mit undeutlichen kurzen Vorsprüngen besetzt (Vgl. auch Fig. 18 und 19 auf Taf. XXIV/XXV). Zwischen den Netzstreifen, welche sich, wie uns die Sublimatschnitte gezeigt haben, in das darunter gelegene Gewebe eindrücken, quillt nun gewissermassen die da- zwischen gelegene Substanz etwas hervor. In diesen Räumen wollte es mir bei oberflächlicher Einstellung (Fig. 15) scheinen, als ob hier zerstreute Punkte wie Stäbchenquerschnitte sichtbar würden. Man muss sich allerdings hüten, die Körnelung der vor- deren Rindenschicht damit zu verwechseln. Die Pünktchen waren nicht in allen Zwischenräumen sichtbar, wie überhaupt diese Beobachtung aus den oben angedeuteten Gründen schon etwas schwierig wurde. 312 E. BALLOWITZ, Fig. 16 zeigt uns genau dieselbe Stelle bei. etwas tieferer Einstellung. Die vorher hellen Netzstreifen erscheinen jetzt sehr deutlich punktiert. Am schärfsten sind die Punkte wieder in der Mitte der Streifen. Gegen die Ränder hin scheinen sie sich zu verlängern und gehen in die jetzt verschwundenen, seitlich vor- ragenden Stäbchen direkt über, wenn man die Einstellung wieder um ein geringes höher zurückführt. Die Pünktchen werden also, wie in den Golgi-Präparaten (vgl. Fig. 18 und 19), durch die optischen Querschnitte der elektrischen Stäbchen bedingt. Nur erscheinen die Pünktchen und Stäbchen hier etwas zarter und feiner, als in den inkrustierten Golgi-Präparaten. Es liegt auf der Hand, dass diese unwesentliche Differenz in der Eigenart der verschiedenen Methoden begründet ist. Somit gelingt es bei Raja auch am Osmiumsäure-Präparat, im Flächenbild die „elektrische Punktierung‘‘ nachzuweisen, welche von Boll vor Jahren bei Torpedo entdeckt wurde und welche nach ihrem Entdecker auch wohl als „Bollsche Punk- tierung‘“ bezeichnet ist. Wie ich in meiner früheren Arbeit ge- zeigt habe, entsteht das Bild der „elektrischen Punktierung“ beim Zitterrochen aber in etwas anderer Weise als bei Raja insofern, als dort hauptsächlich die von mir beschriebenen End- kügelchen der elektrischen Stäbchen die Punktierung bedingen. Es erübrigt jetzt noch, bevor ich auf die anderen Schichten eingehe, die Lagebeziehungen der Stäbchen zu ihrer Nachbar- schaft zu berücksichtigen. Wie die senkrechten Durchschnitte der Sublimat-Präparate in Fig.3 und 4 auf Taf. XIX/XX uns schon gezeigt haben, befinden sich die Stäbchen in innigem Kontakt mit der vordersten Schicht der vorderen Rindensubstanz. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass sie entweder ganz oder doch mit ihren hinteren Enden in das Netzgerüst der Rindenschicht hineinragen und gewissermassen darin stecken. In feinen Durchschnitten setzt sich die Zone der Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 313 Stäbchen nicht scharf von dem Gewebe der Rindensubstanz ab, eine Grenze zwischen Rinde und Stäbchenlage ist nicht vor- handen, vielmehr heben sich bei guter Färbung zwar die einzelnen Stäbchen scharf von ihrer Umgebung ab, das Gewebe, worin sie stecken, hängt aber direkt mit der Rindensubstanz zusammen, stellt nur einen Teil der letzteren dar. Dass die Stäbchen in das Gerüstwerk der Rindensubstanz, wenigstens zum grössten Teil, hineinragen müssen, geht schon daraus hervor, dass die Netzbalken oft tief in die Rindensubstanz eingelagert sind, wie Fig. 4 auf Taf. XIX/XX zeigt; um so weiter nach hinten müssen auch die Stäbchen reichen. Auch in den Golgi-Präparaten ist die enge Beziehung der Stäbchen zu der Rindenschicht festzustellen. Hier kommt es nicht selten vor, dass das Stäbchennetz und das Netzgerüst einer Platte an derselben Stelle gleichzeitig gefärbt sind (Fig. 18). Das Stäbchennetz liegt dann dicht an der Vorderfläche der braunen Netzmembran und zwar so, dass alle Stäbchen gegen dieselbe ge- richtet sind. Bei scharfer Einstellung des Stäbchennetzes ist das braune Netzgerüst der Rindenschicht undeutlich; geht man eine Idee mit dem Tubus tiefer, so wird das letztere scharf. In Fig. 18 auf Taf. XXIV/XXV ist das Netzgerüst nicht ganz scharf einge- stellt, weil das Stäbchennetz gezeichnet wurde; man sieht, dass die Stäbchen nach hinten gegen die Gerüstsubstanz gerichtet sind, viele Randstäbchen allerdings ziemlich schräg. Dadurch dass diese mit Stäbchen besetzten Netzbalken oft in die Gerüst- masse der Rindenschicht eingedrückt sind, entsteher in den Golgi-Präparaten auch die so häufigen, schmalen, unregel- mässigen, hellen Stellen, auf welche bei Schilderung der durch- löcherten Membran oben aufmerksam gemacht wurde. (Vgl. Fig. 6 und Fig. 9, rechte Seite, auf Taf. XXI/XXIL) Wie Fig. 18 auf Taf. XXIV/XXV zeigt, gehen die mit den Stäbchen be- setzten Netzzüge auch über die Zellücken hinweg, müssen hier also auch'mit dem Protoplasma der in den Löchern gelegenen 314 E. BALLOWITZ, Zellen, wenn nicht in Berührung, so doch in engste Nachbar- schaft kommen. Weit schwieriger ist es, die Beziehungen der Stäbehen und des Stäbchennetzes zu den vor der Platte gelegenen Nerven fest- zustellen. Dies ist der heikelste Punkt meiner Untersuchung. Das Sichere, was ich eruieren konnte, ist folgendes. Wie von den früheren Autoren beschrieben worden ist, verlaufen die stärkeren, noch markhaltigen Nerven in der vor- deren Scheidewand einer jeden Kammer. Von dort treten sie in das vordere Gallertgewebe, verzweigen sich hier reichlich und werden marklos. Mit Hilfe der Golgischen Methode gelingt es leicht, die marklosen Nervenzweige zu färben. In Flächen- schnitten (z.B. Fig. 17 auf Taf. XXIII) kann man sie auf grosse Strecken hin verfolgen und sieht, dass sie sich reichlich dicho- tomisch teilen, bis die feinsten Reiserchen in die Endverzwei- gungen übergehen. Bisweilen zerfällt eine Nervenfaser auch in 3—4 Zweige, niemals aber findet eine netzförmige Verbindung dieser Nervenäste statt, vielmehr verlaufen sie stets isoliert, über- kreuzen sich aber häufig. Die Art der Verzweigung dieser Nervenendbäume ist nicht so zierlich und regelmässig geweih- förmig, wie bei Torpedo. Auch kommen Wagnersche Büschel niemals zur Beobachtung. Dagegen ist das Organ nicht minder nervenreich, als beim Zitterrochen. Besonders in etwas dieckeren Schnitten der Golgi-Präparate, welche senkrecht zur Oberfläche der elektrischen Platte ausgeführt sind, fällt die grosse Zahl feinster Nervenäste auf, die der Vorderfläche der Platte zustreben (Fig. 23 auf Taf. XXVI/XXVI). Der Verlauf der Endzweige ist auf ihrer letzten Strecke vorwiegend senkrecht zur Oberfläche der Platte (Fig. 23). Auch in Schnitten durch mit Sublimat, Chromosmium- essigsäure u. s. w. fixiertes Material ist der Reichtum an Nerven- ästen und ihr Verlauf festzustellen (vgl. Fig. 2 auf Taf. XIX/XX). Recht deutlich treten die Nerven oft auch in den Goldpräparaten hervor; auch hier kann man sich davon überzeugen, dass keine Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 315 gegenseitige Verbindung der Fasern stattfindet. In diesen Prä- paraten sieht man in geringer Entfernung von der elektrischen Platte den letzten Verzweigungen der Nerven grosse, häufig etwas unregelmässige Kerne anliegen, welche der Nervenscheide der Fäserchen angehören (Fig. 2). Ihre Zahl ist nicht unbe- trächtlich und finden sie sich, wie erwähnt, hauptsächlich in einer Zone in geringer Entfernung von der Platte. Diese Zone erscheint daher in Übersichtsbildern (Fig. 1) kernreicher, als die Umgebung. Es lässt sich feststellen, dass die Nervenendzweige bis an die Vorderfläche der Platte von einer feinen, sie umschlies- senden Scheide begleitet werden. Wie endigen nun die Nerven? Diese wichtige Frage ist bei Raja recht schwer zu entscheiden. In den Golgi-Präparaten sieht man die Nervenendäste in zweifacher Weise endigen. In dem einen Falle gehen die Nervenendäste in relativ breite, in- tensiv schwarz oder schwarzbraun gefärbte, abgeplattet-cylindrische Streifen über, die sich nur eine kurze Strecke verfolgen lassen. In den Figg. 24—27 auf Taf. XXVI/XXVII sind vier solcher Endausbreitungen bei Immersion genau kopiert. Die Streifen sind unregelmässig hin und her gebogen, hier und da eingeschnürt und mit blind endigenden, kurzen Fortsätzen und Verzweigungen versehen. Im allgemeinen besitzen sie Form und Verlauf des oben von mir geschilderten Stäbchennetzes, es macht den Ein- druck, als wären es schlecht ausgefärbte Stücke desselben. Damit stimmt überein, dass man hier und da auf das deut- lichste Netzmaschen konstatieren kann, wie Figg. 24 und 27 zeigen. Dann und wann liegen auch isolierte Stücke daneben (Fig. 26) oder sind durch schmale Brücken mit der Hauptmasse verbunden (Fig. 25). Alles erweckt den Anschein, als handele es sich hier um eine geronnene, unvollkommen gefärbte Nerven- masse. Alle diese gefärbten, meist abgerundet frei endigenden Stücke liegen in einer Ebene, die der Lage nach mit dem Anatomische Hefte. 1. Abteilung. Heft XXIII (7. Bd. H. 3). 21 316 E. BALLOWITZ, Stäbchennetz zusammenfällt. In Durchschnitten der Platte senk- recht zu ihrer Oberfläche befinden sich die dunklen Endmassen daher am Ende der zahlreichen Nervenzweige alle in einer Linie, sodass die ganze Nervenzeichnung ein Pinien-artiges Aussehen erhält (Fig. 23 auf Taf. XXVU/’XXVII. Besonders mache ich noch darauf aufmerksam, dass diese dunklen Zeichnungen (Figg. 24—27) an ihrer Oberfläche ganz glatt sind; nirgends ist hier etwas von einem Stäbchenbesatz zu sehen. Diese Art der Nervenendigung habe ich hauptsächlich dort beobachtet, wo die Nervenveräste- lungen in grösserer Ausdehnung inkrustiert waren, während die Färbung der Stäbchennetze und meist auch der Rinden- substanz an diesen Stellen ausgeblieben war. Die zweite Form der Nervenendigungen in den Golgi-Präpa- raten tritt schon in nähere Beziehung zu dem Stäbchennetz. Ist das letztere in grösserer Ausdehnung gefärbt, so sind gewöhnlich auch die vorihm gelegenen Nervenverzweigungen mehr oder weniger inkrustiert (Fig. 17 auf Taf. XXIII beiN; in den Figg. 18 und 19 auf Taf. XXIV/XXV) sind die Nerven samt ihren geschwärzten Eintrittsstellen in dem Netz fortgelassen, um die Zeichnung nicht zu sehr zu komplizieren). Man kann dann mit Benutzung der Mikrometerschraube mühelos konstatieren, dass die letzten feinsten Zweige der Nerven in grosser Zahl von vorne an das braune Stäbehennetz herantreten und direkt in dasselbe übergehen. Wie ich von Torpedo beschrieben habe, tritt auch hier bei Raja fast ausnahmslos an allen den Stellen, mit welchen sich die Nerven verbinden, eine intensiv schwarze oder schwarzbraune Färbung der Netzbalken ein, sodass dadurch die Stäbchen un- deutlich und zum Teil verdeckt werden (Fig. 17). Die Ausdeh- nung dieser geschwärzten Stellen ist verschieden, meist aber nur gering; gewöhnlich sind nur die Netzbalkenabschnitte in unmittelbarer Nähe des Nerveneintrittes gefärbt. Man gewinnt den Eindruck, als ob sich hier ein Inhalt der abgeplatteten Netzstreifen gefärbt bat. In Fig. 17 tritt diese Eigentümlichkeit Uber den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 317 deutlich hervor, es sind aber nicht alle zu den dunklen Stellen gehörigen Nerven gezeichnet, um die Figur nicht zu bunt zu machen (vgl. auch Fig. 28 auf Taf. XXVI/XXVIl). Übrigens kann auch eine Schwärzung kleiner Netzabschnitte eintreten, ohne dass Nerven mit diesen Stellen in Zusammenhang gefunden werden. Wie sind nun diese beiden Formen von Nervenendigungen zu erklären und miteinander in Übereinstimmung zu bringen ? Mit Bezug auf das Stäbchennetz wurde oben bereits bei Schilderung desselben von mir ausgeführt, dass bei genauer Einstellung im Golgi-Präparat meist festzustellen ist, dass die Netzzüge mehr oder weniger abgeplattet-cylindrische Streifen darstellen, an welchen eine deutlich gefärbte membranartige Aussenschicht und eine nicht oder wenig gefärbte Innenmasse zu unterscheiden ist. Stellt man die vordere Oberfläche der Netzstreifen ein, so erscheinen sie eigentümlich höckerig; nur an der hinteren Fläche findet sich der Stäbchenbesatz. Diese hülsen- oder röhrenartige Beschaffenheit der Streifen des Stäb- chennetzes wird noch deutlicher, wenn die Färbung eine unvoll- kommene oder im Verblassen begriffene ist. Bisweilen sieht man dann auch, dass die Stäbchen der Hinterfläche sich nicht mitgefärbt haben. Genau dasselbe zeigen uns Schnitte durch mit zuverlässigen Fixierungsmitteln fixierte Organstücke und Goldpräparate. In Figg. 3 und 4 auf Taf. XIX/XX, den uns von der Untersuchung der Stäbchen her schon bekannten Schnitten durch Sublimat-Prä- parate, sehen wir unmittelbar an der Vorderfläche der vorderen Rindenschicht rundliche oder längliche, meist etwas abgeplattete Durchschnitte (NE), die von einer scharf hervortretenden, ge- färbten, sehr deutlichen Linie begrenzt werden. Da ihrer Hinter- fläche die Stäbchen (St) aufsitzen, entsprechen die Durchschnitte den Streifen des Stäbchennetzes in den Golgi-Präparaten. Die scharfe Randbegrenzung der Durchschnitte ist ohne Zweifel der optische Ausdruck einer membranartigen Hülle der Netzstreifen. 217 318 E. BALLOWITZ, Mit dieser Hülle hängt fest eine Membran (S) zusammen, welche als dunkle, nicht minder scharf gezogene Linie unmittelbar an der Vorderfläche der Rindenschicht von einem Durchschnitt zum anderen zieht. Diese Membran fungiert als Träger der Netz- ausbreitung und ist als vorderer Teil des Sarkolemms des ur- sprünglichen Elektroblasten aufzufassen. Alle Durchschnitte liegen der Vorderfläche der vorderen Rindenschicht in etwas unregel- mässigen Abständen dicht an und zwar so innig, dass ihr hin- terer, meist konvexer Teil mehr oder weniger der vorderen Rindensubstanz eingedrückt ist. Löst sich die Reihe der Quer- schnitte ab, wie es in Osmiumpräparaten dann und wann be- obachtet wird, so bleiben am vorderen Rande der Rindenschicht zahlreiche mehr oder weniger tiefe Eindrücke, wie Einschnitte, zurück, in welchen die Querschnitte gelagert hatten. Noch deut- licher werden die Hülle der Netzstreifen und die Sarcolemmembran (S) in gut gelungenen Goldpräparaten (Fig. 5 auf Taf. XIX/XX). Der feste Zusammenhang beider wird dann besonders evident, wenn sich das Sarkolemm mit dem Netz blasenartig von der Rinde abhebt, wie ich es in Goldpräparaten mehrmals gesehen habe. In den Schnittpräparaten ist nun direkt nachzuweisen, dass die Scheide der feinsten Nervenäste direkt in die Hülle der Querschnitte übergeht. Auch bei Flächenansicht isolierter Plat- ten lässt sich unschwer feststellen, dass die Nervenenden unter Verschmälerung direkt übergehen in die stäbchenführenden Netzstreifen. Bei Schilderung des Stäbchenbefundes in Zupf- präparaten wurde schon darauf hingewiesen (vgl. Figg. 15 und 16 beiN auf Taf. XIX/XX; N zeigt den Eintritt eines Nervenzweiges in das breitere Netz, dessen Hülle hinten mit den Stäbchen besetzt ist). Ich will noch erwähnen, dass ich in Zupipräparaten von gewöhnlichem Osmiumsäure-Material den Übergang der Nerven in die Netzbildung oft genug gesehen habe. Figg. 21 und 22 auf Taf. XXVIIXXVII zeigen bei N den Eintritt der letzten Nervenenden. Besonders hervorheben möchte ich auch hier, dass ich auch in Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 319 diesen Osmiumpräparaten ganz unzweifelhaft Netzverbindungen festgestellt habe; die Netzmaschen schienen mir hier bisweilen sogar noch häufiger zu sein als in den Golgi-Präparaten. (vgl. Fig. 20—22). Wie oben geschildert, sind die Stäbchen in diesen Präparaten nicht mehr erhalten oder nur noch in An- deutungen wahrnehmbar. Wenn man die Abbildungen der Osmiumpräparate Figg. 15 und 16 auf Taf. XXI/XXI und Figg. 20-22 auf Taf. XXVUXXVII zusammenhält mit den Netzzeich- nungen der Golgi-Präparate auf Taf. XXUI und XXIV/XXV, so ist die Übereinstimmung beider sogleich augenfällig. Der von der Hülle umschlossene Inhalt der Netzstreifen färbt sich auf dem Durchschnitt nur schwach diffus und er- scheint auch in den Osmiumpräparaten nicht deutlicher. Von einem gut tingierten Achsencylinder oder von Achsenfibriilen habe ich in den Netzzügen an meinen Präparaten nichts wahr- nehmen können. Wohl aber sieht man ziemlich zahlreiche intensiv sich färbende, körnchenartige Einlagerungen in unregel- mässiger Verteilung (Figg.3, 4 und 5 auf Taf. XIX'XX). Auch bei Flächenansicht der Netzstreifen fallen diese Einlagerungen als Züge krümeliger Körnchen, besonders in Goldpräparaten, auf (Figg. 20 —22 auf Taf. XXVU/XXVIM). Ob es sich hier um ge- schrumpfte Teile einer sehr zarten Nervenmasse handelt oder was diese Körnchen sonst zu bedeuten haben, vermag ich vorder- hand nicht zu sagen. Halte ich alle diese die Nervenendigungen betreffenden Be- funde zusammen, so scheint es mir, dass die folgenden Schluss- folgerungen kaum von der Hand gewiesen werden können und den thatsächlichen Verhältnissen wohl entsprechen dürften. Die von mir beschriebenen Netze bestehen aus einer Hülle und einem Inhalt. Dem hinteren, der vorderen Rindenschicht an- und eingedrückten Teil der Hülle sitzen die Stäbchen dicht gedrängt auf, der vordere Teil der Hülle ist von ihnen frei. Die Grenze zwischen dem stäbchenlosen und stäbchentragenden Ab- 320 E. BALLOWITZ, schnitt der Hülle bezeichnet der Ansatz der Membran, welche die Netzstreifen trägt. Diese Membran entsprichtdem Sarkolemm des Elektroblasten !). Wahrscheinlich ist, dass die Hülle des Netzes erst sekundär mit dem Sarkolemm verschmolzen ist. Auch an der Hinterfläche der Sarkolemm-Membran glaube ich das Vorhandensein von isolierten Stäbchen, die ohne Verbindung mit der Netzausbreitung sind, erkannt zu haben. Vielleicht steht dieser Befund in Zu- sammenhang mit dem geringen Entwickelungsgrad des elektri- schen Elementes bei Raja im Vergleiche mit der hohen Aus- bildung des Organs bei dem erwachsenen Zitterrochen, da nach Boll auch bei Torpedo-Embryonen die Punktierung der Platte noch gleichmässig verteilt ist, während sie auf der Platte des’ er- wachsenen Tieres ausschliesslich an die Nervenendigungen ge- bunden ist, wie auch ich gefunden habe. Ist dies der Fall, so wäre damit bewiesen, dass die Stäbchen Anhangsgebilde des Sarkolemms sind. Ob sie nun direkt aus dem Sarkolemm ent- stehen oder ob sie, was wahrscheinlicher ist, aus der vom Sar- kolemm umschlossenen Substanz hervorgehen, wäre eine weitere Frage. Die Stäbchen entwickeln sich dort am zahlreichsten, wo die Netze mit dem Sarkolemm in Verbindung treten und mit ihm verschmelzen. Demnach würden die von mir an der Hinter- fläche der Netzstreifen in so grosser Zahl aufgefundenen Stäb- chen ursprünglich nicht der Netzausbreitung, sondern dem Sarkolemm angehören. Nach der Verschmelzung wird das Sar- kolemm an der Vorderfläche zum Träger der Netzausbreitung. Jedenfalls scheint mir soviel sicher, dass die elektrischen Stäbchen als spezifische Anhangsgebilde der Membranhüllen und nicht als direkte Fortsetzungen der Nerven aufgefasst werden müssen. Damit stimmen auch meine Befunde bei Torpedo überein. !) Ich möchte sie daher an dem ausgebildeten elektrischen Element als „Elektrolemma‘‘ bezeichnen. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 321 Mit der Hülle des Stäbchennetzes hängt die Scheide der letzten Nervenenden kontinuierlich zusammen. Ferner gehen die Achsencylinder der Nervenzweige direkt über in den von der Hülle umgebenen Inhalt des Netzes. So viel steht fest. Nun fragt sich aber zweierlei: Ist der ganze von der Hülle um- schlossene Inhalt der Netzausbreitung eine zusammenhängende, nervöse, direkte Fortsetzung der Achsencylinder, so dass sämt- liche zu je einer Platte tretende Nervenenden schliesslich ein netzig angeordnetes Kontinuum bilden ? Oder läuft jeder Achsen- eylinder nur in ein kleines Stück der Netzsubstanz aus, um darin sein Ende zu finden, so dass ein Zusammenfliessen sämmt- licher Endausbreitungen, sei es durch Einschnürungen, sei es durch Scheidewände oder sonst wie verhindert wird? Für die letztere Annahme spricht nur der Befund in den Golgi-Präparaten, weil ich hier, im Gegensatz zu meinen Beobachtungen an Tor- pedo, immer nur kleine Netzstücke im Zusammenhang mit den Nerven gefärbt erhielt. Es ist aber sehr wohl möglich, dass sich gerade für die Nervennetzfärbung mittelst der Golgischen Methode Raja clavata sehr wenig eignet und dass man bei anderen Raja-Arten hiermit mehr Erfolg haben wird. Für die erstere Möglichkeit dagegen sprechen die Befunde in den Osmiumpräparaten und vor allem das gleichmässige Aussehen des Inhaltes und die gleichmässige Verteilung der Stäbchen in der ganzen Ausdehnung der Netzausbreitung. Nach meiner per- sönlichen Überzeugung, wie ich offen gestehe, handelt es sich auch hier um ein Nervenendnetz, das sich in seiner Anordnung vollständig mit dem deckt, was ich als „Stäbchennetz‘“ be- nannt habe. Bei der Beschreibung der Netzausbreitung habe ich also, wie ich nochmals hervorheben möchte, einen Unterschied gemacht zwischen der den Stäbchenbesatz tragenden Hülle und dem davon umschlossenen nervösen Inhalt des Netzes; nur die erstere habe ich oben als „Stäbchennetz“ bezeichnet, hauptsächlich, um die 322 E. BALLOWITZ, Beschreibung der Verteilung der Stäbchen zu erleichtern. Eigent- lich verdient nur der hinterste, mit dem Sarkolemm verschmolzene, mit Stäbchen bewehrte Abschnitt der Hülle diese Bezeichnung. Aus obigen Gesichtspunkten erklären sich auch leicht die beiderlei Befunde von Nervenendigungen in den Golgi-Präpa- raten. Bei der ersten von mir beschriebenen Form ist nur der nervöse Inhalt ohne die stäbchentragende Hülle inkrustiert. Diese Nervenendigungen scheinen daher im Präparate ganz frei zu liegen und entbehren auch vollständig der Stäbchen. Bei der anderen Form ist das, was ich „Stäbchennetz“ genannt habe, mitgefärbt, während der von dem Stäbehennetz umschlossene Inhalt hier meist auch nur an der Stelle des Nerveneintrittes tingiert ist. Durch die Inkrustation dieses Inhaltes werden die dunklen Flecken des Stäbchennetzes am Nerveneintritt bedingt und gleichzeitig die Stäbchen an diesen Stellen undeutlich gemacht. Nicht minder interessante Resultate erhielt ich durch Unter- suchung der lamellären Innenschicht. Die alternierend angeordneten hellen und dunklen Lamellen sind in dem ausgebildeten Organ von Raja clavata sehr un- regelmässig gelagert, zeigen viele Faltungen und wellenförmige Biegungen, so dass die Bezeichnung ‚„mäandrische“ Schicht ganz treffend ist. Vgl. Fig. 1 und 2, J, auf Taf. XIX/XX. Die Bieg- ungen werden fast immer gleichzeitig von mehreren neben einander gelegenen Lamellen ausgeführt. Der Grad und die Art der Faltung und Verschlingung ist in den einzelnen Elementen sehr verschieden. Bisweilen laufen die Lamellen in grosser Zahl kaum gebogen parallel den Flächen der Platte von einer Seite zur anderen. Es macht dann den Eindruck, als ob jede Lamelle ununterbrochen von der einen zur anderen Seite reicht und die Flächenausdehnung der ganzen Platte besitzt. Gewöhnlich durch- ziehen die Lamellen aber wohl nicht die ganze Platte, wie sich bei stark ausgebildeten Windungen besonders an der vorderen und hinteren Grenze der Innenschicht feststellen lässt. Man Anatomische Hefte IAbtheilung HrfEXvur (7.Band HeR3,) a Be + Zaf am A - u 7 fber den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 323 sieht hier in den Durchschnitten oft, dass die Lamellenenden in der vorderen Rindenschicht gewissermassen frei stecken, hier ihr Ende erreichen. (Fig. 3 und 5, J, auf Taf. XIX/XX.) Untersucht man in Macerationspräparaten von mit Osmiumsäure oder Kali biehromicum-Lösungen behandeltem Material die isolierte vordere Rindenschicht, so trifft man stets eine grosse Anzahl kleinerer oder grösserer, meist gruppenweise zusammenliegender Bruch- sticke von Lamellen, die der Hinterfläche der Rindenschicht wie ein Anflug anhaften. Das gilt noch mehr für die hintere Rindensubstanz. Hier erstrecken sich die Lamellenzüge auch in die gröberen Fortsätze in unregelmässigen Verschlingungen hinein, oft bis nahe an ihre Spitze reichend (Fig. 1 und beson- ders Fig. 2 bei J, J,, und J,,); meist finden die Lamellen dort ihr Ende. Untersucht man die Lamellen auf feinen vertikalen Durch- schnitten durch gut fixiertes und tingiertes Material mit starken Systemen, so erkennt man an ihnen eine weitere Differenzierung. Zunächst ist hervorzuheben, dass die dunklen und hellen Lamellen in regelmässiger Folge alternieren, wobei die Höhe beider nur selten gleich ist; gewöhnlich erscheinen die hellen beträchtlich breiter. (Vgl. Fig. 11 mit Fig. 12 auf Taf. XXI/XXII.) Das Aussehen der stärker lichtbrechenden, dunklen La- mellen variiert. Oft erscheinen sie ganz homogen. Gewöhnlich habe ich sie aber in der Weise zusammengesetzt gefunden (Fig. 11), dass in der Mitte eine dunkle, schmale, nicht unter- brochene, intensiv färbbare, meist sehr. deutliche Linie (Z) ver- lief, welcher vorne und hinten je eine einfache Reihe etwas unregelmässig gestalteter, in ihren Begrenzungen nicht scharf hervortretender, ziemlich gleichgrosser Körnchen (N, N) dicht an- lag. (Vgl. auch Fig.3 auf Taf. XIX/XX.) Zwischen der dunklen Mittellinie und den Körnchen war gewöhnlich noch eine weniger gefärbte, äusserst schmale Zone (E) zu erkennen. In Goldprä- paraten ist bisweilen der Mittelstreif hell, während die beiden 324 E. BALLOWITZ, Körnchenreihen dunkel hervortreten, besonders dort, wo die Lamellen sehr eng liegen. Andererseits lagern sich die Körnchen vorne und hinten oft so symmetrisch, dass die dunkle Lamelle ein feinstreifiges Aussehen erhält. Oft konnte ich in der That eine Zusammensetzung aus sehr zahlreichen, kurzen, in einer Reihe parallel nebeneinander liegenden Stückchen fest stellen (Fig. 13 und 14 auf Taf. XXI/XXLU; Fig. 5 auf Taf. XIX/XX). Dies fand ich besonders in gut gelungenen Goldpräparaten (Fig. 14), aber auch in mit Sublimat und Flemmingscher Lösung fixierten Schnitten. Hier schien die ganze dunkle Zone wie aus kleinen, dicht nebeneinander liegenden Stücken gebildet, die sich deut- lich von einander abgrenzten; bisweilen waren die Stückchen noch von einer dunklen Mittellinie durchzogen (Fig. 13). Solche Stellen wurden besonders in der Nähe der vorderen und hinteren Rindenschicht und am Rande der Platte angetroffen, aber nicht in jedem Element. Das würde im Einklang stehen mit der Annahme von Engelmann (30), wonach sich bei dem Wachs- tum der elektrischen Elemente gerade an diesen Stellen neue Fibrillenmassen bilden sollen. Denn unzweifelhaft hängt das streifige Aussehen zusammen mit der ursprünglich fibrillären Zusammensetzung der sich zuerst als quergestreifte Muskelfasern anlegenden Elemente; es sind die letzten Reste der Muskel- fibrillen, die sich am längsten in den jüngsten Teilen der dunklen Lamellen erhalten. Untersucht man dünne, gefärbte Flächen- schnitte, so sieht man sehr deutlich eine äusserst feine, zarte und dichte Punktierung der Lamellen (Fig. 3 auf Taf. XIX/XX links unten), die man geneigt sein kann, auf das Mosaikbild der noch erhaltenen Reste der Muskelfibrillen zu beziehen. Dies mag auch oft der Fall sein, besonders in den Goldpräparaten, wo die Punktierung oft sehr deutlich ist; meist aber werden die feinen Pünktchen des Flächenbildes wohl bedingt sein durch die oben beschriebenen Körnchen und Rauhigkeiten der dunklen Lamellen. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 325 Auch die helle Zone der Lamellen ist nicht ganz homogen, wenn es mir an den ausgebildeten Elementen der erwachsenen Raja clavata auch nicht gelungen ist, in der hellen Substanz noch irgend eine Spur von fibrillärer Zusammensetzung zu ent- decken. Wohl aber sieht man in ihrer Mitte nach Färbung nicht selten eine Reihe von unregelmässigen tingierten Körnchen, so dass hier ein schmaler, dunkler, oft schwer wahrnehmbarer Mittelstreif entsteht, der allerdings auch nicht selten vermisst wird (Fig. 12 auf Taf. XXI/XXII bei M). Am regelmässigsten und schärfsten tritt dieser Mittelstreif (M) in gut gelungenen Goldpräpa- raten hervor (Fig. 14 auf Taf. XX1/XXII). Hier zeigt er die Fär- bung des Sarkoplasmas, nimmt jedoch oft auch eine dunkel- violette Färbung an, so dass er als dunkle, scharfe Linie sehr bestimmt hervortritt (Fig. 14, M). Bisweilen verläuft diese Linie nicht in der Mitte der hellen Zone, sondern biegt sich nach der einen oder anderen Seite hin etwas aus (Fig. 14). Diese Zusammensetzung der Lamellen erinnert im Einzelnen sehr an das Bild der quergestreiften Muskelfaser, eine Ähnlich- keit, die in der direkten Entstehung der Lamellensubstanz aus der quergestreiften Muskelmasse des Elektroblasten ihre Erklä- rung findet. Man könnte nun von vorneherein geneigt sein, die dunkel erscheinende Zone der Lamellensubstanz mit der anisotropen und dunkel erscheinenden Querscheibe der quergestreiften Muskel- faser und die helle Zone mit dem hellen, isotropen Streifen der Muskelfaser zu identifizieren. Dem ist aber nicht so, wie die aus- gezeichneten, höchst interessanten Untersuchungen Engelmanns (30) dargethan haben. Auf Grund der Polarisationserscheinungen der verschiedenen Substanzen kam Engelmann zu dem Re- sultat (l. c. pag. 154—167), dass die dünnen, stark lichtbrechenden und daher dunklen Lamellen des elektrischen Organs den arime- tabolen (isotropen), die dieken, schwach lichtbrechenden und daher hellen Lamellen den metabolen (anisotropen) Schichten der quergestreiften Muskelfaser homolog sind. Nach dem eitierten 326 E. BALLOWITZ, Autor ändern sich bei der Umwandlung der quergestreiften Sub- stanz der Elektroblasten in die Lamellenschicht des elektrischen Organs sowohl die Dimensionen, als auch die morphologischen und physikalisch-chemischen Eigenschaften der metabolen und arimetabolen Schichten. Beide nehmen an Ausdehnung zu und zwar derart, dass das Flächenwachstum, senkrecht zur Faserachse, weitaus am bedeutendsten ist. Aber auch die Höhe der Schichten zeigt eine Zunahme auf das Doppelte und Dreifache und darüber. Die Dickenzunahme betrifft beide Schichten, jedoch nicht in gleichem Grade. Noch auffälliger sind die Änderungen im morpho- logischen und physikalisch-chemischen Verhalten beider Lagen. In gewöhnlichem Lichte macht das Bild der ruhenden oder mässig kontrahierten Muskelsubstanz des Elektroblasten allmählich in der sich umbildenden elektrischen Platte einem Bilde Platz, wie es die stark kontrahierte Muskelfaser im Stadium der Umkehrung zeigt: schmale, sehr dunkle Querstreifen, getrennt durch breite, sehr helle Bänder, in deren Mitte ein etwas dunkler, ver- waschener Querstreif hinzieht. Dabei wird die arimetabole Schicht optisch homogener, als Ganzes stärker lichtbrechend und fester, während die metabole Schicht, speziell die der Querscheiben, optisch homogener und schwächer lichtbrechend wird und ihr Doppelbrechungsvermögen verliert. Der Schwund der polari- sierenden Wirkung tritt an dem Rlektroblasten schon ein, ehe überhaupt die Umwandlung der Faser in die Anlage des elek- trischen Elementes auf irgend eine andere Weise sich anmeldet. Wenn wir diesen Ausführungen Engelmanns folgen, so muss die Linie (Z) in der dunklen Zone der Lamellensubstanz, die schon Engelmann gesehen und abgebildet hat (l. e. Tafel II, Fig. b), der sogenannten Krauseschen Linie oder Zwischenscheibe (Z nach der Bezeichnung von Al. Rollett') !j Ich folge in der Bezeichnung der von Al. Rollett (Denkschriften der math.-naturw. Klasse der kaiserl. Akad. d. Wissenschaften, Bd. LVIII, 1891. pag. 67) vorgeschlagenen Terminologie. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 327 der Muskelfaser entsprechen (vgl. Fig. 11—14 auf Taf. XX1/XXIH und Fig. 3 auf Taf. XIX/XX), während die angelagerten Körnchenreihen als die beiden Nebenscheiben (N, N)zu deuten sind. Zwischen Zund N befindet sich auf jeder Seite von Z die dünne, einfach brechende Schicht E. Die in der hellen Lamellenzone des ausgebildeten Elementes von mir beschriebene dunkle Linie (M in Fig. 12 und 14) würde der Lage nach der Hensenschen oder Miittel- scheibe der Muskelfaser entsprechen, allerdings erscheint die letztere in der ruhenden Muskelfaser als zwischen den beiden Querscheiben liegendes helleres Band. Auffällig ist, dass die fibrilläre Zusammensetzung sich, wenn auch nicht konstant und nur in Andeutungen, am längsten in dem Derivat der arimetabolen Substanz erhält, während in der ehemaligen metabolen Substanz des entwickelten elektrischen Elementes auch nicht die geringste Spur der Fibrillen mehr aufzufinden ist. Zu beachten ist ferner das Variieren der oben beschriebenen Einzelheiten, so dass das Aussehen der Lamellen, wie oben von mir betont, sehr wechselt. In der Lamellensubstanz verborgen steckt nun noch, wie ich fand, ein anderer wesentlicher Strukturbestandteil, welcher, im Gegensatze zu der wechselnden Beschaffenheit der Lamellen- substanz, stets ein sehr bestimmtes, wohl charakterisiertes Aus- sehen zeigt. Das sind ausgedehnte Systeme von feinsten Fibrillen- netzen, welche mit dem fädigen Netzgerüst der vorderen und hinteren Rindensubstanz in innigem Zusammenhange stehen. (Taf. XXVIII/XXIX, Fig. 30— 35.) Ihr Nachweis gelingt mit Hilfe der Golgischen Methode wiederum leicht. Fertigt man bei gut ausgefallener Färbung nicht zu dünne Schnitte parallel den Flächen der Platten an, so sieht man bei schwächerer Ver- grösserung in der lamellären Innensubstanz ein dichtes Gewirre feinster Fädchen (Fig. 30). Mit starker Vergrösserung ist an genügend dünnen Stellen leicht festzustellen, dass sich zwischen 328 E. BALLOWITZ, den Lamellen, oder richtiger innerhalb derselben, flächenhaft ausgebreitete Fädchennetze befinden (Fig. 31-34). Die Fädchen sind äusserst fein und zart und alle von ziemlich gleicher Stärke. Meist erscheinen sie nicht homogen, sondern zeigen reihenweise eingelagerte kleinste Körnchen, welche nur wenig dicker sind als die Fädchen seibst (Fig. 31—33). Durch die Körncheneinlagerungen gewinnen die Fädchen oft ein nahezu perlschnurartiges Aussehen. Hier und da sind auch etwas gröbere Körnchen ') eingestreut (Fig. 31). Sehr beachtens- wert ist, dass in den Golgi-Präparaten auch diese Fädchen, trotz ihrer äussersten Feinheit, stets mit ganz ausserordentlicher Schärfe und Prägnanz hervortreten. Die Fädchen verbinden sich zu flächenhaft ausgebreiteten Netzen mit verschieden grossen Maschen, die rundlich oder viereckig oder noch häufiger unregelmässig vielseitig sind. (Fig. 31—33). Die Maschen sind indessen lange nicht so klein und eng, wie in der vorderen Rindensubstanz, wie ein Vergleich der Figuren 31—33 auf Tafel XXVIII/XXIX mit den Figuren 9 und 10 auf Tafel XXI/XXII sogleich zeigt. Sehr schwierig wurde es für mich, die Lagebeziehungen dieser zarten Netze zu den Lamellen selbst festzustellen. Denn in meinen Golgi-Präparaten war die Aufhellung des Gewebes schon so stark geworden, dass sich die beiden Lamellenzonen nicht mehr unterscheiden liessen. Nur an wenigen Stellen der Präparate war dies noch mit einiger Sicherheit möglich und erhielt ich Bilder wie in Fig 34. Es schien mir, dass die Netze sich stets in der Mitte der hellen Lamellensubstanz befinden, also dort, wo ich häufig, besonders in den Goldpräparaten, eine dunkle Linie antraf (vgl. Fig. 34 auf Taf. XXVIIUXXIX mit den Figuren 12 ') Man muss sich bei den unregelmässigen Biegungen der Netze hüten, die optischen Querschnitte der Fädchen, die als dunkle, ziemlich kreisförmige Punkte bei Bewegung der Mikrometerschraube oft sehr zahlreich sichtbar werden, für Körncheneinlagerungen zu halten. Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen, 29 und 14 auf Taf. XXI/XXII)). Wenn wir die Resultate der Engel- mannschen Untersuchungen acceptieren, so würden die Netze sich an der Stelle der ehemaligen Hensenschen Mittelscheibe (M in Fig. 12 und 14) befinden, also mitten in der ehemaligen metabolen (anisotropen) Substanz liegen. Doch bin ich meiner Sache hier nicht so ganz sicher geworden. Jeder hellen La- melle des elektrischen Elements müsste dann ein Fädchennetz entsprechen, welches soweit reicht, als sich die entsprechende helle Lamelle ausdehnt. Die zarten Netze sind also auch lamellär angeordnet (Figur 33 und 34) und, entsprechend der Anzahl der hellen Lamellen, in der Innensubstanz eines jeden Elementes in grosser Zahl vorhanden. Die Netze machen alle Faltungen und Windungen der Lamellen mit. In etwas dicken Flächenschnitten (Figur 30) muss man daher in der Innen- substanz ein anscheinend unregelmässiges, bald helleres, bald dunkleres Gewirre von Fädchen erhalten, da die Lamellen ja sehr unregelmässig verlaufen und bald von der Fläche, bald von der Kante sichtbar sind. Dazu kommt, dass durchaus nicht immer sämtliche Netzlamellen einer Platte sich färben, sondern ge- wöhnlich nur einzelne und dass die Färbung der einzelnen Netzeauch nur fleckenweise eintritt. Fig. 31 und 32 auf TafelXXVII/XXIX zeigen zwei Flächenansichten je eines Netzes aus verschiedenen Elementen. Die fast stets vorhandenen unregelmässigen Faltungen und Biegungen, die bei Untersuchung mit starker Vergrösserung sehr hervortreten, sind hier, ebenso wie in Fig. 33, als ausge- glichen gedacht. In Fig. 33 sieht man das Querschnittsbild der Netze (in der Zeichnung oben) infolge einer allmählichen Än derung der Verlaufsrichtung der Lamellen, Schritt für Schritt übergehen in ein Flächenbild. Das Typische, Wohlausgebildete und Wohlcharakterisierte dieser Netzstrukturen tritt in den Zeichnungen wohl ebenso hervor, als ihre beträchtliche Massen- entfaltung. Eine weitere Frage ist nun, ob diese zahlreichen so aus- 330 E. BALLOWITZ, gedehnten Netze einer Platte unter sich kommunizieren. Bei dem unregelmässigen Verlauf der Lamellen ist diese Frage bei Raja clavata nicht so leicht zu entscheiden. Bisweilen wollte es mir scheinen, als ob die Körnchennetze durch die La- mellensubstanz hindurch mittelst senkrechter Fädchen unter- einander in Verbindung treten. Meist lässt sich ein derartiger Zusammenhang indessen nicht erkennen. Unzweifelhaft besteht aber eine Kommunikation der Netze dort, wo eine Lamelle aufhört. Da die Lamellen, wie oben ausgeführt, oft nur stück- weise ausgebildet sind, muss diese Kommunikation häufiger ein- treten. Leicht festzustellen ist ferner der innige Zusammenhang dieser Netze mit dem Netzgerüst der vorderen und hinteren Rindensubstanz. Wie oben erwähnt, finden sich die Lamellen- enden häufig an der Rindensubstanz ; dabei gehen die lamellären Körnchennetze kontinuierlich in das Netzgerüst der Rinden- schicht über. Besonders deutlich wird dies, wenn die Lamellen- enden senkrecht auf die Rindensubstanz stossen, wie es z. Bin Fig. 35 auf Taf. XXVII/XXIX dargestellt ist; es befinden sich hier mehrere Lagen von Lamellennetzen übereinander; VR ist das Netzgerüst der vorderen Rindenschicht. Hieraus folgt, dass die Lamellennetze mit dem Netzgerüst der Rindensubstanz ein zusammenhängendes Ganzes bilden, ein Umstand, dem ich für den Bau und die Genese der elektrischen Organe eine beson- dere Bedeutung beilege; ich komme hierauf noch zurück. Ich habe mich nun vergeblich bemüht, die Netzlamellen auch durch andere Methoden, als die Golgische, deutlich zur Anschauung zu bringen. Meine Misserfolge nach dieser Richtung hin sind indessen sehr erklärlich, da bei dieser überaus zarten Struktur und ihrer komplizierten Anordnung in der verworrenen Lamellenmasse ohne spezifische Färbung wohl kaum etwas zu erreichen ist; eine spezifische Färbung liefert hier aber nur die Golgische Methode. Beweise, dass feine Fädchen in der La- mellenmasse existieren, erhält man allerdings oft genug in Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 331 Schnitt- und Zupfpräparaten, wenn eine Trennung der Lamellen erfolgt ist. Sehr wahrscheinlich steht das, was sich in fixierten Schnitten und besonders in Goldpräparaten innerhalb der hellen Lamellen bei M (entsprechend der Mittelscheibe) färbt (vgl. Fig. 12 und 14 auf Taf. XXI/XXII), auch in nächster Beziehung zu den Netzlamellen. Besonders deutlich sieht man zarte Fäserchen regelmässig am inneren Rande der Rindenschicht, wenn sich die Lamellensubstanz ein wenig retrahiert hat. Die grosse Zahl der dann frei vorstehenden Fäserchen beweist den innigen Zu- sammenhang des Gewebes der Rindensubstanz mit dem der Innenschicht. Entgegen den Angaben anderer Autoren finde ich bei Raja clavata in der Innensubstanz zwischen den Lamellen hier und da spärliche Kerne, die von einem Hofe körnigen Protoplasmas umgeben sind (Fig. 1 und 2 auf Taf. XIX/XX). Kern und Proto- plasma gleichen den Zellen der Rindenschicht. Es erübrigt noch die Betrachtung der hinteren Rinden- schicht. Merkwürdigerweise färbt sie sich in den Golgi-Prä- paraten nicht so leicht, wie die vordere. Sie zeigt dann aber dasselbe feinfädige Netzgerüst, wie es für die-vordere Rinden- schicht von mir beschrieben wurde, nur ist die Dicke der hin- teren Schicht etwas beträchtlicher. In Betreff der eingelagerten Zellen gilt dasselbe, wie für die vordere Rindenschicht, nur treten die Zelllücken, hauptsächlich infolge der grösseren Dicke der hinteren Rindenschicht, nicht als helle, ausgeschnittene Löcher hervor. Auch nach anderen Methoden ist die feinfädige Zusammensetzung dieser Substanz nachzuweisen. In Schnitten senkrecht zu den Flächen der Platte durch mit Suhlimat oder a. R. fixiertes Material sieht man in der Nähe der hinteren Fläche dieser Schicht und ihrer Fortsätze meist sehr deutlich eine feine, sehr zarte Streifung, die senkrecht zu der Hinter- fläche gerichtet ist. Gegen das Innere der Rindenschicht ver- lieren sich die Streifen allmählich. Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXIII (7. Bd. H. 3). 22 332 E. BALLOWITZ. Diese feine Streifung wird durch Fädchen bedingt, die in der Richtung der Streifen verlaufen. Wie ich nachweisen konnte, stehen diese Fädchen in eigenartiger Beziehung zu der Sarkolemmahaut der Hinterfläche. An der Hinterfläche der hinteren Rindenschicht und ihrer sämtlichen , netzförmig verbundenen Fortsätze befindet sich nämlich eine strukturlose Haut, welche seitlich mit der von mir oben beschriebenen, das Nervenendnetz tragenden Membran der Vorderfläche der Platte zusammenhängt. Das dreischichtige elektrische Gewebe des Elementes ist also ringsherum von einer Membran (S der Figuren) umschlossen, die als vergrössertes, der Form der Platte angepasstes Sarkolemm des Elektroblasten aufzufassen ist. Ich habe oben vorgeschlagen, diese Membran als Electrolemm zu bezeichnen. In gut fixierten Sublimatpräparaten, ebenso wie auch gewiss im lebenden Organ, liegt die Membran allen den Fortsätzen der Hinterfläche der Platte dicht an und er- scheint als schmale, dunkle Randbegrenzung derselben; nur selten kommt hier eine Ablösung zur Beobachtung. In mit Flemming- scher Lösung (Fig. 2 auf Taf. XIX/XX), Chromessigsäure und mit Osmiumsäure behandeltem Material, besonders aber in meinen Goldpräparaten (Fig. 29 auf Taf. XXVI/XXVI) hatte sich da- gegen das Electrolemm (S der Figuren) blasenartig oft in grosser Ausdehnung ziemlich unregelmässig von der Rindensubstanz ab- gehoben, jedenfalls als Folge der Reagenswirkung. Diese blasen- artige Abhebung der Membran erinnert auffällig an die Ab- lösung des Sarkolemms vom kontraktilen Inhalt der querge- streiften Muskelfaser bei Wasserzusatz. Am weitgehendsten trat die Ablösung des Electrolemms in den Goldpräparaten ein. Fig. 29auf Taf. XXVI/XXVlIlzeigt aus einem Goldpräparat einen Schnitt, der parallel der Hinterfläche eines elektrischen Elementes gegangen ist und die unregelmässigen, netzförmig verbundenen Fortsätze der hinteren Rindenschicht (HR) getroffen hat. Das Gewebe der letzteren in diesen Fort- Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 333 sätzen ist dunkelviolett gefärbt und lässt die zahlreichen, mit einem grossen Kern versehenen Zellen erkennen. Das Zell- protoplasma erscheint etwas dunkler und setzt sich deutlich von der Zwischensubstanz ab. In den Lücken zwischen den netz- förmig verbundenen Fortsätzen sieht man das Gallertgewebe (G,) init grossen unregelmässigen Zellen. Wenn man nun die an das Gallertgewebe anstossenden Ränder der dunklen Netzzüge der Rinde (HR) näher betrachtet, so erkennt man eine unregel- mässig wellig verlaufende, sehr scharf hervortretende Linie (S), ‚ welche den Rändern der Netzzüge in geringer Entfernung überall folgt. Hier und da senkt sich die Linie gegen die Rinden- substanz bin ein, um mit ihr in Verbindung zu treten. Diese Linie (S) repräsentiert das abgelöste Electrolemm. Zwischen dem Electrolemm (S) und der davon entblössten Oberfläche der Rindensubstanz (HR) sieht man nun sehr zahl- reiche, feine, violett gefärbte, sehr deutliche Linien, welche den Spaltraum durchsetzen und in gerader Richtung von dem ab- gelösten Electrolemm zu der Rindensubstanz hinziehen. Das Ganze macht auf den ersten Blick den Eindruck eines unregelmässigen, breiten, streifigen Saumes. Die Linien sind nun feine Fäden, welche durch die Ablösung des Sarkolemms aus der Rinden- substanz hervorgezerrt wurden. Das äussere Ende dieser Fäden ist fest mit dem Electrolemm verbunden, scheint es sogar in Poren zu durchsetzen. Wenigstens habe ich in den Goldprä- paraten bei Flächenansicht des losgelösten Eleetrolemms eine un- regelmässige feine Punktierung gesehen; die Pünktchen hängen mit den gedehnten Fäden zusammen. Bei Untersuchung mit starken Systemen erscheinen die Fädchen oft unregelmässig fein- körnig. Auch in gefärbten Schnitten von mit Chromosmium- essigsäure fixiertem Material habe ich diese körnigen Fäden ge- sehen. Dadurch, dass die einen Fäden bei der Abhebung der Membran mehr nachgegeben haben als die anderen, wird die so äusserst unregelmässige Ablösung des Electrolemms bedingt; 22% 334 E. BALLOWITZ, ein Teil der Fädchen mag dabei auch wohl zerreissen. Diese Fädchen entsprechen nun unzweifelhaft den Fibrillen, welche das oben geschilderte streifige Aussehen der peripheren Schicht der hinteren Rindensubstanz bedingen. Ohne Zweifel haben die Fibrillen die Aufgabe, das Electrolemm gegen die Rindensubstanz zu fixieren; dadurch erklärt sich auch die zur Oberfläche senk- rechte Streifung der hinteren Rindenschicht, denn bei dieser Anordnung können die Fädchen am wirksamsten auf das Rlectro- lemm einwirken. Vielleicht hat diese ganze höchst merkwürdige Einrichtung nur den Hauptzweck, den innigen Zusammenhang des wichtigen, mit Stäbchen und Nervenendnetz bewehrten vor- deren Electrolemms mit dem eigentlichen elektrischen Gewebe zu sichern, da die beiden Rleetrolemm-Membranen am Rande der Platte in einander übergehen. Von elektrischen Stäbchen und Nervenendigungen ist an der Hinterfläche der Platte keine Spur zu entdecken. Über das Gallertgewebe (G und G, in Fig. 1 und 2 auf Tafel XIX/XXund in Fig. 29 auf Tafel XXVI/XXVI) der Kammer ist wenig auszusagen. Die Grundsubstanz besteht aus äusserst feinen, mit einander verbundenen Gallertfibrillen, die gegen die fibrösen Scheidewände hin übergehen in derbes fibril- läres Bindegewebe; auch mit dem Sarkolemm scheinen sie in Verbindung zu treten Das ausserordentlich dichte, feine Gerüst (Fig. 1) der Gallertfibrillen erinnert auffällig an ein Watte- polster; man kann sich vorstellen, dass das an den Nerven vorne suspendierte elektrische Element darin, wie zwischen zwei Watte. bäuschen, elastisch verpackt ruht. In die Gallertmasse sind nicht gerade spärliche, sehr unregel- mässig gestaltete Zellen eingestreut, die lange, oft reich verzweigte, fein auslaufende Fortsätze haben (Fig. 29 auf Tafel XXVI/XXVJ), welche mit einander in Verbindung treten können. Diese Zellen lagern sich oft, besonders an der Hinterfläche, der elektrischen Platte dicht an. Auch zwischen den feinen Nervenverästelungen Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen 335 in der Nähe der Vorderfläche des Elementes werden sie ge- funden. In Goldpräparaten sind sie mit ihren Ausläufern meist in sehr übersichtlicher Weise gefärbt (Fig. 29). Schlussbetrachtung. Die obigen Untersuchungen haben ergeben, dass die elek- trischen Elemente von Raja eine höchst komplizierte Zusammen- setzung besitzen. Die beschriebenen Strukturen gewinnen an allgemeiner Bedeutung, wenn man die Genese des elektrischen Elementes aus einer quergestreiften Muskelfaser berücksichtigt und die Bauverhältnisse der elektrischen Platte der ‚stark elektrischen“ Fische z. B. von Torpedo zum Vergleiche heranzieht. Für Torpedo und Raja ist sicher erwiesen, dass jedes Ele- ment aus je einer quergestreiften Muskelfaser hervorgeht. Während diese „Elektroblasten“ bei Torpedo nur in einem sehr frühen Embryonalstadium des Tieres auftreten, abgesehen von der Querstreifung wenig charakteristisch sind und sich schnell in die elektrischen Platten umbilden, erfolgt bei Raja die Um- wandlung der typischen, völlig kontraktionsfähigen Muskelfasern viel später und wickelt sich auch weit langsamer ab. Auch ist der Grad der definitiven Ausbildung der elektrischen Elemente bei den einzelnen Raja-Arten sehr verschieden. Ja, bei Raja radiata erhält sich, wie die schönen Untersuchungen von Ewart (23—26) gezeigt haben, sogar noch an dem völlig entwickelten Element des ausgewachsenen Tieres durchaus der Muskelfaser- typus, so dass man im Zweifel sein kann, ob dies Gebilde neben der neuerworbenen elektromotorischen Funktion nicht auch noch seine ursprüngliche Kontraktilität bewahrt hat. Unzweifelhaft ist daher das elektrische Organ von Torpedo das phylogenetisch ältere und weiter entwickelte, während das Raja-Organ als das phylogenetisch jüngere und noch unvollkommen ausgebildete zu betrachten ist. Daher ist auch das Organ von Raja weit mehr als das von Torpedo geeignet, um die Veränderungen feststellen 336 E. BALLOWITZ, zu können, welche durch den Funktionswechsel der Muskelfasern und ihre Umwandlung in elektrische Elemente bedingt sind und um Aufschluss zu erhalten über Sitz und Ursprung der Kontraktilität und der Elektrizitätsentwickelung. Engelmann (30) ist diesen Fragen kürzlich näher getreten und sagt hierüber sehr treffend (30, pag. 148): „Durch A. Babuchins denkwürdige Entdeckung der Ent- wickelung der elektrischen Organe aus Muskelfasern ist, wie durch jeden grossen anatomischen Fund, der Physiologie eine Fülle neuer Probleme, zugleich aber auch die Aussicht auf Lösung wichtiger alter Aufgaben eröffnet worden. Eine genaue Verfolgung der Prozesse, durch welche sich die zuckende Faser zum elektrischen Apparat umbildet, musste vor allem Aufschluss versprechen über Sitz und Wesen sowohl einerseits des Kon- traktionsvermögens als andererseits der elektromotorischen Wirk- samkeit. Es war zu erwarten, dass in dem Masse, als das Zuckungsvermögen sich zurückbildete, auch die materiellen (Grundlagen, an welche dasselbe gebunden ist, einer Rückbildung unterliegen würden, und dass auf der anderen Seite mit zu- nehmender Steigerung der elektromotorischen Fähigkeiten die Örganisationsverhältnisse, welche Träger dieser letzteren Fähig- keiten sind, sich deutlicher und deutlicher ausbilden würden. Nirgends in der organischen Natur ist ein ähnlich gross- artiger, jene fundamentalen Erscheinungen vitaler Erzeugung mechanischer und elektrischer Energie betreffender Struktur- und Funktionswechsel in auch nur annähernd vollkommener Weise der Untersuchung zugänglich, ja überhaupt bisher wahrgenommen.“ Engelmann hat sich darauf beschränkt, die Beziehungen zwischen der ursprünglichen Muskelmasse des Elektroblasten und der Lamellensubstanz des elektrischen Elementes festzustellen. Seine mit Bezug auf die Frage nach dem Sitze der Kontraktilität wichtigsten Ergebnisse sind der Nachweis eines frühzeitigen Schwundes der fibrillären Struktur und des Doppelbrechungs- Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 337 vermögens im Verlaufe des IUmwandlungsprozesses.. Auch ich habe, wieoben ausgeführt, an dem völlig ausgebildeten elektrischen Element festgestellt, dass der Fibrillenbau in den Lamellen bis auf Andeutungen völlig verschwunden ist, ein Resultat, welches in Übereinstimmung steht mit der Anschauung über den Zu- sammenhang zwischen fibrillärer Struktur und Kontraktilität, zu welcher Engelmann (19) und ich (20, 21) von ganz verschiedenen Angriffspunkten aus früher gelangt sind. In dem Verhalten der metabolen Muskelsubstanz im Rochenorgan sieht Engelmann ferner eine Stütze für die Annahme, dass nur die doppel- brechenden metabolen Glieder der Muskelfibrillen Sitz und Quelle der verkürzenden Kräfte des Muskels sind. In Betreff der Frage nach dem Sitze der elektromotorischen Kräfte wagt Engelmann kaum Vermutungen. Durch den Nach- weis spezifischer Strukturen im elektrischen Organ glaube ich nun, auch diesem Problem etwas näher getreten zu sein. Wenn wir den oben beschriebenen Bau des elektrischen Elementes von Raja überblicken, so müssen drei Strukturbestand- teile als wesentliche hervorgehoben werden: 1. das Nervenendnetz; 2. die zahllosen, mit dem Nervenendnetz in innigem Kon- takt stehenden, den Membranhüllen des Netzes ange- hefteten elektrischen Stäbchen und 3. das feinfädige, mit kleinsten Körnchen in den Fäden durchsetzte, den ganzen Inhalt des elektrischen Elementes durchziehende Netzgerüst, welches sich bei Raja in der Rindensubstanz mehr verdichtet und in der Lamellen- substanz durch die zahlreichen Netzlamellen repräsentiert wird. In diesem zur Zwischensubstanz gewordenen fein- sten Netzgerüst befinden sich Zellen mit grossem Kern und grossen Kernkörperchen. Gegen dieses Gewebe hin sind die elektrischen Stäb- chen gerichtet. E. BALLOWITZ, Genau dieselben Strukturen habe ich bei Torpedo aufge- funden und beschrieben (28, 29), nur mit dem Unterschiede, dass diese Strukturen bei dem Zitterrochen den Eindruck einer feineren Ausbildung und höheren Differenzierung machen. Das steht wiederum im Einklange mit der grösseren Leistungsfähigkeit und höheren physiologischen Differenzierung, welche das „stark elektrische‘‘ Organ des Zitterrochens im Vergleich mit der wenig wirksamen Batterie des gewöhnlichen Rochen unzweifelhaft besitzt. Auch bei Torpedo habe ich nachgewiesen: 1. Ein Nervenendnetz; nur schien mir hier die Netz- bildung noch vollkommener zu sein. Jedenfalls ist das Nervenendnetz bei Torpedo weit regelmässiger und feiner, gewissermassen zierlicher und genauer ausgearbeitet. Zahllose, ausschliesslich mit dem Nervenendnetze in innigem Kontakt stehende, einer dünnen Membran an- geheftete, elektrische Stäbchen. Die Stäbchen sehen in das Innere des Elementes und sind gegen das Netz- gerüst (siehe unter 3) gerichtet. Durch ihr ausschliess- liches Vorkommen an den Nervenendigungen, durch die Ausbildung von Endkügelchen und die Zusammenlage- rung zu Stäbchenkombinationen bekunden sie, im Ver- gleich mit den einfachen Stiftchen bei Raja, eine höhere Differenzierung. Ein feinfädiges, mit feinsten Körnchen in den Fäden durchsetztes und mit eingelagerten Zellen versehenes Netzgerüst, Gerüst und Zellen von genau demselben Aus- sehen, wie bei Raja. Nur ist, zum Unterschiede von Raja, bei Torpedo dieses Netzgerüst auf eine relativ schmale Schicht beschränkt, gewissermassen konzentriert, wie überhaupt der ganze Bau des Torpedo-Organs weit konzentrierter ist als bei Raja. Bei Torpedo ist im Bau und der Anordnung der Elemente unvergleichlich mehr als bei Raja das Prinzip der Raumaus- Über den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 339 nutzung und Oberflächenvergrösserung durchgeführt; besonders die letztere scheint von grösster Bedeutung für die Leistungs- fähigkeit der elektrischen Organe zu sein. Bei dem Zitterrochen sind daher die Elemente zu sehr dünnen, relativ grossen Blättern geworden, die in enormer Anzahl in regelmässigster Anordnung parallel dicht übereinander geschichtet sind. Auf dieser Konzen- trierung und Oberflächenvergrösserung im Verein mit einer Verfeinerung der Struktur beruht die grössere Leistungsfähigkeit des Torpedo-Organs. Im Vergleich mit diesem ist die Form der Elemente bei Raja plump, ihre Anordnung wenig zweck- mässig zu nennen: das Raja-Organ macht, man möchte fast sagen, den Eindruck eines unvollkommenen ersten Versuchs. Von den drei gemeinsamen Strukturbestandteilen kommt das Nervenendnetz vielleicht nicht ausschliesslich dem elektrischen Organ zu, denn möglicherweise giebt es auch noch an anderen Stellen Terminalnetze der Nerven, wenn auch nicht in der Vollkommenheit und grossartigen Flächenentfaltung, wie im elektrischen Organ. Einzig und allein in dem letzteren kommen indessen die beiden anderen von mir beschriebenen Strukturen, die Stäbchen und das Netzgerüst, vor, so viel ich weiss, sind in keinem anderen tierischen Gewebe ähnliche Bildungen bis jetzt beobachtet worden. Ich habe daher schon in meiner Arbeit über Torpedo nicht Anstand genommen, beide als spezifisch „elektrische“ Strukturen zu bezeichnen. Hierzu treten dann in der elektrischen Platte von Torpedo noch die unregelmässigen „Körner“ hinzu, welche bei Raja fehlen. An ihrer Stelle liegt bei letzterer die bei Torpedo nicht vorhandene Lamellenmasse der Innensubstanz. Nach meiner Überzeugung ist diese Lamellensubstanz für die Physiologie des elektrischen Organs von gar keiner Be- deutung mehr. Das geht schon daraus hervor, dass sie den ausgebildeten elektrischen Elementen der stark elektrischen Fische (Gymnotus, Malopterurus und Torpedo) vollständig fehlt. Die 340 E. BALLOWITZ, Lamellensubstanz bei Raja (und wohl auch die quergestreifte Sub- stanz bei Mormyrus) stellt meiner Ansicht nach einen funktionslos gewordenen, gewissermassen nur noch mitgeschleppten Rest der kontraktilen Muskelmasse des Elektroblasten dar, es ist ein Rudi- ment, welches dem allmählichen Schwunde und Untergange geweiht ist. Die Muskelfibrillen haben ihre Kontraktilität verloren und da- “mit auch die spezifischen Eigenschaften, welche sie zur Kontrak- tion befähigten. Sie verlieren früh ihre Doppelbreehung, hören auf Fibrillen zu sein und verschmelzen zu Lamellen, indem sie der Quere nach mit einander verwachsen. Dass dem so ist, dafür spricht sowohl die sehr verschiedene Ausbildung der Lamellensubstanz bei den einzelnen Raja-Arten, wie von Ewart beschrieben wurde, als auch das Variieren der Lamellenstruktur, worauf ich oben aufmerksam gemacht habe. Dass im Laufe der Ontogenie des elektrischen Elementes neue Lamellen unter Abkürzung des ursprünglichen Entwicke- lungsganges gebildet werden, wie Engelmann wahrscheinlich gemacht hat, spielt dabei keine Rolle. Um so mehr Bedeutung scheint mir dagegen das in der lamellär degenerierenden Muskelmasse ursprünglich enthaltene Sarkoplasma zu haben, welches sich spezifisch umbildet zu den Lamellennetzen, sich in diesen konzentrierend. Überhaupt scheint mir das gesamte spezifische Netzgerüst ein direkter Abkömmling des Protoplasmas, resp. des Sarkoplasmas des Elektroblasten zu sein; dass sich die quergestreifte Fibrillenmasse, resp. die Lamellen- substanz direkt in elektrisches Gewebe umbildet, glaube ich nicht. Denkt man sich nun in dem elektrischen Element von Raja die Lamellensubstanz immer, mehr und mehr schwinden und schliesslich ganz zu Grunde gehen, so würden an ihrer Stelle die ausgebreiteten feinfädigen Netze übrig bleiben und frei wer- den. Diese Netze könnten sich dann noch mehr entfalten und reichlicher mit einander und mit dem gleichstrukturierten und gleichwertigen Netzgerüst der Rindensubstanz im Verbindung Über der feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnl. Rochen. 341 treten, so dass schliesslich eine dieke, gleichmässige Schicht von spezifischer Gerüstsubstanz vorläge. Dann würde die elektrische Platte von Raja eine ganz auffallende Ähnlichkeit mit der von Gymnotus erhalten, in welcher auch das elektrische Gewebe in dicker Schicht vorhanden ist, während die Zellen auf die beiden Rindenzonen der Platte beschränkt sind. Man sieht, in der Struktur der elektrischen Elemente ist von dem „schwächsten“ elektrischen Fisch, der Raja, bis zum stärksten, dem Gymnoten, nur ein kleiner Schritt. Nach allem habe ich die Überzeugung, dass die von mir beiTorpedo und Raja beschriebenen Struk- turen allen elektrischen Fischen zukommen und sich ebenso bei den Mormyriden, wie bei Malo- pterurus und Gymnotus werden nachweisen lassen. Hierin werde ich schon durch Angaben von Babuchin und Sachs bestärkt, welche bei Malopterurus und Gymnotus eine zarte, niedrige Streifung erwähnen, von welcher mir nicht zweifel- haft ist, dass sie durch die „elektrischen Stäbchen‘ bedingt wird. Welche Rolle die beschriebenen Strukturen bei der Er- zeugung der elektromotorischen Kraft spielen, ist vor der Hand unmöglich zu sagen. Nicht ausgeschlossen ist, dass hier auch noch feinste Bauverhältnisse in Betracht kommen, welche jen- seits der Grenze mikroskopischer Wahrnehmung liegen. So viel scheint mir aber sicher, dass die Elektrizität in der von mir als ‚feinfädiges Netzgerüst‘“ bezeichneten Gewebsschieht erzeugt wird, hier ist, wie ich glaube, Sitz und Quelle der Elektrizitäts- entwickelung zu suchen. Wahrscheinlich kommt auch den mit dem Nervenendnetze in so innigem Kontakt stehenden Stäbchen für den elektrischen Ausgleich eine wichtige physikalische Aufgabe zu. Mögen die mitgeteilten Thatsachen einmal geeignet sein, als verwertbare Bausteine zu einer wohl begründeten Theorie der Rlektrizitätsentwickelung in den so merkwürdigen elektrischen Organen zu dienen! Litteratur-Übersicht. Das elektrische Organ der Raja-Arten wurde im Jahre 1844 von James Stark (2) entdeckt. Stark beschrieb Lage, Form und gröbere Zusammensetzung des Organs und schloss lediglich aus seinem anatomischen Bau, dass es sich um ein elektrisches Organ handeln müsse. Erwähnt wird schon, dass seine Aus- bildung bei den Rochenarten verschieden ist. Kurze Zeit darauf gab Goodsir (3) eine sehr unvollkommene und unrichtige Darstellung des mikroskopischen Baues des elek- trischen Elementes von Raja. Unabhängig von Stark fand zwei Jahre später Robin (4 und 5) das Organ auf und beschrieb es ausführlich in einer trefflichen Monographie, die mit ausgezeichneten Abbildungen versehen ist. Robin untersuchte R. clavata L., Raja rubus L. und Raja batis L., bei welchen Arten nur geringfügige Unterschiede in der Lage des Organs und der Grösse der elektrischen Platten gefunden wurden; von diesen drei Arten besitzt Raja clavata die grössten elektrischen Elemente. Die etwas unregelmässige Form der „Disques‘“, ihre vordere glatte und hintere alveoläre Fläche, ferner die Verteilung der Nerven und Gefässe werden richtig beschrieben. tobin unterscheidet an der elektrischen Scheibe (5, pag. 243): Litteraturübersicht. 343 „l. Un tissu special, gelatiniforme, dont on ne retrouve l’ana- logue, que dans les appareils electriques des autres Poissons et peut par consöquent recevoir le nom de tissu £lectrique. 3. Du tissu connectif desting A separer les uns des autres les disques formes par le tissu precedent“. In Betreff des „elektrischen Gewebes“ sagt der Autor (5, pag. 242): „L’aspect exterieur du tissu special, que nous appellerons tissu electrique qui constitue les disques, est le m&me que celui de la substance qui constitue les disques de l’appareil des Tor- pilles, du Gymnote et du Silure. La structure intime de ce tissu est la suivante: Substance fondamentale amorphe, transparente, parsemee de granulations moleculaires tres fines, et dans laquelle sont plongees ca et la des spherules regulieres de O0", 005, constitudes par un amas de granules tres rapproches. Chaque petite sphere est entourde d’une areole circulaire large de O"", 015 environ, formee de granulations moleculaires reunies en cerele, sansqu’il soit possible d’apercevoir une membrane, qui enveloppe le tout, soit qu’elle n’existe pas, soit quelle se con- fonde avec la masse amorphe fondamentale.“ Offenbar hat Robin schon die Kerne und Zellen der Rinden- substanz gesehen. Weniger Glück hatte er mit der lamellären Innensubstanz, über welche sich in der umfangreichen Arbeit nur eine kurze Bemerkung findet (5, pag. 255): „Lorsqu’on fait arriver de l’eau ou de l’aleool en contact avec le tissu electrigue, on voit la substance fondamentale se couvrir de stries ou plis regulierement ondules, tres serres; mais il est tres facile de reconnaitre que ce ne sont pas des fibres, mais seulement des stries.‘“ In Betreff der Herkunft der Nerven stellte Robin fest, dass sie lediglich von den Rückenmarksnerven geliefert werden, ohne jede Beteiligung des Nerven der Seitenlinie, wie Stark noch angenommen hatte. 3441 Litteraturübersicht. 5, pag. 278. „Les nerfs proviennent de la moelle &piniere :audale. Un et quelquefois deux filets naissent de la racine anterieure avant son union & la racine posterieure; deux ou trois viennent du chiasma, qu’elles forment en se r&unissant, et deux & quatre de la paire anterieure ou des deux paires qui font suite & ce chiasma. Öes nerfs ne donnent pas de branches A d’autres organes; ils sont entierement et exclusivement destines a cet appareil.“ Gute Abbildungen erläutern ferner die wichtige Thatsache, dass die Nervenverästelungen nur an die glatte Vorderfläche der „disques“ herantreten, während die Gefässäste hinter der Scheibe liegen, niemals aber durch dieselbe hindurchgehen. In Betreff der Nervenendigungen an der Platte verfielRobin in denselben Irrtum, wie vor ihm Savi (1) bei seinen Unter- suchungen über das elektrische Organ von Torpedo: er nahm bei Flächenansicht der Platte die Kreuzungen der Nervenfasern für direkte Verbindungen und liess die Nervenenden in ein weit- maschiges, an der Vorderfläche der Platte gelegenes Terminal- netz übergehen. Die Entdeckung von Stark und Robin wurde bald durch eine Anzahl von Mitteilungen anderer Forscher bestätigt, die sich aber nur zum Teil der Deutung, welche ihre Entdecker dem Organ gegeben hatten, anschlossen. In seiner Arbeit über die Entwickelung der Nerven des elektrischen Organs von Torpedo macht Ecker (7) in einer An- merkung eine kurze Mitteilung über die Verzweigung der elek- trischen Nerven bei Raja, lässt es aber zweifelhaft, ob die Nerven in freie Endigungen oder in Anastomosen übergehen. Die lamelläre Schicht hat zuerst Stannius (8) richtig er- kannt, welcher in seinem „Handbuch der Zootomie“ die „sehr genaue“ Beschreibung Robins bestätigt und über den Inhalt der vom Bindegewebe umschlossenen Kammern hinzufügt (l. e. Litteraturübersicht. 345 pag. 120): „Der Inhalt der Räume besteht aus einer gallertartigen durchscheinenden Grundmasse, welche besonders in der hin- teren Hälfte des polygonalen Raumes ein unregelmässig ge- staltetes, von grösseren und kleineren Hohlräumen vielfach durchbrochenes Maschenwerk darstellt. — An vielen Stellen der Grundmasse sieht man runde, kernhaltige Elementarzellen eingelagert; in der vorderen Hälfte jeder Kapsel des vordersten Teiles des Gebildes findet man ferner quergestreifte Muskel- substanz, welche teils in sehr dünnen, zarten Blättern, bisweilen wie ein Anflug, die Alveolen überzieht, teils breitere Bündel bildet.“ In Betreff der Deutung des Organs widerspricht indessen Stannius Robin, indem er dasselbe nicht für elektrisch hält Ne pag- 121): „Der Robinschen Deutung möchte ich nicht, oder höchstens sehr bedingt beistimmen. Meiner Ansicht nach verhält sich dies Organ zu dem Muskel, den es fortsetzt, ungefähr wie die Chorda dorsalis zur Wirbelsäule. Es ist die primordiale Anlage eines Schwanzmuskels, welche perennierend sich erhält. Als Fortsetzung des Muskels charakterisiert es sich, teils durch seine Kontinuität mit demselben, teils durch seine gleiche Anheftungs- weise mittelst fortlaufender Aponeurosen. Entscheidend ist je- doch für mich der Umstand, dass ich in dem vordersten, dem wirklichen Muskel zunächst gelegenen Teile quergestreifte Muskelelemente in Gestalt von sehr zarten quergestreiften Blättern und selbst von Faserbündeln getroffen habe.‘ So unvollständig wie diese Angaben auch sind, so ist doch anzuerkennen, dass Stannius der erste gewesen ist, welcher die Verwandtschaft zwischen dem Schwanzorgan von Raja und dem quergestreiften Muskel erkannt hat. Stannius hat damit lange vor Babuchin den genetischen Zusammenhang zwischen Muskelfasern und elektrischen Organen gewissermassen un- 346 Litteraturübersicht. bewusst geahnt, wenn er sich auch ihre Genese bei Raja genau im umgekehrten Sinne dachte. Leydig (9 und 10) hat die Streifung der Innensubstanz etwas deutlicher gesehen und eingehender geschildert; er führt sie auch auf eine Schichtung zurück (9, pag. 318): „Was aber die homogene Grundsubstanz, in der die Zellen eingebettet sind, sehr auffallend macht, ist eine äusserst regel- mässige und dicht verlaufende lineäre Zeichnung, die nicht erst wie Robin meint, dann auftritt, wenn Wasser oder Alkohol mit der Kapsel zusammengebracht wird, sondern in ganz un- behelligstem Zustande vorhanden sich zeigt und zu den Grund- eigentümlichkeiten der Kapsel gehört. Die Linien erinnern in ihrer Anordnung an den Verlauf der Leistehen, welche an der Volarfläche der Hände und Finger, sowie an der Plantarfläche der Füsse und Zehen in parallelen bogenförmig gekrümmten Richtungen verlaufen. Schon Robin erklärt, dass die Linien keine Fasern sind, sondern nur Streifen; mir schienen sie der Ausdruck von einer Schichtung der homogenen Grundsubstanz der Kapsel zu sein. Nach Zusatz von Kalilauge schwinden sie nicht, die ganze Masse wird durch dieses Reagens überhaupt nicht angegriffen, sondern quillt höchstens etwas auf und die eingestreuten Zellen werden deutlicher.“ Im übrigen ist die Schilderung, welche dieser Autor von dem Baue der elektrischen Platte des Rochens giebt, recht ver- worren und wenig zutreffend, ebenso wie seine bildliche Dar- stellung eines Durchschnittes (9, Fig. 1 auf Tafel XII), in wel- chem die Nerven fälschlich von hinten her an die Platte heran- treten. Ferner reiht Leydig die geschichtete Substanz dem Hyalin- knorpel an und sieht in dem Gewebe des Elementes nicht, wie Robin, eine ganz spezifische Substanz, sondern modifiziertes Bindegewebe. Infolgedessen stellt Leydig auch in Abrede, dass es sich hier um ein elektrisches Organ handele, vielmehr Litteraturübersicht. 347 rechnet er das fragliche Gebilde den Schleimkanälen der Fische zu. Ebenso ist Remak (11) nicht geneigt, das Schwanzorgan für ein elektrisches zu halten, indem er im Anschluss an seine Mitteilungen über das elektrische Organ von Torpedo über Raja kurz folgendes sagt (l. ec. pag. 471): „Nach Beobachtungen und Präparaten, die ich im Jahre 1851 in Helgoland von Raja clavata gesammelt, muss ich die Beschreibung dieses Organs von Stannius für ungenau er- klären. Die an der Innenfläche der buchtigen nervenreichen Kapselwand befindliche gallertige, von Kernen in regelmässigen Abständen durchsetzte, in Säuren und Alkalien aufquellende Schicht scheint mir zwar allerdings kontraktile Eigenschaften zu besitzen. Denn ist das Tier ganz abgestorben, so erscheint sie ganz homogen. Wird sie aber in frischem Zustande mit Alkohol, Sublimat, Chromsäure behandelt, so zeigt sie ein sehr zierliches Bild von wellenförmigen, konzentrischen Furchen, so dass die Fläche wie mit Chladnischen Klangfiguren bedeckt erscheint. Durch ihre Schärfe erinnern die Furchen wohl auch an die Querstreifen der Muskelfasern. Aber ein allmählicher Übergang dieser Substanz in quergestreifte Muskelfasern an der Spitze des Organs, wie Stannius beschreibt, lässt sich nicht nachweisen. Muskeln setzen sich allerdings an die Oberfläche des Organs an, und sobald sie sich verkürzen, werden sich die kolossalen Gefässbäusche in den Höhlen der Kapseln mit Blut füllen; sobald sie dagegen erschlaffen, kann die kontraktile Gallertschicht den Rücktritt des Blutes aus den Gefässen (viel- leicht zum Rückenmark) befördern.“ Offenbar hat Remak das Schwanzorgan des Rochens auf Helgoland nur flüchtig untersuchen können, denn sonst wäre dem ausgezeichneten Beobachter nicht entgangen, dass die lamelläre Schichtung auch an dem „ganz abgestorbenen“ Tiere stets deutlich wahrnehmbar ist. Auch sind die Gefässverzwei- Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXI (7. Bd. H. 3). 23 348 Litteraturübersicht. gungen in den Kammern des Organs nicht so „kolossal‘‘, wie schon die schönen Abbildungen Robins gezeigt hatten, so dass schon aus diesem Grunde die Vermutungen Remaks hinfällig werden. Die erste eingehende histiologische Untersuchung des Organs und richtige Darstellung seines feineren Baues wurde im Jahre 1858 von v. Kölliker (12) geliefert, welcher mehrere Arten von Raja (R. clavata, Schultzii, miraletus, undulata und Leviraja oxyrhynchus) zergliederte. v. Kölliker stellte zunächst die Verteilung des Inhalts innerhalb der vom Bindegewebe umschlossenen Kammern fest (l. ec. pag. 13): ‚Innerhalb der von bindegewebigen Scheidewänden gebildeten Fächer oder Alveolen des Organes, deren Gesamt- anordnung Robin sehr genau geschildert hat, liegen wesentlich zwei Bestandteile, welche dieselben ganz erfüllen und zwar an der vorderen Seite eines jeden Faches der von Robin be- schriebene scheibenförmige Körper, nach hinten dagegen eine durchsichtige weiche Gallertmasse, die ich den Gallertkern nennen will. Die Scheiben, die ich die Schwammkörper heisse, nehmen ein Dritteil oder die Hälfte einer jeden Alveole ein, haben eine vordere glatte und mehr oder weniger gewölbte und eine hintere vertiefte aveoläre oder schwammige Seite und sind in ihren gröberen Verhältnissen von Robin genau beschrieben worden. An der vorderen Seite derselben liegt, jedoch ohne mit ihnen irgend eine Verbindung einzugehen, die Ausbreitung der Nerven des Organs genau an, in Form einer mässig dicken hellen Platte, der Nervenplatte, die neben zahlreichen Nervenverzwei- gungen noch aus einer Grundlage von einem weicheren Binde- gewebe besteht und, obschon sie mit dem vorderen Teile der Scheidewände eines jeden Faches vereint ist, doch leicht als ganzes sich ablöst und daher einer besonderen Bezeichnung bedarf, auch als drittes Element des Inhaltes der Fächer aufgestellt werden könnte. Fester als mit der Nervenplatte vorn sind die Litteraturübersicht. 349 Schwammkörper mit dem Gallertkern an ihrer hinteren Seite verbunden, indem derselbe an alle ihre Erhabenheiten und Ver- tiefungen sich anlegt. Diesem zufolge ist meine Beschreibung mit derjenigen von Robin ganz im Einklang, mit einziger Aus- nahme dessen, dass Robin den Gallertkern nicht erwähnt und die Nervenplatte nicht als besonderes Gebilde von der Wand der Alveolen unterscheidet und daher der Meinung ist, dass die „Disques“ die Fächer ganz erfüllen.“ In Betreff der feineren Zusammensetzung der Scheibe selbst sagt der Autor l. c. pag. 16: „Das ganze Gewebe hat ein zartes, weiches Ansehen, das Robin treffend wiedergiebt und ist auch häufig an vielen Orten ohne Spur von Linien. Die Körnchen sind häufig und namentlich bei gewissen Gattungen alle äusserst fein und blass, so dass die Balken fein granuliert erscheinen, andere Male finden sich neben denselben auch eine verschiedene Zahl grösserer und kleinerer dunkler Fettkörnchen, die wie bei Leviraja selbst recht zahlreich vorhanden sein können, was dann dem Gewebe ein eigentümliches Ansehen giebt. Von Zellen sah ich nichts und muss ich die grösseren erwähnten Körper alle für bläschenförmige Kerne halten, welche, was ihre Lage anlangt. immer im Innern der Balken in ein- oder mehrfachen Reihen sich fanden. Am häufigsten waren diese Kerne in dem schwammigen Teile der Schwammkörper, wogegen dieselben in dem an die Nervenausbreitung stossenden Abschnitte derselben, der sich wie eine zusammenhängende dickere, die Blätter und Balken tragende Platte darstellte, seltener vorkamen, auch stellenweise ganz fehlten. In diesem Teile der Schwammkörper waren auch die wellenförmigen Streifen immer am zierlichsten und deut- lichsten, so dass das Ansehen oft an Quer- oder Längsstreifen von Muskeln erinnerte. Das Muskelgewebe ist auch in der That das einzige, mit dem ich das Gewebe der Schwamm- körper einigermassen vergleichen möchte, wenn eine Vergleichung verlangt wird, und sind die schmäleren Balken mit ihren Kernen, 23* 350 Litteraturübersicht. den feineren und gröberen Körnchen und den Streifen, die je- doch immer longitudinale sind, in der That oft auffallend ge- wissen mehr homogenen Muskelfasern von Tieren ähnlich, doch versteht es sich von selbst, dass ich auf diese Ähnlichkeit kein grösseres Gewicht lege, so lange nicht Kontraktilität an den Schwammkörpern nachgewiesen ist.‘ v. Kölliker erkannte mithin die hintere Rindenschicht und die gestreifte Innensubstanz, die auch in der übersichtlichen Abbildung Fig. 2 auf Tafel I, der ersten zutreffenden, deut- lich, wenn auch zu scharf abgegrenzt sind. Dagegen blieb dem Autor die vordere Rindenschicht noch verborgen, die auch in der Figur nicht angedeutet ist. Ebenso entging ihm die Existenz der deutlich abgegrenzten Zellen, worüber noch be- sonders gesagt wird (l. e. pag. 17): „Der Entstehung nach be- trachtet, haben wir hier offenbar ein Gewebe, das ursprünglich aus Zellen besteht, die dann aber so verschmelzen, dass die Zellkörper (vielleicht zugleich mit ausgeschiedener Intercellular- substanz) in eine körnige gleichartige Masse übergehen, während die Kerne bleiben.“ Über die Endigung der Nerven konnte v. Kölliker zu keinem sicheren Ergebnis kommen, neigt sich aber der Ansicht zu, dass die feinsten Nervenzweige in ein Terminalnetz über- gehen (l. c. pag. 19): „Die ganze blasse Nervenverästelung nun strebt, indem ihre Elemente immer feiner werden, gegen die der glatten Fläche der Schwammkörper zugewendete Seite der Nervenplatte und endet schliesslich an der Oberfläche derselben in schwer zu be- stimmender Weise Weder Ecker noch Leydig sind über die eigentliche Endigungsweise ins Reine gekommen und auch ich finde, dass es hier viel schwieriger ist, sich ein bestimmtes Urteil zu bilden, als beim elektrischen Organe der Zitterrochen. So viel habe ich bestimmt ermittelt, dass die letzten Enden der Nervenfasern, die kaum mehr als 0,0005 messen, gegen Litteraturübersicht. Bol die Oberfläche der Nervenplatte zu sich alle senkrecht stellen und bis an die äusserste Fläche derselben hinanreichen. In einigen Präparaten nun endeten dieselben hier, dieht am Schwamm- körper, frei mit leichten knopfförmigen Anschwellungen, in an- deren von frischen Tieren bildeten sie nach allem, was ich zu sehen vermochte, ein horizontal ausgebreitetes Netz, dessen Fasern und Maschen um ein ziemliches grösser waren, als im elektrischen Organe der Zitterrochen und scheinen demzufolge ähnliche Verhältnisse hier obzuwalten, wie bei den Torpedines; doch wage ich bei der Schwierigkeit des Gegenstandes, indem die dieke Nervenplatte der gewöhnlichen Rochen weder bei Flächen- noch bei Seitenansichten eine ganz klare Einsicht in ihre Verhältnisse gestattet, nicht, für die eine oder andere An- schauung mit Bestimmtheit mich zu entscheiden. Nur so viel ist sicher, dass auch hier eine äusserst reiche Nervenverästelung vorhanden ist, die derjenigen der Torpedines wenig nachsteht, sowie dass kein Nervenfädchen in den Schwammkörper selbst hineingeht.‘“ In betreff der physiologischen Bedeutung des Organs schliesst sich v. Kölliker der Auffassung Robins an. Die Beschreibung v. Köllikers wurde in mancher Hin- sicht wesentlich ergänzt durch die fast gleichzeitig erschienene Arbeit M. Schultzes (B). Zunächst entdeckte M. Schultze die vordere Rindenschicht, zählte sie aber nicht dem elektrischen Gewebe der Platte zu, sondern fasste sie als Nervenendigung auf. Hiervon abgesehen, ist die Schilderung, welche M. Schultze von dieser Schicht giebt, sehr genau und zutreffend. (l. ce. pag. 203): „Hat man die beschriebenen Nervennetze von der vorderen Fläche des Schwammkörpers abgelöst, so zeigt sich die letztere von der Fläche betrachtet fein granuliert und in ziemlich weiten Abständen mit blassen ovalen, einen deutlichen runden Kern führenden Zellen durchsetzt. Die Granulierung und die Zellen liegen nur in einer äusserst dünnen Schicht, welche die vordere 352 Litteraturübersicht. Fläche des in seinen folgenden Schichten ganz anders aussehenden Schwammkörpers überzieht und auch wieder für sich ablösbar ist.‘ Der Autor tritt damit der Auffassung Leydigs bei, welcher an dem Gewebe der Platte eine Intercellularsubstanz und in dieselbe eingebettete kernhaltige Zellen unterschieden hat, eine Auffassung, deren Richtigkeit sich auch aus meinen Unter- suchungen ergeben hat. Dasselbe wies M. Schultze auch für den „hinteren löcherigen Teil des Schwammkörpers“ und die „von zahllosen mäandrisch verschlungenen Liniensystemen durch- zogene“ Schicht nach; nur sind in letzterer die eingesprengten Zellen an sich seltener und oft schwer zu erkennen. Fig. 3 auf Tafel IX zeigt die zahlreichen Zellen in den Balken der hinteren Rindenschicht und die spärlichen Elemente der mäan- drischen Lage. In Betreff der Zellen, denen allerdings noch eine Membran zugeschrieben wird, ist bemerkt (l. ec. pag. 211), dass sie in der vorderen und hinteren Partie des Schwamm- körpers völlig übereinstimmen. (l. ec. pag. 205): „Die Zellen sind oval, mit grossem runden Kern versehen, mit im frischen ‘Zustande deutlicher Membran, und entweder ganz homogenem Inhalte oder mit Körnchen zum Teil ausgefüllt, welche öfter ein starkes Lichtbrechungsvermögen,, wie Fetttröpfehen besitzen.“ Vortrefflich ist ferner auch die Schilderung, welche M. Schultze von der lamellären Schicht entwirft (l. c. pag. 209): „Die elektrische Platte von Raja besitzt aber eine Eigentümlichkeit, welche den entsprechenden Gebilden anderer elektrischer Fische abgeht. Es ist die eigentümliche mäandrische Linienzeichnung. Die mäandrischen Liniensysteme des vorderen Teiles des Schwammkörpers lassen sich am besten im ganz frischen Zu- stande des Organes untersuchen, sie erhalten sich aber auch nach der Behandlung mit Chromsäure, doppeltchromsaurem Kali, Sublimat, Alkohol, Holzessig, Goadbyscher Flüssigkeit, in denen allen der Schwammkörper, vorausgesetzt, dass die Flüssig- keiten niehtzu verdünnt angewandt wurden und nur kleinere Stücke Litteraturübersicht. 353 des Organes enthielten, Monate lang seine Struktur unverändert zeigt. Wie sich durch längeres Kochen in Wasser dieser Teil des Schwammkörpers in Lamellen spalten liess, so beobachtet man ein Gleiches nach längerer Maceration in dünneren Lösungen der oben angeführten konservierenden Flüssigkeiten. Die iso- lierten Lamellen zeigen auf der Fläche oft eine äusserst feine netzförmige Zeichnung, deren Ursache mir unbekannt geblieben ist. Sie erinnert an die feinsten Nervennetze der vorderen Fläche des Schwammkörpers. Die Untersuchung des Verlaufes dieser Lamellen ist sehr schwer. Ein Teil derselben streicht oft der genannten Fläche des Schwammkörpers parallel, andere erheben sich in einer Richtung senkrecht auf diese und biegen bald wieder bogenförmig um. Es sind immer Gruppen von Lamellen, welche eine Strecke denselben Verlauf einhalten, dann aber oft nach verschiedenen Richtungen auseinander weichen, indem sich neue zwischen dieselben einschieben. So entsteht auf Längsschnitten eine Zeichnung, die an jeder anderen Stelle des Schwammkörpers wieder anders gefunden wird. Im frischen Zustande sah ich die Linien nicht bis in die Balken des löcherigen Teiles des Schwammkörpers hineimreichen. Doch scheinen sich verschiedene Species von Raja in diesem Punkte ver- schieden zu verhalten. Sie hörten bei Raja clavata immer ganz allmählich sich verlierend in der feinkörnigen Intercellularsubstanz auf. Durch Behandlung mit Liquor conservativus oder Sublimat- lösung nimmt jedoch ein Teil dieser feinkörnigen Substanz auch noch ein gestricheltes Ansehen an, so dass jetzt die Linien- systeme sich weiter nach hinten erstrecken, als im frischen Zustande sichtbar war.“ In Fig. 3 der zugehörigen Tafel IX wird die Anordnung der Lamellen treffend illustriert. In dieser Abbildung ist auch sehr schön die Zusammensetzung der elektrischen Platte aus den drei Schichten und deren inniger Zusammenhang zu sehen; aller- dings wird noch nirgends erwähnt, dass die vordere und deren 354 Litteraturübersicht. hintere „granulierte“ Schicht am Rande der Platte in einander übergehen. Aus dem Angeführten geht hervor, dass M. Schultze die Zusammensetzung der elektrischen Platte bis in ihre Einzelheiten richtig erkannt und so eingehend geschildert hat, dass von allen späteren Untersuchern nichts wesentlich Neues hinzugefügt werden konnte. Weniger gilt dies für die Anschauungen, welche M. Schultze von der Endigung der Nerven entwickelt hat. Der Autor glaubte, ganz in der Nähe der Vorderfläche der Platte zwei von einander unabhängige Nervennetze gesehen zu haben; das zweite feinere, der Platte unmittelbar anliegende, soll direkt übergehen in die vordere, zellenhaltige, granulierte Substanz (vordere Rindenschicht nach meiner Bezeichnung). Da diese letztere nun mit den bei- den anderen Lagen innig zusammenhängt, sieht M. Schultze die ganze elektrische Platte für eine einzige grosse Nerven- endigung an. In betreff des ersten von ihm beschriebenen Nervennetzes ist der Autor, infolge der Schwierigkeit der Untersuchung am frischen Objekt, in denselben Irrtum verfallen, wie vor ihm schon Robin, indem er die Kreuzungen der dicht an einander vorbei streichenden Nervenfasern für wirkliche gegenseitige Verbindungen nahm. Das von M. Schultze beschriebene gröbere Nervennetz, welches im Niveau der kernhaltigen Zone der Nervenverästelungen liegen soll und in Fig. 4 auf Tafel IX mit d bezeichnet ist, existiert also nicht. Es bleibt mithin nur noch das zweite eigentliche Terminalnetz übrig und ist es un- zweifelhaft, dass M. Schultze, ebenso wie v. Kölliker, die von mir oben näher beschriebene Netzzeichnung schon ge- sehen hat. Allerdings deckt sich die von ihm in Fig. 4 auf Tafel IX bei e gegebene bildliche Darstellung nicht mit meiner Schilderung, da das Netz viel zu regelmässig gezeichnet ist, in- Litteraturübersicht. 355 nu dessen macht die Fig. 4 nach dem eigenen Zugeständnis des Autors keinen Anspruch auf Genauigkeit. M. Sehultze nimmt nun an, dass das Terminalnetz in die vordere granulierte Substanz direkt übergeht und die letztere eine Fortsetzung der Nervenmasse darstellt. Da nun die granulierte Substanz mit dem übrigen Gewebe des „Schwammkörpers“ direkt zusammenhängt, sieht M. Schultze die ganze elektrische Platte als eine grosse „flächenhaft ausgebreitete Nervensubstanz, hervor- gegangen aus einer Verschmelzung sämtlicher Nervenenden“ an, während er andererseits, in Übereinstimmung mit Robin, das Ge webe als ein spezifisches, elektrisches betrachtet. (l. ce. pag. 212): „Die Ansicht, welche demnach über die Struktur des Schwamm- körpers gewonnen ist, ist die, dass die Intercellularsubstanz des Schwammkörpers eine direkte Fortsetzung der Nerven sei, welche vor ihrem Übergange in erstere in Form feinster Netze auftreten, die sich dann unter Wegfall der Maschen zu einer soliden Masse umwandeln. Diese solide Nervenmasse ist teils in Plättchen spaltbar als Wiederholung der schon in den Netzen ausge- sprochenen Tendenz zur Plättehenbildung, teils feinkörnig solide. Welche Bedeutung die in die Intercellularsubstanz eingebetteten Zellen haben, bleibt dabei vor der Hand ganz dunkel.“ Aus dem Text und der Figur wird nicht klar, wie M. Schultze sich den Übergang des Terminalnetzes in die granulierte Substanz gedacht hat. Denn wenn sämtliche Nerven in ein geschlossenes Endnetz übergehen, so haben sie damit ihr Ende erreicht, wenn nicht nachgewiesen wird, dass von dem Netz wiederum weitere Fortsetzungen, etwa in Gestalt von Fäserchen, ausgehen. Dieser Nachweis wird aber nicht erbracht. v. Kölliker war daher der Wahrheit sehr viel näher gekommen, indem er betonte, dass die Nerven niemals in die Plattensubstanz eindringen. Die eigenartige Auffassung M. Schultzes von der elektrischen Platte wurde durch die fundamentale Entdeckung Babuchins (15, 16, 17, 18) widerlegt, welcher nachwies, dass die elektrischen 356 Litteraturübersicht. Elemente bei Torpedo, Mormyrus und Raja aus sich umwandeln- den quergestreiften Muskelfasern hervorgehen. Bei der Untersuchung des Entwickelungsprozesses der elek- trischen Platten bei Raja-Embryonen fand der russische Forscher, dass an Stelle derselben sich in einem gewissen Stadium kurze und dicke quergestreifte Muskelfasern befinden, welche in der- selben Ordnung gelagert sind, wie die späteren elektrischen Kästchen. Wie Babuchin bei ganz jungen Rochen gesehen haben will, besitzen diese Muskelfasern anfangs noch Kontrakti- lität, sie antworten auf galvanische Reizung durch Zusammen- ziehung. Später bei fortschreitender Entwickelung verlieren sie diese Fähigkeit. (16, pag. 547): „Mit der Zeit metamorphosieren die Fasern in der Art, dass ihre vorderen Enden anschwellen, die hier befindlichen Kerne sich vermehren und so die eylindrischen Muskelfasern sich in birnförmige, geschweifte Körper umwandeln, die Streifung jedoch beibehaltend. Später atrophieren die Schweife. Ein Teil des birnförmigen Körpers und zwar die einfachbrechende Substanz oder mit anderen Worten, der Rest vom Protoplasma wandelt sich zum Balken- werk um, während die doppeltbrechende Substanz mit der da- zwischen liegenden einfachbrechenden Substanz in sehr ver- wickelter Weise gegen einander verschoben wird und später als mäandrisch gestreifter Teil des Kästchens übrig bleibt. Damit hoffe ich, bewiesen zu haben, dass die elektrischen Organe mit den Muskeln nicht nur analog, sondern identisch sind. Die Endverzweigung der Nervenfasern hat dieselbe Bedeutung wie die motorischen Endplatten. Die Kästchen u. s. w. sind meta- morphosierte, verkümmerte Muskelfasern, keineswegs aber aus- gebreitete Achsencylinder, wie es von vielen angenommen wird.“ Die positive Angabe von Babuchin (l. ce. pag. 547), dass die mäandrisch-gestreifte Substanz bei Raja „im polarisierten Lichte dieselben Erscheinungen darbietet, welche von Brücke an Muskelfasern beobachtet worden sind“, ist durch die genauen Untersuchungen von Engelmann (30) kürzlich widerlegt worden. Litteraturübersicht. 357 Die definitive gewebliche Zusammensetzung des elektrischen Blementes von Raja ist von M. Schultze richtiger erkannt worden, als von Babuchin. Die Entdeckung von Babuchin wurde weiter fortgeführt und ergänzt durch Rwart, welcher in vier Abhandlungen (23, 24, 25, 26) in ausführlicher, wenn auch etwas umständlicher Weise die Entwiekelung und feinere Anatomie des Schwanzorgans zahl- reicher Rochenarten beschrieben und durch eine Reihe vorzüg- licher Abbildungen erläutert hat. Ewart untersuchte zunächst die Entwickelung unseres Organs bei Raja batis (23). Ursprünglich befindet sich in den Embryonen an Stelle des elektrischen Organs quergestreiftes, funktionsfähiges Muskelgewebe, welches durch Myocommata in Muskelkegel abgeteilt ist. Die ersten Andeutungen des elektrischen - Organs wurden in Embryonen von 6—7 cm Länge gefunden. Zuerst werden die Muskelfasern bestimmter Myomeren in der Region des Schwanzes keulenförmig (clubshaped), indem sich - ihr vorderes Ende verdickt. Die Keulen wachsen beträchtlich in die Länge, zeigen anfangs ein abgerundetes, verdicktes Vorder- ende, welches aber bald durch Einsenkung der vorderen Fläche eine unbestimmte Napfform (indistinet cupform) annimmt. Hier- aus geht dann durch Abflachung und Verbreiterung die defini- tive Gestalt der elektrischen Platte (electric disc) hervor, während der hintere Teil der ursprünglichen Muskelfaser als zarter, oft bandartiger, bisweilen noch mit Querstreifung versehener stengel- förmiger Fortsatz bestehen bleibt oder überhaupt ganz zu Grunde geht. Bei Verbreiterung der wachsenden Scheibe verlassen die durch Vermehrung zahlreich gewordenen Muskelkerne die mittlere streifige Lage und häufen sich an der vorderen und hinteren Fläche der Scheibe an, hier eingebettet in eine gemeinsame Protoplasmamasse. Durch Auswachsen der letzteren an der Hinterfläche und sekundäre netzförmige Verbindung entsteht dann das Balkenwerk der hinteren Lage. 358 Litteraturübersicht. Diese Umwandlung geht nur langsam vor sich und findet nicht überall gleichzeitig statt. Zuerst tritt die Metamorphose im mittleren Teil der Organanlage auf und schreitet von hier nach vorne und hinten vor. Die Entwickelung des Organs ist abgeschlossen, wenn der Roche eine Länge von 12 cm erlangt hat, kurz bevor er die Eikapsel verlässt. Die weiteren Ver- änderungen bestehen in einer Grössenzunahme der einzelnen Teile des Organs, ohne dass neue Elemente durch Umwandlung von Muskelfasern hinzukämen. An dem ausgebildeten Organ von Raja batis unterscheidet Ewart drei Schichten, welche, von vorne nach hinten aufgezählt, als „electric layer‘‘, „striated layer‘ und „alveolar layer‘‘ be- zeichnet werden; auch bei den anderen Rochenarten sind sie vorhanden, wenn auch in verschiedener Ausbildung. Diese Lagen entsprechen den von mir unterschiedenen drei Schichten; nur rechnet Ewart zu dem ‚electric layer“ auch die Nervenendver- ästelung, welche von ihm, wie schon früher von Babuchin, als ausgewachsene modifizierte, motorische Endplatte aufgefasst wird. Das wichtigste und wesentlich neue Ergebnis der wertvollen Untersuchungen von Ewart ist der Nachweis, dass Form und Struktur der definitiv ausgebildeten elektrischen Elemente bei den einzelnen Raja- Arten mannigfachen Modifikationen unter- worfen sind, dass alle diese Modifikationen aber in einem be-. stimmten genetischen Zusammenhange insofern stehen, als sie verschiedenen Entwickelungsstufen des Organs entsprechen. Auch die Grösse des ganzen Organs mit Bezug auf die Körpergrösse des ganzen Tieres ist nach der Art verschieden; relativ das grösste Organ wurde bei Raja batis, alba und R. macrorhyn- chus gefunden. Nach Ewarts Entdeckung tritt die definitive Form des elektrischen Elementes in dem Genus Raja in zwei Variationen auf, der Scheibenform (dise shaped) und der Napfform (cup-shaped). Litteraturübersicht. 359 Am häufigsten ist die Scheibenform, sie wurde bei bei weitem den meisten Rochenarten gefunden (Raja batis L., macrorhynchus Raff., R. alba Lac., R. oxyrhynchus L., R. clavata L., R. macu- lata Donov., R. microcellata Mont.). Bei allen diesen Arten stimmt die Struktur, der Grad der Ausbildung und die Anordnung der Scheiben vollständig überein. Die Napfform dagegen wurde nur bei im ganzen vier Rochen- arten (Raja radiata Donov., R. circularis Couch., R. fullonica L. und R. eglanteria) beobachtet und bei den drei ersteren Arten näher untersucht. Sie stellt entschieden die niedere Entwicke- lungsstufe der elektrischen Elemente von Raja dar, da sie, wie oben erwähnt, auch in der Ontogenie der Scheibenform (bei Raja batis) als vorübergehendes, wenn auch wenig charakteristisch ausgeprägtes Stadium auftritt. Ewart fand nun, dass die definitiven Napfformen der drei genannten, von ihm näher untersuchten Arten drei wichtige zu- sammenhängende Entwickelungsetappen in der Entwickelung der scheibenförmigen Elemente aus quergestreiften Muskelfasern re- präsentieren. Die primitivste Form wurde bei R. radiata (25) gefunden, welche Art auch sonst primitive Charaktere aufweist. Die Ele- mente sind hier kleine, flache Näpfe mit langem, breitem, relativ grossem, hinten sitzendem Stengel-Fortsatz. Der Napf wird fast ganz gebildet von einer kompakten Masse sehr charakteristisch quergestreifter Muskelsubstanz, die in ihrem Innern noch zahl- reiche Muskelkerne birgt; die Querstreifung geht kontinuierlich auch auf den Stengel über. Dieses Muskellager wird umgeben von einer sehr dünnen, kernhaltigen Schicht, die hinten völlig glatt ist. Vorne treten an die konkave Napffläche zahlreiche Nerven heran. Das ganze Gebilde besitzt noch so sehr Muskel- charakter, dass man geneigt sein könnte, es auch für noch kon- traktil zu halten. Auch sind Bindegewebskammern noch nicht 360 Litteraturübersicht. zur Differenzierung gekommen. Offenbar stellt das Organ von R. radiata die primitivste Form von allen elektrischen Organen überhaupt dar. Damit steht auch sein spätes Auftreten im Ein- klang. Während bei R. batis das elektrische Organ in frisch ausgeschlüpften Jungen schon vollständig entwickelt ist, beginnt seine Ausbildung bei R. radiata erst lange nach dem Aus- schlüpfen. Ein weiteres Entwickelungsstadium stellen die Elemente von R. eircularis (24) dar. Die Näpfe sind hier wohl entwickelt, mit tiefer Höhlung und relativ kleinem, zartem Stengelfortsatz. Statt der dieken quergestreiften Muskelmasse in den Näpfen von R. radiata, findet sich hier ein weit dünneres Mittellager von gebogenen Lamellen mit noch zahlreichen Kernen. Die äussere Schicht ist dicker, reicher an Kernen und an der hinteren Fläche des Napfes, bis auf kurze, kleine Erhebungen besonders in der Nähe der Stengelbasis, fast noch ganz glatt. Bei R. fulloniea sind diese Fortsätze der Hinterfläche grösser und unregelmässiger geworden und haben sekundäre, mit Kernen versehene Fortsätze getrieben, so dass die Hinterfläche des Napfes ein unregelmässig zottiges Aussehen besitzt. Der Stengelfortsatz ist noch mehr zurückgebildet. Von dieser Napfform bei R. ful- lonica bis zu der Scheibenform bei R. batis ist nur ein kleiner Schritt. Stellt man sich vor, dass die hinteren Fortsätze der Rindenschicht sich netzförmig verbinden, die Kerne aus dem Lamellenlager verschwinden und der Napf sich glättet und aus- breitet, so erhält man den „disc“ von Raja batis. Das Organ von R. batis (und R. clavata) stellt mithin die höchste Ent- wickelungsstufe des Rochenorganes dar. Auf Tafel 30 seiner letzen Abhandlung (26) hat Ewart die verschiedenen Formen der Elemente in übersichtlicher Weise zum Vergleich zusammen- gestellt. Während der Schwerpunkt der Untersuchung des englischen Forschers in der Darstellung der ontogenetischen und phylo- Litteraturübersicht. 361 genetischen Entwickelung des Rochenorganes liegt, sind seine histiologischen Angaben kaum geeignet, die Mitteilungen seiner Vorgänger, besonders v. Köllikers und M. Schultzes, zu erweitern. Am eingehendsten wurde der Bau der Elemente von Raja batis (23 und 26) untersucht, an welchem die oben ge- nannten drei Schichten unterschieden wurden. Das Verhältnis dieser drei Schichten zu einander hat Ewart richtig erkannt, indem er feststellte, dass die Lamellenschicht („striated layer‘) rings umgeben wird von einer kernhaltigen Schicht; der vordere (eleetrie layer) und hintere (alveolar layer) Teil dieser Schicht stossen am Rande der Scheibe zusammen und gehen hier kon- tinuierlich in einander über, wie auch schon Sanderson und Gotsch früher abgebildet hatten. | Von dem „elecetrie layer“ heisst es (26, pag. 397): „The electrie layer may be described as consisting of two laminae, an anterior (the nervous) in which the nerve fibres seem to terminate, and a posterior (the nuclear) which contains numerous nuclei. The nervous lamina, which consists of fine granular protoplasm, is best understood when considered along with the nerves which reach it.“ Sodann beschreibt Ewart zutreffend den Verlauf der Platten- nerven, ihre reiche diehotomische Verzweigung und betont, dass keine Netzverbindungen dieser Äste vorkommen. Auch die grossen Kerne der marklosen Nerven werden erwähnt. In Betreff der Nervenendigungen ist Ewart indessen ein merkwürdiges Versehen passiert, wenn er sich auch über diesen Punkt nicht bestimmt äussert: (26, pag. 398 und 399): „How the nerve fibres actually terminate has not been definitely sett- led. I have devoted much time endeavouring to find out what becomes of the terminal twigs when they reach the disc, without any very satisfactory result. The terminal branches are so numerous that even in thin sections but little can be made out, 362 Litteraturübersicht. In many preparations each nerve seems to terminate in a loop, while in others the terminal branches seem to form a network.“ „What becomes of the axis cylinder, I have been unable to make out. Whether the axis cylinders terminate abruptly in minute swellings, or form a network so delicate that it escapes detections, Tam not in a position tosay. There seems no doubt, however, that the terminal twigs of the nerves form immediately in front of the electric layer a nearly regular series of loops. These loops, which are very characteristic, stand at nearly right angles to the surface of the disc; as the terminal twigs reach the nervous lamina, the protoplasm is, as it were, heaped up around the axes cylinders thus forming an almost continuous series of minute cones. In oblique and sometimes in horizontal sections of the dises the anterior surface of the electric layer presents a pitted appear- ance, the margins of the pits suggesting a delicate network. These shallow depressions which lie between the terminal nerve- fibres may result from the heaping up of the protoplasm of the nervous lamina around the limbs of the terminal nerve-loops. In conclusion, I need only add that every part of the electric layer is equally rich in nerves—everywhere all over the surface the extremely delicate terminal loops are equally abundant. There is no other organ, as far as I am aware, in which it is So easy to demonstrate the presence of a countless number of nerve-fibres terminating in a thin layer of protoplasm.“ Auf Tafel 28 in Fig. 14 und 14a der letzten Abhandlung (26) und auf Tafel 68 in Fig. 5 der zweiten Arbeit (24) sind diese vermeintlichen „loops“ dargestellt. Man sieht in diesen Figuren, dass die letzten Nervenzweige hier übergehen in eine einfache der vorderen „granulierten‘‘ Schicht dicht anliegende teihe etwas unregelmässig geformter Ringe oder Ösen, deren jede eine kleine Öffnung begrenzt. Die Ringe sind senkrecht zur Oberfläche der „granulierten‘ Lage gestellt. Das wäre so- Litteraturübersicht. 363 mit eine neue, ganz eigenartige Form von Nervenendigungen. Ein Vergleich mit meinen Abbildungen zeigt aber sofort, dass diese „loops“‘ von Ewart nichts weiter sind, als die Durch- schnitte der Streifen des Nervenendnetzes. Ewart hat eben die scharf hervortretenden Hüllen dieser Durchschnitte für die di- rekten Fortsetzungen der Nerven selbst genommen und lässt in seinen Zeichnungen die Nervenenden daher irrtümlich direkt in diese Hüllen übergehen. Die ‚„continuous series of minute cones“ wird auf dem senkrechten Durchschnitt dadurch bedingt, dass, wie ich gezeigt habe, zwischen den in die- vordere Rindenschicht sich eindrückenden Nervennetzzügen die Substanz der Rinden- schicht ein wenig hervorquillt. Das, was Ewart als Öffnungen seiner ,loops“ zeichnet, ist dagegen der von der Hülle um- schlossene Inhalt der Balkenzüge des Nervenendnetzes, die eigentliche Fortsetzung der Achsencylinder. Die Körnchenein- lagerungen sind Ewart entgangen. Übrigens sind die Zeich- nungen, soweit sie die Nervenverzweigungen betreffen, ziemlich schematisch, auch scheint Ewart recht dicke Schnitte unter- sucht zu haben. In einer Skizze seiner ersten Abhandlung (23) (Fig. 10 auf Taf. 67) kommt der Autor hinsichtlich der Nerven- endigungen der Wahrheit wesentlich näher, da hier (in g) eine Reihe von wirklichen Querschnitten (anstatt der „loops“‘) ge- zeichnet ist; indessen wusste Ewart nichts rechtes damit an- zufangen und hat in der Erklärung der Figur (l. e. pag. 409) ein Fragezeichen dabei gesetzt. In Betreff der Deutung der „nuclear lamina“, des „electric layer‘ und des „alveolar layer“ hatte M. Schultze schon eine richtigere Auffassung, indem er beide als aus einer spezifischen Grundsubstanz mit eingelagerten zelligen Elementen bestehend deutete. Ewart sagt darüber (26, pag. 399): „The nuclear lamina of the electrie layer consists of a layer of granular pro- toplasm, in which numerous large oval nuclei are imbedded at nearly regular intervals. The protoplasm immediately around Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. Heft XXIII (7 Bd. H. 3.) 24 364 Litteraturübersicht. the nuclei seems to be nongranular, for it is left unstained in gold chloride and other preparations.“ Und über das „alveolar layer‘‘ (26, pag. 400): „The alveolar layer being continuous with the electric layer, and, like it, deve- loped in intimate relation to the sarcolemma, will be described before the striated layer. It is at first represented by a thin nucleated layer of protoplasm which covers the posterior sur- face of the developing discs and surrounds the base of its stem. After a time a remarkable change sets in — prong-like pro- jeetions of the nucleated protoplasm grow backwards, with the result that the posterior surface of the disc appears to be studded with numerous villi. From these primary outgrowths secondary projeetions spring, and unite with each other to form a. complex irregular network, the spaces of which open freely posteriorly. As the trabeculae develop, the nuclei increase in sice, and even- tually closely resemble the nuclei of the electric layer, many of them being surrounded by a broad zone of translucent proto- plasm.““ In den Abbildungen sieht diese „Zone von durchsichtigem Protoplasma‘“ mehr aus als ein durch Retraktion der Zwischen- substanz entstandener Spaltraum; denn in Wirklichkeit ist das Protoplasma der Zellen (vgl. meine Abbildungen) reichlicher, stark granuliert und von der Zwischensubstanz gerade durch die Körnelung deutlich abgegrenzt. Die Goldpräparate scheinen Ewart nicht gelungen zu sein. Die Entstehung der vorderen und hinteren Rindenschicht denkt sich Ewart ‚in intimate relation to the sarcolemma“, wie an verschiedenen Stellen seiner Abhandlungen hervorgehoben wird. Jedenfalls hat aber das Sarkolemm hiermit nichts zu thun. Auch scheint das eigentliche Sarkolemm, welches sich im ganzen Umfange der elektrischen Platte noch nachweisen lässt und, wie ich gezeigt habe, so leicht zur Ablösung kommt, E wart völlig entgangen zu sein. Litteraturübersicht. 365 Eine bedeutsame Struktureigentümlichkeit des „electric layer‘ hat Ewart indessen schon wahrgenommen (24, 26) nämlich eine Streifung der vorderen Lage dieser Schicht. Doch wurde diese Beobachtung nur bei Raja eircularis gemacht, bei Raja batis konnte nichts davon gesehen werden; auch legte Ewart diesem Befunde wenig Bedeutung bei (26, pag. 399): „It may here be mentioned that in the case of R. circularis, the nuclear lamina is in some respects more highly differentiated than in R. batis. It presents a striated appearance and thus resembles the corresponding lamina in the Torpedo, which is especially characterised by the „palisade® of Remak —- the “ .nerve hairs“ of Ranvier. The striation of the nervous la- mina is probably of little significance, but the fact that in one of the Skates (R. cireularis) there is a palisade-like arrangement, helps to show that while a complete electric element in the Skate differs greatly from a complete element in the Torpedo, the essential parts are practically identical.‘“ Auf Taf. 28 in Fig. 14 und 14a ist diese „striation‘ dar- gestellt als unbestimmte, in dem granulierten Lager sich all- mählich verlierende Streifung. Ohne Zweifel wird dieses ge- streifte Aussehen bedingt durch die von mir oben beschriebenen elektrischen Stäbchen. Man sieht, Ewart war nahe daran, die elektrischen Stäbchen bei Raja zu entdecken. Schliesslich darf ich eine andere Beobachtung nicht uner- wähnt lassen, die Ewart an dem ‚„alveolar layer“ gemacht hat. In Fig. 5 aut Tafel 68 (24) und in Fig. 14 auf Taf. 28 (26) ist in dem hintersten Abschnitt dieser Schicht die feine Streifung wenigstens andeutungsweise abgebildet, auf welche ich oben auf- merksam gemacht und von welcher ich nachgewiesen habe, dass sie durch feine Fäden bedingt wird, welche mit dem Sarkolemm in so eigentümliche Beziehung treten. Im Text wird diese Streifung, die, wie es scheint, auch nur bei R. eircularis zur Be- obachtung kam, nur ganz oberflächlich erwähnt (24, pag. 414): 24* 366 Litteraturübersicht. „Ihe alveolar layer consists of a thick layer of protoplasm, containing large nuclei, each surrounded by a halo of clear protoplasm. The anterior portion of this cortical layer has, in some preparations, a granular appearance, while the outer is finely striated; but whether the striations have any special signi- ficance I cannot say“. Der Vollständigkeit wegen sei des weiteren eine Arbeit von Muskens (27) erwähnt, in welcher die Entwickelung und der Bau des elektrischen Organs von Raja clavata behandelt wird. Die Abbildung Fig. 4a auf Tafel I ist sehr zu tadeln, weil die Nerven so dargestellt sind, als träten sie in grosser Zahl in die lamelläre Schicht ein, was von fast allen früheren Beobachtern mit Recht in Abrede gestellt ist. Im Text wird allerdings nur von einem „feinsten Nervennetz, das ohne weiteres mit der nach vorne gewendeten Schicht des elektrischen Kästchens verschmilzt“, gesprochen, ohne dass dafür ein Beweis geliefert wird. Dass man bei R. clavata nie einen Kern in der mäandrischen Schicht findet, muss ich bestreiten. Die Organisation der Elemente von Raja miraletus wurde ebenso wie bei R. clavata gefunden. Um so bedeutungsvoller sind die wichtigen Untersuchungen von Th. W. Engelmann (30), welcher sich zur Aufgabe machte, die Umwandlungen festzustellen, welche sich bei der Metamor- phose der quergestreiften Muskelsubstanz in die Lamellen des elektrischen Organs an den letzteren vollziehen. Die sehr interes- santen Ergebnisse dieser Untersuchungen habe ich im Texte meiner Arbeit schon eingehend berücksichtigt; ich möchte hier nur noch die eine Thatsache, welche von Engelmann festgestellt wurde, hervorheben, dass nämlich bei dem Funk- tionswechsel die metabole Schicht ihr Doppelbrechungsver- mögen verliert und dass dieser Schwund schon eintritt, ehe überhaupt die Umwandlung der Faser in die Anlage eines elek- trischen Kästchens sich auf irgend eine andere Weise anmeldet, Litteraturübersicht. 367 also auch ehe das proximale Ende der quergestreiften Faser sich keulenförmig zu verdicken beginnt. Während, wie aus der obigen Litteratur-Übersicht erhellt, das Schwanzorgan von Raja vom anatomischen Gesichtspunkte aus mehrfach untersucht worden ist, wurde die Physiologie des Organs lange Zeit vernachlässigt. Diese Lücke war um so fühl- barer, als die elektrische Natur des fraglichen Organs, trotz aller anatomischen Untersuchungen, durchaus noch nicht sicher ge- stellt war. Da man bei Berührung des Tieres nicht die geringste elektrische Wirkung fühlt, konnte diese Frage nur mit Hilfe physikalischer Untersuchungsmethoden entschieden werden. Matteucei (6) leugnete alsbald nach dem Erscheinen der ersten Arbeiten über den Bau des Rochenorgans die elektrische Funktion desselben auf Grund seiner Experimente. Im Jahre 1865 nahm Robin (14) seine Untersuchungen von physiologischem Gesichtspunkte wieder auf und suchte auch experimentell die elektrische Natur des von ihm zuerst genau beschriebenen Organs darzuthun. Robin kam zu positiven Resultaten und stellte schon den Satz auf, dass der Strom im Moment des Schlages vom Kopf zum Schwanzende gerichtet ist. Aber erst in neuerer Zeit, im Jahre 1888, wurde über allen Zweifel erhaben durch die sorgfältigen Untersuchungen von Sanderson und Gotsch (22) festgestellt, dass der gewöhnliche Roche, wenn auch nur schwache, so aber doch mit feinen In- strumenten sehr deutlich wahrnehmbare Schläge austeilen kann, mithin den elektrischen Fischen zugezählt werden muss. Die beiden Forscher schätzen die elektromotorische Kraft, welche einem Kubikcentimeter des Organs von Raja entspricht, auf 1/ Volt; bei Torpedo beträgt sie wahrscheinlich zehnmal so viel. Bei jedem Schlage wird die vordere Fläche der Platten, also die Gegend der Nervenendausbreitung, negativ, die hintere positiv. 368 Litteraturübersicht. Nachschrift. Nachdem meine Untersuchungen schon längst abgeschlossen waren, ist kürzlich über .‚das Schwanzorgan von Raja“ von Iwanzoff (31) eine umfangreiche Arbeit erschienen, deren Resultate allerdings in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem Um- fang stehen. Auch die zahlreichen, ziemlich roh ausgeführten Abbildungen der drei Tafeln fügen, ebensowenig wie der Text, dem schon längst Bekannten nichts Neues hinzu, ausser der Darstellung des abgelösten Sarkolemms und einem richtigen Querschnittsbild der Nervenendigungen mit eingelagerten tingiblen Körnchen. Nach den Abbildungen zu urteilen, muss der Kon- servierungszustand des Materials, welches Iwanzoff benutzt hat, ein sehr schlechter gewesen sein. Daher kann auch nicht verwundern, dass Iwanzoff weder von der Strichelung der vorderen Rindensubstanz, noch von der Streifung der hinteren etwas gesehen hat, geschweige denn von den elektrischen Stäb- chen. Auch der Protoplasmahof um die Kerne der Rindensub- stanz ist ihm entgangen. Ebenso hat er die feinen Fäden, die sich zwischen dem blasenartig abgehobenen Sarkolemm und der Rinde ausspannen, nicht wahrgenommen, obwohl er die Ab- hebungen in vielen Schnitten abbildet — von Allem anderen abgesehen. 1. 10. kl. Litteratur-Verzeiehnis. Paul Savi, Etudes anatomiques sur le systeme nerveux et sur l’organe eleetrique de la Torpille. Als Anhang in dem Werke von Matteucci. 'Traite des phenomenes electro-physiologiques des animaux. Paris 1844. James Stark. On the Existence of an Electrical Apparatus in the Flapper- Skate and other Rays. Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Sixty-second Session, Monday 2. December 1844. Vol. II, Nr. 25, pag. 1. The Annals and Magazine of natural History. Vol. XV, 1845, pag. 121. Goodsir, The Annals and Magazine of natural History, Vol. XV, 1845, pag. 122. Ch. Robin, Recherches sur un organe parliculier qui se trouve sur les poissons du genre des Raies (Raja Cuv.) Compt. rend. d. seanc. d l’Acad. d. Sciences, Paris, 18. Mai 1846, Bd. 22. Derselbe, Sur un appareil qui se trouve sur les poissons du genre des Raies (Raja Cuv.) et qui presente les caracteres anatomiques des organes electrigues. Annales des sciences naturelles. III. serie. Zoologie. Tome VII, Paris 1847, pag. 193, Pl. 3 et 4. Matteucei, Memoire sur le magnetisme developpe par le courant elec- trique et sur un organe particulier de la Raie. Compt. rend. d. seanc. de Acad. d. sciences, Paris, 22. Fevr. 1847, pag. 301, Tome 24. A. Ecker, Einige Beobachtungen über die Entwickelung der Nerven des elektrischen Organs von Torpedo Galvanii. Zeitschrift für wissenschaft. Zoologie, Bd. 1849, pag. 41, Anmerk. H. Stannius, Handbuch der Anatomie der Wirbeltiere. Il. Aufl. Berlin 1854, pag. 120 —121. Leydig, Kleinere Mitteilungen zur tierischen Gewebelehre. Archiv für Anatomie, Physiologie u. wissensch. Medicin, Jahrg. 1854, pag. 314. Derselbe, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Tiere. 1857, pag. 207. R. Remak, Über die Enden der Nerven im elektrischen Organ der Zitter- rochen. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissensch. Mediein, Jahr- gang 1856, pag. 471. Litteratur. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. A. Kölliker, Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre, angestellt in Nizza im Herbst 1856.. II. Über das Schwanzorgan des gewöhnlichen Rochen. Verhandl. der physikalisch-medicin. Gesellsch. in Würzburg, VIII. Bd. 1858. M. Schultze, Zur Kenntnis des den elektrischen Organen verwandten Schwanzorgans von Raja elavata. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissensch. Medicin, Jahrg. 1858, pag. 193. Ch. Robin, Memoire sur la d&monstration experimentale de la production d’electricit par un appareil propre aux poissons du genre des Raies. Journal de l’anatomie et de la physiologie 1865, pag. 506 et 577. Babuchin, Entwickelung der elektrischen Organe und Bedeutung der motorischen Endplatten. Vorläufige Mitteil. Centralblatt für die medie, Wissensch. 1870, Nr. 16, pag. 241; Nr. 17, pag. 257. Derselbe, Über die Bedeutung und Entwiekelung der pseudoelektrischen Organe. Ebenda. 1872, Nr. 35, pag. 545. Derselbe, Nachträgliche Bemerkungen und Berichtigungen zu meinen Mitteilungen über den Bau und die Entwickelung der elektrischen Organe. Ebenda, 1875, pag. 624. Derselbe, Übersicht der neuen Untersuchungen über Entwickelung, Bau und physiologische Verhältnisse der elektrischen und pseudoelektrischen Organe. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissensch. Mediein. Jahr- gang 1876, pag. 500. Th. W. Engelmann, Über den faserigen Bau der contraktilen Sub- stanzen, mit besonderer Berücksichtigung der glatten und doppelt schräg gestreiften Muskelfasern. Archiv für die gesamte Physiologie, Bd. 25, 1881, pag. 538. E. Ballowitz, Fibrilläre Struktur und Contraktilität. Archiv für die gesamte Physiologie, Bd. 46, 1889. . Derselbe, Über Verbreitung und Bedeutung feinfaseriger Strukturen in den Geweben und Gewebselementen des tierischen Körpers. Biolog. Centralblatt, Bd. IX, 1889. Burdon Sanderson and F. Gotsch, On the Electrical Organ of the Skate. The Journal of Physiology, Vol. IX, 1888, pag. 137. Vol. X, 1889, pag. 259. Ewart, The Electrical Organ of the Skate. On the Development of {he Electrical Organ of Raia batis. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Vol. 179, 1889, pag. 399, Pl. 66, 67. Derselbe, On the Structure of the Electrical Organ of Raia eircularis. Ebendort, pag. 410, Pl. 68. . Derselbe, The Electrical Organ of the Skate. The Electrical Organ of Raia radiata. Ebendort, pag. 539, Pl. 79, 80. ). Derselbe, The Electrical Organ of the Skate. Observations on the Structure, Relations, Progressive Development and Growth of the Electrical Organ of the Skate. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Vol. 183, 1893, pag. 389, Pl. 26-30. Litteratur. 371 28. 29. 30. J. J. Muskens, Zur Kenntnis der elektrischen Organe. Tijdschrift der Nederlandsche Dierkundige Vereeniging. 2. Serie. Deel IV, 1893—94, pag. 1, Tafel I. E. Ballowitz, Über den Bau des elektrischen Organs von Torpedo mit besonderer Berücksichtigung der Nervenendigungen in demselben. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 42, 1893, pag. 459, Tafel 29—31. Derselbe, Über das Vorkommen echter peripherer Nervenendnetze. Anatomischer Anzeiger, Bd. IX, 1893, pag. 169. Th. W. Engelmann, Die Blätterschicht der elektrischen Organe von Raja in ihren genetischen Beziehungen zur quergestreiften Muskelsubstanz. Archiv für die gesamte Physiologie, Bd. 57, 1394, pag. 149. Jwanzoff, Das Schwanzorgan von Raja. Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou, 1895, pag. 53. Tafelerklärung. Sämtliche Abbildungen beziehen sich auf Raja clavata L. Wo nichts besonderes bemerkt ist, sind die Figuren bei Öl-Immersion (Winkels homogene Immersion !/s, Oc. 3, Zeiss apochrom. homog. Immers. 3,0 mm, Apert 1,40, Oc. 12) gezeichnet. Tafel XIX/XX. Fig. 1. Vertikaler Durchschnitt senkrecht zu den Flächen der Platte durch den Inhalt einer Bindegewebskammer. Bei G vorderes, bei G, hinteres Gallertgewebe; P elektrisches Element oder elektrische Platte; VR vordere, HR hintere Rindenschicht, I lamelläre Innensubstanz. Sublimat, Hämatoxylin nach Heidenhain, Eosin. Zeiss Obj. A, Oe. 4. Fig. 2. Ein Stück eines vertikalen Durchschnittes senkrecht zur Ober- fläche durch ein elektrisches Element bei stärkerer Vergrösserung. G, hintere Gallertsubstanz. VR vordere, HR hintere Rindenschicht, letztere mit den netzförmig verbundenen Fortsätzen; I lamelläre Innensubstanz; bei I,, L, und L,, Lamellenzüge der Innensubstanz innerhalb der Fortsätze der hinteren Rinden- schicht. Bei N die feineren Nervenverästelungen mit grossen, unregelmässigen Kernen. Bei NE die in einer Reihe gelegenen Durchschnitte der Nerven- endigungen. S, S, S unregelmässig abgelöstes Elektrolemm der Hinterfläche. Chromosmiumessigsäure, schwache Färbung mit Gentianaviolett, Untersuchung in Wasser. Zeiss Obj. D, Oc. 3, ausgezogener Tubus. Fig. 3. Schnitt senkrecht zur Oberfläche durch die vordere Rindensub- stanz (VR). Bei I sind noch einige Lamellen der Innensubstanz (I) mitge- troffen, von denen die untere links von der Fläche sichtbar wird (Punktierung des Flächenbildes). In der Rindensubstanz 3 Zellen mit abgeplattetem grossen Kern und deutlichem Kernkörperchen. Bei S vorderes Elektrolemm in Verbindung mit den Durchschnitten durch die Nervenendigungen (N E); in letzteren intensiv gefärbte Körnchen. Bei St Zone der elektrischen Stäbchen. Sublimat, Hämato- xylin, Wasser. Fig. 4. Ebenso; Lamellen der Innensubstanz nicht mitgezeichnet. In der vorderen Rindenschicht 4 Zellen mit Kern. Bei St Zone der elektrischen Stäbchen. Sublimat, Säurefuchsin, Wasser. Tafelerklärung. 373 Fig.5. Wie Fig. 3. Die dunklen Lamellenenden stecken zum Teil in der vorderen Rindenschicht, in welcher nur eine Zelle mit einem etwas ver- unstalteten Kerne getroffen ist. Von den Stäbehen ist nichts mehr zu er- kennen. Goldchlorid. Kali aceticum. Tafel XXI/XXL. Fig, 6. Netzgerüst der vorderen Rindensubstanz bei schwacher Ver- grösserung von der Fläche gesehen, aus einem Golgi-Präparate. Die für die Einlagerung der Zellen bestimmten Lücken hell, Zwischensubstanz dunkel. Zeiss Obj. A, Oc. 3. Fig. 7. Vordere Rindensubstanz von der Fläche gesehen, aus einem Zupfpräparat von mit Goldchlorid behandeltem Material, bei derselben Ver- grösserung wie die vorhergehende Figur. Zwischensubstanz hell, Zellen dunkel. Zeiss Obj. A, Oe. 3. Fig. 8. Isolierte Zellen der vorderen Rindensubstanz aus einem Zupf- präparat von mit Goldchlorid behandeltem Material. Fig. 9 und 10. Zwei Stücke des Netzgerüstes der vorderen Rinden- substanz bei starker Vergrösserung von der Fläche gesehen, aus @olgi-Prä- paraten. Nur in Fig. 10 sind in 3 durch die Zellen ausgesparte helle Lücken die Zellkerne eingetragen. Fig. 11—14. Durchschnitte durch Lamellen der Innensubstanz senkrecht zu ihrer Oberfläche Fig. 11 und 12 Chromosmiumessigsäure, Anilinfarben, Wasser. Fig. 13 und 14 Goldchlorid, Kali aceticum. Buchstabenbezeichnung nach Rollett. Z Zwischenscheibe, N Nebenscheibe, E einfach brechende Substanz zwischen Z und N, M Mittelscheibe. Fig. 15 und 16. Flächenansicht des mit den Stäbchen besetzten Nerven- endnetzes bei hoher (Fig. 15) und bei tiefer (Fig. 16) Einstellung. Bei hoher Einstellung sieht man die am Rande der Nervenendigung kammförmig vor- ragenden Stäbchen, bei tiefer Einstellung (Fig. 16) die durch die Stäbchen bei dingte elektrische Punktierung der Nervenendigungen. Bei N tritt ein Nerven- endzweig in das Endnetz über. Tafel XXIII und Tafel XXIV/XXV. Fig. 17—19. Flächenansichten des „Stäbchennetzes“ (siehe Text) in Golgi-Präparaten, Fig. 17 bei stärkster Vergrösserung (Winkels homogene Immersion !/s, Ocul 5, ausgezogener Tubus), Fig. 13 bei etwas schwächerer und Fig. 19 bei noch schwächerer Vergrösserung (Zeiss apochr. 8,0 mm, Apert 0,65, Oc. 12). In Fig. 17 liegt das Netz so, dass seine mit den Stäbchen besetzte Hinter- fläche nach oben gegen das Deckgläschen gerichtet ist. Die an der Vorder- fläche der Platte gelegenen Nerven (N, N, N) müssen also im Präparate von unten her an das Netz herantreten. An den Eintrittsstellen der letzten Nerven- zweige sind die Netzbalken auf kurze Strecken geschwärzt (siehe den Text). Es sind übrigens nicht alle herantretenden Nerven gezeichnet, um die Zeich- nung nicht zu unübersichtlich zn machen. An manchen Stellen, z. B. hei O, 314 Tafelerklärung. kommt in Folge geringer Faltungen der Plattenfläche der (im Präparat nach unten gekehrte) in der Platte nach vorne sehende, stäbchenfreie Teil des „Stäbehennetzes“ zu Gesicht. In Fig. 18 sieht das Netz mit seiner stäbchenfreien, vorderen Fläche nach oben gegen das Deckglas, während die Stäbchen der Hinterfläche nach unten gerichtet sind. Die Ecke oben rechts ist bei oberflächlicher Einstellung gezeichnet: von den Stäbchen ist noch nichts zu sehen. Alles andere ist bei tiefer Einstellung gezeichnet: die Stäbchen sind deutlich, die randständigen blicken oft am Rande der Netzzüge hervor, die übrigen erscheinen als dunkle Punkte. Im unteren Theil des Präparates ist die Imprägnation des Netzes nur bruchstückweise erfolgt. Aus der Tiefe schimmert die (im Präparat dicht unter dem „Stäbchennetz‘‘ gelegene) mit den Zelllöchern versehene Gerüst- membran der vorderen Rindensubstanz (vergl. damit Figur 9 und 10 auf Tafel XXI/XXII) hervor, gegen welche die Stäbchen gerichtet sind. Die Netz- züge gehen über die Zelllöcher hinweg. Fig. 19. Das Netz liegt genau so orientiert wie in Fig. 18. Bei der schwächeren Vergrösserung dieser Figur erscheinen die am Rande vorstehenden, mehr schräge gerichteten Stäbchen stiftartig, während die übrigen auf der Netzausbreitung ein sehr deutliches Bild der „elektrischen Punktierung‘‘ hervor- rufen. (Vgl. Fig 15 und 16 auf Tafel XXI/XX1Il.) Die zahlreichen zu dem Netz ge- hörigen Nerven dieses Präparates sind mitsamt ihren dunkel gefärbten Ein- trittsstellen in der Zeichnung fortgelassen, um das Bild nicht unübersichtlich zu machen. Tafel XXVI/XXVI. Fig. 20—22. Aus Zupfpräparaten von mit Osmiumsäure fixiertem Material bei Untersuchung in Wasser. Scharf eingestellte Stücke des Nervenendnetzes bei Flächenansicht. Bei N, N, N Kintrittsstellen von Nervenendzweigen. Man erkennt deutliche Netzmaschen. Fig. 23. Aus einem etwas dickeren Schnitt, der senkrecht zur Platten- oberfläche gerichtet ist, Golgi-Präparat. Man sieht die äusserst zahlreichen, der Vorderfläche der Platte zustrebenden, diehotomisch sich teilenden, sich oft überkreuzenden Nervenäste mit den z. T. inkrustierten Nervenendigungen. Schwache Vergrösserung (Zeiss A, Oc. 3). Fig. 24—27. Die (von mir im Text beschriebene erste Form der) Nerven- endigungen mit zutretenden Nerven (N, N, N). (Vgl. Fig 17 auf Taf. XXI). Golgi-Präparat. In Fig. 24 und 27 unzweifelhafte Netzmaschen. Fig. 285. Aus einem Schnitt senkrecht zur Oberfläche der Platte, der durch das „Stäbchennetz“ gegangen ist. Man sieht die in einer Reihe gelegenen Durchschnitte der Netzstreifen; die vordere (in der Zeichnung obere) Fläche der Hülle ist frei von Stäbchen, nur die hintere (in der Zeichnung untere) Fläche trägt den Stäbchenbesatz. An 3 Stellen gehen Nervenendäste (N) in das Netz über, diese Durchschnitte sind dunkel gefärbt. (Vgl. Fig. 3 und 4 auf Taf. XIX/XX und Fig. 17 auf Taf. XXIII. Golgi- Präparat. Fig. 29. Schnitt durch die netzig verbundenen Fortsätze der hinteren Rindenschicht (HR, HR), parallel der Hinterfläche der elektrischen Platte. Die Tafelerklärung. 375 Substanz der hinteren Rindenschieht ist dunkel gefärbt, in ihr grenzen sich die mit grossem Kern versehenen Zellen deutlich ab. (Vgl. Fig. 2 auf Taf. xXIX/XX, HR). (Lamellensubstanz der Innenschicht war an dieser Stelle in den Fort- sätzen nicht vorhanden.) G, hinteres Gallertgewebe mit Gallertfibrillen und grossen verzweigten Zellen. Das Elektrolemm (S) hat sich fast überall von der Rindensubstanz abgelöst (vgl. auch Fig. 2, S); zwischen S und der Rinden- substanz sind die zahllosen Fixationsfädchen sichtbar. Goldpräparat. Zeiss Apochr. 8,0 mm, Apert 0,65, Oe. 12. Tafel XXVII/XXIX. Sämtliche Figuren nach Golgi-Präparaten, zur Demonstration der in der Lamellensubstanz befindlichen, mit dem Netzgerüst der Rindensubstanz innig verbundenen Fädchennetze. Fig. 30. Etwas dickerer Schnitt durch die lamelläre Innensubstanz parallel den Plattenflächen. Gewirre der übereinander und durcheinander liegenden Fädchennetze. Winkel Obj. 8, Oe. 3. Fig. 31—35. Fädchennetze bei stärkster Vergrösserung isoliert dargestellt. Fig. 31 und 32 Fädchennetze von der Fläche. Fig. 33 zeigt die lamelläre Anordnung der Fädchennetze. Die Lamellen sind oben senkrecht zu ihrer Oberfläche getroffen, infolge dessen erscheinen hier die Netze als einfache Reihen von punktförmigen Durchschnitten der Fädchen. Bei der oft zu beobachtenden unregelmässigen Biegung der Lamellen gehen die senkrechten Durchschnitte nach unten hin allmählich in Flächenschnitte der Lamellen über, so dass man Schritt für Schritt immer grössere Flächen- ansichten der feinfädigen Netze erhält. Fig. 34. Zeigt ähnliches wie Fig. 33. Die dunklen Lamellen grenzen sich noch einigermassen deutlich von den hellen ab. Auf dem senkrechten Durchschnitt sieht man den Durchschnitt je eines Stäbchennetzes in der Mitte je einer hellen Lamelle gelegen (entsprechend der Lage von M in Fig. 12 und 14 auf Tafel XXI/XXI). Fig. 35. Etwas diekerer Schnitt senkrecht zur Vorderfläche der Platte. VR Netzgerüst der vorderen Rindenschicht mit Zelllücken. Man sieht den innigen Zusammenhang der Fädchennetze mit dem Netzgerüst der Rinden- substanz; links wird die lamelläre Schichtung der Fädchennetze deutlich. (Vgl. den Text.) 3 gr W BD AUS DEM I, ANATOMISCHEN INSTITUTE IN Wien. ÜBER EINEN FALL VON _ABNORMER LAGERUNG DER EINGEWEIDE BEI EINEM JUNGEN KANINCHEN-EMBRYO VON OSKAR von KOPETZKY. Mit 15 Abbildungen auf Tafel XXX—XX XII. Die Litteratur kennt eine ganze Reihe von Fällen, in denen sich Lageanomalien der Eingeweide bei Individuen vorfanden, deren Entwickelung ganz oder nahezu ganz (kindliche Zustände) abgeschlossen war. Über die Art und Weise, wie sich solche Anomalien ent- wickeln, sowie über den Zeitpunkt, von dem an der Entwickelungs- gang in solchen Fällen die normalen Bahnen verlassen haben musste, können wir uns bis zu einem gewissen Grade von Sicher- heit eine Vorstellung machen, wenn wir die einzelnen Phasen des normalen Entwickelungsganges studieren und dieselben untereinander, sowie mit den fertigen Verhältnissen des normalen und abnormen Zustandes vergleichen. — Wir werden so rück- sichtlich der Art der Entwickelung einer ganzen Reihe von Lageanomalien der Eingeweide zu einem befriedigenden Ver- ständnis gelangen. Freilich werden wir auf diesem Wege kaum in der Lage sein, die bei der Entstehung solcher Anomalien sich vollziehenden intimeren Entwickelungsvorgänge zu erkennen, und vor allem werden wir uns bei der Beantwortung der Frage nach den Ursachen, welche die Störung des Entwickelungs- ganges und so das Zustandekommen der Anomalie bedingen, auf die Äusserung vorsichtiger Vermutungen beschränken müssen. Gelingt es uns dagegen, eine grössere Zahl von Entwickelungs- phasen solcher Lageanomalien aufzufinden, und so diese gewisser- massen in Statu nascendi zu studieren, so werden wir sicher- lich über die Art und Weise ihrer Entwickelung völlige Klar- Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXIIL (7. Bd. H. 3). 25 380 OSKAR v. KOPETZKY, heit erlangen. Vielleicht werden sich aber auch bei dieser Gelegenheit Beobachtungen machen lassen, die uns der Erkennt- nis, der noch ziemlich dunklen Ursachen, welche die Entstehung solcher Lageanomalien bedingen, näherbringen. Vorläufig liegen jedoch Berichte über Beobachtungen, die sich auf Lageanomalien und gleichzeitige abnorme (Gestaltung einzelner Eingeweide jüngerer und älterer Embryonen beziehen meines Wissens nicht vor. Im Nachfolgenden soll nun, um in der angedeuteten Rich- tung einen Anfang zu machen, die Beschreibung einer mit ab- normen Formverhältnissen einzelner Organe in Verbindung stehenden Situsanomalie bei einem jungen Kaninchen-Embryo gegeben und damit ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte einer Situsanomalie geliefert werden, die in vollständig ausge- bildetem Zustande — wie später ausgeführt werden soll — wahrscheinlich noch nicht beobachtet wurde !). Der zu beschreibende Embryo?), welcher etwas über elf Tage alt ist, zeigt Abweichungen von der Norm rücksichtlich Lage und Form von Darmkanal, Lunge, Herz, Sinus venosus und der venösen Bahnen, welche in letzteren einmünden. Ich beginne mit der Beschreibung der auffallendsten Lage- Anomalie im Bereiche des Darmes. Sieht man die Schnittserie eines l1tägigen, normalen Kaninchen-Embryo durch, so be- 1) Vielleicht sieht sich durch diese Veröffentlichung ein Forscher der über ein reichhaltigeres Beobachtungsmaterial verfügt, veranlasst, ähnliche ihm bekannt gewordene Fälle von abnormer Lagerung und Form der Ein- geweide bei Embryonen zu beschreiben und dadurch unsere Kenntnis von dem Entwickelungsgang solcher Anomalien zu bereichern. 2) Der im übrigen keinerlei Abweichungen von der normalen Körperform zeigende Embryo lag mir in einer von Herrn Professor Hochstetter ange- fertigten Schnittserie vor. (Schnittdicke 0,01 mm, Färbung Cochenille-Alaun nach Özokor.) Einige Zeichnungen, sowie die Abbildung von Plattenmodellen einzelner Partien des zu beschreibenden Embryo und eines normalen Embryo aus demselben Uterus, welcher zur Kontrolle ebenfalls modelliert wurde, mögen die Beschreibung ergänzen. Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide etc. 381 merkt man in der Gegend, in welcher der Ösophagus sich allmählich erweiternd in den Magen übergeht, dass das Lumen des Ösophagus, welches unmittelbar kaudal von der Stelle wo das Luftrohr abgeht kreisrund ist, kaudalwärts allmählich spalt- förmig wird. Der grösste Durchmesser dieses spaltförmigen Lumens liegt kranial in der Medianebene, weiter kaudal nimmt er allmählich eine Richtung von links dorsal nach rechts ven- tral ein und bildet in dem an den Ösophagus sich anschliessen- den Teile des Magens einen Winkel von ungefähr 45° mit der Medianebene. Die Cirkumferenz des Ösophagus, sowie des Magens zeigt auf den Querschnitten die Form eines Ovals. Auch das Lumen des Magens erscheint auf Querschnittsbildern spalt- förmig mit einem grössten Durchmesser von links dorsal nach rechts ventral. Ähnliche Verhältnisse zeigt der an den Magen sich an- schliessende Darmteil, welcher zum Duodenum wird. Die Drehung des Magens hat also bei Embryonen dieses Altersnichtnur schon begonnen, sondern bereits beträchtliche Fort- schritte gemacht. Vom Duodenum kaudalwärts liegt der Darm, wie mein Plattenmodell dies erweist, ziemlich in der Median- ebene, die Cirkumferenz seines Querschnittes sowie sein Lumen erscheinen kreisrund. Er zeigt in sagittaler Richtung eine leichte Krümmung, deren Konkavität dorsalwärts gerichtet ist, die erste Anlage der Nabelschleife. Was zunächst das Darmrohr anbelangt, so zeigt sich mein Embryo nun in folgender Weise von einem normalen verschieden. In den Schnittebenen, in welchen der Querschnitt des Ösopha- gus allmählich mehr und mehr oval und sein Lumen spaltförmig wird, erscheint der grösste Längsdurchmesser dieses Lumens von rechts dorsal nach links ventral gerichtet (vergl. Fig. 1, 2 u. 3 Oe.). Schnitte, die bereits den Magen treffen (vergl. Fig. 4, .5, 6 Mg.) zeigen, dass derselbe mit seiner auf Querschnitten gleichfalls ovalen Cirkumferenz und seinem spaltförmigen Lumen 25* 382 OSKAR v. KOPETZKY, = so liegt, als wenn er seine Drehung mit dem Dorsalrande nach rechts und nicht wie normal nach links begonnen hätte. Der Winkel der Drehung würde auch hier ungefähr 45° betragen. Nur in den kranialen Teilen des Magens scheint, wie die Gekrösverhältnisse, die noch später zu erörtern sind, ergeben, die Drehung nach rechts nicht in dem Grade ausgesprochen, wie normalerweise die Drehung des dorsalen Magenrandes nach links. Dieselbe Abweichung von der normalen Lage wie der Magen zeigt auch das Duodenum, in- dem der grösste Durchmesser seines ovalen Querschnittes von rechts dorsal nach links ventral gerichtet ist. Vom Duodenum kaudal verhält sich der Darm wie bei einem normalen Embryo. (Gehen wir zunächst zur Beschreibung der Abnormitäten, welche die vom Darmrohre ausgehenden Organen zeigen, so finden sich an der Lungenanlage Verhältnisse, die von der Norm abweichen. Die Lungenanlage eines normalen 11tägigen Kanin- chen-Embryos erscheint in Form eines vom Schlunddarm ab- gehenden unpaaren Epithelrohres, welches ungefähr 0,15 mm kaudal von der Abgangsstelle vom Darme sich in einen linken kürzeren und einen rechten längeren Ast gabelt. Diese beiden Äste, die eigentlichen epithelialen Lungenanlagen, enden nach Art von Blindsäcken in dem Bindegewebe, welches als mesodermale Lungenanlage bezeichnet wird. Der linke Lungenblindsack zeigt auf Querschnitten einen etwas geringeren Durchmesser als der rechte und endigt ungefähr 0,06 mm weiter kranial als der rechte. Normalerweise ist also die Lungenanlage nicht symmetrisch, die rechte Hälfte stärker entwickelt als die linke. Anders liegen die Verhältnisse bei unserem abnormen Embryo. Die beiden von der Trachealanlage abgehenden Lungenblindsäcke sind gleich weit und erstrecken sich kaudalwärts gleich weit in das als mesodermale Lungenanlage bezeichnete Bindegewebe hinein. (Vergl. Fig. 1u.2 Pd. u. Ps.) Die epitheliale Lungenanlage ist also hier eine durchaus symmetrische. — Von den übrigen An- hangsorganen des Darmes ist es zunächst das dorsale Pankreas, Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide ete. 333 dessen abnorme Form auffällt. Auch an diesem Organ zeigt sich eine von der Norm abweichende Symmetrie der Anlage. Vergleicht man die Anlage des dorsalen Pankreas beim normalen Embryo mit der hier vorliegenden Form (siehe Fig. S u. 9 Pe. d.), so ergiebt sich zunächst, wie aus dem Verhältnis zur Vena omphalo-mesenterica ersichtlich ist, dass in unserem Falle die Anlage etwas weiter kaudal aus dem Darm hervorgewachsen ist als beim normalen Embryo. Bei diesem hat die dorsale Pankreasanlage ungefähr folgende Gestalt. Vom Duodenum erstreckt sich in das dorsale Mesenterium ein ungefähr ventro- dorsal gerichteter Teil der Drüsenanlage (vergl. Fig. 8 Pe. d.: a.), von dessem dorsalen Ende aus sich rechtwinkelig abgebogen ein zweiter Teil fortsetzt, der dorsal von der Vena omphalo- mesenterica liegt (vergl. Fig. 8 Pe. d.: b.) und sich von dem erstgenannten Anteile nach rechts mit einer Längsausdehnung in der Frontalebene in das dorsale Mesenterium erstreckt. Auch bei meinem abnormen Embryo kann man an der Anlage des dorsalen Pankreas zwei Teile unterscheiden, einen vom Duo- denum ausgehenden, im dorsalen Mesenterium sagittal gelegenen, (siehe Fig. 9 Pe. d.: a.) und einen an den ersteren dorsal an- gefügten, im Mesenterium frontal gelegenen (siehe Fig. 9 Pe. d.: b.); aber der letztere Anteil erstreckt sich in gleicher Weise nach rechts und nach links ins dorsale Mesenterium, so, dass die ganze Anlage symmetrisch erscheint und ungefähr die Gestalt eines T hat. Sie liegt unmittelbar kranial von der dorsal vom Darm befindlichen Quer-Anastomose der beiden Venae omphalo- mesentericae. Auf die Verschiedenheiten des Darmgekröses in dieser Region gegenüber dem normalen Zustand soll noch später ein- gegangen werden. Die Anlagen des ventralen Pankreas sowie der Gallenblase finden sich in normaler Grösse und anscheinend normal gelagert. Über die Milz lässt sich in einem so frühen Stadium noch nichts aussagen. Die abnorme Gestalt der Leber 384 OSKAR v. KOPETZKY, wird bei der Beschreibung der dieses Organ durchziehenden venösen Bahnen behandelt werden. Um über die Verhältnisse der Gekröse und der Leibeshöhle, welche sich entsprechend der abnormen Lagerung des Darmes abnorm verhalten, einen Überblick zu gewinnen, wird es gut sein, zunächst eine Reihe von Querschnittsbildern aus ver- schiedenen Höhen untereinander zu vergleichen und schliesslich deren Beschreibung durch die Betrachtung der Abbildungen von Plattenmodellen zu ergänzen. Ein Schnitt, der durch die Mitte der Lungenanlage geführt wird (Fig. 1) und gerade die Teilungsstelle der Trachea trifft, zeigt uns, dass nicht nur die epitheliale Lungenanlage, sondern auch das Bindegewebe um dieselbe vollkommen symmetrische Form hat. Das Bindegewebe um die Lungenanlage bildet eine rechts und links gleich grosse, von Coelom-Epithel bekleidete Ausladung, welche in die rechte und linke Hälfte der Leibes- höhle gleich weit vorragt. So zeigt auch der nächste Schnitt (Fig. 2), welcher den kaudalen Pol der Lungenanlage trifft, das kaudale Ende des rechten und linken Epithelastes umgeben von Bindegewebe, das rechts und links ziemlich gleich stark in die Leibeshöhle vorspringt. Es ist also die Anlage des rechten und linken Lungenflügels (Mesodermale Lungenanlage, Alae pul- monales, Ravn) ziemlich, wenn auch nicht völlig symmetrisch, und es zeigt sich nicht, wie beim normalen elftägigen Kaninchen- Embryo ein nennenswerter Grössenunterschied zwischen links und rechtes. Betrachtet man einen Schnitt, der etwas kaudal von der Lungenanlage geführt ist (Fig. 3), so siebt man den Ösophagus in breiter, bindegewebiger Verbindung mit der dorsalen Leibes- wand. Rechts und links ist ventral von ihm, symmetrisch je ein kleiner spaltförmiger von Coelomepithel ausgekleideter Hohl- raum im Bindegewebe sichtbar (Fig. 3 Re. s. u. Re. d.). Die grösste Längsausdehnung des Querschnittes der beiden Hohl- Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide etc. 385 räume erstreckt sich von dorsal-lateral nach ventral-medial, so dass sie ventral vom Ösophagus, nur durch eine dünne Meso- dermlage geschieden erscheinen. Die laterale Begrenzung beider Hohlräume bildet je eine ziemlich dicke, von Coelomepithel überzogene Mesodermplatte, die einerseits in das dorsale, anderer- seits in das ventrale Gekröse übergeht (Fig. 3 M. 1. d. u. M. l. s.). Diese beiden Hohlräume, deren Verhalten in den weiter kaudalwärts gelegenen Regionen noch geschildert werden wird, entsprechen dem Recessus superior bursae omentalis (Ravn |. e.) und einem in frühen Stadien beim Kaninchen zum ersteren symmetrisch links angelegten, ähnlichen Recessus der Leibes- höhle. Die laterale Begrenzung des Recessus superior sacei oment. wird bei normalen Embryonen wegen ihrer Beziehung zur unteren Hohlvene als „Hohlvenengekröse“, wegen ihres Ver- haltens zur Lunge und Leber als Ligamentum hepatocavo- pulmonale, von den französischen Autoren (Brachet, Swaön) als M&so lateral bezeichnet. Es soll später bei der Besprechung der Gefässe noch erörtert werden, inwiefern man berechtigt ist, den Ausdruck Hohlvenengekröse in unserem Falle auf die Be- grenzung des rechten oder linken Recessus anzuwenden. Der nächste der zu betrachtenden Schnitte (Fig. 4) trifft den Magen in der Gegend der Cardia. Sein dorsales (rekröse ist ziemlich breit und haftet nicht genau in der Medianebene an der dorsalen Leibeswand, sondern etwas mehr rechts. Sein ven- trales Gekröse ist ziemlich schmal und heftet ihn genau in der Medianebene an die dorsale Wand des Sinus venosus. Der linke der beiden oben (Fig. 3) beschriebenen Rrecessus umgreift den Magen bogenförmig von links, die laterale Begrenzung des Recessus setzt sich dorsal zwischen hinterem Darmgekröse und dorsaler Leibeswand, ventral an der dorsalen Wand des Sinus venosus neben dem ventralen Darmgekröse an. Der rechte Recessus zeigt sich in dieser Schnitthöhe in weiter Kommuni- kation mit der Leibeshöhle stehend; er ist nur in seinem dor- 386 OSKAR v. KOPETZKY, salen Anteil von derselben durch eine Ausladung von Binde- gewebe, die mit Coelomepithel bedeckt ist und ihren Ursprung am dorsalen Mesenterium nimmt getrennt (Fig. 4M.1.d.). Diese Ausladung stellt die kaudale Fortsetzung der auf Figur 3 be- schriebenen lateralen Begrenzung des Recessus vor. Der Schnitt, den die Figur 5 darstellt, zeigt uns die den Durchschnitt durch das dorsale Mesenterium des Magens vor- stellende Zellplatte ziemlich kurz und von ihrem Ursprung an der dorsalen Leibeswand in ventraler Richtung und nach rechts ziehend. Sie ist dort, wo sie in den Splanchnopleura-Überzug des Magens übergeht, gegen denselben in einem nach links offenen Winkel abgeknickt. Der durch das Hohlvenengekröse auf den weiter kranial geführten Schnitten von der Leibeshöhle voll- ständig getrennte linke Recessus (Fig. 3 Re. s.) kommuniziert in dieser Schnitthöhe lateral mit derselben. Seine Ausdehnung ist grösser als auf dem vorher beschriebenen Schnitte. Er erstreckt sich einerseits dorsal zwischen Magen und dorsales Magenge- kröse, anderseits ventral zwischen Magen und dorsaler Wand des Sinus venosus. In seinem dorsalen Anteil wird er, wie auf dem vorhergehenden Schnitte der rechte Recessus, von der Leibeswand durch eine mit Coelomepithel ausgekleidete Binde- gewebsausladung geschieden, welche ihren Ursprung zwischen dorsalem Mesenterium und dorsaler Leibeswand nimmt (Fig. 5 M. 1. s.). Diese ist die kaudale Fortsetzung des linken „Hohl- venengekröses“. Die auf dem Schnitte der Fig. 4 angeführte Bindegewebsausladung, welche als die kaudale Fortsetzung des rechten Hohlvenengekröses bezeichnet wurde, findet sich auch hier, an der Wurzel des dorsalen Mesenterium, tritt aber nicht mehr so stark in die Leibeshöhle vor wie auf dem früheren Schnitte (Fig. 5 M. 1. d.). An einem Querschnitt, der das kaudale Ende des Magens trifft (Fig, 6), sieht man ähnliche Verhältnisse desselben zu semem Gekröse wie auf dem vorhergehenden Schnitt. Das Anat Hefte. LAbtheilung Heft 23. (7.Bd,H3.) Taf. IXR. DA. Il.d. -. Lim Anst v. C Yirsleipzig < Verlag v I F.Bergmarn, Wiesbaden A Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide etc. 38 daS dorsale Gekröse desselben zieht von der dorsalen Leibeswand schief nach rechts ventral, und da der Längsdurchmesser des Magenquerschnittes von rechts dorsal nach links ventral verläuft, so bildet der Magen mit seinem Gekröse einen nach links offenen Winkel. Zwischen den Schenkel dieses Winkels, also zwischen dem Magen und seinem Gekröse, liegt eine rinnen- törmige Ausbuchtung der Leibeshöhle, die, wenn man sie kranial- wärts verfolgt, in den linken Recessus führt (Fig. 6 S). — Am dorsalen Mesenterium findet sich jederseits eine flache, in die Leibeshöhle vorspringende Erhebung (Fig. 6 M. 1. d. und M. |. s.) als kaudales Ende der beiden, anf dem vorhergehenden Schnitte beschriebenen Gekrösplatten. Beim normalen Kaninchen-Embryo dieses Alters findet man in dieser Schnitthöhe nur mehr rechter- seits eine ähnliche Ausladung. Dieselbe reicht aber bedeutend weiter kaudalwärtse und findet sich noch in der Gegend des Duodenum deutlich ausgeprägt (Fig. S M. ]. d.), während bei dem beschriebenen Embryo in dieser Region weder rechts noch links eine kaudale Fortsetzung der beiden Ausladungen zu sehen ist. Auch die oben beschriebene, rinnenförmige Ausbuchtung der Leibeshöhle zeigt sich kaudalwärts immer flacher und ver- liert sich in der Höhe des Duodenum, was vielleicht teilweise seinen Grund darin hat, dass bei meinem abnormen Embryo in der Region des Duodenum das dorsale Gekröse nicht wie weiter kranial in der Gegend des Magens schief nach rechts ventral zieht, sondern gerade und ungefähr in der Medianebene verläuft (Fig. 9). — Über die abnorme Form der in demselben liegenden dorsalen Pankreas-Anlage wurde bereits gesprochen. Wollen wir uns nun einen Überblick über die Verhältnisse des Darmgekröses und der beschriebenen Recessus verschaffen, so müssen wir die Bilder der plastischen Rekonstruktion be- trachten, wie sie sich ergeben, wenn man die der seitlichen Leibeswand entsprechenden Teile des Modelles entfernt und von der Seite in die Leibeshöhle blickt. Vergleicht man zunächst 388 OSKAR v. KOPETZKY, bei meinem Embryo die linke und die rechte Seite (Fig. 10 und Fig. 11), so fällt im Gegensatz zu den normalen Verhältnissen auf der linken Seite (Fig. 12) sofort auf, dass die linke Hälfte der Leibeshöhle viel geräumiger ist als die rechte, während beim normalen Embryo der Raum der linken Hälfte der Leibeshöhle durch den in sie vorspringenden Magen (Fig. 12 Mg.) stark verengt wird. Wie sich aus der Berücksichtigung der Quer- schnittsbilder ergibt, hat dies seinen Grund in der Verlagerung des Magens, der fast seiner ganzen Längenausdehnung nach, besonders aber in seinen kaudalen Teilen rechts von der Median- ebene liegt. Ventral wird die linke Hälfte der Leibeshöhle durch den in sie vorspringenden linken Leberlappen (Fig. 10 L. h. s.) verengt. An der Dorsalseite ragt vom hinteren Darmgekröse ausgehend eine Falte (Fig. 10 M. 1. s.) in dieselbe vor. Diese tritt kranialwärts immer stärker hervor und verdeckt, indem sie kranial zunächst an der dorsalen Wand des Sinus venosus, und noch um einiges weiter kranial an dem ventralen Mesenterium haftet, wie ein Vorhang die linke Wand des Magens, welche in den mehr kaudaleren Teilen den Hintergrund des Bildes vor- stellt (Fig. 10 Meg.). Es braucht wohl nicht wiederholt zu werden, dass es sich um das Gekröse handelt, welches symmetrisch mit dem normaler- weise rechts gelegenen Hohlvenengekröse angelegt wird. Das kaudale Ende dieser Gekrösplatte bildet einen mit der Konkavität nach abwärts gekehrten Bogen; als dorsaler Pfeiler dieses Bogens findet sich die erwähnte vom dorsalen Mesenterium vorspringende Falte, die kaudal bis in die Gegend des kaudalen Magenendes reicht. Ventral, das heisst an der Dorsalwand des Sinus venosus kann man keine vorspringende Falte als Fortsetzung des be- schriebenen Gekröses sehen. Hinter dem bogenförmigen Kaudal- rand desselben findet sich der Eingang in den linken der beiden, bei der Beschreibung der Querschnittsbilder angeführten Re- cessus. Zwischen Magenrand und dem dorsalen Pfeiler der Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide etc. 339 Gekrösplatte findet sich jene rinnenförmige, kaudal allmählich verstreichende Ausbuchtung der Leibeshöhle, welche schon bei der Beschreibung der Querschnittsbilder erwähnt wurde (Fig. 105, grösstenteils durch M. 1. s. verdeckt). Dieselbe führt kranial in den oben beschriebenen linken Recessus. Man muss entsprechend der abnormen Rechtslagerung des Magens wohl diesen Recessus als Recessus superior bursae omentalis bezeichnen. Seine Ausdehnung in kranio-kaudaler Richtung ist etwas grösser als die des rechts symmetrisch angelegten Recessus, seine laterale Begrenzung, das linke „Hohlvenengekröse‘“ reicht um etwa 0,07 mm (= 7 Schnitte) weiter kaudal als die des rechten Recessus. Blicken wir nun in die von der Seite eröffnete rechte Hälfte der Leibeshöhle (Fig. 11), so fällt uns zunächst der Magen auf, welcher einen in die Leibes- höhle ziemlich stark vorspringenden Wulst bildet und diese be- trächtlich verengt (Fig. 11 Mg.). Ventral ragt in dieselbe die Anlage des rechten Leberlappens herein (Fig. 11 L. h. d.), dorsal sehen wir wie auf der linken Seite eine von der Wurzel des dorsalen Mesenterium vorspringende Falte, die kranial mehr und mehr hervortritt, und indem sie ventral an der Rückwand des Sinus venosus und am ventralen Mesenterium haftet, eine der linken ganz gleiche Gekrösplatte vorstellt, hinter deren kaudalen bogenförmigen Rand sich der Eingang in den zum Recessus sup. bursae oment. symmetrischen Recessus findet. Berücksichtigt man die Verhältnisse der beiden beschriebenen Recessus im Zusammenhang mit der eigentümlichen Verlagerung des Magens und seines Gekröses, so könnte man im ersten Augenblick daran denken, dass es sich um einen Situs inversus des Magens und der angrenzenden Teile handle; dann müssten wir aber links die Verhältnisse suchen, die wir normalerweise rechts erwarten würden und umgekehrt. Nun wird bei normalen Embryonen ein dem Recessus sup. sacci oment. symmetrischer links ge- legener Recessus wohl auch angelegt, erhält sich aber nur kurze Zeit und ist nach Ravn (l. c. p. 141) in kraniokaudaler Richtung 390 OSKAR v. KOPFTZKY, bedeutend kürzer als der rechte. Nur Swaön (l. ce. p. 16) gibt an, dass sich ausnahmsweise der linke Recessus längere Zeit erhält. Wie er zu Grunde geht, wird nirgends genauer gesagt. Bei normalen, mit dem abnormen Embryo gleichaltrigen Em- bryonen habe ich ihn kaum angedeutet gefunden. Hätten wir es also hier mit einer typischen Verlagerung zu thun, so müssten wir in unserem Falle vom rechten Recessus und dem ihn lateral begrenzenden Gekröse nichts oder nur Andeutungen auffinden können. Nun ist er thatsächlich nur um Unbedeutendes in kranio-kaudaler Richtung kürzer als der linke Recessus, der ja hier als Recessus sup. bursae oment. bezeichnet werden muss. Ich gehe nun zur Beschreibung der Anomalien des Gefäss- systemes, zunächst des Herzens über. Das Herz steht ungefähr auf derselben Entwickelungsstufe wie das Herz, welches durch das Modell No. 3 der Born schen Serie von Plattenmodellen des Kaninchenherzens dargestellt wird. Es zeigt aber, mit diesem verglichen, eine Reihe ganz wesentlicher Verschiedenheiten. Betrachtet man das Plattenmodell des ano- malen Herzens (Fig. 13), so fällt zunächst auf, dass der Durch- messer desselben in dorso-ventraler Richtung unverhältnismässig klein im Vergleiche zum kranio-kaudalen Durchmesser ist; das ganze Herz erscheint im Vergleich mit einem normalen Herzen in dorso-ventraler Richtung zusammengedrückt. Es liegt nun die Vermutung nahe, dass dies vielleicht seinen Grund in einer besonders geringen Blutfüllung des Herzens zur Zeit der Konservierung haben könnte; da aber die Räumlichkeiten des Herzens den Eindruck eines normalen Füllungszustandes gaben, scheint es sich hier um eine abnorme Form zu handeln. Bei der Betrachtung des Modelles von vorne sieht man ferner, dass die linke Vorhofabteilung (A. s.) die linke Kammer (V. s.) weit überragt, während die rechte Vorhofsabteilung ziemlich klein erscheint und infolgedessen hinter dem rechten Ventrikel (V.d.) und dem Bulbus cordis(T.a) verschwindet. Dabei zeigt sich ausser- Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide ete. gl dem der linke sowie der rechte Ventrikelschenkel im Vergleich zu den normalen Verhältnissen nach rechts verschoben, so dass der Sulcus interventrieularis (S. i.) nicht wie beim normalen Embryo ungefähr in kranio-kaudaler Richtung, sondern von rechts kranial, nach links kaudal verläuft. Eröffnet man das Herz von der linken Seite her (Fig. 14), so bietet das Innere folgende, teilweise von der Norm abweichende Einzelheiten. Ent- sprechend der äusseren Form erscheint der Hohlraum der rechten Vorhofsabteilung bedeutend kleiner als der der linken (A. s., A. d.). Die Vorhofsabteilungen sind durch das, entsprechend der Ge- samtentwickelung des Embryo normal weit entwickelte Septum primum teilweise getrennt (S. p.). Das Septum primum ist kaudal niedrig, um dann kranial immer mehr und mehr hervorzutreten. Unmittelbar links vom kaudalen Ende des Septum primum be- findet sich in dem kaudalen Teil der Dorsalwand der linken Vorhofsabteilung eine kleine, kreisförmige Öffnung (Fig. 28. M.), die offenbar stark verengte Mündung des Sinus venosus. Eine Bildung von Klappen in der Umgebung dieser Mündung, wie man sie bei einem gleichalterigen Embryo aus demselben Uterus schon sehen konnte, findet sich bei dem abnormen Em- bryo nicht vor. Man würde hier, da die Sinus-Mündung unmittel- bar links vom Septum primum liegt, also nach links hin ver- lagert erscheint, eine Klappenbildung wohl an der linken Cirkumferenz der Sinus-Mündung erwarten. Thatsächlich zeigt sich auf Querschnittsbildern der Rand der Einmündungsstelle klappenartig hervortretend und tritt auch auf dem Platten-Modell als ein kranial und links von der Sinus-Mündung aus der dor- salen Vorhofswand nicht sehr stark hervortretender Wulst auf (Fig. 14 Kl.). Dieses Verhältnis ist aber nicht so stark ausgeprägt, dass man von einer deutlichen Klappenbildung reden könnte. Vielleicht hat man es hier mit einer rudimentären Klappe zu thun. Nach Born (l. e. pag. 305) soll bei Embryonen von 2,5 mm Kopflänge, also ungefähr 11 Tagen die rechte Sinusklappe schon 392 OSKAR v. KOPETZKY, „recht deutlich“ zu sehen sein, die linke nur ganz wenig neben der Sinusmündung hervortreten, und kann ich die Richtigkeit dieser Angaben nach dem, was ich an meinem Kontrolle-Embryo sehe, bestätigen. — Ausser den erwähnten Anomalien bietet das Herz weiter nichts Abnormes. Der Raum der Ventrikel verhält sich der äusseren Form des Herzens entsprechend. Der Sinus venosus liegt bei meinem Embryo dem kaudalen Teil der Dorsalwand des Vorhofes an. Er ist vollkommen sym- metrisch, nach links und rechts von gleich grosser Ausdehnung. Seine Wand ist dorsal durch das Mesocardium posterius an den Darm, lateral an beiden Seiten durch das Mesocardium laterale an die laterale Leibeswand geheftet. Das Mesocardium posterius setzt sich auch noch eine Strecke kranial vom Sinus auf die dorsale Vorhofswand fort und ist in meinem Falle in diesem Teile nicht normal gelagert, indem es nicht sagittal oder etwas schief von links dorsal nach rechts ventral zieht, wie in nor- mailen Fällen, sondern von rechts dorsal nach links ventral (Fig. 3Ms. p.). Kranial setzt sich der Sinus in die beiden Sinushörner fort, welche in meinem Falle ziemlich gleich weit und vollkommen symmetrisch gelagert sind, so dass der Sinus mit seinen beiden Hörnern die Form eines aufgestellten Hufeisens hat. Von kranial her münden in die beiden Sinushörner die Ductus Cuvieri, kaudal nimmt der Sinus die venösen Bahnen der Leber auf. Die Mündung des Sinus ins Herz gehört der linken Hälfte des Sinus an und wird durch die bei der Beschreibung des Herzens angeführte kreisrunde Öffnung vermittelt. Kaudal von der Vereinigung der beiden Sinus-Hörner zum unpaaren Raum des Sinus ragt von der dorsalen Wand des Sinus ausgehend, ent- sprechend dem Ansatze des Mesocardium posterius eine binde- gewebige Leiste in dem Raum des Sinus vor, die sich auf Quer- schnittsbildern als ein Bindegewebszapfen darstellt, der von dorsal her eine Teilung des Sinus in eine rechte und linke Hälfte an- Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide ete. 393 deutet. In den kaudalen Teilen des Sinus, in welchen die grossen Gefässe aus der Leber einmünden, besteht der genannte Vorsprung aus Lebergewebe (Fig. 4 S. s.). Er bildet in dieser Schnitthöhe eine Scheidewand zwischen den Venen, die von rechts und links aus der Leber in den Sinus münden. Noch weiter kaudal in der Leber wird diese Scheidewand zu einer vollständigen (Fig. 58. s.). Die Ductus Cuvieri liegen, wo sie aus der Vereinigung der hinteren und vorderen Kardinalvenen hervor- gehen in der dorsalen Leibeswand. Auf weiter kaudal geführten Schnitten erscheinen sie mehr und mehr ventral gelagert, und ihr Übergang in die Sinushörner erfolgt auf dem Wege des Mesokardium laterale in durchaus symmetrischer Weise. Bevor ich an die Beschreibung der venösen Bahnen gehe, welche die Leber durchziehen und von kaudal her in den Sinus venosus münden, will ich vorausschicken, dass gerade im Gebiet der venösen Blutbahnen der Leber die Verhältnisse recht ver- wiekelte sind und es daher unter den vorliegenden abnormalen Verhältnissen umso schwieriger sein musste die einzelnen Ge- fässbahnen richtig zu deuten, als ja gerade in der Entwicke- lungsperiode, aus welcher unser abnormer Embryo stammt, ein äusserst rascher Scenenwechsel im Gebiete des Blutgefässsystems der Leber erfolgt. Ausserdem dürften auch unter normalen Umständen kleinere Variationen in der Entwickelung der venösen Bahnen der Leber durchaus nicht allzu selten sein. Ich will mich daher darauf beschränken, an der Hand eines nach dem mir vorliegenden Plattenmodell verfertigten Schemas (siehe Fig. 15) eine Beschreibung der Verhältnisse soweit sie die grösseren Gefässe betreffen zu geben und zugleich auch, bezugnehmend auf die normalen Verhältnisse eine Deutung der einzelnen Gefässbahnen zu versuchen. In das kaudale Querstück des Sinus venosus münden von der Dorsalseite her aus der Leber hervorkommend rechts und links je eine grosse Vene, getrennt durch das schon oben er- 394 OSKAR v. KOPETZKY, wähnte Septum von Lebergewebe. Das rechterseits einmündende Gefäss ist, wie Vergleiche mit den Gefässen normaler Embryonen ergeben, dem Verlaufe und der Lage nach als Leberabschnitt der Vena omphalo-mesenterica dextra zu betrachten. Das linker- seits einmündende Gefäss dagegen entspricht keiner Gefässbahn der Norm, wir wollen. es vorläufig schlechtweg als Ductus venosus Arrantiüi bezeichnen und behalten uns vor, diese Bezeich- nung weiter unten zu rechtfertigen. (Siehe Fig. 15 V. o. m. d. u. D. v. A.). — Jedes der beiden genannten Gefässe nun nimmt an seiner Mündungsstelle in den Sinus aus der lateralen Leibes- wand je ein kleineres venöses Gefäss auf, welche auf dem Wege der zwischen der seitlichen Leibeswand und der Leber bestehen- den Verbindung zum Sinus gelangen. Diese beiden letztge- nannten Gefässe entsprechen, wie sich aus dem Schema ergiebt, den kranialen Enden der Venae umbilicales der Norm. (Siehe Biez15.V. u di usN Zus und Be5 Ven.ıd. a ue Der Ductus venosus Arr. nimmt ausserdem etwas kaudal von der Schnitthöhe seiner Einmündungsstelle in den Sinus eine grössere Vene auf, welche ihm aus dem ventralen Magen- gekröse Blut zuführt. (Fig. 15 u. 5 Mg. V.). — Diese Vene ist offenbar mit dem Gefäss identisch, welches auch bei nor- malen Embryonen sein Blut in den freilich anders gelagerten und anders mündenden Ductus venosus Arr. ergiesst. (Hoch- stetter 1. c. pag. 546.) — Die kranialsten Teile der Leber- anlage zeigen sich in dieser Schnitthöhe (Fig. 5) dorsal von der Vena o.-mes. dextra und dem Ductus venoses Arr. Das Leber- gewebe, welches hier beide Gefässe dorsal umgiebt, bildet die Anlage der beiden lateralen Leberlappen, welche in unserem Falle dorsalwärts in die rechte und linke Hälfte der Leibeshöhle gleich weit vorragen. Dieses Verhältnis steht im Gegensatz zur Norm insoferne, als bei normalen Embryonen die Anlage des rechten lateralen Leberlappens bedeutend grösser ist als die des linken und in die normalerweise geräumigere rechte Hälfte Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide ete. 39 der Leibeshöhle viel weiter vorragt als die Anlage des linken Lappens. Verfolgen wir die Vena omph.-mes. dextra und den sog. Ductus ven. Arr. auf ihrem Verlaufe durch die Leber in kaudaler Richtung, so sehen wir wie beide Gefässe, die Vena omph.-mes. nach geradlinig kaudalwärts gerichtetem Verlaufe, der Ductus venosus Arr. dem Ansatz des ventralen Magengekröses in seiner Richtung folgend in einen mächtigen Venenraum einmünden, der nach dem Vergleiche mit den Venen des normalen Embryo als Anlage des späteren linken Pfortaderastes zu betrachten sein dürfte (Fig. 15 Pf. A... In diesen Venenraum, welcher noch vollständig vom Lebergewebe umschlossen ist, münden nun ausser einer Reihe von kleineren Venenbahnen der Leber drei grosse Gefässe ein, die von kaudal her an die Leber heran- treten. Zwei von diesen Venen entsprechen den Venae omphalo- mes. der Norm (siehe Fig. 15 V.o. m. d. u. V. o. m. s.). Sie treten in der für das vorliegende Stadium charakteristi- schen Weise vom Dottersack an den Darm heran, vereinigen sich an dessen ventraler Cirkumferenz, um hierauf sofort wieder auseinander zu weichen und sich in ihrem kranialwärts gerich- teten Verlaufe an die beiden Seiten des Darmkanales anzulegen. Dabei erscheint die rechte Vene eine Strecke weit äusserst schmal (siehe Schema Fig. 15), während das Kaliber der linken ein grösseres ist, als kaudal von der Vereinigung. Kaudal von der dorsalen Pankreasanlage stehen die beiden Venen durch eine mächtige, dorsal vom Darm gelagerte Queranastomose (Fig 7 u. 15. V. R.) mit einander in Verbindung und von dieser Stelle an kranial zeigen sie. bis zu ihrer Einmündung in die Anlage des linken Pfortaderastes wieder ein ganz gleiches Kaliber. Unter normalen Verhältnissen nun besteht in dieser Ent- wickelungsphase der Abschnitt der linken Vena omphalo-mesen- terica zwischen der Leber und der Queranastomose kaudal vom Pankreas und dorsal vom Darm nicht mehr und es ist somit Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXIII (7. Bd. H. 3). 26 396 OSKAR v. KOPETZKY, in unserem Falle das Erhaltensein dieser Gefässstrecke als eine Abnormität aufzufassen. — Die dritte in den als Anlage des linken Pfortaderastes bezeichneten Venenraum einmündende Vene entspricht dem Leberabschnitte der linken Vena umbili- calis der Norm und verhält sich in jeder Beziehung wie dieser (Fig. 15 V. u. s.). Aber auch die rechte Vena umbilicalis steht mittels ihres Leberabschnittes, der durch mehrere kleinere Ge- Gefässe dargestellt wir, welche in verschiedenen Höhen von der Vene abgehen und in die Leber übertreten (siehe Fig. 15) mit dem oben genannten Venenraum in Verbindung. Im übrigen verhalten sich die beiden Venae umbilicales in jeder Beziehung so wie unter normalen Verhältnissen. Was nun den Ductus venosus Arrantü betrifft, so findet sich ein solcher als direkte Fortsetzung des Leberastes der linken Vena umbilicalis gegen die Mündungsstelle der rechten Vena omphalo- mes. nicht vor; an seiner Stelle sehen wir vielmehr ein Gefäss, welches von der Anlage des linken Pfortaderastes ausgeht, gegen die Stelle hinziehen an welcher die Mündung der linken Vena omphalo-mesenterica sinistra zu suchen wäre, falls sich dieselbe als fortlaufendes Gefäss durch die Leber hindurch noch ver- folgen liesse (Fig. 15 D. v. A.). Wir haben dieses Gefäss oben als Ductus venosus Arrantii bezeichnet, welche Bezeichnung sich eben nur insoferne recht- fertigen lässt, als es sich um eine Gefässbahn handelt, die die Anlage des linken Pfortaderastes mit der Mündungsstelle einer Vena omphalo-mes. verbindet, wobei aber zu betonen ist, dass der Ductus venosus der Norm mit dem Ductus venosus in unserem Falle nicht zu identifizieren sein wird. Als die auffallendsten Abnormitäten im Bereich der venösen Gefässbahnen ergeben sich demnach die Mündung des von uns so genannten Ductus venosus Arrantii in die linke Sinushälfte, und das Fortbestehen jenes Stückes der Vena omphalo-mesen- terica sinistra kranial von der Venenanastomose um den Darm. Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide ete. 397 Ein besonderes Interesse hätte esin unserem Falle auch gehabt, die ersten Anfänge des kranialen Abschnittes einer unteren Hohl- vene aufzufinden. Leider ist dies bei einem elftägigen Kaninchen- Embryo noch nicht möglich. Die ersten Anfänge der untern Hohlvene sind nach Hochstetter (l. ce. pag. 564) wohl erst gegen das Ende des 12. Tages im Hohlvenengekröse zu sehen. Nun konnte ich zwar sowohl rechts als links im Hohlvenen- und in dem symmetrisch angelegten Gekröse bei meinem Embryo kleinere Gefässe auffinden, dieselben scheinen aber mit den auch von Hochstetter (l. ec. pag. 547) beschriebenen Gefässchen, die zur Hohlvene in keiner genetischen Beziehung stehen iden- tisch zu sein. Eine Lungenvene, die man beim normalen elftägigen Ka- ninchen-Embryo meist schon links vom Septum primum in die Vorhofsabteilung mündend auffinden kann, war bei meinem Embryo ebenfalls nicht zu sehen. Hingegen fand ich eine kleine Vene, welche in der Gegend des kaudalen Poles der Lungen- anlage entstehend im Bindegewebe ventral vom Ösophagus kaudalwärts zieht. Dieselbe mündet in jene oben beschriebene Vene, die dem Ductus venosus Arrantii aus dem ventralen Magengekröse ihr Blut zuführt. Eine interessante Abnormität findet sich bei meinem Embryo schliesslich auch im Bereich des Arteriensystemes. Die Arteria omphalo-mesenterica nämlich, die sich bei normalen Kaninchen- Embryonen im Darmgekröse links am Darme vorbei zum Dotter- sacke ziehend vorfindet, verlässt bei meinem Embryo den embryonalen Körper, indem sie rechts vom Darme vorbeipassiert. Überblicken wir nun die bei unserem Embryo vorgefundenen Anomalien, so ergiebt sich im Bereiche des Darmkanals als bedeutungsvollste Abweichung von der Norm die Verlagerung des Magens mit dem anschliessenden Duodenum, die eigen- 26* 398 OSKAR v. KOPETZKY, tümlich symmetrische Gestalt der Lungenanlage des Pankreas und der Leber. Im Bereich des Gefässsystems ist es vor allem die auffallende Gestalt des Herzens, die Symmetrie des Sinus venosus, sowie die Verschiebung seiner Mündung nach links, ferner die Mündung des Ductus venosus Arrantii in seine linke Hälfte. Weiter wäre noch hervorzuheben das Fortbestehen eines Teiles der Vena omphalo-mesenterica, der unter normalen Ver- hältnissen schon frühzeitig verschwindet, und die Verlagerung der Arteria omphalo-mesenterica. Auf eine Ursache, welche die vorliegenden Anomalien zur Entwickelung hätte gebracht haben können, einen Schluss zu ziehen, war aus den gemachten Beobachtungen nicht möglich, ebensowenig konnte ich mir eine Meinung darüber bilden, ob alle beobachteten Abweichungen von der Norm auf eine einzige oder auf mehrere Ursachen zurückzuführen wären. Es hat ‚mindestens ebensoviel Wahrscheinlichkeit für sich, anzunehmen, dass die eigentümliche Symmetrie der Lungen in einem bestimmten Zusammenhang mit den übrigen beobachteten Anomalien stehe, als die Annahme, dass es sich hier einfach um eine zufällige oder durch parallel einwirkende Ursachen bedingte Kumulierung von Variationen handelt. Bezüglich der im Ge- biete des Darmkanales und Gefässsystems vorliegenden Anomalien erscheint dagegen freilich ein gewisser Kausalzusammenhang zu bestehen. Nur dürfte es schwer fallen zu sagen, ob die eine oder die andere Abweichung als die primäre zu betrachten wäre. So wird man auch kaum in der Lage sein, sicher zu entscheiden, ob die abnorme Drehung des Magens das primäre war, oder ob dieselbe nur durch die abnorme Entwickelung der beiden seitlich von seinem kranialen Ende befindlichen abnormal entwickelten Gekrösplatten bedingt wurde. Nach einer einzigen 3eobachtung diesbezüglich auch nur eine Vermutung auszu- sprechen, wäre mindestens unvorsichtig. Taf. XXXI. DOM. Tomes.d.--- Tro.m.d. —"- Tru.di PR.A.-- T.0. mes. ». Lim Anstv. C. Kirst,laipng 5 a: j WU . Fr R Us ‚v eh „ 7 nn BE = u,» a 5 x a u. f .r » « . f x ” E # ' % ur < ‘ { N 5 L ri s Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide etc. 399 Vor allem muss sich dem Untersucher eines Falles, wie der vorliegende ist, die Frage aufdrängen, was wohl aus den in der Anlage vorhandenen Varietäten geworden wäre, wenn sich der untersuchte Embryo hätte ungestört entwickeln können. Mit Zuhülfenahme einiger Phantasie vermag sich jeder, der den nor- malen Entwickelungsgang kennt und berücksichtigt, eine ent- sprechende Antwort auf diese Frage zu geben. Es liegt aber auch nahe, die bekannt gewordenen Fälle von Lageanomalien der Eingeweide — so weit sie mit Rücksicht auf unseren Fall in Frage kommen — nachzusehen,, und zu untersuchen, ob wohl ein Fall zu finden wäre, von dem man sich vorstellen könnte, dass er auf einer frühen Entwickelungsstufe ein ähnliches Bild geboten hätte wie der vorliegende. Eine Zusammenstellung solcher Fälle von Verlagerung aller oder einzelner Eingeweide mit oder ohne gleichzeitig bestehender Verbildung oder Mangel gewisser Eingeweide, wie sie beim Menschen beobachtet wurden, hat Toldt (l. ce.) geliefert. Der Versuch einen oder den andern dieser Fälle als einen dem meinigen ganz ähnlichen zu agnoscieren, stösst jedoch auf mehr- fache Schwierigkeiten. Einerseits werden nämlich durchaus Fälle von Erwachsenen oder mindestens kindlichen Individuen beschrieben, anderseits lassen einige der älteren Litteratur ent- nommene Fälle an Ausführlichkeit der Beschreibung -— beson- ders was das Gefässsystem betrifft — zu wünschen übrig. (Siehe z. B. die Fälle VIlI und XIII, wo nur von einer „Missbildung‘ des Herzens die Rede ist.) Unter den 20 Fällen der Zusammenstellung von Toldt ist kein einziger, von dem man aussagen könnte, dass der beschrie- bene Embryo, wenn er sich mit den vorhandenen Anomalien weiter entwickelt hätte, ihm in den wesentlichsten Punkten ähn- lich geworden wäre, denn in keinem der in Vergleich zu ziehen- den Fälle wird einer Symmetrie der Lunge Erwähnung gethan. Nun ist ja allerdings nicht gerade undenkbar, dass sich in 400 OSKAR v. KOPETZKY, unserem Falle schliesslich aus der symmetrischen Anlage eine normale oder transponierte Lunge entwickelt hätte, aber mit Wahrscheinlichkeit lässt sich dies doch nicht aussagen, und es ist vielmehr wahrscheinlicher, dass die Symmetrie der Lunge, soweit es mit Rücksicht auf die Nachbarorgane (Herz) möglich war, sich erhalten hätte. Sieht man aber von der Gestalt der Lungenanlage ab, so scheint mir am ehesten der von Valleix beschriebene IX. Fall Toldts einige Ähnlichkeit mit dem meinen zu haben. Es fand sich nämlich in diesem Falle eine nicht vollständige Verlagerung des Magens und des Duodenums, eine Transposition des Herzens, das zugleich noch andere Missbildungen zeigte (es wird nur die rudimentäre Vorhofsscheidewand angegeben) und eine links von der Aorta gelegene Vena cava inferior, sowie eine Transposition der Leber. Nun könnte ja allerdings die Verlagerung des Magens und Duodenums bei unserem Kaninchen-Embryo sich schliess- lich ebenso dargestellt haben wie in dem eben angeführten Falle. Das Herz meines Embryo zeigt aber keine vollständige Trans- position, sondern nur eine Verlagerung der Sinus-Mündung auf die linke Vorhofsabteilung. Die Frage aber, ob, wo und wie eine untere Hohlvene entstanden wäre, musste, wie bereits an- geführt, offen gelassen werden; doch scheint es mir am wahr- scheinlichsten, dass sich, entsprechend den eigentümlichen Gekrös- verhältnissen, dieselbe linkerseits von der Mündung des Ductus venosus Arrantii in den Sinus venosus — ausgehend ent- wickelt hätte. Was die Leberanlage betrifft, so ist dieselbe, wie sich aus dem Verhalten der Gallenblase und der Umbilikalvene ergiebt, nicht transponiert, es findet sich nur die Anlage des rechten Lappens ziemlich gleich gross der Anlage des linken Lappens. Es würde sich also (soweit überhaupt der Vergleich der Kaninchen- leber mit der menschlichen Leber statthaft ist) eher eine Form entwickelt haben, wie die im Falle I, XI, oder XVII. Analogien te er Über einen Fall von abnormer Lagerung der Eingeweide etc. 401 mit der eigentümlichen Form des Pankreas bei meinem Embryo liegen in keinem der angeführten Fälle vor. Ausserdem lässt sich aber auch unter Berücksichtigung der eigentümlichen Verlaufsweise der Arteria omphalo-mesenterica die Möglichkeit nicht zurückweisen, dass es in unserem Falle vielleicht zu einer abnormen Drehung der Nabelschleife ge- kommen wäre. Gewisse Ähnlichkeiten mit meinem Falle bietet auch der XV1. Fall Toldts (beschrieben von Lucian Bojer); in diesem Falle liegt, wie bei meinem Embryo eine teilweise Verlagerung des Magens mit Missbildung des Herzens, aber verbunden mit einer Transposition sämtlicher Brusteingeweide vor, (Über die Vena cava inferior wird leider nichts ausgesagt.) Trotz aller dieser Ähnlichkeiten zeigt mein Embryo, wie gesagt, Eigentümlichkeiten, welche keiner der beschriebenen Formen zukommen, so dass sich nicht aussagen lässt, welcher Form er sich, hätte er seine Entwickelung vollendet, am meisten genähert hätte. Es sei mir schliesslich erlaubt, Herrn Professor Dr. F. Hoch- stetter für die Überlassung des Embryo, sowie für Rat und Beistand, mit denen er mich bei der Abfassung der Arbeit unter- stützt, herzlichsten Dank zu sagen. Herrn Professor Dr. E. Zuckerkandl danke ich bestens für die Überlassung des Arbeitsplatzes in seinem Institut. Litteratur-Verzeichnis. . Born, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Säugetierherzens. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 33. . Hochstetter, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte des Venensystems der Amnioten. Morpholog. Jahrbuch, Bd. 20. . Raon, Über die Bildung der Scheidewand zwischen Brust- und Bauch- höhle in Säugetier-Embryonen. Archiv für Anatomie u. Physiologie, 1889. . Swaön, Recherches sur le developpement du foie, du tube digestif, de l’arriere-cavite du peritoine et du me&sentere. Journal de l’anatomie et de la physiologie, 1896, Nr. 1. . Toldt, Die Darmgekröse und Netze im gesetzmässigen und im gesetz- widrigen Zustand. Denkschriften der kaiserl. Akad. d. Wissensch. math.- naturw. Klasse, Bd. LVI, 1889. Tafel-Erklärung. Fig. 1—7 inkl. Abbildungen von Schnitten der Serie des beschriebenen Embryo. Vergr. 35. Fig. 8. Panereas dorsalis beim normalen I1tägigen Kaninchen-Embryo. Vergr. 50. Fig. 9. Pancreas dorsalis beim beschriebenen Kaninchen-Embryo, kom- biniert aus 2 aufeinanderfolgenden Schnitten. Fig. 10. Abbildung eines Stückes aus dem Plattenmodell des abnormen Embryo, von links. Fig. 11. Dasselbe von rechts. Fig. 12. Abbildung eines Stückes aus dem Modelle des normalen Em- bryo, von links. Fig. 13. Abbildung des Plattenmodelles vom Herzen des abnormen Embryo, von vorne. Fig. 14. Dasselbe eröffnet, von links. Fig. 15. Schema des Gefässsystems der Leber beim beschriebenen Embryo. Abkürzungen. A.s. = Atrium sinistrum. A. d.= Atrium dextrum. D.C. = Duectus Cuvieri. D. v. A. = Ductus venosus Arrantii. F. a.-v. = Foramen atrio-ventriculare. Kl. = Klappenbildung a. d. Sinusmündung. L.h.d. = Lobus hepatis dexter. IShesa an: s sinister. Mg. = Magen. Mg. V. = Vene aus dem Magengekröse. m h n — Hohlvenengekröse und symmetrisch angelegtes Gekröse. Ms. ]. = Mesocardium laterale. Ms. p. = Mecocardium posterius. Oe. — Ösophagus. Pe. d. = Pancreas dorsalis (a sagittal, b frontal gestellter Teil der Anlage). P. d. = Pulmo dexter. P. s. = Pulmo sinister. Pf. A. = Anlage des linken Pfortaderastes. Re. d. Bes Recessus superior sacci omentalis und symmetrisch angelegter Recessus. . — Ausbuchtung der Leibeshöhle (Fig. 6 u. 10). i. = Sulcus interventricularis. . — Sinusmündung. . = Septum primum. . = Septum am kaudalen Sinus-Ende (Fig. 5). . = Sinus venosus. . — Bulbus cordis. .m. d. = Vena omphalo mesenterica dextra. mes — 5 en 5; sinistra. . = Venenring der Omphalo-mesentericae und des Darmes. . = Ventriculus dexter. Ventrieulus sinister. . = Vena umbilicalis dextra. . = Vena umbilicalis sinistra. reelle 2 ig m auge era je? un AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT ZU GÖTTINGEN. DIE HARNKUGELCHEN WIRBELLOSEN UND WIRBELTIEREN. PH. SCHOPPE. Veranlassung zu den Untersuchungen, deren Ergebnisse im folgenden mitgeteilt sind, war eine am 29. Mai 1895 von der medizinischen Fakultät der Georg- Augusts-Universität zu Göt- tingen gestellte physiologische Preisaufgabe folgenden Wortlautes: „Dass die das Nierensekret der Vögel und Reptilien haupt- sächlich ausmachenden Kügelchen (Konkremente oder Inkru- stationen eines Gerüsts oder Stromas) von Harnsäure und harn- saurem Salze in Zellen der Harnkanäle gesammelt und formiert werden, ist bekannt; es werden aber nähere Untersuchungen darüber gewünscht, auf welche Abteilung der Kanäle resp. auf welche besondere Art von Nierenzellen jener Vorgang beschränkt ist, wie derselbe — bezüglich der Bestandteile der Zelle — sich gestaltet, wie sich der Abgang der betreffenden Zellen und die Regeneration sowie das damit verbundene Alternieren verschie- dener Teile der Niere verhält, wobei einerseits experimentelle Ein- griffe heranzuziehen, andererseits auf die Nieren von Wirbellosen Rücksicht zu nehmen sein wird“. Die vorliegende Arbeit wurde mit dem vollen Preise gekrönt. Nach Beginn der Untersuchung zeigte sich sehr bald, dass auf die Nieren der Wirbellosen nicht allein Rücksicht zu nehmen war, sondern dass sie geradezu als Ausgangspunkt gewählt werden mussten, indem ihre Harnkügelchen nicht nur ebenso wie die ihnen durchaus entsprechenden der Wirbeltiere entstehen, sondern indem sie auch viel leichter nachzuweisen sind, was schon Meissner (2) (pag. 183) mit Recht betont. 408 PH. SCHOPPE, Il. Schnecke. Zu meinen Untersuchungen habe ich die Weinbergschnecke (Helix pomatia) gewählt; sie ist leicht zu haben, bietet einfache Verhältnisse, hat grosse Zellen und grosse Kügelchen. Der ausgeschiedene Harn bildet eine weissliche, breiige Masse, die beim Trocknen vollständig weiss und bröcklig wird. Betrachtet man den Harn unter dem Mikroskope ohne Zu- satz, dann sieht man Kügelchen von meist vollkommen sphäri- scher Gestalt, welche bei durchfallendem Lichte dunkelbraun, bei auffallendem weissglänzend erscheinen. Bei der Unter- suchung im polarisierten Lichte erweisen sie sich als doppelt- brechend. Von einer Struktur lassen viele Kügelchen nichts erkennen, andere aber zeigen im Centrum eine radiäre Streifung, am Rande eine konzentrische Schichtung. Erhebliche Grössen- unterschiede sind nicht vorhanden. Wenn man zu dem Harne auf dem Objektträger Wasser zusetzt, so lösen sich die Kügelchen langsam zu einem geringen Teile auf. Schneller erfolgt die Zerstörung bei Zusatz von ver- dünnter Essigsäure oder Ammoniak oder Kalilauge. Man kann unter dem Mikroskope verfolgen, welchen Ver- lauf die Auflösung eines Harnkügelchens nimmt. Zunächst wird es vom Rande her blasser und heller; mit dem Fortschreiten des Auflösungsprozesses wird die konzentrische Schichtung vom Rande aus immer deutlicher und kommt dem Centrum mehr oder weniger nahe; das strahlige Aussehen in der Mitte geht verloren. In dem aufgehellten,, durchsichtigen, geschichteten Mantel liegt der centrale Teil noch dunkelbraun, undurchsichtig') (Fig. 1). 1) Kügelchen in diesem Stadium der Auflösung hat Henle (6) in Müllers Archiv 1835, Taf. XIV, Fig. 13 als fertige, unversehrte Harnkügelchen ab- gebildet und nennt sie: „Kügelchen aus Kern und Schale aus der Niere der Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 409 Der mittlere Teil des Kügelchens hellt sich in den meisten Fällen auf, ohne besondere Anzeichen für den Bau erkennen zu lassen (Fig. 3). In besonders günstigen Fällen gelingt es aber mit Sicherheit zu sehen, dass das scheinbar homogene und einheitliche Centrum sich aus mehreren neben und über einan- der liegenden Kügelchen zusammensetzt, deren optische Quer- schnitte man als Kreise sieht. Dass man die Kügelchen im Innern verhältnismässig selten wahrnimmt, kann nicht ver- wundern, da die Auflösung offenbar nicht immer in für die Beobachtung gleich günstiger Weise erfolgt. Wenn die Kügelchen begonnen haben sich aufzulösen, treten alsbald bei der Untersuchung im polarisierten Lichte Interferenz- kreuze auf, die immer deutlicher werden, je weiter die Auflösung vorschreitet (vergleiche Fig. 2 und 4). In Fig. 2 ist auch der aufgehellte Mantel doppeltbrechend, sobald aber die Auflösung einen höhern Grad erreicht hat, ist nur die Mitte, der noch undurchsichtige Teil, und der äusserste Rand doppeltbrechend (Fig. 4). In Fig. 6 (zu Fig. 5 gehörig) hat das Harnkügelchen als Ganzes ein Polarisationskreuz, die kleinen Kügelchen in der Mitte haben nicht besondere Kreuze. Nachdem nun so vom Rande her nach der Mitte zu das Harnkügelchen durch den Auflösungsprozess sein dunkles Aus- sehen verloren hat, sieht man noch den blassen, zarten Rück- stand von der Grösse und der äusseren Form des früheren Kügelchens. Am Rande ist die vorher beschriebene konzen- trische Schiehtung noch sichtbar, die jedoch mit dem Vor- Weinbergschnecke.“ Henle stand damals noch nicht auf der Basis der Zellen- lehre, wie später Meckel (7), der 1846 über denselben Gegenstand ausführ- licher arbeitete. Dieser hat im ganzen eine vollkommen richtige Vorstellung von der Ausscheidung der Urate durch Zellen, er nimmt jedoch ein Sekretbläschen in der Zelle an, in welchem flüssige Urate ein festes Klümpchen umgeben; auch er hat teilweise aufgelöste Harnkügelchen für unversehrte gehalten. So sind die Bilder, die Henle und Meckel geben, ähnlich, ihre Deutung ist je- doch verschieden. 410 PH. SCHOPPE, schreiten der Auflösung immer zarter geworden ist; in der Mitte ist kein bestimmter Bau zu erkennen. Dieser Rückstand, gewissermassen das Skelett des Harn- kügelchens, ist in vielen Fällen, besonders am Rande, noch doppeltbrechend. Ist das Doppelbrechungsvermögen verloren ge- gangen, dann schwindet nach einiger Zeit auch der Rückstand und zwar in seiner ganzen Ausdehnung gleichmässig, nicht vom Rande her nach der Mitte zu. Weitere Mitteilungen über das Stroma folgen unten. So giebt der Abbau des Harnkügelchens ein klares Bild von seiner Struktur: Das Centrum eines Harnkügelchens der Schnecke besteht (wenigstens in bestimmt nachweisbaren Fällen) aus kleinen, dicht an einander liegenden Kügelchen; diese werden umschlossen von mehreren konzentrischen Schichten, die zwiebel- schalenartig auf einander liegen. Das Ganze wird von einem zarten Gerüste getragen. Krystalle, die vom Vogelharn her bekannt sind, hatte ich bisher bei der Auflösung des Schneckenharnes nicht beobachtet. Als ich jedoch das Lösungswasser auf dem Objektträger er- wärmte und verdampfte, traten in spärlicher Anzal Krystalle auf, meist rechteckige Plättchen, daneben auch Sechsecke und Wetzsteinformen. Die Krystalle, die häufig eine beträchtliche srösse erreichen, sind doppeltbrechend. Ich wende mich nun zur Untersuchung des harnbildenden ÖOrganes, der Niere. Die frische Schneckenniere sieht weisslich grau aus und ist schwammig weich. Bei einer Verletzung fliesst ein weiss- licher Brei aus, der das ganze Organ erfüllt. Man kann ihn wie aus einem Schwamme auspressen und behält dann von der Niere nur noch einen ganz geringen Rest. Die weisse, ausfliessende Masse besteht, wie die mikro- skopische Untersuchung ergiebt, nur aus Harnkügelchen, die Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 411 den ausgeschiedenen mehr oder weniger gleichen. Die meisten sind kugelig und unterscheiden sich in nichts von den normal secernierten. Andere erscheinen kleiner und haben häufig noch nicht das vollkommen sphärische Aussehen. Sämtliche Kügel- chen sind doppeltbrechend, zeigen aber wie auch die aus- geschiedenen in unversehrtem Zustande keine Polarisations- kreuze. Bei mikroskopischer Betrachtung der frischen Schnecken- niere sieht man neben massenhaften Kügelchen die Gewebsteile nur sehr undeutlich: Teile von Zellen, ganze Zellen, frei um- herschwimmende grosse Kerne, häufig auch ein Kügelchen von einem Protoplasmamantel umgeben, in dem zuweilen ein Zell- kern zu erkennen ist. Auch ganz kleine Harnkügelchen findet man, teils in Zellen, teils frei, von der Grösse der Pigment- körnchen; sie sind doppeltbrechend und zeigen dieselben mikro- chemischen Reaktionen wie die grossen Kügelchen. Ausser diesen kleinsten Harnkügelchen finden sich m dem Protoplasma der Nierenzellen noch andere ebensolche Granula in grosser Anzahl, die ihnen sehr ähnlich sehen; man könnte sie mit einander verwechseln. Aber die Untersuchung im polarisierten Lichte zeigt, dass es keine Harnkügelchen sind; sie werden zu den Protoplasmabestandteilen der Zelle gehören. Aus Fett bestehen diese Granula nicht, denn Überosmiumsäure färbt sie nicht schwarz. Sie sollen im folgenden nicht weiter berücksichtigt werden. Da weiteres an der frischen Niere nicht nachzuweisen war, mussten der Untersuchung im übrigen fixierte Präparate zu Grunde gelegt werden. An Fixierungsflüssigkeiten wurden benutzt: Das Flemming- sche Gemisch, de Hermannsche Flüssigkeit, die Zenkersche Mischung, Osmiumsäuregemische mit den Chloriden der Edel- metalle, konzentrierte Sublimatlösung, Sublimat-Eisessig, Formol, Anatomische Hefte, I. Abteilung. Heft XXIII (7. Bd. H. 3). 27 412 PH. SCHOPPE, Alkohol und das Gemisch nach van Gehuchten (Alkohol ab- solut. 60, Chloroform 30, Eisessig 10). Die gehärteten Präparate wurden in Paraffin eingebettet, die Schnitte mit Nelkenöl-Collodium oder mit Eiweiss-Glycerin auf den Objektträger aufgeklebt; das Paraffin wurde mit Xylol ausgezogen. Die Fixierungsflüssigkeiten haben mir Dienste von sehr verschiedenem Werte geleistet. Der zunächst in die Augen fallende Unterschied liegt darin, dass die Harnkügelchen nicht über- all gleich gut erhalten sind. In den meisten Fixierungsflüssigkeiten (ausgenommen sind nur absoluter Alkohol und Alkohol-Chloro- form-Eisessig) sind die Kügelchen mehr oder weniger aufgelöst, angegriffen, vielfach sind sie in grossen Teilen der Niere voll- ständig verschwunden. In allen Fällen aber, wo sie aufgelöst sind, hat sich an ihrer Stelle ein Hohlraum erhalten, der ihre ursprüngliche Form und Grösse wiedergiebt. Der früher be- schriebene aufgehellte Mantel mit den Kreisen, wie sie bei aus- geschiedenen, in der Auflösung begriffenen Kügelchen auftreten, ist bei einem teilweise aufgelösten Harnkügelchen in den fixierten Präparaten nicht vorhanden; man sieht in dem Sacke des früheren Kügelchens nur noch in der Mitte eine kompakte Masse, die meist unregelmässig, häufig drusig gestaltet ist. Färbt man gut gehärtete Schnitte noch durch, so bekommt man ein Bild, welches zeigt, dass die Niere in allen Teilen gleichartig gebaut ist; sie besteht aus lauter bindegewebigen Falten, denen die überall gleich aussehenden Epithelzellen auf- sitzen. Diese sind sehr gross, cylindrisch,h haben ein leicht körniges Protoplasma. Der Kern ist kugelig, hat eine Membran und viele Kernkörperchen; er liegt meist an der Zellbasis. Zell- grenzen sind vielfach gut, häufig nicht zu erkennen. Fast jede Zelle zeigt einen Hohlraum an Stelle eines früheren Kügelchens, das durch Anwendung der Färbeflüssig- keit aufgelöst ist; nur vereinzelt findet man eine ganze Zelle ohne Hohlraum. Dieser liegt mit wenig Ausnahmen Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 413 an der freien Seite der Zelle, während der Kern, der auch in diesen Zellen stets deutlich zu sehen ist, sich an der Basis befindet. Der Hohlraum des früheren Kügelchens ist nicht in allen Fällen leer (doppeltbrechende Substanz ist jedoch nirgends mehr vorhanden), oft liegt ein feines, blasses Netzwerk in ihm, welches meist unregelmässig zu sein scheint; zuweilen sieht man einen oder mehrere konzentrische Kreise, die ein kleines Klümpchen kompakterer Substanz umschliessen. Es sind dies offenbar mehr oder weniger gut erhaltene Reste des Stromas. Doch es gelingt auch mit Leichtigkeit, vollständig erhaltene und sogar gefärbte Stromata zu sehen, besonders in Präparaten, die in absolutem Alkohol oder auch in dem Flemmingschen Gemische fixiert und mit Hämatoxylin nach Benda gefärbt sind. In jedem Schnitte kann man Zellen finden, in denen an der Stelle der Kügelchen ganz dieselben Gebilde liegen, wie sie oben als Rückstände bei Auflösung der freien Harn- kügelchen beschrieben sind, nur viel deutlicher, weil sie blau- violett gefärbt sind. Das Stroma ist, nach allem zu schliessen, protoplasmatische Substanz; es hellt sich auch nach der Auflösung des Harn- kügelchens z. B. in Ammoniak auf Essigsäurezusatz wie Zell- protoplasma auf. Bei der Beantwortung der vor allem wichtigen Frage nach dem Orte und der Entstehung der Harnkügelchen muss man Präparate haben, in denen diese ganz intakt erhalten sind. Diese Forderung wird, wie erwähnt, nur erfüllt, wenn die Nieren in absolutem Alkohol oder in Alkohol-Chloroform-Eisessig gehärtet sind. An Schnitten aus so fixierten Präparaten sieht man nun zwar gut erhaltene Kügelchen, vom Gewebe aber er- hält man ohne Färbung kein klares Bild; von Zellen, Kernen ist nur wenig zu sehen. Es wurden deshalb alle möglichen Färbe- 27* 414 PH. SCHOPPE, methoden versucht; in den gewöhnlichen Farbstofflösungen ver- schwanden jedoch, wie zu erwarten war, die Harnkügelchen völlig oder wurden doch sehr stark angegriffen. Dann wurden, da die Kügelchen in absolutem Alkohol sich halten, Farbstoffe in absolutem Alkohol oder auch in Alkohol-Chloroform-Eisessig gelöst. Aber auch die sonst besten Kernfärbemittel bewirkten in diesen Lösungen bei tage-, selbst wochenlangem Einwirken keine Kernfärbung. Das ganze Präparat war diffus gleich- mässig gefärbt, von Kernen nichts zu sehen; es war durchaus unbrauchbar. So musste schliesslich wieder auf die wässerigen Farbe- lösungen zurückgegriffen und eine Methode gesucht werden, die bei ausserordentlich kurzer Einwirkung eine brauchbare Färbung lieferte, um den Kügelchen gleichsam nicht die Zeit zu lassen, sich aufzulösen. Meinen Anforderungen genügend erwies sich nach langen Versuchen allein die Hämatoxylinfärbung nach Heidenhain (Beize: etwa 4°/o schwefelsaures Eisenoxyd- ammoniak) mit nachfolgender Eosinlärbung. Die Färbung wurde folgendermassen gemacht: Der Objektträger mit den aufgeklebten Schnitten wurde mit einer Pincette gefasst und dann schnell hinter einander in die Flüssigkeiten nur eben hineingetaucht, aus dem absoluten Alkohol in 96 %/o, 70°/o, Wasser, Beize, Hämat- oxylinlösung, Beize, Wasser, Alkohol 70°/o, 96°/o, Eosinlösung in absolutem Alkohol, absoluten Alkohol, Xylol. Die alkoholische Eosinlösung wurde benutzt, um das Wasser möglichst zu vermeiden. Die Färbung in der angegebenen Weise dauerte etwa 30 Sekunden. Das Ergebnis war sehr gut: deutliche Kern- färbung, gute Protoplasmafärbung; die Harnkügelchen waren wenig oder gar nicht angegriffen, die meisten wurden von dem Zellprotoplasma eng umschlossen, ein sicheres Zeichen, dass sie unverändert waren. Es fehlten auch die Polarisationskreuze, die sonst bei der Auflösung der Kügelchen auftreten. Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 415 Eine ganze Schneckenniere wurde in Serien zerlegt und auf die angegebene Weise gefärbt. Die Niere ist in allen ihren Teilen mit Harnkügelchen vollgestopft, nur einzelne Zellen sind frei (Fig. 7). Vollständig leere Abschnitte sind nicht zu finden. Dabei sind die Kügel- chen fast sämtlich fertig und gleichen den ausgeschiedenen voll- kommen. Es ist deshalb nicht ganz leicht, über die Einzelheiten des Sekretionsvorganges ins Klare zu kommen. Die Thatsachen leuchten allerdings ein: 1. dass die Kügelchen in den Zellen secerniert werden, da sie ausnahmslos in ihnen liegen, und 2. dass sie sich nieht aus umgewandelten Kernen bilden, wie es Lindgren (3) will, da man die Kerne stets völlig unbeteiligt neben den Kügelchen im Protoplasma der Zellen liegen sieht. Das Harnkügelchen wird also indem Protoplasma der Zelle gebildet. Nichts deutet auf eine direkte.Beteiligung des Kernes in irgend einer Weise hin. An dem einen Pole der in Serienschnitte zerlegten Niere habe ich schliesslich doch einen Bezirk gefunden, der einen näheren Einblick in den Sekretionsvorgang gestattete. In der einen Zelle liegt ein Kügelchen, das viel kleiner als der Kern ist; in der andern sind zwei Kügelchen, in einer dritten drei und mehr, ganz klein, meist dicht an einander liegend, auch zu mehreren Gruppen (Fig. 8). In weiteren Zellen sind die Kügel- chen nicht mehr einzeln, scharf getrennt, sondern nur noch angedeutet; sie sind von einer gemeinsamen Schicht umgeben. die nur als Höcker die Kügelehen durchscheinen lässt. Wieder andere Zellen zeigen Kügelchen, bei denen die Unebenheiten mehr verschwunden sind, die Form sich allmählich der fertigen Kugel genähert hat. Aus diesen Beobachtungen kann der Schluss gezogen werden, dass in dem Protoplasma der Epithelzellen und zwar, wie ich hinzufügen will, fast ausschliesslich an dem freien Ende zuerst kleine, neben einander liegende Harnkügel- 416 PH. SCHOPPE, chen auftreten, die dann von einer gemeinsamen Uratschale umgeben werden. Diese Hülle besteht, wie man besser bei der Auflösung fertiger Harnkügelehen beob- achtet, aus einzelnen Schichten, die zwiebelschalenartig über einander liegen. So stimmt das Bild, das wir von dem thatsächlichen Gange des Aufbaues eines Harnkügelchens erhalten, vollkommen mit dem überein, welches auf dem umgekehrten Wege aus den Auflösungsformen gewonnen wurde. Der Vorgang lässt sich mit der Bildung des Fettes in Fett- zellen vergleichen, natürlich mutatis mutandis, wobei auch zuerst kleine Kügelchen im Zellprotoplasma auftreten, die schliesslich in ein grosses vereinigt werden. (Leydig (7) giebt ein richtiges Bild einer Nierenzelle von Helix pomatia mit einem in Bildung begriffenen Harnkügelchen p. 468.) Bei der Beantwortung der Frage, wie sich die Zelle bei dem Abgange des Harnkügelchens verhält, ist zuerst zu unter- suchen, ob für die Schneckenniere zutrifft, was v. Wittich (1) und Meissner (2) für die Vogelniere behaupten, dass nämlich die Zelle beim Sekretionsvorgange gänzlich zu Grunde geht. Dabei müssten neue Zellen an die Stelle der verloren gegangenen treten, und da dies nur möglich ist durch Teilung der Nachbar- zellen, so müssten unter allen Umständen Kernteilungen zu beobachten sein, und zwar in jedem Schnitte, der in Bildung be- griffene Harnkügelchen zeigt; das ist nicht der Fall. Zufällig ein- mal beobachtete Kernteilungen sind nicht beweisend. Man kommt demnach zu dem Ergebnisse, dass die Zellen nicht in toto ausge- stossen werden könen; dem widerspricht aber keineswegs die An- nahme, dass ein Teil des Zellprotoplasmas als Umhüllung des Harn- kügelchens mit abgeht; ebenso geht auch das aus dem Protoplasma gebildete Stroma, das keinen anderen Ursprung haben kann, für die Zelle verloren. Diese kann sich aber wieder ergänzen, da ja noch der Kern und ein Teil des Protoplasmas übrig gebHeben sind. Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 417 Eine Unterstützung für diese Annahme bildet der Umstand, dass, wie erwähnt, der Kern fast ausnahmslos an der Zellbasis liegt, das Harnkügelehen an dem freien Ende. Wenn einmal die Lage umgekehrt ist, so können diese Fälle als Gegenbeweis nicht in Betracht kommen. Die Möglichkeit, dass hie und da eine ganze Zelle zu Grunde geht und durch eine neue ersetzt wird, kann man nicht abstreiten. Aber immerhin sind diese Fälle so selten, dass die daraus folgende Zellneubildung in den Grenzen der Regeneration anderer Organe liegen würde. II. Reptilien und Vögel. Ehe ich auf die Besprechung der Reptilien- und Vogelniere selbst übergehe, sei ebenso wie bei der Schnecke zunächst das Exkret kurz berührt, welches in Bezug auf die Harnkügelchen in beiden Tiergruppen keine Unterschiede zeigt. Der Harn der Reptilien und Vögel besteht in der Haupt- sache aus kleinen Kügelchen, die äusserlich denen der Schnecke vollkommen gleichen, sie sind nur bei weitem kleiner. Betrachtet man jedoch den Vogelharn im ganzen zum Vergleiche mit dem Schneckenharne, so tritt ein Unterschied hervor, der nicht un- erwähnt bleiben darf: die Kügelchen sind unter sich ausser- ordentlich verschieden gross. Dagegen sind sie wie bei der Schnecke doppeltbrechend und zeigen, sobald sie angegriffen sind, Kreuze. Die Auflösung kann man wieder durch Wasser (physio- logische Kochsalzlösung), verdünnte Säuren (konzentrierte Essig- säure löst nicht), Laugen u. s. w. bewirken. Die Zerstörung geht ausserordentlich schnell, viel schneller als bei der Schnecke. Sobald man nur einen Tropfen Wasser zusetzt, beginnt die Auf- lösung augenblicklich. | 418 PH. SCHOPPE, Die Harnkügelchen der Schnecke sind viel widerstands fähiger; sie lösen sich nur langsam in Wasser, in vielen Fixie- rungsflüssigkeiten werden sie nur zum Teil zerstört. Die Kügel- chen der Reptilien und Vögel dagegen lösen sich in allen voll- ständig, nur in absolutem Alkohol und Alkohol-Chloroform-Eis- essig bleiben sie unverändert. Diese Unterschiede in der Lös- lichkeit können in der verschiedenen Grösse oder der chemischen Zusammensetzung ihren Grund haben. Wenn die Kügelchen in Wasser aufgelöst werden, beobachtet man alsbald unter dem Mikroskope kleine, helle Krystalle, die allmählich wachsen. Nicht an Stelle eines jeden Kügelchens, sondern ganz unregelmässig treten sie auf, sie sind denen der Schnecke ähnlich. Verfolgt man die Auflösung eines einzelnen Kügelchens, so sieht man im allgemeinen dasselbe wie bei der Schnecke: Zuerst wird der Rand blass, hell, dann das Centrum, an dem Besonder- heiten nicht zu bemerken sind. Das zurückbleibende Gerüst schwindet gleichfalls nach einiger Zeit. Über seine Eigenschaften und Reaktionen war nicht mehr herauszubringen, als was durch Meissners Arbeiten bekannt geworden ist (pag. 166 f.). Es erhält sich einige Zeit nach der Auflösung in Ammoniak und Kalilauge; durch Essigsäure wird es sofort aufgelöst. Also ist wohl anzunehmen, dass auch hier wie bei der Schnecke das Stroma protoplasmatischen Ursprunges ist. Das Gerüst sieht nicht ganz so aus wie bei der Schnecke; die konzentrische Schichtung ist nicht so deutlich, dagegen werden die Ringe von radiären Bälkchen durchschnitten, die bei der Schnecke fehlen. Diese Bälkchen oder Speichen scheinen die äusserste Schicht noch zu durchbrechen, zu überragen , so dass der Rand eines solchen Gerüstes etwa so aussieht wie der Kranz eines Zahnrades. Noch in anderer Hinsicht ist ein Unter- schied vorhanden: Sobald der Rand eines Kügelchens hell ge- worden ist, d. h. das Gerüst seinen Inhalt verloren hat, erscheint Anat.Hefte I. Abtheilung Heft 23 (7.Bd.H 3) Tafel XXXIWV. Ag. 7 a > 70 EZ S se as 120, 08 ( Or. - Re I Yo o CH * ( ) v Fin > R ww Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 419 er im polarisierten Lichte dunkel (bei der Schnecke ist der Rand bis zuletzt doppeltbrechend). An fixierten Nierenschnitten ist nichts von dem Stroma zu sehen, weder vollständig erhaltenes und gefärbtes, noch Reste. 1. Reptilien. Von Reptilien wurden die Eidechse, die Blindschleiche, Schild- kröte und Ringelnatter untersucht. Ganz besonders und vor- züglich zur Untersuchung geeignet ist die Blindschleiche, weil bei ihr die einzelnen Kanalabschnitte sehr gut unterschieden werden können und besonders, weil auch ohne Färbung die mikrosko- pischen Bilder klar und deutlich sind, ein Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist Es ist daher den folgenden Erörterungen aus- schliesslich die Blindschleichenniere zu Grunde gelegt. Die Untersuchung an der frischen Niere bietet keine be- sonderen Vorteile; man findet Harnkügelchen, sonst jedoch nichts, was nicht eben so gut und besser an fixierten Präparaten zu sehen wäre. Die Fixierungsflüssigkeiten, von absolutem Alkohol und dem Gemisch von van Gehuchten abgesehen, zerstören die Kügel- chen, wie schon gesagt ist, ohne auch nur eine Spur zurück- zulassen. Es deutet in einer Niere, die etwa in der Hermann- schen Flüssigkeit fixiert ist, nichts darauf hin, dass Kügelchen darin gewesen sind. Man sieht nicht wie bei der Schnecke die Stellen, wo sie gelegen haben, keine Reste von Stroma. Den Bau der Niere kann man an solchen Schnitten studieren, über den Vorgang der Sekretion aber bekommt man keinen Aufschluss. Um gute histologische Bilder zu erhalten, habe ich in dem Flemmingschen Gemisch oder in der Hermannschen Flüssigkeit die Nieren fixiert und dann mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt. Die Präparate waren nach dieser Behandlung ausgezeichnet gut erhalten. Die von H. Sauer (13) angegebene 420 PH. SCHOPPE, Methode, mit Alkohol-Chloroform-Eisessig zu fixieren und mit Hämatoxylin, Kaliumhypermanganat und Rubin S zu färben (Näheres a. a. O.), hat mir keine wesentlichen Vorteile geboten. Es sei nur kurz, soviel hier nötig ist, der Bau eines Kanäl- chens beschrieben: An den Glomerulus schliesst sich ein kurzes Kanalende mit niedrigen, hellen Zellen an, der Hals; dann kommt ein gewundener Abschnitt mit körnigen, dunklen Cylinderzellen, zwischen denen man vielfach Spalten findet. Der gewundene Ab- schnitt setzt sich ohne Änderung des Epithels in den absteigenden Henleschen Schleifenschenkel fort. Der aufsteigende Schenkel, der niedriges, helles Epithel trägt, geht in die mit schmalen, ganz hohen Zellen besetzte Sammelröhre über. Ein Schaltstück zwischen den beiden letztgenannten Kanalabschnitten, das anderes Epithel als der aufsteigende Schenkel gehabt hätte, konnte nicht nachgewiesen werden. Zum Studium des sekretorischen Vorganges wurde dann wie bei der Schnecke in absolutem Alkohol und Alkohol-Chloro- form-Eisessig fixiert. Dem käuflichen Alkohol absolutus habe ich durch geröstetes Kupfersulfat die geringen Mengen Wassers, die er immer noch enthält, entzogen und dadurch wirklich ab- solut gemacht. In dem auf diese Weise vorbereiteten Alkohol wird auch das Gewebe gut erhalten, ohne Schrumpfungs- erscheinungen. Eine so fixierte Blindschleichenniere wurde in Paraffin ein- gebettet, in Serien zerlegt, mit Nelkenöl-Collodium aufgeklebt und, nachdem das Paraffin mit Xylol entfernt, in Kanadabalsam eingeschlossen. Glycerin ist als Einschliessungsmittel zu ver- meiden, weil es nach einiger Zeit die Kügelchen auflöst. An dieser Serie habe ich fast alles studieren können; die mikroskopischen Bilder waren durchaus klar, alle Einzelheiten gut zu erkennen. Ehe ich jedoch die Ergebnisse meiner eigenen Unter- suchungen mitteile, mögen diejenigen früherer Arbeiten, wie sie Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 421 hauptsächlich von v. Wittich (1), Meissner (2), Lindgren (5) und andern gemacht sind, kurz vorangestellt werden. Allerdings gelten die früheren Untersuchungen meist der Vogelniere; da jedoch die Unterschiede zwischen der Vogel- und Reptilienniere nicht von wesentlicher Bedeutung sind, so wird es richtig sein, die Ansichten der genannten Forscher schon hier zu berück- sichtigen. Die älteren Beobachtungen giebt Meissner (2) mit folgen- den Worten (pag. 182): v. Wittichs Beobachtungen fassen sich in folgende Sätze zu- sammen: Die harnsauren Salze, womit die Harnkügelchen ge- meint sind, entstehen in den Zellen der Harnkanälchen; die Müllerschen Kapseln sind bei der Bildung der Harnkügelchen nicht beteiligt; in ihnen findet man niemals Harnkügelchen, und Zalesky (4) fand selbst bei der nach Ureterenunterbindung erfolgten abnormen Anfüllung der Niere mit Harnsäureinfarkten die Kapseln ganz frei davon. Es sind ferner immer nur eine Anzahl zerstreut liegender Harnkanälchen gleichzeitig und gleichmässig in der Herstellung des Harnes, soweit derselbe aus den Harn- kügelchen besteht, begriffen, wie man daran erkennt, dass man die mit den Harnkügelchen meist stark gefüllten Harnkanälchen immer nur einzeln zerstreut durch das Nierenparenchym findet, dazwischen grosse Partien der Drüse, in denen keine Spur davon zu finden ist, was Berlin (5) auch schon bestätigend hervorhob. v, Wittich gab hierzu die Erläuterung, dass mutmasslich die Epithelzellen mit der Mehraufnahme von harnsauren Salzen (damit ist die Bildung der Harnkügelchen gemeint) allmählich zu Grunde gehen und dass daher, falls das ganze Parenchym gleichmässig und gleichzeitig secernierte, ein Zeitpunkt eintreten müsste, in welchem überall das Epithel fehlte: ein Alternieren der verschiedenen Partien der Vogelniere bei der unter Be- teiligung und Untergang der Drüsenzellen erfolgenden Bildung der Harnkügelchen erscheint notwendig.“ 429 PH. SCHOPPE, v. Wittichs Beobachtungen, mit denen Meissners Wahr- nehmungen übereinstimmen, fügt Letzterer noch folgende hinzu: „Es sind bestimmte Abschnitte im Verlaufe der Harnkanäl- chen, in denen die Bildung der Harnkügelchen in den Zellen unter Zerstörung dieser Zellen stattfindet, und zwar ist dieser Abschnitt zwischen den Müllerschen Kapseln und den gestreckt verlaufenden, geraden Harnkanälchen gelegen, wahrscheinlich ist es der gewundene Teil der Kanälchen allein, auch mit Aus- nahme des schleifenförmigen Abschnittes, in dem jener Vorgang stattfindet.‘ Die Begründung für seine Annahme giebt Meissner Seite 183. Lindgren bestätigt die Beobachtungen seiner Vorgänger und fügt als neue Entdeckung hinzu, dass die Harnkügelchen durch Umwandlung der Zellkerne entstehen. Diese Angaben sollen im folgenden auf ihre Richtigkeit geprüft werden. Durch das Nierenparenchym findet man regellos zerstreut Kanälchen, die in ihrem Lumen grössere oder kleinere Massen von Harnkügelchen enthalten. In den gewundenen Kanälchen sind nur wenig Kügelchen, mehr in den aufsteigenden Schleifen- schenkeln und den Sammelröhren; im Halse ist nichts zu finden. Die in dem Lumen liegenden Kügelchen haben sehr ver- schiedene Grösse; sie liegen regellos neben einander, ganz grosse neben kleinen. Die Bildungsstätte ist, wie schon die früheren Untersucher richtig angeben, ‚das Epithel der Harnkanälchen. Es kommt nur darauf an zu bestimmen, welche Kanalabschnitte bezw. welche besondere Sorte von Epithelzellen die Kügelchen bilden. In den Müllerschen Kapseln findet man keine Exkretions- massen, ebensowenig in dem Epithel des Halses, des aufsteigen- den Schleifenschenkels und der Sammelröhre. Die Harn- Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 423 kügelchen entstehen nur in den gewundenen Kanäl- chen und den daran sich anschliessenden absteigen- den Schleifenschenkeln, oder was dasselbe besagt, in der einen bestimmten Epithelsorte, den körnigen, meist etwas dunk- leren Cylinderzellen, die mit den Zellen der anderen Kanal- abschnitte gar nicht zu verwechseln sind. Diese Zellen oder Kanalabschnitte sind auch deswegen noch so leicht zu erkennen, weil sie bei der Blindschleiche meist Pigment enthalten, dunkle Körnchen, die kleinen Harnkügelchen ähnlich sehen, durch die Polarisationsprobe aber leicht von ihnen zu scheiden sind. Das Pigment liegt meist an der freien Seite der Zelle und ist nur in den genannten Kanalabschnitten zu finden und zwar nicht in vereinzelten Zellen, sondern in ganzen Kanalabschnitten. Im ganzen findet man viel weniger Harnkügelchen in den Zellen, als man nach der Füllung der ausführenden Kanäle denken möchte. Grosse Abschnitte des secernierenden Epithels (so nenne ich kurz das Epithel der gewundenen Kanälchen und der absteigenden Schleifenschenkel) sind frei, während die zu- gehörigen Sammelröhren Kügelchen enthalten. Die Harnkügelchen in den Zellen sind meist nur sehr winzig, und in vielen Fällen ist es sehr schwer zu sagen, ob sie wirklich in der Zelle oder nur darauf liegen, ob sie nicht vielleicht durch den Schnitt verschleppt sind, wie es sehr häufig der Fall ist. Nur in den Fällen darf man annehmen, dass das Kügelchen in der Zelle liegt, wo durch Drehung der Mikro- meterschraube vor und hinter dem Kügelchen Zellsubstanz nachzuweisen ist. Man findet die Harnkügelchen in allen Teilen des Zell- protoplasmas, am freien Ende, an der Basis, in der Nähe des grossen bläschenförmigen Kernes, dessen Grösse sie bei weitem nicht erreichen (Fig. 10). Oft sieht man in einer Zelle an ver- schiedenen Stellen zugleich mehrere Kügelchen. 424 PH. SCHOPPE, Meistens liegen die Harnkügelchen in pigmenthaltigen Zellen (Fig. 9). Dass sie aber auch in unpigmentierten Zellen aus geschieden werden, zeigt Fig. 10. Es sei gleich hier hervorgehoben (bei der Besprechung der Vogelniere muss näher darauf eingegangen werden), dass nach meinen Beobachtungen ebensowenig wie bei der Schneckenniere der Kern in direkter Beziehung zu der Harnausscheidung steht. Die Bildungsstätte der Harnkügelchen ist der Zell- leib. Wie gelangen nun die Kügelchen in das Kanälchen hinein? v. Wittich und Meissner nehmen, wie erwähnt, an, dass beim Vogel „die Bildung der Harnkügelchen in den Zellen unter Zerstörung dieser Zellen vor sich gehe“, dass also die Zellen mit ihrem jedesmaligen Sekrete zu Grunde gehen. Prüft man auch die Blindschleichenniere auf diese Annahme hin. so gelangt man zu einem andern Ergebnisse. Wenn die Zellen mit abgestossen würden, so müsste man Zelldetritus in den Kanälen finden. Ferner müssten die ver- loren gegangenen Zellen durch neue ersetzt werden und zwar durch Teilung der vorhandenen. Man müsste Kernteilungen in ziemlich erheblicher Menge wahrnehmen. Wenn man aber solche an gefärbten Präparaten nur ausserordentlich selten sieht, häufig in vielen Serien nicht einen Fall beobachtet, so kann wohl mit Bestimmtheit gesagt werden, dass im allgemeinen bei der Sekretion keine Zellteilungen stattfinden, keine neuen Zellen gebildet werden. Der Schluss, der sich hieraus ziehen lässt, heisst: Die secernierenden Epithelzellen werden nicht mit ihrem Sekrete abgestossen, sondern sie bleiben an Ort und Stelle zurück. Die Harnkügelehen wandern aus der Zelle aus, vielleicht mit einer Protoplasmahülle. Wenn sie an der Basis der Zelle, Die Harnkügelehen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 425 hinter dem Kerne liegen, so könnten sie durch die ganze Zelle hindurchwandern. Das wird aber nicht immer nötig sein; es sind, wie oben schon erwähnt, vielfach Spalten zwischen den Zellen, durch welche die Kügelchen in das Kanälchen hinein- gelangen können (Fig. 9). Man begreift leicht, dass bei der beschriebenen Sekretion der Harnkügelchen ein regelmässiges Alternieren einzelner Kanal- abteilungen und Komplexe, wie man es etwa bei den zellen- absondernden Hoden findet, nicht zu beobachten ist. Man findet wohl Kanälchen, in welchen eben keine Sekretion stattfindet, andere, welche stärker thätig sind, doch ist ein regelmässiger Wechsel, wie ihn v. Wittich und Meissner verlangen und verlangen müssen, durchaus nicht zu beobachten. Zum Schlusse sei noch eine Frage erörtert, zu der mich verschiedene schon im Laufe der Erörterung erwähnte That- sachen veranlasst haben: Werden die Harnkügelchen in der Zelle vollständig fertig gebildet, gehen sie nach ihrer Abscheidung aus der Zelle unverändert durch das Kanalsystem hindurch? Die Thatsachen sind folgende: 1. Die Kügelchen in den Zellen sind stets sehr klein; ich habe nie annähernd so grosse wie die ausgeschiedenen gefunden. > Die in den Ausführungskanälchen liegenden Kügelchen sind zum Teil grösser als eine ganze secernierende Zelle. 3. Die Grössenunterschiede zwischen den einzelnen in den Kanälchen liegenden Kügelchen sind sehr bedeutend. 4. Es sind viel weniger Harnkügelchen in den Zellen, als man nach der Fülle der ausführenden Kanälchen erwarten sollte. ad 1. Man müsste, wenn in den Kanälchen grosse Kügel- chen in Menge liegen, ebensolche oder doch annähernd so grosse auch in Zellen finden. (Vergleiche die Schnecke!). 426 PH. SCHOPPE, ad 2. Es ist nicht denkbar, dass die grössten der fertigen Kügelchen aus je einer Zelle hervorgehen, da sie viel grösser sind als eine ganze Zelle. ad 3. Es ist anzunehmen, dass die Kügelchen, wenn sie fertig aus den Zellen hervorgingen, doch annähernd dieselbe Grösse hätten, nicht so ausserordentlich verschieden gross wären. Bei der Schnecke werden die Kügelchen wirklich in der Zelle fertig gebildet, denn die ausgeschiedenen sind nicht grösser als die in den Zellen liegenden; aus dem Grunde sind auch die Kügelchen kaum merklich verschieden in ihrer Grösse. Der letzte Punkt 4 wird durch den experimentellen Teil noch besondere Wichtigkeit erhalten. Die einzelnen Punkte für sich allein genommen sind nicht über- zeugend, nimmt man aber alle vier zusammen, so ergänzen sie sich gegenseitig zu einem vollgültigen Beweise, und der Schluss daraus lautet: Die Harnkügelchen können im Kanälchenlumen noch einen Zuwachs erfahren. Man muss also denken, dass die Urate zum Teil fest, zum Teil flüssig durch die Zellen ausgeschieden werden. Aus der gesättigten Mutterlauge fallen feste Bestandteile aus und schlagen sich auf den mitausgeschiedenen kleinen Kügelchen nieder; diese wachsen, das eine mehr als das andere. Der Vorgang ist in gewisser Weise mit der Krystallbildung zu vergleichen. 2. Vögel. Von Vögeln sind untersucht: Taube, Huhn, Sperling, Drossel, Häher, Hänfling, Fliegenschnäpper, Meise, Eule und Habicht. Keiner der angeführten Vögel bietet besondere Vorteile für die Untersuchung, abgesehen vielleicht von den Raubvögeln, Eule und Habicht, insofern als sie etwas lebhaftere Harnsekretion haben, wie man wohl aus der stärkeren Anfüllung der Niere mit Harn- kügelchen schliessen darf. Im übrigen, das sei gleich hier erwähnt, Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 427 ist bei den verschiedenen Vogelklassen in der Sekretion kein nennenswerter Unterschied zu finden. Auf die Histologie der Vogelniere braucht nicht näher ein- gegangen zu werden, da andere Arbeiten darüber Aufschluss geben (Lindgren 3, C. Ludwig [8, C. G. Hüfner |9], R. Heidenhain [10], R. Steiger [11], E. Mecznikow [12] u. a. m.). Nur kurz sei das Notwendigste hervorgehoben: die Vogelniere hat im wesentlichen denselben Bau wie die Säuge- tierniere, es ist nur nicht alles so schön geordnet; die Pyramiden liegen kreuz und quer durcheinander, sodass die mikroskopischen Bilder oft nur schwer zu entwirren sind, zumal da die Epithelien nicht so charakteristische Unterschiede zeigen wie bei den Rep- tilien. Der Verlauf der einzelnen Kanälchen entspricht im allgemeinen dem der Säuger und Reptilien, ebenso ihr Epithel. Die zum Studium des Baues wie bei der Blindschleiche hergestellten Präparate geben ebenso wie dort nur gute histo- logische Bilder, ohne über den sekretorischen Vorgang auf- zuklären. Um die Harnkügelchen zu erhalten, habe ich wieder in absolutem Alkohol gehärtet und Serien auf die früher angegebene Weise hergestellt. Diese ungefärbten Schnitte geben nicht so gute Bilder wie bei der Blindschleiche. Die Zellen sind sehr blass, hell und kleiner als dort; es ist kein Pigment vorhanden, das bei der Blindschleiche meistens so schön die Sekretionszellen bezeichnet. Aber immerhin genügen die Schnitte, vor allem treten die Kerne deutlich hervor. Um noch bessere Bilder zu erhalten, habe ich alle bei der Schnecke gemachten Färbeversuche wiederholt, nichts jedoch war brauchbar, selbst nicht die modifizierte Heidenhain sche Methode; die Färbung war zwar gelungen, aber die Harnkügelchen hatten stark gelitten. Einigermassen zu gebrauchen ist Methylen- Anatomische Hefte. I. Abteilung. Heft XXIII (7. Bd. H. 3). 28 428 PH. SCHOPPE, blau in absolutem Alkohol; es lässt gewöhnlich die Kerne ge- nügend hervortreten. Versuche, die Harnkügelchen in haltbare Verbindungen umzuwandeln, sind missglückt. So habe ich mich zuletzt mit den ungefärbten, in absolutem Alkohol gehärteten Schnitten begnügen müssen. Es ist nun fast genau dasselbe zu wiederholen, was bei der Blindschleiche gesagt wurde: Eine geringe Anzahl von Kanälchen enthält Harnkügelchen, die sehr verschieden gross sind; die grössten übertreffen die Epithelzellen. Man findet nur ganz auffallend wenig Kügelchen in Zellen, noch viel weniger als bei der Blindschleiche. Auch v. Wittich und Meissner (pag. 133) heben das seltene Vorkommen von Harnkügelchen in Zellen hervor. Die secernierenden Zellen haben alle das gleiche Aussehen; sie bilden das Cylinderepithel, das die gewundenen Kanälchen und einen Schleifenschenkel auskleidet, ob den ab- oder auf- steigenden, ist nicht immer mit Sicherheit zu bestimmen. Meissner spricht die Vermutung aus (pag. 183), dass nur die gewundenen Kanälchen an der Bildung der Harnkügelchen beteiligt seien; nach meinen Beobachtungen ist jedoch auch ein Schleifenschenkel (wahrscheinlich der absteigende) in derselben Weise thätig, wie die gewundenen Kanälchen. Die Kügelchen in den Zellen sind wie bei den Reptilien sehr klein. Sie liegen an verschiedenen Stellen. Beim Vogel ist nun die Frage, die schon bei der Blind- schleiche kurz berührt wurde, nämlich wo in der Zelle das Kügelchen entsteht, von besonderer Wichtigkeit, weil Lindgren in seiner Arbeit behauptet hat, die Harnkügelchen entstünden aus den Kernen, durch Umwandlung derselben. Sein Beweis istinkurzen Worten folgender: In den gewundenen Kanälchen zeigen sich in einem Teile der Zellen die Kerne besonders Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 42) deutlich in der Form von hellen, stark lichtbrechenden, runden Körperehen. In einigen dieser Kerne sieht man kleine, dunkle Körnchen, welche zunehmen und schliesslich dem Kerne das Aussehen der Harnkügelchen geben. Dass die so veränderten Kerne Harnkügelchen sind, kann, sagt Lindgren, nicht zweifelhaft sein, da sie im wesentlichen dieselben sowohl optischen als chemischen Eigenschaften zeigen wie die kleineren Harn- kügelchen in den schleifenförmigen Kanälchen, den Sammelröhren und dem Ureter. Lindgren ist mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, vor- ausgesetzt, dass seine in Kanadabalsam aufbewahrten Präparate unverändert geblieben sind. Es standen mir aus der Sammlung des Göttinger anatomi- schen Institutes vier mikroskopische Präparate mit dem Namen Lindgrens zur Verfügung. Die Präparate sind von der Vogelniere und beziehen sich auf seine Arbeit. Eins ist be- zeichnet: „Vogelniere, Rinde und Mark, Harnsäure.“ In diesem Präparate ist überhaupt keine Harnsäure enthalten, weder Kügelchen noch sonst etwas, das doppeltbrechend wäre. Ein zweites Präparat lautet: „Gefässinjektion, Harnsäure in den Zellkernen.“ Hier sind viele grosse und gut erhaltene Kügel- chen in den Kanälen, aber in den Kernen ist nichts zu sehen, weil die Kerne überhaupt nicht recht sichtbar sind. Es ist ein ziemlich dieker Schnitt, alles verschwommen. An einigen Stellen des Nierenschnittes sieht man etwas glänzend hervor- tretende Kerne, offenbar diejenigen, die nach Lindgrens An- sicht die Harnsäure enthalten. Aber diese Kerne sehen gar nicht aus wie Harnkügelchen, sind auch nicht doppeltbrechend, sie sehen so aus wie Kerne in nicht genügend entwässerten Schnitten. Die Präparate von Lindgren berechtigen nach ihrem jetzigen Aussehen nach meiner Überzeugung nicht zu dessen Ansicht über die Entstehung der Kügelchen, und auch meine 28* 430 PH. SCHOPPE, Beobachtungen sprechen nicht dafür. Es müssten Kerne zu Grunde gehen, wenigstens wenn der ganze Kern sich zum Harnkügelchen umwandelte, wie Lindgren behauptet. Folg- lich müssten andere Kerne neu gebildet werden; das habe ich aber auch an gefärbten Präparaten nie beobachtet. Schliesslich ist auch noch hervorzuheben, dass es nicht möglich ist, im Kerne Kügelchen zu finden, während sie im Zellleibe sehr wohl nachzuweisen sind. Der Kern hat also nach meinen Wahrnehmungen keine Beziehung zu der Bildung der Harnkügelchen. Die Frage nach dem Eintritt der Kügelchen in das Kanälchenlumen erledigt sich natürlich ebenso wie bei der Reptilienniere. Bei sehr sorgfältiger Fixierung habe ich nie etwas derartiges gesehen, wie es Meissner (p. 183) beschreibt, dass nämlich Zeichen eines Unterganges der Zellen im gewundenen Kanäl- chen zu beobachten seien, wenn dieses Kügelchen enthält, dass sogar stellenweise die strukturlose Röhrenmembran nach innen ganz frei läge ohne Zellenbekleidung. Die Beobachtung Meiss- ners ist wohl dadurch zu erklären, dass er nur frische Präpa- rate untersucht hat. Die Zelle geht nicht mitihrem Sekrete zu Grunde, sondern dieses wandert aus. Die Antwort auf die Frage nach dem Alternieren ver- schiedener Teile der Niere lautet wie bei den Reptilien. Zum Schlusse ist nun auch hier noch einmal auf die Frage zurückzukommen, die bei der Besprechung der Blindschleichen- niere aufgeworfen wurde, ob nämlich die Harnkügelchen in der Zelle fertig gebildet werden. Die Antwort ist bei Reptilien und Vögeln die gleiche. Die ersten drei dort zum Beweise angeführten Punkte gelten bei den Vögeln genau so, der letzte tritt hier noch mehr hervor. Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 431 Beim Vogel ist nach dem früher Gesagten noch viel weniger in Zellen zu finden als bei der Blindschleiche. Die bei der Besprechung der Reptilienniere und nun auch für die Vögel aufgestellte Behauptung, deren Bestätigung man nach dem Angegebenen aus normalen Präparaten schliessen kann, wird durch die im folgenden mitgeteilten Tierversuche. für die Vögel wenigstens, zur Gewissheit. III. Tierversuche. Die Tierversuche wurden in der Absicht gemacht, durch Stauung oder durch vermehrte Ausscheidung eine stärkere An- füllung der Niere mit Harn zu erzielen und dadurch Dinge, die an normalen Präparaten noch zweifelhaft sein können, möglicher- weise deutlicher und überzeugender zu gestalten. Erster Versuch. Zu dem ersten Versuche veranlasste mich die Angabe Zaleskys (4), er habe nach Ureterenunter- bindung eine abnorme Anfüllung der Niere mit Harnsäure- infarkten gefunden. Einer Taube wurde nach Öffnung des Bauches der linke Ureter unten nahe der Einmündung in die Kloake unterbunden und dann die Bauchwunde mit Seidennaht wieder geschlossen und mit Jodoformkollodium bedeckt. Die Operation wurde unter aseptischen Vorsichtsmassregeln ausgeführt. Das Tier befand sich nach der Unterbindung allem An scheine nach sehr wohl; es frass und zeigte auch weiterhin keine Krankheitserscheinungen. Am siebenten Tage nach der Operation wurde es getötet. Zeichen einer Peritonitis waren nicht vorhanden, es hatten sich nur einige kleine Verwachsungen an der Bauchnarbe ge- bildet. 432 PH. SCHOPPE, Die Nieren boten in situ betrachtet einen bemerkenswerten Unterschied: Die rechte Niere hatte das normale dunkelrote Aussehen, die linke dagegen, deren Ureter unterbunden war, sah blassgraurot aus, im Vergleiche zu der rechten anämisch. Grössenunterschiede waren nicht wahrzunehmen. Der unterbundene Ureter war aufgetrieben; er hatte die Dicke einer Darmschlinge und sah glasig aus. Beim Anscheiden floss eine seröse Flüssigkeit aus und eine kleine kompakte Masse weissen Harnes. Die Nieren wurden in absolutem Alkohol gehärtet. Die mikroskopische Untersuchung der rechten ergab keine Ver- änderung im Vergleich zu dem normalen Bilde; vielleicht war die Anfüllung mit Harnkügelchen etwas vermehrt, jedoch nicht auffallend. Die linke Niere bot ein ganz anderes Bild, als nach der Angabe Zaleskys zu erwarten war. Es waren gar keine Harnkügelchen von dem gewöhnlichen Aussehen zu finden; dagegen fanden sich hie und da meist einzeln zerstreut kugelige Gebilde, die den Harnkügelchen ähnlich waren. Sie sahen aus wie aufgehellte, beinahe ausgezogene Kügelchen und lagen meist in Kanälen, einzeln oder zu mehreren, zuweilen auch in Zellen. Sie hatten die Grösse der grossen Harnkügelchen, vielfach waren sie noch grösser. Im polarisierten Lichte erwiesen sie sich als doppeltbrechend und zeigten Kreuze. Es kann nach allem kein Zweifel sein, dass diese Gebilde Reste von Harnkügelchen oder eigentümlich umgewandelte Kügelchen sind. An gefärbten Präparaten waren in einzelnen Kanälchen geringe Mengen von Zelldetritus zu finden. Sonst waren be- merkenswerte Veränderungen des Nierenparenchyms noch nieht vorhanden. Die Niere mit dem unterbundenen Ureter bietet im ganzen genommen wohl nichts weiter als das Bild einer beginnenden Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren. 435 Degeneration: Sie ist anämisch, hat Zelldetritus, keine normalen Harnkügelchen. Der Versuch hat für das, was bezweckt wurde, nichts geleistet. Zweiter Versuch. Der gleiche Versuch wurde an einer Taube und einem Huhn in ganz derselben Weise wiederholt, die Tiere wurden aber bereits nach 48 Stunden getötet. Das Ergebnis war dasselbe wie im ersten Versuche, nur war noch. nicht alles so deutlich ausgesprochen. In wenigen Kanälen waren zerbröckelte und aufgehellte Kügelchen, normale waren nicht mehr vorhanden. Die grossen Harnkügelchen ähnlichen Gebilde des vorigen Versuches waren nur in geringerer Anzahl zu sehen. Zu den folgenden Versuchen bin ich durch eine Arbeit von Ebstein und Nicolaier (14) veranlasst, die durch Injek- tionen von Harnsäure in Kochsalzlösung und besonders in Piperazin in der Niere von Kaninchen Harnsäureausscheidung erzielten in der Form von Harnkügelchen, die denen der Rep- tilien und Vögel glichen. Dritter Versuch. Einer Taube wurde Harnsäure in Kochsalzlösung (0,6°o) injiziert und zwar durch 48 Stunden während des Tages zweistündlich, jedesmal etwa 20—25 cem. Das Tier befand sich wohl und frass, zwei Stunden nach der letzten Injektion wurde es getötet. Die Nieren boten in jeder Hinsicht ein normales Bild. Vielleicht hätten die Injektionen länger fortgesetzt werden müssen, vielleicht war alles schon wieder ausgeschieden, viel- leicht auch war zu wenig Harnsäure in der Kochsalzlösung enthalten, als dass sie wesentlich verändernd auf die Sekretion in der Niere hätte einwirken können. Vierter Versuch. Zu diesem Versuche habe ich in 10 %/oigem Piperazin (darin löst sich sehr viel mehr Harnsäure als in Wasser) eine bei etwa 40° ©. gesättigte Schlangenharnlösung hergestellt. 434 PH. SCHOPPE, Von dieser Lösung wurde einer Taube alle zwei Stunden 20—25 cem subkutan oder in die Brustmuskulatur injiziert. Die Taube zeigte bald nach der ersten Injektion eigentüm- liche Erscheinungen; sie frass nicht, sass stupide da und hatte stets die Neigung vornüber zu fallen. Diese Symptome waren offenbar die Folge einer Vergiftung durch die grossen Mengen von Harnsäure, vielleicht auch durch Piperazin. Am Abend drohte das Tier zu sterben; es wurde deshalb getötet, 12 Stunden nach der ersten, °/s Stunden nach der letzten Injektion. Die mikroskopischen Bilder waren wieder vollkommen normal. Fünfter Versuch. Nach dem Misslingen des vorigen Versuches, wurde statt des Schlangenharnes, der möglicherweise den Misserfolg hätte verschulden können, reine Harnsäure ge- nommen und eine gleiche Lösung wie die vorige hergestellt. Der Versuch wurde in genau derselben Weise wie der vierte gemacht mit demselben negativen Ergebnis. Sechster Versuch. Für diesen und den folgenden Ver- such wurde die Harnsäurelösung des fünften benutzt. Die Taube zeigte nach der Injektion dieselben Erscheinungen wie die beiden vorigen. Es wurde stündlich injiziert und 6 Stunden nach der ersten, 20 Minuten nach der letzten Injektion das Tier getötet. Die Zeiten, besonders die nach der letzten Injektion habe ich abgekürzt indem Gedanken, dass die Ausscheidung vielleicht sehr schnell einge und dass im vorigen Versuche die Harnsäure möglicherweise schon wieder ausgeschieden gewesen sei. Meine Erwartung bestätigte sich. Nur ein Blick auf das mikroskopische Bild (makroskopisch war nichts zu bemerken) genügte, um zu erkennen, dass die normale Anfüllung der Niere bei weitem überschritten war. Viele Nierenkanälchen waren vollgepfropft, nur einzelne waren leer oder enthielten nur wenige Die Harnkügelehen bei Wırbellosen und Wirbeltieren. 435 Kügelchen. Jedes Gesichtsfeld war gleich dicht besät, und jeder Schnitt aus beliebigen Stellen der Niere zeigte dasselbe. Die Harnkügelchen hatten alle normales Aussehen. Waren nun hier die secernierenden Zellen entsprechend den Kanälchen gefüllt? Die Antwort lautet nein. Durch das Messer waren beim Schneiden vielfach Kügelchen auf die Zellen ver- schleppt. Man konnte beim ersten Anblick glauben, sie lägen darin, aber die Anwendung der Mikrometerschraube liess keinen Zweifel. Es waren allerdings Kügelchen in Zellen zu finden, aber nur sehr spärlich, kaum mehr als bei normaler Füllung der Niere. Die Kügelchen waren auch hier ausserordentlich klein. An gefärbten Präparaten zeigte sich nichts Auffallendes. Kernteilungen waren nicht zu beobachten, auch keine Zell- detritus. Die Ausscheidung der Harnsäure geht sehr schnell vor sich, das lässt ein Vergleich zwischen den beiden letzten Versuchen erkennen. In °/ı Stunden war im fünften Versuche alles aus- geschieden. Vielleicht könnte in diesem auch schon alle Harn- säure in die Kanälchen secerniert sein, einige Minuten früher hätte man vielleicht die Zellen voll gefunden. Es war also zur Entscheidung der Frage noch ein letzter Versuch nötig. Siebenter Versuch. Ich wusste jetzt, dass die Harn- säure sehr schnell ausgeschieden wird, und brauchte deshalb überhaupt nur kurze Zeit zu injizieren. Einem Sperling wurde durch 20 Minuten alle drei Minuten 4 cem injiziert, und zwei Minuten nach der letzten Injektion wurde er getötet. Er zeigte die Vergiftungserscheinungen wie die Tauben. Einen zweiten Sperling habe ich mit einer gleichen Lösung von Schlangenharn genau so behandelt. Der Erfolg war bei beiden derselbe. 436 PH. SCHOPPE, Die Nieren waren wie im sechsten Versuche mit Harn- kügelchen vollgepfropft, aber diese lagen wie auch dort in den Kanälchen, während in den Zellen nur ganz spärlich sehr kleine Kügelchen zu finden waren. Dieser letzte Versuch ist ausschlaggebend: Es ist schon von der injizierten Harnsäure massenhaft ausgeschieden; es muss aber noch immer secerniert werden, denn von der letzten In- jektion ist noch nicht alles resorbiert, es sind nöch Blasen mit Injektionsmasse unter der Haut vorhanden. Es hätten hier, da die Sekretion ganz unzweifelhaft lebhaft im Gange war, nach der Füllung der Kanälchen zu schliessen, sehr viel Kügelchen und zwar auch fertige in Zellen liegen müssen, wenn sie überhaupt in Zellen vollendet würden. Durch den letzten Versuch ist meines Erachtens mit Sicher- heit bewiesen, was nach den früheren Beobachtungen an der normalen Niere behauptet wurde. Sonst hat sich jedoch bei den Versuchen nichts ergeben, was nicht bei der früheren Besprechung hervorgehoben wäre. Zum Schlusse seien nun noch einmal die wesentlichen Re- sultate kurz zusammengefasst. Der Vorgang der Harnsekretion bei Reptilien und Vögeln ist auf eine besondere Art von Nierenzellen, die bestimmten Kanalabschnitten angehören, beschränkt, und zwar auf die Cylinderzellen der gewundenen Kanälchen und der sich daran anschliessenden absteigenden Schleifenschenkel. (Das secernierende Epithel ist in derselben Niere an allen Stellen gleich.) Die Harnkügelchen treten im ganzen Zelleibe auf; der Kern ist direkt in keiner Weise beteiligt. Die secernierende Zelle geht nicht, wie bisher angenommen wurde, zu Grunde. Das Sekret wandert aus der Zelle aus, viel- leicht unter Mitnahme eines Teiles des Protoplasmas; der etwaige dadurch entstehende Verlust wird durch Ergänzung des noch Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbeltieren 437 Vorhandenen ausgeglichen. Ein Alternieren der verschiedenen Nierenteile ist darum nicht unbedingt notwendig. Die Nieren- kanäle ruhen sich nur nach einander aus, und so kommt aller- dings ein Alternieren in gewissem Sinne, jedoch ganz regellos, zu stande. Der Vorgang in der Nierenzelle bei Wirbellosen ist im all- gemeinen derselbe wie bei Reptilien und Vögeln: Das Sekret sammelt sich in dem Protoplasma der Zelle ohne Beteiligung des Kernes; es verlässt die Zelle, diese bleibt zurück. Eine Verschiedenheit beruht jedoch darin, dass bei der Schnecke das ganze Sekret einer Zelle schliesslich in einem Kügelchen enthalten ist, bei Reptilien und Vögeln dagegen mehrere Kügelchen zugleich gebildet werden können, denn es ist nicht anzunehmen, dass die oft weit auseinander liegenden Kügelchen in jedem Falle in eins vereinigt werden. Der wichtigste Unterschied aber liegt in der Absonderung des Harnes aus der Zelle. Bei der Schnecke verlässt ein festes Exkret die Zelle, bei Reptilien und Vögeln ein teils festes, teils flüssiges. Bei der Schnecke wird das Kügelchen in der Zelle fertig gebildet, während es bei Reptilien und Vögeln in der Zelle nur seinen Anfang erhält und in dem Kanälchen aus dem flüssig mitabgeschiedenen Harne vollendet wird. | Diese Behauptung erhält eine besondere Stütze durch die Tierversuche. An dieser Stelle will ich noch einmal meinen hochverehrten Lehrern, Herrn Prof. Dr. Fr. Merkel und Herrn Prof. Dr. E. Kallius, für ihre stets bereite überaus freundliche Hülte meinen aufrichtigsten Dank sagen. Litteratur-Verzeichnis. vw. Wittieh, Über Harnsekretion und Albuminurie. Archiv für pathol. Anatomie und Physiologie. Bd. X, 1856. G. Meissner, Beiträge zur Kenntnis des Stoffwechsels im tierischen Organismus. Zeitschrift f. rationelle Medizin, Henle u. Pfeufer, Bd. 31, 1868. Hjalmar Lindgren, Über den Bau der Vogelnieren. Zeitschrift für rationelle Medizin, Henle u. Pfeufer, Bd. XXXIII, 1868. Zalesky, Untersuchungen über den urämischen Prozess und die Funktion der Nieren. Tübingen 1869. Berlin. Archiv für die holländischen Beiträge zur Natur- und Heilkunde. I, pag. 264. J. Henle, Über die Gattung Branchiobdella und über die Deutung der inneren Geschlechtsteile bei den Anneliden u. hermaphroditischen Schnecken. Müller’s Archiv 1835, p. 600 Anm. u. Taf. XIV, Fig. 13. . H. Meckel, Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen Tiere. Müller’s Archiv, 1846, p. 15, Taf. I, Fig. 11. Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Tiere. C. Ludwig, Von der Niere. Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Tiere. 8. Stricker, Kap. XXI. Leipzig 1871. . €. 6. Hüfner, Zur vergleichenden Anatomie und Physiologie der Harn- kanälchen. Inaug.-Diss. Leipzig 1866. . R. Heidenhain, Mikroskopische Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Nieren. Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. X, 74. R. Steiger, Beiträge zur Histologie der Nieren. Archiv für Anatomie u. Physiologie, Bd. 104, 1886. . E. Meeznikow, Zur vergleichenden Histologie der Niere. Göttinger Nachrichten, 1866, Nr. 5. H. Sauer, Neue Untersuchungen über das Nierenepithel und sein Ver- halten bei der Harnabsonderung. Archiv für mikroskopische Anatomie, 46. Bd., 1. Heft, 1895. . Ebstein und Nicolaier, Über die Ausscheidung der Harnsäure durch die Nieren. Virchows Archiv für pathol. Anatomie und Physiologie, Bd. 143, Heft 2, 1896. Erklärung der Figuren. Fig. 1. Harnkügelchen der Schnecke, in warmem Wasser teilweise auf- gelöst, konzentrische Schichtung am Rande. Fig. 2. Dasselbe im polarisierten Lichte; schwach angedeutetes Inter- ferenzkreuz. Fig. 3. Kügelchen in einem weiteren Stadium der Auflösung; Stroma, in der Mitte noch ein Klümpchen kompakter Substanz. Fig. 4. Dasselbe im polarisierten Lichte; Polarisationskreuz deutlicher als in Fig. 2; der Rand noch doppeltbrechend. Fig. 5. Harnkügelchen zum grossen Teile aufgelöst; Stroma; die in der Mitte liegende unaufgelöste kompakte Substanz aus einzelnen Kügelchen zusammengesetzt. Fig. 6. Dasselbe im polarisierten Lichte; ein gemeinsames Kreuz. Fig. 7. Niere, Schnecke, in absolutem Alkohol gehärtet, nach Heiden- hain (modifizierte Methode) gefärbt, Eosinnachfärbung. Übersichtsbild: a Harn- kügelchen, b Epithelkern, € Bindegewebskern, d bindegewebiges Septum. Fig. 8. Niere, Schnecke, wie in Fig. 7 gehärtet und gefärbt; a fertiges, b in Bildung begriffenes Harnkügelchen Fig. 9. Niere, Blindschleiche, in absolutem Alkohol gehärtet, Zellen aus einem gewundenen Kanälchen mit Harnkügelchen (a) und Pigment. Fig. 10. Dasselbe Präparat wie in Fig. 9. Gewundenes Kanälchen. Harnkügelchen in Zellen; kein Pigment. Fig. 11. Niere, Sperling, in absolutem Alkohol gehärtet; vor dem Tode Harnsäure injiziert (7. Versuch). * Harnkügelchen im Kanälchenluihen, grösser als die Zellkerne und selbst als die Zellen. Druck der kgl. Universitätsdruckerei v. H. FR 7 Bee