% nf BR u} x nr 4 u nm: PP. F ” a R Re; u L AR b e r\ A ANATOMISCHE HEFTE ERSTE ABTEILUNG: ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. =. BAND XXX UVM, XXxIX, XL,HEFT). ANATOMISCHE HEFTE. BEITRÄGE UND REFERATE ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL UND R. BONNET O. ©. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GOTTINGEN. O. ©. PROF. DER ANATOMIE IN GREIFSWALD. ERSTE-ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. XII. BAND (XXXVIIL., XXXIX., XL. HEFT) MIT 32 TAFELN UND 35 ABBILDUNGEN IM TEXT. EHEN WIESBADEN. VERLAG VON J. F. BERGMANN. 1899. Das Recht der Übersetzung bleibt vorbehalten. Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H, Stürtz in Würzburg. XXXYVIII. Heft ausgegeben im Juni 1899. Cantidiano de Almeida, Zur Kenntnis der Vakuole des Fett- zellenkernes. Mit 9 Figuren auf Tafel I I. Popowsky, Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. Mit 10 Abbildungen auf den Tafeln IV/II. Julius Voigt, Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. Mit 12 Figuren auf den Tafeln IV/VII . i Emil Holmgren, Zur Kenntnis der le von or hin piscatorius Lin. Mit 2 Abbildungen im Text und 32 Figuren auf Tafel IX/XVII XXXIX. Heft ausgegeben im Juli 1899. Paul Mitrophanow, Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. Mit 17 Textfiguren, 12 Figuren auf Taf. XIX/XX, 7 Figuren auf Taf. XXI und 12 Phototypien auf Taf. XXIUXXIN A. Stolowsky, Drei seltene Anomalien des M. ER brachii. Mit Tafel XXIV/XXV. $ : h John Gräberg. Zur Kenntnis des eelllosen B: aues Ber Ge ehmacks knospen De Menschen. Mit Tafel XXVI/XXV1l, XXVIII/XXIX XL. Heft ausgegeben im August 189. Gotthold Holzapfel, Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. Mit 4 Abbildungen auf Tafel XXX und XXXI und 16 Figuren im Text SIE : EinarSjövall, Die Zellstruktur einiger Nervenzellen aa Meihylen- blau als Mittel sie frisch zu untersuchen. Mit 5 Abbildungen auf Tafel XXXII ö Ernst Mehnert, Bemerkungen zu Keihels Kritiken ea Heforaten Franz Keibel, Zu Mehnerts Bemerkungen über meine Kritiken und Referate / en / N ' l Seite 71 ER, | iR ee u. ern x Be ri | er tt N 1 j j 5 j Er Bein we Er En a TR 6 er ee WR Br: A; . << ur er Le DE d rg | wa. ’g i DR u rip Kern BI A Au Te FRRE, ‚ 5 ae, - : RE a red Ber 36 a “ f j Be Bi ur NE a 0 PR iaglınd n 2 . Br < Ir | BUN, Day nt e > N AMASICHE °; A ö ß 5 i u. Zr ’ 7 Mr ’ f . ee i Li i 2) « + f ” u = 7 ie u > i ü u ” . er - E a nz nr sr Fur . ME RE IRS :: MT PR RER Y, G g DT er ee ERDE SACHE 1; Be A a, un. ER F ER 7 i a BF Ag i DR ae A IR [IA vs y a my reed ” De 1 Ze Hier ar BEN MO E A I ra D | Br a ud Di; 1 Ir RUE ae A au es AT u 0 ® RR BE j en Eu BIyy; "r% BR dE Da ’ & 1 Be Fir .)* NY Ef mia Eu RE ar AO 1, NE £ - AR u w Pu ü PL # d Ki BRLEP Ar 2 VEY BALNET KEN UENERLE e urn h jr E er ni “ Y ‚2 Y Dr in j - ö 4 ‘ = 2 ME WE I 5 v { i l . Den 2 f ° ABER ? an k Li RI; 1 f Bi‘ 2) - “ = Da, f i a. ne Fi ua AM rn 5 Een N 2 b un En % En L 5 $] “ ee j IE BEN He & x u AA ET a ar Iwein Ei Ra 200 RAe.R eh ET ER Nr Araber ee Ri REN 1 Fa.) N bin 6 i u ‚ z d » Ä . ü a > #; 5 » i a Bar Ber Hi H ae: N (Aus DEM KÖNIGLICHEN ANATOMISCHEN INSTITUTE ZU Kiıer.) ZUR KENNTNBS DER VAKUOLE DES FETTZELLENKERNES,. VON CANTIDIANO DE ALMEIDA, Mit 9 Figuren auf Tafel I. Anatomische Hefte, I. Abteilung. XXXVIII. Heft (12. Bd. H. 1.) 1 r = ; [2 v ‘ . e.- ww W \ i NE THAN WEN JR b) . N A h g ‚ u Dame Rd Im Jahre 1895 konstatierten zugleich P. G. Unna!) und A. Sack?) das Vorkommen von Vakuolen oder Löchern in den Kernen der Fettzellen. Sie hatten ihre Beobachtungen unab- hängig von einander gemacht und schilderten sie abweichend von einander folgendermassen: Zuerst beschrieb Unna, dass unter den Kernen der Fett- zellen zwei verschiedene Arten vorkommen, von denen die eine sich bei Behandlung mit Methylenblau-Tanninlösung blau, die andere Art violett färbt. Besonders die letzten, welche von Unna für atrophisch gehalten: werden, weisen glattrandige Löcher auf, welche die ganze Dicke des Kernes durchsetzen. Eine kleine Zahl haben einfache Vertiefungen, welche den Kern nicht völlig durchbohren. Unna hält das Auftreten der Löcher für eine Erscheinung der Atrophie; die Lochbildung führt nach ihm im weiteren Verlauf zur Bildung von mehreren Kernfragmenten. Er teilt weiter mit, dass zwei und sogar drei solche Löcher im Kerne vorkommen, und dass er sie haupt- sächlich im normalen Fettgewebe gefunden hat, weniger dort, wo entzündliche Prozesse den Charakter des subcutanen Fett- gewebes umgestaltet haben. Es ist nicht möglich, die Lochkerne als Resultate der Alkoholhärtung aufzufassen, da sie nicht bei anderen Bindegewebszellen vorkommen. Unna schliesst seine Arbeit mit einer brieflichen Mitteilung von Professor Flemming, 1) Unna, P. G., „Zur Kenntnis der Kerne.“ Monatsheft für praktische Dermatologie. Bd. XX. 1895. 2) Sack, A., „Über das Fettgewebe mit besonderer Berücksichtigung des Unterhautzellgewebes.‘‘ Ebenda. 1* 4 C. DE ALMEIDA, nach welcher Dr. Meves am hiesigen anatomischen Institut die gleichen Lochkerne im Amphibienfette gefunden hat: „Bei den Fettzellen von Urodelen finden sich ganz dieselben Ringkern- formen und — bei der drei- bis vierfachen Grösse gegenüber dem Menschen -— so zu sagen in Fraktur: hier kann man ganz deutlich mit allen Übergängen verfolgen, dass erst eine Vakuole im Kern entsteht, dann zunächst nach einer Seite und vielfach nach beiden den Kern durchbricht, und so persistierende Ring- kernformen herauskommen, mit denen stellenweise — gerade wie bei Ihren Präparaten — der grösste Teil der Fettzellen be- haftet ist. Sonderbar bleibt es dabei, dass gerade nur die Fett- zellenkerne für diesen Vorgang disponiert zu sein scheinen, denn an denen der Bindegewebs- und anderen Zellen in loco hat Meves ihn nicht gefunden.“ Gleichzeitig erschien, in demselben Heft für praktische Dermatologie, ein Autoreferat!) von A. Sack, über einen Vor- trag, welchen er in einer Sitzung der Pariser Gesellschaft für Dermatologie und Syphiligraphie gehalten hatte. Noch im selben Jahre erschien eine ausführliche Arbeit?) desselben Autors, in der er seine früheren Befunde eingehender beschreibt. Er erklärt, dass dieselben mit denen von Unna identisch sein müssen, mit dem Unterschied, dass Unna von „Lochkernen“ spricht, während Sack meint, dass es sich um vakuolisierte Kerne handelt. Die Resultate seiner umfangreichen Arbeit fasst Sack in folgenden Sätzen zusammen: 1. „Die ruhenden Kerne der meisten Fettzellen enthalten scharf umschriebene, sphärische oder ellipsoidische Vakuolen, deren Inhalt fettfreie, wahrscheinlich alkalische Flüssigkeit ist. 2. Die Vakuolen entstehen juxtanukleolär, als ganz winzige Bläschen immitten der Kernsubstanz, vergrössern sich durch 1) Sack, A., „Über das Fettgewebe mit besonderer Berücksichtigung des Unterhautzellgewebes.“ Bd. siehe oben. 2) Sack, A., „Über vakuolisierte Kerne der Fettzellen ete.‘“ Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd XLVI. 1595. Zur Kenntnis der Vakuole”des Fettzellenkernes, > eigenes Wachstum oder durch Verschmelzung mit anderen be- nachbarten Vakuolen desselben Kernes, überschreiten schliesslich die Kernkonturen und entweichen dann nach dem Binnenraum der Fettzelle. 3. Nach dem Austritt der Vakuole aus dem Kerne bleibt die von ihr zurückgelassene napfförmige Depression des Kern- kontur oder auch der lochförmige Durchbruch des ganzen Kernes eine Zeitlang bestehen. Inzwischen beginnt eine neue Vakuole im Innern des Kernes denselben Vorgang der Aus- wanderung. 4. Da die Vakuolisierung der Kerne nur bei gut ausgebil- deten, keineswegs aber bei atrophischen Fettzellen beobachtet wird, so muss ein direkter Zusammenhang zwischen dieser Be- sonderheit des Fettgewebes und seiner Ernährung angenommen, und demnach dem Kerne der Fettzelle auch eine wichtige nu- tritive Funktion zugestanden werden. 5. Über die Ursachen und den Mechanismus des ganzen, ausschliesslich den Fettzellen zukommenden Phänomens, lassen sich naturgemäss nur Vermutungen aussprechen. Wie aus der Kernabplattung ersichtlich, muss der Tropfen der Zelle einen hohen Druck auf den Kern ausüben und dadurch den Saftstrom, der vermutlich vom Kern zum Zellprotoplasma und bei allen übrigen Geweben kontinuierlich verläuft, bis zu einem gewissen Grade hemmen, d. h. ihn in einen diskontinuierlicher Strom umwandeln. Die nächste Folge dieser Hemmung ist eine optisch wahrnehmbare Flüssigkeitsansammlung im Kerne, welche als Vakuole imponiert. Erst mit dem Wachstum dieser Flüssigkeits- menge oder Vakuole erreicht dieselbe eine genügende hohe Spannung, um den auf dem Kerne lastenden Druck zu über- winden und nach dem Binnenraum der Fettzelle zu entweichen.“ Auch nach Sack ist die Erscheinung der Vakuolenbildung eine Besonderheit der Kerne des Fettgewebes, welche sich nicht bei den Kernen der übrigen Bindegewebszellen findet. Nach 6 C. DE ALMEIDA, ihm sind die Vakuolen bei jeder Fixierungsmethode nachzuweisen und stellen sicher keine Artefakte dar. Sack nimmt an, dass die Vakuolen eine aus Seife bestehende Hülle haben. Auf die Arbeiten von Sack und Unna veröffentlichte darauf im Jahre 1896 Hans Rabl') eine Entgegnung, in welcher er eine ganz andere Auffassung der betreffenden Kernlöcher vorlegt. Er benutzte zu seinen Untersuchungen das Fett von Menschen und Tieren, und sagt, wie Sack, dass die Lochform der Kerne speziell beim Menschen mit grosser Regelmässigkeit wiederkehrt. Die Frage, ob die Kerne durchbrochen (Unna) oder vakuo- lisiert (Sack) seien, lässt sich nach ihm an Schnitten mit ge- nügender Sicherheit nicht entscheiden. Hierfür ist man auf die Beobachtung nicht zerschnittener Zellkerne angewiesen. Er zer- zupfte daher frisches Fettgewebe auf dem Objektträger und tingierte es mit einem Kernfärbemittel. Er fand, dass beinahe alle Kerne, die sich ihm in der Flächenansicht darboten, einen oder mehrere, verschieden grosse Tropfen zeigten. Diese Tropfen bestehen nicht aus wässeriger Flüssigkeit, sondern aus Fett. Dies geht daraus hervor, dass sie das Licht sehr stark brechen, dann aber auch aus ihrem Verhalten gegen die Osmiumsäure. Wenn Rab! die Zupfpräperate der Wirkung von Osmium- säuredämpfen aussetzte, so zeigte es sich, dass die Vakuolen, ebenso wie das übrige Fett, ein schwärzliches Aussehen erhielten. Dass Sack ihn an Chromosmiumessigpräparaten hell gefunden habe, sei darauf zurückzuführen, dass die Präparate mit Berga- mottöl ausgezogen waren, welches das osmierte Fett zu lösen vermag. Die Lage der Tropfen oder Vakuolen bildet die zweite Frage, womit Rabl sich beschäftigt hat. Er behauptet, dass die Tropfen nicht im den Kernen selbst enthalten, sondern in !) Rabl, „Über die Kerne der Fettzellen.“ Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XLVII. 1896. Zur Kenntnis der Vakuole des Fettzellenkernes. f tiefen Buchten desselben eingebettet sind. Bei Benutzung einer homogenen Immersion und scharfer Einstellung auf den Fett- tropfen konnte er sich an Flächenansichten der Kerne über- zeugen, dass das Kerngerüst nur bei einer Drehungsrichtung der Mikrometerschraube wahrzunehmen war. Die Öffnungen der Buchten werden von Sack als die Durchbruchsstelle der Vakuolen angesehen, während Rabl sie für Defekte hält, welche durch den Druck der auf dem Kern liegenden Tropfen ent- stehen. Rabl bestätigt, dass vor allem in gut ausgebildetem Fettgewebe solche Tropfen vorkommen, weniger bei mageren Individuen. Er hat sie auch bei Amphibien sehr zahlreich gefunden. Rabl schliesst folgendermassen: „Der einzige Gewinn, der durch die Arbeiten von Unna, Sack und meine Kritik der- selben für die Kenntnis der Fettzellen erzielt wurde, besteht somit in dem Satz, dass in vollentwickelten Fettzellen, nicht wie . man bisher beschrieb, bloss ein grosser Fetttropfen, sondern häufig auch noch mehrere kleine, in nächster Nähe des Kernes gelegen sind, die offenbar erst später im Protoplasma gebildet wurden.‘ Auf die Arbeit von Rabl erschien im Jahre 1896 eine abermalige Fntgegnung von Unna’), in der er die Behauptungen von Rabl für unrichtig hält. Denn erstens erscheint der Inhalt der betreffenden Vakuolen bei Abblendung als eine substantielle mattglänzende „Perle“, wie auch Sack schon angab und zweitens und besonders, weil diese „Perlen‘‘ sich auch bei bester Osmierung des Fettes nicht schwärzen. Er geht dabei auf die Angabe Rabls, dass an den in Frage kommenden Präparaten das Fett der Vakuolen durch Bergamottöl gelöst sein könne, nicht ein, er betont jedoch, dass er die Lochkerne an in Alkohol gehärteten Präparaten gefunden habe, und dass an diesen, also sicher ent- 1) Unna, P. G., „Über die Lochkerne des Fettgewebes. Deutsche Medi- zinal-Zeitung. 1896. Nr. 58. S C. DE ALMEIDA, fetteten Objekten die „Bläschen“ oder „Perlen“ nicht, wie Rabl annimmt, aufgelöst, sondern erhalten seien. Er bestätigt also im ganzen die Arbeit von Sack, nur kann er nicht zu- geben, dass die Vakuolen eine Seifenmembran haben, weil diese an Alkohol-Äther-Präparaten nicht bestehen können. Der An- nahme von Sack und Rabl, dass das Vorkommen von Löchern an die Kerne der Fettzellen unbedingt gebunden sei, kann er nicht beipflichten; denn er hat Lochkerne gesehen, welche in den Septen des Fettgewebes gelegen waren, ohne jeden Zu- sammenhang mit einer Fettzelle. Danach muss er annehmen, dass nicht die Gegenwart des Fettes das Phänomen der Bläschen- bildung erzeugt. Unna meint, dass die Substanz der Bläschen ein eiweiss- artiges, festes, vielleicht sogar unorganische Substanzen aufge- speichert enthaltendes Koagulationsprodukt sei. Wenn diese Annahme sich bewahrheiten sollte, so würde der ganze Prozess regressiver und degenerativer Natur sein, und die Lochbildung würde eine besondere Form der Kernatrophie repräsentieren. Bei einer Besprechung der eben erwähnten Arbeiten in den Ürgebnissen der Anatomie und Entwickelungsgeschichte fährt Professor Flemming!) wie folgt fort: „Ich gestehe, dass Meves und ich noch keine Zeit gefunden haben, diesem minutiösen und speziellen Gegenstand näher zu treten, und dass ich mir also ein Urteil darüber nicht gestatten darf. Im ganzen scheint mir aber eine Entscheidung nicht so schwer zu sein. Die Hauptfrage ist ja, ob die Substanz der Vakuolen durch Ösmiumsäure oder ÖOsmiumgemische geschwärzt wird, wie Rabl es annimmt, oder ob sie darin hell bleiben, wie Sack und Unna behaupten. Ich habe vor längerer Zeit eine kleine Untersuchung über Wirkung verschiedener Durchgangs- und Einschlussmittel auf osmiertes Fett publiziert?), worin beschrieben ı) Flemming, W., „Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungs- geschichte.‘ 1896. ”) Zeitschrift für wiss. Mikroskopie. Bd. VI. 1889. 8. 178. Anatomische Hefte IAbtheilung Heft AXNVM (XL Bd. 1) Zeh. Druck & Kgl. Univens-Druckerei v.H.Stirtz Werzburg sm EEE Zur Kenntnis der Vakuole des Fettzellenkernes. 9 ist, dass Terpentin, Aether absolutus, Xylol, Kanada und Damar in Terpentin dasselbe schon nach mehrstündiger Einwirkung lösen, dagegen Chloroform und Nelkenöl es bei zweitägiger Wirkung ungelöst liessen, ebenso wie Alkohol. Wenn man also z. B. menschliches Fett osmierte und die Schnitte nur den drei letzteren Durchgangsmitteln unterwürfe, so würde man an Stellen, wo die grossen geschwärzten Fetttropfen herausgefallen sind, doch wohl sehen können, ob die Vakuolen osmiert sind oder nicht.‘ Auf Anregung von Herrn Professor Flemming habe ich es unternommen, die Frage nach der Beschaffenheit des Vakuolen- inhalts zur Entscheidung zu bringen, indem ich bei der Unter- suchung nur solche Reagentien anwandte, welche das osmierte Fett bei kürzerer Einwirkung nicht zu lösen imstande sind. Ich untersuchte menschliches und Amphibienfett; kleine Stücke davon wurden auf 24 Stunden in eine 2°%,ige Lösung von Osmiumsäure gebracht und dann in fliessendem Wasser gut ausgewaschen. Darauf wurden sie in allmählich steigendem Alkohol gehärtet, und durch Chloroform in Paraffin eingebettet. Die mit Eiweiss-Wasser auf dem Objektträger aufgeklebten Schnitte wurden durch Chloroforın vom Paraftfin befreit und dann ge- wöhnlich mit Alaunkarmin gefärbt; in letzterem mussten die Schnitte meistens längere Zeit (bis zu vier Tagen) verweilen. Nach der Auswaschung der Schnitte habe ich anfangs gleich in Glycerin untersucht, um einwandfreie Resultate zu erhalten; später gebrauchte ich als Durchgangsmittel wieder das Chloro- form und Chloroform-Kanadabalsam als Einschlussmittel. Wegen des Gebrauchs von Äther habe ich von der Einbettung in Gelloidin abgesehen. Die auf diese Weise hergestellten Präparate zeigen in den Randpartien das Fett intensiv geschwärzt, während die mittleren Teile von der Osmiumsäure nicht erreicht sind. Ich habe zuerst immer diese Partien aufgesucht, um festzustellen, ob die 10 C. DE ALMEIDA, Kerne hier das Phänomen der Vakuolisierung aufwiesen; wenn es mir gelang, die Erscheinung hier zu konstatieren, dann habe ich die stark osmierte Randzone vorgenommen. Hier enthielten die Kerne keine hellen Vakuolen, sondern statt derer schwarze gefärbte Kugeln von verschiedener Grösse, welche sich gegen das rot gefärbte Kerngerüst deutlich abhoben. In der Über- gangszone zwischen der osmierten und nicht osmierten Partie kommen häufig im Innern der Kerne Kugeln vor, von denen nur der Rand geschwärzt ist, sodass sie im optischen Quer- schnitt als schwarze Ringe mit heller Mitte erscheinen. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass die Substanz der Kugeln, wie Rabl behauptet hat, aus Fett besteht. Die Lage der Vakuole bildete die zweite Frage, die zugleich meine Aufmerksamkeit auf sich nahm. Um hier zu einem positiven Resultat zu gelangen, habe ich die kleinsten Vakuolen aufgesucht, welche in meinen Präparaten vorkamen, und bei Kernen, die sich mir in Profilansicht darboten. Ich vermochte zu konstatieren, dass sie sowohl gegen das Innere der Fettzelle als auch nach aussen hin von Kernsubstanz umgeben waren, und ferner kam auch bei Bewegung der Mikrometerschraube nach oben und unten das Kerngerüst sowohl oberhalb als auch unterhalb der Vakuole zum Vorschein. Die Fettkugeln sind demnach vollständig vom Kerngerüst eingeschlossen. Was nun das Vorkommen der Fettvakuolen anlangt, so fand ich sie, ebenso wie die vorhin erwähnten Autoren, nur bei solehen Individuen, die ein gut ausgebildetes Fettgewebe be- sassen, nicht aber bei mageren oder atrophischen Individuen. Sehr reichlich waren sie im Achselhöhlenfett eines ca. 30Jjährigen Mannes vorhanden, welcher im Spätherbst 1897 in Kiel hin- gerichtet wurde. Über die Art und Weise ihrer Entstehung vermochte ich mir keine Meinung zu bilden; davon, dass sie sich „juxtanukleolär“ bilden oder zu den Nukleolen in Beziehung stehen, wie Sack Zur Kenntnis der Vakuole des Fettzellenkernes. 11 angiebt habe ich mich nicht überzeugen können. Ebensowenig vermag ich über das schliessliche Schicksal der Fetttropfen Aus- kunft zu geben. Zum Schlusse dieser Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Professor Flemming, für die gütige Anregung zu vorstehender Arbeit, sowie für seine bereitwillige Unterstützung, meinen ver- bindlichsten Dank auszusprechen. Herrn Prosektor Dr. Meves sage ich ebenfalls für seine Hülfe und freundliche Anweisungen meinen besten Dank. Erklärung der Tafel I. Fig. 1. Fettvakuolen mit nicht osmierten Fettzellen. Fig. 2. Osmierte Fettzellen mit vier geschwärzten Vakuolen, neben ein- ander liegen. Fig. 8, 4, 5. Dasselbe aus verschiedenen Präparaten. Fig. 6. Geschwärzte Fettzelle mit schwarzer Kernvakuole und eine halb vsmierte Fettzelle mit gleicher Vakuole im Kern. Fig. 7. Halb osmierte Fettzelle mit gleicher Vakuole, daneben eine hell- glänzende. Fig. 8. Zellleib hell, Vakuole halb geschwärzt. Fig. 9. Kern mit zwei halbosmierten kleinen Vakuolen. ZUR ENTWICKELUNGSGESCHICHTE DER DANMUSKULATUN BEIM MENSCHEN. VON J. POPOWSKY, ') TOMSK. Mit 10 Abbildungen auf den Tafeln Il/IIT. ı) Eine kurze (russische) Mittheilung über das hier behandelte Thema ist im Tageblatt der VI. Versammlung russischer Ärzte in Kiew. Nr. 13. Seite 37-41, 1896, veröffentlicht, worüber von Stieda in den Ergebnissen der Anat. u. Entw. Bd. VU. 8. 667 ff. referiert wird. Die Redaktion. ers 10 1 X, ne . i De Urn VE PET ae Rt OR, v Y nn Ri BY, va all Er 15 et wire wie ii ON NEIL ZA A rap ann eN a TERN, PER j } N TEN Pr RN ED RAT Du LEN We agh 10 Aw a) Unerachtet der verhältnismässig reichen Litteratur über die Dammuskulatur, herrscht bis jetzt noch einige Verwirrung in unseren Vorstellungen, sobald die Frage über die morphologische Bedeutung, dieses oder jenes Gliedes des genannten Muskelgebiets aufgeworfen wird. Man braucht nur dessen zu erwähnen, dass, während einige Anatomen (Henle |12, pag. 524-530], Rü- dinger [40, pag. 39], Langer [23, pag. 655], Gegenbaur, [8, pag. 188] u. a.) die Existenz nur eines Muskels anerkennen, welcher um den membranösen Teil der Harnröhre belegen ist, andere an dieser Stelle einige mehr oder weniger selbständige spezielle Muskeln beschreiben. So beschreibt Santorini (43) einen M. novus ejaculator s. Elevator urethrae, Winslow (52) die Mm. prostatici superior et inferior, Walter (50, pag. 160) und Günther (11, pag. 123) einen M. transversus prostatae, Sömmering (45, pag. 240) den M. compressor prostatae, Wilson (51, pag. 175) den M. pubourethralis (im gleichen Sinne wie Wilson handeln Seiler [34, pag. 911], Meckel [50, pag. 563, Weber [38, pag. 252], Bell [2, pag. 380, Thomson [49, pag. 237], Sappey [44], Richet 37, pag. 647]), W. Krause (22, pag. 534) den M. levator urethrae s. M. pubo-urethralis s. Wilsonii, Guthrie (10, pag. 33—43) den M. compressor urethrae (im gleichen Sinne Behrend [3], Gosselin [9, pag. 3%), 2), © Hoffmann (18, pag. 717) den M. compressor urethrae im anderen Sinne als vorher, J. Müller (31, pag. 6—27) den M. constrictor urethrae membranaceae s. constrictor urethralis (im gleichen Sinne Thom- Ü Sappey [4], Demarquay [7, pag. 16 J. POPOWSKY, J son [49, Quain [42], Arnold [1, pag. 207], Linhart [29], Kohlrausch (19, pag. 40) und Luschka (27) den M. trans- versus sup. et inf., Lesshaft (25, pag. 45—48) den M. trans- versus urethrae, ©. Krause (21, pag. 662) den M. urethralis transversus, Jarjavay (18) den M. orbicularis urethrae etc.- Man braucht ferner nur daran zu erinnern, dass während die Einen den M. transversus perinei profundus zu dem M. levator ani (Luschka [28, pag. 108], Pars urethralis des Afterhebers) gehörig betrachten, die Anderen ihn für vollkommen selbständig und von dem letzteren Muskel isoliert halten. Dieselben Mei- nungsverschiedenheiten existieren auch in Betreff anderer Fragen, wie z. B. der Verbindung dieser oder jener Muskeln mit ein- ander u. S. w. Das Studium der Entwickelungsgeschichte der Dammusku- latur beim menschlichen Embryo kann einiges Licht auf unsere Vorstellungen von der morphologischen Bedeutung der einzelnen Teile dieses Muskelgebiets werfen und bis zu einem gewissen Grade zur Erklärung einiger Fragen beitragen. Als leitende Idee der gegenwärtigen Arbeit dient die An- sicht von der morphologischen Einheit der ganzen Dammusku- latur und von der Entstehung derselben aus dem M. sphincter cloacae, wie dieses Prof. Gegenbaur (8) in seinem Lehrbuch der Anatomie des Menschen ausgesprochen hat. Als Material zu dieser Untersuchung dienten mir 20 mensch- liche Embryonen verschiedenen Alters von zwei bis neun Monaten, ausserdem einige (acht) Neugeborene und Erwachsene. Die Muskulatur zusamt den Nerven wurde nicht nur von unten und oben, d. h. von seiten des Dammes und der kleinen Beckenhöhle, sondern auch auf Frontal- und Sagittalschnitten des Beckens untersucht; ausserdem erwies sich als sehr vorteil- haft die Untersuchung der um die Harnröhre belegenen Musku- latur von oben und von der Seite, nach vorhergegangenem Durchschneiden der Symphysis ossium pubis, und des M. levator Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 17 ani von hinten, nachdem zuvor die Symphysis sacro-iliaca durch- schnitten war. Das Präparieren und die Untersuchung der kleinen Objekte geschah mit Hülfe des Präparier-Mikroskops von Reichert. Ausserdem musste zur Bestimmung des Charakters des vor- liegenden Gewebes oft das Mikroskop zu Hülfe genommen werden. Alle Präparate wurden in einer 50° Alkohollösung aufbewahrt. Die Entwickelung der Dammuskulatur des menschlichen Embryo steht in engem Zusammenhange mit der Entwickelung des Sinus uro-genitalis und der äusseren Geschlechtsteile. Als ursprünglichen Mutterboden, aus dem sich die Damm- muskulatur entwickelt, muss man jenen Hautmuskel an- sehen der die Kloakenmündung ringförmig umfasst und der bereits bei einem zweimonatlichen Embryo deutlich ausgesprochen ist. In der That ist bei demselben die Kloakenmündung von einem Muskel umgeben, der sich sogleich unter der Haut be- findet und aus ringförmig angeordneten Fasern besteht, welche nur teilweise an den benachbarten Teilen des Skelets fixiert sind und zwar befestigen sich die peripherischen hinteren Fasern an der Spitze des Steissbeins. Dieser Muskel stellt den M. sphincter eloacae dar (Fig. 1). Man kann die Nervenfäden, welche von beiden Seiten zu diesem Muskel verlaufen, verfolgen — es sind die Nn. pudendi. Der vom Gesichtspunkte der Phylogenese aus zu be- trachtende M. sphincter cloacae erscheint zuerst bei den Fischen. Bei den Sauriern (Eidechsen, Schildkröten) nach Holl (16) ist der ringförmige Schliessmuskel der Kloake durch ein feines Gewebe vorn an der Symphyse der Sitzbeine, hinten an dem Ende der 2 Proc. haemalis befestigt. Bei den Vögeln erscheint der Schliessmuskel diaphragmaartig gebildet, indem sein peripherer Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXVII. Heft (12. Bd. H. 1). 2. 18 J. POPOWSKY, Rand mittelst einer fibrösen Membran an die Schambeine ange- heftet ist. Bei den Monotremen beschreibt Ruge (41) einen M. sphincter cloacae superficialis, der das Produkt des M. subcutaneus trunci bildet, und einen eigentlichen M. sphincter cloacae. Bei den Marsupialiern findet Eggeling (17, pag. 411) zwei dünne Muskelschichten, eine oberflächliche und eine tiefe, die mit ringförmigen Zügen die Kloake umgeben; beide aber sind Differenzierungsprodukte eines ursprünglich einheitlichen M. sphincter cloacae. Dieselben sind aus letzterem dadurch entstanden, dass sich zwischen seine Fasern die mächtig sich entfaltenden Analdrüsen einschoben. Infolge der Bildung der Querperinealfalte aus den Seiten- wänden der Kloake (Rathke [35, pag. 57, 63], Retterer |36, pag. 147-—-149]) entsteht um die Mitte des dritten Monats eine Sonderung der ursprünglich einfachen Kloakenmündung in zwei Öffnungen, den Anus und den Sinus uro-genitalis. Neben dem Auftreten dieser Änderung vollzieht sich auch die Sonderung des ursprünglich einheitlichen Muskels — M. sphincter cloacae — in zwei Muskelteile, den hinteren, welcher den After, und den vorderen, der die Urogenital-Öffnung umgiebt. Diese ersten Stadien der Änderung der Muskulatur erfolgen gleichmässig wie beim männlichen, so auch beim weiblichen Embryo. In der That finden wir bei dem dreimonatlichen weiblichen Embryo den After von einem selbständigen ringförmigen Muskel umgeben, der sogleich unter der Haut belegen und nur teilweise hinten an der Spitze des Steissbeins befestigt ist. Das ist der M. sphincter ani externus (Fig. 2). Die Öffnung des Sinus urogenitalis erscheint ebenfalls von einem Muskel umgeben, der mit dem M. sphincter ani externus in Verbindung steht, wobei ein grosser Teil der Muskelbündel des ersteren eine unmittelbare Fortsetzung der Bündel des zweiten Muskels derselben Seite bildet; nur ein unbedeutender Teil der Muskelbündel stammt vom M. sphincter ani der anderen Seite Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 19 her; die medialen Bündel dieses Muskels gehen bogenförmig von der einen Seite des Sinus urogenitalis zur anderen über. Seitlich ist dieser Muskel mit seinen peripherischen Lateralteilen an das Skelet befestigt und zwar an den herabsteigenden Ästen des Schambeins. Mit seinen oberen Bündeln reicht der Muskel bis an den Genitalhöcker (der zukünftigen Klitoris) heran, wo er an dessen unterer und lateralen Seite endet. Das ist der M. sphincter sinus urogenitalis. In dieser Zeitperiode sind quer sich fortziehende Muskel- fasern nicht zu bemerken. Bei dem dreimonatlichen männlichen Embryo beobachtet man eine gleiche Anordnung der genannten Muskeln, nur mit dem Unterschiede, dass medial von einer Seite des Sinus uro- genitalis zur anderen bogenförmig übergehende Bündel des M. sphincter sinus urogenitalis nicht zu konstatieren sind. Auf solche Weise vollzieht sich im Laufe des dritten Monats die Sonderung des ursprünglich einheitlichen M. sphincter cloacae in zwei Teile: einen hinteren — den M. sphincter ani externus und einen vorderen — den M. sphincter sinus urogenitalis. Entsprechend der Sonderung des ursprünglichen Sphincter in zwei funktionell verschiedene Muskeln, erfolgt auch eine Sonderung des Nerven — N. pudendus — in zwei motorische Äste: einen hinteren, der für den M. sphincter ani externus bestimmt ist, und einen vorderen — für den M. sphincter sinus urogenitalis. Die erörterten Erscheinungen der Ontogenese entsprechen im allgemeinen den Daten der Phylogenese. Nach Massgabe der Absonderung des Urogenitalapparates von dem Enddarm bei den Tieren, erfolgt die Teilung des ursprünglich einheitlichen M. sphincter cloacae in den M. sphincter ani externus und den M. sphincter urogenitalis. Diese Differenzierung vollzieht sich auf der Stufenleiter des Tierreichs verhältnismässig spät. So findet sie nach den Untersuchungen Eggelings (17, pag. 425) I* 20 J. POPOWSKY, bei den Karnivoren statt, während bei den männlichen Marsu- pialiern, obgleich der Ausführweg des Urogenitalapparates und der Enddarm sich von einander gesondert haben, dennoch der einheitliche M. sphincter cloacae existiert. Es ist ferner bekannt (Rathke [35], Legros [24], Cadiat [4], Nicolas [32], Tourneux |46, 47], dass beim männlichen Embryo der sog. Genitalhöcker rasch heranwächst und sieh in das männliche Glied verwandelt, an welchem sich schon im Laufe des dritten Monats vorn eine kleine Anschwellung — die Eichel — herausbildet und etwas später (im Laufe des 4. Monats) sich die Genitalfurche schliesst. Zu derselben Zeit vereinigen sich beide Genitalfalten mit den beiden Hälften des Genitalwulstes zur Bildung des Hodensacks. Die Naht, Raphe scroti et penis, tritt anfänglich äusserst scharf hervor; sie verläuft von der Spitze des Penis bis zum After und bezeichnet die Verwachsungs- stelle der Genitalfurche. Infolge des Schlusses der Genitalfurche muss sich natürlich der anfangs in seiner ganzen Ausdehnung nach unten offene Sinus urogenitalis ebenfalls schliessen und in einen langen Kanal (Canalis urogenitalis) verwandeln, an dessen oberem Ende, wie früher, die Ausführungsgänge der Urogenitalorgane sich öffnen. Hinsichtlich anderer Änderungen ist noch zu erwähnen, dass die Schwellkörper des Penis sich nach Massgabe der Verwandlung des Genitalhöckers in den Penis entwickeln, dass der Schwellkörper der Harnröhre sich in der Masse der zusammengewachsenen Genitalfalten bildet und dass die Vorsteherdrüse im 3. Monat entsteht (im 4. ist sie schon deutlich zu erkennen) und im Anfang nichts weiter ist als eine Verdickung derjenigen Stelle, in welcher sich die Harnröhre und der Samenleiter vereinigen. Die Entwickelung der weiblichen Geschlechtsorgane wird dadurch charakterisiert, dass die Genitalfurche und die Genital- falten nicht zusammenwachsen und daher der Sinus urogenitalis in seiner ganzen Länge offen bleibt und sich in der Folge in Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 21 das Vestibulum vaginae verwandelt. Die Genitalfalten verwandeln sich in die kleinen Schamlippen und beide Hälften des Genital- wulstes bilden die grossen Schamlippen. Der Genitalhöcker wächst nur unbedeutend und bildet die Ulitoris, aber nichtsdestoweniger entwickeln sich in seiner Masse auch die Schwellkörperchen. Nach Massgabe dessen, wie sich die angeführten Verände- rungen der äusseren Geschlechtsorgane vollziehen, erfolgt auch eine entsprechende Differenzierung der Muskulatur. So ist bei einem viermonatlichen männlichen Embryo um den After der M. sphincter ani externus belegen (Fig. 3), welcher sein früheres Verhalten beibehält. Seine vorderen und lateralen Teile verlängern sich ununterbrochen nach vorn und lagern sich in Art einer flachen Muskelschicht auf der unteren Oberfläche der Harnröhre, wobei die mehr lateralen periphe- rischen Bündel dieser Muskelschicht ihren Fixierungspunkt an dem nahe belegenen Skelet finden, d.h. am Schambogen. Diese Muskelschicht teilt sich vermittelst einer Mittelnaht in zwei Hälften. Ihre vorderen Bündel gehen auf die Lateral- und Rückseite des Penis über und enden dort. Wir haben dem- nach den M. bulbo-cavernosus in seiner primitiven Gestalt vor uns. Auch in dieser Zeitperiode sind noch keine querverlaufenden Muskelbündel zu konstatieren. Der N. pudendus erscheint in zwei motorische Äste ge- teilt, einen hinteren für den M. sphincter ani externus und einen vorderen für den M. bulbocavernosus; mit dem letzteren Aste verläuft lateral von ihm der N. dorsalis penis!). Die Vergleichung des Muskelzustandes beim männlichen Embryo in diesem Entwickelungsstadium mit dem früheren überzeugt uns davon, dass der M. bulbocavernosus ein Differen- !) Die sensiblen Zweige, welche zum Hodensack gehen (Nn. scrotales posteriores), lasse ich hier unberücksichtigt; auch später wird von ihnen keine Rede sein. 29 J. TOPOWSKY, zierungsprodukt des M. sphincter sinus urogenitalis (M. sphincter cloacae) darstellt. Es ist augenscheinlich, dass man als ursäch- liches Moment einer solchen Differenzierung des ringförmigen Muskels in einen flachen, die Verwandlung des Sinus urogeni- talis in den Canalis urogenitalis ansehen muss. Doch die ein- zelnen Stadien dieser Differenzierung beim männlichen Embryo zu verfolgen war mir aus Mangel an entsprechendem Material nicht möglich. Auch vom Gesichtspunkte der Phylogenese aus stellt sich der M. bulbocavernosus als Abkömmling des M. sphincter cloacae dar. Er erscheint zuerst bei einigen Nagern (Meerschweinchen, Holl [16, pag. 69) und Raubtieren (Paulet [33, pag. 155-165]. Bei den Anuren, Monotremen, Marsupialiern existiert er nicht. Bei diesen Tieren bildet der ventrale Abschnitt des M. sphincter cloacae (superf.) den Grundboden für die Bildung des M. bulbo- eavernosus, gleich wie der dorsale Abschnitt denjenigen für den M. sphincter ani externus. Bei dem vier-fünfmonatlichen weiblichen Embryo (Fig. 4) ist der M. sphincter urogenitalis um die Mündung des Sinus urogenitalis belegen. Er steht hinten in unmittelbarer Verbin- dung mit dem M. sphineter ani externus, wobei auch hier der Zusammenhang am deutlichsten zwischen den Bündeln ein und derselben Seite ausgedrückt ist. Ausserdem sind auch mediale Muskelbündel gut wahrnehmbar, welche bogenförmig auf die entgegengesetzte Seite übergehen. Der tiefe, obere Teil des M. sphincter urogenitalis ist um die Harnröhre belegen und umgiebt dieselbe teils mittelst ring- förmig angeordneter Medialfasern, teils mit quer über und unter derselben verlaufenden lateralen Fasern; mit seinen periphe- rischen Bündeln ist dieser Teil des Muskels am Schambogen befestigt. Eine Grenze zwischen dem oberen und unteren Abschnitte des M. sphincter urogenitalis kann nicht gezogen werden. Augen- Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 23 scheinlich wird hier nur die zukünftige Differenzierung dieses Muskels in zwei Teile angedeutet: den unteren, oberflächlichen, um den Eingang zur Scheide belegenen (M. bulbocavernosus) und den oberen, tiefen, um die Harnröhre belegenen Teil (M, urethralis). Der M. ischiocavernosus ist bereits entwickelt. Von dem aufsteigenden Aste des Sitzbeins beginnend, erhebt er sich zur Clitoris, auf deren oberen Oberfläche er endet. In einem grossen Teil seines Verlaufs erscheint er zuweilen bereits vom M. sphincter urogenitalis getrennt. Indessen besteht dennoch eine innige Verbindung zwischen beiden Muskeln bald im oberen bald im unteren Abschnitte, wo die von dem einen zu dem anderen Muskel hinüberlaufenden Bündel deutlich hervortreten. Dieses verschiedene Verhalten kann an verschiedenen Objekten angetroffen werden. Der N. pudendus ist in drei motorische Äste geteilt: einen für den M. sphincter ani externus, den zweiten für den M. sphincter urogenitalis und den dritten für den M. ischiocaver- nosus. Über dem letzteren Aste verläuft der N. dorsalis clito- ridis zwischen dem ischiocavernosus und dem M. sphincter uro- genitalis zur Clitoris. Was den M. ischiocavernosus anbelangt, so erscheint er phylogenetisch früh. Nach Eggeling (17, pag. 412 —415) existiert er bereits bei den Marsupialiern, bei deren weiblichen Exemplaren er das Differenzierungsprodukt des M. sphincter cloacae bildet; diesem homolog ist der M. erector penis bei den männlichen Tieren. Bei den Nagern (Holl), Karnivoren, Halb- affen und Affen (Eggeling) ist dieser Muskel ganz gut aus- gebildet und sogar kräftig entwickelt. Der M. levator ani (Fig. 5) ist bereits entwickelt!) und zwar sowohl der vordere Teil (Pars pubica), welcher von der !) Die ersten Stadien der Differenzierung des M. levator ani konnte ich aus Mangel an entsprechendem Material nicht verfolgen. 24 J. POPOWSKY, vorderen Wand der kleinen Beckenhöhle (vom Schambein) seinen Anfang nimmt, wie auch der hintere Teil (Pars iliaca), der von der Seitenwand der kleinen Beckenhöhle (von deren Fascie) be- ginnt und mit dem M. coceygeus unmittelbar verbunden ist. Dieser Muskel begiebt sich in zusammenlaufenden Bündeln ab- wärts zum After, erreicht aber nur dessen laterale und hintere Peripherie, wo er sich mit einzelnen Bündeln des M. sphincter ani externus vereinigt. Ein und derselbe Nervenast, welcher vom 4. Kreuznerven ausgeht, begiebt sich zum M. coceygeus und zum M. levator anı. Bei dem fünfmonatlichen männlichen Embryo zeigt der M. bulbocavernosus hervorragende Besonderheiten (Fig. 6). Ausser den Fasern, welche von dem M. sphincter ani externus derselben Seite zu ihm übergehen, wird er noch aus einem ziemlich bedeutenden Muskelbündel gebildet, der vom aul- steigenden Aste des Sitzbeins ausgeht und sich schräg nach innen und nach vorn zum Bulbus urethrae hinzieht, wo er mit der übrigen Masse des Muskels zusammentrifit. An seiner Basis steht dieses Muskelbündel in unmittelbarer Verbindung mit dem M. ischiocavernosus, welcher, zur Rückseite des Penis aufsteigend, sich nur allmählich sowohl von ihm, als auch von dem übrigen Teil des M. bulbo-cavernosus absondert. Ferner setzt sich der M. bulbocavernosus mit seinen tiefen oberen Fasern ununterbrochen in den Muskel fort, der um den membranösen Teil der Harnröhre belegen ist. In diesem letzteren Muskel kann man mediale Bündel, welche die Harn- röhre ringförmig umschliessen, und laterale Bündel, die sich quer über und unter der Harnröhre hinziehen und am Scham. bein befestigt sind, unterscheiden. Wir haben demnach den M. urethralis vor uns. Eine Selbständigkeit hat indessen dieser Muskel noch nicht erlangt, er steht noch in unmittelbarem Zusammenhange mit dem M. bulbocavernosus. Analomische Hefte. TAbtheilung AXRVIT. Heft (12.Ba.HD Nodorsalis cl. Mpudendus. = M. bubbo-cavernosus DZ RN B- MW dorsalıs penis N S E_ Wpudendus. = M sphincter an: externus 6. - Mdorsalis penis. es Mpudendus, Mdorsalis cidondis.__...____.. . RE: -. Hectum. Vesica urinaria Msphincter sinus uro-genitalts, _- Nervenast für M.ischzo-cavermosus sphincler anı erternus. Nuooe M. ischio - cavernosus. - M:bulbo-cavemnasus: ar > Nerv, f M.ischio cavernosus. Tafel ILIIT. ; ame) M. transversus perinei (med.), - Miransyersus perinel subeu£ .. W pudendis, M sphincler anz erternus. Verlag v. J,E Bergmann, Wiesbaden 7 7 Bir ' A u Eu ® r Na stlide 7 AN“ AR DE en “ % Lyr Pas Zur Entwickelungsgeschiehte der Dammuskulatur beim Menschen. 25 Entsprechend dem soeben dargelegten Zustande finden wir den N. pudendus in drei motorische Hauptzweige geteilt: einen für den M. sphincter ani externus, den zweiten für den M. bulbocavernosus, von welchem zwei kleine Zweige aus- gehen — einer zum accessorischen Bündel dieses letzteren Muskels (a) und der andere (b) zum M. urethralis, und den dritten für den M. ischiocavernosus. Alle diese Zweige teilen sich in ihrem weiteren Verlauf dichotomisch. Über dem letzteren Zweige verläuft auch der N. dorsalis penis, welcher sich zwischen dem M. ischiocavernosus und dem M. bulbocavernosus bis zur Rückseite des Penis hinaufzieht. Der M. levator ani zeigt beim männlichen Embryo die- selben Verhältnisse wie beim weiblichen, nur mit dem Unter- schiede, dass man hier den Anfang einer Vereinigung des ge- nannten Muskels auch mit einzelnen vorderen Bündeln des M. sphinceter ani externus konstatieren kann. Demnach erscheint als charakteristische Besonderheit der Dammuskulatur des vier-, bis fünfmonatlichen Embryo das Vor- handensein zweier neuer Glieder in dieser Muskelregion, und zwar des M. ischiocavernosus und des M. levator ani!'). Aus dem dargelegten faktischen Zustande der Damm- muskulatur geht deutlich hervor, dass der M. ischiocavernosus das Differenzierungsprodukt des M. sphincter urogenitalis dar- stellt. Nach Massgabe der weiteren Entwickelung der Schwell- körper der Clitoris oder des Penis im Laufe des 4. Monats, vollzieht sich auch eine Abweichung der lateralen peripherischen Teile des M. sphineter urogenitalis beim weiblichen Embryo, oder des ihm homologen M. bulbocavernosus beim männlichen Embryo, welche Teile, eine festere Verbindung mit dem Skelet (den aufsteigenden Ästen des Sitzbeins) erlangend, nach oben 1) Es muss übrigens hier bemerkt werden, dass, wie die Untersuchung mehrerer Objekte eines und desselben Alters zeigt, diese Muskeln auch bereits früher — im Anfange des 4. Monats — auftreten können. 26 J. POPOWSKY, und nach innen abgelenkt werden, um die Rückseite der Schwellkörper zu erreichen und dort befestigt zu werden. Der mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Zusammenhang des M. ischiocavernosus mit dem M. sphincter urogenitalis oder dem M. bulbocavernosus kann als bester Beweis des soeben angeführten Entwickelungsganges dienen. Dass diese Ver- bindung eine genetische und keine erworbene ist, zu dessen Gunsten spricht die Art und Weise der Innervation beider Muskeln durch die Zweige eines und desselben Nerven (des N. pudendus). Der Zusammenhang des M. levator ani mit dem M. cocey- geus gestattet uns ferner mit demselben Recht den Schluss zu ziehen, dass der M. levator ani das Differenzierungsprodukt des M. coceygeus bildet. Zu Gunsten dessen kann ebenfalls bis zu einem gewissen Grade das Prinzip der Innervation sprechen: ein und derselbe Nervenast, welcher vom 4. Kreuznerven ab- geht, versorgt beide Muskeln. Im 6. Monat erfolgt eine mehr oder weniger vollständige Absonderung des M. ischiocavernosus vom M. sphincter urogenitalis bei dem weiblichen, oder vom M. bulbocavernosus beim männlichen Embryo, wie dieses am besten aus der Fig. 7 zu ersehen ist. Die Teilungsstelle beider Muskeln wird durch den Verlauf des sensiblen Nervs — M. dorsalis penis s. clito ridis — angegeben. Ausserdem erscheint beim 6monatlichen weiblichen Embryo oft ein accessorisches Bündel des M. sphincter urogenitalis, welches, zugleich mit dem M. ischiocavernosus vom aufsteigen- den Aste des Sitzbeines seinen Anfang nehmend, schräg nach innen und nach oben verläuft, um sich mit der übrigen Masse des Muskels zu vereinen. Dieses Muskelbündel ist vollkommen homolog einem gleichen Bündel des M. bulbocavernosus beim männlichen Embryo, welches in Fig. 6 dargestellt ist. Zur Entwiekelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Meuschen. 27 Der N. pudendus erscheint auch hier in drei motorische Hauptäste geteilt: einen für den M. sphincter ani. externus, den zweiten für den M. sphineter urogenitalis und den dritten für den M. ischiocavernosus. Vom zweiten Ast gehen zwei feine kleine Zweige aus, von denen der eine (a) sich sogleich in accessorischen Bündel des M. sphincter urogenitalis versenkt, während der andere (b) sich im weiten Bogen zum M. urethralis begiebt. Das erwähnte accessorische Bündel des M. sphincter uro- genitalis ist für uns von hoher morphologischer Bedeutung, als Quelle, aus welcher in Zukunft der M. transversus perinei ent- stammt. Doch davon weiter unten. In einem etwas späteren Stadium, zwischen dem T. und $, Monat, erfolgt die Absonderung des oberen Teils des M. sphincter urogenitalis beim weiblichen Embryo, oder des M. bulbocavernosus beim männlichen Embryo in einen mehr oder weniger selbständigen Muskel, den M. urethralis. Auch hier muss man als verursachendes Moment der Absonderung des einen Muskels vom anderen den Verlauf des sensiblen Nerven — N. dorsalis penis s. clitoridis — annehmen. Die Entwickelung des M. urethralis in einen individuell selbständigen Muskel vollzieht sich bei beiden Geschlechtern nicht zu ein und derselben Zeit: beim männlichen Embryo erfolgt sie bedeutend früher, als beim weiblichen. Übrigens kann die Differenzierung dieses Muskels zur Zeit der Geburt zuweilen noch nicht vollendet sein. Je nach der Absonderung des oberen Teils des M. sphincter urogenitalis (beim weiblichen Embryo) in einen besonderen Muskel (M. urethralis) erlangt der untere Teil, welcher auf der lateralen Oberfläche des Bulbivestibuli liegen bleibt, eine selb- ständige Bedeutung als M. bulbocavernosus. Nach Massgabe der Entwickelung des M. urethralis in einen selbständigen Muskel, verlieren einzelne Teile desselben all- mählich ihren Zusammenhang mit dem Skelet und erlangen ein 28 J. POPOWSKY, mehr oder weniger stabiles Verhältnis zu der Fascia perinei oder sogar zu den Gefässwandungen (Plexus venosus Santorini). Ausserdem befördert neben diesem das zwischen dem genannten Muskel und den darunterliegenden Muskeln eindringende Plätt- chen der Fascia perinei die allmähliche Abteilung des M. ureth- ralis von den anderen Dammuskeln. Dieses Plättchen der Fascia perinei, welches den M. urethralis von unten bedeckt und sich am Schambogen fixiert, ist in der deskriptiven Anatomie unter dem Namen Ligamentum triangulare urethrae bekannt. Parallel mit der Entwicekelung des M. urethralis erlangt der sich von dem für den M. bulbocavernosus bestimmten Aste ablösende kleine Nervenzweig (Fig. 7, b), eine grössere Entwicke- lung und erwächst zu einem langen, sich dichotomisch ver zweigenden Nervenstrang, welcher für den M. urethralis be- stimmt ist (Fig. 9). Im Laufe des 6. Monats erlangt der M. levator an (Fig. 8) eine gewisse Beziehung zur Harnblase, Vorsteherdrüse. und Scheide. Die vorderen Bündel dieses Muskels, welche von der inneren Oberfläche des Schambeins zur Seite der Symphysis ossiunı pubis, zuweilen sogar von der Symphysis pubis selbst ihren Anfang nehmen, begeben sich nach hinten, begegnen dort der Basis der Harnblase, der Prostata und beim weiblichen Embryo der Scheide und umfassen dieselben von der Seite. Die fol- genden Bündel nehmen ihre Richtung zum vorderen Teil des Alters und versenken sich mit ihrem grösseren Teil in den M. sphincter ani externus. Die allerhintersten Muskelbündel jedoch vereinigen sich teils mit dem M. sphincter ani externus, teils gehen sie in einander über. Auf solche Weise erfolgt bereits verhältnismässig früh eine Vereinigung des M. levator ani mit dem M. sphincter ani ex- ternus. Bedeutend später, im Laufe des 7., 8. und 9 Monats des embryonalen Lebens gelangt der M. levator ani zu einer Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 29 Verbindung mit den übrigen Abkömmlingen des M. sphincter eloacae: dem M. urethralis, M. bulbocavernosus u. a. Die Pars iliaca des M. levator ani ist homolog dem M. iliocaudalis und die Pars pubica — dem M. pubocaudalis der Säugetiere. Am allerspätesten erfolgt die Entwickelung des M. trans- versus perinei (Fig. 9). Dieses findet statt zu Ende der embryonalen Lebensperiode oder zuweilen sogar erst nach der Geburt. Der M. transversus perinei stellt das Differenzierungsprodukt des M. bulbocavernosus dar. Man braucht sich nur vorzustellen, dass die accessorischen Bündel des M. bulbocavernosus, welche vom Sitzbein ihren Anfang nehmen, in der Nähe der Raphe bulbi eine Unterbrechung erleiden, indem sie durch Sehnen oder Bindegewebselemente ersetzt werden, um einzusehen, auf welche Weise die anfangs einheitliche Muskelschicht, welche sich zwischen dem Sitzbein und der Raphe hinzieht, in zwei funktionell verschiedene Teile zerfällt, von denen der laterale, zwischen dem Sitzbein und der Raphe belegene Teil den Charakter eines individuell selbständigen Muskels gewinnt — M. transversus perinei, während der mediale Teil, welcher wie zuvor auf dem Bulbus liegen bleibt, seine frühere Bedeutung beibehält — M. bulbocavernosus. Als ursächliches Moment der angeführten Differenzierung muss man, wie es scheint, die im Laufe der Zeit erfolgte grössere Entwickelung des Beckens ansehen, und als eine Folge- erscheinung die grössere Entfernung der Raphe vom Sitzbein. Die Muskelbündel, welche sich zwischen den angegebenen Punkten hinziehen, müssen natürlich anfangs auf rein passive Weise eine Ausdehnung erleiden und schiesslich sich teilen, da sie nicht imstande sind, Schritt vor Schritt der Vergrösserung der Entfernung zwischen den beiden Punkten zu folgen. 30 J.: POPOWSKY, Entsprechend der angegebenen Differenzierung des M. transversus perinei in einen morphologisch selbständigen Muskel erlangt der kleine Zweig (a), welcher sich von dem Nerven- ast abzweigt, der für den M. bulbocavernosus bestimmt ist, Selbständigkeit und erhält die Tendenz unmittelbar aus dem Hauptstamme des N. perinealis hervorzugehen, wie dieses Fig. 9 zeigt. Das späte ontogenetische Auftreten der Mm. transversi perinei entspricht vollkommen ihrer ebenso späten phylogenetischen Entwickelung. Bei den niederen Säugetieren sind sie, wie die Untersuchungen Paulets (33, pag. 144—180), Lesshafts (26, pag. 476, 482), Holls (15, 16), Eggelings (17) zeigen, nicht vorhanden. Sie erscheinen erst bei den Anthropoiden (Egge- ling, 17, pag. 577, 588). Bei den niederen Säugetieren werden diese Muskeln wahrscheinlich durch die accessorischen Bündel der Mm. bulbocavernosi ersetzt, die von dem Sitzbein ihren Anfang nehmen und von Cuvier (6, pag 235) unter dem Namen Min. ischiobulbosi beschrieben sind. Ich bin geneigt anzunehmen, dass die Mm. ischiobulbosi das Material bilden, aus welchem phylogenetisch die Mm. trans- versi perinei sich entwickeln. In solchem Falle würde zwischen der ontogenetischen und der phylogenetischen Entwickelung dieser Muskeln eine vollkommene Übereinstimmung existieren. Aber die Untersuchungen Eggelings zeigen, dass die Mm. ischiobulbosi im Tierreiche keine beständige Erscheinung bilden. Eggeling fand diese Muskeln nur bei einem (männlichen) Hunde und bei einem Lemur coronatus. Von Cuvier wurden dieselben nur bei Wiederkäuern geschildert. Ich erlaube mir, der Meinung Holls (16, pag. 64), dass die Mm. transversi perinei nicht dem M. sphincter cloacae an- eehören, sondern nur Teile der Mm. puborectalis, also einer Portion des M. levator ani sind, nicht beizupflichten. Die Daten der Ontogenese weisen ohne Zweifel darauf hin, dass die Mm. Zur Entwiekelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 3 transversi perinei ein Differenzierungsprodukt der Mm. bulbo- cavernosi darstellen, d. h. dass sie schliesslich Abkömmlinge des M. sphincter cloacae sind. Zu Gunsten dieser Ansicht spricht ausser anderen Daten das Prinzip der Innervation dieses Muskels durch die Zweige eines und desselben Nervs (N. pudendus). Wenn die Mm. transversi perinei dagegen Abkömmlinge des (M. levator ani (M. puborectalis) wären, so müssten sie ihre Innervation ebenso wie dieser letztere Muskel von den Nn. sacrales erhalten. Die vergleichend-anatomischen Daten Egge- lings weisen auch mit Augenscheinlichkeit darauf hin, dass die Mm. transversi perinei in genetischer Hinsicht zum M. sphincter cloacae gehören. Das späte Auftreten der Mm. transversi perinei in der Stufenleiter des Tierreichs ist, meiner Ansicht nach, abhängig von der verhältnismässig späten Annahme der aufrechten Körperhaltung. Zusammenfassung. Alles Dargelegte zusammenfassend, können wir nochmals konstatieren: 1. dass als Quelle, aus welcher die ganze Dammuskulatur ihren Anfang nimmt, der M. sphincter cloacae erscheint und dass folglich die von Prof. Gegenbaur ausgesprochene Idee von dem Ursprunge der Dammuskulatur des Menschen aus dem M. sphincter cloacae, vom Gesichtspunkte der Onto- genese ihre volle Bestätigung findet; 2. dass der M. sphincter cloacae, in Abhängigkeit von der Teilung der ursprünglich einfachen Öffnung der Cloace in zwei Öffnungen, ebenfalls in zwei Muskeln zerfällt: den M. sphincter ani externus und den M. sphincter urogenitalis. Der erstere wird im Laufe der Zeit nur sehr wenigen Veränderungen ausgesetzt, während der zweite im Gegenteil einer mannigfaltigen 32 J. POPOWSKY, Metamorphose unterzogen wird und im späteren Stadium, so zu sagen, als einziger Mutterboden dient, aus welchem die ganze übrige Dammuskulatur geschaffen wird; 3. als erster Muskel, welcher aus dem M. sphincter uro- genitalis hervorgeht, erscheint beim männlichen Embryo der M. bulbocavernosus. Als ursächliches Moment der Differen- zierung des ringförmigen Muskels in einen flachen muss man die Verwandlung des Urogenital-Sinus in die Harnröhre an- erkennen; 4. in einem späteren Stadium erscheint der M. ischio- cavernosus. Er entwickelt sich im Wege der Aberration der peripherischen lateralen Fasern des M. sphincter urogenitalis beim weiblichen Embryo (des M. bulbocavernosus beim männ- lichen), welche eine dauerhafte Befestigung mit dem Skelet (dem aufsteigenden Aste des Sitzbeins) erlangen und sich von hier aus nach oben und nach innen zur Rückseite der Clitoris oder des Penis wenden; 5. ein wenig später differenziert sich aus dem M. sphincter urogenitalis (M. bulbocavernosus) der M. urethralis, welcher den oberen tiefen Teil des M. sphincter darstellt, der sich von der Peripherie in die Tiefe zum membranösen Teil der Harn- röhre (beim männlichen Embryo) begiebt und seine Fixations- punkte am Schambogen, an der Fascie und den Gefässwandungen (Venen) findet; 6. und schliesslich der letzte Muskel, der sich aus dem M. bulbocavernosus differenziert, ist der M. transversus perinei. Er stellt den peripherischen, lateralen Teil des M. bulbocaver- nosus dar, der sich zwischen dem Sitzbein und der Raphe perinei erstreckt. Ferner haben wir gesehen, dass der Differenzierungsprozess der Dammnerven in engem Zusammenhange und in Abhängig- keit von der Umgestaltung der Dammuskulatur vor sich geht. In der That konnten wir diesen Prozess Schritt vor Schritt ver- Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 33 folgen: nach Massgabe der Entwickelung der Dammuskeln aus dem ursprünglichen M. sphincter cloacae erfolgt die Teilung des ursprünglich einheitlichen Nervs N. pudendus. Es wird derselbe nach Massgabe der Umbildung des M. sphincter cloacae in zwei funktionell verschiedene Muskeln: den M. sphincter ani externus und den M. sphincter urogenitalis, einer Teilung in zwei motorische Äste unterzogen — einen für den M. sphincter ani externus, und den anderen für den M. sphineter urogeni- talis (oder den M. bulbocavernosus). Nach Massgabe der Ab- sonderung des lateralen Teils des M. sphineter urogenitalis (oder M. bulbocavernosus) in einen funktionell selbständigen Muskel — den M. ischiocavernosus, erfolgt die Teilung des für den ersteren Muskel bestimmten Nervs in zwei Äste, von denen der eine wie zuvor den M. sphineter urogenitalis (oder den M. bulbocavernosus) und der andere den M. ischiocavernosus innerviert. Ferner erfolgt, nach Massgabe der Entwickelung des M. urethralis aus dem M. bulbocavernosus, eine abermalige Absonde- rung eines besonderen, zum M. urethralis verlaufenden Astes aus dem Nerven, welcher für den M. bulbocavernosus bestimmt ist. Und schliesslich erfolgt auch, nach Massgabe der Entwicke- lung des M. transversus perinei aus dem M. bulbocavernosus, die Entwickelung eines besonderen Nervenzweigs, der für den ersteren Muskel bestimmt ist. Wir haben gesehen, dass die Dammnerven im allgemeinen eine einfache diehotomische Anordnung ihrer Äste einhalten, was ohne Zweifel mit dem verhältnismässig einfachen und gleich- mässigen Verhalten der Dammuskulatur beim Embryo über- einstimmt. Übrigens gelang es mir bei einem neugeborenen Knaben auf Spuren von Anastomosen und sogar Geflechtsbildung zwischen den einzelnen Ästen des N. pudendus zu stossen, welche dadurch ein um so grösseres Interesse gewährten, als sie mit der Anatomische Hefte, I. Abteilung. XXXVIIT, Heft. Q2zBd., Er 1%) 3 34 J. POPOWSKY, zusammengesetzteren Anordnung der Muskulatur übereinstimm- ten. Die Besonderheit dieses Objekts bestand, ausser der Ab- sonderung einzelner Muskeln von einander, hauptsächlich noch im übrigen darin, dass hier ausser dem typischen M. transversus perinei (medius der Autoren) noch der M. transversus perinei superficialis (subeutaneus) existierte, der auf solche Weise ge- bildet ward, dass die subeutanen Bündel des M. sphincter ani externus, nachdem sie sich auf der mittleren Linie des Dammes gekreuzt hatten, sich fächerartig ausbreitend nach aussen zu den Sitzknorren ausdehnten. Mit dem komplizierteren Zustande der Muskulatur dieses Objekts kann man, meiner Ansicht nach, die Erscheinung der Anastomosen zwischen den einzelnen Ästen des N. pudendus in Verbindung bringen, wie dieses sich aus dem weiter unten angeführten thatsächlichen Zustande des N. pudendus erklärt. M. levator ani. Parallel mit der Entwickelung der oben erwähnten Muskeln entwickelt sich beim Embryo ein Muskel, den man gewöhnlich auch zu den Dammuskeln gehörig zu rechnen pflegt, der aber vom Gesichtspunkte der Ontogenese aus eine ganz andere mor- phologische Bedeutung hat, als die Dammuskeln. Er erscheint in seinem Verhalten zu den letzteren als ein ganz heterogener Muskel, welcher erst im Laufe der Zeit zu ihnen in eine gewisse Beziehung tritt. Das ist der M. levator ani. Er stellt das Differenzierungsprodukt des M. coceygeus dar. Aus ihm hervor- tretend, begiebt er sich mit seinen Bündeln zur Seiten- und Vorderwand der kleinen Beckenhöhle, und nachdem er dort mit dem Skelet in feste Verbindung getreten, aberriert er in radial zusammenlaufenden Fasern zum Mastdarm, zur Harnblase, zur Prostata und zur Scheide. Indem er zu diesen Organen nieder- steigt und unterwegs den einzelnen Teilen des ursprünglichen M. sphincter cloacae, und zwar am After den Bündeln des M. Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 35 sphincter ani externus, bei der Prostata und der Harnblase den Bündeln des M. urethralis und bei der Scheide den Bündeln des M. bulbocavernosus, begegnet, tritt er zu ihnen in eine gewisse Beziehung — in eine mehr oder weniger ausgesprochene Ver- bindung. Aber diese Verbindung ist keine genetische, sondern eine erworbene; sie stellt eine sekundäre Erscheinung dar. Zu Gunsten eines solchen Entwickelungsganges spricht ausser den Daten der Embryologie auch das Prinzip der Innervation: der M. levator ani wird aus einer ganz anderen Quelle innerviert, als die Dammuskeln; dazu dienen, wie auch zur Innervation des M. coceygeus, die Zweige des 4. Kreuznerven. Die neuesten Daten der vergleichenden Anatomie (Koll- mann, 20, Holl, 15, 16, Lartscheider*) bestätigen ebenfalls in glänzender Weise die Idee Gegenbaurs, dass der M. leva- tor ani in genetischer Hinsicht zum M. coceygeus gehört, also eigentlich einen Schwanzmuskel darstellt. Verbreitungsart des N. pudendus bei Neugeborenen. Die Fig. 9. zeigt, dass der N. pudendus sogleich beim Austritt aus der Beckenhöhle einen feinen Ast (o) abgiebt, der, sich dichotomisch verzweigend, nach hinten verläuft und in der Haut der Gesässregion endet. Als folgender Ast, der sich vom Stamme des N. pudendus absondert, erscheint der N. haemor- rhoidalis inferior (1), welcher sich bald nach seinem Aus- tritt in zwei Zweige teilt, von denen der hintere, sich dieho- tomisch sondernd, die hintere Peripherie des M. sphincter ani externus erreicht, während der vordere Zweig bei ähnlicher dichotomischer Teilung hauptsächlich bis zum mittleren Teil des genannten Muskels gelangt. !) Die Arbeit Lartscheiders: „Die Steissbeinmuskeln des Menschen und ihre Beziehungen zum M. levator ani* habe ich nicht erlangen können. 3*+ 36 J. POPOWSKY, Ferner geht vom N. pudendus der N. dorsalis penis (2) aus, welcher zur Seite des aufsteigenden Astes des Sitzbeines und des herabsteigenden Astes des Schambeines nach vorn unter!) dem M. transversus perinei (medius), dann zwischen dem M. ischiocavernosus und dem M. bulbocavernosus verläuft und schliesslich die Rückseite des männlichen Gliedes erreicht, in- dem er zwischen der unteren Oberfläche des M. urethralis und der Seitenoberfläche des M. bulbocavernosus hindurchgeht. Dass der N. dorsalis penis in seinem Verlaufe zur Rückseite des Penis irgend welche Äste abgiebt, davon konnte ich mich nicht überzeugen. Nach der Absonderung der oben bezeichneten Nerven erhält der übrige Teil des N. pudendus die Bezeichnung N. perinealis (3). Als erster Nerv, welcher vom N. perinealis ausgeht, erscheint ein Nerv, der für den M. ischiocaver- nosus (4) bestimmt ist. Nachdem er sich von der lateralen Peri- pherie des N. perinealis abgeteilt hat, nimmt er seine Richtung nach vorn und nach aussen, geht oberflächlich über den M. transversus perinei (medius) und zerfällt in 4—5 kleine Zweige, welche sich sogleich in den Anfang des M. ischiocarvernosus versenken. Bei seinem Verlaufe über den M. transversus perinei (medius) entsendet er unter rechtem Winkel einen langen Zweig (5), welcher sich dichotomisch teilt und zu dem Lateral- teil des M. bulbocavernosus, sowie zum M. urethralis (u) ver- läuft. Die gemeinsame Innervation dieser beiden Muskeln durch einen und denselben Nervenzweig zeigt ausser anderen Daten ohne Zweifel ihre genetische Verwandtschaft mit einander. Wir haben ja oben gesehen, dass man den M. urethralis für einen Abkömmling des M. bulbocavernosus annehmen muss. Ferner teilt sich von der medialen Peripherie des N. peri- nealis ein Nerv (6) ab, welcher unter dichotomischer Verzwei- 1) Bei der Untersuchung des Dammpräparats von unten, Zur Entwiekelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 37 eung bis zum subeutan belegenen vorderen Teil des M. sphincter ani externus und bis zum M. transversus perinei subeutaneus der entgegengesetzten Seite heranreicht. Auch hier kann das Prinzip der Innervation als Stütze der Ansicht dienen, dass der M. tranversus perinei subeutaneus als Abkömmling der subeutan belegenen Bündel des M. sphincter ani externus, welche in querer Richtung zur Region des Tuber ischii abirren, anzu- sehen ist. Sodann teilt sich vom N. perinealis der N. scerotalis posterior (7) ab, dessen Verlauf und Verzweigung der grös- seren Deutlichkeit halber auf einer besonderen Zeichnung (Fig. 10) dargestellt sind. Dieser Nerv verläuft oberflächlich, in der subeutanen Zellenhaut sich befindend, nach vorn und leicht nach innen und teilt sich, ohne den Bulbus urethrae zu er- reichen, in zwei Nerven (a und b), die mit einander durch eme Anastomose verbunden sind, von welcher nach hinten zum Nerv a ein feiner Verbindungsfaden ausgeht, infolge dessen sich im Verlaufe des N. scrotalis posterior zwischen seinen beiden Zweigen zwei Nervenschlingen bilden, die vordere von drei- eckiger Form, und die hintere von unregelmässig viereckiger Form. Ferner teilt sich der Nerv a in zwei Zweige, einen lateralen () und einen medialen (m), von denen der letztere seinerseits durch eine Anastomose mit der dreieckigen Nervenschlinge ver- bunden ist. Der laterale Zweig, welcher sich diehotomisch ver- ästelt, begiebt sich zur Haut des Hodensackes und der mediale Zweig zur Haut der Pars bulbosa. Was den Nerv b anbetrifft, so begiebt er sich, nachdem er zwei feine, quer zur Haut der mittleren Region des Damms verlaufende Zweige abgegeben, zum Bulbus urethrae und teilt sich nach der Vereinigung mit einem der Äste (n), in welche der N. perinealis zerfällt, in drei Zweige, die, sich diehotomisch teilend. in der Haut der Pars bulbosa endigen. Be ) I. POPOWSKY, Der N. perinealis (8) teilt sich, nachdem er drei feine kleine Zweige zum M. transversus perinei medius abgegeben, in zwei Äste, den hinteren und den vorderen. Der hintere Ast teilt sich dichotomisch und endet in den Muskeln der Region der Raphe perinei und der vordere Ast teilt sich in zwei Nerven, den vorderen (n) und den hinteren (p), welche durch zwei quer verlaufende Anastomosen mit einander verbunden sind. Da von diesen Anastomosen Verbindungsfäden zu beiden Nerven ausgehen, so bilden sich zwischen ihnen vier Nervenschlingen: „wei kleinere dreieckige und zwei grosse von unregelmässig vier- eckiger Form. Ausserdem befindet sich noch im Verlaufe des vorderen Nerven eine länglich ausgestreckte Nervenschlinge von ovaler Form. Der hintere Nerv (p) endet, sich dichotomisch verzweigend, in den Muskeln, die in der Nähe der Raphe perinei belegen sind. Der vordere Nerv (n) aber geht durch die ober- flächlichen Bündel des M. transversus perinei (medius) und ver- senkt sich vollständig in den hinteren Zweig (b) des N. scrotalis posterior (Fig. 10). Ferner nimmt ein Nerv (ec) vom Vereinigungs- punkt der vorderen viereckigen mit der dreieckigen Schlinge seinen Anfang und verläuft zur hinteren Abteilung des M. bulbocavernosus. Variationen der Dammuskulatur beim Menschen. Nachdem wir in solcher Weise in allgemeinen Zügen die Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim menschlichen Embryo dargestellt haben, können wir auf Grund der ange- führten Daten, sowie derjenigen der vergleichenden Anatomie, nunmehr die Genese einiger Variationen der Dammuskeln beim Menschen zu erklären versuchen. M. urethralis. Wenn der untere Teil des M. urethralis in ein beson- deres Muskelbündel abgeteilt wird, welches, von der inneren Oberfläche des aufsteigenden Astes des Sitzbeines seinen Anfang Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 39 nehmend, quer zum Bulbus urethrae übergeht, wo er sich be- festigt, so haben wir einen anormalen Muskel vor uns, der von Santorini (43) unter dem Namen „M. ejaculatur novus Ss. ele- ator urethrae“ beschrieben worden ist. Wenn der obere Teil des M. urethralis, welcher von dem absteigenden Aste des Schambeines beginnt, mehr oder weniger vollständig von seinem unteren Teile getrennt wird, der von dem aufsteigenden Aste des Sitzbeines entspringt, wobei beide Teile aus quer zur Prostata sich hinziehenden Bündeln bestehen, so haben wir die Mm. prostatiei superior et inferior Winslows (52) oder die Mm. transversi prostatae W alters (50), Günthers (11) vor uns. Wenn der obere Teil des M. urethralis sich als mehr oder weniger selbständiges Muskelbündel von dreieckiger Form ab- teilt, welches mit einer rundlichen Sehne von der inneren Seite der Symphysis ossium pubis beginnend, sich nach hinten be- giebt, von der Seite die Pars membranacea urethrae umfasst und sich unter ihr mittelst einer Sehne mit dem Muskelbündel der entgegengesetzten Seite vereinigt, so haben wir den M. Wil- sonii (öl) vor uns. Wenn aber dasselbe obere Bündel des M. urethralis, nach- dem es seine Verbindung mit dem Skelet gelöst hat, aus der Faseie und aus den Wänden des Plexus venosus Santorini ent- springt, die Pars membranacea urethrae umgiebt und auf der oberen Fortsetzung des Septum perineale endet, so haben wir den M. constrietor urethrae membranaceae im Sinne Less- hafts (25) vor uns. Wenn der untere Teil des M. urethralis, welcher den Scham- beinwinkel einnimmt, sich mehr oder weniger vollständig vom oberen Teil absondert, der um den membranösen Teil der Harn- röhre belegen ist, so haben wir den M. transversus perinei pro- undus des Autoren vor uns. In diesem Falle giebt man dem 40 J. POPOWSKY, oberflächlich belegenen M. transversus perinei die Benennung Superficialis. Wenn im letzteren Falle der übrige obere Teil des M. urethralis sich als aus ringförmig um die Pars ınembranacea urethrae belegenen Fasern bestehend darstellt, die an den Wänden des Plexus venosus befestigt sind, so haben wir den M. orbi- cularis urethrae Jarjavays (18) vor uns. Wenn in letzterem Falle der übrigbleibende obere Teil des M. urethralis als aus drei Schichten bestehend erscheint, einer oberen (Stratum superius), welche quer über der Pars membra- nacea urethrae zwischen den Ligamenta prostatica belegen ist, einer unteren Schicht (Stratum inferius), die sich unter ihr be- findet, und einer mittleren Schicht (Stratum internum circulare), welche aus rund um die Pars membranacea belegenen Fasern besteht, so haben wir den M. constrietor isthmi urethralis im Sinne J. Müllers (31) vor uns. Wenn der obere Teil des M. urethralis sich in ein mehr oder weniger selbständiges, quer über den membranösen Teil der Harnröhre verlaufendes Muskelbündel absondert, welches an den herabsteigenden Ästen des Schambeines befestigt ist, so haben wir den M. transversus urethrae Lesshafts (25) vor uns. Wenn beim Weibe der hintere, untere Teil des M. urethralis, der aus quer sich hinziehenden, an der inneren Oberfläche der absteigenden Äste des Schambogens befestigten Fasern besteht, in ein mehr oder weniger selbständiges Bündel abgeteilt wird, welches eine feste Verbindung mit der vorderen Wand der Scheide erlangt, so haben wir den M. transversus vaginae Less- hafts (26) vor uns. Ich beschränke mich auf die Anführung der hervorragen- deren Variationen des M. urethralis. Alle diese Variationen tragen unzweifelhaft einen progressiven Charakter an sich, da sie einer ferneren Differenzierung des M. urethralis zustreben, als deren Resultat die Absonderung seiner einzelnen Muskel- Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 41 bündol in einen mehr oder weniger selbständigen Muskel erfolgen kann, welcher eine sowohl in morphologischer als auch in funktio- neller Hinsicht eigene Individualität gewinnt. Nach Gegen- baur: „Die Variabilität und Inkonstanz der Bildungen des M. urethralis sind der Ausdruck ihrer sekundären Bedeutung.“ M. bulbocavernosus. Im Vordergrunde steht als Anomalie die Erscheinung eines accessorischen Bündels des M. bulbocavernosus — M. ischio- bulbosus CGuviers. Bereits Santorini, Winslow, Arnold, Kohlrausch, Richet, Theile, Lesshaft u. a. haben diese Variation beim Manne und Bourgery, Kobelt, Rosenmüller, Luschka, Lesshaft beim Weibe beschrieben. Sie besteht darin, dass von der inneren Oberfläche des Tuber ischii oder vom aul- steigenden Aste des Sitzbeins ein Muskelbündel seinen Anfang nimmt, welches sich nach innen und nach vorn zum Buibus ure- thrae begiebt. Nachdem es den Bulbus erreicht hat, befestigt sich ein Teil der Fasern dieses Bündels an der Seitenfläche des Bulbus, der andere Teil aber endet nach inniger Verbindung mit dem M. bulbocavernosus auf der Raphe bulbi. Dieses accessorische Muskelbündel kann gleichzeitig mit dem M. trans- versus perinei existieren; in solchem Falle ist es in einer und derselben Fläche mit dem letzteren Muskel belegen, unterscheidet sich aber von ihm dadurch, dass es, wie gesagt, auf der Raphe bulbi endet, während der M. transversus perinei seinen Endpunkt auf der Raphe perinei findet. Diese Variation trägt unzweifelhaft einen primitiven Cha- rakter an sich, da sie sowohl vom Gesichtspunkte der Ontogenese, wie der Phylogenese einen ursprünglichen Zustand wiedererzeugt. Eine ganz andere Bedeutung hat eine andere Variation des M. bulbocavernosus, welcher beim Weibe angetroffen wird. 43 J. POPOWSKY, Wenn der allerunterste Teil des M. bulbocavernosus, welcher um den Eingang zur Scheide belegen ist, sich mehr oder weniger vollständig von seinem übrigen Teil absondert, der auf den Bulbi vestibuli belegen ist, so haben wir den M. sphincter vaginae Lesshafts (26) vor uns. Dabei hat der Umstand, ob nun bogenförmige, an der Commissura labiorum posterior von der einen Seite der Scheide zur anderen übergehende Bündel exi- stieren, wie dieses einige Autoren annehmen, oder ob sie nicht vorhanden sind. wie andere behaupten, durchaus eine unter- geordnete morphologische Bedeutung. M. transversus perinei subcutaneus. Folgende Variation, welche eın grosses Interesse erregt, besteht in der Erscheinung eines überkompletten Muskels, des M. transversus perinei subcutaneus. Eine solche Bezeichnung pflegt man gewöhnlich den oberflächlich in der Fettzellenhaut belegenen Muskelbündeln zu geben, welche in den meisten Fällen den vorderen Teil des Afters in querer Richtung durch- laufen und bis zum Tuber ischii oder sogar zuweilen noch weiter nach aussen reichen. Man muss sie für verirrte subeutane vordere Bündel des M. sphincter ani externus halten. Ihre Zugehörigkeit zu letzterem Muskel wird einerseits durch die stets zwischen ihnen vorhandene Verbindung, andererseits durch das Prinzip der Innervation erwiesen: der M. transversus perinei subeutaneus erhält motorische Zweige von dem Nerven, welcher für die vorderen subcutanen Bündel des M sphincter anı externus bestimmt ist, wie dieses Fig. 9 zeigt. M. levator ani. Wenn das vorderste Bündel des M. levator ani, welches von der hinteren Oberfläche des herabsteigenden Astes des Scham- beins ca. 1 cm nach aussen von der Symphysis ossium pubis Zur Entwickelungsgeschichte der Dammuskulatur beim Menschen. 43 seinen Anfang nimmt, nach unten und rückwärts zur Seitenwand der Harnröhre verläuft und hinter der Pars membranacea ure- thrae mit den lateralen Seitenrändern des Stratum transversum des M. urethralis in Verbindung steht, so haben wir den M. levator urethrae W. Krauses (22) vor uns. Wenn die vorderen Bündel des M. levator ani eine sehr innige, untrennbare Verbindung mit dem M. urethralis eingehen, sodass es scheint, als ob beide Muskeln zum membranösen Teil der Harnröhre gehören — eine Variation, die freilich sehr selten vorkommt — so haben wir den M. transversus perinei profundus, als Pars urethralis des Afterhebers Luschkas (28) vor uns. Wenn die vorderen Bündel des M. levator ani durch eine besonders grosse Entwickelung vor den anderen hervorragen und beim Herabsteigen die Prostata umfassen, so haben wir den M. compressor prostatae Sömmerings vor uns. Auf ganz gleiche Weise kann man sich auch das Entstehen einiger anderer Variationen des M. levator ani erklären, wie z. B den M. levator prostatae Santorinis (43), den M. trans- versus prostatae Weber-Hildebrandts u. a. Alle diese Variationen entstehen infolge der Verbindung des M. levator ani mit verschiedenen Teilen des ursprünglichen M. sphincter eloacae. Diese Verbindung muss man nicht als eine primäre, sondern als eine sekundäre, erworbene Erscheinung ansehen. Tomsk, Januar 1899. Litteraturverzeichnis. Arnold, Handbuch der Anatomie. Ba. ll. 1850. . Bell, Ch., The anatomy and physiology of the human body, 7 edit. Vol. I. London 1829. Behrend, Beschreibung und Abbildung des M. compressor urethrae. Leipzig 1836. . Cadiat, Du developpement du canal de l’urethre. Journal de l’anatomie et de la physiologie. 1884. — — Etude sur les museles du perinee. Journal de l’anatomie et de la physiologie. 1877. . Cuvier, Lecons d’anatomie comparee. T. 8, Il edit. Paris 1846. Demarquay, Recherches anatomiques sur les muscles, qui entourent la portion membraneuse, Canstatts Jahresbericht für das Jahr 1249. . Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 4. Aufl. Bd. 11. 1890. . Gosselin, Archives generales de medeeine. 4 Serie. T. XXI, . @uthrie, On the anatomy and diseases of the neck, of the bladder and of the urethra. London 1334. 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Männlicher Embryo von 4 Monaten. Dargestellt sind: der M. sphincter ani externus, der M. bulbocavernosus und die Verbreitungsart des N. pudendus. Fig. 4. Weiblicher Embryo von 4-5 Monaten. Dargestellt sind: der M. sphincter ani externus, der M. sphincter sinus urogenitalis, der M. ischio- cavernosus und die Verbreitungsart des N. pudendus. Fig. 5. Männlicher Embryo von 4 Monaten. Ansicht der kleinen Becken- höhle von der Seite. Dargestellt sind: der M. coceygeus, der M. levator ani und ein Nervenast, welcher vom 4. Kreuznerven ausgeht und beide Muskeln versorgt. Fig. 6. Männlicher Embryo von 5 Monaten. Dargestellt sind: der M. sphincter ani externus, der M. bulbocavernosus mit seinem accessorischen Muskelbündel, der M. ischiocavernosus und die Verbreitungsart des N. pudendus. A — Nervenzweig für das accessorische Muskelbündel des M. bulbocavernosus, b — Nervenzweig für den M. uretbralis. Fig. 7. Weiblicher Embryo von 6 Monaten. Dargestellt sind: der M. sphineter ani externus, der M. bulbocavernosus mit seinem accessorischen Muskelbündel, der M. ischiocavernosus und die Verbreitungsart des N. puden- dus. A — Nervenzweig für den accessorischen Muskelbündel des M. bulbo- cavernosus, b — Nervenzweig für den M. urethralis. Fig. 8. Weiblicher Embryo von 6 Monaten. Ansicht der kleinen Becken- höhle von der Seite. Dargestellt sınd: der M. coccygeus, der M. levator ani 48 Erklärung der Abbildungen. und ein Nervenast, welcher vom 4. Kreuznerven ausgeht und beide Muskeln versorgt. Fig. 9. Neugeborener Knabe. (9mal vergrössert). Dargestellt sind: die Muskeln des Damms und die Verbreitungsart des N. pudendus. O — sensibler Nervenast für die Gesässiegion, 1 = der N. haemorhoidalis inferior, 2 — der N. dorsalis penis, 3 — der N. perinealis, 4 — der Nerv für den M. ischio- cavernosus, 5 = der Nerv für den Lateralteil des M. bulbocavernosus und für den M. urethralis, 6 — der Nerv für den vorderen Teil des M. sphincter ani externus und den M. transversus perinei subeutaneus, 7 — der N. scrotalis posterior, 8 — der N. perinealis, n — der vordere Ast des N. perinealis, p = der hintere Ast des N. perinealis, k — der Nerv für den hinteren Teil des M. bulbocavernosus. Fig. 10. Neugeborener Knabe. B = der Bulbus urethrae. Vorzweigungs- art des N. serotalis posteriori: 7 = der N. scrotalis posterior, a = un! b = seine Äste, | — lateraler Zweig des Astes a, m — medialer Zweig des Astes a, n = ein Ast des N. perinealis. (AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT ZU GÖTTINGEN.) BEITRAG ZUR ENTWICKELUNG DER DARMSCHLEIMHAUT. VON JULIUS VOIGT, GÖTTINGEN. Mit 12 Figuren auf den Tafeln IV/ VII. Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XXXVIII Heft (12. Bd., H. 1.) 4 Te > a De Een aan ee AA . nz Bi „harny ARD, Falten‘ . ” B ’ _ r L D 5 j k ik iu # A 45 = . ’# B - Y [ . N = f . / i R u j 2. 5° Y ny N j y . == MN .% Far ö FR Pe | n N a an en se i f B \ u R . EN " . i i y 36 De i } & + Den -B ur | an 0 x 5 rK , ER ANHIEB Per di Bere j i A u > Pag be) iv Fr Pi 1 BL ß A He h re 5 TB, u | u i BF Seit dem Ende des Jahres 1882 ist über die Entwickelung der Darmwand, ihrer Zotten und Drüsen eine spezielle Unter- suchung nicht mehr gemacht worden. In Bezug auf diese Ver- hältnisse ist man also auf die keineswegs übereinstimmenden Bemerkungen der embryologischen Lehrbücher angewiesen. Auf Veranlassung von Herrn Professor Merkel übernahm ich es daher, den Gegenstand von neuem mit Zuhüifenahme der modernen Methoden zu untersuchen. Was zuerst die Litteratur anlangt, so gehen die ersten ge- naueren Angaben auf Köllikers Entwickelungsgeschichte l. Aufl. (1) zurück. Er beschreibt dort, dass die Lieberkühn- schen Drüsen von Anfang an als hohle Ausstülpungen des Epithels auftreten. Die Darmzotten erscheinen auf der erst glatten Schleimhautfläche anfangs als warzenförmige, später als cylindrische Auswüchse der Faserhaut, die das Epithel vortreiben. Die transitorischen Zotten der Dickdarmschleimhaut erkannte Kölliker schon damals und nahm an, dass sie im weiteren von der Basis aus um die Drüsenenden miteinander verschmelzen, wodurch sie schliesslich verschwinden. Über die Entstehung der Drüsen selbst gelang es ihm im übrigen nicht, Sicheres zu eruieren. Die erste speziell auf den Bau der Darmwand gerichtete Untersuchung von Barth (1868) (2) ging aus dem Wiener physiologischen Institut hervor. Barth befindet sich bezüglich der Entstehung der Zotten in Einklang mit Kölliker, was aber die Lieberkühnschen Drüsen betrifft, so kommt er zu der 4* 52 JULIUS VOIGT, Ansicht, dass sie nicht als Ausstülpungen des Epithels entstehen, sondern in der Weise, dass die unter dem Epithel liegende mesodermale Schicht ebenso, wie bei der Bildung der Zotten nach innen wuchert und das Darmdrüsenblatt aufhebt. Die Wülste der „Darmplatte“ (so nennt er nach Schenk die Anlage der mesodermalen Darmwand) sind netzförmig mit einander ver- bunden und treiben das Epithel vor sich her. Diese Vorgänge spielen sich im Diekdarm wie im Dünndarm ganz in gleicher Weise ab. Die Darstellung von Barth veranlasste Kölliker, der Frage von neuem näher zu treten, und so entstand die in seinem In- stitut ausgeführte Arbeit von Brand (1877) (). Dieser Unter- sucher kommt zu dem gleichen Resultat, wie Barth; er sagt, dass sich im Dickdarm Scheidewände zwischen den einzelnen Papillen vom Grunde aus heranbilden, wodurch allmählich zwischen den Papillen Drüsen formiert werden. Im Dünndarm sollen die Zotten, die sich von der Basis aus verdicken, sich schliesslich berühren, mit einander verschmelzen und so Scheidewände bilden, welche röhrenförmige Hohlräume — die Lieberkühnschen Drüsen — umschliessen. Das Epithel desDarmrohres ist nach seiner Darstellung vor Beginn der Umformungen mehrschichtig; es wird erst über den Zotten, dann auch auf der übrigen Fläche ein- schichtig. Dieser Beschreibung entspricht nun auch vollständig die Darstellung, welche Kölliker in der zweiten Auflage seiner Entwickelungsgeschichte (1879) (4) und in dem daran an- schliessenden Grundriss (2. Aufl.) (5) giebt. Sie ist aus diesem wörtlich in die Neubearbeitung von O. Schulze (6) übergegangen, wo man $. 369 die Angabe findet, dass das Epithel des Darm- rohres zuerst ein Pflasterepithel, dann ein einfaches, weiter ein mehrschichtiges Cylinderepithel sei, aus welch letzterem endlich die bleibenden Zustände hervorgehen. Papillen und Zotten sind einfache Wucherungen der Mucosa und des Epithels. Ausserdem Anatom. Hefte I. Abteilung Heft 38 (12. Bd. H. 1). TAFEL IV. Bug. A. Lichtdruck der Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., München Verlag von ]J. F. Bergmann, Wiesbaden. S . RS u , . jr EREN DR KL TZR RR. Un 7 ra Nr rl en FE 2 h iR Pe | Er j ? Yz“ Zu ä » a ı 2 BiTEe 1 u Ve _ NEAR AN reiten TIERFE Ver, Pr. . k D EN, BE x 4 LET R ei %“ ars 5 AR ae } y L) » , ‘ we i u } b » An ’ HR Fr wrez j LI ü dr \ Au .. 4 SESDRT N y j Sal ; > 7% u Aur y K su . DT j a Fer ME u am y 5 en ei ee | ü fe Dt 4 d ee j IS m ( BR « 2 ’ a MR vs E y2 1 ei MRS in 2 EL s FIR | | | 5 Fr ® ‘ » 5 i N j = £ re - y Er " dee i ’ j] x " Er b > | en | N D:2 u in r u - or . > ar i . | ” f 4 « . AR | ‘ a ü | 5 # F h ® y j AL L D. Br, ,® - | nr. F b | &@ u - 5 u k y | » i . j Aullın | . z \ j [a ; Pa 1-1 Zu F . . ’ & ai > . I nd h 26 g ..,,es% 3 u In Bin N % B SA ET > ‚ rn Ir ui u | i u = N Et Pe PR = ae Fe ii a 4 ; + u u 2 . ER n & j g; PR2ZE La Na! nt er e 5 * or \ h = a ö Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. 53 giebt es noch vorübergehende Wucherungen der Mucosa, „die im Magen und Dickdarm im Zusammenhang mit.der Bildungder Drüsen auftreten und zur Entstehung von vergänglichen Zotten führen, die anfangs täuschend denen des Dünndarms und des Pylorus- teils des Magens gleichen. Im weiteren Verlauf vereinigen sich jedoch allmählich die Basalteile dieser Zotten der Faserhaut durch niedrige Fältchen, sodass kleine Grübchen entstehen, von denen jedes eine hohle Ausbuchtung des Epithels oder ein Drüsenende aufnimmt. Später erheben sich diese Verbindungsfältchen oder Leistehen immer mehr und erreichen die halbe Höhe der Zotten, sodass nun die Oberfläche der Faserhaut wie eine Bienenwabe aussieht, von deren Zellenwänden fadenförmige Fortsätze aus- gehen würden. Zuletzt endlich gelangen die Verbindungsfalten bis zur Spitze der Zotten, und es nimmt dann mit dem Ver- schwinden der letzteren die gesamte Schleimhautoberfläche das Aussehen einer Bienenwabe an, in deren Fächern die nun- mehr vollständig angelegten Drüsen stecken“. Im Dünndarm ist die Sache ähnlich, „mit dem Unterschiede jedoch, dass in den Vertiefungen zwischen den Zotten die Faserlage der Mucosa von Anfang an netzförmig verbundene Falten liefert, und das Epithel von Hause aus in die so entstehenden Grübchen kurze Hohl- sprossen hineintreibt“. Ob dann Grübchen und Epithelsprossen mit einander weiter wachsen, oder ob in der Folge epitheliale Schläuche in die Tiefe wuchern, bleibt unentschieden. Patzelt, ein Schüler von Toldt, widmet 1882 (7) der Frage eine ausführlichere Arbeit, als es bis dabin geschehen war; er untersucht nur die Dickdarmschleimhaut. Nach seiner Be- schreibung zeigt sich das Epithel zuerst von ungleicher Dicke; die dickeren Stellen entsprechen kleinen Höckerchen, die aus- schliesslich aus hohen Epithelzellen bestehen, den Anlagen der späteren Zotten. Dazwischen stehen, in Nestern angeordnet, kurze, breite Epithelzellen mit grundständigen Kernen, erste Anlage der Lieberkühnschen Drüsen. Zotten- und Drüsenanlagen „54 JULIUS VOIGT, sind also vorhanden, ehe im Mesoderm irgend welche Ausstül- pungen oder Einbuchtungen zu bemerken sind. — „Die Zellen der Drüsenanlagen sind Abkömmlinge resp. Reste des primor- dialen Darmepithels; durch massenhafte in ihnen stattfindende Zellvermehrung wird eine grosse Menge Cylinderzellen geschaffen, welche von allen Seiten her in die Höckerchen zusammengedrängt werden.‘ — „Bei Beginn der eigentlichen Zottenbildung haben die Oylinderzellen die Anlagen der Lieberkühnschen Krypten über- wuchert, sodass diese in kleinen Vertiefungen zwischen ihnen liegen.“ — „Die Epithelhöcker verschwinden, indem sie durch das Wuchern des Bindegewebes zur Bedeckung verbraucht werden.“ — „Zwischen den Zotten erheben sich Bindegewebs- fältchen, welche das Epithel aufheben; die Zotten sind auch dabei beteiligt — rautenförmige Querschnitte, die unter einander verbunden sind —, sodass die Lieberkühnschen Krypten durch Erhebung der Wände, nicht oder doch kaum durch Tiefen- wachstum entstehen“. Ebenso wie die Angaben über die Ent- stehung der Zotten und Drüsen sind auch diejenigen über die Entstehung der Becherzellen, des Basalsaums und der Musku- latur genauer, als bis dahin. — Von den Verfassern neuester Lehrbücher spricht sich Minot(8) wenig klar aus, indem er sagt: „They (die Drüsen) are hollow outgrowths of the entoderm (Barth, Patzelt) extending in the mesoderm.‘“ — Barth und Patzelt sind ja, wie oben aus- geführt, gerade Gegner einer ‚solchen Entstehung der Drüsen. Kollmann (1898) (9) sagt, dass das anfangs kubische Epithel des Darmrohres nachher zu einem einfachen Cylinderepithel und dann zu einem geschichteten würde, aus welchem sich endlich die bleibenden Zustände entwickelten. Die Zotten des Dünndarms sieht er als Wucherungen der Mucosa an, die vom Epithel über- kleidet werden. „Die Drüsen entstehen zwischen den Zotten dadurch, dass das Epithel kurze Hohlsprossen in die Tiefe der Mucosa treibt.‘ Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. 58 ot Aus vorstehender kurzer Übersicht erhellt, dass die Frage nach der Entwickelung der Darmschleimhaut noch nicht in ihrem ganzen Umfang klar beantwortet ist, und besonders in Bezug auf die Entstehung der Lieberkühnschen Krypten und ihr Verhältniss zu den Zotten stehen sich drei Ansichten gegenüber: I. Die Lieberkühnschen Krypten entstehen allein durch Hohlsprossen (Kölliker 1. Aufl, Kollmann). II.. Sie entstehen durch Hohlsprossen unter Beteiligung der Zotten, mögen es nun bleibende oder transitorische sein (0. Schulze, Minot). III. Sie entstehen ausschliesslich durch Verbindung eben jener Zotten ganz resp. bis zu einer bestimmten Höhe durch Zwischenwände (Brand, Patzelt). Zu meiner Arbeit habe ich trotz der von Patzelt aus- gesprochenen Bedenken ausschliesslich Schweins- Embryonen benutzt, weil von diesen am besten eine ganze Reihe verschiedener Stadien zu bekommen war. Die Embryonen wurden zumeist lebendwarm in vorgewärmte Zenkersche Flüssigkeit eingelegt, die grösseren Stücke mit geöffneter Bauchhöhle, und so konser- viert. Nachdem sie dann mit Jodalkohol ausgezogen waren, wurde der Darm sorgfältig in steigendem Alkohol gehärtet. Teile des Darms, von den kleineren Embryonen der ganze Darm, wurden weiterhin in Paraffin eingebettet und so geschnitten. Die Schnitte wurden mit Fiweissglycerin aufgeklebt und auf dem Objektträger gefärbt. Zur Schnittfärbung benutzte ich meist Hämatoxylin-Eosin. Als besonders geeignet zur Sichtbar- machung der Becherzellen erwies sich eine Doppelfärbung von Boehmerschem Hämatoxylin und Bismarckbraun (aus der Fabrik von Casella, Frankfurt), 3 Bismarckbraun, 50 Wasser, 50 Glycerin. Es wurde 1 Stunde in Hämatoxylin gefärbt, dann in destilliertem Wasser abgespült und darauf 1 Stunde in Bis- marckbraun gefärbt. Nach kurzem Ausziehen mit Salzsäure- alkohol und Abspülen in Wasser wurden die Präparate möglichst 56 JULIUS VOIGT, rasch in Alkohol entwässert, da sonst das Bismarckbraun aus- gezogen wird. Schliesslich wurden die Schnitte in Origanonöl aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen. — Gute Färbungen der Becherzellen hat mir auch Boehmersches Hämatoxylin allein bei 24stündiger Einwirkung ergeben, was bereits von andern Beobachtern konstatiert werden konnte. Ein Hauptgewicht wurde bei der Untersuchung auf die An- fertigung von Rekonstruktionen gelegt, welche noch von keinem Untersucher hergestellt worden waren; gerade sie aber versprachen eine klarere Orientierung, als jede Schnittbetrachtung. Die Schnitte wurden deshalb alle in der Dicke von 10 « gemacht und mit dem Apelschen Zeichenapparat!) bei einer 150- oder 200fachen Vergrösserung gezeichnet. Die Rekonstruktionen wurden meist nach den Angaben von Born (10) als Platten- modelle angefertigt. Sehr instruktive Bilder ergaben Zeichnungen auf Spiegelglasplatten von 1,5 resp. 2,0 mm Dicke gepaust, welche zum Zweck der Betrachtung über einander gelegt wurden. Bevor ich zur Schilderung meiner Beobachtungen selbst übergehe, ist noch hervorzuheben, dass die Länge des Fötus — vom Scheitel zum Steiss gemessen — keineswegs vollkommen charakteristisch ist für das in der innern Entwickelung erreichte Stadium. Denn es schreiten die Organe nicht immer gleich- mässig schnell in ihrer Ausbildung fort. Ganz gleich lange Tiere zeigen demgemäss beträchtliche Unterschiede der mikroskopischen Bilder, welche die Durchschnitte des Darms ergaben. Auch die einzelnen Abschnitte desselben Darmkanals pflegen nicht gleich weit entwickelt zu sein. Bereits Brand sagt, (l. c.), dass die Entwickelung der Magenwand derjenigen der übrigen Darmwand vorauseile; dies gilt auch für das Duodenum und Rektum, während die dazwischenliegenden Teile etwas langsamer folgen. Ich wende mich nun zur Darstellung meiner eigenen Unter- suchung. ı) Merkel, Verhandl. d. anat. Gesellsch. Berlin 1896. S. 178. Anatom. Hefte |. Abteilung Heft 38 (12. Bd. H. 1). TAFEL V. Fig. 4. Lichtdruck der Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., München. Verlag von ]. F. Bergmann, Wiesbaden. Anatom. Hefte I, Abteilung Heft 38 (12. Bd. H. 1). TAFEL VI. Fig. 6. Lichtdruck der Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., München. Verlag von ]. F. Bergmann, Wiesbaden. Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. 57 Das früheste Stadium, auf welches ich zurückging, war das- jenige, welches bei einem Tiere von 34 mm Länge zu finden war, Hier zeigte der Darm (Fig. 1) auf den Querschnitten ein läng- lich ovales, oft zweispitziges Lumen. Die auskleidende Epithel- schicht war ziemlich diek und enthielt viele grosse Kerne von ovaler Form, welche radiär neben- und übereinander gelagert waren. Zahlreiche Kernteilungsfiguren waren nur in dem innern Teil der Epithelschicht zu finden; die Mehrzahl war dem Lumen ganz nahe gerückt. Die Tochterkerne erschienen kugelig; sie hoben sich gegen die ruhenden ovalen Kerne deutlich ab. Die Entscheidung, ob man ein einschichtiges oder mehrfach geschich- tetes Epithel vor sich hat, ist nicht leicht, da die Konturen der einzelnen Zellen auf Schnitten durchaus nicht deutlich hervor- traten. Ein Fehler des Präparats half die Frage entscheiden. Der Jodalkohol hatte nicht überall den Quecksilberniederschlag gleichmässig ausgezogen, und es zeigten sich einzelne Zellen mit demselben imprägniert. Diese durchsetzten stets die ganze Dicke des Epithels, sodass ich also zu dem Schlusse kam, dass Patzelt (l. ce.) im Rechte ist, wenn er ein einfaches hohes Cylinderepithel annimmt. Das umgebende Bindegewebe war locker und zeigte spindelförmige und polygonale Zellen. Die Ringsmuskulatur war angelegt in einer Schicht länglich spindel- förmiger Zellen, deren Leib sich gut mit Eosin färbte. Die Kerne zeigten die charakteristische längliche Gestalt und unter- schieden sich in der Färbung nicht von den anderen Kernen. Bei einem Embryo von 40 mm Länge zeigt sich bereits ein bemerkenswerter Fortschritt, indem das früher ganz platte ovale Lumen nunmehr auf einer Reihe von Querschnitten, nicht auf allen, sternförmig geworden ist (Fig. 2). Hügelförmig erscheinende Bindegewebswucherungen springen in das Innere des Darmrohres vor. Die Epithelschichte ist auf ihnen hoch, ganz wie bei dem ersten Stadium; in den Thälern findet man sie häufig niedriger. — Eine Rekonstruktion dieses Stadiums betraf nur das Epithelial- 58 JULIUS VOIGT, rohr, welches 200mal vergrössert dargestellt wurde (Fig. A). Nach aussen hin an der Verbindung mit der mesodermalen Unterlage zeigt dasselbe eine ungleichmässig gewellte Oberfläche, welche papillenartigen oder kammförmigen Erhöhungen dieser Unterlage entspricht. Die Innenseite des Epithelialrohres zeigt ebenfalls die Form von Wellen, welche im allgemeinen etwas regelmässiger sind und schräg zur Längsrichtung des Darmrohrs verlaufen. Dieselben stehen in keinem Zusammenhange mit den Unebenheiten auf der Aussenseite, etwa derart, dass regelmässig einer Einbuchtung hier eine Erhebung dort entspräche, oder umgekehrt eine Erhebung nach dem Lumen zu sich da fände, wo auch nach aussen zu eine solche sichtbar ist. Vielmehr ist bald das eine, bald das andere der Fall. Epithel und Mesoderm- rohr des Darmes gehen also in diesem Stadium noch nicht un- trennbar mit einander, sondern beide lassen noch eine gewisse Unabhängigkeit erkennen. Beide aber schicken sich schon an, die Oberflächenveränderungen zu erleiden, welche im der Folge zur Beobachtung kommen. Die Rekonstruktion erweist, wie leicht man bei ausschliesslicher Betrachtung von Querschnitts- bildern einer Täuschung unterliegen kann. Die anscheinend regelmässigen papillären Erhebungen der Schnittpräparate liessen sich vielfach als unregelmässige, leistenförmige erkennen. Von den nun folgenden Stadien gilt die oben erwähnte Be- obachtung, dass die Länge des ganzen Tieres keineswegs mass- gebend für die Ausbildung seiner Darmwand ist; sie ordnen sich vielmehr so, dass ein Tier von 58 mm Länge auf das eben be- schriebene Stadium folgt, ihm reiht sich ein solches von 55 mm an, und diesem steht wieder ein 45 mm langer Fötus nahe, ist aber eher noch weiter entwickelt. Die Querschnittsbilder des Darmes von dem 58 mm langen Tiere (Fig. 3) sind im wesentlichen dieselben, wie die des vor- hergehenden Stadiums. Die Rekonstruktion des Epithelrohres zeigt (Fig. B), dass die Aussenseite noch immer stark, doch Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. 59 nicht mehr so regellos gewellt ist, wie früher. Die Erhebungen auf der Innenseite sind durch längere und kürzere, mehr oder weniger tiefe und enge Furchen von einander getrennt. Auch hier schliesst sich die Dicke und Gestaltung der Epithelschichte nicht vollständig den Verhältnissen des unterliegenden Binde- gewebes an, doch ist nicht zu verkennen, dass sich die späteren Verhältnisse in der Art vorbereiten, dass in der Tiefe der Furchen das Epithel weniger hoch ist, als auf der Oberfläche. Es ist vollkommen klar, dass mit dieser Zerklüftung der inneren Ober- fläche des Darmrohres der erste Schritt zur Entstehung der Zotten und Drüsen gethan ist, welcher in der Rekonstruktion des Darmes des Fötus von 40 mm Länge nur in den allerersten Anfängen angedeutet war. Diese letzteren hätten in ihrer Be- deutung nicht erkannt werden können, wenn nicht die folgenden Stadien den Schlüssel geliefert hätten. Es fällt jedoch auf, dass bei dem Fötus von 585 mm Länge die Abteilungen der inneren Oberfläche, welche durch die zwischen ihnen gezogenen Gräben von einander getrennt werden, keineswegs den Umfang der späteren Zotten haben, sondern dass sie weit grösser sind., Auch sind die Gräben selbst in ihrer Ausdehnung höchst ungleich, das eine Mal ganz kurze, das andre Mal lang hingestreckte Ein- senkungen, zwischen denen die wellige Oberfläche im Zusammen- hang bleibt. Es ist somit ganz offenbar, dass es sich nicht um ein Vorwachsen von Zotten von einem Mutterboden aus handeln kann, sondern dass die Gruben vielmehr in die Tiefe einsinken, sonst müsste die Rekonstruktion nebeneinander stehende und etwa gleichgrosse Oberflächeninseln ergeben, welche durch Gräben allseitig umgeben sind, was eben durchaus nicht der Fall ist. Der Epithelüberzug des Darmrohres ist bei Föten des ge- dachten Stadiums sehr verschieden hoch, in der Tiefe der Gräben, wie schon gesagt, viel niederer, als im übrigen. Ein Grund für diese Thatsache liess sich nicht entdecken, da sowohl die Epithel- zellen, wie das unter ihnen gelagerte Bindegewebe ohne jede 60 JULIUS VOIGT, Besonderheit erschien. Kleine Gruppen von dunkler gefärbten Kernen dieht unter dem Epithel fanden sich unregelmässig ver- streut; als Centren für eine Bindegewebswucherung liessen sie sich nicht auffassen. Es ist hier der Ort, über die von Patzelt so sehr hervor- gehobene Verschiedenheit der Kerne auf der Höhe der ent- stehenden Papillen und in der Tiefe der zwischen ihnen befind- lichen Gräben zu sprechen. Er sieht in den rundlichen Kernen an letzterer Stelle die erste Andeutung der späteren Lieber- kühnschen Krypten. Ich kann dem nicht beistimmen, sondern finde, dass die Form der Kerne und ihre Lage in der Zelle lediglich mit den Raumverhältnissen im allgemeinen in Zusammen- hang steht. Der Kern liegt einfach immer da, wo die Zelle den meisten Platz bietet, das eine Mal mehr nach der freien Ober- fläche, das andere Mal nach der befestigten hin. Die Form des Kernes richtet sich ebenfalls nach dem verfügbaren Raum; ın einer kurzen gedrungenen Zelle ist er kürzer und breiter, als in einer langen und schlanken, ganz gleichgültig, wo die Zelle im einzelnen ihren Platz hat (Fig. 4). Auffallend sind zahl- reiche Zellen mit dunklem Protoplasma, welche zwischen den gewöhnlichen Epithelzellen liegen. Sie treten besonders deutlich auf dem Querschnitt des Epithels hervor und erscheinen dann so, als seien sie von den andern Zellen zusammengepresst. In den spätern Entwickelungsstadien kamen sie nicht mehr zur Beobachtung. In einem folgenden Stadium werden die Furchen immer zahlreicher und die von denselben umzogenen Felder immer kleiner, wie die Rekonstruktion des Darmepithels eines 55 mm jangen Fötus lehrt (Fig. C); noch aber sind deutliche Zotten nicht vorhanden, wie mit" vollster Bestimmtheit hervorzuheben ist. Die ehedem glatte Oberfläche des Epithels zeigt allerdings ganz kleine Erhebungen, welche augenscheinlich Anatom. Hefte I. Abteilung Heft 38 (12. Bd, H. 1). TAFEL VI. Lichtdruck der Verlaesanstalt F Bruckmann A.-G., München Verlag von ]J. F. Bergmann, Wiesbadeı — EIS . ” cz F >Y P 2 I B ET fire EN = ’ fr Al r» f en 8 v E . ” LS be “7 Er KR ‘ u -. .€ü BE x 2, nn u =. u 7 k 2 . ' ‘ & 5.2 Ar RR u yes nr w > * * \ v u; EZ y I Anatom.Hefte. T.Abtheilung. 38.Heft.(12.Bd H.1) Verlag JE Bergmanrzr, Wiesbaden 5 0 s ’ ° = . . \ ” = i 5 EZ . . h 5 { . u u i je ur j j En .g . e v 35 . ü er Bu 2 Dr oo. r = 5 rc u I nn 6 i . ur . Be ü En E 5 u u u u i > . Bi j i =. ° re BE.‘ . 1 « Er: sn . = D A > Be . - u De Ir . a ° 5 u. . a . 2 . De zZ . . \ = u . Br. Em. - i © u = u = Ze u 7 5 u ’ i . u . > = - A ® u P u . . u . we Min 5 ei 5 Dr.” . s u F u ”- T » . ur BG b, u rs B - a w mr Ve 3 . D = = = 5 u u nn. : u u . u 0 . I - r u l . . ! . u 5 5 “ F 4 Pr > er \ u ur ‚. 00 nd u a ae . A l 5 I , FL 5 FE u 5 . SD Eu es u = = 5 Br s eu 5 u = u u 2 Fi Zr j a . io» .* . DL Er . Fer nz Ki FR ar D 2 BE 5 D u pp vu 5 \ en“ ES . = . . = © s Eu u = EZ & EZ d . s . . u ni Fr AL ze: r . D 2 u .. . “ . . 0 . s “ i ne . ° u “| . y I Ber . . u 5 u D 2 DE — . y- u j pa Pan I6 6 5 >. u u . . . @ . . > 0 = En y . . u i u Paps 5 . > . . 2 i u E . . B . u . D s 2 . u . > =“ . . a Le: 5 . . u 2 u u zw . E vr u u“ ar 5 . u . u 5 ‘ 5 . Be. u 5 5 . u 2 Ps re Fu) s = u . u u s 2 5 ’ Fr u . I - . u 2 2 “= D I u u 5 at Br — = . ll Be u . Br . “= = Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. 61 die ersten Anfänge der Zottenbildung darstellen, dieselbe kommt aber erst in der Folge stärker in Gang. Bei Tieren von 60 mm und 62 mm Länge erschien das ganze Bild von dem eben beschriebenen nicht erheblich ver- schieden. Unter sich differierten sie beträchtlich, indem das erstere auf einzelnen Querschnitten eine sehr zurückgebliebene Entwickelungsstufe erkennen liess. Auch die Rekonstruktion eines Darmstückes des 62 mm langen Fötus lehrte nichts Neues; vielleicht sind die niederen Hügel der inneren Oberfläche ein klein wenig weiter entwickelt. Bei den nun folgenden Stadien wurde vor Herausnahme des ganzen Darmes das Rektum isoliert und für sich weiter behandelt. Bisher war dies wegen der Kleinheit der Objekte nicht möglich gewesen. Dabei wurde die Beobachtung gemacht, dass im Rektum die Entwickelung in einzelnen Punkten schneller vor sich geht, als in den anderen Teilen des Darms, eine Thatsache, auf welche sich die grossen Verschiedenheiten, die sich in verschiedenen Darmabschnitten der bisher beschriebenen Stücke bemerklich machten, vielleicht zurückführen lassen. Bei einem 70 mm langen Tier findet man in dem Dünn- darm sowohl auf Längs-, wie Querschnitten ein Lumen, welches ganz ausgefüllt ist von Durchschnitten, die man wohl als Zotten- abschnitte deuten könnte. Im Rektum ist das Bild ein regel- mässigeres, dort hat die Schleimhaut eine wellige Oberfläche und ein freies Lumen. Von Interesse ist es, dass in diesem Stadium die ersten Becherzellen auftreten, und zwar finden sich dieselben nicht im Dünndarm, sondern nur im Rektum, wo sie auf dem Grund der Vertiefungen der Schleimhautfläche und auf deren Seitenwänden stehen, niemals aber auf den Gipfeln der in das Lumen vorragenden Erhebungen. Ganz gleiche Bilder, wie die beschriebenen, liefern Schnitte vom Darm eines Tieres von 85 mm Länge. Es war nicht möglich, das Bild, welches die Schnitte des Dünndarms zeigte, mit wünschenswerter Sicherheit zu deuten 62 JULIUS VOIGT, weshalb es nötig wurde, auch von diesem Stadium eine Re- konstruktion in 150facher Vergrösserung anzufertigen. An der- selben zeigte sich, dass die Schwierigkeit einer Deutung durch Falten hervorgerufen wird, welche die Schleimhaut in unregel- mässiger Weise durchziehen. Die Ausbildung der Zotten selbst ist auch hier eine verhältnismässig sehr geringe, indem die zweifelhaften Durchschnitte im Lumen im wesentlichen die Schleimhautfelder sind, welche bereits beschrieben wurden, und die man ihrer Entwickelung nach als die Basen der Zotten, aber nicht als Zotten selbst ansehen darf. Auf ihnen sieht man freilich die Hügel, welche bei den Rekonstruktionen von den 55, 58 und 62 mm langen Föten bereits aufgefallen waren, erheblich weiter entwickelt, sodass man jetzt wohl von der Existenz von Zotten sprechen darf. Im Epithel des Dünndarms findet man in diesem Stadium ebenfalls noch keine Becherzellen, dagegen sind sie ın Rektum (Fig. 5) schon ziemlich zahlreich geworden und auch im Colon, welches ich mit isolierte, sieht man sie vereinzelt. In der Zeit, welche nun verfliesst, bis Stadien von 105 mm und 115 mm Scheitel-Steisslänge, die unter sich keine wesent- lichen Unterschiede erkennen lassen, erreicht sind, spielen sich Vorgänge ab, welche man als die letzten Schritte zur Anbahnung der definitiven Verhältnisse bezeichnen kann. Die schon früher vorhandenen Becherzellen sind zahlreicher geworden, die Längs- muskulatur, welche bisher nur angedeutet war, bildet sich besser aus. Die Zotten wachsen heran und bilden jetzt die, bei ge- borenen Tieren im Dünndarm vorhandenen fadenförmigen Ge- bilde, und endlich beginnen nun die Drüsen zu erscheinen (Fig. 6). Diese aber treten als Zellsprossen auf, welche von der Tiefe des zwischen den Zottenbasen befindlichen Furchensystems ausgehen. Bei dem Stadium von 105 mm Länge lassen sich ohne alle Schwierigkeit die Stufen dieser Entstehung nachweisen. Die Zellkerne der Drüsenanlagen sind sehr geneigt, Farbstoff Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. 63 aufzunehmen, wodurch sie auf Schnitten sofort auffallen. Sobald diese sich etwas tiefer in die Schleimhaut eingesenkt haben, er- kennt man, dass es sich um Hohlsprossen handelt. Diese Drüsen legen sich also vollkommen nach dem Schema der Drüsenent- wickelung überhaupt an und entstehen nicht durch Verwachsung der Zottenbasen. Der bisher deutliche Absatz zwischen der eigentlichen Zotte und der Zottenbasis gleicht sich aus, also gerade umgekehrt, wie es die oben genannten Autoren wollen, welche diese Absätze erst entstehen lassen, nachdem die Zotten fertig gebildet sind. Es hat den Anschein, als wären die Epithel- zellen der bisherigen Basis noch mit Kernen ausgestattet, welche sich lebhafter färben, als die der Zotten; auch scheinen die Zellen selbst niedriger zu sein. Doch ist es bei diesen Stadien immerhin schwierig zu sagen, wo die Zottenbasis aufhört und die Drüsenanlage beginnt, da beide ohne eine deutliche Grenze in einander übergehen. Bei einem Embryo von 135 mm Länge sind die Zotten im ganzen Darm erheblich länger geworden (Fig. 7); ihre Dicke aber hat sich nieht verändert, weshalb sie an der Rekonstruktion bereits dasselbe Ansehen bieten, wie im Darm eines schon ge- borenen Tieres. Auch später wächst der Breitendurchmesser der Zotten nicht mehr beträchtlich. Da nun das Kaliber des Darmrohres und damit seine innere Oberfläche im Laufe der Zeit noch um ein Bedeutendes wächst, so müssen notwendig neue Zotten gebildet werden, um die sammetartige Schleimhaut- oberfläche zu bilden, die man in dem Darm des ausgewachsenen Tieres findet. Die Rekonstruktion (Fig. D) giebt in diesem, wie auch in einem späteren Stadium darüber Aufschluss, wie dies geschieht. Zwischen den fertigen Zotten sieht man an vielen Stellen neugebildete Zotten in allen Entwiekelungsstufen von niederen Erhebungen der Schleimhaut bis zu fast fertigen Zotten, und es lehrt der Vergleich mit den Schnittpräparaten, dass sich die Thalsohlen zwischen den Zotten in die Breite ziehen, 64 JULIUS VOIGT, und dass von ihnen dann die neuen Zotten emporsprossen. Diese Verbreiterung und die Anlage der neuen Zotten geht augenscheinlich ganz gleichzeitig vor sich, weshalb man fast niemals eine ebene Thalsohle zu Gesicht bekommt. Immer ist vielmehr mindestens schon eine leichte Erhebung auf derselben sichtbar. An den fertigen Zotten ist, abgesehen von ihrer Ver- längerung, eine Veränderung nicht mehr zu konstatieren. Sie bleiben also, wie sie einmal sind, während der ganzen weiteren Entwickelung erhalten. Die Rekonstruktion zeigt, dass neben den wallartigen Erhebungen der in Bildung begriffenen Zotten kleine Grübchen zu sehen sind, die Anlagen der Drüsen. Was noch die histologischen Verhältnisse des Stadiums von 135 mım Länge anlangt, so findet man zahlreiche Becherzellen auf und zwischen den Zotten. Rings- und Längsmuskulatur, sowie auch die Muscularis mucosae, sind deutlich sichtbar. Die Bilder, welche die Darmschnitte eines Fötus von 175 mm Länge liefern, sind leider nur wenig brauchbar, da das Stück schlecht konserviert ist, und kein anderes zu beschaffen war. Nur die Thatsache soll Erwähnung finden, dass jetzt im Dick- darm sowohl, wie im Dünndarm die Drüsen schon so weit aus- gebildet sind, dass sie bei passender Schnittführung in der Mucosa als runde Lumina sichtbar werden. Bei weitem deutlicher zeigt diese Bilder der Darm eines Tieres von der Länge von 275 mm. Auf Querschnitten sieht man im Dünn- und Diekdarm Zotten von wechselnder Höhe, die oft mit verbreiterter Basis in einander überzugehen scheinen, sodass man wohl eine Verwachsung der Zottenbasen annehmen könnte. Diese Annahme findet indessen durch Flachschnitte und Rekonstruktionen keine Bestätigung, man sieht vielmehr, dass die scheinbaren Verwachsungen sich als Trugbilder erweisen, welche durch die Art der Schnittführung entstanden sind. Auf Flächenschnitten sieht man, wie schon beim vorigen Stadium, aber weit deutlicher, die Drüsenlumina quergetroffen von Binde- Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimbaut. 65 gewebsnetzen eingeschlossen. Verfolgt man die Drüsenquer- schnitte nach dem Darmlumen zu, so sieht man, dass dieselben dort zu Kanälen zusammenfliessen, welche mit einander kom- munizieren, und zwischen denen die Zottenquerschnitte inselartig sichtbar sind. Jetzt kann man mit vollem Recht von Lieber- kühnschen Drüsen sprechen, da sich zwischen den Zotten nicht nur Kanäle, sondern deutliche, schlauchförmige Einsenkungen finden. Das am weitesten vorgerückte Stadium zeigt der Darm eines Fötus von 225 mm Länge. Während im Dünndarm die Zotten ihre Form kaum verändert haben und als schlanke, fadenförmige Gebilde vom Rande der Lieberkühnschen Drüsen in das Darmlumen ragen, bietet der Diekdarm hier ein ganz anderes Bild, wie früher (Fig. 8). Auf Querschnitten sieht man das die Lieberkühnschen Drüsen trennende Gewebe mit kurzen, plum- pen Spitzen nach dem Dünndarm zu enden, diese erscheinen oft in merkwürdiger Weise verdrückt und verzogen und unter- scheiden sich auffällig von den früher im Diekdarm beobachteten Zotten. Auf Flachschnittserien kann man die Bilder der quer- getroffenen Zotten nur durch wenige Schnitte verfolgen; sie gehen bald in das bindegewebige Netzwerk über, in dessen Maschen die Lieberkühnschen Drüsen liegen. Wodurch diese bemerkenswerte Umgestaltung und Verkleinerung der Zotten im Dickdarm hervorgebracht wird, war aus den ‘vorliegenden Prä- paraten nicht zu ersehen; Zeichen von Nekrose bezw. Resorption, wie sie beschrieben werden (Schirman, 11) sind nirgends zu finden. Möglicherweise wäre es durch ein stärkeres Längen- und Dicken-Wachstum des ganzen Dickdarms zu erklären, welches in dem letzten Entwickelungsstadium eintreten könnte. Der Durch- messer des Diekdarms von dem vorliegenden Fötus ist nämlich durchschnittlich erst 2,2 mm, von der Innenseite der Serosa ge- messen. Für eine Verwachsung der Zotten bringt weder die Betrachtung der Serien von Quer- und Flachsehnitten, noch die Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXVIII. Heft (12. Bd., H. ]). > 66 JULIUS VOIGT, Untersuchung von Rekonstruktionen einen Beweis. Bei der Rekon- struktion der Diekdarmschleimhaut erkennt man von oben nur stellenweise von den früheren Zotten noch kleine Spitzen. Im allgemeinen sieht man nur eine Menge schlauchförmiger Ein- senkungen, wie eine Bienenwabe mit sehr dicken Wandungen aussehen würde. Im Grunde sind die Einsenkungen, welche den Lieberkühnschen Drüsen entsprechen, oft kolbig erweitert, wie man beim Auseinandernehmen der Rekonstruktion erkennt. Bei Betrachtung der Dünndarmrekonstruktionen fallen so- gleich die Zotten auf, welche die Öffnungen der Lieberkühn- schen Drüsen derart umgeben, dass sie direkt in die Drüsen- wand übergehen, und man am einzelnen Schnitt nicht erkennen kann, wo die Drüse aufhört, und die Zotte beginnt. Bei Be- trachtung der Serien von Flachschnitten war es aufgefallen, dass man an einigen Stellen vollkommene Drüsenquerschnitte fand, obgleich die Schnittrichtung genau senkrecht und dem Verlauf der Lieberkühnschen Drüsen entsprechend war. Die Lieber- kühnschen Drüsen waren an einer solchen Stelle, an der Mus- cularis mucosae angelangt, nur teilweise in dieselbe hineinge- wachsen, wie sich schon an den mikroskopischen Schnitten zeigte, sie waren vielmehr teilweise umgeknickt, und liefen eine Strecke weit an ihrer Innenfläche hin. — Zu bemerken ist noch, dass die bleibenden Falten im Rektum jetzt deutlich als binde- gewebige Vorwölbungen in das Darmlumen zu erkennen sind, die mit Lieberkühnschen Drüsen und Zottenstümpfen besetzt sind. Schliesslich möchte ich noch kurz die Bilder erwähnen, die mir Darmschnitte vom neugeborenen und ausgewachsenen Sch wein gegeben haben. Das Neugeborene, von dem mir leider nur ein einzelnes Dünndarmstück zur Verfügung stand, zeigt auf Quer- schnitten die Falten der Darmwand nebst ihren Zwischenräumen von Zotten bedeckt, zwischen denen die Lieberkühnschen Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. 67 Drüsen als gerade, teilweise etwas geschlängelte Gänge sich in die Tiefe senken. Dieselben stossen auf der Muscularis mucosae auf und scheinen zum Teil auf derselben umzubiegen, was ja durch die Rekonstruktion des vorhergehenden Stadiums als mög- lich erwiesen ist. An einzelnen Stellen habe ich auch Bilder gesehen, nach denen es mir schien, als drängten sich einzelne Drüsen zwischen die Fasern der Muscularis mucosae hinein auch Tomarkin (12) hat dergleichen gesehen. Vom ausgewachsenen Schwein habe ich Schnitte von Dünn- und Dickdarm untersucht. Die Zotten ragen im Dünndarm frei in das Darmlumen hinein. Die Lieberkühnschen Drüsen sind hier schlank, gestreckt, biegen teilweise im Grunde schein- bar auf die Muscularis mucosae aufstossend um und enthalten relativ wenig Becherzellen. Der Dickdarm zeigt eine glatte, höchstens leicht gewellte Schleimhautoberfläche. Die Lieber- kühnschen Drüsen sind plump, oft im Grunde kolbig verdickt ; sie sitzen auf der Muscularis mucosae auf und werden zuweilen am Grunde von deren Fasen umgeben. Die Becherzellen in ihnen sind so zahlreich, dass man oft kaum eine andere Zelle zwischen ihnen erkennen kann. Auf Grund der Betrachtung der mikroskopischen Bilder und der Rekonstruktionen glaube ich, zum Schlusse folgende Sätze aufstellen zu können: Das embryonale, bindegewebige Darmrohr lässt anfangs nur die Anlage der Ringsmuskulatur und einen glatten aus- kleidenden Epithelschlauch erkennen. Der erste Schritt zur weiteren Ausbildung besteht in einer unregelmässigen Zerklüf- tung der bisher glatten inneren Oberfläche des Darmrohres durch Einsenkungen und Furchen. Diese werden immer zahlreicher und fliessen zu einem Netz von Kanälen zusammen; die von ihnen umgezogenen Oberflächenfelder‘ werden immer kleiner. Jetzt beginnen auf diesen Feldern (Zottenbasen) kleine Erheb- 5* 68 JULIUS VOIGT, Beitrag zur Entwickelung der Darmschleimhaut. ungen zu entstehen, die ersten Spuren der späteren Zotten. Von dem Grunde der Gräben, die zwischen den Zottenanlagen bleiben, bilden sich später die Lieberkühnschen Drüsen durch Entsendung von Hohlsprossen, ganz so, wie die Mehrzahl der übrigen tubulösen Drüsen zu entstehen pflegt. Diese Gräben sind auch die Stelle der Entwickelung der im Laufe des weiteren Wachstums sekundär entstehenden Zotten, welche von der ver- breiterten Thalsohle aus emporsprossen. Eine Verwachsung der Zottenbasen zur Bildung der Lieberkühnschen Drüsen, wie sie meist geschildert wird, existiert nicht. De SECRETS TE SEE Litteraturverzeichnis. Kölliker, Entwickelungsgeschichte. I. Aufl. 1861. Barth, Wiener akadem. Sitzungsberichte. LVIIl. 1868. Brand, Verhandl. der phys. med. Gesellsch. zu Würzburg. XI. 1877. Kölliker, Entwickelungsgeschichte. Il. Aufl. 1879. — Grundriss der Entwickelungsgeschichte. II. Aufl. 1884. Schulze, O., Grundriss der Entwiekelungsgeschichte des Menschen. 1897. Patzelt, Wiener akadem. Sitzungsberichte LXXXVI. 1882. Minot, Human Embryology. 1892. Kollmann, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. 1898. Born, I. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 22. 1883. II. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. Bd. 5. 1888. . Daria Sehirman, Über die Rückbildung der Darmzotten des Meer- schweinchens. Verh. d. phys. med. Gesellsch. zu Würzburg. N. F. 32. Bd. Nr: #1898: . Tomarkin, Anat. Anz. Bd. 8. 18983. Figurenerklärung.') Die Mikrophotographien sind mit dem Winkelschen Apparat (Zeitschrift f. wissenschaftliche Mikroskopie XIV. 1898. S. 313—317) und den neu von Wınkel hergestellten Fluoritsystemen gemacht. Sämtliche Präparate sind von Schweinsföten. Fig. 1. Darmschlinge eines Fötus von 34 mm Länge. Ok. I. Obj. 7,5 mm. Fig. 2. Darm eines Fötus von 40 mm Länge, quer ebenso. Fig. 3. Darmschlinge eines Fötus von 58 mm Länge schräg getroffen, daneben einen Querschnitt. Ok. I. Obj. 14 mm. Fig. 4. Stück eines Darmquerschnittes desselben Fötus. Ok. I. Obj. 4 mm. Fig. 5. Stück eines Diekdarmquerschnittes von einem Fötus von 85 mm Länge. Ok. I. Obj 7,5 mm. Fig. 6. Stück eines Dieckdarmquerschnittes von einem 105 mm langen Fötus. Ok. I. Obj. 7,5 mm. D. Drüsenanlage. Fig. 7. Stück eines Dünndarmquerschnittes eines Fötus von 135 mm Länge. Ok. I. Obj. 7,5 mm. Fig. 8. Stück eines Diekdarmquerschnittes eines Fötus von 225 mm Länge. Ok. I. Obj. 14 mm. Fig. A. Rek. I. Darmschleimhaut eines Fötus von 40 mm Länge. Fig. B. Rek. II. Darmschleimhaut eines Fötus von 58 mm Länge Fig. C. Rek. Ill. Darmwand eines Fötus von 55 mm Länge. Fig. D. Rek. IV. Stück der Darmwand eines Fötus von 135 mm Länge. ı!) Die Figuren 1—8 befinden sich auf den Tafeln IV— VII; die Figuren A BCD auf der Tafel VII. ZUR KENNTNIS SPINALGANGLIENZELLEN LOPHIUS PISCATORIUS LIN. VON EMIL HOLMGREN, STOCKHOLM. Mi 2 Abbildungen im Text und 32 Figuren auf Tafel IX—XVIH. ‚e . f A j Bi... ae | | a Dr Bu a E 91235 WEICH) 0.1 AWIRR e ve a u er , rue: nk KL ‚eis & Fe \ u > ER ar zZ eu I a Fe ee Be: En > her iR 2 = ; 0% i & - - j .r7% | I . e u N f Syria Erin j 2 Kir oT Rn: i er‘ . i y 5 “2 PY ie u Tan E . i u e e Pr N e u v ne . i “ij - i = v y% ' f u ' u gr } n much u: BER D £ = ” a “ ur > ze h Dranst E BD ; B ’ - any, Fr r j . 1. 222 . r fe t i ı u De DE > S Ian Bern CEE ame‘ 4 Be: 5 ” . - u ii Ka m. fl & i nz Be, j . j IMTE 13 Koss rn , j = W s I 5 i j B er - u % = ‘ P y B ” b . PL aan: l D i } u Zu ya f + ! 5 ö P f " 1 “ 7 & . N 5 sie ir a : ir | 2 Mi u Kö: Ahr Kr. BT) Rr en an a a RT i ‚ h u N er | i . F ’ ‘ i " f . N A er e ji y ur 9 - , re ö i N j h N ( | } ud ‘ . D R nn 4 | IB si Y 5 5 u vv. s U . ü FA Anatomische Hefte I, Abteilung Heft 38 (12. Bd. H. 1). ee E. Holmgren del. Lichtdruck der Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G. München. Verlag von J. F, Bergmann, Wiesbaden, ERAKETE teil ” Drama, Wr 2 JM Fi DM, IKnt N Bi BE n Be R EEE a M Knrhralt Einleitung Benutzte Untersuchungsmethoden a I Wechselwirkungen zwischen Prior laame, Kern und Zellprodukt Stadium 1 0? ae) „AB AD: 92: Bush: Baba: Boh: Be: Zerstreute Beobachtungen. 1. Doppelter Kern ; 2. Kernteile sich in den Nehsenerlndkrfor beste Eineinstreekönd 3. Vakuolen . Beurteilung der Stadien. II. Ganglienzellen mit Dendriten - IH. Perizelluläre Nervennetze mit in diem Yollen hinein dringenden Ausläufern IV. Intrazellulär verlaufende Gefägse : V. Die Kapsel der Ganglienzellen Nachtrag. Citierte Litteratur “ Erklärung der Abbildungen 144 Lie we 5 EA a Pr { au hoktike Pc ” y Mare 2 ” D s ” - % ® - Li ah « a y = rat Kur r “ £ “ E . in, 77 Se | ” - * . L” % D ı * “ * - „A L “ 7 * kartwiagt, am A ar Kane? ah ETERLE EFT UN. W ie ES Dayder us SL ’ u ei Er x uure vor . en» IR DL M) 72 sg lie a * iger Re art Dar. E88 Fa > RR Sy - STR A rar er 1 D ER Tage ER re Kr IN R TR NT EREUER ı ee u m ’ A f nr I r eurend Mer shonrierer wi j “ [2 i [8er } - La “ ı » * ar Pe ß . a Er rn A ‘ n& KTER aayla Kine H u [TER RC IRE IRRENI EG TRAETTRILETSRERTERE RZ ARE EL UEN os Dane ie ET EN Kater By % pr erh e Ei Aeaan ERE RUT ER ‚bi Br mini PARK: che fly ERDE TREE EIER IT SEETRET N: 2 Br ri MAIER re van ee A END state Tr IS ; les CHIEIDEwURerTI I. 7 Pr . er RB j . Pte 3 . ° u ” . 0 L « . Ed # = % D ee en“ LE BE: ars sashflaa U Re ER Rx Anlass ARE “ FORPISUNE ws EI ai “ = * . Unter den Fragen, die in der letzten Zeit auf dem Gebiete der Zellenlehre die Aufmerksamkeit der Histologen am aller- meisten erregt haben, steht der feinere Bau der Spinal- ganglienzellen besonders im Vordergrund. Diese Zellen sind durch eine grosse Reihe von Arbeiten hervorragender Forscher zum Gegenstand von Untersuchungen geworden, und hierbei ist nicht nur die wichtige Frage von der Struktur der Nervenzelle selbst, sondern auch manche der bedeutenden Probleme der Zellenstruktur im allgemeinen berührt und be- arbeitet worden. Während der letzten Zeit habe ich mich mit besonderem Interesse mit dem Studium des Baues der Spinalganglien ver- schiedener Tiere beschäftigt. Von der Meinung ausgehend, dass die niederen Wirbeltiere vielleicht auch mit Bezug auf die Spinal- ganglienzellen einfachere und ursprünglichere Verhältnisse dar- bieten könnten, als die höher organisierten, habe ich indessen bisher vorwiegend die fraglichen Ganglien der Selachier und Teleostier studiert. Unter den letztgenannten habe ich den be- treffenden Ganglien des Lophius eine besondere Aufmerksam- keit gewidmet, weil ich gefunden habe, dass dieses Tier für das fragliche Studium ganz besonders zweckmässig ist und ausgeprägte Bauverhältnisse darbietet. Es gelang mir im letztverflossenen Sommer, bei meinem Aufenthalte auf der schwedischen zoologischen Station zu Kristine- 76 EMIL HOLMGREN, berg in Bohuslän, ein ausgezeichnetes lebenskräftiges, SO cm langes Exemplar von Lophius piscatorius zu erhalten. Ich habe von demselben sämtliche Spinalganglien aufbewahrt und nach einer allgemein bewährten Methode fixiert. Infolge der relativen Seltenheit dieser Tiergattung ist es mir zwar bis jetzt nicht gelungen, für meine betreffenden Untersuchungen weitere Exem- plare derselben zu bekommen, aber das mir zugängliche Material ist so hinreichend gewesen, dass ich an demselben die ver- schiedensten Tinktions- und Präparationsmethoden anwenden und prüfen konnte. Die Fragen in Bezug auf die betreffenden Spinalganglien- zellen, auf welche meine Aufmerksamkeit besonders gerichtet war, sind: die gegenseitige Beziehung des Kernes und des Zell- plasma während der T'hätigkeit der Zellen, die Struktur der Grundsubstanz der Zellen, das Vorhandensein und die Lokali- sıtion des Mikrocentrums in der Zelle, das eventuelle Vor- handensein intracellularer Gefässe, die Fritsch schon vor langer Zeit an Ganglienzellen des Lophius gesehen und be- schrieben hat. Während meiner Arbeit sind noch manche andere Fragen entstanden, deren Beantwortung ganz andere Methoden erforderten als die, welche ich habe benutzen können, und so habe ich natür- licherweise, meines begrenzten Materials wegen, von einer Be- arbeitung derselben abstehen und sie künftigen Untersuchungen überlassen müssen. — Mit der vitalen Methylenblaumethode 7. B. hätte ich vielleicht weitere Befunde machen können als es mir nun gelungen ist, in Bezug auf die von R. y Cajal, Dogiel u. a. beschriebenen perizellulären Nervengeflechte; bezüglich der Endigungsweise der Dendriten, die ich von den fraglichen Spinalganglienzellen ausgehend beobachtet habe, deren terminale Verhältnisse aber ich nicht habe verfolgen können; u. s. f. Anatomische Hefte I. Abteilung Heft 98 (12, Ba. H. I). TAFEL XI/XTI, Fig. ?. Fig. 10. E. Holmgren del. Lichtdruck der Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G. München. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. Er Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 77 In meiner Arbeit befinden sich daher Lücken, Unterbreelı- ungen in der konsequenten Bearbeitung meines vorgelegten Stoffes, im wesentlichen durch mein so begrenztes Material ver- anlasst. Benutzte Untersuchungsmethoden. Sowohl Flemming (1) als Lenhossek (2) und Mann ß), welche in der histologisch-technischen Behandlung der Spinal- ganglien die grösste Erfahrung haben, benutzen als Fixierungs- flüssigkeit besonders konzentrierte Sublimatlösung, Mann (4) desgleichen u. a. pikrinsaures Sublimat, welche Methode auch Lenhossek (5) neuerdings als die geeignetste hervorgehoben hat. — Als ich mein Lophiusexemplar bekam, war mir die letzt- genannte Angabe Lenhosseks noch nicht bekannt. Ich habe deswegen die Spinalganglien von Lophius mit in physiologischer Kochsalzlösung konzentrierter Sublimatlösung fixiert, habe aber an anderen Tierformen, die zum Vergleich mit Lophius in dieser Arbeit benutzt worden sind, auch andere Fixierungs- methoden geprüft, wie pikrinsaures Sublimat, Manns Kon- bination: Sublimat, Pikrinsäure und Formaldehyd, Pikrinsalpeter- säure, Carnoys Gemisch: Alkohol-Chloroform-Eisessig. Von diesen verschiedenen Flüssigkeiten habe ich die besten Resul- tate mit pikrinsaurem Sublimat, Carnoys Gemisch und Pikrin- salpetersäure erhalten, und sie scheinen mir die mit einfacher Sublimatlösung erhaltenen nicht wenig zu übertreffen. Die Färb- barkeit ist jedoch bei Pikrinsalpetersäure etwas vermindert. — Ich halte es für meine Pflicht zu erwähnen, dass ich mit keiner der genannten Methoden und aller wenigstens mit einfacher Sublimat- lösung habe Bilder vermeiden können, wo Ganglienzellen von der Kapsel mehr oder weniger retrahiert waren. Immer habe ich jedoch das erwähnenswerte Verhältnis beobachtet, dass dicht an solehen 18 EMIL HOLMGREN, Zellen, die keine Schrumpfung zeigten, solche vorhanden waren, die sich mehr oder weniger von der Kapsel retrahiert hatten. Da ich deswegen in demselben Schnitte etwas geschrumpfte Zellen dicht neben nicht geschrumpften gesehen habe, bin ich geneigt, mit M. Heidenhain (6), der analoge Verhältnisse an sublimatfixiertem Materiale beobachtet hat, anzunehmen, dass ein spezifisches Kausalmoment vorhanden sein musste; denn, wie der genannte Autor sagt (S. 428), „es ist doch nicht möglich zu denken, dass mit demselben Mittel an demselben Objekt bei gleicher Vorsicht der Handhabung das eine Mal vor- zügliche, das andre Mal minderwertige Konservierungen zustande kommen.“ — Ich kann in dieser Hinsicht noch daran erinnern, dass Lenhossek (5) ähnliche Beobachtungen und Schlüsse mit Bezug auf Spinalganglien gemacht hat. Es scheint mir nicht unwahrscheinlich, dass ein Fingerzeig für die Beantwortung dieser Frage in dem Verhältnisse liegt, dass wie ich wiederholt beobachtet habe, diejenigen Zellen einer Schrumpfung durch die Behand- lung anheimgefallen sind, welche aus Gründen, die ich weiter unten hervorheben werde, als im Augenblicke der Fixierung in einem mehr protrahierten Zustande des Stoffwechsels sich be- findend, aufgefasst werden müssen; während die mehr ruhenden Zellen keine Schrumpfung zeigten. — Es ist kaum nötig, hinzu- zufügen, dass geschrumpfte Zellen niemals meinen Interpreta- tionen zu Grunde gelegt worden sind. Bühler (7) hat bei seinen Untersuchungen über die Spinal- ganglien das Flemmingsche Gemisch, Sublimat und, auf M. Heidenhains Anraten, eine Kombination von Sublimat und Osmium benutzt. Das letztgenannte Gemisch habe ich nicht versucht; Dehler (8) aber hebt hervor, dass Osmiumkombina- tionen nicht für Nervenzellen vorteilhaft sind, während Lewis (9 solche mit Erfolg verwendet hat. Flemmings Gemisch habe ich als nicht gut anwendbar übergehen müssen, da durch das- selbe die feineren Strukturdetails teilweise verwischt werden. Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 9 Die Fixierung der Spinalganglien habe ich so ausgeführt, dass ich in der Gegend dieser Organe der lebenden Tiere die resp. Flüssigkeit injizierte, wonach ich die Ganglien vorsichtig heraus- und freipräparierte und in dieselbe Flüssigkeit für 24 Stunden einlegte. Die folgende Behandlung und Härtung geschah den gewöhnlichen Vorschriften gemäss. — Die Über- führung in Paraffin unter Vermittelung von Chloroform wurde langsam ausgeführt. Die gemachten Paraffinschnitte, welche 3-5 u diek waren, wurden an den Objektgläsern mit Aqu. dest. befestigt. Behufs der optischen Differenzierung der verschiedenen Teile der geschnittenen Spinalganglienzellen habe ich mich folgender Tinktionsmittel bedient: teils der gewöhnlichen Karmin- und Hämatoxylinfärbungen, teils und in grosser Ausdehnung der Heidenhainschen Eisenhämatoxylinmethode, teils auch einer Anzahl verschiedener Anilinfarben und je nach den Objekten, die ich studieren wollte, bald saurer, bald basischer derartiger Färbemittel, im Sinne Ehrlichs (10). Mit diesen letztgenannten Farben bin ich gewöhnlich besser und sicherer zum Ziele gelangt durch längere Tinktion mit diluierten, als durch eine kurze Färbung mit konzentrierten Wasserlösungen. Ausser den ge- nannten Methoden habe ich mich auch der Kombinationen des Eisenhämatoxylins und Delafields Hämatoxylin mit Anilin- farben bedient, wodurch ich mitunter sehr lehrreiche Bilder erhalten habe. — Helds (11) Färbungsmethode der Nerven- zellen, nämlich mit Methylenblau und Erythrosin, die auch von Lenhossek (2) vielfach verwandt worden ist, habe ich mit Erfolg angewendet. Ich habe jedoch die von Lenhossek (2b) einpfohlene Methode mit Thionin oder Toluidin (Mann) und Erythrosin unvergleichlich besser gefunden, besonders die Kom- bination Toluidin-Erythrosin, wie auch Lenhosscek selbst hervor- hebt. -- Wird indessen Erythrosin in konzentrierter Wasser- lösung als Nachfärbung benutzt, muss man, wie Lenhossek 80 EMIL HOLMGREN, in der oben eitierten Arbeit vorgeschrieben hat, fast in derselben Sekunde das Präparat in Wasser eintauchen; geht man nämlich hierbei nicht schnell genug zu Werke, so wird das basische Färbemittel durch den sauren Farbstoff Erythrosin gelöst — und die ganze Farbeprozedur ist misslungen. Es scheint mir daher ein Fortschritt in dieser Farbentechnik zu sein, dass Bühler (l. e.) die basische Farbe durch eine sehr verdünnte Wasserlösung, z.B. 1:2000, von Erythrosin differentiert. Man erhält dadurelı sehr leicht hübsche Tinktionen. Ich habe diese letztgenannte Manipulation ohne irgend einen Misserfolg angewandt. — Sowohl die mit Delafields Hämatoxylin als auch mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präparate habe ich mitunter mit dem von Squire (12) vorgeschlagenen Gemische von Säurefuchsin-Orange nachbe- handelt und sehe in diesen Kombinationen — gleich wie Lee und P. Mayer (13) — für gewisse Zwecke gute Färbemethoden. Da Rubin gewiss eines der besten Tinktionsmittel für Cyto- plasma bildet, habe ich nicht versäumt, mich dieser berühmten Farbe zu bedienen. — Zuletzt will ich noch erwähnen, dass ich für Untersuchungen über Centrosomen und Sphären in -den Spinalganglienzellen die Vorschriften M. Heidenhains (6) — Eisenhämatoxylin-Bordeaux R. —, ebenso die Triacidlösung Ehrlichs benutzt habe. | Die tingierten Präparate habe ich in Kanadabalsam montiert. I. Wechselwirkungen zwischen Protoplasma, Kern und Zellprodukt. Da, wie es mir scheint, der prinzipiell wichtigste Teil meiner bei Lophius erzielten Ergebnisse die Wechselwirkungen zwischen Kern- und Zellplasma berührt, will ich meinen Bericht mit den Befunden einleiten, die es mir in dieser Hinsicht zu machen gelungen ist, und schicke ich darüber eine kurze Übersicht vor- Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 81 aus, was mit Bezug auf diesen Gegenstand rein morphologisch an den Tieren schon geschildert worden ist. Ich will jedoch zugleich hinzufügen, dass ich keineswegs glaube, dass es mir eelungen ist, eine erschöpfende Darstellung der bezüglichen Litteratur zu machen. Die zerstreuten betreffenden Angaben sind nämlich mit Bezug auf den Inhalt, in allzu verschiedenen Abhandlungen zu finden, als dass ich hätte alle Notizen ent- decken können. Wie bekannt hat Korschelt (14) schon vor zehn Jahren in dieser Hinsicht durch eine sehr umfassende und scharfsinnige Untersuchung den Schleier etwas gelüftet, der diesen für die direkte Beobachtung so unzugänglichen Gegenstand deckt. Der genannte Autor hat seine Befunde folgendermassen zusammen- gestellt. „Im allgemeinen erscheint der Kern als ein Teil der Zelle, der sich vom Zellplasma scharf sondert. Diese Sonderung ist aber nur eine scheinbare. In Wirklichkeit bestehen enge Be- ziehungen zwischen Kern und Zellplasma, sei es, dass beim Vor- handensein einer Kernmembran Diffusionsvorgänge zwischen beiden stattfinden, sei es, dass die Membran Lücken aufweist, durch welche Kern- und Zellsubstanz mit einander kommuni- zieren, oder dass eine Membran überhaupt nicht vorhanden ist und das Netzwerk des Kernes direkt in dasjenige des Zellplasmas übergeht. In vielen Fällen giebt sich eine solche enge Bezie- hung zwischen Kern und Zellplasma dadurch zu erkennen, dass anfangs der Kern scharf begrenzt und gegen das Zellplasma abgesetzt erscheint, später aber diese scharfe Grenze schwindet- und nunmehr ein stetiger Übergang zwischen Kern und Zell- substanz stattfindet.“ — „Die Herstellung einer innigeren Verbindung zwischen Kern- und Zellplasma durch Wegschaffung der einengenden Grenze scheint in manchen Fällen nicht zu genügen, um die Einwirkung des Kernes intensiv genug werden zu lassen. Wir sehen, wie der Kern seine Lage verändert und Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXVIII. Heft (12. Bd. H.]). 6 82 EMIL HOLMGREN, sich nach den Punkten hin begiebt, wo die Thätigkeit der Zelle am stärksten ist, oder wie er nach dieser Richtung Fortsätze ausstreckt, wodurch er sich ebenfalls dem Herd der Zellthätig- keit nähert und zugleich durch Vergrösserung seiner Oberfläche eine innigere Berührung zwischen sich und dem Zellplasma her- stellt. Die Gestaltveränderung, welche übrigens auch den ganzen Umfang des Kernes betreffen kann, ist eine zeitweise, nur auf lie Perioden intensiver Zellthätigkeit beschränkte oder eine bleibende, und dann sieht man, wie der Kern sich in vielfacher Verzweigung durch die ganze Zelle erstreckt. Dadurch wird seine Berührungsfläche mit dem Zellplasma nicht nur eine ausser- ordentlich grosse, sondern er tritt auch mit den entlegenen Punkten der Zelle in direkte Kommunikation.“ — „Mit der Gestalt- veränderung der Kerne geht eine Umgestaltung ihrer Struktur Hand in Hand, die nicht anders als zur Thätigkeit der Zelle in Beziehung stehend aufgefasst werden kann, — —.“ Ich füge hierzu eine Abbildung nach einer der zahlreichen Figuren Korschelts und will zu dem, was ich oben direkt eitiert habe, einige der spezielleren Befunde Korschelts noch mitteilen. Was zuerst das Material betrifft, welches Korschelt untersucht hat, so ist dasselbe von verschiedener Art: Eier von Insekten, Spinnen, Crustaceen, Spongien, Coelenteraten, Würmern und Echinodermen, Spinndrüsen von Raupen. Da Korschelt Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 83 teils an Eizellen die oben erwähnten Veränderungen mit Bildung von Fortsätzen und mit Verschwimmen der Kernbegrenzung nach der Gegend hin, in welcher die Aufnahme von Substanz durch die Zelle erfolgte, teils an secernierenden Zellen gleiche Fortsätze und Verschwimmen der Kernmembran nach dem- jenigen Teile der Zelle gerichtet, wo die Sekretion stattfand, wahrnehmen konnte, schloss er daraus, dass der Kern in einem Falle die aufnehmende, im anderen Falle die abscheidende Thätig- keit der Zelle beeinflusst. — Die Veränderungen in der Struktur des Kernes, die Korschelt bei der thätigen Zelle beobachtete, bestanden in Anhäufungen von chromatischer Substanz, die nach- her wieder verschwanden. „Sie werden wohl in Form eines gleich- artigen Netzes im Kern verteilt oder aber gelöst und in dieser Gestalt auch nach aussen abgegeben“ (p. 93). Auch die Nucleoli können bei der Thätigkeit der Zelle Veränderungen erleiden, sie können nämlich mehr oder weniger aufgelöst werden. — Wie man an der nach der fraglichen Arbeit Korschelts gezeich- neten Figur sehen kann, sind die Fortsätze des Kernes von einer dunklen feingekörnten Masse umgeben. Diese Körnchen- haufen sind von Korschelt als Nahrungssubstrat aufgefasst. — Die Ansammlung von Körnchen an den Fortsätzen des Kernes sowie diese letzteren selbst scheinen mir das am meisten aul- fallende in den schönen Abbildungen Korschelts auszu- machen. — Zuletzt will ich noch als wichtig erwähnen, dass es Korschelt gelungen ist, an lebendem Materiale die Gestalt- veränderungen des Kernes zu verfolgen. Bei meinen (15) Untersuchungen über die Hautdrüsen der Raupen bin ich imstande gewesen analoge Veränderungen, wie die von Korschelt beschriebenen, an dem Kerne der gigantischen und in sekretorischer Thätigkeit befindlichen Drüsen- zellen zu studieren; besonders bei den Häutungsdrüsen, die eine intermittente Thätigkeit zeigen, konnte ich mit voller Bestimmt- heit klar legen, in welcher Phase der Sekretion die fraglichen 6* S4 EMIL HOLMGREN, Drüsenzellen waren, und fand ich, dass das zuerst nachweisbare Zeichen der Thätigkeit eigentümlich dunkle, auffallend fein- und dichtgekörnte und mitunter verzweigte Protuberanzen waren, die von dem Öytoplasma in den Kern hineinragten. Fortsätze des Kernes in das Protoplasma konnte ich nicht beobachten. Wenn auch, soweit es mir bekannt ist, die beiden erwähnten Abhandlungen bisher die einzigen sind, die ausführlicher das lappige Aussehen des Kernes und die dicht granulierte, dunkle Zone in der nächsten Nähe der Lappen während gewisser Phasen der Zellthätigkeit hervorgehoben haben, giebt es jedoch eine nicht geringe Anzalıl von Forschern, die geneigt gewesen sind, in den von ihnen beobachteten Veränderungen des Kernes diesem eine yrössere oder geringere Aktivität an den Stoff- wechselprozessen der Zellen zuzuschreiben. So will ich unter Hinweisung auf das, was Kölliker in dieser Hinsicht in seinem Handbuch der Gewebelehre geäüussert hat, an die Be: obachtungen R. Heidenhains(16)an den Parotiszellen während der Ruheperiode erinnern, das heisst an die Zeit, in welcher das Sekret bereitet wird, wo der Kern mit sternförmig geordneten Fortsätzen versehen sein soll, während er bei der Abgabe von Sekret seine runde Form wieder annimmt; sowie an die gleich- artigen Berichte von Hebold (17), Schiefiferdecker (18), Klein (19) u. A. An Eizellen sind Gestaltveränderungen der Kerne oft gesehen, so von Brandt (20), Vogt (21), OÖ. Schultze (22), Leydig (23), Flemming (24), van Beneden (25), Peremeschko (26) u. A. Eine Frage, die in inniger Beziehung zu den oben kurz referierten Beobachtungen steht, ist die nach einer mehr direkt wahrnehmbaren Aufnahme oder Abgabe von Substanz des Kernes. In dieser wichtigen Frage ist bisher gerade nicht viel mit Sicherheit zu sagen. Es liegen nur mehr zerstreute Notizen vor. Brass (27), der die Bidderschen Organe des Frosches studierte, konnte wahrnehmen, wie der Kern vermittelst pseudopodien- Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piseatorius Lin. 85 artiger Fortsätze aus dem Zellplasma Körnchen aufnimmt. — Sowohl Korschelt (l. c.) als auch ich (l. e.) haben betont, dass der Kern während der sekretorischen Thätigkeit an Volum zu- nimmt, welches Verhältnis wohl nicht auf andere Weise gedeutet werden kann, als wie ein Ausdruck von Substanzaufnahme in den Kernen. — Eine besondere Aufmerksamkeit dürften wohl in der vorliegenden Frage Leydigs (28) Beobachtungen an Triton- eiern verdienen. Die Nucleoli sollen nämlich in amöbenähnlicher Form aus dem Kerne auswandern, um im Zellleibe intravitelline Ballen zu bilden. Ähnliches konnte Leydig auch an Eiern der Insekten und Myriapoden wahrnehmen. — Fol (29) und voule (30) berichten von der Auswanderung der Kernteile bei Asceidieneiern, Balbiani (31) ähnliches bei Geophiluseiern. Die Ertahrung Balbianis wurde seitdem von Leydig (32) bestätigt. — Will (33) berichtet von der Auswanderung der Nucleolen bei den Batrachiereiern, Stuhlman (34) bei Eiern verschiedener Insekten, Scharff (35) bei denen der Teleostier. — Weis- mann und Ischikawa (36) konnten die Auswanderung von Chromatinkörnchen aus dem Kerne der Eizellen von Daphniden wahrnehmen. Die Membran des Kernes war an der Stelle des Austretens undeutlich. Henneguy (37) beobachtete an einem Teleostier die Elimination von Substanz aus dem Kerne der Ei- zelle. — Endlich haben van Bambeke (38) und Fr. Meves (39) das Austreten von Kernteilen beschrieben, ersterer an den Eiern der Scorpoena, letzterer an den Spermatogonien von Sala- mandra. Die Arbeit des Letztgenannten bietet viele interessante Momente dar, in Bezug auf die Erfahrungen, die es mir zu machen gelungen ist, weshalb ich hier von der fraglichen Ab- handlung dieses Forschers etwas eingehender berichten will. — In den Spermatogonien des Salamanders nimmt der Kern unter gewissen Verhältnissen ein polygonales Aussehen an, wird ge- lappt oder mit Einkerbungen versehen. In dieser letztgenannten findet der Autor Chromatinkörnchen, die aus dem Kerne elimi- S5 EMIL HOLMGREN, niert worden sind und sich in der Gegend der vorher körnig zerfallenen Sphäre ansammeln. Auch Nucleoli können eliminiert werden. — Eine ähnliche Auswanderung von Körnchen findet Meves auch bei rundem Kerne und konsolidierter Sphäre, um welch letztere das eliminierte Chromatin sich besonders anhäuft. Den Modus oder die Strassen der Körnchenelimination aus dem Kerne konnte Meves nicht auffinden. Die oben referierten, verschiedenen morphologischen Aus- drücke der Wechselwirkung zwischen den Zellleibe und dem Kerne dürfen wohl die Gedanken auf einen organischen Zu- sammenhang der genannten Zellenteile lenken. Schon seit lange ist auch eine direkte Kontinuität zwischen dem Kern- gerüste und dem Zellplasma beschrieben worden. In dieser, wie in so mancher anderer Hinsicht scheinen die grossen Histologen Kölliker (40) und Leydig (28) die ersten gewesen zu sein, die eine solche Verbindung wahrgenommen haben. An Fisch- eiern und an gewissen Drüsenzellen der Raupen hatte Kölliker Andeutungen von Poren in der Kernmembran gesehen, und Leydig hatte unter anderen an Zellen der Malpighischen ‚„Ge- fässe“ bei Insekten feine Poren in der genannten Membran wahr- genommen, durch welche sich Fädcehen von dem Karyo- in das Cytoplasma erstreckten. Ähnliche Beobachtungen konnten ausser- dem, wie oben gesagt, Korschelt, sowie Frommann (41) und Arnold (42) machen. Reinke (43a), der mit Bezug auf die vor- liegende Frage wichtige und umfassende Untersuchungen an- stellte, gelangte zuerst zu der Auffassung, dass, wie Leydig meinte, die Kernmembran perforiert sein sollte und dass durch diese Perforationen das Kerngerüst mit dem Zellplasma direkt zusammenhängen sollte. In einer späteren Abhandlung hat in- dessen Reinke (43b) seine Auffassung einigermassen modifiziert. Er sagt nämlich u. a. (p. 264): „Ich glaubte damals, dass diese feinen Verbindungsfäden durch die von mir demonstrierten Poren der Kernmembran hindurch gingen. Dies kann ich heute Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius pisca torius Lin. 87 nicht mehr annehmen, vielmehr muss ich mich jetzt dahin aus- sprechen: das Gerüstwerk des Kernes, der Kernmembran und des Zellleibes sind eins und die Zellmembran stellt nur eine ver- diehtete, näher aneinander gerückte Partie derselben dar.“ Be- sonders wird von Reinke der Zusammenhang des Kern- und Zellplasma gegen M. Heidenhain (l. ce.) hervorgehoben; der Letztgenannte glaubt nämlich jede Kontinuität zwischen dem Kerne und dem Zellleibe verneinen zu sollen. Auch die Veränderungen in der Lage des Zellkernes sind von manchen Forschern in Zusammenhang mit der Zellthätig- keit gebracht worden. Ich citiere hier nur einige dieser Forscher, um weiter unten auf diese Frage zurückzukommen. So hat R. Heidenhain (44) solche Beobachtungen an Drüsenzellen verschiedener Vertebraten gemacht, so Lavdowsky (45) in der Orbitaldrüse des Hundes, so auch, wie oben gesagt, Korschelt. Fasse ich nun die referierten verschiedenen Angaben über den morphologischen Ausdruck der Wechselwirkung zwischen Kern, Zellplasma und Zellprodukt in wenige Worte zusammen, so kann unsere bisherige Kenntnis in der vorliegenden Frage bei Tieren ungefähr folgendermassen ausgedrückt werden: Die scharf abgesetzte Grenze zwischen Kern und Zelleib, die Kernmembran, kann in grösserer oder geringerer Ausdeh- nung verschwinden, wodurch ein Übergang zwischen Kern und Zellsubstanz stattfindet. Der Kern kann nach den Teilen des Zellleibes, wo die Thätigkeit der Zelle anı stärksten ist, Fortsätze ausschicken. Umgekehrt können auch von dem Zellplasma Fortsätze in den Kern hineinsprossen. Jedenfalls scheinen die so entstandenen Gestaltveränderungen nur auf die Perioden intensiver Zellthätigkeit beschränkt zu sein, insoweit nicht durch ähnliche Vorgänge der Kern eine durchaus gelappte Form ange- nommen hat und sich in vielfacher Verzweigung durch die ganze Zelle erstreckt, da die Gestaltsveränderung eine per- manente werden kann. — Aber nicht nur die Form des 88 EMIL HOLMGREN, Kernes, sondern auch die Kernstruktur kann während der Zell- thätigkeit gewisse Veränderungen durchmachen. Haufen von chromatischer Substanz treten auf, um nachher wieder zu ver- schwinden; die Nucleolen können aufgelöst werden. — Der Aus- tausch von Substanz, die man zwischen Kern und Zellleib hat wahrnehmen können, ist nicht immer mit Sicherheit als an die besondere Thätigkeit der Zellen gebunden anzusehen. Der morpho- logische Ausdruck dieses Austausches ist verschieden. Eine Ver- grösserung des Kernvolumes, die wohl kaum auf andere Weise gedeutet werden kann als ein Ausdruck der Substanzaufnahme, ist jedoch mit Sicherheit im Zusammhange mit der Zellthätigkeit wahr- genommen. Vielfach hat man den Austritt von Nucleolen und chromatischen Körnchen aus dem Kerne beobachtet, und diese Körnchen sind einmal als in der Gegend der Sphäre ange- sammelt beobachtet worden. — Was die Kontinuität des Kern- gerüstes mit dem Zellplasma betrifft, so sind die Meinungen geteilt. — Die Kerne können endlich während der Zellthätig- keit ihre Lage in den Zellen verändern. Die Bilder, die ich von den Spinalganglien von Lophius erhalten habe und welche ich als morphologischen Ausdruck für eine Wechselwirkung zwischen Kern, Zelleib und event. Zellprodukt deuten muss, sind von sehr verschiedener Art. Ich werde hier die mehr typischen, die mehr extremen dieser variierenden Bilder beschreiben, um dann zu versuchen, die- selben in der Reihenfolge zusammenzustellen, in welcher sich nach meiner Ansicht die verschiedenen Vorgänge in der Zelle abspielen. Da ich indessen ausser diesen so unvergleichlich oft auftretenden Zellen, in welchen die angedeuteten Verände- rungen in der einen oder anderen Form auftreten, auch andere Anatomisehe Hefte 1. Abteilung Heft 38 (12. Bd. H. 1). Fig. 17. — a NY E. Holmgren del. i Liehtdruck der Verlagsanstalt F. Eruckmann A.-G. München. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. 8 | —f — + a a) . he u ® A h | D P_ E = T s r u ‘ j 4 4 n iM Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lopl I gang us piscatorius Lin. 89 Zellen gefunden habe, in welchen jede Spur dieser Verände- rungen vermisst wird, bin ich veranlasst, in dieser letzteren Art von Zellen Elemente zu sehen, die im Fixierungsaugenblicke der Ganglien sich in Ruhe befunden haben, wenigstens mit Hin- sicht auf die Stoffwechselprozesse, welche die erstgenannte Art von Zellen zeigt. — Ich leite deshalb meine Schilderung der verschiedenen Zellentypen mit den letztgenannten Zellen ein, bei denen keine auffallenden Veränderungen am Kerne zu sehen sind. Die Charaktere der hieher gehörigen Zellen sind bezüglich des Zellleibes und des Kernes in wesentlicher Hinsicht mit dem identisch, was durch die Arbeiten Flemmings (46), Nissls (47), Lugaros (48), Lenhosscks (49), Bühlers (7) u. A. als für die Spinalganglien mehr gewöhnlich festgestellt worden ist. -— Be- züglich einiger noch nicht aufgeklärten Strukturverhältnisse scheinen indessen meine Erfahrungen mir die Berechtigung zu geben, eine ziemlich bestimmte Stellung eimzunehmen. Wie bekannt, liegen mit Bezug auf die sog. Grundsubstanz oder Zwischensubstanz des Nervenzellenprotoplasmas zwei prin- zipiell verschiedene Meinungen vor. Der einen gemäss, die — wenn wir uns auch die Arbeiten Arndts (50) und M. Schultzes (113) erinnern, in welchen hervorgehoben wird, dass die Grundsubstanz strich- und fadenförmige Bildungen enthält — besonders von Flemming (l. e.) begründet ist, soll die Grundsubstanz aus Fäden und einer interfilaren Substanz, welche letztere eher granulös als spongiös ist, bestehen. Die Fäden, welche einen mehr oder weniger geknickten oder wellenförmigen Verlauf zeigen, sollen mit denen des Polkegels in Verbindung stehen und ebenso mit den Tigroid« schollen zusammenhängen. Auch Nissl (l. c.) ist der Meinung, dass eine Fülle von Thatsachen zu dem Schlusse zwingt, dass die 90 EMIL HOLMGREN, Grundsubstanz des Nervenzellleibes Fibrillen enthalten müsse. Lugaro (l. e) und Marinesco (5l) finden bei Fällen von Schwund des Chromatins („Chromatolyse“; „Tigrolyse“ nach Lenhossek) Fibrillen, die ein Netz, ein Spongioplasma bilden, welches Gerüstwerk mit den Fibrillen des Axencylinders und den Dendriten direkt zusammenhängen sollen. Die Tigroid- schollen liegen (Marinescol.c.) zwischen den Fibrillen, nicht an denselben, wie Flemming behauptet. — Palladino (52) konnte durch Färbung mit Jodpalladium den Zellleib von einem fibrillären Gerüstwerk durchsetzt beobachten. Benda (53), Levi (54), Dehler (8), Cox (55), Reinke (43), Golgi (56), Dogiel (57), Becker (58), Bühler (7), Szezawinska (83) sehen auch Fäden- oder Fadennetze in dem Zellleibe, die sich im allgemeinen mit den Fibrillen des Achseneylinders direkt verbinden. Da die genannten Autoren die Fadennetze des Zellleibes in direkter Verbindung mit deutlichen Fibrillen des Achsencylinders beobachteten, darf man wohl annehmen, dass sie mit Flemming genuine Fibrillen in dem Cytoplasma gesehen haben, obgleich sie auch mitunter von einem Spongioplasma sprechen. Wir werden weiter unten sehen, dass es hervorragende Forscher gibt, die auch von einem Spongio- plasma sprechen, die aber keine Fibrillen gesehen haben. — Dass indessen ganz unzweideutig von isolierten, leitenden Fibrillen in den Arbeiten Apäthys (59) die Rede ist, kann wohl nicht bezweifelt werden. Die Befunde Apäthys, die man zuerst in der letzten Zeit anerkennen konnte haben durch Bethes (60) Untersuchungen gewissermassen ihre Bestätigung gefunden: Die Nervenzellen sind von Fadenwerken, die mit den Primi- tivfibrillen des Axeneylinders direkt kommunizieren, durch- setzt. Die übrigen morphologischen und physiologischen Spe- zialisierungen dieser Fadenwerke, die von den beiden genannten Forschern hervorgehoben worden sind, können hier keine Er- wähnung finden, wie auch die fundamentale Frage noch ihrer Antwort harrt, ob die von Apäthy und Bethe beobachteten Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 91 Fadenwerke als ontogenetisch integrierende Teile des Nerven- zellprotoplasmas anzusehen sind oder ob sie, wie Apathy meint, während der Entwiekelung von speziellen Matrixzellen, „Nervenzellen“, in die „Ganglienzellen‘“ hineingewachsen sind. Gegen die oben, besonders von Flemming begründete Aul- fassung der Grundsubstanz hatte Lenhossck (49) vielfach eine andere Behauptung aufgestellt. Er hatte weder Fibrillen noch kurze Fädehen, sondern nur eine schwach färbbare Grund- substanz wahrnehmen können, die ein feinwabig-körniges Ge- füge darstellte. Bei seinen Studien über die Spinalganglien des Menschen (2b) präzisiert er seine Stellung zu der vorliegenden Frage etwas näher, indem er die peripherisch, von chromatischen Granulationen freie Zone der Zellen, wo die Grundsubstanz also mehr nackt hervortritt, als aus glänzenden, achromatischen und ungleichmässigen Pünktchen aufgebaut beschreibt. „Ihre An- ordnung schien bald eine gleichmässige, bald aber — und dies entspricht wohl dem gewöhnlichen Verhalten — eine derartige zu sein, dass sie sich mehr oder weniger zu einem Netzwerk mit sehr engen Maschen zusammenordnen, so dass der Eindruck einer wabigen Struktur hervorgerufen wird“ (8. 310). Von Lenhossek wurde also die Grundsubstanz mehr als eine pseudo- wabige — nach Reinkes Meinung — als eine wabige nach Bütschlis Lehre aufgefasst. — In einer seiner letzten Publi- kationen hat indessen Lenhossck (5) angedeutet, dass er sich infolge seiner letzten Erfahrungen gewissermassen der Auffassung Flemmings genähert hat. Er fügt jedoch hinzu: „Fest steht für mich so viel, dass in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist‘ (S. 593). Ein wabiger Charakter der Grund- substanz wird auch von Held (11) verfochten, der sich gewisser- massen an Bütschlis Lehren anschliesst. Wirkliche Fibrillen werden von diesem Forscher geleugnet. — In diesem Zusammen- hange will ich indessen hervorheben, dass, während Lenhossck mit den auch von Flemming benutzten Methoden zu seinen 92 EMIL HOLMGREN. Folgerungen gelangt war, Held seine Bilder durch Methoden bekommen hatte, die von Flemming als geeignet angesehen werden, Schwellungen und Vakuolisierungen hervorzurufen. Er hatte nämlich u. a. Ammoniumbichromat und Pikrinschwefelsäure benutzt. — Ramon y Cajal (61) und Van Gehuchten (62) betrachten die Grundsubstanz als ein Spongioplasma. Der erst- genannte Forscher will jedoch wahre Fibrillen nicht ganz aus- schliessen, obgleich er solche nicht gesehen hat, und der letztere betont, dass das von ihm beobachtete Cytospongium „differe totalement des fibrilles courtes, flexueuses, irregulieres et inde- pendentes, decrites et figurees par Flemming“ (62 b. S. 343). — Sowohl Ramon y Cajal wie Van Gehuchten nehmen an, dass die Gebilde der färbbaren Substanz mit dem achromatischen netzförmigen Cytospongium in Zusammenhang stehen. (Siehe hierüber näheres weiter unten). In der letzten Zeit ist eine Meinung hervorgetreten, welche gewissermassen die oben referierten, prinzipiell verschiedenen Auffassungen, mit Bezug auf die Natur der Grundsubztanz ver- einigen will; und wer weiss, ob nicht in dieser Streitfrage, wie so oft, beide Meinungen ihre Berechtigung haben? Cox (63) hat nämlich bei seinen letzten Untersuchungen gefunden, dass teils ein Gerüstwerk, ein Spongioplasma, mit den Tigroidschollen zusammenhängt, teils wahre Nervenfibrillen, die wahrscheinlich nicht Netze bilden, im Zellenleibe vorhanden sind. Die Nerven- fibrillen sollen zwischen den Maschen des Cytoplasma verlaufen. Den oben dargelegten verschiedenen Auffassungen mit Be- zug auf die Grundsubstanz der Nervenzellen will ich noch hinzu- fügen, dass der Bau des Polkegels des Achseneylinders auch ver- schieden gedeutet worden ist. Der Polkegel, welcher zuerst als homogen u. a. von Schaffer (64), Benda (l.c.) und Len- hossek (l. e.) beschrieben worden ist, haben Held (l. e.), Flem- ming (l. e.), Reinke (l. e.), Lugaro (l.c.), Marinesco (l. ec.) und Cox (l. ce.) als fibrillär gebaut aufgefasst — eine Meinung, Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piseatorius Lin. 93 welcher sich in der Folge Lenhossek (49 c.) angeschlossen hat. Held, wie auch später Van Gehuchten (62b), hat jedoch die l'ibrillen als aus reihenartig angeordneten Körnchen bestehend aufgefasst. Dogiel (l. ec.) hat gleichfalls die Fibrillen mit Körn- chen beladen gesehen. Ich habe schon oben die verschiedenen Auffassungen kurz angedeutet, wie sich die chromatischen Gebilde zu der Grund- substanz verhalten. Von Marinesco (. ce.) abgesehen, der die Chromatinschollen in den Maschen des Cytospongium gesehen hat, scheint man gewöhnlich dieselben mit den Fibrillen oder mit dem Spongioplasma in Verbindung setzen zu wollen, und Van Gehuchten hat diesen Zusammenhang folgendermassen erklärt: Die chromatophilen Elemente liegen in der achromati- schen Substanz und zwar haften sie speziell an den Knoten- punkten der netzförmigen Masse. Zuweilen sieht man die chro- matische Substanz an den Trabekeln selbst haften; es entstehen dann im Zellplasma die chromatischen Fäden von verschiedener Länge und unregelmässigem Verlauf. An einzelnen Stellen können die Körnchen sich zusammenballen und dadurch zur Bildung von chromatischen Stäbehen führen. An anderen Stellen in- prägniert die fragliche Substanz die T rabekeln und deren Knoten- punkte. Die angehäuften Körnchen können dann sternförmige Gebilde hervorrufen. Diese Imprägnation kann inzwischen einen immer grösseren Umfang annehmen, wobei die Maschen des Netz- werkes sich immer enger präsentieren. Wenn dieser Prozess auf mehrere benachbarte Trabekeln und Knotenpunkte über- greift, so entsteht das Bild eines chromatischen Blocks. Dieser hat indessen keinen homogenen Bau, weil die Maschen des Netzes, obgleich klein und reduziert, dennoch durch die Tigroid- substanz nicht ganz ausgefüllt werden. So erscheinen diese von der chromatischen Substanz nicht ganz verdrängten Maschen unter dem Bilde der von Lenhossek u. A. beschriebenen Vakuolen. — Diese Schilderung der chromatischen Substanz der 94 EMIL HOLMGREN, Nervenzellen, die grosse Ähnlichkeit mit der besonders von Ramon y Oajal (l. e.), aber auch gewissermassen von Flem- ming (l. ec.) gegebenen zeigt, scheint darauf hinzudeuten, dass teils die chromophilen Elemente nicht ausschliesslich durch die chromatischen Körnchen gebildet werden, teils auch, dass — worauf schon Nissl (l. e.), Lugaro (l.c.) u. A. hingewiesen haben —, die jeweilige Form der färbbaren Körper von der Art und Weise des Verlaufs der ungefärbten Züge, resp. der Fibrillen abhängig sei. — Van Gehuchten fügt zu seiner oben kurz referierten Schilderung: (62a S. 330) „Dans la constitution de chaque element chromatophile, quelque petit qu’ il soit, inter- vient une partie du reseau protoplasmique.‘“ — „ils ne sont pas exclusivement formes par des granulations chromatiques“. — Schon seit lange haben auch Flemming (l. c.) und Gittis (65) den körnigen Charakter der Tigroidschollen hervorgehoben. Die Körnchen liegen in einer vergleichungsweise weniger tingierbaren strukturlosen Grundsubstanz eingebettet, wie auch Held (l. e. Benda (l. e.), Lenhosseök (l.c.), Marinesco (l.c.) und Büh- ler (l. ce.) gezeigt haben. Endlich sei noch daran erinnert, dass der Polkegel, die periphere Zone des Zellleibes und oft auch die nächste Gegend um den Kern herum von Tigroidkörnern ganz frei sind, worin alle Autoren einig zu sein scheinen. Was nun meine eigenen Erfahrungen über die Grund- substanz der Spinalganglien von Lophius betrifft, so will ich gleich betonen, dass ich bis jetzt noch nicht imstande ge- wesen bin, an den fraglichen Zellen die eigentliche Natur der- selben zu erforschen. Was im Zellleibe zwischen den Tigroid- schollen oder den diesen entsprechenden Gebilden hervorge- treten ist, hat bei der Tinktion mit Eisenhämatoxylin nur ein durchaus graues, durch Färbung mit Toluidin-Erythrosin ein Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 95 schwach acidophiles Aussehen gezeigt, mit etwas dunkler gefärbten äusserst feinen Pünktchen und hie und da nodös verdickten Strichen. Indessen konnte es mir nicht entgehen, dass sich bei geeigneten Schnitten die chromophilen Teile nach bestimmten Gesetzen angeordnet haben. An anderen Zellen dagegen, wo wahrscheinlich infolge physiologischer Veränderungen des Zell- leibes die Grundsubstanz vergleichungsweise leicht optisch diffe- renzierbar geworden war, gelang es mir, dieselbe einigermassen zu eruiren und konnte ich mich dabei überzeugen, dass die ge- nannte gesetzmässige Anordnung der chromophilen Elemente in der Architektonik der Grundsubtanz zu suchen war. — Ich werde gleich unten bei der Besprechung der Sphäre und der Centro- somen die Grundsubstanz näher berücksichtigen. Hier will ich nur hervorheben, dass ich die letztgenannte als eine retiku- läre oder wabige, als ein Spongioplasma gefunden, und von wahren Fibrillen nichts gesehen habe. Ich bin jedoch weit entfernt davon, deren Vorhandensein verneinen zu wollen. Ein negativer Befund sagt ja in dieser Hinsicht nichts. — Ich will indessen bemerken, dass ich, soweit es mein begrenztes Material gestattete, dieser Frage eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe. So habe ich die Hämatoxylin- methode Apäthys (l. c) angewandt, die progressive Färbung Flemmings (l. c.) mit Delafields Hämatoxylin, und endlich verschiedene Modifikationen der Methode Bethes (l. ce.) mit Toluidinblau nach Beizen mit Ammonium-Molybdanat, ohne jedoch mehr entdecken zu können, als was ich durch andere Methoden erzielt hatte. Ich war indessen darauf vorbereitet; denn alle die genannten Nervenfibrillfärbungen erfordern ja ein grosses Material infolge ihres launischen Verhaltens, und ich ver- fügte über ein allzu kleines Material, um für diese Frage allein viele Ganglien opfern zu dürfen. Wie gesagt, ich konnte an den fraglichen Zellen die eigentliche Grundsubstanz nur als eine mehr homogene oder im 96 EMIL HOLMGREN, besten Falle granuläre, nur schwach acidophile auffassen. Bei diesen Zellen von Lophius, die beim Vergleich mit anderen Tierspecies an chromatischen Bestandteilen auffallend arm sind, konnte ich indessen beobachten, wie bei Färbung mit Eisen- hämatoxylin graublau, bei Färbung mit Toluidin-Erythrosin mehr metachromatisch -— von einer Mischfarbe tingierte — bald lang ge- streckte, bald mehr unregelmässig geformte, grössere und kleinere Flecken im Zellleibe suspendiert waren. (Taf. IX/X Figg. 1, 2, 3.) Diese Flecken konnten bald, wie auch Szezawinska (l. e.) an Selachiern gesehen hat, als solche auftreten, bald enthielten sie mit Eisenhämatoxylin schwarz, mit Toluidin-Erythrosin tiefblau tingierte Körnchen, die in den Flecken bald diffus ausgebreitet, bald zu Klümpchen zusammengehäuft waren. Hie und da zwischen den Flecken, die, wie Lenhossek (l. c.) so treffend gesagt hat, der Zelle ein tigerfellähnliches, gesprenckeltes Aussehen verleihen können, konnte ich zugleich feinere ebenso gefärbte einfache oder verzweigte Streifen beobachten, die nicht selten mit reihenartig geordneten, den oben genannten Granula ähnlich gefärbten Körnehen versehen waren. — Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass die genannten Flecken der homogenen Zwischensubstanz der Tigroidschollen entsprechen. Diese Flecken mit den in ihnen eingeschlossenen Granulationen bilden die Tigroidschollen, die Nisslschen Körperchen der Autoren. Die homogene Grund- substanz der Schollen, die jedoch hie und da achromatische Lücken zeigen kann, färbt sich also mit Eisenhämatoxylin grau- blau, mit Toluidin-Erythrosin erhält sie eine Mischfarbe von beiden Tinktionsmitteln, vielleicht mit einem etwas mehr überwiegenden acidophilen Komponente, allerdings nicht mit einem rein acido- philen Aussehen. Die Granulationen. färben sich schwarz mit Eisenhämatoxylin, tiefblau mit Toluidin, nur schwach dunkelblau mit Delafields Hämatoxylin, mit Ehrlichs Triacid rot. — Die Granulationen scheinen also mehr basophil zu sein, das heisst, sie haben eine Vorliebe mit basischen Färbemitteln sich zu Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 97 tingieren, so mit basischen Anilinfarben wie Toluidin, T'hionin, Methylen, so auch mit Eisenhämatoxylin, während Dela- fields Hämatoxylın sie nur mehr schwach hervortreten lässt. Bei Tinktion mit Eisenhämatoxylin nach dem Vorfärben mit Bordeaux R verbleichen diese Körnchen bei der Differenzierung, während der Nucleolus noch intensiv schwarz gefärbt ist. — Unter den sauren Anilinfarben nehmen die fraglichen Körnchen Rubin und Bordeaux R auf, und mit Ehrlichs Triacid erhalten sie, wie oben gesagt, nicht eine grüne, sondern eine rote Farben- nuance. Die Basophilie scheint deswegen etwas zweifelhaft, und Rosin (66) ist auch infolge seiner Untersuchungen zu der An- sicht gelangt, dass diese Granulationen als neutrophile zu be- zeichnen seien. In den meisten Fällen ist jedoch ihre Vorliebe für besonders basische Anilinfarben so hervortretend, dass diese als ein Charakteristicum gelten könnte, falls auch die Granulationen mit dem Basichromatin des Kernes nicht parallelisiert werden könnten. In Verbindung mit diesen Auseinandersetzungen will ich, ganz im Anschluss au die Behauptungen Lenhosscks, hervorheben, dass ich zu der Ansicht gelangt bin, dass das Toluidin von bisher bekannten Färbemitteln der Tigroidsubstanz als das unvergleichlich beste angesehen werden muss. — Die Amphophilie der Tigroidschollen, welche Heimann (67) hervor- gehoben hat, kann ich nicht anerkennen. Wie oben angedeutet, habe ich an geeigneten Schnitten, und zwar solchen, die axial durch die Mitte der Zelle geführt worden sind, eine einigermassen gesetzmässige Anordnung der Tigroidsubstanz beobachten können. Man kann nämlich teils vom Üentrum der Zelle aus radienartig verlaufende, teils auch konzentrisch um dasselbe herum angeordnete kürzere oder mehr lang ausgezogene Züge wahrnehmen (Taf. IX/X, Fig. 1). Die ersteren haben ihre grösste Breite gegen den peripheren Teil der Zelle und verjüngen sich gegen das Centrum; die letzteren, welche, wie gesagt, kürzer oder länger sind, haben eine vergleichsmässig Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXVIII. Heft (12. Bd. H. 1.) 7 98 EMIL HOLMGREN, mehr unregelmässige Gestalt und können teils unter einander, und dann oft mit zugespitzten Enden, teils auch mit den ersteren sich direkt verbinden. — Es ist ganz auffallend, wie die grösseren der konzentrisch angeordneten Züge oder Schollen den der Rand- zone der Zelle zunächst gelegenen Teil des Zellleibes einnehmen, da- durch einen „Randschollenkranz“ Lenhosseks bildend, während die Schollen je näher sie dem Centrum gelegen sind, immer kleinere Dimensionen zeigen. Zwischen den so angeordneten chro- matischen Bildungen, laufen hie und da, feine, radıär oder kon- zentrisch, einfache oder nicht selten beinahe rechtwinkelig geknickte Striche mit feinen, wie Streptokokkenketten geordneten Granulationen oder auch ohne solche. Diese feinen, kürzeren oder längeren Striche stehen nicht selten durch ihre Enden mit den oben erwähnten gröberen Zügen in direkter Verbindung, können also Ausläufer der letzteren bilden. — Besonders in der Nähe der Randzone kann man auch hie und da zwischen den genannten konzentrischen oder radiären Richtungen schräg ver- laufende Schollen und Züge beobachten. — Die periphere Schichte der konzentrischen Schollen setzen sich um den exzentrisch gelegenen Kern fort. Je nachden der Kern mehr oder weniger exzentrisch liegt, wird derselbe von einer oder mehreren Schichten umlagert. — Vom Centrum erstrecken sich analoge radiäre Züge gegen den zunächst gelegenen Teil der Kernmembran. Indessen zeigen nicht alle zu der fraglichen Kategorie zu rechnenden Zellen mit gleicher Deutlichkeit die geschilderte An- ordnung der chromatischen Teile. Es giebt gewisse Zellen dieser Art, die sich dadurch auszeichnet, dass die Tigroid- substanz nur in vergleichsmässig mehr diffuser Anordnung und in der Form von sehr kleinen Schollen oder Zügen auftritt. — Ich könnte deswegen die Zellen, die zu der fraglichen Kategorie zu rechnen sind in zwei, oder vielleicht besser in drei ver- schiedene Typen einteilen. Ich will inzwischen gleich be- merken, dass zwischen diesen Typen verbindende Zellenformen vielfach wahrgenommen werden können. Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 99 1. Auffallend helle Zellen mit blasser Grundsubstanz und, mit Bezug auf die Grösse der Zellen, mit verhältnismässig ge- ringer Anzahl und mehr zerstreuter Anordnung von kleineren Schollen. Die oben geschilderte Anordnung der Tigroidsubstanz wird jedoch nicht ganz vermisst. Die radbandartig geordneten Körnchenreihen scheinen mir bei diesen Zellen allgemein zu sein. — Es gehören hierher grosse Zellen von 150 bis über 200 u Durchmesser. Die Zellen sind gerundet oder oval geformt und zeigen mitunter einen verhältnismässig mehr central lokali- sierten Kern. (Taf. IX/X, Fig. 2). 2. Auch helle und oft ebenso grosse Zellen; aber deren radiär verlaufenden Züge zeigen eine eigentümliche centrale Wirbel- bildung. (Taf. IX/X, Fig. 3). — Diese Zellen sind nicht allgemein. — Von diesen Zellen siehe weiter unten, Kapitel III! 3. Zellen mit etwas dunkler Grundsubstanz, einer deutlicher hervortretenden gesetzmässigen Anordnung von grossen Schollen und breiteren radiären Zügen. (Taf. IX/X, Fig. 1.) — Immer excentrisch gelegener Kern. Kleine (50 «), mittlere (100 «), selten grosse Zellen, von in der Regel ovoider Form. Die von Tigroidsubstanz freie Randzone der Zelle, die wohl zuerst von Koneff (68), Gittis (65), E. Müller (69) und Len- hossek (2a) beschrieben worden ist, hat bei den Spinalganglien- zellen von Lophius sehr oft eine auffallend grosse Breite. Wie Lenhossek (l. ec.) hervorgehoben hat, scheint die fragliche Partie der Ganglienzelle, seiner Struktur und Färbbarkeit nach, derGrundsubstanz anzugehören und dieoberflächlichste Schichte der Zelle, in die die Körnchen nicht hineinragen, auszumachen. Hie und da habe ich die oben genannten radiären Züge in der Randschicht hinein verfolgen können, und zwischen denselben tritt eine der Oberfläche der Zelle tangential verlaufende und mehr- schichtige Feinstreifigkeit hervor. Wie ein etwas dunkler Saum, hebt sich die Lenhosseksche Zellkontur von der Randzone ab. m f * 100 EMIL HOLMGREN, Auch dem Polkegel, den ich, als von ‘dem Zellleibe durch einen konvexen Rand abgegrenzt, nicht besonders oft beobachten konnte, fehlten die Tigroidkörnchen. In demselben habe ich feine bleiche Streifen gesehen, die in den Zellenkörper pinsel- förmig hineinstrahlen, um da zugleich ganz zu verschwinden. Der dem Kerne zunächst gelegene Teil des Zellleibes, welchem auch Tigroidsubstanz fehlt, zeigt hie und da feine Streifen, die von der Kernmembran radiär in den Zellkörper hineinlaufen. (ar HR, Big." 2). Es war ja von grossem prinzipiellen Interesse zu erfahren, dass es Lenhossek (49) gelungen sein sollte, in den Spinal- ganglienzellen des Frosches Sphäre und Centrosomen be- obachtet zu haben. Es lag. nahe, nach dieser Entdeckung sich die Frage vorzulegen, ob nicht diese Centralgebilde auch mit einer anderen Lebensäusserung in Verbindung gebracht werden könnte, da dieselbe in so konservativen Zellen vorhanden waren, wie es die Ganglienzellen sind, die ja, soweit bisher bekannt, sich niemals teilen. Die von mir gemachten Beobachtungen, die ich weiter unten schildern werde, lassen es nicht unmöglich er- scheinen, dass die genannten Centralgebilde eine gewisse Rolle auch bei den Stoffwechselprozessen der Zellen spielen können. — In diesem Zusammenhange darf ich auch daran erinnern, dass Meves(70) bei dem Frosche in den Sesambeinzellen der Achilles- sehne, welche sich, so weit bekannt, niemals teilen, Centrosomen beobachtet hat. — Die Entdeckung Lenhosseks wurde seitdem, bezüglich der Nervenzellen, durch die Beobachtungen Lewis (9) an einer Species von Würmern, denen Dehlers (8) an den sympathischen Zellen des Frosches, Mc Clures (71) an Gastro- poden, erweitert, und Lenhossek (49c) hat selbst auf der Anat. Versammlung 1896 erwähnt, dass er auch bei den Teleostiern Centralgebilde gesehen habe. Er fügt jedoch seiner Mitteilung hinzu: „allerdings scheinen hier jene Oentralgebilde nicht mehr intakt zu bestehen, sondern es scheinen nur mehr Zerfallsprodukte Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piseatorius Lin. 101 einer Sphäre vorzuliegen. Auch bei den sympathischen Zellen von Säugern sind dem Vortragenden Verhältnisse entgegengetreten, die darauf bezogen werden müssen, dass wenn auch ein Centrosoma bei diesen Zellen im reifen Zustande nicht mehr vorhanden ist, für die Anordnung des Zellplasmas wenigstens genetisch der Einfluss eines solchen Centralgebildes massgebend ist.“ Im Anschluss an den Vortrag Lenhosseks wurde von Kölliker erwähnt, dass er Sphären in den Riesenpyramiden des Menschen gesehen habe, und Benda hob daselbst hervor, dass er in Olivarzellen der Säugethiere „eine Plasmaanordnung, die an das Vorhandensein von (Centrosomen erinnert“ wahrgenommen hätte. Wenn ich zu dem schon Angeführten noch hinzufüge, dass Centrosomen von Bühler (72) im Gehirn der Amphibien, von Solger (73) bei Nervenzellen von Torpedo und von Schaffer (74) bei Nervenzellen von Petromyzon beobachtet worden sind, so scheint mir die Meinung nicht ganz grundlos zu sein, dass wir auf gutem Wege sind, die Ubiquität der Centrosomen auch mit Bezug auf Nervenzellen anerkennen zu können, — wenn auch zugegeben werden muss, dass die intrikaten und eigenartigen strukturellen Verhältnisse des Ganglienzellleibes für die optische Differenzierung derselben grosse Hindernisse bereiten. — Mit Be- zug auf die Lokalisation der Centrosomen und der Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches, nämlich in der Mitte derselben, wie Lenhossek (l.c.) es beschrieben hat, und nicht in der nächsten Nähe des Kernes, ist es von Interesse zu sehen, dass die meisten oben erwähnten Forscher, mit Ausnahme von Bühler, die Centrosomen auch bei anderen Tieren an analoger Stelle be- obachtet haben. Wie gesagt, Bühler (7) ist zu einer anderen Auffassung gelangt. Er meint, die Centralgebilde bei den Spinal- ganglienzellen des Frosches dicht an dem Kerne gesehen zu haben. Bühlers Abbildungen scheinen mir indessen nicht ganz ein- wandslrei zu sein, und durch eigene Erfahrungen bin ich davon überzeugt, dass die Bildungen welche Bühler gesehen und als 102 EMIL HOLMGREN, Centrosomen gedeutet hat, nicht gut solche sein können, sondern dass die wahren Centralgebilde mehr in der Mitte der Zelle lokali- siert sein müssen. Ich werde weiter unten die Öentrosomen auch beim Frosche kurz erwähnen. — Die eigentümliche Wirbel- bildung, die unter anderen Tierspecies auch beim Frosche in der Mitte mancher Spinalganglienzellen vorhanden ist, hat Bühler als den wahren Gegenstand der Lenhossekschen Üen- tralgebilde angesehen. Die meisten Bilder des letztgenannten Forschers scheinen mir jedoch einen solchen Verdacht auszu- schliessen !. — Nur in den mittleren Spinalganglienzellen des Frosches (30-40 u in Diameter) war es Lenhossek gelungen Centralgebilde wahrzunehmen. Mit Eisenhämatoxylin und Bor- deaux R konnte er eine dunkel tingierte, kugelige, fein granu- lierte und konzentrisch zerklüftete Bildung in dem mittleren Teil der fraglichen Zellen beobachten. Die Kugel buchtet mit ihrer gegen den Kern gewendeten Peripherie die Kernmembran ein. Die „Centralscheibe,“ wie Lenhosseck seine Sphäre nennt, nimmt den centralen Teil der genannten Kugel ein und ist 4—6 u im Durchschnitt. In der Mitte der Scheibe wird ein aus intensiv schwarzgefärbten Körnchen bestehendes Körperchen wahr- genommen. — Das auffallende Verhältnis, dass der Kern eine Einbuchtung an seiner gegen die Centralscheibe gewendeten Peripherie zeigt, welches Verhältnis, wie Lenhossek hervor- hebt, dadurch zustande käme, dass eine besonders reichliche Anhäufung von Körnchen hier stattfände, ist auch von Dehler (l. e.), Lewis (l. e.), Me Clure (l. e.) bei den resp. Tieren und von Pugnat (75) bei den Spinalganglienzellen einiger Reptilien nach- gewiesen. — Was ich indessen an den Figuren Lenhosseks 1) Ich will jedoch hinzufügen, dass ich die Spinalganglienzellen des Frosches noch nicht so gründlich studiert habe, um mir ein bestimmtes Urteil, in dieser Frage bilden zu können. Kinige der Lenhossekschen Zeichnungen scheinen mir indessen die Einwendung berechtigt zu machen, dass die „Sphäre“ eher als ein Corpus alienum in der Zelle als eine Differenzierung des Cytoplasmas hervortritt. Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piseatorius Lin. 103 und auch an denjenigen Dehlers und Me Clures ganz ver- misst habe, sind von der Sphäre ausstrahlende Radien, die jedoch an den Figuren Lewis’ hervortreten. Wie ich oben hervorgehoben habe, kann man an den axial durch die Mitte der Spinalganglienzellen von Lophius geführten Schnitten eine gewissermassen gesetzmässige Anordnung der Tigroidsubstanz beobachten: teils von der Mitte der Zelle radien- artig auslaufende, teils auch konzentrisch um dieselbe angeord- nete Züge. Die letzteren waren um so kleiner, je näher sie dem Centrum lagen, während die grösseren dieht unter der Randzone sich ausbreiteten. Hie und da konnte man auch zwischen den radiären und eyklischen Richtungen schräg ver- laufende Züge beobachten; und zwischen allen genannten Teilen der Tigroidsubstanz teilweise auch mit denselben in direkter Ver- bindung stehend, waren auch streptokokkenähnliche, feine, einfache oder verzweigte Züge von Körnchen mehr oder weniger zalıl- reich eingeschoben. — Wenn man nun mit Bordeaux R vorfärbt und dann mit Eisenhämatoxylin tingiert, kann man mitunter in dem Centrum, gegen welches die, nur mit Bordeaux R gefärbten, radiären Züge sich strecken und um welches die konzentrischen Züge sich geordnet haben, einen von ungefähr 5 u Durch- messer grossen, kugeligen, homogenen oder vielleicht eher äusserst fein granulierten Körper beobachten, der sich etwas dunkler als der übrige Teil des Zellleibes mit Bordeaux R färbt (Taf. IX/X, Fig. 4). Die Mitte dieses Körpers zeigt sich etwas heller und schliesst drei, selten zwei oder vier, untereinander triangulär geordnete intensiv schwarze Pünktchen ein. Keine anderen granu- lären Bildungen sind bei diesem „subtraktiven“ (M. Heiden- hain) Verfahren im Zellleibe schwarz gefärbt. (Ich will bemerken, dass ich an exquisiten Präparaten, gefärbt mit Toluidin -Ery- throsin, analoge Granulationen auch mit Toluidin und dann dunkelblau erhalten habe.) Es liegt wohl ziemlich nahe, in der genannten, drei intensiv schwarz gefärbte Pünktchen ein- 104 EMIL HOLMGREN, schliessenden Kugel, eine Sphäre mit ihren Centrosomen zu sehen, um so mehr, als radiäre Züge davon ausgehen. Diese meine Meinung habe ich bei anderen Zellenkategorien als der vorliegen- den, wo infolge „tigrolytischer“ und die Grundsubstanz mit baso- philer Substanz diffus imprägnierender Prozesse die genannte Grundmasse der Zelle deutlich optisch differenzierbar wird, be- stätigen können. Diese Prozesse werde ich weiter unten näher schildern. Um indessen nicht in allzu viele unnötige Wieder- hölungen zu verfallen, will ich schon hier erwähnen, was ich mit Bezug auf die feinere Struktur der Grundsubstanz habe beo- bachten können. — Betrachtet man Fig. 5 Taf. IX/X, die eine solche mit Eisenhämatoxylin gefärbte und infolge „tigrolytischer“ und die Grundsubstanz basophil imprägnierender Prozesse ver- änderte Zelle so treu wie möglich wiedergiebt, so findet man, wie im centralen Teile des Zellleibes eine kugelige, dunkel gefärbte Bil- dung liegt, die in ihrer Mitte etwas heiler ist und drei triangulär geordnete, intensiv schwarz tingierte Pünktchen einschliesst. Was ich mit Bezug auf diese letzteren nicht habe wiedergeben können, ist ihre vergleichsmässig grosse Lichtbrechung. Die kugelige Bildung ist durch einen dunkleren Saum von der Um- eebung deutlich abgegrenzt, die infolge der angedeuteten Prozesse verändert ist, während der periphere Teil des Zellleibes mit der oben gegebenen Beschreibung mehr übereinstimmt. In dem alterierten, mehr centralen Teil des Zellkörpers kann man nun eine gesetzmässige Anordnung von mehr oder weniger dunkel- gefärbten und undenutlich konturierten Zügen beobachten. Teils laufen dieselben von der genannten centralen Kugel radıär aus, teils sind sie, die ersteren beinahe rechtwinkelig kreuzend, um dieselben eyklisch angeordnet. WirhabeneinCytospongium vor uns, das mit der genannten Kugel als centralem Teile ausserordentlich gesetzmässig aufgebaut ist. Ich kann in diesem Zusammenhange nicht unterlassen, an Erlangers Beschreibungen und Abbildungen (76) der Centralgebilde des u Anatomische Hefte I. Abteilung Heft 38 (12. Bd. H. 1). E. Holmgren del, Fig. 23 Liehtdruck der Verlagsanstelt F. Bruckmann A.-G. München. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. i B zw u = - “ = = WE 0 TON a Dir _ a DEE ne | a a Ze Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 105 Ascariseies zu erinnern, wo die Grundsubstanz der Zelle um die Sphäre sich ganz analog gebaut zeigt. — Wenn auch in dem peri- pheren Teile der fraglichen Zelle die zahlreichen noch unver- änderten Tigroidelemente das Cystospongium verbergen, ist es jedoch nicht ganz unmöglich, auf Grund der wahrnehmbaren Ver- hältnisse zu ahnen, dass dieselbe Struktur sich bis zum „Rand- schollenkranze“ ausdehnt. Dass hier eine mehr unregelmässige Ver- teilung des Öytospongium auftritt, davon habe ich mich an anderen Präparaten überzeugen können. Der unvergleichlich grösste Teil des Zellleibes zeigt indessen die oben nachgewiesene Regelmässig- keit. — Auf Grund der dargelegten strukturellen Ver- hältnisse halte ich mich für berechtigt anzunehmen, dass im Centrum der fraglichen Zellen (Fig. 4 u. Fig. 5) ein Centralgebilde vorhanden ist mit Sphäre und Centrosomen. — Indessen ist es ja auffallend, wie variierend die Züge des Cytospongium mit Bezug auf Dicke und Färbbarkeit sind. Sowohl radiär als auch eyklisch angeordnete Züge sind teils kaum wahrnehmbar, teils sehr fein und schwachgrau gefärbt, teils mehr oder weniger verdickt und dabei auch mehr tingiert. Wenn wir in diesem Zusammenhange von den Zügen ganz ab- sehen, die sich nach dem Kerne erstrecken, und die weiter unten näher berücksichtigt werden sollen, so finden wir teils, dass solche verdiekte radiäre Züge auch durch den nichtver- änderten peripheren Teil des Zellleibes verfolgbar sind und baso- phile Körnchen enthalten, teils auch wie konzentrisch angeordnete ebenso verdickte Züge in demselben Teile der Zelle und auch basophile Körnchen einschliessend, zu sehen sind. — Ich komme deshalb mit Bezug auf die Trigoidelemente, ganz zu derselben Auffassung, wie die oben ceitierte von Ramon y Cajal und Van Gehüchten gehegte: die Z,wischen- oder Grundsubstanz der Trigoidelemente wird von den mit chromatischer Substanz impräg- niertenund dadurcehverdickten (bis zum Schwund der 106 EMIL HOLMGREN, Maschen) Zügen des Cytospongium gebildet. Natür- licherweise bestätigen gleichzeitig meine Erfahrungen die Auf- fassung der genannten Forscher, dass die basophilen Körn- chen oder Klümpchen der Tigroidsubstanz im Cytospongium eingeschlossen sind, und besonders scheinen sie an den Knoten- punkten, an den „points nodaux‘‘ Marinescos, eme Prädı- lektionsstelle zu haben. Wenn die Züge noch ziemlich dünn sind, können sie nur eine einfache Reihe von Körnchen einschliessen ; wenn sie mehr verdickt sind, dann sind auch die Körnchen mehr angehäuft. — Die schräg verlaufenden Tigroidzüge sind durch etwas unregelmässig gestaltete Teile des Spongioplasma, die hie und da auftreten können, bedingt. — Bisweilen ist es mir gelungen, den Polkegel analog, wenn auch mit langge- streckten Maschen versehen, gebaut zu beobachten. — Dass das Öytospongium von Fädchen aufgebaut sein sollte, glaube ich nicht, denn ich habe mit Ramon y Cajal die verschiedenen Teile desselben eher membranös als fibrillär gefunden. Wenn auch die Grundsubstanz der vorliegenden Zellen nicht so darstellbar ist, wie ich es oben beschrieben habe, liegt doch kein Grund vor anzunehmen, dass dieselbe anders gebaut sein sollte. Die gewissermassen gesetzmässige Anordnung der Tigroidelemente scheint wohl dafür zu sprechen, dass sie auch hier ganz dieselbe ist. Nun wäre noch die wichtige Frage zu beantworten: darf man in der Struktur der Grundsubstanz ein genuines Leydig- sches Spongioplasma sehen, oder muss dieselbe, im Sinne Bütschlis, als von flüssigkeitshaltigen Alveolen, in einer homo- genen, vergleichsmässig mehr zähflüssigen Substanz eingebettet, aufgefasst werden. Diese prinzipielle Frage, ob die Grund- substanz eine retikuläre oder rein wabige ist, muss ich aber als an konserviertem Materiale beinahe unlösbar betrachten. Indessen sind mir einige Verhältnisse entgegengetreten, die für die Alveolar- theorie zu sprechen scheinen. Um die Nukleolen, die, wie weiter Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 107 unten näher gezeigt wird, den Kern verlassen und im Zellleibe gewandert haben und hier ganz gewiss als cirkumskripte Körper nur accidentell vorhanden sind, da sie bald aufgelöst werden, ordnet sich die Grundsubstanz des Zellleibes strahlig herum. Diese Leichtigkeit zur Herumlagerung der Grundsubstanz scheint inir einigermassen für die Theorie Bütschlis zu sprechen. Könnte man die gewissermassen gesetzmässige Anordnung der Tigroidelemente als durch die strukturellen Verhältnisse der Grundsubstanz begründet auffassen, so scheint es mir, dass man die Ursache der ungleichen Verteilung und Gestalt dieser Ele- mente bei grösseren und kleineren Zellen auch in denselben zu suchen hat. Vergleicht man nämlich Taf. XUHI/XIV Fig. 13a und 13b miteinander, so findet man gleich den bedeutenden Unter- schied in der Grösse der Alveolen oder der Maschen des Spongio- plasma. Bei den grössten Zellen der Ganglien von Lophius, von denen ich in der Fig. 13b den Kern und den zunächst diesem gelegenen Teil des Zellleibes einer solchen Zelle wieder- zugeben versucht habe, sind die Maschen so äusserst mimutiös, dass es mir nur annäherungsweise gelungen ist, die Strukturen der Grundsubstanz nachzuzeichnen. Bei den kleineren Zellen dagegen, von welchen Fig. 13a oder Taf. IX/X Fig 5 ein Beispiel giebt, sind die Maschen unvergleichlich grösser. Nun findet man, wie oben beschrieben worden ist, die grossen Tigroidelemente bei den kleineren Zellen, während man bei den grössten Zellen dieselben Elemente mehr zerstreut und viel weniger umfangreich beobachtet. Es liegt wohl nicht allzu ferne, diese Verschieden- heiten der Tigroidelemente bei den kleineren und bei den grösseren Zellen auch in den hervorgehobenen strukturellen Ungleichheiten der Grundsubstanz zu suchen. Es ist von nicht geringem Interesse, dass ich die Grund- substanz der Spinalganglienzellen analog gebaut und Sphären mit Centrosomen analog lokalisiert wie bei Lophius, auch bei Gadus wiedergefunden habe. Die Tigroidschollen sind bei Gadus gross 108 EMIL HOLMGREN, und die Maschen der Grundsubstanz ebenso sehr gross, wie Taf. XVIIJ/XVII, Fig. 31 zeigt. Figg. 29 und 32 Taf. XVII/XVIU, zeigen auch analoge Verhältnisse bei resp. Acanthias und Rana; die letztere Fig. bestätigt desgleichen die Behauptungen Len- hosseks betreffs der Lokalisation der Sphäre bei Rana, wenn auch bei dem fraglichen Präparate die Sphäre excentrisch liegt, wie man es auch bei Lophius (s. Taf. XI’XII, Fig. 12) und dem Selachier Acanthias oft finden kann. Taf. XVI’XVIL, Fig. 30 scheint mir auf analoge Verhältnisse auch bei dem Selachier Raja hinzudeuten. Die an basophilen Elementen äusser- lich so reichen Zellen der Spinalganglien von Raja sind jedoch meinen Versuchen einer direkten Darstellung der Sphären mit Centrosomen energisch wiederstanden. Was zuletzt den Kern der der vorliegenden Kategorie an- gehörenden Zellen betrifft, so fallen meine Erfahrungen mit den klassischen Schilderungen des Nervenzellenkernes von Flemming (l.a u. a. St.), ebenso mit denen von Lenhossek (l. c.), Levi l. e.) Bühler (l. ec.) u. A. zusammen. Der Durchmesser desselben variiert mit der Grösse der ungleich grossen Zellen. Er beträgt ungefähr 15 u bei den kleineren und 30 « bei den grösseren Zellen. Der grosse Nucleolus, von 4—S u Durchmesser weicht von dem Kernchromatin vielfach ab. Er schliesst sich weder dem mit basischen noch dem mit sauren Anilinstoffen tingierbaren an. Auffallend ist es mit wie grosser Intensität er sowohl die basischen wie auch die sauren Farben festhält, und bei der Tinktion mit beiden Arten von Farbstoffen wird er mit einer Mischfarbe von beiden gefärbt. Ich kann deswegen mit Bezug auf den Nucleolus bei Lophius, und so auch bei Rana, Acanthias und Raja, der Auffassung Lenhosseks (l. ce.) beitreten, dass der Nucleolus nur relativ basophil ist. — Durch die Untersuch- ungen Malfattis (77), denen gemäss die reine Nukleinsäure bei gemischten basischen und sauren Farbemitteln den basischen Farbstoff aufnimmt, während phosphorarmes Nuklein sich meta- Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 109 chromatisch färbt und bei grosser Phosphorarmut der saure Farbstoff absorbiert wird, kann man, wie Lenhossek (5) hervor- gehoben hat, den Nucleolus als dem Nuklein nahestehend, aber davon durch geringern Phosphorgehalt geschieden auflassen. —_ Beinahe immer habe ich den centralen Teil, der vergleichs- mässig mehr basophil, mitunter jedoch weniger basophil als die Corticalis ist, von dieser letzteren deutlich abgegrenzt gesehen. — In dem fraglichen Stadium habe ich nur einen Nucleolus gefunden. Von Lenhossek (l. ce.) wird hervorgehoben, dass das Chro- matin des Nervenzellkernes ausschliesslich acidophil ist. Meine Erfahrungen bei den Spinalganglienzellen von Lophius sind geeignet, diese Meinung Lenhosseks in wesentlicher Weise zu bestätigen. Timofeew (78) hat neulich an den Spinalganglien- zellen der Vögel gefunden, dass die chromatischen Granula, die in dem acidophilen Lininnetze eingeschlossen sind, bei der Tink- tion mit Toluidin-Erythrosin sich rot färben, bei der Tinktion mit Eisenhämatoxylin aber schwarz, während das Lininnetz nur eine graue Farbennuance erhält. Dasselbe habe ich auch bei Lophius wahrgenommen, jedoch mit einem kleinen Zusatze. Durch Färbung mit Toluidin-Erythrosin habe ich das Lininnetz und die in demselben eingeschlossenen chromatischen Granula- tionen rot gefärbt erhalten. Unter diesen Granula findet man jedoch einige, bald diffus zerstreut, bald mehr perlschnurartig geordnet, die durch eine dunklere Farbe hervortreten. Bei der Tinktion mit Eisenhämatoxylin zeigten sich einige, nicht alle, Granula — bald diffus zerstreut, bald mehr perlschnurartig ge- ordnet — schwarz tingiert, während die übrigen Granulationen nur alsmehr dunkelgraue Pünktchen an dem grau gefärbten Lininnetze auftraten. Wir werden weiter unten sehen, wie diese von den übrigen acidophilen Elementen etwas tinktoriell abweichenden Granula während der Aktivität der Zelle sich vermehren. Das, wie oben angedeutet wurde, acidophile Lininnetz, ist ziemlich 110 EMIL HOLMGREN, grobmaschig, und verdichtet sich um den Nucleolus zu einem Ringe, wovon radiäre Züge gegen die Kernmembran ausstrahlen. Auch an dieser letzteren ist das Karyoplasma verdichtet. — Die Membran ist deutlich doppelkonturiert, acidophil — färbt sich mit Toluidin-Erythrosin rot, mit Eisenhämatoxylin schwach grau — und ist mir als sowohl mit dem Cytoplasma, als mit dem Karyo- plasma in direkter Verbindung stehend entgegengetreten. In der Membran habe ich keine Poren gesehen. Mit Bezug auf die Verbindung des Karyoplasma mit dem Cytoplasma schliesse ich mich deshalb der von Reinke (l. c.) aufgestellten Hypo- these an, dass das Kern- und Zellplasma durch Vermittelung der Kernmembran mit einander zusammenhängen. — Ich werde weiter unten imstande sein, faktische Verhältnisse vorzulegen, welche die direkte Kontinuität des Karyo- und Cytoplasma be- weisen. 2. Die wesentlichste Veränderung im Aussehen der Zellen, die hieher gehören, ist eine Anhäufung von Tigroidsub- stanz unmittelbar ausserhalb der Kernmembran zwischen dieser letzteren und der Sphäre (Taf. XXI, Fig. 8). Wie im Mom. 1, bei axialem Schnitte durch die Mitte der Zelle, die Tigroidelemente im peripheren Teil des Zellleibes am grössten waren und immer kleiner werden, je näher sie sich der Sphäre befinden, so findet man auch hier die grössten Elemente dicht an der Kernmembran, während sie gegen die Sphäre hin an Grösse abnehmen. Durch die genannte Anhäufung wird der Kern mehr oder weniger abge- plattet und kann selbst eine Einbuchtung zeigen. Die An- häufung ist von konischer Form mit der Basis an der Kern- membran und mit der Spitze gegen die Sphäre gerichtet. Es liegt hier ein Verhältnis vor, das mit den Schilderungen Len- hosseks (l. ec) von den Spinalganglienzellen des Frosches, Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 111 kewzis. (Lie), Pusnats il.sc.), Nies Cluwresal.) oJawsAt won den Nervenzellen verschiedener Tiergattungen grosse Ähnlich- keit zeigt. Ich will desgleichen teils daran erinnern, dass es Korschelt (l. e.) gelungen ist, an lebenden Eiern eine An- häufung von Nahrungsmaterial dicht an dem Kerne, an einer cirkumskripten Stelle zu beobachten; teils auch die Aufmerksam- keit darauf hinlenken, dass die Ansammlung der Tigroid- substanz der fraglichen Spinalganglienzellen an der Kernmembran immer an dem Umfange des Kernes gebunden ist, der der Sphäre zunächst liegt. Die fraglichen dieht an dem Kerne angehäuften Tigroid- elemente zeigen dieselben tinktoriellen Charaktere wie die übrigen basophilen Körnchen des Zellleibes. Mit Toluidin-Erythrosin färben sich dieselben dunkelblau, teils in konzentrisch um die Sphäre, teils in radiär gegen diese sich streckende, mehr meta- chromatisch gefärbten Zügen von Grundmasse eingebettet. Mit Eisenhämatoxylin färben sich die genannten Züge grau, mit schwarz tingierten Körnchen, — mit Delafields Hämatoxylin werden die Körmchen nur schwach dunkelblau gefärbt, mit Triacid rot. Der Kern zeigt im übrigen keine auflallenden Veränderungen. 3. Hier ist man imstande eigentümliche Veränderungen an dem Kerne zu beobachten, die ausschliesslich an den Umfang des letzteren gebunden sind, der, wie im Mom. 2 geschildert, durch die Tigroidanhäufung eine Abplattung erlitt. Die Kern- membran ist an der fraglichen Stelle, und nur an dieser, nieht unwesentlich verdickt und hat andere tink- torielle Eigenschaften erhalten. — Taf. XVXII, Fig. 7. — Bei der Färbung mit Toluidin-Erythrosin färbt sich dieKernmembran an dem fraglichen Teile ihres 112 EMIL HOLMGREN, Umfanges nicht rot, sondern dunkelblau. Mit Eisen- hämatoxylin wird derselbe Teil nicht grau, sondern tiefschwarz tingiert und hält diese Farbe mit grosser Energie fest; mit Triacid wird er nicht rot, sondern grün ge- färbt. Hand in Hand mit dieser basophilen Umwandlung eines Teiles der Kernmembran, findet man auch wie die dieht an dem Kerne angehäufte Tigroidsubstanz sich mehr oder weniger ver- ändert. Anstatt der grösseren Schollen treten nur kleinere Granulahaufen oder zerstreute Körnchen, in einer homogenen, oder vielleicht besser gesagt, äusserst feingranulierten Grund- masse suspendiert, auf. Diese Grundmasse färbt sich mit Toluidin- Erythrosin blau, mit Eisenhämatoxylin dunkelgrau oder ziem- lich schwarz, mit Triacid rot, mit Delafields Hämatoxylin- Eosin hellblau. 4. Auf die im Mom. 3 geschilderten Veränderungen der Kern- membran können andere folgen und zeigen sich diese unter zwei verschiedenen Formen. a) Der verdickte und basophil veränderte Teil der Kernmembran kann ganz und gar verschwinden. Hierbei tritt uns ein besonders wichtiges Strukturdetail entgegen, nämlich eine unzweideutige direkte Verbindung des Karyo- und Cytoplasma. Diese Verbindung manifestiert sich dadurch, dass in regelmässigem Abstande von einander und so verlaufend, dass sie gegen das Mikrocentrum konvergieren, mehr oder weniger breite und bei Tolui- din-Erythrosin eher metachromatisch als rein acido- phil, bei Eisenhämatoxylin dunkelgrau gefärbte Züge auftreten, die von der Sphäre in den Kern hinein- ragen, um mit dem Lininnetze sich direkt zu verbinden (Taf. IX/X, Fig. 6, siehe auch Taf. IX/X, Fig. 5). Zwischen diesen Zügen treten analog geformte und verlaufende Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 113 helle Züge auf, die in der Nähe des Kernes sich als direkte Fortsetzungen der achromatischen Teile des letzteren erweisen, um in der Nähe der Sphäre in das Zell- plasma diffus überzugehen. Die Teile des Kerngerüstes, welche mit den genannten Zügen mehr direkt zu- sammenhängen, erhalten einen mehr gestreckten Ver- lauf und zeigen mit Toluidin-Erythrosin dunkelrot (dunkler als die übrigen acidophilen Elemente des Kernes), mit Eisenhämatoxylin schwarz gefärbte Körnchen in ver- gleichsmässig regelloser Anordnung; ausserhalb des Kern- umfanges dagegen treten an den mit dem Lininnetze verbundenen Zügen Körnchen auf, die teils andere tinktorielle Verhältnisse, teils auch eine geregelte Anordnungzeigen. Diese Körnchen färben sich näm- lich mit Eisenhämatoxylin schwarz, mit Toluidin- Erythrosin dunkelblau und scheinen deshalb durch diese Reaktionen eine grosse Verwandtschaft mit der Tigroidsubstanz zu besitzen. Von dieser letzteren zeigen sie sich indessen dadurch abweichend, dass sie sich mit Delafields Hämatoxylin schwarzblau, mit Triacid grün färben, während die Tigroidgranula, wie ich oben dargelegt habe, durch dieselben Farbstoffe nur schwach blau, resp. rot gefärbt werden. Die fraglichen Körnchen zeigen vielmehr ganz ähnliche tinktorielle Verhältnisse wie das Basichromatin des Kernes im allgemeinen und müssen wohl als von dem letzteren ausgewandert aufgefasst werden. Indessen mangelt es jedem Kerne der Spinalganglienzellen an basichromatischen Granulationen; aber ein Teil derselben und zwar diejenigen, welche an den oben genannten Zügen des Lininnetzes adhärieren, bilden in gewisser Weise einen Übergang von rein acidophilen zu basichromatischen Elementen. Ich bin deshalb geneigt anzu- nehmen, dass die fraglichen Körnchen des Kernes bei ihrem Auswandern in den Zellleib successive einen basichromatischen Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXVII. Heft (12. Bd. H. 1.) 8 114 EMIL HOLMGREN, Charakter erhalten. — Aber diese Körnchen zeigen auch noch, wie gesagt, eine bestimmte Anordnung an den Zügen. Sie liegen nämlich, in der Nähe des Kernes, immer zwei und zwei neben einander, verschwinden aber immer mehr in der Nähe der Sphäre. Durch diese eigentüm- liche Anordnung wird nicht selten ein Bild hervorgerufen, das nicht wenig an das „Phänomen der konzentrischen Kreisfiguren‘“ M. Heidenhains erinnert. Heidenhain schreibt darüber folgendes (6, S. 499): „Ein Zellfaden (Radia) zeigte sich — — zusammengesetzt aus einer abwechselnden Reihe dunkler und heller Querstücke.‘‘ — „Mit Bezug auf diese Mikrosomen (Quer- stücke) konnte ich — allerdings nur in sehr seltenen Fällen, eine merkwürdige Beobachtung machen, welche gewissen Ent- deekungen E. van Benedens an der Spermazelle von Ascaris völlig entspricht. Bezeichnen wir nämlich die innerhalb der organischen Radien gelegenen Mikrosomen von dem Mikro- centrum her gegen die Zellenperipherie hin mit den Ordnungs- nummern 1. 2. 3. 4. u. s. f., so reihen sich unter gewissen Umständen, welche wahrscheinlich einer physiologischen Ruhe- lage der Zellen entsprechen, die Mikrosomen jeder gleichen Ord- nung in querer (die Radiärfäden transversal überschreitenden) Richtung, in Form je eines zusammenhängenden einschichtigen Stratums an, welches im optischen Querschnitt betrachtet dann im allgemeinen sich unter der Form eines zur Oberfläche der Sphäre konzentrischen Kreisbogens darstellt —“. Diese Beschreibung passt ja ziemlich gut auf meine Abbildungen Taf. IX/X, Figg. 5 u. 6. Bei diesen sind jedoch die Kreisbogen in nächster Nähe des Kernes am deutlichsten, verschwinden aber gegen die Sphäre hin; auch bilden die fraglichen Körnchen nicht ganz geschlossene Bogen, da achromatische Züge zwischen den chro- matischen eingeschoben sind. Ich glaube jedoch, dass meine Befunde und diejenigen Heidenhains auf gleichen Ursachen beruhen. Betrachtet man nämlich Taf. IX/X, Fig. 5, dann wird Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piseatorius Lin. 115 es wohl gleich klar, dass die oben mehrfach genannten und von der Sphäre in den Kern hineinstrahlenden Züge verdichtete Züge der Grundsubstanz bilden und dass die zwischen diesen eingeschobenen achromatischen Teile, Maschen derselben Sub- stanz ausmachen. Die eigentümliche Anordnung der basophilen Granula wird dadurch begründet, dass diese letzteren, ganz wie die Tigroidgranula, eine Vorliebe haben, sieh den Knotenpunkten der Grund- substanz anzulagern. — Bei Fig. 5 scheint auch die Sphäre Fortsetzungen der radiären Züge einzuschliessen. — Ich habe schon oben meine Meinung mit Bezug auf die dargelegten Verhältnisse dahin ausgesprochen, dass es sich um eine Auswanderung des Kernchromatins handelte. Diese meine Ansicht scheint auch dadurch gewissermassen bestätigt zu werden, dass ich an analogen Stadien in der Wechselwirkung zwischen Kern und Zellplasma auch eine Auswanderung von Nukleolen wahrgenommen habe. Ich werde weiter unten darauf zurück- kommen. — In diesem Zusammenhange erinnere ich an die ziemlich gleichartigen Befunde, die Meves u. A. (s. oben) schon trüher festgestellt hat. Durch die Einlagerung achromatischer Teile zwischen in den Kern hineinstrahlenden Züge erhält der Kern ein scheinbar pseudopodienartiges Aussehen. — Ich will natürlicherweise nicht behaupten, dass die von Korschelt (l. ce.) beschriebenen Fort- sätze des Kernes nur scheinbar gewesen und durch ähnliche Vorgänge bedingt worden sind, wie die oben von mir genannten. Die entsprechenden Verhältnisse können allerdings an den Wirbellosen von anderer Natur sein, aber es scheint mir doch auffallend, dass Korschelts Bilder (s. die Textfigur!) und die meinigen sich decken. Von nicht geringer Bedeutung ist es mit Bezug auf diese Frage, dass Korschelt sagt, dass die Kernfortsätze keine scharfe Abgrenzung haben. — Im Augenblicke 8#+ 116 EMIL HOLMGREN, habe ich jedoch keine Gelegenheit, meine oben erwähnten Unter- suchungen an Raupen zu erneuern. b) Der verdichtete und basophil veränderte Teil der Kernmembran kann indessen auch mehr oder weniger persistieren. Nur an den Stellen, die den oben beschriebenen, in den Kern hineinstrahlenden Zügen entsprechen, verschwindet die Kernmembran immer; zwischen denselben kann sie fortdauern und wird dann an diesen Punkten sehr oft gegen den Kern eingebuchtet (s. Taf. XI/XL, Fig. 9!). An den Spitzen der kupolartigen, einfachen oder mannigfach ver- zweigten Einbuchtungen wird jedoch in der Regel die Membran aufgelöst, wodurch auch auf diese Weise eine direkte Verbindung zwischen Kern- und Zellplasma zu Stande kommen kann. Zuletzt will ich noch hervorheben, dass Hand in Hand mit den genannten Kernveränderungen, wodurch eine direkte Verbindung zwischen Kern- und Zellplasma zu Stande kommt, die acidophile Substanz des Kernes, an der Stelle des letztgenannten, wo die Veränderungen statt- finden, in auffallender Weise vermehrt wird. Ich habe oben gezeigt, wie sich auch daselbst die Körnchen, die gewissermassen von der übrigen acidophilen Sub- stanz tinktoriell abweichen, ansammeln. 5. Es ist indessen vergleichsweise nur selten, dass man imstande ist, die oben geschilderten Veränderungen isoliert wahr- zunehmen. In den meisten Fällen treten sie mit einander kom- biniert auf, wodurch mitunter sehr verwickelte Bilder entstehen. Sie greifen auf mannigfaltige Weise in einander ein, so dass bald die eine, bald die andere Phase prädominiert. Man findet dann gleichzeitig, dass der Zellleib mehr oder weniger durchgreifende Veränderungen durchgemacht hat. s ist indessen hierbei von Bedeutung zu beobachten, wie Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 117 die morphologischen Umgestaltungen, die eine Wechselwirkung zwischen Kern und Zellleib manifestieren und die ich oben be- schrieben habe, in einer bestimmten graduellen Beziehung zu den Veränderungen des Zellkörpers stehen. Die verschiedenen Umgestaltungen an dem Kerne, die ich als Ausdruck einer Wechselwirkung zwischen Kern- und Zellplasma auffasse, findet man, wie ge- sagt, hier mit einander vermischt und mehr oder weniger reichlich vorhanden. Mit diesen an Umfang immer mehr zunehmenden Veränderungen geht eine Vergrösserung des Volums und eine Vermehrung der sich mit Eisenhämatoxylin schwarz färbenden acido- philen Körnchen des Kernes Hand in Hand, wie auch der Kern sich immer mehr der Peripherie des Zell- leibes nähert, um schliesslich nur von einer sehr dünnen Partie des Zellplasmas an seinem peripheren Umfange bedeckt zu werden, oder, wenn die Wanderung des Kernes gegen den Polkegel hin geschehen ist, mehr oder weniger in denselben einzutreten. Hierbei ist es von Interesse zu beobachten, wie das Mikrocentrum seinen centralen Platz im Zellleibe behält, wodurch die Züge, die sich von der Sphäre aus in den Kern erstrecken, verlängert werden. — Diese eigentümliche Wanderung des Kernes gegen die Peripherie der Zelle ist wohl nicht allzu leicht zu erklären. Könnte sie jedoch nicht etwa als durch die an dem Kerne angesammelte Tigroidsubstanz oder durch Ver- änderungen des Zellleibes, die ich gleich unten schildern werde, hervorgerufen, aufgefasst werden ? Ehe ich diese eben erwähnten „kombinierten Bilder‘ be- schreibe, will ich indessen die Anmerkung vorausschicken, dass, wenn auch die morphologischen Ausdrücke der Wechselwirkung zwischen Kern und Zellleib im Gebiete zwischen Kern und Sphäre unvergleichlich am deutlichsten ausgesprochen sind, dennoch analoge Veränderungen an anderen Teilen des Kernumfanges 118 EMIL HOLMGREN, nicht ganz vermisst werden. Sie sind gewiss mit den zwischen Kern und Sphäre sich abspielenden in prinzipieller Hinsicht ganz identisch, aber quantitativ sehr wenig ausgesprochen und nur mehr sporadisch hervortretend. Einleitungsweise will ich hier vor meiner Beschreibung der „kombinierten Bilder‘ — durch Veränderungen sowohl an dem Kerne als an dem Zellleibe ausgezeichnet — an das Bild erinnern, das ich bei 2. geschildert habe: der Kern noch unver- ändert, aber dicht an der Kernmembran, zwischen dieser und der Sphäre eine Anhäufung von Tigroidsubstanz (Taf. XI/XII, Fig. 8). a) Der Kern ist gegen die Sphäre hin durch angehäufte basophile Substanz abgeplattet und zeigt die oben beschriebenen Veränderungen. Dieangehäufte basophile Substanz liegt nun nieht nur zwischen dem Kerne und der Sphäre, sondern sie breitet sich auch um die ganze Sphäre herum aus (Taf. XUXII, Fig. 9) und ist teils in feinere Körn- chen, teils in einer äusserst feingranulierten Masse verwandelt, die sich mit Toluidin-Erythrosin blau, mit Eisenhämatoxylin grau- schwarz, mit Delafieids Hämatoxylin hellblau färbt. Der übrige Teil des Zellleibes ist noch ziemlich unverändert. — An diesen wie auch an später geschilderten Zellen ist es mir bisweilen ge- lungen, eine Knospung von Nebennukleolen aus dem eigentlichen Nucleolus wahrzunehmen, die aus dem Kerne herauswandern (Tafel XIIV/XIV, Fig. 14). Teils wandern sie direkt in die Zone der Stoffwechselprozesse zwischen Kern und Zellleib, teils in andere Teile des Zellkörpers; und habe ich in letzterem Falle gefunden, dass in der hellen Zone um den herausgewanderten Nucleolus eine strahlige Anordnung, wahr- scheinlich von der Grundsubstanz der Zelle ausgegangen, auftritt. löben in dieser so leicht zustande kommenden Umlagerung der Grundsubstanz sehe ich einigermassen ein Moment, das für die alveoläre Natur der letzteren sprechen könnte. Die ausgewanderten Nebennukleolen erhalten bald eine diffuse Abgrenzung und ver- Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 119 lieren die grosse Energie, mit welcher die noch im Kerne befind- lichen Nukleolen gewisse Farbstoffe festhalten. Ich bin des- halb der Meinung, dass die ausgewanderten Neben- nukleolen aufgelöst werden. — Wie man auch auf dem vorgelegten exquisiten Bilde beobachten kann, gehen desgleichen kleinere, langgestreckte Sprossen aus dem im Kerne befindlichen Nucleolus hervor, die sich teilweise in den von der Sphäre aus in den Kern verlaufenden Zügen verlieren. — An Fig. 15, Taf. XII XIV ist ein Knospungsprozess zu sehen. b) Die Veränderungen des Zellleibes haben sich hier vom Mikrocentrum bis zu dem „Randschollen- kranze‘“, ja zum Teil bis zu der homogenen Randzone ausgebreitet (Taf. XI/XII, Fig. 10 und 11). Der deutlich vergrösserte Zellkörper ist von einer äusserst feinge- körnten basophilen Masse durchtränkt, und treten kleinere Körnchen, nur mehr sporadisch, isoliert oder etwas an- gesammelt hervor. Die fragliche Substanz färbt sich mit Toluidin-Erythrosin mehr oder weniger blau, mit Eisenhämatoxylin grauschwarz, mit Delafields Häma- toxylin hellblau. An der Stelle der Stoffwechselprozesse zwischen Kern und Zellleib ist die Farbe besonders dunkel. Auffallend ist, wie dieRandzone keinen Teil an den Vorgängen in der Zelle zu nehmen scheint. — Es ist an diesen und nahestehenden Zellenkategorien, dass ich an exquisiten Zellen nach Durchtränkung der Grundsubstanz mit basophiler Substanz, dieselbe als ein Spongioplasma gebaut, habe beobachten können (Taf. IX/X, Fig. 5), wie ich ebenso auch besonders Zellen von diesen Kategorien geschrumpft erhielt. — Der deutlich vergrösserte Kern ist gegen die Zellen. peripherie verschoben, sehrabgeplattet oder vielfach eingebuchtet, und mit acidophiler Substanz gefüllt; die mit Eisenhämatoxylin schwarz tingierbaren’acido- philen Körnchen sind auffallend zahlreich. 120 EMIL HOLMGREN, 6. An den Zellen, die ich nun schildern werde, scheinen mir keine progressive, sondern regressive Veränderungen eingetreten zu sein, sowohl den Kern als auch den Zellleib betreffend. Jedoch nicht alle Zellen, die ich zu dieser Kategorie rechnen muss, sind von gleicher Natur. Die meisten dieser Zellen können gewiss in Restitution über- gehen, andere und mehr selten vorkommende dagegen, gehen wahrscheinlich ihrem Untergange entgegen. Ich halte es für ziemlich wahrscheinlich, dass gewisse Zellen, denen ich sehr oft begegnet bin und die ich zunächst beschreiben werde, eine Übergangsphase zu den oben angedeuteten Zellen bilden. a) Der Kern zeigt im grossen ganzen dieselben Charaktere wie an Zellform 5b. Die acidophile Substanz ist jedoch noch reichlicher vorhanden, der Kern mitunter mit Eisenhämatoxylin mehr diffus schwarzgrau gefärbt. Im Zellkörper ist bald die ganze basophile Substanz, ausser in der nächsten Gegend des Kernes (Taf. XI/XII, Fig. 12), verschwunden, und wird dann das Zellplasma nur acidophil gefärbt; bald ist dieselbe Substanz an den spongio- plasmatischen Zügen erhalten, und dann kann man an geeigneten Schnitten und Tinktionen die Struktur des Oyto- spongium ziemlich deutlich beobachten (Taf. XIIUXIV, Fig. 13a u. 13b). b) Der Zellleib zeigt dieselben Charaktere, wie sie oben unter a) hervorgehoben wurden, er ist jedoch an Grösse auf- fallend geringer (Taf. XIII/XIV,Fig. 16). Der grosse, blasen- ähnliche Kern zeigt an der Gegend, wo man bei den vorigen Zellenformen Einbuchtungen und von der Sphäre kommende Züge beobachtet hatte, eigentümliche, teils einfache, teils, und zwar am meisten doppelte und basophil gefärbte, chromosomähnliche Züge, die geknickt oder verzweigt Anatomische Hefte I. Abteilung Heft 38 (12. Bd, H. 1). ur Gr | TAFEL XVILXVII. \ Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. Lichtdruck der VerlagsanstaltF. Bruckmann A.-G. München. E. Holmgren del. u Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 121 sind und von dem Kernrande in den Kern hineinrücken. Sie wird von angehäuften acidophilen, gekörnten oder bröckeligen Massen umgeben. Gleichfalls kann man hie und da beobachten, wie Teile des Liningerüstes mit denselben zusammenhängen. — Betrachtet man Taf. XIII/XIV, Fig. 17, findet man auch einen grossen, blasenähnlichen Kern mit gleichartigen basophilen Zügen, aber der Umfang des Kernes, von dem die letzteren in den Kern hineinstrahlen, bat eine mehr runde Form angenommen, und die genannten Züge scheinen granulär zu zerfallen. Gleich- zeitig hat der Zellleib ein Aussehen angenommen, das dem bei Mom. 1 beschriebenen am nächsten kommt. — Wie soll man nun diese eigentümlichen basophilen und oft doppelten Züge erklären? — Es ist wahrscheinlich, dass es sich hier um eine Kollabierung des vorher eingebuchteten Kernes handelt und dass diese Züge die zusammengefallenen und basophil re- agierenden Teile der Kernmembran sind. Der Kern kehrt zu der Kategorie 1 zurück, nimmt dabei seine runde Form wieder an, während die durch die Kollabierung in den Kern hinein- geschobenen Teile der Kernmembran, die vorher eine besondere Umgestaltung erlitten hatten, durch granulären Zerfall aufgelöst werden. Gleichzeitig mit diesen restituierenden Ver- änderungen des Kernes, findet man, dass auch der Zellkörper durch Anhäufung von Tigroidsubstanz zu der zuerst beschriebenen Kategorie zurückkehrt. ec) Taf. XII/XIV Fig. 18 dagegen scheint eineregres- sive Metamorphose darzustellen, die zur Degene- ration und zum Tode führt. Der Kern ist ganz zusammen- geschrumpft und mit basophiler Substanz eingedickt. In der Mitte des glänzend acidophilen Zellleibes tritt eine stark baso- phile, sternförmig verzweigte Bildung auf, die von einer lichteren Zone umgeben ist. Dass diese letztere Bildung den geschrumpften Rest des Mikrocentrum darstellt, scheint ja nicht unmöglich. — Diese Zellbilder habe ich nur zweimal beobachtet. 122 EMIL HOLMGREN, Ehe ich, unter Anwendung der Erfahrungen anderer Forscher, die verschiedenen oben beschriebenen Bilder zu deuten und theoretisch zu beleuchten versuche, will ich teils hervorheben, dass mannigfache Übergangsformen zwischen den oben geschil- derten Typen existieren, welche ich in meiner Darstellung nicht berücksichtigt habe, teils auch einige andere Beobachtungen hinzufügen. 1. Ähnlich dem, was u. A. Schwalbe (79), Mayer (80), v. Kölliker (81), Dehler (8) und Apolant (82) bei ver- schiedenen Tieren, resp. auch bei Menschen gefunden haben, ist es mir gelungen, Spinalganglienzellen von Lophius wahrzunehmen, die zwei Kerne besitzen (Taf. XIIUXIV, Fig. 19). Ihre Entstehungsweise habe ich nicht eruieren können, auch kann ich mich nieht über die Bedeutung dieser Duplieität aussprechen. Nur so viel bin ich imstande hervorzuheben, dass die beiden Kerne gleichzeitige und gleichförmige Veränderungen bei der Aktivität der Zelle zeigen, sowie auch, dass beide an demselben Mikrocentrum sich referieren. — Wie bekannt, hat Apolant {l. ce.) geäussert, dass Zellen mit zwei Kernen bei älteren Individuen häufiger seien als bei jüngeren, dass der doppelte Kern durch eine direkte Teilung aus dem ein- fachen hervorgehe, und dass dem Prozess keine funktionelle, sondern nur eine biologische Bedeutung zugeschrieben werden kann. — In meinem Materiale muss ich Spinalganglienzellen mit doppeltem Kerne als ein seltener Befund betrachten, habe jedoch ausser an den Spinalganglien von Lophius auch an Acanthias, Raja, Gadus und Rana mitunter Zellen mit zwei Kernen angetroffen. 2. Ich kann nieht umhin noch eine andere Eigentümlichkeit zu erwähnen, obgleich ich mich noch ziemlich reserviert halten möchte. — (Taf. XV/XVI, Fig 20.) Der Kern liegt ganz in der Nähe des Achsencylinders und die Stoffwechselstelle desselben ist wie immer, gegen die Sphäre in der Mitte der Zelle gewendet. Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 123 Die Einkerbungen der Kernmembran haben sich durch den Kern bis zu dem entgegengesetzten Umfange des letzteren gestreckt. Hier backen sie sich mit dem ausgewanderten Nucleolus zu- sammen, und sind wie eine langgestreifte basophile Schlange in dem Achsencylinder mehr oder weniger weit verfolgbar. 3. Vakuolenähnliche Bildungen habe ich oft beobachten können, und zeigen sie eine völlige Übereinstimmung mit Len- hosseks Beschreibung (2a). Ich kann sie deshalb mit den eigenen Worten Lenhosscks schildern: „Sie liegen, wenn sie vorhanden sind, mehr in der peripherischen Zone der Zellen, 3—4 oder noch mehr an der Zahl und stellen sich als rundliche oder elliptische, in der Regel deutlich, oft sogar ziemlich scharf gegen das gekörnte Protoplasma abgegrenzte, verschieden grosse, oft den Kern an Umfang beträchtlich übertreffende helle Stellen dar.“ — — „Diese Dinge sind nicht riehtige Vakuolen im Sinne von strukturlosen, durchaus nur von Flüssigkeit ausgefüllten Räumen, denn sie werden einerseits, soviel ich sehe, von der normalen Grundsubstanz gebildet, anderseits aber entbehren sie der Körnchen nieht vollkommen, nur liegen diese in ihnen viel weiter auseinander als anderswo.“ — Diese Vakuolenbildungen, die jedoch nicht immer rund oder elliptisch, sondern nicht selten unregelmässig gestaltet sind, habe ich besonders bei den zuerst geschilderten Stadien gefunden. Die erste Frage, die ich mir bei den oben beschriebenen Veränderungen der Zellen vorgelegt habe, ist die: sind diese so verschiedenen Bilder der Zellen auch bei dem lebenden Tiere vorhanden gewesen oder sind sie nur durch die Mani- pulationen hervorgerufen? Wenn überhaupt die heutige histo- logische Forschungstechnik etwas zu bedeuten hat, wenn das Material direkt dem lebenden Tiere entnommen ist und soweit ich sehen kann unter rationellen Kautelen fixiert und gehärtet wurde, 124 EMIL HOLMGREN, dann muss man wohl behaupten können, dass die morphologischen Details, die ich beobachtet habe, wenigstens im wesentlichen auch während des Lebens vorhanden gewesen sind. Desgleichen sind ja die von mir beobachteten Veränderungen an dem Kerne, die ich als einen morphologischen Ausdruck der Wechselwirkung zwischen Kern- und Zellplasma gedeutet habe, zu ihren gröberen Konturen mit denen von Korschelt (l. e.) am lebenden Tiere studierten sehr ähnlich. — Man könnte sich aber vielleicht denken, dass, da mein Material nur von einem Tiere herrührt, die von mir geschilderten Veränderungen nicht ein Ausdruck physiologischer, sondern pathologischer Prozesse wären. Ich kann indessen dieses Bedenken dadurch widerlegen, dass ich ganz identische Prozesse, wie ich sie an den Ganglienzellkernen von Lophius beobachtete, auch an solchen von Gadus (Tafel XVI/XVII, Fig. 31), Acanthias (Taf. XVII XVII, Fig. 29), Raja (Taf. XVII/XVIII, Fig. 30) und Rana (Taf. XVIHXVIII, Fig. 32) gefunden habe, also nicht nur an Teleostiern und Selachiern, sondern auch an Amphibien ; — ferner dadurch, dass die Forscher, die auf experimentellem Wege die Gesetze zu erforschen ver- sucht haben, nach welchen die Nervenzellen ihre morpho- logischen Veränderungen durchmachen, je nachdem diese Zellen sich in Ruhe oder in Arbeit befinden, gewissermassen dieselben strukturellen und tinktoriellen Verschiedenheiten nachgewiesen haben, die von mir oben beschrieben worden sind. Niss] (84) war wohl der erste, welcher auf experimentellen Wege die Frage mit Bezug auf das Aussehen der Nervenzellen in der Ruhe und in der Aktivität zu lösen versuchte. Er reizte einige Nervencentra des Kaninchens und fand dabei eine ver- gleichsmässig grosse Anzahl „pyknomorpher“ Zellen, d. h. Zellen mit dunklem Zellkörper, mit dieht angesammelten basophilen Körnchen gefüllt. — Korybutt-Daskievitz (85) reizte elek- trisch den Ischiadieus des Frosches und konnte dabei eine Vergrösserung des Kernes der entsprechenden Spinalganglien- Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 125 zellen beobachten. — Hodge (86a) fand bei mehrere Stunden lang dauernder elektrischer Reizung eines dicht unter einem Ganglion entspringenden Nervenbündels, dass die resp. Zellen- kerne geschrumpft und von einem stark gekörnten Aussehen waren. Diese Veränderungen verschwanden nach 24 Stunden. — Vas (87) experimentierte mit Kaninchen, deren obere Hals- ganglien er mit einem faradischen Strom reizte und dann ver- mittelst der Methode Nissls (Alkoholfixierung und Magenta- färbung) untersuchte. Seine Ergebnisse waren folgende: Der Kern der gereizten Zelle war vergrössert, wie aufgeblasen, und gegen die Peripherie der Zelle verschoben. Der Zellleib vergrössert. Die chromatische Substanz in der Nähe des Kernes verschwunden oder wenigstens verkleinert; an der Peripherie der Zelle war ein mehr oder weniger dichter Kranz von groben Chromatinkörnern vorhanden. — Mann (88) wiederholte die Experimente Vas und stellte auch einige Versuche mit der Retina des Hundes an; er konnte folgende Resultate verzeichnen: 1. Während der Ruhe der Zelle wird die chromatische Substanz vermehrt, um während der Arbeit wieder konsumiert zu werden; 2. die Arbeit der sym- pathischen, motorischen und sensiblen Zellen wird von einer Ver- grösserung des Zellleibes, des Kernes und der Nukleolen begleitet; 3. die Erschöpfung der Zellen ist durch ein Zusammenfallen des Kernes und wahrscheinlich auch des Zellleibes und durch die Ent- stehung einer diffus färbbaren Substanz in dem Kerne gekenn- zeichnet. — Lugaro (89), der mit grosser Präcision seine Unter- suchungen auch mit faradischem Strom ausführte, bestimmte mit mathematischer Genauigkeit die Veränderungen des Volumes, die der Kern und der Zellleib in der Ruhe und in der Arbeit zeigten. Seine Resultate waren folgende: 1. Die Aktivität der Zelle ist von einer Turgescenz des Zellleibes begleitet; 2. die Erschöpfung bewirkt eine progressive Verkleinerung des Zellvolumes; 3. wäh- rend der mittleren Grade der Aktivität zeigt der Kern keine Volumveränderungen, während jedoch der Zellleib anschwillt; 126 EMII, HOLMGREN, 4. bei langewährender Thätigkeit zeigt der Kern analoge Ver- änderungen wie der Zellleib, aber weniger intensiv und mehr verlangsamt; 5. wahrscheinlich wird die chromatische Substanz, die übrigens individuell variieren kann, während der ersten Phasen der Aktivität vermehrt; während der Erschöpfung da- gegen wird sie verringert und desgleichen diffus im Zellleibe zerteilt; 6. der Nucleolus endlich wird bei der Arbeit der Zelle vergrössert. — Levi (90) hatte bei der elektrischen Reizung der sympathischen Ganglienzellen von Kaninchen beobachtet, dass unzählige minutiöse Körnchen bei der Aktivität der Zelle pro- duziert werden, die sich mit Fuchsin rot färbten. Diese Körn- chen wurden im Ruhestadium vermisst. — Magini (91) endlich hatte beobachtet, wie der Nervenzellenkern des elektrischen Or- eanes von Torpedo durch elektrische Reizung nach dem Polkegel verschoben wurde. Diese kurz erwähnten elektrischen Experimente können jedoch nicht als ganz einwandfrei betrachtet werden, denn es kommt hierbei, wie auch u. A. Goldscheider und Flatau (92) und Van Gehuchten (62) hervorgehoben haben, nicht nur die Wirkung des elektrischen Stromes auf den physiologischen Zu- stand der Nervenzellen in Betracht, sondern auch die Einwirkung ‚lieses Stromes als solchen und die damit in Verbindung stehende physikalische und chemische Umgestaltung des Zellplasmas. Nichts ‚lestoweniger sind die fraglichen Untersuchungen wertvoll, da direkte Beobachtungen, ohne elektrische Reizung, von Nerven- zellen in der Ruhe und in der Arbeit ähnliche Schlussfolge- rungen zuzulassen scheinen. Beobachtungen an physiologisch gereizten Nervenzellen sind von u. A. Mann, Hodge, Demoor, Pergens ausgeführt. Von Hodge (86b) wurden Zellen von Tieren in der Ruhe und in der Arbeit mit einander verglichen. Er fand dabei, dass die erschöpfte Zelle einen verkleinerten Zellleib und einen ver- kleinerten Kern zeigte, der letztere war ausserdem unregelmässig Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 127 gestaltet, stark gefärbt, die chromatische Substanz des Zellkörpers verkleinert. — Mann (88), der mit Hunden experimentierte, gelangte zu dem Ergebnis, dass Zellen bei der Arbeit vergrössert, bei der Erschöpfung verkleinert werden. Die chromatische Sub- stanz wird während der Ruhe vermehrt, während der Arbeit ver- kleinert. — Dieselben Beobachtungen konnte er bei seinen Studien an dem psychooptischen Centrum des Hundes machen; das eine Auge wurde dem Licht ausgesetzt, das andere wurde vegen jede Beleuchtung völlig abgesperrt. — Demc or (93) wieder- holte die Experimente Manns und konnte dabei ähnliche Be- obachtungen machen; — so auch Pergens (94). Endlich will ich an die Untersuchungen Van Gehuchtens und M. Nelis (62) erinnern. Sie experimentierten mit Kaninchen und konnten als die erste Konsequenz der Durchschneidung des Nervus vagus ‚dissolutions des elements chromophiles‘“, eine Vergrösserung des Zellleibes und eine Wanderung des Kernes gegen die Peripherie der Zelle hin beobachten. Die bisher erzielten Ergebnisse mit Bezug auf die morpho- logischen Veränderungen der Nervenzellen in der Ruhe und in der Arbeit möchte ich deshalb mit Pugnat (95) folgendermassen zusammenstellen: 1. Der morphologische Ausdruck der Arbeit der Nervenzellen besteht in einer Volumsvergrösserung des Zellleibes und des Kernes, in einer Verkleinerung und diffusen Verteilung der Tigroidsubstanz, und in einer Verschiebung des Kernes gegen die Peripherie der Zelle. 2. Die Erschöpfung manifestiert sich durch eine Volums- verkleinerung des Zellleibes und des Kernes; bei dem letzteren mitunter auch in Verbindung mit Unregelmässigkeit der Gestalt. Die Tigroidsubstanz wird noch mehr verkleinert. 3. Die Tigroidsubstanz wird in der Ruhe und in den ersten Phasen der Zellenthätigkeit successive vermehrt. 128 EMIL HOLMGREN, Zu den oben eitierten Ergebnissen will ich noch hinzufügen, dass Held (11) einen Parallelismus zwischen den physiologischen Veränderungen und einer nachweisbaren histologischen Struktur andeutet, — sowie dass Lenhossek (2a) in der vorliegenden Frage sich so ausgesprochen hat (S. 171), „ebenso wie sich auf der einen Seite alle Zwischenformen zu den grobgekörnten Elementen nachweisen lassen, so kann sich auf der anderen Seite die Feinheit der Körnelung über das gewöhnliche Mass hinaus fast bis zu einem Zustande der annähernden Homogenität der Zellen steigern, zu einem Verhalten, wo die Granula unmessbar fein — — sind“. — — ,So liegt meines Erachtens kein zwingender Grund vor, in dem extremen Feinwerden der Körnchen etwas anders als den Ausdruck eines normalen morpho- logischen Zustandes zu erblicken“; — endlich, dass Dogiel (96) drei verschiedene „Perioden“ im Aussehen der Nervenzellen der Retina beschrieben hat. Die erste Periode ist dadurch aus- gezeichnet, dass die sich (mit Methylen) färbende Substanz der Zellen die Form von Körnchen und Körnern annimmt. Die zweite Periode „wird dadurch charakterisiert, dass in dieser Periode sowohl die Körnchen wie auch die Körner sich im Zellkörper in intensiv gefärbten Schollen von verschiedener Grösse und Form ansammeln, wodurch die Zelle ein fleckiges — — Aus- sehen erhält.“ In der dritten Periode wird die Grundsubstanz immer intensiver gefärbt, wodurch die übrigen Bestandteile der Zellen nur undeutlich hervortreten können. Wenn ich nun zu meinen eigenen Bildern zurückkehre und vermöge der oben citierten Beobachtungen dieselben zu einer einheitlichen Reihe morphologischer Veränderungen zu- sammenzustellen versuche, so finde ich mich erstens — wie schon oben gesagt — ziemlich wolıl berechtigt, in denselben Ausdrücke physiologischer Prozesse zu sehen, da sie mit den Ergebnissen experimenteller Untersuchungen in auffallender Weise mannigfache Vergleichungspunkte darbieten. — Es scheint mir Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 129 hierbei nicht ganz bedeutungslos zu sein, daran zu erinnern, dass ich gleichartige Veränderungen an den experi- mentell nicht gereizten Spinalganglienzellen von Lo- phius mit denen an anderen Tieren auf experimen- tellen Wegen erzieiten beobachtet habe. Wie ein leitender Faden geht durch alle diese Veränderungen der Zellen die centralisierte Organisation des Protoplasmas, das Vorhandensein eines Mikrocentrum, um welches sämtliche Pro- zesse sich abspielen. — Es wurde schon von Lenhossek (49 b) hervorgehoben, dass es vielleicht etwas besonderes bedeuten könnte, dass Mikrocentra an Nervenzellen, die, so weit es bisher bekannt ist, sich niemals teilen, vorhanden sind; und es scheint mir nun nicht ganz unwahrscheinlich, dass meine Beobach- tungen in dieser Hinsicht einen Fingerzeig geben könnten. Wie es indessen auch hiermit sein mag, so ist es in jedem Falle auffallend, dass die Sphäre im Centrum der morphologischen Veränderungen steht. Meinesteils bin ich jedoch geneigt, dies Verhältnis der Centralisierung der Grundsubstanz, also — im Sinne M. Heidenhains — dem mechanischen Momente zu- zuschreiben. Auffallend ist ebenfalls der Zusammenhang, welcher zwischen den Veränderungen, die ich als morphologische Ausdrücke der Wechselwirkung zwischen Kern- und Zellplasma auffasse, und den übrigen Veränderungen der Zelle besteht. Vergleicht man nun meine oben geschilderten. Bilder, mit den durch experimentelle Untersuchungen erzielten Ergebnissen, so dürfte man wohl zu der Ansicht gelangen, dass die Zell- form, die ich bei Mom. 1 (Taf. IXIX, Figg. 1, 2 u. 3) be- schrieben habe, dem Stadium zunächst kommt, das man als ein vergleichsweise ruhendes bezeichnet hat. Auffallend ist es, dass bei den Zellen, die hierher ge- hören, jede Veränderung an dem Kerne vermisst wird; sie sind desgleichen an verhältnissmässig gröberen Tigroidelementen reich. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXVIII. Heft (12. Bd., H. 1.) ®) 130 EMIL HOLMGREN, Die grösste Anhäufung von Tigroidelementen begegnete uns jedoch zuerst in einem Stadium, wo schon Veränderungen an dem Kerne eingetreten waren (Mom. 5a, Taf. XI/XII, Fig. 9). Dieses Verhältnis stimmt auch mit den Behauptungen Lugaros überein, denen gemäss die chromatische Substanz des Zellkörpers in den ersten Phasen der Aktivität noch vermehrt wird; denn dass eine Aktivität in den Zellen des Mom. 5a eingetreten, geht wohl aus den Veränderungen des Kernes hervor. Dieses Stadium scheint mir deswegen den ersten Phasen der Akti- vität zu entsprechen. — Zwischenformen zwischen diesem Stadium und dem im Mom. 1 beschriebenen scheinen mir notwendigerweise die des Mom. 2 (Taf. XI/XII, Fig. 8) u. 3 u. 4 (Taf. IX/X, Fig. 6 u. Taf. XU/XL, Fig. 7) auszumachen, an welchen eine Ansammlung von Tigroidsubstanz dicht an den noch unveränderten Kern (Mom. 2) und Veränderungen an dem Kerne in Verbindung mit der genannten Tigroidansammlung (Moment 3 und 4) — wenn man von Mom. 1 ausgeht — successive eingetreten sind. Ich sehe mich darum berechtigt anzunehmen, dass die ersten morphologischen Zeichen, welche die Zelle bei be- ginnender Aktivität zeigt, in einer Ansammlung von Tigroidsubstanz dicht am Kerne und in Verände- rungen desselben bestehen. — Wie oben gesagt, bemerkt man die grösste Ansammlung der Tigroidsubstanz bei Zellen, die ich in Mom. 5a (Taf. XI/XII, Fig. 9) beschrieben habe. Rings um die Sphäre liegt eine dichte derartige Anhäufung, die sich bis an den Kern erstreckt, oder, besser gesagt, mit derjenigen an dem Kerne konfluiert. Nun kann man von den experimentellen Unter- suchungen lernen, wie in der sich in Gang befindenden Aktivität die chromatische Substanz sich als eine homogene oder äusserst fein granulierte Masse in der Zelle diffus ausbreitet, während der Zellleib und der Kern, der gegen die Peripherie der Zelle gerichtet ist, an Grösse zunehmen. Diese thätigen Zellen müssen deshalb unzweideutig in meinen beiMom. 5b Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 131 (Taf. XT’XIO, Figg. 10 u. 11) beschriebenen Zellenformen vorhanden sein. Der Zellenkörper ist von einer basophilen und äusserst fein granulierten Substanz bis zu dem Randschollen- kranze , oder selbst bis zu der homogenen Randschicht, durch- tränkt; der Kern, welcher sich mit dem Zellleibe vergrössert hatte, ist gegen die Peripherie der Zelle, resp. gegen den Polkegel des Achseneylinders, verschoben. — Hier will ich gleich bemerken, dass ich vorher nicht genannte Übergangsformen zwischen den fraglichen und den in Mom. 5a (Taf. XI/XIL, Fig. 9) beschriebenen oft gesehen habe. Diese Übergangszellen haben mir ge- zeigt, dass die Veränderung der Tigroidsubstanz, von Schollen zu einer diffusen Masse, um die Sphäre beginnt, um dann gegen die Peripherie der Zelle fort- zuschreiten. — Es ist in dieser Hinsicht von Interesse zu sehen, dass andere Forscher bei experimentellen Untersuchungen an anderen Tieren zu derselben Auffassung gelangen. So konnte Lugaro (99) nach dem Durchschneiden einiger Spinalnerven des Hundes beobachten, wie die Tigroidsubstanz verschwand, ein Prozess, welcher in der Mitte der Zelle anfing. Bühler (7), der ähnliche Experimente an Fröschen vornahm, fand ganz dasselbe: „Der Prozess ergreift zuerst das Innere der Zelle“; und fügt er hinzu (S. 90): „Die ergriffenen Zellen — sehen oft wie bestäubt aus.“ — „Der ganze Prozess macht den Eindruck einer flüssigen Auflösung ihrer (der basophilen) Substanz, wodurch die Zelle anfangs eine erhöhte diffuse Färbbarkeit für basische Anilin- farben erhält.“ — Die Veränderungen am Volum der Zellen habe ich in der folgenden Tabelle graphisch darzustellen versucht. Bei der Aufstellung dieser Tabelle verfuhr ich so, dass ich 100 ungleichgrosse Zellen der verschiedenen Stadien mass und dann die Mittelzahl der Messungen bei den verschiedenen Gruppen nahm. Die Ziffern können nur als approximativ bezeichnet werden. Sie haben auch keinen anderen Zweck, als die etwaigen Ver- 9* 132 EMIL HOLMGREN, änderungen am Volum des Zellkörpers, des Kernes und des Nucleolus bei verschiedenen funktionellen Stadien anzudeuten. Soviel können sie jedoch lehren, dass sowohl der Zellkörper als auch der Kern und selbst der Nucleolus in denselben Stadien sich vergrössern resp. verkleinern, dass aber der Zellkörper in dieser Hinsicht vergleichweise die grössten Veränderungen durch- macht. Eine Erklärung über die eigentliche Natur der Veränderung der Tigroidsubstanz, von einer scholligen zu einer mehr homo- genen, diffusen Beschaffenheit hatte ich geglaubt in einem von Held (11) publizierten Experimente einigermassen gefunden zu haben. Nachdem dieser Forscher 1—2 Stunden mit Laugen- alkohol auf sein Untersuchungsmaterial eingewirkt hatte, be- handelte er dasselbe mit einem schnell fixierenden Mittel, wie Carnoys Eisessig-Alkohol-Chloroform-Gemisch. Durch den Laugenalkohol wurde die basophile Substanz mehr oder weniger gelöst, um darnach durch das andere Mittel in seiner veränderten Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 133 Form zugleich fixiert zu werden. Durch diese Manipulationen wurden in dem oberflächlichen Teile des Materials negative Tigroid- schollenbilder hervorgerufen, in dem intermediären Teile desselben waren die Zellen wie mit äusserst feinen basophilen Körnchen überstreut, und endlich in dem mittleren Teile, wo der Laugen- alkohol nicht eingewirkt hatte, waren wirkliche Tigroidschollen vor- handen. Nach diesen Erfahrungen könnte mansich vielleichtdenken, dass in den Zellen, die ich in Mom. 5b (Taf. XU/XII, Fig. 10 u. 11) beschrieben habe, die basichromatische Substanz aufgelöst worden sei und in diesem Zustande das Zellplasma durchtränkt hätte. Auffallend ist es, dass die Zellen eben in diesem Stadium, das gewiss der „Pyknomorphie“ Nissls (97) oder der „Chromophilie“ Fleschs und seiner Schülerinnen (98) oder endlich „Cellules obseures“ Lugaros (99) und Van Gehuchtens (62b) entspricht, den vergleichsweise grössten Umfang — innerhalb ihrer eigenen Kategorien — besitzen. — Dass die Tigroidsubstanz aufgelöst oder eventuell in anderer Weise verändert werden kann, also eine labile Konstitution besitzt, schliesst nicht die Auffassung mit Bezug auf die wahrscheinliche Natur dieser Substanz aus, dass sie geformt und nicht, wie Held (l. ce.) meint, formlos sei. Ich habe meine Auffassung, die Natur der Tigroidsubstanz be- treffend, schon vorher dargestellt (S. 105) und verweise nun darauf. Die Meinung Helds (l. c.), dass nämlich die Tigroid- substanz nur eine durch die Reagentien optisch hervorgerufene Materie bildet, die sich während des Lebens in Lösung befindet und dann nicht beobachtet werden kann, wollen, wie bekannt, manche hervorragende Forscher nicht anerkennen, wie z. B. Flemming (1,46b), Lenhossek (49c), Dogiel (57) u. A. Die oben citierten experimentellen Untersuchungen geben an die Hand, dass die Erschöpfung der Zelle sich durch eine Verkleinerung des Zellkörpers und des stark tingierbaren Kernes, und durch ein mehr oder weniger vollständiges Verschwinden der chromatischen Substanz manifestiert. Die Zellenformen, 134 EMIL HOLMGREN, dieichin Mom. 6a (Taf. XV/XII, Fig. 12u. Taf. XIII/XIV, Fig. 13a) beschrieben undalsregressiven Veränderungen unter- worfen aufgefasst habe, müssen wohl diesem Sta- dium angehören. Der Zellleib und der Kern sind verkleinert (siehe die Tabelle!). Der letztere ist von chromatischer Substanz ausgefüllt. Die basophile Substanz des Zellleibes ist bald (Fig. 12) ziemlich vollständig geschwunden, wobei der Zellleib stark acidophil hervortritt, bald persistiert sie noch an dem retikulären Teile der Grundsubstanz. Auch dieses Verschwinden der baso- philen Substanz beginnt um die Sphäre, um nach und nach gegen die Peripherie der Zelle weiterzuschreiten. — Diesem Stadium folgten in logischer Weise die in Mom. 6b. (Taf. XIII/XIV, Fig. 16 u. 17) beschriebenen restituieren- den Prozesse, oder, jedoch sehr selten, gewisse zur Degeneration führende Veränderungen — Mom. 6c, (Taf. XII/XTV, Fig. 18). — Alle in Mom. 1 beschriebenen verschiedenen Zellenformen zeigen analoge Veränderungen des Zellleibes und des Kernes. Zuletzt bleibt mir noch übrig, daran zu erinnern, dass die Randzone von den während der ver- schiedenen Thätigkeitsformen auftretenden morpho- logischen Veränderungen der Zellen ganz frei bleibt. II. Ganglienzellen mit Dendriten. Wie bekannt, waren Fritsch (100) und Gittis (65) die ersten, die das Vorhandensein multipolarer Nervenzellen in Spinalganglien oder in entsprechenden Ganglien nachgewiesen haben, — Fritsch bei Lophius, Gittis bei Columba. Keiner dieser Forscher hat indessen, wie es mir scheint, bindende Be- weise für seine Behauptungen geliefert. Seitdem hat Disse (101) dendritische Fortsätze an den Spinalganglien der Frosch-Larven beschrieben; dann Ramon y Cajal(102) und Lenhossek (103) Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 135 an denen der Hühner-Embryonen. Retzius (104) fand im Spinalganglion des Acusticus von Mausembryonen Zellen mit ver- ästelten Dendriten, so auch in den Spinalganglien der embryonalen Ophidier. Spirlas (105) konnte verzweigte Zellen in den Spinal- ganglien der Embryonen des Rindes und der Ziege beobachten, und Dogiel (57) erwähnte auch in den Ganglien erwachsener Säuger multipolare Zellen. — Schliesslich haben Van Gehuchten (106) bei embryonalen Ophidiern und Retzius (107) bei Em- bryonen der Fledermäuse, der Kaninchen, der Ophidier und der Hühnchen solche verzweigte, multipolare Zellen verschiedener Gestalt dargestellt. Von den Behauptungen Fritschs und Gittis abgesehen, ist es also bisher nur Dogiel gelungen, an erwachsenen Tieren multipolare Zellen in den Spinalganglien zu beobachten, während "solche Zellen an Embryonen verschiedener Tierspecies vielfach gefunden worden sind. Durch Färbung mit Eisenhämatoxylin ist es mir sehr oft gelungen, in den Spinalganglien des erwachsenen Lophius Zellen mit dendritischen Fortsätzen zu sehen und diese letzteren ziem- lich weit von den bezüglichen Zellen zu verfolgen. Ich habe 3-8 solche Fortsätze von den Zellen auslaufend gefunden. (Taf. XV/XVI, Fig. 21). Die Tigroidelemente des Zell- leihes setzen sich in diese fort. Bald ganz in der Nähe des Zellkörpers, bald mehr oder weniger davon entfernt, teilen sie sich gabelförmig. — Um ihr peripherisches Schicksal näher ver- folgen zu können, wären indessen andere Methoden als die von mir benutzten notwendig gewesen; und ich muss mich deshalb darauf beschränken, das Vorhandensein multipolarer Zellen in den Spinalganglien von Lophius hervorzu- heben. — Ich will nicht behaupten, dass dendritische Fortsätze von allen Spinalganglienzellen ausgehen, denn umgekehrt habe ich auch Zellen gefunden, an denen solche Fortsätze ganz ver- 136 EMIL HOLMGREN, misst werden; aber so viel kann ich sagen, dass multipolare Zellen sehr allgemein sind. Strukturelle Verschiedenheiten zwischen den multipolaren und bipolaren Zellen habe ich nicht beobachten können. Die multipolaren Zellen gehören — mit Bezug auf die Zellen die ich in Mom. 1 des vorigen Kapitels beschrieben habe — sowohl der „grobscholligen“ als der „feinscholligen“ Kategorie an. Sie machen auch die oben erwähnten physiologischen Veränderungen des Zellkörpers und des Kernes durch. Nicht unwichtig scheint es mir zu sein, dass die mit den- dritischen Fortsätzen versehenen Zellen auch Nervenfortsätze besitzen, die mit einem Polkegel an der Zelle beginnen (s. Fig. 21). Dogiel (l. c.) stellt als wahrscheinlich hin, dass von den Aus- läufern der multipolaren Zellen einige Dendriten darstellen, andere aber die Bedeutung von Nervenfortsätzen haben. An Em- bryonen sind die resp. Fortsätze von Disse, Lenhossek, Van Gehuchten und Retzius auch als Dendriten und Nerven- fortsätze gedeutet worden. Mit Bezug auf multipolare Zellen embryonaler Spinalganglien sagt Lenhossek (l. c.): „Jedenfalls aber sind es sehr unwesent- liche, und nur ganz sporadisch auftretende Bildungen, die nicht eigentlich zum Typus. der Spinalganglienzelle gehören“; und Ramon y Cajal (l. ce.) hat die Meinung ausgesprochen, dass die Dendriten einer regressiven Metamorphose unterworfen. sind. Van Gehuchten (l. c.) und Retzius(l. ce.) schliessen sich dieser Auffassung an, indem sie annehmen, dass die dendritischen Fort- sätze keine speziellen sein können, sondern dass sie eher als eine Aberration der Rückenmarkzellen aufzufassen, mehr als eine Entwickelungsform zu betrachten sind, die sich wahrscheinlich zurückbildet. — Mit Bezug auf diese Betrachtungsweise der fraglichen Zellen scheint es mir nicht zu fern zu liegen, in dem reichlichen Vorhandensein multipolarer Zellen bei dem Teleostier Lophius auch ein interessantes phylogenetisches Moment zu sehen. Zur Kenntnis der Spinalganglienzelle n von Lophius piscatorius Lin. 137 III. Perizelluläre Nervennetze mit in die Zellen hineindringenden Ausläufern. Ehrlich (108) kann wohl als der erste betrachtet werden, der um spinale Ganglienzellen perizelluläre Fadennetze gesehen hat. Er konnte solche bei Rana beobachten. Aronson (109) und Ramon y Cajal (110) haben seitdem an Spinalganglien der Säuger das Vorhandensein perizellulärer Fäden von unbekannter Herkunft nachgewiesen. Diese mit der Methylen- resp. Chrom- silbermethode dargestellten Fäden, die zwischen dem Zellkörper und der Kapsel der Zellen Netze bildeten, wurden als von dem Sympathieus herstammend gedeutet, eine Meinung, der später auch Dogiel (57) teilweise beigetreten ist. Es gelang nämlich auch diesem Letztgenannten, durch die vitale Methylenmethode peri- zelluläre Fadennetze zu beobachten. Er beschreibt extrakapsuläre, und von diesen entstehende perizelluläre Nervenfadennetze, die zweifachen Ursprunges sein können. Bald werden diese die Zellen korbförmig umspinnenden Netze von Zellen des „zwei- ten Typus“ abgeleitet, welcher Typus aus Spinalganglienzellen besteht, die als ausschliesslich associierende Elemente funk- tionieren; bald stammen sie vom Sympathicus her. — Auch Kamkoff (111) beschreibt von dem Ganglion Gasseri ein peri- kapsuläres, aus dicken, marklosen Fasern bestehendes, sowie ein perizelluläres, von dünnen, varikösen Fäden aufgebautes Geflecht. Ausser diesem doppelten perizellulären Nervenapparat wurde von Kamkoff noch frei endende und mit ihren terminalen Ver- zweigungen eine Art Pfote bildende Nervenfasern beschrieben. Durch Färbung mit Eisenhämatoxylin habe ich um Spinal- ganglienzellen von Lophius intensiv schwarz gefärbte, längere und kürzere, gröbere und feinere, unduliert verlaufende Fäden erhalten (Taf. XV/XVI, Fig. 22), die teils zwischen der Kapsel und der Zelle, teils zwischen den verschiedenen Lamellen der Kapsel eingelagert sind. Die zwischen der Zelle und der Kapsel ver- 138 EMIL HOLMGREN, laufenden Fäden hängen durch Verbindungsfäden mit den zwischen den Lamellen der Kapsel eingelagerten zusammen. An tangen- tialen Schnitten der Zellen und ihren Kapseln habe ich gefunden, dass die fraglichen Fäden Segmente von Fadennetzen, welche die Zellen korbförmig umgeben, ausmachen. Bisweilen sind mir an ähnlichen Schnitten gröbere Fäden entgegengetreten (Taf. XV/XVI, lig. 23), die von anderen Gebieten der Spinalganglien kommend, sich an der Kapsel einer Zelle in feine Zweige auflösen, un mit diesen die Zelle zu umspinnen. Es scheint mir ziemlich wahrscheinlich, dass hier Verhältnisse vorliegen, die den oben eitierten Beobachtungen analog sind. Was indessen, soviel ich sehe, bisher niemand beobachtet hat, ist, dass von verschiedenen Punkten der genannten perizellu- lären Netze, gröbere und feinere Fäden in den Zell- leib eindringen!) (Taf. XV/XVI, Fig. 22). Oft findet man, dass solche Fäden in ganzen Bündeln vereinigt in den Zellleib ge- langen, um diesen bald wieder zu verlassen und isoliert den Körper zu durchsetzen. Diese sonderbaren Verhältnisse er- halten jedoch darin ihre einfache Erklärung, dass wie in dem folgenden Kapitel näher beschrieben wird, Fortsätze der Zell- kapsel, sowohl Nervenfäserchen als auch Gefässe tragend, in den Zellleib hineingewachsen sind. Dass die fraglichen Nerven- fäden niemals in direkte Verbindung mit dem Zellplasmma treten, halte ich deshalb für wahrscheinlich, wenn ich auch um die feinsten längsgeschnittenen Verzweigungen keines Bindegewebe habe wahr- nehmen können. An den Stellen des Zellleibes, wo ich solche Verzweigungen quergeschnitten erhalten habe, ist immer eine hellere Zone um dieselben hervorgetreten. Taf. XVIXVI, Fig. 25 zeigt, wie solche intrazellulär verlaufende Fäden den ganzen Zell- körper durchsetzt haben, ohne mit dem Zellplasma in direkte Verbindung zu treten. 1) Gewissermassen ähnliche Beobachtungen hat jedoch Held (11) im Zellleibe der Trapezkernzellen des Kaninchens und der Katze gemacht. Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 139 Es scheint mir am Platze zu sein, im Zusammenhange mit dieser Schilderung, eine Eigentümlichkeit zu erwähnen, die ich an einigen, aber nicht allgemein vorkommenden, grossen Zellen wahrgenommen habe. Wie ich in Mom. 1 des ersten Kapitels hervorhob, findet man hie und da grosse, helle, feingekörnte Zellen, die sich dadurch auszeichnen, dass die radiären Züge der Tigroid- substanz im Centrum des Zellleibes etwas spiralartig gedreht sind (Taf. IX/X, Fig. 5). Besonders an äquatoriellen Schnitten solcher Zellen findet man, dass mit Nervenfäserchen und Gefässen versehene Fortsätze in das Centrum der Zellen hineindringen, um sich hier, das Protoplasma mit sich nehmend, spiralartig oder wirbelförmig zu drehen (Taf. XV/XVI, Fig. 24). Das kausale Moment dieser sonderbaren Anordnung, wie auch die Lokali- sation des Mikrocentrum in den fraglichen Zellen, sind mir noch dunkel. Wie bekannt kann man auch an anderen Tierspecies eine ähnliche wirbelförmige Anordnung des Protoplasma hie und da beobachten. IV. Intracellulär verlaufende Gefässe. Soweit ich habe finden können, ist es nur Fritsch (100) der an den in der Medulla oblongata von Lophius dorsal lokali- sierten, bis 0,130—0,257 mm grossen Ganglienzellen, das Hinein- dringen der Gefässe in den Zellkörper bisher gesehen hat. Fritsch sagt. u.a. (S. 17): „Die Ganglienzellen erhalten sogar eine äusserst reichliche Blutzufuhr und zwar, indem deutlich kenntliche Ge- fässe zu ihnen treten, sich in das nervöse Protoplasma hinein- drängen, ja sogar «dasselbe häufig vollständig durchbohren. — Man erkennt — — die einzelnen Blutkörperchen in den Hohl- räumen der Gefässe und sieht, dass letztere auch innerhalb der Zelle eine zwar zarte, aber durchaus kenntliche Wandung zeigen. Man sieht ferner, dass sie in die Zelle eintreten und sie wieder verlassen — — —.“ 140 EMIL HOLMGREN, Im vorigen Kapitel habe ich schon hervorgehoben, dass Fort- sätze der Zellkapsel in die Zellkörper der Spinalganglien hinein- dringen, um denselben in verschiedenen Richtungen zu durch- setzen, und dass sie Zweige des perizellulären Nervennetzes ent- halten. Dieselbe oder ähnliche Fortsätze können nun auch grössere oder feinere Verzweigungen der Blutgefässe mit sich tragen, die sich in dem lamellären, äusseren Teile der Kapsel sich befinden. Wie Fritsch habe auch ich vielfach Blutkörper- chen in den intracellulären Gefässröhren gefunden, und Kerne, die bald der eigentlichen Wand der Gefässe, bald der adventi- tiellen Hülle derselben angehören, findet man ebenfalls sehr oft im Ganglienzellkörper. — Durch Färbung mit Karmin-Indigo- karmin, wobei die Kapsel mit den fraglichen Fortsätzen grün, das Zellprotoplasma aber rot oder Iilaartig gefärbt wird, kann man die intracellulär verlaufenden bindegewebigen Sprossungen sehr schön unterscheiden. Ebenso schön isoliert treten dieselben auch durch Färbung mit Hämatoxylin-Säurefuchsin-Orange hervor, wobei die Bindegewebekerne durch Hämatoxylin, die binde- gewebigen Teile durch Säurefuchsin und das Zellprotoplasma durch Orange sehr schön und von einander isoliert hervortreten. (Siehe Taf. XVII/XVII, Fig. 27, wo die Ganglienzelle bei der Zeichnung nur angedeutet worden ist.) Fritsch schreibt S. 18: „Ein eigentümliches, noch nicht völlig aufgeklärtes Verhältnis, auf das ich wegen der Vergleichung mit der elektrischen Riesenzelle des Malopterurus ein besonderes Gewicht zu legen habe, ist die Ausbildung einer Art Platte an den Ganglienzellen und zwar stets an der Stelle, wo der Achsen- cylinderfortsatz von ihr entspringt. Hier erscheint die Substanz des Protoplasmas dichter und von abweichender Reaktion, so dass diese Stelle bei Doppelfärbung mit Karmin-Hämatoxylin die Hämatoxylinfarbe vorwiegend annimmt. — — — Der von der Platte abgehende breite Stumpf dieses Fortsatzes (Achsencylinder- fortsatzes) ist gewöhnlich mehrfach durchlöchert.“ Zur Kenntuis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 141 Es ist ziemlich auffallend, dass das Protoplasma der Spinal- eanglienzellen in der nächsten Nähe der intrazellulär verlaufenden Gefässe an basophilen Körnchen reich ist, wodurch diese Gefässe wie von einer besonders dunklen Zone des Zellleibes umgeben hervortreten. — Oft, wenn auch nicht immer, habe ich eine solche spezielle Ansammlung von Körnchen an dem Polkegel der Zellen beobachtet, und diese Körnchenhäufung ist immer in Verbindung mit einer „Durchlöcherung‘ des genannten Zellen- teiles aufgetreten. Untersucht manindessen diese, wenn ich mich so ausdrücken darf, Deltabildung (Taf. XV/XVI, Fig. 26)des Polkegelsetwasnäher, findetman zugleich, dass dieselbe von einer besondersreichlichen Durch- setzung dieses Zellteiles mit gefässtragenden Fort- sätzen der Zellenkapsel bedingt ist. Die auffallend reichliche Ansammlung von basophiler Substanz um diese intra- zellulär verlaufenden Kapselsprossungen lässt wohl in ähnlicher Weise erklären, wie jede andere reichliche basophile Ansamm- lung um intrazellulär verlaufende Gefässe. Ich kann nämlich hinzufügen, dass ich diese auffallend dunkle Färbbarkeit des per- forierten Polkegels nur an mehr protrahierten Thätigkeitsstadien beobachtet habe; und muss ich deshalb annehmen, dass die fragliche dunkle Färbung des Zellplasmas durch Stoffwechsel- prozesse zwischen dem Zellleibe und den intracellulär verlaufenden Gefässen zustande kommt. Mit Bezug auf das Verhältnis, dass deshalb der Polkegel bei den Spinalganglienzellen von Lophius besonders ernährt zu werden scheint, willich daran erinnern, dass ich (112) bei anderen Teleostiern, wie auch bei den Selachiern, ziemlich konstant einen Ranvierschen Einschnürungsring an den Polstellen der Spinal- ganglien beobachtet habe, was ja auch gewissermassen für reich- liche Stoffwechselprozesse an diesen Stellen zu sprechen scheint. Ich habe oben gesagt, dass ich um die zahlreichen Gefässe des Polkegels bei Lophius oft, aber nicht immer, eine dunkle 142 EMIL HOLMGREN, Färbung des Zellplasmas beobachtet habe, und diese Behauptung weiter unten dadurch erweitert, dass diese besondere Färbbarkeit mit gewissen Thätigkeitsveränderungen der Zellen zusammen- hängt. Damit habe ich jedoch nicht sagen wollen, dass die perforierten Polkegel nur hie und da vorkommen. Vielmehr will ich hervorheben, dass, so weit ich habe finden können, die Polkegel zahlreicher Zellen, wenn auch mehr oder weniger, von gefässführenden Kapselfortsätzen durchsetzt sind. Auf Grund dieses Verhältnisses bin ich geneigt, hypothetischer Weise anzunehmen, dass die oben erwähnten Einschnürungsringe an den fraglichen Spinalganglienzellen von Lophius nicht vor- handen sind. V. Die Kapsel der Ganglienzellen. Jede Zelle ist von einer bindegewebigen Kapsel umgeben, welche direkt in die Endoneuralscheide des Achseneylinderfort- satzes übergeht und im übrigen mit dem insterstitielien Gewebe des Ganglion zusammenhängt. Diese Kapsel scheint lamellär auf- gebaut zu sein, und enthält zerstreute vergleichsweise kleine, ovale oder mehr langgestreckte Kerne (Taf. XVIU/XVII, Fig. 27). Zwischen diese Kapsel und den Ganglienzellkörper ist ein ein- faches Stratum von vergleichsweise protoplasmatischen und gross- kernigen Endothelialzellen eingeschoben. So weit ich habe be- obachten können, setzt sich diese einzellige Haut in dieSchwann- sche Scheide des Achsencylinderfortsatzes fort. — Ein förmliches Netz von grösseren und kleineren Gefässen breitet sich in den Maschenräumen der lamellären Kapsel aus und schickt Ver- zweigungen ab, die in auch oft Nervenfäserchen führenden — Kapselfortsätzen eingeschlossen, in den Zellleib eindringen und sich hier so ausbreiten, wie schon oben gesagt ist. Es bleibt mir noch übrig, in diesem Zusammenhange her- vorzuheben, dass ich in den Spinalganglien von Lophius, wie auch von Acanthias und Gadus, Lymphfollikeln beobachtet Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin, 143 habe, die in der Nähe der Ganglienkapsel lokalisiert sind (Taf. XVIVXVII, Fig. 23). Es kommt in dem einzelnen Gang- lion in der Regel nur ein Knötchen vor. In dem peripheren Teile, wie auch in der mehr zellenfreien, bindegewebigen Mitte des Knötchens kommen sinuös erweiterte Gefässe vor. — Wie bekannt, hat kürzlich Timofeew (78) analoge Beobachtungen an den Spinalganglien der Vögel gemacht. Abgeschlossen, Dec. 1898. 144 EMIL HOLMGREN, Nachtrag. Während des Druckes dieser Abhandlung habe ich versucht die oben geschilderten, an Lophius gemachten Beobachtungen, auch auf andere Wirbeltiere auszudehnen. Obgleich ich baldigst cine neue Arbeit zu veröffentlichen beabsichtige, welche die Spinalganglienzellen anderer Vertebraten behandeln soll, will ich doch schon hier hervorheben, dass die von mir bei Lophius beobachteten intracellulären Gefässe und von dem pericellulären Nervennetze herrührenden Nervenfibrillen,auch an Repräsentanten anderer Hauptgruppen der Wirbeltiere vorhanden sind. Das nähere Verhalten dieser intracellulär verlaufenden Gefässe und Nervenfibrillen bei verschiedenen Vertebraten zu schildern, muss ich mir für meine künftige Arbeit vorbehalten. In Bezug auf diese Frage will ich aber schon jetzt bemerken, dass ich durch eine besondere Färbemethode diese Nervenfibrillen (bisher bei Rana) optisch differenziert erhalten habe. Ich konservierte nämlich die resp. Ganglien in konzentrierter Lösung von Salicylsäure in Drittelalkohol und benutzte dann Eisenhämatoxylin. Durch den macerierenden, aber zugleich gut konservierenden Salieylsäure- alkohol ist die Tigroidsubstanz gelöst worden, wodurch die intracellular verlaufenden, aber gewiss alloplasmatischen Nerven- fibrillen durch Eisenhämatoxylin schön differenziert hervor- treten. Die von Golgi (56b) durch die Ohromsilbermethode dargestellten, eigentümlichen perinukleären Netze in den Spinal- ganglienzellen des Hundes u. a. Tiere («un fine apparato fibril- lare ») entsprechen sehr wahrscheinlich von mir — besonders . Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius Lin. 145 schön bei den Kaninchen — beobachteten, endozellular lokali- sierten Netzen von Saftkanälchen. — Die Grundsubstanz der Ganglienzellen ist von analoger Natur wie bei Lophius; das Mikrocentrum ist central lokalisiert; die Lenhosseksche Sphäre bei Rana entspricht indessen nicht einer wahren Sphäre, sondern einem spiralartig gedrungenen und mehr oder weniger tief in die Zelle hineindringenden Fortsatz der umgebenden Kapsel. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXVIIT, Heft. (12. Bd., H. 1.) 19 Citierte Litteratur. . Flemming, a) Vom Bau der Spinalganglienzellen. Festschrift für Henle. Bonn 1882. — b) Über den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugetieren ete. Arch. f. mikr. Anat. 1895. Bd. 46. — c) Über die Struktur centraler Nervenzellen bei Wirbeltieren. Anat. Hefte 1896. Bd. 6. 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Okul. 4. Ausgez. Tubus. Zeiss. Fig. 2. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. Yı.. Okul 3. Eingez. Tub. Fig. 3. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. !ı2. Okul. 3. Eingez. Tub. Fig. 4. Dasselbe. — Kisenhämatoxylin-Bordeaux R. — Hom. Imm. !ıa. Okul. 4. Eingez. Tub, Fig. 5. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. Vı2. Okul. 4. Ausgezog. Tub. Fig. 6. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. "ı2. Okul. 4, Eingez. Tub. Tafel XI/X1l. Fig. 7. Spinalganglienzelle von Lophius. — Kisenhämatoxylin. — Hom. Imm. "ıe. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 8. Dasselbe. — Eisenhämatoxylın. — Hom. Imm. "ız. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 9. Dasselbe. — Toluidin-Erythrosin. — Hom. Imm. !/ız. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 10. Dasselbe. — Toluidin-Erythrosin. — Hom. Imm. !ı2. Okul. 4. Eingez. Tub. Erklärung der Abbildungen. 153 Fig. 11. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. '/ı2. Okul. 3. Eingez. Tub. Fig. 12. Dasselbe. — Toluidin-Erythrosin. — Hom. Imm. !/ıe. Okul. 4. Eingez. Tub. Tafel XIIL/XIV. Fig. 13a. Spinalganglienzelle von Lophius — Toluidin - Erythrosin. — Hom. Imm. !/ıe. Okul. 4 Eingez. Tub. Fig. 13b. Dasselbe. Kern und zunächst gelegener (zwischen dem Kern und der Sphäre) Teil des Zellleibes. — Eisenhämatoxylin-Säurefuchsin-Orange. — Hom. Imm. !ı. Okul. 4. Ausgez. Tub. Fig. 14. Dasselbe -— Eisenhämatoxylin. Hom. Imm. !ır. Okul. 1. Eingez. Tub. Fig. 15. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. Sehr weit ausgeführte Diffe- renzierung. — Hom. Imm. "ı2. Okul. 2. Eingez. Tub. Fig. 16. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. "2. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 17. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. '/ıe. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 18. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. "ir. Okul. 2. Eingez. Tub. Fig. 19. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin-Bordeaux R. — Hom. Imm. Okul. 2. Eingez. Tub. 12. Tafel XV/XVI. Fig. 20. Spinalganglienzelle von Lophius. — Der grösste Teil der Zelle nur angedeutet. — Delafields Hämatoxylin-Eosin. — Hom. Imm. '/ı2. Okul. 2. Eingez. Tub. Fig. 21. Dasselbe. — Fisenhämatoxylin. — Hom. Imm. !ır. Okul 2. Eingez. Tub. Fig. 22. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. '/ıe. Okul. 3 Eingez. Tubh. Fig. 23. Dasselbe, Tangentialschnitt. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. !ı. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 24. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. "/ı2. Okul. 3. Eingez. Tub. Fig. 25. Dasselbe. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. !/ı2. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 26. Polstelle einer Ganglienzelle von Lopbius. — Eisenhämatoxylin. — Hom. Imm. !/ız. Okul. 1. Eingez. Tub. Tafel XVII/XVII. Fig. 27. Kapsel der Spinalganglienzelle von Lophius. — Die Zelle in der Abbildung nur angedeutet. — Delafields Hämatoxylin-Säurefuchsin-Orange — Hom. Imm. '/ıe. Okul. 2, Eingez. Tub. 154 Erklärung der Abbildungen. Fig. 28 Lymphknötchen eines Spinalganglion von Lophius. — Eisen- hämatoxylin. — Obj. E. Okul. 3. Eingez. Tub. Fig. 29. Spinalganglienzelle von Acanthias vulgaris. — Sublimat. — Eisenhämatoxylin-Bordeaux R. — Hom. Imm. !/ı». Okul. 4 Eingez. Tub. Fig. 30. Spinalganglienzelle von Raja clavata. — Sublimat. — Toluidin- Erythrosin. — Hom. Imm. '/ia. Okul. 3. Kingez. Tubh. Fig. 31. Spinalganglienzelle von Gadus mörrhua. —- Sublimat. — Eisen- hämatoxylin-Bordeaux R. — Hom. Imm. "ie. Okul. 4. Eingez. Tub. Fig. 32. Spinalganglienzelle von Rana temporaria. Sublimat. — Eisen- hämatoxylin-Bordeaux R. — Hom Imm. Yı2. Okul. 3. Eingez. Tub. BEOBACHTUNGEN ÜBER DIE ERSTE ENTWICKELUNG DER VÖGEL. VON PAUL MITROPHANOW, WARSCHAU. Mi 17 Textfiguren, 12 Figuren auf Taf. XIX/XX, 7 Figuren auf Tafel XXI und 12 Phototypien auf Taf. XXII/XXIIT. Anatomische Hefte. 1. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd. H. 2). 131 % ° EL L Bo = ii ad Eee EHER KELSETPETTE AIR N i a ve > 77 Emy I sit. r ey % W ey a“ \ u u , Mr zr u j a Fe Nee 5y A . ar N | \ w ‚ . | Einleitung. Anlass zur Arbeit und deren Plan. Mich teilweise auf litterarischen Angaben über die erste Ent wickelung der Amphibien und Reptilien, teilweise auf meinen persönlichen Beobachtungen und diejenigen von Personen, welche sich in meinem Laboratorium beschäftigten, stützend, habe ich noch im Jahre 1891 eine Reihe Sätze ausgesprochen (1), welche die Einheit in der ersten Entwickelung der Wirbeltiere und im Prozess der Gastrulation die Reihenfolge des Überganges zwischen verschiedenen Gruppen bestimmen. Diese Sätze standen in einem gewissen Wiederspruche zu der damals herrschenden Lehre Duvals (2) hinsichtlich der ersten Entwickelungsprozesse der Vögel und eine neue Bearbeitung dieses Themas war natürlich erwünscht. Anderseits stimmten die Grundbeobachtungen in dieser Richtung von Koller (3, 4) bei weitem nicht mit meinen eigenen. Die Frage war aber keine leichte; die Umarbeitung forderte eine langsame aufmerksame Arbeit mit Anwendung möglichst ge- nauer Methoden. Endlich musste das Material selbst, welches hauptsächlich die Entwickelung des Hühnereies umfasste, reich- lich genug sein, damit man die Möglichkeit hätte, die zufälligen Abweichungen auszuschliessen und einen normalen Entwicke- lungstypus festzustellen. Zwischen anderen Beschäftigungen wurde Lidl 158 PAUL MITROPHANOW, das Material nach und nach vorbereitet und gesammelt, bis die Beobachtungen über die ersten Entwickelungsstadien des Strausses, der Krähe, und zuletzt der Ente und der Möve mich veranlasst haben, dieselben in ein Ganzes zu vereinigen, mit Experimental- beobachtungen zu ergänzen und als Grundstein einer neuen Vor- stellung der ersten Entwickelungsprozesse bei den Vögeln zu legen. Folglich musste man, erstens, andeuten, nachdem man den Zustand der Frage bestimmt hatte, worin die schwachen Seiten jener Forschungen bestehen, welche gegenwärtig in dieser Beziehung eine leitende und bestimmende Rolle spielen; zweitens, musste man, soweit man es konnte, den natürlichen Entwicke- lungsgang auf Grund des normalen Materials angeben: drittens, die auf diese Weise erlangten Schlusfolgerungen mit vergleichen- den Angaben erwägen, und viertens durch Experimente zeigen, was man in der normalen Entwickelung bei dem Vergleich mit den Angaben über die Entwickelung anderer Klassen der Wirbel- tiere als das wichtigste ansehen und was man als eine spezifische Erwerbung der Klasse der Vögel schätzen müsse. Der gegenwärtige Zustand der Frage über die ersten Entwickelungsprozesse bei den Vögeln. Die erste Entwickelung der Vögel, die Bildung der Blastula einschliessend, bietet nichts Schwierigeres’ für ihre Erklärung im Sinne einer Veränderung des für die Wirbeltiere allgemeinen Grundtypus, welcher am reinsten in der Entwickelung des Am- phioxus ausgedrückt ist und sich nach und nach verändert, indem er bei verschiedenen Gruppen und bei deren verschiedenen Ver- tretern von den Veränderungen in der Struktur des Eies abhängt. Das soeben gelegte Hühnerei bietet, nachdem es die ersten Entwickelungsstadien im Eileiter durchgemacht hat, eine wirk- lich stark abgeänderte Blastula, wie es aus den schönen Beob- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 159 achtungen Duvals (2) folgt. Noch Koller (3, 4) hat versucht, Veränderungen in der Keimscheibe des Hühnchens aufzudecken, welche zu derselben Kategorie, wie die Gastrulationserscheinungen bei anderen Wirbeltieren, gehören könnten. Doch während jene, seinen Beobachtungen gemäss, in einer geringen und, wie es sich später erwies, zufälligen Einstülpung nahe dem hinteren Rande der Keimscheibe, erkannt werden konnten, wird die Gastralhöhle bei den Vögeln, wie Duval meint, durch die ganze subgerminale Höhle dargestellt, welche sich von Anfang an nach aussen, dem hinteren Rande der Keimscheibe entlang, durch eine Spalteöffnet, deren oberer verdickter Rand als der Ausgangspunkt für das Wachstum des primitiven Fntoderms dient, während der untere durch den sogenannten weissen Dotter mit Dotterkernen dar- gestellt wird. Duvals Forschungen (2) sind auf irrtümliche Beobach- tungen gegründet, obgleich sie in allen Lehrbüchern der Em- bryologie als in dieser Frage leitende angenommen sind. Soviel ich weiss, ist ihre Ungenauigkeit zum erstemal von meinem Schüler Eismond (5, $. 6) besprochen worden, welcher danach (6) folgenden Satz bestimmt ausgesprochen hat: „Als äusseres Zeichen des Gastrulationsprozesses bei den Vögeln erscheint nicht der Umschlag des Randes der Keimscheibe, wie es bei den Elasmobrachiern stattfindet, sondern die Bildung einer mehr oder weniger klar ausgesprochenen taschenähnlichen Vertiefung, welche anfangs ihrem äusseren Erscheinen und der Lage gemäss der Reptiliengastrula (besonders der Natter und der Eidechse) vollständig entspricht. Die Eigenartigkeit der Vogelgastrula besteht nur in der Entwickelung der Primitiv- rıinne“. Viel später ist auch Kionka (8) zum Schlusse gekommen, „dass eine Urmundlippenbildung durch Umschlag der oberen Zellenschicht am Rande der Keimscheibe in die untere, wie sie .. 160 PAUL MITROPHANOW, Duval beschrieben hat, in der Natur nicht vorkommt“. „Vor dem Legen, des Furchungsstadiums, sind am Hühnerei keinerlei Vorgänge wahrzunehmen, die man als Gastrulationserscheinung auffassen könnte“. Auf diese Weise sind die späteren Forscher hinsichtlich der Gastrulation beim Hühnchen verschiedener Meinungen; während Koller den Ausdruck dieses Prozesses in der Bildung der Sichelrinne sieht, erklärt Duval denselben als eine Bildung der subgerminalen Höhle vom hinteren Rande der Keimscheibe an; Eismond und Kionka verbinden ihn mit der Bildung der Primitivrinne. Wenn man jedoch beachtet, dass in der Folge Duval die Bildung des Primitivstreifens (ligne primitive) mit den ersten Gastrulationsprozessen verbindet, und O. Hertwig (9) und Kollmann (11) die Primitivrinne direkt aus der Sichelrinne ent- stammen lassen, ist es klar, dass in allen Fällen die Gastru- lation der Vögel mit der Bildung der Primitivrinne verbunden ist. Die Verschiedenheit in den Meinungen, welche diese Frage betreffen, wird hauptsächlich dadurch bestimmt, dass während für die einen das Erscheinen der Primitivrinne das Ende des Prozesses bildet, es für die anderen eben den Anfang der Gastru- lation darstellt, welche sich hauptsächlich in ihrem vorderen Ende ausdrückt. Daher ist folglich die Frage wesentlich, welche die Bildung der Primitivrinne selbst und die verhältnismässige Bedeutung ihrer verschiedenen Teile betrifft. Ihr Erscheinen hat Duval ziemlich vollständig beschrieben (2) und auf die späteren Forscher in diesem Gebiete grossen Einfluss gewonnen. Die Frage, hinsichtlich der verhältnismässigen Bedeutung der verschiedenen Teile der Primitivrinne ist gewisser- massen in den genannten Mitteilungen Eismonds (5, 6) vorher bestimmt, in dem Sinne, dass der gastralen Vertiefung der an- deren Sauropsiden bei den Vögeln hauptsächlich, wenn nicht Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 161 ausschliesslich, das vordere Ende der Primitivrinne entspricht, welches manchmal nicht nur vertieft, sondern sogar durchbohrt erscheint, wie es bei den späteren Veränderungen der gastralen Einstülpung bei den Reptilien stattfindet). Kritik der @rund-Beobachtungen. In den so viel besprochenen Streitfragen, wie die erste Ent- wickelung der Vögel, hat das unmittelbare Studium und die Kritik der fundamentalen Werke eine sehr grosse Bedeutung, ı) Ich benutze die Gelegenheit folgende Erklärung zu geben. In meinen „Teratogenetischen Studien“ I, führe ich einige Beispiele der Teiluug des hinteren Endes der Primitivrinne an, wobei diese Teilung in zwei Teile mich auf den Gedanken geführt hat, dass in diesem Falle die Horizontalrinne eher als atavistische Erscheinung betrachtet werden kann, welche hier auf eine zu- fällige Entwickelung des Urmundes in der Form, wie derselbe den Reptilien eigen ist, deutet. (12, S. 373.) Es ist klar, dass eine solche Vermutung sich ausschliesslich auf die Ähnlichkeit dieser Abweichung des hinteren Endes der Pimitivrinne mit dem Prostoma der Reptilien gründete. Man muss auch be- merken, dass solche Abweichungen nicht vereinzelt sind; ich besitze das Präparat eines Straussembryos von ziemlich später Entwiekelung, welches hinter der Nervenröhre ein Überbleibsel der Primitivrinne bewahrt hat; dieses Über- bleibsel erscheint dabei in zwei Teile scharf geteilt, wobei die Teilung eine tiefe Falte bietet. Mir scheint, dass eine solche Anomalie tiefere Ursachen hat, als den blossen Zufall. Der Vergleich mit dem Urmund wäre mir dann passend, wenn die Primitivrinne in allen ihren Teilen die gleiche Bedeutung hätte, und das ist sichtlich nicht der Fall. Doch die von mir viel früher ausgesprochene Meinung hinsichtlich der prävalierenden Bedeutung des vorderen Endes der Primitivrinne (1, S. 3) im Gastrulationsprozesse der Vögel ist vollends durch meine späteren Beobachtungen über die erste Entwickelung des Strausses be- stätigt worden, bei welchem es mir gelungen ist in einem Falle ein wirk- liches Prostoma zu erhalten (13) gleich dem, welche ich bei der Eidechse und der Natter beobachtet habe. 162 PAUL MITROPHANOW, und doch wird beides gegenwärtig, besonders von Anfängern, sehr vernachlässigt. Man beachtet hauptsächlich nur die Schluss- folgerungen, welche kritisiert und verglichen werden, ohne dass man sich mit der Art und Weise bekannt macht, wie die Autoren zu solchen Schlussfolgerungen gekommen sind. Oft aber braucht man auf diese Schlussfolgerungen gar kein Gewicht zu legen, weil die Sätze, woraus sie entstehen, sich falsch erweisen. Zwanzig Jahre hindurch wiederholt man die Fabel von der Sichelrinne in die Keimscheibe der Vögel, man citiert sie als eine fundamentale Ausgangsbeobachtung zum Verständnis der ferneren Wachstumsprozesse; sie wird in allen Lehrbüchern ein- geführt und noch niemand hat diese Beobachtungen mit genügen- der Vorsicht wiederholt und dieselben objektiv und unpartelisch geprüft, ausser Duval, welcher die faktische Seite von Kollers Beobachtungen gleich als ganz bestimmt angenommen hat und nur versuchte, diese Beobachtungen an seine eigene, auch nicht genügend begründete Vorstellung zu reihen. Koller (3, S. 319) benutzte für das Studium der Entwicke- lung des befruchteten Hühnereies die noch von Koelliker (14, S. 99) empfohlene Methode der protrahierten Brütung, wo- bei er annahm, dass bei einer erniedrigten Temperatur (27°—31° bis 34° ©.) die Entwickelungsprozesse eben so normal wie bei 38° C. stattfinden. Diese letzte Bedingung kann man aber nur für den Anfang der Entwickelung und verhältnismässig für einen kurzen Zeitraum, d. h. vielleicht nicht mehr als bis zu 12 Stun- den, annehmen, denn später können, wie ich mich persönlich überzeugt habe, sehr wesentliche Abweichungen eintreten (12, S. 347). Bis zur vollständigen Bildung der Primitivrinne beschreibt Koller fünf besonders charakteristische Stufen. I. Die unbebrütete Keimscheibe. Hier unterscheidet er die Area pellucida, den mittleren Teil der Keimscheibe, Anatom.Hofte.I.Abteilung. 139. (RIBA.H.2). ; : : : ; TaeXIX _ IX. Verlag v.J.E Bergmann,Wiesbaden, Lith.Anstv.H Jonas Cussel Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 163 welcher gleich einem Dache über der Keimhöhle ausgedehnt ist und die Area opaca, die den verdickten Keimrand darstellt, welcher direkt auf dem weissen Dotter ruht; dabei ist die Breite des Area opaca ungefähr dem Halbmesser der Area pellucida gleich. Unzweifelhaft entspricht die hier beschriebene Keimscheibe dem Blastoderm, welches schon bedeutend gewachsen ist; leider giebt der Autor keine Maasse, welche unter den anderen An- zeichen des Entwickelungsgrades als das wesentliche Element er- scheinen. Die Grenze zwischen dem dunklen und dem hellen Hof ist hinten anders als vorne dargestellt, sie ist nämlich durch be- stimmte Konturen auf '/s—?/s des ganzen Umkreises scharf ausgedrückt, während sie vorne zackig und verwischt ist; auf diese Weise tritt dem hinteren Rande des hellen Hofes entlang und auf Kosten des dunklen, eine halbmond- oder sichelförmige Figur hervor, in welcher man den Sichelknopf und die Sichel- hörner unterscheiden kann. II. Das Stadium des rundlichen Embryonalschildes erhält man bei 27° C. nach einer 22—24stündigen Brütung. Dasselbe unterscheidet sich von dem vorhergehenden besonders durch die Verbreitung des dunklen Hofes, während der helle sich nicht wesentlich (?) verändert hat, wobei darin, anstatt des verschwundenen Panderschen Kernes eine weissliche Trübung — der sogenannte Embryonalschild des Autoren — erscheint. Diese Bildung stösst an die Sichel, von deren Mitte nach vorne man eine Differenzierung beobachtet, welche den Autor an die entsprechende Entwickelungsstufe im Forellenei erinnert. Schon ein flüchtiger Blick auf die Fig. 2 der Tafel Kollers überzeugt, dass das dort abgebildete Stadium des rundlichen Embryonalschildes eine teratologische Abweichung bietet. Bei dem normalen Entwickelungsgange bemerkt man schon von der fünften Bebrütungsstunde an eine Verlängerung der Keimscheibe, 164 PAUL MITROPHANOW, wobei ihr hinteres Ende immer enger ist, als das vordere, dessen Umrisse einem Kreise gleichen. Fast ganz dieselbe Keim- scheibe, aber von der Hausente, habe ich auf einem Präparate von J. Eismond beobachtet; in beiden Fällen bezeichneten die Abwesenheit der Vakuolen und der eigentümliche Charakter des Dotters eine anormale Entwickelung, besonders da bei normalem Verlaufe der Entwickelung nach 24 Stunden nicht nur die Bildung der Primitivrinne vollendet sein soll, sondern auch die fernere Bildung der Organe beginnen muss; die Verzögerung in der Entwickelung hat also auf circa 18 Stunden stattgefunden. III. Das Stadium des spatelförmigen Embryonal- schildes erhält man nach einer 12stündigen Bebrütung bei 31° und 34° C.; dasselbe entspricht nach Kollers Angabe der achten Stunde der normalen Bebrütung. Die Area opaca hat unter fortwährender Aufhellung eine Breite gewonnen, die dem nun auch etwas (?) vergrösserten Durchmesser der Area pellucida gleichkommt; die Sichel wird jetzt öfter im Gebiete dieses letz- teren beobachtet; sein Sichelknopf ist deutlicher geworden und tritt mit einem Fortsatz in den Embryonalschild ein; die Sichel- hörner haben sich verkürzt; von der Oberfläche der Sichel beob- achtet man zuweilen ihrer Länge nach einen Streifen, welcher das Aussehen einer Rinne hat. Im ganzen findet man Ähnlichkeit mit der entsprechenden Entwickelungsstufe des Forelleneies. IV. Das Stadium des kurzen Primitivstreifens wurde nach einer 18—20stündigen Bebrütung bei 31° ©. oder nach 12 Stunden bei 34° ©. erhalten. Die Grösse der Keimscheibe hat sich wenig verändert, doch bemerkt man um den äusseren Rand der Area opaca die Entwickelung der weissen Kreislinie. Der Sichelknopffortsatz ist länger und breiter geworden und erstreckt sich etwa durch das hintere Drittel der Area pellucida; er ist jetzt eben der Primitivstreifen. V. Das Stadium des vollendeten Primitivstreifens erhält man nach einer 12stündigen Bebrütung bei 38° C., d. h. Beobachtungen über die erste Entwiekelung der Vögel. 165 ungefähr in den normalen Bedingungen. Der Primitivstreifen nimmt bis ?/3 des Durchmessers des hellen Fruchthofes ein; in seinem mittleren Teile ist er schlanker, hinten am Zusammen- hange mit dem Sichelknopf verbreitert und weniger opak, vorne aber abgerundet und etwas verbreitert, also keulenförmig. Alle diese Angaben sind ganz richtig, nur entspricht die vom Autor zur Illustrierung dieses Stadiums angeführte Zeich- nung (Fig. V) nicht ganz der Wirklichkeit. Der helle Frucht- hof muss normal in der Entwickelungsperiode, welche eben be- schrieben wird, hinten bedeutend ausgedehnt sein und birn- förmige Umrisse haben; bei Koller dagegen ist derselbe ab- gerundet. Nach seinen Angaben verschwinden jetzt auch die Sichelhörner fast ganz, während auf der Zeichnung dieselben sehr scharf ausgedrückt sind, wie auch die Verbindung der Primitivrinne mit dem Überbleibsel der Sichel. Ferner wird gezeigt, wie diese Angaben mit der Wirklichkeit übereinstimmen müssen. In seiner zweiten Arbeit (4) giebt Koller die Schnitte der von ihm beschriebenen Entwickelungsstadien, richtiger derjenigen Keimscheiben, welche seiner Ansicht nach der einen oder der anderen von seinen Entwickelungsstufen entsprechen; vorher waren aber die geschnittenen Keimscheiben nicht ausführlicher studiert und einzeln dargestellt. Natürlich kann man bei solchen Bedingungen keine grosse Übereinstimmung zwischen den Zeich- nungen der Schnitte und den schematischen Abbildungen der entsprechenden Stadien fordern. Die Fig. 1 (4, Taf. X) entspricht vollständig der Wirklich- keit und ist normal, ausser dem hinteren Ende, wo eine Ein- schliessung abgebildet ist, welche auf der Oberfläche der Scheibe hervortritt. Aus dieser Zeichnung ist es ganz klar, dass keine spezielle Differenzierung im Gebiete der Sichel beobachtet wird, folglich existiert hier faktisch auch nicht das, was in Form einer Sichel auf dem Flächenpräparate bemerkt worden war, denn die 166 PAUL MITROPHANOW, vom Autor bezeichnete Gruppe der Zellen (s) sondert sich nicht ab und zeichnet sich von den in der Nähe liegenden weder durch ihren Charakter, noch durch ihre Lage aus. Dasselbe kann man auch hinsichtlich der Fig. 2 (l. c. Taf. X) sagen; anders ist es dagegen mit der Fig. 3. Hier sieht man auf dem mittleren Längsschnitte neben dem hinteren Rande eine Einpressung, welche wohl der Sichelrinne entspricht, die der Autor für das zweite Stadium gezeigt hat. Das Vorhandensein dieser Ein- pressung oder Falte muss man auf diesem Stadium als eine ganz zufällige Erscheinung betrachten und dieselbe zu den teratologi- schen Abweichungen rechnen, wenn sie nicht nur durch die Vorbehandlung des Präparats entstanden ist!). Die Fig. 4 und 5 (l. c. Taf. X) zeigen auch besondere Ver- änderungen im Gebiete der Sichel; die erste unter der Form einer Verdickung der äusseren Zellenschicht und die zweite wieder unter der Form einer Vertiefung, wie die Fig. 3. Es wird weiter auseinandergesetzt, inwiefern der erste Umstand richtig ist, es ist aber bemerkenswert, dass er die Sichel stets in der unteren (d. h. entodermalen) Zellenschicht bezeichnet. Auf der Fig. 6 sind wieder keine Angaben hinsichtlich der Differenzierung der Sichel, folglich war dieselbe im Material, welches zu Kollers Verfügung stand, keine beständige Er- scheinung. Ferner sind die Längs- und Medianschnitte des nächsten Stadiums bei Koller auf den Figg. 8, 9 und 10 dargestellt. Alle diese bieten unzweifelhaft Schnitte von anormalen Keim- scheiben mit zufälligen Falten und sogar mit missgebildeten Primitivrinnen, wie ich sie auch oft beobachtet habe. Nur die !) Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie sich solche Falten bilden, wenn die Keimscheibe im Reagens noch nicht hart geworden ist; die Entfernung des Eiweisses oder einfach ein Stoss verursachen eine Veränderung der Form des ganzen Dotters und dabei auch der Keimscheibe. Hieraus ergiebt sich, dass man die Keimscheiben in den ersten Entwickelungsstunden mit der grössten Vorsicht abtragen muss, Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 167 Fig. 10 (ausser der Vertiefung im hinteren Teile), 11, 12 und 13 (von Querschnitten) können als von normalen Keimscheiben kommend betrachtet werden und deuten auf die enge Verbin- dung, welche zu dieser Zeit zwischen dem Ektoderm und dem Dotter-Entoderm am hinteren Keimscheibenrande besteht, was nur in ausschliesslichen Fällen als Primitivrinne bezeichnet wer- den kann (P. S.). Die übrigen Zeichnungen beziehen sich schon auf die geformte Primitivrinne, und die Übergangsformen von den früher beschriebenen Entwickelungsstufen fehlen also ganz. Kollers Schlussfolgerungen (l. c. 5. 203) sind augenschein- lich nicht in voller Übereinstimmung mit den von ihm beschrie- benen T'hatsachen. So bietet anfangs (I St.) seine Sichel nur eine Anhäufung von den Zellen der unteren Schicht der Keim- scheibe (l. c. S. 184); der Sichelknopf (St. III), welcher natürlich aus derselben Quelle entstammen soll, ist nach Koller zur gleichen Zeit und vorzüglich ein Abkömmling der äusseren Schicht, d. h. des Ektoderms (l. c. S. 195); er bildet einen kompakten Zellenklumpen, welcher eine Anlage bietet, aus dem der Primitiv- streifen durch einfaches Längswachstum entsteht. Der hier fühl- bare Widerspruch drückt sich auch in der Unbestimmtheit aus, mit welcher die zwei ersten Folgerungen des Autors formuliert sind. Einerseits ist es, als ob der Primitivstreifen eine Anhäu- fung Zellen von ungenügend bestimmtem Ursprunge darstellt, so bezeichnet Koller denselben auf seinen Zeichnungen in den tiefen Zellenschichten; andererseits aber ist es klar, dass er vor- züglich dem Ektoderm gehört. Es ist unklar, in welcher Be- ziehung zu demselben die primitive Sichel steht. Koller be- achtete diesen Umstand nicht genug, obgleich derselbe für ihn ein wesentlicher war; indem er die Vergrösserung des Primitiv- streifens durch einfaches Längswachstums annahm, blieb ihm zwischen seinem IV. und V. Entwickelungsstadium ein grosser und unausgefüllter Zwischenraum, welcher das Erscheinen des Primitivstreifens in der letzten Form unerklärt liess. 168 PAUL MITROPHANOW, Duval (2) bemerkt ganz richtig (l. c. S. 19 und 30), dass die ihm vorhergehenden Forscher oft die Blastodermen des unbebrüteten Hühnereies auf verschiedenen Entwickelungsstufen beschrieben, und dass das soeben gelegte und noch nicht be- brütete Ei wirklich einen sehr schwankenden Gräd der Aus- bildung des Blastoderms bietet. Dieser Umstand ist schon von Koelliker betont (12, S. 98) und auch von Koller beachtet worden (3, S. 313). Jedoch überwiegt ein gewisser Zustand des Blastoderms vom Huhne in den unbebrüteten Eiern, diesen Zustand hat Duval (l. ce. pl. II, Figg. 17—21) in gewissen Grenzen von Schwankungen dargestellt. Bei dem auffallenden Lichte erscheint das Blastoderm des soeben gelegten und nicht bebrüteten Eies weisslich bis 3,5 mm im Durchschnitt, als ein Flecken, dessen Rand als ein noch weisserer Ring hervortritt, welcher hinten mehr als vorne verdickt ist; durch das Centrum der ganzen Bildung schimmert der Pander- sche Kern. Auf dem Längsschnitte erscheint ein solches Blasto- derm vom Dotter scharf abgesondert und besteht in seinem mittleren Teile aus zwei Schichten, dem sehr deutlichen Ekto- derm und dem primitiven Entoderm, welches durch Zellen dar- gestellt ist, die keine ununterbrochene Schicht bilden, sondern als ein Netz angeordnet sind; am hinteren Ende besitzt dasselbe eine Verdiekung, worin das stärkere und mehr kompakte Ento- derm sich eng ans Ektoderm anschliesst, welches am Rande nach und nach ins erstere übergeht; endlich ist das Blastoderm am vorderen Ende auch mit einer Verdickung versehen, die jedoch schwach ausgebildet und am Rande spitz ist. Auf dem Querschnitte erhält man in der Mitte dasselbe Bild, und an den Rändern, solche, wie am vorderen oder hinteren Rande des Längsschnittes, je nach seiner Lage in der vorderen oder hin- teren Hälfte der Keimscheibe. Nur im hintersten Teile und in einigen (ausschliesslichen ?) Fällen erscheint der Querschnitt ent- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 169 weder ganz oder nur teilweise in der Mitte gespalten (l. c. Figg. 15 und 16). Es geschieht nicht selten, dass ein solches Blastoderm mehr gedehnt ist, wobei die ektodermalen Zellen cylinderförmig werden und das Entoderm den Charakter einer Platte erhält (res Figg.: 21,22): Auf diese Weise ist also die Keimscheibe (blastoderme) des soeben gelegten und noch nicht bebrüteten Eies klar be- grenzt und vom darunter -liegenden Dotter scharf gesondert, welch letzterer um die Scheibe herum eine fleckige (durch Vakuolen bedingte) Zone bildet. Der mittlere Teil der Keimscheibe, welcher feiner ist, scheint etwas durchsichtig; sein als ein weisser Ring hervortretender Rand ist verdickt und besteht aus einigen Zellen- schichten; hinten ist er breiter und hat manchmal eine Art mittleren Ausschnittes, besonders bei den kleinen Vögeln (z. B. bei der Nachtigall). Duval nennt den verdickten Rand der Keimscheibe Blastodermwulst, bourrelet du germe ou bourrelet blasto- dermique (l. ec. $. 42); diese Benennung ist eine etwas ver- änderte Übersetzung des Keimwulstes Köllikers (14, S. 84), ob- gleich in der autorisierten französischen Übersetzung dieselbe bourreletentodermique genannt ist, da Kölliker (l. c. S. 86) sie als eine entodermale Bildung betrachtet. Indem Duval Köllikers Benennung veränderte, wünschte er, ohne die Her- kunft und die Bestimmung des Wulstes im voraus festzustellen, auch seinen Unterschied vom Dotterwall (bourrelet ento- dermovitellin) zu zeigen, mit welchem Kölliker in der ferneren Entwickelung denselben identifiziert. Wie Duvals sorgfältige Beobachtungen zeigen, wird die Keimscheibe in dieser Gestalt so gebildet: 1. vermittelst der Seg- mentation bildet sich eine Zellengruppe auf der Oberfläche des Dotters; 2. unter diesen Elementen, infolge ihrer Absonderung vom Dotter, bildet sich die Furchungshöhle; 3. die Anzahl der Zellenelemente in der Keimscheibe vermehrt sich dabei in 170 PAUL MITROPHANOW, allen ihren Teilen ungleichmässig. Entsprechend der näher dem hinteren Rande der Cicatrikula stattfindenden Furchung wächst am hinteren Rande die Menge ihrer Elemente schneller und infolgedessen erscheint der hintere Rand des Keimschild- chens mehr verdickt; 4. zugleich mit der Vermehrung ordnen sich die unteren Elemente des Blastoderms unter der oberfläch- lichen Schicht als eine lockere Masse an, weshalb die Furchungs- höhle verschwinden wird; 5. die ganze Keimscheibe, vom hin- teren Rande an, hebt sich vom darunter liegenden Dotter ab; es entsteht auf diese Weise nach Duvals Vorstellung die sog. subgerminale Höhle (cavite sous-germinale), welche der In- vaginationshöhle im Amphioxuseie homolog ist, oder einfach die gastrale Höhle. In der weiteren Entwickelung wächst das Blastoderm auf der Oberfläche und, wie Du val meint, hauptsächlich durch Ver- mehrung der Elemente, welche schon in seine Bestandteile ein- getreten sind und sich nicht nach und nach, wie früher, vom Dotter absondern. Dies geschieht vorzüglich hinsichtlich des Ektoderms, dessen Wachstum an der Peripherie die Versetzung der darunter liegenden Elemente hervorruft, welche sich weniger energisch vermehren. An den Rändern des Blastoderms ist die Verbindung der äusseren Schicht mit diesen Elementen enger; hier bilden dieselben eine kompakte runde Verdickung, den Blastodermwulst (le bourrelet blastodermique), während sie sich in der Mitte wie eine Platte anordnen (feuillet ento- dermique primitif). Also ist der Ursprung des Blastodermwulstes ein alter; er ist geblieben, wie er am Anfang der Bildung der subgerminalen Höhle war, und hat nur einen anderen Charakter erhalten infolge seines Wuchses und der gleichzeitigen Verminderung in der Dicke des mittleren Teiles der Keimscheibe, was durch die Ver- setzung der entodermalen Elemente hervorgerufen wird. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 171 Duval glaubt (l. e. S. 84 u. ff.), dass die Differenzierung des Blastodermwulstes noch kein Recht dazu giebt, den mittleren Teil des Blastoderms als die Area pellucida zu betrachten; letztere tritt hervor mit dem Erscheinen der subgerminalen Höhle, einer Vertiefung, welche sich mit Flüssigkeit füllt und durch die Mitte des Blastoderms schimmert. Die Ränder dieser Vertiefung treten etwas hervor und bilden den sogen. Keimwall (rempart vitellin), dessen Erscheinung ihrerseits vom Ver- schwinden des Blastodermwulstes, wie auch von der Absonderung des primitiven Entoderms an den Rändern des äusseren ekto- dermalen Blattes begleitet wird, welches rasch und vom Ento- derm schon unabhängig auf der Peripherie wächst; seine Ele- mente vermehren sich durch Teilung, während das Entoderm langsamer und vermittelst der Elemente wächst, welche sich von neuem vom Dotterwall absondern, mit dem der freie Rand des Entoderms in enge Verbindung tritt, mdem er nach Duval den Entodermdotterwulst (le bourrelet entodermo-vitellin) bilde. Indem der letztere die Area pellucida umsgiebt, schimmert er als die Area opaca s. obscura durch. Da die Vertiefung in der subgerminalen Höhle erst excen- trisch, näher dem vorderen Rande des Blastoderms erschein- und sich dann nach hinten ungleichmässig, mehr von den Seiten, als in der Mitte, verbreitet, hat der helle Fruchthof keine scharfe Umgrenzung und dıe Form eines Halbmondes oder einer Scheibe mit einem grossen Ausschnitte von dem hinteren Rande des Blastoderms her. (Duval, I. c. f. 30, ap.) Nach Duvals Ansicht entspricht dieser Ausschnitt der axialen Platte im Blastoderm, wo die Verhältnisse zwischen den primi- tiven Keimblättern dieselben, wie in dem Blastoderm-Wulst ge- blieben sind; in Wirklichkeit ist dies nicht ganz richtig, da der Ausschnitt hauptsächlich der Dotterspitze entspricht, welche in die ringsherum gebildete Vertiefung rückt; auf den vom Dotter Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd., H. 2.) 12 172 PAUL MITROPHANOW, abgenommenen Keimscheiben ist dieser Ausschnitt nicht und der ganze hintere Rand behält noch den Charakter des Blastoderm- wulstes. In der Entwickelung der Vertiefung im Dotter, welche dem hellen Fruchthofe Umrisse verleiht und in der darauf von vorne nach hinten folgenden Differenzierung des primitiven Entoderms sieht Duval den Schlüssel zur Erklärung des Ur- sprunges des Primitivstreifens, welcher, wie es ihm scheint, die oben erwähnte mediane oder axiale Platte (plaque axiale, l. e. 92, Figg. 30-32) ist. Die letztere entspricht nach seiner Vermutung der paarigen Bildung, die aus dem Zusammenwachsen der zwei Seitenpartien des Blastoderms entstanden ist, welche sich in der Richtung von vorne nach hinten differenziert haben ; ihr unvollständiges Zusammenwachsen erweist sich manchmal als eine Ritze in der axialen Platte oder als ein Ausschnitt dem hinteren Rande entlang, d. h. in Bildungen, welche nach Duval der Rusconischen Öffnung bei den kleinen Vögeln als analog erkannt werden können. Die hier beschriebenen Verhältnisse werden nach einer vier- oder fünfstündigen Bebrütung beobachtet. Meine persönlichen Beobachtungen, welche sich auf die Bildung des hellen Fruchthofes beziehen, nähern sich ziemlich Duvals Beschreibung, ausser dem, was die axiale Platte an- belangt. Auf dem soeben gelegten und nicht bebrüteten Eiern schimmert schon grösstenteils das Öentrum der Cicatrikula durch, während ihre Ränder weisslich sind. Dieses durchschimmmernde Centrum ist unzweifelhaft die erste Spur des hellen Fruchthofes, seine Lage ist nur etwas nach der Seite des vorderen Randes des Blastoderms excentrisch. Die weitere Vergrösserung dieses durch- schimmernden Fleckens geht wirklich längs der Seiten und von vorn nach hinten, der Form entsprechend, welche die Vertiefung im Dotter annimmt, doch beobachtet man zu dieser Zeit in der Keimscheibe selbst keine grossen Veränderungen; die untere Schicht ihrer Elemente verteilt sich ziemlich gleichmässig in die Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 173 Platte; ihre Ränder werden dünner, und zwar in viel grösserem Grade vorne als hinten. Infolge dieses Umstandes entsprechen die scheinbar halbmondförmigen Umrisse des hellen Fruchthofes der Wirklichkeit nicht; zu dieser Zeit bietet der helle Fruchthof, wie auch früher, nur die durchsichtigere Mitte der Keimscheibe, welche von allen Seiten vom verdickten Rande (dem Blastoderm- wulst nach Duvals Terminologie) begrenzt wird, der dem hinteren Rande entlang breiter und dicker ist als am vorderen. Die Präparate, welche Duval zur Beschreibung seiner axialen Platte gedient haben (l. c. fi. 30—32) sind unzweifelhaft Arte- fakte oder Missbildungen. Das gesamte Bild, welches auf der Fig. 30 dargestellt ist, habe ich oft auf Eiern gesehen, welche während !/s, 1!/s und mehr, im Sommer bis sieben, im Winter bis neun Stunden bebrütet waren, doch nach der Abnahme des Blastoderms vom Dotter veränderte sich das Bild und es wurde kein einziges Mal etwas in der Art der oben genannten axialen Platte bemerkt. Der helle Fruchthof erhält bestimmte Umrisse mit der vollständigen Bildung des Keim- oder Dotterwulstes und dann ist der centrale Teil des ihn bedeckenden FEktoderms be- deutend verdickt, was ausschliesslich von der cylinderartigen Form der Elemente dieses Gebietes abhängt. Duval zeichnet oft die ektodermale Verdiekung an der angegebenen Stelle giebt ihr aber keine Bedeutung, indem er seine ganze Aufmerk- samkeit auf den hinteren Rand des Blastoderms lenkt, und doch kommt dieser Verdickung eine wesentliche Rolle in den ferneren Veränderungen des Blastoderms und namentlich in der Bildung des Primitivstreifens, welcher in den ersten Bebrütungsstunden beim Hühnchen nicht vorhanden ist, zu. Wie wir es früher gezeigt haben, wächst das Ektoderm, wenn es sich dem vorderen Rande entlang vom primitiven (Dotter-) Entoderm abzusondern beginnt, mit seinem freiem Rande auf der ganzen Peripherie; nur im hintersten Teile erscheint es noch eine Zeit lang mit den darunter liegenden Elementen verbunden, 12# 174 PAUL MITROPHANOW, indem es auf diese Weise die primitiven Verhältnisse des Blasto- dermwulstes bewahrt. Das findet statt nach Duval im Gebiete seiner axialen Platte — des Keimes des künftigen Primitiv- streifens. In dieser Art des Wuchses der Bestandteile der Keimscheibe kann man folgende Momente bemerken, welche. augenscheinlich ee _— u EL; Fig. 1. Schema der Veränderungen in der Keimscheibe des Hühnchens bis zur Bildung des Primitivstreifens a. p. Area pellucida. a. freier Ektodermrand, a. 0. Area opaca. b. Blastodermwulst von hinten. d. Dottervorsprung. a’ freier Ektodermrand von hinten. e. ektodermale Verdickung. 1. Keimscheibe im Anfang der Differenzierung der Area pellucida. 2. Bildung des freien Ektodermrandes von vorne und schärferes Auftreten der vorderen Grenze der Area pellucida. 3, Weiteres Wachstum des freien Ektoderms und der Ausbildung des hellen Fruchthofes. 3a. Keimscheibe (ohne freien Ektodermrand) vom Dotter abgehoben. Dottervorsprung (d) ist am Dotter geblieben. In der Mitte derArea pellucida sieht man eine ektodermale Verdickung (e). nicht ohne Einfluss auf die fernere Entwickelung bleiben. Erstens, wenn das Ektoderm sich erst vorne absondert und gleichzeitig mit dem freien Ende wächst, ist es augenscheinlich, dass, wenn es nahe davon ist, sich auch dem hinteren Rande entlang ab- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 175 zusondern, es vorne, hinsichtlich des primitiven Entwickelungs- centrums auf der Oberfläche des Dotters eine grössere Ausdehnung einnehmen muss, als hinten (Textfig. 1; Schema 1 und 2). Das muss unbedingt so sein, da der freie Rand des Ektoderms viel schneller wächst (Duva]) als sich der Entodermdotterwulst bildet, welcher die wirkliche Grenze des hellen Fruchthofes bestimmt. Zweitens vergrössert sich die einmal gebildete Vertiefung im Dotter auch dem äusseren Rande entlang, so dass der Entoderm- dotterwulst einen immer grösseren Umkreis einnimmt und die Grundfläche des hellen Fruchthofes auf diese Weise sich mehr vorne als hinten vergrössert. Drittens, da vom Anfange der Bildung des Blastoderms das Wachstum seines hinteren Gebietes durch die verhältnismässig grössere Anzahl seiner Elemente ge- sichert war, und da dieses Wachstum längs dem Blastoderm- wulst die ganze Zeit nicht aufhört, so erscheint als Resultat dieser drei Faktoren: des Wachstumes des freien Randes des Ekto- derms, der Bildung des Entodermdotterwulstes und des nichtauf- hörenden Wachstumes des ganzen Blastoderms auf dem Blasto- dermwulst, wo er noch bleibt, die schnell auftretende wesentliche Veränderung der Form des hellen Fruchthofes, nämlich, sein Auswuchs am hinteren Rande. Bei diesen Bedingungen muss hinten der freie Rand des Ektoderms in einer gewissen Periode doch enger als vorne sein, was auch wirklich stattzufinden scheint, wenn nur diese Thatsache nicht durch nebensächliche Umstände maskiert wird (Textfig. 1; Sch. 3.). Duvals axiale Platte, ein Rest des Blastodermwulstes, kann sich bei den genannten Faktoren, nicht kraft des peri- pherischen Wachstumes verlängern, wie er es meint. Gleich- zeitig mit dem Wachstum des Wulstes an der Peripherie gehen dahin auch die denselben charakterisierenden Verhältnisse seiner Bestandelemente über, d. h. dahin wird die axiale Platte, selbst zurückgedrängt, ohne irgend eine Spur auf der früheren Stelle zurückzulassen, welche bei der Beleuchtung von der Oberfläche 176 PAUL MITROPHANOW, auf dem Dotter noch immer durch den. Dottervorsprung be- zeichnet wird, der in die oben beschriebene Vertiefung am Boden der subgerminalen Höhle hervortritt. Deshalb haben die Keim- scheiben, wenn man sie vom Dotter getrennt studiert, in der entsprechenden Entwickelungsstufe, nur eine Verdickung längs dem hinteren Rande des noch nicht vollständig abgegrenzten hellen Fruchthofes. Diese Verdickung verschwindet nach der Bildung des Entodermdotterwulstes in diesem Gebiete und nach dem Wachstum von da an dem freien Rande des Ekto- derms gänzlich, weil die Bedingungen seiner Existenz sich auch verändern: anstatt der allgemeinen Gruppe der primitiven blastodermalen Elemente sondert sich einerseits das Entoderm ab und andererseits tritt hier das differenzierte Ektoderm her- vor.(Bie. 1, Sch. Srund 3a). Dieser von Duval festgesetzte und im allgemeinen von mir bestätigte Standpunkt schliesst gleichwohl die Möglichkeit der Herstellung des Schemas, welches dieser Forscher gegeben hat (l. e. S. 100), und welches in die embryologischen Lehr- bücher übergegangen ist aus. Denn dieses Schema (ff. 9—14) ist ungenügend, weil es zwei Bedingungen zulässt, die mit der Wirklichkeit gar nicht übereinstimmen, wie es aus dem oben Auseinandergesetzten klar ist: erstens, dass die Axialplatte an der Stelle der ersten Erscheinung bleibt und sich mit der Verlagerung des Blastodermwulstes von vorne nach hinten ver- längert, welche durch den allgemeinen Wuchs des Blastoderms hervorgerufen ist; zweitens, dass das Wachstum des letzteren regelmässig konzentrisch stattfindet. Wir haben schon gesehen, dass sein Wuchs vorne und hinten bei weitem nicht gleichmässig ist und in beiden Fällen durch verschiedene Faktoren hervor- gerufen wird; nur in der Folge, wenn die erwähnten Faktoren einander kompensieren, verschwindet die Ungleichmässigkeit des Wuchses. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. zer Man hat noch ein wichtiges Argument gegen Duvals Schema, — das sind die Messungen. Wenn das Ausgangs- stadium die Keimscheibe eines soeben gelegten Eies bietet, so beträgt nach den Angaben von Duval selbst der Durchmesser der Keimscheibe ungefähr 3,5 mm; nach Köllikers Ausmes- sungen (l. c.; p. 83) 3,5—4 mm und nach den meinigen auf den frischen Eiern bis 4 mm. Die Axialplatte entsteht am hinteren Rande der Keimscheibe, folglich steht sie mit ihrem Ende vom vorderen Rande nicht näher als 3mm ab. Wenn man annimmt, dass bei dem weiteren Wachstum das vordere Ende der Axial- platte in situ bleibt und dass der helle Fruchthof mit seinem Durchmesser den ersten Umfang der Keimscheibe nicht über- treffen wird (in Wirklichkeit übertrifft er ihn bedeutend und eben infolge der Zurückschiebung des Entodermdotterwulstes nach vorne), so kann dann auch das vordere Ende dieser Axialplatte oder des künftigenr Primitivstreifens dem vorderen Rande nicht näher als 3 mm sein. In Wirklichkeit ist die gewöhnliche Ent- fernung des vorderen Endes des Primitivstreifens auf den späteren Entwickelungsstufen, folglich, mit einem noch grösseren hellen Fruchthof, nicht grösser als 2 mm, und gewöhnlich bedeutend geringer!). Natürlich erscheint die weitere Veränderung von Duvals Schema, auf Grund des obengesagten (l. ce. S. 101, ff. 15—20) ungenügend, abgesehen davon, dass dasselbe die Vereinigung der ersten Entwickelungsprozesse der Vögel mit denen der anderen Sauropsiden sehr erschwert. Indem Duval die Primitivlinie (den Primitivstreifen) von der von ihm beschriebenen Axialplatte ableitete oder richtiger die beiden Bildungen identifiziert, warf er den Embryologen, welche sich mit dieser Frage vor ihm beschäftigt haben, vor, dass sie die Primitivlinie erst dann beachtet hätten, wenn sie auf dem hellen Fruchthofe in Form eines Streifens hervortritt, während 1) Vergl. Duval, 1. c. S. 105, Fig. 49. 178 PAUL MITROPHANOW, dieselbe nach seiner Meinung viel eher existiert und dabei einen etwas anderen Charakter hat. Ihre Veränderungen hängen von der Bildung des hinteren Teiles des hellen Fruchthofes ab, welche nach Duval sich auf folgende Weise darstellen. Die subgerminale Höhle, welche die Umrisse des hellen Fruchthofes bestimmt, wie es früher angegeben war, wächst nach hinten mit zwei Seitenteilen, zwischen welchen noch der Dottervor- sprung sich vorrückt; darüber liegt eben die Axialplatte, welche deshalb nicht zu unterscheiden ist. Zwischen der 12. und 13. Stunde verschwindet dieser Vorsprung und räumt der subgermi- nalen Höhle den Platz, welche sich ihrerseits auch an den Seiten verbreitet; der helle Fruchthof verlängert sich also auf einmal (?) im hinteren Teile und darauf wird die Axialplatte in der Form des Primitivstreifens sichtbar. Auf diese Weise erscheint dieser letztere nicht im hellen Fruchthof und wird nur mit der Ent- wickelung dieses letzteren in seinem hinteren Gebiete sichtbar. Duval macht auf den Umstand aufmerksam, dass die früheren Autoren, wie Dursy (15), den hellen Fruchthof ohne Primitiv- linie als einen Kreis zeichnen, und wenn die Primitivlinie erscheint, bilden sie denselben als ein ausgedehntes, hinten etwas verjüngtes Oval ab. Da er beweisen will, dass diese Veränderung ein Resultat der Wachstumsvorgänge ist, wobei der ganze hintere Teil des hellen Fruchthofes mit dem Primitivstreifen eine Neu- bildung längs dem hinteren Rande des primitiven hellen Frucht- hofes bietet, wohin die Primitivlinie nicht gelangt, greift er zwei Zeichnungen Dursys (l. c. Taf. I, Fig. 1 und 4), welche die Keimscheiben von einer 10- und l5-stündigen Bebrütung bieten, heraus. Aber indem er sie vergleicht, verändert er dieselben willkürlich auf solche Weise, als ob sie den von ihm früher ausge- sprochenen Satz vollständig bewiesen (l. e. 8.122, Sch. 33), d.h. dass die Primitivlinie sich nicht in dem hellen Fruchthof nach einer 10-stündigen Bebrütung gebildet hat, sondern in seinem neu- oebildeten Teile. Weitere Ungenauigkeiten entwerten diesen Beweis und Duvals Versuch. Amatom.Hefte.I.Abteilung.H.39.(XIT Bd .H.2). Tat ART. : 1 A A 3 e m 4 | | = u EREE ö a Din RE Lith.Anstv.H..Jonas ‚Cassel. Verlag v. J.F. Bergmann Wiesbaden. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 179 Erstens wiederholen die von ihm gegebenen Schemata 30 und 31 (l. c. S. 120) Dursys Zeichnungen nicht richtig. Nach Duval ist der Querdurchmesser des hellen Fruchthofes in beiden Fällen derselbe. Der Grund dafür könnte der sein, dass Dursy den Grad der Vergrösserung für jede Zeichnung nicht pünktlich angiebt, sondern einfach bemerkt, dass sie „bei 30—60 facher Vergrösserung‘ abgenommen worden waren (]. c. S. 68). Thatsäch- lich ist aber der transversale Durchmesser der ersten Zeichnung (Dursy, l.c. Taf. I, Fig. 1) 37,5 mm und derjenige der zweiten 43 mm gleich (l. c. Taf. I, Fig. 4). Sind die beiden Zeichnungen bei derselben Vergrösserung gemacht und ist der Grad der Ver- grösserung in der Periode der 10- und 15-stündigen Bebrütung normal? Dursy giebt darauf keine direkte Antwort, doch kann dieselbe in beiden Fällen unzweifelhaft eine bejahende sein, und wie Duval in der Wiedergabe der Thatsachen ungenau ist, so ver- grössert er ganz willkürlich auf den Schemata 32 und 33 (S. 122) den Durchmesser der l5stündigen Keimscheibe und nicht auf ‘!/, ihrer Länge, wie er es im Text angiebt, sondern auf die Hälfte, wie es aus den Zeichnungen (der Durchmesser des Schemas 30 ist 12 mm; solcher des Schemas 33 18 mm) erhellt. Wollen wir nun betrachten, ob Duval das Recht hat, auf Grund seiner eigenen Präparate in der angegebenen Periode die Vergrösserung des Durchmessers sogar auf !/a zuzulassen. In der citierten Arbeit (2) finden wir bei ihm die Abbildungen zweier Keimscheiben ungefähr von demselben Alter, wie bei Dursy. Die Fig. 49 (l. ce. Taf. IV) giebt die Abbildung des Blasto- derms, welches dem der Fig. 48 ähnlich ist, d. h. zwischen der achten und zwölften Bebrütungsstunde bei einer 12- bis 14-fachen Vergrösserung; wenn man die mittleren Ziffern nimmt, entspricht die hier abgebildete Keimscheibe als einer 10-stündigen Bebrütung, wie auch in Dursys Falle (l. c. Fig 1, Taf. I) bei einer 13-fachen Vergrösserung. Die Fig. 57 zeigt das Blastoderm einer 13—16-stündigen Bebrütung; im Mittel darf man es als 180 PAUL MITROPHANOW, einer 15-stündigen Bebrütung entsprechend betrachten, d. h. wie dasjenige auf Dursys Fig. 4, Taf. I bei einer 16-fachen Ver- grÖSSerung. Der transversale Durchmesser des hellen Fruchthofes auf der Fig. 49 beträgt 23 mm und auf der Fig. 57 30 mm. Wenn wir diese Ziffern in die wirkliche Vergrösserung über- setzen, erhalten wir für den hellen Fruchtshof der Fig. 49 23:12, d. h. 1,77 mm und für jenen der Fig. 57 30:16 = 1,858 mm. Der Unterschied in den Durchmessern wird folglich in der Periode zwischen der 10- und 15-stündigen Bebrütung also be- stimmt: 1,88—1,77 = 0,11 mm; im Verhältnis zum Durch- messer des zehnstündigen Ausgangsstadiums beträgt er 0,11:1,77, d. h. ungefähr '/ıs und nicht !/ı. Die angegebenen Ausmes- sungen in Dursys Zeichnungen ergeben aber einen Unter- schied von 43—37,5 = 5,5 mm, was eine Vergrösserung des Durchmessers auf 5,5:37,5, d. h. mehr als auf !/ ausmachen wird. Folglich ist es augenscheinlich, dass wenigstens Dursys erste Zeichnungen bei derselben Vergrösserung gemacht waren und dass der Grad der Vergrösserung des hellen Fruchthofes zwischen der 10- und lö-stündigen Bebrütung nicht weniger, wenn nicht mehr, als bei Duval, der Wirklichkeit entspricht. Ausmessungen anderer Art, welche sich auf die Lage des Primitivstreifens beziehen, sprechen auch nicht zu Gunsten Duvals. Auf den oben angegebenen Zeichnungen Dursys wird das besonders scharf bestimmt; auf der Fig. 4 (]. ce. Taf. I) ist die Entfernung zwischen dem vorderen Ende des Primitiv- streifens und dem vorderen Rande des hellen Fruchthofes 21 mm, während, wenn dieser nur in dem neugebildeten hinteren Teile der Area pellucida erscheinen würde, diese Entfernung dem Durchmesser des hellen Fruchthofes nach einer zehnstündigen Bebrütung mit der -Zufügung der Breite des Gürtels seines Wuchses in einer fünfstündigen Periode, d. h. der Differenz- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 181 hälfte zwischen den Durchmessern, gleich sein muss, d. h. 37,5 + (5,5:2) = 40,25 mm. Welche Ursachen haben denn den Primitivstreifen genötigt, sich so sehr nach vorne zu ver- setzen, dass sein Ende sich im Centrum des hellen Fruchthofes befindet, wenn er nach Duvals Auffassung entsteht? Aus seinen eigenen Zeichnungen (den oben angegebenen und in der eitierten Arbeit, einzigen in dieser Art) erhalten wir folgende Zahlen: auf der Fig. 49 (l. c. Taf. IV) ist die Ent- fernung vom vorderen Ende der Primitivlinie bis zum vorderen Rande des hellen Fruchthofes 20 mm; wenn wir das in die wirkliche Vergrösserung übersetzen, haben wir 20:13 = 1,54 mm; auf der Fig. 57 beträgt dieselbe Entfernung 21 mm, was in der Wirklichkeit 21:16 = 1,31 mm macht, während diese Ent- fernung nach Duval aus der bestehen sollte, welche sich auf die Fig. 49 bezieht mit dem Zufügen der Breite des Zuwachses während einer fünfstündigen Periode, d. h. der Hälfte der Diffe- renz zwischen den Durchmessern!), was 1,54 4 0,06 = 1,60 mm betragen wird: Es ist folglich klar, dass nach einer 15 stündigen Bebrütung der vordere Rand des hellen Fruchthofes nicht nur nicht nach vorne vor die Primitivlinie gerückt ist, wie es nach Duvals Vorstellung folgen müsste (l. ec. S. 100, Schema 14), sondern im Gegenteil diese letztere sich zu ihm geschoben, nach- dem sie das Centrum des hellen Fruchthofes fast erreicht hat. Wir finden keine Erklärung dieser Erscheinung bei Duval, wie wir auch bei ihm keine genügende Anzahl Präparate haben, welche die graduelle Veränderung der Axialplatte in die Primitiv- linie und dabei auch den Wuchs der letzteren erklären. Es ist auch an der Zeit, noch einige der Widersprüche auzugeben, welche als das Resultat des Vergleiches zwischen den faktischen Angaben Duvals mit seiner Grundvorstellung hinsichtlich der Bildung der Primitivlinie erscheinen. Dieses 1) 1,88 mm (Fig. 57) — 1,77 mm (Fig. 49) = 0,11:2 = 0,055, ungefähr 0,06 mm. 182 PAUL MITROPHANOW, Mal werden wir diese Angaben seinem „Atlas d’embryologie“ entnehmen (16). Das Stadium, welches gerade den Übergangs- zustand zwischen der Axialplatte und der Primitivlinie bietet, ist hier auf der Fig. 47 (l. c. Taf. III) dargestellt. Im Gebiete der genannten Bildungen muss, ihrer Herkunft gemäss, eine entsprechende Verdickung sein. Betrachten wir Duvals Ab- bildungen. Die Figur 47 stellt das Blastoderm von einer un- gefähr zehinstündigen Bebrütung dar, sie zeigt auch die Rich- tung und die Lage der Schnitte durch die Keimscheibe von demselben Alter. So bietet die Fig. 48 den mittleren sagittalen Schnitt, die Fig. 56 den transversalen durch den vorderen Teil des hellen Fruchthofes, die Fig. 61 dasselbe durch den hinteren. Auf der Fig. 48, nach ihrer Lage, muss der Länge nach ‚la ligne primitive et plaque axiale‘‘ geschnitten sein, welche auf der Fig. 47 mit den Buchstaben pp bezeichnet sind; nun frägt man sich, wodurch sie hier ausgedrückt ist? Die dem Blasto- dermwulst eigentümlichen Beziehungen haben sich hier nicht erhalten, doch wird vielleicht die Primitivlinie vermittelst der Dicke des Ektoderms ausgeschieden. Gar nicht, wie man es aus den Detailzeichnungen 50—52 sieht, befindet sich das dickste Ektoderm vor der Primitivlinie, wo die Ziffer 52 steht; hier ist es fast doppelt dicker, als im Gebiete der Primitivlinie, welcher der benachbarte Teil entspricht, der mit der Ziffer 51 bezeichnet ist. Auf der Fig. 56 scheint auch derselbe Teil genommen worden zu sein (pünktliche Bezeichnungen fehlen da) und hin- sichtlich der mit der Ziffer 60 bezeichneten Stelle, welche der detaillierten Zeichnung aus diesem Gebiete entspricht, ist bemerkt: „ici le feuillet externe est tres epais“. Die detaillierten Zeichnungen 50—52 und 60 scheinen bei derselben Vergrösserung, d. h. bei einer 120-fachen gemacht zu sein. Endlich bietet die Fig. 61 den Schnitt durch die Primitivlinie, welche ausführlicher auf der Fig. 62 bei einer 60—70-fachen Vergrösserung dargestellt ist. Wenn man die Abbildungen 61 und 48 vergleicht, muss Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 183 man annehmen, dass der auf der ersteren dargestellte Quer- schnitt aus dem Gebiete genommen ist, welches auf der Fig. 48 zwischen den Ziffern 50 und 51 liegt. Wollen wir jetzt ver- gleichende Ausmessungen der Dicke des Ektoderms auf den oben angegebenen Zeichnungen machen. Auf der Fig. 62, bei einer 60 —70-fachen Vergrösserung hat das Ektoderm im Gebiete der Primitivlinie eine Dicke von 5—8 mm; auf den Figg. 50 und 51, bei einer 120-fachen Ver- grösserung schwankt die Dicke desselben Ektoderms zwischen 2—4 mm. Wenn wir diese Dieken in derselben Vergrösserung darstellen, haben wir für dasselbe Gebiet auf dem Querschnitte (Fig. 62, für eine 120-fache Vergrösserung muss man fast das doppelte nehmen) eine Dicke von mehr als 10 mm, und auf dem Längsschnitte eine von 2—4 mm. Augenscheinlich liegt hier irgend ein Missverständnis vor. Das Angeführte, scheint mir, genügt, um zu zeigen, dass im Sinne der Beweise und der Pünktlichkeit der Auseinander- setzung Duvals Grundidee hinsichtlich der Bildung der Primi- tivlinie viel zu wünschen übrig lässt. Deshalb finde ich es überflüssig, die weiteren Ausrechnungen Duvals kritisch zu ana- lysieren, welche er anführt, einerseits, um die Mangelhaftigkeit von Kollers Schlussfolgerungen zu beweisen, andererseits, um seine eigenen vollständiger zu bestätigen. Diese Ausrechnungen gründen sich, wie wir es in den angeführten Fällen gesehen haben, auf das Zulassen von Ausmessungen, welche unpünktlich sind und oft willkürlich und annähernd verändert werden. Welche Angaben aus Duvals Arbeiten wir auch nehmen, überall erhalten wir eine seinen Schlüssen widersprechende Schlussfolgerung, nämlich dass die Entfernung zwischen dem vorderen Ende der Primitivlinie und dem vorderen Rande des hellen Fruchthofes (mag dieser Rand nach Duval bestimmt werden) in den späteren Entwickelungsstufen immer geringer ist, als dieselbe anfangs bestimmt werden kann. Nur für diese 154 PAUL MITROPHANOW, Schlussfolgerung werde ich mir erlauben, noch einige Ziffern zu vergleichen. So ist auf der Fig. 36 seines Atlas’ (16) die erste Erschei- nung des hellen Fruchthofes gegeben; von seiner vorderen Grenze bis zum Ende der Axialplatte oder der Primitivlinie sind 9 mm bei einer vierfachen Vergrösserung, folglich in Wirklichkeit 9:4 — 2.,25mm. Auf der Fig. 47 beträgt dieselbe Entfernung 5 mm : 4 — 1,25 mm; folglich ist sie zwischen der fünften und zehnten Bebrütungsstunde fast zweimal kleiner geworden. Auf dem Schema 57 (Duval, 2; S. 154) beträgt die in Aus- sicht genommene Entfernung 7” mm:4=1,75 mm; und auf dem Schema 58 (l. ec. S. 157) ist sie von 6 mm :4=1,5 mm. Der Vergleich dieser Schemata nach der Grösse ist ein ganz passender, da dieselben in Proportion zu den wirklichen Aus- messungen abgebildet worden sind, welche auf den Figg. 24 (l. c. Taf. II) 40, 49, 50 (l. e. Taf. III und IV) dargestellt sind. Die den Schnitten aus den entsprechenden Entwickelungs- stufen entnommenen und folglich noch genaueren Ziffern sind noch belehrender. Auf der Fig. 24 (l. c. Tafel II) ist die Länge der subgerminalen Höhle, welche die Grösse des hellen Fruchthofes bestimmt, zwischen der zweiten und sechsten Be- brütungsstunde ungefähr von 52 mm bei einer l15fachen Ver- grösserung; die wirkliche Länge beträgt 32:15 —= 2,13 mm. Diese Ziffer muss folglich die Entfernung der Primitivlinie von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes bestimmen, wenn die- selbe schon dessen hinteren Rand erreicht hat; in Wirklichkeit findet dies noch nicht statt, und die genannte Entfernung müsste durch eine grössere Ziffer ausgedrückt sein. Auf den Figg. 40 und 50, welche sich auf das Blastoderm zwischen der achten und zwölften Bebrütungsstunde beziehen, beträgt die Länge der subgerminalen Höhle, resp. des hellen Fruchthofes im ersten Falle 24 mm bei einer 16fachen Vergrösserung, d. h. 24:16 Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 185 — 15 mm der natürlichen Grösse, im zweiten 40 mm bei einer 2Vfachen Vergrösserung, d. h. 40:20 —2 wirkliche mm; im mittleren schwankt also hier die Entfernung der Primitivlinie vom vorderen Rande des hellen Fruchthofes zwischen 1,5 und 2 mm, ist also ungefähr 1,75 mm gleich, eine Ziffer, die man auch in einer späteren, auf der Fig. 58 dargestellten Entwicke- lungsstufe erhält; der Vergleich der Figg. 49 und 57 hat uns schon früher den Unterschied 1,54—1,31 mm gegeben. Im all- gemeinen geben also alle diese Ausmessungen in den späteren Entwickelunesstufen kleinere Zahlen als im Anfange der Bil- dung der Primitivlinie, obgleich das Umgekehrte sein müsste, da der helle Fruchthof längs der Peripherie sich vergrössert. Es ist also natürlich anzunehmen, dass die Primitivlinie mit ihrem Ende nach vorne wächst, wie es seinerzeit Koller an- nahm. Es scheint besonders notwendig, die späteren Entwicke- lungsstufen zu vergleichen. Nehmen wir zum Beispiel die Figg. 64 und 66 aus Duvals „Atlas“ (16. Taf. IV). Die Entfernung der Primitivlinie beträgt im ersten Falle 15,5 mm bei einer 14fachen Vergrösserung, d. h. 15,5: 14 = 1,11 mm; im zweiten 16 mm bei einer 13fachen Vergrösserung, d.h. 16:13 = 1,23 mm. Doch sind eigentlich diese Ziffern weit grösser als diejenigen, welche man sich merken muss. Bestimmter drückt die vordere Grenze des primitiven hellen Fruchthofes die sogenannte vordere Sichel aus, welche der durchschimmernde Entodermdotterwulst bietet, der sich an der Stelle der Blastodermwulst und erst vor dem hellen Fruchthof gebildet hat. Die Entfernung zu ihm vom Primitivstreifen (Linie) beträgt im ersten Falle 11 mm auf der Zeichnung (Fig. 64), in Wirklichkeit 11:14 = 0,19 mm; im zweiten 12 mm auf der Zeichnung (Fig. 66) und in Wirklich- keit 12:13 = 0,92 mm. Wenn man diese Ziffern, welche mit dem Alter kraft des Wuchses des Entodermdotterwulstes, wenn auch unansehnlich, aber doch wachsen, mit der primitiven Ent- fernung der Primitivlinie von der vorderen Grenze des hellen 186 PAUL MITROPHANOW, Fruchthofes vergleicht, muss man erkennen, dass zu der 15—16. Bebrütungsstunde diese Entfernung mehr als zweimal kleiner wird (2,13— 2,25!) und 0,79—0,92). Von dieser Art Thatsachen augenscheinlich überzeugt, war Duval genötigt (2, S. 132, 148 und 158), den Wuchs der Primi- tivlinie der Länge nach auch seitens des Kopfendes anzunehmen, obgleich das seinem Grundschema direkt widerspricht (Sch. 14, S. 100; Sch. 33, S. 122), wie auch den Einwänden, welche er Koller macht. Freilich lässt er einen solches Wachstum während der Bildung der Primitivlinie, wie auch nach ihrer Er- scheinung nur in einem begrenzten Masse zu. Als Thatsachen, welche Duval (l. c. S. 158) im Auswachsen des vorderen Endes des Primitivstreifens überzeugen, erscheinen: 1. die Fig. 26 bei Kölliker (14, S. 88) und 2. die Zeichnungen aus Duvals erster Arbeit über die Primitivlinie (17). Wie es angegeben worden ist, bezeichnet die vordere Grenze des primitiven hellen Fruchthofes, die sogenannte vordere Sichel (le croissant anterieur, Duval; die vordere Aussenfalte, His- Kölliker). Auf Köllikers Abbildung (l. ec. Fig. 26, S. 88) beträgt die Entfernung davon zum Primitivstreifen 13 mm bei einer 24fachen Vergrösserung, d. h. 18:24 = 0,75 mm, was mit den oben angeführten Angaben für die Fig. 64 aus Duvals Atlas (= 0,79) fast stimmt. Auf Duvals Abbildungen aus seinem Artikel „über die Primitivlinie“ (17, Taf. 13, Figg. 1 und 2) ist trotz des Unterschiedes in der Bebrütungszeit (14 und 149 Stunden) die Entfernung von der vorderen Aussenfalte bis zur Primitivlinie fast gleich; im ersten Falle (Fig. 1) beträgt sie 8 mm bei einer 18fachen Vergrösserung, d.h.8:18—=0,4..... wirk- liche mm; im zweiten (Fig. 2) 10 mm bei einer 20fachen Ver- grösserung, d. h. 10:20=0,5 wirkliche mm. Die absoluten Ausmessunsen treffen in diesem Fall weder mit Duvals späteren o !) Aus der Fig. 36 — (16) und Fig. 24 — (2) nach den oben angeführten Ausrechnungen. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 137 Angaben, noch mit der oben erhaltenen Grösse aus Köllikers Zeichnung zusammen, obgleich nach der Bebrütungszeit die 20 Stunden); die Ur- sache ist schwer anzugeben; der Unterschied ist zu gross, um Keimscheiben zu vergleichen sind (15 allein von der Bearbeitung des Präparats abzuhängen, wie man es hinsichtlich Köllikers Zeichnung vermuten kann; jedenfalls sind diese Ausmessungen noch bedeutsamer als die aus den Figg. 64 und 66 von Duvals Atlas angeführten. Doch geben beide, welche unzweifelhaft von einander unabhängig eine Be- deutung haben, für das Auswachsen des vorderen Endes des Primitivstreifens keine tröstenden Resultate. Beim Vorhanden- sein dieses Wuchses und bei einem sehr langsamen Voraus- rücken des Entodermdotterwulstes, welcher sich als vordere Aussenfalte darstellt, nachdem der Primitivstreifen sich schon gebildet hat, müsste man eine Verminderung der Entfernung zwischen ihrem vorderen Ende und der vorderen Aussenfalte beo- bachten, doch das beobachtet man eben nicht. Aus den Figg. 64 und 66 von Duvals Atlas (16) haben wir 0,79 und 0,92 mm für die 15. und 16. Stunde, aus den Figg. 1 und 2 seines Artikels „über die Primitivlinie“ (17) 0,44.... und 0,5 mm für die 14. und 19. Brütungsstunde. In beiden Fällen bemerkt man nicht nur keine Verminderung, sondern eine kleine Vergrösserung, was dem Vorrücken der Entodermdotterwulst entspricht. Wenn man in der gegebenen Periode (14—20 Bebrütungs- stunden) keine Verminderung der beschriebenen Entfernung be- merkt, so vergrössert sich nur dieselbe in der späteren Entwicke- lung mit der Bildung des Kopffortsatzes; wenn es dabei keine faktischen Angaben giebt, dass der Primitivstreifen in den vor- hergehenden Stunden!) mit seinem Ende nach vorne wächst, so 1) Der Vergleich Duvals Fig. 49 (2) mit der Fig. 57 kann keineswegs aus Mangel an Übergangsstufen als ein solcher Beweis dienen. Die Ziffern (1,54 mm vom vorderen Ende des Primitivstreifens bis zum vorderen Rande des hellen Fruchthofes auf der Fig. 49, und 14 mm: 16 = ”/’s = 0,875 mm vom Primitivstreifen bis zur vorderen Aussenfalte, auf der Fig. 57) zeigen hier Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd. H. 2.) 13 188 PAUL MITROPHANOW, ist die Schlussfolgerung natürlich, dass die Primitivlinie infolge anderer Ursachen so weit nach vorne reicht. Aus der vorstehenden Darstellung ergiebt sich, dass die bis jetzt gemachten Versuche die Frage über das Entstehen des Primitivstreifens bei den Vögeln nicht hinreichend geklärt haben. Wie in Kollers Arbeit Fehler zu finden sind, welche einer- seits deshalb entstanden sind, weil die zufälligen Bildungen (wie die Sichelrinne) als typische betrachtet worden, andererseits in- folge der ungenügenden Genauigkeit (im Sinne der Bestimmung der verhältnismässigen Grösse auf verschiedenen Entwickelungs- stadien) so sind auch Duval, der sich auf ein schön bearbei- tetes faktisches Material stützte, unter dem Einflusse einer voraus- gesetzten Idee grosse Unpünktlichkeiten in der Erklärung der von ihm gefundenen Thatsachen untergelaufen. Dessen unge- achtet wurden die Untersuchungen der beiden genannten For- schern in vielen Lehrbüchern als eine Grundlage für die erste Entwickelung der Vögel angenommen. OÖ. Hertwig (9, S. 91 und 115) vereinigt!) in der Gastru- lationsvorstellung bei den Vögeln Kollers und Duvals Beob- achtungen, obgleich diese beiden Autoren in dieser Frage prinzipiell von einander abweichen. Während man aus Kollers Arbeit als den ersten Akt, welcher dem Gastrulationsprozesse bei den anderen Wirbeltieren entspricht, die Bildung der Sichelrinne in einiger Entfernung vom hinteren Rande des nur, wie in den früher angeführten Fällen, dass zwischen der 10. und 15. Be- brütungsstunde der Primitivstreifen fast zweimal näher nach vorne gelegen ist, als es nach Duvals Schema sein müsste, aber wie es stattgefunden hat, sieht man aus diesem Vergleiche nicht. ') Die gegenwärtige Arbeit war schon vor anderthalb Jahre beendigt, doch hat die Vorbereitung der Abbildungen, Photographien und der Übersetzung ihr Erscheinen etwas verspätet. Die folgende Analyse betrifft die 4. Auflage OÖ. Hertwigs Lehrbuch; in der letzten (sechsten) Auflage hat ©. Hertwig teilweise seine Ansichten über Duvals Forschung verändert, doch ist alles hier Angeführte noch jetzt berechtigt. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 189 Blastoderms (auf der Grenze zwischen dem dunklen und hellen Fruchthofe) anerkennen muss, betrachtet dagegen Duval als gastrale Höhle den ganzen Raum unter der Keimscheibe, d. h. die subgerminale Höhle, welche sich als Ritze unmittel- bar vom hinteren Rande nach vorne erscheint (l. ce. S. 167). OÖ. Hertwig stellt die Sache auf folgender Weise dar (9, S. 91): „Die Gastrulation geht vom hinteren Rande der Keimscheibe aus und beginnt schon einige Zeit vor Ablage der Eier.“ „Wenn man jetzt genau auf den verdickten Rand der Keimscheibe oder den Randwulst (bourell et blastodermique von Duval) achtei, so sieht man denselben sich nach vorn und seitlich durch eine mehr zackige und weniger deutliche Grenze, nach hinten da- gegen durch einen schärferen Kontur absetzen. Derselbe wird dadurch hervorgerufen, dass der Randwulst infolge einer stär- keren Wucherung der Zellen bedeutend verdickt und undurch- sichtiger geworden ist und eine mehr weissliche Färbung ange- nommen hat. Er hebt sich von seiner Umgebung als eine weisslich erscheinende halbmond- oder sichelförmige Figur deut- lich ab.‘ Dabei ist Fig. 62, A, eine Kopie von Kollers Ab- bildung,. angeführt (3, Fig. I), welche, wie man es aus der Be- schreibung dieses Autors sieht, eine ganze RKeimscheibe, oder die Cikatrikula eines noch nicht bebrüteten Eies darstellt; man unterscheidet darin schon zwei wesentlich verschiedene Teile: a) im Centrum den hellen Fruchthof (Area pellucida) und b) von aussen, den dunklen (Area opaca). Unterdessen be- zeichnet O. Hertwig den letzteren als den Dotter (l. ce. Fig. 62, d) und nur den hellen Fruchthof als die Keimscheibe (ksch). Natürlich liegt bei dieser Erklärung die erwähnte Sichel am Rande der Keimscheibe, während sie in Wirklichkeit sich am Rande des hellen Fruchthofes, in bedeutender Entfernung vom Dotter, bildet. Nachdem O. Hertwig diese Ungenauigkeit passiert ist, stellt er im Weiteren die Gastrulation des Hühn- chens nach Duval dar, welcher die frühe Teilung der Keim- 13* 10 PAUL MITROPHANOW, scheibe in den hellen und dunklen Fruchthof nicht anerkennt. Am interessantesten ist es, dass diese Anschauung vermittelst Kollers Zeichnungen illustriert (3, Fig. III, V) und die Primitiv- rinne unmittelbar aus der Sichelrinne hergeleitet wird (]. c. S. 115). Kollmann (11) folgt in dieser Frage OÖ. Hertwig und verfällt natürlich in dieselben Ungenauigkeiten in der Darstel- lung der Bildung der Primitivrinne (l. e. S. 73 und 96). In der letzten Auflage seines Lehrbuches hält sich O. Hert- wig (10, S. 110) vorzüglich an Kollers Untersuchungen, sagt aber: im gelegten Ei „sind die ersten Stadien des Gastrulations- prozesses, welche schon im Endabschnitte des Eileiters vor sich gehen müssen, offenbar abgelaufen‘ — in dieser Beziehung die letzte Erkennung Duvals. Diese Bemerkung befindet sich in augenscheinlichen Widerspruch zu seiner ferneren Auseinander- setzung: „Wir werden daher nicht irren, wenn wir in der von Koller entdeckten Sichelrinne des Hühnereies die erste An- lage des Urmundes, mithin die Stelle der Keimscheibe erblicken, von welcher aus sich das innere Keimblatt auf einem früheren Stadium, welches im Endabschnitt des Eileiters abläuft, durch eine wirkliche Einstülpung (?) gebildet hat“ (l. c. S. 112). Die Sichelrinne erscheint, wie es Hertwig selbst zeigt, in den ersten Stunden der Bebrütung. Dass jedoch die Bildung des inneren Keimblattes durch wirkliche Einstülpung, bevor das Ei noch gelegt ist, sich vollzieht, — ist eine ungegründete und von Kionka (8) sogar direkt widerlegte Vermutung, wie wir sehen werden. Noch weiter lesen wir bei Hertwig (l. c. S. 132): „Am Beginn der Grastrulation, welche in den ersten Stunden der Bebrütung vor sich geht, konnten die Sichel und die Sichel- rnine nahe an der hinteren Grenze der Scheibe unterschieden und als die Stelle bezeichnet werden, von der sich durch Um- schlag das untere Keimblatt entwickelt.“ Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 191 Augenscheinlich muss eins von beiden stattfinden : entweder finden die ersten Stadien der Gastrulation statt noch bevor das Ei gelegt ist und dann ist die Sichelrinne für diesen Prozess ganz überflüssig, oder es bietet das Erscheinen dieser Bildung den Anfang der Gastrulation, von welcher bis dahin noch keine Rede sein konnte. Die Umwandlung der Sichelrinne in die Primitivrinne hat O. Hertwig, wie früher, nach Duval dargestellt (I. c. 5. 132), was kaum passend ist, wenn die Forschung des letzteren in seinen Augen jeden Wert verloren hat (10, S. 107). Noch weniger passend ist die Kombination von Kollers und Duvals Zeichnungen (l. ec. Figg. 110—112), wenn Hertwig jetzt zum Schluss gekommen ist (l. ce. S. 108), dass bei den Vögeln die gastrale Einstülpung nicht längs dem Rande der Keimscheibe, sondern in einiger Entfernung davon gebildet wird. In meiner oben erwähnten Mitteilung (1) habe ich den Satz ausgesprochen, dass der Gastrulationsvorgang bei den Wirbel- tieren nicht längs dem Rande der Keimscheibe, sondern in einiger Entfernung davon stattfindet; nur die Selachier und die Knochenfische können in diesem Falle eine Ausnahme darstellen; bei den Vögeln ist die gastrale Einstülpung wenig am vorderen Ende der Primitivrinne entwickelt. Auf diese Weise habe ich Duvals Grundsätze, unabhängig vom sehr wertvollen und von ihm ausgezeichnet bearbeiteten Material, ganz aus der Sphäre des Einflusses auf die Vereinigung der ersten Vorgänge in der Entwickelung der Wirbeltiere ausgeschlossen. Zu derselben Zeit und aus demselben Anlass hat Eismond seine Beobachtungen über die erste Entwicklung des Hühnchens veröffentlicht (5). Eismond betrachtet als einen der Faktoren, welche die Ver- änderungen in der ersten Entwickelung der Vögel beeinflussen, auch die Pressung auf das Ei seitens der Dotterhaut. Er war der erste, welcher Duvals prinzipiellen Fehler gezeigt hat, der 192 PAUL MITROPHANOW, die Keimscheibe als vom Dotter ganz abgesondert darstellte, wobei die Ritze zwischen beiden Bildungen als ein künstliches Produkt erscheint. Indem Eismond teilweise von Kollers Lehre eingenommen war, stellte er die Gastrulation auf folgende Weise dar: „Im Gürtel der dazwischen gelegenen Blastomeren, unweit vom Rande der Keimscheibe und in einiger Entfernung vom dunklen Fruchthof, beobachtet man eine Bildung von un- unterbrochener zelliger Verdickung, hinter welcher man eine nicht tiefe halbmondförmige Rinne bemerken kann“ (l. e. S. 7). Mit der Bildung des hellen Fruchthofes verwandelt sich diese Rinne in die Primitivrinne, „deren vorderes Ende gewöhnlich mit einem etwas erhobenen Knollen oder, was sehr selten vor- kommt, mit einem tiefen Grübcehen endigt, welches vorne und oben mit einem bedeutend verdickten uud etwas aufgehobenen Rande bedeckt ist“ (l. ec. S. 8). Ein solcher Fall stand eben zur Verfügung des Autors; auf dem mittleren sagittalen Schnitte zeigte dieses Grübchen eine grosse Ähnlichkeit mit der Reptilien- gastrula (19, S. 223, Fig. 9). Zur Ergänzung dieser Angaben hat Eismond mitgeteilt (6, S. 2), dass er beim Studium der Entwickelung der Ente die Bildung der Öffnungen gerade in der Vertiefung des vorderen Endes der Primitivrinne beo- bachtet hat. „Die erwähnten Öffnungen waren bei einigen Ob- jekten von riesigem Umfang, sahen als Ritzen von ovaler, drei- eckiger und endlich abgerundeter Form aus und waren vom stark verdickten Rande der Primitivrinne umgeben.“ Viel später, unabhängig von Bismonds Mitteilungen und von einem anderen Standpunkt aus, wurden Duvals Forschungen von Kionka kritisiert und teilweise umgearbeitet. Dieser Autor machte seine Beobachtungen im anatomischen Institut von Breslau nach dem Vorschlage und unter der Leitung vom Prof. Born (8). Ehe Kionka seine eigenen Beobachtungen mitteilt, wider- legt er Duval a priori und zwar in folgenden Beziehungen Beobachtungen über die erste Entwiekelung der Vögel. 195 1. Duval benutzte kein einwurfsfreies Material, indem er die partenogenetisch sich entwickelnden Eier ohne weiteres als Para- digmata für den regulären Furchungsgang nahm und die ganze Ent- wickelungsreihe der Vögel aus den Beobachtungen über die Eier verschiedener Vertreter ableitete; 2. es ist schwer, Duvals Dar- stellung mit den Thatsachen zu vereinigen, welche für die anderen Sauropsiden beschrieben worden sind; 3. Duvals Prä- parate, auf welchen die subgerminale Höhle sich nach aussen öffnet, bieten ein Resultat der Bearbeitung, wobei das Reagens auf das Keimschildchen anders gewirkt hat als auf den darunter- liegenden Dotter, und wobei infolge dessen das erstere vom zweiten zurückgewichen ist. Da die ferneren Schlussfolgerungen Duvals aus seinen Beobachtungen über die Furchung und die Bildung des Blasto- derms entstammen, hat Kionka erst unternommen, diese An- gaben zu prüfen. Er hat im Hühnerei die Vorgänge bis zur Zeit, wo das Ei gelegt wird, studiert. Wie bescheiden ihrem Umfange nach die auf diese Weise erhaltenen Resultate sein mögen, haben sie eben deshalb einen grossen Wert, weil es sehr schwer ist, sie zu erlangen. Die partenogenetischen Eier sind aus dem Kreise der Beobachtungen ganz ausgeschlossen. Da die Furchung erst im unteren Drittel des Eileiters beginnt (Kölliker, 14, S. 69), wo das Ei schon eine Schalenmembran besitzt, ist es leicht das scharfe und das stumpfe Ende des Eies zu unterscheiden und dabei in der Keimscheibe das Kopf- und das Schwanzende des künftigen Embryos zu bestimmen; folglich brauchte man nicht die sich partenogenetisch entwickelnden Eier zu nehmen, wo die Entwickelung verspätet erscheint. Es ergab sich ein verhältnismässig grosser Prozentsatz anormal entwickelter Eier. Ihre Keimscheiben waren teilweise oder ganz mit Vakuolen ausgefüllt, welche die Regelmässigkeit der Furchung sehr störten. Alle von ihm studierten Keimscheiben teilt Kionka in vier Stadien ein: 194 PAUL MITROPHANOW, I. Die erste Furchung und die Bildung der Höhle — im allgemeinen mit Köllikers und teilweise mit Duvals Angabe übereinstimmend (l. c. fi. 2, 4). II. Die Ausbildung der Furchungshöhle (Figg. 1 und 2) und ihre Veränderungen (Figg. 3 und 4). Niemals ist der eigentliche Rand der Keimscheibe von der Dotterunterlage abgesetzt. Der Längsdurchmesser der Keimscheibe beträgt 2,7 mm. III. Die Furchungshöhle wird kleiner, dagegen die Zahl der Blastomeren grösser: im Öentrum der Keimscheibe sind sie kleiner und liegen zu 3—4 und mehr Schichten, sind längs der Ränder grösser und schliessen sich eng an den Dotter an; das hintere Ende der Keimscheibe ist dieker als das vordere; der Durch- messer der Scheibe beträgt 2,9 mm (Figg. 5 und 6). Im Dotter sind unter den Rändern der Keimscheibe Dotterkerne. IV. Der Durchmesser der Keimscheibe ist 3,0—3,5 mm. Dieselbe hat sich in allen Teilen gleichmässig geteilt. Die Bil- dung der subgerminalen Höhle. Das hintere Ende der Scheibe tritt schärfer hervor (Figg. 7 und 8); erst in der Mitte und dann längs der Ränder der Keimscheibe bemerkt man die Sonderung der äusseren Zellenschicht (Ektoderm) von den unteren (primi- tives Entoderm). Vom Dotter stehen die Ränder der Scheibe nirgends ab. In der ferneren Entwickelung wird das primitive Entoderm (Dotter-Entoderm) feiner und stellenweise unterbrochen. Der Rand der Keimscheibe liegt, wie früher, ohne von einer Ritze abgegrenzt zu sein, auf dem Dotter, welcher die Dotterkerne ent- hält. Kurz bevor das Ei gelegt wird, sondert sich das Ektoderm längs dem Keimscheibenrande von den unteren Schichten ab und wächst auf dem Dotter unabhängig. Nach seinen Beobachtungen schildert Kionka die erste Entwickelung des Hühnerembryos folgendermassen (l. ec. S. 434): Anatomische Hefte I, Abteilung‘ Heft 99 (12. Bd, H. 2). TAFEL XXIIXXIII Lichtdruck der Ver Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 1% 1. „Die Keimscheibe des Hühnereies stellt beim Beginne der Furchung eine flache, bikonvexe Scheibe dar, die nach unten allmählich in den weissen Dotter übergeht. Die Konvexität der unteren Seite der Keimscheibe ist stärker als die der freien Seite. Die stärkste Krümmung liegt nicht in der Mitte, sondern etwas hinter derselben, so dass auf Longitudinalschnitten das hintere Ende immer etwas bauchiger, das vordere Ende etwas mehr zugeschärft erscheint. 2. Das Centrum der Furchung, an dem dieselbe zuerst an- fängt und auch am raschesten fortschreitet, liegt, wie es schon von Kölliker und Duval hervorgehoben wurde, etwas hinter der Mitte der Keimscheibe. 3. Bald nach dem Auftreten der ersten Furchungspolygone (im Flächenbild) findet sich unter denselben zwischen ihnen und dem weissen Dotter, resp. dem noch ungefurchten Teile des Keimplasmas eine flache Spalte (Stad. I. Wenn die Zahl der Furchungspolygone im Oberflächenbilde im Centrum der Keim- scheibe zugenommen hat, während die Peripherie derselben noch aus grossen radiären Segmenten besteht (Stad. II), findet man unter den centralen kleineren Elementen einen unregelmässigen Spalt, der wesentlich zwischen den Furchungsstücken und der glatten Oberfläche des weissen Dotters gelegen ist, sich aber in ganz unregelmässiger Weise zwischen die locker gelagerten tiefen Furchungselemente hinein erstreckt. Niemals aber durchsetzt diese Spalte die obere Zelllage oder reicht unter den Randteil des Keimes.“ Gegen das Ende des II. Stadiums vergrössert sich die Fur- chungshöhle, wird aber im folgenden Stadium III wieder unan- sehnlich und füllt sich mit den sich absondernden Zellen. Die Grösse der Keimscheibe nimmt bis 3,5 mm im Durchmesser zu (Stad. IV) und aus der bikonvexen verwandelt sie sich in eine konkav-konvexe Platte mit verdiekten Rändern. Unter dieser Platte und über dem Dotter bildet sich eine neue, subgerminale 196 PAUL MITROPHANOW, Höhle; die obere Zellenschicht sondert sich auf der ganzen Aus- dehnung der Scheibe als Ektoderm ab... .. Also bestätigen wieder Kionkas Beobachtungen die Vor- stellungen der früheren Autoren: Oellacher, Kölliker, Rauber, widersprechen jedoch direkt Duvals Schlüssen: die subgerminale Höhle öffnet sich nicht nach aussen und man beobachtet keinen Umschlag längs dem hinteren Rande der Keimscheibe. Bevor das Hühnerei gelegt wird, beobachtet man in seinem Blastoderm noch keine Prozesse, welche als Gastru- lation erklärt werden könnten. Nachdem Kionkas Arbeit erschienen war, äusserte Eis- mond, indem er seine Priorität wiederherstellte, den Satz (7), dass von der palyngenetischen Gastrula bei den Vögeln nur Spuren geblieben sind in Form der Primitivrinne, welche als Ausnahme eine taschenartige Vertiefung bildet, und dass man in der Primitivrinne bei den Vogelembryonen „keinen zugewach- senen Blastoporus der gastralen Höhle, sondern eine die voll- ständige Entwicekelung nicht erreichende Einstülpung erblicken soll, welche hier nichts mit der primitiven Differenzierung des Darmrohres gemein hat und nur mit der Bildung des für die Chorda und das Mesoderm gemeinen Keim einen direkten Zu- sammenhang äussert‘. Wenn man nun alle erwähnten Forschungen resumiert, kann man den Zustand der Frage auf folgende Weise äussern: 1. Kollers Forschung ist in ihren Grundbeobachtungen nicht genau genug; 2. Duvals Beobachtungen, was die der Bildung des Primitivstreifens vorangehenden Prozesse betrifft, können besonders durch Kionka als widerlegt betrachtet werden. In Kollers und Duvals Arbeiten hat sich der Einfluss vorge- fasster Ideen kund gegeben; ersterer meint, dass eine Ähnlich- keit in der ersten Entwickelung der Vögel und der Knochenfische bestehen muss. Duval nahm eine Ähnlichkeit zwischen den Vögeln, den Batrachiern und den niederen Wirbeltieren (Elas o- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 197 branchier?), an. Koller stand unter Oellachers, Duval unter Balfours sichtlichem Einfluss. 3. Die Gastrulationsvor- gänge bei den Vögeln müssen auf die Bildung der Primitiv- rinne und besonders auf die Differenzierung in ihrem vorderen Ende zurückgeführt werden, welche mit der vorangehenden Erscheinung der Primitivlinie oder des Primitivstreifens eng verbunden ist, dessen Entstehex und weitere Bildung noch nicht genügend klar ist. Darauf eben wurde vorzüglich meine Aufmerksamkeit gerichtet, wobei von neuem alle Beobachtungen hinsichtlich des normalen Ganges der ersten Entwickelung des Huhnes auf den frühen Frühlings- und Sommereiern ergänzt wurden. Vergleichendes Material wurde berücksichtigt; d. h. es wurden so viel als möglich die ersten Stadien von verschiedenen Vertretern der Vogelarten bearbeitet und endlich fand eine Reihe Experimentalbeobachtungen statt, welche hauptsächlich die ver- gleichende Wertschätzung der verschiedenen Momente in der Erscheinung und endgültigen Bildung des Primitivstreifens be- trafen. InE Eigene Beobachtungen. Methodik der Forschung. Es mag sonderbar scheinen, dass die Methode einer so einfachen Manipulation, wie es die Herstellung von Präparaten von Vogelkeimscheiben ist, noch keine feste ist. Natürlich können Duvals Methoden nicht als musterhafte gelten. Seine Hauptbeobachtung, welche der Grund für seine 198 PAUL MITROPHANOW, Schlussfolgerungen war, ist unzweifelhaft das Resultat der Un- vollkommenheit seiner technischen Methode. Alle Reagentien, welche den Dotter schnell hart und bröcklig machen, wie zum Beispiel Chromsäurelösung von mehr als !/a°/o, die Os- miumsäure, starker und um so mehr absoluter Alkohol, taugen wenig für das genannte Ziel im unmittelbaren Gebrauch, da sie vor allem auf das Blastoderm anders, als auf das Dotter wirken. Jedenfalls ist die Wirkung des fixierenden Reagens direkt auf den Dotter des soeben geöffneten Eies vorzuziehen. Deshalb kann z. B. die Methode von Camille Dareste, so wie er mir dieselbe selbst gezeigt hat, nur für grob morphologische Ziele und verhältnismässig späte Stadien angewendet werden. Bei dieser Methode wird das Ei in Süsswasser geöffnet und daselbst sondert sich das Blastoderm ab; obgleich die Wirkung des Wassers von kurzer Dauer ist, so ıst dieselbe für das zarte em- bryonale Gewebe doch schädlich. Aus demselben Grunde muss Kionkas Methode das Ei in 0,6°/o Kochsalz (ungewärmt?) zu öffnen, für die ersten Stadien mit grosser Vorsicht angewendet werden. Der Unterschied in den Bestandteilen und dem Inhalte des Wassers zwischen den ersten Furchungssegmenten und dem Dotter ist so gross, dass die Flüssigkeit, welche unmittelbar nicht fixiert, wenn sie auch ihrer Dichtigkeit nach sich einem der Bestandteile des Eies nähert, zum anderen nicht passt, und der Unterschied der Diffusionsströme bei der Fixierung wird sich bald in morpho- logischen Veränderungen ausdrücken. Damit kann vielleicht der eigentümliche Charakter der Elemente auf Kionkas Zeichnungen erklärt werden. Die Methoden der Härtung, welche er gebraucht, sind auch nicht die besten. Die Methode mit siedendem Wasser ist sehr subjektiv und kann nicht mit beständigem Erfolg bei seinen Forschungen angewendet werden. Persönlich habe ich sie gerade so, wie Kionka, vor etwa zwanzig Jahren zum Studium von Schnitten des Abdomens der Spinnen angewendet, Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 199 - mit dem Unterschiede, dass die Zeit des Aufenthaltes im siedenden Wasser bedeutend kürzer, da auch die Grösse des Objekts viel geringer war. Zu topographischen Zwecken, sogar vom ceyto- logischen Standpunkt aus, war damals diese Methode nach meiner eigenen Erfahrung, die passendste, doch taugte dieselbe nicht für Zellenstrukturen, schon davon abgesehen, dass man überhaupt eine grosse Erfahrung haben muss, um sie mit Erfolg zu ge- brauchen. Einen Fehler in Kionkas Forschung kann man ferner darin erblicken, dass er verhältnismässig dicke (20 «) Schnitte studierte. Bei dieser Dieke wäre es schon besser, wie Duval, das Celloidin oder noch lieber, infolge seiner vollständigen Durch- sichtigkeit, das Photoxylin zu gebrauchen; dabei könnte man die bei der Paraffinmethode unvermeidliche Zusammenziehung der Scheibe und das leicht stattfindende Ausfallen der Dotter- elemente vermeiden. Das Studieren der Vogeleifurchung und der Keimscheiben des schon abgelegten Eies erfordert zwei verschiedene Methoden, denn in jedem Falle verfolgt man seine speziellen Ziele. Im ersten Fall ist es unbedingt nötig in der Cicatrikula eine mehr oder weniger bedeutende Menge des Dotters zu erhalten, wo möglich die geringste, doch in jedem Falle eine für die Er- haltung der der Furchungs - Höhle und der subgerminalen genügende, und ebenfalls des an die Teilungsprodukte unmittel- bar angrenzenden sogenannten weissen Dotters; im zweiten Fall genügt es ganz die Keimscheibe mit der geringsten Menge des Dotters an ihren Rändern zu bewahren, da die Anwesenheit des Dotters unter der Mitte der Scheibe nicht nur zur Bestimmung der morphologischen Veränderungen unnütz ist, sondern in diesem Falle direkt als ein erschwerender Umstand erscheint, besonders bei dem vorläufigen Studieren der Keimscheibe auf den Flächen- präparaten, in toto. Indem ich als Leitfaden das Prinzip annehme, dass in der mikroskopischen Technik oft der Umstand, welche Reagentien 200 PAUL MITROPHANOW, angewendet werden (denn gleichzeitig können mit Erfolg mehrere solche gebraucht werden), weniger Bedeutung hat, als wie man sie jedes Mal anwendet, finde ich, dass bei gewissen Be- dingungen der Anwendung man mit Erfolg für das Studieren sowohl der Furchung, wie auch der schon fertigen Keimscheiben auf den Vogeleiern, die Sublimatlösungen, die Chromessigsäure, die Pikrinschwefelsäure u. a. aber hauptsächlich in schwachen Lösungen gebrauchen kann. Besonders vorzuziehen ist aber in unserem Falle die reine Salpetersäure in einer 3 °/o Lösung. Eine vieljährige Praxis hat mir gezeigt, dass man überhaupt dieses Reagens mit grossem Erfolg für das Studieren der ersten Entwickelung der an Dotter reichen Eier empfehlen kann. Diese Lösung der Salpeter- säure bewahrt gut die Zellenstrukturen, besonders was den kario- kinetischen Prozess betrifft, und wirkt gleichzeitig auf den Dotter, indem sie ihn plastisch erhältt und bei der weiteren Bearbeitung demselben eine mit den Zellenelementen des Keimes ungefähr gleiche Festigkeit verleiht. Dieser Umstand erleichtert ungemein die Vorbereitung der Schnitte aus den frühesten Entwickelungsstadien, was bei anderen Methoden infolge der fast unvermeidlichen grossen Erhärtung der Dotterelemente, immer von gewissen Schwierigkeiten begleitet wird. Ich habe die 3 °/o Lösung eben deshalb gewählt, weil sie überhaupt schnell und in verschiedenen Zeiträumen, von !/a bis zu einer Stunde und sogar mehr fast gleich wirkt; schwächere Lösungen sind nicht erwünscht, da sie nicht genug härten und Maceration verursachen; auch stärkere Lösungen härten ungleichmässig und machen das Präparat zerbrechlich. Die Grundbedingungen der Anwendung sind folgende zwei: erstens, muss das Reagens während der Wirkung absolut rein sein und muss deshalb so oft als möglich frisch bereitet werden; zweitens, muss es in grosser Menge angewendet werden. Dabei ist die 3°;o Lösung der Salpetersäure allein für die Furchung und die Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 201 ersten Stadien der Bildung des Blastoderms nicht ganz genügend; deshalb ist in diesem Falle nach der ersten Wirkung der Salpeter- säure nachträgliche Einwirkung eines mehr erhärtenden Reagens, wie zum Beispiel der Sublimat-Pikrinsäure, erwünscht. Was die äussere Art der Manipulation mit den Hühner- eiern betrifft, so ist dieselbe verschieden, je nachdem man die vorläufige Bestimmung der Lage des Keimes im Ei wünscht, oder diesem Umstande keine Bedeutung giebt, und das Kopf- und Schwanzende des Keimes nach anderen, jetzt schon ge- nügend festgesetzten Kennzeichen bestimmt. Im ersten Falle handelte ich auf folgende Weise: das Ei wurde auf den Grund einer flachen Tasse mit dem stumpfen Ende nach links ge- legt; damit es unbeweglich bliebe, legte man darunter einen Ring aus Papierstrick, oder wendete direkt Kolumbus Methode an, d. h. man zerbrach etwas vermittelst eines leichten Schlages gegen den Grund der Tasse die untere Seite des Eies; dann lag es unbeweglich ; natürlich braucht diese letztere Manipulation eine gewisse Vorsicht. Nachdem man das Ei auf diese Weise gestellt hatte, wurde seine Schale vorsichtig von oben zerbrochen und vermittelst einer harten Pincette so lange zerstückelt, bis sich eine runde Öffnung bildete, durch welche der Eidotter leicht durchgehen konnte. Letzterer liest gewöhnlich bei der genannten Lage des Eies, der Schale welche man zerbricht, ziemlich nahe was man beachten muss, da man sonst leicht mit dem Ende der Pinzette die Dottermembran beschädigen und schon deshalb den Keim missgestalten kann. Wenn die Öffnung fertig ist und der Dotter nach aussen hervortritt, sieht man deutlich die Cica- trikula oder die Keimscheibe, und von diesem Augenblicke kann man schon den Keim fixieren. Zu diesem Zwecke bereitet man vorläufig eine 3°/o Lösung der Salpetersäure in einem grossen, breiten Gefässe, von wo man sie leicht mit einer grossen Pipette herausnehmen kann; ich gebrauche dazu eine Gummi- 202 PAUL MITROPHANOW, birne mit einem ausgedehnten Gummiende. Wenn solche Birne mit der Lösung gefüllt ist, muss man dieselbe vorsichtig auf die Oberfläche des Dotters herausträufeln, wo die Cicatrikula sichtbar ist. Das Eiweiss, welches der Dotter von allen Seiten und von oben einhüllt, koaguliert bald unter der Wirkung des Reagens, was nach der allmählichen Bildung der weisslichen Häutchen bemerkbar ist; letztere kann man leicht vermittelst eines Pinselchen entfernen, und dann muss man das allmähliche Ausgiessen des Reaktivs auf die Cicatrikula fortsetzen und so lange mit dem Pinselchen wirken, bis auf der Oberfläche die Dottermembran frei erscheint, welche ihrem Glanze nach leicht erkannt wird. Nun ist die Wirkung des Reaktivs auf den Keim erleichtert und man muss nur beobachten, dass dasselbe genüge, weshalb es durchaus nötig ist, die ganze Zeit aus der Pipette neue Portionen zuzugiessen. Nach einer halben Stunde kann die Fixierung als beendigt gelten und um nun dem Keime die Lage zu bewahren, welche er im Ei hatte, kann man ihn mit der Dottermembran so ausschneiden, dass er im Centrum eines Fünfecks liegt, dessen zwei hintere Ecken rechtwinkelig und dessen obere — Kopfecke — spitz ist‘). Das ausgeschnittene Stück samt dem Dotter muss man auf einem breiten Spatel dann noch auf einige Zeit in eine 3°/o Lösung der Salpetersäure und darauf nach '/, Stunde in Spiritus von 30° übertragen. In schwacher Spirituslösung, welche man am besten, wenn sie trübe geworden ist, wechselt, kann das Präparat zwei, drei Stunden und im Falle späterer Stadien auch weniger und mehr, ohne grossen Schaden bleiben. Keimscheiben aus unbebrüteten Eiern aber müssen unbedingt diese Zeit lang bleiben; bei einer weniger langdauernden Wirkung des schwachen Spiritus löst sich der Überschuss des Dotters nicht in genügendem Masse ab; bei 1) Anstatt des Fünfecks kann man auch ein gleichseitiges Dreieck ausschneiden, doch ist es in praktischer Beziehung weniger bequem, da das Dreieck verhältnismässig gross sein muss. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 203 einer längeren löst er sich ab, doch härten die Formenelemente so wenig, dass die folgenden Manipulationen für die Unversehrt- heit des Präparats gefährlich werden. Wenn man die Lage erhalten will, welche der Keim im Eie hatte, muss man bei der erwähnten Manipulation entweder den Keim in Verbindung mit der Dottermembran erhalten, welche sich in der schwachen Spirituslösung oft ablöst, oder ein Zeichen auf der Keimscheibe selbst machen. Ersteres wird leicht dann erreicht, wenn die Cicatrikula auf dem Dotter, nach der Entfernung von der Oberfläche des Eiweisses und der Bear- beitung während 10—15 Minuten mit der 3°/o Salpetersäure- lösung, auf dieselbe Weise, d. h. vermittelst des Begiessens aus der Pipette, mit der Mischung der Pikrinsäure und des Sublı- mats oder der Osmium-Ohrom-Essigsäure während einer halben Stunde bearbeitet wird. Dabei härtet der Dotter in grosser Ausdehnung, grosser Tiefe und in bedeutendem Masse. Das danach in Form eines Fünfecks ausgeschnittene Stück wird mit einem Spatel samt dem Dotter herausgenommen und auf einige Zeit in dasselbe Reaktiv übergetragen, mit welchem die ergänzende Fixierung veranstaltet war; darauf wäscht man es sorgfältig mit Wasser und überführt es auf einige Stunden in schwachen Spiritus, in welchem nach allem Vorgenommenen die Dottermembran sich nicht mehr ablöst; dabei aber bleibt der Dotter in einer so kleinen Menge und erhält solche Eigen- schaften, dass es in der Folge die Vorbereitung der Schnitte nicht hindert. Eine solche Modifikation der Methode ist besonders für die ersten Stadien der Bildung des Blastoderms anwendbar, wenn die Verbindung der Zellenelemente mit dem Dotter auf einer grösseren Ausdehnung ausgedrückt ist und das grösste Interesse bietet, wie auch in der ferneren Entwickelung, wenn die Erscheinungen des Wachstums der Keimscheibe und ihre Beziehungen zum darunter liegenden Dotter, die Veränderungen in dem Dotterwulst u. s. w. bevorstehen. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft. (12. Bd., H. 2.) 14 204 PAUL MITROPHANOW, Doch kann man dem Keime die Lage, welche er im Ei ein- nahm, auch ohne Dottermembran erhalten. Dazu genügt es, das Kopfende bevor die Dottermembran sich abgelöst hat, ver- mittelst eines Stiches oder noch besser eines leichten Ein- schnittes im oberen Rande genau zu bezeichnen. Den Einschnitt erkennt man besser in der Folge, wenn auch auf dem Keime zufällige Beschädigungen, wie Spalten oder Risse, sich vorfinden. Wenn man vorhat, das Präparat unmittelbar weiter zu studieren, so überträgt man es aus dem Spiritus von 30° in einen von 50°, 70° und 90°, wonach man es färben, in Kanalda- balsam für das Studieren in toto, oder in Paraffin zum Zwecke des Schneidens einschliessen kann. Wenn man aber das Material nur sammelt, um es später zu studieren, so werden die Präparate direkt aus dem Spiritus von 30° in eine Mischung von Glycerin und Spiritus von 70° zu gleichen Teilen übergetragen; darin können sie eine unbestimmte Zeit lang bleiben und sich viel besser, als im Spiritus allein, erhalten. Nicht selten hat man schon bemerkt, dass, obgleich in der Mehrzahl der Fälle der Keim im Hühnerei eine zu dessen grossen Achse senkrechte Lage einnimmt, wobei die Luftkammer sich links befindet, in den frühen Stadien die Lage des Keimes bei weitem nicht beständig ist; sehr oft weicht das Kopfende nach dieser oder jener Seite ab und hat manchmal eine ganz verkehrte Lage. Besonders oft geschieht es, wenn das Ei vor der Be- brütung geschüttelt wurde, was bei dem Übertragen und dem Umlegen des Eies von einem Orte nach dem anderen unvermeid- lich ist. Jedenfalls muss man diesen Umstand beachten, da es klar ist, dass auf den frühen Stadien gar nicht immer der vordere und obere Rand des Keimes, bei der Luftkammer von der linken Seite, das Kopfende des Keimes sein wird, und folglich die vor- läufige Bestimmung der Lage des Keimes auf dem Dotter für die fernere Bezeichnung des Kopfendes und der Längenachse des künftigen Keimes ihr Ziel nicht immer erreicht; diese Be- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 205 stimmung kann jetzt fast unfehlbar sogar auf den frühen Stadien dem Charakter der Struktur der verschiedenen Teile des Keimes seiner Absonderung vom Dotter gemäss stattfinden. Auf diese Weise ist es klar, dass, wenn man keine speziellen Zwecke in Aussicht hat, wofür es wichtig ist, die Lage des Keimes im Ei zu kennen, man zur Bestimmung des Kopfendes die Keim- scheibe vom Dotter, womöglich mit der geringsten Menge des letzteren, abnehmen und dann auf eine entsprechende Weise studieren muss. In diesem Falle ist die Manipulation etwas ein- facher als in dem obengenannten. Eine durchsichtige Glastasse (oder ein Pokal), welche 150 cem enthält und so hohe Ränder hat, dass ein Hühnerei darin be- quem Platz hat, wurde vorläufig auf ?/3 mit 3°/oiger Salpeter- säurelösung gefüllt; das Ei wurde vorsichtig geöffnet und nach der Entfernung des Eiweisses, soweit es vermittelst Ausgiessens möglich ist, sein Dotter mit dem Überbleibsel des Biweisses in eine Tasse mit Salpetersäurelösung unter Erhaltung völliger Unversehrtheit ausgegossen. In der Flüssigkeit behält der Dotter seine sphärische Form, und das erste, was man thun muss, ist es, ihm eine Lage mit der Cicatrikula nach oben zu geben; das zweite, vermittelst der Pipette von seiner Oberfläche die Überreste des Eiweisses zu entfernen, welches zu gerinnen an- fängt. Auf diese Weise kann man fast das ganze Eiweiss, oder wenigstens das von der Seite der Cicatrikula entfernen; letzteres kann man auch mit einem Pinselchen vorsichtig er- reichen. Natürlich muss dabei die Salpetersäurelösung, sobald sie trübe wird, gewechselt werden und die Oberfläche des Dotters darf aus der Flüssigkeit nicht heraustreten. Wenn die Dottermembran über dem Keime vom Eiweiss auf einiger Ausdehnung frei und die Säurelösung rein ist, kann man den Dotter darin eine halbe bis zu einer ganzen Stunde lassen, wonach ein Stück Dottermembran um den Keime herum ausge- schnitten und nach einigen Minuten mit dem Keime zusammen 14* 206 PAUL MITROPHANOW, auf einem breiten Spatel in Spiritus von 30° übertragen wird. Die ferneren Manipulationen sind dieselben wie im früher be- schriebenen Falle, d. h. das allmähliche Überführen in Spiritus oder eine Mischung von Glycerin und Spiritus von 70°. Die ganze vorläufige Bearbeitung kann man auch bei der letzten Modifikation der Methode, wenn es nötig ist, mit der Behand- lung durch Pikrin- oder Chromsäuremischungen verbinden; dazu entfernt man mit der Pipette den Überschuss der Salpetersäure- lösung aus der Tasse in solcher Menge, dass der Dotter sich zu entblössen beginnt; dann giesst man allmählich auf die Cicatrikula aus der Pipette das ergänzende Reaktiv, entfernt den Überschuss am schon gemischten Reaktiv und ersetzt es mit einer frischen Portion so lange, bis der gewünschte Grad der Härtung erreicht ist; gewöhnlich genügen dazu 10—15 Minuten. Wenn in beiden Modifikationen der hier beschriebenen Methode alle nötigen Vorsichtsmassregeln getroffen worden sind, werden alle zum Studieren der ersten Entwickelung des Eies nötigen Bedingungen ganz genügend bewahrt. Die histologische Natur der Elemente erhält sich sehr gut, das Zusammenziehen findet nur in sehr engen und beständigen Grenzen statt, die Formelemente bewahren ihre Zwischenbeziehungen und die primi- tive Verbindung mit dem Dotter. Das Dotterentoderm, als die zarteste Bildung, erleidet am leichtesten Risse, doch kann man das vermeiden, wenn die Härtung genügend ist und man Vor- sichtsmassregeln gegen die Maceration getroffen hat. Der Dotter bleibt jedenfalls am Rande der Keimscheibe in Verbindung mit den Formenelementen und nie habe ich am hinteren Rande der Scheibe eine Spalte oder Einstülpung bemerkt, was Duval täuschte und veranlasste, den Gastrulationsvorgang bei den Vögeln falsch zu deuten. In den späteren Stadien der Bildung des Blastoderms, wenn hauptsächlich jene Veränderungen interessant sind, welche im Ekto- und teilweise im Entoderm stattfinden, erscheint die An- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 207 wesenheit des Dotters unter der Keimscheibe ganz überflüssig, deshalb währt der Aufenthalt des Präparats im Spiritus von 30° so lange, bis sich das Dotter ganz abgelöst hat. Auf den frühen Stadien ist die Anwesenheit des Dotters unentbehrlich, sowohl zur grösseren Sicherheit des Keimes, als auch für die Bestimmung der Natur der Furchungs- und der subgerminalen Höhlen; dann eben wendet man die ergänzende Fixierung mit einem energischeren Reaktiv an, welches von der Oberfläche wirkt und auf diese Weise ebenso viel Dotter in Verbindung mit der Keimscheibe erhält, als es für das oben angeführte Ziel nötig ist. Deshalb kann man die Härtung des ganzen Hühner- dotters und das darauf folgende Abschneiden eines ganzen Seg- mentes mit dem Keime, wobei die Menge des Dotters jedenfalls übermässig und bei der weiteren Vorbereitung der Schnitte hinderlich ist, als ganz überflüssig betrachten. Die fernere Bearbeitung des Präparates hat auch eine grosse Bedeutung für die Vollständigkeit der Forschung. Grösstenteils ist es unbedingt nötig, dass das Studieren in toto der Vorberei- tung der Schnitte aus demselben Objekte vorangehe; für die Präparate, auf welchen sich eine bedeutende Menge des Dotters erhalten hat, bietet das Studieren in toto grosse Schwierigkeiten; deshalb muss man dafür eine solche Färbung wählen, welche die Formenelemente differenziert, dabei aber den Präparaten die nötige Durchsichtigkeit bewahrt; eine solche Färbung ist das Alaunkarmin, welches in diesem Falle schon deshalb gut ist, weil es das Präparat nicht überfärbt. Nach der Färbung wurde das Präparat, wie gewöhnlich, in Kanadabalsam eingeschlossen und dann vorläufig studiert, abgezeichnet und womöglich photo- graphiert. Bei dem vorläufigen Studieren wurde die Richtung der Schnitte bestimmt, wonach das ganze Präparat in Xylol ge- legt wurde, um von neuem die vorläufig studierte Keimscheibe zu befreien und auf gewöhnliche Weise in Paraffin einzuschliessen. Die Schnitte wurden auf Minots Mikrotom zubereitet und hatten 208 PAUL MITROPHANOW, grösstenteils eine Dicke von '/ı5o mm, was für morphologische Zwecke ganz genügt; in jeder Serie konnte eine gewisse Anzahl Schnitte von !/soo mm Dicke sein. Die Schnitte wurden mit Ei- weiss geklebt, um die Möglichkeit zu haben, wenn es nötig wäre, das Präparat nachzufärben. Die Art des Anklebens auf Glas bietet nichts Neues, ist aber in diesem Falle in solcher Form besonders bequem. Es wurde nämlich der Objektträger mit einer dünnen Eiweissschicht bedeckt und dann goss man in seine Mitte etwas destilliertes Wasser. Auf dieses Wasser wurden die Bänder der Serienschnitte in eine bestimmte Ordnung gelegt; bei schwachem Wärmen (bis 30° ©.) glätteten sich dieselben und man verteilte sie definitiv; der Überschuss an Wasser wurde vom Objektträger entfernt und das noch zurückgebliebene bei mässiger Temperatur (auf dem Deckel des Thermostats, dessen Temperatur ungefähr von 52° C. war) verdunstet. Danach wurde das Präparat auf !/s Stunde in den Thermostat gelegt, um die Schnitte gänzlich zu be- festigen; das frühzeitige Hinlegen in den Thermostat, bevor das Wasser entfernt ist, stört fast immer die Anordnung der Schnitte, da das Paraffin viel zu schnell zu schmelzen beginnt und wenn es auf dem noch nicht verdunsteten Wasser schwimmt, auch die Schnitte nach sich zieht. Selbstverständlich muss man beim vorläufigen Studieren in toto und der darauf folgenden Bereitung der Schnitte aus demselben Objekte, auch alle Vorsichtsmassregeln treffen, damit das Präparat während der Manipulation nicht leide. Und ob- gleich das in der Mehrzahl der Fälle erreicht wird und leichte 3eschädigungen den Wert der Schnitte nicht vermindern, sondern nur seinem äusseren Aussehen manchmal schaden, hat man doch in den Fällen, wo eine unbedingte Unversehrtheit des Präparates in allen Phasen seines Studiums erwünscht ist, die volle Mög- lichkeit, das vermittelst einer gewissen Komplizierung der Be- arbeitung zu erreichen. Es ist besonders wichtig, dies in Aussicht Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 209 zu nehmen, wenn es sich um ein seltenes, in seiner Art einziges Objekt handelt. Solche Objekte werden, nachdem sie schon fixiert und in Alkohol übergeführt worden sind, erst in !/2°/o, dann in 1!/2°%/o Photoxylinlösung') gelegt, wonach sie in einer geringen Masse der letzteren auf der Oberfläche in Spiritus von 70° aufbewahrt und, je nachdem es nötig ist, weiter bearbeitet, sefärbt (dazu muss man wieder das schwach färbende benützen), den Alaunkarmin, als Reagens in toto studiert (was auch ohne Färbung und Einschliessen in Kanadabalsam gethan werden kann, da das Photoxylin selbst das Präparat durchsichtig macht) und endlich in Paraffin für die Schnitte (18) eingeschlossen werden. Das Einschliessen in Paraffin nach der angegebenen Methode kann man besonders für die frühen Stadien mit einer bedeuten- den Menge Dotters empfehlen, dessen Elemente dabei nicht herausfallen, und auch in den Fällen, wo das Objekt (in diesem Falle — die Keimscheiben), welches soeben konserviert worden ist, irgend wohin expediert werden muss. Man hat bemerkt, dass in diesem Falle, sogar bei der grössten Vorsicht, das beim Transportieren unvermeidliche Schütteln für die Unversehrtheit des zarten und nicht genügend harten Objekts schädlich war. Wird es aber in Photoxylin eingeschlossen und dann in Spiritus von 70° aufbewahrt, so kann es ohne jeglichen Schaden beliebiges Schütteln vertragen. Deshalb muss man das Ein- schliessen in Photoxylin besonders jenen Embryologen empfehlen, welche ihr manchmal sehr seltenes und kostbares Material während ihrer Reisen sammeln, wenn dieses Material irgend welche Neigung zur Zerstörung infolge des Schüttelns zeigt. Ausserdem ist das in Photoxylin eingeschlossene Material dem Austrocknen weniger ausgesetzt, als das, welches einfach in Spiritus konser- viert wird. 1) Ausführlich habe ich diese Methode in „Archives de Zoologie exper.‘“ 1896 beschrieben. 210 PAUL MITROPHANOW, Beim Studieren der Keimscheiben von älteren Stadien, wo man die Veränderungen beobachtet, welche hauptsächlich im Ektoderm stattfinden, zog ich für die Färbung das Hämatoxylin nach Böhmer und Delafield vor, besonders weil es sehr schnell und dabei mit Auswahl färbt; dasselbe taugt aber nicht für Objekte, welche vorläufig in Photoxylin eingeschlossen waren, da es dieses letztere ebenso intensiv färbt. Die oben angegebenen Eigentümlichkeiten der Methodik betreffen, meiner Ansicht nach, alle wesentlichen Manipulationen des Studierens der ersten Entwickelung der Vögel, bei deren Beachten dieses Studieren einen ganz bestimmten und syste- matischen, vom Einfluss der Zufälligkeiten freien Charakter er- warten kann. So viel — was die Technik der Vorbereitung der Präparate betrifft; doch hat keine geringere Bedeutung für den Erfolg der Forschung die Art, wie man die Präparate studiert. In dieser Frage halte ich folgende Bedingungen für wesentliche: erstens, die Bestimmungen des Umfanges des Ob- jektes, womöglich in frischem und konservierten Zustande und jedenfalls bei den übrigen gleichen Bedingungen; zweitens, die pünktliche Bestimmung der Richtung der Schnitte; drittens, die pünktliche Bestimmung der Lage des Schnittes, welchen man studiert; und viertens, die vergleichenden Ausmessungen der- selben Bildungen auf verschiedenen Entwickelungsstufen auf den Präparaten in toto und in Schnitten. Das Studieren der Präparate bei denselben Bedingungen, mit denselben Objektiven und Okularen erleichtert in diesem Falle die Sache sehr. Das Okularnetzmikrometer wäre auch sehr nützlich ; die Grösse muss jedenfalls nicht vermittelst einer Tafel, welche man zum Mikro- skop beifügt, sondern unmittelbar nach den Verhältnissen zwischen den Okular- und Objektiv-Mikrometern bestimmt werden. Leider wurden alle diese Bedingungen von den früheren Forschern nicht immer beachtet, weshalb auch ihre Resultate unter einander lange nicht übereinstimmen. Beobachtungen über die erste Entwickelung r der V Vögel. >11 Wesentliche Züge der normalen Entwickelung des Hühnchens bei der Bildung des Blastoderms und bei den ersten Komplikationen in den primitiven Keimblättern. Das Material. — Infolge der angegebenen Verschieden- heiten in den Grundbeobachtungen und Schlüssen der Autoren in der uns interessierenden Frage war das Bestreben natür- lich, die Hauptthatsachen der ersten Entwickelung des Hühn- chens mit dem Benutzen der soeben beschriebenen Methoden festzusetzen. Dabei wünschte ich hauptsächlich, die Grundbeob- achtungen Kollers hinsichtlich der Sichelrinne, Duvals hinsichtlich der Axialplatte und ihrer Umwandlung in den Primitivstreifen und endlich diejenigen, welche sich auf die Richtung des Wachstums, die verhältnismässige Entwickelung des Primitivstreifens und seine Umwandlung in die Primitiv- rinne beziehen, zu untersuchen. Alle diese Vorgänge finden in den schon gelegten Eiern statt, und deshalb hatte ich nur mit einem solchen Material zu thun, mich dabei bemühend, es womöglich gleich, nachdem das Ei gelegt worden war, zu benutzen, solange letzteres die natürliche Wärme noch nicht ver- loren hat. Das soeben gelegte Ei ist genügend studiert worden; die Ursache der kleinen Widersprüche, welche sich ın denselben befinden, sind jetzt erklärt, und deshalb kann man darin die faktische Grundlage von den individuellen Erklärungen unter- scheiden und absondern. Wenn ich mir hier erlaube bei diesem Stadium zu verweilen so thue ich es hauptsächlich, um die Masse zu geben, welche uns weiter zum Vergleiche dienen können. Natürlich war in diesem Falle die Methode der Zubereitung der Präparate dieselbe, wie in der übrigen Forschung. 912 PAUL MITROPHANOW, Die Grösse der Keimscheibe des soeben gelegten Ries ist nicht beständig; sie ist Sommers grösser als Winters; im allge- meinen kann man annehmen, dass dieselbe zwischen 3,0 und 3,5 mm im Durchmesser vor der Konservierung schwankt und sich nach den beschriebenen Manipulationen im Kanadabalsam ungefähr auf 0,1 d. h. im Verhältnis 9:10 vermindert. Hier werde ich in kurzen Zügen eine Scheibe beschreiben, deren Ausmessungen, glaube ich, für dieses Stadium als mittlere gelten könuen. Das war ein im Oktober gelestes Ei, seine Keim- scheibe (Textfig. 2) wurde abgenommen, als es seine natürliche Fig. 2. Keimscheibe eines soeben abgelegten und noch nicht bebrüteten Herbsteies vom Huhn. Die Ausmessungen nach dem Kanadabalsampräparat X 10. Wärme noch nicht verloren hatte, und es hatte im Kanada- balsam einen Durchmesser von 2,7 mm, was im frischen Zustande 3 mm entsprach. Die Differenzierung in den dunklen und hellen Fruchthof ist schon markiert, da das Ektoderm so eben angefangen hat, sich als eine selbständige embryonale Schicht abzusondern. Die Verbindung mit dem Dotter bleibt auf der ganzen Peripherie der Keimscheibe ungestört, doch wie es auf den mittleren Sagittalschnitten sichtbar ist, beobachtet man sie vorne vom Rande der Keimscheibe nur auf einer Ausdehnung von 0,3 mm, hinten aber auf einer solchen von 0,5 mm. Diese Ausmess- ungen erklären vollständig, weshalb auf der unbebrüteten Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 213 Keimscheibe der weissliche Flecken, welcher den künftigen hellen Fruchthof bestimmt, excentrisch nach vorne liegt; zugleich kann die Thatsache, dass der dunkle Fruchthof (die Verbindung mit dem Dotter) vorne schmaler als hinten ist, vom Anfang der Entwickelung an als ein sichereres Kennzeichen zur Bestimmung des Kopf- oder Schwanzendes des künftigen Embryos, als die Lage des Keimes im Ei, dienen. Das soeben abgesonderte Ektoderm ist noch an Dotter- elementen reich und bietet nicht in allen seinen Teilen die gleiche Dicke; längs der Peripherie, bei dem Blastoderm-Wulst hat es eine Dicke vorne von 17 «, hinten von 21 « und von den Seiten eine mittlere zwischen diesen beiden; doch beobachtet man das Maximum seiner Dicke (27 «) im Centrum und etwas nach der Seite des hinteren Randes hin. Diese Ausmessungen sind eben deshalb wichtig, weil sie schon vom Anfange der Absonderung des Ektoderms an zeigen, dass seine grösste Dicke nicht längs der Ränder, sondern näher zur Mitte beobachtet wird, was Kollers Schlüssen widerspricht. Jedoch nicht immer hat das Ektoderm des soeben gelegten Eies die grösste Dicke von 27 u; auf einem im März gelegten Ei hatte es in der Mitte nach einer halbstündigen Brütung nur 21 « und längs den Rändern von allen Seiten 17 u; dieses Ei war augenscheinlich von einem früheren Stadium, da auch das Ektoderm weniger abgesondert war und mehr Dotterelemente enthielt. Ein anderes, im Winter gelegtes und normal entwickeltes Ei, hatte im Anfang schon folgende Eigentümlichkeiten: eine ı/, Stunde nachdem es gelegt worden war, legte man es in den Thermostat und liess es da !/, Stunde bei einer Temperatur von 385°0C. Die Keimscheibe betrug im frischen Zustande, vor der Bearbeitung, ungefähr 4,5 mm!) im Durchmesser — nach ı) Ein geringer Fehler bei der Ausmessung der Keimscheibe im Ei ist leicht möglich; man macht die Ausmessungen mit einem Zirkel, doch dürfen natürlich die Spitzen desselben womöglich die Oberfläche des Eies nicht berühren. 214 PAUL MITROPHANOW, der Bearbeitung — gegen 4 mm; der helle Fruchthof hatte im Durchmesser gegen 2 mm. Beim Studieren der Scheibe in toto (Taf. XIX, Fig. 1) trat sein hinterer verdickter Rand etwas sichtbarer hervor und in einiger Entfernung davon konnte man etwas in der Art von Kollers Sichel sehen. Die Keimscheibe wurde orientiert und in Querschnitte zerlegt, deren Zahl 400 übertraf. Man hatte dabei vor, hauptsächlich die verhältnis- mässige Dicke des Ektoderms in verschiedenen Teilen der Keim- scheibe zu bestimmen. Aus dem Studieren der Schnitte erwies sich folgendes: 1. Der vordere Rand ist fast zweimal schmaler als der hintere. Während man vorne mehr als 50 Schnitte mit dem Dotter unter der ganzen Ausdehnung des Dotterentoderms zählte, waren hinten mehr als hundert solche Schnitte (von derselben Dicke). Der vordere Rand ist auch von geringerem Umfang; seine grösste Dicke beträgt 135 « und im hinteren Rande 160 u. 2. Die Dicke des Ektoderms längs den Rändern der Scheibe, wo es genug abgesondert ist, beträgt 17 « und vergrössert sich allmählich, je näher zum Centrum hin. Es ist bemerkens- wert, dass hier das vordere Gebiet des hellen Fruchthofes ein dickeres (bis 27 u) Ektoderm hat, als das hintere (20 «); die grösste Dicke jedoch von 34 u erreicht es ungefähr im Centrum des hellen Fruchthofes, indem es in der hinteren Hälfte der Scheibe, wo es nirgends eine solche Stärke erreicht, allmählich dünner wird. 3. An der Stelle, wo man beim Studieren in toto die soge- nannte Sichel Kollers bemerkte, erwies sich eine kleine Ver- tiefung, deren Dicke etwas bedeutender als die des umgebenden Ektoderms ist; die Dicke des letzteren schwankt hier zwischen 17 und 20 u, während die der Vertiefung 24—27 u, d. h. jene Grösse erreicht, welche für die Grenze des hellen Fruchthofes beim vorderen Rande angegeben worden ist. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 215 Es wäre gewiss natürlich, diese Vertiefung wirklich im Sinne von Kollers Anschauungen zu erklären, doch das nähere Studieren führt zu einem anderen Schlusse; eher muss man dieselbe auf die Kategorie der zufälligen, monströsen Bildungen zurückführen, welche unzweifelhaft bei der vergleichen- den Wertschätzung der sich auf die erste Entwickelung der Sauropsiden beziehenden Angaben beachtet werden müssen und in dieser Beziehung besonders schätzbar sein können, da sie an schon vergangene Verhältnisse erinnern, jedoch keinesfalls eine normale Entwickelungsstufe vorstellen. Dass diese Einstülpung keine Beziehung zur Bildung der Primitivrinne hat, wird erstens dadurch bewiesen, dass sie nicht an der Stelle der grössten Entwickelung des Ektoderms, d. h. seiner grössten Dicke, gebildet ist (Kollers Angabe wird folglich in dieser Beziehung durch genaue Ausmessungen nicht gerechtfertigt); zweitens ist ihr Charakter gar nicht derselbe, welcher bei der Umwandlung des Primitivstreifens in die Primitiv- -rinne beobachtet wird; derselbe erinnert eher an die Falten- bildungen, welche man manchmal in der Keimscheibe beobachtet und welche wirklich die Primitivrinnen erinnern, während sie in Mehrzahl auf einmal erscheinen, doch bei der Schätzung der embryonalen Vorgänge nur ein allgemeines Interesse haben. Endlich kann eine solche in der Entwickelung so früh erscheinende Bildung unmöglich mit den weiteren Vorgängen verbunden werden, bei denen der Primitivstreifen sich zum erstenmal in der achten, neunten oder sogar zehnten Stunde der norınalen Brütung klar absondert. Das nähere Studium des hinteren Teiles der Keimscheibe giebt folgende Resultate!): man beobachtet in diesem Gebiete, näher zur rechten Seite der Scheibe, auf dem 333. Schnitte vom 1) Ausführlicher und mit Zeichnungen versehen werde ich diese Be- schreibung in einer Arbeit geben, welche sich auf die Zwischenbeziehungen der embryonalen Elemente beziehen wird. 216 PAUL MITROPHANOW, Kopfende eine ektodermale Knospe (Taf. XIX, Fig. 1 «), worin sich schon auf den nächsten Schnitten eine Höhle zeigt, welche sich dann nach aussen öffnet und allmählich nach hinten in eine offene Rinne umwandelt; man bemerkt die ganze Bildung auf 12 Schnitten, folglich ist sie sehr unansehnlich; ihre grösste Breite beträgt ungefähr 70 «. In diesem Falle hatten wir mit einer Rinne zu thun, welche sich am meisten im vorderen Ende vertieft und sogar etwas nach vorne hervortritt. Das Ektoderm ist in der Dicke der Rinne, wie es schon angegeben ist, etwas verdickt, tritt jedoch in keine Verbindung mit dem Ektoderm. Die Lage der Rinne ist asymmetrisch; sie ist fast zweimal näher dem rechten Rande als dem linken. Unabhängig von derselben und daneben, an ihren beiden Seiten beobachtet man noch zwei ähnliche Bildungen: links ist nur auf drei Schnitten (331 —333) eine kleine Einstülpung (Taf. XIX, Fig. 1$), deren Grund mit dem Dotterektoderm in Verbindung steht und infolgedessen an die Primitivrinne sehr erinnert; rechts ist auch eine Jängliche rinnenförmige Einstülpung (Taf. XIX, Fig. 17), welche viel schwächer ausgesprochen ist, doch eine grössere Aus- dehung hat (mehr als auf zehn Schnitten); ihr Boden steht auch stellenweise in Verbindung mit dem Entoderm. Keine von diesen Bildungen kann als ein wirklicher Primitivstreifen ange- nommen werden und die Verbindung mit dem Entoderm in ihrem Gebiete hat augenscheinlich bei der Beobachtung von der Oberfläche das Bild gegeben, welches an Kollers hier nicht vorhandene Sichel erinnert. Letztens sind, unabhängig von meinen früheren Beobach. tungen, noch Serien von Präparaten aus solchen Keimscheiben der Hühnereier gemacht worden, welche auch bei normalen Be- dingungen gebrütet wurden. Eine Serie wurde im März, die andere im Juni zubereitet, d. h. in beiden Fällen, allem Anschein nach, aus für die Entwickelung mehr geeigneten Eiern als die, welche man im Laboratorium im Herbst und im Winter benutzen Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 217 kann. Die Eier waren ganz normal, man nahm sie von ge- sunden Hühnern, legte sie in den Inkubator womöglich gleich, nachdem sie gelegt worden waren, und brütete sie bei einer Temperatur von 38°C. mit geringen und seltenen Schwankungen, nicht mehr als von einem Grad (d. h. 37—39° C.). Wir werden jede Serie einzeln betrachten. Aus 27 im März gelegten Eiern, deren grösster Teil ungefähr 8 Stunden nach der Brütung geöffnet wurde, hatte nur eins nicht angefangen sich zu entwickeln und bot eine nicht differenzierte, vakuolisierte Keimscheibe; drei Eier be- gannen sich zu entwickeln, blieben aber doch unzweifelhaft in ihrer Entwickelung zurück; ein Ei, welches begonnen hatte, sich zu entwickeln, bot eine seltene Anomalie in der ersten Komplikation der Keimscheibe: in der Mitte des hellen Frucht- hofes bildete sich nach acht Brütungsstunden eine verzweigte Primitivrinne!); zwei Eier entwickelten sich etwas mehr, als man es nach dem normalen Entwickelungsgange erwarten konnte; alle anderen, welche im allgemeinen dem normalen Entwicke- lungsgange folgten, boten kleine individuelle Veränderungen. Beim Studieren dieser Serie von Präparaten erweist es sich, dass von aussen bemerkbare Veränderungen in der Keimscheibe nach 7!/e Brütungsstunden beobachtet wurden. Auf den voran- gehenden Stadien kann man im Vergleich mit dem soeben ge- legten, doch nicht bebrüteten Ei, eine nur verhältnismässig ge- ringe Vergrösserung der Keimscheibe (bis 4 mm in der füniten, bis 5 mm in der achten Stunde), eine unklar ausgedrückte Differenzierung des hellen Fruchthofes und eine verhältnismässig grössere Entwickelung des dunklen Fruchthofes längs ihrem hinteren Rande bemerken. Das erste, was man nach 7'/s Brütungsstunden bemerkt, ist eine allgemeine Verdiekung des Ektoderms im hellen Frucht- 1) Diese Scheibe ist auf Fig. 4 meiner Mitteilung in der XII. Versamm- lung der Anatomischen Gesellschaft abgebildet (19). 218 PAUL MITROPHANOW, hofe, dessen Durchmesser im mittleren gegen 2,5 mm beträgt. Auf einem Präparat war nach 8 Brütungsstunden die Keimscheibe sehr entwickelt (Taf. XIX, Fig. 2); ihr Durchmesser betrug ungefähr 6 mm, und das vom hellen Fruchthofe bis 35 mm; wahrscheinlich begann die Entwickelung dieses Eies noch vor der Inkubation. Im Centrum des hellen Fruchthofes beobachtete man den Primitivstreifen, welcher den hinteren Radius der ge- meinschaftlichen ektodermalen Verdickung (1,4 mm im Durch- messer) einnimmt und mit seinen Enden ungefähr auf gleicher Entfernung (1,lmm und Imm) vom vorderen und hinteren Rande des hellen Fruchthofes absteht. In seinem vorderen Ende ist er bestimmter ausgedrückt und wie man es aus den Längsschnitten sehen kann, tritt scharf aus dem umgebenden Ektoderm von beiden Enden hervor, wobei die grösste Dieke des vorderen 85 « und die des hinteren 68 u beträgt; das umgebende Ektoderm jedoch hat eine Dicke von 24 u. Die anderen Präparate von S-stündiger Brütung boten nur die mittlere Verdickung des Ektoderms (bis 35 «), manchmal näher zum hinteren und manchmal zum vorderen Rande des hellen Fruchthotes; der Durchmesser dieser Keimscheiben schwankt bei 4,5 mm. In der neunten Stunde wächst dasselbe bis 6,5 mm (Maximum), beträgt aber vorzüglich 5 mm). Nur in einer der Keimscheiben sah man nach neun Brütungsstunden eine schon klar ausgedrückte und 1,6 mm lange Primitivrinne; aus der Grösse der Scheibe (6,5 mm) kann man schliessen, dass dieses Ei seine Entwiekelung scheinbar noch vor der Inkubation be- gonnen hat; in drei anderen Fällen konnte nur von der mitt- leren ektodermalen Verdickung die Rede sein. Nach 10 Brütungsstunden schwankt der Durchmesser der Keimscheibe zwischen 5 und 6 mm; in einem Falle beobachtete !) Alle diese Ausmessungen wurden von Präparaten schon im Kanada- balsam genommen. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 219 man einen ungefähr 1,3 mm langen Primitivstreifen, in einer Entfernung von 0,3 mm vom hinteren Rande des hellen Frucht- hofes, und 1 mm vom vorderen; vorne hat er sich schon in die Rinne verwandelt. Die Median-Längsschnitte zeigten hier eben die grösste Dicke (85 u) im vorderen Ende des Primitivstreifens, im hinteren wird er allmählich bis 50 und 35 « dünner; das Ektoderm ringsum hat eine normale Dicke von 35 u. Endlich nach 11 Stunden wuchs der Durchmesser der Keimscheibe bis 6,5 mm, und die Länge der Primitivrinne bis 1,6 mm, in einer Entfernung von den Grenzen des hellen Fruchthofes — vorne von 1 mm oder etwas mehr, und hinten gewöhnlich, manchmal sogar bedeutend weniger. Aus dem Vergleiche der beschriebenen Präparate ist es klar, dass in den angegebenen Bedingungen der Anfang des Erscheinens des Primitivstreifens mit dem Durchmesser der Keimscheibe von 5,5 mm zusammentrifft und ungefähr durch 8—9 Brütungsstunden bedingt wird. In keinem von den hier beschriebenen Präparaten konnte man das Erscheinen des Primitivstreifens mit irgend welcher speziellen Differenzierung längs dem hinteren Rande der Keimscheibe oder des hellen Fruchthofes verbinden. In der Juni-Serie war ein ziemlich bedeutender Prozent- satz unbefruchteter Eier, deren Keimscheibe vakuolisiert waren und die sich nicht entwickelten; unter 52 Eiern, welche unmittel- bar nachdem sie gelegt worden waren, bebrütet wurden, befanden sich 13 solche Eier; eines besass ausserdem zwei Dotter. Unter den anderen und allem Anschein nach normalen, wurde eins nach einer halben Brütungsstunde, zwei in der fünften, drei in der sechsten, 23 zwischen der 7. und 9. und 9 zwischen der 10. und 15. Bebrütungsstunde geöffnet. Bis zum Anfang der 8. Stunde beobachtet man auch in dieser Serie im hellen Fruchthofe keine be- merkbaren Veränderungen, ausser der ektodermalen Verdiekung Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd., H. 2.) 15 220 PAUL MITROPHANOW, (Taf. XIX, Fig. 3). Oft begrenzt sich auch bei einer späteren Be- brütung die Sache nur mit dieser letzteren. Was den Charakter der Verdickung in einer früheren Periode der Entwickelung betrifft, so äusserte er sich nach 6 Stunden auf folgende Weise. Die Keimscheibe hatte einen Durchmesser von ungefähr 4 mm. Auf dem Dotter schimmerte darin näher dem hinteren Rande ein weisslicher Flecken durch ; in der isolierten Keimscheibe bemerkte man keine Differenzier- ung. Auf den Längsschnitten (Taf. XXI, Fig. 1) erwies es sich, dass das ganze Ektoderm einen mehr oder minder einförmigen Charakter hat; die mittlere Verdickung in der Form, wie sie später beobachtet wird, war nicht zu sehen; die Elemente des Dotterentoderms lagen locker. Auf den mittleren Schnitten beobachtete man auf einer geringen Ausdehnung, gerade in der Mitte der Scheibe, ein kleines Inselchen, wo das Ektoderm am dieksten ist (68 u) und nach der Seite des Dotterentoderms hin einen Auswuchs bildete. Die vergleichenden Ausmessungen zeigten dabei, dass die Dicke des Ektoderms in verschiedenen Theilen veränderlich und seine niedere Oberfläche sehr ungleich ist, wie es aus der Abbildung (Taf. XXI, Fig. 1) ersichtlich ist. Ausser den angegebenen Inselchen in der Mitte, befand sich die grösste Dicke seitens des vorderen Endes (34 «), während dieselbe am hinteren, über der Anhäufung des Entoderms und unmittelbar vor ihm geringer ist (24—27 u). Augenscheinlich nimmt zu der Zeit das Ektoderm an der Bildung der Axialplatte (plaque axiale) keinen Anteil und äussert zugleich keine Veränderungen im Gebiete der Sichel. Nach 7!/, Bebrütungsstunden äussert sich schon die mittlere Verdickung bei der grössten Dicke (34 «) im Uentrum, während an den Rändern das Ektoderm von allen Seiten zweimal dünner ist. Die erste Differenzierung, worin man in dieser Serie den ersten Schritt zur Entwickelung des Primitivstreifens erblicken Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 221 kann, äusserte sich nach 11'/, Brütungsstunden auf der Keim- scheibe, welche sichtbar in ihrer Entwickelung zurückgeblieben ist. Ihre Grösse im Kanadabalsam beträgt in der grösseren Ausmessung 5 mm, in der geringeren 4,25 mm; der helle Fruchthof hat einen Durchmesser von ungefähr 2,8 mm. Bei der Beobachtung in toto trat schwach in der Mitte ein verdicktes Inselchen hervor, längs dem hinteren Rande schimmerte ein Streifen Dotters durch. Es erwies sich auf den medianen Längsschnitten (Taf. XXI, Fig. 2), dass eben das Centrum der Keimscheibe ein dickeres Ektoderm, bis 70 u, hat; das umgebende Ektoderm vorne betrug 40 «, hinten aber überstieg es nicht die gewöhnliche Dicke von 35 «u. Das ganze Inselchen hatte eine Ausdehnung von ungefähr 0,5 mm und zog sich in der Richtung nach hinten hin, indem es unmittelbar vom Centrum ınit dem vorderen Rande begann. Von der unteren Oberfläche beobachtete man eine Proliferation der Zellen. Hier also son- derte sich nicht nur die gemeinschaftliche mittlere Verdiekung des Ektoderms ab, sondern von seinem Centrum wurde auch der Anfang des künftigen Primitivstreifens bestimmt (Taf. XXI, Fig. 2, e), dessen Keim vom vorderen Rande des hellen Frucht- hofes auf 1,4 mm und vom hinteren auf 0,9 mm absteht. In einer bestimmteren Form bemerkte man denselben in dieser Serie auf einem Präparate nach achtstündiger Bebrütung (Taf. XIX, Fig. 4). Die Keimscheibe hat 5 mm im Durchmesser und der helle Fruchthof ist etwas nach hinten ausgedehnt und hat den grössten Durchmesser von 2,75 mm, und den kleineren von 25 mm. Die Form des hellen Fruchthofes ist in der Beziehung belehrend, dass dieselbe klar darstellt, wie sein Wachstum entsteht. Sein grösster Teil, der ganze vordere, hat noch die Umrisse des Kreises mit einem Radius von 1,25 mm bewahrt, während sein hinteres Ende uns im Axialteile des künftigen Embryos einen Auswuchs bietet. Die ganze Mitte des hellen Fruchthofes bietet eine bemerkbare (35 4) Verdick- 15* 222 PAUL MITROPHANOW, ung; und der Keim des Primitivstreifens ist in seinem hinteren Gebiet sichtbar und tritt verhältnismässig schwach hervor, indem es eine Dicke bis 50 u hat (Taf. XXI, Fig. 3); es ist jedoch leicht zu unterscheiden, dass sein Vorderteil klarer aus- gesprochen ist, während im Schwanzende der Streifen schwächer hervortritt und sich im Ektoderm verliert, ohne die Grenze des hellen Fruchthofes zu erreichen; man sieht aus den Schnitten, dass das Ektoderm hier plötzlich, auf einer Ausdehnung von 0,4 mm bis 20 « und dann bis 10 « dünner wird. Vorne steht der Streifen vom dunklen Fruchthof auf 1,65 mm ab und hat im ganzen eine Länge von ungefähr 0,6 mm. Das Dotter- entoderm befindet sich mit ihm in Verbindung auf der ganzen Länge. Hinter dem Primitivstreifen ist das Ektoderm frei, wie vor ihm (Taf. XXI, Fig. 4. Man muss bemerken, dass eine solche Form der Keimscheibe ziemlich selten vorkommt, vielleicht, weil ein solches Moment der Entwickelung schnell vergeht. Man beobachtet öfters das Erscheinen des Primitivstreifens in einer etwas anderer Form, wie man es aus dem Präparat!) eines Sommereies von sehr früher Entwickelung sieht (Taf. XXII, Phot. 1.) Die Area pellucida ist hier auch ein wenig von hinten ausgedehnt und hat einen Längendurchmesser von 3,4 mm; von vorne (Textfig. 3) beobachtet man die sogenannte vordere Sichel und fast vom Centrum des hellen Fruchthofes kaudalwärts einen gut äusgeprägten Primitivstreifen. Sein vorderes Ende ist keulenartig ausgebreitet und augenscheinlich viel mehr ent- wickelt, als das hintere, welches sich weit (0,9 mm) vom hinteren Rande der Area pellucida im umgebenden Ektoderm verliert; die ganze Länge des Primitivstreifens beträgt 1 mm. Ein ähn- liches Präparat habe ich nach 10!/, Bebrütunesstunden bekommen. 4 fe) 1) Dieses Präparat war mir liebenswürdigerweise von Herrn J. Eismond zur Verfügung gestellt. Die Zeit seiner Bebrütung war zwischen 3 und 6 Stunden bestimmt, es war aber wahrscheinlich, dass die Entwickelung schon vor der Bebrütung begonnen war, weil der Durchmesser der Keimscheibe 6 und 6,25 mm betrug. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 223 Die Grösse der Keimscheibe im Kanadabalsam wird in diesem Falle durch einen Durchmesser von 5,75 mm und die des hellen Fruchthofes durch das grössere von ungefähr 2,7 mm bestimmt. Der Primitivstreifen fängt eben an hervorzutreten; er bietet eine schwach begrenzte, ungefähr 1,0 mm lange ektodermale Verdickung; vorne steht er vom Rande des hellen Fruchthofes fast auf 15 mm ab und hinten auf 0,2 mm; sein vorderes Fig. 3. Schema der Phot. 1, Taf. XXI. c. a. vorderer Sichel; 1. p. Primitivstreifen; a. o. Grenzlinie zwischen Area opaca und Area pe)lucida (a. p.) D. Durchschimmernde Dotterelemente. Ende ist klarer ausgedrückt; vorne schimmert um dasselbe der Dotter in Gestalt der vorderen Sichel durch. Man sieht aus den Längenschnitten, dass die grösste Dicke des Primitivstreifens in seinem vorderen Ende ungefähr 60 « beträgt, während im hinteren dieselbe von 50 auf 30 u fällt. Das umringende Ekto- derm ist vorne 35 « und hinten 28 « dick. Nach der Bebrütungszeit und der Grösse der Keimscheibe zu urteilen, erscheint die innere Differenzierung dieser Scheibe DD ID es PAUL MITROPHANOW, etwas verspätet, da schon nach einer 8-stündigen Bebrütung der Primitivstreifen eine grössere Eutwickelung erreichen kann. So haben wir (Taf. XIX, Fig. 5) eine Keimscheibe von 45 mm im Durchmesser bei einer Ausdehnung des hellen Fruchthofes von 2,3 mm. Der 1,65 mm lange Primitivstreifen nimmt hier eine Ausdehnung fast bis zum hintersten Rande des hellen Fruchthofes ein, vorne davon nur auf 0,65 mm abstehend; sein hinteres Ende ist viel schwächer ausgedrückt. Die folgende Entwickelungsstufe des Primitivstreifens hatten wir nach 9 Bebrütungsstunden (Taf. XIX, Fig. 6). Die Keimscheibe bietet 5,5 mm im Durchmesser, bei 2,5 mm des grossen Durch- messers des hellen Fruchthofes. Der Primitivstreifen steht von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes auf 1,53 mm ab, hat eine Ausdehnung von ungefähr 1,3 mm, etwas hinter seine hintere Grenze tretend. Beim vorderen Ende des Primitiv- streifens tritt klar eine scheibenartige ektodermale Verdickung hervor, welcher den grössten Teil des hellen Fruchthofes ein- nimmt. Nach hinten verbreitet sich der Primitivstreifen, doch ist sein vorderer und axialer Teil schärfer ausgedrückt. Denselben Charakter, jedoch mit einem noch schwächer aus- gedrückten hinteren Ende und ohne seine Verbreitung haben wir auf der Keimscheibe nach 10!/s Bebrütungsstunden. Die Grösse der Scheibe und des hellen Fruchthofes ist dieselbe, wie im vorhergehenden Falle. Der Primitivstreifen ist ungefähr von 1,5 mm und steht vorne vom dunklen Fruchthof auf 1 mm ab; beim vorderen Ende schimmert schwach die vordere Sichel durch. Eine weitere Entwickelung dieser Verhältnisse beobachten wir auf der Keimscheibe nach 8"/sz Bebrütungsstunden (Taf. XXII, Phot. 2). Der Durchmesser der Scheibe im Kanadabalsam be- trägt 6 mm (im frischen Zustande 6,5 mm); das des hellen Fruchthofes — 3,25 mm. Der Primitivstreifen ist 1,65 mm lang und steht vorne vom dunklen Fruchthofe auf 1,25 mm und Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 225 [7] hinten auf 0,3 mm ab (Textfig. 4). Vorne schimmert die vordere Sichel durch ; das hintere Ende des Primitivstreifens ist verbreitert. Ein etwas späteres Stadium beobachten wir nach 8 Bebrütungs- stunden (Taf. XX, Fig. 7); der Durchmesser der Keimscheibe be- trägt 6,5 mm, der des hellen Fruchthofes — 3 mm. Die vorne scharf begrenzte Primitivrinne ist 1,65 mm lang, erreicht den hinteren Rand des hellen Fruchthofes und ist da etwas nach links gebogen; ihre Entfernung vorne vom dunklen Frucht- o (t pP & En ca. Kr ven .p 2.0 Fig. 4. Schema der Phot. 2, Taf. XXI. a. p. Area pellucida; a. o. Area opaca; c. a. vorderer Sichel; 1. p. Primitivstreifen. hofe beträgt 1,35 mm. In den späteren Stadien erreicht ge- wöhnlich die sich aus dem Streifen bildende Primitivrinne den hinteren Rand des hellen Fruchthofes nicht. Man muss bemerken, dass auf dem Stadium, welches be- schrieben wird, ein verhältnismässig sehr bedeutender Prozentsatz solcher Keimscheiben erhalten wurde, wo der Primitivstreifen den hinteren Rand des hellen Fruchthofes erreicht. In meiner früheren ziemlich langen Praxis hatte ich, -soviel ich mich erinnern kann, 226 PAUL MITROPHANOW, diese Erscheinung nur zweimal (auf den Präparaten eines von meinen Schülern) und auch in im Sommer bebrüteten Eiern; in einer anderen Jahreszeit wird diese Erscheinung sicher nicht beobachtet. Zufällig habe ich bemerkt, dass dieselbe in solchen Eiern stattfindet, welche nach einer ungefähr siebenstündigen An- wesenheit im Inkubator daraus genommen, aber nicht sogleich, sondern nach einigen Stunden geöffnet wurden. Augenscheinlich dauerte ihre Entwickelung noch nach dem Herausnehmen fort, und vielleicht wurde der eigentümliche Charakter des Primitivstreifens, welcher überhaupt nach unseren Begriffen den hinteren Rand des hellen Fruchthofes erst nicht erreichen soll, durch die Störung des normalen Entwickelungs- sanges hervorgerufen. Die Längsschnitte solcher Präparate zeigen jedoch (Taf. XXI, Fig. 5), dass in diesem Falle nur ein zu starkes Wachstum des hinteren Endes des Primitivstreifens stattfindet, welcher doch die grösste Entwickelung im vorderen und Axialteile besitzt, was man auch auf einem Flächenpräparate bemerken konnte. Es erweist sich wirklich auf den medianen Schnitten, welche durch den ganzen Primitivstreifen gehen, dass seine orösste Dicke ausser dem sich eng an ihn anklebenden Dotter- entoderm näher an seinem vorderen Ende (Taf. XXI, Fig. 5) be- obachtet wird und daselbst 68 uw erreicht, während in seinem hinteren Teile die grösste Dicke 50 « nicht übertrifft. Das Dotter- entoderm ist in diesem Gebiete klar abgesondert und kann jeden- falls nach den darin eingeschlossenen Dotterkugeln leicht unter- schieden werden. Man beobachtet auch die Proliferation der Zellen (für die Bildung des Mesoderms) auf diesen Präparaten im vorderen, aber keineswegs im hinteren Teile des Primitiv- streifens. Vorne ist das Ektoderm zweimal dicker als hinten, doch ist sein hinteres erweitertes Ende auch durch das etwas verdickte Ektoderm, wie im Axialteile ausgedrückt. Ich glaube, dass man einen solchen Primitivstreifen als eine gewisse Ano- malie betrachten kann, welche vielleicht eine Prophase solcher Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 227 Primitivrinnen bietet, die schon oben erwähnt worden sind S. 161) und deren hinteres Ende gespalten oder sogar einer breiten Querspalte ähnlich ist. Die grössere morphologische Differenzierung des vorderen Endes des Primitivstreifens in der gemeinschaftlichen ektoder- malen Verdiekung, wie auch die Entfernung vom vorderen Rande des hellen Fruchthofes zeigen, dass eben dieses Ende am frühesten fern vom Rande der Keimscheibe hervorgetreten ist, und dass vielleicht die oben angegebene Eigentümlichkeit in der Entwiekelung dieses Eies (die Entwickelung scheint noch vor dem Inkubator und also bei einer anderen Temperatur begonnen zu haben) die Entwickelung des hinteren Endes in einem höheren Grade, als es gewöhnlich beobachtet wird, hervorgerufen hat. Ein ähnlicher Charakter des Primitivstreifens wurde auch nach 8 Bebrütungsstunden (Taf. XX, Fig. 7) beobachtet; da jedoch das Ei erst einige Stunden später, nachdem es aus dem In- kubator herausgenommen worden war, geöffnet wurde und seine Entwickelung noch fortdauerte, war hier die Entwickelungsstufe der Keimscheibe eine etwas höhere als auf dem soeben be- schriebenen Präparate, was schon seine Grösse beweist. Aus den Längsschnitten kann man folgende Ergänzungen entnehmen: das vordere Ende des Primitivstreifens ist mehr als 50 « dick und wird durch eine Linie in der Mitte des Ekto- derms scharf begrenzt, dessen Dicke unmittelbar vor dem Strei- fen 34 u beträgt, während sein hinteres Ende noch im Gebiete des hellen Fruchthofes, unabhängig von dem davon zurückge- bliebenen Dotterentoderm, nur 36 u dick ist. Man beobachtet die Proliferation der Zellen schon fast auf der ganzen Aus- dehnung des Primitivstreifens, vom vorderen Ende an. Auf einer etwas anderen Entwickelungsstufe sehen wir diese Verhältnisse auf den Schnitten des Präparats, welches bei den- selben Bedingungen, wie das vorangehende erhalten und von aussen schon früher (S. 224; Taf. XIX, Fig. 5) beschrieben wurde. 228 , PAUL MITROPHANOW, Wie gesagt, hat der Primitivstreifen, welcher auch fast vom hinteren Rande des hellen Fruchthofes beginnt, eine Länge von 1,65 mm und steht von der vorderen Grenze des hellen Frucht- hofes nur auf 0,65 mm ab; sein hinteres Ende ist bedeutend schwächer ausgedrückt und scheint sich in der Verdickung des Randes zu verlieren. Die Dicke des vorderen Endes des Strei- fens, welches eine leichte Einstülpung hat, — der Anfang der Bildung der Primitivrinne —, beträgt ungefähr 70 «, die der unmittelbar angrenzenden Ektoderms ungefähr 30 « und des hinteren Endes des Streifens gegen 35 u. Hinsichtlich dieses Präparats kann man folgende Bemer- kung machen: trotz seiner verhältnissmäig geringeren Grösse, kann seine innere Entwickelungsstufe kaum als eine weniges vollkommenere wie auf dem vorangehenden Präparate betrachtet werden. Die grosse Ausdehnung des Primitivstreifens spricht dagegen und der Anfang der Einstülpung an seinem vorderen Ende zeigt direkt, dass in einer gewissen Beziehung die Ent- wickelung hier weiter fortgeschritten ist; dasselbe beweist auch die verhältnismässige Stärke des Primitivstreifens, besonders in seinem vorderen Ende. Die Norm der ersten Entwickelung des Hühnereies. Aus der soeben dargestellten Beschreibung der Keimscheiben der nicht bebrüteten Eier und der Veränderungen, welche darin in den ersten Stunden der normalen Entwickelung stattfinden, kann man folgende, diese Entwickelung bestimmenden Grund- züge entnehmen. Die individuellen Schwankungen, welche erst die Sache so zu verwickeln scheinen, finden bei einer genaueren Beobach- tung fast immer ihre Erklärung und können leicht aus dem Bereiche des Einflusses auf die Bestimmung der Norm ausge- schlossen werden. Die Saisonvarietäten sind auch unbedeutend Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 229 und haben in der weiteren Entwickelung einen bestimmten Charakter, welcher die Norm wesentlich nicht verändert. a) Die Veränderungen in der Grösse der Keim- scheibe können auf folgender Tabelle dargestellt werden: Nach der Bebrütung ha | Das soeben | a: Entwickelungsdauer| gelegte und ungen x des Eies nicht bebrü- tete ii | We 4—5 16-712 | 8-9 |10—11!e St. Die Grösse der 2,7 3,0 13,5 —4,014,0—5,04,5—6,0| 5,0—6,5 mm Keimscheiben durch (inlebendigem, | d.Durchmesserlänge| Zustande: in Millimetern nach 3,0—3,5 mm), den Kanadabalsam- | präparaten darge- | stellt. Die Ausmessungen nach dem Kanadabalsampräparaten verhalten sich zu denselben im lebendigen Zustande in der ungefähr beständigen Beziehung 9:10. Die angeführten Ziffern, welche in einer ganzen Reihe von Veränderungen die beständigsten sind, drücken den allmählichen Wuchs der Keimscheibe ohne den freien Ektodermrand aus, d. h. in dem Umfange, welcher durch die äusseren Umrisse des dunklen Fruchthofes bestimmt werden. Ein gewisser Unter- schied, welcher zwischen diesen Ziffern und den einzelnen Aus- messungen auch in dieser Arbeit gezeigt werden kann, beweist nur, dass die Bebrütungszeit die Entwickelungsstufe noch lange nicht bestimmt. So hatten wir nach 8 Bebrütungsstunden Keim- scheiben von 6,5 mm, und diese Grösse bezieht sich schon auf die elfte Stunde und wurde in diesem Falle entweder deshalb erhalten, weil das Ei seine Entwickelung noch vor dem Ein- legen in den Inkubator begonnen hatte oder dieselbe nach dem Herausnehmen fortsetzte. b) Die Veränderungen in der Grösse des hellen Fruchthofes können nicht mit der erwünschten Bestimmtheit angegeben werden, da dieselben ausser dem Wuchse auch von PAUL MITROPHANOW, 230 anderen Ursachen abzuhängen scheinen. Auf den frühen Entwickelungsstufen hat der helle Fruchthof keine scharfen Um- risse; auf späteren wechseln dieselben je nachdem der Dotter an seinen Rändern mehr oder weniger leicht absteht. Im allge- meinen kann man doch den Schluss machen, dass die Ver- änderungen in der Grösse des hellen Fruchthofes dem Wuchse der Keimscheibe entsprechen. Nach !/s Bebrütungsstunde beträgt das Durchmesser des hellen Fruchthofes ungefähr 2 mm und bleibt in den ersten Stunden fast unverändert; so betrug er nach 8 Stunden, bei einem Durchmesser der Keimscheibe von 4,5 mm, 23 mm; doch ist er gewöhnlich bei einer solchen Grösse der Scheibe von 2,5 und sogar 3,0 mm. Die letzte Ziffer entspricht jedoch öfter dem Durchmesser der Keimscheibe von 5,0 und 6,0 mm: der grössere Durchmesser des hellen Fruchthofes: 3,25—3,5 entspricht dem Durchmesser der Keimscheibe von 6,0 und 6,5 mm. Es ist also klar, dass das Wachstum des hellen Fruchthofes geringer ist, als das allgemeine Wachstum der Keimscheibe, welches in den ersten Stunden vorzüglich sich in der Erweiterung des dunklen Fruchthofes ausdrückt. c) Die Veränderungen in der Grösse des dunklen Fruchthofes bieten das Hauptinteresse am Anfange der Ent- wickelung, wenn man durch seine Grösse vorne (seitens des Kopfendes) und hinten (seitens des Schwanzendes) die Lage des Keimes leicht bestimmen kann, bevor eine andere Differenzie- rung darin bemerkt wird. Auf dem soeben gelegten Ei ist der vordere Rand des dunklen Fruchthofes 0,3 mm, der hintere 0,5 mm breit; nach einer !/, Brütungsstunde beträgt er vorne 0,66 mm bei einer Dicke von 135 u, hinten aber 1,33 mm bei einer Dicke von 160 u. d) Veränderungen in der Dicke des Ektoderms. Meiner Ansicht nach haben diese Veränderungen eine sehr wichtige und in einem gewissen Grade entscheidende Bedeutung in der uns interessierenden Frage. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. o3l Sogleich nach der Sonderung des Ektoderms, als eines selbständigen Keimblattes, welches man manchmal schon in unbebrüteten Eiern beobachtet, wird seine Dicke mit einer merkwürdigen Beständigkeit durch 17 « bestimmt. Seine Sonde- rung findet vor allem in der Mitte der Keimscheibe statt, und breitet sich zur Peripherie aus; zugleich mit der Sonderung wird der Centralteil des Ektoderms dicker, sodass er bei einem Durchmesser des hellen Fruchthofes von ungefähr 2,00 mm schen 21—27 u beträgt, während an den Rändern das sich soeben abgesonderte Ektoderm 17 u hat. Diese Dicke des Randes bleibt auch in der weiteren Entwickelung beständig, der Centralteil aber fährt fort sich zu verdicken, indem er endlich eine beständige mittlere scheibenartige Verdickung mit einem Radius von ungefähr 0,75 mm bildet, dessen Centrum die grösste Dicke von 34 oder 35 « hat und schon neben den Grenzen des hellen Fruchthofes allmählich ins Ektoderm übertritt. Vom Centrum gerechnet, nimmt die Dicke des Ektoderms vorne und hinten verschieden ab: manchmal ist dieselbe vorne grösser (27 «) und hinten geringer (20 «) (Taf. XIX, Fig. 1), manchmal von beiden Seiten gleich, manchmal hinten etwas grösser als vorne. Nach meinen Ausrechnungen ist dieser letzte Umstand eher eine Ausnahme. Beim Wuchse des hellen Fruchthofes längs des hinteren Randes beobachtet man gewöhnlich keinen entsprechenden Wuchs der centralen ektodermalen Verdickung Taf. XIX'XX, Fig. 2, 4, 7) und schon deshalb hat das Ektoderm hinten gewöhnlich nur die normale Dicke des Randes (17 «); und die lokalen Verdickungen, welche man hier beim Wuchse des Primitiv- streifens beobachtet (Taf. XXII, Phot. 2; Textfig. 4, S. 225; Taf. XIXIXX, Fig. 5, 6 u. 7) können als eine spätere Komplikation betrachtet werden. e) Das Erscheinen des Primitivstreifens. Dieser Punkt ist in unserer Forschung der wesentlichste. 232 PAUL MITROPHANOW, Ich betrachte die Bildung der mittleren Verdickung des Ektoderms überhaupt und die Erscheinung darin bemerkbarer Verdiekungen in Form eines Inselchens oder eines Streifens im einzelnen (Taf. XXI, Fig. 1 und 2) als die erste Differenzierung, welche die Bildung des Primitivstreifens vorbereitet. Manchmal beobachtet man diese Bildungen fast im Öentrum der gemeinschaft- lichen Verdickung (Taf. XIX, Fig. 2; Taf. XXI, Fig. 1); manch- mal ausserhalb derselben: näher zum hinteren Rande (Taf. XIX, Fig. 4) oder sogar zum vorderen (Taf. XX, Fig. 8), aber jedenfalls in einiger Entfernung vom hinteren Rande des hellen Frucht- hofes und um so mehr in einer bedeutenden Entfernung vom hin- teren Rande der Keimscheibe selbst. Es ist sehr schwer die ersten Spuren des Primitivstreifens zu beobachten, wahrscheinlich weil derselbe im Hühnerei plötzlich auf einer bedeutenden Ausdeh- nung erscheint, wie es aus der Fig. 4, Taf. XIX sichtbar ist. Dieser Umstand war die Ursache, weshalb die Vorstellung von seinem Wuchse vom hinteren Rande des hellen Fruchthofes zu dessen Centrum entstand, um so mehr als Bilder, welche die Fig. 5—7, Taf. XIX, und Phot. 2, Taf. XXII darstellen, einen in dieser Rich- tung günstigen Einfluss haben können. Doch wird diese Dar- stellung sogar für das Hühnerei, erstens, durch die in normalen Bedingungen beobachteten und den oben beschriebenen und auf Fig. 1u.2, Taf. XXI, dargestellten ähnlichen Fälle, zweitens durch den Entwickelungsgrad des Primitivstreifens in seinen verschie- denen Teilen und endlich durch seine Entfernung von den Grenzen des hellen Fruchthofes vollständig widerlegt. Der Primitivstreifen, welcher zugleich auf einer bedeutenden Strecke erscheint (Taf. XIX, Fig. 4) ist erst weniger dick als später, wobei er von Anfang an im vorderen Ende viel dicker ist, als im hinteren; folglich liegt oben in seinem vorderen Ende der Schwerpunkt seiner Entwickelung. Indem der Primitivstreifen hier anfangs eine Dicke von 50 u erreicht, während die gemein- schaftliche mittlere Verdiekung im Centrum 35 « hat, wird er Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 23: © > o©- im hinteren Ende bis 20 « dünner, und zugleich fällt die Dicke des Ektoderms beim Rande des hellen Fruchthofes bis 10 u. Dieser Keim des Primitivstreifens, welcher gegen 0,6 mm lang war, stand vom vorderen Rande des hellen Fruchthofes auf 1,655 mm, und vom hinteren auf 0,4 mm ab. Seine auf dieses Stadium so dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes zurückgeschobene Lage erscheint sicher als eine Ausnahme; öfter liegt er dem Centrum der ektodermalen Verdickung viel näher Var XXI; Phot.l). So sehen wir auf der Fig. 2, Taf. XXI, dass dieser Keim eine grössere Entwickelung erreicht und eine Dicke bis 70 u bei einer Länge von 0,5 mm hat; von den Rändern des hellen Fruchthofes steht er vorne auf 1,4 mm und hinten auf 0,9 mm ab. Es ist dabei merkwürdig, dass das Ektoderm vor dem Keime des Primitiv- streifens dicker (40 «) und hinter demselben dünner ist (35 u). In der ferneren Entwickelung wird der Primitivstreifen zu 8 Stunden bis 1 mm, zu 9 Stunden bis 1,3 mm, zu 10 Stunden bis 15 mm und zu 11 Stunden bis 1,65 mm lang; im einzelnen sind hier natürlich Schwankungen unvermeidlich; doch wird die allgemeine Intensität des Wachstums durch die angeführten Ziffern ziemlich richtig bestimmt. Samt der Verlängerung beobachtet man auch die grösste Dicke des Primitivstreifens, besonders im vorderen Ende, wo ihr Maximum in den angegebenen Entwickelungsstunden bis 85 u erreicht, doch öfter gegen 70 u schwankt, in der Schwanz- richtung fällt allmählich seine Dicke bis 50 «, dann bis 35 u und geht unbemerkt ins Ektoderm über. f) Die Entfernung des Primitivstreifens von den Grenzen des hellen Fruchthofes bietet einen Umstand, welcher die Frage über die Stelle der ersten Bildung des Primitiv- streifens direkt entscheidet. Indem der Primitivstreifen, unserer Darstellung gemäss, erst mit dem vorderen Ende und beim Centrum der ektodermalen 234 PAUL MITROPHANOW, Verdickung entsteht, muss er von den Grenzen des hellen Frucht- hofes sowohl vorne als hinten in einer gewissen Entfernung sein. Diese Entfernungen sind nicht leicht in Übereinstimmung mit der Entwickelungszeit zu bringen, da als Faktoren, welche sie unmittelbar bestimmen, augenscheinlich die Grösse des hellen Fruchthofes und der Grad der Entwickelung des Ektoderms erscheinen. Man beobachtete die kleinste Entfernung vorne von 0,65 mm nach 5 Stunden auf einer Keimscheibe mit einem Durchmesser von 4,5 mm, im hellen Fruchthofe mit einem Durchmesser von 2,3 mm, und bei 30 « der ektodermischen Verdickung; auf anderen Keimscheiben von ungefähr derselben Grösse erreichte diese Entfernung 1,4 und sogar 1,65 mm; die letztere, nach 7 Bebrütungsstunden erhaltene Ziffer, erschien gewiss als eine Ausnahme, da sie ein seltenes Maximum der genannten Ent- fernung in den genannten Stunden bot. Öfter betrug dieselbe zwischen 8—11 Brütungsstunden 1,0 oder 1,3 mm. Oben wurde die Grösse des hellen Fruchthofes angeführt, dessen grösster Durchmesser am Anfange der Entwickelung un- gefähr 2,0 mm betrug; nach sieben Entwickelungsstunden, wenn man die ersten Spuren des Primitivstreifens beobachtet, ist es nicht weniger als von 2,5 mm. Würde der Primitivstreifen, wie Duval meint, vom hinteren Ende der Keimscheibe beginnen, oder wäre sogar, seiner Vor- stellung gemäss, dieser Rand später an der hinteren Grenze des hellen Fruchthofes, so müsste sein vorderes Ende bei der Ver- längerung des Primitivstreifens in der Richtung nach hinten von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes nicht weniger als auf 25 mm abstehen und in Wirklichkeit ist er 2 oder 21/2 mal näher. Wie aus den oben angeführten Ausmessungen und Be- schreibungen klar ist, dass, trotz Kollers Angaben, das Ekto- derm im hinteren Teile des hellen Fruchthofes nicht am dicksten Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. und dass seine Sichelrinne nur eine zufällige Bildung ist, so muss man auch hinsichtlich des Primitivstreifens bemerken, dass man durchwegs bis zur achten Entwickelungsstunde nicht die mindeste Spur seiner Entstehung beobachtet und zwar nicht weil es der Dotter hindert, wie Duval meint, sondern weil die Zeit der entsprechenden Differenzierung im Ektoderm noch nicht eingetreten ist. Niemals wurde auch dann der Keim des Primitivstreifens unmittelbar längs dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes beobachtet, um aus solchem Keime seine fernere Entwickelung als einen Auswuchs nach vorne zu erklären. Dazu müsste man, ausser anderen Bedingungen, die allmähliche Verminderung der Entfernung zwischen dem vorderen Ende des Primitivstreifens und der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes annehmen. Wir haben gesehen, dass bei einer schwachen Vergrösserung des hellen Fruchthofes diese Entfernung entweder beständig bleibt (gegen 1 mm oder etwas mehr) oder sich wenig ver- grössert, wie man es bei der Vergrösserung der Grundfläche des hellen Fruchthofes erwarten muss. Wenn es einmal erschienen ist, bleibt das vordere Ende des Primitivstreifens in beständigen Beziehungen zum Üentrum der ektodermalen Verdickung, mit welchem es unzweifelhaft in genetischer Verbindung steht. Was die Entfernung des Primitivstreifens vom hinteren Rande des hellen Fruchthofes betrifft, so ist dieselbe natürlich nicht gross, da sie direkt von der Länge des Primitivstreifens abhängt. Im Falle, wo dieser letztere, welcher beim Centrum der ektodermalen Verdickung beginnt, eine kleine Ausdehnung hat, ist diese Entfernung bedeutend; sie kann ungefähr 1 mm betragen (Fig. 2, Taf. XIX; Fig. 2, Taf. XXI) ist aber gewöhnlich geringer: 0,4—0,2 mm, vermindert sich allmählich mit dem Alter und der Verlängeruug des Primitivstreifens. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft. (12. Bd., H. 2.) 16 236 PAUL MITROPHANOW, Doch jedenfalls sehr selten und vielleicht bei besonderen Bedingungen erreicht der Primitivstreifen in den ersten 11 Stunden mit seinem hinteren Ende unmittelbar die Grenze des hellen Frucht- hofes. Oben wurden solche Beispiele (Taf. XXIXX, Fig. 5—7, Taf. XXI, Phot. 2) und die wahrscheinlichen Ursachen solcher Erscheinung angeführt; die vorwiegende Entwickelung des vorderen Endes des Streifens spricht auch in diesen Fällen zu Gunsten des Satzes, dass eben dieses Ende am frühesten erschienen ist und dass sein hinterer Teil in dieser oder jener Form eine spätere Bildung ist, welche vielleicht in anderen Fällen durch die ausschliessliche normal nicht stattfindende Differenzierung des Ektoderms längs dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes kompliziert wird. Solcher Art Primitiv- streifen können schon deshalb nicht als erste Phasen der Ent- wickelung dieser Bildung betrachtet werden, weil man sie in Keim- scheiben späterer Entwickelung beobachtete (mit Durchmessern von 5,5—6,5 mm), welche ausserhalb des Inkubator begonnen oder sich fortgesetzt hatte und desshalb trotz der angegebenen Entwickelungsstunden nicht genau bestimmt werden konnte. Zum Schiuss dieses Kapitels wäre es rechtzeitig alles Aus- einandergesetzte mit der Lehre von der Primitivplatte zu vergleichen, welche sich in den Forschungen vorfindet, die hauptsächlich sich auf die Entwickelung der Reptilien beziehen. Meine, diese Frage betreffende Grundansicht habe ich schon ausgesprochen (19), die nähere Untersuchung unterlasse ich bis zu einer speziellen Forschung über die erste Entwickelung der Reptilien, welche ich längst angefangen, aber infolge anderer Beschäftigungen noch nicht beendigt habe. Hier. werde ich nur wiederholen, dass im Hühnerei die Primitiv- oder Axialplatte (plaque axiale) oder die andere ihr in einem gewissen Grade entsprechende Bildung (Sichel) keine Beziehung zur Erscheinung des Primitivstreifens habe; es folgt klar genug aus den angegebenen Thatsachen. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 237 Dennoch giebt es eine faktische Grundlage, welche die Sache verdunkelt: dies ist die Kombination der Bilder, welche in der Keimscheibe, seit Beginn der Entwickelung, im lebendigen Zustande auf dem Dotter beobachtet wird, mit der Differenzie- rung, welche im hellen Fruchthofe nach einigen Entwickelungs- stunden stattfindet. Mit dem Anfange der Sonderung des Ektoderms beginnt unbestimmt auch der belle Fruchthof hervorzutreten, welcher mit der Bildung der subgerminalen Höhle und des Dotterwalls deut- licher wird. Da diese beiden letzteren Bildungen vorne beginnen, so tritt der hintere Rand des dunklen Fruchthofes, welcher breiter als der vordere ist, als Vorsprung in die Mitte der Keimscheibe hinein. Im Gebiete dieses Vorsprunges jedoch sondert sich das Ektoderm bald und bedeckt nur den Dotter- vorsprung, welcher einige Zeitlang die Hufeisenform der sub- germinalen Höhle bedingt (S. 174, Textfig. 1). Unter dem Namen Primitivplatte kann man dabei eben den Teil der Keimscheibe verstehen, welcher als weisslicher Flecken im frischen Zustande von der Seite des hinteren Randes der Scheibe auf dem Dotter durchschimmert. Die Verbindung der primitiven Keimblätter ist hier dieselbe, wie an anderen Stellen längs den Rändern der Keimscheibe. der Unterschied besteht nur darin, dass dieselbe auf einer grösseren Strecke ausgedrückt ist. Hat dieser Umstand eine direkte Beziehung zum Anfang der formalen Entwickelung? Gewiss nicht, da mit der Absonderung des Ektoderms vom Centrum zur Peripherie diese Verbindung längs des vorderen Randes der Platte gestört wird, und davon vorne nur der Dotter- vorsprung bleibt, während sie hinten zum Bestandteile des dunklen Fruchthofes wird. Eben deshalb macht der Dottervor- sprung mit dem hinteren Rande des dunklen Fruchthofes, wenn er noch auf dem Dotter durchschimmert, was ziemlich lange beobachtet wird, den Eindruck einer ganzen Bildung 16* 238 PAUL MITROPHANOW, (Primitiv- oder Axialplatte), weiche mit dem Ektoderm organisch verbunden ist; in Wirklichkeit aber ist dieses letztere ausserhalb der Ränder des dunklen Fruchthofes schon ganz selbständig (Textfig. 1, Schema 3a S. 174) und die Primitivplatte hat schon aufgehört zu existieren. Nach sieben oder acht Bebrütungsstunden, wenn auf die obenerwähnte Weise beim Centrum der ektodermalen Verdick- ung der Primitivstreifen erscheint, liegt er gerade unmittelbar vor oder sogar über dem Dottervorsprung; deshalb konnte es bei gewissen Bedingungen scheinen, als ob die sogenannte Primi- tiv-(Axial-)Platte sich mit dem Primitivstreifen in organischer oder sogar genetischer Verbindung befände In Wirklichkeit ist das nicht der Fall, da beim Erscheinen des letzteren die erstere als abgesonderte Bildung nicht existiert. Weshalb ist der hintere Rand des dunklen Fruchthofes breiter als der vordere? Weshalb trat er bis zur vollständigen Sonderung des hellen Fruchthofes als Primitiv- oder Axial- platte hervor? Diese Fragen gehören zu derselben Kategorie, wie die excentrische und ungleichmässige Furchung des Hühner- eies, wie die excentrische Bildung der subgerminalen Höhle. Die Antwort darauf findet sich in den Entwickelungsbe- dingungen des Hühnereies, welche ich so bald als möglich zu untersuchen hoffe. Aus allen angeführten Thatsachen folgt es klar, dass für die Entscheidung der uns in dieser Forschung interessierenden Fragen die Entwickelung des Hühnereies infolge der Verwicke- lung der ersten Grundvorgänge lange nicht die bequemste ist. Nur infolge der in diesem Gebiete zahlreichen Forschungen, welche von verschiedenen Standpunkten unternommen worden sind, es ist möglich den rechten Weg zu finden. Doch die Um- arbeitung des nötigen Materials allein könnte kaum eine sichere Grundlage dazu geben, hätte sie keine solide Stütze in den vergleichenden Angaben gefunden, welche, ich muss es Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 239 bekennen, mich eben bewogen haben, dieses Thema zu be- trachten. Diese vergleichenden Angaben habe ich hauptsächlich der ersten Entwickelung des Strausses, der Hausente, der Korn- krähe und der Möve entnommen. Hier werde ich mich aber nur mit dieser Andeutung und der Hinweisung auf meine kurzen Mitteilungen (13, 19, 20) begnügen, da die Geschichte der Entwickelung der genannten Vögel den Gegenstand einer besonderen Forschung bilden wird. Doch wenn die Entwickelung des Hühnereies infolge spezieller ihm eigentümlicher Komplikationen verwiekelt erscheint, war es natürlich, die oben angegebene Vorstellung hinsichtlich seines normalen Entwickelungsganges auf experimentelle Weise zu bestätigen, indem man sich bemühte, auf einige Zeit einige der erwähnten Komplikationen zu entfernen, die Entwickelung entweder zurückzuhalten oder zu beschleunigen. Deshalb habe ich mit den Hühnereiern eine Reihe Experimente unternommen, welche ich nun darstellen werde. LIT. Experimental-Beobachtungen. Über die Bedeutung der teratogenetischen Methode. Normal ist in der Tierwelt alles, was zu leben und aus einer Generation in die andere beständig überzugehen fähig ist. Je höher die Organisation ist, desto mehr Beschränkungen giebt es für das normale Dasein; je einfacher die Organisation — desto verschiedenartiger sind die Erscheinungen der normalen 240 PAUL MITROPHANOW, Existenz. Das kann sich sowohl auf die äussere Form, wie auf die innere Organisation beziehen. Der freie einzellige Organismus kann sehr veränderlich sein, je nach den Bedingungen der Existenz; dabei verändert sich in gewissen Grenzen auch seine innere Organisation, in morphologischer und wahrscheinlich auch chemischer Beziehung, doch wird dadurch die normale Existenz nicht gestört. Die embryonale Zelle des höheren Organismus besitzt auch eine bedeutende Veränderlichkeit, wenn sie jedoch zum Gewebe- element des entwickelten Organismus wird, werden die Grenzen ihrer Veränderlichkeit enger, ihre Organisation erwirbt einen einseitigen Charakter und jede Abweichung davon, mag dieselbe auch den Grundeigenschaften der Zelle entspringen, macht sie und dabei auch das Gewebe selbst anormal. Die normale Existenz der höheren Organisation wird aber nicht nur durch den normalen Zustand der ihre Bestandteile bildenden Elemente, sondern auch durch eine gewisse Verteilung derselben, die normale Gruppierung bestimmt; wenn diese letztere durch irgend etwas gestört wird, erhält man eine anor- male Abweichung — eine Missbildung (Monstrum), wenn auch die einzelnen Elemente dabei normal bleiben. Auf diese Weise bildet die Grundlage der teratologischen Erscheinungen ein normaler biologischer Vorgang, welcher sich vor allem durch einen ungleichmässigen und dem Plan der Organisation nicht entsprechenden Wuchs ausdrückt. Indem man das Wachstum begrenzt oder es künstlich ver- mittelst der Veränderung der äusseren Bedingungen beschleunigt, kann man in der Entwickelung des höheren Organismus solche Veränderungen hervorrufen, welche zuletzt Missbildungen ver- ursachen werden, die anfangs aber auch eine andere Bedeutung als eine anormale Entwickelung haben können. Man sieht aus den Angaben der experimentalen Embryo- logie, dass wenn man zum Beispiel die Konzentration des äusseren Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 241 Mediums ändert, man auch den Charakter der ersten Entwicke- lung verändern kann. Der Gastrulationsvorgang der Frosch- eier äussert sich in der Lithionchloridlösung nicht durch eine normale einseitige Einstülpung, sondern durch eine kreisförmige Rinne längs dem Äquator des Eies, wodurch die inäqual holo- blastische Amphigustrula der Amphibien sich einer mesoblas- tischen Discogastrula der Selachier nähert. Erklären denn solche Thatsachen nicht wenigstens teilweise jene Mannigfaltigkeit in der ersten Entwickelung, welche nicht nur bei den von einander weit entfernten, sondern auch bei den einander nahe stehenden Vertretern des Tierreiches be- obachtet wird? Die verwandten und sich erst gleichartig entwickelnden Formen haben, wenn sie in verschiedene Bedingungen geraten sind, erst in der ersten Entwickelung und dann auch in der definitiven Organisation ihre Eigentümlichkeiten ausgearbeitet. In einer Reihe von Generationen verwischen sich die Spuren der ersten verwandtschaftlichen Verbindung und die Verwandt- schaft zwischen den Nachkommen wird zweifelhaft. Kann die- selbe nicht als eine unstreitbar bewiesene gelten, wenn es bei einer künstlichen Veränderung der Existenzbedingungen gelingt, in diesem und jenem Falle nahe, wenn auch vergängliche Resul- tate zu erlangen? Auf rein empirische Weise ist es schon gelungen in dieser Richtung wertvolle Resultate zu erhalten; die experimentale Embryologie kann hier mit der Zeit genauere Manipulationen aus- arbeiten und dann wird die teratogenetische Methode eine breite wissenschaftliche Anwendung finden. Versuche derHemmung der Entwickelung des Keimes im Hühnerei seitens seines hinteren (Schwanz-) Endes. Methodik und Einrichtung der Experimente. Die soeben gelegten Eier wurden auf ihrer ganzen hinteren Hälfte 242 PAUL MITROPHANOW, mit Asphaltlack bedeckt (d. h. lackiert wurde seitens des Be- obachters die ganze Oberfläche des Eies, welche durch eine scheitelrechte Ebene abgeteilt wird, die vom stumpfen, der Lage nach linken Ende zum spitzen, nach rechts gerichteten geht) und im übrigen bei normalen Bedingungen unter einer Tempera- tur von 37 bis 38° C. bebrütet. Der Asphaltlack wurde deshalb gewählt, weil er die kleinen Poren leicht ausfüllt und in flüssigen Lösungen (in reinem Ter- pentinöl) verhältnismässig schnell austrocknet. Der Zweck dieser Lackierung bestand darin, den Zugang der Luft zum hinteren Ende des Embryokeimes in der Bebrütung des Eies zu er- schweren und auf diese Weise seine Entwickelung zurückzu- halten. Die Ideen, welche das Experiment leiteten, waren folgende: Da, nach der Bildung der Keimscheibe, in der man noch keine bilaterale Symmetrie beobachtet, der fernere Wuchs seitens des hinteren Endes stärker ausgedrückt wird, weshalb nach einer sehr verbreiteten Meinung die sogenannte Sichel sich allmählich in den Primitivstreifen verwandelt, so wird, bei einer künstlichen Hemmung der Entwickelung deshinteren Keimrandes, der Primitiv- streifen sich in seinem hinteren Ende entweder gar nicht bilden oder jedenfalls wesentliche Veränderungen erleiden. Es erwies sich schon aus den ersten Beobachtungen, dass bei den oben angegebenen Bedingungen und besonders bei einer langwierigeren Bebrütung keine wesentlichen Abweich- ungen überhaupt beobachtet werden und dass der zurückhaltende Einfluss der Lackierung am hinteren Ende des Embryokeimes sich nieht bemerkbar ausgedrückt. Da wurden die Bedingungen verändert: die Temperatur der Bebrütung erhöht und dem Maximum genähert, indem sie zwischen 39° bis 42° bis 44° C. schwankte. Diese Veränderung drückte sich gleich in den Resul- taten aus, welche in gewissen Richtungen einen bestimmten Charakter erhielten. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 243 Diese Resultate habe ich kurz in einer vorläufigen Mittei- lung veröffentlicht (21). Jetzt werde ich dieselben ergänzen und ausführlicher darstellen, indem ich die Absicht habe auch solche Eigentümlichkeiten der normalen Entwickelung zu zeigen, welche früher nicht angegeben worden sind. Das Material. Die Experimente wurden im Winter teil- weise im Dezember und hauptsächlich im Januar gemacht. Es waren im ganzen 34 Eier, von denen elf, welche vom hinteren Ende lackiert waren, bei einer normalen Temperatur bebrütet wurden (gegen 37!/,° C.); die übrigen auf dieselbe Weise lackierten Eier bebrütete man bei einer bis42° und manchmal bis 44° C. erhöhten Temperatur. Es istschon gesagt worden, dass bei einernormalen Temperatur die Lackierung besonders in den ersten Entwickelungsstunden keinen wesentlichen Einfluss übt. Diesen Faktor kann man jedoch in keinem Falle in den angegebenen Bedingungen als einen sanz neutralen anerkennen; man erhielt Abweichungen, doch in verhältnismässig geringer Anzahl und mit einem ungenügend bestimmten Charakter. Bei diesen Bedingungen eben erhielt man das seltene Präparat einer doppelten Keimscheibe, welche ich in meiner kleinen Mitteilung mit einigen Worten erwähnt habe (22). Einige Eier wurden der Kontrolle wegen länger (ungefähr zwei Tage) bebrütet, wobei es sich erwies, dass die Entwickelung in diesen Fällen eine normale war. Dieser Umstand veranlasst in den ferneren Experimenten die Temperatur bei den übrigen gleichen Bedingungen bedeutend zu erhöhen, da augenscheinlich der schwache Einfluss der Lackierung sich durch einen verhältnis- mässig langsamen und ungenügend intensiven Wuchs erklärt: bei der schwachen Spannung der Lebensvorgänge wurde der Mangel an Luft seitens des hinteren Endes durch dessen freien Zutritt von vorne genügend kompensiert. ” DA44 PAUL MITROPHANOW, Bei einer erhöhten Temperatur entwickelte sich eigentlich keines von den 23 Eiern normal und bei den verschiedenen Anomalien in diesem und jenem Falle beobachtete man fast überall eine anormale Lage des Keimes, wobei in der bedeutenden Mehrzahl der Fälle die Abweichungen einen bestimmten Charakter hatten. Da man hauptsächlich die Absicht hatte, den hemmenden Einfluss der Lackierung auf die Bildung des hellen Fruchthofes und des Primitivstreifens zu bestimmen, so wurde die Mehrzahl der Eier in der Periode vom Anfang seiner Bildung bis zu dessen Umwandlung in die Primitivrinne und der Erscheinung des Kopffortsatzes geöffnet; jedoch wurden auch die in den ersten Stunden stattfindenden Vorbereitungsvorgänge beachtet. Mit deren Beschreibung werden wir unsere Darstellung beginnen. Resultate der Experimente. 1. Während der ersten Stunde beobachtet man keine sichtbaren Veränderungen, ausser einem stärkeren Wachstum; nach einer '/, Stunde vergrösserte sich die Keimscheibe bei einer Temperatur von 41° C bis. 45 mm!) im Durchmesser; es ist klar, dass dieselbe dem normalen Wuchse vorangeeilt ist, da die genannte Grösse beispielweise fünf Entwickelungsstunden entspricht. Dessen unge- achtet, hat die Keimscheibe einen sehr elementaren Charakter; man sieht aus den Schnitten, dass die Elemente in einigen Reihen liegen und das Ektoderm sich als selbständige Schicht noch nicht abgesondert hat. Der Einfluss der erhöhten Temperatur hat sich in diesem Falle nicht so sehr in der Komplikation der Organisation, als in der Vergrösserung des Umfanges ausge- sprochen, welche eine sichtbare Folge der starken Vermehrung der Elemente war. 2. Man erhielt einen bestimmteren Charakter der Verände- rung nach einer fünfstündigen Bebrütung bei einer Temperatur 1) Im frischen Zustande; auf dem Präparate im Kanadabalsam etwas mehr als 4 mm. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 245 von 41—42°C. (Taf. XX, Fig. 9.) Die Keimscheibe hatte einen Durchmesser von 5 mm (in Kanadabalsam); der Durchmesser des hellen Fruchthofes betrug dabei gegen 25 mm. Der Kopf- rand wurde noch im Ei vermittelst eines Nadelstiches bezeichnet. Seitens dieses Randes war der helle Fruchthof im frischen Zustande auf dem Dotter miteiner hellen Sichel bestimmt, während näher zum hinteren Rande ein weisslicher Flecken hervortrat, welcher bei einer gewissen Neigung für die Axialplatte ange- nommen werden konnte. Beim Studieren des Präparates nach der Färbung, im Kanadabalsam, veränderte sich das Bild etwas. Erstens sonderte sich der hintere Rand der Keimscheibe, welcher breiter als der vordere ist, vom hellen Fruchthof gänzlich ab, weil an dieser Stelle das Dotterentoderm absteht und sich während des Präparierens als etwas zerrissen erwies. Über- haupt sind infolge einiger ganz äusserlicher Veränderungen im Dotterentoderm die Umrisse des hellen Fruchthofes sehr scharf geworden. Zweitens zeigte sich in der Mitte des hellen Fruchthofes, näher zum Kopfende eine mit einem Ringe begrenzte Verdiekung, dessen Umrisse vorne und von den Seiten in einen anderen äusseren Ring übergehen, welcher schwächer ausge- drückt war, jedoch stellenweise von den Elementen des von unten angeklebten Dotters scharf hervortrat.!) Die Entfernung vom Centrum der mittleren Verdickung bis zum vorderen Rande des hellen Fruchthofes betrug 1,5 mm. Die Schnitte durch diese Scheibe zeigten, dass die komplizierte Zeichnung, welche man auf dem Flächenpräparat beobachtet, ganz von den durchschimmernden Dotterelementen abhängt, im I!) Dieses Präparat benutzte ich als Original für die Fig. 1 in meiner Mitteilung: Teratogenetische Studien, II, Archiv für Entwickelungsmechanik, Bd. VI. Bei dessen Darstellung wurde nicht beachtet, dass gerade seitens des Kopfrandes sich die sogenannte Sichel Kollers befindet, welche in diesem Falle ihre Erscheinung ausschliesslich äusseren Umständen verdankt. Die er- wähnte Zeichnung wurde also infolge eines Fehlers umgekehrt dargestellt, was jedoch in der genannten Arbeit von keiner Bedeutung war. 246 PAUL MITROPHANOW, Ektoderm selbst hat sich aber wirklich die mittlere Verdickung bestimmt, welche das Maximum ihrer Dicke im mittleren Kreis- chen hat. Die Schnitte wurden der Länge nach gemacht; darunter wurden die mittleren gewählt, wo das Ektoderm am dieksten ist, und auf diesen Schnitten hat das Ektoderm beim vorderen Rande eine Dicke von 17 «, näher zum hinteren eine von 23 « und im Centrum eine von 34 u (Taf. XN, Fig. 9). Im allgemeinen also weicht dieses Ei weder in der Form noch in den Details der Differenzierung von der normalen Entwickelung ab. Man kann hier nur bemerken, dass die grösste Dicke des Ektoderms im Oentrum der gemeinschaftlichen ektodermalen Verdickung mit dem Centrum der Keimscheibe selbst nicht zusammentrifft, sondern etwas vor derselben liegt. Seine Grösse übertrifft verhältnismässig die der normalen Ent- wickelung. 3. Das folgende Stadium in dieser Serie bietet ein Ei, dessen hintere Hälfte mit Lack bedeckt, welches jedoch 7 Stunden bei einer normalen Temperatur bebrütet wurde (Taf. XX, Fig. 10). Der Durchmesser der Keimscheibe auf dem Dotter betrug unge- fähr 5,5 mm, und auf dem Präparate im Kanadabalsam 45 mm (ohne den freien Ektodermrand). Die Scheibe ist etwas nach der Längsachse ausgedehnt; in ihrer Mitte tritt bei der Beob- achtung in toto ein Üentralkreischen etwas excentrisch nach vorn hervor, wobei der vordere Rand des dunklen Fruchthofes etwas enger als der hintere ist; das dunkle Inselchen in der Mitte wird durch den angeklebten Dotter bedingt; der Rand der Keimscheibe ist vakuolisiert. Auf den Längsschnitten erwies sich keine spezielle Differen- zierung im Ektoderm, ausser der gemeinschaftlichen Verdiekung in der Mitte, deren normale Dicke 35 u beträgt, und die allmählich dünner wird, je näher zum dunklen Fruchthofe, wo das Ektoderm von allen Seiten ungefähr zweimal dünner ist. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 247 4. Eine ähnlicheandere Keimscheibe hatte nach 7'/, Stunden bei denselben Bedingungen nach der Konversation einen Durch- messer von 4,75 mm; ihre ektodermale Verdickung jedoch erreichte im Centrum nur 25 u; diese Keimscheibe ist folglich nicht im Wachstum sondern im Grad der Entwickelung zurück- geblieben und war überhaupt, indem sie stellenweise Falten bildete, anormal. Aus diesen zwei Beispielen kann man glauben, dass die Lackierung des Eies ohne seinen Wuchs zurückzuhalten, darin stellenweise unbedeutende Anomalien, wie zum Beispiel die Vakuolisation des Dotters, die Faltenbildung bei einer verhält- nismässig geringeren Dicke des Ektoderms hervorruft; dieser letzte Umstand deutet darauf, dass das Wachstum in diesem Falle, welches die Vergrösserung in der Fläche und nicht in der Dicke bedingt, nur eine andere Richtung genommen hat. 5. Die erhöhte Temperatur auf dieser Entwickelungsstufe ruft auch keine grossen Veränderungen hervor, wie man aus folgendem Beispiele sieht: das Ei wurde während 73/, Stunden bei einer Temperatur von 42° Ö. bebrütet (Taf. XX, Fig. 11). Die Keimscheibe im Kanadabalsam hat einen Durchmesser von nicht ganz 5 mm; der helle Fruchthof von ungefähr 325 mm. Der Kopfrand war mit einem Stiche bezeichnet. Der verdiekte Theil des hellen Fruchthofes nähert sich mehr dem breiten hinteren Rande des dunklen Fruchthofes und auf der Grenze gegen diesen letzteren ist ein Streifen, welchen man nach Belieben für Kollers Sichel annehmen könnte. Die Entfern- ung vom Centrum der ektodermalen Verdickung bis zur vorderen Grenze des hellen Fruchthofes beträgt ungefähr 2 mm. (Eine genaue Ausmessung kann nicht gegeben werden, da die Grenze nicht scharf ist.) Leider erhielt man keine Schnitte aus dieser Scheibe, da sie während der vorläufigen Manipulationen verdarb; doch erhielt man solche von einer anderen Keimscheibe, welche 248 PAUL MITROPHANOW, zu derselben Zeit und bei denselben Bedingungen acht Stunden lang bebrütet wurde. 6. Der Durchmesser der etwas ausgedehnten Scheibe ohne den freien Ektodermrand beträgt 5 mm; der des hellen Frucht- hofes gegen 2 mm; der dunkle Fruchthof ist vakuolisiert. Da die Scheibe mit einer Dotterschicht abgenommen wurde, so bemerkte man keine äussere Differenzierung. Es erwies sich auf den Längsschnitten, dass der Keim eine verhältnismässig frühe Entwickelungsstufe bietet, welche sich doch schon in der Bildung der mittleren ektodermalen, die Norm (55 u) erreicht habenden und von allen Seiten mit einem dünnen Ektoderm (17 u) umringten Verdickung ausgedrückt hat. Der Primitiv- streifen ist gar nicht vorhanden; das Ektoderm des hellen Fruchthofes ist sowohl vornen wie hinten frei von Dotterento- derm: doch berührt das Dotterentoderm es ziemlich eng in der Mitte der Keimscheibe, wo man seine grösste Dicke beobachtet. Vielleicht ist das nur das Resultat mechanischer Bedingungen, da der dickste Teil des Ektoderms mehr nach der Seite des Entoderms sich richtet; bei der geringen Entwickelung an dieser Stelle der subgerminalen Höhle muss sie natürlich seitens des Dotters auf ein Hindernis stossen und klebt sich deshalb fester ans Entoderm. Andererseits kann die Thatsache der gewissermassen gewaltsamen Berührung zweier Zellschichten an dieser Stelle vermittelst des Reizes ihre grösste Entwickelung her- vorrufen. 7. Auch nach 8 Stunden und bei einer "l'emperatur von 42°C. erhielt man eine Keimscheibe mit folgenden Eigentüm- lichkeiten der Entwickelung. Aus den den Schnitten entnommenen Ausmessungen beträgt der Durchmesser der Keimscheibe 3,5 mm, der des hellen Fruchthofes 2 mm; der dunkle Fruchthof ist vorne 0,7 mm, hinten 0,8 mm breit und viel dicker als vorne. Das Ektoderm hat einen epithelialen Charakter erworben; das Dotterentoderm hat die Form einer Platte und dazwischen sind Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 249 Dotterkugeln. Die grösste Dicke des Entoderms beträgt im Centrum 27 u, längs dem hinteren Rande des hellen Frucht- hofes 17 u und längs dem vorderen 20 u. Diese Keimscheibe zeigt sicher ein Zurückbleiben der Ent- wicekelung sowohl in der allgemeinen Grösse, wie auch im Grade der Komplikation, doch ist ihr Ektoderm sehr ansehnlich ge- wachsen, da der grösste Durchmesser der Keimscheibe samt dem freien Ektodermrande nach den Flächenausmessungen 8 mm und der kleinere 6,5 mm erreichte. 8 Nach 9 Bebrütungsstunden bei einer Temperatur von 41—42° C. erwiesen sich wesentliche Veränderungen. Der Durchmesser der Keimscheibe betrug 5 mm, der des hellen Fruchthofes ungefähr 2 mm, wobei letzterer unbestimmte Umrisse hatte, da das Blastoderm bei der Bearbeitung (?) grosse Falten bildete. Diese Falten, wie man das später aus den Schnitten sah, sind so gross, dass es kaum möglich ist hier nur die un- günstige Wirkung der Reaktive anzunehmen, um so mehr als sich dieselbe auf anderen Präparaten nicht äusserte. Eher findet hier ein ungemeines Wachstum des Centralteiles des Blastoderms statt, welches bei dem begrenzten Wachstum vor der Peripherie diese Falten eben gebildet hat. Da dieselben sich vorne, hinten und an den Seiten befinden, so erscheint der ganze helle Fruchthof wie von einem Graben umgeben, hinter welchem der dunkle Fruchthof einen Wall bildet. Schon bei der Beobachtung des Flächenpräparates in toto bemerkte man, dassim hellen Fruchthof vorne, von einem Rande in der Richtung zum Centrum eine zergliederte Verdickung hervortritt. Es erwies sich auf den Sagittalschnitten, dass das Ektoderm überhaupt keine gemeinschaftliche, klar ausgedrückte Verdiekung bietet; seine Dicke erreicht nur 25 «; doch im mittleren Gebiete und seitens des vorderen Randes vergrössert es sich auf einmal bis 35 und 60 «. Die Schnitte zeigen, dass sich hier eine mit dem Primitivstreifen identische Bildung be- 250 PAUL MITROPHANOW, findet, welche gegen 0,8 mm lang ist und von den Grenzen des hellen Fruchthofes vorne auf 0,4 mm und hinten auf 0,5 mm absteht (Taf. XXI, Fig. 6). Ausserdem beobachtet man im vorderen Teile dieses Primitivstreifens eine Einstülpung. Näher zu einem Rande des hellen Fruchthofes setzt sich die Verdickung des vorderen Ende des Streifens bis zur Grenze des hellen Frucht- hofes fort, wobei man darin auch hier kleine rinnenförmige Einstülpungen bemerkt, welche augenscheinlich einen zufälligen Charakter haben. Das Interesse dieses Präparates besteht hauptsächlich darin, dass man die dem Primitivstreifen entsprechende Bildung von der Seite des vorderen Randes beobachtet. Es kann hier kein Fehler sein, da die Keimscheibe erstens beim Öffnen des Eies orientiert wurde; mit einem Nadelstiche bezeichnete man den vorderen Rand des dunklen Fruchthofes; zweitens lässt der Charakter des vorderen und des hinteren Randes des dunklen Fruchthofes keinen ihre Natur betreffenden Zweifel. Ausser der unten ausgeführten Zeichnung (Taf. XXI, Fig. 6) entstehen die Eigentümlichkeiten dieser Scheibe aus dem kombinierten Studium aller mittleren Schnitte. 9. Die Temperatur über 42°C. erweist augenscheinlich eine zurückhaltende Wirkung. Auch nach 9 Bebrütungsstunden, aber bei einer Temperatur von 41—44° C. erhielt man eine Keim- scheibe mit einem Durchmesser von nur 4 mm (im Kanada- balsam) bei einem hellen Fruchthof von ungefähr 2 mm. Die mittlere Verdickung war durch unregelmässige Umrisse bestimmt (Taf. XX, Fig. 12) und hatte die Norm nicht erreicht, indem sie eine Dicke von nur 27 u besass. Von einer Seite und von vorne bemerkte man kleine Falten. 10. Eine etwas weiter fortgeschrittene Entwickelungsstufe sehen wir auch nach 11 Bebrütungsstunden bei einer Temperatur von 40—42° C.;, der Durchmesser der etwas ausgedehnten Keim- scheibe betrug das kleinere 4,0 und das grössere 4,5 mm. Bei Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 251 der Beobachtung von der Oberfläche in toto sah man keine be- sondere Differenzierung, ausser einer gemeinschaftlichen Ver- diekung, welche etwas näher dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes liegt. Die Sagittalschnitte haben diese Diagnose vollkommen ge- rechtfertigt, die Verdickung ist verhältnismässig schwach ausge- drückt (gegen 25 «) und erreicht nur näher dem hinteren Rande und auf einer kleinen Strecke die für diese Entwickelungsstufe gewöhnliche Norm, d. i. 35 «. Vor dem dunklen Fruchthof verminderte sich die Dicke des Ektoderms vorne bis 15 u hinten bis 17 u. In der allgemeinen Entwickelung hat sich die Keimscheibe verspätet. Durch die angegebenen Beispiele werden die Vorberei- tungsvorgänge, welche dem in dieser Experimentenserie im Vergleich mit der Norm verspäteten Erscheinen des Primitiv- streifens vorangehen, ausreichend bestimmt. Der allgemeine Charakter der Komplikationen entspricht vollständig dem nor- malen, doch wird der hemmende Einfluss der Lackierung und der erhöhten Temperatur augenscheinlich. Derselbe äussert sich auch in der Form des hellen Fruchthofes, welcher bis dahin sein primitives Aussehen behalten hat, während bei der normalen Entwickelung sein hinteres Ende sich schon nach 7 Ent- wickelungsstunden ausdehnt. Das Erscheinen des Primitivstreifens trifft in diesem Falle nicht mit der Dauer der Entwickelung zusammen; man be- obachtete seine ersten Spuren, wenn wir einstweilen den oben beschriebenen Fall der anormalen Entwickelung des Primitiv- streifens im vorderen Teile des hellen Fruchthofes beiseite lassen (S. 249), nach 13 Stunden, während entwickeltere Stadien schon nach 10 Stunden erhalten wurden. Deshalb werden wir in unserer künftigen Darstellung die Reihe nicht sowohl nach der Bebrütungszeit, als nach dem Grade der Entwickelung aufstellen. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft. (12. Bd., H. 2.) 17 252 PAUL MITROPHANOW, 1l. Das Ei wurde 13 Stunden bei einer Temperatur von 40—42° C. bebrütet; die Lage des Keimes ist unregelmässig mit der Abweichung des Kopfendes nach rechts. Der dunkle Fruchthof der Keimscheibe hat einen Durchmesser von 5 mm, der des hellen 3 mm. Der vordere Rand des dunklen Fruchthofes verhält sich in seiner Breite zum hinteren, wie 5:7. Der helle Fruchthof (Taf. XXII, Phot. 3; Textfig. 5) ist in der m en AP. a, nr ca Fig. 5. Schema der Phot. 3, Taf. XXII. Die Punktirlinie bezeichnet die Grenze zwischen Area pellucida (a. p.) und Area opaca (a. 0.); c. a. Vorderer Sichel; e ektodermale Verdickung; 1. p. axiale Verdickung er elben — Primitivstreifen. zur normalen Achse des Embryos einen Winkel von 30° bilden- den Richtung etwas ausgedehnt; in derselben Richtung bemerkt man darin Spuren der primitiven Differenzierung des Keimes: die vordere Sichel, welche die mittlere ektodermale Verdickung halb begrenzt, und in der letzten einen mehr sichtbaren mittleren Knoten und kaudalwärts eine kaum sichtbare axiale Verdickung. Das Centrum des erwähnten Knotens steht vom vorderen Rande des hellen Fruchthofes auf 1!/s mm, und vom hinteren auf 1?/smm ab. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 253 Man kann aus den Schnitten in der Richtung der Axial- verdickung, welche hier am stärksten ausgeprägt ist (35 «), den Schluss ziehen, dass trotz der grossen Anzahl der Bebrütungs- stunden, die beschriebene Keimscheibe eine frühe Entwickelungs- stufe bietet. Die sogenannte vordere Sichel ist hier schwach ausgedrückt, denn die Elemente des Dotterentoderms sind hier nicht zahlreich; auch die axiale Verdickung, welche einen schwachen Keim des Primitivstreifens bietet, ist nicht klar genug ausgedrückt, obgleich rings umher das Ektoderm dünner ist (gegen 20 u). 12. Das Ei wurde 12 Stunden bei einer Temperatur von 40 — 42° C. bebrütet. Die Lage des Keimes ist unregelmässig, mit einer starken Abweichung des Kopiendes nach rechts. Die Keimscheibe hat eine regelmässige runde Form und einen Durchmesser von 4,5 mm; der helle Fruchthof 24 mm. Der hintere Rand des dunklen Fruchthofes, trotz der starken Abweich- ung des Keimes nach rechts ist fast zweimal breiter als der vordere. Dieser Umstand verdient deshalb Beachtung, weil die Differenzierung des hellen Fruchthofes in diesem Falle von der äusseren Organisation der Keimscheibe unabhängig zu sein scheint. Im hellen Fruchthofe unterscheidet man klar bei der Beobachtung in toto (Taf. XXII, Phot. 4, Textfig. 6) die ekto- dermale Verdickung, etwas näher seinem hinteren Rande, darüber die vordere Sichel (croissant anterieur, Duval) und zu derselben radial, in einer Entfernung von 1 mm vom vorderen Rande des hellen Fruchthofes schimmert schwach der Primitivstreifen durch, dessen unregelmässige Umrisse durch die unten angeklebten Dotterelemente schärfer hervortreten. Die Achse des genannten Streifens weicht von der des Körpers, wie sich dieselbe im Ei bestimmt, auf ungefähr 60 Grad ab (Textfigur 7). Folglich, während die Gliederung der Keim- scheibe in den hellen und den dunklen Fruchthof infolge allgemeiner Bedingungen regelmässig stattgefunden hat, erhielt 17 | PAUL MITROPHANOW, Fig. 6. Schema der Phot. 4, Taf. XXII. a. p. Konturen der Area pellucida; c. a. vordere Sichel; 1. p. Primitivstreifen; e. ektodermale Verdickung. Die Linie AP, bezeichnet die Lage des Schnittes deren Teil, welcher dem Inseichen a entspricht, auf der Textfigur 8 dargestellt ist. Rigs27. Schema, welches die Abweichung der Keimesachse (B) im hellen Fruchthof von der normalen Embryoachse im Ei (A) darstellt, nach dem Präparate, welches auf der Phot. 4, Taf. XXII auf- genommen ist. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 255 die Achse des künftigen Embryos unter der Wirkung gewisser Faktoren (in diesem Falle konnte die Lackierung des hinteren Endes ihren Einfluss üben) eine andere Richtung. Ausserdem deutet in diesem Falle der schwach ausgedrückte Primitivstreifen auf die Verspätung der Entwickelung, obgleich man das eigentlich nach der Erscheinung der vorderen Sichel nicht sagen könnte. ‘Man kann denken, dass der Mangel an Entwickelung in einer Richtung auch als Resultat jener ausschliesslichen Bedingungen erscheint, bei welchen hier die Entwickelung statt fand. Es erweist sich aus den Schnitten der Keimscheibe längs des gezeigten Streifens, dass das Ektoderm in seinem Gebiete Fig. 8. Ein Teil des medianen Längsschnittes (Textfig. 6, a) von der Keimscheibe, welche auf der Phot. 4, Taf. XXI! aufgenommen Iıst. ‚e verdicktes Inselchen des Ektoderms mit dem sich vermehrenden Zellen, was man nach den mitotischen Figuren sieht; en Dotterentodermelemente. einige Eigentümlichkeiten bietet. Man beobachtet die grösste Dicke des Ektoderms im Centrum der Verdickung, zwischen dem vorderen Ende des Streifens und der sogenannten vorderen Sichel (32 «); von hier vermindert dieselbe sich allmählich zur Peripherie. Nur im hinteren Ende des Streifens, ungefähr in einer Entfernung von '/;, mm von der hinteren Grenze des hellen Fruchthofes tritt im Ektoderm ein verdicktes Inselchen hervor und wird auf einigen Schnitten beobachtet, welches in das hier als ununterbrochene Schicht anliegende Dotter- entoderm hereintritt (Textfig. 8); seine Länge beträgt ungefähr 0,1 mm, und die Dicke bis 40 u; das unmittelbar anliegende Ektoderm hat eine Dicke von 17—20 u. Der Lage nach 256 PAUL MITROPHANOW, entspricht diesem Inselchen auf der Photographie nur das hinterste und kleinste von den drei, durch welche der Streifen aussen dargestellt wird (Textfig. 6, a). Das Inselchen verdankt seine Bildung der Vermehrung der ektodermalen Zellen, was durch die darin zahlreichen karyokinetischen Figuren bewiesen wird (Textfig. 8) J Man sieht auch aus den folgenden Schnitten, dass das Ektoderm etwas nach vorne, d.h. näher dem Centrum des hellen Fruchthofes, auf einer gewissen Strecke stellenweise bis 40-45 u verdickt ist; nur haben hier diese Verdickungen keine bestimmten Umrisse; augenscheinlich entsprechen sie, wenigstens teilweise, den zwei anderen Inselchen, welche den Streifen von aussen bestimmen. Alle diese Verdickungen zu- sammengenommen bieten unzweifelhaft einen etwas veränderten Primitivstreifen, welcher, wenn auch schwach und unbestimmt ausgeprägt, doch auf dem Flächenpräparate von den davon anliegenden Dotterelementen schärfer hervortrat. (Tafel XXI, Phot. 4). 13. Das Ei wurde 10 Stunden lang bei einer Temperatur von 41°C. bebrütet und in den Inkubator drei Stunden, nach- dem es abgelegt worden war, eingeschlossen. Die Keimscheibe ist längs der Achse des Körpers ausgedehnt; im Kanadabalsam beträgt ihre Länge 5,5 mm; die des hellen Fruchthofes 3 mm, die Breite etwas weniger (Taf. XXIVXXII, 5; Textfig. 9). In ihrem vorderen Teile bemerkt man eine scheibenförmige Ver- diekung des Ektoderms, von ungefähr 1,5 mm im Durchmesser; vorne erreicht diese Verdickung fast die Grenze des hellen Frucht- hofes, folglich steht ihr Centrum von dieser Grenze auf unge- fähr 1 mm ab; hinten aber, wo die Verdickung etwas ausge- dehnt ist, bietet der helle Fruchthof auf einer Strecke von mehr als 1 mm gar keine Differenzierung. Vorne tritt deutlich die vordere Sichel hervor. Der Primitivstreifen, als Resultat der Differenzierung des Ektoderms, ist verhältnismässig schwach ausgedrückt und liegt zur vorderen Sichel radial; hinten, vom Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 287 Rande der ektodermalen Verdickung und bis zu ihrer Mitte, verstärken sich die Umrisse des Streifens teilweise durch die unter dieser Stelle angehäuften Dotterelemente; deshalb eben bemerkte man beim Abnehmen der Scheibe, dass im Gebiete des Streifens die Verbindung mit dem Dotter fester war, als ringsum, vielleicht eine solche, wie auf den Keimwall. Fig. 9. Schema der Phot. 5, Taf. XXIVXXIN. e. ektodermale Verdickung; c. a. vordere Sichel; 1. p. Primitivstreifen; a. p. Konturen von Area pellucida. Es erwies sich aus den Längsschnitten, dass die Sichel ihre Bildung der Anhäufung der Zellenelemente zwischen dem Ektoderm und dem Dotterentoderm verdankt; ebenfalls sind diese Elemente unter dem Primitivstreifen angehäuft, welcher den am meisten ausgeprägten Axialteil der gemeinschaftlichen ektodermalen, in ihrem Centralteil eine Dicke von 35 u habenden Verdickung bietet; beim hinteren Rande des hellen Fruchthofes hat das Ektoderm nur 15 «, beim vorderen gegen 20 u. Im 258 PAUL MITROPHANOW, Gebiete des Primitivstreifens liegt das Dotterentoderm besonders eng am Ektoderm, dessen Elemente, bei einer wenig auffallenden Dicke an dieser Stelle kompakt liegen. Beide soeben beschriebene Keimscheiben (12 und 13) bieten viel Gemeinschaftliches. Die erstere (Taf. XXII, Phot. 4) war trotz der längeren Bebrütung (12 Stunden) viel kleiner, doch in der inneren Differenzierung wenig zurückgeblieben. Der Primitivstreifen bietet in beiden Fällen ein Resultat der Veränderung der mittleren ektodermalen Verdiekung und hat in der zweiten Keimscheibe (Taf. XXII/XXIIL, Phot. 5) einen für das Huhn mehr normalen Charakter, da es auf seiner ganzen Aus- dehnung schwach, aber gleichmässig ausgedrückt ist; während derselbe in der ersten Scheibe in der Form von Inselchen her- vortritt. Diese letzte Art ihrer Bildung, als eine mehr allge- meine Erscheinung betrachtet, kann eine entfernte Ähnlichkeit mit der Bildung des Hensenschen Knotens bei den Säuge- tieren bieten, und ist deshalb in unserer Experimentenserie von besonderer Bedeutung. 14. Jedoch nicht immer drücken sich die ferneren Kompli- kationen zugleich mit der Vergrösserung der Keimscheibe, durch das Erscheinen des Primitivstreifens im Gebiete der mittleren Verdickung aus. Das Ei wurde 12!/, Stunden lang bei einer Temperatur von 41° C. bebrütet. Die Lage des Keimes war normal; der Durchmesser der Keimscheibe (nach den Ausmessungen im Ei) betrug bis 7” mm, der des hellen Fruchthofes ungefähr 3,5 mm; der freie Ektodermrand ist sehr bedeutend. Alle diese Angaben deuten auf das bedeutende Wachstum der Keimscheibe in der Grundfläche hin, was man keinesfalls hinsichtlich seiner Entwiekelung in die Dicke sagen kann. Beim Studieren auf dem Dotter und ebenfalls auf den kolorierten Präparaten im Kanadabalsam konnte man im hellen Fruchthofe keine bestimmte Differenzierung angeben, welche für den Primitivstreifen angenommen werden könnte; man Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 259 bemerkte nur eine unbestimmte Verdickung näher dem hinteren Rande des Fruchthofes. Die Schnitte zeigten, dass die ektodermale Verdickung hier schwach ausgedrückt ist: längs dem Rande betrug ihre Dicke 16 u. und im Centrum nur 22 w; näher zum hinteren (?) Rande jedoch erreichte sie 30 u, indem sie hier eine Art Inselchen, von 0,35 mm im Durchmesser bildete. Die grösste Dicke dieses Inselchens ist längs seinem vorderen Rande, während dasselbe hinten allmählich dünner wird. Ein wirklicher Primitivstreifen hat sich also hier nicht gebildet, und die Sache begrenzte sich nur mit einer lokalen kleinen Verdiekung des Ektoderms, mit einem gleichzeitig bedeutenden oberflächlichen Wachstum des ganzen Keimes. Da die Keimscheibe dazu ihre ganze Energie verwendet hat, liess sie den Ausgangsmoment für die ferneren normalen Komplikationen vorbeigehen und musste in der Ent- wickelung zurückbleiben. 15. Die mittlere ektodermale Verdickung, welche die gewöhn- liche Stärke nicht erreicht, aber gleichzeitig auf der Grundfläche übermässig wächst, stört die regelmässige Bildung des hellen Fruchthofes und ist nur die Grundursache ausschliesslicher Er- scheinungen, wie man es auf der Keimscheibe nach 14 Brü- tungsstunden bei einer Temperatur von 41 — 44° ©. beobachtete.) In ihrem hellen Fruchthof von etwa 45 mm im Durch- messer bemerkt man ausser der mittleren Verdickung drei Falten; die eine befindet sich am hintersten Rande des hellen Frucht- hofes in radialer Richtung, indem sie ungefähr auf einen halben Radius vom Centrum beginnt und auf ebensoviel sich hinter den Rand des hellen Fruchthofes fortsetzt; die andere, welche der ersten parallel ist, liegt ihr zur Rechten und teilt fast auf 1\ Diese Keimscheibe beschrieb ich kurz in einer vorläufigen (in russischer Sprache) Mitteilung (22), welche hier teilweise wiederholt wird; da jedoch die- selbe ganz eigentümliche Besonderheiten der detaillierten Struktur bietet, so verdient sie ein ausführlicheres Studium, welches ich in kurzem darzustellen hoffe. 260 PAUL MITROPHANOW, zwei gleiche Hälften in der Längenrichtung die entsprechende Hälfte des hellen Fruchthofes; diese Falte ist tiefer, ihre Ränder kommen fast in der Mitte zusammen und gehen hinten etwas auseinander; endlich liegt die dritte Falte, welche fast so lang wie die zweite ist, links in einem spitzen Winkel zu ihr, längs dem Rande des hellen Fruchthofes, worin man eigentlich nur ihr vorderes Ende sieht. Der Charakter aller dieser Falten ist solcher Art, dass es leicht ist, darin die Natur der Primitivrinnen zu erkennen. Das Erscheinen dieser Anomalie kann auf folgende Weise erklärt werden. Die Lackierung der hinteren Hälfte des Eies hat die un- regelmässige Form des hellen Fruchthofes bestimmt, welcher sich im allgemeinen, ohne den ausgedehnten hinteren Rand, eınem Kreis nähert. Die erhöhte Temperatur hat den beschleu- nigten Wuchs der embryonalen Elemente hervorgerufen, wes- halb die verhältnismässig schwache, aber fast ununterbrochene Verdickung des Ektoderms im Gebiete des hellen Fruchthofes erschien. Die wiederholte Vermehrung der Elemente im Gebiete des hellen Fruchthofes, welche durch den allgemeinen Wuchs des Blastoderms im genügenden Grade nicht begleitet wurde, führte zur Bildung der oben beschriebenen ektodermalen Falten. Die durch diese Erscheinung hervorgerufene Umgruppierung der Elemente in den primitiven Keimblättern entfernte ganz den für die fernere normale Entwickelung wesentlichsten Akt der Erschein- ung eines Primitivstreifens in der mittleren Verdickung, welche in diesem Falle nur 25 « beträgt. Die beiden soeben beschriebenen Scheiben (14 und 15) bieten also Beispiele von Abweichungen eben infolge des Mangels an Entwickelung in der mittleren ektodermalen Verdickung, welche den Ausgangspunkt für weitere normale Komplikationen bietet; das bedeutende oberflächliche Wachstum, wie auch die Bildung der ektodermalen Falten erscheinen als das Resultat des Wuchses, welcher eine der normalen fremde Richtung erhalten hat. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 261 16. Das Ei befand sich !,2 Stunde im Inkubator, gleich nach- dem es gelegt worden war; dann wurde seine hintere Hälfte lackiert, und man legte es wieder zur Bebrütung, welche im ganzen bei einer normalen Temperatur 11?/ı Stunden fortdauerte. Beim Öffnen erwies sich die Lage des Keimes anormal. Die Umrisse der Keimscheibe sind unregelmässig;; ihr grösster Durchmesser beträgt 8,5 mm; der des hellen Fruchthofes bis 3,5 mm; ihre Form ist auch unregelmässig. Die mittlere Ver- dickung des Ektoderms hat etwa 2,5 mm im Durchmesser und ist von allen Seiten von einer hellen Zone umgeben, welche dieselbe vom dunklen Fruchthofe abgrenzt; in der vorderen Hälfte der Verdickung und längs ilırer Achse beobachtet man den Keim des Primitivstreifens. Beim Öffnen des Eies in der natürlichen Lage (d. h. mit der Luftkammer nach links) bemerkte man diesen Keim im: niederen und rechten Ende des hellen Frucht- hofes. Die Entfernung des Primitivstreifens vom vorderen Rande des hellen Fruchthofes ist etwas weniger als 1 mm; seine Länge 3/ı mm; die Entfernung vom hinteren Rande des hellen Frucht- hofes mehr als 1!» mm. Ich habe in meiner vorläufigen Mit- teilung (21; Taf. V, Fig. 4) eine Skizze dieses Präparats gegeben; doch sind darin kleine Unpünktlichkeiten hinsichtlich der Grösse und einiger Details damals nicht beachtet worden; jetzt führe ich für den hellen Fruchthof eine genauere Zeichnung an (Taf. XIX/XX, Fig. 8). Die Differenzierung, welche man auf dem Präparate hinter dem Primitivstreifen beobachtete, wurde an dieser Stelle durch die Anhäufung des Dotters unter der Keimscheibe be- dingt. Alles, was man im hinteren Teile des hellen Fruchthofes bemerken kann, ist eine kleine, fast gar nicht begrenzte Ver- dickung des Ektoderms. Die Sagittalschnitte, welche hinsichtlich des Primitivstreifens einen Winkel bilden, zeigen, dass bestimmtere Umrisse dem vorderen Ende des Streifens eigen sind, welches zugleich die 262 PAUL MITROPHANOW, grösste Dicke 55 u besitzt; vor ihm erreicht das Ektoderm nur eine Dicke von 20 u. In der Richtung zum hinteren Ende hat der Streifen fast auf die ganze Ausdehnung dieselbe Dicke (50 «) und proliferiert mesodermale Elemente; im hinteren Ende geht er allmählich in die gemeinschaftliche ektodermale Verdickung über, welche hier eine normale Dicke von 34 u hat. Auf diesem Präparate ist der Umstand bemerkenswert, dass beim Vorhandensein einer typischen mittleren ektodermalen Verdickung, der Primitiv- streifen dem vorderen und nicht dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes näher gelegen ist, was am häufigsten statt- findet. Vielleicht ist das teilweise durch die angegebene normale Lage des Keimes im Ei verursacht, welche, man kann es annehmen, gewissermassen noch durch die Lackierung der hinteren Hälfte des Eies kompliziert wurde. 17. Das Ei wurde 16 Stunden bei einer Temperatur von 41 — 42°C. bebrütet. Die Keimscheibe ist etwas längs der Achse des Körpers ausgedehnt, hat einen Durchmesser von 7 mm; der helle Fruchthof hat eine Längenachse von 3,5 mm und eine Quer- achse von 2,5 mm. Die Lage des Keimes ist normal; die vordere Sichel, welche zwei Drittel des Umkreises bildet, begrenzt vorne das verdickte Gebiet des Ektoderms und umgiebt das vordere Ende des hier klar ausgeprägten Primitivstreifens, welches 1!/;, mm von der vorderen Grenze der Area pellucida absteht, 1°/, mm lang, etwas gebogen, im hinteren Ende erweitert und gleichsam etwas zerspalten ist. Der Streifen ist mit dem hinteren Ende nach links gebogen (Taf. XXIUXXIL, 6; Textfig. 10). Dieses Präparat bietet augenscheinlich die fernere Entwicke- lung der Details, welche auf den Keimscheiben nach 10—13 Brütungstunden beobachtet wurden (Taf. XXII/XXIIL, Phot. 3—5). Wie dort, so auch hier, begrenzt die vordere Sichel die vordere Grenze jenes Gebietes des Ektoderms, worin die ersten Spuren der Axialorgane des Embryos erscheinen müssen. Die anfangs Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 263 unklar ausgedrückte Verdickung dehnt sich zugleich mit dem Wachstum des hinteren Endes des hellen Fruchthofes in einen Streifen aus, welcher die hintere Grenze des letzteren lange nicht erreicht. In diesem Falle ist der Primitivstreifen scharf ausgeprägt, doch haben sich seine Spuren viel früher bestimmt: dabei ist es augenscheinlich, dass der Wuchs des hinteren Endes des Streifens der Länge nach schneller geht, als der- Fig. 10. Schema der Phot. 6, Taf. XX1YXXII. a. p. Konturen von Area pellucida; c. a. vordere Sichel; l. p. Primitivstreifen. jenige des hellen Fruchthofes in diesem Gebiete; infolge dieses Umstandes beobachtet man die Abweichung des Schwahzendes des Streifens nach links. Wir werden weiter sehen, dass eben in dieser Richtung das Biegen des Endes der Primitivrinne auch in der ferneren Entwickelung beobachtet wird. Bietet dieser Umstand einen blossen Zufall oder ist derselbe irgend welchen Gesetzen unterworfen? Die Antwort auf diese Frage ist noch nicht zu geben, doch scheint es hier kein Zufall zu sein. GA PAUL MITROPHANOW, Es wurde früher bemerkt (S. 253), dass bei der normalen Lage des Eies die Differenzierung auf den dunklen und den hellen Fruchthof regelmässig stattfindet, während man in der Bildung des Keimes eine Abweichung des Kopfendes nach rechts beobachtet (Textfig. 7). Man bemerkte auch, dass in den späteren Stadien das Kopfende des Embryos fast immer eine normale Lage hat, wie ebenfalls auf dem Präparate, welches beschrieben wird. Es findet also eine Verbesserung der Lage statt, was durch eine allmähliche Abweichung des Fig. 11. Schema für die Erklärung der Krümmung des Primitivstreifens. Die Kreisiinie stellt die Kon- turen von Area pellucida dar. A abgewichene, A’ normale Keimesachse; a. p. Primitiv- streifen im normalen — a.’ p. im gebogenen Zustande; AA‘ die Krümmungsrichtung. Keimes mit dem Kopfende nach links erreicht werden kann. Doch erhält sich augenscheinlich, während dieser Umstellung, die Richtung des Wachstumss, welche der hintere Teil des Primitivstreifens angenommen hat, weshalb derselbe sich, zugleich mit dem Längenwachstum biegt. Wie man aus dem beige- fügten Schema (Textfigur 11) sieht, versetzt sich bei diesen Bedingungen der Punkt a in a,, während der Punkt p ungefähr seine erste Lage bewahrt und durch das hintere Ende des Streifens erreicht wird, welches anfangs beim Centrum der Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 265 Scheibe liegt. Natürlich wird in diesem Fall der anfangs nur in seinem vorderen Ende dargestellte gerade Streifen ap den Charakter des krummen a’p annehmen, was man auch auf unseren soeben beschriebenen Präparaten (Taf. XXII/XXII, Fig. 6) und auf anderen beobachtet. Dies ist die eine Erklärung der Bieg- ung des Primitivstreifens; doch kann auch eine andere gegeben werden, wenn mıan beachtet, dass von der linken Seite, wohin sich das gebogene Ende des Primitivstreifens richtet, die Luft- Fig. 12. Schema der Phot. 7, Taf. XXITXXI. a. p. Konturen von Area pellucida; c. a. vorderer Sichel; l. p. Primitivstreifen, kammer liegt. Der Wuchs des Streifens findet vermittelst des hinteren Endes statt, und natürlich leichter von der Seite, wo der unentbehrliche Gaswechsel leichter ist. Ohne die Lackier- ung bietet die ganze Oberfläche des Eies die Möglichkeit zu einem solchen Wechsel; die Lackierung erschwert denselben und in unserem Falle eben hinten, während die Luftkammer denselben von links erleichtert; dahin wird sich also das wachsende Ende des Primitivstreifens richten, wäre auch die primitive Lage des Keimes normal. 266 PAUL MITROPHANOW, 18. Das auf der Phot. 7 (Taf. XXIU/XXIU; Textfig. 12) darge- stellte Präparat bietet auch die Krümmung des Primitivstreifens in der angegebenen Form. Das Ei wurde 19 Stunden bei einer Temperatur von 41—38° C. bebrütet. Die Lage des Keimes im Ei ist unregelmässig; sein Kopfende weicht ungefähr auf 100° nach rechts ab; zugleich ist das Schwanzende des Primitiv- streifens nach links, d. h. zur Luftkammer gebogen!). Die Keimscheibe hat im allgemeinen einen nicht genug entwickelten Charakter, unregelmässige Umrisse und ist ausgedehnt: der grössere Durchmesser (im Kanadabalsam) beträgt 6,5 mm; der kleinere — 5,5 mm; derjenige des hellen Fruchthofes hatte 25 und 2 mm; in seinem vorderen Gebiete trat schwach die vordere Sichel hervor. | Der Primitivstreifen ist in seinem Kopfende scharf ausge- drückt und steht vorne von der Grenze des hellen Fruchthofes auf 0,75 mm ab; er erweitert sich im Schwanzende und verliert die bestimmten Umrisse ohne die hintere Grenze des hellen Fruchthofes zu erreichen. 19. Noch schärfer sind die angegebenen Eigentümlichkeiten auf dem auf der Phot. 8 (Taf. XXII/XXIIL, Textfig. 13)?) abge- bildeten Präparate ausgesprochen. Die Bebrütung geschah unter denselben Bedingungen, wie im vorigen Fall, auch 19 Stunden, doch ist die Entwickelung weiter und vollständiger. Die Keim- scheibe hatte einen fast normalen Charakter; ihr Durchmesser betrug (im Kanadabalsam) 8 mm; der des hellen Frucht- hofes — 3,25 mm, Die Lage des Keimes ist etwas unregel- mässig; sein Kopfende weicht auf etwa 30° nach links ab, wobei der Primitivstreifen ebenso wie in den beschriebenen Fällen gebogen ist. Sein vorderes Ende, welches von der Grenze des hellen Fruchthofes auf etwa 1 mm absteht, nimmt 1) Ich habe die Skizze von dieser Keimscheibe in meiner vorläufigen Mit- teilung gegeben. (21, Taf. V, Fig. 5) 2).1. c. Tat. V, Bıeıo Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 267 das Centrum der ektodermalen Verdickung ein, die in Form einer Scheibe von ungefähr 1,5 mm im Durchmesser hervortritt. Die zwei vorderen Drittel des Primitivstreifens haben schon in diesem Falle den Charakter einer Rinne angenommen, während sein hinteres Ende, welches aus der ektodermalen Verdickung hervortritt, sich nach links biegt, wenn man dem vorderen Ende, wie auf der Phot. 8, eine axiale Lage giebt. Wenn Fig. 13. Schema der Phot. 8, Taf. XXIVXXII. a. p. Konturen von Area pellucida; ]. p. Primitivstreifen (im vorderen Ende schon Primitiv- rinne 1. p.‘); e. ektodermale Verdickung ; A. P. normale Achse des Keimes im Ei. man aber dem hinteren Ende diese axiale Lage bewahrt, wie es in diesem Fall im Eie stattfand, so erweist es sich, dass das vordere Ende nach links, dem oben angegebenen Schema gemäss (Textfig. 11), abgewichen ist. Es kann sonderbar scheinen, dass hier die Abweichung des Kopfendes von der normalen Achse des Keimes weg stattgefunden hat; vielleicht deutet auf diese Abweichung der Einfluss der Luftkammer des Eies, deren Be- deutung in unseren Experimenten sehr wesentlich ist. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft. (12. Bd, H 2.) 18 268 PAUL MITROPHANOW, Der Keim, welcher infolge dieser oder jener Ursachen die Abweichung seiner Achse nach links erhalten hat, verwandelte vielleicht deshalb nicht seine Lage in eine normale, weil für den wesentlichsten Teil des Streifens, sein vorderes Ende, die Be- dingungen infolge der Nähe der Luftkammer günstig waren, welche zugleich die Richtung des Wuchses des hinteren Endes des in diesem Falle auch nach links bedeutend gebogenen Strei- fens beeinflussen konnte. Trotz der starken Entwickelung auf diesem Präparate, der ganzen Länge nach des Primitivstreifens, erreicht sein hinteres Ende nicht die Grenze des hinten wie abgeschnittenen hellen Fruchthofes. In der ferneren Entwickelung behält die Krümmung des Primitivstreifens, eigentlich schon der Primitivrinne, den ange- gebenen Charakter, ist aber schwächer ausgedrückt. 20. Das Ei war 18 Stunden im Thermostat bei einer Tem- peratur von 41°—-42° ©. Der Durchmesser der Scheibe beträgt 95 mm, der des hellen Fruchthofes 3 mm; die Lage des Keimes im Ei ist regelmässig und die Entwickelung fand ohne grosse Ab- weichungen von der Norm statt (Taf. XXIU/XXIL, Phot. 9; Textfig. 14). Der Primitivstreifen steht vom Rande des hellen Fruchthofes vorne auf 1 mm ab; sein hinteres, schwächer ausgeprägtes Ende kreuzt, sobald es ins Gebiet des dunklen Fruchthofes gelangt eine Art sichelförmiger Verdickung, welche auf der Grenze des hellen Fruchthofes liegt. Das vordere Ende des Streifens hat sich schon in die Rinne umgewandelt und besitzt hier eine Dicke bis 75 u, während das Ektoderm, unmittelbar vor der- selben, 30 « hat. In der Schwanzrichtung wird die Rinne dünner, besteht aus locker liegenden Elementen und dehnt sich, wie gesagt, hinter die Grenze des hellen Fruchthofes aus, wobei sie vor derselben bedeutend dünner wird. Die erwähnte sichel- förmige Verdickung scheint sich nicht unmittelbar auf den Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 269 Streifen zu beziehen und bietet eine alleinstehende, ganz zufällige Erscheinung. Die Lage des vorderen Endes des Primitivstreifens bietet wieder die Eigentümlichkeit, welche auf dem vorhergehenden Präparate (19) so scharf ausgedrückt ist, nämlich die Abweichung nach links, nach der Seite der Luftkammer hin. Bei der auf Textfig. 14 gegebenen und der wirklichen entsprechenden Lage pi | Le Saucht, RER Er. SS : =: GE vr: ars ee 2 22 ar Fig. 14. Schema der Phot. 9. Taf XXIY/XXIL. a. p. Konturen von Area pellucida; ].p.’ Primitivrinne, welche mit ihrem Kopfende nach links gebogen ist; 1. p. Primitivstreifen ; a. sichelfürmiger Verdiekung längs dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes. ist das augenscheinlich; der Unterschied, im Vergleich mit dem vorhergehenden Präparat (Textfig. 13) besteht nur darin, dass ein verhältnismässig kleiner Teil des Streifens abweicht. In Verbindung mit den soeben beschriebenen Präparaten können auch andere von passendem Alter und entsprechender Entwickelungsstufe betrachtet werden. Wir werden daraus Aus- messungen entnehmen. 18 PAUL MITROPHANOW, ID I oO 21. Die Bebrütung dauerte 19!/z Stunden bei einer Tem- peratur von 39--43° C. Die Lage des Keimes ist normal. Der Durchmesser der Keimscheibe im Kanadabalsam beträgt 7 mm, der des hellen Fruchthofes 2,7 mm. Die Primitivrinne ist klar ausgedrückt und hatte eine Länge von 1,5 mm, wobei sie vorne von der Grenze des hellen Fruchthofes auf 0,6 mm absteht. Sie befindet sich in einer etwa 1,4 mm im Durchmesser be- tragenden ektodermalen Verdickung; ihr hinteres Ende ist er- weitert, geöffnet und etwas nach rechts gebogen. 32. Nach 21 Bebrütungsstunden bei einer schwankenden Temperatur von 43—41-42° C. hat der Keim seine normale Lage bewahrt. Der dunkle Fruchthof war hinten bis 15 mm breit, der freie Ektodermrand hatte dieselbe Breite, folglich war die Entwickelung der Scheibe ziemlich weit vorgeschritten'). Der Durchmesser des etwas ausgedehnten hellen Fruchthofes betrug 325 mm und 3 mm. Die Primitivrinne war 1,75 mm lang; der Durchmesser der ektodermalen Verdickung war von etwa 1,33 mm. Das vordere Ende der Primitivrinne stand vom Rande des hellen Fruchthofes auf 1,16 mm ab, während das hintere nach ıechts gebogen war. Es ist schwer zu sagen was, ausser der Zurückhaltung des Wuchses des hinteren Teiles des hellen Frucht- hofes, diese Erscheinung hervorrufen konnte. Leider wurde der Grad der Entwickelung der Luftkammer in diesem Ei nicht beachtet. 23. Das hinten lackierte Ei wurde 20!/s Stunden bei einer normalen Temperatur bebrütet. Die Entwickelung war im all- gemeinen normal, nur erwies sich die Keimscheibe längs der Achse des Körpers ausgedehnt, sein grösserer Durchmesser be- trug 9,5 mm, der kleinere 8 mm. Der helle Fruchthof war auch ausgedehnt und hatte die Ausmessungen 3,1 und 1,7 mm. Das vordere Ende der längs dem hellen Fruchthofe ausgedehnten ı) Die Grösse der Keimscheibe entsprach vielleicht in diesem Falle der des Eies, welches bedeutend grösser als das normale war. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 271 Primitivrinne stand von dessen Grenze auf 0,5 mm ab; dieses Ende bildet das Centrum der ektodermalen Verdiekung von 1 mm im Durchmesser. Die angeführten Ausmessungen bleiben auch bei der weiteren Entwickelung. 24. Nach 23 Bebrütungsstunden bei einer zwischen 44—41° 0. schwankenden Temperatur erreichte der Fruchthof 14mm (15 mm im Kanadabalsam) im Durchmesser. Der helle Fruchthof be- wahrte seine Durchmesser: 3,25 mm und 2,25 mm. Die Primi- tivrinne war 1,75 mm lang und stand vorne vor der Grenze des hellen Fruchthofes auf 1 mm ab; fast diese ganze Strecke war vom 0,75 mm langen Kopffortsatze besetzt. Im allgemeinen hatte also der Keim einen normalen Cha- rakter, doch war seine Lage im Ei nicht regelmässig; das Kopf- ende des Keimes nach rechts und nach unten gerichtet, wich also von der natürlichen Lage ungefähr auf 135° ab. Mit der Bildung des Kopffortsatzes beginnen schon neue Entwickelungsvorgänge, deren Betrachtung nicht ins Programm der gegenwärtigen Arbeit gehört. Deshalb finden unsere Experi- mente in den Grenzen der hier angegebenen Entwickelungszeit statt. Natürlich muss man die Vermehrung der Experimente in dieser Riehtung wünschen. Da man aber einerseits in den von mir gemachten Beobachtungen den gewissermassen be- stimmten Charakter der Resultate findet und da andererseits solche Forschungen viel Zeit verlangen, beschloss ich einstweilen, um andere angefangene Arbeiten vollenden zu können, mich mit dem angeführten Material zu begnügen. Um die früher beschriebenen Fälle der scharfen Abweichung von der normalen Entwickelung in der Serie der experimentierten Eier (14 und 15) zu ergänzen, kann man hier noch Beispiele anderer Art anführen, welche man in den späteren Entwickelungs- stunden (18—24) beobachtet. Während es sich in den angegebenen Fällen um ein ver- hältnismässig grosses oberflächliches Wachstum beieiner schwachen 272 PAUL MITROPHANOW, inneren Differenzierung handelte, können hier Beispiele der Zurückhaltung des Wuchses mit den Zeichen der nicht ent- sprechenden inneren Organisation angeführt werden. 25. Das Ei wurde 18 Stunden bei einer Temperatur von 41--42° C. bebrütet. Der Durchmesser der Keimscheibe betrug 4,5 mm, der des hellen Fruchthofes nur 2 mm. Die Umrisse der Keimscheibe waren unregelmässig, und der freie Ektoderm- rand hatte sich von einer Seite gar nicht gebildet; die Keim- scheibe war unzweifelhaft normal und in der Entwickelung stark zurückgeblieben. Das Interesse, welches sie bot, bestand ın der Fig. 15. Schema der Phot. 10, Taf. XXIII. a. p. Konturen des hellen Fruchthofes; 1. p. Primitivstreifen ; e. ektodermale Verdickung. starken Entwickelung des Ektoderms bei einer unbedeutenden Grösse des hellen Fruchthofes (Taf. XXIII, Phot. 10; Textfig. 15). Im verdickten mittleren Teile und bei der Beobachtung in toto, trat klar der sichelförmig gebogene und fast von Rand zu Rand längs dem hellen Fruchthofe ausgedehnte Primitivstreifen (Text- fig. 15) hervor; seine Entfernung vorne beträgt nicht mehr als 0,2 mm; hinten wird sein nach links gebogenes Ende durch die (lurchschimmernden Dotterelemente verdunkelt. Auf den Sagittalschnitten erreicht die Dicke des Ektoderms im Centrum bis 35 « und die des an verschiedenen Stellen ungleichmässig dargestellten Primitivstreifens bis 70 «. Die fernere Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 273 Entwickelung dieses Keimes wäre kaum möglich, obgleich, wenn man nach den nicht seltenen karyokinetischen Figuren urteilt, im Moment der Fixierung der Keimscheibe das Leben darin noch unzweifelhaft da war. Die Bedingungen für die Entwicke- iung des Embryos waren ungünstig, doch fand die Entwickelung dennoch statt und begann, wenn auch nach einer anderen Seite gerichtet, von demselben Centrum, wie die normale, d. h. aus der mittleren Verdiekung und nicht aus der Axialplatte oder Sichelrinne, von denen hier keine Rede sein kann. 26. Ein analoges Präparat hat das Ei geliefert, welches 20 Stunden bei einer normalen Temperatur (37° C.) bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe im frischen Zustand betrug 7 mm; der des hellen Fruchthofes auf Schnitten etwa 2 mm. Man beobachtet keine Differenzierung ausser der im Centrum bis 35 u erreichenden, mittleren ektodermalen Verdick- ung; das, was bei der Beachtung in toto, der Keim des ver- zweigten Primitivstreifens längs dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes zu sein schien, erwies sich auf den Schnitten als eigentümliche Falten des Ektoderms, welche überhaupt auf diesem Präparate zahlreich sind, wobei von einem Rande eine solche Falte sogar die gastrale Einstülpung imitiert. Wir werden zu diesen Ausführlichkeiten noch zurückkehren, hier aber erwähnen, dass wir in diesem Falle noch mit dem eigentümlich ausgedrückten Wuchs des Ektoderms bei den die Entwickelung zurückhaltenden Bedingungen zu thun haben. Die erste Differen- zierung hat sich ganz klar durch das mittlere, ringsum von einem dünnen Ektoderm (10—12 « an den Rändern des hellen Fruchthofes) umgebene ektodermale Inselchen ausgedrückt; die fernere Vermehrung der ektodermalen Elemente fand wie gewöhnlich statt, doch bei dem ungenügenden Wuchse der peripherischen Teile der Keimscheibe bildeten sich nur zahl- reiche Falten, welche sozusagen die ganze Energie des sich nur in dieser Richtung komplizierten Keimes in Anspruch ge- nommen haben. 274 PAUL MITROPHANOW, 27. Nach 24 Bebrütungsstunden (mit der Lackierung der hinteren Hälfte des Eies) erhielt man bei einer Temperatur von 38° C. eine Keimscheibe von 6 mm im Durchmesser mit einem hellen Fruchthofe von 2,4 mm (nach der Bearbeitung). Letzterer hatte die Umrisse eines fast regelmässigen Umkreises, aber mit einer bedeutend entwickelten Primitivrinne, deren Kopfende nach links abgewichen ist. Die auf der linken Hälfte des hellen Fruchthofes befindliche Primitivrinne begann bei dessen vorderen Grenze, dehnte sich bis zu seinem hinteren Rande und war in diesem Grebiete etwas erweitert. Nach den Umrissen des hellen Fruchthofes entspricht die Keimscheibe den ersten Entwickelungsstunden, nach der Bildung der Primitivrinne aber beispielsweise der 15. Stunde. Das Wachstum hörte aber sehr früh auf, doch dauerte die innere Differenzierung fort und erreichte auch in engeren Grenzen einen bedeutenden Grad. Jetzt werden wir uns mit den angeführten Beispielen begnügen, welche klar genug die Wichtigkeit des Studierens der ersten embryologischen Vorgänge in der angegebenen Richtung darthun. Für die gegenwärtige Forschung haben diese Beispiele nur ein untergeordnetes Interesse und ihre sorgfältige Bearbeitung kann der Gegenstand einer selbständigen Arbeit sein. Ich habe schon Versuche in dieser Richtung und bei einer anderen Experimentanordnung gemacht, von deren Resultaten wir jetzt nur wenige benützen werden. Angaben aus einer Serie von Experimenten mit der Lackierung der vorderen Hälfte des Eies. Um die Idee zu bestätigen, dass die Bildung des Primitiv- streifens, als der erste förmliche Anfang in der Entwickelung der Vögel, nur im Ektoderm, unabhängig vom Dotterentoderm, stattfindet, können noch einige Präparate aus einer anderen Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 275 Experimentenserie betrachtet werden, welche ich zu anderen Zwecken auch mit Hühnereiern gemacht babe. Das Experiment wurde fast auf dieselbe Weise, wie bei der Hemmung der Ent- wickelung des hinteren Endes durchgeführt, nur wurde nicht die hintere, sondern die vordere Hälfte des Eies lackiert. Die dabei erlangten Veränderungen drückten sich verschiedenartig aus und werden in einer anderen Arbeit dargestellt werden. Unter anderem, äusserten sich dieselben in der Verminderung der Grösse der Keimscheibe sowohl wie des hellen Fruchthofes, wobei man jedoch eine gewisse Differenzierung des Ektoderms im Sinne der ersten Entwickelung beobachtete. So sehen wir zum Beispiel einen schon scharf gesonderten hellen Fruchthof (Durchmesser 1,66 und 1 mm) auf einer aus- gedehnten Keimscheibe mit Durchmesser von 2,5 und 2 mm!). Eine andere Keimscheibe, welche wie die vorhergehende 31 Stunden bei einer erst normalen (7 Stunden) und dann sehr erhöhten Temperatur (bis 45° C.) im "Thermostat gewesen war, hatte Durchmesser von 3 und 3,5 mm und besass einen ausge- dehnten hellen Fruchthof (Durchmesser: nicht volle 2 und 1 mm), dessen mittlerer und bedeutender Teil mit einem unzweifel- haften Rudiment des Primitivstreifens besetzt war. Dieser letztere steht von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes auf 0,5 mm ab, ist 0,8 mm lang und erreicht nicht die hintere Grenze des hellen Fruchthofes. Man sieht beim vorderen Ende eine Differenzierung, welche an die vordere Schel erinnert. Alle diese Kennzeichen zeigen, dass wir nicht nur mit der anfangs durch eine normale Temperatur hervorgerufenen primitiven Ent- wickelung, sondern auch mit den späteren Veränderungen unter dem Einfluss der erhöhten Temperatur zu thun haben ?). !) Im Kanadabalsam und ohne den freien Ektodermrand. 2) Es erwies sich aus einer ganzen Reihe Beobachtungen, dass bei einem solchen Experimente, die Entwickelung auch bei einer so erhöhten Temperatur, wie 45° C., aber nur bis zu einem gewissen Grade fortdauert. Jedenfalls erhielt 276 PAUL MITROPHANOW, Ein anderes Präparat bietet noch grössere Eigentümlich- keiten; während 21 Stunden wurde es erst bei einer normalen, und dann nur 3 Stunden lang bei einer sehr erhöhten T'’emperatur bebrütet. Wahrscheinlich entstanden die Veränderungen darin noch vor der Wirkung einer erhöhten Temperatur. Die Keim- scheibe ist oval (4,5 mm im grösseren, 3,5 mm im kleineren Durchmesser); der helle Fruchthof ist nicht scharf begrenzt, A. Fig. 16. Schema der Phot. 11, Taf. XXIII. AP. die Richtung und die Lage des Schnittes, welcher auf der Fig. 7, Taf. XXI dargestellt ist. e. ektodermale Verdickung; n. p. Primitivknoten mit schlitzenartiger Vertiefung und einem Propfen ; a. p. hypotetische Grenze des hellen Fruchthotes. auch ausgedehnt und hat Ausmessungen: 1,25 mm und 0,75 mm (Taf. XXIII, Phot. 11; Textfig. 16). Man beobachtet augenscheinlich seitens seines hinteren Randes, doch etwas davon abstehend und in einer Entfernung von 0,75 mm vom vorderen Rande eine kleine ektodermale Verdickung, welche fast ganz mit einem sehr ausgeprägten, man Keimscheiben, welche wenigstens der 21. Brütungsstunde der normalen Entwickelung entsprachen und 18 Stunden bei einer Temperatur von 45° C. nach einer 7stündigen Anfangsentwickelung bei normaler Temperatur waren. Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. a hinten durch einen Halbkreis scharf begrenzten ektodermalen Propfen von 0,3 mm im Durchmesser besetzt ist; dem hinteren Rande parallel und nahe davon zeichnet sich im Propfen eine durchschimmernde Spalte ab. Trotz der vollkommenen Aus- schliesslichkeit dieser Bildung, kann man kaum daran zweifeln, dass dieselbe dem weiter veränderten vorderen Ende des Primitivstreifens, d. h., dem Hensen’schen Knoten der Säuge- tiere und die erwähnte Spalte dem Urmunde (Prostoma) der Reptilien entspricht. Die Längsschnitte sprechen dafür, dass der erwähnte Propfen dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes näher gelegen ist, wie man wenigstens aus dem Charakter des ihm nächsten Randes des dunklen Fruchthofes urteilen kann. Der Propfen hat sich auf solche Art gebildet, dass sich in der Richtung von vorne nach hinten, vom Boden der sackartigen Einstülpung ein Vorsprung gebildet und die erwähnte Einstül- pung fast ganz besetzt hat (Taf. XXI, Fig. 7). Die Dicke des zum Aufbau dieser komplizierten Bildung gebrauchten Ektoderms beträgt im allgemeinen 35 « und nur der Grund der Einstülpung hat vorne etwa 50 «. Der ganze Propfen erreicht in seiner Masse eine Dicke von 0,2 mm. Hinter dem Propfen wird das Ektoderm allmählich bis 10 u dünner, verliert vorne auf einmal seine Stärke und schwankt zwischen 10 und 15 u. Die Elemente des Dotterentoderms liegen locker unter dem ganzen hellen Fruchthof und im Gebiete des Propfens liegen sie eng an dessen Boden, wie man es gewöhnlich auf dem Boden der Primitivrinne beobachtet. Resultate der Experimental-Beobachtungen. Wenn man die Resultate der Experimente der Bebrütung der Hühnereier mit einer halblackierten Oberfläche beurteilt, kann man dieselben in drei Kategorien teilen: a) Veränderungen 278 PAUL MITROPHANOW, in der Keimscheibe vor dem Erscheinen des Primitivstreifens; b) Bildung desselben und c) Anomalien von allgemeinem Charakter. Erstens muss man die Thatsache beachten, dass im Ver- gleich mit der normalen Entwickelung der Primitivstreifen später erscheint und deshalb die Vorbereitungsvorgänge mehr Zeit einnehmen. Der Einfluss der Lackierung allein bei einer nor- malen Temperatur hat sich, wie es gezeigt worden ist, entweder gar nicht ausgedrückt oder hat sich nur durch lokale Verände- rungen, wie z. B. durch Vakuolisation, unbedeutende Dicke des Ektoderms, Faltenbildung u. s. w. geäussert. Die bis 42° C. und mehr erhöhte Temperatur hat den Effekt gleich verändert und dass in diesem Falle nicht ihr Einfluss allein, sondern auch der der Lackierung massgebend war, folgt aus dem beständigen Charakter der späteren Abweichungen in der Bildung des Primi- tivstreifens. Deshalb kann man alle erhaltenen Veränderungen als das Resultat des Einflusses beider Faktoren und nicht eines von beiden allein betrachten. In der Periode bis zum Erscheinen des Primitiv- streifens äusserte sich dieser Einfluss vor allem in der Form des hellen Fruchthofes, welcher bis zur 11. Bebrütungsstunde hartnäckig die Umrisse eines Kreises, ohne Vorsprung von der Seite des hinteren Randes bewahrt hat, welcher bei der nor- malen Entwickelung durchaus einige Stunden früher erscheinen müsste. Die in dieser Periode grösstenteils beobachtete Hemmung der Entwickelung drückt sieh durch eine verhältnismässig ge- ringere Grösse der Keimscheiben, hauptsächlich aber durch die ungenügende Differenzierung des Ektoderms aus. Den Mangel an Entwickelung der Grösse der Keimscheibe beobachtete man besonders in den Fällen, wo die Temperatur höher als 42°C. stieg; war es aber nicht der Fall, so erschien ge- wöhnlich das Wachstum des ganzen Keimes auf der Oberfläche, welches grösser als das normale war. Die Hauptrolle gehörte Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 279 in diesem Wachstum dem Ektoderm, welches bei der Bildung einer grossen Oberfläche, zugleich gewöhnlich die normale Dicke nicht erreichte. Sein Wachstum nahm folglich eine andere Rich- tung an, da aber dabei seine peripherischen Teile nieht so schnell wuchsen wie der centrale, d. h. das Gebiet des hellen Frucht- hofes, so mussten sich natürlich in diesem letzteren und um ihn Falten bilden, welche man wirklich beobachtet. In anderen Fällen, bei einem geringen Umfange der Keimscheibe und einer schwachen Differenzierung der ektodermalen Verdickung im Gebiete des hellen Fruchthofes wuchs das Ektoderm mit seinem freien Rande weit hinter die Grenzen des dunklen Fruchthofes. Die ungenügende Bildung der ektodermalen Verdickung, welche als Ausgangspunkt für weitere Komplikationen erscheint, drückt in diesem Falle einstweilen nur die Abweichung vom normalen Entwickelungsgange, aber nicht sein Stehenbleiben aus, da gewöhnlich das Wachstum fortdauert und oft mit Erfolg, aber nur in einer anderen Richtung; deshalb kann die runde Form des hellen Fruchthofes nicht als Resultat der Verhin- derung der Entwickelung betrachtet werden; sie bietet eine experimental hervorgerufene Deformation, welche den Kompli- kationen des Ektoderms einen anderen Charakter vermittelst der Veränderung ihres normalen Platzes verliehen hat. Die ersten Zeichen des Erscheinens des Primitiv- streifens äusserten sich nach 10—13 Bebrütungsstunden. Die in der vorhergehenden Periode bezeichneten Veränderungen sind jetzt bestimmter ausgedrückt; was früher zufällig war, wie z. B. die lokalen Verdiekungen des Ektoderms, erhält jetzt einen beständigeren Charakter, indem diese Verdickungen im Central- und Axialteil des hellen Fruchthofes hervortreten. Hinsichtlich der Grösse der Keimscheibe in dieser Periode muss man bemerken, dass dieselbe geringer als die normale ist; das erklärt sich dadurch, dass dem Gesagten gemäss, der erste Wuchs, welcher eine andere Richtung erhält, natürlich keinen weiteren Erfolg hatte 280 PAUL MITROPHANOW, und bald stehen bleiben musste, wenn es ihm auch anfangs gelungen wäre der normalen Entwickelung voranzugehen. Die ektodermale Verdiekung in der Mitte des hellen Fruchthofes bezeichnet sich jetzt klar genug, doch ist ihre allgemeine Dicke unter der Norm (etwa 25 u) und erreicht nur im centralen und axialen Gebiete 35 u. Eben diese mehr verdickten Teile bieten die schwachen Umrisse der Primitivplatte in ihrer ersten Er- scheinung. Der ganze Vorgang erscheint so zu sagen in einem verminderten Massstabe: die mittlere Verdiekung ist schwach hervorgetreten und darin ist seinerseits der Primitivstreifen er- schienen, dessen Dicke in diesem Falle nur die Norm der ekto- dermalen Verdiekung erreicht, womit bei der normalen Ent- wickelung die Bildung des Primitivstreifens beginnen muss. Doch wie auch in der vorhergehenden Periode, kann die centrale Differenzierung der ektodermalen Verdickung, wenn sie ungenügend ausgesprochen ist, nicht stattfinden, der Primitiv- streifen kann sich gar nicht bilden oder nur unbedeutende Spuren zeigen, in diesem Falle kann das oberflächliche Wachstum des Ektoderms viel weiter gehen und infolge der Ungleichmässigkeit des Wuchses zur Faltenbildung führen. Der Primitivstreifen entsteht weit von der hinteren Grenze des hellen Fruchthofes und das Ektoderm ist im Gebiete des letzteren nicht nur nicht verdickt, sondern zuweilen schwächer als vorne ausgedrückt. Die Umrisse des hellen Fruchthofes ver- ändern sich zu der Zeit unbedeutend. Es ist schon angegeben worden, dass sie sich oft nicht genau genug bezeichnen, da an den Rändern des Fruchthofes der Dotter manchmal ungleichmässig absteht. Unter dem Namen des hellen Fruchthofes muss man in diesen Fällen jenen mittleren Teil der Keimscheibe verstehen. worin die schon gesonderten primitiven Keimblätter weitere Komplikationen erleiden. Dieselben (zum Beispiel die ekto- dermale Verdickung, die Vordersichel und andere) bestimmen im allgemeinen die Umrisse des hellen Fruchthofes. In der Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 281 Periode, welche wir beschreiben, erscheint letzterer seitens des hinteren Endes sehr schwach ausgedehnt. Die Entfernung des Primitivstreifens von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes schwankt gegen 1 mm, zwischen 0,6 bis 1,3 mm. Seine Länge ist sehr unbeständig; erst ist dieselbe sehr gering, dann erreicht sie 1,8 mm; davon abhängig, ver- ändert sich auch seine Entfernung von der hinteren Grenze des hellen Fruchthofes; erst beträgt dieselbe etwas weniger als 1 mm, erreicht in seitenen Fällen 1,5 mm, fällt aber später auf 0,5 bis 0,2 mm, und das schwach ausgesprochene hintere Ende des Primitivstreifens erreicht sehr selten den dunklen Fruchthof. Der hemmende Einflus der erhöhten Temperatur wird aus dem Vergleich mit einem lackierten, aber bei einer normalen Tempe- ratur bebrüteten Ei (Taf. XX, Fig. 8) deutlich. Die Lackierung hat sich wahrscheinlich in der Form des hellen Fruchthofes geäussert, doch ist im übrigen die Entwickelung der allgemeinen Grösse der Keimscheibe, dem Grad der Sonderung des Primitiv- streifens und der Differenzierung der normalen ektodermalen Verdiekung (34 u) gemäss weit fortgeschritten. Der einmal gebildete Primitivstreifen tritt in der ferneren Entwickelung besonders im vorderen Ende schärfer hervor; er wächst allmählich in die Länge mit seinem hinteren Ende, welches gewöhnlich in dieser Serie von Experimenten die hintere Grenze des hellen Fruchthofes nicht erreicht und eigentümliche Veränderungen erleidet. Man beobachtet sehr wesentliche Veränderungen in der Form, welche der Primitivstreifen während seines Wachstumes annimmt. Während derselbe auf dem grössten Teile seiner Aus- dehnung in der normalen Entwickelung gerade ist, erscheint er in diesem Falle fast immer gebogen, was dem Anschein nach von verschiedenen Ursachen entsteht, wie es früher angegeben worden ist. Eine der wesentlichsten ist wahrscheinlich der Ein- fluss der Luftkammer, welcher unzweifelhaft durch die teilweise 282 PAUL MITROPHANOW, Lackierung der Eischale verstärkt wird. Da in der Erscheinung des Primitivstreifens sein Schwanzende das späteste ist, so musste es den Einfluss der Faktoren des Wuchses, in diesem Falle der Luftkammer besonders erleiden, was sich durch seine Abweich- ung nach links äussert (Taf. XXI/XX1I, Phot. 5—8, 10). Diese Erscheinung kann jedoch durch andere Umstände verdunkelt werden, nämlich durch die unregelmässige Lage des Keimes an dem Dotter, welche infolge der noch vor der Bebrütung vom Ei er- littenen Stösse oder anderer noch nicht erklärten inneren Ursachen entsteht. Wenn der Dotter beim Schütteln des Eies mit dem Kopfende nach links, d. h. nach der Seite der Luftkammer gesenkt wird, so wird der Keim auch in der ferneren Entwickelung streben, diese Lage zu behalten (Taf. XXII/XXUI, Phot. 8, 9). Das hin- tere Ende des Primitivstreifens, welches sich dem Einflusse der Luftkammer unterwirft, wird in diesem Falle nicht die gerade Fort- setzung der primitiven Anlage sein, welche zu seinem vorderen Ende geworden ist, sondern wird, indem es nach links abzu- weichen strebt, eine ungefähr axiale Richtung erhalten, und im allgemeinen wird sich der ganze Streifen als gebogen erweisen (Taf. XXI/XXIU, Phot. 8). Es sind aber gewisse Ursachen, welche die Achse des Keimes mit einer gewissen Beständigkeit dazu nötigen, erst nach rechts abweichen; das findet auch dann statt, wenn sich die Keimscheibe auf dem Dotter normal differen- ziert hat (S. 254, Textfig. 7). Später findet die Versetzung des Keimes statt, wobei das vordere Ende des Primitivstreifens eine natürliche axiale Lage erhält und sein Schwanzende, welches die primitive Richtung des Wuchses bewahrt, sich wieder nach links biegt (S- 264, Textfigur 11). Das Resultat war doch am Ende dasselbe: der Streifen erwies sich gebogen, wobei seine Krümmung rechts hervortritt. Das wurde früher nicht be- achtet, doch scheint eine solche weniger ausgedrückte Krümmung auch in der normalen Entwickelung keine Seltenheit zu sein, das sieht man unter anderem aus Duvals Zeichnungen (16; Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 283 Taf. IV, Fig. 65-67); wirhaben auch die Abbildung (Taf. XIX/XXT, Fig. 7) einer normalen Keimscheibe mit der Abweichung des hinteren Endes des Primitivstreifens nach links angeführt. Ausser dem schon Gesagten muss die Form des hellen Fruchthofes auf eine solche klarer ausgedrückte Abweichung Einfluss haben. In der normalen Entwickelung, zwischen 15 und 20 Bebrütungs- stunden dehnt sich der helle Fruchthof mit dem hinteren Rande stark aus und wird birnförmig; seinem hervortretenden Teil erscheint das hintere Ende des Primitivstreifens. In den be- schriebenen Experimenten dehnt sich der helle Fruchthof hinten sehr unbedeutend aus und da darin in der axialen Richtung für den wachsenden Primitivstreifen kein Platz ist, so weicht er natürlich nach einer Seite ab. Fast immer findet diese Abweichung nach der Seite der Luftkammer statt; ich hatte zu meiner Verfügung nur zwei Ausnahmen: in beiden Fällen war die Lage des Keimes normal und auf einem Präparate wich das hintere Ende kaum bemerkbar nach rechts ab, auf dem anderen bedeutender. Zugleich mit dem Wachstum des Primitivstreifens am hinteren Ende, erhält sein all- mählich dicker werdendes vorderes Ende eineEinstülpung und ver- wandelt sich in die Primitivrinne (Taf. XXII/XXUI, Phot. 7—9). Bietet die Differenzierung längs dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes in der normalen Entwickelung keinen bestimmten morphologischen Charakter, so kann man desto weniger etwas Ähnliches in den Experimenten mit der Lackierung zeigen. Man beobachtet hier weder eine Verdickung des Ekto- derms noch beständige Einstülpungen, welche sich auf die sich entwickelnde Primitivrinne bezögen. Zugleich stören augen- scheinlich die veränderten Bedingungen die regelmässige Bildung der subgerminalen Höhle, und die s. g. Primitivplatte verdunkelt nicht die Grundvorgänge der morphologischen Differenzierung. Was die Anomalien von allgemeinem Charakter betrifft, welche wir unter den Resultaten unserer Experimente Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12 Bd. H. 2.) 19 284 PAUL MITROPHANOW, erhalten haben, so bieten dieselben hier ein nebensächliches Interesse. Es ist schon angegeben worden, dass am Anfange der Entwickelung das Ektoderm, ohne eine normale Verdickung zu bilden, in der Oberfläche stark wachsen kann; dabei äussert die ansehnliche Keimscheihe nur eine schwache innere Differen- zierung. In der späteren Entwickelung beobachtet man die umgekehrte Erscheinung; bei verhältnissmässig geringer Grösse kann der Grad der inneren Fortentwickelung bedeutend sein (Taf. XXIII, Phot. 10). In diesem Falle entwickelt das Ektoderm nicht nur eine normale Verdickung, sondern hat stellenweise eine Dicke, welche normal nur dem vorderen Gebiete des Primitivstreifens eigen ist. Von der regelmässigen Bildung des letzteren kann oft keine Rede sein, da der ganze helle Fruchthof eine unbedeutende Grösse hat. Die sich dabei bildenden Falten des Ektoderms äussern einen gewissen Grad innerer Komplikation, welche ihnen manchmal eine Ähnlichkeit mit den Primitivrinnen ver- leiht. Kommt es zu einer normalen Entwickelung dieser letzteren, so besetzen sie fast die ganze Ausdehnung des hellen Fruchthofes. In der Serie von Experimenten mit der Lackierung der vorderen Hälfte des Eies und unter dem Einfluss einer noch höheren Temperatur hat sich ein bedeutender Grad innerer Komplikationen bei der Zurückhaltung des allgemeinen Wuchses des Keimes besonders bemerkbar geäussert. Nachtrase. Wenn man durch die Veränderungen der Entwickelungs- bedingungen in der Hühnereikeimscheibe solche Variationen hervorrufen konnte, welche sich in der vorwiegenden Bildung Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 285 des vorderen Endes der Primitivrinne ausdrücken, so darf man nicht vergessen, dass man auch in natürlichen Bedingungen als Ausnahme solche Modifikationen der Primitivrinne manch- mal beobachtet, welche sich noch in höherem Grade dem Reptilienurmunde (Prostoma) nähern. Bei dieser Gelegenheit kann ich mitteilen, dass man in der letzten Zeit in meinem Laboratorium von einem und dem- y Fig. 17. Area pellucida aus dem Hühnereie nach der 22stündigen Bebrütung bei normalen Bedingungen Nach Photographie. a. p. Konturen von Area pellucida: p. Prostoma anstatt der Primitivrinne; e. ektodermale ü Verdickung, selben Huhne zwei Präparate erhalten hat,!) welche in diesem Sinne sehr wertvoll erscheinen. Beide stammen aus Eiern welche bei normalen Entwickelungsbedingungen während 22 Stunden bebrütet wurden. Man beobachtet auf dem einen von diesen Präparaten in der Mitte der Area pellucida (Textfig. 17), anstatt der Primitivrinne, an ‘der Stelle ihres vorderen Endes eine unregelmässige sackförmige Einstülpung, die vorne mehr ausgesprochene Umrisse besitzt und dem Reptilien- 1) Diese Präparate sind von Dr. Emeljanow im Oktober des vorigen Jahres gemacht; später werden dieselben ausführlicher beschrieben werden. 19z 286 PAUL MITROPHANOW, urmunde vollständig gleicht. Auf dem anderen Präparate beob- achtet man (Taf. XXIII, Phot. 12) auch eine solche prostoma- ähnliche mit erhobenen Rändern begrenzte Einstülpung, welche etwas asymmetrisch und dem hinteren Rande der Area pellucida ein wenig näher liegt. Sehluss. Bei der entsprechenden Zergliederung unserer Aufgabe (S. 158) haben wir den Weg ihrer schnellsten und mannigfaltigsten Lösung bestimmt. Seiner Zeit, wurden die in jedem einzelnen Fall erlangten Resultate bezeichnet und daher werden die Schluss- zeilen unserer Arbeit nicht zahlreich sein. Die Kritik der Grundbeobachtungen hat uns zum Schlusse geführt (S. 196), dass sowohl Kollers Forschung nicht genau genug in ihren fundamentalen Angaben ist, als dass auch die Beobachtungen Duvals einerseits als widerlegt be- trachtet werden können, andererseits aber in einem anderen Sinne erklärt werden müssen. Es hat sich auch erwiesen, dass der Gastrulationsvorgang bei den Vögeln als Anfang der Form- entwickelung mit dem Erscheinen der Primitivrinne eng ver- bunden ist. Die Angaben der normalen Entwickelung des Hühnereies haben uns gezeigt (S. 2283— 239), dass nur die Bil- dung der mittleren ektodermalen Verdiekung in den ersten Differenzierungen der Keimscheibe des gelegten Eies als wesentlichster und beständiger Augenblick erscheint. Die nächste Komplikation darin bietet das Erscheinen des Primitiv- streifens, wobei als Ausgangspunkt seiner Entwickelung die Mitte der Verdickung dient, von welcher der Streifen sich all- Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 287 mählich in der Schwanzrichtung sondert. Aus dem Primitiv- streifen bildet sich dann allmählich von seinem vorderen Ende aus in derselben Richtung die Primitivrinne. Die Sichelrinne existiert nicht, im Sinne Kollers, als beständige Bildung. Die axiale (primitive) Platte Duvals hat keine direkte Beziehung zur Bildung des Primitivstreifens. In der Entwicke- lung des Hühnereies wird der ganze Vorgang verdunkelt, erstens dadurch, dass beide genannten Bildungen in ihrem Erscheinen gewöhnlich zusammentreffen und zweitens, weil der Primitiv- streifen sich gleichzeitig fast auf seiner ganzen Ausdehnung anlest, wobei er sich mit seinem hinteren Ende oft der Grenze des hellen Fruchthofes nähert, was vielen Autoren den Anlass gegeben hat, sein Entstehen dorthin zu verlegen. Dieser letzte Umstand eben hat uns bewogen die Lösung unserer Aufgabe auf experimentalem Wege zu versuchen. Die Schlüsse aus den Experimentalbeobachtungen zeigen, dass man nicht nur die Entwickelung künstlich zurück- halten kann, sondern es auch in einer gewissen Richtung zu thun vermag. Die Lackierung der hinteren Hälfe des Eies bei einer erhöhten Temperatur hält die normale Verlängerung des hellen Fruchthofes in seinem hinteren Teile zurück, weshalb derselbe bis zur Bildung der Primitivrinne entweder die Um- risse eines Kreises bewahrt oder sich mit dem hinteren Ende sehr schwach ausdehnt. Die Hemmung der Entwicke- lung der ektodermalen Verdiekung beeinflusst wesentlich die Bildung des Primitivstreifens, welcher sein Erscheinen bedeutend verspätet und sich dann hauptsächlich im vorderen Teile entwickelt. Indem der Primitivstreifen ungefähr im Centrum der ekto- dermalen Verdickung entsteht, steht derselbe von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes nicht näher als in einer ge- wissen Norm ab, die bei den natürlichen Bedingungen der Be- 288 PAUL MITROPHANOW, brütung angegeben worden ist; eine Ausnahme bieten nur die Anomalien mit einer sichtbaren Störung der ganzen Harmonie der Entwickelung. Also wächst augenscheinlich der Streifen in der vorderen Richtung nicht; zugleich deutet dieser Umstand, den aus den Angaben der normalen Entwickelung gemachten Schlüssen ge- mäss, darauf hin, dass derselbe anfangs nicht längs dem hinteren Rande des hellen Fruchthofes entstehen konnte, dessen Durchmesser gleichbedeutend grösser ist als die Entfernung des Primitivstreifens von seiner vorderen Grenze. Die ihrer Grösse nach manchmal sehr geringe erste An- lage des Primitivstreifens inmitten der ektodermalen Verdick- ung wird später dessen vorderer Teil. Sein sich später differen- zierendes Ende wächst in der Schwanzrichtung, entwickelt sich aber in unseren Experimenten entweder nicht ganz oder weicht in der Entwickelung nach einer Seite unter dem Einfluss äusserer Faktoren ab, unter denen die Luftkammer nicht die letzte Rolle spielt. Die erst bedeutende Entfernung des Streifens von der hinteren Grenze des hellen Fruchthofes vermindert sich allmählich mit dessen Wuchse Nur in seltenen Fällen erreicht sein hinteres Ende die Grenze des hellen Fruchthofes, ist aber dann gewöhnlich schwach, unbestimmt ausgesprochen und tritt kaum aus dem Ektoderm hervor, welches hier keine spezielle Verdickung bietet. Und gleichzeitig hat das vordere Ende des Streifens schon weitere Komplikationen erlitten, an Dicke be- deutend zugenommen und eine Einstülpung erhalten, welche vorne schärfere Umrisse hat und hinten allmählich auf die Oberfläche hervortritt; kurz, daraus hat sich die Primitiv- rinne gebildet, deren vorderes Ende am frühesten erscheint und der gastralen Vertiefung (Prostoma) der anderen Sauro- psiden entspricht. So verändert sich der normale Entwickelungsgang des Hühnereies unter dem Einfluss der Veränderung der äusseren Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel. 289 Bedingungen der Bebrütung; doch können in manchen Fällen mehr ausgesprochene Resultate erhalten werden. Die ektodermale Verdickung kann gleich, ohne den Streifen zu bilden, Platz und Material zur Bildung des vorderen Endes der Rinne geben, welche oft verschiedene Veränderungen erleidet, wie es in einem Falle bei unseren Experimenten stattgefunden hat (Taf. XXIII, Phot. 11). Solche Missbildungen ebenso wie die seltenen Fälle der nor- malen Entwickelung (Textfig. 17; Taf. XXIII, Phot. 12) finden in den oben angeführten Angaben ihre natürliche Erklärung. Auf diesen Angaben begründen sich die in meinen früher eitierten Mitteilungen (19, 21) gemachten Schlussfolgerungen ; indem ich darin gleichzeitig das vergleichende Material in Betrachtung nehme, gebe ich eben der Bildung der Primi- tivrinne, eine grössere morphologische Bedeutung welcher nur für eine Zeit lang das Erscheinen des Primitivstreifens vorangeht, der seinerseits eine Veränderung der primitiven ektodermalen Verdickung als ersten Schritt zur morpholo- gischen Komplikation der Keimscheibe bietet. Der Primitivstreifen und die normal fast bis zum hinteren Rande des hellen Fruchthofes ausgedehnte Rinne (folglich ausser ihrem vorderen Ende) bieten in der Klasse der Vögel eine spätere spezielle Erwerbung. Verzeichnis der in der Arbeit angeführten Litteratur. 1. I. MurposanoB». 06% o6pasoBaHin NePBIYHBIXB 3AapOABIMEBBIXb MIACTOBb Y MO3BOHOYHBIXD. I1PoroRo.ABI OT1. 61010rIn Bapıı. O6m Eer. II, N 8, 1891. P. Mitrophanow, Über die Keimblätterbildung bei den Wirbeltieren. Sitzungsber. der biologisch. Sekt. der Warschauer Naturforschergesellsch. II, Nr.'8. «1891: M. Duval. De la formation du blastoderme dans l’oeuf d’oiseau. Annales des sc. natur. Zoologie. XVIIl. 1884. C. Koller. Beiträge zur Kenntnis des Hühnerkeims im Beginne der Be- brütung. Sitzungsber. der Math.-naturwissensch. Klasse der K. Akademie der Wiss. Wien LXXX. III. Abt. 1879. Derselbe. Untersuchungen über die Blätterbildung im Hühnerkeim. Archiv f. mikr. Anat. XX. 1882. O0. Büemonıns. ono1nenie Kb BOnpocy O TacTpyıamim y IIBILICHRA. IIporor. orıbı. 6iosorin Bapın. Oöm. Eer. II, 1891. J. Eismond. Beitrag zur Gastrulationsfrage beim Hühnchen. Sitzungs- bericht der biolog. Sekt. Warschauer Naturforschergesell. II. 1891. Ont xe. O 3HayeHim HeüpoaHTepmYeckaro kanala y nrıımp. Ibid. III. 1891. Derselbe. Über die Bedeutung des neuroentherischen Kanals bei den Vögeln. Ibid. III. 1891. On» ;ke. O racrpyaanim y mm. Pa6oTbı 135 300ToMnYeckoli „la6opa- ropin Bapın. Vuugepe. XI. 1894. Derselbe. Über die Gastrulation bei den Vögeln. Arbeiten aus dem Zootomischen Laboratorium der Universität Warschau. XI. 1894. H. Kionka. Die Furchung des Hühnereies. Anat. Hefte. X. 1894. . 0. Hertwig. Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. 4. Aufl. 1894. Derselbe. Idem, 6. Aufl. 1898. . J. Kollmann. Lehrbuch d. Entwickelungsgeschichte d. Menschen, 189. P. Mitrophanow. Teratogenetische Studien. I. Archiv für Entwicke- lungsmechanik. Bd. I. 189. . Derselbe. Note sur le developpement primitif de l’autruche. Biblio” graphie anatomique, par A. Nicolas. Nr. 5, 1897. 14. 15. 16. I. 18. 19. 20. 21. 22. Verzeichnis der in der Arbeit angeführten Litteratur. 291 A. Koelliker. Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. 2. Aufl. 1879. E. Dursy. Der Primitivstreif des Hühnchens. 1866. M. Duval. Atlas d’embryologie. 1889. Derselbe. Etudes sur la ligne primitive de ’embryon du poulet. Annales des sciences natur. Zoologie. 1878. P. Mitrophanow. La photoxyline dans la technique zoologique et histo logique. Archives de Zoologie experimentale et generale, par H. de Lacaze-Duthiers. 1896. Derselbe. Über den Gastrulationsvorgang bei den Amnioten. Verhand- lungen der XII. Versammlung der Anatomischen Gesellschaft in Kiel, 1898. Onp we. Ha6.mıeHia HALB HAYA.JBHBIMB PasBuTieMb: &) BOAHBIXR IITIIB n6), ıpaua. ‚Inepnuep X Crbara pycekuxp EerectBoucnsirate.rei Bh Kiept. 1898. Derselbe. Beobachtungen über die erste Entwickelung. a) der Wasser- vögel und b) der Kornkrähe. Tagesbuch der X. russischen Naturforscher. versammlung in Kiew. 1898. Derselbe. Teratogenetische Studien, Il. Archiv für Entwickelungs- mechanik der Organismen, von W. Roux. VI. 1896. Onp we. Haö.rmıenia 136 06A1acTıı Teparorenin (3ackı. orTı. 6loaorin Bapın. O6m. Eer. 7 maa 1897). Pa6orsı u3B 300T0m. ‚la6op. Bapın. Yan». XVl. Derselbe. Beobachtungen aus dem Gebiete der Teratogenie. Mitgeteilt in der Sitzung der biolog. Sektion der Warschauer Naturforschergesell- schaft am 7. Mai 1897. Arbeiten aus dem Zootom. Laboratorium der Universität Warschau. XVI. Die Textfiguren sind schon in meiner russischen Arbeit: Ousb Tb Halb HAYAAbHbIMBb pa3BHTieMB IITHNB, Experimental-Beobachtungen über die erste Entwickelung der Vögel, welche die XIX. Lieferung der unter meiner Redaktion in russischer Sprache erscheinenden „Arbeiten aus dem Zootomischen Institut Warschau“ darstellt, erschienen. Erklärung der Tafeln. Für alle Figuren. geltende Bezeichnungen : A vorderer Rand der Keimscheibe P hinterer „ n H a vordere Sichel. a. o. Area opaca. a. p. Area pellucida. e Ektoderm, ektodermale Verdickung. en Dotterentoderm. l. p. Primitivstreifen. v Vakuolen. Tafel XIX/XX. Alle Figuren beziehen sich auf die Keimscheiben des Hühnchens und sind bei derselben Vergrösserung (X 10mal) gemacht. Fig. 1. Aus einem Wintereie, welches eine Viertelstunde nach der Ablage im Inkubator gelegt und darin bei normalen Bedingungen während '/» Stunde, bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe im frischen Znstande be- trug 4,5 mm; dasselbe der Area pellucida ca. 2 mm. Die Zahlen zeigen die Ektodermdicke der verschiedenen Punkte in Mikromillimeter («) und sind aus den entsprechenden Querschnitten abgenommen. — « rinnenartige Ein- stülpung im Ektoderm, etwa schärfer als in der Natur abgebildet, # und y gleichartige Vertiefungeu an deren Seiten. Die grösste Ektodermdicke (34 wu) befindet sich im Centrum der ektodermalen Verdickung (e). Fig. 2. Aus einem Frühlingseie, welches 8 Stunden lang bei normalen Bedingungen bebrütet wurde. Der Durchmesser des hellen Fruchthofes beträgt 3,5 mm; der vordere Rand des dunklen Fruchthofes ist abgerissen. Die ekto- dermale Verdiekung (e) stellt eine Scheibe von 1,4 mm in Durchmesser dar, vom Centrum dieser Scheibe sieht man kaudalwärts eine etwa 1 mm langen Primitivstreifen (l. p.), dessen vorderer Teil mächtiger (von 85 « der Dicke) Erklärung der Tafeln. 293 als der hintere (68 «) ist. Die rechts stehenden Zahlen zeigen die Dicke der verschiedenen Ektodermpunkte in Mikromillimeter (ze). -_ Fig. 3. Aus einem Sommerei nach 7'/» Stunden langer normaler Be- brütung. Der Durchmesser der Keimscheibe 4,5 mm. Die ziemlich gut (34 «) entwickelte ektodermale Verdickung (e) tritt sichtbar hervor. Fig. 4. Aus einem Sommereie (Juni), welches nach einer 7 stündigen normalen Bebrütung aus dem Brütofen herausgenommen, bei Zimmertemperatur gelassen und am nächsten Tage geöffnet wurde. Die Lage des Keimes ist gestört: seine Längsachse fiel ungefähr mit der des Eies zusammen; sein Kopf- ende wurde nach rechts, d. h. zu dem Spitzenende des Eies gerichtet. Der Durchmesser der Keimscheibe beträgt 5 mm; derselbe des hellen Fruchthofes 2,755 mm und 2,5 mm. Die Zahlen zeigen die Ektodermdicke der verschiedenen Punkte in Mikromillimeter («). Anfang der Verlängerung des hellen Frucht- hofes und Auftreten des Primitivstreifens. AP zeigt die Richtung und die Lage des auf der Figur 3, Taf. XXI dargestellten Schnittes. Fig. 5. Aus einem Sommereie (Juni), welches rach einer 8stündigen normalen Bebrütung bei Zimmertemperatur circa 16 Stunden geblieben und dann geöffnet wurde. Seine Entwickelung dauerte, augenscheinlich, noch einige Zeit ausserhalb dem Brütofen. Der Durchmesser der Keimscheibe beträgt 4,5 mm, der des hellen Fruchthofes 2,3 mm. Der Primitivstreifen (l. p.) steht von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes auf 0,65 mm ab, erreicht fast unmittelbar seine hintere Grenze, ist aber hier schwächer als in seinem vorderen Ende ausgeprägt. Fig. 6. Aus einem Junieie, welches bei normalen Bedingungen während 9 Stunden bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe beträgt 5,5 mm, derselbe des hellen Fruchthofes 2,5 mm. Die ektodermale Verdickung (e) be- setzt die Mitte des hellen Fruchthofes, von dessen Centrum sich kaudalwärts ein 1,3 mm langer Primitivstreifen erstreckt, welcher von seiner vorderen Grenze auf 1,3 mm absteht und vorne 68 «, hinten 50 w Dicke hat. Das Dotter- entoderm liegt dicht am Boden des Primitivstreifens, ist stellenweise dick und enthält die Dotterkugeln. Fig. 7. Aus einem Sommereie (Juni), welches 8 Stunden normalweise bebrütet, dann bei Zimmertemperatur gelassen und am nächsten Tage geöffnet wurde; folglich dauerte die Entwiekelung noch einige Zeit ausserhalb dem Brütofen. Der Durchmesser der Keimscheibe beträgt 6,5 mm, der des hellen Fruchthofes 3 mm; der Abstand des 1,65 mm langen Primitivstreifens von der vorderen Grenze des letzteren — 1,35 mm; dessen hinteres Ende erreicht den dunklen Fruchthof und ist nach links gelegen. Fig. 8. Der helle Fruchthof der Keimscheibe aus einem Wintereie, dessen hintere Hälfte lackiert wurde, nach 11?/« Stunden der im übrigen normalen Bebrütung. Die links stehenden Zahlen zeigen die Ektodermdicke der ver- schiedenen Punkte in Mikromillimeter («). Die maximale (34 «) Ektoderm- verdiekung (e) befindet sich hinter dem Primitivstreifen, welcher die vordere 294 Erklärung der Tafeln. Hälfte des hellen Fruchthofes einnimmt, im vorderen Teile am dieksten (55 u) und keulenartig erweitert ist. Fig. 9. Aus einem Wintereie, welches gleich nach der Ablage von hinten lackiert, am nächsten Tage in den Brütofen gelegt und während 5 Stunden bei einer Temperatur von 41°—42° 6. bebrütet wurde. Die Entwickelung ist von dem Schwanzende zurückgehalten. Der Durchmesser der Keimscheibe — 5 mm; der des hellen Fruchthofes 2,5 mm. Die maximaie Ektodermdicke (34 u) im Centrum der Verdiekung (e); die unregelmässigen Konturen des hellen Fruchthofes sind teilweise vom Dotter (d), teilweise vom zerrissenen Dotter- entoderm verursacht. Fig. 10. Aus einem soeben abgelegten Winterei, welches gleich von hinten lackiert und in den Brütofen eingelegt, dann 7 Stunden bei einer Tem- peratur von 38° C. bebrütet wurde. Die Entwickelung wurde vom Schwanz- ende zurückgehalten. Der grössere Durchmesser der Keimscheibe — 4,5 mm und der kleinere — 4 mm, ohne den freien Ektodermrand. Der dunkle Frucht- hof ist stark vakuolisiert (v); die maximale Ektodermdicke (35 «) im Centrum der Area pellucida. Fig. 11. Aus einem soeben abgelegten Wintereie, welches gleich von hinten lackiert, in den Inkubator eingelegt und während 7?/s Stunden bei einer Temperatur von 42°C. bebrütet wurde. Die Entwickelung ist von der Schwanz- seite zurückgehalten. Der Durchmesser der Keimscheibe 5 mm, der des hellen Fruchthofes etwa 2,5 mm; im Centrum des Ektoderms eine breite Verdickung (e). Fig. 12. Aus einem Wintereie, welches gleich nach der Ablage lackiert, nach 18 Stunden in den Inkubator eingelegt und während 9 Stunden bei einer Temperatur von 41°—-44° C. bebrütet wurde. Die Entwickelung ist von der Schwanzseite zurückgehalten, der Durchmesser der Keimscheibe beträgt 4 mm; derselbe des hellen Fruchthofes etwa 2 mm. Die mittlere ektodermale Ver- diekung ist sehr unvollkommen (27 w). Tafel XXI. Alle Figuren stellen die medianen Längsschnitte der Keimscheibe dar; Fig. 1—3 bei 20facher, Fig. 4—7 bei 50facher Vergrösserung. Fig. 1. Aus einem Sommereie (Juni), welches aufnormale Weise 6 Stunden bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe betrug 4 mm. Die oben stehenden Zahlen zeigen die Ektodermdicke der verschiedenen Punkte in Mikro- millimeter (zu); das am meisten verdickte (68 «) Inselchen befindet sich im Centrum (e). Fig. 2. Aus einem Juniei, welches auf normale Weise 11'/2 Stunden be- brütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe betrug etwa 4,5 mm, der des Erklärung der Tafeln. 295 hellen Fruchthofes ea. 2,5 mm. Im Centrum desselben befindet sich ein Rudi- ment des Primitivstreifens (e). Die Zahlen zeigen die Ektodermdicke in Mikro- millimeter («). Fig. 3. Aus der Keimscheibe, welche auf der Fig. 4, Taf. XIX dargestellt ist. Fig. 4. Ein Teil der Fig. 3, mit dem Primitivstreifen, vergrössert. Die Zahlen zeigen die Ektodermdicke in Mikromillimetern (u). Fig. 5. Ein Teil des medianen Längsschnittes der Keimscheibe, welche auf der Fig. 6, Taf. XIX/XX dargestellt ist. Die Zahlen zeigen die vergleichende Dicke (in u) des Primitivstreifens und des Ektoderms. Fig. 6. Aus einem Winterei, welches gleich nach der Ablage lackiert, nach 18 Stunden in den Inkubator eingelegt und: während 9 Stunden bei einer Temperatur von 41°—-42° C. bebrütet wurde. Die Entwickelung ist von der Schwanzseite zurückgehalten. Der Durchmesser der Keimscheibe betrug 5 mm der des hellen Fruchthofes etwa 2 mm; letzterer hatte wegen der bei der Präparation (?) erhaltenen Falten unregelmässige Umrisse. Beim Studium in toto hat man eine Verdiekung im vorderen Teile des hellen Fruchthofes be- merkt, welcher sich ein wenig der linken Seite näher befand; im hinteren Teile hatte die Verdickung keinen bestimmten Charakter. Der Längsschnitt stellt den Primitivstreifen (l. p.) dar, welcher die vordere Hälfte des hellen Fruchthofes einnimmt und vorne eine Einstülpung (p) besitzt; x und y Falten an den Rändern der Area pellucida. Fig. 7. Aus der Keimscheibe, welche auf der Phot. 11, Taf. XXIII dar- gestellt (Textfigur 16). x — Ektodermpropfen; p‘ und p schlitzföürmige Ver- tiefungen vor und hinter demselben. Tafel XXI/XXUl. Phototypien der Aufnahmen, welche alle bei derselben Vergrösserung (Zeiss- Obj. 35, Proj. Oe. 2, Tubuslänge 160 mm, Abstand 55 cm) von Herrn J. Eismond liebenswürdig gemacht sind. Alle Abbildungen sind in der natürlichen Lage, unabhängig davon, wie der Keim im Ei lag, angeordnet und stellen eigentlich nur die Areae pellucidae der Hühnereikeimscheiben. Fig. 1. Aus einem Frühlingsei, welches 3—6 Stunden auf normale Weise bebrütet wurde. Nach einem Präparat von Herın J. Eismond. Schema: Textfig. 3, S. 223. Fig. 2. Aus einem Sommereie, welches einige Zeit nach der Ablage in den Brütofen eingelegt und auf eine normale Weise während 8'/» Stunden bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe beträgt 6 mm, der des hellen Fruchthofes 3,25 mm; der dunkle Fruchthof ist stark vakuolisiert. Schema: Textfigur 4, S. 225. Fig. 3. Aus einem Wintereie, dessen hintere Hälfte lackiert und welches ungefähr 3 Stunden nach der Ablage in den Brütofen eingelegt und während 296 Erklärung der Tafeln. 13 Stunden bei einer Temperatur von 41—42° C. bebrütet wurde; die Ent- wiekelung ist von der Schwanzseite zurückgehalten. Der Durchmesser (in Kanadabalsam) der Keimscheibe — 5 mm; der des hellen Fruchthofes 3 mm; Abstand der am meisten ausgeprägten mittleren Ektodermverdiekung von der vorderen Grenze des hellen Fruchthofes 1'/; mm. Die Lage des Keims im Ei war unregelmässig; man beobachtete eine Abweichung des Kopfendes rechts auf etwa 45° — Schema: Textfigur 5, S. 252. Fig. 4. Aus einem Wintereie, welches von hinten lackiert, in den Inkubator 10 Stunden nach der Ablage eingelegt und während 12 Stunden bei einer Temperatur von 41°—40°—42° C. bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keim- scheibe 4,5 mm, der des hellen Fruchthofes 2,5 mm. Die Anlage des Primitiv- streifens nimmt eine centrale Lage ein und ist mit seinem Kopfende rechts auf etwa 45° abgewichen. — Schema: Textfigur 6, S. 254. Fig. 5. Aus einem Wintereie, welches unmittelbar nach der Ablage 3 Stunden bebrütet, dann von hinten lackiert und von neuem 7 (also im ganzen 10) Stunden bei einer Temperatur von 41°C. bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe, 5,5 mm, der des hellen Fruchthofes 3 mm (in der Breite ein bischen weniger). Schema: Textfigur 9, S. 257. Fig. 6. Aus einem Winterei, welches gleich nach der Ablage von hinten lackiert, in den Inkubator nach 6!/» Stunden eingelegt und während 16 Stunden bei einer Temperatur von 41--42° C. bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keimscheibe 7 mm, der des hellen Fruchthofes 3,5 und 2,5 mm. Der Primi- tivstreifen ist bogenartig gekrümmt. — Schema: Textfigur 10, S. 263. Fig. 7. Aus einem Winterei, welches nach der Ablage von hinten lackiert, in den Inkubator nach 5 Stunden eingelegt und während 19 Stunden bei einer Temperatur von 42--38° C. bebrütet wurde. Die Durchmesser der Keimscheibe 6,5 mm und 5,5 mm, die des hellen Fruchthofes 2,5 mm und 3 mm. Die Lage des Keimes im Ei ist unregelmässig: das Schwanzende des Primitiv- streifens ist nach links gebogen. — Schema: Textfigur 12, S. 265. Fig. 8. Aus einem Winterei, welches nach der Ablage von hinten lackiert, in den Inkubator nach 5 Stunden eingelegt und während 19 Stunden beı einer Temperatur von 41°—38°—39° C. bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keim- scheibe 8 mm; der des hellen Fruchthofes 3,25 mm. Die Lage des Keimes im Ei ist unregelmässig: das Kopfende des bogenartig gekrümmten Primitiv- streifens weicht nach links ab. Schema: Textfigur 13, S. 267. Fig.9. Aus einem Wintereie, welches nach der Ablage von hinten lackiert, in den Inkubator ungefähr nach 9 Stunden eingelegt und während 18 Stunden bei einer Temperatur von 41°—-42° C. bebrütet wurde. Der Durchmesser der Keim- scheibe 9,5 mm, der des hellen Fruchthofes 3 mm. Bei einer normalen Lage des Keimes ist das Kopfende des Primitivstreifens nach links gebogen. Schema: Textfigur 14, S. 269. Fig. 10. Aus einem Wintereie, welches gleich nach der Ablage von hinten lackiert, in den Inkubator ungefähr nach 10 Stunden eingelegt und während Erklärung der Tafeln. 297 18 Stunden bei einer Temperatur von 41°—42°C. bebrütet wurde. Der Durch- messer der unregelmässigen Keimscheibe 4,5 mm, der des hellen Fruchthofes 2 mm; der freie Ektodermrand ist vom linken und hinteren Rande ganz und gar nicht gebildet. Der Primitivstreifen nimmt fast die ganze Area pellu- eida ein und ist bogenartig gekrümmt. Schema: Textfigur 15, S. 272. Fig. 11. Aus einem Herbsteie (Oktober), welches unmittelbar nach der Ablage vorne in der ganzen Kopfhälfte lackiert während 21 Stunden bei einer Temperatur von 38°C. und danach noch während 3 Stunden bei einer erhöhten Temperatur von 40--50° C. bebrütet wurde. Die Entwickelung wurde von der Kopfseite zurückgehalten. Der grössere Durchmesser der Keimscheibe 4,5 mm, der kleinere 3,5 mm; die des unbestimmt begrenzten hellen Frucht- hofes 1,25 mm und 0,75 mm. Man beobachtet anstatt des Primitivstreifens näher zum hinteren Rande einen eigenartigen Ektodermpropfen, welcher von einer gastrulaähnlichen Vertiefung von hinten begrenzt ist. Schema: Textfigur 16, S. 276. Fig 12. Aus einem Herbstei nach der 22stündigen normalen Bebrütung. Man beobachtet anstatt der Primitivrinne eine prostomaartige Kinstülpung. Nach dem Präparat von Dr. Emmeljanow. D PP RE IERErnI rn Ko iin Ka ae Te A | hir | ee Ee wh, | 7 A a ANLIE TE Da er AS BR ne a Wr rd Te m hd rt iR wre DU. NA ans erh da a BEN KERA u Bi er Ra ra Era ikl y Venih le an U Prm Mole N rar Ah Fo Kane ve Ä Fehl Fa et vn 79 WAT NETT BERN Tea eriee ' an aeh nge e dealer RER u ER ee A! ur ER De: SFT er er Rec ag ar Bei, ER BER u 2 ae u I 22 57 AN I ; ; - b AT MR Be Fer Pre) a Pe ae We era 2 Br) 2 y aa ee I > » 10 “ PR ak % y em de rc FE En £ Ast y Pie er 4 aukräpiene er rg: di Ze seh, N . I ee Fa nr I a rum SEE j 2 P: j Ya en ze Er Br re. . 4: > IS AZEE m u 7 en er ® u « gr Se L Ten / di \ ae re ee Br). er De ne ER ” Br. | u “ FF ’ {ei a” Be. j u ee 32 fe s R PR 4 Hi Tl er n: Mn u #4 B ur ö 5 er a ? N Ä I, vi J ö I B Fi y - Die BRFTFN AR x “gi N ug | “ i “ AR) \ is E, ec ae oa, U TR EN ö 5 2 / u ‘ Dr £ ze ( \ - m u u I . ... IA m u I u EN er i 1B* UeZR Luer, n. er = h ie Vous! u pn { e es N 1 % i fi = - ir 2 Ye N fi 5 d IF 7 r . \ u on. Yon . 2 Ve [ PETE: 2 j ur u fe] A Y; > 1 = 4 {7 un I 1. u y ri Ir} . > % ı j Pi B * 5 : , Pan Te u u . be . Ye ' ar WE ar u z B" Rn Bl, \, f di au But y: j f u. ns» Aue Re nn . , . u D 2 TER j SR au. ® j Ye 2% url u AR, a NRZ Ik u [ag] .“ RZ j “ 2 . De f Ka ei ü ui, a i AA Te ich ! IM Te ee Men RR 23, k Dr N 4 — 8 ck ar KEN IEPH TUT OT ‚: Ben Parse]? PR srruaFı a, 9 FE zZ ee Re‘ Du [ j - g R n = u: Ri u Mr, , ” " w =. F nn De EN lass um da © u ie Be: . - ? “ E A N ee ie re ee ar DE eek. m Fe DR =. ve ; im i * E D eu = . i { | ’ „a . “u z “ u { Raeen Ber Ken. @ ü r ; en ” Er} . r Aa 7 (AUS DEM ANATONISCHEN INSTITUTE ZU GREIFSWALD.) De SELTENE ANOMALIEN DES M. BICEPS BRACHI. VON A. STOLOWSKY. Mit 6 Figuren auf den Tafeln XXIV/XXV. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd. H. 2.) 20 12 IR AU ar er Karen | Die bisher in der Litteratur beschriebenen Anomalien des M. biceps brachii. Der M. biceps brachii des Menschen gehört bekanntlich zu denjenigen Skeletmuskeln, die sich durch besonders zahlreiche Varietäten auszeichnen. So giebt Testut (24) nicht weniger als dreizehn verschiedene Anomalien des Biceps brachii an, welche ich des Überblickes halber hier in Kürze aufführen will. I. Vollständige Teilung des Muskels in zwei bis auf 2 cm oder gar nur 1 cm von der Endsehne getrennte Muskel- körper. In extremen Fällen kann sogar die Endsehne selbst geteilt sein. In diesem Falle bestehen somit zwei vollkommen getrennte Muskelkörper, ein vom Processus coracoideus zur Tuberositas radii verlaufender, auch als M. coraco-radialis und ein zweiter von der Tuberositas supraglenoidalis des Schulter- blattes ebenfalls zum Radius ziehender, auch als M. gleno- radialis beschriebener Muskelbauch. II. Fehlen des langen Bicepskopfes oder der Glenoidportion des Biceps. In solchen Fällen besteht nur der kurze Kopf oder die Coracoidportion. Der M. biceps brachii ist damit ein Uni- ceps geworden. Testut bemerkt, dass in anderen Fällen der „lange Kopf“ auch durch ein irgendwo vom Humerus ent- springendes Fleischbündel ersetzt sein könne, ich vermisse aber den strikten Beweis, dass es sich in solchen Fällen um ein Rudi- ment des langen Kopfes und nicht nur um das Bestehen eines accessorischen Humeruskopfes bei gleichzeitigem Fehlen der Glenoidportion handelt. 20* 302 A. STOLOWSKY, III. Es besteht nur der lange Kopf des Biceps brachii, ein sogen. M. gleno-radialis. Die Coracoidportion fehlt gänzlich Diese nur von Meckel und Macalister beobachtete Anomalie scheint ausserordentlich selten zu sein. IV. Gänzliches Fehlen des Biceps wird nur einmal von Macalister in sehr summarischer Weise erwähnt und verdient meiner Meinung nach nicht unter den Varietäten des Biceps aufgeführt zu werden, wie es Testut thut, sondern ist eine Defektbildung. V. Auch das Vorkommen eines überzähligen Coracoidbün- dels oder einer doppelten, aus zwei beinahe gleich grossen Teilen bestehenden Coracoidportion ist mehrfach beobachtet worden. Beide Portionen entsprangen von der Spitze des Rabenschnabel fortsatzes und verschmolzen mit einander entweder proximal- oder distalwärts von der normalen Vereinigungsstelle des langen und kurzen Kopfes. In einem von Testut selbst beobachteten Falle fand sich ausserdem noch ein zweites von der Oberfläche der Sehne des M. pectoralis maior entspringendes und sich 4 cm unter dem Ursprunge des langen Kopfes mit diesem verbindendes Bündel. Dagegen sah Leboucq den Biseps nur aus den zwei Coracoidportionen bestehen. VI. Am häufigsten werden vom Humerus abgehende, meist vomM. brachialisinternus abgespaltete Muskelbündel von wechseln- der Länge und Dicke, sogen, accessorische Humerusköpfe des M. biceps brachii (chef humeral du biceps, muscle brachio-radial) beobachtet, die sich entweder mit der Sehne (häufigeres Ver- halten) oder auch schon früher mit dem Muskelbauch des Biceps (selteneres Verhalten) vereinigen. Die Häufigkeit ihres Vor- kommens wird von den verschiedenen Autoren verschieden an- gegeben. In der Regel soll auf etwa zehn Fälle ein accessorischer Humeruskopf zur Beobachtung gelangen. Ich kann einer der- artigen summarischen Statistik keinen besonderen Wert zuer- kennen, da sie diemorphologische Bedeutung dieser accessorischen Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 303 Humerusköpfe, wie ich unten zeigen werde, nicht genügend aus- einander hält, sondern Ungleichwertiges kritiklos zusammenwirft. VII. Weitere überzählige Bicepsbündel, die neben der mehr oder weniger modifizierten langen Portion bestehen können oder nach Testuts Ansicht letztere im Falle ihres Fehlens ersetzen: a) als vom oberen Ende des Humerus entweder vom Tuber- culum maius oder minus oder von der äusseren Lippe des Sulcus intertubereularis (Spina tub. maioris) entspringende und von einer ganzen Reihe von Autoren beobachtete Muskelzüge ; b) als Muskelbündel, die sich an der Gelenkkapsel inserierend dem typischen Biceps zugesellen; ce) als Bündel, welche von der Sehne des M. pectoralis maior entspringend sich mit dem einen oder andern Bicepskopfe vereinigen. So entsteht: VIII. ein M. biceps brachii mit drei, vier und fünf Köpfen. a) Biceps triceps'): a) Glenoid- und Coracoidportion sind normal, eine dritte Portion kommt vom mittleren oder unteren Drittel des Humerus. Ich werde diese, beinahe von allen Autoren beobachtete, auch schon unter VI von Testut erwähnte Anomalie im Verlaufe meiner Arbeit noch weiter zu erörten haben. ß) Glenoid- und Coracoidportion normal. Eine dritte Portion kommt entweder von der Sehne des Pectoralis maior oder von der äusseren Lippe des Suleus intertubereularis (Spina tubereuli maioris) oder von dem oberen Humerusende oder von der Ge- lenkkapsel. y) Glenoidportion normal, Coracoidportion verdoppelt. b) Biceps quadriceps'): a) Ausser den beiden normalen Portionen findet sich ein vom mittleren Drittel des Humerus herabziehendes Muskelbündel, 304 A. STOLOWSKY, 5) Ausser den beiden normalen Portionen entspringen zwei weitere Bündel vom Humerus in der Höhe des oberen Ansatzes des M. Brachialis internus. y) Die Glenoidportion fehlt. Es bestehen zwei Coracoid- portionen. Eine dritte entspringt an der inneren Humerustfläche, eine vierte vom Tuberculum maius. ö) Ausser den beiden normalen Portionen ist eine dritte vorhanden, welche von der Innenfläche des Humerus, und eine vierte, die von der äusseren Lippe des Sulcus intertuber- cularis entspringt. &) Neben den beiden Hauptportionen besteht ein von der Sehne des Pectoralis maior sich abzweigendes Bündel und ein vom Humerus kommendes. £) Zur Glenoidportion gesellen sich zwei vom Processus coracoideus entspringende Muskelbündel und eine vierte von der Sehne des Pectoralis maior sich abzweigende Portion. n) Neben der normalen Coracoidportion besteht eine über- zählige Humerusportion, die Glenoidportion ist verdoppelt. c. Biceps mit fünf Köpfen. a) Ausser den beiden normalen Köpfen besteht ein dritter humeraler, ein vierter kommt von M. deltoideus, ein fünfter entspringt am Suleus intertubercularis in der Höhe des M. pectoralis maior. 6) Neben dem gewöhnliehen Biceps findet sich ein über- zähliger Muskel, der aus drei ursprünglich getrennten Bündeln besteht. Eines kommt von der Innenfläche des Humerus, ein zweites von dessen Aussenfläche, ein drittes von der kurzen Portion des Biceps. Alle drei Bündel inserieren sich mittelst musste mich im Laufe meiner Untersuchungen überzeugen, dass unser gegen- wärtiges Wissen zu einer rationellen, etwa mit Rücksicht auf vergleichend anatomische und phylogenetische Gesichtspunkte oder auf regellose Variationen und Missbildungen des Biceps gewählten Nomenklatur nicht ausreicht. Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. einer selbständigen Sehne an der Tuberositas radii hinter der gewöhnlichen Bicepsehne. y) Es besteht neben den beiden normalen Portionen ein Humeruskopf, ein vierter Kopf kommt vom Rabenschnabelfort- satz, welcher sich durch ein von der Kapsel des Schultergelenkes kommendes fünftes Bündel verstärkt. IX. Testut hat ferner in zwei Fällen ein überzähliges Verbindungsbündel zwischen beiden Bicepsportionen beobachtet. Es verlief in dem einen Falle in der Höhe des Pectoralis maior, sich von der unteren Fläche der langen Portion abweigend, zu dem Innenrande der kurzen Portion, deren innerste Fasern es bildete. Im anderen Falle verlief ein sehr schlankes Bündel von der kurzen Portion nach abwärts und aussen zum langen Kopfe. Auch Dursy beschreibt einen Biceps brachii, dessen beide Portionen unten mit zwei getrennten, aber durch ein Fleischbündel vereinigten Sehnen endeten. X. Mitunter geht ein isoliertes Fleischbündel von der Glenoidportion zum Radius. Hyrtl sah ein solches als Kapsel- spanner zur Bursa bicipitalis verlaufen. XI. Ein überschüssiges Endbündel für den Ellbogen und die Ellbogengegend inseriert entweder direkt am Processus coronoideus ulnae und verläuft nur neben dem M. brachialis internus, oder es legt sich in des letzteren Muskelmasse direkt hinein, um mit ihm den Ellbogen zu gewinnen. In einem von Macalister beschriebenen Falle bestanden ausser der normalen Bicepssehne vier Endbündel; eines verlief zum Septum inter- musculare mediale, ein zweites zur Gelenkkapsel, ein drittes zum Pronator teres und ein viertes zum Processus coronoideus ulnae. In je einem von Testut und von Macalister beob- achteten Falle verlief ein muskulöses Band von der Unter- fläche des Biceps etwa 3 cm über dessen Sehne sich ablösend zum Brachialis internus und inserierte mit diesem am Processus coronoideus. Hierher gehören auch die von Quain und .. 306 A. STOLOWSKY, Walsham sowie die von Hood beschriebenen Fälle. Letzterer schilderte einen Biceps brachii, der ausser seiner gewöhnlichen Endigung mit Sehne und Lacertus fibrosus noch mit einer mittleren Portion an der Aponeurose des Supinator brevis und an dem ’Synovialbeutel der Bicepssehne, und mit einer inneren Portion in Form einer starken dreizipfligen Sehne am Processus coronoideus endigte. XII. In dem Lacertus fibrosus können Fleischbündel auf- treten (M. brachio-fascialis von Struthers, faisceaux brachio- aponeyrotiques internes von Testut). Im Gegensatz zu diesen unterscheidet Testut die viel seltneren vom äusseren Rande des Biceps zu der Aponeurose des Brachio-radialis ziehenden und in der Epikondylengegend endenden äusseren Fleischbündel (s. Testut $. 392 und 39). XIII. Endlich verbindet sich der Biceps brachii mit den benachbarten Muskeln, wie bereits bei den überzähligen Biceps- köpfen für die M. M. brachialis internus und pectoralis maior erwähnt wurde, und zwar entweder mit deren Fleisch- oder ihren Sehnenbündeln. Ausser zu den beiden genannten hat man Verbindungsbündel zu den M. M. pectoralis minor, dem coraco-brachialis, palmaris longus, pronator teres und supinator longus ziehen sehen. Bezüglich der Litteratur über alle diese Fälle verweise ich auf das Buch von Testut (S. 39). Erst nach längerer Zwischenzeit ist neuerdings diesem Thema wieder eine grössere Aufmerksamkeit von Le Double (15) zugewendet worden, der in einem umfangreichen, dankens- werten Werke eine sehr erschöpfende Zusammenstellung der bisher beobachteten Muskelanomalien giebt uud ihre Bedeutung „au point de vue de l’anthropologie zoologique“ bespricht. Was die hier in Frage kommenden Anomalien des Biceps brachü betrifft, so sind neue zu den von Testut angeführten nicht hinzuge- kommen, wenngleich ein anderes, und wie mir scheint, weit übersichtlicheres Einteilungsprinzip eine Verschiebung resp. Anatomische Hefte I. Abtheilung Heft 39 (1%.Bd.H.2) 3 At Lgtcoracoacromiale f Zgt.coracoarromiale, } „teressor _ Alöne arzformes Sehnenbündel_ Er Beta „Hapselspanrer der VB _ Mündung a. bursa m. subscap. Y N Cavizas glenoidl N _Langer Kopf Miteresmin.. KurzerHopf__i. Oaput long. M. tricipik. B — — = onnet, ad nat. del. _ C.Krapf,lith. Verlagv.J.E Bergmann Wiesbaden Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 307 neue Gruppierung der einzelnen Bicepsvarietäten erforderlich machte. Desgleichen habe ich auch in der übrigen Litteratur keinen Fall von anomalem Verhalten des Biceps brachii gefunden, der sich nicht mit dem einen oder andern der von Testut beschriebenen Fälle deckte, ausgenommen vielleicht einen von Rolleston beobachteten Biceps, dem sich drei vom N. radialis versorgte, die Supinationsfähigkeit des Biceps unterstützende Bündel zugesellten. Das eine löste sich oberhalb des Epicondylus lat. los und verlief zur Bicepssehne, das zweite ähnlich ent- springende Bündel gelangte zur Tuberositas radii, während das dritte oberhalb des Epicondylus lateralis vom Lig. intermusculare entsprang und vor der Tuberositas radii inserierte (23). Die Innervation dieser anormalen sich dem Biceps zuge- sellenden Bündel durch den N. radialis beweist, dass sie als dem Biceps ursprünglich fremde sekundär mit ihm verschmolzene Muskelmassen betrachtet werden müssen und so eine besonders abzugliedernde Gruppe von „Biceps“-Anomalien bilden. Diesen Bicepsanomalien füge ich drei weitere während des Wintersemesters 1898/99 auf dem Greifswalder Präpariersaal gefundene Anomalien zu, welche, in ihrer Art Unica, anscheinend noch nicht beobachtet sind und die mir zur Beschreibung von dem Direktor desanatomischen Institutes, Herrn Prof. Dr. Bonnet, aufs liebenswürdigste überlassen worden sind. Eigene Fälle von Anomalien des M. Biceps brachii. I. Der erste von mir beobachtete Fall einer Anomalie des Biceps brachii entstammt der 69°/, Jahr alten Arbeiterin M. K. Todesursache: Lungenödem. Die mittelgrosse, schwachbemus- kelte Leiche war mit Karbolglycerin injiziert. Bei der Präparation ihrer Muskeln bestand der Biceps des rechten Armes auf den ersten Blick nur aus dem kurzen Kopf, der in völlig normaler Weise gemeinschaftlich mit dem M. coraco-brachialis vom 3u8 A. STOLOWSKY. Processus coracoideus entspringt, und in der gewöhnlichen Weise nach vorheriger Abgabe des Lacertus fibrosus an der Tuberositas radii inseriert. Zu diesem Bauch gesellt sich ein schlankes, durchaus fleischiges Muskelbündel von 8!/, cm Länge, 4 mm Breite und 3 mm Dicke, welches etwa von der Mitte der Vorderfläche des M. brachialis internus nahe dessen langer Ursprungszacke abzweigt. Der schwache Muskelbauch des Biceps lässt am vorderen Rande seiner Ursprungssehne einige sehr deutliche, bogenförmig über die Vorderfläche der Kapsel des Schultergelenkes bis zum Lig. coraco-acromiale verlaufende Fasern verfolgen (Fig. 1), dessen unterem Rande sie sich an- schliessen. Ihr Verlauf, ihre wechselnde Ausbildung und Be- deutung wird uns noch weiter beschäftigen. Sorgfältige Präparation des lateralen Muskelrandes ergab an dessen oberen Ende das Vorhandensein eines etwa 1 cm langen und nur 1 mm breiten Sehnchens, der einzigen Spur der äusserst rudimentären Sehne des langen Bicepskopfes (Fig. 1). Diese feine Sehne verliert sich distal in Fleischbündel, welche aber vom kurzen Kopfe des Biceps nicht weiter abgegliedert werden können. Proximalwärts verläuft sie dagegen in der be- kannten, für die Sehne des langen Bicepskopfes charakteristischen und aus der Figur 1 und 2 ersichtlichen Weise im Sulcus intertubercularis und endet 2 mm breit an der Tuberositas supraglenoidalıs. %s bildet diese Anomalie eines so rudimentären, nur sehnig vorhandenen langen Bicepskopfes den Übergang zu jenen ausserordentlich seltenen Fällen in denen nur die Coracoidportion des Biceps besteht und die Glenoidportion fehlt. Abnorm schwache Entwickelung der Sehne des langen Kopfes ist nicht allzu selten. Eine so beträchtliche Reduktion an Dieke und Länge bei gleichzeitigem Fehlen eines wohl ab- grenzbaren zugehörigen Muskelbauches gehört aber sicher zu den grössten Seltenheiten. Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 309 Die Untersuchung der Gelenkkapsel ergiebt ein in normaler Weise von der Wurzel des Processus coracoideus zum Tuber- culum maius und minus verlaufendes, aber ziemlich schwach entwickeltes Lig. coraco-humerale. Die Bursa subdeltoidea be- steht in gewöhnlicher Ausdehnung und normaler Beschaffenheit. Nach Eröffnung des Schultergelenkes ist der Verlauf der dünnen Sehnenschnur frei durch die Gelenkhöhle in bekannter Weise zu übersehen (Fig. 2). Namentlich in der Umgebung des Kapsel- ansatzes am Labrum glenoidale, aber auch sonst auf der Kapsel- innenfläche zerstreut, finden sich eine Menge kleiner bis zu 1!/, mm langer und bis 3 mm breiter, einfacher oder geteilter Zött- chen, die Reste einer fungösen Gelenksentzündung. Ähnliche, aber beträchtlich kleinere Wucherungen fallen auch in der Um- gebung des Kapselansatzes ringsum den Gelenkkopf auf, und ebenso finden sich solche in der durch eine ziemlich weite Öffnung mit der Gelenkhöhle kommunizierenden Bursa m. subscapularis und der mit ihr in Verbindung stehenden, etwa haselnussgrossen Bursa subcoracoidea. Die Gelenkknorpel des Humerus und der Fossa glenoidalis sind vollkommen glatt und normal. Der Sulcus intertubercularis ist entsprechend der dünnen Sehnenschnur ebenfalls sehr eng, ebenso ihre Synovialscheide. Der M. biceps des linken Armes zeigt insoferne eine nicht unwesentliche Abweichung von der Norm, als eine scharfe Trennung seiner Köpfe nicht möglich ist (Fig. 8). Vorsichtige Präparation zeigt nämlich, dass die von der Spitze des Processus coracoideus entspringende und bis zum Tuberculum minus humeri reichende Flachsehne des Biceps durch eine dünne Bindegewebsplatte mit der etwa 3'/, mm breiten und 1 mm dicken Sehnenschnur des langen Kopfes zusammenhängt, welche nach oben im Sulcus intertubercularis verschwindet. Es findet sich also wie ein Blick auf die Figur (Fig. 3) zeigt, wieder eine abnorm schwache Sehne des langen Kopfes mit normalem Ur- sprung an der Tuberositas supraglenoidalis mit normalem Verlaufe 310 A. STOLOWSKY, freidurch die Gelenkhöhle und den Sulcus intertubereularis. Aber anstatt in einen eignen getrennten, „langen Bicepskopf“ überzu- gehen, schliesst sie sich der auf mehr als das Doppelte ihres gewöhn- lichen Umfangs verbreiterten Sehne des kurzen Kopfes an, gleich- sam deren freien lateralen Rand bildend und erst beim Eintritt in die Gelenkkapsel sich selbständig von ihr abzweigend. Die Sehne des kurzen Kopfes zeigt ausser ihren mit dem Ursprung des M. coraco-brachialis an der Spitze des Processus coracoideus inserierenden Faserbündeln eine aus starken bogenförmigen Sehnenfasern bestehende, die vordere Gelenkkapselwand ver- stärkende aponeurotische Verbreiterung von ca. 4 mm Breite. Der Biceps entspricht an Dicke seines Muskelbauches ungefähr dem des linken Armes und endet in gewöhnlicher Weise. Die Bursa subdeltoidea ist wohl entwickelt und reicht zum Teil bis unter die erwähnten, sich dem unteren Rande des Lig. coraco- acromiale anschliessenden Sehnenfaserzüge des aponeurotischen Bicepsursprunges. Das Lig. coraco-humerale ist etwas stärker entwickelt als auf der anderen Seite. Auch die Innenfläche der rechten Gelenkkapsel zeigt in Gestalt zottiger Wucherungen, namentlich in der Umgebung des Labrum glenoidale und des Collum anatomicum des Humerus Spuren einer alten Arthritis fungosa. Eine mit der Gelenkhöhle kommunizierende Bursa m. subscapularis zeigt nichts Auffallendes. Eine Bursa subcoracoidea ist nicht vor- handen. Es erübrigt schliesslich, noch einen Blick auf die das Schulter- gelenk auf beiden Seiten bildenden Knochen zu werfen. Die Verhältnisse wurden am macerierten Knochen studiert, nachdem vorher die Weichteile in der beigefügten Abbildung skizziert worden waren. Wie zu erwarten, zeigte sich bis auf das Ver- halten des Sulcus intertubereularis kaum ein nennenswertes Ab- weichen von der Norm. Die in Frage kommenden Maasse sind für beide Schultergürtel aus der unten stehenden Tabelle er- Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 511 sichtlich. Der rechte Humerus weist zwar im allgemeinen eine etwas kräftigere Entwickelung auf, die aber die Grenzen der physiologisch stärkeren Ausbildung der rechten Extremität in- folge Mehrgebrauches nicht überschreitet. Doch fällt auf, dass der Kopf des rechten Oberarmbeines in seiner grössten sagit- talen Ausdehnung fast !/g cm mehr misst als das Caput humeri der linken Seite. Der (Grössenunterschied wird wohl zur Genüge durch die stärkere Ausbildung infolge Mehrge- brauches des rechten Armes erklärt. Einen viel deutlicheren, sofort in die Augen springenden Unterschied zeigt dagegen der Suleus intertubereularis der beiden Humeri. Entsprechend der dünnen Sehne des langen Bicepskopfes ist derselbe am rechten Oberarmbein im Vergleich mit dem linken sehr eng. Der linke Sulcus intertubercularis ist mehr als doppelt so breit als der rechte an der gleichen Stelle. Dagegen zeigt sich letzterer nicht nur nicht seichter, wie man anfangs nach Ana- logie der Fälle von gänzlichem Fehlen des langen Bicepskopfes mit verflachtem Sulcus intertubercularis hätte erwarten können, sondern er ist sogar noch um 2 mm tiefer als der Sulcus inter- tubercularis des linken Humerus an der entsprechenden Stelle, in der Mitte zwischen den beiden Tubereulis. Dieser Befund wird weniger auffallend, wenn man bedenkt, dass die Biceps- sehne schon in embryonaler Zeit auf den noch knorpelig weichen Humerus eingewirkt haben kann. Auch könnte man noch das rein mechanische Moment berücksichtigen, dass ein breiterer Strang jedenfalls schwerer in einen Knorpel einschneidet, als ein dünnerer von annähernd gleicher Festigkeit und gleicher Spannung. Notwendig scheint aber dieser Gedankengang zur Er- klärung der thatsächlichen Verhältnisse nicht. Denn die Längen- ausdehnung beider Sulei ist ziemlich gleich aber im Verhältnis zur Länge des Caput longum viel zu lang, woraus hervorgeht, dass der Sulcus intertubercularis eine ganz oder teilweise von der Bicepssehne unabhängige Bildung darstellt, wie bereits Joessel 312 A. STOLOWSKY, aus dem Bestehen einer dem Suleus intertubereularis entsprechen- den Furche bei gänzlichem Fehlen des langen Bicepskopfes ge- schlossen hat (12). Tabelle. Masse des Muskels. Rechter Arm: Grösste Breite des Bicepsbauches u 12 Dicker, er ae LS EN Le Breite der Sehne des Caput breve unterhalb des Tuber- culum minus u sFr: Breite der Sehne desCaputlongum am Labrum glenoid. im Suleus intertub. „ „ „ „ „ „ bei der Vereinigung ) ») 29 DR] ,) „ mit dem Caput breve . Linker Arm: Grösste Breite des Bicepsbauches h- Dicke „, “ ER Baker Breite der Sehne des Caput breve unterhalb des Tuber- culum minus SP) NUR Breite der Sehne des Caput longum am Labrum glenoid. im Sulcus intertub. 9 ” b) ”) ” ”) Masse der Knochen. Rechter Arm: Länge des rechten Humerus Grösste Dicke des rechten Humerus 0,2 0,1 1.9 2,8 0,4 0,35 30,0 1,9 cm ’) cm > Drei seltene Anomalien des M. biceps br achii. Länge des Sulcus intertubercularis Breite des Sule. intertub. zwischen den beiden Tub. Grösste Tiefe des Sule. intertub. zwischen den beid. Tub. Grösste Ausdehnung des Caput humeri in transver- salertBichtungs an „u. SIR IE MS SNIRBTA Grösste Ausdehnung des Caput uch in sagittaler Richtung Grösste Ausdehnung der Facies glenoidales scapulae in transversaler Richtung Grösste Ausdehnung der Facies glenoidales scapulae in sagittaler Richtung Linker Arm: Länge des linken Humerus Grösste Dicke des linken Humerus Länge des Sulcus intertubercularis Breite des Sule. intertub. zwischen den beiden Tub. Grösste Tiefe desSule. intertub. zwischen den beid. Tub. Grösste Aussdehnung des Caput humeri in transver- saler Richtung Grösste Ausdehnung des Caput humeri in sagittaler Richiung AIR Grösste Ausdehnung der Facies glenoidalis scapulae in transversaler Richtung Grösste Ausdehnung der Facies glenoidalis scapulae in sagittaler Richtung ,”» 99 ” Ein Vergleich dieser Anomalie mit den in der Litteratur beschriebenen ähnlichen Fällen zeigt, dass ein meinem Falle analoger noch nicht beobachtet sein dürfte, und es entsteht die Frage: ist das auffallende Verhalten der Sehne deslangen Biceps- kopfes zu der aponeurotischen Verbreiterung der Sehne des kurzen Kopfes der Ausdruck einer mangelhaften Sonderung, BIE! A. STOLOWSKY, also eventuell ein primitives Verhalten oder aber der Aus- druck beginnender Verschmelzung und damit möglicherweise eine zu den „Missbildungen“ des M. biceps brachii hinüber- leitende Erscheinung. Ich habe vor allem mein Augenmerk auf das Vorkommen der in diesem Falle auffallend starken Ent- wickelung der zwischen den beiden Bicepsköpfen zur vorderen Kapselwand ziehenden sehnigen Bogenfasern oder Fibrae arci- formes m. bieipitis, wie ich sie nennen will, gerichtet und sie wie auch bei den beiden folgenden Bicepsanomalien, noch in einer ganzen Reihe von Individuen mit normalem Biceps brachii in mehr oder minder deutlichen, oft in geradezu auffallender Weise beobachten können. Regelmässig gehen sie, wenn vor- handen, vom äusseren Rande der Sehne des kurzen Kopfes, oft als bis 1 mm breite Sehnenstränge ab, um mehr oder weniger steil zur vorderen Kapselwand oder bei stark entwickelter Bursa subdeltoidea auch über deren Vorderfläche auszustrahlen. Nach oben schliessen sie sich dem Lig. coraco-acromiale an. Mitunter entstehen diese Fasern auch von einem lateral vom kurzen Kopfe des Biceps sich mehr oder weniger selbständig markieren- den Fleischbündel, welches sich auch zu einer selbständigen Muskelportion abgliedern kann. In der Litteratur finde ich diese Fasern nirgends berücksichtigt, und selbst die ausführliche Arbeit von R. Martin (17) enthält keine Angaben über ihr Vorkommen. Ich halte aber diese Bogenfasern für eine in morphologischer und funktioneller Hinsicht keineswegs unwichtige Bildung und werde weiter unten noch näher auf ihre Bedeutung eingehen. Ich habe, wie aus meiner Schilderung ersichtlich, die Anomalien am rechten und linken Biceps dieses Individuums in keine Beziehung zu der bestehenden chronischen Arthritis gebracht. Die Befunde am Knochen lehren, dass der M. biceps beider Arme abnorm gebildet war, ehe eine derartige Gelenk- entzündung eingetreten ist. Auch ist nicht abzusehen, wie eine solche den vorliegenden Befund an der Bicepssehne hätte her- Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 315 vorrufen können. Es bleibt also nur übrig, eine kongenitale Anomalie anzunehmen. II. Anders scheint die Sache auf dem ersten Blick in einem zweiten von mir beobachteten Falle am M. biceps brachii eines kräftigen, muskelstarken, an Herzschwäche verstorbenen Mannes A. F. von 68 Jahren zu liegen. Injektion mit Karbolglycerin behufs Muskelpräparation. Der rechte M. biceps brachii ist wohl entwickelt, das Caput breve entsendet zur Vorderfläche der Gelenkkapsel schöne sehnige Bogenfasern, welche sich dem unteren Rande des Lig. coraco- acrominale anschliessen und dessen untere Grenze verwischen. In einer Entfernung von 5'!/a cm von der Spitze des Processus coracoideus zweigt ein 1!/g mn breites, etwa 4 cm langes, nach oben sich fächerförmig verbreiterndes Sehnenbündel von der Sehne des kurzen Kopfes ab und strahlt zwischen den Bogen- fasern in die vordere Kapselwand aus. Zwölf cm vom Ursprunge des kurzen Kopfes entfernt, spaltet sich ein 3 mm dickes, 8'/), cm langes und etwa 5 mm breites Muskelbündel ab und verbindet sich mit feiner bogen- förmiger Sehne mit dem oberen Rande der Sehne des Pectoralis maior, indem es die Ursprungssehne des langen Bicepskopfes dicht über seinem Austritt aus der Gelenkkapsel überbrückt. Die Sehne des langen Kopfes und dieser selbst ist normal, ebenso die Endsehne zur Tuberositas radii. Der Lacertus fibrosus besteht in Form eines 1 cm breiten, 2 mm dicken und 12 cm langen, sich deutlich in der Vorder- armfascie markierenden Stranges, welcher nur durch vereinzelte derbere Fasern nach vorn mit der Endsehne des Biceps und medial mit dem Septum intermusculare mediale und der Unter- armfascie zusammenhängt. Auch am linken Biceps brachii gehen von der Sehne des kurzen Kopfes deutliche Bogenfasern (in der in Figur 5 Anatoniische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd., H. 2). 21 316 A. STOLOWSKY, ersichtlichen Weise) zur Vorderfläche der Gelenkkapsel. Ihren Abschluss nach unten bildet ein etwa 4 cm langes und 2 mm breites Muskelbündel, das mit sehr schwacher, kaum 1 mm dieker Sehne den langen Bicepskopf nach seinem Austritt aus der Gelenkkapsel überbrückend zum oberen Rande der Sehne des Pectoralis maior verläuft. Die Sehne des langen Kopfes entbehrt nach ihrem Austritt aus der Gelenkkapsel in einer Ausdehnung von 13 cm des metallischen Glanzes. Sie besteht in Form eines etwa $ mm dicken, rötlichen, weichen Stranges, der sich plötzlich konisch verbreiternd wie mit strahliger Narbe an den nur 12 cm langen Muskelbauch der Glenoidportion ansetzt. Ein Querschnitt zeigt, dass die vermeintliche Bicepssehne aus einem Kanale besteht, der sich bis in eine Entfernung von 5 cm von dem Muskel- bauch nach unten sondieren lässt, nach oben aber mit der Ge- lenkhöhle kommuniziert. In der hinteren Wand dieses nach innen schwach gefalteten Kanales verläuft ein dünner, etwa l mm dicker Sehnenzug, der sich nach oben von der Innen- fläche der Gelenkkapsel ablöst und 3 mm breit an der Tuberosi- tas supraglenoidalis inseriert, nach unten verliert er sich in dem narbigen Ende dieses Hohlcylinders, der zweifellos als die ver- dickte und abnorm lange Synovialscheide einer obnorm dünnen Sehne des langen Biceps betrachtet werden muss. Der Gelenkkopf des Humerus zeigt im Bereiche des Tuber- culum maius und minus fungöse, bis 4 mm lange und 2 mm dicke Synovialzöttchen; ihre weissen Spitzen enthalten teils Fett, teils Harnsäurekrystalle, auch der Limbus glenoidalis zeigt wie der benachbarte Knorpel vereinzelte, radiär angeordnete, weisse Streifen, deren mikroskopische Untersuchung Harnsäureinfarkte giebt. Im übrigen ergiebt die Untersuchung der knöchernen Teile normale Verhältnisse. Ich habe oben angedeutet, dass man in diesem Falle vielleicht geneigt sein könnte, den anomalen Befund am langen Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 317 Kopfe des Biceps in einen ätiologischen Zusammenhang mit der gleichzeitig bestehenden Gelenkaffektion zu bringen. Man wird indessen auch hier davon absehen müssen, da eine solche Annahme weder dies auffallende Verhalten der Synovialscheide für den langen Bicepskopf, noch die ausserordentliche Zartheit seiner im übrigen vollkommen glatten und durchweg glänzenden Sehne erklären würde. Als zweite Möglichkeit, das abnorme Verhalten der langen Bicepssehne auf ein Trauma, eine Quetschung ete. zurück- zuführen, scheint mir ebenfalls unberechtigt bei dem Mangel jeder Spur einer Narbe oder schwieligen Veränderung der Sehne und bei der auch hier bestehenden Unmöglichkeit, die abnorme Dünne der Sehne aus den Folgen eines Trauma ab- zuleiten. Man wird sich also nur zur Bezeichnung „Anomalie“ entschliessen können. III. Bei einer 72jährigen, gut bemuskelten männlichen Leiche fand sich linkerseits ein vom lateralen Rande des kurzen Bicepskopfes mit drei getrennten fleischigen Zacken in die Bursa m. pectoralis maioris auslaufender Kapselspanner. Das Muskelchen hatte eine Länge von 7 cm, eine Breite von 5 mm und eine grösste Dicke von 2 mm. Aus der beiliegenden Zeichnung (Fig. 6) ist zu ersehen, dass er, wie genauere Zer- gliederung lehrte, nicht nur mit der Sehne des kurzen Biceps- kopfes und den nach oben und aussen von ihr abgehenden Fibrae arciformes, sondern auch mit dem M. coraco-brachialis in Zusammenhang stand. Ich habe in der gesamten Litteratur über die Anomalien des Biceps brachii, speziell seiner als „Kapselspanner“ bezeichneten accessorischen Bündel, keinen derartigen Fall verzeichnet gefunden. Die Anomalie scheint also eine ganz ausserordentlich seltene zu sein und sei deswegen erwähnt und hier abgebildet. 91%* 9] 318 A. STOLOWSKY, Bemerkungen über die chirurgische Bedeutung der langen Bicepssehne und die mit ihrer mangelhaften Entwickelung zusammenhängenden Funktionsstör- ungen. Die ausserordentlich schwache Entwickelung der langen Bicepssehne an dem rechten Arme meines ersten und am linken meines zweiten Falles legt die Frage nahe: bedingt diese Ano- malie Funktionsstörungen oder sonstige Nachteile für das be- treffende Individuum? Um hierüber zu einem Schlusse zu kommen, muss man sich über die Wirkung des Biceps brachü, speziell seines langen Kopfes klar sein. Wie schon Winslow behauptet hatte und nachher die elektromuskulären Versuche Duchennes zur Evidenz bewiesen haben, ist der M. biceps brachii nicht nur ein Beuge-, sondern auch ein kräftiger Supinationsmuskel, welcher den von Duchenne vorgeschlagenen Namen eines Flexor supinatorius mit vollem Recht verdient. Reizt man den Biceps durch den elektrischen Strom, so sieht man die vorher in Pronationsstellung befindliche Hand rasch in Supination übergehen, während sich gleichzeitig der Vorderarm gegen den Oberarm beugt. Sucht man während des Kontraktionszustandes des Biceps die Pronation auf mecha- nische Weise herbeizuführen, so stösst man auf grossen Wider- stand. Isolierte Supination der Hand erzielt man dann, wenn man die Kontraktion des Biceps durch den elektrischen Strom veranlasst, während die betreffende Person die Streckstellung des Vorderarmes energisch festhält; doch wird diese Beweg- ung mit weit geringerer Kraft ausgeführt, als wenn sich der Vorderarm zur Zeit des Experimentes in halber Flexionsstell- ung gegen den Oberarm befindet, eine Thatsache, aus der man folgern muss, dass der Biceps nur während der Beugung des Vorderarmes dazu bestimmt ist, die Supination auszuführen. Drei seltene Anomalıen des M. biceps brachii. 319 Bei einem Individuum, dessen Mm. brachialis internus, supinator longus und brevis infolge progressiver Muskelatrophie funktions- unfähig geworden waren, beobachtete Duchenne ebenfalls, dass die Supination bei gestrecktem Vorderarme viel schwächer aus- geführt wurde als bei gebeugtem Vorderarme. Lokalisierte Duchenne den elektrischen Reiz auf die lange Portion des Biceps, so war die Wirkung zwar weniger kräftig, als wenn die kurze Portion isoliert gereizt wurde, doch kam immerhin fast eine halbe Supination zustande. Bei der eben geschilderten Wirk. ungsweise des Biceps könnte es gleichgültig sein, ob er von der Scapula oder vom Humerus entspränge. Aber gerade mit dem Ursprunge von der Scapula verbinden sich Nebenwirkungen auf das Schultergelenk, die nicht zu unterschätzen sind. Zu- nächst wird diese Insertion, welche den Muskel zu einem zwei- gelenkigen macht, denselben augenscheinlich befähigen, auch bei der Hebung des ganzen Armes thätig zu sein, eine Wirkung, die sowohl bei gebeugtem Vorderarme, wenn sich der Biceps nach vollendeter Beugung noch weiter kontrahiert (Meyer), als auch bei gestrecktem Vorderarme (Gegenbaur) eintreten wird. Eine andere wichtige Aufgabe, welche der Biceps, speziell der lange Kopf durch seine Anheftung an der Scapula übernimmt, besteht darin, den Humeruskopf gegen die Gelenkhöhle der Scapula fixiert zu halten. Er teilt diese Aufgabe, unterstützt durch den Luftdruck, mit den eigentlichen Schultermuskeln: Subscapularis, Infraspinatus Deltoides. Er übernimmt haupt- sächlich diese Leistung bei erhobenem Arm (Meyer); während allerdings in Ruhelage des Armes das Caput longum eher eine abwärts drückende Wirkung haben wird (Meyer), namentlich aber kommt die fixierende Wirkung des langen Kopfes bei belastetem und gleichzeitig gebeugtem Arm zur Geltung. Duchenne, welcher auf die Nützlichkeit und Notwendigkeit der direkten Anhaftung des Biceps brachii, namentlich des langen Kopfes am Schulterblatte aufmerksam macht, sah Individuen 320 A. STOLOWSKY, mit atrophischem Biceps zwar den Vorderarm noch mit Hülfe des Brachialis internus und Supinator longus energisch beugen; wenn aber der Widerstand gegen die Beugung sehr schwer wurde, wie es z. B. beim Aufheben eines schweren Gegen- standes vom Boden unter Beugung des Vorderarmes gegen den Oberarm der Fall ist, so entfernte sich der Humeruskopf aus der Gelenkhöhle. Die betreffenden Individuen empfanden dabeı ein Ziehen im Schultergelenke, das schmerzhaft wurde, wenn die Last zu schwer wog, oder wenn die Bewegung zu lange fortgesetzt oder zu häufig ausgeführt wurde. Duchenne schliesst seine Ausführung mit dem Bemerken, dass auf diese Weise die Bicepsatrophie für den Arbeiter eine Ursache zur Schwäche werden konnte, infolge deren er sich nicht lange einer ermüdenden Arbeit hingeben durfte, ohne schwer darunter zu leiden. Im Einklang mit der Wichtigkeit, die Duchenne der langen Bicepssehne beimisst, stehen auch andere klinische Beobachtungen, welche sich auf Entzündungen und Rupturen dieser Sehne beziehen. Zwei Fälle von isolierter akuter Ent- zündung der langen Bicepssehne und ihrer Scheide teilt u. a. E. v. Noorden (20) mit, die insofern interessant sind, als ihre Ätiologie beweist, dass bei der Arbeitsleistung des Biceps auch der lange Kopf in hervorragendem Masse sich beteiligt. Es handelte sich in beiden Fällen im wesentlichen um solche Muskelleistungen, die hauptsächlich nach Obigem der Biceps brachii erfüllt, nämlich Vorderarmbeugung, kombiniert mit Supination und beide Akte qualitativ und quantitativ in über- triebener Weise. Auch nach Ablauf des entzündlichen Prozesses blieb ein noch lange Zeit anhaltendes, höchst unangenehmes Ermüdungsgefühl zurück. Man darf dasselbe wohl mit Recht auf die noch nicht hergestellte Gebrauchsfähigkeit des langen Kopfes zurückführen, infolgedessen der kurze Kopf die eigent- lich beiden Portionen zukommende Arbeitsleistung allein über- Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 321 nehmen musste. Noch auffallender illustrieren die Bedeutung des Caput longum bieipitis Fälle von subeutanen Ab- und Zer- reissungen desselben, wie sie E. Pagenstecher (2l), A. Barsis (2) u. a. mitgeteilt haben. Was den Entstehungsmechanismus jener Rupturen anlangt, so waren sie, allgemein ausgedrückt, im wesentlichen dadurch zustande gekommen, dass der Biceps im Zustande maximaler Kontraktion eine plötzliche passive Dehn- ung erfuhr. Die Folgen dieser Rupturen, welche eine dauernde Unthätigkeit des langen Bicepskopfes veranlassten, waren namentlich in dem einen Falle so traurige, dass der kräftige Mann zu seiner Berufsarbeit als Schlächter völlig untauglich blieb, indem konsekutiv die ganze Bicepsmuskulatur abmagerte. Während der Vorderarm und die Handmuskeln kraftvoll wirkten, war der Oberarm geschwächt, besonders die Kraft der Beugung am Ellbogengelenk deutlich vermindert. In den übrigen. Fällen trat zwar infolge steter Muskelübung Besserung der zuerst stark herabgesetzien Funktion ein, doch mussten mehrere der be- treffenden Patienten ganz schwere Arbeit für immer meiden. Dass eine so minimale Entwickelung der langen Bicepssehne, wie sie die beiden ersten von mir mit- geteilten Fälle zeigten, zu solchen Rupturen mit ihren Folgezuständen besonders disponieren kann, bedarf wohl kaum der Erwähnung. In meinen beiden Fällen liess sich nachträglich leider nicht feststellen, ob die beschriebenen Anomalien Funktionsstörungen zur Folge hatten oder nicht. Es wurde schon oben erwähnt, dass der lange Bicepskopi bei Ruhelage des Armes den Humeruskopf nach abwärts drängt, Diese von Meyer in seiner Statik und Mechanik (S. 114) aus- gesprochene Ansicht entspricht in gewisser Beziehung der von Cruveilhier gegebenen Deutung. Cruveilhier (8) be- trachtet nämlich den intraartikulären Teil der Sehne des langen Kopfes als Zwischengelenksband (Ligament interarticulaire), wel- 322 A. STOLOWSKY, ches den Zweck habe, den Kopf des Humerus an die Cavitas glenoidalis scapulae anzupressen und, weil die Sehne über dem Caput humeri eine Art Gewölbe bilde, bei Stössen von unten nach oben diesen Stössen gegenüber den Gelenkkopf dadurch in der Pfanne zu fixieren, dass sie ihn nach abwärts drückt, eine Wirkung, welche Meyer für den in Ruhelage befindlichen Arm gemeinhin annahm. So unrichtig auch morphologisch die Deutung Cruveilhiers sein mag, in Bezug auf die Funktion des langen Kopfes hat sie sicherlich ihre Berechtigung. Hierfür sprechen Fälle von chronischer Gelenkentzündung, infolge deren der interartikuläre Teil der Sehne auf irgend eine Weise ver- ändert war, sei es, dass er entweder gänzlich verloren gegangen (Mayne und Adams, Canton, E. Gurlt, Gruber), sei &s, dass er gerissen (Grey, Smith) oder abgeflacht, ausgedehnt und in nebeneinander liegende Stränge geteilt (Canton), sei es, dass er dislociert war (Adams, Godin, Smith). Bei all den genannten Fällen fand man, dass das Caput humeri nicht nur an der Cavitas glenoidalis, sondern auch zugleich in einer durch Usur entstandenen anomalen Gelenkfläche am oberen Rande der normalen gegen das Acromion oder den Processus coracoideus zu, oder bei Schwund der normalen Cavitas glenoidalis sogar in einer neugebildeten allein (Go din) artikulierte; bei anderen wieder hatte der Humeruskopf durch Druck auf die obere Kapselwand zu deren Abnützung und Durchbohrung geführt. Aus den an- geführten Beispielen geht mit Sicherheit hervor, dass das Caput humeri hauptsächlich erst nach völliger oder teilweiser Zerstör- ung der Sehne des langen Kopfes des Biceps oder doch nach deren Dislokation sich nach oben oder aussen und oben abnorm erheben, auf die obere Wand der Schultergelenkkapsel einen grossen Druck ausüben und dadurch allmählich Atrophie und Perforation derselben und der sie bedeckenden Muskeln bewirken kann. Wenn dadurch der Humeruskopf mit dem oberen Rande der Facies glenoidalis in Berührung kommt, so wird er infolge u IT > Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. der Reibung bei Bewegungen Schwund des Periosts und Usur des Knochens verursachen und sich so eine neue Art von Ge- lenkhöhle bilden. W. Gruber, welcher Cruveilhiers Ansicht von der Bedeutung der Sehne des langen Kopfes bespricht (8), hält sie allerdings nicht für richtig und sucht dies an einem Falle von angeborenem Fehlen des Caput longum zu beweisen. Bei dem betreffenden Individuum, dessen langer Bicepskopf am linken Arme total fehlte, ohne dass der kurze Kopf sich dafür stärker ausgebildet zeigte, wurde von Gruber „weder am Ge. lenkkopf des Armbeins und an der Cavitas glenoidalis scapulae, noch an der Schultergelenkkapsel und an den diese bedeckenden Muskeln, noch am Fornix coraco-acromialis, im Spatium sub- acromiale und subcoracoldeum und an den Bursae mucosae, welche in letzteren enthalten sind, etwas bemerkt, welches an- gezeigt hatte, dass der Gelenkkopf des Armbeines höher ge- standen wäre, als derselbe der anderen Extremität, an welcher der M. biceps brachii völlig normal gebildet vorkam“. Dieser unstreitig sehr sorgfältig aufgenommene Befund wird von Gruber wohl kaum mit Recht als Gegenbeweis gegenüber der von Cru- veilhier aufgestellten Behauptung angesehen. Denn zunächst wäre es immerhin erst ein Fall gegenüber einer ganzen Anzahl von Fällen, bei denen die obigen Veränderungen in der Stellung des Caput humeri wirklich gefunden worden sind. Dann aber sprach Öruveilhier jene Bedeutung der Sehne des langen Biceps- kopfes nur dann zu, wenn der Humerus Stössen von unten nach oben ausgesetzt sei. Es ist bekannt, dass Luxationen des Humerus- kopfes direkt nach oben und vorn ganz ausserordentlich selten und dann immer nur unter gleichzeitiger Fraktur des Acromion resp. Processus coracoideus beobachtet worden sind!), während doch der Humerus Stössen von unten nach oben bei den verschiedensten !) Von Malgaigne und W. Busch sind solche Luxationen beschrieben worden. Vgl. Tillmanns Lehrbuch der spez. Chirurgie Teil II, S. 469 und Albert: Lehrbuch der spez. Chirurgie Bd. I, S. 468. 324 A. STOLOWSKY, Gelegenheiten gewiss nicht selten ausgesetzt ist. Die Erklärung dürfte sicher nicht bloss in dem Widerstande des durch das Acro- mion, den Processus coracoideus und durch das Ligamentum coraco- acromiale gebildeten Gewölbes, sondern auch zum guten Teil eben in jenem Verhalten der intraartikulär verlaufenden Sehne des Caput longum zu suchen sein, welche ähnlich einem Ver- stärkungsbande den Humeruskopf deckt und durch den Muskel- tonusals eine Art kontraktiles Ligament die Kapsel des Schulterge- lenkes verstärken hilft. Es stimmt hiermit auch ein von Heus- ner (10) vorgestellter Fall von habitueller Subluxation des Ober- armkopfes nach vorn überein). Es handelte sich hierbei zweifellos um eine vielleicht auf ein leichtes Trauma zurückzuführende habituelle Subluxation der langen Bicepssebne, der sekundär eine habituelle Subluxation des Humeruskopfes nach vorn und aufwärts gefolgt war. Noch ein Punkt kommt aber bezüglich der Fixierung des Caput humeri in der Gelenkhöhle nach meinen an zahlreicheu Präparaten gemachten Erfahrungen in Betracht, nämlich die oben bei Fall I von mir näher beschriebenen Fibrae acriformes m. bieipitis. Es können diese Fasern bei fixiertem Vorderarme und gleichzeitiger Bicepskontraktion wohl spannend auf die Vorderwand der Gelenkkapsel oder bei grosser Bursa subdeltoidea auch auf deren Wand wirken. In beiden Fällen werden sie aber zur Verstärkung der vorderen Kapselwand und zwar bei guter Entwickelung in nicht unerheblicher Weise bei- tragen können. Es bleibt dann für die Wirkung der Fasern gleich, ob man das thatsächliche Verhalten so schildert, dass man sagt, die Sehne des kurzen Bicepskopfes entspringt aponeu- rotisch verbreitert auch noch vom Lig. coraco-acromiale und entwickelt, über die vordere Kapselwand binziehend, ein mehr oder weniger deutliches, accessorisches, sich dem kurzen Kopf anschliessendes Muskelbündel oderob man sagt, die aponeurotische !) Vgl. auch die oben mitgeteilten Fälle Höherstehen des Humerus- kopfes nach krankhaften Veränderungen des intraarticulären Teiles des langen Bicepsehne (S. 332.) Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 325 Verbreiterung zieht von der Sehne des kurzen Kopfes oder von dem ihm angeschlossenen Fleischbündel zur Vorderwand der Bursa subdeltoidea und über die vordere Kapselwand zum Lig. coraco-acromiale und wirkt somit als Spanner der Synovialbeutel- wand oder verstärkt die Kapselwand. In vielen Fällen gehen sie auch zum Ursprunge des M. coraco-brachialis. Man wird in diesem namentlich bei muskelstarken Individuen auffallendem Verhalten den Ausdruck einer funktionell nicht unwichtigen Einrichtung erblicken dürfen. Zur Morphologie und vergleichenden Anatomie des M. biceps brachii. Testut führt in dem jeder Variation beigefügten Abschnitt einige vergleichend anatomische von ihm selbst oder andern gemachte Beobachtungen an und glaubt die betreffenden beim Menschen vorgefundene Anomalie erklärt zu haben, wenn er einen ähnlichen Befund. bei irgend einem Tiere wieder- findet, gleichgültig ob dasselbe zum Menschen in irgend einer atavistischen Beziehung steht oder nicht: « Les variations du systeme musculaire de ’homme . . .. sont la reproduction com- plete ou incomplete, mais toujours significative d’une disposition anatomique que l'’on rencontre normalement dans la serie anımale » und: « Toutes les anomalies musculaires de l’'homme qul’elles soient constituees par des formations nouvelles ou par des muscles nouvellement configurees, deviennent ainsi de vraies dispositions ancestrales, disparues depuis une longue serie de siecles et reproduites accidentellement chez le sujet qui en est porteur, par ce « quid ignotum » qu’on est convenu d’appeler Patavisme » Für Testut ist somit der Wert einer Muskel- anomalie leicht entschieden, alle Muskelanomalien sind für ihn atavistische, da sich ja immer in der langen Reihe der Wirbel- tiere ähnliche Befunde werden antreffen lassen. Mit Recht 326 A. STOLOWSKY, haben schon Gegenbaur (6) und Max Fürbringer (4) sowie in neuester Zeit Le Double (15) den Unwert einer solchen „Er klärung‘‘ betont. In der That ist die wissenschaftliche Anatomie bei der Erklärung der ausserordentlich zahlreichen Variationen der Skelettmuskeln vor keine leichte Aufgabe gestellt, und meine Umschau in dem zur Zeit zur Lösung solcher Fragen vor- liegendem Material hat mich überzeugt, dass für eine Vergleich- ung bei den verschiedenen Wirbeltierklassen kaum die ersten Vorarbeiten gemacht sind. Um so mehr ist das diesem Ge- biete neuerdings wieder zugewendete Interesse zu begrüssen. Bei der Kritik der im Muskelsystem, hier speziell bei dem M. biceps brachii vorkommenden Anomalien wird man vom vergleichend anatomischen Standpunkte aus an die schon von Gegenbaur betonte Möglichkeit denken dürfen: 1. die Varietät hat atavistische Bedeutung, d. h. sie reprä- sentiert ererbte Rückschlagsbildungen und lässt als solche Ein- blicke in die phylogenetische Entwickelung thun (primäre, konservative, embryonale und atavistische Varietäten) oder 2. der Wert einer atavistischen Bildung kann für die Varietät nicht festgestellt werden, sie muss dann als neu er- worbenes Gebilde, als neue Anpassung aufgefasst werden (sekundäre, progressive, adaptive Varietäten). Ad 1. Der Beweis zur Begründung der Annahme, dass einer Muskelvarietät atavistische Bedeutung zugesprochen werden darf, wird in der Weise zu führen sein, dass man das Verhalten der homologen Muskel möglichst nahe einander verwandter Typen untersucht. Ein umfassender und sicherer Überblick wird in ergänzender Weise durch die myologischen Untersuch- ungen der einfacheren Verhältnisse niederer Wirbeltiere anzu- bahnen sein, und von hier aus wird man Schritt für Schritt die Umänderung und kompliziertere Differenzierung homologer Muskelgruppen nachzuweisen haben, die in unverkennbarer Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 327 Weise parallel der komplizierteren Verwendung des Skelettes oder Skeletteiles, in unserem Falle also der Brustgliedmasse, Platz greift. Die Bestimmung homologer Muskelgruppen oder Muskel- individuen, mögen sie nach Form, Grösse oder Zahl ihrer Ur- sprungsköpfe oder Enden auch noch so verschieden sein, ermög- licht uns, wie wir seit den bahnbrechenden Arbeiten von Max Fürbringer und Karl Gegenbauer sicher wissen, die Innervation. Homologe Muskeln werden von homologen Nerven versorgt. Der Vergleich einer Muskelvarietät mit dem Verhalten des betreffenden Muskelindividuums durch die ganze Tierreihe wird also nur unter steter Berücksichtigung der Innervation zu einem brauchbaren Ergebnisse führen können. Freilich findeu sich bei einem Vergleich eines und desselben Muskelindividuums bei verschiedenen Klassen und Ordnungen der Wirbeltiere eine Menge Ähnlichkeiten nach Form, Ursprung und Endigung und ebenso speziell in unserem Falle bezüglich einer Vermehrung oder Verminderung der Bicepsköpfe, wie die in der Litteratur mitgeteilten Beobachtungen erhärten. Aber das zweifellose Bestehen ähnlicher Zustände bei be- stimmten Muskeln in oft ganz verschiedenen, in gar keiner näheren Verwandtschaft zu einander stehen- den Tieren giebt uns noch keine Erklärung eines ähnlichen abnormen Muskelbefundes beim Menschen; denn solche Befunde deuten nicht notwendig auf eine Vererbung im phylogenetischen Sinne, sondern sind zweifellos vielfach Konvergenzerscheinungen infolge gleichartiger oder ähnlicher Verwendung der be- treffenden Skeletteile, also die Folge gleicher oder ähnlicher mechanischer Verwendung der Extremität, und in unserem Falle speziell des Biceps. Ähnlich- keit oder Gleichheit in der Verwendung der Extremität kann also auch Ähnlichkeit oder Gleichheit im Bau und in der 328 A. STOLOWSKY, Anordnung der knöchernen und muskulösen Komponenten der Extremität bedingen, und eine kritische Analyse atavisti- scher Variationen des menschlichen M. biceps setzt somit nicht mehr und nicht weniger voraus als die Kenntnis der Phylogenese des M. biceps brachii in der ganzen Wirbeltierreihe! Solange aber für eine solche Analyse das vorliegende Material trotz vieler dankenswerter Arbeiten nicht weiter gesichtet ist wie zur Zeit, wird man sich dahin bescheiden müssen, dass eine sichere Beurteilung des Wertes der einzelnen Anomalien noch unmöglich ist. Eine ziemlich umfassende Zusammenstellung vom Verhalten aller Beugemuskeln des Vorderarms bei den Wirbeltieren giebt Macalister (16). .Nach W. Krause soll der Biceps brachii des Menschen eigentlich ein Komplex von vier Muskeln, nämlich von den M. m. coraco-radialis, coraco-ulnaris, gleno- radialis und gleno-ulnaris sein. Die ersteren beiden entspringen gemeinschaftlich vom Processus coracoldeus und bilden das Caput breve, die letzteren beiden haben gleichfalls einen gemein- schaftlichen Ursprung von der Tuberositas supraglenoidalis und stellen das Caput longum dar. Während am Humerus das Caput longum lateralwärts neben dem Caput breve liegt, ver- schiebt sich dies Lageverhältnis in der Ellbogengrube in der Weise, dass hier die Insertionen des kurzen Kopfes vor die- lenigen des langen Kopfes gelangen. Gleichzeitig teilen sich die unteren Enden beider Köpfe, womit sich eine neue, dem Verlaufe der Muskelfasern nicht mehr entsprechende Anordnung der Sehnenfasern der Insertionen verbindet. Der Tendo m. qua- drigemini brachii — so nennt Krause den Biceps brachi — wird nämlich von den Mm. coraco-radialis und gleno-radialis geliefert, so zwar, dass die Sehnenfasern des ersteren vor die des letzteren gelangen und distalwärts an der Tuberositas rad weiter distal inserieren als die Sehnenfasern des M. gleno-radialis. In ähn- licher Weise liegen im Lacertus fibrosus resp. in der Aponeurosis Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 329 m. quadrigemini brachii die Sehnenfasern des M. coraco-ulnaris meistenteils vor (distalwärts von) den Fasern des M. gleno- ulnaris. Was die Entwickelung der einzelnen Muskeln betrifft, so sind einerseits die Mm. coraco-radialis und gleno-radialis weit stärker als die zur Aponeurose verlaufenden Bündel (Mm. coraco-ulnaris und gleno-ulnaris), andererseits auch die Mm. coraco-radialis und coraco-ulnaris kräftiger als die Mm. gleno- radialis resp. gleno-ulnaris. Die vergleichende Anatomie lehrt, dass die genannten Bündel teilweise fehlen resp. sich verschieden kombinieren können. Von den möglichen Kombinationen sind folgende bekannt: !) Coraco-radialis allein vorhanden (z. B. bei Oryeteropus capensis, Rhinoceros, Echidna hystrix, Frosch, Kröte, Eidechse, Leguan). Coraco-radialis und Coraco-ulnaris (Emys, Chamaeleon). Coraco-radialis und Gleno-ulnaris (Marsupialia z. B. beim Riesenkänguruh (Macalister), woselbst beide Muskeln ganz ge- trennt sind). Gleno-radialis allein (Nyctipithecus, Stenops, Talpa, Wieder- käuer, Pierd). Gleno-ulnaris allein (Hyrax capensis, manche Nager z. B. Cricetus). Gleno-radialis und Gleno-ulnaris (Schwein, Monotremen). Aus diesen fragmentarischen vergleichend anatomischen That- sachen geht nach W. Krause wenigstens die Selbständigkeit obiger Bestandteile des Biceps brachii unzweifelhaft hervor. Aus diesen Angaben sowie den Bemerkungen von Max Fürbringer und Karl Gegenbaur erhellt einstweilen nur soviel, dass der Biceps brachii der Säuger eine neue Kombination ist, deren Ausgangspunkt der Coraco-brachialis der Amphibien bildet, bei der aber auch der Coraco-radialis durch seine Insertionen hin- 1) Vgl. hierzu die von Testut zu den Bicepsanomalen gemachten ver- gleichend anatomischen Bemerkungen (24) und Macalister (6). 330 A. STOLOWSKY, sichtlich des kurzen Kopfes beteiligt sein mag. Der lange über das Schultergelenk ziehende Kopf, welcher zwar allgemeines Vor- kommen besitzt, aber wohl nicht der ursprüngliche ist, da be- reits bei niederen Formen auch das Coracoid am Ursprunge sich beteiligt, ist, wie namentlich Max Fürbringer für die Vögel bemerkt, vielleicht durch Verbreiterung der Bicepssehne und ihr Übergreifen über das Schultergelenk und wie mein Fall I wahrscheinlich macht, durch nachträgliche Isolierung mit konse- kutiver Einwanderung der Sehne in die Gelenkkapsel nach Welcker (26) entstanden zu denken. Die von mir beschriebenen, häufig vom Coracoidkopf des Menschen über die vordere Kapsel- wand zum Lig. coraco-acromiale ziehenden Bogenfasern deuten ebenfalls möglicherweise auf eine solche Genese hin. Die Hoff- nung bei menschlichen Embryonen eventuelle Anhaltspunkte zur weiteren Stütze dieser Auffassung zu finden, erwies sich freilich als vergeblich. Die Präparation einer Reihe menschlicher Embryonen vom Ende des 3., vom 4., 5., 6. und 7. Monate sowie von mehreren Neugeborenen hat keine weiteren positiven Anhaltspunkte ergeben. Von den erwähnten Bogenfasern fand sich keine Spur und beide Köpfe des Biceps waren gut und selbständig modelliert und nur durch eine sehr zarte Binde- gewebsplatte in bekannter Weise mit einander verbunden. Wahr- scheinlich ist also die individuell wechselnde Ausbildung der Fibrae arciformes eine mechanische Konsequenz der Biceps- funktion im späteren extrauterinen Leben, und ich wage nach meinen freilich nur an 5 Embryonen und 4 Neugeborenen ge- wonnenen Erfahrungen einstweilen nicht, eine gute Entwickelung dieser Fasern in dem oben angedeuteten phylogenetischen Sinne zu verwerten. Ad 2. Erst mit dem sicheren Erwerb der Möglichkeit, bestimmte Muskelvarietäten als atavistische zu erkennen, ergiebt sich auch die weitere Möglichkeit, von solchen die zweite Gruppe von Varietäten ohne atavistischen Wert abzugliedern. In diese Gruppe Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii. 331 sind dann vor allem die schon oben angeführten Konvergenz- erscheinungen, wie sie normalerweise im Kreise der Wirbeltiere bestehen, aber nicht direkt von da auf den Menschen bezogen werden können, auszuscheiden. Eine weitere Gruppe würde die Variationen zu umfassen haben, welche die zu diesen Konver- genzerscheinungen (Reduktion und Komplikation) führenden Zwischenstadien wiederholen. Nun wissen wir aber weiter, dass wegen der hohen Aktivi- tät und Reaktionsfähigkeit seiner Eelmente gerade das Muskel- system der höheren Wirbeltiere und speziell des Menschen und vor allem wieder die Extremitätenmuskel und ganz besonders die Muskulatur der Brustgliedmasse zu Variationen geneigt ist. Es liegt somit der weitere Gedanke nahe, dass aus diesen atypı- schen Variationen heraus neue progressive Bildungen, wie z. B. vor allem Kapselspanner und ähnliche Muskel sich herausbilden und bei genügender dauernder Funktion sich weiter vererben können. Denn es muss als erwiesen gelten, dass der Mensch, wie jedes organisierte Wesen, sich noch mitten im phylogene- tischen Entwickelungsgange befindet; „er hat noch eine Zukunft vor sich, in der er im Kampfe ums Dasein neue Anpassungen auch in seiner Muskulatur erwerben wird“. Aus diesem Grunde erscheint es auch ganz undenkbar — und darum ist auch der Standpunkt Testuts nicht zu teilen —, dass das Kontingent der atavistischen Varietäten sich auf Kosten der progressiven soweit vermehren wird, dass letztere gänzlich verdrängt werden, wenngleich eine Verminderung der bisher als progressive beur- teilten Varietäten mit zunehmender Fülle an vergleichenden Beobachtungen sicher stattfinden wird. Weiterhin führt diese Art von Varietäten, deren nähere Gründe uns zur Zeit noch vollkommen unbekannt sind, namentlich wenn sie in regressiver Richtung auftreten oder mit Reduktionen oder vollkommenem Wegfall einzelner Muskelköpfe oder -portionen gepaart sind, vielfach zu Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd., H. 2.) 22 332 A. STOLOWSKY, Drei seltene Anomalien des M. biceps brachii den Missbildungen und Hemmungsbildungen der Muskeln hinüber. Denn es ist nicht anzunehmen, dass im Muskelsystem nicht ebenso gut wie in jedem anderen Organsystem Hemmungsbildungen und vielleicht auch Doppelbildungen und ähnliches vorkommen können. Eine sichere Abgrenzung der von diesem Gesichtswinkel aus zu betrachtenden Muskelanomalien ist vor der Hand, solange wir nicht einmal die oben angeführten Variationen sicher zu unterscheiden vermögen, so gut wie unmög- lieh. Hier muss vor allem die embryologische Untersuchung über die Differenzierung der Muskelplatten in einzelne Muskel- individuen sicheren Boden für die einstweilen ganz unsichere Beurteilung schaffen. Zum Schlusse sei mir die Erfüllung der angenehmen Pflicht gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Bonnet für die Anregung zur Bearbeitung dieses interessanten T'hemas, für die stetige Unterstützung bei der Behandlung desselben, sowie namentlich für die von ihm aufgewendete Mühe des eigen- händigen Entwurfes der beigefügten Figuren meinen verbind- lichsten Dank abzustatten. Nachsehrift. Während der Drucklegung vorstehender Arbeit erschien im Morphol. Jahrbuch (Bd. XXVII, Heft. 2, 1899, S. 309) eine Ab- handlung von Dr. med. Wilhelm Lubosch über einen im Breslauer anatomischen Institute gemachten Befund von voll- ständigem Mangel des langen Bicepskopfes an dem linken Arme einer männlichen, im übrigen normal bemuskelten Leiche. Der kurze Kopf entsprang wie gewöhnlich mit dem M. coraco- brachialis vom Processus caracoideus und endigte in völlig nor- maler Weise mit Endsehne und Lacertus fibrosus. Es war somit an Stelle eines M. biceps ein uniceps resp. ein M. coraco-antı- Nachschrift. u u WW) brachialis, wie ihn Lubosch nennt, vorhanden. Es gehört also diese Varietät in die Gruppe II der von mir eingangs aufge- führten 13 Anomalien Testuts, zu welcher der erst beschriebene eigene Fall, wie erwähnt (S. 12), den Übergang bilden soll. Was den morphologischen Wert dieser Anomalie betrifft, so kommt Lubosch zu dem Schluss, dass sie keinesfalls zu den atavistischen, sondern vielmehr jenen zuzurechnen sei, die im Bereiche der Wirbeltiere zwar als Normalbefunde bestehen, aber nicht direkt von daher auf den Menschen übertragen werden können, während ich eine sichere Beurteilung des Wertes der einzelnen Bicepsano- malien solange für zweifelhaft halten musste, als die Kenntnis der Phylogenese desM. biceps brachii in der ganzen Reihe der Wirbel- tiere fehlt. Die Frage nach dem primitiveren der beiden Köpfe wird im Sinne Gegenbaurs gleichfalls dahin entschieden, dass das Caput longum der Säugetiere resp. des Menschen als sekundär entstanden bezw. als neu erworben zu gelten habe. Lubosch deduziert dies aus dem Einfluss der Funktion, indem er von dem humeralen Kopf der Krokodile ausgeht. Danach müsste man sich den langen Kopf nicht vom Coracoid hinüber, wie es mein Fall I wahrscheinlich macht, sondern vom Humerus zur Scapula hinauf gewandert vorstellen, „gleichwie um den bei der Beugung wirksamen Hebelarn mehr und mehr zu verlängern.“ Zar Stütze dieser Behauptung wird angeführt, dass beim Menschen der abnorme Ursprung unterhalb des Gelenkkopfs aus dem Sulcus intertubercularis oder von der Sehne des Pectoralis maior ebenfalls wiederkehrt. Es bleibt aber dabei, wie ich schon zu Testuts Anomalie II (S. 1) bemerkte, die Frage offen, ob es sich in jenen Fällen auch wirklich um einen rudimentären langen Kopf und nicht um das Bestehen eines accessorischen Humerus- kopfes bei gleichzeitigem Fehlen der Glenoidportion handelt, ganz abgesehen davon, ob man überhaupt den humeralen Kopf der Krokodile mit dem Caput longum des Menschen ver- gleichen darf. 22* iD 10. Litteratur. Albert, E., Lehrbuch der spez. Chirurgie. Bd. I. 5. Aufl. 1897. Barsis, Albrecht, Über Sehnen- und Muskelrisse am M. biceps brachii. (Berl. klin. Wochenschrift 1895, S. 353.) Duchenne, Ü. B., Physiologie der Bewegungen nach elektrischen Versuchen und klinische Beobachtungen mit Anwendung des Studiums der Lähmungen und Entstellungen. Übers. v. Dr. C. Wernicke. 1885. . Fürbringer, Max, Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel. Allg. u. spez. Teil 1888. Gegenbaur, Karl, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 6. Aufl. 1897. — Morphologisches Jahrbuch. Bd. X. 1885. — Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere mit Berücksichtigung der Wirbellosen. Bd. I. 1898. Gruber, W., Verhalten des M. biceps brachii nebst einer Beurteilung der Ansicht von Cruveilhier über den mutmasslichen Zweck der intra- artikulären Lage der Sehne des langen Kopfes (Reicherts Archiv für Anatomie, Physiologie und wissensch. Medizin. 1863. 8. 398 u. f.) Henle, Handbuch des Muskellehre des Menschen. Hyrtl, J., Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Heusner (Barmen), Über einen Fall von habitueller Subluxation des Ober- armkopfes nach vorn (Vers. d. Ges. deutsch. Naturforscher und Ärzte in Frankfurt a. M. vom 21—26. Sept. 1896.) Joessel, J. @., Beiderseitiges Fehlen des langen Bicepskopfes. (Zeitschr. f. Anatomie u. Entwickelungsgeschichte. Jahrgang 1877. S. 143—144.) Krause, W., Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. II. Spez. u. makrosk. Anat. 1879, S. 222. Langer Toldt, Lehrbuch der systematischen und topographischen Ana- tomie. 6. Aufl. 1897. Le Double, Traite des Variations du systeme musculaire de ’homme et de leur signification au point de vue d’anthropologie zoologique. 1897. Macalister, A., On the homologies of the flexor muscles of the verte- brate limbs. (Jouru. of anat. and phys. Vol. II, pag. 234—289.) Martin, R., Über Gelenkmuskeln beim Menschen. Erlangen 1874. Meyer, G. H., Lehrbuch der physiologischen Anatomie des Menschen. Statik und Mechanik des menschlichen Knochengerüstes. 1873. Litteratur. 335 20. 25. 26. v. Noorden, W., Zur akuten Entzündung der langen Bicepssehne und ihrer Scheide. (Berl. klin. Wochenschrift. 1893. S. 840.) . Pagenstecher, E., Über Sehnen- und Muskelrisse am M. biceps brachiı. (Berl. klin. Wochenschrift 1895. 8. 353.) Rauber, A., Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 5. Aufl. 1897. - Rolleston, H. D., Some abnormalities of the muscles of the upper limb (Journal of anat. and phys. normal and pathol. Vol. XXI.) Vgl. Schwalbes Jahresbericht über Fortschr. d. Anat. u. Entw. Bd. XIII. 1887. Testut, L., Les anomalies musculaires chez l’homme, expliquees par l’anatomie comparee, leur importance en Anthropologie. Paris 1884, pag 370— 395. Tillmanns, H., Lehrbuch der speziellen Chirurgie. Teil II. 5. Aufl. 1897. Welker, H., Die Einwanderung der Bicepssehne in das Schultergelenk. (Zeitschr. f. Anat. u. Entw. Jahrgang 1878.) Figuren-Erklärung. Fig. 1. (ad Anomalie I.) Rechter Schultergürtel mit M. biceps brachiı. abnorm dünner langer Kopf, Fibrae arciformes etc. Fig. 2. (ad Anomalie I.) Rechtes Schultergelenk. Normaler Verlauf der abnorm schwachen Sehne des langen Bicepskopfes. Fig. 3. (ad Anomalie I.) Linker Schultergürtel mit M. biceps brachii, Fibrae arciformes etc. Fig. 4. (ad Anomalie Il.) Rechter Schultergürtel mit Biceps brachii, accessorisches Sehnenbündel zur Gelenkkapsel, und Muskelbündel zum oberen Rande der Sehnen des Pectoralis maior. Fig. 5. (ad Anomalie II). Linker Schultergürtel. Fibrae arciformes. Muskelbündel zum oberen Rande des Pect. maior. Sehne des langen Kopfes. Fig. 6. (ad Anomalie III.) Linker Schultergürtel mit Biceps brachii und dem Kapselspanner der Bursa m. pectoralis majoris. (Aus DEM HISTOLOGISCHEN INSTITUTE zu Lunn.) ZUR KENNTNIS GELELUFLAREN BAUES GESCHMACKSKNOSPEN BEIM MENSCHEN, VON JOHN GRABERG, LUND /SCHWEDEN). Mit 2 Doppeltafeln. BRe VEN x car FE RR Ha et URS IE rt ar En Fe ner Rd e- So n BANW ” nm a5 h ne 2 k ee Re, Ei e u De }: . Be Bee, " 3 ve, E >: u = ad TATTE ’ ru Ko nice Male BER : I See ANETTE SE an eh Se 1 Er ETF MAR Wr F. e r Er > BB 2, 22 . N d < 2 usnnf, Nr er ne I Br 4 2 TORE Mer c ah, RE 9 7 er A Kür Ze 5 Br REN Ei ee nz us ruyL. | ST Er "IHRER RSNETE ET TE ER: IE i j . - = re EHRE 4 Ku 2 j - 1 VENEN OH % % RE REN > DAR z ß d s er 7 i u j x 0% & r n.\ ? w i 5 ha j gr 7 ch Eu gr. 1 BD # Pi [ h 1% . Dear . ) , = . i = R x r Pin Rei | | NEE TacXHN/HRVI. Fig.2. Fig.1. Fig.7 e. Fig.7c. Fig.7d. vCXırst, Leipzig J.Graberg.del FBerzmann Wiesbader VerasvJ Seitdem es Loven und Schwalbe im Jahre 1867 gelungen ist, in der Mundhöhle der Säugetiere die Geschmacksknospen zu entdecken, und seitdem sie ihren feineren Bau hauptsächlich unter Zuhülfenahme der Isolationsmethode studiert und beschrieben haben, haben viele Forscher (Engelmann, v. Wyss, Hönig- schmid u. a.) mit der Frage über die feinere Strukturver- hältnisse der Geschmacksknospen sich beschäftigt, ohne dass doch ihre diesbezüglichen Untersuchungen in wesentlicherem Grade etwas Neues zu den schon vorher bekannten Thatsachen mitzubringen vermochten; sie haben im grossen und ganzen nur eine Bestätigung der Untersuchungen Loven-Schwalbes geliefert. Es schien somit, als ob die Frage über den feineren Bau der Geschmacksknospen ihre Entscheidung im Wesentlichen gefunden hätte. Dass es sich doch nicht so verhielt, ging aus der Unter- suchung Hermanns: Über den Bau des Geschmacks- organs des Kaninchens hervor, die dieser Autor im Jahre 1888 publizierte und in welcher er einige sehr interessanten, bisher noch nicht beachteten Struktureigentümlichkeiten der Geschmacks- knospen ans Licht brachte. Doch noch nicht war das letzte.Wort in der Frage über den cellulären Bau der Geschmacksknospen ausgesprochen. Mehrere Jahre später erschien die ausführliche Untersuchung v. Lenhosseks: DieGeschmacksknospen in den blatt- förmigen Papillen der Kaninchenzunge. Dieser Autor 340 JOHN GRABERG, bestreitet die Richtigkeit mehrerer Angaben Hermanns und nähert sich betreffs des cellulären Baues der Geschmacksknospen ein wenig der älteren Auffassung. Mit grosser Tenacität halten auch die meisten Autoren in ihren Lehrbüchern fortwährend an dieser älteren Ansicht des cellulären Baues der Geschmacksknospen fest und vindizieren ihr die Ehre die richtige zu sein. (Stöhr, Rauber, Rawitz, Klein u. a) Böhm und Davidoff dagegen stellen sich in dieser Frage entschieden Hermann zur Seite. In meiner vor kurzem erschienenen Untersuchung: Beiträge zur Genese des Geschmacksorgans des Menschen, habe ich schliesslich die Ansicht Hermanns in mehreren Punkten bestätigen zu können geglaubt, bin aber doch in einigen Hinsichten zu einem ganz anderen Resultate gekommen. Um daher in diesen Fragen Klarheit zu erhalten, habe ich fortgesetzte Untersuchungen über die feineren Strukturverhält- nisse des menschlichen Geschmacksorgans vorgenommen. l. Eigene Untersuchungen. a) Methodisches. Ich habe hauptsächlich die Papillae circumvallatae des Menschen verwertet. — Die untersuchten Zungen stammten von Individuen verschiedenen Alters und sind mit verschiedenen Fixierungsmitteln möglichst schnell nach dem Tode behandelt worden. Nachfolgende Tabelle zeigt uns das Alter der untersuchten Individuen und das in jedem einzelnen Falle verwendete Fixier- ungsmittel. Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 341 Material. Alter. | Fixierungsmittel. Ne IDEEN BENEN ELDER RN A LE ns Fötus JS 9 Monate Formollösung von 4°/o. wre 6 Monate 2 Ale RO) 6 Monate | Konzentrierte Sublimatlösung ın 0,6°/0 Koch- salzlösung. 2 7 Monate Sublimat-Pikrinsäure (Rab]). BER ot 7 Monate |Formollösung von 4°. Kind 9 9 Monate |Konzentr. Sublimatl. in 0,6° Kochsalz- lösung. 34 5 Jahre Sublimat-Pikrinsäure (Rab]). Junger Mensch 9 17 Jahre Konzentr. Sublimatl. in 0,6°o Kochsalz- lösung. 2 5 Q 22 Jahre | Kupfersulfat-Sublimat-Essigsäure. (80 cem 2°/o Kupfersulfatlösung. + 20 cem kon- zentr. Sublimatl. + 2 ecm konzentrierte Essigsäure 24 Stunden lang; Nachbe- handlung in Alkohol von steigender Kon- zentration.) Konzentr. Sublimatl. in 0,6°/o Kochsalz 5 et 30 Jahre lösung. Die Papillen sind im allgemeinen in Stück mit Häma- toxylin-Eosin gefärbt, in Paraffin eingebettet und in Schnittserien zerlegt worden. Die Schnittdicke hat in diesen Fällen zwischen 6 und 10 u gewechselt. In den Fällen dagegen, wo ich Schnittfärbung verwendet habe, sind die Schnitte nicht dicker, als 4 « gewesen. Zur Schnittfärbung habe ich folgende Tinktionsmittel benutzt: Gentianaviolett (wässerige Lösung), Safranin (gesättigte, alkoholische Lösung), Hämatoxylin-Eisen nach Heiden- hain (Nachfärbung mit Rubin S), Bordeaux R. Thionin- Methylgrün nach mir. Einige Isolationsversuche habe ich auch vorgenommen und dabei den Ranvierschen Drittelalkohol gebraucht. 342 JOHN GRÄBERG, ß) Spezielle Beobachtungen. Gehen wir nun zu einer Beschreibung der Ergebnisse, zu welchen ich in Bezug auf den cellulären Bau der Geschmacks- knospen des Menschen gekommen bin und beginnen wir zuerst mit den Geschmackszellen. Beim Durchmustern der hierhergehörigen Litteratur bemerken wir, dass die Angaben der Autoren betrefis dieser Bildungen im grossen und ganzen sehr einstimmig sind. So zeichnen sich nach Loven!') diese Zellen durch einen eigentümlichen matten Glanz aus und bestehen aus einem dickeren, ovalen, kernförmigen Teil und aus zwei davon entspringenden Ausläufern, deren der eine nach aussen gegen die Spitze der Geschmackszwiebel läuft und ceylindrisch, stäbchenförmig ist, der zweite in der Gestalt eines langen feinen Fadens in die unter liegende Schleimhaut eindringt. Die Zahl der in einer Geschmacksknospe sich befindenden Geschmackszellen glaubt Loven zu 1 oder 2 schätzen zu können. Die Angaben Schwalbes?®) stimmen im wesentlichen mit denjenigen Lovens überein, nur beschreibt Schwalbe ausser den Lovenschen Geschmackszellen, die er „Stiftchen- zellen“ nennt, auch eine andere Art von Geschmackszellen, die er als „Stabzellen‘“ bezeichnet, und die sich dadurch aus- zeichnen, dass ihr peripheres Ende das den „Stiftehenzellen“ charakteristische ‚Stiftehen‘‘ entbehrt. !) Loven, Chr., Beiträge zur Kenntnis vom Bau der Geschmacks- wärzchen der Zunge. Arch. f. mikr. Anat. Bd. IV. 1868. S. 96. 2) Schwalbe, G., Über die Geschmacksorgane der Säugetiere und des Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. IV. 1868. 8. 154. Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 343 H.v. Wyss?), Engelmann’), Hönigschmied°) u.a. schliessen sich im grossen und ganzen der Ansicht Loven- Schwalbes an; doch können sie die „Stabzellen“ Schwalbes nicht bestätigen. Hermann) giebt als Neues an, dass die Geschmackszellen, von denen es seiner Ansicht nach nur eine Art giebt, nicht nur im Centrum, sondern auch in der Peripherie der Geschmacks- knospen vorkommen. Lässt übrigens die Geschmackszellen oder die „Neuroepithelzellen‘, wie er sie nennt, peripher- und centralwärts etwa so endigen, wie Loven und Schwalbe es beschrieben haben. Im Gegensatz zu Hermann behauptet M. v. Lenhossek?), dass die Geschmackszellen immer im Uentrum sich befinden; weiter bemerkt er, dass sie unten in einfachster Weise unge- teilt endigen, und dass ihre in der Regel knöpfchenartig ver- dickten Enden direkt ohne dazwischenliegende Lakunen dem Bindegewebe aufsitzen. Was meine eigenen Erfahrungen in Bezug auf die fraglichen Bildungen betrifft, so habe ich folgendes zu erwähnen. Mir haben die Geschmackszellen sich als lange, sehr gracile Bildungen präsentiert, die in Bezug auf ihre Form ganz be- deutend variieren, je nach der Lage ihrer Kerne, die eine kleine Anschwellung des Zellkörpers bedingen. Im allgemeinen be- ı) v. Wyss, Hans, Die becherförmigen Organe der Zunge. Arch. f. mikr. Anat. Bd. VI. 1870. 8. 251. 2) Engelmann, Th. W., Die Geschmacksorgane. Strickers Hand- buch der Lehre von den Geweben. Bd. II. Leipzig 1872. S. 822. 3) Hönigschmied, J., Beiträge zur mikroskopischen Anatomie über die Geschmacksorgane der Säugetiere. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Bd. XXIII. 1873. S. 414. 4) Hermann, Fr., Studien über den feineren Bau des Geschmacks- organs. Sitzungsb. der math.-phys. Kl. der Akad. der Wissensch. zu München. Bd. XVII. 1888. S. 277. 5) v. Lenhossek, M., Die Geschmacksknospen in den blattförmigen Papillen der Kaninchenzunge. Verh. d. physikal.-mediz. Gesellsch. zu Würz- burg. Neue Folge. Bd. XXVII. 1893. 8. 191. 344 JOHN GRÄBERG, finden sich die Kerne in dem unteren Drittteil der Geschmacks- zellen; doch habe ich dieselben nicht so selten auch in dem mittleren, ja, selbst in dem oberen Drittteil des Zellkörpers ge- funden. Selbstverständlich ist ja, dass die Form der Geschmacks- zellen hierdurch ganz bedeutend variieren muss; doch haben diese Formdifferenzen natürlich für die Klassifizierung der Zellen gar keine Bedeutung; sie sind nur — wie v. Lenhossek be- merkt — die Ausdrücke von dem Bedürfnis, „alle Zellen mitsamt ihren kernhaltigen Anschwellungen in dem gegebenen Raum unterzubringen“. Das centrale Ende der Geschmackszellen läuft in einem kürzeren oder längeren Fortsatz aus, der — wie die Fig. Ta und 7b zeigt — in einem winzig kleinen Knöpfchen endigt. Im allgemeinen habe ich den Eindruck erhalten, dass der centrale Fort- satz der Geschmackszellen ohne gabelförmige Teilung endigt; doch will ich die Angaben von einer derartigen Teilung nicht leugnen, da auch ich in einigen Fällen (Fig. Te und 9) eine derartige Zersplitterung der centralen Enden der Geschmacks- zellen vor Augen gehabt zu haben glaube. Das centrale Ende der Geschmackszellen verbindet sich — wie uns besonders die Figuren 9 und 10 sehr deutlich zeigen — mit den Ausläufern der Basalzellen. Das Knöpfchen, das man bisweilen — wie erwähnt — an dem centralen Ende isolierter Geschmackszellen erhält, ist wahrschemlich nichts anderes, als ein abgerissener Teil einer Basalzelle. Ich habe mich nicht über- zeugen können, ob es — wie Lenhossek u. a. behaupten — Geschmackszellen giebt, die ohne jeder Verbindung mit den Basalzellen dem Bindegewebsstroma frei aufsitzen. Betreffs der Endigungsweise der peripheren Geschmackszellen- enden schliesse ich mich völlig der einstimmigen Auffassung der vorigen Untersucher an, die sie in einem härchenförmigen Stift- chen endigen lassen. Leider kommen diese Stiftchen nur aus- Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 345 nahmsweise zur Anschauung, da der Poruskanal, in welchen sie hineinragen, in der Regel mit Fremdpartikelchen gefüllt ist. Die Kerne der Geschmackszellen sind im allgemeinen stäbchenförmig oder oval und haben ein dichtes Chromatin- gerüst; für die verschiedensten Farbstoffe zeigen sie eine grosse Affinität und sind demgemäss auch fast immer sehr stark tingiert. Dadurch sind sie auch leicht von den Stützzellen zu unterscheiden. In Bezug auf die Anzahl, an welcher die Geschmackszellen in jeder Geschmacksknospe vorkommen, muss ich als anmerkungs- wert bezeichnen, dass es in dieser Hinsicht grosse Verschieden- heiten giebt. In einem Falle kann man z. B. die Zahl der in einer Geschmacksknospe vorhandenen Geschmackszellen zu höchstens 2 oder 3 schätzen, in einem anderen Falle dagegen kommen sie in etwa gleicher Anzahl vor, wie die Stützzellen. Zwischen diesen beiden Extremen giebt es viele Variationen. In diesem Zusammenhange möchte ich einige Formver- hältnisse der Geschmacksknospen von allgemeinerem Interesse erwähnen, die ausserdem auch in einer besonderen Relation zu der Anzahl zu stehen scheinen, an welcher die Geschmacks- zellen in den Geschmacksknospen vorkommen. Es giebt nämlich in den Papillae circumvallatae des Menschen drei verschiedene Typen von Geschmacksknospen. a) Erstens begegnen wir den sehr breiten, dem em- bryonalen Typus zugehörigen, oval-runden Ge- schmacksknospen, die direkt auf der freien Fläche des Epithelsmünden, ohne einen Poruskanal zu be- sitzen (Fig. 2). Dieser Geschmacksknospentypus ist anmerkungswert arm an Geschmackszellen (in der Regel nur ca. zwei bis drei Geschmackszellen in jeder Knospe). ß) Zweitens sehen wir die Geschmacksknospen in einer ovoiden Form auftreten; in diesem Falle haben wir einen wohl entwickelten Geschmacksporus, der 346 JOHN GRÄBERG, eine innere und äussere Porusmündung und einen dazwischenliegenden Poruskanal besitzt (Fig. 3). In diesen Knospen ist die Zahl der Geschmackszellen etwas grösser (ca. fünf bis sieben in jeder Knospe). y) Drittens können wir schliesslich Geschmacks- knospen beobachten, die eine schlanke, länglich- konische Form haben; (sie gleichen gar nicht den embryo- nalen, breitkonischen Geschmacksknospen, denen wir sehr früh während des Embryonallebens begegnen). Dieser dritte Typus der Geschmacksknospen haben auch, wie der zweite, einen deutlichen Geschmacksporus (Figg. 4, 5, 6); hier treffen wir auch die Geschmackszellen in der Regel in sehr grosser Menge, mehrmals in etwa gleicher Zahl, wie die Stützzellen. Dieser letzte Typus ist derjenige, den man bei erwachsenen Menschen in grösster Zahl trifft. In Bezug auf die Topographie der Geschmackszellen, kann man sagen — was Hermann zuerst gezeigt hat, — dass es gar keinen besonderen Lokalisationsort der Geschmackszellen giebt; man trifft dieselben beinahe gleich oft in der Peripherie wie in dem Centrum der Geschmachsknospen, wenn auch im einer geringeren Zahl an der erstgenannten Stelle. Die peripheren Enden der Geschmackszellen kommen doch immer im Centrum der Knospenspitzen zu liegen. Gegen die Porusmündung nämlich konvergieren die peripheren Spitzen sämtlicher Geschmacks- zellen, auch die der am meisten peripher gelegenen Zellen, und verstecken sich in den Poruskanal. Wie ich oben erwähnt habe, unterscheidet Schwalbe als eine zweite, besondere Art von Geschmackszellen einige Bil- dungen, die er „Stabzellen‘“ nennt. Ich habe mich von der Existenz derartiger Zellen nicht überzeugen können. Zugleich muss ich mich an dieser Stelle gegen Hermann aussprechen, der dieselben Bildungen vor Augen gehabt zu haben glaubt, sie aber als eine besondere Art von Stützzellen auffasst. Mir Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 347 haben keine genügenden Anhaltspunkte für eine derartige Klassi- fikation der sogen. Stützzellen vorgelegen. Hiermit befinden wir uns vor der Stützzellenfrage und wollen wir nun diese Bildungen ins Auge fassen. Die älteren Untersucher Lovent), Schwalbe‘), v. Wyss3), Hönigschmied*®) u. a. beschreiben die Deckzellen oder Stützzellen als platte, längliche, in der Peripherie der Ge- schmacksknospen gelegene Bildungen, die nach oben zugespitzt gegen den Porus konvergieren, nach unten dagegen in langen, oft verästelten Fäden sich verjüngen. Sie machen den Haupt- teil der Geschmacksknospen aus. Nach Schwalbe tragen ausserdem diese Zellen an ihren Spitzen feine, härchenförmige Stäbchen, die den Porus umsäumen und so einen „Härchen- kranz‘ um denselben herstellen. Ranvier°) behauptet, dass auch im Innern der Geschmacks- knospen Stützzellen sich befinden und bezeichnet die letzten Bildungen als „innere Stützzellen‘“; die peripher gelegenen Stützelemente nennt er „äussere Stützzellen‘“. Hermann‘) bemerkt, dass die Stützzellen durchaus nicht platte, schuppenähnliche Bildungen, sondern vollsäftige, „kräftig konturierte‘ Bildungen sind, die ohne eigentliche bestimmte Anordnungen in konzentrischen Ringen oder sich dachziegel- förmig deckend aneinander liegen und die Neuroepithelzellen (= Geschmackszellen) zwischen sich fassen. Weiter giebt dieser Autor an, dass es zwei Arten von Stützzellen giebt, die „nicht nur in ihrer topographischen Anordnung in der Knospe und in ihrer Gestalt, sondern auch in ihrer feineren Struktur von einander verschieden sind. Den meistens in der Peripherie 126732102, 12e 8.122. larcr 822445 l. ec. 8. 414. Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. Leipzig 1888. S. 866. c. 8. 302. 6 Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft (12. Bd., H. 2). 23 348 JOHN GRABERG, der Geschmacksknospen gelegenen Zellen, den „äusseren Stützzellen“ oder „Pfeilerzellen“ (Hermann) teilt er folgende Merkmale zu: sie sind voluminöse, pyramidale Bildungen, deren Grundfläche stets in mehreren faserigen Fortsätzen zer- spaltet ist. Das periphere Ende hat einen fein gestrichelten Saum. Der Zellkern befindet sich gewöhnlich basalwärts — nie in dem peripheren Teil des Zellkörpers — ist gross und bläschenförmig und hat eine geringe Fähigkeit sich mit Farb- stoffen zu inbibieren. Die „inneren Stützzellen‘“, für welche Hermann den Schwalbeschen Ausdruck „Stabzellen‘“ beibehält, ohne sie doch für eine besondere Art von Geschmackszellen anzusehen, zeigen zartere uud gracilere Formen, kommen in geringerer Zahl vor und haben basalwärts ebenfalls Protoplasmaausläufer. Sie entbehren an ihren peripheren Enden einen kutikularen Fortsatz; das Protoplasma ist dunkler, der Kern ellipsoid oder birnförmig. An der Basis der Geschmacksknospen liegen schliesslich nach Hermann einige Bildungen, die er „Basalzellen‘ nennt. Sie stehen durch zahlreiche Protoplasmafortsätze sowohl unter sich wie auch mit dem Schleimhautstroma und mit den überliegenden Stütz- und Geschmackszellen in Verbindung, sind platte oder höchstens schwach kegelförmige Bildungen, mit einem deutlichen ellipsoiden Kerne und kommen nur in sehr geringer Zahl vor (2—4). M. v. Lenhossek!) bezweifelt die Existenz der Her- mannschen Basalzellen, unterscheidet aber vier Typen von Stützzellen. Die zu dem Typus a) gehörigen Zellen sind breite, pyra- midenförmige, konische Elemente mit rundlichem Kern. Ihr peripheres Ende ist stark zugespitzt, das centrale „scharf abge- DIET BR22IE Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 349 schnitten oder durch seichte Einschnitte in mehreren dünnen Lappen zerlegt“. Ihre Ränder sind oft mehr oder weniger zackig. Bei Typus b) sind die Breitendimensionen geringer; auch hier ist oft die periphere Begrenzung der Zellen zackig. Typus ce) tritt uns in Form plumper, breiter Zellelementen entgegen; sie bekommen oft eine sichelförmige Gestalt. Die hierhergehörigen Zellen haben in der Regel scharfe, bestimmte Ränder, ebenso wie die Zellen des Typus d). Die zu diesem Typus hergehörigen Zellen unterscheiden sich von den vorher- gehenden durch die Lage ihrer Kerne, die sich in dem obersten Teil der Zellen befinden. Nun komme ich zu dem Resultate meiner eigenen Unter- suchungen. Wie ich!) in einer vorigen Mitteilung erwähnt und schon vorher in diesem Aufsatze bemerkt habe, ist es mir nicht gelungen, derartige Zellen wie die Hermannschen Stabzellen zu beobachten. Möglicherweise sind diese Zellen den Geschmacks- knospen des Kaninchens eigen, kommen aber gewiss nicht in den Geschmacksknospen des Menschen vor. Was meine eigenen Erfahrungen über die stützenden Elemente der Geschmacksknospen betrifft, so möchte ich.dieselben, wegen ihrer topographischen Lage innerhalb der Ge- schmacksknospen als centrale, periphere und basale Stütz- zellen bezeichnen. Die centralen und peripheren Stützzellen sind meines Erachtens Bildungen derselben Art; was die Natur der basalen Stützzellen dagegen betrifft, habe ich leider nichts Positives zu erwähnen. Sie unterscheiden sich von den centralen und den peripheren Stützzellen hauptsächlich durch ihre Form, zu deren Erwähnung ich weiter unten kommen werde. 1) Gräberg, J., Beiträge zurGenese des Geschmacksorgans des Menschen. Morphol. Arbeiten herausgegeben v. G. Schwalbe. Bd. VIII. S. 117. 23* 350 JOHN GRÄBERG, Die centralen und die peripheren Stützzellen treten in den verschiedensten Gestalten auf. Wir begegnen denselben einerseits als sehr voluminöse, scharf konturierte Bildungen, die ein lichtes Protoplasma und grosse, runde oder oval-runde Kerne haben, die meistens scharf tingiert sind und dadurch gut gegen die dunklen Kerne der Geschmackszellen kontrastieren. Anderer- seits sehen wir dieselben bisweilen auch in einer gracileren Form und mit einer zackigen, peripheren Begrenzung aultreten (Fig. 1). Die Kerne bieten auch in diesen Fällen das oben er- wähnte, typische Aussehen dar: sind gross und rund, beinahe bläschenförmig und schwach tingiert. Was die Lokalisation der Kerne in dem Zellkörper betrifft, so ist zu bemerken, dass sie teils in dem centralen, teils in dem mittleren, teils auch in dem oberen Drittel der Stützzellen vorkommen. Ausser diesen beiden Formen giebt es zahl- reiche Zwischenformen und Formvariationen der Stützzellen; sie sind doch alle gewiss Bildungen derselben Art; keinerlei Strukturverschiedenheiten habe ich ent- decken können; es ist nur das Streben, sämtliche Stützzellen in dem gegebenen Raum unterzubringen, das diese Formdifferenzen der fraglichen Zellen bedingt. Nach unten laufen die Stützzellen —in einen oder in mehreren protoplasmatischen Fortsätzen aus, welche mit den Fortsätzen der Basalzellen sich verbinden (Fig. 2, 3, 4, Te, 9 u. 10). Soweit ich habe ermitteln können, sind die peripheren Enden der Stützzellen abgestumpft und etwas plattgedrückt und mit einem winzig kleinen, feingestrichelten Saum versehen, der aller Wahrscheinlichkeit nach kutikularer Natur ist. Die Stützzellen schliessen sich mit ihren peripheren gestrichelten Enden eng zusammen und umsäumen die sogen. innere Porusmündung die dadurch einen gestrichelten Rand erhält. Es ist wohl gar kein Zweifel, dass wir in diesem Rande das vor Augen haben, Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen bh. Menschen. 351 was Schwalbe als „Härchenkranz“ beschrieben hat. Her- mann, der der erste war, der diesen „Härchenkranz‘“ Schwalbes bestätigen konnte, bemerkt in Bezug auf denselben, dass ihm die erhaltenen Bilder eher an den Basalsaum der Darmepithelien als an einen. Härchenkranz erinnert hätten, und ich muss mich dieser Bemerkung Hermanns völlig anschliessen. Meine Bilder haben mir denselben Eindruck betreffs der frag- liehen Bildung gegeben (Fig. 6 und 11). Ich gehe nun zu den Hermannschen Basalzellen über. Die Existenz dieser Zellen ist — wie erwähnt — neuerdings von Lenhossek geleugnet worden, der dieselben nur als Kunstprodukte auffasst, die den Fixierungsmitteln ihr Entstehen zu verdanken haben. Was meine eigene Erfahrungen über die fraglichen Bil- dungen dagegen betrifft, so muss ich der Ansicht Hermanns beistimmen. Nicht so selten ist es mir gelungen, Bilder von meinen diesbezüglichen Präparaten zu erhalten, die die Existenz der Hermannschen Basalzellen ausser allem Zweifel stellten. Ich verweise auf die Figuren 2, 3, 7d, 7e, 9, 10 und 14; an diesen Bildern kann man ja unschwer beobachten, wie an der Basis der Geschmacksknospen und in Verbindung mit den Stütz- oder Geschmackszellen grosse, reichlich sich verzweigende Zellindividuen sich befinden. Sie stehen — wie erwähnt — mit den Stütz- und Geschmackszellen einerseits, andererseits unter einander, mit den angrenzenden basalen Epithelzellen und mit dem Stratum proprium in Verbindung (Fig. 3, 4, 7d, 9 und 10). Ihre Grösse variiert ganz bedeutend. Mitunter sehen wir dieselben als kleine mehr abgeplattete Bildungen, die der Basis der Geschmacksknospen sich anschmiegen; die Kerne derartiger Basalzellen sind rundlich-oval und nehmen im allge- meinen eine zu der Längsachse der Geschmacksknospen recht- winkelige Stellung ein. Ein andermal — und dies scheint das gewöhnlichste zu sein — präsentieren sich die Basal- 352 JOHN GRABERG, zellen als grosse, kubische mit runden, bläschenförmigen Kernen versehenen Zellen, die den ganzen unteren Drittteil der Ge- schmacksknospen beeinträchtigen. Die Anzahl, an welcher die Basalzellen in den Geschmacks- knospen vorkommen, ist im allgemeinen eine kleine (2-3). In einigen Fällen habe ich indessen dieselben in einigermassen grösserer Zahl gesehen (5—7). Die Funktion der Basalzellen scheint eine stützende und befestigende zu sein; durch dieselben werden die Geschmacksknospen an dem Stratum proprium und an den basalen, indifferenten und angrenzenden Epithelzellen angeheftet. So befestigt werden sie von den übrigen, angren- zenden Epithelschichten gleich wie von einer Hülse umgeben (Fig. 8). Über ihren Ursprung habe ich nichts ermitteln können; ob sie von bindegewebiger oder epithelialer Natur sind, das ist eine Frage, deren Beantwortung weiteren Untersuchungen vor- behalten ist. Doch scheint mir die Struktur ihrer Kerne eher für eine epitheliale als für eine bindegewebige Natur zu sprechen. Sie sind in den erst angelegten Geschmacksknospen nicht zu entdecken; ich habe sie frühestens in den Geschmacksknospen eines etwa fünf Monate alten Fötus gesehen und in der Figur 5 meines oben citierten Aufsatzes abgebildet. In näherer Beziehung zu der gegenseitigen Anordnung der cellulären Elemente der Geschmacksknospen steht ein System von kapillären Gewebssafträumen, die sowohl innerhalb und unter- halb der Geschmacksknospen als auch um denselben sich be- finden. Diese intra-, sub- und perigemmalen Kapillarräume scheinen den früheren Untersuchern entgangen zu sein, oder sie haben dieselben lediglich als Kunstprodukte gedeutet. Wenn man einerseits auch nicht leugnen kann, dass die fraglichen Kapillarräume beim Fixieren aller Wahrscheinlichkeit nach ein wenig dilatiert werden und somit der Präparations- mo Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 553 methode die Deutlichkeit, mit welcher sie dem Auge des Betrachters sich präsentieren, zu verdanken haben, darf man doch andererseits nur zu einem gewissen Grade der Präparationsmethode die Schuld beimessen; man muss ja doch in Anbetracht der grossen Beständigkeit, mit welcher die ge- nannten Bildungen — trotz der verschiedenen Untersuchungs- methoden — gerade in den Geschmacksknospen oder in der Nähe derselben, an anderen Stellen aber nicht, fast immer auftreten, von vornherein schon die Ansicht, sie möchten die Folge der Untersuchungsmethode sein, abweisen. Vielmehr glaube ich, dass wir in den fraglichen Kapillarräumen eine den teschmacksknospen wichtige, intra vitam existierende Vor- richtung sehen müssen, denen eine besondere physio- logische Bedeutung zukommt, zu deren Besprechung ich unten wiederkommen werde. Am häufigsten kommen die peri- und subgemmalen, seltener die intragemmalen Kapillarräume zum Vorschein. Betrachten wir die Figuren 1—5, so bemerken wir, dass die Geschmacksknospen von einer winzig kleinen, kapillären Spalte umgesäumt worden sind. Dieser kapilläre Spaltraum ist vor- her von Lenhossek in der oben eitierten Abhandlung be- schrieben und von diesem Autor „der perigemmale Raum“ genannt worden. Lenhossek erwähnt aber nichts betreffs der Bedeutung, die dieser Spaltraum für die Geschmacksknospen möglicherweise haben könne; nur vermutet er, dass dieser Raum bei dem Durchwandern der Leukocyten durch die Geschmacks- knospen einen ganz besonders prädisponierten Weg bilde. Peripherwärts mündet dieser perigemmale Kapillarraum in den Poruskanal; centralwärts dagegen steht er mit den sub- semmalen Kapillarräumen in Verbindung. Diese subgem- malen Kapillarräume — ich möchte sie so ihrer topo- graphischen Lage wegen nennen — kommen fast immer und mit grösster Schärfe zur Erscheinung. Sie nehmen gewöhnlich 354 JOHN GRÄBERG, basalwärts von den Geschmacksknospen in ihrer Gesamtheit ein halbmondförmiges Gebiet ein und stehen mit den intragem- malen Kapillarräumen sowie auch — wie erwähnt — mit dem perigemmalen Raum in Verbindung. Dieser letztgenannte Kapillarraum sowie auch die intragemmalen Räume sind wahr- scheinlich als gar nichts anderes zu betrachten, als die bei der Geschmacksbulbenentwickelung einigermassen vergrösserten und deformierten Intercellularlücken. Die subgemmalen Kapillar- räume dagegen haben wohl hauptsächlich dem Entstehen der Hermannschen Basalzellen ihre Existenz zu verdanken. Was nun die physiologische Bedeutung der fraglichen Bil- dungen betrifft, so möchte man wohl annehmen können, dass durch dieses System von Kapillarräumen die Gewebssafteirkulation in den Geschmacksknospen und um dieselben in bedeutenderem Grade beschleunigt und erleichtert werden muss. Dies hat zur Folge, dass die in dieGeschmacksknospen eingedrungenen Fremd- körper, die, wenn sie eine längere Zeit hier verbleiben, die suh- tilen Elemente der Knospen gewiss schädigen mussten, durch diese Vorrichtungen sehr schnell entfernt und von der Schleim- haut resorbiert werden. Von Interesse scheinen mir in dieser Hinsicht einige Be- obachtungen zu sein, die ich bezüglich der Papillae foliatae eines Kaninchens zu machen Gelegenheit hatte. Ich hatte nämlich in einer anderen Absicht!) ein Kaninchen pilokarpinisiert und dasselbe Citronensäure in Form eines feinen Pulvers während einer halben Stunde verschlucken lassen. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Papillae foliatae dieses Kaninchens ergab sich nun, dass kleine Partikelchen, die mutmasslich von der Citronensäure herstammten, nur hier und da in den Geschmacksknospen selbst zu finden waren, in dem Stratum proprium und in der Submukosa und besonders in dem !) Um das chemotaktische Vermögen der Citronensäure zu prüfen. ‚Anat Hefte Abthieilung. Heft39U2Bd.H2 ) ? Ta£ KR /ARK. Verlag v. IF Bergtam Wiesbaden. i Lith.Anst-CKrst leipzig Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 355 die Geschmacksknospen entbehrenden Epithel dagegen kamen diese Fremdpartikelchen in einer ganz grossen Menge vor; sie waren auf der letztgenannten Stelle gewöhnlicherweise in langen Reihen an der Grenze der obersten Epithelschichten angeordnet. Mögen nun diese Partikelchen der Citronensäure oder einem anderen Stoffe ihr Entstehen zu verdanken haben, so viel ist ja doch sicher, dass es sich hier um eine Einführung von Fremd- partikelchen durch ‘den Geschmacksporus handelt. Der Umstand, dass wir diese Fremdpartikelchen nur in sehr geringer Menge in den Geschmacksknospen, sehr reichlich aber an anderen Stellen treffen, scheint mir ganz entschieden für die Anwesen- heit einer besonderen Vorrichtung innerhalb der Geschmacks- knospen zu sprechen, einer Vorrichtung, die für das schnelle Wegtransportieren von den in die Geschmacksknospen einge- führten Fremdpartikelchen zu sorgen hat. Es liegt in dieser Hinsicht nahe, an das Kapillarraumsystem zu denken, als der Vorrichtung, die mit dieser Funktion vertraut ist. Es lässt sich ja die ungleiche Verteilung der in den erwähnten Papillae foliatae beobachteten Fremdkörperchen leicht so erklären: die durch den Geschmacksporus in die Geschmacksknospen eingeführten Fremdkörper sind aus den Knospen durch die lebhaftere Ge- webssafteirkulation, die hier infolge des erwähnten Kapillarraum- systems existiert, sehr schnell weggeführt worden, in dem angrenzenden Epithel dagegen, wo die anatomischen Voraus- setzungen einer schnellen Safteirkulation aller Wahrscheinlich- keit nach minder sind, haben sie sich in grösserer Menge an- gesammelt. Vielleicht können wir auch in dieser Vorrichtung die Er- klärung zu der Erscheinung finden, dass unsere Geschmacks- empfindungen von relativ kurzer Zeitdauer sind. Ich glaube somit, dass wirin dem peri-, sub- und intra- gemmalen Kapillarraumsystem eine den Geschmacks. knospen wichtige, intra vitam existierende Vorrich- 356 JOHN GRÄBERG, tung von besonderer, physiologischer Bedeutung sehen müssen und gar nicht ein Produkt der Präparations- methode. In meinem oben citierten Aufsatz!) habe ich eine besondere Art von Zellen erwähnt, die ich ihrer Lage nach die „extra- bulbären‘ Zellen genannt habe. Ich habe die Existenz dieser Zellen aufs neue bestätigen können (Figg. 3, 4, 6, 8, 9, 12 u. 13). Sie kommen gewöhnlich in dem mittleren und oberen Drittel der Geschmacksknospen vor, sind flachgedrückt und haben sehr stark tingierte Kerne, die auf den Längsschnitten durch die Geschmacksknospen als stäbchenförmig, auf den Querschnitten dagegen als schuppenähnliche Bildungen sich präsentieren, welche die Geschmacksknospen umsäumen. Nach allem, was ich gesehen habe, scheinen sie nur in der Peripherie, ausser- halb des perigemmalen Kapillarraums, niemals aber zwischen den cellulären Elementen der Geschmacksknospen selbst vor- zukommen. Nicht immer kommen sie deutlich zum Vorschein. Was die Deutung dieser Zellen betrifft, so scheint es mir am wahrscheinlichsten, dass es sich hier um gewöhnliche Epithel- zellen handelt, die zu einem gewissen Grade einer Verhornung anheimgefallen sind. Möglich ist es ja auch, dass diese Zellen — wie ich in meinem vorigen Aufsatz vermutet habe — in ihrer Gesamtheit eine stützende und schützende Funktion für die Geschmacksknospen selbst haben, in dem Sinne, dass sie eine widerstandsfähigere Fpithelschicht um die Geschmacks- knospen herstellen müssen. Eine ganze andere Art von Zellen, die ich in den Ge- schmacksknospen des Menschen nicht wiederfinden konnte, ist von Lenhoss&k?) in den Geschmacksknospen des Kaninchens beobachtet und beschrieben worden. Diese Zellen kommen immer auf der Oberfläche der Knospen, eingebettet in den Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen 357 Furchen zwischen den Deckzellen, vor, sie haben stabförmige, schmale, stark tingierte Kerne und einen fadenförmigen, stark lichtbrechenden Zellkörper. Ihr Zusammenhang mit den Ge- schmacksknospen ist kein besonders inniger; oft findet man dieselben frei in der perigemmalen Spalte liegend oder gar mehr dem angrenzenden Epithel anhaftend. Lenhossek vermutet, dass hier in einer besonderen Weise umgewandelte Deckzellen im Spiele seien, die einer Verhornung oder einer Schrumpfung anheimgefallen seien. In einigen Fällen habe ich auf der Oberfläche und auf den Seitenflächen der Papillae circumvallatae, wie auch auf den seit- lichen und oberen Flächen der Wälle ein stärker gefärbtes Epithel- leistehen beobachten können, dessen Kerne intensiv tingiert und stäbchenförmig sind, und auf der erst- und letztgenannten Stelle eine horizontale Lage einnehmen. Dies Epithelleistchen setzt sich scharf gegen die unterliegenden, saftreicheren Epithelchichten ab. Es ist wohl gar kein Zweifel, dass ich hier dieselbe Bildung vor Augen gehabt habe, die Lenhossek!) mit dem Namen „Epigemmium“ belegt hat. Es handelt sich natürlich in diesem Falle um eine Verhornung der obersten Epithelchichten, wir müssen aber — wie Lenhossek bemerkt — in dem Modus, auf welchem dieser Prozess sich vollzieht, eine Abweichung von dem gewöhnlichen Typus sehen, indem wir hier ein Vorstadium mit Eleidinkörnchen entbehren. Nach Lenhossek ist dies „Epigemmium“ das Endi- gungsgebiet der intergemmalen Nervenfasern und bildet mit diesen geradezu einen nervösen Apparat von verwickeltem Baue, — ein Punkt, über den ich natürlich nichts sagen kann, da er ausser dem Plan dieser Untersuchung liegt. Einiger cellulärer Bildungen muss hier noch Erwähnung. geschehen, die ich bisweilen zu beobachten Gelegenheit hatte. Es sind reichlich verzweigte Zellen, die unter den Geschmacks- 1) 1. c., 8. 234. 358 JOHN GRABERG, knospen in dem Stratum proprium sich befinden. Sie stehen — wie es scheint — mit den Basalzellen und den angrenzen- den Bindegewebszellen in Verbindung; mutmasslich sind sie auch selbst von bindegewebiger Natur. Sie kommen nur selten zum Vorschein (Figg. 4 und 7d). Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir hier Zellen vor Augen, die mit denen homolog sind, die von Drasch, Fusari, Panasci, Retzius und Len- hossek unter den Geschmacksknospen des Kaninchens beob- achtet und beschrieben worden sind. Bei der Deutung dieser Zellen gehen die Ansichten der erwähnten Autoren auseinander; Drasch, Fusari und Panasci halten sie unbedingt für Nerven- zellen, Retzius und Lenhossek dagegen sind sie eher als Binde- gewebszellen zu deuten geneigt. Mir scheint diese letztere Deutung diejenige zu sein, die das meiste für sich hat; ich denke hier besonders an den sehr chromatinreichen Kern der fraglichen Zellen, ein Umstand, der ja für die bindegewebige Natur dieser Zellen nicht unbedeutend spricht. Doch muss man wohl Lenhossek beistimmen, dass wir hier nicht mit gewöhnlichen, fixen, sondern mit einigen bis zu einem gewissen Grade modifizierten Bindegewebszellen zu thun haben. Was nun zum Schluss den sog. Geschmacksporus betrifft, so freut es mich, hier aufs neue die Richtigkeit der Angaben Hermanns in Bezug auf die fragliche Bildung völlig bestätigen zu können. Die Figuren 3, 4, 5, 6 zeigen uns ganz entschieden, dass wir an der ‚genannten Bildung drei verschiedene Teile zu unterscheiden haben, nämlich: 1. denäusseren Geschmacks- porus, 2. den inneren Geschmacksporus und 3. den diese beiden Pori verbindenden Poruskanal. Der äussere Geschmacksporus wird in einer ringförmigen Vertiefung in dem oberflächlichen Epithel gebildet; diese Vertiefung wird von dem Poruskanal fortgesetzt, der an dem inneren Geschmacks- porus seinen Abschluss findet. Der innere Geschmacksporus Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 359 wird — wie erwähnt — von den kutikulären Spitzen der Stütz- zellen umsäumt und auf diese Weise hergestellt, was uns die Figuren 6 und 11 besonders deutlich zeigen. Einen grubenförmigen Hohlraum an der Spitze der Ge- schmacksknospe unter dem Geschmacksporus habe ich niemals beim Menschen gesehen und muss ich mich demzufolge gegen diese Angabe v. Ebners!) aussprechen. Hier ist noch zu bemerken, dass wir auch in den Papillae eircumvallatae deserwachsenen Menschen Geschmacksknospen treffen, die einen Geschmacksporus sensu proprio entbehren; sie münden frei an der Oberfläche des Epithels in eine kleine Vertiefung desselben. Dies ist, wie ich?) in einem vorigen Auf- satz gezeigt habe, der embryonale Bautypus der Geschmacks- knospenspitzen, aus welchem der oben erwähnte, verwickeltere Bautypus derselben durch ungleiches Wachstum der cellulären Rle- mente der Knospen und des angrenzenden Epithels hervorgeht. Nach Ranvier und Hermann wissen wir, dass Leukocyten beinahe konstant in den Geschmacksknospen zum Vorschein kommen. Sie treten in wechselnder Zahl auf; bisweilen treffen wir dieselben nur in einer geringeren Anzahl, 3 oder 4 in jeder Knospe, und dies scheint sogar das normale zu sein. Ein ander- mal dagegen treten sie in bedeutend grösserer Menge auf, ja sie ‚können mitunter sogar die ganze Geschmacksknospe ausfüllen. Dies gehört doch meinen Erfahrungen nach zu den grossen Seltenheiten und steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit patho- logischen Veränderungen innerhalb der Geschmacksknospen in Verbindung. Über die Richtigkeit der Angabe Lenhosscks, dass die cellulären Bestandteile der Geschmacksknospen dessen- ungeachtet unversehrt seien, habe ich mich nicht überzeugen 1) v. Ebner, Über die Spitzen der Geschmacksknospen. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien. Mathem.-naturw. Kl. B. CVI Abt. III. 8. 72. a) lc, 8.120. 360 JOHN GRÄBERG, können; mir haben vielmehr im fraglichen Falle die Knospen- elemente ein abgeändertes Aussehen dargeboten. Als die wahrscheinlichste Erklärung dieser Erscheinung scheint mir diejenige zu sein, dass wir in solchen Fällen mit einer durch eine Läsion hervorgerufene Entzündung und mit einer diesem Prozesse sich anschliessenden bedeutenden, von den angrenzenden Gefässen stattfindenden Auswanderung von Leuko- eyten zu thun haben, die durch die Einwirkung einiger bei dem Zerfallen der Knospenelementen gebildeten Stoffe eine starke Attraktion nach dem lädierten Knospengebiet erfahren und sich hier anhäufen. Für eine solche Annahme scheint mir übrigens der Umstand zu sprechen, dass wir auch in dem der leukocyten- erfüllten Knospe angrenzenden Epithel und in dem darunter- liegenden Stratum proprium sehr grosse Mengen von Leukocyten beobachten können. Die Knospe selbst wie auch ihre ganze Umgebung war in den fraglichen Fällen ganz mit Leukoeyten infiltriert. Im Gegensatz zu Lenhoss&k möchte ich behaupten, dass die Durehwanderung von Leukocyten im Epithel ausserhalb der Knospen gar keine Seltenheit zu sein scheint. Ich habe oft grosse Mengen von Leukocyten in dem angrenzenden, indifferenten Epithel gesehen und in geringerer Zahl scheinen sie hier gleich konstant vorzukommen wie in den Geschmacksknospen. Zum Schluss möchte ich einige Beobachtungen von allge- meinerem Interesse erwähnen, in Bezug auf die Anzahl, an welcher die Geschmacksknospen in den Papillae circumvallatae des erwachsenen Menschen vorkommen. Vergleicht man Präparate von den genannten Papillen, die von Föten des fünften und siebten Fötusmonats herstammen, mit denen, die von Papillae circumvallatae erwachsener Menschen herrühren, so bemerkt man leicht, dass die Zahl der Geschmacks- knospen in diesem Falle eine geringere ist als in jenem Falle. Die Geschmacksknospen werden nämlich — wie Hermann Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 361 vermutet und ich!) gezeigt habe — während der letzten Monate des intrauterinen Lebens rücksichtlich ihrer Anzahl ganz be- deutend reduziert, indem die an der horizontalen Fläche der Papillae circumvallatae sich befindenden Geschmacksknospen einer regressiven Metamorphose anheimfallen. Betreffs der Anzahl, an welcher sie in den Papillae circumvallatae des erwachsenen Menschen vorkommen, glaube ich, dass die vorigen Untersucher in diesem Punkte im allgemeinen sich einer Überschätzung schuldig gemacht haben. So berechnet z. B. v. Wyss die An- zahl der Geschmacksknospen in einer Papilla eircumvallata des erwachsenen Menschen bis zu etwa 400. Ich möchte dagegen meinen Erfahrungen nach die Gesamtzahl der in einer Papilla circumvallata des erwachsenen Menschen sich befindenden Ge- schmacksknospen zu höchstens 100 oder 150 schätzen. Übrigens will ich in dieser Hinsicht bemerken, dass es ganz grosse individuelle Verschiedenheiten giebt. Ich habe Zungen untersucht, deren Papillae circumvallatae erstaunlich arm an Geschmacksknospen waren, ja ich möchte die Gesamtzahl der Geschmacksknospen in diesen Fällen nur zu etwa 40 oder 50 in jeder Papilla circumvallata schätzen. Bedenken wir nun, dass die meisten Geschmacksknospen während der erwähnten Periode des intrauterinen Lebens betreftis ihres cellulären Baues völlig differenziert und — wie besonders Tuckerman?) gezeigt hat — reichlich mit Nerven versorgt sind, so scheint es ja, als ob unser Geschmacksorgan, das aller Wahrscheinlichkeit nach erst nach der Geburt zu funktionieren beginnt, seine grösste physiologische Leistungsfähigkeit während einer Zeit erhält, da es dem jungen Organismus gar nicht er- forderlich ist, ein geschmacksvermittelndes Organ zu besitzen. Denn man muss wohl a priori annehmen, dass — bei gleicher Dil es, 128. 2) Tuckerman, On the development of the tacte organs of man. Journ. anat. phys. XXIII. S. 559. 362 JOHN GRÄBERG, Differenzierung der Geschmacksknospen — je grösser die Zahl derselben ist, um so grösser ist auch das percipierende Ver- mögen des Geschmacksorgans, um so schneller wird es gegen äussere Reizmittel reagieren. Nun ergiebt sich indessen aus dem histologischen Analysieren der Geschmacksknospen des erwachsenen Menschen und der- jenigen der 5 bis 7 Monate alten Föten folgendes interessante Faktum, dass nämlich die Geschmacksknospen des er- wachsenen Menschen im allgemeinen eine grössere Anzahl von Geschmackszellen haben — die ja doch die eigentlichen sinnespereipierenden Elemente der Geschmacks- knospen sind — als die der erwähnten Föten. Die ge- ringere Zahl der Geschmacksknospen beim erwach- senen Menschen, im Vergleich mit derjenigen der 5 bis 7 Monate alten Föten, wird somit durch eine höhere Differenzierung der vorhandenen Knospen kompensiert. Sein phylogenetisches Interesse erhällt indessen das oben erwähnte fötale Zahlenverhältnis der Geschmacksknospen, indem es uns zeigt, dass die Geschmacksknospen während einer be- sonderen Zeit des intrauterinen Lebens auch bei uns gleich, wie bei den niederen Wirbeltieren in grösserer Zahl vorkommen und ein grösseres Verbreitungsgebiet haben. ll. Zusammenfassung der Ergebnisse. l. Die Geschmacksknospen kommen beim erwach- senen Menschenin drei verschiedenen Typen vor, die in Bezug auf die Anzahl der in denselben vorhan- denen Geschmackszellen sich unter einander unter- scheiden. Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 363 Typus « hat eine breite, oval-runde Form, mündet direkt auf der freien Fläche des Epithels ohne einen Poruskanal und hat sehr wenige Geschmackszellen (ca. 2 bis 3). Typus £ besitzt eine ovoide Gestalt, einen wohl entwickel- ten Porus und eine grössere Menge von Geschmackszellen als der vorige Typus (ca. 5 bis 7). Typus y, die man beim erwachsenen Menschen in grösster Zahl trifft, zeigt eine schlanke, länglich-konische Form, einen wohl entwickelten Geschmacksporus und in der Regel viele Geschmackszellen. 2. Die cellulären Elemente der Geschmacksknospen sind: die Geschmackszellen und die Stützzellen. Die Geschmackszellen sind lange, sehr gracile Bil- dungen, die viele Formdifferenzen zeigen, je nach der Lage ihrer Kerne, die teils in dem unteren, teils in dem mittleren, teils auch in dem oberen Gebiet des Zellkörpers vorkommen können. — Ihr Protoplasma ist dunkler als dasjenige der Stützzellen. — Peripherwärts endigt die Geschmackszelle in einem Stiftchen, das in den Geschmacks- poruskanal hineinragt; centralwärts verbindet sich das geteilte oder ungeteilte Ende der Geschmacks: zelle mit den Ausläufern der Basalzellen. — Die Kerne der Geschmackszellen sind stäbchenförmig oder oval und im allgemeinen sehr stark tingiert. — Die Geschmackszellen kommen in wechselnder Zahl, sowohl im Centrum wie in der Peripherie der Knospen vor. — Es giebt nur eine Art von Geschmackszellen. Die Stützzellen kann man wegen ihrer Lage inner- halb der Geschmacksknospen als centrale, periphere und basale bezeichnen. Die centralen und die peripheren Stützzellen sind gewiss Bildungen derselben Art und zeigen keine Strukturverschiedenheiten unter ein- ander: nur ihre Gestalt wechselt; dies wird aber durch Anatomische Hefte. I. Abteilung. XXXIX. Heft. (12. Bd. H. 2.) 24 364 JOHN GRÄBERG. das Streben bedingt, sämtliche Zellen in den ge. sebenen Raum unterzubringen. Bald sehen wir die- selben in einer sehr voluminösen Form auftreten, bald kommen sie in einer gracileren Gestalt vor. Bald ist ihre Kontur scharf begrenzt, bald zackig, Peripherwärts besitzen die Stützzellen (die centralen gleichwie die peri- pheren) einen feingestrichelten Saum. Sämtliche Stütz- zellen schliessen sich peripherwärts zusammen und herum- säumen mit ihren peripheren Enden den sogen. inneren Ge- schmacksporus; durch den erwähnten gestrichelten Saum der peri- pheren Enden der Stützzellen entsteht somit um den inneren (re- schmacksporus eine feingestrichelte Begrenzung: der Schwalbe- sche Härchenkranz. Centralwärts haben im allgemeinen die Stützzellen mehrere protoplasmatische Ausläufer, die mit den Ausläufern der Basalzellen sich verbinden. Die Kerne der Stütz- zellen sind gross, rund oder ovalrund und schwach tingiert; sie kommen sowohl in dem centralen wie in dem mittleren und peripheren Teil des Stützzellenkörpers vor. Über die Natur der basalen Stützzellen („Basalzellen“ Hermanns) kann ich nichts Positives mitteilen; mutmasslich sind sie von epithelialer Natur. Sie liegen an der Basis oder in dem unteren Drittel der Geschmacksknospen und sind im allgemeinen grosse, kubische, reichlich verzweigte Bildungen, die einen grossen, runden, schwach tingierten Kern haben; durch ihre Protoplasmaausläufer verbinden sie sich sowohl mit den Geschmacks- und den Stützzellen, wie auch mit ein- ander, mit den indifferenten Basalzellen des angrenzenden Epithels und mit dem Stratum propium. — Ihre Funktion ist wahrscheinlich ausser einer stützenden auch eine befestigende; durch sie werden ja die Geschmacksknospen an dem angrenzen- den Epithel und an dem Stratum proprium angeheitet. 3. Um die Geschmacksknospen, wie auch in und unter denselben giebt es ein System von kapillären Safträumen. — Zur Kenntnis d. cellulären Baues d. Geschmacksknospen b. Menschen. 365 Diese peri-, intra- und subgemmale Kapillarräume bilden in ihrer Gesamtheit eine intra vitam exi- stierende, den Geschmacksknospen sehr wichtige Vorrichtung, die damit vertraut ist, Fremdpartikel- chen schnell zu entfernen, die in die Geschmacks- knospen eingekommen sind, und welche die subtilen Elemente derselben gewiss schädigen müssten, wenn sie hier eine längere Zeit verbleiben. Durch das er- wähnte Kapillarraumsystem wird aber die Safteirkulation um die Geschmacksknospen und in denselben erleichtert und be- schleunigt und dadurch die Möglichkeit eines schnellen Weg- transportirens von den in die Knospen eingekommenen Fremd- körperchen gegeben. 4. Ausserhalb der Geschmacksknospen liegen einige sehr abgeplattete, mit stark tingierten Kernen versehenen Zellen, die ich die „extrabulbären“ Zellen nenne; sie kommen nicht immer zum Vorschein. 5. Unterhalb der (Geschmacksknospen in dem Stratum proprium kommen bisweilen einige verzweigte Zellen zum Vor- schein; sie sind mutmasslich von bindegewebiger Natur. 6. An dem Geschmacksporus haben wir drei verschiedene Teile zu unterscheiden, nämlich: «) den äusseren Porus, ß) den inneren Porus, der von den peripheren Enden der Stützzellen umgesäumt wird und y) den diese beiden Pori verbindenden Poruskanal. 7. Konstant kommen in geringerer Zahl Leukocyten in den Geschmacksknospen vor; in solchen Fällen, wo die Leukocyten in sehr grossen Mengen in den Geschmacksknospen vorkommen, handelt es sich wahrscheinlich um pathologische Verände- rungen innerhalb der Geschmacksknospen selbst, als Ursachen zu der Leukocytenansammlung. 24* 366 JOHN GRÄBERG, Zur Kenntnis d. cellulären Baues etc. 8. Auch in dem angrenzenden, indifferenten Epithele trifft man immer Leukocyten in grösserer oder in geringerer Zahl. 9. Die Zahl, in welcher die Geschmacksknospen beim erwachsenen Menschen vorkommen, ist im Ver- gleich mit derjenigen, in welcher sie bei fünf bis sieben Monate alten Föten repräsentiert sind, eine geringere. Die Geschmacks- knospen des erwachsenen Menschen aber haben im allgemeinen eine grössere Zahl von Geschmackszellen als die der erwähnten Föten. Die geringere Zahl der Geschmacksknospen beim er- wachsenen Menschen wird somit durch eine höhere Differen- zierung der vorhandenen Knospen kompensiert. Lund, den 15. Februar 1899. Erklärung der Abbildungen auf den Tafeln XXVY/XAIX. Sämtliche Figuren sind, wo nichts anderes angegeben wird, vermittelst der Abbeschen Camera bei folgender Linsenkombination gezeichnet: Ok. 1 Ob. Hom. Immers. ‚!ı2. Fig. 1. Geschmacksknospe von einem Längsschnitte einer Papilla circum- vallata von einem etwa 6 Monate alten Homofötus 2. Leitz. Kompen- sationsok. 3. Obj. Apochrom. 4 mm. Sz. Stützzellen. Ip. Innerer Geschmacksporus. Pg. Perigemmaler Kapillarraum. Ig. Intragemmale Kapillarräume. Sg. Subgemmale Kapillarräume. Sp. Stratum proprium. Fig. 2. Geschmacksknospe von einem ca. 5 Monate alten Homofötus J. Die Buchstabenbezeichnungen sind dieselben wie die vorigen. Bz. Basalzellen Hermanns. Fig. 3. Geschmacksknospe von einer 22jährigen Frau. Die Buchstaben- bezeichnungen sind dieselben wie die der Figuren 1 und 2. Gz. Geschmackszellen. Ez. Extrabulbäre Zellen. Pk. Poruskanal. Äup. Äusserer Geschmacksporus. L. Leukocyten. X. Fremdpartikelchen. Fig. 4 Geschmacksknospe eines neugeborenen Kindes 2. Die Buch- stabenbezeichnungen sind dieselben wie die der vorigen Figuren. Bgz. Bindegewebszelle. X. Epithelzelle. Fig. 5. Geschmacksknospe einer 22 jährigen Frau. Die Buchstabenbezeich- nungen sind dieselben wie an den vorigen Figuren, Ep. Epigemmium. 368 Erklärung der Abbildungen. Fig. 6. Geschmacksknospe einer 22 jährigen Frau. Die Buchstabenbezeich- nungen sind dieselben wie an den vorigen Figuren. HS. Härchenkranz Schwalbes. Fig. 7a—d. Isolierte Geschmacksknospenzellen aus einer Geschmacks’ knospe eines 5jährigen Kindes. Die Buchstabenbezeichnungen sind dieselben wie an den vorigen Figuren. Fig. Te. Von einer Geschmacksknospe eines neugeborenen Kindes. Die Buchstabenbezeichnungen sind dieselben wie die der vorigen Figuren. Fig. 8. Von einer Papilla circumvallata einer 5monatlichen Fötus Z'. Die Buchstabenbezeichnungen sind dieselben wie an den vorigen Figuren. X. Der zurückgebliebene Raum nach dem Herausfallen einer Geschmacksknospe. Leitz Ok. 1. Obj. 6. Fig. 9. Geschmacksknospe einer 22 jährigen Frau. Die Buchstabenbezeich- nungen sind dieselben wie die der vorigen Figuren. Fig. 10. Geschmacksknospe eines neugeborenen Kindes. Die Buchstaben- bezeiehnungen sind dieselben wie die der vorigen Figuren. Fig. 11. Querschnitt durch die Spitze einer Geschmacksknospe von einer 22jährigen Frau. HS. Härchenkranz Sch walbes. S. Stiftehen. ‚Fig. 12. Querschnitt durch das obere Drittel einer Geschmacksknospe von einer 22jährigen Frau. Die Buchstabenbezeichnungen sind dieselben wie die der vorigen Figuren. Fig. 13. Querschnitt durch das untere Drittel einer Geschmacksknospe von einer 22jährigen Frau. Die Buchstabenbezeichnungen sind dieselben wie die der vorigen Figuren. Fig. 14. Querschnitt durch die Basis einer Geschmacksknospe von einer 22jährigen Frau. Die Buchstabenbezeichnungen sind dieselben wie die der vorigen Figuren. X. Epithel. Fig. 15. Schematisiertes Bild einer Geschmacksknospe des Menschen, den cellulären Bau der Geschmacksknospen zeigend. Äup. Äussere Geschmacksporus. Pk. Poruskanal Ip. Innerer Geschmacksporus. Gz. Geschmackszelle. Ig. Intragemmale Kapillarräume. Pg. Perigemmale Kapillarräume. Sz. Stützzelle. Bgz. Bindegewebszelle. Sg. Subgemmale Kapillarräume. Bz. Basalzelle Hermanns. Ez. Extrabulbäre Zelle. (AUS DEM ANATOMISCHEN INSTITUT IN TÜBINGEN.) UNGEWÖHNLICHER URSPRUNG UND VERFAUR DER ARTERIA SUBCLAVIA DEXTRA. VON GOTTHOLD HOLZAPFEL, FRÜHEREM ASSISTENTEN DES INSTITUTES. Mit 4 Abbildungen auf Tafel XXX/XXXI und 16 Figuren im Text. Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd., H. 3.) 253 $: Fe ee E13 ” IE Zr van es: FR: 52 an ur > Be Re 2 ER a Ein Se De I en a2 A GERN, hIRSER aan s wor eis ER a se { en i Fe 1 ELITE BE ASt FR rt BR u e dr ee EI 2 a RN N SE ee re De Ping REN Y ns TE REN E A, Aa i { r 20 a a = a AE IEREUT.: r a RS 5 Rn ER uhren, x hend * 4 E a er \ 7 k ae, er . Er TR Te . RR. Lo ee 1 PR EIER Su Ans are Er: ni ne a . = A ir % le,, 2 P RR ZY 51 FEN Te en Sn E AR ah ER RE rin 2. Er er Eu #2 Re Sense Br: Es N Re is Salt, Kg Be 5 Se Pe 5” Ba Eon ar : - ur ER NR N Der ha, res Bi Ar N a u 2 N Pag Be Er RR a; re Aetn Hr + a ER x i BEER N LE Die Dre en e ' 4 ss er Rn no 2 j a - ” = ar ice En ER Mer TR NE ee a Arır rn im aa IB Beh De = ni Ei > rn. Mu DM LheN, Vo u Inhalts-Übersicht. Lebeil: . Bericht über die in der Litteratur vorhandenen Fälle der Anomalie: 1. Beobachtungen am Menschen. 2. Beobachtungen an Tieren . Eigene Beobachtungen DoRE Verzeichnis der Autoren, Solche die enalie eftererd er- wähnen . Verzeichnis der Peplikshionen lan arschöinlich Fälle ee Anomalie betreffen, jedoch dem Verfasser nicht zugänglich waren . : Zusstmefaasende ec Noleıl: II. Teil: Entwickelungsgeschichtliches und een Phy silogischds IV. Teil: Praktische Gesichtspunkte . Ergebnisse Litteraturverzeichnis Alphabetisches Register der Aulozene. w elche Fälle de Auomahe der Arteria subelavia dextra beobachtet haben En En Abkürzungen : Erklärung der Mbildungen uf Tafel XXX XXX 25* Seite I 1% E> un =“ AR vn, 5 a oe Fr lin rs aeräßaen LER FLY a ih er Re i a re: in a EI EIER EN ER Bahn ER i 2.0 Veen hun a ken ae Mr Re aan Hab Te oe 2 “Hr “ EOS ,y ONE N Te rE hrinlaeee BEER, IRRE N EIRS ol dire | ERLENFANN “NR er be tab Aare en, ieh g PR N er a ER En En ne ae an a - 4 . As )- D * Fe N RR SEEN en ae rlirhlinle. ee EI Ir Er. EN Nortänt kunkin de bl A PE IE: EL, Ri 9x Rx wart 1op Rate 217 En; Ei Aufmerksamen Beobachtern konnte es nicht entgehen, dass die Tierwelt bei aller Gesetzmässigkeit der Organisation durch eine überraschende Vielgestaltigkeit der Einzelwesen ausge- zeichnet ist. Kein Individuum ist dem anderen in jeder Be- ziehung vollkommen gleich. Das gilt in hervorragendem Masse für die höher entwickelten Lebewesen und besonders für den Menschen, der ja unter allen, sowohl ontogenetisch wie phylo- genetisch, die längste Reihe durchlaufen hat. Innerhalb des menschlichen Organismus aber dürfte es wohl das Gefässsystem sein, welches die mannigfaltigsten Variationen der anatomischen Anordnung darbietet. Dass diese Thatsache erst seit Anfang des letzten Jahr- hunderts die gebührende Aufmerksamkeit gefunden hat, erklärt sich aus dem Umstande, dass die ältere Anatomie, da sie bei ihren Arbeiten bekanntlich vielfach auf tierisches Material ange- wiesen war, die speziellen Verhältnisse des menschlichen Ge- fässsystemes noch nicht festgestellt hatte. Galen, Berengarius (1521), Stephanus (1545), Vesal (1543) und selbst noch Spigelius (1632) lassen, entsprechend den Beobachtungen an Tieren, die Aorta („Arteria magna“) in einen Truncus sup. s. ascendens und einen Truncus inf. s. descendens zerfallen, und noch am Anfang des 18. Jahrhunderts fand Heister (1722), der selbst eine korrekte Beschreibung des Arcus aortae giebt, es für nötig, der alten Auffassung entgegenzutreten, welche Verheyen (1648—1710) bereits richtig gestellt hatte; und 374 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Böhmer (1741, p. 452) hebt noch rühmend hervor, dass Valsalva (Diss. anatom. Tab. ll, Fig. I, in operibus ejus a _ Morgagno editis, 1740, Tom. I, p. 140) die bis dahin beste und korrekteste Abbildung des Arcus und seiner Äste gegeben habe. Am frühesten fanden die Varietäten der Arterien Beachtung und unter diesen die der Stämme des Aortenbogens. Die häufigste unter letzteren!) ist der Ursprung zweier Stämme aus dem Bogen, nämlich einer A. anonyma (welche die Carotis comm. sin. abgiebt und sodann sich in Subelavia dextra und Carotis comm. dextra spaltet) und einer Subelavia sinistra. Diese Varietät findet sich in den auf ungefähr 1000 Aorten sich erstreckenden Erfahrungen von Quain (1844) in 9°/, der Fälle, und sie wurde, wie oben bereits angedeutet, von den älteren Autoren, unter dem Einfluss der Tierbefunde, für die Norm gehalten. Am zweit-häufigsten ist der direkte Ursprung der A. vertebralis sin. aus der Aorta. Und der Häufigkeit nach an dritter Stelle folgt der selbständige Ursprung der A. subelavia dextra, welche an verschiedenen Stellen stehen kann: entweder als 1. Ast oder als 2., der dann entweder zwischen Carotis comm. dextra und sin., oder zwischen einem Truncus bicaroticus und der linken Subel. sich findet; oder als 3. Ast zwischen Carotis sin. und Subclavia sin.; oder endlich, — und dies ist, wie Quain (1844, p. 47) und Turner (1862, p- 469) bereits aussprechen, innerhalb dieser Varietätengruppe der häufigste Fall — als letzter Ast, distal von der Subcl. sinistra. Diese letztere Varietät, der abnorme Ursprung der A. subclavia dextra, bildet den Gegenstand der vorliegenden Abhandlung. Ich habe den Versuch gemacht, alle bis zum 1) Der Arcus aortae hat bei den hier aufzuführenden Variationen mit wenigen Ausnahmen seine normale Lage über dem linken Bronchus. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 375 Jahre 1897 publizierten Fälle zusammenzustellen und mit strengster Wiedergabe der Originalschilderung (wo es notwendig schien, im Wortlaut) aufzuführen. Trotz eifriger Benützung der Universitätsbibliotheken Tübingen, Strassburg, Breslau, Berlin und Halle, der württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart und der Bibliothek der Leopoldina-Carolina in Halle ist diese Zu- sammenstellung doch nicht ganz vollständig geworden. Die Titel der mir unzugänglich gebliebenen Publikationen, in welchen wahr- scheinlich sich noch auf unseren Gegenstand bezügliche Angaben finden dürften, habe ich unter I. D., Seite 426 angeführt. Alle in das Lit.-Verz. am Schluss dieser Abhandlung, 8. 508 aulge- nommenen Veröffentlichungen habe ich selbst eingesehen oder in Zeitschriften zuverlässig referiert gefunden. Grössere Vorarbeiten für die mir gestellte Aufgabe lagen nicht vor. Zwar hat Götz (1896) dasselbe Thema behandelt und 2 neue Fälle publiziert; jedoch hat dieser Autor die Litteratur nur zu einem verhältnismässig kleinen Bruchteil benutzt. Die Auffindung der umfangreichen Litteratur wurde erleichtert vor allem durch die Werke von Tiedemann (1822, 1846), Otto (1830) und in erster Linie W. Krause (1868, 1876) und ferner durch die bekannten Jahresberichte und Sammelwerke; unter letzteren möchte ich besonders den „Index Catalogue of the Library of the Surgeon-General’s Office, United States Army. Washington 1880“ hervorheben. Einzelne Fälle habe ich zufällig aufgefunden. Trotz strengster Kritik ist der Einwand nicht abzuweisen, dass möglicherweise, so z. B. bei den verschiedenen Meckel (1751, 1805, 1816, 1820) und vor allem bei den Fällen aus Museen einzelne doppelt publiziert sind, da die betreffenden Autoren nicht immer angeben, ob nicht etwa einer der neu auige- führten Fälle schon einmal von ihnen selbst oder von einem anderen Autor veröffentlicht worden ist. 376 GOTTHOLD HOLZAPEEL, Ich will nun zunächst über sämtliche mir zugänglich ge- wordenen Fälle in chronologischer Ordnung aus den Quellen Bericht erstatten und sodann die Beschreibung von 5 neuen Fällen des anatomischen Institutes zu Tübingen anschliessen. Im II. Teil soll eine Zusammenfassung, Sichtung und statistische Verarbeitung der aufgeführten Befunde folgen; im II. Teil soll versucht werden, auf Grund der Entwickelungsgeschichte und Physiologie des Gefässsystems Aufklärung über die Entstehung und die eigentümlichen Formerscheinungen der Anomalie sowie über deren Beziehung zu benachbarten Organen zu gewinnen. Im IV. Teile endlich sollen die praktischen Gesichtspunkte Be- rücksichtigung finden. Sei es mir noch gestattet, an dieser Stelle meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Froriep, für die Anregung zu dieser Arbeit und für die freundliche Unterstützung bei der Ausarbei- tung derselben meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen. . ‚Anatom Hefte.I Abteilung. H.40. (NEBd TI). Nvagus Mlar. int Athyrinf i ir Bioar. 1 -- A.subel.dext. -- Asubel.sin. - ram.cardiac. - Nvagus - in. bicarotio. —— Nrecurr.vagi 3 x Mphren. _— = \ N e —- N.phren. Fe N tranon.---Be- Lith.Anstv-H „Jonas ‚Cassd. Verlag v. J.F Bergmann, Wiesbaden, Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 377 5... Teil. A. Bericht über die in der Litteratur vorhandenen Fälle der Anomalie.') 1. Beobachtungen am Menschen. 191 Fälle. 1. Hunauld (1735, S. 20). Von der Aorta entspringen drei Stämme: zuerst ein gemeinsamer Stamm für beide Carotiden, sodann die Subel. sin. und zuletzt, ein wenig tiefer, die Subel. dextra, von der Hinterseite der Aorta. Sie wendet sich von hier hinter dem gemein- samen Stamm der Carotiden nach der rechten Seite, um hier wie ge- wöhnlich sich zu verzweigen. 2. Hommel (1737, S. 162 u. Taf. II, Fig. 3 u. 4), von einem Er- wachsenen. Der sehr flache Arcus aortae entsendet zuerst einen kurzen ge- meinschaftlichen Stamm für beide Carotiden; auf diesen folgen in kurzen Abständen die Subel. sin. und die Subel. dextra. Diese letztere entspringt mit einer sackförmigen, nach hinten und links deutlicher ausgesprochenen Erweiterung („dextra amplo orificio, quasi ex sacco provenit‘‘ — „quod in facie posteriori magis adhuc apparet“) mehr von der oberen als von der hinteren Wand des Arcus, wenig unter- halb der Umbiegungsstelle der Aorta und steigt zuerst in annähernd senk- rechter Richtung empor, während die S. s. sich sogleich schräg nach links aussen wendet. 3. Cassebohm und Böhmer (1741, S. 452, Taf. I, Fig. 1). Derselbe Fall ist referiert und kopiert von Tiedemann 1822, 8. 34 und Taf. III, "Big. 7. 4 Äste entstehen aus dem Bogen; es sind der Reihe nach Carot. comm. d., Car. comm. s., Subel. s. und Subel. dextra. Die dextra ent- springt aus der hinteren Wand des Bogens an der Umbiegungsstelle. Sie verläuft so ziemlich quer hinter dem Ösophagus am letzten Hals- und ersten Brustwirbel vorbei zur rechten Seite und ist im Anfang nicht erweitert. ı) Die dem Namen des Autors folgende Jahreszahl dient zugleich als Verweisungszahl auf das chronologische Litteraturverzeichnis am Schlusse der Abhandlung (Seite 508). 378 GOTTHOLD HOLZAPFEL, (Dieser Fall wurde ihm!) von Cassebohm mitgeteilt, welch letzterer das Präparat mit Wachs injiziert in seiner anatomischen Samm- lung aufbewahrte.) 4. J. F. Meckel (481. Brief, Januar 1751, S. 132). Aus der Mitte des Aortenbogens entsprang ein Stamm, welcher sich in zwei Äste, die rechte und linke Car., spaltete. Die Subel. d. entstand aus der absteigenden Aorta unterhalb des Bogens und stieg von links nach rechts hinter drei gewissen Arterien empor („retro tres aliquas arterias ascendebat‘“). Offenbar denselben Fall erwähnt Meckel unter mehreren anderen Varietäten im 485. Brief, Februar 1751, S. 140—142, obwohl auf- fallenderweise auf den vorhergehenden, vor einem Monat brieflich mit- geteilten Fall kein Bezug genommen wird. Der Ausführlichkeit halber wolle diese zweite Beschreibung hier folgen: „Die $. d. entsprang aus dem Stamm der Aorta an der Stelle, wo sie nach der Bildung des Bogens durch den Thorax herab vor den Wirbeln verlief. Sie stieg hinter dem Bogen der Aorta von dem absteigenden Stamm zum rechten Arm empor. Beide Carotiden, die rechte und die linke, hatten aus der Mitte des Bogens einen gemein- samen Stamm, welcher sich vor der Trachea in zwei Äste, die rechte und linke Car., teilte.“ 5. Joh. Barth. Hoffmann (1751, S. 10), von einem ca. ein- jähr. Kinde. Derselbe Fall ist auch mit demselben Wortlaut beschrieben von Ph. Conr. Fabricius 1754, observatio 36, S. 124. Die Car. dextra entspringt nicht mit der Subel. derselben Seite von einem gemeinsamen Stamm, sondern, gleich der Ü. s., unmittel- bar vom Aortenbogen selbst. Die Subel. d. wird nach dem Ursprung der Subel. sin. von dem Anfang der Aorta descend. unmittelbar ober- halb des Ursprungs des Duct. art. Botalli („proxime supra originem duetus art. Bot.“), der noch durchgängig ist, abgegeben. 6. A. Mieg (1753, Art. 8). Auch im Wortlaut referiert von Ed. Sandifort 1777, Lib. I, S. 79. „Aus der oberen Partie des Arcus entsprangen der Reihe nach Car. d.,, dann Car. sin, endlich Subel. sin., jede mit einem besonderen Stamme; und endlich kam im Anfang der Ao. descend., und zwar von ihrer Hinterseite, die Subel. dextra zum Vorschein, welche hierauf hinter Aorta, Ösoph. ete. zur rechten Seite sich krümmte, wo sie unter die rechte Clavikel sich zurückzog und weiterhin wie gewöhnlich verlief.“ Mieg hat diesen Fall bei einer Demonstration von Eysenmann in Theatro anatomico Argentiniensi gesehen. ı) Die von Böhmer erwähnten Heister (1722) und Winslow (1775) kennen keine hiehergehörigen Fälle, nur 4 durch Teilung der Anonyma zustande kommenden Äste; W. erwähnt auch noch den selbständigen Ursprung der linken Vertebralis. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 379 7. Joh. Ludw. Leberecht Löseke (1754, S. 26). Vier Stämme gehen vom Arc. ao. aus, zuerst in gewundenem Laufe die Car. d., sodann in gerader Richtung die linke Carot., hierauf die Subel. sin. und endlich links und etwas unterhalb dieser an dem absteigenden Abschnitte des Bogens die rechte Subel., welche hernach auf einem wunderbaren Umweg, gleichsam von links nach rechts, in querer Richtung weiterhin verlief. 8. Chr. Gottl. Ludwig (1764, S. 5—7) von einer älteren Frau mit Knochenerweichung. Referiert in: Natuur-en Genees-kundige Bibliothek. Vierde Deel. Gravenhage 1768, S. 511—516. Die Ao. entsandte der Reihe nach die rechte, sodann die linke gemeinsame Car., ferner die linke und zuletzt die rechte Subel. Letztere entsprang von der hinteren Wand als ein sehr starker Ast von an- nähernd gleichem Kaliber wie die Aorta („ramus amplissimus, aortae diametro non multo minor“). Diese Erweiterung war trichterförmig und eine Daumenbreite (= ca. 2 cm) lang. Hernach verengerte sich die Arterie zum gewöhnlichen Kaliber, verlief hinter dem Ösoph., den sie an der linken Seite ein klein wenig komprimierte und nach rechts drängte, und er- schien endlich auf der rechten Seite, um sich in die Axillaris fort- zusetzen, Die Car. c. d. gab die rechte A. mammar. int. ab; die Äste der S. d. waren sonst normal. Die Subel. sin. gab wie gewöhnlich ihre Äste ab. Die Axillaris und Brachialis, sowie die Äste der Carotis ext. zeigten auf beiden Seiten einige kleinere Varietäten. Der Sym- pathicus war auf beiden Seiten doppelt vorhanden („N. intercostalis utrinque duplicatus fuit“). Der Aortenbogen war in seiner Mitte weit geräumiger als im Anfang und am Ende. Diese Erweiterung ging bis auf die Ao. desc. über und erst nach Abgabe der Art. inter- costales superiores kehrte die Aorta zum normalen Durchmesser zurück. Ludwig fasst diese Erweiterung als angeboren, nicht als pathologisch auf (S. 6: quamquam autem gibborosa erat aegra, illa tamen in aetate jam adultiore ob ossa emollita spina dorsi inflexa fuerat, unde minime gibberositati, sed primae in evolutione corpusculi natae dispositioni ad. seribi potest insolita haec amplitudo). 9. Adolf Murray (*1768!), S. 85 u. hübsche Zeichnung auf Taf. III), übersetzt von Kästner 1771, S. 92—98. Referiert (nach Sandifort 1777, Lib. I, 78) in: Geneeskundige Verhandelingen aan de Sweedsche Academie medegedeeld, door J. B. Sandifort, IV. Deel, S. 86. Der Arcus bildet keinen eigentlichen Bogen, sondern eher einen stumpfen Winkel. Von ihm steigen drei Stämme empor, Car. d., welche schief über der Luftröhre an Stelle der Innominata liegt, dann Car. c. sin. und in ihrer gewöhnlichen Lage die normale linke Subel. Von 1) Die mit einem Sternchen (*) bezeichneten Abhandlungen habe ich im Original nicht einsehen können. 3S0 GOTTHOLD HOLZAPFEL, der medialen Wand der Aorta descend. entsprang ein Zoll (2,7 cm) unterhalb der sinistra dem 4. Dorsalw. gegenüber die rechte Subel., welche etwas kleiner als gewöhnlich war. Sie stieg zwischen Wirbel- säule und Ösoph. steil und schräg aufwärts und gab in ihrem Ver- laufe folgende Äste ab: 1. zwei Art. intercostales inferiores sinistrae, welche wie ge- wöhnlich dem unteren Rand je einer Rippe folgten ; 2. die thyr. inf.; 3. die cervicalis, welche sich in cervical. profunda und trans- versa colli spaltete (die transversa scapulae kam von der axillaris); 4. die intereostalis suprema. Nach einem Verlauf von 8 Linien (1,3 cm) gab die axillaris die mammar. int. ab, welche mit einer leicht S-förmigen Krümmung um die 1. Rippe in die Brust ging. Eine Aortenspindel unterhalb der Knickungsstelle des Arcus ist deutlich gezeichnet. Die Vertebr. dextra war ein Ast der Carot. comm. dextra und trat in das Foram. transv. des 4. Halsw. ein. Man fand den rechten Arm kleiner und schwächere Muskeln an demselben als auf der linken Seite. Murray hat die Varietät bei den angiologischen Übungen auf der Anatomie zu Stock- holm gefunden. Ferner berichtet Murray!) auf S. 98, dass: 10. Schleitz bei den Zergliederungen des letzen Termines eine fast ähnliche Varietät fand. Die Subel. dextra kam direkt unter der Krümmung der Aorta zwischen 2. und 3. Dorsalwirbel aus der Ao. und teilte die gewöhnlichen fünf Äste aus. 11. Aug. Chr. Erdmann?) (1772, S XIL S. 41). Im Wortlaut auch referiert von Neubauer (1786, S. 304). Der Arc. ao. giebt einen Tr. bicar., unmittelbar nach diesen die S. s. und drei Pariser Linien (6,8 mm) nach rückwärts von dieser („simul a subelavia sin. ad 3 lin. par. remota“) die S. d. ab. Der Tr. bicar. steigt hauptsächlich an der linken Seite der Trachea auf- wärts und spaltet sich nach drei Linien (0,68 em) in beide Carot. comm. Die linke, welche zu ihrer Seite näher lag, verlief mehr in gerader, die rechte mehr in schräger Richtung. Die Subel. sin. ging nach links und zugleich nach oben und ein wenig nach hinten zum linken Arm. Die S. d. kam noch an der rechten Seite der grossen Krümmung der Ao. zum Vorschein und zog schräg hinter dem Ösoph. zum rechten Arm. ') Der von M. erwähnte Palfyn (1734) erwähnt keine hiehergehörigen Fälle; er kennt nur „quelquefois quatre branches de la partie sup£rieure. de la courbure de l’aorte.“ 2) Einen zweiten, in $ XIII, S. 43 (Neubauers Opera, S. 306) er- wähnten Fall führe ich nicht an, weil er nicht neu, sondern referiert zu sein scheint. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 38] 12. Ed. Sandifort (1772, S. 56—61), bei einem monströsen unreifen Fötus. Derselbe Fall ist von Sandifort wieder erwähnt 1777, Liber I, Caput V, S. 78—79. Aus dem wie die Baucheingeweide frei vorliegenden Herzen stieg die Aorta in gerader Richtung nach oben, spaltete sich in zwei Zweige, Car. d. und s. („binos in ramos seindebatur“) und gab nach Bildung des Bogens die Subel. sin. ab. Die rechte Subel. entsprang fast an derselben Stelle wie die andere Subel. Sie verlief hinter dem Ösophag,, welcher zur rechten Seite der Wirbelsäule zwischen Car. d. und eben genannter Subel. durch den Thorax sich herabzog und in das Zwerch- fell eintrat, zur rechten Schulter. Die Aorta gab im weiteren Verlauf die üblichen Zweige ab, wandte sich mehr und mehr nach rechts und endigte nicht in beiden iliacae, sondern in einer A. umbilicalis. Der Strang enthielt somit eine einzige, sehr bedeutende Arterie und die iliacae waren unbedeutende Zweige, welche aus der Aorta vor ihrer Endi- gung abgingen. 13. Joh. Chr. Pohl (1773, 8. 7). Die Aorta steigt wie gewöhnlich empor und beschreibt einen Bogen. Sie giebt zuerst Car. d., sodann Car. sin. und nach der S. s. an der Übergangsstelle der Ao. asc. zur desc. einen Stamm ab, der weiter als jede dieser drei Arterien ist und die S. d. darstellt. Da der Arcus ao. fast an der linken Seite des Ösoph. gefunden wird und zu dieser Seite der Speiseröhre sich hinneigt, so verläuft die an der Grenze zwischen Arcus und Ao. desc. entspringende rechte S. hinter dem Ösoph. vor den oberen Dorsalwirbeln nach der rechten Seite und weiterhin nach dem rechten Arm. 14.—16. M. Walter (1785, $. 57—66 mit Taf. IIN'). Erwähnt sind die Fälle auch in M. Walter 1805, S. 237—238. 14. Fall, S. 61, Taf. III, Fig. 2. Präparat 1445 des Museums (mit rotem Wachs injiziert), von einem Erwachsenen. Kopiert und referiert von Tiedemann, 1822, Dat. IT, Bios und von Bierkowski 1825, Taf. I, Fig. 2 und Heft 2, S. 79. Aus dem Arcus entspringen nach einander Tr. bicar., S. s. und von der oberen Wand der Aorta die von links nach rechts vor der Trach. verlaufende S. d. 15. —, Museum, $. 237, Präparat 1446 (mit rotem Wachs in- jiziert), von einem Erwachsenen. Nach Bierko wski gleicher Typus wie im vorhergehenden Fall. 16. —, $. 62. Unter den Präparaten des Museums nicht genau aufgeführt. 1) Leider waren in dem mir zur Verfügung stehenden Bande die Tafeln nicht vorhanden. Der von Walter konstant beobachtete Verlauf der Subel. d. vor der Trachea ist wiederholt (so auch von Quain (1844, S. 153) ange- zweifelt worden. 382 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Vom Aortenbogen nehmen vier Stämme ihren Ursprung: C. d., ©. s,8.s.u.8.d. Letztere hat einen ganz eigentümlichen und „gefähr- lichen“ Verlauf vor der Trach. und ganz nahe an ihr zum rechten Arm. 17. David Bayford (1789, S. 271—282 mit 2 Figuren auf Taf. IV), von einer 61-jährigen Frau. Mitgeteilt von N. Hulme. Ausführlich referiert von Autenrieth und Pfleiderer in der lateinischen Dissertation 1806, sowie in Reils Archiv 1807, Bd. VII, S. 145 u. 172; ferner von Quain 1844, S. 154 referiert und kopiert auf Plate 20, Fig. 7. S. 275, Fig. 1 u. 2: Aus dem flachen Aortenbogen gehen der Reihe nach vier Arterien hervor: ©. d., C. s, S. s. und S$. d., und zwar die drei erstgenannten Gefässe nebeneinander in einer schrägen Ebene von rechts vorn nach links hinten, am meisten nach vorn die Carot. d., dann nach hinten Carot. s. und Subel. s. Bevor der horizontale Abschnitt des Bogens in den absteigenden übergeht, entspringt von der Hinter- wand der Aorta die Subel. dextra, welche zuerst einen Bogen nach oben und auswärts beschreibt und dann quer zwischen Trach. und Ösoph. zum rechten Arme zieht. Das Anfangsstück der Subel. dextra ist ausgesprochen konisch, jedoch nach Fig. 2 nicht beutelförmig er- weitert. Da die Patientin, welche viele Jahre an Schluckbeschwerden gelitten hatte, an Inanition zu Grunde ging, hat Bayford die funktionellen Störungen auf dieses lusus naturae zurückgeführt und danach die „Krankheit“ Dysphagia lusoria benannt. 18. Nathaniel Hulme (ebenda, S. 279—280) von einem Fötus. Hulme hat „die Präparation des fötalen Herzens gemacht und keinen Verdacht auf die Eigentümlichkeit geschöpft, bis die Präparation fertig war. Ein beträchtlicher Zwischenraum war bemerkbar zwischen dieser ausserordentlichen Arterie und den drei aufsteigenden Verzweigungen der Aorta, und dieser Raum war in dem natürlichen Zustand besetzt von der Trach. allein oder von Trach. und Ösoph. zusammen“ Ob- schon Hulme keinen ähnlichen Fall kennt, hält er diese Varietät für ein nicht gar zu seltenes Vorkommnis. 19. Bre wer (*179i, S. 281), referiert von Dubrueil 1847, S. 104. Dubrueil bemerkt folgendes: „Man liest in dem Journal..... den Auszug einer ganz unvollständigen, von Dr. Brewer ‚dans le recueil de la Sociöt& m&dicale de Londres‘ berichteten Beobachtung. Das Schlingen war seit lange sehr mühsam infolge der aussergewöhn- lichen Lage der A. subel. dextra; diese verlief zwischen Trachea und Ösoph. und kompromierte letzteren, indem sie die Speisen am Hinunter- gleiten hinderte, wie die Nekropsie ergab.“ — Nach W. Krause (1876, S. 256) ist die S. d. letzter Ast. 20. Louis Valentin (1791, S. 239—241) bei einem Kanonier. Dieser Fall ist auch ausführlich referiert in der Medizinisch-chirurgischen Zeitung, II. Bd. S. 144, Salzburg 1792. „Die Carotiden entstanden direkt aus der Krümmung der Aorta, welche auf der linken Seite die Subel. sin. abgab. Drei Linien (0,68 cm) Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 383 von dieser entfernt sahen wir die entgegengesetzte Subel. aus der Aorta entstehen; sie ging hinter der Speiseröhre und vor dem letzten Hals- wirbel auf die rechte Seite zu, durchbohrte dort die Scaleni und pflanzte sich in den rechten Arm fort. Sie war bei ihrem Ursprung weiter als die linke, gab hinter der Speiseröhre Zweige ab, glich jedoch von der Scalenuslücke ab im Kaliber der andern. Hulme (1789) sah bei einer solchen Varietät die sogen. Dysph. lusor. entstehen, welche sich bei diesem Manne, welcher einen Monat vor seinem Tode infolge mehrerer grosser Tumoren im Gehirn geistesschwach geworden in das Regimentshospital gebracht worden war, nicht zeigte.“ 21. Ed. Sandifort (1793, Vol. I, S. 242 u. 243 [Sectio V, Nr. XII] mit Tab. 106, Fig. 2 in Vol. I). Sandifort!) giebt folgende Erklärung der Figur: „Ein Aorten- bogen, aus welchem vier Stämme in ungewohnter Weise ihren Ursprung nehmen. Zuerst geht die r. C., hierauf die Car. sin. und die S. s. hervor. Die $. d., welehe hinter und wenig unterhalb der S. s. und aus der hinteren Wand der Ao. auf der 1. Seite entsprang, verlief hinter Trach. und Ösoph. und erreichte so die rechte Schulter. Die Endigung des Duet. thor. war in dieser Leiche ebenfalls aussergewöhnlich. Er nahm, wie dies die Regel ist, aus der Lumbareysterne seinen Ursprung, stieg zwischen Ao. und Ösoph. auf, wandte sich aber allmählich auf die rechte Seite und pflanzte sich in die V. subel. dieser Seite ein.“ Die 8. d. ist in ihrem Ursprung an der Umbiegungsstelle der Ao. stark konisch bis trichterförmig erweitert. Sie zieht anfangs nach hinten, verläuft zuerst quer und steigt dann nach der rechten Seite zu ein wenig auf. Die Erweiterung dehnt sich auf eine grössere Strecke aus. 22. Alex. Monro (1797, 8. 42 und 115 mit einer Abbildung auf Taf. IX). Derselbe Fall beschrieben von Monro 1813, Bd. IH, 277 und Tafelband (Engravings) IV, Plate 43. Referiert von A. Burns, 1809. „Diese Tafel erläutert ein Naturspiel der vom Aortenbogen ent- springenden Gefässe, wodurch das Schlingen und die Atmung hätten gehindert werden können. In diesem Beispiel nahmen vier Stämme ihren Ursprung aus dem Arc.: nachdem C. d, C. =. und $. s. ab- gegeben sind, entsteht kurz unterhalb dieser drei Arterien am Bogen die r. S., welche hinter der Trach. ihren Lauf zur rechten Seite nimmt.“ Der Aortenbogen liegt auf der linken Seite und bildet einen sehr engen kurzen Bogen. Die r. $., welche anscheinend tief am Bogen entsteht, steigt steil und schräg zwischen Trach. und Ösoph. auf. Beide Ver- tebralarterien kommen von den zugehörigen Subel. Die ©. d. kreuzt 1) Dieser Fall hat einige Ähnlichkeit mit dem 1. Fall von Sandifort (1772); er ist jedoch ausführlicher referiert und dürfte wohl als ein neuer Fall anzu- sehen sein. 384 GOTTHOLD HOLZAPFEL, schräg die Trach., während die linke C. in Verlängerung der Ao. asc. annähernd senkrecht in die Höhe geht. 23. Isenflamm (1800, S. 31—32), von einem 59-jährigen an Kachexie verstorbenen Manne. Derselbe Fall ist ausführlicher referiert von Fleischmann (1815, S. 213). Denselben Fall hat Fleischmann wohl 1812 ebenfalls be- schrieben. „Fälle, wo die Anonyma d. fehlte, sind hie und da aufgezeichnet. Ich erwähne nur den von Böhmer (Halae 1741) beschriebenen und gezeichneten 1. Fall, da mir ein solcher bei einem Manne von 59 Jahren vorgekommen ist, welcher an Kachexie nach einem viertägigen Fieber gestorben war, und verweise in dieser Hinsicht auf Böhmers Zeichnung. Ob dieser Mann auf der rechten oder linken Seite stärker war, konnte ich allen Nachforschungen ungeachtet bisher noch nicht erfahren. Seine Beschäftigung im Leben war Strumpfstricker, wobei beide Arme gleich stark bewegt werden. Die Muskeln des rechten und linken Armes fand ich gleich stark. Der rechte Pyramidenmuskel fehlte; der linke war dafür stärker; ferner fehlte der linke Hoden, der offenbar entfernt worden war ete.“ Sonst war nichts Abnormes zu bemerken. — Fleischmann berichtet weiterhin: „Die beiden Kopf- und Schlüssel- beinschlagadern entspringen einzeln aus dem Bogen der Aorta. Vorwärts zunächst aus dem Anfange des Bogens entspringt die rechte, dieser zunächst mehr nach links die linke Carotis. Nach links ganz aus dem Ende des Aortenbogens, da, wo die Ao. nach abwärts steigt, geht aus ihr rückwärts neben der linken Schlüsselbeinarterie die r. Schlüssel- beinarterie hervor, die in einem Bogen von links nach rechts umbiegt und hinter dem Ösoph. und der Luftröhre oder zwischen dem Schlund und dem Duct. thor. im hinteren Mediastinum zum r. Arm hinläuft.“ Anlässlich der Dysphagia lus. schreibt Fleischmann zu diesem Fall S. 214: „Ich bemerke hier im Voraus, dass ich den Mann, an welchem sich obiger Befund zeigte, als einen meiner Verwandten genau kannte; ich war oft um ihn, sah ihn essen und trinken ohne alle Beschwerde und hörte ihn nie über verhindertes Schlingen klagen.“ 24.—27. Meckel (1805, S. 569). „Oder seltener entspringen alle vier Hauptäste abgesondert, wo es merkwürdig ist, dass jedesmal die rechte Subel. nicht rechts, sondern noch mehr links als die linke, mehr nach aussen und unten als diese entspringt und sich hinter der Speiseröhre nach rechts wendet. Davon sehe ich vier Fälle vor mir. Die Abbildungen von Böhmer, San- difort und Walter zeigen ganz dieselbe Bildung.“ 28. u. 29. Autenrieth und Pfleiderer (1806, S. 11 u. 25; 1807, S. 171 u. 172) von zwei älteren Frauen. Uugewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 385 1. Fall, S. 11 (1806) u. S. 171 (1807), von einer 61-jährigen Frau). „Beide Kopfschlagadern und die I. Schlüsselbeinarterie entsprangen einzeln aus dem Bogen der Ao. Die r. Schlüsselbeinarterie entsprang erst nach der linken mehr von der hinteren Seite der Ao.; sie ging von da hinten zwischen Speiseröhre und Wirbelsäule schief zur r. Seite hinüber und zerästelte sich an der gewöhnlichen Stelle, wo sie auch sonst den Brustkasten verlässt, während sie mit ihrem Hauptstamm ihren normalen Weg zum Arm fortsetzte. Der Schlund und die Speise- röhre zeigten nichts Widernatürliches, als dass letztere etwas mehr als gewöhnlich dünnhäutig und ihre innere Haut farbloser oder weisser als sonst war. Herz-, Brust- und Baucheingeweide zeigten nichts Krank- haftes. Das Herz verhält sich in allen Teilen ebenso, nur war es eher etwas kleiner als etwas grösser wie gewöhnlich und seine Farbe etwas blässer als sonst.“ Die $. d. nahm ihren Lauf hinter dem Ösophagus vor der Wirbelsäule. „Die Frau klagte seit längerer Zeit über Schlingbeschwerden und Magenschmerzen ; in den letzten 14 Tagen genoss sie weiter nichts als etwas Branntwein, indem sie immer be- hauptete, sie könne nichts anderes schlingen.“ Autenrieth und Pfleiderer glauben, dass „verhindertes Schlingen und der Tod die Folge der Abnormität waren“ (S. 169 u. 170); ferner gelangen sie auf S. 18i zu dem Schluss: „Vielleicht ist der gewiss nicht ganz seltene Fall des abweichenden Ursprungs der r. Schlüsselbeinarterie öfters schuld, warum manche Menschen gleichsam von Natur linkshändig sind.“ Auch hat sie die Vermutung, dass eine Beziehung des N. re- currens zur Varietät bestehe, schon zu folgender Äusserung veranlasst: „Ohne Zweifel wird der herumschweifende Nerv, der sonst um die A. innominata herum den zurückkehrenden Stimmnerven zum Kehlkopf schickt und bei dieser Arterie die Lungengeflechte und die Verbin- dungen zu den Geflechten der Herznerven abgiebt, ebenfalls mit dem Ursprung der Arterie, wenigstens, was seine Äste betrifft, vom normalen Verlauf abweichen. Das Gleiche wird in Absicht auf Zweige des Intercostalnerven,?) der hier den Stamm und einige Äste der Schlüssel- beinarterie umgiebt, stattfinden... . . Es ist zu bedauern, dass das Kadaver auf der Tübinger Anatomie, das jene Abweichung des Ursprungs der Schlüsselbeinarterie enthielt, schon zu sehr verstümmelt war, ehe diese entdeckt wurde, als dass die Nerven der Gegend noch hätten genau untersucht werden können“ (S. 181). 2. Fall, S. 25 (1806) und $. 172 (1807), von einem äusserst abgezehrten alten Weibe. Die S. d. entsprang als letzter Ast von der Ao. und verlief hinter dem Ösophagus. 30. Franz. Adolf Koberwein (1810, S. 15 sq.), von einer 48-jährigen Frau mit einer starken Skoliose. 1) Bei der flüchtigen Erwähnung dieses Falles auf S. 145 (1507) ist wohl infolge eines Missverständnisses linke Schlüsselbeinarterie anstatt rechte Schl. geschrieben. 2) —= N, sympathicus. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd., H. 3.) 26 386 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Referiert und durch eine Skizze erläutert von Tiedemann 1822, Tab. IV, Fig. 2 und Erklärungen S. 48. Der sich nach links wendende Arcus macht eine fast rechtwinklige Krümmung und liegt auf der 1. Seite der Wirbel auf. Aus der Ao. entspringen zuerst die r,, dann die l. Car., hierauf eine halbe Daumen- breite (1 em) von der Knickung abwärts vor dem zweiten Brustwirbel die V. s,, unterhalb dieser die ]l. S., endlich eine Daumenbreite (2 cm) tiefer als fünfter Ast vor dem Zwischenknorpel des dritten und vierten Brustwirbels aus der r. Wand der Ao. die S. d, welche zwischen Wirbelsäule und Ösoph. zum r. Arm zieht. Auf diesem Wege ahmt die Subel. die Krümmung eines umgekehrten römischen S in der Weise nach, dass die erste Convexität nach abwärts, die andere nach auf- wärts schaut. „Der Leichnam bot in der Entwickelung der Muskulatur beider Arme desto weniger einen Unterschied, da die S. d. weiter war als die linke und die Carotiden selbst an Kaliber übertraf (‚„cadaver eo minus exhibuit differentiam, cum Subelavia dextra sit in illo dimidio fortior quam sinistra et ipsas carotides superet“ S. 20).“ „Nach den im Krankenhause angestellten Nachforschungen hatte die Patientin während ihres dortigen Aufenthaltes nie über Schling- beschwerden geklagt, was vielleicht der Verlauf des Ösoph. auf der r. Seite der Wirbel, wie es auch in der Beobachtung von Ludwig der Fall war, begreiflicher (verosimilius) macht, jedoch an Atem- beschwerden und Phthise gelitten.“ In dem in der Leiche vorhandenen Gibbus selbst vermutete Koberwein die Ursache, warum die Frau niemals an Dysphagie gelitten haben dürfte. 31. P. Zagorsky (1810, S. 318 mit einer Abbildung auf Taf. 13) von einem ca. fünfjährigen Knaben (Trockenpräparat). „Der Arc. ao. giebt vier verschiedene Stämme ab; der erste, rechts vorn am Bogen entstehend, ist die ©. d.; der letzte, die S. d,, nimmt ganz links und hinten an der Ao. seinen Ursprung; die übrigen zwei zwischen diesen beiden gelegenen Arterien sind die ©. s. und die S. s. Die S. d. steigt zunächst zur Linken der Rückenwirbelkörper empor, krümmt sich dann nach rechts, durchläuft die r. Brusthöhlung und verliert sich weiter ohne jegliche Veränderung. — Merkwürdig an diesem Fall ist, dass das untere Stück der Trach. kurz vor ihrer Teilung in die Bronchen vor der S. d. herabsteigt.“ 32. Herold (1812, S. 7—9), von einem französischen Soldaten. (Fall vom Juni 1810.) „Die A. anon, fehlte; die ©. d. kam von der r. Seite des Arc. aort, nach ihr die l. C. und dann die l. $S. An der Übergangsstelle des Arc. zur Ao. desc. thor., !/a Daumenbreite (= ca. 0,5 em) unter- halb des Ursprungs der S. s., kam eine hinreichend grosse, den bereits erwähnten Gefässen an Weite gleichkommende Arterie zum_Vorschein, welche von ihrem Ursprung aus der Ao. ab sich bedeutend nach rück- wärts wandte und zwischen Trach. und Ösoph. auf die r, Seite zustrebte. _ Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 387 Hier angekommen gab sie die vertebralis, mammar. int. und die übrigen gewöhnlichen Äste ab und setzte sich dann vollends in die axillaris und brachialis fort. — Was die Ernährung der Arme anbelangt, so schien diese infolge der ungewöhnlichen Verhältnisse dieser Arterie, am rechten Arme keine Änderung erfahren zu haben, insofern als dieser an Form und Kraft der Knochen und Muskeln der anderen Seite, wenn er sie auch nicht übertraf, so doch gut gleichkam.“ Darüber, ob etwa Dysph. lusor. vorgelegen hat, hat Herold nichts erfahren können. 33. Isenflamm-Fleischmann (1815, S. 214), von einem russischen Soldaten. (Nach Notizen von Isenflamm, mitgeteilt von Fleischmann.) „Bei einem russischen Soldaten entsprang die r. Schlüsselbein- arterie ebenfalls auf der 1. Seite der Ao. und ging hinter der Luft- röhre und dem Schlunde weg.“ — „Einen ähnlichen Fall führt Zagorsky, Prof. der Anatomie in Petersburg, in den actis petro- politanis auf.“ 34. Otto (1816, S. 100), von einem ca. 20-jährigen Schiffers- knecht. „Die S. d. entsprang als 4. und letzter Ast des Aortenbogens links unterhalb der l. S. an der hinteren Seite der Ao. und krümmte sich hinter dem Schlunde, zwischen ihm und dem Rückgrate nach rechts zu ihrem Arme hin. An diesem r. Arm war noch eine Anomalie vorhanden, indem aus der A. ulnaris gleich im Anfang ein bedeutender Ast von der Dicke der interossea entsprang und zwischen den Mus- keln der innern Seite des Vorderarmes bis zur Handwurzel herablief, wo er sich verzweigend aufhörtee Die Muskeln des rechten Armes waren nicht schwächer als die des linken, sondern im Gegenteil, wie es gemeiniglich der Fall ist, etwas stärker.“ Otto hat diesen Schiffersknecht als Patienten mehrere Monate in der klinischen Anstalt in Frankfurt a. OÖ. zu beobachten und zu behandeln Gelegenheit gehabt und ihn oft trinken und essen sehen, ohne dass die geringsten Beschwerden beim Schlucken beobachtet wurden. Ferner bemerkt Otto, „dass in diesem Fall das eirunde Loch weit offen war, vielleicht infolge der Brustwassersucht, und dass der Puls an dem rechten Arme ebenso wie am linken gefühlt werden konnte.“ 35.—37. Joh. Friedr. Meckel (1816). Meckel') hat die S. d. als letzten, unterhalb der 1. S. herab- gerückten, Hauptast dreimal beobachtet, in dem einen Fall bei einer 1) Der von Meckel eitierte Steidele (1778) hat keinen hiehergehörigen Fall beobachtet. In seinem Falle löste sich die Ao. asc. in Anon., ©. s. und S. s. auf; die vom r. Ventrikel entspringende Pulmonalis gab nach links und rechts einen Lungenast ab und setzte sich dann an die Ao. desc. fort. 26* 388 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Doppelmissgeburt, in den beiden anderen bei übrigens regelmässiger Bildung gefunden und erwähnt ausdrücklich: „So habe ich ausser denen, welche mein Grossvater anführt, noch einige andere von meinem Vater gefundene vor mir.“ Die S. d. entspringt stets dicht unter der l. S. oder einige Linien tiefer als sie; immer aber aus dem hinteren Umfange der Aorta. In zwei von diesen drei Fällen verlief die S. d. zwischen Wirbelsäule und Osoph., im 3. Fall zwischen Trach. und Ösoph. Vermutlich war in diesen drei Fällen kein Tr. bicar. vor- handen, da M. diese Fälle besonders zusammenstellt. 38. Kirby (1818, S. 224—226 mit einer Tafel, welche das Anfangsstück der S. d. und den von hinten aufgeschnittenen Ösoph. zeigt). Eine arme Frau war, kurz nachdem sie gespeist worden war, auf der Strasse zusammengebrochen und wurde in bewusstlosem Zustand in das Spital geschafft, wo alle Belebungsversuche erfolglos blieben. Bei der Sektion fand man drei grosse Bissen im Pharynx und Ösoph. Der oberste, welcher der grösste zu sein schien, lag hinter dem Ringknorpel. Der unterste enthielt ein 1'!/2 inch (3,7 cm) langes, am unteren Ende sehr scharfes und spitziges Knochenstück. Dieses lag quer eingekeilt, hatte den Ösophag. links und hinten durehbohrt und die S. d. verwundet, welche entgegen ihrem gewöhnlichen Ursprung und Verlauf, von der |. Seite des Aortenbogens entstand. Das ein- schliessende Cellulargewebe war mit Blut gefüllt, hauptsächlich an den Seiten des Halses, wodurch die auffallende Fülle der Oberfläche der äusseren Halsgegend sich erklärte. Die Epiglottis schloss die Höhle der Glottis vollständig. Kirby ist der Ansicht, dass der Tod nicht durch die Verletzung, sondern durch Erstiekung infolge einer durch den verstopfenden Bissen ausgelösten, plötzlichen kräftigen spasmischen Schliessung der Glottismuskulatur eingetreten ist. Doch dürften die von K. erwähnten, durch die Blutung entstandenen, Geschwülste zu beiden Seiten des Halses noch intra vitam und in der Agonie ent- standen sein. Auf die Anomalie der S. d. geht K. nicht näher ein. 39.—42. Abrah. Colles (*)1820.) Mears (1871) erwähnt ihn auf S. 403 mit folgenden Worten: „Colles (surgical anatomy) bemerkt, dass er vier Fälle (der Anomalie der S. d.) in einem Winter beobachtet habe, zwei bei Erwachsenen und zwei bei Kindern.“ 43.—44.!) J. F. Meckel (1820). Fall ı, S.3 u. Tab. X, Fig. 1. Der Reihe nach entspringen vom queren Abschnitte des Bogens nach einander ohne beträchtliche Zwischen- räume C. d, C. s., V. s, S. s. und von der Übergangsstelle zum ab- steigenden Abschnitt, gegenüber der Insertion des Duct. Bot., vom !) Es sind dies vermutlich 2 neue Fälle von M., da er nach Beschreibung des 2. Falles nur allgemein auf seine pathologische Anatomie (1816) und sein Handbuch der menschlichen Anatomie (1817), Band III verweist. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arterıa subelavia dextra. 339 oberen Rande die S. d., ohne bemerkenswerte Erweiterung. Sie steigt zuerst nach oben und hinten und zieht sodann (nach einer beim 2. Fall gemachten Bemerkung!) in querer Richtung hinter dem Ösoph. zum r. Arm. Fall 2, $S.4 u. Tab. X, Fig. 2. Zuerst entspringt ein Tr. bie. an der r. Seite der Trach., in einiger Entfernung die 1. S. und dicht neben ihr die $. d. an der Umbiegungsstelle des Arcus von der oberen Wand der Ao. mit einer weiteren Öffnung als die S. s. (von konischer Form). Sie steigt zuerst annähernd senkrecht nach oben und hinten und verläuft dann nach rechts quer hinter dem Ösophagus, welcher nach der Abbildung die Trach. an ihrer 1. Seite überragt. 45. Fr. Tiedemann (1822, Erklärungen, S. 22 und Taf. II, Fig. 6), „von einem 8monatlichen, mit Hasenscharte geborenen Fötus“. Aus der Mitte des Bogens entspringt als 1. Ast die r. C. und an der Umbiegungsstelle des Arcus in einiger Entfernung von ersterer Arterie ein Tr. anon., welcher sich in C. s. und S. s. teilt. Letztere giebt die 1. vertebralis ab. Die Ao. thor. verläuft auf der 1. Seite der Wirbelkörper. Von ihrem Anfang entspringt an ihrer medialen Wand die $. d., welche in flachem nach rechts und unten gerichtetem Bogen schräg aufwärts steigt und zuerst die Vertebralis, sodann in einiger Entfernung die thyr. inf., transv. colli und mamm. int. abgiebt. Da die Aorta samt einem Stück der Brustwirbelsäule und Rippen ge- zeichnet ist, dürfte die Arterie hinter dem Ösoph. verlaufen sein(?). 46. G. W. Stedman (1823, S. 564 mit 2 Fig. auf 1 Tafel; Fig. 1: Ansicht von rechts und vorn; Fig. 2: Ansicht von links und vorn), von einer mageren alten Frau. Vom Bogen der Ao. entspringen der Reihe nach C. d., C. s., S. s. und S$. d.; letztere von der Hinterwand der Ao. an der Knickung des Arcus. Ihr Kaliber ist etwas bedeutender als das der S. s. Sie entsteht schräg (rückläufig) am Bogen, steigt zuerst ein Stück weit auf- und rückwärts, biegt sodann fast rechtwinklig um, verschwindet hinter dem Ösoph. und zieht in annähernd querer Richtung nach rechts. Sie kreuzt während dieses Verlaufes den 1. Brustwirbel und geht über die 1. Rippe in den r. Arm. Nach Fig. 2 schlingt sich der linke Recurrens unterhalb (lateral) vom Duct. Botalli um die Aorta. „Vom Stamme des N. vagus d. wurden eine grosse Anzahl von Zweigen über die Mitte des Halses entsandt, einige waren bis zur Schilddrüse verlängert, während der längste oben ein wenig zurückge- strahlt war und, wie die sonst gewöhnlich zurückgeschickten Zweige des N. recurr., in den Kehlkopf eintrat. Von dem unteren Netz traten einige in die Trach. ein, während einige andere sich allmählich verloren. Es ist wahrscheinlich, dass in diesem Fall die Nerven auf der rechten Seite direkt vom Stamm des Vagus kommen und die nämlichen Funktionen wie der N. recurr. gewöhnlich vollziehen; denn sie waren sehr gut verteilt in derselben Weise wie der N. recurrens. Die Natur scheint zu dieser Anordnung durch die eigenartige Lage 390 GOTTHOLD HOLZAPFEL, der Art. subel. gezwungen gewesen zu sein.“ Betreffs der Zeichnungen bedauert St., dass der Zeichner den Eintritt der Stämmchen des N. vagus in die Luftröhre ausgelassen habe. 47.—48. A. K. Hesselbach (1824, S. 181 und 212). 1. Fall!). S. 181. Präparat Nr. 604. „Mit roter Wachsmasse ge- füllter Aortenbogen eines Mannes. Aus seiner Wölbung entspringen fünf Äste: Die C. d. mit einem Durchmesser von vier Linien (9 mm), Cs, (222 Linien — 5,6 mm); Vert. 8.1 L7=H53 mm) Re (3 L. = 6,8 mm) und 8.d. (4!/2 L. = 10,5 mm). Letztere steigt zwischen Speiseröhre und Luftröhre auf.“ 2. Fall. S. 212. Präparat 587; von einem 18jähr. Mädchen. „Die Ao. ist scharf gebogen. Nachdem diese vor der Luftröhre vorbei gekommen war, entsprang als erster Ast von der Wölbung die C. d. Sie wendete sich vor der Luftröhre nach der r. Seite herüber und stieg neben der Luftröhre gegen den Kopf, um sich wie gewöhn- lich zu verzweigen. Der 2. Ast aus der Wölbung des Aortenbogens war die C. s., der 3. die S. s. Sowie die Ao. anfıng, an der |. Seite der Wirbelsäule herabzusteigen, entsprang aus ihrer hinteren Wand die A. subel. d., welche hinter der Luftröhre zum r. Muse. scalenus ant. hinlief und sich dann regelmässig verzweigte.“ 49. John Hart (April 1826, S. 286 sq.), von einer weiblichen Leiche. „Die S. d. entspringt an der äussersten 1. Seite des Bogens nach dem Ursprung der S. s. als letzter Ast, an der 1. Seite des Körpers des 2. Rückenwirbels, verläuft schräg über die Spina hinter dem Duct. thor. und dem Ösoph. nach rechts, kommt in Höhe des 1. Dorsal- wirbels wieder zum Vorschein und zieht zur r. Skalenuslücke. Die Stelle der A. innom. nahm die ©. d. ein. Letztere kam unmittelbar von der Ao., stieg gerade vor der Trach. empor, beinahe bis an den unteren Rand der Schilddrüse, bevor sie ihre Lage lateral am Hals einnahm, und war der Gefahr des Messers bei der Tracheotomie aus- gesetzt. Der N. vag. d. kreuzte beim Eintritt in die Brust die S. d., ohne einen N. recurr. in der üblichen Weise abzugeben, sondern über- schritt ungeschmälert die Arterie. Der N. recurr. d. war ersetzt durch mehrere kleine Stämmehen, welche von der inneren Seite des Vagus kamen. Das höchste und längste derselben trennte sich vom Stamm gegenüber dem Ringknorpel, krümmte sich nach einwärts hinter die in ihre Scheide eingebettete Car. („erossed inwards behind the carotid artery imbedded in its sheath“), begab sich sodann unter den Rand des M. constrietor inf. und wurde, nach seiner Ausbreitung, der N. laryng. inf. Die weiter unten abgehenden Zweige des Vag. waren viel schmäler und versorgten Schilddrüse, Trach. und Ösoph., und zwar kreuzten sie hinter der Car. Jedoch die Zweige, welche mit den Nervi cardiaei in Verbindung treten, wurden mit einander an tieferer Stelle des ') Derselbe Fall ist nochmals beschrieben von Stachelroth (1850, 8. 9). Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 391 Halses abgegeben und verliefen vor dem Aortenbogen in ihrem Ver- lauf zum Plex. cardiac. Der linke N. recurr. verhielt sich normal.“ Hart erklärt das Zustandekommen der Nervi recurrentes folgender- massen aus der Entwickelungsgeschichte: „In dem ersten Entwickelungsstadium des Fötus erscheint das Rudiment des Kopfes als eine geringe Vorlagerung (projection) an dem oberen und vorderen Teil des Rumpfes; der Hals ist noch nicht ent- wickelt, der Larynx liegt zu dieser Zeit hinter dem aufsteigenden Ab- schnitt des Aortenbogens, während das Gehirn so tief wie der Rest der Thymus und vor diesem Gefäss (der Ao.) zu liegen kommt. Dadurch kommt es, dass die unteren Laryngealnerven nach rückwärts zum Larynx ziehen, der nur durch die Ao. asc. getrennt ist; der linke geht durch ihren Bogen, der rechte unter der A. innom. hindurch. Je mehr die Entwickelung fortschreitet, wird der Kopf deutlicher, und der Hals beginnt nach dem zweiten Monat Formen anzunehmen. Je mehr dieser verlängert wird, erhält man den Eindruck, als ob das Hirn aufwärts in weitere Entfernung rückt, während der Kehlkopf sich aus der Brust herauszieht. In Anpassung daran werden die Nerven des Vagus und seiner N. recurrentes verlängert, und von jetzt ab findet man, dass letztere Umbiegungen machen und Schleifen bilden, in denen die S. d. und die Ao. aufgehängt sind.‘“ — „Wären nicht die grossen Blutgefässe ursprünglich so zwischen dem Hirn und dem Kehlkopf eingeschaltet, so würden die Nervi lar. inf. nicht durch sie verstrickt sein und wir sollten finden, dass sie bei dem Erwachsenen den nächsten Weg zu ihrem Bestimmungsort einschlagen. Dies ist in der That der Fall in dem vorliegenden Falle, sowie bei Stedman (1823), zwei Fälle, in denen die $S. d. hinter Trach. und Ösoph. liegt, und ich möchte mich erdreisten, zu behaupten, dass jeder Fall, in dem dieses Gefäss in solch besonderen Verhältnissen sich befindet, ein Beispiel davon ist, dass als Begleiterscheinung dieser Nerv von dem gewöhnlichen Laufe abweicht.“ ' Hart erwähnt die Dysph. lusor. von Bayford und macht ferner darauf aufmerksam, dass die S. d. wegen ihrer tiefen Lage rechts am Halse vor der Skalenuslücke schwer zu unterbinden gewesen wäre und dass der Operateur bei Unterbindung der C. d. oberhalb ihrer Kreuzung mit dem M. omohyoid. den N. laryng. inf. durchschneiden und dadurch ernste Störungen der Larynxfunktion verursachen könne. 50. Mayer (in Bonn), 1827, S. 51, bei einer männlichen Doppel- missgeburt!). Dieselbe ist abgebildet auf Taf. II, Fig. 1. „Das in seinem Herzbeutel eingeschlossene Herz des Stammfötus schien breiter und voluminöser zu sein, als es verhältnismässig sein sollte. Es fand sich nur eine Herzkammer und ein einziger Vorhof vor ......“ „In den Vorhof, welcher auch nur eine Auricula besass, 1) Eine Missgeburt mit einem Parasiten auf der Brust, der auch männ- lichen Geschlechtes war (monstrum per intussusceptionem). 392 GOTTHOLD HOLZAPFKL, mündeten V. cava inf. (an der Einmündungsstelle ist die Valvula Eustachii deutlich zu erkennen), V. cava sup., V. coronar. cord. und ein einfacher gemeinschaftlicher Stamm, in dem sich die einfache Vena pulmonalis der r. und der l. Lungen vereinigte... ....“ „Aus dem einfachen Ventrikel entsprang ein weiter arterieller Stamm (an dessen Ursprung drei halbmondförmige Klappen). Dieser Stamm gab zu beiden Seiten die A. pulmon. d. und s. ab, stieg dann als Ao. asc. aufwärts und bildete einen Arc. ao, aus welchem in folgender Ordnung ent- sprangen: C. d., C. s, 8. s. und zuletzt S. d., welche auch infolge dieses späteren Ursprungs hinter der Luftröhre und Speiseröhre auf die r. Seite sich hinüber begab. Aus der C. d. entsprang ein kleiner Ast, welcher gerade nach abwärts parallel mit dem Hauptstamme der Ao. laufend, sich an die Basis des Herzens hin begab, und da sich in eine A. coron. cord. d. et s. spaltend in dem Herzen sich verzweigte. An dem Ursprung der Ao. bemerkte man keine Ostia für die Kranz- schlagadern des Herzens. Die Verzweigung der Carotiden und der Subelaviae zeigte ferner nichts Abweichendes. Ebenso ging nun die Aorta als Ao. desc. nach abwärts in die Brusthöhle, sich wie sonst verzweigend.“ „Der Kreislauf des Blutes in dem parasitischen Anhang wurde durch den des Stammfötus in der Weise unterhalten, dass das Blut aus der S. s. durch die A. mamm, int. derselben in das Arteriensystem des Parasiten getrieben, dagegen das venöse Blut durch einen Stamm zurückkehrend in die Leber des Stammfötus geführt wurde.“ — Stamm- fötus und Parasit zeigten noch einige weitere Missbildungen. 51..Er. Pet. Ludw. "Geruttiz(1827, 88H, amt abauIE Fig. 1 u. 2), von einer Missgeburt. „Die Ao. tritt neben dem Atrium durch eine bedeutend verlängerte Apertur im Thorax nach oben in dieses Cavum ein und bildet nun einen regelrechten Bogen, welcher alsbald an Stelle der A. anon. die r. C. abgiebt. Diese steigt durch einen Teil der normalen Thymus von der V. jugul. int. getrennt vor der Trach. empor. Hierauf kommt die l. C. aus dem Bogen hervor; sie verläuft in gerader Richtung. Weiter- hin entsendet die unter dem ]. Bronchus und dem Ösoph. liegende Ao. die Subelaviae, von denen die rechte hinter und neben dem Ösoph. aufsteigt und die Brusthöhle verlässt („quo facto aorta sub broncho tracheae sinistro et oesophago posita arterias subelavias emittit, quarum dextra pone et juxta oesoph. ascendens cavitatem pectoris relinquit“). Das Herz hängt ausserhalb des Thorax und stellt einen langen und dicken Strang dar, welcher von der Mitte des Körpers oberhalb des Nabels nach links bis zur 1. Seite des Kopfes empor- steigt und hier an seiner Spitze oberhalb des Ohres mit dem Kopfe vollkommen verwachsen ist... ..“ „Die Basis des Herzens geht gleichsam in zwei Hörner aus; es ist ein einziges Atrium vorhanden, der Pulmonalventrikel ist sehr gross, der Aortenventrikel sehr klein, beide sind durch ein weites Loch verbunden. Die Venae pulmonales, Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 393 zwei venae jugulares communes und die V. cava inf. ergossen ihr Blut in das einzige und bedeutend verlängerte Atrium, welches das eine Horn der Basis darstellte, das andere Horn ist der in die Ao. über- gehende ventrieulus aorticus, welchem die A. pulmonalis mit einem blinden Ende anhängt, weshalb das Blut aus der Ao. durch den Ductus Botalli in die A. pulmonalis überging.“ 52.—53. Rud. Wagner [Erlangen], (1828, S. 339 u. 340). 1. Fall, S. 339. „In einer männlichen Leiche fand ich die gewöhnliche Varietät im Ursprunge der Gefässe aus dem Bogen der Aorta. Es kamen nämlich fünf Stämme: ©. d., C. s., S. s., V. s. und S. d. zum Vorschein, welch letztere zwischen Wirbelsäule und Ösoph. zum r. Arme trat. — Es beweist dieser Fall aufs neue die merk- würdige Gesetzmässigkeit, welche sich an dem Ursprung der A. vert. findet, nämlich, dass es fast stets die linke ist, welche unmittelbar aus dem Bogen entsteht.“ 2. Fall, S. 340. „In einem weiblichen Leichnam waren vier Stämme vorhanden, wovon der vierte, die A. subel. d., wie fast immer, binter der Speiseröhre zum r. Arm ging.“ 54.—55. M. F. Weber (1829, S. 8). „Zweimalt) nur besitzt das anatomische Museum (zu Bonn) den Ursprung der S. d. zur linken Seite, wo dann die Stämme hinter dem Ösoph. und der Luftröhre zur r. Extremität verlaufen.“ 56.--60. Wilh. Otto (in Breslau), (1830, S. 306 u. 307). „Für die Operationslehre am wichtigsten unter den Varietäten des Aorten- bogens sind der Ursprung einer unteren mittleren Thyreoidea ..... und der Ursprung der r. S. auf der 1. Seite, in welchem Falle sie dann gewöhnlich zwischen der Wirbelsäule und der Speiseröhre zum ir. Arm zieht. Ich selbst beobachtete diese Varietät sechsmal: seltene Beobachtungen (1816), Verzeichnis Nr. 1923, 2247, 2248, 8683 des Musei (von Breslau) und in zwei nicht aufgehobenen Fällen. In keinem derselben hatte beschwertes Schlingen stattgefunden. Für die Lehre von der Unterbindung der Subelaviae ist diese Varietät wichtig, weil der innere Teil derselben natürlich tiefer, d. h. mehr rückwärts gelegen ist.“ Da Otto die Fälle nach dem Verlauf der S. d. genau einteilt, dürfte diese Arterie in allen sechs Fällen hinter dem Ösoph. ver- laufen sein. 61.—63. Green (1830, mit Tab. I, Fig. 1). 1. u. 2. Fall, S. 3. „In seltenen Fällen finden wir die S. d. von der Ao. dese. entspringend. In zwei dieser Beispiele, welche ich gesehen habe, bildete der N. recurr. des N. pneumogastrieus keine Schlinge um das Gefäss.“ Die einzelnen Äste entsprangen in der Reihenfolge: Tr. bicar., S. s., S. d. In dem einen Falle verlief letztere hinter dem Ösoph. zur r. Seite. 1) Ob unter diesen 2 Fällen der ebenfalls in Bonn beobachtete Fall von Mayer (1827) verwertet ist, lässt sich nicht entscheiden. 394 GOTTHOLD HOLZAPEEL, 3. Fall, S. 7 u. Tab. I, Fig. 1. Aus dem Gipfel des Bogens, und zwar auf der ], Seite desselben entspringen ©. d., C. s. und S. s. Die erste kreuzt die Trach. schräg in der Richtung nach rechts aussen und giebt die V. d. ab. ©. s. und S. s. entspringen mit einem ganz schwach angedeuteten Trunc. nebeneinander. Die S. d. kommt an der hinteren Seite des Bogens, in gleicher Höhe mit der linken, aber noch vom horizontalen Bogenabschnitt zum Vorschein, um hinter dem Ösoph. in leicht schräger Krümmung zur r. Seite sich zu begeben. (Der Zeichnung nach ist ihr Anfangsstück nicht erweitert.) 64. E. A. Lauth (1830, S. 44). Lauth hat zweimal drei Stämme am Aortenbogen beobachtet, in dem einen Fall den Typus: Tr. bicar., S. d., S. s., in dem zweiten die Anordnung: Tr. bicar., 8. s., S. d. 65. Hopkinson (1830, $. 556) von einer 25jährigen schwarzen Frau. Patientin war infolge Perforation eines Aneurysma aortieum ad exitum gekommen. Von der Ao. entsprangen der Reihe nach ©. d.,C. s., S. s. u. S.d., letztere 1,25 em unterhalb der ]., von der absteigenden Ao. Sie verläuft hinter dem Ösoph. Alle grossen Gefässe am Aortenbogen waren aneurysmatisch erweitert, besonders die ©. d. „Fälle derart sind beschrieben von Tiede- mann bei Wardrop (1828) und ein ähnlicher Fall ist beschrieben von dem verstorbenen Dr. Godman in seinen anat. Untersuchungen.“ 66. Cruveilhier (1831, $. 48). „Der Arcus verläuft hinter Trach. und Ösoph., giebt während dieses Verlaufes C. d, C. s. und S. s. ab; zur Linken des Ösoph. angelangt giebt er die S. d. ab, welche von links nach rechts vor der Trach. rückwärts aufsteigt. Derselbe Fall ist 1832 nochmals beschrieben. 67. Cruveilhier u. Lenoir (1832, S. 108). „Mehrere Arterienanomalien ohne Komplikation mit Anomalien des Herzens sind geschildert worden von Cr. u. Len. In dem einen Fall verlief die Krümmung der Ao. hinter Trach. u. Ösoph. u. gab während dieses Verlaufes die Carotiden u. die l. $., dann die S. d. ab, welche vor der Trach. zurück aufwärts stieg. Diese Arterie ver- lief hinter der Trach. in einem andern von Len. geschilderten Fall.“ 68.—69. Mehrere Fälle von Fleischmann (*1835), referiert in: Schmidts Jahrbücher 1836, I. Suppl.-Bd., S. 243, Nr. 227. „Schon vor einigen Jahren hatte Fleischmann die Behauptung aus- gesprochen, dass diejenige Arterienabweichung, wo die r. S. entweder zwischen der Luftröhre und dem Schlunde, oder zwischen diesem und der Wirbelsäule durchgeht, keineswegs im stande sei, ein erschwertes Schlingen oder die von Autenrieth aufgestellte Dysphagia lusoria zu veran- lassen. Mehrere späterhin gemachte Sektionen, wo dergleichen Ab- weichungen gefunden wurden, ohne dass im Leben erschwertes Schlingen stattgefunden hatte, haben ihm (Fl.) die Meinung noch mehr bestätigt, dass der abnorme Verlauf der S. d. zwischen Trach. u. Ösoph. oder zwischen Ösoph. u. Wirbelsäule keineswegs im stande sei, Dysph. lusor. zu veranlassen.“ Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 395 70.—71. Dubrueil (1837, S. 562—565). 1. Fall. S. 564, von einem 57jährigen alten Soldaten. „Die beiden Subelaviae entsprangen jede getrennt von dem Aortenbogen („de la crosse aortique“); die l. oben und vorn an der Ao., die r. zwei Linien (4,5 mm) unterhalb der ersteren. Die gemeinsamen Carotiden kamen von einem rudimentären, drei L. (6,8 mm) langen und nach rechts geneigten Trune., den man besser als tronc. cephalique oder carotidien denn als brachiocephalique bezeichnen könnte ... . .“ 2. Fall. S. 564, von einem 8monatlichen Fötus. „.... Gross war unsere Überraschung, als wir wahrnahmen, dass zwei arterielle Stämme ihren Ursprung von der Aortenkrümmung (de la courbure aortique) nahmen, von welchen der eine, der vom höchsten Punkte gegenüber der Trach. entsprang, sich gerade nach oben wandte und nach wenigen Linien sich in die Carotides comm. teilte. Das 2., de la erosse de l’aorte kommende Gefäss ist die S. s., welche keinerlei Unregelmässigkeit darbietet. Anders steht es mit der S. der andern Seite; sie geht von der hinteren r. Wand der Ao. thor. ab und liegt tief im hinteren Mediastinum, in der Nachbarschaft des Canalis arter. ; sie steigt hierauf nach oben und rechts, verläuft hinter dem Ösoph. bis an den Gipfel der r. Lunge und wendet sich nach aussen, um zwischen den Scaleni zu verschwinden und ihren üblichen Weg fort- zusetzen.“ Ausser einigen bereits abgehandelten Fällen eitiert Dubr. noch einen Autor namens Jouh, jedoch ohne Litteraturangabe. 72.—4. Robert Harrison (1839, S. 19). „Als 4. Ast habe ich wiederholt die S. d. gesondert von dem absteigenden Abschnitt des Bogens entspringen und die Spina kreuzend hinter dem Ösoph. oder zwischen ihm und der Trach. nach der r, Seite hin verlaufend gefunden. Ich habe mehrere (many) Beispiele dieser Varietät beobachtet.“ H. schildert auf S. 18 die Beziehungen des N. laryng. inf. zu dieser Varietät der S. d.; er bilde keine Schlinge, sondern entspringe gemeiniglich höher am Halse mit verschiedenen Zweigen, welche wie gewöhnlich sich auf Larynx, Trach., Ösoph. und the thyroid body verteilen; H. erwähnt jedoch bei seinen Fällen den Nerven nicht ınehr. 75*). Liston (1839). Beferiert von OÖ Pertik!) 1880 und von Mears (1871, S. 408). P. bemerkt: „Dass diese Anomalie — obwohl jedenfalls selten — den Öperateur zu überraschen im stande ist, beweist der Fall Listons, wo, als man zur Unterbindung der Anonyma (nach Mears wegen Aneurysmas) schritt, der 1. Ast des Bogens die ©. d. war, während die hinter der s. entspringende S. d. die sich hinter der 1) Der Separatabdruck ıst mir von Herrn Prof. Dr. Pertik in Budapest gütigst zur Verfügung gestellt worden, wofür ich hier meinen besten Dank ausspreche, 396 GOTTHOLD HOÖLZAPFEL, Trach. nach rechts wandte, separat unterbunden werden musste.“ Nach Mears lag „die S. d. 12'/g mm (!/g inch) hinter der C. durch Fascie und adipöses Gewebe getrennt. @Quain, der zugegen war, dachte, dass es sich um ein Beispiel dieser Art handle.“ 76. J. Hyrtl (1841, S. 24), in der Leiche eines mit pleuritischem Exsudat in der rechten Brusthöhle behafteten 54-jährigen Mannes. Dieser Fall ist auch referiert in: Schmidts Jahrbücher der in- und ausl. ges. Med., Leipzig 1841, Bd. XXXI, S. 187. „Die rechte Subel. entstand als das letzte Gefäss des Aorten- bogens, von dessen hinterer Gegend. Sie verlief vollkommen wagrecht zwischen Luft- und Speiseröhre nach rechts und stieg an den Artikula- tionen der zwei oberen Rippenköpfehen mit den Wirbelkörpern nach aufwärts zur Spalte des vorderen und mittleren Scalenus und erzeugte die gewöhnlichen Äste in natürlicher Reihenfolge.“ 77. Demeaux (1841, S. 172). Referiert auch in Virchow und Hirsch, Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte der ges. Med. in allen Ländern, 1843, Bd. I, S. 44. Der Reihe nach kommen aus der Ao.: Tr. bicar., S. s. und end- lich die S. d. aus dem Anfang der Ao. desc, Sie verschwindet hinter dem Ösoph. Beiderseits zieht die $. vor dem M. scalen. ant. zu ihrer Extremität. 78.—86. Richard Quain (1844, mit mehreren Abbildungen ar Dar, 70220): Quain führt auf S. 25—31 291 von ihm selbst beobachtete Fälle in genau registrierten Tabellen auf, in welchen Name, Geschlecht, Alter und die Äste des Aortenbogens aufgeführt sind. Hierher ge- hörige Varietäten sind: Fall 41 Name C. C. weibl. 50 Jahre Tr. bicar. S. s. 8. d. An, ABO IE FInrishrear SEES „lan IN 56 ei Stamme:>Dien@art uns! entspringen gesondert vom Bogen. Die S. d. kommt vom ab- steigenden Abschnitt der Aorta. Fall 158 Name A. F. weibl. 56 J. Tr. bicar. S. s. S. d. W234 I, en Ren, ET. biear=S. sr S:ral Abbildungen zu den von Quain neu beschriebenen Fällen finden sich auf Taf. 6, Fig. 13 u. Taf. 7, Fig. 5 u. 11 und Taf. 20, Fig. 5. 1.—4. Fall. Drei Stämme: Tr. bicar, S. s., S. d. hat Quain viermal beobachtet (Fälle 41, 42, 158, 234). Zwei derselben hat er näher beschrieben : 1. Fall, S. 49 und Taf. 7, Fig. 5. Präparat Nr. 401 der Samm- lung von Quain. Drei Stämme kommen dicht nebeneinander vom queren Abschnitt des Bogens, ein Tr. bie, $. s. und zuletzt, von der oberen Wand der Ao., die S. d. Letztere ist rückläufig und wendet sich in steilem Verlaufe hinter dem Ösoph. nach rechts. 2. Fall, S. 137 und Taf. 20, Fig. 5. „Die 8. d. entspringt zur Linken der anderen Stämme, krümmt sich schräg nach der ersten Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 397 Rippe, unmittelbar vor der Wirbelsäule, hinter dem Ösoph. Der N. lar. inf. bat seinen üblichen Verlauf an der 1. Seite; er ist quer nach innen zum Larynx gerichtet auf der r. Seite. Die gemeinsamen Carotiden nehmen ihren Ursprung von einem Tr. eommun.“ Der Zeichnung nach entspringt die S. d. an der oberen Wand nahe an der $S. s. an der Knickungsstelle des Arc. Sie verläuft im allgemeinen steil mit einem leichten Bogen. Der Arc. liegt auf der |. Seite. Die V. d. geht von der $. d. ab. Die S. d. hat an ihrem Ursprung keine sichtliche Erweiterung. Die ©. s. bildet die Fortsetzung der Ao. ascend. Die €. d. zieht steil und schräg über die Trach. und in einem Bogen um den r. Schilddrüsenlappen. 5 6 kKall.) “Vier, 'Stämme: € .d.r70.43.,18.28.,.8..d. 5. Fall, S. 46 u. 47 u. Taf. 6, Fig. 13. Vermutlich!) kein eigener Fall von Quain; er stammt vielleicht aus einem Museum, jedoch finden sich bei Quain keine diesbezüglichen Angaben. Der Reihe nach entspringen in einiger Entfernung von einander ein Tr. anon., welcher sich in V.d. und (©. d. teilt, sodann die ©. s., die S. s. und hinter dieser von der hinteren Wand des absteigenden Abschnittes die $. d., welche in einem Bogen hinter dem Ösoph. nach rechts zieht. Als 6. Fall rechne ich Fall 137 (S. 28 der Tabellen von Quain). Er betrifft eine 56-jährige Frau und ist nicht näher beschrieben. 79. Ball. Fünf .Stämme:-0 d4..C. 8. N. 8,.8.:8.,48..d. 7. Fall, Fall Hart, S. 51 u. Taf. 7, Fig. 11. Die Figur ist einer Zeichnung eines Präparates des „Museum of the Royal College of Surgeons in Ireland“ in Dublin entnommen, welche M. Kirwan unter der Leitung von Prof. Hart angefertigt hatte. Dicht nebeneinander entspringen ©. d., C. s. und V. s.; in einiger Entfernung folgt am höchsten Punkte des Arc. die $. s.; unterhalb dieser und tiefer am Bogen entspringt in einiger Entfernung von der ]. S. aus der oberen Wand der Ao. mit leicht konischem Anfangsstück ohne Erweiterung die 8. d. Sie steigt anfangs annähernd senkrecht nach oben und hinten, biegt dann in einem leichten Bogen um und verläuft mit einer ganz leichten Steigung hinter dem Ösophagus. 8.—9. Fall. Quain bemerkt über diese zu Fall 7: „Die Kombination der linken Vertebr. mit den vier ursprünglichen Ästen ist kein gar zu seltenes Vorkommnis. Ich habe zwei „praeparations“ gesehen, in denen die Anordnung die gleiche war wie in diesem abgebildeten Falle.“ Über den Abgang der V. d. von der ©. d. bemerkt Quain S. 167: „Es ist bemerkenswert, dass in einer Mehrzahl von Fällen abnormen Ursprungs der S. d. an der 1. Seite der Ao., welche sich in einer schätzbaren Sammlung (The Macartney collection in the Ana- tomiecal Museum of the University of Cambridge) finden, die V. ein Ast der €. ist, was auch in keinem der von mir unmittelbar beobach- teten Fälle vorkam.“ 1) Wie aus einer weiter unten (beim 8. u. 9. Fall) aufgeführten Notiz von Quain klar hervorgeht. 398 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Was die Frequenz der Anomalie anbelangt, so giebt Quain (S. 154) an: „dass in den Leichen, welche mir zur Beobachtung kamen („which have come under my notice“) — es waren bald beinahe 1000 an der Zahl —, sich vier Fälle vorfanden, woraus sich ein Verhältnis von 1 zu ungefähr 250 ergiebt.“ Quain schildert S. 154sq. Bayfords Fall und im Anschluss daran die Dyph. lus. und auf S. 184 (nach Stedman und Hart) das Verhalten des N. lar. inferior. 87. Brent (1844) in einer Missgeburt (in a deformed subject). Vier Stämme giebt die Ao. am Bogen ab, zuerst dicht nachein- ander ©. d., €. s. und die dem Kaliber nach in ihrem Anfangsstück der S. d. ziemlich gleichkommende S. s. In einiger Entfernung von letzterer entspringt von der oberen Wand und ein wenig jenseits des höchsten Punktes am Bogen die r. S. mit einer bauchigen Erweiterung (bulbous enlargement), dicht am Körper des dritten Dorsalwirbels. Sie zieht hinter dem Ösoph. zum r. Arm. Beide Subel. steigen anfangs direkt senkrecht in die Höhe, um sich dann umzubiegen. Der N. laryng. inf. der r. Seite machte keinen Bogen um die S., sondern ging unter einem Winkel vom N. vag. direkt nach seinem Bestim- mungsort. 88. Patruban (Juli 1844, S. 16sq. mit Taf. I, Fig. 1), von einem an tuberkulöser Darmphthise gestorbenen Kinde. Die am gewöhnlichen Orte vom normal bestellten Herzen ent- springende Ao. stieg in der Mediauebene „an der vorderen Fläche der Trach. nach aufwärts, wo die kaum drei Linien (6,8 mm) lange Ano- nyma entsprang, welche‘sich in die beiden primitiven Carotiden spaltete, die nach einem baldigen Divergieren bis zum neunten Luftröhrenknorpel der vorderen Gegend der Trach. anlagen, vom N. vag. und der inneren Jugularis fast um einen halben Zoll (1,13 em) entfernt; im weiteren Verlauf hinter der Schilddrüse sich lagernd, verhielten sich dieselben ganz regelmässig, nur entsprangen jederseits aus ihnen eine A. thyreoidea inf. accessoria . . . .. .“ „Nach Abgabe dieses ungenannten Stammes verlief der quere Teil des Aortenbogens in gerader Riebtung von vorn nach rückwärts und bildete ganz hinten eine kleine Krümmung, in deren nach rechts hin sehender Konkavität die stark nach links zu gelegene Speiseröhre eingebettet lag; am Übergangspunkte zur Ao. dese. entsprang eine ganz analoge hintere Anonyma ebenfalls von drei Linien (6,8 mm) Länge, welche die beiden Subelaviae abgab, von denen die r. in horizontaler Richtung in einer Höhe mit dem dritten Rücken- wirbel sich zur Brustapertur erhob, um zwischen beiden Scaleni ihren Austritt zu bewerkstelligen.“ — „Der N. laryng. inf. schlug sich, indem er ziemlich hoch vom N. vagus abging, dennoch um die A. s. d. (freilich weit rückwärts) herum, während der Duct. thorac. an der vorderen Seite derselben nahe an ihrem Entstehen nach aufwärts und links verlief.“ — „Die auffallend enge Lungenarterie zeigte an ihrem linken Aste die Einsenkung des Duct. arterios., der von auffallender Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 399 Länge sich nicht in die untere, sondern in die linke Wand des Aorten- bogens einsenkte.“ R Ob die Subel. d. hinter der Trach. oder hinter dem Osoph. verlief, ist nicht ausdrücklich erwähnt; leider ist Näheres auch aus der un- deutlichen Zeichnung nicht zu entnehmen; doch geht aus dieser zur Genüge hervor, dass die $. d. nicht vor der Trach. verlief. W. Krause (1876, S. 235) bemerkt zu diesem Fall: „Die S.d. verläuft hinter der Trach., mutmasslich auch hinter dem Osophagus.“ 89®). John Simon (1846, S. 595). Auch referiert in Schmidts Jahrbücher der in- und ausländischen ges. Medizin, Leipzig 1859, Bd,103, 8: 296: Die S. d. entsprang am weitesten nach links aus dem Aorten- bogen, während der erste Aortenbogenast in C. ce. d. und V. d, sich teilte. 90.—91. John Reid, ebenda (1846), S. 887. „In den Fällen, wo die r. S. vom Bogen der Ao. jenseits des Ursprungs der 1. S. kommt, oder, mit anderen Worten, die letzte in der Reihe der grossen Arterien ist und quer über die Wirbelsäule hinter dem Ösoph. verläuft, um ihre gewöhnliche Lage hinter dem Muse. scal. ant. an der r. Seite einzunehmen, schlingt sich der N. recurr. nicht um die r. S., sondern wird von dem Stamm des Vag. abgegeben, sobald dieser an dem Kehlkopf vorüberzieht ..... Ich bin selbst in der glücklichen Lage, zwei Fälle dieser Art untersucht zu haben.“ 92.—95. Fr. Tiedemann (1846). 1. Fall: S. 6 der Expl. und 39. Tafel, Fig. 4. Fünf Äste entstehen am Bogen der Ao.; zuerst ein tr. anon., welcher sich in V. d. und C. d. spaltet, in einiger Entfernung von ihr die ©. s., bald nach ihr die V. s,, nach und neben dieser die 8. s. und endlich als letzter Ast dicht neben der letzteren, und zwar von der oberen Wand der Ao., die S. d. Sie steigt zuerst nach hinten und links aufwärts und wandert dann quer zwischen Trach. und Osoph. zum r. Arm. Diese Anomalie sah Tied. zu Dublin in der anatom. Sammlung!) des Kollegiums der Wundärzte. 2. Fall, erwähnt in der Anmerkung zu vorstehendem Falle. „Eine ähnliche Anordnung sah ich in der anat. Sammlung zu Turin, nur entsprang die Wirbelarterie zwischen der l. und r. 5.“ 3. Fall, S. 6 u. 39. Tafel, Fig 5, im Leichnam eines 30 jähr. Mannes. Der Arc. liegt grösstenteils auf der 1. Seite; ©. d., C. s. u. S. s. ent- springen der Reihe nach nebeneinander aus dem horizontalen Abschnitte des Bogens. Die S. d. entspringt erst aus dem Brustteil der Ao. und zwar senkrecht von deren medialer Wand mit einem stark konischen, trichterförmigen Anfangsstück. Eine Strecke lang behält sie die senk- rechte Richtung ihres Ursprungs bei, beschreibt dann einen Bogen 1) Aus derselben Sammlung stammt der 7. Fall von Hart—Quain (1844); jedoch sind die Fälle nicht identisch. 400 GOTTHOLD HOLZAFFEL, nach aufwärts und steigt steil und schräg empor, um dann rasch in eine horizontale Richtung überzugehen. Sie beschreibt somit in ihrem Verlaufe durch die Brust ein umgekehrtes römisches S. Gleich am Anfang des horizontalen Endstückes giebt sie die r. V., hierauf die thyr. inf. d. und nach und neben dieser die r. mamm. int. ab. Die 1. $. steigt vom Gipfel des Arc. zuerst senkrecht empor und biegt dann schräg nach links und auswärts um. An der Umbiegungsstelle nach links und aussen giebt sie an der inneren Wand die V.s. und ein gutes Stück aufwärts an dem schrägen Teil die ]. thyr. inf. ab. Die r. ©, comm. zieht in leichter Krümmung schräg nach der r. Seite der Trach, hin, die 1. in mehr gestrecktem, aber auch noch schrägem Laufe rückwärts an die l. Seite. Ob die $. d. hinter oder vor dem Ösoph. verlief, ist nicht angegeben. 4. Fall. Fall Macartney, $. 8u. 39. Taf., Fig. 6. Kopiert von W. Krause (1876, S. 229, Fig. 115). Als 1. Ast entsteht ein in V. d. u. ©. d. zerfallender tr. anon,, nach diesem in einiger Entfernung die ©. s. Unmittelbar auf sie folgen V.su8.s. Die $. d. entspringt zuletzt, unter rechtem Winkel von der Grenze des Arc. ao, zur Ao.thor. und zwar aus der medialen Wand etwas nach vorn, ohne Erweiterung. Sie behält nach einer leichten Krümmung nach oben eine Zeitlang ihren queren Verlauf bei. Die S.s. steigt schräg empor und biegt dann nach aussen und etwas nach unten zum ]. Arm um. An der Übergangsstelle in den queren Verlauf entsendet sie nach oben die thyr. inf. s. und bald darauf die transversa colli. Diese Anordnung sah Tied. zu Dublin in der anat. Sammlung!) des Prof. Macartney. 96.—98. Fr. Arnold (1847, S. 445). Fall 1: Vier Äste kommen aus der Ao.: der Reihe nach C. d,, GC. s, S. s, 8. d., letztere vom Anfang der absteigenden Ao.; sie verläuft hier am Ursprung etwas konisch zu. Fall 2 u. 3 sind nicht genauer beschrieben. Arnold erwähnt die Dysph. lusoria. 99.—102. J. M. Dubrueil (1847). 1. F.?), S. 50, von einem männl., reifen, nur wenige Tage alten Kinde. „Von der Krümmung der Ao. entspringen gegenüber der Trach. zwei Gefässe, welche sich direkt nach oben wenden: es waren die primitiven Car., welche nicht unmittelbar von der Ao. hervor- kamen, sondern von einer Art Höcker, welcher nicht den Namen „trone“ verdient, weil er eben kaum 4 mm an Länge darbot.“ Zu ihrer Linken entstand die $. s., sodann die $. d., von der hinteren Wand der Ao. thor. — D. hat das Präparat aufbewahrt „dans le Musee de notre Faculte“. 1) Dieselbe Sammlung ist auch von Quain (1844) erwähnt. 2) Dieser Fall hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem 2. Fall von Dubrueil (1837); er scheint jedoch, wenn keine Täuschung von seiten Dubrueils vorliegt, sich bei einem anderen Individuum vorgefunden zu haben. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 401 2. F, 8. 51, von einem 56jährigen Manne. „Die primitiven Car. entsprangen von einer Art rudimentären, kaum ca. 5 mm langen Tr. Die 1. S. kam von der vorderen und oberen Wand des Arec.; die S. d. entstand 5 mm unterhalb der andern und erreichte in trans- versaler Richtung die obere Extremität.“ 3. F., S. 102 u. Taf. OD, Fig. 2, von einem alten, 57 jährigen, an einem organischen Herzleiden verstorbenen Soldaten. Kopiert in: W. Krause, 1876, S. 230, Fig. 116. Vom Bogen entsprangen drei Äste, dicht nebeneinander C. d. u. C. s., sodann in einiger Entfernung die S. s.; letztere im Centrum und an der vorderen und oberen Partie des Arcus. Die r. S. kam an der medialen Seite der Ao. thor. zum Vorschein (ohne Erweiterung der Anfangspartie) und wanderte in schräger Richtung hinter dem Ösoph. aufwärts. D. macht sodann auf die Bedeutung dieser Anomalie für die Chirurgie aufmerksam und erwähnt die Dysph. lusoria. 4. Fall, S. 102 u. 103, von einem erwachsenen männl. Subjekt. Von Dr. Sappey mitgeteilter Fall. „Die S. d. entsprang an der unteren und hinteren Partie des Aortenkrummstabes, 1 cm unterhalb der l. S. und verlief zwischen 1. Brustwirbel und Ösoph. nach rechts. Die A. vertebr. d. kam von der €. d., 5 em nach deren Abgang von dem Aortenbogen. Die S. d. bot somit in diesem Objekt eine dreifache Anomalie: une anomalie d’origine, de direction, de distribution“. 103. Pign& (1847, S. 406), (Referat). Die A. innom. fehlt; es entspringen vom Bogen ein Tr. bicar., S. s. u. S. d. Der ır. bicar. teilt sich nach 7 bis 8 mm in zwei gleiche Stämme, die Carotiden. Die $.d. entspringt nach links und hinten von der S. s., verläuft in hori- zontaler Richtung nach hinten, biegt nach 10 mm nach rechts um und zieht zwischen Trach. und Ösoph. nach rechts. Die Trach. und der 1. N. vagus liegen in der Konkavität der von letzterer Arterie gebildeten Krümmung. — Der N. vagus d. verläuft hinter der S., nachdem er alle Zweigchen, welche der Kehlkopf für gewöhnlich vom N. recurr. d. empfängt, abgegeben hat. — Pign& stellte diesen Fall au nom de Demarquay der Societät vor. In der Debatte über den- selben erklärte Mr. Deville das Fehlen des N. recurr. d. „par la dis- position des parties sur l’embryon“ und für ein Stehenbleiben auf embryonaler Anlage, da die Ursache für den rückläufigen Bogen weg- gefallen sei, weil der N. vagus hinter der S. d. gelegen habe. 104.—105. Demarquay (1848), in: Gazette mödicale, 1848, S, 616-617 u. S. 714-715 und auch: Comptes rendus, 1848, SENT. 1. Fall, S. 715. Die S. d. nahm ihren Ursprung an der 1. Seite des Aortenbogens, verlief zwischen Ösoph. und der Wirbelsäule von links nach rechts und erreichte so den Zwischenraum an den Scaleni Der N. recurr. d. fehlte. Diesen Fall hat Demarquay im Jahre 1843 Anatomische Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd. H. 3.) 27 402 GOTTHOLD HOLZAPFEL, beobachtet; er befindet sich im Musde de l’&cole und Cruveilhier soll ihn in seinem Traite d’Anatomie notiert haben. 2. Fall, ebenda. Hier findet sich dieselbe „disposition arterielle“; der N. recurr. d. fehlt ebenfalls. „In diesen beiden Anomalien liegt der N. vagus normal; von seiner inneren Seite geht eine grosse Anzahl von Nervenästchen ab, welche sich zum Larynx, zur unteren Partie des Pharynx und zum Ösoph. begeben. Alle diese Ästehen, welche den N. laryng. inf. d. ersetzen, verlaufen unter der Carot. comm., einige vor diesem Gefäss zu ihrem Bestimmungsorte. Jene kleinen Nerven, welche den Ösoph. und die Trach. innervieren, sind an Volum ganz ähnlich denjenigen, welehe normaler Weise der N. recurr. abgiebt. Was ihre Länge und Richtung anbetrifft, so sind sie in wenigem verschieden, sie sind länger und haben mehr transversale Richtung. Die Nerven, welche für ge- wöhnlich der Recurr. an den Larynx abgiebt, kommen direkt vom N. vagus. Dieser letztere giebt einen hinreichend starken Zweig in Höhe des Kehlkopfes ab, welchen man für einen wirklichen recurr. halten könnte, und der, an der hinteren Seite des Larynx angekommen, sich genau ebenso verzweigt, wie es für gewöhnlich der N. laryng. inf. thut. Die N. cardiaci, welche gewöhnlich vom Recurr. abgehen, werden vom N. vag. abgegeben.“ Was die Funktion anbelangt, so verursacht die Anomalie keine Störung, nur könnten bei der Unterbindung des Stammes der €. d. einige dieser feinen Ästchen und in dem Falle, wo die Ligatur an das Ende der C. d. zu liegen käme, könnte der Laryng. inf. selbst gefasst werden. Nach einer Notiz von Robert, in Le journal des progrös sollen schon Velpeau (Anatomie chirurgi- cale) und Dubrueil (Trait des anomalies art£rielles) dieses Verhalten des rechten N. laryng. inf. kennen. 106. Blandin, erwähnt von Demarquay in: Gazette med. de Paris, 1848, S. 715. ; Die r. $. entspringt aus dem Bogen an dessen 1. Seite und ver- läuft vor der Trachea. Der N. laryng. inf. d. kommt direkt vom Vagus wie in den beiden Fällen von Demarquay. 107.—108. Ludwig Stachelroth (1850). 1. Fall, S. 5, von einem 47jährigen Manne, der schon über ein Decennium epileptisch und blödsinnig gewesen war und an Lungen- gangrän starb. (Kigene Beobachtung.) Der Reihe nach gehen vier Äste von der Ao. ab, zuerst C. d. u. C. s. „Da, wo der Bogen der Ao. in die Ao. desc. übergeht, entspringt die A. s. s. Die S. d. nimmt ihren Ursprung nicht aus dem Tr. anon., sondern fast an derselben Stelle, wie die S. s., nur mehr aus der Ao. dese,, geht dann unmittelbar auf die Wirbelsäule, am 2. Brustwirbel liegend, hinter dem Ösoph. vorbei und macht dann ihren normalen Lauf weiter. Durch diese Abnormitäten werden Trach. und Ösoph. in eine Schlinge genommen, welche vorn von der C. d,, hinten von der $S. d. und links und seitlich von der C. s. u. 8. s. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 403 gebildet wird. Bei demselben Individuum fand sich auch folgende Unregelmässigkeit im Verlauf des Duct. thoracieus: er verläuft normal in der unteren Hälfte der Brusthöhle zwischen V. azygos und Ao. an den Körpern der Brustwirbel; anstatt aber hier im Antang der oberen Hälfte der Brusthöhle hinter dem Ösoph. sich links zu wenden, geht er auf den Körpern der oberen Brustwirbel rechts von der Ao. aufwärts und senkt sich, über die vordere Fläche der A. subel. d. hinweggegangen, in den Winkel, welchen die V. jugularis interna d. mit der V. subel. d. macht. Der N. recurr. vagi sin. verläuft normal; der rechte Recurr. aber, statt sich wie im normalen Zustand um die A. subel. herum- zuschlagen, geht in gleicher Höhe ungefähr mit der Einsenkungsstelle des Duet. thor. hinter der C. d. quer herüber zum Larynx. Nach diesen bei dem Mann gefundenen Abnormitäten im Verlauf der Gefässe hätte er nach Schönleins Ansicht an der sog. Dysph. lus. leiden sollen, was sich aber nach der langen Beobachtung des Mannes, der viele Jahre als Pfründner im Hospital lebte, nicht ergab.“ 4 Stach. geht ferner auf die Dysph. lus. ein und beschreibt des weiteren noch einige ähnliche Präparate der Würzburger Sammlung; von diesen kommt nur folgendes in Betracht: 2. Fall, $S. 9, von einer 70jähr. Frau, über deren Krankenge- schichte nichts Näheres angegeben ist. (Präparat älteren Datums.) Die beiden Car. entspringen gesondert und zuletzt die S. d., welehe dann zwischen Trach. und Ösoph. sich zur r. Seite wendet. Das ebenfalls auf S. 9 von Stach. erwähnte injizierte Präparat ist bereits von Hesselbach (1824, Fall 1) in fast demselben Wort- laut beschrieben. #109, E. Frandsen (1854) von einem 23jährigen Mädchen. Derselbe Fall kurz referiert in: Virchow-Hirsch, Jahresbe- richte 1855, Bd. I, S. 67 — ausführlich ist der Fall excerpiert in: Schmidts Jahrbücher der in- und ausländ. ges. Medizin 1856, Bd. 8948: 1lausg: Die Ao. asc., sowie der Arc. sind dilatiert, die Ao. dese. ist normal weit und gleich der abdominalis gesund. Die S. d. entspringt aus dem Arc. nach links von der sin, nur noch ein wenig weiter nach unten, läuft dann über den 4. Dorsalwirbel zwischen Wirbel- säule und Ösoph. nach dem r. Arme und überspringt die 1. Rippe an der gewöhnlichen Stelle. Beide Car. comm. entspringen einzeln und haben fast gleiches Lumen. Die A. vertebr. d. hat ein grösseres Lumen als gewöhnlich. V. jugulares und die V. cava sup. sind er- weitert; das linke Atrium war normal, der linke Ventrikel diekwandig; in der linken Lunge fand sich eine Caverne. — Fr. giebt einen ge- nauen Krankenbericht und ausführliches Sektionsprotokoll. Die Dia- gnose hatte gelautet auf Morbus Brigktii infolge von Herzhypertrophie, vielleicht mit Kompression des Lungengewebes, besonders links, durch Exsudate. Mitte Januar (vier Monate vor dem Tode) hatte man am r. Arm den Radialpuls schwächer als am linken, beide aber syn- 27* 404 GOTTHOLD HOLZAPFEL, chronisch gefunden. Fr. geht ausführlich auf die Fälle von Murray, Bayford, Autenrieth-Pfleiderer und Fleischmann ein. — Dysphagie war bei der Patientin nie vorhanden gewesen. Doch will Frands. durch lange hypothetische Erörterungen beweisen, dass die Anomalie die Hypertrophie des linken Herzens verursacht habe. — „Da das Lumen der Ao. gerade bis zum Austritte der r. S. unge- wöhnlich erweitert war, während die Ao. thor. ihr normales Lumen hatte, so scheint diese Erweiterung nebst der aufgehaltenen Blutbe- wegung in der Aorta und dem verstärkten 2. Ton in der Abnormität eines Zweiges der letzteren ihren Grund gehabt zu haben, eine Ver- mutung, die noch dadurch an Halt gewinnt, dass der Radialpuls am rechten Arm kleiner war, als am linken,“ ohne dass eine Abnormität in der Arterie selbst aufzufinden war. Über das Kaliber der r. S. findet sich nichts in dem Excerpt. 110. Cavasse (1856, S. 72). Drei Äste entstehen am Bogen, ein Tr. bicar., hierauf die S. s. und als letzter Ast an der gewöhnlich von der S. s. eingenommenen Stelle die $. d. Letztere verläuft zwischen Wirbelsäule und Ösoph. 111. Hyrtl (1859, S. 186), von einem Kinde. Referiert in: Zeitschrift für rationelle Medizin, Bd. 9, S. 185 und in: Schmidts Jahr- bücher 1859, Bd. 103, S. 295 und in: Canstatts Jahresberichte über die Fortschritte der gesamten Medizin in allen Ländern 1859, Bd. 4, S. 26. Würzburg 1860. Vier Äste entspringen aus der Ao., die S. d. als letzter Ast. Betreffs der Häufigkeit dieser Anomalie bemerkt H.: „Ich möchte das Verhältnis 2:100 annehmen“ und fährt fort: „Ich kann es nun nicht bezweifeln, dass die Linkshändigkeit, welche gewöhnlich nur für üble Angewohnheit gilt, von dieser Gefässanomalie bedungen wird und sie eben deshalb sich kaum je vollkommen abgewöhnen lässt.“ 112.—113. Öhl [in Pavia] (ebenda; 1859); ferner erwähnt in: J. Hyrtl, Lehrbuch der Anat. 1859, $. 821 u. Hyrtl, Hand- buch der topogr. Anat. 1871, S. 306 (7. Aufl. 1882, S. 340— 341). Referiert in Canstatts Jahrbericht, ebenda. „Öhl hat in zwei Fällen, in welchen die S. d. als letzter Ast entsprang, den Nachweis geliefert, dass die mit jener Anomalie be- hafteten Individuen linkshändig waren.“ 114.—115. John Wood (1859, S. 119 mit einer Abbildung). In beiden Fällen entspringen zuerst vom Bogen C. d., C. s. u. S. =. Die beiden Subelaviae dextrae entstehen vom Anfang der Ao. dese. thor. und zwar auf deren hinterer Seite, etwas unterhalb der Ansatzstelle des Duct. arter., 2!/, em unterhalb der Il. S. In beiden Fällen entspringt die ©. d. an der Ursprungsstelle der A. innominata und steigt die nicht erweiterte S. d. steil und schräg über die Wirbel- säule hinter dem Ösoph. aufwärts. In dem einen Fall verästelt sich die ©. d. wie gewöhnlich, in dem andern entsprang die V. d. nicht von der S. d., sondern von der ©. d., 3,5 cm oberhalb des Ur- Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 405 sprungs der C. vom Bogen; sie tritt in den Querforsatz des 4. Hals- wirbels ein. — W. giebt eine richtige entwickelungsgeschichtliche Er- klärung: „Die rechte Subel. kommt zu stande durch Atrophie des 4. rechten Bogens und Persistenz der rechten Aortenwurzel.“ 116.—119. Peacock (1860, S. 43). „Die Carotiden entsprangen zuerst, dann die 1. $. und zuletzt die r. S., welche hinter der Trach. nach rechts wandert. Diese Unregelmässigkeit ist auch abgebildet u. beschrieben von Böhmer (1741) und drei Fälle derart existieren im Museum des St. Thomas Hospitals.‘ 120.--123. Wm. Turner (1862, S. 171—189 u. 461—-482). Ausführlich auch referiert in: Schmidts Jahrbücher 1864, Bd. 121, 8. 156. Turner hat als erster alle Varietäten am Aortenbogen vom ent- wickelungsgeschichtlichen Standpunkt aufgefasst und zu erklären ge- sucht; er hat nach dem Rathkeschen Aortenschema sämtliche in Frage kommenden Varietäten des Aortenbogens geordnet und dadurch das grosse Labyrinth derselben gelichtet. Er führt unter Second Group, Subdivison G. die Varietäten mit „Fortbestehen des 4. linken Gefässbogens und beider Aortenwurzeln mit Atrophie des 4. rechten Bogens“ auf. F. 1-3. S. 469. Turner hat selbst drei Fälle (offenbar mit dem Typus: ©. d., €. s., 8. s., 8. d.) beobachtet und seziert. „Der 1. Vag. u. ]. N. rec. hatten normalen Lauf, während der r. N. laryng. inf. beträcht- lich von der gewöhnlichen Anordnung abwich. Er entspringt in den drei Fällen vom Stamm des Vagus mit zwei oder drei getrennten Bündeln in der Nähe der Kreuzung mit der Subel. Allein, statt sich hinten um dieses Gefäss zu schlingen, verläuft er ganz direkt nach innen in der Richtung zum Larynx.“ — „In einem dieser drei Fälle machte sich ein besonderes Verhältnis der Ganglienkette des N. sympath. be- merkbar. Die verbindenden Fasern zwischen dem untersten Cervical- und ersten Dorsal-Ganglion waren in zwei Bündel getrennt, das eine von diesen verlief vor der S. d., das andere hinter derselben, so dass sie nicht nur die A. s., sondern auch ihren Vertebralast umwanden. Diese enge Beziehung zwischen der Arterie und den, Nervenzug war offenbar der 8. zuzuschreiben, welche in einer hinteren Ebene lag, d. h. in engerer Beziehung zu der Wirbelsäule und daher auch mit dem Sympathicusstrang; die veränderte Lage des N. laryng. inf. d., der vor, anstatt hinter der S. lag, bekräftigt diese Behauptung.“ Betreffs der entwickelungsgeschichtlichen Erklärung ist Turner mit Wood einverstanden: „The complete atrophy of the fourth and fifth right vascular arches of necessity precluded this nerve from pos- sessing its normal recurrent direction (S. 470). — Er stimmt ferner (S. 469) ganz Quains (1844, S. 152) Behauptung bei, „dass, wenn die vier primären Äste separat von der Aorta entspringen, die gewöhnlichste Form der Abweichung die ist, dass die r. S. von der 1. Seite des Bogens entspringt, und sagt: „Quain schätzt die Häufigkeit auf 1:250 406 GOTTHOLD [IOLZAPFEL, Fälle, ein Resultat, welches ganz mit meinen Beobachtungen über- einstimmt.“ Hyrtls Verhältnis 2:100 hält er für übertrieben. Fall 4, S. 470 Anm. In einem Fall von dieser Irregularität der S. d,, welchen Turner in Dr. Allen Thomsons Sektionsraum gesehen hat, wandte sich der Laryng. inf. d. um die A. thyreoid. inf, („the right inferior laryngeal nerve turned round the inferior thyroid artery“). Ob Dysphagie in einem der drei obigen Fälle vorlag, hat T, nicht ermitteln können. T. bespricht die Dysph. lus. sowie die Frage der Linkshändigkeit. 124. Dubrueil (1862, $S. 443). Die S. d. entspringt nach der S. s. als letzter Ast des Bogens und verläuft hinter Trach. u. Ösoph. 125. Barkow (1866). Tab. IV, Fig. 2, ein Fall des Breslauer Museums. Am Bogen entspringen Tr. bicar., S. s. u. S. d., letztere aus dessen hinterem Um- fang; sie zieht schräg nach rechts oben, hinter dem Osoph. Der Aortenbogen ist kurz und geknickt und zeigt am Ende eine beträcht- liche Erweiterung. — Ob der Fall schon einmal publiziert wurde, giebt B. nicht an. 126. Wood (1867, $. 544), in einer männlichen Leiche. Der Reihe nach entspringen Tr. bicar., S. s. u. S. d.; die S. d. wird unterhalb der 1. S. von der Ao. desc. abgegeben. An derselben Leiche fand W. 10 Muskelvarietäten, darunter 7 an Kopf und Arm (dreiköpfiger Biceps). 127. Barwell (1867, S. 68). Die S. d. entspringt zur Linken von der S. s. von der hinteren Seite des Bogens und verläuft hinter dem Ösoph. — Ferner fehlt eine A. vertebralis und trat deshalb nicht in die Querfortsätze ein; sie wird ersetzt durch einen Ast der A. cervicalis profunda, welche in der üblichen Weise wie die vertebralis durch das Foramen magnum in die Hirnschale eintritt. Die thyreoid axis (Tr. thyreo-cervicalis) wird von der ©. d. abgegeben; sie ist klein und versorgt weder die A. subscapularis noch die A. transversa colli; diese entspringen viel- mehr von der S. jenseits der Scaleni. Sie giebt dagegen einen Zweig zur Schilddrüse, ferner die cerviealis ascend. und ausserdem eine An- zahl Äste ab, welche die unmittelbare Nachbarschaft versorgen. — „Die A. intercostalis suprema wurde ersetzt durch einen schmalen hinteren Zweig von dem queren Teil des Aortenbogens, einen Ast analog dem der anderen Seite.“ 128. D. u. J. Brown (1868, S. 632 mit einer Abbildung), von einem 74jährigen Mann. Die aufsteigende Ao. war weit, atheromatöse Flecken fanden sich an dem distalen Teil des Bogens und in der absteigenden Aorta. Vom Gipfel des Arc. beginnt mit einem ganz kurzen Stumpf ein tr. bicar., der sich in beide Car. spaltet. Auf ihn folgt in einiger Entfernung weiter abwärts die S. s., und endlich vom medialen Rande der Ao. aus dem distalen Ende des Bogens (der Zeichnung nach fast schon Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 407 aus dem Anfang der Ao. thor.) mit einem trichterförmigen Anfangsteil die rückläufige S. d. Sie wandert in einem leichten Bogen in ziem- lich steiler Richtung hinter der Trach. zum r. Arm. 129.—138. Barkow (1869, $. 11 sq. mit Fig. 11 u. 12 auf S. 13). 1. Fall, Präparat Nr. 80, ein injizierter Aortenbogen ohne A. anon. Es entspringen vier Stämme: ©. d., C. s., 8. 5, 8. .d. 2. Fall, Präp. 81: Desgleichen, injiziert. 3. Fall, Präp. 84: Ein nicht injizierter Aortenbogen. Drei Stämme: Tr. bicar., S. s., S. d. 4. Fall, Präp. 85: Aus dem Bogen entspringen die vier Stämme, die $. d. zuletzt. Sie geht hinter der Speiseröhre von links unten nach rechts und oben in die Höhe. 5. Fall. Präp. 86: Aus dem Aortenbogen kommen drei Stämme: Tr, bicar., S. s, $. d. Letztere geht hinter der Speiseröhre von links und unten nach rechts und oben in die Höhe. 6. Fall, Präp. 87: Äste: Tr. bicar., S. s., S. d. (Ob sie alle vom Bogen entspringen, ist nicht gesagt!) Die C. d. u. C. s. entspringen halb vereint aus dem Bogen der Ao., sodann die S. s., zuletzt die S. d. Diese verläuft zwischen Speiseröhre und Wirbelsäule von links und unten nach rechts und oben in die Höhe. 7. Fall, Präp. 88: S. 12 und Fig. 11 u. 12 auf S. 13. Aus dem Bogen entspringen vier grosse Stämme und ein kleiner und zwar C. d, ©. s, 8. s. u. S. d., letztere ausserhalb des Bogens halb dem Ursprung der $. s, angehörig; zwischen dieser und der ORIER entstand ein kleiner Zweig (wahrscheinlich die abgebrochene A. vertebr. sin.). — Die $. d. war, wie gewöhnlich bei dieser Varietät, die stärkste, entsprang hinten am Bogen, gerade an der Knickung desselben. Aus der ©. d. entsprang ein Zoll zwei Linien (= 3,16 cm) oberhalb ihres Ursprungs eine Arterie mittlerer Grösse, vielleicht die A. thyr. ind. des). Beide Carot. bilden zusammen noch einen kleinen Stumpf. 8. Fall, Präp. 89: Es entspringen aus dem Arc. halb gemein- schaftlich zuerst die C. d. u. ©. s,, dann die S. s. u. 8. d. 9. Fall, S. 18, Präp. 117: Aus dem Aortenbogen kommen getrennt C. d,C. s, S. s, S. d. Diese geht zwischen Wirbelsäule und Ösoph. nach rechts zum Halse in die Höhe. 10. Fall, Präp. 118: Aus dem Aortenbogen entspringen in gleicher Ordnung die vier grossen Arterienstämme; die $. d. geht zwischen Speiseröhre und Wirbelsäule nach rechts und oben in die Höhe. Gleiche Varietäten bei Säugetieren hat Barkow keine gefunden. Einer von diesen 10 Fällen ist wohl identisch mit dem von B. 1866 beschriebenen Falle des anatom. Museums. Da ferner bei Revisionen die Nummern der Präparate manchmal gewechselt werden, lässt sich nicht entscheiden, welche von Barkows Fällen schon Otto (1830) erwähnt hat. 1) Grössere Wahrscheinlichkeit hat wohl die Annahme, dass diese mittel- grosse Arterie die Vert. d. war. AUS GOTTHOLD HOLZAPFEL, 139.—141. Bankart, Pye-Smith und Philipps (1869, S. 443 sq.). Auch referiert in: Henle-Meissner, Bericht über die Fortschritte der Anatomie und Physiologie im J. 1869. Leipzig 1871, 5129. 1. u. 2. Fall: Die A. innom. fehlt; die r. C. entspringt direkt vom Aortenbogen und die S. d. von der Rückseite des 3. Abschnittes. In dem einen Fall verläuft sie zwischen Spina und Osoph., in dem andern zwischen Ösoph. und Trach. In beiden Fällen ist die S. d. letzter Ast des Aortenbogens (nach S. 445); ferner entspringt in beiden Varietäten die ]. vertebr. zwischen C. s. u. S. s. von der Ao. direkt. In einem dieser Fälle wird die V. d. von der C. d. abgegeben. 3. Fall: Vom Aortenbogen entspringen nach einander Tr. bicar., S. s. u. S. d. Beide Carotiden entspringen von dem höchsten Punkte des Bogens mit einem kurzen Truncus, der weniger als einen halben inch (121/2 mm) lang ist, und steigen für eine kurze Strecke neben- einander vor der Trach. empor, bevor sie ihre normale Lage einnehmen. Die Trach. war in diesem Subjekt deutlich an den Seiten abgeplattet („remarquably flattended from side to side, where it lay between the two carotids“). Die S. d. entspringt von der 3. Portion des Bogens und verläuft hinter Trach. und Ösoph. Die Vertebrales waren auf beiden Seiten normal. 142.—143. Pye-Smith, Howse u. Davies-Colley (1871, S. 154—155). 1. Fall: Es war keine A. innom. vorhanden; C. d, C. su. S.s. entsprangen direkt vom Bogen. Vom absteigenden Teil des Bogens kam die S. d. und ging zwischen Ösoph. und Wirbelsäule zu ihrem Bestimmungsort. „Die l. V. entsprang von der S. s., und nicht, wie dies gewöhnlich der Fall ist, wenn diese Varietät vorliegt, direkt von der Aorta.“ 2. Fall: Der Reihe nach entsprangen C. d., C. s, 8. s. u.8.d, letztere vom absteigenden Teil des Bogens. Sie gelangte hinter dem Ösoph. zum r. Arm. Die 1. V. entsprang von der Aorta. In beiden Fällen entspringt die A. thyr. inf. d. von der S,, bevor sie die Wirbelsäule gekreuzt hat und begleitet die S. an die r. Seite der Trach. — In einem der beiden Fälle war die Mamm. int. d. ein Ast des Tr. thyreo-cervic., während die andern Äste der versetzten S. regulär waren. — Pye-Smith giebt eine entwickelungsgeschichtl. Erklärung nach Wood. 144.—145. Bradley (1871, S. 341 u. 342). 1. Fall, von einem weibl. Leichnam. Die S. d. entsteht von der äussersten Linken des Querbogens an dessen hinterer Seite, steigt nach aufwärts und rechts und verliert sich zwischen Trach. u. Ösophagus. 2. Fall. (In der Anm. erwähnt), von einem weibl. Leichnam. In diesem Falle zieht die S. d. hinter dem Ösoph. zur r. Seite. Beide Carotiden entspringen von einem kurzen einfachen Tr.; die Subelaviae Ungewöhnrlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 409 entstehen eine hinter der andern von einem weiter nach links gelegenen Punkte der Aorta. Das r. Gefäss lag wie im 1. Fall mehr nach hinten als das linke. 146. J. Ewing Mears (1871, S. 401—409 mit einer Abbildung), von einem Manne. Vier Äste kommen am Arc. hervor, zuerst ©. d. u. C. s., sodann vom Gipfel des Bogens die $. s. und als letzter Ast oben und hinten links am queren Teile des Bogens vor der Verbindungsstelle mit der absteigenden Ao. die 8. d. (u. zwar, wie aus der Zeichnung hervor- geht, mit einer kleinen beutelförmigen Erweiterung). Sie wandert zwischen Ösoph. und Wirbelsäule nach rechts und überkreuzt sich mit dem 2. u. 1. Dorsalwirbel. — Am Nerv. laryng. inf. d. wurde kein abnormes Verhältnis beobachtet (S. 406). — Ob Dysph. be- stand, konnte M. nicht erfahren. — An beiden Subel. fehlte der Tr. thyreo-cervicalis. „Die A. thyr. inf. d. entsprang von der S. an der vorderen Seite und näher an der unteren Grenze der Arterie. Die thyr. inf. s. kam vorn oben am 1. Abschnitt der ]. S. zum Vorschein. Die V. d. ist enger als die linke. Beide entspringen von der be- treffenden zugehörigen S.; beide Mammar. int. und Intereostales sup. entspringen aus der $.; die A. transversa cervicalis und die suprasca- pularis entstehen auf beiden Seiten aus einem gemeinsamen Stamme. Diese letztere Abweichung ist wichtig in chirurgischer Beziehung, da sie an dem 3. Abschnitt der Subelavia entspringt.“ M. geht ausführ- lich auf das Verhalten des N. lar. inf. d., Dysph. lusor., Linkshändig- keit und die Bedeutung der Varietät für die Chirurgie ein und führt ferner auf S. 403-405 mehrere Fälle (von Leidy und Gross) auf, welche die betreffenden Anatomen ihm mitgeteilt haben.: 147.—151, ebenda, 8. 403. „Prof. Dr. Leidy (an der Uni- versität in Pennsylvania) berichtet mir, dass das Wister und Horner Museum zum wenigsten drei solche Anomalien aufweist. Bei seinen Sektionen hat er die Varietät zweimal beobachtet. In all den Fällen, welche er beobachtet hat, verlief sie hinter dem Ösophagus.“ 152, ebenda, $S. 405. „Dr. W. Gross berichtet mir, dass ein Beispiel dieser Art (Verlauf der S. d. zwischen Trach. und Ösoph.) von ihm beobachtet wurde.“ #153. G. v. Düben (1876) (Referat). „v. D. beschreibt einen Fall von Abnormität der A. s. d. Die Anonyma fehlte. Die beiden Carot. entstanden dicht neben einander und umfassten den Kehlkopf gabelig; die $. s. (war) wie gewöhnlich. Die S. d. entsprang etwas links von und hinter der S. s., stieg dann nach oben, etwas nach hinten und schief nach rechts, hinter dem Ösoph., dann etwas hoch nach oben, um zuletzt ihre gewöhnliche Lage einzunehmen.“ 154. W. Krause (1876, $. 228, Fig. 114). Ein Präparat der anatom. Sammlung zu Göttingen. 410 GOTTHOLD HOLZAPFEL, C.d., ©. s, 8. s.u. 8. d. entspringen der Reihe nach dicht neben einander. Jeder einzelne Stamm entsteht von einem höher gelegenen Punkt des Arc. als der vorhergehende. Vom Gipfel des Bogens kommt, von der oberen und hinteren Wand der Ao., die S. d. zum Vorschein, welche sich dicht an Trach. und Ösoph. anlehnt, sich an diesen beiden Röhren zuerst aufwärts windet und sodann schräg hinter dem Ösoph. nach rechts zieht. Bis die S. d. hinter der Speiseröhre verschwindet, hat sie ein konisches, im Vergleich zur S. s. wenig weiteres Kaliber; nachdem sie an der r. Seite wieder erscheint, gleicht sie der s. Beide Car. steigen in gerader Richtung zur 1. u. r. Seite der Trach. aufwärts. Die Ao. zeigt nach der Kniekung eine spindelförmige Erweiterung. 155.—160. Mehrere Fälle von Zenker (1878, S. 22 sq.). „Wir selbst (Zenker) haben eine Mehrzahl solcher Fälle gesehen (in welchen die A. subel. d. als letzter Ast entsprang), aber in keinem der- selben etwas über vorhergegangene Schlingbeschwerden in Erfahrung bringen können. Demnach erscheint es sicher, dass wenigstens schwerere Erscheinungen von Dysphagie bei dieser Ar terienanomalie nicht die Regel, sondern Bliene Ausnahmen sind.“ — „In den vier Fällen a: Anomalie, welche die Erlanger pathol.-anatom. Sammlung besitzt, ist diese Erweiterung (der $. d.) in allen deutlich, in zwei sehr erheblich, so dass die S. in einem förmlichen Bulbus vom Arcus entspringt.“ 161. Max Flesch (1879, 8. 261). „Vier Äste Die 8. d. selbständig aus dem Übergang des Bogens in die Ao. descendens. Verlauf hinter dem Ösophagus.“ 162. J. Walsham (1880, $S. 88). Kurz referiert in Hof- mann u. Schwalbes Jahresbericht über Anatomie u. Physiologie Bd. 10, S. 167, Jahrg. 1882. „Die S. d. entspringt von der hinteren und unteren Wand des 3. Abschnittes des Arc. und kreuzt die Wirbelsäule hinter dem Ösoph. in Höhe des 6. Halswirbels. Die r. C. nimmt die Stelle der A. innom. ein und kommt direkt vom queren Abschnitt des Bogens; die 1. C. und die 1. S. haben normalen Ursprung. — An der r. Seite werden vertebr., mammar. int., tr. thyreocervical. und die intercost. sup. von der S. wie gewöhnlich abgegeben. — Die V. s., enger als gewöhnlich, kommt von der S. s. Der l. N. recurr. bildet seine übliche Schlinge um die Ao. und zieht vor der nach der r. Seite gehenden S. d. zum Larynx in den Zwischenraum zwischen Ösoph. und Trachea“. „Der r. N. recurr. kam sogleich vom Vag. und ging direkt zum Larynx, ohne eine Schlinge um die S. d. zu bilden; ein oder zwei separate Ästchen werden direkt vom Vag. zur Trach. und Ösoph. ab- gegeben. Der Stamm des Vag. verlief vor der S. d., der Sympathiecus hintar ihr („the pneumogastrie ertorked in front of the right subelavian, the sympathie behind“). Wegen ihrer Lageverhältnisse "hätte die S. d. bei den Operationen der Ösophagotomie und der Exstirpation des Pharynx verletzt werden können, eine Erwägung von sehr wenig prak- Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 411 tischem Interesse, da solche Operationen selten sind und auch die Varietät selten vorkommt“. *163.—168. Giacomini (1882, S. 57—79). Referiert in: Hof- mann-Schwalbes Bericht über Anat. und Phys. Bd. 11, I. Abt., S. 158, Jahrg. 1883. Fall 1 u. 2 von Negern: „Aus Giac. Arbeit über Varietäten der Neger sind hier einige angiologische Beobachtungen anzuführen. Bei Individuum I kommen beide Carotiden aus einem Stamme, dann ent- springt 8. s., schliesslich die S. d., welche hinter dem Ösoph. vor dem Körper des 2. Brustwirbels nach rechts verläuft. Dasselbe fand sich bei Individuum II, Tochter von I; also Erb- lichkeit.‘ 3.—6. Fall. Vier Fälle von Europäern. „Verf. hat dies Verhalten bei Europäern viermal beobachtet; einmal war ausserdem noch der Ursprung der Vert. abnorm, nämlich aus der Ü. comm. d.“ 169.—171. Alex. Brenner (1883, S. 373—396 mit Tafel 17). 1. u. 2. Fall, S. 374—376. DBeide Fälle fanden sich an älteren Individuen und waren einander in jeder Beziehung gleich; der eine Fall ist auf Taf. 17, Fig. 1 dargestellt. Der Reihe nach entspringen am Bogen C.d., C. s., S.s. und zu- letzt aus einer nach rechts gewendeten Vorbuchtung der Aortenwand in der Höhe des 4. Brustwirbels die S. d., welche nun zwischen Wirbel- säule und Ösoph. zur hinteren Skalenuslücke verläuft. „Vom N. vag. d. löst sich in Höhe des 4. Halswirbels ein stärkerer Ast ab, welcher hinter der Car. in den Raum zwischen Ring- und Schildknorpel zieht; unter diesem Ast entspringen noch eine Anzahl kleinerer Nerven, welche alle in schiefer Richtung absteigend direkt zur Luft- und Speise- röhre kinziehen; die untersten derselben gehen in den Plexus oesopha- geus vagi über. Es ist dieses Verhalten nach den Beobachtungen das für diese Gefässanomalie eigentlich Normale, sowie auch durch die Entstehung dieser Anomalie Bedingte.“ Br. giebt sodann eine ent- wickelungsgeschichtliche Erklärung (S. 376). „Der N. sympathicus bildete rechts wie links eine Ansa um die entsprechende S. unmittelbar vor dem Abgange ihrer Äste,“ und gab nach vorne einen Verbindungzweig zum N. vag. ab. „Der Duet. thor. verlief in beiden Fällen im hintern Mediastinum rechts von der Ao, und ging um die S. d. herum zum Angulus venosus d., in welchen er einmündete. Die grossen Venen der oberen Brustapertur waren vollkommen normal.“ 3. Fall, S. 376—378 u. Taf. XVII, Fig. 2, von einem 60 jährigen Mann. „Aus dem normal gelagerten Arc. ao. entspringen von rechts nach links gezählt: 1. ein starker Arterienstamm, welcher 5 cm von seinem Ursprunge in die V. d. u. ©. d. zerfällt; die V. d. zieht sich schräg nach aufwärts zum Foramen transversarium des 4. Halswirbels, die C. verläuft normal; 2. die ©. s.; 3. die V. s,, welche wie die d. erst 412 GOTTHOLD HOLZAPFEL, in das For. transversar. des 4. Halswirbels eintritt; 4. die S. s.; sie verläuft normal; 5. die S. d.; sie entspringt wie in den beiden früheren Fällen aus einer Vorbuchtung der r. Aortenwand in der Höhe des 4. Brustwirbels, gegenüber der Insertion des Lig. aorticum und zieht zwischen Ösoph. und Wirbelsäule zur hinteren Skalenuslücke.“ „Die obersten Nerven, welche zum Kehlkopf ziehen, sind zu einem kürzeren und schwächeren Nervenstrang zusammengefasst, welcher in der Höhe des 6. Halswirbels vom Vag. sich ablöst und sofort um die Wirbel- arterie herum nach aufwärts zieht. Die Äste des Vag. zu den tieferen Teilen der Trach. und des Ösoph. ziehen einzeln vom Stamme des Vag. schräg nach abwärts, wie in den früheren Fällen; die untersten gehen bereits in das Lungengeflecht des Vag. über. Der N. sympath. bildet beiderseits eine Ansa um die S. seiner Seite; der l. Halssym- pathieus ist in eine Kette von Ganglien aufgelöst; der r. bildet in der Höhe des 6. Halswirbels ein grösseres Ganglion; die aus demselben hervorgehenden Nervenfäden bilden ein Geflecht um die V. d. und sammeln sich zu grösseren Bündeln, welche mit Vagusfasern vereint den Gefässen entlang zum Herzen ziehen. Der Duct. thor. verlief auch hier im hintern Mediastinum zwischen Ao. und V. azygos und ging um die r. Schlüsselbeinarterie herum in den Angulus venosus d. Die grossen Venen verliefen vollkommen normal.“ — Br. giebt eine entwickelungsgeschichtliche Deutung dieser mit gleichzeitigem Ursprung der V. d. von der ©. d. komplizierten Anomalie und erwähnt ferner die Dysphag. lus. sowie die Linkshändigkeit. 172.—174. Struthers (1888, S. XI) (Referat). „St. stellt der anat. Societät eine Serie von Präparaten derjenigen Varietät vor, in welcher die S. d. zuletzt aus dem Arc. ao. entspringt. Ein Aufsatz!) über diese Fälle wird separat publiziert werden.“ 175. Gordon Brodie (1888, S. 971 u. 1889, S. VII u. VIII). Vier Äste entspringen vom Arc.: Tr. bicar, V. s.,S.s, 8. d,; letztere verläuft hinter Trach. u. Ösoph.; die ©. d. giebt die V. d. ab, welche in den Proc. transv. des 5. Halswirbels eintritt. Die Vert. s. giebt einen accessorischen Zweig zur Schilddrüse. (Ein anderer Ast entspringt von dem 1. Teil der S. auf der 1. Seite.) 176. Fr. J. Shepherd (1889. The Journal, S. 69—71 und The Medical News, S. 690), von einem 30jährigen an Phthisis ver- storbenen Subjekt. „Die Person, bei welcher ich diesen Anomalien begegnete, starb 30 Jahre alt im allgemeinen Hospital an Phthisis. Sie hatte niemals Schwierigkeit im Schlucken, noch war sie linkshändig. Deutlich aus- geprägt war eine rhachitische Deformität des knöchernen Thorax und anderer Teile des Skeletts. Die S. d. entspringt von der hinteren Wand des absteigenden Aortenbogens, gegenüber dem 3. Dorsalwirbel, 1) Leider habe ich diesen Aufsatz nicht auffinden können. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 413 verläuft schräg aufwärts über die Dorsalwirbel zum Grund des Halses der r. Seite. In ihrem Verlauf ging sie hinter Trach. und Ösoph. Natürlich fehlte die A. innom.; die r. ©. entsprang direkt aus dem Querbogen. Die r. V. kam aus der r. C. comm. an dem Punkte, wo gewöhnlich die S. d. von der Innominata abgeht. Sie ging herauf am Halse, um in den Querfortsatz des 4. Halswirbels einzutreten. Die 1. Vert. entsprang von dem Querbogen zwischen der 1. C. und der 1. $S. und trat in den Querfortsatz des 3. Halswirbels ein. Der r. N. laryng. inf. wand sich um die r. V., anstatt um die S. Der r. Sympath. war in zwei Stränge geteilt, welche die abnorme S. umspannten; der oberflächliche Strang krümmte sich rings um den unteren Teil der Arterie, um sich mit seinem Genossen zu verbinden. Dies Verhältnis war zuerst von dem Studenten missverstanden worden, welcher diese Gegend nach dem N. laryng. inf. präparierte.“ — „Die Erklärung dieser Anomalie ist wohl erkannt und beschrieben bei Rathke, Wood, Turner und andern. Es ist dies ein Beispiel von Persistenz der rechten Aortenwurzel. Der 4. Bogen, von welchem die $S. der r. Seite für gewöhnlich entspringt, ist atrophiert und ist teilweise verschwunden, — d. h. der Teil aussen zu dem Ursprung der Vert. Die V. würde also den verkürzten 4. Bogen darstellen, und der Teil der C. bis zur V. die Innom. Dies würde erklären, warum der N. laryng. inf. sich um die V. herumwindet anstatt um die S.“ 177. Raphael Rau (1890, S. 13 u. 14. — Varietät 63, W.-S. 9/90). „Die S. d. entspringt jenseits der S. s. aus dem Übergang des Bogens in die Ao. dese. und umschlingt den Ösoph., hinter welchem sie wegzieht. Die A. car. comm. d. entspringt aus dem medialen Rand der A. car. c. sin. unmittelbar an deren Ursprung.“ 178. Dunn, Washbourn und Targett (1890, S. 299 mit einer Abbildung auf S. 300). Die r. sowie die l. C. entspringen vom aufsteigenden Abschnitt „des Bogens, dieht neben einander, zur Rechten der Trach. Die S. s. entsteht oben und vorn am queren Abschnitt, am Gipfel des Arc.; die S. d. endlich nimmt bald nach ihr an der Knickungsstelle des Arc., und zwar nach links aussen, mehr von der Hinterseite als vom oberen Rande ihren Ursprung. Sie verläuft mit einer leichten Stei- gung, im allgemeinen fast quer hinter dem Ösoph. nach rechts. 179. Dr. W. Henry Thompson (1890, S. 352). (Referat). Auch referiert in: Bericht über Anatomie und Entwickelungsgeschichte 1890, S. 242. „Die S. d. entsprang von der Hinterwand der Ao. nahe an der Verbindungsstelle des 2. mit dem 3. Abschnitt des Bogens. Beide Car. und die I. S. lagen näher dem Herzen als diese. Die Arterie verlief hinter Trach. u. Ösoph. nach der r. Seite des Halses und nahm dort ihre gewöhnliche Lage ein. Der r. N. laryng. inf. war nicht rückläufig. Der Duct. thor. zog nicht nach der 1, sondern nach der 414 GOTTHOLD HOLZAPFEL, r. Seite empor; er lief zur Rechten des Ösoph. hinauf und trat in die Blutbahn an der Vereinigung der Venae jugulares und subelaviae ein („at the junetion of the jugular and subelavian veins“). Der Duct. Iymphatieus fand sich auf der 1. Seite. Der r. Sympath. schloss die S. ein.“ — Th. fügt eine ausführliche entwickelungsgeschichtliche Erklärung bei. 180. P. Bothezat u. Chatinitre (1891, S. 418 mit zwei Abbildungen auf Taf. 6), von einem männlichen Individuum. Vom höchsten Punkte des sehr flachen Aortenbogens entspringen der Trach. gegenüber die Car. comm., jede gesondert, erst die r., dann die ]. und steigen an den Seiten der Trach. empor. In einiger Ent- fernung, von einem tiefer und distal gelegenen Punkte des queren Ab- schnitts, entspringt die S. s.; 1 cm unterhalb dieser nimmt an der hinteren Seite der horizontalen Partie als 4. Ast die S. d. ikren Ur- sprung. „Sie bietet insofern eine Eigentümlichkeit dar, als sie nicht, wie die andern Arterien, eylindrisch ist; vielmehr befindet sich hier eine trichterförmige Anschwellung, welche durch den Stoss der Blut- welle entstanden sein dürfte („un renflement infundibuliforme qui pourrait etre dü au choc de l’ond&e sanguine“). Die Lage der S. d. an dieser Stelle verschiebt den Ursprung der S. s. weiter aufwärts.“ Gleich nach ihrem Ursprung steigt die S. d. steil und schräg nach oben und rechts hinüber, sich zwischen Wirbelsäule und Ösoph. hinein- schiebend. Am r. Rand des Ösoph. angelangt ändert sie ihre Rich- tung, verläuft nunmehr quer, kreuzt die C. d. unter einem rechten Winkel und verliert sich sodann normaler Weise zwischen den Scaleni. Vom r. Rande des Ösoph. ab liegt die $. d. natürlich sehr tief, der N. vag. d. kreuzt sie vorne. Die Länge der Subelavia von ihrem Ur- sprung bis zum Ursprung der A. acromio-thoracica betrug für die rechte 15 em, für die linke 8—9 cm. — Des Weiteren besprechen beide Autoren die eventuell in Betracht kommenden Konsequenzen. — Ob die Anomalie den Träger derselben belästigte, können sie nicht an- geben. 181.—182. Solger (1893, 8. 1132). 1. Fall. „Die S. d. entspringt distal und hinter der S. s., zieht. ’ hinter dem Ösoph. zur Skalenuslücke, zeigt an ihrem Anfangsstück eine leichte Erweiterung, sonst aber normales Kaliber, und wird wohl auch während des Lebens sich nicht besonders bemerkbar gemacht haben. Der N. laryng. inf. — die Bezeichnung „recurrens“ passt in diesem Falle nicht — zweigt sich schon in Höhe des Ringknorpels vom Stamm des Vagus ab, um sich direkt zu den von ihm versorgten Kehlkopfmuskeln zu begeben; er zeigt also das oft beobachtete ab- weichende Verhalten, für welches — im Sinne von Hart (1826) — auch hier der ungewöhnliche Entwickelungsmodus der Arterie verant- wortlich gemacht werden muss.“ Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 415 2. Fall. „Die Sammlung des hiesigen anatomischen Instituts be- wahrt ein Präparat folgender Anordnung: Tr. anon. für V.d. u. C.d,, 82. 5%8.u..8..d! Der N. laryng. inf. d., der hier um die A. vertebr. sich herum- schlingt, ist zwar etwas kürzer als normal, aber entschieden rückläufig, weil die aus dem 4. Schlundbogen hervorgegangene Wirbelarterie nun in derselben Weise ıhren Einfluss geltend machte, wie sonst die S. Es kann also auch dann, wenn die S. d. hinter der sin. aus dem Aortenbogen entspringt, der N. laryng. dennoch rückläufig sein. Dieser Fall entspricht übrigens dem von A. Brenner (1883, S. 377) beschrie- benen vollkommen.“ 183.—186. H. Leboucq (1894). 1. u. 2. Fall: bei erwachsenen Männern beobachtet. Der Reihe nach kommen zum Vorschein, ein 10 mm langer Tr. bicar., dann die l. ©. und die 1. S., endlich unmittelbar am Fuss der letzteren mit einer hinreichend deutlichen Anschwellung die S. d. 3. Fall: von einem erwachsenen Manne. Ganz dicht neben einander entspringen C. d., C. s., S. s. u. S.d., letztere wie in Fall 1 und 2 mit einer leichten Anschwellung an ihrer Basis. 4. Fall: erwachsenes weibliches Individuum. Nebeneinander kommen C. d. C. s, S. s. u. 12 mm unterhalb dieser die S. d. zum Vorschein. In allen vier Fällen verlief die S. d. hinter dem Ösoph. und waren die A. vertebrales Äste der Subelaviae. Überall zweigte sich der N. laryng. inf. d. in Höhe des Larynx vom Vag. ab und ging ohne Bildung eines Bogens um die S. d. zum Kehlkopf. Immer bildete der l. Laryng. inf. seine rückläufige Schlinge um die Aorta unterhalb des Botallischen Ganges. Leb. hält die Varietät für ziemlich häufig (assez fr&quente). Nach seinen zahlreichen Beobachtungen schätzt er das Verhältnis auf: vier- mal unter 700—800 Personen, somit ungefähr einmal auf 200 — 0,5°/o. 187. J. L. Faure (1895, S. 11—12 mit einer Abbildung). Vier Äste entspringen am Bogen, der fast ganz links von der Trach. liegt: zuerst am linken Rande der Trach. C. d.; während sie schräg aufsteigt, kreuzt sie die Trach., um an die r. Seite zu gelangen. Neben ihr steigt die C. s. gerade an der Seite der Trach. empor. Unmittelbar auf diese folgt die 1. S., während die S. d. am oberen und hinteren Rande der tiefsten Partie des Arc. in dem Winkel seines horizontalen Teiles mit seineın absteigenden ihren Ursprung nimmt. Von da zieht sie zwischen Ösoph. und Wirbelsäule in gerader Rich- tung schräg nach oben rechts, letztere in Höhe des 4. Dorsalw. kreuzend. 1) Der Separatabdruck ist mir von Herrn Prof. Dr. v. Lenhossek in Tübingen gütigst zur Verfügung gestellt worden. 416 GOTTHOLD HOLZAPFEL, 188.—189. P. Jacques (ebenda, $. 252—255), [vom Präparier- saal in Nancy], von zwei Erwachsenen. Vom Bogen der Ao. entspringen C. d., C. s. u.S.s. Die beiden erstgenannten Äste sind im 1. Fall zu einem kurzen gemeinsamen Stamm vereinigt, entstehen dagegen im 2. Fall dicht neben einander. Die $S. d. nimmt ihren Ursprung ohne Erweiterung von der hinteren Wand der absteigenden Portion des Bogens, 2 em unterhalb der 1. S. „Die S. d. verläuft unmittelbar nach ihrem Ursprung horizontal 1 cm lang nach hinten, krümmt sich dann nach oben und rechts, kreuzt die 1. Seite der Trach. und pflanzt sich sodaun zwischen Ösoph. und Wirbelsäule ein, welche sie quer in Höhe des 3. oder 4. Brustwirbels kreuzt. In der Mitte zeigte die S. d. auf der Vorderfläche wie auf der Hinterfläche eine sehr ausgesprochene Abplattung durch die Kompression zwischen Ösoph. und den Wirbelkörpern. Diese De- formation ist nicht genau beschränkt auf die komprimierte Stelle, zeigt jedoch hier ihr Maximum, um sich allmählich nach rechts und links auszugleichen.“ In dem einen der zwei Fälle hatte der N. laryng. inf. d. einen direkten Verlauf, im andern konnten die diesbezüglichen Verhältnisse nicht mehr festgestellt werden. Jacques giebt sodann noch eine entwickelungsgeschichtliche Er- klärung des Falles nach Krause (1876). 190.—191. L. Testut [Lyon] (1896, S. 956). Unter denjenigen Varietäten, bei welchen vier Stämme von der Aorta nach einander entspringen, ist eine der interessantesten diejenige, bei der die r. S. als letzte zur Linken von (©. d,C. s. u. $. s. von der Ao. abgeht. „Die eigentümlicbe Anomalie muss sehr selten sein: ich bin ihr nur einmal bei einem Erwachsenen von 40 Jahren begegnet; ein zweites Mal habe ich sie an einem Trockenpräparat (d&posee au musee de la facult&) beobachtet. In beiden Fällen kreuzte die S. d., um die Gegend der Scaleni zu erreichen, die Hinterfläche des Ösophagus.“ 192.--193. Adalbert Götz (1896, mit einer Abbildung). 1. Fall, S. 4. Von einem 24 jährigen an Lungentuberkulose ver- storbenen Jüngling. „Aus dem Aortenbogen geht rechts zunächst ein ganz kurzer ge- meinschaftlicher Stamm, ein Tr. bicar., hervor, der links von der Trach. gelegen sich unmittelbar darauf in die ©. ce. s. u.d. spaltet. Die Ü. s. steigt in gerader Richtung nach oben und ist 11 cm lang. Die C.d. (13,3 em lang) zieht in schräger Richtung aufwärts über die vordere Fläche der Trach. auf die r. Seite der Trach. Etwas weiter nach links, aber weiter nach hinten, dieht neben dem Tr. bicar., geht aus dem Aortenbogen die $. s. hervor, die sich in normaler Weise zu dem |. Arm begiebt. Sie ist vom Ursprung bis zum Durchtritt durch die Scaleni 6,3 cm lang. Dicht hinter ihr entspringt vom Bogen der Ao., und zwar von der hinteren Fläche desselben, die r. Subel. Es liegt dieser Gefüssstamm so, dass die beiden Subelaviae in einer und der- Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf, der Arteria subelavia dextra. 417 selben sagittalen Ebene zu finden sind. Die S. ist (wie diesin. gemessen) 8,8 cm lang; sie wendet sich unmittelbar nach ihrem Ursprunge aus dem Aortenbogen in starker Krümmung nach rechts oben und zieht leicht aufsteigend in fast querem Verlaufe zwischen Ösoph. und Wirbel- säule, dem 2. Brustwirbel anliegend, hindurch und begiebt sich dann in weiterem normalen Verlaufe zur r. Extremität. Die Astfolge dieser abnorm entspringenden S. d. zeigt geringe Abweichungen von der Norm, die Aufzählung der Abnormitäten aber bietet kein Interesse dar. An dem mir vorliegenden Präparate sind die Nerven nicht mehr erhalten. Soweit aber mir von Hrn. Prof. Dr. Zander die Mitteilung gemacht wurde, liessen sich während der Präparation Abweichungen vom gewöhnlichen Verlaufe der Nerven nicht feststellen. Der N. vagus stieg wie gewöhnlich an der vorderen Fläche der S. d. herab, und der ramus laryng. inf. wandte sich um die Arterie nach hinten aufwärts.“ — „Schlingbeschwerden sind, soweit dies ermittelt werden konnte, wäh- rend des Lebens nicht aufgetreten.“ 2. Fall (mit Abbildung), von einer 75jährigen, an Altersschwäche verstorbenen, weiblichen Person. Aus dem Aortenbogen gehen vom horizontalen Abschnitt neben einander vier Äste ab, zuerst vor der 1. Hälfte der Trach. die €. d. (bis zur Teilungsstelle 15,8 cm lang). Auf sie folgt die l. C. (14,1 cm lang). Unmittelbar neben ihr, aber etwas höher, entspringt von der Konvexität des Bogens die S. s., welche in gewöhnlicher Weise zum Arm hinzieht. Alle drei Arterien liegen entsprechend dem schräge nach hinten und links gerichteten Verlaufe des Aortenbogens in einer schrägen Ebene. Nach der l. S., und zwar noch am horizontalen Ab- schnitt, finden wir an der hinteren Fläche des Bogens und oberhalb des an der unteren Wand des Arc. inserierenden Duct. Bot. den Ur- sprung der S. d. Dieser liegt mit dem der l. in einer sagittalen Ebene. Die S. d. (welche nach der Zeichnung eine deutliche kolbige Anschwellung in ihrem Anfang aufweist) zieht gleich nach ihrem Ur- sprung in querem Verlaufe zwischen Wirbelsäule und Ösoph., dem 4. Brustwirbel anliegend, auf die r. Seite hinüber, verläuft dann rechts von der Trach. und neben ihr nach aufwärts bis zum unteren Rande der Glandula thyreoidea und wendet sich dann in leichtem Bogen nach rechts zur gleichnamigen Extremität. Der Verlauf der r. Subel. ist ein S-förmiger zu nennen. Die dextra ist 8,6 cm, die sinistra 6,4 cm lang. — „Die Beziehungen des N. vagus und seines nach oben zurück- kehrenden, den Gefässstamm schlingenförmig umfassenden Astes, des N. laryng. inf, zur S. d. waren rechts die gewöhnlichen. Auf der l. Seite aber ist der Verlauf des N. laryng. inf. ein sehr auffallender. Der N. vagus zieht in gewöhnlicher Weise an der Vorderfläche des Aortenbogens herab. Am unteren konkaven Rand des Bogens löst sich der ramus laryng. inf. vom N. vag. ab, um nach hinten zurück- zukehren, biegt aber nun nicht, wie es zu erwarten wäre, hinter dem Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd, H. 3.) 28 418 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Abgang der S. d. um die Ao., d. h. hinter allen vier Gefässen, sondern vor der Arteria S.d., so dass der Nerv zwischen S. d. u. s. den Aorten- bogen umfasst und an der vorderen Fläche der r. S. erscheint. Wir haben also hier das auffallende Verhalten, dass der 1. N. laryng. inf. vor der r. $. aufwärts steigt. Wenn man diese Beschreibung liest oder hört, so sollte man dies ganz für unmöglich halten. Aber die Er- klärung liegt in der vorher gegebenen Beschreibung. Es ist diese Thatsache, dass der N. laryng. inf. sich zwischen den beiden Abgangs- stellen der Arteriae subelaviae nach oben begiebt, und soweit vor der r. S. hinaufsteigt, soweit meine Kenntnis reicht, bisher nicht beschrieben worden. — Ob Dysph. bei Lebzeiten der Kranken aufgetreten ist, darüber konnte nichts Bestimmtes ermittelt werden.“ — „Nach einer Mitteilung von Hrn. Geheimrat Stieda ist der abnorme Ursprung der S. d. von ihm in Königsberg bei einem jährlichen Turnus von ca. 25 Gefässpräparationen innerhalb 10 Jahren nur in diesen beiden Fällen zur Beobachtung gelangt, woraus sich eine ungefähre Frequenz von 0,8°/o ergiebt.“ Götz geht des weiteren auf einige Litteratur, sodann auf Dysph. lus. und Linkshändigkeit ein. 2. Beobachtungen an Tieren (2 Fälle). 194. J. F. Meckel (in G. Cuvier 1810, S. 699) von einem Igel. „Merkwürdig ist es übrigens, dass mit dem menschlichen Typus auch die beim Menschen vorkommenden Abweichungen einzutreten scheinen; wenigstens habe ich unter sechs Igeln '), die ich- untersuchte, bei einem die merkwürdige Varietät gefunden, wo sie, unter der linken entsprungen, hinter der Speiseröhre weg zu der r. vorderen Extremität gelangt“ etc. 195. W. Ramsay Smith (1891) von einem Kaninchen?). Auch referiert in: Bericht über Anatomie und Entwickelungsgeschichte 1891, S. 244. Cd, ©. s,S.s u. $. d. kommen alle gesondert aus dem Aortenbogen, zuerst an der r. Seite der Trach. die C. d, au der |. die ©. s., weiter abwärts in einiger Entfernung entspringt die S. s. u. neben ihr und etwas unterhalb von der Hinterfläche des Arc., da, wo derselbe in die Ao. desc. übergeht, die S. d., welche quer hinter Ösoph. u. Trach. verläuft. Nachdem sie die 1. Rippe überschritten hat, nimmt sie ihren gewöhnlichen Verlauf an. Die Astfolge und Ver- teilung entspricht der Norm. ı) Für gewöhnlich entspringen beim Igel 2 A. anonym., die eine für S.d. u. ©. d., die andere für ©. s. und S. s. (nach Arnold 1847, S. 444). 2) Der Arcus ao. des Kaninchens giebt gewöhnlich 2 Stämme ab, einen für S. d., ©. d. u. ©. s., der andere ist die S. s. (nach Arnold, S. 444). Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra 419 B. Eigene Beobachtungen. (Fälle 196—200.) 196. Der erste, mir selbst im Jahre 1895 zur Untersuchung über- gebene, auf Taf. XXX/XXXI, Fig. I abgebildete Fall kam im Winter- semester 1895/96 auf dem Tübinger Präpariersaale zur Beobachtung und betraf einen am 28. Februar 1895 nach mehrwöchentlicher Behandlung im Katharinenhospital zu Stuttgart an Phlebektasien und Phrhisis pul- monum verstorbenen 23 jährigen Arbeiter. Die Leiche war zu Zwecken der Gefässpräparation mit rotem Wachs injiziert und in Spiritus konser- viert worden. Sie kam im November 1895 zur Verarbeitung und war, als die Anomalie entdeckt wurde, von den Präparanten schon zu eingreifend durchgearbeitet, als dass die Beziehungen zur Umgebung und besonders das Verhalten der Nerven im Detail noch in ganz zu- verlässiger Weise hätten festgestellt werden können. Was bei der Betrachtung des Präparates zunächst auffällt, ist die ausgesprochene Linkslage der Ao. asc. Die Ao. geht zunächst ein Stück weit senkrecht, von der Bifurkation der Trach. an etwas nach aussen und links bis zum 4. Brustwirbel in die Höhe, wo sie in einem leichten Bogen nach rechts dem 1. Rande der Wirbelsäule sich zu- wendet, sich in der Höhe des Lig. intervertebrale des 4. u. 5. Brust- wirbels an dieselbe anlehnt und normal an der 1. Seite sich weiter in die Brust hinab begiebt. Ein eigentlicher Bogen ist nicht vorhanden, die Ao, ist spitzwinklig, hakenförmig gekrümmt und weist im absteigenden Teile kurz unterhalb der Knickung eine 3,5 em lange spindelförmige Erweiterung auf. Vom Arc. entspringen Tr. bicar., S. s. u. S. d. Der Tr. bicar. geht noch aus dem aufsteigenden Teil der. Ao., 7,5 cm oberhalb der A. coronaria cordis d. hervor, hat 14 mm im Durchmesser und zer- fällt nach 13,5 mm in die beiden Carotides comm., Die 8 mm dicke C. d. steigt schräg rückwärts nach oben und rechts, kreuzt die Trach. auf diesem Wege in einer Länge von 4,2 cm und spaltet sich 5 mm oberhalb des Körpers des Zungenbeins in ext. und. int, wobei die ext. gewissermassen die Fortsetzung der ©. comm. darstellt und die int. in einem nach hinten konvexen Bogen aufsteigt. Die ©. int. zeigt an ihrem Anfangsstück eine nicht eben beträchtliche spindelförmige Anschwellung. In derselben Ebene, wie der aufsteigende Ast des Aortenbogens, und somit in dessen eigentlicher Verlängerung, zieht die 8,5 mm starke C. s. an der 1. Seite der Trach. in gerader Richtung empor und teilt sich in gleicher Höhe und in gleicher Weise wie die rechte. Die C. d. ist vom Ursprung aus dem Trune. bis zur Teilungsstelle 17 em, die linke 15,8 cm lang. 98* 420 GOTTHOLD HOLZAPFEL, 1,6 cm oberhalb des Tr. bicar. entsteht, wie dieser am oberen Rande des Bogens, an der Stelle, wo die Ao. sich der Wirbelsäule zu- wendet, die S. s. von 9 mm Durchmesser. Ihr Ursprungspunkt ist unter denen der drei Stämme der höchste. Sie liegt sagittal hinter der C. s. und steigt anfangs fast senkrecht, jedoch mit einer geringen Neigung nach hinten und links, in die Höhe. An dem Knie, mit welchem die Ao. von dem kurzen horizon- talen medianwärts gerichteten Verlauf senkrecht nach unten umbiegt, geht, 6 mm unterhalb der S. s., dem 4. Brustwirbel gegenüber, aus der medialen und oberen Wand der Ao. die S. d. mit einem Durch- messer von 11 mm hervor und schlägt sofort ihre Richtung schräg nach rechts und aufwärts ein. Das Gefäss als solches kommt dadurch in annähernd rechtwinklige Stellung zu dem erwähnten kurzen hori- zontalen Stück der Ao. Es verschwindet hinter dem Ösoph., schlängelt sich wie ein flaches umgekehrtes (römisches) S hinter denselben steil und schräg nach oben und rechts und kreuzt auf diesem Wege die Wirbelsäule vom 3. Brustwirbel zur unteren Hälfte des 1. Brustwirbels. Die Arterie zeigt an ihrem Ursprung den üblichen Arterienursprungs- kegel mit einer geringfügigen für das Auge kaum auffallenden konischen Erweiterung; sie sinkt bald auf eylindrisches Kaliber (von 9 mm Durch- messer) herab und behält dieses be. Am r. Rand des Ösoph. ange- langt zieht sie zur Skalenuslücke weiter und verliert sich vollends in den Arm. Die $. d. ist von ihrem Ursprung bis zum Durchtritt durch die Skalenuslücke 11 cm, die sin. 6!/a em lang. Beide Subelaviae ver- zweigen sich normal. Die Vertebr. tritt beiderseits in das For. transv. des 6. Halswirbels ein. Der 3 em lange, zum Ligament gewordene Duct. Botalli ent- springt von dem oberen Rand des linken Astes der A. pulmon. und pflanzt sich unten und vorne am konkaven Rande des Arc. im Beginn der absteigenden Aorta gegenüber dem Ursprung der S. d. ein. Die Venenverhältnisse sind rechts wie links normal. Der N. vag. d. verläuft am hintern Rande der C. und giebt in Höhe des 6. Halswirbels den laryng. inf. direkt ab, welcher, ohne eine Spur von Schlinge zu bilden, hinter der C. d. in den Kehlkopf geht; der Vag. selbst zieht vor der S. d. zur Brust herab und verläuft im übrigen normal. Feinere Nervenästchen waren in dieser Gegend nicht mehr aufzufinden, da dieselbe schon durchpräpariert war. Der N. vag. sin. verläuft, wie gewöhnlich, vor dem Aortenbogen nach abwärts und giebt hier den N. laryng. inf. ab, welcher sich dicht unterhalb der Einpflanzungsstelle des Duet. Bot. um die Ao. schlingt und hinter derselben vor der nach rechts verlaufenden S. d. in der Rinne zwischen Trach. und Ösoph. zur 1. Kehlkopfseite zieht. Der N. laryng. d. ist 2!/2 em, der linke 13!/2 em lang. Der r. Sympath. bildet eine einfache Schlinge um die S. d., dicht vor Abgang der V. d. aus derselben. Der linke Symp. setzt sich aus zwei gesondert beginnenden Nervensträngen zusammen. Der Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 421 hintere Strang beginnt mit dem Ganglion sup., weist in Höhe des 6. Halswirbels ein Gangl. med. auf, welches Nervenfasern vom 5. Spinal- nerven erhält, nimmt sodann Fasern vom 6. Spinalnerven auf, bildet am unteren Ganglion eine Schlinge sowohl um die Vert. sin. wie um die S., und zwar nach Abgang der Vert., und setzt sich so- dann in den Brustteil fort. Der vordere Strang kommt am oberen und hinteren Rande des Kehlkopfes durch Zusammentritt zweier Nerven- stämmchen zu stande, tritt viermal mit dem hinteren Strang — in der 2. Anastomose mit dem Gangl. med., in der 4. mit dem Gangl. inf. — in Beziehung, giebt einige Nervenfasern nach vcrn zum N. recurr. sin. und zieht mit dem vom Gangl. inf. kommenden Nervenstrang vereinigt als Ramus cardiacus mit den Gefässen nach abwärts. Der N. phrenicus ist auf beiden Seiten normal. Der Ductus thoracieus ist nicht mehr aufzufinden. Die Luftröhre ist ungewöhnlich breit; sie zeigt (wohl ähnlich wie in den Fällen Bankart 1869 und Brenner, Fall 3) eine eigentümliche Abplat- tung. ©. d. und S. d. konvergieren etwas an der r. Seite, doch scheint selbst bei vollem Ösoph. Raum genug vorhanden gewesen zu sein, da zwischen S. d. und der nach rechts wandernden C. d. eine Distanz von 2,5 em vorhanden gewesen sein dürfte. Der Ösoph. selbst weist keinerlei Veränderungen auf, auch nicht in der Gegend der Kreuzungsstelle. Das Präparat zeigt eine ausgesprochene physiologische Skoliose nach rechts. Dieselbe beginnt mit dem 4. Brustwirbel und geht mit dem oberen Rande des 9. zu Ende. Diese Krümmung erscheint für das Auge noch bedeutender durch die Abflachung, welche die Wirbelkörper an ihrem ]. Rande durch die Lage der Ao. auf ihnen erfahren. Legt man einen Stab an die Wirbelsäule, so bemerkt man an der |. Seite eine deutliche, allein nicht bedeutende Einsenkung und an der r. Seite der Wirbel eine kleine Erhöhung. Bei Ausführung der Tracheotomia inf. wäre eine Gefährdung der C. d. wegen ihres schrägen steilen Verlaufes zu befürchten gewesen. Nach meinen im Hospital und in der Heimat bei den Ange- hörigen über den Patienten gemachten Erhebungen hatte derselbe nie über Schlingbeschwerden sich geäussert und war Rechtshänder ge- wesen. Das Präparat wurde der anatom. Sammlung einverleibt. 197. 2. Fall, von einer 46jährigen weiblichen Person. Der Fall stammt aus der von Prof. v. Liebermeister ge- leiteten mediz. Klinik in Tübingen, wo Patientin mehrmals wegen aneurysmatischer Erweiterung der Ao. Kurzatmigkeit und Pleuritis behandelt wurde. Sie verstarb daselbst am 5. Juni 1896. Durch die Güte des Herrn Prof. v. Liebermeister und des Direktors des pathol. Instituts, Herrn Prof. v. Baumgarten, wurde mir der Fall zur Präparation überlassen und erlaube ich mir, meinen beiden ver- 422 GOTTHOLD HOLZAPFEL, ehrten Lehrern hiefür an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Das in Spiritus konservierte Präparat ist nicht mehr in Situs und nicht injiziert. Die Beziehungen der Ao. und ihrer Äste zur Thorax- wand und zum Duct. thor. sind nicht mehr festzustellen. Vom Aortenbogen entspringen vier Stämme, ein Tr. anon. für van. .€C: d, sodann’ 'C. 8,8. 5.:W.8..dsr.Die O.d. 1t bedeutend weiter als die C. s,, sie ist arteriosklerotisch verändert und teilt sich in Höhe des Zungenbeins in ext. u. int. Sie giebt 3,2 em nach ihrem Ursprung aus der Ao. an ihrer äusseren Seite die V. d. ab, welche lateral vom Vag. in ein Gangliengeflecht eingebettet ist. Die l. Car. entspringt dicht neben der r., teilt sich schon in Höhe des oberen Randes des Schildknorpels und weist nichts Besonderes auf. Weiter oben am Arc., jedoch noch unterhalb des Gipfels, nimmt die linke Subel., 6 mm oberhalb der ©. s., ihren Ursprung. Sie hat unter den 4 Arterien den höchsten Ursprungspunkt. 8 mm weiter abwärts und ca. 3 mm unterhalb des Gipfels des Are. entspringt in der Umbiegungsstelle von der Hinterwand mit deutlich ausgesprochenem Ursprungskegel ohne Erweiterung die an ihrer Basis wenig arteriosklerotisch veränderte Subel. dextra. Sie verläuft am l. Rand von Trach. und Ösoph. zuerst senkrecht zur Ao. nach oben und hinten, biegt hinter den Ösoph. um und verläuft in einem leicht geschlängelten umgekehrten S nach rechts. Der Duct. Bot. ist obliteriert; er entspringt vom ]. Pulmonalast, ist 2,6 em lang und inseriert in Höhe der S. s. am untern Rande des Arc. €. d,€.s. u. 8. s. entspringen alle am oberen Rande des Arc. Die Ao. ist spitzwinklig geknickt, vom Anfang an bis in die Ao. thor. hinab aneurysmatisch erweitert. Die beiden Subel. haben anscheinend gleiche Lumina. Der 1. Ventrikel zeigt Dilatation und Hypertrophie; die Aortenklappen sind insuffizient, Der r. Vagus schickt, soweit der Zustand des Präparates die Ver- hältnisse festzustellen gestattete, um die r. Vert. eine dünne Schlinge, welche den N. laryng. inf. d. darstellt; dieser ist 6 em lang. Von der Abzweigungsstelle des N. laryng. inf. an gehen strahlenförmig vom Vag. Zweige ab, von denen einer nach vorn die Vertebr. entlang verläuft und mit einem Ast des Sympath. in Verbindung tritt, während die übrigen Ästehen zu Trach. und Ösoph. ziehen. Der Hauptstamm des Vag. giebt weiterhin noch Ästchen zum hinteren Lungengeflecht und verliert sich vor der $. d. nach abwärts in die Brust. Linkerseits bildet der Vag. seine Schlinge wie gewöhnlich um die Aorta. Der N. laryng. inf. sin. geht am unteren Rand des Arc. vom Vag. ab und schlingt sich medial von diesem und lateral (unterhalb) von der Insertion des obliterierten Duct. Bot. um die Ao. Er zieht vor der S. d. nach hinten und oben, zwischen C. s. u. $. s. sichtbar, und in dem Zwischenraum zwischen Ösoph. und Trach. weiter zum Kehlkopf; er ist 13 cm lang. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra, 423 & 5 Der N. sympathicus bildet beiderseits eine Schlinge um die Subel. Der rechte Symp. weist ein Ganglion med. auf. Nervenfäden, welche von diesem ausgehen, bilden mit dem nach hinten gelegenen Ganglion einen Ring um die A. vert.; sie ziehen zu einem Stamm vereinigt nach vorn, der Vert. entlang, und abwärts, vereinigen sich mit dem oben er- wähnten Ast des Vag. und ziehen den Gefässen entlang zum Herzen. Die Schilddrüse ist gleichmässig vergrössert. Der Ösoph. zeigt eine leichte Delle an der Stelle der Kreuzung mit der S. d., ist jedoch nicht verändert. Nach den eingeholten Erkundigungen war das Individuum rechts- händig gewesen und hatte, worauf unter anderen geachtet worden war, und was nicht uninteressant ist, keine Schlingbeschwerden gehabt. Der r. Radialpuls war bis ein Monat vor erfolgtem Tode stärker als der linke gewesen; von da ab war der 1. der stärkere. In der Sammlung des anatom. Instituts in Tübingen fand ich noch folgende drei noch nicht publizierte!) Fälle vor, über welche leider nähere Notizen fehlen: 198. 3. Fall. Nicht injiciertes Spirituspräparat von einem ca. 1jährigen Kinde Hals- und Brustwirbelsäule mit hinterer Thorax- wand. Arcus aortae mit den Hauptstämmen und dem Sympathieus- strang beider Seiten. Vier Äste gehen aus dem Arc. ao. hervor: C. d., ©. s, 8. s. u. S. d. Die beiden Carotiden von gleichem Kaliber entspringen dicht neben einander; die r. ©. beschreibt einen Bogen nach rechts vorn und oben. Die linksseitige Ö. steigt vom Gipfel des Arc. in Fort- setzung der Richtung der Ao. asc. empor und bedeckt teilweise die S. s., welche in einer Entfernung von 3 mm abgeht und schräg nach aussen und oben verläuft. Die S. d. entspringt gleich nach der S. s. ohne sichtliche Erweiterung mit gleichem Kaliber wie die S. s. dicht unterhalb der Umbiegungsstelle von der medialen Wand des Arc., dem 3. Brustwirbel gegenüber, da, wo der Arc. sich an die Wirbelsäule anlehnt und verläuft in gerader Richtung schräg nach oben und rechts über die Wirbelsäule, an welche sie durch Bindegewebe angeheftet ist. Die Arterie ist somit hinter dem Ösoph. verlaufen. Sie kreuzt während dieses Verlaufes den 1, u. 2. Brustwirbel, um nach Abgabe der A. vertebr. in einem leichten Bogen durch die Skalenuslücke über die 1. Rippe sich in den r. Arm fortzusetzen. Von den Ästen der grossen Stämme sind nur die A. vertebrales erhalten; die Vert. s. wird von der l. S. abgegeben; die Vert. tritt auf beiden Seiten in das For. transvers. des 6. Halswirbels ein. Die rechte ist bis zu diesem Punkte 8 mm, die linke 15 mm lang. 1) Die von Autenrieth und Pfleiderer publizierten Fälle von der Tübinger Anatomie sind anscheinend nicht aufbewahrt worden. 424 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Der r. Sympathieusstrang ist zwischen dem oberen und unteren Ganglion in zwei gleich starke Stränge gespalten; der vordere ist leider durchtrennt, doch dürfte in dem unteren Winkel dieser beiden Stränge die S. d. sich eingehängt haben. In den hinteren Nerven- strang ist ein Gangl. med. eingeschaltet, welches Nervenfasern vom 6. Spinalnerven erhält. Das obere Ganglion bezieht einen Nerven- strang vom 3. Spinalnerven. Der linke Sympath. bildet seine Ansa in der üblichen Weise um die S. sinistra. 199. 4. Fall. Präparat Nr. VI, 53. Arcus aortae u. Aorta desc. thor. mit einem Stück der Hals- und Brustwirbelsäule, injiziert und getrocknet. Auf Taf. XXX/XXXI, Fig. 2 abgebildet. Der Arc. liegt wie im 1. Fall mehr auf der 1. Seite. Auffallend ist auch hier, wie der quere Abschnitt des Arc. in einem leichten Bogen sich der Wirbelsäule nähert, um sozusagen vor derselben in zwei starke Stämme sich gabelförmig zu teilen, von denen der eine, die Ao. dese, an der 1. Seite der Brustwirbel nach abwärts zieht, während der andere, die erweiterte S. d., schräg über die oberen Brust- wirbel nach oben zu verläuft. Drei Stämme kommen am Arc. zum Vorschein: Tr. bicar., 8. s. u. 8. d. Der Tr. bicar. (13 mm Durch- messer) ist nur 8 mm lang. Die €. d. (11 mm) zieht in einem nach vorn konvexen Bogen zur r. Seite, die ©. s. (10 mm) in einem leichten Bogen medialwärts. 9 mm nach dem tr. bicar. entsteht die S. s. (11 mm). Die $. d. entspringt in kurzer Entfernung von letzterer, von der medialen Wand des Bogens unterhalb der Umbiegungsstelle der Ao., bevor diese die Wirbelsäule erreicht, der oberen Hälfte des 4. Brustwirbels gegenüber. Sie ist bedeutend weiter als die linke und behält ihr im allgemeinen konisches Kaliber bis an die r. Seite der Halswirbelsäule bei. Die Arterie besitzt am Ursprung einen Durch- messer von 23 mm, verjüngt sich allmählich auf 12 mm bis an die Umbiegungsstelle in den horizontalen Verlauf und nimmt von da ab eylindrisches Kaliber (11 mm) an; die Länge der Erweiterung beträgt 8,2 cm. Das Gefäss liegt der Wirbelsäule dicht an; sie dürfte daher hinter dem Ösoph. verlaufen sein. Sie steigt steil nach rechts auf- wärts und kreuzt hiebei die obersten vier Brustwirbel. In ihrem Ver- lauf beschreibt sie ein längliches umgekehrtes (röm.) S. An der r. Seite der Wirbelsäule angelangt verläuft sie quer nach rechts und senkt sich sodann wieder zur 1. Rippe hin. C. d. u. S. d. konver- gieren an der r. Seite, wieim 1. Falle. Die Distanz zwischen S. d. u. C. d. in der Medianebene und somit der Raum für Trach. u. Ösoph. beträgt nur 1!/g cm. Bemerkenswert ist die deutliche Ausbiegung der Car. d. nach vorne. Die A. vertebr. wird rechts wie links von der S. abgegeben. Beide treten in den Querfortsatz des 6. Halswirbels ein. 200. 5. Fall. Präparat Nr. VI, 49. Kehlkopf und Trachea; Ösophagus, Aortenbogen mit Aorta thor. Getrocknetes Präparat. Ge- Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 425 fässe und Ösoph. sind mit rotem Wachs injiziert. Hiezu Tafel XXX/XXXL, Fig. 3. Von dem flachen Bogen kommen drei Stämme: Tr. bicar., S. s. u. 8. d. DerTr. bicar. zerfällt nach 10 mm in ©. d. (8 mm Durch- messer) u. ©. s. (8 mm). In einer Entfernung von 4 mm entspringt die $S. s. (9 mm) und gleich nach ihr noch am queren Abschnitte des Bogens, kurz vor der Umbiegungsstelle und senkrecht zur Ao., mit einer trichterförmigen Erweiterung, von der oberen und hinteren Wand die Subel. dextra. Die Arterie hat an der Basis einen Durch- messer von 17 mm; sie verläuft zunächst in horizontaler Ebene an der 1. Seite von Trach. u. Ösoph. nach hinten, biegt nach 15 mm hinter den Ösoph. um, hat hier noch einen Durchmesser von 11'/2 mm, steigt schräg hinter dem Ösoph. nach rechts aufwärts und senkt sich wieder, nachdem sie den r. Rand des Ösoph. erreicht hat. Bis vor Abgabe des 1. Astes hat sie sich auf 9 mm Durchmesser verjüngt. Die Knickung des Arc. ist annähernd rechtwinklig. Kurz nach der Abgabe der S. d. weist der Arc. einen deutlichen Isthmus auf und an der Ao. desc. findet sich eine spindelförmige Erweiterung. Der offenbar nachträglich mit rotem Wachs gefüllte Ösoph. hat sich an der Stelle der Kreuzung mit der $. d. nicht vollständig ent- falten lassen und zeigt 1!/g cm unterhalb dieser Stelle eine beträcht- liche pathologische Verengerung. C. Verzeichnis referierender Autoren. Diese Anomalie der Arteria subclavia dextra wird wegen ihrer relativen Häufigkeit in den meisten ausführlichen Lehr- büchern sowie in vielen kleineren Abhandlungen erwähnt, näm- lich von: Haller (1743; 1760; 1779).!) Erdmann (1772, $ XIII, S. 43). Neubauer (1786, S. 304). Sömmering (1792; 1841). Voigtel (1804). Burns (1809). Barcley (1812). Meckel (1815). JE. Meckel (1817). Bayer (1817). Kunze (1819). Münz (1821). Schön (1823). v. Bierkowski (1825). Hempel (1827). Ol- dach (1829). Hildebrandt (1831). Schönlein (1832). Vel- 1) Auch hier dient die dem Namen des Autors folgende Jahreszahl zu- gleich als Verweisungszahl auf das chronologische Litteraturverzeichnis am Schlusse der Abhandlung. 426 GOTTHOLD HOLZAPFEL, peau (1832). Frenzel (1835, S. 10). Lauth (1836). Siebold (1837). Rendu (1842). Arnold (1847, S. 444 u. 445). Bourgery et Jacob (1851: mehrere schematisierte Kopien nach Tiedemann). Senftleben (1854). Luschka (1862). *Förster (1863). Bar- kow (1869, S. XXIII u. XXIV der Vorrede),. Rindfleisch (1871). Quain’s Lehrbuch (1872). Rüdinger (1875). W. Krause (1876, S.229u. 230; Fig. 114,115, 116). Bardeleben (1879). W. Krause (1880). Tillaux (1887). Hyrtl (1889, S. 1029). Rauber (1893). Quain’s Elements (1894). Gegenbaur (1896). Testut (1896). Diese Autoren erwähnen zum Teil nur im allgemeinen den ab- normen Ursprung und Verlauf der Subel. d., zum Teil beschreiben sie im Anschluss an einzelne ihnen bekannte Litteraturfälle genauer noch Zahl und Reihenfolge der grossen Stämme am Aortenbogen, zum Teil berühren sie auch noch die Fragen der Dysphagia lusoria und der Linkshändigkeit. Alle diese Besprechungen sind im wesentlichen referierender Natur und kommen deshalb für unsere Aufgabe weniger in Betracht. D. Verzeichnis der dem Verfasser nicht zugäng- lich gewordenen Publikationen. In nachfolgendem Verzeichnis sind diejenigen Publikationen zusammengestellt, welche mit einiger Wahrscheinlichkeit Fälle von abnormem Ursprung und Verlauf der A. subl. dextra ent- halten, mir jedoch nicht zugänglich gewesen sind: Obet, — Bulletin des sciences mödicales, röd. par Graperon. Tome II, 1808, S. 65 sq. (nach Otto, 1830, S. 306 — vermutlich jedoch eine Verwechselung mit einem Fall von abnorm verlaufender Subel. sin. —). Heinrich Callisen, System der Chirurgie, übersetzt von Karl Peter Callisen. 1824, Tom. IV, S. 648. John Godman, Anatomical investigations. Philadelphia 1824. (G. wird flüchtig erwähnt von Hopkinson (1830) u. Velpeau (1832). Lancet, London 1830, I, S. 247. Robert, Sur les vari6tes anatomiques. Le Journal des progres des sciences et institutions m&dicales: in einem der Jahrgänge vor Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra, 427 1832. (Kurz erwähnt von Velpeau 1832, S. 234, ferner von Dubrueil 1837, S. 564 u. von Demarquay, Gazette med. 1848, S. 715). Vidal, Anomalie de la erosse de l’aorte. in: Journal univ. et hebd. de medieine et de chirurgie - pratiques et des institutions medi- cales. Paris 1833, S. 162—164. Michaud et Anthoine, Anomalie dans le mode d’origine des branches de la crosse aortique. Journal des sciences m&dicales de Montpellier 1834, I, S. 177— 180. S. J. Stille, De cognitione aberrantium vasorum praeeipue arteriarum, exemplis notabilioribus, observatis illustrata. 8°. Lundae 1835. Ström, derselbe Titel wie Stille. 8° Lundae 1837. A. P. Hall, Arterial anomaly of branches of aortie arch. The Journal of medecine. New-Orleans 1870, XXIII, 483. L. Calori, Arterienanomalien. Rivista clinica di Bologna Nr. 6, Juni 1875. Beisco e Giuria, Varietä dei rami dell’ arco dell’ aorta. Ricerche anatomiche. Genova. Tip. della Gioventü 1886 con 3 tav. A. J. Tarensky, Drei Arten in praktischer Hinsicht wichtiger Verlaufsanomalien der Subelavia. Wratsch. Jahrgang 1888, Nr 19 (russisch). J. B. Deaver, Anomalies of the arch of the aorta. Univ. Med. Mag. Philadelphia. Vol. I, 1888—1889, S. 40. Escudero e Sloker, Anomalias de origen en las arterias. Ri- vista del Ateneo de Alumnos Internos. 1889, Nr. 1. N. Maliew, Verlegung und abnormer Verlauf der rechten Schlüsselbeinschlagader. Tomsk 1890, S. 1—5 mit zwei Tafeln. S.-A. aus den „Nachrichten der K. Universität Tomsk“ (russisch). F. C. Abbot, Specimen of left aortie arch with abnormal arrange- ment of the branches. Proceedings of the anatomical society of Great Britain and Ireland 1891, S. 15. P. de Chacon, Anomalia de la arterıa subelavia. Gac. med. Mexico 1892, T. XXVIIL, S. 442—446. Oddo, Anomalies de l’aorte. Marseille m&d. 1892. Annde XXIX, S. 735 — 748. 428 GOTTHOLD HOLZAPFEL, HN Berl. Zusammenfassende Übersicht.') 1. Zahl der Fälle und Publikationen. Die im I. Teil gegebene Zusammenstellung umfasst ungefähr 200 verschiedene Fälle von 97 Autoren, welche in 106 Publikationen beschrieben sind. 2. Geschlecht. Das Geschlecht ist in 55 Fällen angegeben; es fallen 30 Fälle auf das männliche, 25 Fälle auf das weibliche Geschlecht. Das Überwiegen des weiblichen Geschlechtes in der Frequenz der Varietät, welches Autenrieth und Pfleiderer sowie Mears herausgerechnet haben, findet sich somit nicht be- stätigt; man wird vielmehr sagen müssen, dass die Varietät bei beiden Geschlechtern ungefähr gleich häufig ist. 3. Allgemeine Körperbeschaffenheit. Die Anomalie tritt in der Regel bei normaler Körperbildung auf; nur in wenigen Fällen bei angeborenen Missbildungen: Missgeburt (Brent); Doppelmissgeburt (Meckel 1816; Mayer); Fötus mit Hasenscharte (Tiedemann 1822). Monströser Fötus mit Ektopie des Herzens und der Bauchein- geweide und abnormer Endigung der Aorta in eine A. umbilicalis (Sandifort 1772). 1) In diesem Teil sind die Belege durch Angabe des Autors gegeben, die Jahreszahlen bei nur einmaliger Publikation aus Raumersparnis weggelassen. Dieselben können im alphabetischen Autorenregister am Schluss der Abhand- lung, S. 520, nachgesehen und hierdurch auch die gewonnenen Resultate mit den Öriginalreferaten im I. Teil verglichen werden. Die Reihenfolge angeführter Autorennamen ist die chronologische. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 429 Ektopie des Herzens; nur ein Atrium und zwei durch ein weites Loch verbundene Ventrikel; lange Aorta ascend.; Verlauf des Arcus hinter dem Ösoph.; Venae pulmonales und jugulares und V. cava inf. ergiessen ihr Blut in das einzige Atrium; A. pulmonalis undurch- gängig am Herzen [das Blut gelangt in dieselbe durch den Duct. Botalli] (Cerutti). Ein Atrium und ein Ventrikel; Venae pulmonales münden in das Atrium; A. pulmon. wird von der Aorta abgegeben; ein sich in A. eoronaria cordis dextra und sin. spaltender Ast entspringt von der Car. dext.; keine Ostien für die A. coronariae am Ursprung der Aorta (Mayer). Foramen ovale offen: bei einem 20jährigen Jüngling (Otto 1816). 4. Lage des Arcus aortae und der grossen Gefässe. Der Arcus aortae verläuft in der Regel über den linken Bronchus; in 2 Fällen (Cerutti? und Uruveilhier 1831) hinter dem Ösophagus. In einzelnen Fällen, wie in den in Fig. 1 und 2 unserer Tafeln abgebildeten, liegt der Arcus und hauptsächlich die Ao. ascend. fast ganz auf der linken Seite von Trach. und Ösoph. Die linke Car. steigt in diesem Falle gleichsam in Verlängerung der Ao. ascend. unmittelbar senkrecht in die Höhe, während die Car. d. in einem (nicht selten nach vorn konvexen) Bogen in schräger Richtung der rechten Seite zustrebt. Um nun den linken Rand der Wirbelsäule zu erreichen, biegt in diesen Fällen die Ao. im queren Abschnitt medialwärts um und legt sich an die Wirbelkörper an (Erdmann-Neubauer. Pohl. Monro. Quain, Fall 2. Tiedemann 1846, Fall 3. Faure. Holzapfel, Fall 1 und 4). In diesen, sowie in einigen anderen Fällen zeigt der Arcus eine weitere Anomalie seines Verlaufes, indem er sehr steil auf- steigt und spitzwinklig umbiegt; der absteigende Abschnitt weist die von Stahel (1886) beschriebene und erklärte Aortenspindel auf (Murray. Barkow 1866. Krause. Holzapfel, Fall I u. 5). Der Arcus ist rechtwinklig geknickt (Koberwein. Holz- apfel, Fall 5). 430 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Was die sonstige Form- und Lageverhältnisse des Bogens der Aorta anbetrifft, so bietet derselbe, soweit dies aus den Be- schreibungen oder aus den Abbildungen hervorgeht, denselben Formenreichtum betreffs seiner Gestalt, seines Verlaufes und der Entfernungen der einzelnen von ihm ausgehenden grossen Gefässstämme wie der normale Arcus. Der Arcus zeigt in einzelnen Fällen bis in die Ao. descend. eine Erweiterung; Ludwig hält sie in seinem Fall für normal; in den Fällen Hopkinson, Frandsen, Brown, Holzapfel, Fall 2 war sie zweifellos pathologisch. Die grossen Gefässstämme entspringen zum Teil dieht oder nahe neben einander, in einzelnen Fällen finden sich zwischen den einzelnen Arterien nicht unbeträchtliche Entfernungen. Der Trune. bicar. nimmt häufig die Stelle des Tr. brachiocephalicus (so im Falle Hart), die Subel. sin. den Platz der Car. sin. ein und nicht selten (so im Fall Cavasse) ersetzt die rechte Subel. die weiter herzwärts gerückte Subel. sinistra. Die Subel. sin. entspringt sehr tief, an der Übergangsstelle des Bogens in die Ao. descend. (Sandifort 1772. Stachel- roth, Fall). 5. Verlauf der Aorta thoracica. Der Verlauf der Aorta thoracica an der Brustwirbelsäule ist von den wenigsten Autoren besonders erwähnt; es dürfte daher anzunehmen sein, dass sie in den meisten Fällen ihre gewöhnliche Lage an der linken Seite der Brustwirbelkörper einnahm, was unter anderem von Koberwein und Hesselbach (in F. 2) ausdrücklich an- gegeben wird. 6. Zahl, Reihenfolge und Teilung der grossen Stämme. Die Aorta giebt bis zum Ursprung der abnormen Arterie, einschliesslich dieser, 2 bis 5 Stämme ab, deren genaue Reihenfolge in 125 Fällen angegeben ist. Ob die Subel. d. am Arcus oder an der Aorta thor. ent- sprang, ist in 112 Fällen bekannt. Sie nimmt ihren Ursprung Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 431 in 95 Fällen (850) am Bogen der Aorta oder an der Über- gangsstelle zur Aorta thoracica, in 17 Fällen (15 °/o) ist sie ein Ast der Aorta thoracica. Die Zahl der Stämme ist in 133 Fällen bekannt. Es finden sich am häufigsten 4 Stämme (78 Fälle) und 3 Stämme (39 Fälle), seltener 5 Stämme (15 Fälle) und 2 Stämme (1 F all) vor. Hinsichtlich der Anordnung kommen folgende durch Fig. 1—10 erläuterte Typen vor: 1. Tr. biearoticus, Tr. anonymus: 1 Fall. . Tr. bicar., Subelavia sinistra, Subelavia dextra: 38 Fälle. - Carotis dextra., Tr. anonym., Subel. sin.: 1 Fall. Tr. anonym., Car. sin., Subel. sin., Subel. dext.: 7 Fälle. Car. dextr., Car. sin., Subel. sin., Subel. dextr.: 62 Fälle. . Car. sin., Car. dext., Subel. sin., Subel. dext.: 1 Fall. 7. Tr. bicar., Vertebralis sin., Subel. sin., Subel. dext.: 1 Fall. 8. Tr. anonym., Car. sin., Vert. sin., Subel. sin., Subel. d.: 6 Fälle. 9, Car. dext., Car. sin., Vert. sin., Subel. sin., Subel. d.: 7 Fälle. 10. Car. dext., Car. sin., Subel. sin., Vert. sin., Subel. d: 2 Fälle. Der häufigste Typus ist somit der unter Nr. 5 aufgeführte. a up wm Im einzelnen liegen vor: Zwei Stämme (1 Fall). R ; Carotis communis dextra Anordnung: 1. Truncus bicaroticus J i \ Carotis comm. sın. Subelavia sin. 2. Truncus a i runcus anonymus \ Subelavia dextra. Einmal beobachtet von Patruban: 8. d. ein Ast des Arcus. Cd AGs: God. Mies. = Re zZ VdCd.6.s.V5. Vd. 6.0 Cs. VS. Sr Ar C.d. 6.5. Vs. Cd Cs. Vs. Alle „All“ Bisher bei der Anomalie der Arteria subelavia dextra beobachtete Typen der Anordnung der Stämme am Arcus aortae. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 433 Drei Stämme (39 Fälle). 1. Anordnung (38 Fälle): nee biearohiies | Carotis communis dextra i \ Carotis communis sin. 3. Subelavia sinistra 3. Subelavia dextra. Die Subel. dextra ist hierbei ein Ast des Arcus aortae!) in 29 Fällen: Hunauld. Hommel. Erdmann-Neubauer Walter, Fall 1 u. 2. Meckel 1820, Fall 2. Lauth. Dubrueil 1837, F. 1. Quain, 4 Fälle Dubrueil 1847, F. 2. Pign& Üavasse. Barkow 1866. Brown. Barkow 1869, F. 3, 5 u. 8. Bankart, F. 3. Bradley, F. 2. Leboucq F. 1—2. Jacques, F. 1. Götz, E 1. Holzaptel, F. 1,4 u. 3. Die Subel. d. ist ein Ast der Ao. thor. (in 7 Fällen): Meckel 1751. Green, F. 1 u. 2. Dubrueil 1837, F. 2. Demeaux. Dubrueil 1847, F. 1. Wood 1867. Die Ursprungsstelle der 8. d. ist nicht genau ange. geben (in 2 Fällen); Barkow 1869, F. 6. Giacomini, F. 1. 2. Anordnung (1 Fall): 1. Carotis comm. dextra Car. comm. sin. 3, Truneus anonymus | re E J \ Subelavia sin. 3. Subelavia dextra. Die S. d. ist ein Ast der Ao. thor.: einmal beobachtet von Tiedemann 1822. Vier Stämme (78 Fälle.) Die Reihenfolge derselben ist nieht angegeben: Otto 1816. Wagner, F. 2. Harrison‘ (mehrere Fälle. Hyrtl 1859. Flesch. Subel. d. ein Ast des Bogens: Otto. Harrison. Flesch. ı) Der Kürze halber bezeichne ich hier mit dem Namen Arcus oder „Bogen“ den Abschnitt vom Ursprung der Aorta bis zu der Stelle, wo die Aorta an die Wirbelsäule herantritt und setze dem Arcus die Aorta thoracica gegenüber. Entspringt die S. d. an der Grenze, so ist sie noch unter Arcus miteingerechnet. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd. H. 3.) 29 434 GOTTHOLD HOLZAPFEL, 1. Anordnung (7 Fälle): | Vertebralis dextra 1. Truncus anonym. . E J | Carotis communis dextra 2. Carotis comm. sin. 3. Subelavia sin. 4. Subelavia dextra. Die 8. d. ist hierbei ein Ast des Bogens (4 Fälle): Green, F. 3. Quain, F. 5. Dubrueil-Sappey. Holzapfel, F. 2. Die Arterie ist ein Ast der Ao. thor.: Murray. Wood 1859, 2. Fall. Der Ursprung ist nicht genannt: Solger, F. 2. 2. Anordnung!) (62 Fälle): . Carotis communis dextra . Carotis comm. sin. . Subelavia sin. . Subelavia dextra. P-oD— Die S. d. ist ein Ast des Bogens (42 Fälle): Böhmer. Hoffmann-Fabrieus. Löseke. Sandifort 1772. Pohl. Walter, F. 3. Bayford. Valentin. Sandifort 1793. Monro. Isenflamm 1800. Zagorsky. Herold. Stedman. Mayer. Cruveilhier 1831. Quain, 6. F. Brent. Stachelroth, F. iu. 2. Frandsen. Barkow 1869, F. 1, 2, 4, 9, 10. Pye-Smith, F. 1. Mears. v. Düben. Krause Walsham. Brenner, F. 1 u. 2. Dunn. Bothezat. Smith (Kaninchen). Leboueq, F. 3 u. 4. Faure. Jacques, F. 2. Götz, F. 2. Holzapfel, F. 3. Die 8. d. ein Ast der Ao. thor. (7 Fälle): Mieg. Hessel- bach, F.2. Hopkinson. Tiedemann 1846, F.3. Arnold, F.1. Dubrueil 1847, F. 3. Wood 1859, F. 1. Die Ursprungsstelle ist nicht angegeben (in 13 Fällen): Ludwig. Hulme. Meckel 1805, 4 Fälle. Autenrieth-Pfleiderer, Fälle. Cerutti. Stachelroth, F. 2. Peacock. Testut, 2 Fälle. 3. Anordnung (1 Fall): 1. Carotis comm. sinistra 2. Car. comm. dextra 3. Subelavia sin. 4. Subelavia dextra. S. d. ein Ast des Bogens: einmal beobachtet von Rau. I) Unter dieser Anordnung sind auch diejenigen Fälle aufgenommen, in welehen nicht ausdrücklich bemerkt ist, dass die Vert. d. von der rechten Subel. entsprang. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 435 4. Anordnung (1 Fall): | Vertebr. d. ? j Tr. anonym. 1. Truncus biearoticus J er \ Car. c. d. | Car. comm. sin. 3, Vertebralis sin. 3. Subelavia sin. 4, Subelavia dextra. S.d. ein Ast des Arcus: einmal beobachtet von Brodie. Fünf Stämme (15 Fälle). Die genauere Reihenfolge derselben ist nicht genannt: Pye- Smith, Fall 2 S. d. (ein Ast des Bogens). 1. Anordnung (6 Fälle): Vertebralis dextra 1. Trune. anonymus Sn. Carotis comm. dextra 2. Carotis comm. sin. 3. Vertebralis sinistra 4. Subelavia sinistra 5. Subelavia dextra. S. d. ein Ast des Bogens (in 6 Fällen): Tiedemann 1846, F. 1. Macartney-Tiedemann. Barkow 1869, F. 7? Bankart (1 Fall). Brenner, F. 3. Shepherd. 2. Anordnung (7 Fälle): . Carotis comm. dextra Carotis comm. sinistra . Vertebralis sinistra . Subelavia sinistra . Subelavia dextra. spomwe S. d. ein Ast des Bogens (in 4 Fällen): Meckel 1820, F. 1. Hesselbach, F. 1. Hart-Quain. Bankart (1 Fall). Ursprung der $. d. nicht genau angegeben: Kober- wein. Quain, E.8.u.9. 3. Anordnung (2 Fälle): 1. Carotis comm. dextra 2, Carotis comm. sinistra 3. Subelavia sinistra 29* 436 GOTTHOLD HOLZAPFEL, 4. Vertebralis sinistra 5. Subelavia dextra. S. d. ein Ast des Arcus: Wagner, F. 1. Ursprung nicht genannt: Tiedemann 1846, F. 2. 7. Ursprungsstelle der Subelavia dextra. Die Stelle des Ursprungs der A. subelavia dextra ist überaus wechselnd. Sie entspringt in der Mehrzahl der Fälle vom Arcus aortae (im weiteren Sinn) oder an der Übergangsstelle zur Aorta thoracica. Manchmal entsteht die Subel. d. an der ge- wöhnlich der Subel. sin. zukommenden Stelle, wie z. B. Cavasse ausdrücklich hervorhebt, oder sie entspringt auf gleicher Höhe mit der $. sin., gewöhnlich hinter derselben (Sandifort 1793. Liston. Quain, F.5. Stachelroth, F. 1. Bradley, F.2u. a.); oder sie ist mit der $. s. zu einem Truncus verwachsen (Patru- ban), oder sie entsteht unmittelbar nach der 8. s. (Tiedemann 1846, 1. Leboueg, F. 1;m. 2..Holzapsel, ER. 3 und’ und andere). Die Entfernung der A. subel. dextra von der Subel. sin. ist von einzelnen Autoren angegeben; diese beträgt: 4,5 mm (Dubrueil 1837, Fallı). 5mm (Herold. Dubrueil 1847, Fall 2). 6 mm (Holzapfel, Fall 1), 68 mm (Erdmann. Valentin). 8 mm (Holzapfel, Fall 2). 10 mm (Dubrueil- Sappey. Bothezat). 12 mm (Leboucq, Fall 4. 12,5 mm (Hopkinson). 20 mm (Koberwein. Jacques, Fall 1 u. 2). 22,5 mm (Wood 1859, 2 Fälle. 27 mm (Murray). Auf eine vollständige Verwertung des Materiales für den Ge- sichtspunkt der Ursprungsstelle muss leider verzichtet!) werden; 1) Einerseits bieten sich schon Schwierigkeiten in der genauen Lokali- sation des Ursprungs der Arterie, und speziell in der Abgrenzung des Arcus gegen die Aorta thor.; das Haupthindernis liegt jedoch in der Ungleichheit der angewandten Nomenklatur. Die ältere Anatomie nannte (nach Arnold 1847, $. 438) Aorta ascendens den Abschnitt der Aorta vom Ursprung der- selben am Herzen bis zu dem durch die Insertion des Duct. Botalli gegebenen Einde des Aortenbogens und Aorta descendens den neben oder vor der Wirbel- säule abwärts verlaufenden Abschnitt. Die neuere Anatomie bezeichnete mit Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 437 doch lässt sich wenigstens ein allgemeines Bild über die Ver- hältnisse des Ursprunges gewinnen. Nicht allzu selten kommt die Arterie noch am queren Abschnitt zunı Vorschein (in den Fällen: Erdmann-Neu- bauer "Bayford., Green, ER >. Quain, Er 1.2 Brent. Krause. Götz, F. 2). Am häufigsten entspringt sie jedoch in einiger Ent- fernung von der $. sin. und zwar im Bereich des Ab- schnittes der Aorta von der Umbiegungsstelle des Arcus bis zu der Stelle, wo die Aorta sich an die Wirbelsäule anlehnt (Übergangsstelle des Arcus zur Ao.thor.) seltener entsteht sie von der Ao. thor. selbst, und im letzteren Falle gewöhnlich aus dem Anfangsstück der Aorta thoraceica. Die Stelle, an welcher die S. d. aus der Wandung der Aorta hervorgeht, die „Wandstelle“, istebenfalls wechselnd. Aorta ascendens nur das Anfangsstück der Aorta bis zur Höhe des 2. rechts- seitigen Rippenknorpels und mit dem Namen Bogen oder Arcus den Abschnitt der Aorta bis zur Insertion des Duetus Botalli. Diese letztere Einteilung ist hauptsächlich von deutschen und französischen, zum Teil auch von englischen Autoren, welche hiehergehörige Fälle publiziert haben, zu Grunde gelegt worden. Eine exaktere Einteilung als diese geben englische Lehrbücher; dieselben teilen den Areus in 3 Abschpitte, the anterior oder ascending portion, the middle oder transverse port. und the posterior oder descending portion. Jedoch auch diese Einteilung ist unzuverlässig. Während z. B. Harrison (1839, S. 8) den mittleren Abschnitt mit der Insertion des}Ductus Botalli gegenüber dem 2. Rücken- wirbelkörper und den 3. Abschnitt an der linken Seite des Körpers des 3. oder 4. Rückenwirbels zu Ende gehen lässt, dehnt z. B. Owen (1890, S. 178) den „second part“ bis zur linken Seite des 4. Rückenwirbels und den 3. Abschnitt des Bogens bis zum unteren Rande des 5. Brustwirbels aus. Aus praktischen Gründen bezeichne ich daher auch fernerhin mit dem Namen Arcus oder Bogen den Abschnitt der Aorta einschliesslich des Punktes, an welchem dieselbe an die Wirbelsäule sich anlehnt; ich sehe mich jedoch genötigt, unter die Fälle des Bogens auch diejenigen englischen Fälle mit einzurechnen, in denen nicht angegeben ist, dem wievielten Wirbel gegenüber die S. d. entsprang. Bei der Schilderung meiner Fälle habe ich die anatomisch übersichtliche Einteilung von Harrison zu Grunde gelegt. 438 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Als Ast des Arcus entspringt die S. d. am häufigsten von der Hinterwand, oder von der oberen und hinteren Wand, seltener neben der $S.s. von der oberen Wand. Liegt der Arcus und besonders die Ao. ascend. mehr auf der linken Seite und tritt die Aorta im queren Abschnitt wieder medial- wärts an die Wirbelsäule heran, so entspringt die S. d. gewöhn- lich an der medialen Wand des Arcus. Als Ast der Aorta thoracica entsteht die S. d. teils von der hinteren Wand, teils, und dies ist bei tiefem Ur- sprung der Arterie das Gewöhnliche, von der medialen Wand der Aorta. Die Wandstelle ist in 69 Fällen bekannt. Als Ast des Bogens (55 Fälle) entspringt die Subel. d. an der oberen Wand (in 7 Fällen): Walter, F. 1. Meckel 1820, F. 1 u. 2. Quain, F. ı u. 2. Hart-Quain. Brent. an der oberen und hinteren Wand (in 11 Fällen): Hommel. Böhmer. Isenflamm 1800. Tiedemann 1846, F. 1. Bradley, F. 2. Mears. v. Düben. Krause Dunn. Faure. Holzapfel, F..5. an der hinteren Wand (in 28 Fällen): Bayford. Sandi- fort 1793. Zagorsky. Otto 1816. Meckel 1816, 3 Fälle Sted- man. Green, F. 3. Hyrtl 1841. Quain, F.5. Dubrueil- Sappey. Barkow 1866. Barwell. Barkow 1869, F.7. Bankart, F. 1 u. 2. Bradley, F. 1. Walsham. Shepherd. Thompson. Bothezat. Smith (Kaninchen). Jacques (2 Fälle). Götz, F. 1u.2. Holzapfel, F. 2. an der medialen Wand (in 9 Fällen): Erdmann-Neu- bauer. Macartney-Tiedemann. Brown. Brenner, F. 1—3. Holzaptel,at. 1, 370.72. als Ast der Aorta thoracica (10 Fälle) entspringt die Subel. dextra. von der hinteren Wand (in 5 Fällen): Mieg. Hessel- bach, F. 2. Dubrueil 1847, 1. F. Wood 1859, 2 Fälle. von der medialen Wand (in 5 Fällen): Murray. Tiede- mann 1822. Tiedemann 1846, F. 3. Dubrueil 1837, F. 2. Dubrueil 1847, F. 3. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 439 Ohne nähere Angabe des Ursprungs entsteht die S. d. an der Hinterwand (Autenrieth-Pfleiderer, F. 1. Hunauld. Ludwig). an der medialen Wand (Koberwein). Die S. d. entspringt für gewöhnlich den obersten Brustwirbeln gegenüber. Nähere Angaben finden sich in 12 Fällen. Sie nimmt ihren Ursprung gegenüber dem Körper des 2. Brustwirbels: Hart. „ „ „ „ 2RUS3: en Schleitz. » 5 > RP nr Brent. Shepherd. Holzapfel, F. 3. „ Zwischenknorpel des 3. u. 4. Brustwirbels: Koberwein. e. „ Körper des 4. Brustwirbels: Murray. Brenner, F. 1—3. Holzapfel, Felzur4, 8. Kaliber der Subelavia dextra. Über das Kaliber!) der A. subelavia dextra und über das Verhältnis ihres Kalibers zu dem der Subel. sin. finden sich in 51 Fällen nähere Angaben. Wie zum Teil aus der Beschreibung, zum Teil aus den Ab- bildungen hervorgeht, hat die S. d. annähernd gleiches oder ganz gleiches Kaliber wie die S. s. (in 18 Fällen): Böhmer. Murray (ihr Kaliber ist sogar etwas kleiner als gewöhn- lich). Walter, Fall 1 (nach Tiedemann’s Copie 1822, Taf. II, Fig. 8). Herold. Tiedemann 1822. Green, F. 3. Quain, F. 1 u. 2. Hart-Quain. Macartney-Tiedemann. Dubrueil 1847, F. 3. Wood, F.1 u. 2. Jacques, 2 Fälle Holzapfel, F. 1, 2 u. 3. Die S. d. ist in ihrem Anfangsstück weiter als die !) Die Namen der in diesem Punkt 8 erwähnten Autoren, welche in ihren Fällen die S. d. zwischen Trach. und Ösoph. verlaufen sahen, sind gesperrt gedruckt und die, welche den Verlauf der Arterie zwischen Ösoph. und Wirbel säule beobachtet haben, sind durch fetten Druck hervorgehoben. 440 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Hommel. Ludwig. Pohl. Bayford. Valentin. Sandifort 1793. Koberwein. Meckel 1820, F. 1 u. 2. Stedman. Hesselbach, F. 1 (um 3,3 mm weiter). Brent. Tiedemann 1846, F. 3. Arnold, F. 1. Brown. Barkow 1869, F. 7. Mears. Krause. Zenker (4 Fälle). Brenner (3 Fälle). Bothezat. Solger, F. 1. Leboueq, F. 1—3. Götz, F. 2. Holzapfel, F. 4 u. 5. Die S. d. hat stark konisches Kaliber: a) nur im Anfangsstück: Bayford. Meckel 1820, F. 1 ad? Aznold, Rat Brown. b) bis an die rechte Seite des Ösophagus: Valentin. Holzapfel, F. 4. Sie ist im Anfangsstück trichterförmig erweitert: Ludwig. Sandifort 1793. Tiedemann 1846, F.3. Brown. Bothezat. Holzapfel, F. 5. Das Anfangsstück ist blindsackförmig erweitert: Hom- mel. Brent. Mears. Zenker, 2 Fälle. Götz, F. 2. 9. Verlauf der Subelavia dextra. Der Verlauf der Subel. dextra bietet eine grosse Anzahl von Varia- tionen. Diese sind, soweit überhaupt ersichtlich ist, begründet einmal durch die Lage der Arterie zu den Nachbarorganen (speziell Trach. und Ösoph.) und ferner durch die Art des Ur- sprunges der Arterie selbst. Beim Ursprung von der Aorta ist ihr Abgangswinkel ein nach links und aussen spitzer oder ein rechter oder — und dies trifft hauptsächlich für die Fälle mit Ursprung von der Aorta thoracica zu — ein stumpfer Winkel, mit andern Worten, im letzteren Falle ist die S. d. rückläufig. Je höher die 8. d. entspringt, desto mehr muss die Arterie in ihrem Anfangsstück (in einer mehr oder weniger horizon- talen Ebene) dorsalwärts verlaufen, um hinter die Trachea oder hinter den Ösoph. zu gelangen. Entspringt die S. d. von der medialen Wand, so hat die Aorta in der Regel bereits die linke Seite der Wirbelsäule erreicht und die S. d. kann nun- mehr direkt die Wirbelsäule passieren. Sie nimmt ihren Weg Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 441 zur rechten Clavicula entweder geradlinig oder in mehr oder weniger deutlicher Schlängelung oder beschreibt sie einen nach oben konvexen, in der Mitte ziemlich horizontalen Bogen. Da sie in allen Fällen tiefer als der obere Rand der 1. Rippe ent- springt, so muss sie immer eine, wenn auch bisweilen nur geringe Steigerung nehmen. Dies bewerkstelligt sie im wesent- lichen auf dreierlei Art. Sie steigt 1. direkt in die Höhe, senk- recht oder in einem Bogen schräg nach links aussen und oben und verläuft sodann quer hinter Trach. oder Ösoph. (Bayford. Zagorsky. Götz, F. 1 u. a); oder sie verläuft 2. zunächst horizontal nach links hinten und sodann in schräger Richtung nach rechts (Jacques. Holzapfel, F. 5 u. a.) oder 3. — und dies ist das gewöhnliche Verhalten {in mehr als 30 Fällen) — zieht die Arterie auf geradem oder geschlängeltem Wege in schräger Richtung direkt nach rechts. Je tiefer die S. d. ent- springt, desto steiler ist ihr Verlauf. Die $. d. beschreibt bei diesem schrägen Verlaufe häufig ein umgekehrtes römisches S (Koberwein. Tiedemann 1846, Beeeoczun 2 Holzaptelon, br und andere). Das Anfangsstück der $. d. misst in der Länge bis zur Um- biesungsstelle an der Trachea (Pigne) 10 mm, bis an den Osoph. (Holzapfel, F. 5) 15 mm. Vom Ursprung bis zur Durchtrittsstelle hält sich die S. d. fast stets in einiger Entfernung vom Ösoph.; sie beschreibt meist einen kleinen Bogen um Trach. und Ösoph.; in wenigen Fällen (so bei Krause) rankt sie sich gleichsam am Ösoph. empor. Die abnorme Subelavia giebt auf ihrem Wege von der linken Seite der Aorta bis an die rechte Seite von Trach. und Ösoph. für gewöhnlich keine Zweige ab. Im Falle Murray gab sie jedoch 2 Intercostalarterien, im Falle Valentin kleine Ästchen ab. In den 2 Fällen von Pye-Smith entsprang die 442 GOTTHOLD HOLZAPFEL, A.thyreoidea inf. d. schon von der S. d., bevor diese die Wirbel- säule gekreuzt hatte. Das Verhalten der 8. d. zur Trach. und Ösoph. ist in 133 Fällen angegeben. Sie zieht nach rechts a) vor der Trachea in 6 Fällen = 5°Io. Hunauld. Meckel 1751. Walter, F. 1 u. 3. Cruveil- hier 1831. Blandin. b) Zwischen Trachea und Ösophagus in 20 Fällen = 15 Jo. Bayford. Brewer. Monro. Zagorsky. Herold. Mecke, 1816. Hesselbach, F. 1 u. 2. Lenoir. Harrison. Liston, Hyrtl 1841. Tiedemann 1846, F. 1. Pigne Stachelroth, F. 2. Peacock (1 Fall. Brown. Bankart (1. Fall). Bradley. BR. 1. Gross. c) zwischen Ösophagus und Wirbelsäule in 107 Fällen — 28090. Böhmer. Mieg. Ludwig. Murray. Neubauer-Erdmann. Sandıtort 1772. Pohl. ' Valentin. Sandifort 1793. Isen- flamm 1800. Meckel 1805, 4 Fälle. Autenrieth-Pfleiderer, F. 1. u 2. Koberwein. Meckel 1810 (bei einem Igel). Isen- flamm-Fleischmann 1815. Otto 1816. Meckel 1816, 2 Fälle. Kirby. Meckel 1820, F. 1 u 2. Stedman. Hart. Mayer. Gerutti. Wagner, F. I u. 2, Weber, 2 'Fälle ‘Otto 1830, 5 Fälle? Green, F. 1 u. 3. Hopkinson. Dubrueil 1837, F. 2. Harrison (mehrere Fälle. Demeaux. Quain, F. 1, 2, 5. Hart- Quain. Brent. Reid, 2 Fälle. Dubrueil 1847, F.3. Dubrueil- Sappey. Demarquay, F. 1. Stachelroth, F. 1. Frandsen. Cavasse. Wood 1859, 2 Fälle. Dubrueil 1862. Barkow 1866. Barwell. Barkow 1869, F. 4, 5, 6, 9, 10. Bankart, F. 2 u.3. Pye-Smith, 2 Fälle. Bradley, F. 2. Mears. Leidy, F.4 u5. v. Düben. Krause Flesch. Walsham. Giacomini, F. 1. Brenner, 3 Fälle. Brodie. Shepherd. Rau. Dunn. Thompson. Bothezat. Smith (bei einem Kaninchen). Solger, F. 1. Leboucgq, F. 1—4. Faure. Jacques, 2 Fälle Testut, 2 Fälle Götz, 2 Fälle. Holzapfel, F. 1, 2, 3, 5. Die S. d. ist durch Bindegewebe an die Wirbelsäule be- festist und kreuzt die Wirbelsäule in dem Bereiche zwischen 4. Brust- und 6. Halswirbel und zwar Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 443 am 6. Halswirbelkörper: im Falle Walsham. al: i Valentin. „ 7. Hals- u. 1. Brustwirbelkörper: Böhmer. am 1. Brustwirbelkörper: Stedman. Hyrtl1841. Dubrueil- Sappey. Rn ee es Hart. Mears. Holzapfel, F. 3. »„ 3.—l1l. Ä Holzapfel, F. 1. „ 4—1. 3 Holzapfel, F. 4. ER . Stachelroth, F. 1. Giacomini, 722601276 BRze La. 2 Patruban. 2 320d>4. Jacques. nd : Krandsen. Eaure. ‚Götz, E 2 vor den oberen Dorsalwirbeln: Pohl: An der rechten Seite der Brustapertur senkt sich die S. d. allmählich gegen die 1. Rippe. Sie tritt für gewöhnlich durch die Lücke zwischen M. scalen. ant. und med.; nur im Fall Demeaux treten die Subelaviae beider Körperseiten vor dem M. scalen. ant. über die 1. Rippe. Die Länge der Subelavia von ihrem Ursprung bis an die Scalenuslücke: betrug für die rechte für die linke Götz, Fall 1 8,8 cm 6,3 cm Götz, F. 2 86. | 64, Holzapfel, F. 1 1105 | 6,5, Die Länge der Subelavia „von ihrem Ursprung bis zum Ursprung der A. acromio-thoraeica“ betrug für die rechte 15 em, für die linke 8—9 cm (Bothezat). 10. Begleitende Anomalien. Mit der besprochenen Ab- normität der A. subel. dextra finden sich bisweilen andere Varie- täten Vor. I. Arterien. a) Im Gebiet des Arcus und der Aorta thoraecica: Die beiden Carotiden sind zu einem Truncus bicarotieus verschmolzen. 444 GOTTHOLD HOÖLZAPFEL, Diese Fälle sind bereits in Nr. 6 dieses Abschnittes, Typus 1, 2 u. 7 (Seite 431sq.), aufgeführt. Ein Trune. bicar. ist nur angedeutet in den Fällen Brown und Barkow 1869, Fall 7. Er ist kurz: Hommel. Dubrueil 1837, F. 2. Bradley, F. 2. Götz, Fi. Er hat eine Länge von: 4 mm: Dubrueil 1847, F. 1. De SaDubrueil 184.2 1.22° 6,8 „ Erdmann-Neubauer. Dubrueil 1837, F. 1. Patruban. 7-8 „ Pigne. 32... Holzaptel, E24 10%... Holzapfel, F. 5: Eeboueg, Rs4Sur2. 105%, 2 Bankart, ER: 3. 135,0, Holzaptel;, Fr4. Carotis sinistra und Subelavia sin. sind zu einem Truncus verschmolzen (Tiedemann 1822). Ein solcher ist schwach an- gedeutet (Green, F. 5). Ein gemeinsamer Stamm für beide Subelaviae von 6,8 mm Länge ist vorhanden (Patruban). Die A. vertebralis sin. entspringt direkt von der Aorta in 17 Fällen: Koberwein. Meckel 1820, F. 1. Hesselbach, F.1. Wagner, F.ı. Hart-Quain. Quain, F.8u.9. Tiedemann 1846, F.1u.2. Macartney-Tiedemann. Barkow 1869, F.7. Bankart, F. 1u. 2. Pye-Smith, F. 2. Brenner, F. 3. Brodie.. Shepherd. Die A. intercostalis suprema (vermutlich beider Seiten) ent- steht hinten am queren Abschnitt des Arcus (Barwell). b) In der Verästelung der A. subclavia dextra?): Eine Reihe ihrer Aste werden von der Carotis comm. dextra abgegeben (s. unten Car. d.). 1) Normal verzweigt sich die S. d. in den Fällen: Hunauld. Schleitz. Zagorsky. Herold. Tiedemann 1822. Hesselbach, F. 2. Mayer. Hyrtl 1841. Walsham. Smith (Kaninchen). Holzapfel, F.1. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 445 Sie giebt 2 Art. intercostales inf. sin. ab (Murray). Sie giebt hinter dem Ösoph. kleine Zweige ab (Valentin). Die A. thyreoidea inf. d. entsteht direkt von der 8. d.: Murray. Tiedemann 1846, F. 3. Mears (ebenso auch die A. thyr. inf. sin. von S. sin.). Pye-Smith, Fall 1 u. 2 (schon, bevor sie die Wirbelsäule gekreuzt hat). Die A. mammaria int. d. kommt vom Trunceus thyreo-cervi- calis (Pye-Smith). Der Tr. thyreo-cervicalis fehlt (Mears). Die A. transversa colli und die A. suprascapularis bilden einen Stamm (Mears). c) In der Verzweigung der Carotis communis dextra: Sie giebt in 15 Fällen die A. vertebralis dextra ab. Die C. d. ist dabei in alien diesen Fällen (mit Ausnahme des Falles Brodie, in welchem ein Tr. bicar. vorhanden war) ein selbst- ständiger Ast des Arcus: Murray. Green, F. 3. Quain, F. 5. Tiedemann 1846, F. 1. Macartney-Tiedemann. Dubrueil-Sappey. Wood 1859, F. 2. (Barkow 1869, F. 7%). Bankart, 1 Fall. Giacomini, 1 Fall. Brenner, F. 3. Brodie. Shepherd. Solger, F. 2. Holzapfel, R.e2: In diesen Fällen des Ursprungs der Vert. d. ist die A. vertebr. sin. ein Ast der A. subel. sin.: Murray. Green, F. 3. Quain, F. 5. Dubrueil-Sappey. W00d1859,F.2. Giacomini,F.1. Solger, F.2. Holzapfel, F.2. oder ein selbständiger Ast der Aorta: Tiedemann 1846, F. 1. Macartney-Tiedemann. Barkow 1869, F. 7). Bankart, ı Fall. Brenner, F. 3. Brodie. Shepherd. Die Abzweigung der A. vertebr. d. von der Car. d. ist vom Ur- sprung der Oar. d. (aus dem Arcus) entfernt: (3,16 em: Barkow 1869, F. 792). S2rır ..Holzeptel‘sE. 2: 35 „Wood 1859, F. 2. 5, Duübzueil-Sappey.sBrenner,.ah,>. 446 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Die abnorm entspringende V. d. tritt ein in den Querfortsatz des 4. Halswirbels: Murray. Wood 1859, F. 2. Brenner, E73 (V. s. in den 4. Halswirbel). Shepherd (V. s. in den 3. Halswirbel), des 5. Halswirbels: Brodie. Die A. carotis dextra giebt ungewöhnlicherweise ab: eine A. coronaria cordis, welche sich in eine dextra und sinistra teilt: Mayer. die A. mammaria interna dextra: Ludwig. die A. thyreoidea inf. d. (?): Barkow 1869, F. 7. eine Thyreoidea inf. accessoria: Patruban. den Tr. thyreo-cerviealis d.: Barwell. d) In der Verzweigung der Carotis communis sinistra: Diese giebt eine A. thyreoidea inf. accessoria ab: Patruban. e) In der Verästelung der Subelavia sinistra: Der Tr. thyreo-cervicalis fehlt an der S. sin. (Mears). Die A. thyreoidea inf. geht direkt von der 8. s. ab: Tiede- mann 1846, F. 3. Macartney-Tiedemann. Mears. Die A. vertebr. sin. geht direkt von der Aorta ab. (Siehe oben Nr. 10, I, a. Seite 444). | f} Im Verästelungsgebiet der A. axillaris und anderer kleiner Arterien: Die A. axill. d. giebt die A. mammaria int. und die A. transversa scapulae ab: Murray. Eine A. vertebralis fehlt und wird ersetzt durch einen Ast der A. cervicalis profunda (Barwell). Der ungewöhnlicherweise von der ©. d. abgehende Tr. thyreo- cervicalis giebt weder die A. subscapularis noch die A. trans- versa colli ab; diese entspringen von der $. d. jenseits der Scaleni. Der Tr. giebt dagegen einen Zweig zur Schilddrüse, ferner die A. cervical. ascend. sowie einige Ästehen an die Nachbarschaft ab (Bar well). Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 447 Die A. transversa colli und die A. suprascapularis bilden einen Stamm (Mears). Die A. mammar. int. d. kommt vom Trune. thyreo-cervicalis: Pye-Smith, F. 1 u. 2. Die A. vertebralis sin. giebt einen accessorischen Zweig zur Schilddrüse: Brodie. Es finden sich geringe Abweichungen der Astchen: Götz, F. 1. Es sind kleine Varietäten im Gebiet beider A. axillares und carotides ext. vorhanden: Ludwig. Die A. vertebralis sin. ist enger als gewöhnlich (Walsham), (vielleicht physiologisch ?) enger als die V. d. (Frandsen), weiter als die V. d. (Mears). Die A. ulnaris d. giebt einen ungewöhnlichen Ast ab: Otto 1816. II. Nerven. N. vagus. a) Der N. vagus dexter zieht gewöhnlich vor der A. subel. d. zur Thoraxapertur, hinter derselben im Falle Biene. b) Der N. laryngeus inf. d. bildet eine Schlinge 1. um die A. subelavia dextra: Patruban. Mears. Götz, Roi und. > 3. um die von der Carot. d. entspringenden A. vertebralis dextra: Brenner, F.3. Shepherd. Solger, F. 2. Holz- aptel,.E. 2. 3. um die A. thyreoidea inf. dextra: Turner, F. 4. c) Der N. laryng. inf. d. geht oberhalb der Kreuzung des Vagus mit der A. subel. d., in der Regel schon in Höhe des Kehlkopfes, vom N. vagus ab und direkt hinter der A. carot. comm. zum Larynx (in 28 Fällen): 448 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Stedman. Hart. Green, F. 1 u. 2. Quain, F. 2. Brent. H&rard (1846). Reid, 2 Fälle Pigne Demarquay, %:140%22 Blandin. Stachelroth, F. 1. Turner, F. 1-3. Walsham. Brenner, F. 1u. 2. Thompson. Solger, F.1. Lebouceg, F. 1—4. Jacques (1 Fall. Holzapfel, F. 1. N. sympathieus. Der N. sympathicus ist m 11 Fällen erwähnt. Er bildet wie gewöhnlich die Ansa Vieussenii d.: Brenner, Pi 3. Thompson... Holzapfel, P.1'u.2 Er war auf der rechten Seite in 2 Stränge geteilt, welche die A. subelavia dextra umspannten: Turner, F. 1. Shepherd. Holzapfel, F. 3 (). Er bildet auch eine Schlinge um die A. vertebralis dextra: Brenner, F. 3. Holzapfel, F. 2, und eine solche um die A. vertebralis sin.: Holzapfel, F. 1. Der N. symp. war auf beiden Seiten doppelt: Ludwig. III. Verlauf und Endigung des Ductus thoracicus. Er verläuft, wie gewöhnlich, nach links und mündet in den Angulus venosus sin. ein: Patruban. Er verläuft nach rechts und mündet in die V. subclavia dextra ein: Sandifort 179. Er verläuft an der rechten Seite des Ösoph. und der Aorta, senkt sich über die vordere Fläche der A. subel. d. und mündet in die Vereinigungsstelle der V. jugular. int. und V. subel., den Angulus venosus dexter, ein: Stachelroth, F. 1. Brenner, F. 1-3. Thompson. Der Duct. thor. liegt vor der Subel. d.: Hart; hinter der 8. d.: Isenflamm 1800. Links ist ein Ductus Iymphaticus vorhanden: Thompson. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 449 IV. Muskelvarietäten werden in den Fällen Isenflamm 1800 und Wood 1867 er- wähnt. In dem Falle Isenflamms fehlte der rechte Pyramiden- muskel und der linke war dafür stärker; n Woods Fall fanden sich an derselben Leiche 10 Muskelvarietäten, darunter 7 an Kopf und Arm (dreiköpfiger Biceps). 11. Duetus arteriosus Botalli. Der Ductusarteriosus Botalli entsteht von dem linken Ast der A. pulmonalis: Patru- ban. Holzapfel, F. 1 und 2 und andere. Er ist auffallend lang: Patruban. Er hat eine Länge von 2,6 cm (Holzapfel, F. 2), von 3cm (Holzapiel,riz 1). Er ist durchgängig (Hoffmann-Fabricius). Er ist inseriert a) am unteren Rand des Arcus: Meckel 1820, F.1. Götz, F. 2. Holzapfel F. 1 und andere. b) sehr tief, an der linken Wand des Arcus: Patruban. c) gerade oberhalb des Ursprunges der A. subel. d. von der Aorta thor.: Wood 1859, 2 Fälle. j d) in gleicher Höhe mit dem Ursprung der Subel. d.: Meelksel 118205 2 17 Holzapfel, ET. \ e) in der Nähe der von der Hinterwand der Ao. thor. ent- springenden A. subel. d.: Dubrueil 1837, F. 2. f) unterhalb des Ursprungs der S. d.: Hoffmann-Fabri- Guss, 1G062,-R32 Der N. recurrens vagi sin. schlang sich in allen Fällen, wo seine Beziehungen zum Duct. Bot. erwähnt werden, wie gewöhn- lich, dieht unterhalb des Ductus Botalli um die Aorta: Walsham. ‚Leboueg, E. 1-4. Götz, F.'2. Holzapfel, und 2, Anatomische Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd., H. 3.) 30 450 GOTTHOLD HOLZAPFEL, 12. Ösophagus. Der Ösophagus überragt, wie es der Norm entspricht, an der linken Seite die Trachea: Meckel 1820, F. 2. Patruban. Der Ös. war nach rechts verdrängt: Ludwig. Krause. Er zeigt keine Veränderungen: Autenrieth-Pfleiderer, Bf. Holzapiel,;E. 1 und;2. 13. Trachea. Die Trachea zeigt eine eigentümliche Ab- plattung: Bankart, -F.3. Brenner, F.3. Holzaptel, RT. 14. Skoliose. Eine leichte Skoliose nach rechts im Brustteil der Wirbelsäule war vorhanden (Holzapfel, F. 1). 15. Abbildungen. Ihre Fälle haben abgebildet: Hommel. Böhmer. Murray. Walter. Bayford. Sandifort 179. Monro. Zagorsky. (Kirby). Meckel 1820. Tiedemann 1822. Stedman. (Mayer). Cerutti. Green, F.3. Quain, F. 1, 2,5. Hart-Quain. Brent. Patruban. Tiedemann 1846, F.1u.3. Macartney-Tiedemann. Dubrueil 1847, F.3. Wood 1859. Barkow 1866. Brown. Barkow 1869, F. 7. Mears. Krause. Brenner, F. 1 und 3. Dunn. Bothezat. Smalth«! Biaures KGötz ie 2. Holzapfel, PLA, 5 16. Frequenz der Anomalie. Über die Häufigkeit des ungewöhnlichen Ursprunges der A. subel. d. (als letzter Ast, unterhalb der S. s.) sind die Meinungen der Autoren geteilt; doch stimmen alle darin überein, dass diese Anomalie die dritthäufigste Varietät am Aortenbogen ist. Hyrtl (1859) nimmt nach seinen Erfahrungen an der Wiener Anatomie schätzungsweise eine Häufigkeit von 2° an; jedoch dürfte dieser Prozentsatz nach dem Urteil mehrerer Autoren zu hoch gegriffen sein. Nach Quain, der ungefähr 1000 Aortenbogen untersuchte, kommt die Varietät in 0,4 °/o der Fälle vor. Mit Quains Angaben erklärt sich Turner auf Grund seiner Er- giebt eine Frequenz von oO fahrungen einverstanden. Leboucg 0,5°/o und Stieda (nach den Mitteilungen von (rötz) eine solche von 0,8°/o an. Es ergiebt sich somit als Durehscehnitt Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 451 dieser Erfahrungen, welche sich auf mehr als 2000 Aortenbogen erstrecken, eine Häufigkeit von 0,6 °o. Ein genaueres Bild von der Häufigkeit unserer und der anderen Varietäten im Ge- biete des Arcus aortae werden wir freilich erst dann gewinnen können, wenn grössere statistische Erhebungen nach gemein- samem Plan auf den einzelnen Anatomieen gemacht werden ; leider haben G. Schwalbe und W. Pfitzner (1889) die Varie- täten des Aortenbogens unseres Wissens bis jetzt noch nicht in den Tabellen ihrer grossen Varietätenstatistik aufgenommen. 17. Rassen. Die meisten Fälle sind an Weissen beobachtet worden. Dass die Anomalie der Subel. aber auch, was eigent- lich selbstverständlich ist, bei anderen Rassen vorkommt, be- weisen die Fälle von Giacomini (Neger) und von Hopkinson (schwarze Frau). 18. Varietäten bei Tieren. Der abnorme Ursprung der A. subel. d. als letzter Ast des Arcus ist zweimal auch bei Tieren beobachtet worden, einmal von Meckel (1810) bei einem Igel und das andere Mal von Smith (1891) bei einem Kanin- chen. Weitere Fälle habe ich nicht finden können; überhaupt scheinen Varietäten des Arcus bei Tieren nicht häufig vorzu- kommen. Otto (1830) erwähnt zwar, dass er „in Ansehung der Äste des Aortenbogens Varietäten bei Tieren‘ beobachtet habe; er macht jedoch keine näheren Angaben, und Barkow (1869) oeleiche Varietäten bemerkt nur beiläufig an einer Stelle, dass er „g bei Säugetieren nicht gefunden“ habe. 19. Fälle aus anatomischen Instituten. Die Mehrzahl der Fälle stammt aus den Präpariersälen anatomischer Institute. Soweit hierüber nähere Angaben vorliegen, sind vertreten: Bonn durch Mayer (1827). Erlangen durch Isenflamm-Fleischmann (1800). Wagner (1828). Zenker (1878). 30* 452 GOTTHOLD HOÖLZAPFEL, Greifswald durch Solger (1893). Halle durch Herold (1812). Königsberg durch Götz (1896). Nancy durch Valentin (1791). Jacques (1895). Stockholm durch Murray und Schleitz (1768). Tübingen durch Holzapfel, F. 1. Wittenberg durch Koberwein 1810. Würzburg durch Flesch (1879) und Rau (1890). 20. Fälle aus Museen. Eine Reihe von Fällen stammt aus Museen. Es sind vertreten: Berlin durch Walter (1785). Bonn durch Weber (1829). Breslau durch Otto (1816, 1830). Barkow (1866 u. 1869). Erlangen durch Zenker (1878). Göttingen durch Krause {1876). Greifswald durch Solger (1893). Leipzig durch Cerutti (1827). Tübingen durch Holzapfel, F. 3, 4, 5. Würzburg durch Hesselbach (1824). Stachelroth (1850). Von ausländischen Museen: Leyden (Lugdunum-Batavae): Sandifort 1793. Lyon: Testut (1896). Museum of the Royal College of Surgeons of Ireland in Dublin: Hart-Quain (1844), Tiedemann (1846). Museum des St. Thomas Hospital: Peacock (1860). Das Wister und Horner Museum: Leidy (1871) und andere. Von nicht näher bezeichneten Museen: Dubrueil 1847, F. 1. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra 453 Ir Tenl. Entwickelungsgeschichtliches und Anatomisch- Physiologisches. Während man die Anomalien im Gefässsystem zuerst als Monstrositäten aufgefasst und dieselben als Irrungsbil- dungen (monstra per fabricam alienam) der pathologischen Anatomie zugewiesen, oder sie als lusus naturae!) ange- staunt hatte, fasste man dieselbe später als Hemmungsbil- dungen, als ein Stehenbleiben auf tierischen Typen auf; erst in diesem Jahrhundert lernte man sie vom vergleichend-ana- tomischen und entwickelungsgeschichtlichen Standpunkt würdigen. Dank den epochemachenden Arbeiten von v. Baer (1837), Rathke (1843 und 1861) Koelliker (1879) und anderen gelang es, das bunte Durcheinander zu sichten und systematisch zu ordnen. Schon Turner (1862) hat für die Varietäten des Aortenbogens die Systematisierung vom entwickelungsgeschicht- lichen Standpunkte aus durchgeführt. Dasselbe hat W. Krause (1868. 1876) in J. Henles Handbuch der systematischen Ana- tomie des Menschen, Band Ill, 1. Abteilung in noch umfassen- derem Masse gethan, indem er mit bewundernswertem Fleisse alle ihm bekannt gewordenen Varietäten ordnete und unter Litteraturangabe aufführte. 1) Diese Bezeichnung findet sich schon bei Insfeldt (1772), ob jedoch auf Arterienanomalien angewandt, ist mir nicht bekannt. 54 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Zum besseren Verständnis des Folgenden ist es unumgäng- lich, die normale Entwickelungsgeschichte der Aorta und ihrer grossen” Äste kurz heranzuziehen, wobei wir der Darstellung F. Hochstetters (1891) folgen. Den Ausgangspunkt bildet das System der embryonalen Kiemenarterienbogen oder Aortenbogen, deren man nach Rathkes berühmter Darstellung fünf annahm. Erst in neuester Zeit hat das Rathkesche Schema eine Änderung erfahren, die jedoch für die Deutung unserer Ano- malie nicht von Belang ist. Schon durch Boas (1888) nämlich war auf Grund vergleichend-anatomischer Untersuchungen an Amphibien die Vermutung ausgesprochen worden, dass bei den höheren Wirbeltieren zwischen dem 4. und 5. Aortenbogenpaar noch ein weiteres Bogenpaar angelegt werde, das jedoch frühzeitig zu Grunde gehe. Dieses vermutete Bogenpaar wurde nun zunächst von van Bemmelen (1886 und 1893) bei Embryonen von Reptilien und Vögeln und bald nachher von Zimmermann (1889. 1890) auch bei Säugetier-" und menschlichen Embryonen nachgewiesen, sodass nunmehr die Homologie des Gefässsystems der Wirbel- tierklassen eine feststehende Thatsache ist. Der einfache, ventral vom Vorderdarm gelegene Aortentruncus entlässt in späteren Stadien der Entwickelung die beiden 6. oder Pulmonalisbogen, teilt sich hierauf in zwei Längsstämme, welche kurz nacheinander den 4. und 3. (Carotidenbogen) abgeben und als ventrale Fortsetzung der Aorta zur A. carotis externa (Car. ventralis, Makay) werden. Alle drei Aortenbogen münden dorsal vom Darm auf jeder Seite in ein Längsgefäss, die dorsale oder absteigende Aorten- wurzel, welche sich kopfwärts als A. carotis int. (Car. dorsalıs, Makay) fortsetzt und kardalwärts sich mit der Aortenwurzel der anderen Seite zum Aortenstamm vereinigt. Aus den dorsalen Aortenwurzeln und ihren kaudalen Fortsetzungen gehen nun, Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 455 je jo] entsprechend den einzelnen Segmenten, Arterien ab. Die Arterie, welche der 6. Cervikalwirbelkörperanlage entspricht, ist stärker als die vorhergehenden und entsendet einen seitlichen Ast in den Extremitätenstummel. Diese segmentale Arterie (C. 6) ist die A. subelavia. (Fig. 11). Mit dem weiteren Wachstum und den Lageveränderungen der Aortenbogen werden die Bedingungen für das Weiterbe- bar ventr bar dors. Art.vertebr. K I \ segmentale Arterien K 1 f der Hınterhauptregion. IN \y) BERRE" SO ErmrT a S\ a > 1-7 Arterien des 1.—7. Cervikalsegmentes. — Th 1-4 Arterien der Thoracal- segmente. SEES) w N Zr Fig. 11. Schema für die Entwickelung der grossen Schlagaderstämme. Linke Seitenansicht. Nach Hochstetter (1891). stehen der segmentalen Arterien ungünstige und dies hat zur Folge, dass sich, wie schon Froriep (1886) nachgewiesen hatte, zwischen der Arterie des 6. Öervikalsegmentes (C. 6), der A. subel., und den vorhergehenden segmentalen Arterien eine zwischen der Anlage der Querfortsätze und der Rippenrudimente verlaufende Längsanastomose entwickelt, welche zur A. vertebralis wird, während die Ursprungsstücke der oberen Segmentalarterien bis zur A. subel. (somit K 1 bis €. 5) rudimentär werden. 456 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Nun zerfällt der Herzbulbus und im Anschluss daran der Trune. arterios. in A. pulmon. und A. aorta, die Pulmonalis- bogen schliessen sich an das Pulmonalisrohr an und linker- wie rechterseits obliteriert von der dorsalen Aortenwurzel der Ab- schnitt zwischen 3. und 4. Bogen. Die A. carot. comm. entsteht aus der ventralen Fortsetzung des Aortentruncus bis zum 3. Bogen und ihre Fortsetzung in gerader Richtung wird zur A. carot. externa. Carotidenbogen sowie ursprüngliche Fortsetzung der dorsalen Aortenwurzeln werden zur A. carot. interna. Das 5. Aortenbogenpaar ist bereits früher verschwunden. Rechterseits erhält sich der 4. Aortenbogen nur in seinem Anfangsstück, das zum Trune. brachiocephal. und zum Beginn der A. subelavia wird. Auf der linken Seite bleibt die (dorsale) Aortenwurzel in Ver- bindung mit dem 4. Aortenbogen, und es treten, abgesehen von Wachstumsverschiebungen der A. subel. sin., keine weiteren Ver- änderungen ein. Der linke Pulmonalisbogen persistiert bis zur Geburt als Anfangsstück des linken Pulmonalastes und als Ductus arteriosus Botalli. Nach der Geburt wird letzterer Gang zum Ligament. Vom rechten Pulmonalisbogen erhält sich nur das Anfangsstück, welches zum rechten Pulmonalast wird. Werden diese normalen Entwickelungsverhältnisse zu Grunde gelegt, so erklärt sich unsere Anomalie, wenigstens in allen denjenigen Fällen, in welchen die A. vertebralis ein Ast der A. subel. d. ist, nach dem in nebenstehender Fig. 12 versinn- lichten Schema, d. h. durch die Annahme, dass der rechte 4. Aortenbogen von der Abgangsstelle der A. carotis comm. ab, sowie die anschliessende Aortenwurzel bis zur Austrittstelle der rechten Subelavia obliteriert, die Aortenwurzel aber von hier ab offen geblieben und so durch Umkehr des Blutstromes zum Anfangsstück der Subeclavia geworden ist (Fig. 12). Ungewöhnlieher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 457 Diese Deutung rührt her von Wood (1859, S. 123 sq.). Ihm schloss sich Turner (1862) an, und seitdem haben die meisten Autoren der Beschreibung ihrer Fälle eine kleine ent- wickelungsgeschichtliche Erklärung im gleichen Sinne beigefügt. Eine andere Deutung giebt Rau (1890, S. 12): Da die A. subel. gewöhnlich da entspringe, wo die A. bronchialis abgehen, so sei anzunehmen, „dass die A. bronchialis dextra stark er- weitert wird und vermittelst ihrer Anastomose mit dem Gebiete dexfr. sn. Cardors. LCarventr bar dors. IN laryng.inf, ” ON A.subcl.dextna z o NA.vertebr sın. Sy.subel.sin. Fig. 12. Ungewöhnlicher Ursprung der Art. subelavia dextra. der Subel. d. sich in deren Verlauf fortsetzt“. Diese Erklärung dürfte kaum haltbar sein; denn wegen der anatomischen Lage der A. bronchialis d. würde sie selbstverständlich nur für die- jenigen Fälle in Betracht kommen, in denen die abnorme Arterie sehr hoch am Arcus entspringt und vor der Trachea verläuft, auch setzt sie voraus, dass die A. bronchialis d. ein Seitenast der abnormen Subel. d. ist, wie ich keinem Falle er- wähnt gefunden habe.!) Aber selbst für diese Fälle ist schwer 1) In dem auf 8. 483 erwähnten Falle von Turner ging jedoch bei dem Gegenstück zu unserer Varietät (Arc. über r. Bronchus, S. sin. letzter Ast) von der abnormen S$. sin. eine kleine Bronchialarterie ab. 458 GOTTHOLD HOLZAPFEL, verständlich, dass eine so mächtige und primitive Verbindung wie der rechte 4. Arterienbogen zu Gunsten einer Anastomose mit einem ganz sekundär und spät erscheinenden Gelässast zu Grunde gehen sollte. Ausser der für die meisten Fälle wohl durchaus befriedigen- den Deutung von Wood könnte man für gewisse Fälle der Anomalie auch annehmen, dass der 4. Arterienbogen sowie die absteigende Aortenwurzel der rechten Seite obliteriert wäre und die Verbindung mit der Arterie des oberen Extremitäten- stummels durch eine Anastomose sich hergestellt hätte, welche entweder direkt Aorta und Subcel. d. verbunden oder aber die Bahn der 2. Interkostalarterie benützt haben könnte. In letzterem Falle würde sich die zweite Interkostalarterie (oder auch eine Anastomose mit der 3.) erweitert und durch eine Anastomose mit der $. d. in deren Verlauf fortgesetzt haben. Diese Auf- fassung wird durch Befunde, wie der in Fig. 2 unserer Tafel abgebildete, nahe gelegt. Ich möchte dieselbe hauptsächlich für diejenigen weiter unten zu erörternden Fälle heranziehen, in welchen die Lagebeziehungen der abnormen Subel. zur Um- gebung, besonders zu den Nerven ganz ungewöhnliche und nach Wood nicht erklärbare sind. Scheinbar schwieriger liegen die Verhältnisse schon dann, wenn die A. vertebralis dextra ein Ast der rechten Carotis ist. Die Vertebralis geht in diesem Falle, wie Shepherd 1889 hervor- hebt, an dem Punkte von der Carotis ab, wo gewöhnlich die Subel. d. von der Innominata sich abzweigt. Brenner (1889, S. 377) hat zuerst auf die Bedeutung dieser Anomalie für die entwickelungsgeschichtliche Erklärung, hauptsächlich mit Rück- sich auf den N. laryngeus inf. d. hingewiesen, während man früher diese Besonderheit als Nebenbefund nicht weiter beachtete und die Anomalie nach der Auffassung von Wood erklären zu können meinte. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 459 Nach der durch das Schema in Fig. 13 veranschaulichten Deutung von Brenner hat sich der Ursprung der A. vertebr. d. centralwärts verschoben, sodass Subelavia und Vertebralis selb- ständige Äste des 4. Arterienbogens geworden sind; „jenes Stück, welches ursprünglich zwischen Abgang der A. vertebralis und der A. subeclavia gelegen war, ist obliteriert, sodass nunmehr der 4. Aortenbogen sich in die Vertebralis fortsetzte, während dexfn Ssın. Cardors. Ürentr. N.vagus N.laryng.inf.- URL inf NEAR aryng.in A.vertebr sin. A.subc/.d. Fig. 13. Ungewöhnlicher Ursprung der A. subel. dextra und Ursprung der A. vertebralis dextra von der Carotis. (Schema mit Benutzung einer Figur von Brenner). die Subclavia aus der erhaltenen absteigenden Aortenwurzel ge- speist wurde, und es repräsentiert somit jener Arterienstamm, aus welchem Car. und Vertebr. hervorgehen, den Trunceus anonymus dexter ... . .“ Ferner obliterierte die dorsale Aortenwurzel zwischen 3. und 4. Aortenbogen und der 4. Aortenbogen nebst dem anschliessenden Stück der dorsalen Aortenwurzel wurde zur A. vertebralis. Der Brennerschen Annahme einer Überwanderung der Vertebralis durch Wachstumsverschiebung dürfte wohl die von 460 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Hochstetter (1890, S. 583) für die von der A. carot. sin. ent- springende A. vertebr. sin. aufgestellte Erklärung vorzuziehen sein, nach welcher in diesen Fällen Subelavia und Vertebralis aus verschiedenen Segmentalarterien hervorgehen. Der dorsale Ast der 6. Segmentalarterie (die A. vertebral. am Ursprung von der Subel.) wäre somit obliteriert, eine der oberen Segmentalarterien ©. 4 oder ©. 5 (Fig. 11) dagegen offen geblieben und hätte die Verbindung der Aortenwurzel mit der nur bis zu dieser Segmen- talarterie zur Ausbildung gelangten Längsanastomose (A. vertebral.) hergestellt. Nur müsste, um diese Deutung zu begründen, nach- gewiesen sein, dass die abnorme A. vertebr. in den betreffenden Fällen nicht durch den 6., sondern einen höher gelegenen Quer- fortsatz eintrat, was für die wenigen Fälle, in denen die Ein- trittsstelle der A. vertebr. erwähnt ist (Murray. Wood 1859, Fall 2. Brenner, F. 3. Shepherd. Brodie), in der That zutrifft. Da im Schema der Fig. 13 der 4. Aortenbogen und ein Stück der dorsalen Aortenwurzel auf der rechten Seite der A. vertebr., auf der linken der Aorta angehört, so ist auf diese Weise auch der direkte Ursprung der linken Vertebr. von der Aorta erklärt. Liegt dieser Ursprung (der A. vert. sin.) zwischen A. carotis sin. und A. subel. sin., so ist dies ohne weiteres aus der Ent- wickelungsgeschichte verständlich; für die wenigen Fälle, in denen die Arterie zwischen linker und rechter Subelavia ent- springt, darf angenommen werden, dass die A. subel. sin. durch Wachstumsverschiebungen weiter und rascher aufwärts gerückt ist. Wenn in den Fällen von abnormem Ursprung der A. vertebr. d. die A. vertebr. sin. in denselben oder einen höheren Querfort- satz eintritt als die rechte Vert., so pflegt der Ursprung der A. vert. d. von der Car. d. gleichzeitig mit direktem Ursprung der A. vertebr. sin. von der Aorta kombiniert zu sein. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 461 Durch diesen abnormen Ursprung der A. vertebr. bleiben somit wenigstens im Gebiete des 4. Aortenbogens die Verhältnisse, wie sie sich normal gewöhnlich finden; diese Varietät weicht somit nur in ganz geringem Grade von der Norm ab. Mit vollem Recht haben die meisten Beobachter der A. vertebr. nicht die Rolle eines untergeordneten Nebenastes zugewiesen, vielmehr die Vereinigung von Vertebr. und Car. d. als einen Trune. anonym. aufgefasst und beschrieben (Simon. Brenner, F.3.Solger, F. 2) Fig. 14. Ungewöhnlicher Ursprung der A. subel. dext, und Verlauf derselben vor dem Ösophagus. Nach den bisherigen Betrachtungen muss die abnorme Subclavia dextra, um aus der normalen Entwickelungsgeschichte verständlich zu sein, zwischen Ösoph. und Wirbelsäule verlaufen; denn die beiden Aortenwurzeln vereinigen sich dorsal vom Darmrohr zur unpaaren Aorta. Dies muss also auch die Lage der abnormen Subelavia dextra sein, wenn sie aus dem persistierenden unteren Abschnitt der dorsalen Aortenwurzel ent- standen ist. Dass sich in 80°/, der Fälle diese Lage thatsächlich vorfindet, giebt für die dargestellte entwickelungsgeschichtliche Deutung unserer Anomalie eine wesentliche Stütze ab. 462 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Um so schwieriger ist die Deutung des selteneren, in 15°, der Fälle beobachteten, Verlaufes der abnormen A. subeclavia dextra zwischen Trachea und Ösophagus, wie ihn das Schema in Fig. 14 veranschaulicht. Es dürfte doch schwerlich anzunehmen sein, dass sich hier die Aortenwurzeln etwa ventral vom Darmrohre zur unpaaren Aorta vereinigt hätten. Es drängt sich vielmehr die Vermutung auf, dass in diesen Fällen unter den mannigfaltigen Blutbahnen, welche das embryonale Gefäss- system darbietet, ausnahmsweise eine andere als die gewöhn- liche zur Hauptbahn geworden sei. Wir müssten dann voraus- setzen, dass schon zu einer sehr frühen Zeit der Entwickelung, noch ehe die Lungen und der Tracheobronchialbaum vor dem später zur Speiseröhre werdenden Teil des Vorderdarmes herab- gerückt sind, unter besonders günstigen Verhältnissen eine vor dem Vorderdarm liegende, die beiden Aortenwurzeln verbindende Anastomose zu bedeutender Entwickelung gekommen wäre. (Fig. 14). Auf dieselbe Weise dürfte auch der Verlauf der Subelavia vor der Trachea, der in 5°, der Fälle zur Beobachtung gelangte, dahin zu deuten sein, dass eine zwischen den beiden Aortenwurzeln verlaufende Anastomose in frühen Stadien der Entwickelung sich bedeutender erweiterte und durch ihre Lage vor den herabrückenden Lungen nun eine rechtsseitige Aorta vortäuscht. Besonders auffallend sind die Verhältnisse in dem Falle von Öruveilhier (1831), wo die Krümmung der Aorta die Trachea rechts umgriff und hinter Trachea und Ösophagus lag (s. Fig. 15), während die abnorme Subclavia vor der Trachea nach rechts zurück verlief); und auch in dem Falle Cerutti 1) W. Krause, (1876, 8. 226), welcher nur die Schilderung von 1832, und nicht die genauere Beschreibung des Falles von 1831 kennt, rechnet irrtüm- licherweise diesen Fall von ÖUruveilhier, unter die unten, S. 482 noch zu besprechenden Fälle von umgekehrter Anlage, in welcher die Aorta über den Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 463 (1827), in welchem der Arcus aortae ebenfalls hinter dem Osophagus lag, die Subelavia dextra jedoch hinter dem Osoph. nach rechts zur oberen Extremität zog. Eine einfache Deutung dieser eigentümlichen Bildungen an der Hand der normalen Entwickelungsgeschichte ist nicht mög- lich; man könnte sich die Fälle von Cerutti und Öruveilhier Car.dors. Canventr S S G ausgeschaltete Bahn. A.vertebrd san Asubel d = A.vertebnsin. A.subcl sin. Fig. 15. Ungewöhnlicher Ursprung der A. subcl. dextra bei Verlauf des Arcus aortae hinter dem Ösophagus. aber in der Weise entstanden denken, dass eine die beiden auf- steigenden Aortenwurzeln verbindende Anastomose hinter dem Ösoph. sich bedeutender entwickelt hätte und dadurch die linke aufsteigende Aortenwurzel allmählich ersetzt und durch Obliteration ausgespaltet worden wäre (Fig. 15); die Entstehung der A. subsclav. d. bedarf in diesen Fällen keine besondere Erklärung, sondern ist in der oben bereits geschilderten Weise zu deuten. rechten Bronchus zieht und der rechte 4. Aortenbogen mit der rechten dorsalen Aortenwurzel zur Aorta und die offen gebliebene linke absteigende Aorten- wurzel zu einer abnormen A. subclavia sin. wird (Fig. 16 auf Seite 481). 464 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Was die Ursprungshöhe der Subelavia dextra betrifft, so kann die 'absteigende rechte Aortenwurzel ihre ursprüngliche Lage beibehalten; in diesem Falle entspringt die Subcl. tief aus der Aorta thoracica; jedoch kann sich die linke absteigende Aortenwurzel verkürzen und die A. subel. d. kann durch solche Wachstumsverschiebungen an der Aorta nach aufwärts rücken bis hinauf in das Gebiet des Arcus, bis auf die Höhe der Insertion des Duct. Botalli; ja sie kann mit der A. subel. sin. zu einem Stamme verschmelzen, wie im Falle Patruban (1844). In ‘gleicher Weise wie die Subel. d. können die Carotiden und die A. subel. sin. an der Aorta hinaufrücken und unter einander zu gemeinsamen Stämmen verschmelzen. Es kann, was gar nicht selten geschieht, die Carotis dextra oder der Trunc. bicarotic. die Stelle der A. brachiocephalica und die Subel. sin. die Stelle der Carot. sin. einnehmen. Nach W. Krause (1876, S. 232) dürfen wir zur Deutung einer Reihe von Varietäten des Arcus annehmen, dass die Ursprünge von zwei normalerweise getrennt entspringenden Ästen sich sehr nahe rücken können, oder dass eine Verschmel- zung derselben zustande kommen kann, wenn der dazwischen gelegene Teil des Stammes entweder im Wachstum sehr zurück- bleibt oder ganz atrophisch wird. Auf diese Weise lässt sich der in zahlreichen Fällen beobachtete Trune. bicarotieus, der bei Tiedemann 1822 vorliegende Tr. anonym. für Car. sin. und Subel. sin. sowie der von Patruban beschriebene Truncus für beide Subelaviae dem Verständnis näher bringen. In einer Reihe von Fällen sind diese Trunci nur rudimentär und stellen verschiedenartige Übergangsformen dar (Green, F. 3. Brown. Barkow 1869, F. 7). Die Ursachen für das Zustandekommen des trunc. bicarot., welcher nach Cuvier (1510) und Meckel (1831) beim Elefanten das gewöhnliche ist, sind uns unbekannt. Erdmann und Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 465. Neubauer (1772, S. 41)!) und sogar noch Dubrueil (1847, S. 52) sprechen den eigentümlichen Gedanken aus, dass die Naturin diesem Tr. bicar. einen Ersatz für den Trune. brachioceph. geschaffen hätte. Für einzelne Fälle lässt sich jedoch eine von Ludwig (1764, $. 5) (zwar für den Tr. brachiocephalicus fälsch- licherweise) ausgesprochene Anschauung nicht unbedingt von der Hand weisen, nach welcher der Trunc. anonym. infolge einer Raumbeschränkung am Arcus zustande kommen sollte. In der Reihe der Säugetiere finden sich derartige Verschmelzungen der Stämme sehr häufig. Das Auftreten entsprechender Anordnungen beim Menschen bietet daher vom vergleichend anatomischen Standpunkte aus ein besonderes Interesse dar; sie wurden in diesem Sinne bereits von Wagner (1828, S. 329) als tierähnliche bezeichnet. Rätselhaft erscheint auf den ersten Blick der von Barwell beobachtete selbständige Ursprung der A. intercostalis suprema (Trune. costo-cervicalis) von der Aorta, doch ist er aus der Entwickelungsgeschichte erklärbar (s. Fig. 11). Nach Hochstetter (1891, S. 717) bilden sich normalerweise die Arterien des letzten (7.) Cervikalsegmentes und des 1., unter ‚Umständen auch des 2. Brustsegmentes zurück, während der sekundär entstandene Trune. costo-cervicalis ihre Verzweigungen übernimmt. Der Tr. costo-cervicalis ist wohl dadurch ein Ast der Aorta geworden, dass die Längsanastomose, welche die drei unterhalb der 6. Segmentalarterie liegenden segmentalen Arterien verbindet, nicht mit der 6., der A. subel., in Beziehung trat, dass vielmehr die 7. Cervikal- oder die 1. Thorakalsegmentarterie mit der Aorta in Verbindung blieb und die Arterien des 1. u. 2. Thorakalsegmentes speiste. Der abnorme Ursprung untergeordneter Äste der grossen Stämme dürfte zum Teil durch Wachstumsverschiebungen, deren Einfluss auf das Arteriensystem vor allem Schwalbe (1878) nachwies, teils durch Ausbildung normaler Anastomosen denkbar sein. Den zahlreichen !) „Hujus enim defectum variis modis natura supplere studet‘“. Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd., H. 3.) 3l 466 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Anomalien der kleineren Äste der Subel. und Carot. ist keine zu hohe Bedeutung beizumessen, da diese Ästchen für gewöhnlich schon hin- sichtlich ihres Ursprunges und ihrer Verteilung sehr veränderlich sind. Venen. Das Verhalten der Venen ist in der grossen Reihe unserer Fälle auffallenderweise an der rechten wie an der linken Seite für gewöhnlich normal. Die wenigen Autoren, welche auf die Venen geachtet haben, wie Brenner und andere, haben keine Anomalien der Venen in der Umgebung vorgefunden. Dasselbe bestätigt Patruban (1848) für einen Fall von rechts- seitiger Aorta (Arcus über rechten Bronchus, Subel. sin. letzter Ast desselben). Anscheinend sind nach den Beobachtungen von Meckel (1815, a und b) Varietäten der grossen Venenstämme im Verhältnis zu denen der grossen Arterien weniger häufig. Nerven. Der N. vagus und speziell einer seiner Haupt- äste, der N. laryngeus inferior, wird infolge seiner engen Be- ziehungen zur Aorta und zur A. subecl. dext. hauptsächlich von der Anomalie betroffen, worauf die Anatomen schon in verhält- nismässig früher Zeit aufmerksam geworden sind. Der N. sym- pathieus wird nur in seltenen Fällen beeinflusst. N. vagus dexter. Der N. vagus dexter verläuft im der Regel wie gewöhnlich vor der abnormen Subelavia, nur in seltenen Fällen (Pigne 1847) hinter derselben. Der N. laryng. sup. wird von der Anomalie nicht beeinflusst. Er geht wie gewöhnlich auf beiden Seiten vom Ggl. nodosum schräg zum Kehlkopf. N. vagus sinister. Linkerseits sind die Verhältnisse des N. vagus und N. laryng. inf. die gewöhnlichen, da auf dieser Seite der Vagus mit der hier normalen Aorta in Beziehung bleibt. Der linke Vagus giebt dicht unterhalb (distal) von der Insertion des Ductus Botalli seinen Recurrens um die Aorta. Dieser Nerven- „weig geht in der Regel in der Mitte des Arcus von dem vor dem- Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 467 selben abwärts ziehenden N. vagus ab, schlägt sich lateral neben dem Stamme des Vag. um die Aorta, steigt hinter dieser senk- recht empor und kommt am linken Rande der Trachea wieder zum Vorschein, um unter Abgabe von Ästehen an Ösophagus, Trachea und Schilddrüse in der Rinne zwischen Ösophagus und Trachea nach oben zum Larynx zu ziehen. Der N. recurrens in. liegt infolge dieses Verlaufes dicht hinter der Aorta stets vor der abnormen Subel. dext., selbst in denjenigen Fällen, wo die Subelavia ihren Verlauf vor der Trachea nimmt. Die meisten Autoren haben daher diesen aus der Entwickelungsgeschichte sowie aus den Lagebeziehungen leicht verständlichen Verlauf des linken N. recurrens in der Regel nicht ausführlich be- schrieben ; sie haben höchstens erwähnt, dass der linke N. recurr. sich normal um die Aorta geschlungen habe. Schon Stedman (1823) hat das Verhalten des linken Vagus und N. laryng. inf. auf seiner zweiten Figur genau abgebildet, auch W alsham 1880) schildert ganz eingehend die Verhältnisse des linken N. laryng. inf. und speziell seine Beziehung zur Subelavia dextra. Der jüngste Autor, welcher den genannten Nerven bespricht, ist Götz (1896, 8. 8) bei seinem zweiten Falle; merkwürdiger- weise erklärt er das geschilderte Verhalten desselben für ganz überraschend und noch nie beschrieben. N. laryngeus- inferior dexter. Aul der rechten Seite bildet der N. laryng. inf. in der Mehrzahl der Fälle keine Schlinge um die Subelavia, sondern geht bereits in der Halsregion vom N. vagus ab. Die Abgangsstelle liegt bald hoch oben in Höhe des Larynx, bald tiefer und in einzelnen Fällen (Stachelroth, F. I) sogar nahe oberhalb der Kreuzung des Vagus mit der A. subel. dext. Von der Höhe der Abgangsstelle hängt der Verlauf des Nerven ab. Bei hohem Ursprung zieht er direkt transversal, bei tiefem Ursprung rück-, auf- und medial- wärts zum Larynx. 31* 468 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Die Fälle, in denen erwähnt wird, dass der Nerv keine Schlinge um die A. subel. dext. bildete, sind bereits oben S. 447 aufgezählt. In einzelnen gleichfalls oben bereits erwähnten Fällen bildet der Nerv eine Schlinge entweder um die A. subelavia oder um die von der A. carotis comm. kommende A. vertebralis, oder endlich um die A. thyreoidea inferior. Bildet der Nerv keine Schlinge, so kann er, wie Demarquay und andere mit Recht hervorheben, auch nicht als N. recurrens vagi bezeichnet werden. Wie aus meinen Beobachtungen sowie aus den schönen Darstellungen von Stedman, Hart, De- marquay und Brenner, welch letzterer die Verhältnisse noch übersichtlicher als Stedman in seiner Figur I abbildet, hervor- geht, ist das typische Verhalten des Nerven bei der abnormen Subelavia folgendes: Vom N. vagus dexter gehen vom Kehl- kopf abwärts der Reihe nach einzelne stärkere und feinere Stämmchen ab. Das oberste und stärkste, welches den N. laryng. inf. darstellt, zieht hinter der Carotis comm. dext. zum Larynx. Weitere Bündel gehen unterhalb dieses Hauptstämmehens vom Vagus ab und verlaufen teils vor teils hinter der Carotis medial- wärts zu Schilddrüse, Trachea und Ösophagus. Weiter abwärts gehen vom Vagus diejenigen Ästehen ab, welche mit dem Sym- pathicus in Beziehung treten, sowohl die, welche den Ramus cardiacus verstärken, als auch die Ästehen zum hinteren Lungen- oeflecht; die ersteren entspringen etwas höher und ziehen vor dem Aortenbogen zum Plexus cardiacus, die letzteren etwas tiefer und verlaufen hinter dem Arcus zu ihrem Bestimmungsort. Die ersten, welche bereits eine Beziehung des N. laryng. inf. dext. zur abnormen A. subel. dext. vermuteten, ohne jedoch die Verhältnisse des Nerven am Präparate gesehen zu haben, waren Autenrieth und Pfleiderer (1806 und 1807). Sie saeen (1807, S. 145): „Ohne Zweifel wird der herumscehweifende Pam) Nerv, ... . . ebenfalls mit dem Ursprung, der Arterie, wenigstens was seine Äste betrifft, vom normalen Verlauf abweichen.‘ Stedman (1823), welcher die Beziehungen des rechten und linken N. laryng. inf. zur Umgebung durch zwei Abbildungen erläutert, spricht die Ansicht aus, dass die Natur durch die eigenartige Lage der Art. subel. zu dieser Anordnung gezwungen gewesen sei. Sein Landsmann Hart (1826) war sodann der erste, welcher richtig erkannte, dass diese Anomalie abhängig ist von dem abnormen Verlauf der A. subel. dext.; schon er stellte die Behauptung auf, dass der abnorme Verlauf der rechten Subel. stets von dem Fehlen des rechten N. recurrens begleitet sein müsse. Im Jahre 1846 beschrieb H&erard einen Fall mit direktem Verlauf des rechten N. laryng. inf., merkwürdiger- weise aber, ohne der Beziehungen zu den Gefässen zu gedenken. Doch zog Herard aus seiner Beobachtung den Schluss, dass ınan, wenn sich kein rückläufiger Ast an der gewöhnlichen Stelle finde, deshalb nicht behaupten dürfe, der Nerv sei überhaupt nicht vorhanden. Auch Demarquay (1848) hat einen Zu- sammenhang zwischen der Abnormität und dem Verlauf des Nerven vermutet; doch hat auch er noch nicht gewagt, bestimmt die Ansicht auszusprechen, dass bei abnormer Subelavia dextra der direkte Verlauf des N. laryng. inf. das eigentlich Normale sei. Wohl hatten schon Hart (1826) und Deville (bei Pıgne 1847) die normale Rekurrensschlinge richtig gedeutet; allein Hart hat aus den normalen Entwickelungsverhältnissen keine Folgerungen für den Zusammenhang der abnormen Subelavia mit dem Fehlen des N. recurrens gezogen, weil er die Arterien- anomalie entwickelungsgeschichtlich nicht zu deuten vermochte. Selbst Turner (1862), der die entwickelungsgeschichtliche Deu- tung der abnormen Subelavia durch Wood (1859) kannte und bei seinen Fällen gleichfalls das Fehlen des N. recurrens und den direkten Verlauf des Nerven beobachtete, hat es unterlassen, die Schlüsse vollends zu ziehen. 40 GOTTHOLD HOLZAPFEL, So fällt erst W. Krause (1868, S. 19) das Verdienst zu, die Anomalie des Nerven richtig erkannt zu haben. „In der frühen Periode der Entwickelung, sagt er, liegt das Herz hoch oben am Halse und der N. recurrens gelangt beiderseits unter den Aortenbogen zum Kehlkopfe. Er behält letztere Lage auch später bei, wenn das Herz in die Brusthöhle herabrückt, wo- durch derselbe seinen eigentümlichen Verlauf erhält. Wenn nun aber der obere Teil des vierten rechten Aortenbogens frühzeitig obliteriert, so fällt für den N. recurrens dexter der Grund des Hinabwachsens in die Brusthöhle fort, und es wird verständlich, dass die beschriebenen Anomalien des N. recurrens und der A. subel. dextra immer zusammen vorkommen müssen.“ (Vergl. unsere Textfigur 12, S. 457 und Taf. XXX/XXX] Fig. 1). Diese Darstellung findet in einigen Punkten eine Ergänzung durch Brenner (1883), welcher die Beziehungen des Vagus zu den Arterienbogen bei Wirbeltieren genauen Untersuchungen unterzog. Er fand für die ganze Reihe der Amnioten als Ge- setz: „Der N. laryngeus inf. schlingt sich, um vom Stamm des Vagus zu seinem Bestimmungsort zu gelangen, um den untersten letzten der erhaltenen Aortenbogen herum, und, wenn er sich um den fünften (6.!) Bogen schlingt, liegt er nach aussen vom Abgang des Pulmonalastes.‘ Brenner fasst dieses normale Herabwachsen des N. recur- rens nicht so sehr als mechanischen Effekt des Zuges, als viel- mehr als einen auf Vererbung basierten Vorgang auf. Nach seiner Darstellung ist „zur Zeit, wo das Herz seine Wanderung beginnt, der Vagusstamm bereits angelegt und nachweisbar; die Äste des Vagus, welche zur Lunge, zur Trachea, zum Speiserohr gehen, werden in den ersten Zeiten vom Stamm des Vagus ab in querer oder absteigender Richtung zu den noch hinter dem sechsten Aortenbogen gelegenen Organen ziehen. Wenn nun das Herz seine Wanderung antritt, ziehen sich auch noch die drei vor- handenen Aortenbogen zurück; die Astchen, welche senkrecht Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 471 auf die Richtung der Aortenbogen quer zur TTrachea und der Kehlkopfanlage ziehen, müssen unter dem Einfluss der zurück- weichenden Gefässbogen zunächst zu einem einheitlichen Nerven- bündel zusammengefasst und ihr Abgang vom Stamm soweit nach abwärts verlegt werden, als eben der Aortenbogen verlangt. Schwindet nun der 4. und 5. (d.h. 4.—6.!) Aortenbogen, so fällt für den N. laryng. inf. die Notwendigkeit des Hinabsteigens weg und auch die Zusammenfassung zu einem stärkeren Nerven- bündel erscheint überflüssig. Wie weit der Vorsprung des Ramus laryngeus herabsteigt, hängt ab von den Aortenbogen. Sind zur Zeit der Wanderung des Herzens die beiden letzten Gefässbogen noch vorhanden, so wird auch der N. laryng. inf. als N. recurrens auf beiden Seiten an gleicher Stelle vom Vagus abgehen und um die beiden Gefässbogen herumziehen; er wird diesen Weg auch dann noch machen, wenn in späterer Zeit des embryonalen Lebens der betreffende Gefässbogen auch für die genaueste anatomische Untersuchung spurlos verschwunden ist; denn ist der Nerv einmal in den Brustraum herabgestiegen, dann wächst er gleichsam mit den umliegenden Geweben weiter und behält seine topographischen Beziehungen bei, selbst wenn der Gefässbogen, der ihn heruntergedrängt hat, vollständig ge- schwunden ist“. Die entwickelungsgeschichtlichen Vorgänge, welche die Brennersche Darstellung voraussetzte, fanden bald auch ihre thatsächliche Bestätigung. Froriep (1885, S. 45) konnte an Serienschnitten den Verlauf des Vagus bei jungen Rindsembryonen genauer verfolgen: „Der Stamm des Vagus zieht aus dem Schlund- bogengebiet in die Brust hinab; im Bereich des fünften Schlund- bogens biegt er schräg medialwärts von der Oberfläche in die Tiefe und kommt so unterhalb des fünften (bezw. sechsten!) Arterien bogens neben der Anlage der Luftröhre zu liegen. Fasern, welche er hier an diese letztere giebt, werden durch das spätere Herab- rücken der Arterienbogen zu dem N. laryng. inf. ausgezogen.“ 472 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Auch ©. Hertwig (1896) giebt eine entwickelungsgeschicht- liche Erklärung der Rekurrensschlinge, jedoch lässt er, wohl durch ein Versehen, das Stämmchen des Vagus, welches zum linken N. recurrens werden soll, von unten her den vierten, anstatt den letzten Gefässbogen umfassen. Dass die Abgangsstelle des rechten N. laryng. inf. eine überaus wechselnde ist, habe ich bereits hervorgehoben. Ich möchte diese Thatsache für eine Stütze der Ansicht von Brenner halten, dass in diesen Fällen der 4+—6. und besonders der vierte (refäss- bogen erst atrophierte, als das Herz seine Wanderung nach ab- wärts schon begonnen hatte. Es bleiben nun nur noch die Fälle übrig, in denen der Nerv eine Schlinge um eine der oben erwähnten Arterien (Subelavia, Vertebr., Thyreoidea inf.) bildet. Brenner (1883, S. 377 und 378) hat die entwickelungs- geschichtliche Erklärung für jene Fälle erbracht, wo der Nerv seine Schlinge um die von der Carotis comm. dext. entspringende A. vertebralis bildet. Da letztgenannte Arterie nach Brenner als Ast der Carotis comm. dext. in ihrem Anfangsstück den vierten Aortenbogen darstellt, „so ergiebt sich, dass die Wirbel- arterie zum N. laryng. inf. in dieselben Beziehungen tritt, wie normalerweise die A. subel. dext., d. h. dass der Nerv. laryng. inf. als N. recurrens um die A. vertebralis herumgehen muss.“ Dieselbe Auffassung spricht Shepherd (1889) aus und Solger (1892, Fall 2), der Brenners Darstellung kennt, schliesst sich derselben an. Der N. recurrens dext. wird in diesen Fällen natürlich schwächer sein, da er weniger Nervenfasern in sich vereinigt; auch erlangt er wegen des hohen Abganges der Ar- terie nicht die gewöhnliche Länge. Entwickelungsgeschichtlich unerklärlich scheint dagegen der von Pigne (1847) beobachtete Verlauf des N. vagus dext. hinter Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Aıteria subclavia dextra. 413 der A. subel., sowie der Verlauf des N. laryng. inf. in den Fällen Patruban, Mears und Götz (Fall 1 und 2). In diesen Fällen nämlich soll der N. laryng. inf. dext. eine Schlinge um die ab- norme A. subelavia dextra und im vierten Falle von Turner eine solche um die A. thyreoidea inf. gebildet haben. Zur Aufklärung über diese merkwürdigen Befunde habe ich zunächst nach anderweitigen Anomalien des N. laryng. inf. in der Litteratur gesucht. Ich fand 2 Fälle. Der eine wurde von Gottschau (1887) bei Verlauf des Arcus über den rechten Bronchus mit Typus: ©. s., ©. d., 8. d., S. s. beobachtet. Die S. sin. verlief hinter dem Ösoph.; der obliterierte Duct. Bot. verband die Art. pulmon. mit der Subel. sin. Während bei dieser Anomalie, wie esSandi- fort (1793, Tom. I, S. 273) bei einem ähnlichen Falle beobachtet hatte, der Nerv rechts um die Aorta, links um den Ductus Botalli sich hätte schlingen sollen, verlief er hier auf der linken wie auf der rechten Seite um die A. subelavia. Der andere Fall ist der, den Leboucq (1894) als den 9. seiner Fälle an- führt: Die Aorta ascendens teilte sich in zwei Aortenbögen; der hintere (rechte) gab Carotis d., Vertebr. d. und Subel. d., der vordere (linke) die Carot. sin. ab, während die Subel. sin. an der Vereinigungsstelle der beiden Bögen, links neben der. Trach., entsprang. Der Duct. arter. Bot. inserierte an der Konkavität des linken Bogens, dem Ursprung der Subelavia gegenüber. Leboucgq fand die Nerven schon abgeschnitten, als er die Ano- malie entdeckte, jedoch versicherte ihn der präparierende Student, dass der linke N. recurrens sich um die linke Aorta, der rechte um die rechte Subelavia geschlungen habe und nicht um die rechte Aorta. wie man doch hätte erwarten sollen. Diese beiden Fälle sind nicht minder unverständlich wie die oben angeführten, und wir stehen hier vor Befunden, für deren Deutung die Entwickelungsgeschichte zur Zeit keine Hand- 474 GOTTHOLD HOLZAPFEL, habe bietet. Dieselben anzuzweifeln, liegt keine Nötigung vor. Zwar hat Götz in seinem 1. Fall die Rekurrensschlinge nicht selbst beobachtet, da die Nerven an dem ihm überlassenen Präparate nicht mehr erhalten waren; seine Angabe stützt sich aber auf die Mitteilung des Prof. Dr. Zander, welcher den Fall zwei Jahre früher beobachtet hatte. Bei seinem 2. Fall be- merkt Götz nur kurz: „Die Beziehungen des Ramus laryng. inf. zur Subelavia dextra waren rechts die gewöhnlichen.‘ Auf diese ganz unerklärliche Thatsache geht Götz, obschon er Brenners Arbeit kennt, nicht näher ein und bildet in der diesem 2. Fall beigegebenen Zeichnung nur den Verlauf des linken Vagus und des N. laryng. inf. sin. ab, während doch das Verhalten der Nerven an der rechten Seite weit dringender der dokumentari- schen Festlegung bedurft hätte. Wenn man überhaupt eine Erklärung dieser eigenartigen Befunde suchen will, so könnte man auf die Vermutung kommen, dass in den betreffenden Fällen die Subclavia durch Ein- schaltung einer ungewöhnlichen Anastomose zustande gekommen wäre. In den Fällen von Patruban, Mears und Götz müsste der 4. rechte Aortenbogen erst in späterer Zeit atrophiert sein, nachdem das Herz bereits seine Wanderung nach abwärts an- getreten hatte, und in der hierdurch bereits entstandenen Rekur- rensschlinge müsste eine Anastomose zwischen A. subel. und rechter absteigender Aortenwurzel nach Ausschaltung der ur- sprünglichen Bahn zur Hauptbahn geworden sein. Und ähn- liche Vorgänge müssen auch in den Fällen von Gottschau und Leboucqg hypothetisch vorausgesetzt werden, um die rätsel- haften Abweichungen von der entwickelungsgeschichtlich vor- gezeichneten Anordnung zu erklären. Der 4. Fall von Turner ist nur flüchtig referiert, auch ist nicht berichtet, von welcher Arterie die A. thyreoidea inf. dextra ihren Ursprung nahm. Wir könnten vermuten, dass sie (wie im 7. Falle von Barkow 1869)!) ein Ast der A. carotis comm. d. gewesen wäre, was allerdings ziemlich selten. vorkommt. In diesem Falle würde sich die Rekurrenzschlinge in ähnlicher Weise erklären, wie in den Fällen, in welchen die A. vertebralis einen Ast der Carot. comm. d. darstellt. Die A. thyr. inf. würde dann in der Bahn des 4. Aortenbogens ihren Weg haben?). Sollte die Arterie dagegen ein Ast der A. subel. gewesen sein, so müssten wir vermuten, dass der 4. rechte Aortenbogen erst in später Zeit atrophierte und die A. thyr. in der bereits gebildeten Rekurrensschlinge liegen blieb. Rätselhaft erscheint der von Pigne& (1847) beobachtete Ver- lauf des N. vagus hinter der A. subelavia. Wie schon Deville bei der Diskussion über diesen Fall hervorhob, muss man er- warten, dass bei dieser Anordnung der N. laryng. inf. direkt zum Larynx zieht, da ja die mechanische Ursache für das Zustande- kommen der Rekurrensschlinge fortfällt. Auch diese eigentümlichen Verhältnisse könnten wir uns nur durch die Annahme zu erklären suchen, dass eine vor dem N. vagus verlaufende Anastomose die Verbindung zwischen der rechten Subelavia und der rechten oder bereits der linken absteigenden Aortenwurzel hergestellt hätte, und dass diese Anastomose durch Atrophie der ursprünglichen Bahn zum An- fangsstück der A. subelavia d. geworden wäre. (cfr. Fig. 14, S. 461). Den von Hart aufgestellten Satz, dass in allen Fällen von abnormen Verlaufe der A. subelavia dextra auch der N. laryng. inf. direkt verlaufen müsse, kann man auch umkehren und sagen, dass in Fällen, wo der N. laryng. inf. dext. direkt zum Larynx verläuft, (normale Lagebeziehungen vorausgesetzt) mit Sicherheit auf den ungewöhnlichen Ursprung und Verlauf der 1) Wenn hier nicht jener Seitenast der Car. d., wie ich vermute, die Vert. d. war. 2) Allerdings verläuft nach Taguchi (1889) der N. laryng. inf. nur in etwa einem Drittel der Fälle hinter der A. thyr. inf., was für die Entstehung der Rekurrensschlinge selbstverständlich Vorbedingung ist. 476 GOTTHOLD HOLZAPFEL, A. subelavia dextra geschlossen werden darf. Die einzige Aus- nahme dürfte sich bei jener auch von Reid (1846) beobachteten Missbildung finden, wo Kopf und Kehlkopf doppelt, dagegen der untere Teil des Halses, der Rumpf und die Extremitäten einfach sind. In einem derartigen Falle sind 4 Vagi angelegt, es schlingt sich der rechte N. recurrens des rechten Larynx um die A. subelavia, der linke N. recurrens des linken Larynx un die Aorta, während der linke N. Jaryng. inf. des rechten Larynx und der rechte N. laryng. inf. des linken Larynx direkt zum Kehlkopf ziehen, sobald die Vagi den Kehlkopf passieren. N. sympathicus. Der Nervus sympathicus wird von der Anomalie der Subelavia dextra, wie es scheint, nur selten beeinflusst, obschon Autenrieth und Pfleiderer (1807, S. 145) vermuteten, dass dies in der Regel der Fall sein werde. Die Autoren haben in ihren Schilderungen den Nerven nur in wenigen Fällen berücksichtigt, unter denen er auf der rechten Seite viermal, auf der linken einmal ein ungewöhnliches Ver- halten zeigte. Der rechte Sympathicus liegt, wie gewöhnlich, hinter der Arteria subel. d.. worauf Walsham (1880) noch be- sonders hinweisst, und schlägt seine Ansa Vieussenii nach vorn um die Arterie. Bei Turner (Fall 1) und Shepherd war der rechte Sympathicus in der Nähe der Subel. in 2 Stränge geteilt, welche die Arterie umspannten. In dem Falle von Turner umwanden beide Stränge auch noch den Vertebralast der Subel. Doppelt war der Sympathicus im Falle Ludwig; jedoch spricht dieser Autor sich nicht näher darüber aus, ob überhaupt 2 Nerven rechterseits angelegt waren, oder ob der Sympath. nur in ge- wisser Ausdehnung in 2 Stämme gespalten war. Linkerseits umspannte der Sympath. in meinem zweiten Falle auch noch die A. vertebralis. Erwähnenswert ist das Verhalten des Sympathicus in jenen Fällen, in welchen die A. vertebr. d. von der Carotis abgeht. In dem 3. Falle von Brenner — und mit diesem stimmt der Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 477 2. meiner Fälle überein — bildet der rechte Sympath. (bei Brenner in der Höhle des 6. Halswirbels) ein grösseres Gang- lion; die aus demselben hervorgehenden Nervenfäden bilden ein Geflecht um die A. vertebr. und sammeln sich zu Bündeln, welche mit Vagusfasern vereint den Gefässen entlang zum Herzen ziehen. Vor dem Sympath. und dem erwähnten Ganglion liegt der nach abwärts ziehende Vagus und die Rekurrensschlinge. Brenner giebt in seiner 2. Figur eine instruktive Abbildung dieser Verhältnisse. Dass der Sympathieus trotz seiner engen Beziehungen zur Subelavia bei der Anomalie in der Regel nicht beeinflusst wird, scheint verständlich aus den Untersuchungen von Hochstetter (1890) an Kaninchenembryonen, die gezeigt haben, dass der Grenzstrang des Sympath., im Anfang ventral von den segmen- talen Arterien gelegen, bei den Lageveränderungen der A. sub- clavia von dieser Arterie gewissermassen unvollständig durch- wandert wird, derart, dass seine Hauptmasse als eigentlicher Stamm dorsal und medialwärts von der Subelavia zu liegen kommt und der vordere schwächere Nervenstrang zur Ansa Vieussenii ausgezogen wird. Da nun die Lage der Subclavia in der frühesten Entwickelungsperiode die gleiche ist — mag sich weiterhin die Anomalie ausbilden oder nicht, -—- so wird die Arterie, einmal in den Grenzstrang eingeschaltet, diese Beziehung bleibend beibehalten, auch wenn sie bei Ausbildung der Ano- malie sich aus ihrer ursprünglichen Lage beträchtlich verschieben sollte. Duetus thoracieus. Auch der Ductus thoracicus wird zuweilen von der Anomalie der A. subel. d. beeinflusst. Da derselbe mit dem arteriellen Gefässsystem in keiner direkten Beziehung steht und die Venenverhältnisse in den einzelnen Fällen, soweit genauere Angaben vorliegen, normal waren, so 47S GOTTHOLD HOLZAPFEL, sollte man erwarten, dass der Lymphgang in allen Fällen, in denen die Brustorgane normal waren, wie gewöhnlich nach links verlaufen würde. Leider ist der Duct. thorac. nur von wenigen Autoren be- rücksichtigt und untersucht worden, denn man wird aus dem Schweigen der meisten Autoren den gegenteiligen Schluss kaum ziehen dürfen, dass nämlich der Verlauf des Ductus thor. ein normaler gewesen wäre. In der Litteratur unserer Fälle fand ich ihn neunmal erwähnt. In einem dieser Fälle (Patruban) mündete er wie gewöhnlich auf der linken Seite ein; im Falle Sandifort (1793) endigte er in die Vena subel. d., und in 5 Fällen: Stachelroth, Falli. Brenner F. 1-3. Thompson mündete er in den durch die Vereinigung der rechten V. subel. und jugularis int. gebildeten Angulus venosus dexter ein. Ob an der linken Seite ein Truncus Iymphatieus vorhanden war, er- wähnen Stachelroth und Brenner nicht; im Falle Thompson fand sich auch ein solcher vor. Die Subel. d. verlief zwischen Ösoph. und Ductus thoracius im Falle Isenflamm, hinter Ösoph. und Duct. thor. im Falle Hart. Über die Verhältnisse in den von mir untersuchten 2 Fällen kann ich leider keine Auskunft geben, da die betreffenden Präparationen nicht mehr ausführbar waren. Andere Anomalien des Duct. thor. sind in der Litteratur nicht allzu selten, ich will hier nur die ähnlichsten kurz anführen. Allen Thonison (1862) fand bei Verlauf der Aorta über den rechten Bronchus, mit dem Typus: A. innomin. sin., Carot. d., Subel. d., die ungewöhnliche Einmündung des Duct. thor. in die Verbindungsstelle der rechten V. jugul. int. und Subel. Hommel (1737) beobachtete bei einem Falle von Doppelaorta 2 Ductus; nach Stachelroth sah Sömmering (Anatomie, IV, S. 583) ihn in seiner ganzen Länge doppelt und ebenso sah ihn Otto (pathol. Anat. I., 365. 1830) an 2 Präparaten doppelt. J. Henle (Handbuch, Bd. 3, 1. Abt., S. 453. 1876) endlich führt eine ganze Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 47 3 Reihe von Varietäten des Ductus thoracicus mit Litteraturangabe an, auf welche ich wohl verweisen dar!. Unter allen mir bekannt gewordenen Anomalien mündete der Duct. thor. auf der rechten Seite ein: a) Ohne Anomalie der Arterien in 6 Fällen, nämlich '!): Meckel. Cruikshank. Fleischmann. Todd. Fyie Watson. b) Bei Verlauf des Arcus aortae über den rechten Bronchus in 1 Fall: Allen Thomson. c) Bei abnormem Ursprung und Verlauf der A. subel. d. n 6 Fällen: Sandatort 1193, ‚Stachelroth,,H=1. Brenner, F. 1-3. Thompson. Hieraus ergiebt sich, dass der abnorme Verlauf des Ductus thoraeicus jedenfalls nicht an die Anomalie der A. subelavia dextra gebunden ist. Anatomisch - Physiologisches. Eine interessante, aber schwer verständliche Erscheinung bildet die wiederholt erwähnte und bei unserer Anomalie nicht selten beobachtete Erweiterung des Anfangsstückes der abnormen A. subelavia dextra; die oben gegebene Zusammenstellung (S. 439) ergiebt 33 Fälle. Bei Beurteilung der Frage nach den Ursachen dieser Erweiterung kann es sich selbstverständlich nur um gesunde, nicht arterio- sklerotisch veränderte, Arterien handeln; wir dürfen daher die Fälle von Ludwig und Brown, in welchen gleichzeitig eine Erweiterung der Aorta pathologischer Natur vorliegt, nicht mit- zählen. Etwas auffallend erscheint auf den ersten Blick die That- sache, dass in 18 Fällen das Anfangsstück der A. subel. d. nicht erweitert war, wie solches zum Teil aus der Beschrei- BunS zum Teil aus den Abbildungen der Fälle hervorgeht. Diese ketaluraneahe bei Henle, Handbuch, Bd. 3, 1. Abt. 1876, S. 453 und 454 und, soweit die Anomalie der S. d. in Betracht kommt, . das Litt.- Verz. am Schlusse der Abhandlung. 480 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Fälle sind ebenfalls oben (Seite 439) zusammengestellt. Einen direkten Schluss auf das Verhältnis der Häufigkeit der Er- weiterung gegenüber den Fällen, in welchen das Gefäss nicht erweitert ist, gestatten diese Zahlen nicht; auch wäre es gewagt, für die Mehrzahl der übrigen Fälle, in welchen keinerlei An- gaben über das Kaliber der Arterien gemacht sind, anzunehmen, dass das Gefäss dasselbe oder annähernd gleiches Kaliber wie die Subelavia der entgegengesetzten Seite gehabt habe. Die Art und Ausdehnung dieser Erweiterung ist verschieden. Für gewöhnlich ist die Ausbuchtung nur auf das Anfangsstück der Arterie beschränkt, nur in wenigen Fällen umfasst die Erweiterung ein grösseres Stück ; so ist die Arterie im Falle Krause mindestens bis an den Ösophagus heran erweitert. In dem Falle von Valentin hält die An- schwellung bis zu der rechten Skalenuslücke, und in meinem 4. Fall bis an die rechte Seite der Wirbelkörper an. Das An- fangsstück ist bald nur beträchtlich konisch (kegelförmig), bald trichterförmig, bald geradezu nach Art einer Kuppel oder Zwiebel beutelförmig, kolbig oder länglich spindel- förmig erweitert. In der Regel sinkt das Kaliber nach wenigen Centimetern auf das normale herab. Die beutelförmige Erweite- rung betrifft in einzelnen Fällen, so bei Hommel, nicht gleich- mässig alle Wände der Arterie, vielmehr ist die hintere und laterale Wand des Gefässes stärker vorgewölbt als der übrige Teil. Die Länge der Anschwellung beträgt gewöhnlich bis zu 3—4 cm; in meinem 4. Falle beträgt sie 8,2 cm. Der Verlauf der in ihrem Anfangsstück erweiterten Arterie ist nur in 25 Fällen bekannt: Zwischen Trachea und Ösophagus verlief die Arterie in den Fällen Bayford, Hesselbach, Fall 1 und Brown; zwischen Ösoph. und Wirbelsäule in 22 Fällen. Letztere sind in der Übersicht (S. 440) dadurch gekennzeichnet, dass die zu- gehörigen Autoren durch fetten Druck hervorgehoben sind. AUnsem öhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 481 Die einzelnen Autoren haben der Erweiterung verschiedene Namen beigelegt. Hommel vergleicht sie mit einem Sack, Sandifort spricht von Bursa, Protuberantia conoidea, Meckel (1820) von Protuberantia sacciformis, Zenker heisst sie Bulbus und Pertik (1880) blinden Sinus. Brent nennt sie bulbous enlargement; die Franzosen (Bothezat, Leboucg) bezeichnen sie mit renflement. Einige Autoren scheinen die Erweiterung noch als einen Bestandteil der Aorta aufgefasst zu haben, denn dextr. sın. Car.dors. Carventr Car dohs. EN N.laryng. inf N; A vertebr.sın. 5 A subcl.sın. N.laryng.ınf A.vertebr. d.- l Fig. 16. Abnormer Ursprung der Arteria subelavia sinistra. Quain, welcher sich der Namen „pouch‘“ und „conical dila- tation“‘ bedient und die Bezeichnung pouch (Beutel) vorschlägt (S. 158), bemerkt beiläufig: „Das Gefäss entspringt nicht un- mittelbar von der Aorta, sondern von einer Vorwölbung der- selben oder Beutel („from a projection from it or pouch“) und Brenner spricht von einer „Vorbuchtung der Aortenwand“ Um der Frage nach den Ursachen, durch welche diese Er- weiterung zustande gekommen sein könnte, näher zu kommen, möchte es sich zur Aufklärung dieser eigenartigen Verhältnisse Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd., H. 3.) 32 482 GOTTHOLD HOLZAPFEL, empfehlen, aus der Litteratur Fälle ähnlicher Dilatationen an anderen Gefässen heranzuziehen. Nun giebt es ein Gegenstück zu unserer Anomalie, nämlich den Ursprung der A. subclaviasin. als letzter Ast des Bogens, wenn sich der letztere über den rechten Bronchus schlägt nach Art des normalen Verhaltens des Aortenbogens der Vögel. Das Schema zu dieser Anomalie, die begreiflicherweise ungleich seltener ist, giebt umstehende Figur 16. W. Gruber (1863) hat die Litteratur dieser Fälle mit Ver- lauf des Arcus über den rechten Bronchus bis zum Jahre 1863 zusammengestellt und seither sind noch einige Fälle dazuge- kommen. Unter diesen Anomalien nun, bei denen ebenfalls der Ver- lauf der Subelavia hinter dem Ösoph. das Gewöhnliche ist, findet sich noch häufiger als bei unserer Anomalie eine nicht unbeträchtliche Erweiterung. Da diese Fälle für die Lösung unserer Frage von Bedeutung sind, möge es gestattet sein, die einzelnen Beobachtungen ganz kurz wiederzugeben. 1. Ball: Klınkosch (1766) % Alypus:;C: s, Cd, Sa. Unter dem Ursprung der letzteren, davon vier Linien (9 mm) entfernt, ver- einigt sich der Ductus arteriosus Botalli mit der Ao. Von der Mitte dieses noch durchgängigen Ductus entspringt hinter dem Ösoph. die S. s. und zieht in einem Bogen nach links. Aortenbogen und Duct. Bot. umgeben Trach. und Ösoph. ringförmig. 2" Baoratı (1.7864). Typus:76. 8... da 8..d, Suse Betziere entspringt an der Übergangsstelle des absteigenden Abschnittes des Bogens zur Ao. thor. mit einer beutelförmigen Erweiterung. Das er- weiterte Stück liegt quer, verengt sich, biegt nach unten um und steigt fast rechtwinkelig wieder in die Höhe. An der Umbiegungsstelle inseriert der vom linken Pulmonalast kommende obliterierte Duct. Bot. Der Aortenbogen, dessen beutelförmiger Vorsprung und das Lig. arter. bilden einen Ring um Trach. und Ösophagus. 3. Otto (1824; der Fall ist auch von Frenzel 1835, S. 11 be- schrieben. und ‚abgebildet), Typus: C..s, C. d, V.d,®8.d,sS.s; !) Das Präparat ging (nach Gruber) durch Schenkung von Aglietti an Sandifort in das anatomische Museum nach Leyden über. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 183 letztere entsteht oben und hinten, kurz vor der Umbiegung des Arcus, verläuft hinter dem Ösophagus, steigt mit einer konischen Erweiterung senkrecht in die Höhe und zieht "sodann bald mit gleichmässigem Kaliber verjüngt in querer Richtung nach links. Duct. arter. nicht sicher gestellt. 4. Harrison-Quain (1844, S. 138 und Atlas, Plate 20, Figur 8 u. 9). Typus: ©. s., ©. d., 8..d, 8. s.; letztere entspringt mit einer sehr bedeutenden (2,5—3 cm langen) Erweiterung von der linken Seite der Aorta, an der Übergangsstelle des Arcus in die Ao. thor,, verläuft quer hinter dem Ösoph. nach links; an dessen linker Seite pflanzt sich nahe am Ende des Beutels und unten der vom linken Pulmonalast kommende, obliterierte Ducet. Bot. ein; an dieser Stelle biegt > S. s. nach oben um. denen n (1846, S. 10) kopiert Rich. Quains Plate XX, Fig. 8 auf’ Tap.539,. Big. 7 und erwähnt, er habe diese Varietät nur noch einmal in einem Manne gesehen. 6. Patruban (1848). Typus: Cr’a, 10: d4.82-.d., 8. 8.3nletziene ohne beträchtliche Erweiterung von der Hinterwand am Übergang zur Ao. thor.; zieht rückläufig schräg nach links hinter Ösoph. Der obliterierte Diet Bot. liegt hinter dem Ösoph. und verbindet den 1. Pulmonalast mit S. s., inseriert an deren medialen Seite dieht an der Basis, zieht das Anfangsstück etwas trichterförmig nach der Mitte zu aus und umgreift strangartig die linke Fläche der Speiseröhre. 7. Fick (1854). Typus: C. s., C. d., S. d., S. s.; letztere hinter Ösoph. Der obliterierte Duct. Bot. verbindet den linken Pulmonalast mit der $. s. und inseriert an dieser am linken Rande des Ösoph. Die Abbildung stellt das Präparat von vorne dar; das Anfangsstück der S. s. ist daher nicht zu sehen. — Nähere Beschreibung fehlt. 8. Schwegel (1859). Typus: C. s, C.d, 8.d, 8. s. Eine Erweiterung des Anfangsteils der letzteren scheint nicht vorhanden gewesen zu sein. Die A. subel. s. entsteht in der rechten 'Thorax- hälfte von der Ao. descend. und zieht hinter den Ösoph. Der schon durch Blutgerinnsel verstopfte Duct. arter. Botalli senkte sich in die Subel. sin. ein, !/? em von ihrem Ursprung aus der Aorta. A Müngel (1862) Typus:2.C. 3,1. C#d.98..d, 98 5:5, der Duet. art. inseriert sich unmittelbar unter dem Ursprung der A. subel. sinistra. 10. Tun er (L862.28.186).1, Typus: C.,3.,:0,4, 83 d...8..35 von der linken Seite des absteigenden Teils des Arcus entsprang ein dicker, beutelförmiger Stamm, der ca. !/2 inch (12!/2 mm) lang ist und quer zur linken Seite läuft. Am linken Rand des Osoph. inseriert in diesen beutelförmigen Stamm das vom linken Pulmonalaste kommende Lig. Botalli, etwa in der Mitte des Beutels. Vom beutelförmigen Stamm ging eine kleine Bronchialarterie ab. Verlauf der Arterie etwas quer und dann schräg. 32* 454 GOTTHOLD HOLZAPFEL, 11.—12. Wenzel Gruber (1863, S. 434—436). a) 1. KBall ypus: :C.s,) C. d.S.d, B.8%5 die’S. 3. entspringt von der linken Seite des Aortenbogens, verläuft zuerst hinter dem Ösoph. von rechts nach links quer und biegt dann schräg nach aufwärts um. Das quere Anfangsstück stellt einen von vorn nach hinten etwas kom- primierten, nach links allmählich zugespitzten, konischen Beutel dar, welcher 6—-7 Linien (1,36—1,58 cm) lang, am Abgang von der Aorta 6—7 Linien und am Übergang in das schräg aufsteigende Stück 31/2 Linien (8 mm) dick ist. Lig. arter. (von der A. pulmonal. sin.) inseriert an der unteren Seite der Spitze der beutelförmigen Anschwellung. b) 2. Fall: Ders. Typus. _S. s. entsteht von dem Ende des Arcus, knapp über dem Ende seines Übergangs zur Ao. thor. und verläuft zuerst quer hinter Ösoph. von rechts nach links, biegt dann recht- winkelig nach aufwärts um und verläuft in einem Bogen zur Lücke der Sealeni. Das quere Anfangsstück hat einen °®/ı Zoll (1,7 cm) langen, am Abgang von der Aorta sechs Linien (1,36 cm) und am Übergang in das links aufsteigende Stück derselben vier L. (0,9 cm) dieken konischen Beutel. Das Lig. art. entspringt an der Teilungs- stelle der Pulmonalarterie und verläuft links vom Ösophagus. 13. Bochdalek jr. (1867); derselbe Typus. S. s. entsteht von der 1. Seite der Übergangsstelle zur Aorta thorac. und ist nicht er- weitert, fünf Linien (11,3 mm) diek. !/a Zoll (14 mm) nach Ab. gang von der Aorta pflanzt sich der von der A. pulm. sin. kommende obliterierte Duct. Bot. in den unteren Umfang der Subel. ein, welche hinter dem Ösoph. verläuft. 14. Barkow (1869, S. 14. Präparat Nr. 90). Typus: C. s, Cd, V.d,S.d, 8. s.; letztere verläuft zwischen Speiseröhre und Wirbelsäule Der Fall ist wohl identisch mit dem Präparat Ottos. 15. Pertik (1880). Typus: C. s., C. d., S. d., 8. s.; letztere ent- springt hinten am Übergang des Arcus zur Ao. thor. aus einem grösseren, blinden, taschenförmigen Sinus und zieht hinter dem Osoph. schräg in einem Bogen unter Abgabe von zwei kleineren Ästehen nach links. Der obliterierte Duct. Bot. kommt von der A. pulm. sin., umzieht die hintere Fläche des Ösoph. striekartig und inseriert sich am Ursprung der Subel. an dem erwähnten Sinus. 16: 1%: Brenner’(1835). a). Fall,78.379 u. Tal 17, Bir: Typus wie bei Pertik. S$. s. entspringt an der linken Seite des Bogens. Zwei Ductus Botalli sind vorhanden. Der eine kommt von der rechten Pulmonalis, zieht an der rechten Seite von Luft- und Speiserohre vorbei zur Konkavität des Arcus aortae und inseriert sich gegenüber dem Abgang der A. subel. d. Der aus der linken Pulmonalarterie kommende Strang zieht links von der Trachea und dem Ösophagus zu der Vorbuchtung der Aorta, an welcher die Subel. sin. beginnt. „Die Aorta ist krankhaft erweitert, das Anfangsstück der Subel. sin. ist deshalb wohl auch noch weiter geworden. An den Pulmonalarterien Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 485 entspricht der Insertion der beiden Ligamente je ein seichtes Grübchen; an der Aorta findet sich nichts Derartiges, vielleicht infolge der athero- matösen Veränderungen.“ b) 2. Fall, S. 382 u. Tafel 17, Fig. 5. Bei einem drei Tage alten Kinde. Reihenfolge: Trune. anon. für V. s. u. ERS Car V:,d; S. d, 8. s.; an der Uebergangsstelle des Arcus in die Aorta des- cendens weitet sich die Aortenwand links aus und geht in ein mächtiges Gefäss über, welches eingekeilt zwischen Ösoph. und Wirbelsäule nach links hin in die Subel. sin. eintritt und an der linken Seite der Trachea den weit geöffneten Duet. Botalli aufnimmt. 18.—19. Dittrich (1886). 1. Fall, S.65. Typus: €. s., C.d,, S. d., 8. s.; letztere entsprang von dem nach links hin sackförmig ausgebuchteten unteren Ende des Arcus aortae rechts und hinten von dem Ösoph., hinter welchem sie verläuft. Von dem Teilungs- winkel der A. pulm. ging der obliterierte Duct. Bot. zur Ursprungs- stelle der aus der Spitze der früher genannten Aortenausbuchtung ent- springenden Art subel. sinistra. 2. Fall, $. 68. Derselbe Typus. S. s. entspringt an der Über- sangsstelle des Arcus in die Ao. thor. und zwar, wie in dem früheren Falle, aus einer an der linken Seite des Arcusendes befindlichen beutel- förmigen Ausweitung, nach links vom Ösoph. Die Arterie zieht hinter diesem nach links. Der Duct. arter. inserierte wieder an der Spitze dieser Ausbuchtung des Aortenbogens, war vollständig obliteriert und überkreuzte die vordere Fläche der Trachea etwas oberhalb der Bifur- kationsstelle. 20. Gottschau (1887). Typus: C. s, C. dr 18:.d4 58.2 sim. Die S. s. entsteht am Ende des Arcus aus der medialen Wand der Aorta, zieht quer hinter den Ösoph., nimmt am linken Rande des Ösoph. in ihre untere Wand den Duct. Bot. auf und verläuft von da ab schräg nach oben. Die Arterie ist zwischen Aorta und der In- sertionsstelle des Lig. Bot. und noch ein kleines Stück über diese Stelle hinaus stark konisch erweitert. Dieses erweiterte Stück mass an dem mit Wachs injizierten und getrockneten Präparate im Quer- durchmesser 17 mm, in der Länge 20 mm. _ 21. Herringham (1891). Typus wie vorhin. Die hinter dem Ösoph. verlaufende Subelavia sinistra entspringt aus einem Blindsack, an dessen innerer Seite das Lig. arter. Bot. endigte. Aus diesen Beschreibungen treten gewisse Unterschiede hervor, welche zwischen den Erweiterungen der Subelavia sinistra und denen der Subel. dextra bestehen. DieSubel. sin. steht stetsin Beziehung zum Ductus Botalli, die Subel. d. dagegen so gut wienie. Wenn auch die Aorta dem Vogeltypus gefolgt ist und ihren Weg durch den 486 GOTTHOLD HOLZAPFEL. rechten 4. Aortenbogen und die rechte absteigende Aortenwurzel genommen hat, der Ductus Botalli schliesst sich, trotzdem ihm im rechten 6. Aortenbogen eine Bahn geboten wäre, für gewöhn- lich nicht auf der rechten Seite an, geht vielmehr eigentüm- licherweise den bei den Säugetieren üblichen Weg durch den 6. linken Aortenbogen und tritt mit der linken absteigenden Aortenwurzel in Beziehung. (vgl. Fig. 16, S. 481). Der Ductus Botalli erfährt nun durch die bedeutenden Wachstumsver- schiebungen wohl eine Dehnung und Verlagerung, allein er giebt die einmal mit der linken hinteren Aortenwurzel, welche nach der Geburt zum Anfangsstück der linken Subelavia wird, geknüpften Beziehungen nicht auf. Er leitet im intrauterinen Leben das Blut für gewöhnlich in die A. subclavia sin. und den Rest durch die hintere Aortenwurzel in die unpaare Aorta. Er verändert seine Lage zur linken hinteren Aortenwurzel auch nicht, nachdem er nach der Geburt obliterierte. Diese hintere Aortenwurzel bleibt in dem Stück der Arteria subclavia sinistra bestehen, welches zwischen Aorta und der Insertion des Ductus Botalli liegt. Ductus Botalli und A. subclavia sinistra stehen somit in den engsten Beziehungen, geradezu in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einander. Wesentlich anders liegen die Verhältnisse beider Anomalie der A. subelavia dextra. Hier wird der linke 6. Aorten- bogen ebenfalls zum Ductus Botalli und sucht gleichfalls seinen Anschluss an die linke absteigende Aortenwurzel. Allein diese stellt bei dieser Anomalie die Aorta dar und die rechte hintere Aortenwurzel ist zum Anfangsstück der Subel. d. geworden, durch welches schon im intrauterinen Leben das Blut rück- wärts zum rechten Arm hat strömen müssen. Die rechte Subelavia tritt somit überhaupt in keinerlei Beziehungen zum Ductus Botalli. Es hängt demnach einzig und allein von den Wachstumsverschiebungen ab, bis zu welchem Grade die rechte absteigende Aortenwurzel ihre Lage an der Aorta verändert. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 487 Es erklärt sich hieraus der grössere Formenreichtum der abnormen A. subclavia dextra, wenigstens, was ihren Ursprung anbelangt, während bei der Anomalie der linken Subelavia der Ursprung dieses Gefässes ziemlich konstant am Ende des Arcus oder an der Grenze desselben zur Aorta thoracica gefunden wird. Die abnorme Subclavia sinistra hat in den oben angeführten Fällen ausnahmslos ihre Lage zwischen Öso- phagus und Wirbelsäule, obschon an und für sich der Verlauf der Arterie zwischen Trachea und Ösophagus nicht ausgeschlossen sein dürfte. Auffallend konstant ist die Richtung des Verlaufes der Subelavia sinistıa. Inseriert der Ductus Botalli sehr tief an der ÄArterie, zum Beispiel nahe an deren Ursprung von der Aorta, wie in den Fällen Klinkosch, Patruban und Pertik, so liegt das Endstück des Ductus Botalli stets noch hinter dem Ösophagus und die Subelavia hat von vornherein einen schräg nach aufwärts gerichteten Verlauf. Inseriert der Duct Bot. jedoch an der linken Seite des Ösophagus an der Arterie, was das (sewöhnliche ist, so verläuft sie bis zu dieser Insertionsstelle an- nähernd quer, biegt aber hier sofort, in einzelnen Fällen auf- fallenderweise geradezu unter einem rechten Winkel, um und geht sodann in eine schräge Verlaufsrichtung über. Ohne Zweifel hat hier der ohnehin bedeutend gedehnte Ductus Botalli seine Hand im Spiele und zwingt das betreffende Arterienstück, ihm die günstigster Insertionsbedingungen an der linken Seite von Trachea und Ösophagus zu bieten. Was die Insertion des Ductus arteriosus betrifft, so endigte der- selbe bei der Anomalie der Subel. sin. in der Nähe der Ursprungs- stelle der Subelavia sinistra: in den Fällen Klinkosch. Patruban. Tüngel. Pertik. Im Verlaufe der Ausbuchtung: Harrison-Quain. Turner. An der linken Seite des Ösophagus: Fiorati. Harri- son-Quain. Turner. Gruber, Fall 1 und 2. Brenner, Fall 1 und 2. Dittrich, Fall 2. Gottschau. 488 GOTTHOLD HOLZAPFEL, In der Nähe der Spitze des Beutels: Fiorati. Gruber. Dittrich, Fall 1 und 2. Gottschau. Offen war der Duct. Bot.: Klinkosch. Brenner, F. 2. Die Erweiterung des Anfangsstückes scheint bei der Anomalie der Subclavia sinistra relativ häufiger zu sein, als bei der der Subclavia dextra. Nachgewiesen ist das Fehlen derselben bei abnormer Subel. sin. nur im Falle Bochdalek. Auch für andere Arterien gehören Fälle von ungewöhn- licher Weite nicht zu den seltensten Beobachtungen. Ich will aus der Litteratur nur einige Beispiele anführen: So beobachtete Ewen (1840) bei Verlauf des Arcus aortae hinter dem Ösophagus mit der Reihenfolge der Stämme: Carotis sin., Car. d., Subel. d. u. Subel. sin. ähnlich wie in den Fällen der abnormen Subelavia sinistra an dieser Arterie eine kolbige Erweiterung. — Des- gleichen beschreibt Picard (1840) einen Fall mit Verlauf des Arcus aortae hinter dem Ösophagus. Rechts von der Trachea entsprangen Subelavia dextra, Carotis d. und Car. s., links von derselben die Sub- clavia sinistra. Der Teil der Aorta, wo die Subel. sin. als letzter Ast entsprang, war in unregelmässig sphärischer Weise erweitert; an der hinteren Wand dieser Erweiterung befand sich eine 20 Sous-grosse Öffnung, welche mit einem Tumor kommunizierte, der sich vom 2. bis zum 7. Dorsalwirbel erstrekte. Dieser Fall ist freilich infolge dieser Komplikation nicht einwandsfrei. Auffallend ist die verhältnismässig häufig bei meist normalen Verhältnissen am Aortenbogen beobachtete, zum Teil nicht unbeträcht- liche Erweiterung des Anfangsstückes der A. subelavia sinistra, und zwar dann, wenn diese Arterie in annähernd senkrechter Richtung aufsteigt. So fand Brent (1844, Fig. 2) bei der Anomalie der Subelavia dextra gleichzeitig eine fast gleich stark erweiterte linke Subelavia. — Nach Senftleben (1854, S. 13) hat *Martin (Frorieps Notizen, Vol. 22, S. 335) eine Subelavia sinistra beobachtet, welche an Weite beinahe der Aorta gleichkam. — Walter (1785, S. 62) beschreibt einen Fall und bildet denselben auf Planche 3, Fig. 4 ab (Kopie bei Tiedemann 1822, Taf. III, Fig. 6), in welchem der Typus: Car. d,, Car. sin., Subel. d., Subel. sin. vorliegt. Letztere Arterie entspringt aus der vorderen Wand der Aorta an der Umbiegungsstelle des Arcus, verläuft eine kurze Strecke nach vorn mit einer geringen Neigung nach abwärts, um sodann unter einem fast rechten Winkel in die Höhe zu steigen. Die Arterie ist in ihrem Anfang gleichsam aneu- Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 489 ıysmatisch erweitert und behält eine stark konische Erweiterung fast bis an die Ursprungsstelle der A. vertebralis sin. bei. — Einen ähn- lichen Fall mit Versetzung der grossen Stämme schildert Quain (1844, S. 48) und bildet denselben auf Plate 7, Fig. 2 und 2b ab. Der Reihe nach entsprangen Car. sin., Car. d., Subel. d. und zuletzt an der Übergangsstelle zur Ao. thor. die Subel. sinistra. Die Car. sin. hat bedeutenderes Kaliber als die C. dextra. Die Subel. sin. ent- springt an der vorderen Wand mit einer kurzen bauchigen Erweite- rung, welche an der Basis grösseres Lumen als die Aorta aufweist. Die Arterie biegt in dieser Erweiterung, in ähnlicher Weise wie in dem Fall von Walter, plötzlich um und geht in steiler Richtung nach links oben und ein wenig nach aussen. — Eine sehr interessante Erweiterung findet sich bei sonst normalen Verhältnissen am Arcus an einem Präparat der hiesigen anatomischen Sammlung, an einer mit rotem Wachs injizierten Aorta. (Präparat VI, 50 der Sammlung). Dasselbe ist auf Tafel XXX/XXXIL, Fig. 4 wiedergegeben. Vom höchsten Punkte des Arcus entspringt annähernd senkrecht die erweiterte A. subelavia sinistra. Die kolbige Erweiterung misst an der Basis 17 mm, in der Mitte 15,5 mm, am Ende (ebenso wie die Subel. d. an der Basis) J]l mm und hat eine Länge von 16 mm. -— Roux (1878) gewann bei seinen Untersuchungen über die Formen der Astursprünge vom Arterienstamm an seinen Präparaten mehrere Formen, welche einen geringen Grad von beutelförmiger Erweiterung aufweisen; er hat dieselben auf seiner Tafel, Fig. 3, 5 und 8) abgebildet. — Stahel (1886, S. 216 und 217 mit Fig. 1 und 2) beschreibt ein Präparat der anatomischen Sammlung zu Leipzig. Daselbe stammte von einem Individuum, dem früher die Arteria subelavia sin. am äusseren Rande des M. scalenus ant. unterbunden worden war. Die vor der Ligatur- stelle entspringenden Arterien waren abwärts von der A. vertebralis, welche noch normales Kaliber hatte, erweitert und zwei derselben zeigten im Ursprungskegel kolbige Anschwellungen, nämlich der an der hinteren Wand der Subelavia entspringende Truncus costo-cervicalis und die A. thyreoidea inf., welche aus dem Truncus thyreo-cervicalis hervor- ging. — Wie aus der normalen Anatomie bekannt ist, ist die Carotis int. nicht selten in ihrem Anfangsstück erweitert. — Beneke (1879, Heft III, S. 7) beobachtete bei seinen Messungen an den Arteriae subelaviae bisweilen „bauchige Ausweitungen.“ — Zagorsky (1809) fand eine A. thyreoidea sup. dextra so bedeutend erweitert, dass sie beinahe den Stamm, von welchem sie entsprang, an Weite übertraf; dieselbe Arterie der linken Seite erschien nur wenig weiter als ge- wöhnlich zu sein!). Wie Z. ausdrücklich auf S 386 bemerkt, konnte er in dem Verlaufe und der Verästelung der Arterie nichts Besonderes finden. — Charecot (1874) berichtet von einem Fall, in welchem der 1) „2... e contra ramus ipsi socius lateris sinistri paulo quam juxta naturam esse debet, exilior videbatur.“ 490 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Truneus brachio-cephalicus (von 15 mm Durchmesser) sich nach 5 em in die wie gewöhnlich 8 mm starke Carotis und die Subel. teilte, welch letztere das beträchtliche Lumen des Truncus beibehielt. Nach 3 cm gab die Subel. nach Abgabe der Vertebralis (ohne Volumver- änderung von seiten der A. subelavia) eine starke A. thyreoidea inf. (von 7 mm) ab und fiel dann plötzlich auf einen Durchmesser von 8 mm. „Der Truncus innominatus schien“, nach Charcots Auf- fassung, „sich also auf Kosten der Subelavia zu verlängern und sich in eine A. thyr. inf. und eine Subel. zu teilen“. Wenn wir uns nun zur Erörterung der Momente wenden, die zur Erklärung der Erweiterung der A. subel. dextra und sinistra herangezogen werden können, so ist der Einwand, dass es sich um Artefakte handle, um Erweiterungen, die durch un- eleichen Druck bei der Injektion entstanden seien, wohl dadurch ausgeschlossen, dass zahlreiche Beobachtungen an nicht inji- zierten Arterien gemacht worden sind. x Als erster Gedanke drängt sich der auf, dass das weitere Kaliber bedingt sein könnte durch eine Vergrösserung des Ver- sorgungsbezirkes der betreffenden Arterie. Nun giebt aber die abnorme Subelavia während ihres Verlaufes hinter dem Öso- phagus sehr selten Äste ab. Ich habe bei der Anomalie der S. dextra in dieser Art nur zwei Fälle (Murray und Valentin), bei der abnormen Subel. sin. ebenfalls nur zwei Fälle (Turner und Pertik) finden können ; hier fehlte nun aber z. B. im Falle Murray gerade die Erweiterung, die Subel. d. war sogar schwächer als gewöhnlich, da die A. vertebr. d. von der Carot. d. abging. In Brenners drittem Fall war aber umgekehrt die Subel. dextra erweitert, obgleich die Vertebralis dextra ein Ast der Carotis dextra war. Und übrigens müsste eine Vergrösse- rung des Versorgungsbezirkes doch eine gleichmässige und nicht eine partielle Erweiterung des zuführenden Arterienohres bedingen. Weder die Ursprunesstelle an der Aorta, noch die Verlaufs- j 8 richtung des abnormen Gefässes scheint massgebend zu sein, Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 491 nicht einmal dann, wenn die Arterie im wahren Sinne des Wortes rückläufig ist. Als Beleg hierher kann ich von der Anomalie der rechten Subcelavia meinen ersten und vierten, auf Tafel NXX/XXXJL, in Figur 1 und 2 abgebildeten Fall anführen. Beide Fälle decken sich in den erwähnten Punkten fast voll- ständig und doch ist im ersteren Falle die Subelavia nicht er- weitert, während im anderen die Erweiterung fast das Kaliber der Aorta erreicht. Aus der Litteratur will ich nur noch einen von Huber (Acta Helvetica, Vol. VIII, S. 74 nebst Fig. 3) berichteten Fall heranziehen, in welchen die Subel. d. nach der Carotis dextra als 2. Ast des Arcus entsprang und, wie aus der Abbildung hervorgeht, rückläufig, aber nicht erweitert war. In der Litteratur finden sich bereits mehrfache Versuche, eine Erklärung für das Zustandekommen dieser beutelförmigen Erweiterung zu finden. Die Einen, wie Quain, W. Krause, Pertik, stützen sich dabei auf entwiekelungsgeschichtliche Überlegungen. Quain (1844, S. 158—161) ging aus von der Anomalie der Subelavia sinistra, da er selbst einen derartigen Fall beob- achtet hatte, und nahm unter Hinweis auf den Fall von Klinkosch an, dass der Ductus arteriosus, um vom Herzen zur Aorta zu gelangen, einen Umweg hinter Trachea und Ösophagus zurückzulegen gehabt hätte. „Wenn der Canalis arteriosus den queren Verlauf hinter diesen Röhren hat, sagt Quain, und wenn die Subelavia von ihm entspringt, so wird in diesem Falle der Beutel das nicht obliterierte Ende des Ductus Botalli sein‘, welcher ja ein grösseres Kaliber besitze, als sein früherer Ast, die A. subclavia. Diese Deutung ist heute hinfällig, da wir seit Wood (1859) und Turner (1862) wissen, dass eben jenes Stück keinen Teil des Ductus Botalli, sondern den Rest der linken absteigenden Aortenwurzel darstellt. 492 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Alle neueren Autoren nehmen denn auch die letztere Auf- fassung zur Unterlage ihrer Schlüsse. So sagt W. Krause (1876, 5. 225) zur Erklärung des beutelförmigen Vorsprunges der Aorta bei der Anomalie der Subel. sin.: ‚Diese Ursprungs- anschwellung der A. subel. sin. repräsentiert die offene linke absteigende Aortenwurzel; der Duct. arter. ist obliteriert und inseriert sich in den beschriebenen Anfangsteil der A. subel. sin.“. Zur Anomalie der A. subclavia dextra bemerkt er 1876, S. 229 nur: „Der Ursprung der A. subel. dextra, welcher der offenen rechten absteigenden Aortenwurzel entspricht, ist mit- unter beutelförmig erweitert.“ Die gleiche Erklärung giebt Pertik (1880) bei seinem Falle von Anomalie der Subel. sin., indem er schreibt: „Der taschenförmige Sinus kann nichts anderes sein als das Rudiment der linken sekundären, absteigenden Aortenwurzel“. Er betont für seine Auffassung besonders, dass der blinde Sinus, ebenso wie die linke Aortenwurzel, hinter Trachea und Ösophagus liege, einerseits mit der Aorta, andererseits mit der linken Subelavia zusammenhänge und an der Grenze zwischen Arcus und Aorta descendens entspringe, sowie dass der atrophierte undurchgängige Ductus Botalli sich hier inseriere. Allein alle diese Momente scheinen mir zur Begründung der Auffassung nicht entscheidend. Denn ganz unberührt durch dieselbe bleibt die Frage, ob die embryonale Differenz des Kalibers bestehen bleiben könne und nicht vielmehr im Lauf des Wachstums sich ausgleichen müsse. Es wäre doch in hohem Grade auffallend, wenn ein Gefässabschnitt einen solchen relativen Dickenunterschied, nachdem er funktionell ganz be- deutungslos geworden, von der ersten Anlage her bleibend fest- halten sollte. In der That zeigt der Fall Bochdalek, bei dem die abnorme A. subelavia sin. keine Erweiterung besass, jedenfalls Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 495 soviel, dass die Erhaltung jenes Dickenunterschiedes keine konstante Erscheinung wäre. Die linksseitige Abnormität eignet sich zur Prüfung der Frage deshalb besser, weil eine scharfe Abgrenzung, wie weit sich noch ein Rest der absteigenden (dorsalen) Aortenwurzel erhalten hat, sich nur bei ihr nachweisen lässt, da hier die Insertion des Ductus Botalli eine Marke bildet. Wie kurz dieser Abschnitt werden kann, zeigen die Fälle von Klinkosch, Patruban und Pertik, in welchen der Ductus Botalli so nahe an dem Ursprung der Subel. sin. inseriert, dass man annehmen muss, die Subel. sin. habe schon intrauterin ein Gemisch von Blut aus der absteigenden linken und rechten Aortenwurzel erhalten. Sollte die Erweiterung nun dem Rest der absteigenden Aortenwurzel entsprechen, so müsste man erwarten, dass sie immer genau auf diesen Abschnitt beschränkt wäre. Dies trifft jedoch nicht zu. In dem Falle von Turner inseriert der Ductus Botalli mitten auf der Erweiterung; dieselbe schemt sogar distal von der Insertion noch an Umfang zuzunehmen; die Anschwellung geht in den Fällen von Quain und Gottschau noch über die Insertionsstelle hinaus und, wie aus den Abbil- dungen von Patruban und Pertik deutlich hervorgeht, ist die Erweiterung wohl bis zum Ansatzpunkte des Ductus Botalli am bedeutendsten, geht jedoch hauptsächlich in Pertiks Fall noch ein beträchtliches Stück weiter. Man könnte hier annehmen, dass diese Erweiterung über die Insertionsstelle des Ductus hinaus den Übergang zum gewöhnlichen Kaliber der Arterie darstelle; es bliebe dabei jedoch unverständlich, warum nach der Obliteration des Ductus Botalli die Arterie nicht gegen die Insertionsstelle hin schon allmählich enger wird. Und nicht minder unvereinbar mit der in Rede stehenden Erklärungsweise ist die grosse Mannigfaltigkeit der Formen der Erweiterung, da man doch für die absteigende Aortenwurzel bis 494 GOTTHOLD HOLZAPFEL, zum Eintritt der Geburt annähernd gleiches Kaliber annehmen dürfte und die Länge der Anschwellung nur von der Länge der erhalten gebliebenen Aortenwurzel abhängen würde. Wenn schon für die linkseitige Abnormität die entwicke- lungsgeschichtliche Erklärung auf Schwierigkeiten stösst, so ist dies in noch höherem Masse der Fall bei der abnormen Sub- clavia dextra. Da hier der Ductus Botalli nicht in Frage kommt, so ist die rechte Aortenwurzel schon im embryonalen Kreislauf nichts anderes als das Anfangsstück der Blutbahn der Subelavia. Es liegt somit in den Entwiekelungsverhältnissen überhaupt kaum ein Grund vor, dass die Subelavia dextra deshalb erweitert sein müsse, weil sie die Bahn der rechten dorsalen Aortenwurzel be- nützt. Eine scharfe Abgrenzung des der Aortenwurzel entsprechen- den Abschnittes der abnormen Subel. dextra ist nicht möglich ; es lässt sich in diesen Fällen nur konstatieren, dass der Rest der Aortenwurzel, sofern ein solcher in dem Anfangsstück der Subel. d. thatsächlich vorliegt, durch Wachstumsverschiebungen sehr weit nach oben, bis in den queren Abschnitt des Arcus aortae, wandern kann. Dass dieser Rest der Aortenwurzel eine bedeutende Länge haben kann, zeigen die Fälle, im denen die abnorme A. subelavia dextra aus der Aorta thoraciea entspringt. Diese Fälle scheinen am deutlichsten die Persistenz eines Teils der Aortenwurzel zu demonstrieren, und dennoch findet sich gerade bei ihnen sehr häufig keine Erweiterung. Wenn somit die entwickelungsgeschichtliche Theorie eine befriedigende Erklärung der in Rede stehenden Erweiterung nicht hat geben können, so wird die Frage um so berechtigter, ob die letztere nicht aus physiologischen Gesichtspunkten eher verständlich ist. Schon Frandsen (1854), Barkow (1869) und Z,enker(1878) haben versucht, ihre Entstehung auf mechanische 3eeinträchtigung des Blutstromes zurückzuführen. Barkow vermutete, dass selbst der leere Ösophagus im- stande wäre, eine permanente Blutstörung hervorzurufen, während Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 495 Frandsen und Zenker nur den hinabgleitenden Bissen dafür verantwortlicht machten. Barkow hat sich die Erweiterung als regelmässig bis an den Ösophagns reichend gedacht. Unter dieser Voraussetzung würde seine Ansicht durch die zahlreichen Fälle widerlegt, wo die Subelavia nur im Anfangsstück erweitert war. Man könnte in dem von Barkow betonten Fall die am Ösophagus scharf ab- schneidende Erweiterung als ein bei der Injektion entstandenes Artefakt auffassen. Hiergegen wäre jedoch auf den Fall von Jacques (1895) zu verweisen. Dieser Autor fand nämlich an der Subel. d. zwischen Ösophagus und Wirbelsäule eine aus- gesprochene Abplattung der injizierten Arterie, welche sich als durch Kompression entstanden darstellte; sie war nicht genau auf die eingeklemmte Stelle beschränkt, sondern zeigte hier nur ihr Maximum, um sich nach rechts und links allmählich auszu- gleichen. Eine Erweiterung war aber trotz dieser augenschein- lichen Druckwirkung nicht vorhanden, wie Jacques besonders hervorhebt. Die Auffassung von Zenker wird durch die häufige Be- schränkung der Erweiterung auf das Anfangsstück der Arterie weniger in Frage gestellt, sofern man sich vorstellen könnte, dass während der Systole mehr Blut in die Subclavia geworfen wird, als infolge der Kompression am Ösophagus gleichzeitig abfliessen kann, und dass diese Erhöhung des Blutdruckes im Anfangsteil der Arterie ja vielleicht eine allmähliche Ausweitung des Rohres zu bewirken im stande wäre. Schwerer wiegende Einwände gegen die Erklärungsversuche der drei Autoren liegen aber 1. in der Thatsache, dass die Er- weiterung nicht konstant ist, sondern bei übereinstimmender, zwischen Ösophagus und Wirbelsäule fixierter Lagerung der abnormen Subel. dextra in ungefähr einem Drittel der Fälle fehlt, und 2. in den Befunden, bei denen die Erweiterung unbe- einträchtigt sich durch den Spalt zwischen Speiseröhre und 496 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Wirbelsäule hindurch fortsetzt, wie es für die abnorme Suhel. dextra wenigstens in den Fällen Valentin und Holzapfel, Fall 4, festgestellt wurde und was für die entsprechende Ano- malie der Subelavia sinistra geradezu die Regel ist. Bei dieser Sachlage erscheint mir der in Rede stehende Er- klärungsversuch nicht haltbar zu sein und ich glaube, dass die Erscheinung nur durch ihre Zurückführung auf allgemeine ent- wickelungsmechanische Prinzipien dem Verständnis vielleicht näher gebracht werden könnte. Die Arbeiten von Roux (1878), Stahel (1886) und Thoma (1895) haben gezeigt, dass zwei Faktoren, nämlich Blutdruck und Stromgeschwindigkeit, es sind, durch welche die Ausgestal- tung des Röhrensystems der Blutgefässe beherrscht wird, dass Änderungen dieser Faktoren im Lauf der Entwickelung sofort auch Änderungen der Gefässgestaltung nach sich ziehen und demnach ursprünglich als nützlich angelegte aber überflüssig gewordene Formen sich durchaus nicht forterhalten, bloss weil sie einmal da sind; vielmehr scheint, so zu sagen, die Natur bei keinem System des Körpers in so hohem Masse wie eben am Gelässsystem jede Kraftvergeudung zu scheuen. Die Gefässe sind nicht ein für allemal festgelegte Kanäle, sondern lebendige Organe, die sich fortwährend an die vorhandenen und daher auch wirkenden Kräfte des Blutstromes anpassen auf Grund des Prinzips, dass die Verteilung des Blutes auf die Äste unter dem geringsten Verlust an lebendiger Kraft sich vollziehe. Roux zeigte, dass die Blutgefässe in der Regel nicht mit einer, dem weiteren Verlaufe entsprechenden eylindrischen, son- dern, wie es erwähnenswerterweise schon Böhmer (174)) deutlich abbildet, mit konischer, nach der Grösse des Astwinkels und nach ihrer relativen und absoluten Stärke verschiedener Gestalt entspringen. Roux beobachtete an einzelnen Arterien auch kleine Ausbuchtungen, und zwar meistens, wenn auch nicht immer, an Arterien, welche nach ihrem Ursprung rückläufig Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subclavia dextra. 497 werden. Das Zustandekommen derselben erklärte er sich durch den Anprall des in die Arterie einfliessenden Blutes. Stahel untersuchte ein Präparat des nach Unterbindung der A. subelavia sinistra entstandenen Kollateralkreislaufes und fand hier am Ursprung der A. thyreoidea inf. und des Truncus costo-cervicalis kolbige Anschwellungen. Die Entstehung derselben leitet er ab aus der temporären Steigerung des Blutdruckes in der Subelavia oberhalb der Ligatur- stelle. „Sind die Abflussverhältnisse, bemerkt er, derartig, dass die in der Zeiteinheit in ein Gefäss strömende Blutmenge nicht vollständig ausfliessen kann, so staut sich das Blut im Anfangs- teile, d. h. ein Teil der lebendigen Kraft, welche das einströmende Blut zufolge der Druckdifferenz besitzt, wird in Druck umge- wandelt. Diese Druckerhöhung bewirkt eine lokale Erweiterung des Gefässes. Letztere nimmt zu, bis die Spannung der Gefäss- wand sich mit dem im Innern des Gefässes herrschenden Druck ins Gleichgewicht gesetzt hat“. Sowohl Rouxs wie Stahels Beobachtungen könnten bei der Beurteilung der uns beschäftigenden Erweiterung herange- zogen werden. Denn die abnorme Subel. dextra ist immer mehr oder weniger rückläufig und es werden sich beim Ein- strömen des Blutes in dieselbe Bedingungen herstellen ähnlich denen, die Roux für rückläufige Äste darlegt. Durch die plötz- liche Richtungsänderung wird der Blutstrom im Anfangsteil des abnormen Gefässes verlangsamt sein; da aber, wie Stahel (1886, S. 45) so überzeugend begründet, in einem geschlossenen Röhrensystem bei konstantem Druck in der Zeiteinheit die gleiche Menge fliessen muss, so bringt da, wo die Geschwindigkeit ver- ringert wird, die Vergrösserung des Rohrquerschnittes den er- wünschten Ausgleich. Was aber die Anomalie der Subelav. sinistra betrifft, so legt ein Blick auf das Schema Fig. 16 (S. 481) den Gedanken nahe, dass hier die Obliteration des Ductus Botalli Bedingungen Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd., H. 3.) 35 498 GOTTHOLD HOLZAPFEL, setzt, welche denen ähnlich sind, die nach Stahels Auseinander- setzungen bei der Unterbindung eines zuführenden Gefäss- stammes sich herstellen. Denn bei dieser Anomalie wird die linke Aortenwurzel, die während des embryonalen Lebens Blut aus dem Ductus Botalli der absteigenden Aorta zuführte unter einem Druck, der dem in der Aorta gleich gewesen sein dürfte, durch die Verödung des Ductus der bisherigen Blutzufuhr beraubt. Entsprechend der dadurch bedingten Herabsetzung des Druckes wird nun Blut aus der rechten Aortenwurzel in die linke über- gehen und diese in umgekehrter Richtung durchströmen, und, da der Querschnitt der linken Aortenwurzel zunächst erheblich grösser ist als der Querschnitt der von ihr versorgten Äste (A. subel. sin. und vertebralis sin.), mithin die Menge des zuge- führten Blutes grösser ist als die Blutmenge, die abfliessen kann, so wird eine Blutstauung entstehen, die zur Ursache werden kann, dass die linke Aortenwurzel ihr relativ beträchtlicheres Kaliber nicht nur beibehält, sondern noch vergrössert. Ich verkenne nicht, dass diese Versuche einer entwickelungs- mechanischen Erklärung der eigentlichen Begründung vorläufig entbehren; sie dürften aber doch vielleicht geeignet sein, bei weitergehenden Untersuchungen über die Natur jener Erwei- terungen auf erfolgreiche Wege zu leiten. Zwei Punkte möchte ich noch berühren, einmal die mögliche Bedeutung des Zuges des Ligamentum Botalli für die Erweiterung der Subel. sin. und ferner die eigenartigen Windungen, welche sich im Verlaufe der A. subel. d. zuweilen vorfinden. Ohne Zweifel wird das Ligamentum Botalli im Laufe des Wachstums gedehnt. Inseriert dasselbe an der linken Seite des Ösophagus, so bestimmt der Zug desselben, wie ich bereits an früherer Stelle ausgeführt habe, nicht nur den queren Verlauf des Überrestes der dorsalen Aortenwurzel, während die eigent- liche Subelavia sinistra an der Insertionsstelle oft in auffallender Weise fast rechtwinkelig umbiegt und senkrecht oder schräg in Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 499 die Höhe steigt, sondern führt vielleicht auch noch eine geringe Vermehrung der Erweiterung herbei. Endigt das Ligament hinter dem Ösophagus an dem Ursprung der Subel. sin., so wird die ohnehin erweiterte Arterie ohne Zweifel an der Inser- tionsstelle noch mehr erweitert werden. Diese Verhältnisse treten in überzeugender Weise an der 2. Abbildung von Pertik (1880) hervor. Hier ist die ohnehin auf eine längere Strecke erweiterte Subel. nahe an ihrem Ursprung an der medialen Wand deut- lich in eine kegelförmige Erweiterung ausgezogen. Nicht minder lelırreich ist auch die Abbildung von Patruban (1848), welcher aus- drücklich angiebt, dass die Arterie ohne Erweiterung von der Hinterwand der Aorta entstanden sei, dass aber das an ihrer medialen Seite inserierende Ligam. art. das Anfangsstück der Arterie trichterförmig ausgezogen habe. Dass die Subelavia dextra häufig nicht in der Richtung entspringt, welche dem nächsten Weg zum Versorgungsgebiet entsprechen würde, hat ebenso wie der häufig nicht direkte Verlauf der Arterie an und für sich nichts Auffallendes; denn Roux fand dieses Verhalten auch bei anderen Arterien. Eigen- tümlich ist aber der in einzelnen Fällen (Koberwein. Tiede- mann 1846, Fall 3. Holzapfel, Fall 4) besonders deutliche geschlängelte Verlauf der Subclavia dextra. In diesen Fällen hat die Arterie die Form eines umgekehrten römischen S; sie beschreibt einen konvexen Bogen nach unten und einen zweiten nach oben. Stahel (1886, S. 229) nimmt für das Zustande- kommen derartiger Windungen die nämlichen Kräfte an wie für die Erweiterungen und bringt für seine Anschauung experi- mentelle Beweise bei. Es ist demnach zu erwarten, dass auch bei unserer Anomalie beide Erscheinungen sich kombinieren, und dies trifft zu, da die angeführten Fälle neben der Schlängelung auch die oben geschilderte Erweiterung darboten. Endlich wäre noch der von His (Anatomie menschlicher Embryonen, Band III, S. 197) gefundenen, von Stahel (1886, 39* 500 GOTTHOLD HOLZAPFEL, S. 46) erklärten spindelförmigen Erweiterung der Aorta zu gedenken, welche sich in einer Reihe von Fällen auch bei der Anomalie der Subel. d. vorfand, die jedoch mit dieser an und für sich nichts zu thun hat. Wie Stahel nachwies, kommt sie nur an hochbogigen Aortenbogen vor und ist mechanisch ableitbar von der plötzlichen Richtungsänderung des Anfangs- teiles der Aorta descendens, nach denselben Prinzipien, die ich oben für die Erklärung der Erweiterungen an der abnormen Subelavia vermutet habe. Die Grösse des Querschnittes der Spindel hängt ab einerseits von dem Winkel, den die Achse der Aorta descendens mit der Achse des Isthmusteiles der Aorta bildet, andererseits von dem Querschnitt des durch die Kon- traktion des Blutstromes entstehenden Isthmus. In Aorten, wo die Richtungsänderung allmiälich stattfindet, wird auch keine Spindel beobachtet. IV. Praktische Gesichtspunkte. Aus den Lagebeziehungen der Anomalie ergeben sich mancherlei Gesichtspunkte, die ein praktisches Interesse dar- bieten und zum Teil in sehr ausführlicher Weise von den Autoren erörtert worden sind. Es dürfte in den Bereich meiner Aufgabe gehören, die hauptsächlichsten hier kurz zusammenzu- stellen. Die Varietät interessiert in erster Linie den Chirurgen. 1. Dubrueil (1847, S. 102) und Bothezat (1891, S. 420) heben hervor, dass ein Aneurysma im Ursprungsgebiet der abnormen Subelavia dextra ein Aneurysma nicht nur der Carotis comm. sin., sondern auch ein solches der Subel. sin. vortäuschen könnte. Mit Rücksicht auf‘ die Schwierigkeit der Diagnose von aneurysmatischen Erweiterungen im unteren Teil des Halses hat auch Wardrop (1828) auf die Möglichkeit einer Verwechselung mit abnorm entspringenden Arterien des Aortenbogens hingewiesen und nach Tiedemann (1822) die in Betracht kommenden Varietäten auf seiner 6. Tafel zusammen- gestellt. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra, 501 2. Die A. subelavia dextra ist bei ihrem Verlaufe vor der Trachea wohl weniger leicht verletzbar, als Walter (1785, S. 61) für den Fall der „Operation der Bronchotomie“ annahm ; dagegen ist sie bei ihrem Verlaufe vor oder hinter dem Ösophagus einer Reihe von Ge- fahren ausgesetzt, die fast sämtlich von letzterem ausgehen. Es sind ja auch an anderen grösseren Arterien vom Ösophagus ausgegangene Verletzungen nicht selten beobachtet worden [nach König (1880 und 1893), Luschka (1862), Bardeleben (1879, III. Bd., S. 531)]. Das Gefäss kann durch spitze Fremdkörper, welche in der Wand des Ösophagus sich eingekeilt und dieselbe durchbohrt haben, direkt ange- spiesst werden, wodurch allmählich innerhalb kürzerer Zeit eine letale Blutung zustande kommen könnte. Eine derartige unmittelbare Ver- letzung kam im Fall Kirby (1818) vor; zwar ist nach der Auf- fassung dieses Autors jene Frau anscheinend sogleich an den grossen Bissen im Ösophagus, welche sie hastig verschlungen hatte, erstickt. Doch weisen die Blutgeschwülste zu beiden Seiten des Halses auf einen sehr beträchtlichen Bluterguss hin. Oder auch kann nach Albert (1881) die Verletzung sekundär eintreten, indem der Fremd- körper nachträglich, nachdem er die Speisewege perforiert hat, die Arterie erreicht und ansticht, oder indem diese durch die eingeleitete Jauchung arrodiert wird. Ferner kann, wie Bothezat (1891, S. 420) bemerkt, ein patho- logischer Prozess im Ösophagus bedrohliche Folgen für die Arterie nach sich ziehen. Sie könnte durch Ulcerationen (namentlich Careinom und von Divertikeln ausgehende geschwürige Prozesse), sodann auch, wenn sie vor der Wirbelsäule verläuft, durch yon den Wirbeln aus- gehende Prozesse (Östeosarkom, Karies etc.) zur Eröffnung gebracht werden. Ein solcher Fall wurde von Picard (1840, S. 488 dieser Abhandlung) an der Subelavia sinistra beobachtet. 3. Bei der Ösophagotomie oder anderen Operationen an der Seite des Halses könnte man, wie Demarquay (1848), Dubrueil (1847) und Bothezat nachweisen, auf die Arterie stossen, und, wenn die Operation an der rechten Seite ausgeführt würde, könnten auch noch feinere, vom Vagus direkt abgehende Nervenstämmchen durchschnitten werden oder in eine Ligatur fallen. Nach Velpeau (1832) und Dubrueil (1847, S. 104 und 105) würde man dabei erst dann auf die Subelavia dextra stossen, wenn die Operation sehr tief ausgeführt würde. 4. Nach der Anschauung von Demarquay (1848) könnte der N. laryngeus inf. bei hoher Unterbindung der Carotis comm., nach Hart (1826) in dem Falle verletzt werden, wenn die Carotis comm, oberhalb ibrer Kreuzung mit dem M. omohyoideus ligiert würde. 5. Wollte man die Unterbindung der A. anonyma, etwa wegen eines Aneurysmas der rechten Subelavia (nach Dubrueil, 1837, S. 564 und 1847, S. 102) oder (nach Hopkinson 1830) wegen 502 GOTTHOLD HOLZAPFEL, eines solchen an der rechten Carotis oder aus irgend einen anderem Grunde ausführen, so würde man nach den Darstellungen dieser Autoren und Siebolds (1837, S. 5) auf die Carotis comm. dextra stossen, Dieser Fall wurde praktisch in dem Falle Liston (1839). An Stelle der A. anonyma fand man die rechte gemeinsame Carotis und die abnorme, durch Fascie und adipöses Gewebe von ihr ge- trennte Subelavia musste separat unterbunden werden. 6b. Wie Otto (1830) hervorhebt, ist diese Varietät für die Lehre von der Unterbindung der Subelavia wichtig, weil der innere Teil der- selben natürlich tiefer, d. h. mehr dorsalwärts gelegen ist. Auf die Erschwerung der Unterbindung der Arterie vor den Scaleni infolge ihrer tiefen Lage machte unter anderem auch Bothezat (1891, S. 420) aufmerksam. Wie Murray (1768) nachwies, liegt für gewöhnlich die Subel. d. in einer Länge von 4 Zoll (= 10,83 em), bei diesem abnormen Verlaufe dagegen nur von etwa 1 Zoll (= 2,71 cm) hinter der Clavieula; eine Verletzung der Subelavia an der Clavicula sollte deshalb nach seiner Auffassung weniger leicht möglich sein. 7. Durch diese tiefe Lage der Subel. könnten infolge der nahen Beziehungen derselben zum Plexus brachialis nach der Ansicht von Bothezat und Chatiniöre (1891) im Falle einer Ligatur der Arterie die Nerven des Plexus leicht verletzt werden, 8. Ferner weisen dieselben Autoren darauf hin, dass bei dem ungewöhnlichen Verlaufe der Arterie mehrere wichtige Gefässe an einer Stelle zugleich verwundet werden könnten. 9. Und endlich ist auch noch zu berücksichtigen, dass eine Ver- letzung der Carotis communis dextra bei dem schrägen und steilen Verlaufe über die Trachea, welchen diese Arterie in einzelnen Fällen der Anomalie zeigt, bei Ausführung der Tracheotomie inf. oder bei Operationen in der Fossa jugularis oder hinter dem Sternum nicht ausgeschlossen ist. Ich verweise hierbei auf meinen 1., auf Tafel XXX bis XXXI in Figur 1 abgebildeten Fall. Auch die interne Medizin hat zu Zeiten Notiz von der Anomalie genommen. 10. Schon Murray (1768) hat in dem Verlauf der Arterie hinter dem Ösophagus eine Belästigung beim Schlingen vermutet; Bayford (1789) kommt in seinem Falle, wo die Arterie zwischen Trachea und Ösophagus verlief, zu dem Schlusse, dass seine 61jährige Patientin infolge der durch dieses Lusus naturae bedingten Störungen des Hunger- todes gestorben sei und benannte deshalb die neue Krankheit Dysphagia lusoria. Brewer (1791) will bei demselben Verlauf Dysphagie be- obachtet haben. Autenrieth und Pfleiderer waren die letzten, welche Dysphagia lusoria, und zwar bei einer 61jährigen Frau, bei Ungewöhnlicher ‚Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 503 Verlauf der Arterie zwischen Ösophagus und Wirbelsäule fanden !). Seitdem und schon vorher sind mehrere Fälle publiziert worden, in welchen keine Dysphagie bestand (nämlich: Valentin. Koberwein. Isenflamm-Fleischmann. Otto 1816. Otto 1830 in fünf Fällen. Fleischmann 1835 in mehreren Fällen. Shepherd und Holzapfel in 2 Fällen); im ganzen somit in mindestens 18 Fällen! Ich muss es mir versagen, alle Autoren aufzuzählen, welche für oder gegen die These der Dysphagia lusoria aufgetreten sind, da im Rahmen dieser Arbeit der Platz mangelt, diese viel ventilierte Frage eingehend zu behandeln. In welch hohem Grade diese neue „Krank- heit“ die Gemüter erregt hat, beweist unter anderem die Thatsache, dass z. B. der berühmte Kliniker Schönlein (1832, S. 178— 180) ausführlich Ätiologie, Erscheinungen, Prognose und Therapie dieser „Krankheit“ schildert. Dem gegenüber muss ich es als ausser Zweifel gestellt bezeichnen, dass, wenn keine anderweitigen Komplikationen vor- liegen, diese Art von Dysphagie, wie schon Bothezat und Ohatiniere (1891, S. 420) annehmen, nur bei aneurysmatischer Krweiterung der Arterie zu erwarten ist. Diese Erkrankung hat aber in den aufge- zählten Fällen nirgends vorgelegen. 11. Mehrere Autoren haben in der Anomalie eine Schädigung für das Herz vermutet. Walter (1785) führt seine Fälle unter « Sur les maladies du coeur» auf; er sieht speziell in der sackförmigen Erweite- rung des Anfangsteiles der Arterie die Ursache zu einer Herzkrankheit («Ce n’est pas un simple jeu de la nature; c’est la cause d’une des maladies du coeur», p. 62). Eine geringe Belästigung des Ösophagus durch die Arterie könnte man höchstens im Falle Ludwigs (1764) und Krauses (1876) vermuten, allein sie ist auch in diesen Fällen nicht erwiesen. Im ersteren Falle komprimierte die Arterie den Öso- phagus ein wenig an der linken Seite und drängte denselben nach rechts; in Krauses Fall wand die Arterie sich ger adezu am Ösophagus empor. Auch führte Frandsen (1854) die in seinem Falle beobachtete Herzhypertrophie auf die Anomalie und besonders auf eine Stauung in der Arterie während des Schlingens zurück. Eine ähnliche Auf- fassung vertritt Schön (1823). Barkow (1869, S. XXIV und XXV) nahm an, dass infolge des Druckes, welchen der leere oder volle Öso- phagus auf die Subel. ausübe, der Blutlauf vom Herzen bis zur Durch- trittsstelle der Arterie zwischen Ösophagus und Wirbelsäule verlangsamt werde. Zenker (1878) endlich neigt zu der Anschauung, dass „der durch den Ösophagus hinabwandernde Bissen durch Druck auf die 1) Sie sprechen auch die eigentümliche Vermutung aus, dass die Nerven an der rechten Seite des Halses (speziell Sympathicus und N. laryngeus inferior) „bei dem Druck und Reiz, welchen die abweichende Schlüsselbeinarterie während des Schlingens erleidet, auch notleiden, selbst mechanisch gespannt werden und Veranlassung zu Krämpfen geben“ (1807, S. 182). 504 GOTTHOLD HOLZAPFEL, Arterie die Cirkulation in derselben unter Umständen ernst und be- drohlich stören könnte“, Wie ich bereits oben bei Erörterung der Erweiterung der Sub- clavia dextra aussprach, ist wenigstens für einen Teil der Fälle, in denen nur das Anfangsstück der Subel. dextra oder sinistra erweitert war, die Annahme nicht von der Hand zu weisen, dass infolge der Einklemmung der Arterie zwischen Trachea und Ösophagus oder zwischen Ösophagus und Wirbelsäule unter besonderen Umständen nicht, ebenso viel Blut an der Durchtrittsstelle abfliessen kann als während der Systole des Herzens in die Arterie getrieben wird, dass somit an jener Stelle ein ventilartiger Verschluss besteht. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird aber dieser Vorgang gänzlich symptomlos verlaufen, wie ja auch in den Fällen Valentin, Koberwein und Zenker trotz der Erweiterung der Subel. keine Dysphagie nachzuweisen war. Und für die Ungefähr- lichkeit der Anomalie spricht zur Genüge die Thatsache, dass eine grosse Anzahl der mit ihr behafteten Personen über 50 Jahre alt geworden sind t). 12. Die Anomalie der Subelavia dextra besitzt ein gewisses anthro- pologisches Interesse dadurch, dass man früher die Linkshändigkeit auf diese Varietät zurückführte. Schon Murray (1768), und später Autenrieth und Pfleiderer (1806 und 1807) haben auf Grund rein naturphilosophischer Schlüsse bei ihren Fällen Linkshändigkeit vermutet. Unter allen Autoren ist Öhl (1859) der einzige, der in seinen beiden Fällen Linkshändigkeit wirklich nachweisen konnte und er hat mit Hyrtl (1859. 1889. Topogr. Anat., II. Band, 7. Auflage, 1882, S. 340 und 341) geglaubt, die „causa anatomica“ der Links- händigkeit in dem abnormen Ursprung der Subelavia dextra (als letzter Ast des Bogens) gefunden zu haben, in der Annahme, dass bei dieser Anomalie die linke Subelavia infolge ihres früheren Ursprunges gegen- über der rechten bezüglich der Blutzufuhr im Vorteil sei. Mehrere 1) Das 50. Lebensjahr erreichten 2 (Quain, 2 Fälle). ro: : e 1 (Hyrti 1841). 96: 2 4 3 (Quain, 2 Fälle Dubrueil 1847, Fall 2). Bl R z 2 (Dubrueil 1837, Fall 1. Dubrueil 1847, Fall 3). EDS: £ 4 1 (Quain). neo: . ; 1 (Isenflamm 1800). 0: R a 1 (Brenner, Fall 3). 6 R e 2 (Bayford. Autenrieth, Fall ]). 0! r : 1 (Stachelroth, Fall 2). „7a, n h 1 (Brown). un To, A i 1 (Götz, Fall 2). Die Anomalie fand sich bei alten Frauen: Ludwig. Autenrieth, Fall 2. Stedman; im ganzen wurde somit in mindestens 16 Fällen ein Alter über 50 Jahre erreicht. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 505 der Autoren, welche Murrays oder Hyrtls Theorie kennen (Fleisch- mann-Isenflamm 1800. Koberwein. Otto 1816. Quain. Turner. Mears und Götz) haben in dieser Hinsicht über ihre Fälle nichts Näheres erfahren können, da dieselben auf dem Präpariersaale beobachtet worden sind. Rechtshändigkeit wurde nachgewiesen in den Fällen: Herold. Sephherd. Holzapfel, Fall ı und 2, also im ganzen in 4 Fällen, während, wie erwähnt, Linkshändigkeit nur in den 2 Fällen von Öhl beobachtet worden ist. Ergebnisse. Fassen wir zum Schluss die Hauptmerkmale unserer Anomalie zusammen !): 1. Die Abnormität kommt bei beiden Geschlechtern annähernd gleich häufig vor. 2, Sie findet sich gewöhnlich im sonst normalen Organis- mus; manchmal auch gleichzeitig mit Missbildungen und ander- weitigen, nicht durch die Anomalie bedingten Varietäten. ı) Da einige eigenartige Verhältnisse noch nicht völlig aufgeklärt sind, dürfte es sich empfehlen, bei künftigen Beobachtungen besondere Aufmerksam- keit zu richten auf Verlauf und Endigung des Ductus thoracicus, auf Dysphagie und Händigkeit. Bei Beschreibung neuer Fälle sollte angegeben werden: Ge- schlecht. — Alter. — Habitus. — Todesursache. — Händigkeit. — Ob Dysphagie vorlag. — Beschaffenheit des Herzens, der Trachea, des Ösophagus und der Wirbelsäule (ob eine physiologische Skoliose bestand und nach welcher Seite). _ Form und Verlauf des Areus. — Ob eine Aortenspindel vorhanden war. — Reihenfolge der grossen Stämme. — Ursprungsstelle der Subelavia dextra (an welchem Abschnitt, an welcher Wand) mit Berücksichtigung der Umgebung, speziell der Wirbelsäule. — Lumina der beiden Subclaviae. — Verlauf der Sub- clavia, unter Angabe der Richtung und unter Bezugnahme auf die Umgebung. — Beziehung der Subelavia zum N. vagus und sympathicus; insbesondere das Ver- halten des N. laryngeus inferior dexter — Eintrittsstelle der A. vertebrales in die Querfortsätze der Halswirbel. — Verhalten der kleineren Äste der grossen Stimme. — Verhalten des Ductus Botalli zur Arteria pulmonalis, Aorta und Subelavia dextra. — Verlauf und Rinmündung des Duetus thoracicus. 505 GOTTHOLD HOLZAPFEL, 3. Sie ist eine Anomalie des Ursprunges, des Verlaufes und häufig auch der Verteilung (anomalie d’origine, de direction et de distribution). 4. Die Subclavia dextra ist der 2. bis 5., am häufigsten der 4. Ast der Aorta (mit der Reihenfolge: Carotis dextra, Carotis sinistra, Subelavia sinistra, Subelavia dextra). Zwei Äste können durch die Verschmelzung beider Subelaviaäe, drei durch Bildung eines Trunecus bicaroticus und fünf durch den direkten Ursprung der Arterie vertebralis sinistra zustande kommen. 5. Sie entspringt am häufigsten am Arcus, gewöhnlich an der hinteren Wand, dem 2.—4. Brustwirbel gegenüber, in einigen Fällen auch von der Aorta thoracica. 6. In ihrem Anfangsstück ist die Arterie nicht selten konisch, trichter- oder beutelförmig erweitert. 7. Sie verläuft selten zwischen Trachea und Osophagus und nur ausnahmsweise vor der Trachea, in den meisten Fällen dagegen zwischen Osophagus und Wirbelsäule. 8. Infolge dieses abnormen Ursprungs und Verlaufes bedingt sie eine Reihe weiterer Abweichungen der Arterien und Nerven in ihrer Umgebung. 9. Der Nervus laryngeus inferior verläuft auf der linken Seite normal, auf der rechten geht er in der Regel höher oben vom Vagus ab und zieht direkt zum Kehlkopf, was entwicke- lungsgeschichtlich verständlich ist, da die mechanische Ursache zur Bildung einer Rekurrensschlinge wegfällt. Eine Schlinge bildet der Nerv, aber eine Schlinge um die A. vertebralis, dann, wenn diese Arterie von der Carotis entspringt. 10. Der Nervus sympathicus dexter und die Venen in der Umgebung der Arterie sind von der Varietät in der Regel nicht beeinflusst. Ungewöhnlicher Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra. 707 11. Der Ductus thoracicus mündet in manchen Fällen auf der rechten Seite in das Venensystem ein. 12. Die Anomalie ist die dritthäufigste Varietät am Arcus mit einer ungefähren Frequenz von 1: 167 oder 0,6°],. 13. Sie ist nicht als die anatomische Ursache der Links- händigkeit anzusehen. 14. Dysphagia lusoria ist nur bei aneurysmatischer Er- weiterung der abnorm verlaufenden Arterie zu erwarten. Litteratur. Die mit einem (*) Sternchen bezeichneten Abhandlungen habe ich nicht ein- 1632. 1642. 1722. 1734. sehen können. Adriani Spigelii de humanı corporis fabrica. Frankfurt 1632. Librorum Andreae Vesalii de humani corporis fabrica cum annotationibus Nicolai Fontani. Amstelodami 1642, p. 72 u. 80. Heister, Lorenz, Compendium anatomicum. Tomus Il. Nota 64, p. 122. 4. Aufl. Nürnberg 1722. Palfyn, Anatomie chirurgicale. Nouvelle edition. Paris 1734. Tome II, p- 239. . Hunauld, —. Histoire de l’academie royale des sciences. Annee 1735. ed. Paris 1758, p. 20 sg. . Hommel, Commereium litterarium. Norimbergae 1737, p. 162. Tafel II, Fig. 3 u. 4. . Böhmer, P. A., De quatuor et quinque ramis ex arcu arteriae magnae adscendentibus. Halae 1741, p. 452 und Tafel I, Fig. 1 in Alb. 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Giacomini 1882, Barkow 1866, 1869. Godman 1824, Barwell 1867. Goetz 1896. Bayford 1789. Green 1830. Blandin 1848. Gross-Mears 1871. Böhmer 1741. Harrison 1839. Bothezat 1891. Hart 1826, Bradley 1871. Hart-Quain 1844. Brenner 1883. Herold 1812. Brent 1844. Hesselbach 1824. Brewer 1791. Hoffmann-Fabricius 1751. Brodie 1888. Hommel 1737. Brown 1868. Hopkinson 1830. Cassebohm-Böhmer 1741. Hulme 1789. Cavasse 1856. Hunauld 1735. Cerutti 1827. Hyrtl 1841, 1859. Colles 1811. Isenflamm-Fleischmann 1800, 1815. Cruveilhier 1832. Jacques 1895. Demarquay 1848. Kirby 1818. Demeaux 1841. Koberwein 1810. v. Düben 1876. Krause 1876. Dubrueil 1837, 1847, 1862. Lauth 1830. Dubrueil-Sappey 1847. Lebouceg 1894. Dunn 1890. Leidy-Mears 1871. Erdmann 1772, Lenoir 1832. Faure 1895. Liston 1839. Fleischmann 1815, 1835. | Löseke 1754. Alphabetisches Register. Ludwig 1764. Macartney-Tiedemann 1346. Mayer 1827. Mears 1871. Meckel 1751, 1805, 1810 (Igel), 1816, 1820. Mieg 1753. Monro 1797. Murray 1771. Neubauer-Erdmann 1772. Oehl 1859. Otto 1816, 1830. Patruban 1844. Peacock 1860. Pfleiderer 1806, 1807. Pigne 1847. Pohl 1773. Pye-Smith 1871. Quain 1844. Rau 1890. Reid 1846. Sandifort 1772, 1793. Sappey-Dubrueil 1847. Schleitz 1771. Shepherd 1889. Simon 1846. Smith 1891 (Kaninchen). Solger 1893. Stachelroth 1850. Stedman 1823. Struthers 1888. Testut 1896. Thomson 18%. Tiedemann 1822, 1846. Turner 1862. Valentin 1791. Wagner 1828. Walsham 1880. Walter 1785. Weber 1829. Wood 1859, 1867. Zagorsky 1810. Zenker 1878. 521 Ab kürzungen. Carotis communis. dexter, dextra. descendens. Ductus Botalli. anon. = anonymus, anonyma. | (n— Ao. = Aorta. dee art. = arteriosus. | desc. = asc. — ascendens. | Duct. Bot. = Duct. thor. = Ductus thoracieus. Dysph. lus. —= Dysphagia lusoria. F. = Fall. l. = linker, linke (sinister\. Lig. arter. — Ligamentum arteriosum. N. lar. inf, = Nervus laryngeus inferior. Oesoph. = Oesophagus. r. — rechter, rechte (dexter). rec. — recurrens. S.d. = A. subelavia dextra. S.s. = A. subelavia sinistra. thor. — thoracieus, thoraciea. tr. bicar. = Truneus bicarotieus. Trach. = Trachea. V. = Vertebralis. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX/XXXI. Die hier in Figur 1—4 abgebildeten Präparate sind genau in halber natür- licher Grösse photographiert und unter Zugrundelegung der Photographie nach dem Original gezeichnet worden. Fig. 1. Spirituspräparat. Von einem 23jährigen Mann. Kigene Beob- achtung. Der Fall ist auf S. 419 eingehend beschrieben. Reihenfolge der grossen Stämme am Arcus aortae: Truncus bicaroticus, Subclavia sinistra, Subelavia dextra. Die Abbildung zeigt die auffallende Linkslage des Arcus, den schrägen und steilen Verlauf der rechten Carotis, den ungewöhnlichen Ursprung und Verlauf der Arteria subelavia dextra (hinter dem Ösophagus) und das eigenartige Verhalten des Nervus laryngeus inferior dexter bei dieser Anomalie. Die Carotis dextra ist eine Strecke weit punktiert angedeutet, da sie sonst die Subelavia dextra verdeckt haben würde. Fig. 2. Mit rotem Wachs injiziertes getrocknetes Präparat der Samm- lung, auf S. 424 beschrieben. Typus: Truncus bicaroticus, Subelavia sinistra, Subelavia dextra. Bemerkenswert ist ausser der Linkslage des Arcus und dem schrägen bogenförmigen Verlauf der Carotis dextra die beträchtliche Erweiterung der abnorm entspringenden und verlaufenden Arteria subelavia dextra. Fig. 3. Getrocknetes, mit rotem Wachs injiziertes Präparat der Samm- lung. Reihenfolge der grossen Stämme: Truncus bicaroticus, Subelavia sinistra, Subelavia dextra. Letztere ist in ihrem Anfangsteil trichterförmig erweitert und zieht hinter dem Ösophagus zur rechten Seite. Beschreibung des Präpa- rates auf Seite 424. Fig. 4. Mit rotem Wachs injiziertes, getrocknetes Präparat der Samm- lung; auf S. 489 eingehend beschrieben. Normale Reihenfolge der grossen Stämme. Bemerkenswert ist die kolbige Erweiterung des Anfangsstückes der Arteria subelavia sinistra. (AUS DEM HISTOLOGISCHEN INSTITUT DER UNIVERSITÄT zu LunD.) DIE ZELLSTRURTUR EINIGER NERVENZELLEN UND METHYLENBLAU ALS MITTEL SIE FRISCH ZU-UNTERSUCHEN. VON EINAR SJÖVALL, ASSISTENT AM HISTOLOGISCHEN INSTITUT ZU LUND. Mit 5 Abbildungen auf Tafel XXXII. en: f 2 { y f Ir ur R E If $ Bi: 8 a 1 u $ 7,3 N 2 ” BERUF 2 PN IE: u ey} “ > 27 Rn Me 00 BT 2A: AIAMAIYKIEM. “ { Dee 2 an irre en 3 Vi Ye ba ER £ aa völe EI U us wissen E RaReın loan. kun iramenden pr f 5 [Pe . u ee ee a MY 2% Wem any & Ei R we een nase te Velen \ Bi ne N u Nach den theoretischen Erwägungen von Fischer!) ver- suchte Held?) zu beweisen, dass die Bilder, die man nach Unter- suchungen mit den gewöhnlichen Methoden im Protoplasma der Nervenzellen sah, keine vital existierenden Strukturen waren. Er suchte dann besonders Beweise dafür zu liefern, dass die Fixierungsmittel diese Veränderung bewirkt hatten, und wurde hierzu dadurch veranlasst, dass die meisten Untersuchungen zu dieser Zeit mit fixiertem Material gemacht waren. Stoffe, die im Protoplasma der lebenden Nervenzellen vorkamen, wurden darum, Helds Meinung nach, erst durch die Fixierungsmittel gefällt, und zeigten sich im Präparaten, die nach solchen Methoden be- handelt waren, in verschiedenen Formen: Tigroidkörnern ), Schollen u. s. w. Er macht aber auch Versuche, frischen Nerven- zellen eine Methylenblaulösung zufliessen zu lassen *) und erhält dann „eine distinkte Färbung ... gewisser Teile des Protoplasmas und seiner Fortsätze‘‘, und sagt mit Bestimmtheit, dass der ge- färbte Teil das Tigroid ist. Er erhält also, auch ohne irgend eines von den gewöhnlichen Fixierungsmitteln anzuwenden, ge- !) Fischer, Zur Kritik der Fixierungsmethoden und der Granula. Anat. Anz. 1894. 2) Held, Hans, Beiträge zur Struktur der Nervenzellen und ihrer Fort- sätze. Erste Abhandlung. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abt. 1895. 3) Ich benutze hier das von v. Lenhoss&k vorgeschlagene: „Tigroid‘, nur um ein Wort zu haben, wodurch ich Verwechselungen vermeide, doch ohne damit ein besonderes „tigerfell-artiges“ Aussehen der Nervenzellen betonen zu wollen. 4). 1...c. 'S..404. 528 EINAR SJÖVALL, färbte Teile im Protoplasma, und, weil er bewiesen zu haben elaubt, dass die Fixierungsmittel eine fällende Einwirkung besitzen, muss er folgerichtig die Annahme machen, „dass diese Methylen- blautingierung frischer Zellen auf eine fixierende und dann zugleich färbende Wirkung des Methylen- blaus zurückzuführen ist.‘ Diese Auffassung Helds ist von vielen Seiten kritisiert worden, und die meisten Autoren gehen wenigstens so weit in ihrer Opposition gegen Held, dass sie mit von Lenhossek') übereinstimmen, wenn er sagt, dass es keine eigentlichen Gründe giebt, „diese Dinge weniger als präformiert aufzufassen als andere Strukturen in der Zelle, die unter denselben Bedingungen und mit derselben Konstanz und Regelmässigkeit in die Erscheinung treten“. Inzwischen war aber das Tigroid untersucht worden, auch ohne es vorher zu härten, sodass man frische Nervenzellen ver- mittelst Färbung mit Methylenblau studierte. Auf diese Weise kann Dogiel?) eine genaue Beschreibung der Nervenzellen der tetina geben, indem er eine !/ı—!/ıs°/o-Lösung von Methylen- blau 20 a 40 Minuten einwirken lässt. Er begegnet hier der eigentümlichen Erscheinung, dass die Zellen während dieses Verfahrens ein verschiedenes Aussehen annehmen, und glaubt, drei Perioden der Einwirkung von Methylenblau unterscheiden zu können. Die erste Periode, die er die „Granula-Periode“ nennt, wird dadurch charakterisiert, „dass die sich färbende Substanz der Nervenzellen die Form von Körnchen und Körnern annimmt“. Er sieht, dass im Anfang dieser Periode nur wenige in der Nähe des Kerns gelegene Körnchen gefärbt werden; all- mählich wird aber ihre Zahl vermehrt, und „schliesslich er- ı) v. Lenhossck, Über den Bau der Spinalganglienzellen des Menschen. Arch. f. Psychiatrie. Bd. XXIX, S. 367. 2) Dogiel, Die Struktur der Nervenzellen der Retina. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVI. Die Zellstruktur einiger Nervenzellen etc. 529 scheint der ganze Zellkörper mit einer unzählbaren Menge solcher Körnchen angefüllt.‘“ Die zweite Periode hat das Kennzeichen, „dass die Körnehen, wie auch die Körner sich im Zellkörper in intensiv gefärbten Schollen ... ansammeln.“ Die dritte Periode ist die „Periode der Färbung der Grundsubstanz‘“, wo die ganze Zelle eine diffuse Färbung annimmt, „und man nur mit Mühe den Kern, wie auch Spuren von chromophilen Schollen u. s. w. erkennen kann.“ Aus dieser Erscheinung zieht Dogiel die Folgerung, „dass die chromophile Substanz in den verschiedenen Färbungsperioden oder möglicherweise in einem verschiedenen Thätigkeitszustande der Zellen, die zu einem und demselben Typus gehören, die Form von Körnchen, Körnchenreihen, Körnern, Schollen, Spindeln u. s. w. annehmen kann; demgemäss wird sich das Aussehen der Zelle selbst verändern.“ Diese Untersuchung von Dogiel liefert jedoch keine ent- scheidenden Beweise für die eigentliche Ursache der Veränderung des Aussehens der Nervenzellen. Wenn man auch von der von Dogiel angenommenen Möglichkeit, dass verschiedene Thätig- keitszustände der Zellen die Ursache der verschiedenen Bilder wären, absieht, so ist es doch nicht sicher, dass gerade die Ein- wirkung von Methylenblau selbst bewirkt, dass „die chromophile Substanz“, d. i. das Tigroid, verschiedene Formen annimmt. Zum Teil kann man ja denken, dass der Absterbungsprozess das Aussehen der Nervenzellen verändert, und in diesem Falle das Methylenblau nur als Färbemittel dient, um die Absterbungs- erscheinungen deutlicher zu zeigen; zum Teil braucht auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen zu sein, dass das Methylenblau eine gewisse Zeit bedarf, um das ganze Tigroid zu färben. Die grossen Körner und Schollen würden dann die vital vorkommenden Formen der Anordnung des Tigroids sein. Und die sparsam auftretenden Körnchen als erstes Bild und die groben Schollen als letztes würden nur bedeuten, dass das Methylenblau das ganze Tigroid nicht auf einmal, sondern einige Körnchen früher, Anatomische Hefte. I. Abteilung. XL. Heft. (12. Bd., H. 3.) 35 530 EINAR SJÖVALL, einige später färbt. Auf diese Weise würden also die Schollen erst nach einer Weile in die Erscheinung treten. — Und in der That scheint Dogiel diese letztere Möglichkeit einzuräumen. In einer anderen Schrift!), wo er der Ansicht Helds von der fixierenden Einwirkung des Methylenblaus entgegentritt, findet er „es sehr unwahrscheinlich, dass Methylenblaulösungen von der angegebenen Konzentration (?/ıo®/o Lösung in physiologischer Kochsalzlösung) während so kurzer Einwirkung im Protoplasma der Zellen so starke Veränderungen hervorrufen können, wie die Bildung von Niederschlägen und Ablagerung derselben in Gestalt von Körnchen, Schollen etc.?)“. Also: wo man Schollen sieht, da sollen diese, Dogiels Meinung nach, als ursprüng- liche Bildungen betrachtet werden, und nicht als eine post- mortale Veränderung des Tigroids. Neuerdings ist eine andere Methode, das Tigroid unfixierter Nervenzellen zu untersuchen von Turner?) publiziert worden ; eine Methode, die eben so einfach, wie die Färbung, die man mit ihr erhält, distinkt und vollständig ist. Zwecks dieser Färbung wird ein kleines und dünnes Stückchen des zu untersuchenden Materials für 3 bis 12 Stunden in eine 0,5%o wässerige Lösung von Methylenblau gelegt. Ein kleiner Teil dieses Stückchens wird dann aus der Färbelösung herausgenommen, in ein Tröpfchen der Farrantschen Lösung auf einen Objektträger gelegt und mit einem Deckgläschen bedeckt. Darauf wird das völlig un- durchsichtige Stückchen mittelst zwei Nadeln dem Druck aus- gesetzt, bis es genügend dünn ist, um Licht durchzulassen, und mit schwacher Vergrösserung unter dem Mikroskop betrachtet. ı) Dogiel, Der Bau der Spinalganglien bei den Säugetieren. Anat, Anz. 1896. 2) Kursiv von mir. 3) Turner, A method of examining fresh nervecells; with notes con- ceruing their structure and the alterations caused in them by disease. Brain: Journ. of Neurol. Bd. 1897. Die Zellstruktur einiger Nervenzellen etc. 531 Nachher wird es weiter ausgepresst, bis es die für eine genauere mikroskopische Untersuchung notwendige Dünne erreicht hat. Turner glaubt fest, dass die Bilder, die er mit dieser Methode erhält, die vital existierende Anordnung des Tigroids vollständig wiedergeben. Hier sind ja, meint er, alle Fixierungs- mittel entfernt, und weil sich der Verdacht, verändernd auf die Nervenzellen einzuwirken, gerade gegen diese richtet, so findet er, dass es ihm gelungen ist „nervecells in their original condition, an unaltered by any reagents (beyond the artificial colouring)“ zu untersuchen. Er scheint also überhaupt die Annahme der Möglichkeit, dass die Nervenzellen ihr Aussehen verändert haben können, während sie gefärbt werden, für unberechtigt zu halten. Dass ein möglicherweise vorkommender Absterbungs- prozess eine verändernde Einwirkung haben könnte, erwähnt er mit keinem Worte, und die Möglichkeit, dass das Methylen- blau selbst neben seiner färbenden, auch eine das Nervenzellen- Protoplasma verändernde Eigenschaft besitzen sollte, glaubt er ohne weiteres ausschliessen zu dürfen. Er macht deshalb keine Versuche, die Unhaltbarkeit einer solchen Annahme wie der Heldschen zu beweisen. Weil ich finde, dass man diese Möglichkeiten nicht aus- schliessen darf, ohne Gründe dafür zu haben, habe ich einige Untersuchungen vorgenommen, hauptsächlich in der Absicht, das durch die früheren Untersuchungsmethoden der frischen Nervenzellen gefundene Resultat zu prüfen. Ich habe zunächst die Turnersche Methode unverändert angewendet undals Untersuchungsmaterial besonders diegrossen motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarks beim Kaninchen und unter diesen meistenteils die Zellen der Intumes- centia Jumbalis benutzt. Die Regelmässigkeit, mit welcher das Tigroid in den Teilen des Zellenkörpers, die den Übergang zu den Protoplasmaausläufern bilden, und in den Ausläufern selbst angeordnet ist, bewirkt, dass diese Teile einer Nervenzelle am 35* 532 EINAR SJÖVALL, meisten geeignet sind, das Tigroid mit dieser Methode zu unter- suchen. Ich stimme nämlich mit Turner völlig darin überein, dass in vielen Fällen ‚the chromophilie material exists........ in the more interior parts of the cytoplasm as irregular, inde- fined masses“, und die Ursache dieses Umstandes ist natürlicher- weise in der Dicke des Zellenkörpers zu finden. Mit einem scharfen Messer habe ich versucht, so viel wie möglich von der weissen Substanz zu entfernen, und danach werden kleine Stücke der Vorderhornsubstanz mit dem Messer genommen und in die Färbelösung gelegt. Ich habe ausser der Turnerschen Methylenblaulösung auch die Nisslsche Lösung und ausserdem t/, bis 1°/, wässerige Lösungen von Thionin ver- wendet. Und weil die Thioninlösung in ihren Wirkungen mit den beiden Methylenblaulösungen, welche auch unter einander gleiche Resultate geben, übereinstimmt, so wird alles, was ich von der Einwirkung des Methylenblaus sagen kann, auch für das T'hionin gelten. Aus der Färbeflüssigkeit nehme ich nach verschiedener Dauer der Einwirkung der Färbelösung kleine Stückchen der Vorderhornsubstanz und behandle sie nach Turners Anwei- sung. Auf diese Weise habe ich eine Präparaten-Serie her- stellen können, welche Nervenzellen von sehr nahegelegenen Stellen des Rückenmarkes desselben Tieres zeigt. So habe ich Präparate untersuchen können, die 1'/, und 2 bis zu 12, 15 und 24 Stunden der Einwirkung des Methylenblaus ausgesetzt waren. Eine wesentliche Veränderung des Aussehens der Nerven- zellen an den früher und später aufgenommenen Präparaten, habe ich nicht beobachtet; doch hatten die Zellen nach einer Einwirkung des Methylenblaus von 15 bis 20 Stunden, eine diffusere Färbung anzunehmen angefangen und waren also in die Dogielsche „Periode der Färbung der Grundsubstanz‘“ ge- kommen. Während der ganzen vorhergehenden Zeit waren sie Die Zellstruktur einiger Nervenzellen ete. 933 in einer Periode, die die Dogielsche „Periode der Schollen“ entspricht. An den so hergestellten Präparaten sehe ich, dass die am meisten central gelegenen Teile des Zellenkörpers gefärbte Massen enthalten, die oft, wie Turner beschrieben hat, sehr unbestimmte Begrenzungen zeigen; ich habe aber auch Zellen gesehen, wo diese gefärbten Tigroidschollen gegen die unge- färbten Partien der Zelle bestimmter abgegrenzt stehen. Die Protoplasmaausläufer von ihrem Anfang an zeigen dagegen in allen Zellen immer ein ähnliches Aussehen. Turner findet, dass „the chromophilie material exists .. ...... im the apex and processes as somewhat slender, often spindleshaped threads!) with their long diameter corresponding to that of the process“. Einen solchen Befund habe ich mit dieser Methode bei den untersuchten, motorischen Vorderhornzellen, nie erhalten. Zwar kann man, besonders in den feineren Protoplasmaausläufern, wenn man sie mit schwacher Vergrösse- rung beobachtet, das Tigroid in langen und spindelförmigen Fäden angeordnet sehen; diese Fäden werden aber bei stärkerer Vergrösserung in eine Reihe von Körnern aufgelöst. Diese Körner können, wo das Tigroid in grösseren Mengen ange- sammelt ist, recht gross sein, und sind’ überall durch dazwischen- liegende, ungefärbte Partien scharf von einander abgegrenzt. Ein solches Aussehen zeigen Fig. 1, 2 und 3, welche alle nach dieser Methode behandelt sind, resp. 2, 3 und 4 Stunden. Diese Körnerreihen hat Turner freilich gesehen, er meint aber, dass dieses „breaking up of the threads in the processes into a series of small granules or cubes‘“ ist „an early indication of morbid change“. Durch meine Beobachtungen der moto- rischen Vorderhornzellen des Rückenmarks wird eine solche Auffassung unhaltbar, weil die Körnerreihen so konstant vor- 1) Kursiv von mir. 534 EINAR SJÖVALL, kommen, dass ich bei den vielen Tieren, deren Nervenzellen ich mit dieser Methode untersucht babe, nie eine einzige Zelle getroffen habe, wo nicht ganz ähnliche Reihen von groben Tig- roidkörnern mit Deutlichkeit zu sehen waren. — Und auch gerade in solehen Nervenzellen, die von Turner untersucht worden sind, nämlich in den grossen motorischen Pyramidenzellen im Grosshirn des Menschen, habe ich mit derselben Regelmässig- keit wie in den Vorderhornzellen dieselben Reihen von Körnern gesehen; und zwar in Zellen von Menschen, deren letale Krank- heiten gar keinen Grund zu der Vermutung gaben, dass sie Veränderungen dieser Zellen verursacht hätten. — Ich kann darum der Turnerschen Ansicht nicht beistimmen, sondern muss als meine Auffassung hervorheben, dass dieses „brea- king up of the threads in a seriesofgranules“ gerade die Anordnung des Tigroids ist, die frische Nerven zellen — wenigstens von den zwei jetzt angegebenen Zellen- gruppen — nach Behandlung mit der Turnerschen Me- thode zeigen. Was jetzt diese Tigroidkörner betrifft, so scheinen sie voll- ständig homogen zu sein, und es kann sogar mit starken Ver- grösserungen keine Zusammensetzung derselben aus kleineren Körnchen wahrgenommen werden. Doch sind sie, was ich unten zu zeigen versuchen werde, sicher als aus solchen kleinen Körnchen zusammengesetzt anzusehen obwohl die Körner zu dick und die vorhandenen Körnchen zu dicht gelagert sind, um unterschieden zu werden. Diese groben Körner sind von sehr wechselnder Gestalt; die Seiten, mit welchen zwei neben einander gelegene Körner aneinander grenzen, sind jedoch sehr oft parallel, wodurch die ungefärbte Substanz, die diese beiden Körner trennt, eine überall gleichdieke Bandform erhält. Ein solches Aussehen wird mit Deutlichkeit auf Fig. 2 und 3 gezeigt. In diesen Protoplasmaausläufern entsprechen ohne Zweifel die langen, in der Längsrichtung des Ausläufers gehen- Die Zellstruktur einiger Nervenzellen ete. 535 bo] den, gleichmässig dicken und ungefärbten Züge den von Bethe!) dargestellten Primitivfibrillen. Wie sollen aber die quergehen- den, ungefärbten Bänder gedeutet werden, die die Tigroidkörner von einander trennen ? Es ist nämlich klar, dass die Anordnung des Tigroids in diesen Bildern kein „genaues Negativ‘ zu den Betheschen Fibrillenbildern ist, sondern dass gerade diese unge- färbten Züge, die wie Querverbindungen zwischen den Fibrillen aussehen, bewirken, dass das Bild ein anderes wird. Es liegt sehr nahe, diese Querzüge als Sprengungen einer einheitlichen Tigroid- masse, und diese Sprengungen als Folge der erwähnten Aus- pressung zu erklären. Eine solche Erklärung ist jedoch schon theoretisch wenig plausibel, denn zum Teil spricht die hier immer auftretende Erscheinung, dass man das Tigroid aus hinter einander gelagerten Körnern bestehen sieht, gegen die Annahme, dass ein launischer Druck die Ursache zu der Ent- stehung einer so regelmässigen Anordnung sein sollte; zum Teil macht die grosse Elastizität, die diese Zellen, wie schon Turner sah, besitzen, sie sehr geeignet, einem möglicherweise vorkommenden Druck zu widerstehen. Und in der That kann ich mit völliger Sicherheit sagen, dass die Auspressung bei dieser Methode keineswegs die Ursache der beschriebenen Bilder ist. Ich habe nämlich ein kleines Stückchen, das in der Methylenblaulösung verweilt hatte, in einige Teilen zerzupft, anstatt es, wie gewöhnlich, auszupressen. Diese Teile, die an- fangs völlig undurchsichtig sind, werden dadurch, dass die zwischen den Nervenzellen gelegene Substanz sehr bald erbleicht, allmählich durchsichtiger, und nach ein paar Tagen sind die Nervenzellen mit ihren Ausläufern sehr gut zu sehen. —- Jetzt sind also die Zellen keinem Druck durch Auspressung ausge- setzt gewesen, und doch sieht man bier — wenn auch nicht ganz so deutlich — dieselben Körner von Tigroid wie vorher. 1) Bethe, Über die Primitivfibrillen in den Ganglienzellen von Menschen und anderen Wirbeltieren. Morphol. Arh. v. G. Schwalbe. Bd. VIII. 536 EINAR SJÖVALL, Obwohl man also diese Körnerreihen als ein typisches Bild für die obenerwähnte Methylenblaufärbung an- sehen muss, so kann man mit dieser Methode natürlicherweise doch nicht entscheiden, ob diese Querbänder Verbindungen zwischen den Fibrillenzügen darstellen, oder ob sie nur eine Art Substanz sind, in welcher die Tigroidkörner liegen. Die Turnersche Methode, so gute Bilder sie auch giebt, kann auch die Frage nicht lösen, ob diese Tigroidanordnung im Leben vorkommt, oder ob sie ihre Entstehung einer post- mortalen Veränderung der Nervenzellensubstanz zu verdanken hat. Denn wie klein auch die Stückchen sind, die man in die Färbelösung einlegt, so ist doch eine gewisse Zeit nötig, um die Nervenzellen zu färben, und in dieser Zeit kann sich die Zellensubstanz gewiss verändern. Und wenn bei einer Unter- suchung desselben Materials einen kurzen Moment nach der Einlegung in die Methylenblaulösung die Nervenzellen ein Aus- sehen zeigen, das sich von dem jetzt beschriebenen unterscheidet, so kann dies uns keine entscheidenden Beweise dafür liefern, dass eine wirkliche Veränderung eingetreten ist, weil eine un- vollständige Färbung die ganze Ursache sein kann. Ich habe darum folgende Modifikation der Turnerschen Methode vorgenommen: Ich nehme, so wie ich vorher be- schrieben habe, aus dem Rückenmark ein kleines Stückchen heraus und lege es auf einen Objektträger, ohne irgend eine Flüssigkeit zuzusetzen; dann wird das Stückchen durch ein Deck- gläschen bedeckt und mittelst zwei Nadeln einem Druck aus- gesetzt, der jedoch so leicht und gleichförmig wie möglich sein muss. Auf diese Weise wird das Stückchen auf eine grosse Fläche ausgebreitet und so dünn gemacht, dass män sicher sein kann, dass die vorhandenen Nervenzellen unbedeckt liegen. Mit einem Finger wird darauf das Deckgläschen unter sehr leichtem Druck zur Seite geschoben, wobei die ausgepresste Substanz, ihre Dünnheit beibehaltend, auf dem Objektträger zurückbleibt. Bei - . Verlag v. J.F Bergmann,Wiesbaden. = FRE 2 E Ze Sr N, N ® y z au I DE Ft j nn A er nes er S WR, un Der u nn IR en, _- FE ne, = S w., * ne = er - 5 7 m e 2 N e. 40. H.[XLBd.H ı RE By: ® F} ’» an een ze BRBEHE TS „u wamm-une Sen ie a Bag a Lith.Anstw.H Jonas ‚Cassel. Be a IT er a i W ur - mn e ® Pros U Lola u Ba ax narn ff h I I St ET ] aseH ehr - a f ze Wi une nn Fe ee I Ei rn hf h ounenen ee Anatom. Het OR Die Zellstruktar einiger Nervenzellen ete. 37 dieser Behandlung kann man mit grosser Sicherheit in sehr kurzer Zeit eine vollständige Färbung des Tigroids erhalten. Einige Tropfen von einer der Färbeflüssigkeiten, die ich vorher bei der T'urnerschen Methode verwendet habe, giesse ich dann über den Objektträger und lasse die Färbelösung 15—20 Sekunden einwirken, wonach ich die Färbeflüssigkeit so viel wie möglich abfliessen lasse, und das Präparat mit einem Tropfen der Frey- Farräntschen Lösung!) unter, ein Deckgläschen einschliesse. Gewöhnlich ist jetzt eine weitere Auspressung nicht notwendig; eine solche kann aber vorgenommen werden, wenn man bei mikroskopischer Untersuchung des Präparates findet, dass die frühere Auspressung die Nervenzellen nicht genügend deutlich freigelegt hat. Man könnte glauben, dass diese ziemlich rohe Behandlung, der diese Methode die Nervenzellen aussetzt, Veränderungen ın denselben hervorbrächte. Das Resultat, das man mit dieser Methode erhält, ergiebt aber keinen Grund zu einer solchen Annahme. Auch hier bietet gewiss die Elastizität der Zellen genügend Schutz gegen mechanische Einwirkungen — natürlicher- weise innerhalb gewisser Grenzen, warum man nur möglichst leichten und gleichmässigen Druck anwenden soll. Ein Nachteil bei dieser Methode ist es indessen, dass die Färbung der Nervenzellen sogar viel früher als eine Färbung mit der Turnerschen schwindet. Schon nach 1—2 Tagen fangen nämlich die gefärbten Zellen an, blasser zu werden, und nach einigen Tagen ist die ganze Färbung verschwunden. So war z. B. die Zelle, die Fig. 4 darstellt, abgeblasst, bevor ich sie vollständig abgezeichnet hatte. Fig. 4 stellt also eine Vorderhornzelle dar, die sofort nach der Tötung des Tieres aus dem Rückenmark herausgenommen und auf diese Weise gefärbt ist. Es ist sogleich deutlich wahr- + 1) Nach Bolles Lee et Henneguy, Methodes techniques de l’ana- tomie mieroscopique. 2. edition, pag. 266. 538 EINAR SJÖVALL, zunehmen, dass diese Nervenzelle von einer, die man mit der Turnerschen Methode behandelt hat, sehr verschieden ist; und dies, obwohl meines Erachtens der Gedanke an eine unvoll- ständige Färbung hier ausgeschlossen sein muss. Man sieht nämlich das Tigroid vollständig gleichmässig gefärbt; nur ın den centralen Teilen des Zellenkörpers ist wie gewöhnlich die deutliche Abgrenzung der gefärbten Partien durch die dahinten- liegende Substanz ein wenig verwischt, obwohl die Tigroid- anordnung bei dieser abgezeichneten Zelle ungewöhnlich gut zu sehen war. Einen schwerwiegenden Grund, weshalb solche Bilder wie dieses , trotz ihrer Verschiedenheit von den Turnerschen, als den vitalen Verhältnissen mehr entsprechend anzusehen sind, ergiebt der Umstand, dass man in ihren gefärbten Teilen das bei der Turnerschen Methode nicht gefundene Negativ zu den Betheschen Fibrillenbildern erhält. Die am meisten in die Augen fallende Verschiedenheit zwischen diesem Bilde (Fig. 4) und den vorher beschriebenen besteht nämlich darin, dass die Reihen von groben Tigroidkörnern, die bei der Turnerschen Methode so konstant vorkamen, hier ebenso regelmässig vermisst werden. Man sieht hier das Tigroid in langen, feinen Zügen angeordnet, welche dann allmählich zu einer Spitze sich verjüngernd, enden. Die Grenze zwischen zwei an einander grenzenden Tigroidzügen ist immer parallel; das dadurch gebildete, ungefärbte Band, welches ja auch an den Turnerschen Präparaten zu sehen ist stellt deutlich eine Fibrille oder ein Fibrillenbündel dar. Die un- gefärbten, in Fig. 1, 2 und 3 vorkommenden Querbänder findet man aber nicht in Fig. 4, und also können, wenigstens in den peripheren Teilen der Zelle, zwischen den Betheschen Fibrillen- zügen keine solchen queren Verbindungen vorkommen. Was den Bau der Tigroidzüge selbst betrifft, so zeigen sie jetzt deutliche stärker gefärbte kleine Körnchen, die ohne irgend eine bestimmte Gruppierung in einer etwas weniger stark Die Zellstruktur einiger Nervenzellen etc 539 gefärbten Substanz zerstreut liegen. Ob diese Substanz homogen ist, oder aus noch kleineren Körnchen besteht, kann ich nicht mit vollständiger Sicherheit sagen; doch scheint es mir, dass ich zuweilen Partien des Tigroids sehen kann, wo die ganze Masse aus sehr feinen Körnchen zusammengesetzt ist. Ein solches Aus- sehen zeigen die meisten Teile des Tigroids in Fig. 5. Von der fibrillären Struktur, welche Cox u. a.!) im Tigroid findet, kann ich nichts sehen, weil die einzigen „Fäden“, die ich sehe, die schlanken Tigroidzüge sind, und diese zeigen ja einen körnigen Aufbau. In den Protoplasmaausläufern kommen, was allerdings ebenso deutlich mit der Turnerschen Methode zu sehen ist, sehr oft variköse Verdiekungen vor, und häufig befindet sich eine Varikosität unmittelbar vor der Stelle, wo der Protoplasma- ausläufer in den Zellenkörper übergeht. Dieser Übergangsteil ist also schmaler, und wird dadurch gekennzeichnet, dass er entweder sehr wenig oder gar nichts von Tigroid besitzt. Turner erwähnt diese Varikositäten nicht; Dogiel aber, der ja eine Methode anwendet, die der meinigen nicht unähnlich ist, findet sie, kommt aber hinsichtlich der Teilnahme des Tigroids daran zu einem sehr eigentümlichen Resultat. „In den varıkösen Verdickungen‘, sagt er?), „befinden sich die chromophilen Schollen an den Polen jeder Verdickung, oder sie liegen einer der Seiten der letzteren an, nehmen aber keinen hauptsächlichen Anteil an der Bildung der Verdiekungen“, und folglich muss er finden, dass in den Varikositäten ‚die Hauptmasse aus der sich nicht färbenden Grundsubstanz besteht.“ Wie man auf meinen Bildern sieht, ist es unmöglich, dieser Meinung von Dogiel beizustimmen. Und statt dessen muss es sowohl durch die Turnersche wie durch !) Cox, Die Selbständigkeit der Fibrillen im Neuron. Int. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. XV. 2) Dogiel, Die Struktur der Nervenzellen der Retina. S. 407. 540 EINAR SJÖVALL, meine Methode als bewiesen angesehen werden, dass sich überall, wo die Protoplasmaausläufer eine Verdickung bilden, eine Ver- mehrung des Tigroids findet; und die Bilder meiner Methode zeigen meines Erachtens deutlich, dass die Varikosität nur durch eine Vermehrung des Tigroids gebildet ist während die ungefärbten Fibrillenzüge vollständig gleichmässig dick die Varikosität durchsetzen. Der Achsencylinder ist bei Verwendung dieser Methode oft schwierig zu konstatieren. Ich habe keinen Ausläufer oder Verästelung eines gröberen Ausläufers gefunden, wo ich das Tigroid vollständig vermisst habe, was nach der Angabe mehrerer Autoren ein sicheres Kennzeichen des Achseneylinders sein soll. Dagegen habe ich sehr häufig einen dünnen, feinen Ausläufer der Zelle angetroffen, der beinahe frei von Tigroid gewesen ist, obwohl ich doch eine schwache Varikosität und in dieser eine bedeutende Ansammlung des Tigroids gefunden habe. So ist es z. B. bei Fig. 4 der Fall. Von dem Teil dieser Zelle, den es mir leider nicht gelungen ist abzuzeichnen, gingen drei Ausläufer aus, die alle grob waren, und grosse, deutliche Züge von Tigroid zeigten; sie mussten also als Protoplasmaausläufer betrachtet werden; ebenso der rechte und der mittlere der ein- gezeichneten Ausläufer. Es waren an dieser — wie auch an den meisten anderen — wohl erhaltenen Zelle keine Zerrungen zu finden; die ungefärbten Fibrillenzüge gingen alle in die vorhandenen Ausläufer aus, und danach muss ich es unglaublich finden, dass eine Abtrennung des Achsencylinders stattgefunden haben sollte. Ich gehe von der Voraussetzung aus, dass bei dieser Methode, wo man ja ganze Nervenzellen und nicht Schnitte durch solche sieht, man ganz gewiss alle Ausläufer einer gut erhaltenen Zelle sehen muss, und muss ich darum annehmen, dass der Ausläufer ec dieser Zelle der Achsencylinder ist, obwohl er eine kleine Anschwellung zeigt, die in Übereinstimmung mit der Sachlage in den Protoplasmaausläufern durch eine Ansamm- Die Zellstruktur einiger Nervenzellen ete. 541 lung von Tigroid gebildet ist. In der That beschreibt Dogiel') etwas Ähnliches. Seiner Meinung nach hat „der Achsencylinder- fortsatz das Aussehen eines mehr oder weniger dicken Fadens, in welchem die chromophile Substanz dem Anscheine nach gänzlich fehlt, oder sie wird nur in seltenen Fällen in Form von sehr kleinen Schollen in Achseneylinderfortsatz an den- jenigen Stellen angetroffen, wo er sich zuweilen verdickt‘. Darum kann ich ebenso wenig wie Dogiel eine quali- tative Verschiedenheit zwischen der Zusam mensetz- ung des Achseneylinderausläufersund der Protoplas- maausläufer finden, sondern muss annehmen, dass die einzige Verschiedenheit darin besteht, dass sie letztere grössere Varikositäten und infolgedessen auch grössere Ansammlungen von Tigroid als der erstere besitzen. lch kann aber diesen Befund nicht erwähnen, ohne den eigentümlichen Gegensatz desselben zu den Bildern der Nissl- schen Methode hervorzuheben. Dass man auf den Nisslschen Bildern den Achseneylinder ganz frei von Tigroid findet, könnte doch vielleicht dadurch verursacht sein, dass die feinen Tigroid- züge dieses Ausläufers sehr schnell von der Differentiierungs- flüssigkeit entfärbt werden. Aber auch die in Nissl-Präparaten beobachtete konische Endfläche des Achsencylinders vermisse ich stets. Dogiel sieht zwar eine solche Bildung, findet sie aber nicht allein bei dem Achseneylinder, sondern auch bei den Protoplasmaausläufern, und in Gegensatz zu den Nissl- Bildern nicht frei von Tigroid. — Über die Frage, wie und warum diese eigentümliche Bildung der Niss]-Präparate in die Er- scheinung tritt, wage ich jedoch nichts zu sagen. Das Resultat meiner Methode bietet also viele Verschieden- heiten von denjenigen der anderen Untersuchungsmethoden frischer Nervenzellen. Ich glaube aber, dass meine Methode 1) 1. c. $. 408-409. 542 EINAR SJÖVALL, die vitale Anordnung des Tigroids am genauesten darstellt. Wie ich schon gesagt habe, stützt sich nämlich diese meine Auffassung darauf, dass die Tigroidanordnung in auf diese Weise behandelten Nervenzellen genau dem Negativ zu den Betheschen Fibrillenbildern entspricht. Und es ist, wie man sieht, typisch, dass überall, wo die Resultate meiner und der anderen Methoden sich unterscheiden, meine Bilder dieses Negativ darstellen, diejenigen der anderen Methoden aber nicht. Die Reihen von Tigroidkörnern oder Schollen der Turner- schen Methode, und infolgedessen die eigentümlichen Quer- bänder zwischen den Fibrillenzügen, müssen deshalb unzweifel- haft durch eine nach der Tötung des Tieres geschehene Zu- sammenziehung des Tigroids entstanden sein. Diese Ver- änderung hat dann zur Folge, dass die ursprünglich sichtbaren, kleinen Körnchen, aus welchen das Tigroid zusammengesetzt ist, so zusammengezogen werden, dass sie in den groben Körnern nicht mehr gesehen werden können; ich glaube darum einen Aufbau von kleinen Körnchen auch in diesen Tigroidkörnern annehmen zu können, obwohl sie ganz homogen aussehen. Es ist also gezeigt worden, dass bei der Turnerschen Methode bedeutende Veränderungen in den Nervenzellen statt- finden, sodass die Bilder, die man durch Anwendung dieser Methode erhält, durchaus nicht dem vital existierenden Aus- sehen entsprechen. Es ist aber auch klar, dass man nur mit Hülfe dieser Bilder, die ich jetzt beschrieben habe, nicht mit Sicherheit entscheiden kann, welches die wirksame Ursache zu der Veränderung ist. Man kann nämlich nicht a priori an- nehmen, dass das Färbemittel selbst ausser seiner färbenden igenschaft auch eine die Zellstruktur verändernde haben sollte, weil die Möglichkeit noch nicht ausgeschlossen ist, dass ein Ab- sterbungsprozess die Ursache der Veränderungen der Zellen ist. Es ist aber nicht schwierig, in dieser Frage Klarheit zu gewinnen. — Um diese zu finden, habe ich von einem Tiere Die Zellstruktur einiger Nervenzellen etc. 543 ein Stiickehen der Intumescentia lumbalis genommen und nach der Turnerschen Methode behandelt; als das Stückchen drei Stunden in der Färbelösung gelegen hatte, habe ich es unter- sucht. Den übrigen Teil der Int. lumb. habe ich ruhig liegen lassen, sodass nur der Absterbungsprozess und nichts anderes auf ihn einwirken konnte; erst nach drei’Stunden, also zu der- selben Zeit, als ich das mit der Turnerschen Methode gefärbte Stückchen ausgepresst hatte, habe ich ein anderes, nahe liegen- des Stückchen von Int. lumb. herausgenommen und nach meiner Methode behandelt. Man sieht aber an diesem letzteren Präparat noch immer nichts von den queren Unterbrechungen in den Tigroidzügen, die das Präparat mit der Tu rnerschen Metlıode zeigt, sondern das Resultat ist vollständig dasselbe, dass eine Untersuchung der Nervenzellen mit meiner Methode unmittel- bar nach der Tötung des Tieres ergiebt. — Auf diese Weise habe ich Nervenzellen bis zu zehn Stunden nach der Tötung des Tieres untersucht, ohne an den Präparaten meiner Methode diese Reihen von Körnern mit queren, ungefärbten Zwischen- bändern zu finden. Da man aber nach so langer Zeit die Nerven- zellen ganz gewiss als abgestorben ansehen kann, wage ich die Möglichkeit, dass der Absterbungsprozess die Ursache der Veränderungen in den Nervenzellen wäre, mit Be- stimmtheit auszuschliessen. In der Färbelösung selbst muss also die Ursache zu dem verändertem Aussehen der Nervenzellen liegen; es gilt nur zu entscheiden, ob es der Farbstoff selbst ist, oder das Wasser, in welchem er aufgelöst ist, das die Veränderung bewirkt. Ich finde nämlich, dass Wasser und auch physiologische Kochsalz- lösung eine sehr schädliche Einwirkung auf die Nervenzellen haben, indem sie Vakuolen bilden. Infolgedessen habe ich sar keine Flüssigkeit zugesetzt, als ich das Material bei meiner Methode auspresste; es zeigte sich nämlich, dass schon eine sehr kurze Berührung mit Wasser grobe Veränderungen der 544 EINAR SJÖVALL, ursprünglichen Anordnungen der Nervenzellenstruktur verur- sachte. Die Bildung dieser Vakuolen hat zur Folge, dass das Tigroid zu Klumpen, die zwischen den Vakuolen liegen, zu- sammengepresst wird; diese Klumpen zeigen oft in den dünnen Tigroidzügen feinerer Protoplasmaausläufer grosse Ähnlichkeit mit den Körnern der Turnerschen Methode, weil sie in Reihen hinter einander liegen. In den gröberen Tigroidzügen dagegen zeigt sich die Verschiedenheit darin, dass hier nach Wasserein- wirkung in demselben Tigroidzuge oft mehrere Vakuolen neben einander liegen; hierdurch wird das Tigroid so zusammenge- drängt, dass es ein feines Netz bildet, oder vielmehr Waben- struktur annimmt. Das Bild, das man mit der Turnerschen Methode erhält, ist ja ein ganz anderes; hier sieht man nie eine solche Wabenstruktur, sondern sogar die gröbsten Tigroid- züge bestehen aus einer einfachen Reihe von hinter einander gelegenen groben Körnern und diese Körner zeigen in sich nie eine Vakuolenbildung g, sondern kommen, wie oben gezeigt, stets vollständig homogen vor. — Ich glaube also, dass man auch den Gedanken verwerfen muss, dass bei der Turnerschen Methode die Veränderung der ursprünglichen Anordnung des Tigroids eine sekundäre sei, verursacht von einer Vakuolisierung, die die wässerige Lösung des Farbstoffes hervorgerufen habe. Meines Erachtens, muss man dann in dem Farbstoffe Methylenblau selbst die Ursache zu den Veränderungen der Nervenzellen suchen. Und der Farbstoff Methylenblau besitzt also die Eigenschaft, das Tigroid zu Körnern oder Schollen zusammenzuziehen; entweder, wie bei den Nervenzellen der Retina, ruft er die Bildung von ver- einzelten Körnern hervor, oder, wie bei den motorischen Nervenzellen im Vorderhorn des Rückenmarks, verändert er die ursprünglich einheitlichen Tigroidzüge zu zeihen von groben Körnern, die hinter einander liegen. Das Methylenblau bewirkt deshalb, dass die Anord- Die Zellstruktur einiger Nervenzellen ete. 545 nung des Tigroids, die ursprünglich genau das Negativ zu den Betheschen Fibrillenbildern darstellte, diesem nicht mehr ent- spricht. Diese Eigenschaft, das Tigroid zusammenzuziehen, gehört aber nicht dem Methylenblau allein an. Ich habe nämlich voll- ständig dieselben Zusammenziehungen dadurch erhalten, dass ich ein Stückchen grauer Rückenmarkssubstanz höchstens drei Stunden in 1°o Essigsäure gelegt habe, und danach das Stück- chen mit Auspressung und Färbung mittelst meiner Methode untersucht. Essigsäure besitzt also hier eine mit Methylenblau vollständig übereinstimmende Eigenschaft. Da Methylenblau also einen schädlichen Einfluss auf die Nervenzellenstruktur hat, darf man natürlich nieht a prori an- nehmen, dass die Bilder, die man mit meiner Methode erhält, also nach einer kurzen Einwirkung des schädlichen Farbstoffes, die Struktur im Leben vollständig unverändert, nur gefärbt wiedergeben. Es besteht sehr wohl die Möglichkeit, dass die feinen Körnchen des Tigroids durch eine Ausfällung eines vital vorkommenden Stoffes entstehen, und dass diese Ausfällung so, wie Held annimmt, stattgefunden hat, nämlich gerade durch die Einwirkung vom Methylenblau — obwohl bei der Verände- rung möglicherweise auch ein Absterbungsprozess thätig sein kann. Die meisten Autoren, die der Auffassung Helds ent gegentreten, suchen nämlich nur zu beweisen, dass die grossen Tigroidzüge oder Schollen präformiert sind, untersuchen aber nicht, ob die beobachtete Zusammensetzung desselben der vitalen Struktur entspricht. Es ist klar, dass das Tigroid, des Vor- kommens der Fibrillen wegen, sich nur in gewissen Teilen der Zelle ausbreiten kann, und darum z. B. in den Vorderhorn- zellen Schollenform annehmen muss. Solche Bildungen sind also ganz gewiss vital; die körnige Zusammen- setzung derselben braucht aber deshalb nicht im Anatomische Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd. H. 3.) 36 46 EINAR SJÖVALL, Die Zellstruktur einiger Nervenzellen ete. Leben vorzukommen. — Ich will aber auf diese so wichtige Frage nicht näher eingehen, da ich keine bindenden Beweise für das Vorkommen eines Ausfällungsprozesses gefunden habe. Nur will ich der Auffassung Arnolds'), dass in frisch unter- suchten Nervenzellen bei Anfeuchtung mit Kochsalzlösung die Strukturen den vital vorkommenden vollständig entsprechen, entschieden entgegentreten, da ich (siehe oben) gefunden habe, dass auch physiologische Kochsalzlösung eine bedeutende Ver- änderung der Zellstruktur bewirkt. Lund, Mai 1899. 1) Arnold, Über Struktur und Architektur der Zellen. II. Nervenzellen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. LI. Erklärung der Figuren. Die Zeichnungen wurden sämtlich mit der Camera bei 160 mm Länge des Tubus eines Zeiss-Mikroskopes angefertigt, Fig. 1—4 mit Comp. Ok. 4, Apochrom. Obj. 2 mm hom. Imm., Fig. 5 mit Comp. Ok. 4, Apochrom. Obj- 4 mm. Fig. 1-3. Protoplasmaausläufer motorischer Vorderhornzellen, nach Turner behandelt, Fig. 1 und 2 mit 2-, resp. 3-stündiger Einwirkung der Turnerschen, Fig. 3 mit 4stündiger Einwirkung der N issIschen Methylen- blaulösung. a. Eine Varikosität. b. Der schmalere Übergangsteil zwischen einer Varikosität des Ausläufers und der centraleren Partie der Zelle. Fig. 4 und 5. Motorische Vorderhornzellen, mit meiner Methode be- handelt, Fig. 4 mit einer Thioninlösung, Fig. 5 mit der Nissl’schen Methylen- blaulösung. a. Varikosität eines Protoplasmaausläufers. b. Der schmalere Übergangsteil zu der centraleren Partie der Zelle. c. Der Achsencylinder. 36* ur r > a ENTER KEN Be E ’ 0 g ys Fade RE ga is: Kara, Her u Su Se u t ind urocme sah ale tue ae = 2. P2 I 3 KARTE \alaan ae on . adseofon j Be Be ab) guiliim ik sogihe Hokanılad ro ne ee ge) % ib. son, weibanlah in io ‚uadaen auf 2 Y h Dr; 2 a | Ei A Bu ee f un = al ET NRN, San En en a * Feab) alle sanis. IR ee arolsmdn Ahr A elleR ab hu. nerelarhush, sah Dam arsinslena., a AR: Ye bedisM xsiisiın Kur „nallssäsortabraV. sdostidoM 6 bat & ut Er halioisei nloe“ ia Be 1ah- hm € BE ‚senastainallt‘ aaa, Has ba Aouamik er ei | re BRRTSORELA NE Bosule ke wi elloX zb, int line Tor gs, loisgeeänsat eraleilas DE N ER ee A ie Bemerkungen zu Keibels Kritiken und Referaten.”) Eine Replikation von Ernst Mehnert, Halle a./S. Es ist nicht meine Geflogenheit, auf jeden Angriff sofort mit einer Entgegnung hervorzurücken. Im Vertrauen auf die Kritikfähigkeit der Fachgenossen schweige ich zunächst prin- *) Anmerkung der Redaktion: Unsere Herrn Mitarbeiter an den Ergebnissen wählen sich ihre Themata vielfach selbst und bearbeiten sie immer unbeeinflusst von der Redaktion in Umfang, Form und Inhalt vollkommen selbständig, tragen somit auch die volle Verantwortlichkeit für ihre Essays. Eine sachliche und unpersönliche Kritik soll bei den Referaten keineswegs gescheut werden. Wir halten eine solche vielmehr im Interesse der Klärung verwickelter Fragen für erwünscht und sähen eine Replik am liebsten wieder in Form eines erschöpfenden Essays. Wir halten uns aber, um unsere volle Unparteilichkeit zu wahren für verpflichtet, den Bemerkungen des Herrn Prof. Dr. Mehnert auch in der gewählten Form Aufnahme zu gewähren, und fügen bei, dass wir es unsererseits an Aufforderungen zur Mitigierung nicht haben fehlen lassen. Nachdem beide Interessenten zum Worte gekommen sind, ist für uns die Controverse endgiltig erledigt. Die Redaktion. 550 ERNST MEHNERT, zipiell. Ich lasse dem Gegner Zeit — in einem Falle volle zwei Jahre — damit er sich die Sachlage noch einmal überlegt und unterdessen Erfahrung sammelt — viele Differenzen erledigen sich auf diese Weise ganz von selbst — oder, wenn er es gerade auf Streit abgesehen hat, seine Angriffe in neuer Form wiederholt. Aber auch dann appelliere ich nicht gleich an die Öffent- lichkeit. Ich schreibe zunächst meinem Angreifer und setze ihn davon in Kenntnis, dass ich zu einer Erwiderung Material liegen habe. Ich warte sodann den Erfolg meines Schreibens mindestens ein Jahr ab, in der Voraussetzung, dass mein Gegner in seiner nächsten Publikation alle nicht sachlichen Äusserungen zumal persönlicher Art unterlässt. Falls meine Erwartung getäuscht wird, gehe ich jetzt an eine Beantwortung nicht ohne jedoch den Gegner von meiner direkten Absicht in Kenntnis zu setzen. Hierdurch gebe ich ihm noch einmal die Möglichkeit durch eine briefliche Erklärung die ganze Angelegenheit auf vier Augen zu beschränken. Wenn aber, wie im vorliegenden Falle, wiederholte Korrespon- denz keine Wandlung bringt, wenn in neu erschienenen Arbeiten persönliche Anschuldigungen gehäuft und sogar mir gravierende Worte zugeschrieben werden, welche in meinem Texte fehlen -— dann schwinden alle persönlichen Rück- sichten — dann bin ich zu einer öffentlichen Antwort bereit. Hierdurch bin ich aber auch unbedingt gezwungen, das gegen mich eingeleitete Verfahren meines Gegners in seinen Grund- fäden aufzudecken und, sollte das Urteil herb ausfallen, an den alten Satz erinnern — Volenti non fit injuria. In einer solchen Lage befinde ich mich Keibel gegenüber. Jede seiner Arbeiten bringt neue Angriffe. Zwar könnte ich mich zufrieden geben, wenn mein Gegner nichts Sachliches gegen meine Ergebnisse vorbringt, sondern als Kritiker, zu Keibels Kritiken und Referate. 551 Ironisierungen!) Zuflucht nimmt und zum Kampfobjekte gerade Anmerkungen?) aussucht und insbesondere vom Thema abschwenken ?) muss, um polemisieren zu können; aber es werden auch neue Anklagen gehäuft. Auf dieselben muss ich zuerst antworten, schon deshalb damit es nicht den Anschein habe, als ob ich nichts zu meiner Rechtfertigung vorbringen könnte. l. Ich habe auf S. 137 meiner Biomechanik in einer Anmer- kung gesagt: „Ich begrüsse dieses Unternehmen (d. h. die Normen- tafeln Keibels) mit Freuden. Indessen kann ich es nicht billigen, wenn die Embryogenese eines Säugetieres gewisser- massen als Prototyp für die Säugetierentwickelung hingestellt oder gar das Zeugnis der übrigen Vertebraten dem des Schweines untergeordnet wird.“ Hierzu bemerkt Keibel in den „Ergebnissen“ 1897 auf S. 791: „Es werden mir hier Anschauungen untergeschoben, welche mir durchaus fern liegen. Mehnert kämpft wieder gegen ein Phantom®). Es ist mir — und das hätte Mehnert bei einem etwas sorgfältigeren oder weniger voreingenommenen Lesen meiner Arbeiten wohl auch erkennen können — nie eingefallen, das Schwein als Prototyp der Säuger aufzustellen oder gar seinem Zeugnis die übrigen Vertebraten unterzuordnen“. 1) Ergebnisse VII. Bd. S. 79), Zeile 16—24. 2) Keibels Ausfall (ebendaselbst) bezieht sich auf eine Frage der Socio- logie, welche ich in einer Anmerkung in meiner Biomechanik (S. 160) ge- streift hatte. 3) Keibel greift mich in der Frage nach der Vererbung erworbener Eigen- schaften an, obgleich er selbst in dieser Arbeit ausdrücklich an drei Stellen behauptet hat, (S. 729 Zeile 27—30, S. 730 Zeile 19—25, S. 787 Zeile 1—5) dass diese Frage mit seinem Thema — das biogenetische Grundgesetz und die Cenogenese — nichts zu thun hat. 4) Wenn Keibel wirklich der ernsten Meinung ist (nur eine solche dürfte in wissenschaftlichen Kritiken in Frage kommen) dass ich gegen eın „Phantom kämpfe“, weshalb verteidigt er sich. Keibel bekennt auch seine Wahrnehmung, dass ich „Lufthiebe gegen einen konstruierten* Gegner“ austeile. Weshalb nimmt Keibel, unter diesen Uniständen, Stellung für das namenlose „konstruierte* „Phantom“ ? 552 ERNST MEHNERT, Und doch trotz dieser so bestimmt gehaltenen Äusserung Keibels halte ich meine frühere Behauptung auch noch jetzt aufrecht und bin erbötig zu zeigen, dass Keibel gerade in der Normentafel seine Untersuchungen des Schweines höher schätzt als die Angaben anderer Beobachter und überhaupt die bei anderen Säugetieren gewonnenen Resultate ihm „nur gering‘ erscheinen. Als Beleg citiere ich einen Satz auf S. 81 seiner Normen- tafel: „Das Material!), welches aber Mehnert sonst zur Bekräf- tigung seiner Behauptung, dass bei den Säugern die Varlations- breite ebenso gross sei wie bei den Schildkröten, beibringt, ist doch nur gering“. Prüfen wir jetzt selbst das von mir angeführte, von Keibel als „nur gering‘ bezeichnete Material. Unter meinen Gewährs- leuten befinden sich: Bonnet, Flemming, Hubrecht, Thi- lenıius, Petersen, welcher unter His, Aschoff, welcher unter Schwalbe und Liessner, welcher unter Rosenberg gearbeitet und publiziert hatten. Ich meine doch Beobachtungen von sieben Autoren sind kein geringes Material, zumal sich unter denselben an erster Stelle befindet Bonnet, einer der besten Kenner der Säugetier- embryologie, dann ein Forscher von der Bedeutung Flemmings und Hubrecht. Ausserdem hat Thilenius sein Urteil an den Carpalien von 160 menschlichen Extremitäten gebildet, Aschoff mehrere Jahre unter Schwalbe an dem einen Thema gearbeitet, ebenso Liessner unter Rosenbergs Leitung und Aufsicht. Aber ich will mit Keibel gar nicht rechten ob das Urteil dieser sieben Fachgenossen ‚nur gering‘ oder nicht „gering“ zu bewerten sei. Mir kommt es hier allein darauf an zu zeigen, dass Keibel die von mir citierten Ergebnisse von sieben Fach- genossen im Vergleiche zu den seinen für „nur gering‘ erklärt hat. !) Im Originale nicht gesperrt. Keibels Kritiken und Referate. 553 Dass es Keibelim obigen Satze auf einen Vergleich ankam, beweist seine Antithese. Er sagt nämlich wörtlich (S. 81): „lch hatte mehrfach, wie das aus den in dieser Arbeit abgedruckten Citaten ‚hervorgeht, direkt betont, dass ich diese individuelle Variationsbreite nicht sehr bedeutend gefunden hatte. Das Material, welches aber Mehnert sonst zur Bekräftigung seiner 3chauptung, dass bei den Säugern die Variationsbreite ebenso oross sei wie bei den Schildkröten, beibringt, ist doch nur gering“. Den von Keibel an Schweinen gewonnenen Resultaten stehen die nicht minder umfangreichen Untersuchungen und bündigen Angaben Bonnets bei Schafen gegenüber. Da aber diese Beobachtungen auch zu jenen von Keibel mit dem Prä- dikate ‚nur gering‘ censierten Arbeiten gehören, so folgt daraus doch ohne weiteres, das Keib e] das bei einem anderen Verte- braten gewonnene Zeugnis dem des Schweines unterordnet. In einem solchen Gebahren tritt aber doch das Bestreben „gewissermassen”, gar zu unverhüllt entgegen, dem Schweine wie ich damals sagte, die Rolle eines Prototypes einzuräumen. Wenn Keibel behauptet, solches sei ihm „nie eingefallen“, so kann ich dagegen nichts einwenden — er muss es ja wissen. [ch aber habe das unbestreitbare Recht bei meiner Beurteilung von einem Satze auszugehen, den Keibel in seinen Normal- tafeln selbst niedergeschrieben hat. Keibels Vorwurf als hätte ich seine Arbeiten nicht sorg- fältig genug und „voreingenommen gelesen“ und seine Anklage, ich hätte ihm „Anschauungen unterschoben“, welche ihm angeb- lich fremd seien, erledigen sich somit als unzutreffend. II. Auch noch an einer anderen Stelle meint Keibel Ursache zu haben sich über mich öffentlich zu beschweren. Keibel sagt auf $. 81 wörtlich folgendes: „Aber darauf darf ich wohl hinweisen, dass Mehnert sich nicht ganz mit Recht auf mich beruft, wenn er den Säugern eine ebenso grosse Variationsbreite in der Entwickelung zuschreibt, 554 ERNST MEHNERT, wie seinen Schildkröten“. Und ein Satz weiter ist wiederum nahezu dasselbe zu lesen. „Mehnert sonst zur Bekräftigung seiner Behauptung, dass bei den Säugern die Varlationsbreite ebenso gross sei wie bei den Schildkröten u. s. w.“'). Auf eine sachliche Diskussion kann ich mich überhaupt erst dann einlassen, wenn Keibel verrät, auf welcher Seite ich in meiner Variationsarbeit behauptet habe, dass bei meinen Schildkröten eine ebenso grosse Variationsbreite in der Entwickelung herrsche wie bei Säugern. Der von Keibel in extenso eitierte Satz?) auf S. 416 ent- hält das Wort „Schildkröten überhaupt nicht. Auch der vorher- gehende über 1'/2 Seiten lange Passus, welcher den Abschnitt über Petromyzon, Amphibien und Reptilien beschliesst, lässt das inkriminierte Wort „Schildkröten“ vermissen. Ich spreche aller- dings zu Anfang der vorhergehenden Seite davon, dass ich mein ganzes „Schildkrötenmaterial“ in bestimmter Weise zu verarbeiten gedenke. Aber auf diesen Satz kann Keibels Behauptung var keinen Bezug haben. Weiterhin spreche ich ausdrücklich von Kaltblütern, Seeigellarven, Reptilieneiern; Wasser, Teich-, Tümpel-, Regenwasser; Sand-, Lehm-, Kalk-, Humusboden und selbst von Misthaufen ist die Rede. Ich eitiere Driesch und toux, verweise auf die „morphologische Polarisation“. Unmittel- bar darauf folgt aber der von Keibel citierte — ich hebe her- vor — Schlusssatz. Also auch aus dem Zusammenhange kann Keibel nicht herausgelesen haben, dass sich dieser Satz gerade auf meine „Schildkröten‘ beziehe. Wo — frage ich also Keibel — hat er das Wort „Schild- kröten“ in dem von ihm angegebenen Zusammenhange gefun- 1) Normentafel I. Jena 1897. 2) Auf meine eigenen Beobachtungen kann überhaupt die 1'/» Seiten lange Erörterung gar keinen direkten Bezug haben, denn ich sage zu Beginn dieses Abschnittes auf 8. 415 ganz ausdrücklich „die von zahlreichen Autoren konstatierte oft excessive Variationsbreite ontogenetischer Vorgänge eine nur den Kaltblütern u. s. w.“ Keibels Kritiken und Referate. 555 den? Wo in aller Welt — frage ich weiter — werden in dieser Arbeit überhaupt meine Beobachtungen über Variationen an Schildkröten mit „Säugern‘ direkt verglichen oder in Parallele gebracht ? Solange aber Keibel nicht den Beweis erbringt, dass ich — behauptet!) habe „dass bei den Säugern die Variations- breite ebenso gross sei wie bei den Schildkröten* — wie Keibel ausdrücklich zweimal angiebt — schwebt auch seine Anklage, ich hätte mich in Bezug auf diesen Satz „nicht ganz mit Recht‘ auf ihn berufen, ebenso ganz in der Luft. III. Beim Lesen der Normentafel des Schweines kann man sich auch des Eindruckes nicht erwehren, dass Keibel nicht objektiv urteilt. Wenden wir uns jetzt zur Verfolgung eines konkreten Falles. Keibel sagt auf S. 75 in Bezug auf den Schluss des Amnion: „Vom Schwein kommen für den Schluss des Amnion Tabellen 15 und 20—41 (entsprechen den gleichen Tabellen in den Normen- tafeln) in Betracht. Bei denjenigen Embryonen, bei welchen in dieser Reihe das Amnion schon geschlossen ist, ist der Schluss eben erst erfolgt, auch zeigen diese Tabellen, dass kleine indi- viduelle Schwankungen vorkommen‘. Keibel hat das Wort kleine diesesmal gesperrt drucken lassen. Man erkennt, dass es ihm als Verfasser der Normen- tafel im Gegensatz zu früher?) auf „kleine individuelle Schwankungen‘ ankommt. Er will es besonders hervorheben. Ich muss gestehen, dass ich nach Einblick in die Tabellen zu dem entgegengesetzten Resultate gelangt bin. Doch lassen wir zunächst die Normentafel selbst reden. Ich finde in den- selben über die gleichaltrigen 14 Tage 16 Stunden alten Em- !) Wörtlich ist zu lesen „seiner Behauptung dass bei u. s. w.“ 2) Keibel, Studie II. Morphologische Arbeiten (Schwalbe) Bd. V H. I, S. 80, 1896. 506 ERNST MEHNERT, bryonen folgende Angaben über Urwirbelzahl und das: Verhalten des Amnion. e Be- Urwirbelzahl Amnion zeichnung 1 2 Kopf- und Schwanz-Amnion in erster Anlage. 3 2—3 Kopf- und Schwanz-Amnion deutlich. 7 3 Vorn und hinten ziemlich weit. 25 7 Das Amnion noch auf 43 Schnitten von 0,0loffen. 43 B) Geschlossener Amnionnabelstrang. 60 Etwa 20 Das Amnion bis auf den Amnionnabelstrang geschlossen, Es muss auffallen, dass die Zahl der Urwirbel bei gleich- alten Embryonen zwischen 2 und 20 schwankt. Insbesondere aber ist hervorzuheben, dass beim Embryo von 13 Urwirbeln der Amnionnabelstrang schon geschlossen beim Embryo von eirca 20 Urwirbeln noch nicht geschlossen ist. Zur weiteren Bekräftigung meiner Gegenbehauptung, dass bei Schweineembryonen beträchtliche Amnionschwankungen vor- kommen, habe ich auch noch Embryonen herausgesucht, welche 15 Tage eine Stunde alt sind. Be. Urwirbelzahl Amnion zeichnung | 2 | 2—3 ' Deutl Kopf- und Schwanz-Anmmnion. 2-5 Kopf- und Schwanz-Amnion deutlich ausgebildet. 10 | 4 Das Amnion in einer Ausdehnung von 7 Schn. | von 0,01 mm offen. 13 a) ' Das Kopfamnion auffallend viel weniger | ausgebildet als d. Schwanzamnion. 16 | 5 ' Amnion noch ziemlich weit offen. 17 | > ' Amnion offen auf 34 Schn. ‚von 0,01 mm. 18 5 ‚ Amnion weit offen. 20 | 5—6 | Ampion bis auf den Ampionnabelstrang ge- | schlossen. 21 | 6 ' Amnion noch nicht geschlossen. Keibels Kritiken und Referate. 557 Ich behaupte jetzt auf Grund der vorstehenden Tabellen, dass die Amniogenese bei gleichaltrigen und auch an Urwirbelzahlnahestehenden Schweineembryonen ganz beträchtlicheindividuelle Unterschiede aufweist — und jeder Unparteiische dürfte mir anstandslos nach Einsicht in die Tabellen beipflichten. Wie aber — frage ich — verträgt sich dieses Ergebnis mit der zweimaligen Behauptung Keibels!)?) „auch zeigen diese Tabellen, dass kleine individuelle Schwankungen vor- kommen‘. Sollte der Verfasser der Normentafel individuelle Variationen etwa nach einem besonderen Massstabe messen?) Beim Studium anderer Organe bin ich ganz zu demselben Resultate gelangt. Ich finde z. B., dass die Allantois bei gleich- altrigen Schweinen kollosale Unterschiede zeigt und bei einem Individuum fehlen, beim anderen bereits 1,5 mm breit sein kann. Es hängt dieses wohl damit zusammen, dass die Ent- stehung der Allantois nach einem früheren Bekenntnisse Kei- bels®) in „recht verschiedene“ Entwickelungsstadien fallen kann. UT —— — — —— ‚Be Urwirbelzahl Amnion zeichnung 1 2 Rein mesodermale Allantoiswucherung. 3 2—3 7 3 Noch keine entodermale Allantois. 25 7 Erste entodermale Allantoisanlage. 43 13 Allantois beträchtlich ausgedehnt, sehr deutliche Allantoishörner. 60 Etwa 20 Die Allantois ventral umgeschlagen, ist ausge- sprochen halbmondförmig. Die Breite der Allantois 1,5 mm, die Länge 0,8. 1) 1896. Studie II, S. 80. 2) Normentafel S. 75. 3) Es kann gar nicht überraschen, dass bei der von Keibel erst will- kürlich zusammengefügten Reihenfolge auch die Unterschiede auf den ersten Blick weniger hervortreten. Es ist dieses nur die notwendige Konsequenz dessen, dass Keibel die Embryonen nicht nach ihrem Alter sondern nach ihrer Gleichartigkeit gruppiert hat. 4) 1896. Studie II, 8. 81. ERNST MEHNERT, Vorstehende Zusammenstellung bezieht sich nur auf gleich- altrige 14 Tage 16 Stunden alte Schweineembryonen. Ein weiterer Kommentar erscheint mir überflüssig. Die eigenen Notizen Keibels sprechen eine deutliche Sprache zu Gunsten der Breite der individuellen Variation. In der neuesten Zeit hat auch Schwalbe in Keibels Normentafel eine „ausserordentliche Variationsbreite‘ nachge- wiesen. Schwalbe hat auf der letzten Anatomenversammlung in Kiel aufmerksam gemacht „das bei drei Embryonen (scl des Schweines) von 14 Tagen 16 Stunden die Körperlänge von 2,5 bis 7 mm variiert“. Es liegt also in dem von Schwalbe herangezogenen Beispiele ein Fall vor, dass bei Keibels Schweineembryonen die individuelle Variation nahezu um das Dreifache eines Wertes variieren kann. Das deutlichste Zugeständnis für die ausserordentliche Variationsbreite des Schweineembryo ist von Keibel aber selbst geliefert worden, dadurch dass er von zwei gleich alten Embryonen den einen an erster, den andern an die sechzigste Stelle in der Normenreihe postiert. Wenn aber Keibel seine „Resultate ganz allgemein“ zusammenfasst und sagt'), „dass die individuelle Variation in der Embryonalentwickelung des Schweines zwar regelmässig eine gewisse Rolle spielt, dass aber die Breite der Variation* — (ausdrücklich von den Mass- verhältnissen abgesehen) — gewöhnlich enenichtsehrgrosse* ist“ und auf der nächsten Seite ?) weiter betont, dass er diese” ‚individuelle Variationsbreite nicht sehr bedeutend“ gefunden hat“ — dann muss ich, im Hinblicke auf die obigen tabellarischen Zusammenstellungen auch in diesem Falle be- haupten, dass der Verfasser der NormentafelI jedenfalls 1) Normentafel S. 80. 2) Ebendaselbst S. 81. * Im Originale nicht gesperrt. Keibels Kritiken und Referate. 559 mit einem sonst ungewöhnlichen, .also willkürlichen Masstabe individuelle Variationen messe, dem auch — da es sich auch hier um die von ihm bekämpfte Breite der Variation handelt — eine gewisse Tendentiösität unverkenn- bar anhaftet. IV. Keibel befleissigt sich ganz angelegentlich bei Kritiken der gesuchtesten Subjektivität. Hierdurch trägt Keibel den Streitpunkt gleich von vorn herein in das Lager subjektiver Empfindungen, entkleidet ihn seiner Objektivität und setzt so- dann als Äquivalent seine Person in die Wagschale. Durch dieses wiederholt geübte Verfahren wird aber einer sachlichen Diskussion der Boden entzogen und der Zweck einer jeden Polemik, nämlich Klärung der Sachlage, gleich von vorn herein unmöglich gemacht. Keibel legt bei Angriffen viel Wert auf den Schein. Wir lesen: „Es scheint“, ‚Es erscheint“, „Mir erscheint es“ (S. 787). In der Normaltafel sagt Keibel auf S. 82, ‚wie mir scheinen will“. Ebenso häufig appelliert Keibel in Polemiken an Seelen- zustände. Wir lesen in den Ergebnissen „So kann ich es nicht einsehen, wie Mehnert... aus seinen Beobachtungen folgern darbearsi „Ganz rätselhaft erscheinen mir ferner die Beziehungen, die Mehnert .. .“. „Im übrigen aber ist es mir unmöglich, seinen Anschau- ungen zu folgen“. „Mir ist hier zunächst nicht ganz klar, was .. .“. „Es ist mir schwer begreiflich, wie iz „Ich kann hier die vergleichend anatomischen und embryo- logischen Gesichtspunkte nicht erkennen, welche ihn geleitet haben“. „Ein Verständnis für die vergleichend anatomischen Gesichts- punkte, welche Mehnert hier geleitet haben, geht mir voll- kommen ab“. 560 ERNST MEHNERT, Es dürfte überraschen, dass Keibel unter diesen Um- ständen sich überhaupt bewogen gefühlt hat zu polemisieren. V. Keibel lässt sich in seinem Urteile wesentlich von momentanen Impulsen leiten. Infolge dessen kann dasselbe selbst in einem und demselben Jahre nicht unbeträchtlich differieren. Als Beleg führe ich folgende Stellen an: Keibel sagt in der im Jahre 1897 erschienenen Normen- tafel I auf S. 82: „Auf keinen Fall kann ich Mehnert folgen, wenn er sagt: „dass alle Organentwickelungen, welche in einer Embryoanlage auftreten, nur neben einander entstehende, neben einander verlaufende, neben einander gereihte Prozesse sind‘. Von einer ganz anderen Seite aus muss diesen Sätzen ebenfalls mit Entschiedenheit entgegengetreten werden. Hier kommt — und wie mir scheinen will, entscheidend — die experimentelle Forschung zur Geltung. Rouxs epochemachende Experimente an Froscheiern haben auch eine Antwort für unsere Frage u. s. w.“. Anders aber äussert sich Keibel in dem gleichfalls noch im Jahre 1897 abgeschlossenen Artikel auf S. 762 in einer An- merkung. „Nur nebenbei sei an dieser Stelle erwähnt, dass ein Forscher, der bei seinen Untersuchungen den experimentellen Weg ein- schlug, Born, zu ganz entsprechenden Resultaten kommt. Born sagt in seinem Buche: ... „Die Entwickelung beruht von unserem Anfangsstadium an (.....) wesentlich auf Selbstdifferenzierung der einzelnen Teile; ein korrelativer Einfluss der Nachbarschaft, wie des Ganzen lässt sich nirgends erkennen — weder negativ, noch positiv; die Entwickelung entspricht also von unserem Ausgangsstadium an durchaus der Mosaiktheorie Roux’s“. Wahrlich beim Vergleiche beider Abschnitte meint man einen Januskopf vor sich zu sehen '). In der Normentafel führt !) Eine ganz gleiche Taktik hat Keibel an einer anderen Stelle einge- schlagen. Wir lesen auf 8. 729: „Als ein Stein des Anstosses* muss es * Im Originale nicht gesperrt. Keibels Kritiken und Referate. 561 Keibel die Experimente Roux’s an Froscheiern gegen mich zu Felde; aber in den Ergebnissen giebt Keibel zu, dass die von Born gleichfalls an Froscheiern erbrachte experimentelle Bestätigung der Mosaiktheorie Roux’s meinem kurz vorher inkriminierten Ergebnisse „entsprechende Resultate“ geliefert habe. In der ersteren Publikation Keibels ist zu lesen, dass Experimente an Fröschen mich widerlegen, in der zweiten — bestätigen. In der ersteren wird Roux gegen mich, in der zweiten Roux’s Mosaiktheorie zu meinen Gunsten citiert. In der ersten Arbeit behauptet Keibel, dass die experimentelle Forsch- ung mich „entscheidend“ widerlegt haben soll, in der späteren, dass sie „entsprechende Resultate“ ergeben hätte. — Die böse Entwickelungsmechanik | Noch eigentümlicher wird dieser im Laufe des Jahres 1897 erfolgte Frontwechsel, wenn ich in Erwägung ziehe, dass Keibel schon im Jahre 1895, also schon zwei Jahre vorher die Resultate, Borns zu meinen Gunsten ausgelegt hatte. vielen scheinen . ... d. h. die Annahme der Vererbung erworbener Eigen- schaften*“. Diese Stellungnahme wird aber schon auf der nächsten Seite aufgehoben. Keibel sagt: „glaube, dass, ..., man doch ohne die Annahme einer Vererbung erworbener Eigenschaften nicht gut auskommen kann“. Es dürfte ungewöhnlich sein, dass ein Autor sein eigenes Bekenntnis selbst als einen „Stein des Anstosses‘“ charakterisiert. Noch erstaunlicher wird diese Contradietio, wenn man berücksichtigt, dass Keibel vorher etwa zweı Seiten lang in pathetischtem Tone eine Lanze für Weissmanns Lehre eingelegt hatte und dann ganz unmittelbar nach dem Satze „wenn man sich zur Weismannschen Lehre bekennt*“ in einer Anmerkung ganz unver- mittelt mitten in dem feindlichen Lager Weismann’s entschiedensten An- greifers und Gegners — nämlich O. Hertwig — auftaucht und jetzt be- kennt: „Ich selbst stehe im wesentlichen auf dem neuerdings von Hertwig (Zelle und Gewebe Buch II) vertretenen Standpunkte*“. Keibel tritt — wie vorstehende Citate bekunden — bisweilen auch für einen „Standpunkt“ mit grosser Energie ein, welcher von dem seinigen diametral abweicht. — Ein in der Litteratur sonst ungewöhnliches Verfahren, welches aber Gelegenheit zu vielseitigen Äusserungen bietet, je nachdem ob man sich auf seinen eigenen „Standpunkt“ stellt oder ad libitum eine abweichende Meinung vertritt. *) Im Originiale nicht gesperrt. Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XL. Heft (12. Bd., H. 3). am 562 ERNST MEHNERT, War unter diesen Umständen — frage ich Keibel — ein in der Zwischenzeit gegen mich in derselben Frage inscenierte scharfe Polemik sachlich geboten ? Welche Bewandnis es aber mit jener „Entschiedenheit‘“ hat, mit welcher mir Keibel „entgegentrat‘‘ und wie es mit seiner Behauptung bestellt ist, er könne mir „auf keinenFall?)... folgen‘ wird der geneigte Leser selbst beurteilen können, nach- dem Keibel schon in demselben Jahre den Widerstand auf- gegeben hat. VI. Wenn es gilt seinem Gegner einen Makel anzuhängen, dann genügt Keibel selbst Vergangenheit und Gegenwart nicht. Keibel zieht dann auch die Zukunft heran. „Mehnert verkennt doch wohl den Einfluss, welchen seine Definition einem seit Jahrzehnten geübten Gebrauch gegenüber haben kann und wird ®. Vermutlich wird wesentlich eins erreicht werden, es wird nämlich die schon heute herrschende Unklar- heit im Gebrauch von ÜÖenogenese, Caenogenese durch das Hin- zukommen .von Kainogenese noch um ein beträchtliches ver- mehrt werden“.') Keibel stellt der Kritikfähigkeit seiner Fachgenossen eine äusserst schlechte Censur aus — „Unklarheit im Gebrauch“ und weiss auch schon genau, dass dieselben in der Zukunft nicht nur in den von ihm gerügten Fehler verfallen werden, sondern — es ist betrübend — dass, diese „Unklarheit“ „noch um ein beträchtliches vermehrt werden*“ wird. Auch über die nächste Zukunft ist Keibel — dieses Mal in erfreulicher Weise — orientiert, „es werden die Kinder bald* mit dem Griechi- schen auf die Welt kommen“. Keibel hat auch schon Kunde, welchen ‚Einfluss‘ meine Definition „haben wird**. — Es * Im Originaltexte nicht gesperrt. 1!) Ergebnisse 1897. Band VII. 1895 8. 788. Keibels Kritiken und Referate. 563 gewinnt den Anschein, dass Keibel sich auch auf Weissagung versteht. VIII. Keibel nimmt es im Referate mit den Worten seines Gegners wenig genau. Ich hatte in der Kainogenesis auf S. 101 wörtlich gesagt: „Es kommen jedoch noch Bedingungen hinzu, die wir zur Zeit noch nicht überschauen können. Von unserem modernen Standpunkte und selbst bei Berücksichtigung von Polar- und Äquatorialtemperatur immerhin sehr milden Klima der Erdober- fläche, sind wir gar nicht in der Lage zu entscheiden, in welcher Weise die früher höhere Temperatur, dieandere Zusammensetzung und Sättigung der Luft, die ener- gischen Niederschläge und die in Folge dessen auch stärkeren elektrischen Potenzen in ihrer Gesamtheit auf das damalig noch junge organische Leben fördernd und ausbildend gewirkt haben“. Keibel aber referiert in den Ergebnissen auf S. 787: „Mir erscheint es, dass hier eine durchaus einseitige Anschauungs- weise zur Geltung gebracht wird, und was Mehnert „ohne Schwierigkeit*“ mit Zuhülfenahme der in früheren Erde: pochen herrschenden „höheren Temperatur, der anderen Zusammensetzung und Sättigung der Luft, der ener- gischen Niederschläge und der infolgedessen auch stärkeren elektrischen Potenzen‘“ zustande kommen lässt,* will mir doch im höchsten Sinne problematisch er- scheinen‘. Ich mache darauf aufmerksam, dass das Punctum saliens der Anklage Keibels, nämlich die ausdrücklich mir zuge- schriebenen Worte „ohne Schwierigkeit“ in meinem Texte gar nicht existieren. Für den von Keibel durch diese Wortzusätze abgeänderten Text weise ich unter Protest jede Verantwortung von mir. * Im Originaltexte nicht gesperrt. 37* 564 ERNST MEHNERT, Ob Keibel überhaupt in seinem Referate auf S. 787 auch nur annähernd das wiedergegeben hat, was ich im Original- texte unter grösster Reservation als möglich angedeutet habe, — das zu entscheiden, überlasse ich durch Vergleichung der beiden Textstellen den Fachgenossen. Es wäre erfreulich, wenn es Keibel gelänge Punkt für Punkt der von mir erhobenen Anklagen als belanglos zu erweisen. Als unerlässliche Grundlage für eine jede weitere Diskussion er- bitte ich mir aber zuerst den Seitenachweis in meinen Arbeiten für folgende von Keibel bekämpfte, mir zuge schriebene Äusserungen. 1. Wo habe ich „behauptet“ und „meinen‘ Beobach- tungen an „Schildkröten“ eine „ebensogrosse Variations- breite in der Entwiekelung“ „zugeschrieben“, wie den „Säugern?“. 2. Wenn Keibel die vorstehende sechsgliedrige Behauptung in meiner Variationsarbeit nachweisen sollte — ich finde sie nicht in derselben —, hätte er den weiteren Beweis anzutreten, wo ich in Bezug auf diese Behauptung mich „nicht ganz mit Recht‘ auf ihn „berufen“ hätte. 3. Drittens bitte ich um Nachweis, an welcher Stelle ich in der von Keibel referierten Kainogenesis den „Einfluss meiner „Definition“ (d. h. des Begriffes Kainogenese) „verkenne“. Ich entsinne mich überhaupt nicht, den „Einfluss“ dieser „Defini- tion‘ — für die Zukunft diskutiert zu haben. 4. Ich ersuche Keibel um Auskunft, ob etwa in seinem Exemplare der Kainogenesis die mir zugeschriebenen Worte „ohne Schwierigkeit“ — in dem von ihm angegebenen Zusammen- hange — zu finden sind. In meinem Exemplare fehlen merkwürdigerweise beide den Schwerpunkt seiner Anklage bildende Worte. Keibels Kritiken und Referate. 565 Erst nach vollständiger Klärung dieses Sachverhaltes hätte Keibel auch noch Gelegenheit sich zu äussern : 5. Weshalb er als Verfasser der Normentafel behauptet, dass beim Amnion „kleine individuelle Schwankungen‘ vorkommen, trotzdem er selbst in den Tabellen ‚„auffallende“ Unterschiede notiert hat. (Bez. 13, 8. 37). 6. Weshalb behauptet Keibel als Verfasser der Normen- tafel, er könne mir „auf keinen Fall!)“ ‚folgen‘ und „tritt“ mir „mit Entschiedenheit‘ „entgegen“, obgleich er noch in dem- selben Jahre in den Ergebnissen gerade den Streitpunkt mit einem Argumente belegt, welches er schon zwei Jahre vorher in durchaus anerkennender, mir günstiger Weise ausgelegt hatte, 7. Weshalb behauptet Keibel, das Mehnert „ohne Schwierigkeit‘ zustande kommen lässt“, trotzdem in meinem Texte zu lesen ist: „Bedingungen die wir zur Zeit noch nicht überschauen können“ und „wir gar nicht in der Lage sind zu entscheiden“. Es wäre wohl angebracht, dass Keibel auch über die drei letztgenannten Inkongruenzen nebenbei Aufklärung gebe. Vor allen Dingen aber dürfte es jetzt Keibels Aufgabe sein, so lange von weiteren theoretischen Erörterungen abzusehen, als bis es ihm gelungen ist, seine vier oben aufgezählten Behaup- tungen und speziell deren mir ausdrücklich zugeschrie- benen Wortlaut, an welchen er gerade seine Angriffe klammert, — den ich aber in meinem Texte vermisse, — durch Seiten- nachweis und wörtliche Citate aus den betreffenden Arbeiten zu belegen. Erst hierdurch würde eine unerlässliche Basis geliefert sein, auf welcher meinerseits vielleicht später einmal — gelegentlich — eine sachliche Diskussion erfolgen könnte. Zu Mehnerts Bemerkungen über meine Kritiken und Referate. Ven Franz Keibel, Freiburg. Die folgenden Bemerkungen sind nicht an Mehnert ge- richtet, sondern an die Leser der Ergebnisse. Wenn man den, ich will sagen, berechtigten Kern aus Mehnerts Ausführungen herauszuschälen sucht, so besteht derselbe nur aus einem Schreib- resp. Druckfehler; ob das eine oder das andere vorliegt, kann ich jetzt nicht mehr feststellen. Bevor ich auf diesen Fehler eingehe, hebe ich hervor, dass ich in vorliegendem Falle auch aus äusseren Gründen mildernde Umstände für denselben plädieren kann. Der Herr Verleger drängte auf eiligste Fertigstellung der Korrektur und bat auf die Revision zu verzichten. So wurde in später Abendstunde nach einem arbeitreichen Tage die Korrektur gelesen, ohne dass die Citate noch einmal mit den Originalen verglichen wurden. Das war ein Versäumnis, das ich bedaure, aber jetzt nicht wieder gut machen kann. Der erwähnte Fehler besteht darin, dass 568 FRANZ KEIBEL, auf S. 737 die Worte „ohne Schwierigkeit“ in Anführungszeichen gesetzt sind. Die Sätze, auf welche es ankommt, heissen: „Mir erscheint es, dass hier eine durchaus einseitige Anschauungs- weise zur Geltung gebracht wird, und was Mehnert ohne Schwierigkeit (diese beiden Worte also sind fälschlich in An- führung gesetzt) mit Zuhülfenahme der in früheren Erdepochen herrschenden „höheren Temperatur, der anderen Zusammen- setzung und Sättigung der Luft, der energischen Niederschläge und der infolgedessen auch stärkeren elektrischen Potenzen“ zustande kommen lässt, will mir doch im höchsten Sinne pro- blematisch erscheinen. So hoch ich die den Mehnertschen Folgerungen zu Grunde liegenden Untersuchungen schätze — und ich lege Wert darauf hier auszusprechen, dass ich sie hoch schätze — so wenig kann ich diesen Folgerungen selbst zu stimmen“. Um dem Leser ein Urteil darüber zu ermöglichen, ob ich zu der vorstehenden Interpretation von Mehnerts Ansichten berechtigt war, führe ich folgende Sätze an. Mehnert sagt Kainogenesis S. 101: „Die Krallenform der Straussenfinger ver- leiht der Hand desselben noch bevor Federfluren vorhanden sind, ganz das gleiche Gepräge einer Scharrextremität wie es der Fuss besitzt. Bei der phylogenetischen Ableitung darf man daher auch nur davon ausgehen, dass der Flügel des Strausses und ebenso aller anderen Vögel sich aus Scharrextremitäten der Sauropsidenvorfahren entwickelt haben. Zur Erklärung dieser phyletischen Transformation dürften allezur Zeit bekannten!) äusseren Momente, die hierbei in Frage kämen, wohl als un- genügend erachtet werden. Dass in der Jetztzeit eine fort- gesetzt geübte Flugbewegung eine typische Scharrhand ohne weiteres in einen Flügel umwandeln kann, dürften selbst die !) Diese Worte sind auf meine Veranlassung gesperrt gedruckt worden, und ich habe mehrfach in dieser Weise auch später einzelne Worte in den Citaten nach Mehnert durch Sperrdruck hervorheben lassen. Bemerkungen zu dem Aufsatz Mehnerts. 569 enragiertesten Vertreter mechanischer Ableitung nicht annehmen. Zweifellos ist es die primäre Ursache gewesen; es kommen jedoch noch Bedingungen hinzu, die wir zur Zeit noch nicht überschauen können. Von unserem modernen Standpunkte und selbst bei Berücksichtigung von Polar- und Äquatorialtemperatur immerhin sehr milden Klima der Erdober- fläche, sind wir gar nicht in der Lage zu entscheiden, in welcher Weise die früher höhere Temperatur, die andere Zusammensetzung und Sättigung der Luft, die energischeren Niederschläge und die infolgedessen auch stärkeren elektrischen Potenzen in ihrer Gesamtheit auf das damalige noch junge organische Leben fördernd und ausbildend gewirkt haben“. Wenn es überhaupt einen Sinn haben soll von den früheren Verhältnissen der Erde in diesem Zusammenhang zu sprechen, so können diese allerdings recht verschwommenen Sätze nur folgendes bedeuten: Der Straussenflügel hat sich ohne jeden Zweifel aus Scharrextremitäten von Sauropsidenvorfahren ent- wickelt; die heutigen Klima- u. s. w. Verhältnisse lassen die durchaus notwendige mechanische Ableitung nicht zu. Diese Schwierigkeiten werden aber beseitigt, wenn man an die näher ausgeführten Verhältnisse einer längstvergangenen Vorzeit denkt. Ohne Schwierigkeit kann dann Mehnert, indem er an diese Verhältnisse erinnert, seine Deutung als feststehend annehmen ; dabei ist es gleichgültig, ob er über das wie noch im Zweifel 8, ist. Die Hauptsache, dass er überhaupt zur Hinwegräumung der vorhandenen Schwierigkeit mit der Annahme anderer als der jetzigen terrestrischen Zustände arbeitet, ist klar und dagegen allein habe ich mich gewendet. Es ist also, wie ich nochmals hervorhebe, mir nur vor- zuwerfen, dass die Worte „ohne Schwierigkeit“ in Anführungs- strichen stehen, für den Sinn hat dies aber sogut wie nichts zu bedeuten. Alle übrigen Angriffe Mehnerts muss ich als durch- aus unberechtigt zurückweisen. 570 FRANZ KEIBEL Auf das heftigste wendet sich Mehnert gegen meine Be- hauptung, dass er den Schildkröten eine ebenso grosse Variations- breite zugeschrieben habe als den Säugern, und dass er über- haupt seine Beobachtungen an Schildkröten mit Säugern ver- glichen habe. Mehnertsagt, er hätte nur über 1!/a Seite vor der von mir citierten Stelle davon gesprochen, dass er sein Schildkrötenmaterial in bestimmter Weise zu bearbeiten gedenke. In dem Reptilien überschriebenen Abschnitt seiner Arbeit über die individuelle Variation des Wirbeltierembryo (S. 414) heisst es aber: ‚Jetzt, nachdem ich einen jeden einzelnen Embryo meiner über 600 Nummern zählenden Schildkrötensammlung nach wiederholtem Studium kennen gelernt habe, nachdem ich über 200 Konturzeichnungen gefertigt habe, ca. 100 wohlaus- seführte Oberflächenbilder besitze, über 200 Serien aus allen Entwickelungsstadien von der Primitivplatte bis zum Verlassen des Eies verfüge, kann ich meine 6-jährigen Erfahrungen in der Behauptung zusammenfassen, dass in der Entwiekelung eines jeden Örganes eine oft mächtige Variationsbreite zu Tage tritt und dass auch das zeitliche Auftreten und die Ausbildung der Organe erossen Schwankungen unterliegen. Eine strenge Korrelation in dem Entwickelungsgrade der Organe existiert nicht‘ u. s. w. U. S. W. Der Abschnitt über die Reptilien schliesst dann, nachdem Mehnert zuletzt von „Kaltblütern“, zu denen ich wenigstens auch die Reptilien einschliesslich der Schildkröten rechne, ge- sprochen $. 416: ‚Ganz abgesehen davon, dass derartige äussere Momente das Wachstum eines Embryo wohl nur in toto beein- flussen werden, keineswegs aber eine zeitliche Verschiebung in der Anlage eines Organes oder einen wechselnden Modus in der Anlage von Organen erklären können, ist der Einfluss äusserer Faktoren als Ursache für embryonale Variationen schon aus dem Grunde auszuschliessen, weil bei Warmblütern, speziell bei Säugetier- embryonen,, welche sich im mütterlichen Organısmus unter gleich bleibenden Verhältnissen entwickeln, eine gleich grosse Bemerkungen zu dem Aufsatz Mehnerts. rl Variationsbreite!) während der uterinen Entwickelung be- obachtet ist, wie folgende Citate aus der Litteratur beweisen werden“. — Wie Mehnert leugnen will, dass diese Sätze nach dem ganzen Zusammenhang vornehmlich auf Reptilien und in erster Linie auf die nach dieser Hinsicht und gerade von Mehnert bearbeitete Schildkröte zu beziehen sind, ist mir völlig unver- ständlich. Ich kann also nur wiederholen, dass Mehnert die Variationsbreite derSäugetierembryonen mit der der Schildkrötenembryonen verglichen hat. Die Behauptung von Mehnert, dass ich die Beobachtungen von Bonnet, Flemming, Hubrecht, Thilenius, Petersen, welcher unter His, Aschoff, welcher unter Schwalbe und Liessner, welcher unter Rosenberg gearbeitet hat, rneinen Beobachtungen an Schweinen gegenüber geringschätze und dies sonach als Prototyp der Säuger hinstelle, kann ich wohl mit der Bemerkung übergehen, dass die Arbeiten dieser Autoren nicht speziell auf Variationsbreite gerichtet sind und somit mehr ge- legentliche Beobachtungen darüber bringen. Die Arbeiten der genannten Autoren gering zu schätzen, davon bin ich sehr weit entfernt. Wenn Mehnert sich dann weiter darüber beschwert, dass ich sagte, er beriefe sich nicht ganz mit Recht auf mich, wenn er behaupte, dass die Variationsbreite der Schweineembryonen eine sehr grosse sei, während ich sie als eine verhältnismässig kleine bezeichne, so ist der Streit über gross und klein ja natür- lich nur mit Zugrundelegung eines allgemein anerkannten Massstabes dafür definitiv auszufechten. Hervorheben will ich hier nur, dass die verschiedenen Stadien, auf denen die Embryonen einer Tracht bei Schweinen so häufig zu finden sind, nicht als 1) Bei Mehnert sind hier über 6 Zeilen gesperrt gedruckt, ich hebe nur diese 3 Worte besonders hervor, “572 FRANZ KEIBEL, Variationen in dem Entwickelungsgrad der Organe oder in der Art der Organentwickelung, — und nur darum kann es sich bei dem Streite um die Grösse oder die Kleinheit der Variation handeln — aufgefasst werden dürfen. Ich habe dies, weil es mir selbst- verständlich schien, in den Normentafeln vielleicht nicht genügend hervorgehoben. Ich betone hier, dass man Säugetierembryonen aber überhaupt nie nach dem Alter ordnen kann, weil man den Zeitpunkt der Befruchtung, welcher von der Begattung verschieden ist, nicht kennt, und dass die Eier derselben Tracht verschieden alt sein können. Zweitens würde ich auch von Variation in der Entwickelung nicht sprechen, wenn durch die Temperatur, die Ernährung oder andere äussere Einflüsse die Entwickelung nur beschleunigt oder verlangsamt, aber sonst nicht beeinflusst wird. Dass die Embryonen einer Tracht beim Schwein verschieden weit entwickelt sind, wird man nun ausser auf die nicht ge- nau festzustellenden Altersdifferenzen auch auf Ernährungsver- schiedenheiten zurückführen können, wie sich solche dadurch ergeben, dass sich die Eier an verschiedenen Stellen des Uterus festgesetzt haben. Jedenfalls ist also der Umstand, dass die verschiedenen Embryonen einer Frucht oft verschieden weit ent- wickelt sind, nicht geeignet auf eine grosse Variationsbreite in meinem Sinne zu schliessen. Eine Anordnung der Embryonen nach dem Alter war demnach für die Normentafeln unthunlich, und die Zusammenstellung welche Mehnert über die Allantoisanlage von 14 Tagen 16 Stunden alten Schweineembryonen macht, hat meiner Meinung nach gar nichts zu bedeuten. Neben diesen allgemeinen Bemerkungen hebe ich noch hervor, dassMehnertin seiner Zusammenstellung über Amnionentwickelung die Tabelle 43 meiner Normentafeln falsch eitiert. Es heisst dort nicht wie Mehnert schrieb: „Geschlossener Amnionnabelstrang‘“, sondern unter der Rubrik Amnion: „Geschlossen“. (Punkt!) „Amnionnabelstrang‘‘. Das soll und kann in diesem Stadium für das Schwein nichts anderes heissen, wie Amnion geschlossen bis auf den Amnionnabelstrang. Mit der von Mehnert hervor- gehobenen grossen Variationsbreite ist es also nichts‘). Wenn sich Mehnert weiter darüber aufhält, dass ich die Resultate experimenteller Forschung das eine Mal für ihn anführe, ein anderes Mal mich auf Resultate von Experimenten gegen ihn berufe, so beweisst das nur, dass die Resultate experimen- teller Forschung bislang nicht übereinstimmen; davon, dass ich es für richtig halte, Borns Resultate zu verallgemeinern, habe ich nichts gesagt und würde es sogar für bedenklich halten. Zum Schluss noch ein Wort über meine Stellung zur Frage von der Vererbung erworbener Eigenschaften. Da kann ich nur wiederholen, dass ich diese Frage noch nicht für entschieden halte, und wenn ich mich der von Hertwig vertretenen. Aul- lassung zuneige, so verkenne ich nicht, dass sich auch für Weis- mann vieles anführen lässt und versuche mich jedenfalls mög- lichst vorurteilsfrei auch in seinen Gedankengang hineinzufinden. Was die Vorwürfe Mehnerts anbetrifft, auf welche ich nicht geantwortet habe, so glaube ich, dass sie sich für jeden verständigen Leser ohne weiteres von selbst erledigen. Nur weil die Einleitung der Mehnertschen Bemerkungen und Mehnerts Hinweis auf. eine wiederholte Korrespondenz mit mir bei den Lesern sehr leicht den Eindruck hervorrufen kann, Mehnert hätte mich brieflich auf den eingangs besprochenen Druck- resp. Schreibfehler aufmerksam gemacht und ich hätte denselben nicht richtig stellen wollen, bemerke ich ausdrücklich, dass er des- selben mit keiner Silbe gedacht hat. ı) In der entsprechenden Tabelle in den Studien zur Entwickelungs- geschichte I Tabelle 42 (8. 45) steht „geschlossener Amnionnabelstrang‘, das sollte auch nichts anderes heissen, es handelte sich ja um den gleichen Km- bryo. Um Missverständnisse auszuschliessen, habe ich noch bei der Korrektur für die Normentafeln den ungeschiekten Ausdruck in der angegebenen Weise geändert. In diesem Zusammenhange bemerke ich, dass, wenn Normentafeln Tabelle 42 steht: Amnion geschlossen; auch bei dem Embryo dieser Tabelle zweifellos ein Amnionnabelstrang vorhanden war. Druck der kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. FOR E