Pia N a in ah 4 r ‘ j J \ 174 \ r al r bl u JulEhE N ih } m - n j j F j Hlllı \ I i A . ANATOMISCHE HEFTE ERSTE ABTEILUNG: ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. XII. BAND XLL, LXII/XLIM. HEFT). ANATOMISCHE HEFTE. BEITRÄGE UND REFERATE ZUR ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, UNTER MITWIRKUNG VON FACHGENOSSEN HERAUSGEGEBEN VON FR. MERKEL UND R. BONNET O0. Ö. PROFESSOR DER ANATOMIE IN GÖTTINGEN. ©. Ö. PROF. DER ANATOMIE IN GREIFSWALD. ERSTE ABTEILUNG. ARBEITEN AUS ANATOMISCHEN INSTITUTEN. XII. BAND (XLL, LXIULXII. HEFT.) MIT 20 TAFELN UND 140 ABBILDUNGEN IM TEXT. un nn U ne WIESBADEN. VERLAG VON J. F. BERGMANN. 1900. Das Recht der Übersetzung bleibt vorbehalten. > Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. irbale XLI. Heft ausgegeben im Dezember 1899. Bruno Henneberg, Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. Mit 17 Figuren auf den Tafeln I und II Alexander Stieda, Über das Tuberculum labii superioris und die Zotten der Lippenschleimhaut des Neugeborenen. Mit 3 Figuren auf Tafel III BR EN a A. Cramer, Das hintere Tänssbündel; ee eune longitudinalis dorsalis, nach Untersuchungen am menschlichen Fötus, Neu- geborenen und 1 bis 3 Monate alten Kindern. Mit 47 Text- figuren und 14 Figuren auf den Tafeln IV/VII er H. Strasser, Das neue anatomische Institut in Bern. Hierzu 3 Tafeln VIII/X und 8 Abbildungen im Texte XLIL/LXIII. Heft ausgegeben im Februar 1900. Julius Baum, Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. Hierzu die Tafeln XT/XIL, XIII/XIV . Paul Linser, Über den Bau und die Entwickelune des Sinatisehten Gewebes in der Lunge. Mit 3 Tafeln XV/XVII Karl Reuter, Über die Entwickelung der Darmspirale bei nes obstetieans: Hierzu Tafel XVIIIXX E Boris Choronshitzky, Die Entstehung der Milz, Ba Gallen blase, Bauchspeicheldrüse und des Pfortadersystems bei den verschiedenen Abteilungen der Wirbeltiere. Mit 85 Textfiguren. Seite 69 97 203 (Aus DEM ANATOMISCHEN INSTITUT ZU GIESSEN.) DIE ERSTE ENTWICKELUNG DER MAMMARORGANE BEI DER RA VON BRUNNO HENNEBERG, GIESSEN. Mit 17 Figuren auf den Tafeln I und II. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd., H. 1.) 1 CR RATE & Inhalt Seito Einleitung . . . & BR 5 Verschiedene Haisiekelineestadien Her Milehdrüsen Bei N Es En 9 Zusammenfassung und Vergleichendes . . . Re: 3 Schwankungen in der Zahl der Milchdrüsen bei Her Ras RER TE 62 IrE EEE SEA EEE N NE SEEN era Ar 63 Pienrenerklärungsas Sog Pia a eh a a Be FE ae 66 JIGBETS BOT A En ae N N RE A HEEBR: 68 Bis zum Jahre 1892 kannte man als erste Anlage der Milch- drüsen beim Embryo eine hügelförmige Epidermisverdickung. Zu genannterZeit fand O. Schultze bei Embryonen vom Schwein, von der Katze, dem Fuchse und dem Kaninchen eine feine, lediglich von der Epidermis gebildete Leiste, die beiderseits an der seitlichen Leibeswand, der Rückenlinie näher als der Bauchlinie liegend, von der vorderen Extremitätenanlage bis zu der hinteren und in die Inguinalfalte hinein verlief. Eine nähere Untersuchung zeigte ihm, dass diese Leiste sich bei etwas weiter ausgebildeten Embryonen entsprechend der Zahl der späteren Milchdrüsen in einzelne spindelförmige Abschnitte gliedere, und dass sich diese zu den hügelförmigen Epidermisverdickungen umwandelten, die man bisher, wie anfangs gesagt, für die erste Anlage der Milchdrüsen gehalten hatte. Er nannte jenes Ge- bilde Milchlinie oder -leiste und die daraus hervorgehenden isolierten Anlagen primitive Zitzen. Letztere werden nach Bonnets Vorschlag besser als Milchhügel bezeichnet. Es gelang Schultze weiter beim Schwein ein jener Epidermisleiste noch voraufgehendes Stadium aufzufinden in Gestalt eines breiten Streifens hohen Epithels. Dies erste Stadium wurde später von Schwalbe-Schmidt Milchstreifen benannt. Dadurch dass die Milchhügel sich abflachen und die Epidermisverdickung sich zapfenförmig in das darunter liegende Bindegewebe einsenkt, entstehen die Milchpunkte (Schultze), die zur Bildung der 6 B. HENNEBERG, Mammartasche führen. Es genügt, den Überblick bis zu diesem Stadium fortgeführt zu haben, da die nachfolgende Unter- suchung sich nur auf diese frühen Stadien erstreckt. Nach Schultzes Veröffentlichung sind eine Anzahl von Arbeiten erschienen, durch welche die Angaben genannten Autors bestätigt und eine Reihe neuer Thatsachen bekannt ge- worden sind. Bonnet wies in einem eingehenden Referat über die Mam- marorgane auf die allgemeine Bedeutung der kontinuierlichen Anlage der später isoliert auftretenden Milchdrüsen hin und be- tonte die Bedeutung dieser Thatsache für das Verständnis der Hyperthelie resp. Hypermastie beim Menschen und den Tieren. Seine Vermutung, dass sich auch beim Menschen zu einer ge- wissen Zeit eine Milchleiste oder ein Rudiment derselben finden würde, bestätigte bald darauf Kallius, der bei einem 15 mm. langen menschlichen Embryo beiderseits eine ausgesprochene Milchleiste fand. Schmidt zeigte sodann in einer Abhandlung, in der er das Hauptgewicht auf den Nachweis von überzähligen Milchdrüsenanlagen beim menschlichen Embryo legte, dass auch bei diesem ein Milchstreifen auftrete. Letztere beide Angaben wurden von Strahl an einer Anzahl vorzüglich erhaltener menschlicher Embryonen bestätigt und dahin erweitert, dass sich die Anlage des Milchstreifens schon bei sehr jungen Embryonen (4 mm gr. Lg.) finde, Beobachtungen, die er eingehender von Hirschland wiedergeben liess. Die durch Burckhardt auf Bonnets Veranlassung vorgenommene Untersuchung über em- bryonale Hyperthelie und Hypermastie beim Rinde machte es wahrscheinlich, dass auch bei diesem Tiere zeitweise eine Milch- leiste vorhanden sei, was sodann von Prof& als Thatsache nach- gewiesen wurde, der ausserdem ein milchstreifenähnliches Gebilde beim Pferd- und Schafembryo fand und bei lezterem das Her- vorgehen der Mammartaschenanlage einer Euterhälfte aus je einem Milchleistenrest als wahrscheinlich hingestellt hat. Ein Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. { zweites, erst kürzlich erschienenes Referat Bonnets fasst die Resultate der genannten Untersuchungen zusammen, wie es überhaupt den jetzigen Stand der Kenntnisse über die Ontogenie und Phylogenie der Mammarorgane schildert. Es wird daher zur näheren Information auf diese letztgenannte Abhandlung verwiesen. Der voraufgehende Überblick zeigt, dass trotz einiger neu gefundener Thatsachen noch Lücken auf dem genannten Ge- biete, besonders was die frühsten Stadien betrifft, vorhanden sind. Zugleich hat sich herausgestellt, dass, wenn auch bei den verschiedenen Tierformen die Entwickelung der Milch- drüsen im grossen und ganzen in ähnlicher Weise geschieht, diese doch im einzelnen nicht unbedeutende Abweichungen dar- bietet. Vollständig dunkel ist auch noch die Phylogenie der Mammarorgane. Die nachfolgende Untersuchung wurde daher zu dem Zwecke unternommen für jene frühsten Stadien weiteres Material beizu- bringen und zweitens, um eine zusammenhängende Darstellung der Milchdrüsenentwickelung einer Tierspecies — der weissen Ratte — zu geben. Es gelang dabei eine Anzahl von neuen Beobachtungen zu machen. So konnte die erste Anlage des Milchstreifens nachgewiesen werden, die Ausdehnung desselben zu verschiedenen Zeiten und sein Verschwinden. Es zeigte sich, dass auch bei der Ratte eine ausgebildete Milchleiste auftritt, deren Lage auf der Extremitätenleiste und deren Ende dorsal- wärts von der hinteren Extremität genau verfolgt werden konnte. Endlich stellte sich die bemerkenswerte Thatsache heraus, dass von den sechs Milchdrüsen jeder Seite aus der Milchleiste nur die vier ersten (am weitesten kranialwärts gelegenen) hervor- gehen, während die beiden letzten (inguinalen) unabhängig von jener ohne Voraufgehen einer ausgesprochenen Milchleiste in der Inguinalbeuge resp. auf der Innenseite der hinteren Extremität und zwar später als jene vier ersten entstehen. 8 B. HENNEBERG, Die vorliegende Abhandlung bringt zuerst Einzelschilde- rungen zeitlich aufeinanderfolgender Entwickelungsstadien. Der zweite Teil besteht aus Zusammenfassung und Vergleich der bei der Ratte gefundenen Erscheinungen mit den bisher untersuchten Formen. Daran schliesst sich eine Notiz über das Vorkommen von Hyperthelie und Hypothelie bei der Ratte und endlich eine Übersicht der Ergebnisse dieser Untersuchung. Die Auswahl der beschriebenen Rattenembryonen erfolgte aus einer grösseren Zahl, wodurch es möglich wurde, eine lücken- lose Reihe zu liefern. Meist entspricht dem weiter vorgeschrit- tenen Entwickelungszustand der Embryonen auch ein höheres Alter. Nur in einigen Fällen wurden Embryonen gleichen Alters verwendet, da sie verschiedene Stadien darstellten. Dies geschah, wo es sich um das erste Auftreten eines Fortschrittes handelt, denn gerade auf derartige Erscheinungen wurde besonderer Wert gelegt. Die Untersuchung schliesst ab mit der Beschrei- bung eines Stadiums, bei dem sämtliche Milchdrüsenanlagen auf gleicher Entwickelungsstufe angelangt sind, und das dem bei anderen Tierformen bereits geschilderten in allem Wesent- lichen gleicht. Die Altersbezeichnungen der einzelnen Embryonen sind gerechnet von der ersten gelungenen, d. h. von Spermaerguss und Bildung eines Vaginalpropfes begleiteten Begattung der Elterntiere. Betreffs der Behandlung des Materials sei bemerkt, dass die Embryonen in Pikrinsublimat, in Chromessigsäure oder in 10°/o Salpetersäure mit nachfolgender Behandlung mit Müller- scher Flüssigkeit fixiert wurden. Letztere beiden Flüssigkeiten wurden angewendet, wenn es darauf ankam, die Oberflächen- gestalt der Embryonen möglichst scharf hervortreten zu lassen, wie dies die Untersuchung der unversehrten Embryonen mit der Lupe erfordert. Da es sich hierbei um ausserordentlich geringe Niveaudifferenzen handelt, so wurde mit Erfolg auch Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 9 an Stelle der Lupe das Mikroskop mit schwachen Objektiven bei seitlich- auffallendem Licht angewendet. Gefärbt wurden die Embryonen mit Karmin, eingebettet in Paraffin. Die 10 und 15 u dicken Schnitte der Serien wurden meist horizontal, zur Untersuchung der inguinalen Milchdrüsenanlage auch sagittal und schräg gelegt. Wegen der Krümmung der Embryonen war es öfter notwendig, mehrere Embryonen desselben Stadiums, die in verschiedener Richtung geschnitten wurden, zu unter- suchen, was in der Abhandlung aber nicht besonders erwähnt wird. Um dieses umständliche Verfahren zu vermeiden, wurden etwas ältere Embryonen während der Fixierung vorsichtig ge- streckt, eine Methode, die durch Lieferung genauer Querschnitte fast durch das ganze Tier die Untersuchung bedeutend erleichtert. Verschiedene Entwickelungsstadien der Milch- drüsen bei der Ratte. Embryo Nr. I. Alter 11 Tage; grösste Länge des gekrümmten Embryo 2,5 mm; der Embryo ist über seine Ventralseite hakenförmig zusammengekrümmt und schwach spiralig gedreht; ein Nacken- höcker ist noch nicht vorhanden; das Herz tritt stark hervor; der erste und zweite Kiemenbogen sind deutlich ausgebildet; Oberkieferfortsatz noch nicht vorhanden; Parietalzone durch eine Rinne gegen die Stammzone abgesetzt; die obere Extremität beginnt sich als länglicher Wulst abzuheben, hintere Extremität noch nicht nachweisbar; Schwanzknospe nicht erkennbar; 24 bis 26 Urwirbel. 10 B. HENNEBERG, Die auf dem Querschnittsbilde als einspringender Winkel erscheinende Rinne zwischen Parietal- und Stammzone begrenzt nach Ausbildung der Extremitätenleiste die letztere dorsalwärts und soll daher schon jetzt als ‚dorsale Grenzrinne‘“ bezeichnet werden. Bei dem vorliegenden Embryo sind die Medullar- und Ur- wirbelleiste und die dorsalen Partieen des Kopfes von einem einschichtigen, mässig flachen Epithel mit ovalen Kernen be- deckt. Ventralwärts von der dorsalen Grenzrinne zeigt dagegen die seitliche Leibeswand ein gleichmässiges, einschichtiges, kubi- sches Epithel mit runden Kernen. An der Stelle, wo sich die hintere Extremität ausbilden wird, was durch eine schwache, gleichmässige Verdickung der Parietalzone angedeutet wird, sowie auf der Ventralseite des Kaudalendes findet sich dasselbe Epithel, während sich auf der vorderen Extremitätenanlage auf einer Strecke schon zweischichtiges Epithel ausgebildet hat. — Es ist also noch keine Spur eines Milchstreifens vorhanden. Embryo Nr” IR, Big. 1, 2,8. Alter 11 Tage; grösste Länge des gekrümmten Embryo 2,7” mm. Die äussere Körperform ist nur wenig weiter ausge- bildet als beim vorhergehenden Embryo. Die Verteilung des verschiedenen Epithels ist dieselbe wie bei dem Embryo Nr. I, nur findet sich jetzt auf der Parietal- zone ungefähr in der Mitte zwischen vorderer und hinterer Ex- tremitätenanlage im allgemeinen flacheres Epithel. Danach muss angenommen werden, dass sich das Epithel in der genannten Gegend abgeflacht habe. Nur im Gebiet der dorsalen Grenz- rinne (Fig. 2 u. 3 d. G.) sowohl auf der Stamm- als auf der Parietalzone finden sich einige ungefähr kubische Zellen, die, wie die Untersuchung älterer Stadien ergiebt, die erste Anlage des Milchstreifens darstellen. Diese Erscheinung ist jedoch nur Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 11 auf der einen Seite des Tieres zu konstatieren, was nicht wunder nehmen darf, da eine ungleichmässige Entwickelung der Milch- drüsenanlage in allen Stadien derselben zu den häufigsten Er- scheinungen gehört, wie dies verschiedene Autoren beobachtet haben. Embryo Nr. II. Fig. 4, 5. Alter 12 Tage; grösste Länge des gekrümmten Embryo 3,7 mm; im Vergleich mit dem vorher beschriebenen Embryo in allen Dimensionen erkennbar gewachsen; der Körper ist in kraniokaudaler Richtung stark zusammengekrümmt, wodurch auf der Ventralseite dicht kaudal vom Herzen eine ziemlich scharfe Knickung entsteht. Das Kaudalende legt sich an die rechte Stirnseite, es ist also eine geringe Spiralkrümmung vorhanden. Ein Nackenhöcker ist noch nicht ausgebildet; das Herz tritt stark hervor; der untere Teil der Stirn liegt dem Herzen auf; bei Oberflächenansicht sind drei Kiemenbögen sichtbar; der Ober- kieferfortsatz ist eben erkennbar; die Extremitätenleiste (Fig. 4 E) ist in ihrer ganzen Ausdehnung deutlich ausgebildet; vordere Extremität deutlich flossenförmig;; hintere Extremität bildet einen längs verlaufenden Wulst auf der Extremitätenleiste; die Breite der oberen Extremität an ihrer Wurzel übertrifft noch die Länge derselben; Schwanzknospe vorhanden; circa 30 Urwirbel. Die Milchstreifenanlage hat sowohl in der Längsrichtung als auch in der Breite an Ausdehnung gewonnen. Sie besteht noch aus einem einschichtigen, kubischen Epithel. Von der dorsalen Grenzrinne aus hat sich der Milchstreifen um einige Zellen weiter dorsalwärts erstreckt (Fig. 5). Auf dem Quer- schnitt zeigt sich, dass dieser Rand ungefähr in der Mitte der Hautmuskelplatte liegt. Beträchtlich dagegen hat er sich ventral- wärts ausgedehnt, so dass er fast die Hälfte der Parietalzone bedeckt. An der dorsalen und ventralen Grenze werden die Zellen allmählich niedriger und gehen in das flache Epithel über, 12 B. HENNEBERG, dessen Verbreitung noch dieselbe ist, wie bei dem vorher be- schriebenen Stadium. Die Ausdehnung nach dem kranialen und kaudalen Ende hin lässt sich auch bei diesem Embryo nicht an- geben, da hier das hohe Epithel der Extremitätengegend liegt, in welches das des Milchstreifens ohne Grenze übergeht. Embryo Nr. IV. Alter 12 Tage 13 Stunden; grösste Länge des gekrümmten Embryo 4°/a mm. Von diesem Stadium seien nur die Fortschritte am Milch- streifen erwähnt, da es dem folgenden sehr nahe steht. Diese äussern sich im Schnittbild darin, dass die Zellen etwas grösser und vollsaftiger erscheinen. Dadurch rücken die Kerne des Epithels weiter auseinander, und der ganze Milchstreifen wird infolgedessen leichter erkennhar. In der Gegend der dorsalen Grenzrinne hat sich eine zweite Lage von Zellen gebildet, die auf den kubischen Zellen aufliegt. Die neuen Zellen erscheinen auf den Querschnitten oval und zeigen rundliche bis ovale Kerne. Sie bilden noch keine zusammenhängende Schicht. Daher er- scheint die Oberflächenkontur ungleichmässig. Direkt unter dem Milchstreifen ist jetzt eine Lage dichter liegender Mesenchym- zellen aufgetreten. Dadurch, dass sich die Extremitäten, die vordere mehr, die hintere andeutungsweise ventralwärts gerichtet haben, lässt sich bereits von einer Achselhöhle und Inguinal- beuge sprechen. An beiden Orten findet sich einschichtiges, kubisches Epithel, über dessen Verbreitung bei dem folgenden Embryo näheres gesagt wird. Embryo. Nr. Rie.6 708,29. Alter 13 Tage 1 Stunde; grösste Länge des gekrümmten Em- bryo 5!/;,mm. Verglichen mit dem Embryo Nr. III von 12 Tagen ist dieser in allen Dimensionen bedeutend gewachsen. Körper Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 13 in kraniokaudaler Richtung weniger stark gekrümmt; die Knickung auf der Ventralseite dicht kaudal vom Herzen schwächer als bei den jüngeren Embryonen; Nackenhöcker vorhanden; Urnierenwulst stark ausgebildet. Das Herz tritt stark hervor. Das Gesicht hat sich vom Herzen abgehoben. Von aussen sind nur noch zwei Kiemenbögen sichtbar. Oberkieferfortsatz aus- gebildet; Extremitätenleiste sehr deutlich dorsal durch eine scharfe Rinne (dorsale Grenzrinne), ventral durch eine flache Mulde begrenzt; vordere und hintere Extremität flossenförmig; vordere Extremität ebenso lang als breit; Schwanz deutlich abgesetzt; 40 Urwirbel. Durch das Einwachsen der Hautmuskelplatte in die Parie- talzone ist die dorsale Gegend derselben, die der Extremitäten- leiste entspricht, im Vergleich mit dem ventralen Abschnitt ziem- lich stark verdickt, wie dies auf Querschnitten am deutlichsten hervortritt. Diese zeigen auch, dass die Extremitätenleiste im grössten Teil ihrer Ausdehnung gleichmässig flach gewölbt ist, in der Nähe der vorderen Extremität jedoch eine stärkere Wöl- bung auftritt, sodass ein abgerundeter Kamm und eine dorsale und ventraie Absenkung zu unterscheiden sind. Auf der letz- teren sitzt scheinbar die obere Extremität auf. Die Extremitäten- leiste stellt den am stärksten hervorragenden Teil der seitlichen Körperwand vor. Weiter sieht man auf den Schnitten, dass bei diesem Sta- dium die Breite des Milchstreifens fast genau mit der der Ex- tremitätenleiste zusammenfällt (Fig. 9). Ungefähr in der Mitte — in kraniokaudaler Richtung — der genannten Leiste überschreitet der Milchstreifen die dorsale Grenzrinne um ein geringes Stück (ca. 6 Zellen). Ventral fällt die Grenze beider Gebilde, die jedoch beim ersteren wie bei dem letzteren keine scharfe ist, zusammen. Der Milchstreifen überschreitet etwas den ventralen Rand der Hautmuskelplatte. 14 B. HENNEBERG, Vor dem einschichtigen flachen Epithel der Umgebung zeichnet er sich dadurch aus, dass er in dem grösseren Teil seiner Breitenausdehnung aus zwei Zellschichten besteht. Die obere Schicht — das Stratum corneum — setzt sich aus flachen Zellen zusammen, deren auf dem Querschnitt oval erscheinende Kerne mit ihrer längeren Achse der Oberfläche parallel liegen. Wegen der Grösse der Zellen sind die einzelnen Kerne oft weit von einander entfernt. Die untere Schicht — das Stratum mucosum — besteht aus grossen, rundlichen oder kubischen bezw. eylindrischen Zellen. Die Kerne der letzteren sind rund oder länglich und stehen mit ihrer Längsachse senkrecht auf dem darunter liegenden Mesenchymgewebe. Hierdurch erhält der Milchstreifen. ein ganz charakteristisches Aussehen, sodass er sich deutlich von der Umgebung abhebt. An seinem ven- tralen Rande erfolgt der Übergang von dem einschichtigen platten Epithel der vorderen seitlichen Leibeswand in der Weise, dass die platten Zellen allmählich kubisch werden, dann schieben sich von der Oberfläche her rundliche Zellen zwischen diese ein, worauf dann weiter nach der Mitte (in querer Richtung) der Milchstreifen den oben geschilderten Bau aufweist. Es geht also hier das Hornblatt nicht, wie dies am dorsalen Rande meist der Fall ist, unverändert über die tiefere Zellschicht hinweg, sondern es verwandelt sich eine Strecke in kubisches Epithel. Der Milchstreifen ist von dem unter ihm liegenden Mesen- chym durch eine deutliche helle Linie, die den Eindruck einer Basalmembran macht, getrennt. Unter der letzteren liegt in der ganzen Ausdehnung des Milchstreifens eine einschichtige Lage dicht gedrängter Mesenchymzellen (Fig. 9). Weiter kranialwärts, wo die Extremitätenleiste die bei Embryo V beschriebene stärkere Wölbung annimmt, liegt der Milchstreifen in seiner grössten Ausdehnung auf der dorsalen Ab- dachung der genannten Leiste, und da, wie gesagt, die vordere Extremität scheinbar aus der ventralen Absenkung hervorgeht, Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 15 so läuft der ältere Teil des Milchstreifens in die Schulterregion aus (Fig. 7). Am kaudalen Rande der oberen Extremität liegt der Milchstreifen, wie aus der Schilderung hervorgeht, noch auf der Extremitätenleiste, wo er gegen das hohe Epithel der oberen Extremität nicht mehr, wohl aber noch gegen das einschichtige flache der Urwirbelleiste abgrenzbar ist. Der auf der ventralen Absenkung der Extremitätenleiste liegende Teil des Milchstreifens nimmt in der Nähe des kaudalen Randes der vorderen Extremität schnell an Breite zu, sodass er nach der Achselhöhle zu, die nach der Bauchseite hin offen ist, nicht nur die ganze ventrale Abdachung sondern noch ein kleines Stück der vorderen seitlichen, sonst von einschichtigem Epithel bekleideten Leibeswand, die hier durch eine ziemlich deutliche ventrale Grenzrinne von der Extremitätenleiste abgegrenzt wird, bedeckt. Da das Epithel der Extremität ungefähr den gleichen Bau hat, wie der Milchstreifen, so ist letzterer auch hier nicht abgrenzbar. Diese Ausdehnung des Milchstreifens in die Achselhöhle ist bemerkenswert, da in dieser Gegend das kraniale Ende der Milchleiste entsteht. Der eben erwähnte, auf der vorderen seitlichen Leibeswand liegende Teil des Milch- streifens geht ohne Grenze in ein ähnlich gebautes hohes Epithel über, das die Hals- und Gesichtsregion bedeckt (Fig. 7). Verfolgt man den Milchstreifen von der Mitte in kaudaler Richtung, so sieht man, wie er sich allmählich ventralwärts weiter ausdehnt und dann in das hohe Epithel der hinteren Extremität übergeht. Ventralwärts von dieser findet sich in seiner Fortsetzung ein ihm gleichgebautes Epithel, das sich über den Geschlechtshöcker bis auf die Ventralseite der Schwanz- wurzel erstreckt (Fig. 7). Während bei diesem Stadium der Milchstreifen, soweit er auf der Extremitätenleiste liegt, deutlich abgrenzbar und wohl charakterisiert erscheint, ist dies in der Gegend der beiden Ex- tremitäten nicht möglich. Nur der Vergleich mit älteren Stadien 16 B. HENNEBERG, erlaubt es schon jetzt etwas von dem Gebiete des dort liegenden hohen Epithels für den Milchstreifen in Anspruch zu nehmen. Betreffs der sonstigen Verteilung des Epithels sei bemerkt, dass vom Scheitel bis zum Schwanz Medullar- und Urwirbel- leiste einschichtiges, flaches Epithel tragen mit Ausnahme der Rinne zwischen den beiden genannten Leisten, wo ein höheres Epithel liegt, von dem nur gesagt sei, dass es zu dem Milch- streifen in keiner nachweisbaren Beziehung steht. Embryo Nr. VI Alter 13 Tagen 14 Stunden; grösste Länge des gekrümmten Embryo 7 mm. Die weitere Entwickelung gegen das vorher beschriebene Stadium ist keine bedeutende, dennoch ist dieser Embryo näher zu berücksichtigen, weil bei ihm sich die ersten Spuren einer Milchleistenanlage finden. In seiner mittleren Gegend hat der Milchstreifen dadurch, dass er sich etwas weiter ventralwärts ausgedehnt hat, an Breite zugenommen. Seine dorsale Grenze ist noch dieselbe wie bei Embryo V. an der entsprechenden Stelle. Betreffs seines Baues sind folgende Veränderungen aufgetreten. Der Milchstreifen, der dorsalwärts ziemlich plötzlich, ventralwärts allmählich in das Epithel der Umgebung übergeht, zeigt die erste Anlage der Milchleiste ungefähr in der Mitte seiner Breitenausdehnung, sodass, da er ja die dorsale Grenzrinne (um circa 8 Zellen) überschreitet, '/s von ihm zwischen der genannten Rinne und der Milchleiste, 2/3 ventral von der letzteren liegen. Die Milch- leistenanlage erscheint nicht überall im Verlaufe des Milchstreifens, und wo sie sich zeigt, auch in verschiedener Ausbildung. Ent- weder besteht sie in einer geringen Anschwellung, die dadurch hervorgerufen wird, dass zwischen den beiden oben (Embryo V) ausführlich geschilderten Epithellagen einige neue rundliche Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 15% Zellen aufgetreten sind. Diese Anschwellung überragt aber das Niveau des Milchstreifens nicht, sondern erscheint nur etwas gegen das Mesenchym vorgebuchtet. Oder aber es findet sich noch keine Anschwellung, sondern es liegen nur an der betreffen- den Stelle, wo die Milchleiste nach Vergleich mit älteren Stadien auftreten muss, die Zellen dichter. Letztere Zellanhäufung stellt also das erste Stadium der Milchleiste vor. Bei diesem Embryo tritt im Bereich des Milchstreifens noch eine zweite neue Erscheinung auf. Man bemerkt nämlich bei genauer Untersuchung, dass in dem ventral von der Milchleisten- anlage gelegenen Teil die Zellen vollsaftiger, fast wie gequollen erscheinen, sodass, da der Zellleib im Verhältnis zum Kern an Ausdehnung stärker zugenommen hat, die Kerne dieses Epithels weiter auseinandergerückt erscheinen als dies dorsal- wärts von der Milchleiste der Fall ist. Dieses für den Milch- streifen von jetzt an charakteristische Epithel wird bei den älteren Stadien noch weiter verfolgt werden. Durchmustert man die Schnittreihe von der geschilderten Gegend weiter kranialwärts, so bemerkt man, dass der Teil des Milchstreifens, der dorsalwärts von der dorsalen Grenzrinne liegt, an Breite zunimmt und in ein zweischichtiges, aber etwas niedrigeres Epithel übergeht, das je weiter kranialwärts desto mehr von der ventralen Partie der Urwirbelleiste und diese schliesslich ganz bedeckt. Es dehnt sich also der Milchstreifen zuerst dorsalwärts weiter aus und lässt sich dann nicht mehr als diskretes Gebilde ab- grenzen. Der ventrale Rand des Milchstreifens überschreitet die wie bei Embryo V nach der vorderen Extremität zu deut- licher werdende ventrale Grenzrinne um ein geringes. Auch in Bezug auf den Bau des Milchstreifens lässt sich konstatieren, dass die zweischichtige Strecke an Breitenausdehnung zuge- nommen hat. Die Anlage der Milchleiste liegt hier, d. h. kranial- wärts von der Mitte, etwas weiter ventralwärts und wird aus Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd., H. 1.) 2 18 B. HENNEBERG, drei Zellschiehten gebildet. Es ist also diese Strecke der Milch- drüsenanlage bereits weiter vorgeschritten als in der Mitte der seitlichen Leibeswand. Der Unterschied im Bau zwischen dem ventral von der Milchleiste und dem dorsal von ihr liegenden Abschnitt des Milchstreifens ist derselbe, wie er oben geschil- dert wurde, aber auch hier nur für den Geübten zu erkennen. Eine Anhäufung von Mesenchymzellen trägt auch hier zur scharfen Charakterisierung der Milchdrüsenanlage bei. Die Ausbreitung des Milchstreifens in der Achselhöhle unter- scheidet sich von der bei dem vorher beschriebenen Embryo nur dadurch, dass derselbe entsprechend breiter geworden ist und demgemäss die ventrale Grenzrinne weiter überschreitet. Verfolgt man diesen in der Achselhöhle liegenden Teil des Milch- streifens weiter, so zeigt sich, dass derselbe gegen das einschich- tige Epithel der Leibeswand deutlich, gegen das ihm gleich- gebaute der Innenseite der Extremität nicht abgrenzbar an Breite noch zunimmt, den kranialen Rand der oberen Extremität über- schreitet und in das hohe Epithel der Hals- und Kopfregion übergeht. Die Milchleistenanlage findet sich in der Achselgegend genau in der ventralen Grenzrinne. Sie besteht auch hier aus drei Lagen grosser Zellen, von denen die unteren ceylindrisch sind. Das Verhalten des Milchstreifens in der Schulterregion ent- spricht dem bei Embryo V geschilderten, nur lässt derselbe sich hier auch dorsalwärts nicht mehr abgrenzen, da ja die an- grenzende Urwirbelleiste von einem ihm gleichgebauten Epithel) bedeckt ist. Bis zu einem gewissen Grade erkennbar bleibt der Milchstreifen eine Strecke auf dem proximalen Teil der Extremi- tät jedoch dadurch, dass seine Zellen grösser und vollsaftiger sind als die der Umgebung. Das kraniale Ende des Milchstreifens ist also auch auf der Schulter kein scharfes. Betrachtet man den Milchstreifen von der Mitte kaudalwärts gehend, so zeigt sich, dass er hier überallan der dorsalen Grenz- rinne endet und sich scharf gegen die Urwirbelleiste abgrenzt. Die erste Entwiekelung der Mammarorgane bei der Ratte. 19 Eine Änderung in dem oben (in der Mitte) geschilderten Ver- halten, tritt erst am kranialen Rande der hinteren Extremität auf. Letztere zeigt an ihrer Wurzel einen schärferen Rand, und es lässt sich nun verfolgen, wie sowohl dorsal als auch ventral von derselben ein Teil des Milchstreifens zu liegen kommt. Der dorsale Teil ist eine kleine Strecke weit kaudalwärts zu verfolgen. Hier ist er gegen das einschichtige Epithel der Ur- wirbelleiste scharf abgesetzt, nicht jedoch gegen das hohe Epithel der Extremität. Der ventrale Teil geht in ein ihm ähnliches Fpithel über, das die im Vergleich mit dem vorher beschriebenen Stadium beträchtlich breitere Inguinalgegend, die Innenseite der hinteren Extremität, den Geschlechtshöcker und die Schwanz- wurzel bedeckt. Der Milchstreifen ist also auch hier nicht scharf abgrenzbar. Embryo VI. Fig. 10, 11. Alter 13 Tage 14 Stunden; grösste Länge des gekrümmten Embryo 7,5 mm; Hinterhaupt-Schwanzwurzel über die Rücken- krümmung gemessen 14 mm; Krümmung des Körpers in kranio- kaudaler Richtung weniger stark als beim Embryo V; sehr ge- ringe Spiralkrümmung; Knickung dicht kaudal vom Herzen verschwunden; Nackenhöcker angedeutet; das Herz tritt nur noch wenig hervor; vordere Extremität deutlich gegliedert, hintere weniger deutlich; äusserlich über 50 Urwirbel erkennbar. Dieser Embryo ist von gleichem Alter wie der vorhergehende, zeigt aber in einigen Punkten bemerkenswerte Fortschritte. Die Extremitätenleiste stellt einen etwas stärker hervortreten- den Wulst vor, an dem man in der ganzen Ausdehnung zwischen den Extremitäten einen abgerundeten Kamm und eine dorsale und ventrale Absenkung unterscheiden kann. Dorsalwärts vom kranialen Rande der hinteren Extremität setzt sich der First der Extremitätenleiste noch ein kurzes Stück weiter fort, und da der kraniale Teil der hinteren Extremität mit schrägem An- IE 20 B. HENNEBERG, satz aus der ventralen Absenkung hervorgeht, entsteht hier ein nach dem Kopfende hin offener Winkel, dessen hinterer Schenkel von dem Kamm der Extremitätenleiste und dessen vorderer von der Ansatzlinie der Extremität gebildet wird (Fig. 10). Dieser Winkel stellt eine flache Einsenkung vor, und durch letztere tritt der First der Extremitätenleiste, die hier ihr kaudales Ende erreicht hat, noch einmal recht deutlich hervor, eine Erscheinung, die bei keinem Embryo dieses Stadiums vermisst wurde und die, wie sich weiter zeigen wird, für den Verlauf der Milchleiste von Bedeutung ist. Bei diesem Embryo ist bei Lupenvergrösserung eine ausgebil- dete Milchleiste sichtbar (Fig. 10). Dieselbe erscheint als eine flache, mehr breite als hohe Leiste, die unter dem kaudalen Rande der vorderen Extremität aus der Achselhöhle hervortritt. Entfernt man die Extremität, so zeigt sich, dass die Milchleiste noch ein kurzes Stück weiter kranialwärts zieht und dann verschwindet. In ihrer ganzen Ausdehnung liegt die Milchleiste auf der Ex- tremitätenleiste. In ihrer kranialen Hälfte zieht sie den Rändern derselben nicht parallel — also auch nicht parallel der Rücken- krümmung — sondern liegt vielmehr mit ihrem kranialen Ende an der ventralen Grenzrinne und gelangt von dort, die Extremi- ‚tätenleiste schräg kreuzend, in ihrem kaudalen Drittel auf den First derselben. Auf diesem entlang laufend, erreicht sie den dorsalwärts vom kranialen Teil der hinteren Extremität liegen- den Endabschnitt der Extremitätenleiste, wo sie bis zur Ver- läugerung jenes Randes nach dem Rücken zu sicher zu ver- folgen ist. Da hier, wie erwähnt, der Kamm der Extremitäten- leiste schärfer hervortritt, verfällt man bei Oberflächenbetrach- tung leicht in den Irrtum, den ganzen Kamm als Milchleiste anzusehen. Das letzte Ende der Michleiste ist nur durch Betrach- tung der Schnittserie festzustellen. Eine Fortsetzung der Milch- leiste in die Inguinalgegend sucht man vergebens, ebensowenig wie sich dort eine isolierte Milchleiste nachweisen lässt. Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 21 Die in ihrem Verlauf geschilderte Milchleiste ist nicht überall von gleicher Dicke, vielmehr zeigt sich kaudalwärts von der Mitte ein, in seiner Länge etwas variierendes Stück derselben, wo die Milchleiste so zart ist, dass sie nur unter gewissen Be- dingungen sichtbar wird. Zu diesen gehören, dass die Embryonen in Chromessigsäure, — wie dies OÖ. Schultze empfiehlt — oder Salpetersäure fixiert sind. Mit Sublimat oder Pikrinsäure be- handelte Embryonen lassen diesen Teil der Milchleiste nicht erkennen. Sodann muss bei möglichst von der Seite auffallen- dem Lieht untersucht werden. An Stelle dieser dünnen Strecke fand sich zuweilen eine vollständige Unterbrechung der Milch- leiste. Dies ist die erste Andeutung des Zwischenraumes, der sich bei dem ausgebildeten Tiere zwischen den drei pektoralen und den drei abdominalen resp. inguinalen Milchdrüsen findet (Fig. 17), Die Länge dieses Zwischenstückes beträgt !/ı bis !/; der ganzen Milchleiste. Es wird durch dasselbe die Milchleiste in ein längeres, mehr kranialwärts und ein kürzeres, weiter kaudalwärts gelegenes Stück geschieden. Da aus dem ersteren die drei pektoralen Milch- drüsen hervorgehen, so soll es weiterhin „pektoraler Abschnitt“ der Milchleiste genannt werden, während das letztere als „ab- dominaler‘‘ bezeichnet werden soll, da aus ihm die erste abdomi- nale Milchdrüse der Ratte entsteht. Bei zehn hierauf unter- suchten Embryonen dieses Stadiums fand sich nur einmal eine Abweichung von dem geschilderten Verhalten, indem auf einer Seite die Milchleiste in ihrer ganzen Ausdehnung mit Einschluss des Zwischenstückes gleichmässig dünn war. Vergleicht man die Schnittbilder von Embryonen dieses Stadiums mit solchen des vorhergeschilderten, so ergeben sich folgende Fortschritte in der Entwickelung der Milchdrüsenanlage. Auf den Querschnitten ungefähr durch die Mitte des zwischen den zugewendeten Rändern der Extremitäten liegenden Teiles des Milchstreifens, also in der Gegend des kaudalen Endes des pektoralen Stückes der Milchleiste zeigt sich, dass die Extremi- 24 B. HENNEBERG, tätenleiste schon in dieser Gegend deutlicher einen Kamm und eine dorsale und ventrale Absenkung unterscheiden lässt, wie dies ja schon bei Oberflächenbetrachtung des Embryo konstatiert wurde. Ventral von dem abgerundeten Kamme liegt die Milch- leiste. Der Milchstreifen hat nicht nur absolut, sondern auch relativ an Breite zugenommen dadurch, dass er sich ventralwärts noch etwas weiter ausgedehnt hat. In Bezug auf seine Aus- dehnung an der dorsalen Grenzrinne ist insofern eine Verände- rung eingetreten, als er sich bereits hier in der mittleren Gegend der seitlichen Körperwand nicht mehr gegen das zweischichtig gewordene Epithel der Urwirbelleiste abgrenzen lässt, was bei Embryo VI noch möglich war (Fig 11). Hierbei sei bemerkt, dass bei Embryonen dieses Stadiums die Urwirbelleiste in ihrer ganzen Ausdehnung von einem zweischichtigen Epithel bedeckt ist, sodass auch kaudalwärts von der eben geschilderten Stelle der dorsal von der Milchleiste liegende Teil des Milchstreifens nicht mehr nachweisbar ist. Was die Struktur des Milchstreifens an- belangt, so ist der bei dem vorher beschriebenen Stadium fest- gestellte Unterschied zwischen dem dorsal und dem ventral von der Milchleiste gelegenen Teil jetzt so deutlich geworden, dass er sofort ins Auge fällt. Der letztere zeigt hohe kubische bis cylindrische Zellen, der erstere besteht aus Elementen, die sich durch nichts von denen, wie sie sich auch anderswo z. B. auf den Extremitäten finden, unterscheiden. Im übrigen wird der Milchstreifen hier noch immer wie bei dem Embryo V aus zwei Schichten von Zellen gebildet. Verfolgt man von der eben geschilderten Gegend die Schnitt- reihe kranialwärts, so treten die schon bei dem vorher geschil- derten Embryo erwähnten Erscheinungen auf: Deutlicherwerden des Kammes der Extremitätenleiste, Ventralwärtsrücken des Querschnittes der hier kontinuierlichen Milchleiste, Verbreitung des Milchstreifens über die ventrale Grenzrinne, Übergang des dorsalen Teiles des Milchstreifens in das ebenfalls zweischichtige Epithel der Urwirbelleiste. Die erste Entwiekelung der Mammarorgane bei der Ratte. 23 In der Achselhöhle und kranialwärts davon sind die Epithel- verhältnisse und die Lage der Milchleiste, die entsprechend weiter ausgebildet ist, dieselben wie bei Embryo VI. Das Epithel des Milchstreifens geht auch auf die der Achselhöhle zugewendete Fläche der Extremitätenwurzel über und lässt sich dort gegen das zweischichtige Epithel der Extremität nicht abgrenzen. Auch in der Schulterregion sind keine Veränderungen aufgetreten, insofern als sich auch jetzt der dorsale Teil des Milchstreifens hier durch sein hohes dreischichtiges Epithel gegen die Umge- bung absetzt. Die Durchmusterung der Querschnitte des pektoralen Milch- leistenabschnittes zeigt, dass sich die Milchleiste mehr durch die dichtere Zellanhäufung unterscheidet als dadurch, dass sie eine cireumseripte Epidermisverdickung bildete (Fig. 11). 'Stellenweise erscheint der Milchleistenquerschnitt nur wie eine Anschwellung des ventralen Teiles des Milchstreifens, während er dorsalwärts sich schärfer abgrenzt. Ihr Niveau überragt kaum das des Milchstreifens, ebenso ist sie nur wenig in das Mesenchym ein- gesenkt. Bei der Oberflächenbetrachtung des Tieres wird sich die Milchleiste nicht allein durch ihre geringe Erhebung über das Niveau der Umgebung als auch durch ihre geringere Trans- parenz abheben. In ihrem Bau weist die Milchleiste schon jetzt an verschiedenen Stellen bemerkbare Unterschiede auf. Dort, wo später die Milchhügel entstehen, besteht sie in ihrer grössten Tiefe aus 3 bis 4 Lagen rundlicher Zellen, in ihrer grössten Breite aus 12 bis 14 neben einander liegenden Zellen. Die Strecken, die nicht zur Bildung von Milchhügeln verwendet werden, zeigen nur zwei bis drei Zellschichten. An den Enden der Milchleiste verschwindet die für sie charakteristische Zell- gruppierung allmählich. Eine stärkere Ansammlung von Mesenchymzellen, die stellen- weise in den ventralen Rand der Hautmuskelplatte übergeht, 24 B. HENNEBERG, findet sich nur unter dem ventralen Teile des Milchstreifens und unter der Milchleiste, weniger unter dem dorsalen (Fig. 11). Die Schnitte durch die Gegend des dünnen, den pektoralen und abdominalen Abschnitt der Milchleiste verbindenden Zwischen- stückes zeigen als einzigen bemerkenswerten Unterschied das Fehlen eines ausgesprochenen Milchleistenquerschnittes oder das gänzliche Fehlen desselben. Es findet sich an der Stelle, wo man denselben erwarten sollte, eine geringe Zellvermehrung, die nur wenig mehr ausgebildet ist, als die bei dem vorhergehenden Stadium als Milchleistenanlage beschriebene Von einem Her- vorragen über die Oberfläche oder einer Einsenkung in das Mesenchym ist nichts zu bemerken. Dass man trotzdem bei Öberflächenbetrachtung bei manchen Embryonen hier eine haar- feine Linie sieht, wird besonders dadurch erleichtert, dass man die Stelle, wo die Milchleiste in dieser Gegend liegen muss, durch die Verbindung des pektoralen und abdominalen Milch- leistenabschnittes genau konstruieren kann. Schnitte, die durch das kraniale Ende des abdominalen Milchleistenstückes gehen, bieten zuerst denselben Anblick dar wie die durch das kaudale Ende des pektoralen Stückes. Nach dem Rande der hinteren Extremität zu, wird der ventrale Teil des Milchstreifens breiter, und es erfolgt die Teilung desselben, wie sie beim Embryo VI schon beobachtet wurde. Diese Er- scheinung lässt sich jetzt sicherer konstatieren, da sich die grossen Zellen des ventralen Milchstreifenteils deutlich von dem umgebenden Epithel unterscheiden. Der dorsalwärts vom Ex- tremitätenrand verlaufende Abschnitt liegt auf der Extremitäten- leiste und der Aussenfläche der Extremität, nimmt also auch den oben beschriebenen Winkel ein. Wie weit er sich auf die Extremität ausdehnt, variiert sowohl bei verschiedenen Em- bryonen wie auf den beiden Seiten desselben Tieres. An einem nach der Bornschen Methode rekonstruierten Embryo war z.B. auf der linken Seite nur das proximale Stück des kranialen Die erste Entwiekelung der Mammarorgane bei der Ratte. 25 Randes der Extremität von Milchstreifenepithel bedeckt, während sich das letztere auf der Dorsalseite der rechten Extremität bis über die Hälfte derselben kaudalwärts erstreckte. Der ventral- wärts von der Extremität in die Inguinalbeuge gelangende Teil liegt zuerst ein kleines Stück auf dem Rande derselben. Dann ist er in variierender Breite, indem er sich bald auf die Innen- fläche des Schenkels, bald mehr auf die Bauchwand erstreckt und hier bis an die noch grosse Nabelöffnung gelangt, zuweilen bis an den kaudalen Rand der Extremität zu verfolgen. Dieser Teil des Milchstreifens, der erst bei diesem Stadium seine voll- kommene Ausbildung erlangt hat, war bei mehreren Embryonen gerade wie der auf der Aussenseite der Extremität liegende durch seine hohen Zellen gut von der Umgebung abgrenzbar. Die Milchleiste bleibt, was mit dem Resultat der Oberflächen- betrachtung übereinstimmt, dorsal von der Extremität. Auf dem Kamm der Extremitätenleiste entlang laufend nimmt sie an Mächtigkeit ab und verschwindet allmählich. Die Gegend, wo dies erfolgt, variiert. In mehreren Fällen geschah es in der Verlängerung des kranialen Randes der hinteren Extremität, in einigen war sie jedoch bis fast zur Hälfte der Breite der Ex- tremitätenwurzel kaudalwärts zu verfolgen (Fig. 10). In der Inguinalbeuge oder überhaupt in der Gegend des Hinterleibes liess sich auch mikroskopisch keine Milchleiste auffinden. Eine Ansammlung von Mesenchymzellen in der Inguinal- gegend lässt sich nicht nachweisen, da hier die genannten Zellen sehr dicht liegen. Dasselbe gilt übrigens von der Achselhöhle, während in der Schultergegend jene Zellansammlung gut erkenn- bar ist. Embryo VII. Alter 14 Tage; grösste Länge des gekrümmten Embryo 7,5 mm; Hinterhaupt-Schwanzwurzel über die Rückenkrümmung gemessen 15 mm. 26 B. HENNEBERG, Von Veränderungen an der Körperoberfläche, die bei Lupen- betrachtung sichtbar werden, ist hervorzuheben, dass im Vergleich zu dem vorhergehenden Stadium die Milchleiste scheinbar an Breite und Höhe zugenommen hat, wodurch sie leichter sicht- bar geworden ist. Wie die mikroskopische Untersuchung ehrt, handelt es sich hier aber bereits um die erste Anlage der Milch- hügel. Das Zwischenstück der Milchleiste hat keine weiteren Fortschritte gemacht. Der abdominale Teil hat dagegen eben- falls an Mächtigkeit besonders in seinem kranialen Ende zuge- nommen. Er läuft deutlich auf dem First der Extremitätenleiste aus und ist von diesem makroskopisch nicht abgrenzbar. Eine in die Inguinalbeuge ziehende Milchleiste ist auch jetzt nicht nachzuweisen, obgleich eine grössere Zahl von Embryonen dieses Stadiums mit Sorgfalt hierauf geprüft wurde. Da durch die Teilung der Milchleiste in ein pektorales und abdominales Stück sowie durch die Anlage der Milchhügel die Milchdrüsenanlage jetzt in bestimmte Abschnitte zerlegt ist, wird von nun an bei der Aufzählung der durch die mikroskopische Untersuchung gefundenen Thatsachen mit dem kranialen Ende des pektoralen Stückes der Milchleiste begonnen werden, worauf der Reihe nach die weiter kaudalwärts gelegenen Abschnitte geschildert werden. Bezüglich des Milchstreifens sind beim Vergleich dieses Stadiums mit dem vorher beschriebenen keine Unterschiede aufzufinden. Dagegen sind letztere in der Weiterbildung der Milchleiste sicher zu konstatieren. Während man bei der Durchmusterung der Schnitte des Embryo VII eine zusammenhängende pektorale Milchleiste von einem an verschiedenen Stellen nur wenig differenten Bau fand, zeigt sich jetzt, dass sich ein kleineres kraniales Stück der Milchleiste abgeliedert hat von einem grösseren kaudalwärts folgenden. Das erstere stellt die Anlage der am weitesten kra- nialwärts gelegenen Milchdrüse vor: es ist der erste pektorale Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 27 Milchhügel. Derselbe hat, wie man aus den Schnitten ersehen kann, die Gestalt einer bikonvexen Linse mit ungleich stark gekrümmten Flächen, von denen die weniger gekrümmte die Oberfläche bildet, die andere dem Mesenchym zugewendet ist. Bei Oberflächenbetrachtung, auch nach Entfernung der oberen Extremität ist zu jetziger Zeit die genannte Milchhügelanlage nicht ganz leicht zu erkennen. Sie liegt entsprechend der be- bereits festgestellten Lage des kranialen Endes der Milchleiste in der Achselhöhle und zwar an der ventralen Grenze der Ex- tremitätenleiste. Als Milchhügel erweist sich dies Gebilde auf Querschnitten dadurch, dass es in der Mitte ungefähr aus fünf übereinander liegenden Zellschichten besteht, dass es mit stärkerer Konvexität tiefer in das Bindegewebe eingesenkt ist, und dass demzufolge die eylindrischen Zellen der tiefsten Schicht mit ihren der Oberfläche zugewendeten Enden unter einander kon- vergieren. Letztere Erscheinung ist allerdings noch wenig aus- gesprochen. Die angegebenen Eigenschaften setzen den Milch- hügel deutlich gegen den Milchstreifen ab. Durch einen kleinen, aber sicher erkennbaren Zwischenraum ist er von dem folgenden Stück der Milchleiste getrennt. Das Querschnittsbild der letzteren zeigt vielleicht als Fort- schritt eine geringe Breitenzunahme. Die Einsenkung in das Mesenchym hat noch nicht weiter zugenommen. Das Zwischen- stück der Milchleiste ist auf dem früher beschriebenen Stadium stehen geblieben. Die Mesenchymzellenansammlung ist nicht anders als bei Embryo VII. | Das abdominale Stück der Milchleiste lässt insofern, als die- selbe noch an Mächtigkeit zugenommen hat und sich etwas mehr gegen das Mesenchym vorbuchtet, den beginnenden Übergang zum Milchhügel erkennen. Eine inguinale Milchleiste ist auch auf den Schnitten nicht nachweisbar. Es erscheint das Milch- streifenepithel in der Inguinalbeuge gut ausgebildet, von einer Leiste kann jedoch nicht die Rede sein. 28 B. HENNEBERG, Embryo X. Fig. 12, 13, 14. Alter 14 Tage; grösste Länge des gekrümmten Embryo 8 mm; Hinterhaupt-Schwanzwurzel über die Rückenkrümmung gemessen 15 mm. Verglichen mit dem gleichalten Embryo VII zeigt dieser, was die Körperform im ganzen anbetrifft, kaum irgend welche Unterschiede. Im Vergleich mit Embryo VII (13 Tage 14 Stunden) ist er in allen Dimensionen gewachsen. Die dort angegebenen Erscheinungen gelten auch noch für ihn, doch zeigt die Endplatte der vorderen Extremität beginnende Gliederung, die hintere Extremität selbst ist deutlicher gegliedert. Die Schnauze tritt ziemlich stark hervor. Medullar-, Urwirbel- und Extremitätenleiste sind durch deutliche Rinnen von einan- der geschieden. Die Milchleiste zeigt den Zerfall in spindel- förmige Milchhügel (Fig. 12). Eine Anlage der beiden kaudalen Milchdrüsen ist bei Lupenbetrachtung nicht nachweisbar, wohl aber auf den Schnitten. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass der pektorale Teil des Milchstreifens jetzt aus einem weniger hohen Epithel besteht, sodass es einer genauen Untersuchung bedarf, um ihn von dem Epithel der Umgebung zu unterscheiden. Dieser Um- stand und eine relative Breitenabnahme zeigen eine beginnende Rückbildung des Milchstreifens an. In Bezug auf seine Längs- ausdehnung gelingt es nicht, irgend welche Veränderung nach- zuweisen. Der erste pektorale Milchhügel hat gegen das vorhergehende Stadium bei ungefähr gleichbleibender Gestalt an Mächtigkeit zugenommen und hat sich stärker in das Bindegewebe einge- senkt. In seiner grössten Tiefe besteht er aus sechs übereinander liegenden Zellen. Die unterste Schicht derselben wird von sehr hohen eylindrischen Zellen gebildet, die mit ihrer Längsachse senkrecht zu ihrer Unterlage stehen. Da letztere eine Delle im Die erste Entwiekelung der Mammarorgane bei der Ratte. 29 Mesenchym vorstellt, so konvergieren die Uylinderzellen unter- einander. Diese Erscheinung war bei dem vorhergehenden Sta- dium erst angedeutet, jetzt fällt sie sofort in die Augen. Im Gegensatz zu den regelmässig gestellten Zellen der tiefsten Schicht wird die übrige Masse des Milchhügels aus rundlichen, regellos aneinander gelagerten Zellen gebildet, welche die von den Cylinderzellen austapezierte Grube ausfüllen. Die letzteren gehen in das aus kubischem Epithel bestehende Stratum mucosum des Milchstreifens über. Die oberflächlichste Schicht des Milchhügels wird von den flachen Zellen des Hornblattes hergestellt. Der bei Embryo VIII noch ein zusammenhängendes Stück darstellende Teil der pektoralen Milchleiste ist jetzt, wie die Oberflächenbetrachtung bereits zeigte, in zwei spindelförmige Milchhügel zerfallen, die wie sich bei der mikroskopischen Un- tersuchung der Schnitte herausstellt, nicht mehr durch eine Milchleiste verbunden sind. Da an dieser Stelle bei keinem Embryo dieses Stadiums — und deren wurden drei untersucht — zu Grunde gehende Zellen gefunden wurden, so darf wohl an- genommen werden, die Zellansammlung der Milchleiste sei durch Auseinanderrücken der Zellen verschwunden. Der zweite und dritte pektorale Milchhügel unterscheiden sich von dem ersten, abgesehen von ihrer länglicheren Form dadurch, dass sie von etwas geringerer Dicke sind und sich dem- entsprechend nicht so tief in das Mesenchym einsenken. Auch setzen sie sich noch nicht so scharf von dem Milchstreifen ab wie der erste Milchhügel. Im übrigen ist jedoch in ihrem mitt- leren Teil, der für den Milchhügel charakteristische Bau, wie er oben geschildert wurde, vorhanden. Ihre zugespitzt auslaufen- den und flacher werdenden Enden zeigen dagegen den Bau der Milchleiste. Das Zwischenstück der Milchleiste ist jetzt vollständig ge- schwunden. Der Milchstreifen dieser Region ist jedoch noch, wenn auch schwierig, als solcher zu erkennen. Er zeichnet sich 30 B. HENNEBERG, noch durch etwas höheres aber nicht zellreicheres Epithel vor der. Umgebung aus. Desgleichen ist die Mesenchymzellenan- sammlung noch zu konstatieren. Der kraniale Teil des abdominalen Abschnittes der Milch- leiste hat sich ebenfallsin einen Milchhügel umgewandelt, während der kaudale sich zurückgebildet hat. In seiner Entwickelung steht dieser Milchhügel auf derselben Stufe wie die pektoralen. Der Milchstreifen dieser Gegend lässt noch keine Rückbildung erkennen. Bedeutungsvoll ist dieses Stadium für die Kenntnis der Ent- wickelung der beiden inguinalen Milchdrüsen. Wie erwähnt, liess sich bei dem vorherbeschriebenen Embryo VIII auch mikro- skopisch eine Anlage derselben nicht nachweisen. Makroskopisch war dies auch bei dem vorliegenden Embryo nicht möglich. Wohl aber finden sich auf Schnitten, die senkrecht zum kra- nialen Teil der Inguinalbeuge gelegt sind, die Anlagen jener beiden Milchdrüsen. Die erste — am weitesten kranialwärts ge- legene — ist von länglicher Gestalt. Ihre Breite lässt sich nicht genau bestimmen, da sie keine scharfen Grenzen besitzt, jeden- falls ist sie aber schmaler als die seitlichen Milchhügel. Sie liegt in dem kranialen resp. lateralen Teil der Inguinalbeuge und zwar mit ihrer Längsachse ungefähr parallel dem Verlauf dieser Falte, doch legt sie sich mit ihrem kranialen Ende etwas mehr der Leibeswand an als der Extremität (Fig. 13). Letztere beiden, die Inguinalbeuge bildenden Teile, sind, wie aus der Schilderung der jüngeren Embryonen hervorging, mit dem Milchstreifenepithel bedeckt, das zu dieser Zeit im Vergleich zu dem des seitlichen Milchstreifens nicht unbeträchtlich höher ist und noch keine Zeichen der Rückbildung erkennen lässt; doch ist es hier über- haupt nicht zur Ausbildung jener für den ventralen Teil des Milchstreifens charakteristischen Zellen gekommen. In diesem _ Epithel erscheint die Milchdrüsenanlage als eine durch reichliche Zellvermehrung hervorgerufene Anschwellung, die nur wenig in Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 34 das Bindegewebe eingesenkt ist und ebenfalls nur unbedeutend über das Niveau der Umgebung hervorragt. Ihr Querschnitt giebt dasselbe Bild wie die Milchleiste bei 13!/s tägigen Embryonen. In ihrer grössten Tiefe besteht sie aus 3 bis 4 übereinander- gelagerten Zellen. Von dem für die Milchhügel charakteristischen Bau ist noch keine Andeutung vorhanden. Aus alle diesem geht hervor, dass diese Anlage weit hinter der Ausbildung der seit- lichen zurück ist. Die zweite inguinale Milchdrüse stellt in diesem Stadium, nach den Schnittbildern zu urteilen, eine linsenförmige Epithel- verdickung vor. Dieselbe liegt in ihrer ganzen Ausdehnung auf der Innenseite der Extremitätenwurel noch in der kranialen Region derselben (Fig. 14). Das Querschnittsbild in der Mitte ihrer Aus. dehnung gleicht ebenfalls dem der seitlichen Milchleiste, was auch dafür spricht, dass ein früherer Zustand dieses Gebildes nicht übersehen wurde. Die beiden Anlagen sind durch eine ‚schmale, nicht auf allen Schnitten nachweisbare strangförmige Epithelverdiekung, die in der Inguinalfalte entlang läuft, aber nicht in diese hinein vorspringt, mit einander verbunden. Die Mesenchymzellenansammlung unter den 'Milchdrüsen- anlagen ist bei diesem Embryo weniger reichlich. Eine etwas dichtere Gruppierung der genannten Zellen in der nächsten Um- gebung der Milchhügel lässt sich jedoch meist nachweisen. Embryo Xu. XI Alter 14 Tage 14 Stunden resp. 14 Tage 18 Stunden. Die Weiterentwickelung der aus der Milchleiste- hervorgegangenen Milchhügel entspricht vollkommen der Schilderung, die Rein in seiner Untersuchung über das Kaninchen giebt. Es kann daher von einer genaueren Beschreibung dieser Embryonen Ab- stand genommen werden, und es sei nur gesagt, dass bei ihnen 3% B. HENNEBERG, die Milchhügel auf der Übergangsstufe zum zapfenförmigen Stadium stehen. Die erste inguinale Anlage behält bei diesen beiden Stadien die bei Embryo IX beschriebene Lage und die Gestalt einer wulstförmigen Epithelverdickung bei, die auch jetzt kaum über das Niveau der Umgebung hervorragt. Die Sonderung von zwei verschiedenen Zellgruppen wie sie vom Milchhügel dargestellt wurde, wird etwas deutlicher. Der zweite inguinale Milchhügel — denn sein Bau charakterisiert ihn als solchen — ist in Bezug auf die Zellenanordnung weiter entwickelt als die erste inguinale Anlage. Er liest noch durchaus auf der Extremitätenwurzel. Beide Anlagen sind noch durch eine strangartige Epithelver- dickung, die in der Inguinalfalte entlang läuft, verbunden. Be- merkenswert ist, wie auch jetzt noch die inguinalen Milchdrüsen- anlagen gegen die übrigen in ihrer Entwickelung zurück sind. Embryo XII Fig. 15. Alter 15 Tage; grösste Länge des wenig gekrümmten Em- bryo 8,3 mm. Hinterhaupt-Schwanzwurzel über die Rücken- krümmung gemessen 13 mm. Der Embryo hat sich im Ver- gleich mit Embryo IX bedeutend gestreckt; der Nackenhöcker tritt infolgedessen viel weniger hervor; die durch die Leber erzeugte Vorbuchtung der Bauchwand ragt stärker hervor als die durch das Herz bedingte; die Schnauze setzt sich deutlich ab; an ihr sind die Anlagen von 18 bis 20 Spürhaaren vorhanden. Die Medullar- Urwirbel- und Extremitätenleiste sind durch scharfe innen von einander geschieden; ventralwärts ist die letztere kaum abgrenzbar; die Extremitätenleiste stellt einen gleich- mässig flachgewölbten Wulst vor, an dem sich ein abgerundeter Kamm nicht mehr unterscheiden lässt. Derselbe ist auch dor- salwärts von der hinteren Extremität verschwunden. Die End- platten der vorderen und hinteren Extremität sind deutlich ge- Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 39 gliedert. Die drei pektoralen Milchdrüsenanlagen erscheinen als opake ovale Flecke (Milchpunkte). Die erste ist von der vor- deren Extremität bedeckt. Nach Wegnahme derselben wird sie am vorderen Rande der Extremitätenleiste sichtbar. Der zweite und dritte pektorale Milchpunkt nehmen das kraniale Drittel des Kammes zwischen den beiden Extremitäten ein (Fig. 15). Der ab- dominale Milchpunkt ist etwas kranial- und ventralwärts gerückt. Die Entfernung zwischen ihm und der hinteren Extremität hat sich etwas vergrössert. Bei Embryonen, denen während der Fixierung die hintere Extremität etwas abduziert wurde, sind die beiden inguinalen Milchdrüsenanlagen im kranialen Teil der Inguinalfalte sichtbar. Die drei letztgenannten Anlagen haben ungefähr gleichen Abstand von einander. Sie liegen in einer schwach gekrümmten Linie, deren Konkavität kranial- und me- dialwärts gerichtet ist. Alle drei sind von ovaler Gestalt und liegen mit ihrer längeren Achse in der gedachten Linie. Die abdominale Milchdrüsenanlage, die ursprünglich mit ihrer längsten Ausdehnung in der Richtung der Milchleiste lag, hat also eine Richtungsänderung vorgenommen. Sie ist mit der ersten ingui- nalen durch einen Wulst verbunden, der makroskopisch den Eindruck einer Milchleiste macht (Fig. 15). Zwischen den beiden inguinalen ist makroskopisch eine Verbindung nicht nachweisbar. Jener Wulst ist also bei diesem Stadium neu aufgetreten. Der- selbe war entweder auf beiden Seiten oder nur auf einer zu finden. Er wurde bei 28 Embryonen im Alter von 14 Tagen 18 Stunden bis 15 Tagen im ganzen 25 mal gefunden, war also 3l mal nicht zu erkennen. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt, dass die aus der Milchleiste hervorgegangenen isolierten Milchdrüsenanlagen auf der Stufe des Milchpunktes (0. Schultze) und zwar auf dem ersten Stadium desselben, dem zapfenförmigen (Rein), stehen. Da diese Befunde bei der Ratte mit denen vom letzt- genannten Autor beim Kaninchen geschilderten ebenfalls über- Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd., H. 1.) 3 34 B. HENNEBERG, einstimmen, so sei hier nur gesagt, dass die nicht mehr über das Niveau der Körperoberfläche hervorragenden Epithelzapfen deutlich eine äussere, aus eylindrischen Zellen bestehende Rand- schicht und einen inneren, aus rundlichen Elementen bestehen- den Zellhaufen unterscheiden lassen Ein Areolargewebe, wie es von verschiedenen Autoren beschrieben wird, lässt sich eben- falls nachweisen. Reste der Milchleiste sind in der Regel nicht mehr aufzufinden. Der Milchstreifen auf der Extremitätenleiste ist nicht mehr vorhanden. Die für ihn charakteristischen hohen Zellen sind verschwunden, und es finden sich an ihrer Stelle kleine kubische, wie sie überall das Stratum mucosum bilden. Dass die Cylinder- zellen zu Grunde gingen, konnte nicht beobachtet werden. Es ist ja auch möglich, dass sie sich zu jener kleineren. Form zu- rückgebildet haben. Einer genaueren Untersuchung bedürfen die inguinalen Milchdrüsenanlagen. Hier zeigt sich, dass der makroskopisch sichtbare milchleistenähnliche Wulst, der von der abdominalen zur ersten inguinalen Anlage zieht, nicht durch eine leisten- förmige Epithelverdickung, sondern durch eine derartig gestaltete Vorwölbung des Bindegewebes hervorgerufen wird. Die auf letzterem aufliegende Epidermis ist von derselben Dicke wie die in der Umgebung. Es hat dieser Wulst also nichts mit einer Milchleiste zu thun. Dort, wo dieser in die Inguinalbeuge gelangt, schliesst sich die erste inguinale Milchdrüsenanlage an. Dieselbe ist, wie dies schon makroskopisch konstatiert werden konnte, von ovaler Form, ragt deutlich in die Inguinalfalte hinein und ist zugleich in das Bindegewebe eingesenkt. Diese Form und die Sonderung der Elemente in die wiederholt er- wähnten zwei Zellgruppen beweist, dass die Anlage in ihrer Entwickelung auf der Stufe des Milchhügels steht. Die zweite inguinale Milchdrüsenanlage ist vom Schenkel in die Inguinal- beuge gerückt. Eine Verbindung durch einen Epithelstrang mit Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 35 dem ersten inguinalen Milchhügel ist nicht mehr vorhanden. Die Gestalt kann als birnenförmig bezeichnet werden. Das schmächtigere Ende ist kaudal- resp. medialwärts gerichtet. Der Querschnitt durch das dickere Ende, das deutlich in die Inguinal- falte vorspringt, giebt das typische Bild eines Milchhügels, und zwar ist dieser weiter fortgeschritten als der erste inguinale, wie dies schon bei dem vorherbeschriebenen Embryo der Fall war. Nach der Leibeswand hin findet sich im Zusammenhang mit dieser Anlage noch gut erkennbares Milchstreifenepithel. In der Umgebung der beiden inguinalen Milchhügel sind die Binde- gewebszellen dicht gelagert, doch ist dies hier überhaupt der Fall. Der Unterschied in der Entwickelung zwischen den beiden zuletzt beschriebenen und den übrigen Milchdrüsenanlagen be- steht also noch immer. Embryo XIIL und XIV. Fig. 16. Embryonen im Alter von 15 Tagen 14 Stunden und 15 Tagen 20 Stunden (Fig. 16) wurden nur einer makroskopischen Unter- suchung unterworfen, da sich zeigte, dass es für das Verständnis der Weiterentwickelung der Milchdrüsen genüge, wenn auf das l5tägige Stadium noch ein 16tägiges mikroskopisch untersucht wurde. Bei den Embryonen des oben genannten Alters zeigt sich eine weitere ventralwärts gerichtete Verschiebung sämtlicher Milchdrüsenanlagen. Sodann ist der erste pektorale Milchpunkt nicht unbeträchtlich kranialwärts gerückt. Weiterhin lassen die beiden inguinalen Anlagen eine deutliche Lageveränderung in Bezug zum Ansatz der hinteren Extremität erkennen. Dieselben entfernen sich immermehr von der Inguinalfalte und sind all- mählich auf den Hinterleib gelangt. Der Mesenchymwulst zwischen der abdominalen und ersten inguinalen Milchdrüsenanlage, von denen die erstere sich von 3*+ 36 B. HENNEBERG, der letzteren weiter entfernt hat, tritt bei diesen Embryonen nicht mehr auf. Es hat sich die Oberfläche hier also wieder ausgeglichen, ohne dass aus jenem Wulst ein dauerndes Gebilde hervorgegangen wäre. Ein Vergleich mit dem ausgewachsenen Tiere zeigt, dass die Anordnung der Milchdrüseu bei den zuletzt geschilderten Stadien im wesentlichen schon der definitiven entspricht, und dass die weiteren Veränderungen in derselben hauptsächlich durch die Gestaltsveränderungen des ganzen Tieres bedingt werden. Embryo XV. Alter 16 Tage; grösste Länge 13 mm; Hinterhaupt-Schwanz- wurzel über den Rücken gemessen 16 mm. Die mikroskopische Untersuchung einer Querschnittsserie ergiebt, dass bei diesem Embryo sämtliche Michdrüsenanlagen auf gleichem Entwickelungsstadium stehen, womit die vorliegende Untersuchung zum Abschluss gelangt ist. Das Stadium der Milchdrüsenanlagen entspricht dem von Rein beim Kanınchen als kolbenförmig geschilderten, und da es mit diesem durchaus übereinstimmt, bedarf es keiner näheren Beschreibung. Auch in der Umgebung der inguinalen Anlage ist das Milchstreifen- epithel verschwunden. An sämtlichen ist ein deutlich ausge- prägtes Areolargewebe vorhanden. Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 37 Zusammenfassung und Vergleichendes. Einschichtiges Stadium des Milchstreifens bei der Ratte. Die voraufgehende Schilderung hat nachgewiesen, dass bei der Ratte die erste Anlage der Milchdrüsen in einer zusammen- hängenden Zone hohen, auf der Extremitätenleiste gelegenen Epithels besteht. Die erste Andeutung eines solchen „Milch- streifens‘“ zeigte ein Embryo von 11 Tagen (Fig. 1). Hier fanden sich in der Gegend der dorsalen Grenzrinne zum Teil auf der Stamm-, zum Teil auf der Parietalzone einige kubische Zellen, die sich durch Grösse und Form von den flacheren Zellen der Umgebung unterscheiden, aber freilich erst dann die Aufmerk- samkeit auf sich lenken, wenn man die nächst folgenden Stadien bereits kennt. Aus dem Vergleich mit den letzteren ergiebt sich, dass durch Vermehrung dieser Zellen der Milchstreifen entsteht (Hie 2 u. 3). Bei einem anderen gleichalten Embryo und bei noch jüngeren besteht das einschichtige Epithel der Parietalzone noch durch- weg aus rundlichen Zellen, die sich in nichts von einander unterscheiden. Daraus geht hervor, dass jene an der dorsalen Grenzrinne auftretenden kubischen Zellen thatsächlich die erste Anlage des Milchstreifens sind. Ein Zusammenhang derselben mit irgend einem anderen embryonalen Gebilde liess sich nicht nachweisen. Wachstum des Milchstreifens. Das Wachstum des Milch- streifens erstreckt sich zuerst in die Breite, erst später tritt ein Dickenwachstum ein. Dabei dehnt sich der Milchstreifen vorerst hauptsächlich ventralwärts aus und zwar bis zur Mitte der Parietalzone und nur in beschränktem Masse dorsalwärts auf die Urwirbelleiste (Fig. 5). Kranial und kaudal geht der Milchstreifen in das hohe Epithel der Extremitätenanlage über. 38 B. HENNEBERG, Einschichtiges Stadium des Milchstreifens beim Men- schen. Dieses einschichtige Stadium des Milchstreifens ist sonst nur noch von Strahlund Hirschland und zwar beim Menschen beobachtet worden. Es handelt sich dabei um einen mensch- lichen Embryo von 4 mm grösster Länge, der in Bezug auf die Körpergestaltung nach der von ihm gegebenen Abbildung (Hirschland, Fig. 1) den in Betracht kommenden Rattenem- bryonen soweit entspricht, dass sich beide mit einander ver- gleichen lassen. Der Milchstreifen des menschlichen Embryo (l. ce. Fig. 3) ist dicht kaudal hinter der oberen Extremität einschichtig, und da hier, wie Hirschland angiebt, die Epidermisverdickung am auffälligsten ist, so erhellt daraus, dass er in diesem Stadium noch in seiner ganzen Ausdehnung aus einer Zellschicht be- steht. Es beginnt der Milchstreifen an der Wurzel der oberen Extremität und endet in dem mächtig verdickten Ektoderm über der Anlage der noch sehr kleinen unteren Extremität. Zwischen beiden tritt er in Gestalt einer geringeren Epidermis- verdickung auf. Ob diese sich kontinuierlich zwischen beiden Extremitäten ausbreitet, konnte bei dem spiralig gekrümmten Embryo der Schnittrichtung wegen nicht entschieden werden. Bei der Ratte ist dies, wie aus der Untersuchung hervorging, sicher der Fall. DBetreffs der dorsoventralen Ausdehnung giebt Hirschland an, dass die breite Verdickung der Epidermis an der seitlichen Leibeswand auf Querschnitten ohne scharfe Grenze in die nach oben anliegenden Partien auslaufe, nach unten sei sie streckenweise bis zur Medianlinie zu verfolgen, wenn auch unter etwas Abflachung. Verschiedene Lage der höchsten Ausbildung des Milchstreifens bei Ratte und Mensch. Einer Erscheinung, die beim Vergleich beider Formen (Ratte und Mensch) auf- fällt, ist noch Erwähnung zu thun. Beim Menschen würde sich (l. e. Fig. 3) die höchste Ausbildung des Milchstreifens Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 39 weiter ventralwärts finden als bei der Ratte auf den Schnitten, die in der mittleren Gegend zwischen beiden Extremitäten liegen. Dicht kaudal von der oberen Extremität bekommt man freilich auch bei der Ratte ein Bild, dass mit dem vom Menschen gegebenen übereinstimmt. Es lässt sich jedoch für diese Gegend nicht mit Sicherheit sagen, ob die Höhe des Epithels hier nicht durch die Nähe der vorderen Extremität bedingt sei, auf die es, wie gezeigt wurde, ohne Grenze übergeht. Zur Beurteilung der Lage und Ausbildung des Milchstreifens wurden daher nicht die Schnittbilder des kranialen oder kaudalen Abschnittes gewählt, sondern solche aus der Mitte desselben, da man eben bei den ersteren nicht sagen kann, ob die Epithelverdiekung noch zum Milchstreifen zu rechnen ist. Beim Menschen freilich ist dies Verfahren nicht möglich, denn hier liegt entsprechend der Lage der Milchdrüse die höchste Ausbildung des Milchstreifens in der Nähe der oberen Extremität. Weiterbildung des Milchstreifens vor dem Auftreten der Milchleiste bei der Ratte. Eine zweite Zellschicht tritt bei der Ratte, wie dies bei einem 12t/,tägigen Embryo beo- bachtet wurde, in der Dorsalpartie des Milchstreifens auf und verbreitet sich von hier ventralwärts, sodass bei I3tägigen Embryonen der Milchstreifen stets in seiner ganzen Ausdehnung aus zwei Zellschichten besteht, von denen die tiefere von hohen kubischen bis prismatischen, die obere aus flachen Zellen gebildet wird (Fig. 8 u. 9). Da er sich auf der Strecke zwischen den Extremitäten gegen das einschichtige, niedrige Epithel der Ur- wirbelleiste und das der vorderen seitlichen Leibeswand deutlich abhebt, so ist er in diesem Stadium auch bei flüchtiger Betrachtung hier leicht zu erkennen. Seine Breitenausdehnung fällt jetzt unge- lähr mit der Breite der Extremitätenleiste zusammen (Fig. 7). In Betreff des kranialen und kaudalen Endes des Milchstreifens lässt sich bei den letztgenannten Stadien, bei denen die Extremitäten weiter ausgebildet sind, erkennen, dass der Milchstreifen bis in die 40 B. HENNEBERG, Schulterregion und Achselhöhle gelangt und hier in das hohe Epithel der Extremität und das der Kiemenbogen übergeht. Eben- so verhält er sich an der hinteren Extremität und der Inguinal- beuge, wo er gegen das bis zur Schwanzwurzel ausgedehnte zweischichtige Epithel dieser Gegend nicht abgrenzbar ist. In diesem Stadium (13tägiger Embryo) ist also nur auf der Ex- tremitätenleiste ein deutlich abgrenzbarer Milchstreifen vorhanden, und dies bleibt auch der am sichersten feststellbare Teil des- selben. beim Menschen. Der Embryo letztgenannten Alters steht nach der von Hirschland gegebenen Abbildung (Fig. 2) mit dem von Strahl und ihm untersuchten Embryo von 6,75 mm grösster Länge auf ähnlicher Entwickelungsstufe. Ein Querschnitt durch diesen menschlichen Embryo (l. e. Fig. 4) dicht kaudal hinter der oberen Extremität zeigt auch eine übereinstimmende Lage des Milchstreifens beider Formen. Dies tritt hervor, wenn man die Lage des Milchstreifens zur dorsalen Grenzrinne der Extremitätenleiste und zum vorderen Rande der Hautmuskel- platte berücksichtigt. Der von den eben genannten Autoren geschilderte mensch- liche Embryo von 8 mm grösster Länge weist einen in seinen mittleren Abschnitten aus etwa vier übereinander gelagerten Reihen von Zellen bestehenden Milchstreifen auf (l. c. Fig. 5), ohne dass eine Andeutung einer Milchleiste vorhanden wäre. Das Milchstreifenepithel ist auch hier bis an den Ansatz der oberen und unteren Extremität verfolgbar. beim Schwein. Weiter entspricht diesem Stadium der von O. Schultze (l. e. S. 8 u. Fig. 19) beschriebene Schweinsembryo von 1 cm Länge, insofern auch bei diesem bei vollkommen aus- gebildetem Milchstreifen noch keine Andeutung einer Milchleiste nachweisbar war. Hier erwies sich in relativ grösserer Ausdehnung die Malpighische Lage in der Gegend der späteren Milchlinie auf zwei bis drei Zellschichten verdickt, während dieselbe seitlich Anat.Hefte 1.Abtheilung.41.Heft(13. Bd. H1) Fig.1. Lith. Anst:v.C.Kirst, Leipzig. Tafel A/B. Verlag v. J.F. Bergmann, Wiesbaden. Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 41 von dieser linearen die Seitengegend des Rückens einnehmenden Proliferationszone nur erst eine einfache Zellenlage darstellt. Vergleicht man den Milchstreifen beider Tiere, so zeigt sich, dass der des Schweines dicker und zellreicher ist als der von der Ratte entsprechend der mächtigeren Milchleiste des Schweines. beim Pferd. Endlich ist auch das von Profe (l. e. S. 266 u. Fig. 20) wahrscheinlich als Milchstreifen zu deutende Gebilde bei einem Pferdeembryo von 1,5 cm Scheitelsteisslänge hier zu er- wähnen. Derselbe fand sich seitlich von der Nabelgegend und war rechts und links bis in die Inguinalregion verfolgbar. Er stellte eine streifenförmige Verdickung des Hornblattes vor, die im Gegen- satze zu dem sonst noch einschichtigen Hornblatte aus einer oberen, aus sehr flachen Zellen und einer unteren, aus schlanken Prismenzellen sich aufbauenden Lage bestand. beim Schaf. Mit dem eben geschilderten Gebilde stimmt in Form und Verlauf eine von Prof& (l. ec. S. 270) bei einem 0,9—1 em langen Schafembryo beschriebene Epithellage überein, in der vielleicht ein Milchstreifen zu erblicken ist. Weiter ent- wickelte 1,5 em lange Schafembryonen zeigen die besagte Epithel- lage bereits zwei- und dreischichtig. Auftreten der Milchleiste bei der Ratte. Bei einem 13°/,tägigen Rattenembryo liessen sich auf Querschnitten die ersten Spuren einer Milchleiste in der Gestalt nachweisen, dass stellenweise im Milchstreifen, und zwar dort, wo sich bei etwas älteren Stadien die Milchleiste findet, die Zellen auf kleine Strecken hin dichter liegen. Als weiterer Fortschritt wurde dann bei demselben Embryo eine durch die Zellvermehrung bedingte minimale Anschwellung im Milchstreifen beobachtet, die sich etwas gegen das Mesenchym vorbuchtet. Gleichzeitige Veränderungen am Milchstreifen der Ratte. Zu gleicher Zeit treten Veränderungen im Milchstreifen auf. Der ventral von der Milchleistenanlage befindliche Teil des Milchstreifens zeigt jetzt nämlich ein bemerkenswertes Bild inso- 42 B. HENNEBERG, fern, als die Zellen hier auffallend gross und vollsaftig geworden sind, eine Erscheinung, die bei etwas weiter ausgebildeten Em- bryonen noch leichter zu konstatieren ist. — Kranialwärts von der Mitte nimmt der Milchstreifen an Breite zu und zwar sowohl durch ventralwärts gerichtetes Wachsen als auch durch solches nach dem Rücken zu, wodurch sich das Milchstreifenepithel auf die Urwirbelleiste ausdehnt. Dies geschieht allmählich in immer höherem Grade, oder mit anderen Worten: es tritt auf der Urwirbelleiste in Zusammenhang mit dem Milchstreifen ein zweischichtiges Epithel auf, das an Ausdehnung nach der Me- dullarleiste zu immermehr zunimmt, sodass der Milchstreifen gegen dasselbe nicht mehr abgrenzbar ist. Bei etwas weiter entwickelten Embryonen mit ausgebildeter Milchleiste ist dies auch kaudalwärts von der Mitte der Fall. Da nun der dorsalwärts von der Milchleiste gelegene Teil des Milchstreifens nicht mehr als selbständiges Gebilde erscheint, so würde man, wenn man die vorhergehenden Stadien nicht kennt, annehmen müssen, dass die Milchleiste am dorsalen Rande des Milchstreifens entstanden sei. Sicher abgrenzbar ist jedoch der Milchstreifen in der Schulterregion, da er hier dreischichtig geworden ist. Auftreten des Milchstreifens in der Inguinalbeuge bei der Ratte. In diesem Stadium lässt sich auch dorsal und ventral von der hinteren Extremität eine Fortsetzung des Milch- streifens erkennen, dorsal in geringerer Ausdehnung, ventral, also in der Inguinalbeuge, oft bis zum unteren Rande der Ex- tremität reichend. Letzterer Teil des Milchstreifens ist also offen- bar später aufgetreten als der auf der Extremitätenleiste, womit auch die spätere Entwickelung der inguinalen Milchdrüsenanlage übereinstimmt. Die ausgebildete Milchleiste der Ratte. Weiterbildung der Milchleistenanlage, wie sie ebenfalls bei 13!/stägigen Em- bryonen beobachtet wurde, führt zu einer bei Oberflächen- ! Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 43 betrachtung mit der Lupe wahrnehmbaren linearen Epithelver- diekung, der ausgebildeten Milchleiste (Fig. 10). Lage und Verlauf. Bemerkenswert ist die Lage und der Ver- lauf der Milchleiste bei der Ratte. Das kraniale Ende findet sich in der Achselhöhle auf der ventralen Grenze der Extremitätenleiste. Es ist dies zugleich der am meisten der ventralen Medianlinie genäherte Teil der Milchleiste. Dementsprechend liegt die aus diesem Teile hervorgehende Milchdrüse am weitesten ventral und macht die geringste Ventralwanderung. Von diesem kranialen Ende geht die Milchleiste in schwachem, nach der Rückenlinie konvexem Bogen auf der Extremitätenleiste, die sie also schräg schneidet, entlang bis ungefähr zur Mitte des Abstandes der einander zugewendeten Ränder der vorderen und hinteren Ex- tremität. Auf dieses pektorale Stück der Milchleiste folgt dann ein in dieser Abhandlung als Zwischenstück benannter Abschnitt, in dem nur eine Andeutung einer bald wieder verschwindenden Zellansammlung im Milchstreifen gefunden wurde. Dieses Zwischenstück beträgt 'Ja bis '/s der ganzen Länge der Milch- leiste. Hieran schliesst sich kaudalwärts der als abdominales Stück bezeichnete Abschnitt an, der dorsalwärts von der hinteren Extremität endet. Eine Fortsetzung desselben in die Inguinal- beuge konnte nicht nachgewiesen werden. Mit dem grössten Teile ihrer Länge liegt die Milchleiste auf der ventralen Absen- kung der Extremitätenleiste, und nur das kaudale Drittel zieht auf dem First derselben entlang. Eine gleichmässige kontinuierliche Milchleiste findet sich also bei der Ratte nicht. Das Zwischenstück entspricht dem grösseren Zwischenraum, der sich zwischen der dritten und vierten Milchdrüse älterer Embryonen und des ausgebildeten Tieres findet (Fig. 17). Diese Thatsache legt die Vermutung nahe, dass auch bei anderen Tieren, bei welchen die Milchdrüsen in weiter auseinander gelegenen Gruppen angeordnet sind, sieh ebenfalls keine kontinuierliche Milchleiste anlegt. 44 B. HENNEBERG, Die Milchleiste anderer Tiere und des Menschen. Die voraufgehende Untersuchung hat also ergeben, dass bei der Ratte an der seitlichen Körperoberfläche eine Milchleiste auf- tritt, wie diese von O. Schultze beim Schwein, Kaninchen, Maulwurf, Fuchs und Katze — nicht aber, wie verschiedentlich eitiert wird, bei der Ratte und Eichhörnchen — von Kallius, Strahl und Hirschland beim Menschen nachgewiesen ist. Für den Vergleich betreffs der Lage der Milchleiste kommen an dieser Stelle nur die eben genannten Formen in Betracht. Vorausgeschickt sei noch, dass die in folgendem erwähnten Autoren keine Angaben über die Lage der Milchleiste zur Extremitäten- leiste machen. Mit Hülfe der von ihnen gelieferten Abbildungen gelingt es jedoch meist, das Verhältnis beider Gebilde zu ein- ander festzustellen, woraus sich einige ganz interessante Resul- tate ergeben. Gestalt und Lage der Milchleiste beim Schwein. Figur und Beschreibung bei O. Schultze zeigen, dass beim Schwein (von 1,5 cm Scheitelsteisslänge) die von der Wurzel der vorderen Extremität zu derjenigen der hinteren laufende Milch- leiste ebenfalls auf der Extremitätenleiste liegt. Sie läuft jedoch den Rändern der letzteren parallel und bleibt während ihres ganzen Verlaufes auf der ventralen Abdachung derselben. Beim Vergleich von Querschnittsbildern von Ratten- und Schweins- embryonen der entsprechenden Stadien macht es zuerst den Eindruck, als ob beim Schwein die Milchleiste bedeutend weiter dorsalwärts läge als bei der Ratte, wie ja auch Schultze von dem in der Epidermis der Rückenfläche sichtbaren Querschnitt der Milchlinie spricht (l. c. S. 9 oben). Es ist dies jedoch nur scheinbar der Fall: es liegt der kaudale Teil der Milchleiste bei der Ratte weiter nach der Rückenlinie zu. Beim Schwein wird jene Erscheinung hauptsächlich durch die kolossale Aus- bildung der Leber hervorgerufen. Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 45 Die Normentafeln zur Entwickelungsgeschichte des Schweines von Keibel zeigen auf den Figuren Nr. 21 bis 24 die ausge- bildete gleichmässige Milchleiste. Die grösste Länge der be- treffenden Embryonen beträgt 14 bis 16,4 mm. Das Alter ist auf den Tabellen nicht mehr angegeben, doch wird es für Nr. 21 nach Vergleich mit den vorhergehenden Embryonen 22 Tage betragen. Wie Schultzes und Keibels Figuren zeigen und wie man sich leicht an Schweinsembryonen des be- treffenden Stadiums überzeugen kann, läuft die Milchleiste in die Inguinalbeuge hinein. beim Kaninchen. Kaninchenembryonen von 13— 14 Tagen besitzen nach ©. Schultzes Untersuchung eine deutliche Milch- leiste. Dieselbe beginnt etwas nach hinten von der vorderen Ex- tremitätenwurzel und läuft bogenförmig der Rückenkrüämmung parallel gegen die hintere Extremitätenanlage fein zugespitzt aus, ohne die Inguinalfalte zu erreichen. Weder die Wiedergabe eines der betreffenden Embryonen (]. e. Fig. 5) noch die Abbildung 303 in Schultzes Grundriss der Entwickelungsgeschichte lassen mit Sicherheit erkennen, ob beim Kaninchen der Verlauf des kaudalen Endes der seitlichen Milchleiste mit dem bei der Ratte überein- stimmt. Schultzes Angabe, dass die Milchleiste die Inguinal- falte nicht erreicht, würde dafür, dass sie der Rückenkrüämmung parallel läuft, wie auch die Abbildung zeigt, würde dagegen sprechen. bei Katze und Fuchs. Bei Katze und Fuchs (Schultze l. e. S. 5) liegt die Milchleiste, nach den Abbildungen zu urteilen, in ihrer ganzen Ausdehnung am vorderen Rande der Extremitäten- jeiste, mit der sie genau parallel verläuft. Die am weitesten kranialwärts gelegene Milchdrüsenanlage findet sich aber nicht in der Achselhöhle, sondern kaudalwärts von der Wurzel der vorderen Extremität. Das hintere Ende verschwindet in der Inguinalbeuge. 46 B. HENNEBERG, beim Menschen. Menschliche Embryonen mit Milchleiste sind von Kallius, Strahl und Hirschland beschrieben. Bei den von letzteren Autoren untersuchten Embryonen, die eine erösste Länge von 15 und 14 mm hatten, war bei Oberflächen- betrachtung mit der Lupe keine Milchleiste nachgewiesen worden. Bei der Untersuchung der Schnitte ergab sich, dass die Milchdrüsenanlage aus einer kurzen, wenig hervorragenden Leiste, die ungefähr in der Höhe des distalen Endes der oberen Extre- mität lag, bestand. Über die Lage und Richtung der Milchleiste geht aus der von Kallius gegebenen Beschreibung und Ab- bildung sicher hervor, dass die Milchleiste des Embryo, der an- nähernd eine Kopfsteisslänge von 15 mm hatte, beiderseits eine mit der Lupe deutlich sichtbare also hervorragende lineare Epi- thelverdickung darstellt, die auf der nur dorsalwärts deutlich ab- geerenzten Extremitätenleiste liegend ungefähr das zweite Viertel — dieses aber kranialwärts überschreitend — des Raumes zwischen den zugewendeten Rändern der Extremitäten einnimmt. Die Milchleiste läuft der dorsalen Grenzrinne nicht parallel, liegt vielmehr mit ihrem kranialen Ende weiter von ihr entfernt und nähert sich derselben mit ihrem kaudalen. Mit dem ersteren liegt sie nach der Abbildung zu urteilen auf der ventralen Ab- senkung, mit dem letzteren auf dem First der Extremitätenleiste. Vergleich der Milchleisten verschiedener Tiere und des Menschen in Bezug auf Länge und Lage. Die bisher beschriebenen seitlichen Milchleisten unterscheiden sich also einmal durch ihre Länge, die längste findet sich beim Schwein, dann folgt Kaninchen. und Ratte, Katze und Fuchs und endlich der Mensch, entsprechend der grösseren oder geringeren Zahl der Milchdrüsen, die aus dieser Anlage hervorgehen. Sodann finden sich Unterschiede in Bezug auf die Lage. In allen Fällen liegt die seitliche Milchleiste auf der Extremitäten- leiste. An ihrer ventralen Grenze und mit dieser parallel laufend findet man sie beim Schwein, Fuchs und Katze. Sie kreuzt Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte, 47 schräg die Extremitätenleiste beim Kaninchen, der Ratte und dem Menschen. Bei letzterem ähnelt die Milchleiste dem pek- toralen Abschnitte bei der Ratte. Der Beginn der Milchleiste findet sich in der Achselhöhle beim Schwein, dem Kaninchen — vorausgesetzt, dass der sehr wahrscheinliche Zusammenhang des kranialen Stückes der Milchleiste mit dem übrigen Hauptteil derselben noch nachgewiesen wird — und der Ratte, kaudal- wärts von der vorderen Extremität bei der Katze, dem Fuchs und Menschen. Das kaudale Ende der Milchleiste liegt ungefähr in der Mitte zwischen den beiden Extremitäten beim Menschen, dorsal von der hinteren Extremität bei der Ratte, sie „läuft gegen die hintere Extremitätenanlage“ aus beim Kaninchen, sie gelangt in die Inguinalbeuge beim Schwein, Katze und Fuchs. Querschnittsform und Zellanordnung der Milchleiste bei Tieren und Mensch. Auch betreffs des Baues der Milchleiste, die, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, bei den Tieren ausser bei der Ratte eine kontinuierliche, gleichmässig starke, lineare Epithelverdickung vorstellt, finden sich bei den bisher untersuchten Formen einige Unterschiede. Beim Ver- gleich der Milchleisten der verschiedenen Tiere ist es notwendig, dass nur dieselben Stadien dazu verwendet werden. Denn da der nächstfolgende Entwickelungszustand ganz allmählich aus der Milchleiste hervorgeht, so ist es von vornherein klar, dass eine eben aufgetretene Milchleiste einen anderen Bau haben muss, als eine solche, die gerade im Begriff ist, die spindel- förmigen Anschwellungen, die den Übergang zu den Milch- hügeln vorstellen, hervorgehen zu lassen. Um zu der Er- kenntnis zu gelangen, wann die Milchleiste einer Tierform auf dem Höhepunkte ihrer Entwickelung steht, bedarf es einer grösseren Menge von Embryonen zum Vergleich, die sich leicht von der Ratte, nicht aber so bequem von anderen Tieren, geschweige denn vom Menschen beschaffen lassen. Danach gleicht bei der Ratte das Querschnittsbild der ausgebildeten 48 B. HENNEBERG, Milchleiste dem einer flachen bikonvexen oder plankonvexen Linse. Ähnliche Bilder geben die Querschnitte beim Kaninchen (Schultze, Fig. 18). Bei diesem und bei der Ratte besteht die Milchleiste in ihrer grössten Tiefe aus 3—4 Lagen von Zellen, bei einer Breite von 12—14 Zellen, doch lässt sich letztere nicht genau angeben, da sich die Milchleiste durchaus nicht scharf gegen die Umgebung absetzt. In der Milchleiste des Schweines liegen nach Figur 16 bei Schultze und Figur 5 bei Profe bis 8 Zellen übereinander und ca. 20 nebeneinander. Letztere ist also im Verhältnis zur Breite höher als beim Kaninchen und der Ratte. Dass beim Schwein die Milchleiste nicht nur absolut sondern auch relativ höher ist, davon kann man sich leicht bei Lupenbetrachtung der betreffenden Embryonen überzeugen. Querschnitte durch die Milchieiste des Menschen bei schwacher Vergrösserung giebt Hirschland, bei stärkerer Kallius wieder. Bei dem von letzterem Autor beschriebenen Embryo, der bereits oben erwähnt wurde, scheint auf der rechten Seite bereits die Bildung des Milchhügels begonnen zu haben, auf der linken differiert dagegen die Mächtigkeit der Milchleiste in ihren ver- schiedenen Teilen weniger. In ihrer grössten Erhebung liegen ca. 6 Zellen übereinander, ca. 15 nebeneinander. Während die Milchleiste bei Ratte und Kaninchen mehr flach ist, wölbt sie sich bei Schwein und Mensch stärker hervor. Bei letzteren beiden ist sie auch etwas stärker in das Mesenchym eingesenkt, als bei den ersteren. | Betreffs der Anordnung der Zellen in der Milchleiste macht Kallius die nähere Angabe, dass die untere Schicht aus Cylin- derepithel bestehe, die obere aus Zellen, die von der gewöhn- lichen Form nicht abweichen. Schultze erwähnt, dass die Vermehrung der Elemente ausschliesslich die von der ein- schichtigen Anlage des Stratum corneum überlagerte Keimschicht der Epidermis betreffe. Beide Beobachtungen gelten auch für die Ratte, wobei noch hinzugefügt sei, dass die Cylinderzellen Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte, 49 in diesem Stadium mit ihrer Längsachse unter einander parallel stehen. Dieses Querschnittsbild ist für die Milchleiste charak- teristisch und gut von dem des Milchhügels zu unterscheiden. Gegen den noch erhaltenen Milchstreifen ist die Milchleiste nicht abgrenzbar. Dies gilt, wie bereits erwähnt, sowohl für die Ratte als auch für Schwein, Kaninchen und Mensch, wie die Abbil- dungen zeigen. Dauer der Milchleiste bei der Ratte. Die Milchleiste der Ratte ist nur von kurzem Bestande, denn sehr bald treten in ihr spindelförmige Anschwellungen auf, als erste Andeutung des nächstfolgenden Stadiums, nämlich des Zerfalls der Milchleiste in die Milchhügel. Die Dauer der Milchleiste lässt sich durch Oberflächenbetrachtung genügend genau fest- stellen. Es ergab sich bei Untersuchung von circa 40 Em- bryonen von 13—14 Tagen, dass die Milchleiste meist am Be- ginn der zweiten Hälfte des 14. Tages sichtbar wird, und am Ende dieses Tages die Milchhügelbildung erfolgt. Von dieser Regel fanden sich nur wenige Ausnahmen, derart, dass sich die spindelförmigen Anschwellungen einige Stunden früher oder später zeigten. Grössere zeitliche Differenzen (bis zu einem Tage) fanden sich nur bei solchen Embryonen, bei denen auch die Ausbildung anderer Organe erkennen liess, dass sie dem nach ihrem Alter zu erwartenden Stadium nicht entsprachen. Die Mesenchymzellenansammlung unter dem Milch- streifen bei der Ratte. Bei den zuletzt beschriebenen Stadien ist die Mesenchymzellenansammlung unter der Anlage der Mammarorgane, die auch bei anderen Tieren und beim Menschen gefunden ist, so ausgeprägt, dass sie leicht erkannt wird. Bei Embryonen bis zum Alter von 12 Tagen noch nicht nachweis- bar, da hier die Mesenchymzellen in der Parietalzone noch überall sehr dicht liegen, ist bei etwas älteren — 12!/stägen — Embryonen direkt unter dem Milchstreifen in der ganzen Längs- und Breitenausdehnung desselben eine einschichtige Lage dicht Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd,, H. 1.) 4 50 B. HENNEBERG, gedrängter Mesenchymzellen, die, etwas grösser als sonst die Zellen dieses Gewebes, sich auch durch grössere, oft längliche und kräftig färbbare Kerne auszeichnen, stets vorhanden. Häufig sind diese mit ihrer Längsachse senkrecht zur Oberfläche gestellt (Fig. 9). In der Nähe der Extremitäten, in der Achselhöhle und Inguinalbeuge lässt sich die genannte Zellansammlung nicht nachweisen, da hier die Mesenchymzellen überhaupt sehr dicht liegen, wohl aber gelingt dies meist in der Schultergegend. Bei 13!/stägigen Embryonen ist jene Lage ein- bis zweischichtig ge- worden und tritt jetzt besonders und bald ausschliesslich unter der Milchleiste und dem ventralen Teil des Milchstreifens deut- licher hervor (Fig. 11). Mit diesen Zellen treten zu dieser Zeit diejenigen der sich ausbreitenden Hautmuskelplatte in Ver- bindung. Zerfall der Milchleiste in Milchhügel bei der Ratte. Der Zerfall der Milchleiste in Milchhügel geht bei der Ratte in der Weise vor sich, dass zuerst der am weitesten kranial- wärts gelegene Milchhügel selbständig wird. Es findet sich dann nur noch das hohe Epithel des Milchstreifens zwischen diesem Milchhügel und dem übrig gebliebenen Teil des pektoralen Milchleistenstückes. Letzteres zeigt zu dieser Zeit entweder noch gleichmässige Konturen oder schon eine mehr oder weniger starke Einschnürung in seiner mittleren Partie. Bei weiterer Ausbildung dieser Einschnürung tritt eine Sonderung in zwei Milchhügel ein. Diese haben zuerst eine ausgesprochen spindel- förmige Gestalt, während der erste Milchhügel von vornherein mehr rundlich ist. So entstehen also aus dem pektoralen Milch- leistenstücke der Ratte der 1.—3. Milchhügel. Dagegen ist das Zwischenstück zu dieser Zeit (Ende des 14. Tages) bereits ver- schwunden, ohne Material zu einem bleibenden Gebilde geliefert zu haben. Das kraniale Ende des abdominalen Stückes bildet sich zum vierten Milchhügel aus. Der vorderste gliedert sich also zuerst ab, etwas später erfolgt die Bildung des 2.—4. Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 51 Milchhügels, welch letztere ungefähr zu gleicher Zeit auftreten (Fig. 12). beim Schwein. Die Sonderung der seitlichen Milchleiste in Milchhügel in ähnlicher Art wie bei der Ratte ist bereits bei einer Anzahl von Tieren beobachtet. Die hier in Frage kommenden Embryonen des Schweines, dieSchultze untersuchte, hatten eine Scheitelsteisslänge von ungefähr 1,5—1,9 cm (l. ce. Fig. 2 und 3). Es traten bei diesen in der Milchleiste in etwas variierenden Ent- fernungen spindelförmige Anschwellungen auf, die gegenüber den zwischengelegenen Strecken bedeutend über das Niveau der Epidermis hervorragten. Darauf schwinden die zwischen den Milchhügeln gelegenen Strecken der Milchleiste und zugleich runden sich die zuerst gestreckt spindelförmigen Milchhügel ab. Keibel fand beim Schwein die beschriebenen Anschwellungen im kranialen Teil der Milchleiste bei Embryonen von 16,4 mm gr. L. (Normentafel Fig. 25), auch in ihrem kaudalen Ende bei Embryonen von 17,6 mm gr. L. (N. T. Fig. 26). Die Milch- hügel waren nur noch durch dünne Brücken verbunden bei einem Embryo von 19,4 mm gr. L. (N. T. Fig. 27). Vollkommen gesonderte Mammaranlagen zeigt ein Embryo von 20 mm gr. L. (N. T. Fig. 28). Zur Schätzung des Alters dieser Embryonen, das in den Normentafeln nicht mehr vermerkt wird, sei erwähnt, dass Schweinsembryonen von 14 mm gr. L. nach Keibels An- gabe 22 Tage alt waren. beim Kaninchen. Weiter untersuchte ©. Schultze Em- bryonen des Kaninchens von 13—14 Tagen, solche der Katze von lcm Länge und des Fuchses von 1—1,2 cm Länge. Bei allen diesen entstehen nach den bisherigen Beobachtungen Schultzes (l. e. Fig. 4—6) die Milchhügel in ähnlicher zeitlicher Reihenfolge wie die vier kranialen der Ratte, sodass die Bildung des ersten Milchhügels in ziemlich ausgesprochener Weise den folgenden vorauseilt. Ob diese Erscheinung thatsächlich in der Mehrzahl der Fälle auftritt, ist natürlich nur an einem grösseren Material 4* 2 B. HENNEBERG, Or festzustellen. Für das Schwein scheint sie, wie gezeigt wurde, nicht zu gelten. beim Menschen. Beim Menschen würde von einem Zerfall der Milchleiste nur die Rede sein können in den Fällen, in welchen sich eine embryonale Hyperthelie ausbildet. Nun hat zwar H. Schmidt bei menschlichen Embryonen eine ganze Reihe von Gebilden gefunden, die er für überzählige Milchdrüsenanlagen hält, von denen aber nicht nachgewiesen wurde, dass sie aus der Milchleiste hervorgegangen seien, sodass seine Beobachtungen hier nicht verwendet werden können. Die Ausbildung eines Milch- hügels aus der Milchleiste entsprechend der späteren einen Brustdrüse des Menschen wurde als solche noch nicht be- schrieben, doch scheint es, als ob auf der rechten Seite des von Kallius geschilderten Embryo von 15 mm Kopfsteisslänge gerade die Bildung des Milchhügels stattfände. Dass die Ausbildung der Milchleiste resp. der Milchhügel auf den beiden Seiten desselben Embryo verschieden weit fort- seschritten sein kann, wurde bei sämtlichen Formen wiederholt beobachtet. Bau des Milchhügels der Ratte. Der ausgebildete Milch- hügel des l4tägigen Rattenembryo ragt in Gestalt eines breiten, niedrigen Kegels mit abgerundeter Spitze nur wenig über die Umgebung hervor. Die konvex vorgewölbte Basis senkt sich in das Mesenchym ein, welche Erscheinung sich immer mehr aus- prägt. In der Achse liegen 5—6 Zellen übereinander. Die obere Schicht wird von flachen, die mittlere von regellos liegenden, rundlichen und die untere von hohen, eylindrischen Zellen ge- bildet. Infolge der Einsenkung in das Mesenchym konvergieren letztere, die zuerst eine, bald zwei Reihen bilden, mit ihren der Oberfläche zugewendeten Enden, während sie in der Milchleiste parallel zu einander standen. (Milchhügel = Reins hügel- und linsenförmiger An- lage). Betreffs der Nomenklatur sei hier bemerkt, dass die von Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 53 Rein unterschiedenen beiden Stadien, das der hügelförmigen Anlage mit planer Basis und der darauf folgenden linsenförmigen mit konvex in das Mesenchym vorgewölbter sich bei der Ratte nicht auseinander halten lassen, da die Anlage, wie gezeigt wurde, sobald sie sich von der Milchleiste abgliedert, schon die genannte Konvexität aufweist. Auch haben die Autoren, die sich nach Rein mit diesem Gegenstand beschäftigten, meist beide Stadien unter der Bezeichnung primitive Zitzen oder Milchhügel zusammengefasst. Schmidt folgt der Benennungs- weise Reins und hat auch unter seinen überzähligen Milch- drüsenanlagen beim Menschen hügelförmige Stadien im Sinne Reins gefunden und abgebildet. Bisher beobachtete Milchhügel anderer Tiere. Ausser bei den vorher erwähnten Formen, deren Milchhügel während ibrer Entstehung aus der Milchleiste beobachtet wurden, sind noch von einigen anderen die ausgebildeten Milchhügel be- kannt. Rein fand seine hügelförmige Anlage, die für ihn den ersten Entwickelungszustand der Milchdrüse vorstellte, bei Kaninchenembryonen von 15—16 mm Steissscheitellänge, denen er das zu niedrige Alter (OÖ. Schultze) von 11—12 Tagen zuschrieb, bei zwei Schafembryonen von 22 und 32 mm, deren Alter er auf fünf Wochen schätzt, und bei Schweinsembryonen von 21 und 23 mm Steissscheitellänge. Die daraus hervorgehende linsenförmige Anlage beschreibt Rein von Kaninchenembryonen von 17—19 mm, einem Ziegenembryo von 23 mm und einem Schweinsembryo von 26 mm Steissscheitellänge. Klaatsch (l.c. Seite 289) erwähnt den Milchhügel der I cm langen Ratte, Profe den des1,5 cm langen Schweinsembryo und den des 2,5 cm langen Rinderembryo. Dagegen darf die von Huss ge- schilderte Milchdrüsenanlage bei einem 4 cm langen menschlichen Embryo nicht als Milchhügel aufgefasst werden, wozu Rein neigt (l. ec. S. 458), denn hier war bereits eine centrale Einsen- kung vorhanden, die allerdings auf dem abgebildeten Schnitt, 54 B. HENNEBERG, wie der Autor (Huss S. 202) selbst hervorhebt, nicht getroffen wurde. Thatsächlich ist auch dieser Embryo zu alt, als dass bei ihm noch ein Milchhügel vorhanden sein könnte, da jüngere Em- bryonen z. B. Strahls und Hirschlands (l.c. 5.18) Embryo von 26 mm und der Schmidts (l.c. $S.178) von 15 mm Hinter- hauptsteisslänge schon zapfenförmige Anlagen besitzen, und sich bei Embryonen, die mehr als 29 mm Kopfsteisslänge haben, schon sekundäre Sprossungen finden. Bau der Milchhügel bei verschiedenen Tieren. Alle genannten Tierspecies weisen in ihren Milchhügeln durchaus gleichartig gebaute Gebilde auf. Auch die äussere Gestalt variiert nur wenig. Der Milchhügel des Schweines scheint sich etwas mehr der halbkugeligen Form zu nähern, während der des Kaninchens gerade wie bei der Ratte mehr einem Kegel ähnelt. Verschwinden der Milchleistenreste. Bei der Bildung der zuerst spindelförmigen Milchhügel und bei der Abrundung derselben verschwinden die zwischen ihnen gelegenen Strecken der Milchleiste. Da keine Erscheinungen, die auf einen Untergang der Michleistenzellen hindeuteten, beobachtet werden konnten, so muss angenommen werden, dass die überflüssig gewordenen Zellansammlungen sich abflachen, indem die Zellen auseinander- rücken und sich so von der Umgebung nicht mehr unter- scheiden. Schultze (l. c. S. 4) hat beim Schwein auf diesen Schwund der Epithelbrücken, die zuerst die Milchhügel noch untereinander verbinden, hingewiesen und erwähnt, dass dieser nicht überall gleichzeitig aufträte, sondern dass zwischen den Milchhügeln hier noch Verbindungen bestehen, während dort schon vollkommene Trennung eingetreten ist. Dieselbe Er- scheinung gilt auch für die Ratte. Verhalten des Milcehstreifens während des Bestehens der Milchleiste beim Menschen. Über das Verhalten des Milchstreifens bei der Ratte zu der Zeit, da die Milchleiste Die erste Entwiekelung der Mammarorgane bei der Ratte. 34) auftritt und während der Dauer derselben wurde bereits zu- sammenfassend berichtet. (Diese Abhandlung Seite 41.) An sonstigen Tieren zu dieser Zeit gemachte Beobachtungen exi- stieren nicht. Schilderungen des Milchstreifens beim Menschen von einem Stadium, bei dem sich eine Milchleiste findet, geben Kallius, Strahl und Hirschland. Kallius (l. ec. $. 160) beobachtete bei dem 15 mm langen Embryo, dass sich von dem kaudalen Ende der Milchleiste bis in die Unterbauchgegend ein diffus verdicktes Epithel an der Leibes- wand hinzog. Nach Hirschland (l. c. S. 10) erstreckt sich bei einem Embryo von 14 mm eine Zone hohen Epithels von der Abgangsstelle der oberen Extremität auf diese selbst und an der Seitenwand des Embryonalkörpers, wobei sie seitlich von der Milchleiste rasch an Stärke abnimmt, kaudalwärts bis auf die Dorsalseite der unteren Extremität. Es stellt nach ge- nanntem Autor der Milchstreifen in diesem Stadium einen Überrest der breiten Fpidermisplatte vor, die sich bei jungen Embryonen von 8 und 4 mm findet. Danach hat hier schon eine Rückbildung stattgefunden, wie dies auch bei der Ratte zuweilen der Fall ist. Verhalten des Milchstreifens nach Ausbildung der Milchhügel bei der Ratte. Bei der letzteren machen sich nach Ausbildung der Milchhügel an dem noch vorhandenen ursprüng- lich ventralen Teil des Milchstreifens weitere regressive Er- scheinungen bemerkbar. Diese dokumentieren sich darin, dass der Milchstreifen nicht mehr entsprechend der Grösse des Tieres an Breite zugenommen hat und seine Zellen nicht mehr so voll- saftig sind, daher es genauen Hinsehens bedarf, um ihn zu er- kennen. In Bezug auf die Längsausdehnung gelingt es noch nicht, Unterchiede gegen die jüngeren Stadien aufzufinden. In der Inguinalbeuge zeigt er dagegen noch keine Anzeichen von Rückbildung, sondern ist hier nicht unbeträchtlich höher als an der seitlichen Körperwand. Beobachtungen über den Zustand 56 B. HENNEBERG, des Milchstreifens beim Menschen während des Bestehens des hügelförmigen Stadiums existieren nicht. Verhalten des Milchstreifens während des zapfen- förmigen Stadiums bei der Ratte. Zu der Zeit, da bei der (1dtägigen) Ratte die seitlichen Anlagen zapfenförmig geworden sind, ist der Milchstreifen auf der Extremitätenleiste verschwunden, und zwar, da ein Zugrundegehen der cylindrischen Zellen nicht beobachtet werden konnte, wahrscheinlich indem diese an Grösse abnehmen und dadurch den kleinen kubischen Zelien, wie sie zu dieser Zeit überall das Stratum mucosum der Epidermis bilden, gleich werden. beim Menschen. Beim Menschen dagegen ist nach den An- gaben Schmidts (l. c. 8.179) zur Zeit der zapfenförmigen Anlage bei einem Embryo von 15 mm der Milchstreifen noch in grosser Ausdehnung vorhanden. Es fand sich bei demselben ein „erhöhtes Oberflächenepithel von einer 2—8fachen Lage von Zellen an der Grenze zwischen Rücken und Schulter und ebenso in der Achselhöhle, während sowohl dorsal- wie ventralwärts eine ein- fache Zellenlage die Epidermis bildet. Diese Zone erhöhten Epithels läuft um den ganzen Schultergürtel herum, rückt dann weiter abwärts zugleich mehr ventral, läuft gewissermassen über die normale Brustdrüsenanlage hinweg, welche sie beiderseits um ein Gewisses überflügelt, hält sich kaudalwärts zur Seite des Thorax und des Bauches, trifft unten genau die Stelle, wo die untere Extremität entspringt und umkreist den Beckengürtel in gleicher Weise wie oben den Schultergürtel.“ Nach Hirsch- land (l. ec. 8. 20), der das Verhalten des Milchstreifens bis zu einem Embryo von 26 mm untersuchte, ist bis zu dieser Zeit schon eine Rückbildung jenes Gebildes eingetreten. Die ur- sprünglich breite Ektodermverdickung hat sich mehr und mehr verschmälert und zwar zunächst relativ dann absolut. Je deut- licher die Milchleiste hinter der oberen Extremität hervortrat, um so mehr erschienen die neben dieser belegenen Teile des ‚Anat Hefte I Abtheilung #1.Heft(l3.BdE1. Fig.Hi. Lith.Anstmt.Krst, Leipzig. Tafel C/D. ANIRETEETIRERTersTerePRETKÄCN.N 1 Auer. „Bergmann, Wiesb nl /erlasgv:J. V Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte, 57 Milchstreifens verschmälert bis schliesslich in der Zeit, in welcher nur die Milchpunkte vorhanden sind, neben dieser zeitweilig eine überall gleichmässig niedrige Ektodermlage vorhanden war. Strahl (l. ec. S. 237) giebt in Betreff der Rückbildung an, dass sie auf der Mitte des Milchstreifens beginne, indem sich die hohen Zellen abplatten, wodurch es zur Zerlegung des Milch- streifens in Teile komme, ähnlich wie bei Tieren die Milchleiste sich in Stücke auflöst. Die Angabe, dass der Milchstreifen durch Abplattung seiner Zellen schwinde, hat auch, wie gezeigt wurde, für die Ratte Gültigkeit. Bedeutung des Milchstreifens. Die eingehende Schilde- rung des Milchstreifens und seines Schicksals hat dargethan, dass es sich bei ihm thatsächlich um ein Gebilde handelt, das durch seinen Bau, die Zeit seines Auftretens, eine konstante Lage und eine zu gewissen Zeiten deutliche Begrenzung wenigstens in der Breite mit demseiben Recht als ein Stadium der Milch- drüsenanlage aufgefasst werden muss, wie die Milchleiste. Übereinstimmend mit den Angaben O. Schultzes, Strahls und Hirschlands hat sich auch bei der Ratte ergeben, dass der Milchstreifen die erste Anlage der Milchdrüsen vorstellt und als ein Vorstadium der Milchleiste zu betrachten ist. Schmidts Ansicht, dass zuerst die Milchleiste und dann der Milchstreifen aufträte, ist also, wie auch Strahl dies betont, un- haltbar. Für einen phylogenetischen Wert dieser frühen Stadien hat auch die vorliegende Untersuchung keine Anhaltspunkte er- geben, wie dies auch nicht erwartet werden konnte. Bestätigt sich die Vermutung Profes (l. c. S. 280), dass es sich bei der Milchleiste vielleicht nur um ein Gebilde handle, das man anderen ähnlichen Leistenbildungen beim Embryo, wie solche als Primitivanlagen für nachträglich ebenfalls in Reihen sich abgliedernde epitheliale Organe beobachtet werden, z. B. der Spinalganglienleiste und der Schmelzleiste der Zähne gleich zu- 58 B. HENNEBERG, setzen habe, so verlieren jene Stadien trotzdem nicht ihre Be- deutung für das Verständnis der Mammarorgane. So liegt es nahe, die Verbreitung des Milchstreifens dorsalwärts von den Extremitäten, wie sie beim Menschen und der Ratte beobachtet wurde, mit den an genannten Orten zuweilen auftretenden Milch- drüsen in Zusammenhang zu bringen. Ebenso ist, wie noch gezeigt werden soll, das Vorhandensein des Milchstreifens und eines schwächeren Abschnittes der Milchleiste zwischen den pektoralen und der abdominalen Milchdrüsenanlage bei der Ratte bedeutungsvoll. Die inguinalen Milchdrüsenanlagen der Ratte. Zeit des Auftretens. Bis hierher konnte der Überblick über die Ent- wickelung des Milchstreifens, der Milchleiste und der aus dieser hervorgehenden Milchhügel gegeben werden, ohne dass über die beiden am weitesten kaudalwärts gelegenen Milchdrüsenanlagen etwas zu sagen gewesen wäre. Erst am 15. Tage also zu einer Zeit, da die Milchhügel an der seitlichen Leibeswand bereits ausge- gebildet sind, gelingt es bei der Ratte die beiden inguinalen Anlagen nachzuweisen, wobei es nicht möglich war, vorher an ihrer Stelle eine Milchleiste aufzufinden. Da dieselben durch ihren Bau beweisen, dass sie noch auf einer ganz frühen Ent- wickelungsstufe stehen, so muss man annehmen, dass sie sich thatsächlich später anlegen als die anderen Milchdrüsen. Hier- für dürfte auch noch der Umstand sprechen, dass in der Gegend, wo dieselben entstehen, ein hohes, dem Milchstreifen entsprechen- des Epithel später auftritt als auf der Extremitätenleiste und zu einer Zeit, wo es am letztgenannten Orte schon Zeichen von Rückbildung zeigt, hier noch auf der Höhe seiner Entwickelung steht und demgemäss auch später verschwindet. Gestalt und Lage. Die beiden inguinalen Anlagen stellen im grossen und ganzen ovale bis längliche Epithelverdickungen vor. Sehr auffallend ist ihre Lage, indem sich die erste im kranialen resp. lateralen Teil der Inguinalbeuge, die zweite weiter Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 59 kaudal resp. medial auf der Extremität dicht am Ansatze der- selben findet (Figg. 13 und 14). Diese Thatsache erinnert an die auf der Innenseite des Schenkels vorkommenden Milch- drüsen, wie sie als Seltenheit beim Menschen beschrieben werden. In Bezug auf ihren Bau machen diese beiden Anlagen dieselben Stadien durch wie die übrigen, indem die Epithelverdiekung allmählich den Bau eines Milchhügels annimmt. Hierbei ist die zweite der ersten einige Zeit voraus. Inguinale Milchleiste der Ratte. Beide Anlagen sind in der ersten Zeit durch eine in der Inguinalfalte verlaufende strangartige Verdickung des Epithels, die aber nicht über die Oberfläche hervorragt, mit einander verbunden. Ein Zusammen- hang derselben mit der seitlichen Milchleiste konnte nicht nach- gewiesen werden. Es liegt nahe, hier an ein der Milchleiste analoges Gebilde zu denken, dessen Gestalt vielleicht durch die Lage in der Inguinalbeuge bedingt wird. Abweichend von dem Verhalten der seitlichen Milchleiste träte diese inguinale nicht früher sondern gleichzeitig mit den Milchhügeln auf. Die Milchdrüsenanlagen beim Rind und Pferd. Die eben geschilderten Erscheinungen lassen sich mit den Beobach- tungen Profes beim Rinde und Pferd vergleichen. Genannter Autor fand (l. c. S. 261) bei einem Rinderembryo von 2,5 cm Scheitelsteisslänge unterhalb des Nabels jederseits von der Mittel- linie vier Milchdrüsenanlagen im Übergangsstadium vom Milch- hügel zur Mammartasche (l. c. Fig. 11). „Die beiden Milch- hügel jeder Seite sind durch eine leistenartige epitheliale Ver- diekung (l. c. Fig. 12) verbunden, welche sich kaudal über den hintersten Milchhügel noch fortsetzt, um dann allmählich zu verschwinden. Die Verdickung ist in allen, zwischen die Milch- hügel und in einigen, hinter das kaudale Milchhügelpaar fallen- den Schnitten gleichmässig deutlich; sie entspricht somit un- zweifelhaft einem Milchleistenrudiment“. Profe sagt nicht, ob letzteres über das Niveau der Umgebung hervorragt oder nicht. 60 B. HENNEBERG, Nach der Figur zu urteilen, ist das letztere der Fall, was, wie gezeigt wurde, auch von der Ratte gilt. Ein 2,2 cm langer Pferdeembryo (Profe 8. 267 u. Fig. 21) zeigte eine seitlich von der Nabelgegend rechts und links bis in die Inguinalregion ver- folgbare streifenförmige, deutlich mehrschichtige Epithelver- diekung, die indessen nicht ganz so weit nach vorn reichte wie die oben erwähnte doppelte Epithelschicht des 1,5 em langen Embryo. Profe spricht sich über die Bedeutung dieses Ge- bildes nicht näher aus, doch darf man wohl dasselbe mit dem bei der Ratte beschriebenen gleichsetzen. Weiterentwickelung der inguinalen Milchhügel der Ratte. Ungefähr 24 Stunden nach ihrem ersten Auftreten sind die inguinalen Milchhügel auf den Hinterbauch gerückt und zeigen nun bei weiterer Ventralwanderung dieselbe Entwickelung wie die anderen Anlagen. Benennung der Milchdrüsen der Ratte. Bei der Ratte entstehen also die beiden inguinalen Milchdrüsenanlagen später und in anderer Weise als die übrigen und zugleich getrennt von diesen. Diese Umstände und der Ort der Entstehung waren die Veranlassung, diese beiden am weitesten kaudalwärts gelegenen Milchdrüsenanlagen den übrigen vier aus der seitlichen Milch- leiste hervorgehenden gegenüber zu stellen und nicht die drei letzten zusammenfassend als abdominale zu bezeichnen. Dass die drei ersten als pektorale und die vierte als abdominale Milchdrüsen unterschieden wurden, geschah in Rücksicht auf ihre definitive Lage und entspricht dem allgemeinen Gebrauche. Wulst zwischen der abdominalen und I. inguinalen Anlage bei der Ratte. Der in seiner Bedeutung unklare, vorübergehend auftretende, durch das Bindegewebe bedingte Wulst zwischen der abdominalen und ersten inguinalen Anlage (Fig. 15) kann nicht als Milchleistenrudiment aufgefasst werden, denn erstens wird er nicht von der Epidermis gebildet, sodann tritt er erst auf, nachdem die einzelnen Anlagen schon vor- Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 61 handen und die abdominale sogar schon zapfenförmig geworden ist und bereits eine Ortsveränderung vorgenommen hat: alles Momente, die sich mit dem Begriff einer Milchleiste nicht ver- einigen lassen. Ventralwanderung der Milchdrüsenanlagen. Für die Ventralwanderung sämtlicher Milchdrüsenanlagen bei der Ratte bestehen bereits Analogien in den Beobachtungen Reins am Kaninchen und O. Schultzes am Schwein. Bei der Ratte könnte man vielleicht den Umstand, dass die ersten Anzeichen eines Milchstreifens in einer Gegend entstehen, die seinem dorsalen Rande entspricht, und dass dann die Milchleiste sich in der Mitte (in querer Richtung gemeint) des Milchstreifens anlegt und der dorsale Teil des letzteren sehr bald wieder ver- schwindet, ebenfalls in diesem Sinne deuten. Ein Unterbleiben jener Wanderung würde zu einer, dem Rücken genäherten Lage der Zitzen führen, wie sie von anderen rattenähnlichen Nagern, von Myopotamus und Capromys, beschrieben wird. Ähn- liche Verschiebungen wie bei den drei letzten Anlagen der Ratte und wie die kranialwärts gerichtete der ersten pektoralen werden sich wahrscheinlich bei weiteren Untersuchungen ebenfalls noch finden. (Fig. 16.) Mesenchymzellenansammlung — Areolargewebe. Die wiederholt erwähnte Gruppe von Mesenchymzellen unter Milch- streifen und -leiste lässt sich weiterhin in das Areolargewebe der isolierten Milchdrüsenanlagen verfolgen, sodass nach dieser Untersuchung jene frühzeitig auftretende Zellansammlung die erste Stufe des Areolargewebes darstellen würde. Schluss. Die vergleichende Untersuchung zeigt somit, dass die Entwickelung der Milchdrüsen bei der Ratte in ihren Haupt- zügen durchaus mit der anderer Tierformen übereinstimmt, doch bleiben eine Anzahl Erscheinungen bei der Ratte bestehen, deren Bedeutung durch weitere Untersuchungen in erster Linie an verwandten Formen klarzustellen ist. 62 B. HENNEBERG, Schwankungen in der Zahl der Milchdrüsen bei der Ratte. Bei 28 Embryonen im Alter von 14 Tagen 20 Stunden bis 15 Tagen mit ausgebildeten Milchhügeln wurde 5mal je ein überzähliger Milchhügel gefunden. Derselbe zeigte sich in allen Fällen in der pektoralen Gruppe. Da der erste (vorderste) Milch- hügel stets seine normale Stelle inne hatte, so war der über- zählige Milchhügel unter den drei anderen zu suchen. Und da, wie dies auch bei anderen Tierformen und beim Menschen be- obachtet ist, die accessorischen Bildungen von geringerer Grösse als die normalen waren, so war es möglich, die ersteren fest- zustellen. Danach hatte der accessorische 4mal zwischen dem zweiten und dritten normalen Milchhügel seinen Sitz, einmal kaudalwärts vom dritten. Verglichen mit diesem Resultat ist das Vorkommen von Hypermastie bei den erwachsenen Tieren viel seltener. Hier wurde unter ca. 150 Weibchen nur ein Fall beobachtet. Es be- traf derselbe ein Tier, das auf jeder Seite vier pektorale Milch- drüsen hatte, die nach dem Gebrauch, den die Jungen von ihnen machten, gleichgut wie die normalen funktionierten. Die erste pektorale Zitze hatte ihren gewöhnlichen Sitz inne, welches aber die accessorischen seien, liess sich nicht sicher erkennen, doch schienen es, nach der Anordnung zu urteilen, die letzten zu sein. Dass die Hyperthelie bei Embryonen häufiger sei als bei den ausgewachsenen Tieren, ist bereits eine sichergestellte That- sache. In neuester Zeit hat Bonnet diese Erscheinung unter- suchen lassen und ist zu dem Schluss gekommen, dass beim Rinde die Mammarreihe in kaudo-kranialer Richtung, beim Schwein und Schaf (und Reh) in entgegengesetzter Richtung einer Rückbildung unterliege. Danach ist es nicht unwahrschein- Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 6: lich, dass es sich bei der Ratte ebenfalls um eine Rückbildung an der pektoralen Gruppe und zwar in kaudo-kranialer Richtung handle. Vielleicht ist auch das Verhalten des Milchstreifens und der Milchleiste der Ratte in dieser Beziehung von Bedeu- tung. Die kontinuierliche Ausbreitung des Milchstreifens und in manchen Fällen auch der Milchleiste würde darauf hinweisen, dass ursprünglich bei der Stammform der Ratte eine kontinuier- liche Reihe von Milchdrüsen vorhanden gewesen ist, gerade wie sie sich heute noch bei anderen Nagern findet. Die öfters be- obachtete schwächere Ausbildung oder das Fehlen der Milch- leiste an der Stelle, wo sich später der grosse Zwischenraum zwischen dritter und vierter Milchdrüse findet, würde dann schon als Reduktionserscheinung zu deuten sein. Endlich sei noch erwähnt, dass bei den ca. 150 erwachsenen Ratten einmal Hypomastie gefunden wurde. Es fanden sich bei einem Tier jederseits nur zwei Milchdrüsen am Hinterbauche. Nach dem Standort derselben und dem grossen Zwischenraum, der sich jederseits zwischen den beiden Zitzen fand, zu urteilen, fehlte wahrscheinlich die erste inguinale Milchdrüse, von der wiederholt erwähnt wurde, dass sie in der ersten Zeit ihrer Ent- wickelung hinter der zweiten inguinalen zurück sei. Die hier angeführten Beobachtungen, die nur beiläufig ge- macht wurden, sind zu wenig zahlreich als dass man sichere Schlüsse daraus ziehen könnte, sie gewinnen nur Bedeutung durch den Vergleich mit den von Bonnet, Burcekhard und Profe an grösserem Material gemachten. Ergebnisse. 1. Die ersten Anzeichen eines Milchstreifens waren bei einem Iltägigen Embryo in Gestalt einiger grösserer kubischer Zellen an der Grenze der Parietal- und Stammzone nachweisbar. Vgl. Mio) 2, 9, 64 B. HENNEBERG, 2. Der Milchstreifen dehnt sich von genannter Gegend weiter ventralwärts aus (vgl. Fig. 4 u. 5), und ist bei 13tägigen Em- bryonen allmählich zweischichtig geworden. Vgl. Fig. 6—9. 3. Der zuerst deutlich, später nur in bestimmten Gegenden abgrenzbare Milchstreifen findet sich auf der ganzen Extremi- tätenleiste, in der Schultergegend, der Achselhöhle, der Gegend dorsal von der hinteren Extremität und (später auftretend) in der Inguinalgegend. Vel. Fig. 7. 4. Im Bereiche des Milchstreifens tritt bei 13 1/2 tägigen Em- bryonen eine Milchleiste auf. Vgl. Fig. 10, 11. Von nun an ist nur noch ein ventral von der Milchleiste gelegener Teil des Milch- streifens deutlich ausgeprägt. Vgl. Fig. 11. 5. Die Milchleiste liegt in ihrer ganzen Ausdehnung auf der Extremitätenleiste, sie beginnt in der Achselhöhle und endet dor- salwärts von der hinteren Extremität. Eine Fortsetzung in die Inguinalbeuge war nicht zu konstatieren. Vgl. Fig. 10. 6. Eine dem späteren Zwischenraum zwischen der dritten und vierten Milchdrüse des ausgebildeten Tieres (vgl. Fig. 17) ent- sprechende Strecke der Milchleiste ist meist schwächer ausge- bildet. Vgl. Fig. 10. 7. Aus der Milchleiste gehen bei 14tägigen Embryonen jeder- seits die drei vorderen (pektoralen) und der erste der drei hinteren (der abdominale) Milchhügel hervor; der erste pektorale wird zuerst selbständig. Vgl. Fig. 12. 8. Die jederseits beiden hinteren (inguinalen) Milchdrüsen- anlagen treten später auf als die übrigen und unabhängig von jener seitlichen Milchleiste, 9. Eine ihnen voraufgehende, über das Niveau der Umge- bung hervorragende inguinale Milchleiste war nicht nachweisbar. 10. Die erste der beiden inguinalen Milchdrüsenanlagen ent- steht in der Inguinalbeuge, die zweite auf der Innenseite der Extremität nahe deren Ansatz. Vgl. Fig. 13 u. 14. Die erste Entwickelung der Mammarorgane bei der Ratte. 65 11. Beide inguinale Milchdrüsenanlagen sind kurze Zeit bei 14'/etägigen Embryonen durch eine strangartige Verdickung der Epidermis verbunden (Milchleiste?). 12. Die zweite inguinale Anlage ist der ersten in ihrer Ent- wickelung voraus. 13. Zu der Zeit, da bei 14!/» bis 15 tägigen Embryonen die vier vorderen Anlagen bereits zapfenförmig geworden sind, stehen die beiden inguinalen noch auf der Stufe des Milchhügels. Vgl. Fig. 15. 14. Vorübergehend ist bei lötägigen Embryonen die ab- dominale und die erste inguinale Anlage zuweilen durch einen durch das Bindegewebe bedingten Wulst verbunden, der makro- skopisch einen Milchleistenrest vortäuschen kann. Vgl. Fig. 15. 15. Sämtliche Milchdrüsenanlagen rücken allmählich ven- tralwärts und haben bei 15'/stägigen Embryonen im grossen lei und ganzen die definitive Lage erhalten. Vgl. Fig. 16 u. 17. 16. Der Milchstreifen ist bei I5tägigen Embryonen (wahr- scheinlich durch Abflachung seiner Zellen) verschwunden. 17. Bei 16tägigen Embryonen stehen sämtliche Anlagen auf dem kolbenförmigen Stadium (Rein). Anatomische Hefte. T. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd., H. 1.) ) Erklärung der Figuren. (Siehe auch Ergebnisse!) E = Extremitätenleiste. U = Urwirbelleiste..e. M = Medullarleiste. d.G. — dorsale Grenzrinne der Kxtremitätenleiste. Fig. 1. Seitenansicht des Embryo II (11 Tage; 2 mm gr. Lg.). 15 mal vergr., gez. Zeichner Noack. Fig. 2. Übersichtsbild. Querschnitt dufch Embryo II in der auf Fig. 1 angedeuteten Gegend. 100mal vergr., gez. Noack. Fig. 3. Anlage des Milchstreifens bei Embryo II vgl. Fig. 1u.2. 90 mal vergr., gez. Noack. Fig. 4. Seitenansicht des Embryo III (12 Tage; 3,7 mm gr. Le.). 15 mal vergr., gez. Noack. Fig. 5. Querschnitt durch die Anlage des Milchstreifens bei Embryo Ill in der auf Fig. 4 angedeuteten Gegend; vergleiche zur Orientierung das Über- sichtsbild Fig. 2. 190mal vergr., gez. Noack. Fig. 6. Seitenansicht des Embryo V. (15 Tage 1 Stunde; 5'/ mm gr. Lg.). 15 mal vergr., gez. Henneberg. Fig. 7. Seitenansicht des Embryo V. Der Milchstreifen ist durch dunklere, das benachbarte, hohe Epithel, in welches er ohne scharfe Grenze übergeht, durch hellere Schraffierung angedeutet. Obere Extremität durchsichtig gedacht- 11lmal vergr., gez. Henneberzg. Fig. 8. Übersichtsbild. Querschnitt durch den Embryo V in der auf Fig. 6 angedeuteten Gegend. 30mal vergr., gez. Noack. Fig. 9. Querschnitt durch den ausgebildeten Milchstreifen bei Embryo V in der auf Fig. 6 angedeuteten Gegend. vergl. Fig. 6, 7, 8. 185mal vergr., gez. Henneberg. Fig. 10. Seitenansicht des Embryo VII (13 Tage 14 Stunden; 7,5 mm gr. Lg.) mit ausgebildeter Milchleiste. ca. 10mal vergr., gez. Noack. Fig. 11. Querschnitt durch die ausgebildete Milchleiste bei Embryo VII in der auf Fig. 10 angedeuteten Gegend; vergl. zur Orientierung das Übersichts. bild Fig. 8. 185 mal vergr., gez. Henneberg. Fig. 12. Seitenansicht des Embryo IX (14 Tage; S mm gr. Lg.) mit jeder- seits 4 spindelförmigen Milehhügeln und frühstem Stadium der jederseits zwei ingninalen Milchdrüsenanlagen. 11 mal vergr., gez. Noack. Erklärung der Figuren. 67 Fig. 13. Übersichtsbild. Frontalschnitt durch die Anlage der 1. ingui- nalen Milchdrüse bei einem künstlich gestreckten Embryo von gleicher Ent- wickelung wie Embryo IX. 15mal vergr.. gez. Henneberg. Fig. 14. Wie Fig. 13 durch die Anlage der 2. inguinalen Milchdrüse. 15 mal vergr. gez. Henneberg. Fig. 15. Seitenansicht des künstlich gestreckten Embryo XII. (15 Tage; 8,8mm. gr. Lg. des gekrümmten Embryo) mit jederseits vier aus der Milchleiste hervorgegangenen Milchpunkten und jederseits zwei in der Inguinalbeuge liegen- den Milehhügeln. Zwischen dem abdominalen Milchpunkt und dem 1. ingui- nalen Milchhügel eine scheinbare Milchleiste. 9mal vergr., gez. Noack. Fig. 16. Bauchansicht des künstlich gestreckten Embryo XIV (15 Tage 20 Stunden; ll mm. gr. Lg. des gestreckten Embryo ohne Schwanz) mit jeder- seits 6 Milchpunkten. 9mal vergr., gez. Noack. Fig. 17. Bauchansicht einer säugenden Ratte (17 cm Schnauze-Schwanz- wurzel). Verkleinerung 11:17, gez. Noack. (Die Köpfe der Embryonen Figg. 10, 12, 15, 16 sind bei der Reproduktion etwas schematisiert.) Rx B Litteratur. Es werden nur die Arbeiten angeführt, die über frühe Stadien der Milchdrüsenentwickelung handeln, da sie in vorstehender Untersuchung allein berücksichtigt wurden. Ein vollständiges Litteraturverzeichnis findet sich bei Bonnet. l. Bonnet, R., Die Mammarorgane im Lichte der Ontogenie und Phylogenie. Ergebnisse der Anat. und Entwickelungsgesch. VII. Bd. 1897. 2. Burckhardt, G., Über embryonale Hypermastie und Hyperthelie. Anat. Hefte. Bd. VIII, H. 24, S. 525 Taf. XLIX/L. 1897. 3. Hirschland, L., Beiträge zur ersten Entwickelung der Mammarorgane beim Menschen. Anat. Hefte. Bd. XI, S. 221, Taf. XIX, XX. 1898. 4. Kallius, E., Ein Fall von Milchleiste bei einem menschlichen Embryo. Anat. Hefte. Bd. VIII, Heft 24, S. 153, Taf. XIX/XX. 1897. 5. Keibel, F., Normentafel zur Entwickelungsgesch. des Schweines. Jena 1897. 6. Profe, O., Beiträge zur Ontogenie und Phylogenie der Mammarorgane Anat. Hefte. Bd. XI. Heft II S. 247, Taf. XXI—XXVI. 1898. 7. Rein, G., Untersuchungen über die embryonale Entwickelungsgesch. der Milchdrüse. Archiv. f. mikroskop. Anat Bd. XX, 1882, 8. 431. 8. Schmidt, H., Über normale Hyperthelie menschlicher Embryonen und über die erste Anlage der menschlichen Milchdrüsen überhaupt. Morphol. Arbeiten herausgeg. von G. Schwalbe. Bd XII. Heft 1, 2. Taf. 9. Schultze, O., Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Milchdrüsen. Verhandl. d. Physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würzburg. N. F. BERUFEN 651893: 10. Strahl, H., Die erste Entwickelung der Mammarorgane beim Menschen. Verhandl. d. anat. Gesellsch. a. d. XII. Versamml. zu Kiel. S. 236-238. 1898. Ende Februar 1899 der medizinischen Fakultät zu Giessen vorgelegt. (Aus DEM ANATOMISCHEN INSTITUTE Zu KÖNIesBEkG 1. PR.) UBER DAS TUBERCULUM LABII SUPERIORIS UND DIE Z2OTTENSBERMEIPPENSCHEEIMFIRUT DES NEUGEBORENEN. VON DR. ALEXANDER STIEDA, ASSISTENTEN AM INSTITUTE. Mit 5 Figuren auf Tafel III. BEE Ar E * ’ er % u | R er ob Er re Ian P Er a a ae Rn a ORTE NET { | Ei EN Kr j EEE KUNAR RE DR SE Vals ‚2 DEN j 1a, ih in al 70) a 2. j on Im Jahre 1895 erschien in der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaften eine Arbeit von O. Neustätter (15) „Über den Lippensaum beim Menschen, seinen Bau, seine Entwickelung und seine Bedeutung.‘ Der Verfasser giebt hierin eine gute Beschreibung der mikroskopischen Verhältnisse von Lippen neu- geborener Kinder, sowie Erwachsener. Zu wenig berücksichtigt wurden hierbei die Talgdrüsen, die in dem roten Lippensaum liegen. Ebenso fehlt eine nähere Untersuchung des Tuber- culum labii superioris und der Villositäten der Lippen von Neugeborenen. Was die Talgdrüsen betrifft, so mag es einer anderen Arbeit vorbehalten sein, diesen Gegenstand zu erledigen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, sowohl das Tuber- culum labii superioris in Bezug auf seine Entwickelung und seinen Bau, als auch die Villositäten an den Lippen von Neugeborenen einer genaueren Untersuchung zu unter- werfen. I. Bei der Durchsicht der einschlägigen Litteratur finden sich nur wenige Autoren, die das hier abzuhandelnde Gebiet über- haupt berücksichtigen. Was zunächst das Tuberculum an der Oberlippe des Neugeborenen angeht, so giebt nur Luschka (12) eine genaue | IV ALEXANDER STIEDA, Beschreibung. Er sagt: „Der rote Saum der Oberlippe besitzt ein deutlich abgegrenztes Mittelstück in Form eines 5 mm hohen und etwa ebenso breiten Knötchens, Tubereulum labii superioris, dessen der äusseren Lippenzone zugekehrtes Ende verjüngt und abgerundet ist und sich nahezu bis an die gewöhnliche Cutis der Lippe erstreckt, sodass dementsprechend die Pars glabra des roten Saumes auf ein Minimum reduziert wird. Das der Innenfläche der Lippe zugekehrte Ende, das Tuberculum, setzt sieh ohne bestimmte Grenze in diese fort. Auf jeder Seite ist das Knötchen durch eine seitliche Furche von der Nachbarschaft getrennt und erhebt sich in der Mittellinie in eine jedoch nur schwach ausgeprägte Firste, die sich gegen seine Enden hin all- mählich verflacht. Seiner Textur nach gehört dieses Knötchen der Pars villosa an, indem es dieselben weichen, zottenartigen, übrigens reichlich vaskularisierten Auswüchse besitzt. — Vom morphologischen Standpunkte aus nimmt dieses Tuberculum labii superioris deshalb ein nicht geringes Interesse in Anspruch, weil es sich als unzweideutiger Rest des embryonalen Stirn- lappens ausweist. Dasselbe repräsentiert an der Lippe das Os incisivum und giebt gleich diesem seine Trennungsspuren an der inneren Seite zu erkennen.“ Nächst dieser Beschreibung, der genauesten, die ich in der Litteratur über das Tuberculum labii superioris habe finden können, erwähne ich noch aus H. v. Luschkas (13) Anatomie (1867): „Das Philtrum, welches nach unten merklich breiter wird, endet mit einem Vorsprung, der beim kindlichen Munde relativ stärker zu sein pflegt. Er ist das Ende des fötalen, bei doppelter Hasenscharte in seiner Selbständigkeit persistierenden Stirn- lappens und wird an seiner Schleimhautfläche öfters von der übrigen Oberlippe gleichsam als Pars ineisiva, wie der Zwischen- kiefer von den Ossa maxillaria durch eine Sutur, so durch seit- liche Furchen mebr oder weniger abgegrenzt.“ Taf. IH, d . Anatomische Hefte 1. Abtheilung All Heft ( 13.Ba.H 1) "uapegsajm uuewäuag °F uor beisay Bra u es Le a u EEE Or "PRIMA Über das Tubereulum labii superioris etc. I: wu Hyrtl({7) erwähnt ebenfalls das Tubereulum labii superioris und beschreibt noch „eine Vertiefung in der Mitte des Randes der Unterlippe“, die „der kleinen Erhöhung am Lippenrande oben‘ entspricht. Krause (10) beobachtete bei Säuglingen am unteren Ende des Philtrtum „ein ca 5 mm grosses Knötchen (Tubereulum labii superioris), welches das untere Ende des embryonalen Stirnfortsatzes repräsentiert.‘ Abbildungen vom Tuberculum finden sich bei diesen Auto- ren nicht. Merkel (14) schreibt über das Tubereulum: ‚Die Symmetrie der Oberlippe wird durch die aus dem mittleren Nasenfortsatz entstehenden Mediangebilde unterbrochen, nämlich das Philtrum und dessen unteren Abschluss, das Tuberculum labii supe- rioris.“ ]Im weiteren eitiertt Merkel dann die Luschkasche Beschreibung und giebt auch eine Abbildung der äusseren Mundgegend des Neugeborenen, die das Tuberculum erkennen lässt. Es soll ferner angeführt werden, was Neustätter (15) in der eingangs bereits genannten Arbeit vom Tuberculum sagt. Er bildet dasselbe ab und giebt zu, dass er zwar auch die Formen dieses Knötchens so stark ausgeprägt gesehen habe wie Luschka (12, 13) sie beschreibt, aber in der Mehrzahl der Fälle sei es entweder nur als leichte, kaum gegen die äussere Zone vordringende Erhebung zu erkennen, oder es grenze sich die hintere Zone (Pars villosa) an dieser Stelle in gerader Fort- setzung der übrigen Bogenlinie gegen die vordere Zone (Pars glabra) ab, und die Erhebung dahinter könne ebenfalls fehlen. Aber dass die vordere Zone in dieser Region so sehr einge- schränkt wäre, wie es Luschka als Regel schildert, konnte er nicht beobachten. Rauber (18) beschreibt das Tubereulum ganz kurz, wie folgt: „In der Richtung ihres Philtrum schliesst die Oberlippe 74 ALEXANDER STIEDA, mit einem Wulste ab, Tuberculum labii superioris. Ihm liegt eine Furche der Unterlippe gegenüber.‘ Er giebt auch eine gerade nicht sehr anschauliche Abbildung von den Lippen Neu- geborener mit einem Tuberculum. Von den französischen Autoren hat nur Poirier (16) eine Beschreibung des Tuberculum: „Sur la superieure levre le bord libre presente un tubercule median, trace du bargeon frontal median qui forme avec les deux bourgeons incisifs lateraux la levre superieure, et de chaque cöte une surface l&gerement de- primee. Sur la levre inferieure, une depression mediane repond au tuberceule, et de chaque cöte une surface legerement convexe s’adapte & la depression de la levre superieure.“ Eine Zeichnung des Tubereulum wird nicht gegeben. Villositäten der Lippen und der angrenzenden Mund- schleimhautpartie finden sich — wie später gezeigt werden soll — nur bei Embryonen gewissen Alters und bei Neugeborenen. Es erwähnen deshalb Gegenbaur Ö), Quain (17), Cruveil- hier (2), Sappey (20), Remy (19), Toldt (22), Heitzmann (5) u. a., die nur die Lippen von Erwachsenen beschreiben, weder vorkommende Villositäten an den Lippen, noch überhaupt das Vorhandensein von zwei Zonen am Lippensaume des Neuge- borenen. Luschka (12) giebt 1863 als der erste in seinem Aufsatz „Die an den Mundlippen Neugeborener eintretenden Leichen- veränderungen‘ eine ausserordentlich eingehende Schilderung des Lippensaumes bei neugeborenen Kindern. Ich entnehme derselben folgendes: „Während in späteren Lebensperioden unter normalen Verhältnissen bei mässig geschlossenem Munde ein nur einfacher, gleichförmig beschaffener, roter Saum an den Lippen erkennbar ist, macht sich beim Neugeborenen an jeder Lippe gleichsam ein doppelter Saum bemerkbar. Betrachtet man den roten Saum beim Neugeborenen näher, so gewahrt | O1 Über das Tubereulum labii superioris etc. man zwei wesentlich verschiedene Zonen, von denen die eine als äussere („Pars glabra“), die andere als innere („Pars villosa“) bezeichnet wird. Die äussere Zone ist für das blosse Auge gleichförmig und glatt. Die Bindegewebsgrundlage ist in ganz kurze, dicht aneinander gepresste Papillen ausgewachsen und von einem Plättehenepithel überzogen. Die innere Zone ist im Verhältnis zur äusseren grösser; sie ist weicher und er- scheint unregelmässig gewulstet und bietet nicht selten schon bei Betrachtung mit blossem Auge ein fein zerklüftetes Aussehen- Diese Zone, die von der äusseren scharf abgesetzt ist, aber ohne deutliche Grenze in die eigentlich ihr ähnliche innere Lippen- fläche, als deren Umstülpung sie sich gewissermassen darstellt, übergeht, ist mit verhältnismässig langen, weichen, zottenähn- lichen Auswüchsen reichlich versehen. Diese sind sehr regellos angeordnet, indem sie bald weiter von einander abstehen, bald dichter unter Bildung leisten- oder warzenähnlicher Erhebungen zusammengedrängt sind.“ Bei Besprechung der auftretenden Leichenveränderungen sagt er: „Nicht allein die im Vergleich zu späteren Lebensperioden grössere Zartheit und Suceulenz des roten Lippensaumes überhaupt, begünstigt die Verdunstung der in ihm enthaltenen wässerigen Bestandteile, sondern es ist ganz besonders die schwammartig weiche, mit saftigen Villosi- täten bedeckte innere Zone, die von jener Veränderung betroffen wird.“ Eine Abbildung giebt Luschka nicht. E. Klein (8) liefert im Dezemberheft 1868 der Wiener Akademieberichte eine Beschreibung der Mundlippen bei Neu- geborenen. Er scheint die Arbeit von Luschka nicht ge- kannt zu haben, wenigstens citiert er dieselbe nicht. Klein schreibt: „Wenn ich die Leichen neugeborener Kinder schon 2 oder 3 Stunden nach dem Tode zur Untersuchung bekam, habe ich am lüingange in die Mundhöhle, dem Beginne des Schleimhautteiles entsprechend, 2 oder 3 Reihen nicht sehr dieht an einander stehender Papillen gefunden, die 0,84 bis 16 ALEXANDER STIEDA, I mm über das Niveau der Lippe hervorstehen und mit freiem Auge sichtbar sind.“ Eine gleiche Schilderung giebt Klein (9) auch in dem Kapitel Mundhöhle von Strickers (9) Handbuch der Anatomie. Klein ist der erste und einzige, der auch eine Zotte oder, wie er sich ausdrückt, „eine Papille vom Eingange in die Mundhöhle über die Oberfläche des Epithels hervorstehend‘“ abbildet. Zwei weitere Abbildungen, die senkrechte Schnitte durch die ganze Ober- resp. ‚Unterlippe darstellen, zeigen allerdings keine solche „Papillen.‘“ Diese Gebilde, die Klein als „Papillen‘ bezeichnet, sind aber nach der gewöhnlichen Terminologie keineswegs Papillen zu nennen, sondern vielmehr Zotten, wie sie Luschka beschrieben hat. Vielleicht ist dieser Umstand, dass Klein die zottenähn- lichen Gebilde der Lippenschleimhaut von Neugeborenen als Papillen angesehen hat, die Ursache dafür gewesen, dass die von Luschka zuerst entdeckte Thatsache des Vorkommens von Zotten an der Lippenschleimhaut von Neugeborenen den nach- folgenden Autoren unbekannt geblieben ist. W. Krause (10) bringt in seinen „Nachträgen zur all- gemeinen und mikroskopischen Anatomie“ gelegentlich der Besprechung des Muse. labii proprius die kurze Notiz, dass letzterer „sich an der Basis der mit langen (bis 1 mm) Zotten versehenen Pars villosa des roten Lippensaumes inseriert, welche beim Neugeborenen von der äusseren oder vorderen Abteilung sich wesentlich unterscheidet.“ Hierbei verweist Krause auf Luschkas Abhandlung. Er bringt ausserdem eine unverständ- liche Abbildung von dem Sagittalschnitt einer Unterlippe, ohne Angabe, ob sie vom Menschen stammt oder nicht. Zotten sind nicht gezeichnet, vielmehr sieht man die Papillen der Cutis an der äusseren Haut sowohl, wie am Übergangsteil und der eigent- lichen Mundschleimhaut in gleicher Breite und Höhe rings herum- ziehen, sogar teilweise bis an den in einem gleichmässigen Bogen herumgehenden Rand der Lippe heranreichen. Über das Tuberculum labii superioris ete. “ Ich führe ausserdem noch eine in vieler Beziehung inter- essante Arbeit von Wertheimer (23) auf: „ De la structure du bord libre de la levre, aux divers äges.“ (1883.) Wertheimer hat den Lippensaum von Menschen in ver- schiedenem Lebensalter untersucht. Er unterscheidet mit Klein (8, 9) 3 Zonen an der Lippe: Haut, Übergangszone und Schleim- haut. In Betreff der Schleimhaut hebt er hervor, dass diese inter- essante Struktureigentümlichkeiten zeigt, von denen einige bis- her noch nicht richtig beschrieben seien. Er konstatiert in der Pars villosa die Anwesenheit von kleinen Erhebungen, scheint diese aber nur für Erhebungen des Epithels zu halten, während es doch Zotten sind. Er führt Luschka und Klein an und sagt: „A l’origine m&me de la muqueuse, l’Epithelium est souleve en forme de renflement &pais, et les premieres rangees de papilles longues d’un millimetre, donnent un aspect tout partieulier & cette portion de la muqueuse, que Luschka a m&me designee sous le nom de „pars villosa“ pour bien caracteriser ce mode de conformation.“ Er fährt fort: „Tous ces details, l’epaisseur de l’epithelium, la saillie et la forme des papilles, la direction de ce groupe special de faisceaux musculaires se constatent tres nettement tels que les ont descrits Luschka et Klein.“ Bei einem 18-monatlichen Kinde konnte er die Beobachtung nicht mehr machen, dagegen vermochte er an Lippen von 45 bis 50-jährigen wieder eine Verdickung des Epithels festzustellen und zwar in Form kleiner Knötchen, den Epidermisperlen am harten Gaumen vergleichbar. „Chez le nouveau-ng,“ heisst es bei Wertheimer, „c'est une accumulation epitheliale, qui se fait tout en surface. Les cellules se reproduisent d’une facon tres active et tres rapide, et ne se desquamant pas assez vite, elles s’entassent en couches super- posees; aussi les plus superficielles sont-elles reduites & des lamelles d’une minceur extröme, d’aspect fibroide, si l’on peut ainsi dire, 78 ALEXANDER STIEDA, Cette configuration de l’epithelium n’est pas, du reste, speciale a la levre; elle se retrouve, entierement semblable, A l’entree du vagin chez les petites filles nouveau-ndes.“ Eine Abbildung giebt Wertheimer nicht. Wertheimer hat offenbar die zottenartigen Gebilde gesehen, beschreibt sie aber so flüchtig und ungenau, als ob er sie nicht für wirkliche mit Epithel überzogene Zotten, sondern für epithe- liale Wucherungen hält. Immerhin ist die Arbeit Wertheimers besonders hervorzuheben, weil dieser nächst Luschka und Klein wenigstens die Zotten gesehen und beschrieben hat. Es sind noch 2 Arbeiten anzuführen, die sich mit der Ana- tomie der Oberhaut beschäftigen. Die eine hat Blaschko (1) 1887 geliefert. In dieser Arbeit berücksichtigt er auch die Mundlippen und wiederholt zunächst die Angaben von Luschka, Klein und Wertheimer. Er wirft aber auffallenderweise die Ergebnisse an Kindern und an Erwachsenen zusammen. In seiner Beschreibung schliesst er sich an die Befunde bei Kindern an und beschreibt doch offenbar die Lippen von Erwachsenen, wenigstens geht aus seiner Schilderung nicht hervor, dass er über den Unterschied des Befundes bei neugeborenen Kindern und bei Erwachsenen sich klar ist. Er schreibt: ‚Ich unterscheide mit Luschka an dem freien Lippensaume deutlich eine vordere und eine hintere Zone. Beim Neugeborenen und noch schärfer beim Embryo grenzen sich beide schon von aussen scharf von einander ab, insofern die vordere Hälfte eine glatte, die hintere eine stark höckerige Oberfläche hat (Pars glabra und villosa, Luschka.)* Blaschko gewann seine Resultate dadurch, dass er Flächenansichten von den ineinander gefügten Flächen von Epidermis und Cutis her- stellte. Bei Kinderköpfen, die längere Zeit in 70° ,-igem Alko- hol gelegen hatten, liess sich die Epidermis in grösseren Fetzen von der Öutis ablösen. Um die Konfiguration deutlich zu machen, färbt er sowohl die von der Epidermis befreite Lippe, als auch Über das Tubereulum labii superioris ete. 79 die Epidermis selbst derart, dass sich an ersterer nur die vor- springenden Papillen uud Cutisleisten färben, während die Thäler von Farbe frei bleiben. Derartige Präparate zeigten folgendes Bild: ‚In der vorderen Zone sieht man das langgezogene, nicht geschlossene Netz der Bindegewebs- und Epithelleisten und mit scharfer Grenze hiergegen absetzend in der hinteren Zone die dieken Epithelwülste, die sich tief in die rhomboiden Maschen des Bindegewebslagers einsenken. Auf den vorspringenden Kanten dieser Maschen sieht man zahlreiche isolierte, fadenförmige Papillen sitzen, welche nach hinten beträchtlich an Zahl und Höhe zunehmen. Hin und wieder habe ich auch in der vorderen Zone echte Papillen gefunden, dann bildeten die oben beschriebenen feinen Uutisleistehen korallenförmige Schnüre, deren einzelne Segmente aus kleinsten buckelförmigen Erhebungen bestanden.“ Blaschko liefert auch eine Zeichnung von einem Stück Cutis, sowie Epidermis einer Lippe, die auf die angegebene Weise behandelt ist (bei 12-maliger Lupenvergrösserung). Das Verfahren Blaschkos ist meiner Ansicht nach aber viel zu eingreifend, um solche zarte Gebilde, wie die Zotten es doch sind, dabei erhalten zu können. Die zweite Arbeit von Loewy (11), 1891 erschienen, bezieht sich wieder ihrerseits auf die von Blaschko gemachten Be- obachtungen. Er löste ebenfalls nach Blaschkos Methode die ganze Lippenoberhaut eines „Kindes“ — das Alter wird nicht angegeben! — im Zusammenhang mit der Haut und der Mu- kosa ab und stellte an diesem Präparat seine Untersuchungen an. Er erwähnt auch die Luschkasche Einteilung des roten Lippensaumes und verfällt dabei in denselben Fehler wie Blaschko, indem er ebenfalls Luschkas Befunde, die doch an Lippen von Neugeborenen gemacht sind, ohne diese Ein- schränkung wieder giebt, als ob sie sich mit den Zuständen bei Erwachsenen deckten. Er sagt von der Pars villosa, dass „die in ihr liegenden Längsleisten“ (die durch Verschmelzung der SO ALEXANDER STIEDA, Cutispapillen entstehen) „auf ihrer Oberfläche eine grosse Zahl dicht neben einander stehender Wärzchen, zottenähnlicher Ge- bilde, tragen. An einigen Stellen, besonders in den centralen Partieen der Lippe, seien diese zottigen Auswüchse nicht so aus- geprägt. Der Übergang in das weitmaschige Netzwerk der Mukosa giebt sich durch das Verschwinden der Zotten zu er- kennen.“ Loewy giebt Mikrophotogramme von Flächenpräparaten, die seine Befunde illustrieren sollen. Dieselben sind aber der- artig undeutlich in ihren Konturen, dass man kaum etwas daran zu erkennen imstande Ist. Die Beschreibungen von Blaschko (1) und Loewy (11) sind nicht präcise, und ihre Methode ist meines Erachtens nach nicht geeignet gewesen, den Unterschied zwischen der Pars glabra und villosa festzustellen. Beide Autoren sprechen durcheinander von „Papillen“ und von „Zotten“, ohne diese Begriffe, wie das unbedingt notwendig ist, streng auseinander zu halten. Neustätter (15), der die zuletzt (1895) erschienene Arbeit über dieses Gebiet geliefert hat, führt ebenfalls die Luschka- schen Befunde auf; er giebt auch von Sagittalschnitten der Lippen zwei neue, selbst gefertigte Abbildungen, in denen aber auch keine Zotten gezeichnet sind. Er scheint dieselben also auch nicht gesehen zu haben, denn sonst würde er sie un- zweifelhaft abgebildet haben. Auffallenderweise erwähnen die geläufigen Handbücher der Anatomie und Histologie wie Henle, Merkel, Koelliker, Gegenbaur, Gerlach, Debierre, Testut, Stöhr und andere nicht das Vorkommen von Villositäten an der Lippenschleim- haut von Neugeborenen, was doch verlangt werden kann, da, dieses eine auffallende, aber thatsächliche Erscheinung ist. Auch in Raubers (18) neuester Auflage der Anatomie (1897), in der die Neustätterschen (15) Resultate mit den Abbildungen wieder- Über das Tubereulum Jabii superioris ete. S1 gegeben werden, ist des Vorkommens von Villositäten nicht Erwähnung gethan worden. Ich entnehme aus dem Aufgeführten, dass die Kenntnis von dem Vorhandensein von Zotten an der Lippenschleim- haut von neugeborenen Kindern und Embryonen gewissen Alters, sowie vom Tuberculum labii superioris durchaus nicht verbreitet ist. Ich gehe im folgenden zu meinen eigenen Untersuchungen über. Ich liefere zunächst eine makroskopische Beschreibung der bezüglichen Verhältnisse an den Leichen von Neugeborenen, gebe dann die Untersuchungen wieder, die ich an 179 mensch- lichen Embryonen über die Entstehung des Tubereulum labii superioris und das Auftreten von Zotten an der Lippen- schleimhaut gemacht habe, und will danach den mikroskopischen Bau des Lippenknötchens, sowie der zottentragenden Schleim- hautpartie beschreiben. Il. Betrachtet man den roten Lippensaum von Neugeborenen, so kann man an der Oberlippe und Unterlippe deutlich zwei Zonen unterscheiden. Die äussere Zone (Pars glabra) ist von der inneren (Pars villosa, Luschka [12]) durch eine scharfe Linie oder seltener durch eine mehr oder weniger deut’ liche Furche abgegrenzt. Die Pars glabra erscheint recht schmal, 2—3 mm breit, dagegen tritt die Pars villosa in grosser Ausdehnung 4—5 mm breit zu Tage. In der Mitte der Oberlippe befindet sich ein 5—6 mm breites, ungefähr 4 mm hohes Knötchen. Dasselbe hat an der Oberfläche das Aussehen von kurz geschorenem Sammet und trägt in der Mitte eine etwas vorspringende, meist weisslich erscheinende Raphe, welch letztere sich nach hinten zur Mund- Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft (13. Bd., H. 1.) 6 32 ALEXANDER STIEDA, höhle hin allmählich etwas verbreitert und in das Frenulum superius übergeht. Das Knötchen springt soweit gegen den unteren Teil des Philtrum vor, dass an dieser Stelle die Pars elabra wesentlich verschmälert, ungefähr nur I mm breit, er- scheint. Gegen die seitlichen Lippenteile ist das Tuberculum durch seichte Furchen scharf abgegrenzt; zur Mundhöhle hin findet sich dagegen keine Grenze. i An der Unterlippe bemerkt man eine in der Mitte gelegene, dem Tuberculum labii superioris entsprechende leichte Ein- senkung. Die Oberfläche der verschiedenen Zonen der Lippen ist sehr charakteristisch. Die äussere Haut, die mit Wollhaaren reichlich besetzt ist, schneidet scharf gegen die Pars glabra ab. Letztere bis zu 25 mm breit im Durchschnitt, ist vollständig glatt und glänzend. Die davon durch eine scharfe Linie oder seltener durch eine schwache Furche abgegrenzte innere Zone, Pars villosa, hat kein glänzendes Aussehen. Man erblickt vielmehr an ihr eine Anzahl kleiner punktförmiger, bis 1 mm lange, runde Erhebungen, die deutlich hervorragen und dieser Schicht ihr charakteristisches Aussehen verschaffen. Leistehen konnte ich nicht erblicken. Eine Abgrenzung dieser Zone von der die Innenfläche der Lippen bedeckenden Mundschleimhaut ist nicht vorhanden, denn die Mundschleimhaut ist in der der Pars villosa angrenzenden Partie gleichfalls mit Zotten versehen. Weiter in der eigent- lichen Mundschleimhaut fehlen die Zotten. Aus der Sammlung des anatomischen Institutes standen nur 179 menschliche Embryonen verschiedenen Alters für meine Untersuchungen zur Verfügung. Ich gebe im folgenden die Resultate wieder, die ich mit einer Lupe ermittelte, indem ich die Embryonen je nach ihrem Alter zu Gruppen ordne. Über das Tubereulum labii superioris ete. fo) 1. Gruppe: Drei Embryonen stammten aus dem Ende des zweiten Schwangerschaftsmonats. Bei keinem derselben konnte eine Andeutung des Tuberculum labii superioris oder von Zotten entdeckt werden. 2. Gruppe: Von 33 Embryonen aus dem 3. Monat konnte nur bei 22 das Auftreten eines Knötchens bemerkt werden, bei 11 Embryonen war dasselbe jedoch nicht vorhanden. Es stellte sich dar als eine 1,5—2 mm breite Verdickung in der Mitte der Oberlippe, die mehr oder weniger deutlich durch seitliche Furchen von den übrigen Teilen abgegrenzt war. In einem Falle war eine deutliche Einziehung am oberen Rande der Unterlippe, dem Tubereulum gegenüber, genau zu bemerken. Das Auftreten von Zotten oder punktförmigen Erhebungen an der Lippen- und angrenzenden Mundschleimhautpartie war in keinem Falle fest- zustellen. 3. Gruppe: Ausdem vierten Monat kamen 31 Embryonen zur Beobachtung. Bei 21 derselben war ein Knötchen vorhanden. Die Messung desselben ergab eine Breite von 1,0—3,0 mm. Es war teils flach, teils leistenförmig vorspringend. Die seitlichen Ränder waren scharf und bei einigen konnte ich auch eine deut- liche Raphe in der Mitte bemerken. Das Tubereulum gehörte der Pars villosa an, wenigstens trat dieses besonders in einem Falle durch den deutlichen Farbenunterschied der beiden Zonen des Lippenrotes scharf hervor. Die Pars glabra war, im Gregen- satz zu den seitlichen Lippenteilen, an der betreffenden Stelle stark verschmälert. Bei zweien von diesen 31 Embryonen liessen sich im Gebiet der Pars villosa und der angrenzenden Mundschleimhautpartie allerkleinste punktförmige Erhebungen mit einer Lupe nachweisen. 4. Gruppe: Aus dem 5. Monat standen mir 55 Kinbryonen zur Verfügung. Bei 48 von diesen zeigte sich ein deutliches Knötchen in der Mitte der Oberlippe. Dasselbe war 1,5—4 mm 6* S4 ALEXANDER STIEDA, breit und ragte als deutlicher Wulst der Pars villosa, 1,0—3,0 mm nach unten hin. An der Unterlippe war bei mehreren En- bryonen eine Einziehung gegenüber dem Tuberculum sichtbar. Die Pars villosa, sowie die benachbarte Mundschleimhaut liess bei 30 Fällen kleinste punktförmige Erhebungen recht deutlich er- kennen, die auch auf dem Tubereulum vorhanden waren. 5. Gruppe: 32 Embryonen aus dem sechsten Monat wurden untersucht. Hier konnte bei 24 (75°/o) das Vorkommen von deutlichen Villositäten an der in Frage stehenden Partie der Ober- und Unterlippe festgestellt werden. Bei 26 Embryonen war ein Tuberculum labii superioris zu konstatieren und zwar von wechselnder Grösse, 3—5,5 mm breit und 2,3—2,7 mm in der Sagittalebene messend, meist mehr dreieckig mit der Spitze gegen die Mundhöhle hin vorspringend mit deutlichen Seitenrändern, öfters in der Mittellinie mit einer Raphe, die in einem Falle seitlich dicht neben sich wieder je eine tiefere Einsenkung erkennen liess, sodass die seitlichen Partieen des Tubereulum gleichsam wie zwei für sich bestehende Knötchen imponierten. 6. Gruppe: Aus dem siebenten Monat wurden 14 Em- bryonen einer Betrachtung unterzogen. Bei sämtlichen waren Villositäten zu sehen, 11 zeigten das Tuberculum lab. sup. 7. Gruppe: Acht Embryonen aus dem achten Monat und drei aus dem neunten Monat habe ich dann noch unter- sucht und bei diesen schon fast vollkommen die Verhältnisse angetroffen, wie sie sich bei ausgetragenen Kindern finden und wie ich sie vorher schon beschrieben habe. Ich füge noch eine Tabelle bei, die eine Übersicht über die untersuchten Embryonen, deren Alter, Grösse und die gewon- nenen Resultate wiedergiebt: Über das Tuberculum labii superioris etc, 55 Embryonen: | | ; | | Höhe a er | 2 K Dunst Breite des |; Tuberculum e ı Alter in) Rumpflänge | In täten Anzahl IM = che Tuberculum (in der Sa- er Monaten | in cm ne den in mm | gittalebene | BE den bei | den bei | gemessen) 3 2 1,5—1,5 _ | 3 E= — — Sg logge 00 1 15 A; B 31 4 70-92 | 21 10 1.0 30...05 10 2 | | by) 5 9,6— 15,0 48 7 1,5—4,0 1,0— 3,0 30 32 6 |merıisı | 96 ale ao 0 14 So VERS nn: m u | a EP RER er. 14 | . 1} 8 8270940975 Ben 040 50 2; 8 3 | 9 | 27,0--30,0 3 _ 40—5,5 | 3,0—4,0 3 | | Ich entnehme der Tabelle folgendes: 1. Vom dritten Monat der Entwickelung an lässt sich das Tubereulum labii superioris bei der grossen Mehr- zahl der Embryonen nachweisen. 2. Das Tuberculum wächst vom dritten bis zum letzten Monat des intrauterinen Lebens. Das Wachstum ist aber kein regelsmässiges. Das Knötchen hat im gleichen Alter bei verschiedenen Embryonen nicht die gleiche Grösse. 3. Die Villositäten der Ober- und Unterlippe treten zuerst im vierten Monat ausnahmsweise, im fünften bei 50°), und im sechsten Monat bei fast 75°/o der Fälle auf. Vom siebenten Monat an sind sie stets vorhanden. S6 - ALEXANDER STIEDA, Über das weitere Schicksal des Tubereulum labii superioris sowie der Villositäten während der ersten Lebenszeit stehen mir keine Erfahrungen zu Gebote. Es ist hier noch eine Lücke in der Untersuchung auszufüllen, und dies wäre nur dadurch zu bewerkstelligen, dass man eine grössere Anzahl neugeborener Kinder von der Geburt an längere Zeit in Beobachtung behält. Bei allen Präparaten von Kindern, die ich in der Sammlung des anatomischen Instituts vorfand, war weder ein Unterschied zwischen Pars villosa und Pars glabra zu sehen, noch auch eine deutliche Abgrenzung eines Knötchens in der Mitte der Oberlippe. Jedenfalls aber ist das Tuberculum bei vielen Kindern noch längere Zeit nach der Geburt vorhanden, ja sogar bei Er- wachsenen findet man häufig noch Andeutungen desselben, wie man bisweilen beobachten kann. Man sieht bei den betreffenden Menschen in der Mitte der Oberlippe eine kleine, nicht scharf begrenzte Hervorragung des Lippenrots nach unten und dem entsprechend am oberen Rande der Unterlippe eine seichte Einziehung. Die Villositäten verschwinden sehr bald nach der Geburt, wohl schon in der ersten Lebenswoche. III. Im weiteren möchte ich zu den mikroskopischen Verhält- nissen des vorher makroskopisch beschriebenen Gebietes der Lippen übergehen. Zur Untersuchung gelangten Lippen von Embryonen aus dem 6.—9. Monate, ferner von Neugeborenen. Die Präparate waren teils in Müllerscher Flüssigkeit, teils in Alkohol gehärtet. Erstere wurden im ganzen in einer kon- zentrierten Ammoniakkarminlösung gefärbt und dann in Serien- Über das Tuberculum labii superioris ete. 87 schnitte zerlegt; bei letzteren wurde es vorgezogen, die einzelnen Schnitte, z. T. in Alaunkarmir, z. T. in Hämatoxylin zu färben. Um ein klares Bild von dem mikroskopischen Bau zu be- kommen, habe ich Sagittal-, Frontal- und Flächen - (Tangential-) Schnitte der in Frage kommenden Lippenpartien angefertigt. An einem Sagittalschnitt durch die Ober- oder Unter- lippe von Neugeborenen unterscheidet man sofort auch die Ab- schnitte, wie sie sich schon makroskopisch darstellen: 1. die äussere Haut, der Gesichtsteil der Lippe, 2. die Pars glabra, 3. die Pars villosa, 4. die eigentliche Mundschleim- haut. Man kann überhaupt, wie bei jedem Durchschnitt der Haut zwei verschiedene Bestandteile erkennen, auf die sich alles zurückführen lässt: die bindegewebige Grundlage — Corium oder Derma — und die darüberliegende Epitheldecke. Die äussere Haut — der Gesichtsteil der Lippe — zeigt keine Besonderheiten. Die Epidermis besteht aus einem in mehreren Lagen geschichteten Plattenepithel. Die Tunica propria wird von Bindegewebsbündeln gebildet, denen reichlich elastische Fasern beigemengt sind. Auf der Oberfläche der Tunica propria zeigen sich zahlreiche, mehr oder weniger dicht neben einander stehende cylindrische oder kegelförmige, kleine gefässhaltige Papillen, die in das Epithellager hineinreichen. Im unteren Abschnitte des Hautteils finden sich ferner Talg- und Schweissdrüsen, Muskelzüge, Nerven und Haarbälge, welch letztere in der Oberlippe schief nach abwärts, in der Unterlippe schief nach aufwärts gerichtet sind. Mit dem Aufhören der Haarbälge beginnt die Pars glabra. Die Epithellage wird dicker als in dem angrenzenden Gesichts- teil. Die Dicke nimmt allmählich zu, bis ungefähr um ein Drittel. Die Papillen haben anfangs dieselbe geringe Höhe, wie diejenigen der Haut, nehmen dann aber ebenfalls an Höhe und 88 ALEXANDER STIEDA, Zahl zu. Die Papillen stehen im wesentlichen senkrecht und haben die Gestalt spitzer Kegel. Die Pars glabra zeigt weder Haare, noch Haarbalgdrüsen. Das die Papillen überziehende Epithellager besteht aus Zellen, die auf dem Durchschnitt polygonal aussehen mit einem deut- lich sichtbaren, rundlichen Kern. In den oberen Lagen sind die Zellen mehr in die Länge gezogen. Die Kerne sind aber nicht so vollständig geschwunden wie bei jenen der übrigen Epidermis. — Zwischen der bindegewebigen Grundlage der Pars glabra und der Lippenmuskulatur ist keine scharfe Grenze. Die Fasern des M. orbicularis ziehen bis dicht an die Ober- fläche heran. Am Beginne der Pars villosa, — zu der auch das Tuber- culum labii superioris gehört, weil es genau denselben Bau zeigt, — wird die Epidermisschicht plötzlich um das 3- bis 4- oder auch 5-fache mächtiger, nimmt dann weiter noch etwas an Dicke zu, um nach der eigentlichen Mundschleimhaut hin allmählich wieder etwas abzunehmen. Die Epithelzellen sind grösser als in der Pars glabra, sehen polygonal aus. In der Basalschicht sind die Zellen kleiner, rundlich, färben sich dunkler; zur Oberfläche hin platten sie sich ebenfalls ab. Die untere Grenzlinie der Epidermis in der Pars glabra geht nicht gerad- linig in die unterste Epithellage der Pars villosa über, sondern das Epithel schiebt sich auch gegen die Cutis hin vor, jedoch nicht so ausgiebig, wie gegen die freie Oberfläche der Lippe. Die Papillen werden in der Pars villosa sehr hoch und spitz, viele haben Trommelschlägelform, stehen sehr dicht und sind zum Teil nach vorn und unten umgebogen. In der Pars villosa finden sich nun ausser diesen eben beschriebenen „Papillen‘“, den bindegewebigen Erhebungen der Cutis, die vom Epithel ausgeglichen werden, noch zahlreiche lange, oft bis Imm und mehr über das Niveau der Schleimhaut hervor- vorragende Erhebungen der Cutis, die im Gegensatz zu Über das Tubereulum labii superioris etc. 89 den im Epithel steckenden Papillen nur von einer dünnen Schicht Epithel bedeckt sind. Diese über das Niveau der Schleimhaut herausragenden, aus Bindegewebe und Epithel be- stehenden Erhebungen sind, dem gewöhnlichen Sprachgebrauch nach, als „Zotten“ — villi — zu bezeichnen. Sie sind es, die diesem Gebiet der Schleimhaut das charakteristische Aus- sehen verschaffen. An jeder Zotte unterscheide ich dieser Beschreibung zufolge einen bindegewebigen und einen epithelialen Bestandteil. Der bindegewebige Teil liegt — wie selbstverständlich ist — in der Achse, während das Epithel an der Peripherie der Zotte gelegen ist. Hervorzuheben ist, dass der bindegewebige Anteil (die Cutispapille) meist nicht bis in die Spitze der eigentlichen Zotte, sondern nur etwa bis in das untere Drittel oder bis in die Hälfte der Zotte hineinragt. Es besteht somit der obere freie Teil der Zotte nur aus Epithel. Ich kann nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass diese Zotten nach dieser Richtung hin eine grosse Ähnlichkeit mit den Papillae filiformes der Zunge besitzen. Die Zotten zeigen, im Längsschnitt getroffen, an der Basis einen Überzug von mehreren Lagen polyedrischer Epithelzellen ; an der Peripherie der Zotte erscheinen die Zellen stark in die Länge gezogen und stehen mit ihrer Längsachse parallel zu der der Zotte. An der äussersten Zottenspitze erscheinen die Zellen mehr rundlich. Die Zottenquerschnitte sind rund. Es zeigt sich in der Mitte der fast kreisrunde Durchschnitt der bindegewebigen Outispapille und die konzentrisch herumliegenden Epithelzellen. In der Pars villosa zeigen die Epithelzellen durchweg noch eine auffallend deutlich hervortretende Menge von Zwischen- substanz, die sich wie ein Netz glänzender Fasern darstellt. Bei näherem Zusehen erweist es sich, dass es sich nicht um eine sogenannte Zwischensubstanz handelt, sondern dass der glänzende Streifen, der zwischen den einzelnen Zellen zu liegen 90 ALEXANDER STIEDA, scheint, nichts anderes ist, als die Summe der die Zellen verbindenden Intercellularbrücken. Jede Zotte lässt ferner in ihrem bindegewebigen Anteil einen oder mehrere Gefässdurchschnitte (Schlingen) erkennen, die Ästchen der Arteria und Vena coronaria sind. Die Arterie liegt an jedem Durchschnitt hinter dem Mus- culus orbicularis. Von der Arterie ziehen Zweige gegen die Epidermis hin, die dann durch seitliche, parallel der Oberfläche vorlaufende Ästchen ein Netz bilden. Man findet bei Sagittal- schnitten deshalb häufig längs getroffene Gefässe. Von diesen zweigen sich dann die Gefässschlingen für die Papillen und Zotten ab, die nach Bildung von Anastomosen schlingenförmig an der Spitze des bindegewebigen Abschnittes der Zotte umbiegen. In diesem dichten Kapillarnetz sehe ich übrigens, ausser in dem nahen Heranrücken des Musculus orbicularis an die Oberfläche, die Ursache des Lippenrots. Aus der Pars villosa ist der Übergang zur eigentlichen Mund- schleimhaut ein ganz allmählicher. Das Epithellager verliert wieder die beträchtliche Dicke und bleibt dann in seiner Dicke konstant. Die Zotten verschwinden ebenfalls aus dem Bilde, auch werden die Papillen niedriger, sodass sich das Aussehen gewöhn- licher Schleimhaut ergiebt. In der Mundschleimhaut finden sich dann auch Schleimdrüsen. Eine besondere Berücksichtigung verdienen noch die Talg- drüsen des Lippenrots und die Muskulatur. Über die Talgdrüsen im Lippenrot von Erwachsenen sind die Akten keineswegs abgeschlossen. Es finden sich darüber bei den Autoren die widersprechendsten Angaben. Ein Eingehen in die Litteratur des Gegenstandes ist bier nicht am Platze. Ich hebe nur hervor, was für nachfolgende Untersuchungen von Bedeutung ist, dass ich bei den von mir untersuchten Lippen von Neugeborenen oder Embryonen keine Talgdrüsen im Lippenrot gefunden habe, Über das Tuberculum labii superioris ete. 91 Meiner Ansicht nach verhält die Angelegenheit sich folgender- massen: Bei Erwachsenen finden sich Talgdrüsen im Lippen- rot, jedoch nicht bei jedem Individium, sondern nur bei einzelnen, in verschiedener Menge, in verschiedener Grösse, gewöhnlich nur am Mundwinkel und zwar mehr in der Oberlippe als in der Unterlippe. In einzelnen seltenen Fällen ist die ganze Oberlippe mit Talgdrüsen besetzt. Fälle, in denen die ganze Unterlippe mit Talgdrüsen besetzt war, sind mir nicht bekannt geworden. Bei Neugeborenen, wie auch bei Kindern sind Talgdrüsen am Lippenrot bisher nicht gefunden worden, wenigstens ist in der Litteratur nirgends dieses Vorkommen festgestellt. Wann nun, d. h. in welchem Lebensalter die Talgdrüsen auftreten, weiss ich nicht anzugeben. Es muss dieses speziellen Untersuch- ungen, die auf einer grossen Summe von statistischen Erheb- ungen bei Männern, Frauen und Kindern verschiedenen Alters beruhen, überlassen bleiben. Wahrscheinlich findet eine Ent- wickelung der Talgdrüsen am Lippenrot während der Pubertät oder später statt. Es verdient diese späte Entwickelung der Talgdrüsen von seiten der Ärzte besondere Berücksichtigung, weil die plötzliche Entwickelung der Talgdrüsen von krank- haften Erscheinungen an den Lippen oft begleitet ist. Ich hebe nochmals hervor, und das war die Veranlassung hier davon zu reden, dass an den Lippen von Neugeborenen keine Talgdrüsen existieren. Über das Verhalten der Muskulatur, deren genauere Kenntnis wir Klein (8) und Krause (10) verdanken, will ich noch einige Bemerkungen anfügen, da die Muskelfasern in Be- ziehung zu den Zotten treten. Am Sagittalschnitt durch die Lippe sieht man den Musculus orbicularis sive sphincter oris in dem Raum zwischen dem sub- cutanen Gewebe des Gesichtsteils und dem submukösen des Schleimhautteils der Lippe eingelagert. Die Bündel des Muskels 2 ALEXANDER STIEDA, verlaufen eirkulär um die Mundöffnung herum, werden also im Sagittalschnitt quergetroffen. Zwischen diesen querdurchschnit- tenen Muskelbündeln sieht man nun noch deutlich — ebenso quergestreifte -— Muskelfaserzüge längsverlaufend dahinziehen von der Gegend der Haarbälge des Gesichtsteils der Lippen zu den Cutiserhebungen des Schleimhautteiles. Klein (8) nennt diese Muskelzüge Muse. compressor labii, Krause (10) Muse. labii proprius oder Saugmuskel der Lippe. Ich halte letzteren Ausdruck für treffender, denn in der That lassen sich einzelne Muskelfaserın bis an und in die Basis der vorher beschriebenen Zotten der Pars villosa verfolgen. Durch Kontraktion dieser Muskelfasern kann eine Bewegung der Zotte — Annäherung an den zu berührenden Gegenstand — erzielt werden. Am Schlusse meiner Arbeit fasse ich die Hauptergeb- nisse in folgende Sätze zusammen: 1. Am Lippenrot des Neugeborenen ist eine Pars glabra und eine Pars villosa zu unterscheiden. 2, Das Tuberculum labii superioris gehört der Pars vıllosa an. 3. Die Pars villosa und das Tuberculum labii supe- rioris sind beim Neugeborenen mit langen, zottenähnlichen Erhebungen der Schleimhaut versehen. 4. Diese Zotten haben sich im Verlauf des 4—6. Monats des Fötallebens gebildet. 5. Die Zotten verschwinden wahrscheinlich bereits in der ersten Lebenswoche nach der Geburt. Über das Tubereulum labii superioris etc. 33 6. Die einzelne Zotte besteht aus einer bindege- webigen, reichlich mitBlutgefässen versehenen Cu- tiserhebung, überzogen von einerdünnenLage von glattem Epithel. 7. An der Basis der Zotten setzen sich einzelne quer- gestreifte Muskelfäsern an, die radiär zur Mundöffnung verlaufend, die Fasern des Musculus orbicularis kreuzen. 8. Im Lippenrot des Neugeborenen finden sich keine Talg- drüsen. 6. Litteratur-Verzeichnis. Blaschko, Beiträge zur Anatomie der Oberhaut. Archiv f. mikroskop. Anat 30. Bd. Bonn 1887. Cruveilhier, Trait& d’anatomie deseriptive. Il ed. Tome III. Paris 1843. Gegenbaur, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 5. Aufl., II. Band. Leipzig 1892. Gerlach, Handbuch der speziellen Anatomie des Menschen in topo- graphischer Behandlung. München-Leipzig 1891. Heitzmann, C., Mikroskopische Morphologie des Tierkörpers im gesunden und kranken Zustande. Wien 1883. Henle, Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. 11. 2. Aufl. Braunschweig 1873. Hyrtl, Handbuch der topographischen Anatomie. Wien 1871. I. Band. Klein. E., Zur Kenntnis des Baues der Mundlippen des neugeborenen Kindes. Sitzungsberichte der K. K. Akademie der Wissenschaft in Wien. Mathemat.-Naturwissensch. Klasse, 58. Bd. 1. Abt., Dezemberheft 1868. . Klein, £., Die Mundhöhle. Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Tiere, herausgeg. v. Stricker. I. Bd. Kap. XV. Leipzig 1871. . Krause, W., Handbuch der menschlichen Anatomie. 3. Aufl. Hannover. 1879. Bd. II und Nachtrag zu Bd. I (1881). . Loewy, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Oberhaut. Arch. f. mikrosk. Anat. 37. Bd. Bonn 1891. Luschka, Über Leichenveränderungen an den Mundlippen Neugeb orener Zeitschr. f. rationelle Medizin. 3. Reihe. Bd. XVIll. 1869. 3. Luschka, Anatomie des Menschen. Tübingen 1867. III. Bd., II. Abt. Merkel, Handbuch der topographischen Anatomie. Bd. I. Braunschweig 18835 — 1390. 5. Neustätter, Über den Lippensaum beim Menschen, seinen Bau, seine Entwickelung und seine Bedeutung. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch. 29. Bd. Neue Folge: 22. Bd. Jena 1895. . Poirier, Traite d’anatomie humaine. Tome IV, fasc. I. Paris 1895. Litteraturverzeichnis. 95 17. 18. 19. 20. 21. 22. 28. Quains elements of anatomy edit. by Schäfer and Thane. Vol. III. Part. IV. Edit. X. London 1896. Rauber, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 5. Aufl. I. Bd. I. Abt. Leipzig 1897. Remy, Manuel des travaux pratiques d’histologie. Paris 1889, Sappey, Traite d’anatom. deseriptive; III edit. IV tome. Paris 1879. Stöhr, Lehrbuch der Histologie. 8. Aufl. Jena 1898. Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. Stuttgart 1877. Wertheimer, E., De la structure du bord libre de la levre, aux divers äges. Archives generales de medecine. 1883. Vol. I. (VII. Serie. Tome II) Paris. x Figurenerklärung der Tafel. Fig. 1. Ober- und Unterlippe eines Neugeborenen. Natürliche Grösse Präparat in Müllerscher Lösung und Alkohol gehärtet. a. Pars glabra. b. Pars villosa. Tb. Tuberculum labii superioris. Z. Zunge, Fig. 2. Sagittalschnitt durch die Oberlippe in der Gegend des Tuberculum. Färbung mit Hämatoxylin; etwa 40fache Vergrösserung. a. Gesichtsteil. b. Pars glabra. c. Pars villosa. ce’ Tuberculum. 7. Zotten der Pars villosa zum Teil im Querschnitt (z‘). M. Musculus orbieularis. A. V. Arteria und Vena coronaria. Fig. 3. Längsschnitt einer Zotte der Pars villosa. Bei etwa 300 facher Vergrösserung gezeichnet. (AUS DER PSYCHIATRISCHEN KLINIK IN GÖTTINGEN.) (GEHEIMRAT MEYER.) DAS HINTERE LÄNGSBÜNDEL, FASCICULUS LONGITUDINALIS DORSALIS, NACH UNTERSUCHUNGEN AM MENSCHLICHEN FÖTUS, NEUGEBORENEN UND 1 BIS 3 MONATE ALTEN KINDERN.!) VON A. CRAMER, GÖTTINGEN. Mit 47 Textfiguren und 14 auf den Tafeln IVI/VII. en 1) Nach einem am 2. März 1899 in der medizinischen Gesellschaft zu Göttingen gehaltenen Vortrag, woselbst auch die Präparate projiziert und demon- striert wurden. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft: (13. Bd., H. 1.) fl Die interessanten Ergebnisse der neueren Untersuchungen über das hintere Längsbündel von Held!), van Gehuchten?) und anderen, welche an Tieren und zwar meist an niederen Tieren angestellt sind, veranlassten mich zu versuchen, ob nicht auch beim Menschen weitere, den Befunden an Tieren ent- sprechende Resultate zu erhalten seien. Da wir durch Flechsig?) wissen, dass das hintere Längsbündel eines der am frühesten markhaltig werdenden Bündel ist und mir aus früheren eigenen Untersuchungen am menschlichen Fötus*) wahrscheinlich war, dass ausgedehntere Untersuchungen noch weitere Resultate liefern würden, entschloss ich mich zu meinen Untersuchungen die Markscheidenfärbung zu wählen. Ich wählte die Palsche Methode, weil ich auf diese Methode besser eingeübt bin als auf das alte Weigertsche Verfahren, und weil ausserdem bei den nicht sehr grossen Schnitten, weniger eine ungleichmässige Entfärbung zu befürchten war. Dass dieselbe, wenn auch sehr selten, gelegentlich doch vorkam, will ich zugeben. Ich kann 1) Held, Die Endigungsweise der sensiblen Gehirnnerven, Arch. f. Ana- tomie und Entwickelungsgeschichte von His. 1892. S. 33 und 257. 2) van Gehuchten, Le faisseau longitudinal posterieur. Brüssel 1895 bei F. Hoyez. 3) Flechsig, Die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark des Menschen. Leipzig 1876 bei Engelmann. S$. 179 und 309. +) A. Cramer, Beiträge zur feinen Anatomie der Medulla oblong..ta und der Brücke. 1894. Jena bei Gustav Fischer. 6* 100 A. CRAMER, es deshalb sehr gut verstehen, dass Siemerling!) bei seinen über das ganze Gehirn des Erwachsenen sich ausdehnenden Schnitten, um ganz sicher zu gehen, die Weigertsche Methode wählte. Die mir zur Verfügung stehenden Gehirne waren in Formol gehärtet, wurden zunächst einige Wochen bei Bluttemperatur mit Müllerscher Flüssigkeit behandelt, sodann in Celloidin eingebettet und geschnitten. Jeder einzelne Schnitt kam, bevor er gefärbt wurde, nochmals für 24 Stunden im Wärmekasten in Müllersche Flüssigkeit. Das hintere Längsbündel ist schon vielfach Gegenstand ein- gehender Studien gewesen. Wir können, wenn wir die ältere Litteratur durchsehen, nur staunen, wie weit damals die Autoren mit viel unvollkommeneren Methoden kamen. Henle?) nannte das Bündel „oberer weisser Saum der reti- kulären Substanz“. Stilling?) betrachtete das hintere Längs- bündel als die hintere Abteilung des nach oben fortgesetzten Vorderstrangs und lässt seine Fasern oberhalb des roten Kerns pinselförmig auseinander gehen. Deiters‘) sah in ihm ein Äquivalent des Vorder- und Seitenstrangs für den Oculomotorius. Gratiolet?) hatte eine ähnliche Auffassung wie Stilling. Stieda®) bezeichnet es als Längsbündel und konnte es bis zwischen die Zellen des Oculomotorius verfolgen. 1) Siemerling, Über Markscheidenentwickelung des Gehirns und deren Bedeutung für die Lokalisation. Berlin. klin. Wochenschr. 1898. Nr. 7. 2) Henle, Handbuch der Nervenlehre des Menschen. Braunschweig 1871. 3) Stilling, Über den Bau des Hirnknotens und der Varolischen Brücke. Jena 1846. 4) Deiters, Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugetiere. Braunschweig 1895. 5) Gratiolet und Leuret, Anatomie comparee du systeme nerveux. Tome II. Paris 1839—57. 6) Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der Wirbeltiere Zeitschr. f. wissensch. Zool. 1870. Band 20. 8. 273. Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete, 101 Luys?) nennt es „fibres spinales des regions posterieurs“. Flechsig?) konstatiert, dass die Vorderstranggrundbündel und die hinteren Längsbündel sich zuerst mit Mark umkleiden. Das hintere Längsbündel führt alsonach ihm Elemente, welche dem Vorderstranggrundbündel systematisch gleichwertig sind. Er sieht das hintere Längsbündel als Verbindungsfasern zwischen Nervenkernen oder als Fasern aus peripheren Nerven an. Meynert?) spricht die Überzeugung aus, dass das hintere Längsbündel in dem Grau der Trichterregion beginnend zu allen Hirnnervenkernen in Beziehung steht. Das Bündel steht weiter unter dem Linsenkern vorbeiziehend mit der Grosshirn- rinde in Verbindung, nach unten zu geht es in die Vorder- stranggrundbündel über. Die Verbindung des hinteren Längs- bündels mit Acusticus und Trigeminus liess Meynert später fallen. Gestützt auf Untersuchungen von Serien durch Gehirne von Menschen, Affen, Hunden, Katzen, Kaninchen und Maulwürfen stellt Forel®) den nachstehenden Verlauf des hinteren Längs- bündels fest. Das Bündel entwickelt sich anscheinend aus dem Vorder- strang und zieht in dem dorsalsten Teil der Formatio reticularis zu beiden Seiten der Raphe liegend bis in die Gegend proximal- wärts des Oculomotoriuskerns. Über die Commissura posterior lässt es sich nicht verfolgen, wahrscheinlich tritt ein Teil seiner Fasern in das Feld H. Beziehungen zu den Hirnnervenkernen sind wahrscheinlich, aber nicht mit Sicherheit zu erweisen. 1) Luys, Recherches sur le Systeme nerveux cerebro-spinal. Paris 1865 (eitirt nach Forel, siehe weiter unten). 2) Flechsig,l. c. 3) Meynert, Die Medianebene des Hirnstammes etc. Allgem. Wien. med. Zeitung. 1865. S. 411 und 419. 1866. 8. 12. Femer in Strickers Handbuch der Gewebelehre. 4) Forel, Untersuchungen über die Haubenregion und ihre oberen Verknüpfungen im Gehirn des Menschen und einiger Säugetiere. Arch. f. Psychiatrie. Band IX. 102 A, CRAMER, Beim Maulwurf ist das hintere Längsbündel klein, es fehlt hier aber auch der Trochlearis und Oculomotorius. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass es zu diesen Kernen in Beziehung steht. Diese letzte Angabe Forels steht im Gegensatz zu den Befunden v. Guddens!), welcher das hintere Längsbündel bei dem Maulwurf nicht reduziert fand und deshalb annimmt, dass das hintere Längsbündel mit Oculomotorius und Trochlearis nichts zu thun hat. Schnopfhagen?) hatam erwachsenen Hunde- und Menschen- Gehirn mit Hülfe von Goldpräparaten das hintere Längsbündel bis ins Grau des dritten Ventrikels verfolgt. Er betrachtet das Feld H 2 von Forel als eine Fortsetzung des hinteren Längs- bündels, welches über das vordere konvexe Ende des roten Kerns flächenhaft ausgebreitet bis zum Hirnschenkelfuss resp. zur Capsula interna herabsteigt. Das hintere Längsbündel lagert dem roten Kern der Haube an der dorsalen und medialen Ober- fläche auf. Die medialen Zuzüge zum hinteren Längsbündel sind lange nicht so massig als diese lateralen und kreuzen sich in der Höhe der Corpora mamillaria zwischen diesen und dem Höhlengrau des dritten Ventrikels. Nach Fritsch?) endet das hintere Längsbündel erst sehr weit vorn in einer grossen Gruppe rundlicher, regelmässig ge- bauter Ganglienzellen, welche durch ihre Lage an den Seiten des dritten Ventrikels als Zwischenhirnganglien charakterisiert sind. Nach der von ihm Tafel V Figur 34 gegebenen Abbildung 1) v. Gudden, Augenbewegungsnerven. Gesammelte Abhandlungen. S. 210. 2) Schnopfhagen, Beiträge zur Anatomie des Sehhügels und dessen nächster Umgebung. Sitzungsberjchte der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wien. kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Band LXXVI. II. Abt. Jahrgang 1877. Heft 1 bis 5. S. 315. 3) Fritsch, Untersuchungen über den feineren Bau des Fischgehirns. Berlin 1878 bei Guttmann. Daselbst auch die gesamte bis dahin erschienene Litteratur über das Centralnervensystem der Fische. Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 103 scheint es sich um einen Kern zu handeln, der ungefähr dem Kerne der hinteren Kommissur des Menschen äquivalent sein dürfte. Duval und Laborde!) haben am Affengehirn (cyno- cephalus papion) Fasern beschrieben, welche aus dem Abducens- kern austreten, mit dem hinteren Längsbündel proximalwärts ziehen und alsdann zum dritten und vierten Kern der anderen Seite gelangen. Welcher Art diese Fasern sind, lässt sich an den sehr mangelhaften Abbildungen der Autoren nicht erkennen. Sie sind aber überzeugt, dass ‚non seulement il existe, au point de vue anatomique et fonctionel, une liaison &troite entre l’inner- vation originelle constitude par la sixieme et la troisieme paire, mais encore entre cette innervation et celle de la quatrieme paire ou pathetique“. Wernicke?) hält es für wahrscheinlich, dass das hintere Längsbündel aus der Linsenkernschlinge sich entwickelt. Nament- lich spricht nach seiner Überzeugung der Umstand dafür, dass das hintere Längsbündel in dem Masse wächst, wie der Quer- schnitt der Linsenkernschlinge verschwindet. Wernicke be- schreibt auch die schichtweise Zerklüftung des Oculomotorius- kerns, wie sie auf Sagittalschnitten hervortritt, und betont, dass ein begründeter Anschein vorhanden sei, als ob ein grosser Teil des hinteren Längsbündels erst hier aus dem Kern des Oculo- motorius entstände. Die ausserordentlich sorgfältigen und ausgedehnten Unter- suchungen Maysers?) zeigen uns deutlich, wie sehr das hintere 1) Duval et Laborde, L’innervation des mouvements associes des globes oculaires. Journ. de l’anat. et de la physiolog. 16. Jahrgang. Paris 1880. S. 56. 2) C. Wernicke, Lehrbuch der Gehirnkrankheiten. Cassel 1881 bei Ph. Fischer. S. 61 und 108. ®) P. Mayser, Vergleichend anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische mit besonderer Berücksichtigung der Cyprinoiden. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. Band 36. S. 280. 1882. 104 A. CRAMER, Längsbündel bei so niedrig stehenden Tieren, wie den Knochen- fischen, hervortritt. Das hintere Längsbündel entwickelt sich aus den Vordersträngen des Rückenmarks. Im Verlauf durch die Medulla oblongata liegen die dicksten Fasern am dorsalsten. Das hintere Längsbündel nimmt auf seinem Wege zum Mittel- hirn bald ab, bald zu. Die grösste Ausdehnung erreicht es im Ursprungsgebiet des N. acusticus und des motorischen Quintus. Bedenkt man, dass das Bündel ih der Höhe des Nervus troch- learis trotz eines zweifellosen Zuschusses aus der Oblongata kleiner ist als beim Eintritt in die letztere, so folgt, dass das Plus von Fasern, das in seiner Bahn zwischen Rückenmark und centralem Ende verläuft entweder unterwegs enden oder auf anderen Wegen vordringen muss. Beziehungen zu anderen Kernen der Medulla oblongata und Brücke, z.B. zum Trochleariskern, sind Mayser nicht zweilel- haft, er konnte sie aber nicht mit derselben Sicherheit nach- weisen wie beim Oculomotoriuskern. Das proximale Ende des hinteren Längsbündels gestaltet sich nach Mayser folgendermassen: Ein Teil vorwiegend dicker Fasern setzt dieht am Boden des Aquaeductus über die Binde- armkreuzung hinweg, umgreift den Oculomotoriuskern von der Seite und läuft pinselförmig und ungekreuzt in eine Gruppe orosser Ganglienzellen, welche dorsal vom Mey nertschen Bündel zwischen Commissura posterior und Öculomotoriuskern liegt. (Kern der hinteren Kommissur?) Der mittlere und ventrale Teil des hinteren Längsbündels, vornehmlich aus mittelstarken Fasern bestehend, wird durch die sich kreuzenden Bindearme in mehrere Bündel zerlegt, die sich auch nach der Kreuzung nicht wieder vereinigen. Sie gelangen nach einer Zellansammlung im Lob. opticus zum Nucl. ansiformis von Fritsch. Ein dritter Teil, einzelne dieke Fasern, enden gekreuzt oder ungekreuzt in besonderen Zellen des Mittelhirns in nächster Nähe des Anatom, Hefte I. Abteilung: (XLI. Heft) 13, Bd, H. 1. TAFEL IVIV. Lichtäruck der Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G,, München. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis etc. 105 Meynertschen Bündels. Andere, feinfaserige gelangen wahr- scheinlich in den Thalamus opticus. Darkschewitsch!) beschreibt einen „Herd kleiner Gang- lienzellen“, welcher sich dem bekannten grosszelligen Oculo- motoriuskern nach oben dicht anschliesst. Der ventrale Teil der hinteren Kommissur senkt sich in diesen Kern ein und verliert sich in den Fasern des hinteren Längsbündels. Das hintere Längsbündel, welches unterhalb des Eintritts (Abgangs) der hinteren Kommissur noch einen beträchtlichen Querschnitt zeigt, ist oberhalb auf spärliche Fasern reduziert, welche, wie es scheint, weiter nach oben durch den Zutritt von Fasern aus dem mehrerwähnten ‚‚kleinzelligen Herd“ wieder verstärkt werden und zum Teil eine im centralen Höhlengrau des dritten Ventrikels gelegene, ihre Konvexität ventral wendende Kommissur bilden. Seitlich legen sich andere Fasern an, die in die Linsenkernschlinge bezw. den Luysschen Körper über- gehen. Spitzka?) hat einem drei Tage alten Kätzchen die linke Hemisphäre zerstört. Dabei wurde auch der Thalamus opticus zum Schwund gebracht und der linke vordere Vierhügel auf die Hälfte reduziert. Das hintere Längsbündel war in den distaleren Partien links kaum schwächer als rechts, weiter proximalwärts nahm das hintere Längsbündel immer mehr an Faserreichtum ab. Bereits in der zwischen Oculomotorius- und Trochlearis-Ursprung gelegenen Ebene war das linke Bündel auf weniger als die Hälfte reduziert und weder so deutlich begrenzt noch mit so grossen Fasern versehen, wie das rechte. In der oberen Ursprungsebene war es nicht mehr zu erkennen. !) Darkschewitsch, über die hintere Kommissur des Gehirns. Neuro- logisches Centralblatt 1885. S. 100. 2) Spitzka, Vorläufige Mitteilung über einige durch die Atrophie-Methode erzielten Resultate, hauptsächlich die Commissura post. betreffend. Neurolog. Centralblatt 1885. S. 246. 106 A. CRAMER, Spitzka nimmt deshalb an, dass das hintere Längsbündel Nervenzuzüge von auf beiden Seiten gelegenen höheren Ganglien hat und dass der gekreuzte Faserzuwachs etwas mehr kaudal, als der, direkte Ursprung stattfindet. Da dieser Zuwachs in der Vierhügelregion stattfindet und die Atrophie des hinteren Längs- bündels im Zusammenhang mit Atrophie des einen Vierhügels stattfand, sieht Spitzka darin eine Stütze für seine schon früher ausgesprochene Ansicht!), dass dieses Bündel ein Projektions- glied darstellt, dessen höheres Centrum die vorderen Vierhügel, dessen untere Ende die Kerne der Augenbewegungsnerven — eventuell auch der Kopfdrehungsmuskeln — darstellen. An einen Ursprung des Bündels in oder nahe dem Linsenkern, aber von der Hirnrinde, — wie es Meynert und teilweise auch Wernicke wollen —, ist nach Spitzka schon deswegen nicht zu denken, weil bei den Reptilien, bei denen das Vorderhirn äusserst unentwickelt ist, das hintere Längsbündel die einzige Faserstrasse ist, die sich in der Vollständigkeit mit dem ent- sprechenden Bündel bei Säugetieren messen kann. Es kommen hierbei nur in Betracht Reptilien mit gut entwickelten Augen, bei Monobranchus ist das Bündel kleiner, bei Proteus noch weniger markiert. Die von Darkschewitsch?) in einer neuen Publikation über die hintere Kommissur gegebene Abbildung zeigt deutlich, dass der „Herd kleiner Zellen“ nichts anderes ist, als der tiefe Kern der hinteren Kommissur von v. Koellicker. Eine sekundäre Degeneration des hinteren Längsbündels beim Menschen hat Jacowenko?°) unter Flechsigs Leitung 1!) Spitzka, The architecture and mechanisme of the Brain. Chicago Journ. of nerv and ment. disease. 1879. Part. II. 2) Darkschewitsch, Einige Bemerkungen über den Faserverlauf in der hinteren Kommissur des Gehirns. Neurolog. Centralblatt 1886. S. 99. 3) Jacowenko, Zur Frage über den Bau des hinteren T,ängsbündels (Faseiculus longitudinalis posterior). Russisch. Ref. Neurolog. Centralblatt 1888. S. 566. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 107 studiert. An dem betreffenden Gehirn fand sich links eine Er- weichung desjenigen Abschnitts der hinteren Hälfte der ersten Temporalwindung, welcher an den Sulcus temporalis superior grenzt, und desjenigen Teils der zweiten 'Temporal-Windung, welcher zwischen dem hinteren Ende des Sule. temporalis superior und Suleus oceipitalis anterior liegt. Ferner eine Erweichung der diesen Windungen entsprechenden weissen Substanz fast bis zur äusseren Wand des Unterhorns. Die Arteria basılaris war beinahe in ihrem ganzen Verlauf aneurysmatisch erweitert. An Schnittflächen treten in beiden Hemisphären an vielen Stellen punktförmige Herde hervor. Die Kapillargefässe erschienen überall erweitert und sklerosiert. Das linke Pulvinar war deut- lich atrophiert. Der Hirnstamm wurde in einer fortlaufenden Schnittreihe untersucht. Es fanden sich überall zahlreiche miliare Aneurysmen, erweiterte Kapillaren und Hämorrhagien, stellen- weise auch Erweichungen. Infolgedessen waren fast alle Faser- systeme mehr oder weniger unterbrochen und in verschiedenen Richtungen degeneriert. Die grösste Menge degenerierter Fasern fand sich in der rechten Pyramidenbahn, in der rechten centralen Haubenbahn, ferner im inneren Abschnitt der linken Schleife, im linken Türkschen Bündel des Hirnschenkels und in beiden hinteren Längsbündeln. Deutliche ausgeprägte Degeneration der Fasern des hinteren Längsbündels wurde nur getroffen, wo die anliegende graue Substanz (Nuclei aquaeducti und der West- phalsche Kern) oder die Nuclei trochleares und Oculomotorii lädiert waren. Von diesen Stellen an setzt sich die Degeneration in aufsteigender Richtung fort und nimmt erst im Niveau der vorderen Abtheilung der ÖOculomotoriuskerne ein Ende. Nur von der Höhe der Oculomotoriuskerne ab war die De- generation ununterbrochen bis zur hinteren Kommissur zu ver- folgen. Weiter erstreckte sie sich nicht. Jacowenko nimmt deshalb an, dass die Fasern des hinteren Längsbündels, welche in den centralen Teil der hinteren Kommissur übergehen, nicht 108 A. CRAMER, als Fortsetzung der unteren Abschnitte zu betrachten sind, sondern anderen Ursprungs sein müssen. Ferner nimmt er auf Grund seines Befundes an, dass im hinteren Längsbündel in grosser Anzahl kurze Fasern enthalten sind, welche zur Ver- bindung zwischen verschiedenen Abschnitten der centralen grauen Substanz dienen, und dass die langen Fasern des hinteren Längs- bündels — in Anbetracht ihrer aufsteigenden Degeneration viel- leicht sensibler Natur sind. Obschon die zahlreichen Herde den Wert des Befundes von Jacowenko etwas beeinträchtigen, so bedauere ich doch sehr, dass mir die Arbeit nicht auch deutsch zur Verfügung steht. Die Untersuchungen Köppens!) haben den Nachweis er- bracht, dass das hintere Längsbündel bei der Eidechse besonders stark entwickelt ist, z. B. im vierten Ventrikel mit zwei mäch- tigen Wülsten vorspringt, bei Salamandern und Kaulquappen zuerst markhaltig wird und sich durchs ganze Rückenmark ver- folgen lässt. In der Medulla oblongata liegt das Bündel in der nächsten Nachbarschaft des Abducens, Trochlearis und Oculo- motoriuskerns. Ein Faserzug zieht ventral aus dem Bündel zum Acusticuskern. Proximalwärts vom Trochlearis wird das hintere Längsbündel bedeutend dünner und geht in die hintere Kommissur Das hintere Längsbündel wird gleichzeitig mit den Nervenwurzetn markhaltig, weil es z. T. aufsteigende motorische Fasern enthält, die, aus den unteren Kernen entspringend, in obere Nervenwurzeln austreten. Honneger?) fasst das hintere Längsbündel als eine „hintere Längsbündel-Formation“ auf. Er nimmt an, dass die anderen zwischen, durch und über den roten Kernen ziehenden Sagittal- bündel sich nicht von ihm trennen lassen, steht aber mit dieser ı) Köppen, Über das hintere Längsbündel. Naturforscherversammlung 1889. 8. 514. 2) Honneger, Vergleichend anatomische Untersuchungen über den Fornix und die zu ihm in Beziehung gebrachten Gebilde im Gehirn des Menschen und der Säugetiere. Recueil zoologique suisse 1890. S. 201 und 311. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 109 Anschauung vollständig allein. Es lässt sich nach seiner Publi- kation, welche sich auf zahlreiche und ausgedehnte Studien an Menschen und Tieren stützt, schwer ein Bild machen, welchen weiteren nasalen Verlauf Honneger dem hinteren Längsbündel zuspricht, weil ausser z. T. mangelhaft reproduzierten Photo- graphien alle Abbildungen fehlen. Zunächst möchte ich hervor- heben, dass Honneger das Guddensche Bündel, ich darf wohl sagen den Fasciculus tegmento-mammillaris in die „hintere Längsbündel-Formation“ aufgehen lässt, und im weiteren von Beziehungen der „hinteren Längsbündel-Formation‘‘ zu einem Bündel aus dem Tuber cinereum und dem Feld H 1 und H 2 von Forel spricht. v. Koelliker!) beschrieb Kollateralen des hinteren Längs- bündels, deren Vorkommen inzwischen von Held?) und van Gehuchten?) und anderen bestätigt worden ist. Es sind diese Kollateralen deshalb von besonderer Wichtigkeit, wie auch van Gehuchten betont, weil sie auf leicht verständliche Weise „les mouvements conjugues du muscle droit externe d’un cöte avec le muscle droit interne du cöte, oppose“ erklären, ohne dass man noch einer „relation anatomique entre le noyau de la sixieme paire d’un cöte et celui de la troisieme paire du meme cöte‘‘ denken muss. - In Edingers) Publikation, welche sich speziell mit dem Zwischenhirn der Selachier und Amphibien beschäftigt, ist für 1) v. Koelliker, Anatomischer Anzeiger. Band VI. S. 430. 2) Held, Die Endigungsweise der sensiblen Nerven im Gehirn. Arch. f. Anatomie und Entwickelungsgeschichte. Jahrgang 1892. Leipzig. S. 38. 3) van Gehuchten, De l’origine du nerf oculomoteur commun. La cellule. Tome VIII. 1892. p. 429. 4) Edinger, Untersuchungen über die vergleichende Anatomie des Gehirns. 2. Das Zwischenhirn. Abhandlungen der Senkenbergschen natur- forschenden Gesellschaft. Frankfurt a. M. 1895. 18. Band. Auf einem zweiten Titelblatt der Abhandlungen steht 1892, es kommt daher die Verwirrung in den Litteraturangaben. Auf unserer Bibliothek wird der 18. Band unter 1895 geführt. 110 A. CRAMER, diese Tiere folgender Verlauf des hinteren Längsbündels fixiert und durch schöne Abbildungen erläutert. Edinger schreibt: „Das hintere Längsbündel Fasciculus longitudinalis posterior. Es entspringt im medialsten Grau jederseits von der Mittellinie mit einem Pinsel ziemlich dicker Fasern. Die Fasern wenden sich bald nach ihrem Ursprung dorsalwärts, kreuzen den aus dem Ganglion habenulae herabziehenden Fascieulus retroflexus. Dann wenden sie sich kaudalwärts, ziehen durch den Oculo- motoriuskern im Mittelhirn hindurch, wobei sie an Masse ge- winnen und gelangen so dicht unter das Epithel des Ventrieulus quartus. So ziehen sie kaudalwärts weiter, bis sie am Anfangs- teil des Rückenmarks in dessen Vorderstränge gelangen. Bei keinen Tieren ist mir so, wie am jungen Hai, die Verfolgung des ganzen Bündels von seinem Ursprung ab auf wenigen Schnitten gelungen.“ Bei Torpedo ocellata sah Edinger das hintere Längsbündel aus den dorsaleren Gebieten des Infundibulums medial sich ent- wickeln und konnte diese Fasern bis in die Vorderstränge ver- folgen. Er hält es für wahrscheinlich, dass die hinteren Längs- bündel im Bereich des Oculomotoriuskerns einen Zuwachs erhalten. Nach Obersteiner!') ist anzunehmen, dass im hinteren Längsbündel hauptsächlich kürzere Fasern zusammentreten, um die vom Rückenmark anfangend, bis gegen das Grosshirn hin aufeinanderfolgenden, motorischen Nervenkerne untereinander in Verbindung zu setzen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass periphere Wurzelfasern im hinteren Längsbündel streckenweise longitudinal verlaufen und dann (wie z. B. Fasern vom Abducens- kern zum N. oculomotorius) eventuell die Mittellinie überschreiten. Damit stimmt es auch überein, dass der grösste Teil des hinteren Längsbündels bereits sehr früh, gleichzeitig mit den peripheren 1) Obersteiner, Nervöse Centralorgane, 2. Aufl. Leipzig und Wien bei Deutike. 8. 339. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis et. 111 Nerven seine Markscheiden erhält. Über das proximale Ende des hinteren Längsbündels spricht sich Obersteiner nicht be- stimmt aus. Held!) kommt auf Grund von Untersuchungen, welche er mit der Golgischen Methode an Tieren angestellt hat, auf Grund experimenteller Studien und auf Grund des Studiums der Mark- scheidenentwiekelung zu der Überzeugung, dass ein Teil des hinteren Längsbündels, das kaudalwärts in den Vorderstrang des Rückenmarks übergeht, in den ventralen Teil der hinteren Kommissur gelangt, indem es teils medial am oberen Oculo- motoriuskern vorbeizieht, teils durch denselben hindurch geht, und dort aus grossen multipolaren Ganglienzellen entspringt, welche teils in der Kommissur selbst, teils dorsal von derselben zu finden sind. Ein zweiter Teil gelangt in den „oberen Lateralkern von Flechsig‘‘, jene grosse multipolare Ganglienzellen führende graue Masse, welche seitlich vom oberen Oculomotoriuskern und dorsal vom roten Kern der Haube sich ausbreitet. Diese Zellen sind die Ursprungszellen dieser Faserzüge. Ein dritter Teil bleibt ventral vom oberen Oculomotorius- kern, seine ferneren Beziehungen konnte Held nicht sicher ermitteln. Allen diesen Fasern gegenüber, welche hier entspringen und spinalwärts absteigen, muss man andererseits solche unter- scheiden, welche aufsteigen; das untere Ende dieser letzteren Fasern konnte Held nicht mit Sicherheit feststellen. Es gehören aber dazu sicher auch Fasern, welche aufsteigend sich im Oculo- motoriuskern aufbündeln. Zum Darkschewitschen Kern, Kern der hinteren Komissur v. Koellikers, sah Held Be- ziehungen sowohl von seiten des hinteren Längsbündels, als 1) Held, Die Endigungsweise der sensiblen Nerven im Gehirn. Arch. f£. Anatomie und Entwickelungsgeschichte von His. Jahrgang 1892. $S. 33 und 257. Leipzig 1892. 112 A. CRAMER, auch von seiten der hinteren Kommissur beim 7- bis 8-monat- lichen menschlichen Fötus an Pal-Präparaten. Später spricht Held!) von einem Bestandteil des hinteren Längsbündels, den er als akustische und optische Reflex. bahn bezeichnet. Er nimmt an, dass im vorderen Vierhügel nicht nur optische, sondern auch akustische Fasern sich aufbündeln und durch ihre Endbäumechen auf die grossen Zellen des mitt- leren und tiefen Graus des Sehhügels wirken. Die aus diesen letzteren Zellen entspringenden Bogenfasern, welche die fontäne- artige Haubenkreuzung bilden, schwenken aus dieser letzteren Kreuzung in den mittleren Teil des hinteren Längsbündels ein, hiervon zweigen sich Fasern ab zu den Kernen der Augen- muskelnerven. Die Beziehung geht schliesslich so vor sich, dass die Reflex- bahn der einen Seite Kollateralen in den gleichseitigen III. und den gekreuzten IV. und VI. Kern entsenden. „Der zum Ursprung der Reflexbahn gleichseitige Oculomo- toriuskern, der gekreuzte Trochleariskern und der gekreuzte Abducenskern enthalten selbst Kollateralen, welche sich zwischen den hier zu findenden grossen multipolaren Ganglienzellen in unendlich feiner Weise verzweigen, aus deren Achsencylinder- Fortsätzen jene peripheren Nervenstämme hervorgehen, teils biegen auch vollständig Fasern aus diesen Systemen zu jenen Kernen ab. Bezüglich der den Oculomtoriuskern beeinflussen- den Kollateralen dieses Systems sind aber kompliziertere Ver- hältnisse vorhanden. Ein Teil derselben überschreitet im Kerngebiet die Miittel- linien und kann so auch auf die zum Vierhügel gekreuzten Ursprungszellen des N. oculomotorius einwirken. Neben jener Reflexbahn zum Oculomotoriuskern, die gekreuzte und unge- kreuzte Beziehungen hat, kommt noch eine zweite Bahn als sehr wichtig in Betracht, die folgenden Verlauf zeigt. Ihre Ursprungs- 2) Held, c, Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 113 zellen liegen ebenfalls wie jene des ersteren Systems an den gleichen Regionen des vorderen Vierhügels, ihre Achsencylinder beschreiben aber nicht ganz jenen engeren Bogen um das cen- trale Höhlengrau. Ihre Kreuzungsstelle konımt deshalb etwas ventral von der fontäneartigen Haubenkreuzung zu liegen. Diese Fasern sind es, welche dann in der Bahn der Oculomo- toriuswurzeln aufsteigend in den Oculomotoriuskern gelangen, um sich in Endzweigen aufzusplittern.“ Held sucht diese Angaben auch experimentell zu erhärten. Einem 3 monatlichen Kaninchen wurde der rechte vordere Vier- hügel weggenommen. Nach der Operation hielt das Tier den Kopf konstant nach rechts hin gedreht. Held meint, dass die reflektorische Kopfdrehung im Sinne einer seitlichen Augenbewegung möglicherweise auch geleitet werden kann durch hintere Längsbündel, das ja in die Vorder- seitenstrangreste des Rückenmarks geht. Ob diese Reflexbahn auch vom vorderen Vierhügel bis zum Rückenmark reicht, ist noch zweifelhaft, aber durch Helds Experiment und die bei seinen Kaninchen gefundenen und bis ins Rückenmark reichende sekundäre Degeneration (Marchi) sehr wahrscheinlich. Als weitere Reflexbahnen weist Held noch auf eine Bahn hin durch den Stiel der oberen Olive aus dem Abducenskern nach dem Corpus trapezoides und Acusticus, aus dem Acusticus durch den Corpus trapezoides zum gleichseitigen Facialiskern. Die Verbindung zwischen Abducenskern einerseits und Oculomotoriuskerne und Trochleariskerne an- dererseits haben, sowohl in anatomischer als auch in klini- scher Beziehung vielfach die Autoren beschäftigt. Ich kann hier auf diese gesamte Litteratur nicht eingehen, will aber darauf aufmerksam machen, dass dieselbe von Siemerling!) und 1) E.Siemerling, Über die chronische progressive Lähmung der Augen- muskeln. Berlin 1891 bei Hirschfeld als Supplement zum Arch f. Psy- chiatrie. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd., H. 1.) 8 114 A. CRAMER, Siemerling und Bödeker!) eingehend gewürdigt wird. Einen Teil der anatomischen Angaben habe ich bereits erwähnt. Siemerling kommt im Jahre 1891 zu dem Resume?), dass Verbindungen des Oculomotorius mit dem Facialis und Abducenskerne anatomisch noch nicht erwiesen sind und ebenso- wenig bisher die reflexübertragende Bahn vom Optieus zum Oculomotorius bekannt ist. Dass wir Verbindungen zwischen den Augenmuskelkernen anzunehmen haben, vielleicht auf dem Wege des hinteren Längs- bündels, giebt Siemerling indessen zu. Dagegen hält er die Frage für noch nicht spruchreif, ob diese in ihrem Verlauf vom Abducens- zum ÖOculomotoriuskern gekreuzt zu denken sind, oder derartig, dass nach dem Austritt der Fasern aus dem Ocu- lomotoriuskern erst die Kreuzung von statten geht. In der späteren Publikation betonen Siemerling und Bödeker, dass sie atrophische Veränderungen im hinteren Längsbündel in keinem ihrer Fälle von chronischer Ophthalmo- plegie nachweisen konnten, und heben dabei hervor, dass der Zusammenhang des hinteren Längsbündels mit den Augen- muskelnerven jetzt allgemein anerkannt sei. Boyce?) konsta- tierte bei Durchschneidung des Mesencephals, dass das hintere Längsbündel bis zu den Vordersträngen des Rückenmarks ab- steigt. Mahaim‘) entfernte an zwei Kaninchen im Alter von einem Tage nach der Guddenschen Methode die Augenmuskelnerven 1) Siemerling und Bödeker, Chronische fortschreitende Augenmuskel- lähmung und progressive Paralyse. Arch. f. Psych. Band 29. Heft 3. 2) ]. c. S. 143 und 197. 3) Boyce, Beitrag zur Lehre von der absteigenden Degeneration im Gehirn und Rückenmark etc. Neurolog. Centralblatt 1894. S. 466. 4) Mahaim, Recherches sur les connexions, qui existent entre les noyaux des nerfs moteurs du globe oculaire d’une part et d’autre part de faisseau longitudinal et la formation artieulaire. Bulletin de l’Academie royale de medecine de Belgique. Avenue 1895. Ref. Neurolog. Centralbl. 1896. S. 269. Das hintere Längsbündel, Faseieulus longitudinalis dorsalis ete. 115 auf je einer Seite und zwar bei dem einen Tiere den N. III und N. IV rechts, bei dem anderen den N. IH und N. IV und N. VI links. Nach 4 Monaten wurden die Tiere getötet und das Gehirn in Serienschnitten (Gerlachsches Karmin) untersucht. An dem hinteren Längsbündel der operierten Seite waren ge- wisse Faserbezirke auf eine kurze Strecke degeneriert und zwar zeigte der medialste Faserbezirk des hinteren Längsbündels keine Degeneration. Es bestehen also zwischen ihnen und den Augen- muskelnervenkernen keine Beziehungen. In dem mehr lateral und ventral gelegenen Teil des hinteren Längsbündels ist auf der operierten Seite ein deutlicher Faserausfall erkennbar. Es hat den Anschein, als ob diese Fasern Verbindungsbahnen zwischen den Kernen der Augenbewegungen darstellen. Ferner beobachtete Mahaim, dass in der Höhe des Ocu- lomotoriuskerns von dem am weitesten lateral gelegenen Teil des hinteren Längsbündels sich Fasern seitwärts in den lateralen und dorsalen Teil der Formatio reticularis abzweigen; im Niveau des sensiblen Trigeminuskerns biegen sie rasch nach aussen ab und verschwinden. Diese Fasern stellen eine Verbindungsbahn zwischen dem N. III und N. V dar. Bernheimer!) lässt einige Fasern des hinteren Längs- bündels im Oculomotoriuskern enden, ebenso wie im tiefen Kern der Commissura distalis. Das hintere Längsbündel hat aber an dieser Stelle sein Ende noch nicht erreicht, sondern zieht weiter nach vorn und unten. Rossolimo?) fand in einem Falle, bei welchen neben anderen Erweichungsstellen im Grosshirn auch der Kern des 3. Hirnnervenpaares Veränderungen in seiner ganzen Ausdehnung, anfangend am vorderen Ende unter dem Boden des 3. Ven- 1) Bernheimer, Das Wurzelgebiet des Oeulomotorius beim Menschen. Wiesbaden 1894. Ref. im Neurolog. Centralbl. 1896. 8. 269. 2) Rossolimo, Über Heminanopsie und einseitige Ophthalmoplegie vas- kulären Ursprungs. Neurolog. Centralbl. 1896. S. 696. g* 116 A. CRAMER, trikels, bis nach hinten, wo er in den Kern des Nervus troch- learis übergeht, zeigt, einer erheblichen Affektion des hinteren Längsbündels und zwar in der ganzen Ausdehnung desselben vom Kern des III. Paares an, besonders intensiv am vorderen Ende, während in distaler Richtung die Fasern allmählich zahl- reicher wurden. Noch mehr vergrösserte sich die Anzahl der Fasern nach hinten vom affiızierten Kern. Die Atrophie des Bündels trifft in den oberen Partien den ganzen Querschnitt, während sie distalwärts in halbmondförmiger Umrandung bloss die unteren und äusseren Bündelchen einnimmt. Da die übrigen Hirnnervenkerne und speziell der Abducens- kern intakt waren, muss eine, bei diesem Falle intra vitam be- obachtete Parese des Nervus abducens auf die Atrophie des hinteren Längsbündels zurückgeführt werden. Ich selbst konnte 1894 !) nach Untersuchungen am mensch- lichen Fötus feststellen, dass das hintere Längsbündel mit den Kernen der Augenmuskelnerven in Beziehung steht, dass es im tiefen Kern der distalen Kommissur sein Ende findet und im proximalen Teil der Pyramidenkreuzung aus den Vorderstrang- grundbündeln sich konstituiert. Ramon y Cajal?) kann die Heldsche Ansicht über den Ursprung des Bündels nicht bestätigen. Er fand vielmehr, dass die Fasern des hinteren Längsbündels, besonders diejenigen, welche zum Oculomotorius- und Trochleariskern Kollateralen senden, äusserst dünn werden und mit freien Verzweigungen teils im Edingerschen Kern des hinteren Längsbündels, teils weiter vorn im Thalamus opticus enden. Diese Fasern sind indessen Endzweige und keine Achsencylinderfortsätze. Das hintere Längsbündel führt aufsteigende sensible Fasern zweiter Ordnung. Doch kann auch das Vorhandensein ab- AO Tamer Tess 2) Ramon y Cajal, Beitrag zum Studium der Medulla oblongata ete. Deutsch von Bresler 1896 bei Ambrosius Barth. Das hintere Längsbündel, Faseieulus longitudinalis dorsalis ete. LIZ steigender Fasern nicht ausgeschlossen werden. Neben ab- steigenden sensiblen Fasern sah Ramon y Cajal auch aus dem vorderen Teil des roten Kerns einige kräftige Achsencylinder in das hinteren Längsbündel eintreten. Die sensiblen und sensorischen Züge des hinteren Längs- bündels sind nach Ramon y Cajal folgende: Ein Faserzug aus dem Deitersschen Kern, ein sensibler Faserzug des Trigeminus und ein solcher aus den Zellen der weissen retikulären Substanz stammend. Aus dem Deitersschen Ganglion gehen hauptsächlich jene groben aufsteigenden Fasern hervor, welche zahlreiche Kolla- teralen zu den motorischen Augenkernen senden. „Die Existenz von Vestibularisfasern zweiter Ordnung im hinteren Längsbündel trägt einem den Physiologen wohlbekannten Phänomen Rechnung, nämlich der Erzeugung kompensatorischer und associerter Bewegungen der Augen, während der Kopf und der Körper ihre Gleichgewichtslage ändern. Diese kompen- satorischen Bewegungen, welche die ursprüngliche Stellung der Augen trotz der Lageveränderungen des Kopfes aufrecht zu erhalten streben, hören bekanntlich auf, wenn der Boden des dritten Ventrikels oder des Aquaeductus Sylvii im Niveau des vorderen Vierhügels oder endlich die Nervi acustici durch- schnitten werden, also Schnitte, durch welche mit Notwendigkeit entweder die Durchtrennung der Vestibuluswurzel oder des hinteren Längsbündels herbeigeführt wird.“ v. Koelliker!) gelang es nicht, beim Menschen einen Kern nachzuweisen, der als Ursprungskern der Fasern des hinteren Längsbündels angesehen werden könnte. Der tiefe Kern der hinteren Kommissur ist kein Ursprungskern des hinteren Längs- bündels. An einem fast ausgetragenen Embryo fand v. Koelliker 1) v. Koelliker,l. c. 118 A. CRAMER, folgendes Verhalten des proximalsten Teils des hinteren Längs- bündels.. Der mediale Teil des in der Höhe des roten Kerns der Haube zu einer Faserplatte umgewandelten hinteren Längs- bündel steigt in dorsoventraler Richtung ventralwärts bis in die Regio hypothalamica und geht dorsalwärts von dem Corpus mammillare in eine Kommissur über, indem die Bündel von beiden Seiten aufs deutlichste sich verbinden. Ein zweiter und zwar der Hauptteil des hinteren Längsbündels schliesst sich den Bogenfasern an, welche den Nucleus ruber an der medialen und ventralen Seite umsäumen, und ist nicht weiter zu verfolgen. Einen Übergang von Bogenfasern der Haube in das hintere Längsbündel konnte v. Koelliker nicht finden. Beim Kaninchen reicht das hintere Längsbündel bis zum Fasciculus retroflexus von Meynert und tritt dann in den Thalamus optieus ein, zum Teil an der medialen Seite desselben einstrahlend, z. T. lateralwärts auf die Lamina medullaris zu- laufend. Eine Entscheidung darüber, ob das hintere Längs- bündel absteigende oder aufsteigende Fasern führt, wagt v. Koelliker nicht zu treffen. Sollte sich auch für den Säuger herausstellen, dass die Bahn des hinteren Längsbündels von oben nach unten zunimmt, so hätte man wohl einen solchen Zuschuss durch Fasern zu erklären, die von einem Teile der grossen multipolaren Zellen des Nucleus magno-cellularis diffusus der Haube entspringen. van Gehuchten!) kommt nach eingehenden, an der Forelle mit Hülfe der Golgischen Methode angestellten Unter- suchungen zu nachstehenden Resultaten über den Verlauf und die Bedeutung des hinteren Längsbündels. Das hintere Längs- bündel führt nur absteigende Fasern und muss wie ein moto- risches Bündel aufgefasst werden. Es erstreckt sich vom proxi- malen Teil des Mittelhirns bis in die Vorderstränge des Rücken- ı) van Gehuchten, l.c. 8. 19. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 119 markes. Es nimmt von vorn nach hinten an Umfang zu. Die proximalsten Fasern haben ihre Ursprungszellen in einem Kerne unterhalb des Meynertschen Bündels zu beiden Seiten der Mittellinie (oberer Kern des hinteren Längsbündels). Die anderen Fasern des hinteren Längsbündels stammen aus Zellen, welche im Hirnstamm verstreut liegen und zumeist längs der ab- steigenden Wurzel des Trigeminus und im Niveau des Facialis- kerns liegen. Die Fasern des hinteren Längsbündels entsenden zahlreiche Kollateralen, welche sich in den benachbarten grauen Massen verzweigen und zwar namentlich im III., IV. und VII. Kern. Durch diese Kollateralen tritt das hintere Längs- bündel in Konnex mit den Wurzelfasern der motorischen Nerven. Der grösste Teil der Fasern des hinteren Längsbündels kreuzt nicht. Auch die Kollateralen sind meist ungekreuzt. Die hintere Kommissur ist unabhängig vom hinteren Längsbündel. v. Bechterew!) betont hauptsächlich die Beziehungen des hinteren Längsbündels zu den Augenmuskelnervenkernen und lässt den Rest des Bündels im ventralen Kern der hinteren Kommissur versinken. Zum Teil nimmt er auch aufsteigende Bahnen im hinteren Längsbündel an. Die Bedeutung der die Kerne der Augenmuskelnerven mit den grauen Vorderhörnern des Rückenmarks verbindenden Bahn liegt wahrscheinlich in einer Association der Augen- bewegungen und der Bewegungen der Gliedmassen. Jene Ele- mente des hinteren Längsbündels, welche die Kerne der Augen. muskelnerven mit einander verknüpfen, können ebenfalls Associationsbahnen darstellen. Samuel?) hat in einem Fall von Ponshämorrhagie eine sekundäre Degeneration des hinteren Längsbündels gefunden 1) v. Bechterew, Die Leitungsbahnen im Gebirn und Rückenmark. Deutsch von Weinberg. Zweite Auflage. Leipzig 1899 bei Georgi. 8. 264. 2) Samuel, Haemorrhage into pons, secundary lesions of lemmiscus, posterior longitudinal fascieuli, and Floceulus cerebelli. Brain. Part. I. 1898. 8. 1. 120 A. CRAMER, Die Degeneration war auf- und absteigend. Die absteigenden Fasern scheinen nach Samuel eine Verbindung herzustellen zwischen den motorischen Kernen oberhalb und unterhalb der Läsionsstelle. Sie lassen sich verfolgen bis in die Vorderstrang- grundbündel der unteren Medulla und des oberen Rückenmarks. Es verbinden diese Fasern die unteren motorischen Kerne mit den Kernen der Vorder- und Seitenhörner und des Accessorius. Die aufsteigenden Fasern treten geschlossen mit dem Oculo- motorius- und Trochleariskern in Beziehung. Man kann die Fasern auf der gleichen Seite bis in den III. und IV. Kern verfolgen. Es findet sich eine Kreuzung in der Mitte zwischen den Oculomotoriuskernen. Indessen finden die meisten Fasern des hinteren Längsbündels im Oculomotoriuskern ihr Ende, eime immerhin noch beträchtliche Menge von Fasern gelangt nach dem Thalamus opticus. Die Hämorrhagien sassen in diesen Fällen in der Höhe des Facialis, Abducens und Trigeminsaustritts. Kohnstamm!) fand bei Kaninchen, bei welchen eine Hemi- sektion im 1. bis 2. Cervikalsegment stattgefunden hatte, den Ursprungskern des hinteren Längsbündels gleichseitig degeneriert. Dieser Befund würde ebenfalls für das Vor- handensein aufsteigender Fasern sprechen. Allerdings ist es noch fraglich, was unter den Ursprungskernen zu verstehen ist. Es sei hier noch bemerkt, dass Jacob?) in einem Falle, bei welchem Thalamus opticus, der hintere Teil der Capsula interna, der vordere Vierhügel und die Ponsgegend zerstört war, das linke hintere Längsbündel absteigend degeneriert fand. Sehr wertvoll ist ein kürzlich von Spitzer?) aus dem 1) Kohnstamm, Über Ursprungskerne spinaler Bahnen im Hirnstamm, speziell über das Atemcentrum. Neurolog. Centralbl. 1899. Nr. 14. 8. 668. 2) Jacob, Über einen Fall von Hemiplegie etc. Deutsch. Zeitschr. f. Nervenheilkunde. Band 5. 8. 188. 3) Spitzer, Ein Fall von Tumor am Boden der Rautengrube. Beitrag zur Kenntnis des hinteren Längsbündels. Jahrbücher f. Psych. Bd. 18. Heft 1 und 2. 8.1. Anatom, Hefte 1. Abteilung: (XLI. Heft) 13. Bd. H, TAFEL VIIVH. Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis ete. 121 Obersteinerschen Laboratorium mitgeteilter Fall von Tumor am Boden des 4. Ventrikels. Die Geschwulst hatte linksseitig den dorsalmedialen, drei- eckigen Acusticuskern, den Abducenskern, ferner die dorsale Hälfte der Raphe und beide hintere Längsbündel auf eine kurze Strecke zerstört; stark affıziert sind weiter der linke Facialis und der linke Abducens. Die sekundären Degenerationen wurden nach Marchi verfolgt. Die hinteren Längsbündel waren in beiderlei Richtung degene- riert. Die absteigenden, degenerierten Fasern übertreffen an Zahl die aufsteigenden. Die absteigenden gehen hauptsächlich in den dorsalen Abschnitt des Vorderstranggrundbündels der- selben Seite über und endigen im Halsmark. Diese im Vorderstrang des Halsmarkes kaudal verlaufenden und im Vorderhorn des Halsmarks endigenden Fasern stammen nachSpitzer1. aus dem Zwischen- und Mittelhirn, — diese lagern in der medialen Abteilung des hinteren Längsbündels —, 2. aus den Deitersschen Kernen, 3. aus den Hinterstrangkernen (viel- leicht auch aus dem Kleinhirn). Die aufsteigende Degeneration des hinteren Längsbündels, welche sich in den ventralsten und medialsten Teilen des Bündels findet, lässt sich über die Gegend des Oculomotoriuskernes hin- aus nicht verfolgen, liegt dort aber in mehr lateral und auch dorsal gelegenen Partien des Bündels. Im Anschluss an den klinisch genau beobachteten Fall ent- wickelt Spitzer seine Anschauungen über die physiologische Bedeutung des hinteren Längsbündels. Er geht dabei von der Überzeugung aus, dass das hintere Längsbündel beim Menschen nicht weiter hinabreicht, als in das Halsmark und dort in den Vorderhornzellen endet. Im hinteren Längsbündel finden wir nach Spitzer Fasern aus den Hinterstrangkernen zum Vorderhorn des Halsmarks aus 122 A. CRAMER, dem Deitersschen Kern eben dorthin und zu den Nerven- kernen der Augenmuskeln, ferner enthält es Fasern aus den primären optischen Centren zu den Ursprungskernen der Hals- und Augenmuskelnerven. Letztere Fasern entspringen beim Menschen aus dem Zwischenhirn, bei Tieren aus dem Mittelhirn. Alle diese Fasern endigen in Vorderhornkernen, welche die Kopf- und Augenbeweger innervieren, und alle entspringen aus Centren, denen die diese Bewegungen begleitenden und regu- lierenden sensiblen Reize zufliessen!). Trotz der entgegengesetz- ten Verlaufsriehtung seiner Fasern gestattet also das hintere Längsbündel eine in funktioneller Hinsicht einheitliche Auf- fassung. Indem es alle eben genannten Fasern vereinigt, bildet es den motorischen Schenkel eines zur räumlichen Orientierung dienenden Reflexbogens, dessen Centren von den Hinterstrang- kernen, vom Deitersschen Kern, vom Mittel- und Zwischen- hirn repräsentiert werden. Der sensible Schenkel (die centralen Bahnen der sensiblen Halsnerven, des Quintus, der Vestibularis und Opticus) leitet Empfindungsreize von der Haut und den Muskeln des Halses, vom Ohrlabyrinth, von der Orbita und Retina zu jenen Centren, wo sie reflektorisch-regulierende Be- wegungsimpulse auslösen, welche auf dem Wege des hinteren Längsbündels den Muskeln des Kopfes und der Augen zufliessen. Die auf solche Weise zustande gekommenen, fein koordinierten !) „Wahrscheinlich entspringen hintere Längsbündelfasern auch aus Zellen der Formatio reticularis (Lateral- und Centralkerne Flechsigs). Ihre Auf- splitterung um Vorderhornzellen und das Herantreten von Schleifenfaserkol- lateralen an ihre Ursprungszellen sprechen für die funktionelle Übereinstimmung dieser Fasern mit den anderen Elementen des hinteren Längsbündels. Da aber bezüglich dieser Fasern, sowie der Kerne der Formatio reticularis noch viel Unklarheit besteht, so sehe ich von der Verwertung dieser Befunde für die im Texte entwickelte Anschauung ab. Über die anatomischen Verhältnisse der eben erwähnten Fasern siehe besonders die bereits eitierten Arbeiten von Held, ferner die jüngst erschienene Arbeit von A.Tschermak. Über den centralen Verlauf der aufsteigenden Hinterstrangbahnen etc. Arch. f. Anat. und Entw. 1898,* LS] (0%) Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. li Bewegungen rufen ein System simultaner und successiver Be- wegungsempfindungen hervor, mit deren Hülfe wir uns im Raume orientieren. Das hintere Längsbündel führt die zum Austasten des Raumes notwendigen Bewegungsimpulse, und der ganze Reflexbogen dient zur Auffassung der räumlichen Beschaffenheit der uns umgebenden Objekte, d. h. zum Aufbau unserer exten- siv geordneten Vorstellungswelt. Die höheren Tiere und der Mensch benützen zum Austasten des Raumes den Kopf und die Augen, deshalb erschöpfen sich bei ihnen die absteigenden Fasern des hinteren Längsbündels schon im Halsmark. Die Fische hin- gegen können Kopf und Augen nicht selbständig bewegen, sondern nur zusammen mit dem Rumpfe mit Hülfe der Schwanz- muskulatur. | Letztere besorgt bei ihnen die zur Orientierung notwendigen Bewegungen und vertritt so funktionell die Halsmuskeln der höheren Tiere. Die Fische haben ihren Hals gewissermassen hinter dem Rumpfe. Dementsprechend reichen bei ihnen die Fasern des hinteren Längsbündels im Rückenmark tief hinab bis zum Ursprunge der die Schwanzmuskeln versorgenden Nerven, und auch das die orientierenden Bewegungen pereipierende Or- gan, die Seitenlinie, reicht tief hinunter bis zum hinteren Körper- ende. Der Wichtigkeit seiner Funktion entspricht auch das phylogenetisch hohe Alter des hinteren Längsbündels, was aus der allgemeinen Verbreitung desselben in der Wirbeltierreihe und aus der ontogenetisch frühen Umhüllung mit Markscheide hervorgeht. Bei den Fischen ist es vielleicht überhaupt die einzige centrale motorische Bahn und dient hier unterschiedslos den noch nicht scharf gesonderten verschiedenen Arten von Be- wegungen. Tschermak') fand auf- und absteigende Degeneration des hinteren Längsbündels nach Durchschneidung des Trapezkörpers ı) Tschermak, Über die Folgen der Durchsehneidung des Trapezkörpers bei der Katze. Neurolog. Centralbl. 1898. Nr. 15 und 16. 124 A. CRAMER, bei der Katze. Allerdings war dabei auch der intrakraänielle Abducensstamm zerstört worden. Das proximäle Ende des hinteren Längsbündels. Zum Studium des centralen Endes unseres Faserzuges stehen mir zahlreiche lückenlose, gut nach Pal gefärbte Serien durc# den Hirnstamm menschlicher Früchte und neugeborener oder 1 bis 3 Monate alter Kinder in frontaler, sagittaler und horizontaler Richtung zur Verfügung. In der angegebenen Richtung die Schnitte zu führen, ist mir nicht immer vollständig gelungen. Die Serien sind nicht nur zu dem Zwecke angefertigt, über das hintere Längsbündel Aufschluss zu geben, sondern umfassen auch die Stammganglien mit Insel und das Kleinhirn, die Blöcke waren infolgedessen verhältnismässig dick. Es ist daher auch z. B. bei den Sagittal- serien nicht immer genau die Medianebene getroffen worden. Als gemeinschaftliches Resultat bei der Durchmusterung aller Serien möchte ich vorausschicken, dass in sämtlichen Serien das hintere Längsbündel über den Oculomotorius- kern und den tiefen Kern der hinteren Kommissur (v. Koelliker) hinaus verfolgt werden kann. Auf dem Wege in die Partien proximalwärts vom Kern der hinteren Kommissur gelangt das Bündel an den doro- medianen Rand des roten Kerns der Haube und breitet sich dort aus, wie das Stilling schon vor vielen Jahren beschrieben hat. Man sieht das am besten an einem Frontalschnitte. (Siehe Figur 1 und 2)!). !) Die Zeichnungen habe ich sämtlich mit dem Winkelschen Zeichen- apparat hergestellt, indem ich mit der Tuschfeder die einzelnen Fasern nach- fuhr. Es können also diese Zeichnungen Anspruch auf Naturtreue machen. Sie sind nach dem Autotypie-Verfahren reproduziert. Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 125 Man kann infolgedessen nicht erwarten, dass in dieser Gegend auf den Horizontal- und Sagittalschnitten das Bündel in derselben Mächtigkeit erscheint wie auf den Frontalschnitten. Th.0. ThD. a Na Th0 A Fig. 1 und 2. Serie D. S-bis 9monatlicher Fötus, 5fache Vergrösserung. Winkels Zeichenapparat. Fig. 1. Schnitt 275 am proximalen Ende des Kerns der hinteren Kommissur. Fig. 2. Schnitt 296. Weiter proximalwärts am Eingang zum 3. Ventrikel. III. Austretende Oculomotoriuswurzeln. H. F. Hirnschenkelfus. H.L. Hinterer Längsbündel. K.H.C. Kern der hinteren Kommissur. H.C. Hintere Kommissur. M. B. Meynertsches Bündel oder Fasciculus retroflexus. R.K. Roter Kern der Haube. Th.O. Thalamus opticus. Immerhin sind aber die in sagittalen und horizontalen Ebenen gelegten Schnitte besser geeigent zur Verfolgung des Bündels als Frontalschnitte, weil man die einzelnen Fasern des Bündels 196 A. CRAMER, über grössere Strecken zusammenhängend in der Längsrichtung verfolgen kann. An der Sagittalschnittserie A, welche einen ca. 8monat- lichen Fötus betrifft, lässt sich deutlich erkennen: 1. Dass das hintere Längsbündel den tiefen Kern der hinteren Kommissur (v. Koelliker) mit dem grössten Teil seiner Fasern nur passiert. 2. Dass das hintere Längsbündel nach dem Passieren des Kerns der hinteren Kommissur dorsal über den roten Kern der Haube wegzieht, um sich dann ventralwärts zu wenden. adıi. Verhältnis zum Kern der hinteren Kommissur. Das hintere Längsbündel beider Seiten dieser Schnittreihe verhält sich gleich. Es handelt sich um die Schnitte 26 bis 34 und 66 bis 74. Wenn man sich in der Schnittreihe latero- medianwärts fortschreitend dem Kern der hinteren Kommissur nähert, so hat man zunächst, wie auch an Frontalschnitten den Eindruck, als ob das hintere Längsbündel in diesem Kern sein Ende fände oder davon seinen Ausgang nehme. Das hier aller- dings noch schwache Bündel läuft direkt auf den erwähnten Kern zu und scheint sich darin aufzubündeln. Geht man nur ein bis zwei Schnitte weiter medianwärts, so sieht man bereits einzelne Fasern des hinteren Längsbündels ventral an dem Kern der hinteren Kommissur vorbeilaufen. Diese Fasern halten sich dabei dicht dorsal vom roten Kern und schwenken, den Konturen des roten Kerns folgend, nasal vom roten Kern ventralwärts um; ihr Ende konnte ich in dieser Serie nicht feststellen. Geht man noch etwas weiter median, so nehmen diese Fasern an Mächtig- keit zu, erreichen aber nicht die Mächtigkeit, die das hintere Längsbündel vor dem Eintritt in die Oculomotoriuskernregion hat. Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis etc. 127 In den Ebenen, wo diese Fasern zum erstenmal auftreten, liegt, wie erwähnt, dorsal von ihnen der Kern der hinteren Kommissur. EN Fig. 3. Schnitt 71 der Serie A. 10fach vergrössert. R.K. Roter Kern der Haube, H.C. Fasern zur hinteren Kommissur aus dem Kern der hinteren Kommissur. K.H.C. Kern der hinteren Kommissur. M.B. Meynertsches Bündel. III. Wurzel- fasern des Oculomotorius. K.IlI. Kern des Oculomotorius. K.IV. Kern des N. trochlearis. H.L. Hinteres Längsbündel. H.L.D. Fasern des hinteren Längsbündels, welche um den roten Kern der Haube ziehen, Es zeigt sich nun, wenn man Schnitte aus diesen Ebenen genauer studiert, dass ein allerdings kleiner Teil des dorsalsten Viertels des hinteren Längsbündels dorsalwärts über den Kern 128 A. CRAMER, der hinteren Kommissur wegzieht und sich den Fasern an- schliesst, welche aus dem Kern der hinteren Kommissur zur hinteren Kommissur ziehen. Es lassen sich diese Verhältnisse sehr gut an Figur 3 übersehen. Ich halte dabei auch nicht für ausgeschlossen, dass dem hinteren Längsbündel auf seinem weiteren Wege proximalwärts um den Kern der hinteren Kommissur ein Zuwachs aus diesem Kern selbst entsteht. Das Verhältnis zum Kern der hinteren Kommissur gestaltet sich also in der Weise, dass die lateralsten Fasern des hinteren Längsbündels in dem Kern ihr Ende finden oder weiter median- wärts dorsal an dem Kern vorbei zur hinteren Kommissur ziehen, und dass das Gros des Bündels medial und ventral an dem Kern vorbeizieht. ad 2. Fasern, welche dorsal über den roten Kern der Haube wegziehen. Im roten Kern sind markhaltige Fasern noch nicht auf- zufinden, der Bindearm lässt höchstens ganz vereinzelte mark- haltige Fasern erkennen. Die Hauptmasse dieser Fasern zieht ventral und medial an dem Kern der hinteren Kommissur vorbei. Ihre laterale Hälfte schwenkt immer parallel dem Rande des roten Kerns verlaufend ventralwärts um und strebt dabei medianwärts; wo- hin diese Fasern gelangen, konnte ich an dieser Serie nicht feststellen. Geht man weiter medial zu Ebenen, in denen der Kern der hinteren Kommissur nicht mehr sichtbar ist, so ziehen diese Fasern nicht mehr ventralwärts, sondern sie schwenken in den Oculomotoriuskern selbst und auch noch weiter proximal- wärts nach dem Verlassen des Kerns dorsalwärts um. (Siehe Figur 4 und Tafel IV/V Fig. 1.) Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 129 Ich glaube, dass in diesen Ebenen die Beziehungen zum vorderen Vierhügel, welche Spitzka,.Held, Bechterew und andere annehmen, zu suchen sind. Die noch weiter median- PN UNI Fig. 4. Schnitt 60 der Serie A. 10fach vergrössert. Fasern des binteren Längsbündels, welche dorsal- wärts zum Oculomotoriuskern und wahrscheinlich auch zum vorderen Vierhügel umschlagen. H.L. Hinteres Längsbündel. C.C. Ventraler Rand des Hirnschenkels. P. Rand des Pons. III. K. Oculomotoriuskern. V.V. Faser zum vorderen Vierhügel? A. Aquaeductus Sylvii. wärts liegenden Fasern ziehen, nach dem Passieren des Oculo- motoriuskerns leicht ventralwärts geneigt, auf das Grau des Infundibulums zu und gelangen bis nahe an die Corpora mammillaria heran. Anatomısche Hefte, 1. Abteilung. XLI. Heft (13. Bd. H. 1). 9 130 A. CRAMER, Es sind dieses wahrscheinlich die Fasern, welche nach Schnopfhagen und v. Koelliker in dieser Gegend am Boden des dritten Ventrikel Schleifen resp. Kreuzungen bilden. Wir werden etwas Ähnliches später an Frontal- und Sagittalschnitten sehen. Es zerfallen also die in dieser Schnittreihe dorsalwärts von dem roten Kern der Haube streichenden Fasern des hinteren Längs- bündels, welche nicht mit dem Kern der hinteren Kommissur in Beziehung treten, in 2 Teile: 1. Ein ventralwärts sich wendender, dem Infundibulum zu- strebender Teil. 3. Ein dorsalwärts sich wendender Teil (Oculomotoriuskern, prox. Vierhügel). Ich möchte an diese Serie die Beschreibung von einigen Schnitten aus einer anderen sagittalen Serie anschliessen, welche mir leider durch einen Unglücksfall beim Transport zum grössten Teil zertrümmert wurde. Gerade die Schnitte, welche aber den proximalen Teil der Bündels umfassen, sind wohl erhalten. Es handelt sieh um die Serie G., welche von einem circa 9 bis 10-monatlichen Fötus stammt. Die Schnittreihe ist insofern günstig, als auf den mediansten Schnitten das Bündel fast im seiner ganzen Ausdehnung übersehen werden kann. Eine gute Übersicht gewährt Fig. 5. Wir sehen hier, wie sich das Bündel proximalwärts um den roten Kern der Haube herumschlägt und ventralwärts nach dem Infundibulum hinzieht. Weiter als nach der Stelle X konnte ich das Bündel in keinem Schnitte dieser Serie verfolgen. Dass es etwa dem Hauben- bündel Edingers nach dem Corp. mammillare sich anschliessen könnte, glaube ich nicht, weil die Bündel des Corpus mammillare noch nicht markhaltig sind. Betrachten wir Figur 5 genauer, so scheint es uns, als ob das Bündel zum grössten Teil im Kern der hinteren Kommissur Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. ia1 sein Ende fände und nur mit einem ganz geringen Teil den Weg weiter proximalwärts um den roten Kern der Haube nähme. P. V. Proximaler P. Pons. IV. Trochleariswurzeln. K.H.K, Kern der hinteren Kommissur, R. K. Roter Kern der Haube, Fig. 5. Schnitt IV. 3 der Serie G. 4fache Vergrösserung. H.L. Hinteres Längsbündel. N. III. Oculomotoriskern. III. Wurzelfasern des Oculomotorius, S. Schleife. Th. 0. Thalamus opticus. Vierhügel. B.K. Bindearmkreuzung. H. ©. Hintere Kommissur, M.B. Meynertsches Bündel, Dass dem nicht so ist, zeigt uns ein Schnitt weiter median- wärts (Figur 6). Wir sehen hier nichts mehr vom Kern der hinteren Kommissur. Derselbe liegt weiter lateralwärts. Das g* 132 A. CRAMER, Bündel zieht aber in beträchtlicher Stärke an der Stelle, wo an Figur 5 der Kern der hinteren Kommissur gelegen war, auf N. RK Fig. 6. Schnitt C. IV. 2 der Serie G. 10 fache Vergrösserung. H.L. Hinteres Längsbündel. M.B. Meynertsches Bündel. R. K. Roter Kern der Haube. P.V. Proximaler Vierhügel. H.K. Hintere Kommissur. III. Wurzelfasern des Oculomotorius. N. III. Oculomotoriuskern. Fig. 7. Schnitt V. 3 der Serie G. 10fache Vergrösserung. Bezeichnung wie in Fig. 6. seinem Wege weiter. Wir können uns am besten orientieren, wenn wir das Meynertsche Bündel als Richtpunkt nehmen. Auf Figur 5 nimmt das H. L. B. schon weit kaudalwärts hinter Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 133 dem Meynertschen Bündel an Faserstärke ab, in Figur 6 zieht es mit ziemlich gleichem Fasergehalt proximalwärts über das Meynertsche Bündel hinaus. Allerdings wird es auf dem weiten proximal- und ventralwärts gerichteten Verlauf faser- ärmer. (Vergleiche auch Tafel VI/VII Fig. 2, welche dieselben Verhältnisse wie Fig. 6 wiedergiebt). Die Gründe hierfür werde ich später bei Besprechung einer Horizontalserie angeben. Figur 7 füge ich bei, weil sie uns zeigt, wie das Bündel in einem Schnitte noch weiter lateralwärts als in Figur 5 voll- ständig im Oculomotoriuskern zu endigen scheint. Ein Studium bei stärkerer Vergrösserung zeigt uns aber bald, dass die starker Faserbündel, welche in den dritten Kern hineinreichen, hıer nicht sich aufbündeln, sondern abgeschnitten sind, weil sie aus der Schnittebene medianwärts ziehen. Auch an einer Sagittal-Serie (Sagittal-Serie C) von einem ungefähr zweimonatlichen Kinde konnte ich feststellen: 1. Dass das hintere Längsbündel nicht seinen Ursprung aus dem Kern der hinteren Kommissur nimmt!). 2. Dass der grösste Teil der Fasern des hinteren Längs- bündels, welche dorsal um den roten Kern der Haube herum- ziehen und sich dann ventralwärts wenden, bis nahe an den dorsalen Schenkel der Fornixsäule heran gelangen, während ein anderer Teil in der Gegend des Luysschen Körpers aufhört, ein anderer Teil schon früher nach dem Thalamus abzuschwenken, und ein letzter Teil medianwärts zu Kommissurenbildung sich zu wenden scheint. Was zunächst das Verhältnis zum Kern der hinteren Kom- missur betrifft, so ergiebt sich derselbe Befund wie bei Serie A. und G., d. h. dass nur ein geringer Teil des hinteren Längs- !) Ich bemerke ein für allemal, dass ich zunächst auf die Leitung und psysiologische Bedeutung des Bündels nicht eingehe, also mit dem Ausdruck: „Ursprung“ nichts präjudizieren will. 134 A. CRAMER, bündels und zwar die dorsalsten und lateralsten Fasern in die hintere Kommissur einschwenken (siehe Figur 8) und vielleicht auch im Kern der hinteren Kommissur sich aufbündeln und dass das hintere Längsbündel mit dem grössten Teil seiner Fasern medial und ventral an dem Kern der hinteren Kommissur Fig. 8. Schnitt 131 der Sagittal-Serie C. B.K. Bindearmkreuzung. ©. M. Corp. mammillare. D. V. Distaler Vierhügel. H.C. Hintere Kom- missur. H. TI. Hintere Längsbänder. K.H.C. Kern der hinteren Kommissur. M.B. Meynert- sches Bündel. N.III. Oculomotoriuskern. 11I. Oculomotoriuswurzeln. N. O. Opticus. P. Pons. P. V Proximaler Vierhügel. S. Schleife. Th. O. Thalamus opticus. vorbeizieht (Fig. 9). Es hat auch an dieser Serie den Anschein, als ob dem hinteren Längsbündel auf seinem weiteren Wege proximalwärts um den roten Kern der Haube aus dem Kern der hinteren Kommissur Fasern zuwachsen, mit Bestimmtheit kann ich das indessen nicht behaupten. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis etc. 135 Dagegen sehe ich mit Sicherheit Fasern aus dem roten Kern der Haube und zwar aus der Partie, wo ihn das Meynertsche Bündel passiert, das hintere Längsbündel kreuzend nach dem Kern und der hinteren Kommissur selbst ziehen. Fig. 9. Schnitt 139 derselben Serie. Figur 9 weiter medianwärts. Bezeichnung wie bei Fig. 8. Gehen wir weiter medianwärts und zwar so weit, dass wir an die mediane Seite des roten Kerns der Haube gelangen, so sehen wir, dass das Bündel direkt auf das Infundibulum zuläuft und dorsal vom Corpus mammillare in dem centralen Höhlengrau fast dicht unter dem Ependym sein Ende zu finden scheint (Schnitt 143 Figur 10). Bei stärkerer Vergrösserung sehen wir bei Schnitten aus diesen Ebenen, dass das hintere Längsbündel 136 A. CRAMER, nicht mehr aus einer zusammenhängenden Lage längs ver- laufender Fasern besteht, sondern aus einzelnen Stückchen längs getroffener Faserbündel, welche zunächst nach dem Oculo- motoriuskern zustreben und weiter proximalwärts ebenfalls dorso- lateral abzuschwenken scheinen. Dieses auffallende Verhalten erklärt sich, wenn wir das hintere Längsbündel im Schnitt 139 Fig. 10. Schnitt 143 der Sagittalserie ©. 2fache Vergrösserung. Bezeichnung wie in Figur 8 und 9. (Figur 9) und ferner Figur 3, 4 und 7 betrachten und nament- lich, wenn wir das hintere Längsbündel auch auf Horizontal- serien studieren. Es fährt das hintere Längsbündel nicht nur in dorso-ventraler Richtung bei dem Passieren des Oculomotorius- kerns auseinander, sondern auch in horizontaler Richtung. Erst nach dem Verlassen dieses Nervenkerns sammeln sich die Fasern wieder und nehmen, nur über dem dorso-medialen Teil des roten Das ‚hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis etc. 137 Kerns sich ausbreitend, zum Teil einen ventral, zum Teil einen lateral gerichteten Verlauf. Ich komme darauf später noch zurück. Was wird nun aus den Fasern, welche am proxi- malen Rande des roten Kerns ventralwärts ziehen. Es handelt sich dabei um die mediansten Faserbündel des Fascieulus longit. dorsalis. Wie v. Koelliker, so ist es auch mir nicht gelungen, an einer der mir zur Verfügung stehenden Serien einen Kern oder eine einigermassen charakteristische Ansammlung von Zellen zu finden, in welchen diese Fasern ihr Ende fänden. Allerdings sind meine Präparate nach Pal gefärbt und dem- nach die Zellen schwer zu sehen. Immerhin glaube ich aber nicht, dass mir eine einigermassen charakteristische Zellansamm- lung entgangen wäre. Diese Fasern gelangen, wie wir an Figur 11 und 12 sehen, ventralwärts hinab bis an die Ebene des ventralen Randes des roten Kerns der Haube, ja noch etwas darüber hinaus. Dabei nehmen sie ihr Ende dicht vor den Bündeln, welche sich aus dem Corpus mammillare entwickeln, dem Faseiculus mammillaris princeps und thalamo mammillaris (nach der Bezeichnung von Koelliker). Im allgemeinen sind diese Faserzüge noch mark- los, nur in dem Teil, den ich als Fasciculus mammillaris princeps ansprechen muss, finden sich einzelne schwach gefärbte Fasern. Einen Zusammenhang dieser Fasern mit denen des hinteren Längs- bündels konnte ich indessen nicht nachweisen, ich glaube viel- mehr, dass die Fasern des hinteren Längsbündels am Corpus mammillare vorbei nach dem Tuber einereum gelangen. Auf dem Wege bis zu dem Zusammentreffen mit diesen Mammillarbündeln schwenken einzelne der Fasern in der Rich- tung auf den Thalamus ab, lassen sich aber nur eine kurze Strecke auf dem Wege dahin verfolgen. Ein beträchtlicher Teil der Fasern erscheint an der erwähnten Stelle angelangt wie ab- 138 \ A. CRAMER, Fig. 11 und 12. Schnitte 106 und 168 der Sagittalserie C. IV. Wurzelfasern des N. trochlearis. F. T.H.M. Fasciculus thalamo-mammillaris. F. M. P. Fasci- culus mammillaris princeps. N.R. Roter Kern. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 8 und 9. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis etc. 139 geschnitten, dabei machen die einzelnen Fasern den Eindruck, als ob sie medianwärts umschwenken wollten, ich nehme an, dass es die Fasern sind, welche nach v. Koelliker am Boden des dritten Ventrikels eine Schleife bilden. Wir werden gleich an Frontalschnitten sehen, dass dem wirklich so ist. Auch an dieser Serie tritt wieder hervor, dass die Fasern, welche bis an den proximalen Rand des roten Kerns gelangen, an Zahl viel geringer sind, als die Fasern welche sich auf der Höhe dorsal von dem roten Kern finden. Ich habe bereits erwähnt, dass einzelne Fasern proximal- und dorsalwärts dem Thalamus opticus zustreben. Ein anderer grösserer Teil verschwindet offenbar deshalb aus der Schnitt- fläche, weil die Fasern auf ihrem ventralwärts strebenden Wege nach mehr lateral liegenden Partien gelangen. Verfolgt man diese Fasern auf den mehr lateral gelegenen Schnitten, so ge- langt man mit diesen Fasern in die Gegend des Corpus Luys, und des Feldes H, von Forel, mit welchen sie in naher Ver- bindung stehen. Einzelne mehr medial gelegene Fasern ziehen an demselben vorbei, kreuzen dabei den Fasciculus thalamo- mammillaris und scheinen in den Fasciculus mammillaris princeps zu gelangen. (Figur 13 und 14.) Die Beziehung zum Corpus Luys, vielleicht auch zum Feld H, Forels, scheint mir nach meinen Präparaten sicher zu sein. Ich werde weiter unten noch ausführlicher auf diese sehr wichtige Beziehung eingehen und später auch ihre Bedeutung klarlegen. Eine Schnittreihe K in schräg sagittaler, d. h. nach vorn etwas lateraler Richtung durch einen Smonatlichen Fötus er- giebt im grossen und ganzen dieselben Resultate; das Bündel lässt sich proximal vom roten Kern bis in die ventralen Ebenen des roten Kerns verfolgen und gelangt ebenfalls nahe an das N x Fig. 13 und 14. Schnitt 107 und 114 der Sagittalserie C. M.C. Meynertsche Kommissur. N. R. Roter Kern. L. M. Lamina medullaris. ©. L. Corpus Luys. F,D. Dorsaler Schenkel der Fornixsäule. S. Tm. Th. Stria medullaris thalami. Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 141 Infundibulum und das Corpus mammillare. Weiter liessen sich aber seine Fasern nicht verfolgen. Frontalserien. An der Frontalserie I, welche anscheinend von einem neu- _ geborenen oder einen Monat alten Kinde stammt, liegt das hintere Längsbündel an der Stelle, wo der Kern der hinteren Kommissur auftritt, dorso-medial vom roten Kern der Haube wie in Figur 1 und 2. Betrachtet man das Bündel nicht genauer und nament- lich nicht mit stärkerer Vergrösserung, so gewinnt man die Überzeugung, als ob das Bündel in dem Kern der hinteren Kommissur sein Ende fände. Die Präparate der Serien, welche meiner Publikation aus dem Jahre 94 zu Grunde lagen !), stammten von jungen Föten, waren auch nicht so gut gefärbt, ich verfiel deshalb wie so viele andere diesem Irrtum. Ein genaueres Studium des hinteren Längsbündel in dieser Höhe zeigt uns, dass dasselbe dorsalwärts wohl auseinanderführt, dass es aber nicht im Kern der hinteren Kommissur sich auf- bündelt, sondern dasses aus lauter kleinen Faserstückchen, welche offenbar schräg verlaufen, besteht (Vergl. Taf. VI/VII Fig. 3 u. 4). Entsprechend unserem Befunde. an Sagittalschnitten ist denn auch, wenn wir proximalwärts weiter vorschreiten, das Bündel noch deutlich vorhanden, nachdem der Kern der hinteren Kom- missur schon längst verschwunden ist, allerdings erscheint es etwas faserärmer. In Figur 15 sehen wir das Bündel weiter proximalwärts, median vom Meynertschen Bündel. Wir sehen dabei an der Zeichnung mit stärkerer Ver- grösserung, dass ein Teil der Fasern und zwar die mediansten ventralwärts strebt, während ein anderer Teil und zwar der lateralste nach latero-ventralen Partien zieht. Alle Fasern des 1) Cramer, |. c. A. CRAMER, 142 Fig. 15. Schnitt 312 der Frontalserie J, a. bei 2facher, b. bei 10 facher Vergrösserung. C.i. Capsula interna. ©. L. Corpus Luys. H.F, Hirnschenkelfuss. H. Feld H. 1 von Forel. H.L. Hinteres Längsbündel. M. B. Meynertsches Bündel. N.R. Roter Kern der Haube. P. Putamen des Linsenkerns. Th. 0. Thalamus opticus. Tr. O. Tractus opticus. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 143 Bündels sind dabei nicht quer getroffen, sondern stellen kleine schräg verlaufende Faserstückchen dar. Gehen wir weiter proximalwärts, so sehen wir, dass der grösste Teil der median gelegenen Fasern des hinteren Längs- bündels in eine Kommissur einschwenkt, welche eine mit der Konvexität ventralwärts gerichtete Schlinge bildet. Die Schlinge liegt im Grau des III. Ventrikels am Eingang zum Infundibulum. Wir müssen also annehmen, dass die Fasern, welche auf der Sagittal-Serie in der Nähe der Corpora mammillara wie abge- schnitten erschienen (S. 130), deshalb auf den Sagittalschnitten so plötzlich verschwinden, weil sie zur Kommissuren-Bildung me- dianwärts abschwenken. Betrachtet man die betreffenden Schnitte (3—20 und 35 bis 70) bei stärkerer Vergrösserung, so zeigt sich, dass die Fasern aus dem lateralen Teil der Median-Hälfte des hinteren Längsbündels vereinzelt median von dem roten Kern der Haube ventral ziehen und dann ventral von dem roten Kern der Haube sich lateral wenden und hier in der Gegend des oberen Randes des Corpus Luys. gelangen, in proximalerer Ebene kann man sie sogar direkt in die Kommissur der Corpora Luysii verfolgen. (Figur 16 und 17.) Weiter proximalwärts gelangt auch vielleicht ein Teil dieser Fasern in die Linsenkernschlinge. Was wird nun aus der lateralen Hälfte des hinteren Längs- bändels, d. h. des hinteren Längsbündels, wie es in Figur 2 sich darstellt. Zunächst ist zu bemerken, dass sich dieser laterale Teil des Bündels, je weiter man proximalwärts kommt, immer etwas mehr nach medianwärts verschiebt dadurch, dass die mediansten Fasern des Bündels sich ventralwärts wendend auf den kurz vorher angegebenen Wegen verschwinden. Es nimmt also ein Teil und zwar der medialste der ursprünglich lateralen Hälfte wahrscheinlich noch denselben Weg, ein anderer Teil aber, und zwar der lateralste, zieht immer mehr sich lateral wendend 144 A. CRAMER, lateralwärts dorsal über den roten Kern der Haube weg in die Gegend des Feldes H, H, von Forel und gelangt mög- m / = 21. 7 > an r mu RAN, 7 1 “ | Se: 6 | a en ne : ER he DIENEN 1 ] E = = - £ Z N AN RK — AZ, ER: z CE GEL. ae er IE Fig. 16 und 17. ) Schnitt 144 der Serie J. 16a. 10fache, 16b. 2fache Vergrösserung. Fig. 17. Winkel-Okular 1. Ob). I. Bezeichnung wie in Fig.15. V.III. Ventriculus tertius. G. Gefässlücken. C. C. L. Kom- missur der Corpus Luys. licherweise nach der inneren Kapsel. Sehr zahlreich sind diese Fasern indessen nicht. Das hintere Längsbündel, Faseieulus longitudinalis dorsalis ete. 145 Irgend welche Beziehungen des hinteren Längsbündels zu dem Fasciculus tegmento-mammillaris liessen sich an dieser Serie nicht feststellen, obschon dieses Bündel mit dem hinteren Längs- bündel nahe zusammengerät. Es finden sich namentlich lateral von dem hinteren Längs- bündel eine Reihe von Faserbündelchen, welche fast genau so in die Schnittebene fallen wie das hintere Längsbündel selbst und deshalb an dieser Stelle in ungefähr derselben Rich- tung streichen müssen. Sie sind aber an Kaliber kleiner und lange nicht so gut gefärbt, als die Fasern des hinteren Längs- bündels. Auf Figur 15b sind diese Fasern deutlich zu sehen. Der Unterschied im Faserkaliber und in der Färbung ist nach meiner Überzeugung ausreichend, um diese Faserbündel einem anderen System zuzuteilen; v. Koelliker!) bildet sie in sehr charakteristischer Weise S. 523 nach dem Frontalschnitt aus der Regio hypothalamica des erwachsenen Menschen ab. Es lassen sich diese Fasern an den Präparaten dieser Serie kaudalwärts bis in die Gegend des Oculomotoriuskerns und noch weiter hinab verfolgen. Auch sei hervorgehoben, dass ein Teil ‘der Fasern, welcher, wie erwähnt, nach dem Felde H, und H, zieht, dem Fascieulus thalamo-mammillaris zugerechnet werden muss. Beim genaueren Studium einer gut gefärbten Serie aus der Regio subthalamica eines erwachsenen Menschen war es mir nicht möglich, mit Sicherheit diese Fasern von denen des hinteren Längsbündels zu unterscheiden, weil zu viel in dieser Gegend gefärbt ist. Eine Frontalserie K, von einem etwa zehnmonatlichen Fötus stammend, ergab im grossen und ganzen die proximale Endigungsweise des hinteren Längsbündels betreffend dieselben l) v. Koellikeın, |. ce. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft Ma Bdrerls 1%) 10 146 A. CRAMER, Resultate, namentlich zeigte sich deutlich die in der proximalen Ebene stattfindende Kommissurenbildung. Fig. 18. Schnitt 100. III. Nervus oculomotorius. N, III. Oculomotoriuskern. H.L. Hinteres Längsbündel. K.H,C, Kern der hinteren Kommissur. F.H.C. Fasern zur hinteren Kommissur. N.R. Nucleus ruber. Ich beschränke mich darauf, einige Details genauer zu beschreiben. Zunächst ist auch an dieser Schnittreihe deutlich zu sehen, dass das hintere Längsbündel nur zu einem geringen Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis etc. 147 Teil mit dem Kern der hinteren Kommissur in Beziehung tritt, sondern vielmehr medial und ventral an demselben vorbeizieht. N v4 \ = N IN ze Ne Se ER SEN Fig. 19. Schnitt 106 der Serie K. Winkel-Okular I. Obj. 1. Bezeichnung wie bei Fig. 18. Es zeigt sich deutlich, wie die durch ein starkes Kaliber aus- gezeichneten Fasern des hinteren Längsbündels nicht etwa in dem Kern der hinteren Kommissur ihr Ende finden, sondern 10* 148 A. CRAMER, als schräg abgeschnittene Faserbündelchen erscheinen. Auch lässt sich deutlich erkennen, dass die Fasern in ihrer Verlaufs- weise und in ihrer Kaliberstärke einen ganz anderen Charakter haben, als die des hinteren Längsbündels. Die Figuren 18 und 19 und Tafel VI, VII, Fig. 3 und 4 geben diese Verhältnisse gut wieder. Betrachten wir die Zeichnungen genauer, so sehen wir zwischen den durch ihr starkes Faser-Kaliber ausgezeichneten Bündeln des hinteren Längsbündels in ungefähr derselben Richtung sich ähnlich verhaltende feinkalibrige, blass gefärbte Faserbündel. Es sind das die Faserbündelchen, welche als Teil des Fasciculus tegmento-mammillaris aufgefasst werden müssen. Ich habe am Schlusse der Beschreibung der Serie J ausführlicher über dieses Bündel und seine Beziehung zum hinteren Längsbündel ge- sprochen. Fast gleichzeitig in den Schnittebenen, in denen das Meynertsche Bündel auftritt, zeigt sich auch der Beginn der Kommissuren-Bildung. Sie beginnt also ungefähr proximal- wärts vom Kern der hinteren Kommissur. Ich kann begreiflicher- weise nach meinen Präparaten nicht behaupten, dass das hintere Längsbündel allein zu dieser Kommissur einen Beitrag steuert, dass es aber einen sehr wesentlichen Anteil daran hat, erscheint mir sicher, denn es lassen sich einzelne Fasern des hinteren Längsbündels bis in die Kommissur hinein verfolgen, die Fasern der Kommissur lassen teilweise dasselbe starke Kaliber wie das hintere Längsbündel erkennen, und es entspricht die Faserzahl der Kommissur ungefähr der des in diesen Ebenen schon ziem- lich faserarmen hinteren Längsbündels. Ausserdem sind andere Fasersysteme, welche einen Beitrag liefern könnten, noch nicht so gut markhaltig wie das hintere Längsbündel. Ausser zu dieser Kommissur ziehen auch Fasern aus dem hinteren Längsbündel medianwärts von dem Meynertschen Bündel an den ventralen Rand des roten Kerns der Haube und gelangen hier zu den Fasern, welche von der Kommissur Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis ete. 149 der Corpora Luysii kommend dem Corpus Luysii der gleichen Seite zustreben. Die Faserbündel, welche ich als Teil der Fascicula tegmento- mammillaria anspreche, sind in dieser Serie leicht vom hinteren vH. Fig. %. Schnitt 143 der Serie K. Dieselbe Bezeichnung und Vergrösserung wie bei Fig. 19. ©. H.L. Kommissur des hinteren Längsbündels. F.M. Meynertsches Bündel. L.H.L. Fasern zum gleichseitigen Corpus Luys. aus dem hinteren Längsbündel. V. III. 3. Ventrikel. T.M. u Faseic. thalamo-mammillaris? Längsbündel an den schon mehrfach erwähnten Merkmalen zu trennen. Die soeben geschilderten Verhältnisse ergeben sich deutlich aus Figur 20. Nach dem Verschwinden des Meynertschen Bündels aus der Frontalebene des Schnittes liegen die Verhältnisse, soweit 150 A. CRAMER, die Kommissur und die Fasern zum gleichseitigen Corpus Luys. in Betracht kommen, noch ungefähr gerade so, wie eben ge- schildert. Neu ist eine eigentümliche Schwenkung (Fig. 20. 21), welche namentlich die am lateralsten dorsal vom roten Kern der Haube gelegenen Faserbündelchen eingehen. Diese Schwenkung betrifft : NZ SONS 2 L ” hr Hl r Den = N se I M ö l Fig. 21. Schnitt 159 der Serie K. Vergrösserung und Bezeichnung wie bei Fig. 20. F.H. Fasern zum Feld H. von Forel. hauptsächlich Faserbündelchen, die ich ihrem Kaliber und ihrer Färbung nach und nach dem bisher Mitgeteilten als zum Fas- ciculus tegmento-mammillaris gehörig ansehen muss. Allerdings passt diese Schwenkung, welche ein Teil dieser Fasern eingeht, nicht zur allgemeinen Verlaufsrichtung des Fascieulus tegmento- mammillaris. Diese mehrfach erwähnte Schwenkung findet so statt, dass die abgeschnittenen Faserbündelchen dorsal von dem Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis etc. El: roten Kern allmählich lateral abschwenken und lateralwärts als 2. T. längs getroffene Fasern weiter streben. An dieser Schwen- kung nehmen sicher auch einzelne Fasern des hinteren Längs- bündels teil. (Siehe Figur 21.) Es gelangen diese Fasern, wie sich leicht erweisen lässt, nach dem Felde H;,. Wir finden also auch in dieser Serie eine Beziehung zum Feld H, und H,. Doch muss ich hervorheben, dass diese Beziehung bei der Serie J ausgesprochen erschien, vielleicht auch deswegen, weil das Gehirn, von dem die Serie J stammt, etwas älter ist, und sich mehr Fasern in der Gegend des tegmento-mammillaren Bündels färben. Horizontalserien. Horizontalserien stehen mir zwei zur Verfügung. Ich will zuerst die Verhältnisse beschreiben, wie sie sich bei einem circa einmonatlichen Kinde darstellen. Die Serie R lässt das hintere Längsbündel auf einer grösseren Strecke zusammenhängend verfolgen in den Schnitten 1 bis 9. Diese Strecke ist ungefähr dieselbe, in der auch auf Sagittal-Schnitten das hintere Längs- bündel gut zu erkennen war. Es handelt sich um die Strecke, welche, in horizontaler Richtung gedacht, vom distalen Rande der Bindearmkreuzung bis zum proximalen Rande des roten Kerns der Haube sich ausdehnt. Das Bündel verläuft hier in zwei parallelen Linien, zieht durch den Oculomotorius-Kern durch, läuft median an dem Meynertschen Bündel vorbei und gelangt schliesslich an den proximalen Rand des roten Kerns der Haube. Dort wendet er sich proximalwärts ziehend deutlich lateralwärts. (Siehe Figur 22.) Allerdings ist dieser weiter lateral gerichtete Verlauf nicht mehr in ununterbrochener Folge auf einem Schnitte fest- zustellen. Das Bündel fährt vielmehr, sich radienartig über dem proximalen Pol des roten Kerns ausbreitend, auseinander. Die einzelnen Faserbündelchen erscheinen wie schräg abgeschnitten 152 A. CRAMER, und lassen sich an tiefer gelegenen Schnitten bis nach dem Feld H, von Forel und dem Corpus Luys. verfolgen. Ich halte es für fast sicher, kann es aber doch nicht mit aller Bestimmt- heit sagen, dass ein Teil der Fasern medial und lateral um das Corpus Luys. herumstreichend nach der inneren Kapsel gelangt, namentlich für die Fasern, welche lateral um das Corpus Luys. He = Mi Fig. 22. Schnitt M. 2 der Serie R. 2fache Vergrösserung. C. I. Capsula interna. F.M. Meynertsches Bündel. H.L.Hinteres Längsbündel. L. K. Linsen- kern. N.R. Roter Kern. N.O. Oculomotoriuskern. Th. ©. Thalamus opticus. herumziehen, erscheint mir an einzelnen Schnitten kaum noch ein Zweifel. Ich glaube auch, dass am lateralen Pol des Corpus Luys. ein Teil dieser Fasern mit den hier austretenden Fasern des Corpus Luys. zum Traetus opticus gelangt. (Fig. 23a u. b.) Zu Figur 23a muss ich noch bemerken, dass nur die proxi- maleren und medialeren der um den nasalen Rand des roten Kerns herumstreichenden Fasern dem hinteren Längsbündel IN ’ WE =) | 7 „, \ a fi f N yL EZ LS { Kr Ni ) / WER / Ki“ I 5: 2“ iR) / EI, \ FM NR Fig. 23a und b. Schnitt 3 der Serie R. a. bei 2facher, b. bei 10facher Vergrösserung. Bezeichnung wie bei Fig. 22. B.K. Bindearmkreuzung. H, Feld H, vonForel. H, FeldH,vonForel. L.S. Laterale Schleife, C. L. Corpus Luys. ©.J. Capsula interna. L. K. Linsenkern. 154 A. CRAMER, angehören. Es markiert sich deutlich ein Unterschied in der Färbung der Fasern, die ich auf der Zeichnung nicht wieder- geben kann. Die anderen Fasern gehören, so muss ich an- nehmen, teils dem thalamo-mamillaren Bündel, teils dem Feld H, von Forel an. Deutlich tritt an dieser Horizontalschnittserie auch hervor, dass das hintere Längsbündel median und namentlich ventral an dem Kern derhinteren Kommissur vorbeizieht. In den höheren Schnittebenen der Serie, wo dieser Kern deutlich her- vortritt, sind Faserbündel vom hinteren Längsbündel kaum noch zu erkennen. Wenn der Kern voll ausgebildet ist, ist vom hinteren Längsbündel nichts mehr zu sehen. In den Schnittebenen, in welchen der erwähnte Kern und hinteres Längsbündel gleichzeitig auftreten, sieht man, wie auch die Sagittalschnitte erwiesen haben, dass die Fasern des hinteren Längsbündels zum grössten Teil durch den medianen Teil des Kerns oder median- und ventralwärts an dem Kern vorbei- passieren. Nur wenige Fasern finden in dem Kern selbst ihr Ende. Auf der ganzen Strecke, in der die hinteren Längsbündel parallel mit einander verlaufend auf einer Schnittebene zu Tage treten, habe ich auch bei stärkerer Vergrösserung nirgends kreuzende Fasern zwischen den beiden parallelen Strängen ge- sehen. Nur in dem Gebiet des Trochlearis- und Oculomotorius- Kerns sind wohl solche Fasern vorhanden. Sie sind aber schwer zu erkennen und nachzuweisen, weil das Fasergewirr dieser Kerne die Verfolgung dieser Fasern sehr erschwert. Ich komme bei Besprechung der Beziehungen des hinteren Längsbündels zu diesen Kernen hierauf zurück. Wenn die Kommissur des hinteren Längsbündels im centralen Höhlengrau aın Eingang zum Infundibulum, wie sie in den Frontalschnitten sich darstellte, wirklich vorhanden war, so mussten auch an der Horizontalserie in den Schnittebenen, oO Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 1 welche den ventralen Pol des roten Kerns der Haube trafen, an der betreffenden Stelle, etwas proximal dem Querschnitt des Meynertschen Bündels auf dem Schnitte quer verlaufende Fasern im Höhlengrau sich finden. Diese Fasern fanden sich auch an dieser Stelle. Begreiflicherweise erhält man auf Horizontalschnitten von einer Kommissur, welche eine ventralwärts gerichtete Schlinge bildet, nur auf den Schnitten quer verlaufende Fasern, welche die Konvexität der Schlinge treffen. Wie wir auf den Horizontalschnitten gesehen haben, sind die Fasern, welche diese kommissurartige Schlinge ventralwärts bilden, nicht sehr zahlreich und über einen grossen Teil der Frontalschnitte verteilt. Dem entspricht der Befund an dem vorliegenden Horizontal- schnitt. Es fanden sich in der ganzen Breite des Meynertschen Bündels und über dasselbe heraus proximalwärts bis nahe an das Ependym des Ventrikels vereinzelte quer verlaufende Fasern von derselben Beschaffenheit, wie sie an den Frontalschnitten sich darstellten. Der Querverlauf wurde allerdings häufig etwas gestört durch die grossen Gefässe (siehe Figur 16 und 179g), welche sich an dieser Stelle finden und welche uns auch an den Frontalschnitten auffielen. An einzelnen Schnitten und etwas höheren Ebenen sah man auch schräg getroffen die ventralwärts zur Schlinge ab- steigenden Fasern. Sehr zahlreich waren die Fasern nicht. Im allgemeinen scheinen die tiefer liegenden Fasern des hinteren Längsbündels weiter kaudalwärts, die höber liegenden weiter proximalwärts ihren Beitrag zu dieser schlingenartigen Kom- missur zu liefern. Am deutlichsten ausgeprägt finden sich alle diese Verhältnisse auf Schnitt 16 bis 20 der Serie. Die zweite Horizontalserie T stammt von einem jüngeren Individuum, ich nehme an, dass der Fötus 9 bis 10 Monate alt war, oder dass es sich um ein neugeborenes Kind handelt. 156 A. CRAMER, Auf 70 Schnitten Schnitt 94a bis inkl. 60b ist das hintere Längsbündel in seinen proximalen Endigungen deutlich zu sehen. Im grossen und ganzen ergeben sich dieselben Resultate wie bei der vorhin beschriebenen Serie R, nur sind die Verhält- nisse reiner, weil abgesehen von den Fasern des hinteren Längs- bündels an den betreffenden Stellen nur noch der Bindearm, die Schleife, vereinzelte Fasern des roten Kerns und des Meynertschen Bündels sich gefärbt haben. Alle diese Faser- züge treten in keine nähere Beziehung zum hinteren Längs- bündel, sind leicht auseinander zu halten und haben sich auch mit Ausnahme der Schleife schwächer gefärbt, sodass auch dadurch die Unterscheidung leicht wird. Eins trat auch an dieser Serie wieder deutlich, wie an allen bisher beschriebenen Schnittreihen, hervor, nämlich, dass das hintere Längsbündel proximalwärts die Oculomotoriuskern-Region bedeutend faserärmer verlässt, als es distal in sie eingetreten ist, und dass weiter auch proximal von dem Meynertschen Bündel eine weitere erhebliche Einbusse von Fasern eintritt. Ich werde weiter unten den Nachweis versuchen, dass die Einbusse an Fasern in der Oculomotoriuskern-Region der Haupt- sache nach in einer Beziehung zu dem Oculomotorius- und Trochleariskern zu suchen ist und noch verstärkt wird durch eine Abgabe von Fasern, welche, wie ich oben S. 29 und weiter unten ausgeführt habe, durch eine Beziehung zu den Vier- hügeln zu suchen ist. Die Reduktion im Fasergehalt über dem nasalen Pol des roten Kerns der Haube, also proximal dem Meynertschen Bündel, wird herbeigeführt, wie ich schon mehrfach betont habe, durch die radienartige Ausstrahlung des Bündels in diesen Ebenen. Wenn wir uns Figur 24 betrachten, so erscheint der Aus- fall an Fasern in der Oculomotoriuskern-Region ganz besonders auffallend. So stark ist er indessen in Wirklichkeit nicht, es Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 157 zeigt sich, dass in den verschiedenen Horizontal-Ebenen noch eine ganze Reihe von Faserbündeln, so wie der Schnitt F 83a, Figur 24, sie darstellt, die Oculomotorius- kern-Region passieren. Diese Fasern proximal von dem Oculomo- toriuskern liegen in höheren horizontalen Ebenen als die distal von dem Kern. Wie an allen Schnitten aus dieser Serie, so tritt auch an Schnitt 83a, Figur 24, deutlich hervor, dass ein Teil der von mir bisher als Randfasern des roten Kerns be- zeichneten Fasern oder Faserbündeln vondem hinteren Längsbündel stammt. In dieser Serie sind zwar einzelne Fasern desroten Kerns gefärbt, aber lange nicht so intensiv wie das hintere Längs- bündel. Man kann um) Bl aM N RR NAH \ NS 2 „ } PM) y( wi Schnitt 83a der Horizontalserie T. B. Bindearm. F.M. Faseiculus Meynert. H.L. Hinteres Längsbündel. N.R. Nervus ruber. III. Wurzelfasern des Oculomotorius. N.III. Oculomotoriuskern. K. III. Oceulomo- toriuskreuzung. V.1III. 3. Ventrikel. X. Fasern des H.L. im Rand des roten Kerns. auf den einzelnen Schnittebenen deutlich sehen, wie sich diese Fasern vom hinteren Längsbündel los machen und an den 158 A. CRAMER, Rand des roten Kerns heranschieben; da irgend ein anderes Fasersystem in dieser Gegend gleich stark nicht gefärbt ist, müssen sie zum hinteren Längsbündel gehören. Auf Figur 24 sind diese Fasern mit X bezeichnet. Es waren mir diese Fasern auch in anderen Horizontalserien aufgefallen, ich konnte aber, da der rote Kern in diesen Serien z. T. auch gut gefärbte Fasern führte, dieselben nicht mit Sicherheit auf das hintere Längsbündel zurückführen. An Frontal- und Sagittalserien sind dieselben begreiflicherweise schlecht oder garnicht zu erkennen und zu differenzieren. Kreuzende Fasern zwischen den beiden hinteren Längsbündeln konnte ich in der Strecke zwischen Oculomotoriuskern und Meynertschem Bündel auch an dieser Serie an keinem Präparate auffinden. Überhaupt ist die er- wähnte Zwischenpartie ausserordentlich faserarım. Am proximalen Pol des roten Kerns der Haube angelangt, schwenken die Fasern des hinteren Längsbündels in lateraler Richtung ab, die Gesamtstärke des Bündels verringert sich rasch; das rührt daher, dass, wie bereits erwähnt, die Fasern des Bündels radienartig auseinander fahren und dass ein Teil der Fasern sich nicht nur lateral-, sondern auch noch ventralwärts wendet. Was aus den Fasern wird, welche sich ventralwärts wenden, haben wir an den Sagittal- und Frontalschnitten gesehen. Die lateral ziehenden Fasern, welche zum Teil horizontal-, zum Teil leicht dorsal, zum grössten Teil aber auch leicht ventralwärts ziehen, streben nach Partien proximal dem Corpus Luys., also ungefähr in die Gegend, wo wir die Felder H von Forel zu suchen haben. Diese Felder sind indessen an dieser Serie noch nicht markhaltig. (Siehe Figur 25a und b.) Ein geringer Teil von Fasern des hinteren Längsbündels hält sich sehr lange, wenn man zu tieferen Horizontalebenen absteigt, an der Stelle, wo das Bündel aus der nasalen Richtung lateralwärts umschlägt. Erst bei Schnitt 60 nehmen die bis dahin im Horizontalschnitt schräg getroffenen Fasern eine Längs- Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 159 — ne —— he S Dr N.R % [u uyppf Ih, m. = se Fig. 25a. Schnitt 78a. der Horizontalserie T. a. bei Sfacher Vergrösserung. 160 A. CRAMER, richtung an und bilden deutlich eine Kommissur. Es sind also diese langen medianwärts sich haltenden Fasern diejenigen, welche direkt ventral absteigen und am ventralen Hönlengrau des Ventrikels die Kommissur bilden. Der Befund ist an dieser Serie um so einwandsfreier, weil andere Kommissurfasern noch Fig. 25b. Bei 2tacher Vergrösserung. S. Schleife. L. K. Linsenkern. Th. ©. Thalamus opticus. C©.L. Corpus Luys. A. Absteigende Trigeminuswurzel. nicht markhaltig sind und diese Fasern direkt in die Kommissur hinein verfolgt werden können. (Siehe Figur 26.) Das Verhältnis des hinteren Längsbündels zum Kern der hinteren Kommissur war ebenso wie bei allen bisher beschriebenen Serien. Das hintere Längsbündel, Faseieulus longitudinalis dorsalis etc. 161 Fassen wir das Ergebnis aus den mitgeteilten Befunden zusammen: 1. Das hintere Längsbündel wird, wie das Flechsig betont hat, zuerst markhaltig; nach meinen Untersuchungen ist es schon gut ausgebildet zu einer Zeit, wo die Schleife in der Medulla noch recht schwach gefärbt ist. 2. Der Kern derhin- teren Kommissur ist beim Menschen kein Ursprungskern vo des hinteren Längsbündels. Ich komme also zu dem- 4 selben Resultat wie v. Koe- 2 likerundvan Gehuchten. In den Kern der hinteren ne Kommissur gelangen nur ver- / einzelte dorsale und laterale FM Fasern des hinteren Längs- <= bündels. Einzelne dieser Fa- ES‘ ad h BR a\, BET sern lassen sich auch bis in N “NR die hintere Kommissur selbst aa verfolgen. So mächtig, wie sSehnitt 60». ln set nennen Heldsieannimmt, ist indessen Bere Bezeichnungen [ür beide Figuren wie bei Fig. 21. diese Beziehung nicht. 3. Das hintere Längsbündel verliert einen beträchtlichen Teil seiner Fasern in der Gegend des Trochlearis- und Oculomotoriuskerns. Ich komme später noch ausführlich auf diese Verhältnisse, auf die besonders auch Rdinger hin- gewiesen hat, zurück. 4. Es besteht sehr wahrscheinlich auch beim Menschen eine Beziehung zum vorderen Vierhügel, wie sie Held annimmt. Anatomiseche Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft (13. Bd., H. 1.) 11 162 A. CRAMER, 5. Bis zu einem Punkte proximal von dem Meynertschen Bündel (Fasciculus retroflexus) laufen die hinteren Längsbündel verhältnismässig parallel und geschlossen; hier angelangt breiten sie sich radienartig, wie das schon Stilling beschrieben hat, über den nasalen Pol des roten Kerns der Haube aus. 6. Es bestehen auch Beziehungen zum roten Kern (Ramön y Cajal). 7. Es lässt sich kein bestimmter grösserer Kern auffinden, in dem die proximalwärts dem Meynertschen Bündel weiterziehenden Fasern des hinteren Längsbündels ein Ende finden. Ich befinde mich also auch hier in Übereinstimmung mit vw. Koelliker. 8. Der weitere proximale Verlauf des hinteren Längsbünaels gestaltet sich so, dass die medialsten Fasern medial bleiben und sich allmählich ventralwärts wendend eine mit der Konvexität ventral gerichtete Kommissur im centralen Höhlengrau am Eingang des Infundibulums bilden. Dieser Befund stimmt und deckt sich mit den Angaben von Schnopf- hagen und v. Koelliker. Der grössere Teil der Fasern wendet sich, wie das Stilling, Meynert, Forel, Schnopfhagen, v. Koelliker und andere annehmen, lateral- und zum Teil auch ventral- wärts. Diese Fasern gelangen durch das Feld H, zum Tha- lamus und durch das Feld H, zum Corpus Luys. und zur inneren Kapsel, ein Teil vielleicht auch auf dem Umweg durch das Corpus Luys. zum Tractus optieus. 9. Ein kleiner Teil von Fasern zieht in verhältnismässig weit proximalwärts gelegenen Ebenen median vom roten Kern der Haube ventralwärts und schwenkt hier in die Kommissur des Corpus Luys. ein. 10. Gelegenheit zu einer Verbindung der beiden hinteren Längsbündel beider Seiten ist in diesem proxi- malen Teil nur gegeben: 1. durch die hintere Kommissur und ein Das hintere Längsbündel, Faseieulus longitudinalis dorsalis ete. 16: 3. durch die Kommissur des hinteren Längsbündels. Vielleicht existiert auch eine dritte, mehr sekundäre Verbindung durch die Kommissuren des Corpus Luys. und der Felder H. Die der letzteren habe ich allerdings in keiner meiner Serien markhaltig gefunden. Wir sehen also, dass dem hinteren Längsbündel Beziehungen zu den wichtigsten Teilen des Stamm- hirnes zur Verfügung stehen. Meine Befunde dürfen Anspruch auf Sicherheit erheben, weil die verschiedenen in der verschieden» sten Richtung geschnittenen Serien denselben Befund ergeben haben. Das Verhalten des hinteren Längsbündels und seine Beziehungen in der Region des Oculo- motorius- und Trochleariskerns. Ich habe bereits im ersten Teil meiner Mitteilung betont, dass es sehr schwer hält, mit Sicherheit am Pal-Präparat die Beziehungen des hinteren Längsbündels zum Kern des HI. und IV. Nerven klar zu verfolgen, weil die Wurzelfasern dieser Nerven, welche stets sehr gut gefärbt sind, die Übersicht und Differenzierung, stören. Ganz allgemein hat aber schon der erste Teil meiner Arbeit den Beweis erbracht, dass das hintere Längsbündel zur Gegend des Oculomotoriuskerns Beziehungen haben muss. Das Bündel verlässt proximal die Oculomotoriuskern-Region entschieden faserärmer, als es distal in dieselbe eingetreten ist. Die Faser- abnahme ist nicht etwa eine artifizielle, durch die Schnittführung bedingte, sie ist vielmehr durch Serien, welche hori- zontal, sagittal und frontal durch diese Gegend gelegt sind, mit Sicherheit nachgewiesen. Le 164 A. CRAMER, Fritsch hatte bereits bei seinen Untersuchungen an Knochenfischen auf diesen Umstand aufmerksam gemacht. Die meisten Autoren nehmen, wie wir gesehen haben, eine Beziehung zum Kern des III. und IV. Nerven an. Immerhin ist eine solche beim Menschen mit aller Sicherheit am Pal-Präparat noch nicht nachgewiesen. Meine Befunde sind folgende: An der Horizontal- serie T lässt sich mit Sicherheit und leicht erkennen, dass Fasern aus dem hinteren Längs- bündel in den Oculo- motoriuskern ein- treten. Diese Beziehung findet statt in dem dor- salen Teil des Kerns. Sie findet sich in Schnitt N. 100a bis 84a, also in N 32 Schnitten. Trotzdem \ \ m b Fig. 27. Schnitt 95b. der Horizontalserio T. Winkel-Oeular I, Obj. 1. nichtsehr mächtig. Denn Tr. Wurzelfasern des Trochlearis. N. III. Oculomotorius- 8 5 kern. H.L. Hinterer Längsbündel. >) sind immer nur ganz N diese Beziehung auf so '" zahlreichen Schnitten zu erkennen ist, ist sie doch dünne Faserbündel oder vereinzelte Fasern, welche auf den einzelnen Schnitten über- treten. Der Übertritt findet nur am distalen Ende des Oculo- motoriuskerns statt und zwar in der Weise, dass sich von dem medianen Rand des hinteren Längsbündels einzelne Fasern oder dünne Faserbündel ablösen und proximalwärts dem Oculo- motoriuskern zustreben. Es lassen sich einzelne dieser Fasern z. T. bis zur Medianlinie verfolgen. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 165 Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob nicht diese die Medianlinie erreichenden Fasern des hinteren Längsbündels einfach kreuzende Fasern des hinteren Längsbündels sind und zum ÖOculomotoriuskern gar keine Beziehung haben. Wahr- scheinlich ist dies aller- dings nicht, weil sich solche Fasern weder proximal dem Oculo- motoriuskern finden, noch auch distal bis zum kaudalen Ende des Aquaeductus Syl- vii sich nachweisen lassen. Ein Teil der Fa- sern gelangt indessen sicher in den Oeculo- motoriuskern selbst. Figur27 zeigt uns die Verhältnisse dorsal von dem Trochlearis- korn. Figur 28 lässt er- kennen, wie auch in der Höhe des Kerns der IV. Nerven Fa- sern aus dem hinteren Fig. 28. Schnitt 88b. der Horizontalserie T. H.L. Hinteres Längsbündel. N. III. Oculomotoriuskern. Ill. Wurzelfasern des Oculomotorius. Tr. Wurzelfasern des Trochlearis. N. Tr. Trochleariskern. Längsbündel am proximalen Rande dieses Kerns entlang strebend zum ÖOculomotoriuskern gelangen. Dass diese Fasern wirklich zum hinteren Längsbündel und nicht etwa zu den Wurzelfasern des Trochlearis gehören, zeigt deutlich der Unterschied in der Färbung. Die Trochlearisfasern sind viel intensiver gefärbt. A. CRAMER, Obschon das hintere Längsbündel an dieser Serie bei seiner Passage durch den Oculomotoriuskern, wie wir an den beiden beistehenden Figuren und auch an Figur 3 und 24 sehen können, sehr auseinander fährt, habe ich doch an keinem der Schnitte weitere Fasern aus dem hinteren Längsbündel in den Oculomotoriuskern übertreten sehen. Auch am proximalen Ende konnte ich an keinem der Schnitte eine derartige Beziehung wie am distalen Ende finden. Was den Trochleariskern betrifft, so scheint es zwar, wenn man die Figur 28 betrachtet, absolut sicher zu sein, dass das hintere Längsbündel eine mächtige Beziehung zu diesem Kern besitzt; ich glaube aber nicht, dass wir alle die Fasern, welche in diesem Schnitte 88b dem hinteren Längsbündel zuzustreben scheinen, ohne weiteres als zu dem hinteren Längsbündel in Beziehung stehend auffassen dürfen. Ich halte es vielmehr für wahrscheinlich, dass ein Teil der Fasern zu den Wurzelfasern des Trochlearis gehört. Die Wurzelfasern des Trochlearis beschreiben manchmal, aus der lateralen Seite des Kernes aus- tretend, einen mit der Konvexität lateralwärts gerichteten Bogen, bevor sie sich dorsalwärts aufsteigend zur Kreuzung im Velum medullare wenden. An Figur 28 fällt die Ausbildung des Trochleariskerns in zwei Nestern auf. Wir werden an den anderen Serien sehen, dass diese doppelte nestartige Ausbildung des Trochleariskerns öfter vorkommt. An einzelnen der dorsalsten Schnitte, in welchen der Oculomotoriuskern noch sichtbar ist, hatte ich den Eindruck, als ob dem hinteren Längsbündel durch den Bindearm oder durch dünne, demselben median anliegende Faserzüge aus dem Corpus dentatum des Kleinhirns Fasern zuwüchsen. Dass in den ventralsten Ebenen Fasern aus der Binde- armkreuzung in das hintere Längsbündel einstrahlen, ist mir nach dem Bild an den Schnitten 71 bis 65 sehr wahrscheinlich, Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis ete. 167 ich möchte fast sagen, sicher. Denn man sieht deutlich, wie einzelne Fasern des Bindearms der gleichen Seite sich dem hinteren Längsbündel anlegen und damit weiterziehen. Dagegen konnte ich eine Beziehung zu der fontaineartigen Hauben- kreuzung Meynerts nicht auffinden. (Siehe Figur 29.) Die Horizontalserie R, welche, wie erwähnt, von einem ungefähr 1 Monat alten Kinde stammt, lässt im grossen und ganzen dieselben Verhältnisse erkennen, wie die soeben be- schriebene T-Serie. Auch hier treten in IE den dorsaleren Teilen ds _— ST N RT 74 ER s ) SI & Kerns in der nämlichen 7 / 4 a Se a HL. E i n , E — 4 & Er Weise wie bei Serie T Fasern ” 2 NEN | | aus dem hinteren Längs- fi 5 \ \ \ I, 5 j ZUIEESEN SE HUN: bündel in den Oculomo- A SR, 1 NINE 7 // toriuskern über. Diese INN /_-BR. Senn Y Beziehung besteht indessen auf der einzelnen »Schnitt- ebene immer nur aus ein- zelnen Fasern oder dünnsten Fig. 29. Faserbündeln durch die Schnitt 67b. der Horizontalserie T. ganze Höhe des Oculomo- H.L. Hinteres Längsbündel. B.K. Bindearmkreuzung, proximaler Teil. toriuskerns. In ventraleren Ebenen passieren die zum III. Kern laufenden Fasern zwischen Trochlearis- und Oculomotoriuskern durch. Am distalen Ende des Oculomotoriuskerns habe ich Fasern nur in einem einzigen Schnitte und zwar proximalwärts strebend in das hintere Längs- bündel austreten sehen. Da sich dieser Befund nur an einem einzigen Schnitte ergab und an Serie T sich gar nicht nach- weisen liess, wage ich einen Schluss nicht daraus zu ziehen, sondern registriere ihn bloss. Dagegen habe ich in dieser Serie an zahlreichen Schnitten auch Fasern mehr aus der Mitte des Kerns austreten und 165 A. CRAMER, kaudalwärts in die Richtung des hinteren Längsbündels um- schwenken sehen. Von den Wurzelfasern des Oculomotorius sind diese Fasern leicht zu trennen; die Wurzelfasern streben zunächst eine grosse Strecke, das hintere Längsbündel in fast rechtem Winkel durchquerend, lateralwärts und wenden sich dann ventralwärts. Sie erscheinen dabei nach einer kurzen Schwenkung kurz abgeschnitten. Die Serie R lehrte ferner, dass in allen Ebenen einzelne Fasern des Bindearms sich dem hinteren Längsbündel an- schliessen. Man muss sich aber auch hierbei hüten, alle Binde- armfasern, welche in der Richtung des hinteren Längsbündels verlaufen, mit dem hinteren Längsbündel in Beziehung zu bringen. Ein Teil davon passiert sicher das hintere Längsbündel und scheint zu dem Oeculomotorius- und Trochleariskern zu gelangen. Es sind das die am weitesten dorsalwärts ziehenden vereinzelten Fasern des Bindearms. Sehr deutlich ist die Ein- strahlung der Bindearmfasern in das hintere Längsbündel zu sehen in den Schnitten, in welchen der ventralste Teil des Bündels ventral vom Oculomotoriuskern gefasst ist, also die ventrale Ausbuchtung des hinteren Längsbündels, welche bis zur Bindearmkreuzung hinabreicht. Wir haben also auch hier dasselbe Ergebnis wie bei Serie T. (Siehe Figur 30 und 31.) Eine Beziehung zu den Bogenfasern der Haube, speziell zur fontaineartigen Haubenkreuzung konnte ich nicht mit Sicher- heit auffinden. Der ventralste, unter der Oculomotoriuskernregion liegende Teil des hinteren Längsbündels isı auch dadurch bemerkens- wert, dass das rechte und linke Bündel hier so nahe aneinander kommen, dass es auf dem Horizontal- schnitt wenigstens nicht möglich ist, rechts und links zu unterscheiden. Es ist also auch hier eine Mög- lichkeit zu einer Beziehung zwischen rechts und links gegeben. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 169 Die Beziehung zum Trochleariskern ist an dieser Serie sehr deutlich. An einzelnen Schnitten sieht man gerade auf den Kern zulaufende Bündel des hinteren Längsbündels sich direkt in diesen Kern verteilen. Kreuzende Fasern oder Kommissuren habe ich wie bei Serie T weder proximal noch distal der Oculomotoriuskernregion finden können. Die Sagittalserie © hat besonders sichere Resultate be- züglich der Beziehungen des hinteren Längsbündels zum Oculo- Figur 30 und 31. Schnitt V. 8 und V. 9 der Horizentalserie R. Bezeichnung wie bei Fig. 29. motorius- und Trochleariskern nicht ergeben, weil sie nicht genau sagittal, sondern etwas schräg geraten ist. Immer- hin zeigte sich aber, dass dem hinteren Längsbündel zahlreiche, allerdings meist vereinzelte Fasern aus diesen Kernen zuwachsen. Dieser Faserzuwachs kommt in der Weise zustande, dass aus dem ventralen Teil der Kerne Fasern austreten, sich dabei kaudalwärts wenden und sich den ventral unter den Kernen vorbeistreichenden Fasern des hinteren Längsbündels an- schliessen. Dieser Faserübergang aus dem III. und IV. Kern findet sich in der ganzen Länge der Kerne und scheint nament- lich auch in den lateralen Partien der Kerne vor sich zu 170 A. CRAMER, gehen, da wo das hintere Längsbündel den Oculomotoriuskern fast korbartig oder, wenn ich so sagen darf, nach Art einer Hängematte umgreift. Fasern, welche aus dem Kern in proxi- maler Richtung dem hinteren Längsbündel zustreben, habe ich im Oeulomotoriuskern nicht auffinden können, wohl aber im Trochleariskern. Dass dem hinteren Längsbündel Fasern aus deım Binde- arm zuwachsen, ging auch aus dieser Sagittalserie hervor. Einmal ist der dorsale Teil der Bindearmkreuzung nur schwer von den ventralsten Fasern des hinteren Längsbündels zu trennen. Es findet sich eine Stelle, wo man zweifelhaft sein muss, ob man die Fasern zum hinteren Längsbündel oder zum Bindearm rechnen soll. Sodann hatte ich an Schnitten, welche die lateralen Teile des hinteren Längsbündels getroffen haben, den Eindruck, als ob weiter kaudalwärts, etwa da, wo der Aquaeductus Sylvii in den 4. Ventrikel mündet, auch der aus dem Kleinhirn aus- tretende Bindearm einzelne Fasern in die dorsalen Teile des hinteren Längsbündels einstrahlen liesse. In diesem letzten Falle handelt es sich aber nur um ganz vereinzelte Fasern. Auch die ventrale Beziehung des hinteren Längsbündels zum Bindearm ist nur eine schwache. Dass einzelne Fasern aus einem dorsal vom Bindearm liegenden, aus dem Nucleus dentatus des Kleinhirns stammenden schwachen Faserzug zum hinteren Längsbündel gelangen, ist mir ebenfalls sehr wahr- scheinlich. Es ist dieses ein Faserzug, der zum distalen Vier- hügel und zum Oculomotoriuskern eine deutlich erkennbare Beziehung herstellt. (Siehe Figur 32.) Dass auch aus dem gekreuzten Bindearm dem Oculomotorius- kern Kleinhirnfasern zuwachsen, wie das kürzlich Wallenberg!') 1!) Wallenberg, über eine direkte Bahn vom Kleinhirn zum Oculomo- toriuskern bei der Taube. Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie. Bd. 56. S. 236. Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis ete. 171 für die Taube angegeben hat, ist auch nach dieser Serie un- zweifelhaft. Ein besonderes Interesse müssen an dieser Serie noch Fasern erwecken, welche sich in den medialsten Teilen des hinteren Längsbündels finden und ausgesprochen scharf dorsalwärts ziehen. (Siehe Figur 33 und 34.) Ich glaube, dass es sich hier um dieselben Fasern handelt, die auch an Serie A her- DV. PV. / Fig. 32. Schnitt 94 der Sagittalserie ©. 6fache Vergrösserung. b. Bindearm. F. Faserzug aus dem Nucleus dentatus des Kleinhirns zum distalen Vierhügel, zum Oculomotoriuskern und zum hinteren Längsbündel. H.L. Lateralste Faseru des hinteren Längs- Bündels. F.H.C. Fasern zur hinteren Kommissur. R.N.R. Rand des roten Kerns. N. III. Oculo- motoriuskern. III. Wurzelfasern des Oculomotorius. vorgetreten sind (siehe Figur 4), nämlich um Fasern, welche eine Beziehung zum Il. Kern und zum vorderen Vierhügel herstellen. Die Gesamtsituation dieser Gegend ergiebt sich aus Figur 10. Eine weitere Beziehung des hinteren Längsbündels zum vorderen Vierhügel ergiebt sich für die lateralen und dor- salen Fasern desselben durch seine Beziehungen zur 172 A. CRAMER, hinteren Kommissur. Es laufen diese dorsalsten und lateralsten Fasern des hinteren Längsbündels nach der hinteren Na Kommissur zu und I % A ? schwenken dann, kau- e kJ 1 IE/Dy DRM Wilf: m ) >| 1 ER HE _ = _ dalwärtssich wendend, nach dem proximalen Vierbügel ab. (Siehe Figur 3 und 8.) N EN An der Sagittal- EN serie G ist wegen ihrer Unvollständig- CM. keit (siehe oben) die ne Ausbeute für die uns Schnitt 132a der Sagittalserie C. hier interessierenden C.H.L. Hinteres Längsbündel. N. III. Oculomotoriuskern. Taler: . © III. Wurzelfasern des Oculomotorius. ©. M. Corp. mammillare. Verhältnisse gering. Es zeigt sich nur, wie bei Serie C, dass Fasern das hintere Längsbündel verlassen und proximalwärts gerichtet dem Oculomotoriuskern zustreben. Fig. 34. Schnitt 132b der Sagittalserie. Bezeichnung wie bei Fig. 33. T. Eingang zum Infundibulum. Dasselbe gilt für den Trochleariskern. Ebenso sehen wir am distalen Ende des Oculomotoriuskerns einen Teil der Fasern me Das hintere Längsbündel, Fasciculu lonsgitudinalis dorsalis ete. 178) des hinteren Längsbündels sich dorsal wenden, wahrscheinlich um zur hinteren Kommissur zu gelangen. Die Sagittalserie A zeigt dieselben Verhältnisse wie die vorhergehenden Sagittalserien. Da der Bindearm noch kaum markhaltig ist, ist auch über seine Beziehung zum hinteren Längsbündel an dieser Serie nichts zu erkennen. Nur das eine sei hervorgehoben, dass die Fasern, welche aus dem Corp. dent. dorsal und median vom Bindearm nach dem Vierhügel ziehen, bereits gut markiert sind. Eine Be- ziehung zum hinteren Längsbündel konnte ich indessen nicht auffinden. Auch gelang es mir nicht, die Fasern, welche aus dem Oculomotoriuskern dem Vierhügel zustreben, bei diesem Fötus aufzufinden. Sie entwickeln sich anscheinend erst nach der Geburt. Sehr deutlich lagen die Verhältnisse, soweit die Beziehungen des hinteren Längsbündels zum Oculomotorius- und Troch- leariskern in Betracht kommen. Es zeigte sich, dass in lateralen Partien des Oculomotoriuskerns und auch des Troch- leariskerns die Fasern in mehr dorsalere Partien der Kerne ein- strahlen. Die Fasern lösen sich von dem Bündel los und streben proximalwärts ziehend dem Kerne zu. Dass das hintere Längs- bündel namentlich auch den Oculomotoriuskern hängematten- artig lateralwärts umgreift, zeigt auch diese Serie wieder deut- lich. Da das Bündel dabei einen Bogen beschreibt, sind es nur wenige lateralwärts gelegene Schnitte, welche das in toto er- kennen lassen. (Siehe Figur 3.) Weiter medianwärts stellen sich die Verhältnisse so dar, wie in Figur 35. Man sieht das Bündel in schräg abgeschnit- tenen Faserbündeln den Kern passieren. Eine Beziehung er- wächst den Bündeln aus diesen abgeschnittenen Stückchen nicht. Eine solche findet nur im distalen Teil, also an der Grenze zwischen III. und IV. Kern statt. Die Abbildung 35 lässt das 174 A. CRAMER. deutlich erkennen und zeigt auch die dünnen Faserbündel, welche dem Trochlearis zustreben. Sehr schön lassen sich an dieser Serie die dem Oculo- motoriuskern aus dem hinteren Längsbündel im ventralen Teil zuwachsenden Fasern erkennen. Es finden sich solche Fasern und Faserbündel an einer ganzen Reihe von Schnitten, N IT ' Fig. 25. Schnitt 42 der Sagittalserie A. Bezeichnung wie bei Figur 34. Tr, Wurzelfasern des Trochlearis. N. Tr. Trochleariskern. T.H.L. Fasern des hinteren Längs- Bündels zum Trochleariskern. welche die mediansten Ebenen des Oculomotoriuskerns treffen. Diese Schnitte sind leicht dadurch kenntlich, dass austretende Oculomotoriuswurzeln sich nicht finden. Betrachten wir zum Beispiel Schnitt 60 (Fig. 4, und Fig. 1 Tafel IV/V) genauer, so zeigt sich, dass am ganzen ventralen Rand des Oculomotoriuskerns, der begrenzt wird vom hinteren Längs- bündel, Fasern oder Faserbündel in den Kern einstrahlen. Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis ete. 166) Dass auch proximal dem Kern noch Fasern dorsalwärts umschlagen, habe ich bereits erwähnt. Es sind das Fasern, welche, wie ich annehme, zum vorderen Vierhügel gelangen. Frontalserien stehen mir drei zur Verfügung, die Serien J und K, welche wir bereits im ersten Teil meiner Arbeit kennen gelernt haben, und die Serie L, von einem etwa zwei- monatlichen Kinde stammend. Was die Beziehungen des hinteren Längsbündels zum Oculo- motoriuskern betrifft, so sind Frontalserien wenig geeignet, um diese Verhältnisse klarzulegen. Man sieht wohl, abgesehen von den Wurzelfasern, sehr zahlreich Fasern aus dem Oeculo- motoriuskern austreten und sich ventral- und lateralwärts wenden, die meisten jedoch treten, wie das schon v. Koelliker betont hat, durch die Fascikel des hinteren Längsbündels durch und nehmen die Richtung der Bogenfasern der Haube an, als welche sie wohl auch zu betrachten sind; ein Teil gelangt auch mehr ventralwärts ausstrahlend zu der Meynertschen fontaine- artigen Haubenkreuzung und zu den Fasern der Binde- armkreuzung. Ein Teil von Fasern, welcher die Oculomoto- riuskerne mehr dorsal verlässt, gelangt ebenfalls nicht in das hintere Längsbündel, welches gar nicht bis zur dorsalen Grenze des III. Kerns hinaufreicht, sondern zieht den Randfasern des Höhlengraues sich anschliessend zum Vierhügel, auf diese Weise eine Beziehung herstellend. Weiter proximalwärts, da wo der Kern der hinteren Kommissur auftritt, kann man sodann auch einzelne Fasern des hinteren Längsbündels diesen Weg zum Vierhügel einschlagen sehen. Ob einzelne der aus dem Oculomotoriuskern ventral und lateral austretenden Fasern, welche das hintere Längsbündel nicht passieren, sondern in seinen Fascikeln sich verlieren, wirk- lich in Beziehung mit dem hinteren Längsbündel treten, kann ich nicht sagen, muss es aber nach dem Ergebnis unserer Studien 176 A. CRAMER, an Sagittal- und Horizontalschnitten annehmen. Der Befund ist an allen drei Serienarten ein übereinstimmender. Einfacher liegen die Verhältnisse bei dem Trochlearis- kern. Hier treten ja bekanntlich die Wurzelfasern dorsal aus dem Kerne aus. Es zeigt sich aber, dass auch eine ganze Reihe von Fasern ventral den Kern verlassen. Ein Teil dieser Fasern zieht dabei medianwärts und gelangt an die mediane Seite der ventralen Ausbuchtung, welche die quergetroffe- nen Fascikel des hinte- ren Längsbündels bilden. Dass einzelne dieser Fa- sern in die fontaineartige Haubenkreuzung, wahr- scheinlich auch zur Binde- armkreuzung gelangen, ist deutlich zu sehen; ein Teil verliert sich aber auch in den Fascikeln des hinteren Längsbün- dels. Die direkt aus- Fig. 35. Schnitt 18 der Serie K. Winkel Oc. I Obj. I. tretenden Fasern ver- Bezeichnung wie bei Figur 35. lieren sich zum grössten B.K. Bindearmkreuzung. Tr. H. Fasern aus dem Troch- leariskern zum hinteren Längs-Bündel und zu den Bogen- Teil in den Fascikeln on, des hinteren Längsbün- dels, nur ganz vereinzelte passieren in die Interspatien zwischen den Fascikeln und gelangen zu den Bogenfasern der Haube. Es lassen sich diese Verhältnisse gut an Figur 6 Tafel IV/V und Fig. 36 übersehen. Dass Fasern aus dem hinteren Längsbündel selbst zur fontaineartigen Haubenkreuzung Meynerts und auch zur Bindearmkreuzung gelangen, halte ich auch nach dem Befunde an diesen Serien für sicher. Diese Beziehungen finden Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis ete. 177 hauptsächlich durch die Fascikel der ventralen Ausbuchtung des hinteren Längsbündels statt. Ich glaube nicht, dass Bilder, wie sie Figur 37 darstellt, anders gedeutet werden können, und möchte ausdrücklich hervorheben, dass auch bei stärkerer Ver- grösserung das Bild sich nicht ändert, dass also die aus der ventralen Ausbuchtung hervorgehenden Fasern nicht etwa nur partiell getroffene, das hintere Längsbündel passierende Fasern aus dem Oculomotoriuskern dar- stellen. So deutlich wie in Fig. 37 finden sich allerdings die Bilder selten, es sind an den drei Serien immer nur ganz vereinzelte Schnitte, an denen sich ein derartiges Bild findet. Die Beobachtung von Hori- zontalschnitten hat uns aber eben- falls gezeigt, dass diese Beziehung eine mächtige nicht ist. Was die von uns bei anderer Schnitt- richtung gefundene Beziehung zwi- schen Bindearm und einem den Bindearm median und dorsal be- Fig. 37. " 7V gleitenden schwachen Faserzug aus schnitt 178 der Serie L. Winkel Oc. I. Obj. 1. Bezeichnung wie bei Figur 35. selbe an den Frontalserien nicht mit C.M. nr. En ae eynerts. dem Kleinhirn betrifft, so war der- einiger Sicherheit aufzufinden. Die Angaben Forels!) über das hintere Längsbündel des Maulwurfs kann ich in jeder Beziehung bestätigen. Das hintere Längsbündel ist direkt unterhalb der Oculomotorius- und Trochlearisregion auffällig dünn, weiter kaudalwärts nimmt es aber wieder an Mächtigkeit zu. Der Unterschied tritt nament- lich hervor, wenn man das hintere Längsbündel des Maul- wurfs mit dem der Fledermaus vergleicht. .Ich stehe nicht Forelle. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd., H. 1.) 12 a 178 A. CRAMER, an, wie Forel, diese Differenz auf die mangelhafte Entwickelung von Trochlearis und Oculomotorius beim Maulwurf zu beziehen. Es ergeben sich also, wenn ich die für diese Gegend ge- fundenen Resultate zusammenfassen darf, folgende Beziehungen: 1. Es besteht eine direkte Beziehung zum Oculo- motorius- und zum Trochleariskern. 2. Diese Beziehung findet sowohl lateral als auch dorsal und ventral im Kerne statt. 3. Die ventrale Beziehung findet sich bei dem Oculomoto- riuskern nur in dem mediansten Teile, wo keine Wurzel- fasern austreten. 4. Der III. Kern wird von dem in seinen Fascikeln aus- einanderweichenden hinteren Längsbündel hängemattenartig umfasst, während der Trochleariskern auf einzelnen, namentlich Sagittal- und Frontalschnitten nestartig in die hinteren Längsbündel eingebettet ist. 5. In der ventralen Ausbuchtung des hinteren Längs- bündels stossen die Fasern des rechten und linken hinteren Längsbündels so nahe zusammen, dass eine Beziehung nieht ausgeschlossen erscheint. Eigentlich kreuzende Fasern existieren indessen nicht. Auf der Strecke zwischen der Kommissur am proximalsten Ende des hinteren Längsbündels und dem distalen Ende des Aquaeductus Sylvii finden sich ausgesprochene Kreuzungen oder Kommissuren zwischen dem rechten und linken hinteren Längsbündel nicht. Allerdings kann eine derartige Ver- bindung für die Gegend des Oculomotoriuskerns nicht aus- geschlossen werden. 6. Es bestehen in dieser Gegend Beziehungen zum Bindearm und auch zur fontaineartigen Haubenkreuzung Meynerts. Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete, 179 Diese Beziehungen kommen hauptsächlich durch die Fascikel der ventralen Ausbuchtung des hinteren Längsbündels zustande. 7. Sehr wahrscheinlich existiert auch eine direkte Be- ziehung zum vorderen Vierhügel. 8. Auch ein aus dem Kleinhirn stammender, median und dorsal von dem Bindearm verlaufender schwacher Faserzug gelangt möglicherweise bis zum hinteren Längs- bündel und zwar aus dorsalen Regionen herabsteigend. Sicher gelangt dieser Faserzug zum Oculomotoriuskern und zu den Vierhügeln. 9. Eine Beziehung zum vorderen Vierhügel ist dem hinteren Längsbündel noch durch die hintere Kom- missur möglich. 10. Als beiläufiger Befund sei erwähnt, dass aus dem Oculomotoriuskern zahlreiche Fasern nach dem vorderen Vier- hügel streben und dass auch Bogenfasern der Haube und Bindearmfasern in diesen Kern gelangen. Das hintere Längsbündel in der Gegend des Trigeminus-, Abducens-, Facialis- und Acustieus- Austritts. Was den Trigeminus betrifft, so zeigen sich grosse Schwierigkeiten, am Pal-Präparat eine Beziehung zwischen ihm und dem hinteren Längsbündel festzustellen oder sie aus- zuschliessen. Am meisten sind zu einem Aufschluss geeignet Horizontal- und Frontalschnitte von Föten aus dem 7. und 8. Monat. 12* 150 A. CRAMER, Nach genauem Studium der Horizontalschnittserien T und ? und von zwei Frontalserien P und U muss ich sagen, dass eine Beziehung des Quintus zum hinteren Längsbündel wohl sicher vorhanden ist. Am deutlichsten tritt diese Beziehung am motorischen Tri- geminus, der ja auch stets am besten sich färbt, hervor. Sie wird hergestellt durch die kreuzenden Fasern des motorischen Quintus. Auch die absteigende motorische (trophische) Wurzel Merkels hat, wie sich namentlich auf Horizontalschnitten sehen lässt, auf ihrem langen Weg nach dem Dache des Aquae- duetus Sylvii mannigfache Gelegenheit, mit dem hinteren Längs- bündel in Beziehung zu treten. (Siehe Figur 25b.) Einen deut- lichen Übertritt von Fasern aus diesen Wurzeln in das hintere Längsbündel habe ich indessen nicht gesehen. Dass auch die aufsteigende sensible Wurzel in Beziehung zum hinteren Längsbündel treten kann, ist ebenfalls an diesen Serien deutlich zu sehen. Denn es ziehen auf der ganzen Länge aus der aufsteigenden Wurzel und aus dem diese begleitenden Kerne Fasern zur Raphe, ein Teil davon schwenkt in das hintere Längsbündel um. Ebenso kann man die Fasern, welche aus dem motorischen Kern und aus der motorischen Wurzel nach der Raphe ziehen, gelegentlich in die hinteren Längsbündel umbiegen sehen, während der grösste Teil kreuzt. Viel klarer liegen die Verhältnisse, soweit Abducens und Facialis in Betracht kommen. Der Abducenskern liegt, wie der Oculomotorius- und Trochleariskern, in der Ebene des hinteren Längsbündels und wölbt, wie bekannt, das Ependym, den Boden des IV. Ventrikels etwas vor. Der Facialiskern liegt zwar weiter ventralwärts, die aus ihm austretenden und dorsalwärts ziehenden Fasern sammeln sich aber am kaudalen, medialen und lateralen Rande des Ab- ducenskerns und ziehen immer mehr sich zusammenschliessend Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 181 proximalwärts, um sich sodann geschlossen zum Austritt lateral- wärts zu wenden. Die Abducens-Wurzelfasern treten am medialen Rand des Kernes aus. Das hintere Längsbündel umfasst den Abducenskern, ein Teil der Fasern zieht aber auch durch den Kern durch. Wie Fig. 38. Sehnitt 104 der Sagittal-Serie A (aus einer lateralen Ebene des Abducenskerns) Winke! Oe. I. Ob). I. H.L. Hinteres Längsbündel. VI. Abducenswurzelfasern. VI. Abducenskern. VII. Austretender Facialis. VII. 1. Dorsalwärts aus dem Kern des Facialis aufsteigende Fasern, welche sich sammeln und proximalwärts ziehen. man sich namentlich an Horizontal- und Sagittalschnitten leicht überzeugen kann, ziehen einzelne Faser-Fascikelchen des hinteren Längsbündels und auch einzelne Fasern in den Kern hinein und finden hier ihr Ende. Dieses Einstrahlen von Fasern ge- schieht sowohl von einer kaudalen als einer proximalen Rich- tung aus. Dass dem wirklich so ist, konnte ich mich an zahl- 182 A. CRAMER, reichen Schnitten meiner Sagittal- sowie Horizontalserien über- zeugen. (Siehe Figur 38 und Figur 5 Tafel VI/VI). Der Hauptteil des hinteren Längsbündels liegt dabei medial vom Abducenskern, sodass das hängemattenartige Umfassen dieses Kernes in der Weise geschieht, dass diese Hängematte in latero-dorsaler Richtung offen ist. Auch für den Facialis lassen sich die Beziehungen zum hinteren Längsbündel am besten an den Horizontal- und Sagittal- serien studieren. Die Beziehung findet da statt, wo der proximalwärts strei- chende Teil des Facialis dem hinteren Längsbündel aufliegt. Es ist dieses der medialste Teil des sogenannten Knies des Facialis. An Sagittalschnitten sieht man diesen medialsten Teil deutlich dorsal am hinteren Längsbündel eine Strecke weit parallel mit dem Bündel ziehen. An zahlreichen Sagittalschnitten laufen diese beiden Faser- züge ohne jede Beziehung über einander fort. An anderen aber sieht man ebenso wie an den Horizontalschnitten, dass eine doppelte Beziehung besteht. Einmal gelangen vereinzelte aus dem Facialiskern dorsalwärts aufsteigende Fasern und Faserbündelchen, indem sie sich proximalwärts wenden, in das hintere Längsbündel. Weiterhin schwenken auch aus dem hinteren Längsbündel kaudalwärts streichende Fasern in den austretenden Facialis um. So zahlreich, wie es auf den ersten Anblick scheinen möchte, sind diese Fasern in- dessen nicht. Die meisten der Fasern, welche die neben- beschriebenen beiden Wege einschlugen, ziehen zur Raphe und kreuzen dort. Sehr gut lassen sich diese Verhältnisse an Horizontalschnitten übersehen. (Siehe Figur 39 und 40 und Tafel VI/VII, Fig. 7 und 8, Tafel IV/V.) Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis ete. 185 Aus diesen Figuren ergiebt sich auch, wie ich beiläufig bemerken will, dass nahe Beziehungen zwischen Abducenskern und Facialis bestehen. Dass schliesslich auch noch andere Wege offen stehen, um eine Beziehung zwischen Facialiskern und dem hinteren Längs- Fig. 39. Schnitt 56a der Horizontalserie T. Bezeichnung wie bei Fig. 38. IV. 4. Ventrikel. VII. 2. proximalwärts aufsteigender Teil des Kerns des Facialis. bündel herzustellen, will ich nur beiläufig erwähnen. Ich meine den Weg durch die in der Raphe sich findenden ventro-dorsal ziehenden Fasern. Einen Beweis dafür konnte ich an meinen ii [0 2) He A. CRAMER, Präparaten nicht finden. Ich konnte deutliche Fasern, welche, aus dem Facialiskern entspringend, sich zur Raphe wenden, an meinen Frontalserien nicht auffinden; auch schräg zur Gegend Fig. 40. Schnitt 26 der Horizontalserie R. Winkel Oeular I, Obj. I. Bezeichnung wie bei Figur 38 und 39. des hinteren Längsbündels dorsalwärts aus diesem Kern auf- steigende Fasern konnte jch nicht auffinden. Das Vorkommen solcher, namentlich kollateraler Bahnen ist damit natürlich nicht ausgeschlossen (Held, van Gehuchten). Das hintere Längsbündel, Faseıceulus longitudinalis dorsalis ete. 185 Über die Beziehungen des Acusticus resp. seiner Kerne zum hinteren Längsbündel geben meine Präparate keinen sicheren Aufschluss. Dass aus allen Acusticuskernen, auch aus den ventralen, Fasern nach der Raphe gelangen, ist bekannt. Ebenso, dass ein Teil dieser Fasern dorsal verlaufend in der Gegend des hinteren Längsbündels in die Raphe einstrahlt. Auch die aus dem ventralen Acusticuskern stammenden Fasern nehmen über das Corpus restiforme wegziehend denselben Weg. Dass diese Fasern eine Verbindung mit dem hinteren Längsbündel her- stellen, kann ich nach meinen Präparaten weder ausschliessen noch beweisen. Wie verhält sich nun das hintere Längsbündel in dieser Region. Findet sich eine deutliche Beziehung zwischen dem rechten und linken Bündel? Das Bündel liegt, wie bekannt, in dieser Gegend, d. h. am proximalen Ende der Medulla oblongata, dorsal zu beiden Seiten der Raphe. Sagittal- und Frontal-Schnitte sind zur Entscheidung der in Rede stehenden Frage ungeeignet, weil die ersteren die even tuell kreuzenden Fasern und die letzteren die des hinteren Längsbündels auf dem Querschnitt zeigen. In Betracht kommen also nur Horizontalserien. Diese zeigen die beiden hinteren Längsbündel in der in Betracht kommenden Gegend, etwas unterhalb des Abducenskerns, nebeneinander parallel laufend. Trotzdem ich alle Schnitte auch mit stärkerer Vergrösserung durchgesehen habe, habe ich eine deutliche Kreuzung und einen markanten Faseraustausch zwischen rechts und links nirgends seien können. Ich sah wohl vereinzelte Fasern aus dem hinteren Längsbündel nach der Raphe umbiegen, aber das Ab- schwenken von Faserbündeln liess sich weder an Serie T noch an Serie R feststellen. Am häufigsten fand sich das Abschwenken einzelner Fasern in den Ebenen, wo die hinteren Längsbündel A. CRAMER, infolge der sich einschiebenden Längsfurche des IV. Ventrikels mit ihren dorsalsten Teilen auseinander zu weichen beginnen, N les I = \\ IR N | — | —-— I I z AM NUN ar \ y * N - 4 = Fig. 41. Schnitt 48 der Horizontalserie T. Winkel Oc. I. Obj. 1. Bezeichnung wie in Figur 39 und 40. G. Gefässlücke. also einige Schnitte tiefer als die, welche den Zeichnungen 39 und 40 zu Grunde liegen. (Siehe Figur 41.) Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 187 Der Unterschied in der Kaliberstärke des austretenden Ab- ducens in dieser Figur kommt daher, dass die Schnittebene rechts etwas niedriger liegt als links. Der Boden des 4. Ven- trikels ist nur in seinem distalsten Teil gefasst. Ob eine Be- ziehung des hinteren Längsbündels zu den ventral liegenden Teilen in dieser Gegend besteht, zu der oberen Olive und dem Corpus trapezoides, darüber geben meine Präparate keine Aus- kunft. Besonders hervorheben möchte ich aber noch, wie das be- reits Mayser nach seinen Untersuchungen bei den Knochen- fischen betont hat, dass das hintere Längsbündel in dieser Gegend am mächtigsten entwickelt ist. Unsere Untersuchungen haben also für die Gegend des Austritts der 5., 6., 7. und 8. Nerven folgendes Ergebnis: 1. Beziehungen zum Nervus abducens und Nervus facıalis bezw. ihre Kerne sind sicher vorhanden. 2. Auch zum Nervuscochleae und vestibularis bezw. in ihren Kernen können solche Beziehungen vorhanden sein. 3. Höchst wahrscheinlich bestehen sie auch zum Nervus trigeminus und seinen Kernen. 4. Eine ausgesprochene Beziehung zwischen dem rechten und linken hinteren Längsbündel resp. eine Kreuzung der Fasern der beiden Bündel lässt sich in dieser Gegend nicht erkennen. 5. Dagegen sieht man einzelne Fasern der Fibrae ar- cuatae nach der Kreuzung in der Raphe dem hinteren Längs- bündel sich anschliessen. 188 A. CRAMER, Das hintere Längsbündel in der Gegend des Glossopharyngeus-, Vagus- und Hypoglossus- Austritts. Die Frage, ob eine Beziehung des hinteren Längsbündels zum Glossopharyngeus und Vagus, beziehungsweise zu den Kernen dieser Nerven besteht, muss ich offen lassen. Meine Präparate geben darüber keine sichere Auskunft An einer schrägen Frontal- serie eines 1O monatlichen Fötus N fällt es auf, dass ein ansehn- licher Teil der ventral unter dem Hypoglossuskern nach der Raphe ziehenden Fasern (z. T. Fibrae afferentes für den Hypoglossus- kern nach Edinger) aus dem Vagus- u. Glossopharyngeuskerne kommen. Diese Fasern ziehen z. T. über den dorsalen Rand des hinteren Längsbündels weg; man hat aber auch an einzelnen Schnitten den Eindruck, als ob einzelne dieser Fasern in das hintere Längsbündel umschwenkten; mit einiger Sicherheit liess sich das aber nirgends erkennen. Horizontal- und Sagittalserien sind zur Entscheidung der Frage gar nicht zu benutzen, weil das hintere Längsbündel und die genannten Kerne nicht von einer Ebene getroffen werden. Viel sicherer liegen die Verhältnisse, soweit der Hypo- glossus und sein Kern in Betracht kommt. Hier geben Sa- gittalschnitte sicher Auskunft. Sowohl an der Sagittalserie A als an der Sagittalserie C konnte ich aus dem ventral unter dem Hypoglossuskern herstreichenden hinteren Längsbündel einzelne Fasern und Faserfascikelchen sich loslösen und dem Hypoglossus- kern sich zuwenden sehen. Diese Verhältnisse zeigen sich an mehreren Schnitten der beiden Serien. (Siehe Figur 42.) Auch an den Schnitten der Horizontalserien, deren Ebene in den untersten Teil des Hypoglossuskerns fällt, sieht man einzelne Fasern nach diesem Kern abschwenken. Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 139 Kreuzende Fasern konnte ich für das hintere Längsbündel auch in dieser Gegend nicht mit Sicherheit auffinden. Es ergiebt sich also für diese Gegend folgendes Resultat: Fig. 42. Schnitt 169 der Sagittalserie A. N. XII. Hypoglossus-Kern. XII. Wurzelfasern des Hypoglossus. H.L. Hinteres Längsbündel. p. proximal. d. distal. 1. Eine Beziehung des hinteren Längsbündels zum Nervus vagus und Glossopharyngeus ist zweifelhaft. 2. Eine Beziehung zum Hypoglossus ist sicher. 3. Kreuzende Fasern sind auch in dieser Gegend nicht mit Sicherheit nachzuweisen. 190 A. CRAMER, Als gemeinschaftliches Resultat für das Verhält- nis des hinteren Längsbündels zu den Hirnnerven wäre pach meinen Befunden hervorzuheben, dass das hintere Längsbündel fast zu allen ausgesprochen rein motorischen Hirnnerven Beziehungen erkennen lässt mit Ausnahme des motorischen Quintus. Also zu den sämtlichen Augenmuskelnervenkernen, zum Facialis und Hypoglossus. Für den motorischen Quintus ist diese Beziehung wahrscheinlich. Eine ausgesprochene Kreuzung ein- zelner Fasern des hinteren Längsbündels hat sich im Gebiet des Ursprungs der Hirnnerven nicht auf- finden lassen, wohl aber ist eine Beziehung zwischen den beiden Bündeln durch einzelne übertretende Fasern möglich. Das distale Ende des hinteren Längsbündels. Das hintere Längsbündel habe ich distalwärts auch bei den neuen Serien, wie im Jahre 1894!), bis in die Vorderstrangbündel des R. M. verfolgen können. Ich habe dem, was ich damals gesagt habe, wenig hinzu- zufügen. Die hinteren Längsbündel senken sich in der Gegend der Pyramidenkreuzung ventralwärts, gelangen dabei durch die sen- sible Kreuzung hindurch und rücken allmählich in die sich formierenden Vorderstranegbündel und zwar in deren dorsalen Teil ein. IFA Criamem,.I.ze Das hintere Längsbündel, Fascieulus longitudinalis dorsalis ete. 191 Ungefähr in der Höhe des distalen Endes der sensiblen Kreuzung sind die hinteren Längsbündel ventralwärts an ihrem sensible Kreuzung. S. Fig. 43 Schnitt 20 der Serie E. von einem Smonatlichen menschlichen Fötus. D. V. Dorsaler Teil des Vorderstranggrundbündel. Bestimmungsorte, in den Vorderstranggrundbündeln angelangt. An dieser Stelle, allerdings nieht immer sehr ausgedehnt, findet entschieden auch ein Faseraustausch zwischen den beiden hin- 192 A. CRAMER, teren Längsbündeln statt; es sind die dicken Fasern des hin- teren Längsbündels deutlich von den feinen der sensiblen Kreuzung zu unterscheiden. Weiter proximalwärts konnte ich etwas Derartiges nicht finden. (Siehe Figur 43 und Tafel VI/VII Figur 8.) Ein Fall von sekundärer Degeneration des hinteren Längsbündels. Das Gehirn, an welchem ich eine sekundäre Degeneration des hinteren Längsbündels auffinden konnte, verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Bruns-Hannover. Das Gehirn war aufbewahrt worden (in Formol) mit Rück- sicht auf einen ungewöhnlich grossen Tuberkel. Derselbe hatte die rechtsseitigen Stammganglien vollständig zerstört und senkte sich durch die rechten Hirnschenkel bis in die Brücke hinab, wo er allmählich sich verkleinernd fast bis an das distale Ende der Brücke herabreichte. Die genauere Lage des Tuberkels ergiebt sich aus Figur 44, 45 und Taf. IV/V Figur 9. Genauer interessieren uns nur die Verhältnisse auf Figur 45, weil sie uns die Schnittebene zeigt, in welcher der Tuberkel das hintere Längsbündel erreicht. Es ist das die Stelle im distalen Teil des Oculomotoriuskerns, also da, wo sich das Bündel über dem roten Kern der Haube bereits etwas nach rechts zu wenden beginnt. Der grösste Teil der Fasern ist an dieser Stelle sicher zerstört, wenn ich auch nicht ausschliessen kann, dass vielleicht einzelne der medialsten Fasern des Bündels erhalten geblieben sind. Wie Figur 13 auf Tafel IV/V zeigt, ist in der Gegend des Trochleariskerns und dicht unterhalb desselben der Tuberkel schon wieder weit von dem hinteren Längsbündel entfernt, wenn Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis etc. 193 auch noch ein Rest des ventralwärts sich verschiebenden Tu- berkels in der Haubengegend sichtbar ist. Ob das Bündel auf- Fig. 45. steigend degeneriert, konnte ich nicht feststellen, weil die Par- tien proximalwärts der eben beschriebenen Schnittebene von dem Tuberkel eingenommen waren. Dagegen musste sich eine Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft. (13. Bd., H. 1.) 13 194 A. CRAMER, etwa vorhandene absteigende Degeneration erkennen lassen, weil von der erwähnten Schnittebene ab die Gegend des hinteren Längsbündels, wie die Haubengegend überhaupt, intakt geblieben war. Obschon das Präparat sehr lange in Formol gelegen hatte, liessen sich durch die ganze Breite der Brücke und den oberen Teil der Medulla oblongata gut gefärbte Pal-Präparate erhalten. In dem unteren Teil der Medulla oblongata liess allerdings die Färbung im Stich. Serien konnten nicht angelegt werden, weil das Gehirn, um den Tuberkel in ganzer Ausdehnung zu Gesicht zu bekommen, in eine Reihe von Frontalschnitten zerlegt wor- den war. Betrachten wir die Figuren 10, 11 und 12 auf Tafel IV/V genauer, so zeigt sich, dass in den höheren Ebenen namentlich die medialen und ventralen Teile des hinteren Längsbündels auf der rechten Seite degeneriert sind. Figur 10 und 11 sind Schnitte, welche in die Ebene etwas unterhalb des Trochlearis- kerns fallen. Dass die degenerierten Stellen sich auf den Photo- graphien nicht auf derselben Seite befinden, rührt daher, dass die Schnitte nicht gleichmässig auf dieselbe Seite eingelegt sind. Eine Orientierung über die Seite ist aber durch die Lage des Tumors sofort gegeben. Ich habe sie auf den Photographien durch einen ‘Strich bezeichnet. Diese Degeneration ist nicht etwa als ein Kunstprodukt zu betrachten, denn sie ist auf allen Schnitten durch die Brücke gleichmässig vorhanden. Weiter nach unten zu ändern sich die Verhältnisse etwas, es ist weniger die mediale, als die laterale Seite des hinteren Längsbündels von der sekundären Degeneration befallen. Das tritt sehr deutlich auf Figur 12 Tafel IV/V hervor. Es stammt diese Photographie von einem Schnitte innerhalb des Facialis Knies. Auch im unteren Teile der Medulla oblongata erscheint das hintere Längsbündel rechts deutlich schwächer. Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis etc. 19 Ich möchte aber bei der in dieser Gegend nur sehr unvoll- kommen gelungenen Färbung der Schnitte keine bestimmten Angaben’über die Lage des degenerierten Bündels machen. Vergleichen wir die Lage des degenerierten Bündels im vorliegenden Falle mit den Angaben der anderen Autoren, so kann im grossen und ganzen Übereinstimmung konstatiert werden. Bei dem verhältnismässig geringen Faserausfall können wir annehmen, dass es nicht allzuviele Fasern sind, welche aus den Regionen proximal dem Oculomotoriuskern weiter hinabsteigen. Wenn wir die Angaben aus der Litteratur und das Ergeb- nis unserer Studien zusammenfassen, so müssen wir rein anatomisch das hintere Längsbündel folgendermassen auf- fassen: Das hintere Längsbündel, welches sehr frühzeitig markhaltig wird, besteht aus langen und kurzen Fasern. Es entsteht proximal in der Höhe des Meynertschen Bündels hauptsächlich aus zwei Teilen. Der eine, mediale Teil wendet sich ventralwärts und bildet im Höhlengrau am Eingang zum Infundibulum eine Kommissur. Der zweite, mehr lateral gelegene Teil breitet sich radienartig über dem nasal-dorsalen Pol des roten Kerns der Haube aus (Stilling, Forel, v. Koelliker, Schnopfhagen, Cramer). Ein be- trächtlicher Teil dieser Fasern hat einen lateral gerichteten Zug und kommt mit grösster Wahrscheinlichkeit durch das Feld H, und H, (Forel, Cramer), nach dem Thalamus optieus und dem Corpus Luysii. Möglicherweise wachsen auch aus dem Corpus geniculatum externum und dem Tractus opticus Fasern auf dem Weg durch die Linsenkernschlinge und das Corpus Luys. oder richtiger an demselben vorbeistreichend diesem Teile des hin- teren Längsbündels zu. Ausschliessen lässt sich auf jeden Fall eine solche Beziehung nicht (Meynert, Wernicke, Mayser, Darkschewitsch, Ramön y Cajal, Cramer). 13* 196 A. CRAMER, Vom Meynertschen Bündel bis zum Oculomotoriuskern verläuft das Bündel bereits gut geschlossen. (Siehe die Abbil- dungen.) Auf dem Wege dahin zieht es mit der Hauptmasse seiner Fasern ventral und medial an dem tiefen Kern der hin- teren’Kommissur (v. Koelliker, Cramer) vorbei und sendet nur einen geringen Fasern-Anteil in diesen Kern und den mehr ventraleren Teil der hinteren Kommissur. Nach dem Verlassen der Gegend des Oculomotorius- und Trochleariskerns ist das Bündel erheblich stärker; es zieht nun in bekannter Weise kaudalwärts weiter und gelangt, nachdem es in der Acustieusgegend auch wieder erheblich an Fasern zugenommen hat, in die Vorderstranggrundbündel des Rückenmarks (Stilling, Deiters, Gratiolet, Flechsig, Meynert, Forel, Mayser, Edinger, van Gehuchten, Ramön y Cajal, v. Koelliker, Spitzer, Cramer und andere). Auf diesem langen Wege tritt das hintere Längsbündel in Beziehung zum vorderen Vierhügel (Spitzka, Held, Bechterew, Spitzer, Cramer) und zu fast sämtlichen Hirn- nervenkernen. An den Beziehungen zu den Kernen des Oculomotorius, Trochlearis und Abducens ist nicht zu zweifeln (Deiters, Stieda, Wernicke, Edinger, Forel, Mayser, Köppen, Obersteiner, Held, Bechterew, van Gehuchten, Cramer). Auch eine Beziehung zu dem V. und VIII. Nerven muss nach den Untersuchungen von Köppen, Ramön y Oajal, Mahaim und Spitzer als sicher angesehen werden. Eine Beziehung zum Facialis und Hypoglossus ist mir nach meinen Befunden nicht zweifelhaft. Dagegen fehlt noch ein genauerer Nachweis der Beziehungen zum Glossopharyn- geus und Vagus. Eine Beziehung zum Nervus opticus ist auf dem Wege über die primären optischen Oentren möglich. Das hintere Längsbündel, Faseiculus longitudinalis dorsalis etc. 197 Weiterhin existieren Beziehungen des hinteren Längs- bündels zum Bindearm, zur fontaineartigen Hauben- kreuzung Meynerts (Held, Cramer), zum roten Kern der Haube und zum Kleinhirn (Köppen, Cramer). Auch findet ein Einstrahlen einzelner Fasern der Fibrae arcuatae in die hinteren Längsbündel statt (Beziehung zur Formatio reti- cularis). Die beiden hinteren Längsbündel selbst laufen auf dem grössten Teil ihres Verlaufs parallel nebeneinander her, ohne dass zwischen ihnen ein stärkerer Faseraustausch stattfindet. Ein solcher resp. eine ausgesprochene Beziehung zwischen rechtem und linkem hinteren Längsbündel ist möglich durch die nasale Kommissur des hinteren Längsbündels, durch die hintere Kommissur, in der Oculomotoriuskern-Region, dorsal der Bindearmkreuzung, da wo die medialsten und ventralsten Teile der hinteren Längsbündel dieht zusammenstossen, und distal der Pyramidenkreuzung, wo die hinteren Längsbündel an ihren Platz in den Vorderstranggrundbündeln des Rückenmarks rücken. Ausserdem ist es wahrscheinlich, dass zahlreiche vereinzelte Fasern des einen hinteren Längsbündels nach dem der anderen Seite gelangen. Das hintere Längsbündel führt auch Kollateralen (von Koelliker, Held, van Gehuchten, Ramön y Cajal und andere), welche zum Teil in der Raphe auf die andere Seite übertreten. Eine Beziehung zu den Hirnnerven ist durch direkte Be- ziehung zu den Kernen, durch Kollateralen und auch auf die Weise möglich, dass einzelne Fasern der eintretenden Nerven- wurzeln auf das hintere Längsbündel übergehen und mit dem- selben eine Strecke weit weiterziehen, ich nehme an, um zu anderen Kernen zu gelangen. Was den Facialis betrifft, so zeigen meine Präparate deutlich das Abschwenken einzelner Wurzelfasern in die hinteren Längsbündel. 198 A. CRAMER, Bei Tieren, und namentlich bei den niederen Tieren, zieht das hintere Längsbündel in den Vordersträngen weit in das Rückenmark hinab. Wie die Verhältnisse beim Menschen liegen, ist noch nicht mit Sicherheit entschieden. Spitzers Annahme, dass das hin- tere Längsbündel kaudalwärts schon im Halsmark endige, bedarf noch sehr der Bestätigung; denn ein Befund nach Marchi lässt noch nicht das Gegenteil ausschliessen. Physiologisch ist zunächst zu bemerken, dass das hintere Längsbündel aufsteigende und absteigende Fasern führt; das ist durch die Fälle von sekundärer Degeneration!) und durch die widersprechenden Ergebnisse der Untersuchungen nach Golgi mit Sicherheit anzunehmen (Held, Ramon y Cajal, van Gehuchten, v. Koelliker, Jacowenko, Rosa- limo, Samuel, Spitzer, Öramer und andere). Da das hintere Längsbündel sehr frühzeitig markhaltig wird und namentlich bei den niederen Tieren ausserordentlich stark entwickelt ist, müssen wir annehmen, dass es niederen Reflexen, d.h. mehr automatischen Funktionen als anatomische Grund- lage dient. In der Medulla oblongata und der Brücke verläuft es dorsal in nächster Nähe sämtlicher Gehirnnervenkerne, viel näher beispielsweise als die Schleife; es gelangt durch keine graue Masse, unterbrochen in die Vorderstränge des Rückenmarks ı) Einzelne Autoren haben ihr Erstaunen ausgedrückt, dass das hintere Längsbündel so selten degeneriert und daraus den Schluss gezogen, dass es nur kurze Fasern führt. Obschon in letzter Zeit die Beobachtungen sich mehren, kommt allerdings die sekundäre Degeneration des hinteren Längs- bündels selten vor. Das rührt aber daher, dass die Herde, welche das hintere Längsbündel zerstören, wenn sie nicht sehr langsam wachsen, bei der Lage der hinteren Längsbündel in der Regel auch dem Leben des betreffenden Indi- viduums sofort ein Ende machen, sodass es zur Entwickelung einer sekun- dären Degeneration gar nicht kommen kann. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 199 und zieht beim Tier fast bis an das kaudale Ende des Rücken- marks. Es ermöglicht also, kurz gesagt, eine Beziehung zwischen den Hirnnervenkernen und dem Rückenmark. Die erwähnten Reflexe und automatischen Funktionen müssen also derart sein, dass eine gemeinschaftliche Aktion von den Hirnnerven und vom Rückenmark innervierter Teile des Körpers geleistet wird. Seit Duval, Laborde und Spitzka haben zahlreiche Autoren immer aufs neue darauf hingewiesen, dass das hintere Längsbündel die anatomische Grundlage. für eine optische und und akustische Reflexbahn sei, dass es die Augenmuskel- nervenkerne verknüpft und eine konjugierte Bewegung der Kopfhalter und -dreher mit den Augen ermöglicht (van Ge- huchten, Held, Mohaim, Ramön y Cajal, v. Bechterew, Samuel u. a.). Spitzers Fall macht auch in seinen klinischen Erschei- nungen, auf die ich hier nicht genauer eingehen kann, diese Funktion des hinteren Längsbündels noch weiter fast zur Ge- wissheit. Alle Verbindungen, welche zu diesen Reflexleistungen not- wendig sind, sind durch das hintere Längsbündel gegeben. Die Verbindung der Augenmuskelnnervenkerne untereinander und mit denen der Kopfdreher und -halter, die Verbindung dieser mit den Acusticuskernen und auch eine Verbindung des Acusticus mit dem Optieus (Acusticus, hinteres Längsbündel, primäre Optieus-Centren, spec. vorderer Vierhügel, Opticus). Eine gemeinschaftliche Thätigkeit beider hinterer Längs- bündel, d.h. eine Übertragung auf die Kerne der anderen Seite ist möglich durch die nasale Kommissur der hinteren Längs- bündel, durch die hintere Kommissur, wahrscheinlich auch durch kreuzende Fasern in der Oculomotoriuskern-Region, durch 200 A. CRAMER, den Austausch einzelner Fasern auf dem ganzen Wege, durch eine kommissurartige Kreuzung unterhalb der Pyramidenkreu- zung und durch auf die andere Seite übertretende Fasern und Kollateralen. Da das hintere Längsbündel sich ausserordentlich frühzeitig mit Mark umkleidet, also sicher zur Zeit der Geburt schon gut funktionsfähig ist, wäre in Betracht zu ziehen, ob nicht eine direkt nach der Geburt sehr wichtige Reflexbewegung, welche ebenfalls eine gemeinschaftliche Aktion von Gehirn- und Rücken- marksnerven erfordert, ich meine die Saugbewegungen, von der Intaktheit des hinteren Längsbündels abhängig ist. Ich kann hier nicht auf die gesamte Litteratur der Physio- logie und Anatomie der Saugbewegungen eingehen, und will nur im Anschluss an eine Arbeit von Basch!) feststellen, dass bei dem Saugreflex der sensible Ast des Trigeminus und als motorische Nerven der Facialis, Hypoglossus und motorische Trigeminus in Betracht kommen. Die Kerne dieser Nerven liegen über eine verhältnismässig weite Strecke in der Medulla oblongata verteilt, ihre gemeinsame Thätigkeit wird durch das hintere Längsbündel vermittelt, ausserdem kommt aber in Be- tracht, dass auch die das Schlucken und Atmen und also auch die die betreffenden Muskeln innervierenden Nerven in einer gewissen Beziehung zum Saugreflex stehen. Eine centrale Ver- bindung dieser in die Medulla oblongata und im Rückenmark entspringenden Nerven ist beim Neugeborenen kaum anders denkbar als durch das bereits vollständig ausgebildete hintere Längsbündel. Damit im Einklang stehen auch der Verlust des Saugreflexes bei einer Läsion am Boden der Rautengrube, denn in erster Linie werden durch eine solche Verletzung immer die direkt unter dem Ependym liegenden hinteren Längsbündel 1) Karl Basch, die centrale Innervation der Saugbewegungen. Prag. med. Wochenschr. 1894. Nr. 5 und 6. Das hintere Längsbündel, Fasciculus longitudinalis dorsalis ete. 201 getroffen, und erst in zweiter Linie kommen in Betracht die Nervenkerne, welche meist durch eine solche experimentelle Läsion nur zum Teil zerstört werden. In entsprechenden Fällen wird man klinisch darauf achten müssen, ob nicht der Saugreflex erloschen ist. Zum Schlusse spreche ich Herrn Kollegen Stamm, welcher mich bei Herstellung der Serien wesentlich unterstützt hat und und die Liebenswürdigkeit hatte, für mich eine grosse Zahl von Photographien anzufertigen, meinen besten Dank aus. Erklärung der Abbildungen auf den Tafeln IV,VIl. I. Tafel IV/V. Fig. 1. Schnitt 60 der Serie A. a. nach dem Oculomotoriuskern und dem vorderen Vierhügel umschlagende Fasern. Fig. 6. Schnitt 18 der Serie k. Trochleariskern. Fig. 8. Schnitt 26 der Horizontalserie R. VII. Horizontaler Ast des Facialis.. HL. Hinteres Längsbündel. Fig. 9 u. 13. Schnitte durch die Brücke des Falles von sekundärer De- generation des hinteren Längsbündels. S. Tuberkel. Fig. 10, 11, 12. Schnitte durch die Brücke und Medulla oblongata des Falles von sekundärer Degeneration des hinteren Längsbündels. Bei A. der degenerierte Teil des Bündels. II. Tafel VI/VL. Fig. 2. Schnitt C. IV. 2. der Serie G. M.B. Meynertsches Bündel. H. L. Hinteres Längsbündel. Fig. 3. Schnitt 106. der Serie k. H.L. Hinteres Längsbündel. K.H.C. Kern der hinteren Kommissur. F. Fasern aus dem Kern der hinteren Kom- missur zur hinteren Kommissur. Fig. 4. Schnitt 100 der Serie k. Bezeichnung wie bei Fig. 3. III. Wurzel- faser des Oculomotorius. K. III. Oculomotoriuskern. Eig. 5. Schnitt 104 der Sagittalserie A. H.L. Hinteres Längsbündel. VI. Wurzelfasern des Abducens. K. VI. Abducenskern. Faser des hinteren Längsbündels zum Abducenskern. Fig. 7 wie Fig. 8 der Tafel IV/V. Fig. 8. Schnitt 20 der Serie E. (8monatlicher Fötus. D. V. Dorsaler Teil des Vorderhirngrundbündels. S. Sensible Kreuzung. Die Photographien sind sämmtlich mit Winkels Fluoritsystemen hergestellt. DAS NEUE ANATOMISCHE INSTITUT BERN. VON HH STRASSER, BERN. Hierzu 3 Tafeln VIII}X und 8 Abbildungen im Texte. rar BREREr, 7" Ar ) ; i A EN ER Er, ET RE TEN u ae Bere nie vs TER TE BETEN? PER EN ac j RIM AR: EURE EDER TEN. LEBT a in. Re EN N v Tri Ne er Fe Ta TE MN IR, RE ea TATEN Se dp‘ EN nr Dar la EIER j vr 5 a x = r ' # y ” i [f 4 r ‚© ’ o R '% 3% i ig X FB, x Bu ne % ‘ « No E 0 — I ü » u.» s dr 2 u, ? k i 3 # - # Der Beschreibung unserer neuen Anstalt und ihrer Ein- richtung möchte ich einige Bemerkungen zur Geschichte der anatomischen Wissenschaft in Bern voraussenden'!), Bekannt- lich hat man nordwärts von den Alpen erst im 16. Jahrhundert ab und zu menschliche Leichname zum Zwecke anatomischer Demonstrationen zergliedert. Strassburg hatte seine erste ‚„Ana- tomie“* 1517, Löwen 1518, Wittenberg 1526, Basel 1531. Ob in Bern im 16. Jahrhundert schon eine ‚Anatomie‘ stattfand, habe ich nicht ermitteln können. Von dem Berner Stadtarzte Wil- helm Fabricius Hildanus, dessen Leben und Wirken mein geehrter Kollege Prof. P. Müller in einer Rektoratsrede (Leipzig, J. B. Hirschfeld 1883) in trefflicher Weise geschildert hat, erfahren wir, dass er nach mehrmaligem vorübergehenden Aufent:- halt in Lausanne (1596—1698, 1600—1602 und 1611—1614) von 1614 an bis zu seinem Tode (1634) in Bern ansässig war und dass er unermüdlich den Chirurgen die Anatomie als Funda- ment ihres Studiums empfohlen hat. Vor wenig Jahren fand man in einem alten, in der Berner Hochschule aufbewahrten Schranke, zu welchem ein Schlüssel nicht aufzutreiben war und welchen endlich der damalige Rektor Prof. Hagen durch den Schlosser öffnen liess, verschiedene 1) Bei der Ermittelung der folgenden historischen Daten ist mir der Berner Staatsarchivar Herr Dr. Türler, in zuvorkommendster Weise behülf- lich gewesen. 206 H. STRASSER, Aufschriften, eine solche zum Andenken Vesals und eine andere, welche bezeugte, dass hier ein Skelet verwahrt war, welches Hildanus in Lausanne aus einem menschlichen Körper her- gestellt und 1624 in Bern aufgerichtet hat. In den Akten von 1668 über die Neuorganisation des Insel- spitals (das 1354 von der Frau Seiler gestiftet, 1528 in ein aufgehobenes Nonnenkloster verlegt und von nun an nach den „Inselschwestern‘“‘ genannt war), ist von einer „Anatomeystuben‘“ die Rede. Wahrscheinlich hatten die „Operatoren“ am Insel- spital Pflicht und Gelegenheit, anatomische Sektionen und Demonstrationen auszuführen, wie 1733 vom Operator Haeberlin ausdrücklich bemerkt wird. Im Jahre 1734 beauftragte der Rat der Stadt Bern das „Inselkollegium“ festzustellen, welche Ordnungen und Gepflogenheiten bezüglich der Dissektion von Totenkörpern in der Insel bis dato üblich gewesen. Dies ge- schah infolge eines vom Inselkollegium unterstützten Gesuches des Herrn Doktor Hallers und des Herrn Operatoren Haeber- lins um Zuteilung von Leichnamen '). Dem Gesuche Haeberlins und Hallers wurde am 11. Februar 1734 von den Räten willfahrt. BauwH. = Bauherr Mutach, wurde aufgefordert, zu diesem Zwecke das erforderliche „Logement‘ im alten oberen Spitalhaus oder anderswo zuzurichten. ı) Im Polizeibuch Nr. 11 dieses Jahres finden wir darüber folgenden „Zedel an M. Hw. HH. des Collegij Insulanij wegen Anathomierung der im Schallenwerk (Zuchthaus) sterbenden Persohnen“. Ihre gu. HH. (Räte) habend schon bereits zu verschiedenen Mahlen für gut und nützlich angesehen, wenn zu Erkennung allerhand Krankheit von Zeit zu Zeit Collegia anathomica ge- halten und selbige fleissig frequentirt wurden. Derowegen Ihr gn. H. auf diss- maliges Nachwerben H.DoctorenHallers wie auch H. Operatoren Haeberlins erkannt, dass so lang es M. gn. H. gefallen wird, Ihnen conjunctim oder separatim, jeh nachdehm Sy sich unter einanderen werden vergleichen können, bewilliget syn solle, von denen sterbenden Schallenleuthen Cörper erheben und an dem von M. Hw. Bauw HH. Ihnen, jedoch aussert der Insel (zu) verzeigen- den und zu rüstenden Ort zergliedern zu können u. s. w. Die Konzession ansehend die Demonstrationes anathomicae wurde 1739 auch auf Dr. Ritters Sohn und auf andere Burger, „so harin genugsame Capacitet haben“ ausgedehnt. Das neue anatomische Institut ın Bern. 207 Als Ort für diese anatomischen Demonstrationen wurde schliesslich die „Hohe Liebe‘, ein Lazarett oder Seuchenhaus auf der grossen Schanze, an der Stelle, wo jetzt das tellurische Observatorium sich befindet, auserwählt und zur Einrichtung des Lokals wurde am 13. Dezember 1734 ein Kredit von 120 Kronen bewilligt. So ist die Gründung eines anatomischen Theaters in Bern an den Namen Albrecht von Hallers geknüpft. Haller war!) im Jahre 1728 von Leyden, wo er von Ruysch, Boerhave und Albinus mächtige Anregung emp- fangen hatte, über London und Paris nach Bern zurückgekehrt, um alsbald darauf, im folgenden Winter in Basel als Vertreter von Mieg gegen 70 anatomische Demonstrationen zu leiten. 1729 ist er dann nach Bern übergesiedelt und 1733 hat er seine Schrift: de musculis diaphragmatis geschrieben. Er eröffnete das neue anatomische Theater am 21. Februar 1735 mit der Rede ‚De utilitate anatomiae pro relevandis systematibus prac- ticis falsis“ (com. litt. Noric. 1735, 107). „Von der Freundlich- keit, mit welcher Haller bei diesem Unterrichte die Schätze seiner Gelehrsamkeit seinen Schülern mitteilte, hat Joh. Jak. Ritter in seiner Autobiographie (Börner I, 122 ff.) rühmendes Zeugnis abgelegt; für die wissenschaftlichen Erfolge von Hallers Thätigkeit aber sprach seine, durch die Sektion einer Missgeburt hervorgerufene Abhandlung ‚de foetu bicipiti“, welche Haller seinem Freunde Altmann zur Veröffentlichung in der neuge- gründeten Zeitschrift „Tempe Helvetica‘“ (I. 48) übergab, und welche weithin in wissenschaftlichen Kreisen den medizinischen Scharfsinn wie den philosophischen und religiösen Geist des jungen Anatomen verkündete (Zimmermann 120).“ Haller hatte schliesslich (1734), nachdem eine frühere Bewerbung erfolglos gewesen war, die Stelle eines Stadtarztes '!) 8. dessen Biographie von L. Hirzel. 208 H. STRASSER, bekommen, mit einem Gehalte von 100 Kronen. Die anato- mischen Lehrstunden musste er unentgeltlich halten. Ins Jahr 1734 fällt seine Berufung nach Göttingen, erst 1753 kehrte er wieder nach Bern zurück, um dort das Amt eines „Rathaus- ammann“ anzutreten und bis zu seinem Tode zu bekleiden. Seine frühere anatomische Thätigkeit scheint er in der alten Weise nicht wieder aufgenommen zu haben. Das von ihm ge- gründete anatomische Theater war schon 1745 wieder eingegangen (Zimmermann 192). Das Seuchenlazaret zur „Hohen Liebe“ wurde in den 60er Jahren niedergerissen. Es scheint aber im Inselspital, das 1734-1742 an der Stelle des jetzigen östlichen Flügels des Bundesrathauses neu und stattlich erbaut worden war, ein Ana- tomiesaal eingerichtet worden zu sein. Im Jahre 1798, bei der Gründung des „medizinischen Instituts,‘‘“ war dasselbe frei- lich schon wieder für andere Zwecke (Apotheke des Militärspitals) benutzt und nicht mehr für den ursprünglichen Zweck frei zu bekommen. In das Ende des 18. Jahrhunderts fallen die ersten An- läufe zur Gründung einer besonderen medizinischen Lehranstalt in Bern. 1788 wurde für Tissot ein medizinischer Lehrstuhl errichtet. Gleich nach dem Einbruch der Franzosen und dem Sturz des alten Regimentes 1798 that sich eine „medizinische Gesellschaft‘ zusammen und gründete das „medizinische Institut‘. Der 1798 konstituierte bernische Erziehungsrat und der weit- blickende Minister des Innern Stapffer unterstützten diese Bestrebungen soweit möglich. Die Verwaltungskammer erliess unter Genehmigung des Ministers am 30. Juni 1799 genaue Verordnungen in betreff der für den anatomischen Unterricht ete. zu benutzenden Totenkörper (s. Manual der Verwaltungs- kammer). Schon im Winter 1798/99 begannen die Vorlesungen am medizinischen Institut und konnte ein Zimmer im kurz zuvor Das neue anatomische Institut in Bern. 209 neu erbauten stattlichen „grossen Spital“ (Burgerspital) zu den anatomischen Demonstrationen benutzt werden; ebenso geschah es in den folgenden Wintern. Über ein Gesuch des Apothekers Morel (Januar 1799) an die Verwaltungskammer, um diese zu veranlassen, für Heizung des anatomischen Theaters zu sorgen, wurde zur Tagesordnung geschritten. Ein erneutes gleichlautendes Gesuch der medizinischen Gesellschaft (Dezember 1799) musste wegen Mangel an Fonds abschlägig beschieden werden. Das medizinische Institut wurde in der Folge der 1802 vom Staate begründeten Akademie einverleibt. Unter den notwendigen Subsidiäränstalten der Akademie wurde von Anfang an eine „Anatomie“ aufgeführt. Im Jahre 1805 stellte die akademische Kuratel das Projekt auf, das Gartenhaus des damaligen Mädchenwaisenhauses an der „Spychergasse‘“, (siehe Fig. 2) wo jetzt naturhistorisches Museum und städtisches Gymnasium zusammengrenzen, zu anatomischen Zwecken zu be- nutzen. Der Stadtrat gab am 17. Juni dazu seine Zustimmung. 1806 wurde eine Anatomische Bleiche, ‚zur Vorbereitung sowohl der chirurgischen als der veterinärischen Präparationen des hiesigen anatomischen Theaters‘ eingerichtet. Prof. Grunert junior hatte dazu als eine passende Lokalität die von dem medi- zinischen Institut bereits zu diesem Zwecke besetzten untersten Gewölbe im sog. Pechturm!) (den man noch jetzt von der Eisen- bahnbrücke aus unten an der Aare sich erheben sieht) ausfindig gemacht. Der grosse Rat gestattete die Benutzung des Zugangs durch die „Litze‘“ (d. h. den Wehrgang an der Stadtmauer) und bewilligte 230 Frs. zur Herstellung einer auch im Winter prak- tikabeln Treppe. Der kleine Rat aber spendete 132 Frs. zur Herstellung der „Schwelle“ und der Weidenpflanzungen am Turm, gegen die Aare hin. 1) Über die alten Türme Berns siehe den Aufsatz des Staatsarchivars Dr. Türler im Berner Taschenbuch von 1896. Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XLI. Heft (13. Bd., H. 1.) 14 210 H. STRASSER, um { en Fig. 2. Nach dem ‚Grundriss der Stadt Bern von Oppikofer 1836.‘ Das neue anatomische Institut in Bern. 211 Im Jahre 1818 wird die Verlegung der Anatomie, des Tier- spitals und der chemischen Apparate, die in einem zum Mädchen- waisenhaus gehörigen Gebäude untergebracht sind, ernstlicher ins Auge gefasst. 1824 ist die Verlegung des Tierspitals nach der „Enge‘‘ perfekt geworden; 1832 erfolgt die förmliche Kün- digung der immer noch für die Anatomie benutzten alten Räume seitens der Stadt. Am 10. Februar 1833 schlägt das Baudeparte- ment für die Anatomie einen Platz an der Ringmauer vor, mit Inbegriff eines alten Turms, in welchem Munition und Militär- gerätschaften aufbewahrt wurden, und nach Erledigung des Einspruchs der Militärdirektion wird endlich am 12. Juli 1833 vom grossen Rate der Neubau einer Anatomie an dieser Stelle, im Alignement des Zuchthauses, mit einem Kostenaufwand von 24—30000 Frs. beschlossen. Bericht und Antrag bezüg- lich der inneren Einrichtung sollen später eingereicht werden. Der Neubau der Anatomie fiel zusammen mit der Erweite- rung der Berner Akademie zu einer Hochschule. Die Universität wurde am 15. November 1834 feierlich eröffnet und ungefähr gleichzeitig damit wurde auch die neue Anatomie bezogen, ein für damalige Zeit und Bedürfnisse recht stattlicher Bau (s. Fig. 2), der von nun an bis Ende 1897 der menschlichen Anatomie, aber auch bis 1895 der Veterinäranatomie und bis 1889 der Physio- logie als Heimstätte gedient hat. . Als erster Lehrer der Anatomie wirkte Thiele von 1834 bis 1853. Die Physiologie war durch den schon 1831 beruienen von Mohl bis 1836 und darauf durch Valentin vertreten. Nach dem Tode Thieles lehrte Valentin für einige Jahre auch die Anatomie; 1863 aber wurde der Lehrstuhl für Ana- tomie und vergleichende Anatomie definitiv wieder abgetrenut und durch Aeby besetzt, nachdem vorübergehend Schiff als Prof. extraord. die vergleichende Anatomie vertreten hatte. Auf Aeby, der nach Prag übersiedelte, folgte Gasser (von 1884 bis 1857), und als dieser nach Marburg berufen war, erhielt der 14* 212 ‘ H. STRASSER, Schreiber des vorliegenden Berichtes den ehrenvollen Auftrag, das Fach der gesamten Anatomie in seiner Heimat zu vertreten. Als Prosektor der Anatomie wirkte während vielen Jahren der verdiente Gerber, beiläufig gesagt der erste Erfinder der Daguerrotypie!). Die Prosektur bestand eine Zeitlang auch noch unter Aeby, ging aber unter diesem ein. Sie wurde erst Ende 1891 wieder eingerichtet (Bannwarth bis 1894, von da an K. W. Zimmermann). Seit Herbst 1898, nach dem Bezuge der neuen Anatomischen Anstalt, ist die Stelle mit dem Extra- ordinariat verbunden. Als Physiologen haben in der alten Anatomie gewirkt und gehaust, wie schon erwähnt, von Mohl bis 1836, und nach ihm Valentin. Letzterer trat 1881 wegen Krankheit zurück. An seine Stelle wurde Grützner aus Breslau berufen, und nach dessen Wegzug nach Tübingen 1884 Kronecker. In dem 1834 errichteten Anatomiegebäude (Fig. 2) waren also fast die ganze Zeit über drei verschiedene Institute untergebracht: Das Parterre und die schönen Kellerräume waren für die Vete- rinäranatomie, das physiologische Institut und die Äbwartwoh- nungen in Beschlag genommen. Auf den Hörsaal und die Arbeits- zimmer kamen bei der Veterinäranatomie ca. 130, bei der Physiologie kaum 100 qm Grundfläche. Ein kleiner Hof am Nordende des Baues diente zur Unterbringung der physiologischen I) Gerber war schon von 1819 an Prosektor der menschlichen und Veterinäranatomie. Im Jahre 1834 wurde er zum Professor der Tieranatomie ernannt, welche Stelle er bis 1869 inne hatte. Zugleich blieb er Prosektor der menschlichen Anatomie. 1869 wurde die Tiermedizin von der Hochschule ab- getrennt, die alten Professoren wurden pensioniert und eine Tierarzneischule wurde gegründet. An dieser wirkten als Lehrer der Anatomie und zugleich der Physiologie Metzdorf von 1869—1876, Bugnion von 1876—1878, Hartmann von 1878—1882, und im Jahre 1883 interimistisch Berdez und Guillebeau. Der physiologische Unterricht wurde in der Folge wieder vom Professor der medizinischen Fakultät erteilt. Das Lehramt der Veterinärana- tomie wurde von 1883 an durch Flesch vertreten und von 1889 an bis heute durch ©. Rubeli. Das neue anatomische Institut in Bern. als Versuchstiere. In einem ebenso kleinen Hofe am Südende be- fanden sich die Aborte und wurde die Leichenreinigung vorge- nommen. Ein vom Parterre aus zugänglicher dunkler Raum im alten Turm wurde als Leichenkeller der menschlichen Anatomie benutzt, während darüber im I. Stock (gegen 60 qm Grundfläche) ein Anatomiehörsaal nicht unzweckmässig eingerichtet war. Der Menschenanatomie diente sodann auch der übrige Teil des ersten Stockes (Sammlungsraum 170 qm, Präpariersaal nach der 1888 erfolgten Einverleibung eines Teiles des Treppenhauses 90 qm, Abräumkammer und Injektionsraum 40 qm, alle übrigen Arbeitsräume für Professor, Assistenten ete. 40 qm!). Mit der Steigerung der Ansprüche an den medizinischen Unterricht und mit der Zunahme der Frequenz, die sich namentlich in den 8Ver Jahren bemerkbar machte — im Jahre 1889 wurde ein Maximum von 133 Präparanten erreicht — musste die Beengung im Raum und die Mangelhaftigkeit der Einrichtung unerträglich werden. Durch den Vorbau des naturhistorischen Museums hatten sich auch die Beleuchtungsverhältnisse in bedenklicher Weise verschlimmert. Im Herbste 1889 wurde zwar das physio- logische Institut in die ehemalige Blindenanstalt jenseits der Aare verlegt; dies führte aber, wegen der weiten Entfernung von den übrigen Instituten zu den grössten Unzuträglichkeiten. Die Notwendigkeit eines Neubaues der Tierarzneischule mit eigenem anatomischen Institut und andererseits die Notwen- digkeit der Erstellung neuer Institute für menschliche Ana- tomie und Physiologie in der Nähe der übrigen medizinischen Anstalten musste schliesslich allgemein anerkannt werden. Im Sommer 1890 durften diesbezügliche Programme und Pläne auf- gestellt werden. Am 24. November des gleichen Jahres bewilligte der grosse Rat die notwendigen Kredite für die Institute der Tierarzneischule, im März des folgenden Jahres diejenigen für das physiologische Institut. Die Einigung über den Plan für das anatomische Institut erfolgte technischer Fragen wegen erst 214 H. STRASSER, im April 1891. Mittlerweile aber waren die Verhältnisse der Staatsfinanzen ungünstiger geworden, sodass der Neubau der Anatomie verschoben werden musste. Erst dem verdienten Bau- direktor Marti gelang es, das Anatomieprojekt so glücklich mit demjenigen der Verlegung desZuchthauses und des Neubaues eines Untersuchungsgefängnisses und Justizgebäudes zu vereinigen, dass der grosse Rat am 27. Dezember 1895 den für die neue Anatomie erforderlichen Kredit von 450000 Frs. bewilligte'). Der Bau wurde im Frühjahre 1896 begonnen und rasch gefördert. Im August 1897 bewilligte der grosse Rat einen weiteren Kredit von 50000 Frs. für das Mobiliar der Anatomie (ohne Instrumente und Lehrmittel) und bereits zu Anfang des Wintersemesters des gleichen Jahres war die Einrichtung soweit gefördert, dass der Präpariersaal und die für die Leichenbesorgung notwendigen Räume am 10. November bezogen werden konnten. In den übrigen Räumen nahmen die Bau- und Einrichtungs- arbeiten ruhig ihren Fortgang. Ein vielleicht nicht einmal not- wendiger Konflikt entstand nur aus Anlass der Verrechnung der Heizungs- und Beleuchtungskosten zwischen Bau- und Hoch- schulverwaltung. Ein ähnlicher successiver Bezug der neuen An- stalt ist auch anderwärts, z. B. bei der neuen Anatomie in Würzburg praktiziert worden. Nach Neujahr wurde auch das neue Auditorium in Gebrauch genommen. Im Februar war die alte Anatomie vollständig geräumt und konnte man mit dem Abbruch derselben beginnen. In der Folge erlitten dann freilich die Einrichtungsarbeiten im neuen Institut eine unliebsame Verzögerung auf deren Gründe ich hier nicht näher eintreten will. Man darf wohl die Hoffnung hegen, dass schliesslich nach so grossen Opfern auch noch die zur Anschaffung von Instrumenten und Lehrmitteln erforder- ı) Nachdemim Interesse der Verminderung der Bausumme um 50000 Frs. eine erhebliche Reduktion der Dimensionen des Projektes hatte stattfinden müssen. Das neue anatomische Institut in Bern. 215 lichen Summen werden bewilligt werden. Dann erst wird der, wie ich glaube in Plan und Ausführung wohlgelungene Bau in vollkommener Weise zur Förderung des anatomischen Studiums und der anatomischen wissenschaftlichen Arbeit ausgenutzt werden können. Wenn ich es im folgenden unternehme, über die Einrichtung des jüngsten der anatomischen Institute Genaueres zu berichten, so geschieht dies aus einem doppelten Grunde. In erster Linie liegt mir daran zu zeigen, dass hier mit den uns bis jetzt zur Verfügung gestellten Mitteln Brauchbares geschaffen worden ist. Zweitens hoffe ich, dass ein solcher Bericht diesem und jenem Fach- kollegen von Interesse und Nutzen sein kann. Die zweckmässige Ausgestaltung und Verbesserung unserer anatomischen Institute ist ja eine Sache, in welcher ein Fortschritt möglich ist, und in welcher der Folgende von seinen Vorgängern lernen kann und soll. Zahlreiche Kollegen haben mich bei den Vorstudien zum Neubau durch Belehrung, Rat und That in freundlichster Weise unterstützt. Mögen sie alle in der ausführlichen Erörterung des Resultates der eigenen Bemühungen ein Zeichen meiner Dankbarkeit erblicken. Ganz besonders verpflichtet fühle ich mich den Herren Stöhr (damals) in Zürich, Kollmann in Basel, Wiedersheim in Freiburg i. Br., Schwalbe und Pfitzner in Strassburg, von Koelliker in Würzburg, Flemming in Kiel, dem ver- storbenen Kollegen von Brunn in Rostock, den Herren Wal- deyer, O.Hertwig und Möbius in Berlin, Roux in Innsbruck und Halle, Rabl und Steffal in Prag, Stieda und Zander in Königsberg, von Toldt in Wien, Hochstetter in Innsbruck, sowie Herrn Turner in Edinburgh. Sie alle haben uns einen 216 H. STRASSER, genaueren Einblick in ihre Institute ermöglicht, oder Pläne und Angaben über dieselben zugestellt. Ein Kränzlein der Anerkennung möchte ich bei dieser Gelegenheit dem leitenden Architekten, Herrn Kantonsbaumeister Stempkowski, winden. Er hat den Ideen des Professors Gestalt und Körper gegeben. Die glückliche Verbindung des Vorder- und Hinterbaues der Anatomie durch einen Mittelbau ist sein Verdienst; für die Durchführung des Baues, welche bei Vermeidung allen Prunkes würdig und gediegen ist, gebührt ihm volles Lob. Die neue Anatomie besteht (s. Taf. VIIUX): 1. aus einem Vorderbau von 55 m Länge und ca. 10 m Tiefe, der an der von NO. nach SW. laufenden Bühlstrasse ge- legen ist; 2. aus zwei Seitenflügeln, die sich hinter den Enden des Vorderbaues in einer Breite von je 9—10 m 22 m weit nach rückwärts erstrecken ; 3. aus einem Hinterbau, welcher zwischen die hinteren Enden der beiden Seitenflügel eingeschaltet ist, und 4. aus einem mittleren Verbindungsbau in der Achse des Gebäudes, der zwei Höfe voneinander scheidet. Nur der Vorderbau hat über dem Hauptgeschoss einen ersten Stock und darüber geräumige Estriche. Die Höhe der Räume beträgt im Vorder- und Hinterbau des Hauptgeschosses 4 m, in den Seitenflügeln 4,90 m, im ersten Stock 4,50 m, in den Lokalitäten des Souterrain 3 m. DasObergeschossdesV orderbaues (Taf. VIII) ist wesent- lich für die Sammlung bestimmt. In dem mittleren der drei grossen Sammlungsräume ist die vergleichend-anatomische Trocken- sammlung, die im wesentlichen aus Skeletten besteht und von Prof. Aeby stammt, untergebracht. Im Nordende des Ober- Anatomische Hefte Iätelung 41 Heft (13.Bd.H-1,) al arrsaereıg SITE ITT 7? | Army vg "001 :l mv pr 06 dfoyeabr>g fe3) Ki oooydlvo y =] hun 242.70) ” > I zerık! u Aleh! E Verlag von J. Bergmann ‚Wiesbaden. m> ep oameoyom h Taf: K _Anatomische Hefte IAöthalung 41 Heft (13 Ba.H 1) ywaamvz ZvVa vh 105) erw 0: NR Er jmamay N L u ca Toon e [ IL Sell ü vunsn.oporogog r 1] FE u Amymaog aumgem u | : | | | | wauzhnmparagrole | mm wma cz PIE a a a Ta mm mama ua ma a a feglls % oy3 3% f op x vvurr29Vc, > l) / ng, | I NW ao, _ am r j? L el u u 2 | | Verlag von J.F Bergmann ‚Wiesbaden. | Jaf: X. Anatomische Hefte IAöthelung 41 Heft (13. Ba.H1.) = r nn un m T auur 7:30 a a I ITIGT5: T KR. Kr Mia ou 0 N RUE» EIZZA ki an Wh I t vırn Y 4 e A < a onby) Aa0ech L | ji L bu mi 17 2 >yo wddog nveQ emwkoh NE Wyane = „JjJT pay lc) | | (p raMVOLAPPYO bin wann] hu (6) Ka | og = } “ IE yengp I) | "oe Ei am mag pen | | E er — I nemmy Klon I | nern Ä auwoymayeb), — — 3 ai — ; N v R Fr - k 2 0 Haaedhh u wm Be un | BR Y gran en De in | M po yıymoh / voomn rom \ an eg Bean 0 S 4 I Bas lc, I ® ® v0L:T MV MEQ \ \Ül | Wi s Y Ara ar 10} vn b — Pr Verlag von J. Bergmann ‚Wiesbaden. geschosses sind drei kleine Räume für Photographie und Zeichner reserviert. Die entsprechenden kleinen Räume am Südende sind dem Präparator und dem I. Assistenten zugewiesen. Parterre (Taf. IX). Der Grundriss des Ganzen ist so gross genommen, dass die von den Studierenden und von dem Lehrpersonal haupt- sächlich benutzten Arbeitsräume alle im Hauptgeschoss Platz finden. Durch ein einfach dekoriertes Atrium und über einige Stufen gelangt man in den erweiterten Mittelraum des vorderen Längskorridores, welcher sich beiderseits bis zu den Enden des Vorderbaues erstreckt; daselbst gelangt man je über eine Treppe in den ersten Stock; am Nordende führt eine Treppe auch zum Souterrain. Am Nordende des vorderen Längskorridors ist sodann der Zugang zum Laboratorium des Ordinarius gelegen, am Süd- ende findet sich der vordere Eingang zum Präpariersaal. Strassenwärts vom Längskorridor liegen im Vorderbau vom Haupteingang nach rechts hin: Putz- und Glaskammer (letztere zugleich Präparierkabinet), Bibliothek, Einlegzimmer, Empfangs- und Arbeitszimmer des Direktors; vom Eingang aus nach links hin: Zeichnungszimmer (zugleich für Instrumente) und Material- kammer, sowie die Arbeitsräume des Prosektors (Prof. extraord.). Durch den Mittelbau führt in der Achse des Gebäudes ein Verbindungsgang zum erweiterten mittleren Teil des hinteren Längskorridors und zum Auditorium. Am Ende des hinteren Korridores links ist der zweite Eingang zum Präpariersaal ge- legen; rechts gelangt man zum Studiersaal im nördlichen Seiten- flügel. Aus dem hinteren Vestibule führt eine zweite Treppe zum Souterrain (zum unteren Präpariersaal etec.). Zu beiden Seiten des Mittelganges finden sich in einer relativ isolierten und für die Ventilation sehr günstigen Lage die Garderoben und Aborte. Der Mittelgang hat ein Oberlicht, die Längskorridore und Vestibules erhalten von der Hofseite her reichliches Licht. 218 H. STRASSER, Der Präpariersaal nimmt die ganze Länge des südlichen Seitenflügels ein. Getrennt vom Präpariersaal, aber dicht neben demselben , zwischen ihm und dem Auditorium, ist die Abräumkammer eingeschaltet. Hier mündet der hydraulische Aufzug aus den Kastenräumen des Souterrain, und sind die Abräumschränke untergebracht, die noch genauer beschrieben werden sollen. Auf der anderen Seite des Hörsaales, zwischen ihm und dem Studiensaal, liegt das Vorbereitungszimmer; hier und im Studiensaal ist die Vorlesungs- und Lernsammlung unter- gebracht. Die ganze Sammlung ist, wie man sieht, getrennt in eine Hauptsammlung (im: Obergeschoss des Vorderbaues) und in eine sich stark abnützende und mit der Zeit zu erneuernde Handsammlung, welche die wichtigsten Präparate und Modelle enthält, die in den Vorlesungen und im Studiensaal gebraucht werden. Die grösseren, feuchten Präparate, die in den Vor- lesungen und zum Repetieren benutzt werden, sind im Souterrain (unterer Präpariersaal und anstossender Kastenraum) in Kasten untergebracht. Die Repetitionen und Demonstrationen an diesen Präparaten finden, soweit möglich, im unteren Präpariersaal statt. Später einmal werden auch die geräumigen Korridore zur Aufstellung von Schaupräparaten benützt werden können. Die grösseren Zeichnungen für die Vorlesungen sind unter den Sitzreihen des Hörsaales an der Innenseite des Rundganges in Schränken an einem Eisenstab aufgehängt. Der Präparier- und Mikroskopiersaal. Präpariersaaleinrichtung. Der grosse Saal des südlichen Seitenflügels dient im Winter als Präpariersaal, im Sommer alsMi- kroskopiersaal. Dies war geboten, da die Operationskurse, die ander- wärts im Sommer auf der Anatomie abgehalten werden, hier im pathologischen Institut stattfinden. Der Saal misst 22!/ m in der Länge und 9 m in der Breite. In demselben könnten wohl zur Not etwa 80 Präparanten gleichzeitig arbeiten. An zehn Das neue anatomische Institut in Bern. 219 Fenstern der äusseren, nach SW. und nach NW. schauenden Seiten können die im Sommer zum Mikroskopieren dienenden Fenster- tische ausgehängt werden. An ihre Stelle treten im Winter kleine transportable Seciertische mit Eisengestell und etwas hohl geschliffener Schieferplatte von 1,10 m Länge und 0,60 m Breite zur Präparation von isolierten Extremitäten und kleineren Präparaten. Diese Tischehen dürften wohl noch etwas grösser sein; auch würde es sich empfehlen die Platte mit einer Ab- lauföffnung und mit einem Ablaufkästchen zum Unterschieben zu versehen. Sie besitzen verstellbare eiserne Halter oder Gabeln zum Auflegen oder Anbinden der Präparate. Die Längsachse der Tische ist senkrecht gegen das Fenster gerichtet. Meiner Mei- nung nach muss bei der Präparation von Extremitäten die Möglichkeit vorhanden sein, das Objekt mehr oder weniger in der Längsrichtung vor sich zu haben und es sozusagen unter den Arm ‘zu nehmen; die Einfügung der Bilder in die Vor- stellungen von der ganzen (aufrechten) Körpergestalt und der Vergleich mit den Abbildungen ergiebt sich dann viel leichter; auch bewegen sich der Kopf und die Augen, die Hände und die Finger mitsamt dem Messer beim Verfolgen der Muskeln, Gefässe und Nerven leichter in sagittaler Richtung auf und ab im Vergleich zu der seitlichen Hin- und Herbewegung bei quer liegendem Präparat. Endlich halte ich es im allgemeinen für besser, wenn das Licht von der Seite und vom Rücken des Prä- paranten her auf das Objektfällt, als wenn das Präparat zwischen dem Arbeitenden und dem Fenster liegt. Das Präparieren an Fensterbänken scheint mir deshalb im allgemeinen nicht zweck- mässig zu sein und von Vorteil nur bei solchen kleinen und feinen Objekten, die besonders intensiv und direkt von oben her be- leuchtet sein müssen. Um auch diesem Bedürfnisse gerecht zu werden und um die Reihe der Haupttische näher an die Fenster zu bekommen, haben wir an der Hofseite feste Fensterbänke gewählt. 220 H. STRASSER, Bei dieser Gelegenheit muss nun erwähnt werden, dass die neue Anatomie eine Centralheizung besitzt und dass die Heiz- körper in den grossen Sälen in möglichst viele Fensternischen verteilt sind. An einigen Stellen findet sich aussen in der Mauer eine (zuleitende) Ventilationsöffnung mit verstellbarer Klappe. Gegen den Saal zu sind die Heizkörper durch einen weghebbaren Blechschirm verdeckt. Oben ist in der deckenden Platte ein durch- brochenes Gitter angebracht, sodass die erwärmte Luft entlang dem Fenster aufsteigen kann. Dies erlaubt, sich ganz nahe an die Blechschirme zu setzen, ohne unter der Hitze zu leiden. An mög- lichst weit abliegenden Stellen der Säle befinden sich die Venti- lationskamine, mit unterer und oberer Einströmungsöffnung, von denen die erstere im Winter, die letztere im Sommer geöffnet ist. Die grossen Seciertische habe ich mit Absicht unter Abweichung vom gewöhnlichen Usus nicht in die Achse der Fenster sondern in diejenige der Fensterpfeiler gestellt, um auf die Seitenflächen des Leichnams mehr Licht zu bekommen. Die Tischbreite ist nur 65 cm genommen, die Länge 170. Dies ist nicht zu wenig, weil am Kopfende des Tisches ein ausziehbarer und nach der Höhe verstellbarer eiserner Kopfhalter angebracht ist, mit breiter Gabel, auf welcher der Nacken aufruht. Es er- möglicht dies zugleich, dass die Hals- und Kopfpräparanten ihrem Operationsfeld gut beikommen. Wenn nötig, wird unter dem Kopf auf den Boden ein flaches Zinkgefäss gestellt zum Auffangen der ablaufenden Flüssigkeit. Auch für die Arme und Beine stehen Halter zur Verfügung. Die Beinhalter werden regelmässig gebraucht, die Armhalter sind weniger notwendig, da der Arm möglichst bald abgelöst wird. Um unsere ganzen Leichen gut auszunutzen, lasse ich so weit möglich zum Voraus, aber unter thunlicher Schonung der Muskeln von Präparanten des zweiten Kurses die Hals- und Nackenregion präparieren, auch wenn die Leichen nachher zur Muskelpräparation ver- wertet werden. Das neue anatomische Institut in Bern, 221 Das Kopfende der Tische ist natürlich dem Fenster zuge- wendet. Zwischen den beiden Reihen grosser Seciertische bleibt in der Mitte ein Gang von 1,50—2 m frei. Der Abstand der Tische von den Fensterpfeilern beträgt an der Südseite 1,60 bis 2,00 m, an der Hofseite 1,60 m. Von Tisch zu Tisch beträgt der Zwischenraum 2,00 m. Höhe der Tischfläche am Kopfende 0,57, am Fussende 0,85 m. Alle diese Dimensionen haben sich als gut gewählt erwiesen. Die Abstände sind überall so gross, dass die Präparanten neben sich die kleinen Büchertischehen Fig. 3. stellen können, die fast auf allen Anatomien in Gebrauch sind und dass man bequem cirkulieren kann. Die Seciertische (Fig. 3) haben ein aus Winkeleisen gefertigtes Gestell (6 vertikale Stücke, ein oberer und unterer Rahmen nit je einer mittleren Traverse). Die Platte besteht aus tadel- losem Ragazer Schiefer (Mechanische Schieferbearbeitung, ©. Schindler, Ragaz): sie ist abhebbar und passt mit sechs Bohr- löchern der Unterseite auf sechs vorstehende Zapfen des Unter- gestelles. Die Platte ist im ganzen etwas gegen das Fussende geneigt und an der Oberseite gegen die Mittellinie zu von den 229 H. STRASSER, Seitenrändern und in gleich grosser Strecke her auch von den Schmalseiten abschüssig, Am Fussende der seichten Mittelrinne findet sich eine Ablauföffnung, unter welche ein an der Schmal- seite des Gestelles in Nut und Feder laufendes Kästchen von galvanisiertem Blech untergeschohen werden kann. Unten um den Rand dieser Öffnung und ringsum unter dem Rand der Tischplatte läuft eine Traufrinne. Der Schiefer wird von Zeit zu Zeit nach der Reinigung mit Terpentin eingerieben, das Material sieht so äusserst schmuck und sauber aus und ist auch für die Berührung durchaus angenehm. Natürlich eignet sich für den genannten Zweck nicht jeder Schiefer; das Material muss hart und homogen sein und darf nirgends, auch an den ausgeschliffenen Stellen nicht Schichtspalten zeigen. Selbst bei dem so vorzüglichen Material der Ragazerbrüche mussen die Platten noch mit besonderer Sorgfalt ausgesucht werden. Die Tagesbeleuchtung im Saal wird durch 12 äussere und 5 Hoffenster mit 1,50 m breiter und 1,85 m hoher Lichtöffnung gespendet und ist eine recht gute. Doch kann ich nicht umhin, zu bedauern, dass neben der seitlichen Beleuchtung nicht auch noch ein ausgiebiges Oberlicht angebracht worden ist. Meine Bemühungen in dieser Hinsicht waren nicht von Erfolg gekrönt. Als richtig hat sich erwiesen, dass wir den Seciersaal in den südlichen (s.w.) Seitenflügel des Gebäudes gelegt haben; es scheint zwar die Wintersonne am Nachmittag weit in den Saal hinein, aber man ist im Winter über ein bischen Sonnenlicht und Sonnen- wärme herzlich froh. Weisse transparente zwischen den Fenstern angebrachte Storen, die dem antiken Vorhang gleich von unten nach oben bis zum Kreuzstock aufsteigen, und federnd zurück- fallen, schützen, wo es notwendig ist, vor der Sonne, während durch den oberen Teil der Fenster das Tageslicht immer noch in den Saal dringt. Im Sommer, wo der Saal als mikroskopischer Kurssaal be- nutzt wird, scheint die Sonne, die überhaupt erst des Nach- Das neue anatomische Institut in Bern. 223 mittags kommt, nur wenig weit in den Saal hinein. Die mikro- skopischen Kurse aber finden am Vormittag statt. Hier wie überall im Hause werden dieinneren Fensterflügel im Sommer ausgehängt; inneres und äusseres Oberlichtfenster bleiben ver- kuppelt. Stellenweise sind auch noch gewöhnliche farbige Rouleaux aus starkem Tuch, mit Führung an Eisenstangen ausserhalb der Fenster angebracht. Die künstliche Beleuchtung des Präpariersaales ge- schieht durch Gasglühlampen (bewegliche Wandarme neben den Fenstern und Doppelarme zwischen den grossen Seciertischen, letztere in ziemlicher Höhe; es ist auch hier darauf Bedacht ge- nommen, dass der Leichnam nicht blos oben sondern auch an den Seiten möglichst gut beleuchtet ist). Der Raum zunächst dem hinteren Eingang ist durch Schiefer- wände nischenartig eingehegt und als „Waschstätte“ ein- gerichtet. Entlang der Schieferwänden läuft je ein Waschtrog. „Mischelhähne‘“ liefern kaltes und warmes Wasser; das warme entstammt der Heizung, von welcher aus im Winter auch die Waschküche bedient wird. Im übrigen sind im ganzen Hause zahlreiche Einzelwarmwasserapparate (System Fletcher) an- gebracht. Eine schwierige Frage war diejenige nach der zweckmäsigsten Bekleidung des Seciersaalbodens. Wir haben schliess- lich rauhe Winterthurer Cementplatten gewählt, die sich durch ihre grosse Härte und exakte Herstellung auszeichnen. Ein solcher Boden ist leicht zu reinigen; er hält ziemlich warm und sieht schmuck aus; man kann ihn einölen und später mit Pe- troleum unterhalten. Eine ganz schwache Senkung des Bodens nach zwei Bodenabläufen hin erleichtert die Reinigung, nament- lich wenn sie ausnahmsweise einmal mit ausgiebiger Spülung verbunden ist. Sommereinrichtung des Seciersaales. Unsere Seciertische sind verstellbar und gerade schwer genug, dass die 224 H. STRASSER, Umstellung nicht überflüssigerweise vorgenommen wird. Auf feststehende Ablaufeinrichtungen haben wir gern verzichtet; das Schubkästchen unter der Tischplatte, allenfalls ein Bodengefäss unter dem Kopfende des Leichnams, genügen vollständig zum Aufnehmen der Ablaufflüssigkeit; besondere Spüleinrichtungen sind überflüssig; mit auszuspülenden Eingeweiden geht man zum Brunnentrog hinter der Wascheinrichtung. So ist nun die Möglichkeit gegeben, den Seciersaal im Sommer als Mikroskopiersaal zu benutzen. Kopf-, Arm- und Beinhalter werden von den Seciertischen entfernt. Die Schieferplatten der grossen Seciertische werden im Frühjahr abgehoben, beiseite ge- stellt und durch gestemmte Eichenplatten ersetzt, die ebenfalls an ihrer Unterseite Bohrlöcher haben und auf die eisernen Zapfen passen. Es ist dafür gesorgt, dass diesmal die Tischplatte horizontal zu liegen kommt. Bei den kleineren Fenstertischen wird ein an der Unterseite mit zwei Falzen versehenes Eichenblatt über die Schieferplatte einfach hinübergeschoben. An den Fenstern der Südseite werden die Mikroskopiertische eingehängt. Man erhält auf diese Weise gerade die nötige Zahl von Mikroskopier- und Dispensirtischen, für 40 (—60) Kursisten. Hinter aie Fenstertische kommen 1—2 Reihen von verstell- baren Mikroskopiertischen zu stehen. In der Mitte des Saales werden 2—3 Fenster der äusseren Langseite durch Rahmen mit schwarzem Tuch verhängt um davor drei Gestelle mit schwarzen Tafeln aufzupflanzen. Gegen- über an der Hofseite sind einige Tische im Hufeisen gestellt und für die Vorbereitung und Verteilung der Präparate reser- viert. Der Raum zwischen diesem „Buffet“ und den Tafeln ist als Cirkulationsraum frei. Hier versammeln sich die Kursteil- nehmer, um ihre Präparate in Empfang zu nehmen und den Auseinandersetzungen des Lehrers zu folgen. DD 180 Or Das neue anatomische Institut in Bern. Die Abräumkammer. Bei reger Präpariersaalthätigkeit ist es den Dienern nicht möglich, alle Präparate herauszusuchen, den Präparanten zu bringen und nach Schluss der Arbeit wieder zu versorgen. Nament- lich können nicht alle Präparate jedesmal in der Zwischenzeit in den Keller geschafft werden. Deshalb haben wir dicht neben dem Seciersaal eine besondere Abräumkammer eingerichtet. Hier sollen die kleineren Präparate von den Studierenden selbst unter gebracht und wieder herausgeholt werden. Es soll aber auch möglich sein, hier grössere Objekte, ganze Torsos, ja eine be- schränkte Zahl ganzer Leichen vorübergehend aufzubewahren. Der Raum muss kühl sein. Die Präparate müssen in feuchter, mit Alkoholdunst geschwängerter Atmosphäre liegen; sie müssen in übersichtlicher Weise deponiert sein, sodass sie gut kontrolliert und jederzeit leicht herausgesucht werden können. Zu diesem Zwecke waren früher Zinkkästen verschiedener Grösse und Kon- struktion in Verwendung. Für die Extremitäten haben wir u. a. die, wenn ich nicht irre, von Born eingeführten tiefen Kästen verwendet, in welche man die Präparate an Querstäben mit Haken einhängt. Doch fehlt hier die Übersicht. Ich habe deshalb für das neue Institut eigenartige Abräumschränke aus Schiefer mit Glasfensterdecke und vorderem, über Rollen an Gewichten hängenden, aufziehbarem Schiebfenster bauen lassen und dieselben im Abräumzimmer zwischen die Fenster und an die Seitenwände plaziert. Das in der Höhe der Leichen- tische und des Leichentransportwagens gelegene Fach ist für Torsos und ganze Leichen reserviert; die übrigen Fächer sind für kleinere Präparate bestimmt. Ich gebe in Fig. 4 einen Durchschnitt durch einen von beiden Seiten zugänglichen, zwischen den Fenstern aufgestellten Schrank dieser Art (Doppel- schrank). Die einfachen Schränke haben eine Rückwand aus Schiefer; an allen sind Boden und Schmalwände aus dem gleichen Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI, Heft (13. Bd. H. 1.) 15 226 H. STRASSER, ausgesuchten Ragazer Material gefertigt, ebenso die Traversen, auf welchen die eingeschobenen Platten aufruhen. Letztere sowie das Gerüst der Fenster bestehen aus Lerchen- holz. Am Boden befindet sich, beim Doppelschrank in der Mitte, beim einfachen nah an der Rückwand ein geräumiges in einen Schieferblock ausge- schliffenes Samınel- becken; der Raum über demselben ist bis zur Decke hinauf frei, sodass alle Fächer mit demselben weit kom- munizieren. Im übri- gen besteht der Boden aus einer mit Beton unterlegten Schiefer- Platte, welche gegen das Sammelbecken hin abschüssig ist. In glei- cher Weise geneigt sind die Scheidewände zwischen den überein- anderliegenden Fä- chern. Das Sammel- becken hat einen Ab- lauf mit Stöpsel nach der freien Schmalseite hin; auch ist an letzte- rer ein Schiebethürchen angebracht, durch welches man von aussen zum Sammelbecken gelangen und dessen Reinigung vor- nehmen kann. Alle aus Schiefer hergestellten Partien sind mit eisernen Stangen und Schrauben verstrebt und zusammen- geschraubt; die Metallteile im Innern sind verzinnt oder geteert. Das neue anatomische Institut in Bern. ERS ID -—1 Alle Bestandteile wurden in der Werkstätte des Herrn. Schindler in Ragaz oder''durch dessen Vermittelung angefertigt bis an die Gewichte und Rollen. Das grosse vordere Schiebfenster läuft natürlich in Nuten der Schieferwand und schliesst sich, wenn es heruntergelassen ist, oben mit einer vorspringenden Leiste eng auf den Rand der Decke. Diese Schränke verhalten sich wie feuchte Kammern. Das Sammelbecken am Grund enthält 20—30°/oigen Alkohol. Von einer automatischen Sprayvorrichtung, die anfangs geplant war, habe ich abgesehen. Mit Hülfe eines sogenannten Pulverisators mit Schlauch wird Alkohol von obiger Stärke ein oder zweimal im Tage über den Präparaten zerstäubt. Man muss natürlich darauf halten, dass die Schränke immer wieder geschlossen werden. Trotz des beschränkten Raumes unserer Abräumkammer können wir in unseren Schränken eine ganze Menge von Material bequem unterbringen. Das Auditorium. Die Bestuhlung, in amphitheatralischer Ordnung aufsteigend, bietet ca. 90 Sitzplätze. Unter derselben verläuft, der Aussen- wand und ihren Fenstern entlang ein Rundgang zur Demon- stration von Präparaten nach der Vorlesung. Der innere Schalt- winkel des Rundganges ist zum Aufbewahren der Zeichnungen ausgenutzt. Unten an der Aussenwand befinden sich die Heiz- röhren. Die an letzteren erwärmte Luft soll an der Aussen- wand des Rundganges und durch weite übergitterte Öffnungen in der Decke bis in und über die Sitzreihen emporsteigen und sich, allmählich erkaltend, zum Grunde des Amphitheaters und zu den an der Rückenwand des Auditoriums befindlichen Ab- zugskanälen hinabsenken. Die im Rundgang untergebrachten Zeichnungen sind in der Regel mit Kohle oder Kreide auf zähes, aber dünnes und 15* 225 H. STRASSER, durchlässiges Papier gezeichnet und durch Bestreichen der Rück- seite mit dünner Kolophonium- oder Schellacklösung fixiert. Die fertigen Zeichnungen werden auf Leinwand gezogen (grössere gebrochen, zum Zusammenlegen) und oben mit Holzleisten ver- sehen. Ein grosser Haken in der Ebene der Zeichnung, an der Holzleiste angebracht, dient zum Aufhängen an den im Ver- schlage des Rundgangs ringsherum laufenden Eisenstab. Sind die Zeichnungen gebrochen, so sind die Holzleisten zwischen kelig; beide Schenkel sind mit aufeinander passenden Haken versehen, und durch Charnier verbunden. Von dem obersten Podium des Amphitheaters aus führt eine schmale Gallerie an der Rückwand des Auditoriums herum. Unter derselben, zwischen den beiden Eingangsthüren, und mit der Brüstung der Gallerie in gleicher Flucht finden sich zwischen vier Pfosten der Gallerie, jeweilen zu dreien hintereinander neun schwarze Tafeln, von denen jede für sich allein mit Seil und Gewichten über Rollen aufgehängt ist und für sich allein auf und ab bewegt werden kann. :Von den Tafeln an bis hinauf zur Gallerie erstreckt sich eine breite, getäfelte Holzwand, hinter welcher die aufgezogenen Tafeln verschwinden und welche als Hintergrund für aufgehängte Zeichnungen dient. Letztere werden von der Gallerie aus in fliegende Klammern, die an Eisenstäben leicht verschieblich sind, eingehängt und vermittelst einfacher Rollenvorrichtung vor die Bretterwand hinabgelassen. Die Gar- nitur ist über jeden schwarzen Tafel doppelt vorhanden, sodass zwei Reihen von Zeichnungen übereinander aufgehängt werden können; die obere Reihe lässt sich über den Thüren nach beiden Seiten fortsetzen. Das Auswechseln der Zeichnungen kann leicht und geräusch- los, zur Not auch ohne erhebliche Störung nach Beginn der Vorle- sung geschehen. Die neun schwarzen Tafeln sind sorgfältig aus Holz gefertigt (der Rahmen durch Eisen verstärkt, die Füllung von Pappelholz) und infolge dessen von geringerem Gewicht Das neue anatomische Institut in Bern. 229 und leicht verstellbar. Wir streichen sie ein oder zweimal im Semester mit schmirgelhaltiger Masse nach eigenem Rezept und sind mit ihnen wirklich sehr gut versorgt. Gewicht und Rollen sind natürlich verdeckt. Der Tafelstand steht um ca. 60 cm von der Rückwand des Hörsaales ab, sodass hinter den Tafeln oder an Stelle derselben zwischen den Pfosten Modelle, Gestelle mit grösseren Präparaten oder auch Mattglastafeln plaziert werden können. Bei der Anordnung der Sitzreihen bin ich mit voller Absicht von der üblichen Halbkreis- oder Hufeisenform abge- wichen. Die Endschenkel der Sitzreihen sind so auseinander gebogen, dass die hier Sitzenden nicht einander zugekehrt sind, sondern nach den Tafeln schauen. Die schwierige konstruktive Aufgabe ist von dem Architekten und von der ausführenden Firma Blau in vorzüglicher Weise gelöst worden. Als Vorlesungstisch dient für gewöhnlich ein einfacher leicht wegstellbarer, ovaler Holztisch. Zur Demonstration grösserer Leichenteile oder ganzer Leichen können besondere transportable Gestelle aus der Abräumkammer (Seciersaal) eingeführt werden. Um ganze Leichen in beliebiger, schräger oder aufrechter Stellung demonstrieren zu können, habe ich einen besonderen aufricht- baren Leichentisch konstruiert, den ich alsbald noch etwas genauer erläutern werde. Zuvor sei über die Einrichtung des Hörsaales noch folgendes bemerkt. Niedrige Fenster über den Sitzreihen und ein grosses Oberlicht geben eine angenehme Tagesbeleuchtung. Die künstliche Beleuchung wird vermittelt durch fünf im Halbkreis in den schrägen Feldern der Decke hoch hängende Lampen mit Auerflammen und für besondere Fälle durch eine von der Mitte herabhängende, durch die ganze Höhe des Raumes verschiebliche elektrische Bogenlampe. Die Dynamo- maschine, welche für das physiologische Institut und die Anatomie den Strom liefert, ist im physiologischen Institut aufgestellt mit 230 H. STRASSER, samt einer Accumulatorenbatterie. Dynamo ‚und Accumulatoren zusammen schaffen ein vollständig ruhiges und gleichmässiges Bogenlicht. Doch sollen die fünf Deckenlampen für gewöhnlich für sich allein genügen. Es ist vorgesehen, dass die Stromleitung zum Hörsaal auf eine elektrische Projektionslampe umgeschaltet und zur Vorführung von Projektionsbildern im Hörsaal selbst (in den Abendstunden) benutzt werden kann. Ich halte zwar im allgemeinen dafür, dass der Gang gerade der anatomischen Vorlesungen nicht durch die Vorführung von Projektionsbildern unterbrochen und gestört werden soll. Auch haften fester im Gedächtnis nur die Bilder, welche Strich für Strich und Fläche für Fläche analysiert worden sind, wie das geschieht, wenn sie vom Zeichner aus ihren wohlverstandenen und wohl charakteri- sierten Elementen successive aufgebaut werden. Dem Projek- tionsapparat werden deshalb im allgemeinen besser besondere Stunden gewidmet sein. Doch möchte ich für besondere Fälle die Möglichkeit der Projektion im Hörsaal und während der Verlesung nicht missen. Zum Aushängen von kostbaren kleineren Abbildungen und Handzeichnungen unter Glas und Rahmen dient en an der seitlichen Wand des Auditoriums angebrachtes Brett, das mit zwei ‚Systemen sich rechtwinkelig kreuzender Einschnitte ver- sehen ist. Federn von nebenstehender Form (Fig. 5) können mit dem nicht abgebogenen Schenkel in diese Einschnitte ein- gesteckt und beliebig formierte Blätter können auf diese Weise Das neue anatomische Institut in Bern. 231 befestigt werden. Noch einfacher möchte es sein, wenn man statt der Einschnitte zahlreiche runde Bohrlöcher anbringt und in diese runde Stifte mit Federn einsetzt. Zwei Glastafeln, die oben und unten an den Randleisten des Brettes in einem Falz laufen, lassen sich vor die Bilder schieben. Zuletzt werden er A See 4 INNEN die umgelegten seitlichen Randleisten wieder zugeklappt und zu- geschlossen. Was nun den aufrichtbaren Leichentisch betrifft, so gebe ich nebenstehend (Fig. 6) eine Seitenansicht. Der Leichnam kommt mit dem Rumpf auf einen starken, vierkantigen hohl- gegossenen Balken zu liegen, der näher dem einen Ende auf 232 H. STRASSER, ein krahnenartiges Fussgestell aufgesetzt, und hier um eine hori- zontale Achse drehbar und bis in die Vertikalstellung aufrichtbar ist; die Drehung geschieht durch Kurbel und Zahnrad. Jede Stellung kann durch Sperrhaken gesichert werden. Ein vor- stehender starker Bolzen kommt zwischen den Ansatz der Beine zu liegen und dient bei aufgerichteter Stellung dem Leichnam als Sattel oder Sitz. Am oberen Ende des Balkens ist ein Galgen (g) auszieh- und feststellbar. Der Kopf, durch eine Scherenklammer (k) in den Ohröffnungen gefasst, wird an diesen Galgen angehängt. Vier mächtige Schrauben mit Spitzen (aa) können durch den Balken gegen den Rücken des Leichnams vorgetrieben werden. Unterhalb des Sitzes wird der Haupt balken von zwei parallelen, am Ende durch einen Querbalken ver- strebten runden Stangen begleitet. An diesen Stangen können je zwei Gabeln für die Einspannung der Ferse (f) und des Knies (kn) auf- und abgeschoben und; festgestellt werden. Die Fersengabel ist mit einer Schraube und einem Dorn versehen. Die Gabeln lassen sich ausziehen, und nach innen oder aussen hin stellen. In der Schulterhöhe können zwei Querarme (q) in den Hauptbalken eingehängt werden zur Befestigung der vom Rumpf abgehobenen Arme. Soll der Kopf frei und beweglich bleiben, so kann der Rumpf durch einen starken Bügel (bb), der mit dem einen Ende in einer Schlittenführung des Hauptbalkens verstellbar und am andern Ende eine von vorn auf den Rumpf aufgesetzte Schraube trägt, von vornher festgestellt werden. Die Spitze der Schraube ist mit einem Metallstück versehen, das an der Drehung der Schraube nicht teilzunehmen braucht. Um auch die an der Bügelseite gelegene Rumpffläche demonstrieren zu können, ist der Bügel um die Verbindungslinie seiner Enden und ohne Veränderung der Stellung und Entfernung dieser Enden dreh- bar gemacht. Wenn nötig, lässt sich noch ein zweiter Bügel (ce) einsetzen. Das neue anatomische Institut in Bern. 233 Das ganze Gestell ist mit Rollen versehen und verschieb- bar. Der Leichnam wird im Präpariersaal oder in der Abräum- kammer auf dem horizontal gestellten ‚„Tisch‘‘ montiert und erst im Hörsaal nach Belieben aufgerichtet. Wer jemals durch den Augenschein sich überzeugt hat, wieviel schöner und instruk- tiver das ganze Bild des Körpers und seiner Teile sich bei natürlicher aufrechter Haltung darstellt, wird auf die Verwen- dung eines solchen Apparates, der ausserdem den Körper mög- lichst von allen Seiten frei lässt, nicht gern verzichten, ins- besondere nicht für die Demonstrationen in der Muskellehre und topographischen Anatomie. Der Studiensaal. Der Studiensaal im nördlichen Seitenflügel, 12 m lang und 9 m breit, hat verschiedenen Bedürfnissen zu dienen. An der innern, nur mit zwei Fenstern versehenen Langseite des Saales, unter und auf einer breiten Gallerie, stehen Sammlungsschränke ; kleinere finden sich an den Fensterpfeilern der Aussenseite des Saales. Die‘ Fensternischen haben daselbst Mikroskopiertische. Zwischen den Fenstern und der Gallerie bleibt noch genügend Raum für vier grosse freistehende Tische. Es soll der Saal in erster Linie den Studierenden zur nützlichen Verwendung freier Stunden als Schreib- und Lesezimmer, sowie zum Studium ihrer eigenen mikroskopischen Präparate, und von trockenen makro- skopischen Präparaten, Modellen und Tafeln der anatomischen Sammlung geöffnet sein. Ferner hat der Saal als Hülfsauditorium z. B. zur Abhaltung mikroskopischer Repetitionskurse (in denen keine Präparate gefertigt werden) zu dienen, ferner für Kon- ferenzen und Examina, eventuell auch einmal als plastisch- anatomischer Zeichnungssaal für Studierende und Künstler. Endlich sollen hier in besonderen Stunden mikroskopische Präparate demonstriert, es sollen besonders auch mikroskopische 234 H. STRASSER, Präparate und Diapositive einem grösseren Zuschauerkreis mit dem Projektionsapparat vorgeführt werden. Da’ der Saal nach Norden liegt, so konnte man äussere Storen als Verdunkelungs- storen einrichten. Ich habe bei der Aufstellung der Pläne für den Neubau von Anfang an auf die Einrichtung genügender Demonstrationsräume und eines besonderen Studiensaales Gewicht gelegt. Wie Kollege Kollmann vor 20 Jahren in seiner vortrefflichen Baseler An- trittsrede hervorgehoben hat, werden von den Klinikern und von der Praxis von Tag zu Tag höhere Anforderungen an den Mediziner gestellt, bezüglich der Allseitigkeit und Gründlichkeit seiner anatomischen Vorbildung. Andererseits ist die dem ana- tomischen Studium gewidmete Zeit nicht in entsprechender Weise vermehrt worden. Die propädeutische Vorbildung muss ja auch in der Zoologie und Botanik, in Chemie und Physik, und namentlich in der Physiologie eine sehr viel gründlichere sein als früher. Die Überlastung der klinischen Semester hat leider, wenigstens bei uns dazu geführt, dass das Studium der topographischen Anatomie aus den klinischen Semestern heraus- gedrängt und in die vorklinische Zeit verlegt wurde. Bei einer solchen Vermehrung der Ansprüche an die In- tensität und Extensität des vorklinischen Studiums ist es unab- weisbare Pflicht, die Methoden des anatomischen Unterrichts, so gut sie auch bereits entwickelt sind, noch weiter zu verbessern und kein Mittel unbenutzt zu lassen, welches dem Studierenden seine schwere Aufgabe erleichtern kann. Durch Verbesserung der Lehrbücher und Atlanten ist in dieser Hinsicht bereits viel gewonnen. Die Unterweisung des Einzelnen im Seciersaal ist wohl überall eine intensivere geworden. In Repetitionen am Präparat, in Demonstrationen und Examinatorien wird geleistet, was nur jeweilen mit den vorhandenen Arbeitskräften geleistet werden kann. Überall aber ist man zu der Erkenntnis ge- kommen, dass ein besonders wirksames Hülfsmittel darin besteht, Das neue anatomische Institut in Bern. 235 dem Studierenden ausser den zu bearbeitenden Präparaten des Seciersaales gute fertige Präparate, Modelle und bildliche Dar- stellungen zum gründlichen Selbststudium in die Hand zu geben. Es empfiehlt sich, zu diesem Behuf eine eigene „Lernsammlung‘“, wie Hasse sich ausdrückt, und eigene Studien- oder Lernsäle einzurichten, wie solche in England und Schottland schon länger bestehen. Rauber, Rosenberg, Kollmann, His u. a. haben durch Empfehlung und Beispiel die Notwendigkeit und Mög- lichkeit dieser Einrichtung auch auf dem Kontinent zur Geltung gebracht. — Wir zweifeln nicht daran, dass auch unser Studien- saal, wenn einmal die nötigen Opfer gebracht sind, um ihn gehörig mit Lehrmitteln auszustatten, sich als eine sehr wert- volle Institution erweisen wird. !) ı) Bei dieser Gelegenheit will ich einige Bemerkungen über die Einrichtung des vorklinischen Unterrichtes nicht unterdrücken: Bei uns in der Schweiz hat eine Trennung des früheren propädeutischen Examens in eine naturwissen- schaftliche und eine anatomisch-physiologische Prüfung stattgefunden, welche an und für sich zu begrüssen ist. Sie hat aber stellenweise zu einer voll- ständigen Studientrennung geführt, die wie ich glaube von Übel ist und ursprünglich auch gar nicht beabsichtigt war. Es bleiben bei solcher Studien- trennung die Studierenden der Medizin bis nach ihrem ersten Examen der Anatomie und Physiologie gänzlich fern; wenn alles gut geht, sn machen sie dieses erste Examen nach zwei Semestern. Haben sie im Herbst begonnen, so können sie in drei weiteren Semestern (Präparieren im 3. und 5. Semester) die anatomisch-physiologische Prüfung absolvieren. Dies ist der günstigste, der ideale Fall. Doch selbst hier lässt sich gegen die vollkommene Studien- trennung einiges einwenden. Während früher das Studium der Anatomie gleich beim Eintritt des Mediziners in die Hochschule begann und erst in den klinischen Semestern mit der topographischen Anatomie seinen Abschluss fand, sollte dasselbe jetzt auf drei Semester zusammengedrängt werden. Dies hat beim Formenstudium, bei welchem die Probe des Vergessens und die Ausfüllung der dabei zu Tage tretenden Lücken fast notwendig sind, damit ein sicher gefügtes Gebäude des Wissens zustande kommt, seine grossen Nachteile. Was aber den physio- logischen Unterricht betrifft, so muss der Studierende denselben jetzt ohne irgendwelche anatomischen Vorkenntnisse beginnen, was doch kaum erwünscht ist. Diesen Übelständen kann nicht vollständig abgeholfen werden, selbst wenn man gleich im ersten anatomischen Semester dem Studierenden einen Über- blick über das ganze Gebiet der gröberen Anatomie zu verschaffen suchte, um die folgenden Semester zur Repetition und Vertiefung dieser Kenntnisse, für die 236 H. STRASSER, Das Laboratorium. Werfen wir nun zum Schluss noch einen Blick in das Laboratorium im nördlichen Seitenflügel, welches histologisch- embryologischen Spezialuntersuchungen dienen soll. Wir sehen hier den Raum an den vier Fenstern der Nordseite durch Repositorien, topographische Anatomie und für die Histologie und Embryologie zu benutzen. Ein Studiengang nach obigem Muster ist nun aber nur.möglich, wenn der Eintritt des Mediziners in die Hochschule, und wenn dann wieder der Beginn des anatomischen Studiums im Herbst stattfindet. Ist das eine oder andere nicht der Fall, so entstehen Unzuträglichkeiten. In ganz besonders schlimme Lage gerät derjenige Student, welcher erst im Frühjahr auf die Anatomie kommt, sei es weil er im Frühjahr vom Gymnasium abgegangen ist, sei es weil er sein erstes Examen nicht nach zwei Semestern machen konnte. Für ihn passt der Gang des anatomisch-physiologischen Unterrichts im Sommer nun gar nicht und um so weniger, je mehr der Unterricht dem obigen Muster- studiengang angepasst ist; er kann das anatomisch -physiologische Studium thatsächlich erst im folgenden Winter in gehöriger Weise beginnen. Da er noch zwei Winter präparieren muss, so kommt er günstigen Falles vier Semester nach dem ersten Examen (also nach sechs oder sieben Universitätssemestern) auf die Kliniken bei nur zwei Präparierwintern! So verhält es sich bei rigoroser Studientrennung bei jedem Abweichen vom normalen Studiengang! Dem gegenüber muss ich dafür eintreten, dass der Mediziner gegebenen- falls schon vor dem ersten Examen, im Wintersemester, präparieren darf und soll. Ich nehme an, dass er sich dabei ausser den Präparierübungen nicht viel mit Anatomie befasst, und das meiste was zur Erläuterung und Vorbereitung nötig ist, im Präpariersaal selbst findet. Solches ist wohl möglich. Die ersten ana- tomischen Vorlesungen können meiner Meinung nach zur Not einmal auch erst später gehört werden, wenn bereits ein Schatz von anatomischen Vorstellungen durch die Präpariersaalthätigkeit gewonnen ist. Ich würde es für einen sehr zweckmässigen, ja für den relativ besten Gang des vorklinischen Studiums halten, wenn der junge Mediziner im Frühjahr die Hochschule betreten und zunächst im Sommer nur naturwissenschaftliche Vorlesungen und Kurse (allenfalls noch die Vorlesung über Osteologie) be- suchen, im nächsten Winter aber daneben bereits präparieren und einen Teil der systematischen Anatomie hören würde. Im dritten Semester (Sommer) würde er neben anatomischen auch physiologische Vorlesungen ev. den I. Teil des mikroskopischen Kurses und daneben noch naturwissenschaftliche Er- gänzungsvorlesungen und Repetitorien besuchen. Das erste Examen würde von ihm nach dem dritten Semester gemacht werden. Im vierten Semester (Winter) könnte er sich mit voller Kraft einzig auf die Anatomie und Physiologie werfen. Besonders fleissige und begabte Schüler könnten, wie solches früher der Fall war, immer noch nach dem vierten Semester mit den vorklinischen Studien abschliessen; die grosse Mehrzahl aber würde ihr Das neue anatomische Institut in Bern. 237 die senkrecht zu den Fensterpfeilern orientiert sind, in vier ge- trennte, nischenartige Arbeitsplätze umgewandelt. Die übrigen Installationen dienen jede einem besonderen technischen Betriebe und werden von den Laboranten gemeinsam benutzt. Da haben wir entlang der Hofseite einen Droguenschrank (Plan Ila), einen chemischen Laboratoriumstisch (b), einen Wässertisch (c), einen grossen Tisch (d) mit Schieferplatte für Thermostaten und Trocken- schrank und endlich eine Kapelle nebst Einrichtung zur Her- stellung von Modellierplatten und Plattenmodellen etc. Auch ein Waagentisch und Bücherregal ist vorhanden. Im mittleren Teil des Raumes finden sich noch Tische zum Mikrotomschneiden und zum Färben und Fertigstellen von Schnittserien. Erwähnt sei, dass die erste Gewinnung und Vorbereitung des Materiales im sog. „Einlegzimmer“ im Vorderbau, zum Teil auch im Em- bryologiezimmer des Souterrain vor sich geht, wodurch das Laboratorium in zweckmässiger Weise entlastet ist. Dem Wässer- tisch möchte ich noch einige Worte widmen. Ich habe den- selben ohne Kenntnis irgend einer ähnlichen Einrichtung kon- struiert. Er besteht im wesentlichen (Fig. 7) aus einem unteren tieferen und einem oberen seichteren Cementtrog. Jeder Trog ist in vier Unterabteilungen geteilt. Der Ablauf kann tief oder zweites Examen im Herbst machen; diejenigen endlich, die ganz im Rückstande sind, hätten Gelegenheit, durch Zusetzen eines weiteren Semesters noch einen ganzen Winter zu präparieren; während bei rigoroser Studientrennung drei Präparierwinter erst bei sechs, ja manchmal erst bei acht vorklinischen Semestern möglich sind. — Ein derartiges vorklinisches Studium von in der Regel fünf Semestern, mit Beginn im Frühjahr ist meiner Meinung nach einem fünf- semestrigen Studium mit Beginn im Herbst und mit vollständiger Studien- trennung entschieden vorzuziehen; die naturwissenschaftlichen Fächer würden dabei auch nicht schlechter wegkommen. Bei dieser Art des Studienganges hätte man viel grösseren Spielraum in der Einteilung des anatomisch - physio- logischen Unterrichtes und Studiums. Immerhin wäre es zu begrüssen, wenn der Abgang zur Hochschule von allen Gymnasien des Landes gleichzeitig und zwar im Frühjahr stattfinden würde. Da diese Frage für die übrigen Fakultäten ziemlich gleichgültig ist, so dürften in derselben wohl die Wünsche der medizinischen Fakultät massgebend sein. 238 H. STRASSER, hoch gestellt werden. Eine grosse Zahl von Wasserhähnen steht zur Verfügung. Auf der einen Seite ist ein Waschbecken mit Warmwasserapparat, auf der anderen ein niedriger Schüttstein angebracht (zu letzterem kann warmes Wasser hinübergeleitet werden, zur Erwärmung eines Behälters, auf welchem, bei flüssig gehaltenem Paraffın, Objekte in bestimmter Orientierung einge- bettet werden sollen, zum Schluss kann das warme Wasser ab- gestellt und statt dessen kann kaltes Wasser durch den Behälter geleitet werden). Souterrain. (Taf. X.) Der geneigte Leser möge mir nun in das Souterrain folgen Ungleich der Anordnung im Hauptgeschoss sind hier der vordere und hintere Längskorridor nicht durch einen Mittelgang, sondern in beiden Seitenflügeln den Höfen entlang durch einen Seiten- Das neue anatomische Institut in Bern. 239 korridor verbunden. Im Mittelbau ist die Centralheizung (Nieder- druckdampfheizung, ausgeführt durch die Gebrüder Sulzer in Winterthur: zwei einzeln oder zusammen zu benutzende Öfen) untergebracht, ferner der dazu gehörige Kohlenraum und die Waschküche. Unter dem Präpariersaal durch führt eine nach aussen und gegen den Hof abschliessbare, gepflasterte Durch- fahrt, die für gewöhnlich als Remise dient, zum südlichen Hof, und zum Kohlenraum. Von dieser Durchfahrt bis zur Mitte des Vorderbaues, in der freundlichsten südlichen Ecke des Souter- rain sind zwei Abwartswohnungen eingerichtet. Dieselben besitzen einen besonderen Zugang von aussen; sie haben dem Haupt- korridor entlang besondere Korridore. Nur zu der Waschküche und den Kellern muss der Weg durch den Hauptkorridor ge- nommen werden. Auf diese Weise ist die Privatwohnung der Abwarte möglichst aus dem Verkehr des Institutes ausgeschaltet. Unter zweckmässiger Ausnutzung einer natürlichen Bodensenkung konnte mit geringen Abgrabungen an der Strassenseite und Aus- füllungen an der Hinterseite erzielt werden, dass die Räume des Souterrain überall zu ebener Erde liegen, sowohl nach den Höfen als nach der äusseren Umgebung hin, mit einziger Aus- nahme der Stelle beim Haupteingang, wo der Strassendamm mit dem Gebäude verbunden ist. Hier finden sich im Vorderbau- souterrain die Gas- und Wasseruhren und Haupthähne, die Keller der Abwarte, sowie eine Aquarium- oder Froschkammer. Nördlich anschliessend daran folgt ein grösserer vierfensteriger Raum, für Brutapparate und embryologische Versuche, dann eine kleine Kammer, in welcher mein grosses Schnittaufklebe- mikrotom und die ganze Einrichtung zur Herstellung und Nach- behandlung der Serienschnitte grosser Objekte untergebracht ist. Der im Ende des. Vorderbaues gelegene Raum endlich ist als mechanische Werkstätte eingerichtet; wir haben hier einen kleinen 3/ı pferdigen Elektromotor (Tafel Xb) zur Verfügung, sowie Drehbank (c), Schleifbank (a) u. s. w. Auf der anderen Seite ‘240 H. STRASSER, der benachbarten Treppe aber ist eine kleine Schmiedewerk- stätte installiert. Dass solche Einriehtungen in einem neuen anatomischen Institut kein Luxus sind, brauche ich wohl nicht hervorzuheben. Der ganze Rest des Souterrain, also beiläufig gesagt die nördliche Hälfte desselben, steht in Beziehung zu Arbeiten an Leichenmaterial. An der verstecktesten., nördlichen Ecke des Gebäudes befindet sich die Leichenanfahrt. Zunächst dem dortigen Eingang liegen auf der einen Seite im nördlichen Seitenflügel die Räume für die erste Aufbewahrung und Behandlung der Leichen, nämlich die eigentliche Totenkammer, wo die Leichen aufgebahrt und mit Konservierungsflüssigkeit injiziert werden, ein kleines abgetrenntes Zimmer für Leichenschau und gericht- liche Sektion und ein Raum für grobe Zergliederung. In letzterem befindet sich auch, nahe einem Fenster, der Benzin- entfettungsapparat, während die zugehörige Feuerstelle, durch Mauer getrennt im benachbarten Macerationsraum untergebracht ist. An den Macerierraum ist noch eine Skelettierkammer an- geschlossen. Auf der anderen Seite des hinteren Einganges, im Hinterbau liegt die Sarg- und Abfallkammer. Unsere Maceriervorrichtungen (Fig. 8) sind verhältnis- mässig einfach. Die Knochenbleiche ist auf dem flachen Dach des Mittelbaues eingerichtet, wo auch thönerne Standgefässe Aufstellung finden. Der Hauptapparat im Macerierraum (durch die nebenstehende Skizze erläutert) besteht aus einem grossen, hochgestellten, nach dem System Monnier mit Gittereinlage konstruierten Cementtrog, in welchen oben warmes Wasser ein- strömt, während das kühlere Wasser am Grund abfliesst. Zu- und Abflussrohr münden in eine kupferne Blase, welche durch Gasflammen erwärmt wird. Ein Rouxscher Regulator sorgt für gleichmässige Temperatur. In diesen Thermostaten werden hohe Thongefässe mit dem zu macerierenden Material hinein- gestellt; kleinere Gefässe kommen auf ein eingehängtes Gitter Das neue anatomische Institut in Bern. 241 zu stehen; andere können, ohne im Wasser einzutauchen, auf einem aufgesetzten Gitter übergestellt werden. In den vier Ecken des Troges erhebt sich auf vier eisernen Pfosten ein Zinkdach, welches mit weitem Abzug nach dem Kamin versehen ist. Die vier Öffnungen zwischen den Pfosten sind durch Blachen ver- schliessbar, die oben befestigt sind und unten mit Riemen und Schnallen seitlich angebunden oder aber aufgerollt und nach oben auf Haken gelegt werden können. Dank dieser Einrich- PR VRRRERSLARER LE TIEGELILIRLLEETT SEERIEEREEEEELEISEEIERIEEITEISTESSEEIT SE AISTLRIEEITTAERALLER, 5 TE, WIM, IIIIIIUIIISN AS N N 1 BZ 13 Bene Et [j PR ui v0 Hi i iu ı 0,5 Tmeler 15 Fig. 8. tung ist in dem Raum kaum etwas von üblem Geruch zu be- merken. Unter den Boden des Raumes zieht sich eine Uysterne in welcher sich das Regenwasser sammelt. Aus derselben kann vermittelst einer Pumpe der Maceriertrog gespeist werden. Bei dem Entwurf zum Maceriertrog und dessen Ausführung ist uns Herr Ingenieur Lequeux (Maison Wiesnegg, Paris) behülflich gewesen. Aus der Totenkammer werden die mit Konservierungs- flüssigkeit injizierten, und wenn nötig in solcher genügend lange Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLI, Heft. (13. Bd., H. 1.) 16 242 H. STRASSER, gebadeten Leichen in die Kasteuräume verbracht. Zur ersten Injektion verwendeten wir früher ein Gemisch von verdünntem Sprit und Glycerin, dem Karbolsäure zugefügt war. Mit Formalin habe ich sehr früh Versuche angestellt. Nach wenigen Proben mit blossen wässerigen Formalinlösungen bin ich zu Gemischen von Formalin, Wasser und Glycerin übergegangen. Im Winter 1395/96 verwendete ich folgende Mischung: VNESSET U ee a ME ZU 95°/o Alkohol, mit Kampfer denaturiert 1500 gelbes Glycerin . . 5) Formalin (40 %o dena SA he gar) IKarbolsauresssn mes VRET an aatz 50 Den Formalingehalt habe ich in den folgenden Jahren noch herabgesetzt. Der Einwand eines Chemikers, dass die Karbol- säure mit Formalin sich zersetze, hat mich aber zu neuen Ver- suchen veranlasst, die noch nicht abgeschlossen sind. Im letzten Winter (1898/99) haben wir inzwischen mit gutem Erfolge nachstehende Mischung verwendet: Wasser... .%o000 Alkohol . . . . 1500 (95°, mit Kampfer denaturiert) Glycerin ?. 7 =..°1500 Kormalın.! x 500 Chloralhydrat 150 300. Die mit Konservierungsflüssigkeit behandelten Leichen werden in gut schliessenden Zinkkästen, deren Boden mit 20 bis 30%)ogem Alkohol bedeckt ist, aufbewahrt und halten sich hier ein und mehrere Jahre lang fast unverändert. Ein Haupt- erfordernis ist allerdings, dass die einzelnen Leichname mög- lichst frei liegen und sich nicht drücken. Deshalb liess ich es mir angelegen sein, im neuen Institut eine möglichst grosse Zahl von Leichenkästen zu bekommen und dieselben in zweck- Das neue anatomische Institut in Bern. 243 mässiger Weise ohne allzugrosse Raumverschwendung unter- zubringen. Der eigentliche Zinkkasten wird in einen starken Holzkasten eingebaut, nachdem an letzterem das Beschläg (Rollen und Handgriffe) angebracht ist. Der Rand des Zinkkastens ist zu einer Rinne gestaltet und stützt sich auf die Oberkante des Holzkastens. Der durch Charniere am Zinkkasten befestigte, aussen durch Eisenbänder verstärkte Zinkdeckel greift mit einer Randleiste in die Rinne ein. Die Rinne selbst wird mit Watte, die mit Glycerin getränkt ist, etwas ausgepolstert. Kästen dieser Art sind wohl auch anderwärts im Gebrauch; sie haben vor den Thonkästen den Vorzug, dass sie verhältnismässig leicht und billig sind. Sie sind zwar nicht unverwüstlich, aber für das, was ein Thonkasten kostet, kann ein solcher Zinkkasten mehrere Male repariert nnd ersetzt werden; auch macht die Be- schaffung viel geringere Schwierigkeiten. Man kann übrigens Einiges dazuthun, um die Haltbarkeit der Kästen zu begünstigen. Sehr wichtig ist, dass die Kästen von Zeit zu Zeit gereinigt werden und dass man den Bodensatz entfernt und den Alkohol erneuert. Man hat ferner darauf zu achten, dass dem Boden-Alkohol und der Konservierungsflüssig- keit nicht Säuren und Metallsalze, Sublimat, Chromsalze u. dgl. beigemischt sind. Endlich haben wir uns Mühe gegeben, eine Anstrichmasse zu finden, welche der Einwirkung des verdünnten Alkohols und seinen Dämpfen widersteht. Ich habe die ver- schiedensten Stoffe daraufhin geprüft. Weitaus die besten Resultate habe ich bis jetzt noch mit dem „Bengalin“, einer teerartigen Substanz erhalten. Doch wird auch dieses mit der Zeit etwas aufgeweicht, sodass also ein Anstriecb nach unserm Wunsch, der 1—2 Jahre hält, noch nicht gefunden ist. Ich verwende jetzt nur noch Kästen zu zwei oder höchstens zu vier Leichen mit Ausmassen von 200:90:40 resp. von 180:50:30 cm im Lichten. Neu ist die von mir schon auf der 162 544 H. STRASSER, alten Anatomie erprobte Art der Unterbringung von mehreren Kästen übereinander auf einem Eisengestell. (S. Fig. 9). Das Prinzip dieser Aufstellung wird durch nebenstehende Skizze (Fig. 9) genügend erläutert. Jeder Kasten ist mit Rollen ver- sehen und auf eisernen Schienen so weit vorziehbar, dass der Deckel geöffnet und etwas zurückgelehnt werden kann. An der Deckedes Raumessind an Laufschienen ver- schiebliche Flaschen- züge mit grossen Scherenklammern an- gebracht. Letztere sind mit beiden oberen Armen angehängt und können den ganzen Leichnam am Rumpf umfassen. Mit Hülfe dieser Klammern lassen sich die Leichen verhältnismässigleicht aus- und einräumen. Breite transportable Holzstege ermöglichen es, auch den höher a = gelegenen Kästen bei- 1234565789 |Tmeler K Fig. 9. zukommen. So sind wir in den Stand gesetzt, in verhältnismässig engem Raum eine grosse Zahl von Leichnamen unterzubringen. Das gleiche System der Auf- stellung habe ich nun auch für die mittelgrossen Kästen, welche Extremitäten u. dgl. enthalten, in Anwendung gebracht. Das neue anatomische Institut in Bern. 245 So lange unsere Leichen in den Zinkkästen liegen, lässt ihre Konservierung wenig zu wünschen übrig. Wir haben dem- nach bis jetzt keine Veranlassung gehabt, zu einem anderen System der Konservierung etwa unter Beihülfe von Eis- schränken überzugehen, umsomehr, als an unserer Anatomie kein Operationskurs abgehalten wird. Im Winter muss zu- nächst das ältere Material verwendet werden und wir kommen selten in den Fall, Leichen ‘bald nach ihrem Eingang auf- zulegen. Die Schwierigkeiten der Konservierung beginnen eigentlich erst für uns mit dem Auflegen der Leichen in unsere gut ge- heizten und sehr trockenen Präparierräume. Da besteht die Gefahr des Austrocknens der Präparate und bei der Verwen- dung von Formalin zur Konservierung nach längerer Bearbei- tung die Gefahr der Schimmelbildung. Beiden Übelständen lässt sich aber bei einiger Aufmerksamkeit mit Erfolg entgegen- treten. Gegen das Austrocknen müssen folgende Hülfsmittel zur Anwendung kommen: 1. Aufstellung von Abdunstgefässen mit Wasser über den Heizkörpern. 2. Einwickelung der Extremitäten, eventuell auch von Kopf und Hals, so lange die Präparation dieser Teile nicht in Angriff genommen ist, mit Vaselinbinden, über welche noch Kappen und Ärmel von Öltuch gezogen werden können. 3. Zudecken der Leichen mit Decken von Öltuch, sobald nicht daran gearbeitet wird. 4. Bestreichen der Präparate, sobald sie anfangen, trocken zu werden, mit Bestreichflüssigkeit. Wir haben folgende Bestreichflüssigkeit als zweckmässig erprobt: 246 H. STRASSER, Alkohol (95°/o, mit Kampfer denaturiert) . 300 Kampler Kundinnen er Giyeenin Krane Tree yet Wasserftiarl. ver Weiner Aes 600 Chleralkydıar areas See daD Gefässe mit dieser Flüssigkeit und einem grossen Malerpinsel sollen überall im Präpariersaal zur Verfügung stehen. Es müssen auch diejenigen Stellen der Oberfläche der Präparate, an denen nicht gearbeitet wird, wenigstens einmal am Tage gründlich bestrichen werden. Dadurch wird nicht bloss das Trockenwerden, sondern auch die Schimmelbildung hintan- gehalten. 5. Unterbringung der in Arbeit stehenden Präparate während der Zwischenzeit in Kammern, Kasten oder Schränken, deren Atmosphäre feucht und mit Alkoholdampf geschwängert ist, in einer kühl gehaltenen, zweckmässig eingerichteten, dicht neben dem Präpariersaale befindlichen Abräumkammer. Präparate, die schon lange in Arbeit sind und — etwa gegen den Schluss des Semesters — von den Präparanten etwas vernachlässigt werden, sollen über den Sonntag in den Kastenraum gebracht und ganz in Bestreichflüssigkeit eingelegt werden. Über die Einrichtung unserer Abräumkammer habe ich bereits oben berichtet. Neben dem Raume, der die grossen Leichenkasten enthält und verbunden mit ihm, am südlichen Ende des hinteren Längs- korridors liegt die Injektionskammer. Hier werden die erstarrenden Injektionen (in der Regel mit Teichmannscher Masse) gemacht. Hier soll auch ein Exsiccator aufgestellt werden. Ein Cementtrog mit Badeofen ist für besondere Fälle da; ferner ein Thermostat, ähnlich dem Maceriertrog, nur aus Kesseleisen statt aus OÜement und kleiner, für besondere, hier nicht näher zu erläuternde Zwecke. Das neue anatomische Institut in Bern. 2347 Zum Schluss haben wir noch den Raum unter dem Audi- torium zu besichtigen. Derselbe ist als Hülfspräpariersaal („unterer Präpariersaal“) eingerichtet und ist als solcher namentlich im Sommer, wo der Hauptpräparierraum zum Mikro- skopiersaal umgewandelt ist, gar nicht zu entbehren. Er dient da zu allen gröberen präparatorischen Arbeiten und wird von mir namentlich auch zur topographisch-anatomischen Demon- stration benutzt. Da der Raum niedrig und in seinem hinteren inneren Teil dunkel ist, so ist er natürlich nur für eine be- schränkte Zahl von Präparanten berechnet. Den Fenstern ent- lang läuft eine Arbeitsbank; weiter nach innen sind 4—5 grosse Seciertische aufgestellt. Nach der Mitte folgen Holztisch und schwarze Tafeln. Der hintere Teil des Raumes ist als Durch- gang freigelassen; ganz an der Rückwand aber, zwischen den beiden Eingangsthüren sind auf einem Eisengestell in mehreren Etagen übereinander kleine, zum Teil in Holz gefasste Zinkkästen mit topographisch-anatomischen Präparaten aufbewahrt. Bei den Demonstrationen sitzen die Studierenden vom Demon- strator aus nach den Fenstern zu, diesen mit dem Rücken zu- gekehrt. Durch einen zwischen eingeschobenen Tisch wird ein Fenster ganz freigehalten. Der Demonstrator steht oder sitzt am inneren Ende des Tisches, ebenfalls mit dem Rücken gegen das Fenster; das Demonstrationsobjekt aber ist aufrecht auf be- sonderem Gestell vor ihm möglichst hoch aufgestellt. Diese Art der Demonstration topographisch- anatomischer Präparate bietet manchen Vorteil gegenüber einer Demonstration, bei welcher die Präparate im Grund eines amphitheatralisch sich aufbauenden Kranzes von Zuschauern zwischen letzteren und dem Demonstrator auf dem Tische liegen, und wobei viele der Zuschauer das Objekt quer vor sich haben. Im vorliegenden Falle aber wusste ich mir überhaupt nicht anders zu helfen, um den Saal zur Demon- stration nutzbar zu machen. 948 H. STRASSER, Das neue anatomische Institut in Bern. An den unteren Seciersaal schliesst sich einerseits eine kleine Kammer an, die für die Herstellung von Gipsabgüssen u. dgl. bestimmt ist, auf der anderen Seite folgen die Kasten- räume, denen sich die Injektionskammer anschliesst. Getrennt vom Hauptbau, in einem besonderen kleinen Ge- bäude, das auf der Grenze zwischen dem Terrain der Anatomie und des physiologischen Instituts errichtet ist, nah der nördlichen Ecke der Anatomie sind die Tierställe der beiden Institute unter- gebracht. Für dieses Stallgebäude ist ein besonderer Kredit be- willigt worden. (Aus DEM LABORATORIUM DES INSTITUTS FÜR VERGLEICHENDE ANATOMIE, MIKROSKOPIE UND EMBRYOLOGIE ZU WÜRZBURG.) BEITRÄGE ZUR KENNTNIS DER MUSKELSPINDELN. VON DR. MED. JULIUS BAUM, PRAKT. ARZT. Hierzu die Tafeln XI/XII, XIIIJXIV. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLII. Heft (13. Bd. H. 2.) 17 u PORT! “1 jee3 \ En =— 4 yr ö s j + er SELL ii " E LEE ia; P| w h I 0 AN 6) apeL SEE Gi: “= j bi | * B. 42 4 u far Gr 4 En tr ev $ A Mu Die Muskelspindeln sind bekannt seit dem Jahre 1862. In diesem Jahre entdeckte sie von Koelliker (33) im Brusthaut- muskel des Frosches als ein eigentümliches Bündel feiner Muskel- fasern, an die an einer verbreiterten Stelle eine mächtige Nerven- faser mit dicker Scheide sich ansetzt. Er nannte dieses System von Fasern Muskelknospe, von der Ansicht ausgehend, dass es durch Längspaltung sich teilende Muskelfasern seien. Lange Zeit waren sie nur den Anatomen bekannt, und obgleich v. Koel- liker der Beschreibung dieser interessanten Bildungen in seinem Handbuch der Gewebelehre (34) zum Zeichen ihrer Wichtigkeit sechs Seiten widmet, sind sie gleichwohl auch heute noch nicht (Gemeingut des anatomischen Wissens geworden, und fast alle Lehrbücher der Histiologie gehen über ihre Existenz hinweg, woran wohl ihre lange Zeit unbekannte Bedeutung schuld war. Ob Arthur Hill Hassall die kleinen Fasern schon gesehen hat, wie Trinchese (59) annimmt, erscheint mir sehr unwahr- scheinlich. Jener schreibt in seinem Lehrbuch der mikroskopi- schen Anatomie im Jahre 1851: „Man kann konstant kleine Muskelfasern wahrnehmen, die neben den grösseren liegen und nur aus wenigen Fibrillen bestehen.‘ Es ist fraglich, ob er hiermit die Muskelspindeln gesehen hat; denn die oben beschriebenen Fasern können ebenso gut auch gewöhnliche Muskelfasern dünnen Kalibers gewesen sein, da wir wissen, wie gross die Kaliber- schwankungen in den Fasern der quergestreiften Muskeln sind. 17% 252 JULIUS BAUM, Ebenso unbegründet erscheint mir die Annahme von Batten (5), dass Miescher (41) unter den von ihm im Jahre 1843 beschriebenen Schläuchen, die auch Siebold bei Ratten fand, Muskelspindeln gesehen hat. Sicherlich hat sie Weismann (62) schon im Jahre 1861 gesehen, wenn er schreibt: „Nicht selten sind Gruppen feiner Fasern in der Mitte ihrer Länge in einer mehr oder minder langen Strecke zu einem Strang verbunden und zwar erscheinen sie mir oft wie eingehüllt von einer matten körnigen Substanz, durch welche hindurch man undeutlich die einzelnen Fasern verfolgen kann. Nicht selten liegen an solchen Stellen kleine Kerne in diehtgedrängten Gruppen innerhalb der Fasern“. v. Koelliker erkannte bald dass diese Fasern den von ihm beschriebenen Muskelknospen angehören und nannte sie „Weismannsche Fasern“. In den nächsten Jahren erschienen ausführliche Beschreib- ungen der Muskelknospen von Kühne (36), in denen er die groben morphologischen Verhältnisse der Weismannschen Fasern und der zugehörigen Nerven in vielen Details schilderte. Er wies ihr Vorhandensein in den Muskeln vom Kaninchen, von der Maus, der Eidechse und der Natter nach und nannte sie ihrer Gestalt wegen Muskelspindeln. Dieser Name hat den von v. Koelliker gegebenen Namen fast ganz verdrängt. Seit dieser Zeit haben sich ausserordentlich viele Histiologen mit diesen eigenartigen Gebilden befasst. Es würde mich daher zu weit führen, wenn ich alle Autoren anführen wollte, die Neues darüber geschrieben haben. Ich kann hier nur die Hauptetappen in der Geschichte der Muskelspindeln angeben und verweise auf die von Batten (5) gegebene Geschichte derselben, sowie auf das Litteraturverzeichnis am Schlusse dieser Mitteilungen. Meist wurden die Muskelspindeln in Zupfpräparaten unter- sucht, wozu sich besonders die von v. Koelliker angewandte konzentrierte Kalilauge eignet. Querschnittsbilder derselben Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 253 wurden von Fränkel (23) beschrieben, welcher sie für patho- logische Gebilde hielt, ferner von Roth (46), der sie neuro- muskuläre Stämmcehen nennt, ohne ihnen eine bestimmte Be- deutung zuzuschreiben. Die Identität dieser Formen mit den Muskelspindeln wurde von Kerschner (29) und Felix (20) nach- gewiesen. Einen weiteren Fortschritt nahm die Kenntnis derselben durch das Studium ihrer Nervenendverästelung in Arbeiten von Ruffini (47, 48), Kerschner (32) u. a. Kerschner stellte zugleich die Behauptung auf, dass die dicken Nerven, die zur Spindel herantreten, nicht motorisch, sondern sensibel sind, dass neben ihnen aber auch motorische vorkommen (30); er trat energisch für die Deutung derselben als Sinnesorgan im Muskel ein. Die letztere Ansicht hat seitdem immer mehr Platz gegriffen gegenüber allen anderen Deutungen und fand vor allem ihre Stütze in Experimentaluntersuchungen von Sherrington (54) und Cipollone (15), auf die wir bei der Besprechung der Be- deutung unseres Organs näher eingehen werden. Veranlassung zu den nachfolgenden Untersuchungen, die im Laboratorium des Instituts für vergleichende Anatomie, Mikro- skopie und Embryologie zu Würzburg gemacht wurden, gab die von der medizinischen Fakultät der Universität Würzburg im Jahre 98/99 gestellte Preisaufgabe. Da sich bei der Bearbeitung des Themas und der Lektüre der vorhandenen Litteratur zeigte, dass ein grosser Teil der ge- stellten Aufgabe teils inzwischen unzweideutig gelöst war, teils in der festgesetzten Zeit überhaupt nicht zu lösen war, habe ich das bei dem Versuch der Bearbeitung des Themas verwandte Material auf Anraten des Herrn Dr. Sobotta für die nach- folgende Mitteilung verwandt. Ich nehme an dieser Stelle die Gelegenheit wahr, Herrn Geheimrat Prof. v. Koelliker für das Interesse, das er der ursprünglichen Arbeit entgegen brachte, für die gütige Erlaubnis, dieselbe in dem von ihm geleiteten 254 JULIUS BAUM, Institut anzufertigen, für die gütigen Ratschläge, die mir auch bei dieser Arbeit zu gute kamen, für die Überweisung der Litteratur und die Benützung seiner Privatbibliothek meinen Dank auszusprechen. Insbesondere fühle ich mich verpflichtet, Herrn Dr. Sobotta hier meinen Dank zu sagen für die mir bei Abfassung der Ar- beit jederzeit in liebenswürdigster Weise geleistete Hülfe. In dem Folgenden gebe ich eine Beschreibung der Muskel- spindeln wobei ich mich besonders bezüglich der Nervenendver- ästelungen auf die vorhandene Litteratur stütze. Ich habe vor allem die Morphologie der Muskelspindeln untersucht, z. B. den Zusammenhang der Spindeln mit den übrigen Muskel- fasern, die Verhältnisse der Scheide und der Kerne der Äqua- torialgegend, ferner die Lagebeziehungen der Spindel im Muskel und das Vorhandensein derselben in verschiedenen Muskeln und bei verschiedenen Tieren. Mit der Untersuchung der Nerven- endverästelungen in der Muskelspindel habe ich mich weniger befasst, da gerade diese so vielfach in neuerer Zeit von anderen Autoren untersucht wurden, wobei die Resultate ziemlich über- einstimmend waren. Auf Grund der von mir und anderen ge- wonnenen Befunde gebe ich im zweiten Teil der Arbeit eine Be- sprechung der mutmasslichen Bedeutung der Muskelspindeln. Material und Methode. Als Material benutzte ich Muskeln des Menschen und ver- schiedener Säugetiere teils im embryonalen, teils neugeborenen, teils erwachsenen Stadium, besonders vom Igel, Meerschweinchen, Hund, Katze, Kaninchen, Schaf, Schwein, Maulwurf, ferner von einem Selachier (Pristiurus melanostomus), einem Teleostier (Syg- nathus phlegon) und Petromyzon, und besonders vom Frosch Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 255 Teils wurden die Muskeln frisch untersucht. Zur Isolierung durch Zerzupfen habe ich die konzentrierte Kalilauge angewandt, welche sich dazu sehr gut eignet, da sie Zellen, Kerne und Muskelfasern fast gar nicht beeinflusst, das Bindegewebe jedoch auflöst, sodass nach !/sstündiger Einwirkung das Zerzupfen leicht gelingt. Man muss sich bei der Anwendung der Kalilauge be- sonders vor zu starkem Druck des Deckglases auf die Muskel- fasern hüten. Auch die Essigsäure macht den Muskel zum Zer- zupfen recht geeignet, da sie die Nervenfasern deutlich hervor- treten lässt und dadurch das Aufsuchen der Muskelspindeln erleichtert. Zum Zweck der Darstellung der Nervenendveräste- lung bediente ich mich der Goldfärbung und zwar meist der Loewitschen Methode. Doch war ich bei meinen Goldfärbungen wenig vom Glück begünstigt. Zur Konservierung der Muskeln benützte ich zumeist Müllersche Flüssigkeit, seltener Sublimat. Bei Embryonen und kleinen Tieren habe ich zum Zweck von Serienschnitten durch Extremitäten den Knochen mit Pikrinsäure oder Salzsäure ent- kalkt. Eingebettet wurden die Präparate teils in Celloidin, teils in Paraffin. Ich wandte vorzugsweise Hämatoxylin-Eosinfärbung an, wobei mir der Umstand zu statten kam, dass das von mir angewandte Böhmersche Hämatoxylin bei intensiverer Ein- wirkung merkwürdigerweise auch die Markscheide der Nerven färbte. Teils wande ich Stück-, teils Schnittfärbung an. Die konservierten Muskeln habe ich fast ausschliesslich zu Serienschnitten mit einer Schnittdicke von 10—-15—20 u ver- arbeitet. I. Morphologie der Muskelspindeln. Die Muskelspindeln sind bisher bei der ganzen Tierreihe von den Amphibien aufwärts, also bei diesen, den Reptilien, Vögeln und Säugetieren gefunden worden. Über das Vorkommen bei den niederen Klassen der Wirbeltiere ist nichts bekannt. 256 JULIUS BAUM, Nur Kerschner schreibt in einer seiner ersten Arbeiten (29), dass er bei Fischen dünne Fasern beobachtet habe, ohne ihre Identität mit den Muskelspindeln behaupten zu können. In seinen späteren Arbeiten erwähnt er gar nichts darüber. Ich habe bei einem Selachier, dem Pristiurus melanostomus und bei Petromyzon vergebens danach gesucht. Ebenso habe ich bei einem Teleostier, dem Sygnathus phlegon die Brustflossen, in denen nach den Erfahrungen bei anderen Tieren am ehesten. Muskelspindeln zu erwarten gewesen wären, in einer Querschnitts- serie durchmustert, ohne etwas gesehen zu haben, was einer Muskelspindel ähnlich gewesen wäre. Es scheint also, dass dieses Organ nur den höheren Tieren eigen ist. In den wesentlichen Punkten sind die Muskelspindeln bei allen bisher beobachteten Tieren gleich; es ist deshalb kaum nötig, dieselben bei den einzelnen Tieren und Tierklassen für sich zu beschreiben, da es leicht möglich ist, bei der Beschrei- bung der einzelnen Teile der Spindel auf einige Besonderheiten einzugehen. Bei den Säugetieren werden die Spindeln stets gefunden von der zweiten Hälfte der Embryonalentwickelung bis ins höchste Alter. Beim Menschen sind sie schon im 4. Embryonalmonat von Felix (20) und Christomanos und Strössner (12) be- obachtet. Sie kommen nicht in allen Muskeln gleichmässig vor, sondern in gewissen Muskeln gar nicht, in anderen reichlich, worauf wir später eingehend noch zu sprechen kommen. Sie verlaufen parallel der Längsrichtung der Muskelfasern entweder in Einschnitten von Sekundärmuskelbündeln oder nach Art eines solchen Bündels im Perimysium internum, manchmal liegen sie mit einer Fläche der oberflächlichen Sehne des Muskels an. Stets sind sie von den übrigen Muskelfasern durch das Binde- gewebe des Muskels getrennt. Häufig findet man sie an der Eintrittsstelle der Nerven in den Muskel, wie es Mays (39) beschreibt. Titel MM. Anatomische Hefte Iöthalung #2 Heft (13.Bd. 11.2) Fig. 3. Fig. 11. ) ee ? en ——_—— PR = BE ah ; san ® => > > > > ea® — >. >] > — 8% Fig. 7 Fig, 6. Fig. 5. Fig. A — =® & oo. 5 EG .% _®: < FENG x a ee ae > #87 2 Q N Fan ee, v € Fig. 9 B 4 7 2: 0 Fig. 6 Kgl. Untrers=Druckerel v: H,.Stürtz , Wärzbung Verlag von J.F Bergmann Wiesbaden Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 257 Die Häufigkeit der Muskelspindeln in den Muskeln ist, wie wie schon angedeutet, sehr verschieden. Kühne (36) nahm an, dass auf 100 gewöhnliche Fasern bei der Maus ein Muskelspindel kommt. Diese Annahme scheint mir übertrieben, und ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass Kühne Mieschersche Schläuche für Muskelspindeln gehalten hat. Ich habe den Unter- schenkel einer Maus untersucht und war überrascht von dem zahlreichen Vorkommen dieser Schläuche. Ich hielt sie ursprüng- lich für Muskelspindeln; denn es ist auf @Querschnitten oft schwer, diese Organe bei der Maus zu finden wegen der Dünn- heit der Scheide. Besonders dann kann man sich täuschen, wenn der Mieschersche Schlauch im Innern der Faser sich retrahiert hat, sodass der Scheidenhohlraum der Muskelspindel vorgetäuscht wird. Im einzelnen Muskel ist die Zahl der Muskelspindeln an- nähernd konstant; vor allem ist dieselbe unabhängig vom Er- nährungszustand des Muskels, im hypertrophischen Muskel sind nicht mehr wie im atrophischen. Selbstverständlich müssen sie dann im gleichen Volumen des letzteren häufiger sein, wie es auch vielfach beobachtet worden ist. Die Muskelspindel hat, wie der Name sagt, eine spindelförmige Gestalt, welche hauptsächlich auf das Verhalten der Scheide zurückzuführen ist. Die Grösse variiert bedeutend, sowohl bei verschiedenen Tieren, als bei verschiedenen Muskeln desselben Tieres, und bei demselben Muskel, wenn die Fasern desselben nicht kurz sind, sodass sie von Sehne zu Sehne ziehen. Beim Menschen im erwachsenen Zustand sind sie 2—10 mm lang, 0,08—0,25 mm breit; es werden jedoch auch solche mit einer Breite von 0,4 mm beobachtet; bei der Maus fand ich sie durch- schnittlich 1.7 mm lang, beim Igel 1,5 mm. Sie sind daher mit blossem Auge sichtbar. Neben einfachen Spindeln findet man häufig Doppelspindeln, seltener dreifache Spindeln, und von Kerschner (30) sind auch 258 JULIUS BAUM, vierfache Spindeln beobachtet worden. Das sind Spindeln, welche dicht neben einander an der Sehne entspringen. Solche Doppelspindeln verlaufen, wie ich auf Serienschnitten beobachten konnte, einander parallel, sind stets von einander getrennt bis zu ihrem entgegengesetzten Ende, welches bei beiden ungefähr in gleicher Höhe liegt. Sie werden gewöhnlich von demselben Nerven- und Gefässstamm versorgt. Von diesen Doppelspindeln wohl zu unterscheiden sind einfache Spindeln, welche durch Auftreten eines mittleren Septums zwischen den Weismann- schen Fasern den Anschein einer Doppelspindel erwecken könnten. Wir gehen nun zur genaueren Schilderung der einzelnen Teile der Muskelspindel über. Die Scheide besteht aus fibrillärem Bindegewebe mit lamellärer Struktur. Die konzentrische Schichtung des Bindegewebes hat, wie viele Autoren, z. B. Golgi (25) und Pilliet (44) erwähnen, Ähnlich- keit mit der Umhüllung der Pacinischen Körperchen. Sie ent- hält zahlreiche Kerne besonders beim Embryo; dieselben sind länglich und dem Verlauf der Spindel parallel gerichtet. Am dieksten ist die Scheide in der Äquatorialgegend der Muskel- spindel, nach den beiden Polen hin wird sie immer dünner, indem die Lamellen derselben mit einander verschmelzen. Dieser Umstand bewirkt natürlich auf Querschnitten ganz verschiedene Bilder. Die Dicke der Scheide variiert bei verschiedenen Tieren innerhalb weiter Grenzen. Sehr gering ist sie bei der Maus, etwas dicker bei den Vögeln (Taube, Meise, Storch), sowie beim Siebenschläfer und dem Kaninchen, wie Kerschner (29) an- giebt, „während der Hund und die Katze bereits den Übergang zu Bildungen machen, welche dem Menschen nahe kommen, das sind die Spindeln des Schweins, des Rindes und Affen“. Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 259 Auch bei denselben Individuum ist die Scheide verschieden dick. Denn wenn eine Spindel der Sehne anlag, fand ich deren Scheide gewöhnlich dieker als an den übrigen Muskelspindeln. Beim Anfertigen von Zupfpräparaten sieht man, dass die Scheide die inihr gelegenen Gebilde durchscheinen lässt; letztere erscheinen wie mit einem Schleier überzogen. Gegenüber mecha- nischen Eingriffen erweist sie sich ziemlich resistent; daher gelingt es nicht schwer, die Muskelspindel als Ganzes zu isolieren. Nach manchen Autoren, wie Sherrington (54) und Cipol- lone (14), enthält die Scheide elastische Fasern, von anderen, wie von Huber-de Witt (28), wird dies bestritten. Und zwar sollen die elastischen Fasern nach Angabe der ersteren speziell nach den Polen der Spindel häufiger sein, während sie im Äquator fehlen. Ich habe nie mit Sicherheit elastische Fasern gesehen, will jedoch ihre Existenz nicht absolut bestreiten. Denn wenn sie auch vorhanden wären, würden sie in den durch Terpentin und Lack aufgehellten Präparaten nur schwer sicht- bar sein. Beim Frosch wandte ich jedoch ÖOrceinfärbung an zur Darstellung der elastischen Fasern, aber ohne Resultat. Das schliesst nicht aus, dass bei höheren Tieren, die mehr Binde- gewebe und elastische Fasern haben, als der Frosch, letztere vorkommen. Durch die Scheide treten Nerven und Blutgefässe. Letztere verlaufen häufig cirkulär in derselben. Aus vielfachen Beobach- tungen — auch ich habe dieselben häufig gemacht — geht her- vor, dass die Scheide sich direkt in die Henlesche Scheide der starken zur Spindel tretenden Nervenfasern fortsetzt. Die Scheide umschliesst einen spindelförmigen Raum, den Scheidenhohlraum. Derselbe ist im Querschnitt oft nahezu kreis- rund, wenn man bei der Präparation dafür sorgt, dass der Muskel nicht gedrückt wird. Besonders weit ist er, wie von Koeliiker (34) beobachtete, beim Kaninchen. Beim Frosch beträgt er etwa 60—95u, beim Menschen 80-250 u. Die grösste 260 JULIUS BAUM, Weite hat er am Äquator, d. h. an der Stelle der grössten Kernanhäufung der Weismannschen Fasern. Die letzteren nehmen hier nur etwa !/, des Scheidenhohlraumes ein — beim Menschen, bei manchen Tieren bis zu ?/, desselben. Beim Fötus von 24 cm Länge ist, wie Christomanos und Strössner (12) beschreiben, der Scheidenhohlraum noch nicht entwickelt, sodass die Weismannschen Fasern der Scheide eng anliegen. Nach den Polen hin wird der Scheidenhohlraum immer kleiner und verschwindet schliesslich ganz. Daraus resultiert die spindelförmige Gestalt dieses Raumes. Von manchen Autoren ist die Behauptung aufgestellt worden, dass der Scheidenhohl- raum um die Muskelfasern geschlossen ist, d. h. dass das Ende der Scheide in das Sarkolemm der Weismannschen Fasern übergeht. Dies ist nicht der Fall, sondern die Scheide geht kontinuierlich in das Perimysium internum über. Ich habe diese Verhältnisse in einer Schnitt-Serie Taf. XIII/XIV 1—8 vom Muskel eines Igels zum Teil dargestellt. Man sieht in Fig. 1 die Scheide der Muskelspindel A noch annähernd vollständig. In den folgenden Zeichnungen zeigt sich die Scheide, je enger sie wird, um so mehr aufgelockert. Und sie verschmilzt all- mählich mit dem Perimysium, in dem an dieser Stelle mehrere Nervenfaserquerschnitte gelegen sind. Der Raum ist also in diesem Sinn nicht als geschlossen zu betrachten. Es ist auch nicht recht einzusehen, wie die bindegewebige Scheide mit dem Sarkolemm, das doch ein Produkt der Muskelfaser ist, ver- schmelzen sollte. Über einen Zusammenhang des Hohlraumes mit dem Lymphgefässsystem ist nichts bekannt. Doch ist der- selbe zu postulieren, da es Sherrington gelang, denselben von den Lymphgefässen aus zu injizieren. Im Innern des Spindelraumes liegen mehr oder weniger central die Weismannschen Fasern. Sie stehen mit der inneren Wand der Scheide durch feine Bindegewebszüge, die mit Kernen Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 261 versehen sind, in Verbindung. Ausserdem finden sich innerhalb der Spindelscheide die Verästelungen von Nerven und Arterien, ferner Eiweissniederschläge und Leukocyten; letztere bildet be- sonders Golgi in grosser Zahl ab. Ausser den feinen Binde- gewebszügen, die den Spindelrauın durchziehen, finden sich auch stellenweise in Spindeln mit vielen Weismannschen Fasern derbere Faserbündel, welche im Bau der Scheide ähnlich sind und sich von ihr abzweigen. Sie teilen den Spindelraum der Länge nach zwischen den Fasern und haben wohl den Zweck, den letzteren grösseren Halt zu geben. Die Weismannschen Fasern, die den Hauptinhalt des Scheidenhohlraums bilden, ziehen als dünne Fasern einander parallel durch die Länge der Muskel- spindel.e Man hat an denselben einen intrafusalen und einen extrafusalen Verlauf, d. h. innerhalb und ausserhalb der Spindel zu unterscheiden. Eine besondere Stelle im intrafusaleu Ver- lauf nimmt der Äquator, d. h. der Ort der Kernanhäufung ein. Die Dicke der Fasern ist bei den verschiedenen Tieren etwas verschieden, schwankt aber im Verhältnis zu den starken Differenzen in der Dicke der anderen Muskelfasern nur innerhalb enger Grenzen. So sind die Weismannschen Fasern beim Frosch trotz der viel bedeutenderen Dicke seiner Muskelfasern kaum dicker als bei Säugetieren; auch bei den verschiedenen Säugetieren sind sie ungefähr gleich dick. Sie sind beim Frosch durchschnittlich 15 «, beim Menschen 12—15 u dick. Nach dem Äquator der Spindel nimmt die Dicke der Fasern zu, indem sie spindelförmig anschwellen. Bei Amphibien, Rep- tilien, Vögeln und manchen Säugetieren, z. B. auch beim Maulwurf, wie Tafel XI/XII Fig. 2 zeigt, ist die Dickenzunahme deutlich ausgeprägt, bei den meisten Säugetieren weniger. Hier am Äqua- tor sind die Fasern rund, während sie nach den Polen hin nach 262 JULIUS BAUM, Art der anderen Muskelfasern rundlich-polygonale Form an- nehmen. | Die Zahl der Fasern ist bei verschiedenen Tieren sehr ver- schieden. Während die Muskelspindel nach den übereinstim- menden Angaben von Kühne (36), Mays (40), Sihler (56), Kerschner (29) u. a. bei den Reptilien nur aus einer Faser besteht, finden sich z. B. beim Menschen 3—20 Fasern, bei der Katze 5—12, bei der Maus und beim Igel 4—5. Die Weismannschen Fasern sind nach Kerschner als rote aufzufassen (sarkoplasmaarme). Bei Embryonen färben sie sich häufig intensiver als die umgebenden Fasern. Dieser Ein- druck wird noch dadurch erhöhlt, dass dieselben sehr nahe bei- sammen stehen und dadurch leicht ins Auge fallen. Die Be- obachtung von Christomanos und Strössner, dass die Weismannschen Fasern bei Embryonen manchmal Kernfär- bung annehmen, kann ich nicht bestätigen. Es handelt sich hierbei wahrscheinlich um Querschnittsbilder durch eine kern- reiche Stelle des Äquators; man sieht da oft vor lauter Kernen der Muskelfasern nichts von der fibrillären Substanz. Ausserhalb der Äquatorialzone zeichnen sich die Fasern durch eine meist auffallend deutliche Querstreifung aus, was dadurch bedingt ist, dass die einzelnen Querstreifen weiter von einander entfernt sind, als bei gewöhnlichen Muskelfasern (cf. Fig. U., Taf. XI/XU). Sie sind vom Sarkolemm umgeben. Sherrington behauptet zwar, er habe Fasern ohne Sarkolemm gesehen. Weder irgend ein anderer nach ihm, noch ich haben diese Beobachtung bestätigen können. Am Äquator weicht das Bild der Spindelfaser von normalen Fasern noch weit mehr ab, sie hat hier fast alle ihre Charak- teristica verloren. Am besten kann man sich darüber auf einem Längsschnitt orientieren. Ich verweise daher zur Veranschau- lichung dieser Verhältnisse auf Taf. XI/XU, Fig. 11, einen Längs- schnitt durch die Muskelspindel des Maulwurfs. Man sieht Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. | 263 hier den ganzen Inhalt der Muskelfaser angefüllt mit grossen, klaren und glänzenden Kernen, die einander so dicht anliegen, dass sie polygonale Gestalt mit abgerundeten Ecken ange- nommen haben. Von den Fibrillen der Muskelfaser ist im Bereich der äquatorialen Kernanhäufung nichts vorhanden, da- her fehlt auch die Querstreifung vollständig. Die Kerne sind eingebettet in eine granulierte Substanz, die jedenfalls als Sarko- plasma zu deuten ist. Sonst existiert von den normalen Bestand- teilen der Muskelfaser an dieser Stelle ausser dem Sarkolemm nichts; denn auch die typischen länglichen Muskelkerne fehlen hier vollständig. Das Bild erinnert an das Aussehen einer Gallenblase, die prall mit Steinen gefüllt ist, die sich durch gegenseitigen Druck abgeplattet haben und daher polygonal geworden sind. Ähnlich ist die Kernanhäufung beim Menschen und höheren Säugetieren wie Hund, Affe; nur sind bei diesen noch mehr Kerne im Querschnitt zu sehen. Etwas weniger typisch ist der Äquator der Weismann- schen Fasern bei Amphibien. Hier liegen die Kerne nicht so eng aneinander, zwischen den einzelnen Kernen ist die granu- lierte Substanz in grösserer Menge vorhanden. Daher haben die Kerne keine polygonale Form angenommen, sondern sind rund. Um diese granulierte Substanz mit den runden Kernen ist noch ein dünner Mantel fibrillärer Muskelsubstanz mit den gewöhnlichen länglichen Kernen erhalten. Gleichwohl lässt sich selten eine Querstreifung erkennen. Diese Kerne im Äqua- tor fand ich bei allen untersuchten Tieren ungefähr gleich gross (d—6 u). Das Typische und allen Tieren Gemeinsame ist also die Anhäufung von rundlichen bezw. polygonalen Kernen, welche in irischem Zustand stark glänzen und die gewöhnlichen Kern- färbungen annehmen. Man könnte glauben, dass man eine in Entwickelung begriffene Muskelfaser vor sich sieht. Dafür spräche, dass die Faser wie alle embryonalen Fasern nur in 264 JULIUS BAUM, der Peripherie Fibrillen hat und innen ausgefüllt ist mit Kernen, die anscheinend in lebhaftester Vermehrung begriffen sind. Bisher habe ich die Spindel so dargestellt, als ob in derselben nur eine äquatoriale Zone vorhanden wäre. Dies ist die Regel bei einem Teil der Muskelspindeln, und zwar, wie ich glaube, bei solchen mit wenig Fasern, und besonders wenn die letzteren in gleichem Niveau beginnen, wie dies z. B. bei den Amphibien stets der Fall ist, aber auch bei Säugetieren in Muskeln mit kurzem Verlauf, in welchen Fasern von Sehne zu Sehne verlaufen. Bei Spindeln mit zahlreichen Fasern und besonders solchen, die sich in Muskeln finden, deren Fasern nicht von Sehne zu Sehne verlaufen, werden innerhalb des Spindelraumes nicht nur 2, sondern auch 3 und 4 äquatoriale Zonen beobachtet. Dies hat schon v. Koelliker beschrieben und andere haben es vielfach abgebildet. Ich glaube, dass es sich bei diesen mehrfachen Kernanhäufungen nicht um verschiedene Äquatoren einer und derselben Muskelfaser handelt, sondern dass es verschiedene Fasern sind, die ihren Äquator nicht im gleichen Querschnitts- niveau haben, weil sie nicht in gleicher Höhe entspringen. Ich kann dies nicht mit aller Sicherheit behaupten, da es schwer, ja meist unmöglich ist, in Querschnittsbildern die Muskelfasern in der Nähe des Äquators von einander zu unterscheiden. Ich habe darüber nirgends eine Notiz gefunden. Solche Spindeln mit mehreren Äquatoren innerhalb der Spindel nennt man gegenüber den einfachen „zusammengesetzte‘. Vom Äquator nach den Polen hin nimmt die Zahl der Kerne allmählich ab, sie werden immer länger und schmäler, wie man auf Taf. XV/XIL, Fig. 11 sieht, und nehmen schliesslich die Form der gewöhnlichen Muskelkerne an, von denen sie sich nur durch ihre centrale Lage unterscheiden. Allmählich nehmen die Fi- brillen in der Randzone der Faser zu, und damit erscheinen wieder die Querstreifung und die Kerne der Randzone bei den Säugetieren. Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 265 Schliesslich unterscheiden sie sich von anderen dünnen Muskelfasern fast nur noch durch ihre central gelegenen Kerne, welche im ganzen Verlauf der Faser neben den Kernen der Randzone von Strecke zu Strecke vorkomınen. Die Weismannschen Fasern liegen am Äquator dicht bei- sammen. Die ersten Beobachter der Muskelspindeln nahmen an, dass zwischen den einzelnen Fasern der Spindel kein Binde- gewebe sei. Das ist nicht der Fall. Bei Embryonen und Neu- geborenen ist dasselbe deutlich zu erkennen, es fehlt jedoch auch bei Erwachsenen nie ganz. Es ist eine Fortsetzung des vom Innern der Scheide nach dem Hohlraum sich ausspannenden feinen Bindegewebes. Es umgiebt die einzelnen Fasern nicht als solide Scheide, sondern in unregelmässigen Zügen, die speziell am Äquator der Fasern zwischen denselben sehr spärlich sind. Dafür tritt hier am Äquator eine die Faser gemeinsam um- hüllende Scheide auf, wie aus Taf. XI XII, Fig. 11 ersichtlich. Diese Scheide ist wohl identisch mit der von Sherrington beschrie- benen axialen Scheide. Es erscheint mir wahrscheinlich, dass diese axiale Scheide mit den langen Bindegewebskernen aus der Schwannschen Scheide der hier sich um die Muskelfasern herum- schlingenden Nervenfasern hervorgeht. Nach dem Ende der Scheide zu nimmt das Bindegewebe zwischen den einzelnen Fasern immer mehr zu und umsgiebt schliesslich dieselben nach ihrem Austritt aus der Scheide nach Art der Sekundärbündel. Was den peripherischen Verlauf der Weismannschen Fasern betrifft, so herrscht darüber nicht vollständige Klarheit. Bei dem Zählen derselben findet man, dass bei den höheren Säugetieren und beim Menschen nach den Polen hin oft weniger Fasern vorhanden sind als in der Nähe des Äquators. Man glaubte daher, dass man es mit Teilungsvorgängen zu thun habe, indem man annahm, dass Fasern in der Peripherie mit einander verschmelzen bezw. dass eine Faser nach dem Äquator hin sich Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLII. Heft (13. Bd., H. 2). 18 266 | JULIUS BAUM, gabelt, um möglicherweise am anderen Pol wieder zu einer Faser zu werden. Keiner der Autoren, die einer solchen Ansicht hul- digen, wie Kerschner und Cipollone, und diese Teilung als Oberflächenvergrösserung der Muskelfasern zum Zweck einer grösseren Kontaktfläche mit den Nerven auffassen (was übrigens nach der von Cipollone angenommenen Mechanik der Muskel- spindel nicht einmal sehr wahrscheinlich ist), hat auf Längs- oder Querschnitten eine solche Gabelung gezeichnet oder deut- lich beschrieben. Es ist mir daher fraglich, ob jemand eine wirkliche Verschmelzung zweier Weismannschen Fasern ge- sehen hat. Ich habe danach oft gesucht an den Stellen in Serienschnitten, an welche ein Wechsel in der Faserzahl auftrat und habe dabei nie dergleichen gesehen. Sondern stets endete die Faser für sich und zwar legte sie sich oft der Scheide an, wie ich Faser b der Spindel A dargestellt habe, (Tafel XIIUXIV, Fig. 1—8. Man sieht hier an einer Querschnittsserie vom Igel, dass die Weismannsche Faser b der Spindel A allmählich an Dicke abnimmt, und in Fig. 7 an der Scheide endigt. In Fig. 8 ist diese Faser nicht mehr vorhanden), während die übrigen Fasern an Volum und Gestalt unverändert weiterziehen. Auch eine Verschmelzung von Weismannschen Fasern mit gewöhnlichen Muskelfasern auf ihren extrafusalen Verlauf konnte ich nicht beobachten. Die Weismannschen Fasern sind bis ans Ende von den angrenzenden Fasern durch Lage und Form zu unterscheiden, sei es, dass sie an der Endsehne, oder an der Öberflächenfascie oder im Perimysium internum endigen. Wenn eine Muskelspindel im Einschnitt eines sekundären Muskelbündels liegt, so sieht man manchmal, dass die Scheide speziell in der Äquatorialgegend da, wo sie am dicksten ist, Fasern der Umgebung zwischen sich fasst. Einmal konnte ich den Eintritt eines ganzen Muskelbündels in die Scheide beobachten beim neugeborenen Kind. Ein Bündel von sieben gewöhnlichen Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 267 Muskelfasern verläuft längs der Spindel. Nach dem Äquator hin werden sie von der Scheide derselben allmählich umhüllt. Man sieht dann neben den eigentlichen Spindelfasern, welche ihre eigene Scheide noch haben, und von diesen scharf getrennt, aber in der gemeinsamen konzentrisch geschichteten Scheide diese sieben Fasern. Nach weiterem Verlauf verliert sich diese gemeinsame Umhüllung und man sieht wieder, wie ursprünglich, die Muskelspindel mit ihrer Scheide, ohne dass ein Fasertausch zwischen beiden Systemen stattgefunden hat. Bei dem Verfolgen der Spindelfasern durch eine Serie des Omohyoideus des Neugeborenen fand ich einmal ein bisher noch nicht beobachtetes Verhalten derselben. Während für gewöhn- lich ein Bündel von Muskelfasern nur eine einzige Muskelspindel bildet, fand ich hier, wie ein System von Fasern dreimal zur Muskelspindel wurde. Das Verhalten dieses Bündels ist in ge- wissen Beziehungen so interessant, dass ich es genauer beschreiben möchte. Man sieht an der Oberflächensehne des Ursprungs des oberen Bauches drei Muskelfasern entspringen, welche in ihrem Verlauf eine typische Muskelspindel bilden. Diese verläuft mit einem Bestand von drei Fasern an der Innenfläche der Fascie und ist 0,7 mm lang. Wenn man die Fasern in ihrem extra- fusalen Verlauf nach der Peripherie zu verfolgt, sieht man, wie aus diesen Fasern nach einer Strecke von 1,5 mm, nachdem sich ihre Zahl vermehrt hat, wieder eine typische Muskelspindel wird (Fig. 1—10, Taf. XI’XIID). Diese hat 6—8 Fasern und ist 1,950 mm lang. Nach dem Austritt aus der Scheide verlaufen sie nun in ungefähr gleicher Zahl eine Strecke von 2,50 mm, um dann zum drittenmal zur Spindel zu werden, welche 2,2 mm lang. Dann enden die Fasern nach längerem Verlauf, wobei sie immer dünner werden, im Perimysium. Zur Veranschaulichung dieser Verhältnisse habe ich, den Übergang der ersten Spindel zur zweiten durch einige Schnitte aus der Serie dargestellt. Man sieht in Taf. X1,X1l, Fig. 1 die Spindel mit drei Fasern, mit Scheidenhohl- 18* 268 JULIUS BAUM, raum und deutlicher Scheide, umgeben von den vier Sekundär- muskelbündeln ABCD, die uns weiter zur Orientierung dienen. In den folgenden Schnitten Fig. 2—4 verschwindet die Scheide allmählich, in Fig. 5 fehlt sie ganz, in den folgenden Schnitten kommt die Scheide wieder zum Vorschein, nachdem die Weis- mannschen Fasern an Zahl zugenommen haben. Dass es aber immer dasselbe System von Fasern war, das zweimal bezw. dreimal eine Muskelspindel bildete, geht aus der Lage zu den umgebenden Sekundärmuskelbündeln hervor. Ich glaube, dass das Verhalten dieser Fasern keine Aus- nahme ist, und wenn man dieses bisher nicht beobachtet hat, so mag das wohl daran liegen, dass es sicherlich schwer sein wird ein solches Gebilde zu isolieren, und zur Beobachtung in Schnittpräparaten lange Serien nötig sind. Es sind an diesem Faserbündel verschiedene Thatsachen ersichtlich. Erstens, dass auch in demselben Muskel die Länge der Muskelspindeln nicht gleich ist, dann dass die Faserzahl variiert, und zwar so, dass Länge wie Faserzahl nach der Mitte des Muskels zunehmen. Dieses Spindelsystem ist jedenfalls als eine höhere Modifikation der zusammengesetzten Spindeln anzusehen. Die Spindelnerven. Schon der erste Beobachter der Muskelspindel, v. Koelliker, beschreibt, dass zur Spindel ein Bündel markhaltiger Fasern mit mächtiger Henle scher Scheide herantritt, dass die Henlesche Scheide in die Scheide der Spindel übergeht, während sich die Nervenfasern selbst nach wiederholter Teilung auf und zwischen den Fasern dem Blicke entziehen. Das Studium der Ner- ven der Spindel ist gerade in den letzten 10 Jahren ein sehr reges geworden. Es sind die dabei in Betracht kommenden Verhältnisse, speziell auch was die Nervenendverästlung betrifit, von den meisten Autoren übereinstimmend beschrieben worden, Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 269 sodass dieses Kapitel so ziemlich als abgeschlossen zu betrachten ist. Was die Nervenendverästlung betrifft, so hat vor allem Ruffini darin Aufklärung gebracht; doch war er nicht der erste, der sie beschrieb; vor ihm haben schon v. Koelliker und Kerschner darüber berichtet. Ich habe speziell auf dem letzteren Gebiet nichts Besonderes beobachtet, und schliesse mich ganz den übereinstimmenden Angaben der Autoren (Kersch- ner, Sihler, Dogiel, Ruffini, Sherrington, Cipollone, Huber—de Witt u. a.) an, die ich der Vollständigkeit halber genauer wiedergeben muss. Man hat bei den Spindelnerven prinzipiell zwei Arten zu unterscheiden, 1. solche, welche den gewöhnlichen motorischen Nerven der Muskeln identisch sind; 2. solche, welche wir als sensibel zu betrachten haben. Von den älteren Autoren ist fast ausschliesslich nur die „weite Fasergattung beschrieben worden, die auch mächtig domi- niert gegenüber der ersteren. Bremer hat zuerst auf den Unterschied in der Dicke dieser Fasern aufmerksam gemacht, ohne ihren verschiedenen Wert zu kennen. Man sieht bei der Untersuchung des frischen Muskels mit verdünnter Essigsäure, welche die Nerven deutlich hervortreten lässt, ein Bündel von Nervenfasern, welche bedeutend dicker sind als die motorischen Fasern und sich vor allem durch eine sehr dicke Henlesche Scheide auszeichnen, an die Spindel herantreten. Diese Fasern sind nach Angabe v. Koelliker beim Kaninchen 17—19u, beim Menschen nach Sherrington 7—18 u dick; die Dicke scheint also innerhalb enger Grenzen bei den verschiedenen höheren Tierarten bezw. dem Menschen zu schwanken. Dieses Bündel fällt sofort auf bei der Betrach tung eines mit Säuren behandelten Muskels, und „man kann sich,“ wie Kühne sagt, „bei der Aufsuchung der Muskelspindeln von diesen Fasern leiten lassen. Zu diesem Zweck wird ein 270 JULIUS BAUM, schmaler Muskelstreifen bei schwacher Vergrösserung unter- sucht, und wenn sich einige oder mehrere ungewöhnlich breite Fasern in einem Nervenstämmchen darbieten, so braucht man diese nur bis an die Peripherie zu verfolgen, um schliesslich auf die Muskelspindel zu gelangen, die dann aus den Bündeln isoliert werden kann.“ Die Zahl der dicken Nervenfasern einer Spindel entspricht ungefähr der Zahl der Weismannschen Fasern, oder bleibt unter der Zahl der letzteren. Bei den einfaserigen Muskel- spindeln der Reptilien ist gewöhnlich 1, manchmal auch 2 dicke Nerven vorhanden, beim Frosch sind es gewöhnlich 1—3, bei den Vögeln, die mindestens 3—4 Fasern haben, sind es auch gewöhnlich 2—3 Nerven, während bei den Säugetieren mit zusammengesetzten Spindeln bis zu 8 Nerven gefunden werden. Wenn gleichwohl behauptet wird, dass die Zahl der Nerven- fasern die der Weismannschen Fasern überwiegt, so sind nicht die Nervenfasern, sondern schon deren Teilstücke gezählt. Den Verlauf der sensiblen Fasern kann man nur durch Isolierung der Spindeln gut beobachten. Man sieht sie zu einem oder mehreren Bündeln vereinigt unter spitzem, oder auch nahezu rechtem Winkel zur Achse der Spindel an die Scheide herantreten. Dann durchsetzen sie die Scheide, wobei ich mich besonders auf Schnittpräparaten von der bekannten Thatsache überzeugen konnte, dass die Scheide der Nerven in die der Spindel kontinuierlich übergeht. Vor oder nach dem Durch- tritt durch die Spindelscheide findet eine reichliche Teilung der Nervenfasern statt. Zugleich tritt auch in der äusseren Form der Nerven eine Veränderung ein, die Sherrington folgendermassen beschreibt: „Während die Abstände der Ran- vierschen Einschnürungen der Spinalganglienfasern 600— 900 u betragen, wird dieser Abstand in verschiedener Entfernung von der Spindel kürzer, 80—130u. Zu gleicher Zeit werden die dichotomischen Teilungen häufiger, die Markscheide wird dünner, Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 271 der Durchmesser des Achseneylinders wird bedeutend grösser, 2. Bald state 90 Nach Durchbrechung der Scheide treten die Nerven in unregelmässigem Verlauf an die Weismannschen Fasern heran, ziehen oft eine Strecke denselben entlang, besonders wenn sie nicht am Äquator der Spindel eingetreten sind, biegen sich oft spitzwinklig um und verlaufen rückläufig, bis sie sich den Weismannschen Fasern enger anlegen. Sherrington behauptet, dass die Nerven der Spindel meist vom proximalen Pol, d. h. von dem Ursprung des Muskels herkommen. Diese Beobachtung fand ich häufig bestätigt, habe jedoch auch oft das Gegenteil gesehen. Wenn die Nerven nun die Markscheide verloren haben und zwischen axiale Scheide und Weismannsche Faser getreten sind, findet die Endverästelung derselben nach den Untersuch- ungen von Ruffini an der Katze in folgender Weise statt: Die marklosen Nervenfasern platten sich ab, werden bandförmig und legen sich in Windungen um die kernreichste Zone der Muskelfaser, die wir oben als Äquator beschrieben haben. Diese Windungen erscheinen entweder kreisförmig oder spiralig, nastri annulo-spirali Ruffinis. Es sind dies, nicht zwei verschiedene Arten; sie sind identisch nach Kerschner, erscheinen jedoch verschieden, je nachdem man eine solche Windung mehr von der Fläche oder Seite sieht. Als 2. Form der Nervenendigung in der Spindel bezeichnet Ruffini die terminazioni a fiorami; d. h. die Endverästlung zeigt von Art zu Art Verdickungen, welche keulenförmig, blattförmig oder rund erscheinen. Ihm gegenüber glaubt Kerschner, dass diese blütenartigen Endi- gungen nur die letzten Endigungen der ringförmigen Nerven- fasern seien, indem er andeutet, dass diese, nachdem sie sich in 7-9 Windungen um die Weismannschen Fasern herum- geschlungen haben, entweder frei oder eben in den terminazioni a fiorami Ruffinis endigen. 272 JULIUS BAUM, Übrigens erscheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass schon Karl Sachs (50) im Jahre 1874 diese Endigungen gesehen und sie auch als Endigungen sensibler Nerven gedeutet hat. Er schreibt in seinen Untersuchungen über den Muskelsinn und die sensiblen Nerven des Muskels: Eine blasse Nervenfaser läuft neben dem Muskelbündel hin, umwickelt dasselbe in Spiral- touren und umstrickt es ähnlich den Ranken der Weinrebe oder des Epheus mit feinen terminalen Fibrillen. Nur bei der Katze und der Maus sind bisher die Endver- ästelungen der dicken Nervenfasern in typischer spiraliger Band- form gefunden. Kerschner schreibt in seiner Mitteilung aus dem Jahr 1893: „Beim Menschen, beim Kaninchen und bei der Ratte, wo die Bandform dieser marklosen Äste weniger deutlich oder gar nicht vorhanden und einem knorrigen oder knotigen Aussehen Platz macht, wird die spiralige Anordnung der mark- losen Ranken verwischt; dasselbe ist übrigens auch an den dünneren Muskelfasern von Maus und Katze und an den Enden der typisch ausgebildeten Spiralen der Fall. Noch weniger deutlich ist die spiralige Anordnung der Endverästelung der Nerven bei den Vögeln, Reptilien und Amphibien. Bei diesen ist der um die Muskelfaser gewundene Teil ganz kurz oder gar nicht vorhanden und macht einem gestreckten Verlauf Platz, wobei diese Endfasern auch nach oben beschriebener Weise blumenförmig verschiedenartig kurze Endästchen abgeben.‘ Diese Beobachtungen Kerschners sind durch alle nach- folgenden durchaus bestätigt worden, so auch von Huber- de Witt, die mit der Methylenblaumethode arbeiteten. Letztere beschreiben und zeichnen diese Endverästelungen epilemmal im Gegensatz zu den motorischen Endplatten, welche sie als hypolemmal betrachten. Wir wenden uns nun den dünnen Nervenfasern der Muskel- spindel zu. Sie zeigen im Verhältnis zu der Komepliziertheit der eben beschriebenen Nervenfasern ein bedeutend einfacheres Anatomische Hefte I Aöthelung 72 Heft (13.BdH.2) © : ES Torte UN “ı g . Fig. 7 Ä3l. Univern-Druzkerei v. H.StUrtz , Würzburg Verlag von J.F. Bergmann ‚Wiesbaden Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 273 Verhalten; sie zeigen, kurz gesagt, die Eigenschaften der gewöhn- lichen motorischen Nerven, als welche sie aufzufassen sind. Sie wurden auch von Kerschner, Trinchese, Sihler, Huber- de Witt, Weiss und Dutil als solche betrachtet, bevor es Cipollone auf dem Weg des Experimentes gelang, dies zu beweisen. Sie treten entweder zusammen mit dem Bündel der sensiblen Fasern oder auch getrennt von diesen in die Spindel ein. Sie haben keine Henlesche Scheide. Bei den Reptilien treten sie, wie Sihler, Kerschner, Cipollone u. a. be- obachtet haben, überhaupt nicht in den Hohlraum der Scheide, sondern treten an die Muskelfaser in ihrem extrafusalen Ver- lauf. Wenn sie mit den sensiblen Fasern zusammen in die Spindel eintreten, so trennen sie sich doch bald von diesen, und während diese dem Äquator zustreben, endigen sie an dem extraäquatorialen Teil der Spindel in typischen motorischen Endplatten. Die Blutgefässe der Muskelspindel. Wie die Muskelspindel eine eigentümliche Nervenversorgung hat, so bieten auch ihre Blutgefässe einige charakteristische Eigenschaften, die ich speziell an Serienschnitten eines Kaninchen- muskels mit injizierten Gefässen gut zu beobachten Gelegenheit hatte. Die Ansicht Kühnes, dass in der Spindel niemals Blut- gefässe seien, ist längst widerlegt; sie sind im Gegenteil kon- stant und auf jedem Schnitt zu finden. Stets verläuft ein grösseres Gefäss in der Nähe der Spindel, sei es, dass diese frei im Perimysium oder in dem Einschnitt eines Sekundärbündels liest. Diese Konstanz fand ich besonders auffällig in dem extrafusalen Verlauf der Weismannschen Fasern. Dieses Verhalten gab mir beim Verfolgen der Weismannschen Fasern ausserhalb der Scheide häufig die Richtschnur ab, wie es ın einem mit Säure behandelten Muskel die Nerven sind. Die 274 JULIUS BAUM, Gefässe verlaufen längs der Spindel, und senden ihre Äste quer zu derselben; letztere treten in die Scheide ein, verlaufen eine Strecke weit zwischen den Lamellen derselben eirkulär, um sich dann im Hohlraum der Scheide weiter zu verästeln und in Kapillaren sich aufzulösen, die auf den Fasern verlaufen. Von einem Spezialgefässsystem kann man bei der Spindel nicht sprechen, da von denselben Gefässen, welche die Spindel versorgen, auch Kapillaren zu anderen Muskelfasern geben. Ich schliesse hiermit die Beschreibung der Morphologie der Muskelspindel und gehe auf den zweiten Teil meiner Arbeit über. Derselbe handelt von der II. Bedeutung der Muskelspindel. Es giebt wenig Teile des tierischen Körpers, deren Bedeu- tung so viel umstritten und trotzdem so unbekannt ist, wie die Muskelspindel, obgleich sie der Untersuchung doch leicht zu- gänglich ist. Nicht weniger als vier grundsätzlich von einander verschiedene Theorien wurden über die Bedeutung der Spindeln aufgestellt, abgesehen davon, dass viele Autoren sich einer Deutung derselben enthielten. Nach der zuerst aufgestellten Theorie ist die Muskelspindel ein Wachstumscentrum; diese Ansicht wurde vertreten von v. Koelliker, Bremer, Felix, v. Franque&, Trinchese, Thanhoffer, Volkmann u.a. Golgi glaubte, dass die Muskelspindel in ihrer Bedeutung mit dem Lymphsystem in Beziehung stehe. Nach einer dritten Ansicht sah man in der Muskelspindel in Rückbildung begriffene Muskelfasern, sei es im normalen Muskel, wie es Mayer und Babinski, und Kraske annahımen, Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 275 sei es im pathologischen Muskel, wie es Fränkel, Eisen- lohr, Millbacher und Eichhorst glaubten. Endlich wurde als vierte Ansicht aufgestellt, dass die Muskel- spindel ein sensibles Endorgan im Muskel ist. Diese letztere Ansicht hat immer mehr Platz gegriffen und ist auch sicherlich die einzig richtige. Zunächst zu Golgis Theorie! Golgi schreibt im Jahre 1880: „Die einzige Thatsache, welche nach meiner Ansicht eine Stütze für eine hinlänglich wahrscheinliche Hypothese geben kann, ist die Gegenwart von zahlreichen Leukocyten in dem von der Scheide umgrenzten Raum. Diese Thatsache lässt daran denken, dass der beschrie- bene Hohlraum dem Lymphsystem angehört, d. h. dass es ein perifascialer Lymphraum (spazio linfatico perifaseicolare) ist.‘ Doch hat Golgi selbst Bedenken gegen die Beweiskraft seiner Theorie, indem er sagt, es würde die Bedeutung anderer be- schriebener Eigentümlichkeiten immer unklar bleiben. -— Golgis Ansicht steht ganz vereinzelt da und es hat kein anderer sie zu stützen vermocht. Denn auch nur gerade das, was Golgi anführt, könnte seine Ansicht annehmbar machen. Direkt da- gegen spricht zunächst schon, dass die Scheide nicht mit dem Lymphgefässsystem zusammenhängt, wie man es erwarten sollte, sondern in die Henlesche Scheide der Nervenfasern direkt übergeht. Die zweite Hypothese, die auch nicht schwer zu widerlegen ist, war die, welche annahm, dass die Muskelspindel in Rück- bildung begriffene Muskelbündel seien. Diese Theorie entstand nur aus der Betrachtung von einzeln herausgegriffenen Quer- schnitten und konnte nur so lange bestehen, als man nicht wusste, dass die Querschnittsbilder dasselbe Gebilde repräsen- tieren, das man aus Zupfpräparaten schon längst kannte, und nur eben in den charakteristischen Eigentümlichkeiten seines Querschnittes nicht verstand. Vor allem war die Hypothese 276 JULIUS BAUM, dadurch verursacht, dass man von dem Studium von Muskeln in abnormen Zuständen ausging. Zuerst als pathologische Gebilde gedeutet wurden sie von Fränkel, der sie im Jahre 1878 besonders reichlich bei Phthisikern fand und umschnürte Bündel nannte. Er hielt die Scheide für das Produkt einer chronischen Entzündung, das Ganze für die Folge einer entzündlichen Entartung. — Es erinnert ja auch ein solches Querschnittsbild ausserordentlich an Analoga in der pathologischen Anatomie, wie z. B. an die Bindegewebsentwicke- lung um die Glomeruli bei interstitieller chronischer Nephritis. In Fränkels Fussstapfen trat Millbacher. Er studierte die Muskeln gleichfalls an kranken Individuen, und da er nun bei diesen die Bildungen fand, glaubte auch er etwas Patho- logisches vor sich zu haben; zumal sie gerade bei atrophischer Muskulatur besonders ins Auge fallen müssen. Denn da die Menge der in einem Muskel vorkommenden Muskelspindeln annähernd konstant ist, so ist es klar, dass auf dem Querschnitt eines atrophischen Muskels in demselben Gesichtsfeld eine grössere Zahl von Muskelspindeln sichtbar sein muss; aus dieser scheinbar grösseren Häufigkeit in atrophischen Muskeln hat man auch auf den pathologischen Charakter der Spindel ge- schlossen. Millbacher ist soweit gegangen, die verschiedenen Stadien der entzündlichen Degeneration zu schildern, wobei er ganz richtige Querschnittsbilder in verschiedener Höhe seiner Deutung anpasst. Er unterscheidet drei Formen dieses Prozesses: 1. unvollständig umschnürte Bündel, 2. vollständig umschnürte Bündel, die Muskelfasern ein- schliessen, welche deutlich sichtbar sind, 3. vollständig umschnürte Bündel, welche stark atrophische Muskelfasern einschliessen. Bei diesen verschiedenen Stadien des entzündlichen Pro- zesses sei die Kapsel hervorgerufen durch Proliferation im Peri- Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. a77 mysium internum oder von der Adventitia der anliegenden Blut- gefässe. Ähnlich denkt darüber Eichhorst (17), der die Muskel- spindeln im Jahr 1888 in den Muskeln bei Alkoholneuritis fand und als Neuritis fascians beschrieb. Er hält gleichfalls die Scheide für ein entzündliche Neubildung und bringt sie in Zusammenhang mit der starken Neurilemmwucherung des erkrankten Nerven. Auch Babinski hat die Muskelspindeln anfangs als patho- logisch in dem obigen Sinn beschrieben; da er aber fand, dass sie auch im normalen Muskel vorhanden sind, kam er zu der Ansicht, dass es keine pathologischen Produkte sein können, son- dern die Prozesse einer physiologischen Atrophie. Er nahm an, dass im normalen Muskel beständig Muskelfasern unter den ana- tomischen Veränderungen, wie er sie aus den Querschnittsbildern schloss, zu Grunde gingen. Dies war auch Kraskes Ansicht. Seitdem Kerschner und Felix nachgewiesen haben, dass die umschnürten Bündel Millbachers etc. nichts anderes als die Muskelspindeln sind, ist die Hypothese von der patholo- gischen Atrophie von der Bildfläche verschwunden, und es ist auch nicht der Mühe wert, dies eingehender zu begründen. Im Anschluss an diese Beobachtungen möchte ich der Forsch- ungen Roths (46) gedenken, da sie auch von Untersuchungen von Querschnitten ausgingen. Ihm fiel, was den obigen Autoren entging, das Vorhandensein von starken Nervenstämm- chen auf, welche zu den kleinen Muskelbündeln gingen und nicht als gewöhnliche motorische Nerven imponierten. Br nannte sie neuromuskuläre Stämmchen, war über ihre Bedeu- tung nicht im klaren; glaubte jedoch, dass es physiologische Bildungen mit irgend einer Beziehung zum Nervensystem seien. Auch sie wurden von Kerschner als mit den Muskelspindeln identisch nachgewiesen. Wir kommen nun zur Besprechung der Frage, ob die Muskelspindeln mit dem Wachstum der Muskulatur in Zu- 278 JULIUS BAUM, sammenhang stehen, d. h. ob sie Bildungsstätten neuer Muskel- fasern sind. Dabei muss ich kurz erwähnen, dass Santesson dieselben bei Dystrophia musculorum progressiva besonders häufig fand und sie als Regenerationsversuche des Organismus im erkrankten Muskel betrachtete, — ähnlich urteilte Erb, der sie bei Dystrophia muscularis progressiva beschreibt —-, während die anderen Autoren, die die Spindeln als Bildungsstätten neuer Muskelfasern betrachten, sie für die physiologische Regene- ration beanspruchen. Letztere Deutung hat den Muskelspindeln ihr Entdecker v. Koelliker gegeben. Diese Ansicht musste auch, solange man nicht den Nervenapparat genau kannte, als höchst wahr- scheinlich gelten. v. Koellikers Ansicht wurde geteilt von Bremer, Felix, v. Franque, Trinchese, Thanhoffer und Volkmann. Veranlassung zu der Hypothese gaben vor allem das geringe Kaliber der Fasern und deren Kernreichtum. v. Koelliker nahm an, dass die Weismannschen Fasern durch Längsteilung einer stärkeren Muskelfaser entstehen. Er glaubte, dass gewisse kernreiche Muskelfasern, wie er sie beim Frosch 1856 fand, in ihrem Kernreichtum noch zunehmen, sich verbreiten und abplatten, und dann durch Längsspaltung nach und nach die feinen Fasern der Muskelknospen entstehen lassen, welche schon Weismann sah, ohne deren Nerven zu kennen. Diese Längsspaltung sollte in der ganzen Länge der Fasern oder an deren Enden zuerst, in der Gegend des Nervenzutrittes zuletzt auftreten. Die Nerven erschienen ihm als Wucherungen der Nervenfasern der ursprünglichen Muskelfasern, welche gleich- zeitig mit der Teilung derselben sich anschicken, auch allen Teilfasern ihre Nervenendigungen zukommen zu lassen. v. Koelliker stützte sich dabei vor allem auf Beobach- tungen, wie er und Weismann sie gemacht hatten. Letzterer beschreibt nnd zeichnet in seiner Abhandlung aus dem Jahr 1861 Randabspaltungen an den kernreichen Fasern, die wir als Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 279 Spindelfasern zu betrachten baben. Auf diesen Randabspal- tungen sollte offenbar die Bildung neuer Fasern beruhen. Ähnliche Beobachtungen machte v. Koelliker. Es ist jedoch höchst wahrscheinlich, dass diese Beobachter Kunstprodukte gesehen haben. Dies sprach vor allem Aeby aus, der unter 30000 Fasern nicht eine einzige vom Typus der von Weismann dargestellten Fasern sah. Der gleichen An- sicht ist Waldeyer. Er macht darauf aufmerksam, dass die einzigen, welche derartige Spaltungsvorgänge beobachteten, beide mit derselben Methode arbeiteten, nämlich mit der konzentrierten Kalilauge. Diese müsse solange als die Ursache der Spaltbil- dungen betrachtet werden, solange solche nicht an frischen Prä- paraten beobachtet werden. Born gelang es experimentell Spaltungen im Weismann-Koellikerschen Sinn hervorzu- bringen. Legte er mit Kalilauge behandelte Muskelfasern unter das Deckglas, so konnte er durch Druck mit demselben Spal- tungen hervorrufen, die vorher nicht sichtbar waren, in Fasern sowohl mit als ohne Kernreihen. v. Koelliker nahm an, dass die Teilung der Fasern in der Peripherie der Spindeln beginne, und dass die sich teilenden Fasern am längsten am Äquator, d. i. der Stelle des Nerven- zutritts zusammenhalten. Wäre dies der Fall, so müsste man nach den Polen hin auf dem Querschnitt mehr Fasern finden als in der Nähe des Äquators. Dem entsprechen nicht die nach- folgenden Beobachtungen. Denn, wen überhaupt eine Differenz in der Zahl der Muskelfasern während des Verlaufes der Muskel- spindel auftritt, dann ist am Äquator bei den Tieren mit mehr als einer Faser die Zahl der Fasern grösser als in der Peripherie. Auch ist nicht anzunehmen, dass die grössere Faserzahl am Äquator auf Teilung bezw. Abspaltung der Weismannschen Fasern in der Äquatorialgegend beruht, wie es v. Franque nach Untersuchungen an Reptilien annahm. Letzterer hat an den’ 280 JULIUS BAUM, Muskelspindeln von Reptilien am Äquator Abspaltungen feiner Fasern beobachtet. Auch diese Beobachtungen sind mit Kali- laugepräparaten gewonnen, und was dies bedeutet, darauf habe ich schon hingewiesen. Kerschner erklärte überdies diese Abspal- tungen v. Franques für Teile der Spindelnerven. Was be- deutete jedoch diese zwei Beobachtungen v. Franques gegen- über den hundertfachen Beobachtungen von Kerschner, Sihler Cipollone u. a., welche bei den Reptilien stets nur eine ein- fache Faser gefunden haben. Auch bei mehrfaserigen Muskelspindeln sind solche Ab- spaltungen am Äquator nie beobachtet worden. Speziell bei Spindeln mit wenig Muskelfasern hätte diese Thatsache auffallen müssen. Wenn man ferner die Muskelspindeln als die Bildungsstätten neuer Muskelfasern ansieht, müsste man bei verschiedener Ent- wickelung der Muskulatur eine Vermehrung bezw. Verminde- rung in der Zahl der Spindeln oder der Spindelfasern voraus- setzen, d. h. an hypertrophischen Muskeln dieselben zahlreicher finden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Diese Frage ist über- überhaupt hinfällig geworden, wenn man, wie es neuerdings durch Zählungen nachgewiesen ist, annimmt, dass postembryonal nicht nur keine Vermehrung von Muskelfasern stattfindet, son- dern eher eine Abnahme, dass also das neugeborene Kind mehr Muskelfasern besitzt als der Erwachsene. Die Kenntnis, dass bei Hypertrophie der Muskel nicht die Zahl der Muskelfasern, sondern nur ihr Kaliber zunimmt, verdanken wir besonders den experimentellen Untersuchungen Morpurgos. Derselbe untersuchte an einem Hund den Sartorius rechts und links, indem er den einen bei normaler Entwickelung, den anderen nach einer durch methodische Laufübungen hervorge- brachte Aktivitätshypertrophie exstirpierte. Hierbei fand er, dass die Zahl der Muskelspindeln an beiden Muskeln gleich gross (in jedem sieben) war, und die Zahl und Dicke der Weismann- Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 281 schen Fasern in hypertrophischen Muskeln nicht zugenommen hatte. Morpurgo kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Muskelspindeln bei der Aktivitätshypertrophie zur Vergrösserung der Muskeln nicht beitragen und die Weismannschen Fasern an diesem Prozess gar keinen Anteil nehmen. Besonders berücksichtigenswert erscheint mir, dass aus dieser Arbeit die grundsätzliche Verschiedenheit der Spindelfasern von den gewöhnlichen dünnen Fasern des Muskels hervorgeht. Denn während letztere sich bei der Hypertrophie in dicke Fasern um- wandeln, bleiben erstere unverändert. Es fehlen also die Über- gänge zwischen beiden Systemen. Es sind auch sonst nie wirkliche Übergänge von Spindel- in gewöhnliche Fasern beobachtet worden. Scheinbare Übergänge erklären sich entweder daraus, dass man wie Felix aus einem räumlichen Nebeneinander auch auf ein zeitliches Nebeneinander schloss, (Felix nahm nämlich an, dass der extrafusale Teil der Fasern aus dem intrafusalen hervorgeht und ersterer wiederum den Übergang zu den gewöhnlichen Fasern bildet), oder daraus, dass man vielleicht den extrafusalen Teil einer Spindel, ohne seine Zugehörigkeit zu derselben zu kennen, als Übergangsstufe betrachtet, wie ich es anfänglich that, wenn ich einen Strang dünner Fasern sah. Doch stets fand ich bei Verfolgung des- selben in der Schnittserie, dass es sich dabei um den extrafu- salen Teil einer wirklichen Spindel handelte. Aus den Untersuchungen von Felix geht hervor, dass schon in sehr früher Embryonalzeit im vierten Monat ein deutlicher Unterschied zwischen den. Fasern, die sich zur Spindeln ent- wickeln, und den übrigen besteht. In dieser Arbeit finden wir auch anschauliche Schilderungen über die Entwickelung der Spindelfasern. Er schreibt: „In der ersten Stufe der Entwicke- lung ist die Faser der Spindel gegen die in der Umgebung liegenden Fasern leicht verbreitert, etwas intensiver gefärbt, trägt die oben beschriebene Veränderung in der Querstreifung Anatomische Hefte, I. Abteilung. XLII. Heft (13. Bd., H. 2.) 19 282 JULIUS BAUM, — dieselbe verliert sich am Ort der grössten Wachstumsenergie — und zeigt an verschiedenen Stellen eine geringe Kernver- mehrung. Die Kerne sind zum Teil auffallend gross, tragen aber alle Charaktere von Muskelkernen. Während die Kernver- mehrung eben erst im Gang ist, sich höchstens bis zu acht Kernen hintereinander in einer Reihe finden, ist bereits eine ziemlich mächtige Scheide ausgebildet. Dieselbe grenzt sich gegen das übrige Bindegewebe, das zwischen den einzelnen Nach- barfasern liegt, nicht scharf ab; daraus dass die Scheide eine bereits mit einem Sarkolemm versehene Faser umhüllt, geht wohl am besten hervor, dass sie mit dem Sarkolemm nichts zu thun hat‘. „Hier möchte ich nur hervorheben“, heisst es weiter, „dass um eine Muskelfaser sich eine solche Scheide vorfindet. Eine Stelle derselben ist bereits stark verdickt, kernreicher und gefäss- reicher. Sie entspricht der bereits oben erwähnten Verdickung entsprechend dem Ort der stärksten Wachstumsenergie. Es ist hier also bereits durch den Bau der Scheide — zu einer Zeit, wo von irgend welcher regerer Kernvermehrung kaum die Rede sein kann — der Ort der späteren stärksten Kernvermehrung im voraus gegeben‘. Nachdem sich nun mehrere Kernreihen gebildet haben, gehen aus der einen Faser, der Mutterfaser, durch Spaltung die Tochterfasern hervor. Diese Tochterfasern entwickeln sich nun verschieden stark und einzelne derselben bekommen wieder Kernreihen. Soweit die Untersuchungen von Felix über die embryonale Entwiekelung der Muskelspindel. Ich habe dieselben an dieser Stelle eingeschoben, um damit zu zeigen, dass von Anfang an eine genaue Differenzierung der Muskelspindel gegenüber den anderen Fasern vorhanden ist. Wir haben es bei den von Felix beschriebenen Prozessen um die Bildung der Muskel- spindel zu thun. Haben sich die Fasern derselben einmal ge- «+ Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 283 gebildet, was schon im 4. Monat der Fall ist, dann steht auch die Entwickelung derselben so ziemlich still und bleibt fast stets auf derselben Stufe und die Spindelfasern behalten daher manche Zeichen des embryonalen Charakters. Sie nehmen in späterem Alter nur wenig an Dicke zu. Wie aus den Messungen von Christomanus und Strössner ersichtlich, haben die Fasern der Spindel des Embryos und neugeborenen Kindern eine Durch- schnittsdicke von 9,0 «, beim 9jährigen Kind 12,37 u, beim Erwachsenen 13,5 u. Dieselbe Stabilität, die gegen Wachstumsprozesse spricht, zeigen auch die Kerne des Äquators. Der Kernreichtum des Aquators hat mit Vermehrung, d. h. Neubildung von Fasern nichts zu thun. In denselben ist niemals eine Karyokinese be- obachtet worden. Ich habe manche solcher Kernreihen auf diesen Punkt mit negativem Resultat untersucht. Mitosen wären aber vorauszusetzen, wenn die Kerne sich teilen und vermehren würden. Was schliesslich die Scheide mit ihrem Hohlraum bedeuten soll, wenn die Spindel ein Regenerationsherd wäre, ist von vorn- herein unerklärlich. Denn dieselbe würde höchstens eine Schranke für die Entwickelung sich abspaltender Fasern sein. Ich glaube, dass nach all dem Gesagten die Hypothese, dass die Spindel die Bildungsstätte junger Muskelfasern ist, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Es wird nur wenige geben, die noch dieser Ansicht sind; auch v. Koelliker hat diese seine ursprüngliche Hypothese fallen lassen. Dagegen erscheint es nunmehr ganz sicher zu sein, dass die Muskelspindel ein sensibles Endorgan des Muskels ist. Das Verdienst, als erster energisch für diese Ansicht in die Schranken getreten zu sein, gebührt Kerschner. Doch lange vor ihm wurde dieser Gedanke schon in irgend einer Form, aber unter starker Reserve ausgesprochen. Dass die Muskelspindel mit dem Centralnervensystem in Beziehung stehen 19* 284 JULIUS BAUM, könne, wurde schon von Kühne ausgesprochen, indem er die Frage aufwirft, ob dieselben ‚Apparate mit einer noch unbe- kannten physiologischen, für den Zuckungsvorgang des Gesamt- muskels wichtigen Funktion“ sind. Mayr spricht in seiner ersten Abhandlung von der Möglichkeit, dass es sensible End- organe seien, in seiner zweiten hält er es für noch nicht so ganz sicher. Pilliet kommt infolge der Ähnlichkeit der Spin- deln mit Pacinischen Körperchen zu der Vermutung, dass es Endapparate centripetaler Nerven seien. Christomanos und Strössner bekennen sich per exclusionem zu dieser Ansicht. Diese Analogie, die Pilliet veranlasste, zu glauben, dass die Spindel ein sensibles Organ sei, wurde vorher schon von Golgi erwähnt, und in der That ist eine solche vorhanden. Beide haben konzentrisch geschichtete Scheiden, die auf die Scheide des Nerven übergehen. Bedeutend weiter noch geht die Analogie mit der Sehnenspindel, einem von Golgi ent deckten sensiblen Endorgan inder Sehne. Nach Ruffini werden die Sehnenspindeln aus zwei verschiedenen Gewebsmassen ge- bildet; die innere ist kompakt sehnig, die äussere weich binde- 'gewebig, zu eirkulären Bündeln angeordnet. Letztere bildet um erstere eine Scheide, von deren innerer Oberfläche Septa ab- gehen und die Sehnenspindel in zwei oder mehrere Abteilungen teilen. Von Ciaccio sind auch spiralig und ringförmige Endi- gungen der Sehnenspindelnerven beschrieben. Eine weiter- gehende Analogie zwischen beiden Spindeln — der Golgischen Sehnenspindel und dem Koellikerschen Organ, wie Kerschner die mehrfaserigen Muskelspindel nennt — ist kaum denkbar. (Die einfaserigen Muskelspindel der Reptilien nennt Kerschner nach ihrem Entdecker Kühnes Organe.) Wenn wir statt der kompakten Sehnenmasse die Weismannschen Fasern setzen, so kann alles übrige auch für das Koellikersche Organ gelten. Ausser dieser Analogie wurde von verschiedenen Autoren die Häufigkeit von Beziehungen der Nerven beider Organe zu Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 285 einander festgestellt. Man kann häufig von einem gemeinschaft- lichen Nervenbündel einen Teil der Fasern zum Koelliker- schen, den anderen zum Golgischen Organ gehen sehen. Ein noch innigerer Konnex wurde von Weiss und Dutil festgestellt; diese beobachteten einmal, dass eine Nervenfaser durch Teilung Endäste sowohl zu einer Muskel-, als auch einer Sehnenspindel gab. Die sensible Natur der Sehnenspindel und ihrer Nerven ist nicht zu bezweifeln; so muss daraus geschlossen werden, dass die Muskelspindel auch von sensiblen Nerven versorgt wird, dass also auch sie ein sensibles Organ ist. Für diese Bedeutung muss vor allem auch geltend gemacht werden, dass die Muskelspindel in einigen Muskelgruppen kon- stant vorkommt, wie wir sehen werden, in anderen dagegen nie beobachtet wird. Wäre die Spindel ein Regenerationsorgan für neue Fasern, so wäre ein solches Verhalten nicht erklärlich. Kerschner machte nun zuerst die Beobachtung, dass die Nerven der Spindel nicht einheitlicher Natur sind. Er fand den Unterschied in der Bedeutung der beiden Arten; indem er die dünnen Nervenfasern mit motorischen Endplatten auf den Weismannschen Fasern enden sah. Da die dieken Nerven- fasern der Spindel sich grundsätzlich anders verhalten, nahm er an, dass sie nicht motorische Nerven sind, wofür man sie vorher stets gehalten hatte, sondern sensible. Die doppelte Nervenversorgung fand Kerschner auch an den einfaserigen Reptilienspindeln. Fernerhin wurde z. B. von Cipollone be- obachtet, dass ein Bündel motorischer Nerven seine Äste gleich- zeitig zur Muskelspindel und zu gewöhnlichen Muskelfasern abgiebt. Ramon y Cajal hat die motorischen Endplatten der Muskel- spindeln schon lange gesehen, er behauptet, wie mir Herr von Koelliker sagte, als erster dieselben beobachtet zu haben, doch habe ich darüber nirgends eine Erwähnung gefunden, was wohl 986 JULIUS BAUM, in der schweren Zugänglichkeit der spanischen Litteratur seinen Grund hat. An diese Beobachtungen schloss nun Sherrington seine Untersuchungen; er brachte den experimentellen Beweis der sensiblen Natur der dieken Spindelnerven. Er ging hierbei von folgendem Gedankengang aus: Sind die Spindelnerven motorisch, dann müssen sie bei Durchschneidung der vorderen Wurzeln degenerieren nach dem von Waller erkannten Prinzip, dass eine Nervenfaser, die von ihrer Ganglienzelle getrennt ist, der Degeneration anheimfällt. Bleiben sie erhalten, dann ist es be- wiesen, dass diese Nerven nicht motorisch sind. Sherrington durchschnitt beim Affen und der Katze die vorderen Wurzeln der 6—7 Nerven, welche die hintere Extremität versorgen; nach Ablauf einer Zeit von 3—8 Wochen untersuchte er die Nervenstämme, die zum Muse. tibialis posticus und zum äusseren Kopf des Gastroenemius verlaufen. Er fand hierbei viele Fasern unversehrt, wodurch zunächst die Existenz von nicht motorischen Nervenfasern im Muskel überhaupt bewiesen war. Es waren zwei Möglichkeiten gegeben, entweder stammten diese gesund gebliebenen Nerven vom Sympathicus oder von den Spinal- ganglien. Er durchschnitt, um dies zu entscheiden, den ganzen N. ischiadicus, und fand darauf alle Nerven degeneriert. Also war die Herkunft dieser Fasern vom Sympathicus ausgeschlossen. Als er nun die nach der Durchschneidung der vorderen Wurzeln intakt gebliebenen Nerven auf ihren Bahnen weiter verfolgte, fand er, dass zwei Drittel derselben in den Muskel- spindeln endigte. Und zwar fand er stets die oben erwähnten dicken Nerven von 7—18 u Durchmesser unversehrt. Damit war der strikte Beweis erbracht, dass die dicken Nervenfasern der Muskeispindel sensibler Natur sind. Von anderen Nervenfasern, die Degenerationszeichen auf- gewiesen hätten, wie man es erwarten könnte nach Durchschnei- dung der motorischen Wurzeln, falls die Muskelspindel auch Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 287 von letzteren versorgt wird, fand er nichts. Er nahm daher an, dass es nicht bewiesen sei, dass die dünnen Nervenfasern motorisch sind, und dass dieselben entweder auch sensibel sind oder gar nicht zur Spindel verlaufen. Trotzdem leugnete er nicht, dass solehe motorische Fasern in der Spindel vorkommen könnten. Die Muskelfasern derselben fand Sherrington nach Ablauf von 5 Monaten nach der Durchschneidung der Nerven noch unverändert, nur im Scheidenraum fand er Fett entweder frei oder in Zellen, was er normal nie sah. Aus diesem Ver- halten war also der Einfluss der Durchschneidung des moto- rischen Nerven nicht zu erkennen; Sherrington nahm an, dass der Wachstumsreiz und der trophische Reiz, der auf die Spindel einwirkt, nicht von motorischen Nerven beeinflusst sei, sondern mechanischer Natur sei. Die Resultate Sherringtons wurden korrigiert, bezw. er- gänzt durch den experimentellen Nachweis Cipollones, dass die dünnen Nervenfasern der Muskelspindeln wirklich motorisch sind und damit wurde die Kette der Beweise für die verschiedene Natur der Spindelnerven geschlossen. Cipollone fand, dass Sherrington deswegen keine Degeneration der motorischen Nerven gefunden hatte, weil er zu lange Zeit nach der Durchschneidung der motorischen Nerven verstreichen liess, bis er danach suchte, da die Endigungen der letzteren sehr schnell degenerieren. In 5—7 Tagen nach der Durchschneidung muss man danach suchen, während Sherrington 3—8 Wochen wartete. Schon nach 10 Tagen ist es schwer möglich, sich nur von der Existenz dieser degenerierten motorischen Endigungen zu überzeugen, nach 3—8 Wochen nicht mehr. Cipollone gelang es, mit Sicherheit die Dege- neration der motorischen Endplatten nachzuweisen. Auch aus der Pathologie suchte man Thatsachen für die Erklärung der Muskelspindel zu gewinnen. Dabei hat sich wenig ergeben, was nicht schon aus dem physiologischen Experiment 288 JULIUS BAUM, hervorging. Die Untersuchungen von pathologisch veränderten Muskeln in Bezug auf die Muskelspindeln sind nicht sehr reich- lich, und selbst diese sind ziemlich mangelhaft und oft nur ge- eignet, falsche Vorstellungen hervorzurufen. Abgesehen von der mangelnden Einheitlichkeit der Nomenklatur fehlt vor allem bei den meisten die Angabe über Zeitdauer der Erkrankung; dies ist wesentlich für den Zustand, in welchem man die Muskel- spindel antrifft. Man erwartete bei verschiedenen Muskelerkran- kungen Mitbeteiligung der Spindeln. Die Veränderungen, die man aber bisher fand, beziehen sich nur auf das Verhalten des Scheidenhohlraumes; von einer Atrophie der Weismannschen Fasern ist nichts beobachtet worden. Dazu haben vielleicht die verschiedenen krankhaften Prozesse nicht lange genug bestanden. Aus den Untersuchungen von Salvioli wissen wir, dass, je grösser in einem Organ des Stoffwechsel ist, desto schneller eine Atrophie oder Hypertrophie eintritt. Dieser Stoffwechsel ist bei den gewöhnlichen, Arbeit leistenden Muskelfasern bekannt- lich sehr bedeutend, besonders bei der Aktivitätshypertrophie. Da die Spindelfasern nicht hypertrophieren können, selbst nicht bei Hypertrophie der übrigen Muskelfasern, müssen wir bei ihnen einen langsamen Stoffwechsel voraussetzen. Es braucht uns dann auch nicht zu wundern, wenn die Weismannschen Fasern keine Zeichen der Atroph'e zeigen, während die übrigen Muskelfaser stark atrophiert sind. Horsley fand bei hochgradiger Atrophie der Muskeln in- folge Durchschneidung — ich will diese Beobachtungen denen an kranken Muskeln zurechnen — die Weismannschen Fasern normal, doch den Scheidenhohlraum geschrumpft. Diese Schrum- pfung soll schon vom 70. Tag an auftreten. Forster fand bei einem Fall von Myelitis, in welchem die Lähmung schon ein Jahr dauerte, die Muskelspindeln ganz normal. Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 289 Langhans beobachtete bei Kretinen an den Muskelspin- deln drei Veränderungen: 1. hochgradige Aufblätterung der Scheide, sodass der centrale Lymphraum ganz in den Spalten zwischen den Lamellen aufgeht; 2. körnige Ausscheidungen von Mucin, besonders an der Innenfläche des Perineuriums; 3. starke Zunahme des Bindegewebes zwischen Muskel und Nerven. Spiller fand bei Dystrophia muscularis keine Veränderung an den Muskelspindeln. Auch Santesson fand bei dieser Krankheit nichts Abnormes an denselben. Grünbaum beschreibt dieselben bei „Pseudohypertrophie Paralysis“ folgendermassen: Die Muskelspindeln waren meist unverändert, aber in wenigen war eine Abnahme in der Faser- dicke einer Weismannschen Faser, daherum eine Ablagerung von hyalinem Material. Die Nerven waren offenbar gesund. Inwie- weit man auf diese Abnahme der Faserdicke bauen kann, weiss ich nicht. Grünbaum giebt in seiner Arbeit keine Zahlen, noch giebt er die Methode an, nach welcher er die Resultate gewonnen hat. Batten fand bei infantiler Paralyse, Myopathia, und bei einer nicht hochgradigen peripheren Neuritis keine Veränderung, ebensowenig bei progressiver Muskelatrophie; bei einem Fall von Tabes fand er keine Veränderung der Weismannschen Fasern, dagegen der sensiblen Nervenendverästelung im Muskel, während diese sensible Faser im übrigen Verlauf normal schien. Wie hat man sich nun nach dem Stand unserer anatomi- schen Kenntnisse den Mechanismus der Spindel vorzustellen ? Sherrington nimmt an, dass ein mechanischer Reiz in. der Form eines Druckes der umgebenden Muskelfasern auf die Scheide zur Erregung der Spindelnerven nötig sei. Ähnlich denkt sich Langhans den Mechanismus. Nach seiner Annahme sind die wechselnden Druckverhältnisse der Lymphe der Reiz für die in ihr enthaltenen Muskelfasern und deren sensible Nerven; dieser Wechsel sei bedingt durch die verschieden starke Kon- 290 JULIUS BAUM, traktion des Muskels, bei welcher sich auch die Spindel ver- kürzen und der Kugelgestalt zustreben würde. Zur Stütze dieser Ansicht von der mechanischen Erregbar- keit der Muskelspindeln durch Druckschwankungen in derselben führt Sherrington folgendes Experiment an: Wenn er einen Muskel von seinem Ansatz an der Sehne lospräparierte, ihn mit seinem Nerven in Zusammenhang liess, und nun einen Druck oder Zug auf den Muskel ausübte, so traten centripetale Impulse im Sinn einer Kontraktion der Antagonisten ein. Er nahm an, dass mit der Abtrennung der Sehne von dem Muskel die Sehnen- Spindeln ausgeschaltet seien und also nur auf die Muskelspin- deln diese centripetale Erregung ausgeübt werde. Dieses Ex- periment ist schon deshalb nicht überzeugend genug, da, worauf Cipollone hinweist, mit der Wegnahme der Endsehne die Sehnenspindeln durchaus nicht entfernt sind; denn diese kommen auch in den Zwischensehnen vor. Diese Hypothese hatte viel Wahrscheinlichkeit für sich, solange man von dem Vorhanden- sein der motorischen Endigungen in der Spindel nichts wusste oder deren Vorhandensein zum mindesten bezweifelte. Cipollone nimmt nicht eine Erregung der Muskelspindel durch den Druck von seiten der umgebenden Muskelfasern an, sondern dadurch, dass die Weismannsche Faser vermöge ihrer motorischen Innervation sich kontrahiert und den sensiblen Apparat dadurch in Gang setzt. Wenn er dies auch für den normalen Modus hält, giebt er doch zu dass bei Zug oder Druck auf den Muskel der von Sherrington beschriebene Modus möglich sei. Ich glaube, dass dies nicht richtig ist. Diese Ansicht geht von der Annahme aus, dass durch die Scheide bei Druck oder Zug ein gleich- mässiger Druck sich durch den flüssigen Inhalt der Scheide fortpflanze; sondern ich glaube im Gegenteil, dass die Scheide nur dazu da ist, um den Nervenapparat möglichst unabhängig zu machen von dem Einfluss der Umgebung. Dafür spricht mir, dass ich die Scheide, wenn sie einer Sehne anliegt, dicker fand Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 291 wie gewöhnlich. Es wäre auch unwahrscheinlich, wie der Nerven- apparat der Spindel immer in gleicher Weise funktionieren könnte, wenn der Druck von aussen die erregende Ursache ist, da dieses Organ bald im Perimysium, bald in einem Muskel- bündeleinschnitt, bald unter der Sehne liegt. Die Scheide ist also nicht dazu da, den Druck von aussen zu übermitteln, son- dern denselben abzuwehren, sie ist nötig, wenn das Organ an beliebiger Stelle gleich wirken soll. In letzter Instanz ist die Erregung der sensiblen Spindel- nerven doch eine mechanische, bedingt durch den Druck der sich bei der Kontraktion höchst wahrscheinlich verdickenden Weismannschen Faser auf den herumgeschlungenen Nerven. Dass die Weismannschen Fasern sich wirklich verkürzen bei der Muskelkontraktion, glaube ich daraus schliessen zu können, dass dieselben bei kontrahiertem Muskel, d. h. einem Muskel, den man in zuckungsfähigen Zustand in die Konservierungs- flüssigkeit wirft, ohne für die Erhaltung seiner Länge zu sorgen, — denselben Verlauf im Verhältnis zu den anderen Fasern nehmen. Betreffs der Erregung der sensiblen Nerven der Muskel- spindel war ich anfangs anderer Ansicht und ich möchte diesen Gedanken, da er mir nicht so fern zu liegen scheint, nicht ver- schweigen. Bei Erwägung des komplizierten Endapparates der sensiblen Nerven kam ich auf die Idee, ob der Reiz, welcher die sensiblen Fasern in Thätigkeit setzt, nicht elektrischer Art sei. Dazu drängt mich die überraschende Ähnlichkeit der Spindel mit dem Induktionsapparat. Wir haben erstens einen primären Strom, der von der motorischen Faser ausgeht bei der Kontrak- tion des Muskels und sich auf die Weismannsche Faser fort- pflanzt. Um den Träger des primären Stromes, d. h. die Muskel- faser, ist das spiralige Ende des sensiblen Nerven mit seinen Windungen herumgeschlungen, wie die sekundäre Spirale. Kurz ich glaubte, dass die Muskelspindel einen kleinen Induktions- 292 JULIUS BAUM, apparat darstelle, der die geringsten Stromschwankungen anzeigt. Ich halte diese Annahme, obgleich sie denkbar wäre, für zu ge- wagt, da unsere physiologischen Kenntnisse in diesem Punkt nicht ausreichen, um diese Annahme nicht aufrecht zu halten, und möchte als wahrscheinlichere Mechanik dieses Sinnesorgans die vorher besprochene gelten lassen. Welches ist nun eigentlich die Aufgabe unseres sensiblen Organes, was für ein Gefühl wird durch die Muskelspindeln dem Öentralorgan zugetragen? Es ist zunächst von vornherein möglich zu behaupten, dass die Muskelspindel das Organ eines Gefühles ist, welches im Muskel seinen Ursprung nimmt. Aber welche von den -ver- schiedenen Sinnesleistungen, die wir unter Muskelgefühl zu- sammenfassen, ist die Domäne der Muskelspindeln? Kerschner machte es sich leicht, indem er behauptete, dass die Muskel- spindeln „dem‘ Muskelsinn dienen. Nach der Einteilung Ruffinis (49) möchte auch ich fol- gende drei Unterarten des Muskelsinnes annehmen: 1. das Ge- fühl der Stärke der Muskelkontraktion —= Kraftsinn; 2. das Gefühl, in welcher Lage sich die Muskeln befinden = Koordi- nationssinn; 3. das Gefühl der.Belastung eines Muskels, d. h. des Druckes, der auf denselben ausgeübt wird = Drucksinn. Welche Organe stehen aber dem Muskel zur Verfügung für diese Sinne? Das sind, wie Ruffini sagt, auch drei: 1. die Pacinischen Körperchen; 2. die Muskelspindeln; 3. die Sehnenspindeln. Es liegt daher nahe, mit Ruffini anzunehmen, dass zu jedem der drei Sinne eine der drei verschiedenen sensiblen Terminalorgane gehört. Bisher sind über die spezielle Bedeutung der Muskelspindeln vier verschiedene Ansichten geäussert worden.) Sherrington behauptet, dass die Muskelspindeln wichtig seien für das Zustandekommen der Muskel-Sehnenreflexe. Dies Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 295 begründet er folgendermassen. Er nimmt an, dass die Muskel- spindeln speziell in der Nähe der Aponeurosen uud Fascien häufig sind, so z. B. auch in der Nähe der Aponeurose des Vastus medialis. Entfernte er diese Aponeurose, so war der Patellarsehnenreflex unwiderruflich verloren. Durch die Weg- nahme der Aponeurose würden eben die Muskelspindeln mit entfernt; dadurch sei die Möglichkeit des Reflexes aufgehoben. Weiss und Dutil (62), welche die früher schon erwähnte Beobachtung gemacht haben, dass eine Nervenfaser sich zu einer Muskel- und einer Sehnenspindel verzweigte, nahmen daraus die Gleichwertigkeit beider Organe an, welche dem Muskelsinn dienen würden. Cipollone (14), der die dritte Hypothese aufstellte, nimmt an, dass die Muskelspindeln uns in den Stand setzen, den Grad der Muskelkontraktion zu messen; während das Golgische Organ die harmonische Funktion der Antagonisten regle. Diese Bedeutung der Muskelspindeln schloss er aus dem konstanten Fehlen derselben in den mimischen Gesichtsmuskeln, in den Muskeln, welche den Augapfel bewegen, in denen des Kehl- kopfes und des Zwerchfells, also in den Muskeln, bei denen wir nicht das Gefühl des Grades der Kontraktion haben, wenn sie in Thätigkeit treten. Dagegen hält er für die Bedeutung der Sehnenspindeln, der Koordination zu dienen, weil gerade in den- jenigen Muskeln, in denen die Koordination sehr fein ist, nämlich in den Augenmuskeln, Sehnenspindeln gefunden werden und Muskelspindeln fehlen. - Es scheint, dass diese Arbeit Cipollones (15), welche im Mai 1898 erschien, Ruffini, der im Dezember 1898 seine dies- bezügliche (49) Arbeit erscheinen liess, unbekannt blieb. Ruffini (49) nimmt an, dass die Pacinischen Körperchen dem Drucksinn dienen; bezüglich der Muskel- und Sehnenspindel äussert er gerade das Gegenteil von Cipollones Ansicht. Was der eine der Muskelspindel zuschreibt, hält der andere für eine 294 JULIUS BAUM, Funktion der Sehnenspindel und umgekehrt. Ruffini stützt sich bei seiner Deutung der zwei Spindeln auf die Lokalisation derselben in den Muskeln, indem er nach Ciaccios (13) Unter- suchungen annimmt, dass das Koellikersche Organ in den Muskeln, die ausgiebige Arbeit leisten, selten sind, während gerade in den letzteren das Golgische Organ häufig sei. Zunächst muss ich nun sagen, dass Ruffinis Deutung der Pacinischen Körperchen wahrscheinlich ist. Ich habe auf dieselben meine Aufmerksamkeit nicht gerichtet, fand sie jedoch manchmal zufällig in Serienschnitten in der Nähe des Knochens, manchmal in doppelter Anzahl beisammen, am Unterschenkel der Maus. Ich glaube auch, dass sie dem Drucksinn dienen, da sie auch an anderen Stellen des Körpers vorkommen und uns wahrscheinlich auch hier den auf der betreffenden Körper- stelle lastenden Druck anzeigen. Dazu ist das Pacinische Körperchen durch seine Lage im Muskel in der Nähe des Knochens besonders geeignet, indem es eben gegen den Knochen als feste Unterlage gedrückt wird. Was bedeuten jedoch die beiden anderen Organe? Sherrington gründet, wie wir sehen, seine Ansicht auf die Lagebeziehung der Muskelspindeln zu den oberflächlichen Sehnen und Fascien. Seine Angaben stimmen in dieser Behaup- tung, dass die Muskelspindeln besonders häufig in der Nähe der Sehnen und Fascien vorkommen, überein mit denjenigen anderer, welche sich vorzugsweise mit den Nervenendigungen in der Sehne beschäftigt haben, wie Golgi (25), Cattaneo (11), Weiss und Dutil (63) und hier die Muskelspindeln häufig trafen. Dies ist jedoch durchaus nicht eine besonders bevor- zugte Stelle. Ich fand in meinen zahlreichen Schnittpräparaten, dass die Muskelspindeln sehr häufig im Innern des Muskel- bauches sind, wie auch Ruffini (49) und Batten (5) erwähnen. Wenn man von der Zahl der in einem Muskel vorkommenden Muskelspindeln eine schnelle Übersicht gewinnen will, so muss Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 295 man vor allem durch die dickste Stelle des Muskelbauches einen Querschnitt legen. Es scheint auf eine gewisse Zahl von Muskel- fasern in diesen Muskeln eine Muskelspindel zu treffen; je grösser der Querschnitt, desto grösser die Zahl der Spindeln. Sherringtons Experiment ist daher für seine Ansicht durchaus nicht beweisend. Es erscheint viel wahrscheinlicher, dass er durch seine Operation die Thätigkeit der Sehnenspindel grösstenteils ausgeschaltet hat. Auch die Ansicht von Weiss und Dutil ist mir unwahr- scheinlich. Soweit unsere Kenntnis über sensible Endorgane reicht, müssen wir wohl annehmen, dass jedes derselben eine genau von der anderen zu unterscheidende Funktion hat. Wir werden daher bei einem so hoch entwickelten und komplizierten Sinnesorgan, wie es die Muskelspindel ist, nicht annehmen, dass es dieselbe Funktion hat, wie die Sehnenspindel, trotz der weit- gehenden Analogie ihrer Konstruktion. Die Beobachtung dieser Autoren steht ganz vereinzelt da; es dürfte daher nicht ange- bracht sein, darauf eine Hypothese aufzubauen. Denn ange- nommen, dass die Beobachtung zu Recht besteht, so könnte es eine Anomalie sein, da es sonst noch nicht beobachtet ist. Ferner wäre es nicht ausgeschlossen, dass beide Teilstücke in der gemeinsamen Faser trotzdem getrennte Leitungen haben. Hierüber ist in der Physiologie nichts bekannt. Der schwerste Grund gegen diese Hypothese liegt aber in der verschieden- artigen Lokalisation der beiden Organe, was wir noch eingehend besprechen müssen. Die Lokalisation ist allein entscheidend für die Bedeutung derselben. Durch verschiedene Beobachter ist mit der Zeit festgestellt worden, dass die Muskelspindeln nicht in allen Muskeln vor- kommen, dass sie in gewissen Muskelgruppen konstant fehlen. Letzteres fand man in den mimischen Muskeln des Gesichts, in den Augenmuskeln, in der Zunge, im Larynx und im Zwerch- fell. Dagegen hatte man diese Spindeln in anderen Muskeln 296 JULIUS BAUM, wieder besonders häufig gefunden, wie in den Lumbricales und Interossei. Diese Verhältnisse habe ich etwas genauer berücksichtigt. Ich zerlegte zu diesem Zweck die Muskeln, die ich in diesem Sinn untersuchte, in Serienschnitte, von denen ich jeden halben Millimeter einen aufbewahrte.e Da die Muskelspindeln des Menschen mindestens 1 mm, gewöhnlich jedoch 2—10 mm lang sind, konnte mir auf diese Weise keine entgehen. Beim Frosch, von dem ich fast sämtliche Muskeln der hinteren Extremität und sehr viele Muskeln der übrigen Körperteile auf diese Weise untersuchte, indem ich jeden Viertel-Millimeter einen Schnitt einlegte, ist diese Methode, da die Länge der Spindeln etwa !/s mm beträgt, nicht absolut gewissenhaft, wenn es sich um ein negatives Resultat, d. h. das Fehlen von Muskelspindeln in Präparaten handelt; immerhin müssen sie gefunden werden, wenn sie irgendwie in grösserer Zahl vorhanden sind. Ich kann das Fehlen der Muskelspindeln in den oben an- geführten Muskeln bestätigen; ebenso fehlen sie beim Menschen im Laryngopharyngeus, in den Ohrmuskeln, den M. ischio- cavernosus, bulbocavernosus. Andererseits fand ich sie regel- mässig in den grossen Extremitätenmuskeln, besonders häufig im Biceps, in den Kaumuskeln, vorhanden sind sie auch in den Intercostales, in den oberflächlichen Halsmuskeln, wie Sterno- cleidomastoideus und Sternothyreoideus. Die Spindeln fehlen ferner stets in beiden Bäuchen des Biventer mandibulae und im Stylohyoideus. Beim Frosch fand ich die Muskelspindeln in allen Muskeln des Oberschenkels, in den Kaumuskeln = temporalis und Masseter maior (Bezeichnungnach Ecker-Gaupp, Anatomie des Frosches), während sie z. B. im Depressor mandibulae fehlten. Auch in den kleinen Zehenmuskeln waren sie häufig. Aus diesem Befund ergiebt sich, dass Ruffinis Behaup- tung nicht richtig sein kann. Würden die Muskelspindeln die Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 297 Koordination regeln, so müsste man sie in den Augenmuskeln finden; was aber nicht der Fall ist. Dagegen kommen in diesen Muskeln, wie es scheint, stets Sehnenspindeln vor. Diese sind daher mit viel mehr Wahrscheinlichkeit für die koordinierte Bewegung als bedeutungsvoll anzusehen. Die Mechanik der Sehnenspindeln ist unstreitig so zu deuten, dass die Sehne, an welcher der sensible Nerv endigt, gedehnt wird, sei es durch Kontraktion der mit ihr verbundenen Muskel- fasern, sei es durch die Kontraktion der Antagonisten, wodurch der die Sehnenspinde] enthaltende Muskel in toto gedehnt wird. Durch die Dehnung der Sehne wird dann auch der Nerv gedehnt. Während also die physiologische Funktion der Sehnen- spindel darin besteht, dass wir durch dieselbe über die Lage- beziehungen der Muskel und damit über die Koordination der Bewegungen unterrichtet werden, scheint es auch das Organ zu sein, durch dessen Reizung d.h. Dehnung auf mechanische Eingriffe die Sehnenreflexe entstehen, wie dies auch Cipollone behauptet. Die Muskelspindeln finden sich besonders in den Muskeln, in denen wir über das Mass der angewandten Kraft genau unter- richtet seit müssen, also vor allem in denjenigen, deren Funk- tion in Überwindung variabler Widerstände beruht. Dahin ge- hören also die Extremitätenmuskeln; die Interkostalmuskeln, welche der forcierten Atmung dienen, die Kaumuskeln, der Buceinator. Sie fehlen dagegen in denjenigen Muskeln, wie mir scheint, welchen stets nur ein gleichgrosser Widerstand entgegen. gesetzt wird, oder denjenigen, welche eine automatische Thätigkeit haben. Die Augenmuskel z. B. bewegen nur das Auge und keine sonstige variable Grösse, das Zwerchfell dient der nor- malen Respiration, die eine konstante Grösse ist etc. Besonders charakteristisch scheint mir das Verhalten der Muskeln, welche den Unterkiefer bewegen. Während die Kaumuskeln variable Widerstände zu überwinden haben je nach Art des einge- Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIIXLII. Heft (13 Bd. H. 23) 20 298 JULIUS BAUM, führten Bissens, haben die Öffner des Unterkiefers eben immer nur die konstante Grösse des Unterkiefers zu bewegen. Masseter und Pterygoidei des Menschen und Temporalis und Masseter major des Frosches haben zahlreiche Muskelspindeln; Biventer mandibulae beim Menschen (und Kaninchen) und Depressor mandibulae beim Frosch haben sie nicht. Da die Muskelspindeln also in den Muskeln vorkommen, die wir beliebig stark anspannen zur Überwindung variabler Widerstände, scheint es mir höchst wahrscheinlich, dass die Muskelspindeln nur das Mass der angewandten Kraft anzeigen. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die Muskel- spindeln wahrscheinlich dem Kraftsinne, die Sehnenspindeln der Orientierung über die Lagebeziehung der Muskeln d. h. dem Koordinationssinne dienen. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass ich eine Zeit lang an einen Zusammenhang zwischen Faserdicke der Muskeln, und Vorkommen von Muskelspindeln glaubte. Veranlassung dazu gab die Arbeit von Schwalbe und Mayeda „Über Kaliber- verhältnisse der quergestreiften Muskelfasern des Menschen“. Meine Messungen von menschlichen Muskelfasern decken sich so ziemlich mit den von Schwalbe und Mayeda angegebenen Werten. In einer Tabelle ihrer Arbeit, die nach dem Maximum der Faserdicken geordnet ist, fand ich, dass gerade solche Muskeln, die keine Muskelspindeln haben, die geringsten Faserdicken- maxima haben. Wenn ich mit der Tabelle von hinten beginne, so kommt mit dem kleinsten Maximum der Faserdicke der M. obliquus oculi inf.; dann superior, Rectus sup., internus, inferior, externus, Auricularis posterior, Levator palpebrae superi- oris, Thyreohyoideus, Zygomaticus minor. Die bisher genannten Muskeln enthalten keine Muskelspindeln. Dann folgen die üb- rigen Muskeln, welche in Bezug auf das Vorhandensein von Muskelspindeln in bunter Reihe durcheinander kommen und Beiträge zur Kenntnis der Muskelspindeln. 299 zwar so, dass auch Muskeln mit sehr dieken Muskelfasern zu denen rechnen, in welchen sich keine Muskelspindeln finden, wie z. B. der M. cricoarytaenoideus posticus und cricothyreoideus. Letztere Muskeln zeichnen sich jedoch durch eine mehr als gewöhnliche Variabilität der Faserdicke aus. In den Mm. crieothyreoideus, hyothyreoideus, laryngo- pharyngeus, welche keine Muskelspindeln haben, fand ich ferner verschiedentlich Muskelfasern mit eigentümlicher Lagerung der Kerne, die ich bisher nirgends beschrieben fand. Am charak- teristischsten ist die Faser aus dem M. cricothyreoideus, welche Taf. XIII/XIV, Fig. 9 wiedergiebt. Man sieht eine Muskelfaser mit deutlicher Querstreifung. Die Faser ist 25 « dick. Zwischen Sarcolemm und fibrillärer Substanz liegen innerhalb stärkerer Sarkoplasmaanhäufungen zwei Reihen rundlicher Kerne von 3—4 u Grösse mit deutlichen Kernkörperchen ohne Karyokinese. Die Kerne stehen hinter einander in einer Distanz von 2—4 u. Andere Muskelkerne fehlen. Bei den gleichnamigen Muskeln vom Kaninchen sind mir solche Kernreihen in den Serien- schnitten nicht begegnet. 20* 10. 11. 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Erklärung der Tafeln. Tafel XIXTT. Fig. 1—10. Omohyoideus eines neugeborenen Kindes. Querschnitte aus einer Serie. Müllersche Flüssigkeit. Hämatoxylin-Eosin. Schnittdicke 10 u. Jeder 5. Schnitt aufbewahrt. A, B, ©, D Muskelbündel; zwischen diesen die Muskelspindel mit Scheide 8 und axialer Scheide S‘. G. —= Blutgefäss. 1. (29. Schnitt d. Serie) zeigt den Querschnitt der Muskelspindel etwa dem Äquator entsprechend. Dieselbe enthält drei Weismannsche Fasern mit cen- tralen Kernen; die deutlich ausgeprägte Scheide (S) ist weit; um die einzelnen Fasern die axiale Scheide (S‘). In den folgenden Schnitten 2 (= 37. Schnitt), 3 (= 38. Schnitt), 4 (= 39. Schnitt) verschwindet die Scheide immer mehr und nur aus der Serie, und aus der Lage zu den Muskelbündeln A, B, C, D ist ersichtlich, dass es der Pol der Muskelspindel ist. In Fig. 5 (47. Schnitt) ist von der Scheide nichts mehr zu sehen. In den folgenden Schnitten 6 (= 59. Schnitt), 7 (= 60. Schnitt), 8 (= 67.) tritt die Umhüllung der Fasern mit Bindegewebe wieder auf. Die Muskelfasern der Spindel haben an Zahl zugenommen, sei es durch Teilung, sei es durch Abzweigung von Fasern der umgebenden Muskelbündel. In den Figg. 9 (69. Schn.) und 10 (= 73. Schnitt) ist wieder der typische Querschnitt einer Muskelspindel. Es geht also aus der ersten Muskelspindel, welche im ganzen 700 uw lang ist, nach einem Verlauf, der Fasern dieser Spindel ohne Scheide von 1500 u, aus diesen Fasern eine 2. Spindel hervor, welche etwa 1950 u lang ist. Fig. 11. M. interosseus des Maulwurfes. Längsschnitt aus einer Serie von 10—15 «. Müllersche Flüssigkeit, Paraffın, Hämatoxylin-Kosin. A und B sind zwei Muskelfasern; zwischen diesen die Muskelspindel, be- stehend aus der Scheide S, axialer Scheide = S‘ und drei Weismannschen Anatomische Hefle I.Abtheilung SINKT Heft (BBAH2) TeteLAV. N L BROS UN uf nr et, “- Kgl. Univers-Druckerei v. H.Stüntz „Würzburg. Verlag von J.Beramann ‚Wiesbaden Anatomische Hefte I-Abtkalung ALU/XTULHeft (8BAH23) Titel. ne; Kgl. Univers Druckerei v. H.Stürtz ‚Würzburg. ; Verlag von J. Bergmann ‚Wiesbaden. Anatom. Hefte. I. Abteilung. XLII. Heft (13. Bd. H. 2/3). Taf. XVIl. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden. ö EL Fl a r Zu ’ 5 it PT 305 Fasern (a, b, c). Der Äquator der Faser c fehlt auf diesem Schnitt. Der Äquator der Faser a ist nicht ganz zu zeichnen, weil er von der Faser b zum Teil bedeckt; und nur die Faser b ist ganz gezeichnet. Man sieht die Kern- anbäufung am Äquator der Spindel: die Kerne sind rundlich, liegen einander dicht an, es ist kein Sarkoplasma hier vorhanden, ebenso fehlen die gewöhn- Jichen länglichen Muskelkerne. Nirgends Karyokinese. Nach den Polen werden die Kerne allmählich immer mehr länglich. Hier sind die Weismannschen Fasern deutlich quergestreift; die Streifen stehen weiter auseinander als bei den gewöhnlichen Muskelfasern A. und B. Am Äquator besonders links sehr deutlich die Axialscheide S‘ mit langen, schmalen Kernen. Dieselbe verschmilzt nicht mit dem Sarkolemm der Weismannschen Fasern. Tafel XII/XIV. Fig. 1—8: M. interosseus eines Igels. Querschnitte aus einer Serie a 10 u. Zwischen 1. und 2. Bild sind 5 Schnitte weggelassen, zwischen 2. und 3. Bild 1. Die Schnitte zeigen zwei Muskelspindeln A und B. Beide Spindeln haben drei Weismannsche Fasern. In der Figur 7 inseriert die Faser b der Spindel A an der Scheide. In Fig. 8 ist dieselbe nicht mehr vorhanden. Die Faserzahl der Spindel B bleibt konstant nach dem Ursprung und Ende der Fasern hin. Die Scheide der Spindel A verschmilzt von Fig. 2 an immer mehr mit dem Perimysium internum. Fig. 9. Eine Muskelfaser aus dem M. cricothyreoideus eines Erwachsenen. Dieke der Faser — 25 u. Zwischen Sarkolemm (sl) und fibrillärer Substanz 2 Reihen runder Kerne mit Kernkörperchen ohne Karyokinese. (Querstreifung deutlich, die gewöhnlichen Muskelkerne fehlen. er Aniedna PR AR Ha 4 } b ai re dr sohlmor ». hey. esta par ho En va ai idea au ’ deusdoissag Buey. te re ie nn f hei sageıl ‚desbey: biis druH 'aih eiabalgs ‚ob 1alsund, ET =. inläwag ih saldst oansde aabeediör al 'umanlgodıaf'o ah dei Pe i er u nahe led unb He andere un un Mais AR tiaıbikamd aad5ı Be sadasa memeia Wo: Sale zeit ‚ital la Yainiek "salderulle an Ai "ind ale Aafıtzemiaune EL TEn ifo in malerıt® Si :Ahistkzoy wu, Alan. > T ydea zıaif roh nl Äh f "Bw. ‚A BER Hund lmlimeg nal; Re 3% 7 5 ‚ Rlimherer ailoenitl ge nölachte ungut hin Ach loalate A ad ak) 5 12 12 f ” r ö Ze . ie Fr 2 Au rare # sb um ei ur: u ul KR ac ea ah a De a j %. IE L PR “ Me Be ET A N y- £ yes j 25 h Kr = x ee rn 3 et Bi u . er IZUNE ia1 PU u NE 2 Pe ee I or Rn dl, 8 ara yore Dunn ale Zr Aleyh, sis ae fü Me SR Br or a Di: «B hp RM aadsaiw.x. ‚nutanlost a EST de a huhs BuH.z he u: E IF Agie2 i r ade niohuig® shindl, Kiaek eig WR we) ja A Et ” A Iobuiga 1sh.d al ach Framoärl Tray), sah ia ER PRITE SITE . He a ihres rot Air Ya ‚leasib tet.’ Frihe FERN. 15 73, 07 # IX Er; a sad ah aha hun: BE IF an nat. Inden Afefet 7 Erfloiaı En dat jan ma 8 MA un Yahadamıart A einig Wi ne Ve] F 2 E, f £ PR fen R " T » 7 # e F - nase. EUR Baus Byabiaeselionnis M nusb ars An rmaserted wehrt her Tr inte u y a anrkientarasch ‚saetderteh sade sudaragndir? Io Arial ‘ “Tr ©; f i 1 > 8 > B “ j f Er 22 Beh hg Sn ’ A \ Aa u LU = ’ - ee Fr En 8 —— a E » . _ ° , 2 we ie - 2) gi ,.% = F Le is 2 5 % ü = aa ÜBER DEN BAU UND DIE ENTWICKELUNG DES ELASTISCHEN GEWEBES IN DER LUNGE. VON DR. PAUL LINSER, ASSISTENZARZT DER CHIRURG. KLINIK ZU TÜBINGEN Mit 3 Tafeln. For ka,a van. lt BR ih 3 VIER P * DNU.IOIWTMA Da Nu UA | a A he En wg a = ES a: Ba a EN fe i Fr ne wlhrt Ge > nei Iris Au ih. Ka Bat ee a ee ER Ben Dre ar, Au Ya EN rs | ah, u "r we BIENE: aut Arabah ud De nr | au S: © 3 Gall 23839 Male Tan un Y RT, Dur ae aa. FRE ae Be u NT r Jap a rt ee a A Fi he ns WER IE R De; =. 1% v 1, ö N z 0 . 2 asiwask D) , i Mrz INIWLZ I jr = D - BF) “ a : 5 j Inne, es 8‘ ur Pr » 4 5 2 A n i REF - + ur E Far a ® ey. re Te 7 > Er a ii Ü en 2. or f Pur or - > re, ae ee uRE I wur ” we SUDAN N TE ae Sy U 0er l hr ae url archen EL LEHE FE PIE Sri « ’ . f Ü 2 r 2? A ER MUB A TE. rk oh I ru’ A De Fa Ag! ur, 1 dis ri d “ “ N ’ L 4% ’ Pak Lea 2 2 ae HF BANN a RAD ar Pa ) sad, CE ee ee #47 WIE Tr na za ie PEIRE 72 en PREIS % N We IN WE N Ra N mn nn 11 N \ a ü ; ri R S ’ es %) BEER rar re, ART ua s SEE range Tee er 1 Er se % Dr I Ne N ir} ur‘ e ’ A , NETTE TE REHAU FF ae a Az 1% on $ Air NR. MAL „ u) IANEM - Im z % A u [ P Pr P} I. i er). Mi FT iu War ie ne“ B % - # j N Fr N rent BET rd et a ER A ’ - > Bi, rs Me j 0 » m. - De Fr. ® » j Y. e u: FY P Gelegentlich der Untersuchung eines Lungentumors, den ich am pathologischen Institut zu Bern einer näheren Prüfung zu unterziehen Gelegenheit hatte und der sich als ein kongenitales Adenom herausstellte!), ergab sich die Notwendigkeit, die Histo- logie der Lunge, besonders auch in frühen, embryonalen Stadien einer genaueren Durchsicht zu unterwerfen. Die diesbezügliche Litieratur weist ja wohl zahlreiche Arbeiten über das Lungen- epithel auf, dagegen fand das Lungenstroma fast überall eine sehr stiefmütterliche Behandlung. Man findet wohl in den Lehr- büchern das Vorhandensein von elastischen Fasern erwähnt, aber über ihre Anordnung giebt es doch nur spärliche Notizen. Es scheint dies um so auffallender, weil gerade in jüngster Zeit die elastischen Elemente der verschiedensten Gewebe eine grosse Aufmerksamkeit sowohl bei normalen als pathologischen Ana- tomen erfahren haben. Angeregt wurde dies Interesse wohl in erster Linie durch die neuen Färbungsmethoden, die in so präg- nanter Weise die elastischen Fasern vom übrigen Gewebe unter- scheiden lassen. Im Verlauf der Untersuchungen, die sich, wie erwähnt, hauptsächlich auf embryonale Stadien bezogen, wurde vor allem der Entwickelung des elastischen Gewebes eingehende Aufmerksamkeit geschenkt und es fand sich dabei die schon vom Standpunkte der funktionellen Anpassung aus plausible Thatsache, dass die Entwickelung der elastischen Fasern in der 1) Virchows Archiv Bd. 157. 310 PAUL LINSER, Lunge der Hauptsache nach erst post partum erfolgt. Ich habe darauf hin zahlreiche Präparate untersucht, die mir Herr Prof. Langhaus in Bern aus seinen Sammlungen zur Verfügung zu stellen die Güte hatte, und wofür ich ihm an dieser Stelle noch meinen besten Dank sage. Auch der Liebenswürdigkeit meines früheren Chefs, Herrn Prof. Strahl in Giessen verdanke ich eine Reihe von Präparaten, besonders von Tieren. Und so kann ich jetzt mein Versprechen, das ich in der oben erwähnten Arbeit gab, auf Grund eines ziemlich reichlichen Materials ein- lösen. Entsprechend der Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, das Stroma der Lunge zu beschreiben, brauchte ich in der Auswahl der Präparate nicht so sehr auf die Konservierung Rücksicht zu nehmen, da das so sehr schwer zu konservierende Lungen- epithel ausserhalb des Rahmens unserer Betrachtung fiel, während dagegen das Stroma auch bei weniger sorgfältiger Aufbewahrung kaum grösseren Schaden leiden kann. Ich habe natürlich nach Möglichkeit mich bemüht, die zu untersuchenden Lungen von älteren Menschen und Tieren recht bald post mortem in Behand- lung zu bekommen. Allein häufig war dies erst nach 24—36 Stunden möglich. Beim Vergleich zwischen ganz frisch konser- vierten Lungen und solchen, die erst nach längerer Zeit fixiert werden konnten, liess sich jedoch ein Unterschied hinsichtlich des Stromas nicht finden. Was endlich die Methode zur Dar- stellung der elastischen Elemente betrifft, so ist dabei haupt- sächlich die neue Weigertsche!) in Anwendung gekommen. Dieselbe war gerade damals als vorliegende Untersuchungen ihren Anfang nahmen, veröffentlicht worden und der Wunsch, die Leistungsfähigkeit dieser neuen Methode zu prüfen, sowie die schönen Resultate derselben brachten es mit sich, dass sie der älteren Orceinmethode vorgezogen wurde. Natürlich gelangte die letztere vergleichsweise in zahlreichen Fällen zur Verwen- ı) Centralbl. f. allg. Pathol. u. pathol. Anatomie. 1898. Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 311 dung; da jedoch sich kein Vorteil aus derselben ergab und das Verfahren nach der Weigertschen, wie jüngst auch auf der Münchener Naturforscher- und Ärzte- Versammlung von Seite aller pathologischen Anatomen anerkannt wurde, bei gleicher Güte der Färbung erheblich einfacher ist, so beschränkte ich mich in der Hauptsache auf diese. Ich liess die Farbe in der Regel 2—3 Stunden einwirken, es schadet jedoch eine längere Färbung (bis 24 Stunden) nicht viel, wie man auch schon nach kurzer Zeit, 15—20 Minuten ein brauchhares Resultat erhält. Bei längerer Färbung hat man noch den Vorteil auch andere, dem elastischen Gewebe nahestehende Bindegewebsarten in ent- sprechender Weise zu tingieren. Gewöhnlich genügt einfaches Auswaschen in starkem Alkohol, um die Fasern isoliert gefärbt erscheinen zu lassen; nur bei langer Dauer der Färbung ist eine Differenzierung in salzsaurem Alkohol nötig, wenn man nur die elastischen Fasern gefärbt haben will. Als Kernfärbemittel be- nützte ich alkoholisches Boraxkarmin und auch Lithionkarmin. Ausserdem machte ich bei allen gut konservierten Präparaten Kontrollfärbungen mit Hämalaun-Eosin und Giesonfarbe. Auf diese Weise habe ich 12 Embryonen von 3,3 em Länge (Kopf-Steiss) bis zu den ältesten fötalen Stadien untersucht, weiter 14 Kinder bis zu 5 Jahren und 8 ältere menschliche Lungen aus verschiedenem Alter. Ausserdem verfügte ich über 8 ver- schiedene Stadien von Ratten unmittelbar vor und nach der Geburt und endlich über Lungen vom jungen und alten Rind, neugeborenen und älteren Kaninchen, vom Hasen, Hund, Pferd, Schwein, Reh und Hirsch. Die Konservierung geschah teils in Formol, teils in Alkohol, die Einbettung in Celloidin. Den Ausgang unserer Betrachtungen möge eine Beschrei- bung des Stromas in der Lunge vom erwachsenen Menschen bilden und zwar möge dies in 3 verschiedenen Abschnitten ge- schehen, indem zuerst das zwischen den Lungenalveolen 312 PAUL LINSER, gelegene Gewebe, dann das peribronchiale und endlich die Gefässe und die Pleura betrachtet werden sollen. I. Wie schon gesagt, sind die Angaben über den Bau des Stromas des Alveolen und die Anordnung der elastischen Fasern bei der entwickelten Lunge recht spärlich. Stöhr!) giebt an, dass „die Wandung der Alveolengänge und der Alveolen ausser den Muskelfasern der Alveolengänge noch aus einer leicht: streifigen Grundlage und vielen elastischen Fasern besteht“. Diese sind an den Alveolengängen eirkulär angeordnet; an der Ein- gangsstelle („Basis‘‘) der Alveole bilden die elastischen Fasern einen dieken Ring, während feine geschlängelte Fäserchen in der Wandung der Alveole vorkommen.“ Die neueste Auflage von Böhm und Davidoffs?) Histologie erwähnt nur, dass „die Wandungen des Infundibulums uud seiner Alveolen von elasti- schen Fasern feinster Art umsponnen sind.“ Noch weniger ent- halten natürlich die Lehrbücher der Anatomie. Ein gewöhnliches Hämalaun-Eosinpräparat von der Lunge bietet anfangs insofern einige Schwierigkeit für die Beurteilung, als die Endothelauskleidung der Kapillaren in dem kontrahierten Zustand, in dem sich das Lungengewebe unserer Präparate meist befindet, aus einer Reihe mehr oder weniger kubischer Zellen besteht mit rundlichen Kernen. Bei dem geschlängelten Verlauf der Gefässe verschwindet nun häufig die Kontur der Zelle und man sieht nur eine Anzahl von rundlichen, dunkelgefärbten Kernen, die geradeso gut Lymphzellen oder gewöhnlichen Binde- gewebszellen angehören können. Mit Hülfe verschiedener Fär- bungen gelingt es jedoch, hier Klarheit zu schaffen. Ich bin 1) Stöhr, Lehrbuch der Histologie. 8. Autlage. 1398. 2) Böhm u. Davidoff, Lehrbuch der Histologie 2. Auflage. 1898. Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 313 in dieser Beziehung namentlich durch die Giesonsche Färbung und überfärbte Weigertpräparate befriedigt worden. Es kam mir hierbei in erster Linie darauf an, festzustellen, was unter der von Stöhr erwähnten „leichtstreifigen Grundlage“ zu ver- stehen sei. Wie von allen Seiten festgestellt wird, bilden die elastischen Fasern nur ein Netzwerk, ein Gerüst. Die Maschen darin enthalten nun zahlreiche Epithelien, die doch sicher eine Grundlage haben. Böhm und Davidoff machen die genauere Angabe, „die Anordnung der Epithelzellen sei im allgemeinen eine derartige, dass die kernlosen Plättchen den Gefässkapillaren aufliegen, die kernhaltigen dagegen in die Räume zwischen den Kapillaren zu liegen kommen.“ Diese Autoren geben weiter an, dass „die Basalmembran des Epithels der Luftwege allmählich dünner wird und in der Region des Infundibulums kaum mehr wahrzunehmen sei.“ Darnach wäre also eine Art Membrana propria, eine homogene Grundsubstanz anzunehmen, die nach Stöhr streifig ist. Nach meinen Präparaten kann ich mich ganz Stöhr anschliessen. Auch ich finde überall ausser den elasti- schen Fasern noch zahlreiche, teils parallel laufende, teils sich kreuzende, feinste Linien, die sich mit Gieson gelb-rötlich färben, mit Weigertüberfärbung einen leicht bläulichen, mit Orcein einen geringen weinfarbigen Ton annehmen und also jedenfalls zu den Bindegewebssubstanzen zu rechnen sind. Über ihre Ent- stehung kann ich keine allgemeingültige Angabe machen, jedoch finde ich sie häufig in Zusammenhang mit den bindegewebigen Spindelzellen und namentlich den Sternzellen, die in den Be- rührungspunkten der Alveolarsepten fast regelmässig zu finden sind. Vielleicht geht diese Grundlage auch aus der später zu erwähnenden Basalmembran hervor, die wir im embryonalen Leben unter dem Epithel der Bronchien und Alveolen finden. Jedenfalls besitzen also die Alveolen eine vollständige fibrilläre Wand, auf welcher die Blutgefässe, Epithelien und elastischen Fasern liegen. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIIL Heft. (13. Bd, H. 2/3 21 314 PAUL LINSER, Der Gehalt an elastischen Fasern ist nun, wie auch Sudsuki') in einer vor kurzem erschienenen Arbeit gefunden hat, grossen individuellen Schwankungen unterworfen und ist auch wegen des bald geringeren bald stärkeren Kontraktionszustandes der Lungen schwer zu beurteilen. Nur an Hand einer grösseren Menge von Präparaten lassen sich hier durch Vergleich Schlüsse ziehen. Inwieweit die mehr oder weniger starke Entwickelung des elastischen Gewebes bei den verschiedenen Menschen physio- logisch begründet ist, liess sich bei meinem kleinen Material und infolge Unsicherheit der Anamnese nicht mit Bestimmtheit fest- stellen. Ich glaube zwar bei Männern und zwar solchen, die körperlich stark in Anspruch genommen waren, eine stärkere Ausbildung des elastischen Gewebes gefunden zu haben, ohne jedoch eine Gewähr für die Konstanz derselben übernehmen zu können. Auch Sudsuki?) konnte aus seinem recht grossen Material keine sichern Schlüsse ziehen. — Wenn wir also von diesen individuellen Verschiedenheiten absehen, so finden wir in den Lungen von Erwachsenen auf den ersten Blick ein wirres Bild in der Anordnung der elastischen Fasern: Die Alveolen sind bald von einer breiten Lage elastischer Fasern umgeben, bald nur von einer oder ein paar feinen Fibrillen, bald liegt die fibrilläre Grundsubstanz allein unter dem Epithel. Ein deutlicher Zusammenhang oder ein. allmähliches Ineinanderübergehen der verschiedenen Formen besteht nicht. Die stärkste Entwickelung des elastischen Gewebes liegt immer in den Alveolarsepten vor, die gewissermassen aus der allgemeinen Wand des Endbläschens vorspringen. Die Fasern sind hier sehr dick und ziehen gegen die Spitze des Septums, indem sie zuerst konvergieren und dann wieder ganz wenig auseinanderweichen, um von vorn bedeckt zu werden durch den erwähnten Ring, der den Septumeingang in Gestalt mehrerer ziemlich dicker elastischer Fasern umgreift. 1) Virchows Archiv Bd. 157, H. 3. 2) ]. c. Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 315 Aber auch ausser diesen Zügen findet man in der Alveolen- wand zahlreiche, scheinbar planlos eingestreute Anschwellungen des elastischen Gewebes. Eine Erklärung dieses Bildes gab mir vor allem ein Präparat, bei dem es durch die stärkere Blutfüllung der Lungengefässe gelang, den Verlauf der Kapillaren genau zu verfolgen. Hier wie auch an dicken Schnitten liess sich fest- stellen, dass ein Gerüstwerk von breiteren elastischen Faser- zügen in den Alveolenwandungen vorhanden ist, das anscheinend hauptsächlich zur Stütze der Kapillaren dient. Dieselben schlängeln sich, wie dies namentlich auch in dem Landois- schen!) Lehrbuch der Physiologie gut abgebildet ist, um diese Stränge herum und scheinen in kontrahiertem Zustand der Lunge und bei entsprechender Füllung ins Lumen der Alveolen sich vorzuwölben. Dabei kann man dann häufig sehen, dass an einem solchen, zwischen zwei Alveolen liegenden Faserzug die Kapillare abwechselnd bald gegen das Lumen der einen, bald gegen das der anderen Alveole vorspringt und dass so von der Fläche ge- sehen leicht das Kapillarnetz bei injizierten Lungen zu erklären ist, dessen Maschen von diesen elastischen Strängen ausgefüllt werden. Überall ist jedoch die Anordnung der Kapillaren nicht die beschriebene; man trifft auch ab und zu dünne Alveolen- wände, wo die Kapillaren zwischen zwei elastischen Streifen hin- ziehen. Ausser diesen :dickeren elastischen Zügen verlaufen auch noch zahlreiche feinere Fasern in der Alveolenwand, die sich teils den Kapillaren anschliessen, teils aber auch in der fibril- lären Grundsubstanz hinzieben und hier ein Netzwerk bilden. Nur um die „Stomata“, die kleinen, direkten Verbindungen be- nachbarter Alveolen zieht sich gewöhnlich noch eine etwas dickere elastische Faser. Ob die oben erwähnte Angabe des Böhm und Davidoffschen Lehrbuches betreffs der Anordnung 1) Landois, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 9. Aufl. 1896. 21= 316 PAUL LINSER, u — der kernhaltigen und kernlosen Epithelien überall zutrifft, kann ich aus den oben angeführten Gründen nicht mit Sicherheit entscheiden. Allerdings fand sich in gut konservierten Präpa- raten diese Beobachtung meist bestätigt. Die Wände zwischen aneinanderstossenden Endbläs- chen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Gehaltes an elasti- schen Fasern beim Erwachsenen nicht wesentlich von den be- schriebenen Alveolenwänden, da sie in der Hauptsache von eben diesen gebildet werden. Nur findet man bindegewebige Elemente hier reichlicher eingelagert; auch liegen hier die feinen Lymph- gefässe mit den Pigmentzellen und ab und zu auch ein grösseres Blutgefäss, namentlich Venen. Nach der Beschreibung der Lehrbücher geschieht der Über- gang vom Endbläschen zum Bronchiolus auf dem Weg durch einen Alveolargang und dann einen Bronchiolus respiratorius. Wie man aus den Namen erkennen kann, sind dies keine scharfen Unterscheidungen und in der gegebenen Form haupt- sächlich das Produkt der Forschungen über das Lungenepithel. Wenn man nach den Bildern, die das Stroma, vor allem das elastische Gewebe an diesen Stellen giebt, gehen wollte, so müsste das Beiwort respiratorius beim Bronchiolus respiratorius fallen; denn wir finden eine kontinuierliche ziemlich starke, elastische Schicht von hauptsächlich längsverlaufenden Fasern in der Wand dieser Kanäle vor, die wohl hie und da kleine Ausbuchtungen zeigt, aber erst unmittelbar vor den Endbläschen die beschriebenen Unterbrechungen und die regelmässige An- ordnung der Alveolen aufweist. Wenn ich auch nicht unbe- dingt eine respiratorische Funktion in den Endstücken der Bronchien bestreiten möchte, so erscheint mir dieselbe doch bei der Dicke der elastischen Membran und der Anordnung der Blutgefässe jenseits derselben wenig wahrscheinlich. Auch halte ich die Form des Epithels nicht für sicher beweisend, da wir Verschiebungen der Grenzen zwischen verschiedenen Epithelarten Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 317 in geringem Masse durch zahlreiche Beispiele in anderen Or- ganen erwiesen finden, ohne dass man darin gleich eine patho- logische Erscheinung zu sehen brauchte. In den Alveolargängen also haben wir bereits einen kon- tinuierlichen Belag von elastischem Gewebe, der aus mehreren, dicken Fasern besteht, die in meinen Präparaten im (Gregensatze zu Stöhr!) fast immer longitudinal liefen, und nur den Al- veolen entsprechende Lücken aufweist. Die Fasern weichen an diesen Stellen auseinander und bilden so den oben erwähnten Ring um die Basis der Alveolen. Die letzteren liegen im Gegen- satz zu denen der Endbläschen weiter auseinander und ent- halten zwischen sich Gefässe und lockeres Bindegewebe mit zahl- reichen feinen elastischen Fasern. Glatte Muskulatur findet man im allgemeinen noch recht selten, hauptsächlich mit ring- förmiger Anordnung der Zellen, in den Zwischenräumen zwischen den Alveolen. Die Bronchiolen weisen, wie schon gesagt, anfangs ab und zu noch kleine Ausbuchtungen auf, die aber auch von der elasti- schen Längsschicht ausgekleidet werden; dann aber sieht man die elastischen Membranen gerade und parallel zu beiden Seiten des Lumens hinziehen, wobei sie centralwärts allmählich an Dicke zunehmen; cirkuläre Fasern treten häufiger auf, wie es hie und da scheinen will, alternierend mit den ebenfalls cirkulär verlaufenden glatten Muskelfasern. Nach innen grenzt diese elastische Membran nicht direkt an das Epithel, sondern unter demselben zieht noch eine, in den peripheren Bronchialenden nur ganz schwach sichtbare Basalmembran hin, die ganz homogen erscheint und nach und nach an Dicke centralwärts zunimmt. Nach aussen liegt über den elastischen Zügen und der glatten Muskulatur eine ebenfalls an Dicke nach und nach zunehmende Bindegewebsschicht, die von vielen feinen elastischen Fasern M.lete: 318 PAUL LINSER, durchzogen wird. Die letzteren stehen in Zusammenhang mit dem elastischen Gewebe der Bronchien wie der benachbarten Alveolen. Erwähnt sei noch eine deutliche Verstärkung der elastischen Membran der Bronchien durch quer zum Lumen ge- stellte Fasern an den Abgangsstellen der Zweige und zwar be- sonders im spitzen Winkel derselben. Die Wand der grösseren Bronchien unterscheidet sich von dem beschriebenen Bilde ausser ihren grösseren Dimensionen hauptsächlich, wie bekannt, durch das Auftreten von Knorpel. Sie besteht unter dem meist mehrzeiligen Cylinderepithel und seiner hier immer deutlichen Basalmembran aus einer Lage von meist längsziehenden, ziemlich derben, elastischen Fasern. Da- rüber liegt die hier schon kontinuierliche Schicht von zwei, drei über einanderliegenden, cirkulär angeordneten Muskelfasern, die nur von feinsten, stark gekräuselten elastischen Fibrillen durchzogen sowie da und dort von den Ausführungsgängen der Schleimdrüsen auseinander gedrängt wird. Über der Mus- kulatur ordnen sich die Bronchialknorpel um das Lumen an. Dieselben sind eingelagert in eine je nach der Grösse des Bron- chus mehr oder weniger breite Bindegewebsschichte, die von zahlreichen elastischen Fasern durchsetzt ist. Dieselben ver- dichten sich am Rand der Knorpel zu einem dichten Ring, dessen Ausläufer z. T. ziemlich reichlich und auf längere Strecken im hyalinen Gewebe zu verfolgen sind. Ein konstantes Vor- kommen von elastischen Fasern im Bronchialknorpel ist jedoch nicht zu konstatieren; auch hier spielen, wie es scheint, indivi- duelle Verschiebungen eine Rolle. Relativ häufiger findet man sie bei jugendlichen Individuen, vor allem bei den später zu besprechenden, embryonalen Bronchien. Sie sind eingebettet in die hyaline Grundsubstanz ohne eine Beziehung zu den Kernen. — In derselben Schicht liegen auch die Schleimdrüsen, deren Epithelien gewöhnlich auf feinen elastischen Fasern aufsitzen. Sie sind weiter umgeben von einer Lage elastischen Gewebes, das Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen &ewebes in d. Lunge. 319 sich auch bei guter Differenzierung nur schwach färbt. Endlich liegen hier bei grösseren Bronchien Lymphfollikel, deren Zellen je nachdem auch die centralen Schichten durchsetzen können. Elastische Fasern sind in ihnen seltener und nur dünn. Dazu kommen natürlich noch die Blut- und Lymphgefässe, von ersteren namentlich die Zweige der Art. und Ven. bronchialis, während die Äste der Pulmonalis meist nicht direkt in dieser äusseren Bindegewebsschichte liegen, sondern nur daran angelagert sind durch einen Ausläufer derselben und zwar fast ausnahmslos die Arterie näher als die Vene. Die elastischen Fasern all dieser Teile stehen unter einander in vielfachem Zusammenhang, ebenso wieder mit den anliegenden Alveolen. Einer Erscheinung möchte ich noch Erwähnung thun: Wie bekannt sehen wir das Bron- chialepithel gewöhnlich in Falten gelegt, was mit Wahrschein- lichkeit auf die Kontraktion der Muskellage zurückgeführt werden kann. Auf dem Querschnitt eines solchen kontrahierten Bron- chus sieht man nun oft in den papillenähnlich erscheinenden Falten der Schleimhaut die innere elastische Faserschicht auf- fallend verdickt, während unter den Einsenkungen des Epithels nur wenige Fasern hinziehen. Wenn die Bronchien nicht kon- trahiert sind, ist diese Schicht ganz gleichmässig, zeigt nirgends Verbreiterungen. Man hat so fast den Eindruck als könnten sich die elastischen Fasern bei der Faltung in die Längsfalten z. T. hinüberschieben. Die Verzweigungen des Art. und Ven. pulmonalis bieten insofern eine auffallende Erscheinung, als es im Anfang und namentlich bei schwacher Vergrösserung durchaus nicht leicht gelingt, dieselben von einander zu trennen. Sie scheinen bei oleichem Kaliber ganz gleich gebaut zu sein; der sonst so typische Unterschied zwischen Arterien und Venen fällt hier fast voll- ständig weg. Erst bei starker Vergrösserung, besonders mit Hülfe der Färbung der elastisehen Fasern lassen sie sich doch mit einiger Sicherheit trennen. Bei den arteriellen Wandungen 320 PAUL LINSER, haben wir über dem Endothelbelag die gewöhnliche geschlängelte Linie der Elastica interna, die bei den mittleren Arterien eine kontinuierliche, bei den grösseren eine gefensterte Membran bildet. Die Media ist relativ recht geringfügig, indem die glatte Muskulatur gegenüber dem elastischen Gewebe sehr zurücktritt. Eine Elastica externa ist überall deutlich ausgebildet, nur er- scheint sie bei den grösseren Arterien häufig mehrfach. Die Adventitia endlich enthält ebenfalls ziemlich viel elastische Fasern, die jedoch nicht so dunkel gefärbt erscheinen. Die dunkelste Färbung zeigt die Elastica interna, gegenüber der die Flastica externa erheblich an Intensität zurücktritt. Die Venen unter- scheiden sich dagegen durch eine bedeutend geringere Ausbil- dung der Elastica interna; dieselbe erscheint auch bei den grösseren Venen nur als eine dünne Membran. Daran schliesst sich eine hauptsächlich aus Bindegewebe und elastischen Fasern sich aufbauende Schichte an. Das Bindegewebe besteht grössten- teils aus kollagenen Fasern; das elastische Gewebe nimmt perl- pher an Reichlichkeit zu und geht in die immer stark ausge- prägte Elastica externa über. Unter letzterer möchte ich jedoch nicht eine einheitliche, elastische Membran, wie bei den Arterien, verstanden haben, sondern mehr eine stärkere Anhäufung der elastischen Fasern, sodass man das Bild einer mehr kompakten Masse erhält, die sich erst bei starker Vergrösserung in feinere Elemente auflöst. Bei den kleinen Venen bildet diese äussere elastische Schicht den am meisten ins Auge fallenden Bestand- teil der Wand, während die kleinen Arterien immer noch eine Elastica interna aufweisen, die erst nach dem Schwund der Media und Elastica externa aufhört. Auf günstigen Längs- schnitten kann man die Elastica interna hie und da aus parallel laufenden eng aneinander liegenden Fasern aufgebaut sehen, zwischen denen sich feine, quere Verbindungszüge zeigen. Die Kapillaren endlich enthalten, wie schon aus dem früheren her- vorgeht, nur vereinzelte elastische Fasern, die jedoch nicht not- wendig an deren Verlauf gebunden erscheinen. Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 321 Die Erklärung der geringen Differenz zwischen Arterien- und Venenwandungen scheint mir durch Physiologie des Lungenkreis_ laufes in genügender Weise gegeben zu sein. Durch dieselbe ist ja bewiesen, dass der Blutdruck schon in der Art. pulmo- nalis ein relativ recht geringer ist, ungefähr gleich !/s—*/s des Aortenblutdruckes. Jedenfalls ist durch die Lungenbewegungen, durch die In- und Exspiration der Hauptantrieb für den Lungen- kreislauf gegeben und diese doch unter Umständen recht be- trächtlichen Druckschwankungen, die von der Atmung hervor- gerufen werden, wirken natürlich auf Arterien und Venen in gleicher Weise ein. Ganz anders sind die Verhältnisse natürlich bei der noch nicht funktionierenden Lunge und ich habe gerade im Hinblick auf diese gleich hernach zu besprechenden Ver- hältnisse den Blutgefässen der entwickelten Lunge eine so aus- führliche Besprechung gewidmet. Hier möchte ich nur noch auf das elastische Gewebe der Pleura mit ein paar Worten zu sprechen kommen. Dasselbe setzt sich aus einer Lage sich im spitzen Winkel kreuzenden Fasern zusammen, die unter dem Pleuraepithel gelegen ist. An den Kanten ist diese Schicht etwas verstärkt. Dann folgt eine Bindegewebsschicht, hauptsächlich von kollagenem Gewebe ge- bildet und von feinen elastischen Fibrillen durchsetzt. Nach innen von dieser kommt noch ein dünner, elastischer Faserzug von parallel zur Oberfläche der Lunge verlaufenden Fasern, die in Zusammenhang mit den elastischen Fasern der Alveolen stehen. Natürlich beziehen sich diese Angaben nur auf die Pleura visceralis. In die Lunge hinein ziehen ab und zu stärkere septenähnliche Fortsätze von elastischem und gewöhn- lichem Bindegewebe, jedoch sind dieselben beim Erwachsenen recht selten und relativ dünn, im Gegensatz zu den Lungen jugendlicher Individuen und Tiere. Dagegen verlaufen mit den erossen Bronchien und Gefässen vom Hilus her stärkere Binde- gewebssträng®“ in die Lunge, hauptsächlich zur Verbindung dieser beiden Gebilde dienend. 322 PAUL LINSER, Il. Der Vergleich des Lungenstromas in den verschiedenen Lebensaltern mit vorstehend entworfenen Bild des Erwachsenen lässt bis zu den jüngsten postembryonalen Stadien herab keine markante Verschiedenheit entdecken. Wir finden wohl in der geringeren Stärke der elastischen Fasern sowie in der grösseren Reichlichkeit des interalveolären Bindegewebes ein Unterschei- dungsmerkmal für die Lungen von Kindern gegenüber denen Erwachsener. Allein diese Verschiedenheit nimmt nirgends stärkeren Grad an. Dies ändert sich jedoch bei Neugeborenen in ausgesprochenem Maasse, sodass wir an Präparaten, die auf elastisches Gewebe gefärbt sind, schon makroskopisch sagen können, ob der Träger der betreffenden Lunge nur kurze Zeit nach der Geburt gelebt hat oder ob er älter geworden ist. Auch Sudsuki!) giebt an, dass die elastischen Fasern des Lungengewebes schon bei Kindern von einmonatlichem Alter fast völlig ausgebildet seien. Zur näheren Betrachtung wollen wir ausgehen von den embryonalen Lungen. Der Beginn der Lungenentwickelung fällt etwa in die dritte Woche des Embryonallebens. Der Vorderdarm wird zu dieser Zeit „durch zwei kaudal von der dritten Schlundtasche beginnende Mesoblastleisten von beiden Seiten her eingeengt. Das Darmrohr besteht hier nun gleichsam aus zwei, an den spaltförmigen Rändern verbundenen Rinnen. Der dorsale Teil ist die Anlage der Speiseröhre, der ventrale liefert die Luft- wege“. Schulze?), dem ich diese Beschreibung entnehme, lässt die Teilung dieser unpaaren Anlage beider Lungen in der vierten Woche vor sich gehen. Von hier aus ist die weitere ale: 2) Grundriss der Entwickelungsgeschichte. Leipzig 1897. Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 323 Entwickelung des Bronchialbaumes einfach zu verfolgen, indem das Epithelrohr sich immer mehr verzweigt in der sich ver- grössernden Mesoblasthülle, „der F aserschicht“, wie sich Schulze und Koelliker!) ausdrücken. Es kann nicht meine Aufgabe sein auf die Art dieser Verzweigung näher einzugehen, die von verschiedenen Seiten erst in jüngster Zeit z. T. genau beschrieben ist. Das früheste embryonale Stadium, das mir zu Gebote stand, datierte etwa aus der ersten Hälfte des dritten Monats bei einer Rumpflänge von 3,3 cm. Wir haben hier in einem Stroma von embryonalem Bindegewebe die Äste des Bronchialbaumes noch nicht differenziert auch nur in Bronchien und Endbläs- chen. Sie liegen relativ weit auseinander und verlaufen mehr oder weniger geradlinig vom Hilus zur entgegengesetzten Lungenfläche und endigen dort mit einer leichten Anschwellung, einer Andeutung der späteren Endbläschen. Unter dem Epithel der grossen Bronchien des Hilus sieht man eine ganz blass- bläuliche Färbung (ich muss hier zum Teil das in meiner oben erwähnten Arbeit?) gesagte wiederholen), hier und da auch eine feine, dunklere, scharfgezogene, gekräuselte Linie, die beim Schrauben nicht verschwindet, aber in mannigfacher Weise sich verschiebt, also einer Lamelle zu entsprechen scheint. An den etwas engeren Drüsenkanälen, wie sie namentlich in der Nähe der Pleura sich finden, fehlt jede Spur von solchen Färbungen. Die Gefässe dagegen sind schon um diese Zeit von einem Ring elastischen Gewebes umgeben, ohne dass dasselbe eine der späteren vollständig entsprechende Anordnung erkennen liesse. Das übrige Stroma besteht, wie gesagt, aus einem sehr kern- reichen, fibrillären Bindegewebe. Die Kerne haben fast alle rundliche Form und sind von einem schmalen Protoplasmasaum umgeben. Nie sieht man darin eine Spur von elastischem Ge- 1) Grundriss der Entwickelungsgeschichte. Leipzig 1889. 2) Virchows Archiv Bd. 157, 324 PAUL LINSER, webe. In der zweiten Hälfte des dritten Monats ist im wesent- lichen das Bild noch das gleiche, nur sind die blassblauen Streifen unter dem Epithel etwas reichlicher. Sie machen ganz den Eindruck von Basalmembranen durch ihre vollständige Homogenität, die selbst mit Öl-hnmersion keine deutliche Struktur nachweisen lässt. Mit dem Anfang des vierten Monats treten zuerst Fasern an den grösseren Bronchien auf, die so gefärbt erscheinen bei starken Färbungen nach Weigert, dass man von elastischen Fasern sprechen kann. Unter dem Epithel sieht man hier da und dort einige leicht gekräuselte im wesentlichen parallel laufende, feine Linien, die im Farbenton ungefähr mit den sonst als „junge“ elastische Fasern bezeichneten Bindegewebstibrillen übereinstimmen. Man hat für die Beurteilung der Intensität der Färbung immer einen sicheren Massstab an den elastischen Fasern der Gefässe, die hier schon an Tiefe der Farbe den entwickelten elastischen Fasern nicht nachstehen. Im Stroma, das hier natür- lieh durch das Fortschreiten der Bronchialverzweigungen relativ spärlicher erscheint, fehlte jede Andeutung von elastischem Ge- webe, ebenso um die feineren Bronchialzweige und die End- bläschen. Auch in der zweiten Hälfte des vierten Monats ist das Bild des elastischen Gewebes noch etwa dasselbe. Dagegen hat sich der Charakter des übrigen Stromas in der Weise ver ändert, dass die Zellen weiter auseinandergerückt sind, die Kerne mehr ovale Form angenommen haben und die fibrilläre Inter- cellularsubstanz reichlicher geworden ist. Zu Anfang des fünften Monats heben sich die elastischen Bronchialscheiden schon bedeutend deutlicher durch Stärke der Färbung und Zahl der Fasern ab. Man findet hie und da 6—8 solch feiner, blauen Linien neben einander um das Epithel ge- schichtet, das hier bei den grossen Bronchien auf einer bei starker Vergrösserung deutlichen homogenen Basalmembran auf- sitzt. Auch verlaufen feine, hellblaue Fäserchen zwischen den Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 325 schon seit längerer Zeit aufgetretenen glatten Muskelfasern und um die Bronchialknorpel; ja selbst in den letzteren kann man hier schon elastische Fibrillen erkennen. Im interalveolären Stroma dagegen fehlen sie noch vollständig, ebenso um die kleineren Bronchien. Um die Mitte des fünften Monats beginnen sich auch im Lungengewebe ausserhalb der Bronchien und Ge- fässe feine hellblaue Fäserchen zu zeigen; zunächst noch haupt- sächlich im Anschluss an das schon vorhandene elastische Ge- webe, also in der Umgebung der Bronchien und Gefässe. Wie bei den Bronchien erscheinen die elastischen Fasern auch um die Alveolen zuerst nur hellblau gefärbt. Die Gefässe haben um diese Zeit längst ihren typischen Bau: Arterien mit deut- licher, gut ausgebildeter Elastica interna, Media aus glatter Mus- kulatur bestehend, mit wenigen elastischen Fasern und einer von zahlreichen, elastischen Fibrillen durchwobener Adventitia; nur bei den grossen arteriellen Stämmen überwiegt auch in der Media das elastische Gewebe. Die Venen unterscheiden sich, abgesehen von der erheblich geringeren Dicke der Wandungen, durch ein reiches Netzwerk elastischer Fasern, die nur an der Grenze der Adventitia sich zu einer Elastica externa verdichten, sonst aber ziemlich gleichmässig die in der Hauptsache binde- gewebige Wand durchsetzen. Eine Blastica interna ist nicht immer, besonders nicht bei den kleineren Venen deutlich aus- gesprochen. Man kann also sagen, dass in diesem Stadium und wie ich gleich hinzufügen will, während des ganzen embryonalen Lebens der feinere Bau der Lungengefässe ziemlich dem in sonstigen Organen entspricht und damit in ausgesprochenen Gegensatz tritt zu dem oben beschriebenen Verhalten der Grefässe in den funktionierenden Lungen. Es ist dies eine Erscheinung, die vollständig in Übereinstimmung steht mit der Verschieden- heit der Bedingungen, denen die Gefässe im fötalen und im postfötalen Leben unterworfen sind. 326 PAUL LINSER, Im sechsten Monat schreitet der Entwickelungsprozess im elastischen Gewebe wie bisher langsam weiter. Um die Alveolen treten häufiger feine „junge“ elastische Fasern auf und die schon vorhandenen nehmen an Intensität der Färbung zu. Das Stroma zwischen den Bronchien und namentlich zwischen den Endbläs- chen hat unter der fortgesetzten Vermehrung der epithelialen Kanäle eine starke Verschmälerung erfahren. Die Zellen des- selben haben mehr und mehr den Charakter des fiprillären Bindegewebes angenommen. Von elastischen Fasern findet sich im eigentlichen Stroma immer noch keine Spur und die um die Alveolen der Endbläschen sichtbaren haben mehr den Charakter einer Membrana propria, da ja das Epithel immer noch recht hoch, cylindrisch bis kubisch ist. Die Präparate aus dem siebten Monat wiesen zum erstenmal einzelne hellblaue Fasern im Stroma ohne Zusammenhang oder nähere Beziehung zu den Epithelkanälen oder Gefässen auf. Auch hier ist es wieder die Umgebung von schon entwickeltem elastischem Gewebe, die zuerst diese Fasern erkennen lässt. Die nun folgenden Stadien aus dem Ende des siebten, aus dem achten, neunten und zehnten Monat sind insofern bei meinen Präparaten nicht mehr ganz als embryonale zu betrachten, als es sich meist um Frühgeburten handelt, die geatmet und zum Teil kürzere oder längere Zeit „gelebt“ hatten. Ich will sie deshalb lieber mit den Kinderlungen zusammen betrachten und hier nur nochmals betonen, dass in all den bisherigen Stadien das elastische Gewebe der Lunge, abgesehen von den Gefässen und (mit Ein- schränkung) von den grossen Bronchien, immer noch nur als „junges“ angesehen werden kann. Der Unterschied in der Fär- bung ist so prägnant, dass man, wie schon gesagt, bereits makro- skopisch ihn erkennt. Selbst um die grossen Bronchien kommt wohl das elastische Gewebe, namentlich die inneren Längsfasern dem des postfötalen an Tiefe der Färbung nahe, ohne es jedoch zu erreichen. Wenn Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 327 wir also auch ganz absehen von der quantitativ viel geringeren Ausbildung der elastischen Fasern beim Embryo gegenüber dem Erwachsenen, so können wir doch in dem fötalen Gewebe nur Vorstadien des eigentlichen elastischen Gewebes sehen. Dies ändert sich mit grosser Schnelligkeit nach der Geburt. Ich kann dies mit grosser Genauigkeit an meinen Präparaten verfolgen, da mir vier Frühgeburten verschiedenen Alters (embryo- nalen wie postembryonalen) 7 Neugeborene von 2, 6, 8 Tagen, 3, 5, 8 und 10 Wochen vorliegen. Das Resultat aus diesen Be- obachtungen ist folgendes: Schon nach wenigen Tagen haben die elastischen Fasern der Bronchien die der Gefässe an Inten- sität der Farbe erreicht; die Fasern der Alveolen erscheinen natürlich infolge der starken Dehnung, welche diese Teile mit der Atmung erleiden anfangs sehr spärlich, viel spärlicher als bei älteren Embryonen, dagegen haben auch sie, wie man bei stärkerer Vergrösserung erkennt, an Stärke der Farbe zuge- nommen. Und nun kann man eine enorme Vermehrung der Fasern successive entsprechend der Dauer der Funktion ein- treten sehen. Es geschieht dies mit solcher Geschwindigkeit, dass, wie ich mit Sudsuki') konstatieren kann, bereits nach fünf Wochen keine stärkere Differenz zwischen diesen Kinder- lungen und denen Erwachsener hinsichtlich des elastischen Ge- webes mehr festzustellen ist. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich wohl noch in Stärke der elastischen Fasern, wie bereits er- wähnt, Unterschiede. Allein wir haben jedenfalls die Thatsache, dass sich unter dem Einfluss der Atmung das elastische Gewebe aus fast rudimentären Anlagen zu einer Reichlichkeit in kaum einem Monat erhebt, wie wir es in der ausgebildeten Lunge vor- finden. Auch die Blutgefässe haben in der Zeit eine Wandlung vollzogen im Sinne zunehmender Ähnlichkeit zwischen dem Bau lege: 328 PAUL LINSER, der Arterien und Venen. Die letzteren haben ihre Wandungen verstärkt, namentlich durch stärkere elastische Elemente und die Arterien sind vornehmlich in der Dicke der Media etwas zurück- gegangen. Ganz die spätere Form haben die beiden Teile nach einem Monat allerdings nicht erreicht; dies trifft erst nach 2 bis 3 Monaten ein. Allein die Veränderung gegenüber den Neuge- borenen ist auch nach einem Monat schon nicht mehr zu ver- kennen. Dass auch die Pleura eine Vermehrung ihres elastischen Gewebes aufzuweisen hat, braucht nach dem Gesagten wohl kaum noch bemerkt zu werden. Ill. Wenn ich hier noch einen zoologischen Teil anfüge, so ge- schieht dies nicht, um eine Übersicht über den Bau des Lungen- stromas bei Tieren zu geben; dazu wäre die Auswahl und Zahl meiner Präparate vollständig unzulänglich: Ich will damit nureinen Vergleich mit dem Lungengewebe des Menschen ermöglichen, speziell bei Tieren, die an körperlicher Bethätigung und Beweg- lichkeit denselben übertreffen. Um diesen Zweck zu erreichen, konnte ich hier auf embryonale Präparate verzichten. Nur von der Ratte standen mir einige fötale Stadien zur Verfügung. Zwei Lungen aus dem Ende der Fötalperiode vom 17. und 19. Tage zeichnen sich, wie zu erwarten, durch geringe Ausbildung und Spärlichkeit der elastischen Fasern aus. Nur ganz hellbläuliche Fäserchen sind sichtbar und selbst der sonst untrügliche Mass- stab der Gefässe lässt uns hier im Stich, indem auch diese, namentlich die Venen, nur hellblau gefärbtes elastisches Gewebe aufweisen, ausgenommen natürlich die grossen Gefässe, von denen mir, da bei der Kleinheit der Objekte vollständige Rumpfquer- schnitte genommen werden mussten, Aorta und Vena cava sup. Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 329 vorlagen. Dabei war aber auch zu bemerken, dass das elastische Gewebe der anderen Organe, so namentlich der Haut, des Herzens etc. auf demselben Standpunkt standen und dass man also vielleicht den Schluss ziehen darf: Nicht bloss in der Lunge, sondern auch in anderen nicht funktionierenden Organen ist das elastische Gewebe während der Fötalperiode als „junges“ zu be- zeichnen und also nur vorbereitet. Eine neugeborene Ratte zeigt im wesentlichen noch dieselben Verhältnisse. Dagegen haben wir schon bei einer drei Tage alten Ratte wieder die enorme Vermehrung und Verstärkung des elastischen Gewebes zu konstatieren. Vor allem treten jetzt die Gefässe durch ihre normale dunkelblaue Färbung hervor. Wie ich hier nebenbei bemerken möchte, zeigen die Ratten- lungen hinsichtlich des Verhaltens der Gefässe in der Fötal- periode und längere Zeit nach der Geburt dieselben Verschieden- heiten, wie wir es oben für den Menschen feststellen konnten. Im Stroma sind die elastischen Fasern schon merkwürdig reich- lich vorhanden. Und so erscheint es nicht auffallend, dass schon nach 2-3 Wochen das elastische Lungengewebe seinen normalen Zustand erreicht hat. Relativ ist die Entwickelung desselben der in menschlichen Lungen gleich. Verschiedenheiten ergeben sich gegen das Stroma Erwachsener bloss durch das ziemlich reichliche Auftreten von stärkeren, mit der Pleura zusammen- hängenden Bindegewebssepten und durch den erheblicheren Ge- halt an fibrillärem Bindegewebe. Die Alveolen stehen dadurch etwas weiter auseinander. Diese Tiere waren alle in einem kleinen Käfig beisammen, sodass also eine grössere Bewegungslähigkeit ausgeschlossen war. Die Lunge von einem ca. ein Jahr alten Schwein lässt überall reichliche Entwiekelung elastischer Fasern erkennen; dieselbe übertrifft diejenige in der menschlichen Lunge um ein Merkliches. Das Stroma besteht vorwiegend aus meist derben, Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLILXLII. Heft. (13. Bd, H. 2/3. 22 330 PAUL LINSER, elastischen Fasern. Die Gefässe zeichnen sich durch sehr starkes Vortreten des elastischen Gewebes aus. Auch ist eine Unter-: scheidung der Arteriae und Venae pulmon. recht schwer zu treffen. Die Pleura ist bedeutend dicker als beim Menschen und es ist vor allem der Gehalt an elastischen Fasern, der ihre Stärke ausmacht, denn bei Färbung derselben giebt die Pleura ein ähnliches Bild wie die Gefässe, so dicht legen sich die Fasern aneinander. Bei der Kuh finden wir gleichfalls eine ziemlich starke Pleura, die zahlreiche Septen ins Lungengewebe hineinsendet. Das peri- alveoläre Gewebe besteht aus spärlichem Bindegewebe mit reich- lichen elastischen Fasern. Dieselben sind nicht sehr dick, liegen jedoch dichter als beim Menschen, sodass man die Alveolen gewöhnlich durch eine elastische Faser zum grössten Teil um- geben sieht. Bei den Pulmonalarterien fällt hier eine ziemlich stark ausgebildete muskuläre Media auf. Demgegenüber ist das elastische Stromagewebe beim Kalb (drei Wochen alt) schwächer. Die Fasern um die Alveolen sind dünner und nicht auf so lange Strecken verfolgbar, dagegen verlaufen mehr feine Fibrillen zwischen diesen dickeren Fasern. Das peribronchiale elastische Gewebe ist hier wie bei der Kuh von grosser Mächtigkeit. Im Knorpel habe ich bei den bisher besprochenen Tieren keine Fasern zu entdecken vermocht. Ein älterer Hund (Bulldogge) ergiebt keine Besonderheiten. Das elastische Stromagewebe stimmt ungefähr mit dem bei der Kuh überein, mit dem es auch die starke Entwickelung der Pleura gemein hat. Die Gefässe sind hier schwer in Arterien und Venen zu scheiden. Anamnestisch ergab sich eine grosse Trägheit des Tieres. Eine hübsche Reihe zum Vergleich gaben drei Vertreter der Nagetierklasse ab, zwei Kaninchen und ein Feldhase. Von ersteren war das jüngere zwei Tage alt. Das elastische Gewebe Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 331 steht dementsprechend noch auf einem recht niederen Stand- punkt. Die Gefässe zeigen noch embryonale Form. Das andere Kaninchen war fünf Monate alt. Die Alveolen sind hier relativ klein und durch erhebliche Bindegewebssepten getrennt. Be- sonders um die Endbläschen legt sich immer ein dichterer Kranz von solchem, feine elastische Fasern enthaltenden Bindegewebe, sodass die Unterscheidung der Endbläschen von einander hier ziemlich leicht ist. Die elastischen Fasern um die Alveolen sind dünn und stark geschlängelt, sodass man sie immer nur auf kurze Strecken verfolgen kann. Beim Feldhasen dagegen ist der lobuläre Bau vollständig verwischt, die Alveolen sind gross und nur durch dünne Septen getrennt. Die elastischen Fasern machen darin den Hauptbestandteil aus, sind recht gleichmässig überall ausgebildet und umfassen als ununterbrochene scharfe Linie fast die ganze Peripherie der Alveolen. Das peribronchiale elastische Gewebe ist gleichfalls sehr stark, ebenso wie das pleurale. Die Gefässwandungen bestehen überwiegend aus elasti- schen Fasern, die namentlich um die Arterien sich durch starke Tinktion bemerkbar machen. Das Pferd, ein älteres, vorwiegend zum schweren Zug ver- wandtes Tier, entsprach nicht ganz den Erwartungen, indem das elastische Gewebe hier nur ungefähr die Mächtigkeit des bei der Kuh geschilderten hat. Die Fasern im Stroma sind recht derb, dafür jedoch nicht so dicht angeordnet, was man auch daran erkennen kann, dass sie nur auf kurze Entfernungen zu verfolgen sind. Von recht starker Entwickelung ist das elasti- sche Gewebe der Pleura, wo allein die äussere Schicht 0,1 mm und darüber dick ist; die innere Lage ist dem gegenüber ganz zart. Die elastischen Elemente der Gefässe sind natürlich eben- falls von grosser Stärke sowohl bei Arterien als Venen. Den Höhepunkt, was das elastische Gewebe anbetrifft, geben die Reh- und Hirschlungen ab. Ausserhalb der Bronchien, Ge- fässe und deren Umgebung sieht man hier fast nur elastisches 22* 332 PAUL LINSER, Gewebe das Stroma bilden. Die Fasern sind von mittlerer Dicke, jedoch so dicht gelagert, dass man sich an dickeren Schnitten nur schwer zurechtfindet. An dünnen Schnitten sind die Alveolen fast überall vollkommen umfasst von einer kon- tinuierlichen, scharfen Linie, sodass man hier eine grosse Masse solcher Halb- oder ?/a-Kreise gezeichnet sieht, die nur durch feine Fäserchen untereinander in Verbindung stehen. Das peri- bronchiale elastische Gewebe bildet besonders in den papillen- förmigen Falten unter dem Epithel ganze Knäuel von dunkel- blauer Farbe. Nicht minder ist das elastische Gewebe der Ge- fässe entwickelt. Venen und Arterien sind hier wohl im Bau, nicht aber in der Mächtigkeit der Wandungen in Überein- stimmung, indem hier die Arterienwände durchschnittlich um 3 stärker sind. Die Pleura endlich zeigt etwa das Bild wie bei der Pferdelunge. Wenn es mir gelungen sein sollte, in diesen kurzen Über- blick die Proportionalität zwischen körperlicher Beteili- gung und der Entwickelung des elastischen Gewebes bei den verschiedenen Tieren zu zeigen, so ist der Zweck dieses Abschnittes erfüllt. Geben diese Beispiele auch keinen strikten Beweis für dieses Verhältnis — von individuell verschiedenem Verhalten der Tiere musste natürlich fast ganz abgesehen werden, — so sprechen sie doch mit einem hohen Grade von Wahr- scheinlichkeit für den Satz, dass erhöhte Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Lunge durch grössere Ausbildung der Lungenelastizität beantwortet werden, mit anderen Worten für die kausale Morphologie. Dieselbe ist auch die Quint- essenz der beiden vorhergehenden Abschnitten von den ent- sprechenden Verhältnissen beim Menschen. Die Folgerungen, die sich im Speziellen aus obigen Aus- führungen ziehen lassen, sind: 1. Das elastische Gewebe der Lunge bildet sich beim Menschen und wohl auch allen anderen Säugetieren erst nach der Geburt Üb. d. Bau u. d. Entwickelung d. elastischen Gewebes in d. Lunge. 333 aus. Was im Embryonalleben davon vorhanden ist, kann nicht als voll angesehen werden, da es sich bei Färbungen auf elasti- sche Fasern nur schwach färbt und damit als Vorstadium, als „junges“ elastisches Gewebe gekennzeichnet wird. 3. Nach der Geburt ist die Entwickelung des elastischen Lungengewebes eine rapide, indem schon nach einem Monat es seinen späteren Stand fast vollkommen erreicht. 3. Die Stärke der Ausbildung des elastischen Gewebes beim Erwachsenen ist individuellen Schwankungen unterworfen. 4. Beim Tier steigt mit dem Grad der körperlichen Be- thätigung, mit der Schnelligkeit auch die Entwickelung des elasti- schen Lungengewebes. 5. Die Pulmonalgefässe erleiden mit der Geburt eine Ande- rung ihrer Wandstruktur im Sinne der morphologischen An- näherung der Arterien an die Venen. Was die Weigertsche Färbung für elastische Fasern anbetrifft, so möchte ich hier nicht versäumen, nochmals auf deren brillante Resultate und ihre einfache Handhabung hin- zuweisen. Zum Schlusse noch eine kurze Bemerkung über die Ent- stehung der elastischen Fasern. Wir sehen dieselben be- sonders in unsern embryonalen Präparaten fast ausnahmslos aus fertigen Fasern entstehen, die bei spezifischer Färbung allmählich an Tiefe der Tinktion zunehmen. Gerade beim Übergang aus dem Fötalleben ist diese Bildungsweise sehr ins Auge fallend, wie wir gesehen haben. Dass damit der Schluss gerechtfertigt ist, dass die elastischen Fasern durch Differenzierung präformierter, gewöhnlicher Bindegewebsfibrillen, in unserm speziellen Falle wenigstens, entstehen, möchte ich für sehr wahrscheinlich er- klären. Dafür spricht auch die Thatsache, dass gewöhnliches fibrilläres Bindegewebe sich bei Überfärbung mit Weigert- 334 PAUL LINSER, Üb. d. Bau u. d. Entwickelung etc. scher Farbe ebenso wie mit Orcein in der gleichen Weise tin- siert, wie die embryonalen Vorstadien unserer elastischen Lungen- fasern. Damit will ich natürlich die sonst, wie Gardner!) z. B. nachgewiesen hat, vorkommende intracelluläre Entstehung elastischer Fasern aus Zellgranula keineswegs leugnen. Warum soll es nicht einen verschiedenen Entstehungsmodus für die elastischen Fasern geben? 1) Biolog. Centralbl. 1897. Figurenerklärung der Tafeln. Fig. I. Photogramm von der Lunge eines Neugeborenen. Fig. II. Photogramm von der Lunge eines 5 Wochen alten Kindes. Fig. III. Photogramm von der Lunge*eines 6jähr. Kindes. Die Photogramme sind bei ca. 60facher Vergrösserung aufgenommen und waren alle gleich gefärbt (Weigert-Lithionkarmin) und gleich lang ex- poniert. Fig. 1. Endbläschenwand von einer 56jähr. Frau. Starke Gefässfüllung Vergrösserung ca. 550 fach. Fig. 2. Alveolargang von 10jähr. Kind. Überfärbung. Vergrösserung ca. 110fach. Fig. 3. Bronchiolus mit Adveolargang von 25 jähr. Manne. Vergrösserung ca. 80 fach. Fig. 4. Kleiner Bronchus und Bronchiolus von demselben. Vergrösserung ca. 80 fach. Fig. 5. Mittlerer Bronchus mit kleiner Arterie von 14jähr. Knaben. Über- färbung. Vergrösserung ca. 350 fach. Fig. 6. Schleimdrüse mit Bronchialknorpel von demselben. Vergrösserung ca. 350 fach. Fig. 7. Pleura von 56jähr. Frau. Vergrösserung ca. 80 fach. Fig. 8. Kleine Ven. pulmon. von 25jähr. Mann. Überfärbung. Ver- grösserung ca. 350fach. Fig. 9. Grosse Art. pulmon. von demselben. Geringe Überfärbung. Ver- grösserung ca. 350 fach. ide, we Er Tigra: Valle 2 8 ee N Sr Ro Be: er aa nlats Praabi enntbfrendtn “ Er, Hs, IT Bier 4 b TS ;- Nr Papa fg EN ER Syeegeusnedbeneh Make oakos Th Ahr zeirgeimt BR en Be ei Wr Bann Sarıd sah Kor men Re, ER AluB wagt w0 ned Mraaand. 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Trotzdem wissen wir über die Entwickelung des bei diesen Tieren auftretenden Spiraldarmes, sowie über seine Rückbildung am Ende des Larvenlebens noch sehr wenig Genaues, und die spärlichen darüber angestellten Beobachtungen haben bis jetzt zu keinem nennenswerten Resultat geführt. Schon im Jahre 1882 hatte Gasser (5) auf die interessanten Entwickelungsvorgänge am Darmkanal von Alytes obstetricans hingewiesen, ohne dass bis jetzt an dieser oder irgend einer anderen Species seine Beobachtungen weiter fortgesetzt worden wären. An Interesse hat jedoch die ganze Frage neuerdings noch bedeutend gewonnen, nachdem Rückert eine Arbeit „über die Entwickelung des Spiraldarmes bei Selachiern‘ veröffentlichte (8) und andererseits durch die „Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon‘“ seitens der Gebrüder Sarasin (6) uns wertvolle Aufschlüsse über Entwickelungsvorgänge am Darm von Ichthyophis glutinosus gegeben wurden. Dieser Umstand veranlasste mich an dem im hiesigen In- stitut seit längerer Zeit gesammelten Alytes-Material diesbezüg- liche Untersuchungen anzustellen. 340 KARL REUTER, Ein grosser Teil der von mir benutzten Embryonen war bereits fixiert und in Alkohol aufbewahrt. Ausserdem standen mir eine Reihe von früher angefertigten Schnittserien zur Ver- fügung, welche ich endlich noch durch das in diesem Frühjahr von mir selbst gesammelte Material ergänzen konnte. Die Fixierung war grösstenteils in sublimathaltigen Fixie- rungsflüssigkeiten vorgenommen. Als geeigneteste Färbung erwies sich die mit Boraxkarmin und eventuell Nachfärbung mit Pikrin- säure. Die Schnittdicke betrug durchschnittlich 10 «. Da wir über die Blastoporusbildung bei Alytes von anderer Seite noch genauere Untersuchungen zu erwarten haben, so be- einne ich meine Betrachtungen an Embryonen, welche dieses Stadium bereits absolviert hatten. Es ist der Moment, wo der dem kugeligen Dotter ursprüng- lich gekrümmt aufliegende Embryo allmählich sich zu strecken und von der Dotterkugel abzuheben beginnt. Das Lumen des Darmkanales hat hier noch einen mit der Embryonalachse parallelen Verlauf. Sein vorderster Abschnitt ist nach der Mund- bucht zu durch die primitive Rachenhaut abgeschlossen und stellt eine ziemlich weite Höhle dar, deren seitliche Ausbuch- tungen mit ihrem Epithel die inneren Kiemen und die Lungen- anlagen zu bilden bestimmt sind (Fig. 1 KD). Ich will diesen Abschnitt als Kopfdarm bezeichnen und seine Ausdehnung nach hinten bis zum Orte der späteren Lungenausstülpung einschliess- lich rechnen. Fr geht dort, sich allmählich trichterförmig ver- engend, in den eigentlichen, durch den oberen Teil der Dotter- kugel verlaufenden, noch verhältnismässig weiten Mitteldarm- kanal über (Fig. 1, MD), welcher endlich, den Vornierengang aufnehmend, bei Cl als Kloake endigt. Indem nun der Embryo an Länge zunimmt, und Kopf- und Schwanzende über die Dotterkugel hinauswachsen, ver- längert sich auch der Darmkanal und zwar an den Stellen, wo der Mitteldarm in den Kopfdarm und die Kloake übergeht. Es Anatom.Hefte.I Abteilung. H.XLIEXLIT.( XII. Bd.H.2-3) Taf. XVII. en Lith.Anstx.H.Jonas Cassel. Verlag v. J. FE Bergmann Wiesbaden. Fr, an 1 » . ER ö MIRN, - ae Je PO Aut ARE Über die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans. 341 ist dieser Vorgang gleichsam ein in die Längegezogenwerden des Anfangs- und Endteiles der Dotterkugel, deren mittlerer Teil infolge seines Ballastes an der Streckung nicht teilnehmen zu können scheint. Er behält im grossen und ganzen noch immer seine Kugelform bei, nur an der oberen Peripherie wird er anscheinend durch den sich gerade streckenden Embryo etwas abgeflacht, und damit sein ursprünglich weites Lumen von oben her zusammengedrückt (Fig. 2 7). Es verschwindet auf diese Weise das Lumen in diesem Darmabschnitt während einer be- stimmten Entwickelungsphase scheinbar völlig. Von seinem Vorhandensein kann man sich indessen an günstig getroffenen Stellen der einzelnen Schnittserien sehr gut überzeugen (Fig. 2, DD). Der ausgezogene Anfangs- und Endteil des Mitteldarmes nehmen in dieser Entwiekelungszeit eine von der ursprünglichen ab- weichende Richtung nach oben gegen den gestreckt verlaufenden Embryo hin ein (Fig. 2, 3, ED). Es ist jetzt also zu der ursprünglichen Dreiteilung des Darmkanales in Kopfdarm, Mitteldarm und Kloakenteil (ein Schwanzdarm fehlt von meinem Ausgangsstadium ab), noch eine weitere Sonderung hinzugetreten, welche allein den Mittel- darm betrifft, und ich muss nunmehr seine drei Abschnitte in Rücksicht auf die weitere Entwickelung als Anfangs-, Dotter- und Enddarm (AD, DD, ED, Fig. 2, 3) unterscheiden. Der komplizierten Verhältnisse wegen möge es gestattet sein, noch einmal der Reihe nach die einzelnen Abschnitte des Darm- kanales von vorn nach hinten gehend aufzuzählen, wie wir sie bei Embryonen von etwa 2—3 mm Länge auf der Entwickelungs- stufe von (Fig. 2 u. 3) zuerst deutlich unterscheiden können. Von der primären Mundbucht (Fig. 2, MB) kommen wir in die noch durch die primitive Rachenhaut abgeschlossene Kopf- darmhöhle mit ihren seitlichen Kiemenausbuchtungen, welche die Lungenanlage (Fig. 2, Lu) von dem sieh anschliessenden Anfangsdarm (Fig. 2, AD) abgrenzt. Dieser wiederum reicht 342 KARL REUTER, bis zur Einmündung der Pankreasausstülpung (Fig. 2, Pd) und führt uns von da in das teilweise verlegte Lumen des Dotter- darmes (Fig. 2, DD). Auf den Dotterdarm folgt nach hinten zu der Enddarm, welcher mit der Einmündung des Vornieren- ganges in den nach aussen führenden Kloakenteil übergeht. Schon in dieser Zeit beginnt die Achse des Darmrohres auch von der Medianebene abzuweichen, indem sie sich im Sinne des Uhrzeigers nach rechts dreht und zwar um ihren Halbierungspunkt, so dass der Anfangsdarm nach rechts, der Enddarm nach links von der Embryonalachse zu liegen kommt. Es dürfte nicht unwahrscheinlich sein, dass das zu dieser Zeit bereits links liegende, fertig ausgebildete Herz (Fig. 2, H) auf die letztgenannte Lagenveränderung einen gewissen be- stimmenden Einfluss ausübt und damit für die ganze weitere Lagerung des Darmes einen ausschlaggebenden Faktor bildet. Es wird dadurch einmal die Verteilung der Bauchorgane auf die rechte und linke Körperhälfte eingeleitet, und zweitens ist damit auch entschieden, in welchem Sinne der entstehende Spiraldarm sich zu drehen hat. Wir sehen nämlich im weiteren Verlaufe der Entwickelung die merkwürdige Erscheinung eintreten, dass die Achse des Dotterdarmrohres den Intentionen des Anfangs- und Endteiles folgend, sich zur Hauptachse des Embryos noch weiter dreht und schliesslich sogar rechtwinkelig stellt. Das ist äusserlich sehr schön an Embryonen zu sehen, bei denen unter der Lupe die Bauchdecken abpräpariert wurden. An dem in Fig. 5 ab- gebildeten Modell lässt sich dies ebenfalls erkennen. Der Anfangs- und besonders der Enddarm wachsen dabei sehr in die Länge. Sie sind beide ganz bedeutend dünner als der Dotterdarm. Aber auch der letztere hat sich an dem Längen- wachstum beteiligt und seine ursprüngliche Kugelgestalt mit einer länglichen, bohnenförmigen vertauscht. Über die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans.. 343 Er erinnert in seiner Form ungefähr an einen gefüllten menschlichen Magen; wie Ösophagus und Duodenum in den letzteren, so gehen End- und Anfangsdarm in den Dotterdarm über. Die soeben geschilderten Drehungserscheinungen sind, wie schon oben angedeutet wurde, der Anfang jener komplizierten Formveränderungen, welche zur Ausbildung des Spiraldarmes bei der Alyteslarve führen. Mit der rechtwinkeligen Stellung der Darmachse gegen die Embryonalaehse ist nun ein Moment eingetreten, welches wiederum Änderungen in den Wachstums- erscheinungen der drei Darmabschnitte bedingt. Es liegen jetzt die Mündungen des Anfangs- und Enddarms in den Dotterdarm dicht neben einander (Fig. 5) und wir könnten erwarten, dass sie bei Fortsetzung ihres ursprünglichen Längenwachstums sich doppelt korkzieherförmig mit entgegengesetzten Windungen unter steter Drehung des Dotterdarms um einander herumwinden müssten. Diese Drehung kann aber nicht stattfinden, weil von diesem Augenblicke an das Längenwachstum des Anfangsdarms ganz bedeutend hinter demjenigen des Enddarms zurückbleibt. Ich möchte fast sagen, die ursprüngliche Wachstumsenergie des Anfangsdarms ist bereits in einer anderen Form verbraucht worden, nämlich zur Erzeugung der Darmausstülpungen der Leber und der Pankreasbläschen, deren Entstehung gerade in diese Zeit fällt. Ventral und etwas nach rechts aus dem Vorderdarm ent- springt die ihrem ziemlich langen Stiel aufsitzende Leber und dicht in ihrer Umgebung die drei Pankreasanlagen an der Stelle, wo Dotter- und Anfangsdarm in einander übergehen. (Fig. 2, Pd, Ey..de). Der Leberstiel treibt nach links und rechts hin jederseits ein Konvolut von schlauchförmigen Fortsätzen, welche die beiden Dottervenen von vorn her umfassen. Von den beiden so ge- 344 ‘ KARL REUTER, bildeten primitiven Leberlappen ist der rechte schon um diese Zeit der grössere (Fig. 2. Le, Dv.). Zusammen mit dem Pankreas bewirkt die Leber eine schlingenförmige, nach rechts und oben offene Krümmung des Anfangsdarms und diese beiden Organe werden fast während des ganzen Larvenlebens von dieser „Gastroduodenalschlinge“ umschlossen. Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit wieder dem End- darm und dem Dotterdarm zu, indem wir auch ihre Mesenterial- ansätze berücksichtigen. Es dürfte ohne weiteres klar sein, dass der in der aller- ersten Zeit gestreckt verlaufende Darm ‚seiner ganzen Länge nach durch ein ‚Mesenterium, wenn wir. das ‚mesenchymatöse Gewebe schon so nennen wollen, mit der Chorda in Verbindung stand, und dass diese Verbindung sich den allmählich erfolgten Formveränderungen des Darmes angepasst hat. An all den- jenigen Stellen, wo der Darm sich mehr von der Embryonal- achse entfernte, hat sich das Mesenterium verlängert, während es an anderen Stellen wiederum so geblieben ist wie es war; kurzum, es nimmt von vornherein bei den Wachstumserschei- nungen eine rein passive Stellung ein (Fig. 5, Mes.). Das letztere wird im höchsten Grade wahrscheinlich und leicht. erklärlich, wenn man die bedeutende Massigkeit des Darmes den sehr zarten und schwachen Mesenterien gegenüberstellt. Auf diese Weise erklärt es sich auch leicht, dass wir zwischen Dotter- und Enddarm eine ganz kurze Mesenterialverbindung vorfinden (Fig. 5, Mes‘.), welche als Rest des ursprünglich median verlaufenden Mesenteriums anzusehen ist und welche nach vorn und hinten von ihrem Ansatz an der Chorda in das übrige mesenteriale Gewebe übergeht. Durch dieses kurze Mesenterium sind die beiden, End- und Dotterdarm, aneinander gefesselt, ein Um- stand, der für ihre spätere gegenseitige Lagenbeziehung von aus- schlaggebender Bedeutung ist. Es muss nämlich infolge dieses Über die Entwiekelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans. 345 Zustandes bei jeder Lagenveränderung ein Darmabschnitt dem anderen folgen und daraus erklärt sich die Bildung nicht einer einfachen, sondern einer Doppelspirale. Während also in Zu- kunft der Anfangsdarm im Längenwachstum ganz ausserordent- lich zurückbleibt, wachsen Dotter und Enddarm durch das Mesen- terium eng miteinander verbunden, in gleichem Tempo in die Länge, und an der Übergangsstelle dieser beiden Darmabschnitte in einander haben wir einen beweglichen, vorwärts strebenden Punkt, welcher dem Pol der entstehenden Spirale entspricht und infolgedessen bei fortschreitendem Wachstum einer fortwähren- den Lagenveränderung unterliegt, indem seine Bahn Spiraltouren beschreibt (Fig. 5 Ty). An den in Fig. 3, 5, 7, S dargestellten Modellen lässt sich die fortschreitende Entwickelung der Darmspirale sehr schön beobachten. Bei Modell Fig. 3 ist der Enddarm noch ganz kurz, der Anfangsdarm übertrifft ihn hier sogar noch an Länge, der Dotterdarm hat sich noch wenig verändert. In Fig. 5 ist der Enddarm bedeutend länger geworden, der Dotterdarm hat sich mit seiner Achse quer gestellt und die Übergangsstelle zwischen beiden (Fig. 5 ff), die in der vorigen Figur hinten lag, ist jetzt nach rechts und vorn gerückt. Bei weiterer Entwickelung rückt sie noch mehr vor und weicht in der Richtung nach unten hin ab, sodass sie bei fortgesetzter Drehung in Fig. 7 ff, weit unten zu liegen kommt. Die Länge des Anfangsdarmes hat zwischen Stadium Fig. 5 und 7 so gut wie gar nicht zugenommen. Dagegen hat sich seine Schlinge, deren Entstehung schon oben geschildert wurde, auf der Stufe zwischen Fig. 3und 5 nunmehr S-förmig gekrümmt, indem ihr unterer Teil sich nach rechts hin mehr ausgebogen und zugleich damit eine komplizierte Drehung (Fig. 7 und 8) beschrieben hat. Die Leber sowohl wie das Pankreas nehmen samt ihren Ausführungsgängen an dieser Lagen- veränderung teil und schliesslich ordnen sich diese beiden Or- gane so, dass die Leber in den oberen, das Pankreas in den Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIU. Heft. (13. Bd., H. 2/3.) 25 346 KARL REUTER, unteren Teil der $-förmigen Schlinge zu liegen kommt (Fig. 15, Pa, Le). Man sieht an Fig. 7 und 8 ferner sehr deutlich, wie Anfangs- und Enddarm (dessen Konturen an den verdeckten Stellen miteingezeichnet sind), den Dotterdarm an Stärke noch erheblich übertreffen. Ihr Übergang erfolgt an den Stellen AD und ff Fig. 7 in den Dotterdarm ganz allmählich. In Fig. 8 sind die Lungen- und Kiemenausbuchtungen des Vorderdarmes KD fortgelassen, Leber- und Pankreasanlagen sind (Le) angedeutet, und Centralnervensystem und Chorda (Md, Ch) dienten beim Modellieren als Richtungshülfsmittel. Die Drehung der Darm- spirale setzt sich nun in der angegebenen Weise fort, bis dass 4—5:/a Windungen entstanden sind. Mehr Windungen pflegen sich durchschnittlich nicht auszubilden. Wir finden dann schliess- lich bei der fertigen Larve eine Doppelspirale (Fig. 10), deren Pol links und unten liegt, deren Basis näch oben und rechts sieht und mit der Horizontalebene einen spitzen Winkel bildet. Vom Spiralpol (Fig. 10, ff) aus gesehen ist die äussere dem Dotter- darm entstammende Lage von Touren im Sinne des Uhrzeigers, die innere, die dem Enddarm angehört, im entgegengesetzten Sinne gedreht. Beide sind durch ein Mesenterium miteinander verbunden. .Verfolgt man vom Spiralpol aus die äusseren Win- dungen, so gelangt man in den Anfangsdarm, resp. die Gastro- duodenalschlinge und von hier weiter durch den Schlund nach aussen, die innere Lage führt hingegen in einen kurzen gerade verlaufenden Teil (Fig. 8 ED), der später zum Rektum wird, und von dort erst durch die Kloake ins Freie. Der Dotterdarm ist bei der fertig ausgebildeten Spirale ebenso dünn geworden wie Anfangs- und Enddarm bereits waren, und die drei Ab- schnitte sind äusserlich nicht mehr von einander zu unter- scheiden. Es besteht also nach erfolgter Ausbildung der Darmkanal bei der Alytenlarve aus drei oder besser vier Abschnitten; 1. dem Schlunddarm, bis zur Lungenanlage einschliesslich ge- Über die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans. 347 rechnet, 2. der Gastroduodenalschlinge, welche Leber und Pan- kreas umschliesst, 3. der eigentlichen Darmspirale und ihrer Ausmündung, dem gerade verlaufenden Rektum, (4). Eins und Zwei haben sich aus dem Kopfdarm und Anfangsdarm ent wickelt; die ganz kurze trichterförmige Übergangsstelle zwischen beiden funktioniert als Ösophagus. Drei setzt sich zusammen aus dem grössten Teile des Enddarmes, dessen letzter Abschnitt zum Rectum, Vier, wird. (Fig. 15.) Es würde eine wenig aussichtsvolle Aufgabe sein, wenn ınan versuchen wollte, allen mechanischen Momenten , welche zur Bildung des Spindeldarmes beitragen müssen, nachzugehen und dieselben kritisch gegen einander abzuwägen. Diejenigen Faktoren, die wir zunächst kennen gelernt haben, das Längen- wachstum der beiden in Frage kommenden Darmabschnitte und ihre gegenseitige Fesselung durch das Mesenterium bedingen an sich keine Spiraldrehung. Dagegen kann man sich schon eher vorstellen, dass die Bedingungen zur Drehung. in irgend einem Sinne gegeben sind, wenn zu den beiden erstgenannten noch der beengende Einfluss der Leibeshöhlenwandung hinzu- kommt. Indessen finden sich diese Faktoren auch bei anderen Tieren in ganz ähnlicher Weise wirkend, ohne dass der Darın sich in der, ich möchte fast sagen, mathematisch genauen Form einer Alytes-Darmspirale aufwickelt. Einzelne Arten von Am- phibien, vielleicht die Anuren ganz speziell, stehen scheinbar in dieser Beziehung einzig da. Wir werden wohl nicht fehl gehen, wenn wir noch nach anderen formbestimmenden Ursachen suchen, welche in der histologischen Beschaffenheit der Darmwandung selbst gelegen sind. Eine biegsame Röhre wird aus eigenem Antriebe sich nur dann spiralig aufrollen können, wenn ihre Wandung auf einer Seite in der ganzen Länge sich gleichmässig stärker ausdehnt 23* 348 KARI REUTER, als auf der gegenüberliegenden. Betrachten wir nun einmal die beiden Darmabschnitte, aus denen sich die Spirale zu bilden beginnt daraufhin genauer, so fällt uns auf Querschnitten ganz junger Stadien auf, dass der Dotterdarm ein excentrisches Lumen hat (Fig. 11, DL.). Dasselbe ist nach oben hin unter der Peri- pherie gelegen. Das Dach des Darmrohres besteht aus einer schwachen Zellenlage, während die Seitenwände und der Boden aus einer mächtigen Dotterschicht gebildet werden. Diese Dottermasse aber sowie die ganze Darmwand über- haupt, besteht aus einzelnen grossen polyedrischen, durch £ine Kittsubstanz mit einander verbundenen Zellen. Zwar sieht man an sorgfältig gehärteten Präparaten wegen des Dotterreichtums die Zellkonturen nicht. Hingegen treten an solchen, die durch zu starken Alkohol geschrumpft sind, die durch Zwischenräume abgegrenzten Zellterritorien oft sehr deutlich zu Tage. Am besten kann man die Zellgrenzen durch Behandlung mit Silber- nitrat sichtbar machen. Es imprägniert sich dabei die Kitt- substanz und der Dotter zeigt lauter polygonale Felder. In der - Mitte eines jeden liegt ein Kern, der sich durch nachträgliche Färbung noch ganz gut hervorheben lässt. Demnach müssen wir also die Wand des Dotterdarmes als ein wohlorganisiertes Gewebe betrachten und ihm alle Eigen- schaften eines solchen zusprechen. Er besitzt infolgedessen eine gewisse Rlastizität und Biegsamkeit und vor allen Dingen an jeder Stelle seines Ursprunges die Eigenschaft, durch Zellteilung sich zu vergrössern. Diese Zellteilung wird natürlich dort, wo die grossen und dottereichen Zellen liegen, eine bedeutendere Oberflächenvergrösserung im Gefolge haben, also auf der gegen- überliegenden Seite, woraus sich, wie schon angedeutet, mit Notwendigkeit eine Spiralkrümmung des Rohres herleiten muss. Wir könnten dann annehmen, dass von den beiden Darm- abschnitten, aus denen die Spirale besteht, der Dotterdarm jeden- > Über die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans. 349 falls durch sein Wachstum die Form bestimmt, während der Enddarm gleichsam an den Dotterdarm angeheftet und von ihm in die Länge gezogen, den Spiraltouren folgt. Zu Gunsten dieser Erklärungsweise scheinen mir noch eine Reihe weiterer Thatsachen zu sprechen. Einmal versteht man jetzt, auf welche Weise der Enddarm immer nach innen vom Dotterdarm zu liegen kommt, indem er nämlich als der passive, nachgezogene Teil an der inneren, kürzeren Peripherie sich aufwindet. Ferner erklärt sich die schon ganz früh eintretende, oft völlige Verlegung des Dotter- darmlumens infolge der Spannungserscheinungen in der Darm- wand, während Anfangs- und Enddarm dauernd ein freies, zentral gelegenes Lumen behalten. Erst nachdem die Spirale angelegt ist, tritt nach Durchreissung des primitiven Rachen- segels, vielleicht infolge verschluckten Wassers das Lumen des Dotterdarmes wieder deutlich in Erscheinung, ist aber nun nicht mehr excentrisch, sondern central gelegen (Fig. 9, 12). Die Wand des Darmes ist überall von gleicher Stärke und die Spirale ist zu dieser Zeit bereits soweit vollendet (Fig. 7 u. 8), dass dem Darm bei nunmehr gleichmässigem Längenwachstum nichts anderes mehr übrig bleiben kann, als sich in den angefangenen Spiraltouren weiterzuwinden. Eine sichere Entscheidung, ob und inwiefern der Dotterdarm die Spiraldrehung hervorruft, liesse sich vielleicht auf experimen- tellem Wege erreichen. Meine daraufhin angestellten Versuche sind aber bis jetzt aus technischen Gründen resultatlos gewesen. Ich hoffe indessen, dass sich diese Untersuchungen mit zweck- mässigeren Methoden, vielleicht auch an geeigneterem Material mit Erfolg fortsetzen lassen. In der Zeit, wo das Lumen des Dotterdarmes centrai gelegen ist, ist seine Wandung von der des Anfangs- und Enddarmes aber noch ziemlich verschieden (Fig. 12). Sie enthält bei weitem mehr Dotter als jene und auch die Anordnung und Form der 350 KARL REUTER, Zellen ist wesentlich auf Grund ihres Dotterreichtums noch eine andere. Während Anfangs- und Enddarm schon ganz früh die typische Cylinderform der Zellen und Wandstellung der Kerne zeigten und relativ wenig Dotter enthielten, treten beim Dotter- darm erst jetzt diese Verhältnisse ganz allmählich in Erschei- nung. Schon früher hatte wiederholte Teilung der peripheri- schen Dotterzellen eine Zunahme der Kerne am Rande gegen- über den mittleren Partien bewirkt. Diese folgen dem Vor- gehen der ersteren allmählich auch und ordnen sich mit ihnen zu einer einschichtigen Cylinderepithellage, deren einzelne Zellen noch sehr viel Dottermasse enthalten, aber jetzt ohne Anwen- dung besonderer Behandlungsmethoden doch schon die Zell- grenzen etwas mehr hervortreten lassen (Fig. 12). Wie der Vorgang der Epithelanordnung des Genaueren ver- läuft, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen. Dabei möchte ich den Umstand, dass von vornherein alle Zellen des Dotters scharf begrenzt und durch Kittsubstanz mit einander verbunden sind, als einen wichtigen Faktor ansehen, dem sich noch die That- sache anschliesst, dass von allen Dotterzellen unter normalen Verhältnissen bei Alytes keine einzige abstirbt, zerfällt und durch etwaige Resorption oder Verdauung zu Grunde geht. Ich möchte darum den Dotter als ein von vornherein wohl- organisiertes Gewebe betrachtet sehen. Derselbe ist von Anfang an gleichsam zum Darmepithel bestimmt und zuerst nur durch aufgestaute Dottermassen daran verhindert gewesen, in Form und Anordnung sich so zu gestalten, wie es die anfänglich weniger belasteten Zellen des Anfangs- und Enddarmes schon gleich bei ihrer Entstehung haben thun können. Nach erfolgter Anordnung der Epithellage des Dotterdarmes schreitet nun die Resorption des in den Zellen noch vorhandenen Dottermateriales scheinbar schneller vorwärts. Man sieht nichts, was über den Verbleib der Dotterschollen Auskunft geben könnte, und es bleibt kaum etwas anderes übrig, als anzunehmen, dass Über die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans.. 351 sie im wesentlichen in den Zellen selbst an Ort und Stelle auf- gelöst werden. Kurz vor dem Schwund der letzten Dotterreste bekommt man dann Bilder, wie sie Fig. 13a, b aufweist. Man sieht im Dotterdarm (Fig. 13a) noch wenige Dotterplättchen im Proto- plasma der Cylinderzellen zu Häufchen angeordnet, die Schleim- haut hat sich infolge des Dotterschwundes zum erstenmale in Falten gelegt und wir können bereits an der Muskulatur die beiden typischen Schichten unterscheiden, während durch die Faltenbildung auch die Existenz einer Submukosa deutlich ge- macht wird. Der Enddarm (Fig. 13b) zeichnet sich noch zu dieser Zeit durch reichlichere Faltenbildung vor dem Dotterdarm aus, da er sein Dottermaterial schon ganz verloren hat. Ist das letztere auch beim Dotterdarm eingetreten, so gleichen sich diese beiden Abschnitte des Mitteldarmes völlig und sind durch nichts mehr von einander zu unterscheiden. Hand in Hand mit dem Schwinden der letzten Dotterreste geht nun auch die Differenzierung des Darmepithels. Der vordere Teil des Anfangsdarmes erhält einen Flimmersaum, der im Dotter- und Enddarm in einen einfachen Kutikularsaum übergeht, mit dessen Erscheinen vermutlich jetzt das Epithel resorptionsfähig geworden ist. Ferner bilden sich um diese Zeit in dem mitt- leren Teile des Anfangsdarmes bis zur Einmündung des Ductus pancreatieus hin einfache Epithelschläuche aus. Ihre Entstehung geht vom dorsalen Teile der Darmwand aus und schreitet von dort allmählich über die ganze Peripherie fort, sodass diese Lab- drüsen, denn als solche werden wir sie wohl ansehen müssen, noch bis in späte Zeit hinein eine exzentrische Lage haben (Fig. 10, LD). Im ganzen übrigen Darmtraktus fehlen vorläufig Drüsen- schläuche in der Schleimhaut völlig. Ungefähr in die zuletzt beschriebene Entwickelungszeit fällt der Moment des Ausschlüpfens der jungen Larven und der Be- 352 KARL REUTER, ginn ihres Lebens im Wasser. Man findet bei den ausgeschlüpften Kaulquappen, so lange noch Dottermassen in den Darmepithelien aufgestapelt liegen, den Darm fast immer leer. Die Tiere scheinen solange noch Dotter vorhanden ist, keiner weiteren Nahrung bedürftig zu sein und nur Wasser zu verschlucken. Sobald der Dotter völlig resorbiert ist, füllt sich der Darm mit Nahrungsstoffen, die vorwiegend aus Protozoen, Diatomeen und Pflanzenresten bestehen. Es hat eine grosse Wahrschein- lichkeit für sich, wenn man annimmt, dass der unverhältnis- mässig lange Spiraldarm für die Verdauung dieser schwer zu verarbeitenden, cellulosereichen Nahrung besonders geeignet ist. Er ist jedenfalls auf der Höhe des Larvenlebens zum Teil prall gefüllt (Fig. 10) und in vollster Thätigkeit, bis dass gegen Ende dieser Zeit eine Rückbildung eintritt, welche mit der Ausbildung der Extremitäten und der gleichzeitigen Schrumpfung des Schwanzes parallel geht und schliesslich zu dem definitiven Zu- stande führt, den wir am erwachsenen Tier vorfinden. Bei einem Vergleich zwischen den Befunden Rückerts bei Selachiern und den vorliegenden Beobachtungen, dürfte es von vornherein auffallen, dass wir es hier mit zwei morphologisch und genetisch ganz ausserordentlich verschiedenen Bildungen zu thun haben. ' So finden wir bei Selachiern eine einfache, bei Alytes hin- gegen eine Doppelspirale. Im ersteren Falle entsteht die Spirale aus einem einzigen offenbar gleichförmigen Abschnitte des Darm- kanales, welcher sich durch fortgesetzte Achsendrehung in schraubenzieherförmige Windungen legt, welche Rückert mit dem Namen einer „gedrehten Spirale“ bezeichnet hat. Dadurch ist schon ihr Unterschied von der mehr uhrfederförmig ge- wundenen Spirale des Alytesdarmes gekennzeichnet. Zwar ist die letztere ja auch mit einer gewissen Achsendrehung des Darmrohres verbunden, welche vorhanden sein muss, da die An Du Eos Lith.Anstx.H.Jonas ‚Cassel. Verlag v. J.F-Bergmann Wiesbaden. - Anatom.Hefte.I.Abteilung. H. XLIFXLIL (XI. Bd H.2-3.) Taf.XX. | 15 GOES AR 2375 | | Verlag v. J.F.Bergmann,Wiesbaden. L .Lith.Anstx.H.Jonas ‚Cassel. ent Über die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans. 353 einzelnen Touren nicht in einer Ebene liegen. Aber diese Achsendrehung ist nicht eine ursprüngliche, sondern eine sekun- däre durch das Nebeneinanderhergleiten der Darmschlingen be- wirkte Erscheinung, deren Entstehung ohne weiteres bei einem Blick auf unsere Modelle, Fig. 7 uud 8, klar werden muss. Weiterhin legt sich beim Alytes, im Gegensatz zu Pristiurus die Spirale aus zwei ursprünglich verschiedenartigen Darmabschnitten an, welche erst mit fortschreitender Entwickelung einander so äbnlich werden, dass sie nicht mehr zu unterscheiden sind. Was nun endlich die mechanischen Momente anlangt, auf welche die Entstehung der Darmspirale bei den genannten Tieren zurückgeführt werden könnte, so treten dabei noch weit mehr Verschiedenheiten auf. Wo auf der einen Seite Rückert neben dem Längen- wachstum des Darmes dem beengenden Einfluss des relativ sehr massig entwickelten Mesenterialüberzuges den Hauptanteil an allen Drehungserscheinungen zuschreibt, fanden wir, dass die Bildung der Alytesdarmspirale wahrscheinlich ohne wesent- liches Zuthun der Mesenterialgebilde vor sich geht, denen dabei infolge ihrer schwachen Entwickelung nur eine passive Bedeutung zukommen kann. Hingegen sahen wir die letzte Ursache der Spiralbildung in Spannungszuständen der Dotterdarmwand, welche durch die ungleichmässige Verteilung der Dottermasse in derselben hervorgerufen wurden. Überhaupt ist es sehr schwer an den von Rückert abge- bildeten Modellen die drei Abschnitte des ursprünglichen Mittel- Jdarmes von einander zu unterscheiden, während wir sie beim Alytes verhältnismässig scharf abgesondert finden: und es dürfte vielleicht fraglich sein, ob sie bei Selachiern überhaupt deutlich erkennbar vorhanden sind. Wenn man das kurze Fingangsstück bis zur Mündung des Ductus pancreatius an den von Rückert gegebenen Ab- bildungen mit dem Anfangsdarm der Alyteslarve vergleichen 354 KARL REUTER, wollte, so liesse sich vielleicht nichts dagegen einwenden. Wo bleiben dann aber Dotterdarm und Enddarm? Es würde doch wohl znnächst Bedenken hervorrufen müssen, wenn man den Dottersack ohne weiteres mit dem Dotterdarm und die Darm- spirale mit dem Enddarm des Alytes identifizieren wollte. Vielleicht könnte aber in dem Spiraldarm der Selachier ein Gebilde gefunden werden, welches der ganzen Darmspirale ent- spricht und sich wie diese aus zwei Bestandteilen zusammen- setzt, die vielleicht als phylogenetisch ältere Bildungen noch keinen Unterschied erkennen lassen. Dieser letzteren Vermutung widersprechen aber wohl ziem- lich sicher die bereits angeführten, höchst auffallenden Diffe- renzen in Form und Entstehungsart, zu denen noch als schwer- wiegendes Moment hinzukommt, dass der Spiraldarm der Selachier ein während der ganzen Lebenszeit bestehendes Gebilde ist, während die Spirale der Anuren mit dem Ende des Larven- lebens schwindet. Ja es würde gewiss ein naheliegender Schluss sein, wenn man von einer Bildung wie derjenigen des Anurenspiraldarmes, welche durch den nur vorübergehend vorhandenen und in der ganzen Tierreihe als eine accessorische, phylogenetisch stark variabele Beigabe auftretenden Dotter bewirkt wird — wenn man von dieser Bildung schon von vornherein keinen dauernden Bestand erwarten darf. Diese Vermutung scheint ja den Thatsachen wirklich zu entsprechen und wirft damit auf die gegenseitige Stellung und Bedeutung der beiden Formen des Spiraldarmes ein charakteristi- sches Licht. Aus all diesen Gründen müssen wir, glaube ich, ehe nicht sichere Beweise für das Gegenteil erbracht werden können, die Darmspiralen der Selachier und Anuren als zwei phylogenetisch und ontogenetisch grundverschiedene Bildungen betrachten, welche nichts weiter mit einander gemeinsam haben, als die Uber die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans. 355 eigenartige Regelmässigkeit ihrer Form und deren mutmassliche Bedeutung für die physiologischen Ernährungsvorgänge. Höchst interessante Vergleichsmomente ergeben sich nun aber andererseits, wenn wir die Verhältnisse der Darmentwicke- lung bei den Gymnophionen mit denjenigen beim Alytes zu- sammenstellen. Wie schon im Anfang angedeutet, liefert uns die erst kürzlich erschienene Arbeit der Gebrüder Sarrasin (6), welche unter anderem die Entwickelung von Ichthyophis gluti- nosus behandelt, eine Reihe von sehr interessanten und wert- vollen Anhaltspunkten. Bei diesem Tier kommt es offenbar genau so zu einer Dreiteilung des Mitteldarms in Anfangs-, Dotter- und Enddarm, wie bei Alytes auch. Wir sehen die interessante Thatsache eintreten, dass im Anfang der Dotter- darm sich zur Embryonalachse quer stellt in der Weise wie bei Alytes. Die Wandung des Darms zerfällt in einen dünneren dorsalen und in einen diekeren ventralen, hauptsächlich aus Dottermassen bestehenden Abschnitt, welch letzterer sich von dem entsprechenden Teil des Alytes-Dotterdarmes nur dadurch unterscheidet, dass er im Anfang noch nicht ganz vollständig gefurcht ist. Die vollständige Furchung tritt nachträglich ein, während der Dotter dabei in höchst charakteristischer Weise in Spiralwindungen sich aufrollt, fast genau so, wie wir es beim Alytes kennen gelernt haben. Sehr interessant ist die Erklärung, welche für diesen Vor- gang gegeben wird mit den Worten: „Wir können daher die Windungen und Drehungen, die wir den Dotter nun werden vollführen sehen, nicht als Aufrollung des Darmes auffassen, sondern werden die mechanische Ursache in Spannungserschei- nungen des Dotters selbst zu suchen haben.‘ Damit wäre also die Ursache für das Zustandekommen der ersten Windungen die gleiche wie beim Alytes. Es wird daran nichts geändert durch die eigenartige Weise, in welcher die Gebrüder Sarrasin 356 KARL REUTER, Dotter und Darm einander gegenüberstellen. Beide sind das- selbe, was wir beim Alytes als Dotterdarm kennen gelernt haben, der sich hier schon durch die verschiedene Mächtigkeit einer ventralen und dorsalen Wand auszeichnete. Bei Ichthyophis ist dieser Unterschied noch mehr in die Augen fallend und schon früh ausgebildet. Die beiden Teile sind so scharf von einander getrennt, dass es leicht begreiflich ist, wenn man sie in der obengenannten Weise einander gegenübergestellt hat, sind aber schliesslich offenbar weiter nichts als Dach und Boden des Darmes in modifizierter Form. Dass nun die weitere Entwickelung des Darmes bei Ichthy- ophis und Alytes keine so grossen Übereinstimmungen mehr zeigt wie am Anfang, ist wohl der geschilderten Verschiedenheit von Dach und Boden des Darmrohres zuzuschreiben. Beide setzen sich so scharf gegeneinander ab, dass die eintretenden Spannungserscheinungen keine so gleichmässigen sein können wie beim Alytes, wo der Übergang von der ventralen in die dorsale Darmwand nur ganz allmählich erfolgt. Ferner dürfte aber wohl noch als Hauptmoment in die Wag- schale fallen, dass nachgewiesenermassen während der Entwicke- lung von Ichthyophis ein Teil der Dotterzellen zu Grunde geht und nach dem Lumen hin verschwindet, eine Erscheinung, die wir beim Alytes nirgends nachweisen konnten. Beide Unterschiede zusammengenommen bedingen einmal, dass die Spiralwindung nicht so regelmässig erfolgt wie bei Alytes und zweitens, dass sie schon ganz früh wieder verschwindet und einer ganz unregelmässigen Zerklüftung und Verschiebung des Dotters Platz macht, welche nichts mehr von der ursprünglichen Anordnung erkennen lässt. Wir hätten somit bei der Darmentwickelung von Ichthyophis glutinosus trotz mancher anfänglichen Übereinstimmung doch einige sehr wesentliche Modifikationen in der späteren Weiter- Über die Entwickelung der Darmspirale bei Alytes obstetricans.. 357 bildung auftreten sehen, welche indessen gegenüber den Befunden beim Alytes eine einheitliche Deutung zulassen. Ich denke darum nicht fehlzugehen, wenn ich nunmehr zum Schluss noch einmal auf die Bedeutung der Dotterverteilung hinweise. Es scheint mir bei dotterreichen holoblastischen Eiern, wie sie gerade die Amphibien aufweisen, die excentrische Lage des Dottermateriales in dem ventralen Teil der Darmwand zugleich mit dem Längenwachstum die Hauptursache für die Spiraldarm- bildung bei Amphibien zu sein. Daraus folgt mit Notwendig- keit ferner, dass, je grösser die Dottermasse ist und je länger sie sich an Ort und Stelle erhält, desto vollendeter dann, bei eleichmässig fortschreitendem Darmwachstum, die ausgebildete Spirale sein würde. Auf diese Weise würden Dotteranhäufung und Dotterverbleib bei den holoblastischen Eiern zu den eventuell auftretenden späteren Spiralwindungen des Darmes in einem ge- wissen Wechselverhältnis stehen. Auf zweierlei Weise kann der Dottervorrat verbraucht werden, entweder nach der Peripherie, indem er sich in den Zellen auf- löst und vielleicht ins Blut, d. h. in die Dottervenen abgeschieden wird (Alytes) oder nach dem Centrum zu, indem er zerfällt und von einem resorptionsfähigen Teile der Darmwand ver- daut und aufgenommen wird, wie er sich bei Ichthyophis wahr- scheinlich in dem schon so früh differenzierten dorsalen Epithel- streifen repräsentiert. Beide Vorgänge können natürlich auch gleichzeitig nebeneinander verlaufen. Diesen Faktoren entsprechend würden wir vielleicht bei ver- schiedenen Amphibien verschiedene Verhältnisse zu erwarten haben. Bei allen übrigen Tieren, die während ihrer Embryonal- zeit ganz wenig oder gar keinen Dotter besassen, oder bei solchen, bei denen der Dotter ungefurcht, als Ballast in einem Anhängsel des Darmkanales, Dottersack, aufbewahrt wird, finden wir keine 358 KARL REUTER, Über die Entwickelung der Darmspirale ete. Darmwindungen, welche sich genetisch auch nur annähernd mit den Darmspiralen der Anuren vergleichen liessen. Leider sind unsere Kenntnisse über die Entstehung und das Auftreten von Darmspiralen bei den Amphibien noch so mangel- haft, dass alle oben angeführten Überlegungen auf Grund der Alytesbefunde nichts weiter als einen gewissen Grad der Walır- scheinlichkeit für sich beanspruchen können. Sie weisen uns aber darauf hin, dass wir aus einem umfassenden vergleichen- den Studium in dieser Richtung noch manche wertvolle Auf- klärungen zu erwarten haben. Litteraturverzeichnis. . Huschke, E., Über die Umbildung des Darmkanales und der Kiemen der Froschquappen. Isis von Oken XVII, S. 613. 1826. . Baer, Karl Ernst v., Über Entwickelungsgeschichte der Tiere. Be- obachtung und Reflexion. II. Königsberg 1837. . Vogt, Karl, Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Ge- burtshelferkröte (Alytes obstetricans). Solothurn 1842. . Goette, Alexander, Die Entwickelungsgeschichte der Unke (Bombi- nator igneus als Grundlage einer vergleichenden Morphologie der Wirbel- tiere. Leipzig 1875). . Gasser, Zur Entwickelung von Alytes obstetricans. Sitzungsberichte der Marburger Naturforschergesellschaft. 1882. . Sarasin, P. u. F., Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon in den Jahren 1834—86. Wiesbaden. . Ratner, Über die Metamorphose des Darmes bei der Froschlarve. Inaug.- Diss. Dorpat 1891. . Rückert, J., Über die Entwiekelung des Spiraldarmes bei Selachiern. Roux, Arch. f. Entwickelungsmech. IV. 1897. Tafelerklärung. Fig. 1. Sagittalschnitt durch ein Stadium, wo der Embryo dem Dotter noch gekrümmt aufliegt. Der Schnitt weicht vorn stark von der Medianebene ab, darum ist in der Mitte die seitliche Darmwand mit angeschnitten und das Lumen bei M.D. unterbrochen. Md. Medullarrohr. Gh. = Gehirn. H. = Herz Ch. = Chorda. K.D. = Kopfdarm. M.D. = Mitteldarm. Cl. = Kloake. Fig. 2. Abhebung des Embryo von der Dotterkugel, beginnendes Aus- wachsen von Anfangs- und Enddarm. Sagittalschnitt. Md. — Medullarrohr. Gh. — Gehirn. Au. — Augenblasenstiel. Ch. — Chorda. K.D. = Kopfdarm. A.D. — Anfangsdarm. Lu. — Lunge Pd. = dorsales, Pv. = ventrales Pankreas. D. D. — Dotterdarm. E. D. = Enddarm. 7 = Stelle der Ab- flachung der Dotterkugel. H. = Herz. Le. — Leber. Mb. — Mundbucht. Fig. 3. Modell zu einem Stadium, wie es Fig. 2 schon zeigt. K.D. = Kopf- darm. Lu. = Lunge. A.D. — Anfangsdarm. Le. — Leber. Pv. —= ventrales Pankreas. Dv. — Dottervene. D. D. — Dotterdarm. E. D. — Enddarm. Cl. = Kloake. } = Stelle der Abflachung der Dotterkugel.! +} — Übergang von End- darm in Dotterdarm (Spiralpol). Fig. 4. Querschnitt durch den vorderen Teil eines etwa gleichalterigen Stadiums, um die gegenseitige Lagerung von Herz und Darm zu zeigen. Ghbl. = Gehörbläschen. Ki. — äussere Kiemen. Die übrigen Bezeichnungen wie vorher. Fig. 5. Modell eines älteren Stadiums im Moment der Querstellung der Dotterdarmachse, von links gesehen. Ms., Ms.‘ = Mesenterium. P. — Pankreas. Fig. 6. Sagittalschnitt von einem Stadium wie Fig. 5. Fig. 7. Modell eines noch älteren Stadiums mit fortgeschrittener Spiral- drehung von hinten und unten gesehen. Au. = Auge. Fig. 8. Dasselbe von links. Bei beiden ist der Kontur des verdeckten Enddarmes mit eingezeichnet. Fig. 9. Querschnitt durch eine Larve kurz vor dem Ausschlüpfen, Wieder- auftreten eines Darmlumens, beginnende Epitheldifferenzierung. Tafelerklärung. 361 Fig. 10. Querschnitt durch eine ausgeschlüpfte fertig entwickelte Larve. L.D. — Labdrüsen. B.S. — Basis, A.S. = Achse der Spirale. Fig. 11. Querschnitt durch ein junges Stadium etwa vom Alter der Fig. 2. D.L. = Darmlumen. Fig. 12. Dotter- und Enddarm von Fig. 9, stärker vergrössert. Ep. = Epithel. Ser. — Darmserosa. Fig. 13. a. Dotter-, b. Enddarmwandung einer ausgeschlüpften Larve bei gleicher Vergrösserung gezeichnet. D.K. — Dotterkörner. C. — Cutieular- saum. M. = Muscularis. Fig. 14. Darmwandung einer völlig entwickelten Larve vom Stadium der Fig. 10, bei gefülltem Darm. Fig. 15. Fertige Larve, schon beginnende Rückbildung zeigend, zur besseren Übersicht sind Mundhöhlenboden, Leber, Bauchdecken, linkes Bein ent- fernt. Ö. Ösophagus. R. — Reetum. Pa. — Pankreas. Le. — Lage der abpräparierten Leber. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLITXLIII. Heft (13. Bd., H. 23). 94 FRA, Bat 3 a ee Da K Aug alu An an Äh ) ha ae I Hr B We E ange er 3 dh Ran B EN oe L ‚ Ar Pr ji 0 \z.An u KC u . ARE | RN Klin vn a) BUNBRETIEHETR ee) se son Jr un : Bla anch t ei Fat art % Er nn abi En RE ah DIE ENBSFEHUNG DER AIR LEBER, GALLENBLASE, BAUCHSPEICHELDRÜSE UND DES PFORTADERSYSTEMS BEI DEN VERSCHIEDENEN ABTEILUNGEN DER WIRBELTIERE. VON DR. MED. BORIS CHORONSHITZKY, MOSKAU. Mit 85 Textfiguren. EN Br 3% Be, h A ah #5 u ER i ” “ ea Run Se A sr Sole ns SEINEM HOCHVEREHRTEN LEHRER HERRN DR. RÜDOLF KOBERT ORDENTLICHEM PROFESSOR DER PHARMAKOLOGIE IN ROSTOCK GEWIDMET VOM VERFASSER. Fr Fir % > FR ra, f E 4 Harn AYHOOR. FL an Sr se AR w“ amd ME, h ! z ER, er“ hs) In "S; Diese Arbeit erschien im Russischen als Beilage zu den Arbeiten der „Physikomedizinischen Gesellschaft an der kaiser- lichen Universität zu Moskau“ und wurde vom Verfasser selbst ins Deutsche übertragen und verbessert. Als Ergänzung zu dieser Arbeit kann der vom Verfasser im XII. internationalen Ärzte- kongress in Moskau gehaltene Vortrag „Über die Entstehung der Milz und des dorsalen Pankreas beim Nekturus (Meno- branchus lateralis)‘‘ dienen. S. Comptes rendus du XII. Congr. internat. de Med. a Moscou, Vol. IL, p. 115—121. MS urn cs - EM hr 2 2 A N‘ = ’ 0 u \ 5 ® - FL Ye rer FT var San ENTE BL Lips FPabe E PR T L RE SEN Me 2 2 re SE A I FAR ' D UN Ein Fark, RL u va ana, v Rn ee ae) vr ae d ICH y 12 . 2 - BROT m KIN EDER, ee a ad # LM FIME a MIRANDA ETHIER,, > u er „a 2) E£ nn, 3,” j 4 IV Een re er Ya Vaart £ ze HELL e. Ir un , y - Sara re, 2 j j 2 2 ’ amd AB a Ta Er W v ar j £ 4 Ir 1 Litteratur über die Entstehung der Milz. Die Lehre von der Entstehung der Milz war bis vor kurzem ein wenig bearbeitetes Gebiet. In der älteren Litteratur finden wir ausser einigen zerstreuten mehr weniger kurzen Bemerkungen über die Entwickelung der Milz nur eine kurze spezielle Abhandlung über diese Frage, nämlich einen Artikel von Peremeschko (L. 69). Aber in diesem Artikel, sowie auch in den genannten zerstreuten Bemerkungen anderer Autoren wird hauptsächlich die Topographie der entstehenden Milz be- rücksichtigt, ohne genauere Hinweisung auf das Keimblatt, in welchem die Milz ihren Ursprung nimmt. Alle diese Autoren konstatieren einerseits, dass die Milz im dorsalen Mesenterium der Magen- und Duodenalgegend entstehe, andererseits, dass die erste Milzanlage eng dem dorsalen Ende der Bauchspeicheldrüse anliege. So findet z. B. Carl Ernst von Baer (L. 1) die Milzanlage beim Hühnchen in einem dünnen Mesenterialblatte, welches zum Magen hinzieht. Nach ihm erscheint die Milz schon yon Anfang an als ein „blutrotes Körperchen“ (S. 81), d. h. schon von Anfang an besitzt dieselbe sehr reichliche Blut- gefässe. Rathke (L. 71) behauptet, dass bei der Natter (Coluber Natrix) „an dem Ende des Pankreas sich schon frühe ein Kör- perchen einfand, das mit ihm fest verschmolzen war, daher auch nur die äussere, oder die vom Ausführungsgange entfern- 0 BORIS CHORONSHITZKY, tere Hälfte dieses Organs zu sein schien, aber für immer durch eine sehr lebhafte Röte, durch Mangel an Drüsenkörnern und durch ein weicheres Gewebe vor der anderen grösseren Hälfte sich sehr merklich auszeichnete. Es stellte gleichsam eine Kappe dar, die der mit Drüsenkörnen versehenen Hälfte des Organes aufsass und die anfangs nur dünne war, allmählich aber in ihrer Mitte eine bedeutende Dicke erreichte, sich also immer mehr auftürmte. Diese Kappe nun, die auf den ersten Anblick nichts weiter zu sein schien, als ein Blastem, in das sich die eigentümlichen Gefässe des Pankreas noch nicht fortgesetzt hatten, und in dem noch keine Drüsenkörner entstanden waren, ist derjenige auch in erwachsenen Nattern vorkommende Körperteil, den einige vergleichende Anatomen mit Recht für die Milz dieser Tiere gehalten haben.“ Rathke sah also den grossen Unterschied zwischen dem ganzen Pankreas und der demselben aufsitzenden Kappe, und nichtsdestoweniger hielt er die Milz für einen in seiner Entwickelung abgewichenen Teil des Pankreas, obgleich er auch sah, dass die Gefüsse dieser Drüse auf die Milz nicht übergehen. Reichert (L. 76) sagt (S. 205), dass beim Hühnchen die Milz „über dem Muskelmagen, mitten in der Substanz“ des Mesenteriums entstehe, d. h. dasselbe, was auch v. Baer be- hauptet. Beim Frosche (S. 58) fand Reichert die erste Milz- anlage „zwischen beiden Peritonealwänden des Mesenteriums, etwas entfernt von der Wirbelsäule“ und glaubt, dass sie hier „gewiss in nächster Beziehung zum Gefässsystem des Darmes“ stehe; „doch ist mir ihre Bedeutung nicht klar geworden“, fügt er hinzu. Nach Valentin (L. 95) „scheint die Milz aus einer selbst- ständig abgelagerten Bildungsmasse an der linken Seite des Magens zu entstehen‘‘; „sie mag vielleicht‘, fügt er hinzu, „ihrem Haupt- teile nach dern Schleimblatte, im ganzen aber dem Gefäss- und Schleimblatte zugleich angehören.“ „Sie liegt zuerst dem Magen Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 371 ganz dicht an, weicht aber später etwas von ihm mehr nach der Wirbelsäule und der linken Seite hin zurück“ (S. 520). Meckel (L. 65) vereinigt, nicht ohne Grund, die Bauch- speicheldrüse und das ‚„gallebereitende Organ“ in eine Gruppe; zu dieser Gruppe zählt er aber auch die Milz, „durch deren An- bildung das gallebereitende Organ sich vervollkommnet“ (S. 24). Er geht nämlich von dem Standpunkt aus, dass sämtliche „Neben- organe des Speisekanals anfangs höchst wahrscheinlich eins“ darstellen und dass erst später ein Funktionsunterschied der- selben entstehe. . „Die Grösse der Milz steht gleichfalls sehr all- gemein mit der der Leber im geraden Gegensatz‘, fügt er hinzu. Bischoff (L. 5) bestreitet die Ansicht von Arnold (Salzb. med. Zeitung 1831. IV, S. 301), welcher behauptet, dass Milz und Pankreas „anfänglich eine gemeinschaftliche Masse bilden“ und dass die Milz erst nachträglich vom Pankreas sieh abschnüre, von dem sie sich durch ihre Röte, d. h. durch besonderen Ge- fässreichtum, unterscheide. Bischoff nimmt im Gegenteil für jedes Organ ein besonderes Blastem an. „Das Blastem des Pankreas geht vom Duodenum aus, das der Milz von der grossen Kurvatur des Magens. Beide stossen vor der Wirbelsäule zu- sammen‘ und verschmelzen. ‚Allein so wie ‚sich die Drüsen durch histologische Sonderung in diesen Blastemen entwickeln, sind sie schon von einander getrennt und verschieden (was er auch unter dem Mikroskope gesehen haben will). Später, wenn das Blastem ganz verwendet ist, trennen sich beide Organe auch ganz von einander“. Bischoff behauptet weiter, er „habe die Milz oft bei verschieden alten, grösstenteils noch sehr jungen Embryonen von Hunden, Rindern, Kaninchen, Ratten und Menschen mikroskopisch untersucht“. „Sie ist“, sagt er weiter, „immer ausserordentlich gefäss- und blutreich. Fasern fand ich in der früheren Zeit nicht in ihr, sondern nur Körner, d.h. Zellkerne mit Kernkörperchen. Später bilden sich um dieselben Zellen, die einen feinkörnigen Inhalt haben, wie sie auch die 372 BORIS CHORONSHITZKY, Milz des Erwachsenen zeigt“. — Es ist selbstverständlich schwer zu sagen, wie man sich die beiden Blasteme, von denen Bischoff spricht, vorzustellen habe, wie dieselben miteinander und anderer- seits mit dem Magendarmtrakte verbunden seien, und aus welchem Keimblatte eigentlich die Milz stamme, aus dem Schleim- oder Faserblatte. Was die „Körner“ anbetrifft, von denen er spricht, so glauben wir, dass man darunter Jie runden Embryonalzellen zu verstehen habe, welche wenig Protoplasma besitzen und sehr reichlich in der ersten Milzanlage vertreten sind. Nach Remak (L. 77, S, 60, $ 106) erscheint die Milz beim Hühnchen am Ende des 5. oder am Anfange des 6. Tages „innerhalb der Mittelplatten, in der Nähe des Pankreas, als ein unpaares ovales, weisses, gefässloses Körperchen von höckeriger Oberfläche‘, — sie gehört also, nach ihm, dem mittleren Keim- blatte an und erhält erst später Blutgefässe. (Gray (nach Woit, L. 99) behauptet, dass beim Hühnchen die Milz von vornherein aus einer Ansammlung kleiner Zellen bestehe und dass erst nachträglich in ihr Bindegewebe und Ge- fässe sich bilden. Er giebt ausserdem an, dass die Milzvene erst am 13. Tage sich bilde, nachdem schon etwas früher die Milzarterie sich gebildet hat. Im Gegensatz zu Gray meint Peremeschko (L. 69), dass die Gefässe der Milz sich früh bilden, so dass wir sie schon in der ersten Anlage des Organs finden. Beim Schweinsembryo entwickelt sich die Milz „im Gekröse des Magens, welches sehr reich an Blutgefässen ist und aus kleinen meist runden noch ganz indifferenten Zellen besteht. Legt man den Schnitt durch denselben Embryo etwas tiefer, so findet man in demselben Ge- kröse die erste Anlage des Pankreas, welches sich also früher als die Milz zu entwickeln beginnt und jetzt noch aus kompakten Zellenmassen besteht.“ — „Die Entwickelung der Milz beginnt mit Vermehrung und gleichzeitiger Differenzierung der Zellen Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 373 des Gekröses; bei Schweinsembryonen von 2 cm Körperlänge finden wir schon eine beträchtliche Anhäufung dieser Zellen, wodurch an einer genau umgrenzten Stelle jene Verdickung des Gekröses gebildet wird, welche die künftige Milz darstellt und sich schon in dieser Entwickelungsperiode auf einer Seite vom Pankreas, auf der anderen vom Gekröse abschnürt. Die Milz besteht zu dieser Zeit nur aus runden oder länglichen Zellen und enthält kein faseriges Gewebe. Man kann aber schon jezt auf Querschnitten zwischen den genannten Zellen die Lumina der grossen Blutgefässe sehen.“ „Nach der Abschnürung der Milz von dem Pankreas schreitet die Differenzierung der Zellen rasch vorwärts“. — Wie man eigentlich diese Abschnürung der Milz vom Pankreas sich vorstellen soll, ist sehr schwer zu sagen, da Peremeschko im Grunde genommen nicht angiebt, worin der Zusammenhang dieser Organe besteht. Er meint, wie man aus dem angeführten Auszuge sieht, dass die Milz im Gekröse entstehe, wobei ihr erstes Auftreten durch eine Anhäufung von runden indifferenten Zellen, mit anderen Worten, durch eine Verdichtung des mesenchymatösen Gewebes sich auszeichne. Aber Peremeschko giebt nicht an, ob diese Verdichtung des Mesenchyms dicht bis an die Bauchspeicheldrüse sich erstrecke oder nicht, und ob ein Übergang von pankreatischen Elementen ins Mesenchym zu beobachten sei oder nicht. Wenn man auch annehmen soll, dass Peremeschko eine Verdichtung des Mesenchyms dicht bis an die Bauchspeicheldrüse gesehen hat, so kann man es doch noch nicht als einen im histologischen Sinne wahren Zusammenhang zwischen Milz und Pankreas be- trachten, sondern eher als eine enge Nachbarschaft der beiden Organe, — sodass von einer wahren Abschnürung eines dieser Organe vom anderen überhaupt gar nicht die Rede sein kann. Unserer Meinung nach kann man hier nur von einer Ent- fernung der Milz vom Pankreas sprechen, zumal diese beiden Organe auch späterhin im selben Mesenchym zu liegen kommen, 374 BORIS CHORONSHITZKY, welches auch das eigentliche verbindende Medium derselben darstellt. Fast zugleich mit dem Artikel von Peremeschko erschien die erste Arbeit vom ausgezeichneten Forscher A. Götte (L. 18) über die Entwickelung des Darmkanals beim Hühnchen. Über die Milz finden wir aber hier sehr wenig, und das, was Götte über sie sagt, erinnert an die angeführte Ansicht von Pere- ıneschko. Nach Götte entsteht die Milz in der Faserwand des dorsalen Pankreas, ein wenig rechts, an. seinem dieken, d.h. dorsalen Ende. Hier sieht man die Faserwand „hügelartig her- vorwuchern, und indem sie zugleich ein wenig von ihrer son- stigen Durchsichtigkeit verliert (Verdichtung des Mesenchyms!), sich mehr und mehr als ein etwa bohnenförmiges Körperchen vom Pankreas abschnüren. Dieses Körperchen ist eben die An- lage der Milz...“ Also finden wir auch bei Götte dieselbe sonderbare Vorstellung von der Abschnürung, wie bei Pere- meschko. Dazu sind noch bei Götte keine genaueren histo- logischen Angaben über die erste Milzanlage vorhanden. Aber aus seinen Abbildungen ersieht man, dass die Faserwand ihre Durchsichtigkeit nicht dicht bis an das Pankreas einbüsst und dass zwischen der undurchsichtigen Stelle und dem Pankreas noch eine Schicht normalen Mesenchyms vorhanden ist. Es er- folgt daraus, dass auch hier der Zusammenhang der uns interes- sierenden Organe, d. h. der Milz und des Pankreas, nur darin be- steht, dass sie durch ein gemeinschaftliches Mesenchym ver- bunden sind, welches auch in Zukunft das eigentliche verbindende Element der beiden genannten Organe darstellt. Es kann also auch hier nicht die Rede von einer Abschnürung des einen Organs vom anderen sein. Viel weiter, als die beiden letztgenannten Autoren, geht in seinen Ausführungen Wilhelm Müller (in Striekers Hand- buch, L. 68). Dieser Kenner der Milz behauptet: „Bei allen Wirbeltieren geht die Milz aus einem Abschnitt des Peritoneum Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 375 hervor. Die Lage dieses Abschnittes ist bei den einzelnen Ab- teilungen verschieden. Bei den Schlangen ist es der Bauch- fellüberzug des oberen Endes des Pankreas, bei den Fischen, Fröschen und Schildkröten das Mesenterium des Dünn- resp. Dickdarmes, bei den Salamandern, Sauriern, Vögeln und Säuge- tieren eine Verlängerung des Mesogastrium, aus welcher das Organ sich entwickelt. Die erste Anlage tritt auf in Form einer gleichförmigen Verdiekung des Peritoneum, bedingt durch Ver- mehrung der dasselbe zusammensetzenden embryo- nalen Bildungszellen. Diese Verdickung erfolgt sehr früh; sie ist beim Menschen zu einer Zeit bereits nachweisbar, in welcher das Pankreas die ersten Spossen aus seiner Anlage hervorgetrieben hat. In dieser Zeit lassen sich bereits Blutge- fässe bis zur Milzanlage verfolgen. Zwischen den embryonalen Zellen bemerkt man schon in diesem Zeitraum an Chromsäure- präparaten ein sehr zartes, blasses Netzwerk; ob dasselbe durch Auswachsen einzelner Zellen (Peremeschko) oder durch Ab- scheidung peripherischen Protoplasmas sämtlicher Zellen zustande kommt, vermag ich nicht zu entscheiden. Die weitere Ent- wickelung erfolgt ziemlich rasch, sodass bei einem menschlichen Fötus von 8 cm Länge sämtliche Bestandteile bereits differen- ziert sind. Es verlängern sich "die unterm Peritoneal- epithel liegenden Zellen zu spindelförmigen, kernhaltigen Gebilden und ähnliche umgeben frühzeitig die grösseren Gefässe. Von beiden zweigen sich schmale Züge ab, welche gegeneinander wachsen und die Anlage des Balkensystems darstellen ... . Die Pulpa entwickelt sich aus der Wandung der Venenanfänge, die Arterienscheiden mit den Malpigshischen Körpern aus der die Arterien einhüllenden Bindesubstanz‘“. — Aus den ange- führten Worten Müllers ersieht man, dass er die Begrifie Mesenchym und Mesoderm (oder Mesothel) nicht vollständig unterscheidet (wie es auch bei den anderen Autoren jener Zeit der Fall ist) und beide mit einem Worte bezeichnet, nämlich 376 BORIS CHORONSHITZKY, mit dem Worte Peritoneum. Nichtsdestoweniger bekommt man schon aus seiner Beschreibung unwillkürlich die Vorstellung, dass die erste Milzanlage immer an einen bestimmten Abschnitt des Mesoderms oder Mesothels gebunden ist. Indem er sagte, dass „die erste Anlage der Milz in Form einer gleichförmigen Verdickung des Peritoneum auftritt, bedingt durch Vermehrung der dasselbe zusammensetzenden embryonalen Bildungszellen“, konnte er indessen nicht das Mesothel allein gemeint haben, sondern hauptsächlich den demselben eng anliegenden mesen- chymatösen Herd, welcher das Mesothel in die Bauchhöhle hinein- stülpt und so die von Müller genannte „Verdickung des Peri- toneum“ bildet. Man ersieht es daraus, dass er von einem „zarten, blassen Netzwerk‘‘ spricht, welches sich schon in der ersten Milzanlage befinden soll: solch ein Netz kann im Meso- thel, welches doch nur ein Epithel — ein mehrschichtiges oder sogar viel häufiger ein einschichtiges — darstellt, nicht vor- handen sein. In letzterer Hinsicht, d. h. in Bezug auf das zarte, blasse Netzwerk, stimmt Müller nicht mit Peremeschko überein, welcher solch ein Netzwerk in der ersten Milzanlage nicht gesehen hat und welcher glaubt, dass es erst in späteren Stadien sich bilde. Ebenso sahen auch Bischoff und Gray keine Fasern in der ersten Milzanlage. Was die Blutgefässe der Milz anbetrifft, so sind Müller undPeremeschko darin einig, dass dieselben schon beim ersten Auftreten der Milz zu sehen sind, und stehen Remak und Gray gegenüber, welche beide keine Blutgefässe in der ersten Milzanlage gesehen haben. Wir wollen indess hier nochmals erwähnen, dass die Müllersche Ansicht auch von Carl Ernst v. Baer geteilt wird, welcher an- giebt, dass beim Hühnchen die Milzanlage schon von Anfang an (am Ende des 5. Tages) ein „blutrotes Körperchen“, d.h. ein blutgefässreiches Organ darstellt. — Im Jahre 1875 erschien das kapitale Werk von A. Götte über „die Entwickelungsgeschichte der Unke“ (L. 19). Über die Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 377 Entstehung der Milz finden wir hier folgendes (S. 812): ‚Nur an einer Stelle, sagt Götte, entsteht im Visceralblatte (d.h. im Därmfaserblatte) ein besonderes Organ, die Milz. Sie hat keine ursprüngliche morphologische Anlage, sondern erscheint im Mesen- terıum des Mitteldarms, nahe der Wurzel der Arteria mesen- terica als ein flaches Häufchen indifferenter rundlicher Zellen mit granulierten deutlichen Kernen, welche ich eben desshalb und weil alle umgebenden Zellen alsdann bereits differenziert erscheinen, für direkte Abkömmlinge der Dotterbildungs- zellen halte. In den Blutbahnen sind dieselben zu der ange- gebenen Zeit schon sämtlich in der Umwandlung in vollständige Blutkörperchen begriffen. Bald darauf tritt jenes Zellenhäuf- chen als rundliches, dem Mesenterium anhängendes Körperchen hervor, ohne dass jedoch seine Innenmasse sich merklich ver- ändert hätte.“ Die angeführte Ansicht von Götte erinnert sehr an die Ansicht von Peremeschko, nach welchem die Milz im Mesenterium sich bilde und gleich darauf ‚nur aus runden (oder länglichen) Zellen bestehe und kein faseriges Gewebe“ enthalte. Aber indem Götte sagt, dass die erste Milzanlage ein „Häuf- chen indifferenter rundlicher Zellen“ darstellt, will er noch durch- aus nicht das Vorhandensein faserigen Gewebes in der Milz verneinen; er erwähnt einfach nicht davon, absichtlich oder un- absichtlich, und wir haben deshalb nicht das Recht, daraus irgend welche Schlüsse zu ziehen, zumal Götte von der Milz vorübergehend und überhaupt sehr wenig spricht. Indess kon- statiert Müller, im Gegensatze zu Götte, Peremeschko, Gray und Bischoff, einerseits das Vorhandensein eines zarten, blassen Netzwerkes in der ersten Milzanlage, andererseits die Thatsache, dass die Verdickung des Peritonaeum, welche den Anfang der Milz darstellt, „durch Vermehrung der dasselbe (d. h. das Peritonaeum oder richtiger das Darmfaserblatt) zu- sammensetzenden embryonalen Bildungszellen‘‘ bedingt ist. Mit anderen Worten, Müller weist auch teilweise darauf hin, woher Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLITXLIII. Heft (13. Bd., H. 23.) 25 318 BORIS CHORONSHITZKY, die am Entstehungsorte der Milz sich anhäufenden Zellen stammen, nämlich er glaubt, wie man aus seiner kurzen Aus- führung ersehen kann, dass diese Zellen mesodermalen oder sogar richtiger mesenchymatösen Ursprungs seien. Aber wel- chen Ursprung haben diese Zellen nach Götte? Was versteht der letztere unter den sogenannten Dotterbildungszellen, welche er für die unmittelbaren Vorgängerinnen der die erste Milzanlage bildenden Zellen hält? Um eine bessere Vorstellung von . der Götteschen Ansicht in dieser Frage zu geben, wollen wir hier seine Ausführungen über die Entwickelung des Mesenchyms oder, wie er es nennt, des „interstitiellen Bildungsgewebes“ er- örtern. Götte sagt in Bezug auf dasselbe: „Dieses embryonale Gewebe entwickelt sich aus allen den Teilen der Segmente, welche nicht zu den Muskeln, Ganglien und Nervenstämmen verbraucht werden, also aus den inneren Segmentblättern und einzelnen Teilen der äusseren Segmentschicht (S. 490).“ Das Mesenchym des Magendarmtraktes wird vom Visceralblatte ge- liefert, „natürlich unter Zuziehung von Dotterbildungszellen, aber unter Ausschluss einer irgendwie nennenswerten Beteiligung der Segmente“ (S. 811).“ Nach Götte hat die Interstitialflüssig- keit, welche ‚den ganzen Körper durchtränkt“ (5. 495), einen rein mechanischen Einfluss auf die Entwickelung des interstitiellen Bildungsgewebes: „während die Interstitialflüssigkeit in den An- lagen des Bildungsgewebes die Embryonalzellen auseinander- drängt, büssen dieselben nicht alle ihre früheren Verbindungen ein, sondern bleiben durch Substanzbrücken in Zusammenhang. Diese Brücken, deren Zahl je nach der früheren Lage der ein- zelnen Zellen ausserordentlich schwankt, erscheinen anfangs, so lange sie noch eine geringe Länge besitzen, verhältnismässig breit und bestehen aus der vollständigen, mit Dotterplättehen angefüllten Dottersubstanz. In dem Maasse jedoch, als sie sich bei dem anhaltenden Auseinanderrücken der Zellen verlängern, werden sie auch schmäler, endlich fadenförmig, und verwandelt Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 379 sich ihre Substanz unter Verlust der Dotterplättchen in eine gleichartige protoplasmatische Masse.‘‘ Auf solche Weise entsteht ein echtes retikuläres Gewebe, nur aus Sternzellen bestehend, deren fadenförmige Fortsätze sich untereinander zu einem ge- meinschaftlichen Netze vereinigen, wobei die genannten Zellen die Knotenpunkte des letzteren bilden. So sieht nach Götte das Mesenchym von Anfang an aus. Freie Zellen giebt es also nicht in ihm. „Vergleicht man, setzt Götte fort (S. 497), die ersten und die späteren Zustände dieses Zellennetzes, so über- zeagt man sich leicht, dass die Zahl der Fortsätze zugenommen hat, und dass im Zusammenhange mit ihnen zarte Fasernetze entstanden sind, welche man früher vermisste. Sollte man nun nicht annehmen, dass die Zellen neue freie Fortsätze hervor- getrieben haben, welche zum Teil unter sich und mit den anderen verschmolzen? Ich halte diese Annahme für unwahrscheinlich. Sobald das Netzwerk des Bildungsgewebes sich entwickelt hat, finde ich in demselben keine einzige runde, fortsatzlose Zeile mehr; aber von dem Zeitpunkte an, wann die Aorta entstanden ist, erscheint eine Anzahl beinahe kreisrunder Zellen in jenem Gewebe, wie sie nur noch im Herzen und den eben angelegten Gefässen, namentlich der weiten Aorta als Blutzellen vorkommen. Wenn man erst erkannt hat, dass diese Gefässe während längerer Zeit eine netzförmig durchbrochene Wand besitzen!) und anfangs in die Zwischenräume des Bildungsgewebes offen auslaufen, so 1) Nach Götte bilden sich die genannten Gefässe im interstitiellen Bildungsgewebe ganz unabhängig vom Herzen und zwar so, dass die an der betreffenden Stelle vorhandenen interstitiellen Räume sich zu erweitern be- ginnen, wobei das retikuläre Gewebe durch die Interstitialflüssigkeit von innen- nach aussen verdrängt und in der Umgebung des immer grösser werdenden Lumens allmählig zusammengedrückt wird. Endlich verliert die innerste an das Lumen grenzende Schicht, welche am meisten zusammengedrückt und ab. geplattet wird, ihre fadenförmigen Verbindungen mit den mehr peripher ge legenen Schichten und wird in eine echte Gefässwand umgewandelt. Und so ist es auch erklärlich, „dass diese Gefässe während längerer Zeit eine netz- förmig durchbrochene Wand besitzen. . .“ oe 380 BORIS CHORONSHITZKY, wird man über den Ursprung der in dem letzteren neu auf- tretenden runden Zellen nicht zweifelhaft sein: es sind die durch den Herzstoss aus der Aorta und den übrigen primitiven Gefässen hinausgetriebenen embryonalen Blutzellen oder Dotterbildungs- zellen, welche alsdann von der durch die wiederholten Stösse und die eigene Ansammlung beständig bewegten Zwischenflüssig: keit des Bildungsgewebes weiter geschwemmt werden. Diese durch ihre Gestalt von den ursprünglichen Zellen des Netzwerkes leicht unterscheidbaren, in ihrer Zusammensetzung aber mit denselben durchaus übereinstimmenden Dotterbildungs- zellen verbinden sich früher oder später mit einem ihnen an- stossenden Zellenfortsatze oder Zellenkörper; die anfangs kurze Brücke wird allmählich lang und dünn ausgezogen, die daran befestigte, in der Flüssigkeit flottierende Dotterbildungszelle-findet neue Befestigungspunkte, an denen bei der anhaltenden Aus- dehnung des ganzen Gewebes wieder neue Fäden ausgezogen werden, und endlich ist sie von den übrigen Zellen des Netz- werkes nicht mehr zu unterscheiden und vollständig in dessen Bestand eingetreten, wodurch aber zugleich die Zahl der Fort- sätze an den früheren Zellen vermehrt ist, und durch Ver- schmelzung sich kreuzender und zufällig berührender Verbindungs- fäden bereits Fasernetze entstanden sein können... Da nun die Einwanderung der Dotterbildungszellen in das interstitielle Bil- dungsgewebe längere Zeit ununterbrochen andauert, so erklärt sich daraus ebenfalls dessen bedeutende Massenzunahme, welche aber den Charakter des Gewebes zunächst nicht verändert, sondern, indem sie mit der Ansammlung der Interstitialflüssigkeit Hand in Hand geht, lediglich die Ausbildung des Zellennetzes und seine Ausbreitung in alle Zwischenräume der Embryonalanlagen bewirkt. ... Später entstehen allerdings Neubildungen im inter- stitiellen Bildungsgewebe durch kompakte Ansammlungen der Dotterbildungszellen, welche an bestimmt begrenzten Stellen das Netzwerk vollständig ausfüllen und in sich aufnehmen.“ Diese Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 381 Bildungen sind nach Götte „die Anlagen gewisser Knorpelteile und der Muskelsehnen.“ — Wenn wir alles hier in Bezug auf die Verbreitung der Dotterbildungszellen und ihre Anhäufung an einigen Stellen Gesagte mit dem vergleichen, was Götte über die Entstehung der Milz angiebt, wird es uns klar werden, wie wir uns die Anhäufung ‚‚indifferenter rundlicher Zellen — direkter Abkömmlinge der Dotterbildungszellen“ —, welche die Milz- anlage bilden soll, vorzustellen haben. Aber eines bleibt doch noch unklar, nämlich ob in der ersten Milzanlage ein Netzwerk vorhanden sei oder nicht. — Jetzt müssen wir noch erörtern, woher die sogenannten Dotter- bildungszellen oder embryonalen Blutzellen stammen, welche aus dem Herzen in das interstitielle Bildungsgewebe hinausgetrieben werden. Diese Zellen schnüren sich nach Götte (p. 264-266) von der ventralen Wand der Dottermasse ab, welche aus grossen polygonalen mit Dotterplättchen gefüllten Zellen besteht. Diese Abschnürung von Dotterbildungszellen geht Hand in Hand mit der allmählichen Resorption der Dottermasse, welche die ventrale Wand des Dotterdarms darstellt. Die dorsale Wand des Dotter- darms, sowie der ganze Vorder- und Hinterdarm differenzieren sich schon in einem früheren Stadium, d. h. sie stellen schon früh regelmässige Reihen von Öylinderzellen dar, welche nach Götte allmählich längs dem Visceralblatte von hinten, vorne und der Dorsalseite her auf die Dottermasse hinüberwachsen und letztere auch ventralwärts zu bedecken suchen. Wenn dieser Prozess zu Ende ist, stellt der Dotterdarm einen Sack dar, welcher zwischen Vorder- und Hinterdarm eingeschlossen und allseitig aus differenzierten Cylinderzellen zusammengesetzt ist. Innerhalb dieses Sackes sind dann nur noch unbedeutende Reste der erossen Dottermasse vorhanden; diese Reste bestehen aus Zellen, „deren zerfressenes Aussehen ihren Zerfall bedeutet.“ Vom Visceralblatte sind aber diese Reste schon vollständig abge- schnitten, sodass in dasselbe schon mehr keine Dotterbildungs- 382 BORIS CHORONSHITZKY, zellen einwandern können. In früheren Stadien aber, wo „auf der Oberfläche des Nahrungsdotters das einbryonale Blut sich bildete“ und diese Einwanderung von Dotterbildungszellen leb- haft vor sich ging, traten letztere in die Dottervenen ein und wurden auf diese Weise dem Herzen zugeführt. Der Flüssig- keitsstrom, der nach Götte auch vor dem Entstehen der Dotter- bildungszellen schon vorhanden war, beginnt also von einem gewissen Momente ab, die letzteren in sich aufzunehmen und sie durch die Dottervenen, Herz- und grossen Gefässe dem inter- stitiellen Bildungsgewebe zuzuführen. Aus der hier kurz auseinandergesetzten Lehre Göttes ist es ersichtlich, dass die embryonalen Blutzellen oder sogenannten Dotterbildungszellen entodermalen Ursprungs seien und dass die erste Milzanlage ebenfalls ein Herd von Zellen entodermalen Ursprungs sei, da sie doch einfach „ein flaches Häufchen in- differenter rundlicher Zellen — direkter Abkömmlinge der Dotter- bildungszellen“ darstellt. Das ist der Schluss, den man in Be- zug auf die Entstehung der Milz bei der Unke aus der ganzen auseinandergesetzten Lehre des ausgezeichneten Forschers ziehen muss. Es wurde schon oben von uns bemerkt, dass Götte keine Hinweise darauf giebt, ob in der ersten Milzanlage ein Netz- werk vorhanden sei oder nicht. Ein zweiter Umstand, der ge- radezu auffallend ist, besteht darin, dass er in seinem „Atlas zur Entwickelungsgeschichte der Unke“ auf Taf. XXI, Fig. 376 die erste Milzanlage im Mesenterium nicht links, sondern rechts von der Arteria mesenterica zeichnet, — eine T'hatsache, auf die wir aus dem Grunde hinweisen müssen, weil wir bei allen Larven der Unke und des Frosches die erste Milzanlage links von der genannten Arterie finden. Dasselbe giebt auch Woit (Litt. 99) an, der bei allen von ihm untersuchten Frosch- larven die Milz linkerseits und teilweise auch vor der Wurzel der Arteria mesenterica fand. Und in der That kann es auch Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 388 anders nicht sein in Anbetracht des engen Zusammenhanges, welcher, wie wir es unten beweisen werden, bei allen Wirbel- tieren zwischen der ersten Milzanlage und dem linken Visceral- blatte besteht. Was speziell den Frosch anbetrifit. so finden wir hier die Milz links von der Arteria mesenterica, am linken visceralen Mesodermblatt, nicht nur bei den jüngeren Stadien, sondern auch bei allen von uns untersuchten älteren Stadien und auch beim erwachsenen Frosch. Bei Pelobates fuscus, welcher näher zur Unke steht, als zum Frosch, fand Woit allerdings bei dem einzigen bei ihm vorhanden gewesenen Exemplar von 4,2 cm Länge die Milz in einer links offenen Mesenterialtasche, — eine Thatsache, die selbstverständlich für Götte sprechen könnte. Aber wir fanden, wie schon erwähnt, auch bei der Unke, in sämtlichen bei uns vorhanden gewesenen Stadien, die Milz links von der Arteria mesenterica, d. h. am linken visceralen Mesodermblatt. Wir können hier nur unser Bedauern aussprechen, dass Götte überhaupt sehr wenig in seinem grossartigen Werke über die Entstehung der Milz spricht, so z. B. indem er die Thatsache feststellt, dass in etwas vorge- schritteneren Stadien die Milzanlage, „als rundliches dem Mesen- terium anhängendes Körperchen“ hervortritt, erwähnt er nicht einmal, an welche Seite des Mesenteriums dieses Körperchen befestigt ist, an die linke oder rechte. — Etwa 15 Jahre nach dem Erscheinen des G ötte schen Werkes, erschien eine kurze Arbeit von Maurer (L. 62) über „die erste An- lage der Milzund das erste Auftreten von lymphatischen Zellen bei Amphibien“. Als Objekte zur Untersuchung dienten ihm haupt- sächlich Froschlarven. teilweise auch Axolotl- und Tritonlarven. Maurer kommt im Grunde genommen zu denselben Resultaten, wie Götte, d. h. dass die Milzanlage eine Anhäufung von run- den Zellen entodermalen Ursprungs im Mesenterium, nahe der Wurzel der Arteria mesenterica, darstelle. Der Weg aber, den diese Zellen passieren, um sich an dieser Stelle anzuhäufen, 384 BORIS CHORONSHITZKY, ist nach Maurer, wie wir es unten sehen werden, ein ganz anderer, als wir es bei Götte finden. Andererseits ist nach Maurer auch der Entstehungsort dieser runden Zellen nicht nur die Ventralwand des Dotterdarms, d. h. nicht nur die Masse grosser noch undifferenzierter polygonaler Dotterzellen, welche die ursprüngliche Ventralwand des Dotterdarms darstellt, sondern fast der ganze Darmtrakt, in seiner ganzen Länge; mit anderen Worten, nach seiner Meinung schnüren sich die genannten runden Zellen nicht nur von der aus undifferenzierten Zellen bestehen- den Dottermasse ab, sondern auch von denjenigen Darmtheilen, welche aus einem eylindrischen Epithel zusammengesetzt sind. Der Prozess des Hinaustretens runder entodermaler Zellen in das umgebende Mesenchym dauert nach Maurer deshalb auch viel länger, weil dieses Hinaustreten nach seiner Meinung auch noch dann zu beobachten sei, wenn das genannte cylindrische Epithel schon die Ventralseite des Darmes bedeckt hat, und sogar dann, wenn es schon vollständig frei von Dotterplättchen geworden und nach dem Darmlumen zu von einem Cuticular- saum bedeckt ist. Daraus folgt auch, dass der Zeitraum, in welchem dieses Hinaustreten entodermaler Zellen geschehen soll, nach Maurer ein ganz anderer sei, als es Götte angiebt, denn nach der Meinung des Letzteren hört der Ausscheidungsprozess von Dotterbildungszellen bereits dann auf, wenn die Ventralseite des Dotterdarms vom differenzierten ceylindrischen Epithel voll- ständig bedeckt wird, (s. oben). Maurer aber sagt, dass bei einer Froschlarve von 4 mm Länge (vom Mund bis zum After), bei welcher in den Gefässen schon rote Blutkörperchen vor- handen sind, im Mesenchym weder freie, runde oder, wie er sie nennt, Iymphatische Zellen, noch irgendwelche andere Zellen, die man als Vorgängerinnen der letzteren betrachten könnte, nachzuweisen seien. Da Maurer angiebt, dass der Darmtrakt der genannten Froschlarve im allgemeinen in einen vorderen Abschnitt mit einschichtiger und einen hinteren mit mehr- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 385 schichtiger Wand eingeteilt werden kann, so muss man annehmen, dass hier der Dotterdarm ventralwärts noch nicht vom differen- zierten cylindrischen Epithel bedeckt sei: nach Götte würde das also eine Larve darstellen, bei der eine Ausscheidung von Dotterbildungszellen zu beobachten sei, zumal Maurer selbst daranf hinweist, dass bei dieser Larve schon rote Blutkörperchen, wenn auch von Dotterkörnern überfüllt, vorhanden seien. — Bei einer etwas älteren Larve von 4,6 mm (Mund- After)- Länge stellt der Darmtrakt nach Maurer eine lange Schlinge mit einschichtiger Wand dar, deren cylindrische Zellen in sich noch viel Dotterkörner einschliessen. Eine eigentliche Dotter- masse giebt es also bei dieser Larve nicht mehr, abgesehen von einigen spärlichen Resten derselben, welche im Darmlumen eingeschlossen sind; die Ausscheidung von Dotterbildungszellen kann hier augenscheinlich nicht mehr stattfinden. Aber Maurer findet bei dieser Larve in den Zellen der Darmwand viel karyo- kinetische Figuren, unter welchen auch solche vorhanden sein sollen, deren Längsachse senkrecht auf die Darmachse gerichtet ist. „Durch solche Teilungen, sagt Maurer, muss das Epithel mehrschichtig werden, oder die eine Zelle muss aus dem epi- thelialen Verbande ausscheiden. Ich fand nirgends, dass das Epithel mehrschichtig wurde. Doch sah ich schon hin und wieder grosse rundliche Zellen unter dem Epithel im Binde- gewebe liegen“. Bei einer noch älteren Froschlarve von 6 mm (Mund- After)-Länge, wo „der schon mehrfach gewundene Darm einschichtiges Epithel zeigt, dessen Zellen gerade die Dotterblättchen verloren haben“, findet Maurer unter dem Epithel der Darmschleimhaut und auch ‚in der Umgebung des Endothelrohres der kleinsten Darmarterien‘ ähnliche, rundliche Zellen „mit kugeligem Kern und deutlichem Plasmakörper, die besonders in Bezug auf den Kern vollkommen den Darmepithel- zellen glichen. Der Hauptstamm der Darmarterie zeigte solche Zellen noch nicht. Die Zellen unterschieden sich vollkommen 386 BORI!S CHORONSHITZKY, deutlich von den Bindegewebszellen, zwischen welchen sie lagen, durch Form und Grösse des Kerns. Auch fand ich nirgends im Bindegewebe Zellherde, die als Brutstätten der genannten Zellen zu deuten gewesen wären. Ebensowenig konnte ich Mitosen an Bindegewebszellen nachweisen, die zur Bildung der erwähnten Rundzellen geführt hätten“. Bei einer Froschlarve von 8 mm (Mund-After)-Länge sind schon „die Scheiden der Darmarterien strotzend mit Rundzellen infiltriert. Diese In- filtration reicht bis in die Nähe der Abgangsstelle des Haupt- stammes von der Aorta. Dabei fällt auf, dass die reichlichsten Anhäufungen von Zellen gerade in den Arteriengabeln liegen“. Das kann schon, nach Maurer, ‚für eine Wanderung der Zellen vom Darm nach den Gefässen hin sprechen, da die Gabeln Hindernisse für die Fortbewegung der Zellen darstellen: ausser- dem spricht aber gerade das vorige Stadium für die angegebene Richtung der Wanderung. Einen interessanten Befund bietet das Darmepithel. Die Zellen liegen meist in einer Schicht, die Dotterblättchen sind längst aufgebraucht. Jede Zelle besitzt einen deutlichen Cuticularsaum. Nur an einigen Stellen finden sich zwei Epithelzellen übereinander geschichtet“. Man sieht auch Mitosen im Darmepithel, die teilweise mit ihrer Längs- achse senkrecht auf die Darmachse gerichtet sind. Man sieht ausserdem noch Zellen, welche sich basalwärts vom Darmepithel abschnüren und in das darunter liegende Bindegewebe überzu- gehen bestrebt sind. Viele solcher abgeschnürter Zellen grup- pieren sich um die Darmarterie. Die Kerne dieser Zellen sind sehr ähnlich an Grösse und Struktur den Darmepithelzellen. Sie sind viel grösser als die Bindegewebszellen der Umgebung. „Von drei verschiedenen Elementen, sagt weiter Maurer, können diese Zellen abstammen. Erstens vom Bindegewebe, zweitens vom Endothel der Arterien, drittens vom Darmepithel. Am Gefässendothel sah ich niemals Mitosen, welche eine Abgabe von Zellen in die Umgebung gezeigt hätten. Die Bindegewebs- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 387 zellen zeigen viel kleinere Kerne als die Rundzellen, sodass aus einer Teilung jener Zellen unmöglich Rundzellen entstehen können. Wenn ich noch die Vorgänge am Epithel, die ich vorhin schilderte, hinzufüge, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die ersten Rundzellen oder Iymphatischen Zellen direkte Derivate des Darnsepithels sind. Es ergiebt sich dies aus ihrer Beschränkung auf die Scheiden der Darmgefässe und das subepitheliale Bindegewebe des Darmes, ferner aus der Vergleichung mit dem vorhergehenden Stadium. Ich kann somit nach dem Geschilderten den Satz aufstellen, "dass bei Kaul- quappen die ersten Iymphatischen Zellen direkte Abkömmlinge des Darmepithels, d, h. des Entoderms sind“. In dem letztbeschriebenen Stadium sah Maurer auch die erste Anlage der Milz. „Dieselbe sitzt als kugeliges, knopfförmiges (Gebilde dem Stamm der Arteria mesenterica an. Sie besteht haupt- sächlich aus den gleichen Rundzellen (Iymphatische Zellen), welche die Arterienscheiden füllen, und lagert gerade an derjenigen Stelle dem Stamme der Darmarterie an, an welcher von dieser die Arterie für Magen, Leber und Pankreasanlage abgeht. Es mag somit auch hier eine nähere Beziehung der Milzanlage zum Magen bestehen, wie sich eine solche bei Urodelen und bekannt- lich sämtlichen höheren Wirbeltieren durch die Lage des Organs kund giebt‘. Ähnlich erklärt Maurer auch die Entstehung der Milz bei den Urodelen. Hier lagert sich die Milz „den vorderen Ästen der Arteria mesenterica an, die den Magen versorgen“, und be- steht ebenfalls aus angehäuften Iymphatischen Zellen, welche hauptsächlich „aus dem Epithel des Magens bezogen werden“. Überhaupt fand hier Maurer nicht „eine solche Massenansamm- lung Iymphatischer Zellen in den Scheiden der Darmarterien, wie beikana.“ Auch gelang es ihm nicht, hier charakteristische auf die Darmachse senkrechte Mitosen im Darmepithel zu finden, „Indessen, sagt Maurer, genügt die Anordnung der Zellen unter 388 BORIS CHORONSHITZKY, dem Darmepithel und ihr Vorkommen in den Gefässscheiden der Darmarterien vollkommen, um hier dieselben Vorgänge wie bei Anuren annehmen zu lassen“, Maurer giebt ausserdem an, dass er bei den Urodelen die Iymphatischen Zellen „in dem Momente beobachten konnte, wo sie durch die schon angelegte Muscularis des Magens längs der Scheiden der kleinsten Arterien hindurchwanderten, um sich in der Gefässscheide hinter dem Magen zu sammeln und die Milzanlage zu bilden“. Alles von Maurer angeführte weist also darauf hin, dass die Milz und die lymphatischen Zellen entodermalen Ursprungs seien, wodurch „die Bedeutung des Entoderms für den Gesamtorganismus be- deutend erweitert wird“. Indessen, sagt Maurer an einer anderen Stelle, „bin ich nicht der Meinung, dass ähnliche Zellen, wie die oben geschilderten, nicht auch aus mesodermalen Ele- [43 menten sich bilden könnten . Diese Worte schränken ge- wissermassen die Bedeutung des Entoderms in Bezug auf die Bildung freier, runder Zellen ein, sodass die Untersuchungen von Maurer eigentlich nur darauf hinweisen, dass ein Teil der im Mesenchym befindlichen freien, runden Zellen vom Entoderm herstamme. Was die Milz anbetrifft, so stellt diese eben eine Anhäufung solcher runder Zellen dar, worin Maurer vollständig mit Götte übereinstimmt. Aber nach Maurer sind schon von vorne herein in der Milz „Andeutungen von einer Gefässbil- dung“ vorhanden. Ob in der Milz auch ein Netzwerk vor- handen sei, darüber giebt Maurer nichts an. Fast mit der Maurerschen Arbeit zugleich, vielleicht noch etwas früher, erschien eine Arbeit von Toldt (L. 94) über die Darmgekröse und Netze, worin auch über die Entwickelung der Milz beim Menschen Angaben vorhanden sind. Toldt kommt zum Schluss, dass die Milz, wenigstens beim Menschen und Säugetieren, ganz unabhängig vom Pankreas entstehe, wobei an ihrer Anlage hauptsächlich das Epithel des Mesogastrium an der äusseren (dB. ursprünglich linken) Seite beteiligt sei; noch mehr, die Entwicke- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 389 lung der Milz werde „durch reichliche Zellenvermehrung in diesem Epithel eingeleitet‘. „Die Mesodermschicht des Meso- gastrium (Mesenchym), sagt weiter Toldt, scheint dabei aber so weit in Betracht zu kommen, als von ihm aus die Blutge- fässe in eine gewisse Beziehung zu dem wuchernden Cölom- epithel treten und in die Milzanlage hinein wachsen. Jedenfalls entwickelt sich die Milz nicht innerhalb der Mesodermschicht des Mesogastrium, wie man gewöhnlich anzunehmen scheint, sondern sie sitzt derselben von allem Anfang an seitlich auf (resp. links). Niemals wird sie in ähnlicher Weise von dem Mesodermgewebe des Mesogastrium umschlossen, wie das Pan- kreas... Um nicht missverstanden zu werden, will ich übrigens bemerken, dass ich die die Entstehung der Milzanlage einleitende Veränderung des Cölomepithels nicht als etwas für die Milz Spezifisches ansehe; ich weiss, dass umschriebene Verdickungen desselben ähnlich dem sogenannten Keimepithel — in gewissen Entwickelungsstufen auch noch an anderen Stellen vorkommen, und zwar u. a. auch streckenweise an der medialen (resp. rechten) Seite des Mesogastrium, wo sie allerdings nur einen verhältnissmässig geringen Grad erreichen. Ich will nur darauf hingewiesen haben, dass die Elemente des Cölomepithels und ihre Abkömmlinge für die erste Anlage der Milz von Wesen- heit sind und von Anfang an in den Aufbau der Milz einbe- zogen werden“. Diesen Schluss zieht Toldt aus der Ver- gleichung von Querschnitten zweier menschlicher Embryonen. „An einem menschlichen Embryo aus dem Beginne der sechsten Woche, sagt er, finde ich die Milzanlage als einen stumpf drei- eckigen, breit aufsitzenden Vorsprung an der lateralen (resp. linken) Fläche des Mesogastrium. Von dem Gewebe des letzteren (d. h. vom Mesenchym) ist sie durchgehends deutlich abgegrenzt und zwar nicht durch eine besondere, fortlaufende Grenzlinie, sondern wesentlich durch eine auffallend verschiedene Anord- nune der zellisen Elemente. In dem Bereiche der Milzanlace = g 8 3% BORIS CHORONSHITZKY, sind diese stellenweise dicht gedrängt, stellenweise wieder spär- licher, im ganzen völlig unregelmässig angeordnet, und fast durchwegs mit kugelförmigen Kernen versehen, während in der Mesodermschicht des Mesogastrium die Zellen in gleichmässigen Abständen liegen und grösstenteils längliche, gleichgerichtete Kerne besitzen. Die letzteren werden auch durch Karmin etwas weniger gefärbt, als die Zellkerne der Milzanlage. Überdies zeigen sich im Mesogastrium ab und zu stärkere Blutgefässe, in der Milzanlage hingegen zahlreiche kleine, undeutlich begrenzte Bluträume. An der freien Oberfläche der Milzanlage befindet sich ein aus kurz-eylindrischen Zellen gebildetes Epithel, welches stellenweise entschieden zweischichtig ist und bald deutlich, bald undeutlich, bald auch gar nicht von der darunter liegenden Zellenmasse abgegrenzt erscheint. Dieses Epithel ist die un- mittelbare Fortsetzung des das Mesogastrium allenthalben be- kleidenden Cölomepithels, welches jedoch dies- und jenseits der Milzanlage, und was ich besonders hervorheben muss, auch an der ganzen medialen (resp. rechten) Fläche des Mesogastrium viel dünner, durchwegs einschichtig und aus kubischen oder ab- geflachten Zellen gebildet ist. Der Übergang der einen Form in die andere ist ein ganz allmählicher“. Bei einem noch jüngeren menschlichen Embryo, sagt Toldt, „findet man an dem Orte der späteren Milzanlage die Epithelial- schichte des Mesogastrium sehr bedeutend dicker als an allen anderen Stellen desselben und durch wohl ausgeprägte, ge- schichtete Cylinderzellen gebildet. Diese Verdickung des Epithels setzt sich allerdings noch eine kurze Strecke weit auf den Magen fort“. Da ‚die Mesodermschichte des Mesogastrium keinerlei Besonderheit zeigt“, so zieht Toldt daraus den obenerwähnten Schluss, dass das Mesothel schon von vornherein an der Milz- anlage beteiligt sei. In der erörterten Ausführung Toldts in Bezug auf die Entstehung der Milz bleibt nur eins unklar, und zwar das Ver- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 391 halten des Mesenchyms. Nach Toldt scheint dieses Gewebe an der Entwickelung der Milz so viel wie keinen Anteil zu nehmen. — Interessant ist ausserdem die von ihm angegebene Thatsache, dass ‚gewöhnlich die Milz an der lateralen Seite des Mesoga- striums entsteht, also bei normaler Lage des Magens an der ur- sprünglich linken, und bei verkehrter Lage des Magens an der ursprünglich rechten Seite des Mesogastrium. Massgebend hier- für, sagt er, mag die Verlaufsrichtung der Arteria gastroepiploica sinistra beziehentlich die Richtung der Blutströmung in der- selben sein. Dass aber die Entwickelung der Milzanlage nicht nur an der ursprünglich linken, sondern unter Umständen auch an der ursprünglich rechten Seite des Mesogastrium möglich ist, kann ohne Schwierigkeit durch die anfangs gleichartige Be- schaffenheit des Cölomepithels auf beiden Seiten und durch den Umstand, dass auch in normalen Fällen an der medialen (d. h. ursprünglich rechten) Fläche des Mesogastrium eine leichte Ver- diekung der Epithelschichte besteht, erklärt werden“. Toldt glaubt, dass bei verkehrter Lagerung des Magens abnorme Druck- verhältnisse und andere störende mechänische Einwirkungen die Entwickelung der Milz an der normalen Stelle, d. h. an der ursprünglich linken Seite des Mesogastrium, verhindern könnten. Er ceitiert zwei Sektionsfälle aus Marchand (Berichte und Ar- beiten aus der geburtshilflich-gynäkologischen Klinik zu Giessen, Leipzig 83) und Perls (Lehrbuch der allgemeinen Pathologie, II. Aufi., 1886, S. 951), „in welchen die Milz bei verkehrter Lage des Magens in mehrere Anteile zerlegt war, von denen einer innerhalb und mehrere andere ausserhalb des Netzbeutels gelegen waren, sodass der erstere der medialen, die letzteren der lateralen Fläche des grosses Netzes aufsassen“. Sonst giebt Toldt keine anderen Beweise für seine Ansicht in Bezug auf die Abweichungen in der Entwickelung der Milz bei verkehrter Lagerung des Magens, und daher scheint es uns, dass man kaum ohne weiteres in dieser Hinsicht mit ihm einverstanden sein kann (s. unten). 392 BORIS CHORONSHITZKY, Im Jahre 1892 erschien eine sehr interessante Mitteilung von v. Kupffer (L. 44) über die Entwickelung der Milz und des Pankreas beim Stör. Dieser Forscher fand bei zwei Exem- plaren des Acipenser ruthenus die Milz „so innig mit dem dorsalen Pankreas verbunden, dass sich äusserlich die Abgrenzung beider Organe von einander gar nicht erkennen liess. Bei einem Exem- plar vom gemeinen Stör, Acipenser sturio, waren beide Organe der Hauptmasse nach gesondert, aber ein im Mesenterium der Duodenalschlinge verlaufender Streifen von Milzgewebe reichte bis zum dorsalen Pankreas und verband sich damit. Durch- schnitte durch die Verwachsungsstelle liessen indessen eine die Gewebe beider Organe trennende Bindegewebslamelle wahrneh- men.‘‘ — Bei seinen Untersuchungen an Embryonen des Aci- penser sturio fand v. Kupffer bei den letzteren nicht drei, son- dern vier Pankreasanlagen, und zwar zwei ventrale und zwei dorsale. Sämtliche 4 Pankreasanlagen stellen gewöhnliche Aus- stülpungen der betreffenden Wand des Mutterbodens dar, in Form kleiner Blindsäcke. Beide Ventralanlagen wachsen aus den Seitenwänden des rudimentären Ductus choledochus hervor. Die vordere dorsale Anlage stammt aus der Dorsalwand des vordersten Teiles des Mitteldarms!), die hintere Dorsalanlage aus der Dorsalwand des hintersten Teiles desselben. Von allen vier Anlagen ist es die hintere dorsale, die am frühesten ent- steht, und zwar zur Zeit, als der Mitteldarm sich noch nicht vom umfangreichen Dotterdarm abgeschieden hat. Zur Zeit aber, wo letzteres geschieht und der Mitteldarm schon eine läng- liche etwas gekrümmte von vorne und der ventralen Seite her nach hinten dorsalwärts ziehende Schleife darstellt, sieht man schon am vorderen Ende derselben die vordere dorsale An- ı) Als Mitteldarm bezeichnet hier v. Kupffer denjenigen Darmteil welcher „dem langen, eine zweischenklige Schleife bildenden sogenannten Duodenum des entwickelten Störs entspricht“, d. h. von der Mündungsstelle des Ductus choledochus bis zum vorderen Ende des Spiraldarms. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 393 lage, welche dem dorsalen Pankreas der Amphibien entspricht, und zugleich auch die beiden ventralen Anlagen. Die hintere dorsale Anlage, welche von vornherein mehr nach rechts gewandt ist, wächst schon in kurzer Zeit nach drei Richtungen hin aus, nämlich nach rechts, links und dorsalwärts, sodass sie nun im Querschnitte kreuzförmig erscheint. Bald schnürt sie sich vollständig vom Darm ab, wobei ihr dorsaler Auswuchs, der zwischen beide Peritonealblätter des Mesenterium hineingewuchert ist, in einzelne Rundzellen zerfällt, welche sich von den spindel- und sternförmigen Zellen des jungen Mesen- chym durch Form und intensivere Färbung unterscheiden. „Solche Elemente, sagt v. Kupffer, sind vorher an keiner Stelle des Körpers zu bemerken gewesen.“ Sie verteilen sich frei zwischen den beiden Blättern des Mesenterium und stellen die ersten Lymphocyten im Mesenchym dar. Der übrigge- bliebene Teil der Drüse scheidet sich gleich darauf in 2 unter- einander verbundene Hälften: in eine linke und rechte. Die linke Hälfte zerfällt ähnlich wie der dorsale Auswuchs in einzelne Rundzellen, welche sich aber nicht nach allen Seiten hin zer- streuen, sondern an Ort und Stelle angehäuft bleiben und „einen Komplex von lymphoidem Charakter darstellen. Das ist der Anfang der Milz, sagt v. Kupffer; die tubulöse Drüse ist links splenisiert worden“. Die rechte Drüsenhälfte, welche mit der linken durch eine schmale Brücke verbunden bleibt, verzweigt sich in der Art einer tubulären Drüse und wächst hauptsächlich in der Richtung nach vorne längs der rechten Wand des Mittel- darms, sich in ihrem ganzen Verlaufe an eine rechtsseitige Darm- vene anschliessend. Ähnlich der hinteren entwickelt sich auch die vordere dor- sale Anlage, welche sich vom Darm abschnürt und nach links und rechts verzweigt. Die linke Hälfte splenisiert sich auch hier, teilt sich vollständig von der rechten Hälfte ab und bildet eine vordere Milz, welche erst in einem verhältnismässig späten . Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIII, Heft (13. Bd H 23. 26 394 BORIS CHORONSHITZKY, Stadium (mehr als 4 Wochen nach dem Ausschlüpfen) sich mit der hinteren Milz zu einer Drüse vereinigt. Die rechte Hälfte entwickelt sich aber zu einer tubulären Drüse und vereinigt sich mit der nach vorne wachsenden rechten Hälfte der hinteren dorsalen Anlage, wodurch eine lange schmale Drüse entsteht, welche längs der rechten Darmwand gelegen ist und immer weiter nach vorne und ventralwärts wächst, um mit beiden unter- dessen ebenfalls bedeutend gewucherten Ventralanlagen sich zu vereinigen. So entsteht nun eine gemeinschaftliche Bauchspeichel- drüse mit nur zwei Ausführungsgängen, welche den zwei ur- sprünglichen Ventralanlagen gehören. Die auf solche Weise ge- bildete Bauchspeicheldrüse bleibt noch längere Zeit mit dem hinteren Teil der Milz vermittelst eines mehr oder weniger trans- versalen Ganges verbunden. — v. Kupffer giebt weiter an, dass bei den Embryonen des Störs zwei Mesenterialvenen vorhanden seien, von denen die rechte, wie schon erwähnt, vollständig von der langen Bauchspeicheldrüse umscheidet wird, die linke aber von beiden Milzen so umwachsen wird, dass ihr mittlerer Teil längere Zeit von ihnen „unbekleidet“ bleibt, bis beide Milzen sich zu einer Drüse vereinigt haben. Die rechte Mesenterialvene durehbohrt die ursprünglich rechte Ventralanlage des Pankreas, die linke — die ursprünglich linke Ventralanlage desselben, und stellen beide die rechte und linke Wurzel der Pfortader dar. — Der dorsale Auswuchs der ursprünglich hinteren dorsalen An- lage dient noch längere Zeit als Neubildungsstätte von Iymphoiden Zellen, welche das Quantum des subchordalen Lymphgewebes vermehren. Aber in letzterem ‚kann man, sogar bei 4 Wochen alten Stören, hie und da noch ganz wohl erhaltene Reste epi- thelialer Röhren“ sehen. Auf Grund der angeführten Beobachtungen kommtv. Kupffer zum Schlusse, „dass bei den Vertebraten ein zusammenhängendes, aber in Rückbildung begriffenes, aus dorsalen und ventralen Darmdivertikeln hervorgehendes Drüsensystem besteht, welches Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 395 mit seinen Schläuchen den Mitteldarm umzieht und mit der Leber insofern in genetischem Zusammenhange steht, als die ventralen Divertikel aus dem primitiven Lebergange ihren Ur- sprung nehmen. Beim Stör in ganzer Ausdehnung vorhanden, scheint dieses System bei Lepidosteus, den Teleostei, Amphibien und Amnioten, nach den bisher vorliegenden Beobachtungen, nur in seinem vorderen Teil erhalten zu sein. Es entsteht daraus einerseits das Pankreas, andrerseits die Milz und aus- gedehntes subchordales Lymphgewebe. Die Lymphoecyten dieser letzteren Organe sind also entodermaler Herkunft und ent- stehen unter der Erscheinung regressiver Metamorphose epi- thelialer Schläuche.“ — Abgesehen von dem oben Frörterten finden wir bei v. Kupffer sonst keine Hinweise darauf, ob in der ersten Milzanlage ein Netzwerk vorhanden sei und wie sich die näheren Beziehungen der Gefässe zur Milzanlage gestalten. — Die Entwickelung der Milz bei den Fischen ist sehr ein- gehend von Laguesse (L. 51) untersucht worden. Er stellte seine Untersuchungen an Embryonen von Selachiern (acanthias) und Knochenfischen (Forelle — trutta furio) an und kommt zum Schlusse, dass bei den einen wie bei den anderen die Milz linkerseits in der Dicke des Mesenchym der Duodenal- resp. Magengegend, nahe der Wurzel des Mesenterium entstehe. Das Mesenchym des Intestinaltraktes ist nach Laguesse eine Fort- setzung des subchordalen Mesenchym, das allmählich den Raum zwischen beiden Mesodermblättern des Gekröses hindurchwächst und sich zwischen Entoderm und Visceralblatt, welche eng ein- ander anliegen, verbreitet, indem es anfangs im Querschnitt einen Halbmond darstellt, der der Dorsalwand des Darmtraktes anliegt und allmählich den ganzen Umfang des letzteren umgreift und umwächst. Diese allmähliche Verbreitung des jungen Mesenchym, welches aus fixen sternförmigen Zellen, die ein echtes Netzwerk bilden, besteht, geschieht mit Hilfe beständig heranlangender freier „wandernder Elemente.“ Woher diese wandernden Elemente 26* 396 BORIS CHORONSHITZKY, kommen, sagt Laguesse nicht. Dafür aber schildert er einen Vorgang, welcher nach seiner Meinung die Verbreitung des Mesenchym maskiert: von einem gewissen Moment an „wird das Peritonealepithel niedriger, verliert seine Grenzen und ver- schmilzt mehr oder weniger vollkommen mit dem darunter liegenden Mesenchym. Das Darmepithel erscheint jetzt von einem schmalen, aber sehr dichten Gewebe umgeben, in welchem man keine Elemente mit genauen Grenzen, sondern nur kleine anein- andergedrängte und konzentrisch gelagerte Kerne sieht‘; dieses Gewebe stellt das Mesoderm und Mesenchym dar, welche beide zu einer gemeinschaftlichen unteilbaren Masse zusammengeflossen sind. Laguesse glaubt, dass hier auf solche Weise ein Prozess stattfindet, der demjenigen ähnlich sei, welcher in jüngeren Stadien vor sich geht und darin besteht, dass Zellen aus den Seitenplatten in das subchordale Mesenchym einwandern. Später aber, vor dem Erscheinen der ersten Milzanlage scheidet sich das Peritonealepithel oder Mesothel wieder vom Mesenchym ab und stellt eine begrenzte Schicht dar. Im Laufe der beschriebenen Vorgänge dringen allmählich in das Darmmesenchym Zweige der Arteria intestinalis, eines mächtigen Astes der Arteria coeliaco- mesenterica, ein. Das venöse Blut des Darmtraktes wird von der Vena subintestinalis zurückgeführt, welche nach vorne zieht, unweit von der Leber auf die linke Seite des Darmtraktes über- geht und von hier aus, eine Spirale bildend, auf seine dorsale und gleich darauf ganz plötzlich auch auf seine rechte Seite hinüberwandert, um neben dem Ductus choledochus in die Leber einzudringen. Diese Vene nimmt „auf ihrem höchsten Punkte‘, d. h. dorsalwärts vom Darm, zwei Äste in sich auf, nämlich die unbedeutende Vena supraintestinalis („veine sus-intestinale‘) und die in entgegengesetzter Richtung ziehende Vena gastrosplenica. Von der Mündungsstelle dieser beiden Äste ab kann die Sub- intestinalvene schon als Pfortader bezeichnet werden. ‚Diese Stelle, sagt Laguesse, ist eben diejenige, an welcher die Wand des genannten Gefässes (bei der Forelle) sich zu entarten beginnt, um den Anfang des von uns zu untersuchenden Organs (der Milz) zu bilden.‘ Zur Zeit, wo die Milzanlage erst zum Vorschein kommt — und diese Zeit entspricht „der Epoche der Heranbildung zur respiratorischen Thätigkeit, der Epoche, welche von den Autoren im allgemeinen l’etat adulte genannt wird“, — haben die Blut- körperchen schon fast ihre Endform erlangt, wobei ihr Kern sich als „dunkler, beim Lebenden undeutlich begrenzter Fleck darstellt, welcher nach der Fixierung aus einem Netzwerk dicker, zusammengedrängter, mehr oder weniger miteinander zusammen- geflossener Balken gebildet zu sein scheint‘“. Diese Blutkörper- chen, welche ihre Teilungsfähigkeit schon verloren haben, nennt Laguesse „hematies vieilles“, zum Unterschied von den eben- falls hämoglobinhaltigen „hematies adultes‘, welche noch fähig sind, auf karyokinetischem Wege sich zu teilen. Mit der Um- wandlung der Blutkörperchen in h&maties vieilles, d. h. mit dem Verluste ihrer Teilungs- resp. Vermehrungsfähigkeit, hat nun der Embryo neue Quellen zur Bildung derselben nötig. Als eine solche Queile erscheint auch die Milz. Aber noch vor ihrem Erscheinen giebt es zwei andere Bildungsstätten von Blutkörper- chen, nämlich die Kardinalvenen und das die Nierenkanälchen um- gebende Iymphoide Gewebe. Zur Zeit, wo die Blutkörperchen sich eben in sogen. hematies vieilles zu umwandeln beginnen, giebt es noch im Blute seltene Elemente, die an diejenigen Blut- körperchen erinnern, welche aus der Mittelplatte herstammen, —.d. h. solehe Elemente, welche an die hematies adultes erinnern. Aber ausser diesen Elementen giebt es schon im Blute viele Körpercehen, welche die ersten wandernden Blutzellen darstellen und welche auch dann in ihm erscheinen, wenn das Milzgewebe sich zu differenzieren beginnt. Beim Lebenden sind diese wandernden Zellen ungefärbt, aber abgerundet und licht- brechend. Bei der Einwirkung von Reagentien behält der Kern 398 BORIS CHORONSHITZKY, dieser Zellen im allgemeinen seine sphärische Gestalt und er- scheint selten gelappt; ihr homogener Protoplasmakörper färbt sich gut mit Karmin. Viele dieser Zellen befinden sich in den Kardinalvenen, wo sie das Übergewicht nehmen. ‚Erinnern wir uns daran, sagt Laguesse, dass die Kardinalvenen sich aus der Mittelplatte so gebildet haben, dass die zentralen Zellen sich in Blutkörperchen, die peripheren in die endotheliale Wand um- gewandelt haben. Man kann aber sehen, dass stellenweise auf dieser Wand noch ganze Gruppen von Zellen sitzen, die sich erst nachträglich abschnüren. Dieser Prozess dauert noch lange fort. Bei der weiteren Entwickelung der Kardinalvenen, wo sie die Wolffschen Kanäle zu umwachsen bestrebt sind, bilden ihre Wände echte ampulläre Erweiterungen. Auf dem Grunde dieser Erweiterungen geschieht ebenfalls eine Abschnürung von wandern- den Blutzellen, wobei es scheint, dass solche auch vom anliegen- den Mesenchym, welches ungenügend durch das Gefässendothel be- grenzt ist, sich abschnüren. Auf Kosten dieses Mesenchyms ent- wickelt sich eben das Iymphoide Gewebe, welches zwischen den eigentlichen Nierenelementen liegt und welches höchstwahrschein- lich auch beim Erwachsenen Blutkörperchen bildet (Ziegler, — Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischembryonen. Arch. f. mikr. Anat. XXX, 1887 — und Emery, — Etudes sur le döveloppement et la morphologie du rein des poissons osseux, Arch. ital. de biol. 1882, p. 135)“. — Nachdem Laguesse auf solche Weise die Neubildungs- stätten der Blutkörperchen erörtert hat, wendet er sich zur ersten Milzanlage. Er findet sie bei der Forelle in der Duodenalgegend in engster Verbindung mit der Wand der Subintestinalvene; noch mehr, er betrachtet die erste Milzanlage bei der Forelle einfach als eine Verdickung der äusseren resp. der linken dorsalen Wand der genannten Vene. Diese Verdiekung beginnt an derjenigen Stelle, wo in die Subintestinalvene die von vorne nach hinten verlaufende Vena gastrosplenica mündet, und erstreckt sich weit Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenhlase, Bauchspeicheldrüse ete. 399 nach hinten, indem sie immer schmächtiger wird, sodass die erste Milzanlage die Form eines Kommas mit diekem Kopfe und sehr langem und dünnen Schwanze hat. Dieses Komma befindet sich zwischen äusserer (resp. linker dorsaler) Wand der Subintestinalvene und dem Peritonealepithel. In der hinter der Milzanlage gelegenen Gegend erscheint die Subintestinalvene auf Querschnitten äusserlich von einer dreifachen Wand be- grenzt, nämlich vom Gefässendothel, Mesenchym und Peritoneal- epithel. Inu der Milzgegend erscheint diese dreifache, das Venen- lumen halbmondförmig umgebende Wand viel dicker, wobei ihre innere Schicht, d. h. das Endothel, verschwunden ist. Dieses Endothel ist aber auf der entgegengesetzten Seite der Subintes- tinalvene sichtbar. Das Peritonealepithel zeigt keine Verände- rungen; dafür aber erscheint der mesenchymatöse Teil der Ver- diekung stark lichtbrechend und man kann in ihm mit Not grosse helle Kerne unterscheiden. Näher zum Venenlumen wird das Bild ein wenig deutlicher, und man bekommt hier den Ein- druck, als hätte man vor sich eine Anhäufung zusammenge- drängter kleiner runder Zellen; „die innersten dieser Zellen bilden eine Hervorragung in das Innere der Vene hinein; einige von ihnen erscheinen noch mehr frei zu liegen‘; endlich kann man auch solche Zellen finden, welche sich vollständig abgeteilt haben und mit den Blutkörperchen sich vermengt haben. „So, sagt Laguesse, erhalten wir eine Wand von zerrissenem Aus- sehen, welches für ein Gefäss nicht charakteristisch ist. Dieses Aussehen kann auf zweierlei Weise erklärt werden; entweder durch Ansammlung an der betreffenden Stelle von Elementen, welche vom Blutstrom hergebracht wurden, oder vielmehr durch Wucherung der Wand selbst, deren Zellen sich von ihrem Orte abschnüren. Das Fehlen des Endothels macht von diesem Mo- mente an die zweite Hypothese mehr wahrscheinlich“. Was die Zellen selbst in der Milzanlage anbetrifft, so treten sie, wie schon oben erwähnt, in den dem Venenlumen näher gelegenen 400 BORIS CHORONSHITZKY, Partien deutlicher hervor und zeigen einen grossen von einem dünnen protoplasmatischen Ring umgebenen Kern. — Nach einigen Tagen hat der Schwanz der Milz noch das ursprüng- liche Aussehen, in ihrem Kopfe aber sind schon Veränderungen bemerkbar: die Endothelwand erneuert sich und stellenweise sieht man schon in derselben platte Zellen. Im Innern des Milzgewebes selbst machen sich dunklere Elemente bemerkbar, welche bestrebt sind, die helleren Zellen mit den grossen Kernen zu umgeben. Aber nach Zusatz von Osmiumsäure beginnt zwischen letzteren eine Art hell-braunen Netzwerkes hervorzu- treten, welches lichtbrechend ist und von in den verschiedensten Richtungen sich kreuzenden Zügen gebildet wird. Dieses Netz- werk ist dem mesenchymatösen Netzwerke an anderen Stellen analog. In seinen Maschen sieht man je eine oder zwei helle Zellen mit undeutlichen Konturen und grossem Kern. Ausserdem sind schon von diesem Momente an in der Milz seltene Blutkörperchen bemerkbar, welche die charakteristischen Eigenschaften der sogenannten hematies vieilles besitzen. „Es ist kein Grund vorhanden, sagt Laguesse, anzunehmen, dass diese Blutkörperchen an Ort und Stelle, d. h. in der Milz, sich gebildet haben, sondern dass sie höchst wahrscheinlich dorthin aus dem Blutstrom durch die Räume zwischen den locker ver- bundenen Elementen der vom Endothel entblössten Wand ver- schleppt worden sind. Nach ein bis zwei Tagen sieht man schon neue Veränderungen: das Endothel ist schon vollständig herge- stellt, aber stellenweise sind kleine in das Milzgewebe eindringende Venen bemerkbar, welche am Eingange in letzteres vom umge- schlagenen Endothel der Subintestinalvene begrenzt sind. Diese winzigen kurzen Venen verlieren schon unweit von der grossen Vene (vena subintestinalis) ihre eigene Wand und kommen so dem Milzgewebe gegenüber in der Art zu liegen, wie es anfangs mit der Subintestinalvene der Fall war. Die zerstreuten Blutkörperchen treten schon reichlicher auf, stellenweise in ganzen Häufchen oder Dıe Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 401 Reihen; häufig füllen sie die kleinen Venen vollständig und er- strecken sich von hier in unbestimmter Ordnung in das Innere des Milzgewebes hinein‘, indem sie in den Maschen des letzteren sich lagern. Hier stossen die Blutkörperchen an die freien Zellen der Milz an, welch letztere ungehindert in den Blutstrom ge- langen können. — Die Milz selbst beginnt von nun ab, aus dem umgebenden Gewebe deutlicher hervorzutreten, die kleinen Venen dringen tiefer in sie ein; das Organ wird blutreicher. Die Zahl der kleinen Zellen mit schmalem protoplasmatischem Saum, welche stark lichtbrechend erscheinen, wird immer grösser. Laguesse nennt sie von diesem Momente an, mit Pouchet übereinstimmend, noyaux d’origine. Diese können, wie gesagt, ungehindert in den Blutstrom gelangen. — Die Milz beginnt immer ınehr von der Endothelwand der Subintestinal- vene sich abzuheben und bleibt schliesslich mit ihr nur noch durch die ausgezogenen erwähnten kleinen Venen und durch das Hinterende des Schwanzes in Verbindung, welch letzterer von der Vena subintestinalis viel später sich abteilt. Indem Laguesse nun zur. Untersuchung des Blutes nach der Entstehung und einiger Entwickelung der Milz übergeht, findet er in den kleinen in die Subintestinalvene mündenden Milz- venen alle Übergangsformen von den noyaux d’origine bis zu den hematies vieilles und den fertigen Leukocyten. In der Sub- intestinalvene aber sind die noyaux d’origine spärlicher, in der Pfortader noch weniger vorhanden, im Herzen und in der Aorta in ganz minimaler Zahl aufzufinden. Daraus zieht Laguesse den Schluss, dass die Milz schon von Anfang an als Bildungs- stätte von roten Blutkörperchen und Leukocyten dient; er setzt dabei auch voraus, dass die Leukocyten aus der Milz als voll- ständig: fertig gebildete Elemente auswandern, während die roten Blutkörperchen erst dann das Hämoglobin in sich aufnehmen und sich definitiv formieren, wenn sie in den Blutstrom (der Subintestinalvene) gelangt sind. 402 BORIS CHORONSHITZKY, Auf Grund des oben Erörterten nimmt Laguesse an, dass „die Milz ziemlich spät entsteht — in einer Zeit, wo der Magen als solcher bereits hervorgetreten ist; sie wird in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vena subintestinalis in der Dicke der primitiven mesodermalen Darmwand angelegt.“ Das Peritoneal- epithel bleibt immer deutlich begrenzt und beteiligt sich also (bei der Forelle) an der Milzanlage nicht im mindesten, und daher kann auch Laguesse nicht mit Toldt übereinstimmen, welcher dem Peritonealepithel eine ausschliessliche Bedeutung in der Entstehung der Milz zuschreibt. ‚Das Milzgewebe, sagt Laguesse, ist von Anfang an eine einfache Verdiekung des mit der Vene (Subintestinalvene) und ihren Ästen in Verbindung stehenden Mesenchyms, welches aus sternförmigen unter einander anastomosierenden Zellen besteht und in dessen Maschen viel freie runde Elemente vorhanden sind. Das so entstandene Netz- werk modifiziert sich und wird in das definitive Netzwerk des Milzgewebes umgewandelt, und die in den Maschen dieses Netz- werkes enthaltenen freien runden Zellen — Noyaux d’origine — beginnen nach der Differenzierung des Milzgewebes weisse und hauptsächlich rote Blutkörperchen zu bilden. Die Milz ist also von vornherein ein blutbildendes Organ und teilt diese Rolle mit einem ähnlichen die Nieren infiltrierenden Gewebe. — Die eigentlichen Milzvenen bilden sich von Anfang an nach einer ganz besonderen Art: sie stellen nichts mehr und nichts weniger als unregelmässige Reihen von Maschen des ursprünglichen Netzwerkes dar, welche mit der Vena subintestinalis in Verbin- dung getreten sind und auf solche Weise die in ihnen enthaltenen runden Zellen befreit haben, — Reihen, welche sich nachträg- lich ordnen und in Kanäle umwandeln, die nur eine gewisse Strecke lang eine eigene Wand besitzen: die angrenzenden Zellen des Netzwerkes spielen für diejenigen Venenteile, welche im Innern desselben enthalten sind, die Rolle eines Endothels, das als Fortsetzung des eigentlichen Venenendothels dient. Die Milz Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 403 ist also von Anfang an eine Art netzförmigen Venensinus, der ein Divertikel des Pfortadersystems darstellt, — eines Sinus, welcher in seinen von der Vene am meisten entfernten Maschen einen Vorrat von Noyaux d’origine (= weisse Pulpa) enthält. Das Milzgewebe stellt ein ganz spezielles Gebilde dar und kann von einem gewissen Moment ab als ein zur Regeneration von Blutkörperchen bestimmter Rest des embryonalen Mesenchyms betrachtet werden, in welchem die bindegewebigen und Gefäss- elemente im selben engen Zusammenhang bleiben, wie es im ursprünglichen Mesenchym der Fallwar.‘ „Dasist, sagt Laguesse (L. 52) in einem anderen speziellen Artikel über das Milzgewebe und seine Entwickelung, ein mesenchymatöser Herd, welcher sich nicht ohne weiteres nach dem Typus eines Grefäss- oder Bindegewebes entwickelt, sondern seinen genetischen Charakter, welchen er im embryonalen Zustande besass, beibehalten hat...“ Die Entstehung der Milz beim Acanthias ist nach Laguesse fast dieselbe, wie bei der Forelle. Indessen ‚ist aber beim Acanthias das Verhältnis der Milz zum Pankreas ein engeres. Mit der Vena intestinalis ist ebenfalls ein Zusammenhang vor- handen, aber nur im hinteren Teil der Milz, weil beim Acanthias zwischen letzterer und der Vena ein Teil des Pankreas liegt. Doch zieht ein kleiner Zweig dieser Vene nach vorne zum Grunde der Milz hin.“ — Was das Peritonealepithel anbetrifft, so nimmt es nach Laguesse auch beim Acanthias keinen Anteil an der Milzanlage. Er findet dieses Epithel genau vom darunter liegen- den Mesenchym abgegrenzt, und wenn in ihm stellenweise auch Embryonalzellen aufgefunden werden, die „auszutreten (aus dem epithelialen Verband) bereit sind‘, so soll diese Erscheinung ebenso oft in der Gegend der künftigen Milz, wie auch an anderen Stellen anzutreffen sein. ‚Das einzige, was man sagen kann, ist das, dass in einer der Entstehung der Milz weit vorausgegangenen Epoche das Peritonealepithel fast in seiner ganzen Ausdehnung eng mit dem darunterliegenden Mesenchym verbunden war, was 404 EORIS CHORONSHITZKY, augenscheinlich in hohem Masse das Wachstum des letzteren gefördert hat; aber das Milzgewebe besitzt keine engere Verwandt- schaft mit dem genannten Epithel, als das Darmmesenchym im all- gemeinen...“ Indessen fügt Laguesse hierselbst hinzu, dass bei den Säugern (beim Schaf und Kaninchen) er selbst eine starke Ver- dickung des Peritonealepithels in der Gegend der künftigen Milz gesehen habe, wie es Toldt beschreibt. Daher kann man die von Laguesse gemachten Schlüsse nicht verallgemeinern. Wir wollen hier noch erwähnen, dass Laguesse manchmal bei der Forelle zwei Milzanlagen gesehen hat, die eine im engen Zusammenhang mit der Vena subintestinalis, die andere — mit der in letztere mündenden Vena gastro-splenica. Er schliesst daraus, dass in denjenigen Fällen, in welchen beim Erwachsenen zwei oder mehr Milzen vorhanden sind, auch zwei oder mehr Anlagen von vorneherein vorhanden sein müssen. Aus allen hier erörterten Ausführungen von Laguesse kann man den endgültigen Schluss ziehen, dass die Milz im Mesenchym, im engen Zusammenhang mit der Wand der Vena subintestinalis entstehe. ‘Doch bleibt es unklar, in welchem Masse die beiden genannten Faktoren, d. h. Mesenchym und Gefässwand, sich an der Milzanlage beteiligen. In der That beweist Laguesse, indem er das Auflösen und Schwinden des betreffenden Ab- schnittes der Gefässwand betont, durchaus noch nicht, dass aus letzterer Flemente zur Bildung der Milzanlage entstehen. Was das Mesenchym anbetrifft, so könnte Laguesse kaum die wirk- liche Grenze zwischen letzterem und der künftigen Milz angeben, zumal auch das Peritonealepithel, welches nach ihm in keinem Verhältnis zur Milzanlage steht, hier nicht massgebend sein kann. Die Beziehungen zwischen Milz und Pankreas wurden von Laguesse in der ersten von uns eitierten Arbeit (L. 51) wenig berücksichtigt. Erst nach dem Erscheinen der v. Kupfferschen Arbeit fühlte sich Laguesse veranlasst, alle seine alten Präparate durchzusehen und auch neue anzufertigen, um genau die Be- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 405 ziehungen der entstehenden Milz zum Pankreas festzustellen. Die Resultate seiner neuen Untersuchungen hat er in einem kleinen Artikel unter dem Titel: „La rate est-elle d’origine ento- dermique ou mesodermique?“ (L. 53) auseinandergesetzt. In diesem Artikel sagt Laguesse, dass bei der Forelle die Milz- anlage erst dann an ihrem vorderen Ende mit dem linken Rande des dorsalen Pankreas in Zusammenhang trete, wenn in ihr schon die dem Milzgewebe eigentümlichen Veränderungen sichtbar sind. Dazu ist schon zu dieser Zeit „die Oberfläche des Pankreas vollständig deutlich abgegrenzt, und es giebt keine pankreatische Schlinge, die in die Milz überginge“. Noch besser könne man sich von der Abwesenheit pankreatischer Schlingen in der Milzanlage bei der Untersuchung von Acanthiasembryonen über- zeugen. Hier trete das Cylinderepithel des schon vielfach in sekundäre Divertikel verzweigten Pankreas ganz deutlich aus der Mitte des hellen Mesenchyms hervor, welches aus stern- förmigen Zellen besteht, und ‚höre in keinem Moment auf, von letzterem durch eine ganz genaue Linie begrenzt zu sein; in keinem Momente sehe man epitheliale Zellen (des Pankreas) aus dem Verbande, in dem sie sich befinden, zur Bildung von Milz- gewebe heraustreten.“ „Es ist selbstverständlich schwer, sagt Laguesse, zu behaupten, dass Zellen nicht imstande sein sollten, sich langsam auszuscheiden, eine nach der anderen, ver- stohlen (insidieusement), nach der von Maurer angegebenen Art; allein, ich fand keine Thatsache, welche für diese Hypothese sprechen könnte“. Laguesse glaubt also, dass es bei der Forelle und dem Acanthias ‚keine Spur von einem Milzdivertikel gebe, welches auf Kosten des Pankreas entstanden wäre“. Der mesenchymatöse Ursprung der Milz scheint ihm, „für die Forelle und den Acanthias ganz genau bewiesen zu sein“, und er sagt, dass er „in keinem Falle seine ersten Schlüsse über diese Frage ändern könne“. „Aber dasselbe Organ (die Milz), fügt er hinzu, stammt nach v. Kupffer augenscheinlich aus dem Entoderm. 406 BORIS CHORONSHITZKY, Sind denn aber diese Schlüsse (d. h. von v. Kupffer und von Laguesse) absolut unvereinbar? Ich glaube es nicht. Es ist sehr möglich, dass wenn diese einander widersprechenden An- sichten genau bewiesen sind, die Milz in einem Falle (bei Selachiern und Teleostiern) — aus einem Keimblatt, im anderen Fall (bei den Ganoiden) — aus einem anderen Keimblatt ent- stehe“. Obgleich Laguesse es auch weiss, „wie schwierig es sei zuzugeben, dass ein Organ je nach den Umständen einmal direkt aus dem Entoderm, das andere Mal indirekt und zwar ver- mittelst der sogenannten mesodermalen Gebilde aus demselben entstehen könnte“, — versucht er doch, die v. Kupffersche Ansicht mit der seinigen in Einklang zu bringen. Das Meso- derm, sagt er, ist aus dem Entoderm entstanden (ähnlich der Chorda dorsalis), und darum muss man den mesodermalen Ur- sprung eines Organs in der That nur für einen indirekten ento- dermalen Ursprung halten. Aber welche Ursachen veranlassen die Milz beim Stör ihren Ursprung aus dem Entoderm zu nehmen, während sie sonst aus dem Mesoderm entsteht? Beim Stör, ant- wortet Laguesse, geht die Entwiekelung ungeheuer rapid vor sich, aber Darmmesenchym giebt es hier wenig. „Es kommt die Stunde, wo die Milz entstehen muss. Das eigentliche Material, d. h. das Mesenchym, ist nicht vorhanden oder sehr spärlich. Das Pankreas befindet sich aber im selben Moment im Stadium starker Proliferation und liegt in der nächsten Nachbarschaft. Die Milz muss aber an seiner Seite entstehen; sie benutzt das einzige zu ihrer Verfügung stehende Material und entsteht also unmittelbar auf Kosten des Entoderms (d. h. des Pankreas)... .“ Auf solche Weise will Laguesse zwischen der v. Kupffer- schen Ansicht und der seinigen Frieden stiften. Wir überlassen es dem Leser selbst, über die Tauglichkeit und den Wert solcher Interpretationen von Ansichten und Thatsachen zu urteilen und gehen zu den nächsten Autoren, die sich mit der Frage über die Milzanlage beschäftigt haben, über. — Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 407 Einige Zeit nach dem Erscheinen des letzten von uns ceitierten Artikels von Laguesse, erschien im selben Journal „Bibliographie anatomique“ ein kurzer Artikel von Janosik über die Entstehung der Bauchspeicheldrüse und der Milz bei Säugern, Vögeln und Reptilien (L. 40). Dieser Forscher sagt: „ich fand bei keinem der von mir untersuchten Tiere eine Ab- hängigkeit der Milz von den Pankreasschlingen. Auch La- guesse erkennt diese Abhängigkeit nicht an; ich kann aber mit seinen Schlüssen nicht übereinstimmen!), daman doch nach meiner Ansicht unterscheiden muss zwischen der Entstehung eines mesenchymatösen Gewebes und der Entstehung eines solchen Gewebes, welches seinen Ursprung aus dem mesodermalen Epithel nimmt, — wenn es auch wahr ist, dass aus dem Mesothel auch mesenchymatöse Zellen stammen können; aber letztere haben schon ihren ursprünglichen Charakter verloren, weil keine von ihnen an Ort und Stelle imstande ist, eine mesotheliale Zelle, welche den epithelialen Charakter beibehalten hat, hervorzu- bringen. Wenn wirsagen, dass ein Gebilde aus dem Mesenchym oder aus dem Mesothel entstanden ist, so drücken wir hiermit zwei verschiedene Sachen aus, wenn wir überhaupt die histo- genetischen Grundsätze anerkennen ... Diesbezüglich fand ich, dass zur Zeit, wo die ersten Spuren der Milz auftreten, das an- grenzende Mesothel za proliferieren beginnt. Diese Proliferation tritt sehr deutlich bei den Embryonen von Lacerta agilis auf, weniger beim Hühnchen und bei den Säugern. Zellen, welche unmittelbar aus dem Mesothel herkommen, häufen sich in Gruppen an, welche die Flemmingschen Proliferationscentren („Schlussbemerkung über d. Zellvermehrung in d. Lymphdrüsen“. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 24, 1884) bilden. Das ist eine Ansicht, die mit den von Toldt an menschlichen Embryonen gemachten Beobachtungen übereinstimmt. Auch bei Lacerta finden wir in ı) Laguesse macht keinen strengen Unterschied zwischen Mesoderm und Mesenchym und gebraucht manchmal den einen Ausdruck statt des andern. 408 BORIS CHORONSHITZKY, späteren Stadien keine so deutlich ausgesprochene Proliferation, und letztere schwindet bald vollständig. Die pankreatischen Schlingen, welche oft ganz nahe der Milzanlage liegen, sind immer von der letzteren durch konzentrische Schichten mesen- chymatösen Gewebes deutlich abgegrenzt.“ Diese Ansicht von Janosik hat für uns einen unzweifelhaft grossen Wert, dank ihrem verallgemeinernden Charakter, welcher daraus folgt, dass.J an o$ik seine Beobachtungen an verschiedenen Abteilungen der Wirbeltiere angestellt hat. Wir müssen hier noch der kürzlichst erschienenen Arbeit von Woit (L. 99) erwähnen. Ausführlicher sprechen wir über diese Arbeit im speziellen Teil unseres Werkes, bei der Be- schreibung der Milzanlage beim Hühnchen und bei den Urodelen. Woit hat alle seine Kräfte angewandt, um den genetischen Zu- sammenhang zwischen Milz und Pankreas zu beweisen. In welche Fehler er dabei geriet, geben wir im speziellen Teil unserer Arbeit an, wo’ es uns, wie wir glauben, gelingt, die von ihm über die Entstehung der Milz bei den Urodelen und beim Hühnchen gemachten Schlüsse vollständig zu widerlegen. Indem Woit durchaus die Milz vom Pankreas herstammen lassen will, deutet er auch die bis auf ihn vorhanden gewesene Litteratur so zu sagen zu seinen Gunsten. Er legt dabei augenscheinlich sehr grossen Wert auf den von einigen Autoren (Peremeschko, Götte, etc.) betonten rein äusserlichen Zusammenhang zwischen der Milzanlage und dorsalem Pankreas, — einen Zusammen- hang, der nur darin besteht, dass Milz und Pankreas in einem und demselben Mesenchym liegen. Woit nimmt für bare Münze die von diesen Autoren beschriebene Abschnürung der Milz vom Pankreas an, welche eigentlich, wie wir es beweisen, nur eine Entfernung der Milz von ihrem nächsten Nachbarn — dem Pankreas — darstellt. Die Thatsache, welche Woit besonders betont, nämlich, dass die Milz in den jüngeren Stadien immer näher dem Pankreas gelegen ist, beweist durchaus noch nicht Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 409 den genetischen Zusammenhang dieser Organe: das ist eine selbstverständliche Erscheinung, dadurch erklärbar, dass in den jüngeren Stadien, wo die Organe selbst und ihre Entfernungen äusserst klein sind, alle Organe überhaupt einander näher liegen müssen. Die Göttesche Ansicht über die Entstehung der Milz bei der Unke (L. 19) hat Woit überhaupt nicht verstanden, da er die sog. Dotterbildungszellen für Elemente mesodermalen Ur- sprungs hält. Daher sagt er auch, dass nach Götte „die Milz ein mesodermales Gebilde“ sei. Dieser Fehler von Woit, welcher augenscheinlich nicht alles im Götteschen Werk über die Dotterbildungszellen angegebene aufmerksam gelesen hat, ist höchst wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass Götte die Dotterbildungszellen mit den Worten: „embryonale Blutzellen‘ umschreibt... Woit sieht daher einen wahren Abgrund zwischen den Ansichten von Götte und Maurer, während eigentlich die beiden Autoren die Milzanlage bei den Batrachiern vom Ento- derm ableiten, wie es aus unserer Übersicht der betreffenden Litteratur hervorgeht. Woit weist auf eine sehr interessante Thatsache hin, nämlich, dass „nur diejenigen Tiere, die ein Pankreas haben, auch eine Milz besitzen“. Es ist klar, dass Woit darin noch einen Beweis für den genetischen Zusammenhang zwischen Milz und Pankreas sehen muss. Aber wir begreifen durchaus nicht, woher Woit diese unbegründete Thatsache nimmt. So- weit uns bekannt ist, fehlt das Pankreas nur bei einigen Fischen und bei den Cyelostomata. Was die Fische anbetrifft, so fanden wir bei Vogt und Jung (L. 96) das Gegenteil von dem, was Woit behauptet, nämlich folgendes: „eine Milz findet sich (bei den Fischen) immer, in den meisten Fällen auch ein Pankreas“ (S. 473). Bei den Cyelostomata ist zwar kein Pankreas vor- handen, doch fand hier Schneider (ib. S. 447) „einige körnige Follikel, welche er als Anlage einer Milz ansieht.“ Auf Grund Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLII/XLIII. Heft (13. Bd., H. 23.) 97 410 BORIS CHORONSHITZKY, der hier angeführten Stellen von Vogt und Jung müssen wir die vollständig unbegründete Angabe von W oit zurückweisen, obgleich er dieselbe als unerschütterliche Thatsache in die Zahl der Grundsätze, die als Ergebnisse aus seiner Arbeit folgen sollen, aufnimmt (sub. 11). Die von uns gegebene Übersicht der Litteratur über die Entstehung der Milz enthält alles, was bis jetzt über diesen Gegenstand gedruckt wurde. Wir haben in diese Übersicht nur die Lehrbücher nicht aufgenommen, in denen nur Mitteilungen über die Untersuchungen anderer vorhanden sind. 2. Litteratur über die Entstehung der Leber, Gallen- blase und Bauchspeicheldrüse. Über die Entstehung der Leber, Gallenblase und Bauch- speicheldrüse ist eine sehr reiche Litteratur vorhanden. Zu der Zeit, wo unsere Arbeit schon zu Ende war, erschien ein umfangreicher Artikel von Brachet (L. 7), in welchem eine systematische und gut auseinandergesetzte Übersicht dieser Litteratur enthalten ist. Es wäre daher ganz überflüssig, wenn wir unsererseits eine zweite Übersicht dieser Litteratur geben wollten, und wir beschränken uns daher auf eine kurze Aus- einandersetzung der Ansichten über die Entstehung der ge- nannten Organe, wobei wir hauptsächlich auf diejenigen Punkte hinweisen, welche bei der Entscheidung dieser Frage besonders zu berücksichtigen sind. Der erwähnte Artikel von Brachet hat uns hier grosse Dienste geleistet. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 411 A. Leber und Gallenblase. 1. Selachier. — Über die Entstehung der Leber und der Gallenblase bei den Selachiern sind Untersuchungen von Balfour, Hammar (L. 23), Laguesse (L.49) und Brachet (L. 5) vorhanden. Alle genannten Autoren finden bei den Selachiern, speziell bei Tor- pedo, eine Ausstülpung der Ventralwand des Darmtraktes (ren- flement longitudinal, Brachet), welche ein wenig vor dem Nabel gelegen ist und sich bald in drei sekundäre Divertikel teilt, von denen die zwei seitlichen mehr vorne liegen und die primären Anlagen der beiden Leberlappen bilden (Balfour), das mittlere dagegen mehr hinten liegt und die Gallenblase mit dem Ductus choledochus bildet. Brachet glaubt, dass nicht nur die beiden seitlichen Divertikel Lebergewebe produzieren, sondern auch derjenige Wandabschnitt der primären Ausstülpung, welcher zwischen diesen beiden Divertikeln und vor dem mittleren Diver- tikel sich befindet, -— sodass man nach dieser Ansicht von Brachet kaum berechtigt wäre anzunehmen, dass die seitlichen Divertikel die primären Anlagen der beiden Leberlappen dar- stellen. Nach Brachet bilden die beiden seitlichen Divertikel zusammen eine „Ebauche hepatique proprement dite“, "zum Unterschiede vom mittleren und mehr nach hinten gelegenen Divertikel, welches er „Ebauche eystique“ nennt. Ausserdem nimmt er an, dass die primäre Ausstülpung (Renflement lon- gitudinal) mit der in ihr eingeschlossenen Gouttiere hepatique in ihrem vorderen Teil dorsoventral abgeplattet wird: „daher rührt die Formation beider Seitendivertikel“. Laguesse sagt, dass bei Acanthias beide Seitendivertikel erst nur nach dem Erscheinen des dorsalen Pankreas sich bilden, was Brachet aber für einen Fehler der Beobachtung hält. Nichtsdestoweniger will Laguesse auf Grund seiner Beobachtung die beiden seit- lichen Divertikel der Selachier mit dem ventralen Pankreas der anderen Wirbeltiere identifizieren. Mayr (L. 64) kann eben- falls nieht die Ansicht von Laguesse teilen. a7 412 BORIS CHORONSHITZKY, 2. Amphibia. — Götte fand bei Bombinator igneus (L. 19) eine hohle Ausstülpung der Ventralwand des Vorderdarmes, welche sich in Leberbalken verzweigt und späterhin an ihrem hinterem Teile die Anlagen der Gallenblase und der beiden ventralen Pankrease bildet. Aus den Arbeiten von Shore, Weysse (L. 98) und Hammar (L. 21) über die Entstehung der Leber bei den Amphibien ist es ersichtlich, dass auch hier wesentlich ein ‚„renflement longitudinal“ vorhanden ist, in dem ein Teil des Darmlumens, die sog. „Gouttiere hepatique‘, einge- schlossen ist und aus dessen vorderem Teil die „Ebauche hepa- tique proprement dite“, aus dessen hinterem Teil die „Ebauche cystique‘‘ entsteht. Nach Shore und Weysse ist „das erste Anzeichen der Leberbildung (bei den Amphibien) eine Ver- längerung des Darmlumen, die sich in die unmittelbar hinter dem Herzen gelegene ventrale Partie der Dotterzellen einsenkt. Die grossen Dotterzellen, welche diesen Divertikel der Darm- höhle umsäumen, unterliegen einer ganzen Reihe histologischer Veränderungen, um schliesslich zu echten Leberzellen zu wer- den“. Nach Shore „geht die Differenzierung der grossen Dotterzellen ganz allmählich in kranio-kaudaler Richtung vor sich, sodass kaudalwärts die Zellen der Leberanlage sich un- mittelbar auf die grossen Dotterzellen fortsetzen, die die ventrale Wand des Darmrohres beherrschen. Gleichzeitig mit dieser Differenzierung trennt sich die noch kompakte Leberanlage vom Verdauungstraktus, weil der Sinus venosus, der vom Herzen her gebildet wird, sich zunächst zwischen die Leberanlage und den Verdauungstraktus einschiebt.“ Nach Weysse sind die Zellen, welche die ursprüngliche Leberspalte oder die ursprüng- liche Ausbuchtung des Darmlumen umsäumen, äusserst pig- mentreich. „Ja, diese Pigmentierung der Zellen tritt fast früher auf, als die Spalte selbst, — und so sieht Weysse diese Pig- ınentation als das erste Anzeichen dafür an, dass diese be- treffenden Zellen eine besondere Bestimmung haben (die Leber Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 415 zu bilden). Das ist, wenn man will das erste Stadium der zu- künftigen Differenzierung, der Dotterzellen in Leberzellen. Es kann sich hier nicht, wie W.eysse treffend sagt, um einen eigentlichen Divertikel der Darmwand handeln. Das ist mecha- nisch unmöglich. Später wird die ganze vordere Partie dieser Zellenmasse, aus der nachher die Leberzellen sich herausbilden sollen, von der ventralen Fläche des Darmrohres dadurch ge- trennt, dass sich eine mehr oder weniger dicke (rewebsschicht des Mesoderms zwischen beide einschiebt. Aus alledem folgt, dass die sichtbar allerdings noch nicht differenzierten Dotter- zellen in ganz ausserordentlich früher Zeitperide des Werdegangs bereits ihre Bestimmung in sich tragen. Die einen werden zum Epithel des Darmrohres, andere gestalten sich zur Leber, wieder andere bilden Lungen und Pankreas.‘ Weysse selbst glaubt, dass man theoretisch annehmen könnte, dass schon in der Zeit der Gastrulabildung bestimmte Zellengruppen gewissermassen auserwählt sind, sich nach einer bestimmten Richtung hin weiter zu entwickeln. Das wichtigste Resultat dieser Untersuchungen von Shore und Weysse ist nach Brachet ‚augenscheinlich die Ent- deckung einer direkten Umwandlung der Dotterzellen in Leber- zellen innerhalb eines umschriebenen Bezirkes im Embryo, — eine Umbildung, die unmittelbar dem Eindringen einer einfachen Verlängerung der Darmhöhle in die Mitte dieser Zellenmasse folgt.‘ Die Bildung der Leberbalken wird bedingt, nach Shore, durch das Eindringen des Sinus venosus in die Zellenmasse „zur Zeit der Differenzierung des Lebergewebes“, nach Hammar — durch das Eindringen in dieselbe ‚eines vom Herzen herkommen- den Gefässes, welches die ursprünglich massiv angelegte Leber- bildung durchschneidet und in zahlreiche Teile zerlegt, und ihr das Aussehen eines aus unter sich anastomosierenden Schläuchen bestehenden Netzwerkes verleiht.“ 414 BORIS CHORONSHITZKY, 3. Reptilia. — Hoffmann (L. 36) fand bei der Lacerta zwei primäre Leberdivertikel, ein rechtes und ein linkes (p. 2042 — 2043). Beide Divertikel verzweigen sich vielfach in Leberbälkchen und bilden in ihren proximalen Teilen zwei Lebergäuge, aus welchen der rechte den Ursprung der Gallenblase abgiebt, die in Form eines aus seiner Wand sich ausstülpenden Blindsackes entsteht. Hammar (L. 23) kommt zum Schluss, dass bei Lacerta agilis die Leber in Form eines einzigen Darmdivertikels entstehe, welches gleich darauf sich in zwei Teile spaltet und in Leber- bälkchen verzweigt. Brachet (L. 5) findet bei Lacerta muralis das schon erwähnte „renflement longitudinal“, welches sich wie bei den Selachiern in eine Pars hepatica und Pars cystica teilt. Aber die die vorderen zwei Drittel des renflement einnehmende Pars hepatica lässt ihrerseits bei der Verzweigung in Leber- bälkchen eine schmale, quere Zone („Zone libre‘“‘) unverzweigt. Diese Zone libre: zerteilt auf solche Weise die Pars hepatica in zwei sekundäre Leberdivertikel, ein vorderes und hinteres, deren distale Teile Leberbälkchen bilden, deren proximale Teile sich in einen vorderen und hinteren Lebergang umwandeln. Der hintere Lebergang wird zusammen mit der Gallenblase so isoliert, dass er nicht mehr direkt in den Darmtrakt mündet, sondern eben in die Gallenblase; Brachet nennt ihn daher Ductus hepato-cysticus, zum Unterschied vom vorderen Lebergang, der in direkter Verbindung mit dem Darmlumen bleibt und daher von Brachet Ductus hepato-entericus genannt wird. Der eine wie der andere Ductus teilen sich ihrerseits in zwei Teile. Über die weiteren Schicksale des Ductus hepato-cysticus sagt Brachet nichts. Er setzt auch nicht die mechanischen Ursachen aus- einander, welche die so interessanten Veränderungen des ur- sprünglichen renflement longitudinal hervorrufen. 4. Aves. — Bei den Vögeln wurden schon vor langer Zeit [v..Baer(b' 1), Rathke(li 71), Götte (Li’18), His (E. 28), Koelliker (L. 45), Felix (L. 13)] zwei primäre Leberdivertikel Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 415 beschrieben, von denen das eine als rechtes, das andere als linkes bezeichnet wurde. Hammar (L. 21) war der erste, der darauf hingewiesen, dass diese beiden Divertikel, von denen das eine mehr vorne und dorsalwärts, das andere mehr hinten und ventralwärts liegt, augenscheinlich sekundäre Bildungen dar- stellen, ähnlich den beiden sekundären Leberdivertikeln der Rep- tilien, welche zusammen die sogenannte Leberfalte (‚renflement hepatique primitif“ Brachetresp. „Gouttiere hepatique primitive‘) darstellen. Die Gallenblase entsteht nacı Hammar aus dem hinteren Teil der ‚„Leberfalte“. — In der letzten Zeit hatBrouha (L. 10) sich bemüht, die allererste (primäre) Leberausstülpung beim Hühnchen nachzuweisen. Über seine Ausführungen sprechen wir eingehender im speziellen Teil unserer Arbeit. 5. Mammalia. — Über die Entwickelung der Leber bei den Säugern giebt es einander widersprechende Ansichten. Nach His entsteht die Leber beim Menschen (L. 27) und beim Kaninchen nur aus einer Darmausstülpung, wobei die Gallen- blase erst später als ein sekundäres Divertikel des Leberganges sich bildet. Hammar (L. 23) hat später die Ansicht von His bestätigt. Koelliker (L. 43) und Felix (L. 13) fanden indessen bei den Säugern zwei primäre Leberausstülpungen, der erstere beim Kaninchen, der zweite beim Menschen. Aber die von Felix angegebenen Ausstülpungen entsprechen gar nicht den- jenigen von Koelliker, denn nach der Ansicht des ersteren giebt es eine vordere und hintere Ausstülpung, nach der Ansicht des zweiten — eine linke und rechte. Bromann (L. 9) fand jedoch beim Menschen nur eine Leberausstülpung, was auch von Janosik (L. 41) bestätigt wird. Brachet (L. 5) hat eine ganze Serie von Kaninchenembryonen untersucht und fand bei ihnen das schon bekannte renflement longitudinal, welches aus einer Pars hepatica und Pars cystica besteht; die Pars hepatica soll sich aber nach Brachet hier nicht in zwei sekundäre Divertikel teilen, wie wir es bei den Reptilien und Vögeln sehen. 416 BORIS CHORONSHITZKY, Swaen (L. 92) fand in der letzten Zeit bei einem menschlichen Embryo von 3mm Länge eine Leberausstülpung, welche an das „renflement longitudinal‘‘ von Brachet erinnert. Vor ganz kurzer Zeit erschien der schon erwähnte Artikel von Hammar (L. 21) über die Entstehung der Leber bei den verschiedenen Abteilungen der Wirbeltiere. In Anbetracht des verallgemeinernden Charakters dieses Artikels geben wir hier einen ausführlichen Auszug aus demselben. Nach der Ansicht dieses Forschers besteht ‚der gemeinsame Zug der Leberent- wickelung bei allen Wirbeltieren in der Entwickelung einer kaudalwärts vom Herz liegenden Leberfalte resp. einer Leber- prominenz und deren Abschnürung zu einem kranialwärts ge- richteten Gang. In dieser einfachen Form findet sich ja auch die Leber zeitlebens bei Amphioxus“. Die erwähnte Abschnü- rung der Leberprominenz geschieht vermittelst eines „kaudal- wärts fortschreitenden“ Abtrennungsprozesses, infolgedessen sich ein Ductus choledochus bildet, unabhängig davon, ob auf der ursprünglichen Leberfalte von vornherein ein oder zwei Diver- tikel vorhanden waren. „Bei den Vögeln entstehen auch zwei kranial gerichtete unpaare (primäre!) Divertikeln, die jedes für sich zu einer zelligen frontal gestellten Platte auswachsen. Diese Platten begegnen einander lateralwärts‘“ und, indem sie den „Meatus“ venosus umgeben. werden sie von Grefässen durch- wachsen und in die trabekuläre Lebermasse umgewandelt. Die Divertikel als „rechtes“ und ‚linkes‘ zu bezeichnen, „ist offenbar unrichtig: sie sitzen, sobald sie überhaupt fertig gebildet sind, vom Anbeginn imedian“. Richtiger wäre es, von einem „Vvor- deren“ und „hinteren“ Leberdivertikel oder Gang zu sprechen ... Schon frühzeitig wird die Gallenblase mit dem Ductus cysticus als eine anfangs kaudalwärts gerichtete Ausbuchtung an der Basis des kaudalen Leberganges angelegt... Bei den Sela- chiern entstehen aus dem kranialen Teil der Leberfalte zwei bilateral-symmetrische Divertikeln, welche sich allmählich in je Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 41‘ einen trabekulären Leberlobus auflösen. Zwischen beiden Diver- tikeln und beinahe gleichzeitig mit ihnen entsteht als eine kranio-ventrale Verlängerung (des hinteren Teiles!) der Leber- falte noch ein drittes medianes Divertikel, aus welchem die Gallenblase und der Gallenblasengang hervorgehen. Die bilateral- symmetrischen Divertikeln der Selachier können offenbar nicht den längs der medianen Darmnaht beim Hühnchen auftretenden unpaaren Divertikeln homolog sein... Bei den Amphibien differenziert sich das trabekuläre Leberparenchym aus der dicken Zellenmasse, die den kranialen Teil der Leberprominenz bildet... Bei den Säugetieren wuchert eine kompakte Zellenmasse — die kompakte Leberanlage (His) — hervor, welche erst sekundär eine trabekuläre Auflösung erfährt . . .. Unterdessen „wird die Leberfalte allmählich durch eine kaudalwärts fortschreitende Ab- schnürung als ein selbständiger Gang vom Darmrohre abge- trennt. Dieser Gang ist offenbar der „linke“ Lebergang Koel- likers. Unmittelbar kaudalwärts von der kompakten Leber- anlage sprosst ein anfangs ganz kurzer Zapfen von der ven- tralen Wand dieses Ganges hervor. Dieser Zapfen krümmt sich bald hakenförmig kaudalwärts um und wächst in dieser Rich- tung zu einem mit kolbiger Auftreibung blind endenden Gang von bedeutender Länge aus. Aus dem kranialen Ende dieses Ganges sprossen Leberbalken hervor; der kaudale Teil ist von solchen Balken ganz frei und sein angeschwollenes blindes Ende wird zur Gallenblase“. Der erwähnte Gang ist der Duetus eysticus und Hammar glaubt, dass er mit dem in Koellikers „Grundriss“ (2. Aufl., Fig. 255) angegebenen „rechten‘‘ Leber- gang identisch sei, zumal dieser auch nach Koelliker mehr kaudalwärts entspringt. Indessen darf dieser „rechte‘‘ Leber- gang nicht mit einem der kranialwärts gerichteten „primären Lebergänge‘‘ des Hühnchens identifiziert werden, wogegen „schon seine kaudale Richtung, sowie noch mehr sein Verhältnis zu dem „linken“ Lebergang“ zu sprechen scheint. Der letztere, 418 BORIS CHORONSHITZKY, d. h. „der aus der Leberfalte durch Abschnürung hervorgehende „linke“ Lebergang, der zum Ductus choledochus wird, ist nicht dem kranialen Divertikel des Hühnchens, sondern dem gemein- samen Stamme beider Leberdivertikel des letzteren an die Seite zu stellen. Dieser Stamm hat ja einen ganz entsprechenden Ursprung und wird ja ebenfalls zum Ductus choledochus. Der „rechte‘‘ Lebergang entspricht offenbar dem Divertikel, das beim Hühnchen und bei den Selachiern an der entsprechenden Stelle entsteht. Bei allen diesen Tieren gehen der Ductus cysticus und die Vesica fellea aus diesem Divertikel hervor. Aus der kompakten Leberanlage entspringen das Leberparenchym und die definitiven Lebergänge, somit eben die Gebilde, welche beim Hühnchen von den Leberdivertikeln herstammen“. — Bei den Reptilien „scheint die Entwickelung der Leber sich in den Hauptzügen, wie bei den Säugern abzuspielen; nur scheint hier die kompakte Leberanlage nicht aus einer einheitlichen Zellenmasse, sondern vom Anfange an aus dicht gedrängten, krummen Zellensträngen (Natter) oder Tubuli (Eidechse) zu be- stehen“. — Hammar vergleicht ferner die „primären Leber- gänge“ der Vögel mit den von Brachet bei den Reptilien be- schriebenen, voneinander durch die „zone libre“ getrennten sekundären Lebergängen (d. h. Ductus hepato-enterieus und Ductus hepato-eysticus) und identifiziert sie mitRecht. Hammar sagt, dass die Beschreibung Brachets „offenbar zeigt, wie aus der kompakten Leberanlage sröbere Lebergänge sich heraus- bilden. Während bei den Vögeln diese Gänge zuerst auftreten und die Lebertrabekeln später aus ihnen hervorgehen, ist das Verhältnis somit bei den Reptilien umgekehrt. Aber eben dieses Verhältnis ist sehr geeignet, zu zeigen, dass die oben gezogene Parallele zwischen der kompakten Leberanlage und den primären Lebergängen der Vögel berechtigt ist‘. — Zum Schluss citiert noch Hammar die Worte von Brachet (L. 5), welche im all- gemeinen seine eigenen Worte bestätigen: „Bei den Selachiern, Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 419 Reptilien und Säugern, sagt Brachet, entwickelt sich die Leber auf Kosten einer länglichen Ausstülpung (renflement longitudinal) der Ventralwand des Darmtraktes, — einer Ausstülpung, welche die ganze Länge dieses Organs zwischen Sinus venosus und dem Darmnabel einnimmt. Das Hauptsächlichste ist, dass 1. es nur eine Ausstülpung giebt, aus der die eigentliche Leber sowie auch die Gallenblase entsteht; 2. dass diese Ausstülpung überall ein und dieselben charakteristischen Eigenschaften hat, und 3. dass die Leberdivertikel des Darmtraktes nichts anderes sind als sekundäre Modifikationen dieser primären Ausstülpung. — Fügen wir noch hinzu, dass bei allen drei von uns untersuchten Tiergruppen!) die primäre Ausstülpung sich vom Darmtrakte immer vermittelst eines Abschnürungsprozesses abteilt“ . In Bezug auf die Entstehung der Gallenblase bringt Hammar die Ansicht von Brachet, welcher darauf besteht, dass die Gallenblase aus dem hinteren Teil des renflement longitudinal entsteht, im Gegensatz zu einer alt verbreiteten Ansicht, dass „die Gallenblase eine sekundäre Ausstülpung des hinteren resp. des einheitlichen Leberdivertikels — je nach dem Autor — sei“. „In der That, fügt Hammar hinzu, verhält es sich ja so, dass man die Gallenblasenanlage, wenn sie früh auftritt, wie z. B. bei den Selachiern, als eine Ausbuchtung von der Leberfalte findet, wenn sie sich relativ spät entwickelt, aus dem auf Kosten der Leberfalte entstandenen Ductus choledochus (welcher ja bisher im allgemeinen als Lebergang bezeichnet worden ist) hervorsprossen sieht. Das letztere scheint bei den Säugetieren gewöhnlich vorzukommen“. Aus der hier angeführten Litteratur über die Entstehung der Leber und der Gallenblase muss man, wie Brachet mit Recht sagt, den Schluss ziehen, dass die beiden genannten Organe 1) Brachet (Tl. 5) hat die Entstehung der Leber bei den Selachiern, Reptilien und Säugern untersucht. 420) BORIS CHORONSHITZKY, „auf Kosten zweier verschiedener Teile einer und derselben An- lage entstehen, die ursprünglich die gleichen Charaktere bei allen Tierklassen bat. Später verändert sich diese Anlage, sie modifiziert sich je nach den Tierklassen, sie schnürt sich ab, bildet sekundäre Divertikel, und zeigt besondere Eigentümlich- keiten je nachdem, welche Tierart man untersucht. Eine für alle Wirbeltiere gültige Eigentümlichkeit ist die, dass der Ductus choledochus zuerst aus einer Abschnürung entsteht, welche die Leberanlage zum Teil von der ventralen Darmwand trennt.“ Die von uns angestellten Untersuchungen über die Ent- stehung der Leber und der Gallenblase hatten einerseits den Zweck, die Details dieses im allgemeinen bereits bekannten Pro- zesses zu verfolgen und zu kontrollieren. Andererseits haben wir unsere besondere Aufmerksamkeit auf das Verhältnis der ersten Anlage der Gallenblase zur ersten Leberanlage gelenkt, um uns von der Richtigkeit der von Brachet ausgesprochenen Ansicht über das Vorhandensein einer gemeinsamen Anlage für die genannten Organe (renflement longitudinal) zu überzeugen. Speziell in Bezug auf die erste Leberanlage bei den Vögeln wollten wir uns davon überzeugen, ob man hier wirklich eine primäre Leberausstülpung nachweisen kann, welche erst später sich in zwei sekundäre Divertikel teilen soll. Ausserdem haben uns besonders die vor uns fast von niemand berührten mechanischen Momente interessiert, welche die bedeutende Differenz in der ersten Leberanlage bei den verschiedenen Wirbeltierabteilungen bedingen. Davon sind wir unmittelbar auf die nicht minder interessante Frage über den rein mechanischen Einfluss der ersten Leberanlage auf die Entwickelung des embryonalen Venensystems übergegangen. Wir wollten noch ausserdem teil- weise auch die sogen. Abschnürungsprozesse aufklären, mit Hülfe derer sich allmählich nicht nur die Leber und Gallen- blase, sondern überhaupt alle vom Darmtrakt herstammenden 'Anhangsorgane bilden und fortentwickeln. Endlich lag es uns Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 421 auch daran, das Verhältnis der Gallenblasenanlage zu den An- lagen der ventralen Pankrease festzustellen. Die von uns über alle diese Punkte erzielten Resultate werden in Kürze im Schluss- wort unserer Arbeit wiederholt werden. B: Bauchspeicheldrüse. 1. Dorsales oder Hauptpankreas. Schon die älteren Autoren haben bei allen höheren Wirbel- tieren ein dorsales Pankreas beschrieben, welches seinen Ur- sprung aus der dorsalen Darmwand, ein wenig hinter dem Ur- sprungsniveau der Leber, nimmt. Alle neueren Untersuchungen haben das Vorhandensein eines dorsalen Pankreas bei allen Wirbeltierabteilungen bestätigt; zweifelhaft blieb dieses nur für ammocoetes (Uyclostomata), wo nur v. Kupffer (L. 45) allein ein dorsales Pankreas gesehen und sogar genau beschrieben hat. Aber Götte (L. 17) und Brachet (L. 8) haben hier nichts ähnliches gefunden, und die von Langerhans bei den Cyclo- stomata beschriebene ringlörmige Drüsenmasse hält Schneider für die Milz (L. 7). Legouis aber hält höchstwahrscheinlich, wie Brachet (ibid.) glaubt, eben dieses ringförmige Organ für die Bauchspeicheldrüse der CUyclostomata. Das dorsale Pankreas entsteht im allgemeinen in Form einer Furche oder Falte, welche erst nachdem sie einen gewissen Ab- schnürungsprozess durchgemacht hat, sich in ein echtes Diver- tikel umwandelt. In Bezug auf die Richtung dieses Abschnü- rungsprozesses sind die Meinungen aber geteilt, selbst in betreft eines und desselben Tieres; so z. B. schnürt sich nach Laguesse (L. 49) diese Drüse beim Acanthias von hinten nach vorne ab!) während nach Mayr (L. 64) sie sich beim selben Tiere von vorne nach hinten abschnürt. 1) In einem anderen Artikel verallgemeinert sogar Laguesse (L. 59) diese Ansicht, indem er sagt, dass das dorsale Pankreas überall „par un ötranglement graduel marchant d’arriere en avant“ sich abschnürt. 422 BORIS CHORONSHITZKY, Das so entstandene Divertikel „wächst und bringt sekundäre Blindsackbildungen hervor, teilt sich in einzelne Läppchen und lässt so allmählich eine tubuläre Drüse entstehen, die vielfach verästelt ist und durch einen mehr oder minder langen Aus- führungsgang mit dem Darmrohr verbunden erscheint. Beim Menschen heisst dieser Gang Ductus Santorini“. In dieser Weise wurde schon lange die Entstehung des dorsalen Pankreas bei den Säugern von Koelliker (L. 43), His (L. 27) und Balfour (L.2) beschrieben und in letzter Zeit von Kelıx (L. 13), Stoss (1.0), Jankelowitz (E53, 39), Wlassow („Zur Entwickelung des Pankreas beim Schweine“, Morph. Arbeit v. Schwalbe, Bd. 4, H.1) und Brachet (L. 5) bestätigt. Doch muss man erwähnen, dass nach Stoss das dorsale Pankreas beim Schaf aus zwei nebeneinander liegenden seitlichen Anlagen zusammengesetzt wird, und dass nach Wlas- sow die erste Anlage dieser Drüse beim Schwein schon von vornherein zweilappig erscheint. Wir selbst haben etwas Ähn- liches beim Hühnchen gefunden, wie wir es im speziellen Teile unserer Arbeit beschreiben. Im allgemeinen wurde bei den Amphibien, Reptilien und Vögeln die Entstehung des dorsalen Pankroas ähnlich wie bei den Säugern beschrieben. Von allen Autoren, die darüber geschrieben haben |[v. Baer L. 1, cKathke it. 70, Goöttertk. 18, 19), His. 28) Roster und Balfour (L. 14), Duval (L. 11), Felix (L. 13), Hammar (J 23), @öppert (L. 16), Hoffmann (L. 36), Weysse (L. 98), Janosik (L. 40), Stöhr (L. 87, 88) und Brachet (L. 5)], wollen wir hier nur auf Weysse hinweisen, welcher annimmt, ‚dass der Vorgang, welcher beim Frosche sich ventral abspielt, um die Leber zu erzeugen, genau so dorsal statthabe, um den dor- salen Pankreas hervorzubringen“, d.h. Weysse will auch für das Pankreas keine Ausstülpungsprozesse annehmen, sondern die frühe Differenzierung einer gewissen Zellengruppe, welche schon in den jüngsten Entwickelungsstadien — vielleicht schon Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 423 im Stadium der Gastrula — zur Bildung des dorsalen Pankreas vorausbestimmt sein soll. Diese Vorausbestimmung besteht nach Weysse in der Ablagerung eines Pigments in der betreffenden Zellengruppe. Stöhr weist ebenfalls auf das Vorhandensein von Pigment in den Zellen der ersten Anlage des dorsalen Pankreas hin. Wir selbst haben auch bei den Amphibien, be- sonders beim Frosche, in den Zellen der ersten Anlage des dor- salen Pankreas und der Leber Pigment gefunden. Doch haben wir eine ähnliche Pigmentierung nicht nur in den Zellen der genannten Organe gesehen, sondern fast in sämtlichen das Darmlumen begrenzenden Zellen, besonders aber in denjenigen Zellenteilen, welche dem Darmlumen zugewandt sind so dass wir nicht ohne weiteres mit Weysse übereinstimmen können. — Janosik giebt an, dass bei Lacerta agilis die Mündung des dorsalen Pankreas sich zur Mündung des Ductus choledochus nähere, sodass diese beiden Mündungen verschmelzen, — eine Thatsache, auf die schon vor langer Zeit Rathke bei der Natter hingewiesen hat (L. 71) Über die Entstehung des dorsalen Pankreas bei den Knochenfischen ist uns dasselbe bekannt (Stöhr (L. 86), Göppert (L. 15), Laguesse (L. 58)],, was wir darüber in Bezug auf die anderen Wirbeltierabteilungen wissen. Göppert und Laguesse sahen, dass das dorsale Pankreas, indem es sich mit dem rechten ventralen Pankreas vereinigt, sich vollständig von der dorsalen Darmwand abteilt und so seinen ursprünglichen Ausführungsgang verliert, um von nun ab zu. sammen mit dem ventralen Pankreas in den Ductus choledochus zu münden (siehe unten). — Beiden Selachiern haben Balfour, Hammar, Laguesse, Brachet und Mayr ebenfalls ein dorsales Pankreas gefunden, welches vollständig dem bei den übrigen Wirbeltieren beschriebe_ nen dorsalen Pankreas entspricht. Über die Differenz zwischen Laguesse und Mayr in der Beschreibung der Abschnürungsart dieser Drüse beim Acanthias haben wir schon oben gesprochen. 424 BORIS CHORONSHITZKY, Wir haben jetzt nur noch auf den schon oben erörterten Artikel von v. Kupffer (L. 44) über die Entstehung der Milz und des Pankreas beim Stör hinzuweisen. Hier beschreibt v. Kupffer nicht ein dorsales Pankreas, wie wir es bei allen anderen Wirbeltierabteilungen gesehen haben, sondern zwei. Die Entfernung dieser beiden dorsalen Pankrease voneinander ist der ganzen Länge des „Mitteldarms“ gleich. Mit letzterem Namen bezeichnet aber v. Kupffer nur denjenigen Darmteil, welcher der duodenalen Schlinge des erwachsenen Störs — von der Mündungsstelle des Ductus choledochus bis zum vorderen Ende des Spiraldarms — entspricht, sodass im Grunde genommen, die Entfernung beider dorsalen Pankrease voneinander nicht bedeutend ist. Man kann daher kaum mit Stöhr (L. 87) ein- verstanden sein, welcher auf die entsprechend dem Anfange des Schwanzdarmes befindliche Verdickung der dorsalen Darmwand beim Frosch hinweist, die nach seiner Meinung dem vonv. Kupffer beim Acipenser beschriebenen zweiten resp. hinteren dorsalen Pan- kreas entsprechen soll, wodurch er also den Irrtum des letzteren beweisen will. v. Kupffer bemerkt mit Recht, dass das von ihm gefundene hintere, dorsale Pankreas nichts Gemeinschaftliches mit dem weit hinter letzterem befindlichen Schwanzdarm hat (L. 88, Diskussion). Brachet glaubt, dass das Erscheinen zweier dor- saler Pankrease beim Stör vielleicht ebenso zu erklären wäre, wie das Entstehen von zwei Leberdivertikeln bei den Reptilien und Vögeln. „Selbstredend ist das nur eine Hypothese,“ sagt Brachet. 2. Ventrale oder Nebenpankrease. „Bei allen Wirbeltieren, mit Ausnahme der Cyclostomen und Selachier, entwickelt sich kürzer oder länger nach der Ausbildung des dorsalen Pankreas ein ventraler, der gewöhnlich aus zwei Diver- tikeln der Wand des Ductus choledochus hervorgeht, ganz nahe an der Stelle, wo dieser Gang ins Darmrohr einmündet“ (Brachet). Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 425 Alexander Götte war der erste, der bereits in einer Studenten- arbeit (L. 18) auf das Vorhandensein eines dorsalen (Hauptpankreas) und ventralen (Neben-)Pankreas beim Hühnchen hingewiesen hat. ‚Interessant ist es, dass nach der Ansicht dieses Forschers das ven- trale oder Nebenpankreas nicht aus dem Ductus choledochus, sondern direkt aus der Darmwand seinen Ursprung nimmt, nahe der Mündungsstelle des Ductus choledochus und des Ductus Santorini resp. Ductus pancreaticus dorsalis, — eine Thatsache, auf die wir noch im speziellen Teil unserer Arbeit zurückkommen werden, da es auch für uns viel wahrscheinlicher ist, dass das ventrale Pankreas direkt aus der Darmwand zusammen mit der (rallenblase entsteht, welch letztere mit beiden ventralen Pankreas- anlagen eine kreuzförmige Ausstülpung bildet (siehe unten). Indes wusste aber noch damals Götte nicht, dass es zwei ventrale Pankreasanlagen giebt. Er wusste nur, dass beim er- wachsenen Huhn drei Pankreasgänge gefunden werden; daher hat er nur voraussetzen können, dass wahrscheinlich beim Hühn- chen zwei ventrale (Neben-)Pankrease gebildet werden, und hat rein theoretisch die von Remak und Koelliker gegebene Er- klärung bestritten, wonach aus der primären Drüse (d. h. aus dem dorsalen Pankreas) Nebengänge gebildet werden können, welche erst nachträglich mit der Darmwand im Verbindung treten. Von weiteren Forschern (Duval [L. 11] und Bonne!t) wurde das Vorhandensein eines dorsalen und ventralen Pankreas bestätigt. Unterdessen hat Götte (L. 19) genau die Entstehung der Bauchspeicheldrüse bei der Unke erforscht, wo es ihm schon gelungen ist, zwei ventrale (Neben-)Pankrease zu finden, sodass eben ihm die Ehre gebührt, drei Pankreasanlagen zuerst ent- deckt zu haben. Beide ventrale Pankreasanlagen der Unke ent- stehen nach Götte symmetrisch aus beiden Seitenwänden des Ductus choledochus. Die rechte ventrale Pankreasanlage wächst nach rechts und dorsalwärts und verschmilzt mit der dorsalen Pankreasanlage. Andererseits verschiebt sich dieselbe rechte Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIYXLIII. Heft. (13. Bd., H. 2/3.) 28 426 BORIS CHORONSHITZKY, ventrale Pankreasanlage längs der vorderen Wand des Ductus choledochus, bis sie sich endlich mit der linken ventralen Pankreas- anlage vereinigt, und trennt sich dann vollständig vom Ductus choledochus ab. Die linke ventrale Pankreasanlage „schnürt sich allmählich vom Ductus choledochus bis zum Duodenum ab“, d. h. sie teilt sich so ab, dass sie von nun ab direkt in das Duodenum mündet. Nachträglich schwindet auch der dor- sale Pankreasgang, und die ganze aus den drei Anlagen gebildete Bauchspeicheldrüse steht jetzt in Verbindung mit dem Darm- lumen nur noch vermittelst eines einzigen Ganges, nämlich des ursprünglichen Ductus pancreaticus ventralis sinister. Die linke ventrale Pankreasanlage scheint nach Götte kein Drüsengewebe zu produzieren, sondern nur den definitiven Ausführungsgang der Bauchspeicheldrüse zu bilden. Göppert (L. 16) hat die Göttesche Ansicht genau geprüft und fand drei Pankreasan- lagen bei den Anuren, wie auch bei den Urodelen (Triton). Nach Göppert findet ebenfalls eine Vereinigung der dorsalen’Pankreas- anlage mit der rechten ventralen und andererseits der letzteren mit der linken ventralen Anlage statt. Die letztere Vereinigung kommt auch nach Göppert längs der vorderen Wand des Ductus choledochus zu stande. „Beiden Ordnungen, d. h. den Anuren und Urodelen, sagt Göppert, gemeinsam ist, dass die Verbindung der beiden ventralen Ductus pancreatiei mit einander um die rechte resp. vordere Peripherie des Leberausführungs- ganges herum vor sich geht.“ Nach Göppert sollen alle drei Pankreasanlagen Drüsengewebe produzieren. Ausserdem hat derselbe Forscher noch darauf hingewiesen, dass bei den Uro- delen ein dorsaler und ventraler Ausführungsgang in der Bauch- speicheldrüse erhalten bleiben, während bei den Anuren der dorsale Ausführungsgang atrophiert und nur ein ventraler nach- bleibt. Die nach der Göppertschen erschienenen Arbeiten [Stöhr (L. 86), Laguesse (L. 58), v. Kupffer (L. 44), Saint- Remy (L. 80, 81, 82), Janosik (L. 40), Brachet (L. 5)] haben Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 427 im allgemeinen die Angaben Göpperts auch in Bezug auf die anderen Wirbeltierabteilungen bestätigt, mit Ausnahme der Cyclo- stomen und Selachier, bei denen es niemand gelungen ist, ein ventrales Pankreas zu entdecken (Balfour, Hammar, Laguesse, Brachet, Mayr); bei den Vögeln blieb die Frage vom Vorhandensein zweier ventraler Pankrease bis auf die letzte Zeit unentschieden; die jüngst erschienene Arbeit von Brouha L..10) machte das Vorhandensein zweier ventraler Pankrease beim Hühnchen nur wahrscheinlich (siehe unten). Von Göppert erschien noch eine Arbeit über die Entwickelung des Pankreas bei den Knochenfischen (L. 15), bei denen er ebenfalls drei Pankreasanlagen findet. Nur hat er hier beobachten können, dass die Mündungen der beiden Ductus pancreatici ventrales sich einander längs der linken resp. hinteren Peripherie des Ductus choledochus allmählich nähern und vereinigen. Was die Vereinigung der rechten ventralen Pankreasanlage mit der dorsalen anbetrifit, so soll sie nach Göppert bei den Knochen- fischen insofern anders sein, als die dorsale Pankreasanlage zuerst vom Darm sich vollständig abtrennt, längere Zeit im Mesenchym ohne Ausführungsgang liegen bleibt, wobei sie sogar eine gewisse Degeneration durchmacht, und erst nachträglich mit der rechten ventralen Pankreasanlage sich vereinigt. Durch die Verschmelzung der Mündungen beider ventralen Pankreasanlagen entsteht der sogenannte Ductus Wirsungianus, welcher nun dieht an seiner Mündungsstelle sich in zwei Äste spaltet. „Allmählich rückt dann die Mündung desselben immer mehr gegen den Darm vor, bis schliesslich der Ductus Wirsun- gianus selbständig neben dem Ductus choledochus in den Darm- kanal mündet.“ Göppert setzt die bis auf ihn vorhanden ge- wesene Litteratur über die Entstehung des Pankreas auseinander [Balfourund Parker, Laguesse (L.54), v. Kupffer(L. 44), Götte/(L. 19, 18), Göppert; (L. 16), Belix(L 15)2Stoss (L. 90), Zimmermann (L. 100), Phisalix, Hamburger (L. 20)] 28* 428 BORIS CHORONSHITZKY, und kommt zum Schluss, dass ‚stets die linke ventrale Anlage mit der rechten, diese mit der dorsalen verschmilzt. Diese Ge- setzmässigkeit beruht darauf, dass die Anlagen entweder von vornherein oder infolge späterer Verlagerungen einander so nahe benachbart sind, dass ihr Wachstum sie notwendig zu- sammentreffen lassen muss. Das erstere ist, wie ohne weiteres verständlich, für die beiden ventralen Anlagen der Fall, das zweite gilt für die Verbindung der rechten ventralen und der dorsalen Anlage. Hierbei kommt in Betracht, dass die Lage- beziehung zwischen Leber und Darm im Laufe der Entwicke- lung nicht die ursprüngliche bleibt, sondern in dem Sinne eine Änderung erfährt, ‘dass der Ductus choledochus später nicht mehr, wie anfänglich von der Ventralseite, sondern von rechts her zu seiner Mündungsstelle hinzieht. Damit sieht der ursprüng- lich nach rechts gerichtete Teil seiner Peripherie dorsalwärts, und das von hier ausgehende rechte ventrale Pankreas kommt in die unmittelbare Nachbarschaft des dorsalen Teiles der Drüse zu liegen, sodass beide Drüsenabschnitte bald zur Vereinigung kommen. Derselbe Vorgang, der eine Annäherung dieser beiden Drüsenteile bewirkt, vergrössert die um die linke Cirkumferenz des Darmes gemessene Entfernung zwischen linkem ventralen und dorsalem Pankreas, sodass hier nie eine Vereinigung beider zustande kommen kann ... Wenn verschiedene Teile des Pankreas einander berühren, verschmelzen sie. Es treten Ana- stomosen zwischen ihnen auf .. .. Darauf beruht es, dass sehr oft der eine oder der andere der Auslührungsgänge der Rück- bildung verfällt. Meist ist dies der Fall bei denjenigen Gängen, welche den dorsalen Anlagen entstammen. Ganz ausnahmsweise dagegen geht der ventrale Gang verloren (so weit bekannt nur beim Schwein und Rind).“ Dort, wo beide Ausführungsgänge erhalten sind, unterscheidet man beim erwachsenen Tier einen Ductus Santorini (der dorsalen Anlage) und einen Ductus Wirsun- gianus (Ductus pancreaticus ventralis), wie z. B. bei den Uro- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 429 delen und Säugern. Wir erinnern hier daran, dass nach Götte (L. 19) der Ductus Wirsungianus ein Derivat der linken ven- tralen Pankreasanlage darstellt, welche letztere nach ihm kein Drüsengewebe bilden soll. Beim Huhn werden bekanntlich alle drei Ausführungsgänge der Bauchspeicheldrüse erhalten. „Man könnte nun denken, sagt Göppert, dass die Rückbildung von Ausführungsgängen ihren Grund hat in einer Rückbildung der zu ihnen gehörigen Teile der Drüse. Eine derartige Auffassung ist aber nicht möglich, da die Anlagen, welche später ihren Aus- führungsgang einbüssen, also meistens die dorsalen, in wenigen Fällen die ventralen, trotzdem einen sehr erheblichen Anteil des Drüsengewebes liefern, an welchem keinerlei Rückbildungserschei- nungen zu bemerken sind. Es bleibt damit nur übrig, anzu- nehmen, dass ein Ausführungsgang aufgegeben wird, weil er funktionslos geworden ist, indem andere Gänge bessere Abfluss- bedingungen bieten . . .“ Laguesse (L. 58) hat die Untersuchungen von Göppert nachgeprüft und kam zum Schluss, dass bei den Knochenfischen in der That ausser dem dorsalen Pankreas noch zwei ventrale Pankreasanlagen vorhanden sind, von denen „le droit — un peu plus volumineux que le gauche. Des l’origine ils ne sont pas franchement latöraux, mais report6s un peu en arriere et unis entre eux par une trainee cellulaire formant bourrelet dans l’angle choledo-intestinal ... On voit l'insertion du choledoque, com- pletement entouree en arriere par la base d’un large mamelon en forme de c&ur, dont la pointe regarde en arriere. Ce mamelon est bilob&: le lobe droit plus volumineux repond au bourgeon ventral droit, le gauche au bourgeon ventral gauche. Aussitöt apparus les deux bourgeons pancreatiques accessoires se reunissent donc de plus en plus etroitement ...‘“ So beschreibt Laguesse die erste Anlage der beiden ventralen Pankrease, welche nach seiner Meinung schon von vornherein bestrebt sind, sich zu einem ventralen Pankreas zu vereinigen. Diese Vereinigung 30 BORIS CHORONSHITZKY, kommt seiner Beschreibung nach an der hinteren Peripherie des Ductus choledochus zustande, wie es auch Göppert für die Knochenfische angegeben hat. Die letzteren unterscheiden sich also von den Amphibien (den Urodelen und Anuren), bei welchen Göppert selbst eine Vereinigung der beiden ventralen Pankreasanlagen an der vorderen Peripherie des Ductus choledochus bewiesen hat. Laguesse erwähnt aber, dass er bei den Knochenfischen eine Vereinigung der ventralen Pankrease auch an der vorderen Peripherie des Ductus choledochus ge- sehen hat; mit anderen Worten, letzterer sei von einem Pankreas- ring umgeben. Dasselbe fand auch Göppert bei den Knochen- fischen. Wir selbst haben solch einen Pankreasring auch bei den Amphibien beobachten können, bei den Urodelen, wie bei den Anuren. Nicht uninteressant für den Leser wird es sein, dass schon in den dreissiger Jahren Rathke (L. 71) dasselbe bei der Natter gefunden hat, trotz der Schwierigkeiten der da- maligen Untersuchungsmethoden. Er hat nicht einmal geahnt, dass es ein ventrales Pankreas giebt, und nichtsdestoweniger ist die Bildung des erwähnten Pankreasringes von ihm so deutlich beschrieben, dass wir es nicht umgehen wollen, seine eigenen Worte zu citieren: „Mit den Ausführungsgängen der Leber und der Gallenblase bleibt es (d. h. das Pankreas) für immer in der innigsten Verbindung... Es umwächst nämlich, indem es zwei nach vorne sich richtende Arme aussendet, das Ende jener Ausführungsgänge und stellt nach einiger Zeit einen oflenen Ring dar, der in seiner Mitte am dicksten ist und gegen sein Ende spitz ausläuft: bald darauf bildet es einen völlig ge- schlossenen Ring...“ Unter den „zwei nach vorne sich richten- den Armen‘ muss man beide ventralen Pankrease verstehen, die aber nicht, wie Rathke fälschlich beobachtet hat, aus dem dorsalen Pankrease hinauswachsen, sondern aus dem proximalen Ende des Ductus choledochus. Die ventralen Pankrease um- geben augenscheinlich die dorsale resp. vordere Wand des Ductus Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 431 choledochus und vereinigen sich unter sich, sowie auch mit dem dorsalen Pankreas, — daher auch das Bild zweier aus dem dorsalen Pankreas ausströmenden Arme, welche den Ductus choledochus zu umringen bestrebt sind. Letzterer ist auch in der That gleich darauf ringförmig von den genannten „Armen“ umgeben, weil die Mündungsstellen der ventralen Pankrease sich längs der ventralen resp. hinteren Peripherie des Duetus chole- dochus allmählich verschieben und endlich miteinander ver- schmelzen. So muss man nach unserer Ansicht die Worte Rathkes deuten. „Mais ce sont la des details“, sagt Laguesse in seiner Arbeit in Bezug auf einige von ihm angegebene Aus- führlichkeiten der Entwickelung des ventralen Pankreas, — „l’im- portant c'est la constatation du double mamelon initial, sur lequel nous sommes tous (d. h. Laguesse, Stöhr und Göppert) d’accord, et qui permet d’appliquer aux Teleosteens la loi qui semble generalisable aujourd’hui A presque tous les vertebres. La fusion precoce qui existe iei est & rapprocher des descriptions des observateurs (Hamburger par exemple) qui ont vu chez les Mammiferes un panereas ventral unique.“ Nachdem Laguesse diesen Satz ausgesprochen hatte, wurde die Litteratur noch mit neuen Arbeiten bereichert, welche alle seine Worte bestätigen [Janosik (L. 40), Jankelowitz (L. 38, 39), Brouha (L. 10), Brachet (L. 7). Ein gewisser Zweifel war nur noch in Betreff der Säugetiere vorhanden, bei denen die beiden ventralen Pankreas- anlagen sehr früh miteinander verschmelzen, sodass man eine grosse Zahl von Embryonen haben muss, um sie sehen zu können. Aber die letztgenannten Autoren haben eben neues Material ge- liefert, welches dazu geeignet ist, das Vorhandensein zweier ventraler Pankreasanlagen bei allen Wirbeltieren — mit Aus- nahme der Cyklostomen und Selachier, bei denen es überhaupt kein ventrales Pankreas giebt — vollständig zu sichern. Nichts- destoweniger erschien noch vor ganz kurzer Zeit ein Artikel vonHammar(L. 22), in dem das Vorhandensein zweier ventraler 432 BORIS CHORONSHITZKY, Pankreasanlagen bezweifelt wird. Auf Grund zweier eigener Modelle und der Zeichnungen von Brachet (L. 4) kommt Hammar zum Schluss, dass das vermeintliche linke ventrale Pankreas höchstwahrscheinlich ein sich sehr langsam entwickeln- des drittes Leberdivertikel sei.. Nach ıhm stellt das ventrale Pankreas wenigstens „beim Kaninchen, Hund und wahrscheinlich auch bei den anderen Säugetieren eine Verdickung resp. Aus- buchtung dar, welche die kaudale sowie die seitlichen Flächen des Ganges (d. h. Ductus choledochus) halbringförmig umfasst. Sobald die Anlage frei hervorsprosst, zeigt sie sich auch als ein einheitliches kaudal gerichtetes Divertikel des Ductus choledochus.‘“ In diesem Artikel scheint Hammar, Brachet den Vorwurf machen zu wollen, dass letzterer (L. 5) sich nicht vom Gedanken der symmetrischen Duplizität des ventralen Pankreas lossagen könne . Damit sei die Übersicht der Litteratur über die Entstehung der Bauchspeicheldrüse zu Ende. Als wir unsere Arbeit an- fingen, war die Frage über die Herkunft und Entwickelung der ventralen Pankreasanlagen weit noch nicht so bearbeitet, wie wir es jetzt aus der angegebenen Litteratur sehen. Nichtsdesto- weniger sollen unsere, wenn auch spät veröffentlichten Unter- suchungen !), welche fast alle Wirbeltierabteilungen umfassen, neues Licht auf die Entwickelung der ventralen Pankreasanlagen und ihr Verhältnis zu den benachbarten Organen werfen. So können wir z. B. darauf hinweisen, dass vor uns noch niemand die erste Anlage der beiden ventralen Pankrease beim Hühnchen beschrieben hat, obgleich doch letzteres das allerzugänglichste Material für embryologische Untersuchungen darstellt. Nicht uninteressant ist es, dass Duval in seinem Atlas (L. 11) auf Fig. 481 die beiden ventralen Pankreasanlagen genau zeichiet, !) Im Russischen wurde diese Arbeit anfangs 1895 abgefasst und im April desselben Jahres der Moskauer „Physico-medizinischen Gesellschaft“ zur Druck- legung überreicht, Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 433 ohne zu wissen, dass sie es sind. Diese Zeichnung entspricht ganz der von uns gegebenen Fig. 64. Duval hat also genau den mikroskopischen Schnitt kopiert, ohne zu ahnen, dass auf ihm zwei neue Anlagen zu sehen sind. Sie sind auch bei ihm ohne Bezeichnung mit Buchstaben geblieben. Bei einem etwas älteren Hühnchen (auf Fig. 555 seines Atlasses) sind abermals die beiden schon etwas grösseren ventralen Pankreasanlagen gezeichnet; doch wurden sie auch hier von ihm nicht erkannt, wobei eine derselben, wie aus der Buchstabenbezeichnung (VB) ersichtlich, von ihm sogar für einen Gallengang erklärt wird. Torpedo ocellata. I Der jüngste in unserem Besitze befindliche Embryo von Torpedo ocellata hat folgende Eigenschaften: Sein im Quer- schnitt trapezförmiger Rachenraum geht plötzlich in den schmalen Vorderdarm über, welcher im Querschnitt schon vollständig rund erscheint (Fig. 1, Da!) und von einem mehrschichtigen eylindrischen Epithel umgeben ist. Dieses entodermale Epithel (ib. Ent.) scheint von einer schmalen glänzenden Basallinie um- geben zu sein. Untersucht man genauer, so sieht man, dass diese Linie als solche nicht existiert, sondern der optische Ausdruck der Summe sämtlicher Basalabschnitte der unteren Entodermschicht ist. Unter dieser glänzenden Linie befindet sich ein schmaler cirkulärer Spaltraum (ib. x), welcher das ') Auf Fig. 1--10 sind 10 Quersehnitte eines und desselben Embryo von Torpedo ocellata gezeichnet. Die Schnitte waren 10 « dick. 434 BORIS CHORONSHITZKY, Entoderm vom Visceralblatt des Mesoderms (ib. Spl.) abteilt. Letzteres stellt ebenfalls ein mehrschichtiges Cylinderepi- thel dar und geht an der dorsalen Seite des Darmkanals in das Mesenterium über, wel- ches eigentlich nur eine Dupli- katur des Visceralblattes dar- - stellt (ib. Mes.). Darmmesen- chym ist bei diesem Embryo im allgemeinen sehr wenig vor- handen. Der Vorderdarm behält seine runde Gestalt auf etwa 40 Querschnitten, d. h. auf einer Strecke von 40x10 = 400 u = 0,4 mm. Auf der Höhe des 28. bis 32. Schnittes erscheint der Vorderdarm (Fig. 2 u. 3, Da) etwas dorso- ventral zusammengedrückt. Das geschieht offenbar, weil auf dieser Höhe der Sinus venosus des Herzens mit den beiden Ductus Cuvieri in Ver- bindung steht und dadurch etwas dorsalwärts herange- zogen wird. Weiter hinten ist aber der Vorderdarm auf dem Querschnitt schon wieder kreis- . rund (Fig. 4). Die beiden Ductus Cuvieri (Fig. 1—3, D. Cuv.), welche beider- seits durch die Vereinigung je einer vorderen und hinteren Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 435 Kardinalvene entstehen (ib. v.c.a. und v.c.p.), liegen in der Dicke der Rumpfplatte und ziehen ventralwärts, um zum Sinus venosus des Herzens (ib. Sin. v.) zu gelangen. Dabei müssen sie die beiden Mesodermblätter (ib. Som. und Spl.) durchbrechen und die Leibeshöhle durchkreuzen. Die Folge davon ist beider- seits die Bildung eines sogenannten Peritonealfensters (ib. Per. f{. Ir. und Per. f. 11.) auf dem Querschnitte; in der That sind diese Fenster Teile der Leibeshöhle, welche nach hinten und nach vorne mit derselben kommunizieren. Ein drittes Peri- tonealfenster ist auf Fig. 3 (Per. f. 2) zu sehen; dieses Fenster entsteht dadurch, dass das Visceralblatt des Mesoderms zwischen Sinus venosus und Vorderdarm von vorne nach hinten eine trichterförmige Vertiefung bildet, welche auf dem Querschnitt eben als Peritonealfenster erscheint. Auf Fig. 2 sieht man die Einmündung des Ductus Cuvieri in den Sinus venosus nur linkerseits, auf Fig. 3 nur rechterseits (x). Auf Fig. 2 ist das letztgenannte Peritonealfenster nur teilweise sichtbar (NB); man sieht hier, dass der ventrale Umfang dieses Peritonealfensters vom Peritonealüberzug des Sinus venosus (8) umsäumt_ ist, welcher die direkte Fortsetzung des: Peritonealüberzuges des Herzens (y) ist. Der dorsale Umfang des genannten Fensters (Fig. 3, «) ist vom Peritonealüberzug des Vorderdarms umsäumt. Weiter hinten (Fig. 4) verschwinden alle drei Peritonealfenster und auf den Querschnitten ist die Integrität der beiden Meso- dermblätter hergestellt; zu gleicher Zeit ist auch das Darmlumen hier wieder kreisrund (ib. Da). Auf Fig. 4 ist der 36. Schnitt von den oben genannten 40 Schnitten gezeichnet. Innerhalb des Visceralblattes sehen wir hier ventralwärts vom Darmlumen die hintere Partie des Sinus venosus, welche etwa in der Mitte eingeschnürt erscheint: wir haben hier die Stelle, wo die beiden kaudo-kranial verlaufenden Venae omphalo-mesentericae (ib. v.o.m.d. und v.o.m.s.) konfluieren und in den Sinus venosus einmünden, resp. denselben bilden. Ventralwärts von 436 BORIS CHORONSHITZKY, dieser Konfluenzstelle hat das Visceralblatt ein zottiges Aussehen ; es ist die sogenannte Villositas mesodermalis der älteren Autoren, welche in gewisser Beziehung zur Bildung des Zwerch- fells stehen soll (ib. vill.). Auf Fig. 5 ist schon die Vena omphalo-mesenterica dextra von der sinistra abgeteilt und beide verlaufen mehr oder weniger parallel zu einander. Sie sind von ungleicher Stärke, nämlich die Dextra viel schmächtiger als die Sinistra. Zwischen beiden ist ein von lockerem Mesenchym eingenommener Zwischenraum (NB) entstanden. Die ventrale Darmwand kann sich nun ven- tralwärts mehr oder weniger frei ausdehnen. Wir sehen auch hier, dass das Darmlumen schon etwas dorsoventral erweitert und die ventrale Darmwand verdickt erscheint. Ein wenig rechts davon liegt ein kleiner kompakter Zellhaufen (Le). Der hier gezeichnete Querschnitt ist, von vorne nach hinten gezählt, der 41. vom vorderen Anfang des Vorderdarms. Vier Schnitte weiter hinten, auf Fig. 6, sehen wir schon an Stelle der verdiekten ventralen Darmwand und des Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 437 genannten kompakten Zellhaufens eine grosse Ausstülpung der ventralen Darmwand (Le). Es ist die Leberanlage. Im Querschnitt erscheint diese Ausstülpung vielmal grösser als das Darmlumen (ib. Da) selbst. Es macht den Eindruck, als ob die Ausstülpung in ihrem Bestreben immer breiter und weiter zu wachsen in die Zwischenräume zwischen den parallel zu- einander verlaufenden Gefässen einschneiden würde. Dadurch entstehen auf der Ausstülpung Erhabenheiten und Vertiefungen. Letztere entsprechen den Gefässen, erstere den Zwischenräumen zwischen denselben. Man unterseheidet auf der primären Ausstülpung ganz deut- lich (Fig. 6) vier sekundäre Divertikel: a, $, y und d. Zwischen « und & befindet sich die Vena omph.-mes. sinistra, zwischen 8 und y ein Zweig derselben; zwischen y und d liegt die Vena omph.-mes. dextra. Alle diese Gefässe verlaufen in der Längsrichtung des Körpers; daher muss die Leberanlage, welche hauptsächlich in der Querrichtung wächst, auf dieselben anstossen und in die zwischen ihnen befindlichen Zwischenräume eindringen. Wir sehen also hier eine gewisse mechanische An- passung. Von den vier sekundären Divertikeln hat das Divertikel y folgende Eigenschaften: 1. es liegt in der Mittelebene des Körpers, gegenüber dem Darmlumen (Fig. 6, Da), resp. dem Mesenterium (ib. Mes.); 2. es ist augenscheinlich grösser, als die anderen drei Divertikel. Fünf Schnitte weiter hinten, auf Fig. 7, sehen wir noch alle vier Divertikel: « und £ sind schwach ausgeprägt, Ö ist ganz tangential getroffen; dagegen ist y bedeutend grösser und dickwandiger. Noch zwei Schnitte weiter hinten, auf Fig. 8, sind «, $ und d nur noch angedeutet, y dagegen immer noch gleich gross. Sieben Schnitte weiter, auf Fig. 9, ist schon von «a, £ und d keine Spur vorhanden, während y noch ziemlich gross ist. Aber allmählich 438 BORIS CHORONSHITZKY, schwindet auch das Divertikel y aus dem Gesichtsfelde und 13 Schnitte weiter hinten, auf Fig. 10, sehen wir es schon nicht mehr: es ist allmählich in die ventrale Wand des Mitteldarms übergegangen, welche hier schon mehr keine Verdickung zeigt (Fig. 10, x). — Das Lumen des Mitteldarms ist viel grösser als dasjenige des Vorderdarms (vgl. Fig. 1, Da). Welche Schlüsse kann man aus allem Gesagten über den Entstehungsort, Form und Grösse der Leberanlage machen? Was den Entstehungsort der letzteren anbetrifft, so muss folgendes gesagt werden. Wir sahen auf der auseinandergesetzten Schnitt- serie (Fig. 1—10) die erste Spur der Leberanlage auf Fig. 5, d. h. einige Schnitte hinter der Konfluenzstelle der beiden Venae omph.-mesentericae oder hinter dem kaudalen Ende des Sinus venosus. Wir können also sagen, dass dieLeberanlage bei Torpedo ocellata zwischen kaudalem Ende des Sinus venosus und vorderem Anfang des Mitteldarms ent- steht. Es muss aber hier gleichzeitig bemerkt werden, dass der Mitteldarm schon 5—6 Schnitte weiter nach hinten von dem auf Fig. 10 kopierten Schnitt sich in den Dottersack eröffnet (der betreffende Schnitt ist von uns nicht gezeichnet), sodass man mit Brachet einverstanden sein kann, welcher sagt, dass bei Torpedo ocellata die Leber zwischen dem hinteren Ende des Sinus venosus und dem Nabel angelegt wird. Der Sinus venosus kann, wie aus der geschilderten Lage der Leberanlage hervorgeht, keinen mechanischen Einfluss auf die Konfiguration derselben haben. Er berührt überhaupt gar nicht die Leberanlage. Dagegen hängt die Form der letzteren, wie schon oben auseinandergesetzt, von den in der Längsrich- tung des Körpers verlaufenden und in den Sinus venosus mün- denden Venen (Venae omph.-mesentericae und ihre Zweige) direkt ab. Was die Grösse der Leberanlage aubetrifft, so kann sie aus der Zahl der Schnitte berechnet werden, auf denen sie sichtbar Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 439 ist. Es sind in allem 25 Schnitte, auf denen sie zu sehen ist. Ungefähr auf den vordersten 5—6 Schnitten sind alle vier sekundären Divertikel gleichmässig ausgeprägt (Fig. 6); auf den folgenden iO Schnitten (Fig. 7 und 8) sind die Divertikel «, £ und d schwach ausgeprägt, während das Divertikel y viel deut- licher hervortritt; auf den letzten 10 Schnitten sind «a, $ und d nicht mehr vorhanden: diese Schnitte gehören also ausschliess- lich dem Divertikel y an. Daraus ist es ersichtlich, dass das Divertikel y eigentlich nur auf den hintersten 20 Schnitten gut ausgeprägt ist, während die anderen drei Divertikel (@, 8 und 0) nur auf den vordersten fünf Schnitten deutlich hervortreten. Wenn wir also die ganze Leberanlage, en face betrachtet, uns vorstellen, so können wir sie mit einem auf der ventralen Darm- wand deutlich hervortretenden Reliefbaum vergleichen; das Diver- tikel „ würde seinen Stamm darstellen. Die Höhe dieses Baumes würde 25x 10 = 250 u = 0,25 m/m betreffen, d. h. die Leberan- lage ist 0,25 m/m lang: sie ist also etwas länger als die Hälfte des Vorderdarms, dessen Länge, wie oben berechnet, 0,4 mm betrifft. Bei dem hier von uns betrachteten Embryo sehen wir ausser der Leberanlage noch den Anfang eines anderen Organs, näm- lich des dorsalen Pankreas. Wenn wir Fig. 6 mit Fig. 7 vergleichen, so sehen wir auf letzterer, dass die dorsale Darm- wand sich dorsalwärts ausgestülpt und zwischen die ‚beiden Mesenterialblätter vorgeschoben hat. Dasselbe sehen wir auch auf Fig. 8 und 9. Auf allen drei Figuren haben wir die kleine Ausstülpung oder Verlängerung des Darmlumens nach der dor- salen Seite hin mit dem Buchstaben x bezeichnet. Einige Schnitte weiter hinten hat sich schon die Dorsalwand (Fig. 10) ven- tralwärts zurückgezogen. Im allgemeinen ist das Darmlumen auf etwa 12 Schnitten dorsalwärts verlängert; mit anderen Worten, wir finden bei diesem Embryo eine längliche furchen- förmige Ausstülpung der dorsalen Darmwand. Es ist die erste 440 BORIS CHORONSHITZKY, Anlage des dorsalen Pankreas, welches, wie gesagt, auf etwa 12 Schnitten sichtbar ist. Diese 12 Schnitte entsprechen ungefähr dem 10. bis 21. Schnitt der Leberanlage. Man kann daher sagen, dass das dorsalePankreas als einelängliche Aus- stülpung derdorsalenDarmwand, etwaentsprechend dem Niveau des mittleren Teiles der Leberanlage, entsteht. Bevor wir zur Beschreibung des zweiten Stadiums über- gehen, machen wir den Leser auf eine interessante Einzelheit aufmerksam, welche auf Fig. 10 sichtbar ist. Hier ist gerade diejenige Stelle getroffen, wo die Aorta die mächtige Arteria mesenterica abgiebt. Letztere zieht von der Aorta ventralwärts, benutzt aber nicht den vorhandenen natürlichen Weg, d. h. das Mesenterium, sondern bahnt sich einen eigenen Weg, indem sie die beiden Blätter des Mesoderms durchbricht und die Leibes- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 441 höhle durchkreuzt. Dadurch entsteht auch hier ein sogenanntes Peritonealfenster (Fig. 10, Per.f.). 11. Wir gehen jetzt zur Schilderung des zweiten Stadiums von Torpedo ocellata über und geben hier acht Zeichnungen (Fig. I1 bis 18), welche acht Schnitte eines diesbezüglichen Embryo dar- stellen. Die Schnitte wurden 20 u diek angefertigt. - Die Leberanlage ist in diesem Stadium auf 13 Schnitten sichtbar, sie hat hiermit dieselbe Länge, wie im ersten Stadium, nämlich 20% 13 — 260 u = 0,26 m/m. Dafür ist aber ihre Kon- figuration im zweiten Stadium eine ganz andere als im ersten. Fig. 11 stellt den dritten der genannten 13 der Leberanlage entsprechenden Schnitte dar. Wir sehen hier, dass die Leberanlage (Le) nicht mit dem kleinen Darmlumen (Da) kommuniziert. Solch eine Kommunikation ist auch auf den nächstfolgenden drei Schnitten, welche‘ auf Fig. 12—14 abgebildet sind, nicht zu sehen. Im ganzen sind es vier Schnitte. Zählen wir noch die ersten zwei von uns nicht kopierten Schnitte, auf denen die Leber tangential getroffen und ganz klein ist, hinzu, so haben wir zusammen sechs Schnitte, auf denen keine Kommunikation zwischen Leber- und Darmlumen sichtbar ist. Die Schluss- folgerung, daraus ist die, dass die Leberanlage in diesem Stadium sich schon vom Darm von vorne nach hinten eine gewisse Strecke lang abgeschnürt hat. Diese Strecke ist gleich der Dicke von sechs Schnitten, d.h. 20x 6—= 120u=0,12 mm. Diese Zahl ist etwa der Hälfte der ganzen Länge der Leberanlage gleich. Letztere hat sich hiermit in ihrer vorderen Hälfte, von vorne nach hinten, von der ventralen Darmwand abgeschnürt. Einen ähnlichen Abschnürungsprozess macht auch das Divertikel y durch. In diesem Stadium bezeichnen wir das- Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIII. Heft (13. Bd. H. 2/3.) 29 442 BORIS CHORONSHITZKY, selbe schon mit den Buchstaben G.bl., weil es sich schon zu einem besonderen Organ, der Gallenblase, hervorgebildet hat. Wir sehen nämlich auf Fig. 11 einen kreisrunden Zell- haufen (G.bl.), welcher die tangential getroffene vordere Spitze der Gallenblasenanlage darstellt. Mit der Leber komuinuniziert letztere auf diesem Schnitte nicht. Auf dem nächstfolgenden Schnitt, auf Fig. 12, ist die Gallenblasenanlage hohl, berührt die Leberanlage, kommuniziert aber nicht mit ihrem Lumen. Diese Kommunikation ist aber schon auf dem folgenden Schnitt (Fig. 13) vorhanden. Das ursprüngliche Divertikely oder die Gallenblasenanlage hat sich also ein wenig von dereigentlichen Leberanlage von vorne nach hinten abgeschnürt. Als eigentliche Leberanlage bezeichnen Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 443 wir von jetzt ab die Summe der drei sekundären Divertikel «, ß und d oder die ganze primäre Leberanlage ohne das Diver- tikel y, d. h. ohne die Gallenblasenanlage. Dank der beschriebenen Abschnürung der eigentlichen Leberanlage sowie auch der Gallenblasenanlage hat sich das Verhältnis dieser Organe zum Darmtrakt bedeutend geändert. Im ersten Stadium konnten wir die ganze primäre Leberanlage mit einem auf der ventralen Darmwand ausgeprägten Relief- baum vergleichen; von jetzt ab werden wir aber mit Recht die- selbe mit einer etwas eingeknickten Blume vergleichen können, welche an die ventrale Darmwand mit ihrem ganzen deutlich hervortretenden Stengel befestigt ist. Betrachten wir nun die eigentliche Leberanlage, so sehen wir, dass ihre drei Bestandteile, d. h. die sekundären Divertikel a, £ und Ö sich verschieden stark verändert haben (Fig. 11). Das Divertikel # blieb fast unverändert, während « und d, sich an die anliegenden Gefässe anpassend, sich zu verzweigen begannen. Im allgemeinen erscheint in diesem Stadium die Leberanlage dorsoventral abgeplattet und nach den Seiten hin ausgedehnt. Ihr Lumen erscheint kleiner als im ersten Stadium; es ist die Folge der beginnenden Verzweigung der Leberanlage, welche, wie Brachet richtig sagt, nicht nur von innen nach aussen, sondern auch von aussen nach innen geschieht. Die Beeinträchtigung des Leberlumens in dorsoventraler Richtung ist deutlich aus Fig. 11 ersichtlich. Doch noch bedeutender ist die Beeinträchtigung desselben in kranio-kaudaler Richtung, was man gut aus den gegebenen Figuren ersieht: das Leberlumen ist nur auf Fig. 11 gut zu sehen; auf dem folgenden Schnitt (Fig. 12) ist es schon zweimal unterbrochen, auf dem nächst- folgenden (Fig. 13) ’ganz klein. Die kranio-kaudale Weite des Leberlumens ist also kaum der Dicke zweier Schnitte, d. h. kaum 20 x 2 = 40 u = 0,04 mm, gleich, während im ersten Stadium das ganze Leberlumen auf mindestens acht Schnitten zu sehen 29* 444 BORIS CHORONSHITZKY, war, d. h. mindestens 8X 10=80u.—=0,08 mm weit (in kranio- kaudaler Richtung) war. Auf Fig. 12 haben wir zwei seitliche Unterbrechungen des Leberlumens gesehen. Auf Fig. 13 sind die seitlichen Leberteile, entsprechend diesen Unterbrechungen, schon voll- ständig vom mittleren Leberteil abgetrennt. Auf dem nächsten Schnitt (Fig. 14) sind die seitlichen Leberteile tangential ge- troffen, auf dem nachnächsten (von uns nicht kopierten) Schnitt schon mehr nicht zu sehen, während der mittlere Leberteil auf allen genannten Schnitten gut zu sehen ist. Letzterer ist auf Fig. 13 mit Le.g bezeichnet, auf Fig. 14 mit x, auf Fig. 15, d. h. etwa vier Schnitte weiter hinten, mit D.ch. Während auf Fig. 14 (bei x) nur eine Berührung des mittleren Leberteiles mit der ventralen Darmwand sichtbar ist, kann man auf Fig. 15 (bei D.ch) schon eine Kommunikation des Darmlumens (Da) mit dem Lumen des noch sichtbaren mittleren Leberteiles (D.ch) konstatieren. Letzterer stellt also gewissermassen einen hohlen Stiel dar, welcher einerseits in den Darm mündet (Fig. 15), andrerseits in die Leberanlage übergeht (Fig. 12 und 11) und als Ausführungsgang derselben dient. Auf Fig. 13 hat dieser Stiel noch die Bedeutung eines Ductus hepaticus, dagegen auf Fig. 14 und 15, wo er breit mit der Gallenblasenanlage kommuniziert, hat er schon die Bedeutung eines Ductus choledochus. Auf dem nächstfolgenden Schnitt (Fig. 16) ist schon der Ductus choledochus nicht mehr zu sehen. Dagegen sieht man hier noch einen Rest der Gallenblasenanlage (G.bl.), deren Lumen aber nicht mehr mit dem Darmlumen kommuniziert. Die Gallenblasenanlage hat also auch in ihrem hinteren Teil schon einen ganz kleinen Abschnürungsprozess von hinten nach vorne durchgemacht. Die Bauchspeicheldrüse hat sich in diesem Stadium schon weiter entwickelt. Sie ist hier auf etwa 8 bis 9 Schnitten Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 445 sichtbar, d. h. sie ist etwa 160—180 «u oder 0,16—0,18 mm lang, während im ersten Stadium ihre Länge 0,12 mm betraf. Ihre Konfiguration hat sich jetzt insofern geändert, dass ihr vorderer Teil einen kleinen Abschnürungsprozess durchgemacht hat. Auf Fig. 16 stellt die Bauchspeicheldrüse (Pa) einen runden kom- pakten Zellhaufen dar, der vermittelst einer ganz schmalen Brücke mit der dorsalen Darmwand verbunden ist. Auf dem nächsten Schnitt, der von uns nicht kopiert ist, sehen wir statt dessen schon einen hohlen Zellhaufen, welcher durch eine breitere Brücke mit der dorsalen Darmwand verbunden ist. Auf dem darauf folgenden Schnitt (Fig. 17) sehen wir aber schon eine Kommunikation des Pankreaslumens (Pa) mit dem Darmlumen (Da.). Es hat also nur der ganz vordere (etwa !a) Teil der Bauchspeicheldrüse einen Abschnürungs- prozess von vorne nach hinten durchgemacht. Der übrige Teil der Drüse kommuniziert auf allen Schnitten mit dem Darmlumen, wird weiter hinten immer kleiner und geht all- mählich in die dorsale Darmwand über, wie wir es aus Fig. 18 sehen, wo das Pankreas (Pa) nur noch als eine Verdickung dieser Wand zu erkennen ist. Auf welcher Höhe liegt nun in diesem Stadium die Pankreas- anlage? Mit anderen Worten, entspricht auch noch jetzt ihre Lage dem mittleren Teil der primären Leberanlage, wie wir es im ersten Stadium gesehen haben? Nein. Wir sehen auf Fig. 17 noch den vorderen Teil der Pankreasanlage und daneben schon keine Spur mehr von der Leber (nur bei x sehen wir noch eine schwache Andeutung der hintersten Spitze der Gallenblasenanlage). Es scheint als ob die dorsale Darmwand zusammen mit dem Pankreas sich nach hinten stark verschoben hätte. Das ist aber nicht der Fall. Es hat sich hier der ganze Darmtrakt ventral- wärts vorgeschoben und geknickt, wahrscheinlich’ infolge der Wucherung des Pankreas, welches jetzt zwischen Darm und Rumpfplatte liegt. Vergleichen wir nämlich Fig. 11 und 16, 446 BORIS CHORONSHITZKY, so sehen wir, dass auf letzterer die dorsale Darmwand viel weiter von der Chorda dorsalis entfernt ist als auf ersterer. Mit dieser Darmknickung ist zwar keine gegenseitige Verschiebung der dorsalen und ventralen Darmwand verbunden, doch trifft jetzt der Querschnitt gleichzeitig solche Abschnitte dieser Wände, welche im ersten Stadium einander nicht entsprochen haben, da die mit der ventralen Darmwand verbundene Leberanlage infolge der Darmknickung etwas nach vorne und die mit der dorsalen Darmwand verbundene Pankreasanlage etwas nach hinten gerückt sein muss. Infolge dieser relativen Ver- lagerung der Bauchspeicheldrüse nach hinten wird Jetzt ihr hinterstes Ende (Fig. 18 Pa.) auf dem Querschnitt zugleich mit dem Ductus vitello-intestinalis (D. v. int.) getroffen, was im ersten Stadium nicht der Fall war. Schon auf Fig. 17, 16 und 15 sehen wir denjenigen Teil des Entoderms (Ri,), welcher den Dotter umgreift: er sieht auf diesen Bildern wie ein Trichter aus, der mit seiner Spitze den Darm zu erreichen sucht. Auf Fig. 18 hat er schon denselben erreicht, d. h. der Ductus vitello- intestinalis mündet schon hier in den weiten Mitteldarm (M.da.) ein, dessen Entoderm (Ri) in das den Dotter umgreifende Ento- derm übergeht. Was die Gefässe anbetrifft, so sehen wir rechterseits auf Fig. 11—14 die Vena omph.-mes. dextra, linkerseits die Vena omph.-mes. sinistra, welche auf Fig. 13 und 14 in der Längs- richtung gespalten erscheint. Auf Fig. 15 stellt sie schon wieder ein Gefäss dar. An Stelle der Vena omph.-mes. dextra sehen wir auf der letztgenannten Figur die mächtige A. mesenterica, welche, wie schon oben beschrieben, beide Mesodermblätter durch- bricht. Diese Durchbruchsstelle sieht man auch (entsprechend dem auf Fig. 15 angemerkten x) in diesem Stadium auf einigen Schnitten, welche von uns nicht kopiert sind und welche den zwischen Fig. 14 und 15 übergangenen Schnitten entsprechen. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 447 II. Wir haben gesehen, dass die eigentliche Leber im zweiten Stadium schon vom Darm abgeschnürt war und auf dem Ductus choledochus hing, welcher in seiner ganzen Ausdehnung mit dem Darmtrakt in Zusammenhang stand. Die Gallenblasen- anlage war in ihrem vordersten Teil von der eigentlichen Leber- anlage abgeschnürt, während sie sonst im übrigen Teil als Aus- stülpung der ganzen ventralen Wand des Ductus choledochus aufzufassen war. Im dritten Stadium sind noch weitere bedeutende Verände- rungen hinzugetreten, wie die fünf beigegebenen Figuren (Fig. 19 bis 23) zeigen. In der Leber sehen wir (Fig. 19—20) grosse hohle Schläuche, auf denen hie und da kleine hohle Knospen (ib. x) sitzen, die mit den Hohlräumen der Schläuche kommunizieren (ib. x,). Diese Kommunikation ist nicht überall sichtbar, weil die kleinen Knospen auf dem Schnitt oft tangential getroffen sind. Die Leber macht im allgemeinen den Eindruck einer verzweigten Drüse. Sie ist auf 48 Schnitten (a 10 «) sichtbar, d. h. sie ist 10 x 48 — 480 u = 0,48 mm lang, folglich fast zweimal länger als im vorigen Stadium. Fig. 19 stellt den 20. der genannten 48 Schnitte dar; wir sehen auf dieser Figur, dass nur die seitlichen Leberteile verzweigtsind. Der mittlere Leberteil (NB) stellt einen hohlen Balken dar, welcher die beiden Seitenteile vereinigt. Dank eben der Verzweigung der Seitenteile hat die Leber jetzt solche grosse Dimensionen angenommen; auf allen genannten 48 Schnitten sind auch nur die Seitenteile sichtbar, während der mittlere Leberteil nur auf etwa 16-17 Schnitten zu sehen ist, welche dem 10. bis zum 26. der genannten 48 Schnitte entsprechen. Die Leber scheint jetzt schon aus zwei seitlichen Lappen zu bestehen, von denen der linke aus den Divertikeln « und £, der rechte aus dem Divertikel d entstanden ist. Der mittlere Leberteil (ib. NB), 448 BORIS CHORONSHITZKY, welcher die beiden Seitenteile verbindet, erscheint als eine Ver- einigung der Ausführungsgänge beider Leberlappen, welche weiter hinten in den Ductus hepaticus übergeht. Auf Fig. 20 hat sich schon das Lumen des rechten Leberlappens vom Lumen des mittleren Leberteils abgeteilt; einige Schnitte weiter geschieht dasselbe auf der linken Seite, und allmählich erscheinen auf den Querschnitten die beiden seitlichen Leberteile vom mittleren ab- geteilt; letzterer liegt dann in der Mittelebene des Körpers und zieht nach hinten als Ductus hepatieus oder richtiger als Ductus choledochus, da seine ventrale Wand die Gallenblasenausstülpung trägt. Etwa 20 Schnitte weiter hinten (Fig. 21) berührt das hinterste Ende des Ductus choledochus die ventrale Darmwand (ib. Da), um auf dem nächstfolgen- den Schnitt, welcher von uns nicht kopiert ist, schon in den Darm einzumünden. Diese Einmündung nimmt eine kleine cirkumskripte Stelle der ventralen Darmwand ein, nicht so wie Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 449 im zweiten Stadium, wo sie der ganzen Länge des Ductus chole- dochus entsprach. Mit anderen Worten, im dritten Stadium hat sich schon der ganze Ductus choledochus von vorne nach hinten von der ventralen Darmwand abge- schnürt, um erst an seinem hintersten Ende in den Darm zu münden. DieGallenblase ist grösser geworden und tritt deutlicher hervor. Sie erscheint auf acht Schnitten (ef. Fig. 19) von der eigentlichen Leberanlage abgeschnürt, d. h. auf einer doppelt grösseren Strecke als im zweiten Stadium. Im ganzen ist die Gallenblase im dritten Stadium auf 20 Schnitten sichtbar; auf den 12 hintersten davon steht sie in Zusammenhang mit dem Ductus choledochus (ef. Fig. 20) resp. stellt eine Ausstülpung des vorderen Teiles seiner ventralen Wand dar, während sie im zweiten Stadium eine Ausstülpung seiner ganzen ven- tralen Wand darstellte. Diese Erscheinung könnte man auf zweierlei Weise erklären: entweder hat der hintere Teil der Gallenblase auf einer grösseren Strecke von hinten nach vorne sich von der Ventralwand des Ductus choledochus abgeschnürt oder der letztere hat sich in seiner ganz hintersten Partie un- verhältnismässig stark verlängert. Die erstere Erklärung scheint uns deshalb unwahrscheinlich, weil wir in diesem Stadium auf unseren Schnitten keine abgeschnürte hintere Partie der Gallen- blase sehen. Dagegen ist die zweite Erklärung sehr plausibel, da wir in diesem Stadium eine Abschnürung des Ductus chole- dochus in seiner ganzen Länge gesehen haben. Bei solch einer Abschnürung findet immer eine Verlängerung und Neubildung von Wänden des sich abschnürenden Organes statt. In unserem Falle haben wir eine Neubildung der ganzen früher noch nicht vorhanden gewesenen Dorsalwand des Ductus choledochus vor uns. Aber auch seine gegenüberliegende Ventralwand hat sich gleichzeitig nach hinten ver- längert — höchst wahrscheinlich auf Kosten der anliegen- 450 BORIS CHORONSHITZKY, den ventralen Darmwand, welche gewissermassen in den Bereich des Ductus choledochus hineingezogen wurde. Solch ein Hinein- ziehen von benachbarten Wänden in den Bereich sich entwickeln- der Organe ist eine Erscheinung, die in solchen Fällen oft beob- achtet wird. Wir werden noch unten die Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Aus allem Gesagten ersehen wir, dass die ganze Leberanlage, welche im ersten Stadium nur einen auf der ventralen Darm- wand ausgeprägten Reliefbaum darstellte und im zweiten Stadium noch mit dem ganzen Stiel (d. h. Ductus choledochus) an diese befestigt war, jetzt schon in ihrer ganzen Länge vom Darm sich abgeschnürt hat und nur noch am hintersten Finde des Ductus choledochus mit dem Darmlumen kommuniziert. Da- durch ist das abgeschnürte Organ beweglicher geworden und hat sich auch ein wenig ventralwärts und nach hinten ver- schoben. Infolge dessen haben auch die Oberflächen dieses Organs ihre Lage verändert: die früher rein ventralen Flächen sind jetzt teilweise als hintere aufzufassen, die früher rein vor- deren — teilweise als ventrale, die früher rein dorsalen — teil- weise als vordere. Der Ductus choledochus, welcher im zweiten Stadium eine rein kranio-kaudale Richtung hatte, verläuft jetzt (zum Darm) nach hinten und dorsalwärts; die Gallenblasenanlage, welche im zweiten Stadium eine Ausstülpung seiner Ventral- wand darstellte, kann schon jetzt als Ausstülpung seiner hinteren Wand aufgefasst werden. Was jetzt als Vorderwand des Ductus choledochus aufgefasst werden kann, ist im zweiten Stadium überhaupt noch nicht vorhanden gewesen: es hat sich erst bei seiner Abschnürung von der ventralen Darmwand gebildet. Die Bauchspeicheldrüse ist bedeutend ausgewachsen. Sie ist jetzt auf 42 Schnitten (a 10 «) zu sehen, d. h. sie hat eine kranio-kaudale Länge von 10 x 42 = 420 u = 0,42 mm, folg- lich ist sie jetzt 2!/ge mal so lang, wie im zweiten Stadium. Auf den vorderen 20 Schnitten erscheint sie als eine rundliche, vom Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 451 Darm abgetrennte Schlinge, welche erst auf dem 21. Schnitt mit der dorsalen Darmwand sich vereinigt. Dabei verliert sie ihre rundliche Gestalt und wird dorso-ventral abgeplattet, wobei ihr blindes Ende nach rechts gewandt ist (ef. Fig. 22, Pa. d.). Weiter hinten behält die Bauchspeicheldrüse auf den Querschnitten zwar dieselbe Gestalt, wird aber immer kleiner und geht allmählich in die dorsale Darmwand über. Wir sehen also, dass die Bauch- speicheldrüse im dritten Stadium sich schon in ihrer ganzen vorderen Hälfte vom Darm abgeschnürt hat. Ihre hintere Hälfte steht noch mit letzterem in Zusammenhang, hat sich aber stark nach rechts gedreht. Eine interessante Besonderheit dieses Stadiums besteht in folgendem: auf Fig. 22 ist das Lumen des Mitteldarms(Da), welches bedeutend grösser ist als das Lumen des Vorderdarms (Fig. 19 bis 21, Da), dorso-ventral ausgezogen, wodurch das Herannahen der Mündung des Ductus vitello-intestinalis angedeutet wird. Dreizehn Schnitte weiter hinten (Fig. 23) ist das Darmlumen auf dem Querschnitt noch grösser geworden (Da) und zwar auf Kosten des proximalen Endes des Darmdotterganges (ib. D. v. int.). Das distale Ende dieses Ganges erscheint hier in zwei parallele Zweige gespalten, weil die aus der A. mesenterica aus- laufende Arteria umbilicalis, die ventralwärts und zugleich nach hinten zieht, schief an der vorderen resp. ventralen Wand des Darmdotterganges vorübergeht und dieselbe rinnenförmig ein- drückt (cf. Fig. 30, A. umb.), was auf dem Querschnitt eine Zweispaltung vortäuscht. Was die Blutgefässe anbetrifft, so sehen wir die Vena omph.-mes. sinistra linkerseitse vom Darmdottergang (Fig. 23) und weiter vorne — linkerseits vom Mitteldarm (Fig. 22) liegen. Gehen wir noch weiter nach vorne (Fig. 21), so sehen wir nahe der Mündung des Ductus choledochus in den Darm die Vena omph.-mes. sinistra an seiner ventralen resp. hinteren Wand sich in zwei kaudo-kranial verlaufende Aste spalten, von 452 BORIS CHORONSHITZKY. denen der eine (ib. v.o.m.s.) zum linken, der andere (ib. v. o.m.d.) zum rechten Leberlappen hinzieht. In der Leber wer- den beide genannten Äste vielfach verzweigt und in der Längs- richtung nach Art eines Rete mirabile gespalten. Dieses Netz ist von den vielen Leberbalken und Knospen durchkreuzt und durchwachsen (Fig. 19—20). An den vorderen Polen der beiden Leberlappen sammeln sich die einzelnen Gefässchen wieder zu je einem starken venösen Stamm. Die beiden Stämme ver- lassen dann die Leberlappen und ziehen nach vorne zum Sinus venosus des Herzens. In den letzteren mündet neben diesen beiden venösen Stämmen noch die Vena mesenterica, welche von hinten und der dorsalen Seite her kommt, die rechte Darmwand um- kreist und in den Sinus sich ergiesst. Von den zwei beschriebenen venösen Lebergefässen ist das linke die direkte Fortsetzung der linken Vena omph.-mes,, das rechte — ein Rest der rechten Vena omph.-mes., welche also nur in ihrem proximalen Teil als rechte Lebervene erhalten worden ist, während ihr distaler Teil gänzlich verschwunden ist. Nahe der Mündungsstelle des Ductus choledochus anastomosieren die beiden venösen Lebergefässe miteinander (Fig. 21. v. o. m. s. und v.o. m.d.). Die Arteria mesenterica verläuft in diesem Stadium nicht rein dorso-ventral, sondern teilweise auch kranio-kaudal, so dass sie auf den Querschnitten nicht länglich getroffen werden konnte. Auf Fig 19 sieht man ihren Austritt aus der Aorta. Von hier aus ist sie bestrebt, die beiden Mesodermblätter zu durehbrechen. Auf Fig. 20 ist das parietale Mesodermblatt schon stark durch die A. mesenterica in die Leibeshöhle hineingestülpt. Auf Fig. 21 ist die A. mesenterica zusammen mit dem sie um- gebenden Mesenchym und Mesoderm innerhalb der Leibeshöhle getroffen. Es ist klar, dass dabei auf dem Querschnitt kein Peritonealfenster zustande kommen konnte. Auf Fig. 22 ist die A. mesenterica schon an der rechten Seite des Mitteldarms Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 453 innerhalb des visceralen Mesodermblattes, getroffen. Ein wenig weiter hinten giebt sie ihren mächtigsten Ast ab, die Arteria umbilicalis, welche an der vorderen resp. ventralen Seite des Ductus vitello-intestinalis schief vorüberzieht (cf. Fig. 30), wo- durch die oben beschriebene scheinbare Zweispaltung des letz- teren vorgetäuscht wird (Fig. 23). — IN. Das vierte Stadium der Entwickelung von Torpedo ocellata (Fig. 24—29) unterscheidet sich bedeutend vom dritten Stadium. Im letzteren bestand die Leber noch aus hohlen Schläuchen, auf denen hie und da kleine hohle Knospen sassen. Im vierten Stadium sehen wir schon anstatt der hohlen Schläuche stark verzweigte solide Leberbalken, in denen keine Spur von Hohlräumen nachzuweisen ist. Das ursprüngliche Lumen der Leberanlage ist teilweise nur noch im mittleren Leberteil (Fig. 24, b) und in den proximalen Partien der Seitenteile (ib. a und ec) er- halten; die übrigen Partien der Leber bestehen schon also in diesem Stadium aus für dieses Organ charakteristischen soliden Balken. Was die Dimensionen der Leber anbetrifft, so sind sie in diesem Stadium dieselben, wie im vorigen. Dasselbe kann man auch in Bezug auf die Gallenblase sagen, welche sich wenig verändert hat und jetzt einen kleinen nach vorne und ventral- wärts gewandten Blindsack darstellt. Die Mündung der Gallen- blase ist in diesem Stadium viel kleiner als im vorigen, da ihre schon früh begonnene kranio-kaudale Abschnürung unterdessen zugenommen hat. Infolgedessen tritt jetzt der Ductus hepati- cus deutlicher hervor, da er sich um so viel verlängert hat, als die Abschnürung der Gallenblase vom mittleren Leberteil be- trifft. Der Duetus choledochus hat sich auch bedeutend verlängert. 454 BORIS CHORONSHITZKY, Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 455 Um diese Verhältnisse deutlicher zu machen, haben wir einen schematischen Sagittalschnitt (Fig. 30) gezeichnet, welcher durch Kombination zweier benachbarter Sagittalschnitte eines Torpedoembryo des vierten Stadiums erhalten worden ist. Von der Leber sehen wir hier (Fig. 30, Le) nur eine vertikale Schlinge, welche dem auf Fig. 24 mit b bezeichneten mittleren Leberteil entspricht. Der hinterste Teeil dieser Schlinge kann schon jetzt als Ductus hepaticus bezeichnet werden (D. hep.). Hinter der Mündnng der Gallenblase (G.bl.) geht letzterer in den Ductus choledochus (D. ch.) über, welcher einen langen nach vorne gerichteten Stiel darstellt, auf dem die Leber und Gallenblase sitzen. Die Mündung des Ductus choledochus im den Darm (M. da.) findet nicht weit vor dem Ductus vitello-intesti- nalis (D. v. int.) statt. Neben letzterem verläuft die A. umbili- calis (A. umb.), welche aus der mächtigen A. mesenterica ent- springt. Letztere (A. mes.) ist zusammen mit dem sie umgebenden Mesenchym und Mesoderm (das Mesoderm ist auf dieser Zeich- nung durch eine dicke schwarze Linie angedeutet) längs getroffen, so dass vor ihr ein Peritonealfenster (Per.f.) oder ein schmaler Teil der Leibeshöhle (Coe.) zu sehen ist. Wenn wir einen dem Niveau der Linie ab (Fig. 30) ent- sprechenden Querschnitt machen, bekommen wir ungefähr das auf Fig. 24 gezeichnete Bild, wo die Gallenblase an ihrer vor- deren Spitze und die Arteria mesenterica mit dem sie umgeben- den Mesenchyın und Mesoderm innerhalb der Leibeshöhle ge- troffen sind. Dem Niveau der Linie ef entspricht Fig. 25, wo die Arteria mesenterica schon innerhalb des Visceralblattes und der Ductus choledochus nicht weit von der ventralen Darmwand getroffen sind. Ein wenig weiter hinter der Linie ef sehen wir schon (Fig. 30) die Mündung des Ductus choledochus; das ent- spricht der Fig. 26, wo mit dem Buchstaben y das hinterste in den Darm mündende Ende dieses Ganges bezeichnet ist. 456 BORIS CHORONSHITZKY, Was dieBauchspeicheldrüse anbetrifft, so ist ihre Mün- dung in den Darm in diesem Stadium noch kleiner als im vorigen, d. h. die von vorne nach hinten fortschreitende Abschnürung derselben hat jetzt bedeutend zugenommen und betrifft schon den grössten Teil der Drüse (Fig. 30 Pa.). Ihre ursprünglich dorsale Kante hat sich noch mehr nach rechts und sogar ven- tralwärts gewandt, was man am besten aus Fig. 26 (Pa) sieht, wo wir eben mit x die ursprünglich dorsale Pankreaswand be- zeichnet haben. — Fig. 27 entspricht der auf Fig. 30 gezeichneten Linie cd und zeigt schon den Ductus vitello-intestinalis verdoppelt oder gespalten, ähnlich der Fig. 23; dazwischen liegt die A. umbili- calis. Wir sehen auf Fig. 27 auch die Mündung des Pankreas (Pa) in den Darm (Da); sie ist auch noch auf Fig. 28 (Pa), welche einen etwas weiter hinten geführten Schnitt darstellt, zu sehen. Der Ductus vitello-intestinalis ist auf Fig 28 schon vom Darm abgeteilt und nicht mehr gespalten. Bevor wir zur Beschreibung des fünften Stadiums übergehen, wollen wir noch darauf hinweisen, dass auf Fig. 26 ein Peri- tonealfenster (Per.f.) sichtbar ist. Letzteres ist dadurch ent- standen, dass das vordere Pankreasende sich stark nach rechts gedreht und hierdurch das rechte Visceralblatt stark hervorge- baucht hat; letzteres bildet dabei zwischen vorderem Pankreas- ende und Mesenterium eine nach hinten gerichtete trichter- förmige Vertiefung, welche im Querschnitt eben ein Peritoneal- fenster abgiebt. Im vierten Stadium sehen wir schon zwischen den beiden Mesenterialblättern, welche in den ersten drei Stadien eng an- einander lagen, hie und da Anhäufungen von mesenchy- matösem Gewebe. Auf Fig. 24 haben wir mit @, $ und y drei typische Stellen angedeutet, an denen auf den Querschnitten zuerst Mesenchymanhäufungen sichtbar sind. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 457 N Im fünften Stadium der Entwickelung von Torpedo ocellata ist die Leber schon bedeutend grösser geworden: sie ist jetzt auf mehr als 110 Schnitten (& 10 «) sichtbar, d. h. sie hat eine kranio-kaudale Länge von mehr als 110 x 10 = 1100 « oder 1,!m/m. Sie stellt ein parenchymatöses Organ dar, dessen mikro- skopischer Bau schon sehr nahe demjenigen der erwachsenen Leber ist. Aus beiden Seitenteilen der Leber zieht medianwärts je ein hohler Lebergang. Beide Lebergänge vereinigen sich in der Mittelebene des Körpers zu einem gemeinschaftlichen kurzen Ductus hepaticus, welcher auf etwa 10 Schnitten sichtbar ist. Letzterer verläuft kranio-kaudal, vereinigt sich mit der etwa auf 20 Schnitten sichtbaren Gallenblase und geht dann in den langen Ductus choledochus über, welcher seinerseits in den Darm mündet (Fig. 32, D. ch.). Vom sogenannten mittleren Leberteil der vorigen Stadien ist jetzt schon nichts nachgeblieben, ausser dem Ductus hepatieus, welcher früher als hinterstes Ende des mittleren Leberteiles aufzufassen war (Fig. 30, D. hep.). Die Seitenteile der Leber haben sich aber dafür stark verzweigt und ausgedehnt; sie nähern sich einander in der Mittelebene des Körpers und umfassen beiderseits die Gallenblase, sodass letztere jetzt in das Leberparenchym eingesunken erscheint; nur die hintere oder ursprünglich ventrale Fläche der Gallenblase ist frei und vom Lebergewebe unbedeckt geblieben, während im vierten Stadium noch die ganze Gallenblase frei und rings vom Mesenchym umgeben war (Fig. 24, G.bl). Hinter dem Niveau der Gallenblase entfernen sich beide Leberlappen voneinander und verlaufen weiter hinten als zwei längliche Zipfel innerhalb der Leibeshöhle zu beiden Seiten des Mesenteriums und Darms (Fig. 31—-34, Le). Die nach vorne und rechterseits gerichtete Bauchspeichel- drüse hat sich unterdessen ein wenig verzweigt. Auf Fig. 31 Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIV/XLII. Heft (13. Bd. H. 2/3.) 30 458 BORIS CHORONSHITZKY, erscheint das blinde Pankreasende (Pa) in zwei Zweige geteilt, von denen der stärkere (£) nach rechts, der schwächere («) dorsal- wärts zum oben erwähnten Peritonealfenster gewandt ist (Per. f.; vergl. Fig. 26). Die Entstehung des letzteren haben wir oben erklärt, und geradeZFig. 31 scheint unsere Erklärung zu be- stätigen, da auch hier das rechte Visceralblatt durch denjenigen Pankreasteil hervorgebaucht worden ist, welcher nach rechts gewandt ist, während der dorsalwärts gerichtete Pankreasast («) bestrebt ist, seine Lage zwischen beiden Visceralblättern des normalen Mesenteriums zu behaupten, und der mit y bezeich- neten Stelle. zugewandt ist. — Die Bauchspeicheldrüse ist jetzt Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 459 im allgemeinen auf etwa 50 Schnitten sichtbar. Doch kann man darnach über die Dimensionen dieser Drüse nicht mehr urteilen, weil sie nicht mehr rein kaudo-kranial verläuft, sondern sich schräg nach rechts ausgedehnt hat, was durch ihre allmähliche Rechtsdrehung geschehen ist. Die Mündung der Bauchspeichel- drüse in den Darm sehen wir erst auf Fig. 34 (Pa); zwischen letzterer und Fig. 31 ist eine Entfernung von mehr als 40 Schnitten vorhanden. Vergleichen wir die hier gezeichneten vier Querschnitte (Fig. 31—34) eines Torpedoembryo fünften Stadiums unter- einander, so fällt es uns auf, dass das Mündungsende des Pankreas bestrebt ist, die Dorsalwand des Darmes zu erreichen, während letztere sich immer mehr ventralwärts verschiebt und so die Vereinigung mit dem Pankreas vermeidet, sodass letztere erst auf Fig. 34 stattfindet. Das erklärt sich dadurch, dass der Mitteldarm schon die Form einer echten Spirale angenommen hat, welche bereits in den früheren Stadien teilweise angedeutet war, wie wir es z. B. aus Fig. 36 (M.da.) ersehen, wo der Längs- schnitt des Mitteldarmes kein regelmässiges, sondern ein gezacktes Rohr darstellt. Im fünften Stadium erscheint der spiralige Mitteldarm oder Spiraldarm auf den Querschnitten immer als hufeisenförmige Schlinge mit nach innen gewandter Konkavität, wobei aber die beiden Enden der Schlinge je nach dem Schnitt entweder nach links (Fig. 34) oder dorsalwärts (Fig. 33) oder nach rechts (Fig. 32) oder ventralwärts gewandt sind. Daher scheint esuns auch beim Vergleichen der Querschnitte (Fig. 31—34), dass die dorsale Darmwand sich immer vom Pankreas entfernt. Baaie spiralige Form des Mitteldarmes hat noch eine zweite Erscheinung zur Folge. Schon im. vierten Stadium, wo der Mitteldarm im Querschnitt (Fig. 27—29) noch keine echte Huf- eisenform, sondern vielmehr die Nierenform besass, sahen wir, dass der Ductus vitello-intestinalis (Fig. 27, D. v. int.) mit der rechten, das Pankreas (Pa) mit der linken Darmwand sich ver- 30* 460 BORI1S CHORONSHITZKY, einigte, während eigentlich die Verhältnisse so sein sollten, wie es auf Fig. 22 der Fall ist, d. h. der Ductus vitello-intestinalis müsste in die ventrale, das Pankreas in die dorsale Darmwand münden. Daraus ist es ersichtlich, dass schon im vierten Stadium im Niveau dieser beiden Mündungen der Mitteldarm sich um etwa 90° nach rechts (in der Richtung des Uhrzeigers) gedreht hat (Fig. 27). Im fünften Stadium finden wir eigentlich dasselbe; der Unterschied ist nur der, dass hier infolge der stärkeren Spiraldrehung des Mitteldarmes das proximale Ende des Ductus vitello-intestinalis (Fig. 31, D. v. int. x) durch den Mitteldarm nach hinten, d. h. kaudalwärts gezogen wird; mit anderen Worten, der Darmdottergang, welcher dorsalwärts zum Darm zieht, biegt, bevor er in den Darm mündet, nach hinten (resp. kaudalwärts) um, verläuft eine Strecke lang parallel der Darmlängsachse (cf. Fig. 31 (Fig. 33, D. v. int.). Deswegen sehen wir auch auf Fig. 32 nur den Querschnitt vom proximalen Ende des Ductus vitello-intesti- nalis, welcher erst vier Schnitte weiter hinten (auf Fig. 35) in den Darm mündet. Diese Mündung ist also nicht weit hinter der Mündung des Ductus choledochus (Fig. 32, D. ch.) gelegen. Aufallen vier diesem Stadium gehörenden Figuren (Fig. 31-34) ist der Nabelstrang getroffen, vermittelst dessen der Embryo mit dem Dottersack vereinigt ist. Der Nabelstrang war am fixierten und gehärteten Präparat nach hinten abgeknickt; darum ist er auch auf den hintersten Schnitten quer getroffen (Fig. 33 und 34). Auf dem vordersten Schnitt (Fig. 31) ist er an der- jenigen Stelle getroffen, wo er in den Körper des Embryo über- geht; wir können hier deutlich den Hautnabel (Fig. 31, H. d. s.) und den Darmnabel (ib. D. d. s.) unterscheiden. Da letzterer zusammengeschrumpft ist, so sehen wir zwischen beiden den 33) und vereinigt sich erst dann mit dem Darmlumen hier befindlichen Teil der ausserembryonalen Leibeshöhle (Lh,), welche auf der Figur zu beiden Seiten des Darmnabels mit der embryonalen Leibeshöhle (Lh,) kommuniziert. Im Mesenchym Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 461 des Darmnabels sieht man (Fig. 31—34) neben dem Darmdotter- gang die Arteria umbilicalis (A. umb.) und die Vena omphalo- mesenterica sinistra (v.o.m.s.). Innerhalb des Visceralblattes in der Längsachse des Körpers verläuft kaudo-kranial unterhalb (d. h. an der ventralen Seite) des Darmes die Vena subintesti- nalis (Fig. 31—34, V. subi.), welche links am proximalen Ende des Ductus vitello-intestinalis (Fig. 31) vorüberzieht, um weiter vorne in die Vena omphalo-mesenterica sinistra zu münden. Letztere zieht als mächtiges Gefäss weiter nach vorne, um an der hinteren resp. ventralen Seite des Ductus choledochus sich in zwei Gefässe zu spalten, von denen ein jedes in den ent- sprechenden Leberlappen übergeht, wie wir es schon bei der Beschreibung des dritten Stadiums erwähnt haben (ef. Fig. 21). Hiermit schliessen wir unsere Untersuchungen an Torpedo- embryonen. Da wir von letzteren keine älteren Stadien be- sassen, so konnten wir an ihnen die Entwickelung der Milz nicht verfolgen. Im Schlusswort dieser Arbeit werden die Resultate unserer an den Torpedoembryonen angestellten Untersuchungen noch kurz wiederholt werden und in Zusammenhang mit den FErgeb- nissen unserer Untersuchungen an anderen Wirbeltierabteilungen gebracht werden. Wir müssten jetzt eigentlich zur Auseinandersetzung unserer Untersuchungen an Amphibienlarven übergehen. Wir halten aber für zweckmässig, zuerst über unsere Untersuchungen an Hühnchen mitzuteilen, da wir an diesen Embryonen am meisten gearbeitet haben und es uns daher bei der Schilderung der anderen Tierklassen am bequemsten sein wird, auf die beim Hühnchen erzielten Resultate zurückzuweisen und damit Ver- gleiche anzustellen. 462 BORIS CHORONSHITZKY, 4. Hühnchen (Gallus domesticus). IK Die ersten Spuren einer Leberanlage finden wir bei einem etwa Co6. x / Vv. Amn / anch I Why Pyanch2. Iu. 72 nd [ai 6 mm langen Hühn- chen. Um dieses Sta- diıum zu charakteri- sieren, geben wir hier einen schemati- schenLängsschnitt durch dasselbe (F. 35). Wir sehen einen lang- gestreckten Körper, dessen vorderer Teil, der Kopf, helmartig von der vorderen Am- nionfalte (v. Amn. f.) bedeckt ist. Dazwi- schen befindet sich die tiefe vordere Grenz- Tinne (Gear) asus der letzteren kann man durch die bereits durchbrochene Mund- öffnung (Mu.) in den Rachenraum gelan- gen.-_. Die in. ‘den jüngeren Stadien an Stelle der Mundöff- nung befindliche Ra- chenhaut ist noch teil- weise in der Gestalt von sogenannten primitiven Gaumensegeln Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 463 erhalten, welche auf unseren mikroskopischen Präparaten sehr schön sichtbar sind. Aus dem Rachenraum gelangt man in den Vorderdarm (Vda.), dessen vorderer Teil zu beiden Seiten je zwei Kiemenspalten zeigt (Branch. 1 und Branch. 2). Dem Raum zwischen den vorderen und hinteren Kiemenspalten ent- sprechend, zeigt die Ventralwand des Vorderdarms eine kleine Ausstülpung (Gl. thyr.), welche die Schilddrüsenanlage darstellt. Weiter hinten zeigt dieselbe Wand eine grössere, aber durchaus nicht tiefere Ausstülpung (Lu.), welche die Lungenanlage dar- stellt. Hinter derselben zieht der Vorderdarm (Vda.) als dorso- y ventral zusammengedrückte ovale Spalte bis zur Stelle, wo seine Ventralwand sich umschlägt, um den Dotter zu umfassen, d. h. bis zur sogenannten vorderen Darmpforte (v. Da.pf.). An der Umschlagsstelle zeigt das Entoderm der ventralen Darmwand eine kleine kranialwärts gerichtete Ausstülpung (Le.), welche die allererste Leberanlage darstellt. Letztere ist in das die Kante der vorderen Darmfalte ausfüllende mesenchymatöse Ge- webe hineingestülpt und mit ihrer Spitze gegen das hintere resp. venöse Ende des Herzens (He.) oder den Sinus venosus gerichtet. Wenn die Leberanlage weiter wachsen wird, so wird ihr der Sinus venosus zusammen mit den in ihn mündenden A464 BORIS CHORONSHITZKY, beiderseitigen Venae omphalo-mesentericae als mechanisches Hin- dernis entgegentreten. Wie die Leberanlage dieses Hindernis vermeiden wird, werden wir bei der Betrachtung der nächsten Stadien sehen. Ein Hühnchen dieses Stadiums wurde von uns in mehr als 600 Querschnitte a 10 u zerteilt, wobei etwa die ersten 220 Schnitte dem Vorderteil des Hühnchens, bis zur vorderen Darm- pforte, gehören, die folgenden 370 Schnitte — dem mittleren Teil bis zur hinteren Darmpforte, die letzten einige und zwanzig Schnitte — dem hinteren Teil, von der hinteren Darmpforte bis zum Ende, gehören. Wir geben hier die Kopie eines dieser Schnitte, welcher die Leberanlage enthält und etwa der 218., von vorne gezählt, ist (Fig. 36). Er entspricht der Linie AB auf Fig. 35. Betrachten wir diesen Querschnitt (Fig. 36), so unterscheiden wir Rumpf- und Darmplatte, welche wie zwei Paar Flügel aussehen, die in der Mitte, entsprechend dem Mesen- terium (Mes.), miteinander verbunden sind. Die Rumpfplatte ist zu beiden Seiten von der Grenzrinne (Gr.r.) begrenzt. Ent- sprechend der letzteren dringen beiderseits in die Leibeshöhle die Seitenfalten ein (S.f.), wodurch eine annähernde Grenze zwischen embryonaler (Coe,) und ausserembryonaler (Coe,) Leibes- höhle gegeben ist. In der Dicke der Rumpfplatte sehen wir zu beiden Seiten der Aorta (Ao.) die mächtigen Kardinalvenen (v. c. p- d. und v. ce. p. s.). In der Dicke der Darmplatte sehen wir das dorso-ventral zusammengedrückte, ovale Lumen des Vorder- darms (Da.). Ventralwärts von diesem liegt ein ähnliches, aber kleineres Lumen, welches den Querschnitt der beschriebenen Leberanlage darstellt. Zu beiden Seiten der letzteren liegen die mächtigen Venae omph.-mesentericae, welche kaudo-kranial zum Sinus venosus des Herzens verlaufen. Ventralwärts von der Leberanlage ist das den Dotter umfassende Entoderm ausge- dehnt, welches in der Mitte (Ri,) der auf den Dotter umge- schlagenen ventralen Darmwand entspricht (cf. Fig. 35, (Ent.) Ri,). Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 465 So sieht der 218. Schnitt aus. Auf dem 219. ist das Lumen der Leberanlage grösser und berührt einerseits die ventrale Darm- wand, andererseits das den Dotter umfassende Entoderm, um auf dem 220. und 221. Schnitt schon völlig zu verschwinden. Weiter hinten, vom 221. Schnitt ab, werden die Querschnitte gleichförmig: man sieht auf ihnen nur die sich glatt ausdehnende Rumpf- und Darmplatte. Die Grenzrinne wird allmählich seichter und schwindet nach einigen und zwanzig Schnitten zusammen mit den entsprechenden Seitenfalten vollständig. Der Darm ist nur als seichte, rinnenförmige Vertiefung des Entoderms sichtbar; auf dem Längsschnitt (Fig. 35, (Ent.) Ri.) konnte dieser Darm- teil nur als Linie, d. h. in seiner dorsalen Begrenzung, ange- deutet werden. So sehen die Querschnitte bis zum 590. Schnitt aus, wo auf einmal auf den Präparaten die hintere Darmfalte sichtbar wird. Ein wenig weiter hinten wird das ovale Lumen des Hinterdarms sichtbar. Das ist die Stelle, welche der hinteren Darmpforte (Fig. 55, h. Da. pf.) entspricht. Auf den entsprechen- den Querschnitten sind auch beiderseits die vorderen Ausläufer der hinteren Grenzrinne getroffen; ihr entsprechend sind beider- seits die seitlichen Rumpf- und Darmfalten sichtbar. Letztere werden immer grösser und tiefer und vereinigen sich in der Mittelebene, wodurch eben das Lumen des Hinterdarms zustande kommt. Dieses lässt sich (Fig. 35, H. Da.) auf etwa zwanzig Sehnitten verfolgen, bis zu seinem Übergang in die Medulla, d. h. bis zum Oanalis neuro-entericus (ib. ©. n. e.). Weiter hinten hebt sich das Hinterende des Embryo von der Umgebung ab, Dank der tief einschneidenden hinteren Grenzrinne. Hinter letzterer sieht man die schwach ausgeprägte hintere Amnionfalte (h. Amn. f., Fig. 35). Die beschriebenen Eigenschaften besitzt der Embryo, bei dem wir die allererste Leberanlage gesehen haben. Sein Alter glauben wir auf etwa 36 Stunden schätzen zu können; doch 466 BORIS CHORONSHITZKY, möchten wir im allgemeinen von der Altersbezeichnung absehen, da sie niemals genau sein kann. Wenn wir jetzt auf die Leberanlage zurückkommen (Fig. 35, Le), so sehen wir, dass ihr Lumen kaum als Fortsetzung des Darmlumen betrachtet werden kann, ebensowenig wie die Leber- anlage selbst als Ausstülpung der ventralen Darmwand aufzu- fassen sei. Wir haben es hier vielmehr mit einer Ausstülpung des vorderen Umfanges oder Randesdes Darmnabels zu thun, — einer Ausstülpung, welche der Kante der vorderen Darmfalte entspricht. Erst später, wenn letztere sich nach hinten verschieben und die ventrale Darmwand sich nach hinten ver- längern wird, wird die Leberanlage allmählich in den Bereich des Darmes hineingezogen werden, indem sie sich wie um eine transversale Achse nach hinten, d. h. mit dem Lumen dorsal- wärts, drehen wird. Aber unterdessen wird sich noch die Leber- anlage bedeutend verändern, wie wir unten sehen werden. I. Zur Erklärung des zweiten Stadiuns der Entwickelung des Hühnchens geben wir vier Querschnitte (Fig. 37—40). Wir sehen hier, dass die den embryonalen Körper zusammensetzenden Rumpf- und Darmplatte sich rinnenförmig eingerollt haben, sodass der Embryo jetzt viel höher gewordsn ist, d. h. viel grössere Dimen- sionen in dorso-ventraler Richtung angenommen hat. Die Grenz- rinne (Fig. 37—40, Gr.r.) schneidet jetzt in ihrem ganzen Umfange viel tiefer ein, die ihr entsprechenden Rumpf- und Darmfalten (ib. S.f.) treten viel deutlicher hervor und sind bestrebt, in der Körpermittelebene sich zu vereinigen und hierdurch die Ventral- wand des Körpers und des Darmes zu vervollständigen; mit anderen Worten, es findet eine allmähliche Einschnürung des Haut- und Darmnabels statt, wodurch eine strengere Abgrenzung der embryonalen von der ausserembryonalen Leibeshöhle zu- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 467 stande kommt. Auf Fig. 38 und 40 haben wir durch die punk- tierte bogenförmige Linie den Annäherungsweg der Seitenfalten der Rumpfplatte angedeutet; dorsalwärts von dieser Linie be- findet sich der embryonale (Coe,), ventralwärts der ausserembryo- nale Teil (Üoe;) der Leibeshöhle. Ebenso haben wir auf Fig. 35 durch eine bogenförmige punktierte Linie die Verlängerungs- richtung der Vorderfalte angedeutet. Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Leberanlage, welche wir im ersten Stadium als eine einfache Ausstülpung SVEN Vda, S da, SOUoan A dig dt des Entoderms am vorderen Umfange des Darmnabels resp. an der Kante der vorderen Darmfalte gesehen haben, so können wir folgendes wahrnehmen: Auf Fig. 37 sehen wir ventralwärts vom Darmlumen (Da) zwei dorso-ventral zusammengedrückte Lumina (Le, und Le,), welche durch den dazwischenliegenden Sinus venosus (S. ven.) von einander geschieden sind. Dieser Schnitt entspricht dem Niveau der beiden Ductus Cuvieri; man sieht hier auch die Mündung des linken Ductus Cuvieri (D. Cu. s.) in den Sinus venosus und die beiderseitigen Peritonealfenster (Per. f.). 468 BORIS CHORONSHITZKY, Einige Schnitte weiter binten, auf Fig. 38, sehen wir noch die beiden Ductus Cuvieri, aber ihre Mündungen, sowie die Peri- tonealfenster sind schon nicht mehr vorhanden. Von den beiden erwähnten dorso-ventral abgeplatteten Lumina hat sich das dem Darmlumen näher gelegene mit demselben vereinigt (Le,) und ist zu gleicher Zeit kleiner geworden; das andere Lumen (Le,) ist unverändert. Das zwischenliegende hintere Ende des Sinus venosus ist in der Mitte eingeschnürt, d. h. es beginnt hier die Teilung in die beiden Venae omphalo-mesentericae oder wir haben hier die Mündungen dieser beiden Venen vor uns (v.o.m.d. Und y.20. an.ue)): Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 469 Etwas weiter hinten (Fig. 39) sind diese Venen schon von einander abgeteilt und die beiden früher erwähnten Lumina miteinander vereinigt (Le 1 und Le 2). Wir sehen jetzt ein grosses, unregelmässiges Lumen, welches durch Zusammenfliessen dreier auf Fig. 37 noch von einander geschiedener Lumina ent- standen ist (Da, Le 1 und Le 2). Auf den drei beschriebenen Figuren (Fig. 37—39) sahen wir das den Dotter umfassende Entoderm (Ri,) sich immer den beschriebenen Lumina resp. dem Darm nähern. Auf Fig. 37 sehen wir am Boden der vorderen Darmfalte die Villositas meso- dermalis (vill; ef. Fig. 35, vill). Auf Fig. 38 ist von letzterer nur noch sehr wenig sichtbar (vill.), auf Fig. 39 schon gar nicht, weil hier schon die Kante der vorderen Darmfalte resp. das die- selbe ausfüllende Mesenchym (Fig. 39, x) getroffen ist. Das den Dotter umfassende Entoderm liegt schon hier nahe dem ven- tralen Umfange des genannten gemeinschaftlichen Lumens, um zwei Schnitte weiter hinten (Fig. 40) sich mit demselben zu ver- einigen. Auf Fig. 40 sehen wir also die Verbindung des Darm- dottersackes (D. d. s.) mit dem Darm resp. die Mündung des Darmdotterganges (D. v. int). Es ist klar, dass die oben er- wähnten zwei dorso-ventral abgeplatteten Lumina (Le 1 und Le 2), welche auch noch auf Fig. 40 angedeutet sind (D. hep. 1 und D. hep. 2), zwei entoder.nale Divertikel darstellen, welche aus dem vorderen Umfange des Darmdotterganges kranialwärts in das Mesenchym sich hineinstülpen; dabei kommt das eine Diver- tikel (Le 1) dorsalwärts, das andere (Le 2) ventralwärts vom hinteren Ende des Sinus venosus zu liegen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese beiden Divertikel aus der im ersten Stadium geschilderten Leberanlage (Fig. 35, Le) entstanden sind. Dort war letztere noch klein und berührte noch nicht mit ihrer Spitze das hintere Ende des Sinus venosus; im zweiten Stadium aber, wo sie bedeutend gewachsen ist, tritt ihr derselbe als mechani- sches Hindernis in den Weg und sie sucht ihn eben durch Zwei- 470 BORIS CHORONSHITZKY, spaltung zu umgehen. So sind aus der primären einheitlichen Leberanlage zwei sekundäre Divertikel entstanden, von denen das eine (Le 1) mehr dorsal, das andere (Le 2) mehr ventral liegt. Wenn wir aber die schon oben erwähnte Drehung der Leberanlage um eine transversale Achse und ihre Hinein- ziehung in den Bereich des Darmes im Auge behalten, so können wir schon jetzt das dorsale Leberdivertikel vorderes (Le 1), das ventrale — hinteres (Le 2) nennen. Kombinieren wir die vier gegebenen Schnitte (Fig. 37—40) und versuchen wir, einen schematischen Längsschnitt zu zeichnen, so bekommen wir das auf Fig. 37A entworfene Schema, wo die ventrale Darmwand am Übergang des Vorder- darms (V.da.) in den Mitteldarm (M.da.), an der Umschlag- stelle auf den Dotter, zwei kraniale Divertikel (Le 1 und Le 2) abgiebt. Die Linie ab entspricht dem auf Fig. 37 gezeichneten Querschnitt; ed entspricht der Fig. 38, ef — Fig. 39, gh — Fig. 40. Vergleichen wir Fig. 37 und 40, so sehen wir, dass auf ersterer die Querschnitte der beiden Leberdivertikel (Le 1 und Le 2) grösser sind als auf letzterer (D. hep. 1 und D. hep. 2). Die beiden Leberdivertikel sind also in ihren distalen Teilen stark gewuchert, sodass ihre Mündungen jetzt schon verhältnis- mässig eng sind; mit anderen Worten, es sind hierdurch schon die Anfänge zweier Lebergänge angedeutet (Fig. 40, D. he. 1 und.D. he.:2). Dil Zur Erklärung des dritten Stadiums geben wir neun Quer- schnitte eines Hühnchens & 10 « dick (Fig. 41 —49). Auf dem ersten Schnitt (Fig. 41) ist die Stelle getroffen, wo die dorsale Darmwand sich ein wenig dorsalwärts hervorgebuchtet hat, wo- durch der Anfang des Magens angedeutet ist (Ma). Zu beiden Die Entstehung d. Milz, Leber, allenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 471 Seiten des letzteren zeigt das Visceralblatt des Mesoderms je eine längliche, im Querschnitte ziemlich breite Falte (Lu), welche beiderseits durch die sich ausdehnenden Lungen hervorgerufen wird. Diese Falten sind die Anfänge der Peritonealüberzüge der Lungen resp. der Lungenpleuren. Weiter hinten verschwin- EN \ An du ya: den sie allmählich aus dem Gesichtsfelde. Ventralwärts vom Magen liegen die beiden Visceralblätter sehr nahe zu einander, wodurch eine Art ventralen Mesogastriums (Mesog. a) zwischen Magen und Leberanlage gebildet wird. Ventralwärts von diesem Mesogastrium, zwischen diesem und dem Sinus venosus, sehen wir eine kompakte Drüsenmasse (Le 1), welche das vordere Ende resp. die Spitze des unterdessen stark gewucherten dorsalen 472 BORIS CHORONSHITZKY, Leberdivertikels darstellt. In dieser Drüsenmasse ist auf dem genannten Schnitt (Fig. 41) kein Lumen sichtbar: letzteres wurde durch die stark gewucherte Divertikelwand ausgefüllt. Die Wucherung dieser Wand hat den Charakter eines Faltungs- prozesses, wobei eben die nach innen gerichteten Falten das Lumen des Divertikels ausfüllen. Zwischen den nach aussen gerichteten Falten sieht man hie und da eine Ausbuchtung des Sinus venosus liegen. Hierdurch ist der Anfang der Bildung von Lebergefässen und Kapillaren angedeutet. Ein wenig weiter hinten, auf Fig. 42, ist das hintere Ende des Sinus venosus, welches man als Vena omphalo-mesen- terica communis oder Ductus venosus (v. 0. m. c.) be- zeichnen kann, von der erwähnten Drüsenmasse (Le,) ringförmig umgeben: es sind zwei seitliche Äste des dorsalen Leber- divertikels, welche eben von der dorsalen Seite her den Ductus venosus umfassen, um auf der ventralen Seite des letz- teren sich untereinander, sowie auch mit der vorderen Spitze des ventralen Leberdivertikels zu vereinigen. Auf Fig. 43 sehen wir auch schon diese Spitze (Le,); dagegen sind hier die ge- nannten Äste des dorsalen Leberdivertikels schon nicht mehr sichtbar. Von letzterem können wir hier nur den proximalen Teil (Le,) mit dem darin eingeschlossenen Lumen (D. hep. 1), d. h. den dorsalen resp. vorderen Lebergang wahrnehmen. Auf der nächsten Figur sehen wir die Mündung dieses Ganges (Fig. 44, D. hep. 1) in den Darm (Da). Vom ventralen resp. hinteren Leberdivertikel ist hier der proximale Teil mit dem darin ein- geschlossenen hinteren Lebergang (D. hep. 2) getroffen. Fig. 45 zeigt fast dasselbe Bild, nur dass hier die Vena omph.- mes. communis in der Mitte eingeschnürt ist, um auf dem nächsten Schnitt (Fig. 46) schon in die Vena omph. mes. sinistra und dextra geteilt zu sein (v. o. m. s. und v. o. m. d.). Die beiden Lebergänge sind auf Fig. 46 (D. hep. 1 und D. hep. 2) ver- einiet. Wir haben hier das Bild wie auf Fig. 39, nur mit dem Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 473 Unterschied, dass auf Fig. 46 die ventrale Wand des hinteren Leberganges (x) am Übergang in die ventrale Wand des Mittel- darms verdickt erscheint. Wir sagten: am Übergang in die ventrale Wand des Mitteldarms, denn einige Schnitte weiter hjnten, auf Fig. 47, sehen wir schon das eigentliche Lumen des Mitteldarms (Da) ohne jegliche Andeutung der Leber- gänge. Der Darmdottergang liegt hier (Ri,) schon nahe der n maus Ventralwand des Mitteldarms, aber münden thut er erst 12 Schnitte weiter hinten, auf Fig. 48 (Ri). Zwischen Stadium Il und III sind also folgende Unterschiede vorhanden: 1. Im zweiten Stadium waren die beiden Leberdiver- tikel noch unverzweigt; im dritten Stadium sind dieselben falten- artig verzweigt, wobei das dorsale resp. vordere Divertikel zwei seitliche Äste aussendet, die den Ductus venosus von der dor- salen Seite her gürtelartig umgreifen, um an der ventralen Seite des letzteren miteinander, sowie auch mit der vorderen Spitze Anatomische Hefte. T Abteilung. XLIYXLIII, Heft (13. Bd. H. 2j3). sl 474 BOLIS CHORONSHITZKY, des ventralen resp. hinteren Divertikels sich zu vereinigen. 2. Im zweiten Stadium mündeten die beiden Leberdivertikel (Fig. 37A) auf der Höbe der Mündung des Darmdotterganges, d. h. ebenso wie im ersten Stadium; mit anderen Worten, im zweiten Stadium waren die beiden Leberdivertikel noch mehr oder weniger als Ausstülpungen der Vorderwand des Darm- dottergangs resp. des vorderen Umfangs des Darmnabels zu be- trachten. Im dritten Stadium mündet der Darmdottergang (Fig. 48) ziemlich entfernt vom Mündungsniveau der Leber- divertikel (Fig. 46); d. h. im dritten Stadium hat sich die vor- dere Darmfalte resp. die Ventralwand des Darms nach hinten verlängert, wodurch eben die beiden Leberdivertikel schon in den Bereich des Darms hineingezogen worden sind. Dabei hat sich auch die ganze Leberanlage etwas um eine transversale Achse, mit dem Vorderende ventralwärts, mit den Lumina der Lebergänge dorsalwärts, gedreht, sodass die beiden Leberdiver- tikel jetzt schon als Anhänge des Darmes und die Lebergänge als Fortsetzungen des Darmlumens betrachtet werden können. Infolge dieser Drehung ist das dorsale Leberdivertikel zum vor- deren, das ventrale zum hinteren geworden. 3. Am Übergang der Ventralwand des hinteren Leberdivertikels in die Ventral- wand des Mitteldarms ist im dritten Stadium eine Verdickung (Fig. 46, x) sichtbar, die den ersten Anfang der Gallenblase darstellt. Diese Verdickung ist nur auf 3—4 Schnitten sichtbar; sie muss als Anfang der an dieser Stelle im vierten Stadium sich bildenden Ausstülpung der ventralen Darmwand betrachtet werden: schon im dritten Stadium ist die betreffende Wand dort, wo die Verdiekung am stärksten ist, am weitesten ventral- wärts vorgeschoben. — Gehört die erste Gallenblasenanlage der Ventralwand des Darmes oder des hinteren Leberdivertikels an? Darüber würde sich streiten lassen, da es in diesem Falle weder für das eine noch für das andere genügende Beweise giebt. Jedoch in Anbetracht der unten näher zu erörternden Unter- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 475 suchungen an Amphibienlarven sind wir geneigt, das erstere als das Richtigere zu betrachten und die Gallenblasenanlage sowie auch die beiden ventralen Pankrease als Ausstülpungen der Darmwand anzusehen. Ausser der Leber- und Gallenblasenanlage finden wir in diesem Stadium noch den Anfang einer dorsalen Bauch- speicheldrüse. Letztere ist auf 10 Schnitten (A 10 «) sichtbar, und Fig. 48 stellt etwa den mittleren dieser Schnitte dar. Wir sehen auf dieser Figur eine ansehnliche Verdiekung (d. Pa.) der dorsalen Darmwand, verbunden mit einer unbedeutenden Aus- stülpung derselben (ib. x). Es scheint, als ob diese Wand an zwei Stellen verdickt wäre. Doch müssen wir diese scheinbare Duplizität als eine früh angedeutete Verzweigung der Bauch- speicheldrüse betrachten, denn schon im nächsten resp. vierten Stadium, wo diese Drüse nicht viel grösser und komplizierter erscheint, ist sie durchaus einheitlich. Wir wollen jedoch hier bemerken, dass in der Litteratur Hinweise auf eine scheinbare Duplizität der dorsalen Pankreasanlage auch bei Säugetieren vorbanden sind. So fand Stoss (L. 85) beim Schaf „eine zwei- bäuchige dorsalePankreasanlage“ und Wlassow (Morph. Arb. v. Schwalbe, Bd. 4, H. 1) beim Schwein „eine Zwei- lappung der dorsalen Pankreasanlage‘. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass die dorsale Pankreasanlage im allgemeinen schon früh die Tendenz hat sich zu verzweigen. Um eine bessere Vorstellung von den besprochenen Organen des dritten Stadiums zu geben, haben wir die demselben ge- hörenden Querschnitte kombiniert und danach einen schema- tischen Längsschnitt gezeichnet (Fig. 50). Die neun punk- tierten Linien entsprechen den neun Querschnitten (Fig. 41- 49). Der Leser wird sich auf diesem Schema mit Hülfe der beige- gebenen Bezeichnungen leicht zurecht finden. Es ist klar, dass die seitlichen Äste des vorderen (dorsalen) Leberdivertikels (Le,.) auf diesem Schema nicht angedeutet werden konnten. Das 3l* 416 BORIS CHORONSHITZKY, Niveau der dorsalen Pankreasanlage (Pa. d.) entspricht dem vor- deren Umfange des Darmnabels resp. des Darmdotterganges, wie auch aus Fig. 48 sichtbar ist, wo der letztere eben in den Darm mündet (Ri). Wir wollen: jedoch gleich hinzufügen, dass man in diesem Stadium noch kaum von einem eigentlichen Darmdottergang sprechen kann, da weiter hinten, wie schon teilweise aus Fig. 49 sichtbar ist, die Darmplatte sich immer mehr und mehr abflacht und schliesslich ganz flach dem Dotter aufliegt; mit anderen Worten, die Kommunikation zwischen Darm und Darmdottersack ist in diesem Stadium noch zu breit, zu aus- gedehnt, um als Darmdottergang bezeichnet werden zu können. Auf Fig. 48 sieht man neben der Mündung des Darmdotter- ganges noch die Mündungen einer links- und rechtsseitigen vor- deren Dottervene in die entsprechenden Venae omph.-mesen- tericae, während auf Fig. 43—47 diese Dottervenen (v. v. a. d. und v. v. a. s.) noch von den letzteren getrennt sind. Bevor wir zur Beschreibung des vierten Stadiums übergehen, wollen wir noch darauf hinweisen, dass der Darmtrakt, welcher in den frühesten Stadien genau in der Mittelebene des Körpers liegt, allmählich bei seiner fortschreitenden Entwickelung und Schliessung seiner Ventralwand von dieser Ebene abweicht und seitlich verlagert wird. Diese Abweichung und Verlagerung trifft die Gegend des Magens und Duodenum, welche schon im zweiten, besonders aber im dritten Stadium nach links verschoben er- scheinen (Fig. 41 ff). Als Ursache dieser Verschiebung muss einerseits die schon erwähnte Hervorbuchtung der dorsalen Darm- wand behufs Bildung des Magenfundus betrachtet werden: der Anfang dieser Erscheinung ist eben zu gleicher Zeit der Anfang der sog. gastroduodenalen Drehung des Darmtraktes, welche darin besteht, dass der Magen bei seiner Bildung allmählich nach links abweicht; das hinter ihm liegende Duodenum folgt ihm anfangs nach, d. h. es verlagert sich ebenfalls nach links, wird aber bei seiner weiteren Entwickelung und Längenzunahme Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 477 allmählich nach vorne und ventralwärts und zugleich auch nach rechts verschoben. Noch ein anderes Moment ist hier von Be- deutung: die nach vorne wachsende Leber müsste eigentlich in der Mittelebene des Körpers zu liegen kommen; da sie aber hier keinen genügenden Platz findet, weicht sie nach rechts ab Fig. 42—44) und verdrängt dadurch den Magen nach links. — IV. Zur Erklärung des vierten Stadiums geben wir acht Quer- schnitte (Fig. 51--58) und einen schematischen Längsschnitt (Fig. 59). Auf den Querschnitten ist in diesem Stadium die oben beschriebene Verlagerung des Darmtraktes nach links noch deutlicher ausgeprägt als im dritten Stadium. Mesenterium, Darm und Leber bilden jetzt auf dem Querschnitt einen nach rechts offenen Bogen: es macht den Eindruck, als ob diese Organe sich nach rechts einrollen würden. Auf der rechten Seite sieht man am Mesenterium auf allen Querschnitten die rechte Lungenfalte (Lu), d. h. die Fortsetzung des Peritoneal- überzuges der rechten Lunge. Die linke Lungenfalte ist dagegen auf keinem der gegebenen acht Querschnitte sichtbar. Das er- klärt sich eben durch die erwähnte Bogenbildung, wobei die linke resp. konvexe Seite des Bogens für das Zustandekommen von Falten des Visceralblattes ungünstig, die rechte Seite aber sehr günstig ist, sodass auf letzterer die rechte Lungenfalte noch weit hinten sichtbar ist. Auf Fig. 51 ist die Mündung des rechten Ductus Cuvieri in den Sinus venosus und die Mündung des letzteren in das Herz getroffen. Zwischen Sinus venosus und Darmtrakt liegt die vordere Spitze des vorderen Leberdivertikels (Le,). Auf Fig. 52 ist die Mündung des letzteren sichtbar (D. hep. 1); man sieht hier zugleich auch die Mündungen seiner beiden Äste (D. hep. 1a und D. hep. 1b), welche, wie oben beschrieben, den Sinus 478 BORIS CHORONSHITZKY, venosus von der dorsalen Seite her gürtelartig umfassen. Auf Fig. 53 sieht man eben die Fortsetzung des Sinus venosus resp. die Vena omph.-mes. communis (v. 0. m. c.) vom Gewebe des vorderen Leberdivertikels (Le,) ringförmig umgeben. Der ven- trale Teil dieses Ringes geht hinten unmittelbar in das Gewebe des hinteren Leberdivertikels über. Dieses Gewebe ist auf Fig. 54 (Le,) sichtbar. Es ist von Gefässen durchsetzt, welche aus der Vena omph.-mes. communis resp. aus dem Ductus venosus stammen. Diese venösen Gefässe dringen jetzt viel tiefer in das Lebergewebe ein, als im vorigen Stadium, wo die Verzweigung der Leberdivertikel noch eine faltenförmige war und die Ge- fässe zwischen diesen Falten, d. h. mehr weniger tangential lagen. Jetzt sehen wir schon dagegen Gefässquerschnitte in der Dicke des Lebergewebes, welches seinerseits schon mehr schlauch- und balkenförmig verzweigt ist. Wenn es auch auf den gezeich- neten Querschnitten aussieht, als ob nur die Gefässe den aktiven Teil bildeten, d. h. als ob nur die Gefässe ihrerseits das Leber- gewebe durchsetzten und es dadurch zu einem Netz gestalteten, so muss man doch eher annehmen, dass es gerade die schlauch- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. ATI . ‘und balkenförmigen Verzweigungen der Leber sind, welche von allen Seiten her in den Ductus venosus eindringen und ihn ge- wissermassen zerfasern und zerfetzen, sodass dadurch viele kleine aus ihm stammende Gefässe sich bilden, welche vielleicht auch ihrerseits gleich nach der Entstehung aktiv werden und imstande PR Diop2! \ N sind, tiefer in das Lebergewebe einzudringen. Wie es dem auch sei, das Gewebe beider Leberdivertikel ist im vierten Stadium schon schlauch- und balkenförmig verzweigt und von vielen Gefässen durchsetzt (Fig. 51—54). Von den ursprüng- lichen Lumina der beiden Leberdivertikel sind nur kleine Reste in den Lebergängen sichtbar. 480 BORIS CHORONSHITZKY, Auf Fig. 54 sieht man vom vorderen Leberdivertikel nichts ausser einer Andeutung der Mündungsstelle des vorderen Leber- ganges (D. hep. 1). Das hintere Divertikel (Le,) ist aber hier in seiner ganzen Ausdehnung sichtbar: es umgreift schon jetzt die ganze ventrale Seite der Vena omph.-mes. communis. 16 Schnitte weiter hinten, auf Fig. 55, sieht man von seinem Gewebe nur einen kleinen Rest (Le,) und daneben seinen quer durchschnit- tenen Ausführungsgang, d. h. den hinteren Lebergang (D. hep. 2). Man sieht in letzteren seitlich zwei kleinere Gänge einmünden (D. hep. 2a und D. hep. 2b): das sind zwei seitliche Äste des hinteren Leberdivertikels, deren Verzweigungen aber nicht wie beim vorderen Leberdivertikel zwei nach beiden Seiten ausgehende Arme bilden, sondern eine einheitliche Ge- websmasse zustande bringen, wie wir sie auf Fig. 54 sehen. Zwischen beiden Lebergängen (D. hep. 1 und D. hep. 2) liegt auf Fig. 55 das hintere Ende der Vena omph.-mes. com- munis (V. o. m. c.). Fast dasselbe Bild zeigt Fig, 56, nur dass auf letzterer die beiden Lebergänge näher aneinander ‚gerückt sind und die dazwischen liegende Vena omph.-mes. communis ent- sprechend stärker eingeschnürt erscheint, so dass man hier schon deutlich ihre beiden Bestandteile, d. h. die Vena omph.-mes. sinistra und dextra (V. o. m, s. und V. o. m. d.) unterscheidet, welche auf Fig. 57 vollständig von einander abgeteilt sind. Auf letzterer Figur sind die beiden Lebergänge schon zusammenge- schmolzen und wir haben hier ein gemeinschaftliches Lumen, ähnlich wie auf Fig. 46, vor uns. Bei näherer Prüfung sehen wir, dass das gemeinschaft- liche Lumen des vierten Stadiums (Fig. 57) sich wesent- lich von demjenigen des dritten Stadiums (Fig. 46) unterscheidet: 1. auf Fig. 57 sehen wir linkerseits eine kleine Ausstülpung des gemeinschaftlichen Lumens, welche mit D. hep. 2b bezeichnet ist. Es ist die Mündung des linken Astes des hinteren Leber- divertikels, welche man noch auf zwei bis drei Schnitten weiter Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 481 hinten verfolgen kann und welche schon auf Fig. 55 und 56 (D. hep. 2b) sichtbar war. 2. Auf Fig. 57 ist der ventrale Umfang des gemeinschaftlichen Lumen (G.bl.) stärker verdickt und mehr hervorgewölbt, als es im dritten Stadium der Fall war (cf Fig. 46). Ähnlich wie auf Fig. 57 sieht es auch auf Fig. 56 aus (G.bl.). Es ist die Gallenblasenanlage, welche in diesem Stadium bedeutend grösser ist, als im vorigen. Schon auf Fig. 55 ist sie angedeutet (G.bl.). 3. Auf Fig. 57 sehen wir eine kleine Ausstülpung der rechten Wand des gemeinschaftlichen Lumens. Diese Ausstülpung ist mit x bezeichnet. Sie ist schon auf Fig. 56 und 55 (x) sichtbar gewesen. Was ist das für eine Ausstülpung? Gehört sie der rechten Wand des Darmes oder des vorderen Leberganges an? Ist das vielleicht eine Andeutung der Mündung des rechten Astes des vorderen Leberdivertikels, ähnlich wie bei D. hep. 2b auf Fig. 57 eine Andeutung der Mündung des linken Astes des hinteren Leberdivertikels sicht- bar ist? Letztere Voraussetzung muss entschieden zurückge- wiesen werden, da schon auf Fig. 54, d. h. 16 Schnitte weiter vorne, keine Spur von der Mündung des rechten Astes des vorderen Leberdiverdikels vorhanden war. Diese Mündung war nur auf Fig. 52 und 53 (D. hep. la) sichtbar. Folglich stellt die erwähnte Ausstülpung x etwas Neues dar, was wir im dritten Stadium noch nicht gesehen haben. Es ist die Anlage des rechten ventralen Pankreas, welche also eine Aus- stülpung der rechten Wand des Darmlumen darstellt. Wenn wir auf Fig. 54—57 den ventralen Teil des Darmlumen mit D. hep. 1 bezeichnen, so wollen wir hiermit angeben, dass dieser Teil in der Richtungslinie des vorderen Leberganges sich be- findet, und so müssen wir auch sagen, dass das rechte ven- trale Pankreas, welches auf den Querschnitten eben diesem Teil des Darmlumen gehört, ebenfalls in der Richtungslinie des vorderen Leberganges sich befindet. 482 BORIS CHORONSHITZKY, Um die gegenseitige Lage der Organe im vierten Stadium übersichtlicher zu machen, geben wir auf Fig. 59 einen schema- tischen Längsschnitt durch die Mittelebene des Körpers. Auf diesem Schema haben wir auch einige Details gezeichnet, die auf einem Längsschnitt gar nicht sichtbar wären. Man muss es sich so vorstellen, als wenn wir den Darm von rechts be- trachten würden. Die punktierten Linien 1, 2, 3 etc. ent sprechen den Querschnitten der Fig. 51, 52, 53 ete. Mit Pa. v. d. ist das rechte ventrale Pankreas bezeichnet. Es befindet sich in der Richtungslinie des vorderen Leberganges (D. hep. 1) und stellt eben eine Ausstülpung der rechten Darmwand_ dar. Mit NB haben wir den rechten Ast des vorderen Leberdivertikels (Le,)angedeutet: dieser Ast vereinigt sich an der ventralen Seite des Sinus venosus (S. ven.) mit dem linken Ast desselben Divertikels und mit der vorderen Spitze des hinteren Leber- divertikels (Le,). Die Topographie der Leber ist also in diesem Stadium fast dieselbe wie im vorigen Stadium. Nur hat sich im vierten Stadium die Quantität und Qualität des Lebergewebes geändert und im hinteren Leberdivertikel sind beiderseits Spuren eines aus dem hinteren Lebergang ausgehen- den Astes (Fig. 55—56, D. hep. 2a und D. hep. 2b) resp. eine Zweiteilung des hinteren Leberganges sichtbar. Die Gallenblase (Fig. 59, G.bl.) hat im vierten Stadium dieselbe Lage, wie im dritten Stadium (cf. Fig. 50, G.bl.): nur ist sie deutlicher hervorgestülpt und diekwandiger. Was das dorsale Pankreas anbetrifft, so hat es sich unterdessen ein wenig kranio-kaudal von der dorsalen Darm- wand abgeschnürt (Fig. 59, Pa. d.) und mit dem blinden Ende etwas nach rechts verlagert (Fig. 55—56, Pa. d.), was teilweise wahrscheinlich auch mit der beschriebenen Verlagerung des Darmtraktes nach links zusammenhängt. Auf Fig. 57 ist mit NB der hintere Teil des dorsalen Pankreas bezeichnet, welcher Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenhlase, Bauchspeicheldrüse ete. 483 ganz allmählich in die Dorsalwand des Darmes übergeht, wie aus Fig. 59 ersichtlich ist. Wenn wir jetzt zur Betrachtung der uns interessierenden (Grefässe übergehen, so sehen wir, dass die linke Vena omph.- mesenterica, welche im ersten (Fig. 36) und zweiten (Fig. 39 bis 40) Stadium grösser und im dritten Stadium (Fig. 46—47) nicht viel kleiner als die rechte Vena omph.-mesenterica war, jetzt, d. h. im vierten Stadium (Fig. 56-57), im Vergleich mit der letzteren ein ganz winziges Gefäss darstellt: Die Ursache dieser Erscheinung liegt in der schon öfters erwähnten Verlage- rung des Darmes nach links und der Leber nach rechts, wobei auf dem Querschnitt Mesenterium, Darm und Leber gewisser- massen einen nach rechts offenen Bogen bilden. Die rechte Vena omph.-mesenterica kommt innerhalb dieses Bogens zu liegen (Fig. 54—57) und gewinnt hierdurch allmählich die Bedeutung einer Sammelvene für die sie umgebenden Bauch- organe. Schon in diesem Stadium münden in dieselbe die Vena lienalis (Fig. 54, V. lien.) und die Vena pancreatica (Fig. 55, V. pa.). Zwischen diesen beiden Venen ist ein Ab- stand von 16 Schnitten vorhanden. Sie nehmen beide ihren Anfang im Darm-Mesenchym,, dorsalwärts vom Darmtrakt, und verlaufen nach rechts und ventralwärts, um in die rechte Vena omph.-mesenterica resp. in den rechten Teil der Vena omph.- imesenterica communis zu münden. Die linke Vena omph.- mesenterica (Fig. 55—57, V. o. m. s.) liegt dagegen an der konvexen Seite des Bogens, gewissermassen ausserhalb des (Gebietes der Bauchorgane. Es kommt noch der Umstand hinzu, dass diese Vene dicht an ihrer Mündungsstelle zwischen den beiden Lebergängen stark zusammengedrückt wird (Fig. 56), wodurch sie in ihrer Funktion stark behindert wird. Die beiden genannten Umstände führen eine allmähliche Verkleinerung der Vena omph.-mesenterica sinistra herbei. 484 BORIS CHORONSHITZKY, Auf Fig. 55 haben wir mit NB die auf dem entsprechenden Schnitt getroffene Anastomose zwischen linker und rechter Vena omph.-mesenterica bezeichnet. Diese Anastomose verläuft in einer transversalen Ebene und umbiegt die dorsale Darm- wand hinter dem dorsalen Pankreas. Die Anastomose ist auf 5—6 Schnitten sichtbar. Wir nennen sie dorsale Anastomose. Bevor wir zur Beschreibung des fünften Stadiums übergehen, wollen wir noch auf die auf Fig. 52—53 sichtbare Ausstülpung des venösen Endes des Herzens hinweisen (Au. c.). Auf Fig- 52 steht diese Ausstülpung noch im Zusammenhang mit dem Sinus venosus, auf Fig. 53 ist sie von ihm getrennt. Der Lage nach kann diese Ausstülpung als die Anlage eines Herzohrs (Auri- cula cordis) betrachtet werden. Ve Zur Erklärung des fünften Stadiums geben wir sieben Quer- schnitte eines Hühnchenembryo (Fig. 60—66) und einen schema- tischen Längsschnitt (Fig. 67). Auf einem der Querschnitte (Fig. 64) ist der mikroskopische Bau der uns interessierenden Organe gezeichnet. Wir sehen, dass das Lebergewebe in diesem Stadium aus charakteristischen kompakten Balken besteht, welche auf dem Schnitt (Fig. 64, Le) in den verschiedensten Richtungen ge- troffen sind. Dort, wo diese Balken längs getroffen sind, be- stehen sie aus einer doppelten Reihe mehr oder weniger scharf- kantiger polygonaler Zellen; zwischen beiden Reihen dieser Zellen sieht man ähnliche, aber kleinere polygonale Felder ohne Kerne. Diese Felder sind tangential getroffene Leberzellen. Man muss sich also die Leberbalken als kompakte Cylinder vorstellen, in denen um eine gedachte Längsachse eine einzige Schicht poly- gonaler Zellen gruppiert ist. Dort, wo die Leberbalken quer ge- troffen sind, stellen sie auch einen kompakten Kreis dar, in dem Y Gh In My 486 BORIS CHORONSHITZKY, um das Oentrum eine einzige Schicht nach innen zugespitzter, kegelförmiger Zellen gelagert ist. Kernlose Felder sieht man in den querdurchschnittenen Balken selbstverständlich nicht. In den Leberzellen sieht man rundliche Kerne und in diesen ein deutliches Kernkörperchen. Ähnliche Kerne sehen Fig. 64. wir auch in allen anderen Geweben des Embryo. Je nach den mechanischen Verhältnissen des betreffenden Gewebes sind diese Kerne mehr rund oder mehr oval. So erscheinen sie z. B. in den mehrschichtigen Epithelien, wo die Zellen seitlich zusammenge- drückt sind, meistens oval, im Mesenchym und in den paren- chymatösen Organen — meistens rundlich. In den Leberzellen sehen wir daher immer rundliche Kerne. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 487 Das Lebergewebe ist von zahlreichen Venen durchsetzt, welche aus dem Ductus venosus stammen (Fig. 60—63, Le.). Die Zahl dieser Venen ist in diesem Stadium bedeutend grösser, als im vorigen. Wie man ihre Entstehung erklären könnte, haben wir schon bei Beschreibung des vorigen Stadiums ange- deutet. Die Leber hat jetzt an Umfang zugenommen, der Ductus venosus — verhältnismässig abgenommen. Es scheint, als ob in diesem Stadium die Leber noch einen grösseren Teil des Ductus venosus in sich aufgenommen hätte, wodurch eben letzterer an Umfang abgenommen, während die Zahl seiner in die Leber eingedrungenen Äste bedeutend zugenommen hat. Der Ductus venosus wird also gewissermassen immer mehr und mehr von dem ihn umgebenden Lebergewebe aufgelöst und erscheint jetzt verhältnismässig kleiner als im vorigen Stadium; es scheint, als ob er von dem umgebenden Lebergewebe komprimiert wäre. Im Lebergewebe selbst kann man jetzt unmöglich die Grenze zwischen vorderem und hinterem Leberdivertikel auf- weisen, da das Gewebe beider zusammengeschmolzener Divertikel gleich ist. Doch hat die Leber im fünften Stadium noch die topographischen Eigenschaften beibehalten, welche da- durch entstanden sind, dass das vordere Leberdivertikel seiner- zeit zwei ventralwärts auslaufende seitliche Äste gebildet hat, welche den Ductus venosus von der dorsalen Seite her gürtel- artig umwachsen haben und auf seiner ventralen Seite mit einander, sowie auch mit der Spitze des hinteren Leberdiver- tikels verschmolzen sind. Wir sehen daher, dass auch in diesem Stadium der vordere Teil der Leber (Fig. 60-—-61, Le.) mehr weniger cylindrisch geformt ist, d. h. dass er allseitig den Ductus venosus (ib. v. 0. m. c.) umgiebt; auf dem Querschnitt ist er daher mehr oder weniger ringförmig. Schon auf Fig. 6 sehen wir im ursprünglich dorsalen Teil dieses Ringes — die Leber ist jetzt schon so stark nach rechts verschoben, dass ihre ursprünglich dorsalen Teile nach links gewandt sind — das 488 BORIS CHORONSHITSKY, Lumen des vorderen Leberganges hervortreten (D. hep. 1). Es sind auch die Mündungen seiner beiden Äste (ib. a und b) angedeutet. Zwischen Leber und Magen befindet sich das ven- trale Mesogastrium (ib. Mes. a.) Aber schon auf Fig. 62 ist dieses Mesogastrium stark ausgedehnt oder richtiger als solches verschwunden; der vordere Lebergang (Fig. 62, D. hep. 1), welcher aus dem Lebergewebe ausgeschieden ist, hat dadurch die Möglichkeit bekommen, sich dem Duodenum (ib. Du.) zu nähern. Vom Gewebsring der Leber ist auf diesem Schnitt fast nur der ursprünglich ventrale Teil (ib. Le,) nachgeblieben, welcher von dem vorderen Lebergang (ib. D. hep. 1) durch die dazwischen- liegende Vena omph.-mes. communis oder Ductus venosus (ib. v.o m. c.) getrennt ist. Wir haben den auf diesem Schnitt sichtbaren Abschnitt des Lebergewebes mit Le, bezeichnet, weil er, der Topographie nach, dem Gewebe des hinteren Leberdiver- tikels entspricht. Und in der That sehen wir schon auf der nächsten Figur (Fig. 63) in diesem Gewebsabschnitt den hinteren Lebergang erscheinen (D. hep. 2). Es sind auch die beiden seitlichen Äste des letzteren angedeutet (D. hep. 2a und D. hep. 2b). Der vordere Lebergang (ib. NB.) hat sich unterdessen mit dem Duodenum (Du.) vereinigt. Zwischen vorderem (NB.) und hinterem Lebergang (D. hep. 2) muss eigentlich das hinterste Ende der Vena omph.-mes. communis liegen. Das wäre auch der Fall, wenn beide Zweige der letzteren, d. h. die Vena omph.-mes. dextra und sinistra gleich stark wären. Doch haben wir schon im vorigen Stadium gesehen, dass die linke Vena omph.-mesenterica (Fig. 56— 57, v. o. m. s.) ganz klein geworden ist, während die rechte Vena omph.-mes. als mächtiges Gefäss zur direkten Fortsetzung der Vena omph.-mes. communis sich gestaltet hat. Die Communis, sowie die Dextra sind von der Mittelebene abgewichen und sind jetzt gewissermassen innerhalb der Bauchorgane eingeschlossen, indem sie zusammen ein kon- -tinujerliches Gefäss darstellen. Von einem hinteren Ende der Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 489 Vena omph.-mes. communis kann folglich jetzt nicht mehr die Rede sein und dasjenige winzige Gefäss, welches jetzt auf Fig. 63 zwischen vorderem (NB.) und hinterem (D. hep. 2) Lebergang liegt, ist der vorderste Abschnitt der Vena omph.-mes. sinistra, welche also ein wenig nach rechts hinübergezogen worden ist, sodass sie jetzt den Zwischenraum zwischen beiden Leber- gängen passieren muss, um in die Vena omph.-mes. communis oder richtiger in die Übergangsstelle der letzteren in die Vena omph.-mes. dextra zu münden. Auf der nächsten Figur (Fig. 64) ist schon der hintere Lebergang (D. hep. 2) mit dem vorderen (NB.) vereinigt, sodass an der ursprünglich rechten Seite des ge- meinschaftlichen Lumen die Vena omph.-mes. dextra (Fig. 64, v.o.m.d.), an der ursprünglich linken Seite desselben — die Vena omph.-mes. sinistra (ib. v. o. m. s.) liegt. Fig. 63 des fünften Stadium ist mit Fig. 56 des vorigen zu vergleichen; ebenso ist Fig. 64 mit Fig. 57 zu vergleichen. Die daraus resul- tierenden Ähnlichkeitszüge und Unterschiede wird der Leser mit Leichtigkeit selbst erkennen können. Wir wollen jetzt nur darauf hinweisen, dass auf Fig. 64, wo die Mündung der jetzt bedeutend ausgewachsenen dorsalen Bauchspeicheldrüse (Pa. d.) in das Duodenum (Du.) sichtbar ist, das gemeinschaftlicheLumen ein winkelig geknicktes Aus sehen bekommen hat, wobei im Knie dieses Winkels das dem Duodenum (Du.) gehörende Lumen liest. Den einen Schenkel des Winkels bildet das in einer sagittalen Ebene gelegene dor- sale Pankreas (Pa. d.), den anderen Schenkel — der übrige grosse Teil des gemeinschaftlichen Lumen, welcher in einer frontalen Ebene gelegen ist. Diese Lage des gemeinschaftlichen Lumen hängt eben mit der schon oben erwähnten starken Ver- lagerung der Leber nach rechts zusammen. Die Bestandteile des gemeinschaftlichen Lumen sind jetzt dieselben wie im vorigen Stadium: der mit NB bezeichnete Teil liegt in der Richtungslinie des vorderen, der mit D. hep. 2 bezeichnete — Anatomische Hefte. I. Abteilung, XLIUXLIN, Heft (13. Bd. H. 2/3.) 32 490 BORIS CHORONSHITZKY, in der Richtungslinie des hinteren Leberganges. Das rechte ventrale Pankreas ist jetzt dorsalwärts gewandt (Fig. 63—64, Pa. v. d.), die Gallenblase (ib. G.bl.) nach rechts und ein wenig ventralwärts. Auf Fig. 64 ist noch die Mündung des rechten Astes des hinteren Leberganges (D. hep. 2a) sichtbar; der linke Ast des letzteren (D. hep. 2b) ist hier quer durchschnitten und seine Mündung, welche der mit x3 bezeichneten Stelle ent- sprechen würde, ist auf einem weiter vorne gelegenen Schnitt sichtbar und auch auf Fig. 63 angedeutet. Gegenüber dem rechten ventralen Pankreas liegt auf Fig. 63 und 64 eine Ausstülpung der ursprünglich linken Wand des ge- meinschaftlichen Lumen. Diese Ausstülpung, welche mit Pa. v. s. bezeichnet ist, stellt die erste Anlage des linken ventralen Pankreas dar. Letzteres wird also in Form einer Ausstülpung der linken Duodenalwand, in der Richtungslinie des vorderen Leberganges, angelegt. Das fünfte Stadium besitzt nun mehr drei Pankreasan- lagen: eine dorsale und zwei ventrale. Die ältere ist die dorsale. Letztere stellt auch schon jetzt eine grosse Drüse dar (Fig. 64, Pa. d.), in welcher man einen Ausführungsgang und einen sekretorischen Teil unterscheiden kann. Der Aus- führungsgang besitzt ein einschichtiges, stellenweise auch zweischichtiges Cylinderepithel. Den sekretorischen Teil bildet das knospenartig verzweigte blinde Ende der Drüse. Die Acini und Schläuche desselben sind mit polygonalen, teilweise scharfkantigen Zellen ausgekleibet, welche den Leberzellen ähn- lich sind. Die Drüse liegt, wie schon erwähnt, in einer sagittalen Ebene und ist dorsalwärts gerichtet. Die zweitälteste Pankreasanlage ist die rechte ventrale. Wir sahen sie schon im vierten Stadium (Fig. 55—57, x). Im fünften Stadium (Fig. 63, Pa. v. d.) zeigt sie schon Spuren einer Verzweigung: auf Fig. 63 ist eine Zweispaltung dieser Drüse angedeutet; sie ist zugleich auch verdickt. Die Entstehuug d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 491 Am spätesten tritt die linke ventrale Pankreasanlage auf. Wir sahen sie zuerst nur im fünften Stadium (Fig. 63—64, Pa. v. s.), wo sie eine kleine Ausstülpung darstellt, ohne jeg- liche Spur von Verzweigung. So ist der Entwickelungsgrad der drei Pankreasanlagen je nach der Zeit ihrer Entstehung ver- schieden. Die Gallenblase stellt auf Fig. 63 (G.bl.) eine Ausstül- pung der ursprünglich ventralen Wand des hinteren Leberganges (D. hep. 2) dar (vergl. Fig. 56), auf Fig. 64 — eine Ausstülpung der ursprünglich ventralen Wand des gemeinschaftlichen Lumen (vergl. Fig. 57); mit anderen Worten, sie hat auf diesen beiden Figuren dieselbe Lage, wie im vierten Stadium, und stellt folg- lich eine Ausstülpung dar, welche an der Übergangsstelle der ventralen Wand des hinteren Leberganges in die Ventralwand des Darms (Duodenums) sich befindet. Aber auf Fig. 62 und 65, d. h. vorne und hinten, ist die Gallenblase (G.bl.) als ein kleiner Kreis sichtbar, der in keinem Zusammenhang mit irgend wel- chen Leberteilen steht; er ist nur vom Lebergewebe umgeben. Man muss daraus schliessen, dass vorne und hinten die Gallen- blase einen kleinen Abschnürungsprozess durchgemacht hat, vorne kranio-kaudal, hinten kaudo-kranial. Deutlich sieht man es auf dem schematischen Längsschnitt (Fig. 67), wo die punktierte Linie 3 dem Querschnitte der Fig. 62 entspricht und die Linie 6 dem der Fig. 65. Der Darmtrakt mit den Anhangsdrüsen ist auf diesem Schema so gezeichnet, als ob sie alle in einer Sagittalebene sich befinden und als wenn wir sie von rechts betrachten würden. Die Gallenblase (G.bl.) er- scheint auf diesem Schema vorne und hinten ein wenig abge- schnürt. In der Leber haben wir drei Abschnitte angedeutet, von denen der dorsale und mittlere (Le,) ungefähr dem ursprüng- lichen vorderen Leberdivertikel, der ventrale (Le,) ungefähr dem ursprünglichen hinteren Divertikel entsprechen könnte. Infolge der starken Grössenzunahme konnte die Leber nicht ausschliess- 32* 492 BORIS CHORONSHITZKY, lich transversal sich ausdehnen, sondern musste mehr kranial wachsen, was auch aus diesem Schema ersichtlich ist. Die beiden Lebergänge (D. hep. 1 und D. hep. 2) haben sich einander ge- nähert und verlaufen jetzt mehr oder weniger parallel oder in einem ganz spitzen Winkel zu einander. Zwischen beiden Leber- gängen liegt mehr vorne die linke Seite der Vena omph.-mes. communis (ib. v. o. m. c.), mehr hinten, d. h. am Boden des spitzen Winkels, der quer hinüberziehende vorderste Teil der linken Vena omph.-mes., wie wir es oben schon erklärt haben (vergl. Fig. 63; auf dem Schema entspricht diese Figur der punktierten Linie 4). Die Mündung der ganzen Leberanlage ist im fünften Stadium (Fig. 67) bedeutend kleiner und enger als im vorigen Stadium (Fig. 59), wo die beiden Lebergänge noch sehr weite Öffnungen zum Darmtrakt hatten. Jetzt (Fig. 67) hängt schon die Leberanlage an einem doppelten Stiel, welcher aus den beiden Lebergängen des vorigen Stadiums vermittelst eines vorderen und hinteren Abschnürungsprozesses sich gebildet hat. Auf Fig. 67 sind diese Abschnürungsprozesse durch zwei Pfeile angedeutet, welche den zwei kleinen Pfeilen der Fig. 59 entsprechen. Der vordere Abschnürungsprozess ist ein kranio- kaudaler und trennt die dorsale Wand des vorderen Leberganges von der ventralen Darmwand ab. Der hintere Abschnürungs- prozess ist ein kaudo-kranialer und nimmt auch die Gallenblase mit. Dadurch wird letztere in den hinteren Lebergang einge- zogen und dieser Gang mündet nunmehr nicht direkt in den Darmtrakt (Fig. 67, D. hep. 2), sondern in die Gallenblase (G.bl.) und zwar in den vorderen Teil derselben, welcher sich schon ein wenig kranio-kaudal abgeschnürt hat (dieser Abschnürungs- prozess ist auf Fig. 59 durch den grossen Pfeil angedeutet). Die Mündung der Gallenblase selbst (Fig. 67, D. ey.), wenn sie auch noch sehr gross ist, könnte man schon jetzt als Ductus eysti- eus bezeichnen. Dieser bildet zusammen mit dem vorderen Lebergang (D. hep. 1) schon einen echten Duetus chole- Die Entstebung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 493 dochus (D. ch.). Der hintere Lebergang (D. hep. 2) ist folg- lich kein Bestandteil des Ductus choledochus, da er in das vor- dere Ende der Gallenblase mündet; er kann daher als Ductus hepato-cysticus bezeichnet werden, im Gegensatz zum vor- deren Lebergang, der direkt in den Darm mündet und daher als Ductus hepato-entericus bezeichnet werden kann. Die zwei letzten Bezeichnungen haben wir von Brachet (L.5) ent- lehnt, der bei Lacerta muralis ein ähnliches Verhalten des hin- teren Leberganges gefunden hat, wenn auch dort die erste An- lage der Leber eine ganz andere zu sein scheint. Wie verhalten sich die beiden ventralen Pankreas- anlagen zum Ductus choledochus? Aus dem Schema der Fig. 67 ersehen wir, dass die beiden mit je einem Pfeil be- zeichneten Abschnürungsprozesse, welche den Ductus choledochus ausscheiden, das Niveau der ventralen Pankreasanlagen nicht er- reichen. Diese beiden Anlagen, welche sich einander genau gegenüberliegen, sind folglich in diesem Stadium noch Ausstül- pungen der eigentlichen Darmwand und stehen zum Ductus choledochus in keinen engen Beziehungen, wenn sie auch an der Stelle gelegen sind, wo die seitliche Wand des letzteren in die seitliche Darmwand übergeht. Man kann daher jetzt noch nicht voraussagen, welche Lage im Laufe der weiteren Entwicke- lung die beiden ventralen Pankreasanlagen zum Ductus chole- dochus, resp. zu seinen Bestandteilen, d. h. dem Ductus hepato- entericus und Ductus eysticus, einnehmen werden. Was den Ductus hepato-cysticus anbetrifft, so wird über sein Verhalten zu den ventralen Pankreasanlagen überhaupt nicht mehr die Rede sein, da er schon jetzt nicht mehr in den Darm, sondern in das vordere Ende der Gallenblase mündet und eo ipso von diesen Anlagen entfernt ist. Wenn wir zur Betrachtung der Gefässe übergehen, so finden wir, dass sie im fünften Stadium folgende Veränderungen erlitten haben. Wir haben schon oben darauf hingewiesen, dass 494 BORIS CHORONSHITZKY, die Vena omph.-mes. sinistra auf Fig. 64 (v. o. m. s.) ein ganz winziges Gefäss darstellt, im Vergleich mit der mächtigen Vena omph.-mes. dextra (ib. v. o. m. d.). Auf den weiter hinten ge- legenen Schnitten wird die Vena omph.-mes. sinistra immer kleiner und kleiner, sodass endlich von ihr keine Spuren nach- bleiben. Und in der That sehen wir schon dieselbe auf Fig. 65 nicht mehr. Die Vena omph.-mes. dextra liegt auf dieser Figur (v. o. m. d.) rechts und dorsalwärts vom Darm (Da). Auf der nächstfolgenden Figur (Fig. 66) liegt diese Vene (v. o. m. d.) schon ausschliesslich dorsalwärts vom Darm (Da). Aufden weiter hinten folgenden Schnitten, welche von uns nicht gezeichnet sind, schiebt sich diese Vene immer mehr und mehr zur linken Seite des Darmes hinüber und verläuft entlang demselben, bis sie sich am vorderen Umfang des Darmnabels in mehrere Dotter- venen auflöst, die zur linken und rechten Seite des Darmdotter- sacks hinüberziehen. Wir sehen also, dass, während noch im vorigen Stadium die Dottervenen der rechten Seite in die rechte und die Dottervenen der linken Seite in die linke Vena omph.- mesenterica führten, münden jetzt die Dottervenen beider Seiten in eine an der linken Seite des Darmes liegende Vene, welche, wie wir gesehen haben, die direkte Fortsetzung der Vena omph.- mes. dextra darstellt. Was hat denn eigentlich veranlasst, die Vena omph.-mes. dextra solch einen eigenartigen Verlauf zu nehmen, d.h. etwa in Form einer Spirale dorsalwärts den Darm zu umbiegen und dann weiter nach hinten an seiner linken Seite zu verlaufen, um schliesslich in die beiderseitigen Dottervenen sich aufzulösen? Um das zu verstehen, muss man sich ver- gegenwärtigen, dass schon im vorigen Stadium die hinteren Teile der rechten und linken Vena omph.-mesenterica dicht vor dem Darmnabel sehr nahe zu einander lagen. Im fünften Stadium, mit der Vervollständigung des ventralen Darmverschlusses, wobei die vordere Darmfalte einerseits nach hinten verlängert und andererseits in transversaler Richtung verschmälert wurde, haben Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenhblase, Bauchspeicheldrüse ete. 495 sich die beiden Venae omph.-mesentericae dicht vor dem Darm- nabel so weit einander genähert, dass sie an dieser Stelle mit- einander verschmolzen sind. In das durch diese Verschmelzung entstandene Gefässeende münden auch jetzt die beiderseitigen Dottervenen. Dieses Gefässende führt nach vorne in das bereits beschriebene spiralförmige Gefäss. Der hintere Teil dieses Ge- fässes, welcher das Blut aus den beiderseitigen Dottervenen auf- nimmt und längs der linken Darmseite nach vorne zieht, stellt den hinteren Teil der ursprünglichen linken Vena omph.-mesen- terica dar. Durch diese Vene würde eben das Blut nach vorne direkt bis zum Ductus venosus strömen. Doch haben wir schon oben gesehen, dass diese Vene von beiden Lebergängen stark zusammengedrückt wurde, wodurch ein unüberwindliches Hinder- nis für den Blutstrom entstand. Das Blut musste sich einen anderen Weg suchen und benutzte die bereits im vierten Stadium vorhanden gewesene, damals allerdings noch unbedeutende, dor- sale Anastomose (Fig. 58, NB) zwischen beiden Venae omph.- mesentericae. Diese Anastomose ist jetzt durch den mächtigen Blutstrom stark erweitert worden und stellt den mittleren Teil des spiralfürmigen Gefässes dar, d. h. denjenigen Teil, welcher dorsalwärts den Darm umbiegt und auf Fig. 66 mit v. 0. m.d. bezeichnet ist. Durch diese erweiterte Anastomose strömt jetzt das Blut weiter nach vorne in den vorderen Teil der ursprüng- lichen Vena omph.-mes. dextra hinein, welcher zu gleicher Zeit der vordere Teil des spiralförmigen Gefässes ist. Der hintere Teil der Vena omph.-mesenterica dextra, vom vorderen Umfang des Darmnabels bis zur Anastomose, hat infolge der beschrie- benen Blutstromsveränderung seine Funktion eingebüsst und ist völlig verschwunden, sodass wir in diesem Stadium schon keine Spur von ihm sehen. Der vordere Teil der Vena omph.-mes. sinistra, von der Anastomose bis zum Ductus venosus, hat eben- falls seine Funktion eingebüsst und ist, wie wir schon oben ge- sehen haben, teilweise obliteriert, bis auf den ganz vorderen Teil, welcher auf Fig. 63 und 64 (v. o. m. s.) sichtbar ist. 496 BORIS CHORONSHITZKY., Aus dem ursprünglichen rein embryonalen Venensystem, dessen Grundlage die beiden Venae omph.-mesentericae bildeten, ist also ein einheitliches mächtiges, teilweise spiralig gewundenes (refäss entstanden, welches — von vorne nach hinten gezählt — aus 1. dem Ductus venosus, 2. dem vorderen Teil der Vena omph. mes. dextra, 3. der dorsalen Anastomose und 4. dem hinteren Teil der Vena omph.-mes. sinistra zusammengesetzt ist. Dieses Gre- fäss nımmt eben auf Grund obiger Zusammensetzung folgende Ge- fässe in sich auf: 1. Zahlreiche Lebervenen, entsprechend dem Ductus venosus; 2. die Vena lienalis und pancreatica, entspre- chend dem vorderen Teil der vena omph.-mes. dextra; 3. zahl- reiche beiderseitige Dottervenen und die Vena subintestinalis entsprechend dem hinteren Teil der Vena omph.-mes. sinistra. Alle hier aufgezählten Venen sind ausser der Vena sub- intestinalis uns schon bekannt. Letztere verläuft beim Hühn- chen ebenso wie bei Torpedo, d. h. kaudo-kranial entlang der ventralen Darmwand bis zum Darmnabel, welchen sie links um- biegt, um in der Nähe seines vorderen Umfanges in das hintere Ende des beschriebenen spiralförmigen Gefässes einzumünden. Dieses mächtige Gefäss nimmt also bereits jetzt die Venen der meisten Bauchorgane in sich auf und bildet hierdurch die Grund- lage der künftigen Vena portae. Im fünften Stadium finden wir schon Spuren noch. eines uns interessierenden Organes, welches seinen Ursprung im Mesen- chym hat. Das ist die Milz. Um ihre Entstehung zu ver- stehen, muss man sich vergegenwärtigen, wie in diesem Stadium das Mesoderm und das Mesenchyın zusammengesetzt sind. Was das Mesoderm anbetrifft, so sehen wir (Fig. 64), dass sein viscerales Blatt auf der ganzen rechten Seite aus einer einzigen Schicht polygonaler Embryonalzellen zusammengesetzt ist. Diese Zellen besitzen einen runden Kern, wie wir ihn bereits in den Leberzellen beschrieben haben. Im Kern ist ein deut- liches Kernkörperchen vorhanden, um ihn ein ganz schmaler } » 8 protoplasmatischer Ring sichtbar. Dieser Ring ist ungefärbt und fällt deswegen, wie auch seiner Schmalheit wegen, bei schwacher Vergrösserung fast gar nicht auf: es macht den Ein- druck, als stellte die rechte Hälfte des Visceralblattes nur eine einschichtige Reihe von runden Kernen dar, wie auch die Fig. 64 zeigt. So sieht auf dieser Figur das Mesoderm aus, welches die rechte Seite des Mesenteriums (Mes.), dieHochstettersche Hohl- venenfalte (H. v. f.) und die distale Fläche der Leber (Le.) über- zieht. Je weiter wir aber nach links hinübergehen, sehen wir, dass die Zellenkette des Mesoderms immer mehrschichtiger wird und an dem mit Mi bezeichneten mesenchymatösen Vorsprung erreicht sie ihre grösste Dicke. Fast die ganze linke Hälfte des Visceralblattes ist also mehrschichtig; die zusammengedrängten Kerne erscheinen hier oval und stehen senkrecht zur Oberfläche des Mesoderms. Die protoplasmatischen Körper sämtlicher Zellen sind hier zu einer matten ungefärbten Masse zusammmenge- schmolzen, welche den Eindruck einer Intercellularsubstanz macht, in der sämtliche Kerne eingebettet sind und in der man die Grenzen der einzelnen Zellen äusserst schwer unterscheiden kann. Nach innen von der mehrschichtigen Reihe der Kerne bildet diese Protoplasmasubstanz einen matten Saum, welcher gewisser- massen eine Grenze zwischen Mesoderm und Mesenchym dar- stellt. Dieser Saum gehört der obersten Zellenreihe des ımeso- dermalen Epithels an und ist durch das Zusammenfliessen der oberen Teile sämtlicher Protoplasmakörper dieser Zellenreihe entstanden. Bei starker Vergrösserung sieht man in diesem Saum viele parallele, zur Oberfläche des Mesoderms senkrecht stehende zarte Striche, welche die Grenzen der einzelnen proto- plasmatischen Zellkörper bezeichnen. Der linke Teil des Visceral- blattes stellt nach alledem ein mehrschichtiges Oylinderepithel dar. Es muss hier erwähnt werden, dass in den jüngeren Stadien das ganze Visceralblatt des Mesoderms ein mehrschichtiges Epi- thel darstellte, welches allmählich in seiner rechten Hälfte durch 495 BORIS CHORONSHITZKY, die stark wachsende Leber ausgedehnt und in eine einschichtige Zellenkette umgewandelt wurde, wie wir es auf Fig. 64 sehen. Bei dieser Ausdehnung des Epithels haben die einzelnen es zu- sammensetzenden Zellen infolge der ihnen innewohnenden Elas- tizität die rundliche poligonale Form gewöhnlicher Embryonal- zellen angenommen. Im nächsten, d. h. sechsten Stadium wird auch schon die linke Hälfte des Visceralblattes durch den stark nach links und hinten sich ausdehnenden Magen ebenfalls in eine einschichtige Zellenreihe umgewandelt werden und vom mehr- schichtigen Cylinderepithel wird in der Magen -Lebergegend nicht viel mehr zu sehen sein. Das mesodermale Cylinderepithel stellt folglich nicht etwas Konstantes dar: es scheint gewissermassen nur zeitweilig zusammengesetzt zu sein. Seine Zellen sind auch eigentlich keine echten Oylinderzellen mit deutlich ausgeprägten Kontouren, welche auch an und für sich, d. h. nicht nur im epithelialen Verbande, als solche gelten könnten. Sie be- halten ihre cylindrische Gestalt nur solange sie von den be- nachbarten Zellen zusammengedrückt sind. Wird aber dieser Druck aufgehoben, so macht sich sofort die ihnen innewohnende Blastizität geltend und sie verwandeln sich momentan in poly- gonale Embryonalzellen. Innerhalb des Visceralblattes des Mesoderm befindet sich das Darmmesenchym, d.h. dasjenige Mesenchym, in welches der ganze Darmtrakt samt seinen Anhangsorganen eingebettet ist und durch welches die Formen dieser Organe gewissermassen abgerundet sind (Fig. 64). Das Mesenchym stellt also ein Binde- glied zwischen Mesoderm und Entoderm dar. Auf Fig. 64 sehen wir im Mesenchym eine Anzahl rundlicher Kerne mit Kern- körperchen. Viele dieser Kerne haben einen nur bei starker Vergrösserung gut sichtbaren schmalen protoplasmatischen Kör- per um sich; mit anderen Worten, viele Zellen des Mesenchym sind gewöhnliche polygonale Embryonalzellen, wie wir sie schon in der rechten Hälfte des Mesoderms gesehen haben. Um einen Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 499 anderen Teil von Kernen sehen wir aber einen protoplasma- tischen Körper, welcher feine dünne Ausläufer oder Fortsätze trägt. Die Ausläufer der benachbarten Zellen verbinden sich untereinander und bilden ein zartes protoplasmatisches Netz, in dessen Maschen die rundlichen Embryonalzellen — je zwei oder drei — liegen. Das Mesenchym stellt also ein echtes retiku- läres Gewebe dar, welches freie Embryonalzellen und fixe Sternzellen enthält. Die letzteren bilden die Knoten- punkte des Netzes und zeigen auf den Schnitten gewöhnlich je 3-4 Ausläufer; die freien Zellen sieht man in den Maschen, sowie auch hie und da auf den protoplasmatischen Ausläufern liegen. Wie verhält sich nun das Mesenchym zum Meso- derm und Entoderm? Was das Verhalten des Mesenchym zum Mesoderm anbetrifft, so muss man in dieser Beziehung die linke und rechte Hälfte des Visceralblattes besonders betrachten, da, wie wir oben gesehen haben, ihre Struktur eine verschiedene ist. Die rechte Hälfte des Visceralblattes stellt eine Kette rundlicher Embryonalzellen dar, die in keinem innigen Zusammenhang stehen, sondern mehr oder weniger locker neben- einander liegen. Die freien Zellen des daneben liegenden Mesen- chyms berühren an vielen Stellen die mesodermale Zellenkette. In letzterer sehen wir hie und da karyokinetische Figuren, unter denen auch solche vorhanden sind, deren Längsachse senkrecht zur Oberfläche des Mesoderms steht. Diese Figuren sind viel grösser als die übrigen Zellen des Mesoderms und ragen aus dem letzteren mehr oder weniger tief in das Mesenchyın hinein. Es ist klar, dass nach der Teilung solcher Figuren die nach innen gewandten Tochterzellen dem Mesenchym angehören müssen, da wir keinen Grund haben anzunehmen, dass diese Tochterzellen etwa nachträglich in die kontinuierliche Zellenkette des Mesoderms sich einschieben. Andererseits findet auch nirgends in der rechten Hälfte des Visceralblattes eine sichtliche Verdoppel- 500 BORIS CHORONSHITZKY, ung dieser Zellenkette statt, was doch vorhanden sein müsste, wenn sämtliche Tochterzellen dem Mesoderm als seine Bestandteile anhaften bleiben würden. Man muss daher annehmen, dass ein Theil der freien dem Mesoderm anliegenden Zellen vom letzteren abstammen; doch sind wir nicht imstande zu sagen, welche dieser Zellen mesenchymatösen und welche mesoder- malen Urprungs sind, da sie doch alle die Gestalt rundlicher Embryonalzellen besitzen.‘ Die Schlussfolgerung ist die, dass im Mesenchym entschieden mesodermale Elemente vorhanden sein müssen, deren weiteres Schicksal man aber nicht verfolgen kann, da sie sich durch nichts von den übrigen freien Zellen des Mesenchyms nnterscheiden. Was die linke Hälfte des Visceralblattes anbetrifft so können wir in Bezug auf ihr Verhalten zum Mesenchym folgendes sagen: wir sehen hie und da in der obersten Zellen- reihe des mesodermalen Epithels der linken Seite karyokinetische Figuren, welche senkrecht zu seiner Oberfläche stehen und in seinen matten Begrenzungssaum hineinragen. Nach der Teilung solcher Figuren müssen die nach innen gewandten Tochterzellen in das Mesenchym übergehen. Bevor sie aber das thun, scheinen sie noch einige Zeit im matten Saum zu verweilen, denn wir sehen in letzterem hie und da rundliche Kerne, die auf der obersten Kernreihe lagern, d. h. solche Kerne, welche sich schon aus dem epithelialen Verbande gelöst haben, aber noch nicht aus dem matten Saum ins Mesenchym übergegangen sind. Es scheint ausserdem, dass manche dieser Zellen hier, d. h. solange sie noch im matten Saum liegen, sich abermals teilen, denn wir finden in letzterem solche karyokinetische Figuren, welche nicht der obersten Kernreihe angehören, sondern auf der letz- teren liegen. Nach der Teilung der letztgenannten Figuren gehören schon die beiden daraus entstandenen Tochterzellen nicht mehr der obersten Kernreihe an; sie gehen eine nach der anderen ins Mesenchym über. Man sieht auch stellenweise, Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 501 besonders häufig aber an dem auf Fig. 64 mit Mi bezeichneten mesenchymatösen Vorsprung ganze Züge rundlicher Zellen, welche aus dem Mesoderm ins Mesenchym übergehen. Manch- mal sind es sogar keine Züge, sondern grössere Anhäufungen von S—12 runden Zellen, welche auf der obersten Kernreihe des mesodermalen Fpithels liegen und in das Mesenchym weit hineinragen. Zwei solche Stellen sind auf Fig. 64 mit x und x2 bezeichnet. Die linke Seite des Visceralblattes zeigt also, besonders entsprechend dem mit Mi (Fig. 64) bezeichneten Vorsprung, einen Massenübergang von mesodermalen Zellen ins Mesenchym. Diese Zellen gestalten sich gleich nach ihrem Austreten aus dem epithelialen Verbande infolge der ihnen inne- wohnenden Elastizität zu runden Embryonalzellen und ver- mehren hierdurch die Zahl der freien Zellen des Mesenchyms. Ihr weiteres Schicksal kann nicht mehr ver- folgt werden, da sie von jetzt ab sich durch nichts von den anderen freien Zellen des Mesenchyms unterscheiden. Die auf Fig. 64 mit Mi bezeichnete Stelle, wo die Zahl der freien Mesenchymzellen auf Kosten des Mesoderms resp. Mesothels ganz bedeutend zugenommen hat, stellt die erste Anlage der Milz dar. Letztere wird eben durch die Zunahme der Zahl der freien Mesenchymzellen, gewissermassen durch Verdichtung des hier befindlichen Mesenchymgewebes auf Kosten des Mesothels, eingeleitet. Das Verhältnis des Entoderm zum Mesenchym ist in diesem Stadium kein so enges wie das des Mesoderm zum Mesenchym. Das Entoderm stellt jetzt ein mehrschichtiges Cylinderepithel dar, welches konstanter und haltbarer zu sein scheint als das mehrschichtige Cylinderepithel des Mesoderm. Letzteres wird nämlich, wie wir schon oben gesehen haben, kontinuierlich durch den in das Visceralblatt eingeschlossenen und stark wachsenden Darmtrakt ausgedehnt und scheint daher schon von vorn herein gewissermassen zur Auflösung bestimmt 502 BORIS CHORONSHITZKY, zu sein. Kein Wunder, dass dabei viele seiner Zellen ins Mesenchym übergehen. Ganz anders verhält sich das ento- dermale Cylinderepithel. Es besteht aus regelmässigen Zellen- reihen und zeigt keine Tendenz zur Auflösung. Das ihm an- liegende Mesenchym hat um den ganzen Darmtrakt samt seinen Anhangsdrüsen ein cirkulär angeordnetes aus Spindelzellen und Fasern bestehendes Gewebe gebildet, welches das Entoderm vom übrigen Mesenchym abgrenzt. Es ist klar, dass dieses cirkulär angeordnete, den Darmtrakt umspinnende Gewebe das Entoderm fest zusammenhalten und es gewissermassen vor Auf- lösung schützen muss. Wir sehen zwar hie und da in der Grundschicht des. Entoderm, welche an das Mesenchym grenzt, senkrecht zu seiner Oberfläche stehende karyokinetische Figuren, nach deren Teilung die eine Tochterzelle in das Mesenchym gelangen könnte. Wir sehen auch andrerseits unter dem ento- dermalen Epithel, zwischen letzterem und dem cirkulär ange- ordneten Gewebe freie rundliche Embryonalzellen, welche eben die vom Entoderm ausgeschiedenen Zellen sein könnten. Aber mit Entschiedenheit kann man dies nicht behaupten, da diese zwischen Entoderm und cirkulärem Gewebe stecken gebliebenen Zellen ebensogut mesenchymatösen Ursprunges sein können. Wenn also ein Übergang von entodermalen Elementen ins Mesen- chym überhaupt in diesem Stadium vorhanden ist, so ist er ganz minimal, denn widrigenfalls müsste zwischen Entoderm und cirkulär angeordnetem Gewebe eine grössere Anhäufung von freien Embryonalzellen zu stande kommen, da doch letztere eben durch das ceirkuläre Gewebe verhindert sind, nach dem Austreten aus dem Entoderm sofort in das eigentliche Mesenchym zu ge- langen und auf solche Weise unserer Beobachtung zu entgehen. Ganz anders waren die Verhältnisse in den jüngeren Stadien. Dort war der Darmtrakt noch nicht vom cirkulär angeordneten Gewebe umsponnen; das Entoderin bestand noch nicht aus regelmässigen Zellenreihen und erinnerte mehr an das mehr- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 503 schichtige Cylinderepithel, welches wir im fünften Stadium in der linken Hälfte des Visceralblattes gesehen haben. In der Grundschicht des Entoderm der jüngeren Stadien sahen wir auch viel öfter senkrecht zu seiner Oberfläche stehende karyo- kinetische Figuren und unter dem Entoderm viele freie Embryonal- zellen, welche hie und da sogar ganze Züge und Haufen bildeten, die direkt aus dem Entoderm ins Mesenchym übergingen, ganz so wie wir das im fünften Stadium an der linken Hälfte des Visceralblattes beobachtet haben. Es unterliegt also keinem /weifel, dass in den jüngeren Stadien ein reger Übergang von entodermalen Elementen ins Mesenchym vorhanden war. Im fünften Stadium ist dieser Übergang schon ganz unbedeutend und vielleicht fast gleich Null. Wir wollen nun zum Verhalten des dorsalen Pankreas zum Mesenchym übergehen. Diese Frage ist für uns von besonderem Interesse, da das dorsale Ende dieser Drüse so nahe der Milzgegend liegt und von vielen Autoren die Milzanlage in Zusammenhang mit dem Pankreas überhaupt und mit dem dorsalen Pankreas insbesondere gebracht wird. Wir müssen hier teilweise das wiederholen, was wir schon über das Entoderm im allgemeinen gesagt haben. In den jüngeren Stadien, wo das dorsale Pankreas noch eine längliche Ausstülpung der dorsalen Darmwand darstellt, verhält es sich zum Mesenchym ebenso wie die übrige Darmwand, d. h. man sieht einen regen Übergang von pankreatischen Zellen ins Mesenchym. Im fünften Stadium aber ist das stark gewucherte Pankreas schon vom eirkulär angeordneten Gewebe umsponnen (Fig. 64, eire. Bgw.). Dieses Gewebe dringt zwischen sämtliche Verzweigungen der Drüse ein und bildet um jede derselben eine Art Drüsenkörbehen. Die pankreatischen Verzweigungen sind auf unseren Schnitten in den verschiedensten Richtungen getroffen. Dort, wo sie quer getroffen sind, stellen sie im Mesenchym nahe der Drüse liegende kreisrunde Schläuche mit kleinerem oder grösserem runden, 504 BORIS-CHORONSHITZKY, centralen Lumen dar. Um das Lumen liegt eine einzige Schicht kegelförmiger, nach innen zugespitzter Drüsenzellen, mit rundem Kern und deutlichem Kernkörperchen. Diese Zellen erinnern, wie schon erwähnt, an die Leberzellen. Wenn ein Drüsenschlauch tangential getroffen ist, so sieht man in ihm kein Lumen, sondern um einen centralen Punkt eine Schicht kegelförmiger Zellen. Das centrale Lumen ist desto grösser, je näher zur Drüse der Schlauch getroffen ist. Im allgemeinen sieht man fast auf jedem Schnitt in der Nähe des dorsalen Endes der Drüse im Mesenchym zerstreut hie und da in den verschiedensten Richtungen ge- troffene Drüsenschläuche, welche alle aber von eirkulären Gewebe umsponnen sind. Nirgends sieht man aus diesen Schläuchen Zellen ins Mesenchym austreten. Das wäre auch unmöglich, weil gerade das eirkuläre Gewebe es verhindert. Wenn das aber der Fall wäre, so würde es nicht unbemerkt bleiben, da die pankreatischen Zellen durch ihren grossen Protoplasmakörper und die deutlichen Konturen sich leicht von den Mesenchym- zellen unterscheiden lassen. Die pankreatischen Schläuche sind aber überall intakt und zeigen nirgends einen Austritt von Zellen. Man sieht auch keine karyokinetischen Figuren in den pankreati- schen Drüsenzellen. Es fragt sich nun, ob nicht etwa ganze Pankreasschläuche von der Drüse sich ablösen und im Mesenchym resp. in der Gegend der Milzanlage liegen bleiben, um nachher oder viel- leicht schon gleich darauf zu zerfallen, mit anderen Worten, im Mesenchym sich aufzulösen. Diese Hypothese können wir mit absoluter Sicherheit zurückweisen. Denn, wenn wir auch in der Nähe des dorsalen Drüsenendes im Mesenchym liegende Pankreasschläuche sehen, so stehen sie doch alle auf dem einen oder anderen benachbarten Schnitt in Verbindung mit der Drüse, und wir haben beim Hühnchen niemals vollständig vom Pankreas abgetrennte Schläuche finden können, welche auf keinem Schnitt mit ihm in Zusammenhang ständen. Man kann aber anderer- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 505 seits auch nicht voraussetzen, dass sich wohl Drüsenschläuche vom Pankreas abtrennen, die jedoch rasch im Mesenchym zer- fallen, sodass wir schon im nächsten Stadium keine Spur von ihnen wahrnehmen. Gerade das cirkulär angeordnete Gewebe ist es, welches den raschen Zerfall der vom Pankreas abge- trennten Drüsenschläuche verhindern müsste. Wir könnten höchstens, wenn eine Abtrennung derselben wirklich vorhanden wäre, im nächsten Stadium neue mikroskopische Bilder bekommen, wie z. B. im Zerfallen begriffene Drüsenschläuche, im Mesenchym zerstreute Drüsenzellen, mit oder ohne Zeichen von Degeneration. Wir finden aber weder das Eine noch das Andere. Und da wir in den nächsten Stadien auch keine solchen Drüsenschläuche auf- weisen können, welche zwar unverändert aber doch vom Pankreas völlig abgetrennt sind, d. h. mit diesem auf keinem Schnitt in Zusammenhang stehen, so können wir mit absolutester Sicher- heit sagen, dass beim Hühnchen im fünften Stadium, d. h. vom Momente ab, wo das Pankreas als verzweigte, vom cirkulären (Gewebe umsponnene Drüse sich repräsentiert —, keine pankreati- schen Elemente mehr, weder einzelne Zellen, noch ganze Schläuche, ins Mesenchym resp. in die Milzanlage übergehen. Letztere bildet sich folglich ganz unabhängig vom Pankreas. Die enge Nachbarschaft zwischen Milz und Pankreas ist also eine rein zufällige, wenn man sich so ausdrücken darf. Betrachten wir Fig. 64, so sehen wir zwischen der Milz- anlage (Mi), d. h. dem verdichteten Mesenchym und dem dor- salen Ende des dorsalen Pankreas eine mehr weniger beträcht- liche Schicht von normalem resp. unverdichtetem Mesenchym- gewebe, welches gewissermassen die beiden Organe von ein- ander trennt. Wir haben allerdings auch andere dem fünften Stadium angehörende Präparate, wo manchmal die Verdichtung des Mesenchyms bis an das cirkulär angeordnete, das Pankreas umspinnende Gewebe (Fig. 64, circ. Bgw.) reicht. Dadurch wird aber niemals ein Zusammenhang zwischen Milzanlage und Pan- Anatomisehe Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIN. Heft. (13. Bd., H. 2,3.) 33 506 "BORIS CHORONSHITZKY. kreas geschaffen: die Nachbarschaft dieser beiden Organe wird nur dadurch eine engere. Ein etwaiger Übergang von pankrea- tischen Elementen in die Milzgegend ist auch in diesen Fällen vollständig ausgeschlossen. Was die Topographie der Milzgegend anbetrifit, so können wir darüber folgendes sagen. Die Milzanlage befindet sich an dem schon mehrmals erwähnten mesenchymatösen Vor- sprung (Fig. 64, Mi) und ist etwa auf 40 Schnitten sichtbar (Fig. 62---66, Mi). Der genannte Vorsprung entspricht der Kante einer kranio-kaudalen Falte des Mesenterium, welche durch die gastro-duodenale Drehung des Darmtraktes bedingt ist. Infolge _ letzterer wurde das Mesenterium zusammen mit dem Magen stark nach links verlagert (Fig. 60—61) und hat zwei Knickungen erfahren: eine nahe der Wurzel, die andere an der Stelle, wo es auf den Magen übergeht. Diese beiden Knickungen sieht man deutlich auf Fig. 61, wo die beiden Mesodermblätter des Mesenteriums nahe zu einander liegen und letzteres also eine doppelt geknickte oder doppelt gefaltete Platte darstellt. Uns interessiert hier diejenige Falte, welche am Übergange des Mesenteriums auf den Magen sich befindet. Im Querschnitt bildet diese Falte einen mit der Kante nach links und dorsal- wärts gerichteten Winkel. Der eine Schenkel dieses Winkels ist nach rechts gerichtet, zur sog. Hohlvenenfalte (Hoch- stetter; Fig. 61, H.v.f.), der andere Schenkel ventralwärts, um auf den Magen überzugehen. Dieser Schenkel ist eben, weil er auf den Magen übergeht, viel breiter als der erstere. Weiter hinten (Fig. 63-66), wo der Magen aufhört und das schmälere Duodenum sichtbar wird, müsste der genannte Schenkel auch schmäler werden. Das ist aber nicht der Fall, weil an Stelle des Magens zwischen beide Mesodermblätter des Mesenteriums jetzt die mächtige Vena omph.-mes. dextra und das dorsale Pankreas sich eingeschoben haben (Fig. 64), durch welche das rechte Visceralblatt des Mesenteriums weit nach rechts verdrängt Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 507 wird. Dadurch wird die Form des Mesenteriums dermassen verändert, dass man seine beiden Falten nicht mehr deutlich erkennt. Der mesenchymatöse Vorsprung Mi (Fig. 64) entspricht aber der Kante derjenigen Falte, welche im Querschnitt den oben erwähnten Winkel bildet. Das dorsale Pankreas ist mit seinem dorsalen Ende direkt nach dieser Kante hin gerichtet, sodass letztere dadurch noch deutlicher in die Leibeshöhle hinein- gestülpt wird. DieMilzanlage entsprichtalso beim Hühn- chen der Kante einer kranio-kaudalen Falte des Mesenteriums, welche durch die gastro-duodenale Drehung des Darmtrakts bedingt ist und durch das stark wuchernde dorsale Pankreas noch deutlicher ausgeprägt wird. Wenn wir bedenken, dass durch die gastroduodenale Dreh- ung des Darmtraktes und die Verlagerung des Mesenteriums nach links, wie sie im fünften Stadium bereits stark ausgeprägt ist, die Anlage der Bursa omentalis und des grossen Netzes ge geben ist, so ist es klar, dass die Milzanlage, welche mit dem linken Visceralblatt eng zusammenhängt, von vornherein ausser- halb des Netzbeutels sich befindet. In Bezug auf die Milz- anlage beim Menschen hat Toldt, wie wir schon in der Über- sicht der Litteratur erwähnt haben, dasselbe angegeben, indem er sagte, dass „gewöhnlich die Milz an der äusseren Seite des Mesogastriums angelegt wird, d. h. bei normaler Lage des Magens an der ursprünglich linken Seite des Mesogastriums“. Nun fügt aber Toldt hinzu, dass „bei umgekehrter Lage des Magens die Milz an der ursprünglich rechten Seite des Mesogastriums angelegt wird.“ Wir haben schon an betreffender Stelle erwähnt, dass Toldt für letztere Hypothese einen ungenügenden Beweis in der Gestalt zweier Sektionsbefunde mit umgekehrter Lage des Magens giebt. Wenn in diesen beiden Sektionsfällen nur eine rechtsseitige Milz gefunden wäre, so könnte das wirklich für die Toldtsche Hypothese sprechen. Das war aber nicht der 508 BORIS CHORONSHITZKY, Fall, da die beiden Sektionsbefunde nur neben einer Milz inner- halb des Netzbeutels, d. h. neben einer linksseitigen Milz auch noch rechtsseitige Milzen ergaben. Allerdings können wir eine zutreffende Erklärung dieser Befunde nicht geben, aber die Toldtsche Hypothese scheint uns dazu durchaus unge- nügend zu sein. Toldt glaubt, dass bei umgekehrter Lage des Magens anormale Druckverhältnisse und andere mechanische Hindernisse vorhanden seien, sodass die Milz sich nicht an normaler Stelle entwickeln kann, sondern an einer ganz anderen. Man müsste daraus schliessen, dass die Milz nur aus rein mechanischen Gründen entsteht und nicht deswegen, weil der betreffende Abschnitt des Mesothels, welcher die Milzanlage ein- leitet, schon von vornherein in sich die Bestimmung zur Bil- dung der Milz trägt. Wenn das wirklich der Fall wäre, so würden wir in allen Fällen von umgekehrter Lage des Magens höchst wahrscheinlich gar keine Milz haben. Es erscheint uns plausibel, dass anormale Druckverhältnisse und rein mechanische Hindernisse die Bildung eines Organs an normaler Stelle ver- hindern können, aber dass sie die Bildung dieses Organs an einer anderen Stelle veranlassen könnten, das ist zweifelhaft, denn man müsste sonst dem Mesothelabschnitt, welcher die Milz- anlage einleitet, jede Spezifieität absprechen, was Toldt auch thut, indem er sagt, dass die Entstehung der Milz an einer anormalen Stelle leicht erklärlich ist, da das Peritonealepithel anfangs auf beiden Seiten des Mesogastriums gleich beschaffen und in normalen Verhältnissen auch auf der ursprünglich rechten Seite des letzteren eine schwache .Verdiekung dieses Epithels vorhan- den ist. Bei dieser Auffassung der Milzanlage muss ‚man nach einem anderen und zwar nach einem rein mechanischen Moment suchen, welches die Milzanlage in normalen Verhält- nissen an normaler Stelle, bei umgekehrter Lage des Magens an anormaler Stelle einleitet. „In dieser Beziehung, sagt Toldt, mag die Arteria gastro-epiploica zusammen mit der Richtung Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 509 ihres Blutstromes von Bedeutung sein.“ Wir können uns aber dieser Toldtschen Hypothese in keinem Fall anschliessen, da wir niemals, bei keiner Wirbeltierabteilung eine Abhängigkeit der Milzanlage von arteriellen Gefässen gesehen haben. Auch haben wir bei keinem Forscher, der die Entstehung der Milz untersucht hat, irgend welchen Hinweis auf eine solche Ab- hängigkeit der Milzanlage von einer Arterie gefunden. Die meisten Forscher betonen im Gegenteil einen gewissen Zusammenhang der ersten Milzanlage mit dem Venensystem und das späte Hin- zutreten der Arteria lienalis. Dasselbe wird sich auch aus unseren weiter unten zu erörternden Untersuchungen ergeben, welche gleich- zeitig dazu beitragen ‚sollen festzustellen, dass die erste Milzan- lage bei allen Wirbeltierabteilungen an einen gewissen Abschnitt des linken Visceralblattes gebunden ist, aber nicht in dem Sinne, wie es Toldt für die Entstehung der Milz beim Menschen angiebt. Nach Toldt nimmt an der Milzanlage nur das Meso- derm (Mesothel) teil, welches eine Verdickung und Zellvermeh- rung zeigt und so an und für sich die erste Milzanlage abgiebt. Das Mesenchym soll sich an letzterer beteiligen nur insofern es als Ausgangspunkt für die Blutgefässe dient, welche in gewisse Beziehung zum wuchernden Coelomepithel treten und auch in die Milzanlage hineinwachsen. Wir können uns dieser Ansicht nicht anschliessen und müssen darauf zurückweisen, dass die Milzanlage schon von vornherein einen gewissen Be- zirk des Mesenchyms einnimmt, welcher allerdings auf Kosten des angrenzenden Mesothelabschnittes resp. mit Hülfe der aus letzterem herstammenden freien Zellen verdichtet wird und sich auf solche Weise zur Milzanlage spezifiziert. Das Mesothel stellt folglich für die erste Milzanlage gewisser- massen nur ein Keimepithel dar, ohne welches sie nicht entstehen kann und an welches sie daher gebunden sein muss. Wir glauben ausserdem annehmen zu dürfen, dass der Mesothelabschnitt, welcher die Milzanlage einleitet, schon früh 510 BORIS CHORONSHITZKY, in sich die Bestimmung dazu trägt, sodass es unmöglich ist, dass unter Umständen ein anderer Mesothelabschnitt die Rolle eines Keimepithels für die Milzanlage übernehmen soll. Der die Milzanlage einleitende Mesothelabschnitt entspricht beim Hühnchen, wie wir gesehen haben, der Kante einer Mesenterial- falte, — ein Umstand, welcher lediglich durch die gastroduodenale Drehung des Darmtraktes bedingt ist. Ähnliche Verhältnisse werden wir auch bei anderen Wirbeltierabteilungen sehen. Wir werden aber zu gleicher Zeit auch Gelegenheit haben, bei einem von uns untersuchten Tier — beim Frosch — sehr abweichende Verhältnisse zu sehen, welche davon herrühren, dass bei diesem Tier der Darmtrakt schon sehr früh eine vielgewundene Schlinge darstellt, die so gelagert ist, dass die Milzanlage von ihr „unberührt bleibt und daher ihren Entstehungsort am linken Visceralblatt beibehält, ohne nach links verdrängt zu werden (Fig. 79a, Mi). Beim Frosch hat folglich die Milz ihre primitive Lage erhalten. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 511 Was das Verhalten der Blutgefässe zur ersten Milzanlage anbetrifft, so können wir darüber folgendes sagen: die schon im vierten Stadium vorhanden gewesene Vena lienalis zerfällt im fünften Stadium in der Nähe der Milzanlage in mehrere kleinere Ästchen, welche zur letzteren hinziehen. Aber nicht alle diese Ästchen dringen in das verdichtete Mesenchym der Milzanlage ein, sondern einige hören an der Oberfläche der letzteren auf. Die Milz erscheint (Fig. 68, Mi; Fig. 68 und 69 stellen zwei Querschnitte eines anderen Hühnchenembryo des fünften Stadiums dar) an der der Vena lienalis zugewandten Seite in mehreren Stellen von den kleinen Ästchen eingedrückt. Verfolgt man letztere, so sieht man, dass sie nur ausserhalb der Milzanlage eine eigene Endothelwand besitzen, welche beim Ein- dringen der Ästchen in das verdichtete Mesenchym aufhört. Innerhalb des letzteren kann man die Lumina der kleinen Ge- fässe noch weiter verfolgen, aber sie haben dort schon keine eigentliche Endothelwand, sondern sind lediglich von den Fäden des retikulären Mesenchym- resp. Milzgewebes begrenzt. Sie haben daher innerhalb des letzteren keine regelmässige rundliche Form, sondern sehen eckig und unregelmässig aus. Innerhalb dieser unregelmässigen Lumina sieht man neben Embryonalzellen und echten Blutkörperchen noch andere freie Zellen, welche wir als Übergangsstufe zwischen den freien Embryonalzellen und den Blutkörperchen betrachten müssen. Während die Blutkörper- chen einen grossen runden Protoplasmakörper und einen grob- körnigen intensiv gefärbten Kern besitzen, innerhalb dessen man das Kernkörperchen nicht unterscheiden kann —, besitzen die genannten Übergangszellen einen schwächer gefärbten Kern, in welchem man deutlich ein Kernkörperchen unterscheiden kann und welcher, ähnlich wie in den Blutkörperchen, von einem grossen rundlichen Protoplasmakörper umgeben ist. Von den freien Embryonalzellen unterscheiden sich diese Übergangszellen eben nur durch den grossen Protoplasmakörper, da bekanntlich 512 BORIS CHORONSHITZKY, die Embryonalzellen einen sehr kleinen Körper besitzen, welcher in Form eines sehr schmalen protoplasmatischen Ringes den Kern umgiebt (auf dem mikroskopischen Bilde). Letzterer ist in beiderlei Zellen, d. h. in den Übergangszellen und in den Embryonalzellen, derselbe. Es ist klar, dass innerhalb der kleinen venösen Milzgefässe die Embryonalzellen in Blutkörperchen übergehen: anfangs wird der kleine Proto- plasmakörper gewissermassen von der Blutflüssigkeit durchtränkt und quillt stark auf; wenn jetzt der Kern grobkörnig wird und sich intensiver färbt, so haben wir schon echte Blutkörperchen vor uns. Die Milzanlage steht also von vorne herein in sehr engen Beziehungen zum Venensystem: die Maschen ihres Gewebes sind gewissermassen direkte Fortsetzungen der Gefässlumina, sodass die freien Embryonalzellen unmittelbar in den venösen Blutstrom gelangen können. Ihre Umwandlung in ‚Blutkörperchen lässt sich durch das Vorhandensein der ge- schilderten Übergangszellen feststellen. Was die Arteria lienalis anbetrifft, so ist sie im fünften Stadium schon vorhanden (Fig. 68, A. l.) und stellt einen Ast der Arteria mesenterica dar, von welcher sie vor der Gegend der Milzanlage entspringt und zur letzteren hinzieht. Die Arteria lienalis erreicht aber in diesem Stadium die Milzanlage noch nicht und hört unweit von der letzteren ganz plötzlich auf, ohne in kleinere Äste zu zerfallen. Bemerkenswert ist es, dass die Arteria mesenterica sowie auch die von ihr entspringende Arteria lienalis in diesem Stadium (Fig. 68, A. mes. und A. |.) von Blutkörperchen vollgepfropft sind, sodass man in ihnen absolut kein Lumen sieht und bei schwacher Vergrösserung sie sogar übersehen kann, da sie von der Umgebung sich nicht deutlich genug unterscheiden. Bei starker Vergrösserung sieht man aber die beiden Anhäufungen von Blutkörperchen und um dieselben das Gefässendothel. Erst in der Nähe der Aorta wird die Arteria mesenterica freier und zeigt schon ein*Lumen. — Die erste Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bsuchspeicheldrüse ete. 513 Milzanlage steht also mit dem Arteriensystem in keinem Zusammenhang, während sie, wie wir gesehen haben, zum Venensystem schon von vorneherein ganz enge Be- ziehungen hat. Wenn wir jetzt alles zusammenfassen, was wir in Bezug auf die erste Milzanlage gesagt haben, so können wir folgenden Schluss daraus ziehen: die Milz ist von vorneherein ein mesen- chymatöses Organ. Sie ist bei ihrer Entstehung an einen gewissen Abschnitt des Mesothels gebunden, welches für die Milzanlage eine Art Keimepithel ausmacht. Die Rolle dieses Keimepithels beschränkt sich nur auf eine massenhafte Aussendung von freien Embryonal- zellen, welche den anliegenden Mesenchymbezirk überschwemmen, verdichten und so zur Milzanlage spezifizieren. Das Grundgewebe der letzteren ist also Mesenchym. Die Grenzen zwischen normalem und verdichtetem Mesenchym sind selbstverständlich keine scharfen. Die Ausdehnung der ersten Milzanlage lässt sich daher nicht ganz genau bestimmen, ebenso wie man auch nicht ganz genau die Grenzen ihres Keimepithels feststellen kann. Das verdichtete Mesen- chym und das Keimepithel gehen ganz allmählich in die Umgebung über. Die Maschen des verdichteten Mesenchyms stehen in unmittel- barem Zusammenhange mit der Vena lienalis, d. h. sie stellen direkte Fortsetzungen ihrer Ästchen dar, sodass die freien Embryonalzellen der Milzanlage unmittelbar ın den venösen Blutstrom gelangen können, wo sie sich in Blutkörperchen umwandeln. Mit der Arteria lienalis steht die erste Milzanlage in keinem Zusammenhang. Ebenso ıst letztere vollständig unabhängig von der Bauchspeichel- drüse, mit welcher sie in keinem genetischen Zusammenhang steht. So ist nach unserer Meinung die erste Milzanlage aufzu- fassen. Blicken wir auf die Litteratur über die Entstehung der Milz zurück, so finden wir, dass schon Peremeschko (L. 69) darauf hingewiesen hat, dass die Milzanlage durch eine Ver- mehrung der Mesenchymzellen des Mesenteriums eingeleitet wird. Das Mesothel lässt er dabei unberücksichtigt und leugnet 514 BORIS CHORONSHITZKY, das Vorhandensein von Fasern in der ersten Milzanlage, in welcher er jedoch Gefässlumina sieht. Wilhelm Müller (L. 68) war der erste, der darauf hingewiesen hat, dass die erste Milz- anlage bei allen Wirbeltieren an einen gewissen Abschnitt des Mesothels gebunden ist. Wir haben schon in der Litteratur- übersicht uns geäussert, dass man aus der kurzen Notiz W. Müllers schliessen muss, dass die erste Milzanlage auch einen gewissen Bezirk des Mesenchyms einnimmt. Sehr aus- führlich und gewissenhaft hat letztere Ansicht Laguesse (L. 51) erörtert. Doch leugnet dieser Autor die Abhängigkeit der ersten Milzanlage von einem gewissen Abschnitt des Mesothels, welches nach ihm bei der Entstehung der Milz vollständig unbeteiligt sei. Andererseits sollnach Laguesse die erste Milzanlage im engsten Zusammenhange mit der Wand der Vena subintestinalis stehen, von welcher sie sogar ausgehen soll, sodass Laguesse die Milz- anlage gewissermassen als „Divertikel des Pfortadersystems“ be- trachtet. Die Beteiligung des Mesenchyms an der ersten Milz- anlage lässt sich daher nach der Laguesseschen Arbeit nicht klar genug beurteilen. Der Zusammenhang der unregelmässigen Gefässlumina der Milzanlage mit dem Lumen der Vena sub- intestinalis erscheint nach Laguesse in einem anderen Lichte, als nach unserer Arbeit, weil nach ihm die Milzanlage eben von der Wand der Vena subintestinalis ausgeht und von vorneherein als „netzförmiger Venensinus“ angelegt wird. Was den Über- gang der freien Embryonalzellen in den Blutstrom und ihre Umwandlung in Blutkörperchen anbetrifft, so schildert Laguesse eine ähnliche Erscheinung bei der Forelle, indem er die freien Embryonalzellen mit „noyaux d’origine‘‘ bezeichnet. Ein genetischer Zusammenhang zwischen Milz und Pankreas ist weder nach Peremeschko noch nach Müller und La- guesse vorhanden. Janosik (L. 40) hat darauf hingewiesen, dass überall die der Milzanlage nahe liegenden Pankreasschläuche von letzterer durch konzentrische Schichten mesenchymatösen Die Entstehung d. Milz, Leber, «allenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 515 Gewebes abgegrenzt sind, — eine Thatsache, die wir in den meisten Fällen bestätigen konnten. Was die v. Kupffersche Ansicht (L. 44) über den genetischen Zusammenhang zwischen Milz und Pankreas beim Stör anbetrifft, so können wir uns darüber nicht äussern, da wir keine Störembryonen besassen und daher seine Untersuchungen nicht nachprüfen konnten. Mit aller Entschiedenheit müssen wir aber gegen die Ansicht Woits (L. 99) auftreten, welcher behauptet, dass beim Hühn- chen vom Pankreas einzelne Schläuche sich vollständig ab- trennen und in der Milzanlage resp. in der Gegend, wo die Milz entstehen muss, liegen bleiben. Wir wollen zuerst auf eine Anmerkung unseres hochverehrten Lehrers, Herrn Prof. D. Barfurth hinweisen, unter dessen Leitung die Woit- sche Arbeit ausgeführt wurde, — eine Anmerkung, die Prof. Barfurth zu dieser Arbeit vorsichtshalber hinzufügt und die folgendermassen lautet: „Es ist doch möglich, dass diese Zell- komplexe (d. h. die pankreatischen Schläuche) mit dem Mutter- boden (d. h. mit dem Pankreas) in Verbindung stehen und bleiben, wie es Tomarkin (Anat. Anz. Nr. 8, S. 202) für die Follikel und Krypten des Darmes nachgewiesen hat. Hier sind noch, fügt Barfurth hinzu, weitere Untersuchungen nöthig.“ Wir möchten unsererseits folgendes sagen: Woit weist darauf hin, dass die Milzanlage vom dorsalen Ende des dorsalen Pan- kreas durch eine Schicht normalen unverdichteten Mesenchyms abgeteilt ist, fügt aber hinzu, dass man die Pankreasschläuche bis zur Milzgegend verfolgen und sogar in der Milz selbst dunklere Stellen aufweisen kann, welche „eine gewisse Über- einstimmung“ mit den pankreatischen Schläuchen oder Knospen zeigen. Er giebt nämlich an, dass die dunkleren Stellen in der Milz und die pankreatischen Schläuche ‚„stellen- weise ähnlich von den Gefässlumina umgeben sind“ und dass die Elemente hier und dort der Grösse nach übereinstimmen und auch darin ähnlich sind, dass sie sich intensiver färben. >16 BORIS CHORONSHITZKY, In Bezug auf die Verteilung der Blutgefässe geben wir zu, dass infolge des Gefässreichtums der ersten Milzanlage manche Be- zirke in der letzteren oft wirklich fast vollständig von den un- regelmässigen Gefässlumina umgeben erscheinen, ähnlich den Pankreasschläuchen, welche ebenfalls oft von Ästchen der Vena pancreatica vollständig umgeben sind, die zusammen mit dem cirkulär angeordneten Mesenchymgewebe zwischen die einzelnen Pankreasschläuche hineinwachsen und so gewissermassen die Drüsenkörbehen versorgen. Wir geben auch zu, dass bei schwacher Vergrösserung die genannten, von Gefässen um- gebenen Bezirke der Milz, welche im allgemeinen infolge der Verdichtung des Milzgewebes intensiver gefärbt erscheinen, auf den ersten Blick wirklich ein wenig an die Pankreasschläuche erinnern könnten, welche ebenfalls auf dem sie umgebenden schwächer tingierten Mesenchym deutlicher hervortreten. Man braucht aber nur die starke Vergrösserung einzustellen, um sich sofort zu überzeugen, dass die einzelnen Elemente sowie ihre Verteilung in beiden Fällen ganz verschieden sind. Die Ähn- lichkeit der Elemente hier und dort besteht nur in der gleichen Grösse und Färbung der Kerne, welche, wie wir es schon oben erörtert haben, in allen Geweben des embryonalen Körpers (aus- genommen die Blutkörperchen) dieselben sind. Die protoplas- matischen Zellkörper sind aber in den Pankreasschläuchen gross, kegelförmig, deutlich konturiert und stets so gelagert, dass ihre Spitzen dem Oentrum des Schlauches zugewandt sind, wo man hier und da ein ausgesprochenes centrales Lumen sieht. Dazu ist noch jeder Pankreasschlauch vom cirkulär angeordneten Gewebe umsponnen, welches ein Drüsenkörbchen bildet, das schon seinerseits von den Gefässlumina umgeben ist. Nichts Ähnliches finden wir in der Milzanlage, wo die von Gefäss- umina umgebenen Bezirke nicht vom cirkulär angeordneten Gewebe umsponnen sind und wo die Elemente niemals kreis, förmig um ein centrales Lumen oder einen centralen Punkt Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 517 gelagert sind, wo die Elemente selbst keine kegelförmigen, deut- lich konturierten Drüsenzellen darstellen, sondern runde Zellen mit kleinem Protoplasmakörper oder Sternzellen mit dünnen protoplasmatischen Ausläufern, welche unter einander ein Netz bilden, wie wir es oben beschrieben haben. Auf Grund der gegebenen Ausführungen müssen wir die Möglichkeit des Vorhandenseins von pankreatischen Elementen in der Milzanlage resp. in der Gegend, wo die Milz entstehen muss, vollständig zurückweisen. v1. Nachdem wir in den vorigen Kapiteln die Entstehung der Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüsen und Milz auseinander- gesetzt haben, wollen wir jetzt nur noch einige Bemerkungen über das weitere Verhalten dieser Organe beim Hühnchen geben. Zuerst die beiden ventralen Pankrease (Fig. 64, Pa. v.d. und Pa. v. s.). Im fünften Stadium waren diese Drüsen noch Ausstülpungen der Seitenwände des Darmes nahe der Mündungs- stelle des Ductus choledochus. Die zunächst eintretende Ver- änderung besteht darin, dass der auf Fig. 67 mit einem Pfeil be- zeichnete kranio-kaudale Abschnürungsprozess weiter fortschreitet und zwar so, dass die beiden ventralen Pankrease mitgenommen und in den Bereich des Ductus choledochus hineingezogen werden. Die in letzterem vorhandene doppelte Zwischenwand, zwischen Ductus hepato-enterieus und Ductus cysticus, verlängert sich unterdessen nach dem Darm zu und nimmt solch eine Stellung ein, dass das linke ventrale Pankreas nun in den Ductus hepato- enterieus, das rechte ventrale Pankreas in den Ductus eysticus mündet. Der Ductus hepato-enteriecus und cysticus münden aber solange noch immer jeder für sich in den Darm. Aber gleich darauf wird der Ductus choledochus in ein längliches Rohr ausgezogen und hat von nun ab nur eine einzige Mündung in 518 BORIS CHORONSHITZKY, den Darm, wobei sein distales Ende in zwei Zweige sich spaltet, d.h. in den Ductus eysticusund Ductus hepato-entericus. Letzteren wollen wir von jetzt ab schon einfach als Ducetus hepaticus bezeichnen. Während die Verlängerung des Ductus choledochus vor sich geht, verlassen die beiden ventralen Pankrease ihre zu- letzt eingenommene Lage und werden in den Bereich des Ductus choledochus hineingezogen. sodass sie von nun ab schon in den letzteren münden, dicht an der Vereinigungsstelle des Ductus cysticus mit dem Ductus hepaticus. Die hier beschriebenen auf den ersten Blick sehr auffallen- den Einziehungs- und Verlagerungsprozesse der ventralen Pan- krease werden leicht verständlich, wenn man bedenkt, dass die hier in Betracht kommenden Lumina sowie ihre Entfernungen sehr klein sind, während die Mündungen dieser Lumina in- einander verhältnismässig sehr gross sind. Es genügt hier die kleinste Verlängerung irgend einer Wand, damit die Mündungs- verhältnisse sich sofort umgestalten. Wir finden auch daher bei den verschiedenen Autoren einander widersprechende An- gaben in Betreff der Mündungen der ersten Anlagen der ven- tralen Pankrease. In Bezug auf die endgültige Gestaltung der hier in Betracht kommenden Mündungsverhältnisse stimmen aber die meisten Autoren darin überein, dass die beiden ventralen Pankrease endlich in den Ductus choledochus münden. Ur sprünglich sind aber diese beiden Drüsen, wie wir oben gesehen haben, entschieden Ausstülpungen der Darmwand. Während die oben beschriebenen Veränderungen vor sich gehen, verzweigen sich die beiden ventralen Pankrease ganz be’ deutend, wobei das rechte derselben an das dorsale Pankreas anstosst, welches noch immer in den Darm von der dorsalen Seite her mündet. Dank diesem Umstande kann man jetzt nicht mehr die Schläuche des dorsalen von denen des rechten ventralen Pankreas unterscheiden, sodass man schon von einer beginnenden Verschmelzung dieser beiden Drüsen sprechen kann. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 519 Unterdessen liegen die dem linken ventralen Pankreas gehörenden Schläuche noch immer separat an der ventralen resp. an der ursprünglich linken Seite des Ductus choledochus, während das rechte ventrale und dorsale Pankreas an der dorsalen resp. ur- sprünglich rechten Seite dieses Ganges gelagert sind (cf. Fig. 64). Aber schon nach einiger Zeit vereinigt sich auch das linke ven- trale Pankreas mit den beiden anderen Drüsen. Diese Ver- einigung findet am vorderen Umfange des Ductus choledochus statt, wobei das linke ventrale Pankreas eben den vorderen Um- fang dieses Ganges gewissermassen umbiegen oder umwachsen muss. So entsteht aus den drei ursprünglichen Anlagen eine einzige Bauchspeicheldrüse, welche aber alle drei Ausfüh- rungsgänge beibehält und wahrscheinlich für das ganze Leben: wir finden wenigstens Hinweise darauf, dass beim erwachsenen Huhn die Bauchspeicheldrüse drei Ausführungsgänge hat (L. 13). Bei unseren Untersuchungen haben wir auch niemals weniger als drei Ausführungsgänge in der Bauchspeicheldrüse des Hühn- chens gefunden, obgleich wir auch sehr späte Stadien desselben untersucht haben. — Wir wollen hier noch bemerken, dass der Ausführungsgang des dorsalen Pankreas, welcher auch nach dem Zustandekommen einer einzigen Bauchspeicheldrüse direkt in den Darm mündet, allmählich doch der Mündungsstelle des Ductus choledochus sich nähert, sodass diese beiden Mündungs- stellen jetzt schon nahe beisammen liegen. Was den Ductus hepato-cysticus anbetrifit, so wird, er im Laufe der oben beschriebenen Prozesse immer schmäch- tiger und trennt sich endlich vollständig von der Gallenblase ab- sodass die Leber von nun ab nur einen einzigen Ausführungs- gang in der Gestalt des Ductus hepaticus, d. h. des ursprüng- lichen Ductus hepato-entericus hat. Die Ursache des Ver- schwindens des Ductus hepato-cysticus besteht höchst wahr- scheinlich darin, dass er infolge der innigen Verschmelzung der den beiden ursprünglichen Leberdivertikeln gehörenden Gewebs- 520 BORIS CHORONSHITZKY, massen seine Bedeutung als Ausführungsgang der Leber verliert und der Ductus hepato-entericus die Funktion eines solchen für die ganze Drüse übernimmt. Es ist aber möglich, dass in man- chen Fällen der Ductus hepato-eysticus erhalten bleibt und sich nicht von der Gallenblase abtrennt, sodass wir dann beim er- wachsenen Tier eine direkte Mündung von Gallengängen in die Gallenblase finden werden. Auch beim erwachsenen Menschen findet man manchmal solche Ductus hepato-eystici (L. 75), wo- für die hier gegebene Erklärung wohl die zutreffendste sein wird. Aus dem Verschwinden des ursprünlichen Ductus hepato-eysticus kann noch ein zweiter wichtiger Schluss gezogen werden und zwar, dass der rechte und linke Leberlappen des erwachsenen Huhnes nicht den beiden ursprünglichen Leberdivertikeln ent- sprechen können, da die beiden Leberlappen je einen Ausfüh- rungsgang besitzen. Das Wahrscheinlichste ist, dass diese beiden Ausführungsgänge aus dem rechten und linken Ast des ur- sprünglichen Ductus hepato-entericus entstanden sind, wofür eben die Bildung eines rechten und linken und nicht eines vor- deren und hinteren Leberlappens spricht, sowie auch der Um- stand, dass die Ausführungsgänge der beiden Leberlappen zu einem einzigen mächtigen Stamm sich verbinden, welcher eben dem ursprünglichen Ductus hepato-entericus entspricht, denn sonst müsste einer dieser Ausführungsgänge in die Gallenblase münden. Was die Milzanlage anbetrifft, so wird sie allmählich orösser, behält aber noch für längere Zeit ihre ursprüngliche innere Struktur bei, d.h. sie stellt noch immer einen Herd verdich- teten Mesenchymgewebes dar. Dabei bemerken wir nur, dass dieser Mesenchymherd sich immer mehr und mehr in die Bauch- höhle hineinstülpt, indem er auf dem Querschnitt anfangs einen halbkreisförmigen, später aber schon einen fast runden Anhang des Mesenteriums darstellt. Noch später verliert die Milz ihre rundliche Form und nimmt im Querschnitt die Gestalt eines Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 521 stumpfwinkeligen Vierecks an, welches mit einer Seite an das Mesenterium angeheftet ist. Endlich rundet sich die Milz aber- mals ab und stellt einen kreisrunden Herd verdichteten Mesen- chyms dar, welcher mit dem Mesenterium nur vermittelst einer verhältnismässig schmalen Brücke verbunden ist, in der die ein- und ausgehenden Gefässe der Milz verlaufen: das ist die Stelle des künftigen Hilus lienis. Zum dorsalen Ende des dorsalen Pankreas und späterhin zum dorsalen Ende der Bauchspeicheldrüse überhaupt bleibt die Milz längere Zeit in der nächsten Nachbarschaft, ganz so wie das Verhältnis von vornherein war. Die Topographie ändert sich in späteren Stadien nur insofern, dass der Fundus des stark wachsenden Magens sich weit kaudalwärts verlagert, sogar hinter das Niveau der Bauchspeicheldrüse. Wenn wir Fig. 67 betrachten, wo der Magen noch mehr oder weniger kranio- kaudal gerichtet ist, und uns vorstellen, dass sein Fundus hinter das Niveau des dorsalen Pankreas sich verlagert und zwar so, dass er links vom letzteren zu liegen kommt, so ist es klar, dass auf Querschnitten in der Gegend der Milz und der Bauchspeichel- drüse links von diesen Organen ein grosses Lumen sichtbar sein wird, welches eben dem kaudalwärts verlagerten Magen- fundus gehören wird. Zwischen letzterem einerseits und der*Milz und Bauchspeicheldrüse andererseits wird auch auf mehreren Schnitten ein Peritonealfenster sichtbar sein, dessen Bildung sich durch die beschriebene Verlagerung des Magens leicht er- klären lässt. Auf denselben Querschnitten wird ventralwärts vom Magenlumen noch das Lumen des quer durchschnittenen Duodenums sichtbar sein und daneben noch mehrere andere Lumina verschiedener Grösse, welche den Leber- und Pankreas- gängen gehören werden. Die Zugehörigkeit aller dieser Lumina genau festzustellen gelingt es nur dann, wenn man systematisch von den jüngeren Stadien zu den älteren übergeht. Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIII. Heft (13. Bd., H. 23). 34 522 BORIS CHORONSHITZKY, Hiermit schliessen wir unsere Untersuchungen an Hühn- chenembryonen und wollen hier nur noch einige Worte über eine uns spät zugegangene Arbeit von Brouha sagen, welche lautet: ‚Sur les premieres phases du developpement du foie et sur l’evolution des pancreas ventraux chez les oiseaux‘‘ (L. 10). Brouha teilt eine sehr auffallende Erscheinung mit. Er sagt, dass ebenso wie bei allen übrigen Wirbeltieren so „auch beim Hühnchen die primäre Leberausstülpung anfangs vor dem Darm- nabel sich befinde. Aber mit der Verlagerung des letzteren von hinten nach vorne sind die Wände der Leberausstül- pung gezwungen, zeitweise in den Darmnabel überzugehen, dessen vorderen Umfang sie auch im Laufe einiger Zeit ausmachen. Später verschiebt sich beim Hühnchen der Darmnabel nach hinten, ganz so, wie bei den anderen Wirbeltieren; die Leber- ausstülpung modifiziert sich und wird allmählich isoliert, um endlich ihre gewöhnliche Lage an der ventralen Darmwand vor dem Nabel einzunehmen. Zum Schluss, fügt Brouha hinzu, kann man sagen, dass der bedeutende Unterschied in der Leber- entwickelung bei den Vögeln und bei anderen Wirbeltieren auf der vorübergehenden Verlagerung desDarmnabelsvon hinten nach vorne beruht.“ Indem Brouha gar nicht daran eh die Ursache dieser auffallenden Verlagerung des Darm- nabels nach vorne zu erforschen, glaubt er annehmen zu dürfen, dass die Spaltung der primären Leberausstülpung in zwei sekun däre Divertikel eben auf dieser Verlagerung des Darmnabels beruhe, und sagt, dass bei dieser Gelegenheit die Leberausstül- pung anfangs in den Darmnabel übergehe und erst dann zu- sammen mit letzterem sich nach vorne verschiebe, wobei sie auf das hintere Ende des Sinus venosus anstosse und sich durch letzteres in zwei Teile spalte. Wir geben zu, dass eben durch das hintere Ende des Sinus venosus die primäre Leberausstül- pung rein mechanisch in zwei Teile gespalten wird, aber wir können in keinem Falle eine Verlagerung des Darmnabels nach vorne annehmen. Wenn wir die erste Leberausstülpung, ebenso wie Brouha, an der ventralen Darmwand, vor dem Nabel ge- funden hätten, so könnten wir uns wirklich nicht vorstellen, wieso sie bei ihrem weiteren Wachstum auf das hintere Ende des Sinus venosus anstossen kann, und die Erklärung von Brouha wäre uns vielleicht dann zustatten gekommen. Wir fanden aber die erste Leberanlage nicht dort, wo Brouha sie sieht, sondern am vorderen Umfange des Darmnabels (Fig. 35, Le), wobei sie gerade nach vorne gerichtet ist, sodass sie bei ihrem weiteren Wachstum direkt an das hintere Ende des Sinus venosus oder richtiger des Ductus venosus anstossen wird. Wir haben indessen hier keine Verschiebung des Darmnabels nach vorne wahrnehmen können, sondern im Gegenteil eine allmähliche Verschiebung desselben nach hinten, wie man auch anders es sich kaum vorstellen kann. Wir müssen allerdings annehmen, dass das Wachstum der Leber nach vorne in viel rascheren Schritten vor sich geht, als die Verschiebung des Darmnabels nach hinten, denn sonst könnte man sich wirklich nicht vor- stellen, dass die Leberspitze so rasch das hintere Ende des Sinus venosus erreichen wird. — Es scheint uns, dass Brouha über- haupt die erste Leberanlage gar nicht gesehen hat: wenn man die Abbildungen seiner ersten zwei Modelle vergleicht, so nimmt man erstens wahr, dass auf der dem ersten Stadium gehörenden Abbildung schon auffallend deutlich zwei Leberausstülpungen sichtbar sind, sodass es uns geradezu unverständlich ist, wieso Brouha mit Hülfe dieser Abbildung das Vorhandensein einer einzigen primären Leberausstülpung beim Hühnchen beweisen will. Wir sehen zweitens, dass auf der dem zweiten Stadium gehörenden Abbildung der Darmnabel zwar nach vorne ver- schoben erscheint, die ventrale (späterhin die hintere) Leberaus- stülpung jedoch kleiner als im vorigen Stadium aussieht, — so- dass, wenn auf der dem zweiten Stadium gehörenden Abbil- dung die dorsale (späterhin die vordere) Leberausstülpung nicht 34* 524 BORIS CHORONSHITZKY, grösser als auf der Abbildung des ersten Stadiums ausgesehen hätte, wir unwillkürlich an eine Verwechselung der Abbildungen seitens Brouha gedacht hätten, d. h. ob nicht etwa die erste Abbildung dem zweiten und die zweite Abbildung dem ersten Stadium gehöre. Wie es dem auch sei, wir haben auf den Ab- bildungen Brouhas die allererste Leberanlage in Form einer einzigen Ausstülpung nicht wahrnehmen können, und wir sind sicher, dass, wenn Brouha eifriger nachgeforscht hätte, er sie bestimmt, wie wir, am vorderen Nabelumfang (cf. Fig. 35) ge- funden und beim Vergleich mit seiner ersten Abbildung sich über- zeugt hätte, dass diejenige Form, welche er primär genannt hat, als sekundär bezeichnet werden muss, da sie deutlich in zwei Teile geteilt und schon teilweise vom Nabel auf die ventrale Darm- wand übergegangen ist. — Was das von Brouha ange- gebene dritte Leberdivertikel anbetrifft, welches er „bourgeon hepatique posterieur et droit‘ nennt und von welchem er aus- drücklich sagt, dass es „independamment du bourgeon posterieur ou ventral, du pourtour droit de l’extr&mite posterieure de la gouttiere höpatique“ entsteht, — so glauben wir, dass Brouha als solches den rechten Ast des hinteren (ursprünglich ventralen) Leberdivertikels aufgefasst hat, welcher eben mehr nach hinten als der entsprechende linke Ast gerichtet ist und welcher den allerhintersten Teil des an der Ventralwand der Vena omph.-mes. dextra gelegenen Lebergewebes hervorgebracht hat. — Über das weitere Schicksal der Leberdivertikel sagt Brouha nichts. Die erste Anlage der ventralen Pankrease hat Brouha ebenfalls nicht gesehen. Er zeichnet eine genaue Kopie eines Schnittes, auf welchem zwei verzweigte Drüsenmassen sichtbar sind, die eben die beiden ventralen Pankrease darstellen, und sagt, dass letztere zusammen mit dem Ductus cysticus und hepato-enterieus von vier verschiedenen Seiten in ‚den Ductus choledochus münden, -- eine Thatsache, mit der wir vollständig einverstanden sind. Indem man aber aus solch einem späten Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 525 Stadium ausgeht, kann man nicht feststellen, wo die beiden ventralen Pankrease eigentlich ihren allerersten Ursprung nehmen, aus der Wand des Darmes oder des Ductus choledochus. Brouh& hat übrigens dieses Ziel gar nicht verfolgt, er wollte nur das Vorhandensein zweier ventraler Pankrease feststellen, welches man z. B. nach einer unlängst erschienenen Arbeit von Hammar L. 21) als zweifelhaft betrachten könnte. Folglich hat Brouha sein Ziel erreicht. 5. Salamandra maculosa. Indem wir jetzt zur Beschreibung der Entstehung der uns interessierenden Organe, d. h. der Leber, Gallenblase, Bauch- speicheldrüse und Milz beim Salamander übergehen, wollen wir zuerst auf einen Umstand hinweisen, der die Untersuchung der jüngsten Stadien von Amphibien, Urodelen sowie Anuren, be- deutend erschwert. Es handelt sich nämlich darum, dass die Zellen junger Amphibienlarven mit Dotterkügelchen vollgepfropft sind, welche fast den ganzen protoplasmatischen Zellkörper, vom Kern bis zur Peripherie der Zelle, einnehmen. Mit dem be- ständigen Wachstum der Larven werden die Dotterkügelchen allmählich resorbiert; am längsten bleiben sie in den Darmzellen liegen, und zwar am reichlichsten in denjenigen Zellen, welche an der ventralen Darmwand die grosse Dottermasse bilden. Diese Zellen differenzieren sich also verhältnismässig sehr spät. Wenn man einen Querschnitt des Dotterdarmes einer sehr jungen Amphibienlarve betrachtet, so sieht man an seiner Ventralwand eine grosse Masse polygonaler Dotterzellen, in denen um den verhältnismässig kleinen Kern die den ganzen Protoplasmakörper ausfüllenden Dotterkügelchen liegen. Die Konturen dieser Zellen sind sehr zart und daher schwer sichtbar; das zwischen den Dotterkügelchen spärlich verteilte Protoplasma ist durchsichtig 526 BORIS CHORONSHITZKY, und färbt sich nicht. Aus diesem Grunde kann man die ein- zelnen Zellen nur mit Schwierigkeit voneinander abgrenzen und der Beobachter sieht nur ein grosses von Dotterkügelchen über- fülltes Feld, auf dem hier und da ein Kern sichtbar ist. Aus demselben Grunde gelingt es auch nicht hier, die Zahl der Zellen zu zählen oder eine Zellenreihe von der anderen zu unter- scheiden. Dazu ist noch das Lumen des Darmtraktes und der aus ihm entspringenden Organe verhältnismässig sehr klein und fast immer von. Dotterkügelchen verlegt, — ein Umstand, der sich selbst bei sorgfältigster Bearbeitung der Schnitte nicht be- seitigen lässt. Die einzelnen Zellen sind besonders bei den Urodelen so gross, dass 3—4 derselben schon eine Ausstülpung oder ein Divertikel simulieren können. Andrerseits ist es mög- lich, dass 5-6 schon völlig differenzierter Zellen, aus welchen die Dotterkügelchen bereits resorbiert sind und welche kreisförmig um ein Lumen eines Kanales oder Ganges gelagert sind, vom Beobachter nur deshalb nicht bemerkt werden, weil sie innerhalb der Masse grosser Dotterzellen liegen. Die aufgezählten Um- stände. versetzen den Beobachter oft in sehr schwierige Lage, sodass er nicht entscheiden kann, ob er vor sich eine Ausstülpung hat oder nicht, ob eine Kommunikation zweier Lumina vorhanden ist oder nicht u. s. w. Um die Untersuchung junger Amphibienlarven zu erleichtern, wenden wir bei diesen immer eine Doppelfärbung mit Borax- Karmin und Pikrinsäure an. Die Larven werden in toto mit Borax-Karmin gefärbt und dann die aufgeklebten Schnitte mit Pikrinsäure nachgefärbt. Durch letztere wird die rote Farbe aus den Dotterkügelchen extrahiert und durch Gelbfärbung ersetzt. Die Kerne bleiben dabei intensiv rot, das Protoplasma durch- sichtig und ungefärbt. Die Orientierung wird dadurch sehr er- leichtert, da man die Zahl und Lage der Kerne rasch überblicken kann. Dadurch wird auch die Möglichkeit geschaffen, regel- mässige Zellenreihen, Ausstülpungen und Kanäle zu unterscheiden. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 527 Es lässt sich dabei auch die Zahl der in verschiedenen Geweben noch vorhandenen Dotterkügelchen vergleichen und schon allein dadurch ein Gewebe vom anderen oder ein Organ vom anderen unterscheiden. Diese Färbungsmethode haben wir auch bei der Untersuchung von Salamanderlarven angewandt und gehen jetzt zur Beschreibung ihrer Entwickelung über. I. Bei einer Salamanderlarve von 9mm Länge finden wir schon eine gut ausgeprägte Leberanlage. Um die Form der letzteren klar schildern zu können, geben wir hier drei Sagittalschnitte (Fig. 70-- 72) einer ähnlichen Larve. Von diesen Schnitten ent- spricht der mittlere (Fig. 71) ungefähr der Körpermittelebene; Fig. 70 stellt einen von letzterer um etwa 20 Schnitte nach links, Fig. 72 einen von derselben Ebene um etwa 20 Schnitte nach rechts entfernten Sagittalschnitt dar. Wir sehen den breiten Vorderdarm (V. da), welcher nach vorne blindsackartig abge- schlossen ist. Die Mundöffnung (Fig. 70, NB) ist nämlich noch im Durchbrechen begriffen; das Ektoderm ist an der ent- sprechenden Stelle etwas eingesunken und hat hier ein zer- 528 BORIS CHORONSHITZKY, rissenes Aussehen. Eine Kommunikation nach aussen hat der Vorderdarm aber noch nicht. Nach hinten geht er in den Dotterdarm über, dessen enges Lumen (Fig. 71, M. da.) gerad- linig und parallel der Chorda (ib. ch.) nach hinten bis.zur schon vorhandenen Analöffnung verläuft. Die Wand des Vorderdarmes stellt ein grösstenteils einschichtiges Cylinderepithel dar, dessen Zellen noch viele Dotterkügelchen enthalten. Dieses Epithel hat sich also noch nicht völlig differenziert. Ähnlich sieht auch die ganze dorsale Wand des Dotterdarmes aus, welche ebenfalls grösstenteils, besonders in der Mittellinie, ein einschichtiges Oylinderepithel mit vielen Dotterkügelchen darstellt. Ganz anders sieht die Ventralwand des Dotterdarmes aus, welche aus mehreren Lagen grosser polygonaler Dotterzellen besteht, die von Dotter- kügelchen noch vollgepfropft sind (Fig. 70—72, Do). Am Übergang des Vorderdarms in den Dotterdarm zeigt der Darmkanal (Fig. 71) eine schwache Knickung ventralwärts und entsprechend letzterer sitzt auf der Ventralwand des Darmes die Leberanlage (Fig. 71, Le). Sie stellt in der Körpermittel- ebene eine ventralwärts gerichtete Ausstülpung der ventralen Darmwand dar und ist aus einem einschichtigen Cylinderepithel zusammengesetzt, welches als direkte Fortsetzung des Vorder- darmepithels betrachtet werden muss. Nach hinten setzt sich das Oylinderepithel der Leberanlage noch eine kurze Strecke als solches fort (ib. NB), wobei es sich vorn Vorderteil der Dotter- masse abhebt, welche (Do) keilförmig kranialwärts in das Darm- lumen hineinragt. Der Übergang dieses Cylinderepithels (NB) in die polygonalen Dotterzellen ist ein allmählicher. Die Differen- zierung des Darmepithels schreitet also allmählich von vorne nach hinten vor sich. Letzteres dehnt sich dabei stark aus und muss, um einen grösseren Flächenraum einzunehmen, sich ın Falten legen. In diesem Moment scheint uns der erste Anstoss zur Leberanlage enthalten zu sein. Im nächsten Stadium, wo die Differenzierung des Darmepithels schon weiter nach hinten Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 529 gegangen sein wird, wird der jetzt schon teilweise abgehobene Entodermabschnitt (NB) sich in eine Falte legen, um die Gallen- blase zu bilden. Ähnlich wird auch die Anlage des dorsalen Pankreas zu erklären sein. Beiderseits von der Körpermittelebene ist die Leberanlage von der ventralen Darmwand abgeteilt und läuft in je einen blindsackförmigen Fortsatz aus. Auf Fig. 70 und 72 sehen wir daher je eine kreisrunde Schlinge mit kleinem centralen Lumen (Le): das sind die durchschnittenen blindsackförmigen Fortsätze der Leberanlage, welche beiderseits durch die entsprechende Vena omphalo-mesenterica von der ventralen Darmwand geschieden sind. Noch ein wenig weiter nach rechts und links hören die Leberfortsätze im ganzen auf. Im Querschnitt hat die Leber die Form eines Segmentes, dessen runde Seite der inneren Fläche der Bauchdecken anliegt und dessen Spitze mit dem Darme kom- muniziert; die Seitenwände des Segmentes sind nach der Körper- mittelebene zu durch die beiderseitigen Venae omphalo-mesen- tericae eingedrückt und ‚liegen an der Mündung der Leber in den Darmkanal ziemlich nahe nebeneinander. An der Vorder- fläche der Leberanlage findet die Vereinigung der beiderseitigen Venae omphalo-mesentericae zum kurzen Ductus venosus statt, welcher direkt in den Sinus venosus (Fig. 70, S. ven.) übergeht und ebenso wie letzterer ein wenig linkerseits von der Körper- mittelebene liegt. Die Leberanlage stellt also eine hinter der hufeisenförmigen Vereinigungsstelle der beiden Venae omphalo- mesentericae gelegene, ventralwärts gerichtete Ausstülpung der ventralen Darmwand dar, — eine Ausstülpung, welche zwischen beide genannten Venen hineinwächst und von letzteren nahe der Darmwand seitlich zusammengedrückt wird, sodass sie erst ventralwärts von diesen Venen nach beiden Seiten sich aus- dehnen kann. Aus diesem Grunde erhält auch die Leberanlage die beschriebene Form einer beiderseits in blindsackartige Fort- sätze auslaufenden Darmausstülpung. Folglich üben beim Sala- 30 BORIS CHORONSHITZKY, mander die Venae omphalo-mesentericae schon von vorne herein einen rein mechanischen Einfluss auf die Konfiguration der Leberanlage, welcher darin besteht, dass letztere an ihrer Mün- dung in den Darmkanal seitlich eingeschnürt wird. Von den beiden Venae omph.-mesentericae ist die rechte viel schwächer als die linke und macht den Eindruck eines dünnen Zweiges der letzteren. Beide Venen nehmen ihren Ursprung auf der Ventralfläche des mächtigen Dotter- darınes resp. auf der Ventralfläche der aus grossen polygonalen Dotterzellen bestehenden Dottermasse und ziehen kranialwärts mehr weniger zu einander konvergierend. Am vorderen Teil der Dottermasse, in der Nähe des hinteren Endes des auf Fig. 71 mit NB bezeichneten Entodermabschnittes liegen die beiden Venen schon ganz nahe nebeneinander und zu gleicher Zeit nahe der Mittellinie. Weiter vorne gehen die Venen aus einander, um die Leberanlage beiderseits zu umkreisen und sich an ihrer Vorderfläche mit einander zu vereinigen. Im nächsten Stadium werden die beiden Venen an der zuerst genannten Stelle, entsprechend dem vordersten Teil der Dottermasse, sich ebenfalls mit einander vereinigen, wobei der vordere Teil der schmäch- tigen Vena omph.-mesenterica dextra von dieser Vereinigungs- stelle ab bis zum Ductus venosus obliterieren wird. In dieser frühen Obliteration der Vena omph -mes. dextra ist der Grund zu suchen, dass manche Autoren beim Salamander von vorne herein nur eine Vena omph.-mesenterica und zwar die linke gesehen haben wollen (Hochstetter, L. 35). Im Mesenterium verläuft kranialwärts die Vena mesen- terica (Fig. 72, V. mes.). Sie wendet sich nach rechts, um- biegt die rechte Darmwand und zieht zur Vereiniguugsstelle der beiden Venae omph.-mesentericae, wobei sie dicht an der letzteren in die Vena omph.-ınes. dextra einmündet. Im näch- sten Stadium, wo die Vena omph.-mes. dextra schon obliteriert sein wird, wird die an der Vorderfläche der Leberanlage befind- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 551 liche hufeisenförmige Venenvereinigung nur durch die Vena omph.-mes. sinistra einerseits und die Vena mesenterica anderer- seits gebildet sein. Die oben erwähnte Vereinigung der beiden Venae omph.- mes. am vordersten Teil der Dottermasse und die Obliteration des von dieser Stelle ab kranialwärts verlaufenden Abschnittes der Vena omph.-mes. dextra entsprechen vollständig denjenigen Erscheinungen, welche wir beim Hühnchen gesehen haben. Dort fand die entsprechende Vereinigung der beiden Venae omph.-mesentericae am vorderen Umfang des Darmnabels statt und von dieser Stelle ab sahen wir ebenfalls eine Obliteration des kranialwärts verlaufenden Abschnittes der Vena omph.-mes. dextra. Eine weitere Komplikation entstand beim Hühnchen dadurch, dass die linke Vena omph.-mes. ganz vorne zwischen den beiden Lebergängen zusammengedrückt wurde, sodass der Blutstrom die dort beschriebene dorsale Venenanastomose sowie auch den vordersten Teil der rechten Vena omph.-mesent. be- nutzen musste Beim Salamander fehlen selbstverständlich ähnliche Veränderungen. Von anderen uns interessierenden Organen sehen wir beim Salamander in diesem Stadium noch nichts. Wir wollen nur darauf hinweisen, dass die Lungenanlage in diesem Stadium noch eine einheitliche Ausstülpung der Ventralwand des Vorder- darms darstellt. Die Schiladrüse ist noch nicht vorhanden. Das Mesenterium stellt eine ganz dünne in der Körper- mittelebene gelegene Platte dar und ist daher im Sagittalschnitt selten in toto getroffen (Fig. 71, Mes... Gewöhnlich sehen wir daneben ein Peritonealfenster vorne (ib. Per.f.) oder hinten oder auch an zwei Stellen. IT. Im zweiten Stadium ist die Leber schon weit in ihrer Entwickelung vorgeschritten (Fig. 73, Le). Sie ist jetzt kranial- 5932 BORIS CHORONSHITZKY, wärts gewandt, sieht im Sagittalschnitt pilzförmig aus und sitzt auf dem Ductus hepatieus (D. hep.) wie auf einem Stiel. Die Fortsetzung des Ductus hepaticus bildet der Ductus choledochus (D. ch.), dessen ventrale Wand hervorgebuchtet ist und die Gallenblasenanlage darstellt (G.bl.). Letztere entspricht dem auf Fig. 71 mit NB bezeichneten Entodermabschnitt, der jetzt in den Bereich der Leber schon hineingezogen ist. Die kraniale Richtung der Leber sowie die Hineinziehung der Gallenblasenanlage in deren Bereich erklären sich erstens dadurch, dass die im vorigen Stadium ventralwärts gerichtete Leber keinen Raum mehr hatte, sich transversal auszudehnen ; zweitens aber und hauptsächlich dadurch, dass die Leber ın grosser Ausdehnung von der Ventralwand des Vorderdarms sich abgeschnürt hat. Suchen wir diesen Abschnürungs- prozess uns zu erklären, so sehen wir, dass seine Ursache nm der vorgeschrittenen Differenzierung und Wucherung der Vorder- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 533 darmwand liegt. Letztere ist mehrschichtig geworden und hat sich nach hinten verlängert. Das auf Fig. 71 mit x bezeichnete hintere Ende der Ventralwand des Vorderdarms hat sich jetzt so weit nach hinten verschoben, dass es ganz nahe dem Vorder- ende der Dottermasse liegt. Dadurch wurde der Eingang zur Leber- und Gallenblasenanlage bedeutend verengert und ein Ductus choledochus geschaffen (Fig. 73, D. ch.). Unterdessen hat sich die Wand der eigentlichen Leber- anlage vielfach in Falten gelegt und letztere haben sich wiederum in charakteristische kompakte Leberbalken umgewandelt, die das ursprüngliche Leberlumen ausgefüllt haben, sodass von letzterem nur noch das Lumen des definitiven Ductus hepaticus (Fig. 73, D. hep.) nachgeblieben ist. Zwischen den Leber- balken sehen wir viele kleine Gefässe. Letztere sind folgender- massen entstanden. Gleichzeitig mit der Verlängerung der Vorderdarmwand hat sich auch der Ductus venosus nach hinten verlängert und hat dem entsprechend sich zwischen Ventral- wand des Vorderdarms und Dorsalwand der Leber und Ductus hepatieus gelagert. Das hintere Ende des Ductus venosus, welches, wie schon oben erwähnt, im zweiten Stadium durch die hufeisenförmige Vereinigung der Vena omph.-mes. sinistra und Vena mesenterica gebildet wird, reitet jetzt auf der Mün- dungsstelle des Ductus choledochus in den Darmkanal. Die kranialwärts gerichtete Leber berührt jetzt den etwas nach links von der Körpermittelebene lagernden Ductus venosus nicht nur an seiner ganzen Ventralseite, sondern auch an seiner linken und teilweise auch an seiner dorsalen Seite. Die Leber hat also den Ductus venosus mit ihrer linken Hälfte von der ven- tralen Seite her umwachsen. Bei dieser Gelegenheit haben die einzelnen Leberbalken wie beim Hühnchen vielfach die Wand des Ductus venosus durchwachsen und zerklüftet; aus letzterer entwickelten sich infolge dessen viele Ästchen, welche ihrerseits tief zwischen die Leberbalken eingedrungen sind. 994 BORIS CHORONSHITZKY, Beim Salamander erhält also die Leber die erste Blut- versorgung ebenso wie beim Hühnchen aus dem Ductus venosus. Die Umwachsung des letzteren durch die Leberanlage ist aber beim Hühnchen viel komplizierter, weil dort zwei sekundäre Leberdivertikel gebildet werden. Die hufeisenförmige Venen- vereinigung am hHinterende des Ductus venosus entspricht beim Salamander sowie beim Hühnchen dem hinteren Leberpol und darin weichen diese beiden Tiere vom Torpedo ab, bei welchem die Vereinigungsstelle der beiden Venae omph.-mesen- tericae vor der Leber liegt, sodass letztere hier nicht vom Ductus venosus sondern eben von diesen beiden Venen versorgt wird, wie wir es bei Beschreibung der Entwickelung von Torpedo ausführlich geschildert haben. Beim Hühnchen wurde der vorderste Abschnitt der Vena omph.-mes. sinistra obliteriert und die Vena omph.-mesent. dextra bildete die direkte Fortsetzung des Ductus venosus. Beim Salamander ist der vordere Abschnitt der Vena omph.-mes. dextra obliteriert und die direkte Fortsetzung des Ductus venosus wird von der Vena omph.-mes. sinistra gebildet. Dem Hühnchen und Salamander ist aber, wie schon oben erwähnt, die frühe Vereinigung der beiden Venae omph.-mes. am Vorderende des Dotterdarms gemeinsam. Etwas Ähnliches sahen wir auch bei Torpedo, wo zwischen Ductus choledochus und Ductus vitello-intestinalis eine Vereinigung beider Venae omph.-mes. vorhanden ist (Fig. 21). Im zweiten Stadium sehen wir beim Salamander schon ein deutlich ausgesprochenes dorsales Pankreas (Fig. 73, d. Pa. in der Gestalt einer dorsalwärts und gleichzeitig auch ein wenig nach vorne gewandten blindsackförmigen Ausstülpung der dor- salen Darmwand. Diese Ausstülpung entspricht der schon oben erwähnten ventralwärts gerichteten Darmkn;ckung, welche durch das wuchernde dersale Pankreas noch stärker wird. Die Form des letzteren spricht dafür, dass wir hier nicht mit der ersten Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 555 Anlage desselben zu thun haben, denn es hat schon einen, wenn auch nur minimalen kranio-kaudalen Abschnürungsprozess durchgemacht. In der That sahen wir bei Salamanderlarven welche zwischen den: ersten und zweiten von uns geschilderten Stadium sich befinden, eine seichte längliche Ausstülpung der dorsalen Darmwand, welche wir eben als erste Anlage des dor- salen Pankreas betrachten müssen. Im zweiten Stadium hat diese Anlage infolge der vorgeschrittenen Differenzierung und Verlängerung der Vorderdarmwand sich isoliert und ein wenig abgeschnürt. Auch hier erklärt sich der Abschnürungsprozess, ebenso wie bei der Leber, durch die Verlängerung des vor der Drüse liegenden Vorderdarmabschnittes (Fig. 73, NB). Betrachtet man Fig. 73, so bekommt man unwillkürlich den Eindruck, als ob der vor der Leber und dem dorsalen Pankreas gelegene Vorder- darmabschnitt sich fernrohrartig in den Dotterdarm einschieben wollte. Das ist eben der Ausdruck der starken Wucherung und Verlängerung des Vorderdarms, durch welche die beiden ge- nannten Drüsen, Leber und dorsales Pankreas, aus dem Darm kanal ausgeschieden werden. Die kranio-kaudal fort- schreitende Differenzierung des Vorderdarms ist also die Ursache der Anlage sowie der Isolation der grossen Bauchdrüsen. In Betreff der Gallenblasenanlage, welche schon im ersten Stadium angedeutet war, wurde schon erwähnt, dass sie im zweiten Stadium bereits in den Bereich des Ductus chole- dochus hineingezogen ist. Ihr hinteres Ende geht aber noch direkt in die Ventralwand des Dotterdarms über. Die Gallen- blasenanlage hat also ihr Verhältnis zum Dotterdarm nicht ver- ändert und ihr Übergang in den Bereich des Ductus choledochus ist ein passiver. Im ersten Stadium wurde sie durch einen bestimmten Abschnitt der ventralen Darmwand gebildet; im zweiten Stadium gehört sie schon in ihrem grössten Teil der Ventralwand des Ductus choledochus an. Im Querschnitt sieht 536 BORIS CHORONSHITZKY, jetzt die Gallenblasenanlage seitlich zusammengedrückt, d. h. dorsoventral ausgezogen, aus. Entsprechend ihrem hinteren Teil, wo ihre rechte Seitenwand in die rechte Wand des Darms übergeht, sehen wir eine leicht angedeutete Hervorbuchtung der letzteren, welche wir als erste Andeutung des rechten ven- tralen Pankreas betrachten. Im zweiten Stadium hat die Leber und das dorsale Pankreas sich bereits nach rechts gewandt. Besonders stark ist die Rechts- drehung beim dorsalen Pankreas ausgeprägt, dessen ursprüng- lich rechte Wand zur ventralen geworden ist. Zwischen dieser ventralen Pankreaswand und der rechten Darmwand zieht die von hinten kommende Vena mesenterica, welche von hier weiter nach vorne verläuft, die ganze rechte Darmwand um- biegend, um vor der Mündungsstelle des Ductus choledochus sich mit der Vena omph.-mes. sinistra zum Ductus venosus zu vereinigen. Die Vena mesenterica wird in ihrem vordersten Teil ein wenig von der nach rechts gewandten Leber bedeckt und zur rechten Darmwand zugedrückt. Ebenso wird sie auch vom dorsalen Pankreas bedeckt und zur genannten Darmwand zugedrückt. Frei und unbedeckt bleibt sie nur eine kleine Strecke lang, zwischen den jetzt gegeneinander gewandten Drüsen, d. h. zwischen Leber und dorsalem Pankreas. Die Wurzel der Vena mesenterica wird durch einen schmäch- tigen Mesenterialzweig gebildet, welcher von hinten kommt und ein wenig hinter dem dorsalen Pankreas sich mit einigen von links und vorne kommenden Dottervenen vereinigt, um von hier aus weiter nach vorne den beschriebenen Weg zum Ductus venosus zu verlaufen. II. Im dritten Stadium sehen wir schon zwei gut ausgeprägte ventrale Pankrease. Wenn wir einen Querschnitt in der Gegend der Choledochusmündung betrachten, so sehen wir ent- sprechend dem hinteren Ende der Gallenblase eine kreuz- Die Entstehung d. Miliz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 537 förmige Ausstülpung der ventralen Darmwand. Diese Ausstülpung besteht aus zwei seitlichen und einem mittleren Schenkel. Der letztere ist ventralwärts und ein wenig nach rechts gewandt und stellt eben den Querschnitt des Hinterendes der Gallenblase dar. Von den zwei seitlichen Schenkeln ist der rechte zugleich dorsalwärts gewandt; es ist das rechte ventrale Pankreas, welches bereits im vorigen Stadium angedeutet war. Jetzt stellt es schon einen teilweise dorsalwärts gerichteten Blind- sack dar, welcher entlang der Vena mesenterica an der rechten Darmwand dem dorsalen Pankreas entgegenwächst. Der linke seitliche Schenkel der genannten kreuzförmigen Ausstülpung ist das linke ventrale Pankreas, welches zugleich auch ventralwärts gerichtet ist. Es ist klar, dass die beiden ventralen Pankrease dort entstehen, wo die Seitenwände der Gallenblase resp. des Ductus choledochus in die Seitenwände des Darmes übergehen, und die geschilderte kreuzförmige Ausstülpung ist eben der Ausdruck dieser Erscheinung. Dasselbe sahen wir auch beim Hühnchen, wo auf Fig. 64 eine ähnliche kreuzförmige Ausstül- pung angedeutet ist, nur mit dem Unterschiede, dass hier der mittlere, der Gallenblase entsprechende Schenkel vielmal länger ist als die seitlichen Schenkel, welche den ventralen Pankreasen entsprechen. Das hängt hier vom Vorhandensein zweier Leber- gänge ab. Beim Salamander, wo nur ein Lebergang vorhanden ist, ist der mittlere Schenkel viel kürzer und sogar kleiner als die seitlichen Schenkel. Göppert (L. 16) giebt für Triton alpestris eine Zeichnung, wo eine kreuzförmige Ausstülpung sichtbar ist, ganz so, wie wir sie beim Salamander finden. Eine ähnliche Erscheinung sahen wir bei allen von uns untersuchten Wirbeltieren, mit Ausnahme der Selachier, wo überhaupt keine ventralen Pankrease vorhanden sind. Wir schliessen daraus, dass überall die beiden ventralen Pankrease aus den seitlichen Darmwänden entstehen, entsprechend den Übergangsstellen der seitlichen Choledochuswände in die letzteren, ebenso wie die Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIV/XLII. Heft (13. Bd, H.23) 35 538 BORIS CHORONSHITZKY, Gallenblase aus der ventralen Darmwand entsteht, entsprechend der Übergangsstelle der ventralen Leber- resp. Choledochuswand in die Ventralwand des Dotterdarms. Später werden bei allen Wirbeltieren die beiden ventralen Pankrease, ebenso wie die Gallenblase, in den Ductus choledochus hineingezogen. Bei den Selachiern wird die Gallenblase sehr früh in den Duectus choledochus hineingezogen. Darin liegt vielleicht ein mechanisches Moment, welches dieEntstehung der ventralen Pankrease bei den Selachiern verhindert. Die geschilderte kreuzförmige Ausstülpung muss selbstver ständlich nur als Ausdruck der an der Übergangsstelle des Ductus choledochus in den Darmkanal sich abspielenden Prozesse betrachtet werden. Sie spricht nur dafür, dass die Anlagen der ventralen Pankrease und der Gallenblase einer und derselben Darmzone gehören, welche sich später als die der Leberanlage entsprechende Darınzone differenziert. Allerdings scheint auch innerhalb der ersteren eine gewisse Verschiedenheit vorhanden zu sein, indem die Gallenblase immer etwas früher zur Entstehung ge- langt, als die ventralen Pankrease. Sollte aber die Gallenblase zu früh angelegt und zu früh in die Leber hineingezogen werden, so mag das eben die Entstehung der ventralen Pankrease völlig ver- hindern, wie esin Bezug auf die Selachier angenommen werden kann. Was den Entwickelungsgrad der drei in diesem Stadium schon vorhandenen Pankrease anbetrifft, so ist das dorsale Pankreas am stärksten entwickelt. Es zeigt schon an seiner Oberfläche viele kurze Knospen oder Acini, welche der Drüse die Rebenform verleihen. Die einzelnen Acini sind auf den Schnitten selten quer getroffen, eben weil sie kurz sind. In den wenigen Fällen aber, wo sie quer getroffen sind, stellen sie runde Schlingen mit kleinem centralen Lumen dar, um welches eine einzige Reihe Cylinderzellen gruppiert ist, in denen noch viele Dotterkügelchen vorhanden sind. Die Dotterkügelchen sind in dem dem Lumen zugewandten Zellenteil enthalten Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 539 welcher viel grösser ist, als der basale, unter dem Kern befind- liche, Zellenteil. Letzterer enthält keine Dotterkügelchen und besteht nur aus durchsichtigen ungefärbtem Protoplasma; durch den Kern ist er vom oberen dem Lumen zugewandten Zellen- teil geschieden, welcher infolge der von uns angewandten Doppel- färbung mit Borax-Karmin und Pikrinsäure gelb erscheint. Da die Kerne bei dieser Färbung rot bleiben, so erhält ein quer durchschnittener Pankreasacinus das Aussehen einer kreisförmigen, aus drei konzentrischen Ringen bestehenden Schlinge: der innerste Ring ist am breitesten und gelb gefärbt; der mittlere Ring ist rot gefärbt und stellt eine Kette dicht gedrängter Kerne dar; der äussere Ring ist am schmälsten, ungefärbt und durchsichtig. Wenn die Acini tangential oder in der Längsrichtung getroffen sind, so ändert sich entsprechend das mikroskopische Bild. Immer können wir aber in ihnen die Öylinderzellen wahrnehmen, deren innerer dem Lumen zugewandter Teil infolge des Dotterkügelchen- gehalts gelb gefärbt erscheint. Der weite Ausführungsgang des dorsalen Pankreas mündet von der dorsalen und rechten Seite her in die dorsaleDarmwand. Die Zellen dieses Ganges sind ebenfalls eylindrisch, aber reichhaltiger an Dotterkügelchen, welche hier und da auch in ihren Basalteilen angetroffen werden. Das dorsale Pan- kreas wächst der Vena mesenterica entlang nach rechts und ventral- wärts, teilweise auch kranialwärts, und ist bestrebt, mit dem rechten ventralen Pankreas sich zu vereinigen. In diesem Stadium ist die Vereinigung noch nicht zustande gekommen, doch liegen die beiden Drüsen schon nahe nebeneinander und berühren sich schon fast an ihren blinden Enden. Sie bedecken schon gemein- schaftlich fast den ganzen der rechten Darmwand anliegenden Abschnitt der Vena mesenterica, welche also zwischen dieser Darmwand einerseits und dem dorsalen und rechten ventralen Pankreas andererseits verläuft. Letzteres ist noch unverzweigt und lässt sich leicht vom dorsalen Pankreas unterscheiden. Das linke ventrale Pankreasist kleinerals dasrechte und ebenfallsunverzweigt. 35* 540 BORIS CHORONSHITZKY, Die Schlingen des dorsalen Pankreas lassen sich infolge ihrer oben beschriebenen Eigentümlichkeiten vom umgebenden Mesenchym leicht unterscheiden. Letzteres besteht hier, ebenso wie beim Hühnchen, aus fixen und freien Zellen (Fig. 73, Mes.). Die Kerne sind in beiderlei Zellen dieselben, d. h. von gleicher Struktur und Grösse. Es sind feinkörnige, rot gefärbte Kerne, wie wir.sie auch in den übrigen Geweben, ausser den Blutkör- perchen, sehen. Der protoplasmatische Körper der fixen Zellen sendet zarte durchsichtige Ausläufer aus. Die Ausläufer der be- nachbarten Zellen vereinigen sich zu einem Netz, in dessen Maschen die freien Zellen liegen. Letztere haben einen kleinen rund lichen Protoplasmakörper, der im zweiten Stadium noch Dotter- kügelchen enthielt, im dritten Stadium aber von letzteren schon vollständig frei ist. Die Konturen der freien Zellen sind nicht scharf und haben öfters ein zerrissenes Aussehen. Da das Proto- plasma der fixen und freien Mesenchymzellen sich nicht färbt, die Kerne aber rot sind, so sieht man im dritten Stadium inner- halb des Mesenchym nur dort eine Gelbfärbung, wo entodermale Elemente, d. h. pankreatische Schlingen, liegen. Die Gelbfär- bung hat also hier eine diagnostische Bedeutung, besonders in den Fällen, wo die Pankreasschläuche so getroffen sind, dass die Lage ihrer Elemente nicht vollständig klar erscheint. Das ist deswegen von besonderer Wichtigkeit, weil das dorsale Pankreas und seine Verzweigungen hier noch nicht von cirkulär angeord- netem Gewebe umgeben sind, welches beim Hühnchen uns die Diagnose erleichtert hat. Solches Gewebe sehen wir beim Sala- mander im dritten Stadium in der Umgebung des ganzen Vorder- darms, welcher von ihm vollständig umsponnen erscheint. Das dorsale Pankreas hat aber, wie gesagt, noch kein cirkuläres Ge- webe um sich. Die Leber hat sich unterdessen stark vergrössert und den Ductus venosus schon vollständig umgeben, sodass letzterer jetzt gewissermassen als centrales Gefäss die Leber von hinten Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 541 nach vorne durchbohrt. Die Leberbälkchen lassen im Längs- durchschnitt eine doppelte Reihe Drüsenzellen unterscheiden. Innerhalb der Bälkchen sieht man selten einen kleinen Hohl- raum. | Um die Lage und Ausdehnung der Leber im.dritten Stadium zu verstehen, muss man zuerst die unterdessen am Vorderdarm stattgefundenen Veränderungen kennen. Schon im vorigen Stadium war letzterer ein wenig von der Körpermittelebene nach links, die Leber und dorsales Pankreas nach rechts abgewichen. Hier- durch war also der Anfang der gastro-duodenalen Drehung angedeutet. Im dritten Stadium hat der Vorderdarm infolge der stark vorgeschrittenen Differenzierung und Wucherung seiner Wand an Länge bedeutend zugenommen, besonders in seinem hintersten dem Duodenum entsprechenden Abschnitt. Unter- dessen ist auch nicht weit hinter der Mündung der primitiven Trachea der Magen zum Vorschein gekommen, welcher (Fig. 74, Ma) etwa */5s des transversalen Durchmessers der Leibeshöhle ein- nimmt. Da der Magen nach links verlagert ist, so ist das Meso- gastrium (ib. Mes.) ebenfalls nach links hinübergezogen. Das hinter dem Magen liegende Duodenum hat so stark an Länge zugenommen, dass es sich quer lagern musste. Es bildet jetzt eine in einer transversalen Ebene liegende, mit der Konvexität ventralwärts gerichtete Schlinge, welche fast den ganzen Quer- schnitt der Leibeshöhle einnimmt; ihr kraniales Ende liegt in der linken Hältte der letzteren als direkte Fortsetzung des Magens; ihr kaudales Ende liegt in der rechten Hälfte der Leibeshöhle und biegt plötzlich nach hinten um, um in den Dotterdarm überzugehen. Bei dieser Verlagerung haben sich Magen und Duodenum, welche zusammen jetzt eine Spirale bilden, gleich- zeitig ein wenig um ihre Längsachse gedreht und tordiert. Diese Drehungsbewegung geschah in der Richtung des Uhr- zeigers (wenn man letzteren sich in der Ebene der Fig. 74 vor- stellt). Dadurch wurde das Mesogastrium noch mehr nach links 542 BORIS CHORONSHITZKY, hinübergezogen und das Duodenum lagerte sich so, dass seine ursprünglich ventrale Fläche zur vorderen, seine ursprünglich dorsale Fläche zur hinteren wurde. Die Oholedochusmündung wurde dabei ein wenig nach vorne und rechts, die Mündung des dorsalen Pankreas ein wenig nach hinten verschoben. Die stark gewucherte Leber (Fig. 74, Le) liegt an der ventralen Magenfläche und sieht im Querschnitt halbmondförmig aus. Rechts geht von der Leber eine platte Lamelle dorsalwärts ab und zieht zwischen Magen und linker Leibeshöhlenwand bis zum Mesenterium (ib. NB), mit dem sie sich verbindet. Zwischen dieser Lamelle und Magen entsteht ein enges Peritonealfenster (Per.f.). Weiter hinten hört die genannte Lamelle auf und rechts vom Peritonealfenster taucht das dorsale und rechte ventrale Pankreas auf; links vom Peritonealfenster ist der hintere schmälere Magenabschnitt sichtbar. Noch weiter hinten, d. h. innerhalb der Konkavität der oben beschriebenen, transversal liegenden Duodenalschlinge, verschwindet das Peritonealfenster und wir. sehen im breiten Mesenterium zwischen dem links liegenden kranialen Ende der Duodenalschlinge einerseits und dem dorsalen und rechten ventralen Pankreas andrerseits die jetzt stärker gewordene Vena mesenterica. Letztere zieht im Mesenterium von hinten nach vorne, wendet sich innerhalb der Konkavität der Duodenalschlinge ventralwärts, verläuft hier, wie schon ge- sagt, zwischen kranialem Ende. dieser Schlinge und beiden ge- nannten Pankreasen schräg zum Ductus choledochus, nimmt dicht vor letzterem oder richtiger dorsalwärts vom letzteren, die schon sehr schmächtige Vena omphalo-mesenterica sinistra in sich auf und senkt sich in die Leber ein, welche sie als Ductus venosus durchbohrt, um zum Sinus venosus zu gelangen. Die Vena omphalo-mesenterica sinistra, welche an der ventralen Wand des Dotterdarmes kaudo-kranial verläuft, muss jetzt, um sich am Ductus choledochus mit der Vena mesenterica zu vereinigen, die ventrale resp. konvexe Fläche der Duodenalschlinge über- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 545 brücken. In den nächsten Stadien wird die Vena omphalo-mesen- terica sinistra noch kleiner, bleibt aber gewöhnlich auch beim erwachsenen Tier als winzige Vena Rusconi (Hochstetter, L. 33) erhalten. Aus dem ursprünglichen embryonalen Venen- system, dessen Grundlage die beiden Venae omphalo-mesentericae bildeten, entstand also ein neues, definitives Venensystem, dessen Grundlage die Vena mesenterica bildet. Letztere liegt gewisser- massen innerhalb der Bauchorgane, innerhalb der durch die Gastroduodenaldrehung entstandenen Spirale des Darmtraktes, und ist daher am geeignetsten, um als Sammelvene für die Bauchorgane zu dienen. Sie bildet auch daher die Grundlage der definitiven Vena portae. Die Leber reicht hinten bis zur Duodenalschlinge. Dabei bedeckt sie mit ihrer hinteren Fläche die Gallenblase, den Ductus choledochus und die beiden ventralen Pankrease und dringt auch gewissermassen zwischen diese Organe ein, sodass letztere auf dem Querschnitt in Lebergewebe eingebettet erscheinen. Der Ductus choledochus mündet jetzt in die Vorderwand des kaudalen Endes der Duodenalschlinge. Während im zweiten Stadium (Fig. 73) die Choledochusmündung in einem Niveau mit der Mündung des dorsalen Pankreas lag, liegt jetzt letztere infolge der Gastroduodenaldrehung des Darmtraktes weiter hinten. Denken wir uns zwischen diesen beiden Mündungen eine gerade Linie gezogen, so wird sie ungefähr die Richtung bezeichnen, in welcher das dorsale und rechte ventrale Pankreas einander entgegen- wachsen. Diese Linie verläuft von rechts, vorne und der ven- tralen Seite her nach links, hinten und dorsalwärts. Der Niveauabstand der beiden genannten Mündungen entspricht ungefähr der Dicke der Duodenalschlinge. IV. Im vierten Stadium erhält noch die Wand des Darmtraktes und der aus ihm entstammenden Organe eine gehörige Anzahl 544 BORIS CHORONSHITZKY, von Dotterkügelchen. Die Leber hat sich wenig verändert; sie ist nur ein wenig grösser geworden. Die beiden ventralen Pankrease und die Gallenblase sind jetzt schon in den Ductus choledochushin- eingezogen und stellen Anhangsorgane des letzteren dar. Die Gallen- blase hängt schon an einem deutlich ausgeprägten Ductus cysticus, der nach rechts und ventralwärts verläuft (cf. Fig. 77, D. ey.). Die ventralen Pankrease haben sich verzweigt, das rechte mehr als das linke. Letzteres hat sich dabei um den vorderen resp. dorsalen Umfang des Ductus choledochus gedreht und mit seinen eigenen Verzweigungen diejenigen des rechten ventralen Pankreas berührt. Zur Verschmelzung derselben kam es aber noch nicht. Dafür haben sich schon dorsales und rechtes ventrales Pankreas innig verbunden, und obgleich die Verzweigungen des letzteren im allgemeinen eine weniger differenzierte Wand besitzen als die Schläuche des dorsalen Pankreas, so sind doch die beiden Drüsen schon nicht mehr genau von einander abzugrenzen. Die ursprünglichen drei’Pankrease bilden jetzt eine einzige Drüsen- masse, in der man in den nächsten Stadien schon nicht mehr die einzelnen Bestandteile wird unterscheiden können. Wir können schon also von einer einheitlichen Bauchspeichel- drüse sprechen, die zwei ventrale, in den Ductus choledochus mündende Ausführungsgänge und einen weiter hinten liegenden, in das Kranialende der Duodenalschlinge mündenden, dorsalen Ausführungsgang besitzt. Die Bauchspeicheldrüse liegt innerhalb der Konkavität des Duodenums, hinter der Leber, und umfasst die Vena mesenterica oder schon richtiger die Vena portae von der rechten Seite her. Die zwei ventralen Ausführungsgänge der Bauchspeicheldrüse liegen an ihrem vorderen Pol, der dorsale Ausführungsgang, welcher eigentlich einem mehr kranialen Darm- abschnitt gehört, liegt an ihrem hinteren Pol. Das erklärt sich, wie schon erwähnt, durch die Bildung der transversal liegenden Duodenalschlinge, wodurch der ganze Vorderdarm gewisser- massen in eine Spirale umgewandelt wurde. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 545 Im vierten Stadium finden wir die erste Anlage der Milz. Sie (Fig. 74, Mi) stellt einen dem linken Visceralblatt des Mesogastrium eng anliegenden, dorso-ventral abgeplatteten Herd verdichteten Mesenchymgewebes dar. Dieser Mesenchymherd ragt ein wenig in die Leibeshöhle hinein. Er besteht wie das übrige Mesenchym aus freien und fixen Zellen. Die letzteren 7 2 MILES. W7 St: er = Dez | Er == — m BL Fat. sind in kleinerer Zahl vorhanden als die ersteren. Der Mesothel- überzug der Milz unterscheidet sich wesentlich von dem übrigen Mesothel. Letzteres stellt im ganzen Visceralblatt ein einschich- tiges plattes Epithel dar, welches im Querschnitt eine Kette lang ausgezogener Spindelzellen bildet. An der Milz stellt der Mesothel- überzug eine unregelmässige Reihe polygonaler Embryonalzellen dar, welche mit den freien Mesenchymzellen identisch sind. 546 BORIS CHORONSHITZKY, Diese Zellenreihe hat ein zerrissenes Aussehen, die einzelnen Zellen liegen ‚locker nebeneinander und in wechselnden Ab- ständen, sodass man hier kaum von einem Epithel sprechen kann. Es macht vielmehr den Eindruck, als ob die Milzanlage ihres Mesothelüberzuges entblösst wäre, da man den letzteren nicht deutlich genug vom verdichteten Mesenchym abgrenzen kann. Wir sehen stellenweise in denjenigen Zellen, welche ihrer peripheren Lage wegen doch als dem Mesothel angehörend betrachtet werden müssen, senkrecht zur Oberfläche stehende karyokinetische Figuren, die in das Mesenchym hineinragen und nach deren Teilung die nach innen gewandten Tochterzellen im Mesenchym bleiben müssen. Andrerseits sehen wir auch hier und da karyokinetische Figuren in den freien Zellen des ver- dichteten Mesenchym, sowie auch an anderen Stellen in den freien Zellen des normalen, unverdichteten Mesenchym. Es muss hier noch darauf hingewiesen werden, dass beim Salamander sowie auch bei den anderen Urodelen wenig Darm- mesenchym vorhanden ist. Im vierten Stadium bildet beim Salamander das bereits vorhandene Darmmesenchym eirkulär angeordnete Reihen spindelförmiger Zellen um den ganzen Vorder- darm (cf. Fig. 75 und 76!), wo solche Reihen den Magen um- spinnen). Dieses cirkulär angeordnete Gewebe ist im Querschnitt gewöhnlich zweischichtig, stellenweise mehrschichtig, selten ein- schichtig. Es liegt dem Entoderm dicht an. Zwischen Mesothel und cirkulärem Gewebe ist sehr wenig normales retikuläres Mesenchymgewebe vorhanden; wir begegnen hier (Fig. 76) ge- wöhnlich nur einzelnen freien Mesenchymzellen, seltener fixen Sternzellen. Die Milzanlage (ib. Mi) liegt mit ihrer ventralen Fläche dicht dem cirkulär angeordneten Gewebe an. Seitlich ist sie spärlich von retikulärem Mesenchymgewebe umgeben. 1) Die Bilder der Nekturuslarven sind denjenigen der Salamanderlarven fast identisch und können daher hier zur Erklärung dienen. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 547 Wenn wir uns jetzt fragen: wodurch wurde die Milzanlage eingeleitet, so müssen wir folgendes antworten. Das oben be- schriebene Aussehen des mesothelialen Milzüberzuges, durch welches er sich vom übrigen Mesothel drastisch unterscheidet, spricht für seine aktive Beteiligung an der Milzanlage. Diese Be- teiligung besteht höchst wahrscheinlich in einer Vermehrung der Zahl der freien Mesenchymzellen. Übrigens sahen wir auch inner- halb der letzteren hier und da karyokinetische Figuren, welche auf eine teilweise Vermehrung derselben durch eigene Prolifera- tion hinweisen. Eine dritte Entstehungsquelle freier Mesenchym- zellen ist das Entoderm. Zwar ist letzteres vom cirkulär ange- ordneten Gewebe umsponnen, doch sieht man öfters (Fig. 76), wie durch dasselbe Zellen, welche vom Entoderm sich abgelöst haben, ins Mesenchym hinüberwandern. Dabei müssen die Zellen ihre Form mehrfach ändern; anfangs tritt nur der eine Pol der Zelle durch die eirkulär angeordnete Gewebskette hindurch; die Zelle bekommt eine birnförmige Gestalt. Allmählich zieht sich die eine Zellenhälfte hinüber und wir erhalten die Biskuitform. Noch später sehen wir abermals die Birnform, wobei schon der grösste Teil der Zelle hinübergewandert ist. In einem Falle sahen wir (beim Necturus) sogar einen aus dem Entodem aus’ gehenden Zellenzug, dessen letzte Zelle noch durch das cirkulär angeordnete Gewebe hindurchwanderte (Fig. 76, Mi). Es sei hier hinzugefügt, dass dieser Zellenzug nicht an ein Gefäss ge- bunden war, wie es Maurer (L. 62) für Triton und Axolotl angiebt, wo entodermale Zellen längs der kleinsten Arterien durch die Muscularis'!) des Magens hindurchwandern sollen. Überhaupt sahen wir bei unseren Untersuchungen weder beim Salamander noch bei den anderen Urodelen zur Zeit der Milz- anlage ähnliche Gefässe zum oder vom Entoderm durch das eirkulär angeordnete Gewebe hindurchtreten. 1) Das eirkulär angeordnete Gewebe nennt Maurer schon jetzt Mus- eularis, 548 BORIS CHORONSHITZKY, Die beschriebenen Zellenbilder sprechen unzweifelhaft dafür, dass ein Teil der freien Mesenchym- resp. Milzzellen aus dem Entoderm herstammt. Da letzteres noch Dotterkügelchen ent- hält, so könnte man erwarten, dass die aus ihm stammenden freien Embryonalzellen ebenfalls solche enthalten werden. Das ist aber nicht der Fall, denn die Entodermzellen lösen sich niemals aus dem epithelialen Verbande in toto, d. h. als Cylinderzellen mit grossem Protoplasmakörper und Dotterkügel- chengehalt, sondern als durch indirekte Teilung entstandene Tochterzellen, welche von der Mutterzelle nur ganz wenig Proto- plasma mitbekommen). In der That besizen alle freien Mesen- chymzellen einen kleinen Protoplasmakörper, dessen Konturen oft ein zerrissenes Aussehen haben. Es ist möglich, dass gerade, wo wir im Mesenchym eine Zelle mit solchen Konturen an- treffen, wir sie als entodermalen Ursprungs betrachten müssen. Andererseits ist es aber auch möglich, dass die aus dem Mesothel stammenden Zellen ebenfalls zerrissene Konturen haben können. Wie sich beim Salamander das Entoderm in den jüngeren Stadien zum Mesenchym verhielt, darüber können wir jetzt Näheres nicht angeben. Es gehört auch nicht in den Rahmen dieser Arbeit hinein, da wir hier nicht die Entstehung des Mesenchyms betrachten wollen. Darüber ein anderes Mal. Wir glauben mit Sicherheit sagen zu können, dass beim Salamander noch zur Zeit der Milzanlage aus dem Entoderm Zellen ins Mesenchym- resp. Milzgewebe übergehen. Beim Hühnchen haben wir Ähnliches in jüngeren Stadien gesehen, zur Zeit der Milzanlage aber war solch ein Zellenübergang dort nicht mehr möglich. Im übrigen ist die Milzanlage beim Salamander gleich derjenigen beim Hühnchen. Auch beim Salamander ist es ein an einen gewissen Abschnitt des linken Visceralblattes ge- bundener Herd mesenchymatösen Gewebes, welcher die eigent- 1) Ähnliches konstatiert auch Retterer (8. 78). Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 549 liche Milzanlage bildet. Letztere wird auch beim Salamander durch Zunahme der Zahl der freien Mesenchymzellen, gewisser- massen durch Verdichtung des Mesenchymgewebes eingeleitet. Die Topographie der ersten Milzanlage beim Salamander unter- scheidet sich von derjenigen beim Hühnchen nur dadurch, dass beim Salamander dieses Organ von vorne herein seine definitive Lage an der Dorsalwand des Magens einnimmt, während es beim Hühnchen viel später dies thut, als der Magen sich weit nach hinten verschiebt und mit seinem Fundus stark nach links ausbuchtet, wodurch die ursprünglich dem Niveau des Duodenums angehörende Milz (s. Fig. 67) ebenfalls nach links hinübergezogen und in die definitive Lage an der Dorsalwand des Magens gebracht wird. Beim Salamander, wo das Meso- gastrium kurz und das Mesenchym spärlich vorhanden ist, wären solche Verschiebungen nicht gut möglich. Der Unterschied in dem topographischen Verhalten der ersten Milzanlage zum Darmtrakt beim Hühnchen und Sala- mander spricht gerade am besten für die Unabhängigkeit der- selben vom Darmtrakt. Die Milzanlage ist eben nur an einen gewissen Abschnitt des Mesothels gebunden und wenn sie ihre Lage zu den einzelnen Abschnitten des Darmtrakts ändert (wie z.B. beim Hühnchen), so ist es eigentlich der letztere, der sich verschiebt und seine Lage zum genannten Abschnitt des Meso- thels ändert. Am besten werden wir es bei Betrachtung der ersten Milzanlage beim Frosch sehen. Innerhalb der Milzanlage des Salamanders sehen wir einige Lumina, welche von den Fäden des retikulären Mesenchym- gewebes begrenzt sind und Blutkörperchen enthalten. Gewöhn- lich sieht man in jedem dieser Lumina 1-2 Blutkörperchen, selten schon drei. Betrachten wir eine kontinuierliche Serie von Querschnitten, so finden wir, dass auf den weiter hinten liegenden Schnitten die genannten Lumina allmählich zusammen- fliessen, sodass wir zuletzt im hinteren Teil der Milzanlage, an 550 BORIS CHORONSHITZKY, ihrer ventralen Seite, ein einziges, aber grösseres Lumen er- halten, in dem schon 5—6 oder noch mehr Blutkörperchen ent- halten sind. Das ist der Querschnitt der Vena lienalis. Letztere hat schon ihre eigene Endothelialwand, während die innerhalb der Milzanlage eingeschlossenen Zweigchen derselben eine solche noch nicht besitzen. Auf einem den hinteren Teil der Milz treffenden Querschnitt liegt das Lumen der Vena lienalis rechts und ventralwärts und wird von der linken und dorsalen Seite her halbmondförmig vom Milzgewebe umgeben. Weiter hinten hört das Milzgewebe auf und wir sehen auf den ‘Schnitten nur die Vena lienalis. Sie verläuft von der Milz- gegend nach hinten, rechts und ventralwärts. Daher verschiebt sich ihr Lumen auf den weiter kaudalwärts folgenden Schnitten immer mehr nach rechts und ventralwärts. Unterdessen taucht auf den Schnitten die Bauchspeicheldrüse auf, anfangs ihr mehr ventralwärts liegender vorderer Pol und allmählich auch ihr mittlerer und hinterer Teil, dessen Gewebe schon mehr dorsal- wärts liegt. Die Vena lienalis verläuft an der rechten Seite der Bauchspeicheldrüse, nimmt aus ihr einige venöse Zweigchen in sich auf und mündet dann, indem sie die hintere Pankreas- kante ein wenig umbiegt, in die Vena portae (ursprünglich Vena mesenterica). Wir sehen, dass auf den Schnitten, wo die Milz noch ge- troffen ist, von der Bauchspeicheldrüse noch keine Spur vor- handen ist. Erst 7—8 Schnitte hinter dem kaudalen Milzende tauchen die vordersten Pankreasschläuche auf den Schnitten auf. Sie liegen aber, wie gesagt, weit ventralwärts. Weiter hinten wird aber die Zahl derselben grösser und sie nehmen immer mehr Raum nach der dorsalen Seite zu ein, sodass etwa 25 Schnitte hinter dem kaudalen Milzende der hintere dorsale Pankreaspol ungefähr dieselbe topographische Lage hat, wie weit vorne die Milzanlage. Dieser Umstand kann den Forscher leicht irre führen, indem man geneigt sein könnte, anzunehmen, dass beim Salamander das dorsale Pankreasende in der Milz gegend liegt. Beim Salamander ist also die enge Nachbarschaft von Milz und Pankreas, wie wir sie beim Hühnchen gesehen haben, nicht vorhanden. Der einzige Zusammenhang dieser beiden Organe besteht im geschilderten Verlauf der Vena lienalis. Ein Übergang von pankreatischen Elementen in die Milzgegend ist unmöglich, weil diese Elemente einen sehr weiten Weg zurück- legen müssten. Es kommt noch der Umstand hinzu, dass wir beim Salamander niemals vom Pankreas abgetrennte Drüsen- schläuche finden konnten, sondern in allen Fällen waren letztere auf dem einen oder auf dem anderen Schnitt mit dem Mutter- boden verbunden. Aber könnte nicht ein einziger Drüsenschlauch vom Pankreas sich abgetrennt haben, in die Milzgegend hinüber- gegangen sein und, nachdem er noch mesenchymatöse Elemente in sich aufgenommen hätte, die erste Milzanlage gebildet haben ? Und ist nicht vielleicht in solchem Fall eines der in der Milz- anlage vorhandenen Lumina das ursprüngliche Lumen des ab- getrennten pankreatischen Drüsenschlauches? Diese Hypothese, welche von Woit (L. 99) für Triton und Axolotl aufgestellt worden ist, müssen wir mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Wenn die Milzanlage wirklich ein modifizierter Pankreasschlauch wäre, so müsste letzterer wie schon gesagt, einen sehr weiten Weg aus der Duodenal- in die Magengeg end zurückgelegt haben, um an der Stelle der künftigen Milz zu liegen zu kommen. Zweitens können wir in der Milzanlage absolut nichts finden, was an das Pankreas erinnern sollte. Die Milzanlage besteht ebenso wie das übrige Mesenchym, aus freien und fixen Zellen, in welchen keine Dotterkügelchen vorhanden sind, während die Pankreaszellen noch eine beträchtliche Anzahl derselben ent- halten. Wir können nirgends in der Milzanlage eine kreis- förmige Anorduung von Elementen um ein centrales Lumen finden; man sieht hier nirgends wenigstens 2—3 eng miteinander ver- 552 BORIS CHORONSHITZKY, bundene Cylinderzellen oder überhaupteine einzige Cylinderzelle, welche wenigstens durch ihre Form an die Pankreaszellen erinnern könnte, schon abgesehen vom Dotterkügelchengehalt der letzteren. Wenn ein Pankreasschlauch wirklich in die Milzanlage überge- gangen wäre, so könnte er nicht unbemerkt hier bleiben, schon aus dem Grunde, weil die Dimensionen der ersten Milzanlage nicht diejenigen eines Pankreasschlauches, wenigstens im Quer- schnitt, übertreffen. Was die in der Milzanlage sichtbaren Lumina anbetrifft, so enthalten sie immer Blutkörperchen und stellen die Wurzeln der Vena lienalis dar, in welche sie auch alle ohne Ausnahme münden. Wir haben nie gesehen, dass ein und das- selbe Lumen auf zwei benachbarten Schnitten keine Blutkörper- chen enthalten sollte, und wir haben überhaupt selten einen Schnitt auffinden können, wo in einem Lumen der Milzanlage keine Blutkörperchen vorhanden wären. Woit spricht indessen von einem einzigen Milzlumen und sagt, dass man in letzterem „stellenweise eine farblose, durchsichtige Masse sieht, welche einem Sekret ähnelt und in jedem Falle an das im Darm der der Axolotllarven enthaltene Sekret erinnert.“ Es scheint uns, dass Woit die farblosen, durchsichtigen Ausläufer der fixen Mesenchymzellen, welche die Milzlumina umgeben, für Sekret hält. Es macht nämlich auf uns den Eindruck, als hätte Woit vollständig an das Vorhandensein eines farblosen, undurchsich- tigen Protoplasmas bei den Milzzellen vergessen. Aus diesem Protoplasma bestehen ja eben die Ausläufer der fixen Mesen- chym- resp. Milzzellen. Wenn man bei den Urodelen nur die grossen intensiv gefärbten Kerne beachtet, so kann man wirk- lich, wenn man durchaus die Milz vom Pankreas ableiten will, manchmal eine mehr weniger kreisförmige Anordnung einzelner Kerne um ein Milzlumen konstatieren. Wenn man aber genauer zusieht, so bemerkt man sofort, dass ein Teil dieser Kerne fixen, der andere Teil freien Milzzellen gohört und dass die das Milz- lumen umgebende farblose durchsichtige Masse einfach die mit Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 553 einander verbundenen Ausläufer der fixen Zellen darstellt. Stellen- weise reicht auch eine freie Mesenchymzelle bis an den Rand des Lumens oder sogar über denselben hinüber, sodass ein Teil auch ihres Protoplasmakörpers in die das Milzlumen umgebende durchsichtige Masse hineingehört. Es ‚scheint uns, auf Grund des Gesagten, dass Woit eben diese Masse für Sekret angesehen und das zufällig von Blutkörperchen befreite Milzlumen für einen Rest eines pankreatischen Lumens gehalten hat. Wenn wir die obigen Ausführungen resumieren, so müssen wir sagen, dass auch beim Salamander die erste Milz- anlage einen an einen gewissen Mesothelabschnitt gebundenen Mesenchymherd darstellt und inkeinem genetischen Zusammenhang mit der Bauchspeichel- drüse steht. Was den Übergang von entodermalen Zellen in die Milzanlage anbetrifft, so ist das eine Erscheinung, welche sich nicht auf das Milzgewebe allein beschränkt, sondern das Darmmesenchym im allgemeinen betrifft. Das Milzgewebe ent- hält verhältnismässig nicht mehr entodermale Zellen als das übrige Darmmesenchym. Beim Salamander wird die Milzanlage ebenso wie beim Hühnchen durch Verdichtung des entsprechen- den Mesenchymherdes eingeleitet. Diese Verdichtung ist aber beim Salamander nicht so deutlich wie beim Hühnchen ausge- sprochen. Sie kommt hauptsächlich auf Kosten der aus dem Mesothel ausgeschiedenen freien Zellen zustande. Was die weitere Entwickelung der Milz anbetrifft, so wollen wir nur kurz angeben, dass sie beim fortschreitenden Wachstum sich immer mehr in die Leibeshöhle hineinstülpt, wobei sie aber beständig einen Anhang des Mesogastriums bildet. Sie hängt mit dem linken Visceralblatt des letzteren schliesslich nur durch eine schmale Brücke zusammen und bildet im Querschnitt einen ovalen, dorso-ventral abgeplatteten mesenchymatösen Körper, welcher zwischen Mesogastrium und linker dorsaler Leibeshöhlen- Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIII. Heft (13. Bd., H. 23). 36 504 BORIS CHORONSHITZKY, wand liegt. In der genannten Brücke verlaufen die ein- und ausgehenden Milzgefässe. Hiermit schliessen wir unsere Untersuchungen an Sala- manderlarven. Wir könnten hier die Beschreibung der Ent- stehung der uns interessierenden Organe bei Salamandra atra, Siredon pisciformis und Menobranchus lateralis folgen lassen. Indessen fanden wir bei diesen Tieren genau dasselbe, was wir über Salamandra maculosa mitgeteilt haben. Wir beschränken uns daher mit einer kurzen Notiz über Menobranchus lateralis. 6. Necturus (Menobranchus lateralis'). Wir geben hier nur drei Abbildungen (Fig. 75—77), mit Hülfe derer der Leser das Hauptsächlichste über die ersten Stadien der uns interessierenden Organe beim Necturus sich vergegen- wärtigen kann. Figur 75 stellt einen schematischen von der Körpermittelebene ein wenig nach rechts abweichenden Sagittal- schnitt einer. Necturuslarve dar, bei der Leber, Gallenblase, alle drei Pankrease und Milz schon angelegt sind. Die schmale Speiseröhre (Oes.) führt in den umfangreichen Magen (Ma.), welcher durch die mächtige Vena portae (v. p.) vom Dotterdarm (M. Da.) abgeteilt erscheint. Dieses Bild erklärt sich durch die transversale Lage der Duodenalschlinge. Das kaudale resp. rechte Ende der letzteren biegt plötzlich in den Dotterdarm um; auf Fig. 75 ist es auch an dieser Umbiegungsstelle getroffen (Du.), 1) Choronshitzky. B., Entstehung der Milz und des dorsalen Pankreas beim Nekturus. Comptes rendus du XII. congres international de Medecine, Moscou. Vol. IH, Sect. I, p. 115—120. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 555 wo es zu gleicher Zeit den vorderen Pol des Dotterdarms reprä- sentiert. Die Dotterdarmwand ist noch von Dotterkügelchen vollgepfropft, während die ganze Vorderdarmwand schon fast völlig differenziert ist. Die Hauptwurzel der Vena portae, die Vena mesenterica (V. mes.), nimmt am hinteren Rande des dorsalen Pankreas RE N : a Bien er ° “ nf) ;« ) eo Be Fe, AR Fig. 75. (Pa. d.) die Vena lienalis (v. 1.) in sich auf, welche von vorne links und der dorsalen Seite her kommt. Die Vena portae zerfällt in der Leber (Le.) in viele Leberäste, welche am vorderen Leber- pol sich wieder sammeln und in den Sinus venosus übergehen. — Die Milz ist auf diesem Bilde nicht getroffen, weil sie mehr links liegt; sie entspricht ungefähr dem Niveau der auf Fig. 75 mit x bezeichneten Stelle. 36* BORIS CHORONSHITZKY, or ı oX er) In die Vorderwand des kaudalen Endes der Duodenal- schlinge mündet der Ductus choledochus (D. ch.). Letzterer "yL ar] "LL "SI nimmt ventralwärts den an der hinteren Leberfläche verlaufenden Ductus eysticus in sich auf. Die Gallenblase (G.bl.) bildet das ventrale- erweiterte Ende des Ductus eysticus. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 557 Figur 76 stellt einen Querschnitt einer etwas älteren Nec- turuslarve dar. Er entspricht dem auf Fig. 74 gezeichneten Salamanderquerschnitt und zeigt die Milzanlage. Letztere (Fig- 76, Mi) stellt einen dem linken Visceralblatt des Mesogastriums an- liegenden verdichteten Mesenchymherd dar. Der Mesothelüber- zug der Milzanlage ist in diesem Stadium schon dem übrigen Mesothel ähnlich, d. h. besteht aus platten, auf dem Schnitt spindelförmig aussehenden Zellen, während er im vorigen Stadium eine lockere Kette polygonaler Embryonalzellen repräsentierte. Das Magenepithel ist noch nicht völlig differenziert, zeigt aber schon im ganzen Umfang charakteristische Krypten. Aus dem Magenepithel ausgeschiedene Zellen treten durch das cir- kulär angeordnete Gewebe hindurch und gehen also in das retikuläre Mesenchym- resp. Milzgewebe über; an einer Stelle sieht man sogar drei Zellen im Gänsemarsch ins Milzgewebe übergehen. Innerhalb des letzteren ist ein Gefässlumen mit einem Blutkörperchen sichtbar. — Vom Mesogastrium (Mes.) zieht sich eine Platte (x) zur rechten dorsalen Leberkante; da- durch entsteht ein Peritonealfenster (Per.f.), welches ventral- wärts bis zum ventralen Mesogastrium (Mesog. a.) sich ausdehnt. Bieur-ıd stellt einen weiter kaudalwärts liegenden Quer- schnitt derselbenLarve dar. Dieser Schnitt entspricht dem Niveau der Mündung der Vena lienalis (v. 1.) in die Vena portae (v. p-; vergl. Fig. 75). Nahe dieser Mündung liegt eine Schlinge des dorsalen Pankreas (Fig. 77, Pa. d.). Die Leber (ib. Le) ist ganz nahe ihrer Hinterfläche getroffen, welche durch die darunter liegenden Organe stark eingedrückt ist, sodass der Ductus chole- dochus mit seinen Anhangsorganen auf dem Querschnitt gewisser- massen in Lebergewebe eingebettet erscheint. Der Ductus cys- ticus (D. ey.) ist in toto längs getroffen; er ist ein wenig nach rechts gerichtet und geht ventralwärts in die Gallenblase (G.bl.), dorsalwärts in den Ductus choledochus über. Letzterer nimmt noch den Ductus hepaticus (D. hep.), Ductus pancreaticus ven- 558 BORIS CHORONSHITZKY, tralis dexter (D. pa. d.) und sinister (D. pa. s.) in sich auf. Zu seinen beiden Seiten sind Schlingen des rechten und linken ven- tralen Pankreas sichtbar (Pa. v. d. und Pa. v. s.). Im linken Teil der Leibeshöhle ist das kranialste Ende des Duodenum (Du), gleich hinter dem Magen, getroffen. Rechts ist das kraniale Ende des Dotterdarms (M. da.) getroffen. Die transversal liegende Duodenalschlinge ist auf einem etwas mehr kaudalwärts liegenden Querschnitt getroffen. Die drei gegebenen Bilder, welche einander gewissermassen ergänzen, zeigen das Hauptsächlichste, was in Bezug auf die ersten Stadien der Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und Milz beim Necturus anzugeben ist. Das Übrige lässt sich leicht aus der Beschreibung der Salamanderlarven erklären, welche fast genau dieselben Entwickelungsbilder zeigen wie die Necturus- larven. TR Rana temporaria (Frosch). A. Bei der Untersuchung der Froschlarven begegnen wir ebenfalls einem reichen Dotterkügelchengehalt innerhalb der Zellen des Darmtraktes und seiner Anhangsorgane. Die dadurrh entstehenden Schwierigkeiten der Untersuchung haben wir auch hier durch Doppelfärbung mit Borax-Karmin und Pikrinsäure zu beseitigen gesucht. Da bei den anuren Amphibien schon Götte (Litt. 19) und Göppert(L. 16) drei Pankreasanlagen nach- gewiesen haben, welche den von uns beim Hühnchen und Salamander beschriebenen Pankreasanlagen entsprechen, so be- ginnen wir die Schilderung der Froschlarven mit einem ver- hältnismässig späten Stadium, wo schon eine ausgesprochene Leber und Gallenblase vorhanden ist und wo die drei Pankreas- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 559 anlagen sich bereits zu einer gemeinsamen Bauchspeicheldrüse vereinigt haben. Wir begegnen hier denselben topographischen Bildern, wie bei entsprechend alten Salaınanderlarven. Auch beim Frosch bildet der Darmtrakt in der Duodenalgegend eine in einer mehr weniger transversalen Ebene liegende, mit der Konvexität ventralwärts gewandte Schlinge, wodurch gewisser- massen eine Darmspirale entsteht. Während aber beim Sala- mander der Dotterdarm einen geradlinigen Verlauf hat, hat er Fig. 78. beim Frosch in diesem Stadium schon so stark an Länge zu- genommen, dass er sich bereits in zwei Stellen seitlich knicken musste, sodass er im Sagittalschnitt Unterbrechungen zeigt. Indessen ist er in diesem Stadium noch stark mit Dotter- kügelchen beladen und der Vorderdarm noch auf dem Wege zur völligen Differenzierung begriffen, d. h. ebenfalls noch reichlich mit Dotterkügelchen versehen. Figur 78 stellt einen schematischen Längsschnitt solch einer Froschlarve dar. Dieser Schnitt ist so ausgeführt, dass er ventralwärts nach rechts von 560 BORIS CHORONSHITZKY, der Körpermittelebene, dorsalwärts nach links von derselben ab- weicht. Durch den reichen Dotterkügelchengehalt erscheint das Bild (ebenso auch Fig. 79) unklar: es wiedergiebt aber getreu den ersten Eindruck, den man bekommt, wenn man einen ein- fach gefärbten Schnitt einer jungen Froschlarve betrachtet (z. B. nach Hämalaunfärbung). Die Duodenalschlinge ist auf Fig. 78 in zwei Stellen getroffen: der mit v. Sch. bezeichnete Schnitt entspricht dem in der rechten Leibeshälfte liegenden kaudalen Abschnitt des Duodenums, der mit h. Sch. bezeichnete ent- spricht dem in der linken Leibeshälfte gelegenen kranialen Abschnitt desselben resp. dem hinteren Teil des Magens, welcher hier ganz allmählich in das Duodenum übergeht. Zwischen Magen und Oesophagus (Oes.) ist die linke Lunge (l. Lu.) ge- troffen; man sieht ihre Mündung in die primitive Trachea (Lu). Der Übergang des Kaudalendes des Duodenums (v. Sch.) in den Dotterdarm ist nicht sichtbar, weil er noch mehr nach rechts liest. Innerhalb der Konkavität der Duodenalschlinge liegt ein grosser Teil der Bauchspeicheldrüse (Pa. schl.); man sieht ihre zwei ventralen in den Ductus choledochus (D. ch.) mündenden Ausführungsgänge (Pa. v. d. und Pa. v. s.) und den dorsalen in das Kranialende des Duodenums mündenden Ausführungs- gang (Pa. d.). - Diese drei Gänge entsprechen den dreiprimären Pankreasanlagen und zeigen dieselbe Topographie, wie beim Salamander. Der Ductus choledochus (D. ch.) nimmt noch den Ductus hepaticus (D. hep.) und Ductus cysticus (D. ey.) in sich auf. Letzterer trägt die Gallenblase (G.bl.).. Die Leber (Le) liegt vor der Bauchspeicheldrüse (Pa. schl.) und erscheint viel kleiner als letztere. Zwischen den charakteristischen Leberbalken sind viele kleine Äste des Ductus venosus zerstreut, der kaudo- kranial die Leber durchbohrt und sich in den Sinus venosus (S. v.) ergiesst. Zwischen den beiden ventralen Pankreasgängen scheint ein Ast der Vena portae zu liegen (V. p.). Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 561 Figur 79 stellt einen schematischen Querschnitt einer gleich alten Froschlarve dar. Die Duodenalschlinge ist hier nur in ihrem kaudalsten (Du), in den Dotterdarm übergehenden und kranialsten, in den Magen (Ma) übergehenden Teil getroffen. Ihr mittlerer Teil liegt mehr kaudalwärts, hinter den Gailen- und Pankreasgängen, und ist daher auf dem Schnitte nicht getroffen. Man sieht die Mündungen beider ventralen Pankreas- gänge (Pa. v. d. und Pa. v. s.) in den Ductus choledochus (D. ch.), welchen sie von der dorsalen Seite her umgreifen. Die Vereinigung des linken und rechten ventralen Pankreas geschieht also auch bei den Anuren am dorsalen (resp. vorderen) Umfange 562 BORIS GHORONSHITZKY, des Ductus choledochus, während die Münduugen der Ausführungs- gänge dieser beiden Drüsen bestrebt sind, an dem ventrulen (resp. hinteren) Umfange des Ductus choledochus durch allmähliches Aneinanderrücken zu einer Mündung zu verschmelzen. Hier- durch entsteht ein pankreatischer Ring um den Ductus choledochus, nahe seiner Mündung in den kaudalen Abschnitt der Duodenalschlinge. Einen ähnlichen pankreatischen Ring um den Ductus choledochus fanden La guesse (L. 58) und Göppert (L. 15) bei den Knochenfischen und Rathke (L. 71) bei der Natter. Die Bildung eines solchen pankreatischen Ringes ist folglich etwas Konstantes und für die ıneisten Wirbeltiere zu- treffend. Beim Hühnchen fehlt dieser Ring, weil bei ihm sämt- liche drei Pankreasgänge erhalten bleiben; mit anderen Worten, bei ihm findet keine Vereinigung der ventralen Pankreasgänge statt. Unten werden wir sehen, dass bei den Säugern ebenfalls kein pankreatischer Ring vorhanden ist, weil bei diesen die beiden ventralen Pankrease zu früh, man könnte fast sagen gleich bei der Entstehung, mit einander verschmelzen, und zwar an dem ventralen (resp. hinteren) Choledochusumfang, sodass hier überhaupt keine zwei ventralen Pankreasmassen vorhanden sind, die den Duetus choledochus dorsalwärts umbiegen könnten, um miteinander zu verwachsen. Auf Fig. 79 sehen wir links und rechts vom Mesenterium (Mes.) je einen Lungenzipfel (Lu.). Der Zusammenhang zwischen Grallenblase (G.bl.) und Ductus cystieus (D. ey.) ist unter- brochen. Das Mesenterium stellt eine Duplikatur des Visceralblattes des Mesoderms dar und enthält sehr wenig Mesenchym. Seine beiden Blätter berühren fast einander und zwischen ihnen sieht man nur hier und da Mesenchymzellen. Letztere repräsentieren sich meistens als freie polygonale Zellen mit unregelmässigen, stellenweise zerrissenen Konturen und wechselndem Dotterkügel- chengehalt. Fixe Zellen giebt es im Mesenchym der Froschlarve Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 563 sehr wenig, sodass man hier kein kontinuierliches protoplasma- tisches Fasernetz wahrnehmen kann. Nur stellenweise beobachtet man Faserzüge und wenig ausgedehnte Netzbildungen, wobei die fixen Zellen die Knotenpunkte einnehmen. Die Kerne sind in beiderlei Mesenchymzellen, sowie auch in den übrigen Ge- weben, mit Ausnahme der Blutkörperchen, rund, nicht sehr intensiv gefärbt und zeigen ein stärker gefärbtes Kernkörperchen sowie auch eine intensiv gefärbte Peripherie. Die Kerne der Blutkörperchen sind sehr intensiv gefärbt, sodass man hier kein Kernkörperchen wahrnehmen kann. Der Protoplasmakörper der Blutkörperchen hat eine mehr ovale Form, enthält hier und da Dotterkügelchen und zeigt öfters zerrissene unregelmässige Kon- turen. Von den Mesenchymzellen lassen sich aber die Blut- körperchen leicht unterscheiden, eben durch die ovale Form und hauptsächlich durch den intensiv gefärbten Kern, in dem kein Blutkörperchen sichtbar ist. B. Wenn wir nun das geschilderte Stadium verlassen und zu einem älteren übergehen, so nehmen wir bedeutende topo- graphische Veränderungen wahr, welche für die Anurenlarven charakteristisch sind und ihnen von nun ab ein besonderes Ge- präge verleihen, sodass man sie schon beim ersten Anblick von Urodelenlarven unterscheiden kann. Schon im vorigen Stadium war der Dotterdarm der Froschlarve in zwei Stellen geknickt, was für entsprechend alte Urodelenlarven uncharakteristisch ist. Im gegenwärtigen Stadium aber hat bei der Froschlarve der ganze Darmtrakt und besonders der Dotterdarm so bedeutend an Länge zugenommen, dass er viele Schlingen bildet, welche in den verschiedensten Richtungen gelagert sind (Fig. 79a, Da). Das Mesenterium muss den Schlingen folgen: es dehnt sich aus und legt sich in Falten, welche zusammen eine mit der Wurzel an die dorsale Leibeshöhlenwand befestigte Rosette bilden. Auf Querschnitten der Larve stellt diese Rosette einen dorso ventral gerichteten Baum dar, dessen Äste die verschiedentlich getroffenen BORIS CHORONSHITZKY, 564 Darmschlingen tragen. Im Stamme des Mesenterialbaumes ver- läuft in einer mehr weniger transversalen Ebene die aus der Aorta (Fig. 79a, Ao.)entspringende Arteria mesenterica (ib. A. mes.), welche ihre Äste zu den verschiedenen Darmschlingen absendet. Auf den Schnitten ist jede Darmschlinge mit ihrem eigenen Mesenterium getroffen. Letzteres stellt auch hier eine Duplikatur des Visceralblattes des Mesoderms dar und enthält zwischen seinen beiden Blättern äusserst wenig Mesenchym, sodass diese A AmeS ,,. . de. 9. 12, TG R- ER BES: | ANYHE Nee —\ = === Si. 9n Blätter fast einander berühren. Wie im vorigen Stadium stellt auch jetzt das Visceralblatt des Mesoderms ein einschichtiges Plattenepithel dar, welches auf den Schnitten gewöhnlich als eine einreihige Kette länglicher Spindelzellen sich repräsentiert. Das Mesenterium bildet daher auf den Querschnitten zwei neben- einander liegende Reihen solcher Spindelzellen, welche distal- wärts auseinanderweichen, um die Darmschlingen zu umgreifen. Zwischen Entoderm (tb. Ent.) und Visceralblatt (resp. Mesothel) ® Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 565 hat das Mesenchym bereits um den ganzen Darmkanal cirkulär angeordnetes Gewebe gebildet (ib. eire. Gw.), welches im Quer- schnitt gleichfalls als eine einreihige Kette von Spindelzellen sich repräsentiert. Zwischen Mesothel und eirkulärem Gewebe ist ebenso wie im Mesenterium äusserst wenig Mesenchym vor- handen. Letzteres zeigt meistens freie Zellen mit kleinem rund- lichem Protoplasmakörper ohne Dotterkügelchengehalt, während im vorigen Stadium in diesen Zellen noch Dotterkügelchen vor- handen waren und ihr Protoplasmakörper zugleich auch grösser war. Das Entoderm des Dotterdarmes ist jetzt schon zu einem einschichtigen niedrigen Uylinderepithel gestaltet, welches nach innen, d. h. zum Darmlumen zu, von einem deutlichen Kuti- kularsaum bedeckt ist. Die Kerne der entodermalen Zellen sind rund und unterscheiden sich durch nichts von den Kernen der Mesenchymzellen. In den Entodermzellen liegen die Kerne näher zur Basis und teilen dadurch den kleineren basalen Zellen- teil vom grösseren oberen Zellenteil ab. Letzterer enthält noch eine Anzahl Dotterkügelchen, während ersterer von diesen frei ist. Das Entoderm zeigt viele Falten. Zwischen diesen Falten und dem cirkulär angeordneten Gewebe be- finden sich stellenweise freie runde Embryonalzellen mit kleinem Protoplasmakörper, ohne Dotterkügelchengehalt. Diese Zellen sind mit den freien Mesenchymzellen identisch. Woher stammen sie? Auf diese Frage hat schon Maurer (L. 62) die Antwort. gegeben, dass diese Zellen aus dem Entoderm herstammen. Wir teilen diese Ansicht und fügen folgendes hinzu. Bei allen von uns untersuchten Wirbeltieren fanden wir, dass das cirkulär angeordnete Gewebe dicht dem Entoderm anliegt und keine Zeichen von Proliferation zeigt. Dasselbe ist auch beim Frosch der Fall. Dagegen ist aber das Entoderm hier in der stärksten Proliferation begriffen, als deren Folge die vielen Darmschlingen und Falten zu betrachten sind. Ausser dieser immensen Flächen- D66 BORIS CHORONSHITZKY, ausdehnung des Entoderms muss man noch eine Ablösung einzelner Zellen von letzteren annehmen, da man, wie auch Maurer schon angegeben hat, stellenweise in den Zellen des Entoderms senkrecht zur Oberfläche des letzteren stehende Mitosen beobachtet, nach deren Teilung die eine Tochterzelle ins Mesenchym übergehen muss. Wir haben öfters solche Mitosen gesehen und fanden immer, dass sie viel grösser als die benachbarten Entodermzellen sind und dass sie schon vor der Teilung teilweise aus dem Entoderm hinausragen. Die unter dem Entoderm, zwischen letzterem und dem eirkulär angeordneten Gewebe liegenden runden Zellen müssen eben als durch Teilung dieser Mitosen hervorgegangen betrachtet werden, da wie gesagt das cirkuläre Gewebe keine Zeichen der Proliferation zeigt und erfahrungsgemäss dicht dem Entoderm anliegt, sodass zwischen ihm und letzterem gewöhnlich kein anderes Mesenchymgewebe vorhanden ist. Wir haben ausser- dem beobachtet, dass die genannten runden Zellen durch das eirkulär angeordnete Gewebe ins Mesenchym hinüberwandern. Zwar finden wir bei den Froschlarven nicht die bei den Uro- delen gesehenen birn- und biskuitförmigen Zellenbilder, doch kann man besonders an denjenigen Stellen, wo das Mesenterium an die Darmschlingen sich anheftet, die runden Zellen durch das cirkuläre Gewebe sich hindurchpressen sehen. Hiermit ist der Übergang von Entodermzellen ins Mesenchym bewiesen. Da bei den Froschlarven im allgemeinen sehr wenig Darm- mesenchym vorhanden ist, so tragen die hineingewanderten runden Entodermzellen ganz besonders zur Vermehrung des- selben bei. Diese Zellen sammeln sich, wie auch Maurer an- giebt, am meisten in der Umgebung der Mesenterialarterien an. Wenn wir nun zur Entstehung der Milz übergehen, so finden wir, dass in diesem Stadium schon die erste Anlage der- selben vorhanden ist (Fig. 79a, Mi). Sie stellt einen dem linken Visceralblatt des Mesoderms eng anliegenden verdichteten Mesen- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 567 chymherd dar, welcher hauptsächlich aus freien runden Mesen- chymzellen besteht, zwischen denen hie und da auch eine fixe Mesenchymzelle beobachtet wird. Ein regelmässiges kontinuier- liches Fasernetz kann man hier in der ersten Milzanlage nicht sehen, da sie zu stark von den freien Mesenchymzellen über- schwemmt ist. Die Milzanlage ragt in die Bauchhöhle hinein und sieht im Querschnitt halbkugelig aus, d. h. sie sitzt mit breiter Basis auf dem Mesenterium. Ihr Mesothelüberzug unterscheidet sich deutlich von dem übrigen Mesothel, da er nicht wie dieses eine einreihige Kette von Spindelzellen dar- stellt, sondern wie bei den Urodelenlarven aus runden Embryonal- zellen besteht, welche mit den freien Mesenchymzellen identisch sind. Wir bekommen daher auch beim Frosch den Eindruck, als ob die erste Milzanlage des Mesothelüberzuges entblösst wäre, da letzterer von dem verdichteten Mesenchym nicht abge- grenzt werden kann. Seine Zellen liegen mehr weniger locker nebeneinander, zeigen manchmal senkrecht zu seiner Ober- fläche stehende Mitosen und gehen seitlich allmählich in das normale Mesothel über. Dieses Aussehen des Mesothelüberzuges der Milzanlage muss auch hier so gedeutet werden, dass der- selbe an der Entstehung der letzteren aktiv beteiligt sei. Wir können daher nicht mit Maurer übereinstimmen, welcher sämt- liche freie Zellen der Milzanlage als Entodermzellen betrachtet, die sich hier zur Bildung der letzteren angesammelt haben sollen. Dass aber entodermale Elemente in der Milzanlage des Frosches vorhanden sind, geben auch wir zu Wieviel jedoch von den freien Milzzellen dem Entoderm und wieviel dem Mesothel ge- hören, das zu entscheiden sind wir nicht imstande, da die Zellen beiderlei Ursprungs identisch sind. Wenn wir aber die von uns bei der Untersuchung des Hühnchens und der Urodelen gewonnenen Resultate in Betracht ziehen, so müssen wir die Teilnahme der entodermalen Elemente an der Milzanlage des Frosches als eine passive und gewissermassen zufällige betrachten 568 BORIS CHORONSHITZKY, und sie durch die ausserordentliche Beteiligung dieser Elemente an der Vermehrung des Darmmesenchyms der Froschlarven im allgemeinen erklären. Die Einleitung der Milzanlage erfolgt auch hier seitens eines gewissen Mesothelabschnittes, aus dem ein gewisses Quantum von Zellen in den anliegenden Mesenchym- herd ausgeschieden wird, welch letzterer dann die eigentliche Grundlage der Milzanlage darstellt. Der Mesothelüberzug ist also nur als Keimepithel der letzteren zu betrachten. Was den Blutgehalt der Milzanlage des Frosches an- betrifft, so gelang es uns nicht, schon in diesem Stadium die Vena lienalis aufzufinden. In einem etwas älteren Stadium konnten wir öfters innerhalb der Milzanlage charakteristische unregelmässige Lumina auffinden, in denen je 1 oder 2 Blut- körperchen enthalten waren. Diese Lumina, welche den von uns beim Hühnchen und Salamander beschriebenen Lumina vollkommen entsprechen, sind jedoch, wie gesagt, in der aller- ersten Milzanlage noch nicht vorhanden. Sie tauchen erst dann auf, wenn letztere etwas grösser geworden ist und sich noch mehr in die Leibeshöhle hineingestülpt hat. Mit der Bauchspeicheldrüse hat die Milzanlage des Frosches nichts Gemeinschaftliches. Durch die vielen Darn- schlingen wurde die Bauchspeicheldrüse zusammen mit der Leber und dem Magen weit nach rechts verdrängt (Fig. 79a). Von der Bauchspeicheldrüse und der Leber verläuft je eine dünne Mesenteriallamelle zur rechten Seite des Mesenterial- baumes. Die Milzanlage liegt aber im linken Visceralblatt der Mesenterialwurzel, sodass sie weit von der Bauchspeicheldrüse entfernt ist. Was die Frage anbetriff, welchem Darmabschnitt eigentlichdie Milzanlage angehört, so müssen wir darauf antworten, dass letztere mit dem Darmtrakt überhaupt nichts Gemeinschaftliches hat und von einer Zugehörigkeit der- selben zu einem gewissen Darmabschnitt überhaupt nicht die Rede Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 569 sein kann. Wollten wir aber nur durch einen gewissen Darm- abschnitt das Niveau der Milzanlage genauer bestimmen, so würde es gerade bei der Froschlarve, wo die Darmschlingen eine so unregelmässige Lage einnehmen, sehr schwer gelingen. Selbst beim erwachsenen Frosch gelingt dieses nicht: man findet bei letzterem die Milz durch ihren Hilus an die linke Seite der Mesenterialwurzel befestigt, und reisst man letztere heraus und sucht sie zusammen mit dem Darm zu strecken, so findet man, dass die Milz einmal dem einen, das andere Mal einem anderen Darmabschnitt gegenüberliegt. Wenn wir bedenken, dass die Milz in keinem genetischen Zusammenhang mit dem Darm- trakt steht, so müssen wir sagen, dass es überhaupt nicht von Bedeutung ist zu bestimmen, welchem Darmabschnitt die Milzanlage entspricht, zumal solch eine Bestimmung hier infolge der unregelmässigen und schwer zu präcisierenden Lage der einzelnen Darmabschnitte selbst keine genaue Vorstellung vom Niveau der Milzanlage geben würde. Da wir aber gesehen haben, dass bei allen von uns untersuchten Wirbeltieren die Milzanlage an einen gewissen Mesothelabschnitt gebunden ist, so wäre es viel wichtiger, das Niveau des letzteren zu bestimmen. Beim Frosch entspricht es, wie wir aus Fig. 79a ersehen, dem Niveau der Arteria mesenterica. Dasselbe werden wir unten auch beim Schaf sehen. Bei den anderen Wirbeltieren haben wir es nicht finden können. Jedoch ist die Arteria mesenterica infolge ihrer wechselnden Lage bei den verschiedenen Wirbel- tieren kein guter Anhaltspunkt zur Bestimmung des Niveau der Milzanlage. Letzteres wird daher gewöhnlich auf einen gewissen Darmabschnitt bezogen , obgleich solch eine Bestimmung, wie wir gesehen haben, im allgemeinen ebenfalls ungenau und beim Frosch überhaupt unmöglich ist. Wenn wir das oben über die Milzanlage Gesagte zusammen- fassen, so müssen wir konstatieren, dass beim Frosch die Milz im Grunde genommen ebenso entsteht, wie beim Hühnchen Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIH. Heft (13. Bd H. 2/3.) 37 or 1 =) BORIS CHORONSHITZKY, und Salamander. Nur ist bei letzteren die Topographie der Milzanlage durch die gastro-duodenale Drehung des Darmtraktes kompliziert. Bei der Froschlarve wird aber die Milzanlage trotz der vielen Darmschlingen nicht wie beim Hühnchen und Sala- mander nach links verlagert und hat daher eine mehr primi- tive Lage als bei letzteren. Gerade dieser Umstand zeigt am besten, dass die Milzanlage nichts Gemeinschaftliches mit dem Darmtrakt hat, an dessen Verlagerungen sie beiin Frosch gar nicht teilnimmt. Die Milz behält nämlich bei letzterem für das ganze Leben ihre ursprüngliche Lage am oder richtiger im linken Visceralblatt der Mesenterialwurzel bei. Sie stülpt sich später mehr in die Leibeshöhle hinein, rundet sich ab und hängt mit dem linken Visceralblatt nur noch durch den engen Hilus zu- sammen, in dem die ein- und ausgehenden Milzgefässe verlaufen. — Was die lebhafte Beteiligung der entodermaleu Elemente an der Milzanlage des Frosches anbetrifft, so ist das, wie wir oben ausgeführt haben, eine Erscheinung, die mit der ausserordent- lichen Beteiligung der entodermalen Elemente an der Vermeh- rung des Darmmesenchyms des Frosches im allgemeinen zu- sammenhängt und daher nicht eine ausschliessliche Bedeutung für die Milzanlage hat. Letztere ist nur als Mesenchymherd daran beteiligt. — | Hiermit schliessen wir unsere Untersuchungen an Frosch- larven. Bei der Unke haben wir genau dieselben Resultate erhalten und wir wollen daher hier nicht unsere Beobachtungen, die wir an einigen Larven der Unke gemacht haben, beschreiben, und gehen jetzt zu den Reptilien über, von denen wir eine ganze Serie von Embryonen der Blindschleiche besassen. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenplase, Bauchspeicheldrüse ete. 571 8. Blindschleiche (Anguis fragilis). Die Leberanlage repräsentiert sich bei der Blindschleiche nicht nur als Ausstülpung, sondern gleichzeitig auch als starke Verdickung der ventralen Darmwand dicht vor dem Darmnabel, zwischen letzterem und der hufeisenförmigen Vereinigung der beiden Venae omph.-mesentericae resp. dem hinteren Ende des Sinus venosus des Herzens. Die Wand der ventralwärts ge- richteten Leberanlage wird immer dicker, verzweigt sich aber nicht dabei, sondern wächst unregelmässig in das umgebende Mesenchym hinein und macht den Eindruck, als ob ihre Zellen aus dem epithelialen Verbande sich lösen wollten, da dieselben scharf in das Mesenchym hineinragen. Zu einer Lösung dieser Zellen kommt es aber nicht. Im Gegenteil, schon nach kurzer Zeit zeigen sich in der stark verdickten Wand der Leberaus- stülpung kleinere Lumina, welche für die beginnende Verzwei- gung derselben sprechen. Da die Leberanlage der Blindschleiche bei ihrem Wachstum sich hauptsächlich in transversaler Rich- tang ausdehnt, so verhält sie sich zu den Venae omph.-mesen- tericae ebenso wie bei Torpedo, nämlich sie umgreift diese Ge- fässe von der dorsalen Seite her und wächst auch zwischen die- selben hinein. Die Wand der beiden Venen wird durch die proliferierende Leberanlage zerklüftet; dadurch entstehen viele venöse Lebergefässe, welche die Leberanlage in den verschie- densten Richtungen durchkreuzen und miteinander vielfach ana- stomosieren. Zwischen beiden Venae omph.-mesentericae bildet sich, entsprechend etwa der Grenze zwischen hinterem und mitt- lerem Drittel der Leberanlage, eine starke quere Anastomose, durch welche die Leberwand dorsalwärts eingedrückt wird. Da- durch wird die schon teilweise verzweigte Leberanlage nach- träglich gewissermassen in zwei sekundäre Divertikel ge- 37* 912 BORIS CHORONSHITZKY, spalten, welche ventralwärts von der queren Anastomose sich miteinander vereinigen, sodass letztere zwischen den proximalen Teilen resp. den Ausführungsgängen der beiden sekundären Divertikel liegen bleibt und später durch dieselben auch stark komprimiert wird. Die genannte quere Anastomose spielt also hier dieselbe Rolle, wie beim Hühnchen die hufeisenförmige Vereinigung der beiden Venae omph.-mesentericae. Beim Hühn- chen entsteht aber die Spaltung der primären Leberanlage in zwei sekundäre Leberdivertikel verhältnismässig früh, zu einer Zeit, wo die Leberanlage noch keine Spur von Verzweigung zeigt, sodass dort die Spaltung eine vollkommenere ist. Bei der Blindschleiche dagegen ist die Spaltung eine unvollkommene: man sieht keine zwei voneinander abgetrennten Divertikel, wohl aber zwei durch die quere Anastomose getrennte Aus- führungsgänge. Die zwischen der queren Anastomose und hinterem Ende des. Sinus venosus befindlichen und in die Leberanlage einge- schlossenen Teile der beiden Venae omph.-mesentericae wurden unterdessen durch die starke Zerklüftung ihrer Wände in ein doppeltes Rete mirabile umgewandelt, wobei aber von der rech- ten Vena omph.-mes. noch ein die Leberanlage kaudo-kranial durchbohrender starker Ast nachblieb, während die linke Vena omph.-mes. sich in ganz schmächtige Lebervenen aufgelöst und von der queren Anastomose abgetrennt hat. Der hinter dieser Anastomose befindliche Abschnitt der Vena omph.-mes. sinistra muss jetzt sein Blut in die gen. Anastomose ergiessen, damit es durch den in die Leberanlage eingeschlossenen Teil der Vena omph.-mes. dextra zum Herzen gelangen kann. Aber die quere Anastomose wird, wie schon erwähnt, stark durch die beiden Lebergänge komprimiert. Das Blut muss sich einen anderen Ausweg suchen und findet einen solchen in der Gestalt einer anderen Anastomose, welche weiter hinten liegt und, die dorsale Darmwand umbiegend, beide Venae omph.-mes. vereinigt. Durch Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 573 diese zweite Anastomose — wir nennen sie dorsale Anasto- mose — strömt das Blut, welches aus den linken Dottervenen in den kaudalen Teil der Vena omph.-mes. sinistra gelangt, weiter nach vorne, um durch den kranialen Teil der Vena omph.- mes. dextra sich in das Herz zu ergiessen. Der vor der dor- salen Anastomose befindliche Teil der Vena omph.-mes. sinistra obliteriert und verschwindet. Zur selben Zeit findet eine Ver- einigung beider Venae omph.-mes. dicht vor dem Darmnabel statt — letzterer hat sich unterdessen bedeutend nach hinten verschoben —, wobei das aus den beiderseitigen Dottervenen her- kommende Blut in den kaudalen Abschnitt der Vena omph.-mes. sinistra sich ergiesst und der kaudale Abschnitt der Vena omph.- mes. dextra obliteriert, von dieser Vereinigungsstelle ab bis zur dorsalen Anastomose. So erhalten wir auch bei der Blind- schleiche ein definitives spiralförmiges Gefäss, welches aus dem kaudalen Teil der Vena omph.-mes. sinistra, der dorsalen Anastomose und dem kranialen Teil der Vena omph.-mes. dextra besteht und die Grundlage der zukünftigen Vena portae bildet. Dieses Geläss nimmt, ausser den beiderseitigen Dottervenen, noch am linken Umfang des Darmnabels die kaudo-kranial ver- laufende Vena subintestinalis und am vorderen Leberpol die ebenfalls kaudo-kranial verlaufende Vena mesenterica in sich auf, welch letztere im dorsalen Mesenterium verläuft, die rechte Darmwand umbiegt und in die Vena portae resp. rechte Vena omph.-mes. nahe dem hinteren Ende des Sinus oder Ductus venosus sich ergiesst. An derselben Stelle nimmt jetzt die rechte Vena omph.-mes. den in die linke Leberhälfte eingeschlossenen, in ein Rete mirabile aufgelösten kranialsten Teil der Vena omph.- mes. sinistra in sich auf. Der aus dem vorderen Leberpol aus- gehende, zum Ductus venosus führende Abschnitt der rechten Vena omph.-mes. kann übrigens schon Vena hepatica reve- hens genannt werden. — Es sei hier noch hinzugefügt, dass in einem späteren Stadium die Vena pancreatica und Vena 574 BORIS CHORONSHITZKY, lienalis zu einem Stamm sich vereinigen, welcher in der Nähe des dorsalen Pankreas in die Vena mesenterica mündet. Bei der Blindschleiche hat sich also ebenso wie beim Hühn- chen aus dem ursprünglichen embryonalen Venensystem, dessen Grundlage die beiden Venae omphalo-mesentericae bildeten, ein neues Venensystem entwickelt, dessen Grundlage das oben be- schriebene spiralförmige Gefäss resp. die Vena portae darstellt. Wir sahen, welchen Einfluss die Leberanlage auf die Entwicke- lung dieses definitiven Venensystems ausgeübt hat. Andrerseits blieb auch letzteres nicht ohne Einfluss auf die Leberanlage, in welcher durch die oben beschriebene quere Anastomose zwei Ausführungsgänge gebildet wurden. Die Anastomose hat in dieser Beziehung, wie schon oben erwähnt, für die Blindschleiche dieselbe Bedeutung wie die hufeisenförmige Mündungsstelle der beiden Venae omphalo-mesentericae in den Ductus venosus für das Hühnchen. Unterdessen hat sich die ventrale Darmwand mehr ge- schlossen, mit anderen Worten der Darmnabel hat sich verengt und sein vorderer Umfang nach hinten verschoben. Dicht hinter der Leberanlage, wo die Wand der letzteren in die Ventralwand des Darmes übergeht, hat sich unterdessen die Gallenblasen- anlage in Form einer einfachen kleinen Ausstülpung der Darm- wand gebildet. Im Laufe der weiteren Entwickelung wird die Gallenblasenanlage allmählich in den hinteren Lebergang so hineingezogen, dass letzterer nicht mehr direkt in den Darm mündet, sondern in die Gallenblase (vergl. Fig. 67). Wir erhalten hier ebenso wie beim Hühnchen einen Ductus hepato- eysticus. Der vordere Lebergang, welcher jetzt neben dem Ductus eysticus in den Darm mündet, kann als Ductus hepato-entericus bezeichnet werden. Beide letztgenannten sänge bilden zusammen den Ductus choledochus. Später obliteriert der Ductus hepato-cysticus und verschwindet und die Leber bleibt bei einem Ausführungsgang, welcher als Derivat Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 575 des Ductus hepato-enterieus resp. des ursprünglich vorderen Leberganges betrachtet werden muss. Die Bauchspeicheldrüse hat auch bei der Blindschleiche drei Anlagen, eine dorsale und zwei ventrale. Die dorsale Pankreasanlage entsteht viel früher, zu einer Zeit, wo die Leber- anlage noch nicht zwei Ausführungsgänge gebildet hat. Anfangs “stellt das dorsale Pankreas eine einfache längliche Ausstülpung der dorsalen Darmwand dar, entsprechend dem Niveau des mittleren Leberteils, aber schon gleich darauf schnürt es sich am vorderen Teil von der Darmwand ab und bildet einen dorsal- wärts und ein wenig nach rechts und vorne gerichteten Blindsack. Die Mündung des dorsalen Pankreas rückt allmählich von der dorsalen auf die rechte Darmwand hinüber und verschiebt sich immer mehr ventralwärts, bis sie endlich an die Mündungsstelle des Ductus choledochus anlangt, in welchen sie auch später teilweise hineingezogen wird, sodass das dorsale Pankreas dann ein Anhangsorgan des Ductus choledochus bildet. Diese merk- würdige Verschiebung der Mündung des dorsalen Pankreas scheint für die Reptilien charakteristisch zu sein. Bei Embryonen von Coluber natrix haben wir dasselbe beob- achten können. Übrigens wurde diese Erscheinung bei der Natter schon in den dreissiger Jahren von dem vorzüglichen Forscher Rathke (L. 71) konstatiert, welcher sie durch eine „Verschmä- lerung“‘ des entsprechenden Teiles der rechten Darmwand er- klärt. Nach unserer Meinung hängt diese „Verschmälerung“ der rechten Darmwand mit der gastro-duodenalen Drehung des Darmtraktes zusammen. Letztere ist, wie wir schon beim Sala- mander angegeben haben, immer mit einer gewissen Torsion der Darmwand verbunden. Durch diese Torsion werden gewisse Abschnitte der Darmwand ausgedehnt, dafür aber andere Ab- schnitte derselben zusammengedrückt und im Wachstum be- hindert. Zu den letzteren Abschnitten gehört der zwischen der Choledochusmündung und der dorsalen Pankreasmündung be- 576 BORIS CHORONSHITZKY, findliche Teil der Darmwand, welcher gewissermassen innerhalb der durch die Gastroduodenaldrehung entstehenden Darmspirale sich befindet und daher zusammenschrumpfen muss. Infolge dieser Zusammenschrumpfung nähern sich die beiden genannten Mündungen und vereinigen sich schliesslich miteinander. Während dieses Annäherungsprozesses des dorsalen Pankreas zum Ductus choledochus behält ersteres seine oben angegebene Richtung nach rechts und dorsalwärts bei. Es dreht sich also nicht wie bei den Amphibien mit dem blinden Ende nach rechts und ventralwärts, um mit letzterem das rechte ventrale Pankreas zu erreichen, sondern nähert sich demselben mit der anderen, d. h. offenen Seite oder mit der Mündung. Die beiden ventralen Pankrease entstehen ein wenig später als die Gallenblase und bilden zusammen mit der letzteren eine kreuzförmige Ausstülpung der ventralen Darınwand, d. h. sie gehören derselben Darmzone an. Letztere liegt auch bei der Blindschleiche dicht hinter der Leberanlage, sodass bei weiterem Wachstum die beiden ventralen Pankreasanlagen und die Gallen- blasenanlage schon in kurzer Zeit in den Ductus choledochus hineingezogen werden. Die Gallenblasenanlage wird auch hier etwas früher in den letzteren hineingezogen. Die rechte ventrale Pankreasanlage wendet sich schon gleich darauf dorsalwärts und kommt in Berührung mit dem unter- dessen nahe gerückten dorsalen Pankreas und verschmilzt schliess- lich mit ihm. Diese Verschmelzung geschieht hier gewöhnlich so, dass zu gleicher Zeit auch die teilweise-in die rechte Chole- dochuswand hineingezogene Mündung des dorsalen Pankreas mit der Mündung des rechten ventralen Pankreas verschmilzt. [Wir wollen hier bemerken, dass die letztgenaunte Mündung früher in den Ductus choledochus hineingezogen wird als die Mündung des dorsalen Pankreas. Bei dieser Art der Ver- schmelzung kann selbstverständlich die Vena mesenterica nicht wie bei den Amphibien von den beiden hier beteiligten Drüsen -] Dıe Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 57 umfasst werden, sondern sie biegt das dorsale Pankreas an seiner rechten Seite um, um von hier zum vorderen Leberpol zu verlaufen, wo sie in die Vena hepatica revehens mündet. Unterdessen wendet sich das linke ventrale Pankreas, welches zugleich auch ein wenig ventralwärts gerichtet ist, nach vorne und dorsalwärts, biegt um den vorderen resp. dorsalen Chole- dochusumfang und verschmilzt schliesslich mit den beiden anderen zur Zeit schon vereinigten Pankreasanlagen. Die Mün- dungen beider ventralen Pankrease verschieben sich zur selben Zeit am hinteren resp. ventralen Choledochusumfang und rücken aufeinander zu, bis sie schliesslich zu einer Mündung ver- schmelzen. So entsteht auch bei der Blindschleiche ein pan- kreatischer Ring um den proximalen Choledochusabschnitt und aus den drei ursprünglichen Pankreasanlagen entwickelt sich eine einzige Bauchspeicheldrüse mit einem Ausführungs- gang. Finden wir aber in einem späteren Stadium bei der Blindschleiche zwei pankreatische Ausführungsgänge, so ist einer von diesen der ursprüngliche dorsale Pankreasgang, welcher, nicht genügend weit in den Ductus choledochus hineingezogen wurde und daher sich nicht rechtzeitig mit der Mündung des rechten ventralen Pankreas verbunden hat. Dagegen vereinigen sich die Mündungen der beiden ventralen Pankreasanlagen am ventralen resp. hinteren Choledochusumfang regelmässig, so dass wir in einem späteren Stadium niemals bei der Blindschleiche zwei ventrale Pankreasmündungen finden. Von den drei Pankreasanlagen verzweigt sich die dorsale, weil die älteste, am frühesten. Zur Zeit, wo alle drei Pankreas- anlagen sich zu einer einzigen Drüse vereinigen, fangen auch die beiden ventralen Pankreasanlagen an sich zu verzweigen. Das dorsale Pankreas zeigt auf seiner Oberfläche kleine Knospen noch vor der Entstehung der ventralen Pankreasanlagen. Solch ein Stadium ist auf Fig. 80 wiedergegeben, wo man zwei junge Pankreasknospen sieht (Kn. 1 und Kn. 2). Das dorsale 578 BORIS CHORONSHITZKY, Pankreas (ib. Pa. d.) ist schräg durchsehnitten, seine Mündung in den Darm (ib. Du) ist hier nicht getroffen. In jedem Falle mündet die Drüse in diesem Stadium noch in die dorsale Darm- wand ein. Von den beiden Pankreasknospen steht die linke auf Fig. 80 (Kn. 1) in Verbindung mit dem Mutterboden, während die rechte (ib. Kn. 2) auf einem benachbarten Schnitt mit dem Mutterboden verbunden erscheint. Die Art dieser Verbindung unterscheidet sich von einer eigentlichen Mündung, denn die Fig. 80, Knospen sind nicht. hohl, sondern innen vom Protoplasma ihrer Zellen ausgefüllt, welches eine matte ungefärbte Masse darstellt. Die Kerne dieser Zellen sind dagegen gefärbt und zeigen noch intensiver gefärbte centrale Kernkörperchen. Da die Zellen oblong sind, so erscheinen die Kerne dicht an einander gedrängt. Doch sieht man in beiden Knospen besonders in der rechten ein Hinaustreten von Kernen aus der kontinuierlichen Reihe und ein Übergehen derselben ins Mesenchym. Betrachtet man genauer diese ausgetretenen Kerne, so sieht man um dieselben Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 579 einen ganz feinen protoplasmatischen Körper in Form eines Ringes (auf Fig. 80 nicht gezeichnet). Wir sehen also auch bei der Blindschleiche ähnlich wie bei den anderen Wirbeltieren entodermale Zellen in das umgebende Mesenchym hinauswandern. Ob solche Zellen auch vom Darm selbst sich abschnüren, haben wir hier nicht genauer beobachten können; doch ist solch eine Abschnürung sehr wahrscheinlich. Die Auswanderung von Zellen aus den Pankreasknospen währt aber nicht lange, denn schon nach kurzer Zeit ändern letztere ihre Gestalt: sie werden kompakter, grösser und zeigen schon hier und da eirkulär angeordnetes Mesenchymgewebe in ihrer Umgebung. Solche zwei kompakte Pankreasknospen sieht man auf Fig. 81. Sie erscheinen auf dem Schnitt nicht mit dem Mutterboden verbunden. Die Mündung des dorsalen Pan- kreas ist hier auch nicht sichtbar; in jedem Falle entspricht sie schon jetzt der rechten Darmwand und liegt nicht weit von SV BORIS CHORONSHITZKY, der Choledochusmündung. Dafür sieht man aber hier die ein wenig nach rechts gewandte kreuzförınige Ausstülpung an der ventralen Darmwand. Das mehr weniger dorsalwärts gewandte, noch unverzweigte rechte, ventrale Pankreas hat sich noch nicht mit dem dorsalen Pankreas vereinigt. Letzteres wird rechts von der auf der Figur sichelförmig aussehenden Vena mesenterica umzogen. Aus den beiden kompakten Pankreasknospen oder schon richtiger Pankreasschläuchen sieht man keine Zellen ins Mesenchym hinauswandern. — Später werden die Pankreas- knospen resp. Schläuche hohl und bekommen allmählich ein charakteristisches cylindrisches Drüsenepithel. Zugleich werden sie auch von einem stärkeren eirkulären Gewebe umsponnen und zeigen keine Abschnürung von Zellen. Wir sahen also, dass nur aus den ganz jungen Pankreas- knospen (Fig. 80) einzelne Zellen ins Mesenchym übergehen. Wir wollen hier noch hinzufügen, dass wir in zwei Fällen ganz junge Knospen beobachtet haben, welche vollständig zerzupft und aufgelöst erschienen und, wie es uns scheint, nicht mit dem Mutterboden in Verbindung standen. Bei der grossen Anzahl der von uns beobachteten Embryonen der Blindschleiche müssen die zwei genannten Fälle als Ausnahmen betrachtet werden. Solche Ausnahmen sind aber hier leicht verständlich, wenn man bedenkt, dass die ganz jungen Knospen viele Zellen aus sich ausscheiden und dass es daher vorkommen kann, dass gerade die Zellen, welche die Knospen mit dem Mutterboden ver- binden, sich ausgeschieden haben. In jedem Falle haben wir, wie gesagt, nur zweimal diese Erscheinung beobachtet, in einem ganz jungen Stadium, wo die ventralen Pankreasanlagen noch nicht vorhanden waren (cf. Fig. 80). In den späteren Stadien haben wir aber nie etwas Ähnliches finden können. Die erste Milzanlage stellt bei der Blindschleiche, ebenso wie beim Hühnchen, einen an das linke Visceralblatt gebundenen verdichteten Mesenchymherd dar. Wenn wir Fig. 81 mit Fig. 64 Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 581 vergleichen, so fällt sofort die grosse Analogie derselben auf. Wir sehen auch auf Fig. 81 das durch das stark dorsalwärts gewucherte dorsale Pankreas erweiterte Mesenterium, in dem auf der linken Seite ein nach links und dorsalwärts gerichteter mesenchymatöser Vorsprung sich bemerkbar macht. Dieser Vorsprung entspricht auch hier einer quer durchschnittenen kranio-kaudalen Mesenterialfalte, welche durch die erwähnte Erweiterung des Mesenteriums unkenntlich geworden ist. Der Mesothelüberzug des Vorsprungs unterscheidet sich vom übrigen Mesothel dadurch, dass er aus sich ganze Zellenzüge in das Mesen- chym hineinwuchern lässt. Diese Zellenzüge lösen sich in letzterem allmählich auf und bilden auf solche Weise Ausstrahlungscentra von freien Embryonalzellen, welche das benachbarte Mesenchym überschwemmen und verdichten. Auch vom übrigen Mesothel lösen sich stellenweise einzelne Embryonalzellen ab, doch nicht in solcher Anzahl und immer nur einzeln. Am mesenchyma- tösen Vorsprung dagegen sind es weit in das Mesenchym hin- einragende Zellenzüge, welche diese Stelle spezifizieren und sie schon jetzt als zur Milzanlage vorausbestimmt erkennen lassen. Die unweit von diesen Zellenzügen liegenden Pankreasknospen verhalten sich vollständig indifferent zu dem in ihrer Nachbar- schaft vor sich gehenden Zerfallsprozess: sie sind meistens schon von eirkulärem Gewebe umsponnen, sind kompakt, scheiden keine Zellen aus und stehen ohne Ausnahme mit dem Mutter- boden in Verbindung. Die trügerische Nachbarschaft von Milz und Pankreas ist also auch bei der Blindschleiche eine rein zu- fällige und schliesst jeden genetischen Zusammenhang dieser beiden Organe vollständig aus. Die Vena lienalis konnten wir in dem Fig. 81 entsprechenden Stadium nicht nachweisen, wohl aber in einem etwas älteren Stadium, wo sie sich mit der Vena pancreatica vereinigt und in die Vena mesenterica mündet. Letztere sieht auf Fig. 81 sichelförmig aus; sie biegt um das dorsale Pankreas an seiner rechten Seite und wird hier nicht 582 BORIS CHORONSHITZKY, wie bei den Amphibien von dem sich vereinigenden dorsalen und rechten ventralen Pankreas umgriffen und an die rechte Darmwand angedrückt. In einem etwas späteren Stadium ändert sich das Aus- sehen des genannten mesenchymatösen Vorsprungs, indem die Verdichtung seines Gewebes diffuser wird. Wir sehen jetzt auch hier in den Maschen des durch die Ausläufer der fixen Milzzellen gebildeten Netzes, ebenso wie in der Milzanlage des Fig. 82. Hühnchens, eine vermehrte Anzahl freier Embryonalzellen, von denen viele aus den oben beschriebenen Zellenzügen her- vorgegangen, d. h. mesothelialen Ursprungs sind. Zwischen dem verdichteten Mesenchymherd und den Pankreasschläuchen liegt gewöhnlich eine Zone normalen unverdichteten retikulären Mesenchymgewebes, welches dicht um die Pankreasschläuche eirkulär angeordnete Zellenreihen gebildet hat, wodurch diese gewissermassen vor Zerfall geschützt und an den Mutterboden befestigt sind. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 583 Später wird die Milzanlage immer grösser, stülpi sich mehr in die Leibeshöhle hinein, rundet sich ab und bildet schliesslich ein mit dem linken Visceralblatt durch eine schmale Brücke verbundenes kugeliges Körperchen. Durch die Brücke, welche den Hilus lienalis darstellt, verlaufen die ein- und ausgehenden Milzgefässe. Wenn man die allmähliche Abrundung und Iso- lierung der Milzanlage verfolgt, so bekommt man oft Quer- schnitte zu sehen, welche den Eindruck machen könnten, als ob eine Pankreasknospe in die Milzanlage hinübergehen würde. Fig. 82 stellt solch einen Querschnitt dar. Hier ist der hintere Teil des Magens getroffen, welcher von vielen Schichten cirkulär angeordneten Gewebes umsponnen ist. Ventralwärts und rechts liegt die Leber (Le), welche mit ihrer dorsalen Kante das Meso- gastrium (Mes.) berührt, wodurch ein Peritonealfenster (Per.f.) entsteht, das vom dorsalen bis zum ventralen Mesogastrium sich erstreckt. Wir sehen am linken Visceralblatt den hinter- sten Teil der Milzanlage (Mi) getroffen. Dicht daneben liegt eine isoliert erscheinende Pankreasknospe (Pa.kn.). Bei einer gewissen Unvorsichtigkeit könnte man annehmen, man habe hier mit einer vom Mutterboden abgelösten Pankreasknospe zu thun, welche in die Milzanlage übergegangen ist. Das wäre aber ganz falsch, denn verfolgt man die weiter kaudalwärts liegenden Schnitte derselben Serie, so sieht man, dass das Peri- tonealfenster allmählich schwindet und an Stelle desselben die Bauchspeicheldrüse auftaucht, mit der die erwähnte Knospe in direktem Zusammenhang steht. Dazu ist diese Knospe schon auf Fig. 82 vom hintersten Milzende (Mi.) durch eirkulär ange- ordnetes Gewebe (eirc. Bgw.) getrennt, sodass von einem Über- gang der Knospe in die zukünftige Milz überhaupt die Rede nicht sein kann. Wir haben hier nur ein Bild, welches den Forscher leicht irre führen kann. 584 BORIS CHORONSHITZKY, 9. ‚Schaf (Ovis aries L.). IF Der jüngste Schafsembryo, den wir besitzen, hat folgende Eigenschaften: Die Leber repräsentiert sich als vielfach ver- zweigte Drüse, zwischen deren Balken kleinere und grössere Lebervenen eingelagert sind. Letztere sind Äste der beiden Venae omphalo-mesentericae, welche kaudo-kranial die Leber durchbohren, innerhalb derselben beiderseits die entspre- chende Vena umbilicalis in sich aufnehmen und am vorderen Leberpol hufeisenförmig mit einander zur Bildung des Sinus venosus sich vereinigen. Die beiden Venae omph.-mesentericae sind schon am vorderen Umfang des Darmnabels gleichfalls mit einander vereinigt, sodass jetzt die beiderseitigen Dottervenen in das kaudale Ende der Vena omph.-mes. sinistra sich ergiessen und die Vena omph.-mes. dextra von dieser Vereinigungsstelle ab bis zur schon vorhandenen dorsalen Anastomose der beiden Venae omph.-mes. obliteriert und verschwunden ist. Von dieser Anastomose ab verlaufen beiderseits die Venae omph.-mes. weiter nach vorne mit einer leichten Neigung ventralwärts, gehen seitlich am Ductus choledochus vorüber und senken sich in die entsprechenden Leberhälften ein, wo sie in viele Lebervenen sich auflösen, um am vorderen Leberpol sich wieder zu sammeln und als Venae hepaticae revehentes sich zur Bildung des Sinus venosus hufeisenförmig zu vereinigen. Die linke und rechte Vena umbilicalis, welche vom Hautnabel kranialwärts innerhalb der äusseren Bauchdecke verlaufen, senken sich in die entsprechenden Leberhälften ein und vereinigen sich mit den entsprechenden Venae omph.-mesentericae. Dort, wo die Ventralwand des Ductus choledochus in die ventrale Darmwand übergeht, sehen wir eine bedeutende Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 585 Verdiekung und Ausstülpung der letzteren. Das ist die Gallen- blasenanlage. Von den ventralen Pankreasanlagen können wir in diesem Stadium noch nichts wahrnehmen. Dafür finden wir aber hier schon ein ziemlich grosses dor- sales Pankreas. Es stellt einen dorsalwärts und nach hinten gerichteten Blindsack dar. Wir müssen daraus schliessen, dass beim Schaf das dorsale Pankreas einen kaudo-kranialen Ab- schnürungsprozess durchmacht. Die Säugetiere bilden also in dieser Beziehung eine Ausnahme, da wir sonst bei allen Wirbel- tieren eine Abschnürung des dorsalen Pankreas von vorne nach hinten gesehen haben. Wir müssen daher entschieden der Laguesseschen Ansicht (L. 59) entgegentreten, wonach diese Drüse überall „par un etranglement graduel marchant d’arriere en avant“ sich abschnüren soll. Das dorsale Pankreas liegt in diesem Stadium noch voll- ständig in der Körpermittelebene und mündet in die dorsale Darmwand entsprechend dem Niveau der Choledochusmündung. I. Das zweite Stadium unterscheidet sich im allgemeinen wenig vom ersten Stadium, doch ist es für uns von besonderer Bedeutung, da wir hier die beiden ventralen Pankreas- anlagen finden. Letztere (Fig. 83, Pa. v. d. und Pa. v. s.) bilden im Querschnitt zusammen mit der Gallenblasenanlage (ib. G.bl.) die uns schon bekannte kreuzförmige Ausstül- pung. Das ist ein Beweis, dass auch beim Schaf die ventralen Pankrease und die Gallenblase aus einer und derselben Darm- zone stammen, wobei die ersteren mehr den seitlichen Darm- wänden angehören, die Gallenblase aber ausschliesslich von der ventralen Darmwand herstammt. Das rechte ventrale Pankreas scheint auch beim Schaf (Fig. 83, Pa. v. d.) etwas früher zu entstehen, als das linke (ib. Pa. v. s.). Ersteres zeigt nämlich Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIVXLIII. Heft. (13. Bd., H. 2/3.) 38 586 BORIS CHORONSHITZKY, schon die Tendenz zur Verzweigung und unterscheidet sich da- durch bedeutend vom letzteren. Dieser Unterschied spricht am besten für das Vorhandensein zweier ventraler Pankreasanlagen auch bei den Säugetieren und entkräftet die noch unlängst aus- gesprochene Meinung von Hammar (L. 22), wonach diese beiden Anlagen Bestandteile eines Ganzen darstellen sollen. Er sagt nämlich, dass „beim Hund, Kaninchen und wahrscheinlich auch bei den anderen Säugetieren eine Verdickung oder Aus- buchtung entstehe, welche die kaudale (resp. ventrale) sowie die seitlichen Flächen des Ductus choledochus halbringförmig um- fasst‘‘ und auf solche Weise eine einzige ventrale Pankreasan- lage darstellt. Als Beweis dafür führt Hammar die Thatsache an, dass „sobald die Anlage frei hervorsprosst, sie sich als ein einheitliches kaudal gerichtetes Divertikel des Ductus choledochus zeigt.“ Wir geben Hammar zu, dass bei den Säugern und in unserem Fall beim Schaf die beiden ventralen Pankreasanlagen schon gleich darauf, noch bevor sie sich verzweigt haben, zu Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 587 einer gemeinsamen Drüse sich vereinigen. Aber der bereits ge schilderte Unterschied der rechten und linken Anlage, sowie auch die Thatsache, dass bei den anderen Wirbeltierabteilungen — ausser den Selachiern, wo überhaupt kein ventrales Pankreas vorhanden ist — ebenfalls zwei ventrale Pankreasanlagen nach- zuweisen sind, genügen vollständig zur Annahme, dass wir auch beim Schaf mit zwei solchen Anlagen zu thun haben, von denen die rechte wahrscheinlich ein wenig früher als die linke entsteht. Wir sind sogar bereit zuzugeben, dass die kaudale (resp. ven- trale) Choledochuswand zwischen den beiden ventralen Pankreas- anlagen von vornherein halbringförmig verdickt oder ausgebuchtet sein mag!), wodurch gewissermassen eine Verbindung zwischen diesen Anlagen geschaffen ist. Wenn wir aber die Kleinheit dieser Anlagen sowie ihrer gegenseitigen Entfernung bedenken, so werden wir leicht begreifen, dass diese halbringförmige Ver- dickung resp. Ausbuchtung der kaudalen Choledochuswand ganz einfach durch das frühe Bestreben der beiden ventralen Pankreas- anlagen, sich einander zu nähern und mit einander eben an der genannten Choledochuswand zu verschmelzen, bedingt ist. Wir sehen beim Schaf auch in der That schon im nächsten Stadium neben dem dorsalen Pankreas ein einziges ventrales Pankreas, welches durch Konfluenz der beiden geschilderten ventralen Pan- kreasanlagen entstanden ist. Die Säugetiere unterscheiden sich folglich von den übrigen Wirbeltieren dadurch, dass bei ersteren zuerst die beiden ventralen Pan- kreasanlagen konfluieren, während bei letzteren zu- erst dierechte ventrale mit derdorsalen Pankreasan- lage sich vereinigt. Bei den Säugetieren tritt erst später zu dem vereinigten ventralen Pankreas das dorsale hinzu, wodurch dann eine gemeinschaftliche, aus drei ursprünglichen Anlagen zusam- mengesetzte Bauchspeicheldrüse entsteht. Die frühe Vereinigung ı) Diese Verdickung resp. Ausbuchtung kann auch dem hintersten Ab- schnitt der Gallenblasenanlage oder ihrer Fortsetzung angehören. 38* 588 BORIS CHORONSHITZKY, der beiden ventralen Pankreasanlagen bei den Säugetieren ist eben die Ursache, weswegen diejenigen Forscher, welche nur an Säugetieren ihre Untersuchungen angestellt haben, leicht die Duplizität des ventralen Pankreas übersehen konnten. Das dorsale Pankreas ist in diesem Stadium noch mehr als im vorigen kaudo-kranial abgeschnürt und schon ein wenig nach rechts gewandt (Fig. 83, Pa. d.). Es ist noch nicht verzweigt, besitzt aber auf mehreren Querschnitten eine Herzform, als ob es aus drei Lappen bestehen würde, von denen der eine nach rechts, der andere nach links, der dritte dorsalwärts gerichtet ist. IH. Das dritte Stadium zeichnet sich vor allem durch eine weit vorgeschrittene Gastroduodenaldrehung des Darmtraktes aus, wodurch der Magen und vordere Abschnitt des Duodenums zusammen mit dem ihnen entsprechenden Mesenterium stark nach links verlagert und gleichzeitig auch nach rechts tordiert sind, sodass die ursprünglich dorsale Darmwand zur linken, die ursprünglich ventrale zur rechten geworden ist. So sehen wir auch auf Fig. 84 das dorsale Pankreas (Pa. d.) linkerseits in das Duodenum (Du) münden, während der Ductus choledochus (D. ch.) und das bereits vereinigte ventrale Pankreas (Pa. |v.) rechts in dasselbe münden. Das dorsale Pankreas ist be- reits mehrfach verzweigt und infolge der Gastroduodenaldrehung ein wenig nach links gerichtet. Das aus beiden ventralen An- lagen zusammengesetzte ventrale Pankreas (Pa. v.) ist nicht kaudalwärts gerichtet, sondern mehr dorsalwärts, was ebenfalls hauptsächlich mit der Gastroduodenaldrehung des Darmtraktes zusammenhängt. Die Mündung des ventralen Pankreas ist noch nicht vollständig in den Ductus choledochus hineingezogen. Letzterer ist aus dem Ductus hepaticus und Ductus cys- ticus zusammengesetzt. Auf dem letztgenannten Gang hängt die bereits isolierte Gallenblase. Die Vena omph.-mes. dextra liegt jetzt an der dorsalen (resp. ursprünglich rechten) Wand des Duodenums (Fig. 84, V.o.m.d.) zwischen dorsalem und ventralem Pankreas, nimmt an dieser Stelle die von hinten kommende Vena mesenterica in sich auf, verläuft von hier kranialwärts und nach rechts, geht am vorderen Rand des ventralen Pankreas vorbei und zieht dann an der rechten Seite des Duetus choledochus weiter nach vorne, um in die rechte Leberhälfte sich einzusenken. Verfolgen wir die Vena omph.-mes. dextra nach hinten, so finden wir, dass sie dicht hinter dem dorsalen Pankreas in die schon oben erwähnte dorsale Anastomose (Fig. 84, R. sin.) übergeht, welch letztere ihrerseits in den hinteren Teil der Vena omph.- mes. sinistra führt. Letztere zerfällt am vorderen Umfang des Darmnabels in mehrere Dottervenen, welche beiderseits in den Seitenwänden des Darmdottersacks verlaufen. Wir finden folg- 590 BORIS CHORONSHITZKY, lich in diesem Stadium schon das uns bereits bekannte spiral- förmige Gefäss, welches aus dem vorderen Abschnitt der Vena omph.-mes. dextra, der dorsalen Anastomose und dem hinteren Abschnitt der Vena omph.-mes. sinistra zusammenge- setzt ist und die Grundlage der zukünftigen Vena portae bildet. Der vordere Abschnitt der Vena omph.-mes. sinistra, von der dorsalen Anastomose ab bis zur Leber, ist jetzt schon obliteriert und verschwunden. Nur innerhalb der linken Leber- hälfte ist noch ein Rest dieses Gefässes vorhanden, insofern sämtliche Venen dieser Leberhälfte eben aus der Vena omph.- mes. sinistra herstammen. Mit diesem Rest der letzteren ver- einigt sich innerhalb der linken Leberhälfte die von hinten kommende Vena umbilicalis communis (Fig. 84, v. u. comm.) oder richtiger Vena umbilicalis sinistra.. Wir erinnern uns, dass im ersten Stadium noch eine linke und rechte Nabelvene vorhanden waren. Unterdessen haben sich aber diese beiden Venen am vorderen Umfang des Hautnabels ver- einigt, ähnlich wie die beiden Venae omph.-mes. am vorderen Umfang des Darmnabels sich vereinigen. Infolge der erstge- nannten Vereinigung wendet sich der ganze Blutstrom des Haut- nabels der Vena umbilicalis sinistra zu, während die Vena um- bilicalis dextra von dieser Vereinigungsstelle bis zur Leber ob- literiert und verschwindet. Die übrig gebliebene Vena umbili- calis sinistra oder, wie wir sie jetzt nennen können, Vena um- bilicalis communis oder kurzweg Vena umbilicalis verläuft vom Hautnabel kranialwärts innerhalb der äusseren Bauchdecke, senkt sich in die linke Leberhältfte ein und vereinigt sich ınit dem in die letztere eingeschlossenen Rest der Vena omph.-mes. sinistra, um dann am vorderen Leberpol als Vena hepatica revehens sinistra zu erschenen. Die durch die rechte Leberhälfte ziehende Vena omph.-mes. dextra vereinigt sich hierselbst mit . einem noch übrig gebliebenen Rest der Vena umbilicalis dextra und erscheint dann am vorderen Leberpol als Vena hepatica Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 591 revehens dextra, um sich mit der gleichnamigen sinistra hufeisenförmig zum Sinus venosus zu vereinigen. — So ent- steht beim Schaf die Grundlage eines definitiven Venensystems. Die Thatsache, dass wir auch hier dem uns schon bekannten spiralförmigen Gefäss begegnen, spricht dafür, dass wahrschein- lich auch beim Schaf durch die Konfiguration der Leberanlage ein Hindernis für den Blutstrom im kranialen Abschnitt der Vena omph.-mes. sinistra entsteht. Beim Hühnchen entstand dieses Hindernis durch Kompression der Mündungsstelle der linken Vena omph.-mesenterica dicht am hinteren Ende des Ductus venosus. So etwas ist beim Schaf unmöglich, denn hier liegt die hufeisenförmige Vereinigung der beiden Venae omph.- mes. resp. der beiden Venae hepaticae revehentes am vorderen Leberpol, ausserhalb der Leber. Ähnliches sahen wir bei Tor- pedo und bei der Blindschleiche. Bei letzterer begegneten wir aber auch dem spiralförmigen Gefäss, welches hier infolge der Kompression der innerhalb der Leber enthaltenen queren Anastomose entstanden ist. Es ist daher möglich, dass auch beim Schaf eine ähnliche quere Anastomose vorhanden ist, welche also auch hier die Bildung zweier Lebergänge verursachen konnte, durch welche diese Anastomose selbst nachträglich komprimiert wird. Mit Entschiedenheit können wir aber das nicht behaupten, denn wir besitzen keine ganz jungen Schafsembryonen, bei welchen man die Entwickelung des Leberganges, resp. der Leber- gänge verfolgen könnte. In jedem Falle haben wir bei unserem jüngsten Schafsembryo nicht mit Sicherheit zwei Lebergänge nachweisen können. Aus diesen Ausführungen erhellt es, dass die Selachier, Reptilien und Säugetiere sich von den Amphibien und Vögeln dadurch unterscheiden, dass bei ersteren die hufeisenförmige Ver- einigung der beiden Venae omphalo-mesentericae am vorderen, bei letzteren am hinteren Leberpol sich befindet. Die Folge, davon ist die, dass bei den Amphibien und Vögeln innerhalb 592 BORIS CHORONSHITZKY, der Leber keine Spur von den Venae omphalo-mesentericae vor- handen ist, sondern dieses Organ umwächst hier den sogenannten Ductus venosus, welcher zwischen der hufeisenförmigen Ver- einigung der beiden Venae omphalo-mesentericae und dem Sinus venosus sich befindet resp. die kaudale Fortsetzung des letzteren darstellt. Auf die verschiedene Art der Umwachsung des Ductus venosus bei den Amphibien und Vögeln und deren Ursache haben wir schon oben in unserer Arbeit hingewiesen und wir übergehen es hier. Da bei diesen beiden Wirbeltierabteilungen die Venae omphalo-mesentericae hinter der Leber liegen, so ob- literiert bei den Amphibien (Urodelen) die rechte Vena omphalo- mesenterica total, die linke bleibt als winzige Vena Rusconi er- halten, wird aber nicht am kranialen Ende komprimiert, da hier keine zwei Lebergänge vorhanden sind; bei den Vögeln obliteriert der ganze vordere Abschnitt der Vena omphalo-mesen- terica sinistra, weil letztere hier eben am kranialen Ende durch die beiden Lebergänge komprimiert wird. Innerhalb der Leber ist, wie gesagt, weder bei den Amphibien noch bei den Vögeln ein Rest der beiden Venae omphalo-mesentericae vorhanden. Ganz anders sind die Verhältnisse bei den Selachiern, Reptilien und Säugetieren. Hier giebt es keinen eigentlichen Ductus venosus, sondern innerhalb der Leber sind Reste der beiden Venae omphalo-mesentericae vorhanden, da eben diese Gefässe hier von vorneherein von der Leberanlage umwachsen wurden. Die Entstehung des spiralförmigen Gefässes erklärt sich bei den Reptilien und wahrscheinlich auch bei den Säugetieren durch das Vorhandensein innerhalb der Leberanlage der oben erwähnten queren Anastomose, welche also hier dieselbe Rolle spielt wie bei den Vögeln die hufeisenförmige Vereinigung der beiden Venae omphalo-mesentericae zum Ductus venosus. Durch die quere Anastomose werden bei den Reptilien und wahrscheinlich auch bei den Säugetieren zwei Lebergänge gebildet, welche dann ihrerseits diese Anastomose komprimieren und die oben be- schriebenen Veränderungen des Venensystems verursachen. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 593 Aus allem Gesagten ergiebt sich der gegenseitige Einfluss des embryonalen Venensystems und der ersten Leberanlage. IV. Im vorigen Stadium war das dorsale Pankreas schon ver- zweigt, während das ventrale noch einen unverzweigten Blindsack darstellte, auf dessen Oberfläche hier und da ganz geringe Ausbuchtungen der Wand sichtbar waren. In den jetzt folgenden Stadien nähern sich allmählich die beiden Drüsen zu einander und verschmelzen schliesslich an den Seitenwänden und an den blinden Enden. Wenn man Fig. 84 betrachtet, so könnte man geneigt sein, anzunehmen, dass bei dieser Verschmelzung die Vena omphalo-mesenterica dextra von den beiden daran betei- listen Drüsen umfasst und an die dorsale (ursprünglich rechte) Darmwand angedrückt wird. Das ist aber nicht der Fall. Ebenso wenig wird von den beiden miteinander verschmelzenden Drüsen die Vena mesenterica umfasst, wie wir es z. B. bei den Amphibien gesehen haben, denn diese Vene mündet beim Schaf in die Vena omphalo-mesenterica dextra ein wenig hinter dem Niveau der beiden Pankrease. Letztere unterscheiden sich auch nach der Verschmelzung längere Zeit von einander durch ihre Verzwei- gungsart. Allmählich verwischt sich aber dieser Unterschied der ventralen und dorsalen Pankreashälfte und wir erhalten eine homogene Bauchspeicheldrüse mit zwei Ausführungs- gängen, von denen der eine in die dorsale Darmwand mündet und der dorsalen Anlage entspricht (= Ductus Santorini), der andere in den proximalen Teil des Ductus choledochus mündet und dem vereinigten ventralen Pankreas entspricht (= Ductus Wirsungianus). Der erste Ausführungsgang entspricht jetzt an- nähernd der linken, der zweite — der rechten Pankreashälfte. Beide Pankreashälften unterscheiden sich, wie gesagt, noch >94 BORIS CHORONSHITZKY, längere Zeit durch ihre Verzweigungsart, sowie auch durch den mikroskopischen Bau. Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass bei den Säugetieren infolge der frühen Verschmelzung der beiden ventralen Pankreasanlagen miteinander und der nachträglichen Vereinigung derselben mit dem dorsalen Pankreas an der dorsalen (resp. rechten) Darmwand, kein sogenannter pankreatischer Ring um den Ductus choledochus gebildet wird, wie er bei den Fischen, Amphibien und Reptilien vorkommt (s. oben Kap. Rana tem- poraria, Abschnitt A.). Die Milzanlage stellt beim Schaf ebenso wie bei den anderen Wirbeltieren einen an das linke Visceralblatt des Mesen- teriums gebundenen verdichteten Mesenchymherd dar. Sie liegt im Niveau des hinteren Magenabschnittes und entspricht der Kante einer kranio-kaudalen Mesenterialfalte (Fig. 85, Mi). Dieser Kante ist auch beim Schaf das dorsale Ende des dorsalen Pan- kreas (ib. Pa.) zugewendet. Letzteres ist zur Zeit der ersten Milzanlage noch nicht mit dem ventralen Pankreas verschmolzen, liegt aber sehr nahe demselben an. Fig. 85 erinnert an Fig. 832. Auf beiden Figuren sieht man im Mesogastrium (Mesog.) einen Pankreasschlauch resp. eine Pankreasknospe, und man könnte auf den ersten Blick hin geneigt sein anzunehmen, dass man hier mit einem vom Mutterboden abgetrennten und in der Milzanlage stecken gebliebenen Pankreasschlauch zu thun hätte, was, wie schon oben erklärt, durchaus nicht der Fall ist, denn auf den weiter kaudalwärts folgenden Querschnitten sieht man diesen Schlauch allmählich in das dorsale Pankreas übergehen. Letzteres ist in dem der Fig. 85 entsprechenden Stadium schon grössten- teils von einem cirkulär angeordneten Gewebe umsponnen und zeigt keine Ablösung von einzelnen Zellen oder Knospen, sondern ist überall genau vom umgebenden Mesenchym abgegrenzt und unterscheidet sich von letzterem durch eine viel intensivere Fär- bung sowie auch durch einen ganz anderen mikroskopischen Bau, Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 595 ähnlich wie wir es beim Hühnchen gesehen haben. — Die Milz- anlage (Fig. 85, Mi) enthält fixe Zellen, welche ein Netz bilden, in dessen Maschen reichlich freie rundliche Embryonalzellen enthalten sind. Letztere sind hier reichlicher vertreten als im übrigen Mesenchym. Dieser Umstand ist auch hier durch einen Austritt von Zellen aus dem Mesothelüberzug der Milzanlage zu erklären. Dieser Mesothelüberzug ist hier anfangs verdickt, d. h. höher als das übrige Mesothel, welches ein mehrschichtiges cylindrisches oder richtiger kubisches Epithel darstellt. Aber gleich darauf ändert sich das Bild so, dass der Mesothelüberzug der Milzanlage einschichtig und locker wird, während das übrige Mesothel noch einige Zeit mehrschichtig bleibt. In beiden Fällen, d. h. wo der Mesothelüberzug der Milzanlage mehrschichtig und einschichtig ist, sieht man einzelne Zellen von ihm sich ab- schnüren und in das anliegende Mesenchym resp. zukünftige Milzgewebe hineinwandern. Durch diese einwandernden Zellen 596 BORIS CHORONSHITZKY, wird das Mesenchym ansehnlich verdichtet, mit anderen Worten, die Zahl seiner freien Zellen wird vermehrt. Diese Verdichtung erstreckt sich manchmal bis nahe ans Pankreas heran, doch bleibt letzteres immer genau begrenzt und hebt sich scharf vom umgebenden Mesenchym sowie auch vom verdichteten Milz- gewebe ab. Zwischen letzterem und Pankreas sieht man schon zur Zeit der ersten Milzanlage ceirkulär angeordnetes Gewebe, welches das Pankreas umspinnt. Dieses Gewebe bildet um letzteres gewissermassen ein Drüsenkörbchen, welches alle Pan- kreasschläuche umfasst und von aussen noch reichlich von kleineren Gefässzweigchen umgeben ist, ganz so, wie wir es beim Hühnchen gesehen haben. Wir sehen daher auch beim Schaf gewöhnlich zwischen Milz und Pankreas ausser dem cir- kulären Gewebe noch Gefässzweigchen liegen. Dadurch ist ein Übergang von Pankreaselementen in die Milzanlage vollständig unmöglich gemacht. Wir finden also auch beim Schaf keinen genetischen Zusammenhang zwischen Milz und Pankreas. — Was den Blutgehalt der ersten Milzanlage anbetrifft, so sehen wir auch beim Schaf innerhalb der letzteren kleine, von den Fäden der fixen Milzzellen begrenzte unregelmässige Lumina, in denen gewöhnlich 1—2 Blutkörperchen enthalten sind. Diese Lumina sammeln sich zu einem grösseren Lumen, welches aus dem hinteren Milzabschnitt ventralwärts herauskommt und ge- wöhnlich etwa 8—10 Blutkörperchen in sich einschliesst. Dieses Lumen zeigt schon eine eigentliche Endothelialwand und stellt einen Schnitt durch die Vena lienalis dar. Letztere vereinigt sich unweit von der Milzanlage mit mehreren pankreatischen Venenästchen und mündet dann in die Vena mesenterica. Allmählich stülpt sich der verdichtete Mesenchymherd zu- sammen mit seinem Mesothelüberzug immer mehr in die Bauch- höhle hinein. Dadurch wird die Milzanlage immer mehr isoliert, rundet sich ab und bleibt mit dem linken Visceralblatt nur noch durch eine schmale Brücke verbunden, in welcher die ein- und Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 597 ausgehenden Milzgefässe verlaufen und welche also den zukünf- tigen Hilus lienis darstellt. Aus den gegebenen Ausführungen sehen wir, dass bei den Säugetieren die Milz ebenso angelegt wird, wie bei den anderen Wirbeltierabteilungen. Die Milzanlage ist danach überall mesen- chymatösen Ursprungs und beständig an einen gewissen Ab- schnitt des linken Visceralblattes des Mesenteriums gebunden. Sie steht in keinem genetischen Zusammenhang mit der Bauch- speicheldrüse noch mit dem Darmtrakt überhaupt. Der Mesothel- überzug der Milzanlage dient für dieselbe gewissermassen als Keimepithel, indem er durch Abgabe von Zellen an den an- liegenden Mesenchymherd letzteren eben zur Milzanlage spezi- fiziert. Entodermale Elemente sind in der Milzanlage vorhanden nur insofern letztere einen Herd mesenchymatösen Gewebes dar- stellt, welches bei den verschiedenen Wirbeltierabteilungen ver- schieden reich an entodermalen Zellen ist. Mit anderen Worten, je reicher das Mesenchym an entodermalen Zellen ist, desto reich- licher sind letztere auch in der Milzanlage vertreten und umge- kehrt. Am reichsten an entodermalen Zellen ist das Mesenchym der anuren Amphibien, am ärmsten — das der Vögel und Säugetiere. Der Mesothelabschnitt, an den die Milzanlage gebunden ist, befindet sich überall annähernd im selben Niveau, und wenn die Teile des Darmtraktes auch ihre Lage zu ihm ändern, so kann man doch sagen, dass im allgemeinen die Milzanlage in der Höhe des Überganges des Magens in das Duodenum liegt. Diese Lagebestimmung ist allerdings, wie wir schon oben in unserer Arbeit ausgeführt haben, nicht von besonderer Bedeu- tung eben wegen der wechselnden Lage der einzelnen Darmab- schnitte zum Mesothelüberzug der Milzanlage. Es wäre wichtig andere Anhaltspunkte für solch eine Lagebestimmung zu finden und in dieser Beziehung haben wir beim Frosche gesehen, dass die Milzanlage in der Höhe der Ursprungsstelle der Arteria mesen- 598 BORIS CHORONSHITZKY, terica (aus der Aorta) liegt. Ähnliches haben wir auch beim Schaf sehen können. Hiermit wäre gewissermassen ein mehr weniger fester Anhaltspunkt zur Bestimmung des Niveaus der Milzanlage gegeben. Doch trifft das, wie gesagt, nur für den Frosch und das Schaf zu. Es muss hier in jedem Falle noch hinzugefügt werden, dass ein genetischer Zusammenhang zwischen Milz und Arteria mesenterica durchaus ausgeschlossen ist. 10. Ergebnisse. Wenn wir jetzt die Resultate aller unserer Untersuchungen über die Entstehung der Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse, Milz und des Pfortadersystems bei den verschiedenen Wirbeltier- abteilungen kurz zusammenfassen, so kommen wir zu folgenden Schlüssen : 1. Die Leberanlage stellt überall eine einheitliche Aus- stülpung der ventralen Darmwand dar, an der Grenze zwischen Vorder- und Dotterdarm. Bei den Vögeln entspricht die erste Leberanlage derKante der vorderen Darmfalte, d. h. der Stelle, wo die Ventralwand des Vorderdarms auf den Dotter übergeht, mit anderen Worten, dem vorderen Umfange des Darmnabels. Erst in einem späteren Stadium, wo die Leber- anlage schon in sekundäre Divertikel geteilt ist, wird sie bei den Vögeln in die Ventralwand des Vorderdarms hineingezogen und stellt dann ein Anhangsorgan des eigentlichen Darmkanals dar. 2. Die weiteren Veränderungen der ersten Leberanlage hängen vom Einfluss des embryonalen Venensystems auf dieselbe ab. Bei allen Wirbeltierabteilungen findet man zuerst zwei Venae omphalo-mesentericae, eine linke und eine rechte, welche ihr Blut an der Oberfläche der Dottermasse oder des Dottersacks Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 599 und teilweise auch in den Seitenwänden des Dotterdarms sammeln und von hier kranialwärts verlaufen, un sich hufeisenförmig zum Sinus venosus zu vereinigen. Diese hufeisenförmige Ver- einigung der beiden genannten Venen liegt bei allen Wirbel- tierabteilungen vor der ersten Leberanlage, d. h. kranialwärts von derselben. Von der Richtung des weiteren Wachstums der Leberanlage hängt nun die Art und Weise ab, wie sich der Einfluss der beiden Venae omph.-mesentericae auf die weitere Konfiguration der Leberanlage geltend macht. Bei den Selachiern, Reptilien und Säugetieren, wo die Leberanlage hauptsächlich in transversaler Richtung sich ausdehnt, bleibt die Vereinigungs- stelle der beiden Venae omph.-mesent. vor derselben liegen. Die Leberanlage umwächst daher hier die proximalen Abschnitte der beiden gen. Venen, zerklüftet ihre Wände und bildet aus jeder dieser Venen je ein Rete mirabile für die entsprechende Leberhälfte. Bei den Selachiern, Reptilien und Säugetieren sind folglich in der Leber Abschnitte der beiden Venae omph.-mes. enthalten, mit anderen Worten, die zwischen den Leberbalken befindlichen kleineren und grösseren Lebervenen stammen hier von den beiden gen. Venen ab. Ganz anders sind die Verhält- nisse bei den Amphibien und Vögeln. Hier wächst die Leber kranialwärts und kommt schliesslich so zu liegen, dass die huf- eisenförmige Vereinigung der beiden Venae omph.-mes. am hinteren Leberpol sich befindet. Die Leberanlage umwächst dann nicht die genannten Venen, sondern den hinteren Abschnitt des Sinus venosus resp. den Ductus venosus. In der Leber der Amphibien und Vögel sind folglich keine Reste der beiden Venae omph.-mes. enthalten. Die zwischen den Leberbalken befindlichen kleineren und grösseren Venen stammen hier vom Ductus venosus ab, welcher nicht ein doppeltes Rete mirabile bildet, sondern so zerklüftet und verzweigt wird, dass ein gröberer Stamm von ihm noch nachbleibt. Dieser Stamm durchbohrt dann, als vorderster Teil der zukünftigen Vena portae, kaudo-kranial 600 BORIS CHORONSHITZKY, die Leberanlage,, um am vorderen Pol derselben als ein- heitliche Vena hepatica revehens zu erscheinen und in den Sinus venosus überzugehen. Bei den Selachiern, Reptilien und Säugetieren bilden die kranialsten Abschnitte der beiden in die Leber eingeschlossenen Venae omph.-mes. je eine Vena hepatica revehens für die rechte und linke Leberhälfte. 3. Die Art und Weise, wie die Leberanlage den Ductus venosus umwächst, ist bei den Amphibien und Vögeln ver- schieden. Bei ersteren kommt anfangs der Ductus venosus dor- salwärts von der Leberanlage zu liegen und wird nachher von derselben von der ventralen Seite her umwachsen. Bei den Vögeln stosst die Spitze der primären Leberausstülpung auf die hufeisenförmige Vereinigung der beiden Venae omph.-mes. und wird durch dieselbe in zwei sekundäre Divertikel ge- spalten, in ein dorsales und ventrales. Ersteres umwächst dann den Ductus venosus von der dorsalen Seite her, indem es zwei ventralwärts gerichtete Äste aussendet, die den Ductus venosus umgreifen und an seiner ventralen Seite miteinander sowie mit der Spitze des ventralen Divertikels sich vereinigen. 4. Bei den Reptilien und Säugetieren kommt es nicht zur Bildung eigentlicher sekundärer Leberdivertikel, doch entstehen hier durch den Einfluss einer starken „queren Anastomose“ zwischen den beiden Venae omph.-mes. zwei Lebergänge. Diese quere Anastomose spielt also hier gewissermassen dieselbe Rolle, wie die hufeisenförmige Venenvereinigung beim Hühnchen. 5. Bei Torpedo finden wir vier sekundäre Leberdivertikel, von denen aber nur drei der eigentlichen Leberanlage gehören, während das vierte in der Körpermittelebene liegende Divertikel der früh in die Leber hineingezogenen Gallenblasenanlage ent- spricht. Die ersten drei Leberdivertikel entsprechen aber hier in keinem Fall den ventralen Pankreasanlagen der anderen Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 601 Wirbeltierabteilungen (wie es Laguesse angenommen hat, der übrigens ausser der Gallenblasenanlage nur zwei sekundäre Leber- divertikel bei den Selachiern gesehen hat). — Die Bildung der sekundären Leberdivertikel bei Torpedo ist ebenfalls durch den Venenverlauf bedingt. Jedoch sehen wir hier eine Teilung der primären Leberausstülpung in linke und rechte Divertikel, während bei den anderen Wirbeltierabteilungen ein vorderes und hinteres oder ein dorsales und ventrales Leberdivertikel ge- bildet wird (ausser den Amphibien). Es erhellt daraus, dass nur bei den Selachiern der spätere linke und rechte Leberlappen den sekundären Leberdivertikeln entsprechen und zwar so, dass der linke Leberlappen aus zwei, der rechte aus einem Leber- divertikel entstanden ist. Bei den Vögeln, Reptilien und Säuge- tieren entsprechen die Ausführungsgänge des linken und rechten Leberlappens höchstwahrscheinlich dem linken und rechten Ast des vorderen resp. dorsalen Leberdivertikels. Denn das hintere resp. ventrale Leberdivertikel verliert hier, nachdem in dasselbe die Gallenblasenanlage hineingezogen wird (siehe unten Punkt 10), seine direkte Kommunikation mit dem Darmkanal und mündet nun in die Gallenblase, von der es nachträglich abgeschnürt wird, ohne einen Lebergang nachzulassen, sodass der Ausfüh- rungsgang des vorderen (resp. dorsalen) Leberdivertikels die Funktion eines gemeinschaftlichen Leberganges übernimmt. Die logische Schlussfolgerung daraus ist eben die, dass die Ausfüh- rungsgänge des zukünftigen linken und rechten Leberlappens höchstwahrscheinlich dem linken und rechten Ast dieses gemein- schaftlichen Leberganges resp. des vorderen (oder dorsalen) Leber- divertikels entsprechen (cf. Kap. 4, Abschn. V]). 6. Das weitere Schicksal der beiden Venae omphalo-mesen- tericae ist bei allen Wirbeltierabteilungen folgendes: Die beiden Venen vereinigen sich miteinander am vorderen Umfang des Darmnabels resp. am vorderen Pol der Dottermasse (letzteres Anatomische Hefte. I. Abteilung. XLIU/XLIII. Heft (13. Bd. H, 2/3.) 3) 602 BORIS CHORONSHITZKY, ist der Fall bei den Amphibien, wo die Ventralwand des Dotter- darms die aus grossen polygonalen Zellen bestehende Dotter- masse darstellt), sodass die beiderseitigen Dottervenen sich jetzt in die linke Vena omph.-mesent. ergiessen, und die rechte Vena omph.-mes. obliteriert von dieser Vereinigungsstelle ab bis weit kranialwärts. Bei den Amphibien obliteriert die rechte Vena omph.-mes. total, d. h. von der gen. Vereinigungsstelle bis zum hinteren Ende des Ductus venosus. Da diese Obliteration hier früh vor sich geht, so wurde auch von mancher Seite (Hoch- stetter, L. 35) angenommen, dass bei den Urodelen von vorn- herein nur eine Vena omph.-mes. (die linke) vorhanden ist. Bei den Selachiern obliteriert der grösste Teil der rechten Vena omph.-mes., von welcher hier fast nur der in die rechte Leberhälfte resp. in den rechten Leberlappen eingeschlossene Abschnitt nachbleibt. Dieser nachgebliebene Abschnitt ragt am hinteren Pol der Leber aus derselben ein wenig heraus, um an der ventralen resp. hinteren Fläche des Ductus choledochus sich mit der linken Vena omph.-mes. zu vereinigen. Bei den Vögeln wird die linke Vena omph.-mes. an ihrer Mündung in den Ductus venosus durch die beiden Lebergänge, welche aus den proxi- malen Teilen der beiden sekundären Leberdivertikel sich ge- gebildet haben, so stark komprimiert, dass ihr Blutstrom diese komprimierte Stelle nicht passieren kann und daher eine hinter dem dorsalen Pankreas befindliche mehr weniger transversale Anastomose zwischen den beiden Venae omph.-mes. benutzt, um durch dieselbe in den kranialen Abschnitt der rechten Vena omph.-mes. zu gelangen. Die Folge davon ist die, dass hier die letztgenannte Vene vom vorderen Umfang des Darmnabels nur bis zur erwähnten Anastomose (wir nennen sie „dorsale Ana- stomose‘‘) obliteriert, dafür obliteriert aber hier auch der kraniale Abschnitt der linken Vena omph.-mes. von dieser Anastomose ab bis zum hinteren Ende des Ductus venosus. Das Resultat ist ein spiralförmiges Gefäss, welches — von hinten nach Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 603 vorn gezählt — aus dem hinteren Abschnitt der Vena omph.- mes. sinistra, der dorsalen Anastomose und dem vorderen Ab- schnitt der Vena omph.-mes. dextra zusammengesetzt ist und die Grundlage der zukünftigen Vena portae bildet. Kranial- wärts geht letztere in den in die Leber eingeschlossenen Ductus venosus über. Das spiralförmige Gefäss nimmt in seinem vor- deren Abschnitte die Vena mesenterica, pancreatica und lienalis, am hintersten Ende ein wenig links vom vorderen Umfang des Darmnabels die Vena subintestinalis in sich auf. Ein ähnliches spiralförmiges Gefäss finden wir auch bei den Reptilien und Säugetieren; hier entsteht es durch Kompression der sog. queren Anastomose zwischen den beiden Lebergängen (S. Punkt4). — Bei den Amphibien verwandelt sich später die nachgebliebene Vena omph.-mes. sinistra in ein schmächtiges Gefäss — die sog. Vena Rusconi, welche zeitlebens als ein in das kraniale Ende der Vena mesenterica mündender Ast persistiert, während letztere hier die eigentliche Grundlage der zukünftigen Vena portae bildet (cf. Kap. 9, Abschn. II). 7. Die Gallenblase entsteht bei allen Wirbeltieren zusammen mit den beiden ventralen Pankreasanlagen aus einer dicht hinter der Leberanlage gelegenen Darmzone; daher finden wir auch immer hinter der Leberanlage eine kreuzförmige Ausstül- pung der ventralen Darmwand. Der mediale Schenkel dieser Ausstülpung repräsentiert die Gallenblasenanlage, die seitlichen Schenkel — die beiden ventralen Pankreasanlagen. Alle drei Schenkel werden allmählich in den Ductus choledochus hinein- gezogen und bilden dann Anhangsorgane des letzteren. Der mediale Schenkel resp. die Gallenblasenanlage entsteht überall etwas früher als die beiden ventralen Pankreasanlagen und wird auch etwas früher als die letzteren in den Ductus choledochus hineingezogen. Bei den Selachiern wird die Gallenblasenanlage zu früh in den Ductus choledochus resp. in die Leber hinein- gezogen. Das ist höchstwahrscheinlich die Ursache, weswegen 39* 604 BORIS CHORONSHITZKY, bei dieser Wirbeltierabteilung keine ventralen Pankreasanlagen zustande kommen. 8. Die Einziehung der Gallenblasenanlage und der ventralen Pankreasanlagen in den Ductus choledochus geht Hand in Hand mit der Abschnürung der Leberanlage von der ventralen Darm- wand. Diese Abschnürung geschieht von vorne nach hinten. Je mehr infolge dieser Abschnürung die Leberanlage vorne an Anhaltspunkten verliert, desto mehr sucht sie hinten solche zu gewinnen und zieht in ihren Bereich den ventralen Abschnitt der hinter ihr liegenden Darmzone zusammen mit der kreuz- förmigen Ausstülpung hinein. Die Abschnürung der Leber- anlage hängt hauptsächlich mit der Verlängerung des vor ihr liegenden Darmabschnittes zusammen. Bei den Amphibien ist diese Verlängerung mit der kranio-kaudal fortschreitenden Diffe- renzierung der Darmwand verbunden. Es ist daher klar, warum die mehr kranial liegenden Anhangsorgane des Darmtraktes früher zur Anlage kommen, als die mehr kaudal liegenden. Die Leber entsteht daher überall früher als die der Gallenblase. Wir sind überzeugt, dass man auch bei den Selachiern ein Stadium finden könnte, wo nur die Leberanlage vorhanden ist, ohne jegliche Spur von der Gallenblasenanlage. Das von uns beschriebene erste Stadium des Torpedo zeigt nicht die aller- erste Leberanlage, denn letztere trägt schon hier sekundäre Divertikel und hat bereits die Gallenblasenanlage in sich hinein- gezogen, welche jedoch einer mehr kaudalwärts liegenden Darm- zone entspricht, als die anderen drei sekundären Leberdivertikel. 9. Der Ductus choledochus entsteht überall durch die Ab- schnürung der Leberanlage von der ventralen Darmwand. Wenn diese Abschnürung den hinteren Leberpol erreicht hat, setzt sie sich auch auf die hinter der Leberanlage gelegene Darmzone fort und trennt den ventralen Abschnitt derselben ab, welch letzterer dann gewissermassen einen Stiel für die abgeschnürte Leber- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 605 anlage oder den Ductus choledochus bildet. Mit der vollendeten Ausbildung des letzteren ist auch die Hineinziehung der kreuz- förmigen Ausstülpung in denselben verbunden. Es ist klar, dass dort, wo die Bildung des Ductus choledochus zu früh zu- stande kommt oder wo die Gallenblase und die beiden ventralen Pankrease verhältnismässig spät angelegt werden, letztere von vorne herein als Anhangsorgane des Ductus choledochus sich repräsentieren können. Indessen sieht man selbst in solchen Fällen, wie z. B. bei den Reptilien und Säugetieren, die kreuz- förmige Ausstülpung am Übergange des Ductus choledochus in die Darmwand liegen, sodass man auch hier die Gallenblasen- anlage und die ventralen Pankreasanlagen ohne weiteres als zur Darmwand gehörend betrachten kann. 10. Die Gallenblasenanlage schnürt sich später kranio- kaudal vom Ductus choledochus ab und an ihrem hinteren Pol bildet sich der Ductus eysticus, ebenso wie am hinteren Leber- pol der Ductus choledochus zustande gekommen ist. Bei den Reptilien, Vögeln und Säugetieren, wo zwei Lebergänge vor- handen sind, wird die Gallenblasenanlage so in den hinteren (resp. ventralen) Lebergang hineingezogen, dass letzterer nicht mehr direkt in den Darmkanal, sondern in den vorderen Pol der Gallenblase mündet. Der hintere Lebergang wird dadurch in einen Ductus hepato-cysticus umgewandelt, während der vordere (resp. dorsale) Lebergang einen Ductus hepato-entericus repräsentiert, der mit dem Ductus cysticus sich zum Ductus choledochus vereinigt. Später trennt sich der Ductus hepato- eystieus vollständig vom Vorderpol der Gallenblase ab und die eigentliche Leber hängt dann nur noch am Ductus hepato- enterieus, welcher also den definitiven Lebergang (Ductus hepa- ticus) darstellt. Daraus folgt erstens, dass der linke und rechte Leberlappen höchstwahrscheinlich dem linken und rechten Ast des ursprünglich vorderen Leberganges resp. des Ductus hepato- bU6 BORIS CHORONSHAITZKY, entericus entsprechen (s. o. Punkt 5); zweitens, dass die oft beim erwachsenen Tier vorhandenen Ductus hepato-cystici, welche die Galle direkt aus der Leber in die Gallenblase führen, höchst- wahrscheinlich Derivate des embryonalen Ductus hepato-cysticus resp. seiner Äste darstellen. — Als Endresultat erhalten wir bei allen Wirbeltieren nur einen Ductus hepaticus, unabhängig davon, ob im embryonalen Leben ein (wie bei den Selachiern und Amphibien) oder zwei Lebergänge (wie bei den Reptilien, Vögeln und Säugetieren) vorhanden waren. 11. Bei allen Wirbeltieren, ausser den Cyclostomata und einigen Fischen, findet man ein dorsales Pankreas. Es entsteht in Form einer länglichen Ausstülpung der dorsalen Darmwand, etwa gegenüber dem mittleren Teil der Leberanlage. Schon in kurzer Zeit schnürt sich diese Ausstülpung kranio-kaudal von der dorsalen Darmwand ab und bildet eine blindsackförmige Drüse, die mit dem blinden Ende sich mehr weniger nach rechts wendet, um schliesslich mit dem rechten ventralen Pan- kreas zu verschmelzen. Das dorsale Pankreas der Säugetiere schnürt sich von der dorsalen Darmwand kaudo-kranial ab und verschmilzt später mit dem vereinigten ventralen Pankreas. Bei den Selachiern giebt es keine ähnliche Verschmelzung, da hier kein ventrales Pankreas vorhanden ist. Diese Verschmel- zung geschieht überall so, dass die daran beteiligten Drüsen sich mehr. oder weniger an den blinden Enden mit einander vereinigen, wobei ihre Mündungen die ursprüngliche Lage nicht verändern. Das dorsale Pankreas wendet sich gewöhnlich mit dem blinden Ende nach rechts und ventralwärts, das rechte ventrale Pankreas (infolge der Rechtsdrehung des Ductus chole- dochus) — dorsalwärts, sodass die beiden Drüsen eben an den blinden Enden einander berühren und schliesslich auch ınitein- ander verschmelzen müssen. Eine Ausnahme bilden die Rep- tilien, wo die Mündung des dorsalen Pankreas sich allmählich Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 607 an der rechten Darmwand ventralwärts bis dicht an die Chole- dochusmündung verlagert und die Drüse selbst mit dem rechten ventralen Pankreas mehr durch seitliche Berührung verschmilzt, sodass zugleich auch die Mündungen beider Drüsen miten- ander verschmelzen. Bei keinem Wirbeltiere haben wir bei den genannten Verlagerungen des dorsalen Pankreas eine völlige Abtrennung seiner Mündungsöffnung von der Darmwand be- obachten können, (wie es z. B. Göppert und Laguesse für die Teleostier angeben, wo das abgetrennte dorsale Pankreas einige Zeit im Mesenchym ohne Ausführungsgang liegen soll, um sich erst nachträglich mit dem rechten ventralen Pankreas zu vereinigen. Nie haben wir eine Abtrennung der Mündungs- öffnung des dorsalen Pankreas vor der Verschmelzung desselben mit dem rechten ventralen Pankreas finden können.) Bei keinem Wirbelthiere haben wir ein doppeltes dorsales Pankreas gesehen. Der kranio-kaudalen Abschnürung des dorsalen Pankreas liegt wahrscheinlich dieselbe Ursache zu Grunde, wie der gleich- namigen Abschnürung der Leberanlage (s. oben Punkt 8). Eine Erklärung für die bei den Säugetieren in dieser Beziehung be- obachtete Abweichung gelang es uns vorläufig noch nicht zu finden. 12. Bei allen Wirbeltieren, ausser den Cyclostomata und Selachiern, entstehen zwei ventrale Pankreasanlagen (siehe oben Punkt 7). Sie liegen zu beiden Seiten der Gallenblasenanlage und entsprechen ungefähr derselben Darmzone, sodass mit der Einziehung der Gallenblase in den Ductus choledochus fast zu gleicher Zeit auch die ventralen Pankreasanlagen in denselben hineingezogen werden. Zusammen mit der Gallenblasenanlage bilden die beiden ventralen Pankreasanlagen die oben erwähnte kreuzförmige Ausstülpung, welche anfangs der Darm- wand, später dem Ductus choledochus gehört. Während die 608 BORIS CHORONSHITZKY, Gallenblasenanlage ausschliesslich aus der ventralen Darmwand entsteht, entsprechen die ersten Anlagen der ventralen Pankrease mehr den seitlichen Darmwänden. Das rechte ventrale Pankreas entsteht überall ein wenig früher als das linke, sodass in den ersten Stadien gewöhnlich ein Unterschied im Entwickelungs- grad der beiden vorhanden ist. Dieser Unterschied spricht eben dafür, dass wir hier immer mit zwei ventralen Pankreasanlagen zu thun haben, nicht mit einer (wie es noch in der letzten Zeit Hammar angenommen hat. Vergl. Kap. 9, Abschn. II). . Die Ursache des Nichtvorhandenseins eines ventralen Pan- kreas bei den Selachiern liegt höchstwahrscheinlich, wie schon oben (Punkt 7) erwähnt, in der frühen Einziehung der Gallen- blase in den Bereich der Leberanlage. Am besten sieht man die beiden ventralen Pankrease bei den Vögeln, denn hier verzweigen sich alle drei Pankreasan- anlagen, d. h. die dorsale und die beiden ventralen, und bilden einige Zeit Drüsen für sich, bevor sie sich zu einer gemein- schaftlichen Bauchspeicheldrüse vereinigen. Dagegen bilden die Säugetiere das ungünstigste Objekt in dieser Beziehung, denn bei ihnen verschmelzen die beiden ventralen Pankreasanlagen sehr früh miteinander, sodass man hier ihr allererstes Auf- treten sehr leicht übersehen kann. Die beiden ventralen Pankrease vereinigen sich gewöhnlich miteinander vor (d.h. dorsalwärts) und hinter (d. h. ventralwärts) dem proximalen Ende des Ductus choledochus und zwar so, dass dorsalwärts die Drüsenmassen, ventralwärts die Mündungen mit einander verschmelzen. Letztere nähern sich einander allmählich am hinteren (resp. ventralen) Choledochusumfang und ver- schmelzen schliesslich miteinander, indem die proximalen Drüsen- teile gewissermassen den Ductus choledochus von der dorsalen Seite her umfassen. Zu gleicher Zeit umbiegt die Drüsenmasse resp. das distale Ende des linken ventralen Pankreas den vor- Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse etc. 609 deren (resp. dorsalen) Choledochusumfang und vereinigt sich mit dem rechten ventralen Pankreas oder richtiger mit der aus der Verschmelzung des letzteren mit dem dorsalen Pankreas entstandenen Drüse. Auf solche Weise entsteht bei den Fischen, Amphibien und Reptilien ein pankreatischer Ring um das proxi- male Ende des Ductus choledochus. Bei den Selachiern fehlt selbstverständlieh dieser Ring, weil hier keine ventralen Pan- krease vorhanden sind. Bei den Vögeln ist er ebenfalls nicht vorhanden, weil hier keine Verschmelzung der Pankreasmün- dungen stattfindet: hier behält nämlich die vereinigte Bauch- speicheldrüse zeitlebens alle drei Mündungen und Ausführungs- gänge. Bei den Säugetieren kommt ein pankreatischer Ring nicht zustande aus dem Grunde, weil hier die beiden ventralen Pankreasanlagen früh am ventralen (resp. hinteren) Choledochus- umfangtotal miteinander verschmelzen, sodass keine zwei Drüsen- massen gebildet werden, die den Ductus choledochus beiderseits umbiegen könnten, sondern es kommt hier ein vereinigtes ven- trales Pankreas zustande, welches sich später rechterseits und dorsalwärts mit dem dorsalen Pankreas verbindet (vergl. vorigen Punkt). 13. Bei keinem Wirbeltier persistieren die verschiedenen Pankreasanlagen, ohne miteinander zu verschmelzen. Das End- resultat ist überall eine einheitliche Bauchspeicheldrüse, welche nur bei den Vögeln ihre drei Ausführungsgänge resp. Mündungen zeitlebens behält. Bei den anderen Wirbeltieren reduziert sich die Zahl der letzteren schon von vorne herein, Dank der Ver- schmelzung der Mündungen der ventralen Pankrease miteinander, auf zwei. Bei den Reptilien verschmilzt die Mündung der rechten ventralen Pankreasanlage mit derjenigen des dorsalen Pankreas (s. oben Punkt 11) und gleich darauf die hierdurch entstandene vereinigte Mündung mit derjenigen der linken ventralen Paukreas- anlage, sodass wir hier schon sehr früh eine einzige Mündung in der definitiven Bauchspeicheldrüse sehen. Bei den Selachiern 610 BORIS CHORONSHITZKY, ist in der letzteren von vorneherein nur eine einzige Mündung vorhanden. Bei den anuren Amphibien obliteriert in einem verhältnismässig späten Stadium die aus dem dorsalen Pankreas hervorgegangene Mündung, sodass auch hier nur eine einzige Mündung in der definitiven Bauchspeicheldrüse vorhanden ist. Zwei Mündungen resp. Ausführungsgänge bleiben, wie es scheint, zeitlebens nur bei den urodelen Amphibien und vielen Säuge- tieren bestehen. In letzteren Fällen nennt man den aus der Verschmelzung der Mündungen der beiden ventralen Pankreas- anlagen hervorgegangenen Ausführungsgang Ductus Wirsun- sianus, den anderen von der ursprünglich dorsalen Pankreas- anlage abstammenden Ausführungsgang — Ductus Santorini. Der erstere mündet gewöhnlich in oder zusammen mit dem Ductus choledochus, der zweite in gewisser Entfernung davon. 14. Bei allen Wirbeltierabteilungen stellt die Milzanlage einen an einen gewissen Abschnitt des linken Visceralblattes des Mesenteriums gebundenen Herd verdichteten Mesenchymgewebes dar. Wir unter- scheiden daher auch im Gewebe der Milzanlage fixe und freie Zellen Die ersteren bilden durch ihre Ausläufer ein Netz, in dessen Maschen die freien Zellen sich befinden. Letztere sind aber im Milzgewebe viel reichlicher vertreten, als im übrigen Mesen- chym. Das erklärt sich durch eine gesteigerte Prolifera- tion des Mesothelüberzuges der Milzanlage, welcher für letztere gewissermassen das Keimepithel darstellt. Dieser Mesothelüberzug unterscheidet sich nämlich vom übrigen Mesothel durch Verdickung, reichliche karyokinetische Figuren und ge- steigerte Ausscheidung von rundlichen Embryonalzellen, welche die Zahl der freien Zellen im anliegenden Mesenchymherd ver- mehren. Dadurch wird eben letzterer verdichtet und ge- wissermassen zur Milzanlage spezifiziert. Die Grenzen der Milz- anlage hängen von der Ausdehnung ihres Mesothelüberzuges ab. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse ete. 611 Letzterer geht aber allmählich in das übrige Mesothel über. Ebenso geht auch der verdichtete Mesenchymherd ganz allmählich in das umgebende Mesenchym über. Erst später isoliert sich der verdichtete Mesenchymherd, indem er zusammen mit seinem Mesothelüberzug sich allmählich in die Leibeshöhle hineinstülpt, sich abrundet und schliesslich ein mit dem linken Visceralblatt nur noch durch eine schmale Brücke verbundenes rundes Körperchen darstellt. Diese Brücke ist der zukünftige Hilus lienis, in dem die ein- und ausgehenden Milzgefässe verlaufen. Die erste Milzanlage entspricht meistens der Kante einerkranio-kaudalen Mesenterialfalte, welche dadurch entsteht, dass bei der Gastroduodenaldrehung des Darmtraktes das Mesogastrium zusammen mit dem Magen und vorderen Abschnitt des Duodenums stark nach links verlagert wird. Diese Falte ist die Anlage der Bursa omentalis. Da die Milzanlage mit dem linken Visceralblatt der letzteren verbunden ist, so liegt sie auch immer ausserhalb derselben. Nicht überall ist aber die genannte Falte zur Zeit der ersten Milzanlage gleich stark ausgeprägt. Am stärksten tritt sie bei den Vögeln hervor, am schwächsten bei den urodelen Amphibien. Bei den anuren Amphibien ist sie in der Milz- gegend, infolge der vielfachen Schlängelungen des Darmtraktes und der abweichenden Art der Lagerung seiner einzelnen Ab- schnitte, überhaupt nicht vorhanden, sodass hier die Milzan- lage gewissermassen die primitivste Lage hat. Da das dorsale Ende des dorsalen Pankreas resp. der definitiven Bauchspeicheldrüse gewöhnlich der Kante der oben genannten Mesenterialfalte zugewendet ist und infolge dessen in engster Nachbarschaft zur Milzanlage sich befindet, so könnte man einen genetischen Zusammenhang zwischen letzterer und der Bauchspeicheldrüse vermuten. Doch gelingt es überall nachzuweisen, dass die Milzanlage nichts Gemeinschaft- 612 BORIS CHORONSHITZKY. liches mit der Bauchspeicheldrüse hat. Letztere ist zur Zeit des Auftretens der ersten Spur einer Milzanlage ge- wöhnlich schon von einem eirkulär angeordneten Gewebe um- sponnen, welches eine Art Drüsenkörbehen bildet. Von aussen ist das Drüsenkörbehen reichlich von Gefässen umgeben. Zwischen letzteren und der Milzanlage befindet sich noch gewöhnlich eine ge- wisse Menge unverdichteten retikulären Mesenchymgewebes, so- dass ein Übergang von pankreatischen Elementen in die Milz- gegend jetzt schon unmöglich ist. Den besten Beweis hierfür liefern die anuren Amphibien: hier ist die Bauchspeicheldrüse durch die vielen Darmschlingen weit nach rechts verlagert, so- dass ein Zusammenhang zwischen derselben und der Milzanlage sogar nicht vermutet werden kann. Was im allgemeinen die Beteiligung entodermaler Elemente an der Milzanlage anbetrifft, so weicht letztere in dieser Be- ziehung nicht vom übrigen Mesenchym ab. Bei allen Wirbel- tieren wandern in den jüngsten Stadien, wo keine scharfe Ab- grenzung des Entoderms vorhanden ist, Elemente des letzteren in das Mesenchym hinein. Mit der Bildung eines den ganzen Darmtrakt umspinnenden eirkulär angeord- neten Gewebes hört die Einwanderung entodermaler Elemente ins Mesenchym gewöhnlich auf. Am längsten hält sie aber bei den Amphibien an, sodass wir hier dieselbe noch zur Zeit der Entstehung der Milz beobachten können. Dadurch erklärt sich eben die Thatsache, dass die erste Milzanlage der Amphibien, besonders der Anuren, sehr reich an entodermalen Elementen ist. Doch ändert das nicht im mindesten das allgemeine Gesetz von der Entstehung der Milz aus einem mit dem linken Visceral- blatt eng verbundenen Mesenchymherd. Denn auch bei den Amphibien zeigt der Mesothelüberzug der ersten Milzanlage die bei den anderen Wirbeltieren beobachteten charakteristischen Veränderungen, sodass er auch hier gewissermassen als Keim- epithel der Milzanlage betrachtet werden kann. Die Entstehung d. Milz, Leber, Gallenblase, Bauehspeicheldrüse ete. 613 Was das Niveau der Milzanlage anbetrifft, so entspricht es im allgemeinen dem Übergang des Magens in das Duodenum. Doch zeigt es Abweichungen nicht nur bei verschiedenen Wirbel- tierabteilungen, sondern auch in verschiedenen Stadien desselben Tieres. Da aber die Milzanlage nichts Gemeinschaftliches mit dem Darmtrakt hat, so ist ihre Lagebestimmung zum letzteren nicht von Bedeutung. Es wäre viel wichtiger, das Niveau des mit der ersten Milzanlage verbundenen Mesothelabschnittes im Verhältnis zu einem fixen Punkt zu bestimmen. In dieser Be- ziehung fanden wir beim Frosch und beim Schaf die erste Milzanlage in der Höhe des Abganges der Arteria mesenterica von der Aorta. Doch ist ein genetischer Zusammenhang zwischen Arteria mesenterica und Milz in jedem Falle völlig ausgeschlossen. Das venöse System verhält sich zur Milzanlage ebenso wie zum übrigen Mesenchym. Man sieht innerhalb der Milzanlage zwischen den fixen Zellen unregelmässige kleine Lumina mit je 1—2 Blutkörperchen. Die Lumina haben keine eigene Endothel- wand. Sie sammeln sich alle zu einem grösseren aus dem hin- teren Milzabschnitt ventralwärts herauskommenden Lumen, welches schon eine eigene Endothelwand besitzt und eine grössere Zahl Blutkörperchen in sich einschliesst. Das ist die Vena lienalis, welche sich also frei in das Milzgewebe eröffnet. Dieses Ver- hältnis kann aber durchaus nicht so aufgefasst werden, als wäre die Milzanlage ein „venöser Sinus des Pfortadersystems“, (wie es z. B. Laguesse annimmt). Denn ähnlich verhält sich das Venensystem auch zum übrigen Mesenchym. Was die aktive Beteiligung des Venenendothels an der Milzanlage betrifft, so haben wir nirgends eine Entstehung von Milzzellen aus dem selben beobachten können. Eine Abstammung der Milz von der Venenwand scheint uns danach völlig ausgeschlossen zu sein. — Erklärung der Abbildungen.') *Fig. 1—10. 10. Querschnitte eines Embryo von Torpedo ocellata. I. Stadium. Die Schnitte sind so gezeichnet, dass die Medulla dem Leser zuge- wandt ist. — Zwischen Fig. 1 und 2 sind 2 Schnitte übergangen, zwischen Fig. 2 und 3 — 3 Schnitte, zwischen Fig. 3 und 4 — ebenfalls 3 Schnitte, zwischen Fig. 4 und 5 —4 Schnitte, zwischen Fig. 5 und 6 — ebenfalls 4 Schnitte, zwischen Fig. 6 und 7 — 5 Schnitte, zwischen Fig. 7 und 8 — 1 Schnitt, zwischen Fig. 8 und 9 — 7 Schnitte und zwischen Fig. 9 und 10 — 12 Schnitte übergangen. Fig. 11—18. 8 Querschnitte eines Embryo von Torpedo ocellata. II. Stadium. Auf Fig. 11—14 sind aufeinander folgende Schnitte gezeichnet. Zwischen Fig. 14 und 15 sind 4 Schnitte übergangen; auf Fig. 15 und 16 sind 2 auf- einanderfolgende Schnitte gezeichnet; zwischen Fig. 16 und 17 ist 1 Schnitt zwischen Fig. 17 und 18 sind etwa 5 Schnitte übergangen. Fig. 19—23. 5 Querschnitte eines Embryo von Torpedo ocellata. III. Sta- dium. Zwischen Fig. 19 und 20 sind 3 Schnitte übergangen, zwischen Fig. 20 und 21 — etwa 20 Schnitte, zwischen Fig. 21 und 22 — 27 ara zwischen Fig. 22 und 23 — 13 Schnitte. Fig.24—29. 6 Querschnitte eines Embryo von Torpedo ocellata. IV. Stadium. Fig. 30. Ein schematischer Längsschnitt eines Torpedoembryo in der Mittelebene des Körpers. IV. Stadium. Fig. 31—34. 4 Querschnitte eines Embryo von Torpedo ocellata. V. Stadium. Zwischen Fig. 31 und 32 sind 3 Schnitte übergangen, zwischen Fig. 32 und 33 — 3 Schnitte, zwischen Fig. 33 und 34 — 26 Schnitte. 1) Die mit einem Stern bezeichneten Abbildungen sind so ausgeführt, dass die Medulla dem Leser zugewandt ist. Erklärung der Abbildungen. 615 Fig. 35. Ein schematischer Längsschnitt eines Hühnchenembryo in der Körpermittelebene. I. Stadium. Fig. 36. Ein Querschnitt eines Hühnchenembryo. I. Stadium, Fig. 37—40. 4 Querschnitte eines Hühnchenembryo. II. Stadium. Zwischen Fig. 39 und 40 ist 1 Schnitt übergangen. Fig. 37A. Ein schematischer Längsschnitt des Darmkanals eines Hühn- chenembryo in der Körpermittelebene. II. Stadium. Die Lebergegend. Fig. 41—49. 9 Querschnitte eines Hühnchenembryo. III. Stadium. Zwischen Fig. 47 und 48 sind 11 Schnitte übergangen. Fig. 50. Ein schematischer Längsschnitt des Darmkanals eines Hühn- chenembryo in der Körpermittelebene. III. Stadium. Gegend der grossen Bauchdrüsen. Fig. 51—58. 8 Querschnitte eines Hühnchenembryo. Stadium IV. Zwischen Fig. 54 und 55 sind 15 Schnitte übergangen. Fig. 59. Ein schematischer Längsschnitt des Darmkanals eines Hühn- chenembryo in der Körpermittelebene. IV. Stadium. Gegend der grossen Bauch- drüsen. Fig. 60—66. 7 Querschnitte eines Hühnchenembryo. V. Stadium. Fig. 62, 63 und 65 wurden nach einem grösseren Massstab gezeichnet als Fig. 60 und 61. Fig. 64 ist nach einem noch grösseren Massstab gezeichnet und zeigt den mikroskopischen Bau der Organe. Fig. 67. Ein schematischer Längsschnitt des Darmkanals eines Hühn- chenembryo. V. Stadium. Gegend der grossen Bauchdrüsen. Die dicht neben der Milz (Mi.) gezeichnete bogenförmige Linie deutet die Kante der Mesen- terialfalte an. Fig. 68—69. 2 Querschnitte eines anderen Hühnchenembryo des V. Sta- diums. Fig. 68 wurde nach einem viel grösseren Massstab als Fig. 69 aus geführt. Fig. 70—72. 3 Sagittalschnitte einer Larve von Salamandra macu- losa, von denen der mittlere der Körpermittelebene entspricht, die zwei seit- lichen von letzterer um etwa 20 Schnitte nach links und rechts entfernt sind. I. Stadium. Fig. 73. Ein Sagittalschnitt einer Larve von Salamandra maculosa. Stadium II. Fig. 74. Ein Querschnitt einer Larve von Salamandra maculosa. Stadium IV. Fig. 75. Ein von der Körpermittelebene ein wenig nach rechts abweichen- der schematischer Sagittalschnitt einer Necturuslarve. *Fig. 76—77. Zwei Querschnitte einer etwas älteren Necturuslarve, von denen der erstere dem Niveau der Milz und des Magens, der andere dem Niveau der Gallen- und vorderen resp. ventralen Pankreasgänge entspricht, 616 Erklärung der Abbildungen. Fig. 78. Ein kombinierter schematischer Längsschnitt einer Froschlarve, so ausgeführt, dass er ventralwärts nach rechts von der Körpermittelebene, dorsalwärts nach links von derselben abweicht. *Fig. 79. Ein kombinierter schematischer Querschnitt einer gleichalten Froschlarve. Fig. 79a. Ein Querschnitt einer älteren Froschlarve. Hier ist die erste Milzanlage sichtbar. *Fig. 80, Fig. 81 uud *Fig. 82. Drei Querschnitte verschieden alter Em- bryonen der Blindschleiche. Auf Fig. 80 sind zwei ganz junge Pankreas- knospen (Kn. I und Kn. 2), auf Fig. 81 zwei ältere teilweise von eirkulärem Ge- webe umsponnene kompakte Knospen oder Schläuche sichtbar. Fig. 82 zeigt eine noch ältere Pankreasknospe (Pa.kn.) Fig. 81 zeigt unten die sog. kreuzförmige Aus- stülpung, welche teilweise nach rechts gerichtet ist; oben sieht man das schräg durchschnittene dorsale Pankreas, dessen Mündung in den Darm hier nicht ge- troffen ist. Die Vena mesenterica sieht sichelförmig aus. Die Leberzellen sind deutlich konturiert. — Auf Fig. 80 ist mit X eine Stelle des Mesothels bezeichnet, wo eine lebhafte Zellenauswanderung sich bemerkbar macht; letztere wurde in einem späteren Stadium beobachtet, aber hier hineingezeichnet. *Fig. 83. Ein Querschnitt eines Schafsembryo. Stadium II. Man sieht die erste Anlage der beiden ventralen Pankrease (Pa. v. d. und Pa. v. s.), welche zusammen mit der Gallenblasenanlage (G. bl.) die sog. kreuzförmige Ausstülpung der Darmwand bilden. *Fig. 34. Ein Querschnitt eines Schafsembryo. Stadium II. *Fig. 85. Ein Querschnitt eines Schafsembryo. Stadium IV. Litteraturverzeichnis. Baer, K. E. v., Über Entwickelungsgesch. der Tiere. 1828. . Balfour. Handbuch der vergl. Embryologie. Jena 1881. Bischoff, Entwickelungsgeschichte der Säugetiere und des Menschen. Leipzig 1842. Brachet, Rech. sur le devel. du diaphragma et du foie chez le lapin. Journ. de l’Anat. et de la Phys. T. 31, 1895. — Rech. sul le devel. du Pancereas et du foie. Ib. 1896. — Rech. sur le devel. de la cavit& hepato-enterique etc. Arch. de Biol. T. 13. . — Die Entw. und Histogen. d. Leber u. d. Pankr. Ergebn. d. Anat. u. Entwick. Bd. 6. 1896. Wiesbaden 1897. -— Sur le devel. du foie etc. Anat. Anz. B. 13. 1897. Bromann, Beschreib. eines menschl. Embryo u. s. w. Morph. Arb. v. Schwalbe. Bd. 5, 1896. Brouha, Sur les prem. phas. du devel. du foie ete. Anat. Anz. Bd. 14. Nr. 9. . Duval, Atlas d’Embryologie. Paris 1889. . Endres, Beitr. z. Entwickelungsgesch. u. Anat. d. Darmes, d. Darmgekr. u. d. 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Do.v. — Dottervene; Do. vv. = Dottervenen. D. pa. d. und D. pa. s. = Ductus pancreaticus ventralis dexter et sinister. dePas —pa=d: Du. — Duodenum. D.'v. int. — Ductus vitello-intestinalis. End. — Endocardium. Ent. — Entoderma. G. bl. = Gallenblase. Glom. — Glomerulus. Gl. thyr. —= Glandula thyreoidoa. Gr.r. = Grenzrinne. h. Amn. f. — hintere Amnionfalte. H. da. — Hinterdarm. h. Da. pf. = hintere Darmpforte. H.d.s. = Hautdottersack. 622 Abkürzungen (zu den Abbildungen). He. — Herz. h. Sch. = Magen (zu Fig. 78). H.v.f. = Hohlvenenfalte (Hochstetter). Kn. 1, Kn. 2 —= pankreatische Knospen. Le. — Leber, Le.1, Le.2 = sekundäre Leberdivertikel (vorderes und hinteres). Le.g. = Lebergang, Ductus hepaticus. Eh.1, Lh.2 = ceoe. 1], coe. 2. Lu. = Lunge. Ma. — Magen, Ma.f. Magenfundus. M.da. = Mitteldarm. Med. — Medulla. Mes. —= Mesenterium, Mes. w. — Mesenteriumwurzel. Mes. a. = Mesog. a. — Mesogastrium anterius (ventr.). Mi. = Milz. Mpl. = Muskelplatte. Mu. = Mund. Oes. — Oesophagus. Pa. — Pankreas; Pa. schl. = Pankreasschläuche. Pa.kn. = Pankreasknospen. Pa. d. = Pancreas dorsalis. Pa. v. d. und Pa. v. s. = Pancreas ventralis dexter et sinister. Per. f. = Peritonealfenster. Ri., Ri. 1 = Darmrinne. R. sin. = Dorsalanastomose. S.f. = Seitenfalte. S. v. = Sin. v. = S. ven. = Sinus venosus. Som. = Somatopleura. Spg. = Spinalganglion. Spl. = Splanchnopleura. v. cav. ij. = Vena cava posterior. v. c. p. d. und v. c. p. s.—= Vena cardinalis posterior dextra et sinistra. v. Amn.f. — vordere Amnionfalte. V.da. — Vorderdarm. v. Da.pf. = vordere Darmpforte. vill. = villositas. v.l. = v. lien. = Vena lienalis. v. o. m. d. et v. o. m. s. = Vena omphalomesenterica dextra et sinistra. v. pa. = Vena pancreatica. v. p. = v. port. = Vena portae. v. Sch. = kaudaler Abschnitt des Duodenum (zu Fig. 78). v. subi. = Vena subintestinalis. v. u. d. et v. u. s. — Vena umbilicalis dextra et sinistra. v, umb. —= Vena umbilicalis. v. vit. a. d. = Vena vitellina anterior dextra. Fra alt. Kapitel Seite 1. Litteratur über die Entstehung der Milz. . . . 2 2 2 202020..869 9, Litteratur über die Entstehung der Leber, Gallenblase und Bauch- speicheldrüse . . - N 2 2 er LEN) 3. Torpedo ocellata . . . ke EEE iur. zög 4. Gallus domestieus (Hühnchen) a ee a ARIRE. 5. Salamandra maculata (Salamander) . . . 2 2... I en 6. Menobranchus lateralis (Necturus) ar eK 2 Re Hans. temperaria (Brosch), six, "co acer hg a ee 8. Anguis fragilis (Blindschleiche) . ER N 1 Auch Se 9, Ovis aries L. (Schaf) . Pd. EN Mn nv. 10. Ergebnisse. . . um nd Sl ne Meat. Erklärung der Anbildingen N EN. a... Litteraturverzeichniss . . . - N N <> dd INpEnzzunzena N ae lau. . see 621 Bahr 64 ’& Es I) \ A vn R j at Barker Yan N9 werd Ari ar ätnaaf, ia 5, [4 BU n are ’ 5 hr BL AAN a! I: ) ih iM Ian Kinn mi ME TERN ” KAANı Ir HT